181 116 185MB
German Pages 2303 [2304] Year 1900
WIECZOREK ZPO
und
GVG
SAMMLUNG
flSIg
Jü
GUTTENTAG
252
Zivilprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz Handausgabe auf Grund der Rechtsprechung erläutert von
Bernhard Wieczorek Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof
Berlin 1960
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.
Archiv-Nr. 21 1 252/60 Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin SW 61 Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten
Vorwort Der Verlag wünschte ein Erläuterungsbuch in der Größenordnung des von ihm früher herausgegebenen Handkommentars zur Zivilprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz von Dr. Sydow, Dr. L. und A. Busch, Dr. Krantz und Triebel. Der Verfasser hat sich bemüht, dem Wunsch durch das vorliegende Erläuterungsbuch zu entsprechen. Die Handausgabe soll der Praxis eine schnelle Orientierung über die Rechtsprechung ermöglichen. Sie erfaßt in gröberen Zügen das von dem Verfasser in seinem Großkommentar zum ZPO näher Erläuterte. Die Randziffern stimmen in beiden Ausgaben überein. Wer also tiefer in die Materie eindringen will, kann auf dieselbe Stelle in dem Großkommentar zurückgreifen. Um dem Benutzer diese Erleichterung zu verschaffen, war es allerdings nötig, die Reihenfolge der Randziffern in der Handausgabe dort zu unterbrechen, wo bestimmte Abschnitte der großen Ausgabe, die in der Praxis eine geringere Rolle spielen, nicht beibehalten worden sind. In diesem Erläuterungsbuch ist zum Beleg des Gesagten grundsätzlich nur eine Entscheidung genannt, die Nebengesetze sind in ihm — im Gegensatz zum Großkommentar — nicht abgedruckt; es beschränkt sich auf die Zivilprozeßordnung, ihr Einführungsgesetz, daß Gerichtsverfassunggesetz und sein Einführunggesetz. Auch das Erläuterungsbuch ist auf Grund der Rechtsprechung gefertigt, und ich bitte auch hier den Leser, selbst zu urteilen und zu prüfen, ob die vorgetragene Auffassung richtig ist. Nach Möglichkeit wurde versucht, Irrtümer zu vermeiden; eine Gewähr für Richtigkeit kann aber unter dem Gesichtswinkel menschlicher Unvollkommenheit nicht übernommen werden. Allen, die mir halfen, dieses Buch vorzulegen, danke ich sehr.
Herbst 1960
Der Verfasser
Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort
III
Abktirzungsverzeichnis
IX
Einffihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Erster Titel. Richteramt (§§ 1—11) Zweiter Titel. Gerichtsbarkeit (§§12—21) Dritter Titel. Amtsgerichte (§§ 22—27) Vierter Titel. Schöffengerichte (§§ 28—58) Fünfter Titel. Landgerichte (§§59—78) Sechster Titel. Schwurgerichte (§§79—92) Siebenter Titel. Kammern für Handelssachen (§§ 93—114) Achter Titel. Oberlandesgerichte (§§115—122) Neunter Titel. Bundesgerichtshof (§§123—140) Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (§§141—152) Elfter Titel. Geschäftsstelle (§153) Zwölfter Titel. Zustellung- und Vollstreckungsbeamte (§§154, 155) Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (§§156—168) Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (§§169—183) Fünfzehnter Titel. Gerichtssprache (§§184—191) Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (§§ 192—198) Siebzehnter Titel. Gerichtsferien (§§199—202)
1 12 12 23 61 68 73 86 89 103 107 114 117 120 123 136 148 151 154
Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung
159
Zivilprozeßordnung
168
Erstes Buch. Allgemeine Bestimmungen (§§ 1—252) E r s t e r A b s c h n i t t . Gerichte (§§ 1—49) Erster Titel. Sachliche Zuständigkeit der Gerichte (§§1—11) Zweiter Titel. Gerichtsstand (§§ 12—37) Dritter Titel. Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte (§§38—40) . . Vierter Titel. Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen (§§ 41—49) .
168 168 168 200 244 250
Zweiter A b s c h n i t t . Parteien (§§ 50—127) Erster Titel. Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit (§§ 50—58) Zweiter Titel. Streitgenossenschaft (§§59—63) Dritter Titel. Beteiligung Dritter am Rechtsstreit (§§ 64—77) Vierter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände (§§ 78—90) Fünfter Titel. Prozeßkosten (§§91—107) Sechster Titel. Sicherheitsleistung (§§ 108—113) Siebenter Titel. Armenrecht (§§ 114—127) D r i t t e r A b s c h n i t t . Verfahren (§§ 128—252) Erster Titel. Mündliche Verhandlung (§§ 128—165) Zweiter Titel. Verfahren bei Zustellungen (§§ 166—213) I. Zustellungen auf Betreiben der Parteien (§§ 166—207) II. Zustellungen von Amts wegen (§§ 208—213)
262 262 299 312 339 367 432 448 487 487 553 553 599 VII
Inhaltsverzeichnis Seite
Dritter Titel. Ladungen, Termine und Fristen (§§ 214—229) Vierter Titel. Folgen der Versäumung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 230—238) Fünfter Titel. Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens (§§ 239—252) . .
606 619 644
Zweites Buch. Verfahren im ersten Rechtszuge (§§ 253—510 c) E r s t e r A b s c h n i t t . Verfahren vor den Landgerichten (§§ 253—494) Erster Titel. Verfahren bis zum Urteil (§§ 253—299) Zweiter Titel. Urteil (§§ 300—329) Dritter Titel. Versäumnisurteil (§§ 330—347) Vierter Titel. Verfahren vor dem Einzelrichter (§§ 348—350) Fünfter Titel. Allgemeine Vorschriften über die Beweisaufnahme (§§355—370) Sechster Titel. Beweis durch Augenschein (§§ 371—372 a) Siebenter Titel. Zeugenbeweis (§§ 373—401) Achter Titel. Beweis durch Sachverständige (§§ 402—414) Neunter Titel. Beweis durch Urkunden (§§ 415—444) Zehnter Titel. Beweis durch Parteivernehmung (§§445—455) Elfter Titel. Verfahren bei der Abnahme von Eiden (§§478—484) Zwölfter Titel. Sicherung des Beweises (§§ 485—494) Z w e i t e r A b s c h n i t t . Verfahren vor den Amtsgerichten (§§ 495—510c)
685 685 685 867 979 998 1002 1015 1020 1060 1072 1093 1106 1108 1116
Drittes Buch. Rechtsmittel (§§ 511—577)
1129
E r s t e r A b s c h n i t t . Berufung (§§ 511—544) Z w e i t e r A b s c h n i t t . Revision (§§ 545—566a) D r i t t e r A b s c h n i t t . Beschwerde (§§ 567—577)
1129 1220 1277
Viertes Bach. Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578—591)
1302
Fünftes Buch. Urkunden- und WechselprozeS (§§592—605 a)
1334
Sechstes Buch. Ehesachen, Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern, Entmündigungssachen (§§ 606—687) 1351 E r s t e r A b s c h n i t t . Verfahren in Ehesachen (§§ 606—638)
1351
Z w e i t e r A b s c h n i t t . Verfahren in Rechtsstreitigkeiten, welche die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern zum Gegenstand haben (§§ 640 bis 644) 1405 D r i t t e r A b s c h n i t t . Verfahren in Entmündigungssachen (§§645—687)
1414
Siebentes Buch. Mahnverfahren (§§ 688—703 a)
1443
Achtes Buch. Zwangsvollstreckung (§§ 704—945) E r s t e r A b s c h n i t t . Allgemeine Vorschriften (§§ 704—802)
1459 1459
Z w e i t e r A b s c h n i t t . Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (§§803—882a) . Erster Titel. Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (§§ 803—863) . I. Allgemeine Vorschriften (§§ 803—807) II. Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen (§§ 808—827) I I I . Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 828 bis 863)
1638 1638 1638 1656 1705
Zweiter Titel. Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (§§ 864—871) 1804 Dritter Titel. Verteilungsverfahren (§§ 872—882) 1816 Vierter Titel. Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechtes (§ 882 a) 1825 VIII
Inhaltsverzeichnis
Seite
D r i t t e r A b s c h n i t t . Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen (§§ 883—898) V i e r t e r A b s c h n i t t . Offenbarungseid und Haft (§§ 899—915)
1827 1858
F ü n f t e r A b s c h n i t t . Arrest und einstweilige Verfügung (§§ 916—945)
1872
Neuntes Buch. Aufgebotsverfahren (§§ 946—1024)
1923
Zehntes Buch. Schiedsrichterliches Verfahren (§§ 1025—1048)
1962
Stichwortverzeichnis
2024
IX
Abkürzungsverzeichnis a. a. 0 . ABl. AbzG ADB ADSp. a. E . a. F . AG AKG AktienG a. M. AnfG Anh. AnO AnwBl. AP Arch. f. ziv. Prax. AV AVB AVO BAnz. Baumbach-Lauterbach Bay. BayObLG
BB BBG Bd. BdF BDO Beil. Bek. Bekl. betr. Betrieb BGBl. BGH BGHSt. BGHZ BinnSchG BJM
Bl.
am angegebenen Ort Amtsblatt G betr. die Abzahlungsgeschäfte Allgemeine Deutsche Bankbedingungen Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen am Ende alte Fassung Amtsgericht; bei Gesetzen: Ausführungsgesetz Allgemeines KriegsfolgenG Gesetz über Aktien- und Kommanditgesellschaften auf Aktien andere Meinung Anfechtunggesetz Anhang Anordnung Anwaltsblatt, Nachrichten für Mitglieder des Deutschen Anwaltsvereins Arbeitsrechtliche Praxis (ab 1. 7. 54 Nachschlagewerk des BArbG) Archiv für die zivilistische Praxis (Verlag J . C. B . Mohr — Paul Siebeck, Tübingen) Allgemeine Verfügung Allgemeine Versicherungbedingungen Ausführungverordnung Bundesanzeiger ZPO, Kurzkommentar von Dr. A. Baumbach, neubearbeitet von Dr. Lauterbach Bayern Sammlung der Entscheidungen des bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (Band und Seite); ohne Zusatz Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater Bundesbeamtengesetz Band Bundesminister der Finanzen Bundesdisziplinarordnung Beilage Bekanntmachung Beklagte (r) betreffend Der Betrieb, Verlag Handelsblatt GmbH, Düsseldorf, Pressehaus, Martin-Luther-Platz Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Urteile des B G H in Strafsachen (ohne Zusatz: Amtliche E n t scheidungssammlung) Urteile des B G H in Zivilsachen Binnenschiffahrtgesetz Bundesminister der Justiz Blatt
XI
Abkürzungsverzeichnis Blf. RA BLG BRAGebO BRD Büro BüroBl. BVFG BW BWM bzw.
= = = = = = = = = =
c. CC
= canon = codb civile
DanzJZ DAR
dgl. DGemWiR DGVZ d. h. DJ DJZ DNotZ DR DR A DR B DRpflRspr. DRiZ DRiZ Rspr. DRZ DVO
= Danziger Juristenzeitung = Deutsches Autorecht; 1951 und 1952 vereinigt mit „Das Recht des Kraftfahrers" = Der Betrieb = Deutsche Demokratistehe Republik (Ostzone) = Arbeitsgerichtsgesetz, Kommentar von Dr. H. Dersch und Dr. E. Volkmar = desgleichen = Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht = Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung = das heißt = Deutsche Justiz = Deutsche Juristenzeitung = Deutsche Notarzeitschrift = Deutsche Rechtsprechung = Deutsches Recht (Wochenausgabe) = Deutsches Recht (Monatsausgabe) = Deutsche Rechtspflege (Rechtsprechungbeilage) = Deutsche Riehterzeitung = Deutsche Richterzeitung (Rechtsprechungbeilage) = Deutsche Rechtszeitschrift (ab 1951 mit SJZ vereinigt zu JZ) = Durchführungsverordnung
EG EntIVO Erl. EVO
= Einführunggesetz (ohne Zusatz: EG ZPO) = Entlastungsverordnung = Erläuterung = Eisenbahnverkehrsordnung
f. FamRZ FGG folg.
= = = =
FürsPflVO
= Verordnung über die Fürsorgepflicht
G GA GBO GebrMG GenG GeschmMG
= = = = = =
DB DDR Dersch-Volkmar
XII
Seufferts Blätter für Reehtsanwendung (Band und Seite) BundesleistungG v. 19. 10. 56 (BGBl. I 815) Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Bundesrepublik Deutschland Das Büro (Verlag Kurt Groß, Plensburg, Moltkestr. 10) Büro Blatt (ab 1932 JVB1) Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz Baden-Württemberg Bundesminister iür Wirtschaft beziehungweise
folgend Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht (Zeitschrift) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit folgende
Gesetz Goltdammer Archiv, Jahrgang und Seite Grundbuchordnung Gebrauchsmustergesetz Genossenschaftsgesetz Gesetz, betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz)
Abkürzungsverzeichnis GewO GG GKG GMB1. GmbH Gruch. GRUR GS GV GVB1. GVG GVGA GVO GVVO GWB HGB HinterlO h. M. HRR
Gewerbeordnung Grundgesetz Gerichtikostengesetz Gemeinsames Ministerialblatt Gesellschaften mit beschränkter Haftung Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot (Band und Seite) Gewerblicher Rechtschutz und Urheberrecht Gesetzsammlung Gerichtsvollzieher Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassunggesetz Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher Gerichtsvollzieherordnung VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handelsgesetzbuch = Hinterlegungsordnung = herrschende Meinung : Höchstrichterliche Rechtsprechung
i. d. F. i. F.
in der Fassung im Falle
Jb. JBl. JMB1. JR JR A JR B
Jahrbuch Justizblatt Justiz ministerialblatt Juristische Rundschau Juristische Rundschau (Aufsatzteil) Rechtsprechungsbeilage der Juristischen Rundschau von 1925 bis 1927, ab 1928 vereinigt mit OLG zu H R R (Jahr und Nummer) Justiz und Verwaltung Juristische Wochenschrift Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung
JuV JW JWG JZ KG KGB1. KGJ Kl. KO Konkurs und Treuhand KostO KostV KunstUrhSchutzG KV 1 LAG Lb. LG LitUrhG
Kammergericht Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Band und Seite) Kläger Konkursordnung Konkurs und Treuhandwesen Kostenordnung Kostenverfügung Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie Konkursverwalter lex Lastenausgleichsgesetz Lehrbuch Landgericht Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst XIII
Abkürzungsverzeichnis LM LPG LuftschG
= Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs = Landpachtgesetz — Luitschutzgesetz
LVG
= Gesetz über das Verfahren in Landwirtschaftssachen
MDR
= Monatsschrift für Deutsches Recht
MDR B
= Rechtsprechungsbeilage der Monatsschrift für Deutsches Recht (Nummer und J a h r ) = Monatsschrift der Reichsrechtsanwaltskammer = Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege und Wissenschaft = mit Nachweisen = Motive = MieterschutzG = Markenschutz und Wettbewerb = Nachschlagewerk des Reichsgerichts auf dem Gebiet der ZPO {§ und Nummer); auf anderen Gebieten Zitat nach Gesetz, §, Nr., also z. B. N GVG § 13/7 = Zeitung der Anwaltskammer im Bezirk des OLG Naumburg = Niedersachsen = neue Fassung = Niedersächsische Rechtspflege = Neue Justiz = Neue Juristische Wochenschrift = Notarordnung = Notverordnung = Novelle = Nummer = Nordrhein-Westfalen
MDRRAK JlecklZ m. N. Mot. MSchG MuW N
NaumburgerZ Nds. n. F. NdsRpfl. NJ NJW NotO NotVO Nov. Nr. NRW 0 ÖA OGH oHG OLG
PatBl. Pohle PosMS
= Ordnung = Öffentlicher Anzeiger der Verwaltung des Vereinigten. Wirtschaftsgebietes = Oberster Gerichtshof der britischen Zone = Offene Handelsgesellschaft = Oberlandesgericht; (mit Zahlenszusatz: Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts, herausgegeben von Mugdan-Falkmann); (Band und Seite)
PrABG PStG
= Blatt für Patente, Muster und Zeichenwesen = Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur ZPO, bearbeitet von Pohle = Juristische Monatsschrift für Posen, West- und Ostpreußen und Pommern = P r . Allgemeines Berggesetz = Personenstandsgesetz
R RA RAGebO RAnz. RAO RBeratG
= = = = = =
RdErl.
XIV
Reich . . . Rechtsanwalt Gebührenordnung für Rechtsanwälte Deutscher Reichsanzeiger Rechtsanwaltsordnung G zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung = Runderlaß
Abkürzungsverzeichnis Recht RechtsbeiständeGeb G RegBl. RegBlThür. RG RGBl. RGSt. RGStRspr. RGZ RheinArch. RheinZ RhPf. RJA
RLG RMG Rosenberg Lb. Rpfl. RV RVO RWP-Blattei
S SaBl. SächsA SächsA f. Rechtspil. Sachs Ann. SchlH SchlHA Schönke SchutzVO Seuff. Seuff.-Walsmann SGG SHG SJZ StAnz. SR+StZ SRZ StPO str. StVG
stvo
StuW
= Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenstand, seit 1925 mit dem Untertitel Juristisches Zentralblatt für Praktiker, zuletzt Monatsbeilage der DJ (Jahr und Nummer) = G über Gebühren und Auslagen von Rechtsbeiständen = Regierungsblatt = Regierungsblatt für Thüringen = Reichsgericht = Reichsgesetzblatt = Amtliche Entscheidungssammlung des RG in Strafsachen = Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen, herausgegeben von den Reichsanwälten (Band und Seite) = Amtliche Entscheidungssammlung des RG in Zivilsachen = Archiv für Zivil- und Strafrecht der Königl. Pr. Rheinprovinz = Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht = Rheinland-Pfalz = Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zusammengestellt vom Reichsjustizamt, zuletzt vereinigt mit KGJ als JFG (Band und Nummer) = Reichsleistunggesetz = Reichsmietengesetz = Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts = Der deutsche Rechtspfleger = Reichsverfassung = Reichsversicherungsordnung = Blattei-Handbuch Rechts- und Wirtschaftspraxis (Porkel-Verlag, Stuttgart) = Satz bzw. Seite = Sammelblatt = Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Band und Seite) = Sächsisches Archiv für Rechtspflege (später Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt) (Jahr und Seite) = Annalen des Oberlandesgerichts Dresden, später vereinigt mit Sächsischem Archiv für Rechtspflege (Band und Seite) = Schleswig-Holstein = Schleswig-Holsteinische Anzeigen = Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur ZPO, 17. Auflage, jetzt bearbeitet von Pohle = Schutzverordnung = Seuffert's Archiv für Entscheidungen der Obersten Gerichte (Band und Nummer) = Seuffert-Walsmann, Kommentar zur ZPO = Sozialgerichtsgesetz = Soforthilfegesetz = Süddeutsche Juristenzeitung = Staatsanzeiger = Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift = Saarländische Rechtszeitschrift = Strafprozeßordnung = streitig = Straßenverkehrsgesetz = Straßenverkehrsordnung = Steuer und Wirtschaft XV
Abkürzungsverzeichnis Sy dow-Busch
= Kommentar zur ZPO nebst GVG, erläutert von R.Sy dow, L.Busch, fortgeführt von W. Krantz, Fr. Triebel
ThiirBl.
= Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt
UWG
= Gesetz über den unlauteren Wettbewerb
VAG Verf. Vfg. VersR vgl. VglO VHG VkBl. VOB1 BZ VP VRS VVG
= = = = = = = = = = = =
Versicherungaufsichtgesetz Verfassung Verfügung Versicherungsrecht vergleiche Vergleichsordnung Vertragshilfegesetz Verkehrsblatt Verordnungsblatt für die britische Zone Versicherungspraxis Verkehrsrechtssammlung (Band und Seite) Gesetz über den Versicherungvertrag
Warn. WG WM WuW WürttJb. WürttZ WZG
= = = = = = =
WarneyersRechtsprechungdesReichsgerichts(JahrundNummer) Wassergesetz (PrWG usw.) Wohnwirtschafts- und Mietrecht Wirtschaft und Wettbewerb Jahrbuch der württembergischen Rechtspflege (Jahr u. Nummer) Württembergische Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung Warenzeichengesetz
Z ZAkDR ZfB ZfV ZHK ZMR ZPO ZRHO z. T. ZuständErgG ZVG ZZP
= = = = = = = = = = = =
Zeitschrift Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht Zeitschrift für Bergrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozeßordnung Rechtshilfe-Ordnung in Zivilsachen zum Teil Zuständigkeitergänzunggesetz Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsvollstreckung Zeitschrift für Zivilprozeß, begründet von Busch (Band und Seite)
XVI
I.
Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. 77) unter Berücksichtigung der späteren Änderungen.
§1 I Das Gerichtsverfassungsgesetz tritt im ganzen Umfange des Reichs an einem durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats festzusetzenden Tage, spätestens a m 1. Oktober 1 8 7 9 , gleichzeitig mit der im § 2 des Einführungsgesetzes der Zivilprozeßordnung vorgesehenen Gebührenordnung in Kraft. A . Das Gesetz ist a m 1. 1 0 . 1 8 7 9 in K r a f t getreten; es wurde in Helgoland eingeführt a m 1. 4 . 1 8 9 1 (VO v . 22. 3. 9 1 — R G B l . 2 2 ) . B I. An die Stelle des R G sind der B G H (Nov. 1 9 5 0 A r t . V I I I 88), an die des Reiches die B R D , Westberlin getreten. B II. In der D D R gilt das G V G v . 2 . 1 0 . 1 9 5 2 ( G B l . 983), das nur einige Bestimmungen des alten GVG enthält.
§2 I Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes finden nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit und deren Ausübung Anwendung. A . D a s GVG regelt die Gerichtsorganisation der ordentlichen Gerichte — d. h . der Amts-, Land-, Oberlandeagerichte, des B a y . Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofes (GVG § 12). A I . E G GVG § 2 bezieht sich „ n u r auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit"; nicht auf die freiwillige Gerichtsbarkeit. A II b) Bisweilen ist den ordentlichen Gerichten eine besondere Organisation gegeben, etwa den Rhein-, Mosel- und Binnenschiffahrt-, den P a t e n t - , Gebrauchsmuster- und W a r e n zeichengerichten, die nur Abteilungen der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit sind. Dahin gehören auch die Gerichte in Baulandsachen. A III. Darüber hinaus dürfen auch den ordentlichen Gerichten andere Verfahren übertragen werden ( E G GVG §§ 3, 4 ) ; doch darf nach E G GVG § 3 I 2, I I I auch von der Gerichtsverfassung nach dem GVG abgewichen werden. 1
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
1
EGGVG § 2 A m
EGGVG
b) Auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird auf die Organisation der ordentlichen Gerichte verwiesen und darüber hinaus auf GVG §§ 157—168 nach F G G §§ 2, 194 I V , auf GVG §§ 169—175 nach PrAG GVG § 88, a u f GVG §§ 176—198 nach F G G § 8 ; daß dagegen GVG §§ 199—202 unanwendbar sind, besagt F G G § 10. B . Das Recht des GVG gilt indes nicht, wo Organisationen (Gerichte) anderer Form (wie die der ordentlichen Gerichte) tätig werden, wenn ea nicht nach ausdrücklicher Regelung anzuwenden ist.
§3 I Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für welche besondere Gerichte zugelassen sind, kann den ordentlichen Landesgerichten durch die Landesgesetzgebung übertragen werden. Die Übertragung darf nach anderen als den durch dasGerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Zuständigkeitsnormen erfolgen. II Auch kann die Gerichtsbarkeit letzter Instanz in den vorerwähnten Sachen auf Antrag des betreffenden Bundesstaates mit Zustimmung des Bundesrats durch Kaiserliche Verordnung dem Reichsgerichte fibertragen werden. III Insoweit für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ein von den Vorschriften der Zivilprozeßordnung abweichendes Verfahren gestattet ist, kann die Zuständigkeit der ordentlichen Landesgerichte durch die Landesgesetzgebung nach anderen als den durch das Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Normen bestimmt werden. A. Die Vorschrift knüpft an GVG § 14 an (vgl. aber auch GVG § 13 a ) ; sie ermächtigt die Landesgesetzgebung nicht, besondere Gerichte zu wählen. B . E G GVG § 3 I I ist in GG Art. 99 aufgegangen. B I . GG Art. 99 regelt die Zuweisung an die Bundesgerichte kraft Landesrechts, nicht kraft Bundesgesetzes; soweit dies geschehen sollte, wird § 549lausgeschlossen. Obwohl Westberlin durch das VereinheitlichungG v. 9 . 1 . 1951 (VOBI. I 99) dem B G H die Entscheidung in der Revisioninstanz zugewiesen hat, wird vom B G H dies nicht auf die Entscheidung über berliner Landesrecht bezogen und insoweit § 549 angewandt. B I I . Aus GG Art. 99 wird bisweilen gefolgert, daß die Bundesgerichte ohne solche Zuweisung überhaupt nicht über Landesrecht entscheiden dürfen. Dem ist indes der B G H nicht gefolgt (BGHZ 6/147). C. Landesrechtlich abweichende Verfahren sind nach E G §§ 1 1 , 1 5 1 2 , 3 , 4 , 1 6 1 3 gestattet.
§4 I Durch die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Zuständigkeit der Behörden wird die Landesgesetzgebung nicht gehindert, den betreffenden Landesbehörden jede andere Art der Gerichtsbarkeit, sowie Geschäfte der Justizverwaltung zu übertragen. Andere Gegenstände der Verwaltung dürfen den ordentlichen Gerichten nicht übertragen werden. A. Jede andere Art der Gerichtsbarkeit darf die Landesgesetzgebung den Landesbehörden übertragen, die nicht bundesrechtlich geregelt ist und nicht zu der ordentlichen Gerichtsbarkeit gehört. Die Übertragung der Dienstaufsicht über Richter an Staatsanwälte ist aber nach GVG § 1 5 1 1 2 verboten. E G GVG § 4 I 2 geht von dem Prinzip der Trennung von Justiz n i d Verwaltung aus. Reine Staatsverwaltung darf durch die Landesgesetzgebung nicht den ordentlichen Gerichten als solchen übertragen werden. B . Vgl. E G GVG § 2 3 .
außer K r a f t .
2
§5-7
EGGVG
§« I Durch die Gesetzgebung eines Landes, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet werden, kann die Verhandlung und Entscheidung der zur Zuständigheit des Bundesgerichtshofes gehörenden Revisionen in bürgerliehen Rechtsstreitigkeiten einem obersten Landesgericht zugewiesen werden. n Diese Vorschrift findet jedoch auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in denen für die Entscheidung Bundesrecht in Betracht kommt, keine Anwendung, es sei denn, daß es sich im wesentlichen um Rechtsnormen handelt, die in den Landesgesetzen enthalten sind. A. Nach EG GVG § 8 I darf innerhalb der BRD in den Ländern, in denen es mehrere OLG gibt, ein O b e r s t e s LG errichtet werden. A I . Von diesem Vorbehalt hat B a y e r n Gebrauch gemacht (BayAG GVG Art. 18folg.). a) Nach BayAG GVG Art. 21 erstreckt sich die Zuständigkeit des BayObLG darauf, ü b e r R e v i s i o n e n nach §§ 545folg., GVG § 133 1 1 zu entscheiden, doch ist diese Vorschrift durch EG § 7 VI auch darauf erstreckt, daß über die sofortige Beschwerde nach § 519b II in bürgerlichen Rechtsstreiten (vgl. GVG § 133 I 2) von ihm entschieden werden darf (nicht aber über die sonstigen Rechtsmittel), wenn dies auch indes angesichts des EG GVG § 8 II nur wenig bedeutet, da über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels in der Regel nach Bundesrecht zu entscheiden ist. a 1. Der Begriff des bürgerlichen Rechtsstreits knüpft hier rein formal daran an, ob ein OLG (bzw. bei Sprungrevisionen ein LG) in einem zivilen Rechtstreit entschieden hat. a 2. Auch dafür, die Z u s t ä n d i g k e i t e i n e s G e r i c h t s nach §§ 36, 650 III zu bestimmen, ist das ObLG zuständig (vgl. EG § 9). B. Über die Gegebenheiten des EG GVG § 8 II entscheidet das BayObLG unanfechtbar (vgl. dazu EG § 7 II). Die Vorschrift besagt, daß das BayObLG nur dann über Revisionen und sofortige Beschwerden nach § 519b II entscheiden soll, wenn im wesentlichen über bayrisches Landesrecht zu entscheiden ist.
§9 I Durch die Gesetzgebung eines Landes, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet werden, können die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehörenden Entscheidungen in Strafsachen ausschließlich einem der mehreren Oberlandesgerichte oder an Stelle eines solchen Oberlandesgeriehts dem Obersten Landesgericht zugewiesen werden. A. Vgl. dazu BayAG GVG Art. 24; EG GVG § 8 A II. § 1 0 I Die allgemeinen sowie die in den §§ 124,130,131 und 181 Abs. 1 enthaltenen besonderen Vorschriften des Gerich tsverfassungsgesetzes finden auf die obersten Landesgerichte als Behörde der ordentlichen Gerichtsbarkeit entsprechende Anwendung; feiner sind die Vorschriften der §§ 132,136 bis 138 des Gerichtsverfassungsgesetzes mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, daß durch Landesgesetz die Bildung eines einzigen Großen Senats angeordnet werden kann, der aus dem Präsidenten und mindestens acht Mitgliedern zu bestehen hat und an die Stelle der Großen Senate für Zivilsachen und für Strafsachen sowie der Vereinigten Großen Senate tritt. II Die Besetzung der Senate bestimmt sich in Strafsachen, in Grundbuchsachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den Vorschriften über die Oberlandesgerichte, im übrigen nach den Vorschriften über den Bundesgerichtshof. A. Die Bestimmung regelt die Gerichtsverfassung des obersten Landesgerichts. B. Über R e v i s i o n e n entscheidet das ObLG in Besetzung von fünf Mitgliedern (EG GVG § 10 II). 1«
3
EGGVG §10
EGGVG
C. Bei dem BayObLG sind alle bay. OLG-Rechtsanwälte zugelassen (BRAO § 227). Uber die Funktion dieser Rechtsanwälte vgl. EG § 8 A. D. Über die Bedeutung der S t a a t s a n w a l t s c h a f t bei dem BayObLG vgl. BayAG GVG Art. 25.
§ H I Die landesgesetzlichen Bestimmungen, durch welche die strafrechtliche oder zmlrechtliche Verfolgung öffentlicher Beamten wegen der in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung ihres Amtes vorgenommenen Handlungen an besondere Voraussetzungen gebunden ist, treten aufier Kraft. II
Gegenstandslos.
A. Der Begriff des Beamten i. S. dieser Bestimmung betrifft nicht den öffentlich-rechtlichen, sondern den Träger hoheitlicher Funktionen (GVG § 13 H). Sie bezieht sich nur auf Landes-, nicht auf Bundesbeamte. Bei Schadenersatzklagen wegen Amtspflichtverletzung gegen den Fiskus ist EG GVG § 11 I I gegenstandslos (RV Art. 1 3 1 1 3; GG Art. 34 I 3; RGZ 106/41).
§ 12-22 gegenstandslos.
§ 23 I Über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit nnd der Strafrechtspflege getroffen werden, entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Das gleiche gilt für Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug der Freiheitsstrafen, der Maßregeln der Sicherung und Besserung, des Jugendarrests und der Untersuchungshaft. n Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann auch die Verpflichtung der Justizoder Vollzugsbehörde zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. III Soweit die ordentlichen Gerichte bereits auf Grund anderer Vorschriften angerufen werden können, behält es hierbei sein Bewenden. A. Über die Justizverwaltung vgl. GVG § 12 A II. B. Es sind zwei Arten von Justizverwaltungsakten zu unterscheiden, die, welche auf Grund besonderer Vorschriften angreifbar sind, und die, welche EG GVG § 23 I, I I unterliegen. B I. EG GVG § 23 I betrifft nur die Begelung einzelner Angelegenheiten in den in Absatz I bezeichneten Rechtsbereichen; nicht die rein fiskalische Tätigkeit. a) Nicht unter die Norm fällt die Einrichtung der einzelnen Gerichte, die Materialbeschaffung, die Dienstaufsicht, Besoldung und Fürsorge für Richter, Beamte und Arbeitnehmer. Die Geschäftsverteilung, die ihre besondere Ausgestaltung im GVG (vgl. §§ 22b, c, 63 folg., 117, 131) gefunden hat. a I. Soweit hier die Richter nicht weisunggebunden sind (vgl. GVG § 1 B II) im besonderen, wenn sie die Geschäfte verteilen, ist diese Tätigkeit weder nach EG GVG § 23 I, II, noch verwaltungsgerichtlich angreifbar; sondern u. U. nur im laufenden Verfahren unter der Rüge des nicht richtig besetzten Gerichts (vgl. §§ 551 I 1, 579 I 1) u. dgl. m. a 2. Aber auch soweit die Richter weisunggebunden sind (vgl. GVG § 1 B I b, E G § GVG 4), unterliegt ihre Tätigkeit nur dann EG GVG § 23 I, wenn damit einzelne Angelegenheiten im
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E G G V G § 23 B i a 2
Rahmen des Absatzes I geregelt werden. Auch davon ausgenommen sind die unter Absatz I I I fallenden Justizverwaltungsakte (vgl. EG GVG § 23 B II). b) EG GVG § 23 umfaßt alle Angelegenheiten der Justizverwaltung, welche in das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit fallen. Die Norm verweist dabei auf die Tätigkeit der Gerichte auf dem Wege des Zivilverfahrens (vgl. GVG § 13 B IV, F—N), auf dem der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. GVG § 13 C) und auf dem des Strafverfahrens (vgl. GVG § 13 D) und meint damit die Angelegenheiten, welche von den ordentlichen Gerichten außerhalb dieser Verfahren zu erledigen sind, einschließlich der Tätigkeit der Justizverwaltungsbehörden, auch die der Justizministerien (also der Ministerien, soweit sie Rechtspflegetätigkeit ausüben; nicht soweit sie bei der Gesetzgebung mitwirken). Die Anführung des materiellen Rechtskreises (bürgerliches und Handelsrecht) hat nur beispielsweise Bedeutung, da auch strafrechtliche Gebiete geregelt werden. b 1. Man wird nur die Verwaltungstätigkeit der Ministerien im eigenen Hause nicht unter EG GVG § 23 I zu bringen haben. b 2. Das Gesetz nennt nicht den Kreis des GVG; doch gehört dieser zu den anderen Verfahrensordnungen (ZPO, StPO, FGG). B II, Soweit Richter auf den in Absatz I genannten Gebieten auf dem Gebiet der Justizverwaltung tätig werden (EG GVG § 23 B I b) und deshalb nicht schon unter die gerichtlichen Verfahrensordnungen (ZPO, FGG, StPO) gehören, ist die Norm nicht anzuwenden, soweit besondere Rechtsbehelfe vor den ordentlichen Gerichten gegeben sind (vgl. GVG § 13 B I I I d), also praktisch, soweit nicht schon die Regelungen der gerichtlichen Verfahrensordnungen für anwendbar erklärt worden sind (wie z. B. die Regelung in der Hinterlegung 0 §§ 3, 16). B III. Von den verbleibenden Fällen sind u. a. zu nennen die Rechtshilfe im Verhältnis zum Ausland (ZRHO vgl. den Abdruck im Kommentar), aber auch die Entscheidung über die Zulassung von Prozeßagenten (§ 157 B I I a) wie die gesamte Tätigkeit der Justizverwaltung nach dem Rechtsberatungsmißbrauohgesetz, Anerkennung ausländischer Eheurteile. C. Angreifbar ist der Justizverwaltungsakt mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung (EG GVG §23 II), C I. der unter EG GVG § 23 I fällt (vgl. EG GVG § 23 B) also soweit nicht die Verfahrensordnungen (ZPO, StPO, FGG) unmittelbar oder mittelbar (EG GVG § 23 B II) Platz greifen. C II. Ferner ist angreifbar der Justizverwaltungsakt, der nach EG GVG § 23 I zu treffen wäre, aber nicht getroffen wird. a) Keinesfalls darf nach der hier vertretenen Auffassung damit in laufende Verfahren eingegriffen werden, etwa mit der Begründung, daß das Verfahren verzögert oder nicht entschieden wird u. dgl. m. b) Über das Verfahren im einzelnen vgl. EG GVG §§ 24 folg.
§ 24 I Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rcchien verletzt zu sein. II Soweit Maßnahmen der Justiz- oder Vollzugsbehörden der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegen, kann der Antrag auf gerichtliehe Entscheidung erst nach vorausgegangenem Beschwerdeverfahren gestellt werden. A. EG GVG § 24 I fordert für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Beschwer (vgl. § 511 B II c). Doch genügt eine Beschwer rein verfahrensrechtlicher Art (vgl. sonst auch GG Art. 19 IV). Ohne eigene Beschwer ist aber der Antrag unstatthaft (vgl § 511 B II). B. Unterliegen die Maßnahmen der Justizverwaltung einem förmlichen Rechtstehelf (der Beschwerde) im Verwaltungsverfahren, so muß dieser erschöpft sein, wie EG GVG § 24 I I ergibt.
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EGGVG § 24
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B I. Formlose verwaltungverfahrensrechtliche Rechtsbehelfe bleiben dabei außer Betracht (also z. B. die formlose Dienstaufsichtsbeschwerde), aber auch an sich zulässige Angriffe verwaltungsgerichtlicher Art gegen Vorbescheide, wenn der Tatbestand des Vorbescheides schon den Rechtsweg öffnet. a) Ist der Rechtsbehelf von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden, so kommt nicht EG GVG § 24 II, sondern EG GVG § 23 I I I zum Zuge. B II. Ob das verwaltunggerichtliche Verfahren eine Beschwerde oder sonstiges Rechtsbehelfverfahren ist, ist gleichgültig. C. Der Antrag ist eine dem Gericht gegenüber abzugebende (EG GVG § 26 I), prozessuale (§ 38 B I I a 2) Willenserklärung. Er unterliegt nicht dem Anwaltszwang; wohl aber muß ihn — nach der herrschenden Auffassung des FGG (vgl. Keidel FGG § 13 Anm. 8) ein Geschäftsfähiger (BGB §§ 104 folg.) einlegen bzw. sein gesetzlicher Vertreter. Über Vollmacht vgl. FGG § 13 (EG GVG § 29 II). Anwaltszwang besteht nicht.
§ 25 I Über den Antrag entscheidet ein Zivilsenat oder, wenn der Antrag eine Angelegenheit der Strafrechtspflege oder des Vollzugs betrifft, ein Strafsenat des Olierlandesgerichts, in dessen Bezirk die Justiz- oder Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Ist ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) vorausgegangen, so ist das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk die Beschwerdebehörde ihren Sitz hat. II Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Gesetz die nach Absatz 1 zur Zuständigkeit des Zivilsenats oder des Strafsenats gehörenden Entscheidungen ausschließlich einem der Oberlandesgeriehte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen. A. Die Norm bestimmt das zur Entscheidung über den Antrag zuständige Gericht.
§ 2 6 I Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß innerhalb eines Monats nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheides oder, soweit ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) vorausgegangen ist, nach Zustellung des Beschwerdebescheides schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäfts teile des Oberlandesgerichts oder eines Amtsgerichts gestellt werden. II War der Antragsteller ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. III Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur B gründung d s Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. IV Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. A. Über die Berechnung der Monatfrist vgl. FGG § 17 (§ 222). Die Frist läuft auch in den Geiichtsferien. da nach dem FGG bzw. der StPO verfahren wird (EG GVG § 29 I I ; FGG § 10, GVG § 200 I I 1). A I. Die Frist läuft ab Zugang der schriftlichen Entscheidung der Justiz verwaltungbchörde, auch wenn zugestellt werden sollte, die Zustellung aber formell unwirksam ist (vgl. § 187). A II. Der Antrag erfordert die Schriftform.
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EGG VG § 26 A
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a) An Stelle der Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts bzw. eines Amtsgerichts genügt die Einreichung einer Beschwerdeschriftbeidem zuständigen Gericht (in nicht strafrechtlichen Angelegenheiten nach FGG § 21 I, EG GVG 29 II); darüber hinaus wird man FGG § 2 1 I nicht anwenden können, weil bei Justizverwaltungakteu an sich kein Gericht, sondern eine Verwaltungbehörde entscheidet, so daß Einlegung bei der Stelle, welche den Justizverwaltungakt erläßt oder unterläßt, ihn zu erlassen, nicht genügt. Die Stelle wird man auch nicht als verpflichtet zur Weiterleitung ansehen können. a 1. Andererseits wird man auch die Einreichung einer Schrift bei jedem beliebigen Amtsgericht nicht als genügend anzusehen haben. b) Der Antrag darf auch zu Protokoll eines jeden Amtsgerichts gestellt werden. Vollziehung des Antrags reicht zur Fristwahrung aus. Da es Amtsgerichte in der Ostzone nicht mehr gibt, kommen nur Amtsgerichte der BRD und West-Berlins in betracht. b 1. Der Urkundbeamte der Geschäftstelle des Amtsgerichts hat die Amtspflicht, die Beschwerde unverzüglich dem zuständigen Oberlandesgericht weiterzuleiten. Verspätete Weiterleitung schadet nicht. Die Weiterleitung selbst kann durch weitere Anträge an das Oberlandesgericht — selbst nach Fristablauf — erzwungen werden. B. EG GVG § 26 II—IV entspricht FGG § 22 mit den nachstehend aufgeführten Abweichungen und ZPO §§ 233, 234, wenn man § 233 wie hier (vgl. § 233 B II a) auslegt, ebenfalls mit den nachstehend aufgeführten Abweichungen. B I. EG GVG § 26 II—IV nennt im Gegensatz zu § 232 II, FGG § 22 II 2 nicht das Verschulden des Vertreters der Partei als die Wiedereinsetzung hindernd; dennoch sollte man diese Norm gemäß EG GVG § 29 II 2 entsprechend anwenden, um Ungleichheiten zu vermeiden. Die Frage, inwieweit die genannten Normen rechtspolitisch aufrechtzuerhalten sind, ist zwar umstritten; doch sind Justizverwaltungakte viel weniger einschneidend als Entscheidungen in Verfahren nach der ZPO bzw. dem FGG. Vfel. auch EG GVG § 24 C. B II. EG GVG § 26 IV gibt jenseits der Jahresfrist eine weitere Frist., wenn der Antrag vor Ablauf der Frist durch höhere Gewalt verhindert wurde (vgl. auch § 234 A I a). a) Es genügt, daß die höhere Gewalt im letztmöglichen Zeitpunkt eintritt. b) Mit dem Wegfall der höheren Gewalt läuft sodann die Zweiwochenfrist des EG GVG § 26 I I I . § 2 7 I Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann auch gestellt werden, wenn über einen Antrag, eine MaBnahme zu treffen, oder über eine Beschwerde oder einen anderen förmlichen Rechtsbehelf ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten entschieden ist. Das Gericht kann vor Ablauf dieser Frist angerufen werden, wenn dies wegen besonderer Umstände des Falles geboten ist. II Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über die Beschwerde oder den förmlichen Rechtsbehelf noch nicht entschieden oder die beantragte Maßnahme noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird der Beschwerde innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären. III Der Antrag nach Absatz 1 ist nur bis zum Ablauf eines Jahres seit der Emlegung der Beschwerde oder seit der Stellung des Antrags auf Vornahme der MaBnahme zulässig, außer wenn die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles unterblieben ist. A. Gegenüber einem beantragten, aber unterlassenen Justizverwaltungakt ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach EG GVG § 27 I zulässig. Die Norm regelt die ProzcBbedingangen des Verfahrens.
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EGG VG § 27
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A I. Vorausgesetzt wird ein wirksam gestellter Antrag gegenüber der Justizverwaltungsbehörde (vgl. EG GVG § 24 C). A II. Für die Berechnung der Frist vgl. FGG § 17 (§ 222). Die Frist ist zu berechnen von der Stellung des nicht beschiedenen Antrags an. Wird der Antrag weitergegeben und richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Stelle, an die weitergegeben worden ist, so ist die Frist von der Zeit des Zuganges an bei der Stelle, die entscheiden soll, zu berechnen. a) Dies gilt zunächst von der Dreimonatefrist des EG GVG § 27 I 1. a 1. Von dem Erfordernis ist der Antragsteller bei Eilbedürftigkeit der Entscheidung befreit (EG GVG § 27 I 2). Die Eilbedürftigkeit ist darzulegen. Glaubhaftmachung (§ 294) fordert das Gesetz nicht; doch wird sie das Gericht verlangen dürfen. Ein Antrag vor Ablauf der Dreimonatefrist wird das Verfahren verzögern können; dennoch sollte man ihn nicht (mehr) zurückweisen, sobald die drei Monate verstrichen sind und sollte sogar bis dahin EG GVG § 27 II entsprechend anwenden. a 2. Andererseits darf das Gericht die Frist gemäß EG GVG § 27 II verlängern, muß sich dabei aber im Rahmen des EG GVG § 27 III halten. Erledigt sich das Verfahren vor Entscheidung des, Gerichts (vgl. auch EG GVG § 27 II 2), so vgl. über die Kosten EG GVG § 30. b) Die Vorschrift des EG GVG §27 I I I ist nur dann von Bedeutung, wenn der Antrag bei der Justizverwaltungbehörde befiistet ist und deshalb nicht wiederholt werden kann. b 1. Über die Berechnung der Jahresfrist vgl. EG GVG § 27 A II a. b 2. Über die Verlängerung der Frist und ihre Berechnung im Fall der Verhinderung durch höhere Gewalt vgl. EG GVG § 26 B II. Darüber hinaus darf das Gericht besondere Umstände gelten lassen; dazu gehört es auch, wenn der Antrag jederzeit wiederholbar ist (vgl. § 27 A II b). Darüber hinaus sollte man dann, wenn durch den Antrag eine andere Rechtsperson benachteiligt werden würde, aus Gründen der Rechtsicherheit die Verlängerung aus besonderen Umständen nicht zulassen; es sei denn, daß nur der Justizfiskus betroffen wird.
§ 2 8 I Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme und, soweit ein Beschwerdeverfahren ( § 24 Abs. 2) vorausgegangen ist, den Beschwerdebescheid auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Justiz- oder Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der l äge und diese Frage spruchreif ist. Hat sich diq Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. II Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Justiz- oder Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. III Soweit die Justiz- oder Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. A. Die Norm regelt die Entscheidunggewalt des Gerichts (über die Prozeßbedingungen des Verfahrens vgl. EG GVG § 27). Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegenüber einem Justizverwaltungakt wirkt nur im Rahmen der Beschwer des Antragstellers (EG GVG § 28 I I ; vgl. EG GVG §24A).
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EGGYG § 2 8
A I. Mit Rücksicht darauf, daß nur insoweit zu entscheiden ist, wie der Antragsteller „in seinen Rechten verletzt ist", und daß das Antragerfordernis gilt (EG GVG § 23), ist es dem Gericht nicht gestattet, über Antrag bzw. Beschwer hinauszugehen, wenn es auch im Rahmen der Gesta'tungmöglichkeit des Verfahrens in der freiwilligen Gerichtsbarkeit (EG GVG § 29 II) in der Entscheidung ähnlich freigestellt ist wie der Prozeßrichter nach § 938 (vgl. § 938 A). A II. Zugesprochen werden darf dem Antrag nur, a) wenn der Justizverwaltungakt rechtswidrig ist (EG GVG § 29 II). Ein im Ermessen der Justizverwaltung liegender Verwaltungakt ist dies auch dann, wenn die Ermessengrenzen überschritten worden sind (GVG § 13 LI f 5). Dies stellt EG GVG § 28 I I I ausdrücklich klar. a 1. Darüber hinaus läßt aber EG GVG § 28 I I I auch die Entscheidung darüber zu, ob von dem Ermessen ein zweckentsprechender Gebrauch gemacht worden ist. Damit sollte man nur als klargestellt ansehen, daß ein nicht zweckentsprechendes Ermessen als Ermessensmißbrauch anzusehen ist; keinesfalls darf das Gericht selbst verwalten wollen. Dies läßt EG GVG § 28 II erkennen (vgl. EG GVG § 28 A II b). a 2. Liegt ein rechtswidriger Justizverwaltungakt vor, so ist er aufzuheben. b) Unterläßt die Justizverwaltung rechtswidrig denJustizverwaltungakt, so ist die Verpflichtung zu seiner Vornahme auszusprechen. Das Gericht darf also den Justizverwaltungakt nicht selbst erlassen (EG GVG § 28 II). Es stellt damit praktisch nur fest die Amtspflicht der Justizverwaltung zu handeln. B. Die Entscheidung des Gerichts wirkt sich, wie folgt, aus: B I. Soweit der rechtswidrige (EG GVG § 28 I) Justizverwaltungakt wirkt, wird er aufgehoben. B I a) Damit wird, wenn keine zukünftige Wirkung mit seinem Bestehen verbunden ist, ihm diese Wirkung von der Aufhebung ab genommen. a 1. Ist der aufgehobene Justizverwaltungakt vollzogen, so darf das Gericht auf Antrag anordnen, daß er rückgängig zu machen ist (EG GVG § 28 I 2). Das setzt voraus, daß die Maßnahme rückgängig gemacht werden kann (EG GVG § 28 I 3). Ist dies nicht möglich zu verwirklichen, so darf das Gericht auf Antrag aussprechen, daß eine Ersatzmaßnahme getroffen wird, wenn damit die ursprüngliche unrechtmäßige Maßnahme aufgehoben werden kann (EG GVG § 28 I 3). In beiden Fällen darf aber nur die Verpflichtung der Justizverwaltung ausgesprochen werden; es darf also nicht die Rückgängigmachung vom Gericht vollzogen werden; vielmehr gilt für dieseAnordnung dasselbe, was auch sonst bei unterlassenen Justizverwaltungakten rechtens ist (EG GVG § 28 A II b). a 2. Läßt sich der Justizverwaltungsakt weder unmittelbar, noch durch Ersatzmaßnahme rückgängig machen, so ist ein darauf gerichteter besonderer Antrag zurückzuweisen. Doch bleibt der Ausspruch, daß der Justizverwaltungakt unrechtmäßig ist. a 3. Wirkte ein (etwa von der Verwaltung oder sonstwie aufgehobener) Justizverwaltungakt in der Vergangenheit und wirkt er nicht mehr fort, so wird auf Antrag die Rechtswidrigkeit des Justizverwaltungaktes vom Gericht festgestellt, sofern der Antragsteller Rechte daraus herleiten kann. Ist dies nicht der Fall, so wird ein solcher Antrag zurückgewiesen. b) Ist die Justizverwaltung gesetzlich gehalten, den Justizverwaltungakt zu erlassen, so spricht das Gericht die Verpflichtung hierzu aus (EG GVG § 28 I I 1). Den Akt selbst darf das Gerioht nicht erlassen. Erläßt es ihn dennoch, so wirkt er wegen des Vorrangs der gerichtlichen Entscheidung vor dem der Verwaltung (GVG § 17 11). b 1. EG GVG § 28 II 2 sieht eine Zwischenentscheidung des Gerichts vor, wenn die Angelegenheit nicht spruchreif ist. Solche Zwischenentsoheidüngen können sich ergeben, wenn nicht nur durch die Verwaltung, sondern auch durch von ihr unabhängigen Rechtspersonen oder Behörden noch etwas zu (er)klären ist und diese Erklärungen die Justizverwaltung bzw. das Gericht nicht herbei-
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E G G V G § 28 B I b l
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führen kann. Dann wird aber u. U. auch der Antrag zurückzuweisen sein; denn der Justizverwaltung kann dann nicht vorgeworfen werden, rechtswidrig einen Justizverwaltungakt nicht erlassen zu haben. Wird eine solche Zwischenentscheidung getroffen, so wird damit das Verfahren beendet. Die Bindung der Entscheidung für die Justizverwaltung schreibt EG GVG § 28 I I 2 vor. B II- Wird ein unrechtmäßiger Verwaltungakt vom Gericht aufgehoben, so steht fest, daß objektiv eine Amtspflichtverletzung i. S. des BGB § 839 begangen worden ist. Soweit der Justizverwaltungakt nicht rückgängig gemacht wird bzw. werden kann, ist deshalb nach GG Art. 34, BGB § 839 Schadenersatz zu leisten, falls die Amtspflichtverletzung schuldhaft begangen worden ist (vgl. Kommentar GVG § 13 K I I I ) , andernfalls ist der Aufopferunganspruch gegeben (vgl. Kommentar GVG § 13 K II). a) Damit, daß der Weg des EG GVG §§ 23 folg. gegeben ist, kann ein Rechtsbehelf i. S. des B G B § 839 I I I vorliegen, aber nur dann, wenn die Wirkung des Justizverwaltungaktes noch beseitigt werden kann. Ist dies nicht der Fall, so darf unmittelbar auf Schadenersatz vor den ordentlichen Gerichten geklagt werden. Soweit es nur um den Ausspruch geht, daß ein Justizverwaltungakt unberechtigt war (EG GVG § 28 IV), liegt kein Fall des B G B § 839 I I I vor, wenn dieser Ausspruch nicht beantragt wird. a 1. Der Ausspruch, daß und wie der Justizverwaltungakt rückgängig zu machen ist, stellt, wenn die Anordnung nicht befolgt wird, eine Amtspflichtverletzung dar wie sonst bei unterlassenen Justizverwaltungakten, zu deren Erlaß die Justizverwaltung als verpflichtet angesehen wird (EG GVG § 28 B I b, I I b). a 2. Die Unterlassung eines solchen Antrags im Fall der Amtspflichtverletzung bzw. die Zurückweisung eines solchen Antrags ist aber unschädlich und präjudiziert den Antragsteller nicht im Schadenersatzprozeß, auch nicht unter dem Gesichtswinkel des BGB § 254, soweit die Justizverwaltung von sich aus Ersatzakte erlassen kann. b) Bei unterlassenem Justizverwaltungakt begründet die Feststellung, daß er zu erlassen ist, eine Amtspflicht der Justizverwaltung, selbst wenn sie sonst nicht gegeben wäre. Das Gesetz schreibt nicht vor, in welcher Frist die Justizverwaltung dem gerichtlichen Ausspruch nachkommen soll. Aus seinem Sinn wird man indes zu schließen haben, daß es unverzüglich geschehen soll und daß, wenn dies nicht geschieht, zumindest von da ab die Ersatzansprüche des Antragstellers gegeben sind. Durch das Verfahren selbst wird ein Verzögerungschadenersatzanspruch des Antragstellers nicht ausgeschlossen. c) Wird der Antrag des Antragste'lers als unbegründet zurückgewiesen, so steht fest, daß der erlassene Justiz verwaltungakt rechtmäßig bzw. daß es das Unterlassen seines Erlasses ist. Bei der Zurückweisung des Antrags als unzulässig (wegen der fehlenden Prozeßbedingungen) ist dagegen im Amtspflichtverletzungprozeß immer noch zu prüfen, ob dem Antragsteller daraus unter dem Gesichtswinkel des B G B § 839 I I I etwas vorzuwerfen ist. § 2 9 I Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist endgültig. Will ein Oberlandesgericht jedoch von einer auf Grund des § 23 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen, so legt es die Sache diesem vor. Der Bundesgerichtshof entscheidet an Stelle des Oberlandesgerichts. II Im übrigen sind auf das Verfahren vor dem Zivilsenat die Vorschriften des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über das Beschwerdeverfahren, auf das Verfahren vor dem Strafsenat die Vorschriften der Strafprozeßordnung über das Beschwerdeverfahren sinngemäß anzuwenden. III Auf die Bewilligung des Armenrechts sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
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A. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts bzw., wenn es dem Bundesgerichtshof vorliegt, des Bundesgerichtshofs (EG GVG § 29 I 3) ist nicht gegeben (EG GVG § 2 9 1 1 ) ; wohl aber gibt es u. U. die Verfassungsbeschwerde (BVGG § 90). Die Entscheidung hindert nicht, daß andere Ansprüche anläßlich des Erlasses oder des Unterlassens von Justizverwaltungakten geltend gemacht werden, wenn sie auch auf diese — auß erprozessual — einwirkt (EG GVG § 28 B II). B. Will ein Oberlandesgericht von der Entscheidung eines anderen oder der des Bundesgerichtshofs, die in einem Verfahren nach EG GVG § 23 (nicht in einem sonstigen) ergangen ist, abweichen, so soll es dem Bundesgerichtshof die Angelegenheit zur Entscheidung vorlegen (EG GVG § 29 I 2); die Entscheidung ist nicht ergänzbar. Ob die Voraussetzungen der Vorlegung gegeben sind, wird der Bundesgerichtshof nachprüfen (vgl. BGHZ 7/339, 9/111, 13/56). Gibt er die Angelegenheit dem Oberlandesgericht zurück, so ist dieses gehalten zu entscheiden. C. Für alle nicht strafrechtlichen Verfahren kommen die Normen des FGG ersatzweise zum Zuge (EG GVG § 29 II), für Strafverfahren die der StPO. Nur die Armenrechtsgesuche sind nach §§ 114 folg. zu beurteilen (EG GVG § 29 III).
§ 3 0 I Für die Koston des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht gelten die Vorschriften der Kostenordnung entsprechend. Abweichend von § 130 der Kostenordnung wird jedoch ohne Begrenzung durch einen Höchstbetrag bei Zurückweisung das Doppelte der vollen Gebühr, bei Zurücknahme des Antrags eine volle Gebühr erhoben. II Das Oberlandesgericht kann nach billigem Ermessen bestimmen, daß die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden ßechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Die Vorschriften des § 91 Abs. 1 Satz 2 und der §§ 102 bis 107 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts kann nicht angefochten werden. III Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 30 der Kostenordnung. Er wird vor dem Oberlandesgericht durch unanfechtbaren Beschluß festgesetzt. A. Soweit der Bundesgerichtshof entscheidet, trifft er die Entscheidungen des EG GVG § 30 anstelle des Oberlandesgerichts (EG GVG § 29 III).
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II.
Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 1950 (BGBl. 513) mit den späteren Änderungen. Erster Titel Richteramt
§1(D I Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt. B. GVG § 1 verlangt unabhängige Richter und unterwirft sie dem Gesetz (er ist in GG Art. 97 I und in den folgenden Länderverfassungen enthalten und genießt damit verfassungsmäßigen Schutz: B-W Art. 65, Bay. Art. 85, Bremen Art. 135, Hbg. Art. 62, Hessen Art. 126, Nds.Art.39 III, NRW Art. 3 III, RhPf. Art. 121, SehlH Art. 36, Westberlin Art. 63). BI. Er ist der Ausdruck der staatlichen Gewaltentrennung (Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege, wenn sich zu ihnen nicht noch eine vierte Macht gesellt: die Wirtschaft) und bestimmt die richterliche Gewalt. Zu ihr gehört es, zu entscheiden, was sein oder geschehen soll, auf Grund und in Ausübung bestehender Gesetze. Sie schafft (dem Grundsatz nach) nicht einen Tatbestand, sondern stellt den Sachverhalt für den Spruch fest; sie soll auch (dem Grundsatz nach) kein Richtergesetz schaffen, sondern das von der Gesetzgebung geschaffene nur anwenden (Positivismus). Von der Verwaltung unterscheidet sich die Rechtsprechung wie die Gesetzgebung dadurch, daß jene den Sachverhalt ändert (vgl. Kommentar § 1 B I a). Doch verlangt das Gesetz der Gerechtigkeit (d. h. das der Gleichheit, vgl. GG Art. 3), daß die Gesamtheit der Rechtsgesetze als Einheit gefaßt wird, was dann zur Abgrenzung und zur Auslegung der Einzelnormen führt. Soweit für Willkür ein Spielraum ist, wird er durch eine beständige Rechtsprechung eingeschränkt; auch ist sie zweckgebunden. Auch gehört das Gewohnheitsrecht zum positiven; es ist die Bestätigung einer angegriffenen Gepflogenheit, der stets ohne die Kritik, daß sie nicht gelten könnte, nachgekommen wurde (vgl. OGH v. 10. 3.1950 II E 3/372 [378]). b) Verstößt ein Gericht gegen das positive Gesetz, so begeht der Berufsrichter eine Amtspflichtverletzung (nicht aber der Laienrichter), geschieht dies durch den Berufsrichter schuldhaft, so haftet dafür der Staat (GG Art. 34, BGB § 839). Wird indes durch Urteil im technischen Sinn entschieden (also nicht durch Beschluß, RGZ 116/90, vgl. aber für die Spruchgerichte der US-Zone BGHZ 10/55), so muß der Richter eine Rechtsbeugung begangen haben (BGB § 839 II), womit solche Ansprüche praktisch nicht verfolgbar werden.
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GVG B II. Unabhängigkeit i. S. des GVG § 1 bedeutet nur, nicht an Weisungen von Dienstvorgesetzten gebunden zu sein (sein Gegenstück findet sich in GVG § 146). Die Staatsverwaltung soll sich also nicht des Gerichts bemächtigen, weder durch Dienstaufsicht (vgl. OGH St. MDR 49/570225) noch durch Allgemeinverfügung. Deshalb sind auch die Allgemeinverfügungen der Minister •— jedenfalls für die streitige Zivilgerichtsbarkeit — nichtig. Umgekehrt kann auch der Richter, soweit er a u ß e r h a l b s e i n e r R i c h t e r b e r u f u n g tätig wird und werden darf, also im Rahmen der Justizverwaltung (EG § 4) abhängig und an Weisungen gebunden sein (vgl. RGZ 82/39 [43]). Innerhalb der richterlichen Tätigkeit sollte man jedenfalls — entgegen der herrschenden Praxis — keine Dienstaufsichtsbeschwerde zulassen. Auch darf, soweit ein Gericht gemäß GG Art. 100 I eine Frage dem BVG vorlegt, nicht durch irgendein anderes Gericht die Vorlegung verhindert werden, obwohl BVGG § 80 I den Vorlegungsweg vorschreibt, so daß die übergeordneten Gerichte nicht daran gehindert sind, ihre Meinung dazu zu sagen. Die Rücksendung der Akten durch ein höheres Gericht mit Rechtsbelehrungen verstößt gegen GG Art. 97 I, und das praktische Ende der richterlichen Unabhängigkeit bedeutet es, wenn die Justizverwaltung dann dafür sorgt, daß der tätig gewesene Hilfsrichter inzwischen abberufen wird (hier kann nur damit geholfen werden, daß jeder Partei die Verfassungsbeschwerde zugebilligt wird, weil es zu den Grundrechten eines jeden Rechtsstaates gehört, vor unabhängigen Richtern Recht zu erhalten). Vgl. EG GVG § 23. a) Diese richterliche U n a b h ä n g i g k e i t steht j e d e m R i c h t e r , dem festangestellten Berufsrichter, dem Hilfsrichter (OGH St. 2/331 = NJW 50/315) wie auch dem Laienrichter zu, wie überhaupt jedem, der mit Rechtspflegefunktionen betraut ist, also dem Rechtspflegei (RechtspflegerG § 8), dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, dem Protokollführer. b) Über die Frage, ob der einzelne Richter sich der Entscheidung enthalten darf, wenn er gegen sein Gewissen entscheiden würde, vgl. §48 A; einem ganzen Gericht kann eine solche Befugnis selbst dann nicht zugestanden werden, wenn auf eine Gesetzesänderung mit rückwirkender Kraft gerechnet wird.
§ 2 ( 2 ) I Die Fähigkeit zum Richteramt« wird durch die Ablegung zweier Prüfungen erlangt. II Der ersten Prüfung muß ein mindestens dreijähriges Stndium der Rechtswissenschaft auf einer Universität vorangehen. Von dem dreijährigen Zeitraum sind mindestens drei Halbjahre dem Studium auf einer deutsehen Universität zu widmen. DI Zwischen der ersten und der zweiten Prüfung muH eine Ausbildungszeit von mindestens drei und einem halben Jahr und höchstens vier Jahren liegen. Mindestens dreißig Monate sind zum Dienst bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Notaren und Rechtsanwälten zu verwenden; der Rest der Ausbildungszeit ist mindestens zur Hälfte bei Verwaltungsbehörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, im übrigen in einer dem Ausbildungszweck dienenden Weise zu verwenden. A. GVG § 2 regelt die Fähigkeit, Berufsrichter zu sein (die Richterfähigkeit). Über die Berufung zum Richter vgl. GVG § 6 A. Er ist in erster Linie für die Berufung in das Amt des (Berufs-)Richters beim ordentlichen Gerieht (GVG § 5) bedeutsam. A I . GVG §2 bestimmt, wie jedermann regelmäßig die Richterfähigkeit (in Zukunft) erwerben kann. Er greift nicht in die n a c h f r ü h e r e n G e s e t z e n erworbene Richterfähigkeit ein und entzieht sie also nicht denen, welche sie nach anderen Bestimmungen erworben haben. A l l . GVG § 4 regelt den Erwerb der Richterfähigkeit durch Berufung zum ordentlichen Professor. B. GVG § 2 gibt nur die Rahmenvorschrift, welche die Länder, denen die Justizausbildung wieder übertragen worden ist, beachten sollen. B I . Entscheidend in ihr erscheint nur das Bestehen der zweiten (der großen) Staatsprüfung.
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§2
GVG
B II. Nach. GVG § 2 I I soll der ersten Prüfung ein mindestens dreijähriges Universitätsstudium vorausgehen, von denen mindestens drei Halbjahre an einer deutschen Universität belegt worden sein sollen. a) Der Begriff deutsche U n i v e r s i t ä t wurde früher als im kleindeutschen Reiche belegene ausgelegt (Sydow-Busch § 2 Anm. 3), obwohl in ihm 1877 noch keinesfalls überwiegend gleiches Recht galt. Man wird deshalb den Begriff jetzt für die Nachfolgestaaten (DDR, Westberlin, BRD) gelten lassen dürfen, also für das Inland (§ 12 A II a 1), nicht bloß für das Gerichtsinland (§ 12 A II a 2). Zwar schreiben darüber hinaus die Prüfungsordnungen bisweilen vor, daß an den Universitäten ihres Bereichs eine Anzahl von Semestern belegt worden sein muß. Soweit sie nicht Bundesrecht sind und im Widerspruch zu GVG § 2 stehen, sind sie aber unwirksam (GG Art. 31). Regelmäßig wird als Universität zu bewerten sein, was so in einem Staat genannt ist (vgl. im übrigen Wengler JZ 51/219). Keinesfalls könnte sieb der Staat, der sie so nennt oder sie so nennen läßt, darauf berufen, daß es keine sei. B III. Nach der ersten Staatsprüfung werden die Kandidaten, welche die erste Prüfung bestanden haben, zu Referendaren nach den Justizausbildungsordnungen ernannt. Die Ausbildungszeit als Referendar soll mindestens dreieinhalb Jahre und höchstens vier Jahre betragen (GVG § 2 III). Dreißig Monate davon sollen sodann bei Gerichten, der Staatsanwaltschaft, den Notaren und den Rechtsanwälten verbracht werden, der Rest (12—18 Monate) mindestens zur Hälfte in der Verwaltung (d. h. 6—9 Monate), während über den verbleibenden Rest die Landesjustizverwaltung nach ihrer Ausbildungsordnung verfügen darf. Daran schließt (in von der Prüfungordnung zugelassenem Abstand) die zweite Staatsprüfung. C. In den Ländern gelten unterschiedliche Ausbildung- und Prüfungordnungen. D. Für andere Justizorgane gibt es ebenfalls Ausbildungs- und Prüfungordnungen, die aber nicht in das GVG eingegangen sind. Für den gehobenen Dienst und für den mittleren Justizdienst vgl. Kommentar GVG § 153, für den GV vgl. Kommentar GVG § 154.
§3(3) I Wer in einem deutschen Land die erste Prüfung bestanden hat, kann in jedem anderen Land zur Vorbereitung für den Justizdienst und zur weiteren Prüfung zugelassen werden. II Die in einem deutschen Land auf die Vorbereitung verwendete Zeit kann in jedem anderen Land angerechnet werden. A. Ein Rechtsanspruch, zum Vorbereitungsdienst in einem anderen Lande zugelassen zu werden als dem, wo die erste Prüfung abgelegt worden ist, besteht danach nicht. Doch darf die Landesjustizverwaltung das zulassen, was für sie unter dem Gesichtswinkel eines einheitlichen Staatsangehörigkeitsrechts selbstverständlich sein sollte. Ob bei Ländern innerhalb der BRD die Beschränkung überhaupt gilt, ist nach GG Art. 11, 12 zweifelhaft. Das Entsprechende gilt für die Vorbereitungszeit nach der ersten Prüfung. B. Der Begriff des deutschen Landes bezog sich 1877 auf die zum kleindeutschen Reich gehörenden Länder. Hierbei ging man davon aus, daß ein einheitliches Staatsgebiet vorhanden war, obgleich in ihm nicht einmal ein einheitliches Recht galt. Unter diesem Gesichtswinkel sind deshalb weder Westberlin noch die DDR von dem Begriff auszuschließen.
§ 4 (4) I Zum Richteramt befähigt ist ferner jeder ordentliche öffentliche Lehrer des Rechts an einer deutschen Universität. A. Nur ordentliche Professoren des Rechts, die keine haben, nicht außerordentliche oder Privatdozenten werden dafür zuständigen Staatsorgane richterfähig. Die Berufung schieht durch ein inländisches Staatsorgan. Über den Begriff
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zweite Staatsprüfung gemacht mit der Ernennung durch die zum ordentlichen Professor ge„deutsch" vgl. GVG § 2 B I I a.
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§ 5 (5) I Wer in einem deutsehen Land die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat, ist, soweit dieses Gesetz keine Ausnahme bestimmt, zu jedem Richteramt innerhalb Deutschlands befähigt. A. Im Geltungsbereich des GVG (nicht darüber hinaus) genügt grundsätzlich die Richterfähigkeit in irgendeinem Gebiet zur Ernennung. Es genügt der Erwerb der Richterfähigkeit in einem deutschen Land (GVG § 3 B), aber die auf Grund des GVG § 2, also grundsätzlich (über die Ausnahmen vgl. GVG § 2 A I) mit einer großen Staatsprüfung nach vorangegangenem Ausbildungsgang, wie man sie in Westdeutschland und in Westberlin kennt. Entspricht die Prüfung dem nicht, so ist § 5 nicht anwendbar. Dies wird durch die Normen bestätigt, wonach die zweite Staatsprüfung erlassen werden darf, wenn der Richterfähige schon im Auslande auf Grund entsprechender Ausbildung richterfähig war (Kommentar GVG § 2 A I a). Ohne diese Prüfung werden nur die deutschen ordentlichen Professoren des Rechts richterfähig (GVG § 4). Darüber hinaus sind Prüfungen, die nicht der großen Staatsprüfung entsprechen, nicht ausreichend, auch wenn sie in einem deutschen Lande zum Erwerb der Richterfähigkeit genügen.
§ 6 (6) I
Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt.
A. GVG § 6 befaßt sich mit der Richterernennung; er setzt sie als solche voraus und regelt nur ihren Inhalt. A I . Der ständige Berufsrichter (GVG § 6 C I) wird von dem zu seiner Ernennung zuständigen Staatsorgan in das Richteramt berufen. Über das Ausscheiden des Berufsrichters vgl. GVG § 8. a) Welches Organ im einzelnen für die Berufung zuständig ist, ergibt das Verfassungsrecht. c) Über die W i e d e r e r n e n n u n g nach Beendigung der Mitgliedschaft als Abgeordnete vgl. § 8 B III. A II. In den genannten Gesetzen sind außer der Richterfähigkeit bisweilen noch Besonderheiten gegeben, die beachtet werden sollen, etwa die Erreichung eines bestimmten Lebensalters für Bundesrichter (vgl. GVG § 6 B II a 1), die besonderen Kenntnisse (nach Meinung der Wahlorgane). b) Ernannt werden die Richter an einem bestimmten Gericht, als vorläufiger (Assessor), ständiger Richter (Amts-, Land-, Oberlandesgerichtsrat), ständiger Vorsitzer (Landgerichtsdirektor, Senatspräsident), ständiger Gerichtspräsident; aber nicht für einen bestimmten Platz innerhalb der Geschäftsverteilung dieses Gerichts. In Westberlin werden die Präsidenten auf Zeit bestimmt. Dabei ist noch streitig, soweit dies nicht die einzelnen Gesetze ausdrücklich ergeben, ob der ganze Wahlapparat bei jeder Stufe der Ernennung mitzuwirken hat. Der Bundesminister der Justiz hat — bisher unbeanstandet — gegen die wohl h. M. im Richterwahlausschuß vom Ausschuß gewählte Mitglieder zu Senatspräsidenten auch ohne dessen Zustimmung ernannt. A III. Was über die Ernennung und das Ausscheiden von Richtern gesagt ist, gilt entsprechend für die Ernennung zu Referendaren und Assessoren, nur daß für diese nach dem Laufbahngesetz meist andere Organe (untergeordnete) und weniger komplizierte Verfahren einzuhalten sind. Dies gilt erst recht von der Berufung der sonstigen Justizorgane (vgl. GVG § 2 D), von den Laienrichtern abgesehen (über diese vgl. GVG § 11 B^ B. Die ordnungsmäßige Berufung, d. h. die vom zuständigen Organ vorgenommene, gibt die richterliche Gewalt, ohne Rücksicht auf Mängel, die das ernennende — nach außen allein in die Entscheidung tretende — Organ von der Ernennung hätte abhalten müssen. Dabei wird indes als zuständiges Organ jeder Behördenchef angesehen werden müssen, mag er auch für die Ernennung sachlich unzuständig gewesen sein; denn eine solche Ernennung ist nach BBG § 1 1 1 1 — schwebend — unwirksam und kann von dem zuständigen Organ noch bestätigt
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B
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werden (BBG § 1 1 1 1 ) . Doch sind die Amtshandlungen des so Ernannten wirksam (BBG § 64), bis die ihn ernennende Behörde ihm die Weiterführung der Geschäfte verboten hat (BBG § 13). Darüber, wie sich diese Norm auswirkt, vgl. GVG § 8 D III. B I. Ohne Ernennung durch das zuständige (vgl. GVG § 6 B) Organ bzw. in der richtigen Form (vgl. BBG § 36) bzw. an einem bestimmten Gericht würde, selbst wenn ein Richterfähiger entscheidet, die Entscheidung nichtig sein (sofern sie das Staatsgericht zu treffen berufen ist) und auch dann, wenn der Betreffende schon als Richter gewählt worden ist. Ist indes ein Kollegium tätig geworden, so ist die Entscheidung erst dann nichtig, wenn kein Mitglied des Kollegiums (ordnungsmäßig) berufen war (vgl. §§ 551 11, 579 11). B II. Wesentliche Mängel bei der Berufung durch das zuständige Organ können dagegen nur zu einem Angriff auf die unrichtig besetzte Richterbank führen (vgl. §§ 539, 55111, 579 1 1). Der Unterschied zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit liegt darin, daß für die letzte Fristen zu wahren sind, für die erste nicht; daß das letzte Erkenntnis angegriffen werden muß, das erste auch ohne Angriff nicht beachtet werden darf. a) Doch sind nicht alle Berufungmängel so wesentlich, daß sie zur Anfechtbarkeit ausreichen, sondern nur die, welche das Gesetz für das berufende Organ zur unbedingten Voraussetzung gemacht hat. a l . Die wesentlichen Mängel können in d e r P e r s o n des B e r u f e n e n eintreten. Dazu gehören für Berufsrichter die mangelnde Richterfähigkeit (GVG § 2), im besonderen, wenn ein Referendar ernannt wird (soweit er nicht gerade schon auf Grund dieser Berufung richterliche Geschäfte wahrnehmen darf, vgl. GVG § 10, BBG § 11 II 3), die mangelnde Prozeßfähigkeit (§ 41 B I; § 51, BBG § 11 II 2 spricht nur von dem Fall der Entmündigung; über den Fall des BBG § 11 II 1 vgl. GVG § 6 B II b 1); in diesen Fällen erklärt zwar BBG § 11 II die Ernennung für nichtig; doch ergibt BBG § 14 11, daß trotz dessen die Amtshandlungen des Beamten wirksam sind. Dies bedeutet aber nur, daß es sich um kein nichtiges Erkenntnis handelt, sondern um ein anfechtbares. So ist es auch zu beurteilen, wenn jemand zum Richter ernannt worden ist, nachdem ihm durch zuvor rechtskräftig gewordenes Urteil die Fähigkeit, ein öffentliches Amt zu bekleiden, abgesprochen war (StGB §§ 31, 33, 34, 35, 36, 358). Auch diese Ernennung verstößt nur gegen BBG § 11 II 3. Soweit die Berufung an ein bestimmtes L e b e n s a l t e r geknüpft ist (beim BGH und BArbG an die des 35. — GVG § 125 II, ArbGG §4211), liegt ebenfalls ein anfechtbarer Berufungsmangel vor (vgl. BBG §11113); doch braucht, nachdem das Alterserfordernis gegeben ist, nicht mehr neu berufen zu werden; von da ab werden die Entscheidungen wirksam. Dagegen kommt es darauf nicht an, ob der zum Richter Berufene, soweit das DBG noch in den Ländern oder an seiner Stelle entsprechende Normen in Kraft sind, das 27. Lebensjahr vollendet haben muß, wie das DBG § 27 II 1 vorschreibt, wenn er auf Lebenszeit berufen werden soll, was auch BBG § 11 1 1 bestätigen könnte, wenn nicht der Minister die Ausnahme zugelassen hat oder nachträglich zuläßt, arg. BBG §11 12); denn er darf ohne Rücksicht auf dieses Lebensalter richten, auch wenn er noch nicht auf Lebenszeit berufen ist (ganz abgesehen davon, daß die Berufung auf Lebenszeit, die unter Verstoß gegen DBG § 27 II 1 ausgesprochen wird, nicht allein deshalb vernichtet werden darf). a 2 . Anfechtbar ist die Berufung aber auch, wenn bei der Berufung a n d e r e O r g a n e m i t w i r k e n mußten, so daß ohne ihre Zustimmung nicht hätte berufen werden dürfen, also soweit Richterwahlausschüsse bestehen und sie wählen müssen, bevor ernannt werden darf, sofern sie nicht gewählt haben oder ihr Beschluß nichtig oder vernichtet worden ist (stimmen sie nachträglich zu, so wird ex nunc die Berufung unanfechtbar). Entsprechend sollte man die vorgeschriebene interne Zustimmung eines Fachministers behandeln (vgl. ArbGG § 42 I). b) Alle übrigen Mängel sind unwesentlich. b 1. Ist es allerdings unterlassen, jemand zum Direktor zu ernennen, so ist er nur Richter, nicht Direktor usw. Unerheblich ist es auch, ob er tatsächlich die besonderen Qualitäten besaß, die das Gesetz an seine Ernennung knüpfte, etwa die besondere Kenntnis auf arbeitsrecht-
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GVG
§ 6 B II b 1
lichem Gebiet, von der ArbGG § 42 II spricht. Rosenberg Lb. § 21 I I 1 a schließt aus GYG § 109 (vgl. BBG § 7 11, II), daß der Richter die deutsche Staatsangehörigkeit haben muß; sie erhält er regelmäßig nicht durch die Berufung zum Richter. b 2. Unerheblich ist es, ob ein V o r s c h l a g s r e c h t , das gesetzlich besteht, derart beachtet wird, daß der, welcher vorschlagen soll, gehört wird, solange nicht von den Vorzuschlagenden einer bestimmt werden muß. Auch kommt es nicht darauf an, ob der Minister etwa intern verpflichtet ist, einen Kabinettsbeschluß herbeizuführen oder ob er sich an ihn hält, wennnur er als Organ zur Ernennung ermächtigt ist. Unwesentlich ist weiter, ob die verschiedenen Laufbahnvorschriften beachtet worden sind (vgl. Kommentar GVG § 6 A II a). B III. Die Frage nach den wesentlichen oder unwesentlichen Mängeln stimmt mit der, ob die Beamtenstellung des Richters vernichtet werden kann, nicht überein. Wird die Ernennung nach BBG §§ 11 folg. vernichtet, so wirkt dies von der Abberufung ab (ex nunc, BBG § 13), und zwar dann auch ohne daß nach der Abberufung dies noch besonders zu rügen wäre. Dies gilt aber auch, wenn eine unzuständige Behörde den Richter ernannt hat (BBG § 14). Vgl. im übrigen GVG § 8. C. GVG § 6 wird einschränkend ausgelegt. C I . Einmal wird er nur auf festangestellte Richter bezogen (RGSt. 56/83), nicht auf die Hilfsrichter (vgl. GVG §§ 10, 70 II, BGHSt. 1/274, OGHSt. Rpfl. 50/355). Hilfsrichter dürfen danach auf Zeit berufen werden. Die Laufbahngesetze sehen solche Berufungen auch ausdrücklich vor. Für den Vorsitzenden des ArbG ergeben sie sich aus ArbGG §§ 18, 19, 36. C II. Eingeschränkt wird die Bestimmung durch GVG § 8, wonach die Lebenszeit auf die Erreichung gewisser Altersstufen begrenzt wird.
§ 7 ( 7 ) I Die Richter beziehen in ihrer richterlichen Eigenschaft ein festes Gehalt mit Ausschluü von Gebühren. A. Die Richterbesoldung entspricht der für Beamte; sie ist abhängig von der Verleihung des Amtes (RG N GVG § 7/2) und umfaßt auch Umzugskostenvergütungen (RG N GVG § 7/1), Reisekosten, Beihilfen, Unterstützungen, Beschäftigungtagegelder. Nur die Parteien bezahlen sie nicht unmittelbar (RGSt. 3/231 [234]).
§ 8 ( 8 ) I Richter können wider ihren Willen nnr kraft richterlicher Entscheidung und nur ans den Gründen und unter den Formen, die die Gesetze bestimmen, dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung Richter in den Ruhestand treten. II Die vorläufige Amtsenthebung, die kraft Gesetzes eintritt, wird hierdurch nicht berührt. III Bei einer Veränderung in der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke kann die unfreiwillige Versetzung an ein anderes Gericht oder die Entfernung aus dem Amt unter Belassung des vollen Gehalts durch die Landesjustizverwaltung verfügt werden. A. Die Bestimmungen des GVG § 8 1, I I I entsprechen dem GG Art. 97 II; auch sonst ist GVG § 8 in verschiedene Landesverfassungen aufgenommen: B-W Art. 66, Bay. Art. 87 I, Bremen Art. 137 I, Hessen Art. 127, Rh.-Pf. Art. 122. GG Art. 97 I I spricht dabei ausdrücklich aus, daß sich die Bestimmung nur auf die hauptamtlichen und planmäßig endgültig angestellten Richter bezieht, also nicht auf Hilfsrichter; so wurde schon früher GVG § 8 ausgelegt (vgl. RGSt. 56/83). GVG § 8 bezieht sich auf alle Gründe der Amtsveränderung gegen den Willen des Richters, also auch, wenn sie allein im Interesse der Rechtspflege und ohne jedes 2 W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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GVG Verschulden des Richters geschieht (RGZ 49/112 [119]), und zwar sowohl bei der Dienstentlassung wie bei der Versetzung in den Ruhestand oder in den Wartestand, wie bei der in eine andere Stelle. Er regelt indes nicht die sonstigen Entlassungsgründe. B. So wie die Berufung dem Richter die Richtermacht gibt, so nimmt sie ihm die Entlassung durch das zuständige Organ. B I. Für die Abberufung ist grundsätzlich dasselbe Organ zuständig, das die Ernennung ausspricht (vgl. BBG § 33), sofern das Gesetz nicht ein anderes Organ dafür bestimmt. Die Abberufung stellt sich so als Widerruf der Berufung dar. Vollzogen wird sie mit der Entlassungserklärung des zuständigen Staatsorgans (vgl. GVG § 6 A I), soweit sie nicht durch Richterspruch kraft Gesetzes (GVG § 8 B II) oder sonst kraft Gesetzes (GVG § 8 B III) eintritt. Daß der Richterspruch nicht bloß für die dauernde, sondern auch für die einstweilige Dienstenthebung zu fordern ist, stellt GVG § 8 II klar, eine Bestimmung, die durch BDO §§ 108 11,110 ausgeführt worden ist. In GG Art. 97 II ist sie nicht ausdrücklich aufgenommen; doch ergibt sich dies schon aus GG Art. 97 II 1. Auch hier tritt die Wirkung erst mit dem rechtskräftigen Erlaß der einstweiligen Entscheidung ein. a 1. Der Richter, der seine E n t l a s s u n g b e a n t r a g t , ist zu entlassen. a 2 . Weiterer Endigungsgrund ist der Eintritt in den R u h e s t a n d durch Entlassungsverfügung des Anstellungsorgans. Obwohl die Altersgrenze nach dem Gesetz erreicht wird, bedarf es zu der Entlassung noch der Entlassungsverfügung (vgl. GG Art. 60; DB zur AnO v. 17. 5.1950 — BGBl. 209 — § 1 II). Sie soll mit Erreichung der Altersgrenze ergehen, d. h. regelmäßig mit der Erreichung des 65. Lebensjahres (BBG § 4 1 1 1 ) ; doch darf eine andere Altersgrenze gesetzlich (BBG § 4 1 1 2) wie verwaltungsmäßig (BBG § 41 II) festgelegt werden. Dies ist für Bundesrichter geschehen, die mit Erreichung des 68. Lebensjahres entlassen werden (3. G v. 28.11.1956 [BGBl. I 884]). a 3 . Entsprechend wird der Eintritt der D i e n s t u n f ä h i g k e i t geregelt und die Zurruhesetzung des Richters infolge ihres Eintritts nach BBG §§ 42—44 zulässig. Auch sie wird nach BBG § 33 von der dazu berufenen Behörde durchgeführt. Beantragt sie der Richter, so entscheidet die Anstellungsbehörde nach BBG §§ 42 III, 43; gegen den Willen des Richters kommt es zu einem verkürzten Disziplinarverfahren (BBG § 44 IV). Dieses braucht der Richter nicht gegen sich gelten zu lassen (GG Art. 97 II 1). Ist er geschäftsunfähig, so muß ihm ein Pfleger bestellt werden. Jedenfalls hört mit dem Eintritt der Prozeßunfähigkeit das Richten nach der hier vertretenen Auffassung auf (§ 41BI). a 4. GG Art. 97 II 3, GVG § 8 III gestatten die Entfernung aus dem Amt bzw. die V e r s e t z u n g an ein anderes Gericht durch die Anstellungsbehörde (BBG § 33) ohne Richterspruch unter Belassung des vollen Gehalts, wenn ihre Einrichtung oder ihre Bezirke verändert werden (vgl. dazu das ZuständigkeitsänderungsG v. 6.12.1933). Bloße Verfahrensänderungen genügen dazu nach RGZ 113/211 nicht, was anläßlich der Einführung der Einzelrichter (§§ 348 folg.) ausgesprochen wurde, jedenfalls genügen nicht die Verlegung der Zuständigkeitsgrenze zwischen Amts- und Landgericht oder die Erhöhung der Erwachsenheitssumme für Berufung oder Revision. Auch erlischt die Befugnis, sobald die neue Gerichtsverfassung wirksam wird nach RGZ 113, 217 folg., wobei allerdings das erst spätere Ausscheiden nicht schaden soll. Die Befugnis steht der Verwaltungsbehörde zu: sie darf den Richter auch in ein niederes Amt versetzen. B II. Doch gibt es auch Fälle, in denen das Gesetz andere Organe zur Abberufung bestellt; darunter fallen die kraft ßichterspruchs. Nach GG Art. 97 II 1, GVG § 8 I ist zur Veränderung (Versetzung, Entlassung) der Richterstellung wider Willen des Richters grundsätzlich (vgl. aber GVG § 8 B III) ein Richterspruch erforderlich. GG Art. 97 I gewährleistet den Richtern aller Zweige der Gerichtsbarkeit, Bundes- wie Landesrichtern die persönliche Unabhängigkeit. Ebenso die entsprechenden Bestimmungen der Länderverfassungen (vgl. Kommentar GVG §8A). a) Zu ihnen gehören die auf Grund der R i c h t e r a n k l a g e n durch Richterspruch des Verfassungsgerichts, und zwar für Bundesrichter (GG Art. 98 II), fall s sie (auch außerhalb des Amtes) gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder die verfassungsmäßige Ordnung
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eines Landes verstoßen. Dieser Regelung entsprechen für die Landesrichter nach den Länderverfassungen folgende: B W Art. 66 I I , Bremen Art. 136 I I I , Hamburg Art. 63 I I I , Hessen Art. 127 IV, Nds. Art. 40, N R W Art. 73, RhPf. Art. 132, SchlH Art. 36 I I . Auch nach diesen Bestimmungen entscheidet das B V G ; insoweit ist die Zuständigkeit der Länderverfassungsgerichte nicht mehr gegeben (GG Art. 98 V 3). Die Verfassung von Bayern enthält keine entsprechende Regelung. In Westberlin entscheidet nach Verf. Art. 70 I I und RichterG § 49 bei Verfassungsverstößen von Richtern der Dienststrafhof. b) Dazu gehören ferner die Abberufung kraft Spruch der S t r a f g e r i c h t e nach S t G B § 35 I I , B B G § 48 und den entsprechenden Landesgesetzen. c) Eine besondere Art der Abberufung ist die durch den Spruch des D i s z i p l i n a r g e r i c h t s . Die Disziplinargerichte des Bundes sind nach der Bundesdisziplinarordnung v. 2 8 . 1 1 . 1 9 5 2 (BGBl. I 761 i. V. m. G v. 5. 8. 55 [BGBl. I 497]) die Bundesdisziplinarkammern und der Disziplinarhof, dessen Sitz in Berlin ist. Für die richterlichen Beamten des Bundes ist BDO § 108 von besonderer Bedeutung, für die Richter der oberen Bundesgerichte und die unabhängigen Mitglieder des Bundesrechnungshofes besteht ein besonderer Disziplinarsenat beim BGH (BDO § 110). In den Ländern ist das Dienststrafrecht entsprechend geordnet. B III. Der Richter kann auch ausscheiden infolge des Überganges zu einer anderen Tätigkeit. Davon sind ausdrücklich geregelt die folgenden Fälle: a) nach dem G über die Rechtstellung der in den Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes v. 4. 8. 1953 (BGBl. I 777) tritt der in den Bundestag gewählte Richter mit der Annahme der Wahl in den Ruhestand, d. h. er ist als Richter abberufen. Nach Beendigung der Mitgliedschaft des Bundestages darf er innerhalb von drei Monaten beantragen, in das frühere Dienstverhältnis übernommen zu werden. Auch ohne Antrag kann ihn das Anstellungsorgan wieder in ein solches Dienstverhältnis berufen. Eine erneute Richterwahl ist dazu nicht erforderlich, wohl aber die Ernennung durch das Organ. Auch braucht es nicht den Richter am selben Gericht zu ernennen, wenn es auch seinen Rang nicht vermindern kann. Direktoren, Senats- und Gerichtspräsidenten werden sich also auch eine Beschäftigung als zweite Hand gefallen lassen müssen. Bundesminister dürfen neben ihrem Amt kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben (BMinisterG v. 17. 6 . 1 9 5 3 [BGBl. I 407] § 5 I). Wird ein Beamter oder Richter des Bundes zum Bundesminister ernannt, so scheidet er mit Beginn seines Amtsverhältnisses aus seinem Amte als Beamter oder Richter aus. Nach Beendigung des Amtsverhältnisses als Minister tritt der Beamte oder Richter in den Ruhestand, wenn ihm nicht innerhalb dreier Monate mit seinem Einverständnis ein anderes Amt übertragen wurde (BMinisterG § 18 I, I I ) . Dies gilt entsprechend für die zu Mitgliedern der Bundesregierung ernannten Beamten oder Richter eines Landes, einer Gemeinde oder einer sonstigen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts (BMinisterG § 18 I I I ) . In den Ländern gilt für die Wahl von Beamten und Richtern zu Abgeordneten bzw. für ihre Ernennung zum Minister ähnliches. Im übrigen ist es aber dem Richter oder Beamten gestattet, sich parteipolitisch zu betätigen ( B B G § 5 3 ; OLG Bamberg N J 51/188) und einer Gewerkschaft anzugehören. b) Nach BVGG § 101 scheiden die zum B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t gewählten Richter auf Zeit aus ihrem bisherigen Amt aus, nicht aber die für die Dauer ihres Amtes gewählten Bundesrichter (vgl. BVGG § 4 I). Nach dem Ausscheiden aus dem Amt als Bundesverfassungsrichter tritt der Richter in den Ruhestand, „wenn ihm kein anderes Amt übertragen wird". Hier hat er also kein Antragsrecht, wohl aber darf das Anstellungsorgan ihn weiter verwenden. Wird ein Bundesverfassungsrichter nachträglich zum Bundesrichter gewählt, so hat er nur die Wahl, das Amt als Bundesverfassungsrichter niederzulegen oder das Amt als Bundesrichter nicht anzutreten; insoweit muß dann B B G § 28 I 2 entsprechend angewandt werden. c ) Über die Stellung der Richter während des Grundwehrdienstes oder einer Wehrübung vgl. G v. 30. 7. 1957 (BGBl. I 293) § 9. d) Schließlich ist noch der Beurlaubung der Richter in sonstigen Fällen zu gedenken. C. Die gerichtlichen Abberufungsverfahren haben besondere gesetzliche Fundamente. 2•
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§8
GVG
CI. Bei der R i c h t e r a n k l a g e nach GG Art. 98 II und den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen (vgl. GVG § 8 B II a) kann der Richter auch in ein anderes Amt oder in den Ruhestand versetzt werden (vgl. GG Art. 98). CII. Die Verfahren der S t r a f g e r i c h t e richten sich nach der StPO, ohne daß hier die Persönlichkeit des Richters eine besondere Rolle spielen könnte; dies gilt auch, soweit über eine Rechtsbeugung zu erkennen wäre. Auch hier scheidet der Richter mit der Rechtskraft des Urteilspruches aus (StGB § 35 II, BBG § 48). CIII. Das D i e n s t s t r a f v e r f a h r e n hat zur Voraussetzung, daß der Richter ein Dienstvergehen beging (BBG § 77), d. h. er muß schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) seine Dienstpflichten (BBG §§ 52 folg.) verletzt haben. Für die Richter der Länder gilt nach Landesrecht ähnliches. Auch hier scheidet der Richter mit der Rechtskraft des Urteils aus. D. Die Abberufung des Richters wirkt nur, wenn sie in der ordentlichen Form vom ordentlichen Organ, bei dem Ausscheiden durch Richterspruch durch wirksamen (d. h. nicht nichtigen), rechtskräftigen Spruch, in den Fällen des GVG § 8 B III durch die (wirksame) Annahme der Wahl erklärt worden ist. D I . N i c h t i g ist die Abberufung nur, wenn sie von einem unzuständigen Organ (BBG § 33, vgl. GVG § 8 B I) oder durch einen nichtigen Spruch (GVG § 8 B II) ausgesprochen worden ist bzw. wenn ein Minister (in den für ihn in Betracht kommenden Fällen), ein Abgeordneter oder ein Bundesverfassungsrichter seine Wahl gar nicht angenommen hat bzw. wenn sich herausstellt, daß er gar nicht gewählt worden ist, sofern er sein neues Amt noch nicht angetreten oder sein altes noch nicht verlassen hat. a) Die nichtige Abberufung erhält den Abberufenen im Amt, d. h. seine fortgesetzte Tätigkeit ist unangreifbar, sein Nichttätigwerden kann dagegen regelmäßig nicht gerügt werden, denn sein Ausfall wirkt sich nur in der Geschäfts Verteilung aus. b) Wird dagegen die E n t l a s s u n g s v e r f ü g u n g b X. des Anstellungsorgans durch Spruch des Verwaltungsgerichts a u f g e h o b e n , so tritt der Richter ex nunc wieder in seine alte Stelle ein; war sie in der Geschäftsverteilung der Gerichte besetzt, so muß neu eingeteilt werden. b 2 . Wird der Spruch des BVG im W i e d e r a u f n a h m e v e r f a h r e n aufgehoben (vgl. BVGG § 61), so ist BBG § 51 entsprechend anzuwenden. Das Entsprechende gilt, wenn ein Strafurteil oder ein Disziplinarurteil auf dem Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben wird. Sodann hat der noch nicht in den Ruhestand zu versetzende Beamte einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Übertragung eines Amtes derselben oder gleichwertigen Laufbahn (also der als Bundesrichter, wenn auch nicht notwendigerweise am selben Gericht; BBG § 511 2); doch wird er es erst werden mit der Berufung (die allerdings nicht mehr eine Neuwahl fordert). b 3 . Über die gesetzliche Regelung der zu GVG § 8 B III genannten Fälle vgl. daselbst. Die Regelung wird auch Platz greifen, falls die Wahl des Richters nicht ordnungsgemäß war bzw. er nicht angenommen hatte, beides aber angenommen und er deshalb so behandelt wurde, wie wenn beides in Ordnung gewesen wäre. D II. Die Abberufung kann indes auch bloß anfechtbar sein. Bleibt dann der Richter tätig, so sind seine Entscheidungen nichtig, wenn er nicht im Kollegium sitzt, und jedenfalls ist die Entscheidung des unrichtig besetzten Kollegiums nach §§ 551 1, 559, 579 1 1 angreifbar. Sein Nichttätigwerden kann nicht gerügt werden, ganz abgesehen davon, daß auch durch seine Untätigkeit nur eine Frage der Geschäftsverteilung berührt wird. a) Anfechtbar ist eine Abberufung, welche ein zwar an sich zuständiges Organ (GVG § 8 B I) ausgesprochen hat, das aber über den Fall nicht entscheiden durfte. Aufgehoben werden kann der Ausspruch nur durch Widerruf der Anstellungsbehörde bzw. durch verwaltungsgerichtliches Urteil. Gibt sich der Abberufene mit der Abberufung zufrieden, so stimmt er zu.
20
GVG
§8DII
b) Über die mit der Wiederaufnahmeklage anfechtbaren gerichtlichen Abberufungsentscheidungen vgl. GVG § 8 D I b 2; da sie nicht mit Rechtskraft wirken, ist die Rechtslage anders als bei der Abberufungsverfügung der Anstellungsbehörde. Über die Fälle zu GVG § 8 B III vgl. GVG § 8 D I b 3. D III. Wird umgekehrt ein Richter nicht abberufen, der kraft Gesetzes abzuberufen ist, so ist die Richterbank nicht ordnungsmäßig besetzt, was als unrichtige Besetzung der Richterbank rügbar ist (§§ 539, 551 1 1; 579 1 1; OLG HRR 29/560). E. Die sonstigen Rechtspflegeorgane — von den Laienrichtern abgesehen (über diese vgl. GVG § 11 B) — werden von der sie ernennenden Stelle abberufen (BBG § 33 und die entsprechenden Länderbestimmungen, vgl. GVG § 153 C). E I. Auch unter ihnen gibt es l e b e n s l ä n g l i c h e B e a m t e (Rechtspfleger, die Urkundsbeamten, GV). Gegen sie gibt es keine Richteranklage (GVG §8 B l l a ) . In einer Reihe von Fällen dürfen sie durch die Anstellungsbehörde abberufen werden, während gegen Richter allein durch Disziplinargerichte vorgegangen werden darf (vgl. BBG §§ 11—13, 28 11, 29 und die entsprechenden Ländergesetze). E II. Solange der B e a m t e nur auf W i d e r r u f angestellt ist — und dazu gehören auch Hilfsrichter — darf die Anstellungsbehörde auch ohne die sonstigen Voraussetzungen die Berufung widerrufen (BBG § 32 und die entsprechenden Landesgesetze).
§ 9 (9) I Wegen vermögensrechtlicher Ansprüche der Richter aus ihrem Dienstverhältnis, insbesondere auf Gehalt, Wartegeld oder Ruhegehalt, darf der Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. A. Unter Rechtsweg für vermögensrechtliche Ansprüche (§ 2 A I b 2), u. U. ist ein verwaltungsrechtlicher Vorbescheid herbeizuführen (vgl. GVG § 13 F Ve), ist wie in GVG § 13 der Gerichtsweg vor den ordentlichen Gerichten gemeint (a. M. BVerwG J R 57/144). B. Dies gilt sowohl für die Richter des Bundes wie für die der Länder. C. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche können durch verwaltungsgerichtliche Klage geltend gemacht werden, soweit die Gesetzgebung auf diesen Weg verweist. Die Frage, ob ein Richter berufen oder abberufen wurde, ist von den ordentlichen (usw.) Gerichten nur als Vorfrage zu entscheiden (vgl. GVG § 13 J III c). Die Rechtsansprüche der Richter im einzelnen sind im Besoldungsrecht der Beamten geregelt (GVG § 7 A). Nicht auf dem ordentlichen Rechtsweg kann über Bezüge entschieden werden, die nur nach dem Ermessen der Verwaltungsbehörden gewährt werden, auf die aber kein Rechtsanspruch besteht (RG N GVG § 9/1). Soweit durch Disziplinarentscheidung der Richter entlassen oder seine Bezüge gekürzt worden sind, prüfen die ordentlichen Gerichte nur nach, ob das Disziplinarerkenntnis rechtskräftig und es auf eine im Gesetz begründete Strafe erkannt hat, nicht aber, ob die Entscheidung sachlich richtig ist (RGZ 71/233 [235]). D. Zuständig sind nur die ordentlichen, nicht die Arbeitsgerichte (ArbGG § 5 II).
§ 10
(10)
I Nach näherer landesgesetzlicher Bestimmung können Gerichtsreferendare mit der Wahrnehmung einzelner richterlicher Geschäfte betraut werden. Der Auftrag ist in jedem Falle durch den Richter aktenkundig zu machen. II Bei Amtsgerichten und Landgerichten kann, wer zum Richteramt befähigt ist, als Hilfsrichter verwendet werden, ohne gemäß § 6 zum Richter auf Lebenszeit ernannt zu sein. m Unberührt bleiben die Vorschriften über die Übertragung richterlicher Geschäfte auf den Rechtspfleger.
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§10
GVG
A. GVG § 10 regelt die Verteilung richterlicher Geschäfte auf Hilfsrichter, d. h. Richter, welche aushilfsweise als solche tätig werden (und die nicht bloß richterliche Hilfsarbeiter sind). B. Referendare werden zu einer richterlichen (GVG § 2) Tätigkeit nur nach den näheren Bestimmungen der L a n d e s g e s e t z g e b u n g herangezogen. Bundesrechtlich ist nur vorgeschrieben, daß der Richter den Auftrag aktenkundig zu machen hat (GVG § 10 I 2), geschieht dies nicht, so ist der Akt unwirksam (doch hat RGZ 29/222 [224] auch eine allgemeine Ermächtigung insoweit passieren lassen, wie der einzelne Richterakt als gültig angesehen wurde, in einem Falle, wo dem Referendar der Erlaß sämtlicher Zahlung- und Vollstreckungbefehle übertragen war). B I I . Darüber hinaus gibt es die b u n d e s g e s e t z l i c h e Regelung des §116, wonach Referendare einer Partei als Armenvertreter im Parteiprozeß beigeordnet werden können; StPO § 142, wonach sie zum Verteidiger bestellt werden können. Dabei sollte indes die Justizverwaltung bedenken, daß die Regreßansprüche der Partei dann vom Staat zu tragen sind (GG Art. 34, BGB § 839). Über ihre Gehilfeneigenschaft vgl. § 183 B I I I a. Über ihre Zurückweisung im amtsgerichtlichen Verfahren vgl. § 157 B I b, D 1 b, über die im arbeitsgerichtlichen Verfahren vgl. Kommentar § 157 F. B I I I . Referendare dürfen auch als V e r t r e t e r eines R e c h t s a n w a l t s bestellt werden (BRAO § 53 IV 2) bzw. auftreten (BRAO § 59 II). B IV. Landesrechtlich können Referendare zu A m t s a n w ä l t e n bestellt werden, aber auch mit Vernehmung von Parteien und Zeugen beauftragt werden, nicht aber mit ihrer Vereidigung; oder mit der Durchführung von Ermittlungen nach § 118a, auch in der zweiten Instanz, und soweit Rechtspfleger tätig werden. Regelmäßig wird ihre richterliche Tätigkeit auf die des Amtsrichters beschränkt. Häufig wird auch noch vorgeschrieben, daß sie außer der Ernennung noch eine gewisse Vorbereitungzeit abgeleistet haben müssen. B V. Das Besoldungsrecht der Referendare ist landesrechtlich geregelt. C. GVG § 10 II läßt, bei den Amtsgerichten und den Landgerichten die Verwendung von nicht fest angestellten Hilfskräften durch Richterfähige zu; doch dürfen es keine fest angestellten Staatsanwälte sein (GVG §151, RGSt. JW 26/122815); wohl aber Rechtsanwälte (RGSt. JW 10/86352), Richter i. W. oder i. R.; aber nicht mehr nach Erreichung der Altersgrenze. Über ihre Bestellung vgl. GVG § 6 A I, über ihre Abberufung vgl. GVG § 8 B. CI. Auf einfache Hilfsrichter des GVG § 10 II sind GVG §§ 6, 8 nicht anzuwenden, wohl aber GVG §§ 1—5, 7, 9. Die Regelung verstößt nicht gegen GG Art. 97 (OGHSt. NJW 50/315, BGHSt. 1/274 folg.). Mit solchen Hilfsrichtern dürfen bei den LG Lücken i. S. des GVG § 70 ausgefüllt werden, aber auch bei besonderem, vorübergehendem Geschäftsanfall und zur Heranziehung des Nachwuchses (BGHSt. NJW 55/1805); die Besetzung einer Zivilkammer mit zwei Hilfsrichtern dieser Art hat OLG MDR 57/488 für unzulässig gehalten (dagegen aber BGH NJW 57/1762). Schon die vorübergehende Bestellung eines Hilfsrichters ist unzulässig, wenn die Landesjustizverwaltung (willkürlich und ohne triftigen Grund) keine erforderlichen Planstellen schafft (BGH MDR B 830/55); doch hat BGH MDR B 592/57 = LM ZPO § 373/3 die Heranziehung von Hilfsrichtern wegen des Anfalls der BEG-Sachen gebilligt. Schon eine verhältnismäßig hohe Zahl an beschäftigten Hilfsrichtern zeigt, daß sie nicht bloß für einen vorübergehenden Arbeitsanfall bestellt sind (BGH NJW 56/871). C II. Soweit lebenslänglich angestellte Richter zu Hilfsrichtern berufen werden, ist ihre Abberufung nicht mehr in das Belieben der Justizverwaltung gestellt (vgl. GVG § 70 III). Über die Bestellung von Hilfsrichtern an den Oberlandesgerichten vgl. GVG § 118 A. D. Über die Rechtspfleger vgl. GVG § 153 C und das RechtspflegerG.
§ 11 (11) I Auf Handelsrichter, Schöffen und Geschworene sind die Vorschriften der §§ 2—9 nicht anzuwenden.
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GVG A. Auf die hier genannten Laienrichter ist nur GVG § 1 insoweit anzuwenden, wie er ihre Unabhängigkeit betrifft (GVG § 1 B), nicht soweit nicht vorauszusetzende Rechtskenntnisse verlangt werden. B. Zu ihnen gehören die Schöffen und Geschworenen (GVG §§ 30 folg., 84 folg.), die Handelsrichter (GVG §§ 107 folg.), die Arbeitsrichter (ArbGG §§ 20 folg., 37, 43) und im Verfahren nach dem LVG (also Sonderverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) die landwirtschaftlichen Beisitzer (LVG §§ 3 folg.).
Zweiter Titel Gerichtsbarkeit
§ 12
(12)
I Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit wird durch Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und durch den Bundesgerichtshof (das Obere Bundesgericht für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit) ausgeübt. A II. Unter Gerichtsbarkeit im weiteren Sinne oder Rechtspflege versteht man die organisierte richterliche Gewalt (Kommentar § 1 B II b), welche von der Gesetzgebung und der Verwaltung sich unterscheidet. Diese begriffliche Trennung ist aber nur der Ausgangspunkt für die gesetzliche Regelung. Soweit wie die richterliche Gewalt in Frage steht, liegt Gerichtsbarkeit im engeren Sinne vor, so wie sie der vorliegende Titel als solche bezeichnet ; während ihre Organisation zur Justizverwaltung gehört. Praktisch wird der Unterschied dort, wo die Justizverwaltung bürokratisch (alo mit Weisungsrecht übergeordneter Dienststellen) geübt wird, während die Gerichtsbarkeit von dem von Weisungen unabhängigen Richter auszuüben ist (GVG § 1 B II). a) Die Justizverwaltung also ist der Teil der Staatsverwaltung, welche die Rechtspflegeorgane einsetzt und ihre Organisation regelt. Doch unterstellt auch hier das Gesetz manche Verwaltungstätigkeit der Regelung der von Weisungen unabhängigen Richter; nur soweit dies nicht geschehen ist, gilt deshalb das Weisungsrecht der übergeordneten Stellen. Im einzelnen entscheidet darüber also das Gesetz (RGZ 82/39 [43)). a 1. Soweit der Präsident eines Gerichts mit der Entscheidung gesetzlich beauftragt ist, wird regelmäßig eine Justizverwaltungsentscheidung vorliegen, wie es etwa die über die Befreiung von Eheverboten ist (vgl. die 1. DVO EheG § 11 = BZ AV Zentraljustizamt v. 12. 7.1948 — VOB1. BZ 210) oder die der Anerkennung ausländischer Urteile in Ehesachen nach der 4. DVO EhcG § 24 bzw. AVO BZ § 28, eine Entscheidung, die jetzt den Landesjustizministern (-Senatoren) zusteht (vgl. Entscheidung v. 20.12.1949 — BGBl. 34), wobei die gegen § 328 verstoßende Sonderregelung im Verhältnis zu den übrigen Urteilen gegen GG Art. 3 verstoßen könnte. b) Über die Anfechtbarkeit der Justizverwaltungakte vgl. EG GVG § 23, GVG § 13 B I l l d . B. Die Gerichtsbarkeit (im engeren S ; nne) findet ihre Grenze an der Staatsgewalt und im Staatsgebiet, soweit die Entscheidung nicht im Ausland anerkannt wird. Das Gericht hat zwar die durch die eigene Staatsgewalt gezogene Grenze in der örtlichen und in der sachlichen Zuständigkeit zu beachten, Verstöße dagegen sind indes nur nach diesen Normen zu beurteilen (§ 1 B III, IV). B I. Doch grenzt die inländische Staatsgewalt die Gerichtsbarkeit auch u. U. so ab, daß sie sie allen oder nur bestimmten a u s l ä n d i s c h e n G e r i c h t e n entzieht. a) Dies kann w e g e n d e r P e r s o n geschehen, die in das Verfahren gezogen werden müßte (vgl. dazu GVG §§ 18 folg.).
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§12BI
GVG
b) Es kann aber a u c h s a c h l i c h geschehen, so daß schon in bestimmten Fällen bestimmte Gerichte (oder Verwaltungsbehörden) zuständig sind (Kommentar §1B II). Dabei gibt es dann Abgrenzungen nach oben (Kommentar dazu GVG § 13 B III a) wie nach unten; die nach unten wird durch die Errichtung der Sondergerichte (GVG § 14) und durch die Verwaltungsgerichte und -behörden unter dem Begriff der Zulässigkeit des Rechtsweges (GVG § 13 B III c) gewonnen; aber auch dies nur für einzelne Fragen. B II. Geht ein (ordentliches) Gericht über seine obere Grenze der Gerichtsbarkeit hinaus, so ist seine Entscheidung nichtig (vgl. das aufgehobene AHKG 13 Art. 4); dies gilt auch, wenn ein Gerichtsfreier (ohne seine Zustimmung) verurteilt wird. Greift es dagegen in die untere Sphäre (des Sondergerichts oder der Verwaltungsgerichte oder -behörden) ein, so gilt die rechtskräftige Entscheidung, wenn auch die nicht rechtskräftige angreifbar und zu beseitigen ist, soweit hier nicht die Gesetze schon in einem früheren Zeitpunkt die ..Zuständigkeitseinrede" abschneiden (vgl. § 528 B). C. Wenn das GVG als Gerichte der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit nur die Amtsgerichte, die Landgerichte, die Oberlandesgerichte und den Bundesgerichtshof nennt, so heißt dies, daß sich auf diese Gerichte unmittelbar seine Vorschriften beziehen. Darüber, daß das BayObLG ordentliches Gericht ist, vgl. EG GVG § 10 A. CI. Unter der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit wird dabei die in S t r a f - und in Z i v i l s a c h e n verstanden. Dies ist aus der geschichtlichen Entwicklung erklärlich, nach der 1877 das Gebiet der f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t (vgl. GVG § 13 C I a) noch Landesangelegenheit blieb. Doch gilt praktisch für die ordentlichen Gerichte zusätzlich auch dann das GVG, wenn sie als Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit zum Zuge kommen, sofern nicht Sondernormen seine Anwendung ausschließen. Auch sind es ordentliche Gerichte, wo eine besondere Abteilung (etwa bei den Binnen-Schiffahrtsgerichten; vgl. aber über die Rheinschiffahrtsgerichte GVG § 14 B I I I c) oder Kammer (bei der Patent-, Gebrauchsmuster-, Warenzeichenkammer) entscheiden soll. Das GVG regelt nur den Unterschied zwischen den Zivilkammern und den für Handelsachen. C II. Von den ordentlichen Gerichten werden die Sondergerichte unterschieden (GVG § 14); doch nehmen auch die für ihre Gerichtsverfassung geltenden Vorschriften in weitem Umfange auf das GVG Bezug. Und auch für alle übrigen Gerichte gelten Normen des GVG, sei es, daß sie in bezug genommen, sei es, daß sie in besonderen Regeln aufgenommen worden sind. C III. Es trifft auch nicht (mehr) zu, daß nur durch die ordentlichen Gerichte die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit ausgeübt wird, weil nämlich auch das BVG (vgl. GG Art. 100) wie das oberste Bundesgericht (vgl. GG Art. 95) in den Entscheidungsgang eingeschaltet werden können. D. Soweit nach Sondergesetzen Beisitzer herangezogen werden, verlieren damit die ordentlichen Gerichte nicht diese Eigenschaft (vgl. RGZ N GVG § 12/1: für die Beisitzer, die nach MSchG § 7 a. F. herangezogen wurden, vgl. aber RGZ 107/284 [286], 126/99 [101] OGHZ 3/110: für die Landwirtschaftsrichter, OLG MDR 50/491). Viel entscheidender ist, wie im allgemeinen verfahren wird (doch verfahren auch die Sonder- und andere Gerichte bisweilen nach der ZPO).
§ 13
(13)
I Vor die ordentlichen Gerichte gehören alle bürgerliehen ßechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. A. Der Grundsatz der Trennung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung zwingt wegen der praktisch daraus gezogenen Folgerungen dazu, die Teilgewalten voneinander abzugrenzen. Denn die Rechtsprechung ist (der Norm nach) dem Gesetz unterworfen (GG Art. 97 I. GVG § 1). Die Gesetzgebung kann (in gewissem Um-
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GVG
§13 A
fange, nämlich soweit sie sich nicht selbst entgegenstellt, vgl. im besonderen GG Art. 14 III) deshalb auch den (rechtskräftigen) Richterspruch ändern (wie in schwebende Prozesse eingreifen, im besonderen die formelle Rechtskraft aufheben, aber auch die — materielle — Rechtskraftwirkung ändern). Die (Staats-)Verwaltung ist dem Gesetz (was der Norm nach wohl in GG Art. 20 I I I festgelegt ist, auch aus dem Vorhandensein der Gesetze — dem Wesen des Rechtsstaates — folgt) wie der Rechtsprechung untergeordnet. Zwar soll der Richterspruch nicht in die Staatsverwaltung eingreifen. GVG § 17 I gibt indes dem Gerieht die Entscheidungsgewalt darüber, ob ein solcher Eingriff gefordert wird und läßt deshalb folgerecht, wenn rechtskräftig entschieden ist, den Richterspruch selbst dann gelten, wenn sein Befehl Verwaltungsangelegenheit ist (GVG § 17 II 4); wenn auch solche Vorgriffe bis zur Rechtskraft d«r Entscheidung (§ 705 A) zu beachten sind (GVG § 17). Doch, haben auch die Gesetzgebung wie die Rechtsprechung ihre Verwaltung; auch können an den Grenzen die Gesetzgebung in die Rechtsprechung wie in die Verwaltung, die Rechtsprechung in die Gesetzgebung wie in die Verwaltung, die Verwaltung in die Gesetzgebung wie in die Rechtsprechung übergreifen (vgl. Kommentar § 1 B I b). Solche Übergriffe ergeben sich aus dem Verhältnis des Gegebenen zueinander u i d sind aus ihm heraus zu entwirren. B. Das Gebiet der Rechtsprechung gehört zur Staatsgewalt und ist an die Staatsmacht gebunden. Sie ist nur in ihrem Rahmen möglich (an ihren Raum gebunden, vgl. RGZ 67/77 [79]). B I b. Über die Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit vgl. § 12 A II a 2. Auf die inländische Gerichtsbarkeit müssen die Gerichte von sich aus in jeder Lage des Verfahrensachten, gegen sie verstoßende Entscheidungen sind nichtig (dürfen aber auch durch Rechtsmittel beseitigt werden, BGHZ 4/389 = NJW 52/469); selbst wenn eine schon formell rechtskräftige Entscheidung (§ 705 A) ergangen ist, darf sie auch von dem Gericht, im besonderen vom selben Gericht, nicht beachtet werden. Die ordentlichen Gerichte erkennen nicht über den über ihren Zuständigkeitskreis nach oben hinausgehenden Bereich, also über Zulässigkdt und Rechtmäßigkeit der Entscheidungen übergeordneter überstaatlicher [Schieds-]Gerichte, über Gerichtsbefreitc, über die Verfassungsmäßigkeit formeller Gesetze. Die Grenzen der richterlichen Gewalt, der inländischen Gerichtsbarkeit sind im besonderen durch die Zuständigkeitsregeln der §§ 12 folg. gesetzt (RGZ 126/196 [199], 150/265 [268], 157/389 [397]); soweit man die Gerichtstandsvereinbarung (§ 38 A) auf ein Verhältnis zum Ausland zuläßt, kann so auch die inländische Gerichtsbarkeit ausgeschlossen werden (RG Warn. 22/60). Setzen sich die inländischen Gerichte über die örtliche Zuständigkeit hinweg, so bleiben sie bei vermögensrechtlichen Streiten — schon vom Ende der Instanz ab — zuständig (§§512a, 549II; RGZ 150/265 [268], 385 [392]), bei nicht vermögensrechtlichen mit der Rechtskraft der Entscheidung (KG Recht 24/1585). Darüber hinaus gibt es keine inländische Gerichtsbarkeit gegen die von ihr Beireiten, sofern sie nicht zustimmen (GVG § 18 C) oder die Voraussetzungen des GVG § 20 gegeben sind. B II. Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs beruht auf i n l ä n d i s c h e m P r o z e ß r e c h t (RGZ 89/208 [209], 96/74). Davon sind unabhängig Anspruch, Klage- und Prozeßart. a) Es ist unerheblich, ob es um vermögensrechtliche (§ 2 A I b 2) oder nichtvermögensrechtliche Ansprüche geht. Auch die ersten können den ordentlichen Gerichten entzogen sein (RGZ 153/4). Ob ein A n s p r u c h durch Vollstreckung d u r c h s e t z b a r ist, entscheidet nichts darüber, ob er im ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden darf (vgl. RG JW 05/646); es gibt aber auch Ansprüche, welche nach der Vollstreckungsnorm der ZPO durchzusetzen sind, obwohl ihre Titel nicht auf dem Rechtsweg entstanden sind (vgl. § 704 B II b); die Behörde hat kein Wahlrecht zwischen Verwaltungzwangsverfahren und ordentlichem Rechtsweg (RGZ 43/293). Dies gilt sowohl für Leistungs- wie für Feststellungsansprüche (RGZ 93/204). Wird aber eine Hypothek durch Verwaltungzwang eingetragen, so wird auch über ihre Tilgung auf dem Wege des Zwangsverwaltungsverfahrens entschieden (OLG Nds. Rpfl. 55/32). N e b e n a n s p r ü c h e (§ 4 C I) folgen dabei grundsätzlich den Hauptansprüchen. b) Auch die K l a g e a r t (Leistung, Gestaltung, Feststellung) als solche entscheidet nicht über die Zulässigkeit des Rechtswegs (RGZ 111/48, HRR 31/245). Ist indes der Rechtsweg nur für einzelne Ansprüche geöffnet, nicht für das zugrunde liegende Rechtsverhältnis wie um-
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§13 BUb
GVG
gekehrt, so können Klagen bestimmter Art auf dem Rechtsweg unzulässig sein, wie es andere nicht sind. So ist eine Feststellungsklage, daß jemand Beamter (Richter) oder nicht Beamter ist, auf dem Rechtsweg stets ausgeschlossen, wenn auch aus vermögensrechtlichen Beziehungen aus dem Beamtenverhältnis geklagt werden darf (RGZ 108/117). OGHZ 2/21 ließ die Feststellungsklage, ob Neuland im Eigentum des Klägers stehe, zu, während es die Verfolgung der von der Wasserpolizei abhängigen Inbesitznahme des Neulands dem Rechtsweg entzog (praktisch aber mit der ersten die Wasserpolizei zur Besitzeinweisung zwang). Umgekehrt darf auch vor den Verwaltungsgerichten nicht geklagt werden, wenn für den Grund des Anspruchs die ordentlichen Gerichte zuständig sind (vgl. W B VGH DÖV 51/334). c) Auch die P r o z e ß a r t ist ohne Einfluß auf die Zulässigkeit des Rechtsweges. So darf eine einstweilige Verfügung (bzw. Anordnung) nur erlassen werden, wenn der Rechtsweg zulässig ist (OLG SchlHA 55/277; vgl. § 916 B I I c ) . B III. Die derzeitige rechtsprechende Gewalt ist im Inland keiner einheitlichen Gerichtsordnung unterworfen, so daß ihre Abgrenzung voneinander erforderlich wird. Unter dem Gesichtswinkel der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt es über- wie untergeordnete Gerichtsgruppen (Komm ntar § 1 B II) und innerhalb der ordentlichen drei Zweige: die streitige Zivil-, die (streitige) Straf- und die freiwillige Gerichtsbarkeit. a) Die ü b e r g e o r d n e t e n Gerichtsgruppen werden regelmäßig unter dem Gesichtswinkel der Gerichtsbarkeit von den ordentlichen Gerichten abgegrenzt. Eine gewisse Überordnung des BVG ist durch GG Art. 100 und die entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen für die Verfassungsgerichtshöfe der Länder gegeben (BWVerf. Art. 68; BayVerf. Art. 60 folg., 92; Bremen Verf. Art. 140 folg.; HbgVerf. Art. 64f.; Hessen Verf. Art. 130 folg.; NdsVerf. Art. 42; NRWVerf. Art. 75f.; RhPfVerf. Art. 130 I I I i. F. des G v. 10. 7. 1952 — GVB1.109 — ; SehlHVerf. Art. 37; Westberlin Verf. Art. 72). c) Die übrigen Gerichte werden von den ordentlichen Gerichten unter dem Begriff der Zulässigkeit des Rechtsweges getrennt (§§ 274 I I 2, 547 1 1; GVG §§ 13,17). Getroffen wird die Zulässigkeit (i. w. S.) des Veifahrens vor den ordentlichen Gerichten (das nicht notwendigerweise ein Klageverfahren zu sein braucht). d) Unter den Gesichtswinkel der nicht weisunggebundenen Justizverwaltung, deren Akte anfechtbar sind und für die ein besonderer Prozeßweg vorgeschrieben ist (GVG § 13 E I b), gehören die Entscheidungen nach GKG §§ 4, 5, KostenO § 14, JustizverwaltungkostenO § 13, G über die Entschädigung ehrenamtlicher Beisitzer §§ 1 2 , 1 3 II, ZuSGebG § 15, BRAGebO §§ 19,128, GVKostenG § 9; für Notare KostenO §§ 142,155,156. Über die Anfechtbarkeit der übrigen Justizverwaltungakte vgl. EG GVG §§ 23 folg. d 1. Auch das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung der Konkursverwalter, Zwangsverwalter, Abwickler, Prüfer; das Kostenfestsetzungsverfahren (RG v. 7. 11. 1930 I I E 130/218) sind besonders geregelte gerichtliche Verfahren. d ?. Die Ansprüche nach der J u s t i z b e i t r e i b u n g O § 1 i . F . des G v . 26. 7. 1957 (BGBl. I 681) Art. V werden auf dem Justizverwalturgsweg eingezogen (a. a. O. § 2). Soweit hier gegen dritte entschieden wird, ist nach JustizbeitreibungO § 6 V zwar der Gerichtsvorstand dazu mit anschließender Beschwerde nach JustizbeitreibungO § 8 berufen, doch wird dadurch dem dritten der Rechtsweg nicht genommen (JustizbeitreibungO § 6 V 3). Da der dritte hier die Wahl hat, wird die Frage nicht praktisch, ob er nach GG Art. 19 auch gegen die Justizverwaltungsentscheidung den Rechtsweg h a t . d 3. Für Hinterlegungen gilt die H i n t e r l e g u n g 0 . Hier ist zunächst der Justizverwaltungsweg, dann aber nach HinterlegungO § 3 V die Klage vor dem ordentlichen Gericht gegeben (also nach verwaltungsmäßigem Vorbescheid). B IV a. Die Prüfung, ob der Rechtsweg zulässig ist, darf in bezug auf den — maßgebenden — Entscheidungsgrund (vgl. GVG § 13 B I I b 2) nicht dahingestellt bleiben; wird verneint, daß der Rechtsweg zulässig ist, so darf grundsätzlich nicht mehr sachlich entschieden werden (RGZ 154/167 [184], J W 37/3043 37 ), gleichviel ob die Verhandlung auf diese Frage beschränkt war oder nicht.
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GVG
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a 1 . Wird als unzulässig u n d unbegründet abgewiesen, so gilt bei rechtskräftiger E n t scheidung die sachliche Abweisung als nicht geschrieben und wird insoweit von der Rechtskraltwirkung (§ 322 B ) nicht erreicht (RGZ 154/167 [184], 164/72 [74]). Bis zur Rechtskraft der Entscheidung hat das erkennende Gericht (nicht das bloß ersuchte) in jeder Lage des Verfahrens von Gerichts wegen (RGZ 82/126, 96/74 m. N.), also auch ohne Parteirüge (insoweit kann also auch das Rügerecht der Partei nach § 274 I I 2 nicht verlorengehen: RGZ 122/100 [101]) und noch in der Revisionsinstanz (RGZ 96/74 m. N.), und zwar für jeden Klagegrund (RGZ 146/244 [245f.], 153/1 [4]) auf die Zulässigkeit des Prozesses vor den ordentlichen Gerichten zu achten, wenn auch — nach der hier vertretenen Auffassung — jedenfalls im Verhältnis zu den Sondergerichten und darüber hinaus überall, wo ein Verweisungsverhältnis besteht (§ 276 A), nach Verweisung das angewiesene Gericht einen sonst von ihm nicht zu prüfenden Klagegrund, der zur Zuständigkeit des anweisenden Gerichts gehört, mit zu prüfen hat (§ 276 B ). a 2. Entschieden wird im ordentlichen Prozeß durch Urteil; wenn über die Zulässigkeit des Rechtswegs getrennt entschieden und sie bejaht wird, durch Zwischenurteil (§§275, 303), möglicherweise auch über einzelne Klagegründe (RGZ 129/95 [96]); wird aber der Rechtsweg für alle Klagegründe verneint, so ist, soweit keine Verweisungmöglichkeit (§ 276 A) besteht, die Klage als unzulässig abzuweisen, vgl. GVG § 17, ArbGG § 48 a. Über einzelne Klagegründe darf auch in den Gründen des Endurteils entschieden werden, sofern die Klage im übrigen sachlich abzuweisen ist (denn das Gericht soll nie über mehr entscheiden, als es entscheiden muß; würde man anders vorgehen, so würde es bei einem solchen Urteil u. U. bleiben, obwohl möglicherweise die höhere Instanz einen als unzulässig zurückgewiesenen Klagegrund für zulässig und begründet halten kann, hier sollte man umgekehrt die Zurückweisung als unzulässig, als nicht geschrieben ansehen; nach dem derzeitigen Standpunkt der Rechtsprechung wird allerdings der Kläger ein Anschlußrechtsmittel einlegen müssen, jedenfalls aber dürfen, Kommentar § 276 B I I I a 2). Hatte die erste Instanz die Klage als unzulässig abgewiesen, hält sie die Berufungsinstanz aber für zulässig, so darf sie sogleich sachlich erkennen (§ 540). Hatte die erste Instanz über die Klage sachlich entschieden und ergibt sich ihre Unzulässigkeit, so ist darauf zu erkennen. Kann in der dritten Instanz nicht verwiesen werden (vom BayObLG), so ist, wenn die Klage unzulässig ist, sie abzuweisen (§ 565 I I I 2); ist dagegen eine Klageabweisung als unzulässig — ohne Verweisung — aufzuheben, so kann nur, wenn die Voraussetzungen des § 565 I I I 1 gegeben sind, durcherkannt werden, also in der Revisionsinstanz nicht, wenn der Sachverhalt nicht geklärt ist. Soweit hier einer Partei ein Rechtsmittel nur gewährt wird, um die Zu- oder Unzulässigkeit des Rechtsweges geltend zu machen (§§ 511 a IV, 5 4 7 1 1 ) , ist allerdings auch der Rechtsmittelangriff auf diese Frage beschränkt (BGHZ 1/369). a 3. Über die genaue Reihenfolge, in der die Zulässigkeit des Rechtswegs zur Prüfung gelangt, vgl. § 274 B I d 6. a 4. Praktisch tritt der Unterschied zwischen sachlich ausschließlicher Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Rechtsweges allerdings in den nichtvermögensrechtlichen Streiten (§ 2 A I b 1) nicht hervor, weil auch hier bei der sachlich ausschließlichen Zuständigkeit erst mit der Rechtskraft der Entscheidung (§ 705 A) der Mangel unerheblich wird. Anders ist dies in den vermögensrechtlichen (§ 2 A I b 2) Angelegenheiten (vgl. §§ 528 I 2, 558), wo also der Zuständigkeitsmangel nicht erst ab Rechtskraft der Entscheidung unerheblich wird, sondern schon von der zweiten Instanz ab, wenn er nicht in der ersten schuldlos vor Verhandlung zur Hauptsache gerügt worden ist. b) Die Entscheidungen, welche von den ordentlichen Gerichten der streitigen Zivilgerichtsbarkeit ergehen, lösen bestimmte Wirkungen aus, welche im Verhältnis zu allen gleichoder untergeordneten Gerichten in gleicher Weise bestimmt sind. Über die Wirkungen der Entscheidungen der Strafgerichtsbarkeit zu der streitigen Zivilgerichtsbarkeit vgl. GVG § 13 D ; über die der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu ihr vgl. GVG § 13 C; im Verhältnis dieser beiden Zweige zu den übrigen ranglich untergeordneten Gerichten gilt wieder dasselbe wie von dem der streitigen Zivilgerichtsbarkeit zu ihnen. Das Verhältnis der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu den Sondergerichten ist dabei schon ein VerweisungsVerhältnis geworden, das cur noch unter dem Gesichtswinkel der ausschließlichen Zuständigkeit betrachtet werden darf (GVG
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§ 14 B I); nicht weiter kann dann aber auch die Trennung zwischen den einzelnen besonderen ordentlichen Gerichten und den allgemeinen gehen (GVG § 14 B III); all diese Verhältnisse wirken dabei gegenüber den Verwaltungsgerichten und -behörden ebenso wie das der ordentlichen streitigen Zivilgerichte zu ihnen, so daß also auch ihre Entscheidungen unter dem Gesichtwinkel der Zulässigkeit des Rechtsweges zu beurteilen sind. b 1. Ist einmal die Zulässigkeit des Rechtsweges ausdrücklich oder stillschweigend rechtskräftig (§ 705 A) entschieden, so darf sie nicht mehr geprüft werden, also wenn ein von den ordentlichen erlassenes, bejahendes Zwischenurteil (§ 303) rechtskräftig geworden ist (§ 275 II) oder wenn ein rechtskräftiges Grundurtcil (§ 304) oder ein solches Vorbehaltsurteil (§§302 111, 599 III) über den Anspruch vorliegt; hier kann in dem Nachverfahren nicht mehr die Unzulässigkeit des ausgeurteilten Anspruchs geltend gemacht werden. Dies gilt aber auch bei Abänderungs- (§ 323) und Wiederaufnahmeklagen (§§ 578 folg.), sofern nicht inzwischen eine Gesetzesänderung eingetreten und dadurch erst die Zuständigkeit i. w. S. verändert worden ist. Ist allerdings — auch abgesehen davon — die Wiederaufnahmeklage zulässig und wird gerade durch sie die Zulässigkeit des Rechtsweges berührt, so ist noch darüber zu befinden und, falls der Rechtsweg unzulässig ist, die Klage als unzulässig abzuweisen; inwieweit sonst Prozeßbedingungen noch zu beachten sind, vgl. § 585 C I g. Jedenfalls aber brauchen hier Vorbescheide nicht mehr eingeholt zu werden (RG H H R 1528 bei der Restitutionsklage). Für reine Anhangprozesäe, Vollstreckungsgegenklagen (§ 767), die auf Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 732) oder die auf ihre Unzulässigkeitserklärung (§ 768) bleibt die Zulässigkeit des Rechtsweges stets bestehen. Auch hierzu brauchen Vorbescheide nicht mehr eingeholt zu werden (RGZ (153/216 für den Fall des § 767). Dennoch verwandelt ein vom ordentlichen Gericht erlassenes Urteil über einen öffentlich rechtlichen Anspruch diesen nicht (RGZ 129/248). Liegt ein verwaltungsrechtlicher Titel vor, so versagte BGH NJW 56/1356 die Klage vor den ordentlichen Gerichten; dagegen ließ OLG JZ 55/552 die Vollstrekkungsgegenklage gegenüber der Bescheinigung des Finanzamts nach DVO AufhebungVO der Gebäudeentschuldungsteuer §§ 3 II, 11 II mit der Behauptung des Klägers zu, er sei nicht Schuldner (vgl. dazu § 767 B II c). b 2. Hat dagegen das ordentliche Gericht r e c h t s k r ä f t i g die Zulässigkeit des Rechtsweges v e r n e i n t , so sind daran die Gerichte gebunden (GVG § 17 I). Nicht gebunden an die Entscheidung sind die übergeordneten Gerichte (und Stellen). Im Verhältnis zu den Sozialgerichten gilt SGG § 52 (vgl. Komm.ntar § 276 A VI b). B V. Es gibt indes eine Reihe von Bindungen an Verwaltungentscheidungen für die ordentlichen Gerichte (über die an die der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. GVG § 13 C II c 1). a) Dies gilt überall dort, wo es zu verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen kommt, die sich im gesetzlichen Rahmen halten (vgl. VerwaltunggerichtsO § 121); doch gilt dies nur wie für die bei den ordentlichen Gerichten gegebene Rechtskraftwirkung (§ 322 E III), im besonderen nicht für die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (BGH NJW 56/1358). Dies gilt ferner in all den Fällen, wo eine Verwaltungsbehörde einer Rechtshandlung des materiellen Rechts zustimmen muß, hier wird die Rechtshandlung — regelmäßig —• erst mit der Zustimmung der Verwaltungsbehörde wirksam, was nach materiellem Recht zu beurteilen ist. Hier wirkt die Vorentscheidung tatbestandsmäßig, ohne daß sie die ordentlichen Gerichte nachprüfen dürfen. Verneint eine — nach der Auffassung der Gerichte — zuständige Behörde ihre Zuständigkeit bei einer erforderlichen Genehmigung, so gilt die Zustimmung als erteilt (BGH v. 15. 3.1951 IV E 1/294 = NJW 645). Vgl. auch im Verhältnis zur freiwilligen Gerichtsbarkeit GVG § 13 C II c. Etwas anders ist bei devisenrechtlichen Zustimmungen der Fall. b) Für Gerichte kann auch die bloße Tatsache des (negativen) V o r b e s c h e i d e s zur Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage gehören (vgl. GVG § 13 F V). Soweit eine Vorabentscheidung der Verwaltungsbehörde auf dem Rechtsweg angegriffen wird, wird sie mit der Kligeerhebung (vorbehaltlich der Rücknahme) hinfällig (RG N GVG § 13/200). Umgekehrt hindert der vorbehaltene Vorbescheid die Entscheidung im ordentlichen Verfahren, bis er fällt (RGZ 153/162, das von einer Voraussetzung der Endentscheidung spricht), wenn
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man auch in der Einlassung auf die Klage ihn sehen darf. Auch sehen hier bisweilen die Gesetze vor, daß, wenn die Vorbescheide in bestimmter Zeit nicht ergehen, der Rechtsweg auch ohne Vorbescheid beschritten werden darf. c) Es gibt aber auch Verwaltungentscheidungen, die nur in bezug auf die Verwaltung Bedeutung haben, deshalb werden hier andere Organe, im besonderen die Gerichte, nicht gebunden. C. Die freiwillige Gerichtsbarkeit steht im Verhältnis zur ordentlichen streitigen Zivilgerichtsbarkeit unter dem Gesichtswinkel der Zulässigkeit des Rechtsweges (GVG § 13 B II b ; RGZ 156/279 [291], d. h. erst die Rechtskraft der Entscheidung des ordentlichen Zivilgerichts bindet das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit für seine Zu- oder Unzuständigkeit wie umgekehrt (jedenfalls nach der hier vertretenen Auffassung; vgl. aber GVG § 13 C II). C I. Abzugrenzen ist sie von der streitigen nur dadurch, daß ihr in Einzelnormen bestimmte Aufgaben zugewiesen sind (vgl. OLG 15/403), wobei die gesetzliche Zuteilung durchaus willkürlich ist. a) Dabei sind hier von vornherein die streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu trennen, weil nämlich sie in einem V e r w e i s u n g s v e r h ä l t n i s zu der streitigen Gerichtsbarkeit stehen. Insoweit kann das Verhältnis nur unter dem Gesichtswinkel der ausschließlichen Zuständigkeit gesehen werden (vgl. LVG § § 1 2 , 1 3 ; 6. DVO EheG §§18, 18a; WohnungseigentumsG §§46, 50; DM-BilanzG §58). b) Nur die übrigen Fälle stehen noch unter dem Gesichtswinkel der Zulässigkeit des Rechtsweges. Aber auch sie sind positiv rechtlich willkürlieh normiert worden. b 1. Dies ergibt sich im besonderen bei der Gruppe, welche sich u m das Recht der Person rankt (vgl. aber auch GVG § 13 C I e). Nach dem G über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitentziehungen v. 26. 6. 1956 (BGBl. I 599) wird nach den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit verfahren (damit ist N R W Verf. Art. 74 außer Kraft). b 2. Aus anderen Gruppen gehört hierher, daß das Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g s v e r f a h r e n (abgesehen von dem in Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentums G ) in das Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit fällt, ebenso das K o n k u r s - und das V e r g l e i c h s v e r f a h r e n ; die Nachlaßverwaltung, die Nachlaßpflegschaft, die Testamentsvollstreckung in den Fällen des BGB §§ 2227, 2228 in das der freiwilligen Gerichtsbarkeit (streiten aber mehrere Testamentvollstrecker darüber, ob die von einem Vollstrecker angestrebte Verwaltunghandlung mit der letztwilligen Verfügung des Erblassers vereinbar ist, so hat BGHZ 20/264 die ordentlichen Gerichte für berufen erachtet). Wer aber durch Vermächtnis eine Verwaltung zugewandt erhalten hat, wird, wenn es u m seine Abberufung geht, durch Klage (OGH v. 3. 8. 1950 I E 4/223), nicht durch das Nachlaßgericht abberufen (BGB § 2227). Ebenso wird die Anordnung der Verwaltung gegen Nießbraucher, Vorerben durch Klage verfolgt (BGB §§ 1052, 2129), erst recht der Anspruch des Hypothekengläubigers gegen den Eigentümer, das Grundstück nicht zu verschlechtern (BGB § 1134). Auch das Registerrecht ist zu nennen, ferner das Spruchverfahren nach dem G zur Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften v. 12.11.1956 (BGBl. I 845) §§ 30f. c) Auch vom anderen Standpunkt muß man aber beide Verfahrensgruppen gelten lassen, soweit sie gesetzlich im Nebeneinander berufen sind. d) Im Einzelfall kann es bisweilen zweifelhaft sein, ob die Normen über die Zulässigkeit des Rechtsweges oder die der ausschließlichen Zuständigkeit anzuwenden sind. Durch die Zustimmung der Parteien wird die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht begründet (RGZ 94/172, J W 25/2114 5 ). e) Von den besonderen Fällen kraft gesetzlicher Zuweisung sind die folgenden zu nennen : e 1. nach dem MilRegG 59 sind die W i e d e r g u t m a c h u n g s t a t b e s t ä n d e ausschließlich den Wiedergutmachungsorganen zugewiesen worden (USMilRegG 59 Art. 57 = BMilRegG 59 Art. 49 = Westberlin Art. 51). Sie entschieden nach dem FGG v. 29. 6.1956 (BGBl. I 562). Wird im Rückerstattungsverfahren verglichen und ergeben sich daraus Klagen, so h a t sie LG München MDR 50/186 auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. Rückgriffsansprüche
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nach MilRegG 59 Art. (US) 47 = (B) Art. 39 = (Westberlin) Art. 41 gehören vor die ordentlichen Gerichte (vgl. BGH NJW 1953/464, 302. Im Gegensatz dazu verweist das BEG wegen der Entschädigungsansprüche auf den Prozeßweg. Klagen wegen zu unrecht gezahlter Haftentschädigungen hat OLG Bremen RzW 53/105 nach altem Recht nicht zugelassen. Über Wiedergutmachung im Beamtenrecht vgl. GVG § 13 J III b 2. Wiedergutmachungstatbestände in bezug auf Österreich gehören auf dem Klageweg vor die ordentlichen Gerichte (BGH MDR 57/31). Die Abgrenzung zwischen Entschädigung- und Rückerstattungrecht ist nicht immer zweifelsfrei. BGH VersR 55/497 hat die Entschädigung wegen Einziehung einerRentenversicherung unter MilRegG 59 (BZ) §26 gebracht. Nach dem G zur Regelung der rückerstattungrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reiches und gleichgestellter Rechtsträger (BundesrückerstattungG) v. 19. 7. 1957 (BGBl. I 734) gibt es gegen den Bescheid der Oberfinanzdirektion das gerichtliche Verfahren nach G § 42. e 2. Die W e r t p a p i e r b e r e i n i g u n g wurde im freiwilligen Gerichtsbarkeitsverfahren vollzogen (WertpapierbereinigungG § 61). Dies gilt auch nach dem BereinigungG für deutsche Auslandbonds v. 25. 8.1952 (BGBl. I 553), AuslWBG § 69 I. e 4. Auch bei der Umstellung von Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden nach der 40. DVO MilRegG 63 § 6 ist das AG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausschließlich berufen; doch erwachsen die dabei geprüften Vorfragen nicht in Rechtskraft (OLG Hamm JZ 51/656); für Ansprüche aus Umstellungsgrundschulden ist deshalb das Prozeßgericht zuständig (BGH NJW 52/874, vgl. GVG § 13 F I I I c). C II. Inwieweit es rechtskräftige Vorgriffe gibt und wie sie wirken, hängt vom Einzelfall ab. a) N u r e c h t e Vorgriffe der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit können auch die ordentlichen streitigen Gerichte binden (KG DNotZ 39/261, OLG MDR 51/489). Die gegenseitigen Vorgriffsmöglichkeiten gestatten allerdings keinen Eingriff in das andere Verfahren. Wenn aber ein Vormundschaftsrichter etwa für ein Prozeßverfahren, das nicht vor demselben Amtsgericht schwebt (vgl. GVG § 22 d), einen Armenanwalt bestellt, so hat der Armenanwalt zwar Ansprüche an die Staatskasse (a. M. KG JW 38/242031), doch treten die sonstigen Wirkungen des Armenrechts nach §§ 115 folg. nicht ein. Ebenso wäre es, wenn ein ordentliches Gericht für ein schwebendes Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie umgekehrt dieses für jenes Beweise erheben wollte oder Ermittlungen anstellt u. dgl. m., wenn auch die in dem einen Verfahren erhobenen Beweise im anderen auf dem Weg des Urkundenbeweises benutzt werden können, soweit nicht eine Partei den Zeugen-(usw.)beweis antritt (§ 286 C III b 5). b) Wo indes nach der gesetzlichen Ordnung gar n i c h t v o r g e g r i f f e n wird, tritt auch keine Bindung ein. Dies gilt für die freiwillige Gerichtsbarkeit für die Entscheidungen über die Erteilung eines E r b s c h e i n s , Testamentsvollstreckerzeugnisses, sie binden das Prozeßgericht nicht (KG HRR 36/1643). Ist aber der Erbe unter allen Beteiligten rechtskräftig festgestellt, so ist der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit daran auch bei der Erteilung des Erbscheins gebunden, wenn das Urteil allen gegenüber wirkt (vgl. §§636a, 643); nicht aber, wenn noch andere Beteiligte vorhanden sind, denen gegenüber das Urteil nicht Rechtskraft wirkt (KG Recht 19/320), weil nämlich grundsätzlich der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Erben selbständig ermittelt (KGJ 38 A118, BayObLG BayZ 28/377) und im besonderen nicht zu binden ist, wenn die Erbfolge durch Vergleich zu regeln versucht wird (Bay ObLG 29/208). Für ein A m t s l ö s c h u n g s v e r f a h r e n ist insoweit kein Raum mehr, als über die Löschung bereits rechtskräftig vom ordentlichen Gericht entschieden ist (vgl. GVG § 23 C I c). Es gilt aber auch für die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. Das ordentliche Gericht kann deshalb nicht schlechthin jemand für v o l l j ä h r i g e r k l ä r e n (wohl aber im Einzelfall ihn so behandeln, wie wenn er für volljährig erklärt wäre). c) Davon zu unterscheiden sind wieder die Tatbestände, welche die Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit schaffen. Hat das Vormundschaftsgericht jemanden für volljährig erklärt, so wird die Gesetzmäßigkeit dieses Aktes vom Prozeßgericht nicht nachgeprüft (RGZ 158/156 [159]), ebenso nicht die Anordnungen des Vormundschaftsgerichts nach BGB § 1666 (RGLZ 29/934), die Pflegerbestellung (RGZ 137/341), die der sonstigen Vertreter etwa nach BGB § 29 (RG J W 18/362). Ebenso ist das Prozeßgericht gebunden an die Rechtsfähigkeit eines
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Vereins, wenn er sie durch Eintragung erlangt und eingetragen ist (RGZ 81/206 [208]); dies gilt auch für die juristische Person des Handelsrechts, die durch Registrierung rechtsfähig wird. Es ist weiter gebunden an die Tatsache der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts durch das Vormundschaftsgericht; nicht aber wird die Entscheidung darüber vorweggenommen, ob die Genehmigung auch mitgeteilt wurde oder ob etwa inzwischen das Mündel volljährig geworden ist. c 2. Entsprechend wirken die rechtskräftigen Urteile der Prozeßgerichte (OLG 11/219), im besonderen die Gestaltungsurteile, aber auch schon die Einleitung eines Entmündigungsverfahrens für die Einleitung der vorläufigen Vormundschaft (BayObLG NS 28/193, 29/388, 34/146). Wird einer Partei die Vertretungsmacht durch einstweilige Verfügung entzogen, so ist auch daran das Registergericht gebunden (KGJ 53 A 9), wie es dies auch ist, wenn das Prozeßgericht über das Stimmrecht der Aktionäre entschieden hat (BayObLG J W 25/628 1 ). Dahin sollte man auch den Schuldausspruch (BGB § 1671 III 2) zählen, der für die dem Scheidungs- usw. Verfahren nachfolgenden Verfahren ohne eigene Nachprüfung zugrunde zu legen ist (BGH DR I [1641 1003). C III. Präjudizielle Vorfragen werden aber auch im Verfahren nach dem FGG entschieden. Ausgesetzt werden darf nur, wenn es das Gesetz erlaubt (vgl. FGG §§ 95, 127, 159, 40. DVO MilRegG 63 § 6 V). Im Verfahren nach PrFGG hat KG J 30 A 61 die Aussetzung, um die Klärung des Sachverhalts im ordentlichen Verfahren abzuwarten, zugelassen, ebenso (BayObLG DJZ 21/498) im Erbscheinverfahren bei anhängigem (nicht sonst: KG DFG 43/8) Streit, im besonderen wenn eine letztwillige Verfügung nach BGB § 2077 angefochten worden ist (BayObLG 6/169, 172). Sonst darf die Zukunft nicht abgewartet werden (KG DFG 42/36), im besonderen nicht, wenn schleunig zu handeln ist, wie im Verfahren über die vorläufige Fürsorgeerziehung; auch darf die Fortsetzung des Verfahrens über die Anordnung der vorläufigen Vormundschaft nicht vom Gang des Entmündigungsverfahrens abhängig gemacht werden (KG DFG 36/107). D. Auch Straf- und Zivilgerichtsbarkeit stehen sich als sachlich ausschließliche Zuständigkeiten gegenüber. Beide überschneiden sich nur in zwei Fällen. In dem des § 890 spricht der Zivilrichter eine strafrechtlich wirkende Verurteilung aus, in denen der StPO §§ 403 folg. entscheidet der Strafrichter über zivilrechtliche Ansprüche. D IV. In die Verfahren, die der Strafjustiz unterstellt sind, greift das Zivilverfahren —• von Amtspflichtverletzungen (GVG § 13 K III) abgesehen — nicht ein. a) Unzulässig war der Rechtsweg gegen Strafverfügungen der Preisüberwachungstellen (RGZ 162/230); unzulässig ist er bei Ordnungswidrigkeiten. b) Das Gefängniswesen ist dem ordentlichen Gerichtswesen insoweit entzogen, wie nicht Rechtsbehelfe nach der StPO oder ZPO (§ 766) gegeben sind. Dies gilt im besonderen für die Klage auf Verbesserung der Gefangenenkost, für die der Rechtsweg nicht zulässig war (OLG SchlHA 51/91). E . Ein Ausschluß der staatlichen Gerichtsbarkeit ist kraft Parteiabrede bzw. Parteiautonomie möglich. E I. Die staatliche Gerichtsbarkeit kann dadurch ausgeschlossen sein, daß in vermögensrechtlichen Streiten (mit nicht ausschließlichem Gerichtsstand) ein a u s l ä n d i s c h e r G e r i c h t s s t a n d als ausschließlicher vereinbart worden ist (§40 0 111). Die Vereinbarung wird nur beachtet, wenn sie im Prozeß — rechtzeitig — geltend gemacht wird (vgl. § 39) und wenn sie nicht, wenn auch zu unrecht, von der vorhergehenden Instanz übergangen wird (§§512a, 549 II). Die Abrede setzt aber die Zulässigkeit des Rechtswegs voraus (RGZ 108/244,122/102). Über die Wirkung der Vereinsautonomie vgl. § 1048. a) Andererseits sind A b r e d e n der Parteien, eine Verwaltungsbehörde an Stelle der Prozeßgerichte entscheiden zu lassen, n i c h t i g (RGZ 111/276, 121/80) wie umgekehrt (RGZ 100/178). Dies gilt auch für Vereinssatzungen (RG H R R 34/284). Vgl. auch GVG § 13 C I d. Das Entsprechende gilt, wenn eine Sondergerichtsbarkeit besteht, soweit sie der Parteivereinharung entzogen ist (RGZ 156/279 [291]); vgl. aber ArbGG § 3.
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b) Auch sind die Parteien, soweit sie den Rechtsweg beschreiten, nicht in der Lage, bei bestimmt vorgeschriebenen Verfahren andere auszuwählen. Die h. H. arbeitet hier mit dem Begriff des mangelnden Rechtschutzbedürfnisses (vgl. RGZ 160/204 [213]); sie will dabei §275 nicht anwenden. Dazu gehören d i e b e s o n d e r e n V e r f a h r e n , etwa das nach §104 (RGZ 130/218), das nach § 109 (RGZ 86/36 [43]); vgl. auch FGG § 145. Ferner ist hier der Fall zu nennen, wo durch eine Feststellungsklage der Wirkung der Streitverkündung zuvorgekommen werden sollte (RGZ 82/170). A n d e r s ist dies, wenn das Verfahrensrecht selbst v e r s c h i e d e n e V e r f a h r e n s m ö g l i c h k e i t e n gibt (vgl. Kommentar GVG § 13 C I c, IV). E II. Einen weiteren Fall des Ausschlusses stellt der Schiedsvertrag dar (§§ 1025 folg., ArbGG §§ 101 folg.). Auch durch ihn, soweit er zulässig ist, wird das (ordentliche) Staatsgericht unzuständig (bzw. wird ihm die Gerichtsbarkeit entzogen, vgl. RGZ 111/276 [279]). a) Der Schiedsvertrag setzt grundsätzlich die Z u l ä s s i g k e i t des R e c h t s w e g s voraus — oder doch eines Gerichtswegs vor den Sondergerichten usw. (GVG § 14 A) — und gehört selbst nicht unter den Begriff des unzulässigen Rechtswegs (RG N GVG § 13/374), sondern löst nur, wenn die Einrede rechtzeitig geltend gemacht wird, ein Prozeßhindernis aus (§ 274 II 3), wobei unverschuldetes Nichtgeltendmachen jedenfalls in den Tatsacheninstanzen nachholbar ist (§ 274 III). Durch Schiedsabrede darf indes nur so weit die Gerichtsbarkeit ausgeschlossen werden, wie dies das Gesetz zuläßt, also gegenüber den ordentlichen Zivilgerichten nach §§ 1025 folg., gegenüber den Arbeitsgerichten nach ArbGG §§ 101 folg. b 2. Umgekehrt kann gerade das G e s e t z S c h i e d s g e r i c h t e e i n r i c h t e n , die dann Sondergerichte sind und deren Bereich dann unter den Begriff des unzulässigen Rechtswegs bzw. den der ausschließlichen Zuständigkeit fällt (vgl. RGZ 107/352/247). Vgl. GVG § 14. E III. Über die Zulässigkeit von Schiedsgutachterabreden und ihre beschränkende Wirkung auf die Entscheidungsmacht des Gerichts vgl. § 1025 C II (im arbeitsgerichtlichen Verfahren gibt es sie nicht mehr). Auf den Rechtsweg gehören auch die Ansprüche des Siedlers gegen den Siedlungträger aufgrund des Nutzungvertrags nach den bayrischen Bestimmungen über die Förderung des sozialen Wohnung- und Kleinsiedlungbaues: OLG N J W 59/2171. Die Bestellung einer Behörde zum Schiedsgutachter hat BGH N J W 55/665 gebilligt. E IV. In autonomes Handeln greift die Rechtsprechung dem Prinzip nach nicht ein; doch gibt es hier keinen Ausschluß des Rechtswegs. F. Im Verhältnis zu den Verwaltung-, Verwaltungsondergerichten und den Verwaltungsbehörden weist GVG § 13 den ordentlichen Zivilgerichten die Entscheidung der bürgerlichen Streite zu, soweit nicht andere Stellen dazu berufen sind. Doch gibt es auch öffentlich-rechtliche Streite, die nach Sondergesetzen vor die ordentlichen Zivilgerichte gehören (also kraft gesetzlicher Zuweisung, RGZ 130/268, 154/207, 166/218 [226] auch kraft Gewohnheitsrechts), wie bürgerlich-rechtliche, die nach besonderen Gesetzen der Entscheidung der ordentlichen Gerichte entzogen sind. F I. Dem Prinzip nach gibt es im Rechtstaat überall irgendeinen gerichtlichen Rechtsschutz (vgl. GG Art. 19 IV). Dabei darf indes nicht übersehen werden, daß trotz dieses Prinzips in autonomes Handeln — auch das des Staats — nicht eingegriffen werden sollte. a 1. NachVerwaltunggerichtsO § 40 II gehören vor die ordentlichen Gerichte die Ansprüche aus Entrechtung (GVG § 13 F IV), die aus Amtspflicht Verletzung (GVG § 13 F IV), wie überhaupt die wegen Entschädigung aus einem Hoheitakt (Kommentar GVG § 13 K), einschließlich der aus § 945 (Komm:n(ar § 945 A I I b 9). a 2. Ferner gehören vor die ordentlichen Gerichte die Ansprüche kraft besonderer Zuweisung durch Gesetz (Komm nlar GVG § 13 F I a 4). a 3. Die verwaltunggerichtliche Zuständigkeit kraft Beamtenrechts ist dagegen nach VerwaltunggerichtsO § 40 II 2 geblieben (Kommentar GVG § 13 H I). a 4. Die Abgrenzung zwischen öffentlichem und bürgerlichem Recht nimmt die VerwaltunggerichtsO nicht vor. Fiskalische Handlungen gehören vor die ordentlichen Gerichte (GVG § 13 L); inwieweit dies noch für Verhältnisse der hoheitlichen Hand zueinander (GVG § 13 L II), inwieweit es in Mischverhältnissen gilt (GVG § 13 L I I I , M, N), wird zunehmend umstritten
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werden. In die Auffassung der ordentlichen Gerichte spielt klar die Frage der Umgrenzung nach dem Stande des Jahres 1877 hinein (Zuweisung kraft Tradition, GVG § 13 J I). Die Verwaltungrichter werden sieh dagegen auf die Formulierung der VerwaltunggerichtsO § 40 I, daß nur eine ausdrückliche Zuweisung durch Gesetz zu beachten sei, berufen; doch ist eine Zuweisung durch Gewohnheitrecht (vgl. EG § 12) ebenfalls ausdrücklich; und wenn der Gesetzgeber dies lindern will, kann gefordert werden, daß er es unzweideutig erklärt. F II. Über die Zuständigkeit (i. w. S.) der Zivilgerichte entscheidet deshalb zunächst stets das positive Bundes- und, soweit dies zugelassen ist (vgl. GG Art. 31), das Landesgesetz (im materiellen Sinne, RGZ 117/28), gleichviel ob es öffentlich-rechtliche Ansprüche auf den Rechtsweg verweist (was RGZ 164/226 [233] schon dann angenommen hat, wenn eine bürgerlich-rechtliche Ordnung der Ansprüche zugelassen wurde, auch wenn der Anspruch sonst auf öffentlich-rechtlichem Gebiet liege) oder bürgerlich-rechtliche ihm entzieht (vgl. aber GG Art. 19, GVG § 13 F I). F III. Der Rechtsweg ist verschlossen a) im öffentlichen S t a a t s - und V e r w a l t u n g s r e c h t . Dahin gehören im besonderen Angriffe gegen die materiellen Gesetze (vgl. aber GG Art. 100), die abgesehen von den Angriffen gegenüber dem BVG nicht als solche zum Gegenstand eines vor die ordentlichen Gerichte gehörenden Streits gemacht werden dürfen. Es gehören dahin aber auch die Angriffe gegen die Verwaltung als solche (vgl. Kommentar § 1 B I), im besonderen grundsätzlich die gegen S t a a t s h o h e i t s a k t e (GVG § 13 G), wie ferner dem Prinzip nach die Streitigkeiten um B e a m t e n r e c h t e (GVG § 13 H I). Auch Klagen aus der A s y l V O v. 6 . 1 . 1953 (BGBl. I 3), dem Z w e c k v e r b a n d G v. 7. 6.1939 (RGBl. I 979) § 32 gehören vor die Verwaltungsgerichte. b) Die Streitigkeiten über die öffentlich-rechtliche S o z i a l v e r s i c h e r u n g sind den Sozialgerichten zugewiesen worden (SGG § 51). b 1. Aber auch die ö f f e n t l i c h e F ü r s o r g e , soweit sie nicht der Sozialgerichtsbarkeit untersteht, unterliegt dem — allgemeinen — Verwaltungsrechtsweg, also die Kleinrentenfürsorge außerhalb des umgrenzten Gebietes, die Minderjährigen-, die Waisen- und die Armenfürsorge. b 2. Das W i e d e r g u t m a c h u n g s G v. 11.5.1951 (BGBl. I 291) §26 i. F. des G v. 27.12.1955 (BGBl. I 820) verweist auf den Verwaltungsgerichtsweg, s o w e i t n i c h t die in den Ländern geltenden Rechtsvorschriften oder Verwaltungsanordnungen für Wiedergutmachungsansprüche gegen das Land oder eine der Landesaufsicht unterstehende Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts einen anderen Rechtsweg vorsehen, ebenso das KriegsgefangenenentschädigungG i. F. v. 8.12. 1956 (BGBl. I 908) §§ 22, 43. b 3. I m G e s u n d h e i t s w e s e n ist dort, wo bei gemeindlichen Unternehmungen Anschlußoder Benutzungszwang besteht, der Rechtsweg bei Gebühren für Wasser, Kanal, Müllabfuhr und Schlachthöfe wie bei ähnlichen Einrichtungen verschlossen, und zwar für das Recht der Mitbenutzung wie das der Festsetzung von Zwangsgeldern oder das der Ersatzvornahme. Nach Bad. VGH (BadVerwZ 1910/24, 1922/146 [vgl. dazu auch VGH Freiburg DVB1. 55/745]) kann auch bei der Wasserleitung einer Gemeinde, für die Anschlüßzwang besteht, die Abgabe des Wassers und die Entrichtung der Entgelte privatrechtlich geregelt sein. Nach BGH N J W 53/778 kann die Frage, wann Beziehungen zwischen einem Unternehmer der öffentlichen Hand und seinen Benutzern hoheitlicher Natur sind, nicht allein aus der Zielsetzung des Unternehmens', sondern nur auf Grund seiner organisatorischen Gestaltung unter Bewertung aller Wesenselemente in ihrer Gesamtheit getroffen werden. Vgl. GVG § 13 L I b 6. Nur für das Entgelt (RGZ 148/328) für das von der Anstalt gelieferte Wasser usw. und für Schadenersatzansprüche (RGZ 152/129) ist der Rechtsweg offen. Anders ist für alle Ansprüche der Rechtsweg offen, wenn der Wasseranschlußzwang aufgehoben ist (LG Saarbrücken SaarRuStZ 51/31). Für die Benutzung sonstiger öffentlicher Einrichtungen gilt dasselbe, vgl. aber GVG § 13 N I, L I b 6, im besonderen bei Belieferung mit Elektrizität und Gas. b 4. Nach dem G betr. die Bekämpfung g e m e i n g e f ä h r l i c h e r K r a n k h e i t e n §§ 29folg. und dem ViehseuchenG §§ 66 folg. ist eine Entschädigung aus' öffentlichen Mitteln vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen (BGHZ 17/137). Dagegen ist nach dem G zur Bekämpfung 3 W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§13
F
in b 4
GVG
der Geschlechtskrankheiten v. 23. 7.1953 (BGBl. I 700) § 22, wonach die Kosten dem Landesfürsorgeverband zur Last fallen, der Rechtsweg verschlossen. Bringt der Staat Geschlechtskranke im Krankenhaus unter, so ist für die negative Feststellungsklage der Krankenkasse gegen den Staat (Polizei), daß sie für die Kosten nicht aufzukommen habe, der Rechtsweg zulässig (RG N GVG § 13/248), ebenso der Streit zwischen dem Staat und der Gemeinde auf Erstattung der mittelbaren Polizeikosten bei Ausheilung von geschlechtskranken Dirnen (RGZ 77/194 [199]). Ebenso ist über Ansprüche Dritter gegen den Fürsorgeträger aus BGB §§ 667, 679, 683 auf Ersatz der Aufwendungen für den Fürsorgebedürftigen auf dem Rechtsweg zu entscheiden (RG v. 20.1.1936 VI E 150/81), auch wenn eine Stadt klagt, die ein Kinderheim unterhält, sofern sie nicht selbst als Fürsorgeträger in Betracht kommt (RGZ 150/243). Der Anspruch auf Freigabe einer Sicherheit, die für den Anspruch auf Kostenersatz an die öffentliche Fürsorge gestellt war, ist im Rechtsweg verfolgbar (RGZ 164/226). Vgl. auch GVG § 13 F I I I b 1. c) Die A u s g l e i c h s a n s p r ü c h e (Kommentar GVG § 13 K I I b 3) für Kriegs- und Vertreibungsschäden (bis zum 31. 7.1945 — LAG § 13: BGH v. 15. 5.1953 V N J W 1062 5 ) sind auf den Verwaltungs-(rechts-)weg verwiesen (vgl. LAG §§ 325 folg., FeststellungsG v. 21. 4. 1952 —BGBl. I 237 mit Änderungen). Doch hat LGMDR 55/680 (a. M. OLG N J W 55/1561) die Klage vor den ordentlichen Gerichten zugelassen, als zwei Ehegatten darum stritten, in wessen Eigentum der Hausrat stand, für den eine Entschädigung zu zahlen war (vgl. auch GVG § 13 C l a ) . Dasselbe gilt auch sonst im Forderungprätendentenstreit (OLG N J W 55/426; a. M. OLG N J W 55/427). Soweit in dem LAG Abgaben angeordnet wurden, gehOrt das Recht zu dem der Finanzverwaltung. Über Weiterzahlungen aus Umstellunggrundschulden entscheiden die Finanzgerichte (BGH N J W 55/501). Für Ansprüche auf Grund zu unrecht gezahlter Beträge auf Umstellunggrundschulden hat OLG N J W 56/30 den Rechtsweg für zulässig gehalten (vgl. GVG § 13 C I e 4); für die Frage, wem von geschiedenen Eheleuten die Hausratentschädigung zusteht: BGHZ 27/190 (vgl. auch GVG § 13 C I a). d) Auf den besonderen Verwaltungsweg mit den Finanzgerichten als Sonderverwaltungsgerichten gehört die Finanzverwaltung nach der AbgabenO (vgl. GVG § 13 H II). Öffentlichrechtlich ist auch der Anspruch aus dem Finanzausgleich und dem Zerlegungsrecht (vgl. GVG § 13 H II c). e) Bei Besatzungschäden neuer Art gibt es nach einem Vorverfahren die Klage vor den ordentlichen Gerichten nach Finanzvertrag Art. 8. Nach BArbG E 5/196 ist bei Ansprüchen aus Handlungen der bei der Besatzungsmacht beschäftigten Dienstgruppenangehörigen die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben, wenn der Beschäftigte auch für Handlungen nicht haftet, die er in Erfüllung dienstlicher Pflichten begeht (ob dies der Fall ist, entscheidet die Besatzungsmacht). Über den Truppenvertrag vgl. GVG § 18 B IV h. f ) Vom Rechtsweg verwiesen ist die gesamte Disziplinar- und Ehrengerichtsbarkeit, also die der B e a m t e n (einschließlich der Richter und Notare), der Ä r z t e , Z a h n ä r z t e , D e n t i s t e n , A p o t h e k e r wie der R e c h t s a n w ä l t e . Dazu darf man auch die E n t z i e h u n g der G e w e r b e e r l a u b n i s als Kapitän, Seeschiffer, Seesteuermann, Schiffsingenieur, See-oder Kleinmaschinist oder Seemotorführer rechnen. Dasselbe gilt für die Architektenehrengerichtsbarkeit, soweit sie landesrechtlich angeordnet ist. g) Vom Rechtsweg verwiesen ist die Prüfung und die Z u l a s s u n g zu g e w i s s e n B e r u f e n , etwa die der Ä r z t e , Zahnärzte, Dentisten, Apotheker, Heilpraktiker, die der A n w ä l t e (vgl. § 78 B I), der Notare, der Prozeßagenten, der Rechtsberater, der Steuerberater, der Steuerhelfer, der Verwaltungsrechtsräte; der W i r t s c h a f t s - und B e t r i e b s p r ü f e r , der H a n d w e r k e r u. U. die der Architekten nach Landesrecht. RGZ 144/285 hat wegen der Nichtzulassung einer Handelsgärtnerei auf Friedhöfen den Rechtsweg nicht zugelassen; nicht geprüft worden ist dabei, ob die Fernhaltung der Handelsgärtnerei nicht gegen GewO § 1 verstieß und das Gemeindestatut deshalb nichtig war, während in dem gleichen Fall bei einer Klage gegen eine Kirchengemeinde der Rechtsweg für zulässig erklärt wurde (RG H R R 37/122).
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GVG
§ 1 3 FIU
h) Vom Rechtsweg verwiesen wird in einer Fülle weiterer Einzelnormen: über Jagdschäden vgl. GVG §13 F V a ; Streitigkeiten aus dem Deich-, Wasser- und Sielrecht gehören vor die Verwaltungsgerichte nach PrWG, BayWG usw., ebenso die aus dem Fischereirecht (vgl. PrG v. 11. 5.1916 — GS 55 —, PrVO über Zulassung der Klage im Verwaltungstreitverfahren in Fischereisachen v. 20. 7.1934 [GS 340] § 1); dies gilt nach RGZ150/174 auch, wenn die Klage sich auf positive Vertragsverletzung eines Vergleichs über die Schließung eines offenen Gewässers stützt. Über Entrechtungen vgl. GVG § 13 F IV. Über die Tatbestandswirkung der Entscheidung des Versicherungsaufsichtsamtes vgl. VAG §§ 2, 89 II. Die Anfechtbarkeit seiner Entscheidungen ist im ErgänzungsG v. 10. 12. 1954 (BGBl. I 501) durch Einfügung des § 10a geregelt (Verfahren vor dem BVerwaltungsgericht). Für die öffentlich-rechtlichen Versicherer vgl. G v. 27.11.1934 (RGBl. 11189). Auf dem Gebiete des Wirtschaftsrechts ist öffentlich-rechtlicher Art im besonderen das Preisrecht; das OrdnungswidrigkeitenG v. 25. 3. 1952 (BGBl. 1177) ist mehr strafrechtlicher Art (vgl. aber seinen § 75). Subventionen gehören unter das öffentliche Recht, so daß Ansprüche aus ihnen wie Rückforderungen nicht auf dem Rechtsweg verfolgbar sind (BGH BB 52/443; sie stellen auch keine Entrechtung dar, vgl. Kommentar GVG § 13 K I l d 3). Auch das Gewerberecht ist vielfach öffentlich-rechtlicher Art. GewO §§ 19, 20 verweisen auf den Verwaltungsrechtsweg (dessen Einzelheiten das Landesrecht regelt). Verstöße gegen GewO § 1 sind dagegen auf dem Rechtsweg verfolgbar. So durfte ein Leichenbestatter gegenüber der städtischen Friedhofsverwaltung auf Unterlassung klagen, die ihm die Ausübung seines Gewerbes verboten hatte (RG NGVG §13/371); während umgekehrt BGH N J W 54/1483 (nach Herkommen) einer Kirchenstiftung es gestattete, gewerblichen Bestattungsunternehmungen zu verbieten, Leichen in ihre Leichenhalle zu bringen (vgl. GVG § 13 M II), und es BGH Z 19/130 zuließ, daß eine FriedhofO die Grabpflege unter Ausschluß der freiberuflichen Gärtner ihrer eigenen Gärtnerei zuwies; in allen Fällen hatten aber darüber die ordentlichen Gerichte zu entscheiden. Auch für Ansprüche aus GewO §§ 7, 9 (RG 395/24 N GVG § 13/423), 51, 52 ist der Rechtsweg offen. HandwerkO §§ 11, 14; 36 II, 44 VI eröffnet die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtschntzes sind für Patenterteilung und -Vernichtung (mit besonderem Verfahren in zweiter Instanz vor dem BGH), Gebrauchsmuster, Warenzeichen Verwaltungstellen berufen. Auf dem Gebiete des Verkehrsrechts ordnet das G über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen v. 4. 7. 1939 (RGBl. I 1211) § 11 die bindende Wirkung der Verwaltungsentscheidung über die (Bau-) Kosten für Gericht und andere Behörden an. Im Bergrecht ist nach PrABG § 23 die Verleihung zu nennen, soweit der Anspruch sich gegen die Bergbehörden richtet; während sonstige Ansprüche (selbst wenn schon im voraus nach Verwaltungsbescheiden zu zahlen ist) auf den Rechtsweg gehören (vgl. PrABG §§ 9, 23, 129, 145, 151, 177, 186; wobei die Ansprüche aus PrABG § 148 nicht die aus BGB §§ 1004, 906 ausschließen (RG J W 11/338). Auf dem Gebiete des Arbeitsrechts sind beispielsweise zu nennen die Allgemeinverbindlichkeitserklärung in Tarifordnungen (TVG § 5), die Zwangseinstellung von schwerbeschädigten Arbeitnehmern nach G v. 16. 6. 1953 (BGBl. I 389) § 10. F IV. Andererseits gibt es Verwaltungsentscheidungen, gegen die nur der ordentliche Rechtsweg geöffnet ist. In solchen Fällen ist der Verwaltungsrechtsweg verschlossen. PrAG GVG § 1 bestimmt, daß die Verweisung auf den Rechtsweg der Klageweg ist. Vgl. dazu GG Art. 14 III 3. 19 IV, 34; GVG § 9. F V. Es gibt indes auch Gesetze, die ein verwaltungsgerichtliches Vorverfahren mit Vorbescheid (über sie vgl. GVG § 13 B IV b) und (gewöhnlicher befristeter) Klage vor den ordentlichen Gerichten anordnen. Das ordentliche Verfahren wird mit der Erteilung des Vorbescheides zulässig, gleichviel ob diese später (auf dem verwaltungsgerichtlichen Verfahrenswege) wieder aufgeschoben wird oder nicht (a. M. BGH LM-DBG § 143/12 bezügl. der Wahrung der Klagefristen). a) Dazu gehören die Vorbescheide auf dem Gebiete des Jagdrechts über Ansprüche auf Wildschadenverhütung (BJagdG v. 29.11.1952 [BGBl. I 780] §§ 26 folg.) und auf Wildschadenersatz (BJagdG §§33 folg.). Nach BJagdG §35 dürfen die Länder verwaltungsmäßige Vorbescheide anordnen. Davon ist Gebrauch gemacht worden. Soweit diese Gesetze auf den 3»
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§ 13 F V a
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Rechtsweg verweisen, regelt sich die sachliche Zuständigkeit nach GVG §§ 23 I 2d (doch ist die Regelung kraft Bundesrechts — GG Art. 31 — nicht ausschließlicher Art und kann es auch nicht kraft Landesrechts werden j. b) Ferner gehören dazu die Vorbescheide nach der S t r a n d u n g O v. 17. 5.1874 (RGBl. 73) § 33 (nach Vorbescheid § 38), § 39 I für Berge- und Hilfslohn (vgl. auch §§ 29 III, 30, 31, 36, 39), während die StrandungO sonst öffentliches Recht, das nicht auf dem ordentlichen Rechtsweg verfolgbar ist, enthält. c>) Weiter sind zu nennen H i n t e r l e g u n g O § 3 V, der nach verwaltungsrechtlichem Vorbescheid die Klage vor den ordentlichen Gerichten zuläßt; d) P r A B G § 157, der nach Vorbescheid die Klage des Bergwerkeigentümers gegen den Staat (Oberbergamt) auf Beseitigung des Aufhebungsbescheides gibt. e) Auch im B e a m t e n r e c h t gibt es die Vorbescheide (vgl. die Landesbeamtengesetze, Kommentar GVG § 9 B). f ) Vorbescheide sind ferner nach dem G über die Entschädigung der im W i e d e r a u f n a h m e v e r f a h r e n f r e i g e s p r o c h e n e n Personen §§ 5, 6 bzw. nach dem G über die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft §§ 6 III, 9, 10 die gerichtlichen Beschlüsse. g) Nach RVO § 906 darf die Genossenschaft gegen den Ersatzpflichtigen, der gegen die Mitteilung des Vorstandes die Vertreterversammlung (vgl. SelbstverwaltungG i. F. v. 13. 8. 1952 [BGBl. I 4271, § 1 IV 3) angerufen hat, erst nach diesem Beschluß, und, w«nn er die Versammlung nicht anruft, erst einen Monat nach der Mitteilung des Vorstandes wegen des Rückgriffsaöspruchs klagen, wobei es die Vertreterversammlung in der Hand hat, sich den Klageweg zu eröffnen (nur der negativen Klagen wird hier nicht gedacht). h) Vgl. auch BayAG ZPO und -KO Art. 2, wonach bei A n s p r ü c h e n g e g e n d e n F i s k u s bei der nächst höheren Dienststelle um Abhilfe gebeten werden muß und die Klage erst nach dem abschlägigen Bescheid oder Zuwarten von sechs Wochen auf den Bescheid (Leonhard SJZ 47/661) erhoben werden darf. i) Über das Vorbescheidverfahren im Finanzvertrag vgl. Kommentar GVG § 13 F III c 1. j) Nur fakultativ sind die Vorbescheide nach G e w O § 5 1 , n a c h P o s t G § 1 3 . k) Noch andere Bedeutung haben die verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren, soweit sie der Verwaltung das Recht einstweiliger Titel geben. Dahin gehört die Vorläufig vollstreckbare Feststellung der Verwaltungstelle, daß ein dritter dem Unterstützungpflichtigen und — nach Mitteilung des Verbandes an ihn — diesem ersatzpflichtig ist (FürsorgepflichtVO § 23 II i. F. der NotVO v. 5. 6.1931 — RGBl. I 279, 305; vgl. BayFürsorgeG i. F. v. 19.1.1953 — GVB1. 4 —• Art. 24), wie der entsprechende Bescheid nach FürsorgepflichtVO § 25 c II in derselben Fassung (vgl. BayFürsorgeG Art. 25, HessFürsorgeG v. 18. 3. 1957 [GVB1. 31] §§ 19 folg.); denn diese Vorschriften dienen nur dazu, der Fürsorgestelle einen Titel zu verschaffen (vgl. im übrigen GVG § 13 F III b 1). 1) Über s o n s t i g e V o r b e s c h e i d e vgl.Kommentar GVG§§ 13 K I I d, H I c; 14 C I b 6. m) Auch die Ablehnung der Anmeldestelle nach allgemeinem KriegsfolgenG § 29 ist Vorbescheid. n) Das Entsprechende gilt für den Verwaltungsvorbescheid, der nach BLG § 587 durch Klage anfechtbar ist, o) wie nach dem LandbeschaffungG v. 23. 2. 1957 (BGBl. I 134) § 59 I und p) dem SchutzbereichG v. 11. 12. 1956 (BGBl. I 899) § 25 I, q) wie dem BEG § 210. G. Unter den öffentlich-rechtlichen Ansprüchen gibt es mehrere Gruppen, die rechtlich ungleichartig behandelt sind. Was dabei als öffentlich-rechtlicher Anspruch angesehen wird, ist der geschichtlichen Entwicklung zu entnehmen (vgl. GVG § 13 J I). Die erste dieser Gruppen sind die Staatshoheitsakte, welche in Gesetze, gerichtliche Entscheidungen (GVG § 13 B—D, F) und Verwaltungsakte unter°l ; edert werden dürfen.
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GVCr
§13
G I. Von welcher hohen Hand (Bund, Land, Kommune, öffentlich-rechtliche Körperschaft) der Verwaltunghoheitakt ausgeht, ist dabei grundsätzlich gleichgültig (RGZ 154/167 [178]). Über die interzonale und die internationale Abgrenzung der verwaltenden Staatsgewalt vgl. GVG § 13 B I. Die hohe Hand braucht aber nicht in Ausübung ihrer Hoheit zu handeln, sondern kann wie jede andere Rechtsperson tätig werden. Bin Anhalt dafür, daß sie hoheitlich tätig wird, ist im Unterordnungsverhältnis des Untertanen zu finden (RG J W 32/795 1 6 ). G II. Über die Verwaltunghoheitakte darf grundsätzlich von den ordentlichen Gerichten nicht entschieden werden, wenn sie ein rein gesetzlich begründetes Verhältnis der Unterwerfung unter die hohe Hand betreffen (RGZ 103/56 m. N.), sofern nicht der Rechtsweg besonders durch Gesetz geöffnet ist (RGZ 130/319 [327]) und sofern die Verwaltungakte der hohen Hand von dem Staatsgebiet des Gerichtsitzes anerkannt werden. a ) Dies gilt sowohl dann, wenn ein Verwaltungsakt vorgenommen (vgl. LG M D R 48/80) wie wenn er unterlassen werden soll (RGZ 159/129 m. N., 162/181,168/143 [151], im besonderen kann nicht auf Unterlassung mißbräuchlicher Amtsausübung bzw. Überschreitung der Amtsbefugnis geklagt werden (RG N GVG § 13/55). Verhindert werden darf so ein Hoheitsakt nicht (vgl. RGZ 154/144 [152]). Die Rechtsprechung hat hier eine Fülle von Einzelfällen entschieden, wonach der Rechtsweg unzulässig war: etwa bei der Klage gegen eine dienstliche Auskunft (RGZ 158/257), gegen eine dienstlich geäußerte Behauptung (BGH N J W 54/1486). Die Finanzmaßnalimen der öffentlichen Hand (Rechnungseinzug der Ärztekammer) sind auf dem Rechtsweg nicht nachprüfbar (RG v. 12. 11. 1941 I I I E 168/34). Über die des Bundes, der Länder vgl. GVG § 13 F I I I d, H I I , über die der Gemeinden vgl. GVG § 13 H I I c, M I, über die der Kirchen vgl. GVG § 13 M I I . Über das Kassenarztrecht entscheiden die Sozialgerichte nach SGG § 51 I I . Ein Minister kann nicht durch Klage vor den ordentlichen Gerichten dazu gezwungen werden, eine Anordnung zurückzunehmen: RGZ 147/255. Die Klage um die Namensführung gegen eine zur Überwachung dafür berufene Behörde dahin, eine Verfügung aufzuheben, ist vor den ordentlichen Gerichten unzulässig (RG J W 1 9 / 3 0 9 1 1 ) , andere Störungen der Namensführung sind nach B G B § 12 auch gegen die öffentliche Hand auf dem Rechtsweg verfolgbar (RGZ 147/253). Auch ist der Rechtsweg zulässig, wenn gegen jemand auf Ablegung des Familiennamens geklagt wird (RG J W 04/53 3 ) oder wenn die Mitgliedschaft zu einer Familie festgestellt werden soll (RG N GVG § 13/104). Der Eingriff in die polizeilichen Hobeitsakte wurde verwehrt sowohl in Polizeiverordnungen (RGZ 144/253) wie in einzelne Verwaltungsakte, etwa bei der Klage auf Entfernung einer Beleuchtung auf einem (öffentlichen) Wege, die durch die Polizei angeordnet war (RG N GVG § 13/2); bei der Klage, durch die in Baugenehmigungen eingegriffen werden sollte (vgl. RGZ 46/301), bei Maßnahmen der Theaterpolizei (RGZ 88/405), der Wasserpolizei (RG N GVG § 13/493), der Wegepolizei (RG N GVG § 13/127). Auch w o h n u n g s p o l i z e i l i c h e Maßnahmen gehören nicht vor die ordentlichen Gerichte (vgl. § 885 A I a). Auch wenn eine Behörde von ihrem H a u s r e c h t Gebrauch macht, ist nur der Verwaltungsrechtsweg gegeben (OVG Berlin DÖV 53/61). Über das gerichtliche Hausrecht vgl. GVG §§ 175 folg. Unzulässig war die Klage einer Handelsgesellschaft auf Abberufung des V o r s t a n d e s und Aufsichtsrats, die auf Grund einer von der Besatzungsmacht erteilten Ermächtigung von der zuständigen öffentlichen Verwaltungstelle eingesetzt waren (KG J R 47/23). b) Die Klage auf Gestaltung von durch den Hoheitsakt geschaffenen Vorgängen ist ebenfalls unzulässig; doch muß es sich dabei um unmittelbare Eingriffe handeln (nicht um bloßen Schadensersatz in Geld, dazu vgl. GVG § 13 K ) . c ) Die Feststellung, daß ein Verwaltunghoheitakt unzulässig ist, darf nicht auf dem ordentlichen Rechtsweg gegeben werden (vgl. GVG § 13 A I V b ; RGZ 130/291), und zwar selbst dann nicht — und auch nicht durch Zwischen feststellungsklage (§ 280) — , wenn der Staatshoheitsakt nichtig ist. G III. Vom Standpunkt der ordentlichen Gerichte aus kann der nichtige Verwaltungsakt nicht gelten. I m Verfahren vor den ordentlichen Gerichten wird deshalb grundsätzlich (vgl. aber die Ausnahme nach Finanzvertrag Art. 8 X V I I , GVG § 13 F I I I e) geprüft, ob der Hoheitsakt formal wirksam erlassen worden ist, von wann ab er wirkt und bis wann (im besonderen bei späteren aufschiebenden Hoheitsakten bzw. der vorgesetzten Behörde) und ob er nichtig ist.
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§13 GUI
GVG
a) Nichtig ist der Verwaltungsakt, wenn sein I n h a l t rechtlich oder tatsächlich u n m ö g l i c h ist oder wenn die Verwaltungsbehörde weder funktionell noch sachlich zuständig ist (OLG Kiel DVB1. 49/106, vgl. auch RG H R R 28/465). BGHZ 1/146 (150) hat dies schon angenommen, wenn einem nicht Berufenen eine Blankoverfügung zur Ausfüllung übergeben war. Doch darf man im Verwaltungsrecht nicht übersehen, daß Delegationen in weitem Umfange üblich sind und daß es die scharfe Trennung zwischen einzelnen Funktionen, wie etwa die bei der Berufung zum Richter im Verhältnis zu der als Rechtspfleger im Verwaltungsrecht nicht besteht. Relative Unzuständigkeit führt (jedenfalls regelmäßig) picht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Aber auch, wenn in ein anderes Hoheitsgebiet eingegriffen wird, also wenn etwa die DDR auf das Gebiet der BRD übergreifen wollte oder auch, wenn innerhalb der BRD ein Land über seine Grenze hinaus verwalten wollte, ist der Akt unwirksam für das andere Gebiet, was auch für Gemeinden gilt. Ist der Staatshoheitsakt nichtig, so ist der Rechtsweg zulässig; ist er wirksam, so ist die Klage unzulässig (a. M. OGH N J W 50/784: unbegründet) . Nichtigkeitsgründe sind danach die folgenden: a 1. Die Verwaltungsakte mUssen sich i m R a h m e n d e r G e s e t z e halten, also formell gültig sein. Geprüft wird dabei nur, ob sie in abstracto ergehen durften, nicht ob sie in concreto erforderlich oder gar zweckmäßig waren. Ein Verwaltungsakt, der sich nicht in dem ihm gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen hält, ist nichtig (BGHZ 1/146 [148]), wozu im besonderen die Zustellungsvorschriften gerechnet werden (BGH MDR 52/93), die etwa gegenüber Beamten zu wahren sind, während eine sonstige Anordnung formlos widerrufen werden darf: BGH N J W 51/715. a 2. Auch wenn es um die A b g r e n z u n g des Verwaltungakts, um seinen Inhalt und seine Grenzen geht, sollte man den Rechtsweg zulassen, indes nur, wenn tatsächlich ein Grenzstreit vorliegt; nicht wenn der Inhalt als solcher unstreitig ist (a. M. RGZ 59/5, 99/41). Ferner ließ RGZ 70/395 die Nachprüfung auf dem Rechtsweg durch die Klage nicht zu, welche die Freiheit der Gewerbeausübung gegenüber Postgesetz § 3 festgestellt wissen wollte, weil die Gewerbebetriebsbeschränkung durch öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht vor die ordentlichen Gerichte gehörte. Die A u s l e g u n g eines Staatshoheitaktes ist Sache des ordentlichen Gerichts (auch noch unbeschränkt in der Revisioninstanz: BGH v. 20.1. 1951 I I I ZR 20/50). Ferner wird geprüft, ob der Staatshoheitsakt n o c h b e s t e h t bzw. ob er widerrufen oder aufgehoben worden ist (RGZ 102/246 [250]), wobei der Widerruf selbst wieder formal wirksam sein muß, denn auch der (selbst anfechtbare) widerrufene Staatshoheitsakt ist es. Entscheidungen der Verwaltung im Einspruch- und Beschwerdeverfahren binden die ordentlichen Gerichte nur, wenn diese Verfahren (in Begründung eines neuen Verwaltungaktes) gesetzlich zulässig waren (RGZ 164/226 [234]). Auch der aufgehobene Staatshoheitsakt vermag aber inzwischen anderweit begründete Rechte dritter nicht zu beseitigen, selbst wenn durch den aufgehobenen diese Begründung erst möglich war (BGH N J W 51/359). a 3. Unter den bloß anfechtbaren Verwaltungakten sind zwei Gruppen zu unterscheiden, die, welche, auch wenn sie noch nicht beseitigt sind, als unwirksam zu behandeln sind, und die, welche bis zu ihrer Beseitigung wirken (GVG § 13 G I I I b). Die Grenzen sollte man entsprechend denen, die gegenüber anfechtbaren Gesetzen bestehen, ziehen. Nach der Rechtsprechung sind die auf r e i n e r W i l l k ü r beruhenden Verwaltungsakte als unwirksam angesehen worden, also Verstöße gegen das pflichtgemäße Ermessen (BGHZ 2/315 [319]); auch bei Widerruf von Verwaltungsakten (BGHZ 1/223); im besonderen wenn allein die Rechte einzelner berücksichtigt werden (RGZ 130/290 m. N.; BGH N J W 51/715 für den Fall der willkürlichen Entziehung eines Beschäftigungsauftrages). Doch schwankt hier die Rechtsprechung an den Grenzen. BGH N J W 51/957 hat entschieden, daß nur dann ein Verwaltungsakt wegen Willkür nichtig sei, wenn er sich durch keine sachlichen Erwägungen rechtfertigen lasse. a 4. U n w i r k s a m sind Verwaltungsakte, die von Tatbeständen ausgehen und sich auf sie ausschließlich beziehen, die nicht (mehr) bestehen, wie wenn eine Genehmigung nach MilRegG 52, 53 verweigert wird, während der Betreffende nicht mehr gesperrt ist (a. M. BGH N J W 52/469); entsprechend wirkt die vormundschaftgerichtlich erteilte Genehmigung nicht, die nach Mündigkeit des Mündels gegeben wird.
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GVG
§13 Gni
a S. Dagegen ist der Staatshoheitsakt wirksam, auch wenn die Behörde sich über den Sachverhalt getäuscht hat (RGZ 93/138) oder ihn in sonst zu mißbilligendem Sinn beurteilt hat (RGZ 158/257). Diese Rechtsprechung geht jedenfalls über das zu GVG § 13 G II o Ausgeführte hinaus und OLG Hamm DV 48/66 wollte deshalb durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit sie abgeschwächt wissen (vgl. dagegen BGHZ 1/147 [148] und auch Kommentar § 1 B I b3). b) Sonstige Gründe vernichten den Verwaltungsakt nicht. b 1. Soweit ein Staatshoheitsakt als solcher besteht, darf von den ordentlichen Gerichten deshalb seine R e c h t m ä ß i g k e i t (grundsätzlich) nicht nachgeprüft werden (RGZ 168/134). Dies gilt im besonderen dann, wenn er nicht nichtig, aber vor den Verwaltungsgerichten noch anfechtbar ist (vgl. GVG § 13 G III a 4). Gültige anfechtbare Verwaltungsakte sind u. a. die, wo die Verwaltungsbehörde nur örtlich unzuständig war (RGZ 102/251, in einem Fall, wo ein anderweit belegenes Grundstück oder ein öffentliches Gewässer außerhalb des Bereiches der Behörde desselben Landes betroffen wurde). Dasselbe gilt, wenn die Verwaltungsbehörde zwar sachlich unzuständig ist, ihr Handeln aber gesetzlich gedeckt war (GVG § 13 G III a). Anders ist dies bei Überschneidung der staatlichen Hoheitsgebiete (vgl. GVG § 13 A). Auch wenn eine Behörde ein Gesetz inhaltlich unrichtig auslegt oder anwendet, nimmt die h. M. einen gültigen, nur durch Anfechtung zu beseitigenden Verwaltungsakt an (OLG MDR 49/442 folg., 50/686). c) Unter den Voraussetzungen des GG Art. 19IV ist allerdings der Rechtsweg offen. Die Bestimmung ist von nur geringer praktischer Bedeutung. G IV. Hoheltsakte gehen in die private Sphäre, aber diese wirkt auch auf sie zurück. Dadurch ergeben sich schon bei ihrer Bildung, wenn sie auf die private Sphäre gerichtet sind wie bei ihrer Existenz in ihr, Besonderheiten. a) Auf rein hoheitliches Handeln gibt es — dem Prinzip nach — keinen Anspruch, bei der betroffenen Sphäre einzelner indes regelmäßig öffentlich-rechtliche und, wenn auch selten, solche, die auf dem Rechtsweg verfolgbar sind. Zu den letzten beiden Gruppen gehören die Verleihungen und die Versagungen. Bei den V e r l e i h u n g e n begibt sich z. T. der Staat sogar seiner Hoheitsrechte, indem er sie Privaten zur freien Verfügung überläßt. Auf die Verleihung als solche kann je nach ihrer Art ein öffentlich-rechtlicher Anspruch bestehen oder aber sie kann in das Ermessen des Staates gestellt sein. Im letzten Fall ist der Gerichtsweg stets verschlossen. Aber auch im ersten Fall ist er es regelmäßig. Wann ein öffentlich-rechtlicher Anspruch besteht, muß sich aus dem Gesetz ergeben. Ein Privileg liegt aber nicht vor, wenn jemand ein Recht erlangt, falls er in einen bestimmten Bezirk zieht, und es wieder verliert, wenn er ihn verläßt (RGZ 87/199). a 1. Bei A p o t h e k e n wird das Privileg auf dem Verwaltungsweg übertragen. Für die Frage, ob ein Apothekerprivileg besteht, ist der Rechtsweg gegen den Staat zulässig (RGZ 15/138 für PrRecht). Ist es erteilt, so ist der Rechtsweg für die Klage auf Unterlassung der Ausübung der Apothekerkonzession unzulässig, wenn es nur auf die Rechtmäßigkeit der Konzession ankommt (OLG Hamm DRZ 48/140), weil sie nicht gegen den Staatshoheitsakt als solchen zulässig ist. a 2. I m B e r g r e c h t besteht das Recht des Muters auf die Verleihung. Wird indes um den Vorrang mehrerer Muter gestritten, so ist darüber vor den ordentlichen Gerichten zu entscheiden (PrABG § 23, BayBergG Art. 34, ferner Art. 38 II); im übrigen steht nur der Verwaltungsweg offen. a 3. Einen besonderen Fall der Verleihung regelt GewO §§ 16—25. Um eine solche Verleihung zu erreichen, ist nur der Verwaltungsweg offen, desgleichen gegen die Versagung (GewO § 27). Eine Entrechtung (i. S. des GG Art. 14) dessen, der die Anlage errichten will, liegt nicht vor, weil sie sonst von den Nachbarn nach BGB § 1004 verhindert werden könnte. Soweit die öffentliche Hand Anlagen nach GewO § 26 genehmigt hat, darf nicht auf Einstellung ihres Betriebs geklagt werden (wohl aber, solange die Genehmigung nicht erteilt ist und selbst, wenn das Genehmigungsverfahren noch schwebt; RG N GVG § 13/118). Soweit das
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Recht zu entrechten verliehen wird (vgl. etwa BundesbahnG § 77), bleibt es regelmäßig öffentlich-rechtlicher Art. Auf seine Erteilung wie seinen Entzug wie seine Benutzung entsteht, kein vor den ordentlichen Gerichten verfolgbarer Anspruch. a 4 . Dies gilt auch für die s o n s t i g e n R e g a l i e n , wie die Rechte aus Flößerei-, Fährund Mühlengerechtigkeiten, soweit sie noch bestehen. a 5. Als Gegenstück besteht die öffentliche Versagung, wie sie etwa GewO § 51 vorschreibt. Wegen dieser ist der Verwaltungsweg gegeben; für Entschädigungen wegen Entrechtung dagegen der vor den ordentlichen Gerichten. b) Der Höh; itsakt wirkt in der privaten Sphäre unterschiedlich, je nachdem er selbständig ist oder einen privaten Akt begliitet. b 1. Der n u r b e g l e i t e n d e H o h e i t s a k t setzt Privatrechtsgeschäfte voraus, auf die er sich bezieht. Die sich aus diesem ergebenden Ansprüche gehören auf den Rechtsweg. Dahin gehören die behördlichen 'Preisregelungen, aus denen die Folgerungen aber auf dem Rechtsweg zu ziehen sind (etwa bei der Kaufpreisklage). Eine Stadt, auf deren Bürgersteig ein Gastwirt Stühle und Tische aufstellte, durfte deshalb vor den ordentlichen Gerichten auf Unterlassung klagen, obwohl die Polizei aus verkehrstechnischen Gründen keine Bedenken dagegen geäußert hatte (RG N GVG § 13/17). Dementsprechend darf die Stadt, welche Obdachlose aufgenommen hatte, auf dem Rechtsweg klagen, ihr lästige Besucher fernzuhalten (a. M. LG Duisburg NJW 51/320). Vgl. auch GVG § 13 G IV c. b 2. Bildet der Staatshoheitsakt nur die Grundlage und den Anlaß zivilrechtlicher Vereinbarungen, im besonderen wenn er wie ein r e l a t i v e s V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t wirkt (vgl. BGB § 136), etwa bei Beschlagnahmen, wenn zwischen Berechtigten und Verpflichteten freie Vereinbarungen getroffen wurden, so ist der Rechtsweg zulässig (RGZ 167/281 folg.). Aber auch wenn der Hoheitsakt ein bestimmtes Rechtsverhältnis anordnete (etwa die Gebrauchsüberlassung), blieb den Parteien das Recht, ihn inhaltlich ausfüllende Vereinbarungen zu treffen bzw. ihr Verhältnis für den Fall, daß er entfällt, zu regeln (BGH MDR 52/98), während in der reinen Entgegennahme der Nutzungsentschädigung noch keine privatrechtliche Vereinbarung zu finden war. Bei der Eigentumsübertragung ist aber der Hoheitsakt als solcher vollzogen, wenn auch der OGH MDR 49/551 m. N. trotz der Vollziehung unter dem Gesichtswinkel der Nichtigkeit (Anfechtbarkeit wegen Willkür) die Klage auf dem Rechtsweg gegen den Begünstigten zuließ. c) Der Inhalt des Staatshoheitsakts wird (regelmäßig) durch die allgemeine Gesetzesordnung eingeschränkt. c 1. So darf die Anbringung von S c h u t z e i n r i c h t u n g e n auf dem Rechtsweg gefordert werden, wo die Abwehrklage (BGB § 1004) infolge des Hoheitaktes unzulässig war (RGZ 170/43, GewO §26 in entsprechender Anwendung: RG JW 38/2969M in bezug auf die Auswirkungen eines Eisenbahnunternehmens; RGZ 1959/129 in bezug auf die Autobahn). Aber auch hier gibt es gesetzlich normierte Fälle, in denen nur Schadenersatz gefordert werden kann, wie etwa nach dem G über die Beschränkung der Nachbarrechte gegenüber Betrieben, die für die Volksertüchtigung bzw. für die Volksgesundheit von besonderer Bedeutung sind. c 2. Indes darf n i c h t s gefordert werden, was der Durchführung des Hoheitsaktes als solchem z u w i d e r l ä u f t bzw. ihn inhaltlich einschränkt, obwohl er uneingeschränkt gilt (RGZ 62/132, wo gefordert wurde, daß eine Omnibusstrecke, deren Betrieb genehmigt war, auf den Betrieb mit eingeschossigen Omnibussen beschränkt werde). d) Soweit sich aus Hoheitsakten öffentlich-rechtliche Ansprüche ergeben, etwa ein Gemeingebrauch oder eine Besteuerung, so ist für diese gesondert zu prüfen, ob der Rechtsweg wegen ihrer Natur zulässig ist; aber auch sie richten sich nicht gegen den Bestand des Hoheitsaktes. H. Unter den Kreis der öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse mit aufgeteilter Gerichtsbarkeit nach den verschiedenen Ansprüchen gehören die folgenden: H I. das Beamtenrecht, soweit noch die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründet ist, im besonderen für Richter für vermögensrechtliche Ansprüche (GVG § 9). Für
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Rechtsverhältnisse, die nur an eine Beamtenstellung anknüpfen, wie die anläßlich der Zuweisung beamteneigener Kraftfahrzeuge,ist aber stets der Rechtsweg zulässig (BGH N J W 57/1402). Aber auch soweit überhaupt noch der Rechtsweg für die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten gegen den Staat offen ist, ist er es nicht (und nicht gewesen), soweit es um den Staatshoheit«akt der Anstellung der Beamten geht (bei dem nur die gewahrte Form, der Verstoß gegen die Gesetze — etwa die Berufung eines Nichtrichterfähigen zum Berufsrichter — die offenbare Willkür, soweit sie also kein Ermessen rechtfertigt, nachprüfbar ist, vgl. dazu RGZ 83/429). Entsprechend ist auch die Abberufung aus dem Beamtenverhältnis von den ordentlichen Gerichten nicht nachprüfbar (RGZ 108/345). Über die Folgen nicht innegehaltener vertraglicher Zusicherungen vgl. Kommentar GVG § 13 K I I I c 2, über die von Amtspflichtverletzungen vgl. GVG § 13 K III d. e) Streitet der Staat mit dritten um Lasten für seine Angestellten, Arbeiter und Beamten, so ist für solche Rechtsverhältnisse der Gerichtsweg offen, etwa bei dem Streit einer Gemeinde mit ihrer Ruhegehaltskasse (RG N GVG § 13 /453), bei dem einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit dem Land auf Erstattung von Versicherungsbeiträgen (RGZ 159/141). f ) Umgekehrt ist für die Ansprüche der öffentlich-rechtlichen Körperschaft gegen den Beamten i. S. des Beamtenrechts (gegen Angestellte und Arbeiter ist er unbeschränkt zulässig) der ordentliche Gerichtsweg nur in vermögensrechtlichen Streiten geöffnet. Sonstige Ansprüche gegen den Beamten i. S. des Beamtenrechts können nur disziplinarisch durchgesetzt bzw. geahndet werden. Gegenüber Arbeitern und Angestellten sind die Arbeitgerichte zuständig (OLG ZZP 68/78). f 1. Die vermögensrechtlichen Ansprüche (vgl. § 2 A I b) des Staates (der öffentlichrechtlichen Körperschaften) gegen Beamte auf Erstattung von Fehlbeständen einschließlich der Ansprüche gegen die Bürgermeister, Ratsmitglieder u. Gemeindebediensteten nach den Gemeindeordnungen gehören ebenfalls nach dem Erlaß des Erstattungsbeschlusses, einem vollstreckbaren Vorbescheid, vor die ordentlichen Gerichte (GG Art. 34 I 3; in unmittelbarer wie entsprechender Anwendung; vgl. BGH v. 11. 7. 1955 I I I ZR 263/53; mit Ausnahme der Zwangsvollstreckungen aus dem Erstattungsbeschluß, die grundsätzlich dem Verwaltungsverfahren unterliegen, im Geschäftsbereich der Finanzverwaltung aber nach der VO v. 17. 12. 1937 — RGBl. 1 1388 — den Regeln der AbgabenO). ErstattungG § 13, das die Möglichkeit vorsah, den Verwaltunggerichtsweg zu eröffnen, ist durch GG Art. 34 überholt (abweichend in der Begründung, nicht aber im Ergebnis, die, welche die Bestimmung entsprechend der Vorschrift über die Zuständigkeit der Gerichte in vermögensrechtlichen Streiten der Beamten behandeln — vgl. GVG § 13 H I — : BGHZ 18/117). HessBeamtenG § 138 will allerdings diese Verfahren auf den Verwaltungsgerichtsweg verweisen, doch sollte man darin einen Verstoß gegen GG Art. 34 I 3, 31 sehen (insoweit a. M. ohne sich über das Problem auszusprechen: HessVGH N J W 55/1755). f 2. Der Begriff des Beamten folgt aber hier nicht dem öffentlichen Recht, sondern knüpft an den des Hoheitsträgers i. S. des GG Art. 34 an (ErstattungsG § 1). Die Regelung bezieht sich z. Z. auf den Bund und seine öffentlich-rechtlichen Körperschaften, soweit nicht diese eine Sonderregelung erlassen. Ansprüche gegen Arbeiter und Angestellte gehören dabei aber vor die Arbeitsgerichte (ArbGG § 2; für Bay.: BayVGH J R 55/312 = AP ArbGG § 2/6). H II. Das Staatsfinanzrecht ist grundsätzlich dem Rechtsweg entzogen. a) Dies gilt für die vom Abgaben-(Steuer-)schuldner zu leistenden Abgaben nach AbgabenO § 242. a 1. Auch andere k o n k u r r i e r e n d e K l a g e g r ü n d e werden von dem Ausschluß aufgesogen, im besonderen, wenn die öffentliche Hand auf Zahlung eines Betrages, gestützt auf unerlaubte Handlung (BGB §§ 823, 826) gegen den Steuerschuldner klagt oder gegen ihn wegen ungerechtfertigter Bereicherung vorgeht (RGZ 83/304). Dies gilt selbst dann, wenn die Beteiligten über den öffentlich-rechtlichen Anspruch Vereinbarungen getroffen haben (RGZ J W 37/2306 29 ). Selbst für Vergleiche im Steuerverfahren ist der Rechtsweg unzulässig (RGZ 147/280 [284] beiläufig) und auch, wenn nur die Wirksamkeit der Abtretung eines solchen Anspruchs an einen dritten streitig ist (RG J W 36/271212).
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a 2. Auch über N e b e n f o l g e n eines Steueranspruchs darf nicht vor den ordentlichen Gerichten entschieden werden, also über die Verzinsung (RGZ 87/120). a 3. Dies gilt auch zu Lasten des Steuerschuldners für den E r s t a t t u n g s a n s p r u c h (vgl. jetzt AbgabenO §§242 1 2, 150—159). Dies gilt auch für k o n k u r r i e r e n d e K l a g e g r ü n d e , also selbst wenn der Rückforderungsanspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützt wird (RGZ 129/96f.) oder auf unerlaubte Handlung (RGZ 103/131 [134] m. N.; über Amtspflichtverletzungsansprüche vgl. GVG § 13 K I I I d). Auch Einwendungen, etwa ob eine Zahlung gutgebracht worden ist (RGZ 140/84), werden nur im Steuerverfahren entschieden, aber (nach der hier vertretenen Auffassung) nicht über die Aufrechnung einer Forderung, die vor die ordentlichen Gerichte gehört, von einer unstreitigen Aufrechnung abgesehen (vgl. GVG §13 J I I b 2). a 4. B. i nichtigem Steuerakt ist dagegen der Rechtsweg offen, etwa wenn die Besteuerungsgrundlage nichtig ist (RGZ 105/35). a 5. Allerdings sind privatrechtliche Abmachungen auch über Abgabeschulden insoweit möglich, wie ihre dingliche oder persönliche Sicherung vereinbart werden kann. Für S i c h e r u n g s v e r t r ä g e der Steuer mit dem Steuerschuldner ist der Rechtsweg nach RGZ 127/337 offen, im besonderen, wenn der Steuerschuldner eine Hypothek bestellt und dann auf ihre Löschung mit der Begründung klagt, die Steuerschuld bestehe nicht (RGZ 129/95). Dies gilt erst recht, wenn ein dritter durch Vertrag die Steuerschuld übernommen hat, soweit gegen oder durch ihn vorgegangen wird (RGZ 129/95) oder wenn ein dritter sich dem Staat gegenüber verpflichtet hat, die Steuerschuld eines anderen zu bezahlen (AbgabenO §12011); dies gilt auch bei Sicherungsübereignungen dritter (RG StuW 30/699) und auch für den Rückgriffsanspruch des Zollbürgen (BGB § 774, RGZ 135/25) oder dessen, der ein Pfandrecht abgelöst hat (BGB §§ 268,1249,1257, RG H R R 35/1069), wie überhaupt, wenn ein Streit zwischen Staat und dritten über die Rangfolge eines Pfandrechts (RFH StuW 30/1314) oder bei Vorrechten im Konkurs entsteht (RGZ 116/369, KO § 6 1 1 2 ) . Deshalb wird auch ein Vertrag, durch den sich eine Gemeinde verpflichtet hatte, den Steuerschuldner wegen der Abgabepflicht schadlos zu halten, und zwar wo die Gemeinde selbst steuerberechtigt war (RGZ 82/327), der Rechtsweg für zulässig erachtet. Auch ist, wenn unter den Parteien streitig ist, wer von ihnen die Steuerlast zu tragen hat, der Rechtsweg zulässig (RG N GVG § 13/208). a 6. ö f f e n t l i c h e L a s t e n , die im Zwangsversteigerungsverfahren geltend gemacht werden, sind ihrem Bestände nach vom Schuldner-Eigentümer nicht angreifbar (RG N GVG § 13/159); für sie ist der Rechtsweg verschlossen; dies gilt aber auch für dritte (RG N GVG § 13/38), soweit sie sich im bevorrechtigten Rahmen des ZVG § 10 I 3 halten. Wird allerdings auf eine Zeit zurückgegriffen, die diesen Vorrang nicht hat, so ist der Rechtsweg zur Entscheidung darüber offen (RG N GVG § 13/137). a 7. Für Klagen auf R ü c k z a h l u n g v o n S t e u e r n , deren Begleichung vom Konkursverwalter angefochten worden ist, war der Rechtsweg zulässig (OLG MDR 50/356). Dies wird auch für eine Gläubigeranfechtung gelten. a 8. Zur Feststellung des K o n k u r s v o r r e c h t s der Abgaben nach KO § 61 I 2 ist der Rechtsweg zulässig (BGH N J W 53/1785). b) Der Rechtsweg ist nicht zulässig für Beiträge usw. für öffentlich-rechtliche Körperschaften, wenn die AbgabenO für anwendbar erklärt worden ist oder wenn PrKommunalabgabenO § 70 anzuwenden ist. Dahin gehören Schulgeld, Schullasten (vgl. aber GVG § 13 H II b 2), Kurtaxen (RGZ 121/237), Marktabgaben (vgl. RGZ 160/216 m. N.), Brückengelder (RG N GVG § 13/463), Handelskammerbeiträge, Kirchensteuern. b 3. Gelten aber für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht das Recht der AbgabenO hzw. entsprechende Normen, so bleibt es dabei, daß Beiträge auf dem Zivilrechtswege geltend zu machen sind (RGZ 142/165), wie dies auch sonst bei privatrechtlichen Abmachungen über öffentliche Abgaben der Fall ist (RG Warn. 34/66). In solchen Fällen ist auch das Rückzahlungsbegehren dem ordentlichen Rechtsweg unterworfen. Für den Vergleich (vgl. aber GVG § 13 L I I I a) zweier Gemeinden über Schullasten wurde der Klageweg für zulässig erklärt (RGZ 79/197), ebenso wenn der Staat der Gemeinde durch Vertrag Zuschüsse zur Lehrer-
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besoldung verspricht und darin die Stellenbesetzung geregelt wird, ist der Rechtsweg zulässig (RG JW 28/3246"), wenn aus diesem Vertrag, der eine privatrechtliche Regelung öffentlichrechtlicher Beziehungen darstellt, geklagt wird. Anders ist dies aber, wenn ein Zweckverband gebildet worden ist (vgl. GVG § 13 F III a 4). e) Die Verträge aus dem Finanzausgleich- und Zerlegunggrecht (vgl. GVG § 13 F III d) sind dem Rechtsweg entzogen. e 1. Doch hat im Gegensatz hierzu BGH DVB1. 53/118 den Rechtsweg bei dem Streit zweier Gemeinden um Zerlegungsverträge noch für zulässig gehalten. Der Satz, daß wenn Abgaben aus altem Recht weitergezahlt werden, sie dann zu einem privatrechtlichen Titel werden, wenn der öffentliche Grund in Jahrhunderten dem Bewußtsein entschwunden ist (so RG Warn. 28/16), wird nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. J. Gibt es keine besondere gesetzliche Zuweisung, so gehören nach GVG § 13 die bürgerlich-rechtlichen Streite vor die ordentlichen Zivilgerichte. J I. Was ein bürgerlich-rechtlicher Streit ist, wird gewohnheitsrechtlich nach dem entschieden, was z. Z. des Erlasses des GVG (1877) als solcher angesehen wurde. Der Rechtsweg ist also geöffnet für Ansprüche, über die nach damaliger Anschauung die ordentlichen Zivilgerichte zu entscheiden hatten (RGZ 125/216 [223]), selbst wenn nach heutiger Betrachtung ein öffentlich-rechtlicher Anspruch vorliegt (RGZ 112/222 m. N., 166/218 [228, 231]); denn diese Zuständigkeit (i. w. S.) darf nicht nachträglich (ohne besondere Gesetzesänderung) in Wegfall gebracht werden. a) Da die Ordnung des außerprozessualen Anspruchs nicht schlechthin Aufgabe des Bundesgesetzgebers ist und allein nach dem außerprozessualen Anspruch die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges zu entscheiden ist, ist die L a n d e s g e s e t z g e b u n g in ihrem Bereich nicht gehindert, bürgerliche Streite an Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte zu verweisen (RG J W 37/224), soweit nicht sonst die abschließende Regelung der Bundesgesetzgebung oder ihre ausschließliche Zuständigkeit dem entgegensteht (GG Art. 31, 72 folg.); im besonderen verstößt die Landesgesetzgebung damit nicht gegen EG GVG § 4. b) Die h. M. sieht das Wesen des bürgerlichen Streits in der Gleichordnung der Beteiligten (RGZ 153/4, 166/218 [226], 167/284), das des öffentlich-rechtlichen in dem Untertanenverhältnis (RGZ 156/189); wer aber etwas vor den Gerichten beanspruchen darf, ist stets gleichgeordnet. Auch gibt es „Vereinbarungen" wirtschaftlicher Unternehmungen mit dem Staat (Finanzämtern) auf Zubilligung von Spesensätzen, damit sich jene bereit finden, im Bezirk eines Landes einen Betrieb zu eröffnen, also kraft Wirtschaftsgewalt gegen das Staatshoheitsrecht, wo m. a. W. der Staat sich dem Unternehmen unterordnet, ohne daß an der öffentlichrechtlichen Natur der Abmachungen zu zweifeln wäre. J II. Für die bürgerlich-rechtliche Zuweisung an die Zivilgerichte gilt folgendes: a) bei der Beurteilung der Frage, ob ein vor die ordentlichen Gerichte gehörender Streit vorliegt, ist zunächst von der Klage (dem Klageanspruch mit seiner Begründung) auszugehen. a 1. Ist die Klage schlüssig und ergibt sich aus ihr, daß ein Anspruch geltend gemacht wird, für den der Rechtsweg verschlossen ist, so ist sie unzulässig. Insoweit kann es nicht darauf ankommen, ob der Anspruch noch begründet wäre, wenn er geprüft werden könnte. a 2. Auf die reine Schlüssigkeit der Klage kommt es auch insoweit nur an, wenn der Streit der Parteien nur darum geht, ob mit ihr ein bürgerlich-rechtlicher oder ein Anspruch geltend gemacht wird, für den der Rechtsweg verschlossen ist, m. a. W. wenn der begründete Anspruch vor den ordentlichen Gerichten zugesprochen werden müßte (RGZ 157/106 [115] m. N„ 162/230,167/315). Maßgeblich ist insoweit nur das tatsächliche Klage vorbringen (RGZ 157/108[115], 153/4,167/315). Es kommt also auf die Rechtsansicht der Parteien über den Charakter des Anspruchs nicht an, weder auf die des Klägers (RGZ 162/233) noch die des Beklagten (RArbG JW 36/2180"). Beansprucht der Kläger aus einem öffentlich-rechtlichen Klagegrund etwas, so muß er nach RG N GVG § 13/163 die Umstände darlegen, weshalb der Anspruch vor den ordentlichen Gerichten verfolgbar ist, aber nur die tatsächlichen (iura novit curia). Bei S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e n gegen den Staat muß deshalb dargelegt werden, daß der
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Kläger, wenn er ihn aus dem öffentlich-rechtlichen Grunde der Aufopferung (Einl. z. ALR § 75) oder aua Amtspflichtverletzung (GG Art. 34) herleitet, durch eine Amtshandlung (oder Unterlassung) zu dem von ihm ersetzt verlangten Schaden gekommen ist (RGZ 130/321 m. N.). Die Behauptung des Schadens und des Hoheitsaktes, durch den er eingetreten ist, sollte aber genügen, mag auch noch der Tatbestand der Aufopferung oder der schuldhaften Amtspflichtverletzung zur Verurteilung hinzutreten müssen. a 3. Ist der K l a g e a n s p r u c h n i c h t s c h l ü s s i g begründet, so ist die Klage grundsätzlich unbegründet (nicht unzulässig). Bei einer nicht schlüssigen Klage ist allerdings die Klagebegründung unvollständig, so daß es darauf ankommt, ob ihre an sieh mögliche Vervollständigung einen Klagegrund abgeben würde, über den die ordentlichen Gerichte entscheiden dürfen; ist indes nur eine Ergänzung denkmöglich, die einen öffentlichen Anspruch begründet, für den der Rechtsweg verschlossen ist, dann ist die Klage unzulässig, weil schon die Schlüssigkeitsprüfung nicht zur Zuständigkeit (i. w. S.) der ordentlichen Gerichte gehört. Zur Klageabweisung einer nicht schlüssigen Klage als unzulässig gehört dann aber die Begründung, daß das ordentliche Gericht nicht zuständig sein kann, wenn die (zu ergänzende) Klage schlüssig wäre. Vor einer solchen Abweisung wird indes nach § 139 aufzuklären sein. Ist es zweifelhaft, ob der Anspruch auf einen zugelassenen oder einen nicht zugelassenen Klagegrund gestützt werden kann, so muß vom ordentlichen Gericht sachlich entschieden werden (RGZ 51/316). a 4. Wird die Klage auf m e h r e r e K l a g e g r ü n d e gestützt und ist einer von ihnen bürgerlich-rechtlich, so ist über ihn sachlich zu entscheiden, sofern der Klage stattgegeben werden muß. Ist dieser Klagegrund nicht begründet, wohl aber einer, über den nicht auf dem Rechtsweg zu entscheiden wäre, so ist der Rechtsstreit, soweit VerWeisungsrecht besteht, zu verweisen (vgl. § 276 A, aber auch Kommentar § 276 B III a 2), womit dann das angewiesene Gericht selbst dann auch über den bürgerlich-rechtlichen zu entscheiden hat, wenn es sonst nicht für seine Entscheidung zuständig wäre. Nur wenn es ohne Rücksicht auf die Verweisungsmöglichkeit entscheiden müßte, muß die Klage als unbegründet abgewiesen werden, was dann ihre Erneuerung wegen der sonstigen Klagegründe nicht hindern würde (im besonderen wenn etwa dafür das verwaltungsbehördliche Verfahren zu beschreiten ist). a 5. Ist das ordentliche Gericht a n g e w i e s e n e s G e r i c h t (vgl. BVerwaltungsGG §81, SGG § 52 usw.), so entscheidet es auch dann selbst über öffentlich-rechtliche Klagegründe, wenn es sonst über sie nicht entscheiden dürfte. b 2. Macht der Beklagte e i n w a n d - oder e i n r e d e w e i s e einen selbständigen G e g e n a n s p r u c h geltend, welcher der Beurteilung des ordentlichen Gerichts entzogen ist, so ist, wenn er sich auf die Einrede des Zurückbehaltungrechts bezieht (BGB § 273), nur der rechtliche Zusammenhang zu prüfen, falls er schon — rechtskräftig — durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung festgestellt ist. Ist der Zusammenhang gegeben, so muß auf die Gegenleistung erkannt werden, obwohl das ordentliche Gericht zu ihr nicht (mit Rechtskraftwirkung) verurteilen dürfte und obwohl die Verurteilung über den Gegenanspruch bei einer Zug-um-Zugleistung nicht rechtskräftig wird (§ 322 E IV a 3). So ist auch gegenüber dem Einwand der Aufrechnung einer öffentlich-rechtlichen, verwaltungsgerichtlich rechtskräftig festgestellten Gegenforderung zu verfahren (vgl. RGZ 80/372). Ist er nur eventuell zur Aufrechnung gestellt, so muß das ordentliche Gericht den Klageansprueh prüfen und, wenn die Klage begründet ist, in Höhe der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung abweisen (womit die aufgerechnete Gegenforderung verbraucht wird), andernfalls muß es die Klage schlechthin abweisen, so daß also die Gegenforderung noch bestehenbleibt. Bei Alternativaufrechnung ist die Klage ohne Prüfung ihrer Begründetheit unter Verbrauch der aufgerechneten Gegenforderung abzuweisen. Ist indes über die Aufrechnung vor den Verwaltungsgerichten nooh nicht rechtskräftig entschieden, so darf — gleichviel ob ein verwaltungsgerichtliches Verfahren über den Anspruch rechtshängig ist oder nicht — das ordentliche Gericht nicht über den aufgerechneten Anspruch entscheiden, weil, wenn es entscheiden würde, damit die Rechtskraftwirkung nach § 322 II eintritt (was geschieht, wenn es zu Unrecht, so verfährt). Die Aufrechnung ist insoweit — prozessual — unzulässig und wird nicht beachtet (RGZ 157/106 [118]; a. M. RG N GVG § 13/311 und im Verhältnis zu Sondergerichten RG Gruch. 52/1154 [1158], das auch über die Gegen-
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forderung entschied; abweichend BGH NJW 55/497, das Vorbehaltsurteil geben und dann den Streit auch aussetzen will). Dabei kommt es darauf, ob die Ansprüche im rechtlichen Zusammenhang stehen, nicht an; denn dies würde dazu führen, dal) der vor dem Verwaltungegericht anhängig zu machende bzw. anhängig gemachte Anspruch gegenüber dem zivilrechtlichen bevorrechtigt behandelt werden würde, weil ja auch umgekehrt das Verwaltungsgericht über den zivilrechtlichen Anspruch nicht erkennen darf (beiderseits von bindenden Verweisungen abgesehen). Aus diesem Grunde darf aber n i c h t einmal nach § 148 a u s g e s e t z t werden (a. M. in beiden Fällen RGZ 77/411, BGH NJW 55/497). Wird allerdings der ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e A n s p r u c h a n e r k a n n t , so sollte man ihn auch vor den ordentlichen Gerichten beachten, was besonders in den Fällen der Eventualaufrechnung praktisch werden kann. Das Entsprechende muß aber auch für den selbständigen Anspruch gelten, der eingewendet wird, um eine Zugum-Zugverurteilung zu erhalten. Ist über ihn — außerhalb des Rechtsweges — noch nicht rechtskräftig erkannt, so muß er schlechthin (und ohne Aussetzungsmöglichkeit) — aber auch hinsichtlich der Rechtskraftwirkung (§ 322 E IV a3) — unbeachtet bleiben. Über die (sonst vor die Arbeitsgerichte gehörende) zur Aufrechnung gestellte Lohnforderung hat OLG MDR 57/689 entschieden. b 3. Bezieht sich der Beklagte auf einen öffertlich-reehtlich begründeten Einwand oder auf eine solche Einrede, über die nicht auf dem Rechtsweg zu entscheiden ist, und würden diese nicht bloß zu einer Leistungverweigerung (Verurteilung Zug um Zug) führen oder die Aufrechnung betreffen, so wird damit die schlüssige bürgerlich-rechtliche Klage unzulässig, wenn Einwand oder Einrede durchgreifen. Bei den n e g a t i v e n K l a g e n wird dabei der Einwand usw. zum Klagegrund, so daß die Klage auf Eigentumsübertragung, gestützt auf einen nichtigen Verwaltungsakt, in jedem Falle auf den Rechtsweg gehört (BGH NJW 52/622). Der (unselbständige) Einwand und die (unselbständige) Einrede, gestützt auf öffentliches Recht, machen also die Klage unzulässig (LG NJW 52/426; a. M. OGH NJW 50/784: unbegründet), obwohl die an sich schlüssige Klage einen zivilrechtlichen Grund hat. Sind Einwand oder Einrede indes unschlüssig, so ist über sie deswegen hinwegzugehen. Wenn dabei über ihre Schlüssigkeit von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden ist, so geschieht dies wie sonst bei präjudiziellen Vorfragen. Darüber hinaus haben — weil und insoweit keine Rechtskraftwirkung eintritt — die ordentlichen Gerichte zu prüfen, ob E i n w a n d b z w . E i n r e d e b e g r ü n d e t sind (BGHZ 1/148). c) Wurzeln R e p l i k e n u n d R e p l i k a t i o n e n (vgl. auch GVG § 13 J II b 3) des Klägers im öffentlichen Recht, so wird, wenn sie so zu begründen sind, die Klage unzulässig (wenn sie unbegründet bleiben, bleibt sie unbegründet). Für Duplik und Duplikation gilt wieder das Entsprechende wie bei Einwendungen und Einreden usw. J III. Auf dem Rechtsweg sind von den ordentlichen Zivilgerichten, wenn sie ihre Berufung erfüllen wollen, auch öffentlich-rechtliche Vorfragen (über den Bestand öffentlichrechtlicher Verhältnisse u. dgl. m.) zu entscheiden, über die als solche von ihnen mit Rechtskraftwirkung nicht entschieden werden soll (RGZ 93/202). Dies gilt besonders für behördliche Genehmigungen (RGZ 154/385 [391]). Dies gilt auch umgekehrt derart, daß die sonstigen Gerichte auch über zivilrechtliche Vorfragen gegebenenfalls entscheiden müssen. a) Durch Entscheidungen solcher Fragen außerhalb des Rechtswegs werden die ordentlichen Gerichte nur insoweit gebunden, wie eine Rechtskraft- (BGH NJW 53/1103) oder eine Tatbestandswirkung (GVG § 13 C II c) oder ein (nicht nichtiger) Staatshoheitsakt (GVG § 13 G II) festzustellen ist. a 2. Die (nicht nichtigen) Hoheitsakte sind in ihrer Existenz mit T a t b e s t a n d s w i r k u n g hinzunehmen (RGZ 103/134 m. N.). b 2. Soweit ein Anspruch aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g geltend gemacht wird (BGB §§ 677 folg.), ist die Frage, ob die Erfüllung der Pflicht im öffentlichen Interesse lag, nach BGB § 679 präjudiziell (vgl: RG Warn. 33/17). Die Handlungen dritter sind dabei stets dem ordentlichen Rechtsweg unterworfen, wenn sie auch für einen anderen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen vorgenommen wurden-. Soweit es dann um die Frage
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der Verpflichtung des anderen nach öffentlichem Recht geht, wird darüber im bürgerlichen Streit entschieden (RG JW 23/786 m. N.). Aber auch soweit die private Hand von der öffentlichen Aufwendungen ersetzt fordert, wird regelmäßig der Rechtsweg offen sein (vgl. Einl. z. ALR § 75). Doch darf Ansprüchen auf Kostenersatz nicht stattgegeben werden, wenn damit einem öffentlich-rechtlichen Gebot, eine Handlung vorzunehmen, begegnet werden sollte (RGZ 130/270 m. N.). b 3. Ansprüche a u s u n g e r e c h t f e r t i g t e r B e r e i c h e r u n g (BGB §§ 812 folg.) sind bürgerlich-rechtlicher Art, soweit sie nicht dem Abgabenrecht oder dem Sozialversicherungsrecht angehören (GVG § 13 F III d). Steht einem Naturalanspruch ein — wirksamer — Hoheitsakt entgegen, so bleibt der Geldanspruch (vgl. auch Einl. z. ALR § 75). b 4. Gegenüber einer B e s i t z s t ö r u n g s - bzw. E n t z i e h u n g s k l a g e (BGB §§861, 862), der ein Hoheitsakt entgegengehalten wird, kommt es darauf an, ob er sich schon gegen den —• unmittelbaren — Besitz als solchen richtet oder nur gegen das Recht zum Besitz, m. a. W. ob einer Besitzstörung bzw. -entziehung vermöge des Hoheitsakts entgegengehalten werden kann, sie sei nicht verbotene Eigenmacht {BGB § 863) oder ob es nur um die Berechtigung zum Besitz geht, wo nur ein rechtskräftiges Urteil die verbotene Eigenmacht überwindet (BGB § 864 II). b 5. Dahin gehört es, wenn zu prüfen ist, ob nach BGB § 917 ein N o t w e g r e c h t zu gewähren ist, weil die Verbindung zu einem öffentlichen Wege fehlt (PrKompetenzkonfliktgerichtshof JW 25/22872). Die Feststellung, ob ein Weg ö f f e n t l i c h ist, ist vor den ordentlichen Gerichten nicht mit Rechtskraftwirkung (§ 322) zu treffen (RG Gruch. 44/1134); ebenso ist der Rechtsweg unzulässig, wenn es nur um den allgemeinen Gebrauch eines Weges geht (RGZ 76/323). Geht es indes darum, daß der Eigentümer einem dritten das Betreten eines öffentlichen Weges auf Grund seines Eigentums (oder eines Vertrages) verwehren will, so wird die Frage der Öffentlichkeit des Weges nur präjudiziell berührt (RG N GVG § 13/108). b 6. Auch Ansprüchen aus BGB §§ 1004,1007 werden häufig Hoheitakte entgegengesetzt. Wurden daneben (private) Verträge geschlossen, so kam es auf die Hoheitakte und ihre Gültigkeit insoweit nicht an, wie der vertragliche Anspruch sich mit ihnen deckte, so daß auch die etwaige Aufhebung des Hoheitaktes das vertragliche Recht auf den Besitz unberührt ließ (BGH NJW 52/60); bei sich nicht deckenden Verträgen konnten die Verträge allerdings unwirksam sein (BGB §§ 134 folg.). b 7. Besteht eine g e s e t z l i c h e U n t e r h a l t s p f l i c h t u. dgl. m., so wird bei Ansprüchen der Fürsorgeträger gegen dritte (vgl. GVG § 13 F III a 1) auch das öffentliche Fürsorgerecht nachgeprüft; dies gilt auch bei Ansprüchen gegen den Unterstützten bzw. seine Gesamtrechtsnachfolger, soweit sie auf den Rechtsweg gehören (RGZ 164/226 [233]). c) Noch stärker tritt die Notwendigkeit, öffentlich-rechtliche Vorfragen zu entscheiden, bei den Ansprüchen hervor, die aus dem öffentlich-rechtlichen Gebiete auf den Rechtsweg verwiesen worden sind. Dazu gehören die Ansprüche aus A m t s p f l i c h t v e r l e t z u n g e n und aus Aufopferung sowie beamtenrechtliche Ansprüche, sofern für diese der Rechtsweg noch zulässig ist. J IV. Ist über das Haiiptrechtsverhältnls nicht auf dem Rechtsweg zu entscheiden, wohl aber für einzelne aus ihm fließende Ansprüche, so darf unter den Voraussetzungen des § 148 das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten a u s g e s e t z t werden (Kommentar GVG § 13 J IV a 1; RGZ 48/322). K. Hoheitakte, deren Bestand unangreifbar (oder unangegriffen) ist, lösen im Rahmen der gegebenen Gesetze (Folge-) Ersatzansprüche aus. K I. Da diese Ansprüche den Hoheitakt als solchen unberührt lassen, ist die N a t u r a l r e s t i t u t i o n (BGB § 249 1 1) grundsätzlich ausgeschlossen; denn dies würde zur unzulässigen Rückgängigmachung des Hoheitaktes führen (RGZ 105/193). b) Die (sonstigen) Ersatzansprüche beziehen sich grundsätzlich auf ein E n t g e l t , das dem durch den Hoheitsakt Verlorenen entspricht, und zwar
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b 1. regelmäßig in Geld, im besonderen wegen einer Entrechtung (als Auf Opferungsanspruch: RGZ 167/14 [25]; aber auch wegen schuldhafter Amtspflichtverletzungen nach GG Art. 34, BGB § 839), die nach GG Art. 14 III auf den Rechtsweg verwiesen worden sind. K III d. Ausgleichsansprüche der öffentlichen Hand untereinander wegen Amtspflichtverletzungen mehrerer öffentlich-rechtlicher Körperschaften gehören ebenfalls auf den Rechtsweg (BGH NJW 53/785). L. Soweit die öffentliche Hand nicht als Hoheitsträger handelt, ist sie Privatperson. Es gibt zwar Handlungen, die sie nur als Hoheitsträger vornehmen kann; andererseits muß sie sich (um nicht offenbar willkürlich zu handeln, vgl. GVG § 13 G III a 3) in großem Umfange dem privaten Rechtsverkehr unterwerfen. L I. Wählt die öffentlich-rechtliche Körperschaft an Stelle eines an sich zulässigen Staatshoheitsaktes die Übereinkunft mit dem Beteiligten (oder auch mit der Öffentlichkeit), den Vertrag (die Auslobung), so unterliegt dieser grundsätzlich der Beurteilung der ordentlichen Gerichte (RGZ 148/338), selbst wenn dies zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben geschieht (RGZ 125/396), und gleichviel, wie weit die öffentliche Hand andere handeln läßt oder selbst eingreift. Ist für den Vertrag allerdings eine besondere Form vorgeschrieben, so muß diese gewahrt sein; es genügt in diesem Falle nicht, daß die Privatperson formlos anerkennt, daß sie sich einem Hoheitsakt, der nicht vorgenommen wird, unterwerfen will (RGZ 125/216). a 1. Hoheitrechtlich ist die verwaltungsmäßige Durchführung in bezug auf B e s c h l a g n a h m e n bzw. die V e r w a l t u n g des Beschlagnahmten (vgl. RGZ 104/207). a 2. Privatrechtlicher Art ist dagegen der Abschluß von M a r k t r e g e l u n g v e r t r ä g e n (auch durch Bildung der Zwangskartelle oder Einfuhrstellen u. dgl. m.; RGZ 101/20 für die Reichsfuttermittel-GmbH), der von Kriegslieferungverträgen (OLG NdsRpfl. 48/64). b) Die öffentliche Hand kann sich indes auch e i g e n w i r t s c h a f t l i c h e r U n t e r n e h m e n bedienen. Bedient «ie sich dazu der Form der privaten juristischen Person, so ist sie stets dem Rechtsweg unterworfen; dies gilt im besonderen, wenn ein Privatunternehmen in Gemeineigentum überführt worden ist, aber auch sonst (a. M. für die DDR vgl. OG DDR E 1/119, 31). b 1. Dies gilt für den Betrieb der ( B u n d e s ) - B a h n , für die Geschäfte der Post, für das Sendegut für den Rundfunk (RGZ 153/1). b 8. Die D e u t s c h e B u n d e s b a n k und die Landeszentralbanken haften aus allen mit ihnen geschlossenen Geschäften nach bürgerlichem Recht. Dahin gehören auch die Sparkassen der Kommunen. b 4. Auch die ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n (früher provinziellen) V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m u n g e n sind wegen der Versicherunggeschäfte ganz dem bürgerlichen Recht unterworfen (RGZ 116/31). b 6. Während die unter Anschluß- und B e n u t z u n g z w a n g stehenden gemeindlichen Verwaltungen öffentlich-rechtlich sind (vgl. GVG § 13 F III b 3), ist für jede weitergehende wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden der Rechtsweg offen. Auch aus dem Betrieb öffentlicher Krankenhäuser (einer Universitätsklinik) entstehen grundsätzlich bürgerlich-rechtliche Ansprüche (BGH NJW 53/T782). Dasselbe gilt für ein städtisches Reisebüro (BGH MDR B 439/56). Wieweit bei öffentlichen (unselbständigen) Anstalten (Bädern, Bibliotheken) der Rechtsweg offen ist, ist streitig (vgl. GVG § 13 N). c) Die öffentliche Hand bedient sich zur Sicherung ihrer öffentlichen Ansprüche oft der Verträge, die dann auf dem Rechtsweg verfolgbar sind. d) Aber nicht nur im Wirtschaftlichen, sondern darüber hinaus hat die öffentliche Hand ihre bürgerlich-rechtliche Sphäre, sei es, daß sie sich bürgerlich-rechtlicher Geschäfte bedient, um ihre Hoheitsaufgaben erfüllen zu können, sei es, daß sie ihr gehörendes Gut durch bürgerlioh-rechtliche Geschäfte verwaltet. Insoweit ist die Art der von der hoheitlichen Hand entwickelten Tätigkeit entscheidend (vgl. OLG WRP 58/51). Die Ansprüche aus der Vergebung solcher öffentlicher Leistungsanforderungen sind auf dem Rechtswege verfolgbar; dies gilt auch, wenn die öffentliche Hand einen Unternehmer bei dem Vertragschluß ablehnt, im be-
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sonderen, wenn sie ihn von vornherein von der Bewerbung ausschließt (BVerwG N J W 58/394). Zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben kommen Verträge in Betracht, die unmittelbar die Mittel dazu beschaffen, wie solche, welche nur dazu dienen, mittelbar ihr gestellte Aufgaben zu erfüllen. e) Aus E i g e n t u m u n d B e s i t z an Gegenständen, auch der Inhaberschaft von Forderungen und Pflichten, aus der Benutzung von Menschen als Gehilfen folgen für den Fiskus eine Reihe von privatrechtlichen Pflichten, die jedermann treffen, der sich in der gleichen Lage befindet, so daß die Möglichkeit der hoheitlichen Verwaltung insoweit nicht in das Gewicht fallen kann. f ) Umgekehrt können sich für den Fiskus aus der privaten Sphäre Ansprüche ergeben, die auf dem Rechtsweg verfolgbar sind. Doch liegt in V e r g l e i c h e n auf öffentlich-rechtlichem Gebiet noch nicht notwendigerweise eine Novation (vgl. GVG § 13 L I I I a). f 2. Ob die öffentliche Hand Ansprüche aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne Auftrag ( B G B § 683) geltend machen kann oder nach besonderen Normen geltend maohen muß, wird man grundsätzlich gegenüber dritten ihrer Wahl überlassen dürfen, sofern sie nicht das öffentliche Recht auf einen bestimmten Weg zwingt (RGZ 133/245), wie bei Ausgleichsansprüchen unter Fürsorgeträgern. Allerdings meint BGH N J W 52/466, daß, wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft hoheitlich tätig werden könnte, dies auch angenommen werden müsse. Auch die Haftung aus B G B § 904 kommt gegen den Fiskus in Betracht. f 3. Über die öffentlich-rechtlichen Bereicherungsansprüche vgl. GVG § 13 J I I I b 3. f 4. Ansprüche aus unerlaubter Handlung im weiten Sinne stehen dem Fiskus wie jedem dritten zu. f 5. Ausgeübte Vorkaufsrechte der öffentlichen Hand werden privatrechtlich abgewickelt; über ermessenmißbräuchliche Ausübung entscheiden die ordentlichen Gerichte (BGH N J W 59/478). L II. Auch für die Rechtsverhältnisse der hohen Hand untereinander kann Privatrecht gelten. a) Namentlich die ältere Rechtsprechung gab bei den V e r t r ä g e n der öffentlichen Hand untereinander grundsätzlich den Rechtsweg. L III. Mischfälle gibt es a) beim V e r g l e i c h . Haben sich die Parteien nur über ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis verglichen, so kann der Vergleich sowohl öffentlich-rechtlichen Charakter behalten wie privatrechtlichen angenommen haben; doch wird man dann den Umschaffungwillen (Novation) der Beteiligten festzustellen haben, im besonderen, wo es jetzt auch Vergleiche im Verwaltung(sonder)gerichtsverfahren gibt (vgl. VerwaltunggerichtsO § 187 I). Vereinbarungen mit der Verwaltungsbehörde auf Sicherheitsleistung bis zur Durchführung des Verwaltungverfahrens wurden als privatrechtliche angesehen (RG N GVG § 13/435), was heute nicht mehr zutreffend erscheint. Nicht anzunehmen ist die Novation im Steuerrecht (RGZ 77/296). Ebenso hat durch einen Vergleich über Fischereirecht RGZ 150/174 den Rechtsweg nicht als geöffnet angesehen. LG N J W 56/1362 hat für Ansprüche aus einem Vergleich mit dem Verteidigunglastenamt den Rechtsweg nicht gegeben. Wird dagegen sonst ein Vergleich abgeschlossen, so ist grundsätzlich — jedenfalls noch im Zweifel — der Rechtsweg offen (vgl. dazu auch GVG §13 C I a ) . Über die Frage eines zivilrechtlichen Vergleichs vor den Strafgerichten vgl. GVG § 13 D. b) Bei dem V e r t r a g ü b e r H o h e i t s r e c h t e im Verhältnis zu Untertanen (also nicht im internationalen Recht), kann der Anspruch, soweit er sich auf das Hoheitsrecht als solches bezieht, nicht auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden. M. Es gibt auch noch sonstige öffentliche Rechtsansprüche, welche die private Sphäre überschneiden und die überlieferungmäßig dem privaten Recht — gleichviel wie sie z. Z. geordnet sind — nahestehen.
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M I . Nach dem Gemeinderecht gehören Klagen der Gemeinden gegen Anordnungen der Aufsichtbehörde auf den Verwaltungweg. Dagegen gehören die Erstattungsansprüche gegen Bürgermeister, Gemeinderäte u. Gemeindebedienstete vor die ordentlichen Gerichte (vgl. GVG § 13 H I f 1). M II. Auf dem Gebiete des Kirchenrechts wird seit langem zwischen der staatlichen und der kirchlichen Gewalt unterschieden. Dies wirkte sich in Deutschland dahin aus, daß man die Kirchen als zum öffentlichen Recht (zur Staatsgewalt) gehörig rechnete, sie aber doch in weitem Umfange wie eine Person des privaten Rechts behandelte. 1877 wurden Kirchenstreite grundsätzlich als bürgerlich-rechtliche behandelt. Andererseits darf nicht durch die Verwaltunggerichtsbarkeit in die Autonomie der Kirche eingegriffen werden (a. M. LG SchlHA 52/52). M III. Bei Streitigkeiten aus Monopolen und Kartellen ist zwischen der Tätigkeit der Kartellbehörden (mit Rechtsbehelfen an OLG und BGH) und den sonstigen Tatbeständen zu unterscheiden, aus denen die ordentlichen Gerichte Rechtsfolgen zu ziehen haben; die Überprüfung der ersten ist den ordentlichen Gerichten im Klageverfahren nicht gestattet (vgl. G gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 27. 7.1957 [BGBl. I 1081]). Dabei hat BGH N J W 58/1395 ausgesprochen, daß nach GWB § 96 II auch auszusetzen ist, wenn die E n t scheidung abhängt von Entscheidungen oder Teilentscheidungen, die nach dem GWB zu treffen sind und für welche die Kartellgerichte ausschließlich zuständig sind. M IV. Deich-, Siel-, Fischerei-, Wasserrechte gehören grundsätzlich nicht auf den Rechtsweg. c 2. Ging aber der Stau über die zulässige Höhe (unstreitig) hinaus, so war der Rechtsweg zugelassen (RG N GVG § 13/198). Geht es um die Staustufe, so ist (trotz des PrWasserG), sofern kein Verfahren auf Setzung einer Staumauer anhängig ist, der Rechtsweg offen (RG N GVG § 39/211). Auch ist der Rechtsweg offen, wenn jemand behauptet, daß er durch ein dem öffentlichen Wohl dienendes Unternehmen, das unterirdisches Wasser zutage fördert, nach PrWasserG § 200 I, II geschädigt wurde und Einrichtungen zur Verhütung des Schadens fordert. Fordern dritte (nicht die Verwaltungsbehörde wegen der Ersatzvornahme) von einem Wasserlaufunterhaltungspflichtigen Aufwendungen ersetzt, so ist der Gerichtsweg zulässig (RGZ 111/90); während der Streit über die Unterhaltungspflicht nach PrWasserG § 130 II dem Rechtsweg entzogen ist (nach BGHZ 19/126 aber nur, soweit er nicht — auch — auf privatrechtliche Titel gestützt ist). Auch ließ BGHZ 16/234 die ordentlichen Gerichte über den Bestand von Stau- und Wasserableitungsrechten, die über den Gemeingebrauch hinausgingen, entscheiden. Für den Schaden, der einem Anlieger durch eine Überschwemmung entstanden war, weil der Wasserlauf nicht geräumt war, ist der Rechtsweg zulässig (RG N GVG § 13/421). Trotz des PrWasserG ist für den Streit um Fischereirechte ( K o m m n t a r GVG § 13 M IV b) und für den Antrag auf Einwilligung der Berichtigung des Wasserlaufs der Rechtsweg zulässig (RGZ 112/269). Zwischen Wasserverbänden und ihren Mitgliedern gibt es den Rechtsweg nur bei Enteignungsentschädigu'ngen (RG ZAkDR 42/220) und sonst bei Streit über die Zuleitung von Abwässern in den Fluß (RGZ 169/272), bei der Eigentumsfeststellung für Anlandung, nicht aber für die Zustimmung zur Inbesitznahme (OGH N J W 49/546). c 3. Ist ein Verleihungsverfahren anhängig und wird möglicherweise dadurch der Klageanspruch in seinem Umfange eingeschränkt, wenn verliehen wird, so darf nach § 148 ausgesetzt werden, aber der Rechtsweg bleibt zulässig (RGZ 91/148). d) Ein besonderes Verfahren — entsprechend dem Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenrecht — ist für Saaten und Sortenschutz eingerichtet, wonach im Verfahren vor dem Sortenausschuß für Zucht von Sorten Schutz gewährt wird, und zwar mit anschließendem Verfahren vor dem BVerwaltungG, während im Verletzungstreit die ordentlichen Gerichte zuständig sind (vgl. Kommentar GVG § 13 L I a). M V. Bei den Polizeikosten ist zu unterscheiden, ob die Polizei auf Kosten des Polizeipflichtigen eine Handlung vornehmen läßt. Dieser Betrag kann auf dem Verwaltungwege beigetrieben werden (PrPVG § 55 V). Soweit indes die Polizei nach PrPVG § 21 gegen den, der 4 W l e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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keinen Anlaß gegeben hat, vorgeht und ihn schädigt-, gehört der Anspruch vor die ordentlichen Gerichte (PrPVG §§ 70—73). Der, welcher schuldhaft den Anschein einer polizeilichen Gefahr hervorgerufen hat, hat den Entschädigungsanspruch nicht (BGHZ 5/144). M VI. Störungklagen wegen des Schulbetriebs sind unzulässig (RG Warn. 16/248). M VII a. Aus dem E l e k t r i z i t ä t s r e c h t gehört der Anspruch gegen den Abnehmer darauf, Leitungen auf seinem Grundstück anzubringen, vor die ordentlichen Gerichte ( B G H Z 9/390). Dasselbe gilt für den Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Hausanschluß ( B G H N J W 54/1323). b 1. Dem Eigentümer einer (öffentlichen) Landstraße wurde die Klage vor den ordentlichen Gerichten auf Beseitigung der Verbindung der Straße zu einem Anliegergrundstück versagt (RGZ 46/296). N. Es gibt auch eine fiskalische Verwaltung auf öffentlich-rechtlichem Gebiet. Die Ansprüche, welche daraus entstehen, gehören grundsätzlich auf den Rechtsweg. N I . Zu der bürgerlich-rechtlichen Verwaltung des der öffentlichen Hand gehörenden Gutes gehört die Erlaubnis eines erweiterten Gemeingebrauchs gegen Entgelt, a ) etwa wenn das Plakatieren an öffentlichen Wegen einschließlich der Einrichtung und Benutzung von Anschlagsäulen gestattet wird ( B G H N J W 52/620 5 ) oder auch, wenn gestattet wird, auf der Straße ein Baugerüst aufzustellen; hier ist der Rechtsweg zulässig, auch wenn das Entgelt gefordert wird, weil insoweit keine Kommunalabgabe nach PrKommunalabgabenG vorliegt (RG N GVG § 13/139). Unter diesem Gesichtswinkel war der Rechtsweg offen, als eine Stadt auf Entfernung eines Verkaufstisches von dem ihr gehörenden Straßenkörper klagte (AG M D R 51/234) bzw. für Entgelt gegen Benutzung von Straßengelände ( B G H N J W 56/104). Bei Streit um den Gemeingebrauch (Lichtreklame, die über den Bürgersteig hinausragt) ist der Rechtsweg offen, sofern eine Eigentumstörungsklage erhoben wird (RGZ 124/181), ebenso wenn die Gemeinde auf Unterlassung von Straßenhandel klagt. N II. Ähnlich dem Gemeingebrauch ist die Verwaltung von Friedhöfen geregelt. N III. Zu den fiskalischen Ansprüchen, für die der Rechtsweg offen ist, zählen gewohnheitrechtlich die aus der öffentlichen Verwahrung. Ansprüche aus unterlassener Inverwahrnahme können nur als Amtspflichtverletzungen zu begründen sein.
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Die Bestimmung galt nur in der U S Z ; sie ist durch Nov. 1950 Art. 1 I 10 mit Wirkung ex nunc aufgehoben worden, hat aber trotz Übergangrechts (in Art. 8 I I I 93, vgl. E G ZPO § 1) keine Bedeutung mehr, da das sie anordnende Gesetz vom B V G N J W 60/187 — für nichtig erklärt worden ist.
§ 1 4 (14) I Als besondere Gerichte werden zugelassen: 1. Gerichte der Schiffahrt für die in den Staatsverträgen bezeichneten Angelegenheiten; 2. Gemeindegerichte für die Verhandlung und Entscheidung von bürgerlichen ßechtsstreitigkeiten, deren Streitwert einhundert Deutsche Mark nicht fibersteigt. Gegen die Entscheidung der Gemeindegerichte muß innerhalb einer gesetzlich zu bestimmenden Frist sowohl dem Kläger wie dem Beklagten die Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg zustehen. Der Gerichtsbarkeit des Gemeindegerichts dürfen als Kläger oder Beklagte nur Personen unterworfen werden, die in der Gemeinde den Wohnsitz, eine Niederlassung oder im Sinne der § § 1 6 , 2 0 der Zivilprozeßordnung den Aufenthalt haben. A. Sondergerichte sind die gesetzlich besonders zugelassenen Gerichte (vgl. GVG §§ 1 3 a , 14) — GG Art. 101 I I spricht von den Gerichten für besondere Sachgebiete — , die keine Ausnahmegerichte sind (vgl. GVG § 16 B ) . A I . GVG § 14 läßt nur (bundesrechtlich) noch die Bestellung besonderer Gerichte an Stelle der ordentlichen Gerichte durch die Landesgesetzgebung in zwei Fällen zu (vgl. GVG
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§ 27). Seine Bedeutung liegt darin, die landesrechtliche Gesetzgebungskompetenz bezogen auf die ordentliche Gerichtsbarkeit beschränkt zu haben. A II a. In BW gilt das G über die Gemeindegerichtsbarkeit v. 7. 3. 60 (GBl. 73). Grgcn die Entsch.idung des Gemeindegerichts ist in Monatsfrist ab Zustellung die Berufung auf dem ordentlichen Rechtsweg an das AG zulässig (G § 51 II). A III. Die Möglichkeit, bundesgesetzlich Sondergerichte zu bestellen, wird durch GVG § 14 nicht berührt. Rechnet man die besonderen ordentlichen Gerichte (GVG § 14 B III) nicht zu den Sondergerichten, so kommen hierfür in Betracht: a) die A r b e i t s g e r i c h t e (die früher unter den Vorbehalt des GVG § 14 I 4 fielen), b) die Z e n t r a l k o m m i s s i o n für die Rheinschiffahrt (die unter GVG § 14 I 1 fällt); die übrigen Rheinschiffahrtsgerichte sind besondere ordentliche Gerichte; c) der Berufungsausschuß für die Moselschiffahrtgerichte nach dem Moselvertrag v. 27.10.1956 (BGBl. II 1837) Art. 34 IV. B I . Das Verhältnis zwischen den inländischen ordentlichen und den inländischen Sondergerichten ist wie die a u s s c h l i e ß l i c h e Z u s t ä n d i g k e i t zu behandeln (arg. GVG §17 11 [Kommentar GVG § 17 A II]; für die Arbeitgerichtsbarkeit vgl. GVG § 17 V und BGH NJW 55/791). Vgl. auch GVG §§ 14 E, 17 a. B III. Von den Sondergerichten zu unterscheiden sind die besonderen ordentlichen Gerichte (bzw. die besonderen Arbeitsgerichte). Eine solche Besonderung ergibt sich entweder für die örtliche oder für die sachliche oder für die funktionelle Zuständigkeit oder für mehrere von ihnen. Welche Besonderungen sich auch immer innerhalb der ordentlichen (bzw. der Arbeits-) Gerichte ergeben, sie bleiben ordentliche (bzw. Arbeits-)Gerichte, so daß, wenn das AG, das LG, das OLG, der BGH als solche berufen sind, sie es stets als ordentliche Gerichte sind, wie es GVG § 12 ausdrücklich erklärt. Diese Unterschiedlichkeiten können indes nicht größere Wirkungen auslösen, als sie im Verhältnis von den ordentlichen Gerichten zu den Sondergerichten entstehen können (abweichend im Ergebnis BGH v. 22. 6. 1954 I E 14/72). Der Unterschied zwischen den besonderen ordentlichen Gerichten und den Sondergerichten ist allerdings nach der hier vertretenen Auffassung nicht mehr so bedeutsam. Auch ist er innerhalb derselben Zweige der ordentlichen Gerichtsbarkeit (der Straf-, der Zivil-, der freiwilligen Gerichtsbarkeit) als sachlich ausschließliche Zuständigkeitsregelung aufzufassen. a) In diesen Fällen wird nämlich die Frage der Berufung einer besonderen Abteilung des Gerichts zu der der bloßen Geschäftsverteilung. Im Falle der streitigen Zivilgerichtsbarkeit wird zwischen den Kammern für Handelsachen und den Zivilkammern unterschieden. Auch die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind ordentliche Gerichte (GVG § 13 C), selbst wenn sie so besondere Gerichte wie die Landwirtschaftsgerichte sind (BGHZ 12/254, 4/352). Das Entsprechende gilt für die Wiedergutmachungskammern nach MilRegG 59, FrMilRegVO 120, die den Landgerichten angegliedert sind. b) Neben der funktionellen Verlagerung findet sich auch die der andersartigen Sprengelabgrenzung und die der sachlichen Zuständigkeit (vgl. § 1 B III b) innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit. c) Zu den besonderen ordentlichen Gerichten gehören: 1. die Binnen-, Mosel- und Rheinschiffahrtsgerichte (vgl. G v. 27. 9.1952 — BGBl. I 641) mit Ausnahme der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt und den Berufungausschuß für die Moselschiffahrt, die Sondergerichte sind; 2. die Patentgerichte nach PatentG §§ 51 folg. (vgl. GebrauchsmusterG § 19), 3. die Warenzeichengerichte nach WZG § 32, 4. die Gerichte in Baulandsachen nach BaulandbeschaffungsG § 34 5. die Saatenschutzgerichte nach SaatgutG § 36, 6. die Entschädigungsgerichte nach BEG (vgl. für SchlH die Zuweisung an das LG Kiel durch VO v. 22. 2. 1955 — GVB1. 79), 7. die Wettbewerbsgerichte nach GWB. C. Als Zuständigkeit i. w. S. (§ 1 B III b) ist die bundesgesetzlich geregelte Arbeitsgerichtsbarkeit (vgl. ArbGG v. 3. 9. 1953 — BGBl. I 1267) von den ordentlichen Gerichten nach 4»
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§14 c
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ArbGG §§ 2, 3, 5, 112, 113 abzugrenzen (über die Abgrenzung der Arbeitsgerichtsbarkeit zu den Verwaltungsgerichten und -behörden vgl. GVG § 13 B IV b 2, und § 276 A IV a 4 zu ArbGG § 48a). Das Verzeichnis der Arbeitsgerichte in der BRD ist im Sammelblatt 1956/1180 folg. veröffentlicht worden. C IV. Ob über Gegenforderungen arbeitsrechtlicher Art die ordentlichen Gerichte entscheiden dürfen, ist streitig (OLG MDR 57/689 hat es bejaht, vgl. aber auch MSchG §§ 20, 21 und GVG § 13 J II b 2). D. Über die internationalen Schiedsgerichte, die Sondergerichte sind, vgl. GVG § 18 B IV. E. Gemeindegerichte (GVG § 14 I 2 = § 14 I 3 a. F.) sind in Südwürttemberg (vgl. Bek. v. 1. 2. 1947 — ABl. 515, VO v. 27. 2. u. 24. 9. 1948 — RegBl. 60, 143 — und Art. 256 bis 260 des Württ. G v. 26.11.1931 — RegBl. 545) und Südbaden (vgl. Rdschr. v. 30.10.1945 — Amtsbl. 46/3 —, AG zu dem ReichsjustizG i. d. F. d. Bek. v. 22. 11.1933 — Bad GVB1. 273) wieder eingerichtet worden. In Württemberg-Baden sind an ihre Stelle die Friedensgerichte getreten (vgl. GVG § 13 a). Über die Orts-, Dorf-, Feldgerichte nach dem FGG vgl. PrFGG Art. 104—124, Hess.OrtsgerichtsG v. 6. 7. 1952 (GVBI. 124), i.d.F. des Gv.5.7.1956 (GVB1.127) mit Gebühren0 v. 10. 7.1956 (GVBI. 129); Baden LFGG i. d. F. d. Bek. v. 13.10.1925 (GVBI. 287) und VO über die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 3. 12. 1926 (GVBI. 301). E I. GVG § 14 I 2 läßt die Landesgesetzgebung nur in bürgerliche Streite eingreifen. Die frühere Fassung beschränkte den Eingriff ausdrücklich auf vermögensrechtliche Streitigkeiten (§ 2 A I b). Nach der historischen (beharrenden) Auslegung gilt dies auch jetzt noch. Während indes früher die Beschränkung auf den Streitwert von 100,— DM mit der Bagatell- und Berufungsgrenze zusammenfielen, trifft dies jetzt nicht mehr zu (weil diese bei 50,— DM liegt). Über die Berechnung des Streitwerts vgl. §§ 3—9. Die Gemeindegerichtsbarkeit wird ferner weiter beschränkt auf Streite, wo alle Parteien in der politischen Gemeinde ihren Wohnsitz bzw. ihren Sitz (§§ 13—16; BGB §§ 7—11), ihre Niederlassung (§ 21) oder an Stelle des Wohnsitzes nach §§ 16, 20 ihren Aufenthalt haben. Andere als die hier zugelassenen Sondergerichte dürfen nicht mehr landesrechtlich neu eingerichtet werden. E II. Im Rahmen ihrer Kompetenz darf die Landesgesetzgebung sowohl die Gerichtsverfassung wie das Verfahren besonders regeln; bei geregeltem besonderem Verfahren darf sie aber auch zur Entscheidung die ordentlichen Gerichte berufen (EG GVG § 3, EG § 3). Die Berufungsmöglichkeit auf den ordentlichen Rechtsweg, die GVG § 14 I 2 zwingend vorschreibt, bedeutet dann nur, daß im dafür geregelten Verfahren nach der ZPO vorzugehen ist. E III. Die Frist, innerhalb deren sich jede beschwerte Partei an die ordentlichen Gerichte wenden darf, bestimmt die Landesgesetzgebung; in erster Instanz sind dafür die Amtsgerichte zuständig. Eine abweichende Parteivereinbarung ist aber auch hier noch zulässig. E IV. B-W GVGA §§ 278, 280 gehen davon aus, daß die Titel der Gemeindegerichte in anderen Ländern nicht vollstreckbar sind. Doch ist diese Auffassung nicht zu billigen.
§ 1 5 GVG § 15 ist durch Art. 1 I 13. Nov. 1950 als überholt aufgehoben worden
§ 16
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I Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. A. Die Bestimmung ist in GG Art. 101 I (RV Art. 105) aufgenommen. Entsprechende Bestimmungen finden sich in den Verfassungen von Bayern Art. 86, Bremen Art. 6, Hessen Art. 20, Rheinland-Pfalz Art. 6.
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GVG
§16
B. Die Ausnahmegerichte werden von den Sondergerichten in historischer Betrachtung voneinander abgegrenzt. Die Sonderjustiz — besonders auf strafrechtlichem Gebiet — soll vermieden werden. Unzulässig ist dabei stets die Errichtung eines Gerichts für einen bestimmten Fall, nachdem sich dieser ereignet hat (vgl. RG J W 24/19231, RGSt. J W 34/56522).
§ 17
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I Die ordentlichen Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des zu ihnen beschrittenen Rechtsweges. Hat ein ordentliches Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg zuvor rechtskräftig für unzulässig erklärt, so kann ein anderes Gericht in derselben Sache seine Gerichtsbarkeit nicht deshalb verneinen, weil es den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben hält. II Hat ein Gericht der allgemeinen Verwaltungs-, der Finanz- oder der Sozialgerichtsbarkeit den zu Ihm beschrittenen Rechtsweg zuvor rechtskräftig für zulässig oder unzulässig erklärt, so sind die ordentlichen Gerichte an diese Entscheidung gebunden. HI Hält ein ordentliches Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg nicht für gegeben, so verweist es in dem Urteil, in dem es den Rechtsweg für unzulässig erklärt, zugleich auf Antrag des Klägers die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges, zu dem es den Rechtsweg für gegeben hält. Der Kläger kann den Antrag auf Verweisung nur bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung stellen, auf die das Urteil ergeht. Mit der Rechtskraft des Urteils gilt die Rechtshängigkeit der Sache bei dem im Urteil bezeichneten Gericht als begründet. Soll dureh die Erhebung der Klage eine Frist gewahrt werden, so tritt diese Wirkung bereits in dem Zeitpunkt ein, in dem die Klage erhoben ist. Das gleiche gilt in Ansehung der Wirkungen, die durch andere als verfahrensrechtliche Vorschriften an die Rechtshängigkeit geknüpft werden. IV Das Gericht, das den zu ihm beschrittenen Rechtsweg nicht für gegeben hält, kann, wenn sich der Beklagte mit dem Antrag des Klägers (Absatz 3) einverstanden erklärt, die Sache durch Beschluß verweisen. V Für das Verhältnis zwischen den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten gilt § 48 Abs. 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes. A. Bejaht oder verneint ein ordentliches Gericht die Zulässigkeit des Rechtswegs rechtskräftig, so sind alle anderen Stellen (Behörden und Gerichte) daran gebunden, soweit nicht etwa die Entscheidung nichtig ist (vgl. GVG §§ 13 BIV b, 17). Nach GVG § 17 I steht die Entscheidungsgewalt über die Zulässigkeit des Rechtsweges (GVG § 13) grundsätzlich den ordentlichen Gerichten zu. A I. GVG § 17 I wird indes noch durch andere Normen begrenzt. a) Die Norm gilt nicht gegenüber den ranglich übergeordneten Gerichten und Behörden (GVG § 13 B III a). Entscheidungen der ordentlichen Gerichte, die gegen die übergeordneter verstoßen, sind nichtig. b) Nach GG Art. 100 haben die ordentlichen Gerichte keine Entscheidungsgewalt, wenn die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Rechtswegs von der Gültigkeit eines Gesetzes abhängt, über die das Gericht nicht entscheiden darf, d. h. in diesen Fällen entscheiden sie trotz des GVG § 17 I nicht (entscheiden sie dennoch, so ist allerdings ihre Entscheidung nur angreifbar). Die entsprechende Norm findet sich für die LandesG in den folgenden Verfassungen: B-W Art. 68; Bay. Art. 60folg. u. 92; Bremen Art, 140folg.; Hessen Art. 131, 133; Nds. Art. 42; NRW Art. 75folg.; RhPf. Art. 130 (i. F. d. G v. 10. 7. 1952 GVB1. 109); SchlH Art. 37; Westberlin Art. 72. A i n . Die Verwaltung- und Verwaltungsondergerichte entscheiden über ihre Gerichtsbarkeit aus eigener Macht gemäß VerwaltunggerichtsO § 411, II. Soweit sie ihre Zuständigkeit bejahen oder verneinen, sind daran die ordentlichen (und die Sonder-)Gerichte gebunden (GVG § 17 II). Dooh kommt es auf die Begründung, die das seine Zuständigkeit verneinende
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Gericht gegeben hat, nicht an. Hat etwa ein Verwaltungsondergericht seine Zuständigkeit verneint, so kann auch eine andere Gruppe Verwaltungsondergerichte oder das allgemeine Verwaltunggericht oder das ordentliche oder Sondergericht zuständig sein. Die eigene Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts darf nur dann überhaupt nicht mehr geprüft werden, wenn alle Arten von Sondergerichten, Verwaltung- und Verwaltungsondergeriehte ihre Zuständigkeit verneint haben. B. Das Verweisungsverhältnis unter allen Gerichten bis auf das BVG ist jetzt abgeändert. B I. Über das Verweisungsverhältnis zwischen den Zivilkammern und der Kammer für Handelsachen vgl. GVG §§97 folg.; über das innerhalb der drei Zweige der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Strafgerichtsbarkeit, freiwillige Gerichtsbarkeit, Zivilgerichtsbarkeit) vgl. § 276 A I I I ; über das zu den besonderen Gerichten vgl. GVG § 14 B I I I ; über das zu den Sondergerichten vgl. § 276 A IV. Dieses Verweisungverhältnis wird durch GVG § 17 nicht berührt (vgl. GVG § 17 V in bezug auf ArbGG § 48). B II. Das Verhältnis zu den Verwaltung- und Verwaltungsondergerichten regelt GVG § 17 III. Die Norm gilt nicht, soweit ein anderes Verweisungverhältnis vorgeschrieben ist (also in dem von BGH zum BArbG und umgekehrt, vgl. § 276 A IVa) bzw. soweit nicht ArbGG § 48a II eingreift (§ 276 A I V a 4 , Vb). Die Verweisung zur abstrakten Normenprüfung hat BGH V. 17. 10. 1956 V E 22/32 = NJW 1873 nicht zugelassen. Mit derart angeblichem NichtStützen auf einen Klagegrund (vgl. dazu §253 G IVa 1) hat BGH v. 19.9.1957 VII ZR 42/56 nicht verwiesen. Verwiesen werden soll an das Gericht der ersten Instanz der in betracht kommenden Gruppe (das kann vom Standpunkt der Verwaltunggerichte sowohl das AG wie das LG sein, von dem der ordentlichen Gerichte sowohl das VG wie das OVG wie das BVerwaltungG). a) Die Verweisung kann von jedem ordentlichen Gericht (auch dem der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dem Strafgericht, dem Prozeßgerieht, dem Vollstreckunggericht u. dgl. m.) ausgehen. a l . Das Gesetz spricht zwar nur von Urteilen und von mündlicher Verhandlung; doch sollte man die Norm ausdehnend auf jedes Erkenntnis und ohne Bücksicht darauf, ob mündlich verhandelt wird, auslegen. b) Prozeßbedingung der Verweisung ist der Antrag des Klägers (§ 276 B II c), der auch hilfsweise gestellt werden darf. b 1. Der Antrag des Klägers braucht nur auf Verweisung an das zuständige Gericht zu lauten (also anders als nach § 276, ArbGG § 48). Aber auch, wenn der Kläger beantragt, an ein anderes Gericht zu verweisen, das das ordentliche Gericht nicht für zuständig hält, darf es auf diesen Antrag an das Gericht verweisen, das es für zuständig hält. Wird versehentlich ohne Antrag verwiesen oder wird an ein anderes Gericht als beantragt verwiesen, so ist dies mit den zulässigen Rechtsbehelfen zu bekämpfen. b 2. DerAntrag darf von der Rechtshängigkeit (§276AIIa) in Verfahren, in denen über den Antrag nicht in notwendiger mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist bzw. (§ 276 A IIa) von der Anhängigkeit (§ 263 A I) an bis zum VerhandlungsschluB (§ 300 C I I a 1), im schriftlichen Verfahren bis zum Erlaß der Entscheidung (§ 516 A I) gestellt werden. Er kann nicht in der Zwischeninstanz und nicht mehr nach Rechtskraft (§ 705 B) des Erkenntnisses gestellt werden; wohl aber in jeder Instanz (auch noch in der Revisionsinstanz) und auch noch im Wiederaufnahmeverfahren (sofern das Rechtsbehelf- verfahren zulässig ist, waB stets vorweg zu prüfen ist). e) Entschieden wird c 1. in der Regel durch Urteil, in dem die Verweisung ausgesprochen wird (vgl. GVG §17 1113). Das Urteil ist Endurteil (§300) und mit Kostenentscheidung (§§91 folg.) zu versehen, vgl. bei altem Recht BGH NJW 54/554, das §276 III entsprechend anwendet. Bei teilweiser Verweisung hat BGH MDR 494 die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz dem LVG vorbehalten, die Kosten der Rechtsmittel aber dem Kläger auferlegt. Wegen der
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Kosten ist das Erkenntnis für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. § 709 I 4). Zugestellt wird das Urteil gemäß § 317, soweit nicht die Zustellung von geriehts wegen nach Sondernormen zu beurteilen ist (§ 317 A II). e 2. In Ausnahmefällen ergeht die Entscheidung durch Beschluß, der in der ßegel von geriehts wegen, im Ausnahmefall auf Betreiben der Parteien zuzustellen ist. Bezüglich der Kosten vgl. GVG § 17 B I I c 1, bezügl. der vorläufigen Vollstreckbarkeit § 794 I 3. Nach GVG § 17 IV ergeht Beschluß, wenn der Beklagte mit dem Antrag des Klägers sich einverstanden erklärt hat, d. h. dem abstrakten Verweisungantrag oder dem konkreten. Will er an ein bestimmtes Gericht verwiesen haben, das von dem vom Kläger genannten abweicht, so muß er es erklären. Will das Gericht an ein anderes als an das von beiden Parteien genannte verweisen, so soll es durch Urteil; nicht durch Beschluß entscheiden. Nach der hier vertretenen Auffassung (vgl. GVG § 17 B II a 1) ist aber auch dann durch Beschluß zu verweisen, wenn das der Verfahrensart entspricht, selbst wenn der Beklagte nicht zustimmt. Dies gilt aber nicht, wenn das Verfahren in ein Urteilverfahren überzuleiten ist, wie etwa in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedspruchs; sodann ist Termin anzusetzen und in dem Verfahren nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden, falls kein Einverständnis der Parteien besteht. d) Gegen das verweisende Erkenntnis sind die auch sonst zulässigen Rechtsbehelfe gegeben. d 1. Da die Prozeßbedingung des Rechtswegs von geriehts wegen zu prüfen ist (§ 274 D I I b), wirken die Erkenntnisse stets kontradiktorisch gegen den Beklagten. Aus dem Fall, wo sich die Unzulässigkeit des Rechtsweges erst aus der Verteidigungbegründung ergibt (§ 274 D II), ist nichts Gegenteiliges herzuleiten. d 2. Berufung und Revision sind ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwertes und auch in allen nichtvermögensrechtlichen Streiten zulässig (§§511a IV, 547 I 1). d 3. Ergeht ein Beschluß, so ist dagegen die Beschwerde zulässig (§ 567 I). Mit Rücksicht auf die Wirkungen des GVG § 17 I I I 3—5 muß es die sofortige Beschwerde sein (vgl. GVG § 1 7 B III). d 4. Will eine Partei nur die Kostenentscheidung angreifen, so ist, wenn im beiderseitigen Einverständnis verwiesen wird, § 99 II entsprechend anzuwenden. d 5. Bezüglich der Rechtsbehelfkosten gilt § 97. e) Nicht ergriffen werden verwaltunggerichtliche Vorbescheide, die den Gerichtsweg öffnen (GVG § 13 F V). Ob an sonstige nichtrichterliche Verwaltunginstanzen abzugeben ist, ist zu verneinen. B III. Die Folgen der rechtskräftigen (§ 705 B) Verweisung sind in GVG § 17 I I I 3—5 geregelt. Die Regel gilt auch für eine Verweisung durch Beschluß (GVG § 17 IV). Über die Wirkungen der Rechtshängigkeit vgl. § 263 C (SGG § 94, VerwaltunggericbtsO § 90) und ArbGG 48a I I I 3, 4 (§ 276 A IV a 4). Die Norm stellt klar, was im Verweisungverhältnis stets gilt, daß die Wirkungen der Rechtshängigkeit durch die Verweisung nicht geändert werden. Bedenklich ist sie nur insoweit, wie die Rechtshängigkeit anders normiert worden ist (wie etwa nach SGG § 94 I, VerwaltunggerichtsO § 81 mit der Einreichung der Klage und nicht erst mit ihrer Zustellung). a) GVG § 17 I I I 4 und 5 ergeben, daß die Rechtshängigkeitwirkung von der Rechtshängigkeit bei dem ordentlichen Gericht an eintritt, sowohl materiell-rechtlich wie formellrechtlich (GVG § 17 I I I 5). b) Darüber hinaus wird aber auch die Vorwirkung der §§ 261b III, 496 I I I übertragen (die Fassung des GVG § 17 I I I 4 ist ungenau, wenn von der Erhebung der Klage gesprochen wird, vgl. § 253 I).
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§ 17a
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I Die Landesgesetzgebung kann jedoch die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten über die Zulässigkeit des Rechtswegs besonderen Behörden nach Maßgabe der folgenden Vorschriften übertragen: 1. Die Mitglieder werden für die Dauer des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Amts oder, falls sie zu dieser Zeit ein Amt nicht bekleiden, auf Lebenszeit ernannt. Sie können nur unter denselben Voraussetzungen wie die Mitglieder des Bundesgerichtshofes ihres Amtes enthoben werden. 2. Mindestens die Hälfte der Mitglieder muß dem Bundesgerichtshof oder dem Obersten Landesgericht oder einem Oberlandesgericht angehören. Bei Entscheidungen dürfen Mitglieder nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken. Diese Anzahl muß eine ungerade sein und mindestens fünf betragen. 3. Das Verfahren ist gesetzlich zu regeln. Die Entscheidung erfolgt in öffentlicher Sitzung nach Ladung der Parteien. 4. Sofern die Zulässigkeit des Rechtsweges durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts feststeht, ohne daß zuvor auf die Entscheidung der besonderen Behörde angetragen war, bleibt die Entscheidung maßgebend. A. Die VerwaltunggerichtsO hat an der Norm des GVG § 17a ( = GVG § 17 II a. F.) nichts geändert, obwohl die Norm, sobald rechtskräftig über die Zuständigkeit entschieden ist, nicht mehr zum Zuge kommt. B. Nach GVG § 17 a darf die Landesgesetzgebung bei Kompetenzkonflikten zwischen den (ordentlichen und evtl. auch den Sonder-)Gerichten und Verwaltungstellen (Gerichten oder Behörden) besondere Gerichtshöfe (vgl. GG Art. 92; keine Verwaltungstellen mehr) zur Entscheidung berufen. B II. Soweit landesrechtliche Kompetenzgerichtshöfe entscheiden, werden nur die Gerichte desselben Landes gebunden (RGZ 152/178 [185]), nicht die eines anderen und nicht die des Bundes, also auch nicht der BGH; Kompetenzgerichtshöfe für den Fall, daß eine Verwaltungstelle eines anderen Landes befaßt ist, gibt es nicht. Einen Kompetenzkonfliktgerichtshof gibt es z. Z. nur in Bayern. Der Kompetenzkonflikt kann hier nicht mehr nach Verweisung durch das BayObLG an den BGH erhoben werden. C. GVG § 17 a gibt dann noch Vorschriften darüber, was die Landesgesetzgebung bei der Entscheidung durch Kompetenzgerichtshöfe mindestens anzuordnen hat. C I. Die Voraussetzungen für die Abberufung der Richter sind jetzt überall gleich geregelt. Schwierigkeiten dürften sich ergeben, soweit die Mitgliedschaft an ein politisches Amt gebunden ist, weil dann GVG § 17 a 11 eine Abberufung aus dem Kompetenzkonfliktgerichtshof u. U. nicht zuläßt. C IV. GVG § 17 a 14 bezieht sich nur auf den positiven Konflikt, an den negativen sah man bisher die Verwaltungbehörde usw. nicht als gebunden an (vgl. die Worte „Zulässigkeit des Rechtsweges", also nicht die „Unzulässigkeit"). Vgl. dazu GVG § 13 B IV b 2 und Bötticher JZ 57/568. § 1 8 I Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich nicht auf die Leiter und Mitglieder der bei der Bundesrepublik Deutschland beglaubigten diplomatischen Vertretungen. Sie erstreckt sich auch nicht auf andere Personen, die nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts oder nach einem Staatsvertrag von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind. A. Einen weiteren Fall der Zuständigkeit im weiten Sinn stellt die Prozeßbedingttng der Gerichtsbarkeit dar (§ 1 B III b). A I. Sie ist für die ordentlichen Gerichte eine o b e r e G r e n z e . Entscheiden sie dennoch, so ist ihre Entscheidung — soweit sie den Exterritorialen belastet — (schwebend) nichtig; wenn auch eine solche Entscheidung durch Rechtsmittel nachgeprüft werden darf (BGH
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N J W 52/469) und in jeder Lage des Verfahrens und von jedem Gericht (nicht bloß dem erkennenden) von sich aus zu prüfen ist. Dies gilt auch dann, wenn eine andere Klagemöglichkeit überhaupt nicht, also etwa auch nicht die im Auslande besteht (RGZ 157/392), weil es insoweit nicht möglich ist, einen Friedenzustand herzustellen, wenn das Ausland ihn verwehrt (die Gerichtsbarkeit findet in den Grenzen der Staatsmacht ihre eigenen). b) Die Gericbtsunterworfenheit des Beklagten ist Prozeßvoraussetzung. Sie steht deshalb zur Beweislast des Klägers, und auch der mit der Klage abgewiesene Kläger hat das Rechtsmittel, um eine Klageabweisung als unzulässig zu erreichen (soweit er sie nicht noch —• einseitig — zurücknehmen darf); er h a t aber keinen Rechtsbehelf mehr, wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Insoweit darf auch nach § 275 verfahren werden (RGZ 157/389 [394]). Dagegen kann der Beklagte sich nicht darauf berufen, daß sein Gegner exterritorial ist, wie es auch der Kläger nicht (mehr) kann, wenn der Exterritoriale sich unterworfen hat. A II. Die Bestimmung bezieht sich nur auf das G e r i c h t s i n l a n d (§ 12 A I I a 2, d. h. auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin). Sie befreit die Leiter und die Mitglieder der bei der BRD beglaubigten Vertretungen von der inländischen Gerichtsbarkeit, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie ausländische oder deutsche Staatsangehörige oder staatenlos sind. a) Indem man es auf das Gerichtsinland abstellt, wurden zunächst nur die bei den gerichtsinländischen Hoheitsträgern Akkreditierten als Exterritoriale geschützt, nicht d u bei anderen ausländischen Hoheitsträgern (vgl. dazu aber GVG § 18 B I). Würde die DDR bei der B R D Geschäftsträger u. dgl. m. stellen, so wären auch sie exterritorial. Dabei kann es für die inländischen Gerichte allein darauf ankommen, ob der eigene Staat eine a u s l ä n d i s c h e M i s s i o n als solche a n e r k e n n t , gleichviel ob das Ausland sie gelten läßt. b) I m e i n z e l n e n sind g e s c h ü t z t die Leiter der Missionen (nach dem vom Wiener Kongreß aufgestellten Reglement v. 19. 3. 1815 sind es Botschafter, Legaten, Nuntien, Gesandte und Geschäftsträger; die Konsuln gehören nicht dazu, vgl. GVG § 21 A, B), sobald ihnen das Agrément erteilt worden ist (und schon mit der Zureise und vor Übergabe des Beglaubigungschreibens, sofern nicht das Agrément von vornherein verweigert und diese Erklärung dem Absendestaat rechtzeitig zugegangen war); die Mitglieder der ausländischen Vertretung sind geschützt, solange sie anerkannterweise besteht und ihr nicht mitgeteilt worden ist, daß das einzelne Mitglied der Bundesrepublik nicht genehm ist (OLG Darmstadt J W 27/2324') bzw. sofern der Absendestaat auf sie verzichtet, im besonderen indem er das Anstellungverhältnis löst, aber auch wenn sich das Mitglied von ihm lossagt; wobei allerdings der Schutz noch für eine angemessene Abreisezeit bestehenbleiben muß. Zu den Mitgliedern gehören die Vertreter der Leiter und ihre Sachberater, im besonderen die Attachés (was für den Presseattaché noch nicht geklärt ist). Über den persönlichen Schutz der Familienmitglieder und den der Bediensteten vgl. GVG § 19 A I, B. b 1. Der Schutz der in GVG § 18 angeordneten Gerichtsbefreiung erstreckt sich darauf, daß gegen den Exterritorialen kein innerstaatlicher Zwang ausgeübt werden darf (Personalexterritorialität), wozu auch der Zugriff auf Sachen, die er bei sich trägt, gehört. Darüber hinaus besteht aber auch der Schutz seiner Wohnung (RG Grüch. 50/1127 [1130]), die gegen seinen Willen nicht betreten werden darf (Realexterritorialität). Davon geht § 203 I I I aus; eine Zustellung ist in ihr nicht zulässig (auch wenn sie an eine nichtexterritoriale Person gerichtet ist). Der Gerichtsbefreite darf grundsätzlich nicht dazu gezwungen werden, als Beklagter aufzutreten; dies gilt auch, wenn er der gesetzliche Vertreter des Beklagten ist, doch darf dem Beklagten dann ein Vertreter nach § 57 in entsprechender Anwendung bestellt werden, sofern er nicht selbst exterritorial ist. Ist der Exterritoriale nur sein Prozeßbevollmächtigter oder Beistand, so wird auf seine Exterritorialität keine Rücksicht genommen ; in der Annahme eines solchen Mandats liegt die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit in bezug auf die Vertretung als solche; oder der Beklagte muß einen anderen Vertreter für sich bestellen. Der Exterritoriale darf nicht ohne seine Zustimmung als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden (wohl aber darf er als solcher nach der liier vertretenen Auffassung —
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vgl. GVG § 18 A II b 2 — auf diplomatischem Wege geladen werden, solange nicht feststeht, daß er nicht bereit ist, zu erscheinen), und keineswegs dürfen gegen ihn Ordnung- und Haftstrafen festgesetzt oder gar erzwungen werden. Eine Vollstreckung gegen ihn ist grundsätzlich unzulässig, auch wenn er sich der Gerichtsbarkeit, unterworfen (vgl. GVG § 18 C) hatte (KG OLG 38/225, HRR 33/1522). b 2. Die Zustellung an einen Exterritorialen auf diplomatischem Wege ist zulässig; ob die Zustellung gegen ihn Wirkungen auslöst, härgt allerdings davon ab, ob er im Einzelfall gerichtsbefreit ist oder nicht (d. h. trotz wirksamer Zustellung darf gegen einen Gerichtsbefreiten kein Versäumnisurteil ergehen, wenn er sich dem Verfahren nicht unterworfen hat). Jedenfalls ist, wenn eine Klage gegen einen Gerichtsbefreiten eingereicht wird, so wie sonst Termin anzusetzen und der Gegner zu laden. Die Ablehnung der Terminanberaumung durch Beschluß ist unzulässig (vgl. OLG J R 54/263; a. M. OLG MDR 53/109); ergeht ein solcher Beschluß, so ist er anfechtbar. Wohl aber ist in der Verhandlung durch kontradiktorisches Urteil die Klage als unzulässig abzuweisen, wenn der beklagte Exterritoriale nicht erschienen ist bzw. sich nicht ausdrücklich dem Verfahren unterworfen hat. B. Darüber hinaus gibt es auch noch völkerrechtliche Normen für die Befreiung von der Gerichtsbarkeit, die nach GG Art. 25 Bundesrecht sind (vgl. dazu GG Art. 100 II). B I. Exterritorial sind danach auch die wirklichen (d. h. auch von dem betreffenden Ausland anerkannten) Staatsoberhäupter (die Monarchen bzw. die Präsidenten) ausländischer Staaten; die richterlichen Mitglieder der internationalen Gerichtshöfe, deren Jurisdiktion die Bundesrepublik unterworfen ist; fremde Truppen (vgl. den Truppenvertrag i. F. v. 30. 3. 1955 — BGBl. II 321; GVG § 18 B IV h); ferner die Leiter (und wohl auch die Mitglieder) wirklich ausländischer Vertretungen bei fremden Staaten (nicht aber die eigenen Vertreter der Bundesrepublik oder Westberlins); die Vertreter fremder Staaten bei Ministerbesuchen, Delegationen zu bestimmten Verhandlungzwecken (für internationale Tagungen, aber auch nur für Staatsbesprechungen) u. dgl. m., wie auch die auf der Durchreise zu solchen Befindlichen (sofern Friedenzustand besteht). Die bloße H a n d e l s v e r t r e t u n g eines Staates und ihre Angehörigen sind aber nicht befreit (RArbG E 7/301), sofern nicht besondere Staatsverträge dies anordnen. B II. Auch die R e c h t s p e r s o n des a u s l ä n d i s c h e n S t a a t e s als solche ist gerichtsfrei (RGZ 62/165), selbst wenn sie sich im Inlande privatrechtlich (als Gewerbebetrieb) betätigt (RGZ 103/274 [278]); nicht aber sonstige Personen des öffentlichen ausländischen Rechts und erst recht nicht Handelsgesellschaften, wenn ihr Inhaber auch der ausländische Staat ist (RGZ 157/389 [395], BGH NJW 55/1435). Zu den Staaten gehören auch die Länder in ausländischen Bundesstaaten; nicht aber die Gemeinden der ausländischen Staaten (RGZ 110/315 für einen abgetrennten Kreis). a) S t a a t s c h i f f e (d. h. die, deren Reeder der Staat ist) sind nach der h. M. auf den inländischen Gewässern exterritorial, gleichviel ob es sich um Schiffe, die infolge der Staatshoheit des ausländischen Staates (Kriegs-, Zoll-, Postschiffe u. dgl. m.) gehalten werden, handelt oder um Kauffahrteischiffe (vgl. RGZ 103/274). b) Besonderheiten gelten, soweit das IA zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunitäten der Staatschiffe (RGBl. 27 II 484) gilt. B III. Sonstige Befreiungen von der Gerichtsbarkeit in personeller wie sachlicher Art ergeben sich aus weiteren IA, im besonderen a) nach dem Schumanplan, Ii) nach dem Europaratabkommen, c) nach dem Abkommen über die Gründung einer europäischen Zahlungsunion, d) nach dem I Weizen A, e) nach dem IA über die Gründung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens, f ) nach dem Truppenvertrag, g) nach dem ECA-Abkommen.
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§ 1 8 B III
h) nach dem Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der UNO, k) nach dem Abkommen mit Israel, 1) nach der VO über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Nordatlantikorganisation, m) nach dem Brüsseler Protokoll v. 30. 7. 1956 über die Immunitäten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, n) nach dem Abkommen über die Internationale Finanz-Corporation, 0) nach dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Atomgemeinschaft, p) nach dem Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt. q) nach bilateralen Verträgen, dem französisch-deutschen Forschunginstitut St. Louis, dem sowjetisch-deutschen Handelsabkommen, r) für die internationale Arbeitorganisation, s) für Natoangehörige, t) für den internationalen Währungfonds, u) für die Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. B IV. Der ordentliche Gerichtsweg ist ausgeschlossen kraft staatsrechtlicher Sondervereinbarungen, wo internationale Gerichtshöfe zuständig gemacht worden sind. Dahin gehören u. a. die Schiedsgerichte: a) nach dem Deutschlandvertrag, b) die Zuständigkeit des internationalen Gerichtshofes nach dem Brüsseler Vertrag, c) der Gerichtshof nach dem Schumanplan, d) die Gerichtsbarkeit bzgl. der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, e) die nach dem IA über die Errichtung einer europäischen Organisation für kernphysikalische Forschung, f ) die Entscheidunggewalt des Rats nach dem IA Weizenabkommen, g) die Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Londoner Schuldenabkommen, h) die ausländische Gerichtsbarkeit über fremde Truppen, 1) die Entscheidunggewalt des Rates nach dem I ZuckerA, k) die Schiedsgerichtsbarkeit nach dem I Fernmeldevertrag, 1) die nach dem Weltpostvertrag, m) die nach dem Welturheberrechtsabkommen, n) die mit Israel, mit Großbritannien, mit Österreich, im Saarabkommen, mit den USA, mit Dänemark, mit der Schweiz, mit Frankreich, mit Schweden, mit der Dominikanischen Republik, o) die nach der Verschollenheitkonvention, p) nach dem Ölabkommen, q) nach dem Abkommen zur Bestrafung des Völkermordes, r) nach dem Abkommen über die europäische Wirtschaftgemeinschaft, s) nach dem europäischen Atomgemeinschaftabkommen, t) nach dem Abkommen über die Arbeitbedingungen der Rheinschiffer, u) nach dem europäischen sozialen Sicherheitabkommen, v) nach Eurofima, w) nach dem Luftverkehrabkommen, x) nach Zollabkommen und y) nach dem europäischen Niederlassungabkommen. 0. Der Exterritoriale darf sich der inländischen Gerichtsbarkeit unterwerfen. C I. Die Unterwerfung ist eine einseitige, prozessuale, auch stillschweigende, aber unbedingte und unwiderrufliche Willenserklärung (§ 38 B II c). Sie liegt in der Klageerhebung (auch in der der negativen Feststellungsklage, vgl. dazu OGH DRZ 49/66) oder in dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung oder in einem Verfahren durch Übernahme nach
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§18 c I
GVÖ
§ 76 (OG Danzig J W 24/710 2 ), aber auch in der Stellung des materiellen Klageabweisungsantrages (nicht in dem auf Abweisung als unzulässig). Auch wenn der Exterritoriale als obgesiegt habender Beklagter vollstrecken läßt, stimmt er der Gerichtsbarkeit zu. Ein v o r p r o z e s s u a l e r V e r z i c h t auf die Gerichtsfreiheit ist bedeutunglos, deshalb darf auch nicht in der Errichtung eines Gewerbebetriebes im Inlande schon ein Verzicht auf die Exterritorialität gesehen werden (vgl. RGZ 103/274). Daß der Exterritoriale selbst zur Aufgabe seiner Gerichtsbefreiung der Zustimmung seiner Staatsmacht bedarf, ist nicht zu fordern. C II. Der Verzicht ergreift a l l e I n s t a n z e n , die Wiederaufnahmeklagen (§§ 578folg.), die Abänderungsklage (§ 323), die Vollstreckunggegenklage (§ 767) wie die Klage auf Unzulässigkeit der Vollstreckung (§ 771 u. a.), bei der einstweiligen Verfügung auch die Folgeklagen (§ 926). a) Doch ergreift der Verzicht n u r d i e v o r g e b r a c h t e K l a g e . Bei einer gesetzlich nicht zugelassenen Klageänderung (über die gesetzlich zugelassene vgl. § 268 A) bedarf es erneuter Zustimmung des Exterritorialen (a. M. Riezler 381). Eine Widerklage ist unzulässig, soweit der Exterritoriale nicht einwilligt. Dagegen sind Einwendungen aller Art einschließlich Aufrechnung und das Geltendmachen von Einreden, einschließlich der des Zurückbehaltungsrechts, stets zulässig. b) Der Verzicht des Gerichtsbefreiten im Prozeß erstreckt sich nicht notwendigerweise auf die V o l l s t r e c k u n g (KG OLG 38/225 [2281, H R R 33/1522); denn die Vollstreckung ist ein besonderer Zwang; ein Verzicht auf die Realexterritorialität ist schlechthin ausgeschlossen, sofern nicht der ausländische Staat selbst zustimmt (bzw. die rechttragende internationale Körperschaft) und erst recht der auf den persönlichen Schutz des Exterritotialen, so daß Verhaftungen ausgeschlossen sind. c) Die S t r e i t h i l f e wirkt gegen den Exterritorialen, wenn er als Streithelfer in den Prozeß eintritt, sie eröffnet indes noch nicht die Möglichkeit, nach Beendigung des Hauptprozesses gegen ihn vorzugehen (anders die Hauptintervention); die Streitverkündung äußert dagegen hier keine Wirkung, weil es zu irgendeiner prozessualen Erklärung durch den Gerichtsfreien regelmäßig nicht kommt; es sei denn, daß er den Streit weiter verkündet. d) Bezüglich dinglicher Klagen vgl. GVG § 20.
§ 19
(19)
I Für die Familienmitglieder, das Geschäftspersonal der im § 18 genannten Personen und für ihre Bediensteten, die nicht Deutsche sind, gilt die Vorschrift des § 18 entsprechend. A. Die Exterritorialität der Bediensteten und der Familienmitglieder ist abgeleiteter Art (Riezler 343). A I. Bedienstet sind alle Angestellten und Arbeiter, die in einem auf die Dauer berechneten Dienst-, Geschäftsbesorgungs- oder Werkvertragsverhältnis stehen, selbst wenn sie nicht für den ausländischen Staat, sondern von dem Exterritorialen angestellt sind. Doch genießen die Bediensteten der Familienmitglieder diesen Schutz nicht, wenn sie nicht von dem Exterritorialen selbst angestellt sind. Auch dürfen die Bediensteten nicht deutsche Staatsangehörige (selbst wenn sie diese Angehörigkeit neben anderen haben) sein (anders, wenn sie staatenlos sind oder eine fremde, wenn auch nicht gerade die der Macht haben, der der Exterritoriale angehört). Deutsche sind liier nur gerichtsbefreit, wenn sich die BRD bzw. Westberlin ihrer Gerichtshoheit begeben haben. A II. Das Geschäftspersonal genießt dagegen den Schutz, solange ihn der ausländische Staat für seine Vertretung im Inlande hat (und für die Abreisezeit), auch wenn es aus Deutschen besteht. Die Bediensteten des Geschäftspersonals sind nicht mehr gerichtsbefreit. B. Als Familienmitglieder zählen die, welche zum Hausstande des Exterritorialen gehören, selbst wenn sie deutsche Staatsangehörige sind. Für die Scheidung dieser kommt die diplomatische Vertretung des Heimatstaats in betracht (LG FamRZ 59/506).
60
GVG
§ 20
(20)
I Durch die Vorschriften der § § 18, 19 werden die Vorschriften über den ausschließlichen dingliehen Gerichtsstand in bürgerlichen Bechtsstreitigkeiten nicht berührt. A. Das Gebäude, in dem sich die ausländische Vertretung aufhält, ist exterritorial. Kann sonst gegen einen Exterritorialen ein dinglicher Gerichtsstand begründet werden (§ 24), so ist die Klage gegen ihn zulässig; für die nach §§ 25, 26 im dinglichen Gerichtsstand erhobene Klage gilt die Vorschrift des GVG § 20 nicht. B, GVG § 20 betrifft auch nur das Erkenntnis-, nicht das Vollstreckungsverfahren (KG H R R 33/1522). Doch ist die Vollstreckung in das Grundstück auf Grund des dinglichen Titels ebenfalls zulässig, kann aber nicht zur Besitzentsetzung führen.
§ 21
(21)
I Die in der Bundesrepublik Deutschland angestellten Konsuln sind der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen, sofern nicht in Verträgen der Bundesrepublik mit anderen Mächten Vereinbarungen über die Befreiung der Konsuln von der inländischen Gerichtsbarkeit getroffen sind. A. Konsuln werden auf Grund eines Exequatur von ausländischen Mächten zur Wahrung und Förderung ihrer wirtschaftlichen Interessen und der ihrer Angehörigen, wie zum Schutze dieser, zur Legalisierung von Urkunden, zu der Vermittlung von Zustellungen, Unterstützung von Staatsangehörigen, bisweilen auch zur Vernehmung von Zeugen, im Nachlaß- und Vormundschaftswesen, zur Erteilung von Einreisevisen u. dgl. m. bestellt. Die dienstlichen Papiere des Konsuls gelten nach Völkerrecht als unangreifbar. Vollstreckungen in sie siDd unzulässig. Dagegen ist der Konsul — sofern er nicht zugleich beglaubigter Vertreter seiner Macht ist (sonst ist er „Nurkonsul" — K G H R R 33/1522), nicht exterritorial. B . Doch können Staatsverträge den Konsuln Befreiung gewähren. Solche Verträge gibt es mit Spanien, mit der Türkei, mit Jemen, mit den U S A , mit der U d S S R .
Dritter Til el Amtsgerichte
§ 22 I
(22)
Den Amtsgerichten stehen Ginzelrichter vor.
II Ein Amtsrichter kann zugleich Mitglied oder Direktor bei dem übergeordneten Landgericht sein. III Die allgemeine Dienstaufsicht kann von der Landesjustizverwaltung dem Präsidenten des übergeordneten Landgerichts übertragen werden. Geschieht dies nicht, so ist, wenn das Amtsgericht mit mehreren Richtern besetzt ist, einem von ihnen von der Landesjustizverwaltung die allgemeine Dienstaufsicht zu übertragen; ist die Zahl der Richter höher als fünfzehn, so kann die Dienstaufsicht zwischen mehreren von ihnen geteilt werden. IV Jeder Amtsrichter erledigt die ihm obliegenden Geschäfte, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, als Einzelrichter. A. GVG § 22 bezieht sich auf die Amtsgerichte als Organe der streitigen Zivil- und der Strafgerichtsbarkeit, gilt aber auch für die ihnen als Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesenen Aufgaben. Über die Bildung der Kammer für Handelsachen beim Amtsgericht vgl. GVG §§ 93 I I , 106, über die Einrichtung von Zweigstellen und die Abhaltung von Gerichts-
61
§22 A
GVG
tagen außerhalb des Sitzes des AG vgl. VO v. 20. 3.1935 (RGBl. I 403) § 3. Arbeitsgerichte sind keine Amtsgerichte, sondern Sondergerichte, über ihre Errichtung vgl. ArbGG §§ 14 folg. B. Grundsätzlich soll der Amtsrichter als Einzelrichter tätig werden (GVG § 22 I, IV). Doch gibt es im Strafverfahren, aber auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit Ausnahmen (bei den Landwirtschaftsgerichten, LVG § 2 II, wo zwei Laienbeisitzer mitwirken; dem entspricht auch die Besetzung der Arbeitsgerichte nach ArbGG § 16 II). Wann ein Amtsrichter zugleich Mitglied oder Direktor beim übergeordneten Landgericht ist, ergibt sich aus seiner Berufung durch die Landesjustizverwaltung. Als solcher kann er auch Vorsitzender einer auswärtigen Kammer für Handelsachen sein (GVG § 106). C. Die allgemeine Dienstaufsicht des dienstaufsichtführenden Richters besteht nur über die nichtrichterlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter (VO v. 10. 3.1935, [RGB1.I 403] §15, vgl. AV v. 14. 6.1937 — D J 914). Die richterlichen Beamten (einschließlich der dienstaufsichtführenden) unterstehen in diesem Falle dem Präsidenten des übergeordneten LG. Über die Dienstaufsicht bei am AG gebildeten Präsidien vgl. GVG § 22 a.
§
22 a
(-)
I Bei den mit einem Präsidenten besetzten Amtsgerichten wird ein Präsidium gebildet. II Das Präsidium besteht aus dem Amtsgerichtspräsidenten als Vorsitzenden, den Amtggeriehtsdirektoren, den Oberamtsrichtern und den beiden dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach ältesten Amtsrichtern. DI Das Präsidium entscheidet nach Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Amtsgerichtspräsidenten den Ausschlag. A. Bei den großen Amtsgerichten wird ein Präsident ernannt und ein Präsidium gebildet. Wann dies geschieht, ist Sache der Justizverwaltung des Landes und muß durch Gesetz bestimmt werden (vgl. VO v. 20. 3.1935 § 1 I). Soweit ein Amtsgerichtspräsident ernannt ist, übt er auch über die Richter die Dienstaufsicht aus (vgl. GVG § 22c I 2). Der Hamburger AGPräsident übt sie über alle hamburgischen AG aus (vgl. Hbg. AG GVG § 26). B. Der Aufgabenkreis des Präsidenten liegt in der Wahrnehmung der Geschäfte der Justizverwaltung, seine Vertretung regelt die Landesjustizverwaltung. Der Aufgabenkreis des Präsidiums besteht darin, die Geschäfte zu verteilen und die Vertretung im Behinderungfalle zu regeln. Die Vorschrift des GVG § 22a II, I I I ist der des GVG § 64 II, IV nachgebildet.
§
22 b
(-)
I Bei den mit mehreren Amtsrichtern besetzten Amtsgerichten werden die Geschäfte vor Beginn des Geschäftsjahres auf seine Dauer verteilt. In gleicher Weise wird die Vertretung der Amtsrichter in BehinderungsfäUen geregelt. II Die getroffene Anordnung kann im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung, Wechsels oder dauernder Behinderung eines Richters erforderlich ist. A. Die Geschäftsverteilung befaßt sich mit der Zuteilung der einzelnen zu bearbeitenden Angelegenheiten, etwa nach Verfahrensarten (Straf-, Zivilangelegenheiten, die der freiwilligen Gerichtsbarkeit), Gegenständen (etwa Vormundschafts-, Nachlaß-, Vertragshilfe-, innerhalb des Zivilprozesses nach Miet-, Pachtsachen; Kauf, Tausch usw.), Parteien (die stets nach dem Nachnamen des Beklagten alphabetisch zugeordnet werden, etwa nach Anfangsbuchstaben) und sorgt für die Vertretung im Behinderungsfall des sonst bestimmten Richters (bei Erkrankung, Urlaub, infolge Ablehnung). Die Geschäftsverteilung wird jährlich festgelegt (vor Beginn des Geschäftsjahres; GVG § 22 b I). Sie bleibt für das Geschäftsjahr bestehen, wenn nicht gesetzlich bestimmte außergewöhnliche Gründe ihre Änderung erforderlich machen (GVG § 22 b II). Die Verletzung der Sollvorschrift ist aber ohne jede Wirkung (GVG § 22 d).
62
GVG
§ 22 c (—) I Die im § 22 b bezeichneten Anordnungen werden bei den mit einem Präsidenten besetzten Amtsgerichten von dem Präsidium des Amtsgerichts getroffen. Das gleiche gilt für andere zum Bezirk des übergeordneten Landgerichts gehörige Amtsgerichte, über die der AmtsgerichtsPräsident an Stelle des Landgerichtspräsidenten die Dienstaufsicht ausübt. Der Amtsgerichtspräsident bestimmt die Abteilung, die er übernimmt. II Bei den übrigen Amtsgerichten werden die im § 22b bezeichneten Anordnungen von dem Präsidium des Landgerichts getroffen. i n Sofern eine Entscheidung des Präsidiums nicht rechtzeitig ergehen kann, werden die im g 22 b bezeichneten Anordnungen bei dem mit einem Präsidenten besetzten und bei anderen seiner Dienstaufsicht unterstehenden Amtsgerichten von dem Amtsgerichtspräsidenten, bei den übrigen Amtsgerichten von dem Landgeriehtspräsidenten getroffen. Die Anordnung ist dem Präsidium unverzüglich vorzulegen. Sie bleibt in Kraft, solange das Präsidium nicht anderweit beschließt. A. Die Geschäfts Verteilung nimmt, wo ein Amtsgerichtspräaident ernannt ist, das Präsidium vor (GVG § 22 a), und es ist auch zuständig, wenn dem Amtsgerichtspräsidenten mehrere Amtsgerichte zugeteilt worden sind, die aber zum selben Landgericht gehören müssen (GVG § 22 c I 2). Dabei wählt der Amtsgerichtspräsident die Abteilung, die er bearbeiten will (GVG § 22 c I 3). In diesem Falle bestimmt also er allein, sonst nur das Präsidium und nicht er. B. Bei Amtsgerichten ohne eigenes Präsidium entscheidet das Präsidium des übergeordneten Landgerichts (§ 22 c II, vgl. GVG § 64). C. In dringenden Fällen entscheidet der Amtsgerichts- bzw. der Landgerichtspräsident allein; doch darf das Präsidium die Anordnung aufheben. Entscheiden sie ohne Dringlichkeit, so bleiben ihre Maßnahmen bis zur Aufhebung aber dennoch bestehen (vgl. auch GVG § 22 d). §
22 d
(-)
I Die Gültigkeit der Handlung eines Amtsrichters wird nicht dadurch berührt, daß die Handlung nach der Geschäftsverteilung von einem anderen Richter wahrzunehmen gewesen wäre. A. Durch die Vorschrift des GVG § 22 d ist jeder Angriff gegen GVG §§ 22 a—22 c unzulässig.
§ 23
(23)
I Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind: 1. Streitigkeiten über vermögensrechtliehe Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von eintausend Deutsche Mark nicht übersteigt; 2. ohne Rücksicht auf den Wert der Streitgegenstandes: a) Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; b) Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern, Flößern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind;
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§23 12
GVG
c) Streitigkeiten wegen Viehmängel; d) Streitigkeiten wegen Wildschadens; e) alle Ansprüche auf Erfüllung einer durch Ehe oder Verwandtschaft begründeten gesetzlichen Unterhaltspflicht; f ) Ansprüche aus einem außerehelichen Beischlaf; g) Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugvertrag; h) das Aufgebotsverfahren. A. GVG §23 regelt die sachliche Zuständigkeit i. e. S. (§ l B I I I b ) der Amtsgerichte i n erster Instanz, im Gegensatz zu der der Landgerichte, welche in GVG § 71 normiert ist. Über die örtliche Zuständigkeit vgl. §§ 12 folg. A I . Die Regelung der sachlichen Zuständigkeit in GVG § 23 ist ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung n i c h t a u s s c h l i e ß l i c h (RG v. 4.5.1883 III E 9/349), d . h . in vermögensrechtlichen Streiten (GVG § 23 B I) darf die des LG vereinbart werden (§§ 38 folg.). Wegen Verletzung des GVG §23 sind die Entscheidungen des LG nicht angreifbar (§10). Umgekehrt kann aber auch das Amtsgericht in vermögensrechtlichen Streiten an Stelle des Landgerichts angegangen werden. Doch soll das Amtsgericht auf die landgerichtliche Zuständigkeit nach § 604 II hinweisen. A II. Die Regelung ist nicht erschöpfend, sondern wird von einer Reihe von Einzelgesetzen ergänzt und modifiziert. Im besonderen gilt sie nur, soweit nicht die Landgerichte ausschließlich zuständig sind (vgl. GVG §§ 71 II, 27). B. GVG § 23 11 regelt die sachliche Zuständigkeit in vermögensrechtlichen Streiten (§ 2 A I b 2) nach der Höhe des Streitwerts und in GVG § 23 I 2 ohne Rücksicht auf diesen. B I. Der Wert wird nach §§ 3—9 berechnet. B II. N i c h t v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e S t r e i t e (§ 2 A I b 1) gehören grundsätzlich vor das Landgericht (GVG §71, vgl. auch §40 11); doch gehören noch die (nichtstreitigen) Vorverfahren in Entmündigungsangelegenheiten als nichtvermögensrechtliche vor die Amtsgerichte. B III. Ohne Rücksicht auf den Streitwert, also auch wenn 1000 DM überschritten werden (und grundsätzlich nicht ausschließlich RGZ 9/349), zuständig sind die Amtsgerichte in den Fällen des GVG § 23 I 2. Bei Verbindung mit anderen Ansprüchen ist auf Antrag zu trennen und zu verweisen (§ 276). Nur soweit die ausschließliche Zuständigkeit besteht und zu beachten ist (GVG § 23 A I), darf es zur Trennung und Abweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit kommen, sofern kein Verweisnngsantrag gestellt wird. Über die einheitliche Verhandlung bei mehreren Klagegründen, von denen einer unter die amts- der andere unter die landgerichtliche Zuständigkeit fällt, vgl. § 2 A I. a) Unter GVG § 23 I 2 a fallen die Mietstreitigkeiten um Räume wie um Zurückhaltung eingebrachter Sachen (vgl. BGB §§ 536, 542, 544, 553, 556, 559, 561 II, 564, 580). Die Vorschrift wird verdrängt durch MSchG §§ 7 11, 27 11. In allen Fällen des MSchG ist das AG ausschließlich zuständig. Die Aufhebungsklage des MSchG § 7 ist eine Gestaltungsklage, die Herausgabeklage des MSchG § 27 1 1 dagegen kann sowohl eine Leistungs- wie eine Feststellungsklage sein. Unter MSchG § 7 I fallen alle Aufhebungsklagen, d. h. grundsätzlich die über Miet- (MSchG § 11) und Pacht- (MSchG § 36) Verhältnisse über Gebäude, Gebäudeteile (BGB § 580; mit Ausnahme der in MSchG §§ 19—26, 32—35 enthaltenen Einschränkungen), soweit nicht Ausnahmen vom Mieterschutz bestehen (MSchG §§ 31 a folg., 52 e, GeschäftsraummietenG § 5); Leihe fällt nicht unter den Mieterschutz. Beim Streit über die wirksame und vom Mieter veranlaßte Auflösung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses darf das AG nicht präjudiziell vor dem ArbG entscheiden, sondern muß bei Werkswohnungen die — erste — Entscheidung dem ArbG überlassen (MSchG §§ 20, 21); bis zur Entscheidung des ArbG ist der Streit auszusetzen. Anders ist dies, wenn die vom Mieter veranlaßte Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Mieter unstreitig ist. Soweit MSchG § 7 1 nicht zutrifft, greift u. U. GVG § 231 2 ein; diese Vorschrift bezieht sich aber nur auf Mietverhältnisse, nicht auf Leihe oder Pacht (RG JW 33/5171) und begründet auch keine ausschließliche Zuständigkeit. Bei nur
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GVG
§ 23 B HIa
auf Eigentum gestützten Klagen ist weder das MSchG noch GVG § 23 I 2 anzuwenden, auch wenn der Beklagte sein Recht zum Besitz (BGB § 986) auf Miete stützt, in dem letzten Falle muß aber, wenn ein Mietverhältnis besteht, die Klage abgewiesen werden. GVG § 23 I 2 trifft nur die in ihm genannten Ansprüche aus dem Mietverhältnis, also die auf Überlassung, Benutzung oder Räumung sowie wegen Zurückbehaltung eingebrachter Sachen. Dazu gehören auch Klagen auf Instandsetzung, Beheizung (KG JW 21/13684), Warmwasserversorgung einschließlich der Instandsetzung der dazu erforderlichen Anlagen (KG JW 22/2283), auf Lieferung von Dampf für zum Gewerbebetrieb vermietete Räume (KG JW 22/8154), auf Beseitigung von Störungen (OLG NJW 54/1370); aber nicht die gegen Fernheizunternehmen. Nicht in Betracht kommen dagegen die auf Zahlung des Mietzinses, einer Entschädigung und nicht die auf Feststellung des gesamten Verhältnisses (RG Seuff. 46/128), wohl aber ist die Feststellung im Rahmen einer Leiftungsklage zulässig (§ 280). Auf Miete beweglicher Sachen trifft die Bestimmung nicht zu (RG Gruch. 38/1066); doch wird man für Wohnwagen und Wohnschiffe sie entsprechend anwenden dürfen (obwohl BGB § 580a die in Betracht kommenden Bestimmungen nur teilweise aufnimmt). Nicht vor die ordentlichen Prozeßgerichte (sondern vor die Landwirtschaftsgerichte) gehören die landwirtschaftlichen Streitigkeiten nach IVG §§ 1,18 (Grundstückvererbung und -Veräußerung, Pacht und Nutzungsverhältnisse von Land- und Forstwirtschaften). Bei Streitigkeiten über die Untervermietung (MSchG § 29), oder bei der Genehmigung eines Wohnungstausches (MSchG § 30) entscheidet das Mieteinigungsamt. Zuständig dafür sind die Amtsgerichte (MSchG § 37), die im Beschlußverfahren mit anschließender Rechtsbeschwerde entscheiden (MSchG § 41). Eine weitere Beschwerde gibt es z. Z. hier nicht; wohl aber die Vorlegung entsprechend FGG § 28 II, III für einen Rechtsentscheid nach MSchG § 47. Bei Streit um die Zuteilung der Wohnung an einen geschiedenen Gatten (oder den, dessen Ehe für nichtig erklärt wurde oder aufgehoben ist) wird vom Amtsgericht als Hausratsgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden (EheG 6. DVO §§ 3 folg.). b) Das AG ist ferner sachlich zuständig für Reisestreitigkeiten (GVG § 23 12 b) zwischen Reisenden und Wirten (vgl. BGB §§ 701 folg.), Schiffern (BinnenschiffahrtsG §§26 folg., HGB §§ 664 folg.), Flößern (vgl. § 2 FlößereiG), Auswanderungsexpedienten (vgl. AuswanderungsG §§ 22 folg.) nur wegen der im Gesetz ausdrücklich genannten Ansprüche, und zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind (gemeint sind aber stets nur Vertragsverhältnisse), gleichviel ob die Reise z. Z. der Klageerhebung schon beendet ist oder nicht. e) Für Viehmängel (vgl. BGB §§ 481 folg.) kommt es nur darauf an, ob ein Mangel eines der in BGB § 481 bezeichneten Tiere und nach der h. M. (Sydow-Busch § 23 GVG Anm. 11) auch Mängel der in BGB § 481 nicht bezeichneten Tiere Grundlage für einen erhobenen Anspruch (nicht für Einwendungen und Einreden, vgl. OLG Seuff. 52/112 ist, gleichviel ob er auf Wandlung, Schadensersatz oder Gewährleistung gerichtet ist, also auch bei besonderem Gewährvertrag oder Zusicherung oder aus betrügerischem Verhalten (OLG 15/44), bei selbständigem Garantievertrag; aber nicht für die auf Vertragsauflösung wegen Nichterfüllung gerichteten Ansprüche. d) Für Wildschadensansprüche vgl. das BundesjagdG und die LänderG (GVG § 13 F Va), welche nach Vorbescheiden auf das AG verweisen. Eine ausschließliche Zuständigkeit des AG ist im GVG nicht angeordnet und darf deshalb — nach der hier vertretenen Auffassung — auch nicht durch die Ländergesetze angeordnet werden. e) Unterhaltsansprüche aus Ehe oder Verwandtschaft gehören auch bei nichtiger, aufgehobener oder geschiedener Ehe vor die AG (GVG § 23 I 2 a). Vgl. aber auch die landgerichtliche Zuständigkeit für die einstweiligen Anordnungen nach §§ 627 folg. Auch die auf den Rechtsnachfolger übergegangenen Unterhaltsansprüche (im besonderen i. F. des BGB § 1607112, a. M. Schönke § 1 Anm. II 2 e) und die nach FürsorgepflichtVO § 21 a (über die Erstattungsansprüche der Fürsorgebehörden, vgl. GVG § 13 F III b 1) gehören vor die AG. Ebenso Ansprüche aus BGB § 1361a. Ob die Ansprüche durch Leistung- oder Feststellungklage geltend gemacht werden, ist gleichgültig; auch die auf Kapitalabfindung (EheG § 62 II) und 5 W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§23
BDI
GVG
die auf Grund eines Vertrages, der auf dem gesetzlichen Grunde der Unterhaltspflicht den Anspruch der Höhe nach regelte (RGZ 149/29), im besonderen bei Unterhaltsvergleichen, die im Ehestreit abgeschlossen werden (OLG SchlHA 50/61), gehören hierher (anders, wenn der Anspruch auf Kapitalabfindung nicht aus dem Gesetz herzuleiten ist nach RGZ 149/29). Änderungsklagen (§323) fallen unter die Bestimmung, soweit der zu ändernde Anspruch hierher gehört. K e i n e U n t e r h a l t s a n s p r ü c h e sind Ansprüche aus Verlöbnis und die auf den Zugewinn (BGB §§ 1372 folg.). Ansprüche aus BGB §§ 679, 683, 670 zählen auch nicht hierher. Nicht auf Ehe oder Vormundschaft beruhen die Ansprüche gegen die Erben nach BGB §§ 1963, 2141, 1969. f ) Die AG sind nach GVG § 23 I 2 f ferner zuständig für die Entscheidung über Ansprüche aus unehelich cm Beischlaf, vgl. BGB §§ 1708, 1709 11, 1715, 1716, 1718, FürsorgepflichtVO § 21 a, wozu auch der vertragliche Anspruch, sofern die Unterhaltspflicht dem Grunde nach festliegt, zählt (vgl. RGZ 12/368). Dies sollte man aber auch im Fall des BGB § 1714 gelten lassen, selbst wenn sich der uneheliche Vater zu mehr verpflichtet, als er dem Gesetze nach verpflichtet ist. Dies alles gilt auch bei der Klage gegen den Rechtsnachfolger, wozu auch die Schuldübernahme nach BGB §419 gehört (OLG BayJMBl. 52/266). N i c h t unter die Norm fallen die Ansprüche aus BGB §§ 679, 683, 670. Gewohnheitsrechtlich gehören hierher nicht die Klage aus BGB § 1300 (OLG Dresden Seuff. 58/218, OLG Darmstadt Seuff. 61/11), die aus BGB §§ 825, 847 II (Schönke § 1 Anm. I I 2 f). N i c h t unter die Norm fällt ferner die nichtvermögensrechtliche Klage auf Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens der unehelichen Vaterschaft — der B l u t s v e r w a n d t s c h a f t — überhaupt (BGH M D R B 944/56: sie sei Statusklage, vgl. § 644). g) Leibgedrageverträge i. V. m. Grundstücküberlassungsverträgen (vgl. E G B G B Art. 96, PrAGBGB Art. 15) gehören nach GVG § 23 I 2 g vor die Amtsgerichte. Auf die dingliche Sicherung dieser Ansprüche kommt es dabei nicht an. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit ist allerdings nur noch für Altenteils vertrage zuständig, welche nicht aus einer Hofüberlassung stammen. Denn diese Streitigkeiten gehören sonst vor die Landwirtschaftgerichte. h ) F ü r Aufgebotsverfahren vgl. §§ 946—1024 (§§ 946 II, 978, 983, 987 a, 990, 1005, 1006). Wegen der Möglichkeit des landesgesetzlichen Ausschlusses der Amtsgerichte vgl. EG §11. C. Abweichend von diesen Zuständigkeitregeln ist — ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes und ohne Rücksicht auf die Frage, ob etwas vermögensrechtlich streitig ist (weshalb auch die Änderung der Zuständigkeitwertgrenze außer acht bleibt) — kraft besonderer gesetzlicher Zuweisung bisweilen ein besonderes Prozeßgericht CI. ausschließlich zuständig, d. h. entweder das AG oder das LG (die K a m m e r für Handelsachen oder die Zivilkammer; hier indes abgesehen von dem Fall der Hauptintervention, vgl. § 64, GVG § 103); doch wird auch hierbei nur das Gericht im allgemeinen; nicht etwa dieselbe Besetzung, auch nicht dieselbe Abteilung, Kammer (vgl. RG J W 00/182 7 ) zuständig gemacht. a) Eine solche liegt in der Zuweisung eines Rechtsstreits an das Prozeßgericht der ersten Instanz, vgl. §§ 64 (für die Hauptintervention), 731, 749 (für die Erteilung der Vollstreckungsklausel), 767 (für die Vollstreckunggegenklage), 768 (für die auf Unzulässigkeit der Vollstreckungklausel), §§ 769 I, 770 I, I I I , 772, 773, 774, 785, 786, 791 1, 795, 796 I I I , 797, 797 a, 800 I I I , 800 a II, 802, 879 (als Vollstreckungprozeßgericht), 893 (für die Klage auf das Interesse). Entsprechende Zuweisungen finden sich im Kostenfestsetzungverfahren (vgl. §103) und in der Vollstreckunginstanz in den Fällen der §§ 887 folg. Eine nicht ausschließlich, sondern wahlfreie Zuweisung an das Prozeßgericht der ersten Instanz findet, sich in dem Falle des § 34, dessen Bedeutung allerdings durch BRAGebO § 19 nur noch gering ist. b) Sie liegt ferner in der Bestimmung des Wiederaufnahmegerichts nach § 584. C II. Im Gegensatz zu diesen Vorschriften ist (regelmäßig) wahlweise das Prozeßgericht der ersten Instanz und, wenn der Rechtstreit sich in der Berufunginstanz befindet, das Berufunggericht (§ 943) für das Arrest- und einstweilige Verfügungverfahren zuständig
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§ 2 3 CU
GVG
(vgl. §§919, 937 I, aber auch das AG nach §§919, 942); eine ausschließliche Zuständigkeit gibt es nur nach § 943 II für die Anordnung nach § 109 und in den Fällen, wo der Arrest wegen veränderter Umstände aufgehoben werden soll, nach § 927 II.
§ 2 4 (27) I
In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig für
1. Übertretungen, 2. Vergehen, wenn nicht die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt oder die Zuständigheit des Landgerichts nach § 74 a oder des Bundesgerichtshofes nach § 134 begründet ist, 3. Verbrechen, wenn nicht die Zuständigkeit des Schwurgerichts oder des Bundesgerichtshofes begründet, im Einzelfall eine höhere Strafe als zwei Jahre Zuchthaus oder der Ausspruch der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt. II Das Amtsgericht darf nicht auf eine höhere Freiheitsstrafe als zwei Jahre Zuchthaus und nicht auf Sicherungsverwahrung erkennen.
§ 25 I
(-)
Der Amtsrichter allein entscheidet bei 1. Übertretungen, 2. Vergehen, a) wenn sie im Wege der Privatklage verfolgt werden, b) wenn die Tat mit keiner höheren Strafe als Gefängnis von sechs Monaten allein oder in Verbindung mit anderen Strafen oder mit Nebenfolgen bedroht ist, c) wenn die Staatsanwaltschaft Anklage zum Einzelrichter erhebt und keine höhere Strafe als Gefängnis von einem Jahr zu erwarten ist, 3. Verbrechen, die nur wegen Rückfalls Verbrechen sind, unter den Voraussetzungen der Nr. 2 c.
§
26
( - )
I Für Straftaten Erwachsener, durch die ein Kind oder ein Jugendlicher verletzt oder unmittelbar gefährdet wird, sowie für Verstöße Erwachsener gegen Vorschriften, die dem Jugendschutz oder der Jugenderziehung dienen, sind neben den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten auch die Jugendgerichte zuständig. Die §§ 24 und 25 gelten entsprechend. II In Jugendschutzsachen soll der Staatsanwalt Anklage bei den Jugendgerichten nur erheben, wenn in dem Verfahren Kinder oder Jugendliche als Zeugen benötigt werden oder wenn aus sonstigen Gründen eine Verhandlung vor dem Jugendgericht zweckmäßig erscheint.
§ 26a weggefallen
§ 2 7 (24) I Im übrigen wird die Zuständigkeit und der Geschäftskreis der Amtsgerichte durch die Vorschriften dieses Gesetzes und der Prozeßordnungen bestimmt. 5*
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§27
GVG
B . Auf dem Gebiete des Zivilprozeßrechts kommen auch noch andere Zuständigkeiten des AG in Betracht, im besonderen in Entmündigungssachen, als Konkurs-, Zwangsversteigerung-, Binnen-, Rhein- und Moselschiffahrtgericht. C. Auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist regelmäßig das AG als erste Instanz berufen. C I. Seine Zuständigkeit ist r e g e l m ä ß i g a u s s c h l i e ß l i c h (GVG § 13 C I a); doch gibt es auch eine konkurrierende Zuständigkeit zu den Organen der streitigen Gerichtsbarkeit (GVG § 13 C I c). Mit Organen der freiwilligen Gerichtsbarkeit k o n k u r r i e r e n u. a. die Zuständigkeit zu den Notaren nach NotarO §§ 22 folg.
Vierter Titel Schöffengerichte
§ 28
(25)
I Für die Verhandlung und Entscheidung der zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Strafsachen werden, soweit nicht der Amtsrichter allein entscheidet, bei den Amtsgerichten Schöffengerichte gebildet.
§ 29 I
(26)
Das Schöffengericht besteht aus dem Amtsrichter als Vorsitzenden und zwei Schöffen.
II Bei Eröffnung des Hauptverfahrens kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Zuziehung eines zweiten Amtsrichters beschlossen werden, wenn dessen Mitwirkung nach dem Umfang der Sache notwendig erscheint. Eines Antrages der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht, wenn ein Gericht höherer Ordnung das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet.
§ 30
(30)
I Insoweit das Gesetz nicht Ausnahmen bestimmt, üben die Schöffen während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie der Amtsrichter aus und nehmen auch an den im Laufe einer Hauptverhandlung zu erlassenden Entscheidungen teil, die in keiner Beziehung zu der Urteilsfällung stehen und die auch ohne mündliche Verhandlung erlassen werden können. II Die außerhalb der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen werden von dem Amtsrichter erlassen.
§ 31 I
(31)
Das Amt eines Schöffen ist ein Ehrenamt. E s kann nur von Deutschen versehen werden.
§ 32 (32) I
Unfähig zu dem Amt eines Schöffen sind: 1. Personen, welche die Befähigung infolge strafgerichtlicher Verurteilung verloren haben oder wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt sind;
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GVG
§32 I
2. Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen eines Verbrechens oder Vergehens sehwebt, das die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann; 3. Personen, die infolge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind.
§ 33(33) I
Zu dem Amt eines Schöffen sollen nicht berufen werden: 1. Personen, die zur Zeit der Aufstellung der Vorschlagsliste für Schöffen das dreißigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben; 2. Personen, die zur Zeit der Aufstellung der Vorschlagsliste noch nicht ein Jahr in der Gemeinde wohnen; 3. Personen, die wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen zu dem Amt nicht geeignet sind.
§ 34
(34)
I
Zu dem Amt eines Schöffen sollen ferner nicht berufen werden: 1. der Bundespräsident ; 2. die Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung; 3. Beamte, die jederzeit einstweilig in den Warte- oder Ruhestand versetzt werden können; 4. Richter und Beamte der Staatsanwaltschaft, Notare und Rechtsanwälte; 5. gerichtliche und polizeiliche Vollstreckungsbeamte; 6. Religionsdiener und Mitglieder solcher religiösen Vereinigungen, die satzungsgemäfi zum gemeinsamen Leben verpflichtet sind. II Die Landesgesetze können außer den vorbezeichneten Beamten höhere Verwaltungsbeamte bezeichnen, die zu dem Amt eines Schöffen nicht berufen werden sollen.
§ 35(35) I
Sie Berufung zum Amt eines Schöffen dürfen ablehnen: 1. Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates, eines Landtages oder einer zweiten Kammer; 2. Personen, die im letzten Geschäftsjahr die Verpflichtung eines Geschworenen oder an wenigstens zehn Sitzungstagen die Verpflichtung eines Schöffen erfüllt haben; 3. Ärzte, Krankenpfleger und Hebammen; 4. Apotheker, die keinen Gehilfen haben; 5. Frauen, die glaubhaft machen, daß ihnen die Fürsorge für ihre Familie die Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschwert; 6. Personen, die zur Zeit der Aufstellung der Vorschlagsliste das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben oder es bis zum Ablauf des Geschäftsjahres vollenden würden.
§ 36
(36)
I Die Gemeinde stellt in jedem zweiten Jahr eine Vorschlagsliste für Schöffen auf. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeindevertretung erforderlich. Die Vorschlagsliste soll außer dem Namen auch den Geburtsort, den Geburtstag und den Beruf des Vorgeschlagenen enthalten. II Die Vorschlagsliste ist in der Gemeinde eine Woche lang zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Der Zeitpunkt der Auflegung ist vorher öffentlich bekanntzumachen. III In die Vorschlagsliste sind aufzunehmen in Gemeinden a) mit 500 oder weniger Einwohnern fünf Personen, b) mit mehr als 500 Einwohnern mindestens sechs Personen, im übrigen für je 200 Einwohner eine Person.
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GVG
§ 37(37) I Gegen die Vorschlagsliste kann binnen einer Woche, gerechnet vom Ende der Auflegungsfrist, schriftlich oder zu Protokoll mit der Begründung Einspruch erhoben werden, daß in die Vorschlagsliste Personen aufgenommen sind, die nach § 82 nicht aufgenommen werden durften oder nach den §§ 33,34 nicht aufgenommen werden sollten.
§ 38
(38)
I Der Gemeindevorsteher sendet die Vorschlagsliste nebst den Einsprüchen an den Amtsrichter des Bezirks. II Wird nach Absendung der Vorschlagsliste ihre Berichtigung erforderlich, so hat der Gemeindevorsteher hiervon dem Amtsrichter Anzeige zu machen.
§ 39
(39)
I Der Amtsrichter stellt die Vorschlagslisten des Bezirks zusammen und bereitet den Beschluß über die Einsprüche vor. Er hat die Beachtung der Vorschriften des § 36 Abs. 2 zu prüfen und die Abstellung etwaiger Mängel zu veranlassen.
§ 40
(40)
I Bei dem Amtegericht tritt jedes zweite Jahr ein Ausschuß zusammen, n Der Ausschuß besteht aus dem Amtsrichter als Vorsitzenden und einem von der Landesregierung zu bestimmenden Verwaltungsbeamten sowie zehn Vertrauenspersonen als Beisitzern. III Die Vertrauenspersonen werden aus den Einwohnern des Amtsgerichtsbezirks von der Vertretung des ihm entsprechenden unteren Verwaltungsbezirks mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl gewählt. Umfaßt der Amtsgerichtsbezirk mehrere Verwaltungsbezirke oder Teile mehrerer Verwaltungsbezirke, so bestimmt die zuständige oberste Landesbehörde die Zahl der Vertrauenspersonen, die von den Vertretungen dieser Verwaltungsbezirke zu wählen sind. IV Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn wenigstens der Vorsitzende, der Verwaltungsbeamte und fünf Vertrauenspersonen anwesend sind.
§ 41
(41)
I Der Ausschuß entscheidet mit einfacher Mehrheit über die gegen die Vorschlagsliste erhobenen Einsprüche. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Entscheidungen sind zu Protokoll zu vermerken. Sie sind nicht anfechtbar.
§ 42
(42)
I Aus der berichtigten Vorschlagsliste wählt der Ausschuß mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen für die nächsten zwei Geschäftsjahre: 1. die erforderliche Zahl von Schöffen; 2. die erforderliche Zahl der Personen, die in der von dem Ausschuß festgesetzten Reihenfolge an die Stelle wegfallender Schöffen treten (Hilfsschöffen). Zu wählen sind Personen, die am Sitz des Amtsgerichts oder in dessen nächster Umgebung wohnen.
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GVG
§ 43(43) I Sie für jedes Amtsgericht erforderliche Zahl von Haupt- und Hilfsschöffen wird durch den Landgerichtspräsidenten (Amtsgerichtspräsidenten) bestimmt. II Die Zahl der Hauptschöffen ist so zu bemessen, daß voraussichtlich jeder mindestens zu zwölf ordentlichen Sitzungstagen im Jahr herangezogen wird.
§ 44
(44)
I Sie Namen der gewählten Hauptschöffen und Hilfsschöffen werden bei jedem Amtsgericht in gesondert« Verzeichnisse aufgenommen (Schöffenlisten).
§ 45
(45)
I Sie Tage der ordentlichen Sitzungen des Schöffengerichts werden für das ganze Jahr im voraus festgestellt. II Die Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen des Jahres teilnehmen, wird durch Auslosung in öffentlicher Sitzung des Amtsgerichts bestimmt. HI Bas Los zieht der Amtsrichter. IV Über die Auslosung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ein Protokoll aufgenommen.
§ 46
(46)
I Ber Amtsrichter setzt die Schöffen von ihrer Auslosung und den Sitzungstagen, an denen sie in Tätigkeit zu treten haben, unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in Kenntnis. H In gleicher Weise werden die im Laufe des Geschäftsjahres einzuberufenden Schöffen benachrichtigt.
§ 47 (47) I Eine Änderung in der bestimmten Reihenfolge kann auf übereinstimmenden Antrag der beteiligten Schöffen von dem Amtsrichter bewilligt werden, sofem die in den betreffenden Sitzungen zu verhandelnden Sachen noch nicht bestimmt sind. Ber Antrag und die Bewilligung sind aktenkundig zu machen.
§ 48 (48) I Wenn die Geschäfte die Anberaumung außerordentlicher Sitzungen erforderlich machen, so werden die einzuberufenden Schöffen vor dem Sitzungstag nach § 45 ausgelost. II Erscheint dies wegen Dringlichkeit untunlich, so erfolgt die Auslosung durch den Amtsrichter lediglich aus der Zahl der am Sitz des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen. Die Umstände, die den Amtsrichter hierzu veranlaßt haben, sind aktenkundig zu machen.
§ 49 (49) I Wird zu den einzelnen Sitzungen die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Schöffen erforderlich, so erfolgt sie aus der Zahl der Hilfsschöffen nach der Reihenfolge der Schöffenliste. H Würde durch die Berufung der Hilfsschöffen nach der Reihenfolge der Schöffenliste eine Vertagung der Verhandlung oder eine erhebliche Verzögerung ihres Beginns notwendig, so sind die nicht am Sitz des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen zu übergehen.
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GVG
§ 50(50) I Erstreckt sich die Dauer einer Sitzung über die Zeit hinaus, für die der Schöffe zunächst einberufen ist, so hat er bis zur Beendigung der Sitzung seine Amtstätigkeit fortzusetzen.
§ 51 (51) I Die Schöffen sind bei ihrer ersten Dienstleistung in öffentlicher Sitzung zu beeidigen. Die Beeidigung gilt für die Dauer der Wahlperiode (§ 42). II Der Vorsitzende richtet an die zu Beeidigenden die Worte: „Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Schöffen getreulich zu erfüllen und Ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben." III Die Schöffen leisten den Eid, indem jeder einzeln die Worte spricht: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe." IT Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben. Y Ist ein Schöffe Mitglied einer Religionsgf s; U jchaft, der das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, so wird die Abgabe einer Erklärung unter der Beteuerungsformel dieser Religionsgesellschaft der Eidesleistung gleichgeachtet. VI Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden. VII Über die Beeidigung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ein Protokoll aufgenommen.
§ 52 (52) I Wenn die Unfähigkeit einer als Schöffe in die Schöffenliste aufgenommenen Person eintritt oder bekannt wird, so ist ihr Name von der Liste zu streichen. II Ein Schöffe, bei dem nach seiner Aufnahme in die Schöffenliste Umstände eintreten oder bekannt werden, bei deren Vorhandensein eine Berufung zum Schöffenamt nicht erfolgen soll ist zur Dienstleistung ferner nicht heranzuziehen. III Der Amtsrichter entscheidet nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des beteiligten Schöffen. IV Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
§ 53(53) I Ablehnungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb einer Woche, nachdem der beteiligte Schöffe von seiner Einberufung in Kenntnis gesetzt worden ist. von ihm geltend gemacht werden. Sind sie später entstanden oder bekannt geworden, so ist die Frist erst von diesem Zeitpunkt zu berechnen. II Der Amtsrichter entscheidet über das Gesuch nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
§ 54 (54) I Der Amtsrichter kann einen Schöffen auf dessen Antrag wegen eingetretener Hinderungsgründe von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbinden. II Die Entbindung des Schöffen von der Dienstleistung kann davon abhängig gemacht werden, daB ein anderer für das Dienst] ihr bestimmter Schöffe für ihn eintritt. m
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Der Antrag und die Bewilligung sind aktenkundig zu machen.
GVG
§ 5 5 (55; 55 a) I Die Schöffen and Vertrauenspersonen des Ausschusses erhalten eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Beisitzer bei den Gerichten.
§
56(56)
I Schöffen und Vertrauenspersonen des Ausschusses, die sich ohne genügende Entschuldigung zu den Sitzungen nicht rechtzeitig einfinden oder sich ihren Obliegenheiten in anderer Weise entziehen, sind zu einer Ordnungsstrafe in Geld sowie in die verursachten Kosten zu verurteilen. II Die Verurteilung wird durch den Amtsrichter nach Anhörung der Staatsanwaltschaft ausgesprochen. Bei nachträglicher genügender Entschuldigung kann die Verurteilung ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Gegen die Entscheidung ist Beschwerde des Verurteilten nach den Vorschriften der StrafprozeDordnung zulässig.
§ 57(57) I Bis zu welchem Tag die Vorschlagslisten aufzustellen und dem Amtsrichter einzureichen sind, der Ausschuß zu berufen und die Auslosung der Schöffen zu bewirken ist, wird durch die Landesjustizverwaltung bestimmt.
§ 5 8 (—) I Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte einem von ihnen die Entscheidung der Strafsachen ganz oder zum Teil zugewiesen werden. I i Der Landgerichtspräsident bestimmt die für dieses Gericht erforderliche Zahl von Hanptu nd Hilfsschöffen und die Verteilung der Zahl der Hauptschöffen auf die einzelnen Amtsgerichtsbezirke. III Die übrigen Vorschriften dieses Titels sind entsprechend anzuwenden.
Fünfter Titel Landgerichte
§ 5 9 (58) I Die Landgerichte werden mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Direktoren und Mitgliedern besetzt. Von der Ernennung eines Direktors kann abgesehen werden, wenn der Präsident den Vorsitz in den Kammern allein führen kann. II Die Direktoren und die Mitglieder können gleichzeitig Amtsrichter im Bezirk des Landgerichts sein. A I. Die Vorschriften dieses Titels werden durch VO v. 2 0 . 3 . 1 9 3 5 § 7 (RGBl. I 403) ergänzt. Alle Normen gelten auch, soweit die LG in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit berufen sind (KGJ 47/1 = OLG 31/256 [257]). A II. In bürgerlichen Streiten sind bei den LG die Zivil- und die Kammern für Handelsachen gebildet (vgl. GVG §§ 93 folg.); über die Errichtung von Kammern für Patent-, Gebrauchsmuster-, Warenzeichen-, Bauland-, Sortenschutzsachen vgl. GVG § 14 B I I I c. In Arbeitsgerichtsachen sind Landesarbeitsgerichte errichtet (vgl. ArbGG §§ 33 folg.).
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§59
GVG
B. Kleine Landgerichte haben nur einen Präsidenten (GVG § 59 I 2), andere ihn und Direktoren, beide stets noch andere richterliche Mitglieder. Die Direktoren und die Mitglieder dürfen zugleich Amtsrichter im Bezirk des LG sein (GVG § 59 II). Die Zahl der Direktoren und der Mitglieder bestimmt die Landesjustizverwaltung. Die Direktoren sitzen regelmäßig vor (GVG § 62 I); doch können sie auch beisitzen (und auch der LGPräsident darf beisitzen, wenn ein weiterer Direktor vorsitzt). Bei den Landesarbeitsgerichten (ArbGG § 36 II) wie bei Verwaltungsgerichten können die ständigen Mitglieder eines jeden ordentlichen Gerichts nebenamtlich (für die Dauer ihres Hauptamtes) ernannt werden; daneben gibt es die hauptamtlich ernannten. Vgl. auch SGG § 32 II. C. Der Präsident hat die Dienstaufsieht über die Richter (wie über die sonstigen Angestellten und Beamten) des LG und die Richter der ihm unterstellten AG, soweit diese nicht einen AGPräsidenten haben (VO v. 20. 3.1935 § 14). Er bestimmt die Anzahl der Zivil- und Strafkammern. Zu seinem Vertreter darf der Landesjustizminister oder -Senator einen ständigen Vertreter bestimmen. Falls dies nicht geschehen ist, gilt GVG § 66 II. Der LGPräsident unterliegt der Weisungsbefugnis des OLGPräsidenten und der der Landesjustizverwaltung im Bereich der reinen Justizverwaltung (d. h. der, die ihm das G nicht allein überläßt).
§ 60(59) I
Bei den Landgerichten werden Zivil- und Strafkammern gebildet.
A. Ihre Zahl bestimmt der LGPräsident (vgl. GVG § 59 C), ebenso bestimmt er die Zahl der Kammermitglieder, die mehr als zwei (neben dem Direktor) betragen darf (RGZ133/29 [30]); unter den Begriff Zivilkammer fällt hier auch die Kammer für Handelsachen.
§ 6 1 (60) I n
Bei den Landgerichten sind Untersuchungsrichter nach Bedürfnis zu bestellen, Sie werden durch die Landesjustizverwaltung auf die Dauer eines Geschäftsjahres bestellt.
§ 62 (61) I Den Vorsitz in den Kammern führen der Präsident und die Direktoren. Den Vorsitz in der kleinen Strafkammer (§ 76 Abs. 2) kann auch ein ständiges Mitglied des Landgerichts führen, das vom Präsidinm für die Daner eines Geschäftsjahres bestimmt wird. II Vor Beginn des Geschäftsjahres bestimmt der Präsident die Kammer, der er sich anschließt. Über die Verteilung des Vorsitzes in den übrigen Kammern entscheiden der Präsident und die Direktoren nach Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. A. GVG §§ 62—70 regeln die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts. A I . Fehler in ihr dürfen durch Rechtsmittel (doch hat in Zivilsachen in der Revisioninstanz die falsche Besetzung des LG in erster Instanz keine Bedeutung wegen der §§ 538, 539, 540, 566 a III) und, wenn diese nicht gegeben sind, mit der Nichtigkeitklage gerügt werden (§ 579 1 1, II, also bei dem LG als Berufunginstanz). Die Nichtigkeitklage ist allerdings nur innerhalb Monatsfrist ab Kenntnis des Anfechtunggrundes zulässig (§ 586, RGZ 121/197 [198]), wobei nach h. M. aber die Kenntnis der Vertreter der Parteien (vgl. § 232 II) nicht genügt (§ 586 A I I I a). In der mündlichen Verhandlung braucht der Mangel nicht gerügt zu werden (selbst wenn er bekannt war). Die Vorschriften sind auch bei der fehlerhaften Besetzung der OLG (§ 55111, GVG § 117) bedeutsam. Bei der fehlerhaften Besetzung des BGH ist nur die Nichtigkeitsklage gegeben (§ 579 1 1).
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GVG
§ 6 2
A I I . Aul die Rüge des nicht richtig besetzten Gerichts prüft die Rechtsprechung ( R G Z 119/284 [286], 126/97 f., 2 4 5 ) allerdings nur nach, ob der ordentliche Vorsitzende nur einstweilig oder ob er dauernd verhindert ist, was nach einem Durchschnittsbegriff beantwortet wird (so daß seltenes Nichtverhindertsein unerheblich ist, wie seltenes Verhindertsein außer B e t r a c h t bleibt, und zwar gemessen a m Zeitpunkt des Erkenntnisses). E i n e im Geschäftsverteilungplan als einstweilig gekennzeichnete Vertretung muß also auch tatsächlich eine solche sein. Die Bestellung zweier Vorsitzender ließ B G H Z 15/135 nicht gelten; dagegen ließ es B G H S t . N J W 55/152 genügen, daß neben dem LGPräsidenten stellvertretend ein Direktor zum Vorsitzenden bestellt wurde, weil der L G P r ä s i d e n t zu häufig verhindert war (vgl. G V G § 62 C). Nicht nachgeprüft wird die tatsächliche Behinderung des ordentlichen Vorsitzenden im Einzelfall ( R G Z 119/284 [286]). Auf den Grund der Verhinderung k o m m t es dabei nicht a n ; er kann sich rechtlich (vgl. §§ 4 1 folg.) wie rein tatsächlich ( B G H S t . L M - G V G § 67/4) — etwa infolge Arbeitsüberlastung oder auch infolge Erledigung anderer Geschäfte oder wenn der Vorsitzende als Zeuge im selben R e c h t s t r e i t zu vernehmen ist ( B G H S t . N J W 55/152) •— ergeben. Insoweit besteht eine gewisse Ermessensfreiheit des Vorsitzenden, die n i c h t nachprüfbar ist, sofern nicht ein offenbarer Ermessensmißbrauch vorliegt. Ü b e r die Frage, welche Folgen sich ergeben, wenn eine Sache von der nach der Geschäftsverteilung unzuständigen K a m m e r behandelt wird, vgl. K o m m e n t a r § 1 C I I , GVG § 63 C. B . In den Zivilkammern muß der L G P r ä s i d e n t (beim O L G der O L G P r ä s i d e n t ) oder ein Direktor (beim O L G : Senatspräsident) Vorsitzen ( R G J W 15/96 14 ), soweit nicht der Einzelrichter (§§ 3 4 8 folg.) tätig werden darf; in den K a m m e r n für Handelsachen muß es ein Mitglied des L G (GVG § 105 I), bei auswärtigen K a m m e r n (GVG § 93 I I ) darf es ein Mitglied des AG sein (GVG § 106), d. h. ein ständiger R i c h t e r dieser Gerichte (GVG § 6 A I I b), also kein Hilfsrichter (GVG § 10 C, B G H S t . M D R B 76/56). B I . D a s Gesetz geht davon aus, daß der Vorsitzende r i c h t u n g g e b e n d e n h a t ( B G H S t . 2/71, 9/291).
Einfluß
a ) Das Gesetz gibt dem Vorsitzenden eine Reihe von Funktionen, etwa die der Geschäftsverteilung innerhalb der K a m m e r (vgl. G V G §§ 69, 117, 131), der Bestellung von Parteivertretern (§§ 57, 58), bei der Ausführung von Entscheidungen (§§ 202, 3 6 1 folg., 791). Darüber hinaus gibt es ihm in den Fällen des § 9 4 4 Entscheidungsgewalt, die j e t z t aber auch andere Einzelrichter (an Stelle des Kollegiums — O L G Karlsruhe J W 25/2S52 2 8 ) haben. Ü b e r die Terminsanberaumung durch ihn vgl. § 2 1 6 I I , über die Verhandlungsleitung §§ 1 3 6 folg., über seine Stellung als Sitzungspolizei G V G § 1 7 6 ; auch die B e r a t u n g und die Abstimmung soll er leiten (GVG § 194). Vor allem aber soll sein Einfluß auf die Sachentscheidung bestehen. b) K a n n ein solcher Vorsitzender seine Aufgaben nicht erfüllen, so ist die K a m m e r (der Senat) nicht ordnungsmäßig besetzt ( R G N § 551/54). b 1 . R G Z 132/301 (303) h a t es als gesetzeswidrig angesehen, wenn ein ordentlicher Vorsitzender nur einmal monatlich saß und an der sonstigen Tätigkeit des Vorsitzenden nicht teiln a h m ; R G N GVG § 62/18 h a t es nicht genügen lassen, daß ein Senatspräsident alle a c h t W o c h e n an einer Spruchsitzung teilnahm und keine umfangreiche Beschlußpraxis daneben h a t t e . Jahrelanges Nichttätigwerden des OLGPräsidenten haben R G Z 119/280 (282), J W 28/1302 2 0 als nicht ordentliche Besetzung angesehen; abweichend R G N G V G §62/13, das es genügen ließ, wenn ein O L G P r ä s i d e n t an 10 Sitzungen im J a h r t e i l n a h m ; R G J W 32/2146", das es genügen ließ, daß der Vorsitzende den B e r i c h t e r s t a t t e r auswählt. R G N G V G § 63/12 h a t für Spruchsenate darauf hingewiesen, daß dabei Nebentätigkeiten (Anberaumung von Terminen u. dgl. m.) nicht zählen. Hier hilft nur die Bildung einer (kleinen) K a m m e r (eines kleinen Senats) mit eng begrenztem Aufgabengebiet oder daß sich der (O)LGPräsident der K a m m e r als Beisitzer anschließt (was zulässig ist, GVG § 59 B ; vgl. auch GVG § 62 A I I , C). b 2 . Allerdings schadet es nichts, wenn rein tatsächlich der Vorsitzende auch l ä n g e r v e r t r e t e n wird, sofern die Vertretung von vornherein nur vorübergehender Natur ist ( R G Z 126/97 [981, 246) infolge Todes, K r a n k h e i t oder Urlaubs ( R G J W 37/1063 1 2 ). I n solchen Fällen ist die vorübergehende Vertretung zulässig, selbst wenn sie mehrere Monate andauert ( R G Z
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§ 62 BIb 2
GVG
LZ 32/2366), sofern Wegfall der Behinderung gewiß ist (RGZ 131/31, 126/97); BGH v. 9.2.1955 IV NJW 5874 hat die Begrenzung einer Abordnung auf einige — „äußerstenfalls aber drei" — Monate gefordert; daß die Beseitigung einer dauernden Verhinderung bevorsteht, beweist nichts für die vorübergehende Natur (RG J W 33/20046). Steht indes schon am Anfang des Geschäftsjahres der Wegfall des Vorsitzenden fest, so ist die Kammer (der Senat) nicht ordnungsmäßig besetzt, also bei Beurlaubung eines ordentlichen Vorsitzenden von den Geschäften der Kammer für das ganze Geschäftsjahr (RG J W 28/130220) oder bei anderweit starker Belastung des Direktors (BGHSt. 2/71). Andererseits schadet es auch nicht, daß der ordentliche Vorsitzende für bestimmte Termintage des Jahres selbst im voraus verhindert ist (RGSt. 55/238). Darüber hinaus haben RGZ 130/154, 132/295 es sogar gebilligt, daß er keinen Spruchtermin wahrnahm, wenn der Kammer neben den Prozeßsachen auch andere (der freiwilligen Gerichtsbarkeit) zugeteilt waren, die keine mündliche Verhandlung erforderten (und er an den zwei Terminstagen im Monat nicht saß); doch verstößt dies schon gegen das Verbot der Aufteilung der Kammer; der Einfluß des ordentlichen Vorsitzenden darf nicht bloß auf bestimmte Sachen der Kammerzuständigkeit beschränkt werden (RG J W 15/9613). B II. Der Begriff der dauernden Behinderung ist ein R e c h t s b e g r i f f , wenn die Tatsachen dazu vorliegen, aber eine Beweisfrage, die dem großen Senat zur tatsächlichen Feststellung nicht überlassen wurde (GVG § 136; RGZ 119/284 [268]); doch werden diese Tatsachen auch in der Revisionsinstanz nachgeprüft (a. M. BGHSt. LM-GVG § 67/4). Entscheidend ist, ob sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben (RG J W 37/106312), auch wenn sich die dauernde Behinderung für längere Zeit (bis zum Schluß des Geschäftsjahres) erst im Laufe des Geschäftsjahres herausgestellt hatte (RGZ 127/1 OOf.) oder wenn überhaupt nicht voraussehbar ist, wanD die Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden wegfallen wird (RG J W 28/106312 m. N.). Behinderunggründe nach Erlaß der Entscheidung dürfen jedenfalls nicht berücksichtigt werden (RGZ 119/284), wie umgekehrt der nicht, daß der Vorsitzende nachträglich zum Senatspräsidenten berufen wurde (BGHZ10/130). Die Abgrenzung im einzelnen ist schwierig, wie die Praxis zeigt. a) Vertretung in der Form, daß abwechselnd der ordentliche Vorsitzende (ein LGPräsident oder ein Direktor) und das älteste Kammermitglied Vorsitzen, ist noch für zulässig gehalten worden (RGSt. 62/367, a. M. BGHZ 15/135), erst recht wenn der Präsident nur an zwei Sitzungstagen im Monat ausfiel (RGZ 130/154). RGSt. 64/6 hat eine Verhinderung von zwei Jahren noch nicht als dauernd angesehen. Nichtbesetzung eines Zivilsenats nach dem Tode eines Senatspräsidenten wurde für die Dauer zweier Monats nicht beanstandet (RG Seuff. 87/143). Auf den Geschäftsverteilungsplan kommt es dabei nicht an (KG JW 30/298918). b) Doch wurde, wenn auch nur in zwei Monaten eine dauernde Überlastung ohne Anhaltpunkt für eine Änderung festgestellt wurde, schon dauernde Verhinderung angenommen (RGZ 127/100). Ein Vorsitzender, der vom 1. 3.1928 bis 15. 6.1929 nicht tätig war, wurde im März 1929 als dauernd verhindert angesehen (RG HRR 30/1147). Dauernd ist eine Verhinderung auch, wenn eine (durch Versetzung in den Ruhestand) freigewordene Stelle in angemessener Frist nicht wiederbesetzt wird (vgl. RGSt. J W 30/279326). Bei vorübergehender Bildung eines Hilfsenats wurde vorschriftwidrige Besetzung angenommen, wenn der Senat nur formal einen Senatspräsidenten hatte, der tatsächlich nicht mitsaß, und man mit einer erst zu bringenden Gesetzesnovelle auf Entlastung rechnete (RG JW 31/108211). C. Zulässig ist, daß ein Präsident oder Direktor mehreren Kammern (Senaten) vorsitzt (RG N GVG § 61/1). Doch muß auch hier der maßgebende Einfluß des ordentlichen Vorsitzenden dann auf die mehreren Kammern (Senate) gewährleistet bleiben (RG J W 32/287421, BGHSt. NJW 55/1447). D. Über die Kammer, der sich der Präsident anschließt, haben die Direktoren nicht zu bestimmen; über die mit Direktoren zu besetzenden Kammern bestimmen der Präsident und die Direktoren gemeinsam (GVG § 62 II nach Stimmenmehrheit und bei Stimmengleichheit mit der Stimme des LGPräsidenten). Über den Vorsitzenden der kleinen Strafkammer befindet das Präsidium (GVG § 62 I), den Vorsitzenden der Kammer für Handelsachen bestimmt der LGPräsident (auch soweit er ihn Direktoren gibt). Über die Vertreter vgl. GVG § 66 A I.
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GVG
§ 63 (62) I Vor Beginn des Geschäftsjahres werden auf seine Dauer die Geschäfte unter die Kammern derselben Art verteilt und die ständigen Mitglieder der einzelnen Kammern sowie für den Fall ihrer Verhinderung die regelmäßigen Vertreter bestimmt. Jeder Richter kann zum Mitglied mehrerer Kammern bestimmt werden. II Die Anordnung kann im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung einer Kammer oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Gerichts erforderlich wird. A. GVG § 63 sieht vor, daß die Geschäfte am Beginn des Geschäftsjahres unter die Kammern durch das Präsidium (GVG §64 I) verteilt werden. Die Geschäftsverteilung regelt die Zuständigkeit mehrerer gleich berufener Organe desselben Gerichts derart, daß sie bestimmt, welches von diesen mehreren gleichgeordneten Organen in einem bestimmten Einzelfall tätig zu werden hat. Die Geschäftsverteilung richtet sich nach einem (Jahres-) Plan, der von den Organen der Gerichte aufgestellt wird. Sie gilt für ein Geschäftsjahr. Doch darf sie geändert werden, wenn eine Kammer überlastet ist (für diese hat RGSt. J W 32/2888 3e es zugelassen, daß ihr kein Direktor vorsaß), d. h. wenn der LGPräsident eine neue Kammer bestellt oder wenn ein Mitglied, für das ein anderes vom Präsidium zu bestellen ist, ausscheidet (durch Versetzung, Tod, Behinderung) oder dauernd behindert ist (nach RGSt. 20/386 bei kurzem Krankheitsurlaub). Nicht zulässig ist aber die Zuweisung einzelner Sachen an bestimmte Richter (BGHSt. N J W 57/800),_ etwa zur Erledigung bestimmter Strafsachen (BGHSt. MDR B 216/56), die willkürliche Änderung der Geschäftsverteilung wegen Überlastung einer Kammer derart, daß einzelne ausgesuchte Sachen einer anderen Kammer zugewiesen werden (BGHSt. N J W 55/152). Umgekehrt hat OLG Schleswig SchlHA 53/68 die mangelnde Aufteilung durch Geschäftsverteilungsplan an eine mit anderen Richtern (überbesetzte) kleine Strafkammer nicht geduldet. B. Die Zahl der Kammern bestimmt der LGPräsident (VO v. 20. 3.1935 § 7 II), die ordentlichen Vorsitzenden werden nach GVG § 62 II, die regelmäßigen Vertreter dieser dagegen vom Präsidium (GVG § 66 I) berufen, gegebenenfalls kommt der nach GVG § 66 I bestimmte zum Zuge; dies gilt auch für den zeitweiligen Kammervorsitzenden. Die Vorsitzenden der Kammern für Handelsachen werden nach VO v. 20. 3.1935 § 7 IV vom LGPräsidenten bestimmt (GVG § 68). Die ständigen Mitglieder und die Vertreter der Kammermitglieder (auch die zweiten Vertreter für die Behinderung der ersten, RGSt. J W 35/3393 27 ) werden vom Präsidium bestimmt (GVG § 64). Bei Behinderung des Vertreters (für den kein anderer Vertreter bestellt ist) bestimmt der LGPräsident den zeitweiligen (GVG §67). Wie viele Mitglieder eine Kammer haben darf, sagt das Gesetz nicht; doch werden häufig mehr Richter an Zahl als die zum Spruch erforderlichen bestimmt, was für zulässig gehalten wird (BGH N J W 56/1238; vgl. auch GVG § 69 A). C. Wird die Geschäftsverteilung nicht innegehalten, so berührt dies die Zuständigkeit des Gerichts nicht (RG J W 19/83 1 ); es läßt sich aber nicht einmal die Rüge der unrichtig besetzten Richterbank mit Erfolg erheben, wenn die Sache vor eine nach der Geschäftsverteilung unrichtige Kammer kommt (BGHZ 6/178), abgesehen von dem Unterschied zwischen der Kammer für Handelsachen und der Zivilkammer, ein Verhältnis, das in GVG §§ 93 folg. besonders geregelt ist. Für die Amtsgerichte ist dieser Grundsatz in GVG § 22 d (in erweitertem Umfang) ausdrücklich gesetzlich bestätigt worden. C I . Nur im S t r a f r e c h t nimmt die h. M. Anfechtbarkeit i. S. der StPO § 338 1 1 auch bei den Verletzungen der Geschäftsverteilungvorschriften an (BGHSt. D R IV 478 b; RGSt. Goltd.A 47/159). Die unrichtige Besetzung der Kammern ist dagegen stets erheblich (GVG §62).
§ 64(63) I Die im § 63 bezeichneten Anordnungen trifft das Präsidium. II Das Präsidium wird durch den Präsidenten als Vorsitzenden, die Direktoren und das dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter das der Geburt nach älteste Mitglied gebildet; ist kein Direktor ernannt, so besteht das Präsidium aus dem Präsidenten und den beiden ältesten Mitgliedern.
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§64
GVG
m Sind bei einem Landgericht zu Beginn des Geschäftsjahres mehr als zehn Direktoren angestellt, so gelten folgende besondere Vorschriften: Das Präsidium wird durch den Präsidenten als Vorsitzenden, seinen ständigen Vertreter (§ 66 Abs. 2), die acht dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach ältesten Direktoren und drei Mitglieder gebildet, die von der Gesamtheit der Mitglieder des Landgerichts für die Dauer des Geschäftsjahres gewählt werden. IV Das Präsidium entscheidet nach Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. A. Das Präsidium unterscheidet sich von der Direktorenversammlung des GVG § 62 II 2 dadurch, daß ihm beim LG noch das dienstälteste Mitglied (und bei mehreren gleichaltrigen das geburtälteste — weitere Differenzierungen wurden hier nicht getroffen —) des LG angehört. Zu ihm gehören auch die Direktoren, die zugleich Amtsrichter sind. Ist kein Direktor ernannt, so besteht das Präsidium aus dem LGPräsidenten und den beiden ältesten Mitgliedern. Sind dagegen beim LG mehr als zehn Direktoren angestellt, so wird es gebildet aus dem Präsidenten, seinem ständigen Vertreter (GVG § 66 II), acht rang- (hilfsweise geburt-) ältesten Direktoren und drei Mitgliedern, die von allen ständigen Mitgliedern des LG für die Dauer des Geschäftsjahres gewählt werden. Nicht wählbar sind die, welche schon dem Präsidium angehören; sonst können aber sowohl Direktoren wie andere ständige Mitglieder gewählt werden, und hier ohne Rücksicht auf ihr Alter. Darauf, ob mehr als zehn Direktoren Dienst tun, kommt es nicht an (BGH v. 19. 1. 1960 I StR 616/59). B. Über die Vertretung des Präsidenten vgl. GVG § 66 I I ; Direktoren und die gewählten Mitglieder werden nicht vertreten; dagegen ist vom Präsidium stets das jeweils im Dienste befindliche älteste Mitglied hinzuzuziehen, so daß sich insoweit von selbst die Vertretung des behinderten Mitglieds ergibt. 0. Stets entscheidet die Stimmenmehrheit (der Erschienenen); bei Stimmengleichheit entscheidet der LGPräsident (GVG § 64 IV). Für Beratung und Abstimmung sind GVG §§ 194 folg. entsprechend anzuwenden; doch ist auch die schriftliche Abstimmung durch Umlauf zulässig (RGSt. J W 31/3560 25 ). Es genügt aber nicht, wenn dem Präsidium nur von einer Maßnahme, die es zu treffen hat (außerhalb der Präsidialsitzung) Kenntnis gegeben wird (BGH N J W 58/550 = MDR 309). Auch kann das Präsidium nicht wirksam von vornherein bestimmen, daß bei dauernder Verhinderung eines Kammermitgliedes der von der Justizverwaltung als Ersatz zugewiesene Hilfsrichter von selbst in das Geichäftsgebiet des verhinderten Richters eintritt, sondern muß einen besonderen Beschluß zur gegebenen Zeit fassen (BGHSt. N J W 59/251). Wird ein Hilfsrichter für bestimmte Zeit zugeteilt, so ist ein neuer Präsidialbeschluß für die weitere Zuteilung erforderlich (BGH MDR 59/122).
§ 64a aufgehoben durch Nov. 1950 Art. 8 II 70.
§ 65
(64) I Der Präsident kann bestimmen, daß einzelne Untersuchungen von dem Untersuchungsrichter, dessen Bestellung mit dem Ablauf des Geschäftsjahres erlischt, zu Ende geführt werden, sowie daß in einzelnen Sachen, in denen während des Geschäftsjahres eine Verhandlung bereits stattgefunden hat, die Kammer in ihrer früheren Zusammensetzung auch nach Ablauf des Geschäftsjahres verhandle und entscheide. A. Im Interesse der Geschäftserleichterung darf der LGPräsident (also nicht das Präsidium) bestimmen, daß verhandelte oder im schriftlichen Verfahren vorentschiedene Sachen von der Kammer in alter Besetzung weitergeführt werden, und zwar sowohl nach Abschluß des Geschäftsjahres (und für alle folgenden) für die Prozeßdauer (RGZ 71/79 [81]) wie innerhalb eines Geschäftsjahres im Fall der nachträglichen Änderung des Geschäftsverteilungsplanes (GVG § 63 II, KG OLG 31/257); dies gilt auch für die Richter, welche inzwischen zu Direktoren ernannt worden sind (RG J W 05/501 32 ); aber nicht mehr für die, welche nicht mehr Mitglieder desselben LG sind.
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GVG
§65
B. Wird nach StPO § 229 die Hauptverhandlung im neuen Geschäftsjahr fortgesetzt, so bedarf es dazu keiner Anordnung des LGPräsidenten (BGHSt. N J W 56/110).
§ 66 (65) I Bei Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden führt den Vorsitz in der Kammer das von dem Präsidium vor Beginn des Geschäftsjahres zum regelmäßigen Vertreter bestellte Mitglied der Kammer; ist ein solcher Vertreter nicht bestellt oder ist auch er verhindert, so führt das Mitglied der Kammer, das dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach das älteste ist, den Vorsitz. I i Der Präsident wird in seinen übrigen durch dieses Gesetz bestimmten Geschäften, wenn ein Direktor zu seinem ständigen Vertreter ernannt ist, durch diesen, sonst durch den Direktor vertreten, der dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach der älteste ist. Ist kein Direktor ernannt, so wird der Präsident, wenn nicht ein Mitglied des Landgerichts zu seinem ständigen Vertreter ernannt ist, durch das Mitglied vertreten, das dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach das älteste ist. A. GVG § 66 I regelt die Vertretung des Vorsitzenden. A I . Bs ist der vom Präsidium (GVG § 64) vor Beginn des Geschäftsjahres oder im Falle einer Änderung der Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres (GVG § 63 II) bestimmte regelmäßige Vertreter, im Fall seiner Verhinderung der als zweiter Vertreter bestimmte; im Falle der Nichtbestimmung oder Verhinderung dieser das dienst- (notfalls das geburts-) älteste Kammermitglied und im Falle dessen Verhinderung das nächstälteste (RG H R R 32/147). In dieser Rangfolge kommt als Vertreter nur ein zur Kammer gehörendes (RGSt. 25/390), ständiges (planmäßiges) Mitglied des LG (also kein Hilfsrichter, BGHSt. 1/265) in Betracht. Steht aber aus der Kammer nur ein nichtständiges Mitglied zur Verfügung, so führt den Vorsitz das hinzugezogene Mitglied eiDer anderen Kammer, das ständig Richter am LG ist (BGHSt. MDR B 441/56). Das Dienstalter bestimmt die Landcs(Bundes)justizverwaltung durch die Ernennung. A II. Der ordentliche Vorsitzende (bzw. der Vertreter) kann durch Krankheit (RGSt. 56/63), Beurlaubung, aber auch jede rechtliche (Ablehnung) wie tatsächliche (unerlaubtes Fernbleiben) Unmöglichkeit verhindert sein, auch durch Tod oder Eintritt in den Ruhestand (RGSt. 62/274) und durch Überlastung (RGSt. 55/238), was sogar schon im Geschäftsverteilungsplan im voraus berücksichtigt werden darf (RGSt. 54/298); in Strafsachen wurde als Verhinderunggrund die Unkenntnis der Prozeßakten angesehen (RGSt. 56/63). Doch darf er nicht dauernd verhindert sein (GVG § 62 B II b). Steht zeitweilige Verhinderung fest, 60 wird der Hinderungsgrund in der Revisionsinstanz nicht nachgeprüft (RG J W 18/222 12 ); vgl. dagegen GVG §62 B II. Doch erscheint es nicht angängig, daß der Vorsitzende, der wegen Verhinderung abgegeben hat, als Beisitzer tätig wird (so aber für Strafsachen: RGSt. 23/100, und für das zur Vertretung des Vorsitzenden verllinderte Mitglied: RGSt. 25/390). Auch wenn eine neu zu besetzende Stelle erst noch besetzt werden muß, kann eine vorübergehende Verhinderung vorliegen (BGH v. 6.11.1959 — 4 StR 376/59). B. GVG § 66 II regelt die Vertretung des LGPräsidenten. B I. Er ist nach VO v. 20. 5. 1935 § 7 I von der Landesjustizverwaltung zu bestellen, muß indes ein Direktor (bzw. Senatspräsident) sein. Ist kein solcher (Erst- oder Zweit-) Vertreter bestellt oder auch dieser verhindert, so ist es das dienst- (notfalls das geburt-) älteste Mitglied des Gerichts. Ist kein Direktor ernannt, so darf ein (ständiges) Mitglied des LG zum (Erst- oder Zweit- usw.) Vertreter von der Landesjustizverwaltung bestellt werden; sonst ¡ist es in allen Fällen das dienst- (u. U. geburt-) älteste ständige Mitglied des LG. Der LGPräsident ist nicht befugt, ein anderes Mitglied als das berufene zu ermächtigen, ihn zu vertreten (RGSt. 60/32). B II. Die in GVG § 66 I I geregelte Vertretung betrifft nicht die Vertretung des LGPräsidenten als Vorsitzenden seiner Kammer, diese ist in GVG § 66 I geregelt.
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GVG §
67(66)
I Bei Verhinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mitgliedes wird ein zeitweiliger Vertreter durch den Präsidenten bestimmt. A. Der LGPräsident (bzw. im Falle seiner Verhinderung sein Vertreter, GVG § 66 II) bestimmt, wenn auch der regelmäßige (erste oder zweite) Vertreter eines Mitglieds, den das Präsidium nach GVG § 63 I bestellt, verhindert ist, einen zeitweiligen. Der Fall wird also erst praktisch, wenn ein Mitglied herangezogen werden Boll, das nicht schon zur Kammer gehört; denn diese Vertretung regelt der Vorsitzende allein (GVG § 69). Andererseits kann der Vorsitzende nicht etwa ein Mitglied, das nicht zur Kammer gehört, von sich aus hinzuziehen, selbst wenn der LGPräsident ihn ermächtigt haben sollte (RGSt. 41/184). Ist jemand regelmäßiger Vertreter für mehrere Kammermitglieder, so fällt damit seine Vertreterbereitschaft weg, sobald er ein Kammermitglied vertritt, d. h. wenn er dann für weitere Kammermitglieder als Vertreter einzutreten hätte, sind für sie zeitweilige Vertreter zu bestellen (RGSt. 40/438; RG V. 18.11.1909 IV Warn. 10/42). Der Präsident darf ein jedes Mitglied des Gerichts und auch sich selbst zum zeitweisen Vertreter bestellen (RGSt. J W 10/25 41 , RGSt. 40/437). Auf den zu seinem Bezirk gehörenden Amtsrichter darf er zurückgreifen, soweit dies das Landesrecht zuläßt (GVG § 70 III). Im Falle der Verhinderung des Vorsitzenden darf er auch für ihn den zeitweiligen Vertreter bestellen (RG v. 19. 6.1886 I E 16/413 [416]). B. Ob eine solche Verhinderung vorliegt, bestimmt die Justizverwaltung; dies wird rechtlich nach BGHSt. LM—GVG § 67/1 nicht nachgeprüft. Wohl aber muß grundsätzlich von der Landesjustizverwaltung die erforderliche Anzahl von Richtern und Vorsitzenden bestellt werden, so daß GVG § 67 nur den Ausnahmefall deckt (BGHSt. N J W 55/680); vgl. auch GVG § 10 C I. §
68(67)
I Die Vorschriften der §§ 62 bis 67 sind auf die Kammern für Handelssachen nicht anzuwenden. A. Der Vorsitzende der Kammer für Handelsachen wird vor Beginn des Geschäftsjahres (bei Änderung der Geschäftsverteilung auch während des Geschäftsjahres nach Errichtung der neuen Kammer, GVG § 63 II) vom LGPräsidenten bestellt (VO v. 20. 3.1935 § 7 IV). Über die Kammer für Handelsachen vgl. GVG §§ 93 folg., über die Ernennung von Handelsrichtern GVG §§ 108 folg. Die Zahl der Kammern bestimmt der LGPräsident; er verteilt auch die Geschäfte unter mehrere Kammern nach VO v. 20. 3.1935 § 7 IV. Ohne den Vorsitzenden bzw. seinen Vertreter ist die Kammer für Handelsachen nicht ordnungsmäßig besetzt (KG J W 30/2989").
§
6 9 (68)
I
Innerhalb der Kammer verteilt der Vorsitzende die Geschäfte auf die Mitglieder. A. Der Vorsitzende verteilt die Sachen unter die einzelnen Kammermitglieder und bestimmt auch ihre Mitbeisitzer, wenn mehr als zwei Beisitzer zu der Kammer gehören (RGZ 133/29 [331). Auch die Zuteilung an die Einzelrichter liegt in der Hand des Vorsitzenden (§§348, 350), soweit er nicht von ihrer Bestellung absieht. §
70(69)
I Soweit die Vertretung eines Mitgliedes nicht durch ein Mitglied desselben Gerichts möglich ist, wird sie auf den Antrag des Präsidiums durch die Landesjustizverwaltung geordnet, n Die Beiordnung eines nicht auf Lebenszeit ernannten Richters darf, wenn sie auf eine bestimmte Zeit erfolgte, vor Ablauf dieser Zeit, wenn sie auf unbestimmte Zeit erfolgte, solange
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GVG
§70 n
das Bedürfnis, durch das sie veranlaßt wurde, fortdauert, nicht widerrufen werden. Ist mit der Vertretung eine Entschädigung verbunden, so ist diese für die ganze Dauer im voraus festzustellen. m Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach denen richterliche Geschäfte nur von auf Lebenszeit ernannten Richtern wahrgenommen werden können, sowie die, welche die Vertretung durch auf Lebenszeit ernannte Richter regeln. A. Die Bestimmung betrifft die Bestellung eines nicht zum Gericht gehörenden Mitglieds als Vertreter, falls der ständig bestellte (GVG § 63 11) verhindert ist und auch kein anderer nach GVG § 67 aus den Mitgliedern des Gerichts bestellt werden kann. Die Vertreterbestellung soll die Landesjustizverwaltung auf Antrag des Präsidiums vornehmen. Richterlich wird nicht nachgeprüft, ob sie notwendig war (RGSt. 23/119); sie kann für einen Einzelfall wie als allgemeine Aushilfe angeordnet werden (RGSt. 22/168). Den Hilfsrichter wählt die Landesjustizverwaltung aus (RGSt. 57/270); er braucht nicht an der Stelle verwendet zu werden, wo der Bedarf aufgetreten ist (BGH LM §373/3); vielmehr regelt die Verwendung das Präsidium nach GVG § 63 I (RGSt. 42/297), das ihn in jedem Falle einweisen muß (RGSt. 23/120, 167). Zum Vorsitzenden darf ein Hilfsrichter nicht bestellt werden (GVG § 66 A I). B. Zum Hilfsrichter können die in GVG § 10 II Genannten bestellt werden (vgl. GVG § 10 C). Ein Hilfsrichter darf nur berufen werden entweder auf bestimmte Zeit oder für die Dauer eines bestimmten Bedürfnisses (die Krankheit eines Richters u. dgl. m.). Innerhalb dieser Zeit ist die Bestellung unwiderruflich (wenn nicht der Hilfsrichter dem Widerruf zustimmt). Bei der Entschädigung ist, wenn auf bestimmte Zeit bestellt wird, sie für die gesamte Zeit im voraus festzusetzen, wenn sie auf unbestimmte Zeit geht, sind die (monatlichen) Teilbeträge festzulegen. Für die Dauer schlechthin darf ein Hilfsrichter nicht bestellt werden ; bei Geschäftsüberlastung muß die Landesjustizverwaltung Planstellen schaffen (BGH N J W 54/505). Die Bestellung von zwei Hilfsrichtern für denselben Senat für zwei neuernannte OLG-Räte, welche erst noch ihre alte Tätigkeit abwickeln mußten, ist vom BGH J R 55/414 gebilligt worden.
§ 7 1 (70) I Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind. II Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig: 1. für die Ansprüche, die auf Grund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden; 2. für die Ansprüche gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen. m Der Landesgesetzgebung bleibt überlassen. Ansprüche gegen den Staat oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen Verfügungen der Verwaltungsbehörden sowie Ansprüche wegen öffentlicher Abgaben ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten ausschließlich zuzuweisen. A. Die Zuständigkeit des Landgerichts in Zivilsachen als Prozeßgericht erster Instanz wird in GVG § 71 im Verhältnis zum AG negativ abgegrenzt, während GVG § 71 II. I I I einige ausschließliche Zuständigkeiten des LG regelt. Die Trennung innerhalb des LG unter Zivilund Kammern für Handelsachen nehmen GVG §§ 94, 95 vor. A I. Nach GVG § 71 I ist das LG gesetzlich in vermögensrechtlichen (§ 2 A I b) Streiten zuständig, soweit sie nicht unter GVG § 23 I 2 bzw. Sondergesetze (GVG § 23 B III) fallen oder — von diesem Falle abgesehen — den Streitwert (§§ 3—9) von 1000 DM nicht übersteigen (GVG § 23 11). a) Doch dürfen die Parteien diese Zuständigkeit durch V e r e i n b a r u n g (§§38—40) ausschließen, nach der sie das AG angehen, soweit nicht die des LG ausschließlich ist (GVG § 71 i l ) ; von der Schiedsgerichtsvereinbarung ist hier nicht die Hede, wo es nur um die Ab6 W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§71
Ala
GVG
grenzung der sachlichen Zuständigkeit zwischen AG und LG geht. Umgekehrt können trotz gesetzlich begründeter Zuständigkeit des AG die Parteien die Zuständigkeit des LG vereinbaren (§§ 38—40), soweit nicht die Zuständigkeit des AG ausschließlich ist (GVG § 23 A I). b) N i c h t v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e S t r e i t e ( § 2 A I b l ) sind dem AG als Zivilprozeßgericht (über die Zuweisung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. GVG § 27 C und die in der Strafgerichtsbarkeit GVG §§ 24 folg.) nur noch in den Entmündigungvorverfahren zugewiesen (GVG § 23 B II); für alle anderen sind die LG zuständig. In ihnen verbietet zudem § 40 II die Vereinbarung (vgl. §§ 511a III, 547 I 2). c) Bei K l a g e u n d W i d e r k l a g e sind für die Zuständigkeit §§5, 506 zu beachten; eine bloße Aufrechnung ändert an der Zuständigkeit nichts (möglicherweise aber die mit einer Widerklage verbundene). d) Darüber hinaus gibt es eine Reihe gesetzlicher Zuweisungen an die LG. A l l . Nach GVG § 71 II gehören ferner ausschließlich und ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor die LG Ansprüche auf Grund der Beamtengesetze gegen den Fiskus und Ansprüche aus Amtspflichtverletzungen. Vgl. dazu auch §§ 511 a IV, 547 I 2. a) Ansprüche auf Grund der B e a m t e n g e s e t z e dürfen von den ordentlichen Gerichten nur insoweit geltend gemacht werden, wie der Rechtsweg offen ist (GVG § 13 H I). Die Ansprüche müssen g e g e n d e n „ F i s k u s " gerichtet sein. Unter den B e g r i f f d e s Bea m t e n fällt nur der im öffentlich-rechtlichen Sinn. Ferner gehören hierher die Ansprüche seiner Rechtsnachfolger, im besonderen der Hinterbliebenen, die beamtenrechtliche Ansprüche geltend machen. Der Beamte kann dabei auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Widerruf (RG v. 29. 6.1893 VI J W 381 1 ) berufen worden sein; auch die Beamten zur Wiederverwendung (nach dem AG ?u GG Art. 1311 gehören hierher. Nicht unter die Bestimmung fallen die Motare, nicht die Angestellten (RGZ 167/254 bei einem Erstattungsbeschluß). b) Die LG sind ausschließlich zuständig nach GVG § 71 II 2 für Amtspflichtverletzungansprüche (GVG § 13 K III). Die öffentlich-rechtliche Körperschaft hat bei schuldhaften Amtspflichtverletzungen den Anspruch auf Schadensersatz gegen den Handelnden, soweit dafür der Rechtsweg zulässig ist (vgl. GVG § 13 H I). Dritte haben solche Ansprüche gegen die Beamten unmittelbar regelmäßig nicht (anders wenn der Anspruch auf Grund des allgemeinen KriegsfolgeG erloschen ist, sodann haftet der Beamte nach allgemeinen KriegsfolgeG § 95), dafür aber die gegen die öffentlich-rechtliche Körperschaft (GG Art. 34), vgl. auch RBeamtenhaftungG § 3, soweit hier nicht die Ansprüche ausgeschlossen sind, wie etwa die gegenüber Ausländern nach RBeamtenhaftungG v. 22. 5.1910 (RGBl. 798) § 7. Dies gilt auch gegenüber Gerichtsvollziehern (RG J W 23/800 7 ). Nur bei Ansprüchen gegen Notare, die auf Gebühren gesetzt sind, besteht die Haftpflicht des Staates nicht, diese sind vielmehr unmittelbar von den dritten in Anspruch zu nehmen (NotO § 21). Auch die Ansprüche zwischen Notarkammer und Notarverweser, Notaren und Notarvertretern gehören hierher (VO v. 26. 6.1937 [RGBl. I 6631) §§ 8, 12 II. Soweit dieses Notarrecht nicht gilt, haftet der Staat. Der Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft bezieht sich auch auf Gemeinden (RGZ 163/195), sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften (RGZ 168/133), im besonderen auf die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften (RGZ 165/343). Dagegen ist der B e g r i f f d e s B e a m t e n hier anders als in GVG § 71 I I 1, nämlich nur als Hoheitsträger (vgl. GG Art. 34: „jemand") zu fassen. Weiter gehören hierher auch die Verfahren, die gegen öffentlichrechtliche Beamte (GVG § 71 A I I a, b) sich auf Grund des ErstattungG ergeben wegen der Fehlbestände. Dieses Gesetz gilt zwar auch gegen Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes; doch sind insoweit die Arbeitsgerichte zuständig, weil hier nicht nur an die öffentliche Tätigkeit dieser (die Ausübung von Hoheitsrechten) angeknüpft wird. GVG § 71 II 2 gilt insoweit nicht (BGH N J W 51/762 8 ). Darüber, ob der Rechtsweg bei Zugriff des Staates gegen Beamte noch gegeben ist, vgl. GVG § 13 H I f 1. Negative Ansprüche der Genannten gegen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften auf Feststellung, Rückzahlung u. dgl. m. fallen ebenfalls unter GVG § 71 II 2. Unter GVG § 71 II 2 gehören alle Ansprüche wegen schuldhaft verletzter Amtspflicht (RGZ 50/396). Es wird damit auf BGB § 839 verwiesen. Ansprüche aus dem Aufopferungrecht (Einl. z. ALR § 75) sind keine aus Amtspflichtver-
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Allb
letzung; ebenso nicht nach h. M. die aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung (BGHZ1/369). Nicht vor die LG gehören die Amtspflichtverletzungen, welche unter SchiffahrtsverfahrensG § 2 I d fallen. A III. Nach GVG § 71 III (i. F. der Nov. 1950) darf die Landesgesetzgebung Ansprüche gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften wegen Verwaltungsverfügungen oder wegen öffentlicher Abgaben ohne Rücksicht auf den Streitwert den Landgerichten ausschließlich zuweisen. Ist der Rechtsweg offen, so ist er es auch für Feststellungsklagen, die auf Rückgewähr und die auf Schadensersatz trotz ihrer Rechtsbeständigkeit gehen (RGZ 139/278 [282]). Die Zuweisungen durch die frühere Landesgesetzgebung sind dadurch vielfach gegenstandslos. Die Zuständigkeit richtet sich nur nach dem eingeklagten Anspruch; nicht nach einem zur Aufrechnung gestellten (BGH LM § 547 I 2/4). a) Der Begriff der ö f f e n t l i c h e n A b g a b e n ist weit zu fassen. Unter ihn fallen die im Sinne der AbgabenO, also das, was ohne Gegenleistung an eine öffentliche Körperschaft zu entrichten ist (RG D R 40 A 2183 23 ). b) Unter den Begriff der Abgaben i. S. des GVG § 71 I I I fallen aber nicht die aus dem sonstigen öffentlichen Recht durch besonderen Verwaltungsakt entstehenden Lasten bzw. Entschädigungsansprüche auf Grund von Enteignungen (RGZ 165/281 [287]). B. Die ausschließliche Zuständigkeit des LG als Zivilprozeßgericht der ersten Instanz wird in einer Reihe weiterer Vorschriften festgelegt: B II. i n v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e n S t r e i t e n ( § 2 A l b ) findet sich die Regelung der ausschließlichen Zuständigkeit der LG 8) in den Fällen des GVG § 71 II, I I I (GVG § 71 II, I I I ) ; b) in den Fällen der Anfechtungklagen im Aufgebotsverfahren (§ 957 II); c) nach AktienG §§ 199 I I I , 201 1, 202 I I I , 216 IV, 219 I I I für Anfechtung- und Nichtigkeitklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse, auf Feststellung der Nichtigkeit von Jahresabschlüssen einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien sowie die auf Nichtigkeiterklärung dieser Gesellschaften; das Entsprechende gilt nach VAG § 36 i. V. m. AktienG §§ 199, 201, 202 für die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit; nach GenG §§51, 96 für Anfechtungklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse einer Genossenschaft und auf Nichtigkeiterklärung dieser; d) nach BörsenG § 49 für Ansprüche aus BörsenG § 45 (Haftung für unrichtige Angaben in einem Prospekt, auf Grund dessen Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen wurden); e) nach PatentG § 51 1 1 (ohne erweiterte Rechtsmittclzulässigkeit); f ) n a c h HinterlegungO § 3 V (ohne erweiterte Rechtsmittelzulässigkeit, weil keine ausschließliche sachliche Zuständigkeit angeordnet worden ist); g) nach dem G v. 20. 5.1898 (RGBl. 345) § 5 I I I für Klagen — der Höhe nach — auf Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen und dem G v. 14. 7.1904 (RGBl. 321) § 6 (nach Vorbescheid der Verwaltung) für Klagen derer, die unschuldig in Untersuchunghaft gesessen haben; h ) nach dem BEG § 208 als Entschädigungkammer (mit besonders geregelter Rechtsmittelzulässigkeit) ; I) nach dem BaulandbeschaffungG § 32 I 2; k ) nach AG Schuldenabkommen v. 24.8.1953 (BGBl. 1 1003) § 16 für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schuldtitels (ohne erweiterte Rechtsmittelzulässigkeit); 1) nach G gegen Wettbewerbsbeschränkung § 87; m ) nach BLG § 58 I I (ohne erweiterte Rechtsmittelzulässigkeit); n ) nach LandbeschaffungsG § 59 I I I (ohne erweiterte Rechtsmittelzulässigkeit); o) nach SchutzbereichG § 2 5 I I I (ohne erweiterte Rechtsmittelzulässigkeit); p) nach HessAufbauG §43 (ohne erweiterte Rechtsmittelzulässigkeit). q) Nach AuslandsbondsentschädigungG v. 10.3.1960 (BGBl. 1177) § 15 ist die ausschließliche Zuständigkeit des LG Berllin begründet (ohne erweiterte Zuständigkeit der Rechtsmittel). B III. Über die besondere Zuweisung kraft Gesetzes in Anhangstreiten usw. vgl. GVG § 23 C und § 879 I I (Verteilungverfahren). C. Darüber hinaus sind die LG als erste Instanz auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig. Hier gilt indes die Regel, daß im Zweifel die AG zuständig sind, und nicht die LG (also das umgekehrte wie nach GVG § 711). Wo sie aber zuständig sind, sind sie es auch ausschließlich. D. Über die erstinstanzlichen strafrechtlichen Entscheidungen vg! StPO §§ 13 I I 2, I I I ; 14; 15; 19; GVG §§ 73, 74, 79 folg. 6*
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§ 72
(71)
I Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, sind die Berufungsnnd Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Bechtsstreitigkeiten. A. GVG § 72 regelt die zweitinstanzliche Zuständigkeit der LG im streitigen Verfahren. Über die Trennung der Zivilkammer von der für Handelsachen vgl. GVG § 100. A I . Sie sind im Zivilprozeß Berufungsinstanz (§§511 folg.) gegen amtsgerichtliehe Entscheidungen und ebenso erste Beschwerdeinstanz (§§ 567folg.). Gegenüber dem Mieteinigungsamt entscheidet das LG als Rechtsbeschwerdeinstanz (MSchG § 41). A II. Es ist aber auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit erste Beschwerdeinstanz (vgl. FGG § 19 II, GBO § 76, SchiffsregisterO § 76, VHG § 18 II) und nach WohnungeigentumsG § 58 gegen die Notare (als erste Instanz) bei der Vollstreckung (vgl. auch den Fall des PrFGG Art. 51 II). A III. Über die Zuständigkeit in Strafsachen als zweite Instanz vgl. GVG §§ 73, 74 II, JGG § 41 II. B. Das LG wird indes als Berufung- und Beschwerdeinstanz der streitigen Zivilgerichtsbarkeit bisweilen übersprungen, so B I. in Binnen-, Mosel- und Rheinschiffahrtsachen (vgl. das SchiffahrtsverfahrensG § 11), B II. und wenn es sich um Beschwerden wegen verweigerter Rechtshilfe und gegen die Sitzungpolizei handelt (GVG §§ 159, 181). B III. In Landwirtschaftsachen geht die Beschwerde an das Oberlandesgericht (LVG § 22). C. Die LArbG sind Berufungsgerichte und haben regelmäßig die den Landgerichten als Berufungs- und Beschwerdegerichte entsprechende Zuständigkeit (vgl. aber die Ausnahmen für die Entscheidung über die Ablehnung von Richtern, ArbGG § 49).
§ 73
(72)
I Die Strafkammern sind zuständig für die die Voruntersuchung und deren Ergebnisse betreffenden Entscheidungen, die nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung von dem Gericht zu erlassen sind; sie entscheiden über Beschwerden gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters und des Amtsrichters sowie gegen Entscheidungen des Amtsrichters und der Schöffengerichte. II Die Strafkammern erledigen außerdem die in der Strafprozeßordnung den Landgerichten zugewiesenen Geschäfte.
§ 73a ist durch Nov. 1950 weggefallen.
§ 74(73) I Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts, des Schwurgerichts oder des Bundesgerichtshofes gehören. Sie sind auch zuständig für alle Vergehen und Verbrechen, die von der Staatsanwaltschaft bei ihnen angeklagt werden (§ 24 Nr. 2, 3) oder vom Amtsgericht an sie verwiesen sind, weil seine Strafgewalt zu ihrer Aburteilung nicht ausreicht. II Die Strafkammern sind außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Amtsrichters und des Schöffengerichts.
84
GVG
§ 7 4 a (74) I Eine Strafkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, ist für den Bezirk des Oberlandesgerichts als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig für Verbrechen und Vergehen der Verbreitung hochverräterischer Schriften ( § 84 des Strafgesetzbuchs), der Staatsgefährdung ( § § 90 bis 97 des Strafgesetzbuchs), der Agententätigkeit in den Fällen des § 100 d Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs, der Gefährdung der Landesverteidigung in den Fällen des § 109 d, des § 109 e Abs. 1 bis 4, des § 109f und des § 109g Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, der Beteiligung an verbotenen Vereinigungen ( § § 129, 129 a des Strafgesetzbuchs), der Verschleppung (§ 234 a des Strafgesetzbuchs) und der politischen Verdächtigung ( § 2 4 1 a des Strafgesetzbuchs). Dasselbe gilt für die Vergehen nach den § § 42 und 47 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht. II Die Zuständigkeit der Strafkammer entfällt, wenn der Oberbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles vor der Eröffnung des Hauptverfabrens die Verfolgung übernimmt, es sei denn, daQ durch Abgabe oder Überweisung nach § 134 a Abs. 2 oder 3 die Zuständigkeit der Strafkammer begründet wird. m In den Sachen, in denen die Strafkammer nach Abs. 1 zuständig ist, trifft sie auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. IV Im Rahmen der Absätze 1 und 3 erstreckt sich der Bezirk des Landgerichts auf den Bezirk des Oberlandesgerichts.
§ 74 b(—) I In Jugendschutzsachen ( § 26 Abs. 1 Satz 1) ist neben der für allgemeine Strafsachen zuständigen Strafkammer auch die Jugendkammer als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. § 26 Abs. 2 und § § 73 und 74 gelten entsprechend.
§ 7 5 (77) I Die Zivilkammern sind, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozeßgesetze an Stelle der Kammer der Einzelrichter zu entscheiden hat, mit drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden besetzt. A. Soweit nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen ist (§§ 348, 349) bzw. der Vorsitzende (§ 944), im besonderen der der Kammer für Handelsachen (GVG § 105 I, I I I ) bzw. der Vorsitzende des ArbG (ArbGG §§ 53 folg.), LArbG (ArbGG §§ 64 I I I , 53), entscheidet die Kammer in der Besetzung von drei Mitgliedern (gleichviel mit wie vielen Mitgliedern sie nach der Geschäftsverteilung besetzt ist, vgl. GVG § 63 A, B ) .
§ 7 6 (77) I Die Strafkammern entscheiden außerhalb der Hauptverhandlung in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. II In der Hauptversammlung ist die Strafkammer besetzt: mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (kleine Strafkammer), wenn sich die Berufung gegen ein Urteil des Amtsrichters richtet; mit drei Richtern mit Einschluß des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer) in allen übrigen Fällen.
85
GVG
§ 77 ( - ) I Für die Schöffen der Strafkammer gelten entsprechend die Vorschriften über die Schöffen des Schöffengerichts mit folgender Maßgabe: II Die Landesjustizverwaltung verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen auf die zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichtsbezirke. Die Hilfsschöffen wählt der Ausschuß bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat. Hat das Landgericht seinen Sitz außerhalb seines Bezirks, so bestimmt die Landesjustizverwaltung, welcher Ausschuß der zum Bezirk des Landgerichts gehörigen Amtsgerichte die Hilfsschöffen wählt. Die Namen der gewählten Hauptschöffen und der Hilfsschöffen werden von dem Amtsrichter dem Landgerichtspräsidenten mitgeteilt. Der Landgerichtspräsident stellt die Namen der Hauptschöffen zur Schöffenliste des Landgerichts zusammen. HI An die Stelle des Amtsrichters tritt für die Auslosung der Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen der Strafkammer teilnehmen, und für die Streichung eines Schöffen von der Schöffenliste des Landgerichts der Landgerichtspräsident, im übrigen tritt an die Stelle des Amtsrichters der Vorsitzende der Strafkammer. IV Niemand soll für dasselbe Geschäftsjahr zugleich als Schöffe für das Schöffengericht und für die Strafkammer bestimmt werden. Ist dies dennoch geschehen oder ist jemand für dasselbe Geschäftsjahr in mehreren Bezirken zu diesen Ämtern bestimmt worden, so hat der Einberufene das Amt zu übernehmen, zu dem er zuerst einberufen wird.
§ 78
(78)
.ch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann wegen großer Entfernung des Landgerichtssitzes bei einem Amtsgericht für den Bezirk eines oder mehrerer Amtsgerichte eine Strafkammer gebildet und ihr für diesen Bezirk die gesamte Tätigkeit der Strafkammer des Landgerichts oder ein Teil dieser Tätigkeit zugewiesen werden. Q Die Kammer wird aus Mitgliedern des Landgerichts oder Amtsrichtern des Bezirks besetzt, für den sie gebildet wird. Der Vorsitzende und die übrigen Mitglieder werden nach § 63 durch das Präsidium des Landgerichts bezeichnet. n i Die Landesjnstizverwaltung verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen auf die zum Bezirk der Strafkammer gehörenden Amtsgerichtsbezirke. Die Hilfsschöffen wählt der Ausschuß bei dem Amtsgericht, bei dem die auswärtige Strafkammer gebildet worden ist. Die im § 77 dem Landgerichtspräsidenten zugewiesenen Geschäfte nimmt der Vorsitzende der Strafkammer wahr.
Sechster Titel Schwurgerichte
§ 79
(79)
I Für die Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen treten bei den Landgerichten nach Bedarf Schwurgerichte zusammen.
§ 80 (80) I
Die Schwurgerichte sind zuständig für die Verbrechen der Unzucht nnd Notzucht mit Todesfolge (§ 178 StGB), des Mordes (§ 211 StGB), des Totschlags (§ 212 StGB),
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GVG
§801
der der der der der des des
Kindestötung (§ 217 StGB), Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 3 letzter Halbsatz StGB), Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB), Vergiftung mit Todesfolge (§ 229 Abs. 2 letzter Halbsatz StGB), Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 3 StGB), schweren Raubes (§ 251 StGB), räuberischen Diebstahls und der räuberischen Erpressung (§§ 252, 255 StGB), wenn die Strafe aus § 251 zu entnehmen ist, der besonders schweren Brandstiftung (§ 307 StGB), der Zerstörung durch explodierende Stoffe (§ 311 StGB), wenn die Strafe aus § 307 StGB zu entnehmen ist, der Überschwemmung mit Todesfolge (§ 312 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB), der Beschädigung wichtiger Bauten mit Todesfolge (§ 321 Abs. 2 letzter Ualbsatz StGB), der gemeingefährlichen Vergiftung mit Todesfolge (§ 324 letzter Halbsatz StGB), der Freiheitsberaubung im Amt mit Todesfolge (§§ 341, 239 Abs. 3 StGB), der Tötung durch Sprengstoffe (§ 5 Abs. 2 Halbsatz 2, Abs. 3 Sprengstoffgesetz).
§ 81 (81) I Das Schwurgericht besteht aus drei Richtern mit Einschluß des Vorsitzenden und sechs Geschworenen.
§ 82 (82) I Die Richter und die Geschworenen entscheiden über die Schuld- und Straffrage gemeinschaftlich; während der Hauptverhandlung üben die Geschworenen das Richteramt im gleichen Umfang wie die Schöffen aus. H Außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden während der Tagung die richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts; außerhalb der Tagung entscheidet die Strafkammer des Landgerichts.
§ 83 (83) I Vor Beginn des Geschäftsjahres ernennt der Oberlandesgerichtspräsident für jede Tagung des Schwurgerichts aus der Zahl der Mitglieder des Oberlandesgerichts oder der in seinem Bezirk angestellten Richter einen Vorsitzenden des Schwurgerichts. n In gleicher Weise ernennt der Landesgerichtspräsident für jede Tagung des Schwurgerichts aus der Zahl der Mitglieder des Landgerichts und der in seinem Bezirk angestellten Amtsrichter einen Stellvertreter des Vorsitzenden, die übrigen richterlichen Mitglieder und ihre Stellvertreter. m Wird im Laufe des Geschäftsjahres eine Schwurgerichtstagung erforderlich, für die richterliche Mitglieder nicht ernannt worden sind, so können sie nachträglich ernannt werden. Ebenso können nachträglich Stellvertreter ernannt werden, wenn eine Vertretung erforderlich wird und die regelmäßigen Vertreter verhindert sind. IV Solange noch nicht bestimmt ist, wann das Schwurgericht zusammentritt, erledigt der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts die in diesem Gesetz und in der Strafprozeßordnung dem Vorsitzenden zugewiesenen Geschäfte. Das gleiche gilt, nachdem die Tagung geschlossen ist.
§ 84
(84)
I Für die Geschworenen gelten die Vorschriften der §§ 81 bis 57, 77 entsprechend, soweit nicht die §§ 85 bis 90 Abweichendes bestimmen.
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GVG
§ 85 (86) I Die Zahl der Hauptgeschworenen ist so zu bestimmen, daß voraussichtlich jeder Hauptgeschworene nur zu einer Tagung des Schwurgerichts im Geschäftsjahr herangezogen wird.
§ 86 (87) I Die Reihenfolge, in der die Hauptgeschworenen an den Tagungen des Schwurgerichts teilnehmen, wird für das ganze Geschäftsjahr im voraus durch Auslosung bestimmt; der Landgerichtspräsident setzt die Geschworenen von der Auslosung mit dem Hinzufügen in Kenntnis, daß ihnen darüber, ob und zu welchem Tage sie einberufen werden, eine weitere Nachricht zugehen werde.
§ 87 (—) I Der Landgerichtspräsident bestimmt, wann das Schwurgericht zusammentritt, und ordnet die Einberufung der Hauptgeschworenen für die einzelne Tagung nach der Reihenfolge ihrer Auslosung an. Zwischen der Zustellung der Ladung und dem Beginn der Tagung soll eine Frist von zwei Wochen liegen.
§ 88
(94)
I Der Landgerichtspräsident entscheidet über die von den Geschworenen vorgebrachten Ablehnungsgründe sowie darüber, ob ein Geschworener ferner zur Dienstleistung heranzuziehen ist.
§ 89
(95)
I Erstreckt sich eine Tagung des Schwurgerichts über den Endtermin des Geschäftsjahres hinaus, so bleiben die Geschworenen, die dazu einberufen sind, bis zum Schluß der Tagung zur Mitwirkung verpflichtet.
§ 90(97) I Niemand soll für dasselbe Geschäftsjahr als Geschworener und als Schöffe bestimmt werden, n Ist dies dennoch geschehen oder ist jemand für dasselbe Geschäftsjahr in mehreren Bezirken zu diesen Ämtern bestimmt worden, so hat der Einberufene das Amt zu übernehmen, zu dem er zuerst einberufen wird.
§ 91 (98) I Die Strafkammer des Landgerichts kann bestimmen, daß einzelne Sitzungen des Schwurgerichts nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Ort innerhalb des Schwurgerichtsbezirks abzuhalten seien. H Wird in einem solchen Fall die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Geschworenen erforderlich, so werden die Hilfsschöffen des für den Sitzungsort zuständigen Schöffengerichts nach § 49 herangezogen.
§ 92 (99) I Die Landesjustizverwaltung kann bestimmen, daß die Bezirke mehrerer Landgerichte zu einem Schwurgerichtsbezirk zusammengelegt und die Sitzungen des Schwurgerichts bei einem der Landgerichte abgehalten werden.
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GVG
§92
II In diesem Falle hat das Landgericht, bei dem die Sitzungen des Schwurgerichts abgehalten werden, und dessen Präsident die ihnen in den §§ Sä bis 91 zugewiesenen Geschäfte für den Umfang des Schwurgerichtsbezirks wahrzunehmen. III Die Mitglieder des Schwurgerichts mit Einschluß des Stellvertreters des Vorsitzenden können aus der Zahl der in dem Bezirk des Schwurgerichts angestellten Richter bestimmt werden. IT Die Zahl der erforderlichen Hauptgeschworenen wird auf sämtliche Amtsgerichte des Schwurgerichtsbezirks verteilt.
Siebenter Titel Kammern für Handelssachen
§ 93 (100) I Soweit die Landesjustizverwaltung ein Bedürfnis als vorhanden annimmt, können bei den Landgerichten für deren Bezirke oder für örtlich abgegrenzte Teile davon Kammern für Handelssachen gebildet werden. II Solche Kammern können ihren Sitz innerhalb des Landgerichtsbezirks auch an Orten haben, an denen das Landgericht seinen Sitz nicht hat. B. Zwischen den Zivilkammern und den Kammern für Handelsachen besteht grundsätzlich nur der Unterschied, der auch sonst zwischen mehreren Kammern desselben Gerichts bei der Geschäftsverteilung besteht, nur wird ihre „Zuständigkeit" nicht nach den Grundsätzen dieser, sondern ausschließlich nach dem GVG bestimmt, sofern eine Kammer für Handelsachen eingerichtet ist (GVG §§ 93, 94). B I. Auf diese unterschiedlich geregelte f u n k t i o n e l l e Z u s t ä n d i g k e i t sind §§ 274 II 1, 528 I 2, 5511 4 nicht anzuwenden (EG Gruch. 37/766). a) Soweit sich die Unzuständigkeit ergibt, ist zu v e r w e i s e n . Darüber darf auch der Einzelrichter entscheiden (§ 349 1 1). § 276 ist unanwendbar. Die Zivilkammer darf, abgesehen von Beschwerdesachen, nicht von Gerichts wegen verweisen, die Kammer für Handelsachen darf es dagegen nach GVG §§ 97 II, 99 II. Soweit Klagen an bestimmte Prozeßgerichte gebunden sind (GVG § 23 C I a), gilt dies nicht so, daß die einzelne früher zuständig gewesene Kammer wieder zu entscheiden hätte, sondern es kann z. B. über die Vollstreckunggegenklage (§ 767) auch eine andere Kammer entscheiden (RGZ 45/343 [344]). b) Die Kammer für Handelsachen wird nur auf A n t r a g des (Berufung-)Klägers in der Klage- (bzw. Berufung-)schrift bzw., soweit zu einer Verweisung an die Kammer ein Antrag gehört, mit diesem, der vom Kläger gestellt ist, zuständig (GVG §§ 96, 100) und sofern die Voraussetzungen nach GVG § 95 gegeben sind, wie in der Beschwerdeinstanz (GVG § 104), wo die Zuständigkeit allerdings von Gerichts wegen geprüft wird. Sind die Voraussetzungen des GVG § 95 nicht gegeben, so wird auf Antrag des (Berufung-)Beklagten (nicht des Klägers) an die Zivilkammer, bei nachträglicher Erweiterung oder Widerklage auf Antrag des Gegners (GVG § 99) und, wenn dieser Widerklage erhoben hat, aber die Voraussetzungen des GVG § 95 — mit Ausnahme der Kaufmannseigenschaft — für diese nicht bestehen, auch von Gerichts wegen (GVG §§ 97, 99 II) verwiesen. Andererseits darf auch der (Berufung-)Beklagte durch Antrag die Verweisung an die Kammer für Handelsachen durchsetzen, wenn die Voraussetzungen des GVG § 95 gegeben sind und keine Widerklage erhoben wird, die nicht Handelsache ist; während aber die Zivilkammern in all diesen Fällen nicht von Gerichts wegen verweisen, geschieht dies in der Beschwerdeinstanz.
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§ 9 3 BI
GVG
c) Über die Zulässigkeit der Anträge vgl. GVG §101; über die Unanfechtbarkeit der Verweisung GVG § 102. All dies gilt, gleichviel ob die LG als erste oder als zweite Instanz (vgl. GVG §§ 96 folg., 100, 104) entscheiden. B II. Ausgenommen von diesen Wirkungen sind nach der h. M. die auswärtigen Kammern für Handelsachen, die nach GVG § 93 II gebildet sind, soweit nunmehr eine gebietsmäßig nicht zuständige Kammer angegangen wird. In diesem Fall hat man das Verhältnis der örtlichen Unzuständigkeit angenommen (RGZ 48/27 [29]). a) Der Unterschied zwischen der Zivilkammer und der Kammer iür Handelsachen besteht einmal in ihrer Besetzung mit zwei Laienbeisitzern und der erweiterten Zuständigkeit ihres Vorsitzenden (GVG § 105). Der Vorsitzende braucht kein Direktor zu sein, wohl aber muß er ein (ständiges) Mitglied des Landgerichts sein, nur bei auswärtigen Kammern für Handelsachen (GVG § 93 II) darf es auch ein (ständiger) Amtsrichter sein (GVG § 106). Er und sein Vertreter werden vom LGPräsidenten bestellt, bei mehreren Kammern für Handelsachen verteilt dieser die Geschäfte unter sie. B III. Verfahrensmäßig weicht die Regelung nur im Fall des GVG § 103 (bei der HauptinterventioD) ab. C. Ob Kammern für Handelsachen gebildet werden, entscheidet allein die Landesjustizverwaltung nach ihrem Ermessen; sie darf solche Kammern für den gesamten LGBezirk errichten, aber auch für örtlich begrenzte Teile dieses Bezirks (GVG § 93 I), für mehrere LGBezirke darf sie nur in Kartellsachen errichtet werden (G gegen Wettbewerbsbeschränkungen § 89). Auch steht es ihr frei, auswärtige Kammern für Handelsachen (d. h. solche, die ihren Sitz nicht an dem des LG haben) zu errichten (GVG § 93 II); auch diese dürfen sich auf den gesamten LGBezirk oder seine örtlich begrenzten Teile erstrecken, über den LGBezirk aber nur in Kartellsachen hinausgehen; ihnen darf ein Amtsrichter vorstehen (GVG §106).
§ 9 4 (101a) I Ist bei einem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so tritt für Handelssachen diese Kammer an die Stelle der Zivilkammern nach Maßgabe der folgenden Vorschriften. A. Wo Kammern für Handelsachen errichtet sind, treten sie im Zivilprozeß an die Stelle der Zivilkammern in erster und in zweiter Instanz (GVG § 93 B). B. Sie sind aber auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig.
§ 9 5 (101) I Handelssachen im Sinne dieses Gesetzes sind die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen durch die Klage ein Anspruch geltend gemacht wird: 1. gegen einen Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches ans Geschäften, die für beide Teile Handelsgeschäfte sind; 2. aus einem Wechsel im Sinne des Wechselgesetzes oder aus einer der im § 363 des Handelsgesetzbuches bezeichneten Urkunden; 3. auf Grund des Scheckgesetzes; 4. aus einem der nachstehend bezeichneten Rechtsverhältnisse: a) aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern oder zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgeschäfts, sowohl während des Bestehens als auch nach Auflösung des Gesellschafterverhältnisses, und aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Vorstehern oder den Liquidatoren einer Handelsgesellschaft und der Gesellschaft oder deren Mitgliedern; b) aus dem Rechtsverhältnis, welches das Recht zum Gebrauch der Handelsfirma betrifft;
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GVG
§95
14
e) aus den Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz der Warenbezeichnungen, Muster und Modelle beziehen; d) aus dem Rechtsverhältnis, das durch den Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts unter Lebenden zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber entsteht; e) aus dem Rechtsverhältnis zwischen einem Dritten und dem, der wegen mangelnden Nachweises der Prokura oder Handlungsvollmacht haftet; f ) aus den Rechtsverhältnissen des Seerechts, insbesondere aus denen, die sich auf die Reederei, auf die Rechte und Pflichten des Reeders oder Schiffseigners, des Korrespondentreeders und der Schiffsbesatzung, auf die Bodmerei und die Haverei, auf den Schadensersatz im Falle des Zusammenstoßes von Schiffen, auf die Bergung und Hilfeleistung und auf die Ansprüche der Schiffsgläubiger beziehen; 5. auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 (Reichsgesetzbl. S. 499); 6. aus den §§ 45 bis 48 des Börsengesetzes (Reichsgesetzbl. 1908 S. 315). A. GVG § 95 regelt die erstinstanzliche Zuständigkeit der Kammer für Handelsachen, soweit sie gebildet ist. Sind die Voraussetzungen des GVG § 95 gegeben, so darf (von dem Fall der Widerklage abgesehen) weder auf Antrag des Gegners noch von Gerichts wegen an die Zivilkammer verwiesen werden; andererseits soll auf Antrag des Gegners eine solche Sache, die vor die Zivilkammer gebracht war, an die für Handelsachen verwiesen werden (GVG § 98). Doch sind fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse nicht angreifbar (GVG § 102). B I. Die Klage muß nach GVG § 95 1 1 gegen einen Kaufmann (z. Z. der Klageerhebung) gerichtet sein; doch genügt es, wenn er es zunächst nicht (mehr) war, daß er es bis zum Zeitpunkt der (sonst in Betracht kommenden) Verweisung geworden ist. Ist einer von mehreren Beklagten nicht Kaufmann, so liegt der Fall des GVG § 95 I nicht vor, selbst wenn die Klage gegen ihn abtrennbar ist (vgl. § 145 B II a). a) Der Begriff des K a u f m a n n s ist dem Handelsrecht zu entnehmen (vgl. HGB §§ 1—7> AktienG §§ 3, 219 III, GenG § 17 II, GmbHG § 13 III, VAG § 16); die Post ist es nicht nach HGB § 452. Ob es die Bundesbahn ist, ist streitig (bejahend RGZ 161/341 [346f.l). Kaufmann ist auch der Minderkaufmann (HGB § 5). Als Beklagter kann er sich auf die Bestimmung nicht stützen und auch der Vollkaufmann, der nicht registriert ist, kann es nicht (GVG § 98); der Scheinkaufmann wird wie der Kaufmann behandelt. b) Über den Begriff des b e i d e r s e i t i g e n H a n d e l s g e s c h ä f t s vgl. HGB §§343, 344. Ansprüche aus anderen Rechtsgründen gehören nicht unter die Bestimmung, selbst wenn sie bloß eventuell geltend gemacht werden (LG HRGZ 28 B 447 199 ) oder die anderen Ansprüche überlagern (LG GRUR 51/82 nimmt dann ein Wahlrecht des Klägers an). B II. Ansprüche aus einem W e c h s e l (GVG § 93 I 2) nach WG Art. 1 folg., 75 oder aus einer kaufmännischen Anweisung usw. nach HGB § 363 fallen stets unter die Bestimmung, gleichviel ob im Urkunden- oder im allgemeinen Prozeß geklagt wird (RGZ 78/317) und ob die Parteien Kaufleute sind. Dagegen gehören Ansprüche aus Wechselbereicherung (WG Art. 89) nicht hierher, wohl aber auch die Wechselansprüche, welche nur durch gewöhnliche Abtretung übertragen wurden (also auch im Fall des WG Art. 20 I 2). B IU. Für Ansprüche aus dem S c h e c k (GVG § 93 I 3) i. S. des ScheckG gilt das über die Ansprüche aus Wechseln Gesagte entsprechend. B IV a. In den unter GVG § 95 I 4 a lallenden Streitigkeiten kommt es dabei nicht darauf an, ob die H a n d e l s g e s e l l s c h a f t b z w . das H a n d e l s g e s c h ä f t , an das sie anknüpfen, noch besteht oder aufgelöst ist und ob die Ansprüche an das Bestehen oder die Auflösung anknüpfen (HGB § 156, AktienG §§ 205 II, 219 III). a 1. GVG § 95 I 4 a nennt Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft und dieser wie umgekehrt, nicht aber die der Mitglieder der Handelsgesellschaften untereinander (doch kann insoweit ein Fall des GVG § 95 1 1 vorliegen). Sonst brauchen die
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§ 9 5 BIVal
GVG
Mitglieder nicht Kaufleute zu sein. Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind nach VAG § 16 keine Handelsgesellschaften, auch ist es nicht die bürgerlich-rechtliche Gesellschalt der Minderkaufleute ( H G B § 4 ) . a 2. Handelsache ist aber auch der Streit zwischen den V e r t r e t e r n einer Handelsgesellschaft und der Gesellschaft oder ihreD Mitgliedern. Vertreter einer Handelsgesellschaft sind nur ihre gesetzlichen Vertreter, aber auch dann, wenn ihre Vertretungmacht beschränkt ist. Über Abwickler vgl. H G B §§ 146 folg., AktienG §§ 206 folg., GmbHG §§ 66 folg. Auch hier kommen nur Ansprüche in Betracht, die ihre Beziehung auf die Handelsgesellschaft haben. Doch kann hier auch ein Streit vorliegen, wo die Handelsgesellschaft nicht Partei ist, sondern nur ihre Mitglieder und ihre Vertreter. Auf die Kaufmannseigenschaft der Mitglieder und der Vertreter (z. Z. der Klageerhebung) kommt es nicht an; auch ihre Rechtsnachfolger machen Ansprüche aus Handelsachen geltend bzw. müssen sie gegen sich als solche gelten lassen. a 3 . Die s t i l l e G e s e l l s c h a f t ( H G B §§ 6, 335 folg.) ist keine Handelsgesellschaft. Dennoch sind diese Streitigkeiten einbezogen worden. Dabei kann der stille Gesellschafter auch Nichtkaufmann, der ein Handelsgeschäft Betreibende auch ein Minderkaufmann i. S. des H G B § 4 sein. Ist er aber überhaupt nicht Kaufmann, weil er kein Handelsgewerbe betreibt (etwa der Grundstücksmakler), so ist der Streit keine Handelsache. b) Handelsachen sind nach GVG § 95 I 4 b auch die Ansprüche aus dem F i r m e n r e c h t ( H G B §§ 13 folg.). Der, welcher eine Firma führt, muß dabei Vollkaufmann sein, nicht aber sein Gegner. Auf den Rechtsgrund des Anspruchs kommt es nicht an. c ) Handclsachen sind ferner die Ansprüche (GVG § 95 I 4 c) auf den Schutz von W a r e n z e i c h e n , von Geschmacksmustern. Doch gehören die Streite nach dem GebrauchsmusterG vor die Zivilkammern; auch die Patentstreitigkeiten kommen nicht vor die Kammern für Handelsachen. d) Über den Streit zwischen E r w e r b e r und Veräußerer von Handelsgeschäften (GVG § 95 I 4 d) vgl. H G B §§ 22, 25 (es ist also der über das Geschäft eines Vollkaufmanns). e) Wer sich als P r o k u r i s t oder Handlungsbevollmächtigter (GVG § 95 I 4 e; vgl. H G B §§48foIg., 54folg.) geriert und nicht nachweisen kann, daß er es ist, haftet nach B G B § 179. Diese Klage ist sowohl dann, wenn der dritte gegen ihn klagt, wie umgekehrt, wenn der (angebliche) Prokurist oder der (angebliche) Handlungsbevollmächtigte gegen deD dritten auf negative Feststellung klagen, Handelsache. Auch hier kommt es auf die Kaufmannseigenschaften nicht an. f ) Streitigkeiten aus dem S e e - oder dem B i n n e n s c h i f f a h r t s ( F l ö ß e r e i - ) r e c h t sind Handelsachen (GVG § 95 I 4 f); doch werden die Kammern für Handelsachen mit ihnen nur befaßt, soweit 6ie vor die Landgerichte gehören. GVG § 94 regelt deren Zuständigkeit nicht, sondern nur die Geschäftsverteilung zwischen Zivilkammern und den Kammern für Handelsachen. f 1. N i c h t hierher gehören deshalb Streitigkeiten mit der Besatzung von Binnen- und Seeschiffen, die der Arbeitsgerichtsbarkeit nach ArbGG § 2 I 2 unterliegen. f 2. N i c h t hierher gehören die Streitigkeiten, die vor die Binnen-, Mosel- oder Rheinschiffahrtgerichte gehören. f 3 . Handelsachen StrandungO.
sind aber
alle
sonstigen
Ansprüche
aus dem Seerecht, der
B V. Bei den Klagen aus dem u n l a u t e r e n W e t t b e w e r b (GVG § 95 I 5) kommt es nur darauf an, ob auch ein Haftungsgrund auf ihn gestützt wird, gleichviel ob sonst Haftungsgründe aus Vertrag oder sonstiger unerlaubter Handlung geltend gemacht werden. Zu dem UWG gehören auch die Bestimmungen, die auf es verweisen, vgl. NotVO v. 9 . 3 . 1932 ( R G B l . I 121), R a b a t t G v. 25. 1 1 . 1 9 3 3 ( R G B l . 1 1 0 1 1 ) . Wird indes ein Anspruch aus WarenzeichenG geltend gemacht, so hat dieser bei Überlagerung den Vorrang (vgl. WZG §§ 32, 33). B VI. Handelsachen sind ferner Ansprüche aus BörsenG §§ 45—46 (GVG § 95 I 6), das sind die aus unrichtiger Angabe auf Prospekten der zum Börsenhandel zugelassenen Papiere u. dgl. m. gegen Ausgeber von Börsenpapieren.
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B VII. Handelsachen sind ferner die Streitigkeiten aus Kartellverträgen und Kartellbeschlüssen (G gegen Wettbewerbsbeschränkungen § 87 II).
§ 96 (102) I Der Rechtsstreit wird vor der Kammer für Handelssachen verhandelt, wenn der Kläger dies in der Klageschrift beantragt hat. II Ist ein Rechtsstreit nach den Vorschriften der §§ 276, 506 der Zivilprozeßordnung vom Amtsgericht an das Landgericht zu verweisen, so hat der Kläger den Antrag auf Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht zu stellen. A. GVG § 96 I schreibt vor, daß der Kläger den Antrag, daß die Sache vor der Kammer für Handelsachen verhandelt werden soll, in der Klageschrift (oder im gleichzeitig eingereichten Gesuch) stellen soll {Sydow-Busch § 96 Anm. 1 wollen es genügen lassen, daß der Antrag vor Terminsanberaumung gestellt wird). B. Kommt die Sache an das LG durch Verweisung vom AG, so muß der Antrag des Klägers vor Erlaß des Verweisungbeschlusses gestellt sein, also im besonderen, wenn nach § 697 ohne mündliche Verhandlung an das LG verwiesen wird (Baumbach-Lauterbach § 96 Anm. 2 A; a. M. Sydow-Busch § 96 Anm. 2, die noch an die Ladung vor das LG anknüpfen wollen; doch wird jetzt von Gerichts wegen geladen; dies gilt auch bei der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 128 II. §§276, 506 gelten hier nicht (KG OLG 33/78). Über das Recht des Beklagten vgl. GVG § 98. C. Wird von einem LG (Kammer für Handelsachen; an ein anderes LG verwiesen, so wird auch bei dem anderen der Streit vor der Kammer für Handelsachen anhängig, sofern dort eine solche besteht. Wird aber von einem LG, bei dem keine Kammer für Handelsachen besteht, an eines, bei dem sie vorhanden ist, verwiesen, so ist auch hier der Antrag nur bis zum Erlaß des Verweisungsbeschlusses zulässig. It. Das verweisende Gericht hat nur die Zuständigkeit des LG als solche zu prüfen, die Zuständigkeit der Kammer für Handelsachen ist von ihm nicht zu prüfen. Über die Frage, wann die Kammer für Handelsachen verweisen darf, vgl. GVG § 97.
§ 97 (103) I Wird vor der Kammer für Handelssachen eine nicht vor sie gehörige Klage zur Verhandlung gebracht, so ist der Rechtsstreit auf Antrag des Beklagten an die Zivilkammer zu verweisen. II Gehört die Klage oder die im Falle des § 506 der Zivilprozeßordnung erhobene Widerklage als Klage nicht vor die Kammer für Handelssachen, so ist diese auch von Amts wegen befugt, den Rechtsstreit an die Zivilkammer zu verweisen, solange nicht eine Verhandlung zur Hauptsache erfolgt und darauf ein Beschluß verkündet ist. Die Verweisung von Amts wegen kann nicht aus dem Grund erfolgen, daß der Beklagte nicht Kaufmann ist. A. GVG § 97 regelt die Verweisung des Streits vor der Kammer für Handelsachen an die Zivilkammer. Der Verweisungsbeschluß ist unanfechtbar (GVG § 102). A I. Wird keine Handelsache (GVG § 95) vor die Kammer für Handelsachen gebracht, so soll sie auf Antrag des Beklagten an die Zivilkammer verwiesen werden (GVG § 97 I). Dazu genügt es schon, wenn bei objektiver Klagehäufung auch nur ein Klageanspruch nicht unter GVG §95 fällt; ebenso genügt es, wenn bei subjektiver Klagehäufung nur für einen der Beklagten die Sache nicht Handelsache ist (vgl. GVG § 95 B), sofern gerade dieser den Antrag stellt; ein anderer, für den sie Handelsache ist, stellt ihn, abgesehen von notwendiger Streitgenossenschaft oder notwendiger Streithilfe, für sich allein ohne Erfolg. Auf die Person des Streitgehilfen wird es aber nicht abgestellt. Über den Charakter des Antrags vgl. GVG § 101 All.
93
§97
GVG
A II. V o n G e r i c h t s w e g e n (also auch ohne Antrag) darf nur in den Fällen des GVG §§ 97 I I , 99 I I verwiesen werden. a ) Ist die Klage keine Handelsache (GVG § 95), so darf bis auf den Fall, wo der Beklagte kein Kaufmann ist (GVG § 95 1 1 ) , von Gerichts wegen verwiesen werden; die fehlende Kaufmannseigenschait des Beklagten muß also außer Betracht bleiben. h) Über den Fall der Klageerweiterung, der Widerklageerhebung oder der Widerklageerweiterung oder der Änderung dieser Klage vgl. GVG § 99. Nur wenn wegen einer vor dem AG erhobenen Widerklage der Rechtstroit gemäß § 506 verwiesen worden ist und diese keine Handelsache ist (ist es schon die Klage nicht, so gilt GVG § 97 I unmittelbar), so darf wieder der gesamte Streit an die Zivilkammer von Gerichts wegen verwiesen werden. Aber auch hier kommt es nicht darauf an, daß der Kläger als Widerbeklagter nicht Kaufmann ist (GVG § 97 I I 2 in entsprechender Anwendung, was für den Fall des GVG § 95 1 1 erheblich ist); daß es auf die Kaufmannseigenschaft des Beklagten als Widerklägers in diesem Falle nicht ankommen kann, ergibt schon GVG § 9 5 1 1 (allerdings wird damit nicht die Prüfung vorweggenommen, ob ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt; ist dies nicht der Fall, so darf von Gerichts wegen verwiesen werden). B . Von Gerichts wegen darf nur verwiesen werden, solange n i c h t „ z u r H a u p t s a c h e " v e r h a n d e l t worden oder diese Verhandlung durch einen Beschluß vorbereitet ist. Der Begriff ist derselbe wie in § 39 A I I a.
§ 98 (104) I Wird vor der Zivilkammer eine vor die Kammer für Handelssachen gehörige Klage zur Verhandlung gebracht, so ist der Rechtsstreit auf Antrag des Beklagten an die Kammer für Handelssachen zu verweisen. Ein Beklagter, der nicht in das Handelsregister eingetragen ist, kann den Antrag nicht darauf stützen, daß er Kaufmann ist. II Der Antrag ist zurückzuweisen, wenn die im Falle des § 506 der Zivilprozeßordnung erhobene Widerklage als Klage vor die Kammer für Handelssachen nicht gehören würde. III
Zu einer Verweisung von Amts wegen ist die Zivilkammer nicht befugt.
IV Die Zivilkammer ist zur Verwerfung des Antrags auch dann befugt, wenn der Kläger ihm zugestimmt hat. A. GVG § 98 handelt von der Verweisung von der Zivilkammer an die für Handelsachen. Liegt eine Handelsache (GVG § 9 5 ) vor, so darf der Beklagte, wenn sie der Kläger vor die Zivilkammer bringt, beantragen, daß sie an die Kammer für Handelsachen verwiesen wird (GVG § 98 1 1 ) . Von Gerichts wegen wird nicht verwiesen (GVG § 98 I I I ) . B . Doch hat der Beklagte dieses Recht im Fall des GVG § 95 1 1 nur, wenn er im Handelsregister eingetragen worden ist (GVG § 9 8 I 2). Auch hat er kein Verweisungsrecht, wenn er eine Widerklage vor dem AG erhoben hatte, die keine Handelsache ist, wenn dann der Streit nach § 506 an das LG (Zivilkammer) verwiesen worden ist (GVG § 98 I I ) . C. Die Voraussetzungen der Verweisung sind v o n G e r i c h t s w e g e n zu prüfen (GVG § 98 IV). Eine Vereinbarung nach § 38 wird insoweit nicht beachtet.
§ 99
(105)
I Wird in einem bei der Kammer für Handelssachen anhängigen Rechtsstreit die Klage nach § 280 der Zivilprozeßordnung durch den Antrag auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses erweitert oder eine Widerklage erhoben und gehört die erweiterte Klage oder die Widerklage als Klage nicht vor die Kammer für Handelssachen, so ist der Rechtsstreit auf Antrag des Gegners an die Zivilkammer zu verweisen. H Unter der Beschränkung des § 97 Abs. 2 ist die Kammer zu der Verweisung auch von Amts wegen befugt. Diese Befugnis tritt auch dann ein, wenn durch eine Klageänderung ein Anspruch geltend gemacht wird, der nicht vor die Kammer für Handelssachen gehört.
94
GVG
§99
A. GVG § 99 ergänzt GVG § 97, indem er wegen im Laufe des Prozesses eingetretener Veränderungen die Verweisung von der K a m m e r für Handelsachen an die Zivilkammer regelt, während es den umgekehrten Fall nicht gibt. Wird die Klage durch Klageerweiterung verändert und damit zu einer Nichthandelsaehe, so hat der Beklagte das Antragsrecht zur Verweisung (GVG § 99 I). Die Vorschrift bezieht sich auf jede Klageänderung, die nicht gesetzlich zugelassen ist (GVG § 99 I I 2). B. Wird eine Widerklage erhoben, die keine Handelsache ist (GVG § 99 I), oder wird sie u m eine Nichthandelsache erweitert (ohne daß ein Fall der gesetzlichen Zulassung der Änderung des § 268 vorliegt), so h a t der Kläger das Recht, zu beantragen, daß der Streit an die Zivilkammer verwiesen wird. Für die Widerklage aus §§ 302 IV, 717 II, I I I , 945, 1042 c I I gilt dies nicht, auch nicht f ü r die Aufrechnung und wohl auch nicht für Eventualwiderklagen. C. In den Fällen der Klageerweiterung oder der Widerklageerhebung oder -erweiterung in Nichthandelsachen darf auch das Gericht von sich aus den Streit an die Zivilkammer nach Beinem Belieben (also ohne Antrag) verweisen (GVG § 99 I I 1), ausgenommen, wenn bei der Klage bzw. Klageerweiterung es nur darauf ankommt, ob der Beklagte K a u f m a n n ist (vgl. GVG § 97 A II a), oder wenn bei der Widerklage oder der Widerklageerweiterung es nur darauf ankommt, ob der Kläger K a u f m a n n ist (GVG § 97 A II b). D. Über die Zulassung der Klageänderung oder die Widerklageerhebung bzw. -änderung h a t in den Fällen der Verweisung die Zivilkammer zu entscheiden. Uber den Charakter des Antrags und die Zeit, in der er zu stellen ist, vgl. GVG § 101; von Gerichts wegen darf nur vor Verhandlung zur Hauptsachs und vor Erlaß eines sich auf sie beziehenden Beschlusses verwiesen werden (GVG § 97 B), wobei hier allerdings die Frage der Zulassung der Klageänderung bzw. der Widerklageerhebung oder -änderung außer Betracht zu bleiben hat, weil darüber nur die Zivilkammer nu entscheiden hat, wenn verwiesen wird.
§ 100
(105 a)
I Die §§ 96 bis 99 sind auf das Verfahren im zweiten Rechtszuge vor den Kammern für Handelssachen entsprechend anzuwenden. A. GVG § 100 regelt die zweitinstanzliche Zuständigkeit der K a m m e r für Handelsachen. A I. Wird ein amtsgerichtliches Urteil mit der Berufung angegriffen, so h a t a) der Berufungkläger (gleichviel, ob er Kläger oder Beklagter ist) i n d e r B e r u f u n g s c h r i f t (nicht erst in der Berufungsbegründungschrift) zu beantragen, daß die Sache vor die K a m m e r für Handelsachen k o m m t (vgl. GVG § 96 1). Der Antrag kann hier auch dann nicht mehr nachgeholt werden, wenn das Berufunggericht unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Sache an sich als erste Instanz verweist (vgl. Kommentar § 276 B IV c). b) Bringt der Berufungkläger eine Nichthandelsache vor die Kammer für Handelsachen, so darf der Berufungbeklagte (gleichviel ob er Kläger oder Beklagter ist) die Verweisung an die Zivilkammer beantragen (GVG § 97 I). Doch zieht der Antrag nur, wenn sich in der Berufungsinstanz (auch) die Nichthandelsache befindet (also nicht, wenn bei Klagehäufung etwa die Nichthandelsache nicht angegriffen ist und auch der Gegner nicht die Möglichkeit hat, sich auf diesen Tatbestand zu beziehen und bezieht). Wird die Berufung erweitert, (sei es, daß auf bislang nicht angegriffene Posten des amtsgerichtlichen Urteils zurückgegriffen wird, sei es, daß über die amtsgerichtlichen Anträge hinausgegangen wird, also wenn der Berufungkläger Kläger ist durch Erweiterung oder Klageänderung, wenn er Beklagter ist, durch Erhebung der Widerklage oder ihre Änderung — immer von der gesetzlich zugelassenen Klageänderung des § 268 abgesehen), so h a t ebenfalls der Berufungbeklagtc (als Kläger oder als Beklagter) das Recht des Verweisungsantrags (vgl. GVG § 99). A II. Bringt dagegen der Berufungkläger den Streit nicht vor die K a m m e r für Handelsachen, sondern kommt er vor die Zivilkammer, so darf
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§ 100
A II
GVG
a) der B e r u f u n g s b e k l a g t e die Verweisung an die Kammer für Handelsachen beantragen, wenn der Streit eine Handelsache betrifft (GVG § 98 I). Der Berufungsbeklagte (mag er Kläger oder Beklagter sein) wird aber mit dem Antrage nur gehört, wenn der Beklagte (also möglicherweise auch der Berufungskläger) als Vollkaufmann im Handelsregister eingetragen ist (GVG § 98 1 2), soweit es für die Zuständigkeit der Kammer für Handelsachen gerade darauf ankommt, daß die Klage gegen den Beklagten als Kaufmann gerichtet war (GVG § 95 11). Hatte der Berufungsbeklagte eine Widerklage in der ersten Instanz erhoben, ist diese Nichthandelsache und noch in der Berufungsinstanz im Streit, so ist der Antrag zurückzuweisen (wie stets, wenn auch nur ein Bestandteil des Streits Nichthandelsache ist). Erhebt er die Widerklage erst in der zweiten Instanz oder erweitert er sie, so liegt ein Fall der Anschlußberufung vor (GVG § 100 A II b). b) Legt der Berufungsbeklagte Anschlußberufung ein oder erweitert er sie und erstreckt sich diese (ganz oder teilweise, von den Prozeßkosten abgesehen) auf eine Nichthandelsache, so darf er die Verweisung beantragen (und zwar hier in der Frist des GVG § 101). Dies gilt auch, wenn er als Kläger von vornherein Handelsache und Nichthandclsache gemischt hatte. Doch wird er mit dem Antrage nicht gehört, wenn sich die Anschlußberufung auf eine von ihm selbst (in erster oder in zweiter Instanz) erhobene Widerklage bezieht (vgl. GVG §§ 98 II, 99) weil er dann auch in erster Instanz die Zuständigkeit der Kammer für Handelsachen nicht angreifen könnte. A III. Die Binlegung einer Anschlußberufung berechtigt dagegen den B e r u f u n g s k l ä g e r nie, den Streit vor die Kammer für Handelsachen zu bringen. Betrifft sie aber eine Nichthandelsache und schwebt der Streit vor der Kammer für Handelsachen, so darf der Berufungskläger den Verweisungsantrag stellen, sofern er nicht als Kläger oder als Widerkläger die Entscheidung des Amtsgerichts herbeigeführt hat (GVG §§98 II, 99); also nur, wenn er aus seiner Stellung als Berufungsbeklagter oder als Widerbeklagter angreift. B. Von G e r i c h t s w e g e n darf die Zivilkammer niemals verweisen (GVG §98 111). B II. Die Kammer für Handelsaehen als Berufungsinstanz darf von Gerichts wegen nach Belieben verweisen, sofern eine Nichthandelsache vor sie als Berufungsinstanz gebracht wird (von Anfang an oder im Laufe des Verfahrens). Doch ist die Verweisung nicht zulässig, sofern es (im Fall des GVG § 95 11) nur darauf ankommt, daß die Klage bzw. die Widerklage gegen einen Kaufmann als Beklagten bzw. als Widerbeklagten gerichtet ist (GVG §§ 97 II 2, 99 II 1). Das Verweisungsrecht geht indes verloren nach Verhandlung „zur Hauptsache" (GVG § 97 B) wie der Verkündung eines auf die Hauptsache sich beziehenden Beschlusses (GVG § 97 B). B I I I . Wird v o n b e i d e n P a r t e i e n selbständig Berufung bei verschiedenen Kammern (eine bei der Kammer für Handelsachen, die andere bei der Zivilkammer) eingelegt, so sollte man den Streit so behandeln, wie wenn beide Parteien Verweisungsanträge gestellt hätten (abgesehen von den Fällen des GVG §§ 97 II 2, 98 I 2); sobald indes ein Verweisungsbeschluß vorliegt, ist auch die bei der anderen Kammer anhängige Sache auf die angewiesene zu übertragen (Baumbach-Lauterbach § 100 Anm. 1 lassen die erste Berufung entscheiden, was bei gleichzeitig eingelegtem Rechtsmittel versagt). C. GVG §§ 101,102 gelten auch in der Berufungsinstanz. Über den Charakter des Antrags, das Verhältnis mehrerer Kläger oder mehrerer Beklagter vgl. GVG § 101 A II. Über die Kammer für Handelsachen als Beschwerdeinstanz vgl. GVG § 104.
§ 101 (106) I Der Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an eine andere Kammer ist nur vor der Verhandlung des Antragstellers zur Sache zulässig. II Über den Antrag ist vorab zu verhandeln und zu entscheiden. A. Unter GVG § 101 fallen A I. nur die Anträge,
96
GVG
§ 1 0 0 AI
a) welche nicht schon bei der Klageerhebung (GVG § 95) bzw. bei der Verweisung vom Kläger (GVG § 96 II), bei Einlegung der Berufung (GVG § 100) vom Berufungskläger zu stellen sind. b) Die übrigen Anträge sind vor „Verhandlung" zur Sache, im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) spätetestens mit der ersten sachlichen Einlassung i. S. des GVG § 101 zu stellen. A II. Der Antrag ist eine prozessuale empfangsbedürftige (gegenüber dem Gericht abzugebende) einseitige Willenserklärung (vgl. § 38 B II). Er ist Prozeßantrag und fällt nicht unter § 297. a) Wird sie vom Kläger bzw. Berufungskläger in den Fällen des GVG § 101 A I a nicht abgegeben, so ist die Zivilkammer zuständig. Dies kann er nur durch Klagerücknahme und erneute Klageerhebung vor der Kammer für Handelsachen rückgängig machen. Wird die Erklärung in den Fällen abgegeben, so ist der Kläger usw. an sie gebunden, weil der Beklagte usw. ihn an der Bestimmung der Kammer für Handelsachen festhalten darf. Der Antrag ist insoweit unwiderruflich. b) Widerruflich (und wiederholbar) ist der Antrag, soweit er nicht zugleich mit der Klage bzw. der Berufung bzw. der Verweisung zu stellen ist, also in den Fällen des GVG § 101 A l b , aber nicht mehr, sobald über ihn entschieden worden ist (GVG § 102 A). Nicht mehr wiederholbar ist er ab Verhandlung zur Sache i. S. des GVG § 101, wohl aber noch widerruflich, solange noch das Gericht von sich aus verweisen könnte (GVG § 97), danach indes nicht mehr, weil in dem Beschluß zur Sache zugleich die Ablehnung des Antrags zu sehen ist. A III. Verhandlung zur Sache bedeutet die Verhandlung über irgendeinen Gegenstand außer dem Verweisungsantrag. Deshalb gehört auch die über Prozeßbedingungen zur Verhandlung zur Sache (RG J W 91/465 1 ). Reine Vertagungsanträge, die sich auch auf die Verweisung beziehen, sind dagegen noch keine Sachverhandlung i. S. des GVG § 101, wohl aber Ablehnunggesuche (a. M. Baumbach-Lauterbach § 101 Anm. 1), die Stellung von Sachanträgen (§ 137 I ; a. M. Sydow-Busch § 101 Anm. 1, Baumbach-Lauterbach § 101 Anm. 1). Das Verhandeln zur Hauptsache wird jedenfalls nicht verlangt (vgl. §§ 271 I, 274, 504 I, 528, GVG § 97 II). B. Über den Antrag (gleichviel, ob in der Klage-, Berufungschrift oder später gestellt) soll vorab verhandelt und entschieden werden. Die Beschränkung der Verhandlung auf diesen Antrag darf nach § 146 angeordnet werden (doch muß dies nicht geschehen). Wird über ihn nicht ausdrücklich entschieden, sondern ein Beschluß zur Sache gefaßt (GVG § 97), so gilt er als abgelehnt. Die zur Sache ergangene Entscheidung ist deswegen nicht angreifbar. Auch wegen örtlicher Unzuständigkeit des Gerichts ist kein Rechtsmittel mehr zulässig (§ 512 a — soweit vermögensrechtliche Streite betroffen sind —), selbst wenn eine unzuständige auswärtige Kammer für Handelsachen entschieden hat (vgl. Kommentar GVG § 93 A II b). Der Beschluß bindet nach GVG § 102.
§102
(107)
I Die Entscheidung über Verweisung eines Rechtsstreits an die Zivilkammer oder an die Kammer für Handelssachen ist nicht anfechtbar. Erfolgt die Verweisung an eine andere Kammer, so ist diese Entscheidung für die Kammer, an die der Rechtsstreit verwiesen wird, bindend. Der Termin zur weiteren mündlichen Verhandlung wird von Amts wegen bestimmt und den Parteien bekanntgemacht. A. Die Entscheidung über die Verweisung, mag sie ausgesprochen oder abgelehnt (RG J W 86/2253) werden, ist unanfechtbar, sofern sie von einer Kammer desselben LG ausgeht, aber nicht wenn ein AG (GVG § 96 B, KG OLG 33/78) oder ein auswärtiges LG (GVG §§ 96 C, 98) verweist. Zurückverweisungen von der Kammer für Handelsachen an die Zivilkammer bei Klageerweiterung sind trotz des GVG § 102 zulässig (GVG § 99). Die Bestimmung bezieht sich auch auf die Fälle des GVG § 100. GVG § 102 I 3 ist jetzt nur noch ein besonders geregelter Fall des § 216. 7 W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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GVG
§ 103 (108) I Bei der Kammer für Handelssachen kann ein Anspruch nach § 64 der Zivilprozeßordnung nur dann geltend gemacht werden, wenn der Rechtsstreit nach den Vorschriften der § § 94, 95 vor die Kammer für Handelssachen gehört. A. Die Hauptintervention (§ 64) gehört nur dann vor die Kammer für Handelsachen, wenn auch der Anspruch, der ihr zugrunde liegt, Handelsache (GVG § 95) ist. Schwebt der Erstprozeß vor einer Zivilkammer, so ist nur sie zuständig, selbst wenn der Prozeß des Hauptintervenienten als Klägers Handelsache ist. Die Verweisung dieses Prozesses nach GVG § 98 ist nur zulässig, sofern sie für den Erstprozeß noch zulässig ist (Baumbach-Lauterbach § 103 Anm. 1 ; Sydow-Busch § 103 Anm. 1). Vgl. auch GVG § 101 B .
§ 104
(108 a)
I Wird die Kammer für Handelssachen als Beschwerdegericht mit einer vor sie nicht gehörenden Beschwerde befaßt, so Ist die Beschwerde von Amts wegen an die Zivilkammer zu verweisen. Ebenso hat die Zivilkammer, wenn sie als Beschwerdegericht in einer Handelssache mit einer Beschwerde befaßt wird, diese von Amts wegen an die Kammer für Handelssachen zu verweisen. Die Vorschriften des § 102 Satz 1, 2 sind entsprechend anzuwenden. II Eine Beschwerde kann nicht an eine andere Kammer verwiesen werden, wenn bei der Kammer, die mit der Beschwerde befaßt wird, die Hauptsache anhängig ist oder diese Kammer bereits eine Entscheidung in der Hauptsache erlassen hat. A. GVG § 104 regelt die Aufteilung der Zivilkammer und der Kammer für Handelsachen, soweit das LG als Beschwerdeinstanz angerufen wird. Im Beschwerdeverfahren wird nur von Gerichts wegen verwiesen, hier aber nicht unter den Beschränkungen der GVG §§ 97 I I , 98 I I I , 99 I I 1. Dagegen darf nicht verwiesen werden, wenn bei der mit der Beschwerde befaßten Kammei oder einer gleicher Art (also entweder einer Zivilkammer, wenn jene eine solche ist, oder der Kammer für Handelsachen, wenn jene es auch ist), die Hauptsache anhängig ist oder sie zur Hauptsache bereits entschieden h a t ; daß früher einmal in einer anderen Beschwerdesaehe entschieden worden ist, reicht dagegen nicht aus, wenn nicht zur Hauptsache entschieden wurde. Als Hauptsache wird man hier auch die Entscheidungen über Prozeßbedingungen wie die über die Zulässigkeit des Rechtsmittels ansehen dürfen. Ob dagegen die an sich zuständige Kammer(-art) an die andere verweisen muß, wenn ein Fall des GVG § 104 I I vorliegt, ist streitig (verneinend: Sydow-Busch § 104 Anm. 4 ; bejahend Baumbach-Lauterbach § 104 Anm. 3). B . Wird verwiesen oder entschieden, so geschieht dies selbst dann unanfechtbar, wenn es rechtsirrig geschah (GVG §§ 104 I 3, 102). B I. Auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind als Bcschwerdegerichte a ) grundsätzlich die Zivilkammern zuständig. b) Die K a m m e r f ü r H a n d e l s a c h e n ist aber nach F G G § 3 0 I 2 für „Handelsachen" zuständig (soweit sie gebildet ist). Der Begriff der Handelsache ist hier dem 7. Abschnitt des F G G (§§ 125—158) — nicht dem GVG § 95 — zu entnehmen. Dazu gehören die Handelsregistersachen und die Sachen, wo auf diese Vorschriften verwiesen wird ( K G R J A 10/189, K G J 48 A 137), einschließlich der sich für das Handelsregister ergebenden Aufgaben nach dem DM-BilanzG und nach dem BereinigungG handelsrechtlicher Vorschriften v. 18. 4. 1950 ( B G B l . 90), im besonderen die der Genossenschaflsregister (OLG 19/352, OLG München J F G 16/8 [10]), aber auch die Geschmacksmustersachen, weil das Register von den Handelsregistergerichten geführt wird ( K G R J A 10/189). Auch die Angibgenheiten der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit werden als zur Kammer für Handelsachen gehörig betrachtet ( K G R J A 3/121). Über die Bestellung von Vertretern nach B G B § 29 für Handelsgesellschaften ist von den Kammern für Handelsachen als Beschwerdegericht zu entscheiden ( K G J F G 38/248,
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GVG
§104
BIb
BayObLG RJA 15/44). Die Entscheidungsgewalt der Kammer für Handelsachen erstreckt sich in Handelsachen auch auf die Nebenentscheidungen, im besonderen auf das Kostenrecht (KGJ 31 B 18). Obwohl auch bei Vereins- und Güterrechtsregistern auf die Vorschriften über die Handelsregister verwiesen wird (vgl. BGB §§ 59—61), hält hier KG RJA 5/187 die Zivilkammer als Beschwerdegericht für zuständig, ebenso in Beschwerden bei Angelegenheiten für gemeinsames Recht für Inhaber von Schuldverschreibungen (KG RJA 12/78). B II. Die h. M. läßt auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Abweichung von der streitigen Gerichtsbarkeit die A n f e c h t u n g (durch weitere Beschwerden) zu, weil GVG § 102 nicht gelte (RGZ 48/27folg.), und hier wurde auch die Unzuständigkeitserklärung der Kammer — an Stelle der Verweisung — zugelassen, was dann mit der weiteren Beschwerde für anfechtbar gehalten wurde (BayObLG 1953/9, BayJMBl. 54/70).
§ 105 (109) I Die Kammern für Handelssachen entscheiden in der Besetzung mit einem Mitglied des Landgerichts als Vorsitzenden und zwei Handelsrichtern, soweit nicht nach den Vorschriften der ProzeBgesetze an Stelle der Kammer der Einzelriehter zu entscheiden hat. II
Sämtliche Mitglieder der Kammer für Handelssachen haben gleiches Stimmrecht.
III In Streitigkeiten, die sich auf das Rechtsverhältnis zwischen Reeder oder Schiffer und Schiffsmannschaft beziehen, kann die Entscheidung im ersten Rechtszug durch den Vorsitzenden allein erfolgen. A. GVG § 105 I entscheidet über die Besetzung der erkennenden Kammer für Handelsaehen (vgl. GVG § 75). Über die Errichtung der Kammer durch die Landesjustizverwaltung vgl. GVG § 93. Über die Ernennung der Vorsitzenden und der ständigen Stellvertreter wie die Geschäftsverteilung unter mehreren Kammern für Handilsachen durch den LGPräsidenten vgl. GVG § 94. Zeitweilige Vertreter (GVG § 67) darf er nur bestimmen, wenn der regelmäßige Vertreter nicht durch andere Geschäfte in Anspruch genommen ist, für die er geschäftsplanmäßig nicht bestimmt ist (KG JW 30/298918). Vorsitzender darf nur ein ständiges Mitglied des LG (also kein Hilfsrichter) 6ein (wenn es auch kein Direktor sein muß), der Amtsrichter nur nach GVG § 106 bei auswärtiger Kammer (GVG § 93 II). B. Über die Berufung der Handelsrichter vgl. GVG §§ 108 folg. Sie haben das gleiche Stimmrecht wie der Vorsitzende (GVG § 105 II). C. Der Vorsitzende darf allein entscheiden als Einzelriehter nach §§ 348 folg. — insoweit gilt nichts anderes als bei dem Einzelriehter der Zivilkammer, nur daß nur der Vorsitzende Einzelriehter sein kann (§ 350 I) — es ist dabei nicht selten, daß die Parteien sich mit der Entscheidung durch ihn als Einzelriehter einverstanden erklären (vgl. § 349 III) — und als Vorsitzender, wo diesem allein die Entscheidunggewalt zusteht (in den Fällen des § 944). Wie beim Einzelriehter herrscht vor ihm Anwaltszwang (§ 78 I). Seine Entscheidungen sind wie die des LG anfechtbar, soweit er als Einzelriehter tätig wird (§ 350 II). C I. GVG § 105 III ist gegenstandslos (ArbGG § 2 I 2).
§ 1 0 6 (HO) I Im Falle des § 98 Abs. 2 kann ein Amtsrichter Vorsitzender der Kammer für Handelssachen sein. A. Bei auswärtigen Kammern für Handelsachen (GVG § 93 II) darf ein Amtsrichter Vorsitzen, nicht notwendigerweise nur der, in dessen Bezirk sich die auswärtige Kammer befindet; doch muß auch er ein ständig angestellter Richer, also kein Hilfsrichter sein. - •
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GVG
§107(111) I
Das Amt der Handelsrichter ist ein Ehrenamt.
II Die Handelsrichter, die weder ihren Wohnsitz noch ihre gewerbliche Niederlassung am Sitz der Kammer für Handelssachen haben, erhalten Tage- und Ubernachtungsgelder sowie Ersatz der verauslagten Fahrtkosten nach den für Landgerichtsräte geltenden Vorschriften. i n Handelsrichtern, die ihren Wohnsitz oder ihre gewerbliche Niederlassung am Sitz der Kammer für Handelssachen haben, werden die notwendigen Fahrtkosten für die Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln erstattet. IV Den Handelsrichtern werden jedoch bei Fußwegen und bei Benutzung von anderen als öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln bei Entfernungen von mehr als zwei Kilometern für jedes angefangene Kilometer des Hin- und Rückweges 0,25 Deutsche Mark gewährt. Kann ein Hin- und Bückweg von zusammen mehr als zweihundert Kilometern mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln zurückgelegt werden, so gilt Satz 1 nur insoweit, als die Mehrkosten gegenüber der Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln durch eine Minderausgabe an Tage- und Übernachtungsgeldern ausgeglichen werden. Kann der Handelsrichter wegen besonderer Umstände ein öffentliches, regelmäßig verkehrendes Verkehrsmittel nicht benutzen, so werden die nachgewiesenen Mehrauslagen ersetzt, soweit sie angemessen sind. A. Handelsrichter erhalten keine Besoldung (GVG § 107 I). Haben sie am'Sitze der Kammer weder ihren Wohnsitz (BGB §§ 7folg.; vgl. § 13 B) noch ihre gewerbliche Niederlassung (§ 21 B), so erhalten sie Fahrtauslagen usw. nach Maßgabe der GVG § 107 IV. Hierbei wird allerdings der Wohnsitz dem gewöhnlichen Aufenthaltsort gleichzusetzen sein, wenn sie am Sitz der Kammer zwar nicht jenen, aber diesen haben. Die notwendigen Fahrtkosten erhalten sie aber auch, wenn sie ihren Wohnsitz (bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort) oder ihre gewerbliche Niederlassung zwar am Sitz (d. h. im Bezirk derselben politischen Gemeinde) der Kammer haben, aber ihr Weg zum Gericht mehr als 2 km beträgt (GVG § 107 IV).
§ 108 (112) I Die Handelsrichter werden auf gutachtlichen Vorschlag der Industrie- und Handelskammern für die Dauer von drei Jahren ernannt; eine wiederholte Ernennung ist nicht ausgeschlossen. A. Über die Besetzung der K a m m e r für Handelsachen wie Ernennung von Handelsrichtern besteht noch die AV des RJM v. 1. 4.1935 (DJ 549) — vgl. dazu die VO v. 20. 3. 1935 (RGBl. I 403), soweit sie nicht von der Landesjustizverwaltung geändert ist, die wieder an die Stelle des R J M getreten ist. Ein Zwang, das A m t anzunehmen, besteht für Handelsrichter nicht; die jederzeitige Niederlegung des Amtes kann gesetzlich nicht verhindert werden. Die wiederholte Ernennung setzt einen wiederholten Vorschlag voraus. B. Es kommt aber nicht darauf an, ob der Ernannte vorgeschlagen war; wird er ernannt, so ist er Handelsrichter. Dies gilt auch, wenn die Unterlagen zur Ernennung nicht beigebracht worden sind. Wird indes jemand ernannt, bei dem die sonstigen notwendigen Voraussetzungen lind die des GVG § 109 I nicht vorliegen, so ist die Richterbank unrichtig besetzt, wie wenn ein Berufsrichter seine gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation nicht h a t (GVG § 2 A). Ob im Einzelfalle der Berufene mitwirken darf, regelt die Bestimmung des Vorsitzenden (GVG § 69), die Verhinderung im Einzelfall §§ 41 folg. C. Innerhalb der drei Jahre, für die der Handelsrichter zu ernennen ist, darf er grundsätzlich von der Verwaltungbehörde nicht verabschiedet werden (vgl. aber GVG § 113 A).
§ 1 0 9 (113) I Zum Handelsrichter kann jeder Deutsche ernannt werden, der das dreißigste Lebensjahr vollendet hat und als Kaufmann, als Vorstand einer Aktiengesellschaft, als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Vorstand einer sonstigen juristischen Person in das Handelsregister eingetragen ist oder eingetragen war.
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GVG
§109
n Zum Handelsrichter soll nur ernannt werden, wer in dem Bezirk der Kammer für Handelssachen wohnt oder, wenn er als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen ist, dort eine Handelsniederlassung hat; bei Personen, die als Vorstand einer Aktiengesellschaft, als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Vorstand einer sonstigen juristischen Person in das Handelsregister eingetragen sind, genügt es, wenn die Gesellschft oder juristische Person eine Niederlassung in dem Bezirk hat. III Personen, die infolge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind, können nicht zu Handelsrichtern ernannt werden. A. Als persönliche Voraussetzungen für die Ernennung des Handelsrichters nennt GVG § 109, daß er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (GVG § 6 B I I b 1), das dreißigste Lebensjahr vollendet hat (vgl. B G B § 187 I I ) und als Vollkaufmann oder gesetzlicher Vertreter bzw. als Vorstand (nicht als Aufsichtsrat) einer juristischen Person im Handelsregister eingetragen ist. Dazu gehören das Vorstands-, aber auch das stellvertretende Vorstandsmitglied, wenn die Eintragung seine gesetzliche Vertretungsmacht ergibt (a. M. insoweit Baumbach-Lauterbach § 109 Anm. 1, Sydow-Busch § 109 Anm. 2). Die Komplementäre der Kommanditgesellschaft auf Aktien sind Vollkaufleute. Weiter gehören dazu die Geschäftsführer der GmbH, auch die einer Genossenschaft (obwohl das Register hier Genossenschaftsregister genannt wird) und auch der Abwickler. Nicht dazu gehören der Prokurist oder der Handlungsbevollmächtigte, selbst wenn er Direktor genannt wird oder leitender Angestellter bei einer Aktiengesellschaft i s t ; auch nicht der Vergleichs- oder der Konkursverwalter, die in das Handelsregister nicht eingetragen werden, und nicht die gesetzlichen Vertreter von Einzelkaufleuten, mögen sie auch tatsächlich das Geschäft führen. Dagegen genügt es, daß der zu Berufende zu irgendeiner Zeit im Handelsregister eingetragen war, auch wenn er es z. Z. der Berufung oder später nicht mehr ist. B . Weitere allgemeine Voraussetzungen sind: die Prozeßfähigkeit (§ 51 B ) ; GVG § 109 I I I ergibt dies, indem er, gleichviel aus welchem Grunde, Entmündigte ausschließt, also auch die bloß unter B G B § 114 fallenden; ferner die Fähigkeit, öffentliche Ämter bekleiden zu dürfen ( S t G B §§ 31, 35) und der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ( S t G B §§ 33, 34 I 1). Verstößt die Ernennung hiergegen, so ist das Gericht nicht ordentlich besetzt. C. GVG § 109 I I , I I I nennt eine Reihe weiterer Voraussetzungen, welche gegeben sein sollen; dahin gehören Wohnung (nicht Wohnsitz; aber wohl die mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort, vgl. GVG § 107 I I ) oder gewerbliche Niederlassung im Gerichtsbezirk; bei dem gesetzlichen Vertreter genügt der Sitz der juristischen Person im Bezirk des Gerichts. Für die, welche nicht mehr eingetragen sind, wird es aber wieder auf die Wohnung abzustellen sein. Weiter gehört hierher, daß der Handelsrichter nicht durch gerichtliche Verfügung über sein Vermögen (insgesamt) beschränkt sein soll, was für die Konkurseröffnung und allgemeine gerichtliche Veräußerungsverbote ( B G B § 136) wie für die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zutrifft. Verstöße hiergegen sind auf dem Rechtswege nicht verfolgbar. I). Über die Entlassung bei (nachträglichem) Eintritt dieser Gründe vgl. GVG § 113.
§ 110 (114) I An Seeplätzen können Handelsrichter auch aus dem Kreise der Schiffahrtskundigen ernannt werden. A. Der Begriff des Seeplatzes ist nicht näher umschrieben; es gehört dazu jede Seehafenstadt, mag sie auf Übersee- oder nur auf heimischen Seeverkehr eingestellt sein (also auch, wenn sie bloß Fischereihafen ist).
§ 111 (HS) I Die Handelsrichter sind vor ihrem Amtsantritt auf die Erfüllung der Obliegenheiten des ihnen übertragenen Amtes eidlich zu verpflichten.
101
GVG § 1 1 2 (116) Die Handelsrichter haben nährend der Dauer ihres Amtes in Beziehung auf dasselbe alle Bechte und Pflichten eines Richters. A. Die Handelsrichter sind Richter; doch gelten für sie nicht GVG §§ 2—9 (GVG § 11); inwieweit GVG § 1 gilt, Kommentar GVG § 1 B I a. Sie können nicht Vorsitzen und nicht als Einzelrichter tätig werden (§ 350 I, wohl aber als beauftragte). Sie sind nicht versetzbar und sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Uber ihre Heranziehung zu den einzelnen Sitzungen vgl. GVG § 108 A. B. In der Dienstvorschrift werden sie wie Richter behandelt. Ihre Amtsenthebung regelt indes nur GVG § 113. Ob sie daneben dem Disziplinarverfahren wie Richter wegen sonstiger Dienstpflichtverletzungen unterliegen, ist streitig (bejahend Sydow-Busch § 112 Anm. 1, § 113 Anm. 2). Die Richteranklage (GG Art. 98 II u. V) gegen sie ist soweit zulässig, wie sie das Landesrecht gewährt (vgl. GVG § 8 B II a). Auch scheiden sie nach StGB §§ 31, 33, 35 II kraft Gesetzes als Richter aus.
§113(117) I Ein Handelsrichter ist seines Amtes zu entheben, wenn er eine der für die Ernennung erforderlichen Eigenschaften nachträglich verliert. II Es entscheidet der erste Zivilsenat des Oberlandesgerichts nach Anhörung des Beteiligten. A. Hat ein Berufener die nach GVG § 109 I erforderlichen Eigenschaften (GVG § 109 A) nicht oder hat er sonstige Eigenschaften nicht, die zur ordnungsmäßigen Besetzung der Richterbank gehören (GVG § 109 B), so ist die Richterbank nicht ordnungsmäßig besetzt (über die Folgen vgl. GVG § 62 1). Unter GVG § 113 sollte man die V e r a b s c h i e d u n g des H a n d e l s r i c h t e r s , soweit sie die Beamtengesetze der Länder zulassen, bringen, im besonderen also die Verabschiedung des Ehrenbeamten nach Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn er dienstunfähig wird, ferner bei Auflösung der Behörde, d. h. wenn die Kammer für Handelsachen bei dem LG, wo sie gebildet ist, aufgehoben wird (was die Landesjustizverwaltung bestimmen kann, vgl. GVG § 93 C); nicht aber schon mit der Einziehung einer von mehreren Kammern. B. Darüber, ob das Verfahren dienststrafrechtlicher Art ist, herrscht Streit (verneinend Sydow-Busch § 113 Anm. 2, bejahend wohl Baumbach-Lauterbach § 113 Anm. 1). B I. Aus den Dienststrafordnungen der Länder (vgl. GVG § 8 B II c) sind aber die Vorschriften anzuwenden über die für die Einleitung des Verfahrens zuständige Behörde (vgl. BDO §§ 3, 29 I e), d. h. das OLG darf nicht von sich aus tätig werden oder auf Antrag eines dazu nicht Befugten. Die Einleitung des Verfahrens erübrigt sich aber, soweit der Handelsrichter von sich aus beantragt, entlassen zu werden, oder einer angeregten Entlassung zustimmt. B II. GVG § 113 II schreibt r e c h t l i c h e s Gehör vor. Bei Verstößen dagegen sollte man die Nichtigkeitsklage (§ 579 I 4 in entsprechender Anwendung) geben. Beteiligt sind die Landesjustizverwaltung einerseits, der Handelsrichter andererseits. Daraus, daß das Verfahren nicht näher geregelt ist, wird man nicht schließen dürfen, daß das OLG völlig frei ist. Man wird vielmehr im wesentlichen auf die Normen der ZPO zurückzugreifen haben (a. M. SydowBusch § 113 Anm. 2); doch ist die mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben, so daß die Grundsätze der freigestellt mündlichen Verhandlung gelten (§ 128 G II). B III. Zuständig zur Entscheidung ist der 1. Zivilsenat des vorgeordneten Oberlandesgerichts; entschieden wird durch Beschluß, der unanfechtbar ist (RG J W 36/1290'); Verstöße dagegen, wenn ein anderer Senat entscheidet, sind nicht rügbar. B IV. W i e d e r a u f n a h m e k l a g e n werden zuzulassen sein (§ 578 D III b 6). Doch ist auch gegen die Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren wieder kein Rechtsmittel zulässig. Nach Ablauf der Amtzeit ist allerdings auch dieses Verfahren nicht mehr zulässig, da die Aufhebung der Entlassung ohne Wirkung bliebe.
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GVG
§113
C. E n t l ä ß t das OLG den Handelsrichter, so kann die nicht ordentliche Besetzung der Kammer für Handelsachen auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn er zu Unrecht entlassen worden ist. Anders — ex nunc — wird dies erst mit einem aufhebenden Beschluß im Wiederaufnahmeverfahren.
§ 114
(118)
I Über Gegenstände, zu deren Beurteilung eine kaufmännische Begutachtung genügt, sowie über das Bestehen von Handelsgebräuchen kann die Kammer für Handelssachen auf Grund eigener Sachkunde und Wissenschaft entscheiden. B. GVG § 114 ersetzt das Gutachten eines Sachverständigen, soweit eine kaufmännische Begutachtung oder die Feststellung eines Handelsbrauchs ( H G B § 3 4 6 : die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche) in Betracht kommen. Kaufmännisch ist die Begutachtung, soweit sie sich auf den Handelsverkehr bezieht, etwa die, ob eine Warenausstattung bei langjähriger Mitbenutzung durch den Konkurrenten allgemein üblich geworden ist (RGZ 79/292folg.), auch die, was „prompte Verladung" bedeutet (OLG 38/205). Bestehende Handelsgebräuche können gewohnheitsrechtliche Handelsrechtsätze sein (§ 298); aber auch sonstige Gebräuche (RGZ 44/31 [33]). Ob auch Gebräuche unter Scheinkaufleuten hierher gehören, ist zweifelhaft. Jedenfalls ist die Feststellung des Handelsbrauchs durch die Kammer für Handelsachen nicht um deswillen unbeachtlich, weil die Parteien keine Kaufleute sind (eine andere Frage ist dabei nur die, ob sie den festgestellten Handelsbrauch auch als Nichtkaufleute gegen sich gelten lassen müssen, was nach H G B § 346 grundsätzlich zu verneinen ist). D. Diese Feststellungen der Kammer für Handelsachen bleiben als Gutachten in der zweiten Instanz bzw. Feststellung der Rechtsätze durch Gutachten nach § 293 bestehen. Sie hindern aber das Berufungsgericht nicht daran, ein anderes Gutachten einzuholen (RGZ 44/31 [34]), und es muß dies tun, wenn ein dagegen gerichteter Beweisantrag in bezug auf tatsächliche Feststellungen (Zeugenbeweis, Augenschein) gestellt ist; für einen Sachverständigenbeweis gilt dies indes nur (RG Warn 15/282), soweit das Berufungsgericht auch sonst zu seiner Erhebung verpflichtet wäre. E s darf also grundsätzlich trotz entgegenstehender Parteibehauptung sich auf die Sachkunde der Kammer für Handelsachen verlassen (RGZ 110/47 [48/49]). Bedenklich ist dies allerdings dann, wenn die Partei die mündliche Vernehmung eines Sachverständigen, um aufzuklären, beantragt. Umgekehrt darf das Berufungsgericht nicht die Feststellung der Kammer für Handelsachen übergehen, wenn sie für die Entscheidung wesentlich ist (RG J W 94/20 52 ), es sei denn, daß es von ihr auf Grund Offenkundigkeit (§ 291 A) abweicht, also aus eigener Sachkunde entscheidet und auch sonst in demselben Umfang, wie es sich über ein Sachverständigengutachten hinwegsetzen darf.
Achter Titel Oberlandesgerichte
§ 115
(119)
I Die Oberlandesgerichte werden mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Bäten besetzt. A I. Die Errichtung und die Aufhebung eines (Ober-)Gerichts wird durch Landesgesetz geregelt, ebenso die Änderung der Gerichtsbezirke (vgl. VO v. 20. 3 . 1 9 3 5 § 1). Bei veränderter Gerichtsbezirkseinteilung gilt das G v. 6. 12. 1933 ( R G B l . I 1037), bei ersatzlos weggefallenen Gerichten das ZuständigkeitsänderungsG.
103
§115
GVG
B. Aus der unterschiedlichen Fassung von GVG § 59 I und GVG § 115 folgert die h. M. (Sydow-Busch § 115 Anm. 2, Baumbach-Lauterbach § 115 Anm. 1) in historischer Auslegung, daß neben dem OLGPräsidenten noch mindestens ein weiterer Senatspräsident ernannt worden sein muß. Wie dem auch sei, keinesfalls ist der erkennende Senat unvorschriftsmäßig besetzt, wenn nur der OLGPräsident vorhanden ist, sofern er ihm voreitzt. C. Der OLGPräsident hat die Dienstaufsicht über das OLG, die LG und die AG seines Bezirks (VO v. 20. 3. 1935 § 14 I 3). Er entscheidet über Beschwerden gegen die Entscheidung des LGPräsidenten in dessen „übrigen Geschäften" (vgl. GVG § 66 I I ; GVG § 66 B), und über die Befreiung vom Eheverbot wegen Schwägerschaft, wenn nur der Verschwägerte nicht Deutscher ist oder die Ehe bereits unter Verletzung des EheG § 7 geschlossen ist, über die Befreiung vom Ehehindernis des Ehebruchs in besonderen Fällen, über die von der Beibringung des Ehezeugnisses für Ausländer nach 1. DVO EheG 38 §§ 3 IV, 5 IV 7. Über weitere Zuständigkeiten vgl. GVG §§ 116 A, 117 A.
§ 115a ist aufgehoben durch Nov. 1950.
§ 116
(120)
I Bei den Oberlandesgerichten werden Zivil- und Strafsenate gebildet, n Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung können außerhalb des Sitzes des Oberlandesgerichts für den Bezirk eines oder mehrerer Landgerichte Zivil- oder Strafsenate gebildet und Ihnen für diesen Bezirk die gesamte Tätigkeit des Zivil- oder Strafsenats des Oberlandesgerichts oder ein Teil dieser Tätigkeit zugewiesen werden. A. Die Zahl der Senate bestimmt der OLGPräsident, wobei ihn die Landesjustizverwaltung (Minister oder Senator) anweisen darf. GVG § 116 I entspricht GVG § 60. B. GVG § 116 II läßt auswärtige Zivil- oder Strafsenate oder beide zu. Er ist GVG § 93 I nachgebildet. Zuständig für die Bildung ist die Landesjustizverwaltung.
§ 117
(121)
I Die Vorschriften der §§ 62 bis 69 und des § 70 Abs. 1 sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß zu dem Präsidium stets die beiden ältesten Mitglieder des Gerichts zuzuziehen sind. A. Auf die Erläuterungen der für anwendbar erklärten Bestimmungen wird verwiesen. Soweit ein Vizepräsident bestellt ist, ist er der ständige Vertreter des OLGPräsidenten. B. Zur Bestellung von Hilfsrichtern (vgl. auch GVG § 118) müssen die Voraussetzungen des GVG § 70 I vorliegen (keine Vertretung durch ein Gerichtsmitglied muß möglich sein, das Präsidium muß sie beantragen, die Landesjustizverwaltung den Hilfsrichter bestellen).
§ 118 (122) I
Zu Hilfsrichtern dürfen nur auf Lebenszeit ernannte Richter berufen werden.
A. Die Bestimmung bezieht sich nicht auf die reine Justizverwaltung. Die Hilfsrichter müssen bei einem LG oder AG fest angestellt sein. Über ihre Bestellung vgl. GVG § 117 B. Sie dürfen einem oder mehreren Senaten als Mitglieder zugewiesen werden (RG Gruch. 49/ 397), aber nicht Vorsitzen (OGHZ 2/209). Die Zuweisung eines Hilfsrichters an einen Senat bewirkt, daß er ihm als Mitglied angehört. Sie ist stets vorübergehend, auch wenn dies der Beschluß nicht erwähnt (RG N GVG § 119/1) und zulässig auch bei vorübergehender Geschäftsbelastung (nicht bei dauernder: BGH N J W 54/505). Anstellung als Verwaltungsrichter genügt nach BGH v. 17.12.1959 VIII ZR 157/58.
104
GVG
§ 119 (123) I Die Oberlandesgerichte sind in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Berufung gegen die Endurteile der Landgerichte; 2. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte. A. Erstinstanzlich wird das OLG tätig, A I. im Z i v i l p r o z e ß nach §§ 36, 650 III, 651 II, 676 III, ZVG § 2 (beschränkt auf die Gerichte seines Bezirks), nach GVG § 113 bei der Enthebung eines Handelsrichters, nach § 45, wenn es über die Ablehnung eines Richters des LG zu entscheiden hat, sofern das LG beschlußunfähig geworden ist; A II. in der f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t nach FGG §§5 12, 46 II, in Fideikommißsachen, ferner gemäß 1. DVO zum Aktiengesetz (RGBl. 37 11026) § 28 i. F. des G v. 28. 12.1950 (BGBl.811) § 7 I 10; ferner ist der 1. Zivilsenat bei der Abberufung der landwirtschaftlichen Beisitzer zuständig (LVG § 7 II; das Verfahren entspricht GVG § 113); im Spruchverfahren nach dem G über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften v. 12.11.1956 (BGBl. I 844) § 30. A III. in der S t r a f g e r i c h t s b a r k e i t nach StPO §§ 13 II 2, I I I ; 14, 15, 19, 172 III (beschränkt auf die Gerichte seines Bezirks), bei der Entlassung von Schiedsmännern nach PrSchiedmannsO v. 3. 12. 1924 (GS 751) § 9, nach GVG § 120. B. Zweitinstanzlich wird das OLG tätig für die ihm unterstellten LG (nicht aber das KG [West] für das LG Berlin-Ost: BGH J R 53/106): B I. in der s t r e i t i g e n Z i v i l g e r i c h t s b a r k e i t als Berufung- (§§ 511folg.) und Beschwerdeinstanz, wo das Landgericht erstinstanzlich tätig wurde (vgl. § 567, GVG § 181 III), soweit die Beschwerde nicht ausgeschlossen ist (wie nach §§ 127 12, 567 II, in Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren, wo das LG als erste Instanz entscheidet, sofern es als Berufunggericht der Hauptsache tätig wird); nach GVG § 119 sowie als Beschwerdeinstanz gegen amtsgerichtliche Beschlüsse über GVG § 158 II, gemäß GVG § 159 und nach GVG § 181 III; als Binnen-, Mosel- und Rheinschiffahrtobergericht nach dem SchiffahrtverfahrenG, ferner als Rechtsbeschwerdestelle des Mieteinigungamts (MSchG § 41 i. F. der VO über Änderungen des Mieterschutzrechts v. 7. 11. 1944 — RGBl. I 319); doch geht dieses Verfahren schon in eines der freiwilligen Gerichtsbarkeit über (vgl. MSchG § 47). Diese zweitinstanzliche Tätigkeit schließt nicht aus, daß es bei Arresten und einstweiligen Verfügungen oder einstweiliger Anordnung (§§ 627folg.), die vor das OLG gebracht werden, weil es als Berufunginstanz in der Hauptsache tätig ist, als erste Instanz zu entscheiden hat. Auch Wiederaufnahmeklagen gehören erstmalig vor das OLG; doch sind sie rechtlich gesehen außerordentliche Rechtsbehelfe; B II. in der f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t als Beschwerdeinstanz gegen die landgerichtlichen Entscheidungen erster Instanz; B I I I . in S t r a f s a c h e n als Revisions- und Beschwerdeinstanz nach GVG § 121; C. drittinstanzlich wird das OLG tätig: C I . in der s t r e i t i g e n Z i v i l g e r i c h t s b a r k e i t als weitere Beschwerdeinstanz (vgl. § 568 II); auch in Konkursverfahren (KO §§ 72, 73) und nach ZVG §§ 95folg., aber nur soweit sie nicht ausgeschlossen ist, wie nach §§ 127 I 3, 567 III und in allen Gebührensachen (vgl. § 568 III, ausgenommen die nach KostenO § 156 für die Notariatsgebühren); in Vergleichsverfahren ist sie nach VglO § 121 III ausgeschlossen; C II. in der freiwilligen Gerichtsbarkeit als weitere Beschwerdeinstanz (Zivilsenat vgl. FGG § 30 I 1) in allen Fällen, wo in der ersten das AG entscheidet; C III. in Strafsachen als weitere Beschwerdeinstanz nach StPO § 310. D. Bisweilen sind kraft Landesgesetzes bestimmte Sachen einem besonderen OLG zugewiesen worden.
105
GVG
§ 120 ( - ) I Die Oberlandesgerichte sind zur Verhandlung und Entscheidung im ersten und letzten Rechtszug in den Strafsachen zuständig, die nach § 134 a Abs. 1 von dem Oberbundesanwalt an die Landesstaatsanwaltschaft abgegeben werden oder in denen der Bundesgerichtshof nach § 131a Abs. 3 bei Eröffnung des Hauptverfahrens die Verhandlung und Entscheidung dem Oberlandesgericht fiberweist. In den von dem Oberbundesanwait an die Landesstaatsanwaltschaft abgegebenen Sachen trifft das Oberlandesgericht auch die im § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. II Für den Gerichtsstand gelten in diesen Fällen die allgemeinen Vorschriften. Sind jedoch in einem Land mehrere Oberlandesgerichte errichtet, so können die im Abs. 1 den Oberlandesgerichten zugewiesenen Aufgaben durch die Landesjustizverwaltung einem oder einigen der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht übertragen werden. Durch Vereinbarung der beteiligten Länder können diese Aufgaben dem hiernach zuständigen Gericht eines Landes auch für das Gebiet eines anderen Landes übertragen werden. III Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache diesem vorzulegen.
§ 121
(123)
I Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig f ü r die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Revision gegen a) die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Amtsrichters; b) die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammer; c) die Urteile der großen Strafkammer und des Schwurgerichts, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird; 2. der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammer oder des Bundesgerichtshofes begründet ist. II Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung nach Abs. 1 Nr. 1 a oder b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache diesem vorzulegen.
§ 122
(124)
I Die Senate der Oberlandesgerichte entscheiden, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozeßgesetze an Stelle des Senats der Einzelrichter zu entscheiden hat, in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. II Die Strafsenate sind in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges mit fünf Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden zu besetzen. Im ersten Rechtszug entscheiden sie in dieser Besetzung auch darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen oder das Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen ist. A. In Zivilsachen (und denen der freiwilligen Gerichtsbarkeit) entspricht GVG § 122 I dem GVG § 75. Nur in Landwirtschaftssachen treten noch zwei landwirtschaftliche Beisitzer hinzu (LVG §211). Die Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters ist hier gemäß §§523a, 348 folg. eingeengt. Ist der Senat nicht vorschriftsmäßig besetzt, so ist dies angreifbar (GVG § 62 A I).
106
GVG Neunter Titel Bundesgerichtshof
§ 1 2 3 (125) Sitz des Bundesgerichtshofs ist Karlsruhe. B. Der BGH ist in GG Art. 96 I vorgesehen worden. Er ist für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins an die Stelle des RG getreten, das seinen Sitz in Leipzig hatte (Nov. 1950 Art. 8 I I I 88). Für das Land Bayern ist er nur zuständig, soweit nicht das BayObLG in München entscheidet (vgl. EGZPO §§ 7, 8). Die Verbindung mit der arbeitgerichtlichen Revisionsinstanz ist gelöst.
§ 1 2 4 (126) I Der Bundesgerichtshof wird mit einem Präsidenten und der erforderlichen Zahl von Senatspräsidenten und Bundesrichtem besetzt. A. Der BGH hat z. Z. 8 Zivil- und 4 Strafsenate in Karlsruhe und einen Strafsenat in Westberlin. B. Über die Vertretung des Präsidenten vgl. GeschäftsO § 5.
§ 1 2 5 (127) I Die Mitglieder des Bundesgerichtshofes werden durch den Bundesminister der Justiz gemeinsam mit dem Richterwahlausschuß gemäß dem ßichterwahlgesetz berufen und vom Bundespräsidenten ernannt. II Zum Mitglied des Bundesgerichtshofes kann nur berufen werden, wer die Fähigkeit zum Richteramt in einem deutschen Land erlangt und das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hat. A. Über die Ernennung der Bundesrichter entscheidet der Bundespräsident (GG Art. 60 I); doch muß der Bundesminister der Justiz gegenzeichnen (GG Art. 58). Vgl. dazu die AnO des Bundespräsidenten über die Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten und Bundesrichter v. 17. 5. 1950 nebst DVO vom selben Tage (BGBl. 209). A I . Der Ernannte muß richterfähig sein (GVG §§ 2. 4, 5) und das 35. Lebensjahr erreicht haben. A II. Darüber hinaus verlangt GG Art. 95 III, 96 II, daß „über die Berufung" der Richter der Bundesminister der Justiz gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß, bestehend aus den Landesjustizministern (-Senatoren) und der gleichen Anzahl vom Bundestag gewählter Mitglieder, entscheidet. Dies geschieht nach dem RichterwahlG v. 25. 8.1950 (BGBl. 368). B. Über die Entlassung der Bundesrichter vgl. GVG § 8 B, C. Auch die Versetzung in den Ruhestand ist Entlassung; vgl. die zu GVG § 125 A erwähnte AnO und VO des Bundespräsidenten.
§126 ist weggefallen.
§127 ist außer kraft getreten.
wurden aufgehoben.
§ § 128, 129
107
GVG
§ 1 3 0 (132) I Bei dem Bundesgerichtshof werden Zivil- und Strafsenate gebildet. Ihre Zahl bestimmt der Bundesminister der Justiz. II Der Bundesminister der Justiz wird ermächtigt, Zivil- und Strafsenate auch außerhalb des Sitzes des Bundesgerichtshofes zu bilden. A. Anders als bei den anderen Gerichten bestimmt nicht der Präsident des Gerichts, sondern der Bundesminister der Justiz die Anzahl der Senate. Er darf auch detachierte Senate bilden (was mit einem Strafsenat in Westberlin geschehen ist).
§ 1 3 1 (133) I Die Vorschriften der §§ 62 bis 69 sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß das Präsidium aus dem Präsidenten, den Senatspräsidenten und den vier dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach ältesten Mitgliedern des Gerichts besteht. A. Die Vorschrift entspricht dem GVG § 117; in Abweichung hiervon gehören indes die vier dienstältesten (bei gleichem Dienstalter geburtältesten) Mitglieder, die nicht Senatspräsidenten sind, stets zum Präsidium. Außerdem hat das Präsidium hier die Aufgabe, die großen Senate zu besetzen (GVG §132 III) und auch der Vertreter des Präsidenten wird nicht vom Bundesminister der Justiz, sondern vom Präsidium bestellt (vgl. GVG § 132 III); ein Vizepräsident als ständiger Vertreter ist nicht vorgesehen. B. Der BGH hat eine Geschäftsordnung nach GVG § 140. Er hat ferner einen Geschäftsverteilungplan.
§ 132 (131 a) I Beim Bundesgerichtshof wird ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. II Jeder Große Senat besteht aus dem Präsidenten und acht Mitgliedern. III Die Mitglieder und ihre Vertreter werden durch das Präsidium des Bundesgerichtshofes für die Dauer von zwei Geschäftsjahren bestellt. IV Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und sämtlichen Mitgliedern der Großen Senate. V Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident des Bundesgerichtshofes, im Falle seiner Verhinderung sein Vertreter. In den Fällen des § 136 können die Präsidenten der beteiligten Senate, in den Fällen des § 137 der Präsident des erkennenden Senats oder ein von ihnen bestimmtes Mitglied ihres Senats an den Sitzungen des Großen Senats oder der Vereinigten Großen Senate mit den Befugnissen eines Mitglieds teilnehmen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. A. In den Fällen des GVG §§ 136, 137 dürfen die Senatspräsidenten der beteiligten Senate oder ein von ihnen zu benennendes Senatsmitglied als Mitglied des großen Senats teilnehmen; doch gilt dies nur, wenn sie nicht schon selbst Mitglieder des großen Senats sind. Ist der Senatspräsident berdts im großen Senat selbst vertreten, so darf er nicht etwa noch ein Senatsmitglied bestimmen. Ob der Senatspräsident sich so beteiligen soll, steht in seinem Belieben. B. Abgesehen vom Präsidenten, bestimmt das Präsidium die ordentlichen M i t g l i e d e r der g r o ß e n S e n a t e und ihre Vertreter (auch den des Präsidenten) auf die Dauer von zwei Geschäftsjahren. C. Über die Zuständigkeit der großen Senate vgl. GVG §§ 13B, 137; über das Verfahren vor dem großen Senat GVG § 138.
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GVG
§ 133
(135)
I In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist der Bundesgerichtshof zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Revision gegen die Endurteile der Oberlandesgerichte sowie gegen die Endurteile der Landgerichte im Falle des § 566a der Zivilprozeßordnung; 2. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte in den Fällen des § 519 b Abs. 2 der Zivilprozeßordnung. A. Der BGH ist in erster Instanz in den folgenden Fällen (soweit er nicht durch das BayObLG ausgeschlossen wird, EGZPO § 7) zuständig. Über die Möglichkeit, dem BGH durch Landesgesetzgebung die Entscheidung zu übertragen, vgl. EGGVG §§ 3 II, 11 II 2, 14, 15, 17 I. A I . In Z i v i l s a c h e n ist er erstinstanzlich zuständig: nach §§ 36, 650 III, 651 11,676111; nach § 45 I, wenn Mitglieder des OLG, das nicht zu Bayern gehört, abgelehnt und das OLG beschlußunfähig ist, oder wenn Mitglieder des BayObLG abgelehnt und dieses beschlußunfähig geworden ist; A l l . in Sachen der f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t nach FGG §5 1 vgl. BGH v. 21. 11. 1955 II NJW 1837 (aber nicht im Falle des FGG § 46 II) und GBO § 1 II und bei der Abberufung der landwirtschaftlichen Beisitzer (wo der erste Zivilsenat in dem GVG § 113 entsprechenden Verfahren entscheidet) nach LVG § 7; A III. in S t r a f s a c h e n nach StPO §§ 13 II 2, I I I ; 14; 15; 19, 172 IV und GVG § 134. B. Der BGH ist in zweiter Instanz zuständig (soweit er nicht durch das BayObLG ausgeschlossen wird): B I. in Z i v i l s a c h e n nach §566a bei Sprungrevisionen gegen land(amts)gerichtliche Urteile; B II. auf dem Gebiete der f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t in Patentsachen für die Berufung gegen Entscheidungen des Patentamtes, in Patentnichtigkeitstreiten bei Zurücknahme des Patents und bei Erteilung der Zwangslizenz (vgl. PatentberufungVO v. 30. 9.1936 — RGBl. II 316); ferner weiter, wo das Landgericht als erste Instanz entscheidet und das Oberlandesgericht sich der Entscheidung enthält oder wo das Oberlandesgericht als zweite Instanz gegen amtsgerichtliche Entscheidungen Rechtsmittelinstanz ist und dem BGH vorlegt, vgl. FGG § 28 II, III in entsprechender Anwendung (a. M. OGH v. 30. 6.1948 E 1/13 = NJW 554, BGH v. 18.1. 1951IV MDR 228 zu BMilRegG 59 Art. 60). Von der historischen Auslegung der abweichenden Meinung sollte man indes abgehen, weil nach dem Gesetz gerade dann die AG ausgeschlossen wurden, wenn es eine sorgfältigere Beurteilung der Sachen wünschte. Die h. M. läßt es auf diesen Gebieten nicht zur Rechtseinheit kommen (vgl. GG Art. 95). Eine Auslegung gibt es aber nicht, wo das Gesetz entschieden hat, wie in den Fällen des MSchG § 47 i. V. m. FGG § 28 II, III, ferner gemäß 1. DVO AktienG (RGBl. 37 1 1026) §§ 28 II, 31 bei besonderer Zulassung durch das OLG. Der Ausschluß der weiteren Beschwerde in FGG § 64 bedeutet dabei noch nicht, daß dem BGH nicht vorgelegt werden dürfte; denn der BGH würde ja nur über die Beschwerde zu entscheiden haben; B III. in S t r a f s a c h e n nach GVG § 135. C. Der BGH ist in dritter Instanz zuständig (soweit er nicht durch das BayObLG ausgeschlossen wird): C I. in Z i v i l s a c h e n nach GVG §159 (Beschwerde bei verweigerter Rechtshilfe durch ein OLG); nach § 519 b II (Beschwerde gegen Rechtsmittelverwerfung des OLG; GVG § 133 I 2), nach §§ 545 folg. (Revision gegen oberlandesgerichtliche Urteile; GVG § 133 11); C I I . in Sachen der f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t (wobei die Zivilsenate zuständig sind; vgl. FGG § 30, GBO § 811, SchiffsregisterO § 89 I); auf V o r l e g u n g nach FGG §§ 27, 28 II, III (dagegen gibt es keine weitere Beschwerde an den BGH, falls das OLG nicht vorlegt — OGH v. 17. 5.1950 II NdsRpfl. 151 — SchiffsregisterO §87 11, GBO §79 11,111); und ohne Vorlegung gegen Entscheidungen der OLG, sofern das LG erste Instanz war, nach
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§133
C Ii
GVG
1. DVO AktienG §§9111, 14 II (bei besonderer Zulassung oder Streitwert über 6000 DM); nach VHG § 18 III, wo in erster Instanz das LG entschieden hatte, ferner gegen zweitinstanzliche Entscheidungen der OLG, wo in erster Instanz das AG entschieden hat, nämlich in Landwirtschaf tsachen nach LVG § 24; C III. in S t r a f s a c h e n im Fall des GVG § 159. E. Von einer Instanzverschiebung kann auch hier bei den Wiederaufnahmeklagen nicht gesprochen werden, weil es außerordentliche Rechtsbehelfe sind, selbst wenn beim BGH die Klage zu erheben ist (vgl. RGZ 57/231 [232/233]).
§ 134 (136) I In Strafsachen ist der Bundesgerichtshof zuständig für die Untersuchung und Entscheidung im ersten und letzten Rechtszug: bei Hochverrat und Verfassungsverrat in den Fällen der §§ 80 bis 83 und 89 des Strafgesetzbuchs, bei Landesverrat in den Fällen der §§ 100 bis 100c, lOOd Abs. 1, lOOe und lOOf des Strafgesetzbuchs, bei einem Anschlag gegen ausländische Staatsmänner nach § 102 des Strafgesetzbuchs, bei Parlamentsnötigung nach § 105 des Strafgesetzbuchs, bei Nichterfüllung der Pflichten nach § 138 des Strafgesetzbuchs, wenn die Unterlassung eine Straftat betrifft, die zur Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes gehört nnd bei Völkermord nach § 220a des Strafgesetzbuchs. II Der Bundesgerichtshof ist ferner für die Untersuchung und Entscheidung im ersten und letzten Rechtszug zuständig bei den in § 74 a Abs. 1 bezeichneten Straftaten, wenn der Oberbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt. m In den Sachen, in denen der Bundesgerichtshof nach Abs. 1 und 2 zuständig ist, trifft er auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. Er entscheidet ferner über die Beschwerde gegen eine Verfügung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes (§ 168 a der Strafprozeßordnung).
§ 134a ( - ) I Richtet sich eine in § 134 Abs. 1 bezeichnete Tat überwiegend gegen die Interessen eines Landes, so soll der Oberbundesanwalt das Verfahren an die Landesstaatsanwaltschaft abgeben, sofern nicht besondere Umstände entgegenstehen. Der Oberbundesanwalt bann auch andere Sachen abgeben; er soll von dieser Befugnis nur bei Sachen minderer Bedeutung Gebrauch machen. II Der Oberbundesanwalt kann eine Sache, die er nach § 74 a Abs. 2 übernommen hat, wieder an die Landesstaatsanwaltschaft abgeben. III Der Bundesgerichtshof kann bei der Eröffnung des Hauptverfahrens die Verhandlung und Entscheidung in den Sachen, in denen er nach § 134 Abs. 1 zuständig Ist, dem Oberlandesgericht und in den Sachen, in denen er nach § 134 Abs. 2 zuständig ist, dem Landgericht überweisen.
§ 135 (136) I In Strafsachen ist der Bundesgerichtshof ferner zuständig zur Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision gegen die Urteile der Schwurgerichte und die Urteile der großen Strafkammern im ersten Rechtszuge, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist.
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GVG
§ 136
(137)
I Will in einer Rechtsfrage ein Zivilsenat von der Entscheidung eines anderen Zivilsenats oder des Großen Senats für Zivilsachen oder ein Stiarsenat von der Entscheidung eines anderen Strafsenats oder des Großen Senats für Strafsachen abweichen, so entscheidet im ersten Fall der Große Senat für Zivilsachen, im zweiten Fall der Große Senat für Strafsachen. n Die Vereinigten Großen Senate entscheiden, wenn ein Zivilsenat von der Entscheidung eines Strafsenats oder des Großen Senats für Strafsachen, oder ein Strafsenat von der Entscheidung eines Zivilsenats oder des Großen Senats für Zivilsachen oder ein Senat von der früher eingeholten Entscheidung der Vereinigten Großen Senate abweichen will. A. Ein Zivil- oder Strafsenat ist an seine Rechtsmeinung außerhalb ein und desselben Prozesses (über die Bindung innerhalb dieses vgl. §§ 318 B II, 565 A l l e ) nicht gebunden, selbst wenn sie gerade die Entscheidung trägt. Der Gesetzgeber verhindert also nicht den Meinungwechsel. B. Die Rechtsprechung, welche zu GVG § 136 ergangen ist, befaßt sich mit den Fällen, wo ein Senat bewußt von der Entscheidung eines anderen abwich, nicht vorlegte, sich aber mit ihr auseinandersetzte. Es gibt indes Fälle, wo die Auseinandersetzung unterblieb und weitere, wo die andere Meinung dem erkennenden Senat nicht bekannt war. Die T e n d e n z ging und geht dahin, die Vorschrift möglichst eng zu umgrenzen. B I. Der erkennende Senat soll vorlegen, wenn er in einer Rechtsfrage von der Meinung eines anderen abweichen will. Legt er nicht vor, so ist die Entscheidung aber doch nicht angreifbar. Dabei ist es darauf abzustellen, ob die abweichende Rechtsmeinung die Entscheidung trägt, also nicht bloß beiläufig geäußert ist (RGZ 134/17 [22]). Doch sollte auch dann vorgelegt werden, wenn das gleiche Ergebnis erzielt wird, gleichviel, ob die eine oder die andere Meinung richtig ist (a. M. RGZ 147/313 [316]); denn es wird ja gerade auf die Rechtsansicht abgestellt. Dann darf aber auch nicht entscheiden, daß eine Rechtsansicht zu einem extremen Fall anders gebildet war (a. M. BGHZ 14/138). Hatte ein Senat versehentlich nicht vorgelegt, so wird derselbe, wenn er (und der andere Senat) bei seiner Meinung verbleiben will, bei der nächsten Gelegenheit vorzulegen haben; BGHSt. NJW 56/351 hat dies sogar in dem Falle für recht gehalten, wenn derselbe Senat von seiner eigenen geäußerten Ansicht abgehen und sich der Meinung des anderen Senats anschließen wollte (vgl. dazu aber § 136 B II). B II. Die Norm wird dahin b e s c h r ä n k t , daß es nur auf die Rechtsmeinung n o c h e x i s t e n t e r S e n a t e abzustellen ist (RGZ 108/58 [60]), und der Senat ist auch dann nicht mehr existent, wenn er inzwischen sein Sachgebiet an den nunmehr zum Erkenntnis berufenen abgegeben hat (RGZ 115/103 [105]). Aber auch dann braucht die Entscheidung des großen Senats nicht herbeigeführt zu werden, wenn der S e n a t , der früher anders entschieden hatte, von s e i n e r g e ä u ß e r t e n R e c h t s a n s i c h t (auf Anfrage des neu erkennen wollenden) a b g e h t (RGZ 129/208 [210]); doch braucht nicht einmal angefragt zu werden, wenn die letzte ergangene Entscheidung des anzufragenden Senats zeigt, daß er von einer früher geäußerten Rechtsmeinung abgegangen ist (RGZ 87/281 [283]); und der große Senat braucht auch dann nicht angegangen zu werden, wenn ein anderer Senat — unter Verstoß gegen GVG § 136 — sich über die Rechtsmeinung des zuerst erkennenden hinweggesetzt hat und der nunmehr dritte zum Zuge kommende Senat von der letzten Entscheidung nicht abweichen will (RGSt. J W 32/2147'). Es muß also die Rechtsmeinung des einen Senats der des anderen (noch) entgegenstehen. B i n . Ferner zwingt trotz gleichen Sachverhalts die a b w e i c h e n d e r e c h t l i c h e Beg r ü n d u n g nicht zur Anrufung des großen Senats, selbst wenn der zuerst entscheidende den neuen rechtlichen Gesichtspunkt des anderen nicht übergehen durfte (vgl. RGZ 70/431 [433], u. U. auch gar nicht übersehen, sondern nur für unerheblich gehalten hat), sofern er ihn übergangen hat. Die a b w e i c h e n d e r e c h t l i c h e A n s i c h t zu gleich oder ä h n l i c h l i e g e n d e n N o r m e n ist in einer Reihe von Entscheidungen für unerheblich erklärt worden (dagegen zu Recht: BGHZ 9/179).
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§136
6VG
B IV. RG N GVG § 137 a. F./5 hat es sogar für nicht erforderlich erklärt, die Plenarentscheidung herbeizuführen, wenn es sich um Ü b e r g a n g s r e c h t handelte, und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch Anrufung des Plenums nicht mehr erreicht werden konnte. C. Die Norm hat eine rückbezügliche Bedeutung in den Fällen des § 546 II 2, ArbGG § 69 II 2, FGG § 28 II, GVG § 121 II, wo nämlich das OLG die Revision zulassen bzw. vorlegen soll, wenn es von einer Entscheidung des BGH abweicht bzw. wenn so die Zulassung des Rechtsmittels erkämpft werden soll (LVG § 24 II 1, ArbGG § 72 I 2). Sodann sollte nicht unterschieden werden, ob ein Senat von einem anderen des BGH (BArbG) unter Außerachtlassung des GVG § 136 abgewichen ist, vielmehr sollte in allen Fällen vorgelegt werden, weil nur so die erforderliche Rechtseinheit hergestellt werden kann (BGHSt. 5/136).
§ 137
(-)
I Der erkennende Senat kann in einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung die Entscheidung des Großen Senats herbeiführen, wenn nach seiner Auffassung die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung es erfordert. A. Jeder Senat darf (mit Mehrheitsbeschluß) Rechtsfragen an den großen Senat bringen, A I. wenn es seiner Ansicht nach um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung geht (GVG § 137; vgl. auch GG Art. 95). Das Gesetz verlangt weiter, daß die Frage von g r u n d s ä t z l i c h e r Bedeutung sei; dies sollte man i. S. des GVG § 136 dahin auslegen, daß sie in der vorliegenden Sache von entscheidender Bedeutung ist (abweichend Sydow-Busch § 137 Anm. 1, BaumbachLauterbach §137 Anm. 1, nicht: wenn nur einmal zu entscheiden sei; dann wird aber die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht gefährdet — und nicht: wenn sie nebensächlicher Art sei: das ist sie aber nie, wenn es um die Rechtseinheit geht). A II. GVG § 137 stellt ferner neben die zu sichernde einheitliche Rechtsprechung die F o r t b i l d u n g des R e c h t s . Ob diese Norm Bestand hat, ist zweifelhaft. Eestehendes positives Recht darf jedenfalls nicht vom Gericht und also auch nicht vom großen Senat geändert werden (GG Art. 97 I). Eine Fortbildung des Rechts ist deshalb nur im Rahmen des bestehenden positiven Rechts zulässig, nicht über es hinaus und nicht gegen es (a. M. BGH NJW 52/463). B. Der einzelne Senat darf die Rechtsfrage nur seinem großen (also dem Zivil- oder dem Straf-)Scnat vorlegen, nicht dem vereinigten großen Senat. Hält aber ein großer Senat die Rechtsfrage für bedeutend für beide Rechtsarten (Zivil- und Strafrecht), so darf auch er von GVG § 137 Gebrauch machen und (durch Mehrheitsbeschluß) die Frage dem vereinigten großen Senat vorlegen. An die Verweisung an den vereinigten großen Senat ist dieser jedenfalls nur gebunden, wenn ihn ein großer Senat angeht.
§ 1 3 8 (139) I Die Großen Senate und die Vereinigten Großen Senate entscheiden ohne mündliche Verhandlung nur über die Rechtsfrage. II Vor der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen oder der Vereinigten Großen Senate sowie in Ehe- und Entmündigungssachen und in Rechtsstreitigkeiten, welche die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern oder die Anfechtung einer Todeserklärung zum Gegenstand haben, ist der Oberbundesanwalt zu hören. Der Oberbundesanwalt kann auch in der Sitzung seine Auffassung darlegen. m
Die Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.
IV Erfordert die Entscheidung der Sache eine «rneute mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat, so sind die Beteiligten unter Mitteilung der ergangenen Entscheidung der Rechtsfrage zu der Verhandlung zu laden.
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GVG
§138
A. Der Senat, der eine Rechtsfrage dem großen Senat zur Entscheidung vorlegen will, handelt von sich aus. A I. Ein Antrag der Parteien ist dazu nicht erforderlich; wird er gestellt, so darf über ihn ohne Bescheidung hinweggegangen werden (aus der zu GVG § 136 mitgeteilten Rechtsprechung ist indes zu entnehmen, daß sich das RG mit solchen Anträgen auseinanderzusetzen pflegte). In den Fällen des GVG § 136 soll der Senat vorlegen (trotz der Fassung des GVG § 136 handelt es sich um eine S o l l v o r s c h r i f t ; denn ihre Übergehung zieht keine Rechtsfolgen nach sich), und nicht anders steht es in den Fällen des GVG § 137 (trotz der ,,Kann"fassung), denn er soll vorlegen, wenn die Auffassung des Senats die Voraussetzungen dieser Bestimmung trifft. A II. Der Senat darf erst nach mündlicher Verhandlung bzw. im schriftlichen Verfahren nach § 128 II (das indes vor dem Revisionsgericht nicht üblich ist) bzw. im Beschlußverfahren nach Anhörung der Parteien an den großen Senat verweisen (GVG § 138 IV; vgl. „erneute mündliche Verhandlung"). Aber auch ein Verstoß hiergegen bleibt ohne rechtliche Folgen. In dem Fall des GVG § 137 wird die Rechtsfrage in dem Vorlegungsbeschluß formuliert; im Fall des GVG § 136 geschieht dasselbe, wobei die Abweichungen begründet werden. A III. Über die Vorlegung an den vereinigten großen Senat vgl. GVG § 137 B. B. Der große Senat entscheidet nur die Rechtsfrage (GVG § 138), sofern er nicht an den vereinigten großen Senat verweist (GVG § 137 B), und zwar grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung, d . h . o h n e A n h ö r u n g d e r P a r t e i e n (auf Grund eines schriftlichen Votums und mündlichen Berichts wie Gegenberichts). Aus der Norm darf indes nicht herausgelesen werden, daß der große Senat nicht mündlich verhandeln lassen darf (a. M. BGHZ 13/265), sondern nur, daß er nicht mündlich zu verhandeln braucht, wie in all den Fällen, wo das Gesetz sagt, daß ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (d. h. werden kann), soweit es nicht ausdrücklich die Anhörung verbietet (wie etwa im Falle des § 834). Eine mündliche Verhandlung mit dem. Oberbundesanwalt sieht GVG § 138 I I vor (vgl. die Worte „in der Sitzung"). B I. GVG § 138 II sieht die Anhörung des Oberbundesanwalts vom großen bzw. vereinigten Senat „in der Sitzung" vor. a) I n S t r a f s a c h e n hat der Oberbundesanwalt das Gehör des Strafsenats, doch hatte, solange ihm GVG § 137 a. F. es ermöglichte, die Entscheidung des Senats zu erzwingen, die Vorschrift noch einen besonderen Sinn. In Ehe- (§§ 606folg.), Entmündigungs- (§§ 645folg.), Kindschaftsachen (§§ 640folg.), die an den BGH nur als Revisions- (nicht als Beschluß-) Sachen kommen, sollte ihn schon der Zivilsenat hören (§§ 607, 634, 638, 640), soweit er dort keine Parteistellung hat, vgl. §§ 632, 636, 638, 666, 679, 684 III, 686 III. b) Soweit im Verfahren auf E n t m ü n d i g u n g wegen V e r s c h w e n d u n g oder T r u n k s u c h t der Staatsanwalt als Partei nicht mitwirkt (also abgesehen vom Fall des § 686 III), ist er in ihm überhaupt nicht beteiligt und darf insoweit auch nicht im Verfahren vo. dem großen Senat beteiligt werden (GVG § 138 ist insoweit ungenau). c) Im Verfahren über die T o d e s e r k l ä r u n g (das jetzt nach dem VerschollenheitsG zu einem der freiwilligen Gerichtsbarkeit geworden ist; VerschollenheitsG § 13) wirkt die Staatsanwaltschaft nach VerschollenheitsG §§ 22, 24 II, 25, 28 I mit. Sofern hier eine solche Sache nach FGG § 28 II dem BGH vorgelegt wird, wird auch der Staatsanwalt von dem Zivilsenat gehört werden. Nur in den Fällen, wo der vereinigte große Senat auf Veranlassung eines Zivilsenats tätig wird, ist er (möglicherweise — nämlich wenn keiner der genannten Ausnahmefälle vorliegt, wo er auch in Zivilsachen tätig werden darf) nicht gehört (doch ist der Staat ja stets durch das Gericht in den Fragen der Gesetzesauslegung vertreten und die Zivilparteien erhalten gar kein [auch nicht mittelbar] Gehör, wenn auf Veranlassung eines Strafsenats der vereinigte Senat tätig wird; es sei denn, daß der große Senat dies so bestimmt). B II. Die Parteien haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, rechtlich gehört zu werden (a. M. BGHZ 13/265, der sie hört, wenn sich eine neue Rechtslage ergeben h a t ; aber die Parteien brauchen in solchen Fällen auch vor dem erkennenden Senat nicht gehört zu werden, nicht einmal dann, wenn das Gesetz sich nach Verhandlungschluß geändert h a t ; wenn dies 8
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
113
§ 138 B Ii
GVG
alles auch zweckmäßig ist). Nur in den Fällen, wo der Oberbundesanwalt „in der Sitzung" gehört wird, müssen es auch die Parteien (GG Art. 3 I) und dann in voller mündlicher Verhandlung (a. M. die Praxis des GSSt.). C. Der große Senat entscheidet durch (begründeten) Beschluß die Rechtsfrage. Der Beschluß ist den Parteien zuzustellen (§ 329 I I I ) . Die Entscheidung ist für die zu entscheidende Sache schlechthin b i n d e n d (vgl. GVG § 138 I I I , über die Bindung für andere Sachen und andere Senate gilt GVG § 136). Derselbe Senat (im Gegensatz zu den anderen Senaten) darf in diesen Fällen aber nicht nochmals die Sache dem großen Senat vorlegen, selbst wenn er (nachträglich) anderer Ansicht geworden ist. Entscheidet er trotz der Entscheidung des großen Senats anders, so ist dagegen aber kein Rechtsbehelf gegeben (ergeht indes kein Urteil, sondern nur ein Beschluß — beim Urteil vgl. B G B § 839 I I —, so ist der Anspruch gegen den Staat nach GG Art. 34 gegeben). Legt er nochmals vor, so muß der große Senat zurückweisen (von seinem Beschluß kann er in derselben Sache nach der hier vertretenen Auffassung jedenfalls nicht mehr abweichen, § 318 C). Nach der sog. naturrechtlichen Auffassung wird allerdings weder der erkennende Senat noch der große Senat an seine Entscheidung gebunden, wenn sie gegen das sog. Naturrecht verstößt; nach der des positiven Rechts muß bei einer Verletzung des Verfassungsrechts der erkennende Senat trotz der Entscheidung des großen Senats dem BVG nach GG Art. 100 vorlegen.
§ 139
(140)
I Die Senate des Bundesgerichtshofes entscheiden in der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. II Die Strafsenate entscheiden im ersten Rechtszug außerhalb der Hanptverhandlung in der Besetzung von drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden. Dies gilt nicht für den Beschluß, durch den darüber entschieden wird, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder der Angeschuldigte außer Verfolgung zn setzen oder das Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen ist.
§ 140 (141) I Der Geschäftsgang wird durch eine Geschäftsordnung geregelt, die das Plenum beschließt; sie bedarf der Bestätigung durch den Bundesrat. A. Die Geschäftsordnung des B G H ist im Bundesanzeiger v. 30. 3 . 1 9 5 2 Nr. 83 Seite 9 bis 10 abgedruckt.
Zehnter Titel Staatsanwaltschaft
§ 141 I
(142)
Bei jedem Gericht soll eine Staatsanwaltschaft bestehen. B. Die Staatsanwaltschaft wirkt
B I. i m Z i v i l p r o z e ß (und im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) nur selten mit, im besonderen bei dem Verfahren vor dem großen Senat des BGH (GVG § 138 II), in Ehe- (§§ 607, 632, 634, 636, 637, EheG § 24), Kindschaft- (§ 640, B G B § 1595a), Entmündigungangelegenheiten (§§ 646 I I , 652, 663, 666, 673, 675, 676 I I I , 678 I I , 679 IV, 684 I I I , 686 I I I , IV), nach AktienG §§ 77 I I , 98 I V bei Klagen gegen Vorstand und Aufsichtratsmitglieder.
114
GVG
§141
B II. Die Hauptaufgabe der StA ist die Vertretung des Staates als A n k l a g e b e h ö r d e . C. Die Beamten der StA sind nichtrichterliche (VO v. 20. 3.1935 § 9). Doch sind die Staatsanwälte Volljuristen (GVG § 148 II, nicht aber die Amtsanwälte). D. Die Einrichtung der StA ist Sache der Landesjustizverwaltungen bis auf die der Bundesanwaltschaft, die dem BJM untersteht. Sie arbeitet nach den Weisungen der vorgesetzten Dienstbehörden. Maßgebend im Prozeß sind allerdings die Erklärungen des jeweiligen Vertreters; das Gericht prüft nicht, ob er sich an die Weisungen hält.
§ 142
(143)
I
Das Amt der Staatsanwaltschaft wird ausgeübt: 1. bei dem Bundesgerichtshof durch einen Oberbundesanwalt und durch einen oder mehrere Bundesanwälte; 2. bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte; 3. bei den Amtsgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte oder Amtsanwälte. II Die Zuständigkeit der Amtsanwälte erstreckt sich nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage in den Strafsachen, die zur Zuständigkeit anderer Gerichte als der Amtsgerichte gehören. A. Der Generalbundesanwalt (das GVG nennt ihn noch Oberbundesanwalt) ist Behördenchef, die Bundesanwälte handeln in seinem Auftrag und sind an seine Weisungen gebunden, wie er selbst an die des BJM gebunden ist. B. An Weisungen der Landesjustizverwaltung ist die Bun desanwaltschaft nicht gebunden. Doch wickelt sich der innere Dienst reibungslos ab (die Bundesanwaltschaft verkehrt meist unmittelbar mit den General- und Oberstaatsanwälten); die von den Landesjustizverwaltungen eingelegten und begründeten Revisionen nimmt sje nur in deren Einverständnis zurück. Soweit ein Gesetz der StA eine besondere Befugnis gibt (BGB § 1595a), darf die Bundesanwaltschaft auch von sich aus eingreifen, ohne die Landesjustizverwaltungen (Generalstaatsanwälte) zu hören, sofern der Streit bei dem BGH schwebt. C. Der Behördenchef der Staatsanwaltschaft bei dem OLG ist der Generalstaatsanwalt, der der Staatsanwaltschaft bei dem LG der Oberstaatsanwalt. D. Bei den AG (Schöffengerichten) dürfen auch Amtsanwälte (die nicht Volljuristen sind) auftreten (GVG § 145 II).
§ 143 (144) I Die örtliche Zuständigkeit der Beamten der Staatsanwaltschaft wird durch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt, für das sie bestellt sind. II Ein unzuständiger Beamter der Staatsanwaltschaft hat sich den innerhalb seines Bezirks vorzunehmenden Amtshandlungen zu unterziehen, bei denen Gefahr im Verzug ist. m Können die Beamten der Staatsanwaltschaft verschiedener Länder sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet der ihnen gemeinsam vorgesetzte Beamte der Staatsanwaltschaft, sonst der Oberbundesanwalt.
§ 144
(145)
I Besteht die Staatsanwaltschaft eines Gerichts aus mehreren Beamten, so handeln die dem ersten Beamten beigeordneten Personen als dessen Vertreter; sie sind, wenn sie für ihn auftreten, zu allen Amtsverrichtungen desselben ohne den Nachweis eines besonderen Auftrags berechtigt. 8*
115
GVG
§ 145
(146)
I Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen. II
Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen.
§ 145a ist durch Nov. 1950 gestrichen.
§ 146
(147)
I Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.
§ 147 I
(148)
Das Recht der Aufsicht und Leitung steht zu: 1. dem Bundesminister der Justiz hinsichtlich des Oberbundesanwalts und der Bundesanwälte; 2. der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltlichen Beamten des betreffenden Landes; 3. dem ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten hinsichtlich aller Beamten der Staatsanwaltschaft ihres Bezirkes.
§ 148 I
(147)
Der Oberbundesanwalt und die Bundesanwälte sind nichtrichterliche Beamte.
I I Zu diesen Ämtern sowie zu dem Amt eines Staatsanwalts können nur zum Richteramt befähigte Personen ernannt werden.
§ 149
(150)
I Der Oberbundesanwalt und die Bundesanwälte werden auf Vorschlag des Bundesministers der Justiz, der der Zustimmung des Bundesrates bedarf, vom Bundespräsidenten ernannt.
§ 150 I
(151)
Die Staatsanwaltschaft ist in ihren amtlichen Verrichtungen von den Gerichten unabhängig.
§ 151
(152)
I Die Staatsanwälte dürfen richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Auch darf ihnen eine Dienstaufsicht über die Richter nicht übertragen werden.
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GVG
§ 152 (153) I Die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen der Staateanwaltschaft ihres Bezirks und der dieser vorgesetzten Beamten Folge zu leisten. II Die Landesregierung bezeichnet im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung die Beamtenklassen, auf die diese Vorschrift anzuwenden ist.
Eliter Titel Geschäftsstelle
§ 153 (154) I Bei jedem Gericht wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die mit der erforderlichen Zahl von Urkundsbeamten besetzt wird. Die Geschäftseinrichtung bei dem Bundesgerichtshof wird durch den Bundesminister der Justiz, bei den Landesgerichten durch die Landesjustizverwaltung bestimmt. A. Nach außen (für dritte) bildet das Gericht eine Einheit. Innerhalb des Gerichts sind seine Funktionen unterteilt. A I. Die richterliche Tätigkeit wird von der sie vorbereitenden (sie erst ermöglichenden) und der sie unterstützenden geschieden, indem dem Richter mehr das reine Richten zugewiesen wird, er aber sonst weitgehend entlastet wird. Wie weit hier die Grenzen zu ziehen sind, dies bestimmt die Gesetzgebung, welche noch in Fluß ist. Eine Reihe ehemals nur Richtern zustehende Funktionen sind auf die Rechtspfleger (vgl. GVG § 153 C IV), weitere auf die Urkundsbeamten (vgl. GVG § 153 C III) verteilt worden, womit allerdings nach der hier vertretenen Auffassung die Richter nicht von ihnen ausgeschlossen werden (Kommentar § 1 B IV b 1), während umgekehrt der Vorgriff der Urkundsbeamten und der Rechtspfleger auf den den Richtern vorbehaltenen Bereich ihr Handeln unwirksam (nichtig) macht (vgl. Rechtsp f l e g e ^ § 7). a) Das GVG unterscheidet Richter und Urkundsbeamte und bezeichnet die letzten als Mitglieder der Geschäftstelle. Darüber hinaus trennt das RechtspflegerG v. 8. 2.1957 (BGBl. 118) den Rechtspfleger vom Urkundbeamten der Geschäftstelle. a 1. Die richterlichen Funktionen sind von denen der Geschäftstelle und der Rechtspfleger meist durch die positive Regelung getrennt, wobei die ersten verhältnismäßig weitgehend gesetzlich geregelt worden sind. a 2. Auch das Tätigkeitgebiet der Rechtspfleger ist gesetzlich geregelt. Soweit dies geschehen (nämlich im RechtspflegerG), entscheiden sie selbständig, nur unter richterlicher Kontrolle, nicht unter der der Justizverwaltung (RechtspflegerG § 8 I 2). a 8. Das Entsprechende gilt für die Urkundsbeamten der Geschäftstelle; soweit ihre Funktionen durch Gesetz nicht festgelegt sind, sind 6ie den Anordnungen der Justizverwaltung unterworfen; im übrigen denen der Gerichte. a 4. Von den weiteren Hilfskräften gehören noch vom außergerichtlichen Standpunkt aus zur Geschäftstelle die Gerichtswachtmeister, Kassenbeamten und Kanzleiangestellten. Diese werden vom innergerichtlichen Standpunkt aus nicht mehr zur Geschäftstelle gerechnet. Das entsprechende gilt für den Bezirksrevisor beim LG und die Beamten des Rechnungamtes beim OLG.
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§153
AI
GVG
a 5. Für da3 weitere Hilfspersonal (Heizer, Aufräumearbeiter u. dgl. m.) gibt es im allgemeinen nicht einmal die allgemeinen Anweisungen; sie gehören nicht zu der Geschäftstelle. b) GVG § 153 ordnet die Einrichtung einer Geschäftstelle (früher die Gerichtschreiberei) bei jedem Gericht an, überläßt aber ihre Organisation den Landesjustizverwaltungen und beim BGH dem Bundesminister der Justiz (vgl. GVVO § 12). Das Gesetz kennt nur die Geschäftstelle des Gerichts. b 1. Die Justizverwaltungen haben die gesetzlich gegebene Einheit (Geschäftstelle des Gerichts) bei grollen Gerichten in mehrere Geschäftstellen aufgegliedert und zumeist durch allgemeine Anordnungen ihre Errichtung und Besetzung geordnet. Die Aufgliederung für ein Gericht folgt in der Regel der Geschäftsverteilung. Da diese ein Internum des Gerichts ist, so darf es nicht überbewertet werden, wie dies häufig in der Vergangenheit bei der Anbringung von Schreiben geschah, wo es der einzelnen — zuständigen — Geschäftstelle eingereicht sein mußte, wenn Fristen durch seine Einreichung zu wahren waren. Doch geht die herrschende Tendenz dahin, daß dadurch dem rechtsuchenden dritten (dem Publikum) kein Schaden entstehen darf, so daß im besonderen bei Fristsachen Eingangstellen mit ständiger Besetzung bzw. Nachtbriefkästen zu errichten sind (vgl. § 233 B II d 3). b 2. Es gibt aber auch eine G e s c h ä f t s t e l l e f ü r m e h r e r e G e r i c h t e (und Behörden), etwa in Hamburg die gemeinschaftliche Eingangstelle für das AG, LG, OLG, die StA beim LG und OLG. Wird dann aber eine Rechtsmittelschrift versehentlich falsch adressiert, so soll erst mit Abgabe an die speziell zuständige Geschäftstelle die Frist gewahrt werden (vgl. § 233 B i l d 3). Soweit sich mehrere verschiedenartige Gerichte in einem Gebäude bzw. Gebäudekomplex befinden, wird sich die Errichtung der gemeinschaftlichen Eingangsgeschäftstelle schwerlich vermeiden lassen. A II. Geschäftstellen gibt es bei allen Gerichten, — selbst soweit sie nicht der Justizverwaltung unterstehen. A III. Den Justizverwaltungen usw. ist es nicht verwehrt, die Geschäftstellen auch noch zu anderen Zwecken als Verwaltungstellen zu verwenden; doch geschieht dies regelmäßig schon deshalb nicht, weil man nicht auf ein anderes Ressort übergreift. Nur im Verhältnis zur Staatsanwaltschaft kennt die Praxis gemeinsame Eingangstellen. Die gesetzlich nicht verbotene Verbindung der Geschäftstellen der Gerichte mit denen der Staatsanwaltschaft ist nicht üblich. B. Die allgemeinen Anordnungen für die Geschäftstellen finden sich in der Aktenordnung und den Zusatzbestimmungen der Ländcrjustizverwaltungen. B I. Sie wirken nur, soweit nicht besondere gesetzliche Regelungen, die etwas anderes anordnen, getroffen worden sind. a) Über die gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet des Zivilprozesses für die Tätigkeiten der verschiedenen Rechtapflegeorgane vgl. § 1 B IV. b) Über die gesetzliche Regelung der Tätigkeit der Rechtspflegeorgane auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. GVG § 153 C IV c. Einen besonders breiten R a u m davon nimmt die gesetzlich geregelte Tätigkeit auf dem Gebiet des Rcgisterrechts ein. c) Über die gesetzliche Regelung der Tätigkeit der Rechtspflegeorgane auf dem Gebiete des Strafrechts vgl. GVG § 153 C IV d. B II. Die Geschäfts- und Dienstordnungen ergänzen die Einzelnormen und schließen damit die Lücke zu dem Falle der Einzeltätigkeit der Gerichtsangestellten. B III. Hinsichtlich Aktenaufbewahrung, -aussonderung und -Vernichtung gilt folgendes: Durch Beschluß der Justizministerkonferenz vom 15./16. Mai 1952 sind einheitliche Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen für Akten, Register und Urkunden bei den Justizbehörden im Bereich der Bundesrepublik Deutschland getroffen worden. Die Bestimmungen wurden den Gerichten als Sonderdruck mitgeteilt. B IV. Bekanntmachungen, Veröffentlichungen, Mitteilungen, Benachrichtigungen, Akteneinsicht und Auskünfte sind besonders geregelt.
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GVG
§153
B VI. Auch über den Post- und Schriftverkehr gibt es besondere Regeln. C. Zur Geschäftstelle gehören: die Urkundsbeamten der Geschäftstelle (die Gerichtswachtmeister, die Kanzleiangestellten). Zu ihr sollte man auch die Rechtspfleger i. S. des RechtspflegerG zählen. Ihre Zahl bestimmt die Justizverwaltung. Die Laufbahnbestimmungen unterteilen sie in Beamte des gehobenen und des mittleren Dienstes. Entscheidend ist aber ihre Berufung (nicht ihre Vorbildung), wenn sie auch nicht berufen werden sollen, falls sie die Vorbildung nicht haben; VO des ZJA BZ v. 27. 9. 1948 § 1 (VOB1. BZ 293) spricht allerdings von „kann nicht", ArbGG § 46 I I I 2 von „können nur". Mängel der Berufung können nur im Verfahren gerügt werden, führen also nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit ihrer Handlungen. Die Handlung eines Nichtberufenen ist dagegen nichtig (vgl. Güthe-Triebel, Komm. z. GBO II 1417). Allerdings dürfen auch die nur zu Urkundbeamten Berufenen keine Rechtspflegerfunktionen i. S. des RechtspflegerG ausüben. C I. Über die Vorbildung dieser Beamten gibt es eine Reihe von Prüfung- und Ausbildungvorschriften. C II. Beide Gruppen (gehobener wie mittlerer Dienst) sind Organe des Gerichts (RGZ 44/409 [411]), ihre Ausschließung und Ablehnung erfolgen nach den für Richter geltenden Bestimmungen (§ 49, RechtspflegerG § 9); ihre örtliche und sachliche Zuständigkeit richtet sich nach der des Gerichts, wenn die Justizverwaltung nicht für mehrere Gerichte eine gemeinsame Geschäftstelle errichtet. CIII. Im ZivilprozeB sind dem Urkundsbeamten eine Reihe untergeordnete, aber auch selbständige Tätigkeiten zugewiesen. a) Die Urkundsbeamten führen die Geschäftskalender, Register und Akten; sie erteilen Abschriften und Ausfertigungen, Notfrist- und Rechtskraftatteste, Vollstreckungklauseln (und schreiben um), verteilen die Anträge an die GV. b) Weiter gehört zu ihrer Tätigkeit die Beurkundung, und zwar (mitwirkend) in der mündlichen Verhandlung, wenn ein Richter tätig wird (§§ 133, 159, 163, 163a), soweit nicht das Gericht von ihrer Mitwirkung absieht. Außerhalb der mündlichen Verhandlung und dann, wenn kein Richter tätig wird, beurkunden sie allein, im besonderen Gesuche der Parteien. c) Noch selbständiger ist ihre Mitwirkung bei der Kostenfestsetzung (§§ 103folg.), wie überhaupt im Kostenwesen, aber auch bei der Anordnung der Rückgabe einer Sicherheit (§ 109) und im Mahnverfahren (§§ 693, 699). C IV. Der Bereioh der selbständigen Verantwortung des Rechtspflegers ist durch die Übertragung richterlicher Aufgaben auf ihn nach dem RechtspflegerG ausgestaltet worden. a) Durch landesgesetzliche Regelung 6ind ihm weitere Aufgaben übertragen worden, b) Weitere (funktionelle) Zuständigkeiten ergeben sich für den Rechtspfleger bzw. für den Urkundsbeamten im Konkurs- (vgl. KO §§ 111,112,116,163,190, 205,122,149,140,198; RechtspflegerG § 21) und im Vergleichsverfahren (vgl. VglO §§ 22, 23, 67, 81, 98, 108, 111; RechtspflegerG § 22). c) Ferner wird der Rechtspfleger auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig (RechtspflegerG §§ 12folg.). d) Auch im Strafverfahren ist der Urkundsbeamte vielfach zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt. Die wichtigste seiner selbständigen Funktionen ist aber die der Revisionbegründung (StPO § 345 II); in Strafvollstreckungsachen ermächtigt ihn StrafvollstreckungO v. 15. 2. 1956 § 10. D. Über sonstige Bedes gegenüber demselben (BayObLG Z1051/13) oder gegenüber anderen Beklagten (BayObLG Z1951/13) geschehen soll.
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Gerichtsstand
§ 36
D
in S
a 5. Er ist entsprechend anzuwenden, wenn m e h r e r e s t a t i o n e s f i s c i mit verschiedenen Gerichtständcn verklagt werden sollen (RG Warn. 12/257). a 6. Darüber hinaus wird man gewohnheitrechtlich annehmen dürfen, daß unter mehreren besonderen fiericlitsländen wie zwischen dem allgemeinen und dem besonderen § 36 I 3 entsprechend gilt, wenn für mehrere Klagegründe oder für eine wegen des rechtlichen Zusammenhangs (Kommentar § 33 A I I I c) gebotene Klagehäufung (§§ 59folg., 260) der Gcrichtstand des Zusammenhangs (§ 12 A I b, c) fehlt. b) Ausgenommen hiervon sind die Fälle der §§ 603 II, 605a, wo der Kläger von sich aus die Wahl (§ 35) hat, wie die sonstigen des Zusammenhangs (§ 12 A I b, c). Nicht hierher gehört der Fall der Ilauptintervention (§ 64) und nicht der der Streithilfe, auch nicht der der streitgenössischen (§69), weil die so Betroffenen den Gerichtstand der Klage hinnehmen müssen. b 1. Haben die ( u . U . zukünftigen) Beklagten mehrere allgemeine Gerichtstände, so genügt es, wenn von diesen nur einer mit dem des oder der anderen zusammentrifft. Sind in bezug auf das streitige Rechtsverhältnis mehrere besondere Gerichtstände gegeben (vgl. RGZ 31/381), so muß es genügen, wenn einer dieser mit einem solchen besonderen der anderen zusammenfällt. Auch muß es genügen, wenn der Kläger sie in einem, sei es allgemeinen, sei es besonderen Gcrichtstand gemeinsam belangen könnte, selbst wenn ein vertraglicher Gcrichtstand den gemeinsamen ermöglicht (OGHZ 3/214). Bei Vereinbarung ausschließlicher Gerichtständc versagt § 36 I 3 (OGHZ 3/214, BGII MDR B 481/57 = LM § 36 1 3/6). b 2. Ob man darüber hinausgehend in e n t s p r e c h e n d e r A n w e n d u n g des § 3 6 1 3 unter deutschen Gerichten einheitlich verfahren darf, ist streitig; man könnte es nur unter dem Gesichtswinkel der einheitlichen Prozeßordnung, die auch ein einheitliches Gebiet gefordert hat, zumal Verweisungen nach § 276 zulässig sind. Dann müßte einseitig vom BGH im Verhältnis v o n O s t zu W e s t ein Westgericht bestimmt werden dürfen, wenn sonst zwischen Ost und Wef.t ein Fall des § 36 I 3 gegeben ist. OGH BZ hat dies abgelehnt, indem er es auf die Gerichtshoheit abgestellt hat (MDR 48/330), selbst wenn sich das sonst betroffene Gericht damit einverstanden erklärt hatte. c) Soweit eine Auswahl unter mehreren Gerichtständen zu treffen ist, muß allerdings sie so getroffen werden, daß zumindest bei einem Beklagten der Gcrichtstand zutreffen muß, den der Kläger bezüglich dieses Beklagten wählen mußte (soweit sie unter allgemeinen Gerichtständen getroffen wird, muß dies ein allgemeiner eines Beklagten sein: BayObLG J W 31/2375 1 ). D IV. § 36 I 4 setzt eine Klage im dinglichen Gerichtstande der §§ 24—26 voraus, die sich auf Gegenstände bezieht, welche in verschiedenen inländischen Gerichtsbezirken belegen sind, aber sowohl dingliche (§ 24) wie persönliche (§§ 25, 26) Ansprüche betreffen kann. a) Liegt eine sich über mehrere Bezirke erstreckende unbewegliche Sache vor, so kommt es nicht daiauf an, auf welchem Teil etwa das den Klagegrund bildende Ereignis eingetreten ist (wie im Falle des BGB § 1004 die Störung: RGZ 86/272 [280]). Bei Gesamthypotheken, die auf mehreren Grundstücken verschiedener Bezirke lasten, ist § 36 I 4 entsprechend anzuwenden (BGH MDR B 240/51). Anzuwenden ist die Bestimmung auch bei der Kraftloserklärung eines Hypothekenbriefes nach § 1005 II (BGH MDR B 240/51). Nach der hier vertretenen Auffassung kann sowohl die sachliche wie die örtliche Zuständigkeit berührt werden. b) Liegen die mehreren unbeweglichen Sachen aber sowohl in der Ostzone wie im Westen, so ist der Z u s a m m e n h a n g , der ursprünglich bestand, z e r s c h n i t t e n . D V. Die Norm des § 361 5 steht unter der Möglichkeit, daß der kongruente Anspruch zwischen denselben Parteien aus demselben Rechtsverhältnis getroffen wird. § 36 I 5, 6 knüpft an die Rechtshängigkeit des § 263 II 1 an und setzt die mehrfache Zuständigkeitentsehcidung durch rechtskräftiges Zwischen urteil verschiedener Gerichte gemäß § 275 II voraus (FörsterKann § 36 Anm. 3 e), nicht aber die in derselben Sache durch instanzlich übergeordnete Gerichte. Vgl. im übrigen GVG § 17. a) In jedem Falle geht die rechtskräftige Sachentscheidung des ordentlichen Gerichts vor (GVG § 17 I 4); wo deshalb rechtskräftige Sachentscheidung und rechtskräftige Zuständigkeitentscheidung zusammenfallen, ist für § 36 I 5 kein R a u m mehr. 16 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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§36 D v
ZPO I. Buch
b) Nicht unter § 36 1 5 fällt es, wenn mehrere Gesamtgläubiger getrennt klagen (oder auch mehrere Gesamthandgläubiger jeder für sich auf Zahlung an alle). D VI. § 36 I 6 trifft den zu Nr. 5 umgekehrten Fall, wenn sich verschiedene Gerichte, bezogen auf die erste Instanz, in bezug auf den kongruenten Anspruch (vgl. § 36 D V) rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. a) Die Vorschrift bezieht sich auf die Entscheidungen verschiedener ordentlicher Gorichte; gilt aber auch im Verhältnis dieser zu den Sondergerichten wie umgekehrt. Die gleichlautenden Entscheidungen bloß verschiedener Instanzen fallen nicht unter §36 1 6 ; während andererseits nicht in beiden Verfahren dieselbe Instanz entschieden haben muß. Ein Zwang zur Einlegung von Rechtsmitteln in den einzelnen Verfahren besteht nicht. Nichts anderes sollte im Verhältnis zu den Verwaltung- und Verwaltungsondergerichten gelten. Sind § 276, ArbGG § 48a, GVG § 17 anwendbar, so ist § 36 I 6 ausgeschlossen; jedenfalls darf im zweiten anhängigen Verfahren noch verwiesen werden trotz früherer Unzuständigkeiterklärung des früheren Gerichts. b) Die entsprechende Anwendung des § 36 I 6 hat ein weites Feld; RGZ 85/132 hat bei einem Konflikt des Vollstreckunggerichts mit dem Prozeßgericht um die Festsetzung von Vollstreckungkosten die Bestimmung entsprechend angewandt, RG N § 36/10, als es darum ging, ob nach GVG § 159 ersuchtes oder ersuchendes Gericht die Kosten des Sachverständigen zu begleichen haben. E I. B e s t i m m e n d e s G e r i c h t ist von allen nach §36 in Betracht kommenden Gerichten ihr im Instanzenzuge nächst gemeinsames oberes Gericht. b) Das V e r h ä l t n i s d e r A r b e i t s g e r i c h t e zu den ordentlichen Gerichten kann z. Z. in der BRD nur durch das BVG (später möglicherweise durch das oberste Bundesgericht) nach § 36 bestimmt werden (soweit man nicht einseitige Bestimmungen zulassen will, vgl. dazu § 36 D I I I b 2, so: LG N J W 59/945, LArbG N J W 60/216). Das entsprechende wird im Verhältnis zu den Verwaltung- und Verwaltungsondergerichten zu gelten haben. E l l a . R e g e l m ä ß i g wird ein G e r i c h t d e r e r s t e n I n s t a n z zu bestimmen sein. b) Doch sind a u c h B e s t i m m u n g e n d e r z w e i t e n I n s t a n z denkbar (RGZ 137/278folg. vor Erlaß des ZuständigkeitänderungG). War die erste Instanz unzuständig, ist aber die Berufunginstanz zuständig, — weil sie, auch wenn die richtige Instanz entschieden hätte, Berufunggericht wäre, — so kann sie über die Unzuständigkeit auch nach §§ 538 I 2, 540 hinweggehen, womit ihr Verfahren für die Revisioninstanz unanfechtbar wird, selbst wenn sich das Berufunggericht dessen gar nicht bewußt geworden ist.
§ 3 7 (37) I Die Entscheidung über das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. II
Der Beschluß, der das zuständige Gericht bestimmt, ist nicht anfechtbar.
A. Das Verfahren über die Gerichtstandsbestimmung ist, soweit nicht §§ 36, 37 besonderes regeln, nach allgemeinem Prozeßrecht abzuwickeln (vgl. § 36 C). A I. Bei dem für die Bestimmung zuständigen Gericht (§36 A l l ) ist das Gesuch schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftstelle anzubringen. Lehnt ein angegangenes LG es ab, so ist die Beschwerde (§567) zulässig (RGZ 125/299 [312]); ist das Beschwerdegericht zuständig, so erläßt es den Beschluß, selbst wenn das LG unzuständig war. Ist das angegangene Gericht der Auffassung, daß ein anderes Gericht (gleicher, höherer oder niederer Ordnung) zuständig sei, so darf es auf Antrag an dieses verweisen (§276); doch bedeutet diese Verweisung nur, daß das angewiesene Gericht seine Zuständigkeit nicht mehr nachprüfen darf. Haben mehrere Gerichte, von denen eines für die Bestimmung an sich zuständig sein muß, die Bestimmung
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Gerichtsstand
§ 3 7 AI
abgelehnt, so ist das ihnen gemeinsame obere Gericht zuständig (§ 36 I 6); haben mehrere die Zuständigkeit bestimmt, so gilt jede Bestimmung für den, der klagen will, wahlweise (§ 35), mag sie auch die Gegenpartei erwirkt haben (§ 36 I 5 sollte man hier nicht anwenden). Die Ablehnung der Bestimmung durch das untere Gericht hindert nicht, das höhere Gericht anzugehen, auch wenn eine Beschwerde nicht zulässig ist (§ 567 III). A II a. Der Antrag darf von jedem ausgehen, der als Partei auftreten will, nicht von künftigen Streitgehilfen; ist allerdings der Streit schon anhängig, so hat auch der Streitgehilfe das Antragsrecht, sofern nicht seine Hauptpartei widerspricht (es sei denn, daß er selbständig ist: § 69). Gewohnheitrechtlich wird kein Anwaltzwang gefordert (BGH v. 9. 2. 1951 I ARZ 29/51; vgl. aber auch § 37 B I). Wird er von einem Bevollmächtigten gestellt, so ist die Prozeßvollmacht schriftlich einzureichen (§ 88 II); doch läßt man bei anhängigen (I-Iaupt-)Verfahren, wenn der durch den Anwaltzwang vor dem Prozeßgericht legitimierte Vertreter den Antrag bei dem Bestimmunggericht stellt, die Vollmacht ungeprüft, sofern kein besonderer Anlaß zu prüfen besteht. b) Der Antrag hat alle Bedingungen des § 36 darzulegen. Dazu gehört der Vortrag des Sachverhalts. Die Bezugnahme ist zulässig. A III. Ist das Gesuch unvollständig oder fehlen Beweisantritte, soweit diese erforderlich sind (§ 36 D), so ist auf Vervollständigung hinzuwirken (§ 139). AIV. Die Anbringung des Gesuchs löst — doch hier ausschließlich für die genannten Klagegründe, die keiner erweiterten Auslegung zugänglich sind — die materiell-rechtliche Wirkung der Unterbrechung der Verjährung aus, wenn innerhalb von drei Monaten nach seiner (positiven) Erledigung Klage erhoben wird (BGB § 210), wobei jetzt die Einreichung der Klage genügt, wenn sie demnächst zugestellt wird (§§ 261 b III, 496 III). Dies gilt auch, wenn das unzuständige Gericht angegangen wurde und dieses nach § 276 verweist. Wird die Bestimmung des Gerichtstandes aber abgelehnt, so ist BGB § 210 nicht entsprechend anzuwenden. B I. Die vorgängige A n h ö r u n g des Gegners ist n i c h t vorgeschrieben, auch wenn das Gesuch nicht zurückgewiesen wird. Wird mündliche Verhandlung angeordnet, so muß auch dem Gegner rechtliches Gehör gewährt werden (vgl. 329 I); dann gilt für beide Parteien aber auch Anwaltzwang. B II. Das Gericht entscheidet über das Gesuch durch Beschluß. a) An einen etwaigen Antrag des Antragstellers, ein bestimmtes Gericht zu nennen, ist das bestimmende Gericht nicht gebunden (§ 308 I bezieht sich nur auf die außerprozessualen Anträge). a 1. Der Beschluß ist u n a n f e c h t b a r (§ 37 II). Er darf auch nicht mehr vom bestimmten Gericht nachgeprüft werden, selbst wenn sich das bestimmende Gericht geirrt hat (RG J W 05/14831) und wenn ein (erforderlicher) Gerichtstand bei dem bestimmten Gericht überhaupt nicht vorhanden ist (RGZ 154/299 [303folg.]). a 2. Der Beschluß b e z i e h t sich aber n u r auf den A n t r a g , d. h. auf die Bestimmung darf nur (im wesentlichen) dieselbe Klage bei dem bestimmten Gericht erhoben werden, die der Kläger zu erheben vorgab (vgl. § 36 C I c). a 3. Die Entscheidung gehört zur V o r e n t s c h e i d u n g i. S. des § 583; doch ist Verletzung der Wahrheitlast einer Partei (Verstoß gegen § 138 1) noch kein Wiederaufnahmegrund. RGZ 154/299 (303) hat indes schon bei Verletzung der Wahrheitlast (es sagt „Wahrheitspflicht") die Bestimmung nicht gelten lassen (dagegen Jonas in J W 37/199421). b) Wird die Bestimmung abgelehnt, so ist gegen landgerichtliche Beschlüsse die Beschwerde gegeben (vgl. § 37 A I). c) Eine K o s t e n e n t s c h e i d u n g enthält der Beschluß nicht; doch sind die Kosten im Folgeverfahren erstattungsfähig i. S. des § 91. d) Auch ist der Beschluß n i c h t für v o r l ä u f i g v o l l s t r e c k b a r zu erklären. 16»
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§37
ZPO I. Buch
B III. Der Beschluß darf regelmäßig formlos mitgeteilt werden (§ 329 I I I , R G Warn. 19/148); nach vorangegangener mündlicher Verhandlung iat er zu verkünden ( § 3 2 9 1). Die Mitteilung braucht nach h. M., sofern der Beklagte nicht gehört worden ist, nur dem Kläger gcmacht zu werden (RGZ 125/299 [312]). Dem ist nach der hier vertretenen Auffassung selbst dann nicht zu folgen, wenn vor Beginn des Folgeverfahrens bestimmt wird, weil der Gegner sich gegen die erschlichene Bestimmung wenden darf (vgl. Kommentar § 12 A 1 d).
Dritter Titel Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte
§ 38 (38) I Ein an sieb unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Partoien zuständig. A. § 38 läßt den Gerichtstand kraft Vereinbarung zu. A I . Diese Vorschriften beziehen sich auf die ö r t l i c h e w i e a u f d i e s a c h l i c h e s t ä n d i g k e i t (RGZ 93/312 [314]).
Zu-
A II. Ihre Grenzen findet die Vereinbarung ( R G J W 28/1298 1 6 ) a) an der G e s c h ä f t s v e r t e i l u n g (abgesehen von der Vereinbarung einer Zivilkammer an Stelle einer Kammer für Handelsachen). E s kann also auch nicht wirksam die Kammer für Handelsachen an Stelle der Zivilkammer angegangen werden und nicht ein besonderes ordentliches Gericht (GVG § 14 B I) an Stelle des allgemeinen ordentlichen. b) Ferner kann auch nicht in die f u n k t i o n e l l e Z u s t ä n d i g k e i t eingegriffen werden, — abgesehen von der Bestellung von Schiedsgerichten nach §§ 1025, 1048. Im besonderen kann auch nicht einer Behörde (von der möglichen Schiedsklausel abgesehen), wirksam die Entscheidung eines Streites übertragen werden (OLG J W 20/157 1 2 ). c ) Auch kann nicht wirksam die Angehung eines — sonstigen — (vgl. aber ArbGG § 3) S o n d e r g e r i c h t s an Stelle des ordentlichen vereinbart werden (RGZ 66/227 [232]), und nicht die eines Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit an Stelle des ordentlichen Zivilgerichts wie umgekehrt (BGH N J W 52/1055); die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Strafgerichts kommt nur dort in Betracht, wo dieses übor zivilrechtliche Ansprüche entscheiden darf (GVG § 13 D). Daß nicht an Stelle des Patent-, Kartell- und Warenzeichengerichts ein anderes gewöhnliches ordentliches vereinbart werden kann, liegt an der ausschließlichen Zuständigkeit (vgl. § 40; B G H M D R B 230/53). A III. Die Vorschriften setzen ferner ein Verfahren voraus, a ) wo die Gegenpartei existent (nicht bloß latent) ist, also regelmäßig das Klage verfahren; gelten hier aber auch für die Widerklage (RG J W 02/89 1 ). Sie beschränken nicht die Wah der Prozeßart. b) Auch können die Vereinbarungen nicht die Wahl der Klagearten (Leistung-, Feststellungklage) vorschreiben. A I V . Der Gerichtstand der Vereinbarung gilt grundsätzlich im gesamten deutschen Gebiet, also gleichgültig ob ein O s t - o d e r ein W e s t g e r i c h t als zuständig vereinbart wird (KG J R 47/117), und es ist auch zulässig, eine (ausschließliche) ausländische Zuständigkeit zu vereinbaren (RG J W 36/3185"), sofern das ausländische Urteil im Inlande anerkannt wird (RG J W 26/1336 1 ); wird es nicht anerkannt, so darf ein inländischer Gerichtstand nicht ausgeschlossen werden.
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Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte
§38
B. In den Vorschriften der §§ 38folg. befaßt sich die Prozeßordnung mit einem Parteiverhalten für den Prozeß und mit seiner Wirksamkeit. Das Verhalten der Parteien im Prozeß unterliegt begründeterweise einer anderen Beurteilung als im sonstigen Rechtsleben. B I. Die Prozeßerklärung und das Prozeßverhältnis sind anderen Regeln unterworfen worden als die Rechtserklärung und das Rechtsverhältnis des außerprozessualen Rechts. B II. Der Zivilprozeß hat zur Grundlage (begriffliche) Erklärungen (das Denken in Begriffen; deshalb untersteht er überall und in erster Linie den Gesetzen der Logik). Träger dieser ist das Wort. a) Die Erklärungen lassen sich ihrem Wesen nach in zwei Gruppen zergliedern: 1. in Wissens- und Meinungserklärungen; dies sind die (sog. Tatsachen-) Behauptungen (über sie vgl. § 138 1) und 2. in Willenserklärungen, die entweder Selbstzweck oder nur Mittel zum Zweck sind (mit denen also etwas weiteres beabsichtigt wird). a 2 . Die p r o z e s s u a l e W i l l e n s e r k l ä r u n g — sie wird vom Gesetz als Prozeßhandlung bezeichnet (vgl. den Ausdruck in §§ 54, 67, 78 II, 81, 83 II, 85,178, 230, 231 II, 236, 238 I, II, 249 II, 295) —, bezieht sich auf das Verfahren und äußert verfahrensrechtliche Wirkungen (RGZ 160/241 [242] bezeichnet sie als prozeßgestaltende Beteiligung; RGZ 77/324 [329] meint, sie sei nach Voraussetzung und Wirkung vom Prozeßrecht normiert). c) Die Prozeßhandlung, also die prozessuale Willenserklärung, im Gegensatz zur außerprozessualen richtet sich an alle (im Gegensatz zu den am Rechtsverhältnis Beteiligten) und ist nach den Normen des Verfahrensrechts anders zu behandeln als die (gewöhnliche) außerprozessuale Willenserklärung (im besonderen die nicht an die Öffentlichkeit gerichtete, §38BI). c 1. Die Unterschiedlichkeit der Regelung ergibt sich daraus, daß BGB §§ llßfolg. grundsätzlich nicht anzuwenden sind. BGB §§ 139—140 sollten entsprechend angewandt werden. Über prozeßrechtliche Verträge vgl. § 38 B IV. c 2) Soweit das Prozeßrecht die Widerruflichkeit einer Erklärung nicht beschränkt, ist sie bis zu dem Zeitpunkt, wo sie in die Entscheidung des Gerichts eingeht, frei widerruflich (vgl. §§ 128 II, 349 III). Bei dem Prozeßvergleich hängt seine Widerruflichkeit in bezug auf seinen prozessualen Inhalt von seinem außerprozessualen Bestand ab. Bei Widerrufen von Prozeßvergleichen wird meist die Form der schriftlichen Anzeige zu den Gcrichtsakten vereinbart; ist dies nicht der Fall, so gilt der vorbehaltene Widerruf mit Zugang (BGB §§ 130folg.), wie sonst bei außerprozessualen Erklärungen (umgekehrter Meinung: RG Recht 33/18, das den Widerruf des Prozeßvergleichs den Prozeßerklärungen unterwirft und nun noch nicht einmal zuläßt, daß er außerhalb eines Termins wirksam erklärt werden darf). Auch die vereinbarte Form des Widerrufs eines Vergleichs (vgl. BGB § 127) wirkt außerprozessual (a. M. RGZ 135/339, das besagt, daß eine vereinbarte Schriftform nicht nach BGB zu beurteilen sei). Daß die prozessual wirksame Erklärung auch jede außerprozessuale Form deckt, hat RGZ 87/271 (273) ausgesprochen. Jedenfalls genügt auch die Wahrung der außerprozessualen Form für den Vergleichswiderruf, selbst wenn als Form die Anzeige zu den Gerichtsakten vereinbart war (vgl. BGH J R 55/179). d) Die außerprozessuale Willenserklärung wird dadurch zu keiner prozessualen, daß sie prozessuale Zwecke verfolgt oder prozessuale Wirkungen auslöst, die prozessuale kann außerwie innerprozcssuale Zwecke zum Gegenstande haben. d 8. Es gibt aber Grenz- and Mischfälle, bei denen C3 streitig ist, ob und inwieweit sie Prozeßhandlungen sind. Vgl. über die Prozeßvollmacht § 81, über die Unterwerfung unter die Vollstreckung § 794 1 5, über die Hinterlegung der Forderung unter Verzicht auf Rücknahme § 75. e 2. Die Prozeßerklärung ist jedenfalls der Tendenz nach einseitig, über Prozeßverträge vgl. § 38 B IV. Ihre Beurteilung unterliegt (im Gegensatz zu der außerprozessualen Vereinbarung) ausschließlich dem inländischen Zivilprozeßrecht (RGZ 159/254 [255]). Auch wem gegenüber die Erklärung abzugeben ist, bestimmt das Prozeßrecht. Regelmäßig wird sie gegenüber dem Gericht zu erklären sein und wirkt dann, auch wenn der Gegner nicht anwesend ist bzw. von ihr nichts erfährt, wenn auch das Gericht sie regelmäßig mitteilen soll. Die Abgabe
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der prozessualen Erklärung in einem bestimmenden Schriftsatz (vgl. § 129 A I), nicht in einem bloß vorbereitenden oder in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (regelmäßig nicht vor dem bloß verordneten Richter), aber auch in Abwesenheit des Gegners ist stets durch den Postulationfähigen erforderlich und genügend. Genügt zu einer wirksamen Prozeßhandlung ihre Abgabe zu Protokoll des Urkundsbeamten, so genügt auch die zu Protokoll des Gerichts (Kommentar § 1 B IV b 3; a. M. BGHZ 14/381). Nur soweit eine Prozeßerklärung auch gegenüber dem Gegner abzugeben ist, genügt jede Erklärungform ihm gegenüber, auch die mündliche und hier selbst dann, wenn dadurch eine prozessuale Erklärung vollzogen wird (über den Widerruf eines Prozeßvergleiches vgl. § 38 B II c 2). B III. Das Kennzeichen der Prozeßerklärung ist, daß sie in einem Prozeßverhältnis wirkt, d. h. in dem Verhältnis einer Partei zu dem Gericht und der Gegenpartei. c) Aus dem Prozeßverhältnis und den durch es begründeten Lasten erwächst das Gegenstück zur Prozeßhandlung(-erklärung): die Prozeßunterlassung(-erklärung). BIV. Die Prozeßordnung läßt an bestimmten Stellen sog. Prozeßverträge zu (§§38,108,224, 816,1025,1034 II, 1048, ArbGG § 101). Da das Prozeßrecht zwingenden Rechts ist, sollte man darüber hinausgehende, Prozeßhandlungen bestimmende Verträge nicht für wirksam halten (vgl. § 3 8 A I I I ) , soweit nicht der außerprozessualen Gestaltung — etwa nach BGB §315 bei Schiedsgutachterverträgen (vgl. § 1025 C) — zu willfahren ist. a) Soweit innerhalb eines Prozesses zur Wirksamkeit eines Vorganges übereinstimmende Parteierklärungen zu fordern sind, bedarf es nicht der Annahme eines Vertrages. a 2. Dies gilt auch für Erklärungen, die außerhalb des Prozesses abgegeben werden dürfen, etwa die nach § 108 für die Vereinbarung über die Art der Sicherheitsleistung, nach § 224 über die Fristverkürzung, nach § 816 I, II über Art, Zeit und Ort der Versteigerung (die nach Rosenberg Lb. § 59 Anm. 2 keine Prozeßhandlungen sind). b) Wurden Handlungen, welche die Prozeßordnung zuläßt, indes v o r B e g i n n des P r o z e ß v e r h ä l t n i s s e s und mit Rücksicht auf es wirksam vollzogen, so wirkten sie kraft außerprozessualen Rechts, wenn sich eine Partei auf sie im Prozeß beruft. Dahin gehören die zu § 38 B IV a 2 genannten Erklärungen, wie die nach §§ 38,1025,1048,1034 II, ArbGG § 101. Von den Erklärungen der Schiedsklausel sind aber die Prozeßhandlungcn zu unterscheiden, die auf ihrem Grunde von den ordentlichen Gerichten (von einer oder beiden Parteien, im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch vom Schiedsrichter) gefordert werden. Ihre außerhalb des Prozesses erklärte Abgabe ist jedenfalls nach außcrprozessualem Recht zu beurteilen (vgl. BGB §§ 145folg.). C. Außerhalb eines Prozellverhältnisses (§ 38 B III) ist die Vereinbarung nach § 38 ein außerprozessualer Vertrag und unterliegt den Regeln der außerprozessualen Willenserklärungen; innerhalb eines Prozeßverhältnisses ist sie aber nur Prozeßhandlung und den Regeln der prozessualen Willenserklärungen unterwerfen, jedenfalls sobald die Parteien sich dem Gericht gegenüber erklären (nach Rosenberg Lb. §36 1 1 ist sie stets ein außerprozessualer Vertrag; nach RGZ 159/254 [255], Sydow-Busch § 39 Anm. 3, Jonas § 38 Anm. II 1 c stets eine Prozeßhandlung). C I. Die außerprozessuale Gerichtstandsbestimmung ist regelmäßig ein Vertrag, wenn sie auch einen anderen Rechtsgrund haben kann. Sie ist nach dem bürgerlichen Recht des Staates zu beurteilen, dem der Vertrag unterliegt (a. M. RGZ 159/254 [255]). Ob ein im Inlande geschlossener Vertrag im Auslande wirkt, ist ausschließlich nach dem ausländischen Recht zu beurteilen (RGZ 65/330folg.). Wird er im Auslande nicht anerkannt, so ist die Abrede unwirksam; phenso wenn das ausländische Urteil im Inlande nicht anerkannt wird (KG J W 30/652 10 ). Umgekehrt gilt auch der Hauptvertrag, selbst wenn die Gerichtstandabrede unwirksam ist (vgl. die entsprechende Lage bei der Schiedsabrede zu § 1025). a 2. §§ 38, 40 schreiben für die Abrede k e i n e b e s o n d e r e F o r m vor. Die neuere Ansicht geht deshalb dahin, daß sie, auch formlos geschlossen, wirksam ist, wenn der außerprozessuale Vertrag, dem sie angeschlossen worden ist, formbedürftig ist (RGZ 140/149 [150]). Der außerprozessuale Vertrag unterliegt nicht dem Anwaltzwang.
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a 8. Der Inhalt des Gerichtstandbestimmungvertrages setzt ein bestimmtes Richtsverhältnis (§ 256 B I a) vermögensrechtlicher Art (§ 2 A I b) voraus, für das kein ausschließlicher Gerichtstand bestimmt ist (§ 40 B I). a 4. Als außerprozessualer Vertrag kann er jederzeit von den Parteien a u f g e h o b e n werden, er darf bedingt und befristet abgeschlossen werden und kann durch gleichzeitige, sich widersprechende Abreden unwirksam sein. Ändert sich die G e s c h ä f t s g r u n d l a g e , so entfällt die Vereinbarung. Bei fehlender Gerichtstandvereinbarung kann jedenfalls Dicht eine Lücke nach BGB § 157 ausgefüllt werden (RGZ 159/254 [256]). a 5. Die Vereinbarung wirkt für und gegen die R e c h t s n a c h f o l g e r der Beteiligten (den Zessionar: KG OLG 17/97folg.), während der Wcchsel der gesetzlichen Vertretung ganz ohne Bedeutung ist (für den Konkursverwalter: RG Scuff. 50/70). So wenig wie die Vereinbarung eines Erfüllungortes (vgl. § 2 9 A I I a ) sich ohne weiteres auf den Nebenschuldner (vgl. OLG SächsAnn. 23/502; anders bei Mitschuldnern, die sich durch Vertrag verpflichten, auch wenn sie es nacheinander tun, vgl. BGB § 427) bezieht, so auch die des Gerichstandes (für den Bürgen: OLG 1/239). Verpflichten sich allerdings die Mitschuldner nicht im gemeinsamen Vertrag, so ist auch unter ihnen eine getrennte Vereinbarung zulässig; diese wirkt regelmäßig nur zwischen den abschließenden Parteien (und ihren Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolgern); doch kann auch in Gesamthandverhältnissen die Abrede — aus bürgerlichem Recht — nur wirksam sein, wenn sie von allen Gesamthändern oder gegen alle getroffen wird, b) Der Inhalt des Gerichtstandbestimmungvertragcs kann positiv, aber grundsätzlich auch negativ sein. Dies folgt daraus, daß die sachliche Zuständigkeit bestimmbar ist und daß notwendigerweise die sonst gegebene ausgeschlossen werden darf. Die h. M. läßt aber auch bei der örtlichen Zuständigkeit die Ausschlicßungvereinbarung zu. Doch darf nicht jeder Gerichtstand (sachlich und örtlich) ausgeschlossen werden, weil sonst die Partei friedlos gestellt werden würde (RG Seuff. 61/39). Dies gilt auch dann, wenn ein ausschließlicher ausländischer Gerichtstand vereinbart worden ist, das ausländische Urteil aber im Inlande nicht anerkannt wird (RG J W 26/1336 1 ). Trifft die Vereinbarung keine ausschließliche Zuständigkeit, so darf der Kläger wählen (§ 35 A), also etwa an Stelle des vereinbarten Gerichtstandes auch den des Wohnsitzes des Beklagten (RG J W 12/79 23 ). b 2. Sonst läßt die h. M. den Ausschluß der Gerichtstände zu (RG J W 03/46 5 , RGZ 159/254folg.); der als ausschließlich vereinbarte ausländische Gerichtstand beseitigt die inländische Gerichtsbarkeit, und zwar auch für die Fälle des §23 (RG Warn. 36/162). Die Meinungen darüber, ob ein solcher Ausschluß stets anzunehmen oder ausdrücklich zu vereinbaren ist, gehen auseinander. c) Da die Abrede der Parteidisposition unterliegt, ist sie sowohl auf eine Parteiseite wie auf Anspruchteile beschränkbar. c 1. Die Vereinbarung kann nur eine Seite oder auch alle Vertragteile binden; was gilt, ist Auslegungfrage nach RG Seuff. 49/269; dies gilt im besonderen bei der eines ausschließlichen Gerichtstandes. 0 II a 2. Ob innerhalb des Prozeltverhältnisses diese Erklärung nur gegenüber dem Gericht oder nur gegenüber dem Gegner oder nur gegenüber beiden oder auch gegenüber einem von beiden wirkt, ist zweifelhaft. 0 III. Einseitige und sonstige nichtvertragliche Rechtsgeschäfte, die einen Gerichtstand nach § 38 begründen können, sind entsprechend § 1048 zuzulassen, also durch letztwillige Verfügung, Stiftunggeschäft, Auslobung, Vereinsatzung (vgl. RG Warn. 14/2). a) Bedarf das einseitige Rechtsgeschäft einer bestimmten Form, so muß sie auch für die Gerichtstandabrede gewahrt sein.
§ 39 (39) 1 Stillschweigende Vereinbarung ist anzunehmen, wenn der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt hat.
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A. Verhandelt der Beklagte zur Hauptsache, so wird die gerichtliche Zuständigkeit begründet, wenn sie vereinbart werden könnte (vgl. § 40 C 1,11), solcrn der Beklagte die Unzuständigkeit bis dahin nicht gerügt (vgl. § 295) hatte, gleichviel, ob er sich dessen bewußt war oder nicht (RG Gruch. 44/1183). A I. Daraus folgt aber, daß. wenn der Beklagte ausdrücklich — auch v o r V e r h a n d l u n g zur Hauptsache — durch Prozeßerklärung z u s t i m m t , er auch nicht mehr rügen darf, weil dann die Zuständigkeit begründet ist (RGZ 151/65 [671). Uber die Form der Prozeßerklärung vgl. § 38 B II. Der Beklagte kann sich also a u c h in A b w e s e n h e i t d e s K l ä g e r s erklären. Der ausdrücklichen Zustimmung des Beklagten steht die durch schlüssiges Verhalten (als stillschweigende) gleich. Auch mil der (vorbehaltlosen) Erhebung der nach §33 abhängigen Widerklage tritt der Rügeverlust ein (KG J W 31/1825, Kommentar § 33 A III c). Auch liegt eine Zustimmung des Beklagten vor, wenn beide Parteien Verweisung des Rcchtstreits an ein anderes bestimmtes Gericht gemeinsam oder der Kläger ohne Riige des Beklagten beantragen (RGZ 94/133 [136]). Anders ist dies nur nach Abschluß des außerprozessualen Vertrages oder infolge der Wirkung eines außerprozessualen Rechtsgeschäfts (§ 38 C), das die Erhebung der Rüge nicht hindert (wenn sie auch unbegründet sein kann). A II. § 39 knüpft den Verlust der Rüge (§ 295) an die Verhandlung zur Hauptsache. n) Hier, wie in den Fällen der §§ 76 I (77), 271 I, 274, 504, 528 I 2 bedeutet Hauptsache die Verhandlung über den außerprozessualen Anspruch im Gegensatz zur Verhandlung über Prozeßbedingungen (§274 A I I I ; RG J W 99/813 2 ) und den reinen Prozeßanträgen (auf Vertagung u. dgl. m.). Verhandlungen im Armenrechtvcrfahren führen noch nicht zum Rügeverlust (OI.G VcrsR 55/75). Schließlich braucht die Einrede noch nicht mit dem Widerspruch gegen einen Zahlungsbefehl oder den Einspruch gegen einen Vollstreckungsbefehl oder ein Versäumnisurteil (das schriftliche Verfahren kann hier nicht angeordnet worden sein) vorgebracht zu werden. Wohl aber schon bei der Verhandlung zur Hauptsache vor dem Einzelrichter (§ 349 I). b) Über den Verhandlungbeginn vgl. § 137 A. c) Es k o m m t nur auf die Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache an. Anwesenheit des Klägers ist nicht erforderlich. A III. Die Rüge kann allerdings schon früher verloren werden, nämlich nach § 274 I. Sie ist nämlich, weil sie zu den „prozeßhindernden Einreden" des § 274 II 1 gehört, zugleich mit den sonstigen dieser Art vorzubringen (im Amtsgerichtsprozeß zugleich mit der Schicdseinrede, § 504 I). Ist dies unverschuldet unterlassen, so darf die Unzuständigkeit noch gerügt werden (§§ 274 I I I , 528 1 1), es sei denn, daß schon zur Hauptsache verhandelt worden ist. Der Anwendungbercich dieser Vorschriften ist praktisch fast bedcutunglos. B. Der Rügevcrlnst nach § 39 ist endgültig (§ 230, RGZ 151/65 [671); die Rüge darf auch (anders als in den sonstigen Fällen des § 274 III) nicht später durch Glaubhaftmachung, daß der Beklagte ohne sein Verschulden sie nicht erhoben hat (RGZ 86/229 (2311) und auch nicht einmal im Amtsgerichtsverfahren (§ 504), und zwar selbst dann nicht, wenn das Amtsgericht es entgegen §504 I I unterlassen hat, den Beklagten rechtzeitig 'vor Verha'id'ung zur Hauptsache) auf seine sachliche Unzuständigkeit hinzuweisen, nachgeholt werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233) gibt es hier nicht. B I. Die vereinbarte Zuständigkeit wie der Rügeverlust decken die gesetzliche Klageänderung des § 268, abgesehen von dem ausdrücklich geregelten Fall des § 506, doch liegt er nicht vor, wenn der Streitgegenstand derselbe bleibt und sein Wert nur höher eingeschätzt wird {LG N J W 49/717®). Liegt aber ein Fall der Zulassung der Klageänderung nach §§264, 269 vor, so wird durch die Zulassung zugleich die Rüge ausgeräumt (vgl. §270); das Gericht darf aber bei erhobener Rüge die Klageänderung nicht zulassen, wohl aber darf es verweisen, ohne die Änderung zuzulassen. Über diese muß dann das zuständig gewordene Gericht entscheiden. Ist die Rüge aber einmal erhoben, so braucht sie nicht erneut im Prozeß vorgebracht zu werden, selbst wenn die Klage nach § 268 geändert wird; wohl aber darf noch auf sie später durch ausdrückliche Prozeßerklärung verzichtet werden, und ein Verzicht liegt auch in der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zulassung der Klageänderung (§ 2C9), wenn die Rüge ausdrücklich aufrechterhalten wird.
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Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte
§39
B II. Wird mir die örtliche oder nur die sachlicho Unzuständigkeit gerügt, so t r i t t bezüglich der nicht gerügten Unzuständigkeit die Zuständigkeit nach § 39 ein (OLG 2/397). B III. Bei mehreren Beklagten wirkt der Rügeverlust bzw. die Vereinbarung nur in jeder einzelnen Person (§61 A Ii), bei der notwendigen Strcitgenosscnschaft dagegen nur, wenn sie gegen alle vorliegen (doch werden die säumigen durch die nichtsäumigen vertreten, § 62; was die säumigen auch gegen sich gelten lassen müssen). Der selbständige Streitgehilfe (§ 69) darf auch gegen den Widerspruch des Beklagten die Rüge erheben; sie ist zu beachten, und zwar auch zugunsten des Beklagten. B IV. Tritt durch Zustimmung oder Rügeverlust die Zuständigkeit ein, so genügt es, daß durch die Klagezustellung die Ausschlußfrist gewahrt wurde, auch wenn die Prozeßhandlung der Zustimmung erst später wirksam geworden ist (RGZ 94/133 [136]). C. Die Prozcßhandlungen {Zustimmung wie Rügcverlust) haben den Vorrang vor der außerprozessualen Vereinbarung; sind ihre Voraussetzungen eingetreten, so bleibt der GerichtStand begründet, auch wenn die außerprozessuale Vereinbarung beseitigt wird oder wenn diese von Anfang an den Gcrichtstand ausschloß oder wenn nachträglich ein ausschließlicher Gerichtstand vereinbart wird (a. M. AG MDR 56/617).
§ 40
(40)
I Die Vereinbarung hat keine rechtliche Wirkung, wenn sie nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die aus ihm entspringenden Rechtsstreiligkelten sieh bezieht. II Die Vereinbarung ist unzulässig, wenn der Rechtsstreit andere als vermögensrechtliche Ansprüche betrifft, oder wenn für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. A. Soweit § 40 ] [ordert, daß sich die „Vereinbarung" auf den Streit aus einem bestimmten Rechtsverhältnis bezieht, denkt er nur an die außerprozessuale (§ 38 C), nicht an die Prozeßhandlung im Prozeßverhältnis (§ 39 A II a). B. § 40 I setzt ein bestimmtes Rechtsverhältnis voraus. Besteht auch nur eine Anwartschaft, so besteht schon das Rechtsverhältnis (vgl. im übrigen § 253 B II c 2). B I. Die Beziehung auf ein b l o ß z u k ü n f t i g e s (RGZ 10/62 [631) oder auf alle vorkommenden gerichtlichen Streite (OLG 33/25) ist unzulässig. Doch ist schon die Vereinbarung des Gerichtstandcs f ü r a l l e F ä l l e des (zukünftigen) Mißbrauchs eines bestimmten (gegenwärtig bestehenden) Rechts(-verhältnisses) zulässig (OLG 23/86). Die Vereinbarung darf sich auch auf mehrere Rechtsverhältnisse erstrecken. Darüber, ob die Bestimmung über Vertragsansprüche auch denselben Klageanspruch, soweit er auf unerlaubte Handlung gestützt wurde, ergreift, vgl. § 32 A I b (verneinend RG J W 00/340 2 , bejahend: OGHZ 3/214). B II. Die (außerprozessuale) Vereinbarung des Gerichtstandes schneidet dem Beklagten k e i n e E i n w e n d u n g e n u n d k e i n e E i n r e d e n ab. a) Er darf sie deshalb auch dann geltend machen, wenn er am Gerichtstande keine selbständige Klage oder Widerklage erheben könnte; für die (abhängige) Widerklage h a t in solchen Fällen § 33 einen Gerichtstand gegeben, den man durch Parteivereinbarung nicht ausschließen lassen sollte (vgl. GG Art. 3), wenn auch sonst für ausschließliche Gerichtstände § 33 II gilt. b) Umgekehrt wird die Klage nicht dadurch unzulässig, weil der Beklagte sich hauptsächlich oder ausschließlich auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis, für das die Zuständigkeit des Gerichts vereinbart ist, zu seiner Verteidigung beruft, wenn die Klagcansprüche des Klägers sich nicht auf die Vereinbarung beziehen (RG J W 00/340 2 ). Anders ist dies nur, wenn der Kläger den Vertrag verneint wissen will (bei Erhebung der negativen Feststellungklage), der, wenn er bestehen würde, die insoweit abstrakte Zuständigkeitvereinbarung enthält (vgl. § 38 C I). C. § 40 erstreckt sich sowohl auf die außerprozessualen Vereinbarungen wie auf die Prozeßhandlungen und läßt sie nur zu in vermögensrechtlichen Streiten mit nicht ausschließlicher Zuständigkeit. Sie haben also keine Wirkung in bezug auf den nichtvermögensrechtlichen Streit ( § 2 A I b 1).
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§40
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C I I . Sie wirken nicht für vermögensrechtliche Streite, für die ein ausschließlicher Gerichtstand bestimmt worden ist (über diese Fälle vgl. § 12 A I I I ) . Weiter dürfen nicht durch außerprozessuale Vereinbarung der inländische Gerichtstand des ausländischen Versicherers (VAG §§ 106 I 3, 109, 147 I I I ) und die Niederlassung des Versicherungagenten als Gerichtstand ausgeschlossen werden (VVG § 48). C I I I . Sind aber mehrere solcher Zuständigkeiten gegeben, so hat auch hier der Kläger die Wahl (§ 35 A), und es darf unter mehreren einer oder mehrere — bis auf einen verbleibenden — auch durch außerprozessuales Rechtsgeschäft ausgeschlossen werden. Ist die Ausschließ'ichkeit nur örtlich oder nur sachlich, so bleibt die Vereinbarung in bezug auf die nicht ausschließliche offen (etwa in Patentsachcn: B G H Z 8/16). Die Prozeßhandlung der Einwilligung in den Gerichtstand (vgl. § 39 A I ) schließt stets die anderen Zuständigkeiten wegen des Rcchtshängigkeiteinwandes aus. D. Die Voraussetzungen des § 40 I I sind in erster Instanz in jeder Lage des Verfahrens von Gerichts wegen zu beachten (RG J W 01/285 1 ). In vermögensrechtlichen Streiten (§ 2 A I a 2 ) ist dagegen die örtliche Zuständigkeit in der höheren Instanz bei (auch ungeprüfter) Bejahung nicht mehr nachprüfbar ( § § 5 1 2 a , 549 II), die sachliche nur im Berufungsverfahren vor dem Landgericht (§ 10), und auch hier nur auf Rüge (§ 528).
Vierter Titel Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
§ 41 I
(41)
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regreßpflichtigen steht; 2. in Sachen seines Ehegatten, auch nenn die Ehe nicht mehr besteht; 3 . in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht; 4 . in Sachen, in denen er als Prozeßbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; 5 . in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; 6 . in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszuge oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt.
A . §§ 41folg. regeln die sich auf den Einzelfall beziehenden (relativen) Gründe, welche einen bestimmten Richter an seiner Tätigkeit hindern A I I b) Über die Ausschließung und Ablehnung von Rechtspflegern vgl. RechtspflegerG §9;
c ) über die der Urkundbeamten § 4 9 ; d) über die Ausschließung der Gerichtsvollzieher vgl. GVG § 155 I ; e ) über die Ablehnung der Sachverständigen § 4 0 6 ; f ) über die der Schiedsrichter § 1032. B I . Absoluter Hinderungsgrund muß auf dem Gebiete des Prozeßrechts die fehlende Prozeßfähigkeit (§ 51 B) für alle am Verfahren Beteiligten sein. c ) Schiedsgutachter werden aber wie Sachverständige zu behandeln sein. d) S a c h v e r s t ä n d i g e und Dolmetscher können auch minderjährig sein, doch muß man hier mindestens Eidesfähigkeit fordern (vgl. § 410, GVG § 189 i. V. m. ZPO § 393; S t G B § 161).
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Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
§41
B II. Inwieweit ein Richter, dem ein Sinn fehlt, von der Tätigkeit ausgeschlossen ist, ist Tatfrage. a 5. Andererseits wird regelmäßig die Möglichkeit, sehreiben zu können, zu fordern sein. Für Sachverständige ergibt sich dies nur in dem Fall des § 411; doch darf das Gericht Schreibunkundige vernehmen; dies gilt auch für Dolmetscher. B III. Auch die mangelnde Berufung ist ein absoluter Hinderunggrund. C. Die Ausschließung wirkt sofort; die Handlungen des Ausgeschlossenen sind unwirksam, ob er es weiß oder nicht, ist gleichgültig (RGSt. 33/309); sie sind aber nicht nichtig, sondern nur vernichtbar; im laufenden Verfahren müssen sie wiederholt werden; bei Abschluß der Instanz gelten §§ 539, 551 I 2, 579 I 2. Der Ausschluß bezieht sich auf jede richterliche Handlung (außerhalb wie innerhalb der mündlichen Verhandlung) und bezieht sich auch auf beauftragte wie ersuchte Richter (RGSt. 30/70) mit Ausnahme des § 411 6. Auf die W i e d e r h o l u n g von Handlungen, die im Laufe des Verfahrens durch einen ausgeschlossenen Richter vorgenommen wurden, darf jede Partei (§ 42 III), solange das Verfahren läuft, v e r z i c h t e n . Wird gegen die Entscheidung eines Ausgeschlossenen ein Rechtsmittel eingelegt (dazu gehören auch die Vorentscheidungen, soweit über sie mit dem Rechtsmittel zu entscheiden ist, § 512 B I, § 548 B), so wird durch dieses die Anwendung des § 579 I 2 ausgeschlossen; hier darf im Berufungverfahren nach § 539 verfahren werden, doch darf auch die Berufunginstanz selbst entscheiden (vgl. auch § 540), in der Revisioninstanz gelten §§ 551 I 2, 564 II, 565. Der Zwang, ein Rechtsmittel einzulegen, besteht indes nicht (§ 579 II). Vor Beginn des Prozeßverfahrens wie nach seiner Beendigung darf der Ausgeschlossene mitwirken. Dies gilt im besonderen bei der bloßen Verkündung einer Entscheidung, mag auch die Wiedereröffnung der Verhandlung beantragt und von ihm mit abgelehnt worden sein (RG JW 02/5432). C I. In den Fällen des § 41 tritt die Ausschließung kraft Gesetzes, d. h. ohne besonderes Verfahren ein. Doch darf das Ablehnungverfahren beschritten werden. Wird in einem solchen Verfahren erkannt, daß kein gesetzlicher Ausschließungsgrund vorliegt, so wird die dennoch vorliegende Ausschließung kraft Gesetzes durch die Entscheidung beseitigt; dies ergeben §§ 551 I 2, 579 I 2. C II. Die Ausschließung ist stets persönlich, also auf die Einzelperson des Richters zu beziehen; sie wirkt bezüglich jedes Richters, auf den sie zutrifft. a) Die Prozeßordnung (§ 41 I 1) schließt den Richter als P a r t e i in e i g e n e r S a c h e aus. a 1. Es reicht deshalb aus, wenn der Richter als Kläger oder Beklagter neben anderen Personen (als Streitgenosse §§ 59folg.) steht. Dazu genügt bei Gesamtparteien (oHG, Reederei, KG, nichtrechtsfähiger Verein, OLG JW 31/2263, dem Vorstand), daß er zu ihr gehört, während er als Mitglied einer als Partei im Streit befindlichen juristischen Person nicht ausgeschlossen ist (vgl. RGSt. 23/36). Doch sind die sonstigen Mitgliedschaftverhältnisse regelmäßig Ablehnunggrund (nicht die bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die ohne besondere Beitrittserklärung entsteht), nicht aber schon bei mittelbarem Interesse, wie wenn der Schuldner oder Gläubiger auch Schuldner oder Gläubiger des Richters ist. Es genügt, daß er selbständiger (§ 69) oder unselbständiger Streitgehilfe (§§ 66folg.) ist. Dagegen macht die Streitverkündung erst im Falle des Beitritts (§ 74) den Betroffenen zur Partei. Ob die Partei für eigene oder fremde Rechnung klagt oder in Anspruch genommen wird, ist dabei unerheblich. Bei der sog. Partei kraft Amtes ist der von ihr Vertretene Partei. a 2. Der Richter darf auch zu keiner Partei (im erläuterten Sinne) in einem Mitberechtigung-, Mitverpflichtung- oder Regreßverhältnis stehen (GVG § 151 I 1 spricht von der Schadenersatzpflicht), bezogen auf das Rechtsverhältnis (vgl. § 253 B II c 2), das dem Streite (auch bloß angeblich) zugrunde liegt. Ob er dabei nach außen in Erscheinung tritt oder nicht, ist gleichgültig. Es genügt schon die rechtliche Möglichkeit, daß eine Inanspruchnahme auf Grund eines bestehenden Rechtsverhältnisses eintritt. b) Nach § 41 I 2 genügt es, wenn das zu § 41 I 1 bezeichnete Verhältnis zwischen einer Partei und dem (früheren) Ehegatten des Richters besteht. §4112 bezieht sich also auf § 41 I 1 und erfaßt alle dort geschilderten Fälle in bezug auf die Person des Ehegatten, also auf ihn
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§41 c n b
ZPO I. Buch
als Partei, als Mitberechtigten, Mitverpflichtetcn oder Regreßpflichtigen. Dagegen bezieht sich die Nr. 2 nicht auf die Fälle der Nr. 3—6, wohl aber sind dann Ablehnunggründe gegeben. V e r l ö b n i s oder früheres Verlöbnis (RGSt. 31/142) sind nur Ablchnungigründe, ebenso der außereheliche U m g a n g oder die Unterhaltung eines Liebesverhältnisses (in Gegenwart oder Vergangenheit). c) § 4] 1 3 n i m m t im selben Umfange wie § 41 I 2 auf § 41 I 1 Bezug. c 2. Unter die Bestimmung fallen n u r d i e b ü r g e r l i c h - r e c h t l i c h e n B e g r i f f e . d) In § 411 4 sind zwei Fälle zu unterscheiden, der eine betrifft den des gesetzlichen Vertreters (der die Prozeßfähigkeit der Partei ergänzt, vgl. § 51 D), der andere den Prozeßvertreter (Prozeßbevollmächtigten oder Beistand). In beiden Fällen k o m m t es darauf an, ob die Vertretungsmacht sich gerade auf das streitige Rechtsverhältnis bezieht (RGZ 152/9folg.), das Gegenstand des Prozesses ist (vgl. § 253 B II c 2). Dazu genügt nicht bloß ein vorangegangenes Schiedsverfahren (RG J W 84/211 3 ), sondern auch schon ein vorangegangener Prozeß mit d e m gleichen Streitgegenstand (RGZ 152/9 folg.). d 1. Es muß die Möglichkeit bestanden haben, daß in irgendeiner Zeit des Prozesses der gesetzliche Vertreter (in Ersetzung der Prozeßfähigkeit des Vertretenen) eine Prozeßhandlung (auch die Erteilung der Prozeßvollmacht, vgl. § 81 A I, II) hätte vornehmen dürfen, gleichviel, ob er es tatsächlich getan h a t o d e r nicht (RGZ 152/9) und gleichviel, ob er allein zur Vertretung berechtigt war oder nur zusammen mit anderen (RArbG J W 30/2242 5 ). Bei mehreren Organen, die nach verschiedenen Normen zur Vertretung befugt sind, ist aber zu prüfen, bei welchem Organ sich die gesetzliche Vertretungbefugnis für das in Betracht kommende Rechtsgeschäft findet. So gehört zu den gesetzlichen Vertretern einer Aktiengesellschaft (GmbH, Genossenschaft) regelmäßig nur der Vorstand (bzw. der Geschäftsführer). d 2. Nicht unter die Bestimmung fällt der sonstige Vertreter (der Bevollmächtigte), möge er auch das Rechtsverhältnis begründet haben oder sonst wie in ihm tätig geworden sein. Unter P r o z e ß b e v o l l m ä c h t i g t e n sind die Vertreter der §§ 78folg. zu verstehen. Unter Beiständen sind die des § 90 zu verstehen. Entsprechend werden die Amts- und Staats- wie Bundesanwälte zu behandeln sein (abweichend OLG J W 31/2043 12 , das nur einen Ablehnunggrund angenommen hat). Die Bestellung als Zustellungbevollmächtigter oder die Übernahme seiner Tätigkeit ohne Vertretungmacht (Raterteilung, Gutachtenanfertigung, Abfassung eines Schriftsat.zentwurfes — anders wenn die Vertretung des Anwalts in der mündlichen Verhandlung übernommen wird —, die Beschäftigung eines Referendars im Vorbereitungdienst beim Anwalt, sofern er nicht in der mündlichen Verhandlung auftritt (was dann als Beistandschaft zu werten ist), reichen aber nicht aus, um den Tatbestand des § 41 I 4 zu begründen. Zur Ablehnung wird man es allerdings genügen lassen müssen, wenn auch bloß die gewillkürte Vertretung mit Willen des späteren Richters in bezug auf das später streitige Rechtsverhältnis bestanden hat, selbst wenn kein Fall des § 41 I 1 gegeben sein sollte oder wenn der Richter Mitglied eines für den Fall nicht vertretungsberechtigten Organs ist (das in anderen Fällen gesetzlich vertritt) oder wenn er auch nur als Referendar oder durch ein Gutachten, einen R a t für eine Partei tätig geworden ist. In all diesen Fällen gilt zwar nicht StGB § 350, der sich nur auf das Verbot bezieht, für die andere Partei tälig zu werden, nicht aber als Richter; doch wird man in demselben Rahmen die Ablehnung zulassen müssen. o) § 41 I 5 trifft nur auf dasselbe Prnzeßvcrhältnis zu, nicht auf zwei voneinander unabhängige Verfahren, wohl aber, wenn auf Zeugen- oder Sachverständigenvernchmungcn in anderen Verfahren auf dem Wege des Urkundenheweises Bezug genommen wird. Der Vernehmung als Zeuge oder Gutachter steht die Glaubhaftmachung nach § 294 I durch einen dritten in diesen Eigenschaften gleich; auch sollte die nach § 272b 11 2 erteilte Auskunft genügen (a. M. RGSt. 58/285). Der V o r s c h l a g e i n e r P a r t e i , den Richter als Zeugen oder Sachverständigen zu vernehmen, erfüllt den Tatbestand nicht; der Richter, der vernommen werden soll, darf also darüber, oh er vernommen werden soll, beschließen (RGSt. 41/1). RG N § 41/1 hat die Ausschließung eines Vernommenen nicht gelten lassen, wenn die von ihm bekundeten Tatsachen zugestanden waren. Der Dolmetscher (GVG §§ 185folg.) steht dem Sachverständigen hier nicht gleich (vgl. RGSt. Rspr. 8/203); t r i t t also der Richter als Dolmetscher
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Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
§ 4 1 C II e
ein (die nur für den Urkundsbeamten gegebene Bestimmung des GVG § 190 gilt auch für den Richtcr), so ist er nicht als Richter ausgeschlossen (so wenig wie es der Urkundsbeamte von seinen Geschäften ist, wie GVG § 191 deutlich ergibt). f ) J 41 1 6 schließt nur den Richter aus. der früher als Erkennender des Schiedsverfahrens oder einer früheren Instanz (RG Gruch. 26/856) mitgewirkt hat, spricht a'sn das Verbot für das Verfahren in der höheren Instant über eine aneefoohteno Entscheidung aus, die der Richter bewirkt hatte. Getroffen wird allerdings hier nur das zweite Erkenntnis (Mitwirkung bei einem Vergleich schadet also nicht, vgl. auch RG N § 42/5). Da^u gehört auch das Erkenntnis der ersten In--tanz. selbst wenn es von der zweiten autgehoben war und der Richter nur in der dritten täti? werden soll. f 1. Zu dorn Vorerkenntnis gehört jede Endentscheidung, der Schiedsspruch, da» Endurteil, aber auch die mit ihm zugleich angegriffenen (und angreifbaren) Zwischenentscheidungen nach §§ 512, 548. f 2. Nicht dazu gehören aber die sonstigen vorangegangenen Entscheidungen, die nicht erkennender Art sind, wie der Erlaß einer Armenrechtcntscheidung (BGH v. 1. 3. 1958 I I I ZA 2/58), der Erlaß des Bewcisbeschlusses (RGZ 105/17), die Tätigkeit als Richter bei der Beweisaufnahme (RG J W 03/289 1 ), als ersuchter oder beauftragter (verordneter) Richter (vgl. auch § 3C6), bei der Beweissicherung, bei der Verkündung (RGZ 26/383), auch wenn der Antrag gestellt war. die Verhandlung wiederzu eröffnen, und dieser abgelehnt wurde (RG JW02/543 2 ), die über die Einstellung der Vollstreckung wie ihre Ablehnung. Nicht hierher gehört ferner die Tätigkeit in der Vollstreckunginstanz (OLG 13/82). Der Richter ist nicht ausgeschlossen, wenn das Verfahren in derselben Instanz erledigt wird, etwa im Nachverfahren des Urkundenprozesses (RGZ 148/199), bei der Entscheidung über den Betrag nach Grundurteil (RG I I R R 33/1045) oder im Einspruch- (Widerspruch-)Verfahren, sofern er hier nicht als Richter der höheren Instanz in Betracht kommt (vgl. RG J W 95/518 3 ), aber auch nicht bei den Wiederaufnahmeklagen (derselben Instanz); dasselbe gilt nach Zurückverweisung auf eine Rechtsmittclentscheidung (§§ 538, 539, 565 I) und nach h. M. sogar dann, wenn der Rechtstreit an einer anderen Senat zurückverwiesen worden ist (RGZ 53/4folg., § 565 I 2: dann soll nur der Senat, nicht das einzelne Mitglied ausgeschlossen sein). Ferner ist bei selbständigen und neuen Prozeßverhältnissen (vgl. § 38 B III) die Tätigkeit in höheren Instanzen zulässig (RG H R R 33/1045), etwa in Fällen der Vollstrcckunggcgenklage (§ 767), der Abänderungsklage (§323), dem Verfahren auf Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung auf Grund veränderter Umstände (§§ 927, 926) und selbst, wenn die Rechtskraftwirkung eines früheren Verfahrens zu beachten ist (RG N § 41/2).
§ 42
(42)
I Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft (¡esetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. II Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. III Das Ahlehnungsrccht steht in jedem Falle beiden Parteien zu. A. § 42 I stellt klar, daß die Partei, und zwar jede, den Richter ablehnen darf, wenn er entweder auszuschließen oder seine Befangenheit zu besorgen ist. A I. Wird ein Ansschlleßungsgrund (§ 41) festgestellt, so hat das Gericht darauf zu erkennen, ohne die Möglichkeit feststellen zu dürfen, daß trotz dessen nicht zu besorgen sei, daß der Richter parteiisch entscheiden werde. B. Die Ablehnung ist eine prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende und bis zur Entscheidung über das Gesuch widerrufliche (RG J W 28/105 10 ) Willenserklärung. B I. Das Ablehnungsrecht steht d e r P a r t e i als solcher zu, auch dem unselbständigen Streitgehilfen.
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§ 4 2 BI
ZPO I. Buch
b) Das Ablehnungrecht steht nicht dem zu, dem der Streit verkündet ist, solange er nicht beitritt; auch kann nicht aus seiner Person ein Ablehnunggesuch wirksam begründet werden. Auch steht es n i c h t etwa dem Prozeßbevollmächtigten oder Beistand aus eigenem Recht (RG Warn. 13/66), nicht dem Zeugen oder Sachverständigen zu, es sei denn, daß diese im Zwischenstreit stehen, wo sie Parteircchte haben (§§ 71, 135, 387, 402). Nur die Besorgnis der Partei, nicht die ihres Prozeßbevollmächtigten ist maßgebend (RG Warn. 13/66); darüber, inwieweit Gründe in der Person dieser auch für die Partei besorgniserregend sein können, vgl. § 42 B III b. B II. Das Ablehnungrecht wird nur individuell gegeben, und zwar aus einem individuellen Ablehnunggrund heraus. a) Die A b l e h n u n g a l l e r M i t g l i e d e r einer Kammer, eines Senats, einschließlich der Stellvertreter ist unzulässig (RG J W 36/81024). Inwieweit auch die Einzelablehnung aller zur Gesamtablehnung werden kann, ist in den Grenzfällen schwierig zu trennen. b) Die E i n z e l a b l e h n u n g muß einen i n d i v i d u e l l e n G r u n d haben, sie kann nicht in allgemeinen Gründen zu finden sein, wie etwa in der Staatsangehörigkeit des Richters, seiner Rassenzugehörigkeit (RGSt. Recht 31/531 für einen jüdischen Richter), der zum männlichen oder weiblichen Geschlecht (RG Recht 27/226), seiner Weltanschauung, seiner Zugehörigkeit zu einer Konfession (RGSt. J W 30/2560) oder zu einer politischen Partei (RGSt. Recht 31/781) u. dgl. m. (OLG Bamberg BayJMBl. 53/156: bei Zugehörigkeit des Richters und des Landrats des beklagten Kreises zum selben Altherrenverband). B III. Aber auch bei individueller Begründung wird nicht stets die Parteilichkeit des Richters getroffen, die allein Ablehnunggrund ist. a 1. Z w e i f e l an der T ü c h t i g k e i t des Richters begründen dann keinen Ablehnunggrund (etwa bei Krankheit des Richters, OLG 11/49), wenn seine (allgemeine) Wahrnehmungund Denkfähigkeit nicht zu bezweifeln sind. Auf sonstige Fähigkeiten des Richters (fehlendes oder gutes Wissen) ist es dabei nicht abzustellen, sondern nur auf die fehlende allgemeine Möglichkeit (fehlende Wahrnehmung- oder Denkmöglichkeit); Grenzfälle sollten zugunsten der Partei gewertet werden. Der Richter ist noch nicht parteilich, wenn er ganz allgemein — etwa a l s S c h r i f t s t e l l e r — eine bestimmte Ansieht (OLG Seuff. 47/57) oder sie sonstwie im Einzelfall (RGSt. J W 29/26322), im besonderen in einem anderen Rechtstreit vertreten hat (RG J W 04/24121), selbst wenn die geäußerte Rechtsansicht (höchstrichterlich) für falsch erklärt worden ist (RG N § 42/4) und wenn sie der Richter — ohne daß man ihm dies richterlich vorwerfen könnte: gutgläubig — weiterverfolgt (RG Warn. 13/117). Aber auch die im selben Verfahren geäußerte Rechtsansicht macht den Richter noch nicht parteiisch (RGZ 44/402). Dies gilt, wenn das Armenrecht einer Partei wegen Aussichtlosigkeit der Rechtsverfolgung versagt wurde für das folgende Verfahren (RG Warn. 18/146 — eingeschränkt in RG J W 36/81024, wenn der Richter durch seine frühere Stellungnahme an einer unparteiischen Entscheidung gehindert werde ). OLG J R 57/185 hat keine Befangenheit des Richters angenommen, der sich schon bei der Beweisaufnahme über den Beweiswert einer Zeugenaussage äußerte. Nach KG OLG 41/248 genügt auch nicht, daß er in einem früheren Strafverfahren, das in Beziehung zum Zivilverfahren steht, ungünstig entschieden hat; doch ist die Entscheidung nicht unbedenklich. Daß der Richter sonst in anderen Fällen schon gegen die Partei entschieden hat, reicht nicht aus, selbst wenn er dies in einem vorangegangenen Strafverfahren getan hat (OLG Breslau DR 43 A 9539). a 2. Parteilich ist das Gericht, das einer Partei einen neuen Klagegrund aus herangezogenen Akten mitteilt, auf den die Klage nicht gestützt wurde, um zu einer Erweiterung der Klage zu kommen (§ 308 I, KG J W 31/8714: Mitteilung eines der klagenden Partei unbekannten Ehebruchs); oder der Rat, Anschlußberufung einzulegen (KG J W 31/1104 5 ; anders, wenn die Partei eine Forderung ersichtlich geltend machen will, die sie nur auf dem Wege der Anschlußberufung geltend machen kann; dann ist das Gericht verpflichtet — § 139 —, auf diese Möglichkeit hinzuweisen). Der Richter darf nicht das Interesse einer Partei wahrnehmen (OLG JW 16/62), wohl aber darf er darauf hinweisen, daß es zwecklos sei, ein Versäumnisurteil gegen die durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei zu nehmen (KG JW 31/8815), und er darf auch einen anderen Anwalt veranlassen, sich für den fehlenden zu melden (a. M. OLG J W 16/62).
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Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
§ 4 2 B III a 2
Entsprechend ist es jedenfalls im Zivilverfahren unzulässig, einer Partei zu r a t e n , eine Klage zurückzunehmen, auf den Anspruch zu verzichten oder ihn anzuerkennen oder ein Rechtsmittel einzulegen oder zurückzunehmen (a.M.RGSt. 60/43). Die p r i v a t e Augenscheineinnahme (Besuchen des Tatortes) ist zulässig (RGSt. DRiZRspr. 27/151422), die in Begleitung von nur einer Partei — ohne Ladung der anderen — ein Ablehnunggrund (OLG MDR 56/557, LG MDR 52/6E8, a. M. RGSt. JW 27/1641). b 1. Ein vor der Endentscheidung geäußertes Werturteil ist von der Rechtsprechung — bedenklicherweise — wiederholt nicht beanstandet worden, etwa als amtlich bedingtes Werturteil über eine Partei (RGSt. DRiZRspr. 27/151423). Kein Ablehnungsgrund ist es, wenn das Gericht durch die Partei beleidigt wird (RG Recht 27/1865), auch nicht, wenn das Gericht die Partei (unberechtigt) in eine Ordnungstrafe wegen Ungebühr nimmt (KG OLG 33/26). Ein M i t a r b e i t e r v e r h ä l t n i s (Kollegialität: BGH NJW 57/1400) ist kein Ablehnunggrund. b 2. Die a u ß e r a m t l i c h e S t e l l u n g n a h m e des Richters zu dem konkreten Fall ist ein Ablehnunggrund (RG JW 02/3926), ebenso die abfällige außeramtliche Stellungnahme zur Person der Partei (RGSt. 61/67), das Tätigwerden für eine Partei durch Rechtsgutachten oder Rat (KG JW 31/1104 5 ); aber auch die vor dem Prozeß im anderen Verfahren, wenn auch amtlich geäußerte, sofern sie eine Voreingenommenheit erkennen läßt (RG J W 38/810 24 ). Die Beleidigung einer Partei durch das Gericht ist regelmäßig Ablehnunggrund (a. M. RGSt. Recht 27/1865). Feindschaft oder Freundschaft zu einer Partei selbst begründen die Ablehnung, im besonderen bei Handelsrichtern im Wettbewerbsverhältnis. Ob das feindliche Verhältnis durch das eigene Verhalten der Partei herbeigeführt wurde, ist nicht erheblich (RG JW 97/5313). b 3. Andererseits begründet nicht nur die f e i n d l i c h e H a l t u n g des Gerichts zu einer Partei die Ablehnung, sondern auch die zu i h r e m P r o z e ß b e v o l l m ä c h t i g t e n oder Beistand (OLG J R 50/760; a. M. OLG JMB1. NRW 56/161). Doch werden Feindschaft und Freundschaft der Richter zu Anwälten die Ablehnung grundsätzlich nicht rechtfertigen können, sofern sie nicht im konkreten Fall ganz besonders hervortreten. OLG J R 57/185 hat es nicht genügen lassen, daß der Richter von dem Prozeßbevollmächtigten einer Partei sich selbst in seinem anderen Rechtstreit vertreten ließ; dagegen ließ LG Kassel NJW 56/1761 es nicht zu, daß ein prozeßbcvollmächtigter Anwalt den Richter zum Beweisaufnahmetermin in seinem Wagen mitnahm. C. Der Ablehnunggrund muß durch Äußerungen hervorgetreten sein, soweit ihn nicht schon die allgemeinen Umstände (ein Liebesverhältnis, das Verlöbnis mit einer Partei, das Verhältnis zu deren Verwandten und Verschwägerten) ergeben; dies kann auch durch unsachliche Bemerkungen zu einem Schriftsatz geschehen (OLG J W 33/202016). C I. Ihr mangelndes Vertrauen zur Unparteilichkeit des Richters muß die Partei behaupten (OLG DR 43 A 95 39). Das s u b j e k t i v e M i ß t r a u e n der P a r t e i (nach RG JW 10/710 15 ausreichend für die Ablehnung eines Sachverständigen) genügt nur, wenn ein objektiver Grund zum Mißtrauen anzuerkennen ist (RG JW 35/289416). Nach BG N J 57/256 genügt ein Mietverhältnis zwischen Richter und Partei, nach LG NJW 56/1402 die Mitwirkung eines Assessors an einem Streit wegen einer vorsätzlichen Amtspflichtverletzung seiner obersten Dienstbehörde, nach OLG SchlHA 56/186 die Bewirtung des Richters durch eine Partei mit Wein. C II. Die Befangenheit des Richters muß in bezug auf die Sachentscheidung begründet werden (die auf die äußere Prozeßleitung genügt nicht, vgl. RG Warn. 13/66).
§ 43
(43)
I Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. A. Das prozessuale Recht, den Richter wegen Befangenheit abzulehnen (§ 42 II), erlischt, wenn eine Partei vor ihm verhandelt, ohne den ihr bekannten Ablehnunggrund vorzubringen (§ 43 B I).
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§43
ZPO I. Buch
A I. Auf A u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e , die gegenüber dem Gericht kraft Gesetzes wirken, bezieht sich § 43 nicht, ebenso nicht auf sonstige Gründe, welche ergeben, daß die Richterbank nicht ordnungmäßig besetzt ist (§ 41 B). A II. Gegenüber den Personen, wo es keine Ausschließung kraft Gesetzes (Schiedsrichter, Sachverständige, Dolmetscher), sondern nur die Ablehnung gibt (vgl. § 41 B 1) ist § 43 stets entsprechend anzuwenden (RGZ 44/391folg.). B. Die Voraussetzung ist die Kenntnis von dem Schein oder Anschein der Befangenheit des Richters (§ 42 B II, III, RG JW 04/495 23 ); kennen sollen genügt nicht (OLG 37/203 [204]). Die Kenntnis des Vertreters der Partei steht der der Partei gleich (RG J W 00/129 1 ; § 232 II); während umgekehrt die der Partei genügt, auch wenn sie der Vertreter nicht hat (vgl. auch § 85 B II, § 38 B II c 1). B I. Soweit das Gesetz zwirgjnd eine m ü n d l i c h e V e r h a n d l u n g voraussetzt, muß die Partei den Antrag spätestens in dieser, und bevor sie irgendwie verhandelt, stellen. I m s c h r i f t l i c h e n V e r f a h r e n (§ 128 II) muß der Antrag mit der ersten schriftlichen Einlassung gestellt werden, doch reicht der Antrag auf Terminsbestimmung dazu niemals aus (RGZ 36/378 [381]). B II. Verhandeln in einem anderen Prozeß greift auf das bestehende Prozeßverhältnis nicht vor (OLG NJW 55/553). C. Ist der Antrag rechtzeitig gestellt, so erlischt er nicht durch sonstiges Verhandeln (KG JW 31/1104«; a. M. OLG MDR 54/552).
§ 44
(44)
I Das Ablehnnngsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. II Der Ahlehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherune an Eides Statt dirf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden. III Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. IV Wird ein Richter, bei dem die Partei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, daß der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekanntgeworden sei. B. Das Gesuch darf B I. s c h r i f t l i c h oder zu Protokoll der Geschäftstelle oder in der mündlichen Verhandlung (RGZ 35/351 [358]) ohne Anwaltzwang angebracht werden, und zwar B II. g e g e n ü b e r dem G e r i c h t , dem der Richter angehört. B III. Abzulehnen ist der Richter im Prozeß also nur von der Begründung des Prozeß" Verhältnisses an (§ 38 B III), und die Erklärung bezieht sich nur auf den Prozeß, wo sie angebracht wird (vgl. § 43 B II). a) N a c h B e e n d i g u n g d e r I n s t a n z kann nur noch der Ausschließunggrund, und zwar im Rahmen der §§ 539, 551 1 1, 579 1 1, II vorgebracht werden; in der Berufunginstanz wird dies zudem nur praktisch, wenn sonst erstinstanzliches Vorbringen zurückgewiesen zu werden droht. a 1. Aus dem S a c h e r k e n n t n i s der Instanz dürfen Ablehnunggründe nicht nachgebracht werden (RG JW 93/459 [4611). a 2. Ist indes die Ablehnung rechtzeitig v o r d e m S a c h e r k e n n t n i s vorgebracht worden, so ist über sie zu entscheiden, auch wenn inzwischen das Sacherkenntnis erlassen wurde; wird ihr stattgegeben, u. U. in der Beschwcrdeinstanz, so ist die Entscheidung grundsätzlich beachtlich, es sei denn, daß die nächste Instanz als Berufunginstanz erkannt hatte (weil sie nach §§ 539, 540 trotz des Mangels selbst entscheiden darf) und nicht etwa das Vorbringen mit Rücksicht auf die Entscheidung der ersten Instanz zurückgewiesen hatte (vgl. §5 279 a, 283 II)
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Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
§ 4 4 B III a 2
oder daß die Revision zurückgewiesen und das Urteil nunmehr rechtskräftig geworden ist (wobei dann allerdings § 579 I 2 zum Zuge kommt, soweit es um die Tatsachenfcststellung geht, die das Revisiongericht nicht ersetzen kann). b) Für den S c h i e d s r i c h t e r kann dies insoweit nicht gelten, wie solche Gründe, solange die Tatsacheninstanz offen ist, noch gebracht werden dürfen (RG JW 93/459 [461]), und dasselbe gilt für den Sachverständigen in den Tatsacheninstanzen, so daß solche Gründe auch nach Abschluß der ersten Instanz noch im Berufungverfahren geltend gemacht werden di'rfon. c) Die Ablehnung eines mit der Sache nicht befaßten Richters ist unzulässig (OLG 21/68 [69]); unbeschieden muß sie aber als angebracht gelten, wenn später der abgelehnte Richter tatsächlich tätig werden will. C. Der Ablehnunggrund (§ 44 II) und, wenn ein Grund vorgebracht wird, der die Ablehnung wegen Befangenheitbesorgnis rechtfertigen soll, nachdem verhandelt wurde (§ 43 B I), die spätere Kenntnis vonihm (§44IV), sind vom Antragsteller zu behaupten und glaubhaft zu machen (§294). C I. Dazu gehört stets, daß Tatsachen, auf die sich das Ablehnunggesuch stützt, vorgetragen werden (OLG JW 99/87 2 ). C II a) Doch braucht die Partei den Ablehnunggrund nicht glaubhaft zu machen, wenn sie sich auf das Z e u g n i s des A b g e l e h n t e n bezieht (§ 44 II 1). Von den Mitteln der Glaubhaftmachung wird hier die eidesstaltliche Versicherung der Partei nicht zugelassen, auch nicht die der Gegenpartei, wie die der Streitgenossen oder eines selbständigen wie unselbständigen Streitgehilfen, also eines jeden, der das Ablehnungrecht im eigenen Namen hat (vgl. § 42 B I). b) Hat die Partei (usw.) später Kenntnis erlangt (§ 44 IV), so kann sie sich dafür regelmäßig nicht auf das richterliche Zeugnis beziehen (§ 44 III), andererseits ist aber die eigene eidesstattliche Versicherung der Partei hier zugelassen (Sydow-Busch § 44 Anm. 6). Ohne diese Glaubhaftmachung ist das Gesuch unzulässig (soweit sich nicht diese durch Offenkundigkeit erübrigt, § 291). c) Der Glaubhaftmachung bedarf es überhaupt nicht, wenn ein Ausschließunggrund vorgebracht wird. D. Die Übermittlung des Gesuchs an die Gegenpartei ist nicht ausdrücklich vorgeschrieben (vgl. § 41 B I); doch sollte man stets allen Beteiligten den Vorgang zugänglich machen. Die Gegenglaubhaftmachung ist zulässig, doch gelten im Falle des § 44 II dieselben Beschränkungen wie für den Antragsteller. E. In jedem Falle ist der abgelehnte Richter über den Ablehnunggrund (nicht über die erlangte verspätete Kenntnis der Partei) zu hören. Die Stellungnahme ist schriftlich abzugeben und wird Aktenbestandteil (OLG 15/129).
§ 45
(45)
I Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört; wenn dieses Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitgliedes beschlußunfähig wird, das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht. II Wird ein Amtsrichter abgelehnt, so entscheidet das Landgericht. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Amtsrichter das Ablehnungsgesuch für begründet hält. A I . Wird ein Amtsrichter abgelehnt a) und stimmt der Abgelehnte zu (§ 45 II 2), so scheidet er ohne weiteres aus. b) Stimmt der Amtsrichter nicht zu, so soll er den Antrag dem Landgericht zur Entscheidung vorlegen (§ 45 II 1, OLG 11/49), das als Zivilkammer entscheidet. A II. Bei einem Kollegialgericht entscheidet auch bei dem gegen einen beauftragten Richter oder gegen den Einzelrichter (§§ 348folg.) bzw. den Vorsitzenden gerichteten Gesuch die Kammer oder der Senat, denen der Richter angehört. Bei der Beratung (GVG § 193) und der Abstimmung über das Ablehnunggesuch darf der, gegen den es gerichtet ist, nicht 17
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§45
Ali
ZPO I. Buch
mitstimmen. Auf Grund der Vorwirkung der Ablehnung (vgl. § 47 B) hat RGZ 16/413 (415) erkannt, daß bei gleichzeitig noch unerledigten Ablehnungsgesuchen keiner der Abgelehnten mitentscheiden darf, auch wenn es um die Ablehnung des anderen geht; entgegengesetzt hat praktisch — d. h. ohne sich mit dem Problem auseinanderzusetzen — der 2. Senat des BVG im Sudweststaatverfahren (BVG E l/14folg.) entschieden; das BVGG besagt allerdings nichts über die in § 47 angeordnete Vorwirkung. Wird das Kollegialgericht durch die Vorwirkung der Ablehnung beschlußunfähig und kann diese auch nicht — was zulässig ist — nach GVG § 67 beseitigt werden (RG J W 35/2894 16 ) oder wird sie nicht behoben, so entscheidet das im Instanzenwege vorgesetzte Gericht. Wird auch dieses beschlußunfähig, so ist das nächst höhere Gericht usw. zuständig. a) Das Gericht darf in Besetzung mit dem Abgelehnten indes auch vor dem ordentlichen Gericht gewohnheitrechtlich entscheiden, wenn das Gesuch unzulässig ist, w e i l entweder keine individualisierte Ablehnung der einzelnen Richter vorliegt bzw. nach der Rechtsprechung, •— wenn die Individualisierung offenbar dazu gegeben ist, um eine Prozeßverschleppung zu bewirken (vgl. RG J W 35/2894 16 ) oder das Gesuch einem bereits abgelehnten entspricht (OLG H R R 36/425). b) Über solche Gesuche braucht gewohnheitrechtlich überhaupt nicht entschieden zu werden (RG Warn. 29/105). Wird ein solches Gesuch indes dem zuständigen Gericht zur Entscheidung weitergegeben, so ist es von diesem als unzulässig zu verwerfen (RG J W 35/2894 16 ). c) Wird indes zu Unrecht ein Gesuch vom abgelehnten Richter mitentschieden oder unentschieden gelassen, so muß die R ü g e in d e r h ö h e r e n I n s t a n z nach §§ 539, 550 beachtet werden, weil dann § 47 verletzt ist. Auch ist die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen, die (auch) vom Abgelehnten ausgehen kann, zulässig (vgl. OLG 11/49) und, wenn keine unmittelbare Entscheidung ergeht, gegen jede, die gegen § 47 bewußt verstößt (weil in ihr zugleich die Ablehnung liegt). A III. Erst durch den (wirksamen) Beschluß des Gerichts, das die Ablehnung für begründet erklärt (§ 46 II), dann aber sofort, wird der Abgelehnte aus dem Prozeß ausgeschlossen (auch für die höhere Instanz), wenn nicht ein Amtsrichter das gegen ihn vorgebrachte Gesuch für begründet erklärt (§ 46 A 1). B n . Ist die Instanz durch Sachendentscbeidung geschlossen, so ist die neue (die h. M. behandelt so auch das rechtzeitig und während offener Instanz gestellte Gesuch: RGZ 66/46) Anbringung eines Ablehnunggesuches in ihr unzulässig. D. Über die Ablehnung eines Sachverständigen entscheidet das Gericht, das ihn ernannt hat (§406 IV, II); über die des Dolmetschers das Gericht, das ihn hinzugezogen hat (GVG § 1 9 1 1 2 ) ; über die des Urkundsbeamten das Gericht, bei dem er angestellt ist (§49). Im schiedsgerichtlichen Verfahren hat RGZ 92/230 den § 45 entsprechend angewandt, doch wird hier regelmäßig das Schiedsgericht beschlußunfähig werden; dann ist u. U. mit § 1031 zu helfen.
§ 46 I
(46)
Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
II Gegen den Beschluß, durch den das Gesuch für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluß, durch den das Gesuch für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt. A. § 46 läßt die freigestellt mündliche Verhandlung zu (vgl. § 128 G II). A I. Entschieden wird durch Beschluß (nicht durch Urteil, auch nicht durch Zwischenurteil), der nach mündlicher Verhandlung zu verkünden ist (§ 329 I) und, wenn er ein Gesuch zurückweist, dem Antragsteller zuzustellen (vgl. § 329 III, § 577 II) ist. A l l . Wird ohne mündliche Verhandlung entschieden (§46 1), so ist der Beschluß d e n Parteien nach § 329 I I I bekanntzumachen, d. h. die ablehnende Entscheidung ist dem Antragsteller zuzustellen (vgl. §§ 329 III, 46 II), den übrigen formlos mitzuteilen; die stattgebende Entscheidung braucht allen nur formlos mitgeteilt zu werden.
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Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
§46
B I. Die dem Ablehnunggesuch stattgebende Entscheidung ist unanfechtbar (§ 46 II), auch die der Beschwerdeinstanz (RGZ 51/144 [146]). B II. Die das Gesuch als unzulässig oder unbegründet zurückweisende Entscheidung (des Amtsgerichts in den Sonderfällen, die zu § 45 A II a erwähnt sind, sonst nur die) des Landgerichts ist mit der sofortigen Beschwerde von jedem, der zurückgewiesen worden ist (und dem selbständigen wie dem unselbständigen Streitgehilfen auch für die zurückgewiesene Hauptpartei, aber nur aus deren Recht) angreifbar (§§ 46 II, 577); die des OLG (§ 567 III 1) oder eines höheren Gerichts (§ 567 III 1 in entsprechender Anwendung bzw. weil es bei dem höchsten Gericht keinen Beschwerdezug mehr gibt) ist es nicht, sondern unanfechtbar. b) Mit der B e r u f u n g (§ 512) oder der R e v i s i o n (§ 548; RG HRR 33/1697) ist die auf das Ablehnunggesuch ergehende Entscheidung nicht anfechtbar; ergeht vor ihrem Erlaß das Endurteil, so ist dies als Verstoß gegen § 47 als Verfahrensmangel (§§ 539, 549) rügbar. b 1. Gegen die Entscheidung des LG ist dann aber doch die sofortige Beschwerde zulässig, obwohl sie im Urteil getroffen ist, und auch noch, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist. Die sofortige Beschwerde wird also durch die Sachentseheidung nicht unzulässig (vgl. OLG MDR 56/234; a. M. RGZ 66/46 [47]). Wird nachträglich (u. U. auf die sofortige Beschwerde) die Ablehnung für berechtigt erklärt, so geht der gerügte Mangel in den Revisionsgrund des § 5511 3 bzw. den Wiederaufnahmegrund des § 579 I 3 über, während, wenn das Gesuch als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird, die Rüge entfällt. b 2. Anders ist die Rechtslage, wenn mit der Ablehnung ein Ausschließunggrund verfolgt wird. Dieser Grund ist im Rechtsmittelverfahren nach §§ 539, 551 1 2, 579 I 2 verfolgbar, wenn nicht vorher der Grund durch Beschluß als unbegründet (nicht bloß als unzulässig) zurückgewiesen worden ist. Ein solches Verfahren wird nach Erlaß des Sachendurteils unzulässig; ein dennoch ergehender Beschluß wirkt nicht mehr nach §§ 551 1 2,579 I 2 entlastend; während der vor Erlaß der Endentscheidung erlassene Beschluß selbst den an sich Ausgeschlossenen voll handlungfähig macht. b 3. War indes das Gesuch als unzulässig zurückgewiesen, so sind damit zwar die Ablehnunggründe verbraucht, die Ausschließunggründe dagegen bestehen geblieben (vgl. §§ 551 12, 579 12). B III. Eine Kostenentscheidung sollte der Beschluß nur enthalten, wenn der Antrag sachlich als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird. Für vollstreckbar ist die Entscheidung nicht zu erklären (vgl. § 794 I 3). Über die Frage, ob bei ungebührlichen Anträgen der Gesuchsteller in eine Strafe wegen Ungebühr genommen werden darf, vgl. GVG § 178 B. C. Ist ein das Gesuch als unzulässig oder als unbegründet zurückweisender Beschluß dem Antragsteller zugestellt, so läuft von da ab die Frist der sofortigen Beschwerde. Ob die Frist von fünf Moratan auch hier läuft, wenn die formlose Zustellung versäumt wurde, darüber vgl. § 577 B II d. C I. Die sofortige Beschwerde muß in der richtigen Frist (§ 577 II 1, 3) und in der richtigen Form (§§ 577 I 2, 569) bei dem Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, oder dem Beschwerdegericht schriftlich (§ 569 II 1) und unter Anwaltzwang (§ 78 I; es sei denn, daß der Rechtstreit bei dem Amtsgericht anhängig ist oder war [also auch wenn das LG in der Berufungsinstanz entscheiden soll], wo die Erklärung auch zu Protokoll der Geschäftstelle erklärt werden darf [§ 569 II]) eingelegt werden. Sonst ist sie unzulässig. a) Das auf d e n s e l b e n G r u n d g e s t ü t z t e , w i e d e r h o l t e A b l e h n u n g g e s u c h i s t u n z u l ä s s i g (RGSt. 11/224). C II. Die B e s c h w e r d e i n s t a n z soll auch eine Kostenentscheidung fällen. E. Für Sachverständige und Dolmetscher gilt das für den Richter Gesagte entsprechend, auch bezüglich der Rechtsmittel (§ 406 V; GVG § 191), nur daß diese ja niemals dazu kommen können, über das Gesuch zu entscheiden. Auch brauchen sie nicht gehört zu werden (vgl. dazu im einzelnen § 406 B III). Für Urkundsbeamte vgl. §49. Für Schiedsrichter vgl. §1032. 17'
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ZPO I. Buch
§ 47 (47) I Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. A I . Die Handlungen ausgeschlossener Richter sind nicht gestattet, wenn durch sie ein Rechtsmittel- oder Nichtigkeitgrund entsteht. Verstöße hiergegen können abi r nur auf dem Rechtsmittelwege, u. U. durch Nichtigkeitklage oder Nichtigkeitbeschwerde (§ 577 II 3) behoben werden. A II. Sie sollen aber auch sonstige unanfechtbare Urteile und Beschlüsse nicht erlassen; doch sind diese nicht nichtig, ja nicht einmal vernichtbar. Die von ihnen vorgenommenen Beweisaufnahmeverhandlungen können von den Parteien beanstandet werden. A III. Andere prozeßleitende Verfügungen (Tcrminbestimmung, Heranziehung von Akten, Ladung von Zeugen) dürfen auch von ihnen vorgenommen werden. B. Bei den abgelehnten Richtern tritt die in § 47 bestimmte Vorwirkung ein, die ihre Verhinderung in aufschiebbaren Geschäften anordnet von der Einreichung des Ablehnunggesuches an bis zu seiner rechtskräftigen Entscheidung (RG JW 02/2492). B I. Erlassen sie ein Endurteil oder eine mit diesem angreifbare Zwischenentscheidung (§§ 512, 548), so begehen sie regelmäßig einen Verfahrensverstoß, nämlich soweit diese Entscheidungen aufschiebbar sind. Das entsprechende gilt für Beschlüsse, die selbständig angreifbar sind. a) Unaufschiebbar sind besondere eilbedürftige Handlungen, wie die Entscheidung über einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung oder die Vornahme einer Beweiserhebung, mit der Gefahr im Verzuge verbunden ist (§§ 485folg.). Die unaufschiebbare Handlung hat auch dann Bestand, wenn der abgelehnte Richter — später — durch Beschluß ausgeschlossen wird. b) Aufschiebbare Handlungen dürfen in gleicher Weise beanstandet werden wie bei dem kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richter (vgl. § 47 A), sofern die Ablehnung des Richters gebilligt wird; es gelten §§ 539, 551 I 3, 579 I 3, II. Wird die Ablehnung für unzulässig oder unbegründet erklärt, so sind auch die nach § 47 nicht vorzunehmenden Handlungen voll wirksam (RGZ 66/46 [47]). b 1. Aufschiebbar sind im besonderen Entscheidungen über Wiedereinsetzunggesuche, die Zulässigkeit eines Rechtmittels (RG J W 35/2895") und jede Sachentscheidung. C. Für abgelehnte Urkundsbeamte, Dolmetscher, Sachverständige gilt die Regel des § 47 stets und in allen Fällen; doch wird sie hier nur selten praktisch, da das Gericht im allgemeinen alsbald entscheiden wird. Ob eine Handlung dieser unaufschiebbar war, bestimmt das Gericht, das, wenn die Handlung aufschiebbar war, ihre Wiederholung, soweit möglich, anzuordnen haben wird. Für Rechtspfleger, die an Stelle der Richter handeln (vgl. §41 B I), gilt dagegen unmittelbar das für die Richter Gesagte. Über die Handlungen abgelehnter Schiedsrichter vgl. § 1032.
§ 48
(48)
I Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesnchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seino Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei. II Die Entscheidung ergeht ohne Gehör der Parteien. A. Der Grundsatz, daß niemand gegen sein Gewissen zu handeln braucht, gilt auch (eigentlich sollte man sagen: gerade) für den Richter. B I. Die h. M. legte die Bestimmung dahin aus, daß der Richter nicht verpflichtet ist, sich aus eigenem Antrieb zu äußern (Jonas § 44 Anm. II). Dies ist nur richtig, solange der Richter an seine Unparteilichkeit bzw. daran, daß ihn das Gesetz nicht ausschließt, glaubt;
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Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
§48
BI
fängt er daran zu zweifeln an, so soll er diese Zweifel vorbringen (Baumbach-Lauterbach § 48 Anm. 1). Hält er indes sich nicht für befangen und hat er daran gar keinen Zweifel, so darf er nicht die Frage zur Entscheidung stellen (BayObLG 18/108). Eine Rüge dahin, daß der Richter sich hätte äußern müssen, hat BGH MDR 475/54 nicht zugelassen. B II. In einem solchen Verfahren werden die Parteien nicht gehört (§ 48 II); dagegen h a t Bich der betroffene Richter dienstlich zu äußern (§ 44 III). Die Vorschrift des § 48 II 2 ist hier nicht anzuwenden; über die Anzeige des Amtsrichters muß also das Landgericht entscheiden (LG Halle J W 31/2052 3 ); anders ist dies, wenn eine Partei, wenn auch auf Anregung des Amtsrichters, ihn ablehnt. B III. Hält das Gericht die Zweifel des anzeigenden Richters für unbegründet, so sind sie zurückzuweisen, und zwar durch Zwischenurteil (§ 303), da es sich um einen Zwischenstreit handelt, der dem mit Streitgehilfen, Zeugen und Sachverständigen entspricht (§§ 71, 387, 405) und entsprechend zu behandeln ist (die Schlechterstellung des Richters gegenüber sonstigen Prozeßbeteiligten ist nicht zu billigen). Gegen das verwerfende Zwischenurteil ist sofortige Beschwerde durch den betroffenen Richter zulässig (a. M. OLG 35/31). Den Parteien braucht die Entscheidung nicht mitgeteilt zu werden (§ 48 II), sie können sie nicht anfechten (RGSt. 30/123). C. Die Entscheidungen nach § 48 ergehen nicht auf ein Ablehnungsgesuch im technischen Sinne; die Parteien haben kein Gehör (§48 II); deshalb treten in diesen Fällen nicht die Wirkungen ein, welche sonst an einen die Ablehnung zurückweisenden Beschluß geknüpft sind. Die Parteien dürfen deshalb auch aus dem schon erörterten Grunde den Richter ablehnen, ihnen gegenüber bleibt die Möglichkeit der Rechtsmittel (§§ 539, 551 1 2) und der Nichtigkeitklage ((§ 579 I 2) offen.
§ 49
(49)
I Die Vorschriften dieses Titels sind auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle entsprechend anzuwenden; die Entscheidung ergeht durch das Gericht, bei dem er angestellt ist. A. § 49 spricht von den Urkundsbeamten der Geschäftstelle (GVG § 153 C) und schreibt die entsprechende Anwendung der §§ 41—48 für sie vor. Bezüglich derRechtspfleger gilt RechtspflegerG § 9. Die Urkundsbeamten werden sowohl als Rechtspfleger (ihre Stellung kommt dabei der des Richters am nächsten) wie als Urkundsbeamte im engeren Sinne betroffen. Aber auch in der Stellung als Rechtspfleger kommt ihnen (in der BRD) die eigentliche Spruchtätigkeit nicht zu. Die Anwendung der Vorschriften der §§ 41folg. auf die Urkundsbeamten ist deshalb nur eine (rechts-)ähnliche. B. Die Ausschließunggründe (§ 41) haben hier die Wirkung, daß die Handlung des ausgeschlossenen Rechtspflegers und Urkundsbeamten nicht nichtig ist. RechtspflegerG § 10; § 577 IV sind gegebenenfalls anzuwenden, auf den Vollstreckungsbefehl auch unmittelbar § 579 I 2, 3 (§ 584 II). Haben sie bei der Protokollierung mitgewirkt, so hat allerdings das Protokoll nicht den Beweiswert des § 164; doch eröffnet dies nur dem Angreifenden die Möglichkeit eines Unrichtigkeitnachweises unter den regelmäßigen Beweisbedingungen (d. h. nicht unter den Erschwerungen des § 164 I 2). Darüber, inwieweit das Protokoll nachträglich berichtigt werden darf, vgl. § 159 II B a. Praktisch wirken in diesen Fällen die Ausschließunggründe deshalb nur so, daß das Gericht den Rechtspfleger bzw. den Urkundsbeamten ausschließen muß, wenn sie vorliegen, gleichviel, ob er deswegen als parteiisch anzusehen ist oder nicht. C. Darüber, daß es bei Sachverständigen (§ 406), Dolmetschern (GVG § 191) und Schiedsrichtern nur Ablehnungsgründe gibt, vgl. § 47 C. Die Tätigkeit dieser ist stets so verantwortungschwer wie die der Richter; ihre Befangenheit darf deshalb mit demselben Maßstab gemessen werden wie die eines Richters. Uber Gerichtsvollzieher vgl. GVG § 155.
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ZPO I. Buch Zweiter Abschnitt
Parteien Erster Titel Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§ 50(—) I
Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist.
II Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins. A II. Der Zivilprozeß dient der Streitbefriedung; ohne die staatlich geregelte Streitbefriedung gäbe es — wenn der Streit nicht im Einvernehmen oder durch die latente oder offene Gewalt dritter zu befrieden ist — nur den gewaltsamen Austrag der Interessengegensätze, wie dies unter den Staaten heute noch regelmäßig der Fall ist, wenn sie sich nicht unmittelbar verständigen und die Furcht vor dem anderen Staat oder die Drohung dritter den Staat nicht vom Kriege oder sonstigen Gewaltmaßnahmen zurückschreckt. a) Durch den Prozeß sollen die Spannungen, welche unter verschiedenen Rechtswesen (hinter denen letzten Endes verschiedene Menschen stehen) entstanden sind, gelöst werden. In die Spannungen ein und desselben Menschen greift der Staat nicht schlichtend ein, weil durch sie allein die Anwendung äußerer Gewalt nicht zu befürchten ist. a 1. Der Richter darf weder Partei noch ihr gesetzlicher Vertreter sein (§ 41 I 4), wenn auch außerprozessual einer Partei eine Entscheidungbefugnis gegeben sein kann (vgl. BGB §§ 315f.). a 2. Die Parteien dürfen aber auch nicht identisch sein, sondern müssen grundsätzlich in einem Spannungverhältnis, also einem Streitzustand stehen können. A III. Die richterliche Entscheidung ist im Prinzip eine Wissensentscheidung, keine Willensentscheidung. A IV a) Formal wird jemand als Partei eines konkreten Streitverfahrens dadurch bestimmt. daß er dazu erklärt wird, der Kläger (Antragsteller usw.), der das Gericht angeht, durch seine eigene Erklärung, der Beklagte (Antragsgegner usw.) durch die des Klägers (vgl. § 50 F III). B. Die Fähigkeit, Kläger wie Beklagter sein zu können, darf man als absolute Parteifähigkeit bezeichnen, sie ist die Regel und wird unter dem Begriff Parteifähigkeit schlechthin getroffen; es gibt aber auch Rcchtsgebilde, die nur auf einer Seite — entweder als Kläger oder als Beklagter (vgl. § 50 II) — unbedingt (auf der anderen nur bedingt) Partei sein dürfen (relative Parteifähigkeit). Darüber hinaus muß jeder Klagende oder Beklagte als Partei hingenommen werden, soweit es nur darum geht, gerade festzustellen, ob er Partei ist oder nicht. B I. Absolut parteifähig ist der, in dessen Person Rechte und Pflichten entstehen können, woraus sich die von Gerichts wegen zu lösenden Spannungen ergeben können. § 50 I bringt dies so zum Ausdruck, daß er jeden Rechtsfähigen auch als parteifähig bezeichnet. Die Rechtsfähigkeit physischer Personen tritt nach BGB § 1 mit vollendeter Geburt ein und endet nach BGB § 1922 1 mit dem Tode. a) Doch kennt das außerprozessuale Recht eine Reihe von Vorwirkungen für die Rechtstellung von Menschen vor ihrer Geburt, m. a. W., eine bedingte Rechtsfähigkeit. Auch sie sind unbedingt rarteifähig, weil gerade um ihre Rechte gestritten werden kann (bei nascituri, Nacherben, Hoferben). b 1. Prozeßrechtlich ist die außerprozessuale Konstruktion gleichgültig: die Parteifähigkeit geht in concreto, aber nicht in abstracto verloren. Selbst wenn das Urteil noch auf den Ñamen eines Verstorbenen lautet, wird es allein dadurch nicht unwirksam (OLG Seuff. 78/155), sondern richtet sich ohne weiteres gegen die Gesamtrechtsnachfolger, die Erben (RGZ 124/146 [150]) bzw. den Testamentsvollstrecker, wenn es auch umgeschrieben werden muß (vgl. § 727).
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§50 BI
b 2. Aber auch die konkrete Parteifähigkeit bleibt bestehen, wenn der K l ä g e r (Antragsteller usw.) stirbt, falls er die Klageschrift absenden ließ (vgl. BGB § 130 II) oder wenn sie sein Prozeßbevollmächtigter einreicht, dem er noch Vollmacht erteilt hatte (§86; vgl. dazu RGZ 68/390 [391], das die Revisioneinlegung namens des Toten in die namens der Erben „umdeuten" läßt). Ist die Partei aber B e k l a g t e r (Antragsgegner), so ist die Rechtslage anders; ihr gegenüber kann das Prozeßverhältnis rechtswirksam nur begründet werden, soweit sie einen Vertreter (gewillkürten oder den nach BGB § 1921 berufenen) hat. Ist dies aber der Fall, so wird nach RG Warn. 11/295 das Rubrum ohne weiteres nach § 319 berichtigt, auch wenn der Prozeß schon abgeschlossen war (während nach der hier vertretenen Auffassung wie auch sonst nur umgeschrieben werden darf, vgl. § 727 A II und OLG J W 19/3275). c) Die Parteifähigkeit der Ausländer ist nach inländischem Prozeßrecht zu beurteilen; doch müssen sie nach ausländischem Recht rechtsfähig sein (vgl. EG BGB Art. 7 I; RG Z 117/215 [217]); die Norm gilt auch im Verhältnis zur Ostzone. B II. Bei juristischen Personen tritt ihre Rechtsfähigkeit mit ihrer Entstehung ein. Über die des öffentlichen Rechts vgl. § 50 C I, über die des zivilen Rechts vgl. § 50 D. a) Die Vorwirkungen haben einen anderen (den entgegengesetzten) Charakter als bei den physischen Personen. Sie bestehen nur darin, daß mit der Entstehung der juristischen Person die schon unter ihrem Namen erworbenen Rechte und (regelmäßig auch) die unter diesem begründeten Pflichten ohne besondere Übertragung oder Übernahmehandlungen auf die juristische Person übergehen (vgl. dazu u. a. BGB §§ 82 folg.). a 1. Mit Rücksicht darauf sind auch n o c h n i c h t e n t s t a n d e n e j u r i s t i s c h e P e r s o n e n grundsätzlich nicht parteifähig. Dennoch werden die für die noch nicht entstandene juristische Person Handelnden die Berichtigung der Parteibezeichnung gegen sich gelten lassen müssen (OLG JW 20/9088); das gilt besonders, wenn sie den Schein der juristischen Persönlichkeit hervorgerufen haben. Dennoch sind auch Fälle denkbar, in denen jemand als Beklagter (nicht als Kläger) bezeichnet ist, der überhaupt nicht existiert und hinter dem niemand steht (RG J W 01/3011). a 2. Es gibt aber auch die Möglichkeit, daß die noch nicht entstandene juristische Person ein nicht rechtsfähiger Verein ist; dann darf sie nach § 50 II verklagt werden. b) Die Nachwirkungen der juristischen Person sind ungleich stärker als bei der physischen Person, soweit sie nicht durch Gesamtrechtsnachfolge erlischt. b 1. Regelmäßig besteht die juristische Person fort, solange sie noch Aktiven hat; solange ist sie auch parteifähig, im besonderen befinden sich die durch KRG Nr. 2 für ungesetzlich und aufgelöst erklärten Organisationen im Zustand der Liquidation, BGH MDR 58/756. Auch hindert die Löschung einer vermögenslosen GmbH nicht die Fortsetzung der Liquidation, wenn sich herausstellt, daß sie noch Vermögen hat (BGH BB 57/725). b 2. Doch ist auch bei juristischen Personen eine andere Auflösungsart möglich, und zwar durch Vermögensübertragung im ganzen und in den Fällen, wo der Rechtskreis einer juristischen Person einem anderen Rechtsträger zugeteilt wird (im besonderen physischen Personen) wie im Falle des G über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften v. 12.11.1956 (BGBl. I 844), wo die juristischen Personen der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien, der GmbH, der bergrechtlichen Gewerkschaft in eine oHG, Kommanditgesellschaft oder durch Übertragung ihres Rechtskreises auf eine einzelne physische Rechtsperson umgewandelt werden dürfen. Hier endet die Rechtsperson dieser juristischen Person schon mit der Umwandlung; die Rechtslage ist also dieselbe wie bei der Vermögensübertragung als Ganzes. In diesen Fällen gilt das entsprechende wie bei dem Tode der physischen Person (vgl. RG HRR 36/1195); die Parteibezeichnung darf in all diesen Fällen berichtigt werden (OLG JW 30/298613). b 3. Es sind darüber hinaus auch Fälle denkbar, wo schon ein nach Beendigung des Konkursverfahrens und damit endgültig aufgelöster Verein (BGB § 42) oder der durch einen Staatshoheitakt aufgelöste (BGB § 43) nach seiner Abwicklung unter denselben Mitgliedern fortgeführt wird; hier kann dann ein neugegründeter n i c h t r e c h t s f ä h i g e r V e r e i n vorliegen, der nach § 50 II wegen der reinen Passiven verklagbar ist (RG JW 36/20632).
263
§50
BD
ZPO I. Buch
c) Die Rechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen richtet sich grundsätzlich nach ausländischem Recht. c 3. Die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens teilt jedenfalls regelmäßig das rechtliche Schicksal der ausländischen Firma (RG J W 34/2845 4 ); denn die Zweigniederlassung hat keine besondere Rechtsfähigkeit. Für ausländische Versicherer vgl. VAG §§109 folg.. Es kann allerdings zur Spaltung der Rechtsperson derart kommen, daß die ausländische Partei und ihre inländische Zweigniederlassung sich in zwei Rechtspersonen aufspalten, so daß sowohl die ausländische wie die inländische eine unterschiedliche Parteifähigkeit haben. d) Darüber hinaus gibt es staatsvertragliche Begelungen. e) Parteifähig sind auch die ausländischen Staaten und ihre öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die nach ausländischem Recht rechtsfähig sind. Ist indes der ausländische Staat im Inlande nicht anerkannt, sondern ist es an seiner Stelle noch der Vorgänger, so kommt nur diesem Parteifähigkeit zu. e 1. Da die Prozeßgesetze gerichtsinländischer Art (§ 12 A I I a 2) sind, handelt es sich bei den juristischen (und Gesamt-) Personen der Ostzone um gerichtsausländische; dennoch werden die dortigen Parteifähigen auch im Westen als parteifähig behandelt (vgl. auch § 55), im besonderen als juristische Personen oder Gesamtpersonen (für volkseigene Betriebe: LG BB 52/868). Für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften gilt dasselbe wie für die sonstigen gerichtsausländischen öffentlichen Körperschaften. B III. Der Begriff der Parteifähigkeit deckt sich aber nicht mit dem der Rechtsfähigkeit; er geht einmal insoweit weiter, wie die Rechtsordnung auch einer Mehrheit von Rechtsfähigen die Parteieinheit zuerkennt. Dies liegt, geschichtlich gesehen, eine Entwicklungstufe vor der Zuerkennung der Rechtsfähigkeit für mehrere in Form der juristischen Person. Die Herausnahme einer Rechtsphäre aus den Rechtsphären mehrerer Rechtsubjekte unter Bildung eines neuen Rechtsträgers ist der Ansatzpunkt für die Bildung der juristischen Person. a) Außerprozessual gesehen, liegt der Unterschied zwischen der juristischen Person und der sonstigen Zusammenfassung einer Mehrheit von Rechtsträgern in der gesetzlich zugelassenen Haftungbeschränkung auf die Rechtsphäre der juristischen Person. b) Prozessual gesehen, liegt dagegen der Unterschied zwischen einer Partei und einer Mehrheit nur darin, inwieweit mehrere Rechtspersonen einheitlich als Träger des (auszutragenden) Streites anzusehen sind, m. a. W., inwieweit die Befriedung nur möglich ist, wenn sie als Einheit behandelt werden. Eine Übergangform findet sich hier in den Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62). Im Gegensatz zu ihr ist aber die Einheit nicht bloß außerprozessual zu begründen, sondern durch Gesetz ausdrücklich festgelegt. Zu den parteifähigen Rechtspersonenmehrheiten gehören die inländische oHG, die Kommanditgesellschaft, die Reederei, die Gemeinschaft der Schuldverschreibungsgläubiger. Über die ausländischen vgl. § 50 B I I I g. c) Die oHG (HGB §§ 105folg.) ist c 1. parteifähig (RG DR 44 A 665 24 ); sie darf klagen und verklagt werden (HGB § 124 I), doch ist sie weder Vertreterin ihrer Gesellschafter noch nur eine Bezeichnung ihrer Gesellschafter. In das alleinige Vermögen der oHG darf vollstreckt werden (HGB §12411); sie ist allein konkursfähig (KO § 209, RGZ 141/250). Welche Rechtsfolgen aus dieser Zwiespältigkeit zu ziehen sind, ist im einzelnen strittig. c 2. Der Wechsel von Gesellschaftern, im besonderen auch deren Ausscheiden nach der Fixierung des Rechtstreites (§ 263), berührt den Bestand der oHG nicht (selbst wenn einer ihrer Gesellschafter stirbt, sie deshalb aufgelöst wird und in Liquidation tritt, RGZ 45/341), wird sie aber völlig aufgelöst (so daß auch das Liquidationstadium entfällt), so bleiben die — letzten — Gesellschafter in notwendiger Streitgenossenschaft (RG N § 50/4; a. M. nur in gewöhnlicher Streitgenossenschaft: RGZ 127/98 [100]) als Partei zurück (nicht aber die inzwischen [auch nach Fixierung des Prozeßverhältnisses] Ausgeschiedenen; denn solange
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§ 5 0 B III c 2
die oHG besteht, ist diese Partei). Darauf, ob ihr Vermögen von einem Rechtsnachfolger übernommen worden ist oder ob von einem dritten ihre Firma fortgesetzt wird, kommt es nicht a n ; daß dritte nur mit Zustimmung des Prozeßgegners in den Streit eintreten dürfen, ergibt §265 (RG N §50/4). Führt ein Einzelkaufmann die Firma der oHG fort, so bleibt die Parteifähigkeit der oHG unter altem Namen bestehen (RGZ 86/63). Die U m s t e l l u n g d e r K l a g e n a c h A u f l ö s u n g der oHG auf die einzelnen Gesellschafter entspricht dabei der Rechtsnachfolge kraft Gesetzes, ist aber keine Klage-(Partei)änderung im eigentlichen Sinne (vgl. RG DR 44 A 66ö24), während man in der Umwandlung vor der Auflösung eine Klageerweiterung zu sehen hat und im umgekehrten Fall nur eine Klagebeschränkung vorliegen würde. Wird deshalb schon gegen alle Gesellschafter der oHG geklagt, so steht der neuen Klage gegen die oHG die Einrede der Rechtshängigkeit entgegen (RGZ 103/301), während man im umgekehrten Falle die Klage zulassen muß (a. M. RGZ 49/344). c 3. Mit Rücksicht auf die verschiedenen Haftungbereiche (vgl. HGB § 129) ist jedenfalls die Streithilfe im Prozeß gegen die oHG durch die Gesellschafter auf deren Seite zuzulassen (RGZ 102/303) — nicht aber auf der Gegenseite und entsprechend auch die Hauptparteistellung von oHG und Gesellschafter als Beklagte, wie die als Kläger dann, wenn der mitklagende Gesellschafter eigene weitergehende Rechte in Anspruch nimmt (RG J W 12/748 12 ). Klagen aller Gesellschafter gegen die oHG oder umgekehrt sind unzulässig, nicht aber die des einzelnen Gesellschafters gegen die oHG und umgekehrt, wenn nicht die Rechtsphäre der oHG, sondern die des Gesellschaf ers als solchen getroffen wird, doch sind auch Klagen der Gesellschafter untereinander zulässig (BGH v. 29. 9. 1955 I I ZR 48 + 66/54). c 4. Die außerprozessuale Rechtskraftwirkung ist aber erweitert, wie HGB § 129 ergibt. c 5. Über den Eintritt eines Gesellsehafters vgl. HGB § 130. Wird das Unternehmen eines Einzelkaufmanns in eine oHG verwandelt, so läßt sich in dem Falle des HGB § 28 I die Klage umstellen; doch liegt hier eine Erweiterung bzgl. des Eintretenden und eine Beschränkung bzgl. des Einzelkaufmanns auf sein Firmenvermögen vor (vgl. dazu § 268 B II). c 6. Prozessual ist der einzelne Gesellschafter nicht Partei, sondern nur ihr Teil. Soweit er vertretungberechtigter Gesellschafter ist, kann er zwar wie der gesetzliche Vertreter überhaupt nur als Partei vernommen werden (RG Gruch. 48/102folg.); ist er aber nicht vertretungberechtigt, so darf er nach RGZ 82/133 weder als Partei noch als Zeuge vernommen werden, doch sollte man ihn der Partei gleichstellen; daß der im Laufe des Rechtstreites ausgeschiedene Gesellschafter nur als Zeuge vernommen werden darf, ist unstreitig (RGZ 49/425). Wird gegen den Gesellschafter aus einem Titel, der nur gegen die oHG lautet, vollstreckt, so darf er nach §§ 766, 771 vorgehen. Bei der Bewilligung des Armenrechts (§ 114) greift die herrschende Rechtsprechung auf die einzelnen Personen zurück. Soweit sonstigen physischen Personen Rechtswohltaten gewährt werden, sind sie auch der oHG (RGZ 106/136 [141]) zugebilligt worden. d) Eine der oHG entsprechende Stellung hat die Kommanditgesellschaft im Prozeß (HGB § 161 I I ; RG J W 06/692 28 ). Dagegen ist die Kommanditgesellschaft auf Aktien juristische Person (AktienG §§219 III, 48, 1); dennoch gelten bezüglich der Komplementäre die Regeln der oHG (§ 219 II AktienG). e) Parteifähig ist auch die Reederei (vgl. HGB §493 111; RGZ 82/131) als Gesamtheit der Reeder (RG N §50/33; der Korrespondentreeder ist nicht bloß ihr Prozeßbevollmächtigter, sondern gesetzlicher Vertreter). f ) Parteifähig ist auch die Gemeinschaft der Inhaber von Schuldverschreibungen nach G v. 4. 12. 1899 (RGBl. 695) § 14 (RG N § 50/38); vgl. auch Londoner Schuldenabkommen Anl. II Art. VIII (BGBl. 53 II 398). g) Inwieweit die entsprechenden Gebilde des ausländischen Rechts Parteifähigkeit haben, ist zweifelhaft, sofern dies nicht Staatsverträge regeln (vgl. § 50 B II d). Gewährt sie ihnen das ausländische Recht, so sollte man dies auch nach dem inländischen Prozeßrecht gelten lassen, soweit das inländische außerprozessuale Recht ähnliche Rechtsgebilde kennt (vgl. für die englische partnership RGZ 36/393 mit Einschränkungen; ferner Riezler S. 417 für die italienische associazioni non riconoscinte nach co Art. 36 II, die comitati nach
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§50 bin g
ZPO I. Buch
ce Art. 41 II, für die einfache Gesellschaft des italienischen Rechts vgl. cc Art. 22 I, welch letzte aber, weil dies für inländisches Recht nicht geht, schwerlich anzuerkennen ist); aber nicht, soweit EG BGB Art. 10 entgegensteht und nicht außerhalb des Bereichs von Handelsgesellschaften. N i c h t p a r t e i f ä h i g ist das Unternehmen als solches, also auch nicht der französische fond de commerce (Riezler S. 418), die italienische azienda (Riezler S. 418), der englische goodwill (Riezler S. 418). B IV. Das Gegenstück zu der Personenmehrheit mit Parteieinheit (§ 50 B I I I ) ist die Parteimehrlieit trotz Personeneinheit, nach der herrschenden Rechtsprechung und hier zugelassen in der Form der Parteien kraft Amtes. Eine Übergangsform zu ihnen bildet die Klage im öffentlichen Interesse. a 1. Die Klage ist grundsätzlich unzulässig, wenn eine Rechtsperson sie gegen sich selbst richtet. Auch der Staat (als Fiskus) darf nicht die unter verschiedenen Ressorts hervorgerufenen Spannungen im Zivilprozeß lösen (nur die Stellung der Richter wird ihm nachgesehen). Ob darüber hinaus die Rechtsordnung in manchen Fällen die Parteiteilung unter nur in sieh gesetzlich verschieden vertretenen Rechtspersonen gestattet, vgl. § 50 B IV b (hier zweigt die h. M. die Parteien kraft Amtes ab, um in der Konstruktion zu bleiben). Man denke an Klagen des Testamentsvollstreckers gegen Erben oder umgekehrt. a 2. Schlechthin unzulässig ist die Klage desselben Rechtsubjekts gegen sich, wenn mehrere gewillkürte Vertreter Spannungen austragen wollen, also im besonderen die Klage mehrerer Firmen desselben Unternehmers gegeneinander oder gegen den Unternehmer, wie umgekehrt, wie die mehrerer Filialen untereinander oder mit der Hauptniederlassung, weil hier der Wille des bevollmächtigten Reehtssubjekts solche Spannungen beseitigen kann. a 3. Unzulässig ist aber auch die Klage verschiedener Rechtsträger, wenn der eine von ihnen durch den anderen gesetzlich vertreten wird, etwa die Klage einer Partei gegen eine juristische Person, die sie allein gesetzlich vertritt (RGZ 66/242) oder bei der Klage des Klägers gegen sich als Korrespondentreeder (OLG Seuff. 78/154). a 4. Ob die Klarheit der Parteiseiten es erforderlich macht, daß ein (Mit-)Beklagter nicht dem Kläger als Streitgehilfe beitreten darf, ist — auf Rüge — von RGZ 151/210 (212) bejaht, von RGZ 163/361 (365) — wenn nicht rechtzeitig gerügt wurde (§ 295) — verneint worden. Jedenfalls hat RGZ 37/376 es nicht zugelassen, daß ein Streitgenosse derselben Parteiseite das gegen beide ergangene Urteil gegenüber den anderen Streitgenossen anficht. b) An die Möglichkeit, daß ein von einem Rechtsträger gesetzlich abgezweigter Rechtskreis, der durch einen anderen gesetzlich vertreten wird, gegen denselben Rechtsträger klagt oder von ihm verklagt wird, knüpft die Überführung einer gesetzlichen Vertretung in die Parteistellung kraft Amtes an. Wer sich zu der Amtstheorie bekennt, will also unter gar keinen Umständen es zulassen, daß ein Rechtsträger gegen sich selbst klagt. Dem stimmt die Vertretertheorie zu, meint aber, soweit ein solcher Fall äußerlich vorläge, würden t a t sächlich Eigenrechte der Amtspersonen bestehen, wie sie ja auch die gesetzlichen Vertreter haben. Beide Gruppen lassen also die Aufspaltung derselben Rechtspersönlichkeit in mehrere Parteien nicht zu. Doch ließe sich auch gegen eine solche Aufspaltung unter dem Gesichtswinkel der Logik nichts einwenden, zumal sie nur das Gegenstück zu der einheitliehen Parteifähigkeit mehrerer Rechtsubjekte ist (§ 50 B III). Der Anlaß dazu, die Parteifähigkeit zu spalten, findet Bich dabei dort, wo die Rechtsordnung die Verfügungbefugnis des Rechtsträgers im Interesse anderer beschränkt. Dieser logische Trennunggrund ist aber nicht scharf durchgeführt worden; die Rechtsprechung und die Gesetzgebung haben hier fallweise entschieden. In Betracht kommen für die Aufspaltung der Parteifähigkeit die folgenden Verwaltungen: die des Konkursverwalters (RGZ 120/189 [192], die des Zwangsverwalters (RGZ 99/199), die des Nachlaßverwalters (BGB §§1981folg., RGZ 65/287), die des Testamentvoüstreckers (Warn. 15/34), die der amtlich bestellten Treuhänder; c) dagegen ist bei den folgenden die Parteispaltung nicht durchgeführt: bei dem g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r einer Partei; bei den V e r t r e t e r n n a c h §§58, 787; bei den P f l e g e r n von Sammelvermögen nach BGB § 1914; bei den sonstigen Pflegern für vorläufig oder end-
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BIV c
gültig beschlagnahmte Vermögen, soweit ihnen das Gesetz nur die Stellung eines gesetzlichen Vertreters im Prozeß zuteilt; bei dem V e r g l e i c h s v e r w a l t e r (VglO §38), bei dem S a c h w a l t e r (VglO §§91folg.); bei der A u f s i c h t p e r s o n des Schuldners nach ZVG § 150 e. C. Die juristischeil Personen sind Schöpfungen der Rechtsgesetze. C I. Es gibt unter den öffentlich-rechtlichen Körperschaften verschiedene Gruppen. a) Als erste ist die der überstaatlichen Organisationen zu nennen. Diese können ausländischen wie inländischen Rechts sein. b) Soweit nach ausländischen Gesetzen solche internationalen Körperschaften Rechtsfähigkeit haben, wird ihnen in den ausländischen Staaten diese und die Parteifähigkeit im Gerichtsinland zuzugestehen sein. Dies gilt im besonderen für die UNO, der die B R D nicht angehört. Über die Parteifähigkeit sonstiger ausländischer Körperschaften und des Auslandsfiskus vgl. § 50 C I c. c) Parteifähig sind auch die ausländischen Staaten und ihre öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die nach ausländischem Recht rechtsfähig sind. c 1. Zu den gerichtsausländischen (§ 12 A I I a 2) öffentlich-rechtlichen Körperschaften gehören auch die interzonalen, also auch die DDR, deren Länder, ihre Gebietskörperschaften, ihre sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts und Ostberlin und deren öffentlichrechtliche Körperschaften. C II. Weiter kommt als Partei der inländische Staat als Fiskus in Betracht. Dabei ist die Behörde nur gesetzlicher Vertreter des Staates (RG W a r n . 12/257). a) Für die B R D ist der Bundesfiskus juristische Person; ein Rechtstreit zwischen seinen verschiedenen Organen ist unzulässig, er verstößt gegen das Verbot der Parteienkongruenz (vgl. § 50 B IV a). Er ist eine einheitliche Rechtspersönlichkeit (RG J W 31/737"). a 1. Einen Reichsfiskus gibt es im Gebiet der B R D nicht mehr. Durch GG Art. 134 ist das Vermögen indes auf den Bund übergegangen (BGHZ 3/309, für das Aktivvermögen). Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, daß auch das Passivvermögen des Reichs auf den Bund übergegangen ist (BGHZ 3/1 folg.); während nach BGH MDR 52/160, N J W 54/31 das Deutsche Reich noch verklagt werden darf, und BGHZ 13/265 (295) h a t sogar ausgesprochen, daß die B R D der einzige Nachfolgestaat des deutschen Reiches ist, womit das kleindeutsche Reich gemeint ist. Zumindest im Bereich des AKG wird man indes keine Klagen gegen das deutsche Reich mehr zulassen dürfen. Nach den Regeln für die Auflösung juristischer Personen erlischt ihre Rechtsperson mit ihrem letzten Aktivum, so daß das Reich auch nicht mehr passiv parteifähig ist, sofern es nicht noch irgerdwelche Aktiven hat — in der B R D h a t es jedenfalls keine mehr. Die Rubrumberichtigung im Aktivprozeß von Deutsches Reich in B R D ließ jedenfalls BGH v. 28. 2.1952 IV ZR 157/50 (insoweit nicht abgedruckt in Z 5/205) zu. a 2. Eine gewisse Sonderstellung nimmt die Bundesbahn ein, die nach BundesbahnG v. 13. 12. 1951 (BGBl. I 955) § 2 parteifähig ist. Auch hier gibt es keine Reichsbahn (i. L.) mehr; über den Übergang der Verbindlichkeiten vgl. G über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der deutschen Bundesbahn v. 2. 3. 1951 (BGBl. I 155) § 3 V. a 8. Ähnliches gilt für die deutsche Bundespost (vgl. ÜberleitungVO v. 31. 3. 1950 [BGBl. 94]), die ein Sondervermögen der B R D bildet (G v. 21. 5. 1953 [BGBl. I 225] § 1 ) ; in ihm ist zwar nicht gesagt, daß die Post rechtsfähig ist, doch kann sie unter ihrem Namen handeln, klagen und verklagt werden (PostverwaltungG v. 24. 7. 1953 [BGBl. I 676]), selbst wenn man sie als nicht rechtsfähig ansehen sollte. Auch hier gibt es keine Reichspost (i. L.) mehr, ihr Vermögen und ihre Verbindlichkeiten sind im Gebiet der B R D auf die Bundespost übergegangen (vgl. auch OLG MDR 47/158). a 4. Daneben gibt es aber Vermögenzweige des Bundes, die keine eigene Parteifähigkeit haben, so die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen des Fernverkehrs. Das aktive Vermögen der Reichsautobahnen ist auf den Bund übergegangen, die Passiven sollen noch geregelt werden (G v. 2. 3.1951 [BGBl. 1157] § 8 II). Die entsprechende Regelung gilt nach
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CHa4
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dem 6 über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der BundeswasserstraBen v. 21. 5. 1951 (BGBl. I 352), die über BRD (Bundeswasserstraßenverwaltung) geführt werden; über die alten Verbindlichkeiten vgl. AKG. a 5. Dahin gehört weiter der deutsche Wetterdienst, aber auch die Außenhandelstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft. b) Die Körperschaften des öffentlichen Rechts nach Bundesrecht sind parteifähig. c) Weitere Rechtspersönlichkeit haben die Bundesländer. d) Eine besondere Stellung nimmt Westberlin (die Zusammenfassung der drei Sektoren der Westmächte) ein. Es ist aus der Aufspaltung von Großberlin (zu dem auch die russisch besetzte Stadt gehörte) entstanden. Dadurch sind zwei Rechtspersonen mit ihrer zu jeder gehörenden Parteifähigkeit entstanden (abweichend LG J R 49/220: die Rechtspersönlichkeit der Stadt Berlin sei durch die Bildung des Ostmagistrats nicht berührt; wem eine Forderung zusteht und eine Verpflichtung zukommt, ist dabei eine Frage des außerprozessualen Rechts, die an die Belegcnheit des Gegenstandes anknüpft). Westberlin ist staatsrechtlich, trotz des GG Art. 23, nicht Bundesland, wenn auch die überwiegende Gesetzgebung der der B R D angeglichen ist und zwischen beiden eine einheitliche Gerichtsgewalt besteht (§ 12 A I I a 2). Jedenfalls ist Westberlin rechts- und parteifähig. e) Die Rundfunkanstalten sind gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts und werden mit Ausnahme des Senders „Freies Berlin" durch den jeweiligen Intendanten vertreten. f ) Auch an die Länder knüpfen eine Reihe von Personen des öffentlichen Rechts, von denen hier nur ein Teil genannt wird: f 1. die anerkannten Kirchen (vgl. GG Art. 140, RV Art. 137) haben Rechts- und Parteifähigkeit, nämlich die römisch-katholische Kirche in ihrer Gesamtheit (str.), aber auch ihre Bistümer (RGZ 168/143 [149, 154]), die einzelnen Pfarrgemeinden, die Kirchengemeindeverbände, die kirchlichen Orden usw. nach Reichskonkordat v. 20. 7. 1933 (RGBl. II 679) Art. 13. Ferner haben sie die evangelischen (uniierten wie lutherischen) Kirchen als Landeskirchen. Vgl. auch den Vertrag SchlH v. 23. 5. 1957 (GVB1. 74) und NRW G v. 15. 5. 1956 (GVBI.154). Die einzelnen Pfarreien sind nach Landesrecht Rechtspersonen; es gibt auch hier Kirchengemeindeverbände, die Rechtspersonen des öffentlichen Rechts sind. Ihre Verbände und Organisationen sind, soweit sie nicht privatrechtlich rechtsfähig sind, nichtrechtsfähige Vereine. Dies gilt auch für die reformierte Kirche; auch sie ist in Deutschland insgesamt keine Rechtsperson, wohl aber in ihren Gemeinden. Die russisch-orthodoxe Kirche hatte (in ihren Gemeinden) Rechtspersönlichkeit. Sie hat sie jetzt in Hamburg nach G v. 20. 3. 1952 (GVBI. 37). Die souveränen Orden werden, weil sie sich auch auf Inländer erstrecken, ähnlich den Kirchen, zu denen sie gehören, zu behandeln sein. Die jüdische Kirche hat sie, soweit das Landesrecht ihr sie ausdrücklich zugebilligt hat. Der neuapostolischen Kirche wurden in Nordrhein-Westfalen (G v. 24. 4. 1951 — GVBI. 53) und Bremen (G v. 13. 5. 1952 — GVBI. 51) die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen. Die Gemeinschaft der siebenten-Tags-Adventisten in Hamburg ist öffentlich-rechtliche Körperschaft nach G v. 20. 3. 1952 (GVBI. 36) und in N R W (G v. 28. 5. 1957 [GVBI. 116]), die Christliche Wissenschaft (Christian Science) in Hamburg nach G v. 20. 3. 1952 (GVBI. 36). Die freireligiöse Landesgemeinde hat die Rechtsfähigkeit in B-W nach der Bek. v. 30.10.1933 (GBl. 196) und in N R W nach G v. 15. 5. 1956 (GVBI. 154). Im übrigen sind aber Sekten und kirchliche Verbände, soweit sie nicht Rechtspersonen des privaten Rechts sind, nichtrechtsfähige Vereine. f 2. Die Anwalt-, Ärzte-, Zahnärzte-, Tierärzte- und Apothekerkammer sind öffentlichrechtliche Körperschaften; f 3 . ebenso die Industrie- und Handelskammern; f 4 . die Waldgenossenschaften, die landschaftlichen und die Jagdverbände; f 6 . die Universitäten, die staatlichen Lehranstalten; f 6 . die Staatsbanken; f 7. die Sozialanstalten der Länder;
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f 8 . die Bay. Versicherungkammer wie die öffentlichen Versicherer nach Landesrecht; f 9. der Landeswohlfahrtverband Hessen ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft nach HessG v. 7. 5. 1953 (GVB1. 93} §3; f 10. die Akademie der Künste in Berlin nach dem G v. 2. 12. 1954 (GVB1. 681) § 1 ; f 11. die Klassenlotterien der Länder. C IU. Rechts- und parteifähig sind ferner a) die sonstigen Gebietskörperschaften und ihre Verbände und Rechtspersonen: die Gemeinden, die Kreise, die Bezirke (vgl. auch das ZweckverbandsG) nach den Kreis-, Bezirks- und Gemeindeordnungen. b) Es gibt auch öffentlich-rechtliche Körperschaften der Kommunen. b 1. Soweit hier Eigenbetriebe ohne Rechtspersönlichkeit geführt werden, sind nur die Kommunen parteifähig, zu denen der Eigenbetrieb gehört. b 2. Es gibt aber auch kommunale Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die dann auch parteifähig sind. Doch sind sie nicht kraft Gemeinderechts, sondern nur kraft Landesrechts zur öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu machen. D. Auch die juristischen Personen des privaten Rechts weisen viele Gestaltungen auf. D I. Hierher gehören a) die Vereine des BGB, b) die Rechtspersonen des Handelsverkehrs. E. Neben dem absolut (als Kläger wie als Beklagter) Parteifähigen gibt es noch die, welche es nur relativ (entweder dem Grundsatze nach nur als Kläger oder nur als Beklagte) sein dürfen, slso die, welche auf eine bestimmte Parteistellung beschränkt sind. E I a. Den Vorständen der Handelsgesellschaften ist die Parteifähigkeit als Kläger nach AktienG §§ 19814, 2011, 202 III, 219 III, 225113 gegeben. Das entsprechende gilt für den Vorstand der Genossenschaften nach GenG § 51 II 2, nicht aber für die Gesamtheit der Geschäftsführer der GmbH (hier hat nicht einmal der einzelne Geschäftsführer die Befugnis; vgl. Scholz, GmbHG§45Anm. 18 m. N.). Die Vertretung des Vorstandes als Partei ist gesetzlich nicht geregelt. In diesem Falle ist aber BGB § 28 auch auf die Vertretung des Vorstandes als Partei anzuwenden. Im übrigen gilt bei dieser Partei all das, was bereits von der oHG gesagt ist (§ 50 B III c). a 1. Die Parteifähigkeit des Vorstandes ist auf den Gegenstand der Anfechtung- und Nichtigkeitklagen beschränkt. Der Übergang einer solchen Klage von dem Vorstand auf einzelne Vorstandsmitglieder erscheint als Klagebeschränkung, die aller Vorstandsmitglieder auf den Vorstand als solchen als Umstellung (als Modifikation, wie bei der des Zedenten, wenn er statt Zahlung an sich die an den Zessionar beantragt — vgl. § 268 0 III). a 2. Die passive Parteifähigkeit des Vorstandes ordnet das Gesetz zwar nirgends an; dennoch wirkt sich seine aktive Parteifähigkeit auch passiv aus. Ihn als solchen trifft die Kostenlast ; auch können gegen ihn Ansprüche aus AktienG §200 11 hergeleitet werden. Ferner sind Widerklagen, gestützt auf AktienG § 200 II, oder die des § 717 II, I I I nicht ausgeschlossen, wenn auch nach Beendigung seines Klageverfahrens nicht mehr selbständig Klage aus AktienG §20011 gegen ihn erhoben werden darf (vgl. für die aus §717 11, I I I : § 50 E II b 2 a. E.). Die Kostenwiderklagen und Kosten treffen den gesamten Vorstand als Partei; inwieweit jedes einzelne Mitglied hierzu beizusteuern hat, ergibt das außerprozessuale Recht. b) Der Aufsichtrat hat solche Befugnisse nicht, im besonderen ist seine Klage aus AktienG §97 II nur namens der Aktiengesellschaft zu erheben (RGZ 117/203 [211]). E II. Auf die Parteifähigkeit als Beklagter ist der nichtrechtsfähige Verein beschränkt (§50 II). Das gegen ihn gerichtete Urteil darf in sein Vermögen vollstreckt werden (§735), über es darf auch selbständig der Konkurs eröffnet werden (KO §213). Hat der Gläubiger aber einen Titel gegen alle Vereinsmitglieder, so darf er auch in das Vereinsvermögen vollstrecken (§ 736), selbst wenn die Schuld den (nichtrechtsfähigen) Verein nicht trifft. —
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E Ii
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a) Außerprozessual wird der nichtrechtsfähige Verein durch Verweisung auf das Geaellschaftsrecht (BGB §§ 705 folg.) konstruiert (BGB § 54 11). a 1. Man hat den nichtrechtsfähigen Verein als Körperschaft (RG J W 13/737'), d. h. als ein Gebilde, dessen Mitglieder wechseln (RGZ 77/19 [21]) mit Organen d. h. mit der Heraushebung gewisser Personen, die seine Geschäfte führen (RG J W 01/3011 [303]), gekennzeichnet. Bei Handelsvereinen liegt, wenn es sich um Vollkaufleute handelt, eine oHG vor. Gewerkschaften der Arbeitnehmer, politische Parteien und religiöse Zusammenschlüsse sind oft nichteingetragene Vereine. b) Als Beklagter findet die Parteifähigkeit des nichtrechtsfähigen Vereins (§ 50 II) ihre Parallele in der offenen Handelsgesellschaft. Er darf allein als solcher verklagt werden, aber auch — berechtigterweise — zugleich mit jedem, der mit ihm gesamtschuldnerisch haftet, also auch den Vereinsmitgliedern; ist ihre Haftung ausgeschlossen, so ist die Klage gegen sie unbegründet. Die Klage gegen ihn hindert grundsätzlich nicht die gegen jedes einzelne Mitglied (insoweit tritt keine Rechtshängigkeit ein). Andererseits muß jedes Mitglied als Streitgehilfe zugelassen werden (also auch wenn es nicht Vorstand ist), soweit es selbst haftet. Sind alle seine Mitglieder verklagt (und dies kann der Kläger durchaus an Stelle des Vereins, KG OLG 25/19), so darf nicht ntch der Verein verklagt werden (dann ist die Sache rechtshängig, wenn auch u. U. in einer Vielzahl von Prozessen). Praktisch wird der Fall besonders, wenn die Mitglieder aktiv klagen und der Beklagte Widerklage erhebt. In der Umänderung der Klage gegen alle Mitglieder in die gegen den Verein liegt eine Klagebeschränkung; in der gegen den Verein in die gegen alle Vereinsmitglieder eine (in den Tatsacheninstanzen) zulässige Klageerweiterung. Seine Mitglieder dürfen so wenig (oder so viel) als Zeugen vernommen werden, wie bei der oHG (a. M. RG Warn. 08/679); denn er hat eben keine Rechtsfähigkeit. Ergeht in dem Prozeß allerdings ein Urteil gegen den nichtrechtsfähigen Verein, so stehen auch einzelnen Mitgliedern gegen den ausgeurteilten Anspruch keine (bis dahin zulässigen) Einwendungen mehr zu (RG HRR 29/1002). Der Titel gegen den Verein wirkt indes nicht gegen das Mitglied; eine Umschreibung nach §§ 727folg. kommt nicht in Betracht; nur wenn und soweit die Vereinsmitglieder Rechts-(Besitz-)nachfolger des Vereins sind, ist umzuschreiben. Seine passive Parteifähigkeit besteht auch noch im Auflösungzustand (BGB §§ 54, 730 II, vgl. RG J W 99/753); im besonderen wenn eine politische Partei während eines Rechtstreits aufgelöst wird (OVG NJW 55/1207). Wird ein nichtrechtsfähiger Verein während des Rechtstreits rechtsfähig, so liegt darin keine Klageänderung, wenn der rechtsfähige im Rechtstrcit bleibt (RGZ 85/256); wird eine juristische Person (etwa durch Entziehung der Rechtsfähigkeit) nichtrechtsfähig, so tritt Abwicklung ein, und sie behält insoweit ihre Rechtsfähigkeit. Die Klage und die sonstigen Erklärungen brauchen nur e i n e m Vorstandsmitglied gegenüber abgegeben zu werden (RGZ 69/289 [300]), obwohl der nichtrechtsfähige Verein im Prozeß durch den Gesamtvorstand gesetzlich vertreten wird (RGZ 57/90); seine Legitimation ist von Gerichts wegen zu prüfen (RG Warn. 15/66; § 56). b 1. Will der nichtrechtsfähige Verein klagen, so müssen alle seine Mitglieder es tun (RG ZZP 55/406); bei der Klage eines Vereins laut anliegender Mitgliederliste sind diese Erfordernisse gewahrt (RG Warn. 13/118); fehlt auch nur ein Mitglied, so ist die Klage (als unbegründet; a. M. RGZ 78/101 [106]: als unzulässig) abzuweisen; es genügt also nicht, wenn namens der nicht mit Namen genannten Mitglieder geklagt wird (a. M. LG NJW 57/1883). Keinesfalls darf der Vorstand im eigenen Namen klagen, selbst wenn die Satzung ihn hierzu ermächtigt (vgl. RGZ 57/90). Ob die Klage einzelner mit dem Antrag, an alle Mitglieder zu leisten, zuzulassen ist, ist offen gelassen worden (vgl. BGB §2039 1 2). Scheiden Mitglieder während des Prozesses aus oder treten andere ein, so ist dies grundsätzlich nach § 265 II unerheblich (RGZ 78/101 [105]); scheidet indes ein als Mitglied nicht Benannter im Laufe des Prozesses aus, so wird die Klage der übrigen begründet, wenn sie es sonst ist, und zwar als zulässige Klage-(Partei-)änderung in Form der Klagebeschränkung (§268 1 2); auch dürfen ausgeschiedene Mitglieder die Klage für sich wirksam zurücknehmen; doch müssen dabei stets in irgendeinem Zeitpunkt, der der Prozeßfixierung dienen kann, einmal alle Mitglieder Kläger sein oder gewesen sein, u. U. müssen hier deshalb auch inzwischen eingetretene in den Prozeß neu eingeführt werden; in der nachträglichen Namhaftmachung der in der
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§ 5 0 £ II b 1
Klage nicht genannten Mitglieder liegt deren Neueinfiihrung, welche als erweiternde Klage(Partei-)änderung nach § 268 I 2 in den Tatsacheninstanzen als zulässig anzusehen ist (RG JW 03/48). b 2. Die Stellung des nichtrechtsfähigen Vereins als Beklagter ist indes nicht bloß passiv, sondern so wie es der Parteirolle des Beklagten entspricht. Er darf im Verfahren alle Handlungen vornehmen, um es zu beenden (nicht bloß der Kläger, sondern auch der Beklagte hat den Anspruch auf Friedhaftstellung), in Zwischenstreiten mitwirken (vgl. §§ 71, 135, 387 folg., 402 usw.), Versäumnisurteil erwirken, Entscheidung nach Aktenlage beantragen, das Nachverfahren (§§ 302, 599), die Kostenfestsetzung (§§ 103folg.) betreiben, die Freigabe einer Sicherheit fordern (§109); Rechtsmittel einlegen, die Wiederaufnahmeklage erheben; als Antragsgegner dem Antragsteller eine Frist zur Erhebung der Klage setzen lassen (§ 926), die Aufhebung des Arrestes nach § 927 beantragen. Aus seiner Parteistellung als Beklagter kann er indes prozeßrechtlich zum Kläger, also aktiv parteifähig werden, wenn er nur Rechte verfolgt, die ihm grundsätzlich als Beklagten zustehen. Wird etwa im Falle der Aufrechnung das Verfahren abgetrennt (§ 145), ohne daß an ein anderes Gericht verwiesen werden muß (§ 276), so darf er dieses — als Kläger — weiterverfolgen. Auf dem Wege der Widerklage (auch des Inzidentantrages nach h. M., vgl. § 33 D I b 1) darf er die Ansprüche nach §§ 302, 600, 717 II, III, 945 im anhängigen Rechtstrcite geltend machen. Er muß aber auch zur Inzidentwiderklage des § 280 zugelassen werden und darüber hinaus zu Widerklagen, die zum selben Rechtsverhältnis gehören (RGZ 74/371, vgl. §33 E I). Dagegen sind weitergehende selbständige Widerklagen, in denen dieses rechtliche Band nicht (im besonderen nicht durch Aufrechnung oder Zurückbehaltungsrecht) hergestellt werden kann, unzulässig, weil das Gesetz (§ 50 II) dem nichtrechtsfähigen Verein nur passive Parteifähigkeit zubilligt. Erhebt der Verein dennoch Klage und der Beklagte gegen ihn Widerklage (was zulässig ist, auch wenn der „Kläger" nicht aktiv parteifähig ist, RG JW 14/41416, weil der Beklagte ihn auch selbständig verklagen könnte), so wird die Klage zulässig, wenn und insoweit der Verein gegen die hier als Widerklage erhobene Klage, wäre sie selbständig erhoben, Widerklage hätte erheben dürfen, m. a. W. unter den Voraussetzungen, daß dasselbe Rechtsverhältnis getroffen wird (vgl. BGB § 273). Darüber hinaus sind aber auch selbständige Klagen des nichtrechtsfähigen Vereins aus dem Prozeßrecht heraus zulässig, wenn sie sich gegen den rechtskräftig entschiedenen außerprozessualen Anspruch richten wie in den Fällen der Vollstreckunggegenklage der §§ 767, 768 oder, soweit ihm selbst ein Anspruch zugebilligt worden ist, etwa der aus § 731. Entsprechend müssen ihm weiter auch selbständige Klagen zugebilligt werden, in denen er die Ansprüche der §§302, 600, 717 II, III, 9 .5 im selbständigen Prozeß (nicht bloß als Widerklage) geltend macht (Sydow-Busch §50 Anm. 4; a. M. Jonas §50 Anm. IV 2 b). Auch Ansprüche aus § 89 darf er erheben (a. M. Jonas § 50 Anm. IV 2 b). b 3. Zweifelhaft ist es, inwieweit der nichtrechtsfähige Verein im prozessualen Vorverfahren als Kläger bzw. Antragsteller auftreten darf. Rosenberg Lb. § 42 II 2 a will ihn als Antragsteller im Beweissicherungverfahren (§§4S5folg.) zulassen; doch darf man dies nur dort tun, wo der Passivprozeß schon anhängig ist, weil man ihn nicht als Kläger der Urkundenfeststellungklage (§ 256 G) oder als Kläger, welcher nach § 429 gegen einen dritten auf Vorlegung der Urkunde klagt, zulassen darf, selbst wenn der Passivprozeß schon anhängig ist (Jonas § 50 Anm. IV 2 b). c) Auch gewährt die passive Parteifähigkeit (wie die Parteifähigkeit überhaupt) keine außerprozessualen Rechte, wie dies die Rechtsfähigkeit tut. c 1. Deshalb darf auch der Verein nicht eine Sicherunghypothek nach § 866 erwirken. Wohl aber darf er die Vollstreckung betreiben, auch die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung in Grundstücke und die Zwangsversteigerung in Schiffe; doch nicht als solcher bei einer Zwangsversteigerung mitbieten. Auch kann ihm keine Forderung überwiesen werden. Aus diesem Grunde darf auch der nicht rechtsfähige Verein keinen Duldunganspruch als Kläger geltend machen, selbst wenn er einen Titel gegen den Eigentümer, den Erben usw. hat. c 2. Auch für die Streitverkündung (§ 72) entscheidet die Parteifähigkeit. Daraus folgt, daß man den nichtrechtsfähigen Verein auch als Nebenintervenienten zulassen muß (a. M.
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§50 Elle 2
ZPO I. Buch
Jonas §50 Anm. IV 2 b), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er dem Beklagten (so: KG KGB1. 18/15) oder dem Kläger beitritt (was KG a . a . O . offen läßt); denn es entscheidet nur die Parteirolle im künftigen Prozeß. E III. Wird ein Urteil gegen einen nur aktiv oder für einen nur passiv Parteifähigen rechtskräftig, so ist § 579 I 4 nicht anzuwenden (Jonas § 50 Anm. V I I 1 , a. M. OLG J W 20/908 8 ). F. Die Parteifähigkeit muß im für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt vorliegen. Sie ist Prozeßbedingung (§ 274 A I a 1). F I. Besteht sie in dem maßgebenden Zeitpunkt nicht, so ist die Klage — gleichviel, ob der Kläger oder der Beklagte nicht parteifähig ist— als unzulässig abzuweisen (RGZ157/369 [377]). Die Kosten treffen den Kläger (Antragsteller usw.), selbst wenn er nicht parteifähig ist (RGZ 53/65 [67]); sie dürfen auch dem Vertreter nach § 102 auferlegt werden. Eine F i x i e r u n g (vgl. §263 011) der Parteifähigkeit im Prozeß findet nicht statt. Doch gelten, wenn einmal die Parteifähigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt bestanden hat, §§239 folg. (bei der juristischen Person bleibt sie regelmäßig erhalten, solange Rechtsansprüche bestehen, vgl. § 5 0 B II b). F II. Ergeht dennoch eine Entscheidung für oder gegen eine Nichtpartei, so ist sie wirkunglos, wenn niemand hinter der Nichtpartei steht, anders wenn nur die Partei nicht treffend genug gekennzeichnet worden ist; hier ist a) auch noch n a c h R e c h t s k r a f t einer Entscheidung Berichtigung nach § 319 zulässigSoweit § 319 nicht reicht, sind klärende Feststellungklagen nach § 256 denkbar. Ergeht eine Entscheidung gegen eine betroffene, tatsächlich aber nicht vertretene Partei, so ist diese nicht nichtig, sondern nur vernichtbar (vgl. u. a. §§ 551 1 5, 579 I 4). b) Die Rechtsprechung (BGH N J W 57/989) läßt die parteiunfähige Partei als Partei zu, damit sie geltend machen darf, daß sie parteiunfähig ist, auch im Rechtsmittelverfahren (RGZ 29/408 [411]). Sachliche Anträge darf sie dann aber nicht stellen. Will sie als Kläger ihre Parteiunfähigkeit geltend machen, so wird man indes eine Rechtsmitteleinlegung zu diesem Zweck nicht zulassen dürfen, wenn die Klage als unzulässig abgewicser war. F III. Wer eigene Rechte gegen einen anderen verfolgt, wird regelmäßig selbst klarstellen, wer er ist und von wem er etwas fordert. Die eigene Bezeichnung des Klägers und die des Beklagten durch ihn entscheidet darüber, wer die Parteien sind (RGZ 157/361 [375]). Zweifel hat das Gericht klarzustellen (§139; RGZ 157/369 [374, 375]). a) Auszugehen ist von der Erklärung des Klägers (§ 50 A IV a). Sie ist grundsätzlich so auszulegen (RG LZ 28/836 8 ), wie sie jeder dritte verstehen kann. a 1. Beklagter ist der, der als solcher gekennzeichnet ist und dem die Klage zugestellt wird. Eine Ausnahme hiervon wird man in den Fällen machen müssen, wenn die Unklarheit vom Beklagten selbst ausgegangen ist und der Prozeßfähige bzw. der gesetzliche Vertreter beider Personen derselbe ist. a 2. Gibt es zwei Träger gleichen Namens (Vater und Sohn), wird aber dem Gemeinten zugestellt, so ist er betroffen, ohne sich dagegen wenden zu dürfen, daß auch der andere Namensträger als Beklagter gemeint sein könnte (RG H R R 32/1237). Wird gegen den Eigentümer eines Grundstücks geklagt, so ist es gleichgültig, daß es noch einen Nichteigentümer gleichen Namens gibt (LG J W 38/2148 25 : bei Vater und Sohn). Gibt der Gemeinte (Geschäftsinhaber) die ihm zugestellte Klage an einen anderen (nicht eingetragenen, vermeintlichen Firmeninhaber) ab und läßt er so diesen den Streit führen, so muß er sich als Beklagter behandeln lassen (RG N § 50/43). War der richtige Beklagte verklagt (etwa das Land Nordrhein-Westfalen aus einem Unfall, der sich auf der Autobahn oder in derselben Zeit auf einer früheren Reichstraße infolge der Verkehrsunsicherheit der Straße zugetragen hatte) und hat er bewirkt, daß die Klage auf einen anderen (die Bundesrepublik) geändert wurde, und ist dieser andere in den Streit eingetreten, so darf er später nicht ohne Arglist mehr einwenden, er sei nicht der richtige Beklagte (vgl. BGH N J W 52/617). War allerdings bei gleichnamigen
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Parteifälligkeit. Prozeßfähigkeit
§ 50
F III a 2
Parteien der (offenbar) nicht gemeinten zugestellt, so ist d a d u r c h n i c h t derjenige, dem zugestellt ist, P a r t e i geworden (OLG J W 28/742 2 0 ); ist es indes o b j e k t i v (vom S t a n d p u n k t eines dritten) zweifelhaft, wer gemeint sein könnte, so ist er der Beklagte (RG J W 02/164 1 1 ). a 3. Bei Decknamen wird die hinter ihnen stehende P a r t e i getroffen, etwa bei Pseudon y m e n wie bei den E t a b l i s s e m e n t n a m e n . Berichtigt werden dürfen ferner u n t e r den P a r teien offenbar unrichtige Bezeichnungen (KG OLG 13/111: bei der Klage der Witwe u n t e r d e m N a m e n ihres verstorbenen Mannes). Auch die f a l s c h e P a r t e i b e z e i c h n u n g (der T o t e s t a t t des E r b e n ) ist zu berichtigen (RGZ 68/390), dies gilt a u c h f ü r das namens des Toten f ü r den E r b e n eingelegte Rechtsmittel (RG J W 36/810 2 3 ). W a r der T o t e aber von Anfang a n nicht Partei, so ist § 246 nicht anzuwenden (RG JW 95/323®). a 4. H G B § 17 I I läßt es zu, d a ß Vollkaufleute u n t e r der F i r m a gekennzeichnet werden. I n Klage u n d Urteil b r a u c h t deshalb n u r die F i r m a als Parteibezeichnung g e n a n n t zu werden (RGZ 54/15). Das Prozeßverhältnis desjenigen, der als F i r m a gekernzeichnet ist, b e s t e h t m i t dem I n h a b e r , der es z. Z. der E r h e b u n g (also regelmäßig der Zustellung, § 253 I) der Klage ist (RGZ 159/337 [3501). E i n z e l k a u f m a n n u n d F i r m a sind identisch (getrennten Prozessen f ü r oder gegen sie s t e h t die Rechtshängigkeit entgegen; R G R e c h t 08/1659). Die Änder u n g der F i r m a während des Prozesses f ü h r t zu keiner Rechtsnachfolge. Wechselt der Firmeninhaber, so m u ß das R u b r u m auf den bürgerlichen N a m e n des alten I n h a b e r s gestellt werden, gleichviel, ob der neue f ü r die Verbindlichkeiten der alten F i r m a h a f t e t oder nicht ( H G B §§ 25, 27, 28). I m Falle der M i t h a f t u n g vgl. § 265 I I . L ä u f t indes die Klage u n t e r der F i r m a des verstorbenen Namensträgers, so sind I n h a b e r die E r b e n (OLG Seuff. 58/21). Ist dagegen der I n h a b e r einer F i r m a m i t bürgerlichem N a m e n bezeichnet, so geht der Prozeß auf diesen N a m e n ( R G J W 05/158 4 8 ). Sind beide N a m e n angegeben u n d sind die Firmeninhaber von d e m N a m e n s i n h a b e r verschieden, so sollte m a n beide als P a r t e i ansehen. b) D a s Wagnis der falschen Parteibezeichnung t r ä g t der Kläger. b 1. K l ä r t der Kläger auf u n d entsteht dann über das R e c h t des dritten zur E i n m i s c h u n g Streit, so ist dies ein Zwischenstreit, der n u r f ü r eine Kostenentscheidung R a u m läßt (§ 91 a I), die d u r c h Beschluß zu erlassen ist (§ 91 a I 2); f ü r eine Prozeßabweisung gegen den d r i t t e n ist hier kein R a u m (KG LZ 14/1234'). In der Zustellung der Klage an den Beklagten ist d a b e i noch nicht notwendigerweise eine zur Einmischung berechtigende A n n a h m e zu finden, s t e t s indes, wenn ihre Adressierung die sich einmischende Person t r i f f t oder treffen könnte, denn es gibt viele Zustellungsarten, welche die Übergabe an einen anderen als den, den sie betreffen, zulassen (vgl. §§171 folg.; die Zustellung der Klage a n einen falsus procurator g e n ü g t : OLG Köln J W 24/105 6 ). K l ä r t der Kläger erst verspätet auf, so sollten ihn stets die K o s t e n treffen. Dabei k o m m t es nicht darauf an, ob dies schon vor der ersten mündlichen Verhandlung geschehen ist oder ob etwa inzwischen ein Urteil erlassen worden ist (denn § 91 a gilt a u c h in diesem Falle); i m letzten Falle wird § 2 7 1 1 1 1 3 entsprechend anzuwenden sein (nach OLG Köln J W 28/742 2 0 — n a c h altem R e c h t — sollte stets, wenn ein Urteil ergangen w a r , dessen A u f h e b u n g durch Urteil ausgesprochen werden). b 2. Das Klarstellungrecht s t e h t allein beim K l ä g e r ; der Beklagte k a n n gegen den Willen des Klägers n i c h t Beklagter sein. b 3. Das Klarstellungrecht des Klägers findet indes seine Grenze in dem von i h m E r klärten. Ob das Gericht a u c h auf dem Wege der Klageänderung hier eine neue P a r t e i gegen den Widerspruch der alten, die auszuscheiden h a t , zulassen darf, ist streitig (über den U n t e r schied der P a r t e i ä n d e r u n g von der Klageänderung vgl. § 264 E ) . Ist die alte P a r t e i von v o r n herein im Streit beteiligt gewesen, etwa wenn an Stelle der klagenden Mitglieder des n i c h t rechtsfähigen Vereins der inzwischen rechtsfähig gewordene t r i t t (OLG J W 37/1659 26 ), a b e r a u c h wenn die Klage a n s t a t t v o m Vater als P a r t e i von i h m (unverändert) als gesetzlichem Vert r e t e r seines Sohnes f o r t g e f ü h r t wird (OLG LZ 27/1562 5 ) oder wenn der (rechtsfähige odei nichtrechtsfähige) Z e n t r a l v e r b a n d an Stelle des nicht rechtsfähigen U n t e r v e r b a n d e s in den Streit t r i t t (RGZ 119/193), so bestehen keine Bedenken, die Ä n d e r u n g a u c h gegen den Willen der anderen P a r t e i gelten zu lassen. Gegen den Widerspruch der Partei, die eintreten soll, ist das Verfahren ebenfalls nicht d u r c h f ü h r b a r . 18
W l e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§50
F Iii
ZPO I. Buch
c ) Die P r o z e ß h a n d l u n g e n der nicht als Partei Betroffenen wirken weder für noch gegen die betroffene Partei. G. Mit der Parteistellung als solcher (abgesehen von dem Verbot der Parteienkongruenz, vgl. § 5 0 A I I a) hat die Frage, ob ein außerprozessualer Anspruch von einer und gegen eine Partei zu Recht erhoben werden darf, die Frage der Aktiv- oder der Passivlegitimation nichts zu tun. Sie kann ein prozessuales Problem sein, nämlich dann, wenn jemand ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht. Ist dies zu Unrecht der Fall, so ist die Klage unzulässig. Sie kann aber auch ein außerprozessuales sein, nämlich dann, wenn ein eigenes Recht zwar geltend gemacht wird, die außerprozessuale Rechtsordnung dem, der es beansprucht, es aber nicht zuspricht; dann ist die Klage unbegründet. G I . Grundsätzlich ist es unzulässig, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. a) Soweit hier die Rechtsprechung eine gewillkürte Prozeßstandschaft (Schönke Vorb. I 3 vor § 50) dann zugelassen hat, wenn die Prozeßpartei im eigenen Interesse vom Gläubiger (Inhaber) ermächtigt war, das Recht im eigenen Namen geltend zu machen, so wird zumeist dabei das hinter dem eigenen Interesse stehende eigene Recht übersehen. Wer ein eigenes Interesse hat, verfolgt eben — auch — sein eigenes Recht. Daß er damit (zugleich) in gewissem Umfang auch ein fremdes Recht (mit) durchsetzen kann, steht dem nicht im Wege. a 1. H a t er indes gar k e i n e i g e n e s I n t e r e s s e , fehlt ihm jedes eigene Recht, so ist trotz Einzichungermächtigung die Klage unzulässig. a 2. E s gibt aber — ausnahmeweise — eine Parteistellung kraft Prozeßrechts. b) Die Partei hat nur dann Ansprüche, wenn (auch) ihr eigener Rechtskreis berührt wird. b 1. Wer ein absolutes Recht (Eigentum, Urheberrecht usw.) hat und einem anderen ein (obligatorisches) Gebrauchsrecht davon überläßt, das ihn in die Stellung des absolut B e rechtigten wirtschaftlich einrücken läßt,, schafft ihm regelmäßig einen Rechtskreis, der auch von denen dann unmittelbar (mit-)verletzt werden kann, die das absolute Recht verletzen. Die Frage ist bei der Erteilung a u s s c h l i e ß l i c h e r L i z e n z e n praktisch geworden (vgl. LG G R U R 53/134), wenn der Rechtsträger eines Patentrechts den Lizenznehmer ermächtigt, im eigenen Namen und auf eigene Gefahr und Kosten die Ansprüche aus dem Patent gegen dritte geltend zu machen; denn durch den Gebrauch des Patentes durch — unbefugte — dritte wird in den Rechtskreis dieses Lizenznehmers unmittelbar eingegriffen. Bei anderen dinglichen Rechten wird, soweit ein Besitzstand für den obligatorisch Berechtigten begründet wird, ihm schon damit ein absolutes Recht gewährt, so daß er dadurch gegen jeden dritten geschützt ist. Sich überschneidende Voll- und Teilrechte sind dabei durchaus denkbar. Auch der Pfandgläubiger, der nach B G B §§ 1282, 1285 die Forderung des dinglichen Pfandschuldners allein oder zusammen mit ihm einzieht, macht eigene Rechte geltend. Das entsprechende gilt für den Pfändungspfandgläubiger, möge die gepfändete Forderung ihm gar nicht oder zur Einziehung (§§ 835 I, 836) überwiesen werden (vgl. RGZ 27/345). Die Formulierung des R G , daß die Ermächtigung, ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend zu machen, eine außerprozessuale Einwilligung und zulässig sei (RGZ 64/165 [168]), ist bedenklich und fand auch in der Rechtsprechung schon Widerspruch (vgl. R G N § 51/14) und ist jedenfalls stets vom eigenen Interesse abhängig gemacht worden (RGZ 91/390), da die Klagezulassung sonst gegen den Beklagten „unbillig" sei (RGZ 166/218 [238]). b 3. In dieses Gebiet gehört auch die Schadenliquidation im Drittinteresse (vgl. auch § 62 A I I d 3), nur daß hier von der Rechtsprechung eine Treuhandstellung anerkannt wird (vgl. dazu § 50 G I I a 2). b 4. Bei Verträgen zugunsten dritter hat auch der am Vertrag Beteiligte ein Klagerecht zur Leistung an den dritten (OLG M D R 59/44). c ) Dabei ist es sehr wohl möglich, daß derselbe Anspruch von mehreren Rechtsträgern geltend gemacht werden darf, sofern er nur in ihre Rechtsphäre fällt. c 1. Über sich überschneidende Vollrechte vgl. B G B §§ 420folg. Dahin gehört der Prätendentenstreit; ferner fällt die Befriedung des Zessionars nicht nur in dessen Rechtskreis, sondern auch in den des Zedenten, der also ein Recht zur Klage gegen den Schuldner auf
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§ 50 GIc 1
Befriedung des Zessionars hat (RG J W 37/541®), weil der Schuldner auch ihm gegenüber zur Befriedung, wenn auch an den Zessionar verpflichtet bleibt; es sei denn, daß er sich dieser Forderung gegen seinen Schuldner begeben hätte. c 3. Bezüglich der P r o z e ß k o s t e n gilt die Regel, daß die Partei der Gegenpartei haftet, und zwar ohne sich dabei auf bestimmte Gegenstände (etwa die, welche dem Hauptvermögensinhaber gehören) beschränken zu dürfen; doch hat nach außerprozessualem Recht der Gegner bisweilen das Recht, sich auch noch an diese anderen zu halten. Regelmäßig treffen nach außerprozessualem Recht die Kosten den Nutznießer, nicht den Vermögensinhaber, selbst wenn dieser klagt und der Nutznießer am Rechtstreit nicht als Partei beteiligt ist oder wenn sogar der Rechtstreit gegen ihn geführt wird. Von den Nutznießungen abgesehen, wird aber der dingliche Teilberechtigte Erstattung der Kosten von dem Inhaber des Vollrechts verlangen dürfen, etwa beim dinglichen Pfandrecht an unbeweglichen wie beweglichen Sachen (doch können sich auch hier aus dem Innenverhältnis zwar nicht dinglich, aber doch persönlich wirkende Abweichungen ergeben). d) Der eigene Rechtskreis wird auch dort betroffen, wo das Gesetz dem einzelnen den Weg der Popularklage eröffnet hat oder wo es eine Klagebefugnis im öffentlichen Interesse gewährt hat. d 2. Bisweilen ist der öffentlichen Hand eine Klage gegeben worden, die ihr dann zu eigenem Recht zusteht. G II. Die gewillkürte wie die gesetzliche Vertretung verändern den Rechtskreis der Vertretenen nicht; anders ist dies bei der mittelbar gewillkürten und der mittelbar gesetzlichen Vertretung. a) Konflikte der gewillkürten offenen Vertretung hat der Vertretene zu lösen, während er sie bei der mittelbar gewillkürten nicht mehr lösen kann. a 1. Bei der g e w i l l k ü r t e n offenen V e r t r e t u n g wird nur der Vertretene Partei. Eine solche Vertretung liegt auch bei dem (offenen) Prokura- oder Vollmachtindassament vor (WG Art. 18, ScheckG Art. 23, RGZ 27/128). Soweit die Klage gegen den Schiffer gerichtet ist (HGB §§ 696, 751, 761, BinnenschiffahrtsG § 97), richtet sie sich gegen Schiff, Fracht oder Ladung (HGB § 696 II) und trifft die Ansprüche, welche er „als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse" (vgl. u. a. HGB § 754 I 6, 528, 541; 754 I 8, die im letzten Falle im Gegensatz zu dem Handeln des Schiffers in Vollmacht gebracht werden), also nach HGB §§527 folg. hat. a 2. Die g e w i l l k ü r t e m i t t e l b a r e V e r t r e t u n g löst dagegen andere Rechtsfolgen aus. Der Geschäftsgegner hat hier keine unmittelbaren Ansprüche gegen den nur mittelbar Vertretenen, sondern nur gegen den mittelbaren Vertreter (wenn dann u. U. außerprozessuale Ansprüche zwischen dem Geschäftsgegner und dem mittelbar Vertretenen entstehen, etwa nach BGB § 826, so muß die unmittelbare Berührung der Rechtskreise dieser beiden eingetreten sein). Der Streit zwischen mittelbarem Vertreter oder Treuhänder und mittelbar Vertretenen oder Treugeber ist ein echter Rechtstreit zwischen zwei Parteien, obwohl es hier wirtschaftlich nur um die Rechte des mittelbar Vertretenen gehen kann. Gesetzlich geregelte Fälle sind u. a. der Kommission- (HGB §§ 383folg.), der Speditionvertrag (HGB §§ 407folg.), die Versicherung für fremde Rechnung (vgl. VVG §§ 74 II, 76, HGB §§ 886, 887). Es können hier aber auch gesetzlich besondere Pflichten des mittelbar Vertretenen begründet werden, wie etwa für den Empfänger nach HGB § 434, doch setzt dieses bei Begründung vertraglicher Pflichten stets ein unmittelbares (wenn auch möglicherweise durch einen Vertreter vermitteltes) Eingreifen des mittelbar Vertretenen voraus. Außer diesen gesetzlich geregelten Fällen gibt es andere, die sich auf Grund der Vertragsfreiheit im Rechtsleben gebildet haben. Dahin gehören die Treuhänderverhältnisse. Entsprechend ist die Rechtslage auch, wenn der Treuhänder nicht bloß im Interesse des Treugebers bestellt ist, sondern zugleich noch die Rechte anderer Rechtspersonen, im besonderen eigene, zu wahren hat (bei der e i g e n n ü t z i g e n Treuhand). b) Auch bei der gesetzlichen Vertretung gibt es — und dies ist der Regelfall — die offene wie die versteckte, wenn man hier an die Fälle der gesetzlichen Surrogation denkt. Unter mehreren gesetzlichen Vertretern entscheiden die jeweils sie berufenden Stellen-, dies ist bei den 18»
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§ 50 G II b
ZPO I . Buch
gesetzlichen Vertretern der physischen Personen stets das Vormundschaftgericht ( B G B §§ 1629, 1690 I I , 1798), während bei juristischen Personen der Konflikt innerhalb der Organe, u. U. mit Hilfe der Gerichte (vgl. B G B § 29) auszutragen ist. Soweit jemand als gesetzlicher Vertreter im fremden Namen klagen darf, hat er nicht das Recht, im eigenen Namen vorzugehen (RGZ 146/231). b 1. Die Stellung des gesetzlichen Vertreters ist entsprechend der des offenen, unmittelbaren Stellvertreters, keine Parteistellung. Wie die gewillkürte Stellvertretung, so hat auch die gesetzliche ihren umgrenzten W i r k u n g k r e i s . Sie endet dort, wo das Gesetz dies vorschreibt. b 2. Die Fälle der mittelbaren gesetzlichen Vertretung sind die der Surrogation. 6 III. Den sog. Parteien kraft Amtes gestattet die h. M., ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Über den Grund, weshalb die h. M. dazu kommt, vgl. § 50 B I V . Praktisch werden sie aber wie die gesetzlichen Vertreter behandelt. 6 IV. B e i allen gesetzlichen Vertretern, auch bei den sog. Parteien kraft Amtes, wird im Prozeß nur die Wirksamkeit ihrer Bestellung nachgeprüft, nicht ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind; diese Nachprüfung gehört einem anderen Verfahren an (vgl. RGZ 129/390 für die Frage, ob der Konkurs hätte eröffnet werden dürfen, wenn er tatsächlich eröffnet und der Verwalter bestellt worden ist).
§ 51 (50) I Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozeßfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozeßführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten. A. Das Rechtslcben knüpft an das menschliche Handeln an und an die Möglichkeit, es nach Vorstellungen bestimmen (d. i. wollen) zu können. A I. Soweit die Rechtsordnung es aber auf das Wollen abstellt, ist es nicht das psychischphysische Wollen allein, sondern die Anerkennung dieses Wollens durch die Allgemeinheit (durch jeden verständigen Menschen), des Staates, m. a. W . das rechtlich erhebliche Wollen. A II a . Für eine Reihe von Handlungen im Prozeß kommt es auf das p s y c h i s c h - p h y s i s e h e W o l l e n eines gewissen Reifegrades an. Wer als Zeuge, Sachverständiger, Partei (diese allerdings nur im Rahmen des § 455 I I ) vernommen werden soll, muß fähig sein, sein Wollen zur Aussage bestimmen zu können. Auch der Dolmetscher muß in der Lage sein, seinen Willen zu übersetzen, bestimmen zu können; der Urkundsbeamte den, zu beurkunden; der Zustellende (§§ 166folg., 193, 195folg.), der, dem ersatzweise zugestellt wird (§§ 181, 183, 184), die ungehorsame, an der Verhandlung nicht beteiligte Person (GVG §§ 177folg.), sie alle müssen einen reifemäßig beachtlichen Willen haben. Wie hoch der Reifegrad im einzelnen sein muß, damit eine ihrer Handlungen zu beachten ist, wird dem Erkennen des Gerichts überlassen (an § 455 I I ist es aber gebunden); die Verhaftung und Bestrafung nach GVG §§ 178f. wird sogar strafrechtliche Verantwortlichkeit i. S. des J G G §§ 1, 3 voraussetzen. b) Soweit aber das Prozeßrecht an Erklärungen der Partei (Beteiligten) oder deren Unterlassen Rechtsfolgen knüpft, wird Prozeßfähigkeit gefordert. Ob sie auch gegenüber den Richtern (§ 41 B), den Urkundsbeamten (§ 41 A I I c), den Zustellungsbeamten (§ 41 A I I d), den gewillkürten Vertretern (§ 41 C II d 2, § 50 G I I a) zu fordern ist, wird danach zu entscheiden sein, ob man bei ihnen denselben Reifegrad voraussetzen muß. Die Prozeßerklärung ist eine (prozessuale) Willenserklärung im juristischen Sinne, deren Wirkungen mit Rücksicht auf die aus seinem Wesen heraus begründete Strenge des Prozesses strenger sind als die des außerprozessualen Rechts und deren Abgabe deshalb insoweit mehr Aufmerksamkeit erfordert (§ 38 B ) . Prozeßfähig ist, wer (rechtswirksam) prozeßgeschäftliche (d. h. die sich auf das Prozeßverhältnis [§ 38 B ] beziehenden) Erklärungen abgeben und entgegennehmen darf. Die Prozeßfähigkeit ist Prozeß-(voraussetzungs-)bedingung (§ 274 A I a 1). Sie wirkt sieh aber unterschiedlich aus, j e nach der Stellung des Prozeßunfähigen im Prozeß.
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§51 An
b 1. Handelt oder unterläßt der Prozeßunfähige im Prozeß, so sollte dies grundsätzlich unbeachtlich und ohne Wirkung sein. Wird eine Partei im Laufe des Prozesses prozeßunfähig, so bleibt, was sie bis zum Eintritt der Prozeßunfähigkeit tat oder unterließ, wirksam bestehen; regelmäßig wird der Streit mit dem Wegfall der Prozeßfähigkeit unterbrochen (§§240, 2 4 1 ; vgl. aber § 246); jedenfalls ist das Handeln oder Unterlassen des Prozeßunfähigen wirkunglos. Wird eine prozeßunfähige Partei im Laufe des Prozesses prozeßfähig, so heilt die rügelose Einlassung den früheren Mangel (RGZ 66/240 [244J); doch darf die Partei die Genehmigung verweigern (vgl. R G J W 38/2366 4 8 : ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen). Wird die Prozeßunfähigkeit übergangen und sachlich entschieden, und bestand die Prozeßunfähigkeit des Klägers von Anfang an, so hat, wenn die Klage abgewiesen wurde, der Kläger Rechtsmittel (vgl. § 5 5 1 1 5) bzw. die Nichtigkeitklage (§ 579 I 4) zur Beseitigung der Rechtskraftwirkung der sachlichen Abweisung; der Beklagte mangels Beschwer kein Rechtsmittel; er kann aber dem — u. U. zu bestellenden — gesetzlichen Vertreter zustellen lassen (vgl. § 586 I I I ) und so den Rechtsbestand des Erkenntnisses erzielen. Ist der Klage stattgegeben, so ist nur der B e klagte beschwert, es sei denn, daß die Stattgabe auch gegen den Kläger wirkt (etwa wenn das Bestehen eines Rechtsverhältnisses — vgl. § 256 B I — festgestellt wurde), dann hat auch der Kläger die Rechtsbehelfe. Der Beklagte kann dabei auch bewirken wollen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird. b 2. Auch die Handlungen (und Unterlassungen) Prozeßfähiger gegen ProzeBunfähige sind grundsätzlich wirkunglos. Die Klage kann nicht gegen einen Prozeßunfähigen wirksam erhoben werden; doch darf der Prozeßunfähige im Prozeß auftreten, um seine Prozeßunfähigkeit darzutun (insoweit ist er — relativ — prozeßfähig). b 3. Ein ProzeBverhältnis (§ 38 B I I I b) kann nur begründet werden durch einen Prozeßfähigen (RG Warn. 08/241) gegenüber einem Prozeßfähigen, und jede (bewußte) Veränderung dieses Prozeßverhältnisses kann nur unter Prozeßfähigen eintreten. Wird der Prozeß durch einen gewillkürten Vertreter geführt, so wird der Wegfall der Prozeßfälligkeit der Partei usw. jedenfalls bis auf den der Prozeßfähigkeit des gewillkürten Vertreters nach Erteilung der Vollmacht n i j h t beachtet (vgl. §§ 86, 246); tritt dia Prozeßfähigkeit erst später ein und wird die Vollmacht bestätigt (erteilt), so wird das bisherige Verfahren durch die Prozeßbevollmächtigten stillschweigend genehmigt (vgl. R G Warn. 38/40), soweit nicht etwas anderes — prozessual wirksam — erklärt wird; für die Nichtigkeitklage des § 579 I 4 muß deshalb bewiesen werden, daß während der gesamten in Betracht kommenden Zeit die Partei prozeßunfähig war (RG H R R 30/749). A III. Die Prozeßfähigkeit entspricht der Geschäftsfähigkeit des außerprozessualen Rechts, wenn beide sich auch (wie sich auch Partei- und Rechtsfähigkeit) nicht decken. a) Die Parteifähigkeit kommt den Parteien als solchen zu ohne Rücksicht auf ihre Prozeßfähigkeit, d. h. ohne Rücksicht darauf, ob das Wollen der Rechtsträger nach der Rechtsordnung zu beachten ist oder nicht. Zwar muß jeder Prozeßfähige notwendigerweise auch in Person partei- (und rechts-)fähig sein; doch braucht nicht jeder Parteifähige (als solcher rechtsfähig und bzw. oder) prozeßfähig (oder auch geschäftsfähig) zu sein. Soweit der Parteifähige nicht prozeßfähig ist, muß er aber im Prozeß einen prozeßfähigen Vertreter haben. In ihren Wirkungen ist die Prozeßfähigkeit anders als die Parteifähigkeit insoweit, wie das gegen einen Parteiunfähigen ergangene Urteil möglicherweise (nämlich soweit überhaupt kein Rechtsträger dahinter steht) nichtig ist, das gegen einen Prozeßunfähigen ist dagegen stets nur vernichtbar (vgl. § 579 I 4). b) Die Prozeßfähigkeit unterscheidet sich von der Postulationfähigkeit (§ 78 I) dadurch, daß diese für aktives Handeln im Prozeß gefordert wird, was nur dort kenntlich wird, wo sie sich von der Prozeßfähigkeit trennt. Im Verhältnis zur Prozeßfähigkeit ist die Postulationfähigkeit eine weitere Steigerung, die eine gewisse Parallele im außerprozessualen Recht dort hat, wo nach diesem die Ermächtigung zu einer Prozeßführung zu erteilen ist, was aber im allgemeinen dem außerprozessualen Recht fremd ist. Die Postulationfähigkeit kann nicht nur positiv, sondern auch negativ begründet werden, so daß gewisse Prozeßfähige von der mündlichen Verhandlung vor Gericht ausgeschlossen werden (vgl. § 157 0 , ArbGG § 11); sie kann auch im schriftlichen Verfahren anders sein als im mündlichen.
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§51
ZPO I. Buch
B. Prozeßunfähig ist — mit Ausnahme der Fälle der relativen Prozeßfähigkeit — der Geschäftsunfähige, wie § 51 unter Hinweis auf das bürgerliche Recht bestimmt. Soweit das außerprozessuale Recht die Geschäftsfähigkeit relativiert, f ü h r t dies zur unbedingten Prozeßfähigkeit (§ 52). B I. Die Geschäftsunfähigkeit natürlicher Personen regeln BGB §§ 104, 105 I I . a) Geschäftsunfähig sind M i n d e r j ä h r i g e vor Vollendung des siebenten Lebensjahres (BGB §§ 104 1 1, 187 I I 2); ferner die, b) welche sich in einem a n d a u e r n d e n Z u s t a n d g e s t ö r t e r G e i s t e s t ä t i g k e i t befinden, welche eine nach dem Urteil verständiger Menschen normale Willensbildung nicht zuläßt (vgl. BGB § 104 I 2, StGB §51, RGZ 65/199 [2021). Der Anormale muß geistig so stark gestört sein, daß die normale Beurteilung- und Handlungweise nicht möglich ist (vgl. RG J W 37/35 14 ); dies kann schlechthin, aber auch nur auf gewissen Gebieten so sein. Fällt dann der geführte Prozeß in das Störunggebiet des Geisteskranken, so ist er prozeßunfähig (BGH N J W 55/1714). Im gewöhnlichen Verfahren wird die Prozeßfähigkeit nur auf dieses begrenzt geprüft und gibt kein Präiudiz für ein Entmündigungverfahren ab (RG J W 22/1007 5 ). I m Entmündigungverfahren ist die Frage der Geisteskrankheit Tatfrage (RG H R R 29/793), wird also, wenn sie verfahrensmäßig einwandfrei festgestellt ist, der Nachprüfung in der Revisioninstanz entzogen, während im Prozeßverfahren die Revisioninstanz den Mangel in eigener Beweiswürdigung zu prüfen hat (die Revisioninstanz wird hier indes dazu neigen, aufzuheben und zurückzuverweisen, wenn die tatsächlichen Unterlagen für die Feststellung der Geisteskrankheit fehlen; RG N §52/9). c) Geschäftsunfähig ist ferner, wer wegen Geisteskrankheit e n t m ü n d i g t worden ist (BGB § 104 I 3). Die Wirkung t r i t t mit Erlaß des Beschlusses (§ 661) vorbehaltlich der Aufhebung auf dem Weg der Anfechtungsklage (§ 664) ein. Über die Wiederaufhebung vgl. §§ 675, 679. Trotz Ablehnung der Entmündigung darf im einzelnen Prozeß die Prozeßunfähigkeit festgestellt werden (RG J W 95/378 1 ). F ü r die Entmündigunganfechtungklagc ist der Entmündigte prozeßfähig (RGZ 68/402 [404]; vgl. § 668 A). d) Prozeßunfähig sind aber auch Personenmehrheiten, die als Rechtsgebilde parteifähig sind, wie d 1. die juristische Person (vgl. RGZ 66/240 [243]) u n d d 2. die Parteifähigen, welche aus einer Personenmehrheit bestehen, ohne juristische Person zu sein, wie die offene Handelsgesellschaft usw. (vgl. § 50 B I I I c , d, e, E I a) und der nichtrechtsfähige Verein. B II. Bei der beschränkten Geschäftsfähigkeit ist der beschränkt Geschäftsfähige, soweit die Beschränkung reicht, prozeßunfähig, im übrigen voll prozeßfähig. Die Relation bezieht sich hier also nur auf die Geschäftsfähigkeit, nicht etwa auf die Prozeßfähigkeit. a) Die beschränkt Geschäftsfähigen (BGB §§ 106, 114) sind grundsätzlich prozeßunfähig. Sie werden auch nicht, wenn der gesetzliche Vertreter mitwirkt und ihre Handlungen genehmigt, prozeßfähig (Rosenberg Lb. § 43 I I a 3; a. M. Oertmann, Judicium l/169folg.). b) Unbeschränkt prozeßfähig ist indes der beschränkt Geschäftsfähige, wo er außerprozessual als geschäftsfähig behandelt wird, also in den Fällen des BGB §§ 1 1 0 , 1 1 2 , 1 1 3 und in dem Ausnahmefall der Regel des BGB § 107. b 5. Nach § 612 I ist der sonst beschränkt Geschäftsfähige prozeßfähig für Ehesachen (darf aber nicht die Eheaufhebungklage des EheG § 30 I 2 erheben) und für Kindschaftanfechtungen (§ 640 11). c) Von den Vorschriften des deutschen Rechts gibt es insoweit eine Ausnahme, wie der Ausländer, der nach ausländischem Recht volljährig ist oder nach deutschem R e c h t die Stellung eines Volljährigen hat, diese Stellung auch nach deutschem Recht behält, wenn er Inländer wird und nach deutschem Recht nicht volljährig wäre (EG BGB Art. 7 II). Vgl. im übrigen § 55. Auch werden die Bewohner der Ostzone bereits mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres volljährig. B III. Über die Fälle, in denen Geschäftsfähige prozeßunfähig sind, vgl. § 53 A.
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
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B IV. Weiter gibt es eine Prozeßfähigkeit zum Zwecke der Klärung, also eine relative, etwa die in den Entmündigungverfahren (vgl. §§ 664 II, 684 I; 675, 679, 685, 686). a) Innerhalb dieser Verfahren ist aber die Prozeßfähigkeit nicht beschränkt (RG J W 29/8528). Soweit jemand prozeßfähig ist, darf er sowohl Prozeßvollmacht erteilen (RGZ 34/386) wie auch den Geschäftsbesorgungvertrag mit dem Anwalt abschließen (OLG JW 34/91912; a. M. BayObLG HRR 33/986). b) Besteht in einem Verfahren S t r e i t ü b e r die P r o z e ß f ä h i g k e i t , so wird der, dessen Prozeßfähigkeit angegriffen wird, zur Klärung dieses Zwischenstreites als prozeßfähig behandelt (RG HRR 29/959), im besonderen für die Erteilung und Entziehung der Prozeßvollmacht, für Rechtsbehelfseinlegung, -rücknahme oder -verzieht. Deshalb darf auch der geisteskranke, prozeßunfähige Beklagte Berufung einlegen, nur um seine Geisteskrankheit aufzudecken (RG J W 08/738). C. Davon zu unterscheiden sind die Fälle der mangelnden Verfügungbefugnis nach außerprozessualem Recht. D. Soweit eine prozeßunfähige Partei vorhanden ist, fordert die Prozeßordnung den Ersatz ihrer Prozeßfähigkeit, in erster Linie den durch die gesetzliche Vertretung, wobei sich allerdings nicht stets die rechtsgeschäftlichen gesetzlichen Vertreter mit den gesetzlichen Prozeßvertretern decken. Über die Vertretungen im einzelnen vgl. den Kommentar. D I. Der gesetzliche Vertreter steht im Gegensatz zum gewillkürten (vgl. BGB §§ 164f.) Bevollmächtigten (RG N § 56/4); im besonderen sind keine gesetzlichen Vertreter die Generalbevollmächtigten (RG N § 50/3) wie der Prokurist (RG N § 50/3). b) Die Prozeßordnung fordert den gesetzlichen Vertreter 1. für Prozeßunfähige, 2. aus Zweckmäßigkeitgründen (§§ 57, 58, 787, 494 II, 668, 679 III, 686 II, 779; §§ 181 folg. bei Zustellungen an Ersatzpersonen, der gesetzliche Prozeßvertreter des Mieters oder Pächters nach dem G v. 20.7.1933 [RGBl. I 521]; vgl. im übrigen ZuständigkeitergänzungG§10). Über die Wirkung der Prozeß vertretung vgl. §^78 folg. D II. Die gesetzlichen außerprozessualen Vertreter der prozeßunfähigen physischen Personen sind die Träger der elterlichen Gewalt, Vormünder und Pfleger sowie für uneheliche Kinder das Jugendamt (JWG §§ 35, 47). a) Sie decken sich mit den gesetzlichen Prozeßvertretern für diese Personen, sofern man nicht Prozeßunfähige als außerprozessuale gesetzliche Vertreter gelten läßt. Dies gilt auch für die sog. Parteien kraft Amtes (§ 50 B IV). b) Der Umfang der Vertretungmacht ist gesetzlich geregelt, Einzelbeschränkungen sind im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen durch das Vormundschaftgericht zugelassen. c) Die gesetzliche Vertretung des geschäftsfähigen Mannes durch die Ehefrau regelt BGB § 1357. Daraus kann aber nichts für die Prozeßvertretung des Mannes durch die Frau entnommen werden. D III. Die gesetzlichen Vertreter der juristischen Personen ergeben sich regelmäßig aus den sie organisierenden Gesetzen. Bei der Frage, ob die letzten Endes einer juristischen Person vorstehenden physischen Personen beschränkt geschäftsfähig sein dürfen, ist zu bedenken, daß die gesetzliche Vertretung nicht bloß Rechte, sondern auch Lasten mit sich bringt. Doch darf in den Fällen der Gesamtparteien (§50 B III) der beschränkt Geschäftsfähige kraft Ermächtigung nach BGB § 112 unbeschränkt geschäftsfähig gemacht werden und dann auch unmittelbar vertreten (vgl. BGB § 165); ist dies nicht geschehen, so tritt sein gesetzlicher Vertreter für ihn ein; denn unzweifelhaft können auch minderjährige Prokuristen den Geschäftsherrn im Prozeß nicht vertreten. a) Die Vertretung des Staates ist, soweit ausdrücklich schriftliche Regeln fehlen, noch nach dem Herkommen zu entscheiden; auch Verwaltunganordnungen über die Vertretung werden hier als ausreichend angesehen (vgl. RGZ 68/147). Werden mehrere Klagegründe geltend gemacht und hat für jeden ein anderes Ressort einzustehen, so sind alle in Betracht kommenden
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Dina
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Vertreter als die der Partei anzugehen (RG N §56/40); die Rechtslage ist dann ähnlich, wie wenn handelsrechtliche Körperschaften durch Torstand und Aufsichtrat vertreten werden. Über die Vertretung in Erstattungsachen vgl. Kommentar § 704 B I I I b 2, über die als Drittschuldner bei Forderungpfändungen § 829 C I c 5. b) Über gesetzliche Prozeßvertretung des Bundes im einzelnen vgl. den Kommentar. b 2. Als Fiskalvertreter des Reiches wird der Bundesminister der Finanzen angesehen (BGH MDR 53/162 = N J W 53/380; soweit Bayern ehemaliges Reichsvermögen verwaltet, wird Bayern dadurch noch nicht zum Fiskalvertreter des Reichs). Solange die Fiskalvertretung nicht geregelt ist, vertritt die verwaltende Stelle den Fiskus (BGH N J W 53/380). c) Sondervorschriften bestehen für die Sonderverwaltungen. c 1. Die Vertretung der Bundespost regelt die VO v. 1. 8.1953 (BGBl. I 715). c 2. Die Prozeßvertretung des Bundesbahn wird durch Verwaltunganordnung bestimmt (BundesbahnG § 2 II). d) Die gesetzliche Vertretung der öffentlichrechtlichen Körperschaften des Bundes (Bundesanstalten) ist in ihrer Satzung bzw. dem sie zulassenden Gesetz geregelt (vgl. dazu Kommentar §§ 50 C II b; 51 D III). e) Ebenso ist die Vertretung der Länder nicht stets ausdrücklich geregelt. Überkommenes Recht findet sich hier im besonderen in den Nachfolgestaaten Preußens. Die untere Behörde ist gesetzlicher Prozeßvertreter dort, wo es abgesehen von sonstigen Normen auf sie als Anstellungbehörde ankommt, doch darf auch in all den Fällen, wo untere Behörden vertreten dürfen, die oberste Dienstbehörde die Vertretung an sich ziehen (der Minister: RGZ 118/94). Innerhalb mehrerer koordinierter (unterer) Behörden (mit örtlich abgegrenzter Zuständigkeit) desselben Ressorts entscheidet die örtliche Zuständigkeit, ohne beliebige Übertragungmöglichkeit von der einen unteren Behörde auf die andere (RG Gruch. 51/830). Auch kommt es nicht darauf an, welche Kasse die Zahlungen leistet (RG J W 25/18771). Bei Ansprüchen gegen die ordentlichen Gerichte und die Staatsanwaltschaft ist gesetzlicher Vertreter des Staates meist noch der Generalstaatsanwalt bei den OLG (vgl. dazu RG N § 50/11). Bei Beamtenklagen ist die oberste Dienstbehörde zuständig (vgl. § 51 D I I I b). Im übrigen gilt für die gesetzliche Prozeßvertretung vor den ordentlichen (und Sonder-)Gerichten verschiedenartiges Landesrecht (vgl. Kommentar § 50 D I I I e lfolg.). f 1. Bei den Kirchen wird z. T. nach Herkommen entschieden. Die katholischen Kirchengemeinden werden in vermögensrechtlichen Angelegenheiten durch den Kirchenvorstand vertreten (G v. 24. 7.1924 [Pr. GS 585] § 1; für N R W ÄnderungG v. 7. 7.1948 [GVB1. 231). Der Bischof und der Generalvikar sind die gesetzlichen Vertreter des Bistums (RGZ 168/143 [150]). Im katholischen Missionsgebiet ist der apostolische Vikar gesetzlicher Vertreter der örtlichen Missionsanstalten (congregationes de propaganda fide; RG N §50/9). Die Domkirchen werden von Bischof und Domkapitel vertreten. Die evangelischen Kirchengemeinden werden durch den Gemeindekirchenrat (Kirchenvorstand, Presbyter, Kirchenrat) vertreten, Pr. G v. 8. 4.1924 (Pr. GS 24). Das Gesetz v. 14. 7. 1933 (RGBl. I 471) ist außer Kraft. f 2. Für die übrigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften gilt ihr Statut. g) Als weitere öffentlichrechtliche Gebietskörperschaften kommen die Landschaftverbände Rheinland u. Westfalen-Lippe, der Landesverband Lippe, die Kreise und die Gemeinden in Betracht. h) Soweit den Gemeinden eine wirtschaftliche Betätigung gestattet ist, vertritt bei gemeindlichen Eigenbetrieben ohne eigene Rechtspersönlichkeit grundsätzlich die Werkleitung die Gemeinde. In Berlin vertritt die Geschäftsleitung der Berliner Eigenbetriebe die Stadt jeweils durch zwei ordentliche Geschäftsleiter oder durch einen ordentlichen Geschäftsleiter und einen Prokuristen (VO v. 20. 10. 1945 [GVBl. 132 I]). i) Die Vertretung des ausländischen Fiskus richtet sich nach dem ausländischen Recht des Heimatstaates (er ist aber regelmäßig dem deutschen Gericht nicht unterworfen — abgesehen von Liegenschaftsrechten in Deutschland und der freiwilligen Unterwerfung; vgl. auch RGZ 102/251 [253], GVG § 18 B II). Das entsprechende gilt für die Vertretung der ausländischen Körperschaften, welche nach dem ausländischen Recht zu beurteilen ist.
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
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DIU
j ) Bei den juristischen Personen des Privatrechts ist gewöhnlich der Vorstand gesetzlicher Prozeßvertreter, haben diese aber mehrere Organe, so sind es u. U. auch diese oder beide. Die Abgrenzung ihrer prozessualen Vertretungmacht folgt ebenfalls dem außerprozessualen Gesetz. D IV a 1. Für die oHG sind gesetzliehe Vertreter die (geschäftsführenden) Gesellschafter, regelmäßig in Einzelvertretung (HGB § 125 I), nach Statut aber auch in Gesamtvertretung ( H G B § 125 I I ) , während im Falle der Liquidation diese Regel umgekehrt gilt (HGB §§ 150folg., RGZ 116/116). Der nicht vertretungsberechtigte Mitgesellschafter hat auch kein eigenes Klagerecht (BGH N J W 55/1027). a 2. Bei der Kommanditgesellschaft sind es die persönlich haftenden (geschäftsführenden) Gesellschafter (HGB §§ 161 I I , 170), im Fall der Abwicklung dagegen auch die Kommanditisten und alle in Gesamtvertretung. a 8 . Bei der R e e d e r e i ist es der bestellte Korrespondentreeder (vgl. RGZ 82/131; H G B § 493 I I I ) . b 1. Bei Anfechtungklagen des Vorstandes einer Aktiengesellschaft (AktienG § 198 I 4) vertritt die Mehrheit den Vorstand als solchen. b 2. Der n i c h t r e c h t s f ä h i g e V e r e i n wird, soweit er (passiv) parteifähig ist, gesetzlich durch seinen Vorstand vertreten (vgl. B G B § 26 I I in entsprechender Anwendung). Der Beweis, wer Vorstand ist, darf mit allen Beweismitteln geführt werden. E . Die gesetzliche Vertretung von juristischen Personen wird grundsätzlich nicht ersetzt durch die hinter der juristischen Person stehenden Mitglieder. Eine ohne gesetzlichen Vertreter bestehende bergrechtliche Gewerkschaft wurde deshalb nicht als durch die einzelnen Gewerken vertreten angesehen (RGZ 86/340 [342]). Über den Ersatz der Gesamtpersonen durch ihre Mitglieder vgl. § 50 B I I I . Hier ist auch der der gesetzlichen Vertreter zugelassen. E I. Die Legitimation der gesetzlichen Prozeßvertreter wird im Prozeß im Rahmen des üblichen von Gerichts wegen geprüft in jeder Lage des Verfahrens (also auch in der Revisioninstanz: RGZ 148/225 [227]); sie ist also Prozeß-(voraussetzung)bedingung ( § 2 7 4 A I a l ) . Wird der gesetzliche Vertreter durch einen Staatshoheitakt bestellt, so ist dieser nicht nachprüfbar, auch wenn er zu Unrecht erlassen worden ist (RG Warn. 19/72). Das entsprechende gilt bei der förmlichen Aufhebung einer gesetzlichen Vertretung (RG Warn. 11/88, doch hat in der Zeit nach 1945 B G H Z 12/337 auch die Abberufung der Organe privatrechtlich organisierter, aber von der öffentlichen Hand kontrollierter Gesellschaften durch die öffentliche Hand zugelassen); jedoch gibt es bei physischen Personen auch die formlose Abberufung, etwa durch Eintritt der Volljährigkeit, der Beendigung des sog. Grundverhältnisses, den Tod des Mündels. E II a ) Soweit Gesamtvertretungmacht besteht, braucht die Prozeßhandlung nur gegenüber einem der Gesamtvertreter vorgenommen zu werden. Ist die Klage gegen Aufsichtrat und Vorstand, also zwei verschiedene Organe gerichtet, so muß j e einem Vorstandmitglied u n d einem Aufsichtratsmitglied gegenüber die Handlung vorgenommen werden (vgl. R G J W 01/482 1 ). E s genügt aber nicht, daß diese eine Person, der zugestellt wird, als gesetzlicher Vertreter der juristischen Person gekennzeichnet wird, wenn, wie bei der Anfechtungklage das Gesetz vorschreibt, daß sie gegen Vorstand und Aufsichtrat als gesetzliche Vertreter der juristischen Person zu richten i s t ; als deren Vertreter muß also der gesamte Vorstand wie der gesamte Aufsichtrat gekennzeichnet sein (RG J W 13/210 24 ), wenn auch bloß j e einem Mitglied dieser zugestellt zu werden braucht (§ 171 I I I ) . Doch ist die bloß allgemeine Bezeichnung „vertreten durch Vorstand und Aufsichtrat" als genügend anzusehen (vgl. B G H v. 9. 2 . 1 9 5 1 1 Z R 35/50 TRubrum] — und ständig bei Aktiengesellschaften), wenn auch nach § 130 1 1 jeder gesetzliche Vertreter nach Namen, Stand und Wohnort auch bei der juristischen Person gekennzeichnet werden soll (RG J W 03/3 3 ). b) Andererseits können nur alle Gesamtvertreter rechtswirksam handeln. Beteiligt sich einer von ihnen nicht, so ist die Handlung prozeßrechtlich unwirksam. Nur für die Beweisaufnahme gilt Sonderrecht, vgl. §§ 455 I 2, 449. E III. Besteht aber Einzelvertretunsmacht (oder sich überschneidende Gesamtvertretungmacht) derart, daß jeder ganz vertreten darf (etwa nach H G B § 125 I), so handelt jeder Ver-
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§51
Ein
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tretungberechtigte voll w i r k s a m : widerspricht aber a u c h n u r ein anderer allein (oder eine Gruppe zur G e s a m t v e r t r e t u n g Berechtigter), so wird die H a n d l u n g des an sich voll Berechtigten u n w i r k s a m (vgl. dazu auch § 84 O , es sei denn, d a ß es sich u m unwiderrufliche E r k l ä rungen oder n i c h t rechtzeitig widerrufene h a n d e l t . Uber die prozessuale Vertretung vgl. § 53 A I . I n den Fällen der Bestellung des Organs durch die Mitgliederschaft gilt das entsprechende. Der U m f a n g der V e r t r e t u n g s m a c h t ist dritten gegenüber regelmäßig dem Gesetz zu e n t n e h m e n . E IV. Der gesetzliche Vertreter ist nicht Partei, er ist a b e r auch nicht unbeteiligter dritter, sondern der f ü r die P a r t e i Prozeßfähige. a) Kollidiert seine Rechtsphäre m i t der des von i h m Vertretenen, so k o m m t er als gesetzlicher Vertreter nicht in b e t r a c h t . a 1. Doch kann der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, hinter der n u r er s t e h t (etwa bei der E i n m a n n G m b H ) , wegen des Verbots der Parteienkongruenz (§ 50 B I V a) n i c h t zu einer kollidierenden P r o z e ß v e r t r e t u n g k o m m e n . a 2. Dementsprechend darf der gesetzliche Prozeßvertreter zwar zusammen m i t der von ihm gesetzlich v e r t r e t e n e n P a r t e i klagen oder verklagt werden, aber nicht gegen sie klagen oder von ihr verklagt werden (RG N § 51/8), was allerdings die (später) anders v e r t r e t e n e P a r t e i nicht hindert, gegen ihn vorgehen zu dürfen. D a s entsprechende gilt f ü r die Stellung als Streitgehilfe, die Streithilfe auf Seiten der gesetzlich v e r t r e t e n e n P a r t e i ist zulässig, auf der Gegenseite nicht. b) Die H a n d l u n g e n des Prozeßfähigen (gesetzlichen Vertreters) namens der P a r t e i wirken innerhalb des Prozeßverhältnisses für und gegen die vertretene Partei (RGZ 156/193 [196]). c) Soweit keine Sondervorschriften (vgl. §§ 41 1 4, 171, 586 I I I ) gegeben sind, wird der gesetzliche Vertreter der Partei entsprechend behandelt, also nicht wie ein dritter. E r darf nicht als Zeuge v e r n o m m e n werden. Auf ihn sind deshalb auch die Vorschriften der §§ 141, 426, 441 I I I , 445folg., 451 I, 807, 883, 887—890 (OLG 40/416), 889folg. a n z u w e n d e n ; ob a u c h § 619 auf ihn a n w e n d b a r ist, ist zweifelhaft. Auch sonst n i m m t er bei der Vollstreckung die Schuldncrstellung ein, soweit er Besitzdiener (BGB § 855) ist (§§ 807, 889). Ausgeschlossen aber ist seine V e r t r e t u n g d u r c h § 610 I I I 1 im E h e s ü h n e t e r m i n . d) D a r ü b e r hinaus b e g r ü n d e t aber das Prozeßverhältnis auch eine eigene Verantwortlichkeit des gesetzlichen Vertreters, die über die eiDes sonstigen d r i t t e n (der er a u c h unterliegt, vgl. §§ 41 I 4, 102 I, GVG §§ 177 folg.) h i n a u s g e h t . F . § 51 stellt neben die gesetzliche V e r t r e t u n g als Prozeß-(voraussetzung)bedingung die Ermächtigung zur Prozeßführung. F I. Eine besondere E r m ä c h t i g u n g zur P r o z e ß f ü h r u n g gibt es n a c h außerprozessualem B u n d e s r e c h t i m Fall des B G B § 1595 I I (Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes durch den gesetzlichen Vertreter). Nach sonstigem außerprozessualen R e c h t k ö n n e n aber E r m ä c h t i g u n gen noch f ü r Ausländer (vgl. § 55) u n d n a c h Landesrecht in B e t r a c h t k o m m e n . D a r ü b e r h i n a u s schreiben bei Ehescheidung- u n d -aufhebungklagen § 612 II 2 u n d bei K i n d s c h a f t a n f e c h t u n g klagen § 641 Geschäft- (richtiger: Prozeß-)unfähiger (der b e s c h r ä n k t Geschäftsfähige ist prozeßfähig, vgl. § 51 B I I b) die E r m ä c h t i g u n g durch das Vormundschaftgericht vor, wenn sie v o m gesetzlichen Vertreter betrieben wird (abweichend: R G Z 86/15, das eine E r m ä c h t i g u n g zur K l a g e f o r t f ü h r u n g nicht f ü r erforderlich hält, sondern n u r zur Klageerhebung). b) Uber die Klageermächtigung kraft Parteiwillkür vgl. § 50 G I a, § 114 B I a. F II. Getroffen wird die Prozeßführung als solche, n i c h t das R e c h t zur V o r n a h m e einzelner H a n d l u n g e n (vgl. § 54 A I), die, wenn sie in das außerprozessuale R e c h t hinüberspielen, u . U . der Z u s t i m m u n g anderer bedürfen, etwa der des V o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t s (vgl. B G B §§ 1821 folg.).
§ 52(51) I II
Eine Person ist insoweit prozeßfähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann. Die Prozeßfähigkeit einer Frau wird dadurch, daß sie Ehefrau ist, nicht beschränkt.
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Parteifälligkeit. Prozeßfähigkeit
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A. § 52 I bezieht die Prozeßfähigkeit auf die Verpflichtungfähigkeit (nicht auf die Verfügungfähigkeit); er führt damit den in §51 gewonnenen Begriff folgerecht durch. A I. Es kommt auf die selbständige Verpflichtungfähigkeit im Einzelfall an; a) sie ist unselbständig, wenn sie auf der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, gegeben für den Einzelfall, beruht. Deshalb ist der Minderjährige, der die Zustimmung des gf sitzlichen Vertreters hat, noch nicht insoweit geschäfts- und prozeßfähig (Rosenberg Lb. § 43 I, a. M. Oertmann, Judicium l/169folg.), wohl aber der, welcher auf Grund allgemeiner Ermächtigung nach BGB §§ 110, 112, 113 im Einzelfalle selbständig handelt (also hier voll geschäfts- und prozeßfähig ist). Die Erteilung einer außerprozessualen Vollmacht an einen beschränkt Geschäftsfähigen (vgl. BGB § 165) macht ihn noch nicht prozeßfähig (a. M. Rosenberg Lb. §431); denn die Prozeßfähigkeit belastet den beschränkt Geschäftsfähigen i. S. des BGB § 107 derart, daß sie ihm nicht bloß vorteilhaft ist (§ 51 B II b). b) Soweit jemand geschäftsfähig ist, ist er auch prozeßfähig, selbst wenn er im allgemeinen nur beschränkt geschäftsfähig ist. Es sind dies die Fälle der relativen Prozeßfähigkeit, die für den bestimmten Sachverhalt gegeben ist, auf den sich die Befreiung bezieht (RG H R R 34/42; vgl. § 51 B II b), für den ganzen Prozeß gilt und damit die (insoweit eben nicht konkurrierende) des gesetzlichen Vertreters ausschließt. b 1. Die Prozeßfähigkeit erstreckt sich sowohl auf die Parteirolle des Klägers wie die des Beklagten; sie ist also insoweit unbeschränkt; sie bleibt aber bezogen auf die Gebiete, für die die Partei geschäftsfähig ist. Auf andere Gebiete darf sie nicht, auch nicht unter Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, erstreckt werden. Klagehäufung mit anderen Ansprüchen ist deshalb unzulässig, ebenso die Widerklage, welche einen anderen Klagegegenstand hat. Über die Aufrechnung vgl. § 52 A I b 2. b 2. Bezieht sich aber ein Rechtsbehelf, etwa die Einrede des Zurückbehaltungrechts nur auf außerprozessuales Recht, so ist seine Wirksamkeit nach diesem zu beurteilen. Für die Aufrechnung gilt dies nur, soweit man sie nicht als (Eventual-)Widerklage ansieht; dann muß, wenn es zu einem Vorbehalturteil gekommen ist (§ 302 A I), der beschränkt Geschäftsfähige auch das Nachverfahren durchführen dürfen (obwohl er es nicht selbständig zum Klagegegenstand machen könnte), weil damit nur über die Berechtigung seines (klageabweisenden) Begehrens erkannt wird, wofür er in vollem Umfange prozeßfähig ist. Umgekehrt gibt es noch Fälle, wo der beschränkt Geschäftsfähige nach außerprozessualem Recht sich nicht wirksam vergleichen, anerkennen oder verzichten kann, so wie hier die E k e r n und der Vormund dazu u. U. der vormundschaftgerichtlichen Genehmigung bedürfen und deshalb den beschränkt Geschäftsfähigen nicht ermächtigen können (§54 A l b 2); solche Handlungen sind dann u. U. unwirksam, berühren aber seine Verpflichtungsfähigkeit und damit seine Prozeßfähigkeit als solche nicht. b 8. Entsprechend ist er auch prozeßfähig für die Folgeprozesse nach §§ 731, 767 folg. c) Bei der g e s e t z l i c h e n V e r t r e t u n g kann die Vertretungmacht für Rechtsgeschäfte anders als die für den Prozeß normiert worden sein (vgl. für die der juristischen Personen des öffentlichen Rechts § 51 D III); § 52 I steht dem nicht entgegen, weil es hier nicht um die Prozeßfähigkeit einer Person geht, sondern um ihre gesetzliche Prozeßvertretungmacht. A II. Mit der fehlenden Verfügungbefugnis hat die Prozeßfähigkeit als solche unmittelbar nichts zu tun. Da der Gemeinschuldner als solcher voll geschäftsfähig (wenn er es sonst ist) bleibt (vgl. RGZ 73/312 [315]), ist er auch prozeßfähig usw. B. Durch die Heirat (der Begriff ist dem EheG zu entnehmen; auch bei nichtiger Ehe) werden Frau und Mann Eheleute (nur bei der Nichtche ist dies nicht der Fall). Dadurch allein werden sie weder in ihrer Verpflichtungsfähigkeit noch in der Verfügungsfähigkeit beschränkt. Doch darf durch Ehegüterrechts Verträge sich jeder Gatte in gesetzlich geregelter Weise der Verfügungmacht begeben, und er tut es schon durch Eingehung der Ehe insoweit, wie er durch die Zugewinngemeinschaft in seiner Verfügungmaeht beschränkt wird (BGB §§1365folg.), also immer, wenn nicht die Zugewinngemeinschaft ausgeschlossen (BGB § 1414 1 2) oder Gütertrennung vereinbart worden ist (BGB § 1414 11). Da die Frage der Prozeßfähigkeit aber nur auf die Verpflichtungfähigkeit zu beziehen ist, ist die Regel des § 50 II, wonach die Frau als
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§52 B
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solche (wenn sie es sonst ist), prozeßfähig ist, keine Sonderregelung- des Prozeßrechts (RG N § 52/10: auch bei der allgemeinen Gütergemeinschaft darf also die Frau verklagt werden; verurteilt werden darf sie indes nur, wenn sie haftet). Nur bei Ausländern (vgl. § 55 1) kann § 52 I I noch praktisch werden. B I. Dennoch spielen die Verfügungbeschränkungen der Frau wie des Mannes im Verfahren eine besondere Rolle, soweit sie durch das Ehegüterrecht gegeben sind. Sie wirken zwar nicht auf die Prozeßfähigkeit ein und gehören damit nicht zu den Prozeßbedingungen; die fehlende Verfügungfähigkeit f ü h r t aber zu sachabweisenden Urteilen (RG Gruch. 49/944). B II. Soweit die Eheleute keinen Güterrechtsvertrag abgeschlossen, leben sie im Güterrecht der Zugewinngemeinschaft (BGB §§ 1363 folg.), falls sie sich übergangsrechtlich nicht zur Gütertrennung bekannt haben (GleichberechtigungG Art. 8 13, 4) bzw. wenn sie schon in Gütertrennung lebten, aber die Voraussetzungen des GleichberechtigungG Art. 8 1 5 , I I nicht gegeben sind. Durch Güterrechtsvertrag darf Gütertrennung vereinbart, die Zugewinngemeinschaft ausgeschlossen (BGB § 1414); aber auch die Gütergemeinschaft neuen Rechts (BGB §§ 1415folg.) vereinbart werden. Auf diesen Güterstand ist die frühere allgemeine Gütergemeinschaft übergeleitet worden (GleichberechtigungG Art. 8 I 6). Dagegen gelten für die Errungenschaft- und die Fahrnisgemeinschaft, die bis zum 30. 6. 1958 einschließlich vereinbart worden sind, die alten Normen, also auch die über das eingebrachte Gut der Frau, die bei der Überleitung der allgemeinen Gütergemeinschaft (hier Sondergut genannt) gefallen sind. a) Bezüglich der Normen über eingebrachtes Gut vgl. Kommentar § 52 B I I a (doch gilt BGB § 1362 in neuer Fassung [Kommentar § 739 G I a]). b) Die Verfügungmacht über das Gesamtgut, einschließlich der Klagebefugnisse, sind in BGB §§ 1422, 1450, 1487 geregelt; über das bei der Fahrnisgemeinschaft vgl. BGB § 1549 a. F., über das bei der fortgesetzten Fahrnisgemeinschaft BGB § 1557 a. F., über das bei der Errungenschaftgemeinschaft BGB § 1519 a. F. c) Beim Zugewinngut gibt es Verfügungbeschränkungen, die dem übergangenen Gatten ein Klagerecht auch gegen dritte nach BGB §§ 1368, 1369 I I I geben. B III. Aus der Verfügungsbefugnis folgt die (außerprozessuale) Begründetheit der Klage. Soweit nur Vorbehaltgut ein es Gatten oder (Sondergut) eingebrachte? Gut in Betracht kommt, gibt es keine sich überschneidende Verfügungbefugnis; der, dessen Gut betroffen wird, ist allein berechtigt und verpflichtet; abgesehen vom Zugewinngut (Kommentar § 5 2 B I I c ) ; über eingebrachtes Gut vgl. Kommentar §§ 739 A, 52 B I I I a—g. B I V a. Die zum Gesamtgut gehörenden Aktivprozesse a 1. darf der allein verwaltende Gatte im eigenen Namen führen (BGB § 1422 I I ) . Der nichtvcrwaltende Gatte ist in diesen Prozessen nicht Partei, darf intervenieren und als Zeuge vernommen werden (RG J W 08/70 3 ). a 2. Der nichtverwaltende Gatte darf sein Recht am Gesamtgut im Prozeß im eigenen Namen (vgl. OLG 14/229) geltend machen, wenn der andere in den Fällen des BGB §§ 1423 bis 1425 über das Gesamtgut ohne seine Zustimmung verfügt hat, und diese auch nicht durch das Vormundschaftgericht (BGB §1426) ersetzt worden ist (BGB §14281, ferner wenn der andere verhindert ist (BGB § 1429) oder ein Geschäft für die ordnungmäßige Besorgung der persönlichen Angelegenheiten des nichtverwaltenden Gatten in Frage steht (wo, wenn der andere nicht zustimmt, die Zustimmung durch das Vormundschaftgericht ersetzt werden darf, BGB § 1430), weiter in den Fällen der Annahme oder Ablehnung von Zuwendungen nach BGB § 1432 und schließlich bei der Fortführung eines vor der Verfügungbeschränkung begonnenen Rcchtstreits durch den nicht verwaltenden Gatten (BGB § 1433). Vgl. das zu Kommentar § 52 B I I b 1 Erläuterte bezüglich des Erwerbsgeschäftes. Nebenintervention des Mannes und seine Zeugenschaft werden auch hier zuzulassen sein. Ist im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft (BGB §§ 1483, 1557) die Frau die Überlebende, so tritt sie an die Stelle des Mannes (Kommentar § 52 B I I b 2, 4). Nebenintervention und Zeugenschaft eines jeden Abkömmlings sind zuzulassen.
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§ 5 2 BIV
a 3 . Auch dürfen beide Gatten klagen, selbst wenn nur einer zu klagen brauchte. Soweit beide Gatten das Gesamtgut verwalten, müssen sie allerdings regelmäßig beide klagen bzw. verklagt werden (BGB § 1450 I). Nur soweit in diesem Falle einer der Gatten auch allein verfügen darf (BGB §1454), darf er auch allein (im eigenen Namen) klagen (an sich oder an sich und den andereD Gatten die Leistung verlangen), soweit ein Gatte vor Eingehung der Gütergemeinschaft sich im Rechtstreit befand, wird dieser von ihm allein bzw. gegen ihn allein fortgesetzt (vgl. BGB § 1455 I 7), auch darf er allein gegen den anderen Gatten klagen (BGB § 1455 I 6) bzw. gegen einen dritten, wenn der allein verwaltende Gatte ohne seine (erforderliche) Zustimmung gehandelt hatte (BGB § 1455 I 8), auch darf er für das Gesamtgut nach § 771 allein intervenieren (BGB § 1455 I 9). Soweit hiernach die Gatten zusammen klagen bzw. verklagt werden, sind sie notwendige Streitgenossen (§ 62). a 4. Bei Aufhebung der Gesamtgutgemeinschaft tritt, sofern nicht die fortgesetzte Gütergemeinschaft sich anschließt, ein Auseinandersetzungstadium ein (BGB §§ 1471 folg.). In diesem sind grundsätzlich nur beide Gatten verfügungberechtigt. Klagt hier also ein Gatte, so muß er grundsätzlich die Zustimmung des anderen bzw. eines jeden Abkömmlings behaupten; das entsprechende gilt, wenn ein Abkömmling klagt. Doch wird in diesen Fällen BGB § 2039 entsprechend angewandt (RG v. 9.1.1913 IV Warn. 150, v. 2. 1.1905 IV Gruch. 49/972 [974]), so daß also jeder im eigenen Namen auf Leistung (oder Feststellung) an alle klagen darf, auch wenn er nicht die Zustimmung der übrigen oder aller übrigen hat (gegen diese wirkt aber das Urteil außerprozessual nicht). b) Passivprozesse können stets b 1. gegen den allein verwaltenden Gatten geführt werden. Ein gegen ihn gerichteter Titel ist genügend zur Vollstreckung in das Gesamtgut (§ 740). Außerprozessual wirkt das Urteil Rechtskraft gegen den anderen Teil, weil der Verklagte allein verfügungbefugt ist (BGB § 1380 I 2 in entsprechender Anwendung). b2. Ob Passivprozesse allein gegen den nicht verwaltungberechtigten Gatten geführt werden dürfen, ist zweifelhaft und streitig, wird aber von der h. M. bejaht (RGZ 105/19 [21]). Das Urteil wirkt gegen den verwaltenden Gatten außerprozessual nur, soweit die Verfügung des nicht verwaltenden Gatten ihm gegenüber wirksam ist, im besonderen, soweit er zugestimmt hat; doch muß auch hier der Duldungtitel gegen ihn erwirkt werden. Nur wenn der nicht verwaltende Gatte ein Erwerbsgeschäft betreibt, genügt zu der Vollstreckung in das Gesamtgut ein Titel gegen den nichtverwaltenden Gatten (§741); ist der Rechtstreit vor dem Eintritt der Gütergemeinschaft begonnen, ist Umschreibung des Titels nach § 742 zulässig. b 3. Entsprechend dürfen auch die Passivprozesse gegen beide Ehegatten geführt werden. Soweit es sich aber um Gesamtgutverbindlichkeiten handelt, sind die Gatten notwendige Streitgenossen ( § 6 2 A I I a l ) ; ausgenommen sind hier nur die Fälle, in denen die Haftung des Gesamtgutes verneint und die der Frau bejaht werden kann (BGB §§ 1439, 1440, 1461, 1462; vgl. OLG 5/22). b 4. Im Falle der Aufhebung der Gesamtgutgemeinschaft kann auch jeder einzelne Teilhaber nach Teilung des Gesamtgutes als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden (BGB §§ 1480, 1498). Daraus folgt, daß auch in diesem Falle die Klage gegen jeden einzeln zuzulassen ist, selbst wenn noch nichts verteilt worden ist (allerdings beschränkt auf das Gesamtgut). e) Bei der Zugewinngemeinschaft entspricht die Rechtslage bezüglich der Verfügungbeschränkungen (BGB §§ 1365—1370) der Gütergemeinschaft insoweit, wie der auch nicht mitverwaltende Gatte Ansprüche gegen den allein verwaltenden bzw. gegen dritte hat. Eine Haftung des Gatten, dem das Vermögen nicht gehört, kommt gegenüber Gläubigern des anderen Gatten nicht in Betracht (BGB § 419 kommt nicht zum Zuge, weil der Zugewinnanspruch ein obligatorischer ist; aber auch Gläubigeranfechtungrechte sind nicht gegeben, weil es sich um einen gesetzlich begründeten Anspruch handelt); dagegen hat ein benachteiligter Gatte unter den Voraussetzungen des BGB § 1390 Ergänzungansprüche gegen dritte. B V a) Dem klagenden Gatten dürfen im Aktivprozeß
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§52
BV
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a 1. alle aus demselben Rechtsverhältnis (§ 253 B I I b) entstammenden Einwendungen und Einreden entgegengehalten werden, wie er alle Repliken und Replikationen h a t und diesen wieder alle Dupliken und Duplikationen entgegengestellt werden dürfen usw. Insoweit ist die Rechtslage nicht anders als bei relativer Prozeßfähigkeit (vgl. §52 A I b 2 ) . Doch darf hier die Aufrechnung, sofern sich zwei aus demselben Rechtsverhältnis stammende Forderungen gegenüberstehen (wenn sie nicht schon ohne Aufrechnung zu saldieren sind, wie meist bei der ungerechtfertigten Bereicherung), dem klagenden Gatten stets entgegengesetzt werden, weil sie ihn, wenn er klagebefugt ist (mit)betrifft (vgl. § 52 B V a 2); insoweit darf ihm aber auch die Widerklage entgegengesetzt werden. Über die nur die Person eines Gatten betreffenden Einwendungen und Einreden vgl. § 52 B V a 3. a 2. Ob darüberhinausgehend aus einem anderen Rechtsverhältnis der Parteien Ansprüche dem klagenden Gatten im Aktivprozeß entgegengehalten werden dürfen, richtet sich nach dem außerprozessualen Recht, soweit es sich u m außerprozessuale Ansprüche; nach Prozeßrecht, soweit es sich u m solche handelt. a 3. Das Prozeßverhältnis wird aber lediglich in der Person der Parteien begründet. Die prozeßhindernden Einreden des § 274 I I 5, 6 können deshalb dem aktiv Klagenden entgegengesetzt werden, wenn sie in seiner Person entstehen. b) Bei dem Passivprozeß handelt es sich u m die Frage, inwieweit ein Ehegatte dem Kläger Ansprüche aus anderen Rechtsverhältnissen entgegenhalten darf. Auch dies ist dem außerprozessualen Recht zu entnehmen. e) Bei dem Zugewinnanspruch ergibt sich die Besonderheit, daß der Ehegatte, dem der Anspruch zusteht, dem Anspruch eines dritten den Einwand aus BGB § 1390 entgegensetzen darf. § 5 3
( - )
I Wird in einem Rechtsstreit eine prozeßfähige Person durch einen Pfleger vertreten, so steht sie für den Rechtsstreit einer nicht prozeßfähigen Person gleich. A I . Ob der Vertreter des abwesenden Beschuldigten nach StPO § 292 dem Beschuldigten die Prozeßfähigkeit nimmt, ist streitig (verneinend: RG Gruch. 33/1092, wogegen RG Gruch. 29/1113 Prozeßunfähigkeit annimmt). A l l . Unter § 5 3 fallen a) der Gebrechlichkeitspfleger des BGB §1910, b) der Abwesenheitpfleger des BGB § 1911; vgl. dazu auch ZuständigkeitergänzungG § 10, c) der Pfleger für unbekannte oder ungewisse Beteiligte des BGB § 1913, d) der Pfleger für Sammelvermögen des BGB § 1914, e) der Nachlaßpfleger des BGB §§ 1960folg. A III. Nicht unter § 58 gehören die Parteien kraft amtes wie die Prozeßvertreter nach §§ 57, 58, 494 II, 668, 679 I I I , 686 II, 779 II, 787; wie die Fälle des BGB §§ 1429, 1454. In diesen ist der Vertreter in der Lage durch Hervortreten im Prozeß den Prozeßvertreter zu verdrängen. A I V . Die Kollision mehrerer gesetzlicher oder mehrerer gewillkürter Vertreter wird durch § 53 nicht geregelt. b) Die Vorschrift gilt ferner nicht bei Kollisionen zwischen mehreren gewillkürten Vertretern untereinander oder dieser mit den Vertretenen. Darüber entscheidet allein das außerprozessuale Recht. B I. Zur Übernahme des Prozesses durch den Pfleger i. S. des § 53 gehört die Abgabe der proiessualen, enrifangsbedürfuigen (dem Gericht oder der Gegenpartei gegenüber abzugebenden) Wilbnserkläning, durch dia der ,,Pfleger" zu erkennen gibt, daß er dsn Prozeß führt (vgl. RGZ 52/223). a) Weder der Prozeßgegner (dieser kann auch einen Prozeßfähigen fordern, vgl. KG OLG 1/385, (dem er möglicherweise allerdiigs außerprozessual Gericht (etwa durch Anordnung seiner Vernehmung,
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nicht die Bestellung eines Pflegers f ü r KG OLG 2/141) noch der Vertretene auf Schadenersatz haftet) noch das in dieser liegt deshalb noch keine Über-
Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§ 53 BI a
nahmeerklärung) können diese E r k l ä r u n g e r z w i n g e n , der Prozeßgegner im besonderen nicht dadurch, daß er die Klage gegen den Beklagten, vertreten durch den Pfleger, richtet (Versäumnisurteil darf so allerdings auch gegen den Beklagten ergehen, weil der Pfleger gesetzlicher Vertreter ist). Solange sich der „Pfleger" nicht erklärt hat, darf auch der Vertretene als Kläger oder Beklagter auftreten. Eine Streitverkündung an den Pfleger ist unzulässig, als Streitgehilfe kann er als Pfleger (anders wenn er ein eigenes Recht hat) dem Beklagten nicht beitreten (RG J W 26/806 2 ), als sein Beistand (§ 90) kann er als Pfleger nicht auftreten, weil, wenn er als Pfleger auftritt, er den Prozeß übernimmt. b) H a t er sich aber erklärt (gegenüber dem Gericht), so ist seine Erklärung für den Rechtstreit unwiderruflich und unanfechtbar. Eine solche Erklärung liegt vor, wenn der Pfleger die Klage erhebt oder sich ohne Rüge in eine gegen ihn gerichtete Klage einläßt (§ 295) oder wenn er in einen von seinem Vertretenen oder gegen diesen anhängigen Streit als gesetzlicher Vertreter eintritt, was er in jeder Lage des Verfahrens t u n darf (RGZ 52/223). c) Mit der Aufhebung der Pflegschaft endet sein Recht, auch wenn sie irrtümlich aufgehoben wurde (RG Warn. 30/63). B II. Beginnt der Vertreter einen neuen Prozeß oder wird ein neuer gegen ihn erhoben, so steht dem zweiten die Einrede der R e c h t s h ä n g i g k e i t entgegen. B III. Ist der Pfleger in dem Rechtstreit als Vertreter hervorgetreten, so kann der Vertretene nicht verhindern, daß gegen ihn V e r s ä u m n i s u r t e i l ergeht; er ist für diesen Prozeß prozeßunfähig; doch darf ihm der Pfleger Prozeßvollmacht erteilen, wenn er den Prozeß nicht fortführen, die Fortführung aber dem Vertretenen überlassen will. Durch einseitige Erklärung kann er aus dem Prozeß nicht ausscheiden. Wieweit die Erklärungen des Pflegers reichen — das Gesetz sagt „ f ü r den Rechtsstreit" — ist nicht unzweifelhaft. Man wird sie auf das gesamte Prozeßverhältnis beziehen dürfen, also auch auf Widerklagen, selbst wenn sie später erhoben werden, auf Nachverfahren, das Kostenverfahren und auf Erteilung der Vollstreckungsklauseln (vgl. §§7261, 731) oder ihre Verweigerung (vgl. §768), aber auch auf Wiederaufnahmeklagen. Dagegen wird man dem Vertretenen die selbständige Klage nach § 767 nicht verwehren dürfen, weil hier ein neuer außerprozessualer Gegenanspruch, der noch nicht streitbefangen oder entscheidungbefangen ist, erhoben wird.
§ 54 (52) I Einzelne Prozeßhandlungen, zu denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Bechts eine besondere Ermächtigung erforderlich ist, sind ohne sie gültig, wenn die Ermächtigung zur Prozeßführung im allgemeinen erteilt oder die Prozeßführung auch ohne eine solche Ermächtigung im allgemeinen statthaft ist. A I. Nach § 54 steht der gesetzliche Vertreter im Prozeßverhältnis mit seinen Prozeßhandlungen (zu denen auch die Unterlassungen zählen) frei, selbst wenn er nach außerprozessualen Regeln zu Rechtsgeschäften mit demselben Ziel einer Zustimmung (etwa des Vormundschaftsgerichts) bedarf und wenn er sich ohne diese außerprozessual ersatzpflichtig macht (vgl. RGZ 56/333 [3361). a) Unter den Begriff der Prozeßhandlungen fallen alle Willenserklärungen (nicht die Wissenserklärungen) der Partei (und entsprechend auch alle unterlassenen Willenserklärungen, die das Gesetz bei Verlust des Anspruchs abzugeben fordert), die sich auf das Prozeßverhältnis als solches beziehen und für dieses notwendig sind (§ 38 B II a 2). Welche dies sind, ist nur dem Gesetz und dem Ziel der Prozeßordnung zu entnehmen. a 1. Anerkenntnis des Anspruchs (§ 307) und Verzicht auf ihn (§ 306) werden als Prozeßhandlungen angesahen (§ 306 A II). b) Nicht auf das Prozeßverhältnis beziehen sich aber die Erklärungen, welche das außerprozessuale Rechtsverhältnis als solches betreffen (wie Kündigung, Anfechtung, Widerruf einer Schenkung, Zustimmung u. dgl. m.), mögen sie auch im Prozeß abgegeben werden; diese gestalten das außerprozessuale Recht unmittelbar und wirken auch ohne den Prozeß
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§ 54 A I
b
ZPO I. Buch
und über ihn hinaus, soweit nicht außerprozessuale Rechtskraft ihnen entgegentritt (sie sind Verfügungen des außerprozessualcn Rechts); die Prozeßhandlungen beziehen sich dagegen nur auf das Prozeßverhältnis als solches und gestalten dieses. b 1. Der Vergleich ist keine Prozeßhandlung, selbst wenn er im Prozeß geschlossen wird (RGZ 133/259). b 2. Über die außerprozessual geregelte Zustimmungspflicht bei dem Vormund vgl. BGB §§ 1714, 1809 folg. (dies gilt für den Pfleger entsprechend, vgl. BGB §§ 1915, 1960, 1962, 1975) und für den Vergleich im besonderen BGB § 1822 112, bei den Eltern BGB §§ 1643 folg.
§ 55
(53)
I Ein Ausländer, dem nach dem Recht seines Landes die Prozeßfähigkeit mangelt, gilt als prozeßfähig, wenn ihm nach d.m Recht des ProzeBgerichts die Prozeßfähigkeit zusteht. A I . Soweit ein Ausländer nach inländischem Recht geschäftsfähig (oder beschränkt geschäftsfähig ist), ist er auch prozeßfähig (§§ 51 folg.). Nur wenn einer nach ausländischem Recht gegebenen Geschäftsfähigkeit eine im Inlande erklärte Entmündigung (EG BGB Art. 8) entgegensteht, also selbst dann, wenn sie das ausländische Recht nicht anerkennt, ist der Ausländer prozeßunfähig. a) Geschäftsfähig im Inland ist der Ausländer, wenn er es nach ausländischem Recht ist (EG BGB Art. 7 I, BGH JZ 56/535); verweist das ausländische Recht auf die inländischen Gesetze, dann sind diese allein maßgebend (EG BGB Art. 27). Nach EG BGB Art. 7 I ist ein Ausländer im Inland ferner beschränkt geschäftsfähig, soweit er es im Ausland ist, dies gilt im besonderen auch für die Wechsel- und Scheckfähigkeit (WechselG Art. 91 I, ScheckG Art. 6 0 1 ; bei Rückverweisung dieses Landes auf das Recht eines anderen ist das des anderen maßgebend). b) Wird aber von dem Auslärder im Inlande ein Rechtsgeschäft vorgenommen und ist er dafür nach dem Recht seines Landes nicht geschäftsfähig, so ist er es nach inländischem Recht, wenn er hierfür als Inländer geschäftsfähig wäre (EG BGB Art. 7 I I I 1). Vorgenommen ist aber das Rechtsgeschäft im Inlande nur, wenn es im Inlande erklärt wird, nicht schon, wenn die Erklärung im Auslande abgegeben wird, mag sie auch erst mit Zugang im Inlande wirksam werden (so auch für Wechsel- und Scheckfähigkeit: ScheckG Art. 60 II 1, WechselG Art. 91 II 1). b 1. Ehefrauen sind nach inländischem Prozeßrecht stets prozeßfähig (§ 52 II). b 2 . Die ausländische Entmündigung wird regelmäßig im Inlande anerkannt werden. c) Eine allgemeine Ausnahme bezüglich der Geschäftsfähigkeit des Ausländers besteht aber für die im Inlande vorgenommenen Rechtsgeschäfte, wenn sie sich auf ein ausländisches Grundstück (eine im Auslande registrierte Sache) beziehen oder familien- (vgl. EG BGB Art. 13—23) oder erbrechtlicher (vgl. EG BGB Art. 24—26) Art sind (EG BGB Art. 7 I I I 2); auch davon gibt es nach EG BGB Art. 13 I, 15 II, 17 I eine Unterausnahme, soweit das ausländische Recht auf deutsches verweist; dann ist das deutsche maßgebend (EG BGB Art. 27). Über die Eheschließung von Ausländern vgl. EheG §15a. A l l . Ist danach ein Ausländer prozeßunfähig, so vertritt ihn sein gesetzlicher Vertreter. Wer dies ist, bestimmt sich grundsätzlich nach ausländischem Recht (vgl. RGZ 117/215 [2171). AIV. Die Beschränkungen in der Verfügunggewalt bleiben, da es für die Prozeßfähigkeit nur auf die Verpflichtungfähigkeit abzustellen ist, nach inländischem Prozeßrecht außer Betracht. A V. Bei einer Person, die mehrfache Staatsangehörigkeit hat, wird es darauf abzustellen sein, ob sie die Staatsangehörigkeit des Landes hat, von dem sie die Rechtshandlung aus vornimmt. Ist dies nicht der Fall, so wird sie sich jedes ausländische Recht entgegensetzen lassen müssen, dem 6ie als Staatsangehörige unterworfen ist. Eine deutsche ist aber in jedem Falle auch dem inländischen Recht unterworfen.
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§55
A VI. Beim Staatenlosen wird das ausländische Recht in Betracht gezogen, dem er vor Verlust der (letzten) Staatsangehörigkeit unterworfen war; hatte er auch früher keine Staatsangehörigkeit, so kommt das Recht seines Wohnsitzes, ersatzweise das des Aufenthaltortes (vgl. § 16) in Betracht (EG BGB Art. 29). B II a) In der Ostzone tritt die Volljährigkeit schon mit vollendetem 18. Lebensjahr ein (DDR G v. 17. 5. 1950 [GBl. 437], Ostberliner VO v. 8. 6. 1950 [VOB1. I 149]); danach sind Deutsche, die dort ihren Wohnsitz bzw. ersatzweise ihren Aufenthalt haben, im Westen prozeßfähig. Haben sie ihren Wohnsitz im Osten und im Westen, so gilt für sie auch das Ostrecht im Westen. Wechselt ein Deutscher von Ost nach West, so ist auf ihn EG BGB Art. 7 II entsprechend anzuwenden. c) Die verschiedene Verfügungbefugnis der Ehefrauen ist eine Frage des außerprozessualen Rechts. Danach kommt es darauf an, wo sie verfügt haben. Dabei wird die Verfügung über ein Ostgrundstück oder eine in der Ostzone existente Sache im Osten allerdings auch dann anerkannt werden, wenn über das eingebrachte Gut der Frau ohne Zustimmung des Mannes von ihr verfügt wird u. dgl. m.; und man wird deshalb die Wirksamkeit der Verfügung nach außerprozessualem Recht auch in der Westzone anerkennen müssen, soweit sich aus den beiden Rechten Differenzen ergeben.
§ 56 (54) I Das Gericht hat den Mangel der Parteifähigkeit, der Prozeßfähigkeit, der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Prozeßführung von Amts wegen zu berücksichtigen. II Die Partei oder deren gesetzlicher Vertreter kann zur Prozeßführung mit Vorbehalt der Beseitigung des Mangels zugelassen werden, wenn mit dem Verzuge Gefahr für die Partei verbunden ist. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beseitigung des Mangels zu bestimmende Frist abgelaufen ist. A. Nach § 56 I hat das Gericht von sich aus auf die fehlende Partei- oder Prozeßfähigkeit, einschließlich der sie ersetzenden richtigen gesetzlichen Vertretung (sowie auf die fehlende Ermächtigung zur Prozeßführung, einen Fall, der schwerlich praktisch werden wird, vgl. §§52, 54) zu achten. A I b 1. Ist eine Nichtpartei im Prozeß vertreten oder tritt für den Prozeßunfähigen (falschen gesetzlichen Vertreter; den nicht Ermächtigten) jemand auf und ergeht ein mit einem ab Zustellung befristeten Rechtsbehelf angreifbares Erkenntnis, so wird im Zustellungverfahren die Nichtpartei als Partei, der Prozeßunfähige als prozeßfähig, der falsche gesetzliche Vertreter als richtiger (der nicht Ermächtigte als ermächtigt) behandelt (BGH NJW 58/343), sofern sie sich schon im Prozeß befanden. b 2. Ist dagegen der Prozeß unterbrochen worden, weil eine Partei parteiunfähig, ein Prozeßfähiger prozeßunfähig geworden bzw. ein gesetzlicher Vertreter ersatzlos — d. h. ohne daß der Prozeßunfähige selbst prozeßfähig geworden ist — entfallen ist, so gilt dies auch im Zustellungverfahren (abgesehen von § 246 kann hier also nicht wirksam zugestellt werden). Dieser Unterbrechunggrund wirkt sogar noch nach wirksamer Zustellung, wenn nur die Rechtsbehelffrist noch nicht abgelaufen war. b 3. Wird an Stelle der im Verfahren aufgetretenen Nichtpartei, an Stelle des Prozeßunfähigen bzw. des falschen gesetzlichen Vertreters (des Nichtermächtigten) der echten Partei, dem Prozeßfähigen bzw. dem richtigen gesetzlichen Vertreter (dem Ermächtigten) zugestellt, so sind zwei Fälle zu unterscheiden: ist die Nichtpartei Partei geworden (etwa der nicht rechtsfähige klagende Verein durch Eintragung), der Prozeßunfähige prozeßfähig (etwa durch Erlangung der Volljährigkeit), der falsche gesetzliche Vertreter der richtige (etwa durch nachträgliche Bestellung), so läuft ab Zustellung die Rechtsmittelfrist und darüber hinaus nach h. M. (vgl. RGZ 61/418 [420]) ab Rechtskraft die Monatsfrist zur Erhebung der Nichtigkeitsklage (vgl. §§ 586 III, 579 I 4), 19
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§ 56 AIb 3
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wenn das Rechtsmittel bzw. der Einspruch nicht (oder nicht wirksam) eingelegt wird (wozu das Gesetz nicht zwingt, § 579 II), wenn man in der Nichteinlegung des Rechtsmittels bzw. des Einspruchs nicht die Genehmigung der bisherigen Prozeßführung zu sehen h a t (was regelmäßig der Fall sein wird). Ist dagegen der Unterschied zwischen Nichtpartei und richtiger Partei, Prozeßunfähigem bzw. dem falschen gesetzlichen Vertreter und seinem richtigen gesetzlichen Vertreter (dem nicht Ermächtigten und dem Ermächtigten) in Form mehrerer Personen geblieben, so setzt die Zustellung an die richtige Partei, den richtigen gesetzlich:: n Vertreter usw. nicht die Rechtsmittel- bzw. Einspruchsfrist in Lauf, wohl aber die Monatsfrist des § 586 I nach der h. M., nachdem das Erkenntnis rechtskräftig geworden ist, was gerade bei Versäumnisurteilen dann überhaupt nicht eintritt (und also die Gegenpartei dazu zwingt, auch noch der Nichtpartei, dem Prozeßunfähigen, dem falschen gesetzlichen Vertreter zuzustellen). A II. Auf den Mangel der Partei-, Prozeßfähigkeit usw. hat das Gericht, soweit es dies kann, in jeder Lage des Verfahrens (RG H R R 34/659) von sich aus zu achten. Partei- und Prozeßfähigkeit, richtige gesetzliche Vertretung (Ermächtigung) sind Prozeßbedingungen. Über die Reihenfolge, in der sie zu prüfen sind, vgl. § 274 B I. Darüber, daß der Mangel der Prozeßbedingung nicht die Erhebung der Widerklage zu verhindern braucht, vgl. § 33 A III b (RG J W 17/295 18 ). a) Maßgebend dafür, ob ein solcher Mangel besteht, ist grundsätzlich der Verhandlungschluß. Besteht er in diesem Zeitpunkt, so darf nur über ihn entschieden werden, nicht über sonstige Prozeßbedingungen und erst recht nicht zur Sache. Sind dabei Partei- oder Prozeßfähigkeit zweifelhaft, etwa die letzte, weil eine Nichtpartei auch keinen gesetzlichen Vertreter haben kann, so ist zuerst über die Parteifähigkeit zu entscheiden und der nicht existente gesetzliche Vertreter als solcher zuzulassen, wenn er das nicht parteifähige Gebilde repräsentieren darf, wie etwa der Grubenvorstand einer nicht rechtsfähigen Gewerkschaft des Bergrechtes (RG Gruch 61/463). Ob der Mangel schon früher bestand, Bpäter aber behoben worden ist, ist gleichgültig (über die Heilung der Mängel vgl. § 56 B IV), selbst wenn dies noch in der Revisioninstanz geschieht (RG H R R 33/731); der erst später hervorgetretene Mangel ist aber zu beachten, selbst wenn er erst nach Verhandlungschluß, aber vor Erlaß des Erkenntnisses bekannt wurde (dies ist in dem Verfahren BGH I ZR 55/51 praktisch geworden, wo der Konkurs schon vor der mündlichen Verhandlung eröffnet war). Ist er bis dahin behebbar, so darf das Gericht ihn einstweilen bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 56 II unbeachtet lassen. b) Schon vor dem Verhandlungschluß ist der Mangel indes — abgesehen von dem Verfahren nach § 56 II — zu beachten, was aber nicht heißt, daß die Sache unerledigt liegen bleiben darf, weil der Mangel besteht. Die Klage ist also zuzustellen und Termin anzuberaumen (a. M. Rosenberg, Lb. § 42 I I I 3), selbst wenn der Mangel bei dem Beklagten liegt, weil die Dahinterstehenden sich melden dürfen und zur Prozeßführung zuzulassen sind; bis zur rechtskräftigen Entscheidung sind also auch die Prozeßunfähigen usw. in bezug auf den Streit über ihre Prozeßfähigkeit usw. prozeßfähig usw. (§ 51 B IV b). Darüber kann aber nur nach mündlicher Verhandlung (oder im — hier nicht in Betracht kommenden — schriftlichen Ersatzverfahren, § 128 II) entschieden werden, so daß also Termin anzusetzen ist, selbst wenn die Ladung an eine Partei nicht durchgeführt werden kann. c) Ist die Endentscheidung erlassen, so ist das Gericht nicht mehr in der Lage, den Mangel zu beachten. Doch darf das Gericht noch nach §§ 319, 320 berichtigen. Von den prozessualen Nachverfahren knüpfen weiter das Kostenfestsetzungsverfahren und das auf Ergänzung der vorläufigen Vollstreckbarkeit (§ 716) an die formale Entscheidung an, der Kostenanspruch allerdings nur bedingt. c 1. Aber nicht bloß an die Endentscheidung ist das Gericht gebunden, sondern auch an alle Zwischenentscheidungen, soweit wie die Prozeßordnung dafür die Bindung unmittelbar (§ 318) oder mittelbar dadurch vorschreibt, daß es die Entscheidung allein durch die — beschwerte — Partei anfechten läßt (vgl. § 275 II). A III. Soweit danach die Prozeßbedingung der Partei- wie die der Prozeßfähigkeit (einschließlich der gesetzlichen Vertretung und der gesetzlichen Ermächtigung zur Prozeßführung)
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§ 5 6 AHI
von Gerichts wegen geprüft wird, kommt es zunächst auf das Parteiverhalten nicht an (RG N §56/6); auch sind die Parteien insoweit nicht an ihre Erklärungen gebunden (§§ 288, 532 gelten nicht: RG Warn. 08/241; vgl. aber § 56 B IV b). a) Allerdings wird nur geprüft, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß Mängel gegeben sein könnten, und zwar sobald sie sich ergeben, also möglicherweise schon zu Anfang oder erst im Laufe des Verfahrens (RG Warn. 38/40). a 1. Jeder gilt zunächst als der, als der er sich vorstellt (RGZ 41/410), es wird also die Parteiidentität usw. erst geprüft, wenn sich eine Vermutung für ihr Fehlen ergibt, im besonderen wenn der Gegner dies behauptet (RGZ 45/358 [362]). a 2. Der geistig beschränkte Zustand, der bei der Ehescheidung hervortritt, sollte stets genügender Anlaß dafür sein, die Prozeßfähigkeit nachzuprüfen (RG N § 56/34). Die bloBe B e h a u p t u n g der Gegenpartei, daß jemand geisteskrank sei, ist noch kein solcher Anlaß; bezieht sich aber der Kläger selbst auf 6eine Geisteskrankheit, so muß die Prozeßfähigkeit nachgeprüft werden (vgl. BGH v. 12. 12. 1952 V ZR 48/52, wo ein Pfleger im Laufe des Rechtstreits bestellt worden ist; vgl. auch § 51 B II b für die Frage der partiellen Geschäftsoder Prozeßunfähigkeit). b) Sieht das Gericht einen solchen Anlaß gegeben, so wird es nach § 139 darauf hinweisen und von sich aus Beweis darüber erbeben. Davon, daß es hierbei nicht nach der Prozeßordnung zu verfahren brauchte, kann aber keine Rede sein. Doch ist einzuräumen, daß es, wenn es aus Beweisaufnahmen in anderen Verfahren seine Bedenken als zerstreut ansieht, nicht Beweis zu erheben braucht, weil es dann an dem Anlaß dazu fehlt (vel im Er8 gebnis BGH NJW 51/441»), ' b 1. Die Beweiserhebung, soweit erforderlich, wird von der Instanz durchgeführt, bei der der Streit anhängig ist, also auch von der Revisioninstanz (vgl. BGH v 1 1 5 1955 IV ZR 97/55). b 2. Welche Anforderungen das Gericht im einzelnen an die von sich aus vorzunehmende Prüfung zu stellen hat, ist verschieden beantwortet worden. Für die Prüfung wurde es als ausreichend angesehen, wenn bei der gesetzlichen Vertretung formell g e p r ü f t wird. b 3. Kommt das Gericht zu einem non liquet, so ist die Prozeß- bzw. Parteifähigkeit nicht bewiesen, d. h. die prozessuale Voraussetzung der Klage ist nicht bewiesen, was zu (Beweis*) Lasten des Klägers geht, gleichviel ob die seine oder die des Beklagten zu beweisen war (BGH NJW 55/17143). A IV. Liegt Partei- oder Prozeßunfähigkeit vor, so sind die von ihnen betroffenen Handlungen oder Unterlassungen unbeachtlich. a) Dies gilt indes nur für die Handlungen des Betroffenen. a 1. Dies gilt auch von den vom Mangel behafteten prozessualen Willenerklärungen wie von den Wissenerklärungen. b) Die Erklärungen nnd die Unterlassungen des Gegners werden dagegen nur dann von dem Mangel beeinflußt, wenn dies die Prozeßordnung vorschreibt. B. Durch die Prüfungpflicht des Gerichts wird indes nicht die Initiative der Parteien beschränkt. Sie sind befugt, den Mangel selbständig geltend zu machen, und zwar im Laufe des Verfahrens durch (unverzichtbare; vgl. dagegen §295) Prozeßrüge, gegen Entscheidungen des Gerichts durch die dagegen zulässigen Rechtsbehelfe. BI. Dieses Recht steht einmal dem Betroffenen zu. B II. Ob das Recht auch dem Gegner des Betroffenen, der sachlich obgesiegt hat zuzubilligen ist, hat RGZ 126/261 (263) bejaht. Er hat es, soweit er sachlich unterlegen ist, wenn er geltend machen will, daß die Klage als unzulässig (nicht als unbegründet) abzuweisen ist, oder wenn er sachlich durchdringen will, obwohl er nur formal unterlegen ist. Weitergehende Rechtsbehelfe sollte man ihm nicht geben, da er ja die Möglichkeit hat, auf anderem Wege die Entscheidung, die zu seinen Gunsten ergangen ist, unanfechtbar zu machen (soweit nicht eine nicht existente Partei sein Gegner ist, wobei er dann aber auch kein Interesse an der Aufhebung der Entscheidung wird haben können). 19*
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§56
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B III. Schließlich wird das R*eht auch der richtigen Partei, dem Prozeßfähigen wie dem richtigen gesetzlichen Vertreter (dem Ermächtigten) gewährt, die es durch Eintritt in den Prozeß geltend machen dürfen (RG Warn. 30/63), doch müssen sie bei ihrem Eintritt den Mangel ausdrücklich rügen, weil sie sonst das Verfahren (stillschweigend) genehmigen (vgl. EG Grueh. 47/1098). a) Diesen wird der Eintritt in den Prozeß gestattet, einmal nur dazu, den Mangel geltend zu machen. Doch müssen sie im Laufe des Verfahrens eintreten, wo die Entscheidung noch derart geändert werden darf, daß die Klage als unzulässig abgewiesen werden kann. b) Die echte Partei usw. darf aber auch in den alten Rechtstreit, die Prozeßführung genehmigend, eintreten. b 1. Die Genehmigung hat, gleichviel was geschieht, für die Vergangenheit grundsätzlich heilende Wirkung; sie ist eine prozessuale, gegenüber dem Gericht abzugebende, empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 38 B II a 2). Ob sie auch der Gegenpartei oder der unrichtigen Partei usw. gegenüber wirksam abgegeben werden kann, sollte danach beurteilt werden, daß das Gericht auf den Mangel von sich aus zu achten hat. Geht man davon aus, so wird sie erst unwiderruflich mit der Abgabe an das Gericht. b 2. Die Genehmigung setzt die Kenntnis des Mangels in tatsächlicher Hinsicht (nicht in seiner rechtlichen Beurteilung) voraus (RGZ 96/48 [51]). Sie darf ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden (RG Warn. 30/63, vgl. auch § 187). Sie liegt auch in der späteren Bevollmächtigung des unechten Vertreters (vgl. RGZ 86/15), aber auch darin, wenn der Prozeßunfähige prozeßfähig wird und den Prozeß fortsetzt (RG Warn. 38/40) oder sein gesetzlicher Vertreter für ihn eintritt (RG Warn. 30/63) oder an Stelle eines falschen gesetzlichen Vertreters der echte tritt (RGZ 90/86) oder wenn ein Miterbe allein den Streit aufnimmt und genehmigt (BGH NJW 57/906; doch wirkt dies dann nur für und gegen den Miterben). Abgegeben werden darf die Erklärung grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisioninstanz (RGZ 126/261 [263]). b 3. Solange die Genehmigung eine Prozeßerklärung ist, unterliegt sie gegebenenfalls dem Anwaltzwang (§ 78 I). Soweit sie eine prozessuale Erklärung ist, ist es allerdings streitig, ob sich die Genehmigung auf das Verfahren als Ganzes beziehen muß (so die h. M. RGZ 110/228 [230]) oder ob einzelne Prozeßhandlungen von der Genehmigung ausgenommen werden dürfen. Dagegen braucht sich die eintretende Partei nicht an abgegebene Anerkenntnisse oder Verzichte zu binden (ist bereits Urteil erlassen, §§ 306, 307, so ist dieses nur noch mit den Rechtsmitteln bzw. der Wiederaufnahmeklage anfechtbar; darauf bezieht sich die Genehmigung nicht) und auch nicht an Geständnisse usw.. Ja, die eintretende Partei darf mit neuem Vortrage usw. nicht wegen Verspätung ausgeschlossen oder zurückgewiesen werden; denn ihr darf aus dem Eintritt, der in ihrem Belieben steht, kein Vorwurf gemacht werden, andererseits kann auch sie sofort anerkennen bzw. sofort verzichten und so § 93 anwendbar werden. b 4. Genehmigt der richtige gesetzliche Vertreter durch empfangsbedürftige, prozessuale Willenserklärung (die unwiderruflich ist), so kommt es nur darauf an, ob er es z. Z. der Abgabe der Erklärung ist, die Verweigerung durch einen früheren gesetzlichen Vertreter bleibt also unbeachtet (OLG HRR 37/1124). b 5. Die Gegenpartei hat regelmäßig gegen den Eintritt der echten Partei usw. kein Rügerecht; ihrer Zustimmung bedarf es nicht (OLG BadRPr. 07/209); dies folgt daraus, daß die echte Partei und der echte gesetzliche Vertreter (Prozeßfähige) als solche feststehen werden. Hat indes der Kläger den nicht sachlich legitimierten Beklagten verklagt, so liegt in der Auswechselung des Beklagten eine Parteiänderung (welche die h. M. als Klageänderung behandelt, RG J W 08/4420, BGH LM-ZPO §264/8), bei der alle Beteiligten zustimmen müssen. Soweit hier ein dritter als der sachlich Legitimierte vorgehen will, liegt eine Hauptintervention i. S. des § 64 vor. Bestreitet die Gegenpartei die Echtheit der eintretenden Partei, die Legitimation ihres gesetzlichen Vertreters usw., so ist darüber regelmäßig im Zwischenstreit zu entscheiden. B IV. Der Mangel kann behoben werden (vgl. § 56 B III b).
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§ 56
B
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b) Sind Rügen erhoben und ergeben sich Bedenken, so hat das Gericht von sich aus aufzuklären (§ 56 A III). b 1. Darüber hinaus darf aber die Partei von sich aus Beweis antreten. Als Beweismittel kommen die nach ZPO gegebenen (und nur sie) in Betracht. Das Gericht darf diese Beweisantritte nicht mit dem Hinweis auf den sog. Freibeweis übergehen (a. M. BGH N J W 51/441 8 ), denn jede Partei hat auch in prozessualen Fragen das Recht, die erhebliche Beweisaufnahme zu fordern, was sich schon daraus ergibt, daß sie auch durch Rechtsmitteleinlegung usw. sie klären darf. b 2. Insoweit gibt es dann aber auch eine Beweislast; sie geht hier stets, gleichviel, welcher der genannten Mängel vorliegt, zu Lasten des Klägers; nur wenn der Beklagte ein sachlich abweisendes Urteil erzielen will, hat er insoweit die Beweislast. b 3. Die Beweise sind nach den allgemeinen Grundsätzen zu würdigen (also regelmäßig nach freiem Ermessen, vgl. §286, RGZ 86/15). C. Soweit die Zweifel des Gerichts an den Prozeßvoraussetzungen der Partei-, der Prozeßfähigkeit und der richtigen gesetzlichen Vertretung nicht behoben sind, ist durch Endurteil auf Prozeßabweisung zu erkennen, nicht sachlich zu entscheiden (BGH N J W 55/1714 3 ). C I a) Ein Versäumnisverfahren gibt es hier nicht. C II. War dagegen z. Z. der Klagefixierung (vgl. § 263 B) die Klage noch ordnunggemäß oder ging die Klage von dem vor Eingang bei Gericht Verstorbenen aus, so gilt a) für den W e g f a l l d e r P a r t e i f ä h i g k e i t folgendes: a 1. die j u r i s t i s c h e P e r s o n erlischt nicht als Kläger vor der Beendigung des Verfahrens (sie bleibt insoweit in Liquidation, RGZ 134/91 [94], vgl. § 50 B II b 1). a 2. Die p h y s i s c h e P e r s o n erlischt als Partei mit demWegfall ihrer Rechtsfähigkeit. Wird die Klage einem Toten durch Ersatzzustellung zugestellt und nehmen diese Zustellung die Erben nicht an, so liegt ein ursprünglicher Mangel vor, der unter § 56 C I fällt. Ist die Klage der physischen Person zugestellt, als sie noch lebte, so wird das Verfahren nach § 239 unterbrochen. Das entsprechende gilt, falls die Klage von dem inzwischen Verstorbenen ausging, der nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 246). b) Der Wegfall der Prozeßfähigkeit nach Klageerhebung bewirkt dagegen, daß das Verfahren unterbrochen wird (§ 241), sofern nicht ein Prozeßbevollmächtigter bestelltwar (§246; RG J W 04/262°). C IV. Wem die Kosten aufzuerlegen sind, ist streitig. Dem Beklagten dürfen sie jedenfalls nicht auferlegt werden. a) Ist der Kläger parteiunfähig, so sind sie ihm dort aufzuerlegen, wo man gegen ihn wegen der Kosten wie gegen einen nichtrechtsfähigen Verein vorgehen kann, aber auch, wenn nur eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in Frage kommt; jedenfalls sollten aber die hinter der nichtrechtsfähigen Person Stehenden, für sie Handelnden (nicht die bloßen Prozeßbevollmächtigten dieser) kenntlich gemacht werden, so daß notfalls gegen sie vorgegangen werden kann. b) Ist der Kläger prozeßnnfähig, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen, wenn er für sich die Prozeßfähigkeit in Anspruch nimmt (RG Warn. 43/1). Anders liegt dies aber, wenn ein nicht legitimierter und sich nicht legitimierender Vertreter für ihn auftritt; diesem werden die Kosten auferlegt. C V. Für das Rechtsmittelverfahren besteht die Beschwer einer sachlich abgewiesenen Klage für den Kläger auch dann, wenn sie wegen der fehlenden Prozeßbedingungen als unzulässig hätte abgewiesen werden sollen. Dies gilt nach RGZ 126/261 (263) aber auch für den Beklagten wegen des allgemeinen Rechtsicherheitsinteresses; doch darf er nicht das Rechtsmittel einlegen, wenn er selbst die Ansicht vertritt, daß ein solcher Mangel nicht besteht, mag sich auch der Gegner dessen berühmen; immerhin gibt es hier die Möglichkeit einer änderen Interessenlage, etwa wenn der Beklagte die sachliche Klageabweisung als Vorentscheidung wegen weiterer Ansprüche nicht bestehen lassen will. Bei den negativen Ansprüchen, im
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§56 CT
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besonderen der negativen Feststellungklage kehrt sich das Verhältnis um. Nach Rechtskraft des Urteils hat der Kläger die Wiederaufnahmeklage (§ 579 I 4), wenn der Mangel bei ihm lag; doch hat es der Beklagte in der Hand, die Frist des § 586 gegen ihn in Lauf zu setzen (vgl. § 586 III). Lag der Mangel beim Beklagten, so wird er regelmäßig das Verfahren genehmigen. a) Wird der Klage sachlich stattgegeben, so ist der Beklagte beschwert, wenn die Klage als unzulässig hätte abgewiesen werden sollen. Liegt der Mangel in der Partei des Klägers, so wird regelmäßig die Prozeßführung genehmigt werden, so daß praktisch, wenn die Entscheidung rechtskräftig geworden ist, nur die Nichtigkeitklage des Beklagten übrigbleibt (§ 579 I 4). Doch gibt es hier auch die umgekehrte Interessenlage, etwa wenn auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach BGB §326 geklagt worden ist, der Kläger aber die Erfüllung vorzieht. Auch dreht sich bei dem negativen Anspruch, im besonderen der negativen Feststellungklage das Verhältnis um. b) Die prozessuale Klageabweisung beschwert sowohl den Kläger wie den Beklagten und ist deshalb von beiden angreifbar. D I. Der Streitgenosse des anderen darf den Mangel (die Beschwer immer vorausgesetzt) nur insofern geltend machen, wie davon sein eigenes Prozeßverhältnis betroffen wird, also allenfalls bei der notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62). D II. Der Streithelfer hat eine der Hauptpartei, der er sich angeschlossen hat, entsprechende, wenn auch abgeschwächte Prozeßstellung. a 1. Dennoch wird das Gericht regelmäßig auch den vom Streithelfer aufgeworfenen Zweifeln über das Bestehen der Prozeßbedingungen nachgehen, selbst wenn die Hauptpartei widerspricht. a 2. Dagegen kann der Streithelfer nicht seine eigene Partei-, Prozeßfähigkeit usw. in Zweifel ziehen, wohl aber darf es jede Partei. b) Im Rechtsmittolverfahren gilt das entsprechende. Legt der gewöhnliehe Streitgehilfe ein Rechtsmittel ein, mit dem er die Prozeßvoraussetzungen in der Person des Gegners bezweifelt, so kann die Hauptpartei die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens verhindern. Greift die Nebenpartei aber die Prozeßvoraussetzungen in der Person der Hauptpartei an, so ist insoweit der Widerspruch der Hauptpartei unzulässig. D III. Bei der selbständigen Streithilfe (§ 69) hat der Streitgehilfe außer den geschilderten Rechten der gewöhnlichen Nebenpartei zusätzlich noch die des notwendigen Streitgenossen. D IV. Ob die Prozeßvoraussetzungen in der Person des Streitverkündeten (§ 72) gegeben sind, ist im anhängigen Verfahren überhaupt nicht zu prüfen und (vor seinem Beitritt als Nebenpartei, § 74) bedeutunglos. E. Nach § 56 II darf die Partei oder deren gesetzlicher Vertreter zur Prozeßführung vom Gericht einstweilen zugelassen werden, sofern mit dem Verzuge Gefahr für die vom Mangel betroffene Partei verbunden ist. E I . Zuständig zur Zulassung ist das Gericht (RG Gruch. 51/830 [832]). Gegen die Zulassung gibt es regelmäßig kein Rechtsmittel (§ 567). Wird aber dem Zugelassenen keine Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt, so ist dagegen Beschwerde zulässig (§ 252 in entsprechender Anwendung). Voraussetzung ist stets, daß die Behebung der Zweifel noch möglich ist. E II. Die Gefahr muß sich auf Beeinträchtigung des außerprozessualen Anspruchs beziehen, also etwa bei drohendem Fristablauf und vor allem bei der Beweissicherung. E III. Über die Zulassung ist erst in der mündlichen Verhandlung (bzw. im Anschluß an sie) zu entscheiden, im schriftlichen Verfahren (§§ 128 II, 251 a) mit der ersten gerichtlichen Verfügung. Wird die Zulassung abgelehnt, so ist auf die Bedenken nach § 139 II hinzuweisen und auf Antrag der betroffenen Partei oder des Gegners oder beider zu vertagen (vgl. § 227); eine besondere Zurückweisung des in der mündlichen Verhandlung Auftretenden ist zulässig, aber nicht einmal erforderlich.
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Parteifälligkeit. Prozeßfähigkeit
§56 Em
a) Wird die betroffene Partei bzw. ihr Vertreter einstweilen unter Fristsetzung zugelassen, so hat der Gegner dagegen kein Rechtsmittel (§ 567). Der Zugelassene hat die Stellung der prozeßfahigen Partei oder des für die Partei Prozeßfähigen bis zur Endentscheidung. Die Gegenpartei muß dies gegen sich gelten lassen. b) Die Frist darf auf Antrag des Betroffenen (auch mehrmals) verlängert werden und auf Antrag des Gegners verkürzt werden (§ 224 II). c) Während die Frist läuft, darf nicht endgültig entschieden werden. d) Wird der Mangel auch nach Ablauf der Frist nicht behoben, so muß ein abweisendes Prozeßurteil ergehen (RGZ 29/408 [410]); kein V e r s ä u m n i s u r t e i l .
§ 57(55) I Soll eine nicht prozeßfähige Partei verklagt werden, die ohne gesetzlichen Vertreter ist, so hat ihr der Vorsitzende des ProzeBgerichts, falls mit dem Verzuge Gefahr verbunden ist, auf Antrag bis zu dem Eintritt des gesetzlichen Vertreters einen besonderen Vertreter zu bestellen. n Der Vorsitzende kann einen solchen Vertreter auch bestellen, wenn in den Fällen des § 20 eine nicht prozeBfähige Person bei dem Gericht ihres Aufenthaltsortes verklagt werden soll. A. § 57 läßt die Bestellung eines gesetzliehen ProzeBvertreters durch den Vorsitzenden des Gerichts für die prozeßunfähige beklagte Partei zu, jedoch nicht für den Kläger (RGZ 129/98 [108]). A I . Die Gefahr ist nach EG N § 57/3 (teilweise abgedruckt in JustAmtZ 26/275) zu verneinen, wenn der Kläger noch rechtzeitig die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzurufen vermag (FGG § 50). A l l . Der Antrag des § 57 ist grundsätzlich in jedem zivilprozessualen Verfahren zulässig, das mit einer Klage beginnt; aber nicht iür Wiederaufnahmeklagen, weil sie nur ein außerordentlicher Rechtsbehelf sind. a) Nur der ursprünglich schon bestehende Mangel der Prozeßfähigkeit darf behoben werden; dies geschieht zeitlich regelmäßig vor Klageerhebung, indes auch noch später, wenn der von Anfang an bestehende Mangel erst später entdeckt wird (BGH NJW 51/441"); nicht aber wenn der Mangel erst eintritt, nachdem die Klage ordnungmäßig zugestellt ist (RG Seuff. 94/272). c) Für die Beweissicherung gilt allein § 494. In den Entmündigungsverfahren wird § 57 durch die Vorschriften der §§ 668, 679 II, 686 II ausgeschlossen, die Sonderregelungen sind. Im Vollstreckungverfahren ist die Vorschrift durch § 779 II ersetzt. Im Aufgebotverfahren (§§946folg.) ist für die Anwendung des §57 kein Platz. Im schiedsrichterlichen Verfahren ist §57 unanwendbar. Im Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren (§§916folg.) ist § 57 entsprechend anwendbar. A III. Lediglich die ProzeBunfähigkeit des Beklagten darf durch § 57 überbrückt werden, a) nicht die Parteiunfähigkeit. Soweit eine juristische Person in der Ostzone enteignet ist, besteht ihre Parteifähigkeit in Westdeutschland fort, wenn sie hier noch Vermögen hat; unter den Bedingungen des § 57 darf ihr deshalb ein Prozeßpfleger bestellt werden (OLG NJW 56/1445). b) Gefahr im Verzuge besteht auch dann nicht, wenn der Prozeßunfähige einen gewillkürten Vertreter (Prokuristen, Handlungbevollmächtigten u. dgl. m.) hat. Auch bei unbekannten und ungewissen Beteiligten ist die Prozeßpflegerbestellung unzulässig, obwohl bei ihnen die Prozeßfähigkeit ungewiß ist. Die Bestimmung ist so eng wie nur möglich auszulegen, so daß zu ihrer Anwendung der Nachweis der Prozeßunfähigkeit zu fordern ist (RGZ 105/401 [402] will sich mit Glaubhaftmachung begnügen). b 1. Die Prozeßunfähigkeit muß sich auf den g e g e b e n e n P r o z e ß beziehen, d . h . in bezug auf ihn muß die beklagte Partei prozeßucfähig oder gesetzlich nicht vertreten sein; dies ist auch der Fall, wenn ihr sonstiger allgemeiner Vertreter rechtlich verhindert ist, also
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§ 5 7 A Iii b l
ZPO I. Buch
nicht vertreten kann (vgl. dazu RGZ 89/396 [397]). Eine nur tatsächlich bestehende Behinderung reicht nicht aus (Sydow-Busch § 57 Anm. 3, a. M. Jonas § 57 Anm. II 2); dies gilt im besonderen von den Abwesenden (vgl. BGB § 203). I) 2. Ob Gefahr im Verzuge vorliegt, prüft die bestellende Stelle nach ihrem freien Ermessen. AIV. Wird ein Prozeßpfleger bestellt, obwohl die Partei in der maßgeblichen Zeit der Prozeßpflegerbestellung tatsächlich nicht prozeßunfähig war, so wird sie das bisherige Verfahren ablehnen dürfen, indem sie, dies rügend, eintritt. B. Der Antrag ist eine prozessuale (§ 38 B II a 2), gegenüber dem Gericht abzugebende und bis zur Pflegerbestellung frei widerrufliche Willenserklärung der Partei. B I . Der Antrag darf vor Begründung des Prozeßverhältnisses gestellt werden. Der Antrag setzt deshalb nach h. M. (Jonas § 57 Anm. II 5, Sydow-Busch § 57 Anm. 5) nicht die Postulationfähigkeit (§ 78 A I) voraus, sondern darf auch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftstelle erklärt werden. B II. Zur Begründung der besonderen Voraussetzungen des Antrags (mangelnde Prozeßfähigkeit, mangelnde gesetzliche Vertretung des Beklagten und Gefahr im Verzuge) genügen die bloßen Behauptungen des Klägers nicht; wegen der notwendigerweise bestehenden Eilbedürftigkeit der Angelegenheit begnügt sich die Praxis mit Glaubhaftmachung (RGZ 105/402, vgl. § 294). b) Im übrigen müssen die sonstigen Voraussetzungen und der a u ß e r p r o z e s s u a l e A n s p r u c h s c h l ü s s i g begründet sein. B III. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Prozeßgerichts. a) Wird dem Antrag stattgegeben, so bestellt der Vorsitzende den Prozeßpfleger (der Kläger soll auf die Bestimmung der zu bestellenden Person keinen Einfluß haben). Der Bestellte wird es erst durch Annahme (OLG 33/27; er darf die Annahme ablehnen), die eine prozessuale, empfangsbedürftige und frei widerrufliche Willenserklärung ist und ohne Rüge sich durch Stillschweigen vollzieht (deshalb hat der Pfleger keine Beschwerde gegen seine persönliche Bestellung, OLG JW 16/61). Gegen die Stattgabe hat der Kläger keine Beschwerde, weil er nicht beschwert ist, der Beklagte nicht, weil er jederzeit als Prozeßfähiger (bzw. der richtige Vertreter für ihn) eintreten und damit den Prozeßpfleger entsetzen darf (KG J W 15/935). Dagegen wird man sie dem Pfleger aus dem Rechte des Beklagten (§ 567) nicht abschneiden dürfen (a. M. Jonas § 57 Anm. VI 6), wenn er die erforderliche Glaubhaftmachung bzw. die Beweisführung des Klägers entkräften will. b) Der Vorsitzende darf nach h. M. von sich aus die Bestellung zurücknehmen. Die Rücknahme hat keine rückwirkende Kraft. Mit dieser Rücknahme wird dann (regelmäßig nach § 241; wenn nicht ein Fall des § 246 gegeben ist) das Verfahren unterbrochen. Eine Beschwerde gegen die Zurücknahme ist deshalb unzulässig (a. M. Jonas § 57 Anm. II 6), es sei denn, daß die Klage noch nicht erhoben war. b 2. Nicht zurücknehmen darf der Vorsitzende aber die Prozeßpflegerbestellung, wenn die Partei nach der Bestellung und nach Zustellung der Klage prozeßfähig geworden ist oder einen gesetzlichen Vertreter erhalten hat; denn diese haben das Recht, aber nicht die Pflicht, in den Prozeß einzutreten (§ 57 C I). b 3. Der Vorsitzende darf den Prozeßpfleger abberufen und durch einen anderen ersetzen, wenn sich in der Person des Prozeßpflegers die Gründe dazu ergeben. Der gegen seinen Willen Abberufene hat das Recht der Beschwerde (§567). c) Lehnt der Vorsitzende den Antrag ab, so hat (nur) der Kläger (nicht der Beklagte oder ein zum Prozeßpfleger Vorgeschlagener) das Rechtsmittel der Beschwerde (§567; KG JW 15/935). C. Der bestellte Prozeßpfleger ist gesetzlicher Prozeßvertreter des Beklagten in bezug auf den Prozeß, nicht sein allgemeiner außerprozessualer gesetzlicher Vertreter, so daß § 53 nicht gilt.
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Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit
§57
CI. Im Gegensatz zu § 56 II ist hier der Prozeß mit dem Prozeßpfleger bis zur rechtskraftigen Entscheidung durchzuführen (RG Gruch. 45/1091). Sie erstreckt sich nicht auf Anhangverfahren, soweit hier eine neue Klage erforderlich ist. Ist der Prozeßpfleger in einem Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren bestellt, so darf er noch den Antrag nach §926 stellen; zur Entgegennahme der Klage ist er aber nicht befugt. Für Kostenverfahien und die, welche die Vollstreckbarkeit herbeiführen, bleibt die Vertretungmacht bestehenbei der Vollstreckung gegen den Beklagten im Zwangsvollstreckungverfahren kann aber der Prozeßpfleger nicht mehr mitwirken, wohl aber bei dem gegen den Kläger. C II. Die Prozeßpflegschaft ist auf das konkrete Verfahren beschränkt, für das sie angeordnet worden ist, und zwar nur zur Klageabwehr; denn sie wird nur angeordnet, um einen gefährdeten Anspruch des Klägers nicht untergehen zu lassen. a) So wenig wie der Kläger in diesem Prozeß andere außerprozessuale Ansprüche einführen darf (vgl. § 57 B I), so wenig darf der Prozeßpfleger eine Widerklage erheben (a. M. Jonas § 57 Anm. III), abgesehen von der Widerklage aus prozessualer Lage nach §§ 302 IV 4, 600 II, 717 II, III, 945; auch kann er nicht aufrechnen. Eine allgemeine außerprozessuale Verfügunggewalt über den Prozeßgegenstand hat er nicht, im besonderen darf er nicht kündigen. Auch kann er sich nicht vergleichen. b) Alle sonstigen Einwendungen und Einreden darf er geltend machen, im besonderen die des Zurückbehaltungrechts und die, welche aus demselben Rechtsverhältnis stammen. b 1. Ob er den Anspruch anerkennen kann, ist zweifelhaft. Nicht einwenden kann er, daß die von ihm vertretene Partei prozeßunfähig sei. b 2. Dagegen wirken die vor seiner Bestellung und Annahme vorgenommenen Prozeßhandlungen nicht, und er braucht sie auch nicht zu genehmigen (RG JW 38/236648), was dann zu ihrer Neuvornahme zwingt. CHI. Der Pfleger braucht nicht unentgeltlich tätig zu werden. Er darf einen Kostenvorschuß fordern, den der Kläger zu leisten hat. D I . Hat die für den konkreten Rechtstreit prozeßunfähige Partei an ihrem Aufenthaltsort (Garnison) keinen gesetzlichen Vertreter (möge er auch anderweitig wohnen), so darf ihr auch dann, wenn keine Gefahr im Verzuge ist, vom Vorsitzenden des Gerichts ein Prozeßpfleger bestellt werden. Das Gesetz spricht hier nur von dem Aufenthalts-(oder Garnisons-)ort und trifft damit nur den Menschen, nicht die juristische Person oder die aus mehreren Personen bestehende Partei (also nicht die oHG, den nicht rechtsfähigen Verein, die Kommanditgesellschaft, die Reederei). Er setzt voraus, daß die Klage am Aufenthaltsort zulässig ist. Aufenthaltsort i. S. dieser Bestimmung kann auch der Wohnsitz sein. E. In den Sonderverfahren gilt folgendes: E I . im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten keine Besonderheiten. E II. In den Verwaltungsverfahrenordnungen ist eine dem § 57 entsprechende Bestimmung ausdrücklieh nicht angefügt; sie gilt indes, soweit ersatzweise schlechthin auf die Normen der ZPO verwiesen worden ist (vgl. BVerwaltungGG §26, VGG §34, Rh.-Pf. VGG §37). Dies gilt aber auch für BMilReg. VO 165 (vgl. Klinger § 39 Anm. 3). § 58
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I Soll ein Recht an einem Grundstück, das von dem bisherigen Eigentümer nach § 928 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgegeben und von dem Aneignungsberechtigten noeh nicht erworben worden ist, im Wege der Klage geltend gemacht werden, so hat der Vorsitzende des ProzeBgerichts auf Antrag einen Vertreter zu bestellen, dem bis zur Eintragung eines neuen Eigentümers die Wahrnehmung der sich aus dem Eigentum ergebenden Rechte und Verpflichtungen im Rechtsstreit obliegt. II Abs. I gilt entsprechend, wenn im Wege der Klage ein Recht an einem eingetragenen Schiff oder Schiffsbauwerk geltend gemacht werden soll, das von dem bisherigen Eigentümer
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§ 5 8 Ii
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nach § 7 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15. November 1940 (BeichsgesetzbL IS. 1499) anfgegeben und von dem Aneignungsberechtigten noch nicht erworben worden ist. A. § 58 ermöglicht es, daß ein Prozeßpfleger als gesetzlicher Prozeßvertreter für eine unbestimmte Partei bestellt wird. A I . Die Partei darf, anstatt einen Prozeßpfleger bestellen zu lassen, auch einen Pfleger nach BGB § 1913 berufen lassen. Doch darf wegen dieser Möglichkeit der angegangene Vorsitzende des Prozeßgerichts nicht den Antrag aus § 58 zurückweisen. B I . An Klagearten fällt die negative Feststellungklage weg. B II. Ihrem Gegenstande nach kommen nur dingliche Klagen in Betracht, nicht persönliche (LG J W 35/11985); diese können auch nicht mit den dinglichen verbunden werden; der nach § 58 bestellte Prozeßpfleger ist für persönliche Klagen nicht legitimiert. Ob auch die Vormerkung hierzu zu rechnen ist, ist streitig (vgl. § 24 B II b 3), für den Fall des § 58 aber zu bejahen (KGJ 51/192). B III. An ProzeBarten kommen nur das gewöhnliche Klageverfahren (auch hier mit Ausnahme der Wiederaufnahmeklagen, schon weil der alte Prozeßgegner noch legitimiert ist, vgl. auch § 57 A II c), das Urkundenverfahren (§593; nicht aber Wechsel- und Scheckverfahren; denn auch die Hypothek des BGB § 1187 kann nicht in diesem Verfahren geltend gemacht werden, weil das dingliche Recht nicht Wechsel- oder Scheckforderung ist, wobei hier unterstellt wird, daß auch bezüglich eines Schecks eine Hypothek nach BGB § 1187 bestellt werden kann), das Mahnverfahren (KG J W 16/211), das Arrest- und einstweilige Verfügungverfahren (§§ 916folg., vgl. KG OLG 15/297) in Betracht. Für die Vollstreckung gilt § 787; doch ist die Vertretungmacht des nach § 58 bestellten Prozeßpflegers weiter als die des nach § 57 bestellten, so daß der nach § 58 bestellte auch noch im Vollstreckungverfahren vertretungsberechtigt ist und deshalb eine weitere Prozeßpflegschaft nach § 787 ausschließt. CI. Der Antrag ist eine prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende, bis zur Bestellung des Prozeßpflegers widerrufliche Willenserklärung (§ 38 B II a 2). Er ist zu begründen. a) Nachzuweisen ist die Tatsache, daß das Grundstück bzw. das eingetragene Schiff oder das eingetragene Schiffsbauwerk im Zeitpunkt des Antrags vor Rechtshängigkeit (vgl. § 263) herrenlos geworden ist. b) Weiter ist der außerprozessuale Anspruch schlüssig zu behaupten. C II. Bezüglich der Zurückweisung des Antrags und der dagegen zulässigen Beschwerde vgl. § 57 B III c. Bezüglich der Stattgabe und ihrer Wirkung vgl. § 57 B I I I a. D. Die Stellung des Prozeßpflegers nach § 58 ist die eines gesetzlichen Vertreters (a. M. Jonas § 58 Anm. I I : die der Partei kraft Amtes). D I . Sobald das Grundstück usw. nicht mehr herrenlos ist oder ein außerprozessualer Pfleger für den Aneignungberechtigten bestellt wird, können diese in den Rechtsstreit eintreten und entsetzen damit den Prozeßpfleger (§ 57 in entsprechender Anwendung). Im Gegensatz hierzu entnimmt die h. M. dem Wortlaut des § 58, daß die gesetzliche Vertretung des Prozeßpflegers endet, sobald der neue Eigentümer registriert ist (vgl. Jonas § 58 Anm. III, SydowBusch § 58 Anm. 2, Baumbach-Lauterbach § 58 Anm. 3). D II. Die Befugnisse des nach § 58 bestellten Prozeßpflegers gehen weiter als die des nach §57 bestellten; denn er vertritt den zukünftigen Eigentümer schlechthin, darf deshalb aus dessen dinglichem Recht auch Widerklagen, auch negative Feststellungklagen erheben; auch darf er Klagen aus §§ 767, 768 führen. Abgesehen davon beschränken sich auch seine Befugnisse auf den Prozeß. Doch hat KGJ 51/192 ihm gestattet, das Grundstück außerprozessual aufzulassen; über den Vergleich vgl. § 57 C II a; für ein Anerkenntnis vgl. § 57 C II b 1. Einen Verzieht darf er entgegennehmen; für den Ausspruch eines Verzichts gilt dasselbe wie für ein Anerkenntnis. Im übrigen gilt für ihn das zu § 57 Gesagte, und zwar auch bezüglich der Kosten und der Kostenvorschußpflicht des Klägers (vgl. auch BGB § 1118). Auch er ist nicht verpflichtet, die Vertretung zu übernehmen (vgl. § 57 B I I I a).
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Streitgenossenschaft Zweiter Titel Streitgenossenschaft
§ 59 (56) I Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlieh klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Bechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtliehen Grunde berechtigt oder verpflichtet sind. A I a) Wie die mehreren Parteien in das gemeinsame Prozeßverhältnis gekommen sind, ist dabei zunächst gleichgültig. Eine Streitgenossenschaft besteht deshalb auch dann, wenn die Voraussetzungen der §§ 59 folg. nicht vorliegen. a l . Regelmäßig entsteht die Streitgenossenschaft durch die Klageerhebung (§§253, 500 I 3), indem entweder mehrere Kläger einen oder mehrere Beklagte oder ein Kläger mehrere Beklagte in Anspruch nehmen. Gleichzeitige Zustellung der Klage ist nicht erforderlich (RGZ 36/364). Sie kann aber auch im Laufe des Rechtstreits entstehen (vgl. BGH LM-ZPO § 264/8). a 2. Die Streitgenossenschaft besteht, solange die Parteien im gemeinschaftlichen Prozeßverhältnis stehen. Ist nur ein Teil-Endurteil erlassen, ein Teilanspruch also noch unentschieden in der Instanz zurückgeblieben, so bleibt die Streitgenossenschaft wegen des noch schwebenden Teilstreitea in vollem Umfange bestehen, also auch bezüglich des durch Teilurteil abgetrennten Verfahrens; dies gilt sogar, wenn nur noch über die Kosten des Verfahrens zu erkennen ist (RG J W 14/155 19 ). Ist ein Vorbehalturteil ergangen (§§ 302 IV, 599), so bleibt der außerprozessuale Anspruch noch anhängig, ist also noch nicht rechtskräftig erledigt; die Parteien bleiben Streitgenossen (RGZ 72/216); das entsprechende gilt auch für das Grundurteil (§ 304; RGZ 151/210), wie für jedes Zwischenurteil. Ist noch gar kein Urteil erlassen, so bleibt die Streitgenossenschaft bestehen, selbst wenn der Anspruch anerkannt oder auf ihn verzichtet wurde (vgl. §§ 306, 307), solange keine dem entsprechenden rechtskräftigen Urteile vorliegen. Auch das Ruhen des Verfahrens gegen einen Streitgenossen beendet nicht die Streitgenossenschaft (RGZ 91/37), gleichviel aus welchem Grunde es eingetreten ist (also auch bei der Unterbrechung nach § 239, wobei zu beachten ist, daß die Rechtsnachfolger, auch wenn das Verfahren ihnen gegenüber noch nicht aufgenommen worden ist, schon — wenn auch noch latent — am Streitverhältnis beteiligt sind). Da nach der hier vertretenen Auffassung bei Vergleichschluß nur eine Verfahrensruhe eintritt (§ 794 C IV d), so kann auch durch Vergleich der Streitgenosse nicht ausscheiden (a. M. vom umgekehrten Standpunkt: RG BadRPr. 07/150). a 3. Die Streitgenossenschaft kann aber auch dadurch beendet werden, daß das Gericht die Prozesse trennt (§ 145). Vorausgesetzt wird dabei, daß dies das Gericht innerhalb der Instanz tut; trotz Trennungbeschlusses bleibt die Streitgenossenschaft dann bestehen, wenn nur nach § 145 I I I getrennt wird; denn hier kann trotz der Trennung in dem ersten Verfahren nur ein Vorbehalturteil ergehen (§ 302), und so wenig dieses die Prozesse trennt, so wenig kann es ein darauf gerichteter Trennungbeschluß. b) Streitgenossensehaft besteht nur unter mehreren (Haupt-)Parteien derselben Streitseite, b 1. Zwischen m e h r e r e n g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r n derselben Partei besteht eine solche Streitgenossenschaft nicht, also auch nicht zwischen mehreren Testamentvollstreckern (KG OLG 23/100; die h. M. müßte folgerichtig Streitgenossenschaft annehmen), mehreren Konkursverwaltern derselben Masse u. dgl. m. (vgl. dazu § 50 B I V a 1). Ihretwegen ist eine Prozeßtrennung unzulässig (§ 145). Dies gilt auch dann, wenn mehrere Klagegründe dadurch geltend gemacht werden, daß sie von oder gegen verschiedene gesetzliche Vertreter erhoben werden, da § 303 a. F. aufgehoben worden ist. Die Regeln der Streitgenossenschaft wird man indes auch in diesen Fällen entsprechend anzuwenden haben, so daß etwa in verbundenen Klagen mit verschiedenen gesetzlichen Vertretern die eiDen für den ihre Vertretung nicht betreffenden Klagegrund nicht etwa als Zeugen vernommen werden dürfen, was sonst geschehen könnte (vgl. § 373 B I I c 2). b 2. Zwischen Hauptpartei und Streitgehilfen entspricht die Rechtlage der mehrerer Vertreter, wobei der selbständige Streitgehilfe (§ 69) besondere Rechte hat.
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§59
ZPO I. Buch
A II a) Zu trennen ist stets, wo die Prozeßordnung dies fordert, also wenn in verschiedenen Prozeßarten zu verfahren ist. Aber auch dann ist nur zu trennen, nicht etwa die Klage als unzulässig abzuweisen (OLG 19/62, a. M. BGH v. 24. 5.1954 IV ZR 147/53 bei objektiver Klagehäufung). a 1. Getrennt werden sollte auch, wo die Prozeßbedingungen für die Verbindung (Kommentar § 59 A II) nicht gegeben sind und ein Anlaß zu verbinden nicht besteht. Trennungoder Verbindungbeschlüsse sind deshalb nur nach §§ 512, 548 zusammen mit dem Bndurteil angreifbar. Die Wiederaufnahmeklage mit der Begründung, daß zu Unrecht verbunden oder getrennt worden ist, ist unzulässig. a 2. Hält man Eventualwiderklagen für zulässig (vgl. § 33 D I b), soistesauchdieEventualstellung zwischen mehreren Streitgenossen ; andernfalls (vgl. § 253 F II) ist sie unzulässig (vgl. RGZ 58/248 [249]). b) Die unterschiedliche Klageart (die Klage auf Leistung, Gestaltung, Duldung bzw. auf Feststellung) ist für die Streitgenossenschaft ohne Belang. A m b . Die spätere Trennung ordnungsmäßig (§§59, 60) verbundener Prozesse ist unschädlich (§ 263 I I 2), läßt also die einmal — wenn auch nur mit Hilfe der Streitgenossenschaft — begründete Zuständigkeit des Gerichts bestehen. Im übrigen müssen aber die sonstigen Prozeßvoraussetzungen in der Person jedes einzelnen Streitgenossen gegeben sein (Partei-, Prozeßfähigkeit, Zulässigkeit des Rechtsweges), im besonderen auch die örtliche Zuständigkeit und die sachliche, falls die Zusammenrechnung nicht die landgerichtliche Zuständigkeit begründet, für einen Streitgenossen aber unabhängig von der Wertgrenze diese zutrifft (vgl. GVG § 71 I I ; vgl. auch über die in diesen Fällen mögliche Anwendung des § 36 I 3 daselbst). Die hiervon bezüglich der Bedingungen des § 256 (Feststellunginteresse) abweichende Entscheidung des BGH MDR B 192/58 trifft ein anderes Problem, nämlich das, ob eine sachliche Abweisung der Feststellungklage trotz fehlenden Feststellunginteresses zulässig ist. B I a) Die Rechtsgemeinschaft in Ansehung des Streitgegenstandes zielt auf die Objekte des Rechtslebens. Derselbe G e g e n s t a n d ist dieselbe (bewegliche oder unbewegliche) Sache, aber auch dieselbe Forderung wie dasselbe sonstige (absolute oder relative) Recht, also auch dasselbe Schuldrecht. Damit wird zugleich die Berechtigung aus demselben tatsächlichen Grund getroffen; denn dieser ist eben dasselbe Rechtsobjekt, an das tatsachenmäßig anzuknüpfen ist. Die Berechtigung aus demselben rechtlichen Grunde trifft dagegen den Gesetzestatbestand, also etwa das Eigentum; beides zusammen zielt also auf mehr, als es bloß dasselbe Rechtsobjekt ist, nämlich auf dieselbe rechtliche Beziehung zu demselben Objekt; der weitergehende Begriff ist also der der Rechtsgemeinschaft am selben Gegenstande. b) Das entsprechende gilt für die Schuldgemeinschaft. Gegenstand dieser ist dieselbe Forderung, die gegen mehrere Rechtsträger besteht, mag sie nun dinglich (etwa eine Gesamtgrundschuld) oder persönlich sein, oder möge sie dinglich (als Eigentum) und persönlich (als Forderung) gemischt sein. Diese Schuldgemeinschaft ist identisch mit dem, was das Gesetz als aus demselben tatsächlichen und demselben rechtlichen Grund verpflichtet sein bezeichnet (bei der Teilschuldnerschaft fehlt dieselbe tatsächliche Grundlage, vgl. § 59 B I a). Getroffen werden hier Passivprozesse, aber auch die imaginären Schuldgemeinschaften. An Klagearten sind sowohl Leistung- wie positive Feststellung- und in umgekehrter Parteirolle die negative Feststellungklage zulässig.
§ 60
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I Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige nnd auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. A. Die freie Streitgenossenschaft (vgl. § 59 A I I I , auch uneigentliche oder unechte genannt) hat zur Voraussetzung gleichartige Ansprüche oder Verpflichtungen, wenn sie auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde ruhen. § 60 hebt also die
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Streitgenossenschaft
§60
A
Nämlichkeit desselben Klagegegenstandes auf, verlangt indes dafür einen im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund, was sich aus dem Verhältnis beider rechtlich getrennten Ansprüche zueinander ergeben muß. A I . Danach gehören hierher mehrere Teilschuldner (BGB § 420) und mehrere Teilgläubiger einer ursprünglich zusammengehörenden Forderung, also auch mehrere Miterben, die nach BGB § 2060 nur noch anteilig haften. Ferner gehört aber auch hierher, wenn durch dasselbe tatsächliche Geschehen, verursacht durch einen oder viele, mehrere Rechtsansprüche verschiedener Rechtsträger entstehen (RGZ 103/388 [396]). Findet man diese Einheit im Geschehen, so wird man darüber hinaus sogar die völlige Gleichartigkeit des rechtlichen Grundes vernachlässigen dürfen; denn diese ist schon in §59 in bezug auf denselben Gegenstand das maßgebliche Verhältnis für die Streitgenossenschaft. Fehlt aber dasselbe tatsächliche Geschehen, so darf man von der Forderung der rechtlichen Gleichartigkeit nicht abgehen; dieselben allgemeinen Versicherungbedingungen (vgl. Jonas § 60 Anm. II), dieselben allgemeinen Bank- und Kundenbedingungen (OLG SchlHA 13/236) rechtfertigen bei den Klagen aus § 60 die Zulassung der Streitgenossenschaft. B. Die begünstigenden Zuständigkeitswirkungen (vgl. § 59 A III b) treten auch hier ein.
§ 61 (58) I Streitgenossen stehen, soweit nicht aus den Vorschriften des bürgerlichen Rechts oder dieses Gesetzes sich ein anderes ergibt, dem Gegner dergestalt als einzelne gegenüber, daß die Handlungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen. A I a. Die grundsätzliche Gemeinsamkeit der Streitgenossenschaft besteht in der Parteiseite. a l ) Der auf der einen Seite stehende Streitgenosse darf nicht wirksam einem auf der Gegenseite Stehenden als Streithelfer beitreten (RGZ 151/210), geschweige denn ihn (gesetzlich oder gewillkürt) vertreten. Über die Beendigung der Streitgenossenschaft vgl. § 59 A I a 2. a 2. Der Streitgenosse einer Partei darf nicht als Zeuge in dem Verhältnis eines anderen Streitgenossen zu einer Gegenpartei vernommen werden, selbst wenn für sein Verhältnis zur Gegenpartei die Aussage kein Gewicht haben kann (RG Seuff. 86/210, vgl. § 449 A I b, B). a 3. Bei dem Urkundenbeweis darf ein Streitgenosse nicht als dritter behandelt werden (§§ 426, 449). b) Darüber hinaus besteht die Gemeinsamkeit regelmäßig, nämlich soweit die Streitgenossen sich in derselben Instanz befinden und das Verfahren in bezug auf einzelne nicht unterbrochen oder ausgesetzt ist, in gemeinsamer Verhandlung, Beweisaufnahme und, soweit nicht Teilurteile ergehen (§ 300 II), in gemeinsamer Entscheidung. Die gemeinsame Verhandlung soll § 63 gewährleisten. Gegen oder für einen Streitgenossen schriftlich, gegen den anderen auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, ist nur nach Prozeßtrennung zulässig (Schönke § 61 Anm. I I I ; a. M. Baumbach-Lauterbach § 61 Anm. 2 B f ) ; dasselbe gilt für die Entscheidung durch die Einzelrichter, die nur nach § 349 III in einverständlichem Verfahren erlassen werden darf. b 1. Wird die Klage gegen mehrere Streitgenossen oder von mehreren gegen einen oder mehrere Beklagte erhoben, so wird für die Zuständigkeit der Gerichte bei mehreren Ansprüchen der Streitwert zusammengerechnet (§5). Dasselbe gilt für die Klageerweiterung wie die Widerklageerhebung, soweit dadurch — da sie nicht mit der Klage zusammengerechnet wird (§5) — die landgerichtliche Zuständigkeitgrenze erreicht wird, und sodann von den Beklagten gemeinsam die Verweisung beantragt wird (vgl. § 506), und im Rechtsmittelverfahren für die Beschwer zumindest bei gemeinschaftlich eingelegtem Rechtsmittel (vgl. § 5 C II b). b 2. Wissenserklärungen des einen Streitgenossen wirken, soweit sie denen der Gegenseite widersprechen (einschließlich der Beweisantritte) auch zugunsten der übrigen Streitgenossen, soweit sie sieh nicht davon absetzen. Daß darüber hinaus das Gericht aus den Wissenserklärun-
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gen des einen Streitgenossen ungünstige (oder günstige) Folgerungen für andere ziehen darf, bejaht die h. M. (RG J W 03/21 1 ); doch sollte dem nicht gefolgt werden. Anders ist dies nur, soweit bei der Parteivernehmung eines oder einiger Streitgenossen gemäß § 449 nach §§ 446, 453 besondere Schlüsse zu ziehen sind. b 3. Soweit Beweise über Wissenserklärungen erhoben werden, geschieht dies einheitlieh. Sie können auch nur einheitlich gewürdigt werden, nicht etwa für den einen Streitgenossen bejahend, für den anderen verneinend. Dies gilt auch, wenn nach Beweislast entschieden wird. b 4. Bei Entscheidungreife gegenüber allen Streitgenossen darf ein Teilurteil nicht mehr ergehen (§ 300 I I ; anders ist dies, wenn gegen einen Teil der Streitgenossen Versäumnisurteil zu erlassen ist, RGZ 55/310); ergeht aber entgegen § 300 II Teilurteil, so sollte man es bezüglich der Rechtsmittel zusammen mit dem oder den nachfolgenden als ein Urteil gelten lassen. c) Noch enger ist die Verbindung der (gewöhnlichen) Streitgenossen, wenn der eine dem anderen als Streithelfer beigetreten ist (was zulässig ist — RG J W 96/176 3 '), oder wenn er ihn als (gewillkürter oder gesetzlicher) Vertreter vertritt, oder wenn sich mehrere durch einen gemeinsamen Vertreter vertreten lassen. Aus der gemeinsamen Vertretung zieht § 189 I die Folge, daß dem gemeinsamen Vertreter mehrerer Streitgenossen nur eine zuzustellende Urkunde übergeben zu werden braucht (nicht etwa je eine für jeden Vertretenen). Weiterhin folgt, daß bei gemeinsamer Vertretung dieselbe Person nicht Wissenserklärungen für einen Streitgenossen zugestehen (§ 288) oder abgeben (§ 138 I) darf, während sie sich in bezug auf den anderen anders verhalten will. Nur soweit ein Streitgenosse, der zugleich unselbständiger Streithelfer ist, an dem Widerspruch der von ihm unterstützten Hauptpartei scheitert, sind die beiden sich widersprechenden Erklärungen, für jeden Streitgenossen der Partei getrennt, zu beurteilen, weil er insoweit die Hauptpartei nicht „vertreten" kann (andernfalls gilt keine der sich widersprechenden Erklärungen als abgegeben). A II. Soweit eine solche Gemeinschaftlichkeit (§ 61 A I) nicht besteht, ordnet § 61 (für die nicht notwendigen Streitgenossen) an, daß das Prozeßverhältnis des einen von dem des anderen unabhängig ist. a) Daraus folgt, daß die Rechtshängigkeit der Klage für und gegen jeden Streitgenossen gesondert zu prüfen ist. Das entsprechende gilt für die Zustellung von Urteilen. b) In der Abgabe prozessualer Willenserklärungen ist jeder Streitgenosse vom anderen unabhängig. b 1. Jeder Streitgenosse darf einen anderen Prozeßbevollmächtigten bestellen (dessen Kosten auch getrennt erstattungfähig sind, § 91 E IVb 6), abgesehen, wenn mehrere Mitberechtigte an Aktien beteiligt sind, die sich nur durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen dürfen (AktienG § 63), oder wenn sie gemeinsam gesetzlich vertreten werden oder der eine der gesetzliche Vertreter des andern ist (weil sie dann keine abweichenden Erklärungen abgeben dürfen, vgl. § 61 A I b 2). Soweit sie so nicht verbunden sind, darf auch ein Streitgenosse dem anderen den Streit verkünden (RG H R R 40/214); doch kann dadurch kein Parteiseitenwechsel eintreten (§ 61 A I a 1). Das Einverständnis zur Entscheidung durch den Einzelrichter (§ 349 III) oder zu der schriftlichen (§ 128 II) muß jeder einzelne Streitgenosse erklären, sonst sind diese Verfahren insgesamt unzulässig. Das Gericht darf hier aber trennen (§ 145, vgl. § 61 A I b). Er darf als Mitkläger über sein Prozeßverhältnis allein verfügen durch völlige oder teilweise Klagerücknahme (§ 271), Klageänderung (§ 264) und Verzicht auf den Anspruch (§ 306), als Mitbeklagter durch Anerkennung (§ 307), oder auf beiden Seiten duroh Nichtverhandeln bzw. Nichterscheinen (§§ 330, 331, 333). b 2. Fristen, welche die Abgabe der prozessualen Willenserklärungen begrenzen, sind für jeden Streitgenossen besonders zu berechnen, im besonderen wenn sie von einer Zustellung ab zu laufen beginnen (RG Warn. 35/191). Entsprechend treffen auch die Unterbrechung des Verfahrens oder seine Aussetzung nur das Prozeßverhältnis des gerade davon betroffenen Streitgenossen (RGZ 41/414). Dasselbe gilt von der Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens (RGZ 51/94 [97]). Auch kann das Ruhen des Verfahrens in der Person eines Streitgenossen eintreten (vgl. RGZ 91/37).
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c) Auch die Wissenserklärungen (vgl. auch § 100 III), können unterschiedlich abgegeben werden. A m . Soweit die einzelnen Streitgenossen selbständig und prozeßrechtlieh voneinander gelöst sind, kann die Entscheidungreife gegenüber den einzelnen Streitgenossen zu verschiedenen Zeiten eintreten (vgl. § 300 II). B. Gegenüber dem Erkenntnis steht der einzelne (nicht notwendige) Streitgenosse grundsätzlich wieder selbständig da. B I . Einen Rechtsbehelf hat er nur bei eigener Beschwer (§ 511 B II c). Auch kann der eine Streitgenosse nicht gegen den anderen ein Rechtsmittel einlegen (RG J W 98/614). a) Ist eine Entscheidung gegen den einen Streitgenossen Versäumnisentscheidung, gegen den andern kontradiktorisch oder technisch zweite Versäumnisentscheidung, so hat der erste den Einspruch, der andere das Rechtsmittel (die Berufung bzw. die Revision). Ein rechtskräftiges Urteil kann mit Wiederaufnahmegründen nur zugunsten des einen von mehreren Streitgenossen behaftet sein; nur der Betroffene hat dann das Wiederaufnahmeverfahren. b) Aber auch soweit die Entscheidung gegen mehrere Streitgenossen gleichwertig (also nur erstes Versäumnisurteil bzw. kontradiktorisches oder technisch zweites Versäumnisurteil) ist, kann die durch die Zustellung in Lauf gesetzte Frist (jetzt auch bei dem an Verkündung Statt zugestellten Tenor — § 310 II — die Fünfmonatefrist) verschiedenartig ablaufen (RG Warn. 35/191). In dem Entschluß, einen Rechtsbehelf einzulegen, ist jeder Streitgenosse wiederum selbständig; er darf also die Rechtsmittelfrist verstreichen lassen, womit das Urteil gegen ihn rechtskräftig wird (RGZ 130/229 [230]); er darf auch auf das Rechtsmittel verzichten (RGZ 161/350 [352]) oder es zurücknehmen. Wohl aber darf der eine Streitgenosse dem anderen 37 ( wie dieser wechselseitig jenem) als Streitgehilfe beitreten (RG J W 96/176 ), und zwar auch durch Rechtsmitteleinlegung (sofern die Frist dafür noch läuft). Sonst aber bringt das Rechtsmittel des einen den anderen Streitgenossen nicht in die höhere Instanz (RGZ 48/214); weder er noch der Gegner in bezug auf ihn (RG J W 03/1491) können sich dann dem Rechtsmittel des ersten wirksam anschließen (RG J W 03/1491); wohl aber der Gegner gegenüber dem Streitgenossen, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Allerdings dürfen mehrere beschwerte Streitgenossen den jedem gegebenen Rechtsbehelf gemeinschaftlich einlegen, wie auch der gegen jeden gegebene gemeinschaftlich eingelegt werden kann; in diesen Fällen wird der Streitwert zusammengerechnet (RGZ 164/90, § 5 C II b). Die Streitgenossen dürfen aber auch die Rechtsbehelfe getrennt einlegen bzw. sie können gegen sie getrennt eingelegt werden (ob die Rechtsmittelsumme dann grundsätzlich getrennt zu errechnen ist, vgl. § 5 C II b). B II. In kostenrechtlicher Hinsicht ist § 100 anzuwenden. C. Die prozessualen Vorschriften über die Streitgenossenschaft haben keinerlei unmittelbare außerprozessuale Wirkung.
§ 62
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I Kann das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden oder ist die Streitgenossenschaft aas einem sonstigen Grunde eine notwendige, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen, n Die säumigen Streitgenossen sind auch in dem späteren Verfahren zuzuziehen. A. Die notwendige (oder besondere) Streitgenossensehaft verbindet die Genossen enger als die sonstige; daraus folgert § 62, daß die säumigen von den nichtsäumigen in der mündlichen Verhandlung vertreten werden und daß sie auch sonst zum weiteren Verfahren heranzuziehen 6ind. Über weitere Folgen vgl. § 62 B. A I . Den Begriff der notwendigen Streitgenossenschaft deutet § 62 in seiner ersten Alternative dadurch an, daß er auf die einheitliche Rechtskraftwirkung der Entscheidung hinweist, während die zweite Alternative einen anderen Fall meint, der nicht näher gekennzeichnet wird. Ihren Wirkungen nach fallen unter § 62 zwei entgegengesetzte Gruppen.
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§62
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a) In dem ersten Fall ist das Verhalten eines jeden einzelnen (des letzten einzelnen) entscheidend; man denke an die Anfechtungklagen gegen Hauptversammlungbeschlüsse. Wenn hier auch nur ein Betroffener auf die Anfechtungsklage nicht verzichtet (vgl. § 306), muß über sie (sachlich, wenn die sonstigen Prozeßbedingungen gegeben sind) entschieden werden, und hat sie Erfolg, so wirkt die Entscheidung für alle Rechtskraft (also selbst für die, welche verzichtet haben). Hier entscheidet der Wille des einzelnen zugunsten der anderen auch gegen ihren Willen. Die e r s t e A l t e r n a t i v e ist also gegeben, wenn der Kläger mit seinem a u ß e r p r o z e s s u a l e n A n s p r u c h nicht durchdringt, sofern er nicht g e g e n ü b e r a l l e n Beklagten (Streitgenossen) obsiegt bzw. wenn jeder Kläger als Streitgenosse denselben außerprozessualen Anspruch gegen den Beklagten hat, so daß dem B e k l a g t e n ein Sieg gegen einen einzelnen Kläger nichts hilft, sondern er alle K l ä g e r b e s i e g e n muß, wenn er mit seinem außerprozessualen Gegenanspruch durchdringen soll. Es überlagern sich also die außerprozessualen Ansprüche der Streitgenossen. Dies kann ganz oder auch nur zum Teil der Fall sein, im letzten Fall ist die Streitgenossenschaft nur notwendig, soweit sie sich decken. b) Umgekehrt gibt es indes eine Gruppe, wo schon ein einzelner Streitgenosse die Klage durch sein Verhalten zu Fall bringen kann, etwa beim Ausschluß eines Gesellschafters aus der oHG nach HGB § 140. Hier unterstellt das Gesetz wegen des nur gemeinsam zu erreichenden Zieles die enge Verbundenheit der notwendigen Streitgenossenschaft. Äußert sich aber auch nur e i n e r der Beteiligten n e g a t i v (verzichtet er etwa auf den Klageanspruch, § 306), so z w i n g t er seinen W i l l e n den anderen zu ihren Ungunsten a u f , obwohl sie dies nicht wollen. A II. Wann die erste und wann die zweite Alternative gegeben ist, ist aus den einzelnen Normen zu entnehmen, welche die Verbindung zur notwendigen Streitgenossenschaft ergeben. Unter ihnen lassen sich mehrere Abteilungen unterscheiden. a) Die Fälle der notwendigen Streitgenossenschaft beziehen sich einmal auf die Rechtskraftwirkung des Erkenntnisses, das sowohl bei Klageabweisung wie bei Klagestattgabe in gleicher Weise (wechselseitig) wirkt. a 1. Dahin gehören aus der ersten Alternative Fälle, in denen das zwischen dem Vorerben und einem dritten ergehende Urteil für den Nacherben wirkt und gegen ihn, sofern der Vorerbe über den Nachlaßgegenstand ohne Zustimmung des Nacherben verfügen durfte (BGB §§ 2112folg.) bzw. wenn der Nacherbe der Verfügung zugestimmt hatte, wenn sie in diesen Fällen zugleich klagen bzw. verklagt werden. Werden Ehegatten, die in vereinbarten Güterständen leben (§§ 52 B, 739 A), gemeinsam verklagt bzw. klagen sie gemeinsam, so sind sie notwendige Streitgenossen. Notwendige Streitgenossenschaft besteht ferner bei Ehelichkeitanfechtungklagen, soweit der Staatsanwalt als Streitgenosse des Klägers auftritt (§§ 640 I, 634; BGH v. 3. 4. 1952 IV ZR 141/51) u. dgl. m. a 2. Allerdings werden gerade diese Fälle für die notwendige Streitgenossenschaft nur dann praktisch, wenn der dritte, auf den sich die Rechtskraft erstreckt, zugleich mitverklagt wird oder mitklagt, was bei der Rechtskrafterstreckung auf dritte aber gerade nicht erforderlich ist. Notwendige Streitgenossen sind die, welche in bezug auf denselben Gegenstand so gebunden sind, daß gegenüber dem Gegner ihre Rechtstellung identisch ist, wie wenn Treugeber und Treuhänder gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, etwa bei dem Vollindossatar mit Inkassoauftrag bei Wechseln und Schecken oder bei dem Zessionar (vgl. RGZ 88/290 [293]), oder wenn bei den sog. Ermächtigungen zur Prozeßführung im eigenen Namen (§ 50 G I a) der Ermächtigende und der Ermächtigte gemeinsam klagen oder verklagt werden (vgl. RG Seuff. 70/70). In jenen Fällen wird (regelmäßig) die zweite Alternative (§ 62 A I b) gegeben sein. Darüber, inwieweit hier ein Fall der ersten Alternative (§ 62 A I a) vorliegen kann, vgl. § 62 A II a 3. a S. Mischfälle ergeben sich bei Klagen gegen die Gesamtparteien (§ 50 B III) und ihre Mitglieder als notwendige Streitgenossen. Diese sind, soweit die Antragsüberlagerung reicht, notwendige Streitgenossen (RG DR 44 A 665 23 ); fällt allerdings die oHG als Partei weg, so bleibt nur das Band der früheren Gesellschafter untereinander, d. h. jeder von ihnen haftet als Gesamtschuldner (HGB § 128) und ist so wenig, wie es Gesamtschuldner auch sonst sind (vgl. § 62 A III a), notwendiger Streitgenosse (so RG Warn. 08/87). Im A k t i v p r o z e ß (vgl. § 50 B III c) ist die Beteiligung des Gesellschafters bei bestehender oHG usw. unzulässig,
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denn das Recht kann nur von der oHG geltend gemacht werden (sonst könnte praktisch der von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossene Gesellschafter sie doch vertreten, B G B § 2039 ist hier also nicht entsprechend anzuwenden); fällt aber die oHG weg (ohne daß die Liquidationform eintritt), so treten an ihre Stelle die einzelnen Gesellschafter, die, wenn sie gemeinschaftlich klagen, eine notwendige Streitgenossenschaft bilden (RG J W 07/313 1 6 ). In den P a s s i v p r o z e s s e n hat das Verhalten der Gesamtpartei (der oHG) den Vorrang. Dasselbe wie für die oHG gilt für die Klage gegen den nichtrechtsfähigen Verein und seine Mitglieder. b) Zur notwendigen Streitgenossenschaft genügt es indes schon, wenn das positive oder das negative Erkenntnis (also einseitig) Rechtskraftwirkung äußern würde. b 1. Die unter die erste Alternative gehörenden Klagen (§ 62 A I a) brauchen nicht notwendigerweise zugleich für oder gegen alle erhoben zu werden; notwendige Streitgenossenschaft tritt nur zwischen mehreren tatsächlichen Klägern oder den mehreren tatsächlichen Beklagten ein (vgl. RGZ 112/129), j a in dem Falle des § 256 darf sie sogar nur gegen den erhoben werden, gegen den die besonderen Prozeßbedingungen der Feststellungklage gegeben sind (RG 133/131; a. M. BGH N J W 58/384). Unter die erste Alternative fallen die erfolgreichen (Gesellschafter-) Anfechtung- und Nichtigkeitklagen gegen Hauptversammlungbeschlüsse der Aktiengesellschaft usw. Weiter gehören hierher die Klage auf Auflösung einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft durch gerichtliche Entscheidung, wenn diese aus mehr als zwei Gesellschaftern besteht (HGB §133, 161 I I , R G N §62/12), die auf Auflösung der fortgesetzten Gütergemeinschaft durch Urteil ( B G B §§1495, 1496). Die Träger einer BGB-Gesellschaft sind stets notwendige Streitgenossen (RG N § 62/25). Dies gilt auch für die Auseinandersetzung von Gemeinschaften (vgl. B G B §§ 749folg.) und Gesellschaften, sofern der sich überlagernde Anspruch gerade auf die Auseinandersetzung als solche geht (RG J W 04/61 1 8 ), nicht aber, wenn die Auseinandersetzung feststeht und es nur um die bloße Nachlaßverteilung nach B G B § 2042 geht (RG Warn. 19/42). Notwendige Streitgenossen sind ferner die mehreren Genossen, welche die Vorschuß-, Zusatz- oder Nachschußberechnung des Konkursverwalters angreifen (GenG §§ l l l f o l g . , 122 I V ; RGZ 132/349) usw. Auch Aktivprozesse der Gesamthänder gehören hierher, soweit diese selbständig (auf Leistung an alle usw.) klagen dürfen (vgl. B G B § 2033 I I und auch OGHZ 3/242folg.). Dies gilt auch für Forderungen und selbst, wenn von mehreren Miterben der Miterbennachlaßsehuldner nach B G B § 2 0 3 9 belangt wird (RG N §62/16); liegt ein günstiges, rechtskräftiges, nach B G B §2039 ergangenes Urteil vor, so muß dieses auch zugunsten der übrigen Miterben wirken (a. M. RGZ 75/26), wenn auch in diesen Fällen jeder einzelne unmittelbar oder entsprechend B G B § 2039 auf Leistung an alle klagen darf (RGZ 70/32). Auch bei Auseinandersetzungklagen der Erben untereinander oder durch Testamentvollstrecker liegt notwendige Streitgenossenschaft vor (a. M. OLG B a y J M i n B l . 57/39; wenn auch hier wieder es nicht notwendig ist, daß alle an der Erbauseinandersetzung Beteiligten auch an der Klage beteiligt sein müssen, R G N §62/41). Dies gilt für alle G e s a m t h a n d gläubigerverhältnisse (RG Warn. 36/71). In den Fällen des B G B §2059 11 ist notwendige Streitgenossenschaft anzunehmen, weil die Klage auf eine von allen Miterben nur gemeinschaftlich vorzunehmende Handlung oder Duldung zielt, also abgewiesen werden muß (RGZ 157/33folg. [35]), wenn sie auch nur gegen einen nicht durchdringt. Ferner gehören hierher die Klagen mehrerer, die sich auf gemeinschaftlichen Rücktritt ( B G B § 3 5 6 , RGZ 76/409) stützen usw. Auch die Klagen des Hauptintervenienten (§ 64) sind hier zu nennen, sofern sie mit einem einheitlichen Antrag gegen die früheren Prozeßgegner verfolgt werden (RGZ 64/321), Fechten mehrere Gläubiger im gemeinschaftlichen Aktivprozeß dieselbe Handlung ihres Schuldners nach Anfechtungrecht an, so sind sie im Aktivprozeß notwendige Streitgenossen. Notwendige Streitgenossenschaft besteht aber auch, wenn mehrere eine Wohnung gemeinschaftlich benutzen (RG N § 62/22). Anders ist dies bei Individualrechten innerhalb der Gesamtheit (vgl. § 62 A I I I b). b 2. Bei den unter die zweite Alternative fallenden Klagen sind die zu unterscheiden, wo von vornherein alle Beteiligten klagen müssen, und die, wo dies nicht der Fall ist. Unter die ersten Fälle der zweiten Alternative gehören die, wenn die Leistung durch Urteil zu bestimmen ist ( B G B §§ 315, 319, 2156, 2192) und auf Gläubiger- oder Schuldner- oder beiden Seiten mehrere beteiligt sind und die Leistung nur einheitlich bestimmt werden kann. 20
W i e c z o r e b , ZPO, Handausgabe
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§62 An
ZPO I. Buch
t> 3. Unter die zweiten Fälle der zweiten Alternative, wo gesondert geklagt werden darf, gehören (§ 62 A I b) die Klagen auf Ausschluß eines Gesellschafters aus der oHG oder der Kommanditgesellschaft (HGB §§ 140, 161 II, RGZ 122/312 [315]); a. M. BGH MDR B 851/57 für die Feststellung der Unwirksamkeit eines Ausschließungbeschlusses) oder auf Entziehung der Geschäftsführung- oder Vertretungsbefugnis (HGB §§117, 127); auch bei der GmbH, sofern man hier den Ausschluß eines Gesellschafters zuläßt (BGHZ 9/157). Notwendige Streitgenossen sind ferner die von mehreren Vermietern wie Verpächtern ausgehenden oder gegen mehrere Mieter wie Pächter gerichteten Miet- oder Pachtaufhebungklagen (nach MSchG §§ 2 folg., 36, LG DR 40 A 20316, vgl. aber auch die Lockerunggesetzgebung), sofern nicht die Aufhebungklage auf einen der Mieter oder Pächter ausdrücklich beschränkt ist (was zulässig ist); über die Frage, ob Mieter und Untermieter notwendige Streitgenossen gegenüber der Klage der Vermieter sind, vgl. § 62 B I a. b 4. Die Klagen auf Auflösung einer GmbH (GmbHG § 61 II, RGZ 164/129 [132]) bieten sich wieder in Mischform; Gesellschafter mit weniger Geschäftsanteilen als Vio des Stammkapitals sind nicht klageberechtigt, insoweit gehört die Klage unter die zweite Alternative (§ 62 A I b). Klagen indes mehr als 1 / 1 0 , so gehört bis zu dieser Grenze die Klage unter die erste Alternative (§62 A I a). c) Parallele Fälle zu der Parteienstreitgenossenschaft bieten sich bei der Vertreterstreitgenossenschaft infolge der Rechtskraftwirkung. d) Die notwendige Streitgenossenschaft verlangt nicht Identität des Rechtsgrundes, wohl aber denselben Anspruch auf denselben Streitgegenstand in bezug auf einen einheitlichen Sachverhalt. Trotz Identität des Rechtsgrundes braucht die Streitgenossenschaft nicht notwendig zu sein, wie sie umgekehrt trotz fehlender Identität des Rechtsgrundes es sein kann. d 1. Sie gilt in der ersten Alternative (§ 62 A I a) bei sich überschneidenden Rechten, wie dem Vollrecht und dem abgeleiteten Teilrecht. Hierher gehören die Fälle, wenn die Eheleute (vgl. §§ 52 B II a, 739 A) gemeinschaftlich zu verfügen haben und darauf mit der Klage in Anspruch genommen werden. Über sonstige Fälle der Klagen von und gegen Eheleute vgl. § 62 A II a 1. Notwendige Streitgenossen sind der Eigentümer und Nießbraucher (nicht bloß in den Fällen des BGB §§ 1066 II, 1077 folg., 1082, wo das Gesetz ihre gemeinschaftliche außerprozessuale Verfügung ausdrücklich fordert), sofern sie auf derselben Parteiseite aus der ihrem Voll- bzw. Teilrecht entsprechenden Lage (also in gemeinschaftlicher Front) sind. Das entsprechende gilt, wenn Pfand- oder Pfändunggläubiger (OLG Rpfl. 52/138) gemeinsam gegen den Drittschuldner klagen. d 3. Doch gibt es auch hier die gemischten Formen in den Fällen des sog. Drittschadenersatzes, also wenn derselbe Anspruch sowohl von dem in erster Linie (aus Vertrag, unerlaubter Handlung) Berechtigten und zugleich von einem dritten geltend gemacht wird, sofern dessen eigene Rechtsphäre unmittelbar berührt wird, wie dies ausdrücklich in den Fällen des BGB §§ 618, 844, 845, 991 II. HaftpflichtG §§3, 3 a zugelassen worden ist, oder wenn ein Mieter den Schaden geltend macht, der einer Person durch Zusammensturz der Decke entstanden ist (vgl. RGZ 127/218 [223]). Hier ist die Rechtstellung des letzthin Geschädigten stärker als die der anderen. Sein Verhalten müssen deshalb die anderen nach der zweiten Alternative gegen sich gelten lassen (§ 62 A I b), während umgekehrt das der anderen zu ihm im Verhältnis der ersten Alternative steht (§ 62 A I a). A III. Liegen die zu § 62 A II geschilderten Verhältnisse nicht vor, so ist die Streitgenossenschaft nicht notwendig, selbst wenn der Rechtsgrund identisch ist. Bloß logische Unvereinbarkeit abweichender Entscheidungen (RG Warn. 18/234) oder auch die Identität des tatsächlichen oder rechtlichen Klagegrundes (RG J W 16/84416) zwingen also nicht zur Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft. a) Auch im Passivprozeß gegen die Gesamthand besteht regelmäßig Gesamtschuldnerschaft (BGB § 2058, RG Warn. 26/216), welche die notwendige Streitgenossenschaft ausschließt; anders ist dies aber im Falle des BGB § 2059 (vgl. § 62 A II b 1). Aber auch Gesamtgläubiger (im Gegensatz zu den Gesamthandgläubigern) stehen nach BGB §§ 428, 429 III in keiner notwendigen Streitgenossenschaft (RG J R 27 B 171).
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Streitgenossenschaft
§ 62 A
Iii
b) Der für die notwendige Streitgenossenschaft erforderliche, sich überlagernde Klageantrag (RG JW 16/84416) fehlt überall dort, wo getrennte Ansprüche geltend gemacht werden, mag auch der Klagegrund übereinstimmen. Dies ist der Fall bei Klagen des unehelichen Kindes nach BGB § 1708 und denen der Mutter nach BGB § 1715 aus unehelicher Vaterschaft (BGB § 1717). Dasselbe gilt für die Klagen mehrerer nach BGB §§ 844folg. Unterhaltsberechtigter (RG JW 16/84416) wie überhaupt mehrerer, die durch dieselbe unerlaubte Handlung verletzt sind (RGZ 102/276). Klagt jemand aus Eigentum an beweglichen Sachen mit der Begründung, dieses als Zubehör in der Zwangsversteigerung erworben zu haben, gegen mehrere, welche verschiedene Gegenstände einzeln für sich beanspruchen, so liegt keine notwendige Streitgenossenschaft vor (a. M. RG JW 05/5331'), weil hier nur der Klagegrund gemeinschaftlich, nicht aber der Antrag identisch ist. So gibt es keine notwendige Streitgenossenschaft, wenn nur die Individualrechte des einzelnen auf eine Gesamthand, etwa die des Erben, geltend gemacht werden, also, wo es darum geht, ob er Erbe ist; die Klagen auf Feststellung seines Erbrechts auch gegenüber Miterben nach BGH NJW 57/537, oder wo es um die Erbschaftsanfeohtung geht (RG Warn. 19/42); die Klagen gegen mehrere Erbschaftbesitzer (die sich auf Miterbrecht beziehen, RGZ 95/97) oder die mehrerer angeblicher Miterben gegen den Erbschaftbesitzer (vgl. BGB §§ 2018folg.; RG Seuff. 77/96). Dasselbe gilt für den Prozeß eines Gesellschafters gegen die anderen auf Feststellung seines Anteils (RG DR 42 A 977'). c) Die gemeinschaftliche Verteidigung begründet noch keine notwendige Streitgenossenschaft, etwa wenn Akzeptant und Aussteller des Wechsels sich auf Schein berufen (RG JW 18/7718), zwischen mehreren Miteigentümern bei den Entschädigungansprüchen wegen der Enteignung (RG JW 00/3403), bei einer identischen Einrede oder einem identischen Einwand (der der Anfechtung wegen Betruges) gegen mehrere Käufer (RGZ 91/412). Zu den Einwendungen und Einreden, die zur Verteidigung gehören — selbst wenn eine Partei sie vorwegnimmt — gehört es auch, wenn die Nichtigkeit oder die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften (vgl. insbesondere BGB §§ 116folg.) geltend gemacht wird. Für eine zwangsläufige Annahme der notwendigen Streitgenossenschaft wegen der Nichtigkeit oder Anfechtung kann keine Rede sein. Soweit Ansprüche aus unerlaubter Handlung bestehen, sind sie individualisiert, mehrere an der unerlaubten Handlung Beteiligte haften als Gesamtschuldner, BGB §§830, 840; als Berechtigter steht der gegenüber, dem der einzelne Anspruch zusteht, nur mehrere (Gesamt)Rechtsnachfolger können aus diesem Grunde dann auch notwendige Streitgenossen sein. c 2. Hatte der Erblasser bereits aufgerechnet, so besteht zwischen den als Gesamtschuldnern in Anspruch genommenen Miterben deswegen insoweit, wie es um die Wirksamkeit der Aufrechnung geht, notwendige Streitgenossenschaft (RG Warn. 13/235). d) Die Notwendigkeit der Streitgenossenschaft kann trotz der Rechtskraftwirkung auf
den anderen nicht eintreten, wenn weder Wirkungen der ersten noch der zweiten Alternative (§ 62 A I) eintreten. d 1. So wirkt, wenn die Klage des Gläubigers gegen den Hauptschuldner abgewiesen wird, das Urteil auch zugunsten des Bürgen (BGB §§ 767, 768) wie bei Eigentümer und Verpfänder der belasteten Sache (BGB §§ 1137, 1211). Werden Bürge, Eigentümer, Verpfänder aber zusammen mit dem Hauptschuldner verklagt (oder klagen sie zusammen mit ihm in negativer Feststellungsklage), so wäre dem Anerkenntnis des Hauptschuldners (bzw. seinem Verzicht im Fall der negativen Feststellungsklage) zu entsprechen, ohne daß solche Erkenntnisse (§§ 306, 307) den Bürgen usw. berühren. Umgekehrt kann aber auch das Anerkenntnis (bzw. der Verzicht) des Bürgen usw. nicht die Stellung des Hauptschuldners im Prozeß beeinträchtigen. Wegen dieser starken Gelöstheit nimmt die h. M. hier keine notwendige Streitgenossenschaft an (RG JW 05/4921). Doch ist diese Meinung bedenklich. In diesen Fällen kann man allerdings über die Erklärung eines Streitgenossen, er wolle den anderen vertreten, nicht hinweggehen (der Hauptschuldner ist daran interessiert, daß ihn der Bürge nicht regreßpflichtig macht, der Bürge daran, daß auch die Hauptschuld nicht besteht). Wird die Erklärung schriftlich abgegeben, so liegt darin ein Beitritt als Nebenintervenient i. S. des § 70, andernfalls wird bei einer mündlichen Erklärung das Gericht gemäß § 139 den ihn wollenden Streitgenossen auf den u. U. bestehenden Formmangel hinweisen müssen. Mehrere Bürgen usw. haften als Gesamtschuldner (BGB § 769), sind also auch unter sich keine notwendigen Streitgenossen (RG Warn. 16/58). 20*
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§62 aiii
ZPO I. Buch
e) Auch bei Alternativklagen gegen den ursprünglichen Schuldner und den privativen Schuldübernehmer entsteht keine notwendige Streitgenossenschaft (RG N § 62/24). B. Die besonderen Wirkungen der notwendigen Streitgenossenschaft sind auf ihren Zweck beschränkt. Ihr Zweck ist es, daß wegen der außerprozessual bestehenden einheitlichen Rechtskraftwirkung (§ 322 B) auch einheitlich sachlich entschieden wird. Abgesehen von diesem Zweck ist auch hier — wie bei der gewöhnlichen Streitgenossenschaft — jeder Streitgenosse selbständig, wie dies § 61 ausspricht (vgl. RGZ 48/417 [420]). Andererseits ergeben sich dieselben Bindungen wie auch sonst bei der (einfachen) Streitgenossenschaft (§61AI a 1). B I . Der Grundsatz einheitlicher sachlicher Entscheidung wird indes auf das vor demselben Gericht tatsächlich anhängige Verfahren beschränkt. a) Bin Zwang zur Klageerhebung durch alle oder gegen alle notwendigen Streitgenossen wird nicht ausgeübt (RGZ 119/163 [168]). b 1. Ein Zwang zur verbundenen Klage besteht nur in den ausdrücklich gesetzlich vorgeschriebenen Fällen (vgl. GenG §§112 13, 113 12, 114 III; AktienG §§199 1113, 216 IV) 60wie in den Fällen der zweiten Alternative (§ 62 A I b) aus Zweckmäßigkeitgründen. c) Liegt ein einheitliches Verfahren gegen notwendige Streitgenossen vor, so ist doch — soweit nicht die Klageverbindung vorgeschrieben ist (§ 62 B I b 1) — die Klagetrennung zulässig. Aber auch soweit die Verbindung vorgeschrieben ist, ist, wenn für einige (oder alle) von ihnen Prozeßbedingungen fehlen (§ 274 A I) die Klage als unzulässig abzuweisen, § 62 soll nur sachlich ungleiche Entscheidungen vermeiden. c 1. In den Fällen der ersten Alternative (§ 62 A I a) ergeben sich dabei keine Schwierigkeiten. c 2. In den Fällen der zweiten Alternative (§62 A I b) wird allerdings die Klage unzulässig, wenn ein notwendiger Streitgenosse fehlt und deshalb auch, wenn einer von ihnen die Klage zurücknimmt oder bei einem von ihnen die Klage als unzulässig abgewiesen wird. B II. Die Selbständigkeit und Bindung der notwendigen Streitgenossen tritt besonders bei den Säumnisfolgen hervor. a) Selbständig ist jeder als Prozeßerklärungsempfänger außerhalb der mündlichen Verhandlung. Ladungen, Zustellungen — wie der Lauf dadurch begründeter Fristen — wirken nur in Person des einzelnen (RGZ 96/48 [52]). Anders ist es bei der mündlichen Verhandlung und in dem ihr gleichgestellten schriftlichen Verfahren. Ist deshalb auch nur die Einlassungoder die Ladungfrist bezüglich eines Nichterschienenen oder Nichtverhandelnwollenden nicht gewahrt oder auch nur einer nicht geladen, so darf, wenn dieser ausbleibt oder nicht verhandelt, überhaupt nicht verhandelt werden (RGZ 60/269 [271]). Das Gericht und der Prozeßgegner müssen (außerhalb der mündlichen Verhandlung) jede Prozeßhandlung gegenüber einem jeden Streitgenossen vornehmen (RGZ 40/349 [351]). Wird das Verfahren gegenüber einem Streitgenossen unterbrochen, so kann er nicht säumig werden und damit auch nicht die übrigen notwendigen Streitgenossen. Ob, wenn ein Aussetzunggrund sich in der Person eines der notwendigen Streitgenossen ergibt, nicht bezüglich aller der Streit ausgesetzt werden muß, ist streitig (bejahend: RGZ 106/136 [142]); ist der Streit ausgesetzt, so braucht er nicht für und gegen alle notwendigen Streitgenossen aufgenommen zu werden (OLG 27/28). a 1. Im Fall der ersten Alternative (§ 62 A I a) ist die Aussetzung für und gegen alle nicht notwendig. a 2. Im Fall der zweiten Alternative (§ 62 A I b) muß dagegen ausgesetzt werden. b) Soweit aber ein Säumiger als Erklärungsempfänger in der mündlichen Verhandlung in Betracht kommt, muß er die auch ihn betreffenden Erklärungen zu seinen Lasten hinnehmen (selbst wenn sie ihm niemand mitteilt); dies gilt von den verkündeten Terminen (§ 218) und den in ihnen zu verkündenden Entscheidungen des Gerichts, im besonderen von den verkündeten Beschlüssen (§ 329 I) und Urteilen; deshalb läuft auch die Fünfmonatefrist nach §§ 516, 552 gegen ihn. Wenn § 62 anordnet, daß eine Frist durch nur einen notwendigen Streitgenossen zugunsten aller gewahrt werden kann, so trifft er all diese Fälle nicht; er bezieht sich vielmehr ausschließlich auf die von dem Gericht gesetzten Auflagefristen, die innerhalb
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Streitgenossenschaft
§ 6 2 B Ii b
des Verfahrens zu beachten sind (vgl. §§ 279 a, 283 II, 529) und die, die bei der mündlichen Verhandlung durch Erklärungen zugunsten des Streitgenossen wirken sollen, wenn auch nur einer nicht säumig ist. Er bezieht sich aber nicht auf gesetzliche Fristen, deren Innehaltung zu den Prozeßbedingungen (-Voraussetzungen, Prozeßfortsetzungvoraussetzungen) gehört, wie die für die Rechtsmittel (RGZ 157/33 [37]). Über die Selbständigkeit der einzelnen notwendigen Streitgenossen im Rechtsbehelfsverfahren vgl. § 62 B IV c. Darüber, daß kein sachliches Säumnisurteil gegen notwendige Streitgenossen ergeht, wenn auch nur gegen einen eine kontradiktorische Entscheidung erlassen wird, vgl. § 62 B III c. B III a) Für Wissenserklärungen wird man das Bestreiten des einen bei beiden Gruppen auch als Bestreiten des anderen aufzufassen haben (§ 138 III ist also nicht anzuwenden); kommt es dann aber gerade auf die Vorlegung von Urkunden durch einen bestimmten Streitgenossen an, so ist, wenn er die Urkunde nicht vorlegt, nach § 427 zu verfahren, wenn die Urkunde nicht beigebracht wird. Dies gilt auch von (selbständigen) Angriffsund Verteidigungmitteln, die nur einer von mehreren notwendigen Streitgenossen vorlegt (vgl. auch § 61 A I b 2). a l . Gesteht ein notwendiger Streitgenosse der ersten Alternative zu (§288), so bindet dies nicht die anderen Streitgenossen; die Tatsache bleibt also beweisbedürftig (vgl. RG J W 03/211); und selbst die indizielle Verwertung gegenüber den anderen ist nicht zu billigen (vgl. § 61 A I b 2), doch kann das Gericht auch die Vernehmung des Gestehenden anordnen (§ 449), sollte sich aber allein damit nicht begnügen, wenn nicht etwa Einigkeit darüber besteht, daß nur der Gestehende für alle wirksam gehandelt hat; dies gilt auch in den Fällen des § 426. a 2. Sehr zweifelhaft ist es aber, ob nicht in den Fällen der zweiten Alternative das Geständnis des einen den anderen da bindet, wo dies jedenfalls sein Anerkenntnis bzw. Verzicht tun würde (vgl. § 62 B III b). a3. Das Geständnis des Gegners wirkt stets zugunsten aller (§ 138 I). b) Grundsätzlich sind die notwendigen Streitgenossen in beiden Gruppen auch in ihren prozessualen Willenserklärungen selbständig (vgl. § 61 A I b 2), so darf jeder auch einen eigenen Anwalt zu seiner Vertretung bestellen (RG Gruch. 37/1220, abgesehen vom Fall des AktienG § 63 I). b 1. Bei notwendigen Streitgenossen der ersten Alternative (§ 62 A I a) wirken Anerkenntnis wie Verzieht der Streitgenossen nur in der Person des Erklärenden (RG J W 03/211). b 2. Bei notwendigen Streitgenossen der zweiten Alternative (§ 62 A I b) gilt das Umgekehrte. c) Die Bindung notwendiger Streitgenossen beider Alternativen hat nach § 62 zur Folge, daß ein Termin durch einen säumigen Streitgenossen nicht versäumt wird, wenn und soweit ihn ein nichtsäumiger wahrnimmt (RG J W 98/259'). Die nachteilige Säumnisfolge tritt aber zu Lasten des säumigen Streitgenossen ein, wenn der gesamte Termin von allen (u. U. durch Nichtverhandeln der Erschienenen, § 333) versäumt wird. Tatsachen gelten als nicht bestritten (§ 138 III), wenn sie von keinem nichtsäumigen Streitgenossen bestritten werden (oder sogar von ihnen zugestanden werden; das Geständnis wirkt aber nicht zu Lasten des Säumigen, Rosenberg Lb. § 95 I I I 3 b, a. M. Jonas § 62 Anm. IV 1, sondern wirkt nur als Nichtbestreiten); im späteren Termin darf es der Säumige nachholen; er darf dann aber mit seinem Vorbringen (abgesehen vom Bestreiten nach der hier vertretenen Auffassung: §§ 529 C II a 3, 531 A I a) wegen Verspätung nach §§ 279, 279 a, 283, 529 zurückgewiesen werden. Unterbliebene Prozeßerklärungen nach §§ 269 (Klageänderungrüge), 295, 530, 558 (Verfahrensregelrüge) wirken zu Lasten des Streitgenossen (RG J W 98/253), sie sind nicht nachholbar. Betreffen die Unterlassungen verzichtbare Prozeßvoraussetzungen oder verzichtbare Prozeßhindernisse, so können (da diese nur von Person zu Person gelten, vgl. § 274 C II b) hier nicht einmal die in der Person des Säumigen bestehenden vorgebracht werden, wenn sich ihm nicht ein Nichtsäumiger als Streitgehilfe anschließt; auch diese Unterlassungen wirken endgültig in Fällen des § 39 und regelmäßig endgültig in denen der §§ 274, 529, 566.
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§ 62
B
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d) Die außerprozessualen Handlungen notwendiger Streitgenossen unterliegen dem außerprozessualen Recht (vgl. § 61 C). BIV. Das gerichtliche Erkenntnis hat nur die einheitliche sachliche Entscheidung in den Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft zu gewährleisten. Über die einheitliche Behandlung und Bewertung des Beweisverfahrens vgl. § 61 A I b 3. Uber die getrennte Behandlung in kostenrechtlicher Beziehung vgl. § 61 B II. a 1. Sachlich trennende Teilurteile (§ 300 II) sind unzulässig (RG JW 28/174322). a 2. Es darf aber auch nicht gegen einen Teil sachlich durch Yersäumnisurteil, gegen den anderen kontradiktorisch entschieden werden. Ist die Entscheidung indes nicht kontradiktorisch, ergeht gegen die nicht säumigen notwendigen Streitgenossen Anerkenntnis- bzw. Verzichturteil, so darf gegen die Säumigen nur das mit dem sachlichen Ausspruch sich deckende Versäumnisurteil ergehen (§ 62 B I I I c). b) Der Grundsatz der sachlich gleichen Entscheidung wird nicht berührt, wenn gegen oder für einen notwendigen Streitgenossen wegen fehlender Prozeßbedingung die Klage als unzulässig abzuweisen ist (mit der Ausnahme für die Schiedsgerichtsklausel in den Fällen der zweiten Alternative). Darüber, daß dann auch die Klage in den Fällen der zweiten Alternative (§ 62 A I b) inbezugauf die anderen notwendigen Streitgenossen unzulässig wird, vgl. §62BIc2. In diesen, aber nur in diesen Fällen kommt es dann zur einheitlichen Abweisung der Klage als unzulässig, während in dem Fall der ersten Alternative (§ 62 A I a) für bzw. gegen die anderen sachlich zu entscheiden ist. c) Bei der Einlegung von Rechtsbehelfen (Rechtsmitteln) gegen ein Erkenntnis gibt es keine Vertretung kraft notwendiger Streitgenossenschaft, wie sie § 62 II im Säumnisfall anerkennt. Vielmehr ist jeder der notwendigen Streitgenossen in dieser Prozeßhandlung formell selbständig, d. h. der Rechtsbehelf des anderen zwingt ihn formell nicht dazu, auch seinerseits ihn einlegen zu müssen, wie er umgekehrt sein formelles Recht dazu nicht dadurch verliert, daß das Urteil gegen den anderen Streitgenossen formell (§ 705) rechtskräftig geworden ist. Wegen ihrer Selbständigkeit darf jeder Streitgenosse sich selbst zum Rechtsbehelf, seiner Einlegung, aber auch zu seiner Zurücknahme und dem Verzicht auf ihn allein entschließe« (RGZ 96/48 [52]). Über den getrennten Lauf der Rechtsbehelfsfristen für jeden einzelnen notwendigen Streitgenossen vgl. § 62 B IVc 3. Dadurch wird indes nicht verhindert, daß jeder andere Streitgenosse in die Stellung des anderen als selbständiger Streitgehilfe (§ 69) eindringen darf, und zwar auch gegen den Widerspruch der Hauptpartei (RGZ 164/129 [132]); darüber, wieweit die Befugnis des selbständigen Streithelfers geht, vgl. § 69 B. c 1. Die Art des einzulegenden Rechtsbehelfs richtet sich nach der Art des gegen den einzelnen Streitgenossen erlassenen Erkenntnisses. Nur der Beschwerte hat den Rechtsbehelf (vgl. RGZ 46/415). Ergeht gegen alle oder einen Teil von ihnen Versäumnisurteil, also auch wenn die Instanz erkennt, daß es sich um notwendige Streitgenossen handelt, so haben nur die, gegen welche es erlassen ist (die Säumigen), den Einspruch gegen das technisch erste Versäumnisurteil und nur ihn, selbst wenn zugleich mit dieser Entscheidung bezüglich der anderen — irrtümlicherweise — ein kontradiktorisches Endurteil gefällt wurde (RGZ 39/411). c 2. Die Aufspaltung der Verfahren durch die Möglichkeit verschiedenartiger Bechtsbehelfe (Rechtsmittel) ist also trotz sachlich einheitlicher Entscheidung gegeben. Wird indes das Verfahren gespalten, so sollte man es wieder vereinen, wie man auch mehrere selbständige gleichwertige Rechtsbehelfe gegen dasselbe Erkenntnis verbindet (vgl. § 517). c 3. Die Selbständigkeit der einzelnen notwendigen Streitgenossen bei der Einlegung von Rechtsbehelfen kann in den Fällen der ersten Alternative (§ 62 A I a) zur formellen Rechtskraft (§ 705) gegen einen oder einige von ihnen führen, obwohl (bis auf die Kostenentscheidung, die selbständig materiell rechtskräftig wird) materiell noch anders entschieden werden kann (RGZ 157/33); im Fall der zweiten Alternative (§ 62 A I b) wird dagegen das Verfahren der anderen unzulässig (RGZ 132/351). Doch genügt es, wenn bei notwendiger Rechtsmittelbegründung einer der notwendigen Streitgenossen das Rechtsmittel begründet; denn für den, der ein eigenes Rechtsmittel eingelegt hat, gibt es keine Säumnisfolgen im selben Umfange wie in der ersten Instanz.
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Streitgenossensehaft
§ 6 2 B iv
c 4. Trotz formeller Rechtskraft (§ 705 A) bleibt der notwendige Streitgenosse in dem gegen die anderen noch schwebenden Streit Partei (OGHZ 3/245) und darf infolgedessen auch nicht als Zeuge (sondern nur als Partei) vernommen werden (OLG HRR 42/652) und ist nach §62 II auch zu dem weiteren Verfahren zuzuziehen (RGZ 157/33 [37]), auch wenn er das eigene Rechtsmittel eingelegt, aber zurückgenommen hatte (RGZ 38/426). Dies gilt auch noch in Wiederaufnahmeverfahren, also selbst, wenn dem anderen der Wiederaufnahmegrund nicht zur Seite steht (RGZ 96/48). Deshalb kann auch der, welcher das Rechtsmittel nicht eingelegt hat, es begründen oder in der mündlichen Verhandlung vertreten (RGZ 90/42). Wird der notwendige Streitgenosse nicht hinzugezogen, so entsteht ihm ein eigenes Recht auf Rüge nach § 295, das er erst durch die mündliche Verhandlung, zu der auch er geladen wird, verliert, wenn es dann nicht ausgeübt wird (RG JW 02/361 la ); doch kann er deswegen keinen eigenen Rechtsbehelf mehr einlegen (wenn auch noch als selbständiger Streithelfer der Partei, welche beschwert ist, nach § 69). Es darf nicht, wenn die Hinzuziehung dieser Streitgenossen in der Berufungverhandlungübersehen ist, in der Revisioninstanz von Gerichts wegen aufgehoben werden, wenn sie auch in der Revisionverhandlung von Gerichts wegen hinzuzuziehen sind, sofern sie in ihr Rügen nicht erheben (a. M. OGHZ 3/245). Auch wird man in der Revisioninstanz die Rüge durch den Revisionkläger grundsätzlich innerhalb der Begründungfrist zu fordern haben (vgl. aber § 554 D III c 2); für den Revisionbeklagten genügt die in der Verhandlung erhobene (vgl. § 554 F II b). Wird das Verfahren in der Person des Hinzuzuziehenden unterbrochen, so ist dies nach RG Gruch. 39/1125 nicht zu beachten, wenn er formell rechtskräftig ausgeschieden war. e 5. Unterliegt der Rechtsmittelkläger, so treffen grundsätzlich ihn allein die Kosten, auch wenn er notwendiger Streitgenosse ist, aber allein das Rechtsmittel eingelegt hat (RG J W 38/152211); doch sollte man, wenn ein anderer, der das Rechtsmittel nicht eingelegt hat, es verfolgt, ihm nach § 100 I I I in entsprechender Anwendung die Kosten auferlegen, soweit die dortigen Voraussetzungen gegeben sind. d) Der Gegner der notwendigen Streitgenossen muß deu Rechtsbehelf (jedenfalls in Fällen der ersten Alternative) gegen jeden einzelnen von ihnen richten (RGZ 61/394 [398]), soweit er — der Gegner — beschwert ist (RG Gruch. 48/398). Auch hier laufen die Rechtsbehelfsfristen u. U. verschieden, je nach der Zustellung (RG J W 10/82146). Da es eine Prozeßvoraussetzung der Streitgenossensohait nicht gibt, ist das in richtiger Form und Frist eingelegte Rechtsmittel des Gegners, das sich auf einzelne Streitgenossen beschränkt, formell zulässig (RGZ 48/417). Wird indes in den Fällen der ersten Alternative (§ 62 A I a) der Rechtsbehelf nicht gegen alle Streitgenossen eingelegt, so wirkt die zugunsten des einen eingetretene Rechtskraft (§ 322 B) auch materiell für die andern, und das Rechtsmittel wird unzulässig (wenn man den prozeßhindernden Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache hier anerkennt, vgl. § 322 B II). In den Fällen der zweiten Alternative (§ 62 A I b) entscheidet dagegen die formelle Rechtskraft in bezug auf einen notwendigen Streitgenossen noch nicht über die materielle Rechtskraft in bezug auf den andern. Hier bleibt trotz der formellen Rechtskraft gegen einige der Streit gegen die andern verfolgbar, die nach § 62 II auch zu diesem Verfahren hinzuzuziehen sind. Unterbleibt dies selbst versehentlich bis zur Rechtskraft, so haben sie die Nichtigkeitklage nach § 579 I 4 in entsprechender Anwendung. e) Schließlich besteht noch die Möglichkeit, daß die Entscheidung sowohl von den notwendigen Streitgenossen wie von dem Gegner angreifbar ist, weil beide durch sie beschwert sind. e 1. Geht der Schnitt durch die notwendige Streitgenossenschaft, etwa wenn bei verbundener Klage gegen einen Teil der Streitgenossen zu-, gegen den andern derselben Parteiseite aberkannt oder wenn gegen einen Teil formell, gegen den andern aber sachlich wie umgekehrt erkannt wird, dann haben möglicherweise die Streitgenossen wie der Gegner Rechtsbehelfe, u. U. sogar verschiedene, wenn etwa die Klage gegen einen Teil als unzulässig abgewiesen, gegen den anderen durch Versäumnisurteil als sachlich begründet erklärt wird. Hier müssen die einzelnen Rechtsbehelfe getrennt eingelegt werden. Eine Anschließung an das Rechtsmittel der Gegenseite ist nicht zulässig (RGZ 46/415). Die Auffassung des BGH MDR B 854/54, daß, wenn von mehreren notwendigen Streitgenossen einer Berufung einlegt, der Suspensiveffekt (§ 511 A I a) zugunsten aller wirkt, kann nicht gebilligt werden.
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§ 62 B iv
ZPO I. Buch
e 2 . Das Urteil kann indes auch derselben Parteiseite etwas zu- oder absprechen. Vom Standpunkt der Selbständigkeit der notwendigen Streitgenossen bei Rechtsbehelfen gibt es auch hier keine Anschließung gegen einen am Hauptrechtsmittel nicht Beteiligten (RGZ 46/415).
§ 63
(60)
I Das Recht zur Betreibung des Prozesses steht jedem Streitgenossen zu; zu allen Terminen sind sämtliche Streitgenossen zu laden. C. Ist § 68 nicht beachtet, so darf in einem Termin gegen den nicht ordnungmäßig Geladenen kein Versäumnisurteil ergehen (§ 335 I 2, vgl. RGZ 60/269folg.). Ein darauf gerichteter Antrag ist zurückzuweisen. Im Falle der notwendigen Streitgenossenschaft darf gleichviel, ob einer oder keiner der Streitgenossen erschienen ist, nicht verhandelt werden, wenn der nicht geladene nicht erschienen ist oder nicht verhandelt. Bezüglich der Form der Ladung genügt die Terminmitteilung.
Dritter Titel Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
§ 64 (61) I Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, ganz oder teilweise für sich in Ansprach nimmt, ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtstreits berechtigt, seinen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei dem Gericht geltend zu machen, vor dem der Rechtsstreit im ersten Rechtszuge anhängig wurde. B. Die besonderen Prozeßbedingungen des § 64 sind folgende: B I a) es muß der Rechtstreit zwischen anderen Personen anhängig sein, was nach h. M. rechtshängig (§ 263 B) bedeutet (Hellwig Lb. 3/193). a 1. Auch gibt es keine Hauptintervention anläßlich einer Zwangsvollstreckung. Es genügt nach h. M. ferner nicht, daß mit dem Interventionsanspruch aufgerechnet wird (Hellwig Lb. 3/191); weil der aufgerechnete Anspruch nicht rechtshängig wird (vgl. §8145 D I I b ; 33 Clbl). a 2. Rechtshängig ist der Anspruch so lange, bis über ihn rechtskräftig (§ 705 A) entschieden ist. Wer von der Rechtshängigkeit in formaler Hinsicht ausgeht, der läßt die Intervention auch zu, wenn das Erstverfahren unterbrochen, ausgesetzt ist oder ruht, wenn anerkannt oder verzichtet wird, aber Anerkenntnis- und Verzichturteil noch nicht erlassen (Jonas § 64 Anm. II 2) bzw. noch nicht rechtskräftig sind oder wenn noch ein Nachverfahren nach § 302 schwebt, wenn dies auch gar nicht den Anspruch betrifft (Jonas § 64 Anm. II), wegen dessen interveniert wird; doch nimmt die h. M. an, daß der Vergleichsabschluß den Prozeß beendet (Jonas § 64 Anm. II 2, Sydow-Busch § 64 Anm. 1); vgl dazu den hier vertretenen abweichenden Standpunkt in Kommentar § 794 B IV d. a 3. Nicht mehr rechtshängig ist der Erstprozeß auch, wenn die Klage bereits wirksam zurückgenommen worden ist (§ 271) oder wenn sich der Anspruch nur noch in der Vollstreckung befindet; dann gibt es nicht mehr die Hauptintervention, sondern u . U . die Widerspruchsklage des § 771 (diese ist allerdings schon zulässig, wenn auch aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil vollstreckt wird, so daß hier der neue Kläger die Wahl hat, welchen Gerichtstand er nimmt; erhebt er beide Klagen, so tritt eine Überlagerung ein; darüber, welche Klage dann zulässig bleibt, vgl. § 771 B II b 2, 9, § 64 B III a). Stehen nur noch die Kosten im Streit (u. U. nach § 321), so ist die Hauptintervention, die sich ja hierauf gar nicht beziehen kann, nicht mehr zulässig.
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Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
§ 6 4 BI
a 4. Die Prozeßvoraussetzung des Gerichtstandes der Hauptintervention setzt nur die der (wirksamen) Erstklageerhebung (und was ihr gleichsteht) voraus (§§ 253 I, 500 II 1), nicht aber die sonstigen Prozeßvoraussetzungen der Erstklage (RGZ 61/241folg.). Gegeben werden damit aber nur der Gerichtstand, nicht die sonstigen Prozeßvoraussetzungen für die Hauptinterventionklage (vgl. § 64 B I I I b). b) Der neue Kläger darf nicht schon im Erstprozeß Partei sein. Dies ist er aber schon, wenn er auch nur als Streitgenosse (§§ 59folg.) einer Partei beteiligt ist. Streitgehilfenschait schadet dagegen nicht (§§ 66folg., RGZ 46/404); auch nicht die selbständige (§ 69). b 1. Der echte gesetzliche Vertreter einer Partei kann nicht im Namen dieser hauptintervenieren, wohl aber darf er in dem anhängigen Rechtstreit unmittelbar auftreten; seine Einmischung ist keine Hauptintervention, die den Erstrechtstreit unberührt ließe (vgl. § 51 E IV a 2). c) Der neue Kläger muß den im Erstprozeß geltend gemachten Anspruch (vgl. § 253 B I I c) ganz oder zum Teil für sich in Anspruch nehmen. Darauf, ob die neue Klage begründet ist, kommt es für die Prozeßvoraussetzung des GerichtstaDdes der Hauptintervention nicht an. Doch ist der Gerichtstand der Hauptintervention nur gegeben, wenn ein Interventionsgrund schlüssig behauptet und auf diesen die Klage gestützt wird (RGZ 61/241). c 1. Streiten die Erstparteien über das Recht an einer oder auf eine Sache (BGB § 90), gleichviel, ob aus dinglichem oder persönlichem Recht, so ist die Hauptintervention zulässig, wenn der neue Kläger in bezug auf dieselbe Sache einen (gleichviel ob dinglichen oder persönlichen) Anspruch erhebt (RG J W 86/1452), der notwendigerweise mit dem des Erstklägers bzw. des Erstbeklagten nicht kongruent sein kann. Das entsprechende gilt für alle absoluten Rechte (Urheber-, Erfinderrecht, Warenzeichen-, Gebrauchsmusterrecht), soweit diese als solche geltend gemacht werden dürfen (vgl. dazu § 253 B II, III). Hat indes der Hauptintervenient nur einen obligatorischen Anspruch gegen eine Partei, so ist der Gerichtstand nicht gegeben. c 2. Bei bloßen (persönlichen) Forderungen muß der sie rechtserzeugende selbe Tatbestand getroffen werden (RG J W 86/1452); Kongruenz kann auch hier nicht bestehen, da verschiedene Rechtsträger sich des Rechts zu fordern berühmen (vgl. OLG 17/101folg.); aber auch sonst genügt die Staffelung von Rechten bezüglich derselben Forderung (vgl. § 253 B II, I I I ; etwa bei Pfandrechten: so RGZ 64/321). d) Weiterhin darf der Hauptintervenient nicht nach Rechtshängigkeit des Hauptprozesses Rechtsnachfolger einer Partei geworden sein; diesem Rechtsnachfolger steht dabei der gleich, dem zwar vorher die Forderung abgetreten war, wenn dem Schuldner dies nicht bekannt geworden (BGB § 407 II). Anders ist dies, wenn der Erstprozeß gegenüber dem Hauptintervenienten nach § 265 I I I nicht wirkt. B II. Die neue Klage des Hauptintervenienten a) ist zu erheben bei dem Gericht der ersten Instanz, wo der Erstprozeß anhängig ist oder war, und zwar, wenn der Rechtstreit z. Z. der Hauptinterventionsklageerhebung nach §§ 276, 506, 697, 700, GVG § 102 verwiesen war, bei dem durch die Verweisung zuständig gewordenen Gericht (die spätere Verweisung ändert dagegen den ursprünglich begründeten Gerichtstand der Hauptintervention nicht; §263 112). Die durch die Hauptintervention begründete Zuständigkeit ist eine besondere sachlich wie örtlich ausschließliche (allerdings in der Wahl des Klägers stehende, § 35), die jeder anderen, auch der vereinbarten (§§ 38, 40) wie auch der gesetzlich ausschließlichen (etwa der des § 24) vorgeht. Dies geht soweit, daß sie nur bei der Zivilkammer erhoben werden darf, selbst wenn sie Handelsache ist, sofern der Erststreit vor der Zivilkammer anhängig war. War dagegen der Erststreit vor einer Kammer für Handelsachen anhängig, so ist sie vor dieser nur zu erheben, wenn auch die neue Klage Handelsache (GVG §95) ist (GVG §103). Im übrigen ist aber die Geschäftsverteilung nicht entscheidend (vgl. § 1 B IV a). Bezüglich der sachlichen Zuständigkeit gilt das Gesagte auch im Verhältnis der ordentlichen Gerichte zum ArbG. Diese Regel ist aber nicht auf die Fälle zu erweitern, wo die ordentlichen Gerichte nicht zuständig sind, der Rechtsweg also unzulässig ist (vgl. GVG §13 G II).
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§64
BII
ZPO I. Buch
b) Sind an dem Erstprozeß mehrere Parteien auf der klagenden oder der verklagten Seite vorhanden, so genügt es, wenn gegenüber je einer der sich gegenüberstehenden der neue Prozeß durchgeführt werden soll. b 1. Die neue Klage darf den Prozeßbevollmächtigten des Hauptprozesses zugestellt werden, deren Prozeß vollmacht sich auch auf den Hauptinterventionprozeß erstreckt ( § 8 2 ) ; muß ihnen aber nicht zugestellt werden. b 2. Der Antrag braucht gegen beide Beklagte nicht identisch zu sein. Er darf auch in verschiedenen Klagearten gestellt werden (vgl. § 64 B I I I b 1). b 3. Die belangten Parteien des Erstprozesses sind stets Streitgenossen ( § 5 9 ) ; ob sie notwendige Streitgenossen sind, das ist nur nach der Antragsüberlagerung zu entscheiden (vgl. § 62 A I I I b ; R G H R R 34/122). B i n a) In den Erstprozeß dringt der Hauptintervenient also als Partei nicht ein. b) Die sonstigen Prozeßbedingungen der selbständigen Klage müssen für die Klage des Hauptintervenienten gegeben sein. b 1. Dies gilt sowohl für die Klageart, in der sie erhoben wird, b 2. wie für die ProzeBart C I . Eine Verbindung beider Prozesse ist zweckmäßig (§ 147; OLG 40/350). Eine rechtliche Bindung beider Prozesse kraft Hauptintervention tritt, wenn sie unverbunden bleiben, nicht ein; im besonderen kann der Hauptintervenient dann im Erstprozeß als Zeuge vernommeD werden. Ein Zwang, in beiden Prozessen einheitlich zu entscheiden, besteht nicht.
§ 65 (62) I Der HauptprozeB kann auf Antrag einer Partei bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hanptintervention ausgesetzt werden. A. Außer der Begründung des sachlich und örtlich zuständigen Prozeßgerichts für den Hauptinterventionsprozeß (§ 64) gibt § 65 infolge der Hauptintervention die Möglichkeit, den Erstprozeß auszusetzen. A I. Den Antrag darf hier jede Partei des Erstprozesses stellen, nicht aber der Hauptintervenient als solcher, wohl aber als Streithelfer einer Partei des Erstprozesses. B. Über den Antrag soll entweder nach mündlicher Verhandlung (§ 128) oder in den Fällen des § 128 I I im Einverständnis der Parteien schriftlich entschieden werden. Das Gericht entscheidet nach Zweckmäßigkeit (OLG 9/52). Gegen die ablehnende Entscheidung hat die den Antrag stellende Partei das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, gegen die stattgehende der Gegner die einfache Beschwerde (§ 252), wenn sich nicht das Verfahren beim OLG (§ 5 6 7 I I I ) oder in der Revisioninstanz befindet. Wiederaufgenommen wird das Verfahren nach § 250 nach dem Ermessen des Gerichts oder nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptinterventionprozesses durch den Antra? einer Partei.
§ 66 (63) I Wer ein rechtliches Interesse daran hat, daß in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. II Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen. A. § 66 regelt die besonderen Prozeßbedingungen der Streithilfe (Nebenintervention), d. h. die prozessualen Voraussetzungen für die Prozeßbeteiligung eines Parteifähigen, der am Streit nicht beteiligt ist, zugunsten einer von ihm bestimmten Partei. A I. Der Begriff des anhängigen Verfahrens ist entsprechend dem des § 64 (§ 64 B I a) gebildet.
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Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
§66
AI
a) Auszugehen ist von einem Verfahren, das die Rechtshängigkeit auslösen kann. Wegen des anderen Zweckes der Streithilfe eröffnet sich ihr indes ein weiterer Kreis als der für die Hauptintervention. a 1. Ob schon im Mahnverfahren die Streithilfe (durch Erhebung des Widerspruchs) zulässig ist, ist streitig. a 2. Im Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren läßt die h. M. — im Gegensatz zu § 64 — die Streithilfe in verschiedenem Umfange zu (schlechthin: OLG J W 29/1674 16 ). a 3. Im vorprozessualen Beweissicherungsverfahren ist die Streithilfe zulässig. a 4. Nicht zulassen sollte man sie in den Fällen der §§ 887—891 (OLG NdsRpfl. 55/35 hat sie im Erinnerungsverfahren nach § 766 nicht zugelassen). a 5. Auf die nicht staatlichen Schiedsgerichtsverfahren erstrecken sich §§66 folg. nicht. Bisweilen gestatten indes die Schiedsgerichtsordnungen Streitgehilfenschaften; ob für diese dann aber § 68 gilt, ist allenfalls aus den Schiedsklauseln zu entnehmen; auch er wirkt also unmittelbar nicht. a 6. Weiterhin werden Streitgehilfen zugelassen auch in Verfahren, die keine Hauptintervention kennen, wie im Patentnichtigkeitverfahren schon vor dem Patentamt (BGH N J W 52/381), im Vertragshilfeverfahren (BGH MDR 55/347). Dagegen gibt es weder Haupt- noch Nebenintervention im Konkurs- oder im Vergleichsverfahren, wo es nur solche Interessenten gibt, die unmittelbar am Verfahren beteiligt sind (wenn auch u. U. nur mit Ausfallforderungen). b) Die Rechtshängigkeit endet mit der Rechtskraft (§ 705), der Klagerücknahme (§ 271 I) u. dgl. m. wie in den Fällen des § 64 B I a. Doch gibt es aber auch hier (wie in den Fällen der Hauptintervention des § 64 B I a 3) keine Streithilfe mehr, wenn es nur (noch) um die Prozeßkosten geht, weil das Interesse des Streithelfers an den Hauptanspruch anknüpft (RGZ 169/50). b 1. Im Unterschied zur Hauptintervention dringt die Streithilfe in den Prozeß ein; der Streithelfer darf beitreten unter Einlegung eines Bechtsbehelfs (RGZ 76/166); denn die Beitrittserklärung (§ 70) darf mit dem Einspruch oder dem Rechtsmittel verbunden werden. b 2. Dabei darf es dann auch nicht darauf abgestellt werden, ob bereits formell Rechtskraft eingetreten ist (§ 705 A), wenn sie sich noch durch einen Rechtsbehelf beseitigen läßt. So darf trotz formeller Rechtskraft der Streithelfer einen Rechtabehelf mit W i e d e r e i n s e t z u n g s g e s u c h anbringen, wenn er sich dabei auch nur auf die in der Person der Hauptpartei bestehenden, also nicht auf die (bloß) in seiner Person liegenden Wiedereinsetzunggründe berechtigterweise beziehen darf (RG H R R 33/1887). Er hat aber auch den Rechtsbehelf der (erst nach formeller Rechtskraft zulässigen) W i e d e r a u f n a h m e k l a g e , selbst wenn er seinen Eintritt erst mit der Erhebung der Wiederaufnahmeklage verbindet, also nicht etwa schon vor Rechtskraft beigetreten war (Hellwig Lb. 2/479folg.; a. M. RGZ 89/424). c) Für die Zulässigkeit der Streithilfe ist es im übrigen gleichgültig, ob die Prozeßbedingungen des Hauptprozesses gegeben sind (also abgesehen von denen, welche die Rechtshängigkeit der Klage begründen, vgl. § 263 B I). Das entsprechende gilt für die Prozeßfortsetzungvoraussetzungen (also die Zulässigkeit eines Rechtsmittels); die Streithilfe ist auch zulässig, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist; nur wenn es an sich unstatthaft ist, gibt es auch keine Streithilfe mehr. Über die Prozeßvoraussetzungen in der Person des Streitgehilfen vgl. § 66 B II. A II. Die weitere besondere Prozeßbedingung der Streithilfe liegt darin, daß andere Parteien als der Streitgehilfe im Verfahren stehen müssen; a) d. h. kein Streithelfer darf sich selbst oder seiner Gegenpartei (Kommentar § 64 A II b 1) oder beiden beitreten. Dieser Rechtsatz ist ein Ausfluß des Zweiparteienprinzips der ZPO (§ 50 A I I a); er steht in engem Zusammenhang mit dem Verbot der Kongruenz der einen Parteiseite mit der anderen (§ 50 B IV a). Hinzukommt, daß die ZPO zur Parteiseite auch ihren gesetzlichen (Prozeß-)Vertreter rechnet, wie § 455 ergibt. Doch wird andererseits nur an den Parteibegriff der ZPO (§ 50 B I) angeknüpft, so daß also auch dort verschiedene Parteien vorhanden sind, wo ein Rechtsträger in mehrere Parteien aufgespalten worden ist.
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§ 6 6 Ali
ZPO I. Buch
a 1. Daraus ergibt sich, daß die eine Partei grundsätzlich sich oder dem Gegner auch nicht beitreten darl, wenn sie von verschiedenen Personen gesetzlich vertreten wird oder wenn sie einmal durch sich selbst, sodann durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten wird (RGZ 28/422).Dies gilt auch im Verhältnis der sog. Parteien kraft Amtes zu den von ihnen Vertretenen (vgl. § 50 BIV, G III). Soweit diese nicht ein eigenes Recht, sondern das der von ihnen gesetzlich vertretenen Partei geltend machen, ist der Beitritt der von ihr vertretenen Partei unzulässig (a. M. vom Standpunkt der Amtstheorie aus: Sydow-Busch § 66 Anm. 2, Jonas § 66 Anm. II 2). Im Fall der KO § 146 dar! deshalb der Gemeinschuldner nicht dem KV beitreten (RG H R R 38/1132); anders im Konkurs der oHG, wo der Gesellschafter auch hier noch beitreten darf, weil er mit der oHG nicht dieselbe Partei ist und sie auch nicht mehr gesetzlich vertritt), da es darauf nicht ankommt und durch den Widerspruch ihm seine Rechte für die Zeit nach Beendigung des Konkurses nach KO §§ 164 II, 194, 206 II erhalten bleiben. Da der Konkursverwalter (in diesen Fällen) aber nicht gesetzlicher Vertreter der Gläubiger ist, steht ihnen das Recht des Beitritts zu, mögen sie die Forderung des die Feststellung beantragenden Gläubigers bestritten haben oder nicht (KG 31/16). a 2. Darüber hinaus dar! aber auch der gesetzliche Prozeßvertreter nicht namens des von ihm Vertretenen sich selbst als Partei beitreten wie umgekehrt (RG JW 26/8062). Anders ist dies für den gewillkürten Vertreter, nur darf dieser nicht der Gegenpartei beitreten (BGB § 181 in entsprechender Anwendung). a 3. Nur soweit das Gesetz durch eine gesetzliehe Vertretung die Partei spaltet, m. a. W., soweit Klagen der gespaltenen Partei gegeneinander zugelassen sind (§ 50 B IV b), darf auch beigetreten werden, im besonderen in den Fällen des § 748 II. b) Wenn auch niemand sich selbst als Streithelfer beitreten kann, so darf er es doch seinem Streitgenossen, obwohl er schon selbst Partei ist, weil nämlich die Rechtstellung beider verschieden ist (RGZ 163/361 [366]). b 1. Dabei ist nicht zu verkennen, daß die Beteiligung als Streitgenosse den Streitgehilfen an die Parteiseite bindet, der er als solcher angehört (a. M. BGH NJW 53/420), selbst wenn gegen ihn bereits ein rechtskräftiges Grundurteil ergangen ist (RGZ 151/210). Anders ist dies erst, wenn keine Streitgenossenschaft mehr besteht (BGH MDR B 545/51) und falls keine notwendige bestand, weil diese noch fortwirkt (§ 66 A II b 2). b 2. Völlig ausgeschlossen erscheint der Beitritt auf der anderen Parteiseite durch einen notwendigen Streitgenossen (§ 62). c) Als Streitgehilfe kann er nnr einer Parteiseite, innerhalb dieser aber mehreren Parteien, also u. U. jedem einzelnen Streitgenossen derselben Parteienseite beitreten. Ob jemand Streithilfe übt, steht in seinem Belieben; die Streitverkündung (§72), die Urheberbenennung u. dgl. m. (§§ 75folg.) zwingen den Streitgehilfen nicht dazu, sein Recht auszuüben. c 1. Wem von mehreren Streitgenossen derselben Parteienseite er beitritt, steht regelmäßig in seiner Wahl (soweit dies nicht gerügt wird oder die sonstigen Voraussetzungen der Streithilfe gegeben sind). Eine Last, beizutreten, ergibt sich nur in den Fällen der Streitverkündung (§ 74). c 2. Hat er die Wahl, so geht sein Wahlrecht nicht durch seinen Beitritt unter, er darf vielmehr seinen ersten Beitritt zurücknehmen und dann der Gegenseite als Streitgehilfe beitreten, und zwar, ohne daß eine Partei widersprechen könnte (BGH NJW 55/1316). Ein Wahlrecht hat er aber nicht, wenn er bereits Streitgenosse einer Partei ist (vgl. § 66 A II b 2). Über die Frage des Wahlrechts, wenn er nur selbständiger Streithelfer einer Partei werden könnte, vgl. § 69 A II. c 3. Tritt der Streitgehilfe (nach seinem Beitritt) in die Parteistellung der von ihm unterstützten Partei ein oder in die eines Gegners, so endet die Streithilfe kraft Gesetzes. A III. Zu den weiteren besonderen Prozeßbedingungen der Streithilfe gehört das Beteiligunginteresse des Streitgehilfen. Es soll dahin gehen, daß der Streitgehilfe ein unmittelbares rechtliches Interesse (RGZ 111/238) am Siege der von ihm unterstützten Partei hat. Insoweit kommt es also auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Streitgehilfen und der Partei, die er unterstützt, an.
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Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
§ 66 A
Iii
a) Eigene Anspräche kann indes der Streitgehilfe (abgesehen von den eigenen Prozeßkosten im Interventionsprozeß) nicht geltend machen (RGZ 68/10 [14]). Wird bei Vergleichen der Streitgehilfe einbezogen, so ist diese — außerprozessuale — Regelung zulässig, wirkt indes prozessual nicht, mag er dann auch durch den Vergleich einen Titel erhalten. Der Gegner kann gegen den Streitgehilfen als solchen nichts geltend machen, es sei denn, daß er ihn im selben Prozeß als Beklagten belangt (OLG J R 55/186). b) Der Sieg der von dem Streitgehilfen unterstützten Partei soll ihm — dies setzt § 66 voraus — unmittelbare Vorteile bringen (vgl. RGZ 83/183), und zwar muß die Entscheidung über den außerprozessualen im Streit befangenen Anspruch (also nicht bloß über Prozeßkosten), der im Antrag zum Ausdruck gebracht worden ist, ihn unmittelbar betreffen (RG Recht 09/3799, 3800). c) Dies ist stets der Fall bei der selbständigen Streithilfe (§ 69 A), also wo die Entscheidung außerprozessual Rechtskraft (§ 322 B) zugunsten des Streithelfers oder zu seinen Lasten beiderseitig oder einseitig wirken würde. c 1. Dies gilt unmittelbar, soweit ein eigenes Klagerecht besteht oder zumindest im selben Verfahren bestanden hat (vgl. § 69 A). c 2. Es gilt aber auch, sofern kein eigenes Klagerecht besteht, weil entweder eine Handlung versäumt wurde (der Widerspruch, der zur Klage nach KO § 146 hätte führen können, nicht eingelegt wurde) oder es gesetzlich genommen ist (wie für die Gläubiger bei der Anfechtungklage im Konkurse, vgl. AnfG § 13 IV). Ob man darüber hinaus hier auch die Fälle einzuordnen hat, wo der Streitgehilfe formell rechtskräftig abgewiesen ist, vgl. § 62 B IV c 4; t u t man dies nicht, so müßten sie unter § 66 A I I I c 1 gebracht werden. Dahin gehören auch die Fälle,wo derTitel umgeschrieben werden darf (§§727folg., vgl. aber auch §265113). Auch der von der Vertretung ausgeschlossene Rechtsträger einer Gesamtpartei darf, soweit keine Anspruchüberlagerung besteht, als Streitgehilfe beitreten (vgl. RGZ 102/303 für den von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter einer oHG, der ausgeschieden war). d) Nicht erforderlieh ist, daß das Urteil gegen den Streithelfer unmittelbar Rechtskraft wirken muß (RGZ 111/238), wie § 68 ergibt; Jonas § 66 Anm. IV 3 spricht hier von der Entscheidung als dem „bedingenden Rechtsverhältnis"; RGZ 111/238 von der Reflexwirkung (Tatbestandswirkung) hinsichtlich seines Inhalts oder durch Vollziehung. d 1. Hierher gehören all die Fälle, wo eine Hauptintervention oder eine Urheberbenennung nach §§ 75, 76, 77 zulässig wäre. d 2. Weiter gehören hierher die Fälle, in denen eine Partei als Gesamtschuldner (BGB § 421) mithaftet oder als Gesamtgläubiger (BGB § 428) mitberechtigt ist. d 3. Darüber hinaus genügt es aber auch, wenn die Verpflichtung oder Berechtigung nur gegenüber einer Prozeßpartei im Falle ihres Unterliegens besteht; wie wenn durch Vormerkung oder Widerspruch das abgeleitete Recht des Streitgehilfen hinfällig wird (vgl. BGB § 892 I 2) oder wenn ein Regreß (vgl. § 72 A II), gleichviel ob dieser sich auf Vertrag oder einen sonstigen Rechtsgrund stützt, genommen werden kann, etwa in den Fällen des BGB §§ 440 II, 493, 515, also denen der Entwehrung, oder wo für einen Mangel, den der Zweitkäufer oder Untermieter gegen seinen Erstkäufer oder Mieter geltend macht, gehaftet (auch mitgehaftet) wird, wenn der Rechtstreit ungünstig verläuft (d. h. der Beklagte obsiegt, OLG 19/134) und auch im Prozeß des Geschädigten gegen den Schädiger durch die Versicherunggesellschaft (OLG J W 36/2169 58 ) oder wenn der Streitgehilfe neben der Partei auf Schadenersatz haftet (RGZ 58/76), und sogar dann, wenn der Streitgehilfe an Stelle des hierfür in Anspruch genommenen haften würde (RG N § 66/12). Dasselbe gilt für mehrere Unterhaltspflichtige (RG J W 98/460 4 ). Hierher gehören aber auch die Fälle, wo die Entscheidung aueh aus anderen Gründen gegen den Streitgehilfen wirkt, also im Fall des BGB § 1991 III, wenn ein Nachlaßgläubiger dem Erben beitritt, oder wo sonst die Entscheidung eine bestimmte Wirkung auf das Rechtsverhältnis (vgl. Heibig Lb. 2/487folg.) des Streitgehilfen zu der Partei h?t,, wa? in den Fällen des BGB §§ 775 I 4,1233 II, HGB §§ 16, 371 I I I und sogar in den Fällen, in denen der Beklagte im Falle seines Unterliegens verpflichtet wäre, in kein Rechtsverhältnis zu dem Streitgehilfen einzutreten (KG OLG 17/102), zutrifft.
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§66
aiii
ZPO I. Buch
d 4. Streitverkündung reicht stets aus, weil sie den Rückgriff androht (RGZ 102/278). e) Der unmittelbaren Beteiligung des Streitgehilfen steht nicht entgegen, daß er seinerseits etwa durch Versicherung gedeckt ist (RG Warn. 14/68). f ) Mittelbares" Interesse (bloß wirtschaftliches: RGZ 23/343) des Streitgehilfen reicht nicht aus. f 1. Nur wirtschaftliches Interesse ist angenommen worden für die Mitglieder einer juristischen Person im Streit mit dritten (Nichtmitgliedern), für die am Reingewinn eines rechtlich selbständigen Unternehmens Beteiligten (RGZ 83/183). Wenn es um die Frage des Erbrechts geht, sind Nachlaßgläubiger nicht als Streitgehilfen zuzulassen. Solche allgemeinen wirtschaftlichen Interessen sollte man auch nur von dem Ehemann für die Prozesse der Frau annehmen, mit der er in Gütertrennung lebt. Zur Streithilfe reicht es nicht aus, wenn der Nebenintervenient der Partei versprochen hat, ihr im Falle des Obsiegens (RGZ 23/343) oder des Unterliegens wirtschaftlich zu helfen. f 2. Gemeinschaftliche sonstige Interessen reichen ebenfalls nicht für die Streithilfe aus, im besonderen nicht das Interesse an einer Beweisaufnahme (RG N § 66/11) oder an sonstigen Tatsachenfeststellungen (KG OLG 23/97), aber auch nicht die gleiche Rechtslage (RG LZ 33/1074 19 ) und nicht sonstige nur allgemeine berufliche oder sittliche Interessen oder die Interessen derer, welche nur beratend oder beaufsichtigend ohne eigene Verfügungmacht und ohne Verpflichtung tätig werden (die Vergleichverwalter nach VglO §§ 38 folg., Aufsichtpersonen nach ZVG § 150a). B. Über die Form des Beitritts des Streitgehilfen vgl. § 7 1 A III a. B I. Von den besonderen Prozeßbedingungen der Streithilfe (§ 66 A) sind die der Rechtshängigkeit des Prozesses (§66 A I ) wie die Unterscheidung von der Partei (§66 A l l ) unverzichtbar, die des Interesses des Streitgehilfen (§ 66 A III) dagegen nur auf rechtzeitige Rüge zu prüfen. a) Mischt sich der Streitgehilfe in ein Verfahren ein, wo die Streithilfe unzulässig ist, so ist er durch Beschluß aus dem Streit zu weisen, ebenso wenn er ein abgeschlossenes oder noch gar nicht „anhängiges" Verfahren betreiben will. Meldet er sich nur an, so bedarf es in diesen Fällen nicht einmal der Zurückweisung; wird das Verfahren dann aber betrieben, so tritt die Streitgenossenschaft hervor (wird existent). b) Wird gegen das Zweiparteienprinzip verstoßen, so ist der Streitgehilfe von Gerichts wegen zurückzuweisen und u. U. der von ihm eingelegte Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen (vgl. § 511 B I I c 11, a. M. RGZ 163/361, das diesen Mangel nur auf Rüge beachtet und BGHZ 8/72, der jenen schlechthin zuläßt). c 2. Soweit zu rügen und die Rüge erhoben ist, genügt der schlüssige Vortrag der Parteien überall dort, wo aus ihm zugleich sich das Interesse des Streitgehilfen ergibt (etwa wenn die Regreßpflicht des Streitgehilfen behauptet wird, die er selbst bestreitet: OLG Seuff. 59/239); behauptet er indes sein Interesse, d. h. sein Betroffensein und bestreiten es beide Parteien, so muß er es glaubhaft machen (§ 7 1 1 2). B II. Der Streitgenosse selbst muß parteifähig und prozeßfähig sein und, soweit nach § 78 I erforderlich, einen postulationfähigen Vertreter haben. a) R e l a t i v e P a r t e i f ä h i g k e i t (§ 50 E) genügt, wenn bezüglich des Anspruchs die Relation gewahrt ist (a. M. Jonas § 66 Anm. V); der nicht rechtsfähige Verein kann deshalb Streitgehilfe sein, falls er in einen Passivprozeß beim Unterliegen der von ihm unterstützten Partei verwickelt werden könnte; der Vorstand einer Aktiengesellschaft kann es sein, wenn im Falle des Unterliegens der unterstützten Partei er die Anfechtung- und Nichtigkeitklage erheben müßte. b) R e l a t i v e P r o z e ß f ä h i g k e i t (vgl. § 51 B IV) genügt nur soweit, wie der Anspruch im Falle des Unterliegens der Hauptpartei gegen den relativ Prozeßfähigen unmittelbar geltend gemacht werden darf. c) Fehlt eine allgemeine Prozeßvoraussetzung auf Seiten des Streitgehilfen, so treten die Wirkungen der Streithilfe nicht ein. Im laufenden Prozeß wird dies in der Regel nicht beachtet. Doch ist der partei- und prozeßunfähige Streitgehilfe (bzw. der nicht postulationfähige Ver-
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treter) von Gerichts wegen aus dem Prozeß zu weisen (RGZ 163/361 [365]), wogegen er die sofortige Beschwerde hat (§ 71 in entsprechender Anwendung). Über die etwas mildere Wirkung des Mangels der Postulationfähigkeit vgl. § 78 D. Tritt ein solcher Mangel erst nach Beitritt ein, so wird dadurch der Prozeß nicht berührt, im besonderen nicht unterbrochen (im Falle des Konkurses: OLG 40/352), auch die Aussetzung des Verfahrens ist deswegen nicht zulässig (RG JW 11/99 28 , welche Wirkungen sich sodann ergeben, darüber vgl. § 68 A I I I a).
§ 67
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I Der Nebenintervenient muß den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Frozefihandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. A I. Der Streitgehilfe ist nicht Partei (§ 66 A II) und wird es auch nicht durch seinen Eintritt in das Verfahren (RG N § 67/5). a) Im Verhältnis zu der unterstützten Partei wie zur Gegenpartei bleibt er dritter (vgl. § 68 A II, I I I a). Für die Berechnung des Streitwertes und die Errechnung der Rechtsmittelsumme kommt es auf seine Interessenlage nicht an (RGZ 160/204 [215]). Er kann auch nicht wirksam Rechtsbehelfe im eigenen Namen einlegen (RG J W 00/6032). b) Dies besagt nicht, daß die Hauptpartei nicht auf Leistung an den Streitgehilfen klagen dürfte (Kommentar § 50 G I c 2), wobei auch hier die Partei regelmäßig ihr eigenes Recht weiter verfolgt (vgl. § 50 G I a 2, aber § 265 A), und zwar aus der Rechtstellung der Partei heraus, nicht aus der des Streitgehilfen (RG Warn. 14/98). Die Stellung der (Haupt-)Partei im Prozeß wird also durch eine Streithilfe insoweit nicht verändert. A n . Der Streitgehilfe ist ProzeBvertreter der von ihm unterstützten Partei. Er ist zwar nicht von der von ihm unterstützten Partei gewillkürt und darf deshalb auch gegen ihren Willen als Streitgehilfe eintreten (davon zu unterscheiden ist es, ob die Hauptpartei seinen Prozeßhandlungen widersprechen darf, was § 67 zuläßt, § 69 dagegen nicht). a) Er handelt indes in fremdem Namen und hat damit insoweit die Stellung eines gesetzlichen Vertreters, weil er kein Bevollmächtigter der Hauptpartei ist. Denn, wer keine eigenen Rechte, sondern die ihm fremden der Hauptpartei geltend macht (RG JW 11/992®) und nur für die Hauptpartei (RG J W 33/106517) handelt, „selbst wenn die Hauptpartei nicht mehr im Prozeß hervortritt, sondern die Prozeßführung dem Streitgehilfen überläßt", und nur um ihrer Rechte willen, nicht aber im eigenen Interesse handeln darf (vgl. RGZ 64/67folg.: aber die gesetzliche Vertretung als solche leugnend), handelt für einen anderen als dessen Vertreter; abgesehen von den Kostenentscheidungen, die nur ihn treffen. Seine Anträge und Prozeßhandlungen werden sonst im Namen der Hauptpartei vorgenommen (RGZ 42/389); deshalb braucht der Gegner das Rechtsmittel nicht auch gegen den Streitgehilfen zu richten (RG N § 66/9), ja er kann es (wirksam) selbst dann nicht allein gegen ihn einlegen, wenn nur der Streitgehilfe Berufung eingelegt und damit Erfolg hatte, vielmehr muß er dann seine Revision gegen die Hauptpartei richten (RG Warn. 08/88); bloß formell unrichtige Erklärungen werden indes berichtigt, weil ja das wahrhaft Gewollte regelmäßig unzweifelhaft sein wird. B. Die Prozeßvertretungmacht des Streitgehilfen geht dahin, alle ProzeßhandluDgen (§ 38 B II c) vornehmen zu dürfen, Angriff- und Verteidigungmittel vorzubringen (§ 146), soweit sie nicht zu denen der Hauptpartei in Widerspruch stehen (§ 67 B II). Der Widerspruch ist eine einseitige, dem Gericht gegenüber abzugebende, aber auch aus schlüssigen Handlungen ersichtliche, prozessuale Willenserklärung (§ 38 B II a). Sie ist unwiderruflich, weil durch sie die Handlung des Streitgehilfen unwirksam wird, hindert indes die Hauptpartei nicht, die Handlung des Streitgehilfen selbst vorzunehmen bzw. ihre Einwilligung in die spätere Vornahme zu erklären. B I. Dies gilt zunächst von den Wissenserklärungen (§ 38 B II a 1), also dem Behaupten, dem Bestreiten (§ 138 II, IV), aber auch dem Nichtbestreiten (§138111). Er darf aber auch zu Lasten der Hauptpartei zugestehen (§ 288).
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a) Vor unrichtiger Abgabe der Wissenserklärungen kann sich die Hauptpartei nur durch den W i d e r s p r u c h schützen. Bestreitet die Hauptpartei oder behauptet sie etwas oder gesteht sie zu (§ 288 A I a 3), so ist das entgegenstehende Handeln des Streitgehilfen unwirksam. Dagegen ist der Streitgehilfe an die außerprozessualen Wissenserklärungen der Partei nicht gebunden (RG Warn. 14/202). Erklärt sich indes die Hauptpartei mit Nichtwissen, so darf er bestreiten; bestreitet sie nicht, so darf er zugestehen, sofern nicht insoweit die Partei ausdrücklich dem Zugeständnis widerspricht. B II. E r darf auch prozessuale Willenserklärungen wirksam abgeben. a 1. Er darf weder die Klage (erheben noch) erweitern noch die Widerklage erheben oder erweitern, abgesehen von eigenen Kostenanträgen. Umgekehrt darf er die Klage nicht zurücknehmen und nicht auf den Klageanspruch verzichten; doch kann er nicht gezwungen werden, über die ganze Klage zu verhandeln. Auf seiten des Beklagten darf er den Anspruch der Gegenpartei nicht anerkennen (RGZ 20/390 [393]), wohl aber braucht er nicht über den gesamten Klageanspruch zu verhandeln. Wird die Klage allein ihm gegenüber geändert, etwa weil die Hauptpartei nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, so kann er nicht wirksam in die Klageänderung willigen (§ 264 C I b); wird aber die Klageänderung der Hauptpartei zugestellt und ist sie säumig, so braucht auch der Streitgehilfe die Klageänderung nicht zu rügen, sondern darf verhandeln. Dagegen darf er gegen den Gegner Anerkenntnis bzw. Verzichturteil nehmen, auch darf er sich auf die Klagerücknahme der Gegenpartei einlassen (§ 271). a 2. Der Streitgehilfe muß die Klagerücknahme der Partei (OLG 37/94), ihren Verzicht, ihr Anerkenntnis, aber auch ihre vorbehaltlose Erfüllung (RG N § 67/2) oder ihren Vergleich (OLG 35/33) gegen sich gelten lassen. b) Prozeßanträge aller Art innerhalb der Instanz darf er stellen. Er darf in der Verhandlung alle Rügen erheben, welche auch die Partei erheben könnte, und die sonst eintretenden Säumnisfolgen von der unterstützten Partei abwenden. Er darf auf das Fehlen von Prozeßhindernissen hinweisen, prozeßhindernde Einreden erheben, Verweisunganträge stellen. Richter, Sachverständige, Urkundsbeamte und Dolmetscher darf er ablehnen (jedoch nur aus der Person der unterstützten Partei heraus), den Prozeß betreiben (soweit er nicht durch Aussetzung oder Unterbrechung hieran gehindert ist). Den Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage an Stelle eines zu erwirkenden Versäumnisurteils gegen die Gegenpartei (§ 331a) wie den auf schriftliche Entscheidung (§ 128 II) darf er stellen (Baumbach-Lauterbach § 67 Anm. 3 A, a. M. Jonas § 67 Anm. I I 1, Sydow-Busch § 67 Anm. 3), auch den auf Entscheidung durch den Einzelrichter nach § 349 I I I (Baumbach-Lauterbach § 67 Anm. 3 A, a. M. Jonas § 67 Anm. I I 1, Sydow-Busch § 67 Anm. 3). Streitwertfestsetzunganträge darf er im Namen der Partei stellen (RG H R R 35/1332, OLG 37/92; inwieweit er sie aus eigenem Recht stellen darf, darüber vgl. § 67 D I a). Er darf Beweis antreten, das Ruhen, die Aussetzung des Verfahrens oder die Verlängerung von Fristen beantragen. b 1. Doch sind alle seine Prozeßhandlungen unwirksam, wenn die (Haupt-)Partei widerspricht oder widersprochen hat. c 1. Der Streithelfer ist selbst in der mündlichen Verhandlung nur in beschränktem Umfange Prozeßerklärungempfänger der Hauptpartei. Die Klage darf ihm gegenüber beschränkt werden (nicht aber erweitert, vgl. § 268 I 2; auch nicht modifiziert, vgl. § 268 C III). Gerichtliche Entscheidungen, die keiner Zustellung bedürfen, sondern nur der Verkündung (§ 329 B), wirken auch gegen die Hauptpartei. Außerhalb der mündlichen Verhandlung ist er nicht ihr Erklärungempfänger, also im besonderen ist er nicht Zustellungempfänger. c 2. Entsteht in der Person der Hauptpartei ein Aussetzunggrand, so darf nur der Prozeßbevollmächtigte der Hauptpartei den Aussetzungantrag nach § 246 stellen, nicht der Streitgehilfe (RG J W 11/99 2 6 ). Ist das Verfahren in der Person der unterstützten Partei unterbrochen oder auf ihren Antrag ausgesetzt, so darf er es nicht wieder aufnehmen. Anders ist dies gegenüber dem Gegner. Auch die Anordnung der Verfahrensruhe (§ 251) auf Antrag der Hauptpartei darf der Streitgehilfe nicht beseitigen, wohl aber die des Gerichts bei Ausbleiben beider Parteien nach § 251 a II.
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c B. Die Zustellung eines Erkenntnisses durch den Streithelfer an den Gegner setzt die Rechtsbehelfsfrist zu Lasten der Hauptpartei, also soweit sie beschwert ist, nicht in Lauf (BGH N J W 56/1562 8 ). Die Urteilzustellung des Streithelfers an die Gegenpartei setzt die Reehtsbehelfslrist gegen sie in Lauf (RGZ 34/391; a. I i . RGZ 112/168 bei Erkenntnissen, die sowohl die Hauptpartei wie die Gegenpartei beschweren). Daß es die Zustellung der Hauptpartei tut, ist außer Streit. Ob die Zustellung des Erkenntnisses an die Hauptpartei die Frist zu Lasten des Streitgehilfen in Lauf setzt, ist umstritten (bejahend: RG N § 67/26; verneinend: Hellwig Lb. 2/503). Tritt der Streitgehilfe erst bei, nachdem der Hauptpartei zugestellt worden ist, so bleibt es jedenfalls bei dem Ablauf der Frist (auch im Fall des § 69: RGZ 93/31). Die Zustellung an den Streitgehilfen allein wirkt nicht gegen die Hauptpartei (vgl. RGZ 34/361 [364]); soweit Urteile von Gerichts wegen zuzustellen sind, werden sie auch ihm zugestellt (vgl. § 317 A II). d) Soweit der Streitgehilfe die Hauptpartei vertritt, darf gegen die Hauptpartei keine Versäumnisentscheidung erlassen werden (OLG J W 36/2169 58 ). Auch wenn nur die Ladung des Streitgehilfen nicht in Ordnung und er nicht erschienen ist, muß vertagt werden (RGZ 34/388). e) Rechtsbehelfe darf er selbst einlegen (vgl. § 66 II). e 1. Der Streitgehilfe ist auch in dem gegen seine Hauptpartei beschrittenen Rechtsmittelverfahren heranzuziehen, wenn auch nach der h. M. zugunsten seiner Hauptpartei erkannt werden darf, selbst wenn er nicht herangezogen wurde (RG Warn. 15/313). e 2. Der Streithelfer darf namens der Hauptpartei Rechtsmittel neben der Hauptpartei einlegen, selbst wenn dieselbe Partei (mehrfach) dasselbe Rechtsmittel eingelegt hat; die Unzulässigkeit des einen berührt regelmäßig die Zulässigkeit des anderen nicht; es bandelt sich nur um das eine Rechtsmittel, über das zu entscheiden ist (RGZ 158/95 [100]). Kommt es auf beide Rechtsmittel zur Verhandlung, so darf nicht etwa das Rechtsmittel dessen, der nicht erschienen ist, durch Versäumnisurteil zurückgewiesen werden (RG J W 36/2798 1 0 für den Fall, daß der Streithelfer ausbleibt). Und auch wenn der Streitgehilfe erst im Rechtsmittelverfahren auftritt und die Hauptpartei nicht auftritt, ist mit ihm streitig zu verhandeln (RG J W 11/99 26 ). Wird innerhalb der Begründungfrist auf Antrag irgendeines die Frist verlängert, so wirkt dies für beide, Hauptpartei und Streitgehilfen (vgl. RGZ 147/126), aber auch gegen sie für das Rechtsmittel der Anschlußrevision des Gegners. Auch kann die Hauptpartei nicht das Rechtsmittel des Streitgehilfen zurücknehmen, ohne ihr eigenes zurückzunehmen, wie dieser nicht einmal sein eigenes ohne die Zustimmung der Hauptpartei zurücknehmen kann (die damit indes zugleich in die Rücknahme ihres Rechtsmittels willigen muß). e 3. Der Streithelfer hat das eigene Rechtsmittel namens der Partei aber auch dann, wenn sie untätig bleibt (RG J W 96/56). Da die Streitgehilfenschaft, wenn sie in bezug auf einen Teil gegeben st, sich auf das ganze Verfahren und alle in ihm befindlichen Ansprüche erstreckt (§ 66 A I I I b), so darf der Streitgehilfe, wenn er selbst nur zur Klage Anträge gestellt hatte, aber auf die Widerklage gegen die Hauptpartei erkannt ist, auch dagegen die statthaften Rechtsbehelfe einlegen (RG N § 67/22). Führt nur der Streitgehilfe das Rechtsbehelfsverfahrcn durch und bleibt die Partei von Anfang an bis zum Schluß untätig, so darf er den Rechtsbehelf beschränken (vgl. RGZ 147/125). e 4. Den Rechtsbehelf der Hauptpartei darf der Streithelfer weder zurücknehmen noch beschränken, wohl aber darf er ihn nur in beschränktem Umfange selbst verfolgen, wie er dies im Falle der Säumnis bei der Klage der unterstützten Partei auch kann, sofern die Hauptpartei das Verfahren nicht betreibt. Auf die Rechtsmitteleinlegung kann er nicht zu Lasten der Hauptpartei, wohl aber zu eigenen Lasten verzichten. Dementsprechend kann auch der Streitgehilfe nicht wirksam auf schriftliche Begründung des Schiedsurteils verzichten (§ 510 c III), weil dadurch möglicherweise die Wiederaufnahmeklage erschwert wird. e 5. Umgekehrt muß der Streitgehilfe den Verzicht der Hauptpartei auf Einspruch oder Rechtsmittel (RGZ 97/215), die Rücknahme von Einspruch oder Rechtsmitteln gegen sich gelten lassen, auch wenn nur er den Rechtsbehelf eingelegt hatte (OLG 37/94). B III. Der Streitgehilfe hat keine außerprozessuale Vertretungmacht der Partei. 21
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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a) Er darf im besonderen nicht namcna der Partei verfügen, a 1. anfechten, aufrechnen, kündigen, den Rücktritt erklären, v andeln, mindern, sich vergleichen u. dgl. m. (vgl. RGZ 18/417). Doch darf er sich auf die von der Hauptpartei vorgenommenen Verfügungen berufen. a 2. Umgekehrt ist er zur Empfangnahme von außerprozessualen Erklärungen des Gegners der unterstützten Partei, sei es in der mündliehen Verhandlung, sei es außerhalb dieser (der Anfechtung, Kündigung und sonstigen Verfügungen des Gegners gegenüber der unterstützten Partei) nicht befugt (auch der säumigen Partei gegenüber wäre eine solche wirkunglos). b) Er ist aber nicht gehindert, eigene außerprozessuale Verfügungen zu treffen, die dann möglicherweise den Streitstand beseitigen. Nur im übrigen gilt der von der Rechtsprechung geprägte Satz, daß er nur Rechte der Hauptpartei, nicht die eigenen einwenden dürfe (vgl. RGZ 164/131). c) Es gibt indes auch außerprozessuale Willenserklärungen, die erst im Prozeß wirken. Dahin gehören die Einreden (der Verjährung, des Zurückbehaltungsrechts, der Stundung usw.). Diese darf der Streitgehilfe im Prozeß vorbringen, wenn dem auch die Hauptpartei im Prozeß bei Zurückbehaltungrechten, Stundung widersprechen darf (OLG 23/98). Soweit eine Partei außerprozessual auf vorzubringende Einwendungen und Einreden verzichten kann, muß dies der Streitgehilfe, wenn es wirksam außerprozessual geschehen ist und im Prozeß nachgewiesen wird, gegen sich gelten lassen. C. Der Streitgehilfe wird im Verfahren an allen Abschnitten und an allen Prozeßhandlungen beteiligt. C I a. Der Streitgehilfe muß die von seiner Hauptpartei (vor seinem Eintritt oder später) geschaffene Prozeßlage gegen sich gelten lassen. b) Die widersprechende Prozeßhandlung der Hauptpartei kann vor oder nach der des Streitgehilfen liegen. Liegt sie später, so verliert die Partei ihr Widerspruchsrecht nur nach §295; gegenüber im Termin vorgenommenen Handlungen des Streitgehilfen wird zusätzlich auch § 90 I I entsprechend anzuwenden sein, so daß die miterschienene Hauptpartei auch das Geständnis des Streitgehilfen gegen sich gelten lassen muß, wenn sie nicht widerspricht. War sie im Termin nicht erschienen, so wird sie so behandelt, wie wenn sie nicht widerspricht. Einen späteren Widerspruch wird man aber gelten lassen müssen, wenn die Hauptpartei den Termin nicht schuldhaft versäumt hat (d. h. ein Fall der §§ 336, 337 vorlag, vgl. auch § 233 II). Im schriftlichen Verfahren wird dagegen erst mit der Äußerung der Hauptpartei zur Sache eine solche Folge anzunehmen sein, wenn sie entweder die Handlung des Streitgehilfen bestätigt oder jedenfalls keinen ausdrücklichen Widerspruch erhebt. Erklärt sie sich nicht, so wird ihr eine Auflage zu machen sein (vgl. § 139). C II. Die prozessuale Stellung des Streitgehilfen währt, solange er Streitgehilfe ist. Beteiligt sich der Streitgehilfe am weiteren Verfahren nicht, so fragt es sich nur, ob ihn die Hauptpartei deckt, auch soweit es um sein eigenes Kostenrecht geht (vgl. dazu § 67 D I); nur wenn die Streithilfe beendet ist, kann ihn die Partei nicht decken. C III. Selbst wenn die Hauptpartei sich überhaupt nicht betätigt, bleibt sie Partei, ist zu allen Vorfällen des Verfahrens heranzuziehen und im besonderen im Rubrum der Rechtsmittelentscheidung stets mit aufzuführen, auch wenn nur über das von dem Streitgehilfen eingelegte und von ihm betriebene Rechtsmittel entschieden wird (RG J W 00/438 4 ). Die Beschwer muß in der Person der Partei gegeben sein (RG Seuff. 62/213). Der Gegner darf sich deshalb auch dem Rechtsmittel des Streitgehilfen anschließen (OLG 20/298). Die Hauptpartei kann sich insoweit nur durch Rücknahme des Rechtsmittels des Streitgehilfen helfen. Siegt der Streitgehilfe in einem von ihm allein betriebenen Verfahren ob, so hat die Gegenpartei gegebenenfalls das Rechtsmittel, indes nur gegen die Hauptpartei, nicht gegen den Streitgehilfen (RG Warn. 08/88), doch wird man hier die Berichtigung des Rubrums nach § 319 zulassen müssen, wenn nicht der Gegner ausdrücklich erklärt, sich nur gegen den Streitgehilfen wenden zu wollen (was bei Kostenentscheidungen Sinn haben kann, vgl. § 67 D I).
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D. Eine eigene Rechtstellung im Prozeß erlangt der Streitgehilfe nach § 101 in bezug auf die Kostenentscheidung, nach § 72 in bezug auf die Streitverkündung. Die letzte Rechtstellung ist völlig gelöst von der Hauptpartei (vgl. § 72 II); da sie den (Haupt-)Prozeß nicht berührt, kann auch die Hauptpartei insoweit nicht für den Streitgehilfen wirksam titig werden. D I. Die Kosten des Streitgehilfen dürfen nicht seiner Hauptpartei auferlegt werden, sondern je nachdem, wer unterliegt, entweder dem Gegner (OLG ZZP 52/419) oder ihm selbst (RGZ 158/95 [100]). Ob die Streithilfe als solche notwendig war, ist nicht zu prüfen (RG J W 97/106 5 ). Werden dem Streitgehilfen seine Kosten auferlegt, so darf er in den Fällen der §§ 91 a II, 99 I I (also in denen der getrennt anfechtbaren Kostenentscheidung) das zulässige R e c h t s m i t t e l nur im eigenen N a m e n einlegen (vgl. RG J W 00/603 2 ), soweit es nur um seine Kosten geht. Hier steht dem Streitgehilfen deshalb das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde aus eigenem Recht zu; er kann aber nicht wirksam die gegen die Hauptpartei ergangene Kostenentscheidung anfechten (a. M. OLG 33/148). Dasselbe gilt, wenn er sich dem Rechtsmittel des Gegners nur wegen seiner Kosten anschließt. Umgekehrt kann in den Fällen des § 99 I I der Gegner die Kostenentscheidung, soweit sie den Streitgehilfen angeht, nur ihm gegenüber anfechten. a) Die Gebührenwertfestsetzung (§ 3 C) darf der Streitgehilfe aus eigenem Recht betreiben (die Streitwertfestsetzung nur aus dem der Partei). Vergleichen sich die Parteien zur Hauptsache ohne Zuziehung des Streitgehilfen, so darf dieser die Kostenentscheidung aus eigenem Recht beantragen, soweit sie ihn betrifft, auch wenn der Gegner seine Kosten übernommen hat (RG J W 38/820 43 ). Bei der Bewilligung des Armenrechts kommt es deshalb auch allein auf seine Armut an (RG J W 33/1065 1 7 ); andererseits darf ihm das Armenrecht nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden, wenn auch die Hauptpartei das Rechtsmittel durchführt (a. M. BGH v. 6. 2.1958 I I ZR 234/57). Von ihm darf nach § 110 Sicherheit gefordert werden. b) Daraus folgt indes nicht, daß, wenn der Streitgehilfe ausbleibt, gegen ihn eine Kostenentscheidung durch Versäumnisurteil ergehen könnte (a. M. RG J W 36/2798 1 0 ). c) Nimmt der Streitgehilfe die Gehilfenschaft zurück, so treffen ihn insoweit stets die Kosten (§271 I I I in entsprechender Anwendung: RG J W 37/1996 23 ). Entfällt im Laufe des Streits das eigene Interesse des Streitgehilfen, so darf keine Kostenentscheidung nach § 9 1 a ergehen (a. M. OLG J Z 53/53). D II. Hat nur der Streitgehilfe den Rechtsbehelf eingelegt und betrieben, so treffen nach der Rechtsprechung (BGHZ 5/281 u. a.) nur ihn die Kosten der Rechtsmittelinstanz, wenn er unterliegt bzw. den Rechtsbehelf zurücknimmt. Hat sich die Hauptpartei beteiligt, so treffen sie die Prozeßkosten (RGZ 158/95 [100]) bis auf die des Streitgehilfen (§ 101).
§ 68 (65) I Der Nebenintervenient wird im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, daB der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, daB die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind. A I. Die Interventionwirkung des § 68 ist von der Rechtskraftwirkung des § 322 zu unterscheiden; denn bei ihr wird die Rechtsfolge, die aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund der Rechtsgesetze gezogen wird, festgestellt (vgl. § 322 E). § 68 knüpft dagegen an das Verhältnis der Hauptpartei zum Streitgehilfen an: dieser Anspruch ist nicht rechtshängig, über ihn wird im Hauptprozeß nicht entschieden (RGZ 143/377 [380]), wohl aber werden die tatsächlichen wie die rechtlichen Grundlagen des Hauptprozesses fixiert. a) Darüber hinaus ist aber auch die Interventionwirkung durch den im Hauptprozeß geltend gemachten Anspruch beeinflußt. 21*
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a 1. Wird über ihn nicht sachlich entschieden, so kann auch die Interventionwirkung nicht eintreten, also wenn die Klage mangels Prozeßbedingungen (§ 274 A I a) abgewiesen oder zurückgenommen oder der Streit verglichen wird (RGZ 159/88). Umgekehrt tritt sie ein, wenn über den Anspruch des Hauptprozesses — wenn auch zu Unrecht — sachlich entschieden wird. a 3. Ist im Hauptprozeß nur ein Teil der Hauptprozeßsache im Streit, so sollte man die Interventionwirkung nicht weiter ausdehnen (KG J W 18/56 2 ; a. M. RG J W 36/196 6 22 ). b) Die Interventionwirkung fixiert — wie die Rechtskraftwirkung — die tatsächlichen Feststellungen und die richtige Ermittlung des Bechtsgesetzes zu Lasten des Streitgehilfen Insoweit über den Anspruch erkannt ist, muß deshalb auch der Streitgehilfe sich entgegen halten lasser: b 1. das als Tatsache Festgestellte (BGHZ 16/217; RG DR 40 A 587 13 ) und b 2. ferner die Richtigkeit der gegebenen Begründung (RG H R R 35/38). b 3. Meist werden beide Gründe zusammen genannt (vgl. BGHZ 8/72). Den Einwand mitwirkenden Verschuldens (BGB § 254) kann der Streitgehilfe der Hauptpartei nicht entgegensetzen (RGZ 145/40 [42]). b 4. Dies zwingt zur Übertragung des Verhältnisses in seiner Gesamtheit. Die Verhältnismäßigkeit geht über die einfach gelagerten Fälle hinaus. Ist im Vorprozeß nur der objektive Tatbestand, im Folgeprozeß aber der auf ihn gegründete subjektive im Streit, so ist auch der subjektive nicht in Zweifel zu ziehen, wenn und soweit er schon aus dem objektiven (prima facie) folgt. Die Verhältnismäßigkeit wird also auch auf andere Haftungsgründe übertragen. Ist deshalb im Vorprozeß die Nichtigkeit von Verträgen angenommen und ist die Entscheidung im Folgeprozeß von einem Verschulden des im Regreßweg in Anspruch genommenen Beamten abhängig, so darf das Verschulden nicht mit der Begründung verneint werden, daß die Verträge doch wirksam sind (RG H R R 40/439), vielmehr ist die Nichtigkeit zu unterstellen und nur zu prüfen, ob auch, wenn sie nichtig wären, das Verschulden nicht besteht (RG J W 35/3539 10 ). Wurde im Vorprozeß eine schuldhafte Amtspflichtverletzung eines Beamten angenommen, so kann dieser im Regreßprozeß, wenn ihm der Streit verkündet war, sich nicht mehr darauf berufen, daß er schuldlos sei (RG Seuff. 88/28), etwa weil er überlastet gewesen sei; doch hat RG a . a . O . diesen Einwand noch unter dem Gesichtswinkel des BGB §254 beachtet. Zu weit gehen RGZ 159/86 (88), 69/422, die annehmen, daß bei einer Gesamtschuld der im Vorprozeß erhobene Anspruch für den im Folgeprozeß geltend gemachten Ausgleichunganspruch nichts besage. c) Der Streitgehilfe behält dagegen alle Einwendungen, die das Interventionsverhältnis nicht berühren, also im besonderen die, daß trotz des objektiven Mangels noch zusätzlich ein besonderes subjektives Tatbestandsmerkmal erforderlich ist (vgl. RG J W 11/767 31 ). c 1. Dies gilt für alle Feststellungen und Gründe, welche nicht zu den tragenden des Erstprozesses gehören, und zwar selbst dann, wenn sie dort festgestellt wurden, indes gar nicht festzustellen waren. Wird indes die Haftung auf Grund unerlaubter Handlung, die Verschulden erfordert, festgestellt, so kann im Folgeprozeß nicht eingewandt werden, das Ersturteil hätte auch schon dieselbe Verurteilung aus dem StVG herleiten können (sofern dies nicht oder nur zusätzlich geschehen ist). Es gilt aber auch, wenn die Haftunggrundlage des Zweitprozesses dadurch ausgeräumt werden kann, daß ein identischer Haftungsgrund aufgezeigt wird, der die Haftung des Streitgehilfen im Verhältnis zur Hauptpartei ausschließt. Deshalb konnte sich ein Rechtsanwalt, der bei einer Firmenübernahme eines Einzelkaufmanns durch eine GmbH es verabsäumte, eintragen zu lassen, daß die Passiven nicht übergehen sollten, damit entlasten, daß ohne Rücksicht auf die unterlassene Eintragung nach BGB § 419 die Haftung übergegangen ist, also auch wenn es eingetragen worden wäre (RG J W 15/509), obwohl im Vorprozeß der Klage auf Grund des HGB § 25 stattgegeben wurde. c 2. An die Rechtskraftwirkung des Vorprozesses wird insoweit angeknüpft, wie die Entscheidung auf den in Frage stehenden Feststellungen beruhen muß (RGZ 146/355 [359]). Deshalb gelten bloße Hilfserwägungen nicht (RG H R R 30/255); im übrigen kommt es insoweit aber darauf an, ob das Gericht des Erstprozesses sie für erforderlich hielt, was im Zweifel anzunehmen ist, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird.
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A II. Die Interventionwirkung a) ist von Gerichts wegen zu beachten (RGZ 130/298). Im Gegensatz zu der Rechtskraftwirkung will indes hier die h. M. (RGZ 153/274) der Hauptpartei die Wahl lassen, ob sie sich auf die Entscheidung berufen will und verwehrt ihr nur, daß sie die Entscheidung teilweise für sich in Anspruch nimmt, zum anderen sie aber nicht gegen sich gelten lassen will, und RG J W 33/1064 1 ' spricht aus, daß sich die Wirkung nur gegen den (dritten) Streitgehilfen bzw. Streitverkündeten richtet, nicht aber gegen die Hauptpartei. Doch kann der h. M. nicht gefolgt werden. b) Die Verhältnismäßigkeit der Interventionwirkung ist grundsätzlich auf den Streitgehilfen (Streitverkündungsgegner) und die Hauptpartei (den Streitverkündenden) beschränkt, d. h. sie erstreckt sich nicht auf den Gegner (RG H R R 36/288 für die Streitverkündung) und gilt nicht zwischen dem Streitgehilfen und dem gesetzlichen Vertreter der Hauptpartei (RGZ 148/321) bzw. umgekehrt. Sie setzt die förmliche Streitverkündung (bloßer Verzicht auf sie steht ihr nicht gleich, so RG J W 38/2287 M ) bzw. den Streitbeitritt des Gehilfen voraus. Der formelle Streitbeitritt genügt, auch wenn die Voraussetzungen für die Streithilfe nicht vorlagen, während bei der Streitverkündung ohne Streitbeitritt darüber erst im Folgeprozeß entschieden wird (vgl. RGZ 77/360). Ist der Streitgehilfe aber einmal der Hauptpartei beigetreten, so treten die Wirkungen des § 68 ein, gleichviel, ob er sich am weiteren Verfahren beteiligt oder nicht (RGZ 77/360 [364]); er kann nicht einmal durch die zulässige Zurücknahme des Beitritts diese Folgen abwenden (RGZ 151/212). Ein Streitgehilfe, der zunächst dem Kläger, dann dem Beklagten beigetreten ist (vgl. § 66 A I I b 1), setzt sich der Reehtskraftwirkung des Urteils zu Lasten beider Parteien aus. Das entsprechende gilt, wenn der Streitverkündete der Gegenpartei beitritt (RGZ 130/297) oder wenn ihm auch die Gegenpartei den Streit verkündet. b 1. Die Streithilfe und die Streitverkündung wirken auch gegenüber den Rechtsnachfolgern, etwa den Erben des dritten, dem der Streit verkündet worden ist (OLG SchlHA 51/110), und ebenso zugunsten der Einzelrechts- (RG J W 33/1064 16 ) wie der Gesamtrechtsnachfolger des Streitverkünders. b 2. Doch wird dadurch kein Einzelrechtsnachfolger, der gutgläubig erworben hat, belastet. A DI. Die Interventionwirkung tritt aber nicht ein, a) wenn der Streitgehilfe bzw. der Streitverkündete nicht partei- oder nicht prozeßfähig (bzw. nicht gesetzlich vertreten) war. Mangelnde Postulationfähigkeit muß dagegen grundsätzlich der Streitgehilfe selbst überbrücken. Treten solche Umstände in der Person des Streitgehilfen (Streitverkündeten) nachträglich ein, so entfällt die Interventionwirkung; für den Streitverkündeten nur bis zum möglichen Neueintritt; für den Streitgehilfen bis zum neuen Eintritt (und für die Zwischenzeit nur, soweit er in der Prozeßführung behindert wird). Fällt der Streitverkündete bzw. der Streitgehilfe in Konkurs, so kommt es darauf ap, ob die Regreßusw.-forderung in die Schuldenmasse gehört. Ist dies der Fall, wird sie angemeldet und (bedingt) anerkannt, so wird die Streitverkündung gegenstandslos. Wird sie bestritten, so darf nach KO § 146 vorgegangen werden; es darf aber auch die Streitverkündung gegenüber dem Konkursverwalter erneuert werden. Wird der Streitgehilfe nicht zur (letzten) mündlichen Verhandlung herangezogen, so entfällt die Interventionwirkung (KG OLG 23/98), soweit er dadurch in der Prozeßführung behindert worden ist. Dasselbe gilt, wenn er fernbleibt, obwohl er geladen war, aus Gründen, wo gegen ihn keine Versäumnisentscheidung erlassen werden darf. Wird gar der Streitgehilfe aus dem Streit rechtskräftig gewiesen, so kann auch die Interventionwirkung nicht eintreten. b) Die Interventionwirkung tritt trotz § 1040 im Schiedsverfahren nicht ein (RGZ 55/14). Das entsprechende gilt bei nicht begründeten Entscheidungen (vgl. §§510c I I I , 1041 I I ) ; auch dann gibt es keine Interventionwirkung. c) Die InterventioDwirkung entfällt ferner, wenn der Streitgehilfe (Streitverkündungempfänger) sich zu Recht auf mangelhaft« Prozeßführung der Hauptpartoi berufen darf (RGZ 158/133).
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c 2. Unter die dem Streitgehilfen hinderlichen Prozeßhandlungen der Hauptpartei lallen die, mit denen sie den seinen widersprochen hat (vgl. hierzu § 67 B), oder die Prozeßhandlungen der Hauptpartei, gegen die seine Proteste nutzlos bleiben mußten, und wohl auch Handlungen, zu denen er geschwiegen hat, soweit er ihnen widersprochen hätte, wenn er sich dazu in der Lage gesehen hätte. c 3. Darauf, ob die Hauptpartei die Angriffs- und Verteidigungsmittel kannte, wird es nicht abgestellt. Es genügt, daß sie ihr aus grober Nachlässigkeit unbekannt geblieben sind. c 4. Hat die Hauptpartei, ohne daß ihr ein Vorwurf gemacht werden kann, den Prozeß sorgsam betrieben, wird sie indes vom Gericht nicht gehört, so ist ihr nicht vorzuwerfen, daß sie die Entscheidung des Gerichts nicht angegriffen hat. Die Hauptpartei ist also im Verhältnis zum Streitgehilfen nicht verpflichtet, gegen gerichtliche Entscheidungen mit Rechtsbehelfen anzugehen. War das an sich mögliche Rechtsmittel offenbar aussichtlos, so kann der Hauptpartei selbst dann kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie auf seine Einlegung verzichtete (RG N § 68/5) oder es durch vorbehaltlose Erfüllung des Urteils dem Streitgehilfen unmöglich machte, es einzulegen; doch wird dies die Hauptpartei nachzuweisen haben. A IV. Die Interventionswirkung a) kann nicht kraft privater V e r e i n b a r u n g , etwa kraft Verzichts auf die Streitverkündung, wirken, weil außerprozessuale Verträge darüber, etwas nicht behaupten zu wollen, nichtig sind (§ 1381). Streitgehilfenschaften wie Streitverkündungen vor ausländischen Gerichten werden im Inlande nicht nach §§ 68, 74 (RGZ 55/236), wohl aber möglicherweise außerprozessual beachtet; ausgenommen sind hiervon die Fälle der CIM + CIV Art. 50 § 1, die nicht für nur Streitverkündete, sondern auch für Streitgehilfen gelten (vgl. § 72 B I). b) Doch sollte man auch das Verhältnis des prozeßführenden gesetzlichen Vertreters zu seiner Partei nach § 68 beurteilen, wie auch das des gewillkürten zu ihr (RG Seuff. 70/70 im Verhältnis der Versicherunggesellschaft, die den Versicherten im Prozeß vertritt). Die fremde Prozeßführung (etwa die des Treuhänders) löst indes die Wirkung allein nicht aus (RGZ 84/287 [293]), wenn sich nicht auch die Partei im Streit befindet und sie sein Streitgehilfe geworden ist. Der Unterschied im Verhältnis zu dem gesetzlichen Vertreter liegt darin, daß ihm der Streit nicht verkündet werden kann; zu dem gewillkürten, daß er für schlechte Prozeßführung einzustehen, weil die Partei ihm die Prozeßführung anvertraut hat. B. Außerprozessual werden an die Streitverkündung geknüpft.
(§§72 folg.) besondere Folgen
§ 69 (66) I Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozeß erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 als Streitgenosse der Hauptpartei. A. Der selbständige Streitgehilfe (streitgenössische Nebenintervenient) wird — im Gegensatz zum unselbständigen — ohne Rücksicht auf den Widerspruch der Hauptpartei gehört (RGZ 164/129 [132]). A I. Auch er ist Streitgehilfe und muß das Verfahren im Zeitpunkt seines Eintritts gegen sich gelten lassen (RGZ 93/33). a) Trotz der Fassung des § 69 ist der selbständige Streitgehilfe nicht Partei (RGZ 108/134). b) Gewohnheitrechtlich wird er in den folgenden Fällen als Partei behandelt: b 1. (vgl. für den gewöhnlichen Streitgehilfen § 67 A II a), sofern er als Beweismittel in Betracht kommt (RG Gruch. 58/1065) oder wenn er Urkunden vorlegen muß (§§ 426folg.). Sein Erscheinen darf nach § 141 angeordnet werden. b 2. Wird das Verfahren in seiner Person unterbrochen oder ausgesetzt, so wird der gesamte Streit davon betroffen. Nur wenn er wegen eines solchen Mangels, abgesehen von
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dem der Postulationsfähigkeit, die er überbrücken muß, gar nicht in den Prozeß kommt, also etwa weil er partei- oder prozeßuiifähig oder nicht richtig gesetzlich vertreten, wird der Hauptprozeß fortgeführt. b 3. Für ihn ist es unstreitig, daß Rechtsmittelfristen ab Zustellung gegen und für ihn nur laufen, wenn ihm zugestellt worden ist (RGZ 108/132); läuft allerdings vor seinem Eintritt die Frist bereits, so bewendet es auch hier bei diesem Fristenlauf (RGZ 93/31). b 4. Im Kastenrecht ist auch er Partei (§ 101 II). A II. § 69 knüpft an das Verhältnis des selbständigen Streitgehilfen zur Gegenpartei an und an die Rechtskraftwirkung zu ihr (§ 322 B), also wie § 62 und nicht an das des Streitgehilfen zur Hauptpartei. Tritt der Streitgehilfe der Gegenpartei bei, so ist er nicht selbständiger Streitgehilfe, es sei denn, daß auch dann noch im Verhältnis zu seinem Wahlgegner die Rechtskraftwirkung eintreten würde. § 69 unterscheidet aber nicht die beiden Alternativen des § 62. a) Mit Rücksicht auf die außerprozessuale Rechtskraftwirkung müssen sich deshalb die Fälle des § 62 mit denen des § 69 decken, d. h. überall, wo notwendige Streitgenossenschaft gegeben wäre, wenn der Streitgehilfe zugleich als Kläger aufgetreten oder zugleich als Beklagter belangt worden wäre, liegt im Falle der Streithilfe die des § 69 vor (RGZ 108/132). a 1. Ob hiervon der Fall des § 265 II 2 auszunehmen ist, vgl. § 62 A II a 2; jedenfalls ist der Einzelrechtsnachfolger nach § 265 II 3 nicht selbständiger Streithelfer. Keineswegs darf die selbständige Streitgenossenschaft wegen der reinen Kostenbeteiligung zugelassen werden (§ 66 A I I I b vgl. OLG 5/22). Das Anwendungsgebiet des § 69 ist noch umfangreicher als das des § 62; denn es ist nicht in jedem Falle, wo eine Streithilfe zulässig ist, auch die Streitgenossenschaft zulässig. Dies hängt mit den Klageverbindungverboten des Prozeßrechts zusammen. B. Der selbständige Streitgehilfe ist so selbständig wie der notwendige Streitgenosse, und im Verhältnis der Hauptpartei und ihm zum Gegner gilt all das, was in diesen Fällen gesagt ist (§ 62 B). B I. Er darf also auch selbständig Wissenserklärungen abgeben (vgl. § 67 B I), selbst wenn diese denen der Hauptpartei widersprechen. Eine Behauptung gilt als aufgestellt, auch wenn sie nur von einem Teile aufgestellt worden ist. Bei sich widersprechenden Erklärungen wird jeder nachzugehen sein, u. U. hilft hier aber §138 I. Das entsprechende gilt für das Bestreiten und sich widersprechendes Bestreiten. Das Geständnis (§ 288) der Hauptpartei bindet den selbständigen Streitgehilfen nicht, das des selbständigen Streitgehilfen aber auch nicht die Hauptpartei. Wird aber auf einer Seite ein Geständnis erklärt, während die Hauptpartei bzw. der selbständige Streitgehilfe abwesend ist, so liegt zu Lasten des Abwesenden ein Nichtbestreiten vor (§ 138 III). Dies gilt auch dann, wenn der Streitgehilfe noch nicht seinen Beitritt erklärt hatte, während das Geständnis abgegeben wurde, und selbst noch in zweiter Instanz, da § 532 sich nur auf das nach § 288 wirksame Geständnis bezieht. B II. Zur Abgabe selbständiger prozessualer Willenserklärungen ist aber auch der selbständige Streitgehilfe nur im Rahmen der Parteianträge (der Klage, der Widerklage) befugt (vgl. dazu § 67 A II a). Für sich im eigenen Namen etwas beantragen kann auch er nicht (RGZ 108/132 [134]). Im Gegensatz zum gewöhnlichen Streitgehilfen darf der selbständige aber auch das Anerkenntnis (§ 307) der Hauptpartei ableugnen, u. U. noch durch Einlegung eines Rechtsmittels; aber auch den Verzicht der Hauptpartei (§306) darf er bekämpfen; deshalb ist eine Klagerücknahme der Hauptpartei ohne seine Einwilligung nur in den Fällen des § 2711 zulässig, soweit ihr auch der Gegner nicht zuzustimmen braucht (vgl. OLG 37/94). Die Rechtsbehelfsfrist läuft für ihn unabhängig, und der Verlust des Rechtsbehelfs durch die Hauptpartei trifft ihn nicht, selbst wenn sie verzichtet hat (RG DR 44 A 91431), sofern er vor dem Verzicht oder dem Verlust schon wirksam beigetreten war. Umgekehrt wirkt aber der vom Gegner ihm gegenüber erklärte Rechtsmittelverzicht und Verlust auch zugunsten der Hauptpartei (RG J W 10/82145). Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Fristablauf richtet sich nach seiner Person (nicht nach der der Hauptpartei wie beim unselbständigen
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Streitgehilfen). Ein rechtskräftiges Urteil kann er nur au9 Gründen, die in seiner Person liegen, angreifen. Er muß sich auch mit der Entscheidung durch den Einzelrichter (§ 349 III) bzw. dem schriftlichen Verfahren (§ 128 II) einverstanden erklären. B III. Kostenrechtlich ist seine Stellung noch weiter verselbständigt (§ 101 II). Er haftet für die Kosten im besonderen dann, wenn sie durch sein der Hauptpartei widersprechendes Verhalten entstanden sind (§ 100) und hat neben der Hauptpartei selbständig die Kostenlast (RG Warn. 17/282); er darf deshalb auch für seine Kosten vom klagenden Ausländer Sicherheit verlangen (§ 110), muß sie selbst als Ausländer leisten und erhält auch das Armenrecht aus Gründen der Armut in seiner Person. Im übrigen gilt das zu § 67 D I Gesagte. C. § 69 regelt nur das Verhältnis des selbständigen Streitgehilfen zur Gegenpartei, nicht aber die Interventionwirkung gegenüber der Hauptpartei (RG Warn. 17/282). Diese bleibt daneben bestehen. D. Entsteht ein Streit darüber, ob die Voraussetzungen des § 69 oder des § 67 vorliegen, so ist bei widersprechendem Verhalten des Streitgehilfen über diese Frage nach h. M. nicht nach § 71, sondern im Endurteil oder durch Zwischenurteil nach § 303 zu entscheiden (RG JW 01/7991).
§ 70(67) I Der Beitritt des Nebenintervenienten erfolgt durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Prozeßgericht und, nenn er mit der Einlegung eines Rechtsmittels verbunden wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Rechtsmittelgericht. Der Schriftsatz ist beiden Parteien zuzustellen und muH enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und des Rechtsstreits; 2. die bestimmte Angabe des Interesses, das der Nebenintervenient hat; 3. die Erklärung des Beitritts. II Aufierdem gelten die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze. A I . Der Beitritt ist eine prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende Willenserklärung (§ 38 B II). Sie wird wirksam mit dem Zugang bei dem Gericht und ist widerruflich. a) Der Widerruf beseitigt aber nicht die Wirkungen des § 68. Er ist eine prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende Willenserklärung (§ 38 B II), die ebenfalls schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung abgegeben werden darf (§ 271 II, RGZ 56/28, a. M. RGZ 61/286 [291]), die durch erneuten Beitritt widerruflich ist. Einer Zustimmung der Beteiligten bedarf die Erklärung nicht (RG Gruch. 50/697 folg.). Wegen des möglichen Beitritts des (gewöhnlichen) Streitgehilfen auf Seiten der Gegenpartei vgl. §§ 66 A II, 69 A II. b) Die Beitrittserklärung unterliegt in Anwaltprozessen (§ 78 I) dem Anwaltzwang. Sie ist beiden Parteien (RGZ 76/168) von Gerichts wegen (§§ 261 b I, 496 I) zuzustellen und ist bestimmender (§ 129 A II) Schriftsatz; da indes durch die Zustellung keine Notfrist in Lauf gesetzt wird, gilt § 187; sie geht an den Prozeßbevollmächtigten (§ 176); doch ist die Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten der Hauptpartei, der auch den Streitgehilfen vertritt, überflüssig (OLG J W 36/216958). Der Beitritt ist schon durch die Erklärung gegenüber dem Gericht vollzogen. Das entsprechende gilt für die Widerrufserklärung des Streitgehilfen. b 1. Zur Bezeichnung der Parteien genügt hier (im Gegensatz zur Klage, §§ 253 II 1, 130 11) die kurze Kennzeichnung der Parteien und des Gerichts, vor dem der Rechtstreit schwebt (vgl. § 253 II 1). b 2. Die Angabe des Beitrittsinteresses trifft das zwischen dem Streitgehilfen und der Hauptpartei bestehende Rechtsverhältnis (§68 A l b ) ; sie entspricht der des Streitgegenstandes zwischen der Gegenpartei und dem Streitgehilfen nach § 69, wie der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des sich ergebenden Anspruchs (§ 253 II 2, RG J W 97/2851). Die Verweisung auf einen Streitverkündungschriftsatz (RGZ 124/142 [145]) oder die stillschweigende auf den Akteninhalt genügt.
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b 3. Bs muß ferner der Beitritt erklärt werden. Sie braucht nicht wörtlich abgegeben zu werden; die Einlegung des Rechtsmittels — das zugleich mit ihrer Abgabe eingelegt werden darf — genügt, wenn der Streitgehilfe sich als solcher in der Rechtsmittelschrift bezeichnet (RGZ 124/142 [145]). Die Zeit zwischen den Instanzen rechnet dabei (wie regelmäßig) zu der unteren Instanz (RGZ 68/247 [250]); wird aber ein Rechtsmittel zugleich mit der Beitrittserklärung eingereicht, so muß der Anwalt der Rechtsmittelinstanz beides erklären. A II. Mängel der Schriftform und der Erklärung werden nur auf Rüge beachtet (RGZ 15/396). Die Fehler heilen, soweit sie nicht rechtzeitig gerügt sind (§ 295, RGZ 77/360 [364]). Diese formalen Mängel sind behebbar bis zur rechtskräftigen Zurückweisung des Streithelfers. A III. Neben der Beitrittserklärung in der Form des § 711 können noch andere Erklärungen abgegeben und Prozeßhandlungen vorgenommen (im besonderen Rechtsmittel eingelegt) werden. Diese Erklärungen folgen den für sie vorgeschriebenen Formen. B I. Von Gerichts wegen werden geprüft die unverzichtbaren Prozeßbedingungen, a) wie die Kennzeichnung des Streitgehilfen, seine Partei- und Prozeßfähigkeit wie die Tatsache der unbedingten Beitrittserklärung (vgl. § 70 A I b 3) und die Unmöglichkeit seines Beitritts zu der von ihm gewählten Partei. Hierher gehören die Fälle, in denen jemand, gegen den der Anspruch wirkt, also der notwendige Streitgenosse, der Gegenpartei beitritt (§ 66 A II b 2), aber auch der beitretende Streitgenosse, der noch nicht rechtskräftig ausgeschieden ist und der notwendige, selbst wenn er rechtskräftig ausgeschieden ist (vgl. auch § 70 A II). B II. Weiter werden von Gerichts wegen die (seltenen) Klageverbote des außerprozessualen Rechts beachtet; denn soweit jemand nicht gegen eine Partei klagen darf, darf er auch nicht der Gegenpartei als Kläger oder Streitgehilfe beitreten. § 7 1 (68) I Über den Antrag anf Zurückweisung einer Nebenintervention wird nach mündlicher Verhandlung unter den Parteien und dem Nebenintervenienten entschieden. Der Nebenintervenient ist zuzulassen, wenn er sein Interesse glaubhaft macht. II Gegen das Zwischenurteil findet sofortige Beschwerde statt. III Solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig ausgesprochen ist, wird der Intervenient im Hauptveifahren zugezogen. A I. Er gilt in allen Fällen, wo nur über die Streitgehilfenschaft zu entscheiden ist, welche zur Interventionswirkung des § 68 führt. In den Fällen des § 69, wo es um die außerprozessuale Rechtskraftwirkung geht, ist dies anders — hier ist durch kontradiktorisches Endurtei] zu erkennen, gegen das die Rechtsmittel der Berufung bzw. der Revision gegeben sind (RG N § 71/2). A II. Von Gerichts wegen ist der Streitgehilfe nur zurückzuweisen, wenn die zu § 70 B erläuterten Voraussetzungen gegeben sind. a) Hier wendet die h. M. § 71 nicht an (OLG J W 33/222715). b) Allerdings sind, wenn aus einem solchen Grunde der Streitgehilfe zurückzuweisen ist, seine Prozefihandlungen auch ohnedies unwirksam. Hatte nur er einen Rechtsbehelf eingelegt, so ist er als unzulässig zu verwerfen. A III. Im übrigen ist der Streitgehilfe nur auf Antrag der unterstützten Hauptpartei oder der Gegenpartei (RGZ 42/401 [404]) oder einer ihrer anderen Streitgehilfen zurückzuweisen (der auch in dem zu § 70 A II erläuterten Falle gestellt werden darf). An diesen Regelfall denkt § 71. In ihm ist also die Entscheidung von Gerichts wegen unzulässig (RG JW 01/7993). a) Der Antrag ist eine dem Gericht gegenüber abzugebende, prozessuale Willenserklärung (bei der streitig ist, ob sie der Form des § 297 unterliegt: bejahend Schönke § 71 Anm. 1 2 ; verneinend Baumbach-Lauterbach § 71 Anm. 1 B), die bis zur rechtskräftigen Entscheidung über sie widerruflich ist. Sie unterliegt im Regelfall des § 71 dem Rügeverlust nach § 295
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(RGZ 163/361 [365]). Derjenige, der dem Streitgehilfen den Streit verkündet hat, kann ihn nicht wirksam stellen (KG OLG 41/250); wem der Streitverkündete beitritt, ist dabei regelmäßig gleichgültig (a. M. RG N § 71/6); anders ist dies nur in den zu § 71 A I erläuterten Fällen. In den Z w i s c h e n i n s t a n z e n (nach Erlaß der Bndentscheidung) ist der Antrag unzulässig. Ist allerdings der Antrag vor Erlaß des Schlußurteils gestellt, also übergangen worden, so wird über ihn gemäß § 321 zu entscheiden sein (RG J W 86/38 5 ), wenn nicht die Entscheidung darüber schon dem Schlußurteil zu entnehmen ist. Ein Rechtsmittel nur zu dem Zwecke, einen Streitgehilfen aus dem Streit zu weisen, würde mangels Beschwer nicht zulässig sein. In dem Antrag auf Verwerfung des Rechtsmittels des Streitgehilfen als unzulässig mit der Begründung, daß die Streithilfe unzulässig sei, liegt der Antrag auf Zurückweisung des Streitgehilfen. b) Nach § 71 I I I hat der nur von diesen Mängeln betroffene Streitgehilfe die Rechtstellung des Streitgehilfen bis zur Rechtskraft des Zwischenurteils. Die von ihm bis dahin vorgenommenen Prozeßhandlungen sind also wirksam und bleiben es, selbst wenn er rechtskräftig aus dem Prozeß gewiesen wird. Sein Rechtsmittel darf deshalb nicht verworfen werden (OLG 15/73), auch darf so lange nicht Versäumnisurteil gegen die unterstützte Partei ergehen, wie er anwesend verhandelt oder nicht hinzugezogen worden ist. Dies gilt auch dann, wenn er den Rechtsbehelf (etwa die Berufung) noch nach Erlaß, aber vor Rechtskraft dea Zwischenurteils einlegt (vgl. RG J W 01/799 3 ). Selbst wenn beide Parteien verhandeln wollen, ist, wenn er nicht geladen wurde, zu vertagen; es sei denn, daß ihm daraus kein Nachteil erwachsen kann (OGHZ 1/253). B. Entschieden wird über die Zurückweisung auf Grund mündlicher Verhandlung bzw. im Einverständnis aller Beteiligten schriftlich (§ 128 II). Nach §78 I herrscht vor den Kollegialgerichten der Anwaltzwang. Ist der Streitgehilfe von Gerichts wegen zurückzuweisen, so kann er beide Parteien auf seiner Seite oder auch gegen sich haben. Im übrigen wird der Streit zwischen dem Streitgehilfen und der (oder den) rügenden Partei(en) ausgetragen. B I. Der Streit um den Streithelfer kann sich erledigen. Dann ist nur noch über die Kosten zu entscheiden; aber erst mit dem Schlußurteil, sofern die Kostenentscheidung davon abhängen würde, also nicht, wenn sie sowieso zu Lasten des Streitgehilfen geht (OLG 13/85; a. M. OLG 25/63, 33/148). Eine solche Entscheidung ist auch im Verhältnis zum Streitgehilfen keine isolierte Kostenentscheidung i. S. des § 99 I, wenn gleichzeitig über den Hauptanspruch erkannt wird. B II. Erledigt sich der Streit um den Streithelfer nicht, so ist darüber kontradiktorisch zu entscheiden. Ein V e r s ä u m n i s v e r f a h r e n gibt es hier n i c h t (RGZ 15/429). a) Der Streitgehilfe hat die B e w e i s l a s t für seinen (nicht im Rechtstreit befangenen) Anspruch bzw. dafür, daß er gegen ihn besteht (wobei die ihm ungünstige Entscheidung des Rechtstreits als Voraussetzung zu unterstellen ist). Zum Nachweis seines Interesses ist Glaubhaftmachung (§294) erforderlich und genügend ( § 7 1 1 2 ; KG J W 28/1152 11 ). Die Gegenglaubhaftmachung ist zuzulassen, aber nicht, soweit sie sich auf selbständige Einwendungen gegen den glaubhaft gemachten Anspruch bezieht (KG J W 28/1152 11 ). b) Entschieden wird durch Zwisehenurteil (§303: doch wirkt auch der fehlerhafte Beschluß wie das Urteil; vgl. RG DR 39 A 670 43 ); im Verfahren vor dem Patentamt wird durch Beschluß entschieden (BGH N J W 52/381). Maßgebend ist der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung (im Falle des § 128 I I derjenige, wo die Formel des Zwischenurteils abgesandt wird). In diesem muß das rechtliche Interesse bestehen, aber es genügt auch, wenn es e r s t in ihm besteht (KG OLG 41/250). Das Urteil geht auf Zulassung oder Zurückweisung des Beitritts; die Zulassung bloß bezüglich einzelner Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist unzulässig (RG J W 96/146 3 ); geschieht sie dennoch, so tritt die Wirkung des § 68 nicht ein; in der höheren Instanz darf die Beschränkung durch Neuzulassung beseitigt werden. Das die Zulassung aussprechende Urteil darf mit dem Endurteil verbunden werden; es darf im besonderen stillschweigend ergehen, etwa wenn die Kosten der Streithilfe dem Gegner auferlegt worden sind (KG J W 19/458 1 ). In dem Zwischenurteil ist zugleich über die Kosten des Zwischenstreits zu entscheiden, sie sind dem Streitgehilfen aufzuerlegen, wenn sein Beitritt zurückgewiesen wird (OLG 23/124), sonst gehören sie zu den Kosten des Hauptstreites.
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Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
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B i n . Gegen das Zwischenurteil gibt es nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 71 II), auch wenn die Entscheidung zugleich mit dem Endurteil (RG JW 38/2833 26) oder — irrtümlich — als Beschluß (vgl. RG DR 39 A 67 0 43 ) ergeht. Ist der Streitgehilfe in dem Schlußurteil zurückgewiesen worden, so deckt seine Berufung nicht zugleich die erforderliche sofortige Beschwerde, wenn die Frist dafür schon verstrichen ist. Sodann ist die Berufung unzulässig. Über die sofortige Beschwerde vgl. § 577. Die Frist beginnt ab Zustellung des Zwischenurteils; betrieben wird die Zustellung nur von einer Partei, auch der nicht antragstellenden (vgl. RG JW 93/196) bzw. dem Streitgehilfen, von Gerichts wegen nur in den Fällen der §§ 625, 640. Gegenüber der Entscheidung des LArbG (vgl. ArbGG § 70), des OLG (§ 567 III) wie der ihnen übergeordneten Gerichte ist aber das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht zulässig (OLG 27/30). B IV. Kostenrechtlich ist der Streitwert der Streithilfe nach dem hier vertretenen Standpunkt nicht höher als der Hauptanspruch zu bemessen, er kann im übrigen geringer sein und ist nach dem Anspruch (vgl. BGH NJW 53/7455), der für oder gegen den Streitgehilfen besteht, zu bemessen, und zwar nach §§3folg. (RG DR 42 A 591 23 ); eine andere Meinung will nach § 3 frei schätzen (KG OLG 25/63). C I. Ist der Streitgehilfe rechtskräftig zugelassen, so wird, wenn er tätig wird (etwa Revision einlegt) nicht mehr geprüft, ob dies zu Recht geschehen ist (RG v. 2. 3.1916 IV 356/15 N § 66/25). C II. Ist er rechtskräftig aus dem Streit gewiesen, so darf der Streitbeitritt neu versucht werden, wenn die Hindernisse beseitigt worden sind, welche der Zulassung entgegenstanden. Ist das rechtliche Interesse verneint, so darf der bereits geltend gemachte Anspruch nicht erneuert werden (RGZ 23/342folg.). Ist der Streitgehilfe rechtskräftig — gleichviel aus welchem Grunde — zurückgewiesen, so entfallen die Bindungen des § 68 auch dann, wenn dies zu Unrecht geschehen ist (daß umgekehrt § 68 stets dann gilt, wenn eine Streithilfe vorliegt, möge sie auch nicht zulässig sein, ist bei § 68 A II b erläutert).
§ 7 2 (69) I Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden. II Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt. A. Die Streitverkündung des § 72 ähnelt der Streithilfe des §66; während aber diese vom Streitgehilfen und ohne Zutun einer Partei ausgeht, so kommt jene von der Partei, einem Streitgehilfen oder einem Streitverkündeten (§7211); diese besteht in der Beteiligung am Prozeß, jene wirkt auch und gerade, wenn der, dem der Streit verkündet ist, sich nicht am Prozeß beteiligt. A I. Sind die ProzeBbedingungen der Streitverkündung (neben den allgemeinen) gegeben, so tritt die Interventionwirkung auch dann ein, wenn der Streitverkündunggegner dem Streitverkünder nicht beigetreten ist (§ 74 III). a) Zu den Prozeßbedingungen der Streitverkündung gehören Zunächst all die der Streithilfe; denn die Streitverkündung muß die Möglichkeit der Streithilfe voraussetzen (vgl. § 74 I). a 1. Dahin gehört es, daß ein Verfahren rechtshängig ist (§ 66 A I a). Die Streitverkündungschrift darf schon vor Zustellung der Klage usw. eingereicht werden, weil all diese Schriftstücke von Gerichts wegen zuzustellen sind (vgl. § 73 A III a). Nach rechtskräftiger (§ 705) Entscheidung ist die Streitverkündung unzulässig, eine etwa noch zugestellte unwirksam (vgl. RG N § 74/16). a 2. Das Verfahren muß vor den inländischen (§ 12 A II a 1), staatlichen Gerichten schweben (die Streitverkündung in einem ausländischen Verfahren hat nicht die an die Streit-
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§72 AIa2
ZPO I. Buch
verkündung geknüpfte Interventionwirkung, RG J W 05/716 4 ). Anders ist dies nur im Rückgriffsprozeß wegen der Entschädigungansprüche nach CIM + CIV Art. 50 § 1. b) Der Streitverkündete steht indes in verschiedener Weise freier als der Streitgehilfe. b 1. Dies gilt hinsichtlich der Parteiseite, der der Streit verkündet werden darf, weil für sie die bloße Möglichkeit der Streithilfe, nicht ihr tatsächlicher Vollzug zu fordern ist. Wie bei der Streithilfe darf ein Streitgenosse dem anderen derselben Parteiseite den Streit verkünden (RG J W 96/176"). Weitergehend besteht die Möglichkeit, daß eine Partei dem Streitgehilfen der Gegenpartei den Streit verkündet, soweit er die Parteiseite wechseln kann (§§ 66 A l l , 69 A l l ) ; auch dürfen beide Parteien derselben Rechtsperson, die nicht im Streit ist, den Streit verkünden. Nach § 72 II darf auch der, dem der Streit verkündet worden ist, ohne beizutreten, einem dritten — aus eigenem (vom Widerspruch des Streitverkündenden unabhängigen) Recht — den Streit verkünden. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dagegen im besonderen die Streitverkündung von einem Kläger an einen Beklagten (doch darf der Kläger seinen Anspruch im Prozeß auf diesen Beklagten ausdehnen) oder umgekehrt unwirksam (RG J W 12/640 12 ; a. M. OLG MDR 58/342). Dies gilt auch, wenn diese Partei im Prozeß anders vertreten wird als bei der Streitverkündung. b 2. Die Streitverkündung ist unwirksam, wenn auf Seiten des Streitverkündeten eine Prozeßbedingung fehlt, also wenn er nicht partei- oder prozeßfähig ist (§ 66 B II). Wird der Streitverkündete aber später partei- oder prozeßfähig, so treten die Wirkungen von da ab ein. Die Streitverkündung wirkt nicht, wenn einem Gerichtsbefreiten zugestellt wird (GVG §§ 18folg.). Auf das Verhältnis des Streitverkündeten zum Streitverkünder sollte es dabei nicht abgestellt werden, so daß sich die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges nicht bietet (vgl. § 66 B I c 1). A II. Die besondere Prozeßbedingung der Streitverkündung besteht darin, daß der, welcher sie ausspricht, wenn er unterliegt, einen Anspruch gegen den Streitverkündeten bzw. dieser einen gegen ihn haben muß. a) Es muß also im Fall des Unterliegens des Streitverkünders entweder er selbst einen positiven Anspruch gegen den Streitverkündeten haben, den das Gesetz als „auf Gewährleistung oder Schadloshaltung" gerichtet kennzeichnet oder den negativen, daß der dritte ihn dann in Anspruch nehmen könnte. a 1. Die Gewährleistungsansprüche aus Vertrag, die aus Versicherungsverträgen (RGZ 130/299) wie die aus unerlaubter Handlung kommen hier in Betracht (RG N § 72/1). a 2. Nicht hierher gehören die Ansprüche, die der Kläger von vornherein gegen mehrere nebeneinander hätte erheben können (RGZ 159/86 [88]). Dagegen ist die Streitverkündung zuzulassen, wo nur eine alternative Inanspruchnahme möglich ist (BGH N J W 53/420). b) Das entsprechende gilt für die Ansprüche, die ein dritter gegen eine Partei erheben kann, wenn sie unterliegt. Hierher gehören im besonderen die aus Spedition-, Fracht-, Kommissiongeschäft wie die aus Versicherung für fremde Rechnung stammenden und die aus fiduziarischen Verhältnissen oder die der Pfandgläubiger, Pfändungpfandgläubiger, Nießbraucher gegenüber dem Eigentümer oder Schuldner oder beiden oder in den Fällen der §§ 76 folg. oder in denen des § 75, sofern der Beklagte etwas nicht hinterlegen kann (vgl. RGZ 46/404). c) Die Streitverkündung ist nur insoweit zulässig, wie Ansprüche im Falle des Unterliegens des Streitverkünders gegeben sind (RG J W 13/32 20 ). B I. Auf den Fortgang des Verfahrens h a t die Streitverkündung regelmäßig keinen Einfluß. Nur in den Fällen des internationalen Eisenbahnrechts CIM + CIV Art. 50 § 1 ist dem Streitverkündeten eine Frist zum Beitritt zu setzen und bis dahin das Verfahren zu vertagen. B II. Die Streitverkündung gibt noch nicht das Recht zur Erhebung der negativen FeststeUnngklage gegen den Verkünder; nämlich insoweit nicht, wie der Anspruch gegen den Streitverkündeten vom Ausgang des Rechtstreits selbst abhängt (RGZ 82/170folg.). B III. Eine Verpflichtung zur Streitverkündung besteht nur nach § 841.
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Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
§ 7 3 (70) I Zum Zwecke der Streitverkündung hat die Partei einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Der Schriftsatz ist dem Dritten zuzustellen und dem Gegner des Streitverkünders in Abschrift mitzuteilen. Die Streitverkündung wird erst mit der Zustellung an den Dritten wirksam. A. § 78 bestimmt die Form und den Inhalt der Streitverkündung. A I . Vorgeschrieben wird die Form eines Schriftsatzes. Er ist ein bestimmender (vgl. § 129 A II). Er soll deshalb die Angaben des § 130 1 1 enthalten und ferner in gleicher Weise die Nämlichkeit des Streitverkündeten bezeichnen. Auch das Gericht, vor dem der Rechtsstreit schwebt, muß bezeichnet werden. a) In ihm muß ferner (an Stelle des Klagebegehrens) die Streitverkündung ausgedrückt werden (wörtlich oder unzweideutig aus dem Gesamtinhalt zu entnehmen sein). b) Er muß ferner die Lage des Rechtstreits angeben. c) Es soll ferner der Grund angegeben werden, der die Streitverkündung rechtfertigt, also das sie voraussetzende Rechtsverhältnis zwischen dem Streitverkünder und dem Streitverkündeten (vgl. § 72 A). A II. Nach der h. M. besteht auch in Anwaltsprozessen zur Streitverkündung kein Anwaltzwang, da sich die Streitverkündung noch außerhalb des Rechtstreites abspielt (Jonas § 78 Anm. IV 2, Sydow-Busch § 73 Anm. 1, Rosenberg Lb. § 47 III 2, a. M. Seuff.Walsmann § 73 Anm. 3). Nimmt man keinen Anwaltzwang an, so darf die Streitverkündung auch zu Protokoll der Geschäftstelle erklärt werden (§ 78 II in entsprechender Anwendung, § 496 II). A i n . Der streitverkündende Schriftsatz muß dem Streitverkündeten zugestellt werden. a) Die Zustellung wird (jetzt) durch das Gericht bewirkt (§§ 261 b I, 496 II, 208folg.). Formlose Mitteilung (§§ 261 b II, 496 IV) genügt nicht (a. M. Jonas § 73 Anm. 11), weil § 73 die Zustellung ausdrücklich vorschreibt (schließlich müssen auch sonst die bestimmenden Schriftsätze förmlich zugestellt werden). Doch gilt auch hier § 187. Heilung nach § 295 tritt nur im Fall des Beitritts ein. Zum Termin wird der Streitverkündete nicht geladen (RGZ 10/292); doch ist ihm im Schriftsatz der Termin mitzuteilen (§ 73 A I b). Bei der Zustellung der Streitverkündung prüft das Gericht nicht ihre Zulässigkeit und auch nicht die Wahrung der Form (RGZ 77/360 [364]). b) Eine Abschrift der Streitverkündung soll dem (jedem) Gegner mitgeteilt werden (§ 73 II), aber auch der (jeder) Streitgenosse des Streitverkünders sollte sie erhalten, obwohl dies § 73 II nicht vorschreibt. Die Mitteilung wird vom Gericht bewirkt, die erforderlichen Abschriften soll der Streitverkünder (§§ 208, 169 I) übergeben. Das Unterlassen dieser Pflicht hat aber auch auf die Wirksamkeit der Streitverkündung keinen Einfluß (RG Warn. 38/36). B. Verstöße gegen die Form des § 73 machen die Streitverkündung unwirksam. B I . Tritt der Streitverkündete dem Rechtstreit bei, so werden alle Mängel, die er nicht rügt, nach § 295 geheilt. Tritt er nicht bei, so verliert der Streitverkündete das Rügerecht ebenfalls nach § 295, dann aber erst im Folgeprozeß in dem erstmöglichen Zeitpunkt (Jonas § 73 Anm. I 2). B II. Die Kosten der Streitverkündung dienen der Rechtsverteidigung des Streitverkünders. Ob sie zu den notwendigen Prozeßkosten des schwebenden Rechtstreits gehören, ist streitig (bejahend RG JW 85/3323; verneinend OLG Seuff. 52/166).
§ 74 (71) I Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention. II Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt.
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§74
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III In allen Fällen dieses Paragraphen sind gegen den Dritten die Vorschriften des § 68 mit der Abweichung anzuwenden, daß statt der Zeit des Beitritts die Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war. A. § 74 regelt die prozessualen Wirkungen der Streitverkündung. A II b. Tritt der Streitverkündete b 1. dem Streitverkünder bei, so darf der Gegner rügen, daß ein Fall der Streithilfe nicht vorliege, sodann ist nach §71 zu entscheiden (RGZ 77/360 [364]); der Streitverkünder darf dem Beitritt auf seiner Seite grundsätzlich nicht widersprechen (KG OLG 41/250). Ob die Streitverkündung rechtlich begründet ist oder ob das Rechtsverhältnis zwischen Streitverkünder und Streitverkündunggegner begründet ist, darauf kommt es nicht an (OLG 5/23), also auch nicht darauf, ob der Streitverkündete das vom Streitverkünder behauptete Rechtsverhältnis zwischen diesem und ihm anerkennt (OLG 17/103); durch seinen Beitritt erkennt er deshalb dieses Rechtsverhältnis noch nicht an. Tritt der Streitverkündunggegner dem Streitverkündeten bei und wird er dann zurückgewiesen, so entfällt die Interventionwirkung. b 2. Der Streitverkündete darf auch dem Gegner des Streitverkünders beitreten (RG J W 12/46915). Dann steht er im Verhältnis zum Streitverkünder wie jemand, der nicht beigetreten ist (RGZ 130/297 [299]); nur daß er sich auf die Mängel der Streitverkündung regelmäßig nicht berufen kann. Sodann hat die Partei, der er beitritt, die Rüge. Dem Streitverkünder sollte man sie indes verwehren, weil er die Beteiligung des Streitverkündeten am Streit auf seiner Parteiseite nicht erzwingen kann, andererseits indes die Beteiligung des Verkündeten am Prozeß herbeiführen will. B. Bis zum Eintritt hat die Streitverkündung (abgesehen von den Fällen des CIM + CIV Art. 50 § 1) auf den Prozeß keinen Einfluß. B II. Tritt der Streitverkündunggegner nicht dem Streitverkünder bei, so tritt für wie gegen ihn die Interventionwirkung des § 68 zwischen beiden (nicht im Verhältnis zum Gegner) ein (§ 74 III), und zwar von dem Zeitpunkt ab, wo ihm sein Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war. Die Prozeßlage wirkt schon von da ab gegen ihn (RG J W 36/30473), sowohl wenn er verspätet wie gar nicht oder dem Gegner beitritt. B III. Die Wirksamkeit der Streithilfe wird — wenn der Streitverkündete nicht beitritt — erst im Folgeprozeß zwischen Streitverkündetem und Streitverkünder geprüft (RGZ 77/360 [364]). C. An die Streitverkündung knüpfen eine Reihe außerprozessualer Wirkungen. C III. Nach der hier vertretenen Auffassung gibt es keine außerprozessual wirksamen Vereinbarungen, die Interventionswirkung gelten zu lassen (vgl. § 68 A IVa; a. M. RG J W 38/2287M durch Vertrag).
§ 75
(72)
I Wird von dem verklagten Schuldner einem Dritten, der die geltend gemachte Forderung für sich in Anspruch nimmt, der Streit verkündet und tritt der Dritte in den Streit ein, so ist der Beklagte, wenn er den Betrag der Forderung zugunsten der streitenden Gläubiger unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt, auf seinen Antrag aus dem Rechtsstreit unter Verurteilung in die durch seinen unbegründeten Widerspruch veranlaßten Kosten zu entlassen und der Rechtsstreit über die Berechtigung an der Forderung zwischen den streitenden Gläubigern allein fortzusetzen. Dem Obsiegenden ist der hinterlegte Betrag zuzusprechen und der Unterliegende auch zur Erstattung der dem Beklagten entstandenen, nicht durch dessen unbegründeten Widerspruch veranlaßten Kosten, einschließlich der Kosten der Hinterlegung, zu verurteilen. A. Die Praxis kennt den Fall des § 75 kaum; deshalb treten die Schwierigkeiten seiner Auslegung wenig hervor. Er liegt etwa vor, wenn ein näherer und ein entfernterer Verwandter des Erblassers denselben Pflichtteilsanspruch — aber jeder aus seinem Recht — gegen den Erben geltend machen (RGZ 93/193 [196]).
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Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
§75
A I . § 75 geht davon aus, daß eine Schuld besteht, die der Schuldner erfüllen will, aber glaubt, nicht erfüllen zu dürfen, weil er mehreren Prätendenten gegenübersteht. A II. § 75 ermächtigt zur Hinterlegung mit schuldbefreiender Wirkung, ohne daß zu prüfen ist, ob der Schuldner ohne Verschulden den Gläubiger nicht zu kennen braucht. b) Hat der Beklagte vor Beginn des Prozesses hinterlegt, so braucht er es mit Rücksicht auf § 75 nicht erneut zu tun, sondern darf darauf verweisen. c) Hat der Beklagte nur einen Teil des von ihm Geforderten so hinterlegt, so bleibt er mit dem Rest im Streit, auch wenn es sich hierbei nur um Nebenansprüche (vgl. § 4 C I) handelt (RG JW 89/430*); nur bezüglich der Kosten des Rechtstreits braucht er nicht zu hinterlegen. c 1. Der eingeklagte Anspruch muß sich mit dem des Streithelfers voll decken (RGZ 34/400 [403]). Deshalb können nur Leistungklagen, die auf den gleichen Anspruch gerichtet sind, für § 75 in Betracht kommen. Die Aufrechnung löst die Lage des § 75 nicht aus. c 2. Die Prozeßart, in der der Anspruch geltend gemacht wird, ist dagegen gleichgültig. A III. Der Beklagte scheidet nur aus, wenn er es beantragt; dies ist Sachantrag (§ 297). a) Stellt er den Antrag nicht, so bleibt es bei der Streithilfe (Hellwig System 1/592), wenn auch der Streitverkündete noch die Hauptinterventionsklage erheben darf (§ 64). b) Stellt der Beklagte den Antrag, so braucht, b 1. wenn kein Streit über sein Ausscheiden entsteht, nur über die Kosten entschieden zu werden (vgl. § 75 A IVc). b 2. Über die Entlassung des Beklagten ist im Streitfall auf Grund mündlicher Verhandlung (§ 128 I) bzw. im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen der Entlassung nur teilweise vor, so ist Teilentlassung zulässig. AIV. Wird der Antrag durch Urteil (oder unrichtig durch Beschluß) a) verworfen, so ist dies Zwischenurteil (§303, KG OLG 37/44), wenn es nicht in den Gründen des Endurteils geschieht. b) Wird dem Antrag stattgegeben, so ist es Endurteil (KG OLG 37/94). Gegen das Endurteil hat die beschwerte Partei, regelmäßig der Kläger, das Rechtsmittel, das aber nicht darauf gestützt werden kann, daß erst in zweiter Instanz dem Antrag des Beklagten stattgegeben wurde; der Streitgehilfe hat es nur, soweit nicht (voll) hinterlegt ist oder der Beklagte nicht auf das Rücknahmerecht verzichtet hat. c) Das den Antrag des Beklagten verwerfende Zwischenurteil enthält keine Kostenentscheidung (anders das auf sofortige Beschwerde ergehende, das sie zurückweist nach § 97), das ihm stattgebende hat die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, soweit er unbegründet widersprochen hat (vgl. § 96). c 1. Die Kostenentscheidung wird von der Person des Gläubigers abstrahiert. Werden dem — beschwerten — Beklagten Kosten auferlegt, so hat er dagegen die sofortige Beschwerde (§ 91 a II in entsprechender Anwendung; früher ergab sich dies aus § 99 I I I a. F., der zwar durch Nov. 50 gestrichen worden ist, wobei aber nicht an den Fall des § 75 gedacht wurde). c 2. Sind dem Beklagten Kosten nicht aufzuerlegen, so bleibt die Entscheidung offen bis zur Erledigung des Folgestreits, wo sie dann dem Unterliegenden aufzuerlegen sind. d) Wird die Entlassung des Beklagten angegriffen, so ist, wie bei sonstigen Sachentscheidungen, das Rechtsmittel gegeben. Wird die Entlassung verweigert, so geschieht dies durch Zwischenurteil (§303) oder in den Gründen des Endurteils; legt dagegen der Beklagte ein Rechtsmittel ein und bleibt es ohne Erfolg, so treffen ihn die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels, andernfalls treffen sie seinen Rechtsmittelgegner, der aber kein Rechtsmittel mehr hat, wenn er nur die Kostenlast angreifen will. B. Nach Ausscheiden des (alten) Beklagten wird der Streit zwischen dem Kläger und dem ehemaligen Streithelfer (des Beklagten) als Beklagtem fortgeführt, gegen den der Anspruch nunmehr unmittelbar geltend gemacht wird (vgl. RGZ 34/400 [403]).
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§75
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B I . Der Antrag des Klägers darf auf Einwilligung in die Auslieferung des Hinterlegten an ihn, der des neuen Beklagten muß nicht bloß auf Klageabweisung, sondern durch Widerklage auf die Einwilligung in die Aualieferung an ihn lauten. B II. Im Verhältnis zum alten Streit wird indes über einen neuen Antrag mit einem neuen Klagegrund entschieden. Es ergibt sieh demnach eine neue Prozeßlage, ähnlich der der Hauptintervention (vgl. RGZ 63/320), in der alte Prozeßvor- und -nachteile gegenstandslos werden (dies gilt also auch für Geständnisse). Da der fortzusetzende Streit das Verhältnis anderer Parteien betrifft, ist zu seiner Entscheidung jedenfalls eine neue Tatsachenverhandlung erforderlich. B III. Das Endurteil im Zweitstreit darf bezüglich des außerprozessualen Anspruchs nur von dem Prätendenten angegriffen werden. Der Erstbeklagte darf auch dann kein Interesse mehr geltend machen, wenn er das Gericht zu einer gegen beide Prätendenten abweisenden Entscheidung bringen will. Über den selbständigen Angriff des Erstbeklagten gegen die Kostenentscheidung vgl. § 75 A IVa. Man wird ihm, wenn die Kosten unter den beiden Parteien verteilt werden, auch die sofortige Beschwerde zubilligen dürfen (§ 99 I I I a. F. in entsprechender Anwendung). B IV. Bezüglich der Rechtsmittel gilt für die Parteien des Zweitstreites nichts Besonderes, für die Kostenentscheidung § 99 I. Sie dürfen auch die Entscheidung wegen der ihnen auferlegten Kosten des Erstbeklagten nur zugleich mit dem Rechtsmittel angreifen. Aber auch dann können sie noch geltend machen, daß der Widerspruch des Erstbeklagten unbegründet war. Der Erstbeklagte hat nur die sofortige Beschwerde (vgl. OLG 13/88, er hat kein Hauptrechtsmittel).
§ 76 (73) I Wer als Besitzer einer Sache verklagt ist, die er auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art zu besitzen behauptet, kann vor der Verhandlung zur Hauptsache unter Einreichung eines Schriftsatzes, in dem er den mittelbaren Besitzer benennt, und einer Streitverkündungsschrift die Ladung des mittelbaren Besitzers zur Erklärung beantragen. Bis zu dieser Erklärung oder bis zum Schluß des Termins, in dem sich der Benannte zu erklären hat, kann der Beklagte die Verhandlung zur Hauptsache verweigern. II Bestreitet der Benannte die Behauptung des Beklagten oder erklärt er sich nicht, so ist der Beklagte berechtigt, dem Klageantrage zu genügen. III Wird die Behauptung des Beklagten von dem Benannten als richtig anerkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle den Prozeß zu übernehmen. Die Zustimmung des Klägers ist nur insoweit erforderlich, als er Ansprüche geltend macht, die unabhängig davon sind, daß der Beklagte auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im Abs. X bezeichneten Art besitzt. IV Hat der Benannte den Prozeß übernommen, so ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden. Die Entscheidung ist in Ansehung der Sache selbst auch gegen den Beklagten wirksam und vollstreckbar. A. So wie § 75 dem (gegenüber dem Kläger wie dem eintretenden dritten) erfüllenden Beklagten die Möglichkeit gibt, sich dem Prozeß zu entwinden, so gibt § 76 dem (unmittelbaren oder mittelbaren) Besitzer (BGB §§ 854folg.) die Möglichkeit, seinem mittelbaren Besitzer den Streit zu überlassen, wenn er nur dessen Recht dem Kläger entgegensetzen will. Während im Fall des § 75 aber der Beklagte uninteressiert ist, hat er in dem des § 76 das Interesse an der Aufrechterhaltung seines Besitzes. Die praktische Bedeutung der Bestimmung ist gering. A I . Prozeßbedingung des §76 ist die Klage gegen einen Besitzer (BGB §§ 854folg.). a) Ob dies der Fall ist, richtet sich zunächst nach dem Klagegrunde. Bei Klagen aus schuldrechtlicher Verbindlichkeit gilt § 76 nicht (OLG 42/3). a 2. Gehäuften Klagegründen kann sich der Beklagte nicht entziehen, wenn auch nur einer der Gründe nicht unter § 76 fällt. Ob die Behauptung des Klägers über die anderen Gründe zutrifft, wird nicht geprüft.
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Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
§76
AI
b) Der Beklagte muß als mittelbarer oder unmittelbarer Besitzer und selber nur als Fremd-, nicht als Eigenbesitzer ( B G B § 872) in Anspruch genommen worden sein. b 1. Das erste trifft zu, wo er nicht Besitzdiener ( B G B § 855) ist, der aber unter § 77 fällt. b 3. Der dritte, dessen Besitzmittler der Beklagte zu sein behaupten muß, kann im Falle des gemeinschaftlichen Besitzes ( B G B § 866) sogar auch unmittelbarer Besitzer der Sache sein; im Verhältnis zum Beklagten muß er sonst aber mittelbarer ( B G B §868) sein. Ist der Besitz mehrfach gestuft: der Beklagte verwahrt die Sache eines Mieters, der Nießbraucher des Beklagten ist (dabei hat der Beklagte den unmittelbaren, der Mieter den ersten mittelbaren, der Nießbraucher den weiteren mittelbaren, der Beklagte selbst auch den l e t z t e n m i t t e l b a r e n , d. h. den Eigenbesitz, B G B § 872), so kann der Beklagte nur insoweit auf den Mieter verweisen, wie dieser seine Rechte von einem — gutgläubigen — Nießbraueher ableitet, nicht aber soweit er auf sich selber als angeblichen Eigentümer verweisen müßte. b 4. In bezug auf das Besitzmittlungverhältnis genügt die schlüssige Behauptung des Beklagten (OLG 42/3folg). A II. Als Klagearten sind sowohl die Leistung- (nicht aber die Gestaltung-) wie die positive Feststellungklage zulässig; die negative Feststellungklage, wo der „Beklagte" die Parteirolle des Klägers hat, ist ausgeschlossen. An Prozeßarten sind denkbar der allgemeine, der Urkunden- (nicht aber der Wechsel- und Scheck-)prozeß; nicht das Mahnverfahren, weil es nicht die hier in Betracht zu ziehenden Klageansprüche erfassen kann (§ 688). A i n . Die Benennung eines Streitgenossen des Klägers oder eines ihm beigetretenen Streitgehilfen ist unwirksam. Tritt auf die Streitverkündung des Beklagten der dritte dem Kläger bei, so entfällt die prozeßhindernde Einrede des § 76 von da ab. B . Unter den Prozeßbedingungen des § 76 A I, I I I darf der Beklagte sich vor Verhandlung zur Hauptsache (§ 274 C I I I a 2 , Verhandlungen über Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse sind also unschädlich) auf den mittelbaren, ihm übergeordneten Besitzer durch Benennung und Streitverkündung an ihn (sofern er nicht schon Streitgehilfe ist) beziehen. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Streitverkündung und zur Eiklärung wird weder prozessual noch außerprozessual begründet. Späterhin darf der Beklagte nur im allseitigen (u. U. stillschweigenden, § 295) Einvernehmen aus dem Prozesse noch ausscheiden. B I. Zu benennen ist der dritte schriftsätzlich (§§ 76 I, 73 I ; im Verfahren vor gerichten auch zu Protokoll der Geschäftstelle, § 496 I I ) in der Streitverkündung dem Gericht. Außer den Erfordernissen der Streitverkündung (§ 74) muß dieser die Benennung des dritten und die Aufforderung an ihn, in den Streit einzutreten, Der Kläger erhält hiervon eine Abschrift (vgl. § 73 II).
den Amtsgegenüber Schriftsatz enthalten.
B I I . Das Gericht stellt (die Streitverkündung und) die Erklärung des Beklagten dem dritten förmlich (§§ 261 b I I , 496 I V entsprechend) zu (§§261 b I, 496 I). Ferner soll das Gericht den dritten zu einem Termin zur Erklärung laden (§§261 a, 497; schriftliches Verfahren ist hier nur möglich, wenn auch der dritte zustimmt, § 128 II) und vor dem Landgericht ihn auffordern, einen Anwalt zu seinem Vertreter zu bestellen (§§ 214, 215). Mängel des Verfahrens werden auch hier nach §§ 187, 295 geheilt (RGZ 22/393 [395]). a) Der dritte kann sich ablehnend erklären. a 1. Der Widerruf der Ablehnung kann indes nach § 295 (im Einvernehmen mit allen Beteiligten) Bedeutung gewinnen; aber der Beklagte verliert die prozeßhindernde Einrede. a 2. Lehnt der Dritte ab, so darf der Beklagte den Klageanspruch anerkennen und befriedigen (§7611), ohne daß er dem Benannten wegen der Herausgabe haftet (sofern die Förmlichkeiten in Ordnung sind, im besonderen Prozeß- und Parteifähigkeit des Benannten). Sodann wird der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt, doch werden den Beklagten die Kosten treffen (vgl. § 91 a B I b). Der Beklagte behält aber seine Rechte gegenüber dem Benannten. Doch darf der Beklagte auch den Rechtstreit fortführen. 22
Wleczorek, ZPO, Handausgabe
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§ 7 6 B Ii
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b) Der dritte darf sich aber auch als mittelbarer Besitzer bekennen und an der Stelle des Beklagten in den Prozeß eintreten. b 1. Dazu bedarf es einer besonderen Erklärung des dritten. b 2. Das Gesetz verlangt ferner die Zustimmung des Beklagten (§761111). Doch liegt diese schon in der Aufforderung des Beklagten zur Erklärung (sonst kann er sich mit der gewöhnlichen Streitverkündung begnügen). b 8. Der Zustimmung des Klägers (§761112) bedarf es nur, soweit er seinen Anspruch nicht bloß auf die für § 76 I in Betracht kommenden Ansprüche stützt (§ 76 A I a 2). B i n . Stellt der Beklagte den Antrag auf Entlassung aus dem Prozeß, so ist über ihn vorab zu entscheiden, sofern Streit über die Voraussetzungen der Entlassung entsteht, andernfalls genügt die formlose Feststellung (vgl. § 75 A I I I b 1), und zwar nach mündlicher Verhandlung (§ 128 I) oder auch im schriftlichen Verfahren nach § 128 I I . Wird der Antrag zurückgewiesen, so liegt ein Zwischenurteil nach § 303 vor (Jonas § 76 Anm. V 4 ; abweichend OLG 33/30, 42/3, die es als Endurteil ansehen), das auch hier mit der sofortigen Beschwerde angreifbar ist (§ 71 I I entsprechend); andernfalls, wenn dem Antrage stattgegeben wird, ist es Endurteil, wogegen nur der Kläger (sofern er nicht zugestimmt hat) die ordentlichen Rechtsmittel hat. Darüber, ob der Einzelrichter den Streit entscheiden darf, vgl. § 349 C I c. a) Die Entscheidung wirkt Rechtskraft ( § 3 2 2 B ) auch im Verhältnis zu dem Erstbeklagten ( § 7 6 IV 2). b 1. Wird der Prozeß zwischen den Erstparteien zu Ende geführt, so trägt die Kosten der Unterliegende ( § 9 1 ) . b 2. Wird die Entlassung des Erstbeklagten abgelehnt, so gehören die Kosten zu denen des Rechtstreits. b 3. Wird der Entlassung des Erstbeklagten stattgegeben, so treffen die Kosten der E n t lassung den Erstbeklagten (Jonas § 7 6 Anm. V I I ; a. M. OLG Seuff. 51/58, das die Kosten dem Benannten aufbürdet, wenn der Kläger siegt) im Verhältnis zum Kläger endgültig, wenn er sich auch möglicherweise an dem Eintretenden erholen darf (vgl. § 75 B I I I ) . C. Die Seite der möglichen Kläger wie die der möglichen Beklagten wird durch WZG § 11 II, III erweitert.
§
7 7 ( —)
I Ist von dem Eigentümer einer Sache oder von demjenigen, dem ein Recht an einer Sache zusteht, wegen einer Beeinträchtigung des Eigentums oder seines Rechtes Klage auf Beseitigung der Beeinträchtigung oder auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen erhoben, so sind die Vorschriften des § 76 entsprechend anzuwenden, sofern der Beklagte die Beeinträchtigung in Ausübung des Rechtes eines Dritten vorgenommen zu haben behauptet. A. § 77 betrifft den nicht besitzenden Beklagten, der in Ausübung des Rechtes eines anderen den in § 76 genannten Ansprüchen dritter (§ 76 A I b 1) entgegenhandelt. Die Vorschrift erweitert also nur die Seite der möglichen Beklagten (nicht die der Kläger). A II. Die Behauptung des Beklagten (die auch hier genügend ist, OLG Seuff. 56/88) muß ferner dahin gehen, daß er zur Ausübung des fremden Rechts befugt ist (nicht aber zur Ausübung eines eigenen Rechts). Ob hierher auch die Fälle gehören, wenn jemand nur namens des anderen, also als dessen Vertreter handelt oder als dessen Besitzdiener ( B G B § 855), kann zweifelhaft sein; doch wird man dem Eigentümer usw. nicht verwehren dürfen, gegen den vorzugehen, der handelt; dann ist aber auch der Vertreter bzw. der Besitzdiener passiv legitimiert (OLG Seuff. 56/88).
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände Vierter Titel Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§ 78 (74) I Vor den Landgerichten und vor allen Gerichten des höheren Rechtszuges müssen die Parteien sich durch einen bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (Anwaltsprozeß). II Diese Vorschrift ist auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf ProzeBhandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden. III Ein bei dem ProzeBgericht zugelassener Rechtsanwalt kann sich selbst vertreten. A I. An die Regelung der Parteifähigkeit (§ 50) und die der Prozeßfähigkeit der Partei (§§ 51folg.), wozu die Ergänzung der eigenen Prozeßfähigkeit durch rechtliche Zuordnung ihres gesetzlichen Vertreters gehört, schließt die der Postulationfähigkeit (§§ 78f.) an. Postulationfähig ist, wer Prozeßhandlungen (§ 38 B II c) wirksam vornehmen kann, sei es in der mündlichen Verhandlung (man spricht deshalb auch von der Verhandlungfähigkeit), sei es außerhalb ihrer, wobei allerdings abzugrenzen ist, welche Qualifikation für die einzelnen Prozeßhandlungen erforderlich ist. Nicht jeder Prozeßfähige (vgl. § 79 A I) ist postulationfähig, während eB der Prozeßunfähige niemals ist; zumindest ist deshalb für die Postulationfähigkeit Prozeßfähigkeit erforderlich (Schönke §78 Anm. V 3 ; a. M. Hellwig Lb. 2/317, Rosenberg Lb. § 68 V 1 b). Dagegen wird die Postulationfähigkeit nicht durch Verfügungbeschränkungen, wenn diese auch zur Zurücknahme der Zulassung zur Anwaltschaft führen können und auch nicht durch ein Berufs- oder Vertretungverbot beeinträchtigt. A II. Während aber die gesetzliche Vertretung nicht auf der Willkür der Partei beruht, sondern gerade von ihrer Willkür unabhängig ist, steht dem Prozeßfähigen die Wahl des Postulationfähigen frei, gleichviel ob es sich um einen Anwalts- oder einen sog. Parteiprozeß handelt; diesen gewählten Postulationfähigen (der also zumindest selbst prozeßfähig sein muß, vgl. § 79 A I) nennt das Gesetz den Prozeßbevollmächtigten bzw. den Beistand. Außer diesen kennt die Prozeßordnung noch den Erklärungempfangvertreter. Dieser ergibt sich aus dem Zustellungrecht (vgl. §§ 171 folg., wo auch die Frage des unberechtigten Zustellungsempfängers behandelt wird), wie aus außerprozessualen Regeln, welche die Partei zur Bestellung eines Erklärungempfängers nötigen (vgl. § 80 B). B. § 78 I umschreibt die Postulationfähigkeit damit, daß die Parteien in landgerichtlichen Verfahren und denen der ihnen übergeordneten Gerichte durch einen bei diesen Gerichten zugelassenen (Lokalisationprinzip) Rechtsanwalt vertreten sein müssen. B I b) Rechtsanwalt ist, wer als solcher zugelassen ist; er wird in die Liste der Rechtsanwälte eines inländischen Gerichts eingetragen. Über den Ausschluß des Anwalts bei kollidierender Vollmacht vgl. § 80 B II a 3. Daß die Postulationsfähigkeit endet, wenn der Anwalt prozeßunfähig wird, hat BGH v. 13. 5.1959 V ZR 151/58 ausgesprochen. b 1. Dem Anwalt gleichgestellt ist sein Vertreter und der Abwickler, selbst wenn er sich neu bestellt. B II. Der Anwalt wird nur bei einem bestimmten ordentlichen Gericht zugelassen. d) Soweit die Postulationfähigkeit an die Zulassung bei einem bestehenden Gericht (oder mehreren bestimmten) gebunden ist, hat sie nur der dort zugelassene Anwalt. Prozeßgericht i. S. des § 78 I ist deshalb nur das Gericht, vor dem die Handlung vorzunehmen ist (RGZ 41/428). Darauf, welche dem Anwaltzwang unterliegende Prozeßhandlung vorzunehmen ist, kommt es nicht an. d 1. Wird verwiesen, so ist dies mit der Verkündung des Beschlusses (vgl. §§ 276, 506, 697 I), im schriftlichen Verfahren mit der schriftlichen Mitteilung (vgl. §§ 128 II, 697 II) das neue Gericht. Doch haben RGZ 132/92, BGH L M — ZPO § 78 Nr. 3 die bei dem BayObLG 22*
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eingelegte Revision noch nach Verweisung an das RG bzw. den BGH von einem bei jenem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt zurücknehmen lassen (was nicht unbedenklich ist, vgl. § 78 B II d 3, indes nicht zu den weiter reichenden Folgerungen führt, die zu ziehen sind, wenn man die Klagerücknahme durch nicht postulationsfähige Anwälte zuläßt). d 2. Im Instanzenzug kommt es darauf an, wo sich gerade der Streit befindet bzw. bei welchem Instanzgericht die Prozeßhandlung vorzunehmen ist. In der ersten Instanz ist es dieses, in der Berufunginstanz das Berufung-, in der Revisioninstanz das Revisiongericht. Die Zeit bis zum Rechtsmittel, das als Berufung und Revision bei dem vorgeordneten Gericht einzulegen ist — die Zwischeninstanz nach Erlaß der Endentscheidung der Instanz — gehört dabei zur unteren Instanz (RGZ 68/247folg. für § 246). Vgl. auch § 78 B II d 3. Bei der Einlegung der Beschwerde ist es das Gericht, wo die Beschwerde eingelegt wird, also bald das untere (OLG NJW 54/273«), bald das Beschwerdegericht (§§ 569, 577 II, RGZ l/431folg). d 8. Die Klage kann in erster Instanz (einschließlich der Zwischenirstanz: § 78 B II d 2) nur der erstinstanzliche Anwalt zurücknehmen (vgl. §27111,111); iD der Berufunginstanz nur noch der Berufungsanwalt, in der Revisioninstanz nur noch der Revisionanwalt (RG J W 12/802 21 ; a. M. BGHZ 14/210: durch den zweitinstanzlichen Anwalt, so lange sich kein Revisionanwalt gemeldet habe). e) Soweit das Lokalisationprinzip nicht gilt, aber Anwaltzwang besteht, kann deshalb jeder bei irgendeinem inländischen Gericht in die Liste der Anwälte eingetragene Anwalt auftreten bzw. vertreten. Dann ist es nur erforderlich, daß irgendein Anwalt handelt, aber ein Anwalt muß es sein. Die Fälle sind umfangreich. f ) Es gibt indes für gewisse Streite auch noch ein Mischprinzip in Patent-, Gebrauchsmuster-, Warenzeichen-, Wettbewerbbeschränkungsachen, wo für mehrere ordentliche Bezirke besondere Gerichte gebildet worden sind, wonach alle Anwälte in den ordentlichen Gerichtsbezirken, die sonst zuständig waren, an dem besonderen Gericht vertreten dürfen. B III. Wo nur Anwälte postulationfähig sind, herrscht der Anwaltsprozeß (§ 78 I), andere Verfahren nennt man ungenau Parteiprozesse. a) Der Anwaltzwang besteht vor den Landgerichten (einschließlich der Einzelrichter und vor den auswärtigen Kammern für Handelsaehen, GVG § 93 II) und allen ordentlichen Gerichten höherer Ordnung in bürgerlichen Rechtstreitigkeiten (dem OLG, dem BayObLG, dem BGH). Dies gilt grundsätzlich für alle Verfahrensarten mit Ausnahme der Handlungen des § 78 II. a 1. Soweit der ADwaltzwang herrscht, besteht er für jede Partei, die vor dem Gericht Prozeßerklärungen abgeben will, also auch für den Streitgehilfen, wie für hinzugezogene dritte (vgl. § 78 B IV a 2). Darauf, ob der Vertretene selber rechtskundig ist (ja sogar Anwalt am anderen Gericht ist, RG Gruch. 50/1060 — zu § 102 —), kommt es nicht an. Auch die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, einschließlich des Staates unterliegen dem Anwaltzwang (RGZ 14/29). a 2. Nur soweit der Staat durch den Staatsanwalt in Ehe-, Familienstands- und Entmündigungsverfahren vertreten wird, ist der vertretende Staatsanwalt postulationfähig (BGH LM — BGB § 1595a/l). b) Ist aber der zugelassene Anwalt Partei oder ihr gesetzlicher Vertreter (RG Warn. 13/330), so verliert er dadurch seine bestehende Postulationfähigkeit nicht (§78 III). Doch steht nichts im Wege, daß er sich durch einen anderen Anwalt vertreten läßt. Dann ist aber § 84 anzuwenden; er kann sich in diesem Falle nicht seiner Postulationsfähigkeit entledigen (a. M. BayObLG BlfRA 60/60), jedenfalls muß er seine Vertretung nicht erst anzeigen (§ 210a, RG Gruch. 48/393). Ist er (noch) durch einen anderen Anwalt vertreten, so sind, wenn er stirbt oder seine gesetzliche Vertretung wegfällt, die gewöhnlichen Regeln (§§ 86, 246) anzuwenden. Stirbt der sich selbst vertretende Anwalt, so liegen die Fälle der §§ 239, 241, 244 im Zugleich vor, und das Verfahren wird unterbrochen; fällt er als gesetzlicher Vertreter weg, so sollte § 246 angewandt werden. B IV. Der Anwaltzwang, soweit er gesetzlich besteht, fordert, daß der postulationfähige Anwalt handelt bzw. daß ihm gegenüber gehandelt wird.
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§ 78 B iv
a) Er erstreckt sich grundsätzlich (über die Ausnahme vgl. § 78 II) aui jede Prozeßhandlung Wissens- und Willenserklärungen), nicht bloß für die mündliche Verhandlung, sondern für das gesamte Verfahren vor dem Gericht (RGZ 65/81 [83]), wie gegenüber dem Prozeßgegner (RG Gruch. 55/1051, für Klagerücknahme aber auch durch Rechtsmittelrücknahme, vgl. §§ 271, 515, 566; für die Einwilligung in die Klagerücknahme: OLG Schleswig SchlHA 49/41, die auch vor dem beauftragten oder ersuchten Richter erklärt werden dürfe; vgl. ferner § 78 B II d 3; für den Rechtsmittelverzicht: RG DR 42 A 81235). Der Anwaltzwang gilt im besonderen für Tatbestandberichtigungen (RGZ 25/404), für Wiedereinsetzunganträge. Der Anwaltzwang gilt auch für die Empfangnahme von Erklärungen in der mündlichen Verhandlung (a. M. Rosenberg Lb. § 48 III 2 b) wie im schriftlichen Verfahren (§ 128 II). Schließlich besteht auch für den als Prozeßbevollmächtigten bestellten Anwalt ein (passiver) relativer (d. h. nur soweit ein solcher Prozeßbevollmächtigter bestellt ist, sonst darf der Naturalpartei unmittelbar zugestellt werden) Zustellungzwang (§ 176), und zwar hier auch im sog. Parteiprozeß, d. h. sämtliche prozessualen Erklärungen müssen an den bestellten Anwalt gerichtet werden. Über die Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten der höheren Instanz vgl. § 210 a A II c. Über die Befreiung der (aktiv) zu beurkundenden Zustellung vom Anwaltzwang vgl. Kommentar § 166 A IV b 1. Dies gilt auch für den Antrag auf Erlaß des Verlustigkeitbeschlusses (BGH LM-ZPO § 78/3). a 1. Im schriftlichen Verfahren wird zunächst die persönlich abzugebende, eigenhändige Unterschrift des Postulationfähigen gefordert, wozu auch der bestellte Vertreter und die Anwaltsassessoren gehören (RGZ 157/359); die Vertretung in der Unterschrift ist also — anders als im außerprozessualen Recht — unzulässig (RGZ 151/82; ausgenommen wird hier indes von der h. M. die telegraphische Einreichung, vgl. § 129 A II a 4). Die Schriftsätze sollen deshalb von dem postulationfähigen Prozeßbevollmächtigten persönlich unterschrieben werden (§ 130 I 6), die bestimmenden müssen es sein (RGZ 151/82). Auch gibt es hier (im Gegensatz zu der Vertretung in der mündlichen Verhandlung) nicht die Vertretung durch einen bei dem Gericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt (RG J W 29/96 2 ). Hat indes ein anderer zugelassener Anwalt mit eigenem Namen unterschrieben, so ist der Formzwang gewahrt, selbst wenn die Stellvertretung nicht weiter gekennzeichnet wird (a. M. LG J W 31/18523). Immer aber muß der Anwalt die Verantwortung selbst übernehmen (lehnt er sie ausdrücklich ab, so gilt die Erklärung nicht). Über die Bezugnahme vgl. § 78 B IV b 2. Anwaltzwang besteht auch im Vollstreckungsprozeß, soweit ein Kollegialgericht (als Prozeßgericht) tätig wird (vgl. §§ 887 folg.) und soweit er vor diesem besteht (RG J W 93/501 u ). a 2. Anwaltzwang besteht auch bei Prozeßvergleichen (vgl. § 794 C III), und zwar sowohl für die Partei wie für den hinzugezogenen dritten, die sich vergleichen wollen, da nur der nach § 794 1 1 geschlossene Vergleich einen Vollstreckungtitel abgibt. Zwar kann der nicht durch Anwälte geschlossene Vergleich als außerprozessuales Rechtsgeschäft voll wirksam sein (BGH MDR 52/416); soll dieser aber vollstreckbar sein, so muß die Urkunde in der Form des § 794 I 5 abgeschlossen werden oder durch den Postulationfähigen im Prozeß (KG OLG 1/1; dies gilt auch im Verfahren vor dem Einzelrichter, OLG MDR 50/292, doch mit der Einschränkung bei Sühneverfahren nach § 296 — vgl. darüber 296 A III). a 3. Über die Abgabe anßerprozessualer Erklärungen durch Anwälte vgl. § 81 B III. Nicht unter den Anwaltzwang fallen auch die vorprozessualen Erklärungen (vgl. § 38 B II d) und die Dienstaufsichtbeschwerden gegen den Richter. b) Wenn auch der Anwalt sich selbst erklären muß, so ist ihm doch die Beziehung auf fremdes Handeln soweit gestattet, wie darunter seine Erklärungverantwortung nicht leidet. b 1. In der mündlichen Verhandlung steht sein Vortrag im Vordergrund. Erklärt sich indes auch seine (prozeßfähige) Partei (tatsächlich), so wird man davon ausgehen dürfen, daß der Anwalt sich auf sie stillschweigend bezieht (anders bei Rechtsausführungen). Dies ist ferner für die Ausführungen eines anderen Sachkundigen an Stelle der eigenen Partei, etwa eines Patentanwalts, anzunehmen; dennoch muß er selbst (schon) die Wissenserklärungen abgeben, wenn ihm die Partei dabei auch widersprechen darf (§ 85 I 2); gibt er sie nicht ab, auch wenn die Partei es so erklärt, dann liegt kein Geständnis (RG JW 36/1778 16 ; a. M., RG JW 15/143712), aber auch keine Parteierklärung i. S. des § 138 vor, weder die der Partei noch die
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des Anwalts, denn der Anwalt hat kein Recht, gegenüber dem Widerspruch der Partei nach § 85 I 2 selbst noch einen solchen auszubringen (abweichend hiervon will BGHZ 8/235 [237, 239] bei sich widersprechender Erklärungen die Grundsätze des § 286 anwenden). Will das Gericht oder die Gegenpartei die Parteierklärung als Beweismittel werten, so muß das Gericht die Parteivernehmung beschließen bzw. die Gegenpartei dies beantragen. In sog. Parteiprozessen ist dies aber von vornherein schon insoweit anders, als die prozeßfähige Partei durch ihre Erklärung die ihres Bevollmächtigten vernichtet und die ihre an dereD Stelle setzt. Noch deutlicher tritt die Stellung des Postulationfähigen bei der Abgabe prozessualer Willenserklärungen hervor. b 2. Auch im schriftlichen Verfahren sind Bezugnahmen bis zum gewissen Grade zulässig. Darüber, inwieweit der Postulationfähige sich selbst schriftlich erklärt hat, also nicht Bezug nehmen darf, schwankt die Praxis noch; vgl. im einzelnen für die Bezugnahmen in bestimmenden Schriftsätzen § 129 A II b 1, im besonderen in Klagen § 253 G V b, in notwendigen Rechtsmittelbegründungen § 519 B I b 1. C. Vom Anwaltzwange befreit sind die unter § 78 II fallenden Prozeßhandlungen. G L § 78 II nennt dabei die vor beauftragten (§ 361 A l b ) oder ersuchten (GVG § 156 A) Richtern 'auch vor den Urkundbeamten) abzugebenden Erklärungen. b) Weiter gehören hierher die Verfahren vor den Vrkundsbeamten der Geschäftstelle, im besonderen die Erklärungen, die vor ihm abgegeben werden dürfen, ohne Rücksicht darauf, ob dies tatsächlich so oder anders (also privatschriftlich oder durch einen nicht zugelassenen Anwalt) geschieht (RG J W 94/1185), und zwar b 1. die Ablehnunggesuche (§§44, 49, 406 II; GVG §191, RechtspflegerG §9); b 2. das gesamte Kostenfestsetzungverfahren (§§ 103 folg.) ; auch das Verfahren in Kosten sachen gegenüber dem Gericht (Staat) und dem Anwalt; b 3. das Aussetzunggesuch (§ 248); b 4. die prozeßrechtlichen Erklärungen der Zeugen (§§381, 386, 387 II, 372 a) und die der Sachverständigen (§ 402) und in den Fällen der Untersuchungen auch die der Partei bzw. ihrer gesetzlichen Vertreter nach §372a (aber nur für die hierauf gerichteten Erklärungen), einschließlich der Verfahren vor den Beschwerdeinstanzen (§ 569 II 2), wie überhaupt für die Zwischenstreite mit dritten; b 5. der Antrag auf Beweissicherung (§ 486); b 6. das amtsgerichtliche Verfahren (§§ 496 II, 924 II 3); b 7. das Besehwerdeverfahren nach §§ 569 II 2, 573 II 2, soweit ein a m t s g e r i c h t l i c h e s Verfahren des ersten Rechtzuges betroffen wird, gleichviel ob in zweiter oder höherer Instanz (RGZ 36/362); b 8 . im Entmiindigungverfahren die Anträge nach §§647, 676 III, 680 III, 685; b 9. das Gesuch um Erlaß von Arresten und einstweiligen Verfügungen (§§ 920 III, 936, 937); dies gilt in diesen Fällen auch, wenn zugleich ein Gesuch um öffentliche Zustellung nach § 204 I angebracht wird (RGZ 91/113), dasselbe gilt für einstweilige Anordnungen nach §§ 627folg. (OLG NdsRpfl. 51/155) wie ferner für den Aufgebotsantrag (§ 947 1 1), für den regelmäßig (GVG § 23 I 2) das Amtsgericht zuständig ist. b 10. Wenn aber schon die dem Gericht gegenüber abzugebenden Prozeßerklärungen vom Anwaltzwang insoweit befreit sind, wie sie vom Urkundsbeamten zu Protokoll genommen werden dürfen, so muß dies erst recht für die Fälle gelten, wo der Urkundsbeamte an Stelle des Gerichts entscheiden darf. Das entsprechende gilt für die Verfahren vor Rechtspflegern nach dem RechtspflegerG, selbst wenn solche Geschäfte von Richtern bearbeitet werden (vgl. RechtspflegerG §§ 5 folg.). b 11. Weiter sind die Erinnerungen nach §§ 104, 576 I, III, 732 vom Anwaltzwang frei (RGZ 66/202 [204]). C II. Weiter gehören hierher eine Reihe von Fällen, die im Gesetze nicht besonders hervorgehoben sind, wie die Bestimmung des Gerichts nach § 36 (vgl. § 37 A II a) ; das Beschwerdeverfahren wegen Kosten, die nach § 102 auferlegt wurden; die Bestellung eines
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Prozeßpflegers nach § 57 (§ 57 B I ) ; die Streitverkündung (§ 74); der Widerruf durch die Partei nach § 8 5 1 2 (vgl. § 78 B I V b 1); die Beschwerde gegen die Beiordnung oder die Ablehnung eines Anwalts; das Gesuch um Bestellung eines besonderen Vertreters in Miet- und Pachtstreiten nach dem G v. 20. 7 . 1 9 3 3 ( R G B l . I 521). Ob auch der Sühneversuch nach § 296 hierher gehört, vgl. § 296 A I I I . b) Dazu gehören ferner alle von der Geschäftstelle bzw. vom Rechtspfleger oder gegenüber der Geschäftstelle bzw. gegenüber dem Rechtspfleger vorzunehmenden Handlungen (vgl. §§ 134, 166, 299). c ) Weiter sind die gegenüber einem GV vorzunehmenden Handlungen nicht dem Anwaltzwang unterworfen. Das entsprechende gilt für die Handlungen des GV gegenübereiner Partei (die Anwaltvertretung muß aber bei Zustellungen beachtet werden, § 176). C III. Die Befreiung vom Anwaltzwang erstreckt sich aber nur auf die befreiten ProzeBhandlungen einschließlich der zu ihnen gehörenden Nebenhandlungen (z. B . bei einem Arrestgesuch die öffentliche Zustellung, RGZ 91/113). Eine auf § 519 b gestützte sofortige Beschwerde unterliegt deshalb stets dem Anwaltzwang, selbst wenn sie darauf gestützt war, daß über ein Armenrechtsgesuch nicht entschieden worden ist (RG Warn. 35/29). Daraus, daß ein Gesuch zu Protokoll der Geschäftstelle erklärt werden darf, folgt aber noch nicht, daß auch für das gegen die daraufhin ergehende Entscheidung eingeleitete Verfahren Freiheit vom Anwaltzwang besteht. Die Freiheit besteht nur, sofern nicht eine der erwähnten Ausnahmen Platz greift (RG J W 00/714 2 ). Das gilt selbst dann, wenn ein Verfahren anwaltfrei eröffnet werden durfte (RG J W 00/714 2 ), wie durch Einlegung der Beschwerde zu Protokoll der Geschäftstelle, selbst wenn das weitere schriftliche Verfahren vom Anwaltzwang frei bleibt (§ 573 I I ) , sofern mündliche Verhandlung angesetzt wird (RG J W 99/277 5 ), abgesehen von den Fällen, wo die erste Instanz schlechthin anwaltfrei (also ein AG) war (RGZ 50/347). b) Ob man darüber hinaus jetzt in allen Fällen, wo zunächst allein der Urkundbeamte bzw. der Rechtspfleger tätig wurde, das weitere Verfahren vom Anwaltzwang befreit, ist noch streitig; doch sollte man § 5 6 9 1 1 2 entsprechend anwenden (a. M. Jonas § 1 0 4 Anm. V 6). Praktisch werden all diese Fälle kaum noch, da in der Beschwerdeinstanz in ihnen kaum noch mündlich verhandelt wird. D. Der Mangel der Postulationfähigkeit ist innerhalb derselben Instanz von Gerichte wegen zu beachten (§ 56 in entsprechender Anwendung). E r ist nach § 295 verzichtbar ( R G J W 93/501 1 1 ), soweit er keine von Gerichts wegen zu beachtende Prozeß-(fortsetzung-)bedingung betrifft. D I. Auf Rüge des Gegners — aber auch ohne sie — darf durch Zwischenurteil (Beschluß sollte nicht ergehen) erkannt werden, wenn die Rüge zurückzuweisen ist. Doch genügt auch die Entscheidung im Endurteil. Ist die Rüge begründet, so ist der Postulationunfähige durch Zwischenurteil unter Auferlegung der Kosten (§ 89 I 3 entsprechend) aus dem Streit zu weisen (wogegen in entsprechender Anwendung des § 71 I I die sofortige Beschwerde zulässig ist). a 1. Lag der Mangel bei dem im ersten Rechtzuge obsiegenden Kläger und ist die Klage nicht wirksam erhoben, so ist der unterlegene Beklagte hierdurch beschwert, was er im Rechtsmittelverfahren anbringen darf. Wird indes hier der Kläger durch einen Postulationfähigen vertreten, so darf dieser das Verfahren bestätigen; dann muß der Beklagte sich sachlich wehren. Dasselbe gilt, wenn die Klageerhebung wirksam war (etwa ein Zahlungbefehl oder eine Klage in richtiger Form vor dem Amtsgericht oder einem anderen Landgericht vor Verweisung); denn hier wird der unterlegene Beklagte nicht mit der Begründung gehört, daß gegen den Kläger nach § 330 hätte Versäumnisurteil ergehen sollen, weil er nicht durch einen Postulationfähigen vertreten war. Der obsiegende Kläger selbst ist nicht beschwert. Lag der Mangel bei dem unterlegenen Kläger und ist kein Versäumnisurteil ergangen (wie es nach § 330 hätte geschehen sollen), so ist Berufung zulässig (wobei streitig ist, ob nicht Einspruch eingelegt werden sollte, vgl. § 511 B I V e 3). Der obsiegende Beklagte hat dagegen kein Rechtsmittel. a 2. Lag der Mangel bei dem in erster Instanz obsiegenden Beklagten, so kann die Berufung des Klägers hierauf allein nicht gestützt werden.
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b) Kam es zu einer nicht kontradiktorischen Versäumnisentscheidung (§§330folg.) in derselben Instanz und wird Einspruch von einem nicht Postulationfähigen eingelegt, so ist er wirkunglos. D II a) Hat ein Postulationunfähiger das Rechtsmittel eingelegt oder begründet, so sind diese Prozeßhandlungen unwirksam. Dem obsiegenden Rechtsmittelkläger darf der Rechtsmittelbeklagte mit der Revision (eventuell durch Wiederaufnahmeklage) die Unzulässigkeit des Rechtsmittels entgegenhalten, aber nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung allein wegen der Postulationupfähigkeit des Rechtsmittelklägers. Der unterlegene Rechtsmittelkläger darf sich nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels berufen und, wenn sein Rechtsmittel zulässig war, nur die gewöhnlichen Rügen anbringen, wozu allerdings auch die der mangelhaften Vertretung unter Nachbringung von Material gehört. b) Für das Versäumnisverfahren gilt mit der Modifikation des §542 das für die erste Instanz Gesagte. c) Ist eine Partei sowohl Rechtsmittelklägerin wie Rechtsmittelbeklagte, so gilt das entsprechende nur für die Rechtsmittelklägerstellung; dasselbe gilt für den Anschlußrechtsmittelkläger. D III. Wird in der dritten Instanz die Postulationfähigkeit übersehen, so wird das Instanzurteil regelmäßig vor dem Revisionurteil rechtskräftig geworden sein; der Mangel ist dann nach § 580 I 7 a u. U. behebbar, aber nur so, daß ein abweichendes Revisionurteil beseitigt wird. Die postulationunfähige Vertretung des Rechtsmittelbeklagten ist im kontradiktorischen Verfahren unschädlich. H atte er Einspruch eingelegt und wird dann abgeändert, so ist, wenn das Versäumnisurteil bereits rechtskräftig war, die zweite Revisionentscheidung u. U. nach § 580 I 7 a angreifbar, sonst wird sie voll wirksam. Wird die Revision zurückgewiesen, so ist dies für den postulationunfähigen Rechtsmittelkläger wie für den postulationunfähigen Rechtsmittelbeklagten ohne weitere Bedeutung.
§78a I Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozeßgericht einer Partei auf ihren Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Über den Antrag kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. II Gegen den Beschluß, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die Beschwerde statt. i n Der beigeordnete Rechtsanwalt kann die Übernahme der Vertretung davon abhängig machen, daß die Partei ihm einen Vorschuß zahlt, der nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte zu bemessen ist. A. Die Vorschrift kommt für die LG und die höheren Gerichte in betracht, da vor den AG kein Anwaltzwang besteht und auch nur, soweit vor den höheren Gerichten Anwaltzwang herrscht (§ 78 C für die vom Anwaltzwang freien Verfahren). Sie gilt ferner nicht, soweit Armenrechtsgesuche zu bescheiden sind, weil dafür die Sondervorschrift des § 115 I 3 gilt. B. Das Verfahren setzt den Antrag der prozeßfähigen (§ 51) Partei bzw. ihres gesetzlichen Vertreters an das Gericht voraus, ihm einen am Prozeßgericht zugelassenen Anwalt beizuordnen ; er ist notwendigerweise vom Anwaltzwang befreit. B I. Der Antrag ist einmal so zu begründen wie ein Armenrechtsgesuch; wenn auch § 118a in diesem Verfahren nicht gilt und deshalb zu unterstellen ist, daß der Vortrag der Partei richtig ist. Dies gilt selbst dann, wenn keine Beweise für eine beweisbedürftige Behauptung angetreten sind, weil der beizuordnende Anwalt die Möglichkeit des Beweises zu klären hat (vgl. aber § 78a B I b 1). a) In jedem Falle ist der Antrag so zu begründen, daß die Partei keinen Postulationfähigen (am Gericht zugelassenen Anwalt), der zu ihrer Vertretung bereit ist, finden kann.
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§ 78a BI
a 1. Dazu genügt die Beibringung der Ablehnung von zugelassenen Anwälten, die sie unverzüglich zu erklären haben (BRAO § 44). Aus welchem Grunde abgelehnt wurde, braucht nicht erklärt zu werden. a 2. Wieviele Ablehnungen beizubringen sind, sagt § 78a nicht. Das RG soll sich mit drei Ablehnungen begnügt haben; BGH v. 4.1.1957 VIII ZR 286/56 hat mehr gefordert (§ 78 C II a); dies bei etwa zwanzig Anwälten. Auch an stärker mit Anwälten besetzten Gerichten wird man die Beibringung von mehr als sieben Anwälten nicht iordern dürfen. b) Die inhaltliehe Begründung ist unterschiedlich weit. b 1. Im ersten Rechtszuge ist das Begehren der armen Partei darzulegen, damit das Gericht prüfen kann, ob das Begehren aussichtreich (§ 114 B III) und nicht mutwillig ist (§ 114 B IV). Doch darf die mangelnde Aussicht eines Bestreitens nicht bejaht werden, weil der Gegner noch beweisen muß (anders ist dies nach vollständiger Beweisaufnahme), m. a. W., es darf der Partei nicht verwehrt werden, den Erlaß des Versäumnisurteils zu verhindern. b 2. In der Rechtsmittelinstanz braucht nicht begründet zu werden; doch prüft dann das Rechtsmittelgericht die Rechtslage auf Grund des Akteninhalts. Sollen neue Behauptungen vorgebracht, neue Beweise angetreten werden, so sind diese mitzuteilen, damit das Gericht prüfen kann, ob das Rechtsmittelverfahren aussichtreich ist. § 119 II 2 sollte man entsprechend anwenden. B II. Entschieden wird in freigestellt mündlicher Verhandlung (§§ 78a I 2, 128 G II) durch Beschluß. a) Eine Beweiserhebung (etwa entsprechend § 118a) findet nicht statt. Soweit deshalb noch keine Beweise erhoben sind, muß die Richtigkeit des Parteivortrags unterstellt werden (§ 78a B I a 1). b) Zwar gilt auch in diesem Verfahren § 189; doch besteht darüber hinaus keine Verpflichtung des Gerichts, den Sachverhalt im einzelnen von sich aus aufzuklären. Soweit aber etwas zweifelhaft ist, der Vortrag der Partei möglicherweise noch nicht schlüssig ist, aber doch schlüssig werden könnte, sollte beigeordnet werden. B III. Vom Prozeßgericht wird nur die Beiordnung des Anwalts beschlossen (§ 78a III). Den Anwalt selbst wählt der Vorsitzende aus (§ 116b I 1, vgl. § 116 A I). a) Der beigeordnete Anwalt darf Befreiung aus wichtigem Grunde fordern (BRAO § 48 II). Solche wichtigen Gründe sind die, wenn der Anwalt seine Berufstätigkeit versagen muß (vgl. BRAO §§ 45, 46). Bis auf die Voraussetzungen des BRAO § 45 I 1 muß der Anwalt den wichtigen Grund belegen; im Fall des BRAO § 45 1 1 darf ersieh ohne Substantiierung auf diese Norm beziehen, weil er der Partei zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Andererseits müssen auch sonstige wichtige Gründe (wie vorsätzlich strafbare Handlungen gegen den Anwalt, aber auch ein gewissenmäßiges Nichtvertretenkönnen, etwa in Ehestreiten) genügen. a 1. Der Antrag (die Erinnerung) des Anwalts ist an keine Frist gebunden. Er wird mit Beendigung des Rechtzuges unzulässig. Sonst ist er eine frei widerrufliche, prozessuale Willenserklärung, die dem Gericht gegenüber abzugeben ist (§ 38 B). a 2. Die betroffene Partei braucht zu ihm nicht gehört zu werden. Sie hat nach § 116 b I I I 1 ein selbständiges Beschwerderecht. a 3. Entschieden wird vom Vorsitzenden (§ 116b III 2) in freigestellt mündlicher Verhandlung durch Beschluß. Wird der Antrag (die Erinnerung) des Anwalts zurückgewiesen, so hat er die einfache Beschwerde, falls kein Vorsitzender eines höheren Gerichts als eines LG entschieden hat (§ 567 III); auch gibt es dann keine Beschwerde, wenn der Vorsitzende einer Berufungkammer des Landgerichts entschieden hat (§ 116b I I I 2). Die weitere Beschwerde ist unstatthaft (§ 116b I I I 3). Wird dem Antrag des Anwalts auf Befreiung entsprochen, so hat die Partei gegenüber der Entbindung durch den erstinstanzlichen Vorsitzenden des LG die Beschwerde (§ 116b III 1).
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§78a
Bin
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b) Die Partei hat gegen die Beiordnung des Anwalts ebenfalls ein einfaches Antragrecht entsprechend BRAO § 44, also eine Erinnerung, wenn sie einen Verhinderungfall des Anwalts geltend machen will (BRAO §§ 45, 46), und bei Zurückweisung die einfache Beschwerde, falls kein Vorsitzender eines höheren Gerichts als eines erstinstanzlichen LG entschieden hat (§ 116b I I I 1); sonst aber keinen Rechtsbehelf. Auch über diese Erinnerung entscheidet der Vorsitzende allein. Die Partei h a t dann u. U. nur die Wahl, ob sie den beigeordneten Anwalt bevollmächtigen oder sich nicht vertreten lassen will. B IV. Wird die Beiordnung abgelehnt, so hat gegen landgerichtliche Beschlüsse die Partei (ohne dem Anwaltzwang unterworfen zu sein) die Beschwerde (§ 78a II); die Beschwerde ist bis zur Beendigung des Rechtzuges zulässig. B V. Über die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn in diesem Verfahren eine Notfrist versäumt wird, vgl. § 233 D. Auch BGB § 203 II sollte man entsprechend anwenden. C. Wenn der beigeordnete Anwalt für die Partei auch grundsätzlich tätig werden muß (BRAO § 48 I 2), darf er doch seine Tätigkeit von einer Vorschußleistung abhängig machen (§ 78a III), wie er dies bei jeder nicht armen Partei darf (BRAGebO § 17), also in Höhe der für den Rechtzug voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen. Wird der Vorschuß nicht geleistet, so darf auch der beigeordnete Anwalt seine Tätigkeit ablehnen, solange er nicht im Armenrecht beigeordnet worden ist.
§ 79
(75)
I Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, können die Parteien den Rechtsstreit selbst oder durch jede prozeßfähige Person als Bevollmächtigten führen. A. Im Bog. Parteiprozeß (§ 78 B III, C), also im Verfahren vor den AG und überall dort, wo kein Anwaltzwang besteht (§ 78 II), dürfen sich die prozeßfähigen Parteien selbst oder durch prozeßfähige Bevollmächtigte vertreten lassen (§ 79). A I. Für den gewillkürten Vertreter fordert § 79 die volle (nicht bloß die relative, also die des beschränkt Geschäftsfähigen, vgl. BGB §§107, 165) Prozeßfähigkeit ( § 5 1 D I I a ) . Eine juristische Person kann deshalb nicht (postulationfähiger) Bevollmächtigter sein (doch darf eine für sie ausgestellte Vollmacht als die zur Vertretung durch ihre gesetzlichen Vertreter und nach OLG J W 22/517 50 sogar auf ihre gewillkürten, wie Prokuristen und Handlungbevollmächtigte, ausgelegt werden). A II. § 79 gilt auch für Terminbevollmächtigte wie für Vertreter ohne Vertretungmacht nach § 89 (RGZ 48/413). b) In der Auswahl der prozeßfähigen Personen zu ihren Bevollmächtigten ist die Partei grundsätzlich unbeschränkt. Auch hier darf aber nicht der Gegner oder der gesetzliche Vertreter des Gegners ihr Bevollmächtigter sein (vgl. § 51 E IV). Ferner gibt es eine Reihe besonderer Vorschriften, die bestimmte Personen von der Prozeßvertretung ausschließen. Der Verstoß gegen diese Vorschriften wirkt im Prozeß nur nach § 157 (d. h. also für die mündliche Verhandlung). Es müssen also auch die Eingaben von nicht zugelassenen Rechtsbeiständen beachtet werden. b 1. Die schriftliche Hilfe in Rechtsachen unterliegt dem G zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung v. 13.12.1935 (RGBl. 1 1478) mit seinen Ausführungverordnungen. b 2. Daneben gibt es für die Angestellten und Beamten des Staates noch besondere allgemeine und zum Teil auch besondere Beschränkungen (wie z. B. für die Gerichtsvollzieher). A III. Die Vertretung vor Gericht in der mündlichen Verhandlung steht den Anwälten und einigen, aber nicht allen Rechtsbeiständen zu (über die Folgen unzulässiger Vertretung vgl. §157 0111). a) Dazu gehören die Prozeßagenten (§ 157 I, III), b) die Patentanwälte (vgl. PatentG § 51),
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§ 79
A Iii
b 3. in den Verfahren vor dem Patentamt und in dem Berufungverfahren vor dem BGH technische Berater als Beistände (§ 90), c) im Aufhebungstreit vor dem AG, der dem MSchG unterliegt, Beauftragte eines Hausbesitzer- oder Mietervereins bzw. der Arbeitnehmer- oder Arbeitgebervereinigung, der die Partei angehört (MSchG § 12). d) Soweit Behörden fürsorgerechtlich Personen im Rahmen ihres Aufgabenbereiches betreuen, dürfen ihre Vertreter nicht nach § 157 zurückgewiesen werden (vgl. RechtsberatungG Art. 1 § 3 1 1 ) . d 1. Hierher gehört die Norm der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge v. 1. 8 . 1 9 3 1 (RGBl. I 441) § 27 I. d 2. Über sonstige Vertreter vgl. Kommentar §§ 79 B I I b ; 78 C I, I I ; 157 B I I a. e) Über die Vertretung der Angehörigen der Streitktäfte nach Truppenvertrag Art. 13 vgl. GVG § 18 B IV h. f ) Nicht hierher gehören: f 2. die Prozeßpfleger (§ 57 C), die nach G über Ergänzung und Änderung der Vorschriften über Miet- und Pachtstreitigkeiten v. 20. 7 . 1 9 3 3 (RGBl. I 521) Art. I § 2, die nach ZuständigkeitsergänzungsG § 10; sie dürfen so wenig wie die anderen gesetzlichen Vertreter beschränkt werden. Die Gebührenregelung der letzten findet sich im angeführten G. A IV. Das Innenverhältnis zwischen Rechtsbeistand und der vertretenen Partei entspricht dem des Anwalts (vgl. § 80 B). Über die Erstattungsfähigkeit der Gebühren vgl. § 91 E V b. Über den Mangel der Vollmacht gilt auch hier das zu § 89 Erwähnte. a) Soweit in der Person des Bevollmächtigten eigene Lasten und ihnen entsprechende eigene Pflichten bestehen (vgl. etwa § 102), darf diese der Bevollmächtigte im eigenen Namen ausüben. Bestehen sowohl Rechte für die Partei wie für den Bevollmächtigten, so ist gegebenenfalls aufzuklären, ob der Bevollmächtigte im eigenen Namen oder namens der Partei handelt.
§ 80(76) I Der Bevollmächtigte hat die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben. II Das Gericht kann auf Antrag des Gegners die öffentliche Beglaubigung einer Privaturkunde anordnen. Wird der Antrag zurückgewiesen, so ist dagegen kein Rechtsmittel zulässig. Bei der Beglaubigung bedarf es weder der Zuziehung von Zeugen noch der Aufnahme eines Protokolls. A I. Von der Prozeßvollmacht ist die Anzeige des Postulationfähigen an das Gericht zu unterscheiden. a) Die Anzeige des Postulationfähigen ist eine prozessuale, empfangbedürftige Willenserklärung. Sie wird nicht durch die Erteilung der Prozeßvollmacht ersetzt; denn trotz ihrer Erteilung darf der Postulationfähige es ablehnen, die Partei zu vertreten. Anders ist dies bei der Benennung von bloßen Zustellungbevollmächtigten (vgl. § 175); diese brauchen sich nicht zu erklären. b) Die Anzeige ist widerruflich, im Anwaltprozeß (§ 78 I) indes nur dadurch, daß sich ein anderer Postulationfähiger bestellt ( § 8 7 ; darüber, ob der bisherige Postulationfähige durch den neuen abberufen werden kann, vgl. §87 A III); im sog. Parteiprozeß ( § 7 9 A) aber schon dadurch, daß die „Partei" widerruft. A II. Die Anzeige des Postulationfähigen wirkt auch dann, wenn er keine Prozeßvollmacht hat (§ 89 A I), es sei denn, daß er rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. Die rechtskräftige Zurückweisung wirkt aber auch, selbst wenn er Prozeßvollmacht hat (aber sie etwa nicht nachweisen konnte bzw. nicht nachgewiesen hat). a) Hatte er keine Vollmacht, so wirken seine Prozeßhandlungen von der Zeit ab, wo sie vorgenommen wurden, für und gegen die Partei, wenn ihm noch rechtzeitig — d. h. vor rechtskräftiger Zurückweisung — im Laufe (und wenn der Fehler nicht bemerkt wird, auch noch
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§80
Alla
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nach Beendigung) des Prozesses die Prozeßvollmacht erteilt wird (RGZ 86/246). Dies gilt auch im Zustellungrecht (RGZ 107/161 [165]). Wird die Vollmacht verweigert, so werden die bis dahin vorgenommenen Handlungen wirkunglos. b) Im Gegensatz zu dieser Rechtslage wirken die Handlungen eines Postulationunfähigen nicht, selbst wenn er Prozeßvollmacht hatte bzw. wenn seine Handlungen von einem Postulationfähigen genehmigt werden; es kann nur in der Genehmigung u . U . die Neuvornahme durch den Postulationfähigen mit der Wirkung ex nunc zu sehen sein. B. Von der Prozeßvollmacht ist ferner der Geschäftsbesorgungvertrag zu unterscheiden, der regelmäßig zwischen dem Bevollmächtigten und dem Bevollmächtigenden geschlossen sein wird. B I. Das der Vollmachterteilung zugrunde liegende Verhältnis ist rein außerprozessualer Art und auch in der ZPO nicht geregelt (BayObLG H R R 33/986). a) Regelmäßig wird es ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag sein, der den Charakter eines Dienstvertrages (höherer Art) hat (BGB §§ 675, 611folg., vgl. RGZ 110/139 [141]), aber auch jedenfalls gegenüber Nichtanwälten einen Werkvertrag (BGB §§631 folg.) in sich schließen kann (RGZ 88/223), aber auch in einem Auftrag (BGB §§ 662folg.) oder in einem Gesellschaftvertrag (BGB §§ 705folg.) seine vertragliche Grundlage haben kann. b) Der Inhalt des Prozeßvertretungvertrags geht dahin, für die Prozeßführung zu sorgen. b 1. Der Inhalt des Prozeßführungsvertrags ist so weit, wie die Prozeßvollmacht geht (vgl. § 81A Ia). Er erstreckt sich deshalb, selbst wenn nur ein Teilanspruch geltend gemacht wird, auch auf die Belehrung über den Lauf einer Ausschluß- (RGZ 152/330 [344]) oder Verjährungfrist bezüglich des nicht geltend gemachten Teils, weil die Vollmacht den Prozeßbevollmächtigten zur Erweiterung der Klage ermächtigt; dies gilt aber nicht, wenn zur Zeit des Ausscheidens des Prozeßbevollmächtigten diese Gefahr noch nicht beachtet zu werden brauchte. Hierher gehören auch die Belehrungpflichten, soweit der Streit anderen Personen zu verkünden ist, deshalb auch, soweit Regreßpflichtige in Betracht kommen oder die Klage auf andere nicht im Streit befindliche auszudehnen ist und nun die Ansprüche gegen diese verjähren u. dgl. m. b 2. Der Prozeßbevollmächtigte wird gegenüber dritten als Erfüllung- bzw. Verrichtunggehilfe der Partei angesehen, so in den Fällen des BGB § 839, wenn er kein Rechtsmittel einlegt (BGB §839111, RGZ 163/121 [124]). Im Verhältnis des Prozeßbevollmächtigten zur Partei ist der Korrespondent der Partei ihr Erfüllunggehilfe in bezug auf die Übermittlung der Korrespondenz an die Partei (RGZ 156/208 [211]). Diese Korrespondenten sind aber nicht Erfüllunggehilfen der Partei, insoweit wie sowohl der Prozeßbevollmächtigte als auch sie eine Vertragspflicht gegenüber der Partei haben, welche jeder von ihnen verletzt (RGZ 167/76folg.). B II. Regelmäßig wird auf Grund des Prozeßführungsvertrages die Prozeßvollmacht erteilt. Soweit das außerprozessuale Recht unwiderrufliche Vollmachten kennt, gilt dies nicht für das Prozeßrecht. a 1. Der Prozeßführungvertrag darf deshalb auch regelmäßig jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden (BGB § 627), von dem Bevollmächtigten aber nicht zur Unzeit (BGB §§ 675, 671 II). Damit erlischt noch nicht die Prozeßvollmacht (§ 87). a 2. Im Innenverhältnis darf der Umfang der Prozeßvollmacht, auch soweit sie im Außenverhältnis nicht eingeschränkt werden kann, beschränkt werden; indes gilt die Einschränkung nur in bezug auf Handlungen und Unterlassungen, nicht aber in bezug auf die Entgegennahme von Erklärungen. a S. Der Prozeßvertreter muß die Parteiseite halten, auf der er steht; anders bei Zustellungbevollmächtigten (RGZ 157/169). b) Die Prozeßvollmacht ist aber vom Prozeßführungvertrag so gelöst, daß seine Unwirksamkeit sie nicht ergreift. b 1. Die Prozeßvollmacht beruht auf dem Wollen der Partei und steht damit im Gegensatz zu der gesetzlichen Vertretung der Partei, deren Bestehen von ihrem Wollen unabhängig ist (vgl. RGZ 66/240 [2441).
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§ 8 0 B Ii
b 2. Als außerprozessuales Rechtsgeschäft unterliegt sie den Regeln über die außerprozessualen Willenserklärungen. b 3. Sie ist einseitig und von dem Willen des Bevollmächtigten abhängig (also anders als die Bestellung der Postulationfähigen, vgl. § 80 A I). Wird eine Blankourkunde dem Gericht von einer bestimmten Person überreicht, so gilt indes der Überreichende als Bevollmächtigter, wenn er nicht ausdrücklich ablehnt, es zu sein (etwa wenn er sie für den beizuordnenden Armenanwalt abgibt). b 4. Die Erklärung ist an keine Form gebunden (BGB § 167 II); die mündlich (KG OLG 39/37) erteilte Vollmacht ist voll wirksam, da § 80 nur eine Beweisvorschrift enthält. c) Die „Partei" kann für einen bestimmten oder eine bestimmte Art wie für alle möglichen Prozesse der Partei (im voraus, aber auch nachträglich und zugleich genehmigend, BGB § 184), soweit nicht bestimmte Vorschriften des Prozeßrechts entgegenstehen (welche sie für ein bestimmtes Verfahren fordern: vgl. §§ 613, 640 I), Prozeßvollmacht erteilen. c 2. Ob die Erteilung einer Vollmacht in dem Armenrechtsgesuch liegt, in dem die arme Partei um Beiordnung eines Anwalts bittet, ist streitig. Die Rechtsprechung hoher Gerichte verneint es. Jedenfalls ist zwischen der Bestellung durch den Postulationfähigen (§ 80 A I) und der Vollmachterteilung zu unterscheiden. Da niemand gegen seinen Willen Prozeßvertreter im Rechtstreit werden kann, ist RG IIRR 36/1250, das in der Bewilligung des Armenrechts unter Beiordnung des von der Partei benannten Armenanwalts noch nicht die wirksame Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten sieht, beizupflichten. Tritt aber der beigeordnete Anwalt auf oder erklärt er sich auf Anfrage des Gerichts zur Übernahme der Vertretung bereit, so wird er damit ohne weiteres Prozeßbevollmächtigter der Partei, gleichviel ob die Partei seine Beiordnung namentlich erbeten hatte oder nur die irgendeines Anwalts (a. M. BGHZ 2/227). Dasselbe, was für die Beiordnung des Armenanwalts gesagt ist, gilt auch für die sonstige Beiordnung irgendeines Anwalts durch das Gericht auf Antrag der Partei (§ 668). Über die Möglichkeit, daß der beigeordnete Anwalt ablehnt, vgl. Kommentar § 80 B I a 1; bei den Wiedereinsetzunganträgen geht dies nicht zu Lasten der Partei. Als außerprozessuales Rechtsgeschäft darf sie auch e i n e m b e s c h r ä n k t G e s c h ä f t s f ä h i g e n erteilt werden (BGB §165), der aber (auch im sog. Parteiprozeß) nicht postulationfähig ist (§ 79 A I), und sogar einem Geschäftsunfähigen, nämlich einer juristischen Person. Die einer juristischen Person erteilte Prozeßvollmacht darf deshalb von ihrem gesetzlichen Vertreter benutzt werden (vgl. OLG J W 22/51759). Dabei bedarf es der besonderen Bevollmächtigung der juristischen Person an den gesetzlichen Vertreter nicht, weil der gesetzliche Vertreter schon als solcher zum Handeln für die und an Stelle der juristischen Person berufen ist. d) Der Inhalt der Prozeßvollmacht ist den §§ 81 folg. zu entnehmen. Für sie gilt inländisches Prozeßrecht, gleichviel wo (ob im Inlande oder Auslande) und von wem (einem Ausländer, Staatenlosen oder Inländer oder einer Person gemischter Staatsangehörigkeit) sie erteilt ist. Sie bezieht sich nicht bloß auf Prozeßhandlungen und deren Inempfangnahme wie Unterlassungen, sondern auch auf außerprozessuale, soweit sie mit dem Prozeß zusammenhängen. Die Prozeßvollmacht des Anwalts endet nicht mit der Instanz, für die er postulationfähig ist, also im besonderen nicht dadurch, daß der Rechtstreit an ein anderes Gericht verwiesen worden (OLG JW 29/12718, vgl. § 276) oder in die höhere Instanz gediehen ist. B III. Auch die Genehmigung der Prozeßführung stellt eine Prozeßvollmacht dar (vgl. BGB § 184). Sie wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme der Handlungen des Postulationfähigen (§§ 89 II, 5511 5, 579 I 4). Sie ist also eine außerprozessuale, empfangsbedürftige (gegenüber dem Vertreter, dem Gegner oder dem Gericht abzugebende) Willenserklärung. C. § 80 schreibt vor, daß die Vollmacht durch eine schriftliche Urkunde nachzuweiseil ist. Die Vorschrift gilt für alle Klage- (§ 253 C) und Prozeßarten (§§ 33 C III o, 38 A I I I a), aber nicht in schiedsrichterlichen (Privat-)Verfahren (RG N § 80/6; darüber, ob und welche Förmlichkeiten hier vorgeschrieben werden dürfen, vgl. § 1034 C II al. C I. Aufnahme in das Protokoll genügt (RG Gruch. 44/1170 [1175]). Die Erwähnung der Vollmaoht im Urteil ist keine beurkundete Erklärung der Partei und ersetzt diese nicht. Orts- und Zeitbezeichnungen braucht sie nicht zu enthalten (RG Gruch. 44/1159); sie wirkt
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§80 ci
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an sich für die Zukunft; es werden aber durch sie die vor ihrer Ausstellung vorgenommenen Handlungen regelmäßig gedeckt (vgl. § 89 B II a). Regelmäßig ist sie zu unterschreiben (§ 416); doch wird die Schriftform durch die öffentliche Beurkundung ersetzt (BGB § 126 III, FGG §5 168 folg.). C II. Nachzuweisen ist die Prozeßvollmacht gegenüber dem Gericht, und zwar hat das Gericht im sog. Parteiprozeß (§ 79 A) regelmäßig (nämlich abgesehen vom Fall des § 703) hierauf von sich aus zu achten (§ 88 II); im Anwaltsprozeß (§ 78 I) dagegen nur in den Fällen der §§ 613 I 2, 640 I, sonst nur auf Rüge der Gegenpartei (§ 88 I). a) In sog. Parteiprozessen wie in Ehe- und Kindschaftsachen muß eine besondere Urkunde eingereicht werden. Sie bleibt dann bei den Gerichtsakten, d. h. bei den Akten des einzelnen Prozesses. Allgemeine Vollmachten (die sich nicht auf Ehe- und Kindschaftsprozesse beziehen) können aber zu Generalakten genommen werden; eine Bezugnahme auf sie ist dann (für den Regelprozeß) ausreichend (KGB1. 06/87). Befindet sich die Vollmacht in einer öffentlichen Urkunde, so genügt die Vorlegung einer beglaubigten Abschrift (§ 435). c) Der Nachweis soll von der ersten Prozeßhandlung an geführt werden. Über den frühest möglichen Zeitpunkt der Entscheidung vgl. aber § 88 C II a 1; über den bei der Rechtsmitteleinlegung § 519 b B I b. Obwohl das Gericht nicht darauf Rücksicht zu nehmen braucht, wenn die Vollmacht nicht sofort beigebracht wird, wird es regelmäßig den sich als Vertreter Meldenden einstweilen gemäß § 89 zulassen. C III. § 80 II ordnet an, daß auf Antrag einer Gegenpartei (auch eines selbständigen Streitgehilfen der Gegenpartei, § 69, oder eines unselbständigen, dem die von ihm unterstützte Partei nicht widerspricht; aber nicht des eigenen Streitgehilfen oder Streitgenossen, auch nicht des notwendigen, § 62, und nicht des selbständigen, § 69) das Gericht die öffentliche Beglaubigung (BGB § 129 I, FGG §§ 183, 184, 167, 191, NotO § 22, Konsulargerichtsbarkeit G §§ 14f.) der Unterschrift einer Privaturkunde anordnen darf. b) Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts. c) Wird die Beglaubigung angeordnet, so wird dazu eine Frist zu setzen sein (RG J W 13/4332, vorher darf weder ein End- noch ein Zwischenurteil ergehen; § 89 I 2 in entsprechender Anwendung). Die Fristsetzung erübrigt sich aber, wenn der Bevollmächtigte erklärt, die Beglaubigung nicht beibringen zu können (RGZ 51/98f.). Bis zur Zurückweisung bleibt jedenfalls der Bevollmächtigte Zustellungempfänger nach § 176 (vgl. RGZ 121/63). Nach fruchtlosem Fristablauf ist bei Erlaß der Endentscheidung auf den Bevollmächtigten § 89 I 3 anzuwenden, d. h. ihm sind die durch sein Dazwischentreten entstandenen Kosten aufzuerlegen (RGZ 51/98), wogegen er selbst aus eigenem Recht nach §§ 99 II, 91a II in entsprechender Anwendung, da die Hauptsache im Verhältnis zu ihm erledigt ist (vgl. RGZ 53/65 [68]), die sofortige Beschwerde hat. Besteht die Parteiseite, von der Beglaubigung verlangt wird, aus mehreren Streitgenossen, so ist nach der dem Verlangen der Gegenpartei entsprechenden Anordnung u. U. von jedem Streitgenossen die Unterschrift beglaubigt beizubringen, bei dem klagenden nicht rechtsfähigen Verein von einem jeden Vereinsmitglied (RG JW 13/43 32 : das notarielle Protokoll über die Mitgliederversammlung genügt, sofern es alle Mitglieder unterschrieben haben). Die K o s t e n der B e g l a u b i g u n g sind zunächst von der Partei des Bevollmächtigten zu tragen; unterliegt der Gegner, so sind die auf Grund seines Antrags entstandenen als notwendige i. S. des § 91 zu erstatten (KG Seuff. 44/283). D. Zu unterscheiden von dem Nachweis der Prozeßvollmacht ist der der gesetzlichen Vertretungmacht, dieser ist auch im Anwaltprozeß durch das Gericht ohne Rüge (Hellwig Lb. 2/418, Jonas § 80 Anm. V 1) zu verlangen.
§ 81
(77)
I Die ProzeBvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen, einschlieBlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Zwangsvollstreckung veranlaßt werden; zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevoll-
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§ 81 I
mächtigten für die höheren Instanzen; zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs; zur Empfangnahme der von dem Gegner zu erstattenden Kosten. A I a) Die gesetzlich geregelten innerprozessualen Wirkungen der Prozeßvollmacht können nicht erweitert werden, weil sie alle Prozeßhandlungen umfaßt; wohl aber dürfen es die außerprozessualen durch die Erklärung des Vollmachtgebers. Im Anwaltsprozeß (§ 78 I) dürfen die Prozeßhandlungen des Verzichts wie des Anerkenntnisses (§§ 306f), d.h. durch Erklärung desVollmachtgebers ausgeschlossen werden; die außerprozessualenWirkungen jedenfalls inbezugauf den Vergleich (§81B III a 1), im sog. Parteiprozeß (§ 79 A) darf die Vollmacht sogar auf einzelne Prozeßhandlungen (unter Ausschluß der außerprozessualen Wirkung) beschränkt werden (§ 83 II). b) Ist eine Allgemeinvollmacht erteilt (§ 80 B II c, also eine, die sich von vornherein auf die Vielzahl der Prozesse bezieht, für die keine Spezialvollmacht gesetzlich gefordert wird, vgl. §§ 613 I, 640 I), so richtet sie sich gegen jedermann, während die Spezialvollmacht (vgl. §§ 613, 640 I) den Gegner wie den Klagegrund fixieren muß. Zwischen beiden liegt die gewöhnliche Einzelvollmacht, die den Gegner, aber nicht den Klagegrund festlegt. A II. Die Einzelvollmacht bezieht sich auf einen bestimmten Rechtstreit (in dem also über bestimmte Begehren im Zugleich verfahren, ein einheitlicher Aktenvorgang gebildet wird u. dgl. m.), gleichviel welcher Anspruch erhoben und zwischen welchen Parteien er ausgetragen wird. Die Einheit wird durch die Beziehung des Vollmachtgebers auf den konkreten Streit (Akten- und Verhandlungvorgang) hergestellt, in dem mit ihm verfahren wird. An dieser äußeren Einheit wird festgehalten, gleichviel ob der geltend gemachte Anspruch derselbe bleibt, erweitert, beschränkt oder ein anderer an seiner Stelle erhoben wird, ob eine Partei ausscheidet oder neu hinzutritt oder eine andere Partei an ihre Stelle tritt, der Streit an ein anderes Gericht (durch Verweisung, §§ 276, 506, 697, 700, oder im Rechtsmittelzug) geht oder vor demselben bleibt, alles, solange nur der Vollmachtgeber beteiligt bleibt. a) Auf die Parteirolle des Machtgebers kommt es dabei nicht an; er darf also sowohl Kläger wie Beklagter sein. Die Prozeßvollmacht bleibt auch bestehen, wenn der Bevollmächtigende zunächst nur Streitgehilfe war und dann Partei wird (vgl. §§ 75folg.), wie wenn die bisherige Vollmacht fortwirkt (§ 86, also die des Toten vor der Aussetzung nach § 246 und RGZ 68/256 für den Fall des für die verstorbene Partei vor Fristablauf eingelegten Rechtsmittels, selbst wenn der Aussetzungantrag schon gestellt war, wobei der Prozeßbevollmächtigte der dritten Instanz von dem zweitinstanzlichen bestellt wurde). Zur Streitverkündung ermächtigt die Vollmacht stets. Umgekehrt kann aber der Prozeßbevollmächtigte nicht in einem anderen Rechtstreit als Streitgehilfe beitreten (OLG 39/46). Ist die Vollmacht des Beklagten gegen einen namentlich benannten Kläger ausgestellt, so muß es dieser z. Z. des Eintritts des Beklagten in den Prozeß bzw. seine Gesamtrechtsnachfolger sein (gegen weitere vorhandene Gegner gilt sie nicht); doch darf die Vollmacht auch auf den Rechtstreit als solchen gestellt sein (d. h. auf alle Gegner sich beziehen). Dann richtet sie sich gegen alle Gegner, die es z. Z. der Bestellung des Prozeßbevollmächtigten waren. Die gewillkürte Parteiänderung wird durch die Vollmacht in der Regel nicht gedeckt. Schließlich erstreckt sich die Vollmacht auch auf Folgeprozesse gegen dritte, die sich aus der Vollstreckung ergeben (RG Seuff. 63/211). b) Klage- (§ 253 C) wie Prozeßart (§§ 33 C III c, 38 A III a) können in der Vollmacht nicht bindend vorgeschrieben werden. Er dürfen auf Grund der Einzelvollmacht gegen den Gegner aber nicht beliebig viel Prozesse anhängig gemacht werden, sondern nur ein Verfahren. Doch ermächtigt die für das Hauptverfahren erteilte Vollmacht zu allen Handlungen, die erforderlich sind, es durchzuführen. b 1. Die ProzeBvolImacht ermächtigt dazu, das Verfahren zu beginnen. Die Prozeßvollmacht für das ordentliche Verfahren ermächtigt nicht dazu, eine Schiedsgerichtsabrede zu treffen (Sydow-Busch § 81 Anm. 8). b 2. Die Prozeßvollmacht ermächtigt ferner dazu, das Verfahren voll durchzuführen, auch in den höheren Instanzen. Sie ermächtigt zur Bestellung eines Vertreters (§81AII,e).
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b 3. Die Prozeßvollmacht geht über den Prozeß hinaus in bezug auf die Kosteniestsetzung (§ 103), die Rückgabe einer Sicherheit (§§ 109, 715), die Vollstreckung (§§ 753, 754, 828folg., 867, 887folg., ZVG §§ 15, 146, 162, 170a I, 171, RG Seuff. 63/211). Das gilt im besonderen für die neuen Verfahren, die sich hierbei ergeben (vgl. §§ 731folg., 766folg., 771folg., 786, 796folg., 805, 836, 841, 856, 878, OLG 19/148), gleichviel ob sie unter denselben Parteien wie im Vorprozeß anhängig werden oder gegen einen dritten zu führen sind (RG Seuff. 63/211). Ob auch der aus § 893 folgende Prozeß durch die Vollmacht des Vorprozesses gedeckt ist, ist streitig. Für Konkurs- und Vergleichsverfahren fordert die h. M. die Beibringung einer besonderen Vollmacht; doch erstreckt sich die für das Konkursverfahren erteilte auch auf die sich hieraus ergebenden Prozesse (vgl. KO § 146; dazu gehört aber nicht der Prozeß gegen den bestreitenden Gemeinschuldner nach KO § 144 II). b 4. Die Zwangsvollstreckungvollmacht gehört regelmäßig zu der erstinstanzlichen Bevollmächtigung (§§ 119, 178), kann allerdings auch getrennt erteilt werden und erstreckt sich dann nur auf die noch verbleibenden Teile, aber auch auf Abschluß eines Vergleichs im Vollstreckungverfahren (RG v. 3. 4.1908 VII Warn. 397 = Seuff. 63/211) und auf die Anhangprozesse (vgl. § 81 A II b 3). b 5. Selbst für die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578folg.) reicht die alte Prozeßvollmacht, obwohl hier die h. M. annimmt, daß für die Kenntnis nach § 586 nicht die des früheren Prozeßbevollmächtigten ausreicht (vgl. Kommentar § 586 A II b 5). b 6. Die Prozeßvollmacht ermächtigt nicht zur Erhebung der Abänderungklagen (§ 323, str.), der Ergänzungklagen des § 324 und der selbständigen Klagen auf Schadensersatz nach §§ 302, 600, 717, 945 (str.). Soweit sich aber der Streit innerhalb des Prozesses abspielt, sei es auch durch eine Widerklage (dies gilt auch für den sog. Inzidentantrag in den letztgenannten Fällen, wenn man ihn nicht als Widerklage ansieht) oder als Zwischenstreit mit einem dritten, deckt die Prozeßvollmacht die Handlungen des Bevollmächtigten; das Ungebührverfahren nach GVG § 178 hiervon auszunehmen, geht nicht an (OLG 27/6; a. M. OLG ThürBl. 50/206). b 7. Die Prozeßvollmacht endet regelmäßig mit dem Ausscheiden des Vollmachtgebers aus dem Verfahren, also nicht schon mit dem Ende der Instanz (vgl. § 8 1 A I I b 2 ; wegen der Zustellungen §§ 178, 210 a); für den erstinstanzlichen Anwalt bleibt sie für das Kosten- und Vollstreckungverfahren bestehen (RGZ 9/392); für den Rechtsmittelanwalt endet sie mit der Instanz, soweit diese nicht durch Aufhebung und Zurückverweisung wieder auflebt (RGZ 8/369). Die Prozeßvollmacht endet auch nicht mit dem Wegfall der Postulationfähigkeit. c X. Der Prozeßbevollmächtigte der höheren Instanz hat Prozeßvollmacht (RGZ 22/397), und zwar sowohl bzgl. der Zustellung (§ 176) als auch wegen jeder Prozeßhandlung während der Instanz mit anschließender Zwischeninstanz. Diese sog. Instanzvollmacht erstreckt sich aber nicht auf die Zwangsvollstreckung (vgl. § 81 A II b 4) einschließlich der Anhangprozesse (vgl. § 81 A II b 3) und nicht auf die Kostenfestsetzung (§§ 103folg.), nicht auf die Empfangnahme der Kosten; Befugnisse, die regelmäßig zur ersten Instanz gehören. Sie erlischt mit der rechtskräftigen Erledigung des eingelegten Rechtsmittels (RG J W 97/629 4 ) und erstreckt sich nicht auf ein neu, wenn auch in derselben Sache, einzulegendes. Mit dem Tode des Bevollmächtigenden (erstinstanzlichen Anwalts etwa) erlischt sie nicht. d) Der Prozeßbevollmächtigte kann die Prozeßvollmacht nur, insoweit er nicht postulationfähig ist, übertragen (RGZ 11/368). e) Die Prozeßvollmacht des Postulationfähigen ermächtigt zur Bestellung von Untervertretern (RGZ 11/370). Doch unterscheiden sich diese gewillkürten Untervertreter von den nach der Rechtsanwaltordnung bestellten noch vielfach: im Parteiprozeß muß die Untervollmacht im einzelnen Verfahren schriftlich beigebracht werden (in dem Ehestreit h a t RGZ 161/92f. die schriftliche Unterbevollmächtigung des Unterbevollmächtigten und den Empfang der Untervollmacht nicht für erforderlich gehalten), durch den Tod des Prozeßbevollmächtigten erlischt die Untervollmacht (doch wird man auch hier das Fortbestehen im Rahmen des im Innenverhältnis geltenden BGB § 672 I 2 zulassen müssen); während beides bei den bestellten Vertretern (Kommentar § 78 B I a) nicht der Fall ist. Unterbevollmächtigte und Terminvertreter sind zwar auch Vertreter der Partei und müssen postulationfähig sein (RArbG N § 81/23),
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§81
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auch ihre Vollmacht ist für den Zweck, für den sie bestellt sind, nicht weiter beschränkbar als die Prozeßvollmacht (wenn auch hier im Innenverhältnis weitere Beschränkungen vereinbart werden dürfen), außerhalb ihrer Funktion, im besonderen außerhalb der mündlichen Verhandlung werden sie aber nicht Erklärungempfänger und können sich auch nicht wirksam erklären. e 1. Doch darf der Untervertreter auch zur Zustellung bestellt werden. Darüber, daß die Erteilung der Untervollmacht durch ein Vertretungsverbot nicht beeinträchtigt wird, vgl. BRAO § 155 V. e 2. Die Vollmacht des Terminvertreters ist auf die Wahrnehmung eines oder aller Termine beschränkt. Seine Prozeßhandlungen außerhalb dieser sind unwirksam und deshalb auch sein Rechtsmittelverzicht (OLG NJW 49/29 11 ; a. M. RGZ 161/92). B. Die Prozeßvollmacht ermächtigt zu allen Prozeßhandlungen (vgl. § 80 B II d), die mit dem Rechtstreit zusammenhängen. B I. Dahin gehören die prozessualen Wissenserklärungen, B II. die prozessualen Willenserklärungen, denen b) die unterlassenen Willenserklärungen gleichstehen. c) Der Prozeßbevollmächtigte ist ermächtigt, Prozeßerklärungen des Gegners in Empfang zu nehmen, er kann die Empfangnahme nicht wirksam verweigern (vgl. aber § 198 A I b 1). Der Gegner muß sich ihm gegenüber erklären, wenn er dies durch eine von ihm oder dem Gericht zu bewirkende Zustellung tun muß (§§ 176, 178, 210a) oder wenn er dem Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung entgegentritt. B III. Die Prozeßvollmacht wirkt aber auch aufierprozessual, d. h. bezogen auf den außerprozessualen Anspruch, der Streitgegenstand ist. a) Dies gilt für die Abgabe wie für die Empfangnahme von Erklärungen (RG N § 81/21). Die Erklärungen dürfen mündlich wie schriftsätzlich (auch bloß vorbereitend: RGZ 63/411) wirksam abgegeben werden (und wirken mit Zugang bei dem Gegner, BGB § 130, nicht mit dem bei dem Gericht). Die Erklärung wirkt außerprozessual auch dann, wenn die Klage zurückgenommen wird (RG N §81/11) oder der vorbereitende Schriftsatz nicht vorgetragen wird. a 1. Zur Durchführung des Streits darf der Prozeßbevollmächtigte des Klägers jede außerprozessuale Handlung vornehmen, wie der des Beklagten alles seinerseits Erforderliche tun darf, um den Streit für den Beklagten siegreich zu beenden. § 81 selbst nennt den Vergleich zur Beseitigung des Rechtstreits und die Empfangnahme der Kosten. Ob der Vergleich (§§ 118a, 160 1 1, 499, 500, BGB § 779) in der Form des § 794 1 1 vorgenommen oder außergerichtlich erklärt wird (RG Warn. 09/294), ist gleichgültig. Entsprechend können auch Anerkenntnis und Verzicht außerprozessual durch den Bevollmächtigten in den Formen des bürgerlichen Rechts (BGB §§ 780folg.) wirksam erklärt werden (RG JW 94/193 4 f. im Konkursfall), also nicht bloß als Prozeßhandlungen. Obwohl der Anwalt die Kosten in Empfang nehmen darf, verwehrt ihm die h. M. die Aufrechnung gegen eine eigene Schuld (KG OLG 29/26). Über die besondere Vollmacht zur Empfangnahme des Streitgegenstandes, die über die Prozeßvollmacht hinausgeht, vgl. § 81 B III b 2. a 2. Soweit ein Prozeßbevollmächtigter eine außerprozessuale Erklärung wirksam abgeben darf, darf bzw. muß der andere sie auch wirksam empfangen (RGZ 63/411). b) Ihre Grenze findet die außerprozessual wirkende (Prozeß-)Vollmacht aber in der Beziehung auf den Streitgegenstand (§ 253 B II b). Nur soweit eine unteilbare Handlung außerprozessual vorzunehmen ist, die nicht bloß den Streitgegenstand umfaßt, Bondern ihn nur mitumfaßt, ist die Handlung auch auf das nicht im Rechtstreit Befindliche rechtswirksam, wie bei Kündigung, Wandlung u. dgl. m. (soweit diese nicht beschränkt auf den Streitgegenstand zulässig sind). Auch die Aufrechnung kann wirksam nur in bezug auf den Streitgegenstand erklärt werden. b 1. Daß dabei sich die Prozeßvollmacht nicht bloß auf außerprozessuale Rechtsgeschäfte mit den Parteien des Rechtstreits erstreckt, zeigen die Fälle, wo dritte verklagt werden dürfen, wie § 794 1 1, wonach vorausgesetzt wird, daß zur Beseitigung des Rechtstreits auch mit dritten ein Vergleich geschlossen werden darf (dies auf den in der Form des § 794 1 1 geschlos23
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 8 1 B III b 1
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Benen Vergleich zu beschränken, so Jonas § 81 Anm. III 3, geht nicht an); wenn auch nicht jedes Rechtsgeschäft mit einem dritten durch den Prozeßbevollmächtigten wirksam vorgenommen werden darf (RG Seuff. 48/64), sondern nur eines, wo nicht bloß der dritte, sondern auch die Gegenpartei beteiligt ist, ohne deren Willen der Rechtstreit nicht zur Ruhe gebracht werden kann. In diesen Fällen wird man allerdings eine rechtliche Beziehung des dritten zum Streitgegenstand finden müssen, so wie bei der Kündigung, die sieh nicht bloß auf den Streitgegenstand bezieht. b 2. Andererseits ergreift die Prozeßvollmacht als solche nicht jede außerprozessuale Erklärung des Bevollmächtigten, welche sich auf den Streit auswirken könnte, sondern nur die aus demselben Rechtsverhältnis (vgl. § 253 B II b 3), das den Streitgegenstand betrifft, fließende und die Aufrechnung. Eine Gestaltung des Rechtsverhältnisses durch Verfügung ist dabei nur dann durch die Prozeßvollmacht gedeckt, wenn das Prozeßziel ersichtlich so verfolgt werden soll; in Streitigkeiten aus einem Gemeinschaft-, Gesellschaft- oder Mitgliedverhältnis ermächtigt die Prozeßvollmacht nicht zur Aufhebung dieses Verhältnisses durch Kündigung. Die Prozeßvollmacht als solche erstreckt sich weder auf die Empfangnahme einer Sicherheit, welche nach §§ 109, 715 zurückzugeben ist (KG OLG 9/182) noch auf die des Streitgegenstandes (RGZ 54/276). b 3. Nach BGH v. 4.11.1959 V ZR 45/59 ermächtigt die Prozeßvollmacht nicht zu einer gegenüber einer Behörde abzugebenden außerprozessualen Willenserklärung, wenn dazu die Vorlegung einer Vollmacht in öffentlich beglaubigter Form erforderlich ist. c) Indes kann die reine Prozeßvollmacht noch auBerprozessual erweitert werden. d) Soweit auBerprozessual wirksame Erklärungen von einem Prozeßbevollmächtigten abgegeben werden, werden sie dadurch nicht zu Prozeßhandlungen (RGZ 56/333 [338] für die vormundschaftliche Genehmigung für einen Vergleich), ohne Rücksicht darauf, ob dies im Prozeß geschieht; sie bleiben auBerprozessual und sind als Willenserklärungen des außerprozessualen Rechts zu beurteilen, also auch bezüglich der Willensmängel. Erfordert die Erklärung die Abgabe in einer bestimmten Form, so ist diese zu wahren. Die nur dem Gericht gegenüber (etwa in Abwesenheit des Gegners) abgegebene außerprozessuale Willenserklärung ist wirkunglos, während die Prozeßhandlung regelmäßig unmittelbar gegenüber dem Gericht vorzunehmen ist.
§ 82
(78)
I Die Vollmacht für den Hauptprozeß umfaßt die Vollmacht für das eine Hauptintervention, einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung betreffende Verfahren. A I. Der Prozeßbevollmächtigte des Hauptintervenienten selbst muß Prozeßvollmacht haben; donn er beginnt einen neuen Prozeß (vgl. § 64 B II). Soweit er aber bisher Streitgehilfe einer Partei war (vgl. § 81 A II a), ermächtigt diese Prozeßvollmacht ihn auch schon zur Erhebung der Hauptintervention. A II. Die Prozeßvollmacht für den Hauptprozeß erstreckt sich auf Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren (§§ 916folg.). Daß der Hauptprozeß schon anhängig sein muß, ist nicht zu fordern (RG J W 94/193 4 f.). Doch kann für das Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren auch ein besonderer Prozeßbevollmächtigter bestellt werden; diese Vollmacht ermächtigt dann aber nicht zur Führung des Hauptprozesses (RG Seuff. 80/36). a) Die einstweiligen Anordnungen nach §§627, 627b werden für die Vollmacht wie einstweilige Verfügungen behandelt. B. Das entsprechende Problem tritt aber im Verhältnis aller Vorverfahren zum Hauptverfahren auf (vgl. § 81 A II b 1).
§ 83
(79)
I Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfanges der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als diese Beschränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft.
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§83
II Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Vollmacht für einzelne Prozeßhandlungen erteilt werden. A. Die Beschränkung der Prozeßvollmacht ist nur im Rahmen des § 83 zulässig. Sie bezieht eich auf den Einzelprozeß (die Einzelvollmacht, § 81 A II), aber auch auf die Spezialvollmacht, soweit sie gesetzlich zu fordern ist (§§ 613, 640 I). Enthält eine Prozeßvollmacht weitergehende Beschränkungen, so sind diese im Prozeßverhältnis, also in Beziehung auf das Gericht und zum Gegner unwirksam (BGB § 134); dabei ist hier davon auszugehen, daß der Bevollmächtigte sich im Prozeß vertreten lassen will, so daß nicht etwa die gesamte Vollmacht nach BGB § 139 vernichtet wird. B. Im Anwaltprozeß (§ 78 I) darf der Vollmachtgeber dem Prozeßbevollmächtigten untersagen, zu verzichten (§ 306) oder anzuerkennen (§ 307), wie einen Vergleich zu schließen und — nach der hier vertretenen Auffassung (§ 81 B III a 1) — diesen Vorgängen entsprechende außerprozessual wirksame Rechtsgeschäfte bzw. Rechtshandlungen vorzunehmen, im besonderen so über dingliche Rechte zu verfügen. B I. Die Beschränkung muß ausdrücklich erklärt werden. Darüber, daß die Vollmacht auch auf prozessual bestimmt abgegrenzte Verfahren (etwa Vorverfahren) beschränkt werden darf, vgl. §§ 81 A II b, 82 A II. B II. Für die außerprozessual wirkende Vollmacht (einschließlich für die zum Abschluß des Vergleichs) genügt die Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten, wenn nicht einer der Fälle des BGB §§ 170 folg. vorliegt. Für die rein prozessuale Wirkung muß man die Erklärung des Bevollmächtigenden oder die seines Bevollmächtigten gegenüber dem Gericht und dem Prozeßgegner fordern müssen (BGHZ 16/167, allerdings gerade für einen Vergleich, der als außerprozessuales Rechtsgeschäft zu beurteilen ist, § 794 C III a). B III. Die außerprozessuale Erklärung ohne Vollmacht ist schwebend unwirksam, im besonderen ein entgegen dem Verbot abgeschlossener Vergleich (BGB §§ 177 folg.). B IV. Die gegen die Vollmacht abgegebene prozessuale Erklärung von Verzicht und Anerkenntnis ist (schlechthin) unwirksam. B V. Die Vorschrift des § 83 II hindert den Prozeßbevollmächtigten nicht, auch im Anwaltprozeß Untervollmacht zu erteilen. C. Im sog. Parteiprozeß (§ 79 A) darf darüber hinaus die Prozeß vollmacht sogar auf einzelne Prozeßhandlungen beschränkt werden (§ 83 II), und zwar derart, daß die allgemeine Prozeßvollmacht beschränkt oder überhaupt nur eine Vollmacht zur Vornahme einzelner Prozeßhandlungen erteilt wird (etwa die zur Wahrnehmung eines Beweisaufnahmetermins oder zur Bewirkung der Zustellung). C II. Im Parteiprozeß kann auch das Recht, Untervollmacht- zu erteilen, ausgeschlossen werden (vgl. § 83 B V).
§ 84 (80) I Mehrere Bevollmächtigte sind berechtigt, sowohl gemeinschaftlich als einzeln die Partei zu vertreten. Eine abweichende Bestimmung der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber keine rechtliche Wirkung. A. § 84 gibt jeder Partei das Recht, sich durch mehrere Bevollmächtigte im Zugleich vertreten zu lassen. B. Eine Kollektivvollmacht der Prozeßbevollmächtigten gibt es regelmäßig nicht. B I. In den Fällen, in denen nach außerprozessualem Recht (BGB §§ 28 I, 714, 710 I 2; HGB §§4811, 125 II, 161 II; AktienG §§71111, 219 II) eine Kollektivvertretung besteht, gilt dies auch für die Prozeßführung. B II. § 84 gilt ferner nur im Verhältnis zu den Bevollmächtigten einer Partei, nicht in dem mehrerer Bevollmächtigter mehrerer Parteien zueinander, von denen etwa jeder Streitgenosse je einen hat (über die Erstattungfähigkeit all dieser Kosten vgl. § 91 E IV b 1). Doch können auch mehrere Streitgenossen nur einen Prozeßbevollmächtigten (Anwalt) haben. Dann kann 23*
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§84
BH
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der Anwalt aber nicht sich widersprechende tatsächliche Erklärungen für die Einzelparteien abgeben, selbst wenn es mehrere Bevollmächtigte tun könnten (vgl. § 78 B IV b 1). Dagegen darf der Prozeßbevollmächtigte für eine Partei anerkennen, für die andere Klageabweisung beantragen (entsprechend darf er auch das Bestehen des Vertrags mit einer Partei zugestehen, mit der anderen nicht bestreiten; nur darf er nicht denselben Vorfall für die eine Partei zugestehen und für die andere bestreiten wollen). C. Soweit mehrere gleichzeitig zur Prozeßführung bzw. zur Vornahme einzelner Prozeßhandlungen im Zugleich von der Partei berufen sind, ist die Handlung wie die Unterlassung eines jeden gesondert zu beurteilen. CI. Bei sich widersprechenden tatsächlichen Erklärungen mehrerer Bevollmächtigter will die h. M. freie Beweiswürdigung (§ 286, d. h. hier die Wahl des Gerichts, welcher Erklärung es folgen will) gelten lassen. Von sich widersprechenden Willenserklärungen gilt aber keine als abgegeben (Jonas §84 Anm. II); dies muß auch für die sich widersprechenden tatsächlichen Erklärungen gelten. Nur Erklärungen, die bindend geworden sind, also Geständnis, Anerkenntnis, Verzicht, gelten schon, wenn auch nur einer sie erklärt, ohne daß der andere sofort widersprochen hätte (vgl. § 84 C II und § 85 I 2, der auch hier gilt). C II. Andererseits wirken Unterlassungen nur dann gegen die Partei, wenn sie von allen gleichzeitig Auftretenden begangen werden. C III. Aber nicht bloß für das Handeln und das Unterlassen der Partei, sondern auch bezüglich der Empfangnahme von Erklärungen des Gerichts wie der Gegenpartei gilt § 84, d. h. Zugang an einen von ihnen genügt. a) So setzt die Zustellung des Urteils an einen der mehreren Prozeßbevollmächtigten die Rechtsmittelfrist in Lauf (RG Warn. 36/180). b) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es nicht, wenn auch nur einen der Prozeßbevollmächtigten ein Verschulden trifft (§232 11; RArbG J W 30/1118 2 ). Fällt einer der mehreren Vertreter weg, so wird dadurch das Verfahren noch nicht nach § 244 unterbrochen. Der Fall wird in Sozietäten praktisch; doch kann man nicht die stillschweigende Bevollmächtigung eines erst neu eintretenden Sozius annehmen (OLG J W 32/2893 1 ). D. Im Innenverhältnis zwischen den Bevollmächtigten und der Partei können auch hier die Beschränkungen gelten, im besonderen können also mehrere Bevollmächtigte gehalten sein, nur übereinstimmend zu handeln.
§ 85 (81) I Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozeßhandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden. A. Die Norm des § 85 1 1 entspricht BGB § 164 11. Sie gilt gegenüber allen Prozeßbevollmächtigten, auch Nichtanwälten (RGZ 115/71 [73]). Sie bedeutet, daß das Handeln wie das Unterlassen des Prozeßbevollmächtigten für und gegen seine Partei wirkt und daß er der Träger (Gegner) für zu empfangende Erklärungen der Gegenpartei an Stelle seiner Partei ist. A I a) Die prozessuale Wissenserklärung ist als (einfache) Behauptung oder (einfaches) Bestreiten bis zum Verhandlungschluß (allerdings im wesentlichen nur in der Tatsacheninstanz) widerruflich, kehrt aber bei dem Geständnis (§§ 288, 532) die Beweislast um (vgl. dazu § 290 A). b) Die prozessualen Willenserklärungen sind unterschiedlich zu behandeln; Prozeßanträge (§ 261 b B I I I a 2) sind regelmäßig widerruflich bis zur Entscheidung über sie (bzw. bis zum Verhandlungschluß), Sachanträge bis zur Rechtskraft der Entscheidung. Doch gibt es auch Prozeßanträge, die früher verbindlich werden. Prozessuale Unterlassungen sind von dem nach der Prozeßordnung für sie maßgebenden Zeitpunkt an unwiderruflich, in Ausnahmefällen
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§ 85 AI b
allenfalls noch durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Unterlassene wie versäumte Prozeßhandlungen des Prozeßbevollmächtigten wirken zu Lasten der Partei (§§ 230, 232 II). Über die Wirkung einer Weisung im Innenverhältnis vgl. §§ 80 B II a 2, 81 B I; darüber, daß die Partei nicht durch Weisungen ausschließen kann, daß er Erklärungen entgegennimmt, vgl. § 81 B II c. Löst sich dagegen der Prozeßbevollmächtigte von der Prozeßvollmacht selbst, indem er etwa in eigenem Namen oder nach dem Gericht gegenüber erklärter Niederlegung gar nicht mehr handelt, so trifft sein Handeln wie sein Unterlassen allenfalls ihn persönlich, nicht aber mehr die Partei (vgl. RGZ 160/378folg., 166/246 [247f.] und dagegen § 232 B II b 2); führt der Prozeßbevollmächtigte die Vertretung tatsächlich nicht mehr fort, weil er die glaubwürdige Mitteilung des Todes seiner Partei erhielt, so liegt darin weder ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten noch eines der Partei, welche die Mitteilung nicht veranlaßt hat (vgl. RGZ 168/396). Inwieweit die Kenntnis des Vertreters in dem Falle der §§ 43,568 II 1 582, gegen die Partei wirkt, darüber vgl. §§ 43 B, 582 B II b 3, 586 A III a. B I . In das Recht der prozessualen Wissenserklärungen (§§ 138 I, 38 B II a) greift § 8 5 1 2 ein. a) Er geht von der mündlichen Verhandlung aus und verlangt das sofortige Eingreifen der „Partei" (d.h. der prozeßfähigen bzw. ihres gesetzlichen Vertreters; der nicht prozeßfähigen wird der Eingriff nicht gestattet), d. h. sobald ihr das Wort, um das sie bitten muß, gestattet wird. Sie erhält es auch im Anwaltprozeß (§ 137 IV) zu diesem Zweck (aber nicht mehr notwendigerweise in der Revisioninstanz). Von besonderer Bedeutung ist der sofortige Widerspruch der „Partei" allerdings bei Geständnissen (§ 288), weil andere Erklärungen auch noch später widerrufen werden dürfen, unter neuem Vortrag von der „Partei" selbst nur im sog. Parteiprozeß (§ 79 A), im Anwaltprozeß nur durch den Anwalt (der indes auch zu diesem Zweck von der Partei gewechselt werden darf). Die Vorschrift gilt also sowohl für den sog. Partei- (§ 79 A) wie für den Anwaltprozeß (§ 78 I), hat aber ihre besondere Bedeutung im Anwaltprozeß, weil hier die Erklärung des Postulationfähigen auch durch die nicht postulationfähige „Partei" widerrufbar ist, m. a. W., die Partei für diesen Widerruf (also relativ) postulationfähig ist. a 1. Sofort von der „Partei" widerrufene Wissenserklärungen ihres Prozeßvertreters sind nicht wirksam (vgl. RGZ 10/423 [4241.]). Damit sind aber noch nicht die entgegenstehenden Erklärungen in den Prozeß eingeführt, sondern erst, wenn der Postulationfähige sie aufstellt (vgl. § 78 B IV b 1). Doch wird der Anwalt, um der für seine Partei geltenden Wahrheitlast (§ 138 I) nachzukommen, im Rahmen der Behauptunglast die Erklärung der Partei vortragen und man wird annehmen dürfen, daß er dies stillschweigend will (RG JW 15/143712). Vgl. dazu § 288 B III a. b) An das schriftliche Verfahren (§ 128 II) ist in dieser Bestimmung noch nicht gedacht. Hier führt die entsprechende Anwendung des § 85 I 2 dazu, daß die Partei den Widerruf unmittelbar dem Gericht erklären muß. Darüber hianus wird man ihr es zubilligen dürfen, daß sie ihn ihrem eigenem Prozeßbevollmächtigten erklärt, falls dieser die Erklärung tatsächlich (wenn auch in eigener Schrift) dem Gericht umgehend weiterreicht. B II. Die „Parteien" dürfen aber auch in die prozessualen Willenserklärungen des Prozeßbevollmächtigten eingreifen. a) Im sog. Parteiprozeß (§ 79 A) darf die „Partei" jeder Prozeßhandlung ihres Prozeßbevollmächtigten widersprechen (vgl. § 83 II), worin ein teilweiser Widerruf der weitergehenden Vollmacht liegt. Im schriftlichen Verfahren sollte man hier das zur entsprechenden Anwendung des § 85 12 Gesagte (§ 85 B I b) auch gelten lassen, da die Prozeßordnung vom mündlichen Verfahren ausging. b) Im Anwaltprozeß (§781) gilt das entsprechende nur im Rahmen des §83 1; d . h . soweit die Partei die Prozeß vollmacht beschränken darf, kann sie sie jederzeit unbeschränkt widerrufen; die Partei kann also sowohl dem Anerkenntnis (§ 307) wie dem Verzicht (§ 306) wirksam „alsbald" widersprechen (Sydow-Busch §85 Anm. 5; a. M. OLG HRR 41/608). Sonst kann hier die Partei nur widerrufen, wenn sie ihrem Prozeßbevollmächtigten die Prozeßvollmacht entzieht (vgl. § 87 A I, III a).
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B III. In bezug auf außerprozessuales aktives Handeln darf die anwesende Partei stets sofort widerrufen und damit die außerprozessuale Erklärung des Prozeßbevollmächtigten vernichten und durch ihre eigene ersetzen; im schriftlichen Verfahren muß der Widerruf spätestens zugleich mit der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten dem Gegner zugegangen sein (BGB § 130). B IV. Rechtliche Ausführungen sind widerruflich (RGZ 32/407 [410], vgl. im übrigen § 293). C. Innerhalb der Prozeßführung gibt es aber auch, soweit Postulationfähige auftreten, beschränkt vertretbare und nicht vertretbare Handlungen (vgl. §§ 141, 610). D. Die Prozeßordnung konzentriert die Verhandlung auf den Prozeßbevollmächtigten. Gegner und Gericht können, wenn sich ein Postulationfähiger als Bevollmächtigter bestellt hat, nur noch ihm gegenüber wirksam handeln (RG JW 32/15536), selbst wenn er keine Prozeßvollmacht hat (RGZ 89/42 [45]). Dies gilt für ihn im besonderen als Erklärungempfänger. Wird deshalb der Partei an Stelle des Vertreters zugestellt, so wirkt dies nicht (vgl. RGZ 67/149folg.); ebenso wirkt die Zustellung an den Vertreter nicht, wenn sich der Vertreter nicht bestellt hatte (RG Seuff. 86/154); hatte sich ein neuer Vertreter bestellt, so wirkt von da ab die Zustellung an den bisherigen (auch im Anwaltsprozeß) nicht mehr (RG J W 32/1553®).
§ 86
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I Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Prozeßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er nach Aussetzung des Rechtsstreits für den Nachfolger im Rechtsstreit auftritt, dessen Vollmacht beizubringen. A I. Unter § 86 fällt auch das Fortbestehen der Vollmacht trotz Wegfalls der Parteifälligkeit (vgl. §§ 246, 239 D). a) Die Handlungen des Bevollmächtigten, die er namens der parteiunfähig Gewordenen vornimmt oder vorzunehmen unterläßt, wirken für und gegen dessen Rechtsnachfolger (RGZ 68/390 [391]: im Todesfall), selbst wenn der Bevollmächtigte gegenüber dem Gericht oder dem Gegner erstmalig auftritt, nachdem die Parteifähigkeit schon weggefallen ist (Klageerhebung nach Tod: BGH MDR 58/319, OLG JW 19/327 5 ; Rechtsmitteleinlegung nach Tod: RGZ 68/390 [391]). Ob der Prozeßbevollmächtigte und wann er den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nach § 246 stellt und damit das Verfahren zum Stillstand bringt oder nicht (RG J W 29/139731), gilt gleich. Im Fall der Zwangsvollstreckung hat § 86 nur für den Wegfall der Parteifähigkeit des Gläubigers die Folge, daß der Prozeßbevollmächtigte die Umschreibung der Vollstreckungklausel für die Erben herbeiführen kann (§§ 727, 750; OLG Dresden Seuff. 43/313); für die Fortsetzung der Vollstreckung gegen den parteiunfähig Gewordenen spielt die Prozeßvollmacht keine Rolle (vgl. §§ 778, 779). b) Die Vorschrift gilt entsprechend für den Eintritt des Nacherbfalls (vgl. §§ 242, 239). A II. Ist das Verfahren (rechtskräftig) ausgesetzt (oder wird gegen die Aussetzung keine Beschwerde eingelegt), so ist die Bestellung des Postulationfähigen (RGZ 50/339 [341]) hinfällig geworden (also ohne die u. U. weiteren Voraussetzungen des § 87); nur für das Beschwerdeverfahren (§252) bleibt die Bestellung aufrechterhalten (vgl. die parallele Lage im Fall der Konkurseröffnung § 86 B II). B. Der zweite Fall des § 86 betrifft den Wegfall der Prozeßfähigkeit bzw. den der gesetzlichen Prozeßvertretung (vgl. §§ 241, 246). B I. Bei physischen Vollmachtgebern kann dies durch Geisteskrankheit geschehen; doch genügt es, wenn die Prozeßvollmacht im lichten Augenblick erteilt oder bestätigt wurde (RGZ 118/122 [125]). Die Prozeßfähigkeit entfällt ferner durch Entmündigung (RGZ 118/122 [125]), aber auch nach §53 oder durch den Wegfall des gesetzlichen Vertreters (durch seinen Tod oder den Eintritt seiner Prozeßunfähigkeit, § 51 D II), aber auch durch Eintritt der
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§86 Bi
Volljährigkeit oder durch Aufhebung der Entmündigung oder den Wechsel in der Person des gesetzlichen Vertreters (OLG 30/24); bei juristischen Personen durch Wegfall ihres gesetzlichen Vertreters. a) Entsprechend behandelt die herrschende Amtstheorie die Fälle des Wegfalls der Parteien kraft Amtes (§ 50 G III) bezüglich der Vollmacht. b) Über den Widerruf der Vollmacht vgl. § 87 A I. B II. Nicht von § 86 erfaßt wird der Eintritt des Eonkurses, der nach § 240 das Verfahren — trotz der Bestellung des Postulationfähigen — unterbricht. Damit endet seine Bestellung im Prozeß, selbst wenn die Prozeßvollmacht des Gemeinschuldners bestehen bleiben sollte (ohne daß § 87 anzuwenden ist), was allerdings nach der h. M. im Regelfall nicht zutrifft (RGZ 118/158 [162]). Aus dem Erlöschen der Vollmacht folgt, daß die Gemeinschuldner nach Aufhebung des Konkurses die Handlungen des vom Konkursverwalter bestellten Prozeßbevollmächtigten gegen sich gelten lassen müssen, bis sie sie nach § 87 wirksam widerrufen (RG JW 10/94321), und daß nicht etwa der alte Prozeßbevollmächtigte, den sie vor Eröffnung des Konkurses bevollmächtigt hatten, sie unter Aufleben seiner alten Bestellung vertritt. Hiervon nimmt die h. M. den Fall aus, wo der Konkursverwalter selbst postulationfähig war (RG JW 10/62321). Wie der Konkurs ist der Nachlaßkonkurs zu behandeln (vgl. §§ 243, 240); die Eröffnung des Vergleichverfahrens unterbricht dagegen das Verfahren nicht und gehört nioht hierher. C. Die Fostulationfähigkeit kann auch in der Person des Bevollmächtigten enden. C I. Zur Unterbrechung des Verfahrens (§ 244) führt dies nur im Anwaltprozeß (§ 78 I). 0 II. Darüber, daß der Eintritt der Postulationunfähigkeit die Prozeßvollmacht nicht beendet, vgl. § 81 A II b 7. D. Ferner endet die Prozeßvollmacht mit dem Ende des Rechtstreits, wenn sie nur für ihn erteilt ist. Über den Umfang der Instanzvollmacht vgl. § 81 A II c 1, die Zwischeninstanz zählt dabei zur unteren (RGZ 68/247 [256]).
§ 87
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I Dem Gegner gegenüber, erlangt die Kündigung des Vollmachtsvertrags erst dnrch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. II Der Bevollmächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat. A. § 87 regelt den Widerruf der Bestellung (des Postulationfähigen) zum Prozeßbevollmächtigten (§ 80 A I) in den Fällen, wo der Bevollmächtigende oder der Bevollmächtigte ihn herbeiführen wollen. Getroffen wird aber stets nur die durch den Willen der Partei bzw. ihres Prozeßbevollmächtigten herbeigeführte Beendigung der Prozeßvollmacht; auf andere Entziehunggründe ist § 87 unanwendbar (vgl. § 86 B II). A I. Wie die Prozeßvollmacht eines Bevollmächtigten, der sich im Prozeß noch nicht bestellt hat, widerrufen wird, entscheidet allein das außerprozessuale Recht. Dies gilt auch von der Bevollmächtigung des Zustellungvertreters (RG JW 35/24306, vgl. § 78 A II). A II a) Im sog. ParteiprozeO (§ 79 A) wird der Widerruf der Bestellung wirksam, wenn die „Partei" (§ 50 B) bzw. ihr (außerprozessualer) Prozeßbevollmächtigter dies dem Gericht mitteilen. b) Im AnwaltprozeS wird die Bestellung des alten Prozeßbevollmächtigten erst unwirksam, wenn sich ein neuer Anwalt bestellt hat. Dies kann sich nur gegenüber dem Gericht vollziehen (OGH J R 51/533), nicht gegenüber dem Gegner (die h. M. spricht davon, daß auch ihm gegenüber dies zu erklären ist, vgl. OLG HRR 38/460). Solange die Anzeige der Neubestellung des anderen Anwalts dem Gericht nicht zugegangen ist, muß es noch dem alten
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Allb
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Prozeßbevollmächtigten zustellen (RG J W 26/809 4 ). Auch im Anwaltprozeß hat das Gericht die schriftliche Anzeige dem Gegner mitzuteilen, wie jeden Schriftsatz (vgl. § 261 b I); die reine Erklärung in der mündlichen Verhandlung wird ihren Niederschlag im Protokoll finden müssen, so daß selbst die in Abwesenheit des Gegners abgegebene ihm so bekannt werden kann, wenn man ihm die Abschrift des Protokolls mitteilt, was geschehen sollte. Wichtig ist die Mitteilung an den Gegner nur noch für die Urteilzustellungen, die er zu bewirken hat (vgl. § 317 I, soweit nicht hier das Sonderrecht der §§ 625, 640, 660, 662, 678, 685, ArbGG § 50 Platz greift), für Anhang- und Folgeprozesse (vgl. § 81 A II b 3) wie im Falle des § 198. Auf die Mitteilung an den Gegner kann es nur insoweit ankommen, wie sich der Angekündigte noch nicht bestellt hat. Dann ist über die Wirksamkeit dieser Mitteilung nach außerprozessualem Recht zu entscheiden. b 1. Der Bestellung eines neuen Postulationsfähigen bedarf es indes nicht, wo der alte gar nicht postulationfähig war oder seine Postulationfähigkeit verliert. b 2. Bleibt indes der alte Anwalt postulationfähig, so muß ein neuer (postulationfähiger) Anwalt als Prozeßbevollmächtigter bestellt werden (RGZ 60/269 [271]), bevor er seine Rechte aus der Bestellung als Postulationfähiger verliert (vom Fall des § 89 abgesehen). Erst wenn sich der neue Prozeßbevollmächtigte bestellt hat (§ 87 A II b) darf und muß nur dem neuen zugestellt werden (RG J W 32/1553 6 ). A III. Die h. M. nimmt an, daß die Widerrufanzeige keiner besonderen Form bedürfe und daß sie auch durch schlüssiges Handeln (RG J W 32/1553°) bewirkt werden könne. Ist indes schon ein Postulationfähiger im Prozeß, so liegt in der Anzeige eines weiteren Postulationfähigen und seiner Bestellung nicht der Widerruf der Bestellung des alten Postulationfähigen, sondern es ist § 84 anzuwenden. Bei solchen nebeneinander bestellten postulationfäliigen Prozeßbevollmächtigten kann auch nicht der eine namens der Partei die Vollmacht des anderen widerrufen, vielmehr muß dies der „Partei" überlassen werden, wenn auch jeder Postulationfähige von sich aus seine Bestellung widerrufen darf. a) Widerruft die „Partei" nur gegenüber dem Bevollmächtigten ohne Anzeige an Gericht und bzw. oder Gegner, so bleibt der Postulationfähige ihr bestellter Bevollmächtigter. Doch wird man ihn in diesem Falle für verpflichtet halten müssen, den Widerruf anzuzeigen. Die Kündigung des Prozeßführungs-(Geschäftsbesorgungs-)vertrages (BGB § 675) durch den Vollmachtgeber enthält dabei zugleich den Widerruf der Vollmacht (BGB § 168 I 2), während die außerprozessuale Vollmacht auch ohne Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags widerrufen werden kann, was bei der Prozeßvollmacht schwerlich eintreten wird. b) Das Gericht hat keinen Einfluß auf den Widerruf. Zwar bestellt das Gericht den Armenanwalt. In der Entziehung des Armenrechts liegt aber überhaupt keine Abberufung des bestellten Postulationfähigen (RG J W 32/109 2 ). Aber auch in der Abberufung des einen Postulationfähigen und der Beiordnung eines anderen liegt sie nicht. B. Im Anwaltsprozeß können der Widerruf der Prozeßvollmacht und die Neubestellung auseinanderfallen. B I. Hat die Partei die Prozeßvollmacht des postulationfähigen Anwalts im Anwaltprozeß widerrufen, so wird das Handeln des Postulationfähigen zu dem ohne Vertretungmacht (§ 89) und muß zurückgewiesen werden. Vor Bestellung eines neuen Anwalts bleibt er indes hier (im Gegensatz zu dem Vertreter ohne Vertretungmacht, der es von Anfang an war) Erklärung(Zustellung-)empfänger (RG J W 35/2430 6 ). B II. Soweit der Prozeßbevollmächtigte (gleichviel ob im Partei- oder im Anwaltprozeß) von sich ans widerruft (kündigt), darf er trotzdessen für den Vollmachtgeber so lange handeln, bis dieser für die Wahrnehmung seiner Rechte anderweit gesorgt hat (also trotz seiner Anzeige). a) Zur Fürsorge verpflichtet ist aber der Prozeßbevollmächtigte nicht. Der Partei kann deshalb auch sein Verschulden nicht mehr zur Last fallen (BGH LM-ZPO § 232/14). B III. Der Widerruf der Bestellung und erst recht der bloße Widerruf der Vollmacht hebt die Prozeßhandlungen des früher Bestellten nicht ohne weiteres auf; der im schriftlichen Verfahren einmal gestellte Antrag wirkt trotz Niederlegung fort (BGH MDR B 183/58).
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Prozeßbevollmächtigte und Beistände
§ 88
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I Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden. II Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist. A. Während der Mangel der gesetzlichen Vertretung (über den Unterschied zur gewillkürten vgl. § 78 A II) stets von gerichts wegen (§ 56) zu beachten ist, gleichviel ob der unrichtige gesetzliche Vertreter als solcher vor Gericht auftritt oder Vollmacht erteilt hat (RG J W 03/34) und unter § 274 II 7 fällt, ist darauf, daß die Vollmacht erteilt ist, nur im Rahmen des § 88 zu achten. A I a) Hat sie ein Prozeßfähiger erteilt, etwa jemand, der sich anmaßt, gesetzlicher Vertreter zu sein, ist die Vollmacht nicht mangelhaft, wohl aber fehlt es an der richtigen gesetzlichen Vertretung (RG J W 03/3 4 ). b) Ob der Mangel in einem früheren Zeitpunkt bestanden hat, etwa in der früheren Instanz (RG JW 26/8073), ist gleichgültig. b 1. Der Mangel der Vollmacht entfällt mit rückwirkender Kraft, sowie die Vollmacht erteilt wird (RGZ 86/245 [2461; 161/350 [351]; dies gilt auch für die außerprozessualen Folgen, RG J W 15/36 20 ). Von einer Genehmigung kann indes nur gesprochen werden, wo von vornherein der Prozeß auf den Namen der Partei geführt wurde (BGH NJW 58/338), dann allerdings auch, wenn bisher ein unrichtiger gesetzlicher Vertreter den Prozeß geführt hatte (a. M. unter dem Gesichtswinkel der „Partei kraft Amtes", wenn den Prozeß zunächst der ostzonale Inhaber führt, vom westzonalen die Prozeßführung aber genehmigt wird, OGHZ 2/1). Doch ließ RGZ 110/228 (230) die Genehmigung, die sich nicht auf die Prozeßführung als ganze, sondern nur auf einzelne Teile erstreckt hat, nicht gelten; im Anwaltprozeß (§781) folgt dies aus § 83 I; im Parteiprozeß gilt dies aber nicht (§ 83 II). b 2. Je nachdem, ob durch Eintritt in den Prozeß oder außerhalb des Prozesses genehmigt wird, ist die Erklärung eine einseitige, empfangsbedürftige, prozessuale bzw. außerprozessuale Willenserklärung. Ist sie eine prozessuale, so unterliegt sie in bezug auf die Prozeßhandlungen (nicht in bezug auf die außerprozessualen Willenserklärungen, vgl. § 81 B III) den Regeln des Prozeßrechts (RGZ 64/211 [217], ist also unanfechtbar, mit ihrem Zugang unwiderruflich für die Vergangenheit, widerruflich aber so wie eine für die Zukunft wirkende Prozeßvollmacht auch sonst, § 80 B II b 2; ihre Abgabe gegenüber dem Gericht genügt). Im übrigen wirkt sie rein außerprozessual als Willenserklärung (RGZ 30/389 [393 f.], wie auch sonst die Prozeßvollmacht, vgl. § 80 B II b 2). Sie ist in beiden Fällen formlos gültig (vgl. auch § 80 B II b 4). So lange der Prozeß schwebt, genügt für die Partei dabei die Kenntnis, daß ein Prozeß schwebt, wobei in der nachträglichen Erteilung der Prozeßvollmacht dann die Genehmigung der gesamten bisherigen Prozeßführung liegt, soweit nicht die Vollmacht beschränkt erteilt wird (§83 II). b 8. Besteht der Mangel, so ist der als Bevollmächtigter Auftretende vollmachtloser ProzeBvertreter i. S. des § 89. b 4. Unwirksam werden die Prozeßhandlungen des vollmachtlosen Vertreters, sofern rechtskräftig (§ 705 A) entschieden worden ist, erst mit der Zulassung der Wiederaufnahmeklage in diesem Verfahren und darüber hinaus mit der darauf ergehenden Entscheidung, sonst mit der Zurückweisung des Scheinbevollmächtigten (§ 89 A) für die von ihm vorgenommenen Prozeßhandlungen, nicht aber schon für seine außerprozessualen Erklärungen, für die BGB §§ 179 folg. gelten. Auch bedeutet die Versagung der Genehmigung, daß der Mangel nicht mehr heilbar ist (BGH LM-ZPO § 97/4). wobei allerdings die Versagung derselben (prozessualen) Form wie die Genehmigung bedarf (in bezug auf das außerprozessuale Recht vgl. BGB § 182 II). A II. Darüber hinaus kann der Vollmachtmangel darin bestehen, daß die konkrete vorgenommene Handlung von der Prozeßvollmacht nicht gedeckt wird, weil die Prozeßvollmacht etwa nach § 83 II wirksam beschränkt worden ist. In diesem Fall darf nur die die Vollmacht überschreitende Handlung zurückgewiesen werden. Der Vergleich ist allerdings nur schwebend unwirksam, weil hier noch genehmigt werden kann.
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§88
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B. § 80 geht davon aus, daß die Vollmacht schriftlich erteilt wird (darüber, daß aber auch die mündlich erteilte gilt, vgl. § 80 B II b 4). § 88 ergibt indes, daß im sog. Parteienprozeß (§ 79 A) die Urkunde stets, im Anwaltsprozeß (§ 78 I) dagegen auf Verlangen des Gegners vorzulegen ist (wobei §§ 613 I 2, 640 die Vorlegung stets anordnen); schließlich darf auch noch auf Antrag die Beglaubigung der Unterschrift angeordnet werden (§ 80 II). B I. Der Mangel, daß eine vorzulegende Vollmachturkunde (u. U. mit beglaubigter Unterschrift) nicht vorgelegt wird, wird erst im Zeitpunkt der Endentscheidung beachtlich, nicht schon zu Beginn des Verfahrens (dies entspricht der ständigen Praxis der höheren Gerichte in Ehesachen; es ist deshalb auch nicht die Beibringung der Urkunde z. Z. der Einlegung des Rechtsmittels, auch nicht bei einer Beschwerde erforderlich, wenn sie nur noch nachgebracht wird: KG OLG 39/37, OLG J W 32/2898 16 ; a. M. OLG 19/126). Darüber, ob auch der bestellte Armenanwalt eine besondere Vollmachtsurkunde vorlegen muß, vgl. § 116 A II a 1. Die Zurückweisung wegen verspätet beigebrachter Urkunde ist ausgeschlossen. Auch die nach dem Verhandlungschluß (§ 136 B II) beigebrachte ist noch zu beachten. Für das Erlöschen der Vollmacht gilt § 87. B II a) § 881 gibt dem Prozeßgegner das unverzichtbare (§ 295 I ist unanwendbar; vgl. RG Gruch. 44/1170) Recht, in jeder Lage des Verfahrens jeden dieser Mängel zu rügen. Die Rüge wirkt nur, soweit ein Verfahren offen ist, also nicht mit rückwirkender Kraft für geschlossene Verfahren. Nach instanzmäßig beendetem Verfahren kann die Rüge nur durch Rechtsmittel geltend gemacht werden; für die Zustellung allein kann sie nicht erhoben werden. Soweit aber noch ein Verfahren anhängig ist, sei es auch ein Nachverfahren, wie etwa die Kostenfestsetzung, so ist in ihm der Rüge nachzugehen (KG J W 34/4951), und zwar selbst dann, wenn sie im Hauptverfahren nicht erhoben oder nicht beachtet worden ist. c) Auf die Rüge kommt es zu einem Zwischenstreit der Parteien (OLG 9/54). Das Gericht muß die Vorlegung der Vollmachturkunde (auf besonderen und begründeten Antrag eines Gegners mit öffentlich beglaubigter Unterschrift) anordnen. Die Rüge nötigt aber nicht zu sofortiger Prüfung; entschieden wird sodann über die Rüge in der mündlichen Verhandlung (OLG JW 21/91111). Deshalb geht es nicht an, die Terminanberaumung abzulehnen, solange nicht die Vollmachturkunde im sog. Parteienprozeß beigebracht worden ist. Wird auch in der mündlichen Verhandlung die Urkunde nicht sofort beigebracht (dies gilt auch in den Fällen des § 88 II), so soll sie das Gericht herbeischaffen lassen und wird hierzu den angeblichen Bevollmächtigten regelmäßig nach § 89 zulassen oder wenigstens vertagen (vgl. auch OLG JW 32/289815). Zu dem Termin ist der Bevollmächtigte als Parteivertreter zu laden, nicht etwa die Partei selbst (RG N § 89/9). Selbst wenn er zurückgewiesen wird, darf er namens der Partei (mit der Begründung eines prozeß ordnungswidrigen Verfahrens) Beschwerde einlegen (RGZ 51/981.) und dort vertreten. B i n . Die Vollmacht des Bevollmächtigten ist Prozeßbedingung (§ 274 A I a). a) Doch weicht der Begriff des Parteistreits hier von dem zu §§ 78, 79 gegebenen insoweit ab, wie die Prozeßvollmacht des postnlationfähigen Anwalts auch in den in § 78 II erwähnten Verfahren nicht nachgeprüft wird, soweit dies in denen nach § 78 I nicht geschieht (RG Warn 11/306; a. M. RG JW 97/3424 für das Armenrechtsverfahren; KG OLG 6/424 bei einer einstweiligen Verfügung; KG KGB1. 04/6 bei der Zwangsvollstreckung). Dies gilt auch in den Verfahren vor dem beauftragten oder dem ersuchten Richter und für den Zustellungbevollmächtigten des Anwalts (RG J W 35/2430®). War indes der Anwalt im Hauptverfahren (vgl. § 78 I) nicht aufgetreten, so ist die Vollmacht in den Verfahren nach § 78 II wie im sog. Parteiprozeß nachzuprüfen (KG J W 25/23429). c) Die Echtheit der Vollmacht braucht das Gericht nur nachzuprüfen, wenn besondere Umstände dies mit sich bringen. B IV. Inwieweit die eigene Partei die Vollmacht des Scheinbevollmächtigten rügen darf, wird in § 88 nicht berührt. Die eigene Partei darf den Mangel der Bevollmächtigung (nicht den der fehlenden Urkunde) jederzeit rügen durch Eintritt in das Verfahren, auch durch Rechtsmittel (§§ 539, 551 1 5, vgl. RGZ 47/413) und durch Wiederaufnahmeklage (§ 579 I 4, RGZ 161/92).
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§88
BIV
a) Wer die Kosten in diesem Fall zu tragen hat, ist streitig. Unterliegt die nicht vertreten gewesene Partei, so sind sie ihr aufzubürden, unterliegt der Gegner, so trägt vom Eintritt ab die Kosten die Gegenpartei, welche sich dagegen zur Wehr setzt (sofortige Anerkenntnisse bzw. Verzichte über den außerprozessualen Anspruch gibt es hier nicht, so daß § 93 nicht anwendbar ist). Nur wenn es zu einer rein formalen Entscheidung kommt (Klageabweisung als unzulässig wegen NichtVertretung), könnten sie dem vollmachtlosen Vertreter für das vorangegangene Verfahren auferlegt werden (vgl. § 102 A II b). b) Das Recht des Eintritts hat aber nur die Partei selbst gegenüber ihrem vollmachtlosen Vertreter, nicht einer ihrer Streitgenossen oder ihr Streitgehilfe. Über das Recht des unselbständigen Streitgehilfen vgl. § 88 B II b. Geht gar die Streitverkündung von einem vollmachtlosen Vertreter aus, so braucht sie nicht beachtet zu werden. Auch sollte man hier bei nachträglicher Genehmigung nicht rückwirkende Kraft annehmen und die Genehmigung nur wirken lassen, wenn sie dem Streitverkündeten mitgeteilt wird, weil er außerhalb des Prozesses bleibt. C. Auf stillschweigendes Ausscheiden eines postulationfähigen Anwalts darf sich niemand berufen. Abgesehen hiervon, hat das Gericht nur ausdrücklich zu entscheiden, wenn dies von einer Partei, welche durch die Zurückweisung bzw. NichtZurückweisung beschwert ist, beantragt wird. C I. Wird auf Bestehen der Vollmacht erkannt bzw. darauf, daß die vorgelegte Urkunde echt oder daß die Beglaubigung der Unterschrift nicht erforderlich ist, so kann dies entweder durch Zwischenurteil oder in den Gründen des Endurteils geschehen. Das Zwischenurteil ist nicht besonders anfechtbar, wohl aber zusammen mit dem Endurteil (§§512, 548). Auch bei ausdrücklicher Prüfung ist aber ein Verfahren nach § 579 I 4 nicht ausgeschlossen. C II. Steht der Mangel der Vollmacht (vgl. § 88 B I) fest und ist er auch nicht (mehr) behebbar, a) so wird der nicht legitimierte Vertreter aus dem Rechtstreit a 1. durch Beschluß (nicht durch Zwischenurteil) hinausgewiesen; doch genügt auch die Zurückweisung in den Gründen der Endentscheidung. Die h. M. hält auch im Erkenntnisverfahren für die Zurückweisung keine mündliche Verhandlung für erforderlich (RGZ 3/404). a 2. Gegen den Zurückweisungbeschluß hat die Partei, deren Bevollmächtigter zurückgewiesen wird, das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde, uDd deshalb muß es auch dem zurückgewiesenen Vertreter namens der Partei (nicht aber im eigenen Namen) zustehen (RGZ 51/98). Nur gegen ihn selbst treffende Kostenentscheidungen darf der Zurückgewiesene aus eigenem Recht die sofortige Beschwerde einlegen (RG J W 02/89 2 ). Die Gegenpartei hat das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, wenn die Kostenentscheidung, die sie entlastet, verweigert wird. Darüber hinaus hat sie keinen Rechtsbehelf, da sie verfahrensmäßig nicht die Vertretung ihres Gegners durch einen bestimmten Prozeßbevollmächtigten erzwingen kann. a 3. Ist jemand vom Gegner zu Unrecht als Prozeßvertreter eines dritten benannt worden, so darf er zur Klarstellung, daß er nicht Prozeßvertreter ist, in das Verfahren eintreten (etwa wenn ihm eine Klage zugestellt wird). Sodann ist darüber zu entscheiden; ist er Prozeßvertreter, so wird dies durch Zwischenurteil oder in den Gründen des Endurteils erkannt; ist er es nicht, so wird er auch hier aus dem Streit gewiesen, aber zur Kostenlast des Gegners, der ihn zu Unrecht als Prozeßbevollmächtigten genannt hatte. Wird sachlich erkannt, so h a t der Vertreter keinen Rechtsbehelf (denn er hat kein eigenes Recht und leugnet selbst, Prozeßvertreter der Partei zu sein; mit diesem Argument darf er insoweit nicht gehört werden, anders aber, wenn er aus anderen Gründen als diesen namens der Partei das Erkenntnis angreifen will), wohl aber die belastete Partei mit der Begründung, es sei nicht ihr Vertreter, aber Dicht der Gegner. Wird der Vertreter mit der Kostenbelastung des Gegners aus dem Streit gewiesen, so hat nur dieser die sofortige Beschwerde, nicht der Vertreter und nicht seine Partei, die ja seine Prozeßvertreterstellung nicht erzwingen kann. b 1. Wurde die Klageerhebung schon durch den bestehen gebliebenen Mangel betroffen, so ist die Klage durch Prozeßurteil abzuweisen (RGZ 30/398 [401]). Das Urteil ist dabei auf den Namen der Partei zu stellen; doch sind in diesem Falle die Kosten dem Vertreter aufzuerlegen, falls § 102 oder § 89 gegeben sind (Kommentar § 88 A IV b 1), andernfalls treffen sie die nicht
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cIibl
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vertretene Partei. Anders ist dies, wenn die Klageerhebung mangelfrei war und nur der mit dem Mangel der Vollmacht behaftete Vertreter später auftritt, dann ist auf Antrag durch Versäumnisurteil bzw. nach Aktenlage zu entscheiden. Gegen den Beklagten, der durch einen nicht legitimierten Vertreter vertreten ist, darf, wenn der Partei selbst oder ihrem legitimierten Vertreter zugestellt worden ist, Versäumnisurteil (§ 331) ergehen; ist dagegen dem nicht legitimierten Vertreter zugestellt worden, so ist zu vertagen (§ 335 I 2) und neu zu laden. b 2. Ist der Kläger von Klageerhebung an und auch in der Rechtsmittelinstanz mangelhaft vertreten, so ist auf das Rechtsmittel, gleichviel wer es eingelegt hat, die Klage durch Prozeßurteil (als unzulässig) abzuweisen (vgl. RGZ 11/93f.); die Kosten treffen sodann den Kläger. Ist dagegen die Klage ordnungmäßig erhoben worden und ist der Rechtsmittelkläger von Anfang der Rechtsmittelinstanz an (bis zu ihrem Schluß) mangelhaft vertreten, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (BGH LM-ZPO § 97/4). Tritt nach ordnungmäßiger Einlegung und Begründung ein nicht legitimierter Vertreter für den Rechtsmittelkläger auf, so ist durch Versäumnisurteil gegen den Rechtsmittelkläger zu erkennen (RGZ 67/149f.). I6t das Rechtsmittel zwar durch den Bevollmächtigten eingelegt, aber durch einen Nichtbevollmächtigten begründet, so ist es ebenfalls zu verwerfen, während im umgekehrten Fall die Einlegung durch den legitimierten Bevollmächtigten genehmigt wird. Ist die Klage nicht ordnungmäßig erhoben und war der Kläger von Anfang an (bis zum Schluß der Rechtsmittelinstanz) nicht durch einen legitimierten Vertreter vertreten, hat aber das Rechtsmittel ein nicht legitimierter Vertreter des Beklagten eingelegt, so ist dieses als unzulässig zu verwerfen; nur wenn zugleich der Beklagte von der ersten Zustellung an nicht ordnungmäßig vertreten war, ist die Klage durch Prozeßurteil abzuweisen. Für Versäumnisurteile ist hier kein Platz. Sind die Klage und das Rechtsmittel des Klägers in Ordnung, ist aber der Beklagte von der ersten Zustellung an mangelhaft vertreten, so ist eine ordnungmäßige Zustellung zu bewirken (und, falls er sich dann vertreten läßt, gegebenenfalls aufzuheben und zurückzuverweisen; §§ 539, 565). Versäumnisurteil gegen den Beklagten darf nur ergehen, wenn er ordnungmäßig geladen worden und nicht vertreten ist. Betraf der Mangel n u r das Rechtsmittel der Berufung, so ist in der Revisioninstanz die Berufung als unzulässig zu verwerfen, falls der Berufungkläger auch noch in der Revisioninstanz mangelhaft vertreten ist (denn er kann das Berufungverfahren genehmigen), gleichviel wer das Rechtsmittel der Revision eingelegt hat.
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I Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozeßführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. Ist zu der Zeit, zu der das Endurteil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozeßführung Zugelassene zum Ersatz der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen. II Die Partei muß die Prozeßführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. A. § 89 I behandelt den vollmachtlosen Prozeßvertreter und den, der eine Vollmachturkunde bzw. die mit beglaubigter Unterschrift in den Fällen des § 80 I I nicht beibringen konnte (vgl. R G Warn. 13/118). A I. Die Norm gilt aber nicht, wo zwar die Vollmacht mangelt, der Mangel aber nicht beachtet bzw. aufgedeckt wird. Fordert etwa im Anwaltprozeß der Gegner nicht die Vorlegung der Vollmacht, so wird regelmäßig weder einstweilen zugelassen noch darf dann eine Nachweisfrist gesetzt werden (RGZ 67/149 [151]), und vor allem gibt es keine Kosten- Und Schadenregelung nach § 89. Ob nach außerprozessualem Recht sieh solche Ansprüche ergeben
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§89
AI
können, richtet sich allein nach diesem, während sie im Fall des § 89 nach dieser Bestimmung gegeben sind, selbst wenn sonstige außerprozessuale Gründe (im besonderen ein erforderlich werdendes Verschulden des Vertreters) nicht gegeben sind. a) Wird der Mangel im Prozeß aufgedeckt, ohne daß es zu einer einstweiligen gerichtlichen Zulassung i. S. des § 89 kommt, so ist auch die Kosten- und Schadenregelung dieser Bestimmung nicht unmittelbar anzuwenden. Hängt der Mangel mit der Prozeßunfähigkeit der Partei zusammen, so treffen den Vertreter die Kosten nicht (RGZ 53/65 [67]). b) Doch ist die Rechtsprechung nicht einheitlich; denn man hat auch dem unrichtigen gesetzlichen Vertreter bzw. dem, der seine gesetzliche Vertretungsmacht überschreitet, Kosten entsprechend § 89 auferlegt (§ 56 C IV b ; vgl. auch §98 A II). A l l . Ist dagegen eine Vollmachturkunde dem Gericht vorzulegen (Hauptfall: §88 11) oder fordert dies der Gegner (Hauptfall: § 88 I), so darf das Gericht nach § 89 (vgl. aber § 88 B I I c) einen solchen Vertreter sofort zurückweisen (auch stillschweigend; im Streitfalle aber durch Beschluß, vgl. § 88 C II A 1), aber auch nach seinem Ermessen, das in der Revisioninstanz nicht nachprüfbar ist (RG JW15/146 1 1 ), nach § 89 1 1 einstweilen zulassen. Dasselbe gilt für die sonstigen Vertreter ohne Vollmacht. b) Einstweilig zugelassen wird regelmäßig stillschweigend, also ohne ausdrücklichen Beschluß, wenn der Gegner nicht widerspricht (RGZ 67/149 [151]). b 2. Ausdrücklich ist über sie nur im Streitfalle (durch Beschluß) zu entscheiden, wenn einstweilen zugelassen wird oder wenn dies nur gegen Sicherheitleistung geschieht. Der Beschluß wird im Erkenntnisverfahren auf Grund mündlicher Verhandlung (bzw. im schriftlichen Verfahren nach §§12811, 251a, 331a bzw. bei freigestellt mündlicher Verhandlung schriftlich) erlassen. c) Der Beschluß, der einstweilen zuläßt, ist unanfechtbar, wenn in ihm zugleich eine Frist zur Behebung des Mangels gesetzt worden ist. Wird die Frist nicht gesetzt, so ist die Beschwerde nach § 252 in entsprechender Anwendung zulässig. Ist ein Vertreter indes einstweilen ohne Fristsetzung zugelassen, so genügt nicht, daß ihm eine Auflage zur Beibringung der Vollmachturkunde gemacht wurde; es muß vielmehr zuvor die Fristsetzung nachgeholt werden. Über die Abkürzung wie die Verlängerung der Frist entscheidet § 224 II. B. Die einstweilige Zulassung bewirkt, daß der Vertreter wie ein Bevollmächtigter behandelt wird (RGZ 67/149 [151], § 88 C II a), und zwar bis zu seiner Zurückweisung (die aber nicht rechtskräftig zu werden braucht), so daß er also nicht bloß während die Frist läuft (dann allerdings stets, OLG 33/75), sondern auch danach als Bevollmächtigter zu behandeln ist (RGZ 67/149f.: für die Ladung zum Termin). Auch kann er noch nach Fristablauf den Mangel beheben (OLG 40/353, 42/4). Mit der Zurückweisung (also dem Erlaß des Beschlusses und für den Gegner mit der Bekanntgabe an ihn, weshalb er ihm zugestellt werden sollte) erlischt die Bevollmächtigtenstellung des einstweilen (gerichtlich) zugelassenen (oder auch nicht zugelassenen) Vertreters, selbst wenn der Beschluß noch nicht rechtskräftig ist, vorbehaltlich des Wiederauflebens im Beschwerdeverfahren bzw. durch die Beschwerdeentscheidung. B I. Wenn auch die einstweilige Zulassung grundsätzlich für und gegen die übrigen Prozeßbeteiligten wie die Bevollmächtigung wirkt, so darf doch grundsätzlich keine Entscheidung erlassen, werden, welche endgültige Wirkungen äußert, so lange die Zulassung bloß als einstweilige besteht. a) Auch die besonderen Wirkungen des Prozeßvergleichs — nämlich seine Vollstreckbarkeit — können im sog. Parteiprozeß (vgl. § 79 A) erst eintreten, wenn der Mangel behoben ist. Wird im Anwaltprozeß die fehlende Vollmacht gerügt, so wird regelmäßig im Vergleichschluß die Rücknahme der Rüge zu sehen sein, womit sie sich im Zweifel erledigt. B II. Darüber, wie zu verfahren ist, wenn der — endgültige — Mangel feststeht, vgl. § 88 C II. § 89 I 3 regelt dann gegenüber dem, welcher einstweilen (gerichtlich) zur Prozeßführung zugelassen war, die Kosten- und Schadenlast. a) Genehmigt die Partei die Prozeßführung (§ 88 A I b 1), oder hatte sie auch nur mündlich Prozeßvollmacht erteilt, so muß die Partei die Prozeßführung gegen sich gelten lassen
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§ 8 9 B II a
ZPO I. Buch
(§ 89 II). Der Beweis dieser mündlichen Bevollmächtigung bzw. der mündlichen Genehmigung (RGZ 86/245f.) ist durch jedes Beweismittel (nicht bloß durch Urkunden, wie sie §80 vorschreibt) zu führen (es gilt Ireie Beweiswürdigung nach § 286); schon aus der bloßen Anwesenheit der Partei im Termin kann auf sie geschlossen werden, wenn sie auch die Vollmachturkunde nicht erübrigt (OLG SächsAnn. 30/237 und § 87 I 2). Mündliche Vollmacht genügt also auch für die Klageerhebung (RG J W 15/36 20 ) oder für die Vorpfändung (§ 845, RGZ 64/212 [217]) oder für die Einlegung von Rechtsmitteln u. dgl. m. (vgl. RG J W 15/36 20 ). Wird dem bisherigen vollmachtlosen Vertreter Vollmacht erteilt, so ist ohne weiteres seine frühere Prozeßführung genehmigt (RGZ 96/245f.). b) Die Kosten- und Schadenlast besteht nur, wenn die Partei die Prozeßführung nicht genehmigt (OLG 42/4). b 1. Da der Schaden im neuen Prozeß geltend zu machen ist, besteht für den Vertreter (des Vorprozesses) nur die Beweislast für die Vollmacht bzw. die Genehmigung; und der Schadenersatzanspruch entfällt auch, wenn sie noch nach Beendigung des ersten Prozesses erklärt worden ist. Andererseits besteht der Anspruch auch, wenn den Vertreter des Eretprozesses kein Verschulden trifft. b 2. Die Prozeßkostenentscheidung darf dagegen auch ohne die Prüfung, ob der Vertreter mündlich bevollmächtigt ist oder seine Handlungen genehmigt wurden, gefällt werden (vgl. OLG J W 33/2960 4 ; in diesen Fällen h a t der Vertreter aber den Rückgriff gegenüber dem Vertretenen nach außerprozessualem Recht, BGB §§ 670, 675). Es ist nicht Aufgabe dieses Verfahrens, insoweit Beweise zu erheben. Im Erkenntnisprozeß wird über die Kosten auf Grund einer mündlichen Verhandlung entschieden bzw. nach § 128 II, und auch erst nach Fristablauf. Doch gibt es hier kein Säumnisverfahren. c) Die Haftung des als Vertreter Aufgetretenen und einstweilig Zugelassenen bezieht sich nur auf die durch sein Verhalten entstandenen Kosten, d. h. nicht die des gesamten Rechtstreits (RGZ 53/65 [67]). Insoweit dem vollmachtlosen Vertreter die Kosten aufzubürden sind, haftet die Partei nicht (RG J W 30/1489 5 ). Wird der Vertreter durch Beschluß (§ 88 C II a 1) aus dem Rechtstreit gewiesen, so sind ihm zugleich die ihn betreffenden Kosten aufzuerlegen (auch ohne Antrag des Gegners, OLG J W 18/571'); tritt er freiwillig ab, so genügt die Kostenentscheidung allein. Die Kostenbelastung darf der Vertreter, die Versagung der Entscheidung der Gegner mit der sofortigen Beschwerde (OLG 42/4) angreifen unter Anwendung des § 567 I I (RGZ 51/98 [100f.]; a. M. OLG J W 37/553, ZZP 68/62) und des §568 111 (RGZ 51/981.; a. M. RG J W 01/834 4 ). § 567 I I I gilt dagegen stets (RG N § 567 n. F./19). Auch hat die beschwerte Partei, wenn dem Vertreter die Kosten nicht auferlegt werden, das Recht der sofortigen Beschwerde (RGZ 107/56 [58]). Gegen die Entscheidung hat der beschwerte Vertreter (RG J W 02/89 2 ) das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, gegen ihre Unterlassung hat es die Gegenpartei.
§ 90
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I Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist. kann eine Partei mit jeder prozeßfähigen Person als Beistand erscheinen. II Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, insoweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird. A. § 90 regelt die Stellung des prozessualen Beistandes. Seine Stellung erstreckt sich nur auf die mündliche Verhandlung in Gegenwart der Partei (vgl. § 90 II). Im Anwaltprozeß ist er grundsätzlich nicht zugelassen (§ 78 I ; vgl. aber Truppenvertrag Art. 13 in GVG § 18 B IV h), sondern nur im sog. Parteiprozeß (vgl. § 79 A), doch darf der Beistand auch hier noch nach § 157 und im Ehesühneverfahren zurückgewiesen werden (§ 610). A I. Alle Erklärungen des Beistandes (nicht bloß die im Umfange des § 85 I 2) darf die (prozeßfähige) Partei widerrufen. Des Beistandes darf sich die Partei oder ihr gesetzlicher Vertreter bedienen, nicht aber der Beistand selbst eines anderen. Da aber der Beistand Erklärungen abgibt, muß auch er postulationfähig, d. h. voll prozeßfähig im Parteiprozeß sein (§§ 79, 90 I).
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Prozeßkosten Fünfter Titel Prozeßkosten
§ 91
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I Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfaßt auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Torschriften sind entsprechend anzuwenden. II Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht bei dem Prozeßgericht zugelassen ist und am Ort des Prozeßgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Der obsiegenden Partei sind die Mehrkosten nicht zu erstatten, die dadurch entstehen, daß der bei dem Prozeßgericht zugelassene Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozeßgericht oder eine auswärtige Abteilung dieses Gerichts befindet. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. III Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Abs. 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist. A I d) Erledigt sich die Klage nach Einreichung, aber vor Zustellung an den Gegner, so iat § 91a nicht anzuwenden (vgl. § 91 B I I c l ; OLG JMB1. NRW 54/284, BB 55/1105, SchlHA 51/113, LG NJW 57/1884, OLG NJW 55/1803 [wenn ein Antrag auf Erlaß eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung sich vor Entscheidung erledigt; vgl. § 91 E IVa 2]; a. M. BGH NJW 15175, OLG JMB1. NRW 55/136 [das dabei auf die Zeit der Einreichung der Klage es abstellt], NJW 54/1043, MDR 58/174). OLG NJW 60/251 hat § 9 1 a angewandt, wenn im Verfahren nach § 926 die Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Ob dem Kläger die Kosten, etwa auf Grund des Verzugs des Beklagten zu ersetzen sind, richtet sich dann nach außerprozessualem Recht (§§ 91 B IIo 1, 91a A II b 2). B. Die Prozeßkostenerstattung setzt regelmäßig einen Titel (§ 103), die Kostengrundentscheidung, voraus. B I a) Zum Kostenfestsetzungantrag berechtigt ist dann allein die im Titel als berechtigt erklärte (obsiegende) Partei; die unterliegende hat kein Kostenfestsetzungrecht; nur bei Verteilung nach Quoten darf jede Partei die Kostenfestsetzung betreiben (§ 106). b 1. Bei den sog. Parteien kraft Amtes (§ 50 B IV b) treffen die Kosten die — gesetzlich vertretene — Partei (nicht den sog. Amtsträger) persönlich (RG JW 01/183). b 2. Unstreitig treffen auch den gesetzlichen Vertreter der Partei keine Kosten (von der Auferlegung nach § 102, GKG § 47 abgesehen). b 3. Zu den Parteien (§ 50) des Kostenfestsetzungsverfahrens, die im Kostentitel genannt sind, gehören auch die Streitgehilfen (§§66foIg.); diese haben selbständige Erstattungsansprüche (§ 101), wenn sie obsiegen. Unterliegen die Streitgehilfen im Rechtsmittelverfahren, wo sich die Hauptpartei selbst nicht beteiligt hatte, so treffen sie allein die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, also nicht die Hauptpartei (§67 D U ; BGH v. 20. 3.1952 IV ZR 111/51).
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B II. Der Erstattungsanspruch ist ein aus dem Prozeßverhältnis (§ 38 B III) entstandener Anspruch und deshalb auch ausschließlich nach den Regeln der ZPO zu beurteilen (RGZ 22/421 [423]). Soweit er entstanden ist, überdeckt er jeden außerprozessualen Anspruch schlechthin und nimmt ihm jede Kraft. a) Die prozessual geregelte Erstattung und das besonders geregelte Kostenfestsetzungverfahren schließen — nach der hier vertretenen Auffassung — jede Klage auch aus sonstigen Klagegründen grundsätzlich aus. Anders ist dies, wenn keine Kostengrundentscheidung ergangen ist. b 1. Der Prozeßkostenerstattunganspruch als solcher wird nicht außerprozessnal abgesichert, weil der reine Prozeßkostenerstattunganspruch aus keinem Rechtsverhältnis der Parteien stammt. Er wird deshalb auch nicht nach BGB § 648 gesichert (OLG 1/398), seinetwegen kann kein Zurückbehaltungsrecht nach BGB § 273 geltend gemacht werden (OLG 16/358f.). Wurde indes auf Grund desselben Rechtsverhältnisses im Vorprozeß geklagt und ist dort ein vollstreckungsreifer Kostenerstattunganspruch entstanden, so darf im Folgeprozeß auch seinetwegen das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden (RG Warn. 14/241). b 2. Ihm können auch nicht die aus dem außerprozessualen Rechtsverhältnis stammenden Haftungbeschränkungen entgegengehalten werden, welche den übrigen Ansprüchen entgegengesetzt werden dürfen. Prozessiert deshalb der Erbe, so haftet er, auch wenn er für die sonstigen Ansprüche nur beschränkt haftet, für die Prozeßkosten unbeschränkt (RG HRR 30/455). Hatte indes schon der Erblasser im Streit gestanden, so ist der wegen seiner Prozeßführung entstandene Erstattungsanspruch beschränkbar, wenn die Erben den Streit nicht fortführen (a. M. auch wenn sie ihn fortführen, für die vor ihrem Eintritt entstandenen Kosten: OLG HRR 37/700). Das entsprechende gilt für die auf das Schiff beschränkte Haftung des Reeders (RGZ 33/79 [87]). Nicht anders darf aber der Konkursverwalter gestellt werden, der in den Prozeß eintritt; mit dem Eintritt werden die gesamten Kosten Masseschulden (vgl. RG JW 11/11451). c) Grundsätzlich gibt es keine Kostenerstattung ohne Kosten-(grund-)entscheidung (RGZ 22/421 f.), selbst wenn sonst ein außerprozessualer Anspruch gegeben wäre, dieser aber durch den prozessualen überdeckt ist. c 1. Doch müssen davon die Prozeßkosten ausgenommen werden, welche entstehen, wenn noch gar kein Prozeß läuft, so daß es zu keiner Kosten-(grund-)entscheidung kommen kann (also bei den vorprozessualen Prozeßkosten). Dieser Prozeßkostenanspruch darf durch besondere Klage geltend gemacht werden (vgl. RGZ 130/217f.), mag es auch zur Klageerhebung gekommen sein (OLG 13/96, a. M. OLG JW 32/116018) oder der Prozeß ohne Kostengrundentscheidung geendet haben (RGZ 66/186 [198]) oder möge Kostenersatz gefordert werden, welcher keine Prozeßkosten betrifft (RG DR 39 A 1796 9 ). Dahin gehören die Kosten der Beweissicherung, der kein Prozeß nachfolgt (RGZ 13/325). Der Anspruch ist nur begründet, wenn er einem (außerprozessualen) Rechtsverhältnis der Parteien entspringt und alle Voraussetzungen des außerprozessualen Rechts für ihn gegeben sind. Aber auch in diesen Fällen entscheidet grundsätzlich das Prozeßrecht über die Frage der Erstattungfähigkeit der Kosten (RG J W 26/15425, abweichend RGZ 66/186f., 150/37 [42]), im besonderen auch, wenn das Prozeßrecht die Kostenerstattung ausschließt (RArbGZ 20/88 [98]). Auf welche außerprozessualen Rechtsgrundlagen der Kostenerstattunganspruch gestützt wird, ist dabei gleichgültig. Jedenfalls kann er nicht anders sein als der, welcher gegeben wäre, wenn es zum Prozeß käme (vgl. aber unten). c 2. Ob es über die Prozeßkosten hinausgehende zu ersetzende auBerprozessuale Kosten gibt, hängt davon ab, ob man den außerprozessualen Prozeßkostenersatzanspruch ebenso weit abzugrenzen hat wie den prozessualen (vgl. § 91 B II c 1) und ob es jenseits dieser Grenze noch Ersatzansprüche gibt. So hat die Rechtsprechung unter dem Gesichtswinkel des Schadenersatzes weitergehende — außerprozessuale — Ansprüche zugebilligt, die indes durch § 717 II, I I I in entsprechender Anwendung beschränkt werden. Hierhin gehören die Schäden, welche dadurch entstanden sind, daß jemand, um Prozeßkosten aufwenden zu können, zu Notverkäufen gezwungen war und dadurch Schaden erlitt (RGZ 150/37 [40]) bzw. daß er Zinsen
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B II c 2
zu ihrer Aufbringung leisten muß (OLG 31/23 h a t sie nicht als erstattungfähig i m Kostenfestsetzungverfahren angesehen; mag der Zinsverlust auch durch Abhebung von Geldern von einem B a n k k o n t o entstanden sein: O L G H R R 3 2 / 1 1 6 3 , 1598, J W 3 2 / 2 9 0 5 2 8 , K G D R 42 A 6 2 9 1 8 ) . Auch die K o s t e n für eine Bürgschaftleistung, wenn die Durchführung der Vollstreckung gegen Bürgschaftleistung bewilligt war, gehören nicht in das Prozeßkostenerstattungrecht nach R G N § 91/62. Ebenso h a t R G Z 145/298folg. (doch wollen hier R G J W 2 5 / 2 7 5 3 2 , O L G 4 3 / 1 2 9 die Kosten dem Gegner nach B G B § 2 8 6 außerprozessual aufbürden) die K o s t e n zur Leistung einer Sicherheit nicht unter die erstattungfähigen Kosten gebracht (vgl. dazu § 788 B I I ) . Bedenklich ist die Rechtsprechung, soweit sie an sich unter das K o s t e n r e c h t fallende, nicht erstattungfähige K o s t e n durch besondere Klage geltend machen läßt, im besonderen etwa bei dem die gesetzlichen Gebühren übersteigenden Sonderhonorar ( R G J W 2 6 / 1 5 4 2 5 ) , aber auch bei Schäden anläßlich der Kostenaufbringung, abgesehen von denen, die n a c h § 717 I I , I I I zu ersetzen sind. Soweit eine endgültige Kosten-(grund-)entscheidung vorliegt, kann sie außerprozessual nicht mehr beseitigt werden; der mit dem Arrestgesuch kostenrechtlich zurückgewiesene Antragsteller behält sie auch dann, wenn er mit dem Hauptanspruch durchdringt, während umgekehrt § 945 dem Antraggegner, wenn er in der Hauptsache obsiegt, Ersatzansprüche wegen Arrestes und einstweiliger Verfügungen, die zu Unrecht gegen ihn erlassen wurden, gewährt. c 3 . Prozeßkosten nach Beendigung des Prozesses fallen unter §§ 91 folg., i m besonderen die der Vollstreckung, wo an den vorangegangenen Titel angeknüpft wird; hier brauchen die Vollstreckungkosten nicht festgesetzt zu werden (§ 788), können es aber. c 4. K o m m t es während des Prozesses zum Vergleich, so gilt § 98, falls nicht die Parteien die K o s t e n l a s t besonders regeln; hier wird bei gerichtlichen Vergleichen auf Grund des Vergleichs festgesetzt ( R G Z 7 8 / 2 8 6 f . ) . B e i einem gerichtlichen Vergleich ist der Kostenanspruch nicht einklagbar, anders i m Falle eines außergerichtlichen Vergleichs, der eine b e s t i m m t e Kostenregelun? trifft. c 5 . I s t der Kostenausspruch übergangen worden, so findet wegen der dadurch eingetretenen Isolierung keine Berichtigung von Gerichts wegen s t a t t (vgl. § 3 1 9 ) , sondern nur die Ergänzung nach § 3 2 1 auf Antrag einer Partei. R G Z 2 2 / 4 2 1 f., 126/99 (102) haben die K l a g e , wenn die (Kosten-)Titulierung versehentlich unterblieben und auch nach § 321 nicht mehr nachholbar war, nicht zugelassen. Doch lassen R G Z 130/217 (218), D R 39 A 1796 die K l a g e zu, wenn der Titel fehlt. c 6. Darüber hinaus gibt es indes Prozeßkostenvereinbarungen der Parteien, etwa wenn die eine P a r t e i einen Prozeß durchführen will, um eine höchstrichterliche Entscheidung zu erhalten und der Gegenpartei verspricht, die gesamtenKosten des R e c h t s t r e i t s zu übernehmen. Allerdings wird so ein Scheinstreit durchgeführt, die Vereinbarung sollte deshalb als nichtig behandelt werden; doch steht der Rückforderung der geleisteten K o s t e n dann B G B § § 8 1 4 , 817 entgegen. d) I m Verhältnis zu dritten gibt es keine Klageüberlagerung. d 1 . Soweit dritten (vollmacbtlosen oder bevollmächtigten Vertretern, Zeugen und Sachverständigen) Kosten auferlegt sind, ist die Partei, welcher sie zugesprochen worden sind, und, falls dies nicht geschehen ist, der, welcher sie sonst aufzuwenden h ä t t e , der E r s t a t t u n g a n s p r u c h i m Kostenfestsetzungverfahren gegeben; insoweit ist dann der Klageweg verschlossen. e 1. Über die E n t s t e h u n g des Anspruchs entscheidet der Zeitpunkt, in dem die K o s t e n grundentscheidung vollstreckbar wird; er ist auflösend bedingt durch die Rechtsbeständigkeit der Kostengrundentscheidung bzw. durch den Vergleich ( R G Z 124/2). I s t die Vollstreckung aufschiebend bedingt (durch Sicherheitleistung), so ist es auch er. W i r d die Entscheidung, auf der er beruht, aufgehoben so fällt auch er weg (dies gilt auch von der Beseitigung rechtskräftiger Entscheidungen, etwa i m F a l l e der §§ 578folg. oder der §§ 302, 599). e 2. Die Möglichkeit, daß er entstehen könnte, beginnt für den Kläger gegen den B e klagten damit frühestens ab Zugang der Klage (des ersten Antrags) bei dem Gericht, für den B e k l a g t e n m i t der KlageerhebuDg (§ 2 5 3 I), und soweit gegen ihn ohne vorangegangene B e nachrichtigung entschieden wird (gleichviel ob dies zulässig war, wie bei Arresten) oder n i c h t : 24
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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mit der gegen ihn gerichteten Entscheidung bzw. wenn er ohne Klagezustellung in ein Verfahren eintritt, mit seiner dem Gericht gegenüber abzugebenden Eintrittserklärung. Darauf, ob einseitig durch den Kläger (also ohne Zustimmung des Beklagten) die Klage (der Antrag) noch zurückgenommen werden kann, kommt es nicht an (vgl. § 2711). Man darf hier von der Anwartschaft des noch gar nicht bestimmten Obsiegenden sprechen. Darüber hinaus nehmen einige an, daß der Kostenerstattunganspruch von diesem Zeitpunkt ab schon — aufschiebend — bedingt entstanden sei (RGZ 145/13 [15]; nach RG H R R 29/1206 entstehen sie aufschiebend bedingt mit ihrem Erwachsen; sie werden fällig mit der Vollstreckbarkeit der Entscheidung, RGZ 62/198f.). e 3. Abgeschlossen ist die Entwicklung spätestens mit der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung, weil danach der Partei, welche obgesiegt hat, keine Kosten mehr auferlegt werden können, bzw. mit Fristablauf (§ 321 II), wenn die Hauptentscheidung ergangen, die Kostenentscheidung aber (versehentlich) unterblieben ist (ob man hier noch außerprozessuale Ansprüche gewährt, die auf dem Wege der Klage verfolgbar sind, darüber vgl. § 91 B II c 5) oder wenn der Kostengrundansprueh in den Fällen der §§ 271 III, 515 III, 556 verjährt ist (was zugleich mit dem Kostenerstattunganspruch geschieht, der in dreißig Jahren verjährt, OLG J W 38/3161 13 ). f ) Der Kostenerstattunganspruch ist ein außerprozessualer Anspruch (vgl. RGZ 110/400), wenn die Partei auch innerhalb des Prozesses über den Anspruch nicht verfügen kann, und, soweit er nicht Hauptanspruch ist, weder auf ihn verzichten noch ihn anerkennen kann, abgesehen von den Fällen, wo getrennte Kostenentscheidungen (etwa im Fall des § 93) zulässig sind (§ 308 II). f 1. Die Partei kann also, soweit der Kostenanspruch Folgeanspruch ist, über ihn allein nur bedingt prozessual bestimmen. f 2. Er ist deshalb auch (schon als Anwartschaft) abtretbar (OLG DR 40 A 111722). Dementsprechend ist er auch pfändbar und verpfändbar von demselben Zeitpunkt an. f 3. Aufrechenbar ist er allerdings erst nach Fälligkeit (vgl. BGB § 387), also keinesfalls vor seiner Entstehung (RG J W 01/422 1 ). Muß etwa noch ein gesonderter Kostenfestsetzungbeschluß ergehen, so tritt die Fälligkeit erst mit der Möglichkeit, ihn zu vollstrecken, ein (vgl. §798). Praktisch ist also die Aufrechnung vor Erlaß des Kostenfestsetzungbeschlusses auch in den anderen Fällen nicht zulässig, weil ja nicht feststeht, von welcher Möglichkeit der Urkundsbeamte Gebrauch machen wird (§ 105). Abweichend hiervon läßt die Aufrechnung schon früher zu: OLG H R R 30/1974; RGZ 145/13f. verlangt sie sogar schon im Prozeß. f 4. Eine Feststellungsklage über die Anwartschaft der Prozeßkostenerstattung ist unzulässig (§ 256), ebenso auch die Widerklage wegen des Kostenerstattunggrundanspruchs (vgl. OLG BayZ 08/443). Im Sinne des § 23 ist der Anspruch nicht als Vermögensrecht anzusehen (weil diese Bestimmung ein gegenwärtiges Vermögen, nicht das zukünftige betrifft), und er kann deshalb auch nicht allein durch Arrest gesichert werden (§ 916 II), ist aber im Kostenpauschquantum des Antragstellers mit zu sichern. g) Die außerprozessuale Verfügung über den Kostenerstattunganspruch begründet den auf Umschreibung der Vollstreckungklausel wie bei einer nach Rechtskraft eingetretenen Rechtsnachfolge und muß im Verfahren nach §§ 727, 731 geltend gemacht werden. g 1. Die außerprozessuale Verfügung ist aber im Prozeß bedeutungslos. Die Partei kann sich des prozessualen Bestimmungrechts über den Kostenanspruch nicht begeben. Der Übergang des Anspruchs (die Abtretung usw.) wird im Prozeß nicht (auch nicht durch Umstellung des Kostenantrags) beachtet (§§ 265, 266 sind unanwendbar). Auf Grund einer Parteivereinbarung können der Partei die Kosten nicht auferlegt werden (OLG SJZ 50/588). g 2. Rechnet eine Partei eine außerprozessuale Forderung gegen den Kostenerstattunganspruch auf, so berührt dies weder die Kostengrundentscheidung noch hindert die Aufrechnung das Festsetzungverfahren (a. M. OLG J W 36/3583") noch die Erteilung eines vollstreckbaren Kostenfestsetzungbeschlusses auf den Namen der Partei; es tritt aber auch nicht die Wirkung des § 322 II ein; der Vollstreckung kann nur nach § 767 entgegengetreten werden (die Frage ist streitig; RGZ 124/2, a. M. RGZ 62/188 [189], die Aufrechnung müsse schon vorher
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erklärt werden), gleichviel wann aufgerechnet wird. § 767 I I steht dem nicht entgegen (RArbGZ 18/2261.; a. M. RGZ 145/131.). Wird aber mit einem Kostenerstattunganspruch aus einem anderen Verfahren aufgerechnet, so ist der vollstreckungreife und fällige Kostenansprueh beachtlich, der sonstige aber unbeachtlich (BGB § 387); die Ausschlußwirkung des § 767 I I kann nur gegenüber solchen Ansprüchen auftreten. g 3. Das entsprechende gilt für die Abtretung, die Pfändung, die Verpfändung wie jede außerprozessuale Verfügung, die zulässig ist, im besonderen auch für die Zahlung (RGZ 62/188f.). Deshalb konnten auch die Kostenvorschüsse des Mannes, die er seiner Frau gewährt hat, nicht im Kostenfestsetzungverfahren abgesetzt werden (so OLG 17/126 f., D R 40 A 741 19 ; a. M. aber: KG J W 35/1252 3 , 38/2228 27 , D R 39 A 1587 18 ). Auch sonst darf grundsätzlich auf Rechte dritter nicht verwiesen werden (wie etwa darauf, daß die obsiegende Partei ihren Anwalt noch nicht bezahlt habe: § 91 E IV a). g 4. Doch beginnt sich aber wohl ein Gewohnheitrecht dahin zu bilden, daß liquide und unbestrittene Gegenansprüche berücksichtigt werden (so ausdrücklich KG J W 35/2901 24 ). g 5. Zulässig sind die Vollstreckunggegenklage (§ 767, RGZ 13/361) bzw. die Erinnerung an das Vollstreckunggericht (§§ 766, 775). g 6. Nachdem die Kosten erstattet sind, dürfen sie aber auf die Widerklage (vgl. § 717 II, III) zurückgefordert werden (RGZ 49/411). g 7. Zinsen von Kostenerstattungansprüchen läßt jetzt § 104 I 2 ab Verkündung des Urteils in Höhe von 4 % zu (vgl. dazu § 104 A I I I c). g 8. Umgekehrt kann die Partei außerprozessual nicht über die Prozeßkostenersatzansprüche ihres Armenanwalts, des ihr beigeordneten Gerichtsvollziehers, der Gerichtskasse verfügen (wenngleich sie alle diese Ansprüche prozeßrechtlich vernichten kann). B III. Über die Prozeßkosten ist auch ohne Parteiantrag zu entscheiden, wenn außer der Prozeßkostenentscheidung noch irgend etwas im Streit ist bzw. wenn sie bei vorangegangenem Teilurteil vorbehalten war (§ 308 II). Entschieden werden darf über die Kosten erst dann, wenn über die übrigen Streitpunkte erkannt worden ist (mag dies auch möglicherweise zugleich geschehen; nur bei Vollstreckbarkeitergänzungsentscheidungen nach §716 gibt es keine Kostenentscheidung mehr). a) Eine solche Schlußentscheidung der Instanz liegt regelmäßig a X. bei den Erkenntnisverfahren im Vollendurteil (§300); dazu gehören auch die Versäumnis- (§§ 330folg.) und ferner die Vorbehalturteile (§§ 302, 599) wie die Zwischenentscheidungen, welche die Kostenlast endgültig und ohne Rücksicht darauf, wer im H a u p t streit unterliegt, zu bestimmen haben (RGZ 45/408); deshalb ist die Entscheidung, durch welche die Aufnahme eines unterbrochenen Streits (§§ 239, 240) abgelehnt wird, mit der Kostenentscheidung zu versehen (RGZ 46/320). a 2. Endgültige Zwischenentscheidungen sind auch die, welche dritten gegenüber getroffen werden (§§7111, 135 II, 387 I I I , 402 i. V. m. 407, 408), die auch in den Fällen des Dolmetschers (vgl. GVG §§184 folg.) anwendbar sind, so daß auch in ihnen über die Kosten nach § 308 I I zu entscheiden ist (RG J W 99/140®). Auch die Kostenentscheidungen gegen dritte nach §§ 89, 102 sind hier zu nennen. a 3. I m Fall des § 109 sind ebenfalls die Kosten besonders zu behandeln, wobei schon der Beschluß nach dieser Vorschrift den Kostengrundtitel abgibt (vgl. §§ 109 IV, 794 I 3, 103 I). a 4. Abschließend wirken auch die ein Verfahren beendenden Beschlüsse und sind deshalb mit Kostenentscheidung zu versehen (wobei §§ 308 II, 321 entsprechend gelten). Dies gilt einmal für die Verfahren, welche selbständig mit einem Beschluß enden, wie im Falle der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen und Schiedsvergleichen (§§ 1042a I, 1044 1, 1044a III), bei Arresten und einstweiligen Verfügungen 916fol|r.), auch wenn es darum geht, daß dem Antragsgegner die Kosten aufzuerlegen sind (RG J W 01/120 2 ); werden deshalb Klage und Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, Berufung nur wegen der Hauptsache eingelegt, so bleibt die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers in der einstweiligen Verfügungsache, auch wenn der Antragsteller in der Hauptsache obsiegt (RGZ 24'
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B IQ a 4
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130/217 [220]). Wird ein Antrag zurückgenommen, so treflen die Kosten den Antragsteller (KG Seufi. 59/23). Das entsprechende gilt für die einstweiligen Verfügungverlahren nach § 672 im Entmündigungverfahren. Dagegen ergehen im Eheverfahren einstweilige Anordnungen nach § 627 c grundsätzlich — abgesehen von den Kosten des Aufhebungverfahrens (§ 6 2 7 b IV) — ohne Kostenentscheidungen; sondern hier werden die Kosten zu denen der Hauptsache geschlagen. a 5. Im amtsgerichtlichen Entmündigungverfahren (§§ 658, 682, 677, 685, OLG H R R 38/688) ist über die Kosten zu entscheiden. a 6. I m R«chtsmittelverfahren sind die das Rechtsmittel verwerfenden Beschlüsse (§§ 5 1 9 b I I , 5 5 4 a I I ) wie die das Rechtsmittel zurückweisenden Entscheidungen mit der Kostenentscheidung zu versehen (vgl. § 9 7 ) , auch im Verfahren über Beschwerden (und selbst wenn ihnen nur zum Teil stattgegeben wird, K G D R 40 A 2190 3 1 ). b) Unzulässig sind dagegen die Kostenentscheidungen b 1. im Armcnrechtsverfahren (§ 1 1 8 a IV, OLG H R R 39/775), b 2. bei sonstigen Zwischenentscheidungen (auch wenn sie bezüglich der Rechtsmittel wie Endurteile behandelt werden); dies gilt für die Zwischenurteile nach § 275 I I (RGZ 45/406 [408]), wie für die Grundurteile (§ 304; auch wenn die Berufunginstanz das Grundurteil fällt: R G J W 28/156 6 ). Dies gilt weiter für die Entscheidungen, die zugleich mit dem Endurteil anfechtbar sind (vgl. §§ 512 A I, 548 A), aber auch für die unanfechtbaren oder nur mit besonderen Rechtsmitteln anfechtbaren Zwischenentscheidungen (vgl. §§ 512 A I , 548 B ) , soweit hier nicht besondere Kostenentscheidungen angeordnet sind. Keine Kostenentscheidungen enthalten die Verweisungsbeschlüsse (§§ 276 I I I 1, 506 I I , 697, 700). b 3 . Keiner Kostenentscheidung sind zugänglich die Endentscheidungen, durch die eine Vorentscheidung nur aufgehoben und der Streit an eine untere Instanz zurückverwiesen wird (§§538, 539, 565, R G J W 02/185 2 0 ), auch nicht die Entscheidungen bei Berichtigung des Urteils; wohl aber darf im Ergänzungverfahren ( § 3 2 1 ) auch die Kostenentscheidung geändert werden. b 4. I m Beweissicherungverfahren ergeht keine Kostengrundentscheidung (BGH Z 20/4) und auch b 5. nicht in Ehesühneverfahren (OLG J W 36/1306 3 5 ). b 6. E r s t recht darf kein besonderer Beschluß über die Kosten als solche ergehen, wenn nicht eine isolierte Kostenentscheidung zu treffen ist. I m besonderen darf in den Fällen der §§ 95, 96, 238 I I I , 278 I I , 283 I I , 344 kein getrennter Kostenbeschluß ergehen (OLG 33/38), etwa wenn die Klage gegen einen von mehreren Streitgenossen abgewiesen wurde ( R G Warn. 33/85), mag sie auch gegenüber dem anderen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt werden (RGZ 110/59 [64], sodann muß die Entscheidung gegen den, gegen den sie abgewiesen wurde, die gesamte Kostenentscheidung enthalten). Jedenfalls ist eine Kostenentscheidung durch Zwischenurteil unzulässig (RGZ N § 91/29). Wird ein abschließendes Teilurteil mit Kostenentscheidung gefällt, so ist es — wenn es auch noch eine andere Entscheidung enthält, aber als Kostenentscheidung sich (auch) auf vorangegangene Teilurteile bezieht — nur zusammen mit der Hauptentscheidung angreifbar ( § 9 9 1 ) ; dann aber auch mit dem Rechtsmittel, das gegen das (erste) Teilurteil eingelegt wird, selbst wenn die Kostenentscheidung in einem selbständigen (Schluß-)Urteil ergangen ist bzw. selbst wenn die letzte Teilentscheidung nicht angreifbar i s t ; und nur mit dem R«chtsmittel (RGZ 148/400). Aber auch, wenn das Kostenschlußurteil nicht angegriffen ist, wird von gerichts wegen die Kostenentscheidung abgeändert, wenn der Rechtsmittelkläger in der Rechtsmittelinstanz gegenüber dem Teilurteil obsiegt (RGZ 163/252 [254]; a. M. B G H N J W 56/912 1 0 ). b 7. Einstellungbeschlüsse, welche die Einstellung anordnen, sollen auch dann, wenn sie vom Vollstreckunggericht ausgehen, keine Kostenentscheidung enthalten, die Kosten gehören dann aber zu denen des Folgeprozesses (RGZ 50/356f.); anders enthält der Beschluß, der die Einstellung zurückweist oder einen Einstellungbeschluß aufhebt (falls man dies überhaupt zuläßt), eine Kostenentscheidung (BGH N J W 52/1210).
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Prozeßkosten
§ 9 1 Bill
c) Soweit nicht zugleich mit einem Hauptanspruch oder im Schlußurteil eine Kostenentscheidung von gerichts wegen zu erlassen ist, bedarf es eines Antrags. B IV. Über die Kosten wird regelmäßig a) abstrakt entschieden. Für eine positive oder negative Feststellung der Erstattungfähigkeit bestimmter Kosten ist hier kein Raum (RG J W 98/5015). Die Kostenfestsetzungbeschlüsse selbst enthalten keine abstrakte Kostenentscheidung; b) setzen aber die in diesem Verfahren entstehenden zu erstattenden Kosten sogleich ziffernmäßig mit fest (vgl. § 104 A III b). Auch sonst bedarf es, soweit sogleich ziffernmäßig festgesetzt wird, keiner Kostengrundentscheidung wie nach ArbGG § 611 oder im Mahnverfahren, wo die Kosten ziffernmäßig in den Zahlungbefehl (§ 692) bzw. in den Vollstreckungbefehl (§ 699 I 3) aufzunehmen sind. Hier gibt es keine Kostenfestsetzung (vgl. für das Mahnverfahren LG J W 28/11621). Kommt es allerdings zum Streit infolge des Widerspruchs des Schuldners, so sind diese Kosten Teil des Rechtstreits (§ 698). C I. Regelmäßig treffen die Kosten die unterliegende Partei, grundsätzlich ohne daß es auf das Verschulden einer Partei ankäme. Auch die Kosten des unrichtigen Beklagten, dem die Klage zugestellt ist, werden dem Kläger auferlegt (KG OLG 29/31), wie die der unzulässigen Klage (BGH MDR B 73/54), die der Klagerücknahme, der Gesuchrücknahme (§ 271). Auch in Verfahren, die mit einem Beschluß enden, werden sie dem Unterliegenden auferlegt (OLG JW 35/80952, abgesehen von denen, in denen keine Kostenentscheidung ergeht, wie bei Armenverfahren, vgl. § 118a IV, § 9 1 B I I I b l ) . Der Rechtsmittelkläger, der das Rechtsmittel zurücknimmt (§§ 515, 566) wie der, welcher auf es verzichtet (§§ 514, 566), unterliegt. Bei teilweisem Verzicht wird die Kostenlast u. U. nach § 92 geteilt, und nach § 98 geschieht dies beim Vergleich. a) Das Unterliegen wird nach dem im Hauptanspruch bemessen, d. h. nach dem Hauptanspruch (§ 4 B I) allein, wenn die Nebenansprüche (§ 4 C I) keine besonderen Kostenfolgen auslösen (wie in der Regel, vgl. § 92 II). a 1. Die Partei unterliegt mit dem Hanptanspruch auch dann, wenn nur einer von mehreren Klagegründen (RGZ 58/414f.), bzw. der Kläger, wenn nur eine Einwendung oder Einrede durchgreift (soweit nicht § 96 eingreift). a 2. Das entsprechende gilt für Haupt- und Hilfsanspruch (RGZ 126/18). a 3. Die reinen Prozeßkosten (welche also nicht mit dem Hauptantrag verfolgt werden und verfolgt werden können, vgl. § 91 B II) bleiben völlig außer betracht. b) Hält der Kläger nach Erledigung der Hauptsache den ursprünglichen Antrag aufrecht, so treffen ihn die Kosten (RGZ 148/400f.). Dies gilt auch, wenn der Beklagte erst im Laufe des Streites eine Gegenforderung erwirbt und dann aufrechnet (RGZ 57/381), ohne daß der Kläger für erledigt erklärt. Unterliegt der Kläger durch die Aufrechnung des Beklagten, so treffen ihn die Kosten (RGZ 50/389 [390]), aber auch dann, wenn er selbst aufrechnen konnte, die Klage aber trotz der Aufrechnungmöglichkeit erhoben hatte. Befriedigt der Beklagte den Kläger und läßt der Kläger dies nicht gelten, so treffen ihn die Kosten, wenn er Unrecht hat (RG N § 91/48). b 1. Tritt indes nach Klageerhebung ein Ereignis ein, das die Sach- oder Rechtslage ändert und erklärt sodann der Kläger den Streit für erledigt oder verzichtet er auf den Klageanspruch oder erkennt der Beklagte sofort an (§ 93 B II b) und ist auf Erledigung, Verzicht oder Anerkenntnis zu erkennen, so ist die Kostenlast unter dem Gesichtswinkel des unmittelbar oder entsprechend anzuwendenden § 93 zu prüfen, sofern nicht die beiderseitige Erledigungserklärung die Entscheidung nach § 91a eröffnet. D. Die Kostenlast ist auf die Erstattung der notwendigen Kosten beschränkt. D I. Soweit keine Kostenforderung durch Verfahrenstrennung (§ 145 A) oder durch Kostentrennung (vgl. §§ 276 II 2, 344, 506 II, 697 I, 700 I 3; GKG § 27 I) eintritt, gehören zu den notwendigen Kosten auch die der nicht getrennten Vorverfahren (§91 D i a 2, RGZ 66/186 [1981).
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§91
DI
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a) Soweit diese Handlungen nur der Prozeßvorbereitung dienen, gehören sie ausschließlich zu den Prozeßkosten (die nach außerprozessualem Recht nur dann zu ersetzen sein können, wenn es nicht zum Prozeß kommt). Rechtsgutachtenkosten werden grundsätzlich nicht erstattet (KG J W 36/2817); im besonderen nicht die Kosten vorprozessualer Rechtsgutachten (OLG 25/67: anders im Ausnahmefall OLG München BB 57/412) und nicht bei denen im Laufe des Prozesses (KG JW38/390 2 6 ). Dies gilt auch für das Rechtsmittelgutachten des späteren Prozeßbevollmächtigten. a 1. Der Prozeßvorbereitung dienen im besonderen auch die Kosten notwendiger verwaltungbehördlicher bzw. gerichtlicher Vorverfahren (anders für die vor dem Amt für Verteidigunglasten entstehenden, OLG WM 59/646), soweit in ihnen nicht besondere Kostenentscheidungen ergehen (aber nicht, wenn sie dort ergehen: RGZ 126/99f.). Dies gilt aber auch für den Zivilprozeß (OLG 6/385, für die Kosten der Kompetenzkonfliktgerichtshöfe; OLG H R R 30/1651 für die Kosten der Vorentscheidung einer Verwaltungbehörde; a. M. OLG 15/80 für die Kosten des Verfahrens des Strandamtes; OLG 37/97 für die des Kompetenzkonfliktverfahrens). Nach § 91 I I I sind ferner die Kosten der außergerichtlichen Gütestelle erstattungpflichtig, wenn zwischen Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung nicht mehr als ein Jahr liegt (wobei die Klageerhebung, § 253 I, auf die Zeit der Einreichung vordatiert wird, §§ 261 b, 496). War indes die angegangene Gütestelle örtlich (oder sachlich) unzuständig und wurde dies gerügt oder wurde der Antrag zurückgenommen, so bleibt für die Kostenerstattung kein Raum. Die Kosten der Ortspolizeibehörde nach AVO RJagdG § 50 X I gehören zwar zu denen des Rechtstreits, sind aber nur nach billigem Ermessen dem Unterliegenden aufzuerlegen. Über die sonstigen jetzt geltenden Ländervorschriften vgl. GVG § 13 F V a. a 2. Weiter gehören hierher grundsätzlich die Kosten der gerichtlichen Vorverfahren, in denen keine besondere Kostenentscheidung ergeht. Dahin gehören die Kosten der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36; ferner die Kosten des Beweissicherungverfahrens (§§ 485 folg., BGHZ 20/4 [15]), wenn es zum Prozeß kommt (und dann auch nur in Höhe des Streitwerts des Hauptprozesses, OLG ZZP 19/292; zur isolierten Klage über sie kann es nur kommen, wenn es nicht zum Prozeß kommt: RGZ 66/186 [198]); selbst wenn das Beweisergebnis im Prozeß nicht benutzt wird (KG .TW 39/652 50 ) und wenn die Kosten im Verfahren mit dem Rechtsvorgänger entstanden sind (OLG 29/33); allerdings nicht, wenn die Beweisaufnahme wegen Nichtbenutzung im Prozeß wiederholt wird oder wenn der Antrag vor (vollständiger) Erledigung zurückgenommen wird (LG KGB1. 18/20). Zu den zu erstattenden Kosten gehören die des Ehesühneverfahrens nach §§ 608folg. (RGZ 45/367f.), vorausgesetzt, daß der Sühneversuch gescheitert ist und es dann zur Klage kommt. Weiter gehören hierher die Kosten der einstweiligen Anordnungen nach §§627, 627 b (627 c) mit Ausnahme der Kosten des Aufhebungverfahrens (§ 627 b IV). Die Kosten des Mahnverfahrens sind zu erstatten, auch die Anwaltskosten, ohne daß es also darauf ankommt, ob der Gläubiger den Anwalt hätte ersparen können (OLG J W 25/2368 29 ). Doch darf nicht ein Anwalt ausgewählt werden, dessen Kosten im Klageverfahren — sei es als Prozeßbevollmächtigter, sei es als Verkehrsanwalt — nicht erstattungfähig wären, sofern es nicht beim Mahnverfahren bleibt und deshalb ein zweiter Anwalt erforderlich wird (§ 91 II 2, 3). Ob die Kosten eines Vollstreckungbefehlantrags schon entstehen, wenn der Vollstreckungbefehl noch nicht erlassen wurde, ist streitig (verneinend u. a. OLG N J W 56/474; bejahend u. a. OLG AnwBl. 56/282). Man sollte sie nur erstatten (und entstehen) lassen wie im Versäumnisverfahren. Die Kosten der einstweiligen Einstellung durch das Vollstreckunggericht sind erstattungfähige Prozeßkosten des Folgeverfahrens (OLG 9/58); anders wenn die einstweilige Einstellung abgelehnt wird (dann treffen die Kosten endgültig den Antragsteller). b) Nicht erstattungfähig sind die Kosten der D e v i s e n v e r f a h r e n , weil die Devisengenehmigungen auch sonst beschafft werden müssen (OLG MDR 57/239; a. M. OLG MDR 57/496). lb 1. Nicht hierher gehören ferner die Kosten, die nicht der Prozeßvorbereitung dienen, sondern zu dem außerprozessualen Recht, wie regelmäßig die der freiwilligen Gerichtsbarkeit (OLG 7/280). Vgl. aber über die Kosten von Registerauszügen wie die des Erbscheins § 91 E I I I b 1.
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§91 DI
b 2. Nicht erstattungfähig sind die Kosten eines vorangegangenen S c h i e d s v e r f a h r e n s in dem gerichtlichen Folgeverfahren (RG JW 94/5435); sie einer Partei aufzuerlegen ist Sache des Schiedsgerichts. Wird der Schiedsspruch aufgehoben, so dürfen sie in besonderer Klage zurückgefordert werden, aber auch als Widerklage im anhängigen Verfahren (vgl. § 91 B II g 6). b 3. Nicht erstattungfähig sind die Kostendes A r m e n r e c h t s v e r f a h r e n s n a c h § 118aIV, die durch die Anhörung des Gegners entstehen, was dann aber auch gegen die arme Partei gilt (GG Art. 3; OLG DRpfl. Rspr. 36/171194). Dies gilt in dem Verfahren vor Klageerhebung (KG JW 37/2240' 5 wendet die Bestimmung nur dann an, wenn es überhaupt nicht zur Klage kommt). Wird für die höhere Instanz ein Armenrechtgesuch eingereicht, so gilt § 118a IV entsprechend (für den Rechtsmittelbeklagten wegen des §119: KG JW 38/55 36 ; a. M. OLG J W 36/217162, was dann aber auch für den Angreifenden gelten muß). Alles dies gilt auch in der Beschwerdeinstanz (OLG Rpfl. 50/60), einschließlich der Anwaltskosten (KG JW 35/25 8642). b 4. Nebenklagekosten werden auch nicht unter dem Gesichtswinkel des Schadenersatzes erstattet, wenn der angebliche Schädiger freigesprochen (BGHZ 24/263) oder wenn das Verfahren auf Grund des StFG eingestellt worden ist (BGH NJW 57/1878). D II. Erstattungfähig sind die Kosten des Prozesses von der Einreichung der Klage bzw. der Zustellung oder der Meldung des Beklagten bis zum Abschluß des Rechtstreits. Schließt man die Vorverfahrenskosten (§ 91 D I a 2) ein, so sind dies alle bis zu denen der Vollstreckung, die besonders geregelt sind (§ 788) und keiner Festsetzung bedürfen und nicht unter die Kostengrundentscheidung fallen (§ 91 D I I a 1). a) Zu den Prozeßkosten im Sinne des § 91 gehören alle bis zum Beginn der Zwangsvollstreckung erforderlich werdenden. a 1. Die V o l l s t r e c k u n g s k o s t e n hat nach § 788 der Schuldner zu tragen, auch wenn ihm die Kosten des Rechtstreits nicht zur Last fallen (vgl. für den Fall des § 93: OLG 25/65). § 788 I 2 rechnet die Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils schon zu den Vollstreckungskosten, doch darf man diese auch noch zu denen des Rechtstreits i. S. des § 91 zählen (OLG J W 30/335249), wenn der im Hauptstreit Unterliegende der Schuldner ist, und zwar nach Wahl des Gläubigers. Die Arrestvollziehung entspricht der Vollstreckung (vgl. § 928). Die Kosten der öffentlichen Bekanntmachung eines Urteils (im Falle des unlauteren Wettbewerbs) sind Vollstreckungkosten (a. M. OLG 23/102: Prozeßkosten). a 2. Soweit das Verfahren als solches reicht, gehören zu ihm auch die h ö h e r e n I n s t a n z e n (streitig für die Beschwerde: bejahend OLG 17/126, soweit hier nicht ein selbständiges Verfahren gegeben ist) und die Kosten des Berichtigung- und Ergänzungverfahrens nach §§ 319folg. (OLG 18/390). Dazu gehören aber auch die auf Vollstreckbarerklärung des Urteils, auch die nach §§ 534, 566 wie die der Einstellung der Vollstreckung nach §§ 767, 771 (RGZ 50/356f.). Die Fälle der §§ 707, 719 rechnet Jonas (§ 91 Anm. VI 1) schon zur Vollstreckunginstanz (jedenfalls entscheidet auch BGH v. 11. 7. 1952 V ZR 80/52 [teilweise abgedruckt in NJW 52/1210] über sie besonders, wenn er den Antrag zurückweist). b) Dahin gehören auch die Kosten aller Zwischenverfahren, b 1. die im Verfahren nach GG Art. 100 vor dem BVG (a. M. OLG Koblenz MDR 55/117 = NJW 54/1490), auch die der Streitverkündung (OLG 17/105), sofern sie rechtlich begründet und der Streitverkündete, der beitreten wollte, nicht zurückgewiesen worden ist. b 2. N i c h t aber kann der Obsiegende die K o s t e n des B e i t r i t t s s e i n e s S t r e i t h e l f e r s verlangen, da diese nur der Streithelfer fordern darf, und deshalb nicht die Kosten, welche dem dritten durch die Streitverkündung entstehen, wenn er nicht beitritt (RG Gruch. 43/212). c) Werden in einen Prozeßvergleich neue Ansprüche einbezogen, so gehören die dadurch entstehenden Kosten zu den zu erstattenden (KG J W 32/670 17 ); dies sollte man auch bei dem Beitritt eines dritten gelten lassen, selbst wenn er einen anderen Rechtstreit darüber führt, der ebenfalls erledigt wird (a. M. KG JW 38/119858, das in bezug auf diesen einen außergerichtlichen Vergleich annimmt). Für außergerichtliche Vergleiche besteht allerdings kein Titel zur Festsetzung (vgl. KG J W 35/104311; a. M. OLG J W 34/301523). D III. Über die Kostenentscheidung der Rechtsmittelinstanz vgl. § 97 A.
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§91
E. Welche Prozeßkosten im Einzelfall als „notwendige" erstattungfähig sind, bestimmt das geschriebene Gesetz nur in den Fällen des § 911 2, II. Im übrigen beherrscht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Kostenaufwands das Kostenerstattungrecht. E I. Die Erstattungpflicht trifft grundsätzlich nur die unmittelbaren Aufwendungen (vgl. BGB § 670) für den Prozeß (RGZ 150/37 [40]). Ist eine Partei besonders sparsam, so kann sie nicht etwa das ersetzt verlangen, was sie nicht aufgewandt hat. Ein allgemeines Haushalten wird sogar für erforderlich gehalten. a) Von den aufgewandten Kosten werden deshalb nur die ersetzt, welche von jedermann in der seinerzeitigen Lage in vernünftiger Erwägung aufgewandt worden wären (RG JW 05/5022), mögen sie auch im Einzelfall nutzlos aufgewandt worden sein (RG J W 98/659®). Es entscheidet also nicht bloß, was die Partei für erforderlich hält (RGZ 32/387); nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird sie, wenn sie mit einem billigeren Aufwand dasselbe erreichen kann, die Kosten niedrig halten müssen (vgl. KG J W 38/46526). Die Frage stellt sich besonders, wenn die Partei zwischen dem Aufwand von Reisekosten, Gutachterkosten u. dgl. m. im Verhältnis zur Annahme eines Korrespondenzanwalts zu wählen hat, nicht aber umgekehrt (vgl. § 91 E IV b 3). b) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeutet aber nicht, daß besonders sparsam verfahren werden muß (RG JW 93/468'), sondern nur gerade so, wie dies nach vernünftigen Erwägungen eines Durchschnittsmenschen erwartet werden darf. Der Partei wird deshalb nicht verwehrt, einen Anspruch in mehreren Teilprozessen zu verfolgen (KG JW 29/1181; der Beklagte kann sich dagegen durch Erhebung der negativen Feststellungwiderklage wehren; mehrere Prozesse, die beim selben Gericht anhängig sind, sind zu verbinden, § 147 B I a). Daxauf, ob und zu welchem Zweck der Kläger Teilprozesse führt, darf es nicht abgestellt werden (RG Seuff. 53/251, 67/264), was auch für ein später verbundenes Verfahren gilt (KG DR 39 A877 10 ); keinesfalls kann, wenn hier die Kostengrundentscheidung feststeht, es gebilligt werden, wenn noch im Kostenfestsetzungverfahren die Erforderlichkeit geprüft wird (OLG 25/127; a. M. OLG 31/26). E II. Erstattungfähig sind stets die aufgewandten Gerichtskosten. a) Die Aufwendung ergeben die Akten. Sind Gerichtskosten noch nicht b e z a h l t , so werden sie nicht festgesetzt (RG Gruch. 45/652; doch hat OLG HRR 32/1979 die Festsetzung auf Zahlung an die Gerichtskasse zugelassen, was aber unzulässig ist). Die Partei, der das Armenrecht bewilligt ist, kann deshalb nicht Festsetzung der Gerichtskosten fordern, von deren Entrichtung sie (einstweilen) befreit ist (BayObLG 13/583). Hat ein dritter (nicht der unterlegene Gegner) die Gerichtskosten gezahlt, so sind sie für die arme Partei auf Antrag festzusetzen (OLG JW 37/279339). Gerichtskosten, welche an die obsiegende Partei zurückzuzahlen sind, weil ein Gebührenbefreiter unterlegen ist, werden nicht mit festgesetzt, sondern sind vom Gericht zurückzuzahlen. Wohl aber darf der Gebührenbefreite, der Gerichtskosten gezahlt hat (etwa für bare Auslagen), diese von dem unterlegenen Gegner erstattet verlangen (KG OLG 37/222; a. M. OLG HRR 42/84; im übrigen fordert sie die Gerichtskasse ein). Die Gebühren- und Auslagenfreiheit ist in GKG §2 angeordnet. Bei den Stadtstaaten (Berlin: BGH Z14/305, Hamburg: BGH Z13/207, Bremen) ist nicht zwischen staatlichen und gemeindlichen Aufgaben zu unterscheiden. Gemeinden und Gemeindeverbände haben keine Gebührenfreiheit, auch nicht sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts. b) Die Gerichtskosten, welche der Staat von den Parteien fordert und welche diese, wenn sie sie verauslagt haben, auch zur Erstattung stellen dürfen, sind gesetzlich (im GKG bzw. in der KostenO) festgelegt. c) Ob die Gerichtskosten stets entstehen oder nur durch eine besondere gerichtliche Anordnung, ist gleichgültig, etwa die der öffentlichen Zustellung oder die Ausführung einer Beweisanordnung (OLG Hamburg 20/310) oder die der Erwirkung eines Beschlusses nach § 271 bzw. die des Verlustigkeitbeschlusses von Rechtsmitteln nach Rechtsmittelrücknahme, die Kosten für die Abschrift von Beweisprotokollen (OLG JW 19/100314) — nicht aber soweit mehrfache Abschriften (etwa für den Versicherer) gebraucht werden (a. M. OLG 27/40) —• und die der bei Ausfolgune der vollstreckbaren Urteilsausfertigung (KG J W 11/4201). Doch
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Elle
sind hier die beglaubigte Urteilsausfertigung nach § 317 IV und die des Vollstreckungbefehls schreibgebührenfrei, einschließlich der Vergleichsausfertigung (a. M. OLG 25/76); jedenfalls sind die zweiten Ausfertigungen zum Zwecke der Zustellung (OLG 22/288; a. M. KG OLG 41/253) erstattungfähig. E III. An außergerichtlichen Kostenaufwendungen der Partei kommen die Vertreterkosten (vgl. § 91 E IV), die sonstiger Hilfen (vgl. § 91 E V) und schließlich die eigene Zeitversäumnis (§ 91 E I I I a 1) als erstattungfähig in betraeht. a) Unter ihnen gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wäre der eigene Zeitaufwand höher als Vertreterkosten zu werten, so sind nur diese als Höchstgrenze zuzubilligen, soweit der Vertreter die Partei nach vernünftigen Erwägungen ersetzen kann. Dasselbe gilt für die Erstattungfähigkeit von Reisekosten, wenn sie die Gebühren des Korrespondenzanwalts übersteigen (vgl. § 91 E I I I a 2). Erscheint die Partei neben ihrem Vertreter (für den sie Kosten erstattet fordert), so ist dies besonders zu rechtfertigen (vgl. KG DR 39 A 32512). Über die Bestellung mehrerer Vertreter vgl. § 91 E IV b 1. Genügt die Herstellung einer Abschrift, so dürfen nicht die teuren Aufwendungen des Fotokopierens gemacht werden; doch hat OLG MDR 57/304 die Kosten der Fotokopien aus Krankenpapieren ersetzen lassen. Für die Zustellung von Partei wegen vgl. Kommentar § 91 A II a 1. Doppelte Zustellungkosten sind jedenfalls nicht erstattungfähig (RGZ 32/387f.; a. M. KG KGB1. 06/15); wohl aber hat die Partei die Wahl, ob sie von Anwalt zu Anwalt oder durch den GV zustellen will (LG MDR 57/623). Ist mehreren Vertretern zuzustellen, so genügt die an einen nach § 181 III, bei der an mehrere Prozeßbevollmächtigte sind nur die Zustellungkosten an einen erstattungfähig (RG J W 98/198 3 ); wird aber die Partei von mehreren gesetzlichen Vertretern vertreten (Aufsichtrat und Vorstand), dann ist je einem Vertreter der verschiedenen Organe zuzustellen. a 1. An unmittelbar eigenem Aufwand der Partei wird für ihre Zeitversäumnis nach § 91 I 2 für notwendige Reisen zum Anwalt der Tatsacheninstanz zur Information (vgl. § 91 E I I I a 2) oder zur Ermittlung von Zeugen (RG Seuff. 49/276) und für die notwendige Terminwahrnehmung Entschädigung gewährt (RGZ 150/37 [41]), und zwar wie sie ein Zeuge (nicht ein Sachverständiger) nach dem Z+SGebG erhält. Die Kosten des gesetzlichen Vertreters stehen dabei denen der Partei gleich (OLG 25/66; doch für die juristische Person verneinend: OLG H R R 36/1364). Abgesehen davon müssen die Kosten aber auch insoweit beschränkt werden, wie sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen dürfen (sofern nicht neben diesem ausnahmeweise die Anwesenheit der Partei erforderlich war; vgl. die entsprechende Regelung bei den Reisekosten § 91 E III a 2). a 2. Nach § 9 1 1 2 sind ferner der Partei die notwendigen Reisekosten zu Terminen, d.h. bei Wahrnehmung der Verhandlung- und Beweiserhebungtermine, nicht dagegen zu Verkündungterminen zu ersetzen. Auch hier werden die tatsächlichen Auslagen regelmäßig darauf zu begrenzen sein, welche Kosten die Partei für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt aufwenden müßte (RG J W 97/458 2 ; a. M. OLG 17/107). Aber auch wenn die Partei durch einen Anwalt vertreten ist, darf sie bei besonderem Anlaß, also in der Regel im Rahmen der Verhältnismäßigkeit, die Reisekosten aufwenden (OLG J W 32/120 18 ); die h. M. läßt dies auch für bloße — wichtige — Verhandlungen zu (RG J W 05/208 14 ); ist die Partei indes nur vorübergehend von ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort bzw. Wohnsitz abwesend, so muß sie zunächst um Terminverlegung bitten. Weiter wird der Partei in jeder Tatsacheninstanz auch eine Reise zu ihrem Anwalt zugebilligt für den Fall, daß die Partei mit dem Schriftwechsel nicht auskommt (RG J W 98/278). In der Rechtsmittelinstanz ist dem Rechtsmittelkläger eine Reise schon für die Auswahl des Rechtsmittelanwalts zuzubilligen, sobald das Erkenntnis, das anzufechten ist, ergangen ist; dem Rechtsmittelbeklagten, der nicht selbst das Rechtsmittel einlegen will, sobald das Rechtsmittel eingelegt ist (OLG J W 36/2171). Das entsprechende gilt für Reisen der Partei zu ihrem Patentanwalt (KG J W 38/3125 32 ); doch darf sie dabei nicht einen beliebig entfernt wohnenden wählen. Immer aber müssen diese Kosten tatsächlich entstanden sein (a. M. OLG 25/66), gleichviel ob man sie dann als Reisekosten (OLG J W 28/27 9720) oder Korrenspondenzgebühren usw. und in dieser Höhe als erstattungfähig ansetzt. Ohne die erwähnte Verhältnismäßigkeit erstattungfähig sind Reisekostenaufwendungen dann, wenn das Gericht das Erscheinen der Partei zur
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Parteivernehmung ( K G D R 39 A 325 1 2 ) oder nach §§ 141, 296, 619 angeordnet hat. Auch sind der Partei die Kosten zu erstatten, wenn sie vom gerichtlichen Sachverständigen zu einer Terminwahrnehmung aufgefordert wird ( K G D R 42 A 591 2 4 ). Soweit die Partei Reisekosten selbst aufwenden und sich vertreten lassen darf, darf sie auch die für einen sachverständigen Vertreter aufwenden (OLG 15/83) bzw. an Stelle der für einen Rechtsanwalt die für einen Sachverständigen (im besonderen zu einem Besichtigungstermin). Als Reisekosten der Partei sind auch die eines ihrer Angestellten bzw. ihres Syndikus erstattungfähig (OLG G R U R 52/535), über die der Anwälte vgl. § 91 E I V c 5. Nicht erstattungfähig sind grundsätzlich (mehrere) Reisen zum Revisionanwalt (RG J W 97/3'), es sei denn, daß etwa in der Revisioninstanz ein Vergleich geschlossen werden soll. Grundsätzlich nicht erstattungfähig sind indes auch sonst erstattungfähige Reisekosten, wenn die Partei sich eines Korrespondenten (des Verkehrsanwalts, des Patentanwalts, des Rechtsbeistandes) bedient ( K G D R 39 A 890 2 2 ). Dasselbe gilt, wenn die Partei sich eines Verkehrsanwalts bedienen mußte, weil der Anwalt billiger ist, falls dies gleichwertig ist (OLG D J Z 02/348). K G D R 39 A 1 1 9 3 " will sonst erforderliche Kosten nicht zubilligen, wenn sie im Verhältnis zum Streitwert außer Verhältnis stehen; jedenfalls wird man sie auch auf die Gebühren des Korrespondenzanwalts zu begrenzen haben, während sie andererseits, wenn sie darunter oder unter denen bleiben, welche für einen Anwalt zur Beweisaufnahme aufgewandt werden könnten, erstattungfähig sind (OLG J W 33/2228 1 7 ). Zu ersetzen sind Reisekosten bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in derselben Gemeinde (LG N J W 59/1135). a 3. Als weitere Auslagen der Partei kommen in betracht die Porti (bei mehreren Prozeßbevollmächtigten nur die gegenüber einem bzw. des einen Anwalts), auch hier nur im Rahmen des Erforderlichen; regelmäßig einfaches Briefporto, bei wichtigen Mitteilungen das für Einschreiben, bei besonders eiligen Telegramme (LArbG J W 36/2181 7 8 ) und Ferngespräche; Ortsgespräche regelmäßig schlechthin. Kleinliche Nachprüfung ist nicht am Platz (OLG J V B 1 . 39/174). Nachgeprüft wird nur, wenn der Auslagenaufwand zu hoch erscheint (vgl. K G D R 40 A 338 2 6 ). a 4. Aufwendungen für Schreibarbeiten werden in aller Regel nicht ersetzt. a 5 . Erstattungfähig sind die Übersetzungen für einen Ausländer (OLG 25/67) wie die aus dem Fremdsprachigen ( K G J W 33/2469 3 ; a. M. OLG 29/34). a 6. Zu ersetzen sind auch die Kosten der (geforderten) Beglaubigung der Prozeßvollmacht (vgl. § 80 C I I I c). b) Erstattungfähig sind Kosten auBerprozessualer Beweiserhebung und Aufklärung, b 1. also die zur Besichtigung der örtlichkeit (RG J W 91/4 3 ), im besonderen zu der durch einen Sachverständigen (OLG 31/23) oder um Akten an Ort und Stelle einsehen zu können (OLG H R R 39/1048), aber nur sofern dies erforderlich ist, im besonderen die Akten nicht versandt bzw. durch dritte (billiger) eingesehen werden können (OLG 15/256). Zu erstatten sind die Kosten eines englischen Affidavits (OLG 9/58), die von Handelsregisterauszügen der Gegenpartei. b 2. Die Kosten der Nachforschung nach Beweismitteln (OLG 15/79), im besonderen nach Zeugen (RG Seuff. 49/278), die Inanspruchnahme eines Detektivs sind erstattungfähig (besonders in Ehesachen, K G D R 41 A 936 1 1 ; nach OLG München N J W 57/67 bei Erforderlichkeit; ist in der Bestellung eines Detektivs allerdings eine Ehewidrigkeit zu sehen, so sind die Kosten nicht erstattungfähig), im Schadensprozeß, wenn andere Beweise fehlen (KG D R 40 A 49 4 '), die Informationtaxenkosten (RG J W 98/114 4 !, die Einholung eines ärztlichen Zeugnisses vor Klageerhebung (LG KGB1. 20/59), die der Gestellung von Modellen (KG J W 38/3125 3 2 ), von Plänen und Karten zur Verdeutlichung eines Unfalls, von Lichtbildern (OLG BayZ 14/52) wie die der Bereitstellung von Beweismaterial (OLG 20/310). Erstattungfähig sind auch die Kosten der Gestellung von Zeugen vor dem Prozeßgericht (OLG H R R 34/1398, falls dies angeordnet oder vom Gericht gebilligt wurde); doch hat R G Recht 05/1158 die Gestellung von Zeugen im einstweiligen Verfügungverfahren nicht als erstattungfähigen Aufwand angesehen, weil sie sich auch schriftlich hätten erklären können, während K G J W 38/22S3 4 4 die Erstattung in Ausnahmefällen zuließ.
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Prozeßkosten
§91
Ein
b 3. Bei der Erstattung von Kosten für die Beschaffung von Beweismaterial durch (privat«) Gutachten ist die Praxis sehr zurückhaltend. In Verfahren, wo eine Glaubhaftmachung gefordert wird, sind sie regelmäßig erstattungfähig (OLG GRUR 53/46). Das entsprechende wie bei den Zeugen gilt auch hier für den gestellten Sachverständigen in solchen Verfahren (KG DR 40 A 203 17 ). Darüber hinaus aber sind die Kosten schriftlicher Gutachten erstattungfähig, wenn schwierige technische Fragen zu klären sind, dann aber schon für vorprozessuale Gutachten (OLG VersR 50/135), oder wenn die Vortragsgrundlagen von einem Sachverständigen beschafft werden und nur werden k5nnen (OLG J W 37/24V33) oder wenn das Gericht zur Einreichung des Privatgutachtens auffordert oder es dadurch zur Einholung eines Obergutachtens veranlaßt wird (OLG VersR 52/160) bzw. den gerichtlichen Gutachter widerlegen könnte (KG [West] DB 52/824), wie überhaupt, wenn das Gericht sich entscheidend auf ein Privatgutachten stützt (OLG BB 53/69); immer aber nur ausnahmsweise (vgl. OLG N J W 55/676 17 ). Ersetzt man einer Partei Privatgutachten oder hält man das von der einen Partei beigebrachte für erstattungfähig, so wird dies in der Regel auch vom privaten Gegengutachten der anderen Partei gelten (vgl. LG VersR 53/105). Sind Gutachterkosten zu erstatten, so ist bei eingereichten Privatgutachten die^ Erstattungpflicht auch dann zu bejahen, wenn die Partei selbst sachkundig war (RG J W 05/372 14 ). Der Höhe nach findet die Erstattungfähigkeit der Privatgutachtenkosten ihre Grenze in den Kosten, die auch einem gerichtlichen Sachverständigen zu ersetzen wären (LG JVB1. 36/167; a. M. KG DR 39 A 89022), ohne daß hier allerdings der Nachweis der Zahlung zu fordern ist (a. M. KG J W 37/2218 33 ). E IV. Nach § 91 II sind die gesetzlichen Bechtsanwaltssebnhren und -auslagen stets erstattungpflichtig, auch im sog. Parteiprozeß (§ 79 A), also ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts im Einzelfall (RG J W 91/44) und auch in den Vorverfahren (OLG NaumburgerZ sQ5/92) und selbst, wenn die Partei mit der Bestellung eines Anwalts noch hätte zuwarten können (a. M. OLG J W 38/1269 38 ). a) Die Erstattungpflicht knüpft an die gesetzliche Gebührenregelung der BRAGebO (EG § 2 A) an (§91 I I I ) . a 2. Nicht erstattungfähig sind auch die Kosten der Anfertigung von eidesstattlichen Versicherungen im Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren. Keinesfalls dürfen höhere als die entstandenen Gebühren ersetzt verlangt werden (OLG J W 37/2800 48 ). Andererseits werden entstandene Anwaltgebühren auch ersetzt, wenn der armen Partei ein Referendar beigeordnet wurde, sie aber einen Anwalt sich genommen hatte (LG MDR 55/427). a 3. Stellt man es auf die BRAGebO ab, so ist Rechtsanwalt jeder, der nach ihr liquidieren darf, also der des Gerichtinlands (§ 12 A II a 2); für die Erstattungfähigkeit der Gebühren gilt im Verhältnis von Ost- und Westdeutschland § 91 II, soweit er noch übereinstimmendes Recht ist (wobei man freilich die Währung am Sitz des Anwalts zugrunde zu legen h a t : LG MDR 54/430; doch fordert die DDR einen Transfer von 1 : 1 DM, und der Ostgläubiger kann verlangen, daß ihm die Kosten auf dem gesetzlich zulässigen Wege erstattet werden; BGH Rpfleger 55/67 hat Einzahlung auf ein Sperrkonto gebilligt mit der Höchstgrenze der nach Westrecht zu erstattenden Gebühren); ausländische Rechtsanwälte fallen nur unter § 9 1 1 (vgl. RG J W 34/2334 5 ). Die Gebühr für den Anwalt entsteht auch, wenn er durch einen anderen Anwalt, einen amtlich bestellten Vertreter oder zur Ausbildung überwiesenen Juristen sich vertreten läßt (BRAGebO § 4). Abwesenheitgeld steht aber nur dem Anwalt selbst bzw. seinem amtlich bestellten Vertreter zu (BRAGebO § 28 II). Für sonstige Vertreter darf nicht liquidiert werden (LG J W 35/3774), auch nicht für den Bürovorsteher des Anwalts (vgl. OLG 17/108). Wurde er indes zum auswärtigen Beweistermin entsandt, so ließen die Erstattung seiner Aufwendungen zu: OLG 17/108, 31/68, falls die Mitwirkung neben der Partei erforderlieh war. a 5. Dem Anwalt sind auch die Gebühren zu erstatten, wenn er selbst Partei (§ 91 II 3) bzw. ihr gesetzlicher Vertreter ist (die Verkehrsanwaltgebühr erhält er aber nur, wenn sie auch einer sonstigen Partei zuzubilligen wäre, OLG N J W 59/539). b) Aber auch hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Kosten.
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§91
E IV
ZPO I. Buch
b I . Jede Partei hat das Recht, sich mehrerer Anwälte zu bedienen (vgl. § 84). In diesem Fall regelt § 91 I I 3 die Erstattungpflicht besonders, d. h. es sind nur Kosten eines Anwalte (der am Sitz des Prozeßgerichts wohnt) zu ersetzen (OLG 25/69). Dies gilt auch, wenn mehrere gesetzliche Vertreter dieselbe Partei vertreten und jeder von ihnen einen Anwalt bestellt, im besonderen bei mehreren Testamentvollstreckern (KG OLG 23/100 im Verhältnis vom Gemeinschuldner zum Konkursverwalter; OLG JMB1. N R W 54/67 hat die Erstattung der Kosten beider Anwälte abgelehnt, wenn der Konkursverwalter den Prozeß fortführte und er den Anwalt wechselte, weil er selbst zugelassener Anwalt war), bei mehreren Behörden desselben Staates (OLG J Z 53/731). Aasnahmen von dieser Regel bestehen für Verkehrs- und Beweisanwalt wie bei notwendigem Anwaltswechsel. Ob der am Sitz des Prozeßgerichts stattfindende Termin von einem zugelassenen Anwalt wahrgenommen wird, der dort nicht wohnt, ist gleichgültig, weil die Mehrkosten des auswärts wohnenden Anwalts nicht erstattungfähig sind (§ 91 I I 2). Hatten sich zwei Streitgenossen durch einen Anwalt vertreten lassen und haben sie dann den gemeinsamen Anwalt gewechselt, so hat OLG N J W 59/1135 die Kosten beider Anwälte erstatten lassen. b 2. Beweis- (und Verkehrs-)anwätte sind zuzubilligen, soweit sonst Reisekosten zuzubilligen gewesen wären, die nicht billiger sind (RG J W 96/249 19 ), unter dieser Voraussetzung sind aber die Gebühren des Anwalts für die Beweisaufnahme stets erstattungfähig (RGZ 5 1 / l l f . ) . Sind die Reisekosten geringer, so sind nur diese erstattungfähig (OLG J W 33/2712®). Dies gilt auch, wenn es sich nur um die Vernehmung eines Sachverständigen handelt (a. M. OLG 23/106) und auch wenn ein Sachverständiger einen Lokaltermin ansetzt (OLG J W 35/872 3 ; a. M. OLG J W 33/2712 6 ). H a t der Prozeßbevollmächtigte seinen Wohnsitz am Sitz des auswärtigen Gerichts, so sind ihm keine Reisekosten zuzubilligen, geschweige denn die Gebühren des Beweisanwalts (OLG 33/194). Sind indes die Reisekosten höher, so werden nur die Beweisanwaltsgebühren erstattungfähig sein (KG J W 38/965 26 für die Wahrnehmung eines Beweistermins im Auslande; a. M. K G J W 37/2247 93 ); doch hat R G J W 05/50 22 bei technischen Fragen die höheren Reisekosten des mit dem Stoff vertrauten Prozeßbevollmächtigten erstatten lassen. Bei einer Beweisaufnahme im Auslande sind die Kosten des ausländischen Anwalts erstattungfähig (OLG 23/105, falls sie gesetzlich geregelt sind; OLG H R R 38/1655 läßt sie insoweit erstatten, wie sie einem deutschen Anwalt zu zahlen wären). b 3. Die Verkehrsanwaltgebühren wurden nach § 91 I für erstattungfähig angesehen, soweit schwierige Rechts- und Tatfragen zu erörtern sind und von der konkreten Partei die briefliche Klärung nicht zu fordern ist (KG J W 29/135 34 ). Korrespondenzanwälte gibt es auch in Ehesachen (OLG JMB1. N R W 52/52). Im Verkehr mit der ausländischen Partei wird die Hinzuziehung eines ausländischen Anwalts geboten sein ( K G J W 29/1599 1 ; dies gilt im besonderen für die nach Truppenvertrag Art. 9, 13 hinzugezogenen Anwälte), ebenso wenn ausländisches Recht anzuwenden ist (OLG H R R 30/913: a.M. K G J W 28/121 3 ). Im Verhältnis von Ost zu West billigt dem Westanwalt OLG N J 51/189 nur den Anspruch in DM-Ost zu, umgekehrt wird der Ostanwalt nur nach DM-Ost (nach der dort geltenden Gebührenordnung) entgolten (OLG M D R 52/170, das in DM-West festsetzt, nicht in DM-Ost; B G H N J W 54/1200 mit der Höchstgrenze der DM-Westgebühr nach der BRAGebO). Der Verkehrsanwalt erhält eine volle Prozeßgebühr in der Höhe wie sie der Postulationfähige erhält (BRAGebO § 52 I). Wurden mehrere Prozesse später verbunden, so entsteht die Gebühr des Verkehrsanwalts nach den getrennten Objekten (RG J W 99/532 4 ). Wenn er am Vergleiche mitgewirkt hat, erhält er auch noch die volle Vergleichsgebühr (OLG Stuttgart 40/358), die aber nur erstattet wird, falls die Mitwirkung notwendig war (OLG Stuttgart Anw.Bl. 57/265 will es sogar auf Unerläßlichkeit abstellen). Ist der Partei kein Verkehrsanwalt zuzubilligen, ist dieser aber als Beweisanwalt tätig geworden, so erhält er dessen Gebühren (RG J W 98/68 3 ); wenn er aber zugebilligt wird, nur einmal die volle Prozeßgebühr (RG J W 00/124 4 ). Auch sind die Kosten anderweiter Informationerteilung anzusetzen, falls die Verkehrsgebühr nicht bewilligt wird (RG J W 01/59®). Wer einen Verkehrsanwalt in Anspruch nimmt, erhält grundsätzlich keine Reisekosten (§ 91 E I I I a 2) ersetzt, wären sie geringer, so werden nur sie erstattet (OLG J W 15/1273) wie umgekehrt nur die Verkehrsanwaltgebühren ersetzt werden, wenn sonst kostspielige Informationreisen erforderlich werden würden (LG AnwBl. 54/203). Wer zunächst als Verkehrsanwalt, dann als Hauptprozeßbevollmächtigter tätig war erhält die
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Prozeßkosten
§91
E IV b 3
Prozeßgebühr nur einmal (OLG J W 33/154214). Entsprechendes gilt, wenn in AmtsgerichtprozesBen der Hauptbevollmächtigte nicht am Sitz des AG sich befindet, sondern einen Unterbevollmächtigten bestellt; mehr als die Kosten eines Hauptbevollmächtigten und die Verkehrsanwaltkosten werden hier nicht erstattet. Die Häufung von Patent- und Verkehrsanwaltskosten sollte man n i c h t als e r s t a t t u n g f ä h i g ansehen (a. M. OLG GRUR 51/426). Ein Verkehrsanwalt wird der Partei nicht zugebilligt, wenn sie selbst oder durch ihre Angestellten (vgl. die Frage der Generalunkosten in § 91 E VI b 1) die Arbeit hätte leisten können (RG N §91/7). Deshalb erhält der, welcher selbst Anwalt (oder Volljurist) ist, keine Verkehrsgebühren in eigener Sache (KG JW 36/169026); ebenso erhält sie nicht ein Unternehmen, das mit ständigen (angestellten) Rechtsberatern arbeitet (LG VersR 56/357). Bloße Arbeitersparnis allein rechtfertigt nicht die Bestellung des Verkehrsanwalts (OLG MDRRAK 40/5542). Allein mangelnde Sprachkenntnisse des in Deutschland ansässigen Ausländers hat OLG DRiZ 31/406500 nicht als ausreichend für die Erstattung der Prozeßgebühr angesehen. Eine Behörde kann keinen Korrespondenzanwalt in Anspruch nehmen (OLG NdsRpfl. 52/10.3), das muß dann auch für große Unternehmen gelten. Befinden sich am Wohnort der Partei simultan zugelassene Rechtsanwälte, so werden regelmäßig keine Verkehrsanwaltkosten erstattet. Ist der Verkehrsanwalt nicht am Sitz der Partei, so wird die Gebühr (regelmäßig) nicht erstattet (KG JVB1. 36/135). Die Reisekosten zum Revisionanwalt sind (regelmäßig) nicht erstattungfähig (vgl. § 91 E III a 2); insoweit sind es dann auch nicht die Verkehrsanwaltkosten (RG J W 05/20814). b 4. Bei „notwendigem" Anwaltwechsel sind auch die Kosten mehrerer Anwälte (derselben Instanz) zu erstatten (§91113). Ein notwendiger Anwaltwechsel liegt vor, wenn der bisherige Anwalt (unfreiwillig) als Anwalt ausscheidet, wenn er stirbt (RGZ 33/369 f.), auch bei Selbstmord (KG J W 34/31451) und wenn der Anwalt, der nach § 91 II 4 liquidieren darf, als Partei stirbt (KG JW 35/1703 29 ). Dies ist ferner der Fall, wenn er gegen seinen Willen (durch Ausschließung oder Zurücknahme der Zulassung) aus der Anwaltschaft ausscheidet (KG J W 35/3573) oder wo er durch einen Pfleger abgelöst wird (OLG LZ 20/184). Der Wegfall der Prozeßfähigkeit, aber auch schon die freiwillige Aufgabe der Zulassung infolge Erkrankung, machen den Anwaltwechsel notwendig (OLG J W 35/1417), auch die aus wirtschaftlichen Gründen (KG J W 34/229339; a. M. KG J W 35/10404). Notwendig ist der Anwaltwechsel, wenn der Prozeß auf ein anderes Gericht kraft neuen Gesetzes übergeht, an dem der Anwalt nicht mehr zugelassen ist, gleichviel aus welchen Gründen. Notwendig ist der Anwaltwechsel, wenn der Anwalt zum Richter (wenn hier auch vorübergehend) oder in ein Beamtenverhältnis berufen wird (OLG SchlHA 54/152), selbst wenn der Anwalt noch Mandate annimmt, nachdem er sich um ein Amt beworben hat, nach OLG NJW 57/1482. In all diesen Fällen tritt jedoch bei der Sozietät der am selben Gericht zugelassenen Anwälte der Sozius an die Stelle des Ausscheidenden, so daß dann niemals ein Anwaltwechsel notwendig wird (OLG JW 34/2173), selbst wenn infolge des Ausscheidens des alten Anwalts ein neuer in die Sozietät aufgenommen wird. Nicht notwendig ist der Anwaltwechsel, wenn er auf reiner Willkür des Anwalts beruht (KG JW 38/3912, a. M. OLG HRR 36/830); so, wenn er die Zulassung aufgibt (KG JW 35/12512), selbst wenn dies geschieht, um dem Ausschluß zuvorzukommen (OLG HRR 39/1057; a. M. OLG J W 35/141'), oder wenn er den Zulassungort wechselt (KG JW 35/10404) bzw. das Gericht (KG JW 38/39126) oder das Mandat kündigt (OLG NJ 52/459) oder wenn er auf seinem Verschulden beruht (KG J R 51/668; a. M. OLG JVB1. 36/275). Nicht notwendig im Verhältnis zum Gegner ist er aber auch, wenn die Partei dem Anwalt das Mandat kündigt. Auf die Gründe der Kündigung des Anwalts oder der Partei kann es nicht ankommen (KG J W 35/1703 30 ; die Rechtsprechung schwankt: bei Kündigung des Anwalts ohne Grund hält den Wechsel für notwendig RG JW 99/365», dagegen KG J W 35/170330; bei Kündigung des Anwalts, die die Partei oder der Anwalt zu vertreten haben, sei der Wechsel nicht notwendig: RG J W 99/365®, wohl aber bei unverschuldetem Wechsel: KG JW 37/30423:). Nicht notwendig war der, wenn zwei gegnerische Anwälte sich zu einer Sozietät zusammenschließen (OLG Nds.Rpfl. 59/79). b 5. Die Verweisung nach § 276 kann zu einem notwendigen Anwaltwechsel führen, diese Mehrkosten trägt stets der Kläger (§ 276 III 2). Deshalb darf der Kläger auch nicht die Prozeßgebühren seines Prozeßbevollmächtigten vor dem unzuständigen Gericht oder eine Verkehrs-
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§ 9 1 EIV b 5
ZPO I. Buch
gebühr erstattet verlangen (OLG DR IV [410] 78), wenn sie nicht nunmehr nach der Verweisung zuzusprechen ist und zur Entstehung kommt (OLG MDR 52/751). Fehlt es an der nach § 276 III 2 erforderlichen Kostengrundentscheidung, so setzt ein Teil diese Gebühren mit fest: OLG J W 28/152328 m. N.; während sie ein anderer (OLG Rpfleger 54/469) absetzt (dem wird zu folgen sein, weil die fehlende Kostengrundentscheidung nicht zugunsten, aber auch nicht zu Lasten des Beklagten gehen darf). Ergänzung nach § 321 ist allerdings zulässig (RG HRR 35/43). Im Mahnverfahren wird stets mit dem Widerspruch und einer dann etwa möglichen Verweisung zu rechnen sein (OLG HRR 39/639; a. M. OLG Anw. Bl. 57/240). Bei einem Arrest oder einer einstweiligen Verfügung muß mit dem Widerspruch und der folgenden mündlichen Verhandlung gerechnet werden (KG JW 34/30023; a. M. OLG JW 37/56839). Bei Teilansprüchen muß die Partei mit der Erhebung der Feststellungwiderklage und Verweisung an das LG rechnen (KG J W 34/19191). Nicht notwendig ist der Anwaltswechsel, nachdem das Verfahren vom übergeordneten an das untergeordnete Gericht zurückverwiesen worden ist (OLG J W 17/9818) und bei Einsprucheinlegung. b 6. Sind mehrere Parteien als Streitgenossen verklagt oder klagen sie als solche, so darf jede die Kosten ihres Anwalts ersetzt verlangen, wenn jede von ihnen durch einen anderen Anwalt vertreten wird (RGZ 31/417 f.). Das entsprechende gilt für Streitgehilfen (RGZ14/395 f.). Lassen sich aber die Streitgenossen (oder die Partei und ihr Streitgehilfe) nur durch einen Anwalt vertreten, so 6ind nur seine Kosten erstattungfähig (dies gilt auch für assoziierte Anwälte, die für mehrere Streitgenossen getrennt auftreten, KG J W 35/265447). Dabei hat OLG NJW 53/948 jeden der obsiegenden Streitgenossen dazu für befugt gehalten, auch das ganze Honorar einzuziehen, wenn die Kostengrundentscheidung allen die Kosten insgesamt zusprach; anders wenn dies geschieht (gleichviel aus welchen Gründen), wenn sich die Streitgenossen getrennt vertreten lassen (OLG DR 41 A 155717). Unterliegen nur einige mehrerer Streitgenossen, während andere obsiegen, so vgl. § 92 A II b 2. e) An sonstigen Aufwendungen des Anwalts sind erstattungfähig c 1. Porti und sonstige Auslagen regelmäßig im selben Umfang wie für die Partei. c 2. Zu ersetzen sind auch die Übersetzungkosten (sofern der Anwalt oder eine seiner ständigen Bürokräfte dies nicht selbst tun können: OLG 25/67; a. M. OLG 29/34). c 3. Bloße eigene Generalunkosten kann aber der Anwalt nicht ersetzt verlangen. c 4. Die Umsatzsteuer ist für die Anwälte nach UStG § 10 I 2 erstattungfähig, weil abwälzbar (RGZ 101/212), soweit der Anwalt gesetzliche Gebühren erhält. c 5. Reisekosten (vgl. für die der Partei § 91 E III a 2) des Anwalts kommen bei der Wahrnehmung eines auswärtigen Beweistermins durch den Anwalt zur Erstattung, wobei man die Vertretung der Partei durch einen Anwalt als geboten voraussetzen darf (RGZ 21/349). Die angebliche Wichtigkeit zum Kostenaufwand in Verhältnis zu bringen (so OLG HRR 38/122), ist bedenklich (RG JW99/223 5 ); denn es ist davon auszugehen, daß das Gericht nur die erhebliche Beweisaufnahme anordnet. Ist aber auch die Partei zugegen und ist sie selbst gereist, so sind ihre — geringeren — Kosten zu ersetzen (RG Gruch. 40/661); ist sie ortsansässig und könnte sie zugegen sein, so wird man es auf die Schwierigkeit der Beweisaufnahme abstellen und ferner, ob nicht die Vertretung durch einen örtlich ansässigen Rechtsanwalt als sachlich ausreichend (OLG 20/302) angesehen werden mußte. Über die Verhältnismäßigkeit des zu Erstattenden vgl. § 91 E IV a 2. Wohnt aber der simultan zugelassene Rechtsanwalt am Ort des Beweisaufnahmegerichts, so sind die „ersparten" Reisekosten nicht zu erstatten (KG J W 31/111839). Findet die Beweisaufnahme im Ausland statt, so werden die Kosten des ausländischen Rechtsanwalts zu erstatten sein (OLG 23/105), die Vertretung durch den ausländischen Anwalt wird aber auch genügend sein (KG J W 38/9652e). Erstattet werden mit der Höchstgrenze der tatsächlich vereinbarten die gesetzlich entstandenen, u. U. aber auch die allgemeinen Kraftwagenkosten (OLG HRR 31/710, NJW 53/1356 für ein Taxi; a. M. OLG NJW 54/480) und sogar die Flugzeugkosten (KG J W 36/217059). Liegen die allgemeinen Voraussetzungen für die Erstattung der Reisekosten vor, so sind sie auch, wenn der Termin infolge unverschuldeter Versäumung (Panne) nicht wahrgenommen wird, zu ersetzen (OLG J W 29/169358).
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Prozeßkosten
§91
E V. In Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenstreiten (vgl. PatentG § 51 V, GebrMG § 19 V, WZG § 32 V) und in Geschmacksmusterprozessen ( K G J W 37/2219 3 4 , OLG Darmstadt J W 39/311 4 3 ) darf sieh die Partei neben dem Anwalt eines Patentanwalts bedienen. a 1. Soweit sonst die Partei sich technischer Berater bedienen darf (vgl. § 91 D I a), sind damit zugleich die Kosten für diese in gleicher Weise wie in PatentG § 51 V begrenzt (vgl. OLG H R R 37/587). b) Die Gebühren der Rechtsbeistände und Prozeßagenten sind entsprechend den RAGeb. erstattungfähig (G v. 26. 7. 1957 [ B G B l . I 861] Art. I X § 1 1 ) , sie sind aber geringer. c ) Ob die Kosten von Hausbesitzer- und Mietervereinen in Höhe der der Rechtsbeistände erstattungfähig sind, ist umstritten (bejahend LG Kassel D W W 55/68 u. a., bei Nachweis: L G Wuppertal JMB1. N R W 50/260; dies bejahen nur, wenn es zugelassene Prozeßagenten sind: L G Köln M D R 55/744 u. a.; den Anspruch verneinen: LG Münster AnwBl. 52/42 u. a.; B G H N J W 55/422 gewährt nur Auslagen- und Aufwendungersatz. d) Außerdem werden noch die Kosten des Vertreters des abgewanderten Mieters nach G v. 20. 7. 1933 ( R G B l . I 521) Art 1 § 3 ersetzt. e) E r s t a t t e t werden auch die Kosten der Prozeßpfleger, die nach §§ 57, 58 bestellt worden sind ( K G J W 39/566). f ) Über die Erstattung von Kosten der Armenvertreter nach § 116, die nicht Anwälte sind, vgl. § 124 A I. g) Erstattungfähig sind grundsätzlich auch die Gerichtsvollziehergebühren, wenn sich die Partei des Gerichtsvollziehers bedient. B VI a ) Nicht erstattungfähig sind Aufwendungen, welche aus Verbindlichkeiten entstehen, die aus Anlaß des Prozesses eingegangen sind (OLG 11/63), im besonderen die für die Sicherheitleistung zur Vollstreckung oder ihrer Abwendung (OLG M D R 53/557); dies gilt auch für Zinsen, welche für die Aufnahme von Krediten entstanden (vgl. dazu § 91 B I I c 2), mag ein Zinsverlust auch durch Abhebung von Geldern von einem Bankkonto entstanden sein (OLG Stuttgart H R R 32/1163, 1598, J W 32/2905 2 8 , K G D R 42 A 629 1 8 ). b) Abgesehen von den zu § 91 E I I I a 1 erwähnten Fällen werden der Partei nicht ersetzt.
Zeitversäumnisse
b 1. Deshalb werden auch Generalunkosten nicht erstattet, etwa für den — gewöhnlichen — Schreibaufwand, auch von Hilfskräften (KG J W 34/3075 1 ). Dies gilt auch, wenn ein festbesoldeter Angestellter einen Termin wahrnimmt (LG J W 31/2450; a. M. OLG DRiZ Rspr. 3 5 / 4 6 3 4 5 1 , das entsprechend ihrer Besoldung anteilig erstatten läßt). Auch Generalunkosten, die zur Ermittlung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners dienen, sind nicht erstattungfähig (OLG H R G Z 34 B 6 3 4 1 8 0 ; a. M. OLG SächsA f. Rpfl. 38/165). Überhaupt darf eine Partei die Fähigkeiten, die sie selbst hat und durch die sie sich möglicherweise einen Kostenaufwand erspart, regelmäßig nicht in Rechnung stellen. Der Anwalt, der als Partei oder gesetzlicher Vertreter einer Partei vor dem Gericht auftritt, hat indes den Erstattungsanspruch (§ 91 I I 4 ; die h. M. tendiert auch hier zur Einschränkung und billigt im besonderen ihm dann keine Verkehrsgebühr zu, K G J W 36/169 0 2 6 ) . Das entsprechende muß für sonstige Rechtsbeistände in eigenen Sachen gelten, die sonst entgolten werden. Informationkosten, die dadurch entstehen, daß der Rechtsvorgänger unterrichten muß, sind nicht erstattungfähig (RG Seuff. 49/274). b 2. Nicht zu den erstattungfähigen Prozeßkosten gehören die, welche bei Vornahme außerprozessualer Handlungen entstehen. Ob diese Kosten nach außerprozessualem Recht dem Gläubiger zu erstatten lind, richtet sich nach diesem. b 3. Aber auch die Kosten, welche einen Prozeß vorbereiteten, sodann aber nicht zum Prozeß führten, sind keine Prozeßkosten. Dahin gehören die Kosten einer Beratung über die nicht vorgenommene Prozeßerweiterung (OLG 25/67), wie die der Rechtsmittelratschläge für nicht eingelegte Rechtsmittel. c) Nicht erstattungsfähige Anwaltskosten sind
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§ 9 1 B VI
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e 1. die Mehrkosten des Rechtsanwalts, der seine Kanzlei nicht am Orte des Gerichts hat; (§91112); dies gilt auch für den bestellten Vertreter (OLG JW 16/869«); als Armenanwalt kann er diese auch nicht von der Staatskasse ersetzt verlangen (BRAGebO § 121). c 2. Auch die Mehrkosten des nicht am Orte des Patent- oder Gebrauchsmuster- oder Warenzeichengerichts ansässigen Rechtsanwalts können nicht ersetzt verlangt werden (PatentG § 51 IV; GebrMG § 19 IV, WZG § 32 IV). c 3. In Bhein8chiffahrtsachen hat es dagegen noch OLG MDR 53/48 auf die Erforderlichkeit der Hinzuziehung des auswärtigen Anwalts abgestellt (vgl. dazu G v. 27. 9.1952 [BGBl. I 641] § 12). c 4. Nicht erstattungfähig sind die Generalunkosten (§ 91 E IV c). c 5. Auch Gebühren, die entstehen, werden nur erstattet, wenn nicht irgendein Anwalt nach BRAGebO §§ 37, 58 ohne dieses besondere Entgelt hätte tätig werden können (OLG HRR 41/908). c 6. Nicht erstattungfähig ist ferner die Gelderhebunggebühr usw. der BRAGebO § 22 (RG Gruch. 34/762; a. M. OLG JW 38/1185"). d) Die Kosten sonstiger Rechtskundiger, wenn sie vor den ordentlichen Gerichten auftreten, werden nicht erstattet (LG JW 31/5531). d 1. Dies ist im besonderen für die Kosten der Verwaltungrechtsräte ausgesprochen worden (DRpfl. Rspr. 39/24). d 2. Dasselbe ist für die Kosten der Treuhandgenossenschaft oder der genossenschaftlichen Treuhandstelle erkannt worden (LG JW 38/2765"; a. M. LG J W 38/204741). F. Schließt das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten mit keiner Kostengrundentscheidung, sondern mit der Abgabe der Sache, so wird die Stelle, an welche die Sache abgegeben wurde, auch über die vor dem ordentlichen Gericht entstandenen Kosten zu entscheiden haben, wie umgekehrt das ordentliche Gericht, wenn es die Sache abgegeben erhält, auch über die Kosten der anderen Stelle zu entscheiden hat, sofern diese keine Kostengrundentscheidung getroffen hat. Die Fälle, in denen das ordentliche Gericht eine Sache an ein anderes abgeben soll, sind gesetzlich besonders geregelt (vgl. § 276 A III, IV); doch wird nur zum Teil geregelt, ob das abgebende Gericht eine Kostenentscheidung erlassen soll. F l a ) (Vgl. z. B. 6. DVO EheG §23, wonach die vor dem Prozeßgericht entstandenen Kosten als Teil des Verfahrens vor dem Hausratsgericht behandelt werden ; WohnungeigentumG § 50, LVG §§ 33 folg., AG Londoner Schuldenabkommen § 76, VHG §§ 19, 20.) F II. Im Verhältnis zu den Arbeitgerichten gelten § 276, ArbGG § 48, also grundsätzlich das Verweisungrecht ohne besondere Kostenentscheidung des abgebenden Gerichts, soweit nicht doch nach § 276 Kostengrundentscheidungen ergehen. Das arbeitgerichtliche Kostenerstattungrecht ist indes modifiziert. b) Doch gilt dies nur, soweit die Modifizierung reicht. So werden etwa Zeitversäumnisse und Vertreterkosten ersetzt, welche im vorausgegangenen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten entstanden waren, wenn diese nach § 276 an das ArbG verwiesen haben (LArbG JW 28/1167 1 ); dagegen gilt die arbeitgerichtliche Regelung auch, wenn der Rechtstreit vom ArbG an das ordentliche Gericht verwiesen wurde (ArbGG § 48) für die vor dem Arbeitgericht entstandenen (KG AP § 91—94). F IV. Verweisungen gibt es auch im Verhältnis zum Bundesverwaltunggericht bzw. den sonstigen Verwaltungs- und Verwaltungssondergerichten. Hier hat indes BGH Z 11/43, 12/52, 13/145 die Kosten, welche vor den ordentlichen Gerichten entstanden sind, sogleich voll dem Kläger auferlegt.
§ 91 a (99 III) I Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. II Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
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Prozeßkosten
§91a
A. Nach § 91a entscheidet das Gericht, wenn die Parteien den Rechtstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären, über die Kosten nach billigem Ermessen durch Beschluß. Dabei spielen Klage- und Verfahrensart keine Rolle. A I. Die Hauptsache für erledigt erklären, kann nur der Kläger. Der Beklagte hat keine Gewalt über den nach § 308 I zu entscheidenden Klageantrag. Er wahrt auch seine Interessen hinreichend durch den Antrag auf Klageabweisung; denn darf der Kläger die HauDtsache nicht mehr fordern, so ist die Klage auf seine Kosten abzuweisen (RG J R 26 B 2288). b) Die Erledigungerklärung des Klägers trifft (ganz oder zum Teil) die Hauptsache derart, daß er insoweit keine weitergehende Entscheidung beantragt (RGZ 156/372 [376]). Im Verhältnis zum ursprünglichen Klageantrag liegt darin eine Beschränkung (§ 268 I 2), aber weder ein Klageverzicht (§306, OLG GRUR 53/123) noch eine Klagerücknahme (§271, RG JW 20/55712). b 1. Verzichtet der Kläger wegen des Erledigungereignisses auf den Klageanspruch, so läßt auch dieser Verzicht dem Beklagten keine Möglichkeit, die Erledigung zu leugnen; deshalb müssen aber auch den Kläger die Kosten treffen (RGZ 101/163), soweit nicht § 93 entsprechend anzuwenden ist. Lag indes gar kein Erledigungereignis vor (der Beklagte hatte in Abwendung der Vollstreckung gezahlt), so bedeutet der Klageverzicht sogar den auf den (ursprünglichen) Klageanspruch und löst eine Rückgabeverpflichtung (vgl. § 717 II, III, zumindest auch aus BGB §§ 812folg.) aus. b 2. Während der Beklagte einen solchen Klageverzicht gar nicht hindern kann, bedarf es, wenn der Kläger infolge des Ereignisses die Klage zurücknimmt, u. U. seiner Zustimmung (§ 2711); doch würde sie dem Kläger gestatten, die Klage zu erneuern, was der Kläger bei der Erledigung gar nicht können will, weil er in ihr den Grund der Befriedigung sieht; nimmt er indes zurück, so treffen ihn nach § 271 III die Kosten (RGZ 114/246 [251]); eine teilweise Klagerücknahme begründet eine Teilkostenlast (RG Warn. 37/135). b 8. Das entsprechende gilt für die Rücknahme von Rechtsbehelfen bzw. -mittein (§§ 515 III, 566, vgl. OLG MDR 49/69 8 286 ) oder wie für Verzicht auf diese (§§ 514, 566); in diesen Fällen erledigen sich die unselbständigen Anschlußrechtsmittel; die Kosten dafür treffen den Gegner, weil sie durch seine Willkür hinfällig geworden sind (BGH NJW 52/384). d) Erledigt sich die Klage nach Einreichung, aber vor Zustellung an den Gegner, so ist § 91a nicht anzuwenden (OLG JMinBl. NRW 54/284 a.M.BGH NJW 56/15175). Ob dem Kläger die Kosten, etwa auf Grund des Verzugs des Beklagten zu ersetzen sind, richtet sich dann nach außerprozessualem Recht. A II. Erklärt der Beklagte die Hauptsache für erledigt, d. h. stimmt er im Vorwege einer von ihm vorausgesehenen Erledigungerklärung des Klägers zu, so liegt darin ein (modifiziertes) Beharren auf dem Klageabweisungsantrag. Die Erklärung des Beklagten führt dann niemals dazu, ihn schon um seiner Erklärung willen zu verurteilen, sondern erst dann, wenn die Klage tatsächlich begründet ist. Andererseits kommen hier §§ 307, 93 nicht zum zuge. a) Der Beklagte seinerseits darf aber auch auf Klageabweisung bestehen (RG Warn. 38/14; a. M OLG MDR 57/298), dann ist zu entscheiden, ob die Erledigungerklärung des Klägers berechtigt ist. a 1. War die Klage berechtigt und ist keine Erledigung eingetreten, so wird die Klage mit der Kostenlast gegen den Kläger abgewiesen (RG JW 19/50511). Keinesfalls darf hier nach dem ursprünglichen Klageantrag erkannt werden, auch nicht wenn er als Hilfsantrag beibehalten wurde (KG OLG 15/259), so daß neben dem Hauptantrag auf Erledigung nicht der Hilfsantrag auf den ursprünglichen Klageantrag gehen kann (§ 253 G III d 2); auch darf das Gericht über die Erledigung nicht mehr durch Zwischenurteil entscheiden (§ 303; a. M. RG J W 39/16930), weil es sachliche Anträge nicht mehr trennen darf. Blieb umgekehrt der Kläger bei seinem Hauptantrag und stellte er nur hilfsweise den Erledigungantrag, so wird nur nach dem Hauptantrag erkannt, wenn er begründet ist; andernfalls wird unter Abweisung des Hauptantrags auf Erledigung erkannt. 25
W i e c z o r e l c , ZPO, Handausgabe
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a 2. War die Klage schon vorher unbegründet, 30 ist die Erledigungerklärung unbegründet und die Klage wird mit der Kostenlast gegen den Kläger abgewiesen (RG J R 26 B 2288). Der Kläger muß „sofort" (§ 93 B II c) für erledigt erklären, wenn ihn nicht die Kosten treffen sollen (RGZ 148/400 [404]; a. M. BGH NJW 51/360). b) War die Klage bei ihrer Erhebung (§ 253 I) begründet, erledigte sie sich indes dann durch ein Ereignis, auf das hin der Kläger sie für erledigt erklärte, so ist zwar die Erledigung begründet, die Kosten trägt indes dann die Partei, welcher die Erledigung zur Last fällt, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Beklagte der Erledigung (unbegründet) widersprochen hatte (a. M. KG OLG 39/42), wenn die Erledigung tatsächlich festgestellt wird (vgl. RGZ 155/296f.); denn ab Erledigung konnte ja der Klage nicht mehr stattgegeben werden, obwohl dann ausdrücklich über die Erledigung zu entscheiden ist (RG JW 38/249 20 ). b 1. War die Klage schon vor ihrer Erhebung erledigt, so treffen grundsätzlich die Kosten den Kläger, selbst wenn er ihre Zustellung nicht mehr stoppen konnte (RGZ 54/37f.). b 2. Wohl aber darf der Kläger in diesem Falle die ihm erwachsenen Kosten nach auBerprozessualem Recht, etwa auf Grund des Verzugs des Beklagten (BGB § 286, vgl. RG Warn. 26/19), als Hauptsache und beziffert (RG J W 29/961) ersetzt verlangen. A III. Der Begriff der Hauptsache bezieht sich hier auf alle Ansprüche (der Haupt- wie der Nebenansprüche, vgl. § 4 C I) mit Ausnahme der Prozeßkosten. b) Der Kläger kann zwar darüber hinaus auch seine Prozeßkostenansprüche für erledigt erklären. Dann darf nur über die Prozeßkosten entschieden werden, wenn der Beklagte oder ein Streithelfer dies beantragen, denn der Kläger kann nicht über diese Ansprüche der anderen verfügen. e) Wird nur ein Teil der Hauptsache für erledigt erklärt und wird der Rest weiter verfolgt, so wird über die gesamten Prozeßkosten von gerichts wegen nach § 308 II entschieden, gleichviel ob und welche Kostenvereinbarung die Parteien sonst getroffen haben. Dagegen will BGH BB 54/426 bezüglich des erledigten Teils § 91a anwenden, was indes rechtsmittelmäßig zu einer Spaltung der Verfahren führen müßte, die es sonst im Kostenrecht nicht gibt (wie hier: OLG Oldenburg MDR 57/686). B. Für die Kostenentscheidung nach Erledigungerklärung der gesamten Hauptsache (§ 91a A III) gilt folgendes: B I. den Kläger treffen die Kosten, wenn die Erledigung auf einem Ereignis beruht, welches er oder eine Person, für die er einzutreten hat, willkürlich herbeigeführt hat. a 2. Wurde die Willkür des Klägers indes durch ein Verhalten des Beklagten ausgelöst, so treffen den Beklagten die Kosten, etwa wenn der Kläger berechtigterweise nach BGB § 326 gegen den Beklagten vorgeht, vom Vertrage im Laufe des Rechtstreits zurücktritt, gleichviel ob er dies schon früher hätte tun können oder nicht (RG Seuff. 79/154). Dies gilt auch bei einem Zwangsvergleich (RG HRR 28/682). Dies gilt ferner bei aus prozessualen Gründen erforderlich werdenden Erledigungserklärungen. Wird auf eine negative Feststellungklage die entgegengesetzte Leistung- (bzw. bezifferte positive Feststellung-)klage erhoben, so ist die erste für erledigt zu erklären, wenn sie nicht als unzulässig kostenfällig abgewiesen werden soll; dann treffen die Kosten den, der die der Widerklage zu tragen hat (RG N § 91/53). b) Den Beklagten treffen die Kosten, wenn er nach Rechtshängigkeit willkürlich gehandelt und dadurch die Erledigung herbeigeführt hat, also wenn er etwa den Kläger befriedigt, obwohl er dies schon früher hätte tun sollen (RGZ 130/393f.). Befriedigt der Beklagte den Kläger aber zur rechten Zeit, so gilt § 93 entsprechend (RG J W 03/973), während bloßes Zugestehen des Klagegrundes ohne Anerkenntnis diese Wirkungen nicht auslösen kann (RG JW 01/1872). Begleicht der Beklagte eine Nichtschuld oder eine noch nicht fällige Schuld, so zieht dies nicht die Kostenlast nach sich (OLG NJW 53/949). Dies gilt auch, wenn der Beklagte, der durch ein Räumungurteil räumen mußte, später auf den Wiedereinzug verzichtet (RGZ 130/393f.). Aber selbst wenn der Beklagte nicht rechtzeitig befriedigt, wird die Klage mit der Kostenbelastung des Klägers abgewiesen, wenn der Kläger die Befriedigung als solche überhaupt nicht gelten lassen will (RG N § 93/10) oder die Klage nicht sofort für erledigt erklärt (vgl. §§ 91a A II a 2, 93 B II, RG J W 31/118910).
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b 1. H a t indes der Kläger die Willkür des Beklagten durch sein Verhalten ausgelöst, so treffen die Kosten den Kläger, etwa wenn der Beklagte nach BGB § 326 berechtigterweise vom Vertrage zurücktritt und dadurch sich der Klageanspruch erledigt (d. h. unbegründet wird; RG 79/154). Wird der Beklagte zur Befriedigung des Klägers gezwungen, so tritt dadurch keine Erledigung ein, und es dürfen die alten Anträge beiderseits weiter verfolgt werden (RGZ 130/393 f.). c) H a t die Erledigung keine Partei zu vertreten, so ist wegen der Kosten grundsätzlich so zu erkennen, wie vor dem Eintritt des Ereignisses zu entscheiden gewesen wäre (RG J W 00/507 1 ). c 1. Hierher gehören die gesetzlich geregelten Fälle der §§ 628, 640, die entsprechend dann gelten, wenn höchstpersönliche Rechte durch den Tod einer Partei (oder ihre Auflösung) erlöschen (doch hat OLG JMB1. NRW 56/32 auch hier 91a entsprechend angewandt). c 2. Ein weiterer Hauptfall ist die Gesetzesänderung (RG J W 38/3130 36 ). Die frühere Meinung ging hier dahin, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, wenn durch die Gesetzesänderung die Klage unbegründet wurde (RG J W 00/507 1 ). BGH v. 11.1.1954 V ZR 23/52, OVG DB 51/759 haben bei ursprünglich begründeter Klage und sofortiger Erledigungerklärung dagegen dem Beklagten die Kosten auferlegt, also § 93 entsprechend angewandt. KG MDR 54/489 will dagegen die Kosten teilen. Doch hat der Gesetzgeber häufig Sonderregelungen getroffen, die dann den Vorrang vor § 91a haben. BGH N J W 57/628 hat die Kostenregelung des BVFG § 89 unabhängig davon angewandt, ob die Parteien den Rechtstreit für erledigt erklärten oder nicht; dasselbe hat BGHZ 26/239 bezüglich des AKG § 106 getan. Diese Norm h a t BGH N J W 59/936 auch dann angewandt, wenn das AKG einen Anspruch nur mittelbar zum Erlöschen gebracht hat. War indes nach AKG § 106 für erledigt erklärt und wird dagegen erfolglos ein Rechtsmittel eingelegt, so gilt nur § 97 (BGH v. 21.12.1959 I I I ZR 166/58). c 3. Ein weiterer Fall ist, wenn beide Parteien gemeinsam willkürlich handeln, wie bei einem außergerichtlichen Vergleich über die Hauptsache (OLG J W 24/1622"), wenn sie sich den Kostenpunkt offenhalten (vgl. § 98 A II, III). Regeln sie außergerichtlich den Kostenpunkt, so ist — nach erledigter Hauptsache — nur noch nach der Regelung zu erkennen, wenn die Regelung unstreitig ist (bei Streit hat OLG JMB1. N R W 52/135 nach § 91a ohne Beweiserhebung entschieden). Allerdings kann mit dem Vergleich nicht der Kostenanspruch des Streitgehilfen zerstört werden, wenn er dem Vergleich nicht zustimmt, wohl aber erledigt sich im Verhältnis von ihm zur Gegenpartei der Streit in der Hauptsache, so daß dann zwischen ihnen nach § 91a zu entscheiden ist. c 4. Kann indes jede Partei für sieh den Erfolg (einer Erledigung) herbeiführen, so kann sich die andere nicht darauf berufen, daß sie ihn nicht herbeigeführt hat, obwohl sie ihn hätte herbeiführen können. Dies gilt zunächst für die Abgabe der Aufrechnungerklärung. Hätte der Kläger schon vor Klageerhebung aufrechnen können, so treffen ihn die Kosten, selbst wenn der Beklagte nach Klageerhebung die Aufrechnung erklärt hat (RGZ 50/389f.). Über Erledigung bei Zug-um-Zug-Leistung vgl. § 92 A I a 2, über die unter Vorbehalt der beschränkten Haftung bei sofortigem Anerkenntnis §93 B I I : den Erben treffen die Kosten unbeschränkbar, soweit sie neu entstehen. Das entsprechende muß gelten, wenn eine behördliche Genehmigung herbeizuführen ist; sie muß der Kläger herbeiführen; bevor er in den Prozeß geht (vgl. KG J W 29/516 1 ). B II. Wird die Klage — entsprechend der Erklärung des Klägers — für erledigt erklärt statt abgewiesen oder umgekehrt, so ist dies zwar Entscheidung zur Hauptsache (BGH v. 12. 7.1956 I Z B 3/56), doch liegt die Beschwer der Parteien nur in der Kostenbelastung (a. M. BGH v. 12. 7.1956 I ZB 3/56, RGZ 114/230 [232]). a) Erkennt man nur die Kostenlast als Beschwer an, so darf nur noch nach §§91a II, 99 II in entsprechender Anwendung die sofortige Beschwerde als Rechtsmittel, nicht aber Berufung oder Revision zugelassen werden. b) Anders ist die Rechtslage, wenn die Erledigung selbst erst in der höheren Instanz erklärt wird. Dann ist noch die alte Beschwer maßgebend, und es wird über die Kosten aller Instanzen nach den oben geschilderten Grundsätzen entschieden (vgl. RGZ 114/230 [232]). 25«
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c) Tritt die Erledigung gerade in der Zwischeninstanz (nach Erlaß des Erkenntnisses der Vorinstanz und vor Einlegung des Rechtsmittels) ein, so kann wegen des Kostenpunkts allein ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, zur Hauptsache aber nicht, weil insoweit keine Beschwer gegeben ist; das dennoch eingelegte Rechtsmittel ist unzulässig (BGH J R 53/385). Wird dagegen vor Erlaß des angefochtenen Urteils befriedigt (etwa zum Teil), dies aber nicht im Antrag berücksichtigt und deshalb trotz Befriedigung voll zuerkannt, so bleibt die volle Beschwer (RG N § 546/50). C. Erkennt der Beklagte den Erledigungantrag des Klägers an (das Gesetz spricht von der übereinstimmenden Erledigungerklärung der Parteien), so wird über die Erledigung zur Hauptsache nicht entschieden (RGZ 114/230 [232]), sondern nur über die Kosten nach § 91a 11, also selbst dann, wenn die Hauptsache gar nicht erledigt ist (OLG BayJMinBl. 55/118; a. M. OLG NJW 53/949). Über die Erledigung vor Rechtshängigkeit vgl. § 91a A I d, II b 1. Die Vorschrift ist noch in der Rechtsmittelinstanz, auch in der Revisionsinstanz, anzuwenden (BGH MDR B 57/52), vorausgesetzt, daß das Rechtsmittel wirksam eingelegt worden war (vgl. RGZ 168/355 f.), was von gerichts wegen zu prüfen ist. Dies muß dann aber auch für die Prozeßbedingungen gelten (a. M. BGH v. 29.10.1958 IV ZR 127/58). C I. Keine Zustimmung des Beklagten znr Erledigungerklärung des Klägers liegt vor, a) wo der Beklagte den ursprünglichen Anspruch anerkennt (§307; dann ist §93 anzuwenden) oder wenn er ihm nachkommt und deshalb auf Klageabweisung besteht (vgl. §91a B I b), denn die Gefahr der Kostenbelastung kann den Beklagten dazu zwingen den Kläger zu befriedigen und so die Erledigung der Hauptsache herbeizuführen (RG Warn. 17/250). b) War ein Rechtstreit, der eine auf MSchG §2 gestützte Klage zum Gegenstand hatte, nach MSchG § 11 ausgesetzt, so wird, falls die Fortsetzung des Verfahrens nicht (rechtzeitig) beantragt wird (MSchG § 11IV), die Hauptsache für erledigt erklärt, dabei sind dann die Kosten regelmäßig gegeneinander aufzuheben. Nur im Falle des MSchG § 11 V dürfen nach „Billigkeit" die Kosten dem Vermieter ganz oder zum Teil auferlegt werden. Die Anfechtung dieser Kostenentscheidung ist unzulässig (MSchG § 11 VI 3). C II. Sowohl die Erledigungerklärung des Klägers ( § 9 1 a A I ) wie die Zustimmungerklärung des Beklagten (§ 91a A l l ) sind prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende Willenserklärungen. Widerruflichkeit der Erledigungerklärung sollte man nur wie beim Anerkenntnis bzw. Geständnis annehmen (a. M. OLG JMB1. NRW 50/123). Die schriftsätzliche Erklärung genügt im schriftlichen Verfahren (§ 128 II), sonst muß sie nach h. M. in mündlicher Verhandlung gegeben werden (OLG MDR 54/302); doch genügt die vor dem Einzelrichter (a. M. OLG JMB1. NRW 50/123). Nach der hier vertretenen Auffassung genügt auch Abgabe in'einem bestimmenden Schriftsatz (§ 271 II 2 entsprechend; vgl. auch § 99 B I b 2). C III. Trotz anerkannter Erledigungerklärung kommt es zur Kostenentscheidung nur, wenn (wenigstens) eine Partei (nicht der Anwalt, der kein Antragrecht hat: a. M. OLG NJW 58/1975) dies beantragt, nicht aber, wenn die Parteien übereinstimmend erklären, daß auch die Kostenanträge erledigt sind oder wenn sie sich über diese gerichtlich vergleichen oder außergerichtlich verglichen haben (vgl. § 91a B I c 3). C IV. Die Anhörung der Parteien ergibt sich daraus, daß sie gemeinschaftlich den Streit in der Hauptsache für erledigt erklären müssen. Weitere Erklärungen brauchen nicht abgewartet zu werden (a. M. RGZ 171/274 [276]). Zu entscheiden ist nach Aktenlage; an sich sollte nicht neu verhandelt werden, es sollten aber auch keine neuen Beweise erhoben werden (OLG NdsRpfl. 54/203). Dennoch kann aus der Verletzung dieser Bestimmung nichts hergeleitet werden. Versäumnisentscheidungen gibt es hier nicht. I). Entschieden werden soll nach billigem Ermessen von der Instanz, welche mit dem Rechtstreit befaßt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß (§ 91 a I 2). D I. Die Gerichte pflegen dann im allgemeinen sorgfältig abzuwägen und zu begründen, wer unterlegen wäre (vgl. BGH NJW 52/100). Kommt man bei noch ungeklärter Sachlage zu keinem Ergebnis, wer unterlegen wäre, so sollte man die Kosten teilen (OLG MDR 57/685). Ein begründeter Beschluß ist nur dort erforderlich, wo er mit der sofortigen Beschwerde angreifbar ist. Dagegen ermöglicht § 91a es — abgesehen von dem Fall des § 293 — nicht, eine Rechtsfrage ungeklärt zu lassen (a. M. BGH NJW 54/1039).
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§ 92
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I Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäBig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
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II Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozeßkosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war nnd keine besonderen Kosten veranlaßt hat oder wenn der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ausmittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war. A I a) Das Obsiegen wird gemessen am Verhältnis von Antrag zu Urteilspruch. Über den Antragswert vgl. §§ 3ioIg.; doch kommt es nur auf den Gebührenwert (nicht auf den Streitwert) an, vgl. zu den Begriffen §§ 2 D, 3 B I a 4. Bei einem nicht bezifferten Anspruch ist sein wahrer Wert zu berücksichtigen (BGH N J W 58/334). Nebenforderungen spielen keine Rolle (§ 4), so daß es gleichgültig ist, ob bezüglich dieser — unselbständigen — Nebenforderung die Partei obsiegt oder unterliegt (a. M. Sydow-Busch § 92 Anm. 2 unter Hinweis auf RG J W 88/177 1 ). a 1. Wird ein zu begrenzender Teilsieg erzielt, so liegt ein Fall des § 92 I vor. Auch bei ungleichem Obsiegen sind die Kosten zu verteilen (RG N § 92/12), soweit nicht § 92 I I Platz greift. Dies gilt auch, wenn Klage und Widerklage abgewiesen werden oder beiden stattgegeben wird (RG J W 13/696 14 ) oder wenn der Unterlassungklage stattgegeben, aber die Schadenersatzklage abgewiesen wird (RG N § 92/3) oder auch bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln, aber auch, wenn die Klage nur gegenüber einem Teil der streitgenössischen Beklagten abgewiesen oder nur einigen streitgenössischen Klägern etwa zugesprochen wird (vgl. dazu § 100 B II). Die Mitschulderklärung des Klägers im Ehestreit stellt stets ein Unterliegen im Hauptanspruch dar (RG J W 06/426 11 ) und sogar, wenn der insoweit Obsiegende für überwiegend schuldig erklärt wurde (RG D R 40 A 578 3 ; hier werden die Kosten 2 : 1 geteilt). a 2. Wird gar der Hauptantrag abgewiesen, dem Hilfsantrag aber stattgegeben, so ist nur, wenn der Hauptantrag höherwertig war, der Mehrkostenteil dem Kläger aufzuerlegen (RG J R 27 B 743). Dies gilt auch, wenn der Kläger erst mit einem in zweiter Instanz erhobenen Hilfsbegehren durchdringt (ihm dürfen dann also nicht die Kosten der ersten Instanz [voll] auferlegt werden: BGH N J W 57/543). Dringt der Kläger nur mit einer zukünftigen Leistung an Stelle der in erster Linie geforderten gegenwärtigen durch, so ist bei gleichem Kostenwert und mangelndem sofortigen Anerkennen des Beklagten (§ 93 B II) kein kostenmäßiges Unterliegen des Klägers festzustellen (a. M. OLG 17/313); dasselbe gilt bei einer bedingten Verurteilung an Stelle der unbedingt geforderten (etwa der auf Leistung Zug um Zug nach B G B §§ 274 I, 322 I : RG Recht 15/1365; a. M. RG D R 41 A 1959 1 2 , wenn über die Berechtigung der Zug-um-Zug-Leistung gestritten wurde oder der Verurteilung unter Vorbehalt nach §§ 305, 780, immer vorausgesetzt, daß der Beklagte nicht ein hierauf gerichtetes, sofortiges Anerkenntnis abgegeben hatte (vgl. § 93 B II) oder wenn die Zurückbehaltung usw. überhaupt nur in Streit war. Bei Räumung — und Mietaufhebungklage unterliegt der Beklagte schon durch die Räumungklage, so daß die Abweisung der Mietaufhebungklage kostenmäßig nicht in das Gewicht fällt (LG JMB1. NRW 49/134). Dies gilt auch, wenn nur der dingliche, nicht aber zugleich der persönliche Arrest angeordnet wird (OLG J W 25/836"). Das entsprechende gilt bei einstweiligen Verfügungen, zumal hier das Gericht nach § 938 freier gestellt ist (OLG BadRPr. 1935/4). Über die Folge der Klageänderung vgl. § 91 C I b. a 3. Wird eine als Gesamtschuldner in anspruch genommene Mehrheit von Streitgenossen nur nach Köpfen anteilig verurteilt, so ist zu prüfen, ob insoweit Mehrkosten dem einzelnen entstanden sind. b) Am gerechtesten ist die mathematische Aufteilung der Kosten nach dem anteiligen Sieg; nach RG J W 38/2767 entscheidet indes freies Ermessen. b 1. Gegeneinander aufheben darf das Gericht die Kosten nur, wenn dies dem ungefähren Verhältnis von Sieg und Niederlage entspricht. b 2. Die verhältnismäßige Teilung nach Bruchteilen ist sonst die Regel, doch darf einer Partei auch eine Summe, der anderen der Rest auferlegt werden. b 3. Andere Teilungen als nach Quoten oder auch summenmäßiger Abteilung sind unzulässig (RG Recht 09/859).
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A II. Besonderheiten ergeben sich, wenn eine Parteiseite zum Teil obsiegt, zum anderen unterliegt, während die anderen Parteien teils obsiegen, teils unterliegen bzw. wenn dem bei beiden Parteiseiten so ist. a) Dann dürfen den, der voll obsiegt, grundsätzlich keine Kosten treffen. I m Verhältnis zu dem Unterliegenden müssen indes die alle gemeinsam beschwerenden (Gerichts-)Kosten nach § 92 mit dem Obsiegenden geteilt werden, der gegenüber einem anderen unterliegt (BGH N J W 53/618 = J R 53/138). a 1. Sind zwei Beklagte verklagt und wird der Klage gegen einen stattgegeben, sie gegen den anderen abgewiesen, so sind die außergerichtlichen Kosten des obsiegenden Beklagten dem Kläger aufzuerlegen (OLG 33/42f.), die Gerichtskosten und die außergerichtlichen des Klägers aber zwischen dem Kläger und dem unterlegenen Beklagten nach Bruchteilen zu teilen, und zwar im Verhältnis von 1 : 1 bei sonst gleicher Beteiligung (RG N § 92/16; a. M. B G H V Z R 98/53, das den Duldunganspruch erheblich geringer bewertete). Würde bei drei Beklagten die Klage gegen zwei abgewiesen, gegen einen stattgegeben, so wären dem Kläger — neben den außergerichtlichen Kosten des Obsiegenden — die Gerichtskosten zu 2 / 3 aufzuerlegen (RG N § 92/5). Dagegen wäre es inkorrekt, so über die Kosten zu entscheiden, daß sie dem unterlegenen Beklagten auferlegt werden, soweit sie nicht durch die Klage gegen den anderen entstanden sind (RG Gruch. 52/1016). a 2. Das entsprechende gilt, wenn von mehreren Klägern einer unterliegt, der andere obsiegt und wenn auf beiden Seiten sich solche Mischfälle ergeben. a 3. Der selbständige Streitgehilfe (§ 69) folgt dabei kostenmäßig der Partei, welcher er beigetreten ist ( § 1 0 1 I I ) . Unterstützt der Streitgehilfe mehrere teils obsiegende, teils unterliegende Parteien, so ist § 92 entsprechend anzuwenden. a 4. Wechselt der (unselbständige) Streitgehilfe die Parteiseite, so scheidet er mit dem Wechsel aus dem Streit aus und kann damit aus seiner bisherigen Parteistellung keinen Kostenanspruch mehr fordern, gleichviel welche Partei obsiegt. Maßgebend sind nur die letzte Parteiseitenstellung im Prozeß und die dafür entstandenen Kosten. b) Das Verhältnis der Streitgenossen zueinander ist nicht im Rechtstreit befangen, es darf auch nicht in der Kostengrundentscheidung geregelt werden (RG J W 98/12 3 2 f.). Die Kostenfestsetzung gegen den unterlegenen und für den obsiegenden Streitgenossen ist grundsätzlich getrennt durchzuführen ( K G J W 37/166 2 2 8 ). Hier ergeben sich indes Schwierigkeiten, wenn gemeinschaftliche Kosten — entweder durch inkorrekte Entscheidung oder, weil sie so entstanden sind, — aufzuteilen sind. b 1. Bei inkorrekten Kostengrundentscheidungen muß man im Kostenfestsetzungverfahren auseinanderrechnen (RGZ 41/399f.). § 100 I I , I I I dürfen hierbei aber nicht berücksichtigt werden, da diese Last nur durch den Kostenausspruch begründet werden darf, nicht durch eine Festsetzung (RG J W 8 6 / 3 1 4 3 ) ; in zweiter Instanz kann dies bei dem, der am Rechtsmittel nicht beteiligt ist, nicht nachgeholt werden ( R G J W 99/702 1 7 ). Rechnet man bei inkorrekten Entscheidungen auseinander, so gibt es keine gemeinschaftlichen Gerichtskosten mehr. Daß hier auch der Obsiegende die Zahlung nachweisen muß, darüber vgl. § 91 E I I a (KG J W 35/304 2 ); sind sie aber gezahlt, so braucht nach der hier vertretenen Auffassung jedenfalls nicht nachgewiesen zu werden, mit wessen Mitteln dies geschehen ist ( K G J W 3 3 / 1 7 3 4 5 , 3 8 / 1 1 8 6 4 2 ) . Auch soweit bei den Kosten des Gegners sich Unklarheiten bei inkorrekten Entscheidungen ergeben, sind sie im Kostenfestsetzungsverfahren zu bereinigen. b 2. Entstehen für den obsiegenden wie für den unterliegenden Streitgenossen gemeinschaftliche Kosten, so haftet jeder von ihnen dem Anwalt als Gesamtschuldner. Inwieweit sie im Innenverhältnis untereinander haften, ergibt sich nach außerprozessualem Recht (vgl. B G B § 426); das kann ergeben, daß der eine für alle Kosten aufzukommen hat oder auch, daß sie zu verteilen sind. Streitig ist, wie dann bei der Kostenfestsetzung zu verfahren ist. Wer es nur darauf abstellen will, daß das Innenverhältnis der Streitgenossen weder bei der Kostengrundnoeh bei der Kostenhöheentscheidung zu berücksichtigen ist, läßt der obsiegenden Partei grundsätzlich wegen ihrer gesamtschuldnerischen Haftung alle Anwaltkosten ersetzen ( R G J W 9 8 / 4 5 3 , B G H N J W 54/1200 1 0 ). Dabei wird dem Gegner nicht einmal die Befugnis ein-
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geräumt, den Ersatz der Kosten von der Abtretung der Ausgleichsansprüche abhängig zu machen (OLG H R R 41/828). Der Gegner kann auch nicht etwa die dem obsiegenden Streitgenossen erstatteten Kosten auf dem Wege der Kostenfestsetzung vom unterlegenen Streitgenossen ganz oder zum Teil erstattet verlangen (OLG D R 39 A 326 1 4 ). Die entgegengesetzte Meinung stellt es dagegen darauf ab, daß dem Obsiegenden voller Kostenersatz zukomme, soweit ihm im Innenverhältnis der Unterliegende sie zu ersetzen hat. Sodann erhält der Obsiegende nur die anteil-(kopfteil-)mäßige Erstattung der gemeinschaftlichen Anwaltkosten (KG J W 33/1075 4 ; bei mehreren nach dem Kopfteil: RGZ 39/383f.). Die Mittelmeinung geht dahin, ihm die vollen Kosten zu ersetzen, wenn er nachweist, daß der unterliegende Streitgenosse zahlungunfähig ist (RG J W 98/12 2 ), oder daß er — der obsiegende Teil — sie tatsächlich verauslagt hat (KG J W 38/1186 42 ). c ) Darüber, ob dann, wenn die Klage im Vorwege gegen einen von mehreren Beklagten abgewiesen ist, die Kostenentscheidung dem Schlußurteil vorbehalten werden darf, vgl. bejahend: RGZ 110/59. Regelmäßig wird indes zugleich zu entscheiden sein, im besonderen, wenn gegen einen von mehreren Streitgenossen Versäumnisurteil ergeht (OLG B a y J M B l . 53/93). B . Unter den Voraussetzungen des § 92 I I soll das Gericht von einer Kostenteilung absehen. B I. Die h. M. stellt die Anwendung der Vorschrift in das freie „pflichtgemäße" Ermessen des Gerichts (RG J W 36/653 14 ), das in der Revisioninstanz nicht nachprüfbar sei. B II. Die Vorschrift ist nicht bloß zugunsten des Klägers, sondern auch zu seinen Lasten anzuwenden (OLG 17/110; a. M. K G OLG 20/303). a) § 92 I I setzt voraus, daß das Zuvielgeforderte so gering ist, daß dadurch keine besondere Gebührenstufe berührt wird (RG J W 3 2 / 6 4 7 8 ; die h. M. läßt dies allein nicht genügen und verurteilt, obwohl die Gebührenstufe dieselbe bleibt, mit der Begründung, es bestehe zwar ein Recht des Gerichts, § 92 I I anzuwenden, aber keine Pflicht: R G N § 92/13); und daß die Frage der Geringfügigkeit nach dem Gesamtobjekt zu bemessen sei (von 4 M wurden 3 M zuerkannt, I M sei dann nicht geringfügig: R G Warn. 13/315; auch rechnet RGZ 42/83f. ein Unterliegen bezüglich Nebenforderungen ein). Das entsprechende gilt, wenn ein Rechtsmittel nur einen so geringfügigen Erfolg h a t ; dann sind trotz dieses Erfolges dem Rechtsmittelkläger die Gesamtkosten des Rechtsmittels aufzuerlegen (RG Warn. 13/378). Anders ist dies, wenn wegen des geringfügigen Teils besondere Kosten und Auslagen (etwa durch die Beweisaufnahme) entstanden sind; denn § 96 kommt auch dem Unterlegenen zugute. b) Abgesehen von den zu § 92 B I I a geschilderten Voraussetzungen ist § 92 I I anzuwenden, wenn die Entscheidung über die Höhe der Forderung von richterlichem Ermessen abhängt (§ 287 C I I I ) und ein entsprechender Antrag gestellt war. Hatte die Partei — wenn auch nur in Mindestbegrenzung — einen Antrag gestellt und erreicht die Verurteilung dann nicht die Mindestgrenze, so wird diese Bestimmung des § 92 I I insoweit unanwendbar (a. M. OLG N J W 60/391); wird indes auf die Mindestsumme oder mehr erkannt, so kommt § 92 I I zum Zuge (RGZ 140/211f.). Das entsprechende gilt ferner, wenn erst durch Sachverständigengutachten die Forderung konkretisiert werden kann. Gedacht ist an den Fall des H G B § 875 I I 1, VVG § 64. Soweit hier aber sonst das Gericht durch Urteil entscheidet, kommt es auf das gerichtliche Ermessen, nicht auf das des Sachverständigen an. Schließlich gilt § 92 I I auch, wenn von vorangegangener gegenseitiger Abrechnung die Ermittlung einer Forderung abhängig ist (vgl. B G B § 666, H G B § 355); hier muß für den Kläger die Höhe der Gegenforderung ungewiß sein. Bei richtigem Klageantrag und unter Anwendung von § 93 wird man zum selben Ergebnis kommen.
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I Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die ProzeBkosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
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A I a) Wo Prozesse ohne Rücksieht auf das Anerkennen der Gegenseite durchgeführt werden müssen, weil es kein beachtliches Anerkenntnis i. S. des § 307 gibt, gilt § 93 nicht. a 6. Bei der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen (vgl. § 1042) kommt für die Anerkennung dieses Anspruchs § 93 nicht mehr zum Zuge (a. M. OLG H R R 28/371). b 1. Im Mahnverfahren darf der Beklagte Widerspruch erheben, u m dann unter Protest gegen die Kostenlast anzuerkennen (KG J W 25/2018 1 ; a. M. KG OLG 41/254). b 2. Ob bei Arrest und einstweiligen Verfügungen § 93 anwendbar ist, ist streitig (bejahend OLG J W 28/3063 10 , verneinend: OLG N J W 53/1871). Die Aufhebung des Arrestes durch Sicherheitsleistung bedeutet dabei aber kein Unterliegen des Antragstellers; doch wendet hier OLG Stuttgart (SJZ 49/276) § 93 derart an, daß der Antragsteller die Sicherheitsleistung sofort gelten lassen müsse. A II a 2. Ein sofortiges Anerkennen ohne Klageveranlassung kommt überall dort nicht in Betracht, wo die Klage sich gerade gegen eine Handlung des Beklagten richtet und das Gestaltungurteil sie beseitigt, also bei Anfechtung- und Nichtigkeitklagen gegen Gesellschafterbeschlüsse. a 3. Soweit der Streit bei Gestaltungklagen durch freiwillige Mitwirkung des Gegners erledigt werden kann, ist auch § 93 anwendbar. b) Bei Duldungklagen, wo nur die Vollstreckung, wenn nicht geduldet wird, erzwungen wird, entspricht die Wirkung den Gestaltungklagen. b 1. Wurde außerprozcssual aufgefordert, so muß der Beklagte von sich aus sich der Vollstreckung unterwerfen (§§ 794 I 5, 800; KG KGB1. 08/36). Der während der Ausschlagungfrist verklagte Erbe hat wegen BGB § 1958 niemals Klageveranlassung gegeben. c) Bei den sonstigen Leistungklagen ist zu beachten, daß das Anerkenntnis noch nicht die Leistung bewirkt. c 1. Die bewirkte Leistung wendet auch solche Klagen ab. Durch sie wird aber der H a u p t antrag des Klägers erledigt (§ 91a B I b), es bleibt danach kein Raum mehr zu einer solchen Verurteilung des Beklagten, er kann deshalb gar nicht mehr anerkennen, vielmehr muß er auf der Klageabweisung bestehen, falls der Kläger den Streit nicht für erledigt erklärt. Wirkliche Leistung vor Erlaß des Urteils ist aber andererseits nur zur Abwendung der Verfahren nach §§ 722 und 1042folg. (OLG 17/117) und bei Bringschulden erforderlich. Bloßes Anerkennen nach Eintritt der Fälligkeit genügt nicht (a. M. RG J W 37/2765 3 ). Jedenfalls liegt in der Klageerhebung die Aufforderung zur Zahlung (vgl. § 253 C I a 1); wird ihr nicht sofort nachgekommen, so darf § 93 nicht angewandt werden. Das entsprechende gilt für den Bürgen (OLG 20/305), den Wechsel- oder Scheckrückgriffschuldner (OLG SächAnn. 30/100). c 2. Bei anderen (also nicht bei Bring-)Schulden wird tatsächliche Leistungbereitschaft vorausgesetzt (OLG J W 30/566 1 1 ; a. M. OLG Seuff. 69/67); denn wer nicht leisten will oder kann, obwohl er soll, muß zur Bewirkung der Leistung durch das Gericht gezwungen werden können. Es ist deshalb auch trotz sofortigen Anerkennens, aber bei tatsächlichem Beharren auf Erfüllungverweigerung durch das Verhalten nach Klageerhebung nach § 91 zu erkennen (RG J W 00/714 3 ), wenn Verzug schon vor Klageerhebung bestand (OLG 5/164,19/71). c 8. Bei der Klage auf zukünftige Leistung (§§ 257 folg.) f ü h r t das sofortige Anerkenntnis stets zur Kostenbelastung des Klägers, wenn er den Beklagten nicht zuvor u m den Titel ersucht hatte. H a t t e er indes dies getan und hat der Beklagte abgelehnt, dann hat er zwar die Klageveranlassung gegeben; doch steht damit noch nicht fest, ob die besonderen Prozeßbedingungen der §§ 257 folg. gegeben sind. Sind sie nicht gegeben, so treffen die Kosten den Kläger (RG J W 02/170 28 ), sonst den Beklagten. Das entsprechende gilt für Arreste und einstweilige Verfügungen (vgl. § 91 B I I I a 4). c 4. Darauf, ob die Entscheidung sofort vollstreckt werden darf, k o m m t es also nicht an. d) Für positive und negative (RGZ 118/261 f.) Feststellungklagen gilt § 93 unbeschränkt. Hier sind aber die besonderen Prozeßvoraussetzungen des § 256 zu beachten. Liegen sie nicht vor, so treffen die Kosten stets den Kläger.
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B I. Berechtigte Klageveranlassung hat der Beklagte gegeben, wenn sein Verhalten für den Kläger ergab, daß er nicht freiwillig befriedigen werde (vgl. RGZ 118/261 [264]). Maßgeblicher Zeitpunkt ist hier die Klageeinreichung, nicht erst ihre Zustellung (RG N § 93/4) bzw. der der Klageänderung (LG ZMR 57/200). Für die Zeit vor Klageeinreichung darf aber § 93 nicht entsprechend angewandt werden (a. M. OLG NJW 58/1000). a) Doch genügt es regelmäßig, wenn der Beklagte nicht befriedigt, obwohl der Klageanspruch fällig und angemahnt ist. Darauf, ob der Schuldner in Verzug gesetzt worden sein muß (BGB §§ 284 folg.), kommt es nicht an, im besonderen nicht insoweit, wie der Verzug Verschulden erfordert (vgl. BGB § 285), denn auf das Verschulden der Partei ist es nicht abzustellen (KG OLG 6/386). Wenn es aber nicht um die Nachlässigkeit des Schuldners geht, sondern um sein bewußtes Handeln, so erübrigt sich die Aufforderung stets, wie bei erklärtem Bestreiten oder sonstiger Leistungsverweigerung (OLG Seuff. 77/49), wie überhaupt bei allen unerlaubten Handlungen im weiten Sinne, mögen sie verschuldet oder auch unverschuldet begangen sein. Doch muß die Rechtslage dem Anschein nach für den Angriff sprechen. Bestreitet der Beklagte die Forderung unbegründet, so belegt er, daß er zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hat (OLG 19/71). Befindet sich umgekehrt der Kläger z. Z. der Klageerhebung in Annahmeverzug, so hat zunächst der Beklagte zu ihr keine Veranlassung gegeben. b) Die bloBe Aufforderung des Klägers reicht indes nur dort aus, wo der Beklagte seinerseits die Rechtslage überschauen kann und soll, nicht aber dort, wo ihm das Recht des Klägers verborgen ist und er von sich aus auch gar nicht aufklären kann oder doch nicht muß. In solcher Lage befindet sich der Beklagte in dem geregelten Fall des § 94. b 1. Aber auch gegenüber Interventionklagen nach §§ 771, 805 gilt § 93. Fordert in diesen Fällen der Beklagte den Kläger auf (tut er dies nicht, so gibt er zur Klage Veranlassung: OLG J W 30/57226), sein Recht zu belegen, so muß der Kläger dem entsprechen. Seine bloße Behauptung reicht nicht aus (§ 771 G II a). Der Kläger muß vielmehr sein Recht wahrscheinlich machen (KG JW 30/57022). Regelmäßig wird der Kläger dem Beklagten Urkunden vorlegen und die Übereinstimmung der in den Urkunden bezeichneten mit den gepfändeten Gegenständen (an eides statt) versichern müssen (RG Warn. 11/424). Eidesstattliche Versicherung des Klägers ließ KG J W 25/2340 3 nicht ausreichen. Die eidesstattliche Versicherung des Schuldners (OLG J W 27/2534') wie seiner Ehefrau genügen nicht. Im übrigen wird der Pfandgläubiger die Beweisaufnahme abwarten dürfen und noch nach ihrem Ausgang unter Protest gegen die Kostenlast freigeben dürfen (KG JW 28/2732'; a. M. KG JW 28/13131). b 2. Die entsprechende Rechtslage findet sich, wenn ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird (KG OLG 27/168; a. M. KG OLG 15/357), bei der Aussonderung (OLG 9/63) und bei sonstigen noch im Rechtsverkehr erforderlichen Legitimationen (RGZ 52/141f.) bzw. bei der erst zu erteilenden Devisengenehmigung (OLG NdsRpfl. 56/14). Das umgekehrte gilt, wenn der Beklagte die Klage dadurch veranlaßt hat, daß er die nach § 840 erforderliche Auskunft nicht gegeben hat; dann sind ihm die Kosten bei sofortigem Verzicht des Klägers aufzuerlegen, nachdem die Erklärung abgegeben wurde (§ 93 in entsprechender Anwendung; vgl. KG Seuff. 75/171; a. M. OLG 39/43). b 3. Ob in Patentverletzungstreiten eine Verwarnung erforderlich ist, bevor auf Unterlassung geklagt werden darf, ist zweifelhaft; OLG GRUR 51/402 hat es verneint; in Patentnichtigkeitstreiten hat DPA GRUR 55/157 sie gefordert. Wurde im Hauptprozeß die Wiederholunggefahr bestritten, so hat LG NdsRpfl. 48/155 ein Anerkennen nicht als sofortiges gelten lassen, wenn zuvor eine einstweilige Verfügung erlassen worden war und danach der Antragsgegner nach § 926 eine Frist zur Klageerhebung setzen ließ. B II b) Das Anerkenntnis, das § 93 voraussetzt, ist eines nach § 307. Der Beklagte erkennt auch an, wenn er dabei — begründete — Einschränkungen macht, wie bei der Verurteilung Zug um Zug (BGB §§ 274, 322) oder zu einem späteren Termin (vgl. RG J W 01/3988) oder wenn nur der Hilfsantrag anerkannt wird (KG JW 34/700 2 ). Fordert der Kläger zuviel (OLG 5/164), so wird bei teilbarer Leistung der berechtigte Teil anerkannt werden müssen (vgl. RG Warn. 38/72), sonst darf die Antragsänderung abgewartet werden (LG JMB1. NRW 49/262).
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c) Wenn § 93 das sofortige Anerkennen fordert, so bedeutet dies im Erkenntnisverfahren das im ersten Verhandlungstermin (OLG 3/131; a. M. KG OLG 33/36). c 1. Im übrigen richtet sich die Sofortigheit nach der Entscheidungreife der Klage. Solange sie unzulässig ist, braucht selbst dann nicht anerkannt zu werden, wenn dadurch ihre Unzulässigkeit behoben werden könnte (RGZ 52/141). War die Klage nicht schlüssig (etwa weil der Antrag auf Leistung an den Kläger allein anstatt auf Leistung an ihn und den Pfandgläubiger gemeinsam gerichtet war), so kann erst nach Klageänderung anerkannt werden und das danach abgegebene Anerkenntnis ist noch sofortig (RG J W 96/70 7 ). Es kann auch sonst der Wegfall einer begründeten Einwendung oder Einrede Anlaß zur sofortigen Anerkennung sein, im besonderen bei Gesetzesänderung (OLG SJZ 49/276). Auch in höheren Instanzen ist danach ein sofortiges Anerkenntnis denkbar; doch gibt es kein Wiederaufnahmeverfahren, bloß damit die Kostenentscheidung geändert wird. c 2. Ein (sonstiges) vorangegangenes unbegründetes Bestreiten zerstört die Möglichkeit, „sofort" anerkennen zu können (RG J W 03/175 8 ). In den Fällen der KO § 11 I I kann der Konkursverwalter — trotz anfänglichen Bestreitens des Gemeinschuldners — noch sofort mit der Wirkung anerkennen, so daß die Kosten dann nicht Masseforderung werden, sondern Konkursforderung bleiben (RGZ 137/71 [72]). B III. Die Kostenentscheidung darf zugleich mit dem Anerkenntnisurteil, aber auch durch Schlußurteil erlassen werden, im besonderen wenn Streit über die Voraussetzungen des § 93 (Veranlassung — sofortiges Anerkennen) besteht und er erst durch eine folgende Beweisaufnahme zu klären ist, was hier erforderlich ist, da § 91a 1 1 nicht gilt. Die Form der Entscheidung ist im ersten Falle das Urteil; im letzten Falle wird man sie indes jetzt auch durch Beschluß erlassen dürfen, da jedenfalls das Rechtsmittel dann dasselbe ist wie im Fall des § 91a (vgl. § 99 II). Wegen der Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung, gleichviel ob sie nun durch Urteil oder Beschluß erlassen wurde, vgl. § 99 I I . C. Der Kläger gibt zur Klageerhebung immer Veranlassung: deshalb wird der Verzicht (§ 306 A) dem Anerkenntnis nicht gleichgestellt (OLG MDR 57/368). Nur wo sich die Hauptsache durch ein Ereignis, das dem Kläger nicht anzulasten ist (§ 91a B I b) erledigt, darf auch an die entsprechende Anwendung des § 93 gedacht werden, wenn der Kläger, anstatt für erledigt zu erklären, verzichtet (vgl. dazu aber § 91a A I b 1). D. Trotz Klageveranlassung durch den Beklagten läßt VglO § 49 die Möglichkeit offen, daß bei sofortigem Anerkenntnis dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können. §
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I Wird auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe erkannt oder die Ehe für nichtig erklärt, ohne daß der unterlegene Teil hieran schuldig ist, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben. A II. Über die Kostenverteilung, wenn eine Partei für überwiegend schuldig erklärt ist (EheG § 52), vgl. § 92 A I a 1. Faßt man den Mitschuldantrag als eventuelle Widerklage ( § 3 3 D I b 2 ) auf, so kann es kostenrechtlich keinen Unterschied begründen, daß er nur eventuell geltend gemacht wird (OLG N J W 53/1109 will auch dann die Kosten teilen, wenn der Beklagte mit der Widerklage durchdringt und der Kläger für allein schuldig erklärt wird). Dann aber dürfen dem Teil, der ohne Schuldausspruch unterliegt, gar keine Kosten angelastet werden, wenn der Kläger für allein schuldig an der Scheidung usw. erklärt wird (a. M. für den Fall des EheG § 48: OLG J W 39/707 1 8 ; RGZ 160/31 [37], OGHZ 1/368 teilen hier 3 : 1 ; OLG D R 43 A 1182 4 0 teilt 2:1). Dasselbe muß aber dann gelten, wenn auf Klage und Widerklage geschieden, nur eine Partei aber schuldig gesprochen wird (a. M. RGZ 160/31 [37], das hier 3 : 1 teilt; OLG N J W 53/1109 wendet § 9 3 a an). Nur wenn keine Partei für schuldig erklärt wird, läßt sich die Kostenaufhebung rechtfertigen. A HI c) Im Falle der Nichtigkeitklage ist § 93a anzuwenden, wenn keine Partei den Nichtigkeitgrund kannte (OLG SchlHA 49/368; a. M. OLG N J W 50/391 9 ). Dies gilt auch, wenn der Staatsanwalt die Nichtigkeitklage erhebt.
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B. Auf Kindschaftprozesse {§§ 640folg.) und Entmündigungverfahren ist die Regel nicht ausgedehnt worden, auch nicht, wenn die Unwirksamkeit der nachträglichen Eheschließung ausgesprochen wird (BGH MDR B 596/54).
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§ 94 ( I Macht der Kläger einen auf ihn übergegangenen Ansprach geltend, ohne daß er vor der Erhebung der Klage dem Beklagten den Übergang mitgeteilt und auf Verlangen nachgewiesen hat, so fallen ihm die Prozeßkosten insoweit zur Last, als sie dadurch entstanden sind, daß der Beklagte durch die Unterlassung der Mitteilung oder des Nachweises veranlaßt worden ist, den Anspruch zu bestreiten. B. § 94 setzt einen dem Beklagten unbekannten Forderungübergang voraus. B III. Weder außerprozessual noch prozessual braucht sich der Beklagte mit der bloßen Anzeige des Klägers zu begnügen (wohl aber muß er es mit der des bisherigen Gläubigers), sondern darf den Nachweis (nicht bloß die Glaubhaftmachung, § 294) fordern, regelmäßig die Vorlegung der Abtretungurkunde (OLG 11/54f.) und wohl auch die des Erbscheins (abweichend RG Gruch. 52/1096f.), soweit nicht ein öffentliches Testament vorgelegt werden kann (was ausreicht, RG N § 94/1). Fordert er den Nachweis nicht, so treffen den Beklagten die Kosten des Bestreitens, sofern er in der Sache unterliegt (nicht aber wenn er, selbst aus anderen Gründen, obsiegt). C. Entsprechend ist die Vorschrift C I. bei der Legitimation des gesetzlichen Vertreters anzuwenden, soweit keine gesetzliche Vertretung offenbar ist, wie dies bei Vater und Mutter Minderjähriger und bei juristischen Personen durch die Möglichkeit, die Register einzusehen, der Fall ist, bzw. bei sonstigen gesetzlichen Vertretern durch Einsicht von Gerichtsakten (des Vormundschafts-, des Konkurs-, u. U. des Vergleichsgerichts). C II. Weiter gilt § 94 entsprechend für die Legitimation des bevollmächtigten Vertreters, die denselben Regeln unterworfen ist (wird die Vollmacht registriert, wie die Prokura, so genügt dies, bisweilen ergibt sie sich aus der Stellung der Bevollmächtigten, wie nach HGB §56); vgl. im übrigen auch BGB § 174 und § 89.
§ 95
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I Die Partei, die einen Termin oder eine Frist versäumt, oder die Verlegung eines Termins, die Vertagung einer Verhandlung, die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung der Verhandlung oder die Verlängerung einer Frist durch ihr Verschulden veranlaßt, hat die dadurch verursachten Kosten zu tragen. A I a) Soweit in diesen Fällen bereits ein endgültiger Nachteil für die Partei erwächst, kommt die Bestimmung nicht zum Zuge. b) Im Falle des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil bzw. einen Vollstreckungbefehl regeln §§ 344, 700 die Kostenlast. Bei der Fristversäumung kommt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf von Notfristen (§ 223 II) wie der Berufung- und Revisionbegründungfrist (§§233folg.) in Betracht, wo in §238 111 aber die Kostenfolge besonders geregelt ist, nämlich daß sie den trifft, dem Wiedereinsetzung gewährt worden ist. Außerdem darf die Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, wenn die Partei ein Verschulden trifft. Aber auch die Fälle des § 231 II gehören nicht hierher, da eine Säumnis vor der Antragstellung des Gegners (u. U, sogar bis zum Erlaß der Entscheidung) gar nicht eintritt (vgl. § 231 B I). c) Nur wenn der durch die Termin- oder Fristversäumung eingetretene Nachteil beseitigt werden kann und beseitigt wird, tritt die Möglichkeit, § 95 anwenden zu können, hervor. A II. Der zweite Fall des § 95 betrifft die von der Partei (bzw. ihrem Vertreter) verschuldete Verlegung eines Termins und die verschuldete Fristverlängerung. A III. § 95 sitzt dabei stets voraus, daß prozessuale Nachteile — abgesehen von der Kostenfrage — nicht eintreten. Im Ehesühneverfahren gilt § 610 II.
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Prozeßkosten
§95
B I. Soweit die verursachende Partei durch einen Bevollmächtigten vertreten wird, wird er mit Rücksicht auf § 102 dartun, daß er nicht grob schuldhaft gehandelt hat. B II. Die Entscheidung ergeht zugleich mit der (End-)Kostengrundentscheidung, nicht im Vorwege durch Beschluß (OLG HRR 36/760); ist aber die Kostengrundentscheidung ein Beschluß oder befindet sie sich in einem solchen zugleich mit der Hauptentscheidung, so steht nichts im Wege, sie in den Beschluß aufzunehmen. Dem beauftragten oder ersuchten Richter steht die Entscheidung nicht zu (OLG 33/38). Darüber, ob Urteilsergänzung zulässig ist, vgl. § 321 B II b 4. B III. In der Revisioninstanz wird die Vorschrift — wenn man von den Sondervorschriften (§§ 344, 238 III) absieht — nicht praktisch. C. Eine Sonderregelung gibt GKG § 47.
§ 96
(91)
I Die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels können der Partei auferlegt werden, die es geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt. A. §96 gibt dem Gericht die Befugnis (nicht die Pflicht, RG Warn. 17/32; nach BGH v. 6.4.19511 ZR 39/50—teilweise abgedruckt in Z 1/363—ist in der Revisioninstanz nur nachzuprüfen, ob die Grenzen der Ermessensentscheidungen innegehalten sind), die Kosten eines erfolglosen Angriffs- oder Verteidigungmittels der Partei aufzuerlegen, die in der Hauptsache obgesiegt hat, also die Kosten zu trennen. A I. Verschulden der Partei oder ihres Vertreters verlangt das Gesetz nicht. Voraussetzung ist dabei nicht nur der Sieg in der Hauptsache, sondern auch, daß durch die Mittel besondere Kosten entstanden sind (RG Seuff. 38/171), da nur diese besonderen Kosten der Partei auferlegt werden dürfen. A II. Die Entscheidung muß in die Grundkostenentscheidung aufgenommen werden (also regelmäßig in das Endurteil, RG J W 11/15515), ob eine Ergänzung möglich ist, vgl. § 321 B II b. Welche einzelnen Kosten zu erstatten sind, ist dem Kostenfestsetzungverfahren zu überlassen; andererseits darf dieses ohne die Grundentscheidung solche Kosten nicht — als nicht notwendige — aussondern (RG N § 96/4). B. Der Begriff der Angriffs- und Verteidigungsmittel entspricht dem zu § 67 B II Gesagten. Der Klageantrag und der Widerklageantrag sind der Angriff selbst; sie fallen nicht unter den Begriff (OLG 7/286), auch nicht der Eventualantrag (OLG JW 31/35752), auch nicht das Rechtsmittel (RG Warn. 17/32), und auch nicht der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach §§ 627, 627 a (a. M. OLG SchlHA 49/211). B I. Ob die Angriffs- oder Verteidigungmittel außerprozessualer oder prozessualer Art sind, ist gleichgültig; deshalb dürfen die Kosten der obsiegenden Partei auferlegt werden (RG JW 01/4221) und hier nach OLG 32/303 (304) schon im Zwischenurteil; nach RG Seuff. 58/18 erst im Endurteil. Ob die spätere Erhebung der Verjährungeinrede, die durchdringt, es rechtfertigt, § 96 anzuwenden, ist streitig (verneinend OLG 31/27). Bei dem Aufrechnungeinwand ist zu bedenken, daß ihn regelmäßig auch der Kläger erheben darf. Er vernichtet aber den Anspruch und wirkt sich deshalb anders aus, vgl. § 91a B I c 4. B III. Über die Kostenstrafe für verspätet geltend gemachte Angriffs- und Verteidigungsmittel vgl. § 278 II. B IV. Bei einer abgewiesenen Klage und Widerklage hat BGHZ 19'172 im Rahmen des § 92 berücksichtigt, daß nur zur Klage Beweise erhoben werden.
§ 97
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I Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. II Die Kosten der Berufungsinstanz sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie nach freiem Ermessen des Gerichts im ersten Rechtszuge geltend zu machen imstande war oder mit dem sie im ersten Rechtszuge nach den §§ 279, 279 a, 283 Abs. 2 zurückgewiesen worden ist.
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§97
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i n Die Kosten der Revisionsinstanz in Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, für welche die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig sind, hat auch im Falle des Obsiegens die Bundes- oder die Staatskasse zu tragen, wenn der Wert des Streitgegenstandes die Summe von fünfhundert Deutsche Mark nicht übersteigt und der Vertreter des Bundes oder des Landes die Revision eingelegt hat. A. § 97 regelt Kosten der Rechtsmittelinstanz, A I. (auch die der Beschwerde: RG N § 97/4) einschließlich der Anschlußrechtsmittel (vgl. aber § 97 A II c 2). a) Er setzt im Regelfälle ein vorangegangenes Verfahren voraus, das schon mit einer Kostenentscheidung geendet hat oder doch enden sollte, und ein Folgeverfahren (das Rechtsmittelverfahren), in dem weitere Kosten entstehen. a 1. Ist das Folgeverfahren kostenfrei, so kann er nicht zum Zuge kommen (etwa wenn auf die Beschwerde über den Streitwertfestsetzungbeschluß dieser geändert wird, OLG MDR 55/178); anders wenn der Gegner der Änderung widerspricht (OLG NJW 59/890). a 2. War nur das vorangegangene Verfahren kostenfrei, so gilt er entsprechend (also im besonderen im Beschwerdeverfahren, wo der angegriffene Beschluß keiner Kostenentscheidung fähig war, vgl. OLG 15/189 f.). b) Für den außerordentlichen Rechtsbehelf b 1. der Wiederaufnahmeklage (§§ 578folg.) gilt er nicht; hier sind §§ 91 folg. unmittelbar anzuwenden. Doch ist er anzuwenden, soweit über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung über eine Wiederaufnahmeklage zu befinden ist (§591). b 2. Für sonstige Rechtsbehelfe, die es innerhalb derselben Instanz gibt (Einspruch, Widerspruch, Erinnerung, Anrufen des Prozeßgerichts, § 576) darf allenfalls § 97 I entsprechend angewandt werden, dies gilt im besonderen für das Erinnerungverfahren des § 766. A II. Nach § 97 I trägt die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels der Rechtsmittelkläger, a) Ob ein Rechtsmittel Erfolg hat, ist aus dem Vergleich des Rechtsmittelantrags zur Rechtsmittelentscheidung zu entnehmen. Erfolg hat das Rechtsmittel, wenn nach dem Rechtsmittelantrag erkannt wird (RG HRR 33/1047). a 1. Wird der Rechtsmittelantrag innerhalb der notwendigen Begründungfrist gestellt, so kommt es auf ihn an (GKG § 11 II 1); wird keiner in ihr gestellt, so wird die volle Beschwer zugrunde gelegt (GKG §11112); werden mehrere innerhalb der Frist gestellt, so gilt der höchste Wert. Wird der Rechtsmittelantrag später geändert, so gilt all das, was für die Klageänderung gilt (§ 91 C I b 1). Im besonderen kann in der Berufunginstanz der Rechtsmittelantrag über die Beschwer hinausgehend wirksam gestellt werden. a 2. Unter dem Gesichtswinkel des § 97 ist vorauszusetzen, daß über den Rechtsmittelantrag entschieden wird. Ist dies nicht der Fall, sondern erledigt sich die Hauptsache, so ist § 91 a anzuwenden; wird infolge eines in der Rechtsmittelinstanz eingetretenen (von keiner Partei zu vertretenden) Umstandes sofort anerkannt, so gilt § 93 (vgl. § 93 B II e 1). Soweit (besonders früher) in Ehe- und Kindschaftsachen ein Rechtsmittel zum Klageverzicht eingelegt wurde, trafen die gesamten Kosten den Rechtsmittelkläger (vgl. § 306 D II a). Auch § 94 ist anzuwenden. In all diesen Fällen bleibt § 97 außer Betracht. a 3. Hat das Rechtsmittel nur zum Teil Erfolg, so ist § 92 anzuwenden (OLG JZ 51/452). In einem Falle, wo es nur insoweit Erfolg hatte, wie der nach AnfG § 10 erforderliche Zusatz in das Urteil aufgenommen wurde, hat RG HRR 33/1047 das Rechtsmittel als erfolglos angesehen (§ 92 II). § 92 gilt auch bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln (RG J W 33/512 •). b 1. Wird durcherkannt, so fallen die Kosten des gesamten Rechtstreits nach §§ 91 folg. regelmäßig dem Unterliegenden voll zur Last (RG J W 14/10395). b 2. Wird die Vorentscheidung aufgehoben und der Rechtstreit zur Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen (§§ 538, 539, 565), so ist grundsätzlich der Vorinstanz die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelinstanz zu überlassen (RG Warn. 10/177). Dies gilt auch, wenn es in der Rechtsmittelinstanz zum Erlaß des Grundurteils (§ 304) kommt (RGZ 121/77). Wird dann nach Aufhebung des Urteils auf die Revision im Folgeverfahren von dem Berufunggericht die Berufung zurückgewiesen, so trägt die Kosten der Berufung
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Prozeßkosten
§ 9 7 A II b 2
— einschließlich der Revisioninstanz der Berufungkläger (RGZ 13/411 [413]); wird indes dann auf die Berufung abgeändert, so wird nach §§91 folg. entschieden (RG N §97/14). Verweist das Berufungsgericht in die erste Instanz nach § 538 zurück, so ist dem Gericht der ersten Instanz die Entscheidung über die Kosten der Berufung — wie über die der Revisioninstanz (weiter) zu übertragen (RG N § 97/7). b 3. Soweit das Rechtsmittel gegen ein Teilurteil eingelegt war, kommt es darauf an, inwieweit es in bezug auf den ausgeurteilten Teil (endgültig) Erfolg hatte; das entsprechende gilt, wenn es sich nur gegen einen Teil der Vorentscheidung richtet. Ist das Teilurteil ohne Kostenentscheidung erlassen worden, so kann, wenn das Rechtsmittel Erfolg hat, nur über die Kosten des Rechtsmittels entschieden werden; es wird indes auch in die nicht angegriffene Kostenentscheidung des inzwischen ergangenen Schlußurteils eingegriffen (RG N § 97/21). c) Ist ein Rechtsmittel endgültig ohne Erfolg geblieben, so treffen den Rechtsmittelkläger nach § 97 I die Kosten endgültig (BGH N J W 56/1235 3 bei dem Rechtsmittel gegen ein Grundurteil, das zurückgewiesen wurde, obwohl das Betragsverfahren noch offenbleibt). Dasselbe gilt nach RGZ 13/411f., wenn in erster Instanz die prozeßhindernde Einrede verworfen und die dagegen eingelegte Berufung erfolglos war. c 1. Ob das Rechtsmittel dabei als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, gilt gleichviel. Auch wenn der Rechtsmittelkläger auf das Rechtsmittel verzichtet (§§ 514, 566) oder es zurücknimmt (hier besonders ausgesprochen in §§ 515 III, 566), treffen ihn die Kosten. Dies gilt auch, wenn der Revisionkläger beantragt, daß seine Berufung als unzulässig verworfen werde (BGH FamRZ 56/19, das ihm dann die Kosten der Berufung und der Revision aufbürdet). Ohne Erfolg geblieben ist auch das aufrecht erhaltene Rechtsmittel, wenn sich die Hauptsache erledigt hat (OLG 40/426 [427]) und die Erledigungerklärung unterbleibt ( § 9 1 a A I I a ) . Hatte sich der Streit in der Rechtsmittelinstanz erledigt, so gilt auf beiderseitige Erledigungerklärung § 9 1 a unmittelbar (vgl. OLG SchlHA 57/158). c 2. Dabei ist auch das (unselbständige) AnschluBrechtsmittel entsprechend dem Rechtsmittel zu behandeln (RGZ 44/374f.). Indes treffen auch die Kosten der unselbständigen Anschließung den Rechtsmittelkläger, wenn das Hauptrechtsmittel als unzulässig verworfen wird (RG JW 36/257 13 ); auch wenn die Zulässigkeit des Hauptrechtsmittels zu übersehen ist; auf Verschulden darf es dabei nicht abgestellt werden. Das entsprechende gilt, wenn das HauptrechtBmittel — ohne Einwilligung des Anschlußrechtsmittelklägers — (wirksam) zurückgenommen wird (BGHZ 4/229f.). Vgl. auch § 5 5 6 C V b . Wird allerdings das Hauptrechtsmittel mit Einwilligung des (unselbständigen) Anschlußrechtsmittelklägers zurückgenommen, so steht dies der Rücknahme des Anschlußrechtsmittels gleich, mag daran gedacht worden sein oder nicht (im Ergebnis OLG H R R 30/447, 553) oder, wenn auch das Ansehlußrechtsmittel als solches (etwa mangels — rechtlicher — Begründung) hätte verworfen werden müssen (OLG J W 37/1434 43 ). A III. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gehen zugunsten wie zu Lasten der Träger des Rechtsmittelverfahrens. a) Auch bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62) ist dies aber nur der Streitgenosse, welcher das Rechtsmittel eingelegt hat (RG J W 38/152211) bzw. der, gegen den es eingelegt ist; geht das Rechtsmittel von dem Streitgehilfen aus, so ist es dieser allein, wenn die Hauptpartei sich in der Rechtsmittelinstanz in keiner Weise beteiligt (BGH N J W 56/1194; a. M. OLG MDR 57/622 sieht die Beteiligung der Hauptpartei — zu unrecht — schon darin, daß sie einen von dem Streithelfer geschlossenen Vergleich ablehnt; während umgekehrt BGH MDR 419/58 die Kosten dem Streithelfer von dem Zeitpunkt an aufbürden will, wo innerhalb der Instanz die Partei erklärt, sie überlasse die Durchführung des Streits dem Streithelfer). Dies gilt auch, wenn der Streitgehilfe in der Berufunginstanz durchkam, mit der Revision aber unrecht bekam, für die Kosten der Berufung- und der Revisioninstanz (RG J W 31/1805 14 ). a 1. Anders ist dies, wenn die Hauptpartei in der Rechtsmittelinstanz hervortritt, dann sind ihr die Kosten des Rechtsmittels (RGZ 59/173f.) und dem Streitgehilfen nur seine Kosten aufzuerlegen (RGZ 69/283 [292]). In dem Falle, wo die Hauptpartei während des Rechtsmittelverfahrens erklärte, alles ihrem Streitgehilfen überlassen zu wollen und nicht mehr auftrat, hat BGH MDR 58/419 die Kosten von da ab nur dem Streitgehilfen auferlegt.
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§ 97
A
Iii
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b) Hat eine nicht legitimierte Person (nicht die Partei) das Rechtsmittel eingelegt, so trifft diese die Kostenlast (RG J W 99/595»«). b 1. Anders ist dies, wenn der Rechtsanwalt im eigenen Namen nach BRAGebO § 10 III ein Rechtsmittel einlegt (was u. U. nach § 139 klarzustellen ist), dann treffen ihn selbst die Kosten (RG J W 98/279 10 ). c) Die Kostenentscheidung der Vorinstanz darf, wenn zugunsten des Rechtsmittelklägers erkannt wird, auch zugunsten der am Rechtsmittelverfahren unmittelbar nicht Beteiligten geändert werden (RG N § 97/21). B. Die Vorschrift des § 97 II ordnet die Kostentrennung zu Lasten der obsiegenden Partei an, wenn diese in einer höheren Tatsacheninstanz auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, was sie hätte früher vorbringen sollen. B I. Das Gesetz spricht zwar nur von der Berufungsinstanz, meint aber die weitere Tatsacheninstanz. In dem Fall, wo die Anfechtungsklage des Mannes gegen das Kind infolge des Beitritts des Staatsanwalts in der Revision Erfolg hat, hat BGH VersR 60/268 die Kosten des Berufung- und des Revisionrechtszuges dem Manne mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Staatsanwalts auferlegt. b) § 97 II ist nicht anzuwenden, wenn der Obsiegende nicht imstande war, schon früher die neue Tatsache vorzutragen. b 1. Dies ist nach einer „vernünftigen und gewissenhaften" Prozeßführung zu beurteilen (RG H R R 36/427). Dem, der obgesiegt hat, wird man deshalb schwerlich daraus einen Vorwurf machen dürfen, wenn er weitere Tatsachen nicht vorgebracht oder sich weiterer Rechtsbehelfe nicht bedient hat (RGZ 127/63). Ist die neue Tatsache erst nach Schluß der ersten Instanz eingetreten, so hat BGH MDR B 858/54 im Fall einer herbeigeführten behördlichen Genehmigung § 97 II selbst dann nicht angewandt, wenn die obsiegende Partei den Eintritt der neuen Tatsache schon in erster Instanz hätte herbeiführen können. Einer Partei daraus einen Vorwurf zu machen, daß sie das Rechtsmittelverfahren beschritten hat, anstatt sich auf das (stets unsichere) Berichtigungsverfahren nach § 319 einzulassen, geht nicht an (a. M. OLG J W 19/696 11 ). Verschleppungabsicht oder grobe Nachlässigkeit braucht nicht vorgelegen zu haben (RG J W 36/1778 15 ). OLG MDR 55/115 hat § 97 II angewandt, wenn die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes erst in zweiter Instanz durch Beitritt des Staats(anwalts) ausgesprochen wurde; OLG JZ 56/450 will dagegen §97 II nicht anwenden, wenn die Partei durch das neue Vorbringen sich einer strafbaren Handlung bezichtigen mußte. b 2. War eine neue Tatsache oder ein Beweismittel in erster Instanz nach §§ 279, 279a, 283 II — berechtigterweise — zurückgewiesen worden und wird diese Zurückweisung vom Berufungsgericht gebilligt (§ 529 II 2), so kommt § 97 II nicht zum Zuge; wird sie aber nicht gebilligt, so dürfen die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht vorgelegen haben. B II. Sind die Voraussetzungen des § 97 II gegeben, so werden die Kosten dem in erster Instanz Unterlegenen, aber in der zweiten Instanz Obsiegenden beschränkt auf die erste Instanz auferlegt (RG Gruch. 39/157 [160]). BGH BB 60/344 will § 97 II nicht anwenden, wenn aus vernünftigen Erwägungen mit dem Vorbringen in erster Instanz zurückgehalten wurde. a) Tritt der Kläger in zweiter Instanz die Forderung ab und unterliegt er nur deshalb, so treffen ihn die Kosten der ersten wie der zweiten Instanz (RG N § 97/15); dies muß aber selbst dann gelten, wenn er dies schon früher geltend gemacht hat, der Beklagte sich aber später erst darauf bezieht (vgl. OGH HEZ 1/313). b) Tritt die Fälligkeit erst in der Berufunginstanz ein, bestreitet sie der Beklagte aber auch noch danach, so treffen ihn die gesamten Verfahrenskosten (RG Recht 08/1589). c) Soweit sonstige Normen durchgreifen, ist § 97 II nicht anzuwenden (BGH IV ZR 53/51). C. BGH MDR B 654/57 wendet § 97 III an, wenn der Revisionantrag den Wert von 500,— DM nicht übersteigt. Ob der Bund oder das Land als Hauptpartei oder als Streitgehilfe Revision eingelegt haben, ist gleichgültig (BGH VersR 60/277). C I. Nicht angewandt wurde § 97 III, wenn die Revision auch aus anderen Gründen, im besonderen nach §547 1 1, zugleich zulässig war (RGZ 146/2571.); doch sollte dies nicht gebilligt werden.
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Prozeßkosten
§97
C II. Die Bestimmung trifft nicht bloß auf die Verhältnisse zu, wo Bundes- und Landesbeamte i. S. der genannten Bestimmung {vgl. GVG § 71 A II a) in Betracht kommen, sondern auch auf die Gemeindebeamten (RGZ 154/257 [263]). Das entsprechende muß für alle Beamten und Beamtenhandlungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften gelten (BGH NJW 52/586, 54/1284). C III. Wird die Revision nicht von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft eingelegt, sondern von ihrem Gegner, so kommt § 97 III nicht zum Zuge. Hat die öffentlich-rechtliche Körperschaft eine selbständige Anschlußrevision eingelegt, so gilt § 97 III (BGH NJW 52/586), aber dann nur in bezug auf die Anschlußrevision. D. Bei dem Erstattungrecht wird grundsätzlich nicht berücksichtigt, ob durch das Verhalten des Gerichts ein kostenrechtlicher Nachteil entstanden ist. Für die Gerichtskosten gibt hier GKG §7 die Möglichkeit, die entstandenen Gerichtskosten insoweit niederzuschlagen.
§ 98
(93)
I Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, nenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Das gleiche gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist. A. § 98 ist eine Ergänzungsregel. Sie gilt nur, wenn die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben, dann aber auch zwingend (OLG NJW 56/146, 1035; a. M. RG Seuff. 61/21). Dabei wird vorausgesetzt, daß die Parteien sich vergleichen konnten. A I. Wenn die Parteien sich auch nicht in jedem Falle über den Hauptanspruch vergleichen können, so dürfen sie es aber über die Kostenforderung stets. Die Vereinbarung kann schon vor Beginn wie während des Prozesses wie nach seinem rechtskräftigen Abschluß getroffen werden; sie wirkt sich dann aber regelmäßig im Prozeß nicht aus. Unwirksam (so RG Seuff. 61/21) ist ein solcher „Vergleich" bezüglich der Kostenentscheidung und des gerichtlichen Erstattungverfahrens (so auoh LG NJW 50/298) aber außerprozessual nicht. Dies gilt auch, wenn sich jemand vergleichsweise verpflichtet, die Klage (vgl. RGZ 96/203 [204]) oder ein Rechtsmittel (RG Seuff. 80/68; a. M. RG JW 07/39213) zurückzunehmen; durch einen solchen Vergleich wird aber die prozessuale Kostenfolge der Rücknahme nicht abgewandt, wenn über die Kosten keine Vereinbarung getroffen worden ist. Ist aber etwas vereinbart, so gilt dies außerprozessual; nur beim gerichtlichen Vergleich wirkt sie schlechthin bzw. hier gilt § 98 (RGZ 96/203 [204]). Die Kostenvereinbarung kann — wie in der Regel —• bloß über den Grund gehen; geschieht dies, so sind nur erstattungfähige Kosten zu ersetzen (KG Recht 27/1021). Doch ist auch der Vergleich über die Höhe oder unter Modifikationen zulässig. Häufig werden auch Vergleiche unter festgelegtem Streitwert geschlossen. Dies bindet zwar dann das Gericht nicht, wohl aber die Parteien im Verhältnis zueinander. a) Eine Kostenvereinbarung ohne die zur Hauptsache ist aber unwirksam, solange die Hauptsache nicht erledigt ist (LG J R 51/446). A II. Treffen die Parteien über die Kosten keine Vereinbarung, so gilt § 98 11 stets, vorausgesetzt, daß die Rechtspersonen sich über den Hauptstreit (rechtswirksam) verglichen haben (BGB § 779) und vergleichen konnten. § 98 regelt die Kostenverteilung anläßlich eines außerprozessualen Rechtsgeschäfts der Parteien, sofern der Reehtstreit nicht weitergeführt wurde; möge das Rechtsgeschäft vor dem Gericht als Prozeßvergleich erklärt worden sein oder möge es außergerichtlich abgeschlossen worden sein (RGZ 78/286 [288]). Dies gilt auch, wenn es in einem anderen Verfahren (etwa im Falle des Zwangsvergleichs im Konkurse nach KO §§173folg.; KG JW 26/21101) oder in anderen Prozessen oder teils im unmittelbar betroffenen Verfahren, teils außerhalb (OLG 39/110) vorgenommen worden ist. A III. Nehmen die Parteien aber die Kostenregelung vom Vergleich ausdrücklich aus, vereinbaren sie trotz dessen (vgl. BGB § 154) aber die Wirksamkeit des Hauptvergleichs, so liegt in der Mitteilung des Vergleichs die übereinstimmende Erledigungerklärung der Parteien (vgl. § 91a B I c 3), die aber auch in einem solchen Falle die Kostenfolge des § 98 26
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nach sich zieht, so daß für eine hiervon abweichende Entscheidung nach § 9 1 a kein R a u m bleibt (OLG N J W 56/146, 1035; R G J W 05/496 25 will dagegen so entscheiden, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Parteien sich nicht verglichen hätten; auch sonst wird § 91 a und nicht § 9 8 von der Rechtsprechung angewandt: OLG N J W 57/1565). A IV. Die Regel des § 98 gilt aber nur im Verhältnis zu den Parteien (OLG J W 21/475 12 ), nicht in dem zu einem dritten (OLG 20/306 [307]), möge dieser auch an einem in der Form des § 794 1 1 geschlossenen Vergleiche beteiligt sein (er wird also nicht von den Gerichtskosten ohne weiteres betroffen; er hat auch keinen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten). Andererseits gilt die Regel, auch wenn der Vergleich über den Prozeßgegenstand hinausgeht (OLG 39/110). Befindet sich ein Streitgehilfe mit im Streit, so ist zu beachten, daß er eigene Kostenerstattungansprüche haben kann (vgl. § 101 B I I I a 2). Über seine Kostenerstattungansprüche dürfen die Parteien nicht verfügen. Man sollte in dem genannten Fall über die Kostenentscheidung nach § 9 1 a auf seinen Antrag entscheiden (OLG H R R 30/812). Wohl aber dürfen sie es in bezug auf den Armenanwalt. B . Nach § 98 1 1 werden die Kosten des Vergleichs, nach § 98 I 2 zugleich die Kosten des durch den Vergleich erledigten Rechtstreits gegeneinander aufgehoben, d. h. es gibt unter den Parteien wegen ihrer außergerichtlichen Kosten keine Erstattungansprüche; bezüglich der Gerichtskosten gilt § 92 I 2, d. h. sie werden geteilt (OLG J W 21/475 12 ). Insoweit gibt es möglicherweise auch Erstattungansprüche. B I . Im Verhältnis zur Gerichtskasse gelten G K G §§ 99 I 2, 103 I I , 115. B II. § 100 I V gilt auch für Gesamtschuldner in dem Vergleich ( K G J W 33/2224'). Bei Teilvergleichen kann die Regel des § 98 sich nur auf den verglichenen Teil des Hauptstreits beziehen (OLG JMB1. N R W 54/63). Wird in einem Verfahren nach § 6 2 7 b ein über dieses Verfahren hinausgehender Vergleich geschlossen, so gilt nach OLG N J W 53/306 m. N. insgesamt § 98 und überhaupt nicht § 627c (a. M. K G M D R 55/751). OLG Rpfl. 52/343, M D R 52/435, OLG Stuttgart N J W 50/608 lassen in dem Fall des § 6 2 7 c den § 98 nicht gelten.
§ 99
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I Die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. II Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Entscheidung über den Kostenpunkt sofortige Beschwerde statt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören. A l e ) Besonders begründet werden auch die Fälle der Kostentrennung; doch hat hier die Prozeßordnung kein isoliertes Rechtsmittel gegen eine solche Kostenentscheidung zugelassen (RGZ 152/248f.). Darüber, ob sie zusammen mit einem anderen Rechtsbehelf angefochten werden können, vgl. §§ 91 D I I I , 97 A, 536 B . A II. Das geschilderte Prinzip gilt unter den Parteien, aber auch im Verhältnis zu dritten, soweit ihnen Kosten auferlegt werden (RG N § 99/33 zu §§ 71, 135, 387). a 1. Wird jemand als angeblicher Vertreter aus dem Rechtstreit verwiesen und werden ihm deshalb die Kosten auferlegt, so hat die Partei gegen die Ausweisung das Rechtsmittel bzw. den Rechtsbehelf. Darüber hinaus hat der dritte das Rechtsmittel gegen die ihn belastende Kostenentscheidung aus eigenem R e c h t ; doch würde es dann gegen § 99 I verstoßen, wenn man es mit der Begründung zuließe, er habe seine Vollmacht nachgewiesen; denn dann wäre seine Zurückweisung unbegründet (a. M. RGZ 53/65f.). Gerade in den Fällen der Streithilfe zeigt sich, daß eine solche Trennung unzulässig ist (RG N § 99/52 hat deshalb, wenn dann die Klage als unzulässig zurückgewiesen worden war, die Berufung zugelassen). Wird die Kostenentscheidung mit der Begründung angegriffen, daß die nach § 89 vorgeschriebene Kostenbelastung überschritten bzw. — bei Beschwerde durch den Gegner —• nicht erreicht wurde (was bei den abstrakten Kostengrundentscheidungen aber regelmäßig nicht eintritt), so würde die Rechtsmitteleinlegung nicht gegen § 99 I verstoßen (vgl. dazu § 89 A I).
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§ 99
A Ii
a 2. Werden einem dritten nach § 102 getrennte Kosten auferlegt, so hat er das Rechtsmittel nach § 102 II (vgl. RG JW 03/122). b) Eigene Kostenrechte dritter kommen für die Kostengrundentscheidung nur noch für den Streitgehilfen in Betracht. Die Ansprüche der Anwälte, Gerichtsvollzieher usw. nach § 124 beeinflussen die Kostengrundentscheidung überhaupt nicht, sondern gehören in das Kostenfestsetzungverfahren. Bei dem Streitgehilfen gilt ebenfalls das Veranlassungprinzip (§ 101 I); doch ist die Kostenentscheidung mit der für seine Hauptpartei verbunden, unterliegt sie im Kostenpunkt, so werden auch ihm seine Kosten aufgebürdet, gewinnt sie im Kostenpunkt, so sind die Kosten des Streithelfers dem Gegner aufzuerlegen. Über die Kosten des nur vom Streitgehilfen eingelegten und durchgeführten Rechtsmittels vgl. § 97 A III a. So lange diese enge Verbindung gewahrt wird, gilt für die Rechtsbehelfe der Streitgehilfen all das, was für die der Hauptpartei zu sagen ist (RG JW 02/183). Nur wenn entgegen der Regelung des § 1011 dem Streitgehilfen, dessen Hauptpartei im Kostenpunkt obgesiegt hat, seine eigenen Kosten auferlegt werden bzw. obwohl sie im Kostenpunkt unterlegen ist, dies nicht geschieht, sondern sie dem Gegner aufgebürdet werden, muß zur Korrektur der Kostengrundentscheidung, gestützt allein auf § 1011, der isolierte Angriff auf die Kostenentscheidung zugelassen werdeD, wenn man in den Regeln der §§ 91 a II nicht eng begrenzte Ausnahmeregeln sieht. A III. § 99 befaßt sich nur mit der Anfechtbarkeit einer ergangenen Kostengrundentscheidung, nicht mit ihrer Herbeiführung. In welcher Entscheidungsform die Kostengrundentscheidung erlassen worden ist, ob durch Urteil oder Beschluß (RG JW 03/237®), ist gleichgültig (§ 99 I bezieht sich deshalb auch auf das Rechtsmittel der Beschwerde, RG J W 87/3516). a) Ist in einem Urteil die Kostengrundentscheidung ganz oder zum Teil unterblieben so darf naoh § 821 ihre Ergänzung beantragt werden. § 99 ist hier unanwendbar (RGZ 46/393 [394]); doch ist § 321 nicht anwendbar, wenn die Kostenentscheidung dem Schlußurteil vorbehalten wurde; dann muß zunächst dieses abgewartet werden. Nichts anderes kann aber auch gelten, wenn die Entscheidung verbunden mit einem Beschluß zu erlassen war und unterlassen worden ist (KG JW25/808 11 ; a. M. RG Seuff. 42/75; vgl. auch BGH IV ZR 171/55, welcher die Kostenentscheidung eines Urteils „berichtigt" hat und § 319 B II b 1). b) Umgekehrt darf über ein Urteil, das — zuerst — nur über die Prozeßkosten entscheidet, nicht das ordentliche Rechtsmittel zugelassen werden, sondern es muß seine Ergänzung betrieben werden (a. M. RG N § 99/32, das hier die Berufung zuließ). A IV. Für die sogleich (ohne Kostenfestsetzungverfahren) bezifferte Kostenentscheidung (§ 91 B IV b) gilt dasselbe wie für die Kostengrundentscheidung. B. Soweit die Kostengrundentscheidung allein durch die Hauptentscheidung zu begründen ist und begründet wird (§§ 91, 92, 97 I), kann die Kostenentscheidung allein nicht angegriffen werden, sondern nur zusammen mit der Häuptertscheidung (§ 99 I). B I . Hauptentscheidung ist alles, was nicht reine Kostengrundentscheidung ist (RG J W 12/24716). Um eine Entscheidung zur Hauptsache handelt es sich auch dann, wenn Prozeßkosten außerprozessual erstattet verlangt werden, im besonderen, wenn es nicht zum Prozesse in der Hauptsache kommt, weil sie sich vor Prozeßbeginn erledigt hat und die Kosten nunmehr durch Klageänderung als Hauptforderung geltend gemacht werden (RG JW 29/96; vgl. dazu § 91a A I I b 2). Hier sind also nur Berufung oder Revision bei gegebenen Erwachsenheitsummen zulässig (RGZ 47/404). a 2. Auch prozessuale Entscheidungen (RGZ 32/428f.) sind Hauptentscheidungen. Es ist deshalb gleichgültig, ob die Klage in der Hauptsache als unbegründet oder als unzulässig abgewiesen worden ist. Selbst soweit es nur um die Vollstreckbarkeit zur Hauptsache und die Kostenentscheidung geht, liegt eine Entscheidung zur Hauptsache vor (RG Gruch. 56/1050 [1052]). Dementsprechend gehören auch bei der Vollstreckbarkeiterklärung eines Schiedsspruchs bzw. der Aufhebungklage gegen einen Schiedsspruch die in ihnen enthaltenen Schiedsgerichtskosten (als Nebenanspruch) zur Hauptsache (RGZ 165/140f.). 26«
403
§99 Bi
ZPO I. Buch
b) Über die Hauptsache wird aber nicht entschieden, wenn die Hauptsache für erledigt erklärt, statt abgewiesen wird wie umgekehrt. Erledigt sich die Hauptsache (§ 91 a A III), so darf zwar auf die Erledigung trotz Widerspruchs des Beklagten nur erkannt werden, wenn sie eingetreten ist, sonst muß die Klage abgewiesen werden. Über den Hauptanspruch wird aber nicht mehr kontradiktatorisch entschieden, und es wird im ersten Fall nur entschieden, ob die Streitveranlassung dem Kläger oder dem Beklagten zur Last zu legen ist, m. a. W., in all diesen Fällen wird stets nur die Begründung für die Kostenentscheidung, nicht die zur Hauptsache gegeben. Darüber, ob in der Rechtsmittel(Revision-)instanz die Beschwer auch nur in dem Kostenbetrag bestehen kann, wenn ausschließlich noch um die Kosten gestritten wird (andernfalls siehe § 99 I), vgl. §§ 91 a B II, 511 a B I c 4 (die h. M. nimmt dies — entgegen dem hier vertretenen Standpunkt — an). b 1. Wo der Kläger gegen den Widerspruch des Beklagten die Hauptsache für erledigt erklärt und abgewiesen wurde, gibt die h. M. dem Kläger das Rechtsmittel (Berufung, Revison) mit dem Begehren, die Klage für erledigt zu erklären und die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen (vgl. RG Recht 24/850). Wurde die Klage für erledigt erklärt, so wurde dem Beklagten das Rechtsmittel mit der Begründung gegeben, die für erledigt erklärte Klage abzuweisen und die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Doch zeigt schon § 628, daß es auf das Einverständnis des Beklagten nicht ankommen kann (stellt sich trotz des Bestreitens des Vertreters der Partei heraus, daß sie tot ist, so ist für erledigt zu erklären und über die Kosten so zu entscheiden, wie ohne die Erledigung entschieden worden wäre, RGZ 58/414 [417]), und es ist nicht einzusehen, weshalb der Unterlegene dann diese Kostenentscheidung, wenn er der Erledigungerklärung des Klägers nicht zugestimmt hat, nicht angreifen darf, da ihm die Erledigung selbst nicht zur Last fällt. Wenn man nicht zu ungleichen Ergebnissen kommen will, muß man deshalb auch dann, wenn die Parteien in ihrer Erledigungerklärung nicht übereinstimmen, dazu kommen, nur die Rechtsmittel der §§ 91 a II, 99 II zuzulassen, wenn eine Klage auf die Erledigungerklärung des Klägers abgewiesen oder für erledigt erklärt wird; denn in beiden Fällen wird nur die Kostengrundentscheidung begründet, wie dies auch in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen geschieht. b 2. Anders ist die Rechtslage, wenn man die Erledigung zwischen den Instanzen nicht erklären läßt, was aber entsprechend § 271 II 2 zugelassen werden sollte. Hier ließ ein Teil der Rechtsprechung das Rechtsmittel zu, auch wenn es damit begründet wurde, daß die Hauptsache erledigt sei (RGZ 114/230 [232]), während ein anderer Teil es als unzulässig verwarf (BGH J R 53/385). Da in diesen zwischeninstanzlichen Erledigungfällen die Entscheidung zur Hauptsache zu beseitigen ist, sollte man das Rechtsmittel der §§ 91 a II, 99 II zulassen; denn auch die nächste Instanz kann dann nur noch über die Kosten entscheiden (weil es an die Erledigungerklärung gebunden ist). Für die Zwischeninstanz des OLG nach dem Berufungurteil bedeutet dies allerdings, daß die Revision unzulässig und die sofortige Beschwerde unstatthaft ist. b 3. Hat sich die Hauptsache nach Einlegung des Rechtsmittels erledigt, so hindert dies regelmäßig nicht die Durchführung des Streits wegen der Kosten in dem beschrittenen Rechtsmittelverfahren (Berufung oder Revision; RG J W 18/51011), es sei denn, daß die Erledigung dem Rechtsmittelkläger anzulasten ist (dann wird regelmäßig das Rechtsmittel unzulässig, vgl. § 511 B II c 9). Die Erledigung tritt aber auch hier erst durch Erledigungerklärung ein, also nicht, wenn das Rechtsmittel zur Hauptsache selbst nur um der Kosten willen (RG J W 98/2573) und selbst mit aussichtslosem Antrag zur Hauptsache durchgeführt wird (RG HRR 32/1239). c 1. Wird aber sachlich verurteilt, obwohl die Hauptsache für erledigt erklärt war, so ist das Rechtsmittel in der Hauptsache zulässig (RG JW 10/151 18 f.). c 2. Wird umgekehrt die Hauptsache ausdrücklich oder stillschweigend für erledigt erklärt, während dies nicht der Fall ist, so darf das Rechtsmittel in der Hauptsache und nur dieses eingelegt werden (OLG J W 37/4935), wenn der Kläger sich gegen die zu Unrecht ausgesprochene Erledigung wenden will. Wird dann allerdings zur Hauptsache kein Rechtsmittel wegen der Erledigung eingelegt, sondern nur die sofortige Beschwerde, so ist sie unzulässig.
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Prozeßkosten
§99
B II a) Die Begründung zur Kostengrundentscheidung folgt der Hauptentscheidung auch dann, wenn getrennte Urteile vorliegen (RGZ 46/393); nur muß die Begründung für das Kostenurteil sich auf eine Hauptentscheidung beziehen. a 1. Dies ist der Fall, wenn ein Teilurteil über die Hauptsache, das Schlußurteil allein über die Kosten (RG J W 36/2544 1 4 ) oder verbunden mit einer die angreifende Partei nicht beschwerenden oder nicht angreifbaren Hauptentscheidung ergeht. Keine der Parteien kann ein Teilurteil mit der Begründung angreifen, daß es keine Kostenentscheidung enthalte, da es kein Schlußurteil ist. a 2. Ist das Teilurteil mit einem Rechtsmittel angegriffen, so ist auch das Schlußurteil in bezug auf die das Teilurteil betreffenden Kosten mit demselben Rechtsmittel angreifbar, auch wenn es für sich allein nicht angreifbar wäre; hier gilt also nur die Sachbeschwer des ersten Teilurteils, die Erreichung der Beschwerdesumme für das (letzte) Kostenurteil ist nicht erforderlich (BGH N J W 55/748). Die h. M. gibt aber nur die Kostenentscheidung des Schlußurteils zur Nachprüfung in vollem Umfange frei (RGZ 163/252f.), nicht die auch im Schlußurteil noch enthaltene Hauptentscheidung, wenn diese nicht schon für sich selbständig angreifbar ist. Ist das Teilurteil nicht angegriffen bzw. nicht angreifbar und die Partei im Schlußurteil nur durch die Kostengrundentscheidung oder durch einen Teil, den sie mangels Erreichung der Erwachsenheitsumme nicht angreifen kann, beschwert, so kann sie auch das Kostenschlußurteil nicht angreifen (RG J W 36/2544 1 4 ). a 3. Auch ohne besondere Angriffe gegen das Kostenschlußurteil wird ohne weiteres zugleich mit der Entscheidung über das Teilurteil über die Kosten entschieden, auch über die der Vorinstanz, soweit das Teilurteil abgeändert oder aufgehoben wird (vgl. § 308 I I ; R G Warn 08/94; a. M. B G H N J W 56/912 1 0 ), sofern auch das Kostenschlußurteil mit demselben Rechtsmittel angreifbar ist wie das Teilurteil (RG Recht 03/2476, auch wenn die E r wachsenheitsumme für das Schlußurteil selbst nicht erreicht wird, RGZ 163/252). Die Kostengrundentscheidung als abhängige Folgeentscheidung (§991) darf auch nicht durch Versäumnisurteil erlassen werden, weil § 308 I I entgegensteht. Soweit ein Teilurteil Uber den Hauptanspruch nicht anfechtbar oder nicht angefochten ist, bleibt es insoweit auch bei der alten Kostengrundentscheidung (RGZ 163/252). a 4. Das für das Teilurteil Gesagte gilt auch für das Ergänzungurteil nach § 321 (RGZ 68/301 [302]). Aber selbst, wenn keine Kostengrundentscheidung erlassen wurde und die Frist des § 321 verstrichen ist, ist die Kostenentscheidung in der Rechtsmittelinstanz nachzuholen (§ 99 B I I a 3). b) Wenn in der Instanz auch nur noch ein Nebenanspruch i. S. des § 4 (etwa Zinsen) neben den Kosten im Streit ist und die Entscheidung hierüber ergeht, kann die Kostenentscheidung nur mit der über die Zinsen durch Berufung oder Revision angefochten werden, mag sich auch die Hauptforderung (etwa durch Zahlung) erledigt haben (RG J W 38/Ö3 33 ). b 1. Der Verzicht auf Rechtsmittel in der Hauptsache gibt kein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung (RG J W 0 8 / 5 5 7 " ) . b 3. Bezieht sich nämlich ein Teil der Kostengrundentscheidung auf eine Hauptentscheidung, während der andere an einen erledigten oder anerkannten Anspruch anknüpft, so kann mit dem Hauptrechtsmittel nicht die auf die Erledigung bzw. auf das Anerkenntnis zu beziehende Kostenentscheidung angegriffen werden. Die wohl h. M. läßt den Rechtsmittelangriff in diesem Falle auch auf diese Kostenentscheidung zu (BGHZ 17/393). B III. Das Verbot, eine Kostengrundentscheidung getrennt von der zu ihr gehörenden, sie mit begründenden Hauptentscheidung angreifen zu dürfen, besteht nur bei Rechtsmitteln (Berufung, Revision, Beschwerde). a) Ferner sind hierunter die Wiederaufnahmeklagen zu verstehen (§ 578 D I V d; a. M. OLG J W 26/855 3 0 ). b) Nicht unter die Rechtsmittel fallen die sonstigen Rechtsbehelfe (Einspruch, Widerspruch, Erinnerung).
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§ 9 9 BIIIb
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b 1. Ergeht auf einen solchen Rechtsbehelf, der kein Rechtsmittel ist, eine Entscheidung (Urteil oder Beschluß) über Hauptsache und Kosten, so gilt § 99 I; waren mit ihm nur Kosten angegriffen, so kommen §§ 91 a II, 99 II zur unmittelbaren bzw. entsprechenden Anwendung (KG JW 25/20181) und bei gemeinschaftlicher Erledigungserklärung, soferr nicht trotz Erledigung der Hauptsache die Rechtmäßigkeit des Erlasses der einstweiligen Verfügung als Hauptsache im Streit geblieben ist (a. M. OLG ZZP 50/206, 52/72, JW 29/318932). b 2. Gegen die Kostenentscheidungen wird das Anschlußrechtsmittel zugelassen (BGHZ 17/392); b 3. über den Angriff (zugleich mit dem gegen die — verbliebene — Hauptentscheidung) durch das Hauptrechtsmittel vgl. BGHZ 19/173. C. Trennt sich die Begründung der Hauptentscheidung von der Kostengrundentscheidung, weil in dieser es in Abweichung von der ersten auf die Streitveranlassung und wem sie zur Last zu legen ist, abgestellt wird, so gibt das positive Recht in den Fällen der §§ 91 a II, 99 II die getrennte Anfechtungmöglichkeit durch sofortige Beschwerde allein gegen die Kostengrundentscheidung. Dies gilt auch dann, wenn etwa anerkannt war und das Gericht kontradiktorisch entscheidet (OLG MDR 50/169). C I. Erkennt der Beklagte sofort an und hat er keine Klageveranlassung gegeben (§ 93 B), so werden die Prozeßkosten dem obsiegenden Kläger auferlegt; geschieht dies, so hat der Kläger die sofortige Beschwerde mit der Begründung, daß die Voraussetzungen des § 93 nicht gegeben waren; werden aber die Kosten dem Beklagten auferlegt, so hat dieser sie mit der umgekehrten Begründung. a) In diesen Fällen ist Voraussetzung das förmliche Anerkenntnis nach § 307 (RG J W 07/26122). b) Umgekehrt darf der Kläger, dem anstatt in einem Versänmnisurteil kontradiktorisch nach § 93 die Kosten prozeßordnungwidrig auferlegt worden sind, die Kostenentscheidung nach § 99 II anfechten (a. M. RGZ 165/65). C II. Die dritte gesetzliche Regelung findet sich in MSchG § 13 m . b) Die sofortige Beschwerde bzgl. der Umzugskostenentscheidung ist auch neben anderen Beschwerdegründen gegeben (MSchG § 14 II). Werden Berufung und sofortige Beschwerde gegen dasselbe Urteil eingelegt, so entscheidet darüber dieselbe Kammer (vgl. auch § 517 C). D. In allen Fällen wird zur sofortigen Beschwerde vorausgesetzt, daß, wenn in der Hauptsache entschieden wäre, diese Entscheidung mit einem Rechtsmittel angreifbar wäre (RGZ 57/310f). D I. Sie ist deshalb nur zulässig gegen Kostenurteile der Amtsgerichte und der Landgerichte erster Instanz. a) Der Beschwerdewert muß 50,— DM übersteigen (§ 567 II); er ist nur nach den Kosten zu bemessen, nicht danach, ob der Wert der Hauptsache den Berufungwert erreicht hat (vgl. RG J W 26/8095). Maßgebend ist der Wert der Kosten in der angegriffenen Entscheidung. b) Die weitere Beschwerde ist unzulässig (§ 568 III). c) Da es drei Arten von Kostenentscheidungen gibt, nämlich die mit der Hauptentscheidung verknüpften, die von ihr gelösten und die der Kostentrennung, können Mischfälle eintreten. Da die letzten nicht selbständig anfechtbar sind, wird man ihre Anfechtung in Verbindung mit den beiden ersten zulassen dürfen, sofern sie nicht schlechthin unanfechtbar sind. c 1. Treffen mehrere Gründe der zweiten Art — Erledigung oder Anerkennung des Hauptanspruchs — zu, BO besteht jetzt die Möglichkeit einheitlicher Anfechtung (OLG JMB1. NRW 57/102). c 2. Bei Mischungen zwischen beiden Gruppen (es wird über einen Hauptanspruch streitig entschieden, ein anderer wird anerkannt oder erledigt sich) ist die Anfechtbarkeit streitig. Die äußerlich getrennte Kostenentscheidung (mag dies schon im Tenor oder auch nur in der Begründung geschehen) ist getrennt anfechtbar (RG Warn. 30/64). Ist dagegen äußerlich nicht getrennt, so läßt die h. M. den isolierten Rechtsmittelangriff nicht zu (RGZ 144/318f.).
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Prozeßkosten
§99
D Ic 2
Die h. M. geht dabei davon aus, daß bei sonst gemischter Kostenentseheidung insgesamt gesehen stets eine Entscheidung zur Hauptsache vorliege, so daß § 99 I anzuwenden sei ( R 6 Z 148/400 [403]). Nach BGH N J W 57/713 gilt dies auch, wenn gegenüber einem der Streitgenossen der Streit für erledigt erklärt, gegen die übrigen aber durchgeführt wurde. Nach der hier vertretenen Ansicht darf nicht die Durchführung eines Rechtsbehelfs davon abhängen, ob das Gericht der aufgezeigten Rechtsprechung folgend die Kostenentscheidung trennt. Man sollte deshalb der Partei ohne Rücksieht auf das Verhalten des Gerichts die ihr zustehenden Rechtsbehelfe geben, wobei allerdings die Angriffe gegen die isolierte Kostenentscheidung besondere Wege gehen und nicht mehr durch Hauptrechtsmittel (§ 99 B I I I b 3) bzw. Anschließung (§ 99 B III b 2) verfolgt werden dürfen. D II. Im übrigen wird nach §§ 567 folg. verfahren. Doch gilt auch § 512 a hier entsprechend (RGZ 57/311folg.). Mündliche Verhandlung ist nicht geboten (RG J W 01/326 1 ), doch muß der Gegner (nicht der Beschwerdeführer, R G J W 01/326 1 ) gehört werden ( § 9 9 1 1 3 ) ; seine Anhörung erübrigt sich nur, wenn die Beschwerde als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird (OLG Seuff. 75/110). Ein Versäumnisverfahren gibt es hier nicht. Soweit die Kostenentscheidung (vorläufig) vollstreckbar ist, braucht ihre Rechtskraft nicht abgewartet zu werden (OLG 40/359). § 717 II ist entsprechend anzuwenden. a) Die Anschließung an die Kostenbeschwerde sollte zugelassen werden (a.M. die h. M., vgl. OLG 27/47).
§ 100
(95)
I Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. II Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden. III Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlaßten Kosten. IV Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Abs. 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Abs. 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt. A. § 100 regelt die Kostenlast für mehrere unterliegende Streitgenossen. Darüber hinaus wird auch der selbständige Streitgehilfe (§ 69) wie der unterliegende Streitgenosse behandelt ( § 1 0 1 II). A I. Wer unterliegt, ergibt die Entscheidung. a) Auch hier bezieht sich aber das Unterliegen nur auf den Hauptanspruch (nicht auf die Kostenentscheidung). Für die Kostengrundentscheidung kommt die Streitgenossenschaft nur bis zur Abtrennung des Prozesses im Hauptanspruch in Betracht. Daß dabei die Kostenentscheidung dem Schlußurteil vorbehalten wird, ist für die Kostengrundentscheidung selbst unerheblich. b) Im Rechtsmittelverfahren ist nur der beteiligt, der das Rechtsmittel einlegt und durchführt, nicht ein sonstiger Streitgenosse (RG H R R 38/687). Hat ein Streitgenosse das Rechtsmittel zwar eingelegt, dann aber zurückgenommen, so haftet er nur für die Kosten der Rücknahme, wird indes die Revision der anderen Streitgenossen deshalb als unzulässig verworfen, so haftet der Zurücknehmende auch für diese Kosten (RG N § 100/4). A II. Werden unterliegende Streitgenossen im Hauptanspruch als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie so auch für die Prozeßkosten (§ 100 I V 1), gleichviel ob dies in der Kostengrundentscheidung gesagt ist oder nicht; es genügt auch, wenn dies aus den Gründen ersichtlich ist (KG J W 33/1896 5 ). c) Sind für mehrere Streitgenossen verschiedene Streitwerte maßgebend, so haften sie nur bis zur Höhe dieser als Gesamtschuldner (KG D R 41 A 663 2 8 ), nicht mit dem überschießenden Betrag.
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A III. Abgesehen von der gesamtschuldnerischen Haftung (§ 100 IV), wird aber nur nach Kopfteilen gehaftet (§ 100 I), und zwar nach den Ordnungnummern im Rubrum (RG JW 98/39018). Ob dies im Urteil besonders hervorgehoben worden ist oder nicht, ist gleichgültig (RG JW 86/3143). Die Kopfteilhaftung gilt auch, wenn die Ansprüche gegen die einzelnen Streitgenossen verschieden sind (RGZ 131/338 [339]), und auch, wenn verschiedene Parteien unterschiedlich klagen und ihre Klage abgewiesen wird (RG Gruch. 41/1158). A IV a) In dem Fall des § 100 II darf das Gericht nach seinem Ermessen (das in der Revisioninstanz nach RG Recht 31/838 nicht nachprüfbar ist; doch hat BGH II ZR 283/53 S. 17 selbst entschieden) von Gerichts wegen bei einer verschiedenen Beteiligung am Rechtstreit diese als Maßstab nehmen. Macht das Gericht von dem Ermessen bewußt keinen Gebrauch, so wird nach Kopfteilen gehaftet (RG N § 100/6). Verschieden ist die Beteiligung gemessen am Streitgegenstand, dem außerprozessualen Hauptanspruch (der außerprozessuale Nebenanspruch, vgl. § 4 C I, bleibt, soweit er kostenrechtlich nicht zu beachten ist, außer Betracht; auch auf das über den Streitgegenstand hinausgehende wirtschaftliche Interesse kommt es nicht an, KG OLG 25/79). Wird die verschiedene Beteiligung zum Maßstab genommen, so wird dabei das Gebührensystem des GKG bzw. der BRAGebO zugrunde zu legen sein. b) Das Verhalten der Streitgenossen im Prozeß fällt dagegen nicht unter § 100 II, sondern unter § 100 III (a. M. KG DR 39 A 32513). Macht ein Streitgenosse ein besonderes Angriffsoder Verteidigungsmittel (vgl. § 96 B) geltend, so sind die dadurch entstandenen Mehrkosten nuf diesem aufzuerlegen (§ 100 III). Doch wird regelmäßig anzunehmen sein, daß ein Angriffsund Verteidigungmittel, dessen sich der eine Streitgenosse bedient, auch das des anderen ist (vgl. § 63, aber auch § 61 A II). B. Das Gesetz regelt nicht die Fälle, in denen mehrere Streitgenossen obsiegen und wenn von mehreren Streitgenossen ein Teil obsiegt, der andere unterliegt. B I. Ob in dem ersten Fall Gesamtgläubigerschaft besteht oder nicht, ist allein nach außerprozessualem Recht zu beantworten (BGB §428; OLG Braunschweig NJW 53/948 läßt nur die Erstattung nach Kopfteilen zu). Haben die mehreren obsiegenden Streitgenossen denselben Anwalt, so entstehen dessen Kosten nur einmal. Bei gemeinsamen Kosten der Streitgenossen liegt also Gesamtgläubigerschaft vor (BGB § 428). Bei getrennt entstandenen Kosten stehen aber die Kosten nur dem Teil zu, in dessen Person sie entstanden sind, selbst wenn der sonstige außerprozessuale Anspruch ihnen als Gesamt- oder Gesamthandgläubiger zusteht; die Prozeßkostenschuld als solche entsteht stets nur für und gegen die Partei, der sie zu erstatten ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob bürgerlich-rechtliche Ausgleich- und Rückgriffansprüche bestehen (diese gehören auch nicht in das Kostenfestsetzungverfahren, RGZ 79/288f.). Der Staatskasse haften die Streitgenossen nach GKG § 104. Soweit allerdings die Festsetzung von dem Nachweis der Zahlung abhängig ist, wie bei der von Gerichtskosten (§ 91 E II a), kann ein Streitgenosse nur die von ihm gezahlten Kosten ersetzt verlangen (vgl. KG JW 35/3042). Der Unterschied tritt indes nicht hervor, wenn alle Streitgenossen gemeinschaftlich die Kostenfestsetzung betreiben (OLG HRR 41/867 hält indes hier Bruchteilfestsetzung für erforderlich, wenn der Gegner dadurch besonders berührt wird, vgl. auch OLG NJW 56/1034). B II. Siegt ein Streitgenosse ob nnd unterliegt ein anderer, so ist im Verhältnis zum Gegner § 91 anzuwenden, in dem des Gegners zum Obsiegenden wie in dem zum Unterliegenden §91 (vgl. §92 A l l ) . Bestehen der obsiegende bzw. der unterliegende bzw. beide Teile aus mehreren Streitgenossen, so sind alle Mischfälle denkbar, auf die im besonderen § 100 I, III anzuwenden sind. Über die Gleichstellung des selbständigen Streitgehilfen (§ 69) mit seiner Partei und die Auswirkungen vgl. § 92 A II a 3. B III. Bezüglich der Kostenlast ist jeder Streitgenosse und (selbständige) Streitgehilfe (§ 101 II) selbständig. Für jeden einzelnen ist deshalb besonders zu prüfen, ob bezüglich der Kosten die Voraussetzungen des §99 1 bzw. der §§99 11, 91a II gegeben sind (OLG 9/67). Dies gilt auch bezüglich der Beschwer. Doch ist zu beachten, daß nach h. M. (vgl. § 99 D I c 2), wenn auch nur gegen einen der Streitgenossen die Kostengrundentscheidung von der Hauptsachenentseheidung abhängt, § 99 I gilt, soweit nicht gerade in der Person des anderen Streitgenossen die Prozeßveranlassung geleugnet werden kann.
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Prozeßkosten
§100
biii
a) Im Kostellfestsetzungverfahren ist der Kostenanteil ersichtlich zu machen, den jeder getrennt zu tragen hat (KG OLG 31/29; a. M. KG J W 33/1896 5 ), bzw., soweit Gesamtschuldnerschaft besteht, diese. b) Bei einer Kostenfestsetzung für den obsiegenden und gegen den unterliegenden Streitgenossen hält K G J W 37/1662 2 8 den Erlaß von zwei Beschlüssen für erforderlich; die getrennte Vollstreckungklausel ist jedenfalls erforderlich und notwendig. B IV. Solange keine gerichtliche Entscheidung über die Kosten besteht, haften für die Gerichtskosten mehrere Parteien, sofern sie Antragsteller sind, als Gesamtschuldner; doch besteht diese Haftung nur in bezug auf den Streitgegenstand, an dem sie gemeinsam beteiligt sind (RGZ 144/12); anders nach Verurteilung (GKG §104).
§ 101
(96)
I Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen. II Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei ( § 6 9 ) , so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend. A. § 101 regelt die Kostenlast der unselbständigen Streithilfe — die selbständige (§ 69) wird den Regeln des § 100 unterworfen (§ 101 II). A I . Die Kosten der Streitverkündung sind nicht erstattungsfähig (§ 91 D I I b 2). A I I . Nicht hierher gehören die Kosten des Zwischenstreits um die Zulassung des Streitgehilfen (§ 71). B . Die Kosten der Streithilfe sind von den Kosten des Rechtstreits unterschieden. B I . Es sind dies einmal die Aufwendungen des Streitgehilfen, welche er macht, um sich an der Prozeßführung beteiligen zu können. a) Sie können mit denen der unterstützten Partei zusammenfallen (bei gemeinschaftlichem Anwalt), die in § 92 A I I b erwähnte Problematik wird aber insoweit nicht praktisch, wie sich die Streithilfe stets auf das gesamte Vorbringen der unterstützten Partei bezieht (§ 66 A I H b ) . Doch darf sich der Streitgehilfe auch einen anderen Anwalt nehmen, dem dann die Kosten ungekürzt zu ersetzen sind (RGZ 13/433f.). War der Streitgehilfe indes mehreren Parteien derselben Streitseite beigetreten, von denen eine unterliegt, die andere obsiegt, und hatte er einen besonderen Anwalt, so ist der Teil, der auf ihn als Unterliegenden fällt, ihm selbst aufzubürden (mathematisch, in der Regel nach Kopfteilen). Ließ er sich durch einen Anwalt vertreten, der nur die obsiegende Partei vertrat, so ist sein Unterliegeanteil abzusetzen wie bei Streitgenossen ( § 9 2 A I I a ; unterlag ein Streitgenosse und siegte ein anderer ob, dem er beigetreten war, so wird er die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu tragen haben; der obsiegenden Partei ist dann 1 j i abzusetzen, wenn man der Teilungtheorie folgt); hatte er denselben Anwalt wie der unterliegende Teil, so gilt das umgekehrte (d.h. er kann nur 1 j i erstattet verlangen). Vertrat ein Anwalt alle, so gilt nur das zu § 92 A I I Erläuterte. b) Nimmt der Streitgehilfe die Streithilfe zurück (was jederzeit ohne Einwilligung der Parteien zulässig ist, vgl. § 66 A I I c), so treffen ihn die eigenen Kosten ohne Rücksicht auf den Ausgang des Rechtstreits (§ 271 I I I in entsprechender Anwendung, RGZ 61/286 [289] und sind ihm aufzuerlegen, nach RG J W 37/1996 2 3 ohne daß es eines Antrags dazu bedürfte). Bei dieser Entscheidung bleibt es auch, wenn der Streitgehilfe nunmehr der Gegenpartei beitritt (vgl. OLG J W 30/198 6 7 ); aber auch wenn eine solche Entscheidung nicht ergangen sein sollte, können die Kosten der Streithilfe erst von dem maßgebenden Beitritt ab berechnet werden. B I I . Hiervon zu unterscheiden sind die Kosten, welche durch das Verhalten des Streitgehilfen im Prozeß in bezug auf andere entstehen, also die Belastung mit Kosten; diese trifft
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B II
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die (unterstützte) unterliegende Partei (RG J W 30/362711), also innerhalb derselben Instanz auch, wenn die Partei untätig ist; das Entstehen dieser kann sie durch ihren Widerspruch, (§ 67 B II b 1) verhindern. a) Davon weicht die h. M. ab, wenn die unterstützte Partei in der Instanz selbst untätig ist und nur der Streithelfer den Rechtsbehelf (das Rechtsmittel) eingelegt hat. a 1. Sodann werden ihm allein die Kosten des Rechtsmittels auferlegt (BGH N J W 56/1154, vgl. § 97 A I I I a). a 2. Haben aber sowohl die Partei wie ihr Streitgehilfe ein Rechtsmittel eingelegt, so ist die Partei nicht untätig geblieben und hat auch die Rechtsmittelkosten allein zu tragen (§97 A l l l a l ) . b) Außer seinen außergerichtlichen kann aber der Streitgehilfe auch gerichtliche Kosten aufwenden (so den Vorschuß für Zeugen oder Sachverständige, ja sogar den zur Durchführung der Klage); t u t er dies, so sind es Kosten des Rechtstreits, die nur er erstattet verlangen kann, wenn er obsiegt, vorbehaltlich des außerprozeßsualen Erstattunganspruchs gegen die von ihm unterstützte Partei, über den im Rechtstreit nicht zu entscheiden ist (RGZ 56/113f.). B III. Voraussetzung für den Erlaß der Kostengrundentscheidung ist das Unterliegen der Gegenpartei. a) Dem unterlegenen (§§91 folg.) Gegner sind auch die Kosten der Streithilfe aufzuerlegen (§ 1011); dies gilt auch im Fall der Rücknahme der Klage (§ 271 I I I ; RG J W 04/492 18 ) wie der Rücknahme eines Rechtsmittels (vgl. §§ 515, 566) und im Falle der weitergehenden Verzichte und selbst dann, wenn auf Grund eines (außergerichtlichen) Vergleichs zurückgenommen oder verzichtet wird (OLG H R R 35/1543). a 1. Unterliegt die unterstützte Partei oder nimmt sie die Klage usw. zurück (sogar auch vergleichweise, OLG H R R 35/1543), so hat der Streitgehilfe seine eigenen Kosten selbst zu tragen (OLG J W 34/1187 18 ; a. M. RG J W 04/492 18 ) ohne Erstattunganspruch gegenüber der von ihm unterstützten Partei nach Prozeßrecht (OLG 15/118f). Hat aber die unterstützte Partei des Streitgehilfen sie durch Vergleich übernommen, so ist dies genau so ein Titel nach § 794 1 1, wie wenn sonst ein dritter durch einen solchen Vergleich die Kosten übernimmt (a. M. KG J W 23/696°: der Streitgehilfe müsse sie durch besondere Klage geltend machen). a 2. Endet der Rechtstreit dadurch, daß die Hauptparteien ihn für erledigt erklären, so sind auch die Kosten der Streithilfe bei der nach §91a zu erlassenden Entscheidung zu berücksichtigen. Vergleichen sieh die Hauptparteien, ohne unter sich über die Kosten der Streithilfe zu befinden, so h a t der Streitgehilfe das Recht, die Kostenentscheidung durch das Gericht herbeizuführen (RGZ 56/113f.). Da die Parteien nicht über die Kostenerstattungansprüche des Streitgehilfen ohne seine Zustimmung verfügen können (OLG H R R 30/812), darf die Entscheidung jedenfalls insoweit nicht aus dem Vergleich entnommen werden, wie sein Anspruch nicht voll gedeckt wird (a. M. RG J W 10/621 19 ; vgl. § 98 A IV). b) Obwohl die Kosten des Rechtstreits von denen der Streithilfe zu trennen sind, ist über beide nach § 308 I I zusammen mit der Hauptentscheidung ohne Antrag besonders zu entscheiden (RGZ 56/113 [114]). Die Entscheidung über die Kosten des Rechtstreits enthält also keine über die Streithilfe (RG J W 01/573 2 ). Doch genügt es, wenn die Entscheidung aus der Begründung erhellt. Enthalten aber die Gründe nichts, so ist kein Titel für sie vorhanden, und es muß ihre Ergänzung nach § 321 beantragt werden (RGZ 46/393f.). Insoweit ist die Rechtslage für den selbständigen Streitgehilfen (§ 69) anders, als er stets durch die Kostenentscheidung in derselben Weise wie der Streitgenosse ergriffen wird (§§ 101 II, 100). B IV. Soweit die unterstützte Partei allein die Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde angreifen darf, darf es auch ihr Streitgehilfe (vgl. §§ 91a II, 99 I I ; RG J W 02/183), dann aber nur für sich und aus dem eigenen Recht des Streitgehilfen ohne die Möglichkeit des Widerspruchs der unterstützten Partei (§ 67 D I; OLG Seuff. 60/129), während das Recht der Partei hier der Streitgehilfe überhaupt nicht geltend machen darf. a) Sind die Kosten der Hauptpartei anstatt dem Streitgehilfen auferlegt, so hat RG Warn. 14/342 die Entscheidung von Gerichts wegen (also ohne Rüge) in der höheren Instanz
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Prozeßkosten
§101 BIVa
geändert (vgl. dazu § 99 B II a 3). Sind aber die Kosten der Streithilfe dem Streitgehilfen der obsiegenden Partei — versehentlich — auferlegt worden, so hat dieser die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung (vgl. § 99 A). b) Der Geschäftswert der Streithilfe deckt sich mit dem des Prozesses (RGZ 111/410 [411]; a. M. RG DR 42A 59123). c) Auf Grund des Titels sind die Kosten festzusetzen, ohne daß noch zu prüfen wäre, ob die Streithilfe zulässig geweseD ist (RG J W 97/1065).
§ 102
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I Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, gesetzliche Vertreter, Rechteanwälte und andere Bevollmächtigte sowie Gerichtsvollzieher können durch das Prozeßgericht auch von Amts wegen zur Tragung der Kosten verurteilt werden, die sie durch grobes Verschulden veranlaßt haben. II Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Vor der Entscheidung ist der Beteiligte zu hören. III Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. A I. § 102 nennt a) die Urkundsbeamten der Geschäftstelle. Doch verbietet jetzt GG Art. 34 es, sie unmittelbar zu belasten. b) Weiter zählen hierzu die gesetzlichen Vertreter der Parteien (vgl. § 51 D II, III). Dazu gehören aber nach der hier vertretenen Auffassung gerade die sog. Parteien kraft Amtes (§ 50 B IV). b 1. Nicht unter § 102 fallen die Partei und ihre Streitgehilfen, denn diese sind prozeßkostenrechtlieh Parteien. b 2. § 102 darf aber auch dort nicht angewandt werden, wo durch den Zwischenstreit mit einem dritten besondere Kosten entstehen, über die gesondert zu entscheiden ist, weil der dritte insoweit Parteistellung hat; hierher gehören die in den §§ 71, 135, 387, 402 ausdrücklich geregelten Fälle einerseits, wie die des § 89 andererseits und die zu ihnen zählenden nicht ausdrücklich geregelten Fälle (§ 89 A I). c) Ferner sind nur die im ProzeB Bevollmächtigten hierzu zu rechnen (§§ 78folg.). Beistände (§ 90) sind nicht nach § 102 zu bestrafen, weil ihr Vortrag den Parteien unmittelbar zugerechnet wird (vgl. § 90 II). d) Schließlich nennt § 102 noch die Gerichtsvollzieher (vgl. GVG § 154). Da aber auch für sie der Staat nach GG Art. 34 haftet, ist die Norm des § 102 nach der hier vertretenen Auffassung gegen sie nicht mehr anzuwenden. e) Auf andere Personen darf die Bestimmung nicht ausgedehnt werden. A l l a l . Für den Prozeß sind nur greifbar der gesetzliche Vertreter der Partei (der prozeßfähig sein muß) und der Prozeßvertreter, dem der vollmachtlose Vertreter gleichzusetzen ist, dessen mangelnde Vollmacht nicht aufgedeckt wird. Dazu gehört aber auch der prozeßbevollmächtigte Anwalt, der sich durch einen Untervertreter vor Gericht vertreten läßt (KG DR 40A 218526). a 2. Die Genannten müssen im Prozeß hervorgetreten sein. Deshalb können die Kosten eines Versäumnisurteils nicht dem gesetzlichen Vertreter der Partei auferlegt werden. b) Auferlegt werden dürfen die Kosten nur dem, den das grobe Verschulden trifft, also von mehreren Bevollmächtigten nur dem Betroffenen (a. M. RG JW 28/7052); dem Terminvertreter, nicht dem ihn bevollmächtigenden Anwalt; dem bestellten Vertreter, dem vertretenden Referendar; die herrschende Rechtsprechung weicht hiervon ab, indem sie nur dem Anwalt die Kosten auferlegt (RG J W 94/5341; dagegen aber RG JW 00/646).
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§ 1 0 2 Ali
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b 1. Dabei sollte man es auf das Verschulden gegenüber dem, der sonst die Kosten zu tragen hat, abstellen, also gegenüber der Partei. Die h. M. meint indes, daß es auf das Verschulden „gegenüber dem Gericht" ankomme, so daß der Anwalt auch dann verurteilt werden darf, wenn er auf Verlangen der Partei handelt (BGH MDR 1036/58); in solchem Falle soll nach der Rechtsprechung der Anwalt die Vertretung niederlegen. Doch besteht hiervon dann eine Ausnahme, wenn er nicht niederlegen kann, wie als beigeordneter (Armen)Anwalt; er wird dann das Gericht darum bitten, entbunden zu werden, ohne dies im einzelnen (wegen seiner Verschwiegenheitspflicht) begründen zu können; kommt das Gericht dem Antrage nicht nach, so wird er das unter Hervorhebung des Verlangens der Partei vortragen müssen, ohne daß ihm dann aber die Kosten nach § 102 auferlegt werden dürfen, weil das Gericht ihn veranlaßt hat. Legt er ohne Entbindung nieder, so hat ihm OLG MDR 54/429 die Kosten aufgebürdet (vgl. dazu § 115 B III b 3). Auch kann der Anwalt durch zu wahrende Fristen in Schwierigkeiten kommen. Wenn RG J W 00/6461, KG OLG 29/50 meinen, §102 soll das Gericht vor unbegründeten Anträgen schützen, so ist dieser Schutz unvollkommen; mehr kann über GKG § 47 erreicht werden, wobei allerdings auch die doppelte Haftung für die Partei und ihren Vertreter begründet werden darf. Und nur die praktische Handhabung kann die Partei (die dann dem Regreßprozeß des Vertreters usw. ausgesetzt wird) vor der einstweiligen Tragung dieser Kosten bewahren. b 2. Jedenfalls muß die schuldhafte Handlung (oder die ihr gleichgestellte — keinesfalls jede — Unterlassung) des Prozeßvertreters (usw.) sich darauf beziehen, daß dadurch seiner Partei Kosten entstehen (a. M. Jonas § 102 Anm. II 3, der auch die dem Gegner entstehenden hierher rechnet; anders ist dies im Fall des §89); denn sonst kann nicht seine Stellung als gesetzlicher Vertreter bzw. als Bevollmächtigter in Betracht kommen, auf die es aber § 102 allein abstellt. A III a) Als grob schuldhaftes Verhalten ist es angesehen worden, wenn der nicht postulationfähige Anwalt ein Rechtsmittel einlegte (RG JW 99/7403) oder wenn ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt wurde (BGH VersR 57/130), weil es an der richtigen Form (BGH MDR 1036/58), der richtigen Frist, der richtigen Begründung, an der Beschwerdesumme fehlt oder der Rechtsbehelf aus sonstigen Gründen unzulässig ist (RG JW 26/16681). Diese Grundsätze gelten auch für unzulässige Klagen und auch für nicht schlüssig begründete (RG Warn. 36/191), während die aus tatsächlichen Gründen unbegründeten nicht hierunter fallen. KG OLG 29/55, OLG 31/30 haben noch, wenn eine einhellige ständige Rechtsprechung nicht befolgt wurde, grobes Verschulden angenommen. Ob man dies heute gelten lassen darf, ist so lange zweifelhaft, wie selbst die höchsten Gerichte unerwartet von einer sonst gefestigten Rechtsprechung abweichen (vgl. etwa OGHZ 1/174). b) Von Verschulden kann jedenfalls dort nicht gesprochen werden, wo die Prozeßordnung ein Recht, so zu handeln, gewährt, etwa wenn ein Vertreter eine Frist voll ausnützt, mögen auch dadurch weitere Kosten entstehen. Die Voraussetzungen des § 102 sind ferner nicht gegeben, wenn es bei der Rechtsmitteleinlegung zweifelhaft ist, ob die Beschwerdesumme erreicht ist (im Zweifel muß dann der Anwalt das Rechtsmittel einlegen) oder wenn das unzulässige Rechtsmittel von der unteren Instanz zugelassen worden ist (Fälle, die sich bei Zulassung der Revision durch die OLG ergeben haben). c) Andrerseits kann der Anwalt sich nicht damit entschuldigen, daß eine unzulässige Eingabe auf Grund einer von ihm gegebenen Blankounterschrift gefertigt wurde (OLG N JW 59/488). B. § 102 entlastet die Partei von den Kosten nicht (RGZ 144/86 [88]), sondern begründet nur für das Gericht (den Staat) wie für den Gegner eine zusätzliche gesamtschuldnerische Haftung (RG JW 28/7052) zu der des in die Kosten Verurteilten. Auch darf der Staat, auf den der Anspruch in Höhe gezahlter Armenanwaltgebühren übergegangen ist, diesen gegen den nach § 102 verurteilten Prozeßvertreter der Gegenseite geltend machen (OLG NJW 57/389), während er Armenanwaltgebühren dem in die Kosten verurteilten Armenanwalt nicht zu zahlen braucht. Praktische Bedeutung erlangt § 102 dann dort, wo der dritte, nicht aber die von ihm vertretene Partei zahlungsfähig ist, für den Staat, soweit beide Parteien haften, nur, soweit beide es nicht sind.
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Prozeßkosten
§102
B I a) Sind die Gerichtskosten schon gezahlt, so kann der verurteilte dritte auf sie vom Staat nicht mehr in Anspruch genommen werden. Hat sie der Gegner bezahlt, so kann dieser sie auch gegen den dritten festsetzen lassen; hat dies aber die eigene Partei getan, die der dritte vertrat, so muß sie aus dem außerprozessualen Rechtsverhältnis im neuen Prozeß klagen (RG Seuff. 50/249), und dies hat nur Erfolg, wenn der außerprozessuale Anspruch begründet ist; an ihrem Bevollmächtigten wird sie sich nach BGB §§ 675, 662folg. erholen dürfen; gegen den nicht entdeckten vollmachtlosen Vertreter ist der Anspruch nur zu konstruieren, wenn die Partei die Geschäftsführung genehmigt, andernfalls muß sie gegen die Gegenpartei nach § 579 I 4 vorgehen, und nur in dem Falle des BGB §§ 823 folg. besteht ihr Anspruch gegen den Vertreter ohne Vollmacht. Der Grad des Verschuldens kann außerprozessual weniger weit sein als nach § 102, regelmäßig wird auch leichte Fahrlässigkeit (BGB § 27612) genügen, andernfalls kann auch grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen worden sein (vgl. BGB § 276 II); schließlich darf der Partei BGB § 254 und, wenn sie das Verhalten des Vertreters veranlaßt hat, auch die Einrede der allgemeinen Arglist entgegengesetzt werden. Doch kann sich der dritte im Folgeprozeß — wegen der besonderen Rechtskraftwirkung des Beschlusses nach § 102 — nicht darauf berufen, daß keine Mehrkosten entstanden sind und daß er nicht grob fahrlässig gehandelt hat. b) Werden noch zu bezahlende Gerichtskosten von dem nach § 102 Belasteten gezahlt, so hat dieser jedenfalls keinen Ersatzanspruch gegen irgendeinen dritten, auch nicht gegen die eigene Partei, selbst wenn er sich ihr gegenüber freigezeichnet hatte. Ersetzt ihm die Partei in Kenntnis des Sachverhalts die Kosten, so hat sie kein Rückforderungrecht (BGB | 814). B II a) Sind die außergerichtlichen Kosten beglichen, so gilt im Verhältnis zur eigenen Partei das zur Begleichung der Gerichtskosten Gesagte entsprechend. Sind sie noch gegenüber dem Prozeßvertreter zu begleichen, so ist der Anspruch erloschen. Wird dennoch gezahlt, so ist BGB §814 anwendbar. b) Nach der hier vertretenen Ansicht hat der Gegner keinen Anspruch auf die ihm entstandenen Mehrkosten. Nur vom umgekehrten Standpunkt aus kann er sie auch von dem dritten ersetzt verlangen, und zwar dann auf dem Wege der Kostenfestsetzung. Doch ist der Fall des § 102 von dem des §89 zu unterscheiden. Kosten des Gegners im Armenrecht verfahren dürfen dem Anwalt des Antragstellers nicht auferlegt werden (OLG MDR 59/1031, vgl. § 118a IV 1). C. Zuständig zur Verurteilung ist nur das Prozeßgericht, auch der Einzelrichter (aber nur wenn er nach § 349 allein zum Schluß entscheidet), nicht der beauftragte oder ersuchte Richter, niemals der Rechtspfleger und der Urkundsbeamte. C I. Grundsätzlich ist nur die Instanz zuständig, in welcher die zu beanstandende Handlung des dritten vorgenommen worden ist, auch noch nach Erlaß der Endentscheidung nach RG Warn. 08/426, aber nicht mehr nach Rechtskraft (§ 705 B III) der Hauptkostenentscheidung (a. M. OLG HRR 36/1194) bzw. nach Einlegung eines Rechtsmittels (sofern die Sache nicht zurückverwiesen wird), wohl aber in der höheren Instanz von dieser, soweit das Rechtsmittelgericht über alle Kosten des Rechtstreits entscheidet (OLG 3/325). In der Vollstreckunginstanz wird die entsprechende Anwendung des § 102 bisweilen angenommen (OLG SäehsAnn. 27/342). C II. Gewohnheitrechtlich wird den Parteien kein Antragsrecht und auch kein Beschwerderecht gegeben (RG JW 97/4584), und zwar weder zugunsten noch zu Lasten des Verurteilten. C III. § 102 II 2 schreibt die Anhörung (auch die schriftliche) des zu Verurteilenden vor; die Parteien brauchen nicht gehört zu werden; mündliche Verhandlung ist nicht notwendig (§ 102 II 1). Ob das Gericht die Entscheidung erläßt, steht in seinem Ermessen. C IV. Die Entscheidung selbst sollte durch Beschluß erlassen werden; ergeht sie zugleich mit der Prozeßentscheidung, so tritt dadurch insoweit doch keine Verbindung mit der Hauptsache i. S. des § 99 I ein. Dennoch kann sie vom Bestände der Haupt-(kosten-)entscheidung abhängig sein, etwa wenn ein Rechtsmittel als unzulässig verworfen wurde, die nächste Instanz es indes für zulässig erklärt. Dann entfällt mit rückwirkender Kraft die nach § 102 ausgc-
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sprochene Verurteilung, soweit sie von der Aufhebung betroffen wird und ohne Rücksieht, ob sie als solche rechtskräftig geworden ist oder nicht. Die Entscheidung ist dem Verurteilten förmlioh zuzustellen (§ 329 III 1), den Parteien aber bloß mitzuteilen (§ 329 I I I 2). C V. Gegen die Entscheidung ist nach § 102 III die sofortige Beschwerde gegeben, gleichviel ob sie durch Beschluß oder im Urteil ausgesprochen ist (RG J W 00/6461 f.). Ob sie dem Anwaltzwang unterliegt, ist streitig (bejahend RG Warn. 36/191), soweit nicht der Rechtstreit im ersten Rechtzuge am Amtsgericht anhängig ist oder ein Fall des § 569 II 2 getroffen wird (RG Gruch. 50/1060); und dann auch noch für die in der Beschwerdeinstanz des Landgerichts entstandene Anordnung nach RG JW 01/835°. Gegen die Entscheidung des OLG oder eines höheren Gerichts ist keine Beschwerde zulässig (§ 567 III, BGH NJW 57/543). Gewohnheitrechtlich wird § 568 III nicht angewandt (RGZ 64/377), ebenso nicht § 567 II (RGZ 64/377).
§ 1 0 3 (98,104) I Der Anspruch auf Erstattung der Prozeßkosten kann nur auf Grund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. II Das Gesuch um Festsetzung des zu erstattenden Betrages ist bei der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges anzubringen. Die Kostenberechnung, ihre zur Mitteilung an den Gegner bestimmte Abschrift und die zur Rechtfertigung der einzelnen Ansätze dienenden Belege sind beizufügen. A I a 2. Wird das Verfahren nach Erlalt der Kostengrundentscheidung in der Zwischeninstanz nach der ersten Instanz unterbrochen oder ausgesetzt, so hindert dies auch die Kostenfestsetzung. Dies gilt auch, wenn die Unterbrechung erst im Kostenfestsetzungverfahren eintritt (RG Gruch. 44/1169). Erlischt die Parteifähigkeit durch Tod, so gilt indes § 246. War das Verfahren schon vor Erlaß der Kostengrundentscheidung durch den Tod unterbrochen, so hindert dies die Kostenfestsetzung nicht (a. M. RG J W 41/1985), weil, wenn die Kostengrundentscheidung bestehen bleibt, die Kosten festgesetzt werden müssen. Da das Kostenfestsetzungverfahren vom Anwaltzwang frei ist (§ 78 II), schadet der Wegfall des Anwalts (§ 244) grundsätzlich nichts (OLG Seuff. 63/98; a. M. OLG 7/285). Wird erst in der höheren Instanz das Verfahren unterbrochen oder ausgesetzt, 60 hindert dies die Kostenfestsetzung, die in der ersten Instanz zu betreiben ist, nach KG JW 39/64845 nicht. a 3. Wird die Klage als unzulässig abgewiesen, so sind die Parteien im Kostenfestsetzungsverfahren partei- und prozeßfähig, selbst wenn sie im Hauptverfahren es nicht sind, also der Beklagte, wegen dessen Partei- oder Prozeßunfähigkeit die Klage als unzulässig abgewiesen wurde, wie auch der Kläger, wenn dies seinetwegen geschah, weil die Kostengrundentscheidung auch dann gegen ihn wirkt. b) Die besonderen Prozeßbedingungen des Kostenfestsetzungverfahren sind: ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel über die Kostenpflicht und der Antrag der berechtigten Partei (§ 103 I). Vgl. dazu § 103 B III. A II. Das Kostenfestsetzungsverfahren überlagert das Klageverfahren und wird seinerseits durch besondere Normen ausgeschlossen. Vgl. Kommentar § 91 B II a, RGZ 130/217 f.). b) Besondere Regelungen schließen das Kostenfestsetzungsverfahren aus. b 2. Die Schiedsgerichtskosten setzen die Schiedsgerichte (im Schiedspruch) fest (u. U. im Ergänzungspruch). Im gerichtlichen Kostenfestsetzungverfahren können sie nicht festgesetzt werden (RGZ 59/149 [150], nach RGZ 19/407f. darf vor dem ordentlichen Gericht auf Erstattung dieser Kosten geklagt werden; vgl. § 1039 B II b 2). A III a) Mit außerprozessualen Einwendungen wird der Schuldner im Kostenfestsetzungverfahren grundsätzlich nicht gehört. a 1. Die Einwendung des außergerichtlichen — dem Gericht nicht beiderseits angezeigten — Vergleichs (OLG 19/81; anders bei der des Prozeßvergleichs), des Erlasses (BGB § 397: OLG MDR 52/751), der Aufrechnung; die Einrede der Stundung, der Verjährung oder
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eines Zurückbehaltungrechts (KG DR 41 A 39214) sind im Kostenfestsetzungverfahren unbeachtlich. Hierher gehört auch der Einwand der Tilgung durch Zahlung oder Beitreibung (RGZ 62/189 [190]), sofern nicht unter den Parteien hierüber Einverständnis herrscht, da dann hierüber nicht entschieden wird (KG J W 35/290124). a 2. Anders ist es mit der Einwirkung eines Zwangsvergleichs im gerichtlichen Vergleichoder Konkursverfahren (OLG 25/79) a 3. Ob man die Einrede der Verjährung im Kostenfestsetzungverfahren zu berücksichtigen hat, ist zweifelhaft. Die der Verwirkung sollte man aus dem Verfahren verweisen (a. M. OLG MDR 57/560). b) Auch wenn unmittelbar nach auBerprozessualem Gesetz der, welcher die Kosten erstattet verlangt, sie allein zu tragen hat, b 1. bleibt für die Kostenfestsetzung kein Raum (§ 91 B II d 2). b 2. Inwieweit eine Partei sonst nach außerprozessualem Recht Ersatz zu leisten hat oder wie mit einem an der Entscheidung nicht unmittelbar Beteiligten der Anspruch auszugleichen ist, ist nicht Gegenstand des Kostenfestsetzungverfahrens (vgl. KG OLG 20/309). B. Regelmäßig folgt das Kosten(höhe)festsetzungsverfahren der Kosten(grund)entscheidung, so daß diese zu den besonderen Prozeßbedingungen des Kostenfestsetzungsverfahrens gehört. Die Übernahmeerklärung in der mündlichen Verhandlung, selbst wenn sie zu Protokoll erklärt worden ist, reicht also nicht aus; es bedarf vielmehr bei der Rücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels eines Kostenausspruchs (RGZ 20/414f.). Dies gilt auch für Kosten, die auf grund eines Verfahrens nach § 534 I entstanden sind (OLG MDR 55/560). Fehlt der Kostenausspruch, so ist die Kostenfestsetzung unzulässig. B I. Abweichend davon ist die Erstattung a) der Vollstreckangkosten unabhängig von der Kostengrundentscheidung (etwa wenn diese nach § 92 die Kosten aufteilt: OLG 15/96). Sie sind allein vom Schuldner auf Grund des Gesetzes zu erstatten (§ 788, soweit nicht § 788 I I I durchgreift), und zwar von dem einzelnen, gegen den die Vollstreckung gerichtet ist, und ohne Rücksicht darauf, ob noch andere für die Prozeßkosten gesamtschuldnerisch haften (KG J W 33/2224 7 ), von der außerprozessualen Erstattungpflicht (als Bürge usw.) abgesehen. Prozeßbedingung ist hier nur der vollstreckbare Titel zur Hauptsache (RG J W 98/658 5 , wozu auch der Kostenfestsetzungbeschluß des Hauptverfahrens gehört, § 794 I 2); oder auch der Vollstreckungbefehl (§ 794 I 4). Ob aus einem Urteil oder durch ein Urteil (vgl. §§ 722, 723) oder aus Beschlüssen oder sonst zur Vollstreckung berechtigenden Titeln (§§ 794 — vgl. auch §§ 795folg. — 800, 800a, 801) vollstreckt wird, ist gleichgültig. Deshalb sind die Kosten der Vollziehung von Arrest und einstweiliger Verfügung zu erstatten (§§ 928, 936), selbst wenn im Arrestbefehl bzw. in der einstweiligen Verfügung (unrichtigerweise) keine Kostengrundentscheidung gefällt wurde (RG Gruch. 44/196 [202]). Diese Kosten brauchen zwar nicht festgesetzt zu werden, sondern dürfen auch ohne Festsetzung beigetrieben werden (§ 788); sie können aber auch festgesetzt werden und müssen es auch auf Antrag (RGZ 85/132), sofern diese Kosten nicht schon in einem besonderen Beschluß mit festgesetzt worden sind wie die im Pfändung- und Überweisungbeschluß (OLG 15/281) und es nur auf die Einziehung dieser ankommt. Über den Begriff der Vollstreckungkosten vgl. §§ 788 B I a, 91 D II a 1. b) Gerichtliche (nicht außergerichtliche) und die ihnen nach § 794 1 1 gleichgestellten Vergleiche sind, obwohl sie keine Kostengrundentscheidung, sondern allenfalls eine Kostenvereinbarung oder auch gar keine enthalten (§ 98 A II), zum Kostenfestsetzungverfahren die geeignete Grundlage. Die Kosten aus der Vollstreckung des Vergleichs fallen unter § 788 (§ 103 B I a). Zu den gerichtlichen Vergleichen gehören auch die des Privatklageverfahrens (LG JMB1. N R W 49/274) wie die nach § 118a I I I (OLG J W 34/32223) sowie die in irgend einem Prozeß erklärten (auch im verwaltunggerichtlichen Verfahren: a. M. OLG JMB1. N R W 53/33), mögen sie auch zu anderen Akten zu Protokoll erklärt worden sein (OLG 23/128), wie die, welche über den Prozeßgegenstand hinausgehen (RG N § 104/1). Dies kann auch gegen dritte gelten, nämlich soweit sie sich an der Kostenvereinbarung beteiligen (§ 98 A I V ) ;
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nicht aber für die an der Vereinbarung nicht Beteiligten, mögen sie auch im Prozeß als H a u p t partei oder Streitgehilfe beteiligt sein (§ 98 A IV). Wird in ihnen eine gesamtschuldnerische H a f t u n g übernommen, so gilt sie im Zweifel auch für die Kosten und ist im Kostenfestsetzungbeschluß auszusprechen (KG J W 33/2224 7 ). Über die zu erstattenden Kosten vgl. § 9 1 B I I c 4. B II. In den sonstigen Fällen bedarf es der Kostengrundentscheidung, die vollstreckbar sein muß. a) Ohne besonderen Ausspruch ist die Kostengrundentscheidung vollstreckbar, wenn sie rechtskräftig (§ 705 A) ist (§ 704) oder wenn sie unter § 794 fällt. a 1. Dazu gehört auch die bei Vergleichen (vgl. § 794 1 1 und § 103 B I b). a 2. Über die Titulierung des Kostenfestsetzungbeschlusses vgl. § 794 I 2. a 3. Zu den Beschlüssen nach § 794 I 3, auf Grund deren die Kostenfestsetzung betrieben werden darf, gehören auch die Entscheidungen nach § § 9 1 a I I , 99 I I ; dazu gehören ferner Beschlüsse aller Art (OLG J W 26/853 25 ), die nicht unter § 794 I 2, 4, 4 a fallen, also auch die in einem Arrestbefehl oder einer einstweiligen Verfügung (KG J W 24/415 8 ); über die Frage, ob die Vollziehungfrist zu wahren ist, vgl. § 103 B I I c 2. a 4. Über die Festsetzung bei Vollstrecbungbefehlen vgl. Kommentar § 103 A I I b 1, über die bei Schiedsverfahren vgl. §§ 103 A I I b 2, 1042 c I, 794 I 4 a. a 5. Die in § 794 I 5, II genannten Urkunden sind Grundlage der Vollstreckung und damit zur Festsetzung der Vollstreckungkosten geignet (OLG J W 27/407 23 ), nicht aber für sonstige Festsetzungen. b) Im übrigen muß die Kostengrundentscheidung, wenn sie nicht rechtskräftig (§§ 704, 705 A) ist, (zumindest) vorläufig vollstreckbar sein, wozu es (abgesehen von dem Falle des §794) eines solchen Ausspruchs bedarf (§§708—710, 713). b 1. Ist die Kostengrundentscheidung als solche bedingt (etwa bei einer Teilkostenentscheidung, deren Durchführbarkeit erst die Endkostenentscheidung ergibt, KG D R 39 B 389 298 ), so ist keine Kostenfestsetzung zulässig. KG D R 39 A 876 9 hat das Kostenfestsetzungverfahren nicht zugelassen, wo dem Schlußurteil die Kostenentscheidung in Höhe von x / 6 vorbehalten war. b 2. Unerheblich für das Kostenfestsetzungverfahren ist die Erfüllung von Bedingungen der Vollstreckbarkeit. Ist die Vollstreckung von einer Sicherheitleistung abhängig gemacht, 60 wird festgesetzt ohne Rücksicht darauf, ob die Sicherheit schon geleistet ist (BayObLG NS 1/349); im Kostenfestsetzungbeschluß ist aber die Vollstreckung von der vollen Sicherheit abhängig zu machen (RG J W 91/310 18 ), und die Vollstreckung darf nur betrieben werden, wenn ihre Leistung nachgewiesen worden ist (§ 751 I I ; KG ZZP 50/315). Ist dem Schuldner nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, so ist diese Bedingung auch in den Kostenfestsetzungbeschluß aufzunehmen (LG J W 34/1196 2 ). Ratenzahlungvereinbarungen eines Prozeßvergleichs sind in den Kostenfestsetzungbeschluß aufzunehmen, wenn sie die Kosten betreffen. b 3. Ist umgekehrt die Vollstreckung einstweilen eingestellt, so kann auch die Kostenfestsetzung nicht betrieben werden (KG J W 34/2866 3 ). c) Die Prozeßbedingung des vollstreckbaren Titels wird nur formal geprüft. c 1. Unzulässig ist es, im Kostenfestsetzungverfahren nachzuprüfen, ob der Kostenausspruch der Kostengrundentscheidung richtig ist (RG J W 05/149 33 ). Eine unklare Entscheidung darf ausgelegt, aber nicht abgeändert werden (KG J W 36/200 23 ). So ist zu prüfen, ob der Kostenausspruch eine Gesamt- (§ 100 IV) oder eine Teilschuldnerschaft (§ 100 I) betrifft (RGZ 30/338 [340]), auch wieweit eine unklare nach § 92 ergangene Entscheidung reicht (RG J W 98/115'). Im Kostenfestsetzungverfahren ist nur nachzuprüfen, ob die Kosten entstanden, unter das Urteil fallen und notwendig sind (RGZ 13/360 f.), aber nicht, ob eine Beweisaufnahme notwendig war (RG J W 95/263®). c 2. Die besonderen Prozeßvoraussetzungen müssen zur Zeit des Erlasses des Kostenfestsetzungsbeschlusses bestehen. Ob bei Versäumung der Vollziehungsfrist bei Arrest und einstweiliger Verfügung (§§ 929, 936) die Kostenfestsetzung noch zulässig ist, ist streitig (be-
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§ 103
Bn C 2
jahend OLG N J W 52/550, verneinend KG J W 28/2153 4 ); das Gesetz spricht zwar nur davon, daß die Vollziehung unstatthaft wird; man wird aber darüber hinaus annehmen dürfen, daß die gesamte Entscheidung außer kraft tritt und also auch die Kostenentscheidung. Der Beseitigung des Titels durch Urteil der höheren Instanz stehen die Klagerücknahme, der Klageverzicht oder auch der gerichtliche Vergleich (LG J R 51/568) gleich. c 3. Wird der Kostengrundtitel aufgehoben, nachdem der Kostenfestsetzungsbeschluß erlassen worden ist, so wird er gegenstandslos (KG J W 36/3073 47 ) und teilt insoweit das Schicksal des Kostengrundausspruchs (KG J W 34/3146 2 ); im Streitfalle muß auf seine Beseitigung geklagt werden. Bereits gezahlte Kosten sind nach § 717 II, I I I zurückzufordern (KG J W 36/2413=5). c 4. Der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels (Vergleichs) bedarf es nicht (OLG 23/128); nur soweit die Vollstreckungklausel umzuschreiben ist (§§727 folg.) hat dies zu geschehen (OLG H R R 42/82). Vgl. auch § 103 B I I I a. Eine Kostenerstattung durch Zahlung an dritte gibt es nicht (KG J W 34/495 1 ; a. M. OLG H R R 32/1979 bei Zahlung an den Staat). B III. Weitere Prozeßbedingung des Kostenfestsetzungverfahrens ist der Antrag des Gläubigers — eine einseitige, prozessuale, gegenüber dem Gericht abzugebende Willenserklärung, die bis zum Erlaß des Beschlusses frei widerruflich ist und darüber hinaus auch noch zurückgenommen werden darf (§ 271 in entsprechender Anwendung), wenn der Gegner einwilligt oder der Gläubiger verzichtet (§ 306 in entsprechender Anwendung). a) Antragsberechtigt ist nur der Kostengläubiger (BayObLG NS 6/170) •— doch ist bei Kostenverteilung auch der Gegner Kostengläubiger (selbst wenn sich im Kostenfestsetzungverfahren herausstellt, daß er nichts erstattet erhält) — und nicht der (andere) Streitgenosse, auch nicht einmal der Streitgehilfe (dieser hat nur sein eigenes Erstattungrecht; vgl. § 101 B II b). Kostengläubiger ist aber auch der dritte, dem eine Kostenforderung im Zwischenstreit zu eigenem Recht zugesprochen worden ist (vgl. §§ 71, 387, 402). An Stelle des ursprünglichen Kostengläubigers ist der antragsberechtigt, auf den der Titel umgeschrieben (§§ 727folg.) ist; also auch der Pfändunggläubiger, der sich diese Forderung zur Einziehung überweisen ließ nach Titelumschreibung (vgl. §835). Darüber, daß, wenn nach §§727 folg. umzuschreiben ist, die hierzu berufene Stelle, sofern sie zugleich zur Kostenfestsetzung zuständig ist (was die Regel ist), Umschreibung und Festsetzung in einem Besohluß vornehmen darf, vgl. Jonas J W 35/1641 21 gegen KG J W 35/1041". Nicht erforderlich ist dagegen die Umschreibung des Titels in den Fällen des § 124, wo der Armenanwalt sich Kosten auf eigenen Namen festsetzen lassen darf, soweit nicht sein Anspruch auf die Staatskasse übergegangen ist und auch die Partei kann diesen Anspruch nicht geltend machen (KG J W 35/1044 16 ). Über den Fall der Festsetzung der Anwaltskosten gegen die vollmachtgebende Partei vgl. BRAGcbO § 19 und § 103 E. b) Der Antrag ist schriftlich (mit eigenhändiger Unterschrift: OLG ZZP 54/86) oder zu Protokoll der Geschäftstelle zu erklären, er ist vom Anwaltzwang frei (§ 78 II). Über die Prüfung der Vollmacht vgl. § 88 B I I I a. b 1. Der Antrag darf, wie § 105 II klarstellt, schon vor ErlaB (d. h. der Verkündung, im schriftlichen Verfahren vor Zustellung des Tenors) 4er Kostengrundentscheidung gestellt werden. Liegen die Akten über den Titel der angegangenen Stelle — wie im Regelfall — vor, so bedarf es nicht der Vorlegung des Titels (OLG 23/128), was sonst erforderlich wird. Ist die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung von der Rechtskraft des Urteils abhängig, so ist diese — falls aus den Akten nicht ersichtlich — vom Antragsteller nachzuweisen (vgl. für Arreste und einstweilige Verfügungen auch § 103 B I I c 2); der vollstreckbare Kostenfestsetzungbeschluß ist (sonst) auch vor Zustellung des Titels auszufertigen (OLG 26/375). b 2. Das Gesuch oder eine Anlage zu ihm (die nicht unterschrieben zu werden braucht, KG OLG 15/95) soll die Kostenansätze im einzelnen angehen und belegen (§ 103 II 2), soweit sie nicht Gerichtskosten betreffen, die auf Grund der Geriohtsakten feststellbar sind. Über das Verfahren im einzelnen vgl. § 104 A. Von der Kostenberechnung (nicht von den Belegen) seil eine Abschrift für den Gegner beigefügt werden (andernfalls fertigt sie das Gericht [abgesehen vom Fall des § 105] auf Kosten des Einreichenden an). 27
Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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§ 103 B i n
ZPO I. Buch
c) Die wiederholte Festsetzung ist grundsätzlich zuzulassen, soweit nicht die Rechtskraft der früheren Entscheidung entgegensteht (KG OLG 3/127). c 1. Es darf der einmal abschlägig beschiedene Posten nicht erneut zur Festsetzung gebracht werden (RG J W 96/6533); im besonderen darf für denselben Posten nicht mehr angesetzt werden, wenn für ihn ein Höchstbetrag zugebilligt worden ist (KG J W 29/87V24, Es wird stets über alle Posten entschieden, deren Festsetzung beantragt ist, auch wenn sie nicht ausdrücklich aberkannt wurden; denn im Zuspruch der Höhe liegt das Aberkennen über mehr. Ein Ergänzungverfahren nach § 321 ist deshalb nicht denkbar (im Ergebnis: RG Seuff. 42/75). Insoweit steht das Rechtsbehelfsverfahren aber offen (OLG HRR 40/1307). Beruht die Errechnung der zu erstattenden Summe auf einem Rechenfehler, so ist nach § 319 zu berichtigen. c 2. Wird ein Kostenansatz nicht belegt, so ist die Festsetzung insoweit mit Kostenlast für den Antragsteller — als unzulässig — abzulehnen (RGZ 14/320); über die Erforderlichkeit der Glaubhaftmachung vgl. § 104 A II b 1. Fehlte es bisher bloß an der Glaubhaftmachung, so darf sie noch im neuen Gesuch nachgebracht werden. c 3. War aber noch nichts abgesetzt, so darf auch derselbe Posten, der von vornherein nur in begrenzter Höhe gefordert und dem in dieser stattgegeben worden ist, auch nachträglich noch mit dem bis dahin nicht angeforderten höheren Betrage zur Festsetzung gebracht werden (KG JW 29/877M). c 4. Die Mehrkosten der — nachträglichen — Festsetzung(en) einschließlich der außergerichtlichen fallen dem Antragsteller zur Last (RGZ 27/402 [404]). Darüber hinausgehend mit „Treu und Glauben" die wiederholte Kostenfestsetzung zu verweigern (vgl. KG JW 39/64743), widerspricht dem positiven Recht. B IV. Gegner des Kostenfestsetzungverfahrens ist der Kostenschuldner, d. h. die in die Kosten verurteilte Partei, ihr Rechtsnachfolger und jede Person, gegen die diese Entscheidung wirkt, auch dritte, welche dazu verurteilt sind (vgl. §§ 89, 102), oder die, welche sich in einem gerichtlichen Vergleich (§ 794 1 1) einer ausdrücklichen Kostenregelung unterworfen haben. C. Die Kosten werden von dem Urkundsbeamten der Geschäftstelle des Prozeßgerichts der ersten Instanz festgesetzt, also von dem des Amts- bzw. des Landgerichts. C I. Die Zuständigkeit ist ausschlieOlich (§ 40 II). C II. Dem Urkundbeamten des Prozeßgerichts der ersten Instanz steht die Festsetzung aller Kosten zu. a) Dabei kommen die Kosten aller Instanzen in betracht und auch bei einem Vergleich, wenn dieser rechtswirksam vor einem anderen Gericht oder in einem anderen Verfahren geschlossen worden ist, einschließlich der vor einem ersuchten Gericht entstandenen, und selbst wenn das Berufunggericht einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung erstmalig (RG JW 99/533®) erlassen hat oder hei den Wiederaufnahmeklagen, die vor einer höheren Instanz begonnen wurden (BayObLG Seuff. 54/123). b) Im Falle der Verweisung ist der Urkundbeamte des Gerichts zuständig, an das als erste Instanz verwiesen worden ist bzw., wenn höherinstanzlich verwiesen wurde, an das hätte verwiesen werden müssen, wenn erstinstanzlich verwiesen worden wäre, und zwar zugleich für die Kosten des verweisenden Gerichts. Über die Zuständigkeit bei geändertem Gerichtsbezirk vgl. das ZuständigkeitänderungsG Art. 1 § 1, über die bei ersatzlos weggefallenem Gericht das ZuständigkeitergänzungsG § 3. c) Wer die Kosten des Vollstreckungverfahrens festzusetzen hat, ist streitig (RGZ 85/135: das Prozeßgericht; KG OLG 23/102: das Vohstreckunggericht). Ergeht indes im Vollstreckungverfahren eine besondere Kostengrundentscheidung, so ist das Vollstreckungsgericht erster Instanz zuständig (KG DR 41 A 159; KG JW 28/21534 hält für die Kostenfestsetzung der Arrestvollziehung die Urkundbeamten beider Gerichte für zuständig). Bei guarantigierten Urkunden ist es das Gericht, das nach § 797, und bei vollstreckbaren Tabellenauszüeen das, welches nach KO §§ 164 III, 14611 zu bestimmen ist (also nicht das Konkursgericht; OLG 17/200).
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Prozeßkosten
§103
D. Die Kostenfestsetzung ist bei den verschiedenen Gerichten verschiedenartig geregelt. D I. In der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es im besonderen in der sog. streitigen freiwilligen Gerichtsbarkeit (GVG § 13 C I a) Kostenerstattungverfahren. D II. Im Patentnichtigkeitverfahren der Berufunginstanz setzt der BGII (nicht sein Urkundbeamter) die Kosten fest (vgl. die VO v. 30. 9. 193G § 10). E. Während § 103 nur das Verhältnis der Partei (des Kostengläubigers) zu ihrem Gegner (dem Kostenschuldner) betrifft, regelt BRAGebO § 19 die Titulierung der Forderung des Anwalts im Verhältnis zu seiner ihn bevollmächtigenden Partei. E IV b) Weder die Klage noch das Festsetzungverfahren nach BRAGebO § 19 gegen die arme Partei hat der Armenanwalt, solange nicht die Nachzahlung gegen sie nach § 125 angeordnet ist (OLG DR 40 A 74321). F. Im Verhältnis des Staates zum Armenanwalt gibt es ein weiteres besonderes Verfahren, in dem der Staat dem Armenanwalt bestimmte Beträge ersetzt (BRAGebO §§ 121 folg.). Über Vorschüsse der Staatskasse vgl. BRAGebO §12711 und die Ländervereinbarung v.22. 3. 1958 (BW Die Justiz 136). F I b) Andere Rechtsbeistände, die weder Rechtsanwälte, Patentanwälte noch Prozeßagenten sind, sind den Parteien nicht beizuordnen; der trotzdessen Beigeordnete hat aber die entsprechenden Ansprüche (LG JMB1. NRW 50/13; a. M. OLG HRR 38/1261). Über die Erstattung von Auslagen der beigeordneten Referendare und über die sonstiger Justizbeamter vgl. die Ländervereinbarung v. 22. 3.1958 (BW Die Justiz 136). F n . Die besonderen Verfahrensvoraussetzungen der Armenanwaltskosten-(usw.)-erstattung sind der Antrag des berechtigten Anwalts (usw.) und die Beiordnung. b) Unklare Beschlüsse belasten den Staat (KG JW 36/61451). b 1. Der Umfang der Beiordnung (vgl. BRAGebO § 122) deckt sich allerdings regelmäßig nicht mit dem der Prozeßvollmacht, sondern beschränkt sich auf das Verfahren vor dem beiordnenden Gericht und auch dort nur in der Höhe, wie die Beiordnung ausgesprochen wurde, erstreckt sich also weder auf eine Klageerhöhung noch bei der Antragsänderung auf sie (KG J W 35/104517), es sei denn, daß bei Klageänderung der Gebührenwert gleich bleibt. b 2. Regelmäßig wirkt die Beiordnung vom Erlaß des Beschlusses ab (RGZ 126/300 [301]). Anders ist es, wenn der Beschluß mit rückwirkender Kraft ergeht, was bis zur Beendigung der Instanz (nach RGZ 157/97 f.) zulässig ist. Jedenfalls erstreckt sich die Rückwirkung nur bis zur Antragstellung. Ob sie aus den Umständen entnommen werden darf, ist streitig (bejahend KG JW 36/3586 51 ; a. M. RGZ 126/300 [301]). b 3. Die Beiordnung und die Bewilligung erstrecken sich nur auf die Instanz, für die sie ausgesprochen sind, hier aber auch auf ein Nachverfahren oder nach Rückverweisung (OLG JW 32/291662). Auch bei Verweisung an ein anderes Gericht bleibt die Beiordnung bestehen, falls der Beigeordnete auch dort zugelassen ist (OLG HRR 30/817). Dies gilt ferner für Wiederaufnahmeklagen (KG J W 37/142528). Fertigt der bisherige Anwalt für die Partei ein Armenrechtsgesuch für die höhere Instanz, so will die h. M. diese Tätigkeit nicht ersetzen lassen (KG J W 36/1299 21 ). Das entsprechende gilt für das Handeln des Anwalts in der Zwischeninstanz. b 4. Das im Hauptprozeß bewilligte Armenrecht für die erste Instanz erstreckt sich auch auf das Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. aber § 115 I 3). Die Beiordnung eines Anwalts der ersten Instanz bezieht sich ferner auf die Vollstreckung nur, wenn dies ausdrücklich angeordnet worden ist; anders ist dies nur für die Vollziehung eines Arrestes wie die einer einstweiligen Verfügung (BRAGebO § 122 II).). Für Arrest und einstweilige Verfügung muß das Armenrecht besonders bewilligt werden (KG JW 29/133 30 ), und wenn es für das Anordnungsverfahren bewilligt ist, erstreckt es sich nicht auf das Aufhebungsverfahren (KG JW35/801 32 ), wohl aber auf die Vollziehung (BRAGebO § 122 II), wenn es erstinstanzlich bewilligt wird. Auch die einstweiligen Anordnungen nach §§ 627 folg. werden von der Beiordnung im Ehestreit nicht erfaßt (BRAGebO § 122 III 5). 27*
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F Ii
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b 5. Für jede höhere Instanz ist die besondere Bewilligung und Beiordnung erforderlich, auch für die Beschwerdeinstanz (KG J W 35/3315 31 ). In der Berufung- und in der Revisioniiis tanz sind die Gebühren um 3 / 1 0 erhöht (BRAGebO § 123 III). F III. In das Erstattungsrecht nach BRAGebO §§ 121 folg. spielt das Vertragsverhältnis zwischen dem beigeordneten Anwalt und der armen Partei hinein. Während aber im freien Vertragsverhältnis die Partei selbst bestimmt, welche außergewöhnlichen Aufwendungen sie machen will, wird hier bisweilen die Entscheidung des Staates (vertreten durch das Gericht) erforderlich. Auch verschiebt sich das Verhältnis der Erforderlichkeit der Aufwendungen zum allgemeinen Erstattungrecht, weil die Armenanwaltsgebühren erheblich geringer sind und deshalb häufiger anstelle von Reisen die billigere Gestellung von Anwaltvertretern in betracht kommt. a) Darüber, daß das Vertrags- und Vollmachtsverhältnis zwischen der Partei und dem Anwalt schon mit der auf die Beiordnung folgenden Handlung des Anwalts zustandekommt, vgl. § 80 B II c 2; die h. M. weicht davon ab und fordert eine — weitere — besondere Vollmachterteilung durch die Partei; dafür läßt sie aber bei dringenden Handlungen (wo sonst Fristablauf eintritt) gebührenersatzpflichtiges sofortiges Handeln — also nach ihrem Standpunkt auch ohne Vollmachterteilung — auf Grund des Beiordnungbeschlusses zu (KG J W 35/1700 23 ). Die Kosten sind zu ersetzen, auch wenn die Partei z. Z. der Beiordnung schon verstorben ist (OLG DRpflRspr. 37/253 441 ; a. M. KG J W 33/2159®). Durch eine Entziehung des Armenrechts, selbst mit rückwirkender Kraft, werden die entstandenen Rechte der Anwälte usw. nicht berührt (LG Rpfl. 48/38). b 1. Nur die erforderlichen Aufwendungen (KG J W 37/824 21 ) und Gebühren des Anwalts sind zu erstatten. Nicht erstattungsfällig sind die Auslagen, welche der Wahlanwalt nicht ersetzt verlangen darf (vgl. § 91 E VI c 4). Nimmt der Anwalt Prozeßhandlungen vor, welche die eigene Partei nicht zu entgelten braucht, im besonderen wenn sie unnütz sind, so erstattet auch die Staatskasse nichts (KG J W 35/791 2 ). b 2. Kein Erstattungsrecht hat der Anwalt gegenüber dem Staat, wenn er unvertretbar eine bestehende Deckungmöglichkeit aus der Hand gibt (KG J W 38/2045 39 ). Doch darf sich der Anwalt über die Kosten vergleichen (KG J W 35/799 25 ; a. M. bei vorsätzlicher Schädigung der Staatskasse OLG J W 37/1077 28 ; aber der Anwalt hat nur die Interessen der Partei — sogar gegen die eigenen, vgl. § 124 B II — nicht die der Staatskasse wahrzunehmen). Erläßt (BGB § 397) der Anwalt dem Gegner den Anspruch, so verliert er damit auch den gegen die Staatskasse (OLG JVB1. 32/75). b 3. Dagegen h a t auch die Staatskasse die Einrede der Verjährung nach BGB §§ 196 115, 201, die nach zwei Jahren vom Ende des Fälligkeitjahres an gerechnet eintritt (OLG J W 34/1927 le ). c) Im übrigen gelten Besonderheiten des Armenanwaltskostenerstattungrechts für Reisekosten, da ihr Ersatz besonders (BRAGebO § 126) geregelt ist. c 1. Allerdings braucht der Armenanwalt das Gericht nicht über die Notwendigkeit der Reise (anders der Patentanwalt, der zuvor die Zustimmung des Gerichts zur Reise benötigt, PatentanwalterstattungG § 2 I 3) zu befragen. Befragt aber der Armenanwalt zuvor das Gericht über die Notwendigkeit der Reise und bejaht sie das Gericht, so ist dies für das Erstattungverfahren bindend (BRAGebO § 126 II). Daß der simultan zugelassene Anwalt keine Reisekosten ersetzt verlangen darf, ergibt BRAGebO § 126 I 2. c 2. Auch hier gilt aber der Grundsatz der VerhältnismäOlgbeit der Kosten (§91 E l ) , und er hat eine weitergehende Bedeutung als bei dem Wahlanwalt, weil die von der Staatskasse zu ersetzenden Kosten des Terminvertreters geringer sind als die Gebühren des Wahlvertreters. Soweit z. Z. nach Bundesrecht die Beiordnung durch das Prozeßgericht nicht zulässig ist, sollte man die durch das ersuchte Gericht zulassen. Daß der Prozeßbevollmächtigte einen auswärtigen Anwalt ohne Beiordnung bestellen und dessen Kosten dann als seine Auslagen liquidieren darf (vgl. Willenbücher, Kostenfestsetzungsverfahren, 15. Aufl., S. 217) ist nicht zu billigen, zumal der Anwalt ja gar keine auf die Armenrechtsgebühren beschränkte Vertreter bestellen kann.
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F III
d) So wenig die Partei von ihrem Wahlanwal: verlangen kann, daß er sie (ständig) persönlich vertritt, so wenig darf dies vom Armenanwalt gefordert werden. Die Vertretung genügt gebührenrechtlich, sofern durch den Vertreter der Gebührenanspruch des Anwalts begründet wird (vgl. § 91 E IV a 2). e) Ist das Armenrecht zum Bruchteil gewährt, so erstattet die Staatskasse die Gebühren zu diesem Bruchteil der Armenrechtgebühren, die Auslagen aber voll (BRAGebO § 124). Wird indes der Partei auferlegt, einen Teil der Kosten selbst zu bezahlen (aDM), so wird dieser Teil auf die freien Gebühren des Anwalts verrechnet (OLG HRR 32/164). f ) Umgekehrt braucht regelmäßig die arme Partei weder Geböhren noch Auslagen ab Beiordnung selbst zu bezahlen (vom Bruchteilarmenrecht abgesehen), selbst wenn sie der Armenanwalt von der Staatskasse nicht ersetzt erhält. f 1. Bis zur Beiordnung haftet dagegen die arme Partei für die bis dahin entstandenen Gebühren und Auslagen. Soweit allerdings die Staatskasse sie ersetzt, wird der Anwalt der armen Partei die Tätigkeit nicht verweigern dürfen, selbst wenn sie ihm nichts (mehr) zahlt. f 2. Trotz Bewilligung des Armenrechts darf allerdings die arme Partei ihren Anwalt freiwillig bezahlen. Doch ist sie darauf hinzuweisen, daß sie dazu nicht verpflichtet ist (Ehrengerichtshof J W 35/10353). Diese Zahlungen sind zunächst auf den gesetzlichen Gebührenanspruch, wie er gegenüber der nicht armen Partei bestehen würde, anzurechnen, und nur, soweit noch ein Überschuß bleibt, ist dieser auf die vom Staat zu ersetzenden Kosten zu verrechnen. F IV. Die von der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden nach Fälligkeit (Kommentar § 103 F II a 2) von dem Urkundsbeamten der Geschäftstelle der Instanz festgesetzt, von welcher der Anwalt beigeordnet war (BRAGebO § 128). a) Ersetzt wird nur die gekürzte Gebührenhöhe nach BRAGebO § 123. Maßgebend sind die nach GKG §§ lOfolg. zu bestimmenden Gebührenwerte. Soweit noch die Landesgebührenordnungen gelten, sind sie (OLG J W 35/3172 21 für die Herbeiführung einer devisenrechtlichen Genehmigung durch den Anwalt), aber unter entsprechender Kürzung, anzuwenden (OLG J W 37/2792"). b) Gegen die Feststellung des Urkundsbeamten haben der Staat (vertreten durch die die Gerichtskasse überwachenden Beamten) wie der Anwalt die an keine Frist gebundene Erinnerung des GKG § 4 bei eigener Beschwer (LG JVB1. 41/107) und gegen die gerichtliche Entscheidung die möglicherweise gegebene Beschwerde (vgl. BRAGebO § 128). Auch darf das Gericht selbst die Entscheidung ändern (GKG § 4 I 3). Doch darf im Beschwerdeverfahren der Beschluß nicht von Gerichts wegen zu Lasten des sich Beschwerenden geändert werden (OLG J W 27/860 19 ). Sie ist nach § 567 II an einen Beschwerdewert, der 50 DM übersteigt, gebunden. Gegen die Beschlüsse des OLG (§ 567 III, GKG § 4) und höherer Gerichte ist sie unzulässig. Die weitere Beschwerde ist nach § 568 III, GKG § 4 ausgeschlossen (OLG J W 33/1083 30 ). c) Überzahlte Beträge sind wieder einzufordern (KG J W 35/170226). Allerdings darf nur innerhalb der Frist des GKG §6 zurückgefordert werden (OLG J W 33/2229"; a. M. KG J W 31/3573). Durchgesetzt wird der Rückzahlunganspruch nach der JustizbeitreibungO auf dem Wege des Verwaltungzwanges. F V. Soweit der Staat Kosten für die arme Partei ersetzt, geht der Erstattungsanspruch der armen Partei auf ihn über (BRAGebO § 130). ft) Gegenüber dem Armenanwalt ist der auf den Staat übergegangene Anspruch letztrangig (BRAGebO § 130 I 2). b) Trotz des Überganges ist aber die Staatskasse nicht Herr des Anspruchs. So wie der Armenanwalt seine Rechte aus § 124 verlieren kann, kann es auch die Staatskasse (KG JW 35/11021). Solange die Kostengrundentscheidung nicht rechtskräftig geworden ist, dürfen sich die Parteien noch zu Lasten der Staatskasse vergleichen (KG J W 37/2478 39 ; a. M. KG J W 34/249718). c) Einen Rückgriff gegen die arme Partei (derselben Parteiseite) hat der Staat nur, nachdem der NachzahlungsbeSchluß ergangen ist (OLG JW 34/70813).
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FV
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d) Besonderheiten ergeben sieh, wenn mehrere Streitgenossen derselben Parteiseite durch denselben Anwalt vertreten werden und ein Teil von ihnen obsiegt, der andere unterliegt. Waren beide durch denselben Armenanwalt vertreten und unterlag einer von ihnen, während der andere obsiegte, so weiden — bei gleichem Anteil — die Kosten des Armenanwalts regelmäßig geteilt (vgl. OLG H R R 31/715), so daß es zu keiner Kostenerstattung kommt; vgl. dazu § 91 E IV b 6, § 92 A II. War für den einen Streitgenossen derselbe Anwalt als Wahlanwalt tätig, so bleibt er für das Erstattungverfahren der Staatskasse außer betracht (KG J W 35/439 2 ). Nur soweit der Anwalt von dem anderen Streitgenossen die Gebühren voll erhalten hat und keine weiteren für die arme Partei entstanden sind, darf er nicht liquidieren (vgl. § 100 A II, III). G. Die Kosten werden nur in inländischer Währung festgesetzt, selbst wenn in ausländischer Währung oder wertbeständig verurteilt worden ist. Aufwendungen in ausländischer Währung werden nach dem Kurs des Tages umgerechnet, wo sie festgesetzt wurden; dies gilt auch für die DM-Ost (vgl. LG MDR 51/305). Hatte der Gläubiger allerdings inländische Währung aufgewandt, so sind seine Aufwendungen in inländischer Währung zu ersetzen, soweit sie dem Tageskurs der Aufwendungzeit entsprechen. Bei der sonstigen Festsetzung gilt BGB § 244. BGH N J W 54/1200 berechnet die Kosten indes mit der Grenze des Höchstbetrags, den ein Westanwalt ersetzt verlangen könnte, wenn er tätig geworden wäre (vgl. dazu § 91 E IV a 2).
§ 1 0 4 (99,105) I Die Entscheidung über das Festsetzungsgesuch ergeht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Auf Antrag ist auszusprechen, daß die festgesetzten Kosten von der Anbringung des Gesuchs, im Falle des § 105 Abs. 2 von der Verkündung des Urteils ab mit vier vom Hundert zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Gesuch ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im übrigen ergeht die Mitteilung formlos. II Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, daß er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenen Auslagen an Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, daß diese Auslagen entstanden sind. III Über Erinnerungen gegen den Festsetzungsbeschluß entscheidet das Gericht, dessen Geschäftsstelle den Beschluß erlassen hat. Die Erinnerungen sind binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Beschlusses beginnt, zu erheben. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Das Gericht kann vor der Entscheidung anordnen, daß die Vollstreckung des Festsetzungsbeschlusses auszusetzen sei. Gegen die Entscheidung des Gerichts findet sofortige Beschwerde statt. A II b) Mehr als beantragt, darf dem Obsiegenden nicht zugebilligt werden (§308 1, RGZ 35/427). b 1. Prüfungunterlage ist die Kostenberechnung des Gesuchstellers mit ihren einzelnen Ansätzen (Gebühren, Auslagen [Porti, Telefon; Reisekosten: Fahrtauslagen, Tage-, Übernachtung-, Abwesenheitgeld; Umsatzsteuer]). Soweit hier vom Streitwert auszugehen ist und soweit die einzelnen Gebühren geltend gemacht werden, werden die Angaben regelmäßig durch die Akten belegt werden. Soweit dem Urkundbeamten die Akten nicht vorliegen (etwa die des BGH) hat der Antragsteller zu beweisen, daß die Gebühren entstanden sind. Jedenfalls hat der Urkundbeamte von sich aus die Gebührenwerte zu ermitteln, sofern keine Streitoder Gebührenwertfestsetzungsbeschlüsse vom Gericht erlassen worden sind. b 2. Gewohnheitrechtlich darf der Urkundbeamte bei schwieriger Errechnung des Streitwerts wie auch sonst bei schwierigen Berechnungen Sachverständige heranziehen (RG J W 05/372 14 ). Abgesehen davon darf er Beweise nicht erheben, da er sich mit der Glaubhaftmachung begnügen muß (§ 294); Zeugen und Sachverständige darf er nicht vereidigen.
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b 3. Zum Belegen von Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren von Anwälten genügt deren (einfache, d. h. nicht eidesstattliche) Versicherung (§ 104 II 2). Regelmäßig wird man schon in der Unterzeichnung der Kostenaufstellung eine solche Versicherung sehen dürfen, weil der Anwalt doch nur ersetzt verlangen darf, was er verauslagt hat (vgl. Jonas § 104 Anm. 7; a. M. LG J W 25/843°). Doch müssen diese Auslagen bei dem versichernden Anwalt entstanden sein, der Prozeßbevollmächtigte kann deshalb nicht die bei dem Verkehrsanwalt entstandenen versichern (KG J W 39/434 37 ). Die Versicherung betrifft nur die tatsächlich entstandenen Auslagen, nicht deren Notwendigkeit (KGJW 39/434"). b 4. Daß die Partei selbst die zu erstattenden Kosten aufgewandt haben muß, ist im Kostenfestsetzungverfahren nicht nachzuprüfen (§§ 103 B III b 2, 91 E IV a), abgesehen von Gerichtskosten, deren Zahlung zu belegen ist (§§ 91 E II a, 103 B III b 2). Andererseits können auch tatsächlich gezahlte Kosten nur im Rahmen der richtigerweise zu berechnenden erstattet verlangt werden. Sind schon gezahlte Gerichtskosten zurückzuzahlen, so dürfen diese nicht mit festgesetzt werden (RG J W 98/64314). Eine Festsetzung vorbehaltlich des Nachweises der Zahlung sollte man nicht zulassen (OLG 29/55). c) Fehlen Belege, so wird der Urkundbeamte darauf hinzuweisen haben (§ 139). A III. Der Urkundsbeamte erläßt die Kostenfestsetzungsentscheidung auf eigene Verantwortung. a) Sie ergeht (u. U. durch Sicherheitsleistung bedingt, vgl. § 103 B II b 2) durch Beschluß und stellt den zu erstattenden Betrag ziffernmäßig fest, und zwar für und gegen jeden einzelnen getrennt (KG J W 37/166228), abgesehen von der gesamtschuldnerischen Haftung. b) In dem Beschluß wird auch über die Kosten des Festsetzungverfahrens ziffernmäBig durch ihre Aufnahme in den Gesamtbetrag, der zu erstatten ist, entschieden (OLG 20/393), und zwar nach § 91 von gerichts wegen (§ 308 II). An außergerichtlichen Kosten entstehen in der Regel keine besonderen Rechtsanwaltgebühren (BRAGebO §37 1 7 ; vgl. § 91 E III, VI c 5). c) Auf besonderen Antrag ist nach § 104 I 2 (auch für die vor dem 1. 7.1957 erlassenen Titel: LG NJW 58/1735) auszusprechen, daß von Einreichung des Antrags ab — im Falle der Kostenfestsetzung auf dem Urteil (§ 105 II, 310 II 2) von der Verkündung des Urteils ab, im schriftlichen Verfahren (§§ 128 II, 310) von der Zustellung des Tenors an den Kostenschuldner —• der festgesetzte Betrag mit 4% zu verzinsen ist (§ 104 I 2). Dies gilt auch dann, wenn die Hauptschuld aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft stammt, da die Kostenfestsetzung wie die Prozeßführung kfin beiderseitiges Handelsgeschäft ist (IIGB § 352 kommt also nicht zum Zuge). Wird ein Vollstreckungbefehl erlassen, so ist die Kostenverzinsung auf den besonderen Antrag in ihn aufzunehmen, wobei der Tag des Erlasses des Vollstreckungbefehls für den Zinsbeginn maßgebend ist (AG NJW 55/348; a. M. AG NJW 58/1002). In diesem Fall wird aber der Kostenschuldner entsprechend § 105 I 3 zu benachrichtigen sein. A IV. Der Beschluß wird dem Kostenschuldner unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung (nicht der Anlagen) zugestellt, dem Kostengläubiger nur, soweit seinem Antrage nicht voll entsprochen worden ist, im übrigen wird er ihm mitgeteilt (§ 104 I 3, 4, regelmäßig durch Zusendung der vollstreckbaren Ausfertigung, in welche der Tag der Zustellung an den Schuldner aufzunehmen ist, vgl. § 798), und zwar an den Prozeßbevollmächtigten (§176, RGZ 9/390 [392]), selbst wenn der Antrag von einem anderen als dem Prozeßbevollmächtigten ausging (RG Seuff. 47/64; a. M. OLG JW 31/3577 28 für den Fall, daß die Partei die Festsetzung persönlich betreibt). Ist der Prozeßbevollmächtigte (durch Tod oder Abberufung) weggefallen, dann ist der Partei zuzustellen (vgl. § 176 B III). Auch ist, wenn der Anwalt der höheren Instanz nach § 124 die Kostenfestsetzung betreibt, diesem zuzustellen (KG JW 38/5424). Wird die Kostenberechnung nicht beigefügt, so ändert dies am Fristablauf nichts (OLG 17/129), es sei denn, daß der Beschluß auf sie als Anlage verweist und sie damit Bestandteil des Beschlusses wird (OLG 37/103). Nur im Falle des § 105 bedarf es der Zustellung nicht. B. Gegen die Festsetzung bzw. die Nichtfestsetzung (vgl. § 104 B I c) gibt § 104 I I I der Partei die sofortige Erinnerung (nicht ihrem Anwalt in Person, RG JW 98/144 14 ); doch hat der Armenanwalt, der ein Kostenfestsetzungverfahren nach § 124 betreibt, selbst Partei-
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Stellung (RGZ 9/389 [390]), was auch im Fall des PatentG §53 I 4 gilt; der Staatskasse hat KG J W 35/797 16 das Recht aus § 124 für einen auf sie übergegangenen Anspruch aber abgesprochen. B I. Die sofortige Erinnerung ist eine prozessuale, gegenüber dem Gericht abzugebende, bis zum Erlaß der auf sie folgenden Entscheidung frei widerrufliche Willenserklärung (OLG JVB1. 40/100), die nach Erlaß der Entscheidung nur noch mit Einwilligung des Gegners zurückgenommen werden darf (§ 2711 in entsprechender Anwendung), soweit nicht auf Ansprüche verzichtet w ; rd (§ 306 in entsprechender Anwendung). Wird sie zurückgenommen, so wird die Kostenfolge des § 515 I I I ausgelöst, was auf Antrag auszusprechen ist (OLG J W 35/872 4 ). Auch der Widerruf ist eine prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende Willenserklärung ; er selbst wird widerrufen durch Neueinlegung der Erinnerung, u. U. unter Stellung eines Wiedereinsetzunggesuchs (§ 104 B I b; abweichend OLG N J W 56/261). a) Sie wird formlos erhoben; und es genügt nach RG J W 33/515 9 sogar die telefonisch aufgegebene bzw. die nur telefonisch vom Telegrafenamt durchgesagte Erklärung (nach OLG NdsRpfl. 47/126). Sie ist wie das Kostenfestsetzungverfahren selbst nicht dem Anwaltzwang (§ 78 II) unterworfen (KG J W 34/495 1 ). Wird sie von einem Bevollmächtigten eingelegt, der nicht Prozeßbevollmächtigter ist, so ist seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen (KG J W 34/495 1 ). Ihre Begründung ist nicht vorgeschrieben (KG OLG 29/200). Bestimmte Anträge brauchen nicht gestellt zu werden (RGZ 152/316). b) Sie muß bei dem Gericht, dessen Urkundsbeamter entschieden hat, innerhalb der Notfrist (§ 223 III, gegen deren Versäumung es die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt, §§ 233folg., vgl. auch § 577 II 3 [§ 104 C IV b 1]) von zwei Wochen ab Zustellung an den richtigen Zustellungempfänger (§ 104 I I I 2) spätestens eingereicht, kann aber auch schon vor förmlicher Zustellung eingelegt werden (RGZ 46/418; die vor Erlaß des Beschlusses eingelegte ist aber unwirksam nach RGZ 46/418). c) Wird die Erinnerung nicht eingelegt, so wird der Beschluß rechtskräftig. Wird aus rein formellem Grunde die Festsetzung abgelehnt (wegen Fehlens einer Prozeßvoraussetzung), so steht einem neuen Antrag nach Behebung des Mangels nichts im Wege (RG Gruch. 43/212; die h. M. bringt diese Fälle unter die sog. fristfreie Erinnerung des § 567: OLG N J W 56/426 8 ; rechnet dann aber auch mit der Verwirkung, vgl. KG DR 43 A 412 2 6 ; OLG N J W 56/426 läßt gegen die Entscheidung über die Erinnerung nur die sofortige Beschwerde zu). Über Berichtigung (§ 319) und Ergänzung (§ 321) des Beschlusses vgl. § 103 B I I I c 1. B II. Die Erinnerung kann nur von der beschwerten Partei eingelegt werden (RGZ 35/427), nicht aber um einen bisher nicht geltend gemachten Posten zur Erstattung zu bringen (RGZ 35/427; a. M. OLG MDR 57/496). a) Sie richtet sich dagegen, daß Kostenansätze berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt wurden (KG DR 43 A 412 2 '). Dahin gehört auch die Entscheidung, ob erhöhte Gebühren fällig sind, weil ein geschlossener Vergleich über den Streitgegenstand des Prozesses hinausgeht (LG JVB1. 39/47). b) Dies gilt auch, wenn die Kostenfestsetzungkosten (§ 104 A I I I b) nicht berücksichtigt worden sind (so daß also § 321 insoweit nicht anzuwenden ist). Doch kann sich die Beschwer für die Erinnerung auch auf die Kosten des Festsetzungverfahrens allein beziehen (§ 99 I gilt hier nicht, OLG 23/117 Anm. 1). c) Nicht angreifbar ist mit der Erinnerung, daß der Betrag anstatt an die Partei an den nach § 124 Berechtigten geleistet werden soll (KG DR 41 A 109 18 ), es sei denn, daß der Berechtigte den Festsetzungsantrag im eigenen Namen gestellt, dies aber der Festsetzungbeamte übersehen hatte. d) Auch darf sie nicht auf eine zu niedrige Bemessung des Gebührenwerts gegründet werden (hier greift § 107 ein; OLG 11/181; a. M. KG J W 38/3056 38 ), vielmehr ist diese als auf Festsetzung des Streitwerts nach GKG § 23 gerichtet anzusehen. War indes der Streitwert festgesetzt und hatte dies der Urkundbeamte übergangen, so ist die Erinnerung zulässig. B III. Neue Tatsachen, gleichviel wann sie entstanden sind, dürfen vorgebracht werden (vgl. § 570, RGZ42/401 [403]), Belege dürfen nachgebracht werden. Wird im Laufe des Ver-
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fahrens die Gebührenwertfestsetzung geändert, so ist dies, soweit möglich, ebenfalls zu beachten. Mit der Erinnerung dar! auch die Gerichtskostenberechnung als solche angegriffen werden (RG J W 99/139 4 ). a) Es ist auch zulässig, daß der geforderte Posten mit einer anderen Begründung aufrechterhalten wird (KG AnwBl. 55/231). Auch dürfen einzelne Posten derselben Berechnung ausgetauscht werden (vgl. § 104 C II b 1). Gewohnheitrechtlich werden alle Posten von gerichts wogen nachgeprüft (RG Gruch. 42/1173). Rechtskräftig gestrichene Ansätze müssen aber außer betracht bleiben (OLG 33/65). b) Eine Partei kann aber auch nicht fordern, daß nur die Auswirkung ihres Angriffs auf ihrer Seite berücksichtigt wird, nicht aber auf der Gegenseite, so lange man keine (Eventual-) Anschlußerinnerung usw. zuläßt (vgl. dazu § 104 B I I I c). c) Eine AnschUeOung des Gegners an die Erinnerung ist zulässig (OLG 11DR 59/1620); erst recht die selbständige Erinnerung (KG .TW 35/2293 36 ), abgesehen von den Kosten des Festsetzungverfahrens muß aber erinnert werden (§308 11); allerdings darf die Erinnerung auch mit der Begründung zurückgewiesen werden, daß ein anderer Posten der Gesamtrechnung dies rechtfertigt (vgl. § 104 B I I I b). d) Eine Anhörung des Gegners ist nicht vorgeschrieben. Auch er ist im Erinnerungsverfahren vom Anwaltzwang befreit (§ 573 II entsprechend). B IV a) Auf die — zulässige — Erinnerung läßt die h. M. den Urkundbeamten in entsprechender Anwendung des § 571 (§ 577 I I I wird also nicht angewandt) seine Entscheidung abändern (KG DR 41 A 281 1 ') und auch, wenn schon das Gericht entschieden hatte, sofern dadurch die Erinnerung nicht berührt wird (OLG 43/132 Anm. 1). Die Sprungerinnerung (vgl. RechtspflegerG § 10 IV) hat KG AnwBI. 56/261 nicht zugelassen. Gegen die neue Entscheidung des Urkundbeamten, die wie ein jeder neuer Kostenfestsetzungbeschluß zu behandeln ist, ist dann aber die befristete Erinnerung des § 104 I I I gegeben (OLG J W 35/3491'°). Soweit der Urkundbeamte teilweise abhilft, muß er wegen des Restes dem Gericht vorlegen (RG Gruch. 39/1144). b) Soweit der Urkundbeamte der Erinnerung nicht abhilft, entscheidet das Prozeßgericht (§ 104 III) durch Beschluß. Der Einzclrichter ist zuständig, wenn er die Kostengrundentscheidung gefällt hat oder der Prozeßvergleich vor ihm geschlossen wurde (OLG J W 33/1669®: a. M. OLG ZZP 51/479). b 1. Ist die Erinnerung unzulässig, so ist sie zu verwerfen, doch sollte man § 577 II 3 entsprechend anwenden. Sie wird unzulässig, wenn sie vom Antragsteller eingelegt worden war und die Kostengrundentscheidung aufgehoben worden ist (KG J W 36/3073 47 ). b 2. Sonst wird sachlich geprüft. Auch dieses Verfahren ist vom Anwaltzwang frei (§ 78 II), wenn nicht mündliche Verhandlung vor dem Landgericht anberaumt werden sollte, was zulässig ist (in der Praxis aber nicht geschieht). Das Gericht sollte sogleich über die Erinnerung voll entscheiden (OLG H R R 35/40). Wird aber zurückverwiesen, so wird die Partei, welche die Anweisung des Gerichts an den Urkundsbeamten bekämpfen will, sofortige Beschwerde einlegen müssen (vgl. KG DR 39 A 1185 41 ). b 3. Der Beschluß sollte mit Rücksicht auf die Beschwerdemöglichkeit stets begründet werden (vgl. OLG H R R 30/258). Gerichtskosten werden nicht erhoben (GKG § 1); an Anwaltskosten entsteht die Gebühr der BRAGebO § 6 1 1 2, II. Nur wenn der Gegner des Antragstellers obsiegt, sind dem Antragsteller die Kosten durch besonderen Ausspruch aufzuerlegen, sonst sind sie mitfestzusetzen. Der Kostenausspruch gegen den Antragsteller ist dann ein besonderer Titel für ein neues Festsetzungsverfahren; nur im Kostenausgleichungsverfahren (§ 106) sollte auch dieser Posten gleich mit abgesetzt werden. Außergeriohtlirhe Kosten des Gegners entstehen allerdings nur, wenn er der Erinnerung widersprochen hat (ObG Danzig Danz. JZ 38/88). c) Der Beschluß (der zwar vom vollbesetzten Gericht zu fassen, aber nur vom Vorsitzenden und Berichterstatter — oder einem von ihnen — unterschrieben zu werden braucht: RGZ 3/400) wird dem, der unterliegt, zugestellt, auch wenn er schon verkündet ist (§§ 329 I I I ,
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577 II); dem Obsiegenden braucht er nur mitgeteilt zu werden (§ 104 I 3, 4 in entsprechender Anwendung). Er wird mit seinem Erlaß wirksam (§§ 329 B I b, 516 A I); bis dahin abgegebene Erklärungen der Parteien sind zu berücksichtigen (RG DR 39 A 1334 35 ). d) Für die Anwendung des § 717 II (Rückzahlung zuviel festgesetzter Kosten) ist nach h. M. (RGZ 51/411.) kein Raum. C. Gegen den gerichtlichen Beschluß ist die sofortige Beschwerde (§ 577) zugelassen worden (§ 104 I I I 5). C I. Sie darf bei dem Gericht, das den Beschluß erlassen hat (§ 569), wie bei dem BeB chwerdegericht (§ 577 I I 2) eingelegt werden und ist vom Anwaltzwang befreit, gleichviel wo sie eingelegt wird, wenn ein amtsgerichtlicher Beschluß angegriffen wird (§ 78 II), und ist dem Anwaltzwang unterworfen (§ 78 1), wenn ein landgerichtlicher Beschluß angegriffen wird (RGZ 35/384), wobei der postulationfähige Anwalt für das LG es für das Beschwerdegericht regelmäßig nicht sein wird und umgekehrt; in jedem Fall muß also die sofortige Beschwerde der Postulationfähige einlegen (RGZ 1/431 f.); gibt indes das OLG dem LG die Schrift ab, so genügt es, wenn sie das LG noch rechtzeitig erreicht, sofern die Schrift der dort zugelassene Anwalt unterschrieben hatte (RG J W 04/117 18 ) wie umgekehrt. C II. Die Staatskasse selbst hat gegen die Kostenfestsetzung kein Besehwerderecht (KG J W 35/797 15 ). Abweichend hiervon macht KG J W 27/149, 8 eine Ausnahme für die ..Partei kraft Amtes" (vgl. § 50 B iV b), der es nach Beendigung des Amtes noch das Recht einräumt, das Kostenfestsetzungsverfahren zu betreiben. a) Dem Prozeßbevollmächtigten der Partei steht das Beschwerderecht grundsätzlich nur in ihrem, nicht in eigenem Namen zu (RG J W 98/506 20 ); doch ist davon auszugehen, daß der Prozeßbevollmächtigte im Namen der Partei handeln will (RG J W 99/439 23 ). Richtet sich aber die von einem Anwalt eingelegte Beschwerde dagegen, daß die Kostenansätze wegen zu geringer Bemessung des Streitwertes zu niedrig angenommen worden seien, so ist in der Vorstellung gegen die zu geringe Streitwertfestsetzung eine Beschwerde aus eigenem Recht des Anwalts (BRAGebO § 9 II) zu sehen, weil die Partei dadurch nicht beschwert sein kann. Betreibt der Anwalt die Kostenfestsetzung als Armenanwalt im eigenen Namen, so ist der doppelte Angriff ohne weiteres zulässig, andernfalls nur. wenn man die Erklärung des Anwalts als sowohl im eigenen wie im fremden Namen abgegeben ansieht. Wenn aber auch die erste Instanz den Gebührenwertbeschluß ändert, so bleibt sie doch an ihren Kostenfestsetzungbeschluß gebunden und darf diesen nicht von sich aus abändern (§ 577 III), vgl. aber § 107. b) Die sofortige Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdewert 50 DM übersteigt (§ 567 II). Wegen dieser Sperre sollte man die Anschlußbeschwerde zulassen (vgl. dazu aber § 104 B I I I c). b 1. Die Beschwerde kann nur iosoweit erhoben werden, wie die Entscheidung des Urkundbeamten schon mit der Erinnerung angegriffen war, nicht über mehr (RGZ 36/427 [428]), wenn auch über weniger. Bei der Entscheidung wird auch hier gewohnheitrechtlich nur die Berechtigung des geforderten Betrages in seiner Gesamtheit überprüft, so daß Abstriche an einzelnen Posten durch Erhöhung anderer ausgeglichen werden können (vgl. § 104 B III a); doch ist hier zu beachten, daß nicht angefochtene Streichungen der Vorentscheidung nicht zum Ausgleich herangezogen werden dürfen (RG J W 99/159 1 ). b 2. Ein Angriff nur wegen der Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens (§ 104 A I I I b) wird nach § 99 I als unzulässig angesehen (RG J W 99/606 3 ). C III. Über die Gebühren des Gegners vgl. § 106 B I d. Soweit Anwaltzwang besteht (§ 104 C I), ist auch der Gegner ihm unterworfen (OLG MDRRAK 37/39). Doch gibt es keine Versäumnisentscheidungen. C IV. Über die sofortige Beschwerde wird, wenn sie sich gegen die Entscheidung des Urkundbeamten des AG richtet, durch das LG entschieden, und zwar durch die Kammer für Handelsachen, wenn der sachliche Streit eine Handelsache betraf (GVG §§ 104, 100), sonst durch die Zivilkammer (GVG § 72). Hatte der Urkundbeamte des LG entschieden, so entscheidet über die sofortige Beschwerde der Zivilsenat des OLG (GVG § 119 II).
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a) Die Beschwerdeentscheidung ergeht als Beschluß, der unanfechtbar ist (§ 568 I I I , schlechthin, sofern nicht die Entscheidung des BVG herbeigeführt werden kann). Der Besohluß enthält die Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren (RG Seuff. 39/53, §§ 97, 91, 92). b) Die Rechtskraft des Kostenfestsetzungbeschlusses ist als solche aber nicht durch selbständige Wiederaufnahmeklage zu beseitigen (§ 578 D IV d). b 1. Doch ist — wenn die Voraussetzungen dieser Klagen vorliegen — die sofortige Beschwerde gegen den gerichtlichen Beschluß erster Instanz noch innerhalb der für diese Klagen laufenden Notfrist zulässig (§ 577 II 3); diese Bestimmung wird in den Fällen, wo n u r die Erinnerung zulässig wäre (§ 103 I I I 2), entsprechend anzuwenden sein. Dagegen gibt es diesen Rechtsbehelf nicht mehr gegen die Beschwerdeentscheidungen (KG OLG 17/177). Die Rechtskraftbeständigkeit des Beschlusses ist aber von der Kostenentscheidung, auf der er beruht bzw. des Ausspruchs, auf Grund dessen die Kosten (der Zwangsvollstreckung) entstehen, abhängig. Weicht der Festsetzungbeschluß von der Grundentscheidung ab, setzt er also eine gesamtschuldnerische H a f t u n g an Stelle der in der Grundentscheidung ausgesprochenen Teilh a f t u n g fest, so h a t ihn OLG J W 31/1110 18 für wirkunglos erklärt, OLG JMinBl. N R W 56/137 dagegen für voll wirksam. Die Vollstreckunggegenklage kann ihn nur beseitigen, wenn die Kosten bezahlt sind (RGZ 75/199 [201]). b 8. Jedenfalls gibt es gegen rechtskräftige Beschlüsse keine Gegenvorstellung (OLG MDR 50/491). D. Die Erinnerung wie die sofortige Beschwerde selbst hemmen die Vollstreckung nicht; doch darf das Gericht (nicht der Urkundbeamte) vor Entscheidung über die Erinnerung die Vollstreckung aus dem Beschluß aussetzen (§§ 104 I I I 4, 572). E . Der Kostenfestsetzungsbeschluß ist Vollstreckungstitel (§ 794 I 2), der einer Vollstreckungsklausel zur Vollstreckung bedarf (§§ 795, 724) und der nach §§ 727folg. umgeschrieben werden darf (OLG 20/332); die Vollstreckung aus ihm setzt seine vorgängige Zustellung (nicht die der Grundentscheidung, vgl. § 103 B I I I b 1) voraus und darf regelmäßig (d. h. abgesehen von § 105) erst nach Ablauf einer Woche seit Zustellung betrieben werden (§ 798).
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I Der Festsetzungsbeschluß kann auf das Urteil und die Ausfertigungen gesetzt werden, soforn bei der Anbringung des Gesuchs eine Ausfertigung des Urteils noch nicht erteilt ist und eine Verzögerung der Ausfertigung nicht eintritt. Eine besondere Ausfertigung und Zustellung des Festsetzimgsbeschlusses findet in diesem Falle nicht statt. Den Parteien ist der festgesetzte Betrag mitzuteilen, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung der Abschrift der Kostenberechnung. Die Verbindung des Festsetzungsbeschlusses mit dem Urteil soll unterbleiben, sofern dem Festsetzungsgesuch auch nur teilweise nicht entsprochen wird. II Der Anbringung eines Festsetzungsgesuchs bedarf es nicht, wenn die Partei vor der Verkündung des Urteils die Berechnung ihrer Kosten eingereicht hat; in diesem Falle ist die dem Gegner mitzuteilende Abschrift der Kostenberechnung von Amts wegen anzufertigen. A I a) Bei Arresten und einstweiligen Verfügungen, die ohne vollstreckbare Ausfertigung vollstreckt werden (§§ 929 I, 936), ist das Verfahren nicht anwendbar. Auch darf, wenn die Vollstreckung aus dem Hauptanspruch nur bedingt, die aus der Kostengrundentscheidung aber unbedingt zulässig ist, nicht das Verfahren nach § 105 gewählt werden. c) § 105 kann nur bei erstinstanzlichen Entscheidungen praktisch werden (§ 103 II 1), nicht bei höherinstanzlichen, weil nur der erstinstanzliche Urkundsbeamte festsetzen darf (§104 11). A l l . Der Festsetzungsbeschluß ist auf das Urteil (bzw. den Beschluß, vgl. § 9 1 a , 659, 678 I, 683, 685 bzw. den gerichtlichen Vergleich nach § 794 I I [a. M. LG J W 28/1323 1 !) zu setzen, d. h. auf seine Urschrift. Ist das Urteil in abgekürzter Form nach § 313 I I I erlassen und die Ausfertigung nach § 317 IV erteilt worden, so ist die Urschrift auf die Klage bzw. den
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Zahlungbefehl zu setzen. Damit wird der Beschluß Teil des Urteils. Deshalb steht er auch auf jeder Ausfertigung (§ 105 11) und also auch auf der vollstreckbaren, auf Grund der allein die Vollstreckung auch wegen des Kostenfestsetzungbeschlusses betrieben werden kann, wenn es hier auch keine besondere vollstreckbare Ausfertigung für den Beschluß gibt (§ 795a), wie schon die Ausfertigung des Gesamturteils (bzw. Beschlusses) einschließlich des Kostenfestsetzungbeschlusses durch eine Unterschrift des Urkundbeamten gedeckt wird (§ 317 III). Die gleichzeitige Vollstreckung — nach Zustellung § 750 — mit dem Hauptansprueh wird dadurch ermöglicht, daß es in diesem Fall für die Kostenbegleichung keine Wartefrist gibt (§ 798). a) Das Verfahren nach § 105 11 wird unzulässig, sobald irgend eine (nicht bloß die vollstreckbare) Urteilsausfertigung erteilt worden ist (denn sie würde unrichtig werden). Im schriftlichen Verfahren kommt es aber auf die nach der Zustellung des Tenors erteilte an, weil durch die erste nur die Verkündung ersetzt wird. Verstößt indes der Urkundbeamte dagegen, so ist allein deshalb seine Entscheidung nicht angreifbar. Über die Einwirkung der Verkündung bzw. die der Zustellung des Tenors an den Kostenschuldner auf den Zinsbeginn, wenn ein Kostenverzinsungantrag gestellt worden ist, vgl. § 104 A I I I c. b) Der Urkundbeamte soll ferner nicht nach § 105 verfahren, wenn dadurch die Erteilung der Ausfertigung verzögert wird (also wenn bei umfangreicher Kostenberechnung eine eingehende Nachprüfung, die Heranziehung von Akten u. dgl. m. erforderlich wird), wenn er den beantragten Betrag nicht voll zubilligen kann (§ 105 I 4; zurückweisen sollte er allerdings stets in besonderem Beschluß) und wenn die Kosten nach Quoten verteilt sind (§ 106 I 3). § 105 ist für den Urkundbeamten zwingend, verfährt er indes anders, so hat der Rechtsbehelf, der sich allein auf einen solchen Verfahrensverstoß bezieht, keinen Erfolg. A III a) § 104 I 3 ist durch § 105 I 2, 3 ersetzt worden. Die Zustellung des Beschlusses folgt damit der des Urteils, die regelmäßig nach §§ 496 11, 317 I (noch) in den Händen der Partei liegt (§ 105 I 2). Der Schuldner soll besonders unter Beifügung der Kostenberechnung benachrichtigt werden (wenn auf Zinsen erkannt wurde, § 104 I 2, ist auch dies mitzuteilen, § 1 0 4 A I I I c ) ; diese ersetzt aber nicht die Zustellung des Kostenfestsetzungbeschlusses und setzt deshalb keine Fristen in Lauf, wie umgekehrt, auch wenn sie unterbleibt, mit der Zustellung des Beschlusses die (sofortige) Erinnerungfrist gegen den Schuldner in lauf gesetzt wird. b) § 104 I 4 gilt auch in dem Verfahren nach § 105. Wird indes inkorrekterweise die teilweise Ablehnung auf den Titel gesetzt, so sollte man annehmen, daß die Erinnerungfrist des Gläubigers mit der von ihm (oder vom Schuldner an ihn) bewirkten Zustellung gegen ihn läuft (vgl. § 221 II). A IV. Auch im Fall des § 105 gilt § 104 I I I unbeschränkt. Nur auf die Erinnerung hin, darf das Gericht den Beschluß von dem übrigen Titel lösen und muß es tun, wenn es einer Erinnerung des Schuldners stattgibt. § 1 0 6 (100) I Sind die ProzeBkosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt, so hat nach Anbringung des Festsetzungsgesuehs die Geschäftsstelle den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Woche bei der Geschäftsstelle einzureichen. Die Vorschriften des § 105 sind nicht anzuwenden. II Nach fruchtlosem Ablanf der einwöchigen Frist ergeht die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, unbeschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend zu machen. Der Gegner haftet für die Mehrkosten, die durch das nachträgliche Verfahren entstehen. A. § 106 gibt Regeln, wie bei der Kostenfestsetzung zu verfahren ist, wenn die Kostengrundentscheidung sie nach Quoten verteilt, d. h. für jede Partei ein zur Kostenfestsetzung genügender Titel geschaffen worden ist. Er ist auch anzuwenden, wenn ein Armenanwalt usw.
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§106
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die Festsetzung betreibt (§ 124). Die Vorschrift hebt (OLG Celle 13/114; vgl. auch OLG Stuttgart 15/97 im Fall des § 124) nicht etwa die Einseitigkeit des Kostenverfahrens auf (wonach der Gegner zuvor nicht gehört zu werden braucht), sondern sie will nur die — sachlich gebotene — Aufrechnung vollziehen. A I . Zur Quotelung a) gerügt es, wenn so auch nur die Kosten einer Instanz (oder, wenn auch inkorrekterweise, die eines Teils einer Instanz) nach Bruchteilen aufgeteilt worden sind (KG J W 35/3645 21 ; auch wenn etwa nur die außergerichtlichen oder nur die Gerichtskosten (KG J W 28/151911) bruchgeteilt sind. a 1. Werden nur die Gerichtskosten gequotelt, so genügt es, daß eine Partei — gleichviel welche — die Festsetzung beantragt; der Erstattungsanspruch wird aus den Gerichtsakten festgesetzt (OLG 29/56; a. M. KG JW 28/151911), wobei nur die tatsächlich geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen sind (vgl. § 91 E II a). a 2. Sind inkorrebterweise die Kosten der Klage der einen, die der Widerklage der anderen Partei oder bei wechselseitig eingelegtem Rechtsmittel die des Rechtsmittels der einen Partei, wie die des anderen dieser auferlegt worden, dann ist nach § 106 auszugleichen (RG Seuff. 47/228; a. M. OLG JW 33/535 13 ). b) Unanwendbar ist § 106 b 1. in bezug auf nicht bruchaufgeteilte Kosten, wenn etwa die Kosten der einen Instanz der einen, die der anderen der Gegenpartei auferlegt worden sind (OLG JVB1. 38/319). b 2. Bezieht sich die Quotelung nur auf die außergerichtlichen Kosten der Partei, die sie erstattet verlangen kann, so ist § 106 nicht anzuwenden. c) Ergeht inkorrekterweise ein Beschluß nach § 106 und wird er rechtskräftig, so bleibt es dabei (RG J W 97/50 5 ). A II a) Der Antrag auf Auagleichung ist eine prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende Willenserklärung, die frei widerruflich nur bis zum Eingang der Gegenkostenrechnung bzw., wenn sie nicht eingeht, bis zum Erlaß des Beschlusses ist. b) Er löst die gerichtliche Aufforderung an den, der selbst den Antrag stellen könnte, aus. Sie ist zuzustellen (vgl. § 329 III). Hat ein Armenanwalt usw. nach § 124 die Ausgleichung beantragt, so ist die von ihm vertretene Partei nicht aufzufordern, soweit der Armenanwalt sie vertritt (also Prozeßbevollmächtigter der ersten Instanz ist), wohl aber wenn der Antrag von einem Armenanwalt der höheren Instanz unmittelbar gestellt worden ist. Bei Beteiligung mehrerer Armenanwälte sind auch sie zu benachrichtigen, wenn sie nicht schon in ihrer Eigenschaft als Parteivertreter aufgefordert wurden. Stellt die Partei den Ausgleiehungantrag (oder der Armenanwalt in ihrem Namen auch für ihm sonst zustehende Kosten), so werden andere (Armenanwälte u. dgl. m.) nicht l.enachrichtigt (vgl. dazu aber § 124 B I). Nicht benachrichtigt wird die Staatskasse, selbst wenn auf sie Ansprüche übergegangen sind; doch wird dies von gerichts wegen berücksichtigt. b I. Die Aufforderung erübrigt sich, wenn beide Parteien den Kostenfestsetzungantrag gestellt haben. b 2. Auch die nach Ablauf der Frist eingereichte Berechnung ist noch bis zu dem Zeitpunkt, wo der Beschluß erlassen ist (§ 516 A), zu berücksichtigen. Wird festgesetzt, ohne daß der Gegner (ordnungmäßig) aufgefordert worden ist, so hat er die Erinnerung und darf mit ihr seine Abrechnung nachreichen. B. Im Kostenausgleichungsverfahren wird eine Aufrechnung (BGB § 387) mit den beiderseitigen Kostenforderungen im Sinne des Kostenrechts vollzogen, wobei der Überschuß ziffernmäßig festgesetzt wird (RGZ 39/383f.). Die Abrechnung bezieht sich auf alle Instanzen, auch wenn nur die Kosten einer Instanz bruchteilmäßig verteilt worden sind, aber nicht auf die Kosten der Vollstreckunginstanz (OLG 15/96f.). B I. Sie ergreift nicht die unbeglichenen Gerichtsforderungen (§ 106 A I a 1).
429
§ 1C6 B l
ZPO I. Buch
a) Bei Gesamtschuldnerschaft sind alle Gesamtschuldner zu beteiligen; sie dürfen der anderen Partei gemeinschaftlich die Erstattungansprüche jedes einzelnen entgegenhalten (KG OLG 15/259). b) Sind Armenanwälte beteiligt, so sind bei Ausgleichung die vollen Kosten — ohne Abzug der ihnen aus der Staatskasse ersetzten Gebühren — anzusetzen (OLG J W 30/334634). Ergibt die Kostenausgleichung einen Betrag, der zusammen mit den von der Staatskasse gezahlten Beträgen die vollen Gebühren des Armenanwalts nicht übersteigt, so ist der Betrag dem Armenanwalt voll anzusetzen (KG J W 36/613 50 ). Sind mehrere Armenanwälte beteiligt, so ist der auf sie entfallende Anteil nach der Gesamtabrechnung besonders zu teilen; die vollstreckbare Ausfertigung muß jeden Gläubiger getrennt nennen (KG J W 38/Ö434). Darüber, ob auch die arme Partei zur Ausgleichung heranzuziehen ist, herrscht Streit (OLG J W S7/279644, 2799 4S ); der Armenanwalt bzw. die Staatskasse haben jedenfalls ohne Nachzahlungsbeschluß keinen Anspruch auf eine höhere Zuteilung durch die von der armen Partei unmittelbar gemachten Aufwendungen, die zu erstatten sind. Betreibt der Armenanwalt im Namen der Partei die Kostenerstattung, so geht auch dieser Anspruch der Staatskasse vor (OLG JVB1. 39/199). c) Wird für eine Partei nach PatentG § 53 ein besonderer Streitwert berechnet oder auch für beide Parteien, aber nicht der gleiche, so ist zunächst die Kostenausgleichung nach den alten bzw. den höheren Werten aufzumachen. Ergibt sich ein Guthaben der (am meisten) nach PatentG § 53 begünstigten Partei, so ist dieser Betrag auf den Namen des Anwalts der begünstigten Partei insoweit festzusetzen, wie er seine Kosten von der begünstigten Partei nicht ersetzt verlangen kann. Einen Überschuß kann die begünstigte Partei nur erstattet verlangen, soweit ihr dies bei der Kostenausgleichung nach den geringeren Werten (die für die begünstigte Partei maßgebend sind) zusteht (vgl. dazu KG DR 40 A 1381 23 ). Ergibt sich bei der Ausgleichung der hohen Werte eine Schuld der begünstigten Partei, so bleibt diese Berechnung völlig außer betracht und es wird nun ausschließlich nach den geringeren Werten ausgeglichen. d) Festzusetzen ist zugunsten desjenigen, dem bei dieser Abrechnung noch etwas zusteht (KG J W 38/Ö434). Die Kosten des Kostenfestsetzungverfahrens (§ 104 A I I I b) sind dabei in voller Höhe dem errechneten Ausgleichbetrag hinzuzusetzen, soweit sie der Ausgleichberechtigte an Gerichtskosten gezahlt h a t ; seine außergerichtlichen Kosten sind nur im Ausnahmefall zu erstatten (§ 104 A I I I b). B II. Der Beschluß ist jeder Partei zuzustellen (§329 III). a) Wo eine Kostenberechnung (§ 106 A II b 2) nicht (rechtzeitig) eingeht, wird die Ausgleichungforderung ohne die unbekannten Kosten des sie nicht Einreichenden berechnet ( § 1 0 6 1 1 1 ) ; seine bekannten Gerichtskostenerstattungansprüche sind aber anzurechnen. Darüber hinaus sollte man seine bekannten Kosten (Anwaltkosten u. dgl. m., soweit sie aktenkundig sind, § 291) berücksichtigen (was indes die h. M. nicht tut). Jedenfalls verliert keine Partei das Recht auf Kostenerstattung, sondern darf es noch später ausüben (§ 106 I 2). C. Die Rechtsbehelfe hat jede Partei, soweit sie beschwert ist (vgl. RGZ 33/391 [392]). C I. Ob mit der Erinnerung noch neue Posten nachgebracht werden dürfen, hat KG J W 35/2901 25 für die bejaht, welche bis dahin der Partei nicht mitgeteilt waren. C II. Das entsprechende gilt für die sofortige Beschwerde gegen den auf die Erinnerung ergehenden Beschluß. Doch ist die Beschwerdesumme (§567 11) nur nach dem Betrag zu berechnen, der zu erstatten wäre, wenn der Angriff des Beschwerdeführers durchdringen würde (RG Gruch. 41/1141). Soweit indes hier eine Partei mangels Erreichung der Erwachsenheitsumme nicht in der Lage ist, selbständig Beschwerde einzulegen, muß es ihr unbenommen bleiben, die Posten in der Beschwerdeinstanz geltind zu machen, welche durch den auf die Erinnerung — gleichviel welcher Parteiseite — ergehenden Beschluß verändert werden, entweder durch Anschlußbeschwerde (§ 104 C II b) oder ohne sie, wenn man mit der h. M. die Anschlußbeschwerde nicht zuläßt. Doch darf dabei nicht auf die Lage zurückgegriffen werden, d i j vor Einlegung der Erinnerung bestand, weil insoweit der selbständige Angriff zulässig war.
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Prozeßkosten §
1«7
(-)
I Ergeht nach der Kostenfestsetzung eine Entscheidung, dnrch die der Wert des Streitgegenstandes festgesetzt wird, so ist, falls diese Entscheidung von der Wertberechnung abweicht, die der Kostenfestsetzung zugrunde liegt, auf Antrag die Kostenfestsetzung entsprechend abzuändern. Über den Antrag entscheidet der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges. II Der Antrag ist binnen der Frist von einem Monat bei der Geschäftsstelle anzubringen. Die Frist beginnt mit der Zustellung und, wenn es einer solchen nicht bedarf, mit der Verkündung des den Wert des Streitgegenstandes festsetzenden Beschlusses. III Die Vorschriften des § 104 Abs. 3 sind anzuwenden. A I. Unter der Kostenfestsetzung i. S. des § 107 wird man a) den Zeitpunkt des Erlasses (§ 104 A I I I a) des Kostenfestsetzungbeschlusses zu verstehen haben. b) Andererseits kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Streitwert(änderung)beschlusses an, sondern darauf, wann die Parteien von ihm Kenntnis erlangen sollten, also mit der Verkündung bzw. der Zustellung (§ 329 III, vgl. § 107 II 2). Liegt dieser Zeitpunkt nach der Kostenfestsetzung, so sind die besonderen Voraussetzungen des § 107 gegeben. Ob zu dieser Zeit der Kostenfestsetzungsbeschluß noch angreifbar oder schon rechtskräftig iot, ist belanglos (OLG BayZ 13/258). b 1. Ist der Kostenfestsetznngbeschluß noch nicht rechtskräftig, 60 ist er stets damit angreifbar, daß nach einem falschen Gebührenwert festgesetzt worden ist (§104 111); also auch wenn der Streitwertbeschluß nicht nach dem Kostenfestsetzungbesehluß erlassen worden ist (§ 570; RG JW 99/896). Doch braucht die Partei die ihr nach § 104 III gegebenen Rechtsbehelfe nicht einzulegen, sondern darf nach § 107 vorgehen (OLG 42/15), und die verspätet eingereichte Erinnerung ist als Rechtsbehelf des § 107 aufzufassen (OLG 3/214). b 2. Das Verfahren nach § 107 setzt den Antrag der durch die alte Entscheidung beschwerten Partei voraus. Er ist in Monatsfrist zu stellen; die Frist ist keine Notfrist (§ 223 I I I ; gegen ihre Versäumung gibt es also keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand); sie kann von den Parteien verkürzt (§ 224 I), aber nicht verlängert werden (§ 224 II). Der Lauf der Frist beginnt mit der Verkündung und, wo nicht verkündet wird, mit der Zustellung des Beschlusses (§§ 107 II 2, 329 I I I ; 176 [KG J W 34/1733]; 187). Die Frist beginnt ohne Rücksicht darauf, ob der Streitwertbeschluß rechtskräftig ist und läuft trotz dagegen eingelegter Beschwerde (KG DR 39 A 192315). A II. Das Verfahren richtet sich nach §§ 103folg. (OLG Recht 32/720). a) Neu festgesetzt werden nur die Gebühren, welche durch den Wertbeschluß verändert werden. b) Ergibt sich aus dem neuen Kostenfestsetzungbeschluß, daß die festzusetzenden Kosten ein Mehr sind, so ergeht nur über den Mehrbetrag ein Ergänzungbeschluß; ergibt sich ein Plus für den Gegner, so ist der alte Beschluß aufzuheben und das Plus für den Gegner festzusetzen, ergibt sich ein bloßes Minus im Verhältnis zum alten Beschluß, so ist der alte Beschluß insoweit aufzuheben, wie mehr festgesetzt war. Eine Anordnung, gezahlte Beträge zurückzuzahlen, ist nicht zulässig (OLG JW 28/12615). A III. Der Beschluß ist wieder ein Kostenfestsetzungbeschluß und nach § 104 III angreifbar (§ 107 III). b) Auch ein neuer Antrag aus § 107 ist denkbar, wenn nach seinem Erlaß die Wertfestsetzung erneut geändert wird. B. Nach OLG J W 28/12615 ist auch noch nach Ablauf der Frist des § 107 die Vollstreckunggegenklage des § 767 zulässig, sofern erst nach Ablauf der Frist des § 107 II vollstreckt wird, und nach Vollstreckung die Bereicherungklage nach KG JW 25/2362®. Nach der hier vertretenen Auffassung ist § 767 II nicht entsprechend anzuwenden (§ 767 D I d 2).
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ZPO I. Buch Sechster Titel Sicherheitsleistung
§ 108
(101)
I In den Fällen der Bestellung einer prozessualen Sicherheit kann das Gericht nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Soweit das Gericht eine Bestimmung nicht getroffen hat und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren zu bewirken, die nach g 234 Abs. 1, 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind. H Die Torschriften des § 234 Abs. 2 und des § 235 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. B. § 108 1 1 ordnet in den Fällen, wo eine prozessuale Sicherheit zu leisten ist, an, daß das Gericht Art und Höhe nach seinem Ermessen zu bestimmen hat. In diesen muß aber das Gericht (sofern ihm nicht auch darüber die Einzelvorschriften freie Hand lassen) die Sicherheitsleistung anordnen (RG J W 01/537 5 ). B I. Doch dürfen sich die Parteien (auüerprozessual) darüber einigen, daß eine sonst zu leistende Sicherheit nicht geleistet zu werden braucht, wie daß dort eine zu leisten ist, wo sie nicht angeordnet wurde. B II. Bei Streit über die Befugnis bzw. Pflicht zur Anordnung einer prozessualen Sicherheit wie über deren Höhe — nicht aber über ihre Art (vgl. § 113 A) — wird, soweit sie nur auf Antrag angeordnet werden darf, nur auf Grund mündlicher Verhandlung (oder in den ihr gleichgestellten Fällen des schriftlichen Verfahrens nach §§128 11, 251a, 331a, schriftlich nach Anhörung) entschieden (vgl. § 113 A); sonst ist das mündliche Verhandeln dem Gericht freigestellt. Angeordnet wird die Sicherheitleistung nach §§ 710, 713 im Urteil (u. U. durch Ergänzung nach § 716); dies gilt auch in dem Falle der §§ 925 II, 927, 939; bei Arrest und einstweiligen Verfügungen (§§ 921, 936) nur, wenn hier durch Urteil entschieden wird, in allen sonstigen Fällen durch Beschluß. Über das Verfahren bei Auferlegung einer Ausländersicherheit vgl. aber §§ 110 folg. a) Die Bemessung der Höhe ist nur in § 112 vorgeschrieben, sonst entscheidet (auch) hierüber das Ermessen des Gerichts (OLG ZZP 50/208). Bei der Bemessung der Höhe geht die Praxis davon aus, welcher Anspruch gesichert werden soll. Nach ihm wird herkömmlicherweise in runden Summen die Höhe errechnet (RGZ 86/39). Die Abänderung der Höhenentscheidung ist nicht ohne weiteres zulässig (OLG BayJMBl. 54/67), wie § 112 I I I ergibt, wohl aber nach § 319, selbst wenn die vom Gericht vorgenommene Berechnung nicht aktenkundig geworden ist. Eine Teilvollstreckung gegen Teilsicherheitleistung ist unstatthaft (wenn sie im Urteil nicht zugelassen ist, OLG MDR 55/617). b) Die Art der Sicherheitsleistung zu bestimmen, steht im freien Ermessen des Gerichts (vgl. aber § 108 B I I I d). Bestimmt es nichts Besonderes, so greift § 108 I 2 ein. b 1. Gewohnheitrechtlich darf — im Gegensatz zur Sicherheitshöhenentscheidung, vgl. § 113 A — über die Art der Sicherheitsleistung (ohne mündliche Verhandlung) noch nach Erlaß des Erkenntnisses (§ 329 B I), dies nachholend oder abändernd, entschieden werden (RG Gruch. 40/1189; durch unanfechtbaren Beschluß: OLG J W 25/1024, Recht 25/1771, J W 26/R5223, H R R 30/1869, J W 30/3865'; dagegen aber KG ZZP 53/442: durch einen mit einfacher Beschwerde anfechtbaren). Nachholen wie ändern darf nur das (Prozeß-) Gericht, das die zu ändernde Entscheidung erlassen hat (OLG 21/104f., a. M. OLG Seuff. 71/261: das Gericht in der Instanz, in der der Streit gerade schwebt); doch steht bisweilen einem anderen Gericht als dem, das sachlich und über die Vollstreckbarkeit entschieden hat, die Entscheidung darüber zu, ob einstweilen — gegen Sicherheitleistung — die Vollstreckung einzustellen ist (§§707, 719, 732 II, 769 II); im Fall des §769 11 darf auch das andere Gericht und in den Fällen der §§ 707, 719, 732 I I nur das andere einstellen, sofern die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen.
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Sicherheitsleistung
§ 1 0 8 B Ii
b 2. Dem abändernden Beschluß gegenüber versagt die h. M. dem Gegner das Recht der Beschwerde (OLG J W 30/3865 7 ; dagegen aber KG ZZP 53/442), während sie es dem ganz oder teilweise zurückgewiesenen Antragsteller einräumt (OLG J W 31/1829 10 ); da aber kein Recht auf die Abänderung besteht, muß auch dem Antragsteller das Beschwerderecht versagt werden; der Gegner wird sich über §§ 707, 719 helfen können. B III. Über die Art d.r zu leistenden Sicherheit vgl. BGB § 232. b) H a t das Gericht keine besondere Art der Sicherheitsleistung bestimmt und haben die Parteien auch nicht etwas Bestimmtes vereinbart (vgl. § 108 B I), so gilt § 108 I 2. Danach ist die Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren nach BGB §234 I, I I I zu leisten. c) Über die Vereinbarung der Parteien über die Art (und Höhe) der Sicherheit vgl. § 108 B I; nach der Fassung des § 108 h a t sie zwar den Rang hintir der Bestimmung des Gerichts; doch ändert ihre Vereinbarung auch die des Gerichts ab, so daß das Gericht — wenn sie unstreitig feststeht — ihr folgen soll (vgl. § 108 B I). d) Haben die Parteien nichts vereinbart, so darf das Gericht (vgl. § 108 B III c) die Art der Sicherheit — entgegen den Normen des außerprozessualen Rechts (aber mit der Einschränkung des § 108 II, BGB §§ 234 II, 235) — bestimmen. d 1. Bei Wertpapieren darf das Gericht auch nichtmündelsichere und mündelsichere zu einem höheren Wert als nach BGB § 234 I I I gelten lassen. Bestimmt es nichtmündelsichere Wertpapiere als Sicherheit, so muß es deren Wert festsetzen (da hier BGB § 234 I I I nicht d 2. Das entsprechende gilt für Sachpfänder. d 3. Für die Anordnung der Sicherheitsleistung durch Bürgen gilt, wenn nichts Besonderes bestimmt ist, BGB §239: die Beibringung der Bürgschaft einer Großbank wird stets als hinreichende Sicherheitleistung angesehen (RG J W 02/444 6 ). Bei Leistung der prozessualen Bürgschaft kann es nicht auf die Haltung des Sicherunggläubigers ankommen; hier muß die Beibringung der Bürgschaft auf dem Wege des BGB § 328 genügen. Die h. M. nimmt an, daß die Bürgschaft erst mit Zugang der Erklärung an den aus ihr Berechtigten wirksam wird (BGB §§ 130 1—132 I, so KG J W 27/1322 1 ). Zur Begründung der Bürgschaft gehört nach BGB §766 Schriftlichkeit, doch genügt bei Vollkaufleuten (HGB §351) Mündlichkeit (HGB § 350), wenn auf Seite des Bürgen die Bürgschaft ein Handelsgeschäft (HGB § 343) ist, also im besonderen bei Banken. Doch wird für die prozessuale Sicherheit überwiegend Schriftlichkeit auch bei Vollkaufleuten gefordert. BGB § 777 ist auf sie (regelmäßig) nicht anzuwenden (OLG J W 32/2896"). Die h. M. (KG J W 27/13221) wendet dabei § 751 II nicht an. Nur in den Fällen, wo das Prozeßgericht dies ausdrücklich verlangt (KG J W 27/13221) oder Hinterlegung angeordnet hat (KG J W 27/1322 1 ), muß auch noch dieses Formerfordernis (im letzten Falle das der Hinterlegung der Urkunde) gewahrt sein. Vgl. dazu § 751 C. Darüber, ob die Kosten der Bürgschaft zu den Prozeßkosten gehören, vgl. § 91 E VI a. D I . In allen Fällen der Hinterlegung gelten die Bestimmungen der HinterlegungO. a) Der aus der Sicherheitleistung Berechtigte erhält ein Pfandrecht (vgl. BGB §233) an dem Anspruch auf Auszahlung gegen die Hinterlegungstelle, die das Geld in das Eigentum des Staates überführt (HinterlegungO § 7) und ein unmittelbares Pfandrecht an den hinterlegten Wertpapieren (BGB §233, RGZ 12/395). Bei Hinterlegung einer Bürgschafturkunde steht aber das Eigentum an der Urkunde dem Gesicherten zu (vgl. BGB § 952), deshalb sollte das Gericht eine Hinterlegung der Urkunde nicht anordnen; denn die Hinterlegung hindert den Gesicherten nicht, sie von der Hinterlegungstelle herauszufordern (vgl. aber HinterlegungO §§ 13 folg.). b) Die Sicherheit darf von der Partei, welche sie zu leisten hat oder von ihrem Bevollmächtigten oder auch von einem dritten im eigenen Namen (OLG J W 22/1410") hinterlegt werden. Bezüglich der Herausgabeberechtigung tritt dann der dritte an die Stelle der sicherheitleistenden Partei. 28 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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ZPO I. Buch §
109
( - )
I Ist die Veranlassung für eine Sicherheitsleistung weggefallen, so hat auf Antrag das Gericht, das die Bestellung der Sicherheit angeordnet oder zugelassen hat, eine Frist zu bestimmen, binnen der ihm die Partei, zu deren Gunsten die Sicherheit geleistet ist, die Einwilligung in die Bückgabe der Sicherheit zu erklären oder die Erhebung der Klage wegen ihrer Ansprüche nachzuweisen hat. II Nach Ablauf der Frist hat das Gerieht auf Antrag die Bückgabe der Sicherheit anzuordnen, wenn nicht inzwischen die Erhebung der Klage nachgewiesen ist. III Die Anträge und die Einwilligung in die Bückgabe der Sicherheit können vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Die Entscheidungen können ohne mündliche Verhandlung ergehen. IV Gegen den Beschluß, durch den der im Abs. 1 vorgesehene Antrag abgelehnt wird, steht dem Antragsteller, gegen die im Abs. 2 bezeichnete Entscheidung steht beiden Teilen die sofortige Beschwerde zu. A. § 109 regelt die Rückgewähr aller prozessual geleisteten Sicherheiten (RGZ 50/376). Besonders geregelt sind in § 715 die Voraussetzungen der Rückgewähr der Sicherheit, die zur Vollstreckung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils geleistet worden ist, soweit das Erkenntnis rechtskräftig geworden ist. Liegen diese besonderen Voraussetzungen nicht vor, so greift wieder § 109 ein, etwa wenn das Urteil nicht rechtskräftig geworden ist, weil die Parteien sich so verglichen haben, daß ein Teil der Forderung bestehen bleibt, ein anderer vernichtet worden ist (RG N § 109/6). A I. Veranlassung zu einer Sicherheitleistung ist im Fall des § 890 I I I die Erfüllung einer darauf gerichteten Verpflichtung, in den übrigen entweder die Sicherung der Erfüllung einer Verpflichtung oder die wegen Nichterfüllung. A II. Ist die die Veranlassung zur Sicherung gebende Möglichkeit eingetreten, d. h. ist der Schaden, der abgesichert werden sollte, entstanden, so darf auf die gegenständliche Sicherung so zugegriffen werden wie auf ein Pfand. Besteht die Sicherung in der Forderung gegen einen dritten, so muß dieser u. U. (nämlich, wenn er es nicht freiwillig tut) zur Herausgabe an den Berechtigten verklagt werden. Der Anspruch auf Befriedigung gegen den dritten besteht nur bei dem auf Herausgabe oder Leistung an Geld gegen den dritten, im Ausnahmefalle auf Herausgabe des Gegenstandes zur Befriedigung, wenn dieser zur Sicherung gegen sonstige Verfügung hinterlegt war, son3t auf Herausgabe zur Pfandverwertung. W a r im Ausnahmefalle die Sicherheit durch Sicherungsübereignung (vgl. § 108 B I I I d 2) vollzogen, so gilt nichts anderes; die Sachübernahme kann unter den Parteien wie bei sonstigen Pfändern erst nach Pfandreife vereinbart werden (BGB §1229; vgl. aber über das Nutzungspfand BGB § 1214). Besteht indes die Sicherung in der Begründung einer persönlichen Forderung gegen einen dritten (Bürgen), so kann sie nur durch Klage bzw. Vollstreckung deswegen gegen diesen verwirklicht werden, sofern der Bürge nicht freiwillig leistet. A III. Entfällt der Eintritt der Möglichkeit, welche zur Sicherung führte, so ist das Verfahren nach §§ 109, 715 zu beschreiten, d. h. die Klagemöglichkeit wird überlagert, d. h. ausgeschlossen (vgl. § 2 5 3 D I I b l ) ; jedoch eröffnet im Falle des §109 jeder sachliche Streit die Klagemöglichkeit (RGZ 156/168). A IV. § 109 erfaßt regelmäßig alle Fälle Unterlegter prozessualer Sicherheiten. b) Bei der Sicherheitleistung durch Bürgschaft bringt der rechtskräftige Beschluß nach § 109 sie zum Erlöschen (RGZ 156/164 [166]). A V. § 109 ist auch dann anzuwenden, wenn Teilentscheidungen über die geleistete Sicherheit zu treffen sind (RGZ 72/264). A VI. Außer auf die geschilderte Weise darf die üinterlegungstelle die Herausgabe der Sicherheiten anordnen; dies ist dann aber eine reine Verwaltungsmaßnahme (vgl. RG Grueh. 54/1158), die nach HinterlegungO § 3 mit anschließender Verwaltungklage bekämpft werden kann (vgl. GVG § 13 B I I I d 3; die ordentliche Klage, für die das LG ausschließlich zuständig
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Sicherheitsleistung
§ 1 0 9 AVI
ist, ist dagegen nur bei verweigerter Herausgabe zulässig, HinterlegungO § 3 V). Andererseits haftet das Land, zu dem die Hinterlegungstelle gehört, wegen Amtsrflichtverletzungen (GG Art. 34; HinterlegungO §13). B I. Wann die Veranlassung der Sicherungmaßnahme entfällt, richtet sich nach ihrem Zweck (vgl. §109 A I ) . a) Die Veranlassung für die Sicherungmaßregel anläßlich der Vollstreckung entfällt, wenn die Entscheidung wegen ihrer Vorläufigkeit abgesichert war, sie aber endgültig wird oder die Sicherungmaßregel wegfällt (über den umgekehrten Fall bei Versäumnisentscheidungen vgl. § 708 E III b). a 2. Dies ist schon dann der Fall, wenn ein gegen Sicherheit für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil etwa in höherer Instanz oder durch Versäumnisurteil ohne Sicherheitleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt wird (RG Warn. 17/101, a. M. BGHZ 11/303). Aber auch daDn, wenn auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen wird, ist die Veranlassung — der Erlaß des vorläufig vollstreckbaren Urteils, auf Grund dessen vollstreckt werden darf — weggefallen (OLG JW 25/2356). Ob die prozessuale Maßnahme selbst zulässig oder unzulässig und deshalb wieder aufgehoben wurde, ist gleichgültig (RGZ 52/105). Das entsprechende gilt, wenn im Nachverfahren (vgl. §§ 302, 600) ein im Vorverfahren erlassenes Urteil wieder aufgehoben wird, und zwar schon mit der Aufhebung durch ein noch nicht rechtskräftiges Urteil (RG J W 02/1638); ist es allerdings vollstreckt worden, so wird der Sicherungberechtigte entweder nach § 717 II vorgehen oder selbständig klagen müssen, um die Sicherheit in anspruch zu nehmen. a S. War die Aufhebung der Vollstreckung Zweck der Sicherheitleistung, so fällt ihre Veranlassung weg, wenn der Gläubiger vom Schuldner schlechthin, nicht bloß zur Abwendung der Vollstreckung (RG J W 12/247 f.), befriedigt wird (RGZ 86/36 [401), aber auch bei einem Vergleich der Parteien, selbst wenn die bedingt zustehenden Schadenersatzansprüche nach § 717 II gepfändet waren (RGZ 145/328 [332]), oder wenn die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wird (RGZ 86/36 [40]). Die vom Kläger geleistete Sicherheit wird frei, wenn er rechtswirksam vor Vollstreckung auf sie verzichtet (KG KGB1.07/67) oder wenn der Gläubiger den Pfandgegenstand freigibt und auf die weitere Vollstreckung verzichtet. Daß die Vollstreckung praktisch durch Konkurseröffnung über das Vermögen des Schuldners nicht zum Ziele führen wird, bedeutet dagegen keinen Wegfall der Veranlassung (OLG 15/98). Auch die unbedingte Einstellung der Vollstreckung nach §§ 707, 719 beseitigt den Anlaß für den vollstreckenden Gegner (a. M. OLG J W 30/2803"). a 4. Sicherheitleistungen bei Arrest und einstweiliger Verfügung verlieren ihre Veranlassung erst mit der rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache (RGZ 72/27) oder Aufhebung (OLG Rpfl. 53/82) des Arrestes bzw. der einstweiligen Verfügung; anders ist dies, wenn sie der Arrestkläger geleistet hat und der Arrest aufgehoben wird, solange der Streit um ihre Rechtmäßigkeit noch geht (RG Gruch. 50/123). a 5. Die Rechtsprechung wendet § 109 I auch an, wenn entweder endgültig feststeht, daß kein Schaden erwachsen ist (RGZ 97/128 [130]) oder der Schaden endgültig zu berechnen ist, weil dann innerhalb der gesetzten Frist (§109 1) geklagt werden kann (RGZ 61/300), nicht aber wenn die benachteiligende Maßnahme zwar aufgehoben, aber noch die Möglichkeit eines erst in Zukunft entstehenden Schadens besteht (RGZ 50/376), oder wenn der endgültige Schadeneintritt nicht übersehen werden kann (RG Gruch. 50/123). b) Die Veranlassung der vom Ausländer für die Prozeßkosten zu leistenden Sicherheit entfällt mit der rechtskräftigen Entscheidung über den Hauptprozeß; die Setzung einer Frist zur Erhebung der Klage kommt hier nicht in betracht, wohl aber die zur Einreichung des Antrags auf Kostenfestsetzung (OLG J W 34/70811). Sie entfällt ferner bei Aufhebung der Anordnung, etwa wenn die Sicherheitleistungpflicht durch Staatsvertrag (OLG JW 28/12387), Verbürgung der Gegenseitigkeit oder dadurch, daß der Sicherheit leistende Ausländer Inländer wird, entfällt. B II a) Bei Teilgläubigern und Teilschuldnern gibt es nur Teilsicherungen (RGZ 86/36 [41]). Haben mehrere Gläubiger oder mehrere Kläger die Sicherheit gemeinschaftlich zu 28*
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BIIa
ZPO I. Buch
bestellen und gemeinschaftlich bestellt, um zu vollstrecken, so sind sie im Verhältnis zum Sicherungberechtigten Gesamtschuldner (vgl. BGB §431); die Leistung muß voll erbracht sein; der ausgeschiedene Gläubiger ist deshalb nicht allein zur Rückforderung berechtigt; auch dann nicht, wenn nur er die Leistung bewirkt hat (er hat dann zugleich als dritter die Leistung für seine Streitgenossen bewirkt). Hat indes einer von mehreren (angeblichen) Gesamtschuldnern Sicherheit zur Abwendung der Vollstreckung geleistet, so kann zwar auch hier die Vollstreckung gegen alle nicht betrieben werden (doch kann sich der Gläubiger durch eigene Sicherheitleistung — bei gegebener Anordnung nach §713 II — helfen); fällt aber der Anlaß bezüglich des hinterlegenden Schuldners weg, so darf dieser allein die Sicherheit zurückfordern (daß er sie als dritter für die anderen Schuldner mit hinterlegt hat, ist hier also nicht anzunehmen). b) Wird nur ein Teil der Gläubiger oder Schuldner von der Sicherheitleistung erfaßt, so gilt das Gesagte stets nur im Verhältnis dieses Teils zu dem bzw. den Sicherungberechtigten und ohne jede Rücksicht auf die übrigen. Dies gilt auch für die Ausländersicherheit (§ 110). B III. Der Wegfall der Veranlassung steht zur Beweislast des Antragstellers (RG Gruch. 50/123). C. Das Verfahren C I. beginnt mit dem (schriftlichen, vom Anwaltzwang freien) Antrag der Sicherheit leistenden Partei; b) nicht dem des dritten, der die Sicherheit für die Partei gestellt hat (OLG Seuff. 64/203; wohl aber ist sie dem dritten zurückzugeben, OLG J W 22/1410 27 , der im eigenen Namen hinterlegt hat). Bei mehreren gesamtgläubigerisch berechtigten Antragstellern genügt die Stellung des Antrags durch einen von ihnen (OLG 13/117). Bei mehreren einzeln Berechtigten und einzeln Verpflichteten sind nur die gerade von der Rückgabe Betroffenen berechtigt, nicht die Streitgenossen (§§ 59folg.; RGZ 8G/36 [41]), wohl aber ihre Streitgehilfen (vgl. §§ 66folg.). Er richtet sich gegen den Sicherheitberechtigten. Zuzustellen ist er dem Prozeßbevollmächtigten (vgl. §§ 81 B II e, 176). C II. Anzugehen ist das Gericht, das die Sicherheitleistung angeordnet hat, auch die höhere Instanz. Bei Arrest und einstweiliger Verfügung ist nach §§ 943 II, 936 das Gericht der Hauptsache ausschließlich zuständig, wenn die Hauptsache anhängig ist oder gewesen ist. Zuständig ist der Rechtspfleger (RechtspflegerG §§ 19 I 3). C i n . Das angegangene Gericht hat in freigestellt mündlicher Verhandlung (§ 109 I I I 2} eine Frist (die verlängert und verkürzt werden darf, § 224) mit der Aufforderung an den Gegner zu setzen, entweder in die Herausgabe der Sicherheit zu willigen oder die Klageerhebung nachzuweisen. Einer Androhung der Folgen, wenn dem nicht nachgekommen wird, bedarf es nicht (§2311). a) Der Beschluß, durch den die Frist gesetzt wird, ist dem Antragsgegner förmlich zuzustellen (§329 111), dem Antragsteller formlos mitzuteilen, wenn die Frist gesetzt wird; wird die Fristsetzung abgelehnt, so ist dies nur dem Antragsteller (von gerichts wegen) zuzustellen (§§329 111, 109 IV). Gegen die Fristsetzung gibt es keinen Rechtsbehelf (RGZ 157/164 [167]; wohl aber gegen den Rückgabebeschluß, RGZ 97/127); gegen die Ablehnung steht dem Antragsteller die sofortige (Sprung-)Erinnerung binnen der Notfrist von zwei Wochen (RechtspflegerG § 10 I 2, RGZ 156/164 [167f.]) zu. Über sie entscheidet der Richter (RechtspflegerG § 10 II). Gegen die Entscheidung des Richters gibt es innerhalb von zwei Wochen die sofortige Beschwerde (§ 577 II, RechtspflegerG § 10 III). Legt die Partei Sprungerinnerung ein (RechtspflegerG § 10 IV) und ändert der Richter nicht ab, so entscheidet sogleich auf seine Vorlage das Beschwerdegericht. Weist das Beschwerdegericht die Beschwerde zurück, so gibt es dagegen die sofortige weitere Beschwerde unter den Voraussetzungen der §§ 568 II, I I I , 567 I I I . Die sofortige Beschwerde unterliegt nicht dem Anwaltzwang (§ 569 I I 2). b) Willigt der Gegner ein, so ergeht auf weiteren Antrag, der auch schon vorher gestellt werden kann (vgl. § 109 C I) die Rückgabeanordnung (OLG 33/43). b 2. Nur wenn in der Form der HinterlegnngO § 13 II 1 eingewilligt wird, erübrigt sich der Beschluß (OLG 25/81).
436
Sicherheitsleistung
§ 1 0 9 oiii
c) Wird Klage erhoben, so muß die weitere Anordnung unterbleiben, selbst wenn die Klage erst nach Fristablauf erhoben wurde (vgl. § 231 II). Der Antrag auf Erlaß eines Zahlungbefehls (§ 696 III) steht der Klageerhebung gleich. Auch genügt ein Antrag aus § 717 II (OLG JW 25/235632). Die Prozeßbedingungen dieser Klage wie ihre Begründetheit werden im Verfahren nach § 109 nicht geprüft (RGZ 97/128), während, wenn die Frist gesetzt worden ist, das Prozoßgericht nicht prüfen darf, ob die Voraussetzungen für die Klage durch § 109 ausgeschlossen sind (RGZ 97/127 [130]). Wird die Klage abgewiesen und ist nicht über die Einwilligung zur Herausgabe erkannt, so muß das Verfahren nach § 109 erneuert werden. Ist nur über einen Teil Klage erhoben, so darf der übrige zurückgegeben werden. Die Absicht der Klageerhöhung bleibt dabei außer betracht (RG N § 109/10). C IV a) Entschieden wird durch den dem Antragsgegner förmlich (von gerichts wegen) zuzustellenden Beschluß (§329 111; insoweit ist die Zustellung unerläßlich, §187 12), der dem Antragsteller mitzuteilen, ist, wenn die Herausgabe angeordnet wird; dagegen ist dem Antragsteller förmlich zuzustellen (auch hier ist die Zustellung unerläßlich, § 187 I 2) und dem Antragsgegner das formlos mitzuteilen wenn die Herausgabe abgelehnt wird. Die Voraussetzungen für die Anordnung (RGZ 51/144, die vorangegangene ordnunggemäße Fristsetzung) einschließlich der Voraussetzungen für die Fristsetzung selbst (RGZ 97/127 [130]) sind erneut (von gerichts wegen) und auch noch vom Beschwerdegericht zu prüfen. Sind die Voraussetzungen für die Anordnung gegeben, so ist sie zu erlassen. Der, dem die Sicherheit zurückzugeben ist, ist im Beschluß zu bezeichnen (u. U. der dritte, der im eigenen Namen die Sicherheit geleistet hat, OLG J W 22/141027). b) Die Rechtsbehelfe der sofortigen Erinnerung und die u. U. anschließende sofortige weitere Beschwerde stehen hier beiden Parteien (nicht dem hinterlegenden dritten) zu. Sie haben aufschiebende Wirkung (§ 572 I). Die Rückgabeanordnung wird also erst mit Rechtskraft wirksam. D. Hinterlegte Gelder werden verzinst.
§ 110
(102)
I Angehörige fremder Staaten, die als Kläger auftreten, haben dem Beklagten auf sein Verlangen wegen der Prozeßkosten Sicherheit zu leisten. Das gleiche gilt für Staatenlose, die ihren Wohnsitz nicht im Inlande haben. II Diese Verpflichtung tritt nicht ein: 1. wenn nach den Gesetzen des Staates, dem der Kläger angehört, ein Deutscher in gleichem Falle zor Sicherheitsleistung nicht verpflichtet ist; 2. im Urkunden- oder WechselprozeB; 8. bei Widerklagen; 4. bei Klagen, die infolge einer öffentlichen Aufforderung angestellt werden; 5. bei Klagen ans Rechten, die im Grundbuch eingetragen sind. A I. Die Angehörigen fremder Staaten und die Staatenlosen stehen im Gegensatz zu den deutschen Staatsangehörigen, wozu also die des Gerichtsinlandes (§ 12 A II a 2) wie die der DDR gehören (vgl. GG Art. 116, OLG MDR 56/174). Bei gemischter Staatsangehörigkeit genügt, daß der Betreffende auch Deutscher ist. Allerdings gibt es — nach der hier vertretenen Auffassung — dies nicht mehr (GG Art. 3 II; § 606 b C II b 1). A II. Während es bei Deutschen gleichgültig ist, ob sie sich im Gerichtsinland befinden, ja ob sie im Auslande ihren Wohnsitz haben (RG J W 91/47222), entscheidet über Staatenlose, d. h. die, welche überhaupt keine Staatsangehörigkeit haben, ihr Wohnsitz (BGB §§7 folg., vgl. BGH v. 17. 3.1954 II ZR 113/53) im Gerichtsinland (§ 12 A II a 2, nicht aber im Bezirk des Prozeßgerichts), wenn sie von der Kostensicherheitlast befreit sein sollen (über die Gewährung des Armenrechts an Staatenlose vgl. § 114 C II). Ihr Aufenthaltort im Inland (§ 12 A II a 1) genügt nicht.
437
§110
AU
ZPO I. Buch
a) Heimatlose Ausländer sind nach dem G über ihre Rechtstellung im Bundesgebiet v. 25. 4. 1951 (BGBl. I 269) § 11 den Deutschen gleichgestellt. b) Flüchtlinge werden nach dem Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge v. 28. 7.1951, in Kraft durch G v. 1. 9.1953 (BGBl. II 559), von der Sicherheitleistung befreit. A III. Juristische Personen haben die Staatsangehörigkeit des Landes, in dem sie ihren Hauptsitz haben; hier entscheidet also der Sitz; ist er im Ausland, so sind sie ausländisch (OLG HGZ 1916 B 309160), gleichviel ob sie im Inlande Zweigniederlassungen (OLG 43/135) oder Vertreter haben (RGZ 38/403folg.). Bei den Parteifähigen, welche dies kraft Gesetzesrechts sind und die aus Teilparteien bestehen, wie die oHG, Kommanditgesellschaft, Reederei (vgl. § 50 B III c, d, e), stellen es RGZ 36/393, OLG SächsA 5/707 darauf ab, ob sämtliche Teilpersonen (die Komplementäre) deutsche Staatsangehörige sind, während es die Literatur auf den Sitz der Gesamtpartei abstellen will (Sydow-Busch § 110 Anm. 1). Haben solche Parteien ihren „Sitz" im Gerichtsinland (sofern sie überhaupt einen solchen haben), so gelten sie auch dann als inländisch, wenn alle ihre Toilglieder Ausländer sind. Andererseits sind Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und nichtrechtsfähige Vereine noch nicht deshalb inländisch, weil sie ihre Verwaltungstelle im Inlande haben; entsprechend sind solche Gesellschaften im Auslande, die nur aus Deutschen bestehen, eben deutsche (und deshalb sind es auch diese, welche im Gerichtsinlande besondere Parteifähigkeit hätten). B. § 110 stellt es auf die Staatsangehörigkeit der klagenden Partei ab. B I. Über den Begriff des Klägers vgl. § 50 A IV a; dies ist zwar auch der Widerkläger (§ 33 C); doch wird dieser durch § 110 II 3 ausgeklammert, und zwar selbst wenn die Widerklage nach § 145 im getrennten Verfahren verhandelt wird. a) Die Parteirolle des Klägers richtet sich nach seiner Stellung im Prozeß erster Instanz. Die Parteirolle wird nicht dadurch geändert, daß er Rechtsmittelbeklagter wird (RGZ 154/225 [227], Kommentar § 566 C II b). Der Wiederaufnahmekläger ist tatsächlich Rechtsmittelkläger, für ihn besteht die Sicherheitlast nur, wenn er zugleich Kläger ist, nicht aber wenn er Beklagter ist (a. M. Sydow-Busch § 110 Anm. 2). b) Bei mehreren Klägern ist es jeder einzelne. Wie der Kläger ist auch sein selbständiger Streitgehilfe (§ 69) zu behandeln, weil er nach § 101 II hinsichtlich der Prozeßkosten dem Kläger gleichsteht. Der unselbständige Streitgehilfe des Klägers hat dagegen so lange keine selbständige Kostenlast der Gegenpartei zu tragen, wie sich die Hauptpartei beteiligt (vgl. § 67 D I). Nur soweit dies nicht der Fall ist und ihn deshalb die Prozeßkosten treffen (wie bei der Einlegung und Durchführung von Rechtsmitteln, vgl. § 67 D II), falls er unterliegt, steht er dem Kläger gleich. c) Die Stellung des gesetzlichen Vertreters des Klägers ist ohne Bedeutung; deshalb kommt es bei den sog. Parteien kraft Amtes (vgl. § 50 B IV) nicht auf deren Staatsangehörigkeit an (OLG JW 22/15945, für den Testamentsvollstreckerl; andererseits darf es aber auch nicht auf die wirtschaftliche Stellung des Klägers abgestellt werden und ob er von einem Ausländer abhängt. Hat er das Recht, in eigenem Namen zu klagen (vgl. § 50 G I), so muß es gleichgültig sein, ob etwa der Deutsche als Treuhänder eines Ausländers die Forderung geltend macht (a. M. OLG JW 29/35095); dann haftet er stets selbst für die Kosten, worauf es allein ankommt. Dies gilt auch umjekehrt, wenn ein Staatenloser, der im Ausland seinen Wohnsitz hat, oder ein Ausländer Treuhänder eines Deutschen ist (vgl. BGH v. 17. 3. 1954 II ZR 113/53). B II. Der Beklagte darf die Prozeßkostensicherheit fordern, auch seine selbständigen und unselbständigen Streithelfer, aber nur im eigenen Namen und stets ohne Rücksicht auf einen etwaigen Widerspruch des Beklagten, weil ihr Kostenerstattunganspruch selbständiger Art ist, vgl. § 67 D I. Die zu leistende Sicherheit ist sodann nach den außergerichtlichen Kosten des Streitgehilfen zu bemessen (auf die von ihm möglicherweise zu begleichenden Rechtsmittelkosten wird keine Rücksicht zu nehmen sein). Nicht erheben darf die Einrede aber der Streitgenosse wie der Streithelfer des Klägers gegen diesen, mag er In- oder Ausländer sein wie umgekehrt; denn diese haben keine gegeneinander möglichen Prozeßkostenerstattungansprüche.
438
Sicherheitsleistung
§110
B II
a) Das Verlangen ist eine prozessuale Willenserklärung und löst die prozeßhindernde Einrede (§ 274 II 5) aus, wenn sie rechtzeitig (d. h. regelmäßig vor Verhandlung zur Hauptsache, § 274 I), ausnahmeweise später (§§ 111, 504 I, 274 III, 528, 566), vorgebracht worden ist, weil sie sonst erlischt. Auf die Erhebung der Einrede kann (wieder durch prozessuale, gegenüber dem Gericht abzugebende Willenserklärung) verzichtet werden, was ausdrücklich, unmittelbar oder mittelbar, etwa dadurch, daß die erst erhobene Einrede fallen gelassen wird (RGZ 155/239), aber auch stillschweigend (§ 295) geschehen kann. Der Widerruf eines Verzichts auf die Einrede — etwa durch Fallenlassen — scheitert an § 274 III (RGZ 155/239). Auf das Verhalten der Gegenseite kommt es nicht an, im besonderen nicht darauf, daß sie mit der — verspäteten — Erhebung der Einrede einverstanden ist (a. M. BGH LM-BGB § 675/6), wie umgekehrt einer zu recht erhobenen Einrede auch keine „Verwirkung" entgegen gehalten werden darf (a. M. BGH a. a. 0.). b) Ob der Beklagte Inländer, Ausländer derselben oder einer anderen Staatsangehörigkeit als der Kläger oder staatenlos ist, ist belanglos (RGZ 146/8 [9]). c) Auch bei den prozeßrechtlichen Schadensersatzklagen, die im Prozeß als Widerklagen (auch als sog. Inzidentanträge) nach §§ 302 IV 3, 600 II, 717 II 1, III, 945 erhoben werden könnten, wird man von dem den Ersatz fordernden Ausländer nicht Sicherheitleistung fordern dürfen. B III. Die Sicherheitleistung kommt a) in Mahn-, Aufgebot-, Ehesühne-, Beweissicherungverfahren nicht in Betracht (Mat. 205), aber auch nicht bei Arresten und einstweiligen Verfügungen (OLG Dresden Sächs-Ann. 12/367) und nicht bei der Vollstreckbarkeiterklärung von Schiedsprüchen (§ 1042 A II a). a 1. Keine Kostensicherheit ist nach § 110 I 2 zu stellen bei Klagen im Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592, 602), denen die Klagen im Scheckprozeß gleichzustellen sind (§ 605 a). Nimmt der Kläger vom Urkundenprozeß Abstand (§596), so entfällt die Vergünstigung; dies aber auch im Nachverfahren (§ 600) gelten zu lassen (so die h. M.: Sydow-Busch § 110 Anm. 7), erscheint nicht angängig, da das Nachverfahren nur auf Grund der Verteidigung des Beklagten entsteht und allein von seinem Verhalten abhängt. b) Abgesehen von den in § 110 II 4, 5 genannten Fällen sind der Klagegrund und die Klageart gleichgültig. b 1. Wird der Ausländer (vom Gerichtsinlande) öffentlich zur Klageerhebung aufgefordert, so braucht er keine Sicherheit zu leisten (§ 110 II 4), dazu gehören die Fälle der Aufgebotverfahren (§§ 946folg.). b 2. Schließlich sind auch die Klagen aus eingetragenen Rechten von der Sicherheitlast befreit. Getroffen werden nur die dinglichen Rechte, nicht die persönlichen, auch wenn sie durch eine Vormerkung gesichert sind. Daß aber nur dinglich geklagt werden müßte, ist nicht gesagt, die Verbindung der dinglichen mit der persönlichen Klage begründet deshalb keine Sicherheitlast. B IV. Die Voraussetzungen des § 1101 stehen zur Beweislast des Beklagten, der die Einrede der Prozeßkostensicherheit (§ 273 II 5) erhebt (OLG Seuff. 37/215). Davon gibt es in beachtlichem Umfang Ausnahmen nach § 110 II und Staatsverträgen, die zur Beweislast des Klägers stehen (RGZ 146/8 [9, 12]). C. Die Ausnahmen gründen sich auf Staatsverträge, durch welche die tatsächliche Verbürgung der Gegenseitigkeit nach § 110 II 1 rechtlich ergänzt wird; § 115 I 2, § 606 b I 2 und die Fälle des § 110 II; wie auf „unbestrittene" Ansprüche (vgl. § 111 B). C I c) Schließlich kann die Befreiung auch durch tatsächliche Verbürgung der Gegenseitigkeit bestehen (§ 110 II 1), ohne daß es dazu einer besonderen staatsvertraglichen Abmachung bedarf. c 1. Die gleiche Behandlung ist verbürgt, wenn das Ausland im gleichen Fall keine Sicherheiten fordert (OLG J R 25/38). Es wird sog. materielle Gleichstellung verlangt (RGZ 51/1; 83/428: volle und unbedingte Kautionsfreiheit werden gefordert).
439
§ 1 1 0 CI
ZPO I. Buch
e 2. Die sog. formelle Gleichstellung mit dem Inländer genügt noch nicht (RGZ 146/8). Fordert der ausländische Staat auch von seinen Staatsangehörigen eine Sicherheitleistung, so muß der Ausländer im Inlande ebenfalls Sicherheit leisten (RGZ 83/428). Kann nach ausländischem Recht nur vom Rechtsmittelkläger Sicherheitleistung gefordert werden, so muß der Kläger nach RGZ 83/428 auf Verlangen für alle Prozeßkosten des deutschen Prozesses Sicherheit leisten (hier könnte man sich indes damit begnügen, dies für die Rechtsmittelinstanz zu tun, falls der Kläger zugleich Rechtsmittelkläger ist). c 3. Dabei genügt es zur Befreiung nicht, wenn ein Staatsvertrag den Staatsangehörigen freien Zugang zu den Gerichten zusichert (RGZ 149/83 [86]). D. Im einzelnen ergibt sich, wobei gleichzeitig behandelt wird, ob die Gegenseitigkeit für die Bewilligung des Armenrechts nach § 114 I I verbürgt ist oder nicht, folgendes (vgl. dazu die Nachweise im Kommentar bei § 1 1 0 D ) : Sicherheitsleistung
Armenrecht
Ägypten
ja
ja
Äthiopien
ja
ja
nein
nein
Gegenseitigkeit verbürgt:
Afghanistan Albanien Algier
nein siehe unter Frankreich
nein siehe unter Frankreich
nein
nein
Argentinien
nur verbürgt bei Wohnsitz bzw. ständigem Aufenthaltort im Inland
ja
Australien
nur verbürgt bei Wohnsitz im Inland
ja
Belgien
ja nur verbürgt bei Grundbesitz im Inland
ia nein
Brasilien
bei Wohnsitz im Gerichtsinland oder dort ausreichendem Grundbesitz
ja
Bulgarien Chile
nur bei hinreichendem Grundvermögen im Inland ja
ja
China
nein
nein
Costa Rica
nein
nein
ja
nur bei Wohnsitz im Inland
Andorra
Bolivien
Cuba Dänemark und Grönland
ja nein
nein
Ecuador
ja
ja
Finnland
ja bei hinreichendem Grundbesitz im Inland oder wenn Beklagter nicht deutscher Staatsangehöriger und schlechthin, sobald europäisches Niederlassungabkommen v. 13.12.1955 (BGBl. 59 I I 998) in kraft
Dominikanische Republik
Frankreich
440
ja
ja ja, sobald europäisches Niederlassungabkommen v. 13.12.1955 (BGBl. 59 I I 998) in kraft
Sicherheitsleistung Gegenseitigkeit verbürgt: Griechenland Großbritannien (und Nordirland)
Guatemala Haiti Honduras Indien Indonesien Irak Iran Irland
Island Israel
Sicherheitsleistung ja bei Wohnsitz im Inland. Dies gilt auch für weitere Gebiete des Britischen Reiches. Doch wird in Großbritannien nur dem Ausländer aufgegeben, Sicherheit für die Kosten zu leisten, der in Großbritannien kein Vermögen hat, sofern der Beklagte den Anspruch bestreitet und Sicherheitsleistung beantragt (Order 65 Ziff. 6). Nur in entsprechenden Fällen darf den Angehörigen Großbritanniens im Inland eine Sicherheitsleistung als Kläger aufgebürdet werden (vgl. BGH v. 17.2.56 V ZR 176/55 als eine Körperschaft des englischen Rechts klagte) und schlechtbin für Großbritannien und Nordirland, sobald europäisches Niederlassungabkommen v. 13. 12.1955 (BGB1.59 II 998) in kraft nein bei hinreichendem Grundbesitz im Inland und in Handelsachen nein bei Wohnsitz oder ausreichendem Grundbesitz im Inland ungeklärt nein ja bei Wohnsitz im Inland und schlechthin, sobald europäisches Niederlassungabkommen v. 13. 12.1955 (BGB1.59 II 993) in kraft ja bei Wohnsitz oder Vermögen im Inland
Italien Japan
ja bei Wohnsitz oder gewerblicher Niederlassung im Gerichtsinland
Jemen Jugoslawien Kanada Kolumbien
ja ja bei Wohnsitz im Inland
§ 110 D Armenrecht ja ja
bei Wohnsitz im Inland ja nein ia ungeklärt ja ja, soweit Wohnsitz im Inland ja
ja ja ja ja ja ja ja nein
441
§110 D
ZPO I. Buch Sicherheitsleistung
Armenrecht
ungeklärt nein bei Wohnsitz oder ausreichendem Grundvermögen im Inland und in Ehesachen ja nein ja bei ausreichendem Grundbesitz im Inland sowie im Verfahren zur Erwirkung von Vollstrekkungurteilen und wenn Beklagter nicht deutscher Staatsangehöriger nur für Handelsachen nur bei Wohnsitz im Gerichtsinland
ungeklärt nein ja
ungeklärt ja ja ja ja
Panama Paraguay Peru Philippinen Polen Portugal Rumänien San Marino San Salvador Saudiarabien Schweden Schweiz Sowjetunion Spanien Südafrikanische Union
ja ja ja ja bei Wohnsitz oder ausreichendem Grundbesitz im Inland nein bei inländischem Wohnsitz ja ungeklärt nein ja nein ungeklärt nein ja ja ja nein ja nein
Syrien Thailand Tschechoslowakei Tunis Türkei Ungarn
ja bei Wohnsitz im Inland nein nein ja nein
Gegenseitigkeit verbürgt: Libanon Liberia Liechtenstein Luxemburg Madagaskar Marokko Mexiko
Monaco Neuseeland (einschließlich Cook-Inseln und WestSamoa) Nicaragua Niederlande Norwegen Österreich Pakistan
Uruguay Vatikan Venezuela
442
nur bei inländischem Wohnsitz nein nur bei Wohnsitz oder ausreichendem Grundbesitz im Inland
ja nein nein ja
ja ja
ja ja ungeklärt ja ja nein ungeklärt nein ja ja ja nein ja nur bei Wohnsitz im Inland ja ungeklärt ja nein ja nein nur bei inländischem Wohnsitz ja ja
§110
Sicherheitsleistung Gegenseitigkeit verbürgt: Vereinigte Staaten von Amerika Regelung für die Bundesgerichte Regelung für die Gerichte der Einzelstaaten Alabama Alaska Arizona Arkansas California Canal Zone Colorado Connecticut Columbia (District of) Delaware Florida Georgia Hawaii (Territorium) Idaho Illinois Indiana Iowa Kansas Kentucky Louisiana Haine Maryland Massachusetts Michigan Minnesota Mississippi
Sicherheitsleistung
Armenrecht
ja
ja
bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland nein bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland und bei Armut bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland nein bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland nein bei Wohnung des Klägers im Gerjchtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerjchtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland nein bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland nein bei Wohnung des Klägers im Gerichtsinland nein
ungeklärt ungeklärt ungeklärt ja ja ungeklärt ja ungeklärt ungeklärt ungeklärt ungeklärt ungeklärt ungeklärt ungeklärt ja ja ungeklärt bei Wohnsitz im Inland bei Wohnsitz im Inland bei Wohnsitz im Inland ungeklärt ungeklärt ungeklärt bei Wohnsitz im Inland ungeklärt nein
443
§110 D Gegenseitigkeit verbürgt : Missouri Montana Nebraska Nevada New Hampshire New Jersey New Mexico New York
North Carolina North Dakota Ohio Oklahoma Oregon Pennsylvania Puerto Rico (Territorium) Rhode Island South Carolina South Dakota Tennessee Texas Utah Vermont Virginia Washington West Virginia Wisconsin Wyoming
444
ZPO I. Buch Sicherheitsleistung bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnnng des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland nein bei Wohnung des Gerichtsinland
nein bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland nein bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland nein nein bei Wohnung des Gerichtsinland nein bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland bei Wohnung des Gerichtsinland nein bei Wohnung des Gerichtsinland
Armenrecht
Klägers im
ja für Kläger
Klägers im
ja für Kläger
Klägers im
ja
Klägers im Klägers im
nur für Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis nur in der höheren Instanz
Klägers im
ja für Kläger
Klägers im
Klägers im Klägers im
ja fürKläger;fürBeklagtenur, wenn ein von ihnen beanspruchtes dingliches Recht an beweglichem oder unbeweglichem Vermögen im Streit ist ja ungeklärt ungeklärt
Klägers im
ja für Kläger bei Wohnsitz im Inland ungeklärt
Klägers im
ungeklärt
Klägers im
ungeklärt
Klägers im
ungeklärt
Klägers im
ungeklärt
Klägers im
für Kläger nur bei Wohnsitz im Inland für Kläger ja
Klägers im
ungeklärt Klägers im Klägers im Klägers im Klägers im
ja ungeklärt ja bei Wohnsitz im Inland ungeklärt
Sicherheitsleistung
§110
D I. Nach der Konvention der Vereinten Nationen über die Todeserklärung Verschollener v. 6. 4.1950 (G. v. 7. 7. 1955 — BGBl. II 701) Art. 12 erhalten Ausländer, die ein Verfahren nach der Konvention beantragen, Befreiung von allen Gebühren und Auslagen sowie unentgeltlichen Recht6beistand in allen Fällen, in denen Staatsangehörige des Staates, in dem das Verfahren schwebt, in ähnlichen Verfahren nach dem Recht dieses Staates Kostenfreibeit oder kostenloser Rechtsbeistand gewährt wird Bedürftige Antragsteller erhalten Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Kosten. §
H l
(103)
I Der Beklagte kann auch dann Sicherheit verlangen, wenn die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung erst im Laufe des Rechtsstreits eintreten und nicht ein zur Deckung ausreichender Teil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist. A. Als prozeßhindernde Einrede ist A I . das Verlangen nach Kostensicherheit a) im landgerichtlichen Verfahren der ersten Instanz vor Verhandlung zur Hauptsache zu stellen (§ 274 I). Nur wenn der Beklagte glaubhaft macht (§ 294), daß er sie ohne sein Verschulden nicht früher bringen konnte, wird er auch später noch damit gehört (§ 274 III). b) Im amtsgerichtlichen Verfahren der ersten Instanz muß die Einrede bis zum Verhandlungschluß gebracht werden (§ 504 I). c) War auf die Einrede vorzichtet, im besonderen wenn sie zunächst erhoben, dann aber fallen gelassen war, so muß sie, erneut erhoben, zurückgewiesen werden (RGZ 155/239). A II. § 111 regelt die Einrede, wenn im Laufe des Rechtstreits die Voraussetzungen der Einrede neu eintreten. Doch muß auch das nachträgliche Verlangen des Beklagten nach (erhöhter) Kostensicherheitleistung rechtzeitig (§ 111 A I) gestellt werden (RG HRR 33/1890), worunter nicht nur der Eintritt eines nach § 110 erheblichen Ereignisses, sondern auch nichtverschuldete Unkenntnis des Beklagten von ihm bis zu der Zeit, wo sie verschuldet wird, gehört (§ 274 III). c) Der Einredeverlust bezieht sich nur auf die Klage in der erhobenen Form. Wird später aber die Klage erweitert (nicht aber wenn sie nur nach § 268 sonst verändert, auch modifiziert wird), so darf die Einrede bezüglich der Mehrkosten erhoben werden (a. M. KG LZ 25/381). Wird die Klageerweiterung nicht zugelassen (was trotz des § 268 I 2 in der Revisioninstanz der Fall ist), so kommt die Einrede nicht zum Zuge. B. Andererseits beschränkt § 111 das Verlangen nach Kostensicherheit auf bestrittene Ansprüche. Was unter unbestrittenen Ansprüchen zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Der vom Beklagten anerkannte Anspruch ist es so wie der, gegen den ein Antrag in der Hauptsache nicht gestellt werden soll (womit man freilich auf die Hauptsache vorgreift). Auch wird man den auf Grund des unstreitigen Sachverhalts begründeten Anspruch hierher zu rechnen haben. C. Aus § 111 folgt, daß der Kläger, soweit die Voraussetzungen für die Kostensicherheitlast (sei es auch durch Parteiwechsel) wegfallen (etwa durch Inkrafttreten eines Gegenseitigkeitabkommens : OLG J W 28/1238'; es können aber alle oben erwähnten Fälle in umgekehrter Folge eintreten), ihre Herabsetzung oder Rückgabe fordern darf. Der Antrag ist an keine Frist gebunden, eine Verwirkung dieses Rechts tritt nicht ein (vgl. aber § 110 B II a), § 109 ist auf das zu beachtende Verfahren anzuwenden. §
H 2
(104)
I Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. II Bei der Festsetzung ist derjenige Betrag der ProzeOkosten zugrunde zu legen, den der Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Die dem Beklagten durch eine Widerklage erwachsenden Kosten sind hierbei nicht zu berücksichtigen.
445
§112
ZPO I. Buch
HI Ergibt sich im Laufe des Rechtsstreits, daß die geleistete Sicherheit nicht hinreicht, so kann der Beklagte die Leistung einer weiteren Sicherheit verlangen, sofern nicht ein zur Deckung ausreichender Teil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist. A l a ) Nach § 112 II 1 sind nur die dem Beklagten entstehenden Kosten zu berücksichtigen, wobei die für seine Widerklage außer betracht bleiben (§ 112 II 2), deshalb werden keine Gerichtskosten erster Instanz angesetzt, sondern nur die außergerichtlichen des Beklagten. Doch sind von vornherein (a. M. OLG JZ 54/43) die Kosten aller möglichen Rechtzüge zu berücksichtigen (RGZ 155/239 [241]), auch die Gerichtskosten der höheren Instanzen (OLG NJW 57/1442), allerdings sollten Kosten der Revisioninstanz nur berücksichtigt werden, wenn ein Streitwert von mehr als 6000 DM gegeben ist. Auch werden Kosten, welche durch Aufhebung des Urteils in der Revisioninstanz oder durch ein Wiederaufnahmeverfahren entstehen könnten, nicht mit bewertet. Geschätzt werden darf nur, was sich der Regel nach ergeben könnte. Bei Streitgenossen ist deshalb § 100 zu beachten. a 1. Wird das Sicherheitverlangen erst in der höheren Instanz — berechtigterweise — gestellt, so sind außer den noch entstehenden Kosten die bereits entstandenen zu berücksichtigen (RGZ 146/8). Sind allerdings diese Kosten dem Sicherungberechtigten bereits erstattet, so sind die erstatteten Beträge abzusetzen (BGH v. 20. 4.1954 II ZR 113/53). b) Nicht abzusichern sind die Kosten des Klägers, selbst wenn der Beklagte durch ein Urteil erster oder zweiter Instanz mit ihnen belastet wird. A II. Stellt sich heraus, daß die Sicherheit zu Diedrig bemessen wurde, oder verändert sie ihren Wert, so darf der Beklagte die Erhöhung nachträglich fordern (§ 112 III), muß dies aber rechtzeitig tun (§ 111 A I, wenn auch möglicherweise noch in der Revisioninstanz, RG Seuff. 51/219). a) Wird ein höherer Streitwert (als bisher angenommen) festgesetzt, so darf weitere Sicherheitleistung gefordert werden (RG LZ 33/138915). Wird in der Revisioninstanz aufgehoben und zurückverwiesen, so darf in der weiteren Berufunginstanz Sicherheit für diese und möglicherweise die neue Revisioninstanz verlangt werden. b) Allerdings wurden unverhältnismäßige Abweichungen in der Schätzung nicht beachtet (RG Seuff. 51/219). Als unverhältnismäßig sollte man die ansehen, welche 20% der festgesetzten Sicherheit nicht übersteigen. B. Entsprechend darf der Kläger, wenn sich herausstellt, daß die Sicherheit — unverhältnismäßig (§ 112 A II) — zu hoch bemessen war oder an Wert gewinnt, deren Herabsetzung fordern (Kommentar § 111 A II b); er darf es auch, wenn er gegen ihn festgesetzte Kosten aus anderen Mitteln als der Sicherheit beglichen hat.
§ 113
(105)
I Das Gerieht hat dem Kläger bei Anordnung der Sicherheitsleistung eine Frist zu bestimmen, binnen der die Sicherheit zu leisten ist. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag des Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die Klage für zurückgenommen zu erklären oder, wenn über ein Rechtsmittel des Klägers zu verhandeln ist, dieses zu verwerfen. A. Über die Einrede des Beklagten wird bei Streit der Parteien nach mündlicher Verhandlung (§ 128 I und im ihr gleichgestellten schriftlichen Verfahren nach §§ 128 II, 251a) entschieden (RG JW 28/14893), und zwar durch Zwischenurteil (§303; RG J W 26/373 5 ). Doch läßt die h. M. einen Beschluß zu, falls Uber den Grund und die Höhe der Sicherheitleistung kein Streit besteht (RG J W 26/3735, noch weiter: BGH v. 22. 9.1954 II ZR 113/53). Auch den inkorrekten Beschluß sollte man indes wie ein Zwischenurteil behandeln. A I. Ist die Einrede unbegründet, so darf sie durch selbständig anfechtbares Zwischenurteil verworfen werden (§ 275), wozu auch der Einzelrichter befugt ist (§ 349 I 2), sonst geschieht dies im Endurteil.
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Sicherheitsleistung
§113
AI
a) Eine Verwerfung der Einrede stellt auch die Entscheidung dar, in der — nach der Ansicht des Beklagten — die Sicherheit zu gering bemessen wird. Die Beschwer ist dabei nach dem Streitwert des Sachantrags zu bemessen (§ 3 B IV d 2). Der Beklagte darf aber weder die Einlassung zur Hauptsache verweigern noch die Verhandlung, ohne den Antrag nach § 113 I 2 zu stellen, ablehnen (OLG JW 34/7783). b) Anders zu behandeln sind die Zwischenurteile, welche eine Sicherheitleistung nach AktienG §§ 123 III, 199 IV, 2011, 216,219 III, GmbHG § 75 II anordnen, weil sie keine prozeßhindernde Einrede begründen (§ 274 II), wenn auch auf sie § 113 anzuwenden ist (RG J W 37/813®) und über die sich aus ihnen ergebende Verpflichtung durch Zwischenurteil (§303) entschieden werden darf. Eine selbständige Anfechtung dieser Entscheidung nach § 275 II gibt es hier nicht (RG J W 03/289 4 f.). A II. Wird der Einrede stattgegeben, so ist das Zwischenurteil nicht selbständig, sondern nur zusammen mit der Endentscheidung angreifbar (RG JW 28/14893). In dem Zwischenurteil sollte man sogleich die Höhe der zu leistenden Sicherheit und die Frist bestimmen, innerhalb der sie zu leisten ist. a) Auch nach Ablauf der Frist kann der Kläger den Nachweis der geleisteten Sicherheit noch bis zum Verhandlungschluß führen (§ 113 I 2 sagt dies ausdrücklich; vgl. auch § 231 II). B. Wird die Sicherheit nicht bis zum Verhandlungschluß (§ 136 B II, § 128 J II d 2) geleistet oder erklärt der Kläger, sie nicht leisten zu wollen, obwohl der Einrede stattzugeben ist, so gilt folgendes: B I. in der ersten Instanz a) ist auf Antrag des Beklagten die Klage durch Endurteil für zurückgenommen zu erklären (RGZ 118/168). Dies ist aber auch dann kein Versäumnisurteil, wenn der Kläger nicht erscheint (a. M. RGZ 50/384f.), weil in diesem Zeitpunkt feststeht, daß der Kläger die Sicherheitleistung nicht nachgewiesen hat. Erscheint oder verhandelt der Kläger nicht, so darf der Beklagte auch klageabweisendes Versäumnisurteil (§330) erwirken (RGZ 24/429 [435]), u. U. Entscheidung nach Aktenlage (§331a). Darin liegt dann aber ein Verzicht auf die Einrede. Erscheint der Kläger, so darf der Beklagte das prozeßabweisende Urteil fordern, ohne daß der Antrag des Klägers geprüft werden darf (RG JW 37/8138). Das Urteil löst die Wirkungen des § 271 aus; im Folgeverfahren darf die Einrede nach § 274 II 6 geltend gemacht werden (RGZ 58/259), selbst wenn das Vorurteil zu Unrecht erging. b) Das entsprechende gilt für den in der Berufunginstanz vom Kläger neu eingeführten Anspruch. B II a) Ist der Kläger Rechtsmittelkläger, so wird sein Rechtsmittel unter den Voraussetzungen des § 113 I 2 als unzulässig verworfen (§§ 515 III, 566). b) Ist der Kläger Rechtsmittelbeklagter, so wird seine Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils für zurückgenommen erklärt (vgl. § 271 III), soweit das Urteil vom Beklagten angegriffen ist, es sei denn, daß der Sachverhalt unstreitig ist, so daß die Sicherheit nach § 111 nicht gefordert werden kann. c) Mischentscheidungen ergeben sich, wenn der Kläger teils obgesiegt hat, teils unterlegen ist. c 2. Ist der mit dem Hauptantrag abgewiesene Kläger mit dem Hilfsantrag durchgedrungen und hat er das Rechtsmittel wegen der Abweisung des Hauptantrags eingelegt und der Beklagte das wegen der Stattgabe des Hilfsantrags ergriffen, so ist, wenn die Einrede des Beklagten durchdringt, das Urteil abzuändern und bezüglich des Hilfsantrags aber die Klage für zurückgenommen zu erklären. B III. Der Kläger darf das Endurteil, das nach § 113 I 2 wegen Nichtleistung der Sicherheit ergangen ist, mit der Begründung angreifen, daß die Zwischen entscheidung über die Sicherheitsleistung zu Unrecht ergangen ist (RG JW 28/14893), und zwar a) wenn die Klage in der ersten Instanz für zurückgenommen erklärt worden ist, mit der Berufung (BGH LM-ZPO § 547 1 1/7).
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§ 113 BOIa
ZPO I. Buch
a 2. Das Berufungsurteil ist, wie sonst Berufungurteile (also die der OLG) mit der Revision angreifbar (§§ 545folg.). Sprungrevision kann gegen das erstinstanzliche Urteil nicht eingelegt werden (§ 566 a III). Sie wäre — mit der Begründung aus § 113 — unzulässig. a 8. Ist in zweiter Instanz die Klage für zurückgenommen erklärt worden, so ist gegen OLG-Urteile wie gewöhnlich (nach §§ 545folg.) die Revision zulässig.
Siebenter Titel Armenrecht
§ 114 (196) I Einer Partei, die außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie nnd ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, ist auf Antrag das Armenrecht zn bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechteverfolgung ist auch dann als mutwillig anzusehen, wenn mit Rücksicht auf die für die Beitreibung des Anspruchs bestehenden Aussichten eine nicht das Armenrecht beanspruchende Partei von einer Prozeßführung absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde. II Angehörige fremder Staaten haben auf das Armenrecht nur insoweit Anspruch, als die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Einem Staatenlosen kann das Armenrecht gewährt werden, wenn es ihm als Inländer zu gewähren wäre. III Einer Partei kraft Amtes kann bei Vorliegen der im Abs. 1 bezeichneten Toraussetzungen das Armenrecht bewilligt werden, wenn die zur Führung des Prozesses erforderlichen Mittel weder aus der verwalteten Yermögensmasse noch von den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können. IV Einer inländischen juristischen Person kann bei Vorliegen der im Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen das Armenrecht bewilligt werden, wenn die zur Führung des Prozesses erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechteverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. A II. Die Vorschriften gelten für jedes Verfahren nach der ZPO (ohne Rücksicht auf die Klage- oder die Prozeßart). Nur für das Armenrechtverfahren als solches sollte man es nicht gewähren (OLG JMB1. NRW 53/4 für das Armenrechtbeschwerdeverfahren; a. M. OLG JW 38/255912). Über die Auswirkungen der Armut auf Schiedsabreden vgl. § 1025 B I c 3. A III a) Im Verfahren in Patentsachen vor den ordentlichen Gerichten (nur in diesen, nicht im Gebrauchmuster-, Geschmackmuster- oder Warenzeichenstreit) ist PatentG § 53 zu beachten. Die Stellung des Antrags nach PatentG § 53 enthält aber noch kein Armenrechtgesuch (RGZ 155/129 [130]). c) Über die Niederschlagung von Gerichtskosten nach GKG § 7 vgl. § 97 D, über die gegenüber armen Schuldnern vgl. KostenVfg. v. 7. 9.1957 (JVB1. 57/183) § 9, VO v. 20. 3.1935 (RGBl. I 406) § 2, JustizkassenO v. 30.1.1937 (DJ Sonderveröffentlichung Nr. 13) § 90, wegen der auf dem Gnadenwege vgl. AV v. 28. 3. und 10. 4.1935 (DJ 480, 613). B. § 114 regelt den Anspruch der armen Partei auf Bewilligung des Armenrechts. Die Voraussetzungen für ihn sind verschieden, je nachdem, ob eine physische oder eine juristische Person, eine inländische, ausländische oder staatenlose arm ist. Darüber hinaus gibt es unter dem Einfluß der h. M. über die Partei kraft Amtes (§ 50 G III) eine Sonderbestimmung für diese. B I. Über den Begriff des Inländers vgl. § 110 A I, über den der physischen Person vgl. § 50 B I.
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Armenrecht
§ 114 BI
a) Zu den physischen Personen zählen auch die (Gesamtpersonen) Gesellschaften mit Parteifähigkeit (oHG, Reederei, Kommanditgesellschaft), — wo aber nicht auf das persönliche Vermögen der Kommanditisten, soweit sie nicht noch haften, übergegriffen werden sollte (RG J W 26/1557 3 : ausgesprochen für die Fristhemmung bei den Rechtsmittelkostenvorschüssen, die es nicht mehr gibt, a. M. KG J W 37/1428 31 , OLG J W 36/1691 28 , die § 114 IV anwenden) —, wie die nicht rechtsfähige Partei als Beklagte (vgl. § 50 E II b) oder die als Kläger (vgl. § 50 E II b 1); bei diesen ist es deshalb darauf abzustellen, ob sowohl die Partei wie jeder ihrer Teile vermögenslos ist (KG J W 37/1428 31 ); doch geht es nicht an, die oHG wie eine juristische Person zu behandeln und sonstige bloß wirtschaftliche Beteiligte in ihren Kreis zu ziehen (KG J W 37/1428 31 ). b) Maßgebend ist die Armut der Partei, b 1. nicht die ihres (physischen) Vertreters (RGZ 50/394). b 2. Die entsprechende Rechtslage ergibt sich bei Treuhandschaften. Die Tatsache, daß ein Ausländer einem Inländer die Forderung abtritt, wird deshalb nach dem hier vertretenen Staadpunkt nur bedeutsam, wenn auch der Ausländer vermögenslos ist, aber im Inland mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit kein Armenrecht erhalten würde (OLG Seuff. 51/137 will hier das Armenrecht schlechthin versagen); doch erhält die Partei ohne Rücksicht auf die Vorüchußmöglichkeit kein Armenrecht, wenn sie selbst nicht arm ist (OLG MDR 54/174 140 ). b 3. Andererseits darf der armen Partei nicht verwehrt werden, nach BGB § 2039 zu klagen, selbst wenn die übrigen Miterben reich sind (a. M. KG J W 38/696 40 ). Das entsprechende gilt für Gemeinschaften (a. M. OLG J W 36/2663 27 ). Läßt man dem Schuldner für dessen Forderung gegen den Drittsehuldner das Klagerecht, so darf ihm das Armenrecht zur Klage auf Leistung an den Gläubiger nicht mit der Begründung versagt werden, daß der Gläubiger nicht arm ist (abweichend OLG JMB1. N R W 52/96, das die Klage nur bei besonderem Interesse gewährt); ist allerdings das Eigeninteresse wirtschaftlich ohne Bedeutung, so kann es nur auf den dahinter stehenden Gläubiger ankommen wie im Fall der RVO § 1542 (BGH J R 53/385). Bei sonstiger Abtretung zahlunghalber gilt dies aber nicht (a. M. OLG MDR 54/174 140 ). BGH v. 20.10.1954 VI ZR 116/54 hat allerdings einer Partei, die sich im Vertragshilfeverfahren befand und welche die Klageforderung abgetreten hatte, das Armenrecht mit der Begründung verwehrt, daß dargetan werden müßte, daß die hinter der Partei stehenden Gläubiger des Vertragshilfeverfahrens nicht vermögend seien. B II. Arm ist die physische inländische Partei, wenn sie ohne ihren oder ihrer Familie (d. h. derer, denen die Partei unterhaltpflichtig ist) notwendigen Unterhalt (d. i. weder der standesgemäße, BGB § 1610 [OLG 35/47], sondern weniger; noch der notdürftige, BGB § 1611, sondern mehr) zu beeinträchtigen, die von ihr vorzuschießenden Kosten des Prozesses nicht bestreiten kann (§ 114 11), KG J R 51/184 will Armut bei unpfändbarem Einkommen annehmen, während OLG SchlHA 53/55 meint, sie liege unter der Pfändunggrenze. b) Der Prozeßaufwand ist zu vergleichen mit der finanziellen Leistungfähigkeit der Partei (OLG NdsRpfl. 51/10). Hierzu gehören: das Reinvermögen, der zu erwartende Verdienst. Während indes bei Einkommen meist außer betracht bleibt, ob derjenige, welcher es hat, es sonst aufsparen könnte, um zu einer Vermögensanlage zu kommen (doch hat OLG SchlHA 49/212 Ostflüchtlingen Abzüge für notwendige Neuanschaffungen zugebilligt), findet man bisweilen die Tendenz, auf die Vermögensanhäufung dann Rücksicht zu nehmen, wenn der Stamm vermindert werden würde (RGZ 147/190: bei einer Brandentschädigung; OLG NdsRpfl. 50/120: bei einem Sparguthaben von 2000 DM). Nicht zu vereinbaren damit ist die entgegenstehende Rechtsprechung, wonach die Partei nichtflüssiges Vermögen durch Kredite oder sonstwie verflüssigen muß (KG J W 30/1520 26 ). b 1. Bemessungsgrundlage ist regelmäßig das gegenwärtige Können. KG J W 35/1704 31 , OLG JMB1. N R W 53/114 haben deshalb erkannt, daß es nicht darauf ankomme, ob die Partei allmählich die Mittel zurücklegen könne, wenn sie diese derzeitig nicht habe. Jedenfalls wird einer vermögenslosen Partei nicht angesonnen, Schulden zu machen. BGH v. 2. 3.1956 V ZR 178/54 hat aber verlangt, daß die arme Partei zu der Möglichkeit, die Prozeßkosten auf dem Kreditwege auf Grund ihres Vermögens sich zu beschaffen, Stellung nimmt und BGH MDR 29
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§114
Bllbl
ZPO I . Buch
51/732 hat das Armenrecht verweigert, wenn die Partei in der Lage ist, Stundung zu erhalten und in Raten abzudecken (vgl. auch § 115 C I I b). B G H v. 8 . 1 . 1 9 5 9 I I Z R 195/57 hat jedenfalls bewilligt, sofern die Partei zwar verschuldet, aber sich nicht absichtlich unvermögend gemacht hat. b 2. Zum gegenwärtigen Können gehört auch die Möglichkeit, mit Hilfe von Ansprüchen gegen dritte den Prozeßaufwand zu verflüssigen. Ist deshalb der armen Partei ein dritter vorschuBverpflichtet, gleichviel aus welchem Rechtsgrunde (RG J W 06/356), wie etwa aus Ehegüterrecht ( B G B §§ 1360a I V ; 1438 I I , 1460 I I , 1488; 1532 a. F . ; 1549 a. F.) oder als Unterhaltverpflichteter (str., OLG Düsseldorf M D R 52/558; a. M. OLG M D R 54/172); aber auch der Versicherer ist dem Versicherten Vorschußpflichtig (LG VersR 51/46). Wird der Vorschußpflichtige nicht in Anspruch genommen, so ist das Armenrecht zu versagen (RG J W 06/560 2 9 ), im besonderen bei Verzicht auf das Vorschußrecht (OLG J W 33/2075 1 5 ) oder, wenn sich eine Partei einkommenslos macht (OLG SchlHA 51/25, a. M. OLG NdsRpfl. 51/159). Anders ist dies nur, wenn auch der Vorschußpflichtige arm ist (RG J W 06/560 2 9 ). Doch erlischt nicht der Anspruch gegen den Vorschußpflichtigen, wenn der armen Partei das Armenrecht bewilligt worden ist, wie dies RGZ 37/370 angenommen; hat aber der Mann das Armenrecht, so steht prima facie fest, daß er den Vorschuß nicht zahlen kann. Führt der vorschußpflichtige Mann den Prozeß auf eigene Kosten, so steht damit zwar noch nicht fest, ob er darüber hinausgehend auch noch den Vorschuß für die Frau leisten kann, doch wird man dann von ihm erwarten müssen, daß er die verfügbaren Mittel teilt. Kann die Frau den Vorschußanspruch nicht realisieren, so erhält sie das Armenrecht. In all diesen Fällen müssen indes die Gerichte den Nachweis von der das Armenrecht nachsuchenden Partei fordern, und zwar derart, daß sie entweder dartut, daß trotz Vorschußverlangens sie nichts erlangen konnte oder daß der Vorschußpflichtige selbst arm ist (OLG D R 41 A 937). Haben sowohl die Partei wie der Vorschußpflichtige Einkommen, so kann dadurch die Vorschußpflicht — nämlich als Unterhaltpflicht — entfallen; deshalb geht es nicht an, in solchen Fällen etwa beide Einkommen von Mann und Frau zusammenzurechnen (OLG SchlHA 49/212, a. M. K G J R 50/277), sondern dem der Frau kann nur ein Vorschuß, den der Mann zu leisten hat und leistet, zugesetzt werden. Umgekehrt kann der Vorschußpflichtige nicht etwa für die arme Partei um die Armenrechtsbewilligung nachsuchen (OLG J R 50/280). Ob dazu auch der Fall gehört, daß eine arme Partei sich von dem Anwalt einer vermögenden mitvertreten lassen kann ( B G H v. 2 1 . 1 2 . 1 9 5 6 V I Z R 237/56; B G H v. 6. 2 . 1 9 5 8 I I Z R 234/57 hat Streitgehilfen das Armenrecht zur Einlegung der Revision verweigert, nachdem es die Hauptpartei eingelegt hatte), ist zweifelhaft, weil die vermögende Partei dann zumindest einen Ausgleichanspruch gegen die arme Partei erhält, welcher ihr bei Bewilligung des Armenrechts und getrennter Prozeßvertretung nicht zustände. Besteht gar die Vorschußpflicht nicht, etwa weil das im eigenen Namen geltend gemachte Recht nicht wirksam auf einen anderen übertragen wurde, dann kommt es nur auf die Armut des Klägers an (a. M. RGZ 166/348). b 3. Sehr zweifelhaft ist es, ob einer vermögenden Partei, die nicht in der Lage ist, im Deviseninland die Mittel aufzubringen, das Armenrecht bewilligt werden darf (bejahend im Verhältnis von Ost- und Westdeutschland OLG N J W 49/187; verneinend OLG J Z 51/593, wenn ein Geschäftsmann der Ostzone nach der Währungtrennung Geschäfte im Westen gemacht hat). b 4. Das reine Entgegenkommen eines Anwalts, die Partei einstweilen wie ein Wahlanwalt zu vertreten, verbietet nicht die Armenrechtsbewilligung. c ) Prozeßkostenschulden der Partei aug der Vergangenheit deckt grundsätzlich der S t a a t nicht ab. c 1. Die Bewilligung erstreckt sich deshalb grundsätzlich auf die Zukunft vom ErlaB des Beschlusses an (RGZ 126/300). c 2. E s dient indes, besonders in Anwaltprozessen, der Beschleunigung des Verfahrens, wenn der Anwalt einer armen Partei für sie — in Erwartung der Bewilligung des Armenrechts — schon handelt, bevor das Armenrecht bewilligt worden ist ( K G J R 50/53). B G H v. 30. 1 1 . 1 9 5 4 I Z R 50/53 hat das Armenrecht rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Einlegung der Revision bewilligt, jedenfalls wurde die Zurückbeziehung auf den Tag der Einreichung des
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Armenrecht
§ 114 B I I c 2
Antrags wiederholt ausgesprochen (RGZ 152/221). Dies kann aber nicht dazu führen, der armen Partei geleistete Vorschüsse zurückzuzahlen (a. M. KG J W 36/3073 46 für die Gerichtsgebühren). Wohl aber sind von der Partei noch nicht beglichene Prozeßkostenschulden in eine rückwirkende Bewilligung einzubeziehen (was auch für die Auslagen des Anwalts gilt: RG J W 26/705 1 , und für die Gebühren: RG H R R 35/1334); die ab Bewilligung entstehenden Aktgebühren werden aber auch ohne rückwirkende Bewilligung von der Staatskasse nicht eingezogen, auch wenn sie schon früher entstanden waren (vgl. für die Prozeßgebühr RGZ 111/34). Läßt man diese Rückbeziehung auf die Antragstellung gelten, so darf über sie auch noch nach Rechtkraft des Hauptverfahrens entschieden werden (RGZ 152/221; a. M. RG N § 119/1: nicht mehr nach Erlaß des Endurteils, so daß es die gegen die Versagung der Bewilligung eingelegte Beschwerde für unzulässig erklärte), auch noch im Beschwerdeverfahren (OLG Rpfl. 49/570 137 nach § 627b). Werden indes die Armenrechtunterlagen erst nachgebracht oder wird erst später substantiiert, so ist nicht auf den (ersten) Antrag zurückzubeziehen (OLG MDR 56/684). Wird nach Zurückweisung eines früheren Antrags auf einen späteren hin bewilligt, so sollte man die Bewilligung bei unveränderter Sachlage zurückbeziehen (doch hat BGH v. 3. 4.1954 I I ZR 85/53 auf seine abweichende Ansicht aufmerksam gemacht und der armen Partei Gelegenheit zur Erneuerung des Antrags gegeben). Die Wiederholung des Antrags nach Abschluß der Instanz hat RGZ 157/96 nicht mehr zugelassen. Allerdings kann auch nachträglich nicht bewilligt werden, wenn sich inzwischen herausgestellt hat, daß die Rechtsverfolgung aussichtlos ist (KG J W 37/252"). Vergleichen sich die Parteien, so erledigt sich nach BGH v. 9. 2.1952 I I I ZR 275/51 die Armenrechtbewilligung, während OLG JMB1. N R W 51/150 noch nach rechtkräftiger Beendigung des Hauptprozesses zu dem Abschluß eines Vergleichs das Armenrecht bewilligt hat. Auch wenn im Ehestreit die Parteien sich inzwischen ausgesöhnt haben, darf das Armenrecht nicht mehr bewilligt werden (OLG SchlHA 1949/162), selbst nachdem schon Urteil ergangen war, weil auch in der Zwischeninstanz die Klage zurückgenommen werden kann; vgl. dazu § 114 B IV a 1. Über den Tag der Antragstellung wird rückwirkend nicht hinausgegangen (RGZ 157/96 [98], BGH v. 13.1.1953 V ZR 101/52). Die rückwirkende Bewilligung des Armenrechts fordert jedenfalls einen dahin gehenden ausdrücklichen Beschluß (OLG NdsRpfl. 51/9). B III. Außer der Armut muß aber auch der Prozeß für die arme Partei eine hinreichende Erfolgaussicht haben und nicht mutwillig sein (§ 114 11). Über die Darlegungslast vgl. § 118 III. a) Die Erfolgsaussicht besteht nicht, wenn eine Prozeßbedingung (§274 AI) bzw. Prozeßfortsetzungsbedingung fehlt, mag auch dem Kläger der Kosteneinwand des § 274 II 6 entgegenstehen, sofern der Beklagte sie nur zu erheben angekündigt hat, nicht aber wenn ihm bloß die Einrede des § 274 I I 5 entgegensteht; denn sie unterbindet die Armenrechtbewilligung (§115 12). a 1. Ist es zweifelhaft, ob eine Prozeßbedingung fehlt und bedarf es zu ihrer Klärung der Beweisaufnahme, so ist die Rechtsverfolgung erfolgversprechend, wenn dann eine für den Kläger sachlich günstige Entscheidung ergehen kann; für den Beklagten dagegen schon, wenn die Klage auch nur als unzulässig abgewiesen werden müßte. a 2. So muß das unzuständige Gericht das Armenrecht verweigern (vgl. § 274 II 1, OLG H R R 30/815). Ist die Klage vor dem LG erhoben, so hat allerdings das LG u. U. für den als aussichtsreich angesehenen Teil zu bewilligen, selbst wenn es bei bloßem Armenrechtgesuch an das AG abgeben würde. Will die Partei den Verweisungantrag nach § 276 stellen und muß sie dies bei Vermeidung der Klageabweisung, so ist zu prüfen, ob, wenn verwiesen wird, die Klage aussichtreich ist. Zu den Prozeßbedingungen gehören auch die verbotenen Klageüberlagerungen (vgl. § 253 D, das Fehlen des sog. Rechtsschutzbedürfnisses). a 8. Müßte das Gericht ein neues Vorbringen wegen Verspätung zurückweisen, so ist der Prozeß aussichtlos (OLG J W 30/190); nicht aber, wenn sich das Gericht nur von der Erhebung der erheblichen Beweise nichts verspricht; jedenfalls darf es das Armenrecht nicht wegen Aussichtlosigkeit ablehnen und dann in der Begründung des Urteils ausführen, daß der Beweis für die erheblichen Behauptungen nicht erbracht sei (BGH LM-ZPO § 548/2). Andererseits muß das Armenrecht in einem für den Beklagten aussichtlosen Vorverfahren bewilligt werden, 29»
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um es ihm zu ermöglichen, dort einen — etwa gesetzlich erforderlichen — Vorbehalt anzubringen, wenn nur das Nachverfahren aussichtvoll ist (OLG J W 37/3323 32 ), aber auch bei dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung. a 4. Dem Rechtmittelkläger (wie dem Einsprecheaden) darf das Armenrecht nur bewilligt werden, wenn nicht die Unzulässigkeit des Rechtbehelfs feststeht bzw. die Unzulässigkeit noch durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigt werden kann (vgl. OGH N J W 50/468) und dies dargelegt wird (OLG SchlHA 53/99). Doch handelt auf eigene Gefahr, wer nicht arm ist und erhält keine Wiedereinsetzung (RG J W 29/1654), wenn auch die Partei sich (regelmäßig) auf die Mittellosigkeitbescheinigung im Armenattest verlassen darf. Ist in der Rechtsmittelinstanz das Rechtmittel nicht in einer die Beschwer übersteigenden Summe aussiehtreich, so h a t RG Warn. 38/25 das Armenrecht verweigert. Noch bedenklicher ist es, daß das Revisiongericht das Armenrecht nicht bewilligt, wenn das anzufechtende Urteil formell keinen Bestand haben kann, es aber annimmt, daß das materielle Ergebnis sich in der Berufunginstanz nicht ändern wird. Dem R e c h t m i t t e l b e k l a g t e n (Einsprechenden) wird das Armenrecht gewohnheitrechtlich erst bewilligt, wenn die Zulässigkeit des Rechtmittels feststeht (BGH MDR B 445/56). Soll ein Verlustigkeitbeschluß erwirkt werden, so ist das Armenrecht zu bewilligen (a. M. OLG NdsRpfl. 54/179). a 5. Bei den Wiederaufnahmeklagen (§§ 578 folg.) wird die Zulässigkeit im Klageverfahren geprüft. b) Ferner muß die arme Partei sich schlüssig einlassen. b 1. Bei zweifelhaften Rechtfragen wird indes selbst in höherer Instanz das Armenrecht bewilligt (vgl. OLG MDR 53/50 34 ). b 2. Ist die schlüssige Einlassung von der Gegenseite nicht bekämpft, so wird das Armenrecht zu bewilligen sein, auch im Offizialverfahren (OLG N J W 58/187). Wird die schlüssige Einlassung von der Gegenseite angegriffen, so wird, falls der Antragsteller bcweisbelastet ist, auf Beweisantritte zu achten und dann regelmäßig zu unterstellen sein (LArbG Berlin Entsch.Kalender 56 IV 6), daß sie die Behauptungen der armen Partei bestätigen, auch wenn die arme Partei sich nur auf die Vernehmung ihres Gegners bezogen hat (OLG JMB1. NRW51/94). Ist die arme Partei nicht belastet, so genügt reines Bestreiten (nach KG J R 53/106: substantiiertes). Doch darf das Gericht schon in ein Vorverfahren eintreten und die Beweise erheben oder auch Glaubhaftmachung (§294) fordern (vgl. § 1 1 8 a B I). Die Müglichkeit nicht erhobener Einreden sollte nicht beachtet werden. Handelt es sich nur u m eine den Anspruch modifizierende, die etwa zur Verurteilung Zug u m Zug führt, so steht der Armenrechtsbewilligung auch die erhobene nicht entgegen. Ist dem Anspruch eine Aufrechnung entgegengesetzt, und wendet sich die das Armenrecht nachsuchende Partei dagegen, so ist zu prüfen, ob auch insoweit ihre Verteidigung aussichtvoll ist, es sei denn, daß ihr Gegner auch den Klageanspruch leugnet und es nun darum geht, den Verbrauch der aufgerechneten Forderung festzustellen (§ 322 II). Umgekehrt ist das Armenrecht dem Beklagten, der eventuell aufgerechnet hat, auch dann zu bewilligen, wenn nur die Aufrechnung Aussicht auf Erfolg hat, und zwar ohne Einschränkung auf diese Verteidigung, wie auch das Armenrecht grundsätzlich nicht auf bestimmte Klagegründe beschränkt werden darf. Will eine Partei einen geltend gemachten Anspruch nur anerkennen, so kommt die Bewilligung des Armenrechts dafür nicht in betracht (es sei denn, daß sie dies mit der Kostenfolge des § 93 tun wollte). b 3. Keinesfalls darf in Offizialverfahren das Armenrecht mit der Begründung verweigert werden, daß der außerprozessuale Sachverhalt von gerichts wegen zu prüfen sei (OLG JMB1. N R W 52/205). Das Gesetz tendiert zur Aufrechterhaltung der Ehe und des Kindschaftverhältnisses. Für den angegriffenen Teil ist die Bewilligung des Armenrechts deshalb in diesen Fällen im weiteren Umfange als sonst zu rechtfertigen (OLG N J W 58/187). Aber selbst wenn die Verteidigung als aussichtlos erscheint, wird noch zu bedenken sein, ob nicht die Partei der Belehrung des Anwalts bedarf, u m sich über ihre Verteidigungmöglichkeiten unterrichten zu lassen. Dies gilt auch, wenn nur eine Klage aus EheG § 48 erhoben worden ist, mag auch der Widerspruch noch nicht als beabsichtigt erklärt worden sein (a. M. OLG NdsRpfl. 50/59). Jedenfalls ist das Armenrecht (ungeteilt) zu bewilligen, wenn auch nur die (beabsichtigte) Widerklage bzw. der Mitschuldantrag (vgl. § 33 D I b 2) Aussicht auf Erfolg versprechen
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(RGZ 135/15 [18]); wegen der Einheitlichkeit der Entscheidung geht es nicht an, das Armenrecht auf einen Teil, etwa nur auf die Widerklage zu beschränken, mag auch die Verteidigung gegen die Klage aussichtlos sein (RGZ 144/132), wie umgekehrt. Die entsprechende Lage ergibt sich für das Kind, dessen Ehelichkeit angefochten wird, selbst wenn sich die Mutter über den Abweisungantrag ungünstig geäußert h a t (OLG Celle NdsRpfl. 47/62, J R 48/291; KG J R 49/121, wenn die Kindesmutter im Scheidungsprozeß ehemalige Beziehungen zu einem anderen Mann zugegeben h a t ; a. M. OLG Köln MDR 51/752 489 , Kiel SchlHA 49/259, Köln N J W 52/229, LG F r a n k f u r t J R 51/153 = Rpfl. 50/475 m. N. ,wenn die Erzeugung infolge räumlicher Trennung unmöglich War; anders ist dies nach OLG Kiel SchlHA 49/260, wenn die Mutter erklärt, sich nicht erinnern zu können). Allerdings darf das Armenrecht nicht bewilligt werden, wenn im Scheidungstreit kein Abweisungsantrag gestellt wird, abgesehen von einer Klage aus EheG § 48, und der Mitschuldantrag keine Aussicht auf Erfolg hat (OLG N J W 50/111 8 ) oder wenn ein aussichtloser Klageabweisungantrag gestellt wird. Sind sich die Parteien über die Scheidung einig, so hat OLG JMB1. N R W 51/54 dem Beklagten das Armenrecht nicht bewilligt. b 4. Bei mehreren Ansprüchen ist grundsätzlich jeder besonders zu prüfen; anders ist dies, wo einheitlich (über Klage und Widerklage) zu entscheiden ist (RGZ 135/18). Bei notwendigen Streitgenossen darf nicht einem der Streitgenossen das Armenrecht wegen Aussichtlosigkeit verweigert, dem anderen dagegen mit umgekehrter Begründung bewilligt werden (soweit die Überlagerung der Ansprüche besteht, vgl. § 62 A I I d). B IV. Selbst die aussichtreiche Klage darf aber nicht mutwillig sein. a) Davon kann nur die Rede sein, wenn der Partei auch ohne weitere Rechtverfolgung das, was sie erstrebt, zufällt. a 1. Soweit die Partei die Klage nach Erlaß eines Urteils zurücknehmen will, bedarf es insoweit nicht mehr der Einlegung des Rechtmittels (§ 271, vgl. § 511 B I I c). Als mutwillig wurde es auch angesehen, wenn die Partei, a n s t a t t im Mahnverfahren zu klagen, Klage vor dem Landgericht erheben wollte (OLG MDR 55/556). Mutwillig ist es, wenn die Partei die E n t lassung des alten Armenanwalts zu vertreten hat in bezug auf die Mehrkosten (OLG J W 32/124 29 ). a 2. Dagegen darf dem Gegner nicht abgeschnitten werden, in die Rücknahme der K l a f e zu willigen bzw. Verzichturteil zu nehmen bzw. Verlustigkeitbeschlüsse oder auch, wenn sie nur einen Kostentitel erlangen (a. M. KG J W 35/229 2 33 ), oder das Urteil formal richtigstellen will (a. M. OLG JMB1. N R W 53/81; abgesehen von dem Fall, wo dies nach § 319 in der alten Instanz geschehen kann). Haben die Parteien die landgerichtliche Zuständigkeit vereinbart, so geht es nicht an, der armen Partei dann das Armenrecht nicht zu bewilligen, weil sie sonst vor dem AG ohne Bewilligung den Streit hätte austragen können (abweichend OLG Recht 32/25; OLG Seuff. 85/35 hat teilweise bewilligt). Der Partei, welche mit erheblichem Risiko behaftete Geschäfte eingegangen ist, darf nicht aus diesem Grunde das Armenrecht verweigert werden (a. M. OLG N J W 53/147). Auch darf die arme Partei nicht an die Arbeitgerichte verwiesen werden, wenn sie im dortigen Verfahren nach ArbGG § 3 vorgehen könnte, weil sie dazu nicht gezwungen werden darf (a. M. KG J W 32/2912 53 ), oder auf Privatklage an Stelle der beabsichtigten vorbeugenden Unterlassungklage (a. M. OLG JMB1. N R W 49/113). Auch braucht die Partei nicht den Ausgang eines Strafverfahrens abzuwarten (a. M. OLG VersR 53/151 bei Schadenersatzansprüchen). Sie darf mit der Berufung die Feststellung des Ehebruchs und des Ehebrechers verfolgen (a. M. KG [West] J R 50/278), oder mit der Statusklage (soweit man diese zuläßt, vgl. § 640 C I b) die Feststellung der nicht eheliehen Vaterschaft betreiben, möge auch ein rechtskräftiges Urteil über Unterhaltleistungen an das uneheliche Kind vorliegen (a. M. OLG JMB1. N R W 54/84). b) § 114 I 2 bezeichnet es als mutwillig, wenn die Vollstreckung aussichtlos ist bzw. mit Rücksicht darauf eine nicht arme Partei nur einen Teilbetrag einklagen würde. b 1. Auf die Vollstreckung sollte es indes nur abzustellen sein, wenn sie für alle Zeiten wahrscheinlich aussichtlos ist.
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c) Ehe man eine arme Partei auf Teilklage beschränkt, sollte man bedenken, daß ihr dadurch niemals ein Verfahren, das mit dem LG beginnt und das die Revisionsumme erreicht, abgeschnitten werden darf (a. M. OLG H R R 39/39). Dann aber ist es für den Staat, der insoweit nur die Armenanwaltkosten mit gewissen Höchstgrenzen bezahlt, gleichgültig, ob er es voll oder zum Teil gewährt. Dies gilt auch, wenn eine arme Partei auf die Teilklage des Gegners Widerklage auf negative Feststellung erheben will, selbst wenn der Sachverhalt zur Klage noch nicht geklärt ist (a. M. OLG Recht 26/1512), wenn sie schon das Armenrecht zur Verteidigung auf die Klage hat. c 1. Auch darf nicht bloß zum Teil bewilligt werden, wenn ein Fristablauf droht (im besonderen die Verjährung, RGZ 163/9folg.). c 2. Hatte der Kläger indes das Armenrecht für das Ganze nachgesucht, ist ihm aber nur zur Verfolgung eines Teiles seines Anspruchs das Armenrecht bewilligt worden, so hat RGZ 163/9 einen Fall des BGB § 203 II angenommen. Unzulässig ist die Bewilligung des Armenrechts unter Beifügung der Bedingung, daß der Kläger bestimmte Ansprüche fallen läßt oder auf die Hälfte herabsetzt (RGZ 152/37 [41]), in solchen Fällen ist die beigefügte Bedingung unwirksam. Führt die Partei trotz teilweiser Bewilligung voll durch, so sind die freien Kosten nach RGZ 146/78 so zu berechnen, wie wenn der freie Streitwert allein zu berücksichtigen wäre, nach BGH 13/373 dagegen unter Vorabzug des Streitwerts für die Armenrechtbewilligung. d) In der Rechtmittelinstanz kommt eine Ablehnung des Armenrechts wegen Mutwilligkeit schon deshalb nicht in betracht, weil für den unterlegenen Teil der Anspruchverlust droht, der stets dem Argument der Mutwilligkeit entgegensteht (a. M. BGH v. 11. 7.1952 I I I ZR 200/52). C. Für Ausländer gibt es das Armenrecht kraft Verbürgung, ausländische Mitglieder der Streitkräfte sind nach Truppenvertrag Art. 9 IV 1 (Kommentar GVG § 18 B IV h) den Deutschen gleichgestellt. Staatenlosen wird es nach der Fassung des § 114 II nach Ermessen, doch praktisch stets gewährt, soweit sie im Inlande ansässig sind (vgl. § 114 C I I a); so daß man im Verhältnis zu Inländern zumindest gewohnheitsrechtlich keinen Unterschied mehr macht. C I. Über die Bewilligung des Armenrechts für Ausländer entscheidet nach § 114 I I 1 die Verbürgung der Gegenseitigkeit, abgesehen von den sonst zu erfordernden allgemeinen Gegebenheiten (vgl. § 114 B). Über den Begriff des Ausländers vgl. § 110 A I (der unter § 606 b I 2 fallende Gatte wird wie ein deutscher behandelt, OLG JMB1. NRW 54/161 ; Kommentar § 110 C III). Über den der Verbürgung der Gegenseitigkeit in Armensachen vgl. § 110 D. a) Soweit es sich um Streitigkeiten nach dem BEG handelt, ist § 114 II 1 gemäß BEG § 209 II nicht anzuwenden. C II. Die Bewilligung des Armenrechts an einen Staatenlosen läßt § 114 II 2 unter Voraussetzung der allgemeinen Gegebenheiten (§ 114 B) zu. Über den Begriff des Staatenlosen vgl. § 110 A II. a) Unter den Staatenlosen haben eine besondere Stellung die, welche unter AHKG 23 Art. 3 fallen; ebenso die, welche heimatlose Ausländer i. S. des G v. 25. 4.1951 (BGBl. I 269) — vgl. seinen Art. 11 — und Flüchtlinge sind, welche unter das Abkommen v. 28. 7.1951 (vgl. G v. 1.9.1953 [BGBl. II 559]) fallen, und die sämtlich unter den dort gegebenen Voraussetzungen wie Inländer zu behandeln sind (vgl. § 110 A I I a ) . b) Bei den sonstigen Staatenlosen ist es gleichgültig, in welchem Lande Bie sich aufhalten, dem inländischen wird es wie einem Inländer zu gewähren sein, dem ausländischen wie dem Ausländer des betreffenden Landes (Kommentar § 110 A II a 2). D. § 114 III gewährt den sog. „Parteien kraft Amtes" (vgl. über den Begriff § 50 B IV) unter den allgemeinen Voraussetzungen (§114B) das Armenrecht und unter weiteren besonderen Voraussetzungen, nämlich sofern sie weder aus der verwalteten Vermögenmasse noch von den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten die Kosten aufbringen können. Die Bestimmung ist im wesentlichen auf die Rolle des Konkursverwalters zugeschnitten, für
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die übrigen sog. Parteien krait Amtes (im besonderen den Testamentvollstrecker) mildert sie regelmäßig bloß den Armutbegriff. Liegen aber ihre Voraussetzungen vor, so steht es nicht mehr im Ermessen des Gerichts, ob es das Armenrecht bewilligen will. D I. Sieht man von Kenkurs-, Nachlaßkonkurs-, Zwangverwaltung ab, so sind bei den sog. Parteien k r a f t Amtes die wirtschaftlich Beteiligten i. S. des § 114 I I I nach der hier vertretenen Auffassung (§ 50 C III) die gesetzlich Vertretenen. Daß stets die verwaltete Vermögensmasse zu beachten ist, ergibt sich schon daraus, daß sie dem rechtlich Vertretenen auch rechtlich gehört. Darüber hinaus kommt es aber regelmäßig auf das Vermögen der rechtlich Beteiligten an (der Erbe muß sein persönliches Vermögen zum Prozeß aufwenden; vgl. § 114 B I b 3); dies gilt im besonderen bei Nachlaßverwaltung und Testamentvollstreckung; sind die Erben aber unbekannt, so können die Mittel zur Prozeßführung von ihnen nicht aufgebracht werden: ihr Vermögen ist also außer Betracht zu lassen. D II. Ist der von ihr Vertretene eine juristische Person, so gilt zugleich § 114 IV. Nür für den Konkursverwalter gilt ersichtlich die Regel des § 114 I I I in vollem Umfang. Sie sieht davon ab, ¿aß der Gemeinschuldner arm ist (seine Armut wird durch den Konkurs offenbar; stellt es vielmehr auf die verwaltete Vermögensmasse und die wirtschaftlich Beteiligten, also die Gläubiger (BGHZ 16/290) ab (BGH BB 57/274 hat deshalb auch dem Gemeinschuldrer als Streitgehilfen des Konkursverwalters das Armenrecht versagt; anders ist dies bei eigenem Widerspruch des Gemeinschuldners). Deshalb kann es darauf nicht ankommen, ob ein Anfechtungprozeß oder ein sonstiger Prozeß geführt werden soll (a. M. Jonas § 114 Anm. IV 2); denn als wirtschaftlich Beteiligten sieht das Gesetz nicht den Gemeinschuldner an, so daß dessen Interessen hierbei also gleichgültig sind. Deshalb ist es auch gleichgültig, ob es e i n e juristische oder eine physische Person ist. Der Nachlaßkonkursverwalter ist auch ein Konkursverwalter. Ausländische Konkursverwalter haben im Inland regelmäßig kein Klagerecht (vgl. KO §§ 237, 238). a 1. K a n n der Verwalter nicht einmal die Masseschulden voll begleichen (KO §§ 59, 60), so ist Vermögensmasse die gesamte Aktivmasse, die sich in den Händen des Konkursverwalters findet. Reicht sie nicht zur Bestreitung der Prozeßkosten aus, so ist zunächst zu prüfen, ob die Masseschuldner die Mittel aufbringen können oder ob sie selbst arm sind. Kann andererseits die geltend gemachte Forderung nur die Masseschulden decken, so darf auf die Massekostengläubiger und die Konkursgläubiger nicht zurückgegriffen werden (RG H R R 36/1670); anders wenn und soweit auch sie zum Zuge kommen würden, wenn die Klage Erfolg hat. a 2. Können aber die Masseschuldner voll befriedigt werden, so muß dies geschehen (KO § 60); lassen sich dagegen nicht alle Massekosten (KO § 58) voll begleichen, so kommt als Aktivmasse nur die abzüglich der Masseschulden zur Bewertung, und als wirtschaftlich Beteiligte sind die Massekostengläubiger in der Rangfolge der KO § 60 anzusehen, und wenn bei Gewinn des Prozesses nicht bloß die Massekostengläubiger befriedigt werden können, sondern auch die Konkursgläubiger, diese, soweit sie zum zuge kommen. a 3. Können Masseschulden und Massekosten berichtigt werden, so h a t dies zu geschehen (KO § 57); als Aktivmasse bleibt dann der Rest, und wirtschaftlich Beteiligte sind die Konkursgläubiger, und zwar entsprechend den einzelnen Klassen der KO § 61. Greifen nun die einzelnen Gläubigerklassen ineinander über, so werden die späteren Klassen u. U. nur teilweise heranzuziehen sein (nämlich insoweit, wie sich für sie eine Quote ergibt). a 4. K o m m t es nur noch auf die gewöhnlichen Konkursforderungen an (KO § 61 I 6), so sind bei der Aktivmasse Kosten und Masseschulden wie sämtliche vorangehenden bevorrechtigten Forderungen abzusetzen. Der verbleibende Kreis der Konkursgläubiger wird verhältnismäßig groß sein. a 5. J e nach der Größe der dann anfallenden Quote läßt die Praxis kleine Forderungen ganz weg, stellt es auf die Hauptgläubiger ab und prüft, ob ihnen und gegebenenfalls welcher Kostenbeitrag zuzumuten ist (RG H R R 35/284; Konkursgläubiger der vom Konkursverwalter bestrittenen Forderungen sind nach KG J W 37/50 38 nicht auszunehmen, doch ist ihnen der Beitrag nicht zuzumuten). Die Tatsache, daß die Konkursgläubiger ablehnen, Vorschüsse zu zahlen, genügt nicht, u m das Armenrecht zu bewilligen (RG H R R 36/1670), auch genügt nicht
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eine formularmäßige Umfrage des Konkursverwalters; welche Unterlagen das Gericht zur Nachprüfung der Armut der Beteiligten fordert, steht aber in seinem Ermessen. Die Unterlagen nach § 118 I I werden nicht gefordert (RG H R R 36/1670). Bewilligt wird das Armenrecht nur, wenn sie alle nicht in der Lage sind, den Vorschuß aufzubringen (RG Konkurs- u. Treuhandwesen 36/166); im übrigen prüft die Praxis nach Lage des Einzelfalles großzügig (RGZ 148/196). b) Ist der Konkursverwalter Beklagter, so kommt es nur auf diejenigen an, deren Quote geringer werden würde, wenn der Gegner obsiegt. D III. Bei der Zwangsverwaltung kommt eine Armenrechtsbewilligung regelmäßig nicht in betracht. Der betreibende Gläubiger muß hier den erforderlichen Kostenvorschuß leisten, andernfalls ist das Verfahren aufzuheben (ZVG § 161 I I I ) . D IV. B G H v. 17. 5. 1955 V Z R 217/54 hat dem Nachlaßverwalter unter Hinweis auf § 114 I I I (Gleichstellung mit dem Konkursverwalter) das Armenrecht versagt. D V. B G H N J W 55/1556 hat § 114 I I I auf den Testamentvollstrecker angewandt. E . § 114 I V gewährt die Möglichkeit, einer inländischen (nicht der ausländischen, doch kann dieser das gleiche Recht eingeräumt werden; dies ist bislang nur durch Staatsvertrag geschehen; auf verbürgte Gegenseitigkeit allein kommt es hier also nicht an) juristischen Person das Armenrecht zu gewähren, und zwar unter den allgemeinen Gegebenheiten (§ 114 B ) und weiteren besonderen. F a ß t man den Begriff des Inlands im Sinne des Gerichtsinlands (vgl. § 12 A I I a 2), so wäre den juristischen Personen der D D R das Armenrecht nicht zu bewilligen (LG M D R 52/43 1 2 ). Zu bewilligen ist das Armenrecht (ohne weiteres Ermessen), wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. E I. Zunächst darf wie im Konkursfalle nicht nur die juristische Person vermögenslos sein, sondern es müssen auch die wirtschaftlich hinter ihr stehenden (physische und juristische) Personen arm sein, also ihre Mitglieder (RGZ 148/196: für die Gesellschafter einer GmbH); auf die Gläubiger der juristischen Person kommt es nicht an (RGZ 148/196). Aber auch hier tendiert man dahin, sich mit der Armut des Hauptbeteiligten zu begnügen, sonst ist es auf den Anteil der Beteiligten abzustellen. E II. Darüber hinaus verlangt aber das Gesetz, daß die unterlassene Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen müßte. Der Begriff des allgemeinen Interesses deckt sich nicht mit dem des öffentlichen Interesses (abweichend: B G H v. 8. 7 . 1 9 5 2 I Z R 58/52) oder dem des Gerichts (LG Kassel M D R 54/45 2 7 ) an der Entscheidung und auch nicht mit dem besonderen der Mitglieder der juristischen Person, sondern mit ihrem Interesse, verbunden mit dem ihrer Gläubiger, also wenn die juristischen Personen notleidend werden, ohne den Prozeß führen oder ohne sich in einem solchen verteidigen zu können. E III. Bei Gesamtparteien muß jedes einzelne Glied arm sein und die Gesamtpartei mit ihrem Vermögen ebenfalls für die Kosten nicht aufkommen können (vgl. § 114 B I a). F . An die Bewilligung wie die Verweigerung des Armenrechts knüpfen sich eine Reihe von Folgen, von denen nur ein Teil in diesem Titel geregelt ist. F I. Wird über ein rechtzeitig (BGH N J W 55/345®, vgl. § 233 C I) eingereichtes Armenrechtsgesuch nicht rechtzeitig entschieden, a) so daß die Frist zur Erhebung der Klage nicht eingehalten werden kann, so wird B G B § 203 unmittelbar oder entsprechend angewandt; ist mit dem Armenrechtsgesuch schon eine Klageschrift eingereicht, so gilt ihre Zustellung bzw. Mitteilung (§ 187, vgl. auch §§ 261b I I I , 496 I I I bei demnächstiger Zustellung). Die durch das Armen rechtsverfahren eintretende, vom Antragsteller nicht zu vertretende Verzögerung hat B G H LM § 261 b/4 abgestrichen. Sind mit der Klageerhebung Notfristen zu wahren, so gilt das zu § 114 F I b Erläuterte. b) Wird von der Rechtsmittel-(behelf-)instanz nicht so rechtzeitig entschieden, daß noch die laufenden Rechtsmittel-(behelf-)fristen gewahrt werden können, so gibt es bei bescheinigter Armut die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. dazu im einzelnen § 233 C I).
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F II. Die Versagung des Armenrechts kann gegenüber der Partei, die es nachgesucht hatte, eine schuldhafte Amtspflichtverletzung sein (GG Art. 34, B G B § 839). Dagegen ist die Bewilligung eines aussichtslosen Armenrechts nach RGZ 155/218 weder eine Amtspflichtverletzung gegenüber dem Antragsteller noch gegenüber dem Antragsgegner. F I I I . Ob gerichtliche Handlungen, die ein Armenrechtgesuch betreffen, in Ansehung der Hauptsache vorgenommen worden sind, ist streitig (bejahend R G N §§ 114—127/3; a. M. OLG J W 36/1309 4 0 ). F IV. Ob über Armenrechtgesuche in den Gerichtferien in Nichtferiensachen entschieden werden darf, vgl. GVG § 200 C I b ; und ob nur für das Armenverfahren die Sache zur Feriensache erklärt werden darf, vgl. GVG § 200 C I b. F VI. OLG NdsRpfl. 49/200 wollte in der Erklärung des Berufungsklägers, er werde die eingelegte Berufung im Rahmen des bewilligten Armenrechts durchführen, eine Zurücknahme der weitergehenden Berufung sehen, was indes nicht angeht (vgl. § 515 B IV b).
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Durch die Bewilligung des Armenrechts erlangt die Partei: 1. die einstweilige Befreiung von der Berichtigung der rüchständigen und künftig erwachsenden Gerichtskosten, einschließlich der Gebühren der Beamten, der den Zeugen und den Sachverständigen zu gewährenden Vergütung und der sonstigen baren Auslagen; 2. die Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten; 3. das Recht, daß ihr zur vorläufig unentgeltlichen Bewirkung von Zustellungen und von Vollstreckungshandlungen ein Gerichtsvollzieher und, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte ein Rechtsanwalt beigeordnet werde.
I I Ist die arme Partei imstande, die Kosten des Prozesses ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts zu einem Teil zu bestreiten, so ist zu bestimmen, daB wegen dieses Teiles die einstweilige Befreiung von der Berichtigung der Gerichtskosten sowie der Gebühren und Auslagen des Anwalts nicht eintritt; das Gericht kann statt dessen auch bestimmte Gebühren ganz oder teilweise von der Befreiung ausnehmen. In den Fällen des § 114 Abs. 2 Sa'z 2 Abs. 8 und 4 gelten diese Vorschriften entsprechend. B I . Nach § 115 1 1 wird die arme Partei von der Bezahlung rückständiger und künftig entstehender Gerichtsgebühren und Auslagen einstweilen befreit. a) Die Befreiung für Rückstände erstreckt sich nur auf die Instanz, in der das Armenrecht bewilligt worden ist, weil es nur insoweit bewilligt werden darf (§ 119 I), nicht also auf Rückstände anderer Instanzen, im besonderen nicht auf die in der unteren Instanz entstandenen, wenn das Armenrecht in der höheren Instanz bewilligt wird (OLG J W 25/2356 3 1 ). a 2. Bereits bezahlte Kosten sind nicht zurückzuerstatten (RGZ 126/301); auch nicht bei Bewilligungen mit rückwirkender Kraft (vgl. dazu § 114 B I I c 2), wohl aber wenn sie — versehentlich — noch nach Bewilligung des Armenrechts eingezogen worden sind (RG J R 27 B 68). b) Die Befreiung erstreckt sich auf die Gerichtskosten, d. s. die Gebühren und die Auslagen. b 1. § 115 1 1 erwähnt dabei besonders die an Zeugen Und Sachverständige zu zahlenden Gebühren wie die Gebühren an Beamte; damit entfällt zugleich die Vorschußpflicht nach §§ 379, 402 (RGZ 109/66 [68]), auch wenn die Beweisaufnahme zugleich zur Widerklage stattfindet (RGZ 55/268), für die derselben Partei das Armenrecht nicht bewilligt ist; für das Verhältnis zum Gegner vgl. § 120. Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Bereitstellung des Gutachtengegenstandes (RG J R 25 B 42), einschließlich der Parteivernehmung und der Untersuchung der Partei (OLG 27/54).
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b 2. Aber auch von sonstigen Auslagen ist die arme Partei freigestellt. Ob die Partei, die verpflichtet war, Abschriften selbst zu fertigen, vom Auslagenersatz freigestellt ist, ist streitig (OLG N J W 57/1157 hat dies für die zweite Urteilsabschrift bejaht). Jedenfalls sind sonst von der armen Partei, wenn sie Abschriften beantragt, Schreibgebühren zu entrichten (RGZ 103/340). Dies gilt auch für die Reisekosten (RGZ 145/357 [359]), Verpflegungmehr- und Übernachtungkosten (OLG J W 35/2909 38 ) der armen Partei; danach entscheidet das Gericht über Vorschußbewilligungen (vgl. Z+SGebG §§13, 15; BRAGebO §12611). Gegen die Ablehnung der Vorscbußbewilligung ist die Beschwerde nach § 127 gegeben (OLG N J W 56/473). b 8. Reisekostenvorschüsse sind der armen Partei nicht bloß zur eigenen Beweisführung, sondern auch zur Verteidigung gegen die des Gegners zu gewähren (§ 120, a. M. RGZ 63/408: nur wenn der Gegner sich auf die Parteivernehmung der armen Partei beruft). b 4. Nicht zu den gerichtlichen Auslagen gehören weitere Aufwendungen der Partei, im besonderen zur Beweisermittlung (RG J W 96/102), die für WohnungausküDfte (KG J W 30/3352 50 ) oder für eine ärztliche Untersuchung. Auch werden Kosten eines Dolmetschers grundsätzlich nicht ersetzt, es sei denn, daß dieser vom Gericht wie ein Sachverständiger hinzugezogen wird, dann sind seine Kosten Gerichtsauslagen (KG J W 37/560 29 ) oder daß seine Hinzuziehung etwa durch den Anwalt, um sich mit seiner taubstummen Partei verständigen zu können, (durch Gerichtsbeschluß) genehmigt wird (KG J W 35/792 3 ). Auch der für die Zwangsverwaltung zu leistende Kostenvorschuß (ZVG § 161 III) wie die Vorschüsse des Vorinstanzgläubigers nach ZVG § 25 I 2 sind keine Gerichts-, sondern Parteiauslagen. Kosten zur Empfangnahme des Streitgegenstandes, die einer darauf gerichteten Vollmacht bedarf, gehören nicht zu den Armenkosten. B II. Die zweite Wirkung der Armenrechtbewilligung ist die Befreiung von der Prozeßkostensicherheitslast (§ 115 I 2); vgl. dazu Kommentar § 110 C II. B III. Die dritte Wirkung ist nach § 115 I 3 die Befreiung von Aufwendungen für Zustellungen, Vollstreckungen und Anwälte im Anwaltprozeß (§ 78 I). a) Der Gerichtsvollzieher muß für die arme Partei (im Rahmen der Beiordnung: AG DGVZ 52/41) unentgeltlich tätig werden, sofern er seine Gebühren nicht sogleich vom Gegner beitreiben kann (vgl. §§ 124, 788, GVGebG § 7, der eine Vorwegbefriedigung des GV nur aus 1 / 6 des Erlöses zuläßt, wenn dieser nicht ganz zur Befriedigung ausreicht). Streitigkeiten hierüber sind nach § 766 II, GVGebG § 9, GKG § 4 auszutragen. a 1. Für die Zustellungen hat die Vorschrift nur dort ihre Bedeutung, wo sie noch durch die Partei zu bewirken sind (vgl. §166 A I ) ; wo das Gericht (jetzt) zustellt, entstehen Ge richtsau klagen, die unter §115 1 1 fallen. Soweit noch die Partei selbst die Zustellung bewirken muß, muß sie im Regelfall dazu den Gerichtsvollzieher unmittelbar (§ 166 I) oder u. U. durch Vermittlung der Geschäftstelle (§ 166 II) angehen. Hier wird sich der Gerichtsvollzieher dann im Regelfall der Post (welche die arme Partei nicht unmittelbar angehen kann) bedienen (§§ 193folg.). Wird indes die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher selbst ausgeführt, so ist die arme Partei von den Auslagen auch dann befreit, wenn sie vom Gegner nach § 197 nicht erstattet verlangt werden dürfen. Ist im Auslande zuzustellen, so wird die arme Partei sich des Gerichts bedienen müssen oder doch bedienen dürfen (vgl. §168; dann fallen die Kosten aber unter § 115 11). a 2. Zu Vollstreckungen darf sich die Partei des zuständigen Gerichtsvollziehers bedienen, sofern der Partei auch für die Vollstreckung das Armenrecht bewilligt worden ist. b) Im Anwaltprozeß (§ 78 I) wird der armen Partei regelmäßig ein Anwalt beigeordnet (RG v. 2. 2. 1932 II Warn. 52 = LZ 96514 spricht hier von dem unverzichtbaren Recht der Partei auf Beiordnung eines Anwalts), auch wenn die Partei dies nicht ausdrücklich beantragt (RG v. 22. 10. 1909 VII Warn. 10/44, KG [Westl J R 50/53); anders, wenn sie ausdrücklich bittet, davon Abstand zu nehmen, vgl. auch § 114 B II b 4. Über den Umfang der Beiordnung entscheidet BRAGebO § 122. Die Beiordnung erstreckt sich auch auf Handlungen, die nicht dem Anwaltzwang unterliegen (KG J W 35/1506 24 ), im besonderen bei Handlungen vor dem beauftragten oder dem ersuchten Richter, soweit dieselbe Instanz dadurch gewahrt wird (vgl. § 119 I, § 114 B I I I b); soweit sich die Beiordnung auf die Voll-
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Armenrecht
§115
B III b
Streckung bezieht, wird davon auch die Tätigkeit gegenüber dem Grundbuchamt ergriffen (etwa bei Eintragung der Zwangshypothek: KG H R R 29/1530); aber nicht bei der Beschwerde aus der Vollstreckung, weil dadurch die Instanz (vgl. § 119 A) überschritten wird (KG J W 37/3248 43 ). Abgesehen vom Teilarmenrecht (§ 115 II) und den in BRAGebO § 122 zugelassenen Fällen darf im Anwaltprozeß (anders im Parteienprozeß, § 116 A I) das Armenrecht nicht auf bestimmte Verfahrensabschnitte beschränkt werden (also nicht bloß auf den Vergleichabschluß, KG J W 34/1179 4 ; RGZ 144/131, im Eheprozeß nicht bloß auf die Stellung eines Mitschuldantrags), und auch nicht bedingt erteilt werden, etwa für den Fall streitiger Verhandlung (KG J W 36/3072 44 ). b 1. Ist indes die arme Partei selbst zugelassener Anwalt, so ist von der Beiordnung abzusehen (§ 78 III). Dasselbe gilt in all den Fällen, wo der Anwalt der Partei vorschußpflichtig ist oder wenn die Partei einen Wahlanwalt nimmt, der nicht der beigeordnete Anwalt ist (vgl. § 115 A I). Dies gilt entsprechend in dem Fall des § 114 III, IV, wenn ein Anwalt vorhanden ist, der zu den wirtschaftlich Beteiligten gehört, die die Prozeßkostenmittel sonst aufzubringen hätten, bevor das Armenrecht bewilligt werden darf. Für sonstige gesetzliche Vertreter gilt dies aber nicht; sind sie zugelassene Anwälte, so sind sie beizuordnen (also auch wenn ein zugelassener Anwalt Vormund oder Pfleger ist: OLG N J W 51/276),was auch für die sog. Parteien kraft Amtes (§ 50 B IV) gilt (KG J W 28/918 1 ). b 2. Der Anwalt wird vom Vorsitzenden (RG Warn. 40/70) des Gerichts aus den bei dem Gericht zugelassenen Anwälten, die sich zur Übernahme von Armenmandaten bereit erklärt haben, namentlich ausgewählt und beigeordnet. Während bis 1934 turnusmäßig, ohne Rücksicht auf die Wünsche der Partei, beigeordnet wurde, geschieht dies jetzt grundsätzlich nach ihren Wünschen, wenn auch bisweilen betont wurde, daß die Partei keinen Anspruch auf Beiordnung eines bestimmten Anwalts habe (OLG MDR 50/620 351 ). Bei simultan zugelassenen Anwälten wird ihr und der Partei Wohnsitz maßgebend zu berücksichtigen sein. Soweit im gewerblichen Urheberrecht bestimmte Gerichte ausschließlich zuständig sind und dadurch im weiteren Umfange eine Simultanzulassung eingeführt worden ist (vgl. PatentG § 51 III, GebrMG § 19 III, WZG § 32 III), wird regelmäßig nur dann einem Wunsche der Partei nachzugeben sein, wenn sie einen am Prozeßgericht zugelassenen Anwalt nennt; in Entschädigungstreiten werden nur die bei den zur Entscheidung berufenen Gerichten allgemein zugelassenen Anwälte beigeordnet (BGH MDRB 260/55). Wird der gewünschte Anwalt nicht beigeordnet, so hat die Partei wie der — beigeordnete — Anwalt das Recht der Beschwerde nach §§ 567 folg. gegen die Entscheidung eines erstinstanzlichen landgerichtlichen Vorsitzenden (§ 116b I I I 1); bei nicht unangemessener Auswahl wird aber die Beschwerde zurückgewiesen: KG J W 31/1126 60 ). Auch der nicht beigeordnete (von der Partei vorgeschlagene) Anwalt hat ein eigenes Beschwerderecht. Der — beigeordnete — Anwalt hat das Recht der Beschwerde gegen seine Beiordnung, nicht aber gegen die Bewilligung des Armenrechts an die arme Partei (vgl. RG J W 90/451). Wird ein Armenanwalt auf seinen Antrag abberufen, so ist der armen Partei regelmäßig sogleich ein anderer beizuordnen; gegen diese Unterlassung hat sie die Beschwerde (RG Warn. 11/52; §116 b I I I 1); anders ist dies, wenn die arme Partei die Enthebung zu vertreten hat (vgl. § 114 B IV a 1). b 3. Durch die Beiordnung allein erlangt der Rechtsanwalt noch nicht die Stellung des postulationfähigen Vertreters der Partei (§ 78 I), sondern erst durch seine Bestellung (§ 80 A I ; so daß an ihn auch noch nicht nach § 176 zugestellt werden darf, sondern an die sonst Berufenen, RGZ 135/304). Wird ihm aber zugestellt und bestellt er sich danach, so wird der Mangel nach § 295 I rückwirkend heilbar. Die h. M. verlangt ferner die Erteilung einer Vollmacht der armen Partei an den beigeordneten Anwalt (RG J W 36/2799 12 ); auch wenn in dem Gesuch die Auswahl dem Gericht überlassen bleibt (KG J W 35/1700 23 ), und selbst, wenn die Partei ihn benannt hat und der Benannte beigeordnet wird. Ist er schon für die Partei als Wahlanwalt oder bei Einreichung des Gesuchs für die Partei tätig geworden, so h a t er die Vollmacht (RG H R R 37/408). Darüber hinaus muß aber die Vollmachterteilung der armen Partei, für die sich noch kein postulationfähiger Anwalt bestellt hat, aus dem Armenrecht"gesuch entnommen werden; denn der beigeordnete Anwalt haftet, wenn er bei Gefahr im Verzuge nicht eingreift (RGZ 115/60 [62]). Hat allerdings die Partei um die Bei-
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III b 3
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Ordnung eines bestimmten anderen Anwalts gebeten und darüber hinaus erklärt, daß sie nur diesen beigeordnet wünsche, so ist auch kein anderer beizuordnen, wenn dem Wunsche nicht gefolgt wird. Nur wenn in einem solchen Fall ein anderer Anwalt beigeordnet wird, kann die Vollmachterteilung durch die Partei an den Beigeordneten nicht angenommen werden. Die arme Partei kann auch dem Armenanwalt die Vollmacht entziehen (also wie beim Wahlanwalt). Doch wird damit nicht die Bestellung im Anwaltsprozeß aufgehoben, sondern erst durch Bestellung eines anderen Postulationsfähigen (RGZ 95/337, § 87 I). Andererseits kann auch der Armenanwalt, ohne Rücksicht auf die Beiordnung wie auf die Vollmachterteilung zu nehmen, niederlegen (a. M. RGZ 89/42); doch muß er die Ablehnung — bei Vermeidung einer Schadenersatzpflicht — unverzüglich (BGB § 121 I) erklären (BRAO § 44). Handelt der Beigeordnete tatsächlich nicht (er soll es aber nicht, weil Kontrahierungszwang besteht, BRAO § 48 11), so ist dann von gerichts wegen ein anderer Anwalt beizuordnen, so daß gegen die arme Partei, der ein Armenanwalt beigeordnet war, nicht Versäumni3urteil ergehen darf, wenn die Partei ihm nicht die Vollmacht entzogen hat oder er gerichtlich — ohne Neubestellung eines anderen Anwalts — abberufen worden ist (RGZ 87/298). Schließlich e n d e t d i e B e s t e l l u n g des Armenanwalts weder durch die förmliche Aufhebung der Armenrechtsbewilligung (RG J W 32/109 2 ) noch durch den Tod der armen Partei (vgl. § 122 A I), wie § 87 ergibt. b 4. Das Vertragsverhältnis der armen Partei zum Armenanwalt unterscheidet sich von dem zum Vertrauensanwalt nur darin, daß die arme Partei von der Bezahlung der Gebühren und Auslagen des Anwalts (einstweilen) befreit ist. Die Prozeßvollmacht des Anwalts entspricht der des Vertrauensanwalts. Über die Grenzen der Beiordnung innerhalb der Instanz vgl. § 115 B I I I b 6. Dementsprechend muß auch der Armenanwalt die nach dem Prozeßrecht erforderlichen Abschriften selbst fertigen (über Urteilsabschriftcn zur Zustellung: Kommentar § 119 B I b 2). Doch ist dem Armenanwalt der Anspruch auf eine Abschrift des Armenrechtsgesuches zugebilligt worden (OLG 21/170). Der Anwalt muß ferner die Partei auch über Ansprüche belehren, für die er nicht beigeordnet ist, wenn sie sich aus demselben Rechtsverhältnis (§ 253 B I I c 2) ergeben, also auch die Partei, die er nur zum Teil als Armenanwalt vertritt. Hierher gehört die Belehrung über den Ablauf der Verjährung (gegenüber dem Gegner wie gegenüber einem regreßpflichtigen dritten) und die Pflicht aufzuklären, wie sich die Partei Unterlagen beschaffen kann (RG H R R 32/1600), u. dgl. m. b 5. Nur soweit der Armenanwalt über eine Sonderleistung, die durch das Armenrecht nicht gedeckt ist und zu deren Vornahme der Armenanwalt als solcher nicht verpflichtet war, kann er wirksam eine Vergütung vereinbaren (OLG H R R 28/1254). Andererseits darf die Partei dem Armenanwalt die Gebühren bezahlen (vgl. BGB § 814), und der Anwalt darf die Zahlungen auch annehmen (OLG 43/135). Gezahlte Vorschüsse braucht er nicht zurückzuzahlen (RG J W 30/1488 3 ; und darf es nicht etwa zu Lasten der Staatskasse), selbst wenn er sie vor seiner Beiordnung erhalten hat. Der Vorschuß ist vielmehr auf die insgesamt entstandenen Kosten zu verrechnen (RGZ 111/34). War der Anwalt zuvor Vertrauensanwalt, so kann er ab Beiordnung nicht mehr die Erfüllung eines Honorarversorechens fordern (KG J W 31/1101 1 ); es geht in eine Naturalobligation über. Sein sonstiges Recht auf Entgeltung durch die Partei, das bis zur Beiordnung — bei Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt der Rückwirkung (RG J W 36/3185 9 ) — entstanden ist, wird jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Partei erklärterweise von vornherein ihn nicht auf eigene Kosten, sondern auf Armenrecht in anspruch genommen hat und er damit einverstanden war, wie — nach der hier vertretenen Auffassung — überhaupt in bezug auf Gebührenansprüche, die im Armenrecht entgolten werden (will der Anwalt dies nicht, etwa weil ihn die Partei irregeführt hat, so muß er die Beiordnung ablehnen); nicht aber für vorher entstandene Auslagen. Diese Beschränkungen treten ebenso wie der Ersatzanspruch des Armenanwalts auch ein, wenn er zu Unrecht beigeordnet worden ist (RG v. 14. 2. 1936 V J W 1966 23 für den Fall eines nicht rechtswirksam gewordenen Beschlusses). Erst nachdem ein Nachzahlungbeschluß (§ 125) ergangen ist (also nicht schon, wenn er weiß, daß die Partei vermögend geworden ist) oder wenn er nach E n t ziehung des Armenrechts noch f ü r sie tätig bleibt, darf er von der armen Partei sein Entgelt wie ein Wahlanwalt fordern. Auch darf er auf den Nachzahlungbeschluß hinwirken (vgl. § 125 C I), darüber hinaus h a t er aber keine Möglichkeit, gegen die arme Partei seine An-
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Annenrecht
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sprüche fällig zu stellen (OLG D B 40 A 74 sl ). Wegen der Beiordnung eines Anwalts zur Wahrnehmung eines auswärtigen Beweistermins oder der eines Verkehrsanwalts vgl. § 91 E IV b 3, § 116 A II b 3. b 6. Die Wahrnehmung der Beweistermine vor dem beauftragten Richter ist Sache des Armenanwalts (KG JW 35/150624). Bei der Frage, ob auswärtige Beweistermine durch ihn wahrgenommen werden dürfen, entscheidet zunächst der Grundsatz der Erstattungfähigkeit (vgl. § 91 E IV c 5). Um jedem Zweifel zu entgehen, darf der Armenanwalt das Gericht bitten, darüber zu entscheiden, ob die Reise notwendig ist, bevor er sie antritt (BRAGebO § 126 II). Wird dies abgelehnt, weil die Kosten eines beizuordnenden Beweisarmenanwalts billiger sind (als die Prozeßarmenanwaltkosten), so wird dessen Beiordnung betrieben werden müssen (vgl. OLG NJW 49/873). Wird die Beiordnung abgelehnt, so ist dagegen die Beschwerde nach § 127 in entsprechender Anwendung zulässig (KG DR 40 A 20519). Darüber hinausgehend hat KG J W 33/16045 zugelassen, daß der zum Armenanwalt bestellte Prozeßbevollmächtigte von sich aus den anderen Anwalt beauftragte und ihn bezahlte, sodann seine Kosten als Auslagen liquidierte und im Rahmen der ihm zuzubilligenden Reisekosten ersetzt erhielt (vgl. dazu § 91 E IV c 5), während OLG HRR 35/971 die Zuziehung eines anderen Anwalts durch den Armenanwalt nicht zuließ. b 7. Über die Beiordnung von Verkehrs-(Korrespondenz-)anwälten vgl. § 116 A II b 3. c) Wegen der Beiordnung eines Patentanwalts in Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenstreiten (PatentG § 51, GebrauchsmusterG § 19, WZG § 32) vgl. § 79 A III b, § 116 B IV; wegen der Beiordnung in Verfahren vor dem Patentamt vgl. PatentG § 46 e, GebrMG § 12 II (Kommentar § 91 E V a). Über die Entgeltung des Patentarmenanwalts vgl. Kommentar § 91 E V a. d) Über die Beiordnung von Justizbeamten vgl. § 116 B II, e) über die an Rechtsbeiständen vgl. § 116 B V. C. Das Bruchteilarmenrecht betrifft (wie das Stundung- oder Ratenzahlungarmenrecht) nur den Fall teilweiser Armut, nicht den teilweiser Aussichtlosigkeit (vgl. dazu § 114 B IV b). Von ihm werden nur die Bruchteile an Gericht- und Anwaltkosten ergriffen (§ 115 11). C I. Dagegen bleibt die Partei, der das Armenrecht auch nur zu einem Bruchteil bewilligt worden ist, in vollem Umfange von den Gerichtsvollzieherkosten und von der Prozeßkostensicherheitlast (§115 12) frei; auch darf dann eine Beweisaufnahme nicht von dem Nachweis der Zahlung der Gebühren abhängig gemacht werden (OLG JW 37/107830, abweichend davon will die Vorschußpflicht auf den Bruchteil beschränken: OLG SchlHA 49/211), dies muß dann auch zugunsten des Gegners nach § 120 gelten. Wohl aber bleibt die teilweise Vorschußpflicht des GKG § 111 bestehen (§ 253 F II b 1). Die Vorschrift ist zwingend, richtet sich aber nur an das Gericht. C II. Bei teilweiser Armut muß das Gericht die Partei so stellen, daß sie den Prozeß führen kann, ohne schlechter zu stehen als die völlig arme Partei. a) Das Gericht darf das Armenrecht nur zu Bruchteilen, etwa zu % (RGZ 135/177) bewilligen oder nur die Gerichtskosten oder nur die Anwaltskosten (RG Warn. 10/296) oder nur bestimmte Kosten ausnehmen (etwa alle über einen bestimmten Betrag gehenden oder nur die Prozeßgebühr usw.). a 1. Wird zu einem Bruchteil bewilligt, so werden die Gesamtgebühren von dem vollen Streitwert berechnet, die Auslagen hinzugesetzt (OLG Naumburg JW 37/107830, a. M. Jonas § 115 Anm. VI I, der die Auslagen nach dem Teilstreitgegenstand aufteilen will) und sodann nach dem Bruchteil (etwa yz) aufgeteilt (RGZ 146/78; a. M. BGH NJW 54/1668, der den Unterschied zwischen den Gebühren für den vollen Streitwert und den Gebühren, die durch den vom Armenanwalt gedeckten Teil allein entstehen werden, der Gerichtsgebührenberechnung zugrunde legt). Soweit die Staatskasse dem Armenanwalt (usw.) Gebühren und Auslagen zu erstatten hat, fällt auf sie sodann der andere Teil (RG v. 20. 2.1932 I E 135/177); darüber wie in diesen Fällen die Armenanwaltgebühren nach dem Armenanwalterstattungrecht zu berechnen sind, vgl. § 91 E IV a. Wegen Nichtzahlung des für den freien Bruchteil möglichen Anwaltskostenvorschusses darf der Anwalt das Mandat in bezug auf den Bruchteil kündigen.
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a 2. Wird nur wegeil der Gerichtskosten befreit, so muß die teilweise arme Partei die außergerichtlichen Kosten aufbringen. Daß sie etwa nur von den Anwaltskosten beireit werden würde, nicht aber von den Gerichtskosten, würde gegen das Prinzip verstoßen, daß die Gerichtskasse den letzten Rang hat. a 3. Wird der Partei die Aufbringung eines bestimmten Betrages auferlegt, so muß sie den Betrag vorweg aufbringen, darf ihn aber in erster Linie auf die außergerichtlichen Kosten verwenden (und muß es sogar) und danach erst auf die Gerichtskosten, so daß für diese davon auszugehen sein wird, daß der Betrag für andere Kosten aufgewandt ist. KG DR 40 A 2023 23 hat es jedenfalls für unzulässig gehalten, daß die Armenrechtsbewilligung von einer Zahlung, bevor sie in Kraft tritt, abhängig gemacht wird. b) Ist die Partei nur zur allmählichen Bezahlung des Prozeßaufwands in der Lage und wird ihr von den Beteiligten (Gerichtskasse, Anwälten, vgl. § 114 B) freiwillig keine Stundung gewährt, so darf ihr das Armenrecht mit der Maßgabe bewilligt werden, daß sie ratenweise die Schuld abdeckt, und zwar derart, der Partei das Armenrecht zu bewilligen, gleichzeitig aber die Nachzahlung (vgl. § 125, BGH MDR 53/674 501 ) in Raten anzuordnen. Unzulässig ist es, an die unpünktliche Zahlung schon bei Bewilligung die Bedingung zu knüpfen, daß dann die Bewilligung entfällt (KG J W 35/3484 57 ), wohl aber darf dann das Armenrecht entzogen werden (§ 121). §
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I Insoweit nicht eine Vertretung durch Anwälte geboten oder ein Anwalt gemäß der Rechtsanwaltsordnung beigeordnet ist, kann einer armen Partei zur unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte ein Justizbeamter, der nicht als Richter angestellt ist, oder ein Rechtskundiger, der die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden hat, auf Antrag beigeordnet werden. Die hierdurch entstehenden baren Auslagen werden von der Staatskasse bestritten und als Gerichtskosten in Ansatz gebracht. A I. Der Umfang der Beiordnung — soweit kein Anwaltzwang herrscht — darf sich auf den ganzen Prozeß, für alle Prozeßhandlungen, wie sie ein Prozeßbevollmächtiger vornimmt, erstrecken, aber auch auf die eines Beistandes (§ 90); sie darf sich aber auch auf einzelne Prozeßhandlungen beschränken (§ 83). A II. Die eine Voraussetzung der Beiordnung ist a) der Antrag der Partei. a 1. Die h. M. verlangt (zusätzlich), daß die Partei ihm eine besondere Vollmacht erteile (§ 115 B III b 3). a 2. Für die Abberufung gilt das allgemeine Recht (§ 87). Die Rücknahme der Beiordnung, das Ausscheiden des Beigeordneten aus dem Hoheitverhältnis als Beamter beendet noch nicht seine Stellung als Parteivertreter (RArbG E 11/114). b) Die andere Voraussetzung ist, daß da3 Gericht die Beiordnung für erforderlich hält. b 1. Bei einstweiligen Anordnungen in Ehestreiten ist je nach den Umständen des Falles der Anwalt des Hauptprozesses beigeordnet worden (§ 627 B II a). b 2. Auch soweit nicht vor dem Prozeßgericht Handlungen vorzunehmen sind oder es nicht um Prozeßhandlungen geht, darf — unter denselben Voraussetzungen (§ 119 A II) — beigeordnet werden. Die Beiordnung (von Anwälten) kommt hier im besonderen vor ersuchten Richtern in betracht. Sie wird vom Prozeßgericht ausgesprochen, während die Ernennung des einzelnen Anwalts oder eines nach § 116 Geeigneten das ersuchte Gericht vollziehen darf, wenn sie auch schon das ersuchende Gericht unmittelbar aussprechen darf, soweit die BRAGebO gilt. Aber auch darüber hinaus können die ersuchten Richter beiordnen, also bei Ersuchen aus der DDR. b 3. Darüber hinaus ist aber auch in entsprechender Weise die Beiordnung von Verkehrsanwälten zulässig, soweit dies die BRAGebO zuläßt.
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Armenrecht
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A III. Gegen die Ablehnung der Beiordnung hat die Partei das Recht der Beschwerde; vgl. auch § 1 1 4 B I I I b 2 ) , wobei die Beschwerdeinstanz nach ihrem Ermessen entscheidet (OLG J W 30/335862). B. Beigeordnet werden für die Vertretung bzw. Beistandsleistung bzw. Vornahme einzelner Prozeßhandlungen vor dem Prozeßgericht nach § 116 entweder ein Rechtsanwalt, ein nichtrichterlicher Justizbeamter oder ein Referendar. B I. Die Auswahl eines Rechtsanwalts, der in der Regel beizuordnen sein wird (OLG J W 30/3358: nach dem Ermessen des Gerichts), wird durch das Gericht aus der Zahl der bei dem Gericht zugelassenen Anwälte vorgenommen, und zwar unter dem gleichen Gesichtswinkel wie auch sonst der Anwalt im Anwaltprozeß ausgesucht wird. B II. An Stelle eines Rechtsanwalts darf auch ein Justizbeamter, der nicht als Richter angestellt ist, beigeordnet werden. Als Richter angestellt ist im Sinne dieser Bestimmung jeder, der die zweite Staatsprüfung bestanden hat, sofern er als Richter beschäftigt wird; wird er nur als Rechtspfleger beschäftigt, so ist seine Beiordnung zulässig. Der Begriff des Justizbeamten wird nicht im beamtenrechtlichen Sinne zu verstehen sein, sondern in dem der BGB § 839, StGB § 359, GG Art. 34, also in dem des Hoheitträgers, auch wenn er nur angestellt und nicht Beamter i. S. des Beamtenrechts ist (a. M. LArbG Anw. Bl. 55/232). Angestellt muß er aber bei einem (nicht notwendig bei dem beiordnenden) Gericht sein, nicht bei der Staatsanwaltschaft. Eine Vergütung erhält der Beigeordnete nicht. § 124 ist deshalb unanwendbar (RGSt. 39/118f.). Ihm erwachsende Auslagen werden vom Gericht gezahlt und entsprechend den Gerichtskosten (GKG § 92) behandelt (doch sind es im Verhältnis zum Gegner keine, Kommentar § 124 A III a). Ein Beschwerderecht wird man dem Justizbeamten zugestehen müssen. B III. Beigeordnet werden darf ferner ein Referendar. Im übrigen vgl. § 116 B II. Er erhält nur Auslagen erstattet (bundeseinheitliche Ländervereinbarung v. 22.3.1958 [BW die Justiz 136]). B IV. In Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenstreiten (PatentG § 51, GebrMG § 19, WZG § 32) darf der armen Partei ein Patentanwalt beigeordnet werden (PatentanwaltsG § 1 1), gleichviel ob es sich um einen Anwalt- oder Parteiprozeß handelt. Doch besteht kein Zwang für das Gericht, es zu tun. Ein Beschwerderecht wird man dem Patentanwalt zubilligen müssen. B V. Ein Rechtsbeistand darf grundsätzlich nicht beigeordnet werden (LG J R 51/535). Wo Anwälte fehlen, dürfen u. U. Prozeßagenten beigeordnet werden. Ordnet das Gericht fehlerhaft einen solchen bei, so erwachsen daraus gegen den Staat dennoch die entsprechenden Forderungen. Über ihre Ansprüche gegen die Staatskasse vgl. § 9 1 E V b ; gegenüber der Staatskasse tritt die entsprechende Minderung im Verhältnis zu den Armenanwaltsgebühren ein. §
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I Einer Partei, der dag Armenrecht bewilligt und der ein Rechtsanwalt nach § 115 Abs. 1 Nr. 3 oder nach § 116 Abs. 1 beigeordnet ist, kann das Prozeßgericht auf Antrag einen besonderen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozeßbevollmächtigten beiordnen, wenn besondere Umstände dies erfordern. II Gegen den Beschluß, durch den die Beiordnung eines besonderen Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn das Berufungsgericht den Beschluß erlassen hat. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. A. Einen besonderen Beweis- oder Verkehrsarmenanwalt oder beide erhält die arme Partei durch Beschluß des Prozeßgerichts beigeordnet. A I . Vorausgesetzt wird der Antrag der (prozeßfähigen) Partei, der vom Anwaltzwang befreit ist (§§ 118 I, 78 II). Er bedarf keiner Begründung; doch empfiehlt es sich, besondere Umstände zu behaupten, sofern sie nicht aktenkundig sind. Das Prozeßgericht darf Glaubhaftmachung (§ 294) fordern (§ 118a 11).
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A II. Da es sich u m den Teil eines Armenrechtsverfahrens handelt, sind insoweit auch die Vorschriften über das Armenrechtsverfahren anzuwenden (§§ 118 I, 118 a I, II, III). In den Regelfällen werden die Armenreehtunterlagen (§ 118 II) aber schon vorliegen. Entschieden wird durch Beschluß des Prozeßgerichts auf Grund freigestellt mündlicher Verhandlung. Auch § 118 a I 2 ist anzuwenden. A III. Besondere Umstände a) für die Beiordnung eines Beweisarmenanwalts sollten die sein, daß die Heisekosten der (prozeßfähigen) Partei größer sind als die gewöhnliehen Kosten des Beweisarmenanwalts bzw. daß bei Beiordnung des Beweisarmenanwalts geringere Kosten als durch die Reise eines als Prozeßbevollmächtigten beigeordneten Armenanwalts entstehen bzw. daß es der Partei bzw. ihrem Prozeßarmenanwalt nicht zugemutet werden kann zu reisen bzw. wenn sie dazu nicht in der Lage sind. Dagegen sollte man es grundsätzlich nicht auf die besondere Wichtigkeit der Beweisaufnahme abstellen; denn es ist von der Erheblichkeit der Beweiserhebung auszugehen. Ist allerdings die Partei selbst oder ein ihr naher Angehöriger zu vernehmen (vgl. § 41 I 2, 3), so sollte man von der Beiordnung absehen; es sei denn, daß diese als Gegenzeugen in betracht kommen. b) Besondere Umstände für die Beiordnung eines Verkehrsarmenanwalts sollte n u r die Ungewandtheit der Partei sein, im besonderen, wenn es sich u m Aufklärungen handelt. F ü r die Revisioninstanz kommt in aller Regel die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nicht in betracht (§ 116 A I I b 3). A I V . § 116b geht davon aus, daß ein Prozeßarmenanwalt der Partei schon beigeordnet worden ist. a) H a t die Partei noch keinen Prozeßanwalt, so steht nichts im Wege, ihr einen Anwalt an ihrem Aufenthaltsort im Amtsgerichtsverfahren als Prozeßarmenanwalt beizuordnen, wenn schriftlich zu verfahren ist (§ 116 B I). a I . Andererseits sollte der Partei auch ein Verkehrsarmenanwalt beigeordnet werden dürfen, wenn der Partei ein Justizbeamter oder Referendar beigeordnet worden ist (§ 116 B II, III). a 2. Auch sollte man jedenfalls in Verfahren, wo die Beiordnung von Justizbeamten oder Referendaren nach §116 zulässig ist, die Beiordnung solcher zulassen; doch auch darüber hinaus, sofern Anwälte nicht zur Verfügung stehen. b) Für den Beweisarmenanwalt gilt das zu § 116 a A IV a Gesagte auch dann, wenn sich sonst die Partei vor dem Prozeßgericht selbst vertritt. B. Wird dem Antrag entsprochen, so kommen §§ 127 11, 116 b zum zuge; wird er abgelehnt, so gelten §§ 116 a II, 127 I 2, d. h., es ist die Beschwerde der betroffenen Partei gegen amtsgerichtliche und erstinstanzliche landgerichtliche Beschlüsse zulässig. Die weitere Beschwerde ist u n s t a t t h a f t (§§ 116a I I 2,127 I 3).
§
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In dan Fällen des § 115 Abs. 1 Nr. 3 und des § 78 a wird der beizuordnende Rechtsanwalt durch den Vorsitzenden des Gerichts ans der Zahl der bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt. Im Fall des § 116 Abs. 1 ordnet der Richter möglichst einen Rechtsanwalt bei, der bei dem Prozeßgericht zugelassen ist. II Im Fall des § 116a Abs. 1 wird der Rechtsanwalt auf Ersuchen von dem Amtsgericht ausgewählt, in dessen Bezirk die Beweisaufnahme stattfinden soll oder die Partei wohnt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. III Gegen eine Verfügung, die nach den Absätzen 1 und 2 getroffen wird, steht der Partei und dem Rechtsanwalt die Beschwerde zu. Dem Rechtsanwalt steht die Beschwerde auch zu, wenn der Vorsitzende des Gerichts den Antrag, die Beiordnung aufzuheben (§ 48 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) ablehnt. Die Beschwerde ist jedoch nicht zulässig, wenn der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Verfügung erlassen hat. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen.
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Armenrecht
§116b
A. Der Prozeßarmenanwalt wird vom Vorsitzenden des Gerichts ausgewählt (über die nach 78 a auszuwählenden vgl. § 78 a B III). A I . Der Anwalt soll im Fall des § 115 I 3 (§ 78a) aus den bei dem Gericht zugelassenen Anwälten ausgewählt werden (§ 116b 11). Ob der Anwalt simultan an anderen Gerichten zugelassen ist, ist gleichgültig. Die Auswahl eines am Prozeßgericht nicht zugelassenen Prozeßarmenanwalts scheidet aus, weil der andere nicht postulationiähig ist. Wird er dennoch beigeordnet, so ist seine Beiordnung in bezug aui die Wirkungen gegenüber der Staatskasse voll wirksam, doch wird dadurch nicht etwa die Postulationfähigkeit hergestellt. A II. In den vom Anwaltzwang befreiten Verfahren soll „möglichst" eii am Prozeßgericht zugelassener Anwalt beigeordnet werden (§ 116 b I 2); doch ist hier auch die Beiordnung eines anderen Anwalts (nicht aber die eines beim BGH zugelassenen, BRAO § 172), also eines nicht am Prozeßgericht zugelassenen zulässig, da auch dieser postulationfäbig ist. In der Regel wird dann allerdings ein Justizbeamter (§ 116 B II) oder ein Referendar (§ 116 B III) nach § 116 beigeordnet werden; jedenfalls wenn nicht die Beiordnung eines Anwalts im selben Landgerichtsbezirk in betracht kommt oder im schriftlichen Verfahren die eines auswärtigen Anwalts zur Ersparung des Verkehrsarmenanwalts (vgl. §§ 116 B I, 116a A IV a). B. Der Beweis- und der Verkehrsarmenanwalt wird auf G rund des Ersuchens des Vorsitzenden des Prozeßgerichts (arg. § 116b 11) von dem AG ausgewählt, das für die Beweisaufnahme in betracht kommt bzw. dessen Bezirk sich dort befindet, wo der Verkehrsanwalt wohnt (§ 116b II 1 spricht vom Wohnort der Partei; doch kann auch der Ort, wo der gesetzliche Vertreter wohnt, in betracht kommen bzw. der, welcher für ihn bei der Auswahl eines Verkehrsarmenanwalta am besten zu erreichen ist). B I. Bezüglich der Auswahl vgl. § 116b A, II (§ 116b II 2). B I I . Über die mögliche Auswahl anderer Vertreter als der Anwälte vgl. § 116b A I I . C. Die Beiordnung eines Anwalts (usw.) i. S. des § 116b setzt einen Gerichtbeschluß für die Bewilligung des Armenrechts voraus (§ 116a I). Liegt dieser nicht vor, so gilt § 116a II. C I . Ist aber dann auf Grund eines solchen Beschlusses ein Anwalt oder eine andere Person beigeordnet (§ 116b), so ist die Beschwerde gegen die Entscheidung des Vorsitzenden des LG nur zulässig, wenn es erstinstanzlich tätig wird (§ 116b I I I 1 ) ; sonst nicht (§ 116b III 3). Gegen die Entscheidungen der Vorsitzenden der höheren Gerichte ist kein Rechtsbehelf gegeben (§567 III). a) Hatte ein AG beigeordnet, so ist die Beschwerde nach § 116b I I I 1 zulässig. Dies ist in dem Fall des § 116b I I ausdrücklich durch § 116b I I I 1 geregelt. Die Norm gilt aber auch entsprechend, wenn das AG nicht als ersuchtes Gericht beiordnet, sondern als Prozeßgericht. CII. Beschwerdeberechtigt ist die (prozeßfähige) Partei in jeder Richtung. Ferner ist beschwerdeberechtigt der Anwalt, dessen Beiordnung von ihr vorgeschlagen worden ist (aus eigenem Recht; § 116b I I I 1). Der Anwalt hat schließlich auch das Recht, gegen seine Beiordnung vorstellig zu werden (§ 116b I I I 2, BRAO § 48 I I ; vgl. § 127 A II); über das Verfahren vgl. § 78 a B I I I a. a) Die Beschwerde unterliegt nicht dem Anwaltzwang (§§ 127 B IV, 569 B II a 3). b) Die Norm gilt entsprechend bei beigeordneten Justizbeamten ( § 1 1 6 B II), Referendaren {§ 116 B III) und Patentanwälten (§ 116 B IV). CHI. Über die Beschwerde entscheidet, a) wenn sie sieb gegen den Vorsitzenden der erstinstanzlichen Kammer des LG richtet, das übergeordnete OLG; b) wenn sie sich gegen ein AG wendet, das übergeordnete LG; also nicht das Prozeßgericht (§ 116b I I I 1). CIV. Eine weitere Beschwerde ist unstatthaft (§ 116b III 3).
§117(108) I Die Bewilligung des Armenrechts hat auf die Verpflichtung zur Erstattung der dem Gegner erwachsenden Kosten keinen Einfluß. 30
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§117
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A. § 117 stellt klar, daß die Bewilligung des Armenrechts den Gegner nicht hindert, die Vollstreckung gegen die arme Partei wegen der Kosten zu betreiben, die ihm zu erstatten sind. Dies gilt auch dann, wenn die obsiegende Partei das Armenrecht hatte bzw. der ihr beigeordnete Anwalt nach § 124 vorgeht (OLG MDR 55/560). Dazu gehören auch die vom Gegner g e z a h l t e n Gerichtskosten (OLG JW 30/665), zu denen insoweit aber nicht die für die arme Partei gehören, für die der Gegner nicht haftet (§ 124 A III). Darüber, daß Kosten des Festsetzungverfahrens nicht vorzuschießen sind, vgl. § 120 (OLG 22/274). Über die Einrede der mangelnden Prozeßkostenerstattung vgl. § 274 II 6.
§ 118
(109)
I Das Gesuch um Bewilligung des Armenrechts ist bei dem Prozeßgericht anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. II Dem Gesuch ist ein von der zuständigen Behörde der Partei ausgestelltes Zeugnis beizufügen, in dem unter Angabe des Standes oder Gewerbes, der Vermögens- und Familienverhältnisse der Partei sowie des Betrages der von dieser zu entrichtenden direkten Steuern das Unvermögen zur Bestreitung der Prozeßkosten ausdrücklich bezeugt wird. Für Personen, die unter Vormundschaft oder Pflegschaft stehen, kann das Zeugnis auch von der vormundschaftlichen Behörde ausgestellt werden; soll von einem unehelichen Kinde ein Anspruch auf Unterhalt gegen seinen Vater geltend gemacht werden, so bedarf es des Zeugnisses nicht. III In dem Gesuch ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzulegen. A I . Die Armenrechtsbewilligung setzt ein schriftliches oder mündlich zu Protokoll erklärtes Gesuch der armen Partei voraus; es unterliegt nach § 78 II nicht dem Anwaltzwang. a) Im Hauptverfahren mit Anwaltzwang braucht keine schriftliche Vollmacht vorgelegt zu werden (RG J W 37/540'); anders nach §§613, 640. b) Das selbständige, reine Armenrechtsgesuch fuhrt weder zur Begründung eines Prozeßverhältnisses (mit der folgenden Rechtshängigkeit, § 263, noch zu den Vorwirkungen der §§ 261 b III, 496 III), noch liegt in ihm ein Sühneantrag (§ 608). b 2. Häufig wird der Entwurf eines bestimmenden Schriftsatzes zugleich mit dem Armenrechtgesuch vom Postulationfähigen eingereicht. Zur Klageerhebung bzw. Rechtsbehelfeinlegung ist dann grundsätzlich noch nach Bewilligung (oder Versagung) des Armenrechts die Klage zuzustellen bzw. der Rechtsbehelf einzulegen. Wird die Klage nicht Deu eingereicht (bzw. der Entwurf nicht ausdrücklich bestätigt) und auch dem Gegner nicht zugestellt, etwa weil sie dem Gegner schon mit dem Armenrechtsgesuch mitgeteilt worden ist (vgl. § 187), bo kann jedenfalls der Zeitpunkt der Klageerhebung nicht vor dem Zugang der Terminmitteilung bzw. im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) nicht vor der ersten gerichtlichen Handlung, die nach Bewilligung des Armenrechts vorgenommen wird und welche die Klageerhebung —• stillschweigend — einbezieht, festgelegt werden. Ist mit der Klageerhebung eine Notfrist zu wahren, so muß zugestellt werden (§ 187 I 2; vgl. aber auch § 295). Über die Unzulässigkeit der bedingten Klageerhebung vgl. § 253 F II. Die bedingte Rechtsmittel-(behelf-)einlegung kommt nicht in Betracht (§§ 518 B II b 2, 5 1 9 B I I a l ) ; dagegen darf die Rechtsmittelbegründung auch vor eingelegtem Rechtsmittel abgegeben werden und bedeutet, wenn sie zugleich mit ('em Armenrechtsgesuch eingereicht wird, nicht die Einlegung des Rechtsmittels. Wird auf ein Armenrechtsgesuch zur Rechtsbehelfeinlegung das Armenrecht bewilligt (oder versagt), so sollte es selbst dann noch eingelegt werden, wenn dies schon (unzulässigerweise) bedingt mit dem Armenrechtsgesuch geschah. Jedenfalls kann man es nicht früher als eingelegt ansehen, bevor nicht nach dem Armenrechtsgesuch eine gerichtliche Handlung vorliegt, welche die Einlegung des Rechtsbehelfs voraussetzt. Über die Unzulässigkeit der bedingten Rechtsmitteleinlegung und -begründung vgl. §§ 518 B II b 2, 519 B II a 1. Im einstweiligen Verfügung- und Arrestverfahren gilt dasselbe wie bei der Klageerhebung. Werden sie ohne mündliche Verhandlung (rlassen, so steht ihrem Erlaß als erster gerichtlicher Handlung nach bewilligtem Armenrecht nichts im Wege (OLG MDR 51/174109).
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Armenrecht
§118 Aibä
b 3. Werden indes Armenrechtsgesuch und Klage ohne Abhängigkeitstellurg bzw. Armenrechtsgesuch und Rechtsbehelf eingereicht, so wird schon mit Zugang der Klage diese nach § 187 erhoben und mit Eingang des Rechtsbehelfs bei Gericht dieser unbedingt eingelegt (BGH NJW 52/1375 = J R 53/104). Bei Arrest- und einstweiligen Verfügunganträgen hat dies zur Folge, daß, wenn das Armenrechtsgesuch abgelehnt wird, zugleich über Arrest und einstweilige Verfügung befunden werden darf. c) Das Armenrechtsgesuch ist eine prozessuale, bis zum Erlaß der Entscheidung über es frei widerrufliche Willenserklärung (RG JW 35/22 8725). Auch nach Bewilligung des Armenrechts kann auf es noch durch einseitige, dem Gericht gegenüber abzugebende Erklärung, mit der Folge verzichtet werden, daß von da ab die Armenrechtsbewilligung außer kraft tritt; darüber hinaus darf die arme Partei die Kosten trotz Bewilligung begleichen, ohne daß sie förmlich verzichtet. Der Verzicht auf das Armenrecht wirkt auch zu Lasten des Gegners (vgl. §120). d) Das Armenrechtsgesuch in einer Ehesache ist dem VG und dem Jugendamt (JWG § 2, 3) mitzuteilen, wenn Kinder aus der Ehe unter 16 Jahren vorhanden sind. A II. Wird das Armenrecht ohne Gesuch bewilligt, so treten alle Folgen der Bewilligung zugunsten all derer ein, welche durch die Bewilligung begünstigt werden. A III. Wiederholte Armenrechtsgesuche sind zulässig. Bringen sie indes keine neuen Tatsachen (in der Tatsacheninstanz), keine neuen rechtlich erheblichen Momente, so brauchen die Gerichte nicht darüber zu entscheiden, obwohl sie es regelmäßig tun. A IV. Anzubringen ist das Gesuch bei dem Gericht, wo der Streit anhängig gemacht werden soll oder wo er schon schwebt, und zwar in der Instanz, wo er sich gerade befindet. Der Einzelrichter ist zur Entscheidung für Kammersachen nicht zuständig (OLG DRZ 49/69); bewilligt er aber, so ist der Staat doch verhaftet (a. M. OLG JW 27/86222). Soweit eine Tätigkeit dem Rechtspfleger an Stelle des Gerichts übertragen ist, ist dieser auch für die Bewilligung des Armenrechts zuständig (RpflG § 4). Dies gilt im besonderen für das Mahnverfahren (§§ 688folg.). Ist es aber bewilligt, so wirkt es auch hier für das anschließende Streitverfahren. Über die Mög'ichkeit, Verfahren nach § 118a auf den Rechtspfleger zu übertragen, vgl. RpflG § 19 I 4. Die Beantragung bei dem ersuchten oder dem beauftragten Richter genügt nicht und die bei dem Prozeßgericht nicht, wenn der Rechtstreit in der Hauptsache schon erledigt ist und das Armenrecht nur noch wegen der Vollstreckung nachgesucht wird (zuständig ist dann das Vollstreckunggericht OLG HRR 38/766; LG NJW 55/1933 hat das VollBtreckunggericht bewilligen lassen, wenn dem Gläubiger die Bewilligung durch das Ostprozeßgericht nicht zuzumuten war; a. M. für das Prozeßgericht: KG JW 34/19192). B I. Ohne Vorlegung eines Armenattestes darf grundsätzlich das Armenrecht nicht bewilligt werden (OLG Seuff. 81/135; doch hat BGH NJW 57/1719 von Ostberlinern nicht verlangt, daß sie ein Attest Ostberlins beibringen, weil sie ihre Westmarkwerte Ostberlin gegenüber nicht zu offenbaren brauchten). a) Nur dort braucht das Gericht nicht auf der Vorlegung des Armenattestes zu bestehen, wo die Partei aus nicht in ihrer Person liegenden Umständen das Attest nicht beibringen kann bzw. wo es nach Staatsverträgen nicht erforderlich ist. Im Falle des § 114 III ist nicht vorgeschrieben, wie im einzelnen die Armut der Beteiligten zu ermitteln ist. Bei juristischen Personen ist nach dem Rundschreiben des RJM v. 5. 3. 1934 (DJ 304) die Äußerung der Industrie- und Handelskammer herbeizuführen. b) In demAttest wird der Partei bescheinigt, daß sie entweder in der Lage oder nicht in der Lage oder nur zum Teil in der Lage ist, ohne Beeinträchtigung ihres Unterhalts die Prozeßkosten zu bezahlen. b 1. Auf den Inhalt der Bescheinigung darf sich dor Antragsteller, der sich aufrichtig erklärt hat, derart verlassen, daß ihm, selbst wenn das Gericht seine Armut nicht annimmt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei bescheinigtem Unvermögen nicht versagt werden darf (vgl. § 233 C I c 2). b 2. Das Gericht ist an das Urteil der das Attest ausstellenden Behörde über die Armut des Antragstellers nicht gebunden (RG J W 37/246522); nimmt das Gericht entgegen der Bescheinigung im Attest keine Armut an, so muß es dies begründen (RG J W 01/3262). 30»
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B II. Das Armenattest ist a) das von der zuständigen Behörde (im ehemaligen Preußen aui dem Lande von der Ortspolizeibehörde, in Städten von der Gemeindebehörde, in Berlin von den Wohlfahrtämtern der Bezirksämter, ebenso in H a m b u r g ; in Bremen von den Ortsämtern ausgestellte Unvermögenzeugnis). Das Zeugnis muß enthalten den Beruf (Stand oder Gewerbe) der armen Partei, ihre Familienverhältnisse, den Betrag der direkten Steuern, die sie zu entrichten hat, sowie ihre Vermögensverhältnisse. Lehnt eine Behörde ab, das Armenrechtsattest zu erteilen, so ist dagegen (Dienstaufsicht-)Beschwerde bzw. Einspruch mit anschließender Verwaltungklage gegeben (aber keine vor dem ordentlichen Gericht, RG J W 97/627 1 ). b) An Stelle dieser Beseheinigung genügt nach § 118 I I 2 die entsprechende Bescheinigung des Vormundschaftgerichts (FGG § 35) für eine Partei, die unter Vormundschaft oder Pflegschaft (nicht aber unter elterlicher Gewalt) steht. Lehnt der Vormundschaftrichter die Erteilung des Zeugnisses ab, so ist dagegen Beschwerde gegeben (FGG §19); die Aussichten des Prozesses sind vom Vormundschaftgericht nicht zu prüfen, wenn es auch bei Aussichtslosigkeit gegen den Vormund nach BGB §§ 1837, 1886 einschreiten könnte, was aber schwerlich angeht, wenn das Prozeßgericht bewilligt. c) Ist die Armut offenkundig (§ 292, OLG J W 39/116 39 ), so bedarf es des Attestes nicht. Auch Kriegsbetroffene bedürfen nach SchutzVO Art. 2 keines Armenattests. C. § 118 I I I schreibt die Begründung des Gesuchs vor, wozu die Umschreibung des zu stellenden Antrags gehört (OLG 33/45); für den Beklagten genügt regelmäßig Bestreiten (vgl. § 114 B I I I b 2). Die Begründung soll die Prüfung ermöglichen, ob das Vorbringen der armen Partei Aussicht auf Erfolg bietet. Bezugnahme auf die Akten genügt; dies ist f ü r den Rechtsmittelkläger anzunehmen (RG Gruch. 36/1228), j a man wird von ihm (besonders in der Revisioninstanz) keine Begründung fordern dürfen (BGH LM-ZPO § 118/3), da er mit seinem Gesuch doch sagt, daß das Urteil der Vorinstanz unrichtig sein soll. Vom Rechtsmittelbeklagten wird grundsätzlich keine Begründung zu fordern sein (§ 119 II). C I. Die Begründung des Armenrechtsgesuchs setzt formale Gegebenheiten voraus: a) in erster Instanz auf seiten des Klägers, daß die Prozeßvoraussetzungen, u m das Verfahren nach Bewilligung sofort durchführen zu können, gegeben sind. Zu prüfen ist auch die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts. Ist der Gegner nicht zu hören, so ist das Armenrechtsgesuch — auf Antrag des Antragstellers — ohne weiteres an das vermutlich zuständige Gericht abzugeben (OLG J R 48/334 nimmt ein Verweisungverhältnis a n ; a. M. OLG J W 36/1021 1 eine Verweisung schlechthin nicht zulassend). Auf prozeßhindernde Einreden (§ 274 I I I 3, 5, 6) braucht dagegen nicht von vornherein, sondern nur auf Ankündigung der Erhebung durch den Gegner bedacht genommen zu werden. Auf Seiten des Beklagten ist die Rechtslage anders. Fehlt es an einer Prozeßvoraussetzung, so ist ihm das Armenrecht zu bewilligen (falls er arm ist) ohne Rücksicht darauf, ob diese Frage auch von gerichts wegen zu prüfen ist oder nicht (vgl. § 114 B I I I a 1); aber auch, wenn er zutreffend darlegt, eine prozeßhindernde Einrede erheben zu wollen. Will er eine Widerklage erheben, so darf ihm das Armenrecht nicht mit der Begründung verweigert werden, daß damit die landgerichtliche Zuständigkeit begründet wäre (a. M. LG N J W 56/387). b) Für den Rechtsmittelkläger müssen ebenfalls die Prozeßvoraussetzungen bestehen, sofern nicht gerade das Rechtsmittel einzulegen ist, u m die Klage zur Abweisung als unzulässig zu bringen. Bei ihm müssen die Prozeßfortsetzungvoraussetzungen gegeben sein (Zulässigkeit der eingelegten Rechtsmittel); doch ist hier von der Rechtzeitigkeit der Einlegung des Rechtsmittels wie seiner Begründung abzusehen, soweit ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Darüber, wann dies bei vor Ablauf der Rechtsmittelfrist bei dem Rechtsmittelgericht eingegangenen Armenrechtsgesuchen der Fall ist, vgl. § 233 C I . Darüber, ob dem Reehtsmittelbeklagten das Armenrecht erst, nachdem feststeht, daß die ProzeCf jrtsetzungsbedingungen f ü r den Rechtsmittelkläger gegeben sind, bewilligt zu werden braucht, vgl. § 114 B I I I a 4. C II. Über die Prüfung des außerprozessualen Anspruchs vgl. § 114 B I I I b.
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D I. Das Armenrechtsgesuch als solches löst grundsätzlich keine prozessualen Wirkungen aus (vgl. § 118 A I b), wohl aber kann es im Armenrechtsverfahren zu einem Prozeßvergleich kommen (vgl. § 118 a). D II. Anders ist dies mit der Auslösung aufierprozessualer Wirkungen von Willenserklärungen durch die Zustellung des Armenrechtsgesuchs an den Gegner; sie treten im selben Umfange ein wie bei der Zustellung der Klage oder eines sonstigen Schriftsatzes im Prozeß (vgl. § 253 F I I I b 2). Die übrigen außerprozessualen Wirkungen (deren Eintritt also nicht von dem Zugang der Willenserklärung des Gegners abhängt) treten aber regelmäßig nicht ein, im besonderen nicht die Unterbrechung der Verjährung und ähnlicher Fristen nach BGB §§ 209 folg. Ein solcher Schaden kann der armen Partei nicht erwachsen, wenn sie die Klage sofort einreicht (vgl. § 253 F I I I a). Nur wenn die Partei unumgänglich einen Anwalt benötigt (jedenfalls darf sie, abgesehen vom Mahn verfahren, nicht auf das amtsgcrichtliche Verfahren verwiesen werden) und die Mittel für seine Prozeßgebühr nicht aufbringen könnte, liegt ein Fall höherer Gewalt i. S. des BGB §§203 II, 211 I I vor (RGZ 163/9 [14folg.]), der zur Hemmung des Fristablaufs nach außerprozessualem Recht f ü h r t (RGZ 139/270), sofern die Partei rechtzeitig zuvor da3 Armenrechtsgesuch eingereicht hatte (RGZ 168/214 [224] bei zweieinhalb Monaten vor Fristablauf; BGH N J W 55/1225 1 h a t bei einem 26 Tage vor Fristablauf eingereichten Gesuch die Frist für zu kurz gehalten und dem Anwalt, der das Gericht auf den Fristablauf nicht hinwies, Nachlässigkeit vorgeworfen, die die Partei so belastete, daß BGB § 203 I I nicht zugebilligt wurde), dann aber auch, wenn es durch falsche Behandlung ,durch sachlich unzutreffende Begründung zunächst abgelehnt wurde (RGZ 151/129 [138]).
§
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I Das Gericht kann verlangen, daß der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Es soll, wenn dies nicht aus besonderen Gründen unzweckmäßig erscheint, vor der Bewilligung des Armenrechts den Gegner hören. Es kann auch, soweit dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist, Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und von Behörden Auskünfte einholen. Die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen ist nur zulässig, wenn der Sachverhalt, soweit dies zur Entscheidung über das Armenrechtsgesuch erforderlich ist, auf andere Weise nicht hinreichend geklärt werden kann; eine Beeidigung findet nicht statt. II Die im Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen sind von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts oder einem von ihm ersuchten Richter durchzuführen. Die Anhörung des Gegners kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Prozeßgerichts oder des ersuchten Gerichts erfolgen. III Einigen sich die Parteien bei der Anhörung des Gegners über den streitigen Anspruch, so ist der Vergleich zu richterlichem Protokoll zu nehmen. IV Eine Erstattung der dem Gegner durch die Anhörung gemäß Abs. I Satz 2 erwachsenen Kosten findet nicht statt. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen gemäß Abs. 1 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind. A. Das Armenrechtsverfahren steht als solches neben dem Prozeß. Es unterliegt nicht dem Anwaltzwang (§ 78 II). A I. Es ist grundsätzlich auch dann zu betreiben, wenn der Prozeß als solcher nicht zu betreiben ist, etwa in den Ferien (GVG § 200 C I b), aber auch wenn das Hauntverfahren unterbrochen oder ausgesetzt ist (etwa zu seiner Aufnahme). Das Armenrechtsverfahren selbst wird weder u n t e r b r o c h e n (OLG J W 36/1309 40 ) noch ausgesetzt (OLG N J W 50/255; a. M. KG [West] N J W 53/1474: wegen Präjudizialität). H a t t e es die arme Partei vor Konkurseröffnung angestrengt, so ist allerdings über es nur zu entscheiden, wenn der Konkursverwalter es verfolgt, was u. U. nach § 139 zu klären ist und wozu der Konkursverwalter
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dann die neuen für ihn erforderlichen Armenrechtsunterlagen beizubringen hat (§114 111); für den Fall, daß der Konkursverwalter unter Verzicht auf das Armenrecht den Prozeß fortsetzen will, nachdem er bereits rechtskräftig abgeschlossen war, jedoch zur Wiedereinsetzung rechtzeitig ein Armenrechtsgesuch eingereicht war, vgl. Kommentar §§ 50 G III d 1, 233 C I c 2. Das entsprechende gilt, wenn die Partei stirbt und damit sich das Armenrechtsverfahren erledigt (§122). Wird a u s g e s e t z t , so ist dagegen die Beschwerde zulässig (vgl. § 252 A I, OLG NJW 50/2299). A II. Allerdings braucht das Gericht nicht sofort auf ein Armenrechtsgesuch zu entscheiden. Über die Auswirkung, wenn über ein Armenrechtsgesuch zur Klage nicht sofort entschieden wird, vgl. § 118 D II, über die zu einem Rechtsbeheliverfahren vgl. § 118 C I b. Eingehende Nachprüfungen hat OVG NJW 58/1890 im Armenrechtverfahren nicht zugelassen; vgl. auch § 114 A II (umgekehrt ist LArbG Entscheidungkalender 57 IV 617). Werden Beweise im Armenrechtverfahren nicht erhoben, so tendiert BGH v. 5.10.1949 III ZR 111/58 dahin, daß dann ihre Ergiebigkeit zu unterstellen sei, wenn es auch einräumt, daß das Gericht die Angebote negativ beurteilen darf. b) Vorzubereiten hat die Bewilligung der Vorsitzende des Gerichts, der sich dabei eines beauftragten oder eines ersuchten Richters bedienen darf (§ 118 a II 1); bei Kollegialgerichten wird das Armenrechtsverfahren praktisch vom Berichterstatter durchgeführt. Auch darf das Armenrechtverfahren im Rahmen des § 118 a I, II 2, I I I dem Rechtspfleger übertragen werden (RechtspflegerG § 19 I 4). Dem ersuchten Richter müssen nur bei einer Beweiserhebung Anordnungen erteilt werden. Wird das Kollegium an Stelle des Vorsitzenden tätig, so ist dies unschädlich, selbst soweit der Vorsitzende überstimmt wird und sich überstimmen läßt. A III. Weil das Armenrechtbewilligungverfahren anwaltzwangsfrei ist, sollte das Annenrecht nicht nur vorläufig bewilligt (OLG JW 38/112213) und ein Anwalt beigeordnet werden (KG JW 37/563 m ; a. M. KG [West] J R 50/278), auch nicht zum Abschluß eines Vergleichs (a. M. OLG NJW 51/89120, vgl. auch § 114 A II). B I. Das Gericht darf (nicht der Vorsitzende) vom Antragsteller die Glaubhaftmachung (§ 294) seiner Angaben fordern (§ 118 a 11). Doch sollte das Gericht nicht so vorgehen, wenn dadurch das Hauptverfahren beeinträchtigt wird, was regelmäßig durch vorweg gebrachte eidesstattliche Versicherungen wie (nach der inländischen Auffassung) dadurch geschieht, daß die Partei an Zeugen und Sachverständige von sich aus herantritt. Anders ist dies in Verfahren, in denen die Glaubhaftmachung genügt (wie etwa bei Arrest, einstweiligen Verfügungen, aber auch nach § 377 IV). Die Beibringung einer eidesstattlichen Versicherung der Partei ist gesetzlich nicht ausgeschlossen. Hält man indes die Vernehmung der Partei für unzulässig, so darf auch die eigene eidesstattliche Versicherung nicht verwertet werden. B II. Das Gericht soll ferner regelmäßig den Gegner vor der Bewilligung hören (§ 118 a I 2). Die Kosten der Anhörung sind nicht erstattungfähig (§ 118 a IV 1). Von ihm darf eine Glaubhaftmachung seiner Angaben nicht gefordert werden; doch bleibt sie ihm unverwehrt. Auch darf sein persönliches Erscheinen nicht erzwungen werden (OLG NJW 54/1668). a) Die Anhörung ist unzulässig, wo in dem Verfahren, für welches das Armenrecht nachgesucht wird, der Gegner nicht gehört werden darf (vgl. § 834 A), und sie braucht dort nicht vorgenommen zu werden, wo ohne vorangehende mündliche Verhandlung entschieden werden darf (vgl. § 128 G II), im besonderen im Arrestverfahren (§ 291 I) und bei der einstweiligen Verfügung in dringenden Fällen (§937 II). Sie erübrigt sich, wo das Armenrechtsgesuch von vornherein zurückgewiesen werden muß, regelmäßig auch im Revisionverfahren, nämlich soweit es nur um Rechtsfragen geht, und ist untunlich, wo dadurch der armen Partei ein nicht ersetzbarer Schaden entstehen kann, etwa bei drohendem Fristablauf zur Klageerhebung (vgl. RG Warn. 36/40). b) Die erhebliche Erwiderung des Gegners sollte stets der anderen Partei übermittelt werden (RG JW 32/286914). B III. Das Gericht darf ferner den Sachverhalt anderweit aufklären, wenn dies beschleunigt geschehen kann (§ 118 a I 3).
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Armenrecht
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B III
a) Als mögliche Ermittlullgen nennt § 118 a I 3 die Anordnung, Urkunden vorzulegen (die an beide Parteien ergehen darf, nicht aber über §§ 142, 143, 272 b II 1 hinaus), und die Anforderung von Behördenauskünften (§ 272 b II 2). Darüber hinaus dürfen Zeugen und Sachverständige — aber nur unbeeidigt — vernommen werden (§ 118 a I 4), wobei aber auch die Einschränkung des § 272 b III gilt, d. h. einmal, daß der gehörte Gegner dem Anspruch widersprochen habe, und sodann muß sich eine Partei auf die Zeugen bezogen haben, soweit nicht das Gericht auch von sich aus den Zeugenbeweis erheben darf. a 1. Die Verwendung des Beweisergebnisses im folgenden Prozeßverfahren ist unzulässig, wenn eine Partei sich nochmals auf die Beweise bezieht bzw. die Beeidigung erforderlich wird. Das persönliche Erscheinen der Parteien darf zwar angeordnet, aber nicht erzwungen werden. a 2. Zur Erhebung der Beweise sind — im selben Umfang wie im Prozeßverfahren — die Parteien hinzuzuziehen (OLG JW 34/21736, a. M. OLG HRR 34/125). Die Parteien können auch hier den Sachverständigen wegen Befangenheit ablehnen; der das Gesuch zurückweisende Beschluß (er braucht nicht förmlich zu ergehen) ist nach OLG JW 37/56525 dann aber nicht nach § 406 V angreifbar. b) Die Erhebung des A u g e n s c h e i n b e w e i s e s (§372), die Untersuchung nach § 372 a wie die Parteivernehmung (§ 445) erwähnt § 118 a I nicht. c) Unzulässig ist die Anordnung, soweit notwendigerweise das Armenrecht zu bewilligen ist (§11911; KG J W 38/5435). d) Die Anordnung einer (zulässigen, aber auch einer unzulässigen) Beweiserhebung und ihre Durchführung ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (OLG SchlHA 53/183). C. Das Bewilligungsverfahren endet mit einer Entscheidung, der Bewilligung des Armenrechts oder seiner Ablehnung durch das Gericht (§ 126, wo noch weitere Verfahrensvorschriften gegeben sind), oder ohne Entscheidung: mit der Zurücknahme des Gesuchs ohne jede weitere Entscheidung, mit seiner Erledigung durch den Tod einer physischen Person (§ 122) und in ähnlichen Fällen (vgl. § 118 a A I) und mit dem Vergleichschluß der Parteien. C I. Den letzten Fall regelt § 118 a III, indem er den Abschluß eines zu richterlichem (d. h. des Vorsitzenden, eines beauftragten oder ersuchten Richters, § 118 II) Protokoll, aber auch zu dem des Rechtspflegers (RechtspflegerG § 19 I 4) erklärten Vergleichs (§ 794 11) als Regelfall erwähnt. In entsprechender Anwendung ist auch das Anerkenntnis des Gegners entgegenzunehmen wie der Verzicht des Klägers. Doch sind diese, im besonderen der Vergleich, nur insoweit wirksam, wie die Parteien im Prozeßverfahren sich dieser bedienen könnten (RGZ 157/141 [144]). a) Ist auf einer Parteiseite schon ein Prozeßbevollmächtiger vorhanden, so ist dieser zum Termin zu laden (§ 176). Da aber das Armenrechtsverfahren vom Anwaltzwang frei ist, ist auch der von den Naturalparteien (nicht durch einen Anwalt vertretenen Parteien) geschlossene Vergleich Vollstreckungtitel. b) Das Gericht Sbernimmt keine Verantwortung für den Vergleich (OLG J W 37/25345), nur darf er nicht offenbar nichtig sein. Doch wurde von RGZ 129/37 (41 folg.) darin, daß bei Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs die Vollmacht auf einen dritten, der dem Vergleich beigetreten war, nicht nachgeprüft wurde, eine Amtspflichtverletzung gesehen. C II. Für eine Kostenentscheidung im Armenrechtbewilligungverfahren ist kein Raum, wohl aber für eine Streitwertfestsetzung, wenn ein Anwalt beteiligt ist (vgl. BRAGebO § 10 I). a) Wird das Armenrechtsverfahren nicht im Prozeßverfahren fortgesetzt, so gibt es keine Kostenerstattung, und zwar weder für den Antragsteller (OLG HRR 35/1686) noch für den Antragsgegner (§ 118 a IV 1, KG JW 35/258642). Dies gilt a u c h im B e s c h w e r d e v e r f a h r e n (OLG J W 35/290937). Im Beschwerdeverfahren bezieht sich die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde nur auf die Gerichtskosten (OLG Rpfl. 51/329), selbst wenn dort ein vorinstanzlicher Anwalt auftritt (KG JW 37/224075). Eine hiervon abweichende Kostenregelung im Vergleich wird zugelassen (KG J W 37/279542). b) Kommt es aber nach der Bewilligung des Armenrechts zum Prozeß (KG J W 38/553") oder bei Ablehnung zur Erhebung der umgekehrten Klage durch den Antragsgegner, so
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CHb
gehören die Kosten des Armenrechtbewilligungverfahrens zu den Prozellkosten (vgl. § 91 D I b 3, KG J W 38/55 36 ), wobei allerdings praktisch wegen der Anrechnung der Gebühren nur der Auslagenersatz zu erstatten ist. Bei den Anwaltkosten ist zu beachten, daß Beweisanordnungen keine Beweisgebühr im Hauptverfahren auslösen, weil eine Anordnung im Bewilligung verfahren jedenfalls nicht kostenrechtlich als eine nach § 272b zu werten ist (KG J W 38/334 23 ). Dies gilt für die Gerichtskosten mit der Beschränkung, daß nur die Auslagen für Zeugen und Sachverständige zur Anrechnung kommen, nicht sonstige Gebühren oder Auslagen (§ 118 a IV 2).
§
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I Die Bewilligung des Armenrechts erfolgt für jeden Rechtszug besonders, für den ersten Rechtszug einschließlich der Zwangsvollstreckung. II In dem höheren Rechtszuge bedarf es des Nachweises des Unvermögens nicht, wenn das Armenrecht in dem vorherigen Rechtszuge bewilligt war. Hat der Gegner das Rechtsmittel eingelegt, so ist in dem höheren Rechtszuge nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung der Partei hinreichende Aussieht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint. A I. § 119 begrenzt das bewilligte Armenrecht auf das Verfahren vor dem bewilligenden Gericht oder auf das seiner Zuständigkeit unterliegende für eine Kosteninstanz. a) Kostenrechtlich gehören zur Instanz die Berichtigungen (§ 319) und die Urteilsergänzungen nach §§321, 716 (OLG J W 29/3182 20 ), das Nachverfahren (§§302, 600, 304; OLG H R R 33/1776), das Verfahren nach einem Einspruch oder vor dem ersuchten oder beauftragten Richter, die Fortsetzung eines ruhenden, ausgesetzten oder unterbrochenen Verfahrens (sofern die arme Partei nicht gestorben ist, vgl. § 122 A), also auch, wenn ein Verfahren, das mit einem Vergleich schloß, mit der Begründung fortgesetzt wird, der Vergleich sei rechtsunwirksam (KG D R 4 0 A 340 29 ). Soweit die Instanz für das Gericht geht, geht sie auch für den Anwalt (abgesehen von den weiteren, durch BRAGebO § 122 I I I gegebenen Einschränkungen); der simultan am Gericht der höheren Instanz zugelassene Anwalt ist nicht verpflichtet, zur Fristwahrung ein Rechtsmittel vor Armenrechtsbewilligung einzulegen (RGZ 118/126 [128]). b) Zur selben ersten Instanz gehören die Fortsetzung des Verfahrens nach einer Verweisung des Rechtstreits nach §§ 276 (OLG H R R 30/817), 506, 697, 700, GVG §§96folg., wenn es auch hier u. U. der zusätzlichen Beiordnung eines Anwalts bedarf, ferner das Streitverfahren, das sich an ein Mahnverfahren anschließt (wo der Rpfl. bzw. der Urkundbeamte das Armenrecht bewilligen darf, vgl. § 118 A IV), und auch das Verfahren nach Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Instanz nach §§ 538, 539. b 1. Zur ersten Instanz gehört ferner die Vollstreckung. Die Bewilligung des Armenrechts für die erste Instanz (nicht wenn dem Kläger also erst für die höhere Instanz das Armenrecht bewilligt worden ist) erstreckt sich zugleich auf die Vollstreckung ohne weiteres (KG J W 37/2465 2S ), soweit dies nicht ausdrücklich eingeschränkt ist, was zulässig ist (KG J W 37/2465 23 ); der Anwalt muß für die Vollstreckung stets besonders beigeordnet werden (BRAGebO § 122 I I I 1). Erste Instanz ist auch das Berufunggericht, in dem erstmalig ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung ausgebracht wird (KG J W 35/796 12 ). Anwälte müssen für das Anordnungverfahren besonders beigeordnet werden (BRAGebO § 122 I I I 2). Hier ist der Anwalt dann aber auch zur Vollziehung mit beigeordnet (BRAGebO § 122 I I 2), sofern seine Beiordnung nicht ausdrücklich ausgeklammert worden ist (BRAGebO § 122 I I 3). Ist das Armenrecht von der ersten Instanz des Prozeßgerichts bewilligt, so erstreckt es sich auf jedes Vollstreckungverfahren, gleichviel wo es stattfindet. Ist es dagegen von einem Vollstreckunggericht bewilligt, so gilt dies nur vor dem, das bewilligt hat, also nicht für das Verfahren vor dem Grundbuchamt auf Eintragung einer Zwangshypothek (§ 867 CI, OLG J W 30/2459 21 ; a. M. KG H R R 29/1530). Nicht zur Instanz zählen Prozesse, welche sich auf Grund der Vollstreckung ergeben (KG J W 38/3134 43 ). Über das Beschwerdeverfahren vgl. § 119 A I c.
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b 2. Auch das Kostenfestsetzungverfahren gehört zur ersten Instanz (OLG J W 30/3355 55 ) und die Kostenvollstreckung, soweit die Kosten auf den Namen der armen Partei festgesetzt sind (LG JMB1. N R W 49/191; der arme Anwalt, der sie im eigenen Namen festsetzen läßt, § 124, bedarf der besonderen Bewilligung des Armenrechts für sich). c) Zur ersten Instanz gehört nicht mehr die Rechtsmittelinstanz (RG J W 89/40 3 ), mag sie auch bloß Beschwerdeinstanz sein, und selbst wenn die Beschwerde bei der unteren Instanz eingelegt wird (RG Warn. 30/224), und auch soweit kein Anwaltzwang herrscht (OLG J W 30/1095 36 ); dies gilt auch für die Beschwerde in der Vollstreckunginstanz, die über die Vollstreckunginstanz hinausgeht (KG J W 37/324S 43 ). Das entsprechende gilt für die weiteren Rechtsmittel, so daß also auch für die weitere Beschwerde wie für die Revision das Armenrecht besonders bewilligt werden muß. d) Zur selben zweiten Instanz gehört das Verfahren nach Aufhebung und Zurückverweisung nach § 565 (RG Gruch. 58/1086). In der Rechtsmittelinstanz erstreckt sich das Armenrecht des Rechtsmittelbeklagten auf die Anträge auf Vollstreckbarerklärung nicht angegriffener Teile nach §§534, 560 (KG J W 35/798 17 ) und für den Rechtsmittelkläger auf das Wiedereinsetzungverfahren (RGZ 147/154[157]) wie auf die Verteidigung gegen Anschließungen des Rechtsmittelbeklagten, sofern dies nicht ausdrücklich ausgeklammert worden ist (vgl. BRAGebO § 122 I I 1). Jedes neue Rechtsmittel wie auch die Wiederaufnahmeklage eröffnen eine neue Instanz, so daß, wenn nach Zurückverweisung erneut Urteil ergeht und dagegen ein Rechtsmittel eingelegt wird, erneut das Armenrecht nachgesucht werden muß (RG H R R 30/750); auch das gegen ein Zwischenurteil (vgl. §§275 11, 304) und das gegen das danach ergehende Endurteil eingelegte Rechtsmittel trifft verschiedene Kosteninstanzen (RG J W 25/756 3 ). A II. Aber auch innerhalb der Instanz ist noch zu trennen. a) Innerhalb der Instanz bezieht sich das Armenrecht nur auf den Anspruch, f ü r den es bewilligt worden ist. Wird die Klage später erweitert (OLG J W 36/1302 28 ), so muß für die Erweiterung das Armenrecht neu bewilligt werden. Die Einschränkung schadet nicht; zweifelh a f t ist es bei der Modifizierung (§ 268 C I I I , bejahend: OLG J W 31/1134; a. M. OLG H R R 32/374). Will sich der Beklagte gegen eine Erweiterung verteidigen, so bedarf es einer neuen Armenrechtsbewilligung in bezug auf die Erweiterung (OLG J W 32/2171 17 ). Das entsprechende gilt für die Widerklageerhebung (RGZ 41/400 [402]) und die Verteidigung gegen sie; abgesehen von der gegen Ehewiderklagen (BRAGebO § 122 I I I 4). Erst recht ist bei einer HaupiIntervention für die Verteidigung gegen sie neu zu bewilligen. a 1. Grundsätzlich gilt dies auch für Vergleiche. Doch wird bei Prozeßvergleichen (nicht bei außergerichtlichen) bisweilen eine stillschweigende Erweiterung angenommen (OLG J W 38/473 40 ). a 2. Anders ist dies, vrenn keine weiteren Kosten entstehen, also wenn der Hauptanspruch u m einen Nebenanspruch erweitert wird, der kostenrechtlich nicht in das Gewicht fällt (§ 4). b) Zur Instanz zählen nicht die kostenrechtlich selbständigen Nebenverfahren, wie Arrest und einstweilige Verfügung (KG J W 29/133 30 ), wie die auf Erwirkung einstweiliger Anordnungen im Eheverfahren (KG D R 39 A 331), aber auch die im Entmündigungverfahren. Das Arrejtanordnungverfahren und das Arrestaufhebungverfahren nach § 927 sind verschiedene Instanzen (KG J W 35/801 32 ). Das Beweissicherungverfahren ist kostenrechtlich ein besonderes Verfahren, deshalb muß für es das Armenrecht selbständig bewilligt werden (OLG H R R 37/32, BRAGebO §122 1113). B I . Grundsätzlich b r a u c h t nach § 119 I I 1 kein neues Armenattest angefordert zu werden. Bei bestehendem Anlaß fordert die höhere Instanz ein neues Attest und p r ü f t jedenfalls selbständig auf Grund der Unterlagen nach (RG H R R 36/1670, etwa bei einem zwei J a h r e alten Attest: RGZ 100/268 [270]); doch kann sich die Partei für die Wiedereinsetzung auf das alte berufen (a. M. BGH LM § 233/14 h a t keine Wiedereinsetzung mehr gegeben, als die Unterlagen zwei Jahre alt waren und BGH v. 20. 9. 1957 V I I ZA 11/57 bei vier J a h r e alten Unterlagen, obwohl sich bei einer Witwe nichts geändert hatte), und ein Nachreichen inner-
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halb von vierundzwanzig Tagen wurde ihr nicht ala Verschulden angerechnet (RGZ 100/268 [270]). Anders ist dies, wenn die Partei inzwischen vermögend wurde (RG N § 119/6) oder wenn sie trotz Aufforderung schuldhaft die Nachreichung verzögert (BGH J R 57/463); wurde das Armenrecht mangels Armut verweigert, so verlangte BGHZ 26/99 = N J W 58/183 die Darlegung, weshalb die Partei glaubte, arm zu sein. Mit Darlegung der eigenen Armut hat sich BGH v. 4. 7. 1957 VIII ZR 88/56 nicht begnügt, wenn die Forderung an einen dritten abgetreten war (vgl. dazu §§ 50 G I, 121 B I). B II. Bei dem Rechtsmittelbeklagten wird nach §119 I I 2 nichtgeprüft, ob seine Rechtslage aussichtvoll ist; dies gilt auch, wenn das Armenrecht erst im Laufe der Rechtsmittelinstanz nachgesucht wird (a. M. KG J W 29/1680 27 ), und auch, wenn schon das Urteil der ersten Instanz durch das Rechtsmittelgericht aufgehoben worden ist, im Einspruchverfahren (RGZ 139/102) und auch, wenn sich in der Rechtsmittelinstanz die Gesetzesgrundlage ändert und dadurch die Lage des Rechtsmittelbeklagten aussichtlos wird (RGZ 65/285 [286]) oder wenn seine Stellung durch den Eintritt oder das Vorbringen neuer Tatsachen aussichtlos wird (RGZ 65/285 [286]). In einem Fall, wo die Partei sich ausgesöhnt hatte, h a t OLG N J W 54/153 dem Kläger als Berufungbeklagten das Armenrecht zur Verteidigung gegen die Berufung der Beklagten nicht gewährt. Dies gilt erst recht, wenn die Berufung zurückgenommen wurde und der Anspruch nach §515 I I I verfolgt wird (RGZ 139/102); doch braucht erst bewilligt zu werden, wenn die Prozeßfortsetzungvoraussetzungen feststehen, so daß mit der Verwerfung des Rechtsmittels nicht zu rechnen ist (BGH N J W 53/149; noch weiter BGH MDR B 445/56: erst nachdem feststehe, ob der Rechtsmittelkläger auf Grund der Bescheidung seines Armenrechtsantrags das Rechtsmittel durchführe, vgl. §§ 114 B I I I a 4, 119 B III). Der Sinn dieser Vorschrift besteht darin, daß der Rechtsmittelbeklagte nicht auf ein Versäumnisurteil in der zweiten oder der dritten Instanz abgedrängt werden soll. Will man davon abrücken, so wird die Linie des § 119 II 2 verloren. Vgl. auch § 121 A l b . Auszunehmen ist der Fall, wenn dem Rechtsmittelbeklagten ein Verstoß gegen § 138 I nachgewiesen ist. B III. Soweit eine Partei ein Anschlußrechtsmittel einlegen will, steht sie dem Rechtsmittelkläger gleich; hier muß also geprüft werden, ob es aussichtreich ist (RGZ 41/400)Ohne weiteres erstreckt sich aber die Bewilligung des Armenrechts für das (Anschluß-)Rechts. mittel auf die Verteidigung gegen das Rechtsmittel der anderen Partei (BGH MDR B 251/54, BRAGebO § 122 II 1), weil durch die Bewilligung des Armenrechts für den Rechtsmittelkläger seine eigene Armut voll feststeht (anders wenn ihm ein Teil der zu tragenden Kosten selbst aufgebürdet wurde, vgl. § 115 C) und es sich für ihn als Rechtsmittelbeklagten um ein Mußarmenrecht handelt (§ 119 II). H a t sich der Gegner dem Rechtsmittel angeschlossen, so muß das Armenrecht auch für das Rechtsmittel bewilligt werden, weil die Teilung des Armenrechts unzulässig ist (RG Gruch. 33/124). Doch kann sonst dem Rechtsmittelkläger das Armenrecht auch getrennt bewilligt werden, in Ehesachen etwa nur bezüglich der Widerklage (RG H R R 30/750), vgl. aber § 119 A I I a. B IV. Dagegen ist das Revisiongericht nicht gehalten, wenn ein OLG die Revision zuläßt (vgl. § 546 A Ib), das Armenrecht für die Revisioninstanz zu bewilligen, mag auch die Entscheidung der Rechtsfrage zweifelhaft sein. Das Revisionsgericht prüft jedenfalls selbständig und ohne Bindung.
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I Die Bewilligung des Armenrechts für den Kläger, den Berufungskläger und den Revisionskläger hat zugleich für den Gegner die einstweilige Befreiung von den im § 115 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Kosten zur Folge. A. § 120 ordnet für den (in der jeweiligen Instanz) Angegriffenen eine Kostenbefreiung für die rückständigen wie künftig erwachsenden Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) an (§ 115 I). Die Befreiung erstreckt sich auch auf die Kostenfestsetzung (OLG N J W 58/107). A I. Praktisch wird der vermögende Beklagte befreit von den Antragschreibgebühren und von den Auslagenvorschüssen, im besonderen nach §§ 379, 402 (RGZ 109/68).
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Armenrecht
§120
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a) Ist der armen Partei das Armenrecht nur zum (Bruch-)Teil bewilligt worden (§ 115 II), so erhält auch der Gegner nur zum entsprechenden Teil die Kostenbefreiung (vgl. § 115 C I). Über das Stundung- oder Ratenzahlungarmenrecht vgl. § 115 C I I b. Nach der Auffassung des BGH ändert es nichts an der Auslagenbefreiung. Bei rückwirkender Bewilligung des Armenrechts dürfen bereits früher gezahlte Kostenvorschüsso nicht zurückgefordert werden (RGZ 40/421). b) Die Befreiung besteht nicht, soweit der vermögende Beklagte selbst durch Widerklageerhebung angreift (RGZ 44/416), und zwar auch bei Ehescheidung- und Scheidungwiderklage (RG J W 31/1810 20 ); anders ist dies nur, soweit die Kosten seines Angriffs mit denen seiner Verteidigung untereinander verbunden sind, dann tritt volle Befreiung ein (RGZ 55/268). c) Die Befreiung erstreckt sich nicht auf die Zwangsvollstrcckungkosten. A II. Ist dem Rechtsmittelkläger das Armenrecht bewilligt, so tritt die entsprechende Vergünstigung für den Reehtsmittelbeklagten derselben Instanz ein, auf andere Instanzen hat die Befreiung keine Rückwirkung. Ist aber der Rechtsmittelbeklagte zugleich selbst Anschlußrechtsmittelkläger, so gilt das entsprechende wie bei der Widerklage (RG J W 31/1810). Dem Rechtsmittelkläger, der in der Vorinstanz (Rechtsmittel-)Beklagter war, kommt § 120 nicht zustatten (RGZ 6/418). B. Die Befreiung endet mit schlechthin auflösender (rückwirkender) Kraft, soweit der vermögende (Rechtsmittel-)Beklagte rechtskräftig zu den Kosten verurteilt worden ist (§ 123 II) oder wenn in entsprechender Weise der Rechtstreit beendigt worden ist (vgl. § 123 B I), nicht aber schon mit der Instanz, und auch nicht, wenn das Armenrecht der armen Partei entzogen wird (§121) oder sonst endet (§122); in diesen beiden Fällen entfällt nur die Vergünstigung für die Zukunft. Wird dagegen die Nachzahlung angeordnet (§ 125), so wird man § 123 II entsprechend zu Lasten des vermögenden Beklagten anzuwenden haben, der, wenn er obgesiegt hat, die Kosten dann vom arm gewesenen Kläger erstattet verlangen darf. Dies müßte entsprechend nach der Auffassung des BGH auch von dem Stundung- (bzw. Ratenzahlung-)armenrecht in diesen Fällen gelten (vgl. dazu § 125 A III). C. Die Vorschrift ist zugunsten des Angreifers in der Instanz unanwendbar, wenn dem (Rechtem!ttel-)Beklagten das Armenrecht bewilligt wird (KG J W 36/2817 48 ).
§ 121 (112) I Das Armenrecht kann zu jeder Zeit entzogen werden, wenn sich ergibt, daß eine Voraussetzung der Bewilligung nicht vorhanden war oder nicht mehr vorhanden ist. A I. Die Voraussetzungen der Armenrechtsbewilligung sind regelmäßig Armut und Erfolgsaussicht. a) Soweit allerdings für den (in der Instanz) Angegriffenen eine Kostenbefreiung infolge des in der Instanz angreifenden Gegners eintritt (§ 120), ist die Entziehung dieser Vergünstigung ausgeschlossen. b) Darüber hinaus muß dem armen Rechtsmittelbeklagten das Armenrecht auch dann bewilligt werden, wenn seine Lage aussichtlos ist (vgl. § 119 II 2). In der Rechtsmittelinstanz darf ihm deshalb nicht nach § 121 das Armenrecht entzoger. werden (RGZ 65/285). A II. Für die Entziehung des Armenrechts bleiben deshalb nur die sonstigen Fälle übrig. B. Die Entziehung wirkt nur für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit (KG J W 35/802 38 ; a. M. RGZ 125/105 [106]). Nach der Beendigung der Instanz ist die Entziehung unzulässig (RG J W 27/842 5 ; es darf aber die Nachzahlung nach §125 angeordnet werden, RG J W 27/842 5 ). Auch darf es für die noch nicht durchgeführte Zwangsvollstreckung entzogen werden (OLG HRGZ 28 B 192"). Darüber, ob Nachzahlung ohne Entziehung angeordnet werden kann, herrscht bei dem Stundung-(Ratenzahlung-)armenrecht bis zur Beendigung der Instanz Streit.
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B I. W a r die Partei z. Z. der Bewilligung nicht arm, ist sie es aber im Zeitpunkt, wo über die Entziehung entschieden wird, so darf ihr das Armenrecht nicht entzogen werden. Arm bleibt jedenfalls die Partei, auch wenn sie das außerprozessuale Recht an einen vermögenden dritten (etwa sicherheithalber) veräußert hat (OLG H R R 35/1688; a. M. OLG J W 3 3 / 5 5 2 « ) ; doch ist dann zu prüfen, ob der dritte nicht vorschußpflichtigist, im besonderen wird dies für den rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolger (§265) anzunehmen sein (BGHZ 26/99; a. M. OLG H R R 35/1688), nicht aber bei Pfändung oder Verpfändung der Forderung (OLG Recht 33/450; a. M. OLG Recht 32/654). Ist die Partei teilweise vermögend geworden, so darf nach § 115 I I vorgegangen und ihr ein Teil des Prozeßaufwands aufgebürdet werden (KG J W 35/1704 1 ) bzw. das Stundung-(Ratenzahlung-)armenrecht bewilligt werden (§ 115 C I I b). Weiter gehört der Fall hierher, wo für die Ausländer die Verbürgung der Gegenseitigkeit entfällt (§ 114 I I 1). Ist aber einem Staatenlosen das Armenrecht bewilligt, so ist, selbst wenn dies in das Ermessen des Gerichts gestellt sein sollte (vgl. § 114 C I I ) , nicht zulässig, allein dieses Ermessen zu ändern; dasselbe gilt in dem Fall des § 114 I I I , I V ; wohl aber darf hier, wenn die Armut der nach diesen Bestimmungen in betracht Kommenden sich ändert (KG J W 36/2168 5 8 ), das Armenrecht entzogen werden (über die Auflösung der juristischen Person vgl. § 122 A). B II. Ob die Frage des Wegfalls der Erfolgsaussicht hierunter fällt, ist — soweit diese überhaupt geprüft werden darf — zweifelhaft; ist die Beweisaufnahme beendet, so darf das Armenrecht nicht mehr entzogen werden (OLG JMB1. N R W 53/271). Auch hier wird man den Gedanken des § 119 I I 2, nach Möglichkeit es zu keinen Versäumnisentscheidungen kommen zu lassen, in § 121 hineinlegen dürfen. Wohl aber ist ein Entziehunggrund, wenn die arme Partei sich weigert, Informationen zu erteilen. C. Die Entziehung darf nur von der bewilligenden Instanz ausgesprochen werden, nicht aber von einer höheren (der Rechtsmittelinstanz, R G Seuff. 76/39) und nicht von einer irgendwie nachgeordneten, also nicht vom Vollstreckunggericht, wenn das Armenrecht für die Vollstreckunginstanz vom Prozeßgericht bewilligt worden ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß des Gerichts. Über die Beschwerde dagegen vgl. § 127 B . C I. Die Entziehung bewirkt, daß die danach zur Entstehung kommenden Gebühren und Auslagen voll zu bezahlen sind (da die Prozeßgebühr eine Dauergebühr ist, muß sie nach K G J W 3 5 / 1 5 0 8 " noch voll bezahlt werden). C II. Darüber, daß durch die Entziehung die Vollmacht des Armenanwalts nicht erlischt (RG J W 32/109), vgl. § 115 B I I I b 3. Doch braucht die arme Partei das Vertragsverhältnis nicht fortzusetzen; tut sie es aber, so muß sie den Anwalt entgelten. Umgekehrt darf auch der Anwalt das Verhältnis lösen, wenn die Partei ihm den angeforderten Vorschuß nicht bezahlt, soweit er nicht auf die Vergangenheit ungerechtfertigt zurückgreifen will (etwa den Vorschuß für die Beweisgebühr anfordert, obwohl gar keine Beweiserhebung mehr stattfindet).
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Das Armenrecht erlischt mit dem Tode der Person, der es bewilligt ist.
A. Mit dem Tode der armen Partei erlischt das Armenrecht; entsprechend muß es mit der Auflösung der juristischen Person erlöschen (doch ist hier zu beachten, daß diese nicht vor Beendigung des Rechtstreits voll eintritt, wenn es um einen Aktivwert mit Ausnahme des Nießbrauchs — vgl. B G B § 1061 1 2 — für sie geht, wobei auch der Kostenanspruch zu werten ist) und mit dem Wegfall des Konkurses (nicht des Verwalters, der durch einen anderen abzulösen ist). A I. Die Bestimmung greift in das Vertragsverhältnis des Prozeßbevollmächtigten (Anwalts) zur armen Partei ein, für das B G B § 672 I 2 gilt (der Vertrag ist mit dem Tode als aufgehoben anzusehen). Seine Prozeßvollmacht erlischt nicht (§ 86), wohl aber das zu ent-
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geltende Innenverhältnis. Der Prozeßbevollmächtigte kann nach § 246 Aussetzung des Verfahrens beantragen und damit seine Prozeßvollmacht und Vertreterstellung zum Erlöschen bringen. A II. Der in den Prozeß eintretende Rechtsnachfolger bedarf einer neuen Armenrechtsbewilligung. Zur Nachzahlung kann der Vorgänger bzw. sein Erbe nur durch besonderen Nachzahlungbetchluß nach § 125 angehalten werden, wenn der Nachfolger vermögend ist (OLG 29/90); es sei denn, daß er sich — mit Erfolg — auf eine beschränkte Haftung berufen könnte (vgl. dazu § 780 C II). Doch haben bei Nachlaßkonkurs OLG J W 30/152129, bei Nachlaßverwaltung OLG J W 38/214926 unter Außerachtlassung der Überschuldung die Nachzahlung angeordnet.
§ 123 (114) I Die Gerichtskosten und die Gerichtsvollzieherkosten, von deren Berichtigung die arme Partei einstweilen befreit ist, können von dem in die Prozeßkosten verurteilten Gegner nach den für die Beitreibung rückständiger Gerichtskosten geltenden Vorschriften eingezogen werden. II Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung der Gegner der armen Partei einstweilen befreit ist, sind von ihm einzuziehen, soweit er in die Prozeßkosten verurteilt oder der Rechtsstreit ohne Urteil über die Kosten beendigt ist. A. § 123 sichert dem Staat das Recht, die Gerichtskosten und die Gerichtsvollzieherkosten von der unterlegenen Partei, der kein Armenrecht bewilligt war, beizutreiben. Ob dazu die vom Staat beglichenen Armenanwaltskosten gehören, vgl. § 124 A II. A I. Er entspricht dem § 117, der sich nur auf das Verhältnis der Parteien zueinander bezieht. Vgl. auch GVGebG § 7. A II. Gewohnheitrechtlich setzt § 123 I eine rechtskräftige Entscheidung voraus (RGZ 80/351). B. Unterliegt der Gegner der armen Partei, so muß aber auch die Vergünstigung des § 120 wegfallen, dies besagt § 123 II. B I. Voraussetzung für seine Anwendung ist, daß der Gegner der armen Partei rechtskräftig (vgl. § 123 A II) verurteilt ist oder der Rechtstreit ohne Entscheidung zum Stillstand kommt (durch gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich, Klagerücknahme oder auch durch Ruhen des Verfahrens). B II. Hat im Falle des Vergleichs der Gegner die Kosten übernommen, so haftet er insoweit; hat aber die arme Partei die Kosten übernommen, so darf der Gegner unmittelbar in Anspruch genommen werden mit Rücksicht auf die zweitschuldnerische Haftung (OLG JW 30/28011). OLG JMB1. NRW 55/211 richtet sich dann nicht nach der in zweiter Instanz erklärten Klagerücknahme, sondern nach dem Kostenvergleich der Parteien, die die Gerichtskoiten geteilt hatten; OLG NJW 60/636 nimmt den Gegner auf die Hälfte der Kosten — wie im außargerichtlbhen Vergleich geregelt — in Anspruch). B III. Wird im Laufe eines Prozesses die Nachzahlung der Kosten (§ 125 B) gegenüber der armen Partei angeordnet, so entfällt damit auch für den Vermögenden der Schutz aus § 120. Über die Auswirkungen beim Ratenzahlungarmenrecht vgl. aber § 125 B IV.
§ 124 (115) I Die für die arme Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren nnd Auslagen von dem in die Prozeßkosten verurteilten Gegner beizutreiben. II Eine Einrede aus der Person der armen Partei ist nur insoweit zulässig, als die Aufrechnung von Kosten verlangt wird, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der armen Partei zu erstatten sind. A. § 124 regelt das Beitreibungrecht des beigeordneten Anwalts der armen Partei gegen den Gegner. Er wird ergänzt für den der Partei beigeordneten Patentarmenanwalt durch
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PatentarmenanwaltG § 1. Darüber hinaus fallen die Prozeßagenten unter ihn, sofern sie beigeordnet werden können (vgl. § 116 B V). A I. Nicht unter die Norm fallen die nach § 116 beigeordneten Justizbeamten, deren Auslagen unter den Begriff der Gerichtskosten gebracht werden. Sie selbst haben kein Zugrifferecht gegen den Gegner, auch hat es die — arme — Partei nur dann und nur in Höhe ihrer Auslagen, wenn sie diese Kosten bezahlt hat (wie bei allen Gerichtskosten, § 91 E II a). Bis dahin hat es der Staat. A III. Der Staat (Gerichtskasse) fällt selbst dann nicht unter § 124, wenn die Ansprüche der Armenanwälte und Gerichtsvollzieher auf ihn übergegangen sind. a) Für die Armenanwaltskosten, welche der Staat bezahlt hat, regelt BRAGebO § 180 II den Übergang auf den Staat mit der Maßgabe, daß auf ihn „die Vorschriften über die Erhebung der Gerichtskosten" entsprechend anzuwenden sind. a 1. Reine Gerichtekosten werden diese Ansprüche indes nicht; sie sind vom Gegner nicht einziehbar, wenn die arme Partei in ihre eigenen außergerichtlichen Kosten verurteilt worden ist; andererseits hat der Staat den Anspruch auch, wenn der Gegner die Gerichtskosten nicht, wohl aber, wenn er die außergerichtlichen Kosten der armen Partei zu tragen hat. a 2. Durch die Verweisung auf das Gerichtskostenrecht kommt aber auch für diese Ansprüche § 123 zum Zuge, wonach sie erst nach Rechtskraft der Kostengrundentscheidung beigetrieben werden dürfen (OLG J W 34/16785). Mit der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung verliert deshalb erst die Partei das Verfügungrecht, so daß erst der danach von ihr abgeschlossene Kostenvergleich unwirksam ist (KGJW 34/249718). a 8. Von der Nachzahlunganordnung (§ 125 B) gegenüber der obsiegenden armen Partei (über den Gegner der armen Gegenpartei vgl. Kommentar § 124 A III b) ist der Anspruch unabhängig. Auf sie kann sich die Gegenpartei nicht berufen. Ob und inwieweit der Staat sich gegenüber dem beigeordneten Anwalt auf sie berufen darf, vgl. Kommentar § 125 B I a 1. b) Das eigene Armenrecht des unterlegenen Gegners steht diesem Anspruch nach § 117 auch nicht der Gerichtskasse entgegen (OLG J W 37/165521; a. M. KG JW 36/34236). B I. Die Armenanwälte haben nach § 124 das Recht, im eigenen Namen die Kosten vom Gegner zu fordern, die sie als von der armen Partei Beauftragte gesetzlich von dieser nicht fordern dürfen, die aber der Gegner der armen Partei zu erstatten hat. a) Die erste Voraussetzung ist der Anspruch des Armenanwalts (usw.) wegen seiner Tätigkeit für die arme Partei, deren Entgeltung er von ihr zunächst nicht fordern darf. Diese Voraussetzung tritt mit der Beiordnung ein (vgl. § 115 B III b 4) und endet mit der Abberufung durch Gerichtsbeschluß oder Gesetz (§ 122 A I). a 1. Früher wie später entstandene Koston können die Beauftragten allenfalls von der armen Partei verlangen, insoweit haben sie kein eigenes Recht, sie sich vom Gegner erstatten zu lassen (OLG 29/64, 65). Nach dem geltenden Pauschgebührensystem (vgl. § 91 E II b) genügt es indes, wenn die Gebühr auch f ü r die Bewilligungzeit anfällt, möge sie außerdem auch eine frühere oder spätere Tätigkeit abgelten (OLG 29/65). a 2. Ist das Armenrecht nur zum Teil bewilligt, so gilt das Gesagte nur in bezug auf den bewilligten Teil (vgl. § 115 C II a). a 3. Dagegen berührt die Nachzahlunganordnung (§ 125 B) nicht die Rechte des Armenanwalts. Faßt man das Ratenzahlung- oder Stundungarmenrecht mit dem BGH (§ 115 C II b) als Bewilligung unter gleichzeitiger Nachzahlunganordnung auf (§ 125 B IV), so behält der Armenanwalt seine Rechte aus § 124, mag auch die arme Partei nicht, wie angeordnet, nachgezahlt haben. b) Das Erstattungrecht des Beauftragten erlischt mit seiner Befriedigung. Im Streitfalle kann indes der Gegner sich darauf nicht berufen, weil ein solcher Streit nicht in das Kostenfestsetzungverfahren gehört (vgl. § 103 A III a 1). Dies gilt auch dann, wenn ein Armenanwalt wegen Pflichtwidrigkeit abberufen wurde, vgl. § 115 B III b 3. Nur soweit Zahlungen urkundlich feststehen, wie die des Staats an den Armenanwalt, sind sie im Kostenfestsetzungverfahren zu berücksichtigen.
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b 1. Die Armenanwälte (usw.) dürfen ihren Ersatzanspruch gegen den Staat geltend machen; tun sie es und werden sie befriedigt, so erlischt insoweit ihr Anspruch (und geht auf den Staat über); doch brauchen sie den Staat nicht in Anspruch zu nehmen, sondern dürfen gegen den Gegner auch insoweit vorgehen (KG JW 33/1782®). b 2. Das entsprechende gilt, soweit die arme Partei sie entgolten hat und damit ihr Anspruch erloschen ist (OLG ZZP 31/334). B II. Die Kostenerstattungpflicht setzt auch hier einen Kostengrundtitel (§ 103 B) voraus, der auf den Namen des von dem Armenanwalt Vertretenen lautet. a) Der Titel braucht nicht rechtskräftig zu sein (KG JW 21/4736). a 1. Bis zur Rechtskraft hat die Partei noch das Verfügungsrecht über den Kostengrund (vgl. § 124 A III a 2), ohne daß der Armenanwalt dem widersprechen könnte (OLG 17/131; a. M. KG OLG 27/56). Dies kann auch durch Übernahme eines Kostenanteils geschehen (KG JW 36/358753). Auch darf nicht gegen den Willen der Partei dem Anwalt ein Kostentitel gegeben werden (a.M. OLG NJW 58/1975 im Fall, wo Eheleute sich ausgesöhnt hatten). Über den K o s t e n a n s p r u c h kann aber sonst die arme Partei wirksam weder vor Erlangung des Titels über den Kostenanspruch verfügen (etwa durch Abtretung des künftigen Kostenanspruchs, KG JW 36/216553) noch überhaupt, soweit § 124 II entgegensteht. a 2. Nachdem die Kostengrundentscheidung rechtskräftig geworden ist, kann die Parteivereinbarung ohne Zustimmung des Armenanwalts (bzw. des Staates, § 124 A III a 2) diesem seine Kostenerstattungansprüche nicht nehmen (KG JW 34/249716). b) Der Anspruch des Armenanwalts steht unter den Bedingungen des Kostengrundurteils (etwa in Abhängigkeit von einer Sicherheitleistung oder mit der Maßgabe der Hinterlegungbefugnis, vgl. § 713 II, 720, 817 IV, 819). Deshalb kann sich der Armenanwalt auch nicht dagegen wehren, daß die Vollstreckung einstweilen ohne Sicherheitleistung, etwa nach § 719 II, eingestellt wird (OGHZ 3/107). Wird das Kostengrundurteil aufgehoben, so treffen den Anwalt die Folgen des § 717 II, III, wenn er sein eigenes Recht verfolgt hat (vgl. § 124 C II a 3). c) AuBerprozessuale Ansprüche erhält der Armenanwalt durch § 124 nicht. So kann er im besonderen keinen Vorschuß vom Gegner fordern (RG JW 96/20521). B I I I . Festgesetzt werden dürfen nur die erstattungfähigen Kosten (RG JW 98/443); vgl. § 91 E. a) Werden mehrere Streitgenossen von einem Anwalt vertreten, von denen einer unterliegt, der andere obsiegt (vgl. §§ 91 E IV b 6; 92 A II), und ist dieser Anwalt für die eine Partei Armenanwalt, während die andere selbst bezahlt, so sind nur die Gebühren und Auslagen, soweit sie den einzelnen betreffen, ganz; soweit beide gemeinsam betroffen werden, als Anteil zu erstatten (KG JW 38/119352; a. M. OLG JW 33/553"), soweit hier Gebühren überhaupt noch erstattungfähig sind (vgl. § 91 E IV a 1). Dies muß auch bezüglich des Ersatzanspruchs des Armenanwalts gegenüber der Gerichtskasse gelten. Hier sind also die Ausgleichsansprüche nach BGB § 426 zwischen einer und mehreren Parteien zu beachten. Sind beide Parteien arm und werden sie durch einen gemeinschaftlichen Anwalt vertreten, so gilt dasselbe. b) Aber auch wenn die arme Partei von mehreren Anwälten vertreten wurde, ist die Erstattungfähigkeit besonders zu prüfen (KG JW 35/2Ö8844). b X. Im Verhältnis zu mehreren Armenanwälten wird durch die Abgabe des Armenmandats das Recht aus § 124 nicht bedroht (KG JW 35/79821); sind die Pauschgebühren mehrerer Anwälte nur einmal zu erstatten, so hat den Anspruch aus § 124 nur der erste Anwalt (a. M. OLG JW 38/191159); verzichtet dieser aber auf die Erstattung (was bei einem Antrag des folgenden Anwalts zu erfragen ist, § 139), so darf der folgende sie erstattet verlangen. Verzichtet der erste nicht, so darf dies im Kostenfestsetzungverfahren auch dann nicht beachtet werden, wenn er seinen Anspruch, etwa weil er den Anwaltswechsel verschuldet, verloren hat (a. M. KG DR 41 A 93913). b 2. Anders ist es, wenn der Vertrauensanwalt der Partei durch einen Armenanwalt abgelöst wird, wegen des Vorrangs des Anspruchs des Armenanwalts im Verhältnis zur armen Partei; hier steht der Anspruch aus § 124 dem Armenanwalt zu. Auch insoweit tritt also das
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Recht der armen Partei zurück. Dies gilt auch dann, wenn die arme Partei dem Armenanwalt die Vollmacht entzogen hat (a. M. OLG J W 33/55 2 50 ), anders wenn sie sie ihm überhaupt nicht erteilt hat (vgl. dazu aber § 115 B I I I b 3). b 3. Sind die Kosten nach Bruchteilen geteilt, 60 müssen die von mehreren Armenanwälten verdienten Gebühren in eine Relation gebracht werden. H a t der erste Armenanwalt (Aj) a (Gebühren) + b (Auslagen) verdient, der folgende (A2) c (Gebühren) und d (Auslagen), sind insgesamt nur erstattungsfähig c + d + b — 4 / 1 0 0 a (Umsatzsteuer, u m welche die Auslagen des A j zu mindern sind), so ist der auf A t fallende Anteil a + b, der auf A 2 fallende c + d — 1 0 4 / 1 0 0 a . H a t die Gegenseite e DM zu ersetzen, so ist diese Summe zwischen A t : A 2 im Verhältnis von (a + b ) : (c + d — 1 0 4 / 1 0 0 a) aufzuteilen. C I. Nach der Praxis der Kostenfestsetzung, die von der Partei nicht den Nachweis gezahlter eigener Anwaltskosten fordert (KG J W 35/1102 1 ), wohl aber gezahlter Gerichtskosten (vgl. § 91 E II a), schließt die Berechtigung des Anwalts nicht die der Partei aus, auf ihren Namen die Kostenfestsetzung zu betreiben. a) Beide Berechtigungen stehen danach in bezug auf die Armenanwaltskosten nebeneinander (RG Gruch. 45/6-^2). b) Anders ist dies mit dem auf die Staatskasse nach BRAGebO § 130 übergegangenen Anspruch; er unterliegt den Regeln der Gerichtskostenerstattung (OLG J W 35/3055 33 ). H a t der Staat die Kosten bereits erstattet, so ist (so lange er den Anspruch der armen Partei nicht abtritt) der Antrag der armen Partei insoweit zurückzuweisen. Aber auch wenn die Erstattung des Anspruchs noch nicht gefordert, mit ihr aber noch zu rechnen ist, darf insoweit nicht festgesetzt werden. C II a) Betreibt die arme Partei die Kostenfestsetzung unter Zustimmung des Armenannalts, so liegt darin sein Verzicht (RG J W 04/145 17 ) auf die Festsetzung im eigenen Namen, und zwar unabhängig davon, ob seine Forderung schon beglichen ist. Der Verzicht ist anzunehmen, wenn der Anwalt selbst namens der Partei die Kostenfestsetzung betreibt (OLG J W 36/33 27 30 ) und im besonderen, wenn er sie nicht ausdrücklich im eigenen Namen fordert (KG J W 37/56 6 3 6 ). a 1. In diesen Fällen wird der Erstattungsanspruch des Anwalts gegen den Gegner durch seinen Verzicht endgültig vernichtet. Der Gegner wird damit in den Stand gesetzt, der armen Partei zu zahlen (KG J W 37/56 6 36 ), ihr gegenüber aufzurechnen (KG J W B7/566 38 ), mit ihr eine Stundung zu vereinbaren. Auch muß der Anwalt die dann bewirkte Pfändung eines dritten gegen sich gelten lassen (KG J W 38/3259 12 ). a 2. Dagegen wird dadurch nicht der Anspruch des Armenanwalts gegen die arme Partei auf Auskehrung des so erlangten Erlöses zerstört. H a t t e er deshalb den Anspruch namens der armen Partei beigetrieben, so braucht er nicht etwa seine noch nicht bezahlten Kosten ihr auszuantworten (Baumbach-Lauterbach § 124 Anm. 1 C), es sei denn, daß inzwischen über das Vermögen der armen Partei der Konkurs eröffnet worden ist (OLG D R 40 A 2185 2 '). Den Anspruch gegen die arme Partei h a t er, ohne daß ein Nachzahlungbeschluß ergehen müßte, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die arme Partei den Kostenbetrag erhalten h a t . a 8. Dieses Verfahren hat für den Anwalt den Vorteil, daß, wenn der Titel aufgehoben wird, der Anwalt nicht verhaftet ist (vgl. § 717 II, I I I , OLG J W 31/2047 24 ), daß auch die Vollstreckung in die Kosten durch die Armenrechtsbewilligung gedeckt ist (§ 119 I, LG N J W 49/834), möge auch die Armenrechtsbewilligung nicht die Anwaltkosten decken. Andererseits hat nur sie die Rechtsbehelfe des § 104 I I I (RG Gruch. 45/652). b) Betreibt der Armenanwalt (usw.) die Kostenfestsetzung im eigenen Namen, so verliert damit die arme Partei insoweit ihr Festsetzungsrecht (KG J W 37/5S6 36 ), der Verlust erstreckt sich aber nicht auf die der Partei selbst zustehenden Erstattungansprüche, die nicht von der Armenanwaltsbestellung ergriffen werden (vgl. § 124 B I a); denn auch, soweit die Partei unabhängig vom Armenanwalt die Festsetzung betreiben könnte, kann sie es nicht neben dem Armenanwalt (KG J W 35/797 16 ), denn sie kann sein Recht nicht beeinträchtigen (KG J W 30/183 32 ). Zumindest von da ab wird jede Verfügung der armen Partei zuungunsten des Armenanwalts unwirksam (KG D R 40 A 120 22 ).
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b 1. Nach der hier vertretenen Auffassung gilt dies schon bis zur Stellung des Antrags, soweit nicht der Armenanwalt ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet. Davon weicht die h. M. ab, doch stimmt die Praxis im allgemeinen noch zu, wenn vor Stellung der Anträge und vor Festsetzung auf den Namen der armen Partei ein Gläubiger des Armen pfändet (KG J W 38/3261 43 ) oder wenn die arme Partei aufrechnet (KG DR 40 A 120 22 , wogegen KG J W 34/239 2 die Aufrechnung von der und gegen die arme Partei bis zur Festsetzung für den Armenanwalt zulassen) oder abtritt. Die h. M. nimmt dem Anwalt das Recht, sobald die Kosten auf den Namen der Partei festgesetzt sind, auch wenn er davon nichts weiß. Praktisch wird der Anwalt von der h. M. auf ein Wettrennen um den Festsetzungantrag mit der von ihm vertretenen armen Partei mit der Begründung verwiesen, daß es des Verzichts des Anwalts nicht bedürfe (KG J W 37/566 36 ). Nach der h. M. gilt dies auch, wenn der erstinstanzliche Anwalt die Kosten des zweit- und des drittinstanzlichen Anwalts namens der Partei festsetzen läßt (OLG J W 35/551®). Gerechtfertigt wird diese Ansicht zumeist mit dem passiven Verhalten der Armenanwälte (OLG J W 36/1307 39 ); doch verhalten sich die der zweiten und dritten Instanz gar nicht passiv, wenn etwa sie die Endentscheidung gar nicht kennen. b 2. Der Anspruch des Armenanwalts gegenüber dem unterlegenen Gegner entstellt nicht erst mit seinem Antrag auf Kostenfestsetzung. Vielmehr kann er über ihn nach Erlaß (§ 329 B) der Kostengrundentscheidung schon anderweit verfügen. Aber auch der Gegner kann so gegenüber dem Anwalt verfügen. Er muß, wenn er sich die Kosten des Festsetzungsverfahrer,s ersparen will, an den Armenanwalt zahlen, die Zahlung an die arme Partei befreit ihn nicht (KG J W 30/183 32 ). Auch die Abtretung des Anspruchs durch die arme Partei ändert am Recht des Anwalts nichts (KG J W 36/2165 53 ). Der Anspruch geht auf die Rechtsnachfolger des Armenanwalts über (OLG J W 17/54 4 ). Er bleibt ihm nach Verlust der Zulassung (OLG H R R 40/21, auch nach Umschreibung des Haupttitels, vgl. § 124 C I I I b). b 3. Soweit der Armenanwalt die Kostenfestsetzung im eigenen Namen betreiben darf und betreibt, ist der Anwalt selbst Partei, kann sich aber nicht als Streitgehilfe der armen Partei in der höheren Instanz beteiligen (RG DR 42 A 1025 11 , § 66 A I I I b). Ihm allein ist der Kostenfestsetzungsbeschluß zuzustellen (KG J W 38/54 34 ). Die Rechtsbehelfe und Rechtsmittel des § 104 I I I stehen ihm aus eigenem Recht zu (RG J W 96/57'), im besonderen gegen die Kostenabstriche (RG v. 1. 7.1904 III 242/04 N § 124/2). Betreibt dann der Armenanwalt die Vollstreckung, so ist er Kostenschuldner (KG OLG 2/103), wenn sich auch ein armer Armenanwalt das Armenrecht in eigener Person für die Vollstreckung bewilligen lassen kann. Sonst darf der Gerichtsvollzieher Vorschüsse vom Anwalt fordern (KG Seuff. 45/212); über die gegen ihn zur Entstehung kommenden Ansprüche aus §§ 717 II, III, 945, 302, 600 vgl. § 124 C II a 3. § 124 verleiht nach h.M. dem Armenanwalt ein gesetzliches Pfandrecht (RGZ 126/178 [180]). Jedenfalls erstreckt sich der Anspruch des Armenanwalts auf die vom Gegner geleistete Prozeßkostensicherheit (RGZ 126/178 [180]). b 4. H a t der Anwalt im eigenen Namen das Verfahren betrieben, so gibt es insoweit kein Erstattungsrecht der armen Partei. Rechtskräftige Abstriche wirken selbst dann zu ihren Lasten, wenn die arme Partei später sich den Titel umschreiben läßt (§ 727), weil sie die Forderung des eigenen Anwalts getilgt hat. Dies gilt auch dann, wenn sie ihn schon vorher bezahlt hatte, der Anwalt aber dennoch die Kostenfestsetzung im eigenen Namen betrieb. Allerdings wird der Anwalt solche Abstriche gegen sich auch im Verhältnis zur armen Partei gelten lassen müssen. C III. Die h. M. versucht Unbilligkeiten, welche sich auf Grund ihrer Auffassung ergeben, auszugleichen. a I. Lautet der Kostenfestsetzungsbeschluß auf den Namen der Partei, obwohl der Anwalt ihn auf seinen Namen beantragt hatte, so ist die Berichtigung nach § 319 zugelassen worden. (KG J W 37/566 3 0 f.; a. M. OLG J W 36/3077 54 , das § 732 anwendet). Da die gewöhnlichen Rechtsbehelfe stets dann gegeben sind, wenn der Anwalt nicht verzichtet hatte, so wird man sie auch zulassen müssen, wenn sich der Urkundsbeamte geirrt hat (KG DR 41 A 1107 25 will dies so einschränken, daß es diese nur gibt, wenn auch der Anwalt den Kostenansatz beanstandet). Wirken sich solche Versehen des Urkundsbeamten zu Lasten des Armenanwalts aus, so haftet ihm der Staat nach GG Art. 34, BGB § 839, wenn er sich nicht bei der armen Partei 31
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erholen kann (BGB § 839 I 2). Dem Gegner oder dritten haftet der Staat indes, wenn diese durch Zwischenverfügungen geschädigt worden sind. a 2. Unabhängig davon darf der Anwalt mit den gewöhnlichen Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln (§104 I I I ; nicht nach § 732, KG DR 41 A109 18 ); mit der sofortigen Beschwerde in der Beschränkung des § 567 II 2 (KG J W 37/247M) und ohne die Möglichkeit der weiteren Beschwerde (§ 568 III) die Festsetzung auf den eigenen Namen verfolgen (EG J W 96/146«). Dies kann dem erstinstanzlichen Anwalt helfen, dem der Kostenfestsetzungbeschluß auch dann zugestellt werden muß, wenn die arme Partei selbst die Festsetzung betreibt (KG J W 38/54®*). a 3 . Das entsprechende gilt, wenn der Armenanwalt zwar verzichtet hatte, aber entsprechend §§ 306, 290 widerruft. Dagegen läßt OLG Rpfl. 52/345 beliebig die Umschreibung zu, selbst wenn der Anwalt die Kosten zunächst auf den Namen der Partei festsetzen ließ. b) Die h. M. billigt dem Armenanwalt die Umschreibung des Kostenfestsetzungbeschlusses zu (RG J W 04/145"), auch noch nach Rechtskraft (KG J W 33/23446), zeitlich unbegrenzt, solange der Anspruch nicht verjährt sei oder die Partei nicht Zahlung behaupte (KG J W 36/5625) oder die Zahlung oder Aufrechnung schon feststehe (KG J W 37/566 3 "f., vgl. auch BGHZ 5/251, der auf die gegen die arme Partei zu erhebende Vollstreckunggegenklage nach „Umschreibung" verweist) oder eine Pfändung vorliege (KG J W 38/3259 4a ; a. M. OLG J W 3 2 / 1 5 8 7 s i e trotz Pfändung zulassend) oder sie sonst nicht zweckdienlich sei (KG J W 38/326143). Die nach Umschreibung auf den Anwalt erklärte Aufrechnung läßt KG J W 39/64S45 nicht mehr gelten. b 1. Im allgemeinen wird dann die Rückgabe des alten Titels gefordert (KG J W 36/3586 sa ; a. M. BGHZ 5/251). b 3. Durch die Umschreibung dürfen neue Rechtsbehelfsfristen nicht gegeben werden (OLG HRR 39/112). Gegen die Umschreibung als solche sind die gewöhnlichen Rechtsbehelfe gegeben. D. Während der Gegner gegen Kostenerstattungansprüche der armen Partei aufrechnen darf, wird seine Aufrechnungbefugnis gegenüber dem Armenanwalt gemäß § 124 I I beschränkt. D I. Der Kostenerstattunganspruch kommt u. U. schon von vornherein nur als Teil der Gesamtforderung zur Entstehung, etwa wenn die Kosten nach § 92 geteilt werden. Das entsprechende gilt in den Fällen der Kostentrennung (§§ 94folg., KG J W 37/2799«), im besonderen im Fall des § 238 III oder bei teilweiser Klagerücknahme (§ 271 III), aber auch wenn es sich um verschiedene Instanzen handelt (OLG J W 36/332730). Auch ein Vergleich kann die Kosten aufteilen (KG J W 36/358753). Diese Kostendifferenzen gehören in das Kostenfestsetzungverfahren, nicht in das Verfahren der Vollstreckunggegenklagen (KG J W 36/358763). a) Diese Regel gilt auch gegenüber dem Erstattunganspruch der Gerichtskasse (RG Seuff. 86/39), der letztrangig ist. Allerdings können die Armenanwälte der Gegenpartei nicht mehr als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen erhalten. Dies gilt auch dann, wenn die Staatskasse von der Gegenpartei ihren Anspruch schon erhalten hat (OLG J W 33/2347 11 ); diese muß gegebenenfalls an den Gegner zurückzahlen; auch kann der Armenanwalt den Anspruch des Gegners pfänden und sich überweisen lassen. b) Im Verhältnis des Armenanwalts zur Staatskasse kann sich wegen des letzten Ranges der Staatskasse für den Armenanwalt ein Erstattunganspruch gegen den Gegner auch dadurch ergeben, daß er Gerichtskosten zu ersetzen hat, also im besonderen, wenn die Kosten gegeneinander aufgehoben werden und der Armenanwalt des Klägers nur die Erstattung seiner Kosten in Höhe der halben Gerichtskosten vom Gegner fordert (OLG JW 36/332730). Auch sonst ist bei Quotelung zunächst die volle Gebühr des Armenanwalts in die Waagschale zu werfen (einschließlich der ihm von der Staatskasse ersetzten Beträge) und ihm alles zu erstatten, was bis zu seiner vollen Gebühr fehlt (KG J W 36/216654). b 1. Bei der Quotelung kommen dem Armenanwalt auch von der armen Partei gemachte Aufwendungen, die erstattungfähig sind, zu gute (OLG NJW 57/916). D II. Sonstige Einwendungen dürfen den Armenanwälten grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden, soweit ihnen ihr Anspruch noch zusteht; anders ist dies, wenn er auf den Staat
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oder die arme Partei übergegangen ist, was dann aber in das Verfahren der Vollstreckungsgegenklage gehört (§ 767). Auch die Einrede der Verjährung (die in 30 Jahren eintritt: KG J W 38/248827, obwohl im Verhältnis zur armen Partei BGB § 196 I gilt) gehört in das Verfahren nach § 767 (OLG JW 36/280832); ebenso die der Verwirkung, wenn man sie überhaupt gelten läßt (KG JW 38/2488 27 : nur in Ausnahmefällen). Auch der Einwand, daß der Gegner Prozeßkostenvorschüsse an den Anwalt geleistet hat, gehört nicht in das Erstattungverfahren (OLG JW 36/332780, vgl. dazu § 91 E IV a).
§ 125 (116) I Die zum Armenrecht zugelassene Partei ist zur Nachzahlung der Beträge, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit war, verpflichtet, sobald sie ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts dazu imstande ist. II Das gleiche gilt für die Beträge, von deren Berichtigung der Gegner einstweilen befreit war, soweit die arme Partei in die Prozeßkosten verurteilt ist. A. § 125 regelt die Voraussetzungen der Nachzahlungspflicht der armen Partei. Entschieden wird darüber nach § 126 in Form eines Beschlusses. A I. Nachzahlunggrund ist ausschließlich mangelnde Armut (vgl. § 114 B II), nicht die andere Beurteilung der Erfolgsaussichten (vgl. § 1 2 1 B I I ) ; doch braucht sich das Gericht nicht an das — neu beigebrachte — Armenattest zu halten (KG DR 40 A 204 18 ). Ob der Wegfall der Armut durch Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist oder nur früher nicht richtig erkannt worden ist, ist gleichgültig (KG [West] J R 51/27; a. M. OLG HEZ 2/366 m. N.). Eine Veränderung zugunsten der Partei tritt aber auch ein, wenn ein dritter verpflichtet ist, im Fall ihrer Inanspruchnahme die Kosten zu bezahlen (vgl. § 114 B II b 2; a. M. OLG VersR 53/441). Doch darf die Partei z. Z. des Nachzahlungbeschlusses nicht arm sein (gleichviel ob sie inzwischen vermögend war oder nicht, § 114 B II b 1; a. M. OLG Rpfl. 53/135), und der spätere Wegfall des Vermögens berechtigt die Partei, die Aufhebung des Nachzahlungbeschlusses zu beantragen. a) Gestattet die Vermögenslage der Partei die Bezahlung nicht auf einmal, so kann die Nachzahlung in Bruchteilen oder in Raten angeordnet werden (KG [West] J R 51/27); auch nachträglich, wenn bei sonst unveränderter Beurteilung eine Ratenzahlung als tragbar erscheint (KG DR 40 A 1147 1 '). A II. Doch darf der Beschluß nicht dritten (der Gerichtskasse etwa) Stundung- oder Ratenzahlungbewilligung überlassen (KG J W 39/6494e), wenn die Gerichtskasse die Stundung auch trotz der Nachzahlunganordnung für die Gerichtskosten (nicht für die anderen) bewilligen darf. A III. Der Gegner hat den Zugriff gegen die arme, ihm unterlegene Partei nach § 117, was indes bei Gerichtskosten erst nach Bezahlung durch ihn angeht (vgl. § 91 E II a). Soweit ihm nach § 120 die dort genannten Gerichtskosten gestundet sind, müßte er sie — trotz der Stundung — zuerst begleichen, woran er nicht gehindert werden darf. Unterliegt die vermögende Partei, der die Kosten nach §§ 115 11, 120 gestundet sind, so gilt § 123. Durch den Nachzahlungbeschluß werden die dem Gegner nach §§ 120, 115 1 1 gestundeten Gerichtskosten nicht fällig, mag er auch Antragsteller gewesen sein. Wohl aber ist die arme Partei gegenüber der Staatskasse gehalten, sie zu begleichen (§ 125 II), falls sie zur Zahlung dieser Kosten verurteilt ist, sobald die Nachzahlung angeordnet worden ist. B I. Ergeht der Naehzahhingbeschluß ohne Einschränkung, so erstreckt er sich grundsätzlich auf alle der armen Partei gestundeten Zahlungen, der Gebühren und Auslagen des Staates (KG JW 28/152019), einschließlich der Gerichtsvollzieherkosten und der von der Staatskasse ersetzten der Anwälte, wie auch die der Armenanwälte. a) Der Nachzahlungbeschluß gibt die arme Partei dem Zugriff ihrer Kostengläubiger preis, welche ohne Nachzahlungbeschluß nicht von sich aus gegen die arme Partei vorgehen dürfen (OLG NJW 55/1191), wenn sie ihnen auch (mit entsprechender Belehrung durch den 31»
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Anwalt) freiwillig zahlen dar! (OLG H R R 41/198). Anders ist es nur für die Ansprüche, welche der Gegner dem Anwalt zu erstatten hat (§ 124) und die zugunsten der armen Partei gezahlt oder verrechnet werden, soweit sie ihrem Vermögen zufließen (nicht so lange nur ein noch nicht erfüllter Titel besteht). b) Darüber, daß die arme Partei als Gegner schon vor dem Nachzahlungbeschluß in anspruch genommen werden darf, vgl. § 117 A. Über die Wirkung der Entziehung des Armenrechts vgl. § 121 B. Darüber, ob es gegen die Erben der armen Partei eines Nachzahlungbeschlusses bedarf, vgl. § 122 A II. Erben, die das Armenrecht bewilligt erhalten haben, sind zur Nachzahlung für den Erblasser jedenfalls nicht verpflichtet (RG Recht 12/3385). c) Mit der Anordnung fällt die Verjährunghemmung des BGB § 202 weg (OLG BadRPr. 08/166). B II. Wird die Aufhebung nur zu Bruchteilen ausgesprochen, so hebt der Nachzahlungbeschluß die Stundung nur im Rahmen seiner Anordnung auf, d. h. es ist mit der Nachzahlung so zu verfahren, wie beim Bruchteilarmenrecht zu verfahren gewesen wäre (§ 115 C II a). Die Verjährunghemmung (vgl. § 125 B I c) entfällt hier nur bezüglich des Bruchteils. B i n . Wird die Nachzahlung bestimmter Beträge angeordnet (vgl. OLG BayJMBl. 53/91), was zulässig ist, vgl. im übrigen § 126 I I I (§ 126 A II b). B IV. Auch das Ratenzahlung- oder Stundungarmenrecht (vgl. § 115 C II b) enthält nach der Auffassung des BGH N J W 53/1350 eine Anordnung ratenweiser Nachzahlung, die zulässig ist. C I. Der Beschluß ergeht von Gerichts wegen. Anregungen dazu darf jeder geben; ein Antragsrecht hat weder die Gegenpartei (RG BadRPr. 05/180), die indes die Kosten auch, soweit sie ihr nach § 120 gestundet sind, begleichen, für sich festsetzen und von der armen Partei dann beitreiben darf (§ 117); noch die arme Partei (die aber erfüllen darf); noch der Armenanwalt (RGZ 64/18); denn gegen den die Anordnung ablehnenden Beschluß ist kein Rechtsbehclf gegeben (RGZ 20/417). a) Zuständig für den Erlaß des Beschlusses ist d i e I n s t a n z , wo der Rechtstreit schwebt, u. U. das Revisionsgericht (RG J W 37/35 16 ); nach rechtskräftiger Beendigung aber die erste Instanz (§ 104 entsprechend; RG J W 27/842 5 ). Die entziehende Instanz entscheidet zugleich für alle anderen. b) Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 I 5). Auf die Erinnerung gegen seine Entscheidung kommt aber wieder das Gericht zum Zuge (RechtspflegerG § 10). C II. Wird (fehlerhaft) die Nachzahlung angeordnet, so hat sowohl die arme Partei wie der Armenanwalt, soweit sie beschwert sind, die Rechtsbehelfe (vgl. § 127 B); der Armenanwalt also, wenn etwa nur die Nachzahlung der Gerichtskosten angeordnet worden ist (nicht aber um darzulegen, daß überhaupt keine Nachzahlung angeordnet werden durfte, OLG JMB1. N R W 52/97 7 ). D. Wird der Nachzahlungbeschluß (auf Erinnerung, vgl. § 127 B, bzw. durch neuen Antrag nach erneut eingetretener Armut, die jederzeit wieder geltend gemacht werden kann) aufgehoben, so wirkt die Aufhebung erst von da ab, d. h. die Nachzahlunganordnung tritt außer kraft und die Stundung der noch ausstehenden Kosten tritt ein. Daß die Aufhebung mit rückwirkender Kraft ausgesprochen werden dürfte, so daß etwa das Gezahlte wieder zurückzuzahlen wäre, davon kann keine Rede sein.
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I Über das Gesuch um Bewilligung des Armenrechts, über seine Entziehung und über die Verpflichtung zur Nachzahlung der Beträge, von deren Berichtigung die zum Armenrecht zugelassene Partei oder der Gegner einstweilen befreit ist, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
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II Dem Beschluß, durch den das Armenrecht verweigert oder entzogen wird, soll, sofern dies nicht nach der Lage des Falles entbehrlich oder unzweckmäßig erscheint, eine kurze Begründung beigefügt werden, aus der die für die Entscheidung maßgebenden rechtlichen oder tatsächlichen Gründe ersichtlich sind. m Vor der Entscheidung über die Verpflichtung zur Nachzahlung sind die zum Armenrecht zugelassene Partei, die Bundes- oder Staatskasse und der beigeordnete Rechtsanwalt zu hören. Wird die Nachzahlung nicht in voller Höhe angeordnet oder werden Teilzahlungen bewilligt, so ist auszusprechen, daß auf die Forderung der Bundes- oder Staatskasse und auf die Forderung des beigeordneten Rechtsanwalts je zur Hälfte zu zahlen ist. A I. § 126 I bestimmt, daß die mündliche Verhandlung freigestellt wird. A II. Über die Zuständigkeit des Gerichts vgl. §§ 118 A IV, 125 C I. Über Verweisungbeschlüsse im Armenrechtsverfahren vgl. § 118 C I b. a) Grundsätzlich ist das Kollegium (§ 118 A IV) zur Bewilligung des Armenrechts zuständig. Entschieden wird durch (ausdrücklichen) Beschluß (vgl. § 329 A II, OLG HRR 30/816), möglicherweise aber auch durch stillschweigende Erstreckung (OLG JW 38/473S9, § 119 A II a). Ergeht er auf eine mündliche Verhandlung, so ist er zu verkünden (§ 329 I), andernfalls ist er der armen Partei formlos mitzuteilen (OGHZ 3/262; dies gilt auch für den Nachzahlungbeschluß, weil er kein Titel ist, OLG DR 40 A 822 ö ). Doch ist er förmlich zuzustellen, wo Fristen laufen (§ 329 III, für den Rechtsmittelkläger wegen der des § 234: RGZ 147/154folg.). Formlos mitzuteilen ist er dem Gegner (KG JW 38/204338), wie einem der armen Partei beigeordneten Anwalt (RG Warn. 18/101), doch empfiehlt sich die förmliche Zustellung an den Beigeordneten, wenn Fristen laufen; er ist indes noch nicht Prozeßbevollmächtigter der Partei, wenn er sich noch nicht bestellt hatte; die Zustellung an ihn ist für die Partei deshalb wirkunglos (RGZ 147/154), anders ist dies, wenn er schon für die Partei aufgetreten ist, dann ist § 176 zu beachten. Doch wird der Mangel behoben, sobald sich der Beigeordnete für die Partei meldet. b) § 126 III 1 ordnet an, daß die Partei, der gegenüber eine Nachzahlung angeordnet werden soll, die Gerichtskasse und beigeordnete Anwälte vor Erlaß der Anordnung zu hören sind (vgl. dazu § 118a I 2). Sind Landes- und Bundeskassen beteiligt, so sind beide zu hören; sonst nur die Kasse des Gerichts, das zum Lande oder zum Bunde gehört; ebenso ist, wenn (im besonderen in mehreren Instanzen) mehrere Anwälte (die Anspruoh auf Kostenerstattung durch die Staatskasse haben) beteiligt waren (vgl. § 125 C I a), jeder von ihnen zu hören. Nicht gehört werden die Streitgehilfen, die Streitgenossen der Partei und die Gegenpartei(en) und ihre Streitgehilfen. b 1. Angeordnet wird die Nachzahlung durch Beschluß des Rechtspflegers (RPflegerG § 19 I 5); vgl. im übrigen § 125 C. b 2. Bei teilweiser Nachzahlunganordnung bestimmt § 126 III 2, daß die Staatskasse wie die Anwälte dann je zur Hälfte berechtigt seien. Damit wird von der Rechtsprechung, die eine auf die Gerichtskosten beschränkte Nachzahlunganordnung für zulässig hielt, abgerückt (vgl. Kommentar § 125 B III). Doch hat auch noch BRAGebO § 130 I 2 den Vorrang, so daß den Anwälten im Range nicht die ihnen ersetzten Kosten vorgehen dürfen; es bleiben danach für den gleichen Rang nur noch die sonstigen (reinen) Gerichtskosten übrig (OLG MDR 58/702). Bei mehrfacher Beteiligung (Bundes- und Landesfiskus oder Landesfisci; mehrere Anwälte) bleibt es dabei, daß auf die Staatseite die eine Hälfte und auf die Anwaltseite die andere Hälfte fällt. Jede Seite erhält dann den Kopfteil (vgl. BGB §§420, 430). B II. Für den das Armenrecht verweigernden oder entziehenden Beschluß schreibt §12611 eine Begründung vor und will damit den Antragsteller in die Lage versetzen, nachzuprüfen, ob das Gericht seine Erfolgsaussichten, aber u. U. auch seine Armut richtig beurteilt hat. B III. Für eine Kostenentscheidung ist kein Raum (§118aIV). Die dem Gegner im Armenrechtsverfahren entstehenden Kosten werden nicht ersetzt (§ 118 a IV 1), über die der armen Partei entstandenen vgl. § 118 C II. C. Bewilligung und Versagung des Armenrechts hat RGZ 55/327 als Entscheidung nach GVG § 2001 angesehen. Auch der BGH erklärt — übrigens beschränkt auf das Armenrechtverfahren — die Armenrechtentscheidungen zu Feriensachen, vgl. dazu GVG § 200 C I b.
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§ 127 (118) I Der Beschluß, durch den das Armenrecht bewilligt wird, ist unanfechtbar. Gegen den Beschluß, durch den das Armenrecht verweigert oder entzogen oder die Nachzahlung von Kosten angeordnet wird, findet die Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn das Berufungsgericht den Beschluß erlassen hat. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. A. Der das Armenrecht bewilligende Beschluß ist unanfechtbar (§ 127 11). A I. Doch hindert dies den Gegner nicht, die Entziehung des Armenrechts nach § 121 bzw. die Nachzahlung nach § 125 anzuregen, wenn auch darüber nicht entschieden zu werden braucht; wird darüber ablehnend entschieden, so sind auch diese Beschlüsse unanfechtbar (OLG JW 3S/223445). Dies gilt ferner, wenn die Beschwerdeinstanz das Armenrecht bewilligt (RGZ 51/144 [146]) oder einen Entziehung- oder einen Nachzahlungbeschluß aufhebt. A II. Die arme Partei (nicht ihr Gegner) und ihr Anwalt haben wegen der Auswahl durch den Vorsitzenden die Beschwerde (§ 116b); doch kann sich der Anwalt nur gegen seine persönliche Beiordnung wenden, keinesfalls dagegen, daß der Partei zu Unrecht das Armenrecht bewilligt sei (RG J W 00/129a). B. Wird das Armenrecht in erster Instanz vom AG oder LG verweigert oder entzogen, so haben die arme Partei und, soweit der Gegner sich auf § 120 stützen kann (also nicht im Fall des § 125), auch der Gegner (RGZ 55/268) das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde. Wird die Nachzahlung vom Rechtspfleger (§ 125 C I b) angeordnet (§ 125 B), so gibt es dagegen die (Sprung-)Erinnerung nach RechtspflegerG § 10 11, IV. Der Rechtsbehelf ist auch gegeben, wenn das Armenrecht nur in einzelnen Beziehungen verweigert wird (RGZ 63/408) oder ein (auch nur vorgeschlagener: OLG HEZ 2/286) Vertreter nicht beigeordnet wird, im besonderen zur Wahrnehmung eines auswärtigen Termins (KG DR 40 A 2051®), oder gegen die Verweigerung der Beiordnung eines Verkehrsanwalts (§116 A II b 3) oder gegen die versagte Bewilligung eines Reisekostenvorschusses (KG DR40A205) oder gegen die verweigerte Auslagenerstattung (OLG JMB1. NRW 53/674 für Beweisermittlungkosten). Auch wenn die Entscheidung über das Armenrechtgesuch ausgesetzt wird, ist die Beschwerde zulässig (OLG MDR 57/745). Darüber, daß auch der Armenanwalt den Rechtsbehelf gegen die Nachzahlunganordnung hat, die ungerechtfertigt die Staatskasse bevorzugt, vgl. § 125 C II (über die Rechtstellung des Armenanwalts bei Reisen vgl. § 103 F III c 1 und Vorschüssen vgl. Kommentar § 103 F II a 2). Sonstige dritte, etwa die Vorschußpflichtigen (§ 114 B II b 2), haben einen solchen Rechtsbehelf nicht (KG OLG 39/63), deshalb auch nicht die wirtschaftlich Beteiligten in den Fällen des § 114 III, IV. B I. Die Beschwerde ist aber auch bei diesen Beschlüssen unzulässig, wenn sie die höhere Instanz erlassen hat (§ 127 I 3), selbst wenn gegen § 119 II verstoßen wurde; über die Revisiongründe in solchen Fällen vgl. aber § 127 C III. Dies gilt auch für eine beim Berufunggericht zu erhebende Wiederaufnahmeklage (OLG NdsRpfl. 51/222 oder in einem Arrest- oder einstweiligen Verfügung-Verfahren, das erstmalig vor dem LG als Berufunggericht angestrengt wird (OLG J W 38/5637). Es gilt auch bei Armenrechtgesuchen für Beschwerdeverfahren, über welche die Beschwerdeinstanz zu entscheiden hat (KG J W 36/307346). a) Dem entsprechend ist in denselben Fällen die Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 10 IV bei Nachzahlunganordnungen des Rechtspflegers ausgeschlossen; wohl aber ist in all diesen Fällen die Erinnerung nach RechtspflegerG § 10 I 1 zulässig. b) In Bagatellsachen ist aber die Beschwerde zulässig (a. M. LG JMBI. NRW 54/233). B II. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen (§ 127 I 3). B III. Die h. M. wendet § 567 II nicht an, obwohl das Armenrecht nur Gebühren, Kosten und Auslagen betrifft (KG JW 34/19206) und setzt sich damit zur Behandlung bei der Beschwerde gegen die Nachzahlungsanordnung in Widerspruch, wo sie § 567 II gelten läßt (Rosenberg Lb. § 82 V 2 a). B IV. Die Beschwerde unterliegt nicht dem Anwaltzwang (§ 569). Auch in diesem Verfahren ist der Gegner zu hören (OLG HRR 35/1689). Eine Hilfsbeschwerde für den Fall, daß
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Armenrecht
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das Armenrecht nicht bewilligt wird, ist unzulässig (KG [West] J R 50/732; zulässig ist sie aber bei Nachzahlungbeschlüssen als Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 10 IV. C. Die Beschwerde wird nicht dadurch unzulässig, daß die Instanz beendet wird, soweit sich die Armenrechtbewilligung zurückbeziehen läßt ( § 1 1 4 B I I c 2 ; K G D R 40 A 926 1 8 ). Anders ist dies, wenn die arme Partei im AG-Verfahren die Beiordnung eines Anwalts erbeten hatte und die Instanz ohne Anwalt beendet wurde (OLG Kiel H R R 30/1653, das sie als gegenstandslos bezeichnet hat) oder wenn sie den Anwalt bezahlt oder die Gerichtskosten voll bezahlt hat. Ist ihr das Armenrecht entzogen, so gilt das entsprechende; soweit die Aufhebung des Entziehungsbeschlusses noch Bedeutung hat, ist die Beschwerde zulässig (vgl. K G J W 35/1706 3 ', wobei zu bedenken ist, daß in ihr die Antragstellung zur Bewilligung liegt, der Rückwirkung zukommen kann, vgl. § 114 B I I c 2). C I . In der Beschwerdeinstanz werden stets sämtliche Voraussetzungen geprüft. Hat die erste Instanz mangels Armut abgelehnt, so muß die Beschwerdeinstanz auch die Aussichten prüfen, wenn sie entgegen der ersten Instanz die Armut bejaht (a. M. OLG HEZ 2/368) wie umgekehrt. Ist das Verfahren der ersten Instanz mit dem Unterliegen der armen Partei abgeschlossen, so darf die erste Instanz nicht mehr bewilligen (OLG H R R 34/1231), und die Beschwerdeinstanz sollte es nur tun, wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, das aussichtreich ist. C II. Ist umgekehrt das Armenrecht bewilligt, so steht auch die Armut für das Wiedereinsetzungverfahren fest und kann vom Gegner nach R G N § 127/4 nicht mehr angegriffen werden. C HI. In der ungerechtfertigten Nichtbewillignng des Armenrechts oder in seiner Entziehung kann die Verweigerung rechtlichen Gehörs liegen, was in der höheren Instanz gerügt werden darf (BGH LM-ZPO § 548/2), im besonderen wenn das Armenrecht verweigert und die Klage mangels Beweises abgewiesen wird, weil die Kostenvorschüsse nicht geleistet wurden. Insoweit kann die höhere Instanz durch ein an sie gerichtetes Armenrechtsgesuch noch die Nichtbewilligung korrigieren, auch wenn sie dies auf Beschwerde gar nicht könnte (vgl. § 127 B I). Darüber hinaus stellt die ungerechtfertigte Nichtbewilligung eine Amtspflichtverletzung dar, vgl. GG Art. 34, B G B § 839.
Dritter Abschnitt Verfahren Erster Titel Mündliche Verhandlang
§ 128 (119) I Die Verhandlung der Parteien über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht ist eine mündliche. II Mit Einverständnis der Parteien kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. B II b) Die (natürlichen) Gesetze der Logik sind Grundlage des Verfahrensrechtes, das ohne logisches Urteilen nicht möglich ist. Nach der Rechtsprechung sind Verstöße gegen die natürlichen Gesetze der Logik Rechtsverstöße (vgl. RGZ 37/66f.). c) Der Riohter muß auch die sonstigen natürlichen, wozu Erfahrungsätze ihm ihre Erkenntnis vermitteln helfen (vgl. § 286 D I), und die (künstlichen) Rechtsgesetze beachten. B m a) Die Prozeßordnung wählte das Verhandlungprinzip, zunächst das Mündlichkeitsprinzip (§ 128 I), später das der Gewährung rechtlichen Gehörs (d. h. die Möglichkeit, sich zu äußern, BayObLG BayObLGZ 1949/33), auch bei möglicher Schriftlichkeit (§ 128 I I ) . Nur in
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§128
B III a
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Ausnahmefällen wird das Gehör versagt (§§ 188, 225 II, 226 III, 611 II und im Vollstreckungsverfahren nach § 834). Bs wird erweitert durch das Recht der Partei, zu allen Entscheidungen, die das Verfahren betreffen, hinzugezogen zu werden (§ 357 I), was nur nach GVG §§ 176folg. eingeschränkt wird. Verstärkt wird das Verhandlungsprinzip durch die Forderung nach Unmittelbarkeit der Beweisaufnahmeverhandlung (§§ 335, 370, 379). Das Prinzip gilt auch in den Offizialverfahren (RGZ 165/248 [254]). b) Das (gewöhnliche) Verfahren beginnt mit dem Antrag des Klägers, der eingereichten Klage, die zugestellt und damit erhoben wird (§ 253 I). Der Kläger begrenzt seinen Antrag und Sachvortrag; er darf mehrere Ansprüche häufen (§ 260), alternativ und eventuell, das erste nicht unbegrenzt, das letzte regelmäßig nach seiner Wahl, und so im letzten Falle das Gericht zwingen, sich an die von ihm gewählte Reihenfolge zu halten (RGZ 167/257 [258]). b 1. Unklare Anträge werden ausgelegt und sind nach § 139 zu klären (RGZ 169/353 [356]); es ist aber nicht Aufgabe des Gerichts, darauf hinzuwirken, daß dann insoweit geänderte Anträge gestellt werden (RGZ 158/40 [48]), dadurch würde sich das Gericht einem begründeten Ablehnungantrag wegen Befangenheit aussetzen (§ 42 B I I I a 2). Soweit das Gesetz für einen Sachverhalt zu einem oder mehreren Ansprüchen einen verschiedenen Tatbestand hat (man spricht hier vom Klagegrunde, §253 GIV), darf der Kläger regelmäßig unter den Gesetzen, aus denen er seinen Anspruch herleiten will, auswählen. Außerprozessualer Anspruch und Sachverhalt gehören also zusammen zum Parteivortrag und nehmen Bezug auf das Rechtsgesetz. Erst durch diese Bezugnahme entsteht die Begründung des Anspruchs, der Klagegrund. Der Klagegrund ist also nicht mit dem Sachverhalt kongruent, sondern es ist der Sachverhalt in einer solchen Beziehung zum Rechtsgesetz, daß durch ihn der Anspruch begründet wird. b 2. Regelmäßig wird sich die Partei auf alle nur möglichen Klagegründe beziehen wollen; es dürfen und müssen alle rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, also auch andere als die von den Parteien vorgetragenen (RG J W 28/1489 2 ); denn an Rechtsausführungen ist das Gericht regelmäßig nicht gebunden (RG J W 01/838 11 ). Dies gilt gleichviel, ob die Parteien sich darauf beziehen oder nicht (iura novit curia; RGZ 151/93; vgl. aber die abweichende Rechtsprechung über das nur beiläufig Vorgebrachte in Kommentar § 561 B I I c 2). b 3. Beschränkt die Partei sich aber ausdrücklich auf einen bestimmten Klagegrund, so darf regelmäßig das Gericht nicht nach einem anderen erkennen. Wird die Klage auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung gestützt, so darf der Anspruch dem Kläger nicht als Erfüllunganspruch zugesprochen werden (RGZ 154/58 [63, 64]). Der nicht vorgetragene Klagegrund darf dann nicht berücksichtigt werden (RG J W 11/50 44 ). c) Der Beklagte kann sich der Bestimmunggewalt des Klägers nicht entziehen. Soweit er darüber hinausgehen will, muß er zu einem eigenen Angriff, der Erhebung der Widerklage, übergehen, insoweit erhält er die Bestimmunggewalt des Klägers. Soweit er in der Parteirolle des Beklagten bleibt, hat er grundsätzlich nur die Möglichkeit, innerhalb des vom Kläger abgesteckten Streitumfanges sich zu verteidigen (nur bei der Aufrechnung geht er auch darüber noch hinweg). c 1. Dem Klagegrund entspricht der Einwand- bzw. Einredegrund. Der Einwand ist zu beachten, wenn sich die Partei auf Tatsachen beruft, die ihn begründen (RGZ 83/160). c 2. Einreden (§ 253 B IV b 2) müssen dagegen besonders geltend gemacht werden. d) Der Streit der Parteien geht um die außerprozessualen Ausgleichsansprüche; diese sind aber nicht von dem Rechtsgrunde zu lösen (§ 253 G IV c), der auf (tatsächliches) Geschehen zurückgreift. Diesen Sachverhalt d 1. von Gerichts wegen zu erforschen, ist (regelmäßig) nicht die Aufgabe des Gerichts. §138 1 verwehrt der Partei, bewußt unwahre Behauptungen aufzustellen; handelt sie dem zuwider, so werden die Behauptungen, jedenfalls wenn sie Unwahres betreffen, nicht beachtet. Doch darf das Gericht nur die aufgestellte, nicht aber eine nicht aufgestellte Behauptung nachprüfen (RGZ 151/93). d 2. Im Regelverfahren (also wo keine Offizialmaxime herrscht) prüft das Gericht den Sachverhalt nur nach, wenn der Gegner die Tatsachenbehauptung bestreitet, nicht wenn er
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sich dazu nicht äußert (§ 138 III, 439 III, 3311) oder sich unzulässigerweise mit Nichtwissen erklärt (§ 138 IV) oder gar die Richtigkeit zugesteht (§ 288); also soweit etwas beweisbedürftig ist. Im Offizialverfahren darf dagegen das Gericht von sich aus auch dem Nichtbestreiten daraufhin nachgehen, ob es zutrifft, obwohl es im allgemeinen dies in der Praxis nicht tut. Die Offizialmaxime gilt im Entmündigungverfahren nach §§ 653, 663 II, 6701, 676 III, 680 III, 685, 686 IV; im Kindschaftverfahren nach §6401 und in Ehestreiten (§622 1). d 3. Sind Behauptungen unbestritten, so kommt es auf die Beweislast nicht an. Die den Klageanspruch begründende Behauptung kann deshalb auch vom Beklagten vorgetragen sein (vgl. RGZ 103/419 [422]), wie auch der Kläger Tatsachen eines Einwandes gegen ihn (RG N § 128/14) vorbringen kann, denn jede Partei muß ihre (nicht widerrufene) Behauptung auch gegen sich gelten lassen (RGZ 94/348). e) Soweit etwas beweisbedürftig ist, prüft das Gericht die Wahrheit der Behauptungen grundsätzlich von gerichts wegen nach. Dem dient § 291. An prozessuale Parteianträge ist es hier nur noch bei dem Zeugenbeweis und im Regelfall bei dem Urkundenbeweis gegenüber dritten (§§ 428folg.) gebunden, wenn auch von den dem Gericht gegebenen Nachprüfungmöglichkeiten ohne Parteiantrag nur wenig Gebrauch gemacht wird. Von gerichts wegen darf angeordnet werden: die Augenscheineinnahme (§§144, 371 folg., 272b 115 einschließlich der Zeugenuntersuchung bei Peststellung der Abstammung, § 372 a), die Vorlegung von Urkunden, die sieh in den Händen der Parteien (§§ 142 I, 143, 272b II 1, HGB §§ 45folg.; vgl. § 142 A I) oder in denen öffentlichrechtlicher Körperschaften (§ 272 b II 2 — was der Vorsitzende darf, darf auch das Gericht —) befinden, oder wenn es sich um das Tagebuch eines Handelsmaklers handelt, von diesem (HGB § 102); — nur kann es nicht die Vorlegung von Urkunden aus den Händen sonstiger dritter anordnen (§§ 428folg.) —; die Vernehmung von Sachverständigen (§§ 144, 402folg., 272b II 5), die der Parteien (§§ 448, 452; vgl. auch noch §§ 141, 619, 272b II 3). Nur bei der Anordnung, Zeugen zu vernehmen (§§ 373, 272b II 4), und bei Urkunden, die sich in den Händen dritter befinden, auf die das Gericht keinen unmittelbaren Zugriff hat (§§ 428folg.), ist das Gericht rechtlich vom Parteiantrag abhängig, aber auch hier ist es unabhängig, sofern es die Wahrheit kennt (§ 291). Soweit das Gericht Beweise nicht von sich aus erheben darf, darf es die gegen den Willen der Parteien erhobenen nicht berücksichtigen (vgl. RGZ 102/331); anders ist dies bei denen, die es von sich aus erhoben hat und erheben durfte, wie bei denen, die es erheben durfte, selbst wenn es sie auf Veranlassung der Parteien erhoben hatte; die frühere Rechtsprechung (vgl. RG J W 12/39819), wonach nur das als Beweis verwertet werden durfte, was die Parteien vorgetragen haben, ist jedenfalls insoweit überholt. Soweit bei einer Beweisaufnahme der Richter Wahrnehmungen macht, muß er sie im Protokoll (nach Art der Augenscheineinnahme) festhalten (RG JW 39/65047), wenn sie für das Gericht, das sie nicht unmittelbar gemacht hat, verwendbar sein sollen (gegenüber dem Revisiongericht genügt die Wiedergabe im Tatbestand des Berufungurteils, § 161). In der Beweiswürdigung dürfen auch Tatsachen berücksichtigt werden, die nicht Gegenstand der Verhandlung waren (RGZ 80/364); hier darf das Gericht aus den Beweisaufnahmen Schlüsse ziehen, die keine Partei gezogen hat (RG Warn. 21/51; anders ist dies nur, wenn die Sachverhaltbehauptung unstreitig ist, dann darf das Gericht nicht auf ein abweichendes Beweisergebnis hinübergreifen [RGZ 95/72]). An den Grenzen verwischen sich indes die Unterschiede. Die Kenntnis der natürlichen Gesetze gehört zum Urteil; so wenig wie die Partei das Rechtsgesetz, auf das sie sich stützt, darzutun braucht, so wenig braucht sie das Gesetz der Logik, sonstige natürliche Gesetzesfolgen, die dem Gericht geläufig sind, zu behaupten oder zu belegen, dies gilt auch von den allgemeinen Erfahrungtatsachen und -Sätzen (RG Gruch. 64/121); bei der Vertragsauslegung (wie der Ausfüllung von Vertragslücken, vgl. BGB § 157, soweit man das Gericht dazu für befugt hält, RG N § 128/18). Legen die Parteien einen zwischen ihnen geschlossenen Vertrag übereinstimmend aus, so ist das Gericht daran gebunden (RG J W 25/765 14 ; a. M. RG N §§ 128, 165/2, wobei verkannt wird, daß auch im Tatsachenbegriff schon ein Urteil enthalten ist, vgl. Kommentar § 138 B II a). f ) Erst recht dürfen die Parteien nicht in die sonstige Entscheidunggewalt des Gerichts eindringen. Es ist unerheblich, ob die Parteien mit der richterliehen Beurteilung übereinstimmen (RG JW 25/76514) wie auch ihr Einverständnis über das anzuwendende außerpro-
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zessuale Recht ohne belang ist (RG Gruch. 58/1050; a. M. die h. M. im Fall des internationalen Privatrechts, Kommentar § 549 F I I c). f 1. Im besonderen hat das Gericht eine Reihe von (ProzeB-)Bedingungen (§ 274 A I) von sich ans zu prüfen. Yon Berichts wegen zu beachten sind die Prozeßvoraussetzungen der Parteilähigkeit, der Prozeßfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung (§§56, 274 I I 7), der sog. Zulässigkeit des Rechtsweges ( § 2 7 4 1 1 2 ) , der Prozeßvollmacht im sog. Parteiprozeß (§§88 1 1 , 79) und die Prozeßfortsetzungvoraussetzungen (vgl. § 274 A I I a), aber auch die Prozeßeinwände, wie die der Rechtshängigkeit (§ 274 I I 4), der Rechtskraft (§ 322). In abgeschwächter Form ist von Gerichts wegen das Verbot der Klageüberlagerung wie das sog. Feststellunginteresse im Fall des § 256 zu beachten: nämlich nicht bei Anerkenntnis- oder Verzichturteilen. Zu den ProzeBbedlngungen, die nur auf Rüge beachtet werden, gehören: die Prozeßvoraussetzung der mangelnden Vollmacht im Anwaltprozeß (§§ 78 I, 88 I), die der Zuständigkeit des Gerichts (§274 I I 1) und alle echten Prozeßhindernisse (vgl. § 274 I I , 3, 5, 6). f 2. Inwieweit im übrigen der Gang des Verfahrens vom Gericht oder von den Parteien oder von beiden abhängig ist, ergibt sich aus den einzelnen Bestimmungen der Prozeßordnung. f 3. Eine eigene Entscheidunggewalt hat das Gericht über die Kostenlast als Nebenanspruch (§ 308 II) wie über die vorläufige Vollstreckbarkeit. C. Im Prozeß wird durch Erklärungen verhandelt. C I a) Der Auslegung bedarf man, um die Erklärung einzelner Menschen auf das allen Verständliche zurückzuführen. a 2. Nur wo die Erklärung unvollkommen ist, wo sie wegen der Verschiedenartigkeit der Begriffe mehrerer Menschen unscharf ist, darf sie ausgelegt werden nach dem in der Erklärung liegenden Urteil (vgl. RGZ 103/170). b) Im ProzeB erklären sich die beiden Parteien nach Mittelbegriffen (EGZ 134/130) oder sollen es doch, weil der unbestimmte Richter, also jedermann, sie verstehen muß. C II. Im Prozeßverfahren gibt es drei Arten von Erklärungen: die über den Sachverhalt die sog. tatsächliche, die Wissenserklärung; die über das Begehren, die sog. Willenserklärung, und die logisch urteilende, entscheidende, das Urteil. a) Das, was durch Wissenserklärung die Parteien usw. dem Gericht mitteilen, erscheint als (festzustellender) Sachverhalt. b) Die Willenserklärung ist dagegen ein Begehren, welches im Verhältnis zum bestehenden Zustande einen anderen verwirklicht wissen will. e) In den Urteilen selbst wird auf Grund dieser beiden Elemente das Recht (Richtige) festgestellt. C m a) Eine Anfechtbarkeit der Wissenserklärungen mit der Wirkung ihrer Vernichtung (BGB § 142 I) kommt nicht in betracht; wohl aber ihr Widerruf, die Rücknahme einer Erklärung. a X. Ist die Wissenserklärung eines Beweismittels falsch, so darf die Person ihre Erklärung jederzeit widerrufen. Auch der Widerruf des Widerrufs ist zulässig. a 2. Anders wird die Wissenserklärung der Partei behandelt, welche nicht als Beweismittel abgegeben wird. Die unterschiedliche Behandlung beider Fälle ergibt sich daraus, daß im ersten eine Wahrheitpflicht besteht, während im zweiten nur einer Wahrheitlast zu genügen ist (§ 138 A II). Wissenserklärungen der Parteien (Behauptungen) dürfen in den Tatsacheninstanzen einseitig zurückgenommen werden (RGZ 100/279 [282f.]), solange sich nicht der Gegner auf sie berufen hat (§ 288, wie auch die Behauptung, welche zum Geständnis führt, einseitig zurücknehmbar ist). Ihrer Neuaufstellung in der Tatsacheninstanz darf das Gericht u. U. durch Zurückweisung wegen Verspätung begegnen (§§ 279, 279a, 283, 529, 626), über die Rechtslage in der Revisioninstanz vgl. § 561 B. Unaufrichtig unwahre Behauptungen sind nach § 138 zurückzuweisen (§ 138 C I c). Doch darf noch nicht daraus, daß in zweiter Instanz eine in erster Instanz aufgestellte Behauptung nicht mehr gebracht wird, auf ihre Unwahrheit geschlossen werden (selbst wenn der Prozeßbevollmächtigte nicht aufklären kann, RG
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Mündliche Verhandlung
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N § 128/8). Allerdings ist auch die nur von einer Partei vorgetragene, ihr ungünstige Behauptung in gewissem Umlange zu beachten (§ 128 B III d 3), selbst wenn die darlegungbelastete Partei sich darauf nicht bezogen hatte (RG Recht 07/911, vgl. aber § 288 A I a 5). Im Falle des Geständnisses ist dagegen nur der (einseitige) Widerruf nach § 290 zulässig. Wie die Norm jetzt wirkt, vgl. § 290 A II. Eine Anfechtung der Erklärung (wegen Irrtums, Drohung, Täuschung) gibt es nicht. a 3. Wissenserklärungen sind auch der etwaige Vortrag einer Beweisaufnahme (§§ 285 II, 669 I, 684 IV, 686 IV), der der angefochtenen Entscheidung (§§ 526 I, 566). Bei diesen hat indes schon der Vorsitzende auf Berichtigung hinzuwirken (§§ 669 II, 526 II), und dies gilt auch im Falle des § 285 II, obwohl dies dort nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist (vgl. auch § 139). a 4. Wissenserklärungen gibt es auch im auBerprozessualen Recht (Auskunfterteilung, Rechenschaftablegung, BGB §§ 259 folg.). b) Die Willenserklärung der Partei im Prozeß heifit Prozeßhandlung (§ 38 B II c), soweit sie sich auf das Verfahren bezieht und in ihm abgegeben worden ist. b 1. Prozessual ist nur die Willenserklärung, die sich auf den Prozeß als solchen bezieht. b 2. Zumindest ausnahmeweise gibt es Prozeßhandlungen, welche außerhalb des Gerichts wirksam werden wie die Zustellungen, insbesondere das Empfangsbekenntnis des Anwalts, dem zugestellt wird (das den Willen zur Empfangnahme beurkundet, §§ 198, 212a). Auch tendiert die h. M. noch — was historisch zu erklären ist —• dahin, den Kreis der unmittelbar unter den Parteien zu vollziehenden Prozeßhandlungen weiter zu fassen; von dem hier vertretenen Standpunkt werden diese außerprozessual gewertet und überhaupt nur zugelassen, soweit die Prozeßordnung dies ausdrücklich bestimmt, wie bei der außerprozessualen Vereinbarung des Gerichtstandes (§ 38), der der Sicherheitleistung (§ 108); auch die Schiedsabrede (§§ 1025 folg.) gehört zu dem außerprozessualen Vorbringen und ist nach außerprozessualem Recht (auch bezüglich der Anfechtbarkeit usw.) zu beurteilen. Werden diese Erklärungen im Prozeß abgegeben, so werden sie zur Prozeßhandlung (Kommentar § 38 B II e 1). Die zweite Gruppe betrifft die B e h a u p t u n g - und B e w e i s l a s t v e r t r ä g e (soweit diese überhaupt zulässig sind, vgl. § 282 A II b 4, E II b). Sie unterliegen dem Recht der außerprozessualen Willenserklärungen, soweit sie sich auf außerprozessuales Recht beziehen (bezogen auf Prozeßrecht sind sie nichtig, vgl. § 282 A II b 4, C III). Die d r i t t e G r u p p e bezieht sich auf Fälle, die noch nicht säuberlich abgegrenzt sind. So ist die Bestellung eines Bevollmächtigten eine Prozeßhandlung, die Erteilung der Prozeßvollmacht ist indes nach außerprozessualem Recht zu beurteilen (vgl. hierzu aber die abweichende h. M., die in ihr stets eine Prozeßhandlung sieht, in § 80 B II b); das entsprechende gilt auch für die Ermächtigung (§ 84) und für die Genehmigung zur Prozeßführung (§ 88 A I b 2). b 8. Umgekehrt wird die im Prozeß abgegebene außerprozessuale Willenserklärung nicht zu einer prozessualen, wenn sie im Prozeß abgegeben wird (Kommentar § 38 B Ile 1). Daß dabei die außerprozessualen Willenserklärungen streitbeendend wirken können, ist eine Folge davon, daß der Streit um das außerprozessuale Recht geht, so daß er sich im besonderen auch erledigen kann (§ 91 a A III). Der Vergleich in der Form des § 794 1 1 bleibt ein außerprozessuales Rechtsgeschäft (Kommentar § 794 C III a 2); denn, daß er einen vollstreckbaren Titel abgibt, besagt nicht das Gegenteil, wie § 794 I 5 zeigt. In einer tatsächlichen Handlung kann sowohl eine Prozeßhandlung wie eine außerprozessuale liegen, etwa wenn in der Klageerhebung zugleich eine Kündigung liegt (RGZ 104/231 [234]) oder eine Mängelrüge oder eine Genehmigung (OLG 4/118) oder die Ablehnung (KG OLG 15/101) oder die Annahme eines Angebots (OLG 16/404) oder wenn in dem Klageabweisungantrag bzw. dem Bestreiten auch die Verweigerung der Beseitigung eines Mangels i. S. des BGB § 634 II zu finden ist (RGZ 64/294f.). Rechtlich aber sind diese außerprozessualen Handlungen zu trennen von den Prozeßhandlungen und von ihnen grundsätzlich als unabhängig (absolut, losgelöst) zu beachten (RGZ 73/394 folg.). b 4. Es gibt aber auch außerprozessuale Rechte, welche nur durch Prozeß verfolgt werden können.
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§128
c m
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b 5. Die Unabhängigkeit der außerprozessualen Erklärung von der prozessualen zeigt sich in vorbereitenden Schriftsätzen, wo die außerprozessuale regelmäßig mit Zugang des Schriftsatzes an den Gegner (BGB § 130) wirksam wird, während die prozessuale früher (vgl. jetzt § 128 H I b) erst in der mündlichen Verhandlung wirkte (RG J W 04/65 3 0 ; anders ist dies in dem Fall, wo die wirksame Erhebung des außerprozessualen Anspruchs nur durch Prozeß möglich ist, vgl. § 128 C I I I b 4). Die außerprozessuale Wirkung bleibt (im Regelfall) auch dann bestehen, wenn die prozessuale nicht eintritt (RGZ 63/411) oder wieder beseitigt wird. c) Außerprozessuale Verträge auf Vornahme wie Unterlassung von Prozeßhandlungen sind nur zulässig, soweit dies die Prozeßordnung ausdrücklich gestattet (Hellwig System I 449, abweichend vielfach die h. M.). c 2. Die im Prozeß vorzunehmenden Handlungen sind regelmäßig bedingungfeindlich, weil sie prozeßgestaltend sind. Die eventuelle Klage (§ 253 F II), also eine Eventualparteistellung ist unzulässig (dies gilt auch für die eventuelle Streithille und Streitgenossenschaft, § 70 A I b 3), auch können Rechtsmittel und Rechtsbehelf nur unbedingt eingelegt werden (anders die Widerklage, vgl. §33 D I, und das Anschlußrechtsmittel, vgl. §521 B I I I c). Nicht ausgeschlossen aber ist es zu erklären, daß Klage erst erhoben, das Rechtsmittel erst eingelegt werden soll, wenn über ein Armenrechtgesuch positiv entschieden worden ist; hier liegt dann aber gar keine Klageerhebung und gar keine Rechtsmitteleinlegung vor (vgl. § 118 A I b). c 3. Ob ein Antrag schon im voraus wirksam gestellt werden kann, ist nicht einheitlich zu beantworten, die Praxis hat es zugelassen im Fall des § 807, im Offenbarungseidverfahren (§ 900), vor Eintritt der Voraussetzungen im Zahlungsbefehlsverfahren die Stellung des Vollstreckungsbefehlantrags ; aber nicht bei Einspruch gegen ein noch nicht erlassenes Versäumnisurteil (vgl. § 339 A). Das Rechtsmittel vor Erlaß des Urteils ist unzulässig, der Klageabweisungsantrag vor Einreichung der Klage ebenfalls. d) Über den Charakter der prozessualen Willenserklärungen vgl. § 38 B I I c 1, über ihren Widerruf vgl. § 38 B I I c 2. Bei dem Widerruf von Wissenserklärungen gilt regelmäßig die Form der mündlichen Erklärung in dem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung noch (vgl. § 85 I 2; anders im Fall des § 272 a); man wird indes auch hier mit einem sich ausbreitenden Gewohnheitrecht, daß der schriftliche Widerruf genügen müsse, rechnen dürfen. Auch wird das Gericht dann — jedenfalls in begründeten Fällen — zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gezwungen (§ 156), damit der Widerruf angebracht werden kann. Geht gar der Widerruf einer Erklärung vor Zugang bei dem für sie bestimmten Empfänger ein, so gilt die Erklärung ihm gegenüber als überhaupt nicht abgegeben (RArbG ArbRspr. 31/192). D. Der Erklärung steht auf allen Rechtsgebieten die gewollte (bewußte) Unterlassung gleich (soweit eine Rechtspflicht zum Handeln besteht). Dies gilt auch im Prozeßrecht. D I. Unterlassene Wissonserklärungen wirken im Prozeß, soweit die Partei damit belastet ist, sich zu erklären. D II. Das entsprechende gilt für unterlassene prozessuale Willenserklärungen. E. Sämtliche Prozeßerklärungen sind grundsätzlich empfangsbedürftig. E I. Abgesehen von den Unterlassungen (vgl. § 128 E II) ist der positive Empfang der positiven Erklärung unumgänglich. Erklärungempfänger der prozessualen (Haupt-)Erklärungen (für die außerprozessualen ist das Gericht niemals Erklärungempfänger) sind regelmäßig die am Prozeß Beteiligten: das Gericht, die Parteien einschließlich der Streitgehilfen. a) Oft wirkt die Erklärung schon, wenn sie dem Gericht gegenüber abgegeben wurde, mag sie auch von diesem weiter mitgeteilt werden müssen. b) Es gibt indes Normen dafür, wie Erklärungen zu bewirken sind. E II. Bei Unterlassungen ist zu bedenken, daß sie einen Prozeß voraussetzen, regelmäßig das bestehende Prozeßverhältnis (§ 38 B III), zumindest aber den gewesenen Prozeß. F. Für Ort und Zeit der Erklärung gilt folgendes:
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Mündliche Verhandlung
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F I. soweit ein Verfahren sich vor einem Gericht abspielt, gilt das Verfahrensrecht des Orts, dem das Gericht unterworfen ist, gleichviel, von wo aus (etwa bei der Vollmacht) eine Erklärung abgegeben wird oder wohin sie gerichtet ist. F II. Zeitlich maßgebend ist das Recht z. Z. der Erklärung. Dabei gelten die Vorschriften des BGB §§ 130 bis 132 auch für Prozeßerklärungen (vgl. RGZ 161/350 [358f.]). G. § 128 I stellt den Grundsatz der mündlichen Verhandlung auf. Wann notwendigerweise mündlich zu verhandeln ist, wann dagegen die mündliche Verhandlung freigestellt und wann mündlich nicht verhandelt werden darf, ist in Einzel Vorschriften abgegrenzt. G I a) Ausgeschlossen ist die mündliche Verhandlung im Mahnverfahren (§§ 688 folg.), bei den Entscheidungen der großen Senate des BGH nach seiner Auffassung (GVG §§ 136,137). a 1. In gewissem Umfang wird die mündliche Verhandlung dort ausgeschlossen, wo das rechtliche Gehör der Partei versagt wird, also im Falle der Selbstablehnung des Richters (§ 48 II), im Falle der Pfändung von Forderungen und sonstigen Vermögensrechten (§ 834). Diese Vorschriften sind Ausnahmen und dürfen nicht ausdehnend angewandt werden. Umgekehrt wird zwar nach § 336 12 die nicht erschienen gewesene Partei zum neuen Termin nicht geladen; erscheint sie dennoch, so wird sie aber von der Verhandlung nicht ausgeschlossen. Andererseits gibt es auch Fälle, in denen die erschienene Partei zur Verhandlung nicht zugelassen wird (vgl. § 113). b) Soweit die mündliche Verhandlung ausgeschlossen ist, wird schriftlich verfahren. Im Verhältnis zu den Parteien wird dies nur für das Mahnverfahren (§ 691 II) und im Fall des § 834 praktisch; in diesen Verfahren gelten die Grundsätze über die bestimmenden Schriftsätze (vgl. § 129 A I). G II. Es gibt aber auch innerhalb des mündlich zu verhandelnden Verfahrens Verfahrensteile, in denen nicht mündlich verhandelt werden muß, wo also freigestellt ist, mündlich darüber zu verhandeln. b) Soweit die mündliche Verhandlung dem Gericht freigestellt ist, wird in der Praxis ganz überwiegend nur schriftlich verfahren. b 1. Ein Versäumnisverfahren im Sinne der §§ 330 folg. gibt es nicht. Da mit der Anordnung der mündlichen Verhandlung aber nicht zu rechnen ist, gelten hier stets die Grundsätze über die bestimmenden Schriftsätze (vgl. § 129 A I, RG JW 11/28622); d. h., schon mit Zugang der schriftlichen Erklärung wird sie voll wirksam, im besonderen also schon das schriftlich abgegebene Geständnis (RG JW 00/6531). b 2. Streitiges ist zu beweisen; es ist also der volle Beweis zu erbringen (RGZ 54/308 [311]). Es müssen die Formen der Beweisaufnahme als solche beachtet werden, gleichviel in welchem Verfahren die Beweise erhoben werden (a. M. KG JW 31/35654). Die Parteivernehmung ist als Beweismittel zulässig (vgl. RGZ 54/308folg. [311]). b 3. Entschieden wird durch Beschluß (§ 329). Soweit es sich um ein selbständiges Verfahren handelt (vgl. § 91 B III), ist zugleich über die Kosten zu entscheiden (§308 II); für die Entscheidung selbst gelten keine Besonderheiten. c) Ob das Gericht in dem Fall der freigestellt mündlichen Verhandlung die mündliche Verhandlung anordnet, steht in seinem Ermessen; dies kann von der Partei nicht erzwungen werden; eine von der Partei sich hierauf beziehende Bedingung ist als ungestellt anzusehen (OLG Seuff. 56/92); entsprechend ist auch keine Beschwerde gegen die Anordnung der mündlichen Verhandlung zulässig (RGZ 54/348). Wird mündliche Verhandlung angeordnet, so gelten unterschiedliche Regeln. Die Anordnung ist richtigerweise durch Gerichtsbeschluß zu erlassen; sodann hat der Vorsitzende Termin anzuberaumen (§§ 261, 497 I 2) und die Geschäftstelle zu laden (§§ 261a, 497 I 3). Verfügt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung, so liegt darin die stillschweigende Bestätigung des Gerichts, wenn verhandelt wird. c 1. Im Arrest- und Einstweiligen-Verfügung-Verfahren (§§ 922 I, 936, 937), in dem auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedspruches (§§ 1042 a I, 1044 1, 1044 a III) bewirkt die Anordnung, daß das Verfahren in das Urteilsverfahren übergeleitet wird, für das notwendige mündliche Verhandlung gilt. Die Entscheidung ergeht dann regelmäßig durch Urteil.
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c 2. Im Reehtsmittelverfahren ist, falls über die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu entscheiden ist, zwar ein Urteil (kein Beschluß) zu erlassen, falls auf Grund mundlicher Verhandlung entschieden wird; ein Versäumnisverfahren gibt es aber wie in den sonst freigestellt mündlich zu verhandelnden Streiten nicht. c 3. Über die isolierte Kostenentscheidung vgl. §§ 91a II, 99 II. c 4. In den übrigen Verfahren wird an der Entscheidungform nichts geändert, aber auch nichts am Verhandlungprinzip, wenn auch hier unzweifelhaft stets das nach der Verhandlung, aber vor dem Erlaß der Entscheidung noch Beigebrachte zu berücksichtigen ist. d) In der angeordneten (freigestellten) mündlichen Verhandlung gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie bei der notwendigen nach § 128 I (vgl. OLG 17/133). Doch gelten hier nicht die §§ 330folg. (RG J W 95/382 14 ). Soweit aber die Prozeßordnung sonst Unterlassungsfolgen an Prozeßhandlungen knüpft, treten diese ein, wenn beide Parteien vertreten sind (RGZ 115/222), aber nur soweit dem nicht der schriftliche Vortrag entgegensteht, der auch aus nachträglich eingereichten Schriftsätzen bestehen kann. Nach h. M. herrscht zwar A n w a l t z w a n g , wenn mündlich verhandelt wird, selbst wenn das Verfahren ohne mündliche Verhandlung anwaltfrei ist; doch würde dies dazu führen, daß die nicht durch einen Anwalt vertretene Partei sich zwar wirksam schriftsätzlich äußern darf, auoh zu Protokoll der Geschäftstelle und entsprechend zu dem des Gerichts, nicht aber mündlich sich wirksam erklären könnte. Stets ist jedenfalls nicht bloß das mündlich Vorgetragene, sondern auoh der Akteninhalt zu berücksichtigen. e) Wird nur schriftlich verfahren, so ist in den Fällen der §§ 91a II, 99 II, 102 II, 225 II, 844 II, 891, 1042 a I, 1045 II Gehör des Gegners vorgeschrieben. Aber auch in sonstigen Fällen wird regelmäßig der Gegner zu hören sein. Ein Anspruch auf Gegenanhörung (vgl. aber BVG 6/12 zu GG Art. 103) usw. besteht nicht, doch kann sie tunlich sein. G III. In allen übrigen Fällen geht die ZPO davon aus, daß vor dem erkennenden Gericht mündlich verhandelt wird (§ 128 I). b) Die Prozeßordnung trifft damit in erster Linie die Verhandlung über die Sache zur Entscheidung vor dem Prozeßgericht, b 1. nicht die diese vorbereitenden Handlungen. b 2. Doch wird auch die Prozeßentscheidung, soweit sie den Rechtstreit betrifft, von dem Prinzip der mündlichen Verhandlung ergriffen (vgl. § 275 A III). Bei Zwischenstreiten mit dritten ist die mündliche Verhandlung in den §§ 71, 135, 387, 402 ausdrücklich vorgeschrieben worden. Zur mündlichen Verhandlung gehört die vor dem Einzelrichter (§§ 348folg.). H. Nur für die notwendige mündliche Verhandlung gelten besondere Normen. H I. Eine reine mündliche Verhandlung kennt die ZPO nicht. a) Vielmehr ist (auch) der Akteninhalt überall dort zugrunde zu legen, wo in den mündlichen Verfahren bestimmende Schriftsätze vorausgesetzt werden, wie die Kiageerhebung (§253 1, vgl. aber auch §500), die Rechtsbehelfeinlegung (§§340, 518, 522a, 553, 556 11, 569 II) und die notwendige Rechtsmittelbegründung (§§ 519, 522a II, 554, 556 II 2), die Aufnahme unterbrochener oder ausgesetzter Verfahren (§ 250), der Wiedereinsetzungantrag (§ 236), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 587), der Widerspruch bei Arrest und einstweiliger Verfügung (§§ 924, 936), der im Mahnverfahren (§ 694), der im gerichtlichen Schiedsverfahren (§1042d), insoweit ist die mündliche Verhandlung durch schriftliche Vorgänge bedingt. b) Darüber hinaus gibt es aber auch Prozeßhandlungen, die sowohl schriftlich — durch bestimmenden Schriftsatz (§ 129 A I ) — wie in der mündlichen Verhandlung vorgenommen werden dürfen. Dazu gehören u. a. die Klageänderung, die Widerklageerhebung (§ 281) einschließlich der Zwischenfeststellungklage bzw. -Widerklage (§ 280). Weiter gehören hierher die Rücknahme der Klage (§ 271) und der Rechtsbehelfe (§§ 346, 515, 566) und der Rechtsmittelverzicht (§ 514). Ferner gilt nicht bloß das Gesprochene, sondern auch das Geschriebene, auf das stets —• wenigstens stillschweigend —• bezug genommen wird (§ 137 III). Wenn
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§§ 285 II, 669, 679 IV, 684 IV, 686 IV den Vortrag der Ergebnisse der Beweisaufnahme fordern, die vor beauftragtem oder ersuchtem Richter stattgefunden hat, so bleibt es in der Praxis regelmäßig bei der Protokollierung eines tatsächlich nicht geschehenen GeschehenSollens. Das entsprechende ist für den Vortrag des Prozeßstoffes der Vorinstanz (§ 526), wenn auch in abgeschwächter Form, festzustellen. Die Folgerung, den Akteninhalt gelten zu lassen, zieht aber die Praxis noch nicht (vgl. § 561 B). Soweit eine prozessuale Willenserklärung sowohl schriftlich wie mundlich abgegeben werden kann, ist zu prüfen, inwieweit die schriftliche bloß vorbereitender Art ist (RGZ 63/412), im Zweifel ist jetzt anzunehmen, daß sie schon schriftlich wirksam werden soll (vgl. § 281). Die prozessuale Wissenserklärung wird dagegen nicht vor mündlicher Verhandlung wirksam. c) Die mündliche Verhandlung hat heute nur noch den Sinn, daß auch das nur mündlich Vorgetragene gilt. Doch müssen die Sachanträge stets schriftlich festgelegt (§§ 297, 507), dann aber verlesen oder in bezug genommen werden. Ferner sind nach der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsätze (und dies ist der Unterschied zur freigestellt mündlichen Verhandlung) nicht zu berücksichtigen (RG Warn. 37/140); doch können solche Schriftsätze Veranlassung geben, die Verhandlung wieder zu eröffnen (BayObLG HEZ 2/291) und sollten es regelmäßig, nicht bloß in dem gesetzlich zugelassenen Fall des § 272a. Jedenfalls hat RGZ 115/222 auch den noch nach der mündlichen Verhandlung von der Partei eingereichten Schriftsatz gegen die einreichende Partei verwerten lassen; OLG NJW 49/2912 den nachgebrachten, obwohl die Erlaubnis nicht unter den Voraussetzungen des § 272 a stand. Die Praxis kennt aber auch den Gebrauch, dem Gegner zu gestatten, sich dann auf den nachgereichten Schriftsatz noch zu erklären. Auch die zunehmende Übung, nach der mündlichen Verhandlung noch Schriftsätze einzureichen, ist darauf zurückzuführen, daß die mündliche Verhandlung allein nach dem Gefühl der Beteiligten nicht ausreicht. Stellt das Gericht Fragen, die nicht sofort beantwortet werden können, so darf die Verhandlung nicht vor der Aufklärung geschlossen werden. H II a) Die mündlichen Verhandlungen derselben Instanz bilden eine Einheit. Dies gilt für das Geständnis (§288) wie für Verzicht und Anerkenntnis (§§306, 307), wie für sonstige Wirkungen, die das Gesetz an die Verhandlung knüpft (§§ 39, 271, 274 III, 269, 295). Eine Bezugnahme auf früher Vorgetragenes ist nicht erforderlich (RG J W 04/295 21 f.); anders ist dies im letzten Fall bei Richterwechsel (§§ 309, 329, vgl. auch RGZ 14/344). b) Die wichtigste Folge der notwendigen mündlichen Verhandlung ist das Versäumnisverfahren (§§ 330folg.). Über die Auswirkungen der mündlichen Verhandlung der ersten Instanz auf die zweite vgl. §§ 528 folg., über die dieser auf die dritte vgl. §§ 559, 566. H III. Die Verletzung des Mündlichkeitprinzips bei notwendiger mündlicher Verhandlung ist ein Verfahrensmangel (§§ 539, 549), der auf Rüge (nicht von gerichts wegen: RGZ 115/122) zu beachten ist; Heilung tritt nach §§ 295, 530, 566 ein (RG Warn. 37/140), aber auch schon dadurch, daß in der Schlußverhandlung die Form der notwendigen Verhandlung gewahrt wird, so daß durch sie Formverstöße, die früher begangen waren, behoben werden. Da hinter dem Prinzip der Mündlichkeit das der Gewährung des rechtlichen Gehörs steht, wird die Rüge der verletzten Mündlichkeit dahin ausgeführt werden müssen, daß mitgeteilt wird, was erklärt worden wäre, wenn die Partei mündlich verhandelt hätte. Wird die Rüge nicht erhoben bzw. begründet; wird das Erkenntnis rechtskräftig, so gibt es dagegen keine Wiederaufnahmeklage (§§ 578folg., und erst recht nicht ein verspätetes Rechtsmittel: BGH LM-ZPO § 138/4); möglicherweise aber die Verfassungbeschwerde (vgl. § 128 G II e). J. An Stelle der mündlichen Verhandlung darf indes bei einseitiger oder zweiseitiger Säumnis der Parteien oder in ihrem Einvernehmen schriftlich verfahren werden (§§ 128 II, 251a, 331a). Die Verfahren decken sich indes nicht. J I. Einseitig darf einmal gegen die säumige Partei nach §331a auf Antrag der nichtsäumigen und sogar von Gerichts wegen bei beiderseitiger Versäumnis nach §251a sowie im Bagatellverfahren vor dem Amtsgericht (§510c) entschieden werden. b) In dem Verfahren nach §§ 251a, 331 a gilt ein gemischtes Verfahren. Bis zu dem Termin, in dem eine Partei säumig ist, gilt alles als vorgebracht, sofern und soweit nicht der Antrag auf Erlaß eines Versäumnisurteiles nach §335 zurückzuweisen wäre. Obwohl danach der
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Termin, wenn einseitig verhandelt wird, nichts neues ergeben darf, wird in ihm ein Verhandlungschluß unterstellt, so daß nicht — wie sonst im freigestellt mündlichen Verfahren — noch neues Vorbringen zu berücksichtigen wäre. Nur wenn eine säumige Partei geltend macht, daß sie unverschuldet ausgeblieben sei (§ 251a 14), wird das Verfahren der notwendigen mündlichen Verhandlung fortgesetzt. J II. Von diesem Verfahren unterscheidet sich das schriftliche Verfahren nach § 128 II dadurch, daß in ihm die Grundsätze der freigestellt mündlichen Verhandlung gelten (§ 128 G II), auch derart, daß trotz des Einverständnisses der Parteien das Gericht (nicht sein Vorsitzender allein) die mündliche Verhandlung anordnen darf. In ihm gibt es keine Versäumnisentscheidungen nach §§330folg., aber auch kein gemischtes Verfahren nach § § 2 5 1 a , 331a (§ 128 J I). a) Die Norm gilt nicht im Bagatellverfahren (§ 128 J I a), im erstinstanzlich arbeitgerichtlichen Verfahren (Kommentar § 128 K I I I ) . b 2. Das Verfahren darf in jedem Zustande, auch wenn das mündliche schon eingeleitet war, in das nach § 128 I I übergeleitet werden (BGH N J W 54/266), so daß im besonderen noch nach Verhandlungschluß (im Einvernehmen mit den Parteien) die danach gewechselten Schriftsätze noch verwendet werden dürfen (RArbG E 17/205 [209]); gleichviel ob eine mündliche Verhandlung vorangegangen ist oder nicht, gilt § 309 nicht (BGH N J W 54/266). Dies gilt auch, wenn trotz Entscheidungreife das schriftliche Verfahren angeordnet wird, so daß deswegen also keine Rechtsmittelrüge erhoben werden kann (a. M. beiläufig: BGH J R 55/265). Auch das umgekehrte Verfahren, daß vom schriftlichen auf das mündliche zurückgegangen wird, ist möglich; indes bleiben dann bis zu diesem Anordnungbeschlußzugang die Schriftsätze bestimmende (§ 129 A I). c) Als Prozeßbedingung für das schriftliche Verfahren nach § 128 I I nennt das Gesetz die Einverständniserklärung der Parteien. c 1. Zustimmen muß (abgesehen vom unselbständigen Streitgehilfen, wenn die Hauptpartei bereits zugestimmt hatte) jede Partei, jeder Streitgenosse, auch bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62) und jeder selbständige Streitgehilfe (§ 69). In Zwischenstreiten müssen alle an diesen Beteiligten zustimmen. c 2. Die Einverständniserklärung darf mündlich in der Verhandlung (RG J W 33/514®; dann ist sie zu Protokoll oder im Tatbestand zu beurkunden: OLG Recht 25/1466), wie schriftlich erklärt werden, nicht aber außerhalb der Verhandlung mündlich und deshalb auch nicht fernmündlich (OLG H R R 42/807). Schweigen auf eine Anfrage des Gerichts ist keine Erklärung (KG J W 28/2156®), auch ist es keine, wenn das Gericht erklärt, es werde schriftlich entscheiden, falls innerhalb bestimmter Frist keine gegenteilige Erklärung abgegeben werde (RG D R 45 A 76 1 7 ). Ein bestimmter Wortlaut für die Erklärung ist nicht vorgeschrieben ( R G J W 32/646'). Sie unterliegt dem Anwaltzwang (KG J W 28/2156 9 f.), wie das gesamte schriftliche Verfahren, sofern § 78 I zutrifft. c 3. Mit der danach erforderlichen Zustimmung des letzten Beteiligten wird das Gericht berechtigt, nicht verpflichtet, schriftlich zu verfahren. Gleichviel ob es aber davon Gebrauch macht oder nicht, tritt schon mit dem Einverständnis aller die Rechtslage des schriftlichen Verfahrens ein, womit also der gesamte schriftliche Vortrag gilt (die Schriftsätze sind damit zu bestimmenden geworden). Ordnet das Gericht dann mündliche Verhandlung an, so kann damit die Lage, welche sich auf Grund schriftlicher Zugeständnisse ergibt, nicht mehr geändert werden (es sei denn, daß die zum Zugeständnis erforderliche Behauptung nicht mehr vorgetragen wird, was auch im schriftlichen Verfahren erklärt werden kann). Das Einverständnis deckt die zunächst folgende gerichtliche Entscheidung (KG J W 28/2156 9 ); war es vor dem Einzelrichter vor Abgabe erklärt, so deckt es die folgende Kammerentscheidung (RG J W 32/646 7 ; a. M. B G H N J W 55/1357). Die Einwilligung, daß der Einzelrichter nach § 3 4 9 I I I selbst entscheiden dürfte, liegt in dem Einverständnis nach § 128 I I noch nicht. Auch ein Beschluß nach § 279 a ist keine solche (a. M. K G J W 28/2156 9 ), auch nicht die Mitteilung des Gerichts, daß es schriftlich entscheiden werde, und nicht die Erklärung zur Feriensache (BGH N J W 55/988 = J R 265). Das Einverständnis kann auch für alle folgenden Entscheidungen
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Mündliche Verhandlung
§128 JIIc3
derselben Instanz erklärt werden, was jetzt anzunehmen ist. Andererseits braucht das Gericht sich bis zur Entscheidung nicht zu äußern, ob es schriftlich entscheiden will; äußert es sich so, so darf es wieder davon abgehen, und die Äußerung als solche stellt keine schriftliche Entscheidung dar. Hat das Gericht es allerdings abgelehnt, schriftlich zu entscheiden, so kann es davon berechtigterweise nur mit Zustimmung der Beteiligten wieder abgehen. c 4. Die Praxis kennt vielfach beschränkte Einverständniserklärungen, etwa falls ein Beweisbeschluß ergehe oder falls bestimmte Richter (einer früheren mündlichen Verhandlung) mitwirken; solche Bedingungen sind nur als Rechtsbedingungen zulässig (vgl. BGH MDR B 446/56: nicht sonst). Das Einverständnis kann sich auf jeden Teil, der nach § 301 ausgeurteilt werden könnte, beschränken, etwa auch auf die Kosten, sofern nur noch diese im Streit sind (BGH v. 2. 2.1953 I I I ZR 178/50). Auch kann bestimmt werden, daß sie erst von bestimmter Zeit an wirksam wird, d. h. vorher nicht entschieden werden darf (BGHZ 11/27). c 5. Das Einverständnis ist bis zum Erlaß (§§ 329 B I, 516 A I) der Entscheidung frei widerruflich (RGZ 151/193 [196]; a. M. OLG N J W 54/516 und BGHZ 11/27, der den Widerruf auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse beschränken will). Doch kann nur wirksam widerrufen, wer das Einverständnis erklären darf; hat deshalb bei dem unselbständigen Streitgehilfen die Partei ihr Einverständnis erklärt, so darf nur sie widerrufen. Anders, wenn es der unselbständige Streitgehilfe erklärt hat; hier dürfen sowohl er wie die Partei widerrufen. d 2. Schriftlich wird nach Aktenlage entschieden. Hier gilt das gemischte mündlichschriftliche Verfahren, das bei freigestellter mündlicher Verhandlung anzuwenden ist (§128 G II). Es gibt also keine Versäumnisentscheidung. Das durch die dazwischen angeordnete mündliehe Verhandlung Überholte ist nicht Prozeßstoff. Bei Widersprüchen, auch innerhalb des schriftlichen Verfahrens, gilt regelmäßig der letzte Vortrag, sofern nicht die bindende Geständniswirkung eingetreten ist. Bei Nichterklärung werden die Folgen des § 138 I I I regelmäßig nicht eintreten, weil Bestreiten anzunehmen ist, u. U. ist aufzuklären (§ 139). Wohl aber können die sonstigen gesetzlichen Ausschlußfolgen eintreten, soweit sie durch Einlassung zur Hauptsache ohne Rüge entstehen (§§ 39, 274 III, 528). Dagegen kann § 295 innerhalb derselben Instanz nur bei ausdrücklichem Verzicht gelten. Keinesfalls darf der nach der Einverständniserklärung eingehende Schriftsatz unberücksichtigt bleiben (OLG SJZ 46/35), da die Partei doch durch den Antrag auf Anberaumung eines Termins ihr Einverständnis widerrufen darf und dann den Vortrag des Schriftsatzes bringen kann. Geht ein solcher Schriftsatz ein, so muß auch der Gegner Gelegenheit haben, zu erwidern, besonders soweit er ihn belastet. Der Verstoß dagegen wird aber durch Rügeverzicht oder Nichterhebung der Rüge, im besonderen der Rechtsmittelrüge, geheilt (RGZ 151/193 [196]). Die Praxis setzt oft Erklärungfristen, obwohl das Gesetz dieses Verfahren nicht vorschreibt; doch ist es erforderlich, um den Parteien anzuzeigen, daß das Gericht in einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden will. Allerdings können diese Fristsetzungen nicht dazu führen, später eingereichte Schriftsätze nicht zu berücksichtigen (BGHZ 11/27); vielmehr müssen sie aus den oben angegebenen Gründen berücksichtigt werden (a. M. BGHZ 11/27: sie dürfen). d 3. Vollzogen wird die Entscheidung mit der Absendung durch die Geschäftstelle nach OLG SJZ 46/35; richtiger mit dem Zugang der Mitteilung an irgendeine Partei. Je nach dem Inhalt der Entscheidung des Gerichts ergehen Beschlüsse oder Urteile. Beschlüsse werden nach §329 I I I (regelmäßig also formlos, RGZ 90/295) mitgeteilt; bei Urteilen soll zumindest der Tenor nach § 310 I I zugestellt werden; doch gilt — nach der hier vertretenen Auffassung — § 187 auch hier. e) Der Mangel des Einverständnisses wirkt sich nur bei den die Instanz abschließenden Entscheidungen aus. f 1. Wird gerügt, daß ein Urteil nur mitgeteilt anstatt nach § 310 II an Verkündungstatt veröffentlicht wurde, so ist dies nach der hier vertretenen Ansicht belanglos (§ 187 B); es wird also schon durch die Mitteilung die Fünfmonatefrist (§§ 516, 522) in Lauf gesetzt. Über die Frage, wie bei förmlichen Urteilzustellungen durch das Gericht zu verfahren ist, vgl. § 310 A II b 2. Für Beschlüsse wirkt die Zustellung jedenfalls, auch wenn zuvor noch nicht ihr Tenor zugestellt war, im besonderen wird die Rechtsmittelfrist von der Zustellung an in Lauf 32
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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gesetzt (OLG NJW 54/273). Völlig unbeachtlich ist es, wenn nur die erste Instanz fehlerhaft verfahren ist (§ 540). f 2. Wird dagegen gerügt, daß da6 Einverständnis fehlte, so ist die Rüge erheblich, wenn vorgetragen wird, was noch mündlich erklärt worden wäre und die wohl h. M. nimmt dabei einen absoluten Revisiongrund (§ 5511 5) bzw. einen Nichtigkeitgrund nach § 579 I 4 an (vgl. Sydow-Busch EntlVO § 7 c 2, Baumbach-Lauterbach § 128 Anm. 6 D). Die letzten meinen sogar, daß es nicht darauf ankomme, ob der, welcher das Einverständnis erklärt hat, oder der Gegner die Rüge erhebe. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach dem Prinzip, rechtliches Gehör zu gewähren, kann es nur darauf ankommen, was das Erkenntnis infolge seines fehlerhaften Verfahrens übergangen hat. In der Berufunginstanz führt dies dann regelmäßig zur Korrektur innerhalb der Instanz (§§ 539, 540), in der Revisioninstanz bei schlüssigem Vortrag zu Aufhebung und Zurückverweisung. Für Nichtigkeitklagen gilt § 579 I I I entsprechend.
§ 129 (120) I II
In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet. In anderen Prozessen können vorbereitende Schriftsätze gewechselt werden. A. § 129 spricht von der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch Schriftsätze, den sog. vorbereitenden. Darüber hinaus gibt es solche, welche vom Standpunkt des Verfahrensrechts aus so erforderlich (notwendig) sind, daß ihr Vorbringen nur durch sie im Verfahren beachtlich wird. Sie werden nach den Motiven bestimmende Schriftsätze genannt. A I. Der verfahrensnotwendige oder bestimmende Schriftsatz wirkt mit Zugang der Erklärung bei dem, den das Gesetz dazu bestimmt. Doch haben auch die, welche ihn erhalten sollen, aber nicht erhalten haben, Rechte aus dem Unterlassen. a) Im Zivilprozeß müssen grundsätzlich das Gericht, jeder am Prozeß Beteiligte den (bestimmenden) Schriftsatz erhalten (mit Ausnahme dessen, von dem er ausgeht). Seine äußere Wirkung kann indes schon eintreten, bevor er allen Beteiligten mitgeteilt ist (vgl. § 128 E 1 a). a 1. Die Mitteilung des Schriftsatzes an die eigene Parteiseite dient zu deren Unterrichtung; ihre Unterlassung kann zwar Rügen ergeben, aber einem bestimmenden Schriftsatz die Wirkung nicht nehmen. a 2. Im Verhältnis zum Gericht und zur anderen Parteiseite ist dagegen im Einzelfall zu prüfen, ob und welche Wirkungen ein bestimmender Schriftsatz auslöst, der einem oder einigen, aber nicht allen Empfängern zugeht. a 3. Dritte sind Erklärungempfänger in den Fällen der §§ 72folg., 840. Doch sollen auch hier die Parteien nicht übergangen werden; das Gericht kann nicht mehr übergangen werden, da es zustellen muß. b) Wo das Gericht Erklärungempfänger ist, ist zu unterscheiden, ob mit dem Zugang die Erklärung schon voll wirkt, oder erst noch weiter zu vollziehen ist, was nach der Prozeßordnung zu entscheiden ist. b 3. Eine einheitliche Erklärung kann aber auch zwiespältige Wirkungen auslösen: erweitert etwa der Kläger durch Anschlußberufung die Klage, so ist bezüglich der Anschlußberufung das Gericht, bezüglich der sonstigen an die Klageerweiterung zu knüpfenden Folgen aber die Gegenpartei Erklärungempfänger, wie sie es auch bei allen Erklärungen ist, die außerprozessual wirken (Kündigung, Anfechtung, vgl. § 128 C III b 3), selbst wenn sie im Prozeß abgegeben werden. Wenn die prozessualen und Sachverhalterklärungen der Klage (im Gegensatz zu dem erhobenen Anspruch) noch nicht mit Zustellung oder schon mit Einreichung wirken (also Anerkenntnisse und entsprechend Verzichte, §§307, 306; Geständnisse, §288), so liegt dies daran, daß die Klage regelmäßig insoweit bloß ein die mündliche Verhandlung vorbereitender Schriftsatz ist (vgl. § 253 IV); anders ist dies nur bei Schriftsätzen, welche im freigestellt mündlichen oder im schriftlichen Verfahren eingereicht werden (§ 128 G II, J II). Auch hier ist jede Wirkung besonders zu beurteilen. c) In den Fällen des § 198 ist der Gegner Empfänger; allerdings kann hier das Gericht nur dann entscheiden, wenn auch es Kenntnis erhalten hat.
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§129
A II. Bestimmende Schriftsätze müssen (ein Parteiverzicht auf die Beachtung der notwendigen Form ist unerheblich, RGZ 152/23 [27]) handschriftlich und persönlich von dem unterzeichnet sein, von dem sie erklärterweise ausgehen (RG Warn. 17/38), und zwar mit dem vollen ausgeschriebenen Nachnamen (KG Anw. Bl. 55/71). a) Es wird grundsätzlich strenge Eigenhändigkeit gefordert (RGZ 152/23 [27]); sie ist von gerichts wegen zu beachten ohne die Möglichkeit des Rügeverzichts (RGZ 152/23 [27]). Wird allerdings über eine nicht unterschriebene Klage verhandelt, so gilt sie als erhoben (§ 500 in unmittelbarer, wie mittelbarer Anwendung; anders bei den Rechtsbehelf Schriften; vgl. noch darüber, wann der Mangel der Postulationfähigkeit unbeaehtlich wird, § 78 D). a 1. Darauf, ob die Unterschrift dem Gericht bekannt ist, kommt es nicht an; ihre amtliche Beglaubigung ist nicht erforderlich, doch schadet sie nicht. Eine gut leserliche Unterschrift (Schönschrift) kann nicht gefordert werden, wohl aber eine Erklärung, die noch entzifferbar ist (RG J W 29/1658; Auflösung in Striche und Linien ließ BGH NJW 59/734 nicht gelten. KG v. 1. 7.1955 — 4 U 624/54 — ließ es nicht durchgehen, wenn von den elf Buchstaben eines Namens nur die ersten fünf ausgeschrieben waren, KG v. 5. 11.1958 — 16 U 531/58 nicht, wenn nur wenige Handzeichen erkennbar waren. BGH v. 21.1.1960 VIII ZR 198/59 läßt einen, die Identität des Unterschreibenden ausreichenden, individuellen, einmaligen charakteristischen Schriftzug genügen, dersichalsUnterschrifteinesNamens darstellt). EinHandzeichen darf benutzt werden, sofern es öffentlich beglaubigt worden ist (BGB § 1261; OLG 33/84). a 2. Ist dem Gericht außer der nicht unterschriebenen Urschrift eine unterschriebene beglaubigte Abschrift eingereicht (gewesen), so genügt dies (RG JW 34/42016), selbst wenn diese dem Gegner zugestellt worden ist (RG JW 38/223748) oder als Abschrift unterschrieben ist (wobei dann auch der handschriftliche Vorsatz „gez." nicht schaden soll, RG JW 30/295321) oder wenn das unterschriebene Aktenexemplar des Einreichenden mit Empfangstempel (der bei vielen Gerichten als Quittung dient) zurückgegeben worden ist (BGH LM-ZPO § 519/14). a 3. Namenstempel genügen nicht (BGH J R 55/266). Auch kann die gerichtliche oder notarielle Beurkundung (BGB § 126 III) nicht genügen, weil die Urschrift nach inländischem Recht beim UrkundbeamteD verbleibt. Auch genügt es nach RG Warn. 37/122 nicht, daß der nicht unterzeichnete Schriftsatz von dem Anwalt persönlich abgegeben wird. a 4. Die Rechtsprechung läßt indes gewohnheitrechtlich Telegramme genügen (RGZ 151/82 [86]) und sogar deren fernmündliche Aufgabe (RGZ 151/82 [86]), während andererseits RGSt. 38/282 die unmittelbare fernmündliche Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht für unwirksam erklärt hat. Andererseits ließ die Rechtsprechung sogar das fernmündliche Zusprechen des Telegramms durch die Post an das Gericht genügen (BGH Rpfl. 52/30). Keinesfalls sollte man die fernmündliche und unkontrollierbare Aufgabe eines Telegramms genügen lassen. Bei der sonstigen Telegrammaufgabe läßt sioh die Einlieferung kontrollieren, einmal gibt die Post auf Antrag das Telegramm nach drei Monaten zurück, sodann fertigt sie aber auch beglaubigte Abschriften und sendet diese auf Verlangen des Absenders zu. Dabei kann auch die beglaubigte Abschrift derart gefertigt werden, daß die Unterschrift des Absenders handschriftlich in ihr vollzogen wird. Dann ist das Telegramm vom Standpunkt der Post die beglaubigte Abschrift. Bis zum Eingang der (beglaubigten Abschrift vom Standpunkt der Post) Telegrammnachsendung wäre zwar auch dann das Rechtsmittel noch nicht eingelegt; doch darf mit der gewohnheitrechtlichen Fortbildung gerechnet werden, daß es auf den Eingang des Telegramms bei dem Gericht abgestellt wird, wenn nur aus beförderungtechnischen Gründen die Urschrift nicht gleichzeitig übermittelt werden kann. Allerdings läßt sich vom zivilprozessualen Standpunkt aus die gewohnheitrechtliche Auffassung nicht rechtfertigen. a 5. Allerdings reicht die fernmündliche Rücknahme eines bestimmenden Schriftsatzes vor Zugang aus (RG LZ 33/12714). a 6. Die Bevollmächtigung eines anderen, mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnen zu dürfen, gilt im Prozeßrecht nicht (RGZ 151/82). Eine solche Unterzeichnung des fremden Namens gilt aber auch nicht als die des Unterzeichnenden selbst, wenn eine solche wirksam wäre, weil sie ja nicht erklärt werden soll (a. M. RG Warn. 29/21 für die bestellter Vertreter). Dagegen kommt es auf den Nachweis der Vertretungmacht insoweit nicht an (RG J W 15/36 20 ). 32*
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§ 1 2 9 All aß
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Im besonderen kann auch ein sonstiger Postulationfähiger mit eigenem Namen an Stelle des Prozeßbevollmächtigten ohne Angabe des Vertretungsverhältnisses wirksam unterschreiben (LG N J W 53/426). b) Die Eigenhändigkeit ist gewahrt, wenn — was der Zweck der Unterzeichnung ist •— sich aus einer Unterschrift ergibt, daß der Unterschreibende die Verantwortlichkeit für den Schriftsatz übernommen hat. b 1. Ob eine Bezugnahme zulässig ist, ist streitig. Wird deshalb mit einem Begleitschreiben, das unterschrieben ist, der bestimmende, selbst aber nicht unterschriebene Schriftsatz eingereicht, so hat dies RG J W 36/3313 10 nicht gelten lassen, weil auch die Anlagen unterschrieben sein müssen; dagegen hat sich KG J W 30/169 6 damit begnügt. RG v. 3. 4.1940 VI ZR 92/39 hat es genügen lassen, als in einer Revisionschrift auf eine Anlage verwiesen wurde, in der die Partei in einem 24 Seiten langen Schriftsatz ein verwendetes Gutachten beanstandete, wenn die Verwendung in dem verweisenden Schriftsatz allgemein beanstandet und auf den übergangenen Beweisantritt der Anlage ausdrücklich verwiesen wurde. Über die Bezugnahme im einzelnen vgl. § 253 G V b, zu den Rechtsmittelbegründungen §§ 519 B I b 2, 554 B I a. b 2. Trotz Unterzeichnung gilt allerdings die Erklärung nicht, wenn der Unterzeichnende ausdrücklich erklärt, die Erklärung nicht selbst abgeben zu wollen oder gar zu mißbilligen (RG J W 35/777 14 ). B. Die bloB vorbereitenden Schriftsätze sollen der mündlichen Verhandlung dienen. Ihre Form entspricht der der bestimmenden, auch sie sind eigenhändig zu unterschreiben. Nicht rechtzeitig (§§ 132, 272) schriftsätzlich erhobene, außerprozessuale Ansprüche (d. h. in Antragsform gestellte) verhindern den Erlaß eines Versäumnisurteils, die Entscheidung nach Aktenlage (§§ 335 I 3, 331 a), sofern sie nicht bloß zu dem Teil des Angekündigten gestellt werden, der rechtzeitig übermittelt war. B I. Soweit sie nur vorbereiten, werden sie nicht wirksam, wenn das in ihnen Erklärte nicht in der mündlichen Verhandlung (auch nicht durch — selbst stillschweigende — Bezugnahme, § 317 III) aufgenommen wird. a) Nach dem Abschluß der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsätze sollten nicht zurückgegeben werden (abweichend: OLG 37/134); nur in ihnen Vorgebrachtes (anders wenn nur das in der Verhandlung Vorgetragene in ihnen wiedergegeben ist, RG LZ 33/1398 6 ) darf nicht berücksichtigt werden (RGZ 115/222); es sei denn, daß sich aus ihnen ein Grund dafür ergibt, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, was stets zu prüfen ist (§ 156 B); wird es berücksichtigt, so muß die — etwa dadurch belastete — Gegenpartei dies im Rechtsmittelverfahren rügen, die einreichende Partei hat kein Rügerecht (RGZ 115/222). b) Anders ist dies im Falle der §§ 272 a, 298; dooh sind diese beide bestimmende Schriftsätze. B II. In Anwaltsprozessen (§ 78 I) sind sie erforderlich, doch h a t die unterlassene schriftsätzliche Erklärung nicht die Folge, daß das Vorbringen überhaupt nicht erklärt ist, wie bei den bestimmenden, sondern es können nur die Folgen der §§ 279 II, 283 I I eintreten; auch dürfen die Kostennachteile daran geknüpft werden. Ferner darf dem Gegner gestattet werden, seine Erklärung nach § 272a nachzureichen. Ein Vertagungrecht zur Nachholung besteht jedenfalls nicht (vgl. § 227). B III. Im Parteiprozeß (§ 79 A) sind Schriftsätze zugelassen, aber nicht erforderlich (vgl. §§ 496 II, IV, 510a); außer der Folge des § 272a tritt hier kein sonstiger Nachteil ein.
§ 130 I
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Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; 2. die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt;
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§130
3. die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse; 4. die Erklärungen über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners; 5. die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; 6. in Anwaltsprozessen die Unterschrift des Anwalts, in anderen Prozessen die Unterschrift der Partei selbst oder desjenigen, der für sie als Bevollmächtigter oder als Geschäftsführer ohne Auftrag handelt. B I a) Über die Bezeichnung der Parteien vgl. § 253 G I a 1, über die des gesetzlichen Vertreters vgl. Kommentar § 5 1 E I V b ; seine unrichtige Bezeichnung darf berichtigt werden (RG Warn. 09/164), ist aber ein falscher Vertreter benannt und führt er den Streit, so ist die Klage unzulässig (§ 56 C). a 1. Unter dem Namen ist nur der bürgerlich-rechtliche zu verstehen, nicht der Künstlername. a 2. Unter Stand oder Gewerbe ist die Berufsbezeichnung zu verstehen. Die Bezeichnung des Berufslosen geschieht durch die Angabe seiner Erwerbsquelle. a 3. Unter Wohnort ist die Kennzeichnung der ladungfähigen Anschrift zu verstehen. a 4. Parteistellung ist die als Kläger (Rechtsmittelkläger) oder Beklagter (Rechtsmittelbeklagter) oder als Streitgehilfe eines von beiden. b) Weiter vorgeschrieben ist die Adressierung an das Gericht, soll die Kammer für Handelsachen angerufen werden, so muß auch dies angegeben sein (vgl. GVG § 96 A). Innerhalb eines Verfahrens ist die Angabe des Aktenzeichens ausreichend, was regelmäßig unter der abgekürzten Parteibezeichnung genannt wird. c) Die Angabe des Streitgegenstandes zu Beginn des Streits (bzw. der Rechtsmittelinstanz) soll dazu dienen, die Klage der der Geschäftsverteilung nach zuständigen Abteilung zuzuleiten (vgl. Kommentar § 1 B IV a). Zur Angabe des Streitgegenstandes gehört die des Streitwertes, damit sogleich die Zuständigkeit des Gerichts ersichtlich wird. d) Daß die Zahl der Anlagen, die eingereicht werden, anzugeben ist, soll nur die Nachprüfung der Vollständigkeit des Schriftsatzes erleichtern. e) Nicht vorgeschrieben, aber üblich ist die Angabe des Prozeßbevollmächtigten der Partei. B II. § 1301 2 trifft die Anträge, welche sich auf den außerprozessualen Anspruch (und im Prozeß über die Urkundenechtheit — § 256 G — auf diese) gründen (vgl. §§ 137, 297, 253 I I 2), doch dürfen auch prozessuale Anträge angekündigt werden. Während indes die ersten schriftlich vorliegen müssen (§ 297), brauchen es die zweiten nicht. B III. § 1301 3 fordert die schriftliche Sachbegründung; sie braucht nicht die Rechtsätze anzugeben, auf die sie sich stützt, doch kann sie sich auf bestimmte Klagegründe ausdrücklich beschränken (§ 253 I I 2), was nicht ohne Kennzeichnung der Rechtslage möglich ist (vgl. § 253 G IV a 1). Regelmäßig wird allerdings eine Beschränkung auf bestimmte Klagegründe nicht vorgenommen werden und selbst dann nicht, wenn bestimmte Rechtsausführungen gemacht werden, weil die Partei regelmäßig schlechthin durchdringen will, gleichviel auf Grund welcher Bestimmung (§ 128 B I I I c 2, vgl. dazu auch § 322 E IV a 2). Über den Unterschied zwischen dem Sachvortrag und den Rechtsausführungen vgl. § 138 B II c. B IV. Das Unterlassen der schriftsätzlichen Erwiderung wird man regelmäßig als Bestreiten aufzufassen haben. Umgekehrt wird generelles Bestreiten dort nicht genügen, wo im übrigen eine bestimmte Erklärung zu dem Parteivorbringen des Gegners abgegeben wird; denn dann ist davon auszugehen, daß diese Stellungnahme vollständig ist. Im Zweifel ist nach § 139 aufzuklären. B V. Die Beweismittel müssen so deutlich gekennzeichnet werden (§ 1 3 0 1 5 ) , daß ihrer Anforderung nichts im Wege steht (§§272b, 282, 371—455). Die Erklärung des Gegners (§ 283) ist für die Fälle der §§ 425, 446 erheblich.
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B VI. Unterschreiben (§ 129 A II) muß den Schriftsatz stets der Postulationfähige. Über den Prozeßbevollmächtigten ohne Vollmacht vgl. § 89 A. Fehlt die Unterschrift unter vorbereitenden Schriftsätzen (über die weitergehenden Vorschriften bei bestimmenden, vgl. § 129 A II), so dürfen sie nicht zugestellt werden (§§ 261b, 496), doch wird das Gericht hierauf nach § 139 aufmerksam zu machen haben (vgl. ferner § 129 B I). Nicht beachtete Mängel werden durch die mündliche Verhandlung geheilt.
§ 131
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I Dem vorbereitenden Schriftsatz sind die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf die In dem Schriftsatz Bezug genommen wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. n Kommen nur einzelne Teile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Beifügung eines Auszugs, der den Eingang, die zur Sache gehörende Steile, den Schluß, das Datum und die Unterschrift enthält. KI Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfang, so genügt ihre genaue Bezeichnung mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren. A I. Über den Begriff der Urkunde vgl. Kommentar § 415 A. Wegen der Übersetzung von Urkunden vgl. § 142 C. a) Eine Bezugnahme liegt vor, wenn auf das Bestehen einer Urkunde hingewiesen wird, gleichviel ob dies allgemein oder durch ihre aktenmäßige und sonstige Kennzeichnung geschieht. b) In den Händen der Partei befindet sich die Urkunde, wenn sie in ihrem unmittelbaren Besitz ist (BGB §854); bloße Besitzdienerschaft (BGB §855) genügt dagegen nicht, weil der Besitzdiener den unmittelbaren Besitz nur für den Besitzer hält. Andererseits muß aber auoh mittelbarer Besitz genügen (BGB § 868), wenn die Partei von dem unmittelbaren Besitzer auf Verlangen die Urkunde tatsächlich erhält, sich also den unmittelbaren Besitz ohne Streit mit dem unmittelbaren Besitzer verschaffen kann. A II. Vorgelegt werden muß die Urschrift oder eine (einfache) Abschrift. Daraus ergibt sich, daß dies nur in einem Exemplar zu geschehen braucht. Die Urkunde ist nur dem für das Gericht bestimmten Schriftsatzexemplar beizulegen. B. § 131 II läßt von umfangreichen Urkunden die Mitteilung von Auszügen zu, bei einer Vielzahl einzelner Urkunden genügt dann entsprechend die Beifügung einiger weniger, auf die es gerade ankommt. B I. § 131 II regelt die Form der auszugweisen Abschrift. B II. Weder das Gericht (§ 142 I) noch der Gegner (§§ 420, 421) brauchen sich mit dem Auszug zu begnügen. C. Bei den dem Gegner bekannten Urkunden oder denen von bedeutendem Umfang genügt nach § 131 III ihre Bezeichnung mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren. Die Frage des bedeutenden Umfangs ist auch bei einer Vielzahl von Urkunden zu bejahen. Über die Vorlegung von Handelsbüchern vgl. HBG §§ 46folg. Weder das Gericht (§ 142 I) noch der Gegner brauchen sich hiermit zu begnügen. D. Eine Verletzung der Vorschrift zieht im Anwaltprozeß (§ 78 I) dieselben Folgen nach sich wie das Unterlassen vorbereitender Schriftsätze (§ 129 B II), im Parteiprozeß dagegen regelmäßig gar keine; aber auch im Anwaltprozeß wird man das Erbieten, Einsicht zu gewähren (§ 131 III), regelmäßig schon in der Benennung der Urkunden finden dürfen. Nur im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozeß — gleichviel, ob diese Anwalt- oder Parteiprozesse sind — treten die weiteren sich aus § 593 II ergebenden Folgen ein, und nur im Aufgebotverfahren die der §§ 996 I 2, 1001.
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§ 132
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I Der vorbereitende Schriftsatz, der neue Tatsachen oder ein anderes neues Torbringen enthält, ist so rechtzeitig einzureichen, daß er mindestens eine Woche vor der mündlichen Verhandlung zugestellt werden kann. Das gleiche gilt für einen Schriftsatz, der einen Zwischenstreit betrifft. II Der vorbereitende Schriftsatz, der eine Gegenerklärung auf neues Vorbringen enthält, ist so rechtzeitig einzureichen, daB er mindestens drei Tage vor der mündlichen Verhandlung zugestellt werden kann. Dies gilt nicht, wenn es sich um eine schriftliche Gegenerklärung in einem Zwischenstreit handelt. A. § 132 gilt nur, soweit nicht andere bestimmte Fristen in der Prozeßordnung gesetzt worden sind. Eine Abkürzung der Frist des § 132 ist auf Antrag zulässig (§ 226 I), doch liegt in der Abkürzung von Einlassung-und Ladungfristen noch nicht die des § 132, wie § 226 I I ergibt; diese muß also ausdrücklich erklärt werden. Über die Fristberechnung vgl. § 222, über die Abkürzung und Verlängerung §§ 224 folg. B. § 132 gilt nur im AnwaltprozeB (§§ 129 I, 78 I); die Fristversäumung hat hier dieselben Folgen wie die unterlassene schriftliche Vorbereitung (§ 129). B I. Die Frist ist hier durch eine so rechtzeitige Einreichung zu wahren, daß noch zugestellt werden kann, wofür man einen Tag ansetzen muß (aber nicht mehr, wie § 132 I I zeigt). Ist sie so nicht zu wahren, so hilft nur die Zustellung nach § 198. B II. Sind die Fristen nicht gewahrt, so darf der Gegner um Vertagung bitten; wird dies abgelehnt, so muß ihm die Nachbringung der Erklärung nach § 272a gestattet werden. Obwohl sonst für die Gegenerklärung die Frist von drei Tagen vorgesehen ist, darf das Gerieht nach § 272a eine längere Frist gewähren; daraus folgt, daß selbst, wenn die Fristen innegehalten sind, die Partei aber innerhalb der kurzen Frist zur Gegenerklärung tatsächlich nicht in der Lage war, ihr Gelegenheit dazu in jedem Fall zu geben ist, wie dies die Praxis durchweg tut. B III. Über die Folgen nicht rechtzeitiger Einreichung für die einreichende Partei vgl. §§ 272, 279, Kommentar § 128 J I I d. C. Neues Vorbringen im Sinne des § 132 ist nur der Sachvortrag, nicht die Rechtsausführung, wenn nicht die Klage bislang auf bestimmte Klagegründe ausdrücklich beschränkt war, ferner fallen auch die erweiternde oder modifizierende Klageänderung (nicht die bloß beschränkende), selbst wenn ein Fall des § 268 gegeben ist, wie auch Beweisantritt und Beweiseinreden (RGZ 15/392) unter die Bestimmung. Betrifft das Vorbringen einen Zwischenstreit der Parteien untereinander (§ 303) oder mit dritten (vgl. §§ 71, 135, 387foIg., 402), so ist die Frist des § 132 I kürzer, und naoh § 132 I I 2 wird der Gegner von der Vorschrift des § 132 I I 1 entbunden.
§ 133
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I Die Parteien sollen den Schriftsätzen, die sie bei dem Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften beifügen. II Im Falle der Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 198) haben die Parteien sofort nach der Zustellung eine für das Prozeßgericht bestimmte Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze und der Anlagen auf der Geschäftsstelle niederzulegen. B. § 138 II kommt nur in dem Fall des § 198 I 2 in betracht (selten nur für bestimmende Schriftsätze, vgl. § 129 A I c 1). B II. Die Abschrift soll sofort nach Zustellung niedergelegt werden. Verstöße hiergegen haben keine sachlichen Nachteile zur Folge (OLG Seuff. 50/131).
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§ 134
(125)
I Die Partei ist, wenn sie rechtzeitig aufgefordert wird, verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf die sie in einem vorbereitenden Schriftsatz Bezug genommen hat, vor der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle niederzulegen und den Gegner von der Niederlegung zu benachrichtigen. II Der Gegner hat zur Einsicht der Urkunden eine Frist von drei Tagen. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert oder abgekürzt werden. A. Die Last der Partei, eine Urkunde niederzulegen, besteht nur vorbehaltlich der Vorschrift des § 434. Die Aufforderung zur Vorlegung kann vom Gegner, aber auch vom Gericht (§§ 142, 272 b II 1) ausgehen. Über die Verlängerung bzw. Abkürzung der Frist durch den Vorsitzenden (§ 134 II 2) vgl. § 224 II, über die Abkürzung durch Parteivereinbarung vgl. § 224 I. A I. Rechtzeitig ist die Aufforderung innerhalb der Fristen des § 132. Die h. M. unterwirft auch in Kollegialverfahren (§ 78 I) weder die Aufforderung noch die Benachrichtigung von der Niederlegung (Baumbauch-Lauterbach § 134 Anm. 1) dem Anwaltzwang. Unter dem Gesichtswinkel des Amtsbetriebes hat das Gericht die Benachrichtigunglast. A II. Die Frist des § 134 II läuft erst, nachdem die Benachrichtigung zugegangen ist; ist zu dieser Zeit die Urkunde noch nicht niedergelegt oder nicht mehr, so ist die Benachrichtigung wirkunglos. Während die verspätete und unterlassene Niederlegung oder Benachrichtigung nur im Anwaltsprozeß (§ 78 I) die Folge unterlassener vorbereitender Schriftsätze hat (§129 B II), zieht die unterlassene Einsicht keine Rechtsfolge nach sich. Einem Antrag auf Vorlegung bei einem auswärtigen Gericht muß nicht stattgegeben werden; doch darf das Gericht die Urkunde dem Gegner durch einen ersuchten Richter vorlegen lassen. B. Die vorgelegten Urkunden werden nicht Aktenbestandteil und die sie einreichende Partei darf sie grundsätzlich jederzeit (allerdings nicht zur Unzeit) zurückfordern (RG J W 05/43820), muß sie dann aber u. U. nochmals vorlegen. Zwischen ihr und dem Staat entsteht durch die Einreichung ein öffentlich-rechtliches Verwahrungverhältnis (RGZ 51/219). C. Zieht das Gericht von sich aus (auf Parteiantrag oder ohne ihn) Akten heran, so sind die Parteien unter entsprechender Anwendung der Vorschrift zu benachrichtigen, wie dies, wenn der Vorsitzende es tut, § 272 b IV 1 ausdrücklich vorschreibt. Nach der hier vertretenen Auffassung darf das Gericht nicht Akten heranziehen, die es den Parteien nicht zur Einsicht vorlegt. Dürfen die Akten den Parteien nicht zugänglich gemacht werden, so darf sie auch das Gericht nicht sehen. Sieht es sie aber, so müssen sie auch den Parteien zugänglich sein.
§ 135 (126) I Den Rechtsanwälten steht es frei, die Mitteilung von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung zu bewirken. II Gibt ein Rechtsanwalt die ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der bestimmten Frist zurück, so ist er auf Antrag nach mündlicher Verhandlung zur unverzüglichen Rückgabe zu verurteilen. m Gegen das Zwischenurteil findet sofortige Beschwerde statt. A. § 135 gilt im Partei- wie im Anwaltprozeß. Er gestattet — an Stelle der Niederlegung von Urkunden auf der Geschäftstelle — die Übermittlung von Anwalt zu Anwalt. Dies setzt voraus, daß der abgebeude Anwalt dazu willens, wie der empfangende dazu bereit ist und gemäß § 198 II 1 den Empfang bescheinigt. Das Gericht darf die Urkunden dem Gegenanwalt zu getreuen Händen behändigen. Sodann gilt § 135 entsprechend. Im übrigen gilt aber auch § 134. Doch wirkt hier die Verabredung einer längeren Frist außerprozessual. B. § 135 II regelt ein Zwischenverfahren gegen den die Urkunde nicht fristgemäß zurückgebenden Anwalt.
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Mündliche Verhandlung
§135
B I . I m Anwaltprozeß gelten §§ 129 I, 132. Geladen wird von gerichts wegen (§§ 214, 216, 217, 497 I 1). B II. Entschieden wird nach mündlicher Verhandlung durch Zwischenurteil (§ 303). Ein Versäumnisverfahren gibt es hier nicht {vgl. § 71 B I I ) , § 128 I I gilt auch hier. Der Einzelrichter ist zur Entscheidung gesetzlich nicht berufen (a. M. K G J W 28/120). a ) Verurteilt darf nur werden, wenn der Anwalt die Urkunde nicht bis zur letzten mündlichen Verhandlung zurückgegeben hat. Geschieht es, so sind ihm die Kosten des Zwischenverfahrens aufzuerlegen. Wird die Verurteilung abgelehnt, so gilt das entsprechende bezüglich der Kosten zu Lasten der antragstellenden Partei. b) Das Zwischenurteil ist nach § 317 I auf Betreiben der Parteien zuzustellen. E s ist, falls es zur Herausgabe verurteilt, nach § 794 I 3 sofort vollstreckbar. Vollstreckt wird nach § 883. B I I I . Gegen das Urteil ist die sofortige Beschwerde nach § 135 I I I zugelassen (§ 577); die Frist zur Einlegung läuft ab Zustellung des Urteils (RGZ 42/402). Gegen das Zwischenurteil des OLG und eines höheren Gerichts ist sie unzulässig (§ 567 I I I 1). B e i einem reinen Kostenbeschluß muß ein Beschwerdewert von mehr als 50 DM erreicht worden sein (§ 567 I I ) ; doch handelt es sich noch nicht deshalb um einen Kostenbeschluß, weil der Anwalt zur Herstellung der Urkunde Kosten aufwenden muß. Eine weitere sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des L G ist zulässig, es sei denn, daß kein Fall des § 568 I I vorliegt oder es sich nur um den Kostenbeschluß nach erledigter Hauptsache handelt (§ 568 I I I ) . C. Die außerprozessuale Haftung des Anwalts bestimmt sich nach außerprozessualem Recht (§ 135 ist ein Schutzgesetz, B G B § 823 I I ; doch ist Verschulden erforderlich); auch darf nach § 890 das Interesse gefordert werden (vgl. auch B G B § 283). D. Entsprechend ist § 135 anzuwenden, wenn das Gericht erlaubt, anderen Parteivertretern die Urkunde zu behändigen (vgl. Kommentar § 157 B I I ) .
§ 136 I
(127)
Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung.
II Er erteilt das Wort und kann es demjenigen, der seinen Anordnungen nicht Folge leistet, entziehen. III E r hat Sorge zu tragen, daB die Sache erschöpfend erörtert und die Verhandlung ohne Unterbrechung zu Ende geführt wird; erforderlichenfalls hat er die Sitzung zur Fortsetzung der Verhandlung sofort zu bestimmen. IV E r schlieBt die Verhandlung, wenn nach Ansieht des Gerichts die Sache vollständig erörtert ist, und verkündet die Urteile und Beschlüsse des Gerichts. A. § 136 betrifft die Leitung der Verhandlung durch den Vorsitzenden. Gegen seine Anordnungen darf das Gericht angerufen werden (§ 140). Ohne eine Gerichtsentscheidung kann das Endurteil deshalb wegen einer Anordnung des Vorsitzenden insoweit nicht angefochten werden (RG Gruch. 54/666 folg.). Neben dieser Prozeß- und Sachleitung stehen die sitzungpolizeilichen Aufgaben des Vorsitzenden (GVG § 176), dazu gehört auch die Beachtung der Vorschriften über die Öffentlichkeit bzw. NichtÖffentlichkeit (GVG §§ 169—171, 174); die Durchführung der Gerichtsbeschlüsse nach GVG §§ 173, 175, die Vollstreckung der vom Gericht erlassenen Ordnungstrafen hat er zu veranlassen (GVG § 179). Über seine sonstigen Funktionen vgl. GVG § 62 B I a. B . Die mündliche Verhandlung (§ 136 I) wird durch den Aufruf zur Sache eröffnet (§ 220), sie wird durchgeführt durch Worterteilung und -entziehung (§ 136 I I ) , wobei § 137 zu beachten ist. B I. Dazu gehört auch die Worterteilung nach § 396 I I I an die Gerichtsmitglieder und nach § 397 I I an die Parteien. Entzieht der Vorsitzende das Wort, so kann dies einstweilig sein oder für die gesamte Verhandlung geschehen, nicht aber für alle künftigen Verhandlungen
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§136 b i
ZPO I. Buch
(vgl. §158 A I a), auch darf er nicht die Anrufung des Gerichts nach § 140 verwehren. Zu prozessualen Nachteilen dürfen seine Maßnahmen nicht führen, im besonderen nicht zur Anwendung des § 333; denn die Entfernung des Verhandelnwollenden steht ihm nicht zu (sondern nur dem Gericht, GVG § 177) und § 333 betrifft nur das Nichtverhandelnwollen. Der Vorsitzende hat für die erschöpfende Verhandlung zu sorgen (§ 136 I I I ) , bevor er sie schließt (§ 136 IV); schließt es sie ohne Zustimmung des Gerichts, so kann das Gericht die Wiedereröffnung nach § 156 erzwingen. Bei längeren Verhandlungen darf der Vorsitzende Ergänzungrichtei' hinzuziehen (GVG § 192 I I ) . B II. Mit dem Schluß der Verhandlung a) läßt sich feststellen, ob eine Partei säumig gewesen ist (§§ 220 I I , 231 II, 278, 283, 330folg.). Nach Verhandlungschluß eingereichte Schriftsätze werden grundsätzlich nicht beachtet (vgl. § 129 B I a). b) Weitere Folgen ergeben sich nach §§280, 323, 614, 767; wenn die Verhandlung beschränkt war, allerdings nur, soweit sie offen war und stets vorbehaltlich ihrer Wiedereröffnung durch das Gericht nach § 156. B III. Für die Verhandlungniederschrift ist der Vorsitzende verantwortlich (§ 163 I). B IV. In der Beratung hat der Vorsitzende ebenfalls die Verhandlungleitung (GVG § 194 I). Die Entscheidungen des Gerichts hat er zu verkünden (§ 136 IV). C. Der Vorsitzende darf sich bei der Verhandlungleitung eines Gehilfen bedienen, soweit er nicht damit die Verhandlungleitung völlig aus der Hand gibt oder eine richterliche Aufgabe durch einen anderen vornehmen läßt. Auch darf er nach der Rechtsprechung (RGSt. 23/99) den Vorsitz selbst abgeben und als Kammermitglied beisitzen.
§ 137 (128) I
Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, daB die Parteien ihre Anträge stellen.
II Die Vorträge der Parteien sind in freier Bede zu halten; sie haben das Streitverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen. m Eine Bezugnahme auf Schriftstücke ist zulässig, soweit keine der Parteien widerspricht und das Gericht sie für angemessen hält. Die Vorlesung von Schriftstücken findet nur insoweit statt, als es auf ihren wörtlichen Inhalt ankommt. IV In Anwaltprozessen ist neben dem Anwalt auch der Partei selbst auf Antrag das Wort zu gestatten. A. § 137 I fordert für die mündliche Verhandlung die Stellung der Anträge durch die Parteien, worunter alle an dem Verfahren Beteiligten, also im besonderen auch die Streitgehilfen, fallen (KG J W 20/790 2 ), denen dieselben Reohte wie der Partei zustehen. Über die Wirkung der Erklärungen des unselbständigen Streitgehilfen vgl. § 67 B I I , über die des selbständigen § 69 B I I . A I . Soweit § 137 I, I I , I I I von den Parteien spricht, meint er die Postulationfähigen, also im Anwaltprozeß die Anwälte (§ 78 I). a) In Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenstreiten (entsprechend auch in den Geschmackmusterstreitigkeiten) muß der Patentanwalt der Partei gehört werden (PatentanwaltG § 9 111); im Patentnichtigkeitstreit der technische Berater (vgl. die VO über das Berufungverfahren in Patentsachen v. 30. 9. 1936, § 13 II). b) Daß die prozeßfähige Partei (nicht die prozeßunfähige, an deren Stelle ihr gesetzlicher Vertreter zu hören ist, nicht aber der rechtsgeschäftliche, RGZ 102/331) in den Parteiprozeß stets selbst eingreifen darf, folgt aus ihrer Postulationfähigkeit für diesen Prozeß (§ 79 A), in Anwaltsprozessen aus § 85 I 2 ; vgl. auch § 137 B II. A II. Ohne Stellung der Sachanträge darf auch keine ProzeBentscheidung ergehen (RG J W 25/256 40 ). Im Anwaltprozeß (§ 78 I) müssen sie schriftlich festgelegt sein und sollen
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Mündliche Verhandlung
§137
Ali
verlesen werden (§297), doch genügt die Bezugnahme (§297 IV); im Parteiprozeß (§ 79 A) brauchen die Anträge nicht verlesen zu werden (§ 507), wohl aber müssen sie, auch wenn sie nur mündlich gestellt werden, in die Sitzungniederschrift aufgenommen werden (§ 160 I I 2). Finden mehrere Termine in derselben Instanz statt, so ist die ausdrückliche Wiederholung der Anträge nicht erforderlich, solange die Besetzung des Gerichts dieselbe bleibt ( R 6 J W 04/295 21 ). Aber auch sonst genügt die allgemeine Bezugnahme auf die früher gestellten. A HI. Allein durch die Stellung der Sachanträge braucht aber noch nicht schlechthin zur Hauptsache verhandelt zu sein (vgl. §§ 39, 274, 345); doch gibt es besonders in der erstinstanzlichen Praxis Verhandlungen, die nur in der Antragstellung bestehen und im übrigen (stillschweigend) auf den schriftlich vorbereiteten Vortrag verweisen (§ 137 III), in solchen Fällen ist schon mit der Stellung der Anträge und dem Schluß der Verhandlung zur H a u p t sache verhandelt (RG J W 30/141 1 9 ). B. § 137 I I legt eine mündliche Verhandlungform fest, wie sie sich der Gesetzgeber vorgestellt hatte. Die Vorschrift wird ergänzt durch § 139 I 2. B I . Jetzt kennt die Praxis eine solche mündliche Verhandlung, wie sie § 137 I I festlegt (auch vor der Mehrzahl der OLG), nur noch in Ausnahmefällen und in der Revisionsinstanz (wo aber auch bisweilen auf Bezugnahme gedrungen wird). B I I . Der Grundsatz der Bezugnahme, den §137 111 festlegt, beherrscht die Praxis; widerspricht allerdings eine Partei der Bezugnahme, so muß alles vorgetragen werden (RG J W 01/615 1 ); doch kann die Gegenpartei den Vortrag von Beweisergebnissen nicht erzwingen, wohl aber darf sie ihn dann selbst ergänzen. Die (zugelassene) Bezugnahme h a t dieselbe Bedeutung wie der mündliche Vortrag (im besonderen für die Fälle der §§ 288, 313 I 3). Der erforderliche, substantiierte Sachvortrag läßt sich aber nicht durch Bezugnahme auf überreichte Druckschriften ohne Angabe der Stellen, auf die er sich im einzelnen bezieht, ersetzen (BGH N J W 56/1878). Die Parteierklärung nach § 137 IV ist keine Parteivernehmung (RG Warn. 38/128), ihre Aufnahme in die Niederschrift ist nicht erforderlich (RGZ 149/63). Besonderheiten ergeben sich für den Vertreter nach § 141 I I I 2. a) Nach § 85 I 2 ist auch in Anwaltprozessen (§ 78 I) der — prozeßfähigen — Partei das Wort zu erteilen, wenn sie es — ohne Anwaltzwang hierzu — verlangt (vgl. § 8 5 I 2; über die Wirkung abweichender Parteierklärungen vgl. § 85 B I a), aber auch auf Antrag ihres Anwalts (§ 137 IV), jedenfalls in der Tatsacheninstanz. Aber auch in der Tatsacheninstanz braucht das Gericht der Partei nicht das Wort zu gestatten, wenn der Postulationfähige der (nicht postulationsfähigen) Partei erklärt, er nehme von Rügen abstand (RG Gruch. 52/142). Nur wenn eine taube, stumme Person oder eine, welche nicht deutsch spricht, sich erklären will, steht die Entgegennahme der Erklärung im Ermessen des Gerichts (GVG § 187), nicht in den anderen Fällen (RG J W 03/397 2 ), wenn auch hier noch sachwidrige Ausführungen unterbunden werden dürfen (RG Gruch. 52/142). C. Wird § 137 vom Vorsitzenden verletzt, so muß zuvor das Gericht zur Entscheidung angerufen werden (§ 140 A, RG J W 03/397), stimmt das Gericht dem Vorsitzenden bei, so darf die Verletzung des § 137 nach §§ 512, 548 gerügt werden (RG J W 07/50). Dabei h a t RG N § 137/3 die Feststellung, daß der Partei das Wort nicht verstattet worden ist, für ein wesentliches, zu protokollierendes und nur nach § 164 nachweisbares Erfordernis gehalten. Andererseits braucht der Inhalt der Parteierklärungen nicht beurkundet zu werden (RGZ 149/63).
§ 138
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I Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. II
Jede Partei hat sieh über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
III Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
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§138
ZPO I. Buch
IV Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. A. § 138 I bestimmt seinem Wortlaut nach seit der Novelle 1933 eine Wahrheitpflicht. A II. Das Gesetz spricht von der Erklärungpflicht (§ 138 II), der Beweispflicht (§ 447) u. dgl. m., obwohl man richtigerweise, wie auch allgemein nicht verkannt wird, nur von einer Darlegung- (Behauptung und Bestreiten) last, einer Erklärunglast, einer Beweislast reden kann. So ist es auch mit der angeblichen Wahrheitpflicht, die aus logischen Gründen nur als Wahrheitlast begriffen werden kann. A III. Die Bestimmung des § 138 bezieht sich nur auf Behaupten und Bestreiten, nicht auf Ansprüche. B. Das Rechtsgesetz knüpft an den (logischen) Begriff der Wahrheit an. B I a) Jede Erklärung des Menschen, die im Prozeßrecht gilt, ist eine bewußte, gewollte. Die Erklärung über einen Sachverhalt trifft aber ein Gewußtes; nicht ein Gewolltes. Das Verfahrensrecht kann nur fordern, daß das als gewußt Erklärte die Meinung des sich Erklärenden trifft, also seine Aufrichtigkeit; ob die Meinung richtig oder falsch ist, steht dahin. Besteht aber über die Richtigkeit dieser Meinung unter den Parteien kein Streit, so darf das Gericht nicht eingreifen, selbst wenn es anderer Meinung ist (auch seine Meinung kann falsch sein); denn das Gericht soll nicht den Streit vergrößern, sondern nur den bestehenden Streit befrieden. b) Wahrheit ist nichts anderes als richtiges logisches Urteil; d. h.: wenn die im Objekt enthaltene Behauptung über das Subjekt zutrifft, dann ist die Aussage wahr; oder wenn dies nicht so ist, dann ist sie unwahr. B II. § 138 I befaßt sich nur mit den Tatsachenfeststellungen des Sachverhalts. a) Tatsachen sind logische Urteile über das Geschehen; sie sind nicht das Geschehen selbst, sondern ein erkanntes Geschehen; und im Prozeß geht es um die Feststellung von etwas, was geschehen ist. Das Geschehen selbst, vermittelt durch seine Erkenntnis in der Tatsache, und nicht etwa bloß die Urteile über Tatsachen, ist Gegenstand des Verfahrens. Wo das Geschehnis sich abspielt, ist dabei belanglos; die Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Tatsachen ist deshalb fruchtlos; denn es gibt nur Geschehnisse, die, wenn sie erkannt, Tatsache werden; sie sind aber nicht ohne das (geistige) Urteil gegeben. b 2. In der Revisioninstanz kann eine unstreitige Behauptung nicht mit der Begründung angegriffen werden, ihre Aufstellung verstoße gegen § 138 I (OGHZ 2/265). b 3. Dieser Relation entspricht es auch, daß eine Partei ihre aufgestellten (und nicht zurückgenommenen) — unbestrittenen —• Behauptungen als wahr gegen sich gelten lassen muß (RGZ 165/260 [267], § 128 B I I I d 3); anders also für die bestrittenen, dem behauptenden Teil ungünstigen Tatsachen (RG N § 138/3), selbst wenn kein Geständnis vorliegt. Anders liegt dies in all den Fällen, wo gesetzlich ein Geständnis ausgeschlossen ist; und ganz anders ist dies außerhalb der aufgezeigten Relation. b 4. Das Gericht darf in das Sachverhaltstatsachenurteil der Parteien erst eindringen, wenn die Richtigkeit dieses Urteils bestritten wird, m. a. W., wenn die Behauptung bestritten wird; muß es dann aber auch tun. Ohne Bestreiten darf das Gericht nur in den Ausnahmefällen der §§ 622, 640 I, 641 1, 653, 663 II, 670 I der Wahrheit der Behauptung von sich aus nachgehen. c) Auf die Feststellung der sonstigen Rechtsnormen bezieht sich das Verlangen nach Aufrichtigkeit nicht (iura novit curia; eine Irreführung des Gerichts wird hier nicht in Erwägung gezogen). B III. Unter dem Gesichtswinkel der Wahrheitlast ist das Erfordernis der Vollständigkeit einzuschränken. a) Dies gilt zunächst für den Behauptenden. Trotz des Verlangens nach Vollständigkeit darf man es der Partei — wenn man ihr nur eine Wahrheitlast aufbürdet — nicht verwehren, eine günstige (die ungünstige bezieht sich auf das Bestreiten) Behauptung nicht aufzustellen,
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Mündliche Verhandlung
§138 Bilia
wie eine aufgestellte Behauptung nicht zu bestreiten {§ 138 III). Auch darf die behauptende Partei nicht dazu gezwungen werden, die ihrem Anspruch entgegensetzbaren Einwendungen vorzutragen, sondern abwarten, bis der Gegner diese Verteidigungmittel vorbringt, wozu er nicht gezwungen ist (RG HRR 38/662). b) Das Bestreiten enthält dabei nicht bloß eine Wissens-, sondern auch eine Willenserklärung, nämlich die, die Richtigkeit des behaupteten (Urteils) nachprüfen lassen zu wollen. Das Recht zum Bestreiten kann deshalb selbst dem nicht genommen werden, der an die Richtigkeit der Behauptung glaubt (a. M. RGSt. JW 38/15154). Nur so läßt es sich erklären, daß § 138 IV nur in gewissen Fällen eine Erklärung mit Nichtwissen gestattet und diese dem Bestreiten gleichstellt, während es einige Fälle gibt, wo der Beklagte bestreiten muß, obwohl er sich der Wahrheit gemäß nur mit Nichtwissen erklären könnte (vgl. § 138 D I b; daß in diesen Fällen die Regel des § 138 I nicht gilt, ist h. M., vgl. RArbG E 17/289 [295]). Schließlich hat RGZ 156/265 (269) ein wahrheitwidriges Bestreiten dort zugelassen, wo das Eingestehen der Wahrheit die Unwahrhaftigkeit oder Strafbarkeit des Eingestehenden offenbaren würde. c) Bei der Geltendmachung der Einwendungen und Einreden gilt dagegen wieder die Regel des §138 1: also die Wahrheitlast entsprechend der Erklärunglast (Behauptunglast), während das Bestreiten des Gegners wie das auf die Behauptung vorzunehmende zu werten ist. B IV. Eine Behauptung darf (abgesehen von Geständnissen nach §§ 288, 532) — frei — widerrufen werden (vgl. §§ 290, 532), also auch die bewußt unwahre (RG Warn. 39/37). Geschieht dies, so darf das Gericht die Partei nicht belasten und es darf sie nicht an dem unwahren Vorbringen festhalten. b) Erkennt eine Partei die Unwahrheit ihrer Behauptung, so sollte sie sie widerrufen(RG Warn. 39/37). b 1. Da sie schon handelnd im Prozeß hervorgetreten ist, sollte man sie dazu auch für verpflichtet halten (RG Warn. 39/37), weil es bei einem Verstoß gegen eine Last nicht darauf abgestellt werden sollte, daß er bei Vornahme der Prozeßhandlung, sondern solange vorliegt, wie die Prozeßhandlung noch andauert. Dies gilt noch in der Revisioninstanz (Kommentar § 561 B II). b 2. Darüber, daß — nicht zurückgenommene — Behauptungen einer Partei auch gegen sie verwertet werden dürfen, vgl. §§ 138 B II b 3, 286 B II, 128 B III d 3, RGZ 165/260 (267); anders aber RG N § 138/3 für bestrittene, dem behauptenden Teil ungünstige Tatsachen. Dies gilt auch von denen, von denen das Gericht annimmt, sie seien bewußt wahrheitswidrig aufgestellt; ist es indes der Überzeugung, daß die Behauptung objektiv wahrheitwidrig ist, so darf sie nach § 291, wenn sie bestritten war, auch nicht gegen die sie aufstellende Partei verwertet werden. Andererseits darf auch der Gegner sich hilfsweise auf die seiner Behauptung entgegenstehende der anderen Partei berufen, ohne gegen § 138 I zu verstoßen (BGH NJW 56/631). C I a) Aus der Verletzung des § 138 I ergeben sich in prozessualer Hinsicht folgende Folgerungen: einer zugestandenen oder unbestritten gebliebenen Behauptung hat das Gericht auch dann zu folgen, wenn diese nach Ansicht des Gerichts unwahr und bewußt unwahr ist, sofern das Gesetz das Gericht nicht zur Nachprüfung der Behauptung (vgl. § 128 B II d 2) zwingt. b) In dem Eingeständnis, daß eine Behauptung bewußt unwahr aufgestellt sei, liegt ihre Rücknahme. In dem Eingeständnis, daß ein Bestreiten bewußt unwahr ist, liegt dagegen regelmäßig ein Zugeständnis (§288); nur wo dieses nicht möglich ist, ein irrelevantes Nichtbestreiten. c) Hält das Gericht es für erwiesen, daß eine — bestrittene — Behauptung bewußt unwahr aufgestellt ist, so darf es die der Behauptung beigefügten Beweisantritte übergehen (RG JW 36/222818), doch muß der volle Beweis (§ 286) für das bewußt unwahr Behauptete geführt sein (RCZ 154/303). Die Wendung, eine Behauptung sei „nicht ernstlich" aufgestellt bzw. eine Partei habe „nicht ernstlich bestritten", ersetzt diese Beweisführung nicht. Der Partei darf es nicht verübelt werden, wenn sie Vermutungen als wahr behauptet;
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ZPO I. Buch
die volle Gewißheit wird sie oft nicht erfahren können, besonders weil man nach inländischem Verfahren es ihr ankreidet, wenn sie zuvor mit Zeugen spricht (a. M. RArbG E 17/289). c 1. Dabei wird aber unterstellt, daß das Gegenteil des bewußt unwahr Behaupteten wahr sei. Hatte die Partei zunächst etwas bewußt unwahr behauptet, ist sie dann aber zur Erkenntnis gelangt, daß die Behauptung objektiv wahr ist, so darf ihr dieser Beweis nicht abgeschnitten werden; insoweit kommt es für die Frage der Aufrichtigkeit der Behauptung auf den VerhandlungschluB an. Ist auf Grund der Verletzung des § 138 I entschieden worden, so hat bei der Zuständigkeitbestimmung nach § 36 I 3 RGZ 154/299 diese nicht gelten lassen. C II. § 138 I bezieht sich auf das Verhältnis von Gericht zur Partei, d. h. der prozeßfähigen Partei bzw. ihres gesetzlichen Vertreters, wie der für sie nach § 232 II Verantwortlichen, nicht auf sonstige Erfüllunggehilfen (vgl. BGB § 278). Die Partei kann indes den Vortrag unschädlich machen, indem sie die Behauptung widerruft (§ 85 I 2). Andererseits darf die Partei nicht — etwa mit Bücksieht auf ihre Versicherer — im Prozeß sich wahrheitwidrig verhalten (RG J W 38/2834 28 ). a) Ist der Prozeßbevollmächtigte von der Wahrheit des Parteivortrags nicht überzeugt (die Unwahrheit aus eigenem Wissen wird er nur selten kennen), so wird er vortragen müssen; ist er von der Unwahrheit des Parteivortrages überzeugt, so darf er als freier Anwalt (Vertreter) die Vertretung niederlegen, als beigeordneter Anwalt um Befreiung vom Mandat bitten; denn er darf dann einerseits den Vortrag nicht bringen (BGH N J W 52/1148), während er andererseits die Partei nicht benachteiligen darf. Kennt er die Unwahrheit des Vortrags aus dem Eingeständnis der Partei, so benachteiligt er die Partei nicht, wenn er den Vortrag nicht bringt. Die Parteibehauptung mit dem Zusatz zu bringen, er selbst sei von ihrer Unwahrheit überzeugt, geht nicht an, weil er damit einmal sie nicht wirksam einführt, zum andereD gegen seine Verschwiegenheitpflicht verstößt. In solchen Fällen darf er nur schlechthin schweigen. Nur soweit er bestreiten soll, darf er nach der hier vertretenen Auffassung unbedenklich dem Willen der Partei sich beugen und wird es tun müssen, seibat wenn er das Bestrittene für wahr hält (§ 138 B I I I b). a 1. Soweit angenommen wird, daß der Anwalt einer bewußt unwahren Bekundung eines Zeugen ohne Rücksicht auf die Belange der von ihm vertretenen Partei entgegenwirken muß, kann dem nicht beigepflichtet werden. Das Beweismittel hat die Verantwortung für die Wahrheit seiner Bekundung. Allerdings dürfen sich Partei und Anwalt nicht an der strafbaren Handlung des Beweismittels beteiligen; doch ist die bloße Kenntnis von der Unwahrheit der Äußerung noch keine Beteiligung. b) Verboten ist nur die strafbare Handlung (vgl. RGZ 95/310 [3131); der Prozeßbetrug (RGZ 153/65); darauf darf nach § 580 I 4 die Restitutionklage und zuvor das Rechtsmittel (etwa die Revision) gestützt werden, sofern darauf das Erkenntnis beruht (OGH v. 25. 1. 1950 II ZS 35/48, teilweise abgedruckt in DNotZ 50/429) oder wenn das Bestreiten unterlassen wurde und dies mit der Revision gerügt wird (OGHZ 2/283). b 1. Aber auch im Falle einer strafbaren Handlung darf der Anwalt keinen Parteiverrat begehen, sondern muß niederlegen. Die Partei selbst wird der falschen Bekundung eines Beweismittels entgegenwirken müssen, soweit sie als Anstifter oder Gehilfe in betracht käme (RG H R R 41/216) oder soweit sie sich der Verleitung zum Falscheid schuldig machen würde (vgl. BGHSt. 3/18). b 2. Die Anfechtung eines (Prozeß-)Vergleichs kann nicht auf Verletzung von § 138 I gestützt werden (RGZ 153/65, wohl aber u. U. auf arglistige Täuschung). D. § 138 II normiert, wie § 138 I I I und IV ergeben, nur eine Erklärunglast (vgl. § 138 A II a), keine Erklärungpflicht. Über das Wesen des Bestreitens vgl. § 138 B I I I b, über den Widerruf und seine Wirkung vgl. § 138 B IV. D I. Das ausdrückliche Bestreiten zwingt das Gerieht zur Nachprüfung, ob eine Behauptung wahr ist. a) Dem ausdrücklichen Bestreiten steht der aus sonstigen Erklärungen erkennbare Wille, etwas bestreiten zu wollen, gleich. I m s c h r i f t l i c h e n V e r f a h r e n wird grundsätzlich
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Dia
der Vortrag des Gegners als bestritten anzusehen sein, wenn auch die allgemeine Klausel, alles bestreiten zu wollen, weder erforderlich noch stets ausreichend ist (RG Warn. 36/163); u. U. ist hier gemäß § 139 aufzuklären (RG JW12/199). Regelmäßig wird allgemeines Bestreiten genügen (RG J W 11/18412). Besteht aber eine Klage aus vielen Rechnungposten, so wird eine Stellungnahme zu jedem einzelnen regelmäßig erforderlich werden (RG Gruch. 56/631), wenn nicht bewußt ein jeder Posten in Zweifel gezogen werden soll. U. U. kann auch eine außerprozessuale Rechtspflicht des Beklagten zur Aufklärung (also zum substantiierten Bestreiten) begründet sein (vgl. RGZ 166/240 [242]), oder bei eigenen Wahrnehmungen (RG JW 12/19922). Auch der, welcher grundsätzlich bestreitet, bestreitet aber das nicht, was er selbst vorträgt (RG N § 138/5). Andererseits bestreitet, wer sich nicht erklärt, aber sich bei einem Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 zu ihr bereit erklärt (vgl. RG N § 138/9). Auch aus vorgetragenem Schriftwechsel kann das Gericht bezüglich des Bestreitens (RGZ 150/330 [335]) oder auch des Zugestehens (RG N § 138/7) Schlüsse ziehen. Im Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung kommt es dabei auf das Verhalten in der mündlichen Verhandlung an (RG JW Gl/7492), so daß hier einmal auch das, was schriftsätzlich nicht bestritten ist, bestritten werden kann, wie umgekehrt Darüber muß dann entweder das Protokoll oder der Tatbestand (§ 313 I 3) Auskunft geben. b) Dem ausdrücklichen Bestreiten steht nach § 138 JV die Erklärung mit Nichtwissen gleich, sofern es sich nicht um eigene Handlungen der sich erklärenden Partei bzw. ihres gesetzlichen Vertreters bzw. um Tatsachen, welche auf der Wahrnehmung dieser Personen beruhen, handelt. D II. Nichtbestreiten wie nicht genügendes Bestreiten oder nicht zulässiges Bestreiten (mit Nichtwissen anstatt ausdrücklich zu bestreiten) führt dazu, daß die Sachbehauptung de3 Gegners als richtig unterstellt wird. a) Doch darf das Bestreiten bis zur letzten Tatsachenverhandlung, also auch noch in der Berufunginstanz (§ 531) nachgeholt werden (RG J W 36/305110), ohne daß hier eine Zurückweisungmöglichkeit besteht (§ 531 A, a. M. BGH NJW 54/600). Darin unterscheidet sich dieses Nichtbestreiten von dem Geständnis (§ 288), also durch seine freie Widerruflichkeit (ohne daß der Widerruf zur Umkehr der Beweislast führt, wie im Falle des widerrufenen Geständnisses, § 290). b) Unbeachtlich ist das Nichtbestreiten aber in den Fällen der Offlzialmaxime (§§ 617, 622, 640 I, 653, 663 II, 670 I, 679 IV, 684 IV, 686 IV). Auch ist nach § 597 II das Nichtbestreiten bei einer Prozeßvoraussetzung der gewählten Prozeßart unerheblich. c) Schlußfolgerungen, die eine Partei aus dem Ergebnis einer Verhandlung ziehen will, brauchen aber nicht bestritten zu werden, weil dies zu den Aufgaben des Gerichts gehört (RG N § 138/4). E I. Bei bestrittener Behauptung darf nämlich das Gerieht in weitem Umfange die Wahrheit von gerichts wegen ermitteln (vgl. § 128 B I I I e). E II a) Beweislastverträge sind auf dem Gebiete des dispositiven außerprozessualen Rechts zugelassen worden. Soweit man dies für zulässig hält (vgl. § 282 E II b), wird man nichts gegen die damit gekoppelten Erklärunglastverträge einwenden dürfen. Dies darf aber nicht dazu führen, solche Verträge auf den Rechtsgebieten zuzulassen, die zwingendes außerprozessuales Recht enthalten. Vor allem dürfen nicht solche Verträge zugelassen werden, die einer Partei die Aufstellung bestimmter Behauptungen oder das Unterlassen von bestimmtem Bestreiten vorschreiben; dies ist mit §1381 unvereinbar (BGB §134). Die sogenannten Anerkennungverträge sind also schlechthin nichtig. Zwar kann eine Partei im Prozeß eine unwahre Behauptung zugestehen, doch kann diese Prozeßerklärung unwiderruflich nur nach §§288folg. abgegeben werden und nicht nach außerprozessualem Vertragsrecht. Soweit die Erklärung- wie die Beweislastverträge prozessuales Recht enthalten, sind sie grundsätzlich unwirksam. Nur soweit das Prozeßrecht Vereinbarungen zuläßt (vgl. § 38 B IV), sind auch sie denkbar, etwa bei Gerichtstandvereinbarungen, Schiedsabreden. b) Wahrheitlastverträge gibt es nicht; denn wenn jemand verpflichtet werden soll, im Prozeß die Unwahrheit zu sagen, so verstößt dies gegen § 138 I (BGB § 134).
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F . Ob § 1 3 8 1 auch im Schiedsverfahren gilt, h a t B G H M D R B 302/57 offen gelassen; doch hat er der anderen Partei keine Lossage vom Schiedsvertrag mit der Behauptung gestattet, daß ihr Gegner im Schiedsverfahren § 138 1 verletzt habe.
§ 139
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I Der Vorsitzende hat dahin zu wirken, daß die Parteien über alle erhebliehen Tatsachen sich vollständig erklären und die sachdienlichen Anträge stellen, insbesondere auch ungenügende Angaben der geltend gemachten Tatsachen ergänzen und die Beweismittel bezeichnen. E r hat zu diesem Zwecke, soweit erforderlich, das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien nach der tatsächlichen und der rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. II Der Vorsitzende hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die in Ansehung der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte obwalten. III
E r hat jedem Mitglied des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen.
A. § 139 verpflichtet das Gericht zur Aufklärung. E r soll dazu dienen, den bestehenden Streit der Parteien scharf zu umgrenzen, nicht etwa ihn zu vermehren, und soll die erheblichen Streitpunkte in allen Beteiligten verständliche Worte kleiden, m. a. W . , er soll das Gericht davor bewahren, die Parteien falsch zu verstehen, und die Parteien davor, daß sie durch ihnen nicht gekommene Gedanken des Gerichts überrascht werden (RGZ 102/96), obwohl sie sonst zu ihnen etwas hätten sagen können, was ihren Standpunkt hätte stärken können. A I. Die Aufklärungpflicht liegt dem Gericht ob, ihr wird in erster Linie vom Vorsitzenden genügt, doch wird dadurch nicht die Pflicht der übrigen Richter abgeschwächt. Der Vorsitzende hat hier kein Recht, dem fragenden Richter das Wort zu entziehen (§ 140 A I a). A II. § 139 betrifft das Verhältnis von der Partei zum Gericht, hat aber nicht die Bedeutung, daß die Verhandlungmaxime verändert und dem Gericht die Pflicht, Tatsachen aufzudecken, aufgebürdet werden würde (OGH M D R 49/667) oder das Gericht gar auf die Aufstellung von Behauptungen hinweisen müßte (etwa auf die nach B G B § 831 erforderliche; R G J W 37/35 1 6 ). a ) Die Frage des Gerichts muß verständlich sein (RG J W 11/328 2 8 ). Zu begründen braucht das Gericht seine Frage nicht (RG Gruch 60/875); wird aber die Frage nur verständlich, wenn das Gericht auf eine mögliche rechtliche Beurteilung hinweist, so wird es auch diese geben müssen (RG Gruch. 60/994). Umgekehrt hat das Gericht das R e c h t , Aufklärung über das zu fordern, was ihm unklar ist (RGZ 145/214 [216]). b) Doch hat auch die Gegenpaitei das Recht zu fordern, daß sie versteht, was der Gegner erklärt. Sie hat zwar insoweit kein Rügerecht, darf aber erklären, was ihr unklar ist, und wird so das Gericht zur Erläuterung veranlassen. c) Bezüglich dritter gibt es keine Aufklärungpflicht des Gerichts. Kann nur ein Zeuge aufklären, so gibt es insoweit auch keine Fragepflicht (RG N § 139/78). B I a) Auf Berichtigung der Parteibezeichnung muß gegebenenfalls hingewirkt werden. b) Sind indes die Parteien oder die gesetzlichen Vertreter eindeutig bezeichnet, ist aber nicht die richtige Partei im Streit, so ist nicht darauf hinzuwirken, daß die richtige in den Streit gezogen wird, sondern zu entscheiden. Ist jemand als gesetzlicher Vertreter einer Partei bezeichnet, der es nicht ist, so ist, soweit er in den Streit gezogen wurde, die Klage als unzulässig abzuweisen, wenn er darauf besteht. Dies hindert aber nicht das Gericht, auf das Bedenken hinzuweisen und die Partei zu veranlassen, den richtigen gesetzlichen Vertreter in den Streit zu ziehen (BGH v. 22. 5. 1953 V Z R 155/51), soweit dies noch Sinn hat. Ist jemand angegangen, der nicht postulationfähig ist, so ist auch dies zu klären, sofern nicht schon aus diesem Grund eine Klage als unzulässig abzuweisen ist, ohne daß der Mangel anders als durch Neuvornahme behoben werden könnte. Ist ein unzuständiges Gericht angegangen, so ist darauf hinzuweisen, weil hier regelmäßig das zuständige durch Verweisung erreicht werden kann ( § 2 7 6 ) .
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Mündliche Verhandlung
§139
B II a) Die Aufklärungpflicht des Gerichts besteht f ü r unklare wie f ü r n i c h t sachdienliche A n t r ä g e (RG W a r n . 37/71), a 1. i m besonderen, wenn das Gericht den E r f ü l l u n g a n s p r u c h verneinen will, weil die Unmöglichkeit der Leistung f e s t s t e h t (vgl. B G B § 283) oder wenn nicht Naturalleistung verlangt werden k a n n , wohl aber die Ersatzleistung in Geld (RGZ 169/353 [356]; a. M. B G H Z 7/208, wenn ein A n t r a g auf Herausgabe gestellt war, aber n u r noch der auf Schadenersatz h ä t t e gestellt werden können, weil der Gegenstand nicht mehr im Besitz des Beklagten war) oder wenn sonstige Veränderungen (tatsächlicher oder rechtlicher Art) eingetreten sind, welche zur Erledigungerklärung oder zur sonstigen A n t r a g s ä n d e r u n g f ü h r e n müssen (RG J W 12/914 1 3 ), wenn die Klage nicht abgewiesen werden soll, obwohl sie sonst b e g r ü n d e t wäre. E r g i b t der Sachvortrag einen Anhalt d a f ü r , daß der geltend gemachte A n s p r u c h möglicherweise auf eine andere Rechtsperson übergegangen ist, so ist dies aufzuklären (RG J W 31/866 1 1 ) u n d auf Änderung des Antrags (§ 265 D I ; R G J W 21/1548 2 3 ) hinzuwirken. a 2. Die Unklarheiten können sich a u c h aus dem Verhältnis des Antrags zur Begründung, etwa wenn Klagegrund und A n t r a g nicht übereinstimmen (RGZ 169/353), ergeben. Dies gilt auch, wenn die Zustimmungerklärung eines dritten erforderlich ist u n d die Parteien d a v o n ausgehen, daß sie vorliegt, es aber nicht ausdrücklich b e h a u p t e n . I m Gegensatz hierzu h a t R G R e c h t 08/3646 keinen Hinweis verlangt, wenn ein Geschäft von einer behördlichen Genehmigung abhängig war u n d die Erteilung dieser nicht b e h a u p t e t wurde. Glaubt das Gericht, d a ß der K l a g e a n t r a g nach außerprozessualen Vorgängen anders gemeint als g e f a ß t ist, so ist aufzuklären (RG N § 139/94 u n d die D e u t u n g des Klägers ist maßgebend). a 8. Noch weiter geht die Belehrungpflicht über die Anträge n a c h MSchG § 4 I I I , I V , wie n a c h § 506. b) I m m e r müssen aber A n t r a g oder Begründung ergeben, d a ß etwas begehrt werden soll, was n u r nicht klar oder nicht folgerichtig a u s g e d r ü c k t wurde, denn das Gericht darf grundsätzlich nicht anregen, einen neuen Anspruch einzuführen (RGZ 158/40 [48]). Verstößt das Gericht dagegen, so darf es der Gegner als befangen ablehnen (§ 42 B I I I a 2, K G J W 31/87 1 4 ). Eine Pflicht, auf eine Aussetzungmöglichkeit hinzuweisen, b e s t e h t nicht, soweit d a s Gericht aussetzen könnte, wenn die Parteien ein anderes Verfahren anhängig m a c h e n w ü r d e n (RG N § 148/47). b 1. Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf es indes keines neuen Antrags, u m zu verdeutlichen, d a ß der im erstinstanzlichen Verfahren mit dem H a u p t a n t r a g obsiegende Kläger auch den in erster Instanz gestellten Hilfsantrag weiter verfolgt, vielmehr ist dieser auch in der Berufunginstanz im Streit; anders, wenn es d a r u m geht, einen bislang noch n i c h t erhobenen Hilfsantrag zu stellen (RG J W 37/1059 7 ), oder wenn ein Hilfsantrag, der b e g r ü n d e t erscheint, fallen gelassen wurde, etwa auf gerichtlichen Einfluß oder auf Grund irriger Beurteilung (vgl. B G H N J W 53/217, wenn ein Versehen naheliege). Auch ist zu erfragen, o b der Hilfsantrag a u f r e c h t e r h a l t e n wird, falls darüber Zweifel bestehen (RG W a r n . 36/23). b 2. Auf die E r h e b u n g einer Widerklage darf nicht hingewirkt werden (RG R e c h t 21/1638). Doch gilt dies nicht f ü r die eventuelle, und im besonderen f ü r den Mitschuldantrag, auf dessen Möglichkeit im selben U m f a n g hinzuweisen ist wie bei Hilfsanträgen n a c h OLG N J W 49/232 (a. M. OLG N J W 49/29). Ob die beweisbelastete Partei rechtskundig b e r a t e n ist oder n i c h t , ist gleichgültig (RG N § 139/47). B III a) Bei unklarer Klagebegründung ist zu fragen, wie sie zu verstehen sei (RG J W 10/239 2 3 ); bei sich widersprechender, was gelte (RG J W 02/214®). a 1. Deckt sich der mündliche Vortrag nicht mit dem schriftlich angekündigten, so ist zu fragen (RG W a r n . 17/156); dies gilt auch, wenn ein (schriftliches oder im T a t b e s t a n d protokolliertes) Vorbringen der ersten I n s t a n z in der zweiten nicht m e h r besonders erwähnt wird (RG J W 0 4 / 3 8 7 " ) oder wenn es sonst möglich ist, daß eine erforderliche Wiederholung v e r sehentlich nicht gebracht wird (RG W a r n . 17/156). a 2. Unklar ist ein offenbar unvollständiges Vorbringen; die Klage darf mangels Substantiierung erst abgewiesen werden, wenn die A u f k l ä r u n g gescheitert ist (RG J W 02/604 3 ).
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W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 139
B III a 2
ZPO I. Buch
Wird gegenüber einer Verjährungeinrede repliziert, die Forderung sei einseitig bestätigt (wie BGH § 208 sagt: anerkannt), so ist zu fragen, wann und wie das geschehen sei (RG N § 139/31). Wurde ein Schadenersatzanspruch wegen arglistiger Täuschung über den mangelhaften Kaufgegenstand hergeleitet, aber nach Minderungrecht (BGB § 472) berechnet, so war aufzuklären ob nach § 287 geschätzt werden soll oder ob nach BGB § 472 substantiiert werden muß (RG Warn. 22/51). Bei nicht schlüssigem Vorbringen wird zu ergründen sein, weshalb die Partei ihren Vortrag für schlüssig hält (RG v. 6. 11. 1934 VII E 145/324). a 3. Ist unklar, ob sich der Gegner zu einem Vorbringen äußern will, so ist aufzuklären (RG Warn. 36/163). Unklare Einwendungen und Einreden sind wie unklare Klagegründe aufzuklären ; dies gilt im besonderen bei einem Gegenanspruch, mit dem aufgerechnet wird und der nicht substantiiert ist (RG HRR 30/1763), aber auch, wenn der Beklagte den Wuchereinwand nicht substantiiert hat (RG N § 139/99). RG N § 139/2 verneinte die Aufklärungpflicht, wenn die Erheblichkeit eines Vorbringens und seiner Substantiierung dem Anwalt ohnehin bekannt war. a 4. Fehlen Beweisantritte desjenigen, der die Beweislast hat, so ist hierauf hinzuweisen (RG JW 06/11518). Dies gilt im besonderen, wenn erst die Berufunginstanz das Vorbringen für erheblich hält (RG N § 139/87) oder wenn das Vorbringen in der ersten Instanz im Hintergrund stand (RG Warn. 17/156). Ist auf die Vernehmung von Zeugen nur in erster Instanz verzichtet, so wird, wenn dieser Verzicht als solcher kenntlich gemacht ist. der Beweisantritt in der zweiten zu gelten haben (zumindest ist dies aber zu erfragen, RG J W 98/3332). Auch sollte dann gefragt werden, wenn der Antrag auf Parteivernehmung gestellt war, inzwischen aber Zeugen vernommen waren, falls sie erforderlich bleibt (RG J W 19/18910). Ist das Beweisthema unklar, so muß gefragt werden (RG J R 1925 B 41), im besonderen bei nicht genügend substantiierten Beweisantritten (RGZ 99/65, a. M. bei einem sog. Ausforschungbeweis RG N § 139/6) a 5. Hatte die erste Instanz den Vortrag in bestimmter Weise ausgelegt, und will davon die Berufunginstanz abweichen, so wird darauf hinzuweisen sein. Dasselbe gilt, wenn das Berufunggericht von der Rechtsauffassung der ersten Instanz abweichen will, damit dann die Partei sich gegenüber der neuen Rechtsauffassung noch verteidigen kann (OGH NJW 50/25 3 ). b) Ist aber das Parteivorbringen als solches klar und auch offenbar vollständig, so darf nicht gefragt werden (RGZ 104/417); niemals darf die Partei dazu aufgefordert werden, ihr günstige neue Behauptungen aufzustellen (RG JW 37/2220 37 ). Die Partei darf nicht aufgefordert werden, einen neuen Klagegrund einzuführen (RG JW 02/1649, wobei aber der Grundsatz iura novit curia zu beachten ist, vgl. § 139 B IV a). Die Gegenpartei darf nicht dazu gebracht werden, eine neue Einwendung oder Einrede vorzubringen (RGZ 165/226 [233]; a. M. BGH v. 18. 12. 1954 I ZR 296/53 S. 16, BGH GRUR 55/338). Dies gilt im besonderen für die Vorträge zum möglichen Entlastungbeweis nach BGB § 831 (BGH v. 30.1.1953 VI VRS 5/176); anders aber in den Fällen, wo das Gesetz dies vorschreibt (vgl. § 504 II, MSchG § 4 III, IV). Das entsprechende gilt für Repliken (BGH VRS 54/346) und Replikationen. b 1. Wo die Partei sich erklärt hat, ist nicht zu fragen, also im besonderen nicht, wenn sie sich widersprechen müßte (RG J W 06/114 14 ). Auch besteht kein Anlaß, die Befragung zu wiederholen, etwa wenn auf eine Auflage nicht geantwortet wird (a. M. RG N § 139/89) oder wenn etwa schon die erste Instanz gefragt hatte (RGZ 98/293) oder der erste Versuch mißlungen ist (RG Gruch. 60/878) oder wenn die Gründe des erstinstanzlichen Urteils den Mangel im entscheidenden Punkte (nicht wenn er nur gestreift wird) aufdecken (RGZ 92/256) und regelmäßig auch, wenn der Gegner darauf als auf einen entscheidenden Punkt hingewiesen hat (BGH v. 9. 7. 1954 I ZR 136/53); dies gilt auch — besonders im Anwaltprozeß — für trotz Aufforderung durch den Gegner nicht gebrachte Beweismittel (a. M. BGH J R 55/64); anders ist dies nur, wenn es der Gegenpartei nicht klar wurde oder sie etwa damit rechnen konnte, daß das Gericht sich einer insoweit zu weit gestellten Forderung des Gegners nicht anschließen werde (RG N § 139/55). Doch geht es zu weit, in einer verweigerten Aufklärung ein Zugeständnis zu sehen (a. M. RG N § 139/5).
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Mündliche Verhandlung
§ 139 BIII
b 2. Ergibt eine Beweisaufnahme neue, einer Partei günstige Sachverhalttatsachen, so ist anzunehmen, daß sich die Partei von selbst darauf bezieht, nur im Zweifelfalle wird gefragt werden müssen (vgl. § 128 B III e); auch muß das Gericht darauf hinweisen, wenn es auf Grund einer Beweisaufnahme zu einem Ergebnis kommt, das von keiner Partei behauptet wird (RG N § 139/41), im besonderen bei der abweichenden Auslegung von Urkunden, an die keine Partei denkt (RG Recht 18/256), soweit diese überhaupt zulässig ist (§§ 286 A I ; 128 B III e). Auch wenn das Gericht neue Tatsachen nur erschließt, die für die rechtliche Beurteilung erheblich sind, ist aufzuklären (RG N § 139/36). Nimmt so das Gericht an, daß ein Vertrag wegen Scheins (BGB § 117) nichtig sei, so hat es darauf hinzuweisen (RGZ 49/347). Andererseits besteht kein Anlaß, nach einer Beweisaufnahme die Parteien darauf hinzuweisen, wie das Gericht darüber urteilt (RG N § 139/20), auch nicht über die Glaubwürdigkeit der Beweismittel (RG J W 12/54120), wie überhaupt, soweit nach § 286 die Entscheidunggewalt des Gerichts reicht (RG N § 139/97). Im besonderen besteht keine Veranlassung dazu, weitere Beweisantritte zu einem Beweispunkt, über den schon ein Beweismittel vernommen ist, anzuregen (RG HRR 35/285); zumal die Auswahl der Zeugen Sache der Parteien ist, worauf das Gericht keinen Einfluß zu nehmen hat und deshalb auch nicht darauf hinweisen darf (OGH J R 50/527). b 8. Eine Pflicht zur Aufforderung, Gegenbeweise anzutreten, besteht nicht (RG J W 37/3516), auch besteht im Fall des § 293 keine Aufklärungpflicht, weil hier das Gericht sich der Parteien bedienen kann, aber nicht bedienen muß. B IV. Sind die Anträge und der Sachvortrag klar, so st § 139 nicht anzuwenden (RGZ 136/396 [401]). Es dürfen zwar auch Rechtsfragen besprochen werden; doch hat das Gericht die Parteien nicht zu beraten oder ihnen Rechtsauskünfte zu erteilen (RG J W 34/2974'). Vor allem braucht das Gericht grundsätzlich nicht auf seine rechtliche Beurteilung hinzuweisen (RGZ 103/428). Auch wie das Gericht nach § 287 schätzen will, braucht es vorher nicht zu erörtern (RG J W 09/141 23 ). Ebenso nicht Schlüsse, die es aus einem Parteiverhalten ziehen will (RGZ 8/372), zu offenbaren. a) Auch ohne Frage muß aber das Gericht alle Rechtegriinde beachten, auch wenn sich der Kläger entweder auf gar keine (RG Gruch. 50/968) oder auf andere, die nicht durchgreifen, bezogen hat (iura novit curia, vgl. RGZ 96/77). Allerdings ist dann bei der Verletzung des Grundsatzes iura novit curia nicht § 139, sondern außerprozessuales Recht verletzt. Von dieser Rechtsprechung weichen all die Entscheidungen ab, die den Grundsatz iura novit curia nicht gelten lassen wollen. b) Sieht das Gericht, daß der Beklagte sich nur auf die vom K'äger angeführte rechtliche Beurteilung einrichtet, so wird es darauf hinzuweisen haben, daß die Klage auch noch unter anderem rechtlichem Gesichtswinkel begründet sein könnte, etwa wenn der Kläger als Klagegrund nur das StVG für ein Fahrzeug nennt, das von ihm nicht ergriffen wird, das Gericht der Klage aber aus unerlaubter Handlung stattgeben will, damit der Beklagte, der dies nicht sieht, in die Lage kommt, den nach BGB § 831 erforderlichen Entlastungbeweis anzutreten, wenn es auch unmittelbar hierauf nicht hinwirken darf (vgl. § 139 A II). c) Auf eintretende Rechtsnachteile (RGZ 92/256) hat das Gericht regelmäßig nicht hinzuweisen (§ 231). Umgekehrt hat das Gericht nicht darauf hinzuwirken, daß ein Rügeverzicht erklärt wird (a. M. RG HRR 32/791). C. Nach § 139 II besteht bei den von gerichts wegen zu beachtenden Erfordernissen (RG JW 20/29013) eine Hinweispflicht (RG N § 139/28), gleichviel ob der Mangel behebbar ist oder nicht, ob er sich auf das Verfahren (RGZ 92/256) oder auf das außerprozessuale Recht (Fehlen von Genehmigungen, die für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts erforderlich sind; oder das Fehlen von Formerfordernissen) bezieht. Dies gilt auch, wenn den Formerfordernissen der Niederlegung eines Schiedspruchs nicht genügt ist, die Parteien aber übereinstimmend davon ausgehen (RG J W 02/1268). Doch ist der unterbliebene Hinweis unschädlich, wenn der Mangel von der Partei nicht behoben werden kann. 33*
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§139
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D. § 139 stellt es auf die mündliche Verhandlung ab, doch gilt die Vorschrift auch im schriftlichen Verfahren. Auch darf schon vorbereitenderweise nach § 272 b II 1 vom Vorsitzenden gefragt werden. D I. Ob eine Fragepflicht nach § 139 besteht, ist nach dem Stande des Verfahrens zu beurteilen. Keinesfalls darf dem Gericht zum Vorwurf gemacht werden, daß es einer Anregung der Partei, Beweise zu erheben, nicht nachkommt, auch wenn es die Beweise von sich aus erheben könnte; denn dann muß die Partei den Beweis antreten (RG N § 139/59). D II. Die Frage braucht die Partei nicht zu beantworten. Keinesfalls liegt in der Nichtbeantwortung ein Verstoß gegen die Wahrheitlast (§ 138 I). Die Nichtbeantwortung der Frage ermächtigt das Gericht zu entscheiden, wie es dies ohne die Frage getan hätte; verspätete Beantwortung kann u. U. nach §§ 279, 283 II, 529 zurückgewiesen werden. Doch muß der Partei die Gelegenheit zur Antwort gegeben werden, auf Verlangen durch Vertagung (HRR 31/1968) oder nach § 279a, wozu es aber eines Gerichtsbeschlusses bedarf, wenn eine Frist gesetzt wird. D III. Die zu Unrecht unterlassene Frage begründet einen Verfahrensmangel. a) Ergibt das erstinstanzliche Urteil diesen Mangel, so darf das in der Berufungbegründung nachgebrachte Vorbringen niemals nach § 529 II wegen Verspätung zurückgewiesen werden. Die Aufhebung und Zurückverweisung nach § 539 ist unzulässig, weil die Berufunginstanz selbst aufklären muß (§ 539 B II b 3). lb) Die auf Verletzung des § 139 gestützte Revision betrifft einen Verfahrensmangel (RGZ 94/140 [144]), doch muß mit der Rüge zugleich die unterlassene Frage so beantwortet werden, wie dies geschehen wäre, wenn sie rechtzeitig gestellt worden wäre (RG J W 31/1795'). Obwohl sonst Bezugnahmen auf von Postulationfähigen eingereichte Schriftsätze in der Rechtsmittelbegründungschrift zugelassen werden (§ 519 C III b 1), hat dies BGH Z 16/54 tür die in einem Einstellungantrag nach § 719 II vorgetragenen nicht gelten lassen. b 1. Mit dieser Bestimmung werden häufig neue Tatsachen in die Revisioninstanz eingeführt, die bisher von den Parteien nicht gebracht worden waren. Auch ist die dadurch bedingte mögliche Klageänderung (§ 264) dann so zu behandeln, wie sie auf die rechtzeitige Frage hin zu behandeln gewesen wäre. Doch darf dem Rechtsmittelkläger entgegengehalten werden, daß er nicht in der Lage war, in der Vorinstanz zu substantiieren (vgl. RG N § 139/43), etwa wenn er sich auf ein Ereignis beruft, das erst nach dem Ende der Instanz eingetreten ist, oder daß er nicht in der Lage war, einen Beweis ordnunggemäß anzutreten (RGZ 99/65) oder daß die Antragsänderung oder die Tatsachenergänzung gar nicht zugelassen werden durfte (RG N § 139/102) oder etwa zur Klageabweisung als unzulässig führen mußte, und nach RG HRR 33/1531 auch, wenn der Richter nicht damit zu rechnen brauchte, daß ihm erhebliche Tatsachen vorenthalten worden sind (insoweit ist die Entscheidung bedenklich); ebenso BGH LM-ZPO § 139/3, BArbG AP § 139/1. b 2. Ob die Aufklärungpflicht des Gerichts auch gilt, wenn das Parteivorbringen bezüglich nicht revisiblen Rechts nicht hinreichend geklärt war, vgl. § 549 B III c. In der Revisioninstanz muß bei begründeter Rüge aufgehoben und zurückverwiesen werden, vorausgesetzt, daß die Verletzung der Bestimmung die Urteilsgrundlage erschüttert.
§ 140
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I Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden oder eine von dem Vorsitzenden oder einem Gerichtsmitgliede gestellte Frage von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht. A. § 140 setzt ein mit mehreren Richtern besetztes Gericht voraus und ist also im Verhältnis vom Einzelrichter zum Kollegium nicht anzuwenden. Er betrifft die Sachleitung des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung oder die Fragen eines anderen Richters (§ 139 III); nicht aber die Sitzungpolizei (RGSt. DJZ 27/1694), vgl. dazu GVG § 176 C.
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Mündliche Verhandlung A I. In der mündlichen Verhandlung (und nur in ihr) kann jeder Beteiligte (Partei, 'Streitgehilfe, Prozeßbevollmächtigter, der Zeuge und Sachverständige; aber auch der beisitzende Richter) gegen sachleitende Verfügungen des Vorsitzenden das Gericht anrufen, soweit er beschwert ist. a) Die Beisitzer dürfen aber weder die sonstigen Handlungen des Vorsitzenden (etwa seine Fragen) noch die der Beteiligten von sich aus so beanstanden, wie es der Vorsitzende darf (RG Gruch. 54/666f.). D) Unterlassungen können auf diesem Wege nicht beanstandet werden (RG J W 03/397). A II. Zu entscheiden ist nur über die Unzulässigkeit der Anordnung, nicht über ihre Zweckmäßigkeit. a) Die Gerichtsentscheidung ergeht auf Grund mündlicher Verhandlung und unterliegt deshalb nicht der Beschwerde (§ 567), ist aber zugleich mit dem Urteil angreifbar (§§ 512, 548, RG J W 10/114 19 ); ohne vorherige Anrufung des Gerichts begründet eine Anordnung oder Frage des Vorsitzenden oder eines Gerichtsmitglieds nicht die Rechtsmittel-(Revision-) rüge. b) Handelt es sich aber u m einen Zwischenstreit mit einem dritten, so muß Urteil ergehen, das mit der sofortigen Beschwerde angreifbar ist (vgl. §§ 387 I I I , 402). B. Soweit der Vorsitzende sonst, im besonderen außerhalb der mündlichen Verhandlung tätig ist, ist er dem Kollegium nicht unterstellt.
§ 141
(132)
I Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei zur Aufklärung des Sachverhalts anordnen; von der Anordnung soll abgesehen werden, wenn der Partei wegen weiter Entfernung ihres Aufenthaltsortes vom Gerichtssitz oder aus sonstigen wichtigen Gründen die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zugemutet werden kann. II Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozeßbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht. III Bleibt die Partei im Termin aus, so können gegen sie die gleichen Strafen wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen, jedoch mit Ausnahme der Haftstrafe, verhängt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluß, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen. A. § 141 gibt dem Gericht die Möglichkeit, das persönliche Erscheinen der Partei zur Aufklärung des Sachverhalts anzuordnen. Von dieser soll das Gericht aber keinen Gebrauch machen, wenn sich die Partei weit entfernt vom Gerichtsitz aufhält (doch bekommt die arme Partei auf Antrag einen Reisekostenvorschuß; auch darf ihr der Ersatz der Reisekosten nachträglich bewilligt werden: KG J W 37/2240 74 ) oder sonst ein wichtiger Grund dafür besteht, daß der Partei das Erscheinen nicht zugemutet werden soll. A I. Die Befugnis steht dem Prozeßgericht und seinem Vorsitzenden (§ 272 b I I 3), dem Einzelrichter (§§ 348folg.) wie dem beauftragten Richter, soweit dieser die Befugnisse des § 272b hat, zu (vgl. OLG BayZ 17/59); nicht dem ersuchten Richter (RG Gruch. 62/651f.; die Anhörung der Partei vor einem ersuchten Richter ist unzulässig: OLG MDR 58/109; a. M. OLG J W 19/518 12 ). A II. Die Anordnung ist dem Gericht freigestellt, eine Verfahrensrüge läßt sich weder aus ihr noch aus ihrer Unterlassung herleiten. A III. Die Anordnung richtet sich gegen die „ P a r t e i " und begründet für sie die Pflicht (nicht bloß die Last) zu erscheinen, wie § 141 I I I ergibt. b) Der Begriff der Partei ist i. S. der prozeßfähigen zu fassen (§ 51).
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§141
ZPO I. Buch
A IV. Um eine Parteivernehmung handelt es sich hierbei nicht (§§ 445folg.). Sie darf auch im Tatbestand beurkundet werden, unterliegt aber nicht § 160 (BGH NJW 51/110). B. Die Erscheinungpflicht begründet aber keine Erklärungpflicht. B l a ) Nach § 141 I I I 2 darf sich die Partei durch einen anderen bei der Erklärung vertreten lassen, sofern dieser zur Aufklärung in der Lage ist. Dies kann auch der Prozeßbevollmächtigte sein (a. M. OLG J W 30/38645). Nur darf der Vertreter nicht erklären, zur Erklärung nicht in der Lage zu sein, mit Ausnahme des Falles, wo er zu erklären hat, daß die Partei keine Erklärung abgeben will. b) Verweigert die Partei die Erklärung, so ist § 138 I anzuwenden und trotz der etwa entgegenstehenden Erklärung ihres Prozeßbevollmächtigten die Behauptung wie bei einem Widerspruch nach § 85 I 2 als nicht aufgestellt anzusehen ; doch darf dies nicht dazu führen, nur die Behauptung der Partei im Anwaltprozeß gelten zu lassen (a.M. BGH MDRB 399/57); ein Bestreiten ist nach RG H R R 30/1860 als nicht erklärt anzunehmen; doch ist die Meinung, das Gericht dürfe einer Partei ohne Beweis glauben, prozeßordnungwidrig und nicht unter § 286 zu bringen (a. M. RG N § 141/2), denn die Behauptung keiner Partei ist um ihrer Glaubwürdigkeit willen ohne Beweis vorzuziehen. Im übrigen genügt zum Bestreiten das Bestreitenwollen (vgl. § 138 D I a). Nur wenn die Partei oder ihr Vertreter erklärt, sich zu der Behauptung nicht erklären zu wollen, also nicht bestreiten zu wollen, ist § 138 III, IV anzuwenden (vgl. § 138 D II). Im übrigen müssen der Partei bestimmte Fragen vorgelegt werden. Die bewußt unvollständig abgegebene Erklärung wie die Abstandnahme von der Erklärung (m. a. W. Schweigen) sind zulässig, haben dann aber nur bedingt, nämlich soweit sie vollständig sind, Wert (RG J W 10/26 43 hält dagegen die Abstandnahme zur Schonung der Partei für unzulässig). c) Die zur Aufklärung erschienene Partei oder der nach § 141 III 2 entsandte Vertreter erlangt mit der Anordnung des Gerichts keine erweiterte Postulationfähigkeit. d) Das Gericht darf auch das persönliche Erscheinen zum Zwecke des Sühneversuchs anordnen (§ 296 II). Aber auch hier kann es die Sühne nicht erzwingen. Das Ausbleiben der Partei ist in diesem Falle nicht mit Strafe belegbar (vgl. § 296 B). B II. Die Vernehmung der erschienenen Partei zwecks Aufklärung richtet sich nach den Regeln der Erklärunglast (§ 138 A II). Der Wert der Parteianhörung liegt darin, daß die Partei vor Gericht weniger leicht als sonst die Unwahrheit sagen wird (§ 138 I). Gleichzeitige Anwesenheit oder gar Anhörung des Gegners ist nicht gesetzlich vorgeschrieben (RG N § 141/2). Die Anordnung setzt regelmäßig voraus, daß die Partei sich auf den Prozeß einlassen will. C. § 141 II fordert zwingend die Ladung des sich zu Erklärenden (d. h. der Partei bzw. ihres gesetzlichen Vertreters) von gerichts wegen, gleichviel ob der Beschluß verkündet ist (§ 218) oder nicht. C I. Die Zustellung der Ladung ist nicht vorgeschrieben (doch wird eine Folge aus dem Nichterscheinen nur gezogen werden dürfen, wenn nachgewiesen worden ist, daß sie die Partei erreicht hat). Die Ladung an den Prozeßbevollmächtigten (§ 176) genügt nicht. Die Innehaltung einer Ladungfrist ist zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben, ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung aber aus den allgemeinen Vorschriften des § 217. C II. Der Prozeßbevollmächtigte der geladenen Partei wie der Gegner erhalten Kenntnis von der Ladung. Die Ladung der Partei nach § 141 II ersetzt nicht zugleich die zur Verhandlung des Rechtstreits; mir im sog. Parteienprozeß (§79A) dürfen beide verbunden werden. D. Gegen die ausgebliebene Partei, die sich durch keinen Erklärungvertreter vertreten läßt (§ 141 I I I 2), darf eine Ordnungstrafe in Geld von 1—1000 DM (§ 380 i. V. m. der VO V. 6. 2. 1924 [RGBl. I 44] Art. II und MilRegG 61 § 2) verhängt werden; aber — anders als im Falle des § 380 — keine Haftstrafe, auch nicht ersatzweise. Vorgeführt werden darf die Partei nicht. D III. Die Strafe wird nur durch Gerichtsbeschluß festgesetzt. a) Zu verhängen ist die Strafe gegen die Partei, nicht gegen den gesetzlichen oder den nach § 141 III 2 bestellten Vertreter, doch muß sich die Partei das Verschulden dieses Ver-
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Mündliche Verhandlung
§ 141 D m a
treters wie das ihres gesetzlichen Vertreters entgegenhalten lassen (§ 232 II); die Strafe trifft deshalb auch die juristische Person, die Partei ist (LG JW 38/160737). b) Das Ausbleiben darf nach § 381 entschuldigt werden, wobei die Entschuldigung in der Person des zum Vertreter Ausersehenen genügt. D IV. Gegen den Beschluß ist die Beschwerde zulässig (§ 380 III).
§ 142
(133)
I Das Gericht kann anordnen, daß eine Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden auf die sie sich bezogen hat, sowie Stammbäume, Pläne, Bisse und sonstige Zeichnungen vorlege. II Das Gericht kann anordnen, daß die vorgelegten Schriftstücke während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben. III Das Gericht kann anordnen, daß von den in fremder Sprache abgefaßten Urkunden eine Übersetzung beigebracht werde, die ein nach den Richtlinien der Landesjustizverwaltung hierzu ermächtigter Übersetzer angefertigt hat. A. Nach § 142 darf das Gericht, nach § 272 b II 1 der Vorsitzende (deshalb auch der beauftragte, nicht aber der ersuchte Richter, vgl. § 141 A I) die Vorlegung der (schriftlichen) Urkunden anordnen. Die Anordnung der Vorlegung darf sich gemäß § 434 auch darauf beziehen, daß die Urkunde einem beauftragten oder ersuchten Richter vorgelegt wird. Auf die Verletzung der Vorschrift läßt sich eine Verfahrensrüge nicht gründen, weil der Erlaß, der Anordnung im Ermessen des Gerichts steht (OGH v. 8. 9. 1950 II ZS 275/49). A I. Ob sich dabei die Partei auf die Urkunde bezogen hat (vgl. § 423 A II), ist, wie § 272b II 1 klarstellt, bedeutunglos geworden. Handelsbücher konnten auch vor Einführung des § 272b angefordert werden, wenn die Parteien sich nicht darauf bezogen hatten (HGB §§ 45—48); und das Tagebuch eines Handelsmaklers nach HGB § 102 darf sogar von einem dritten angefordert werden. Vorausgesetzt ist sonst aber, daß die Partei die Urkunden „in den Händen hat" (über diesen Begriff vgl. § 131 A I b). Vorgelegt zu werden braucht stets nur das Vorhandene, nicht aber das erst zu Schaffende. Über die Vorlegung von Akten vgl. auch §143. Auch amtliche Auskünfte dürfen eingeholt werden (§ 272 b II 2); doch besteht auch hierauf für die Parteien kein Rechtsanspruch (RGZ 44/151). A II. Die Parteien haben nur die sich aus §§ 420folg. ergebenden Rechte und Lasten bezüglich der Vorlegung der Urkunden, der Anordnung brauchen sie nicht nachzukommen (vgl. OLG 3/438). Folgen aus der NichtVorlegung dürfen nicht gezogen werden (a. M. OLG 3/438), denn diese treten nur im Falle des § 427 hervor. B. Werden die Urkunden vorgelegt, so werden sie nicht Aktenbestandteil (RG J W 05/438 20 ). B I. Die vorlegende Partei darf sie deshalb jederzeit (nach Rechtskraft, OLG ZZP 44/271), aber auch vor Erledigung des Rechtstreits zurückfordern (RG Seuff. 61/23), doch darf das Gericht nach § 142 II durch Gerichtsbeschluß darüber entscheiden, wie lange die vorgelegten Schriftstücke auf der Geschäftstelle zu verbleiben haben. Zweifeln in die Echtheit der Urkunden hat das Gericht nach § 437 II nachzugehen. Zweifelhaft echte Urkunden dürfen nach § 443 zurückbehalten werden. B II. Über das Rückgabeersuchen muß auf Verlangen das Gericht, bei dem die Urkunde verwahrt wird, durch Beschluß und ohne notwendige mündliche Verhandlung entscheiden, und zwar auch noch nach Beendigung des Verfahrens. Gegen die verweigerte Herausgabe hat die Partei Beschwerde (gegen die Beschlüsse des AG unter den Voraussetzungen des § 568 II auch die weitere Beschwerde). Für verloren gegangene Urkunden haftet der Staat (RGZ 51/219 [222]), ebenso wie für unrechtmäßig nicht herausgegebene. B III. Die Vorlegung hat Beweiswirkung, sie setzt deshalb voraus, daß nach dem Verhandlungsgrundsatz entsprechende Behauptungen vorgetragen sind.
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§142
ZPO I. Buch
C. Das Gericht darf die Urkunde (vgl. GVG §§ 185—191) übersetzen lassen, aber a u c h anordnen, daß die sie einreichende Partei eine Übersetzung, die von einem durch die Landesjustizverwaltung ermächtigten Dolmetscher angefertigt wird, beibringt.
§ 143
(134)
I Das Gericht kann anordnen, daß die Parteien die in ihrem Besitz befindlichen Akten vorlegen, soweit diese aus Schriftstücken bestehen, welche die Verhandlung und Entscheidung der Sache betreffen. A. § 143 betrifft die Handakten der Parteien, § 143 ist nur noch ein Fall des § 142; doch braucht die Partei nicht ihre Privatgeheimnisse zu offenbaren. Über das Erfordernis des Besitzes vgl. § 142 A I ; über die Wirkungen der Nichtvorlage § 142 A I I ; über die Wirkung: der Vorlegung vgl. § 142 B I I I . A II. Über die Heranziehung von Behördenakten vgl. § 272 b I I 2. B. Die früher h. M. verlangte, daß die Aktenteile, auf welche verwiesen wurde, genau bezeichnet waren (BG N § 143/1), während jetzt allgemeine Bezugnahme genügt (§ 137 I I I ) ; indes dann nicht, wenn die Parteien insoweit nichts behaupten (§ 137 B I).
§ 144
(135)
I Das Gericht kann die Einnahme des Augenseheins sowie dre Begutachtung durch Sachverständige anordnen. II Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die eine auf Antrag angeordnete Einnahme des Augenscheins oder Begutachtung durch Sachverständige zum Gegenstand haben. A. Das Gerieht wie sein Vorsitzender (§ 272 b I I 5) oder sein beauftragter (nicht a b e r sein ersuchter) Richter (vgl. § 141 A I) dürfen von gerichts wegen einen Augenschein (§§ 371 r 372) nehmen oder ein Sachverständigengutachten (§§ 402folg) herbeiführen. Eine U n t e r suchung nach § 372 a kann es aber auf diesem Wege nicht anordnen, weil diese Vorschrift sich auf die über den Zeugenbeweis bezieht (vgl. § 372 a II). A I. Wenn das Gericht hiervon keinen Gebrauch macht, so kann dies nicht als Gesetzesverletzung gerügt werden (BGHZ 5/302). A II. Macht das Gericht hiervon Gebrauch, so ist die Einzahlung eines Kostenvorschusses nicht zu erzwingen (RGZ 155/37); und es darf die Anordnung auch erlassen, nachdem die Partei mit diesem Beweismittel wegen Nichtzahlung des Kostenvorschusses ausgeschlossen war (RGZ 109/66). B I. Die Ergebnisse dürfen verwendet werden, wenn die Parteien entsprechende B e hauptungen vorgetragen haben, auch wenn die Beweise vor der mündlichen Verhandlungerhoben wurden (RG Recht 05/2459).
§ 145
(136)
I Das Gerieht kann anordnen, daß mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden. II Das gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht. III Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, daß über die Klage und über die Aufrechung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.
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MündlicheVerhandlung
§145
A. § 145 gibt dem Gericht (nicht dem Vorsitzenden die Befugnis, die in demselben Verfahren geltend gemachten Ansprüche zu trennen (Prozeßtrennung). Er setzt Rechtshängigkeit der Klage voraus und ist deshalb im Mahnverfahren nicht anzuwenden. A I. Entschieden wird auf mündliche Verhandlung (OLG 20/331; a. M. KG J W 37/2465 24 ); nur in den ihr gleichgestellten Fällen der §§ 128 II, 251a, 331a schriftlich durch Beschluß 329), der nur nach §§ 512, 548 angefochten werden kann (vgl. aber § 145 D l i l a ) , nicht mit der Beschwerde (§ 567; RG J W 89/30610). Auch stillschweigend kann getrennt werden. a) Soweit die unzulässige Trennung durch ein Rechtsmittel gerügt wird, muß regelmäßig «ine Gesetzesverletzung nachgewiesen werden. Doch kann, wenn die Rechtsmittelsumme nicht erreicht wird, das Ermessen des trennenden Gerichts nicht mehr zur Nachprüfung gebracht •werden (vgl. RGZ 6/417), obwohl ein Gericht nicht trennen sollte, wenn dadurch ein Rechtsmittel unzulässig wird. Das Umgekehrte gilt entsprechend für die Fälle, wo unzulässigerweise nicht getrennt wird, obwohl die Trennung geboten war (vgl. § 145 A II a). b) Soweit es im Ermessen des Gerichtes steht zu entscheiden, besteht kein Rechtsanspruch •der Partei auf Prozeßtrennung (RG JW 09/31615), ergeht aber ein solcher die Trennung ablehnender Beschluß, so gilt dasselbe wie für den Trennungbeschluß. Das Gericht darf die Trennung, soweit diese in seinem Ermessen steht, durch Verbindung (unter den sonstigen "Voraussetzungen dafür, vgl. § 147 B) wieder aufheben; dies gilt auch für eine unrechtmäßig angeordnete (also soweit es nicht hätte trennen dürfen, § 150). Dagegen darf dort nicht verbunden werden, wo das Gericht trennen müßte. A II. Es gibt aber gesetzlich geregelte Fälle, in denen die Trennung entweder geboten «der verboten ist. a) Die Prozetttrennung ist gesetzlich geboten nach: a 1. CIM + CIV Art. 50 § 5, sofern eine verbotene Klagehäufung zu lösen ist. a 2. Im Falle des MSchG §§ 15, 27, 36 hat der Gegner bis zu seiner Verhandlung zur Hauptsache (vgl. § 39 A II) das Recht auf Trennung (MSchG § 15 III, IV); im gerichtlichen Ermessen steht das Recht auf Trennung von der Verhandlung zur Hauptsache (§ 139 A II) "bis zum Erlaß eines Beschlusses nach Verhandlung, die Ansprüche, die nicht dasselbe Mietoder Pachtverhältnis betreffen, das sonst Gegenstand der Klage ist (MSchG § 15 I, II), zu trennen. a 3. Geboten ist die Trennung von Widerklagen im Urkunden-(Wechsel- und Scbeck-)prozeß (§ 595 I). a 4. Geboten ist die Prozeßtrennung in allen Verfahren, welche in verschiedenen Verfahrensarten durchzuführen sind. a 5. Wenn mehrere Ansprüche erhoben sind, von denen ein Teil etwa nach § 276 verwiesen werden muß, ist zu trennen; aber auch wenn mehrere Ansprüche an verschiedene Gerichte zu verweisen sind (bei sachlicher Zuständigkeit gilt dies nur, wenn ein AG oder ArbG ausschließlich zuständig ist bzw. ArbGG § 3 für einen Anspruch nicht gegeben ist). a 6. Eine Prozeßtrennung ist auch in den Fällen geboten, wo eine Partei einem mehrerer Streitgenossen der Gegenpartei den Streit verkündet, um die Wirkung des § 68 herbeiführen zu können. b) Unzulässig ist die Trennung b 1. in Rückgriffsprozessen nach CIM + CIV Art. 50 § 3, wenn mehrere Eisenbahnen zusammen verklagt worden sind; b 2. nach MSchG §§ 15, 27, 86 (vgl. § 145 A II a 2) nach Verkündung eines Beschlusses nach verhandelter Hauptsache (MSchG § 15'IV 2);
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§ 1 4 5 Ali
ZPO I. Buch
b 3. wenn die Voraussetzungen des § 145 nicht vorliegen. Soweit Entscheidungreife insgesamt besteht, ist eine Prozeßtrennung nach § 145 unzulässig (RGZ 49/401). Dies gilt auch, wenn im Falle der Aufrechnung nur die Klageforderung zur Entscheidung reif ist, dann ist ausschließlich § 302 anzuwenden und nicht mehr § 145 I I I (RGZ 31/2). Ist dagegen die aufgerechnete Forderung entscheidungreif, so kommt weder eine Entscheidung nach § 302, noch eine Trennung nach § 145 I I I in betracht, sondern es muß die Entscheidungreife der Klageforderung abgewartet werden (vgl. RG J W 01/616 2 ). Darüber, daß nicht etwa eine nur hilfsweise Aufrechnung in solchem Falle zur sofortigen Klageabweisung führen darf, vgl. § 302 A I I b 1. Klageabweisung ist hier nur zulässig, wenn der Beklagte erklärt, die Klageforderung nicht bemängeln zu wollen, wenn 6ie nur seine Gegenforderung nicht übersteigt (RGZ 42/320). Über die Untrennbarkeit mehrerer Klagegründe vgl. §§ 260 A II, 145 B I I b. b 4. Unzulässig ist die Trennung zum Zwecke der Verweisung, wenn damit gegen die Bestimmung eines einheitlichen Gerichtstandes bzw. dagegen nach bindender Verweisung (§§ 36, 276, 506) verstoßen werden würde. b 5. Anfechtung- und Nichtigkeitprozesse nach AktienG §§ 199 I I I 3, 216 IV, 219 I I I (nicht aber nach § 201), GenG §§ 51, 112 folg., 129, GmbHG § 75 müssen verbunden werden und dürfen deshalb nicht getrennt werden. b 6. Im Falle des § 617 1 2 sind beide Berufungen miteinander zu verbinden b 7. Ein weiteres Trennungverbot und entsprechendes Verbindunggebot ergibt sich in Ehesachen, wo über Klage und Widerklage in einheitlicher Verhandlung entschieden werden muß (vgl. § 614 A I a). b 8. Die Nichtigkeitklage des Staateanwalts (§ 632 1 1) muß gegen beide Gatten gerichtet werden; eine Aufspaltung des Prozesses ist unzulässig. B. § 1451 läßt die Prozeßtrennung für mehrere in einer Klage (ursprünglich oder nachträglich) geltend gemachte Ansprüche zu mit der Folge, daß der ursprünglich einheitliche Prozeß in zwei selbständige Verfahren zerlegt wird, wie wenn die Ansprüche von vornherein getrennt erhoben worden wären. B I a) Die bis dahin gemeinschaftlichen Vorgänge bleiben Gegenstand beider Verfahren; die einmal begründete (sachliche) Zuständigkeit bleibt bestehen. Das gilt auch für die Widerklage, wenn der Gerichtstand nur nach § 33 begründet ist. Auch für die abgetrennte Widerklage gelten die Kostensicherheitbefreiungen (§§ 110 I I 3,111) fort; eine neue Instanz entsteht durch die Trennung nicht (LG N J W 50/230 1 2 ). b) Die getrennten Sachen können zunächst noch im selben Termin verhandelt werden (bei gleichzeitiger Entscheidungreife fällt dann aber die Zulässigkeit der Trennung weg). Kostenmäßig werden die Prozesse getrennt behandelt, die bis zur Trennung entstandenen Kosten sind anteilig zu verteilen (OLG J W 34/115'). Der Rechtsmittelwert wird nach der Beschwer im angefochtenen Urteil berechnet. c) Im Gegensatz dazu steht die Zerlegung des Prozesses in zwei unselbständige Teile im Falle des § 145 III und die verfahrensmäßige Zerlegung desselben Prozesses bei getrennter Verhandlung über einzelne Angriff- und Verteidigungmittel nach § 146. B II. Uber den Begriff des Klageanspruchs vgl. § 253 B II b. Auf die Klaseart, in der er verfolgt wird, kommt es nicht an. Über den Begriff der Mehrheit von Ansprüchen vgl. § 260 Ala. a) Eine Mehrheit von Ansprüchen i. S. des § 145 liegt aber auch vor, wenn gegen mehrere Parteien ein Anspruch verfolgt wird (§§ 59, 60); dies gilt auch in den Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft (§62); doch sollte in ihnen das Gericht niemals trennen (vgl. auch § 145 A I I b). b) Eine Trennung von Klagegründen (§ 253 G IV) ist unzulässig; denn es muß über alle einheitlich entschieden werden; nur soweit eine Anspruchteilung zulässig ist (§ 301), darf auch hier getrennt entschieden werden; wenn also etwa ein Anspruch auf StVG — bis zu der dort vorgeschriebenen Höchsthaftunggrenze — und auf unerlaubte Handlung — darüber hinaus-
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Mündliche Verhandlung
§ 1 4 5 B II b
gehend — gestützt wird, so darf der Prozeß bis zur Höchsthaftunggrenze getrennt und dann nur aus StVG erkannt werden; doch liegt darin die Teilung eines teilbaren Anspruchs (vgl. § 301 B I I a 1) und jedenfalls keine dem Klagegrunde nach. Ist deshalb die höhere Instanz der Ansicht, daß der so zuerkannte Anspruch nach dem StVG nicht begründet sei, weil es nicht anwendbar sei, so hat sie nunmehr zu prüfen, ob der Anspruch aus unerlaubter Handlung zu rechtfertigen ist (vgl. aber auch § 304 C I I I b, D I). C. Stehen Klage und Widerklage im rechtlichen Zusammenhang, so ist die Trennung unzulässig (§ 145 II). Soweit die Trennung unzulässig ist, muß, wenn das Verfahren über die Widerklage unterbrochen wird, dies auch für das zur Klage gelten (RG J W 15/1265 10 ). C I. Über den Begriff des rechtlichen Zusammenhangs vgl. § 33 E I a. a) Darüber hinaus ist die Trennung einer eventuellen Widerklage (wenn man sie zuläßt, vgl. § 33 D I a) unzulässig (anders ist dies bei der Eventualaufrechnung nach § 145 III). b) Wird die Trennung ausgesprochen, so wird der Widerkläger (abgesehen von den bleibenden Wirkungen, § 145 B I a) Kläger, wie wenn er die Klage von Anfang an getrennt erhoben hätte (RG J W 88/177 2 ). C II. In der Rechtsmittelinstanz ergeben sich bei der Anschließung ähnliche Lagen wie bei der Widerklage. Doch darf über sie nicht früher als über das Rechtsmittel entschieden werden (Kommentar § 521 D), wohl aber darf so getrennt werden, daß über die Anschließung später entschieden wird; doch ist dies dann eine Trennung nach §301; wegen der gesetzlichen Eventualstellung der Anschließung ist also § 145 II nicht entsprechend anzuwenden. D. § 145 III trifft nur den Fall der Aufrechnung. D I. Aufrechnung ist die außerprozessuale, empfangsbedürftige (BGB § 388) und unbedingte Willenserklärung des Schuldners, mit der eine gegenständlich gleichartige, fällige Leistung (nicht bloß Geld), die er gegen den Gläubiger hat (BGB § 387), verrechnet wird. Die Gegenaufrechnung gegen die Aufrechnung ist unzulässig (RG J W 11/151 5 ), auch darf, wenn eine Forderung nur teilweise geltend gemacht wird, der aufrechnende Beklagte grundsätzlich nicht auf einen nioht eingeklagten anderen Teil der Forderung verwiesen werden (BGH LM-UmstG § 16/30). Über die Vollmacht zur Aufrechnung und die zu ihrer Entgegennahme vgl. § 81 B I I I a 1, 2. c) Die Aufrechnung kann nach außerprozessualem Recht durch Vereinbarung oder Gesetz ausgeschlossen sein. D II. An der auBerprozessualen Wirkung der Erklärung w ie der außerprozessualen Wirksamkeit ihrer Abgabe wird nichts dadurch geändert, daß sie im Prozeß abgegeben wird. a) § 145 I I I ist anzuwenden, gleichviel, ob schon vor oder erst im Prozeß aufgerechnet wurde (RGZ 27/296). Doch kann die Aufrechnung im Prozeß nur berücksichtigt werden, wenn das Gericht über den Bestand der aufgerechneten Forderung entscheiden darf (GVG § 13 J I I b 2; vgl. OG D D R N J 53/179). Insoweit ist — abweichend vom außerprozessualen Recht — auch noch Liquidität erforderlich (RG J W 14/188 3 ). Dies ist der Fall, wenn sie unstreitig ist oder ihr Bestand auch für das Gericht bereits bindend feststeht (RGZ 77/411); in den anderen Fällen ist die Aussetzung nach § 148 unzulässig, weil die Aufrechnung als unzulässig zurückzuweisen ist (RGZ 123/348). Doch wird gewohnheitrechtlich im ordentlichen Verfahren die Aufrechnung mit einer unter die Arbeitgerichtsbarkeit fallenden Forderung wie umgekehrt zugelassen (RG Gruch. 52/1158, RArbG E 21/31 [35]). Über die mit der Schiedseinrede behaftete Gegenforderung vgl. § 1025 D II c, B I d 1. b) Die prozessualen Wirkungen der Rechtshängigkeit (§§ 263folg.) treten für die aufgerechnete Forderung nicht ein (RGZ 27/296 [299]); sie darf ohne Einwilligung des Gegners fallen gelassen (OLG Dresden SächsAnn. 31/480), andererseits auch geltend gemacht werden, wenn ein Rechtstreit über sie schon anhängig ist, ohne daß die Einrede der rechtshängigen Sache erhoben werden könnte (§ 263 II 1; KG J W 18/570 1 ), doch darf hier das Gericht nach §148 aussetzen. Umgekehrt darf die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung — während der Rechtshängigkeit des Prozesses, in dem sie zur Aufrechnung gestellt wurde — selbständig eingeklagt werden (RGZ 27/299). Darüber, ob die Aufrechnung nach § 279 zurückgewiesen werden darf, vgl. § 279 A I.
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d u
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c) Wird über die aufgerechnete Forderung entschieden, so geht auch die Entscheidung über die Aufrechnung in Rechtskraft über (§ 322 II). Wird über sie nicht entschieden, so ist doch zunächst durch ihre Geltendmachung im Prozeß die Verjährung nach BGB § 209 I I 3 unterbrochen. Es ist dann aber BGB § 215 anzuwenden, wonach die Unterbrechung fortdauert, wenn binnen sechs Monaten Klage erhoben wird. Im übrigen gilt bis zur Beendigung des Prozesses BGB § 215 I bezüglich des Prozesses über den Hauptanspruch wie über die aufgerechnete Gegenforderung (erst wenn beide zum Stillstand kommen, treten die Folgen des BGB § 215 I ein). Für den Streit, in dem die Forderung rechtshängig ist, folgt daraus, d a ß , wenn der Kläger die (im anderen Streit rechtshängige) Gegenforderung gegen sich gelten läßt, er den Streit für erledigt erklären m u ß ; im anderen Falle ist er fortzuführen; wird aber im Prozeß, wo aufgerechnet wurde, das Urteil unter Verbrauch der aufgerechneten Forderung rechtskräftig, so steht § 322 I I der Weiterverfolgung der Forderung im Erstprozeß entgegen. D III. Auch bei der Aufrechnung ist die Trennung unzulässig, wenn die aufgerechnete Forderung in rechtlichem Zusammenhang mit der Klageforderung steht, d. h. wenn sie aus demselben Rechtsverhältnis (§ 33 E I a) stammt, und zwar sowohl in bezug auf End- wie auf Teilurteile (RG N § 145/3); es sei denn, daß die Teile unter gar keinen Umständen von dem ausgeurteilten Teil berührt werden. Doch ist auch in diesen Fällen eine Trennung der Verhandlung nach § 146 zulässig (soweit man die Vorschrift noch anwendet), nur darf dann kein Vorbehalturteil ergehen (RG J W 12/137 9 ). a) Macht das Gericht von einer bestehenden Trennungbefugnis keinen Gebrauch, so ist dagegen kein Rechtsbehelf gegeben (RGZ 52/27; vgl. aber auch § 145 A I I a). b) Nicht getrennt werden darf auch im Fall der Eventualaufrechnung, falls der rechtliche Zusammenhang der Gegenforderung mit der Klageforderung gegeben ist. Anders aber als sonst im Fall der Eventualwiderklage darf getrennt werden, wenn der Zusammenhang nicht besteht, gerade dann kommt § 302 zum Zuge. Bei einer sonstigen Eventualstellung ist dagegen eine Trennung nach dieser Regel unzulässig, also bei Zuriickbehaltungrechten. Doch wird m a n § 145 I I I auch in dem Fall anwenden dürfen, wo der Beklagte die Einrede der Leistungverweigerung mit der Begründung erhebt, daß der Kläger sich gegenüber dem Hauptschuldner durch Aufrechnung befriedigen könne. D IV. Wird getrennt, so zerfällt der Prozeß im Falle des § 145 I I I nicht in zwei selbständige Prozesse. a) Trotz der Trennung bleibt die Verhandlung einheitlich; die Termine werden zur Verhandlung des gesamten Rechtstreits angesetzt; bleibt deshalb eine Partei aus, so kann stets bedingunglos Versäumnisurteil ergehen. b) Die Trennung f ü h r t nur zur gesonderten Verhandlung innerhalb desselben Rechtstreits (RGZ 31/lfolg.), aber nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens über die aufgerechnete Forderung. Die Praxis neigt allerdings zu einer solchen Handhabung, wogegen dann aber der Beklagte sich nach § 252 beschweren darf. c) Wird die Klageforderung spruchreif und ist ihr stattzugeben, so ist unter Vorbehalt zu entscheiden, und es gilt dann § 302 (RGZ 24/423 [425]); ist sie abzuweisen, so wird die Trennung gegenstandslos. Hält das Berufunggericht hingegen die Klage für begründet, so muß es in diesem Falle wieder auf die Aufrechnung eingehen, wie wenn erst in zweiter Instanz neu aufgerechnet wäre (§ 529 V), aber ohne dann die Aufrechnung wie u. U. in den anderen Fällen zurückweisen zu dürfen. Doch darf auch das Berufunggericht die Verhandlung nach § 145 I I I trennen, nicht aber darf es insoweit den Rechtstreit über die aufgerechnete Forderung an die erste Instanz zurückverweisen (RGZ 28/414), wodurch also der Beklagte bezüglich seiner Forderung eine Instanz verliert. Entscheidet das Berufungsgericht erstmalig selbst v o r a b , so bleibt das Nachverfahren bei ihm anhängig. c 1. Wird die aufgerechnete Forderung früher spruchreif als die Klageforderung, so i s t nur dann die Klage abzuweisen, wenn ohne Rücksicht darauf, ob die Klageforderung besteht oder nicht, aufgerechnet wurde (RG Gruch. 59/921). In diesen Fällen ist die Klage als u n begründet abzuweisen (RGZ 57/385). c 2. Ist dagegen die aufgerechnete Forderung abweisungreif, so wird bei sonstiger Begründetheit der Klage stattgegeben.
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§ 146
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I Das Gerieht kann anordnen, daß bei mehreren auf den selben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln (Klagegründen, Einreden, Repliken usw.) die Verhandlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu beschränken sei. A. Im Gegensatz zu § 145, der die getrennte Entscheidung über mehrere außerprozessuale Ansprüche ermöglicht (nicht der prozessualen Folgeansprüche über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit), ermöglicht § 146 innerhalb derselben Verhandlung eine besondere Erörterung einzelner Angriff- und Verteidigungmittel. E r ermöglicht aber auch die getrennte Verhandlung über mehrere Ansprüche, wo das Gericht von der Möglichkeit, nach § 145 trennen zu können, keinen Gebrauch machen will oder darf. A I. Die Anordnung hierzu wird vom Prozeßgericht durch einen auf Grund mündlicher Verhandlung ergehenden Beschluß, der deshalb nur nach §§ 512, 548 (nicht mit der Beschwerde, § 567) anfechtbar ist, erlassen (§ 329 I), ohne daß eine Partei hierauf oder auch auf die Ablehnung einer dahin gehenden Anregung einwirken darf; wird aber auch durch einfache Anordnung seines Vorsitzenden erreicht (§ 136). A II. Die Anordnung ist nur verhandlungleitender Art, wird ohne weiteres durch den Übergang zu einem anderen P u n k t wieder aufgehoben, ohne daß es eines förmlichen Beschlusses bedürfte (vgl. Kommentar § 150 C I c). A III a) Wird schon durch die abgesonderte Verhandlung Entscheidungreife erzielt, so darf ohne weitere Erörterung des Streitstoffes Endurteil ergehen (§300; RG JW 08/452 18 ). Billigt die Berufunginstanz die erste Entscheidung nicht, so muß sie wieder über den ganzen Prozeßstoff entscheiden, und zwar, soweit kein Fall einer zulässigen Zwischenentscheidung oder der der §§ 538, 539 vorliegt, ohne die Möglichkeit, aufheben und zurückverweisen zu dürfen (RG H R R 39/577), wobei allerdings, wenn dadurch über Grund und Betrag zu entscheiden ist, bei beiderseitiger Streitigkeit bezüglich des Betrages an die erste Instanz zurückverwiesen werden darf (RG J W 08/452 18 ). Dies gilt auch, wenn sich widersprechende Klagegründe hilfsweise geltend gemacht werden, der erste und jeder andere vorausgehende sich als unbegründet ergeben (RG Warn. 11/287). b) Tritt durch die abgesonderte Verhandlung keine Entscheidungreife ein, so muß der weitere Streitstoff erörtert werden (da sonst § 128 verletzt wird, was in der Rechtsmittelinstanz gerügt werden darf). Da jederzeit auf weitere P u n k t e übergegangen werden darf, wirkt die Säumnis einer Partei stets in bezug auf den gesamten Streitstoff, es darf also eine Säumnisentscheidung (§§ 330folg.) ergehen, ohne daß es auf den abgesonderten Streitstoff ankäme (RGZ 36/425 [428]). Gesonderte Zwischenentscheidungen dürfen aber nur noch ergehen bei der Wiedereinsetzung nach § 238 I, über prozeßhindernde Einreden i. S. des § 274 I I nach § 275 und über den Grund eines Anspruchs nach § 304. B. Über den Begriff der Angriff- und Verteidigungmittel vgl. § 33, 67, 68, 96, 100, 146, 278, 279, 289, 461, 529 wie auch §§ 519, 283. B I. Die Klage (auch mehrere Ansprüche: R G J W 1 9 / 6 7 9 ' ) , die Widerklage, das Rechtsmittel und der mit ihnen geltend gemachte (außerprozessuale) Anspruch sind nicht Angriffsmittel, sondern der Angriff bzw. die Verteidigung selbst, wozu auch das Bestreiten gehört (RGZ 60/366f.). Mittel hierzu sind die Wissenserklärungen der Parteien (§ 128 C I I a), aber auch ihre Willenserklärungen (außerprozessualer wie prozessualer, tatsächlicher wie rechtlicher Art), also im besonderen die Klagegründe, soweit sie nicht Angriff oder Verteidigung selbst sind und nicht bloß dem Prozeßbetrieb dienen, der sich außerhalb der Gerichtsverhandlung notwendigerweise abspielt (Terminanberaumung, Ladung, Zustellung). B II. Selbständig (§§ 146, 289, 461) sind sie, wenn sie für sich allein genommen zu einer besonderen Rechtsfolge führen (ihr Gegebensein unterstellt), also a) jede Prozeß- oder Urteilsbedingung (RG H H R 39/577), jede Prozeßfortsetzungvoraussetzung, jeder Klagegrund (RG J W 00/657'f.), selbst wenn sie sich widersprechen, sofern sie
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§146
B II a
ZPO I. Buch
dann im Verhältnis von Haupt- und Hilfsanspruch geltend gemacht werden (RG Warn. 38/19) oder im Verhältnis von Haupt- zu Hilfsbegründung (RGZ 144/71). Bei einer Saldierung wird jeder Rechnungposten als selbständiges Angriffsmittel angesehen (RG Warn. 19/145). Selbständig ist aber auch jeder Einwand, jede Einrede (Replik, Replikation usw.), mögen sie nun f ü r sich genommen rechtsbegründender, -hindernder, -erhaltender, -vernichtender Art sein (RG J W 19/679'). Das entsprechende gilt für jeden Berufung- und Revisiongrund (vgl. RG H R R 39/577). b) Unselbständig sind dagegen mehrere Klageansprüche aus demselben Klagegrunde (Rechtsverhältnis), so daß jeder einzelne begründet ist, wenn der nämliche Klagegrund festgestellt wird (RGZ 60/366 [368]), aber auch einzelne Elemente eines Klagegrundes (RG J W 27/374 6 ). Schließlich ist auch die Rechtsausführung kein selbständiges Angriffsmittel (RG J W 00/411 4 /.); aber auch nicht Beweismittel und Beweiseinrede (abweichend RG H R R 39/577).
§ 147
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I Das Gericht bann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Znsammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. A I. Zuständig für die Verbindung ist das Gericht, auch wohl der Einzelrichter; nicht aber der Vorsitzende, der beauftragte oder der ersuchte Richter. Der Vorsitzende darf indes in mehreren Streiten Termin zur selben Zeit anberaumen, so daß — nach erlassenem Beschluß —• sofort gemeinsam verhandelt werden kann. Soll sonst verbunden werden, so wird nach Verbindung ein neuer gemeinschaftlicher Termin anzusetzen sein (§§216, 497). A II. Verbunden wird durch Beschluß (§ 329 I) des Gerichts auf Grund mündlicher Verhandlung (RGZ 24/367), gegen den keine Beschwerde (§ 567 I, OLG H E Z 2/367), sondern nur der Angriff nach §§ 512, 548 zulässig ist (RGZ 24/367), selbst wenn er ohne mündliche Verhandlung ergehen sollte. Es kann auch stillschweigend verbunden werden (in einheitlicher Bewilligung des Armenrechts ist eine Verbindung aber von KG J W 37/2781 18 noch nicht gesehen worden; auch liegt in der Verbindung mehrerer Arrestsachen noch nicht die der zu ihnen gehörenden Hauptsachen). a) Mit der Revision kann dabei nicht die Einzelzweckmäßigkeit der Anordnung, sondern nur die Zulässigkeit nachgeprüft werden, in den sonstigen Rechtsmittelinstanzen (wie in der ersten) auch die Zweckmäßigkeit. Aber auch die Unzulässigkeit f ü h r t nur zur Prozeßtrennung. B I. Die Verbindung ist nur zulässig, wenn die Prozesse bei demselben Gericht anhängig sind, d. h. die Klage muß schon dem Gericht eingereicht sein. a 1. Doch dürfen nicht Prozesse, die vor einer Kammer für Handelsachen schweben, mit denen, die vor einer Zivilkammer anhängig sind (wie umgekehrt) verbunden werden (wegen der Vorschrift des GVG §§ 97folg.; geschieht dies dennoch, so liegt eine möglicherweise unzulässige Verweisung vor; darüber, daß eine solche Entscheidung unangreifbar ist, vgl. GVG § 102 A). Muß aber in solchen Fällen eine Verbindung stattfinden (vgl. § 147 B I b 2), so ist an die Zivilkammer abzugeben (vgl. GVG §§ 97, 98). b) Diè Verfahren müssen in derselben Instanz anhängig sein. b 1. Dagegen ist die Streitverbindung zulässig, auch wenn in einem Verfahren bereits ein (technisch erstes) Versäumnisurteil ergangen ist, in dem anderen zu verbindenden aber nicht, es sei denn, daß dann einmal ein technisch zweites und sodann wieder ein technisch erstes ergehen müßte. Auch darf verbunden werden, wenn ein Berufunggericht an sich als erste Instanz einen Streit verweisen muß (und verweist) und sodann mit einem erstinstanzlichen Streit verbindet (vgl. Kommentar § 276 B IV c 1). b 2. Eine Ausnahme besteht in Ehesachen, die zwischen denselben Parteien anhängig sind; hier muß (wegen der §§ 614—616) auch ein erstinstanzliches Verfahren mit einem zweitinstanzlichen verbunden werden, weil einheitlich entschieden werden muß (RG Warn. 19/146).
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Mündliche Verhandlung
§ 147 B I b 2
Die Verbindung eines solchen noch in den Tatsacheninstanzen anhängigen Verfahrens mit einem in der Revisioninstanz anhängigen ist unzulässig; doch.muß hier wegen der Einheitlichkeit der Entscheidung das in der Revisioninstanz anhängige zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtstreits führen, gleichviel, ob dieser Umstand gerügt worden ist oder nicht, sofern nur die Rechtshängigkeit des anderen Streits z. Z. der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufunggericht feststand. B IX. Die Verbindung ist nur zulässig, wenn die Ansprüche in einer Klage (oder in einem einheitlichen Verfahren als Klage und Widerklage) hätten geltend gemacht werden dürfen. Über den Begriff des Anspruches vgl. § 253 B II b. a) Darüber, was in gemeinschaftlicher Klage geltend gemacht werden darf, vgl. § 260 A; Das Gesetz knüpft hier gedanklich an die Regelungen der §§ 59, 60, 260, 33 an. Es erscheint nur eine Verbindung unzulässig, durch die das Gericht in die Wahl des Klägers eingreifen müßte, indem es ihn mit einem anderen Kläger ungewollt verbinden würde, sofern überhaupt kein rechtlicher Zusammenhang besteht. b) In derselben Klage dürfen nicht Ansprüche in verschiedenen ProzeBarten (§ 33 C III c) geltend gemacht werden (KG OLG 33/76); dagegen bilden die verschiedenen Klagearten (positive, negative Feststellung- wie Leistungklagen, vgl. § 253 C) kein Hindernis. b 2. Über die Möglichkeit der Verbindung einer Wiederaufnahmeklage mit einem anderen Verfahren vgl. § 590 C I a. b 3. Die Verbindung des Armenrechts Verfahrens (§§ 114folg.) mit dem Hauptverfahren findet sich in der Praxis oft; doch ist dies nicht die in § 147 getroffene. Ebenso wirkt nicht die Verbindung des Hauptverfahrens mit Arrest-, einstweiligen Verfügung- oder Anordnungverfahren (RG J W 02/6044). c) Soweit begrifflich keine gemeinschaftliche Entscheidung zu erzielen ist, scheidet die Verbindungmöglichkeit aus. Armenrechtsverfahren unter sich dürfen verbunden werden, bewirken aber noeh nicht die Verbindung des Hauptverfahrens (KG J W 37/278219). d) Zwar geht § 147 von einer mündlichen Verhandlung aus; er ist aber im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) entsprechend anwendbar. Wird ein schriftliches mit einem mündlichen Verfahren verbunden, so hat dies zur Folge, daß auch dort, wo schriftlich entschieden werden dürfte, auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist. B III. Besteht zwischen verschiedenen Prozessen ein rechtlicher Znsammenhang, sö dürfen sie auch wider den Willen des Klägers verbunden werden. a) Der Begriff des rechtliehen Zusammenhangs ist aber ein anderer als der in § 33 (vgl. § 33 E I a); unter ihn gehört der Parallelfall, der zur Anwendung der gleichen Rechtsätze, zur Beantwortung derselben Rechtsfragen in beiden Prozessen führt. Der Zusammenhang kann aber auch nur tatsächlicher Art sein, so wenn verschiedene Personen aus ein und demselben Hergang Ansprüche herleiten. b) Im übrigen ist die Verbindung in jeder Instanz (noch) zulässig. C. Wird verbunden, so ist gleichzeitig zu verhandeln und zu entscheiden. C I. Eine Verbindung zur gemeinschaftlichen Verhandlung bei getrennter Entscheidung ist unzulässig (RGZ 142/255); doch ist bei verschiedener Entscheidungreife getrennt zu entscheiden (§ 300 II). C II. Durch die Verbindung werden die vereinten Parteien, soweit sie auf derselben Parteiseitc stehen, Streitgenossen. a) Die h. M. nimmt an, daß durch die Verbindung die gerichtliche Zuständigkeit nicht verändert wird, so daß deshalb nicht an das Landgericht verwiesen werden darf (RG Gruch. 44/196 [198]); doch sollte man dem nicht folgen, im besonderen dann nicht, wenn Teilklagen verbunden werden (vgl. § 4 B I a). b) Durch die Verbindung kann die eine Klagebegründung die andere ergänzen (a. M. RG Recht 07/2764).
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§ 1 4 7 C Ii
ZPO I. Buch
c ) Für die Kostenentscheidung gilt § 100 ohne Rücksicht auf die Höhe der Einzelbeteiligung (RG J W 96/687®), aber erst ab Verbindung. C III. Falls das Gericht trennen darf (§ 145), darf es auch die verbundenen Sachen wieder trennen (§ 150), nicht aber mehr wirksam nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung nur zur Entscheidung.
§ 148
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I Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur E n t scheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. A. § 148 gibt dem Gericht die Möglichkeit, ein Verfahren auszusetzen, wenn ein Präjudiz zu erwarten ist. A I. Die Aussetzung ist eine richterliche Anordnung, durch die ein Verfahren zum Stillstand kommt. Sie ist nur zulässig, soweit das Gesetz sie gestattet (RG J W 04/98 5 ), was in Einzelnormen geschehen ist (vgl. §§151—154, 246 1, 578 I I , E G § 1 5 1 1 ; ZVG § § 1 0 8 1 1 , 116; R V O § 9 0 1 1 1 ; G gegen Wettbewerbbeschränkungen § 9 6 11; nach dem Ermessen des Gerichts: §§ 65, 148, 149, 247, 620 1 2 , I I , 681, 953; MSchG § 2). A II a) Unzulässig ist es, ein Verfahren auszusetzen, a I . in bezug auf zu erwartende richterliche oder behördliche Entscheidungen (RG Seuff. 52/197, 54/186), a 2. wegen bevorstehender Gesetze (KG N J W 50/29», a. M. OLG J R 48/136). Nicht ausgesetzt werden darf auch, wenn Nachteile durch die Gesetzgebung eingetreten sind, welche einen Ausgleich erheischen, etwa wenn jemand entschädigunglos enteignet wurde, ohne daß ihm die Schulden genommen wurden (für die Ostenteignungen: OLG N J W 48/425). a 3. Aussetzung zur Beschaffung von Prozeßunterlagen ist grundsätzlich unzulässig (OLG 34/259). Innerhalb des Verfahrens verdrängt hier im allgemeinen § 3 5 6 die Norm des §148. a 4 . Ein Aussetzungfall liegt ferner nicht vor, wenn das Verfahren betrieben wird, mag auch das Gericht selbst nicht entscheiden können, also wenn es zur Entscheidung einem anderen Gericht vorlegen und auf die Entscheidung warten muß (GG Art. 100). Dies gilt selbst dann, wenn ein entsprechendes Verfahren schon vor dem B V G schwebt (auch dann darf nicht ausgesetzt werden, sondern es muß vorgelegt werden, OLG N J W 55/547). b) Auszusetzen ist aber, wenn das Gesetz zur Erhebung einer Klage zwingt (vgl. B G B § 1594 für den Ehelichkeitanfechtungprozeß) und aus natürlichen Gründen nicht die Möglichkeit besteht, in bestimmter Zeit einen möglichen Beweis erheben zu können, wie durch erbbiologisches Gutachten, das vor dem dritten Lebensjahr des Kindes nicht erstattet werden kann (BGH F a m R Z 58/96). Vgl. aber auch §§ 356 A l b , 153 B I . Zu dem Zweck, eine E r b scheinerteilung abzuwarten, darf nicht ausgesetzt werden, wenn es um die Gültigkeit des Testaments geht (OLG B a y J M B l . 59/19). B. Nach § 148 darf nach dem Ermessen des Gerichts bei Präjudizialität ausgesetzt werden, d. h. wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses (vgl. § 253 B I I c 2) abhängt, über das in einem anderen Verfahren entschieden werden soll. B I. Getroffen wird damit grundsätzlich nur der außerprozessuale Anspruch, der zur Entscheidung gestellt wird (vgl. § 253 B I I c 1), nicht die Kostenentscheidung (OLG SächsAnn. 22/379), nicht die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit. a ) Um den außerprozessualen Anspruch geht es indes auch, wenn über eine Prozeß-(fortsetzung-)bedingung zu entscheiden ist, die durch das präjudizielle Verfahren geklärt wird.
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Mündliche Verhandlung
§148 BI
a 1. Hier darf auch ausgesetzt werden, wenn eine — beantragte — Entscheidung einer Verwaltungbehörde aussteht (RGZ 104/23), welche, wenn sie gegeben wird, wenigstens in einer Richtung die sachliche Entscheidung ermöglicht. a 2. Nicht ausgesetzt werden darf, wenn die sachliche Entscheidung von vornherein zulässig ist, sie indes von jener anderen beeinflußt werden könnte, etwa wenn es um eine Aufrechnung mit einem Anspruch geht, der unter GVG § 13 fällt (GVG § 13 J II b 2), vgl. auch § 148 B I b 2. a 3. Grundsätzlich (vgl. aber § 148 B I b 2) darf nicht ausgesetzt werden, wenn es in keinem Fall zu einer sachlichen Entscheidung kommen kann, etwa wenn nur prozessual zu entscheiden ist (RGZ 96/335 [338]; a. M. RG JW 10/335 15 f.), im besonderen, wenn der Streit zu verweisen ist (RG J W 01/4571) oder wenn der Einwand der Rechtshängigkeit (RGZ 26/367 [370]) oder der der Klageüberlagerung entgegensteht (vgl. § 256 C II). b) Der Klagegrund kann im Ausnahmefall die Aussetzung hindern. b 1. Dies ist der Fall für den Besitzprozeß (OLG 14/225 — wegen der Vorschrift des BGB § 863). Bei einer Klage aus BGB § 667 hat RG J W 10/581" keine Aussetzung zugelassen, wo der Kaufvertrag zwischen dem Beauftragten und dem dritten angefochten war und der Beauftragte mit Mitteln des Klägers erworben hatte. Für Unterhaltstreite vgl. §§ 151 A I, 153 B I. b 2. Nicht ausgesetzt werden darf, um den Klageanspruch durch einen Gegenprozeß gegenstandslos zu machen (RG J W 02/3606), sofern die Entscheidung im anderen Prozeß die Hauptsache des auszusetzenden nicht erledigt, also wenn etwa die Fälligkeit des eingeklagten Anspruchs von der Beendigung des anderen Prozesses abhängt (RG N § 148/16), im besonderen bei der Klage gegen den Bürgen, wenn dieser gegen den Hauptschuldner auf Leistung klagt und der Beklagte auf seinen Prozeß mit dem Gläubiger verweist, in dem festgestellt werden soll, daß dieser nichts mehr zu fordern hat (RG JW 02/359); dies gilt im besonderen, wenn die (hilfsweise) aufgerechnete Forderung im selbständigen Prozeß verfolgt wird (RG J W 98/599'; doch lassen hier einige die Aussetzung zu: OLG Seuff. 50/127; BGHZ NJW 55/497 hat bei einer Aufrechnung mit einer in einem vor dem Verwaltunggericht schwebenden Streit zu entscheidenden Gegenforderung ausgesetzt; OLG Seuff. 42/61 setzte sogar ein staatsgerichtliches Verfahren aus, weil vor einem Schiedsgericht ein Verfahren über den Gegenanspruch schwebte, und RGZ 80/372 setzte wegen einer öffentlich-rechtlichen Gegenforderung bis zum Erlaß der Verwaltungentscheidung aus, vgl. dagegen GVG §13 J I I b ; OLG 38/67 hat die Aussetzung für unzulässig erklärt, wenn eine Aufhebungklage gegen einen Schiedsspruch anhängig war, durch den die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung abgewiesen wurde). Ist ein Vorbehalturteil ergangen, so hat RG J W 01/1583 die Aussetzung abgelehnt, weil das Verfahren über das Vorbehalturteil nicht durch die Aufrechnung berührt werde. Anders liegt dies aber, wenn ein einheitliches Rechtsverhältnis (§ 253 B II c 2) besteht und die im anderen Prozeß zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung zu berücksichtigen ist (RG Warn. 08/669). Vgl. auch §§ 145 D II a, 1025 D II c. c) Auch die Prozeßart kann die Aussetzung hindern. c 1. Dies ist der Fall im Armenrechtsverfahren (vgl. § 118a A I). Ferner dürfen Arreste oder einstweilige Verfügungen, wenn ihr Erlaß beantragt wurde, nicht ausgesetzt werden (RG J W 98/48), umgekehrt darf in diesem Fall aber auch nicht der Hauptprozeß ausgesetzt werden (OLG Recht 28/644), wohl aber, wenn Schadenersatz nach § 945 in einem Prozeß verlangt wird, während der Hauptprozeß auf Unterlassung noch anhängig ist (RGZ 65/66f.). Auch sollte man nicht auf den Widerspruch aussetzen, weil der Beklagte nicht schlechter als der Kläger gestellt werden darf. Unzulässig ist auch die Aussetzung nach der gewöhnlichen Norm in Vollstreckungverfahren, also etwa die nach § 148. Hier gibt es aber die Einstellungund Aussetzungmöglichkeiten nach Vollstreckungrecht und auch die im Beschwerdeverfahren der Vollstreckunginstanz (OLG JW 33/1538), jedenfalls ergreift die Aussetzung des Hauptverfahrens nicht die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung (vgl. §§ 104, 572). Unzulässig ist die Aussetzung im Urkunden- und Wechselprozeß im Verhältnis zum Nachverfahren (RG Gruch. 44/457). Im Urkunden- und Wechselprozeß wird überhaupt die Aussetzung nicht an34
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§148 Biel
ZPO I. Buch
gemessen sein (RG Seufi. 58/88). Jedenfalls darf nieht ausgesetzt werden, wenn etwa eine Urkunde erst für den anhängigen Urkundenprozeß geschaffen werden soll (OLG 15/103) oder wenn sonst Prozeßunterlagen beschafft werden sollen (OLG 34/259, vgl. aber Kommentar § 148 A I b 5), im besonderen, wenn eine andere Beweisaufnahme abgewartet werden soll (RG N § 148/3). B II. Die Präjudizialität ist von der Rechtskraftwirkung zu unterscheiden; sie ist gegeben, wenn in dem anderen Verfahren die Vorfrage entschieden wird, welche im anhängigen Verfahren einen Klagegrund (RG J W 09/454) oder einen Verteidigunggrund abgibt (vgl. RGZ 77/712). a) Ist der Streitgegenstand (ganz oder zum Teil) derselbe, so liegt (insoweit) Rechtshängigkeit vor, wodurch die Klage als unzulässig abweisungreif wird, ohne daß ausgesetzt werden darf (OLG NJW 58/106, vgl. § 148 B I a 3). a 1. Wird in solchen Prozessen nicht ausgesetzt, so muß das Gericht über ein bedingendes Rechtsverhältnis selbst entscheiden (RGZ 70/88 [90]), wird aber ausgesetzt und liegt kein bindendes Präjudiz vor, so zwingt die Aussetzung nicht dazu, daß das Gericht die Vorentscheidung beachtet; es muß vielmehr auch dann das Rechtsverhältnis besonders beurteilen und darf nicht entgegenstehende, selbst sich wiederholende Beweisantritte der Partei übergehen (vgl. § 286 C III b 5). a 2. Nicht ausgesetzt werden darf, wenn in dem Vorprozeß das Rechtsverhältnis auch nur Vorfrage ist (RG J W 03/238), wenn im besonderen bei verschiedenen Prozessen um Teile derselben Forderung geklagt wird (RG J W 10/581 17 ); oder wenn in dem einen auf Herausgabe einer einem dritten übergebenen Vollmachturkunde von einem Gesellschafter geklagt und zwischen den Gesellschaftern über die Auflösung der Gesellschaft ein Streit anhängig ist (RG N § 148/9), oder bei dinglicher und persönlicher Klage aus einer Hypothek (RGZ 52/259) oder wenn auf Löschung des Gebrauchsmusters geklagt wird, während noch die Patentnichtigkeitklage schwebt, wenn beide denselben Gegenstand betreffen (RG Recht 05/2314). Die Möglichkeit sich in den Gründen widersprechender Entscheidungen reicht nicht aus (OLG NJW 58/106, abweichend RG V Gruch. 45/369), auch nicht der Einfluß auf das Beweisergebnis, wenn nicht das Rechtsverhältnis selbst Gegenstand des anderen Prozesses ist (OLG SächsAnn. 21/186), und nicht die Tatsache der Existenz der Entscheidung, wie in dem Falle der Gläubigeranfeehtung (RGZ 61/150); auch im Fall des AnfG § 5 darf nicht ausgesetzt, sondern nur eine Frist zur Beibringung des Titels gesetzt werden (RGZ 96/335). Vgl. auch AnfG §10. a 4. Nicht ausgesetzt werden darf, wenn die Möglichkeit, die Prozesse zu verbinden, besteht (OLG BayJMBl. 56/131). b) Das präjudizielle Rechtsverhältnis muß Gegenstand des Vorprozesses sein. b 1. Dies ist der Fall, wenn in einem der Prozesse eine Inzidentfeststellungklage erhoben wird. Sie liegt vor, wenn etwa der Rechtstreit um die Vermittlergebühr ausgesetzt wird bis zur Entscheidung des Streites, wo der der Vermittlung zugrunde liegende Vertrag angefochten ist (RG J W 96/20311), oder wenn der Zessionar eines Kaufpreisgläubigers das Entgelt fordert, während der Streit um die Nichtigkeit des Vertrages zwischen den Vertragsparteien anhängig ist (KG OLG 19/89), oder wenn aus einer Zession geklagt wird, während die Zession angefochten ist (RGZ 70/88). Danach ist es auch möglich, daii von mehreren Streitgenossen nur einer an beiden Verfahren beteiligt ist (RGZ 65/68). Ausnahmeweise ist die Klage, daß eine Hypothek aus schuldrechtlichen Gründen nicht bestehe, für die dingliche Klage präjudiziell, wenn der Zessionar nicht gutgläubig ist (RGZ 52/259). Hat die Verwaltungbehörde nach ihrem technischen Ermessen zu entscheiden und hängt von der Entscheidung auch die des Rechtstreites ab, so darf ausgesetzt werden (RG N § 148/27). b 2. Doch besteht keine Präjudizialität, wenn selbständig zu entscheiden ist, etwa über die Frage, ob Behörden wie dritte arglistig getäuscht sind, mag darüber auch schon ein Verwaltungstreit schweben (RG Recht 02/1181), oder wenn es in beiden Streiten nur um die gleichen tatsächlichen Fragen geht, der eine Prozeß für den anderen keine Vorfragenentscheidung ist (RG N §148/17; vgl. aber § 1 4 8 B I I b l ) . Streiten Hauptmieter und Unter-
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Mündliche Verhandlung
§148
BllbS
mieter über die Herausgabe gewerblicher Räume, so darf nicht bis zur Entscheidung im Streit des Hauptvermieters gegen den Haupt,mieter ausgesetzt werden (LG MDR 55/551). B III a 1. Die Doppelaussetzung beider Prozesse ist unzulässig (RG N § 148/2). a 2. Aber auch wenn der Prozeß instanzmäßig geteilt wird, darf nicht durch die höhere Instanz ausgesetzt werden (RG N § 148/34). a 3. Liegt die Möglichkeit, wegen Präjudizialität aussetzen zu können, auf tatsächlichem Gebiet, so kann deshalb in der Revisioninstanz nicht mehr ausgesetzt werden (BayObLG 6/412). Wirkt die Tatsache (§ 561 B) aber ausnahmeweise in der Revisioninstanz, wie die Patenterteilung, so darf auch insoweit noch in ihr ausgesetzt werden (RG Warn. 35/121). B G H N J W 60/96 h a t nicht ausgesetzt, wenn noch ein Anmeldeverfahren nach AKG lief, sondern h a t nach AKG § 106 entschieden. b) Wird nur ein Teil des Anspruchs getroffen, so ist nur in bezug auf diesen das Verfahren auszusetzen (RGZ 24/382); wird nur einer von mehreren Klagegründen getroffen, so darf erst dann ausgesetzt werden, wenn feststeht, daß es auf ihn entscheidend ankommt. c) Sind die Prozeßbedingungen des § 148 gegeben, so kommt es auf die Entscheidungreife des Streits nicht an (a. M. KG J W 33/225 1 ). C. Wenn nach § 148 wegen Präjudizialität ausgesetzt werden soll, muß das andere Verfahren anhängig sein (§ 253 F I I a). C I. Dies gilt zunächst für die anhängigen Rechtstreite. a 1. Darauf, welcher von beiden Streiten zuerst anhängig geworden ist, kommt es nicht an. Doch darf zur Zeit der Aussetzung keiner der Streite rechtkräftig beendet sein (RGZ 71/69 [74]). a 2. Wird das Verfahren, wegen dessen ausgesetzt werden soll, nicht betrieben (etwa weil es unterbrochen oder ausgesetzt ist oder ruht), so darf nicht ausgesetzt werden (§ 148 B I I I a 1). b) Ausgesetzt werden darf auch wegen eines Verfahrens, das vor einem Sondergericht (den Arbeitgerichten) schwebt. b 1. Im Aufhebungstreit über eine Werkwolinung (MSchG §§ 20folg.) ist der Aufhebungrechtstreit auszusetzen, wenn die Parteien über die Beendigung des Arbeitverhältnisses streiten (nach BArbG AP-MSchG § 20/1 soll schon ausgesetzt werden, wenn die Parteien über die Beendigung des Arbeitverhältnisses streiten, selbst wenn der andere Prozeß noch nicht anhängig ist). c) Ausgesetzt werden darf aber auch, wenn ein Schiedsverfahren schwebt (OLG Seuff. 42/61, vgl. § 148 B I b 2). Das Schiedsgutachterverfahren ist dagegen ein sachliches Angriffsoder Verteidigungmittel und deshalb nicht geeignet, eine Aussetzung zu rechtfertigen (vgl. auch § 1025 C). C II. Es genügt auch ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (RG N § 148/46). WohnungeigentumG § 46 II läßt ausdrücklich die Aussetzung zu, wenn die Entscheidung des Streits von einer Entscheidung des AG nach WohnungeigentumG § 43 I abhängt. Nach GebrMG § 11 darf das Gericht einen Rechtstreit aussetzen, wenn ein Berufungverfahren anhängig ist. Patentstreite dürfen ausgesetzt werden, wenn ein präjudizielles Verfahren vor dem P a t e n t a m t schwebt (RGZ 91/188 [193]). a) Wenn von dem Hauptprozeß vor den ordentlichen Gerichten aber gerade die E n t scheidung vor den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abhängt (bei Erbstreitigkeiten etwa), darf jener nicht ausgesetzt werden, u m die Entscheidung dieser abzuwarten. Auch darf nicht gewartet werden, wenn ein Vertragshilfeverfahren läuft (das seinerseits nach VHG § 11 I I I ausgesetzt werden könnte). C IV. Ausgesetzt werden darf nach § 148 auch wegen eines Verfahrens, das von der Verwaltungbehörde zu erledigen ist, doch darf der Rechtstreit, der ausgesetzt wird, auf dem Wege vor den ordentlichen Gerichten nicht schlechthin unverfolgbar sein (vgl. GVG § 1 3 J I I b 2). Unter die Verwaltungbehörden fallen auch die Verwaltunggerichte (Bay. VGH 3t
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§ 1 4 8 c iv
ZPO I. Buch
DVB1. 51/408), die Verwaltungsondergerichte, die Justizverwaltung. Anders ist dies dort, wo die Aussetzung gesetzlich bindend vorgeschrieben ist (vgl. Kommentar § 148 A I b). a) Auch hier ist ein anhängiges Verfahren zu lordern (a. M. OLG J W 37/963 63 ). b) Ob das Gericht an die Entscheidung der Verwaltungbehörde gebunden ist oder nicht (RGZ 99/12), ist gleichgültig. D. Wegen im Auslande anhängiger Verfahren dari ausgesetzt werden, sofern sie in inländische Gerichts- oder Verwaltungverfahren überleitbar oder zu beachten sind. E. Das Aussetzungsverfahren ist wie das in §§ 248folg. geregelte zu behandeln. E I. Nach § 148 darf nur bis zum Verhandlungschluß ausgesetzt werden (RG J W 00/390 4 ). Entschieden wird in freigestellt mündlicher Verhandlung; §248 11 gilt entsprechend (RG Seuff. 50/280). Wird deshalb ein Aussetzungsantrag gestellt, so sollte man den Schriftsatz als bestimmenden (§ 129 A I) ansehen (an ders nach RG N § 148/31). E l l . Entschieden wird durch Beschluß; ob der Einzelrichter aussetzen darf, ist streitig (bejahend Jonas § 148 Anm. V, Sydow-Busch § 148 Anm. 5). Der Beschluß wird, wenn er auf mündliche Verhandlung ergeht, verkündet (§ 329 I), sonst den Parteien formlos mitgeteilt, wenn ausgesetzt wird (§329 III), sonst förmlich zugestellt, wenn die Aussetzung abgelehnt wird (wegen der sofortigen Beschwerdemöglichkeit nach § 252). E III. Gegen den Aussetzungsbeschluß eines AG oder LG (nicht gegen den eines höheren Gerichts, § 567 III) ist die einfache Beschwerde zulässig (§ 252, RGZ 29/383 [384]). Dabei steht die Vertagung auf unbestimmte Zeit (RG J W 97/562 4 ) oder doch auf lange Zeit der Aussetzung gleich (OLG JZ 52/530, vgl. dazu aber § 148 A II b). Handelt es sich nur noch um ein Kosten-(grund-)verfahren, so ist die Beschwerde nur unter den Bedingungen des § 567 II zulässig. Die Beschwerdeinstanz prüft das richtige Ermessen für die Aussetzung nach (a. M. LG ZZP 68/303). a) Die Beschwerde ist auch gegen den in der Berufunginstanz erlassenen Aussetzungbeschluß eines LG zulässig (OLG J R 52/249) und b) auch die weitere Beschwerde gegen einen in erster Instanz vom AG erlassenen Beschluß unter der Bedingung des § 568 II (OLG N J W 53/1474, a. M. KG N J W 53/1475). E IV. Wird nicht ausgesetzt, so wendet die h. M. § 252 entsprechend auch in den Fällen an, wo das Gericht nach seinem Ermessen aussetzen darf (RGZ 18/186 [188]) und deshalb einen Antrag über die Aussetzung nicht zu bescheiden braucht (RG Recht 23/701; insoweit gibt es keine Revisionrüge, RGZ 81/206 [213]). Dann muß die sofortige Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluß wie gegen jedes stillschweigende weitere Vorgehen des Gerichts gegeben werden. a) Mit dem Erlaß des Endurteils kann keine Aussetzung mehr begehrt werden (RG J W 98/5 10 ), womit die sofortige Beschwerde unzulässig wird (RG Gruch. 50/1098). a 2. Ob eine weitere Ausnahme bei Erlaß eines Versäumnisurteils zu machen ist, ist streitig, weil das Verfahren noch in der Instanz anhängig bleibt (bejahend RGZ 46/385 [387]; verneinend RG N § 148/26; vgl. dazu § 252 A I I b 2). b) Wird mit der Rechtsmittebüge (auch) die Aussetzung verfolgt (was zulässig ist), so muß die Rechtsmittelinstanz aussetzen, b 1. sofern ein Fall notwendiger Aussetzung (Kommentar § 148 A I a, b) vorlag, obwohl die Ablehnung nicht unter §§ 512, 548 fällt (RG H R R 37/1553). Dies gilt in der Berufung-, aber auch in der Revisionsinstanz (RG N § 148/32), wobei ein wirksamer Verzicht in diesem Falle nicht ausgesprochen werden kann und deshalb auch (in der Revisioninstanz) kein Rügeverlust eintritt (RGZ 91/94), selbst wenn hier der Antrag aus dem Aussetzunggrunde erstmalig gestellt wird. b 2. Anders liegt es, sofern die Aussetzung im Ermessen des Gerichts steht. Hier kann die Aussetzungsablehnung in der Revisioninstanz grundsätzlich nicht angegriffen werden (RG N § 148/52, a. M. BGH N J W 55/497), während der neue Antrag in der Berufunginstanz
532
Mündliche Verhandlung
§ 148
EIV b ä
neu zu prüfen ist. Nur soweit neues Vorbringen ( § 5 6 1 B III) auch noch in der Revisioninstanz zulässig' ist, ist auch hier noch die Aussetzungmöglichkeit in dem anderen Falle gegeben (§ 148 B I I I a 3). Abgesehen davon ist die Entscheidung des Berufunggerichts, mag sie sich auch in den Gründen des Endurteils finden, nicht mit der Revision angreifbar (RG H R R 37/1553). Ob man darüber hinaus mit der Revision den Angriff dann zulassen darf, wenn sich das Gericht über seine Befugnis zur Aussetzung geirrt h a t (so RG J W 13/926 13 ), ist zweifelhaft; denn wo das Ermessen freisteht, sollte auch der I r r t u m im Ermessen ohne Belang sein. F. Die Aussetzung endet durch die Aufhebung, die im Ermessen des Gerichts steht (§150 A). G. BGB §212 11 trifft nicht den Fall der gerichtlichen Aussetzung; die Verjährung läuft hier erst wieder mit dem Wegfall des Aussetzunggrundes (RGZ 145/239 [240]), sofern dann die Parteien das Verfahren nicht betreiben.
§ 149
(140)
I Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer strafbaren Handlung ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluß ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. A. § 149 befaßt sich mit dem Verhältnis zum Strafverfahren, wenn dieses die zivile E n t scheidung beeinflussen kann. Ehrengerichtliche und Disziplinarverfahren fallen nicht u n t e r § 149, sondern unter den Begriff des Verwaltungverfahrens nach § 148. A I. Da aber strafgerichtliche Urteile den Zivilrichter nicht binden (EG § 14 11), m u ß der Zivilrichter auch hier nachprüfen, ob das vom Strafrichter Festgestellte zutrifft (§ 286 B IV a). A II. Anders ist dies im Entschädigungverfahren nach StPO §§ 403 folg. B. Voraussetzung ist, daß die Ermittlung der strafbaren Handlung auf die zivilistische Entscheidung Einfluß haben kann (RG Warn. 08/165). B I. Dies ist aber regelmäßig nur der Fall in bezug auf die Beweiswürdigung (etwa wenn gegen jemand, der im Zivilprozeß eidlich vernommen werden soll, ein Meineidsverfahren schwebt: RGZ 35/416). a) In der Revisioninstanz ist deshalb die Aussetzung ausgeschlossen (RGZ 11/367), auch nicht bei einem Grundurteil nach § 304, wenn sich die strafbare Handlung nur auf seine Feststellung bezieht, so darf das Betragsverfahren nicht ausgesetzt werden (RGZ 35/412). b) Zwar h a t das strafgerichtliche Urteil in dem Fall des § 581 tatbestandliche Wirkung, doch darf das Wiederaufnahmeverfahren nicht ausgesetzt werden, u m das rechtskräftige Strafurteil abzuwarten, vielmehr ist hier das Wiederaufnahmeverfahren unzulässig; ausgenommen ist nur der Fall, daß während eines zivilgerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens, das seine Voraussetzung bildende strafgerichtliche wieder aufgenommen wird. B II. Überall dort, wo auch nach § 148 nicht auszusetzen ist, darf auch nach § 149 nicht ausgesetzt werden bzw. soll es nicht geschehen (etwa im Urkundenprozeß RG J W 01/718 5 ). a) Die h. M. geht hier — wie bei dem Verwaltungverfahren (vgl. § 148 C IV a) — dahin, d a ß das Verfahren noch nicht anhängig zu sein braucht (RG N §149/3), doch kann dem nicht gefolgt werden. b) Der Verdacht der strafbaren Handlung muß nach der Überzeugung des Gerichts bestehen, die bloße Parteibehauptung genügt nicht (RGZ 15/427). c) Die Aussetzung steht im Ermessen des Gerichts, das sie nicht näher zu begründen braucht (RG J W 01/718 5 ). Nach RG J W 97/529 3 kommt es (im übrigen) zwar auf die Dauer des Strafverfahrens nicht an, doch soll das Gericht auch die mögliche Verzögerung durch die Aussetzung in Rechnung ziehen. Dies gilt im besonderen bei eiligen Verfahren, soweit man hier die Aussetzung für zulässig hält.
533
§149
ZPO I. Buch
B III. Wird das Strafverfahren beendet oder auch nur einstweilen nicht betrieben oder gar wegen des Zivilstreits ausgesetzt, so entfällt der Aussetzunggrund und § 150 ist anzuwenden. Das Entsprechende gilt, wenn die Staatsanwaltschaft einstellt oder tatsächlich das Verfahren nicht weiter betreibt. C I. Nach Erlaß des Zivilendurteilg darf das Gericht nicht mehr aussetzen (RG Gruch. 60/1098) — abgesehen von den Verfahren in der Zwischeninstanz (vgl. §§239folg.) —• auch nicht nach Erlaß eines Revisionurteils (RGZ 29/341), wohl aber nach Aufhebung und Zurückverweisung, wenn dann noch die Straftat erheblich ist, und im Einspruchverfahren, nachdem der Einspruch eingelegt worden ist. C II. Über die Zulässigkeit der Beschwerde vgl. § 148 E III. Auch darf, ohne das Ergebnis des Strafverfahren s abzuwarten, nach §150 das Verfahren wieder aufgenommen werden.
§ 150
(141)
I Das Gericht kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder Aussetzung betreffenden Anordnungen wieder aufheben. A. § 150 stellt klar, daß das Gericht an seine Trennung-, Verbindung- und Aussetzungbeschlüsse nicht gebunden ist (anders als nach § 318). Eine besondere Regelung für die Aufhebung einer Maßnahme nach § 146 erschien nicht erforderlich, sie kann schon in der mündlichen Verhandlung und stillschweigend geändert werden. Vorausgesetzt wird dabei, daß Verbindung, Trennung und Aufhebung der Aussetzung zulässig sind. A I. Über die Fälle der Unzulässigkeit der Trennung vgl. §§ 145 A II b, B II b, D I I I ; 147 C I; über die der der Verbindung vgl. § 147 B; über die der der Aussetzung §§ 148 A I, 149 A I, B, C I, 152—154. A II. Auch das Berufunggericht kann (unter den gegebenen Voraussetzungen) noch trennen oder verbinden (RGZ 49/401 f.), d. h. soweit die Prozesse bzw. der Prozeß in der Berufunginstanz vor ihm schweben, es darf aber nicht den nochin der ersten Instanz schwebenden Teil mit den in der Berufunginstanz anhängigen oder vor ihm als erste und zweite Instanz anhängigen Prozessen verbinden (vgl. aber die Vorgriffmöglichkeit bei der Entscheidung in § 536 B). B. Für Trennung und Verbindung ist in den Verfahren mit mündlicher Verhandlung (nicht in den mit einer freigestellt mündlichen Verhandlung) die mündliche Verhandlung erforderlich (§ 128 I, an deren Stelle nur in den Fällen der §§ 128 II, 251a, 331a das schriftliche Verfahren treten kann); entschieden wird entweder durch Zwischenurteil (§303) oder zusammen mit dem Endurteil; das Zwischenurteil ist nur zusammen mit dem Endurteil anfechtbar (§§512, 548). Die gesonderte Beschwerde gegen die Verbindung oder die Trennung oder ihre Ablehnung ist unzulässig (§567 I; RGZ 24/367). C. Die Aussetzung wird durch Beschluß aufgehoben, der keine vorangegangene mündliche Verhandlung fordert (OLG J W 29/873 1 ; a. M. OLG 23/138f.). C II. Gegen den Beschluß, der zugestellt werden muß (§ 329 III), gibt es die Beschwerde in entsprechender Anwendung des §252 (RG J W 01/3273). a) Über die Vollziehung einer sonstigen Aufnahmehandlung durch die Parteien vgl. §§ 241folg. Der Fall des § 150 liegt insoweit anders, als nur schwebende Verfahren ausgesetzt werden dürfen, nicht mehr die in der Zwischeninstanz befindlichen. Auch bei den notwendigen Begründungfristen sollte man nach §§ 148 folg. nicht aussetzen. Geschieht dies dennoch, so muß ihr Lauf durch förmlichen Beschluß wieder eröffnet werden. b) Im Fall des §620 geht das Verfahren nach Fristablauf weiter (BGH LM §249/2). c) Eine Besonderheit gibt es noch bei dem nach MSchG § 11 ausgesetzten Verfahren; hier muß ein begründeter Aufnahmeantrag innerhalb einer Woche nach Ablauf der Aussetzungfrist gestellt werden (MSchG § 11IV 2), sonst wird die Hauptsache durch Beschluß als erledigt erklärt. Gegen die Ablehnung vor der Aufnahme, über die durch Beschluß zu entscheiden ist, gibt es hier nur die sofortige Beschwerde (MSchG § 11 VI 1).
584
Mündliche Verhandlung §
151
( - )
I Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Ehe nichtig ist, so hat das Gericht, wenn die Nichtigkeit nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann, auf Antrag das Verfahren auszusetzen und, falls die Nichtigkeitsklage noch nicht erhoben ist, eine Frist zur Erhebung der Klage zu bestimmen. Ist die Nichtigkeitsklage erledigt oder wird sie nicht vor dem Ablauf der bestimmten Frist erhoben, so ist die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig. A. Nach § 151 hat (also ohne Ermessen, RGZ 120/37) das Gericht auf Antrag einer Partei das Verfahren auszusetzen, wenn die Nichtigkeit der Ehe präjudiziell ist (vgl. § 148 B II). A I. Doch wird ein Unterhalteprozeß für die Dauer des Nichtigkeitstreits gewohnheitrechtlich nicht ausgesetzt (OLG J W 22/514 42 ). A II. Ist die Nichtigkeitklage bereits anhängig, so darf auch das Gericht nach § 148 von sich aus aussetzen; auf Antrag der Partei ist das Verfahren aber auch dann auszusetzen, wenn der Ehenichtigkeitetreit noch nicht schwebt; in diesem Fall ist eine Frist zur Klageerhebung zu setzen. B. Über die Nichtigkeit der Ehe darf nur im Ehenichtigkeitstreit entschieden werden (EheG §23). C. Die Fristsetzung für eine anhängig zu machende Klage hat aber nur gegenüber einer Partei, die im Nichtigkeitverfahren klagebefugt ist, Sinn. C I. Ist die beantragende Partei nicht klagebefugt, so muß die Aussetzung bei noch nicht anhängiger Klage abgelehnt werden (a. M. Baumbach-Lauterbach §151 Anm. 2 : es müsse ihr eine Frist dazu gesetzt werden, bei der Staatsanwaltschaft die Erhebung der Klage anzuregen). C II. Wird eine Nichtigkeitklage nicht innerhalb der Frist erhoben, so darf nach § 1511 2 das Verfahren wieder aufgenommen werden, d. h. durch Antrag einer Partei (§ 250). Dem Antrag ist stattzugeben. Wird aber später die Nichtigkeitklage erhoben, so ist dann auf Antrag auszusetzen, wenn nicht ein Fall des § 155 angenommen wird. D. Erledigt wird die Nichtigkeitsklage durch (klageabweisendes oder zuerkennendes) Urteil, durch Rücknahme der Klage oder durch Tod eines Gatten (§ 628). Bei Verzögerung des Prozesses darf das Gericht nach § 155 die Aussetzung aufheben. Über die Art der Aufnahme vgl. § 150 C. Auch wenn nach § 148 von Gerichts wegen ausgesetzt wurde, bedarf die Aufhebung, solange nicht der Aufhebunggrund entfallen ist, der Zustimmung der sonst zur Aufhebung nach § 151 berechtigten Partei, über die Angreifbarkeit des Aussetzungbeschlusses vgl. § 150 C II. E. Dasselbe wie für die Ehenichtigkeitklage gilt für die Aufhebung des Ausspruchs des Standesbeamten, wonach die nachträgliche Eheschließung mit einem Verstorbenen ausgesprochen wurde (vgl. G v. 29. 3. 1951 [BGBl. I 215] § 4 IV).
§
152
( - )
I Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine im Wege der Aufhebungsklage angefochtene Ehe auf hebbar ist, so hat das Gericht auf Antrag das Verfahren auszusetzen. Ist der Rechtsstreit über die Aufhebungsklage erledigt, so findet die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens statt. A I. Heute wirkt die Aufhebung der Ehe wie die Scheidung (EheG § 37 I), damit entfällt der besondere Aussetzungsgrund, den § 152 ursprünglich gab. A II. Dennoch ist hier wie im Scheidungrecht eine Präjudizialität denkbar. B. Durch Bezugnahme des § 153 hat aber § 152 noch Bedeutung im abgewandelten Sinn.
535
ZPO I. Buch §
153
(-)
I Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob ein Kind, dessen Ehelichkeit Im Wege der Anfechtungsklage angefochten worden ist, unehelich ist, so gelten die Vorschriften des § 152 entsprechend. A. § 153 regelt die Aussetzungmöglichkeit im Verhältnis zum Kindschaftanfechtungprozeß. Der Fall liegt anders als im Eheaufhebungstreit; er entspricht dem Ehenichtigkeitprozeß in seiner Wirkung. B. Ist der Anfechtungprozeß noch nicht an-(rechts-)hängig (vgl. § 152 A II), so darf nicht ausgesetzt werden. B I. Über das Erfordernis der Präjudizialität vgl. § 148 B II, über das der Erledigung § 151 D; doch hat im Gegensatz zu dem Gewohnheitrecht bei der Nichtigkeitklage (§ 151 A I) OLG Bay. JMB1. 51/113, KG J R 55/469 auch einen Unterhaltstreit ausgesetzt bzw. die Aufhebung der Aussetzung abgelehnt (richtig wäre es wohl wie bei der Ehenichtigkeit zu verfahren, OLG BayJMBl. 51/113). Über die Aufnahme vor Erledigung vgl. Kommentar § 150 C I c. Über die Fortsetzung vgl. § 148 F. B II. Über die Aufnahme bei Prozeßverzögerung des Anfechtungstreites vgl. § 155 B.
§
154
(-)
I Wird im Laufe eines Rechtsstreits streitig, ob zwischen den Parteien eine Ehe bestehe «der nicht bestehe, und hängt von der Entscheidung dieser Frage die Entscheidung des Rechtsstreits ab, so hat das Gericht auf Antrag das Verfahren auszusetzen, bis der Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe im Wege der Feststellungsklage erledigt ist. II Diese Vorschrift gilt entsprechend, wenn im Laufe eines Rechtsstreits streitig wird, ob zwischen den Parteien ein Eltern- und Kindesverhältnis bestehe oder nicht bestehe oder ob der einen Partei die elterliche Gewalt Uber die andere zustehe oder nicht zustehe, und von der Entscheidung dieser Fragen die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt. A. § 154 bezieht sich auf einen Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe oder eines Kindschaftsverhältnisses; §1541 knüpft damit an §151 an: §154 11 an §153. Die dort genannten Nichtigkeit- und Anfechtungklagen setzen den äußeren Bestand einer Ehe bzw. eines Kindschaftverhältnisses voraus (über den des unehelichen vgl. § B40 C I b), während in den Fällen des Bestehens bzw. Nichtbestehens der Streit gerade um den äußeren Bestand geht. A I. Die Vorschrift gilt nicht, wenn dritte den Bestand bzw. den Nichtbestand einer Ehe anzweifeln. B. Das entsprechende gilt nach § 154 II bei einem Streit um das Bestehen oder Nichtbestehen eines ehelichen Kindschaftverhältnisses (§ 6401). Mit der Mutter besteht dieses auch für uneheliche Kinder (BGB §§ 1705folg.). Ob es mit dem Vater besteht, hängt davon ab, ob man auch im Verhältnis zu ihm den Statusprozeß zuläßt (§640 C I b ; a. M. trotz Zulassung des Statusprozesses: OLG Tübingen NJW 53/1110). C. Voraussetzung der Aussetzung ist hier Präjudizialität (§ 148 B II). Während bei gleicher Prozeßart nach §280 Zwischenfeststellungklage erhoben werden könnte, ist dies in den Fällen des § 154 nicht zulässig. C I. Weitere Voraussetzung ist ein Antrag. Wird er gestellt, so muß der Rechtstreit ausgesetzt werden, gleichviel ob der andere schon anhängig ist oder nicht. Eine Frist zur Klageerhebung wird hier nicht gesetzt, auch ist bei Verzögerung des Prozesses § 155 nicht anzuwenden, weil die Parteien dieselben sind. Wird deshalb auf Herausgabe eines Kindes geklagt, so kann dieser Prozeß nicht nach § 154 II ausgesetzt werden, weil das Kind in ihm nicht Partei ist (RG N § 154/1). Auch darf mit Zustimmung desjenigen, der die Aussetzung beantragt hat, der Streit wieder aufgenommen werden (vgl. Kommentar § 150 C I b).
536
Mündliche Verhandlung
§154
C II. Ist der Rechtstreit bereits anhängig, so darf das Gericht auch von sich aus nach §148 aussetzen; dies gilt dann auch, wenn der Rechtstreit zwischen dritten schwebt; dann ist aber wieder § 155 anzuwenden. C III. Wird der Antrag nicht gestellt, und setzt auch das Gericht nicht nach § 148 aus, so muß es im anhängigen Verfahren über Bestand bzw. Nichtbestand der Ehe bzw. des Kindschaftsverhältnisses selbst entscheiden, soweit es nicht diese hinnehmen muß, wie in der Regel
§ 155
(_)
I In den Fällen der §§ 151 bis 133 kann das Gericht auf Antrag die Anordnung, durch die das Verfahren ausgesetzt ist, aufheben, wenn die Betreibung des Rechtsstreits verzögert wird, der die Nichtigkeit oder die Aufhebung der Ehe oder die Anfechtung der Ehelichkeit zum Gegenstand hat. A. In den Fällen der §§ 151—154 steht dem Gericht die alleinige Entscheidung über die Aussetzung bzw. Aufhebung der Aussetzung grundsätzlich nicht zu. In den Fällen der §§ 151—153 (nicht in dem des § 154) soll das Gericht auf Antrag der Gegenpartei die Aussetzung aufheben, wenn der Streit, dessenwegen ausgesetzt ist, verzögert wird (§ 155). A I. Nimmt dieselbe Partei, welche den Antrag gestellt hat, diesen (durch Widerruf) zurück, so ist ohne weiteres die Aussetzung aufzuheben. A II. Die Gegenpartei kann sich zwar auch in den anderen Streit einschalten, indem sie dort einer Partei als Streitgehilfe beitritt; sie wird dann notwendiger Streitgehilfe i. S. des § 69 (vgl. §§ 636a, 643 1 1) und kann so Einfluß auf den Streit nehmen; doch braucht sie dies nicht zu tun. B. Aber auch wenn der andere Rechtstreit verzögert wird, braucht das Gericht dem Antrag anders als in den Fällen der §§ 1511 2, 152 I 2 i. V. m. § 153 nicht stattzugeben, sofern dieser andere Rechtstreit schon oder noch schwebt, schon weil es dann von sich aus nach § 148 aussetzen könnte. Bei dem herrschenden Amtsbetrieb kann man die Bestimmung nur noch anwenden, wenn es auf das Verhalten der Partei hin zur Verfahrensruhe kommt. (§ 251; a. M. OLG E J u F 52/67, das einen ausgesetzten Unterhaltprozeß, auch wenn die Parteien nichts verschuldet haben, fortsetzt; richtigerweise wäre allerdings nach der hier vertretenen Auffassung der Unterhaltprozeß nicht auszusetzen gewesen, § 154 A I). B I. Über den Antrag muß aber entschieden werden, und zwar durch Beschluß, zu dem eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist (vgl. § 150 C); bei Stattgabe des Antrags hat die beschwerte Partei das Recht der sofortigen Beschwerde (§ 252 in entsprechender Anwendung), bei seiner Ablehnung steht der antragstellenden Partei das Rechtsmittel der Beschwerde offen (§ 252 in entsprechender Anwendung), soweit überhaupt das Rechtsmittel gegeben ist (also nicht bei Beschlüssen der Gerichte vom OLG an aufwärts, § 567 III 1). B II. Bei noch nicht anhängigem Streit ist nach Fristablauf stets aufzuheben (§§ 1511 2, 152 I 2 i. V. m. 153).
§ 1 5 6 (142) I
Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen. A. § 156 gewährt dem Gericht die Befugnis, die geschlossene Verhandlung wieder zu eröffnen. A I. Die Bestimmung setzt voraus, daß eine notwendige mündliche Verhandlung (§ 128 I) stattgefunden hat; war sie freigestellt, so ist das schriftlich Nachgereichte stets noch zu beachten (vgl. § 128 J II d 2), und auch im sonstigen schriftlichen Verfahren gibt es keinen befristeten Verhandlungschluß, sondern er ergibt sich erst durch den Erlaß der Entscheidung (5 128 J II d 2); vgl. aber §§ 251a, 331a.
53?
§156
ZPO I. Buch
A l l . Von der Wiedereröffnung ist begrifflieh die neue Verhandlung zu unterscheiden, etwa wenn inzwischen, also vor (Verkündung) der Entscheidung, ein oder der Richter verstorben oder abberufen ist (RG J W 01/250®), sodann ist eine neue Verhandlung erforderlich. B. Je mehr man in das schriftliche Verfahren hinübergleitet (§ 128 H I b), um so weniger ist es zu rechtfertigen, nachgereichte Schriftsätze nicht zu berücksichtigen. B I . Die h. M. läßt die Wiedereröffnung wegen versäumten Vortrages nicht zu (RG J R 27 B 744). Auf Wiedereröffnunganträge braucht das Gericht nach dieser Auffassung nicht einzugehen (BGH J R 58/344) und ihre stillschweigende Ablehnung nicht zu begründen (RG J W 93/1267). Vom anderen Standpunkt aus sind aber um so schärfere Anforderungen an die Substantiierung in den nachgereichten Schriftsätzen zu stellen (die bloße Behauptung, ein Sachverständigengutachten sei ungenügend, reicht nicht zur Wiedereröffnung aus). Nicht wiedereröffnet werden darf, um der Partei Gelegenheit zu geben, neue Ansprüche zu erheben oder eine Anschlußberufung einzulegen (RG HRR 32/382). B II. Auch von der h. M. aus ist indes die Verhandlung in drei Fällen wieder zu eröffnen. a) Wenn das Gericht nach § 139 hätte aufklären müssen, tatsächlich aber nicht aufgeklärt hat (BGH VersR 59/890). a 1. Nach der h. M. besteht kein Anlaß wiederzueröffnen, wenn die Veranlassung, aufzuklären, sich nicht aus der mündlichen Verhandlung ergeben hat, sondern etwa erst aus dem neuen Parteivorbringen nach der mündlichen Verhandlung (RG J R 27 B 744). b) Auch hat das Gericht die Verhandlung wieder zu eröffnen, wenn die nach § 272 a vorbehaltene Gegenerklärung eine Erwiderung fordert (vgl. dazu aber die entgegenstehende Rechtsprechung in § 272 a A l l ) . c) Ferner ist wieder zu eröffnen, wenn nach Schluß der mündlichen Verhandlung Tatsachen vorgetragen werden, durch die ein Wiederaufnahmegrund dargelegt wird (a. M. BGH v. 29. 10. 1953 IV ZR 79/53). B III. Eröffnet das Gericht die mündliche Verhandlung wieder, so gibt es dagegen keine begründete Rüge (RG Gruch. 58/677). C. Wiedereröffnet wird durch Beschluß des Gerichts, vor dem die Verhandlung stattgefunden hatte (RG J W 97/342'). C I. Die Verhandlung darf dann — bei rügeloaer Einlassung (vgl. sonst § 217 A) sogleich — fortgesetzt werden, wenn die Parteien zugegen sind, andernfalls muß ein neuer Termin abgehalten werden (RGZ 41/377folg.); das Gericht darf auch nicht den Termin auf denselben Augenblick wie die Verkündung ansetzen (RG LZ 32/96211), sondern muß nach der hier vertretenen Auffassung auch in Fällen des § 218 grundsätzlich die Ladungfrist beachten. CII. In der wiedereröffneten Verhandlung ist keine Partei an den Wiedereröffnunggrund gebunden. C III. Die Beschwerde ist gegen die Wiedereröffnung nicht zulässig (OLG Bad. RPr. 13/12); doch darf das Gericht nicht, um die Säumnis einer Partei abwenden zu wollen (anders nach §§335, 337), die Wiedereröffnung der Verhandlung anordnen; in einem solchen Falle darf die erschienene Partei den Beschluß nach § 336 I mit der sofortigen Beschwerde angreifen. D. Wird nicht wiedereröffnet, so ist dagegen unmittelbar kein Rechtsbehelf gegeben. D II. Doch darf mit dem Rechtsmittel gerügt werden, daß die Verhandlung in den Fällen des § 156 B II hätte wiedereröffnet werden müssen, sonst aber nicht nach der h. M. (RGZ 102/260).
§ 157
(143)
I Mit Ausnahme der Rechtsanwälte sind Personen, die die Besorgung fremder Beehtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen. Sie sind auch dann ausgeschlossen, wenn sie
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Mündliche Verhandlung
§ 157 I
als Partei einen ihnen abgetretenen Anspruch geltend machen und nach der Überzeugung des Gerichts der Anspruch abgetreten ist, um ihren Ausschluß von der mündlichen Verhandlung: zu vermeiden. II Das Gericht kann Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen, die nicht Rechtsanwältesind, wenn ihnen die Fähigkeit zum geeigneten Vortrag mangelt, den weiteren Vortrag untersagen. Diese Anordnung ist unanfechtbar. III Die Vorschrift des Abs. 1 ist auf Personen, denen das mündliche Verhandeln vor Gericht durch Anordnung der Justizverwaltung gestattet ist, nicht anzuwenden. Die Justizverwaltung soll bei ihrer Entschließung sowohl auf die Eignung der Person als auch darauf Bücksicht nehmen, ob im Hinblick auf die Zahl der bei dem Gericht zugelassenen Rechtsanwälte ein Bedürfnis zur Zulassung besteht. A I. Die Norm bezieht sich nur auf die mündliche Verhandlung. a 1. Ob darunter auch die freigestellt mündliche (§ 128 G II) gehört, ist umstritten (bejahend Rosenberg Lb. § 44 1 1 a; verneinend Jonas § 157 Anm. II 1 b, weil es hier kein Versäumnisverfahren gebe). Keinesfalls darf aber der schriftliche Vortrag unbeachtet bleiben. a 4. Ob ferner die Verhandlungen, die nicht vor dem erkennenden Gericht (seinem Vorsitzenden, dem Einzelrichter), also vor dem beauftragten oder dem ersuchten Richter stattfinden, hierher gehören, ist ebenfalls streitig (bejahend: Rosenberg Lb. § 44 1 1 a, BaumbachLauterbach § 157 Anm. 2 B; im besonderen für die Beweis Verhandlung: OLG H R R 39/1530,. a. M. OLG J W 33/1426 15 ). Im Beweistermin, in dem ein ausländisches Ersuchen erledigt, werden soll, dürfen die ausländischen Vertreter, die das ausländische Recht zuläßt, nicht zurückgewiesen werden. b) § 157 I, I I I bezieht sich nur auf den sog. Parteiprozeß (§ 79 A). A II. § 157 ist unanwendbar im schriftlichen Verfahren. Ob der nach § 157 I Ausgeschlossene zur Rechtsberatung zugelassen ist oder nicht, ist gleichgültig (RechtsberatungmißbrauchG v. 13. 12. 1935 [RGBl. I 1487] mit DVO; a. M. Baumbach-Lauterbach §157 Anm. 2 B, Eingaben der Nichtkonzessionierten seien unbeachtlich). A IV. Eine Zurückweisung ist ferner im Rahmen des Truppenvertrages Art. 13 unzulässig. Über die zugelassenen Prozeßagenten vgl. § 157 B II a ; über die sonstigen Vertreter vgl. § 79 A I I I d. Der Ausschluß wie die Zurückweisung berührt weder die Stellung des Betroffenen als Partei noch die als Bevollmächtigter, was im besonderen im Zustellungrecht, erheblich ist (§ 176). B. Nicht ausgeschlossen sind und nicht zurückgewiesen werden dürfen indes eine Reihe von Personen in verschiedenem Grade, B I. die Rechtsanwälte; a) eine Vertretung der Partei durch Nichtpostulationiähige ist unzulässig (BRAO § 53 II); nach BRAO § 156 I I soll der Anwalt, gegen den ein Vertretungverbot verhangen ist, zwar zurückgewiesen werden; doch ist die Regel unvollkommen, da Handlungen des Anwalts, gegen den ein Vertretung verbot ergangen ist, voll wirksam sind (BRAO § 155 V). B l l a ) nach §157 I I I die von der Justizverwaltung zugelassenen Prozeßagenten (die Bestimmung ist verfassungmäßig: BVG v. 17.11.1959 — 1 BvB 80/53; über die Rechtsbehelfe vgl. EG GVG §§ 23folg.). b) Nach PatentanwaltsG § 9 I I I sind die Patentanwälte (und ihre Vertreter im Amt), in Patent-, Gebrauchsmuster-, (Geschmacksmuster-), Warenzeichenstreiten (vgl. § 79 A I I I b) zuzulassen. c) Nach MSchG § 12 sind die Vertreter von Hausbesitzer- und Mieterverbänden in Mietaufhebungstreiten, vgl. § 79 A I I I c, zuzulassen; nach VO ZJA v. 27. 7. 1948 (VOB1. BZ 225 in der BZ) auch in einem Aufhebungstreit über Dienst- oder Werkwohnungen die Beauftragten einer Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmervereinigung, der die Partei angehört. d) Nach RechtsberatungmißbrauchG Art. 1 § 3 1 1 sind die Behördenvertreter, etwa nach § 680 V die Vertreter dieser Behörden bzw. der Staatsanwalt in Ehe-, Kindschaft- und Entmündigungstreiten (vgl. § 78 B III a 2) zugelassen. Vgl. im übrigen § 79 A III d.
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e) Verwaltungsrechtsräte nach Preußischem Recht gehören nicht hierher (vgl. § 79 A I l l f 1). f ) Vgl. auch 3. ÄnderungG BEG Art. I I I 16, 17, BEG § 182 in Entschädigungstreiten. C. Nach § 157 1 1 sind Bevollmächtigte (§ 79) und Beistände (§ 90), die nicht zu den in § 157 B erwähnten Personen (mit Ausnahme der Verwaltungrechtsräte) zählen, von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, wenn sie fremde Rechtsangelegenheiten (vor Gericht) geschäftsmäßig besorgen. C I. Jede Angelegenheit, die vor dem Gericht als solchem (nicht vor einer Justizverwaltungstelle) auszutragen ist, ist eine Rechtsangelegenheit i. S. der Vorschrift. a) Fremd ist die Rechtsangelegenheit, wenn jemand als Bevollmächtigter oder Beistand statt als Partei bzw. als ihr gesetzlicher Vertreter auftritt. Darüber, inwieweit eine Partei ausgeschlossen ist, vgl. § 157 C II. b) Geschäftsmäßigkeit deutet auf Selbständigkeit hin, den Gegensatz bildet das Arbeitnehmerverhältnis. b 1. Doch handelt auch der Angestellte des Versicherers, dem der Versicherte die Prozeßführung überträgt, geschäftsmäßig (nämlich an Stelle des Versicherers: OLG J W 37/143 5 46 ), wie auch der Angestellte der genossenschaftlichen Treuhandstelle, dem der Genosse Prozeßvollmacht erteilt (nämlich an Stelle der Genossenschaft, LG Altona J W 37/1436 47 ). Beim Anwalt als Hilfskräfte Beschäftigte (Bürovorsteher, Referendare) werden dagegen nicht zurückzuweisen sein, da sie nicht selbständig handeln und die Geschäftsmäßigkeit des Anwalts erlaubt ist (LG JMB1 NRW 55/877 für Prozeßagenten); doch kann ihr Auftretenlassen s t a n d e s w i d r i g sein. b 2. Geschäftmäßig handelt aber auch der Selbständige nur, wenn er einen Vorteil von seinem Handeln für sich oder einen anderen mittelbar oder unmittelbar erzielt; der Begriff unterscheidet sich deshalb von der Gewerbsmäßigkeit nicht; von dem Begriff des Beruflichen ist der Begriff der Geschäftsmäßigkeit insofern unterschieden, als auch die gelegentliche Tätigkeit, die also nicht unter den Beruf fällt, dazu gehört, wie dies vom LG H u W 48/332, 51/257 beim Hausverwalter angenommen worden ist. C II. § 157 I 2 stellt die Besorgung der fremden Rechtsangelegenheiten den eigenen gleich, wenn damit die Umgehung des § 157 1 1 erreicht werden sollte. a) Die Vorschrift trifft nicht bloß die Partei, sondern auch den Streitgehilfen (KG OLG 40/423). a 1. Vorausgesetzt wird, daß der Anspruch durch Rechtsgeschäft abgetreten wurde (BGB §§ 398folg.); nicht aber der gesetzliche Forderungübergang, das Vollstreckungpfandrecht. b) So wie der nach § 157 1 1 verhinderte Bevollmächtigte sich aber durch eine andere nicht verhinderte Person vertreten lassen darf, so darf auch die nach § 157 I 2 verhinderte Partei sich in der Verhandlung durch eine nicht verhinderte Person vertreten lassen, also im besonderen durch einen Anwalt. C III. Der Ausschluß von der mündlichen Verhandlung tritt nach der Fassung des §157 I kraft Gesetzes ein (LG J W 35/1510 3 i a ). a) Die Fassung des Gesetzes ist indes ungenau. Sie zielt nämlich auf die Postulationsfähigkeit im Parteiprozeß und unterliegt deshalb denselben Normen, denen jene unterliegt (vgl. § 78 A I b). Wird es deshalb übersehen, daß ein Bevollmächitger usw. ausgeschlossen ist und die Instanz durch Endurteil abgeschlossen, so kann in der nächsten Instanz der Mangel der Postulationsfähigkeit nicht mehr vom Gegner gerügt werden (Kommentar § 78 D II). Aber auch die so vertreten gewesene Partei kann in der Rechtsmittelinstanz den Mangel nicht rügen (Kommentar § 78 D II). Ii) Der Ausschluß wird deshalb nur praktisch, wenn er vom AG beachtet wird. Besteht Streit darüber, ob die Voraussetzungen des § 157 I gegeben sind, so wird der Vertreter einst-
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§157
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weilen zuzulassen sein (vgl. § 89 in entsprechender Anwendung). Entschieden wird durch Beschluß, der, da er nach mündlicher Verhandlung ergeht, zu verkünden ist (§ 329 I). b 1. Gewohnheitrechtlich wird gegen den Beschluß der Partei das Recht der (einfachen) Beschwerde (entgegen § 567 I) zugebilligt (LG J W 37/1436 4 8 ; a. M. OLG J W 37/1435 46 ), das der Vertreter in ihrem Namen (nicht aber aus eigenem Recht, weil er kein prozessuales Recht, als Vertreter handeln zu dürfen, h a t : OLG SchlH A 56/203) ausüben darf. b 2. Mit dem Erlaß (§ 329 B I ; nicht erst mit Rechtskraft) des Beschlusses verliert die Partei ihren Postulationfähigen in der mündlichen Verhandlung. Gewohnheitrechtlich wird dann vertagt, wenn die Partei nicht vertreten bzw. nicht selbst erschienen ist, zumindest soweit man der Partei keinen Vorwurf machen kann. C IV. Eine Zwischenentscheidung darüber, ob jemand als Postulationfähiger zugelassen wird, ist unangreifbar (OLG VersR 58/854; vgl. auch § 89 A I I c, aber auch Kommentar § 88 C II b). D. Nach § 157 II darf das Gericht nach seinem Ermessen (es muß es aber nicht tun) — im sog. Partei- (§ 79 A) wie im Anwaltprozeß (§ 78 B) — der Partei, dem (ihr gleichgestellten) gesetzlichen Vertreter, einem Bevollmächtigten oder Beistand im Parteiprozeß (§ 90), die nicht Anwalt und nicht diesem gleichgestellt sind (Kommentar § 157 B I b), den „weiteren" Vortrag untersagen, wenn sie — gleichviel aus welchen Gründen — nicht fähig sind, geeignet vorzutragen. D i a ) Keinesfalls darf der Partei abgeschnitten werden, sich nach § 85 I 2 zu erklären; eine darauf gestutzte Rüge müßte in der Berufung- (wie in der Revision-)instanz Gehör finden. Auch darf einem fremd Sprechenden nicht das Wort entzogen werden, weil er nicht deutsch spricht; vielmehr ist im Parteiprozeß gegebenenfalls ein Dolmetscher hinzuzuziehen (GVG §185); nur in Anwaltprozessen entscheidet das gerichtliche Ermessen darüber, inwieweit etwas zu verdolmetschen ist (GVG § 187 II). b) Als Zurückweisunggründe kommen Trunkenheit, Aufgeregtheit und Unklarheit in Betracht. D II. Ausgesprochen wird die Untersagung durch zu verkündenden Gerichtsbeschluß (§ 329 I), der in bezug auf das ausgeübte Ermessen unangreifbar ist; anders ist es, wenn er nicht die gesetzlichen Voraussetzungen innehält (KG OLG 40/423). Auch darf der Beschluß jederzeit vom Gericht widerrufen werden. Die Zurückweisung f ü h r t zunächst nicht zu einem Versäumnisurteil (vgl. § 158 I 2). § 158
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I Ist eine bei der Verhandlung beteiligte Person zur Aufrechterhaltung der Ordnung von dem Ort der Verhandlung entfernt worden, so kann auf Antrag gegen sie in gleicher Weise verfahren werden, als wenn sie freiwillig sich entfernt hätte. Das gleiche gilt im Falle des § 157 Abs. 2, sofern die Untersagung bereits bei einer früheren Verhandlung geschehen war. A. Im § 158 werden zwei verschiedene Fälle geregelt, der, wo ein an der Verhandlung Beteiligter aus der Verhandlung entfernt wurde, und der, wo ihm das Verhandeln nach § 157 II untersagt wurde. § 158 1 1 knüpft an GVG §§ 177, 178 an. Danach dürfen Parteien (und die ihnen gleichgestellten gesetzlichen und gewillkürten Vertreter und Beistände), Zeugen, Sachverständige (nicht aber Rechtsanwälte und die diesen Gleichgestellten) zur Aufrechterhaltung der Ordnung entfernt werden. Nach § 158 1 1 darf bei dieser zwangsweisen Entfernung das Gericht so verfahren, wie wenn sich die Personen freiwillig entfernt hätten. A I. Daraus ist folgendes für die Fälle des § 157 — mit Ausnahme der des § 157 II (vgl. dazu § 158 A I b) — zu schließen: a) im sog. Farteiprozefi (§ 79 A) darf im Verhandlungtermin gegen die entfernte Partei nur, wenn sie nicht mehr vertreten ist, eine Versäumnisentscheidung ergehen (§§ 330, 331, 331a, 333) und auch nur, wenn sie nicht schon wenigstens teilweise verhandelt h a t t e (§334).
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Auch ist der Antrag des Gegners erforderlich, und das Gericht muß die Säumnieentscheidung für angemessen halten. An Stelle einer solchen Prozeßbeendigung darf das Gericht aber auf Kosten des Entfernten vertagen (§§95, 102, 380, 402); eine Beschwerde gegen die Vertagung auf bestimmte Zeit haben die Parteien nicht. Werden beide Parteien hinausgewiesen, so darf nach §251a verfahren werden. a 1. Die Entfernung eines gewillkürten Vertreters ist unschädlich, wenn die (postulationsfähige) Partei anwesend ist. a 2. In einem reinen Beweistermin werden die Beweise in Abwesenheit der Partei aufgenommen (§ 367), sie verliert praktisch ihr Fragerecht; werden die zu vernehmende Partei und ihr gesetzlicher Vertreter entfernt (§§ 445folg.), so muß vertagt werden, wenn das Gericht nicht auf eine verweigerte Aussage schließen darf. Die Folgen, wenn Zeugen und Sachverständige entfernt werden, ergeben sich aus §§ 380, 409 und dürfen hier auch ohne Antrag durch das Gericht ausgesprochen werden. Die Partei darf aber deswegen noch nicht ihres Beweismittels beraubt werden. Im Anwaltprozeß verliert die Partei bzw. ihr gesetzlicher Vertreter durch die Entfernung nur die Möglichkeit der eigenen Äußerung, was nach § 137 i. V. m. § 85 I 2 bedeutsam ist. Säumnisfolgen treten hier nicht ein. b) § 158 I 2 bezieht sich nur auf den Fall, daß einer Partei (bzw. ihrem Vertreter) der mündliche Vortrag nach § 157 II untersagt worden ist. Hier muß zunächst vertagt werden. In der oder einer späteren Verhandlung muß dann demselben das Wort verstattet und aus demselben Grund nach § 157 II entzogen werden, bevor die Partei als säumig behandelt werden darf. Nach der hier vertretenen Auffassung muß dann die Ladungfrist (§217 A I ) selbst dann gewahrt werden, wenn der Termin verkündet wird (§ 218). b 2. Die Verhandlungen brauchen nicht unmittelbar aufeinander zu folgen. A II. Die gleiche gerichtliche Besetzung bei beiden Untersagungen wird nicht verlangt. Immer aber muß sie sich gegen dieselbe Person richten; wird sie gegen eine andere Person ausgesprochen, so ist erneut zu vertagen (§ 158 I 2).
§ 159 I II
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Ober die mündliche Verhandlung vor dem Gericht ist ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll enthält: 1. den Ort und den Tag der Verhandlung; 2. die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des etwa zugezogenen Dolmetschers; 3. die Bezeichnung des Rechtsstreits; 4. die Namen der erschienenen Parteien, gesetzlichen Vertreter, Bevollmächtigten und Beistände; 5. die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist.
A I . Die Zivilprozeßordnung unterscheidet: a) die gerichtlichen Protokolle und versteht darunter nur die über die Verhandlung mit den Beteiligten, nicht die über Beratung und Abstimmung (GVG §§ 192folg.). a 1. Zu den gerichtlichen Protokollen gehören die über die mündliche Verhandlung innerhalb einer Sitzung (die Sitzungniederschriften); a 2. die außerhalb der Sitzung, in denen Vorgänge vor dem Amtsrichter, dem beauftragten oder ersuchten Richter beurkundet werden; b) die nicht richterlichen Protokolle, zu denen b 1. die derllrkundsbeamten der Geschäftstelle zählen. Die Protokolle sind (schriftliche) Urkunden, die in einer (verständlichen, regelmäßig der deutschen) Sprache aufgenommen worden sein müssen. Der Wortlaut der Erklärung braucht nicht vom Urkundsbeamten zu stammen
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§159
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{der Urkundsbeamte hat die Erklärung nur entgegenzunehmen); auch braucht er die Erklärung nicht selbst (eigenhändig) niederzuschreiben. Das Protokoll muß der Urkundbeamte unterschreiben und es muß ergeben, daß der Inhalt der Urkunde, der die Erklärung eines anderen Menschen enthalten muß, vor dem Urkundsbeamten abgegeben worden ist. Aus der Unterschrift muß sich die Nämlichkeit des Urkundbeamten ergeben. Wird die Erklärung vor einer anderen Geschäftstelle abgegeben, so wird sie erst mit dem Zugang bei der zuständigen prozessual wirksam. Die Erklärung kann mündlich (nach Jonas und Schönke § 159 Anm. I c auch fernmündlich; dagegen aber: RGSt. 38/282) oder auch schriftlich (durch Übergabe einer Schrift) gegeben werden, auch darf der sich Erklärende die Erklärung selbst niederschreiben. Festgestellt werden aber muß, wer die Erklärung abgegeben hat. Weiterhin muß festgestellt werden, wem gegenüber die Erklärung abgegeben werden soll. Weitere Erfordernisse bestehen nicht. Doch wird regelmäßig der Tag der Aufnahme der Erklärung zu beurkunden sein. Auch sollte man stets den sich Erklärenden unterschreiben lassen. Man sollte ihm auch die Erklärung vorlesen und von ihm genehmigen lassen; überhaupt sollte man die Vorschriften des FGG §§ 176folg. beachten. b 2. Die zweite Gruppe nichtrichterlicher Protokolle sind die Zustellungurkunden. b 3. Die dritte Gruppe nichtrichterlicher Protokolle sind die der Gerichtsvollzieher bei Vollstreckunghandlungen. A I I . Die gerichtliche Verhandlungniederschrift ist eine öffentliche (§ 415 C I), schriftliche Urkunde über die Vorgänge (regelmäßig die Erklärungen) in einer Verhandlung. Aber auch die übrigen Verhandlungniedersehriften sind öffentliche Urkunden mit Ausnahme der über Zustellungen von Anwalt zu Anwalt. Über Protokollberichtigung vgl. § 159 B II a. a) Die gerichtlichen Verhandlungsniederschriften (§ 159 A I) sind eine besondere Form der gerichtlichen Beurkundung. a 1. Wo das außerprozessuale Recht für die Abgabe von (außerprozessualen) Erklärungen die Beachtung dieser Form vorschreibt, ist sie durch eine solche Verhandlungniederschrift gewahrt (RGZ 129/43). Diese Form geht sogar in den Fällen des § 794 1 1 noch über die der sonstigen guarantigierten Urkunden (§§ 794 I 5, 800, 800a) hinaus, wie sie eine besondere Aufnahme der Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung nicht fordert. Nur wo Erklärungen vor bestimmten Behörden abzugeben sind, damit sie wirken, kann die gerichtliche Beurkundung nicht die andere Form ersetzen, wie bei Eheschließungen (RGZ 48/183), wohl aber wenn landesgesetzlich sonst etwa die Notare ausschließlich zu Beurkundungen berufen sind (RGZ 48/183). a 2. Wenn aber auch in dieser Form außerprozessuale Erklärungen wirksam werden, so werden sie damit doch nicht Prozeßerklärungen, sondern bleiben außerprozessual (Kommentar § 38 B II e 1, § 128 C I I I b 3). Ist die prozessuale Form nicht gewahrt, so kann die Erklärung, wenn sie nach außerprozessualem Recht formlos abgegeben werden darf, voll wirken (RG Warn. 09/294). b) Die Erklärung zu richterlichem Sitzungprotokoll ersetzt die zu der Verhandlungniederschrift außerhalb der Verhandlung und beide die Form der Erklärung zu Protokoll der Geschäftstelle (OLG 29/136; a. M. RG Gruch. 38/175). Schließlich wird auch die letzte Form durch einfache Schriftform ersetzt (Kommentar § 79 C I b). b 1. Die Zustellungform (§ 159 A I b 2) wird dagegen nicht durch die gerichtliche Beurkundung ersetzt, soweit sie nicht der Urkundsbeamte (bzw. der Notar) vornehmen darf. Doch wird bisweilen die Zustellung durch die Verkündung ersetzt, wie in den Fällen der §§ 218, 329, aber nur, soweit dies ausdrücklich gesetzlich geregelt worden ist. b 2. Die Vollstreckunghandlungform (§ 159 A I b 3) wird niemals durch die gerichtliche Beurkundung ersetzt (sofern die Vollstreckung nicht durch das Gericht bewirkt wird, also), soweit der GV tätig wird. B. § 159 I schreibt für jede mündliche Verhandlung (gleichviel, ob sie freigestellt war oder nicht) die Niederschrift zwingend vor. Dies gilt auch für das Verkünden und auch, wenn beide Parteien nicht erscheinen.
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§159
ZPO I. Buch
B I. In den Fällen des § 160 I I 1—4 muß die Niederschrift sogleich, d. h. noch in der mündlichen Verhandlung angefertigt werden, wie aus § 162 folgt (nachträgliche Anfertigung wäre hier, wo Vorlesung vorgeschrieben ist, Fälschung, OLG J W 32/115 5 ); doch braucht sie auch in diesen Fällen nicht schon in der mündlichen Verhandlung vollzogen zu werden, wie sich auch aus § 163 I I ergibt. In den anderen Fällen darf sie auch nachträglich hergestellt werden (a. M. OLG J W 32/115). Die nach Schluß der mündlichen Verhandlung beantragte Protokollierung darf zurückgewiesen werden (RG Seuff. 58/300); doch werden bisweilen in der Praxis auch Vorgänge außerhalb der mündlichen Verhandlung niedergeschrieben; insoweit liegt kein Sitzungprotokoll mehr vor. B II. Für die Abfassung des Protokolls ist der Vorsitzende bzw. der ihn nach § 163 I I Vertretende verantwortlich. Er darf das Protokoll einem Protokollführer, von dessen Zuziehung er absehen darf (§ 163 III), diktieren. Schreibt aber ein anderer als der Hauptverantwortliche den Verhandlungvorgang nieder, so ist er mitverantwortlich. Meinungverschiedenheiten zwischen dem Haupt- und dem Mitverantwortlichen sind kenntlich zu machen (keiner von beiden braucht zu unterschreiben, falls die Meinungverschiedenheit nicht zum Ausdruck kommt). a) Die nachträgliche Berichtigung des Protokolls ist in den Fällen des § 319 stets (vgl. R G Gruch. 45/1119), und soweit eine nachträgliche Anfertigung zulässig ist (also abgesehen von den Fällen des § 160 I I 1—4), auch darüber hinaus zulässig (RGZ 149/312), und zwar zeitlich unbegrenzt, soweit noch die Erinnerung reicht. a 1. Ob auch noch dann, wenn ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist, berichtigt werden darf, ist zweifelhaft. Stützt sich der Rechtsbehelf auf das Protokoll, so darf nach BGHSt. N J W 52/432 3 0 nicht mehr gegen die Rüge berichtigt werden (BGH N J W 58/1237 hat das Nachholen der Unterschrift unter einem Verkündungprotokoll noch nach Erhebung der Verfahrensrüge zugelassen). Wird mit dem Rechtsbehelf eine Rüge erhoben, die nicht das Protokoll für sich hat und wird dann berichtigt, so hat OGHZ 1/286 die Berichtigung gelten lassen. Die Rüge, daß ein Protokoll fehlt oder mangelhaft ist, ist nur dann erheblich, wenn auf dem Fehler das Urteil beruht (RG J W 05/233 14 ), also wenn der Fehler nach der ursprünglichen Fassung des Protokolls besteht; wahrt das Urteil selbst aber die Förmlichkeiten, so kann die Rüge nicht darauf gestützt werden, daß das Protokoll darüber nichts enthält (RG W a r n . 27/88). Auch ist es nach der hier vertretenen Auffassung gleichgültig, ob eine Entscheidung verkündet oder bloß mitgeteilt, wird (§ 160 B VI). a 2. Eine Berichtigung in den Fällen des § 160 II 1—4 ist — abgesehen vom Fall des §319 — nur angängig, wenn sämtliche Beteiligte zustimmen (vgl. OLG J W 27/1169 1 1 : nach vorheriger Anhörung der Beteiligten). Nur die fehlende Unterschrift des Urkundsbeamten wird entsprechend § 163 I I I nicht erforderlich sein, wenn nur der Hauptverantwortliche berichtigt (RGZ 164/360). b) Wird die Protokollberichtigung sachlich abgelehnt, so ist die Entscheidung unanf e c h t b a r (OLG JMB1. N R W 52/249, vgl. §319 II); wird dagegen eine Berichtigung als unzulässig abgelehnt, so ist dagegen Beschwerde zulässig (KG KGB1. 27/38), ist aber die Berichtigung (weil etwa ein nach § 160 I I 1—4 Beteiligter nicht zustimmt) unzulässig, so ist die Beschwerde unbegründet. b 1. Über die Berichtigung entscheiden nur die bei der Beurkundung Beteiligten (nach R G N § 159/1 nur der Vorsitzende nach Anhörung des Urkundbeamten; jedenfalls nicht das Gericht). Im Verhinderungfalle des Urkundbeamten darf der Vorsitzende allein berichtigen (RGZ 164/360), im umgekehrten Falle sein Vertreter bzw. der Urkundbeamte, vgl. § 163 A I a . Abgesehen davon scheitert die Protokollberichtigung schon, wenn nur einer der Beteiligten (Vorsitzender oder Urkundsbeamter: OLG J R 51/378) sie ablehnt. b 2. Keine Protokollberichtigung liegt aber vor, wenn die Parteien nachträglich ihre Erklärung ändern wollen. c) Wird das Protokoll nach § 319 berichtigt, so steht der Gegenpartei die sofortige Beschwerde nach § 319 II in entsprechender Anwendung zu, was allerdings gerade vor den
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O L G wegen des § 567 I I I bedeutunglos ist. Auch wird man ihr eine Rüge im Rechtsmittelverfahren dahin geben müssen, daß keine offenbare Unrichtigkeit vorlag und deshalb eine solche auch nicht berichtigt werden konnte. Der Auslegung durch die höhere Instanz ist das Protokoll stets unterworfen ( B G H N J W 58/711). e 1. I n Fällen, die darüber hinausgehen, ist dieses Verfahren nicht durchführbar. C. § 159 I I bestimmt die wesentlichen Förmlichkeiten der Sitzungsniederschrift. Sind sie niedergeschrieben, so k o m m t es zur Beweiswirkung des § 1 6 4 ; fehlen Angaben, so gilt § 164 derart, daß sie nicht anderweit ergänzbar sind. C I . Anzugeben sind im Protokoll, daß die Sache zur Verhandlung aufgerufen wurde ( R G W a r n . 25/139) und daß mündlich verhandelt wurde (OLG ZZP 3 3 / 2 8 6 ; nach O L G Seuff. 65/226 aber nicht, ob dies i. S. des § 333 geschah). C II. Die besonderen Förmlichkeiten legt § 159 I I ¡est. a ) Fehlen Ort und T a g der Verhandlung, so wird immerhin nachgewiesen, daß an irgendeinem Ort im Gerichtsinland und zu irgendeiner zurückliegenden Zeit mündlich verhandelt worden ist. b) Nach § 159 II 2 sind die Namen der R i c h t e r zu beurkunden; die Unterschrift des Richters ersetzt seine Benennung im T e x t ( R G Z 50/16). Auch die Unterschrift des mitwirkenden Urkundsbeamten (sofern er mitwirkt, vgl. § 1 6 3 111) genügt; wirken mehrere i m Nacheinander mit, so muß jeder Urkundsbeamte den Teil, wo er mitgewirkt h a t , unterschreiben und seinen E i n t r i t t kenntlich machen. § 159 I I 2 schreibt ferner vor, daß ein hinzugezogener Dolmetscher (GVG § § 1 8 5 f o l g . ) genannt werden muß. . I n dem Falle der Mitwirkung des Staatsanwalts ist der Name des mitwirkenden aufzuführen. c ) Weiterhin muß nach § 159 II 3 der R e c h t s t r e i t gekennzeichnet sein. d) Ferner ist nach § 159 II 4 der Name der Erschienenen anzugeben, und zwar der Name der Parteien, der Streitgehilfen, der gesetzlichen Vertreter, der gewillkürten Vertreter und der Beistände. Soweit die Nämlichkeit aktenkundig oder gerichtsbekannt ist, genügt aber die kurze Bezeichnung mit der Parteistellung. Über den Begriff des gesetzlichen Vertreters vgl. § 51 D, über den des Prozeßbevollmächtigten § 78 A I I , über den des Beistandes § 9 0 A ; die Feststellung, daß die Vertreter bevollmächtigt worden sind, fällt nicht unter § 164 ( R G Z 129/37). e) Schließlich ist nach § 159 II 5 noch anzugeben, ob öffentlich oder nicht öffentlich verhandelt worden ist ( R G Z 157/341 [343]). B e i einer nicht öffentlichen Verhandlung h a t R G D J 38/467 die Beurkundung, daß kein Nichtbeteiligter anwesend war, nicht als ausreichend angesehen. Doch ist dies im Zivilprozeß überspannt. F e h l t die Angabe, so wird man davon auszugehen haben, daß öffentlich verhandelt worden ist, wie dies i m Zivilprozeß die Regel ist. B e i einer Protokollberichtigung in bezug auf die Öffentlichkeit h a t B G H N J W 5 8 / 7 1 1 trotz erhobener Rüge frei gewürdigt.
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I
Der Gang der Verhandlung ist nur im allgemeinen anzugeben.
II
Durch Aufnahme in das Protokoll sind festzustellen: 1. die Anerkenntnisse, Verzichtleistungen und Vergleiche, durch die der geltend gemachte Anspruch ganz oder teilweise erledigt wird; 2. die Anträge und Erklärungen, deren Feststellung vorgeschrieben i s t ; 3. die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen sowie die Aussagen der Partei im Falle ihrer Vernehmung; bei einer wiederholten Vernehmung braucht die Aussage nur insoweit in das Protokoll aufgenommen zu werden, als sie von der früheren a b w e i c h t ; 4 . das Ergebnis eines Augenscheins; 35
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 1 6 0 Ii
ZPO I. Buch
5. die Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts, sofern sie nicht dem Protokoll schriftlich beigefügt sind; 6. die Verkündung der Entscheidungen. III Der Aufnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, die dem Protokoll als Anlage beigefügt und in ihm als solche bezeichnet ist. A. § 160 befaßt sich mit dem Inhalt der Sitzungsniederschrift. A I. Nach § 160 I ist der Gang der Verhandlung nur im allgemeinen anzugeben. Die Vorschrift ist, soweit sie nicht durjh § 160 I I I ausgefüllt wird, eine Sollvorschrift. A II. Was über §§ 159 II, 160 II hinausgehend in das Protokoll aufzunehmen ist, steht im Ermessen des Gerichts (wie dies im sog. Parteiprozeß § 510a II ausdrücklich hervorhebt). Der Vortrag einer auswärtigen Beweisaufnahme (§ 285 II), der der erstinstanzlichen Entscheidung und Beweisverhandlung im Berufungverfahren (§ 526) und im Revisionverfahren (§ 566) sollten stets protokolliert werden (die Unterlassung verstößt nach RG Seuff. 61/97 gegen § 164). Jedenfalls ist die Tatsache, daß die Partei auf Antrag selbst das Wort erhalten hat (§ 137 IV, RG J W 04/493 19 ), zu protokollieren (und nicht bloß im Tatbestand zu bringen), nicht aber notwendigerweise das, was sie ausgeführt hat, und ebenso ist die Tatsache zu protokollieren, daß rechtliches Gehör gewährt worden ist (RGZ 107/142 [144]). Dagegen darf ein Hinweis aus § 139 auch im Tatbestand protokolliert werden (RG N § 160/7). B. Nach § 160 II sind die folgenden Ereignisse von Gerichts wegen aufzunehmen: sie fallen unter § 164 (a. M. für § 160 II 1—5: KG J W 37/83232, 38/207); doch dürfen die Förmlichkeiten der Beweisaufnahme, im besonderen die der Beeidigung der Zeugen (RG Seuff. 61/97), der Sachverständigen und der Parteien (RG J W 05/23314) auch durch den Tatbestand der Entscheidung nachgewiesen werden; die Beratung wird überhaupt nicht protokolliert (RGSt. 17/287). B I. Zu protokollieren sind das Anerkenntnis (§ 307), der Verzicht (§ 306). Nach der hier vertretenen Auffassung gehören hierzu auch die Rechtsmittelverzichte (vgl. § 514, a. M. OLG DRZ 49/448). Ferner ist der Vergleich in der Form des § 794 11 zu protokollieren. Die (teilweise) Klagerücknahme gehört nicht hierher (RG JW 96/3692). a 2. Wird ein Vergleich unter Widerruf geschlossen, so ist diese Bedingung in das Protokoll aufzunehmen; ist sie nicht aufgenommen, so ist der Vergleich sofort vollstreckbar, §794 1 1; dennoch kann sie aber auch ohne Protokollierung im selben Verfahren geltend gemacht werden, wie dies bei dem angefochtenen Vergleich der Fall ist (vgl. § 794 C IV d). b) Soweit indes auch außerprozessuale Erklärungen im Prozeß wirksam abgegeben werden, sind sie von der prozessualen Wirksamkeit nicht abhängig. b 1. An Stelle eines prozessual unwirksamen Anerkenntnisses oder Verzichts kann — bei Wahrung der Schriftlichkeit — ein außerprozessuales Anerkenntnis (BGB § 781) abgegeben werden, und zwar bei Vollkaufleuten auch ohne Wahrung der Schriftform durch mündlichen Vertrag (HGB §350); an Stelle eines prozessual unwirksamen Verzichts kann ein formloser Erlaßvertrag nach BGB § 397 gegeben sein. b 2. Auch der nicht wirksame Prozeßvergleich kann außerprozessual wirksam werden (§ 159 A II a 2). c) Die sich aus der außerprozessualen Erklärung ergebende Wirkung muß aber gegebenenfalls im selben Prozeß, zur prozessualen Entscheidung gebracht werden (vgl. RGZ 142/1); doch verlangt bei Streit über Inhalt und Tragweite des Vergleichs einen neuen Prozeß BGH NJW 55/705 (vgl. § 794 C IV d). B II. Die nach § 160 II 2 in die Niederschrift aufzunehmenden Anträge betreffen nur Sachanträge (§261 b B III a 1); nicht Prozeßanträge. Im Anwaltsprozeß (§ 78 I) müssen sie in Schriftsätzen oder einer Anlage zum Protokoll (§297 II), im sog. Parteiprozeß (§79 A) dagegen im Schriftsatz vorhanden sein oder unmittelbar im Protokoll festgestellt werden (§ 510 a I). Verstöße dagegen sind unschädlich, wenn die Anträge im Protokoll fehlen, aber in den Tatbe-
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stand der Entscheidung aufgenommen werden (RG Gruch. 41/177); bei Widerspruch zwischen Protokoll und Tatbestand geht aber das Protokoll vor (§§31313,31412). Weiterhin sind in die Niederschrift die Erklärungen aufzunehmen, deren Feststellung vorgeschrieben ist, also nach §2981 noch nicht schriftsätzlich fixierte, wesentliche Erklärungen und nach §298 II auf Antrag Geständnisse (§2881) und Erklärungen über Anträge auf Parteivernehmungen; im sog. Parteiprozeß (§ 79 A) ist ferner das Geständnis auch ohne Antrag nach dem Ermessen des Gerichts (§ 508 II 3) wie stets die nach § 500 mündlich erhobene Klage in das Protokoll aufzunehmen. Schließlich ist auch die Zeugnis- und Gutachtenverweigerung, die vor einem beauftragten oder ersuchten Richter erklärt wird, niederzuschreiben (§§ 389 I, 402, 372 a II). Aber auch in diesen Fällen ersetzt der Tatbestand der Entscheidung regelmäßig das Fehlen im Protokoll. B III. Nach § 160 II 3 sind in das Protokoll die Erklärungen der Beweismittel aufzunehmen. Der Vermerk des Berichterstatters genügt dem nicht (OGH MDR 50/417). a) Soweit schriftlich ausgesagt werden darf (§§ 377 III, IV, 411), erübrigt sich die Protokollierung. Soweit die mündliche Aussage von dem Schriftlichen nicht abweicht, genügt die Feststellung, daß sich der Zeuge u. dgl. m. zu der aktenkundigen (nicht unterschriebenen) Äußerung (Aufzeichnung) bekannt hat (RGZ 149/286). Auch brauchen Äußerungen nicht protokolliert zu werden, auf die es nicht ankommt (RGZ 150/330 [336]). b) Die Feststellung im Protokoll wird in dem Fall des § 161 ersetzt durch die im Tatbestand. Weicht die Protokollierung von den Feststellungen in der Entscheidung ab, so gilt das Protokoll (§164, RGZ 13/418 [421]). c) Nicht protokolliert zu werden braucht ferner die Parteierklärung nach §§ 85 I 2, 137 IV (RGZ 149/63), 141 (BGH NJW 51/110); BGH JZ 51/719 hat dies auch für § 619 ausgesprochen. Die zu protokollierenden Beschlüsse über abgelehnte Fragen der Parteien an die Beweismittel (§§ 397 III, 402, 451) fallen unter § 160 II 5. B IV. Weiter sind nach § 160 II 4 die Ergebnisse eines Augenseheins (§ 372) niederzuschreiben, d. h. die Sinneswahrnehmung ist wiederzugeben, und zwar ohne weitere Rechtschlüsse (RG JW 02/588»), § 161 ist hier nicht entsprechend anwendbar (RG J W 96/320 3 ; a. M. BGH J R 53/144). B V. Nach § 160 II 5 sind die gerichtlichen Entscheidungen aller Art in das Protokoll zu nehmen, sofern sie nicht dem Protokoll schriftlich beigefügt werden. B VI. Nach § 160 II 6 muß die Verkündung einer Entscheidung im Protokoll festgestellt werden. a) Die Feststellung der Verkündung ist eine nach § 164 wesentliche Förmlichkeit (RGZ 148/151 [153]). b) Da indes die Entscheidungen nicht mehr notwendigerweise verkündet zu werden brauchen, werden sie auch ohne Verkündung existent (vgl. §§ 310 II, 187). C. Die Anlage zum Protokoll ist sein Bestandteil (§ 160 III), sie bildet mit ihm eine Einheit, auch bezüglich der Beweiskraft (RG JW 07/146 28 ). Eine Protokollanlage liegt aber nur vor, wenn im Protokoll auf sie verwiesen wird (RGSt. 25/248). Auch sollte auf der Anlage ihre Zugehörigkeit zum Protokoll gekennzeichnet werden; Unterlassen ist hier aber insoweit unschädlich (BGHZ 10/327), wie Zweifel dadurch nicht entstehen. C I. Soweit eine Protokollanlage gefertigt ist, ist es gleichgültig, ob etwas im Protokoll oder in seiner Anlage steht. Schriftsätzliche Parteierklärungen sind aber regelmäßig keine Anlagen zum Protokoll (RG J W 03/65'), gelten aber nach § 137 III als vorgetragen (RG N § 160/4), wenn sie als Anlage dem Sitzungprotokoll beigefügt werden. Andererseits macht die bloße Überreichung eines schriftlichen Vergleichs diesen nicht zum prozeßrechtlichen in der Form des § 794 1 1, selbst wenn er als Anlage zum Protokoll genommen wird (RG JW 34/93 5 ). C II. Die stenografische Niederschrift wird als Anlage beigefügt (§163a). 35*
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§ 161
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I Die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen sowie die Aussagen einer vernommenen Partei brauchen nicht in dem Protokoll festgestellt zu werden, wenn die Vernehmung vor dem Prozeßgericht erfolgt und das Endurteil der Berufung nicht unterliegt. In diesem Falle ist in dem Protokoll zu vermerken, daß die Vernehmung stattgefunden hat. A. § 1 6 1 ist eine Ausnahmevorschrift zu § 1 6 0 1 1 3 (nicht zu § 1 6 0 1 1 4 ) ; sie gilt also nur bei Zeugen- (§§ 373folg.), Sachverständigen- {§§ 402folg.) und Parteivernehmungen (§§ 445folg., vgl. § 160 B I I I b), aber nicht bei der Augenscheineinnahme (§ 160 B IV). Die bloße Aufzeichnung ist bei wechselnden Richtern als nicht vorhanden anzusehen (RG J W 39/43 4 3 8 ) und kann auch nicht urkundenbeweislich gewertet werden; der Parteiverzicht hierauf ist unwirksam (RG J W 39/434; a. M. R G H R R 40/1258, wenn der Vermerk des Berichterstatters urkundenbeweislich verwendet wird, und B / H sländig); jedenfalls tritt der Verstoß erst bei Urteilsfällung hervor, so daß er zuvor nicht gerügt zu werden braucht (RG J W 58/1538). Doch muß in der Rechtsmittel-(Revision-)instanz dieser Mangel gerügt werden (RGZ 151/249). Auch nach Aufhebung und Zurückverweisung eines Urteils durch die Revisioninstanz müssen die Beweise neu erhoben werden (RGZ 146/348 [354]), jedenfalls wenn aus formellen Gründen, m. a. W., wenn auch das zugrunde liegende Verfahren aufgehoben wird, was in den Revisionurteilen meist nicht mehr gesagt wird (a. M. B G H Z 3/321); dies ist aber gerade dann besonders bedeutsam, wenn wie nicht selten Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung durcheinandergehen. B. Anwendbar ist das Verfahren in der Berufung- und in der Kevisioninstanz, in der ersten Instanz nur, wenn gegen die Entscheidung keine Berufung zulässig ist (§ 510 c). E n t sprechend anwendbar ist die Vorschrift in den Fällen der freigestellten mündlichen Verhandlung, sofern keine Beschwerde zulässig ist (vgl. §§ 567 I I I , 568 I I , I I I ) . Ergänzungen des Protokolls durch den Tatbestand sind von R G N § 161/3, § 161/1 zugelassen worden. B I. Die Anwendung das § 161 steht im freien Ermessen des Gerichts. Voraussetzung muß aber sein, daß sich alle beteiligten Richter an den Vorgang noch erinnern. Notizen des Berichterstatters sind üblich und werden bisweilen auch den Parteien mitgeteilt; haben sie nichts zu beanstanden, so ist nichts dagegen zu sagen, wenn sie als allgemeines Erinnerungbild protokolliert werden (RG Warn. 37/34 läßt dies selbst dann nicht zu). Sind aber Anstände erfolgt, so kann es nur auf die Erinnerung der Mehrheit der Richter ankommen, nicht auf die des Berichterstatters allein. Keinesfalls dürfen solche Notizen urkundenbeweislich verwendet werden (vgl. § 161 A). B II a) Die Tatsache der Vernehmung der Zeugen oder der Sachverständigen oder der Partei unter Angabe ihrer Nämlichkeit muß im Protokoll festgestellt werden (a. M. B G H v. 28. 11. 1955 I I Z R 203/54 S. 24). Fehlt diese Feststellung, so ist aber ein Angriff nur mit der Begründung wirksam, daß das Beweismittel tatsächlich nicht vernommen worden ist, nicht aber, daß es anders ausgesagt habe. b) Zu beurkunden ist der wesentliche Inhalt (RG J W 37/35 1 7 alles, was nach vernünftigem Ermessen erheblich sein könnte); die Angabe, daß die Zeugen „im wesentlichen" ihre frühere Aussage bestätigen, genügt nicht (RGZ 157/341 [348]), auch nicht dasselbe in bezug auf das schriftlich Gebrachte eines mündlich vernommenen Sachverständigen (RG D R 39 B 391). Nur wenn die Beweiserhebung überflüssig war, braucht nichts protokolliert zu werden (OGHZ 2/232). Im übrigen gilt für die Protokollierung das, was zu § 160 I I 3 ausgeführt worden ist (RG H R R 36/1543). Die Bezugnahme auf den Vermerk des Berichterstatters ist zulässig, wenn er den Parteien zuvor mitgeteilt und von ihnen nicht beanstandet worden ist (vgl. § 161 B I). Ebenso darf auf eine vom Zeugen selbst niedergelegte Äußerung verwiesen werden, wenn sie seiner mündlichen Vernehmung entspricht (RG H R R 36/1671). c ) Protokolliert werden muß im Urteil (RG H R R 32/1508), regelmäßig in seinem Tatbestand (§ 313 I I 3 ; RGZ 151/239 [250]). Wird die Aussage indes in die Gründe aufgenommen, so genügt auch dies, soweit man auch die tatsächliche Feststellung in den Gründen gelten
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9 1 6 1 B II c
läßt (vgl. § 313 B I I I a 1), also hier soweit klar zwischen Aussage und ihrer Würdigung unterschieden wird (BArbG AP 161/2). In geschlossenem Zusammenhang braucht die Aussage nicht gebracht zu werden (RG H R R 36/1543; auch kann sie nach BGH v. 26. 1. 1951 I ZR 57/50 zum Teil im Tatbestand, zum Teil in den Gründen gebracht werden, was aber bedenklich ist). C. Fehler können entweder durch Tatbestandberichtigung oder durch Rechtsmittelrüge behebbar sein. C I. Die Berichtigung der so festgestellten Aussage ist nach § 320 zulässig (RGZ 149/312 folg.). C II. Bei begründeten Rechtsmittelrügen wird in der Berufunginstanz die Vernehmung wiederholt, in der Revisioninstanz aufgehoben und zurückverwiesen. Fehlen die Beurkundungen im Protokoll wie im Tatbestand, so greift die Rüge durch, sofern ausgeführt wird, daß darauf das Urteil beruht (BGH v. 26. 1. 1951 1 ZR 57/50), also nicht, wenn der Verstoß die Grundlagen der Entscheidung nicht berührt (BGH J R 52/104).
§ 162
(148)
I Das Protokoll ist insoweit, als es die Nr. 1 bis 4 des § 160 betrifft, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsieht vorzulegen. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß dies geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben sind. A. In den Fällen des § 160 II 1—4 muß das Protokoll verlesen oder zur Durchsicht vorgelegt werden (§ 162 1 2 ) ; im Falle des § 163 a ist nur Verlesung zugelassen (§ 163a I 2). Daß verlesen oder zur Durchsicht vorgelegt worden ist, ist im Protokoll festzustellen (§ 162 I 2) und nur durch es zu beweisen (§ 164). A I. Wird zur Durchsicht vorgelegt, so muß dies jedem einzelnen Beteiligten gegenüber geschehen (nicht etwa bloß dem, der ausgesagt hat); beteiligt sind eine jede Partei und jeder Streitgehilfe, Zeugen und Sachverständige nur, soweit ihre Aussage betroffen wird oder im letzten Falle soweit sie sich ein Bild von dem, was jemand bekundet hat, machen sollen. A II. Verlesen ist das Schriftstück aber schon, wenn dies eine Partei getan hat (RG J W 08/720 20 ). Lautes Diktieren ersetzt die Verlesung nicht (vgl. aber § 295). Nicht verlesen zu werden braucht denen, die sich zuvor entfernt haben. H a t dies aber der Aussagende getan, so ist seine Vernehmung noch nicht beendet (OLG J W 32/115; daß Urkundsbeamter und Richter noch nicht unterschrieben haben, schadet dagegen nicht). Soweit sich die zu verlesende Erklärung in einer Anlage findet, ist auch sie zu verlesen. B. Nach Verlesung bzw. Durchsicht ist der Inhalt zu genehmigen und dies im Protokoll festzustellen (§ 162 I 2). B II. Die Genehmigung bezieht sich nur auf die Richtigkeit der Wiedergabe. C I. Betrifft der Verstoß eine Erklärung, die von einer Partei (einem Streitgehilfen) ausgeht und die nicht unter die Parteivernehmung fällt, so macht die fehlende Verlesung bzw. die fehlende Vorlegung zur Durchsicht die Niederschrift ungültig (RG J W 37/1701 2 ). K o m m t es in diesen Fällen indes zu einem (Anerkenntnis- bzw. Verzicht-)Urteil, so h a t es Bestand, sofern es nicht durch ein Rechtsmittel beseitigt wird, doch genügt hierzu die Rüge, daß nicht formgültig anerkannt bzw. verzichtet ist. Der Vergleich wird dagegen ohne Beachtung der Form niemals Prozcßvergleich, d. h. im besonderen nicht Vollstreckungtitel. C II a) Betrifft der Verstoß Beweisergebnisse, also die Erklärungen der Zeugen, der Sachverständigen und der Parteien in der Parteivernehmung (§ 161 I 3), nicht bei der bloßen Anhörung, § 160 B I I I c, so kann auf die Verlesung bzw. die Durchsicht nach § 295 von allen Beteiligten (RGZ 12/438) bis auf den Aussagenden verzichtet werden. e) Betrifft der Verstoß die Augenscheineinnahme (§ 160 II 4), so ist der Rügeverlust nur derart denkbar, daß das Protokoll nachträglich den Beteiligten (in Abschrift) übermittelt worden ist und die Parteien nunmehr nicht rügen.
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§ 163
(149)
I Das Protokoll ist von dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben. II Ist der Vorsitzende verhindert, so unterschreibt für ihn der älteste beisitzende Richter. Im Fall der Verhinderung des Amtsrichters genügt die Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. III Von der Zuziehung eines Protokollführers kann nach Bestimmung des Vorsitzenden abgesehen werden. A. Das Protokoll ist vom Vorsitzenden oder seinem Vertreter (§ 163 II) und, falls ein Urkundbeamter hinzugezogen worden ist (vgl. § 163 III), auch von diesem handschriftlich zu unterschreiben (RGZ 46/375 [377]). Über die Frage, bis wann ein Protokoll herzustellen ist, vgl. § 159 B I, über die der Protokollberichtigung § 159 B II. A I. Ohne Unterschrift des Vorsitzenden (oder seines Vertreters) hat es keine Beweiskraft (RGZ 148/153); doch wird jetzt eine Entscheidung auch ohne Verkündung existent (vgl. § 310 II). a) Ist der Vorsitzende verhindert, so unterschreibt der älteste Beisitzer (§ 163 I I 1), ist auch dieser verhindert, so der nächstfolgende, und ist jeder Richter verhindert, so ist § 163 I I 2 entsprechend anzuwenden; es genügt; wie stets, wenn der Einzelrichter tätig wird (auch der nach §§ 348folg., das Gesetz nennt nur den Amtsrichter), im Falle seiner Verhinderung die Unterschrift des Urkundbeamten. Vgl. § 159 B I I a 1. b) Die Verhinderung kann rechtlicher (Abberufung) wie tatsächlicher Art (Krankheit, Urlaub) sein. Die Tatsache der Verhinderung (und am besten auch ihr Grund) ist im Protokoll anzugeben. A II. Ist ein Urkundsbeamter hinzugezogen, so muß er das Protokoll auf eigene Verantwortung unterschreiben; auch kann der Vorsitzende nicht nachträglich das Protokoll allein fertigen; denn die Möglichkeit, von der Heranziehung eines Urkundbeamten Abstand zu nehmen (§ 163 III), besteht nur vor der Verhandlung oder auch in der Verhandlung für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit. Abzusehen ist hier nur von dem Fall, wo das Protokoll selbst auch noch nachträglich angefertigt werden darf (vgl. § 159 B I, also nicht in dem Fall des § 160 I I 1—4). a) Ist indes der Urbundbeamte verhindert, so gilt § 163 I I 2 entsprechend, d. h. es genügt, daß der Vorsitzende unterschreibt (RGZ 164/359). B. Nach § 163 I I I darf der Vorsitzende von der Hinzuziehung eines Urkundbeamten nach seinem Ermessen absehen. Im Falle der stenografischen Aufnahme der Protokollanlage nach § 163a darf indes § 163 I I I nicht angewandt werden (§ 163a I 2). B I. Sieht der Vorsitzende von der Hinzuziehung eines Urkundbeamten ab, so ist er der Protokollführer, doch ist § 163 I I 1 nach dem hier vertretenen Standpunkt entsprechend anzuwenden. Ein besonderer Vermerk darüber braucht nicht aufgenommen zu werden. B II. Die Vorschrift gilt auch, wenn auBerhalb der Sitzung protokolliert wird (§165; RGZ 114/1). §
163 a
( - )
I Niederschriften größeren Umfanges, insbesondere über die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen und über das Ergebnis eines Augenscheins, können in einer gebräuchlichen Kurzschrift als Anlage des Protokolls (§ 160 Abs. 3) aufgenommen werden. In diesem Falle ist die Anlage stets den Beteiligten vorzulesen und allein von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterzeichnen. § 162 Satz 2 ist anzuwenden. Nach Beendigung des Termins ist unverzüglich eine Übertragung der Anlage des Protokolls in die gewöhnliche Schrift anzu-
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§ 163 a i
fertigen und von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu beglaubigen. Die Übertragung tritt für das weitere Verfahren an die Stelle der Anlage. II
Der Nachweis der Unrichtigkeit der Übertragung ist jederzeit zulässig.
A. Nach dem Ermessen des Vorsitzenden darf der Inhalt von Erklärungen in einer gebräuchlichen Kurzschrift aufgenommen werden. A I. Die kurzschriftliche Niederschrift wird zur Protokollanlage. A II. In diesem Falle muß ein Urkundbeamter die Niederschrift aufnehmen und sie allein handschriftlich unterschreiben (§ 163 a I 2), und sie muß auch verlesen werden (§ 163a I 2 ; Vorlegung zur Durchsicht genügt nicht, vgl. § 162 A). Die Tatsache der Verlesung wie die Genehmigung und die erhobenen Einwendungen gehören in Kurrentschrift in das Protokoll (§§ 1 6 3 a I 3, 162 I 2). Nach der hier vertretenen Ansicht darf das Kurzschriftprotokoll auch vom Richter aufgenommen werden (Kommentar § 1 B IV b 3 ; a. M. B G H Z 14/381); soweit ist also § 163 I I I entsprechend anzuwenden. B . Nach Beendigung des Termins soll die Kurzschrift übertragen werden. B I. Regelmäßig (aber nicht notwendigerweise) geschieht dies durch den Urkundsbeamten, der die Kurzschrift aufgenommen hat. Was sich nicht mehr übertragen läßt, ist auszulassen; die Auslassung ist kenntlich zu machen (§ 419 ist dann anzuwenden); die Richtigkeit (und Vollständigkeit) der Übertragung ist zu bescheinigen, die Bescheinigung handschriftlich vom Übertragenden in Person zu unterschreiben (dies meint § 163 a I 4 unter dem Begriff der Beglaubigung). B II. Auch die Übertragung wird Protokollanlage (§ 163 a I 5), ohne daß die Kurzschrift diesen Charakter verliert. Soweit aber Abschriften zu machen sind, tritt die Übertragung an die Stelle der Kurzschrift. B III. Fehler in der Übertragung (aber nur diese) sind mit allen Beweismitteln zu beweisen, im übrigen gilt § 164.
§ 164
(150)
I Die Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. A. § 164 gibt eine Beweisrcgel für das Protokoll. A I. E r trifft nur die für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten. b) Inwieweit indes Vorgänge nur durch das Protokoll oder auch durch den Tatbestand festgestellt werden dürfen, ist gewohnheitsrechtlich im Einzelfall abgegrenzt worden. Die Versuche, allgemein abzugrenzen, sind nicht gelungen. A II. Soweit § 164 zutrifft, gibt es keine freie Beweiswürdigung nach § 286. Auch gelten bezüglich der Förmlichkeiten nicht die §§ 415, 418 (RGZ 146/133 [143], auch nicht § 415 I I etwa dahin, daß die tatsächlich verlesenen Anträge einen anderen Inhalt gehabt hätten, a. M. OLG 23/137). a) Aber auch soweit § 164 nicht reicht und etwas zu Protokoll beurkundet worden ist, was nicht beurkundet zu werden brauchte, kann nicht der Gegenbeweis zu dem positiv Protokollierten (§ 160 I I 1—4) durch den Tatbestand der Entscheidung geführt werden (§ 314 I 2, RGZ 162/337 [340]). Ist deshalb ein Schriftsatz als Anlage zum Protokoll genommen worden, so darf ihn der Tatbestand nicht als nicht vorgetragen unberücksichtigt lassen (RG N § 164/4).
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§164
AU a
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Doch ersetzt der Tatbestand die Auslassungen des Protokolls, soweit sie in ihm nicht zwingend vollständig zu beurkunden sind (RG J W 27/1931 13 ). b) Im übrigen beweist aber auch die unterlassene Beurkundung im Protokoll und im Entscheidungtatbestand, daß der Vorgang sich nicht zugetragen hat, auch wenn überhaupt kein Protokoll angefertigt worden ist (RG J W 15/592 26 ); da die Verkündung nicht in den Tatbestand gehört, muß sie also stets im Protokoll nachgewiesen werden. Bin Beweis, daß die protokollierte Entscheidung nicht verkündet oder s t a t t des Urteils ein Beschluß verkündet sei, ist also unzulässig (RGZ 107/143, vgl. dazu § 3 1 0 C ; im arbcitsgcrichtlichen Verfahren der ersten und der zweiten Instanz ist die Tatsache der nach ArbGG §§ 60 II, 64 I I I erforderlichen mündlichen Eröffnung der Entscheidunggründe zu protokollieren: BArbG v. 13. 4. 56 I AP § 319/3). Doch erlangt nicht mehr wie früher eine Entscheidung nur durch Verkündung ihre Existenz (vgl. § 160 B VI b). Auch ist § 419 anzuwenden (OLG J W 30/3865 6 ). B. Die Beweisregel des § 164 wird eng abgegrenzt. B I. Soweit sie nicht reicht, gilt die freie Beweiswürdigung (§286; OLG J W 30/3865®}. B II. Auch gelten die Beweisregeln nur innerhalb desselben Verfahrens (RGSt. 59/19), nicht wenn über den Gang der Verhandlung in einem anderen Verfahren gestritten wird (RG Gruch. 39/997), wohl aber soweit für diesen anderen Prozeß § 68 anzuwenden ist. B III. Gegen die Beweisregel des § 164 ist nur der Gegenbeweis der Fälschung zulässig. Unter dieser versteht die h. M. das bewußt falsch Niedergeschriebene oder die bewußte Verfälschung, nicht fahrlässige Unrichtigkeit (RGZ 142/383 [388]). Von einem Strafurteil (das den Zivilrichter nicht binden würde, EG § 14 11) ist der Nachweis der Fälschung nicht abhängig; hierfür ist vielmehr jedes Beweismittel zugelassen, und es gilt insoweit auch freie Beweiswürdigung (§ 286 D). Hält aber ein Gericht einen Vorgang, der tatsächlich geschehen ist, nicht für beurkundungnotwendig, obwohl er es ist, so gilt er als beurkundet, wenn er anderweit als geschehen festgestellt wird; in diesem Falle genügt also die Auskunft der Urkundspersonen an Stelle des Protokolls; doch muß das Geschehen unzweifelhaft sein. Widerspricht sich das Protokoll selbst, so wird nichts erwiesen, soweit der Widerspruch geht (RGSt. H R R 34/83); aber auch das Protokoll ist auszulegen, und zwar seinem Sinne nach (RGSt. J W 32/421 25 ). RGSt. 27/169 h a t bei Streichung und Unterpunkten nichts gelten lassen. B IV. Allerdings kann mit der Revision nur dann auf eine fehlende Förmlichkeit zurückgegriffen werden, wenn zugleich behauptet wird, daß sie nicht gewahrt worden ist; denn sonst ist sie für den Erlaß der Entscheidung nicht erheblich (OGHZ 1/235); dies muß auch für absolute Revisiongründe gelten.
§ 165 (151) I Zu den Verhandlungen, die außerhalb der Sitzung vor Amtsrichtern oder vor beauftragten oder ersuchten Richtern stattfinden, ist ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle gleichfalls zuzuziehen. A. § 165 regelt die Verhandlungsniederschriften, die „außerhalb der Sitzung" des erkennenden Gerichts vor Amtsrichtern, beauftragten oder ersuchten Richtern zu fertigen sind. A I. Hierzu gehören die in den §§ 296, 361, 362, 372, 375, 389, 398, 400, 402, 405, 434, 479, 486, 492, 607, 609, 619, 640, 645 folg., 654, 675 erwähnten sowie die Abnahme des Offenbarungseides (vgl. RGSt. J W 27/2141 4 9 ). A II. In diesen Fällen sind §§ 159—163 a anzuwenden, auch § 163 I I I (RG v. 17. 5. 1926 IV E 114/1, OLG München BayZ 27/98); nur § 164 gilt nicht. Die Beweiskraft des Protokolls richtet sich vielmehr ausschließlich nach §§ 415, 418.
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Verfahren bei Zustellungen Zweiter Titel Verfahren bei Zustellungen I. Zustellungen auf Betreiben der Parteien
§ 166 (152) I
Die von den Parteien zu betreibenden Zustellungen erfolgen durch Gerichtsvollzieher.
II In dem Verfahren vor den Amtsgerichten kann die Partei den Gerichtsvollzieher unter Vermittlung der Geschäftsstelle des Prozeßgerichts mit der Zustellung beauftragen. Das gleiche gilt in Anwaltsprozessen für Zustellungen, durch die eine Notfrist gewahrt werden soll. A I. Auf Betreiben der Parteien (§ 78 C I I c) werden nur noch zugestellt: a) die Urteile (§ 317) einschließlich der Kostenfestsetzungbeschlüsse, die auf das Urteil gesetzt worden sind (§ 105). a 2. Ausgenommen sind aber sämtliche (auch klageabweisenden) Urteile in Ehe- (§ 625) und Familienstandssachen (§ 640 I, zu denen die der unehelichen Kinder gehören, wenn man sie für Statussachen hält, vgl. § 644 B): diese werden von Gerichts wegen.zugestellt. b) Ferner werden auf Betreiben der Parteien zugestellt: die Beschlüsse im Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren, durch die ein Arrest bzw. eine einstweilige Verfügung angeordnet worden ist (§§ 922 II, 936), wie die Pfändung- und Überweisungbeschlüsse (§§ 829 II 1, 835 I I I , 846, 857, 930, 936), ferner die Vollstreckungklauseln im Fall des § 750 II, sowie die dort wie die in §§ 751 II, 756, 765 genannten öffentlichen Urkunden, die Vergleiche nach § 794 1 1; die vollstreckbaren Urkunden nach §794 1 5 ; die Verzichte nach §843 und die Vorpfändungen nach § 845. c) Der Schiedsspruch wird nach den Vorschriften über die Zustellung auf Betreiben der Parteien, aber von dem Schiedsrichter zugestellt (§ 1039). A II. Alles übrige wird im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht zugestellt. a) Die Zustellung a 1. ist dort nicht erforderlich, wo die formlose Mitteilung genügt oder die durch eingeschriebenen Brief. In den Fällen nach §§ 261 b II, 496 IV, wo ebenfalls formlose Mitteilung vorgeschrieben ist, gilt noch eine besondere Zugangregel. a 2. Darüber hinaus gibt es indes auch Vorgänge, die dem Gegner nicht mitgeteilt zu werden brauchen bzw. nicht mitgeteilt werden dürfen. Zum ersten gehört etwa im Beschwerdeverfahren die Zustellung der Abschrift der Beschwerdeschrift an den Gegner (vgl. § 573 B); zum letzten das Verbot der Mitteilung der zurückgewiesenen Arrest- und einstweiligen Verfügung- und Pfändunganträge — §§ 922 III, 936, 834. b) Im übrigen gilt das Amtsverfahren bei der Zustellung, gleichviel ob eine gerichtliche oder eine von den Parteien abgegebene Erklärung zugestellt oder mitgeteilt werden soll. b 2. Doch dürfen die Schriftsätze (nicht auch die Ladungen) auch unmittelbar von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden (§ 198 I 2—4). A III. DieZustellung von Gerichts wegen an Stelle der auf Betreiben der Partei wie umgekehrt ist nichtig (vgl. RG J W 02/182®). Nur in den Fällen des § 198 I 2 wird man die Zustellung durch den Anwalt auch dann gelten lassen müssen, wenn sie durch das Gericht hätte geschehen sollen. Dann muß aber die Mitteilung, welche das Gericht mit der Zustellung verbinden sollte, dem Anwalt besonders zugestellt werden. A V b) Über den GV als Vollstreckungsorgan vgl. GVG § 154 B II. Er ist Beamter, nicht (bloßer) Beauftragter der Partei (RGZ 48/409f.). b 1. Für die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher ist seine Berufung durch den Staat entscheidend (ist ein nicht qualifizierter berufen, so bleiben seine Handlungen doch wirksam). Die Zustellung durch den örtlich unzuständigen Gerichtsvollzieher ist unschädlich. Nichtig
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§166A
vbl
ZPO I. Buch
sind nur die Handlungen, soweit der Gerichtsvollzieher zur Vornahme sachlich nicht befugt ist (vgl. RG HRR 37/1216), im besonderen bei Zustellung im fremden Hoheitgebiet (bei Exterritorialen). Über den nach GVG § 155 verhinderten Gerichtsvollzieher vgl. GVG § 155 A. C. Die Prozeßordnung regelt die inländischen Zustellungen. C I. Für inländische Zustellungen gelten GVG §§ 160, 161 in ganz Deutschland ( B R D , D D R und Westberlin). C II a ) Es entspricht inländischem Gewohnheitsrecht, ausländischen Zustellungersuchen stattzugeben, wobei es grundsätzlich nicht auf den Willen der Empfänger abzustellen ist und Ersatzzustellungen zulässig sind. D. Zustellung ist die beurkundete Übergabe einer Schrift in gesetzlich bestimmter Form (RGZ 124/22f.). Wann noch eine Zustellung vorliegt, wann nicht mehr, das ist gewohnheitrechtlich bestimmt worden. Der Einwand, trotz Zustellung habe eine Partei keine Kenntnis erhalten, bleibt grundsätzlich unbeachtet (RGZ 87/412f.), gibt aber möglicherweise, wenn dadurch Notfristen unverschuldet versäumt werden, einen Wiedereinsetzunggrund ab (vgl. § 2 3 3 II). D I. Die formlose Mitteilung (abgesehen von § 187) ist keine Zustellung (RG J W 03/176 1 1 ), ebenso ist das Einwerfen in den Briefkasten keine (RGZ 6/341 f.) oder, wenn eine nichtige Ersatzzustellung den Empfänger tatsächlich erreicht (RGZ 34/392 [394]). Dabei können diese Mitteilungen durchaus außerprozessual wirken (etwa als Kündigung); soweit prozessual eine Zustellung gefordert wird, ist sie wirkunglos. D II. Das Zustellungsverfahren ist ein besonderes Verfahren, das sich von dem Prozeß als solchem abhebt. a 1. Ist die Verfallrensruhe angeordnet (§§ 251, 251a II), so wirkt dies im gerichtlichen Verfahrensabschnitt (kurz Prozeß genannt) wie eine Aussetzung. Auf das Zustellungverfahren ist die Anordnung schlechthin einflußlos. Zwar laufen auch hier nicht die gewöhnlichen Fristen, selbst wenn deren Lauf von der Zustellung abhängt; es laufen aber die Notfristen, die Berufung- und die Revisionbegründungfristen (§§ 251 1 2, 233 I). Darüber, daß die Wiedereinsetzungfrist läuft und ob sie eine Notfrist ist, vgl. § 234 A I. a 2. Aber auch durch Aussetzung oder Unterbrechung des Prozesses wird die Zustellung nicht gehindert. Dies zeigt § 250. b) Wenn aber auch das Zustellungverfahren stets zulässig ist, so fragt es sich dann doch, inwieweit im ruhenden, ausgesetzten oder unterbrochenen Verfahren die Fristen laufen bzw. inwieweit überhaupt noch von einer wirksamen Zustellung gesprochen werden darf. b 1. Stirbt die (prozeßfähige) Partei oder fällt der (für sie prozeßfähige, nämlich der) gesetzliche Vertreter weg (§§ 241folg.) und hat die Partei keinen Prozeßbevollmächtigten (§ 246) oder hat sie einen, geht aber in Konkurs (§ 240), so wird nicht nur der Prozeß unterbrochen, sondern auch das Zustellungverfahren. Dasselbe gilt im Anwaltsprozeß (§ 78 I) für den Fall, daß der (postulationsfähige) Anwalt wegfällt (§ 244); der Wegfall eines sonstigen Prozeßbevollmächtigten ist dagegen kein Unterbrechunggrund für den Prozeß. Dies gilt auch für das Zustellungverfahren, da mit dem Wegfall des Prozeßbevollmächtigten § 176 nicht mehr anzuwenden ist, weil es für dieses auf den Zeitpunkt der Zustellung ankommt. Nur der Wegfall des Anwalts im Anwaltprozeß zieht auch die Unterbrechung des Zustellungverfahrens nach sich (RG Gruch. 41/1172), soweit nicht dann einem anderen prozeßbevollmächtigten Anwalt zugestellt werden kann (etwa dem der unteren Instanz für den weggefallenen Anwalt der oberen, vgl. § 210 a A l l e 3) oder der Partei unmittelbar in entsprechender Anwendung des § 177. Vgl. dazu auch § 87 A I I b. Der Wegfall eines sonstigen Prozeßbevollmächtigten (vgl. § 87 A I I a) macht, wenn die Kündigung wirksam geworden, die Zustellung an den alten Prozeßbevollmächtigten nichtig. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. Zwischenzeitliche Zustellungen sind nur wirksam, wenn sie vor Wirksamwerden der Kündigung zugegangen sind. U. U. muß hier also die unverschuldet falsch bewirkte Zustellung wiederholt werden. Dagegen wird durch den Tod des Antragstellers (Auftraggebers) das Zustellungverfahren nicht unterbrochen (die dem Gerichtsvollzieher gegebene Vollmacht ist postmortal).
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Verfahren bei Zustellungen
§ 1 6 6 D Ii h i
Handelt es sich aber um einen Unterbrechunggrund bezüglich der durch die Zustellung gegen den Zustellenden laufenden Frist, also im besonderen um den Wegfall des Anwalts nach § 244 im Anwaltprozeß, so wird das Verfahren, soweit es zu Lasten des Zustellenden geht, unterbrochen, wie umgekehrt der Fristenlauf bei Wegfall der Zustellung nach § 244 unterbrochen wird. Das Zustellungverfahren ist also doppelgesichtig und insoweit anders als das Prozeßverfahren, bei dem Unterbrechung, Aussetzung und Verfahrensruhe in gleicher Weise wirken, gleichviel ob der Grund in der Person der Partei, derenwegen die Unterbrechung usw. eintritt, gegeben ist oder nicht. Anders ist dies nur, soweit eine Frist nur durch Zustellung an den Zustellenden gewahrt werden kann (vgl. § 207 A), hier muß notwendigerweise auch der Wegfall des Zustellenden den Fristenlauf unterbrechen bzw. den Beginn des Fristenlaufs verhindern, weil der Zustellungadressat fehlt. b 2. Die Aussetzung dagegen ist für das Zustellungverfahren als solches bedeutunglos. Die trotz dessen vorgenommene Zustellung ist nicht wirkunglos, sondern wirkt als Zustellung. Doch wirkt die Aussetzung (etwa die nach § 246) auch noch nach Beendigung der Instanz auf den Fristenlauf ein (§ 249 I). Diese Einwirkung hindert die Zustellung also nicht. b 3. Bei der Verfahrensruhe gilt das Entsprechende wie bei der Aussetzung, nur daß durch sie der Fristenlauf gewisser Fristen (vgl. § 251 B I) überhaupt nicht beeinträchtigt wird c ) Andererseits nimmt das Zustellungverfahren den ProzeB als solchen hin (es kann nicht den Prozeß korrigieren). Deshalb löst die ordnungsmäßige Zustellung an einen im Prozeß aufgetretenen Vertreter auch hier den Lauf der prozessualen Fristen, im besonderen der Notfristen, aus, selbst wenn der Vertreter keine Vollmacht hatte, weil dies im Prozeß nicht beachtet worden ist. Eine Disposition der Parteien über die Ingangsetzung und den Lauf der Notfristen gibt es nicht (vgl. §295 11; RG J W 36/2709"); das Entsprechende gilt für Zustellungen, welche die formale Vorbedingung für die Vollstreckung und/oder vollstreckungrechtliche, rechtsbegründende Akte bilden (vgl. §829 für Pfändungpfandrechte). e 1. Ist dagegen der angebliche Vertreter noch nicht im Verfahren aufgetreten, so ist sein Auftreten im Zustellungverfahren davon abhängig, ob er Vollmacht hat oder nicht. Hatte er noch keine Vollmacht, so wirkt die Genehmigung des Adressaten rückwirkend nur, soweit die Partei eine Frist abkürzen darf (§ 224 I, also nicht bei Notfristen), sonst erst entweder von der Genehmigung ab entsprechend § 187 (und nur in diesem Falle), andernfalls gar nicht (vgl. R G Gruch. 38/1220). Die Genehmigung vollmachtlosen Handelns durch den Zustellenden ist dagegen schlechthin nichtig, weil eine z. Z. der Zustellung wirkunglose Handlung nicht durch spätere (regelmäßig dem Gegner unbekannt bleibende) Ereignisse beseitigt werden darf. Gelangt aber das Schriftstück in den unmittelbaren Besitz des Zustellungempfängers, so wirkt die Zustellung von da ab, sofern nicht durch die Zustellung eine Notfrist in Lauf gesetzt werden sollte (§ 187). Tritt allerdings der Auftraggeber für den Empfänger nicht erkennbar hervor, so wirkt die Zustellung auch, wenn sie später genehmigt wird, weil der Zustellungbeamte als Bevollmächtigter dessen gilt, den er als Auftraggeber anführt (vgl. §§ 167, 755). c 2. Soweit es sich nicht um die Ingangsetzung von Notfristen handelt, sind § 187 einerseits und § 295 I andererseits anzuwenden; beide Vorschriften decken sich nicht, da nach § 295 I auf Zustellungsmängel verzichtet wird, auch wenn das zu überlassende Schriftstück nicht in den unmittelbaren Besitz des Zustellungempfängers gerät. Hier wirkt der Verzicht, der sonst ex tunc wirkt, wenn es nicht um Notfristen und ihre Einhaltung geht, nicht zurück (RGZ 99/140). In bezug auf Notfristen gibt es solche Wirkungen überhaupt nicht, weil § 295 I nur angewandt werden darf, soweit die Parteidisposition gilt (§ 295 I I ) . c 3. Die auBerprozessualen Wirkungen, die schon durch den Zugang, u. U. auch durch Genehmigung des Handelns eines vollmachtlosen Vertreters entstehen, sind ausschließlich nach außerprozessualem Recht (BGB §§ 177folg.) zu beurteilen. D III. Bei der Zustellung entscheidet der Wille des Beamten, nicht aber der des Zustellungempfängers; nur bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt darf nach h. M. der Empfänger die Zustellung ablehnen (darüber vgl. § 198 A I b 1). Der Zustellungbeamte muß
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§ 1 6 4 IM Ii
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alles tun, damit ordnunggemäß zugestellt wird; von Störungen muß er die ihn beauftragende Stelle unverzüglich benachrichtigen (RGZ 91/179 [184]). E. Der Urkundbeamte darf nach § 16® II von der Partei angerufen werden, die Zustellung zu vermitteln. E I. Im sog. Parteiprozeß (vgl. § 79 A) darf die Partei (bzw. ihr gesetzlicher Vertreter) oder ihr Bevollmächtigter den Gerichtsvollzieher unter Vermittlung der Geschäftsstelle des Gerichts mit der Zustellung beauftragen. Über die Art der Zustellung entscheidet sodann die Geschäftstelle nach Zweckmäßigkeit (RGZ 46/323f.). E II. Im Anwaltprozeß (§ 78 I) muß die Geschäftstelle in allen Fällen das Ersuchen des Anwalts (oder der Partei, da kein Anwaltzwang herrscht, § 167 A) ablehnen, soweit sie nicht von Gerichts wegen zustellen muß. Gibt sie dem Ersuchen aber statt, so wird dadurch kein Zustellungmangel begründet (RGZ 47/397), doch kann hier auch § 207 II nicht mehr angewandt werden. E III, Der Urkundbeamte der Geschäftstelle gilt nur als Übermittler des Antrags, jedenfalls nicht als Beauftragter (vgl. für die Beamten der Gerichtsvollzieherverteilungstelle RGZ 79/216f.) oder gar als ihr verantwortlicher Vertreter nach § 232 II. Der Urkundsbeamte der Geschäftstelle handelt als Beamter (RGZ 79/216f.) und ist nach der h. M. „deshalb" nicht an die Weisungen der Partei bezüglich der Zustellungart gebunden (RG J W 00/179), jederfalls braucht er eine an sich zulässige Zustellungart, die er in die Wege geleitet, nachträglich nicht mehr zu ändern (RGZ 46/323f.). Aber auch er muß alles dazu tun, um die Zustellung ordnunggemäß bewirken zu lassen. Hatte deshalb der Anwalt nicht die zu übergebenden Abschriften beglaubigt, so muß er es t u n (a. M. RG J W 00/117) und auch der GV muß es tun (RG J W 00/119). F. Gegen Zustellungverweigerung hat die Partei Rechtsbehelfe. F I. Lehnt der Urkundsbeamte die Vermittlung der Zustellung ab. so hat die Partei die Erinnerung nach § 576 I, I I I und gegen die Entscheidung des Prozeßgerichts die einfache Beschwerde (§§ 567 folg.). Doch wird sie in Eilfällen, da sie es kann, auch unmittelbar die Zustellung veranlassen müssen (vgl. BGB § 839 III). F II. Lehnt der GV die Zustellung ab, so hat die Partei gegen ihn die Erinnerung nach § 766 in unmittelbarer bzw. entsprechender Anwendung. Der GV darf die Zustellung nicht u m des Inhalts des Schriftstückes willen ablehnen (KG [West] J R 49/151). Wird die Erinnerung zurückgewiesen, so ist — wenn es nur um die Zustellung geht — die einfache Beschwerde, wenn es auch u m die Vollstreckung geht, die sofortige (§ 793) gegeben. Auch darf dann die Zustellung durch Vermittlung der Geschäftstelle versucht werden (die damit auch die Post ersuchen kann), soweit die Geschäftstelle dazu nach § 166 II legitimiert ist. F III. Lehnt ein anderer Zustellungbote ab, so bleibt nur die Dienstaufsichtbeschwerde; gegen die Ablehnung eines Gerichtswachtmeisters gibt es so wenig einen Rechtsbehelf wie gegen die durch die Post. Allerdings darf in diesen Fällen stets wieder auf den GV zurückgegriffen werden.
§ 167
(153)
I Die mündliche Erklärung einer Partei genügt, um den Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Zustellung, die Geschäftsstelle zur Beauftragung eines Gerichtsvollziehers mit der Zustellung zu ermächtigen. II Ist eine Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher bewirkt, so wird bis zum Beweis des Gegenteils angenommen, daß sie im Auftrag der Partei erfolgt sei. A. Das Zustellungverfahren unterliegt nicht dem Anwaltzwang (vgl. § 78 I). Auch im Anwaltsprozeß (§ 78 I) darf deshalb die Partei selbst Zustellungauftrag erteilen oder auch
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Verfahren bei Zustellungen
§ 167 A
an Stelle ihres Prozeßbevollmächtigten ein anderer Bevollmächtigter (RGZ 17/392 [403]), sofern er Vollmacht der Partei (RGZ 52/367) oder von einem Prozeßbevollmächtigten der Partei hat. A I. Soweit für den Zustellungempfänger die Partei als Auftraggeber erkenntlich ist (RGZ 17/411 [414]) genügt ihre spätere Genehmigung, solange sich nicht der Zustellungempfänger auf die Vollmachtlosigkeit des Vertreters bezogen h a t ; dies gilt auch dann, wenn die Geschäftstelle ohne Weisung der Partei und sogar ohne Zuständigkeit nach § 166 I I die Zustellung vermittelt (RGZ 47/397 [400]). a) Der Zustellungwille wird, wie § 167 II ergibt, vermutet. b) Nicht wirksam zustellen kann die durch einen gesetzlichen Vertreter vertretene und zu vertretende Partei, solange ihre Einwirkung auf den Prozeß ausgeschlossen ist (vgl. § 51 A II b 1). Im übrigen braucht der für die Zustellungsaufgabe Bevollmächtigte nicht prozeßfähig zu sein (er kann also im besonderen anders als im Prozeß — § 79 A I — auch minderjährig sein, vgl. BGB § 165), weil sich das Zustellungverfahren außerhalb des gerichtlichen Prozeßverfahrens abspielt und insoweit schon außerprozessuales Recht gilt. A II. Für den Zustellungantrag selbst ist keine besondere Form vorgeschrieben (§ 167 I); auch braucht keine Vollmacht des Zustellenden nachgewiesen zu werden (es gelten §§ 80, 88 hier nicht), sondern für den Gerichtsvollzieher gilt der Einsender eines zuzustellenden Schriftstücks als zur Weitergabe des Zustellungantrags an ihn legitimiert (§ 167 II in entsprechender Anwendung). A III. Daß auch der Gerichtsvollzieher dem Zustellungempfänger seinen Auftrag nicht nachzuweisen braucht, besagt § 167 I I ausdrücklich. Der ihn beauftragenden Partei muß dagegen der Gerichtsvollzieher im Streitfalle (bei Gebühreneinziehung) den Antrag nachweisen. B. Soweit außerprozessuale Folgen an die Zustellung geknüpft werden, gilt § 167 nicht. Im besonderen wird der Zustellungwille für eine Kündigung nicht vermutet (BayObLG NS 15/516).
§ 168
(154)
I Insoweit eine Zustellung unter Vermittlung der Geschäftsstelle zulässig ist, hat diese einen Gerichtsvollzieher mit der erforderlichen Zustellung zu beauftragen, sofern nicht die Partei erklärt hat, daß sie selbst einen Gerichtsvollzieher beauftragen wolle; in Anwaltsprozessen ist die Erklärung nur zu berücksichtigen, wenn sie in dem zuzustellenden Schriftsatz enthalten ist. A I. Die Geschäftstelle hat die gesetzlich bestimmte Vertretungmacht für die Partei nach §§ 508 I, 699 I mit der Maßgabe, daß sie ihr durch Parteierklärung entzogen werden kann, solange der Zustellungantrag noch nicht in den Geschäftsgang gegeben ist. A II. Die Bestimmung des § 168 letzter Halbsatz bezieht sich auf § 166 II 2. Da es einen solchen Fall nicht mehr gibt (vgl. § 166 E II), ist sie gegenstandslos.
§ 169
(155)
I Die Partei hat dem Gerichtsvollzieher und, wenn unter Vermittlung der Geschäftsstelle zuzustellen ist, dieser neben der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks eine der Zahl der Personen, denen zuzustellen ist, entsprechende Zahl von Abschriften zu übergeben. II Die Zeit der Übergabe ist auf der Urschrift und den Abschriften zu vermerken und der Partei auf Verlangen zu bescheinigen. A. Dem Gerichtsvollzieher soll nach § 169 (die Vorschrift gilt aber nur bei Zustellung auf Betreiben der Parteien, vgl. RG Gruch. 58/678 [680]) die Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks ausgehändigt werden, doch tritt im besonderen bei — gerichtlichen — Ent-
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§169
A
ZPO I. Buch
Scheidungen (etwa bei Urteilen) die Ausfertigung (§ 317 III) oder auch eine beglaubigte Abschrift (RGZ 159/25f.) an die Stelle der Urschrift. Vgl. § 190 II. A I. Mehrfache Urschriften erwähnt das Prozeßrecht nicht ausdrücklich. Doch wird man den Personen, die eine Ausfertigung herstellen können, zugestehen müssen, auch eine zweite oder mehrere Urschriften zu fertigen. Deshalb ist auch die Übergabe der Urschrift an Stelle der beglaubigten Abschrift usw. ordnungmäßige Zustellung (RGZ 69/113 [117]). a) Hat etwa ein Anwalt einen Schriftsatz, den er zur Zustellung gegeben hat, unterschrieben, nicht aber den Beglaubigungvermerk, so ist er als zweite Urschrift anzusehen (RG Seuff. 57/89) und gilt, wie ein beglaubigter Schriftsatz auch gelten würde, wie umgekehrt ein beglaubigter Schriftsatz als Urschrift zu werten ist, wenn an Stelle des beglaubigten die Urschrift hätte eingereicht werden sollen (RGZ 46/357 [363]). Vorausgesetzt wird dabei, daß die Urschrift wie die Ausfertigung und die Beglaubigung von derselben Person vollzogen werden darf. A II. Unter Ausfertigung einer Urkunde versteht man die wortgetreue Wiedergabe einer bei den Akten verbleibenden Urschrift in ungekürzter Form und Reinschrift (vgl. §§ 299, 317, 329) einschließlich der Unterschriften (bei der Ausfertigung muß der Name dessen, der unterschrieben hat, angegeben werden). a) Eine besondere Form der Ausfertigung ist nach § 317 IV zu fertigen. b) Der Ausfertigungvermerk muß handschriftlich vom Urkundsbeamten unterschrieben (vgl. § 130 B I a) und mit dem Gerichtsiegel(stempel) versehen worden sein (§ 317 II). Sie muß auch die Angabe als Ausfertigung enthalten. e) Zur Ausfertigung befugt ist jeder Richter (Kommentar § 1 B IV b) wie ein jeder Urkundsbeamter des Gerichts. Bei der Staatsanwaltschaft darf ihr Urkundsbeamter ausfertigen und beglaubigen (vgl. RG J W 97/5612). Darüber hinaus haben auch die Angestellten sonstiger Behörden Ausfertigungbefugnisse und die Notare. Diese Befugnisse gelten auch im Zustellungrecht. In dem Fall des § 1039 werden praktisch mehrere Urschriften hergestellt. A III. Auch die beglaubigte Abschrift gibt das zuzustellende Schriftstück wortgetreu wieder, in den Fällen des § 317 II in abgekürzter Form, also auszugweise. a) Die Unterschriften der Richter (oder Rechtspfleger, soweit sie richterlich tätig geworden sind) müssen in der Reinschrift namentlich wiedergegeben werden (RGZ 159/25), auch muß der Ausfertigungvermerk wiedergegeben werden, falls die beglaubigte Abschrift von einer Ausfertigung hergestellt wird (RGZ 159/25), die Unterschrift des Ausfertigenden braucht in Klarschrift nicht übernommen zu werden (es genügt: „Ausgefertigt gez. Unterschrift . . . " , RGZ 164/52f.). Doch darf das „gez. Unterschrift" nicht fehlen, wenn der Name des Ausfertigenden nicht gebracht wird (RG N § 170/15). Ist in der beglaubigten Abschrift der Ausfertigungvermerk weggelassen, so ist die Zustellung unwirksam (RGZ 164/52 [56]). b) Die beglaubigte Abschrift muß als solche sich kennzeichnen (der Vermerk „beglaubigt" und handschriftliche Unterschrift, durch die der Unterschreibende identifiziert werden kann, reicht aus). Wo sich der Vermerk befindet, ist gleichgültig, sofern nur keine Zweifel darüber entstehen können, worauf er sich bezieht (RGZ 164/52 [54]; a. M. RG Warn. 31/74). Es empfiehlt sich, ihn an das Ende zu setzen. Stempelvermerk mit Unterschrift genügt (RG Warn. 22/102). Bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt genügt als Beglaubigung auch die Unterschrift unter dem Zustellungvermerk (OLG JW 37/2782 20 ; a. M. RG J W 31/108513). c) Zur Vollziehung der Beglaubigung gehört die persönliche handschriftliche Unterschrift des zur Beglaubigung Befugten. Der Namenstempel reicht dazu nicht aus (BGH NJW 52/934). Die Blankobeglaubigung ist in RGZ 6/361 [363] als ungültig angesehen worden. Doch wird dadurch eine Rechtsunsicherheit in das Zustellungswesen hineingetragen, so daß man der Entscheidung nicht folgen sollte. d) Zur Erstellung der beglaubigten Abschriften sind all die befugt, die auch Ausfertigungen erstellen können (vgl. § 435 A I b). Außerdem dürfen Anwälte und Gerichtsvollzieher zwecks Zustellung beglaubigen (aber nicht ausfertigen, vgl. § 170 B).
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Verfahren bei Zustellungen
§169
B. § 169 I ordnet an, daß gleichzeitig neben der Urschrift die zur Zustellung benötigten Abschriften an die Partei dem, der die Zustellung bewerkstelligt, übergeben werden. Soweit von Gerichts wegen zuzustellen ist, ist dies nur eine Sollvorschrift; der Verstoß hiergegen zwingt das Gericht zur Herstellung von Abschriften. In den darüber hinaus verbleibenden Fällen (vgl. § 166 A I) besteht die Verpflichtung der Zustellungsbeamten zur Herstellung der erforderlichen Abschriften nur auf Grund der Dienstvorschriften. B I. Jedem Zustellungempfänger muß ein Exemplar überlassen werden (RG JW 87/1114). Zustellungempfänger ist eine Partei oder ihr gesetzlicher Vertreter. Wird eine Partei durch mehrere gesetzliche Vertreter vertreten, so genügt Zustellung an einen Vertreter, wenn dieser allein vertretungberechtigt ist (RG JW 90/464); bei Zustellung an eine Mehrzahl von Vertretern im einheitlichen Zustellungakt wird bloß ein Schriftstück übergeben (RG JW 90/464). Vgl. auch § 171 III. Wird aber die Partei durch mehrere gesetzliche Vertreter derart vertreten, daß nur zwei Vertreter zusammen sie vertreten können (wie in Gesellschaftanfechtungprozessen durch Vorstand und Aufsichtrat), dann muß jeder Vertretergruppe ein Stück überlassen werden. Haben aber mehrere Prozeßparteien denselben (gewillkürten) Prozeßbevollmächtigten bestellt, so genügt die Zustellung durch Überlassung eines Stückes. Für den bloßen Zustellungbevollmächtigten gilt dies nicht, wenn ihm, was zulässig ist (RGZ 157/168f.), für verschiedene Prozeßbevollmächtigte zugestellt wird. B II. Nach § 169 II hat der Gerichtsvollzieher auf der Urschrift und der Abschrift die Zeit der Übergabe zu vermerken und auf Antrag der Partei zu bescheinigen. a) Sein Fehlen bewirkt keinen Zustellungmangel. Die Bestimmung gilt nicht (wie der gesamte § 169) im Verfahren der Zustellungen von Gerichts wegen (RG Gruch. 58/677 [680]).
§ 170
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I Die Zustellung bestellt, wenn eine Ausfertigung zugestellt werden soll, in deren Übergabe, in den übrigen Fällen in der Übergabe einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks. II Die Beglaubigung wird von dem Gerichtsvollzieher, bei den auf Betreiben von Rechtsanwälten oder in Anwaltsprozessen zuzustellenden Schriftstücken von dem Anwalt vorgenommen. A. § 170 knüpft daran an, daß, wenn auf Betreiben der Parteien zugestellt wird, die Urschrift an den Antragsteller zurückgelangt oder an ihrer Stelle die Ausfertigung oder die beglaubigte Abschrift, die er als Grundlage für die Zustellung dem GV übergeben hat. Dem, welchem zugestellt wird, wird nur eine Ausfertigung oder (wie in der Regel) eine beglaubigte Abschrift zurückgelassen (dies muß aber geschehen: BGH ZZP 65/268); eine Ausfertigung (zweite Urschrift) muß indes in den Fällen des § 1039 übergeben (überlassen) werden, wenn die Zustellung wirksam sein soll. Zugestellt werden muß durch den zustellenden Beamten (RGZ 109/343). A I. Dies gilt — abgesehen von § 1039 auch bei den Zustellungen von Gerichts wegen. Man sollte auch in den Fällen der §§ 377, 402 eine beglaubigte Abschrift der Ladung genügen lassen, obwohl § 377 sich des Wortes „auszufertigen" bedient. Bei den Urteilzustellungen ließ es RGZ 159/25 auch im Falle des § 317 II 3 genügen, als an Stelle der zuzustellenden Ausfertigung (also der Urkunde, die in den Händen des Zustellenden bleibt) die (abgekürzte) beglaubigte Abschrift verblieb. A II. Bei der Zustellung auf Betreiben der Partei war (einerseits abgesehen von § 1039 und andererseits von dem des § 198) die Vorlegung der Urschrift erheblich, so daß RG JW 15/36438 noch eine wirksame Zustellung annahm, als der GV versehentlich das zu überlassende Schriftstück wieder mitnahm. Während andererseits die bloße Überlassung der Schriftstücke keine Zustellung ist (vgl. §§ 166 D I, 187 A II a). Allein durch die Vorlegung wird aber auch
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§170
Ali
ZPO I. Buch
die Zustellung noch nicht bewirkt, da § 170 durch §§ 190, 191 wesentlich ergänzt wird (RGZ 124/22 [26]); vgl. § 170 A. A III. Die Praxis tendiert indes dahin, nicht mehr die Urschrift (bzw. die sie vertretende Schrift) vorzulegen, sondern ein Schriftstück zu übergeben (vgl. auch § 187). Das Gewicht hat sich also von der Vorlegung des einen zur Überlassung des anderen Schriftstückes verschoben. Wird ein Schriftstück überlassen, so wird die Zustellung nicht dadurch unwirksam, daß an Stelle einer beglaubigten Abschrift die Ausfertigung oder die Urschrift (RGZ 69/113 [117]), welche zugestellt werden sollte, überlassen wird. a) Weicht die überlassene Schrift von der zuzustellenden ab, so darf sich der Empfänger insoweit auf die ihm überlassene berufen, wie er sich auf sie verlassen hat (RG J W 35/2050 11 ). Ist ihm die Urschrift aber günstiger, so ist die Zustellung unwirksam (OGH N J W 50/309). H a t aber die Urschrift Mängel, die die Ausfertigung nicht aufweist, so wirkt die zugestellte Ausfertigung voll (RGZ 82/422folg.). Ungenauigkeit der überlassenen Urkunde in nebensächlichen Punkten. (RGZ 61/394f.), offenbare Unrichtigkeiten, ein nur schwer leserlicher Durchschlag (RG N § 170/19) sind unschädlich. Bei wesentlichen Abweichungen ist die Zustellung unwirksam (RG N § 170/10). b) Die überlassene Urkunde soll die Urschrift, eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift sein (vgl. § 169 A III). Die Beglaubigung muß sich auch auf die Anlagen erstrecken (RGZ 7/371f.). Über die Form der Beglaubigung vgl. § 169 A I I I b. Die unterlassene Beglaubigung macht die Zustellung wirkunglos (BGH N J W 57/951), wenn auch bei Rügeverlust Heilung nach §,295 I eintreten kann (RG J W 01/29). Über die Heilung nach § 187 vgl.'§ 187 A I I I b. c) Die Zustellung von Gerichts wegen wird, wo das Schriftstück, das überlassen wird, im verschlossenen Briefumschlag übergeben wird, geändert durchgeführt (§§ 211, 194, 196). Die Urschrift (bzw. die sie ersetzende Schrift) wird hier also nicht mehr vorgelegt. Dieselbe Art der Zustellung findet sich bei der durch die Post,, vgl. § 193 A. Aber auch bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt wird die Urschrift regelmäßig nicht mehr vorgelegt (so daß sich etwa bei Urteilzustellungen nicht mehr aus dem Vermerk des zustellenden Anwalts, sondern nur noch aus der Bescheinigung des Empfangenden die Zustellungzeit ergibt). Die Wirksamkeit des Zustellungaktes wird hier nach RGZ 46/358f. nicht dadurch berührt, daß der Anwalt gar keine Urschrift herstellt. H a t t e der Urkundbeamte eine unbeglaubigte Urteilsformel (vgl. § 310 II) herausgegeben, so kann sich die Partei nicht auf Nichtexistenz des Urteils berufen, wenn es ordnungmäßig vollzogen ist (BGH N J W 55/142). B. § 170 I I n e n n t den Gerichtsvollzieher und den Rechtsanwalt als die zur Beglaubigung befugten Personen. B I. Der GV hat für die Ordnungmäßigkeit der Zustellung zu sorgen und deshalb auch dafür, daß das zu übergebende Schriftstück beglaubigt ist (vgl. RGZ 46/399f.). Doch braucht nicht gerade der zustellende GV zu beglaubigen (a. M. RG Gruch. 41/168). B II. Das Entsprechende muß für den Anwalt gelten. Im Zustellungprozeß gibt es keinen Anwaltzwang (vgl. RG N § 170/3). Beglaubigen darf nicht bloß der die Zustellung betreibende Anwalt (dieser darf es stets, auch wenn er nicht Prozeßbevollmächtigter war, RGZ 164/55), sondern auch der Prozeßbevollmächtigte, wenn er die Zustellung nicht betreibt (RGZ 164/52 folg.) und auch derjenige Anwalt, der dem andern die Zustellung überläßt (RG N § 170/3); wenn man nicht überhaupt jeden Anwalt schlechthin zuläßt, so geschieht dies wegen des Wortlauts des § 170 II. Die Beglaubigungbefugnis des Anwalts beschränkt sich auf die Verfahren nach der ZPO (RGZ 56/374 [377]). Dort aber steht sie ihm auch außerhalb des Urteilverfahrens zu (LG J W 30/581 3 ) und nicht nur für die von ihm stammenden Urkunden, sondern auch von gerichtlichen (RG Warn. 08/244) in voller wie abgekürzter Form (vgl. § 317 IV). B III. Sonstige Prozeltbevollmächtigte haben die Beglaubigungbefugnis nicht.
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Verfahren bei Zustellungen
§
171
(157)
I Die Zustellungen, die an eine Partei bewirkt werden sollen, erfolgen für die nicht prozeßfähigen Personen an ihre gesetzlichen Vertreter. II Bei Behörden, G«meinden und Korporationen sowie bei Vereinen, die als solche klagen und verklagt werden können, genügt die Zustellung an die Vorsteher. III Bei mehreren gesetzlichen Vertretern sowie bei mehreren Vorstehern genügt die Zustellung an einen von ihnen. A I. Der richtige Zustellungempfänger muß grundsätzlich vom Antragsteller (Auftraggeber) schon in der ersten an das Gericht gerichteten Schrift gekennzeichnet werden (RG J W 99/176'). a) Regelmäßig ist es die Partei. Darüber, wie sie zu kennzeichnen ist, vgl. §§ 50 F I I I a, 253 G I a 1. b) Ist die Partei gesetzlich vertreten {§ 51), so sollen die Vertreter nach § 130 1 1 namentlich benannt werden. b 1. Aus § 171 I I I ergibt sich indes, daß, wenn mehrere gesetzliche Vertreter vorhanden sind, es genügt, wenn der Antragsteller einen bestimmten bezeichnet, dem sodann zuzustellen ist, sind dagegen mehrere oder alle genannt, so hat die Auswahl der Zustellungbeamte (RG J W 99/826 3 ). Ist dagegen keiner namentlich genannt, so muß er dafür sorgen, daß einer der in Betracht kommenden erreicht wird. Wird dann einem gesetzlichen Vertreter zugestellt, ohne daß sein Vertreterverhältnis angegeben ist, so muß es genügen, daß ersichtlich ist, daß ihm namens der Partei zugestellt wird (RGZ 107/151 [164]). A II. Der Zustellungantrag muß von einem Prozeßfähigen ausgehen. Ist der Kläger prozeßunfähig und bewirkt er eine Klage, sei es, daß er sie selbst einreicht, sei es, daß er eine — unwirksame — Prozeßvollmacht dazu erteilt hat und dies dann sein Prozeßbevollmächtigter tut, so wird damit zwar schon der Streit anhängig, und mit Zustellung der Klage entsteht auch das Prozeßverhältnis (§ 38 B III), doch muß die Klage als unzulässig abgewiesen werden, was zunächst der Beklagte im Prozeß geltend machen darf, dann aber auch der prozeßunfähige Kläger, soweit er mit dem Verfahren beschwert ist. Das Entsprechende gilt, wenn ein unrichtiger gesetzlicher Vertreter für den Kläger handelt. Über Genehmigung vgl. § 88 A I b 2, über Heilung § 295 B II b 2. B. Nach § 1711 ist die prozeßfähige (vgl. § 51 A III) Partei (vgl. § 50 B I) Zustellungempfänger. Ob sie in dem betreffenden Rechtstreit postulationsfähig ist oder nicht, ist gleichgültig (die Regeln der §§ 78, 79 gelten insoweit im Zustellungsrecht nicht). Der Partei stehen der Streitgehilfe und der Streitverkündete gleich. B I. Ist die Partei nicht prozeßfähig, so ist Zustellungempfänger ihr gesetzlicher Vertreter. Dies gilt auch bei Gesamtpersonen und denen, die als solche klagen oder verklagt werden können, also auch für die oHG (RGZ 82/65 [69]), auch wenn die Gesamtperson bloß aktiv oder passiv (RG Recht 11/171) parteifähig ist (§ 50 II). Fehlt das Organ, so ist die Zustellung nur in dem Fall des § 171 II möglich. Und es fehlt auch, wenn es in concreto nicht vertreten kann, wie wenn es selbst Prozeßgegner ist (RGZ 7/404). Zugestellt werden muß dem gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen, auch wenn er im Titel nicht benannt ist (LG MDR 59/848, vgl. auch § 171 A I b). a) § 171 I I I bestimmt, daß von mehreren gesetzlichen Vertretern nur einem von ihnen zugestellt zu werden braucht, also auch wenn nur alle zusammen oder mehrere von ihnen zusammen (aktiv) vertreten dürfen (OLG 29/261) und selbst wenn die erforderliche Anzahl zur aktiven Vertretung gar nicht vorhanden ist (OLG 27/25). Er gilt auch für den Fiskus (RGZ 67/75). Von mehreren Vorstandsmitgliedern eines Vereins kann jedem (RG v. 1. 12. 1905 I I I Gruch. 50/1061), von mehreren vertretungsberechtigten Gesellschaftern jedem (KG OLG 17/137) zugestellt werden; doch müssen sie das Organ vertreten, dem zuzustellen ist. 36
W i e c z o r e k , ZPO t Handausgabe
561
§171
BI
ZPO I. Buch
a 2. Werden mehrere nicht gleichgeordnete Organe betroffen, so gilt für diese Verschiedenheit § 171 III nicht, also soweit in Gesellschaftanfechtungprozessen Aufsichtrat und Vorstand die Gesellschaft vertreten, dann muß je einem Mitglied von Vorstand und Aufsichtrat zugestellt werden (RG JW 27/375'); Mängel sind hierbei nicht nach §295 heilbar nach RG Warn. 28/140. Die entsprechende Lage kann bei dem Fiskus eintreten, wenn zwei verschiedene Organe ihn gemeinschaftlich vertreten (vgl. § 51 B II a, RGZ 67/75). b) Von dem hier vertretenen Standpunkt (vgl. § 53 A I) gilt diese Vorschrift auch bei den sog. Parteien kraft Amtes, wenn sie denselben Tätigkeitbereich haben. c) Die Vorschrift gilt für die passive Vertretung auch im außerprozessualen Recht (vgl. § 51 B II a). B II. Nach § 171 II genügt bei juristischen Personen wie bei Gesamtpersonen (§ 50 B III), die Zustellung an einen Vorsteher, auch wenn dieser nicht der gesetzliche Vertreter der Partei ist (RGZ 67/75f.); er kann auch minderjährig sein (vgl. BGB § 165, anders der Prozeßbevollmächtigte, vgl. § 79 A I); denn er ist gewillkürter Vertreter, wie der Prokurist (vgl. § 173 A I). Die Vorsteher i. S. dieser Vorschrift sind jedenfalls nicht die gesetzlichen Vertreter. a) Auch die Vorsitzenden von Stiftungen, Anstalten und die Vorsteher des Fiskus {§ 18 A) fallen unter § 171 II (a. M. RGZ 67/75). a 1. Bei Behörden ist es der Behördenvorstand (RG JW 31/7388). a 2. Bei juristischen Personen ist Vorsteher, wer zum Vorstand nach der Satzung gehört (RGZ 69/298f.), bei der oHG jeder geschäftsführende Gesellschafter (RGZ 82/651.), wobei aber vorausgesetzt wird, daß sie nicht gesetzliche Vertreter sind (vgl. § 171 B II b), was nur in Ausnahmefällen zutrifft. b) Der Name des Vorstehers braucht nicht von dem, der zustellen läßt, angegeben zu werden. Deshalb genügt es auch, wenn ihm ersatzmäßig zugestellt wird, wenn er selbst Zustellungempfänger ist und selbst, wenn sonst die Voraussetzungen der Ersatzzustellung nicht bestanden (vgl. RGZ 107/161 f.). C. Die Zustellung an eine prozeBunfähige Partei ist unwirksam, kann aber regelmäßig nach § 295 I geheilt werden. C I. Wird eine Klage einer prozeßunfähigen Partei zugestellt, so ist dies grundsätzlich wirkunglos. a) Wird die Klage an den benannten, aber unrichtigen gesetzlichen Vertreter zugestellt (OLG München 37/127), so darf sich der unrichtige Vertreter selbst wehren; die Zustellung wirkt nicht gegen die Partei, aber gegen den unrichtigen Vertreter (der allerdings selbst prozeßfähig sein muß). Im Verhältnis zur Partei ist diese Zustellung nicht ordnunggemäß, kann aber nach §§ 295 I, 187 geheilt werden. Auch darf sich der richtige gesetzliche Vertreter in den Prozeß einmischen (vgl. § 56 B III). C II. Unwirksam ist auch die Zustellung des Urteils an die prozeßunfähige Partei (OLG Naumburg 29/71). Ist sie aber im Prozeß selbst aufgetreten und ist die Klage wegen ihrer Prozeßunfähigkeit als unzulässig abgewiesen worden, so ist ihr zuzustellen bzw. von ihr zuzustellen, und sie hat das Rechtsmittel gegen die Abweisung mit der Begründung, sie sei doch prozeßfähig.
§ 172 (158) war durch WehrmachtZustVO v. 13. 3. 1940 (RGBl. I 501) i. F. v. 21. 1. 1943 (RGBl. I 52) aufgehoben. Diese Bestimmungen waren nach KRG 34 Art. III gegenstandslos. Vgl. jetzt den Erl. des BM f. Verteidigung v. 7. 6.1957 (BAnz. 115) und die AV der Länder. Der Erlaß hält die allgemeinen Vorschriften für anwendbar und meint, daß eine Ersatzzustellung an den Hauptfeldwebel (nicht an den Einheitführer) zulässig sei.
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Verfahren bei Zustellungen
§ 173
(159)
I Die Zustellung erfolgt an den Generalbevollmächtigten sowie in den durch den Betrieb eines Handelsgewerbes hervorgerufenen Rechtsstreitigkeiten an den Prokuristen mit gleicher Wirkung wie an die Partei selbst. A I. Generalbevollmächtigter und Prokurist sind gewillkürte Vertreter (BGB § 164) und stehen im Gegensatz zum gesetzlichen Vertreter; sie können minderjährig sein (BGB §165); daß sie deshalb im Prozeß nicht als Prozeßbevollmächtigte auftreten können (vgl. § 79 A I), ist für die Zustellung unerheblich. b) Doch kann nicht ein Vorstandsmitglied einer Handelsgesellschaft rechtswirksam für den Aufsichtrat generalbevollmächtigt werden. Auch für den Fiskus kommt § 173 nicht zum Zuge. Genossenschaften können einen solchen Generalbevollmächtigten nicht haben (GenG § 42 II). Bei sonstigen Handelsgesellschaften kommen als Zustellungempfänger (General-) Handlungbevollmächtigte (HGB § 54) nicht in Betracht, weil sie § 173 im Gegensatz zu den Prokuristen nicht nennt. B I. Generalbevollmächtigt« sind die, deren Vollmacht sich auf einen weiten Aufgabenbereich erstreckt (RG Warn. 12/183). a) Bei beschränkter Generalvollmacht kann nur insoweit wirksam zugestellt werden, wie die außerprozessuale Vollmacht zieht, also nicht für ausdrücklich ausgenommene Gebiete und nicht für die, wo keine Vertretungmacht gegeben werden kann (RGZ 67/22f.). Ehe(§ 615) und Kindschaft- (§ 640 I) Sachen werden nie durch eine Generalvollmacht gedeckt. b) Ob die Generalvollmacht das Becht zur Prozeßführung enthält oder ausschließt, ist gleichgültig (vgl. RGZ 69/298f.). B II. Über den Begriff des Proknristen vgl. HGB § 48. Auch der Gesamtprokurist ist Prokurist (OLG 3/122), und es genügt dann nach § 171 I I I in entsprechender Anwendung die Zustellung an einen Prokuristen. a) Doch kann nicht für von der Vertretungmacht ausgeschlossene Rechtskreise (vgl. HGB §§ 49 II, 50 III) wirksam zugestellt werden. b) Handlungbevollmächtigte (HGB § 54) sind keine Generalbevollmächtigte; doch kann ihnen die Prozeßführungvollmacht erteilt worden sein (vgl. HGB § 54 II), sodann fallen sie unter § 173. B ffl. Ferner gehören hierher die Fälle des VAG § 106 I 8, PatentG § 16, GebrauchsmusterG § 20 und WZG § 35. Auch der Schiffer ist (wenn man ihn nicht als gesetzlichen Vertreter ansieht, vgl. § 50 G II a) „Generalbevollmächtigter", ebenso der Korrespondentreeder (wenn man ihn nicht als gesetzlichen Vertreter ansieht). B IV. Darüber hinaus darf die Partei für konkrete Zustellungen oder für alle einen Empfangsbevollmächtigten bestellen. Postzustellungbevollmächtigte sind als solche Empfänger angesehen worden (RG N § 173/1). C. Wem von diesen mehreren Berechtigten zuzustellen ist, unterliegt der Wahl der zustellenden Partei bzw. des Zustellungbeamten (KG OLG 40/366). C H. Zu unterscheiden sind aber all diese Fälle von denen, wo ein Prozeßbevollmächtigter (§§ 176, 178) und die, in denen ein Zustellungbevollmächtigter bestellt ist (§§ 174, 175), denn in diesen Fällen besteht für den Zustellenden keine Wahl der Zustellung mehr. C HI. Auf den Willen des Generalbevollmächtigten oder des Prokuristen, ob er die Zustellung annehmen will, kommt es nicht an. Ersatzzustellungen an ihn sind möglich. Dies gilt auch bei Zustellungen an Vertreter von Abwesenden. 36*
563
ZPO I. Buch
§ 174 (160) I Wohnt eine Partei weder am Ort des Prozeßgerichts noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirkes, in dem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, so kann das Gerieht, falls sie nicht einen in diesem Ort oder Bezirk wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat, auf Antrag anordnen, daß sie eine daselbst wohnhaft« Person zum Empfang der für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. II Wohnt die Partei nicht im Inland, so ist sie auch ohne Anordnung des Gerichts zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, falls sie nicht einen in dem durch den ersten Absatz bezeichneten Ort oder Bezirk wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat. A. § 174 I trifft den Fall, wo kein Zustellungsempfänger (§§ 171folg.) am Orte des Prozeßgerichts bzw. im Amtsgerichtsbezirk, in dem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, wohnt. Man sollte von ihm keinen Gebrauch machen, wenn einem Zustellungsempfänger im Gerichtsinlande zugestellt werden kann. A I . § 174 I setzt voraus : a) daß das Verfahren bereits rechtshängig ist (§ 263 B) ; b) daß ein Gegner den Antrag stellt, c) daß der Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 1 6 ) durch nur mit der Erinnerung (RechtspflegerG § 10 I) anfechtbaren, der gerichtlichen Entscheidung gegenüber aber unanfechtbaren (§ 1 7 4 1 3 ) Beschluß (der ohne vorangegangene mündliche Verhandlung ergehen darf; § 174 I 2) nach seinem Ermessen entscheidet (Anhörung der betroffenen Partei ist nicht vorgeschrieben); und d) daß kein bezirks- oder ortsansässiger Zustellungempfänger vorhanden ist. A II. Die Ortsansässigkeit richtet sich nach der politischen Gemeinde, und wenn der AG-Bezirk größer ist, nach ihm. Andererseits werden benachbarte Orte nicht als einheitlicher Ort i. S. des § 174 gewertet. a ) Abgestellt wird es dabei allein auf den Zustellungempfänger. a 2. Fällt ein Prozeßbevollmächtigter (gegen den nicht nach § 174 I verfahren werden darf) weg, so kommt § 244 I I 1 zum Zuge (RGZ 103/334 [339]), ob dies auch gilt, wenn der Anwalt der höheren Instanz entfällt, ist streitig (bejahend: RGZ 103/334 [339]). B. Wohnt (vgl. § 181 B I I ) die Partei im Ausland (vgl. § 12 A I I a 1) und befindet sich auch im Gerichtsinland kein Empfangberechtigter (ist dies der Fall, so gilt § 174 I), so ist die Partei kraft Gesetzes verpflichtet, einen Zustellungbevollmächtigten zu benennen (§ 174 II). B I. Die Bestimmung setzt voraus, daß die Partei dazu in der Lage ist. Hatte sie ein Armenrechtsgesuch angebracht, so darf darüber nicht erst im Termin — ablehnend — entschieden werden und sogleich Urteil ergehen, das nach § 174 I I zugestellt wird (vgl. B G H N J W 53/422). B III. Ist die ausländische Partei Kläger (Antragsteller), so muß der Zustellungvertreter schon in der Klage bestellt werden, als Gegner mit der ersten Meldung bei Gericht (vgl. § 175 A), gleichviel auf welchem Wege die Klage zugestellt wird (also auch bei der öffentlich zugestellten, LG KGB1. 20/17). C. Umfang und Wirkung der Zustellungvollmacht unterscheiden sich von der Prozeßvollmacht. C I. Die Zustellungvollmacht bezieht sich nur auf die Empfangnahme der Schriftstücke für die Partei, die sie erteilt hat (RGZ 30/389), gleichviel ob sie dem Zustellungbevollmächtigten förmlich zugestellt oder nur mitgeteilt werden (vgl. § 166 A I I a 1). Zur Entgegennahme persönlicher Ladungen (§§ 141 I I 1, 296 II, 619) ist der Zustellungbevollmächtigte nicht befugt, auch nicht zu der der Ladung der Partei zur Vernehmung nach § 450 I 2.
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Verfahren bei Zustellungen
§174
C II. Ob der Bevollmächtigte postulationfähig bzw. prozeßfähig ist, ist gleichgültig (a. M. OLG J W 25/2357 30 ), weil es im Zustellungrecht nicht auf die Postulationfähigkeit ankommt (vgl. § 173 A I), wohl aber muß er außerprozessuale Vollmacht haben können (vgl. BGB § 165). Die auf eine Gesamtperson (oHG) oder auf eine juristische Person gestellte Zustellungvollmacht sollte aber in die auf ihre gesetzlichen und gewillkürten Vertreter, die für sie zur Empfangnahme von Zustellungen berechtigt sind, umgedeutet werden. C III. Einer besonderen, etwa der schriftlichen Vollmacht des Zustellungbevollmächtigten oder auch nur der Annahmeerklärung des Bevollmächtigten bedarf es nicht. a) Seine Vollmacht erlischt mit der Mitteilung gegenüber dem Gericht (RG J W 35/2430 e f.), ohne daß § 87 anzuwenden wäre. Wird ein Prozeßbevollmächtigter bestellt, so endet die Befugnis des für die Partei bestellten Zustellungbevollmächtigten ohne weiteres. Fällt der Prozeßbevollmächtigte später weg, so lebt die Zustellungvollmacht nicht wieder auf (RGZ 103/334 [337]). b) Mehrere Zustellungempfänger sind getrennt zu behandeln. Andererseits kann ein Zustellungbevollmächtigter für mehrere Parteien bestellt werden, und zwar auch für sich entgegenstehende Parteien derselbe, ohne daß § 185 oder BGB § 181 entgegenstehen (RGZ 157/168 [169]). ü) § 177 ist unanwendbar; ist der Zustellungbevollmächtigte nicht erreichbar, so tritt ein Fall des § 174 ein. D. Die Benennung des Zustellungbevollmächtigten hat nur zur Folge, daß von da ab nicht mehr durch Aufgabe zur Post zugestellt werden darf (vgl. § 175 A). D I. Die Bestellung des Zustellungbevollmächtigten wirkt sich aus a) im Fall des § 174 I nach ordnungmäßiger Übermittlung des Gerichtsbeschlusses wenn er im nächsten Schriftsatz oder spätestens im ersten darauf folgenden Termin benannt wird und b) im Fall des § 174 II, wenn dies in der ersten schriftlichen Entgegnung, spätestens im ersten Termin geschieht, so daß dann nur ihm zugestellt werden darf: nicht durch Aufgabe zur Post (§ 175). D II. Auch wenn, ohne daß ein Zustellungbevollmächtigter bestellt wurde, die Voraussetzungen des § 174 weggefallen sind, darf von da ab nicht mehr durch Aufgabe zur Post zugestellt werden. Entfallen nur die Voraussetzungen des § 174 II, so bedarf es einer besonderen Anordnung nach §174 I; und fallen auch diese weg, so wird der Beschluß unwirksam. Treten sie dann später erneut ein, so bedarf es eines neuen Beschlusses nach §174 1; es sei denn, daß sie nach § 174 II neu eintreten. Ändern sich die Verhältnisse nicht, so braucht der Beschluß der ersten Instanz, der nach § 174 I erlassen worden ist, in der höheren Instanz nicht wiederholt zu werden, sondern gilt weiter. D III. Die Benennung des Zustellungbevollmächtigten zwingt nicht dazu, daß nunmehr nur noch an ihn zugestellt oder mitgeteilt wird, vielmehr kann auch die — ordentliche — Zustellung an einen anderen Zustellungempfäger bewirkt werden. D IV. Ist § 174 verletzt, so ist die Zustellung unwirksam.
§
175
(161)
I Oer Zustellungsbevollmächtigte igt bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung oder, wenn die Partei vorher dem Gegner einen Schriftsatz zustellen läBt, in diesem zu benennen. Geschieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung in der Art bewirkt werden, daB der Gerichtsvollzieher das zu übergebende Schriftstück unter der Adresse der Partei nach ihrem Wohnort zur Post gibt. Die Zustellung wird mit der Aufgabe zur Post als bewirkt angesehen, selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt. II Die Postsendungen sind mit der Bezeichnung „Einschreiben" zu versehen, wenn die Partei es verlangt und zur Zahlung der Mehrkosten sich bereit erklärt.
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§175
ZPO I. Buch
A. § 175 läßt die Zustellung durch Aufgabe zur Post zu für den Fall, daß ein Zustellungbevollmächtigter, obwohl er nach § 174 bestellt werden muß, nicht bestellt wird. A II. Bewirkt wird die Zustellung durch den Zustellungbeamten durch übergäbe an die Post (Einwurf in den Briefkasten) — anders wirkt die Zustellung durch die Post nach § 193 (RGZ 57/334 [336]). Bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post entscheidet der Zeitpunkt, in dem das Schriftstück in den Briefkasten eingeworfen worden ist. Über die aufzunehmende Zustellungurkunde vgl. §§ 192, 213. Frankierung des Briefes ist nicht vorgeschrieben, sollte aber nicht unterlassen werden; eingeschrieben muß der Brief unter der Voraussetzung des § 175 II (vgl. § 175 C) aufgegeben werden. B. Die Zustellung ist auch bewirkt, wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt oder den Adressaten erwiesenermaßen nicht erreicht hat. Der Ort der vollendeten Zustellung ist der inländische Einwurf des Briefes (RGZ 57/334f.). B I. Erforderlich ist die Aufgabe an die richtige Anschrift des in betracht kommenden Zustellungempfängers (vgl. § 174 C III). Die im Laufe eines Verfahrens eingetretene Änderung der Anschrift braucht erst nach Bekanntgabe an das Gericht bzw. den Gegner berücksichtigt zu werden. B II. Aufgegeben werden darf alles, was zuzustellen ist, auch die Urteile, im besonderen die Versäumnisurteile (RGZ 57/334f.); dabei wird § 339 II nicht angewandt, weil im Inlande zugestellt wird (vgl. RGZ 57/334). § 175 gilt auch, wenn von gerichts wegen zugestellt wird (§ 213, BGH NJW 53/4225). B III. Daneben darf aber auch auf sonstigem Wege (ordentlich) zugestellt werden (RGZ 57/334f.). C. Hat die Partei verlangt, daß ihr eingeschrieben übersandt wird, so hat dies zu geschehen. Über die Vorschußpflicht dieser vgl. GKG §§ 92 1 1 , 114 wenn die Zustellung vom Gericht ausgeht. Der Gegner kann den Vorschuß nicht fordern, es sei denn, daß ein Fall des § 110 vorliegt.
§ 176
(162)
I Zustellungen, die in einem anhängigen Rechtsstreit bewirkt werden sollen, müssen an den für den Rechtszug bestellten ProzeBbevollmächtigten erfolgen. A. § 176 schreibt zwingend vor, daß im anhängigen Prozeß nur an einen für die Instanz bestellten •— postulationfähigen (RArbG E 23/26) — ProzeBbevollmächtigten (das Gesetz spricht von dem Prozeßbevollmächtigten, sind aber mehrere in derselben Instanz bestellt, so gilt § 84, vgl. dazu auch denselben Grundsatz in § 171 III) zugestellt werden darf. A I . Die Vorschrift gilt im Anwalt- (§ 78 I) wie im sog. ParteienprozeB (§ 79 A) für Anwälte wie für sonstige Prozeßbevollmächtigte, die sich bei Gericht für die Partei bestellt haben und selbst dann, wenn die Partei oder ihr gesetzlicher Vertreter selbst postulationfähig ist (BayObLG Blf.RA 60/60) und für alle Klage- (§ 253 C) und Verfahrensarten (RGZ 135/182), mit Ausnahme des Offenbarungeidverfahrens (§ 900 II). a) Sie gilt für alle Mitteilungen (vgl. § 166 A II a 1), auch die durch eingeschriebenen Brief (§§ 251 a, 331a — RGZ 149/157f.) innerhalb des Prozesses; und auch, wenn es um eine Eingabe der Partei geht, welche diese unter Übergehung ihres Prozeßbevollmächtigten eingereicht hatte (RG J W 97/6271), es sei denn, daß eine wirksame Abberufung (§ 87 I) des Prozeßbevollmächtigten darin liegt. Sonst wird dem Prozeßbevollmächtigten zugestellt, auch wenn der Partei etwas gerichtlich verboten wird (RGZ 39/416), und selbst wenn außerdem die Parteien persönlich zu laden sind (also in den Fällen der §§ 141, 272 b, 296, 450, 610, 619; vgl. auch § 239 III 1 i. V. m. § 246 II; b) und dann, wenn die Interessen der Partei und ihres Prozeßbevollmächtigten bei Gebührenwertfestsetzungen widerstreiten (LGRpfl. 52/101).
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Verfahren bei Zustellungen
§176
A II. Wird bei der Zustellung gegen § 176 verstoßen, so ist sie unwirksam (RGZ 103/334 [336]). b) Die unwirksame Zustellung wird aber sowohl nach § 295 I wie § 187 geheilt. Wird jemandem zugestellt, der noch nicht bestellt war, bestellt er sich aber danach, so wird er, soweit die Heilungmöglichkeit (also abgesehen von dem Beginn des Notfristenlaufs) besteht, grundsätzlich so behandelt, wie wenn er sich schon früher bestellt hätte (OLG 35/49); sind indes schon andere (also Nicht-Not-)Fristen z. Z. der Bestellung abgelaufen, so müssen sie grundsätzlich nun in Gang gesetzt werden. Dies gilt aber nicht für die Wiedereinsetzungfrist, die neben den besonderen Notfristen und notwendigen Rechtsmittelbegründungfristen läuft; denn ihr Lauf ist von der Bestellung unabhängig. Dabei kann zu prüfen sein, ob der Prozeßbevollmächtigte sich nicht (schuldhaft — vgl. § 233 B II b) zu spät bestellt hat. B I. § 176 richtet sich grundsätzlich nach dem Gericht aus, wenn seine Beachtung vom Gegner auch erst gefordert werden darf, sobald ihm die Bestellung bekannt geworden ist oder bekannt geworden wäre, wenn er an einer mündlichen Verhandlung teilgenommen hätte, zu der er hinzugezogen war. a) Vom Standpunkt des Gerichts aus ist § 176 anzuwenden mit der Bestellung des Prozeßbevollmächtigten bei ihm (§§80folg., RGZ 50/347f.); a 1. also für den des Klägers mit der Einreichung der Klage (der Antragschrift) bei dem Gericht; vom Standpunkt des Gegners aus mit der ersten Nachricht hiervon. a 2. In bezog auf den Beklagten (Antragsgegner) gilt § 176 ebenfalls erst mit seiner Bestellung bei dem Gericht, die regelmäßig der des Klägers nachfolgen wird, indes auch schon für ein noch nicht anhängiges Verfahren im voraus abgegeben werden darf. Daß der Kläger die Bestellung des Gegners anzeigt (ihn etwa in der Klage als Gegner benennt), ist nicht wirksam. Fügt der Kläger aber die Bestellunganzeige des gegnerischen Bevollmächtigten der Klage an, so hat dieser sich schon wirksam bestellt. b) Da die Anhängigkeit nur bei dem Gericht eintritt, kann es auch auf die Anzeige des gegnerischen Prozeßbevollmächtigten bei dem des Klägers wie umgekehrt nicht ankommen, solange keine Bestellung gegenüber dem Gericht vorliegt; sie ist keine Bestellung i. S. des § 176 (LG J R 49/580). Hat in diesem Falle ein Prozeßbevollmächtigter den Gegner veranlaßt, daß ihm vor seiner Bestellung bei Gericht zugestellt wird, so kann sich der Prozeßbevollmächtigte auf Fristversäumnisse nicht mit der Begründung berufen, daß die Zustellung an ihn vor seiner Bestellung bei Gericht unwirksam sei. B II a) Die Bestellung wird bei Gericht vollzogen durch den Zugang der Meldung des postulationfähigen Prozeßbevollmächtigten (RGZ 18/396f.). Die Meldung kann sich auch aus den Umständen ergeben (BGH v. 5. 12. 1952 I ZR 148/51). a 1. Die Beiordnung eines Anwalts ist noch keine Bestellung zum Prozeßbevollmächtigten (RGZ 135/304), wohl aber (nach der hier vertretenen Ansicht) die Meldung des Beigeordneten bei Gericht als Prozeßbevollmächtigten (während hier die h. M. noch die Erteilung der Vollmacht durch die Partei fordert, vgl. §§ 115 B III b 3, 116 A II a 1). a 2. Nicht erforderlich ist es, daß die Vollmacht beigebracht oder auch nur behauptet wird, geschweige denn, daß sie erteilt ist (RG Gruch. 35/1179). b 1. Hat der Anwalt einen bestellten Vertreter, so darf diesem unter Bezeichnung des richtigen Prozeßbevollmächtigten zugestellt werden (RGZ 90/192), doch darf in der Vertretungzeit sowohl dem Vertreter wie dem vertretenen Anwalt unmittelbar wie ersatzweise zugestellt werden (RG Warn. 17/39); dies gilt auch für den mit Berufs- oder Vertretungverbot belegten Anwalt (BRAO § 155 V). b 2. Es genügt aber stets die Zustellung an einen von mehreren Bevollmächtigten (vgl. § 84 C III a), etwa in einer Sozietät zu einem unter mehreren am gleichen Gericht zugelassenen (prozeßbevollmächtigten) Anwälten, auch wenn der andere Sozius nur als Prozeßbevollmächtigter aufgeführt worden ist (a. M. RG JW 02/6045).
567
§177
B Ii
ZPO I. Buch
b 3. Bestellter Prozellbevollmächtigter (§§ 80folg.) ist nicht der, welcher (im Parteiprozeß) nur Vollmacht für einzelne Prozeßhandlungen hat (§ 83 II), nicht der Terminvertreter (RGZ 90/192) oder der Unterbevollmächtigte (RG Grueh. 36/12261.); mag dieser auch irrtümlich im Rubrum als Prozeßbevollmächtigter aufgeiührt worden sein (RG Gruch. 33/1176f.). b 4. Ein nicht bei dem Prozeßgericht zugelassener Anwalt ist nicht postulationfähig und kann nicht bestellter Prozeßbevollmächtigter i. S. des § 176 sein (RArbG E 4/341 [344]), sofern er es nicht in der Vorinstanz war und die Zustdling insoweit an ihn zu richten ist. Allerdings kann er Zustellungempfänger nach § 173 sein (RArbG E 23/26 [29]). b 5. Wird einem sich selbst vertretenden Anwalt zugestellt, so sind §§ 170folg., nicht der §176 anzuwenden; dem in höheren Instanzen zugelassenen Anwalt darf, wenn er Partei ist, deshalb erst, nachdem er seine Eigenvertretung angezeigt hat, zugestellt werden (a. M. RG Gruch. 48/393). B III. Die Bestellung endet nach § 87 durch Anzeige, im Anwaltprozeß (§ 78 I); a) zusätzlich (KG OLG 11/69) unter Bestellung eines neuen Postulationfähigen (RG HRR 32/1596). Nach dem Erlöschen der Bestellung (§§ 86, 87) ist § 176 nicht mehr anzuwenden (RGZ 118/158 [161]). Über den Wechsel der postulationfähigen Prozeßbevollmächtigten in den Instanzen vgl. § 176 C II. b) Hat sich ein nichtbevollmächtigter Postulationfähiger bestellt (§ 89), so endet seine Legitimation als Zustellungempfänger nach § 176 mit seiner Zurückweisung (vgl. RGZ 121/63); b 1. im sog. Parteienprozeß führt die Zurückweisung in der mündlichen Verhandlung nach §157. nicht zum Erlöschen der Prozeß vollmacht. B IV. War die Zustellung schon begeben und kommt es erst dann zur Bestellung oder Kenntnis hiervon, so sollte man, wenn die Zustellung noch nicht bewirkt war, sie wiederholen. Gewohnheitrechtlich wirkt sie aber auch dann, wenn sie nicht wiederholt wird (RGZ 5/358 [360]). C. Nach der Prozeßordnung ist die Vollmacht zum Zustellungempfang anders abzugrenzen als sonst die Prozeßvollmacht, vgl. auch § 178. C I. §§ 80, 81 entscheiden nicht über den Zustellungempfang, wenn auch dem so Legimierten zugestellt werden darf (RGZ 45/364 f., § 81 A I I b 3; bzgl. der Vollstreckung vgl. Kommentar § 178 B I b), so muß ihm doch nicht zugestellt werden. Ist eine besondere Prozeßvollmacht für die in §§ 81, 82 genannten Verfahren erteilt, so erlischt insoweit die des Prozeßbevollmächtigten der ersten Instanz. Auch für die an ein schiedsrichterliches Verfahren anknüpfenden gerichtlichen (§§ 1041folg.) gilt § 176 nicht. C II. Zuzustellen ist an den Instanzbevollmächtigten (vgl. Kommentar § 178 A). a) Der Begriff der Instanz ist so auszulegen, wie er sich durch den nach Anwaltrecht gebotenen notwendigen Anwaltwechsel ergibt (anders ist der Begriff im Falle des § 119 auszulegen, wo er dem Kostenrecht folgt). Über den notwendigen Anwaltwechsel in den höheren Instanzen vgl. § 78 B II. Für das Zustellungrecht weicht der Instanzanwalt dem anderen erst, wenn dieser bestellt ist (sei es in höherer Instanz, sei es nach Verweisung §§ 276, 506, 697, 700, RGZ 103/334 [336]). Fällt der sich bestellt habende Postulationfähige der höheren Instanz weg (vgl. aber § 87), so kommt § 210a zum Zuge (d. h. für das Zustellungverfahren gilt § 244 I nicht; fällt der drittinstanzliche Anwalt so weg, so tritt zunächst der zweitinstanzliche an seine Stelle [RG Warn. 11/478]); umgekehrt (bei Wegfall eines Anwalts der unteren Instanz) gilt die Regel (Vertretung durch den der höheren) nicht. a 2. Wird der Anwaltwechsel bei der Einlegung des Rechtsmittels notwendig, so muß der Rechtsmittelkläger ihn zuerst vollziehen. Alle Vorgänge bis zur Rechtsmitteleinlegung gehören zur unteren Instanz (RGZ 158/195 [196]), also alle in ihr abzuwickelnden (Zusatz-, Ergänzung-)Verfahren, einschließlich der Urteilzustellung (RG J W 03/17611). b) Mit der Reehtemitteleinlegung (RGZ 68/247 f.) verdrängt der sich bestellende Anwalt des Rechtsmittelklägers den der unteren Instanz in bezug auf die Rechtsmittelinstanz.
568
Verfahren bei Zustellungen
§ 177 c n
b 2. Die Verdrängung besteht aber nicht in bezug auf die Zustellung des Urteils der ersten Instanz und ein mögliches Zwischenverfahren in dieser (vgl. §§239folg.). Hier bleibt trotz eines bestellten Rechtsmittelanwalts der der unteren Instanz zuständig. Nur darf nach der hier vertretenen Auffassung der Rechtsmittelanwalt unmittelbar in der Rechtsmittelinstanz das Verfahren aufnehmen (vgl. §§ 239folg.). c ) Verdrängt wird der Anwalt des Rechtsmittelbeklagten erst durch die Bestellung eines Rechtsmittelanwalts, wenn dieser notwendigerweise von dem vorinstanzlichen verschieden ist; sonst bedarf es seiner besonderen Bestellung nicht. Bis dahin bleibt der erstinstanzliche Anwalt für die Klagerücknahme, die Einwilligung dazu, die Einwilligung zur Rechtsmittelrücknahme und die Zustellung (RGZ 103/334) zuständig. Da die Bestellung regelmäßig erst, nachdem das Rechtsmittel eingelegt ist, vorgenommen werden wird, braucht dem Rechtsmittelanwalt des Rechtsmittelbeklagten, selbst wenn sich dieser bereits bei dem Rechtsmittelkläger gemeldet hat, nicht zugestellt zu werden (dies, aber auch nur dies besagt § 2 1 0 a I 2); streng genommen darf ihm nicht zugestellt werden, solange er sich nicht selbst bei dem Rechtsmittelgericht bestellt hat. Hat er sich indes bei dem Rechtsmittelgericht selbst bestellt, sei es vor oder bei Einlegung des Rechtsmittels (vgl. die entsprechende Lage bei der Klage nach § 176 B I a 2), so ist ihm (trotz des Wortlauts des § 210 a I 2) und nur ihm zuzustellen. d) Von der neuen Bestellung wird abgesehen, wenn ein zweites Rechtsmittel (Berufung) gegen dasselbe Urteil, gegen das schon das erste schwebt, eingelegt wird, auch wenn sie sich inhaltlich nicht decken (RGZ 120/183f.). Anders ist dies, wenn gegen ein a n d e r e s Urteil, mag es auch im selben Verfahren ergangen sein, sei es ein Teilurteil oder auch ein Urteil über den Grund (usw. wie das spätere über den Betrag usw.), ein Rechtsmittel eingelegt wird und selbst dann, wenn etwa erneut Revision nach Aufhebung und Zurückverweisung aus der Revisioninstanz eingelegt wird. C III. E s kann aber auch eine mehrfache Instanz im selben Prozeß geöffnet sein, etwa in den Fällen der §§ 275, 302, 303, 304, 600, wo in der unteren wie der oberen Instanz das Verfahren fortgesetzt wird. In diesen Fällen gilt die Prozeßtrennung. Der Prozeßbevollmächtigte der unteren Instanz erhält nur die diese, der der höheren Instanz nur die jene betreffenden Vorgänge. Vgl. im übrigen auch § 178 A I I .
§
177
( - )
I Ist der Aufenthalt eines Prozeßbevollmächtigten unbekannt, so hat das Prozeßgericht auf Antrag die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten, in Ermangelung eines solchen an den Gegner selbst zu bewilligen. II Die Entscheidung über den Antrag kann ohne mündliche Verhandlung erlassen werden. Eine Anfechtung der die Zustellung bewilligenden Entscheidung findet nicht statt. A. § 177 gilt nicht, solange noch eine sonstige wahlweise Zustellung möglich und eine von ihnen ausführbar ist, wie im Falle des § 210 a 1 2. Von § 210 a unterscheidet sich § 177 dadurch, daß er für die Zustellung auf Betreiben der Parteien (§ 166 A I) einen Gerichtsbeschluß erfordert, während das Gericht von sich aus ohne diesen so verfahren darf. A I. Unbekannt ist der Aufenthalt des Prozeßbevollmächtigten (i. S. der §§ 176, 178) nur, wenn deswegen keine Zustellung möglich ist, d. h. es entscheidet darüber eine allgemeine Unbekanntheit (vgl. dazu § 203 I). A II. Der Beschluß setzt den Antrag dessen voraus, der zustellen lassen will. Nach dem Gesetz ist er in erster Linie zu richten auf Bewilligung der Zustellung an den Zustellungbevollmächtigten (nicht den des Prozeßbevollmächtigten, dem stets zugestellt werden darf, Kommentar § 174 A I I a 1); sondern dem der Partei (über das Verfahren bei Wegfall des Zustellungbevollmächtigten vgl. § 175). Hatte die Partei aber keinen Zustellungbevollmächtigten (wie regelmäßig), so ist der Antrag auf unmittelbare Zustellung an die Gegenpartei zu richten.
569
§177
ZPO I. Buch
A III. Das Verfahren entspricht dem der freigestellten mündlichen Verhandlung (§ 177 I I 1, vgl. § 128 G II). Entschieden wird durch Beschluß, der nach § 329 auch dem, welchem zuzustellen ist, von Gerichts wegen bekanntzumachen ist. Funktionell ist der Rechtspfleger zuständig (RechtspflegerG § 19 I 7). B. Wird die Zustellung durch Beschluß bewilligt, so ist dagegen nur die Erinnerung (RechtspflegerG § 101) zulässig, gegen den Beschluß des Gerichts aber kein Rechtsmittel gegeben (§ 177 II 2). Auch kann sich die Partei, welche zustellt, auf seine Richtigkeit insoweit verlassen, wie sie nicht den Aufenthalt des Prozeßbevollmächtigten kennt. Der Beschluß selbst deckt nur die Zustellung, für die er beantragt wurde. B II. Gegen einen ablehnenden Beschluß ist die (Sprung-)Erinnerung (RechtspflegerG § 1 0 1, [IV]) mit anschließender (einfacher) Beschwerde zulässig (§567).
§ 178
(163)
I Als zu dem Rechtszug gehörig sind im Sinne des § 176 auch diejenigen Prozeßhandlungen anzusehen, die das Verfahren vor dem Gericht des Rechtszuges infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urteils dieses Gerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines neuen Vorbringens in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung zum Gegenstand haben. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht ist als zum ersten Rechtszuge gehörig anzusehen. A I . Der Einspruch (§§ 338folg., 700) f ü h r t niemals zu einem notwendigen Wechsel des Prozeßbevollmächtigten. A II. Wird eine Entscheidung aufgehoben (§§ 538, 539, 564, 565) und der Rechtstreit an eine untere Instanz zurückverwiesen, so wird der dort Prozeßbevollmächtigte wieder zuständig. Wird aber die höhere Instanz durch ein neues Rechtsmittel wieder eröffnet, nachdem nach Zurückverweisung in der unteren erneut entschieden war, so wird die Rechtsmittelinstanz nicht fortgesetzt und §§ 176, 178 sind unanwendbar (RG J W 25/756 3 ). Dies gilt auch, wo etwa gegen ein Teilurteil schon ein Rechtsmittel schwebt für das gegen ein anderes Teilurteil einzulegende neue (RGZ 27/350f.); für das gegen dasselbe (Teil)-Urteil eingelegte Rechtsmittel des Gegners ist aber der Rechtsmittelanwalt bestellter Prozeßbevollmächtigter i. S. des § 176 (RGZ 120/183f.). A III. Das Wiederaufnahmeverfahren (§§578folg.) ändert nichts an §176 (RG H R R 37/875). B I . Unter § 178 gehören im Vollstreckungrecht auch die selbständigen Klagen nach §§ 731, 767 (OLG Seuff. 67/65), 768, 771folg. (OLG 14/162), 785f., 805, 878folg. (RG Gruch. 37/426). B II. § 178 I 2 stellt klar, daß das Verfahren in der Vollstreckunginstanz zur ersten Instanz gehört. Nach § 900 II braucht allerdings der Prozeßbevollmächtigte des Schuldners vom Offenbarungeidtermin nicht benachrichtigt zu werden. B III. Der Regelung für die Vollstreckung entspricht die des § 103 II 1 für das Kostenfestsetzungverfahren (RGZ 9/390). C. Darüber, daß für all diese besonderen Verfahren ein Prozeßbevollmächtigter i. S. des § 176 selbständig und neu bestellt werden darf, vgl. Kommentar § 176 C I b.
§ 179 seit Nov. 09 weggefallen. Vgl. jetzt 5 210 a.
570
(164)
Verfahren bei Zustellungen
§ 180
(165)
I Die Zustellungen können an jedem Orte erfolgen, wo die Person, der zugestellt werden soll, angetroffen wird. A. An unpassendem Ort (etwa in einer Kirche) soll aber nach den Dienstanweisungen nicht zugestellt werden, die dagegen verstoßende Zustellung ist aber voll wirksam. B. Die Vorschrift trifft nicht den Ersatzzustellungempfänger.
§ 181 (166) I Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht angetroffen, so kann die Zustellung in der Wohnung an einen zu der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person erfolgen. II Wird eine solche Person nicht angetroffen, so kann die Zustellung an den in demselben Hause wohnenden Hauswirt oder Vermieter erfolgen, wenn sie zur Annahme des Schriftstäcks bereit sind. A. §§ 181—186 regeln die Ersatzzustellung, d. i. die an eine Person an Stelle eines Zustellungempfängers (§§ 171—178). A I. Die Ersatzperson ist für die Empfangnahme der Zustellung (aber nur für diese) gesetzlicher Vertreter des Zustellungempfängers, auf seinen Willen kann es deshalb nicht ankommen (RG Warn. 21/49). Der Zustellungbeamte darf die Ersatzperson unter Beachtung der Grenzen und der gesetzlich vorgeschriebenen Reihenfolge wählen; tut er dies nicht, so ist die Zustellung unwirksam (RGZ 87/412), vorbehaltlich einer etwaigen Heilungmöglichkeit (vgl. dazu § 187 A II a 2). a) Der vom Zustellungsempfänger bevollmächtigten Person kann wie dem Zustellungempfänger zugestellt werden, sofern sie annahmebereit oder dem Zustellungempfänger gegenüber zur Annahme verpflichtet ist (vgl. RGZ 107/161 [166], um eine Ersatzzustellung handelt es sich dabei nicht, weil die Annahme auf rechtgeschäftlichem Handeln beruht). b) Doch kann hier nicht an einen vollmachtlosen Vertreter zugestellt werden (vgl. § 89), und auch die nachträgliche Genehmigung ist unwirksam (a. M. RG HRR 36/1672), wohl aber kann, abgesehen, wenn es sich um die Iniaufsetzung einer Notfrist handelt, der Mangel — wie auch sonst — im Verfahren etwa nach §§ 187, 295 I geheilt werden. A H. Hinterlassen wird der Ersatzperson ein verschlossener Briefumschlag mit dem für den Empfänger bestimmten Schriftstück. a) Die h. M. nimmt an, daß die Ersatzperson rechtlich verpflichtet ist, dem Zustellungempfänger das Schriftstück auszuhändigen. b) Es gibt aber Fälle, wo eine solche Rechtspflicht nicht konstruierbar ist. A III. Die Zustellung ist wirksam, gleichviel, ob sie der Zustellungempfänger erhält oder nicht (RG Warn. 21/49). Wo aber nicht der Zugang einer Erklärung, sondern ihre Kenntnis entscheidet, spricht nur die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Zustellungempfänger auch die Kenntnis erlangt hat: doch darf er diesen prima-facie-Beweis entkräften (RGZ 87/412 [416, 418]). B I. § 181 findet ein Gegenstück in § 183, wonach dem Gewerbetreibenden auch in seinem Geschäftslokal zugestellt werden darf, so daß der Zustellungbeamte in diesem Falle zwischen der Zustellung in der Wohnung und der im Geschäftslokal die Wahl hat. Mißlingt die unmittelbare Zustellung in der Wohnung oder in dem Geschäftslokal, so braucht nicht erst die in dem Geschäftslokal bzw. in der Wohnung versucht zu werden, sondern es-darf sogleich in der Wohnung bzw. in dem Geschäftslokal die Ersatzzustellung vorgenommen werden (KG J W 31/1106®).
571
$181
ZPO I. Buch
B II. Wohnung ist die Räumlichkeit, welche der Zustellungempfänger regelmäßig zum Schlafen benützt (RG J W 12/1106 7 ). Der Aufenthalt nur bei Tag, auch in der Arbeitstätte, ist kein Wohnen. a) Die Räumlichkeit muß nicht bloß einmal zum Schlafen benützt werden, sondern in der Absicht, sie wieder zu benützen, wenn auch nur vorübergehend, wie ein länger als wenige Tage weilender Gast (RGZ 35/430 [432]), der Kranke im Krankenhaus (vgl. RGZ 152/360folg.); der Gefangene im Gefängnis (RGSt. DRpfl. 39/49 122 ). Diese behalten aber auch ihre alte Wohnung bei, weil sie die Absicht haben, sie wieder zu benützen; dann schadet die als vorübergehend gedachte — selbst lang andauernde (RG J W 14/468 8 ) — Abwesenheit nicht (RG Recht 21/2689; LG Göttingen HannRpfl. 46/61 hat indes bei Verhaftung durch die MilReg. keine Ersatzzustellung in der Wohnung mehr zugelassen). Alleiniger, unmittelbarer Besitzer des Schlafraumes braucht der Wohnende nicht zu sein (RGZ 34/392 [398]). Eine Schlafstelle genügt. b) Aufgegeben ist die Wohnung aber, sobald nicht mehr mit der Rückkehr des Zustellungempfängers zum Schlafen zu rechnen ist (BGH BB 57/1245). Auch eine voll eingerichtete, aber nicht benutzte Wohnung reicht nicht aus (RG J W 01/750 3 ). c) Wohnsitz (vgl. § 13 B) wie gewöhnlicher Aufenthalt (vgl. § 16 A II) sind dazu weder erforderlich noch genügend. B III. Wird der Zustellungempfänger in seiner Wohnung nicht angetroffen, so darf an eine Ersatzperson in der Wohnung zugestellt werden. Um die Abwesenheit festzustellen (was nach § 191 I 4 zu beurkunden ist, OLG 19/145), genügt die Auskunft einer Person, der ersatzweise nach § 181 (in concreto) zugestellt werden darf, mag auch diese Auskunft tatsächlich unrichtig sein (RG Warn. 08/553), oder mag dem Gerichtsvollzieher der Zutritt zu dem Zustellungempfänger trotz zugegebener Anwesenheit verwehrt werden (RG Seuff. 52/52); nur wenn der anwesende oder anwesend gewesene Zustellungempfänger die Zustellung ablehnt, ist nicht nach § 181, sondern nach § 186 zu verfahren. a) In erster Linie ist sodann wahlweise an einen Hausgenossen oder Bediensteten zuzustellen. Zugestellt werden darf diesen Ersatzpersonen nur, wenn sie sich in der Wohnung des Zustellungempfängers befinden. Liegen aber Geschäfts- und Wohnräume zusammen, so ist es gleichgültig, ob sie in den zum Wohnen oder in den für das Geschäft bestimmten angetroffen werden (RG Warn. 37/136). a 1. Hausgenosse ist, wer in der Wohnung wohnt. Er muß erwachsen sein, also wie ein Volljähriger aussehen (so weit geht die h. M. aber nicht), mag er auch noch nicht volljährig sein (vgl. RGZ 14/338f., RGSt. 47/374); ist er volljährig, so braucht er nicht erwachsen auszusehen (es sei denn, daß er nicht geschäftfähig ist). Ob er erwachsen aussieht, entscheidet zunächst der Zustellungbeamte (vgl. § 418 B), doch unter der Möglichkeit des Beweises des Gegenteils. Er muß zur Familie gehören; das Zusammenwohnen muß dabei auf eine in die Vergangenheit oder in die Zukunft gerichtete Dauer abgestellt gewesen oder noch abgestellt sein (RGZ 34/392 [398]). Auch ein Junggeselle, der einen vollständigen Haushalt führt, kann solche Hausgenossen haben (RG Warn. 37/136). Der in die Familiengemeinschaft aufgenommene Lehrling oder Gehilfe gehört hierher (KG KGB1. 03/77); nicht aber die geschiedene Ehefrau nach BVerwaltungG N J W 58/1985. a 2. Eine in der Familie dienende Person muß sich irgendeinem Familienangehörigen im Hausstande (nicht im Geschäft: OLG J W 31/2148) widmen, nicht gerade dem Zustellungempfänger (RG J W 01/750 3 ). In der Wohnung zu wohnen braucht der Angestellte nicht. Auch stundenweise Beschäftigung genügt (RG J W 37/1663 2 9 : für eine ständige Putzfrau). Auch diese Person muß erwachsen sein. B IV. Ist auch eine Ersatzperson i. S. des § 1811 nicht vorhanden (was nach § 1 9 1 1 4 zu beurkunden ist), so darf in zweiter Linie nach § 181 I I an den Hauswirt oder an den Vermieter ersatzweise zugestellt werden, wenn er im selben Hause wohnt (Wohnung im Nachbarhaus genügt nicht, RG H R R 38/1362).
572
Verfahren bei Zustellungen
§181
BIVa
a) Hauswirt sind Eigentümer, Nießbraucher, Nutzungberechtigte, aber auch der Vizewirt (RG J W 89/305 5 ), der Pförtner und seine Frau (RG J W 19/678®). Vermieter sind nicht nur die Vertragsgegner eines Mietvertrags, sondern auch der Arbeitgeber von Hausangestellten (RG H R R 30/1691), der Untervermieter, der Unterverpächter. Gewohnhcitrechtlich wird der Gefängnisvorsteher als „ W i r t " des Gefangenen angesehen (RG J W 96/147 8 ); der Krankenhausvorsteher (RGZ 152/360 [362]), der Leiter einer Heilanstalt (OLG JMB1. N R W 57/91) als der der Insassen. Auch bei diesen setzt das Gesetz voraus, daß sie erwachsen sind. a 1. Unzulässig mit der Folge der Unwirksamkeit ist aber die Ersatzzustellung an die Familienangehörigen oder Bediensteten des Hauswirts oder des Vermieters (RGZ 152/360 [362]), an den Hausmeister, der nur die Beleuchtung bestellen soll (RG H R R 38/1362) oder an den Hauswart (RG J W 38/2681 1 '). b) Die Personen nach § 181 B I V a müssen annahmebereit sein. Lehnen sie ab, so ist nach § 182 zu verfahren, nicht nach § 186. c ) Ersatzzustellung an eine Ersatzperson dort, wo sie als Ersatzzustellung für diese als Zustellungempfänger vorgenommen werden könnte, ist unzulässig.
§ 182
(167)
I Ist die Zustellung nach diesen Vorschriften nicht ausführbar, so kann sie dadurch erfolgen, daß das zu übergebende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung gelegen ist, oder an diesem Ort bei der Postanstalt oder dem Gemeindevorsteher oder dem Polizeivorsteher niedergelegt und eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben oder, falls dies nicht tunlich ist, an die Tür der Wohnung befestigt oder einer in der Nachbarschaft wohnenden Person zur Weitergabe an den Empfänger ausgehändigt wird. A. § 182 setzt voraus, daß eine Zustellung nach § 181 zulässig (RGZ 30/426f.), aber weder nach § 181 I noch nach § 181 I I (RGZ 87/412) durchführbar war; es muß also ein vergeblicher Zustellungversuch nach § 181 vorausgegangen sein (RGZ 87/412f.). B. Zugestellt wird durch Niederlegung der für den Zustellungempfänger bestimmten Urkunde und der Mitteilung hierüber. Fehlt eines von beiden, so ist die Zustellung unwirksam. Nur die Tunlichkcit der gewählten von den (zugelassenen) Mitteilungarten wird nicht nachgeprüft (OLG 17/178). Erst mit dem letzten Akt der Niederlegung oder der Mitteilung wird die Zustellung wirksam. Beides muß beurkundet werden (§ 191 I 4). B I. Unter den Niederlegungarten hat der Zustellungbeamte die Wahl; die bei der Post bewirkte Niederlcgung wirkt, selbst wenn der Empfänger die Post angewiesen hatte, für ihn eingehende Sendungen zurückgehen zu lassen (BayObLG N J W 57/33). B II. Außer niedergelegt, muß dies noch mitgeteilt werden. Die Mitteilung muß angeben, wo etwas für wen niedergelegt ist, und zwar unter Angabe des Namens des Zustellungbeamten und seiner Dienststellung. Diese Mitteilung soll wie ein gewöhnlicher Brief abgegeben (RG J W 38/2681 1 7 ) werden. Bei Fehlen des Briefeinwurfs genügt Durchschieben über die Schwelle (RG J W 38/2681 1 '). Ist beides nicht möglich oder (ausnahmeweise) unsachgemäß — das Gesetz sagt untunlich — , so ist die Mitteilung, und zwar nach der Wahl des Zustellungbeamten entweder an der Tür zu befestigen oder einem (annahmebereiten) Nachbarn zu geben. Der Nachbar braucht nur in der Umgebung des Zustellungempfängers zu wohnen, nicht im selben Hause. An dieser Mitteilungpflicht wird nichts dadurch geändert, daß der Empfänger sonst seine Sendungen postlagernd erhält (BGH B B 54/577).
573
ZPO I. Buch
§ 183
(168)
I Für Gewerbetreibende, die ein besonderes Geschäftslokal haben, kann, wenn sie in dem Geschäftslokal nicht angetroffen werden, die Zustellung an einen darin anwesenden Gewerbegehilfen erfolgen. II Wird ein Rechtsanwalt, ein Notar oder ein Gerichtsvollzieher in seinem Geschäftslokal nicht angetroffen, so kann die Zustellung an einen darin anwesenden Gehilfen oder Schreiber erfolgen. A. Bei der Zustellung im Büro (Geschäftslokal) gibt es keine dem § 182 entsprechende Ersatzzustellung (OLG NJW 50/44020), sondern nach § 183 nur die an den anwesenden Gehilfen. Zwischen der Zustellung in der Wohnung (§ 181) und der im Büro (§ 183) hat der Zustellungbeamte die Wahl (vgl. § 181 B I), die er auch im Nacheinander treffen darf (RG DR 39 A 217524). Auf die Zustellung von Anwalt zu Anwalt ist § 183 nicht anzuwenden. A I . Der Gehilfe darf die Zustellung nicht ablehnen (RG V Warn. 21/49); tut er es, so ist nach § 186 zu verfahren. Über die Heilung fehlerhafter Zustellungen vgl. §§ 295 1, 187. A II. Die Zustellung im Büro gibt es nur für Gewerbetreibende nach § 183 I, für Rechtsanwälte, Notare und Gerichtsvollzieher nach § 183 II und für den Vertreter nach ArbGG § 11 und Verteidiger nach der StPO. a) Als Gewerbetreibender ist jeder, der eine auf Entgelt gerichtete Tätigkeit s e l b s t ä n d i g ausübt, anzusehen; dies gilt im besonderen für die in GewO § 6 genannten Berufe wie für die freien Berufe (Ärzte, Patentanwälte und die in § 183 II genannten mit Ausnahme der GV, die jetzt Beamte sind); auch der Landwirt, der Forstwirt, falls er ein Büro (Rentamt) unterhält, wird hierher zu zählen sein. a 2. Nur der Inhaber des Büros ist Gewerbetreibender, nicht seine Angestellten, nicht sein Organ (nicht das Vorstandsmitglied oder der Aufsichtrat: RGZ 83/414f.; nicht der Geschäftführer einer GmbH: OLG MDR 57/234). Inhaber ist aber auch der Pächter eines Unternehmens, selbst wenn der Verpächter die Angestellten stellt. Soweit der Erwerb gemeinschaftliches Vermögen wird, bei Ehegatten nach dem vereinbarten Ehegüterrecht, bei den Gesellschaftern einer Gesellschaft nach BGB §§ 705folg., einer Handelsgesellschaft, ist jeder Beteiligte in bezug auf das gemeinschaftliche Vermögen Inhaber (vgl. aber auch § 183 A II b 1); nicht aber ist es der stille Teilhaber in der stillen Gesellschaft; nicht der Aktionär, nicht der alleinige Gesellschafter einer GmbH (OLG MDR 57/234); zweifelhaft kann dies aber bei dem Komplementär der Kommanditgesellschaft auf Aktien sein, obwohl sie eine juristische Person ist, denn haftungmäßig sind die Komplementäre offene Teilhaber (vgl. § 183 A II b 1). b) Alleiniger Inhaber des Büros braucht der Zustellungempfänger nicht zu sein (RGZ 107/165 bei Bürogemeinschaft). b 1. Bei der oHG (nicht der AG) ist auch der (geschäftsführende) Komplementär zugleich als persönlicher Inhaber des Büros angesehen worden (RGZ 16/349f.; a. M. OLG 29/72 für den außerhalb des Büros arbeitenden). Dies gilt nicht für den Kommanditisten, nicht für den Mitreeder, wenn ein Korrespondentreeder vorhanden ist. b 2. Wird es zugleich als Wohnung benutzt, so ist auch § 181 (RG JW 37/166329) anzuwenden. Nur bei völliger Trennung von Büro und Wohnung ist bei Zustellung im Büro nur § 183 anzuwenden. B. Es muß im Geschäftslokal (Büro) zugestellt werden. B I. Geschäftslokal ist ein Raum, welcher nur gewerblichen Zwecken dient (RGZ 16/349f.); das reine Warenlager, die Fabrik, die Auslieferungstelle sind ein solches Büro nicht (vgl. OLG 29/72). Besteht ein solches Büro, so kommt es nicht darauf an, ob der Inhaber selbst in ihm regelmäßig tätig wird (RGZ 109/265 [267]; a. M. OLG 29/72, vgl. § 183 A II b 1). Stets muß der einen Raum als Büro gegen sich gelten lassen, der öffentlich (bloßes Nichtrichtigstellen
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Verfahren bei Zustellungen
§183 BI
im Prozeß genügt dazu nach BArbG v. 27. 10. 1955 II AP § 183/1 nicht) vorgibt, ihn so zu benützen (OLG Seufi. 67/265). Vgl. auch § 184 A II. B II. F ü r die Ersatzzustellung des § 183 ist Voraussetzung, daß der Inhaber des Büros nicht im Büro angetroffen wird (vgl. dazu § 181 B I). Dazu genügt es auch, daß er sich nicht sprechen lassen will (a. M. RGZ 17/403 [406]). Keinesfalls braucht der Zustellungbeamte das Büro zu durchsuchen (RG Warn. 08/553). Andererseits braucht der Inhaber nicht ortsanwesend zu sein oder auch nur regelmäßig im Büro zu weilen, ja sein Aufenthaltsort kann sogar unbekannt sein. In solchen Fällen darf weder § 177 noch gar § 203 angewandt werden. Vgl. § 183 B I. B III. Weiterhin ist erforderlich, daß ein Gehilfe des Inhabers im Büro anwesend ist. a) Es muß ein Geschäftsgehilfe sein, ein Lehrling genügt nicht (RG Warn. 21/49); doch sollte man den Begriff nur im Sinne der Erwachsenheit auslegen (vgl. § 181 B I I I a 1; a. M. OLG MDR 55/174); denn der Zustellungbeamte darf nicht genötigt werden, in das innere Verhältnis zwischen Inhaber und Angestellten einzudringen. Ein berechtigter Unterschied zwischen Schreibern und Gehilfen im Büro der Anwälte, Notare und Gerichtsvollzieher besteht nicht (RG v. 8. 1. 1921 V Warn. 49: die irrtümliche Bezeichnung eines Schreibers als Gehilfen schade nicht). Auch der Volontär, der beim Anwalt tätige Referendar (RGZ 4/425 [427]) oder eine zum Hausstand des Inhabers gehörende Person, die im Geschäft arbeitet (RG J W 30/2224 14 ), sind solche Geschäftsgehilfen. Unter mehreren Gehilfen h a t der Zustellungbeamte die Wahl (RG J W 30/3310 6 ). b) Dagegen sind es nicht der Agent oder der Reisende, der Arbeiter, der Bote (RGZ 4/425 [427]), die Putzfrau (RG J W 36/3312 7 ), die Bürowirtin des Anwalts (OLG N J W 50/440 20 ), der Knecht (RG J W 99/139 5 ), auch nicht der Teilhaber (RArbG J W 36/2179", vgl. §84 C I I I a). c) Bei Bürogemeinschaft muß gerade dem Geschäftsgehilfen des als Zustellungempfänger in Betracht kommenden Inhabers zugestellt werden (RArbG J W 29/1326 22 ). Zustellung an einen gemeinschaftlichen Gehilfen genügt (RG J W 06/566 36 ). d) Die Zustellung außerhalb des Büros an den Gehilfen ist unwirksam (RG Warn. 26/174). C I. Die Zustellung selbst darf nach § 183 bewirkt werden, auch wenn der Inhalt nicht das Geschäft des Inhabers, sondern ihn rein persönlich betrifft (RGZ 16/349 [350]). C II. Zustellungempfänger für den vertretenen Anwalt ist aber auch der bestellte Anwaltevertreter, so daß ihm auch in seinem (eigenen) Büro nach § 183 zugestellt werden darf (OLG 37/136).
§ 184
(169)
I Wird der gesetzliche Vertreter oder der Vorsteher einer Behörde, einer Gemeinde, einer Korporation oder eines Vereins, dem zugestellt werden soll, in dem Geschäftslokal während der gewöhnlichen Geschäftsstunden nicht angetroffen oder ist er an der Annahme verhindert, so kann die Zustellung an einen anderen in dem Geschäftslokal anwesenden Beamten oder Bediensteten bewirkt werden. II Wird der gesetzliche Vertreter oder der Vorsteher in seiner Wohnung nicht angetroffen, so sind die Vorschriften der §§ 181, 182 nur anzuwenden, wenn ein besonderes Geschäftslokal nicht vorhanden ist. A. Ob der Zustellungsbeamte eine Ersatzzustellung vornehmen will, darauf kommt es nicht an, wenn er tatsächlich die Form des § 184 wahrt, also wenn er dem Vorsteher zustellen will, aber einen sonstigen Angestellten für den Vorsteher hält, sofern der Vorsteher tatsächlich abwesend ist (RG Gruch. 61/485), wie auch umgekehrt die Zustellung an einen Zustellungempfänger ausreicht, wenn der Beamte vermeinte, eine Ersatzzustellung bewirken zu müssen (RGZ 107/161).
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§184
ZPO I. Buch
A I. § 184 gilt für die juristischen Personen, aber auch für die Gesamtparteien (vgl. § 50 B III). Welcher natürlichen Person hier zuzustellen ist, besagt §171; diese sind also die Zustellungempfänger. A II a) Gesebäftslokal ist auch hier das Büro (vgl. § 183 B I), auch das Vorzimmer (Sekretariat, Geschäftstelle), das dem gesetzlichen Vertreter oder dem Vorsteher dient. b) Zugestellt werden muß einem anwesenden Angestellten, der im Dienstverhältnis zur juristischen Person steht (PrOVG 70/292) und im Bürodienst tätig ist (§ 183 B I I I a). Bei Weigerung eines Angestellten gilt § 186. Außerhalb des Büros ist die Ersatzzustellung unzulässig (RGZ 82/65 [69]). c) Obwohl all diese Voraussetzungen zutreffen, hat RGZ 83/414 [417] in den Fällen der Anfechtung- und Nichtigkeitklagen eine Ersatzzustellung an den Aufsichtrat nicht zugelassen. Dies ist nur unter dem Gesichtswinkel des § 185 zu rechtfertigen (§ 185 B II b). A III. Die Ersatzzustellung setzt ferner die Abwesenheit oder die (angebliche) Verhinderung (diesen Fall erwähnt hier das Gesetz ausdrücklich) eines gesetzlichen Vertreters oder Vorstehers voraus (vgl. § 183 B II). Sie muß in den gewöhnliehen Geschäftstunden, d. h. in denen, welche nach behördlichen Anweisungen oder der Ortsitte üblich sind, bewirkt werden (RG J W 01/783 [785]). B. Dem Zustellungempfänger selbst kann aber auch in seiner Wohnung (RG J W 01/783); überall, wo er angetroffen wird, und auch außerhalb der gewöhnlichen Geschäftzeit zugestellt werden. B I. § 184 II verbietet aber die Ersatzzustellung in der Wohnung oder nach § 182 hier ausdrücklich, so daß die dagegen verstoßende unwirksam ist (RGZ 123/204f.). Ausgenommen davon ist nur der Fall, daß kein besonderes (über den Begriff vgl. § 183 B I) Geschäftslokal vorhanden ist, dann ist auch die Ersatzzustellung in der Wohnung zulässig (KG OLG 17/137).
§ 185 ( - ) I Die Zustellung an eine der in den §§ 181, 183, 184 Abs. 1 bezeichneten Personen hat zu unterbleiben, wenn die Person an dem Rechtsstreit als Gegner der Partei, an welche die Zustellung erfolgen soll, beteiligt ist. A. § 185 will die Ersatzzustellung an eine Person verhindern, welche ein dem Zustellungempfänger notwendigerweise entgegengesetztes Interesse hat. Die Bestimmung ist weit auszulegen, aber nicht auf den Zustellungempfänger selbst auszudehnen. Auch wenn beide Parteien denselben Zustellungbevollmächtigten haben, darf ihnen über ihn zugestellt werden (RGZ 157/168f.). A I. Getroffen werden alle Ersatzpersonen mit Ausnahme der in § 182 genannten. Nur einer in der Nachbarschaft wohnenden Person, die unter § 185 fällt, darf die Niederlegungsmitteilung nicht anvertraut werden, hier muß § 185 entsprechend angewandt werden. A II. Die entgegen § 185 vorgenommene Zustellung ist unwirksam. Der Mangel wird nach §§ 295 I, 187 geheilt. Auf ein Verschulden des Zustellungbeamten kommt es nicht an. Die Geschäftstelle bzw. der Gerichtsvollzieher sollen auf eine zu mutmaßende Unzulässigkeit der Ersatzzustellung nach Vordruck der auszustellenden Zustellungurkunde hinweisen. Der die Zustellung Kontrollierende (die Geschäftstelle, der Anwalt) muß aber darauf, nachdem zugestellt ist, achten. B. Die vom Zustellungbeamten ausgewählte Ersatzperson darf nach § 185 nicht Prozeßgegner der Partei (einschließlich der Streitgehilfen; a. M. RGZ 17/409f.) in dem Verfahren sein, innerhalb dessen die Zustellung zu bewirken ist, B I a) also nicht der Hauswirt als Ersatzperson des Mieters in seiner Räumungklage gegen diesen (RGZ 87/412 [414]); die Ehegatten, einer für den anderen bei einer Scheidungklage (RG Warn. 39/36), die Ehefrau, die den Antrag auf Entmündigung gestellt hat, im Entmündigungverfahren gegen den Ehemann (KGJ 46/94).
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Verfahren bei Zustellungen
§185bi
b) Der Partei gleich steht ihr gesetzlicher Vertreter (§ 51D). c) Nicht verboten ist die Ersatzzustellung an den eigenen Streitgenossen oder einen Streitgehilfen derselben Parteiseite, welcher der Zustellungempfänger angehört; auch nicht die Ersatzzustellung an die Partei (etwa als Hauswirt), wenn ihr eigener Prozeßbevollmächtigter Zustellungempfänger ist (§ 176). B II. § 185 verbietet die Ersatzzustellung auch an den, der für das Zustellungverfahren wegen seines Interessengegensatzes Prozeßgegner werden muß. a) In entsprechender Anwendung der Vorschrift kann eine Person nicht Ersatzperson sein, die, wenn sie sich am Verfahren beteiligen würde, notwendiger Streitgenosse (§ 62) oder selbständiger Streitgehilfe (§ 69) sein würde (RGZ 35/429f.). a 1. Doch ist der, dem der Streit verkündet ist (§ 72) noch nicht Gegenpartei. b) Die Zustellung an den Aufsichtrat der Handelsgesellschaften in Hauptversammlungbeschlußanfechtung- und Nichtigkeitprozessen wird von RGZ 83/414 [417] nicht zugelassen an Ersatzpersonen, welche es für den Vorstand oder den Geschäftsführer dieser Gesellschaften sind. c) Die Zustellung an den Schuldner als Ersatzperson für den Drittschuldner ist unzulässig (OLG BadRPr. 13/165; a. M. RGZ 87/412 [414]).
§ 186
(170)
I Wird die Annahme der Zustellung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so ist das zu übergebende Schriftstück am Ort der Zustellung zurückzulassen. A. Weigert sich eine zur Empfangnahme verpflichtete Person, das bei der Zustellung zu übergebende Schriftstück anzunehmen, so ist es vom Zustellungbeamten am Ort der Zustellung zurückzulassen. Bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt wurde jedenfalls früher § 186 nicht angewandt (RGZ 98/241 [243]), vgl. aber § 198 A I b 3. Die Verweigerung der Annahme und die Zurücklassung sind zu beurkunden (§ 1911 5). A I. Zur Annahme verpflichtet sind gesetzlich der Zustellungsempfänger und die (nicht ausgeschlossenen) Ersatzpersonen (mit Ausnahme der in § 181 II genannten), wenn ihnen nicht zur Unzeit zugestellt wird (vgl. § 188 A II). B. Wie das Schriftstück zurückzulassen ist, ist nicht vorgeschrieben. §
187
(-)
I Ist ein Schriftstück, ohne daß sich seine formgerechte Zustellung nachweisen läßt, oder unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften dem Prozeßbeteiligten zugegangen, an den die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, so kann die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt angesehen werden, in dem das Schriftstück dem Beteiligten zugegangen ist. Dies gilt nicht, soweit durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist in Gang gesetzt werden soll. A I b) § 187 setzt die ordnungmäßige Vervielfältigung der Urschrift voraus; fehlt es an ihr, wird etwa eine einfache statt der beglaubigten Abschrift zugestellt, so ist er unanwendbar (a. M. BGH v. 11. 3. 1954 III ZR 377/52). In diesen Fällen kommt aber möglicherweise § 295 zum zuge. Nur wenn dem Zustellungsempfänger bereits zuvor eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift einfach mitgeteilt war — etwa ein Armenrechtsgesuch, das nicht als Klage zugestellt wurde — und danach (versehentlich) nur eine einfache Abschrift, die aber mit dem zuvor bloß mitgeteilten Schriftstück identisch ist, zugestellt wird, so kann der Zustellungempfänger sich nicht darauf berufen, daß ihm eine beglaubigte Abschrift bzw. eine Ausfertigung hätte zugestellt werden sollen. Die Norm gilt auch bei der Zustellung im Ausland (a. M. KG J W 29/3173 nach altem Recht); über die öffentliche Zustellung vgl. §204 A II c 4. 37
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§187
ZPO I. Buch
A II. Ist die ordnungmäBige Vervielfältigung des zuzustellenden Schriftstücks fehlerhaft überlassen worden, so sind nach § 187 die hierbei begangenen Fehler gleichgültig, wenn das zu überlassende Schriftstück in die Hand des Zustellungsempfängers gelangt (OLG NdsRpfl. 47/78). a 1. Der Begriff des Zugangs wird vom Gesetz nicht umrissen. Im allgemeinen versteht man darunter die Erlangung des unmittelbaren Besitzes (vgl. auch BGB §§ 130folg.) mit der Maßgabe, daß eine Kenntnisnahme möglich ist. Er schließt also nicht die Möglichkeit der Unkenntnis von dem Schriftstück aus. Vom Standpunkt des Prozeßrechts wird man aber verlangen müssen, daß der Zustellungempfänger gewußt hat, daß ihm ein Schriftstück — gleichviel welchen Inhalts —, das für ein Verfahren bedeutsam sein kann, zugegangen ist. Zu beweisen ist dies mit allen zulässigen Beweismitteln. a 2. Zugang an eine mögliche Ersatzperson reicht nicht aus und deshalb auch nicht die Übermittlung des Inhalts an den Zustellungempfänger durch diese, wenn nicht das zu überlassende Schriftstück übermittelt wird (also nicht die mündliche Übermittlung oder nur die einfache Abschrift; vgl. LArbG MDR 5 2 / 4 3 " ; a. M. OVG DRZ 47/33); doch sollte man bedenken, daß, wenn einem Besitzdiener etwas (BGB § 855) zugeht, der Herr unmittelbar Besitzer wird. Liest der Besitzdiener dem Herrn das Schriftstück (etwa durch Fernsprecher) vor, so sind die Voraussetzungen des § 187 gegeben. a 3. Geht dem Zustellungempfänger aber nur die (beglaubigte Abschrift der) Zustellungurkunde zu, so ist dies ohne jede Bedeutung. b) Der Zustellungempfänger muß wissen, daß ihm auf Veranlassung des zur Betreibung Verpflichteten das Schriftstück überlassen werden sollte; was man prima facie als nachgewiesen ansehen darf. b 1. Wird ihm etwa — von der zuständigen Stelle — bloß mitgeteilt anstatt zugestellt, so ist § 187 anzuwenden (OLG N J W 51/968 2 0 , wenn eine als Armenrechtsgesuch und Klage bezeichnete Schrift mitgeteilt wurde, anstatt zugestellt zu werden, BGH N J W 56/1878 in dem Fall, wo die Zustellung richterlich angeordnet war; über den Zugang beim Drittschuldner vgl. Kommentar § 929 F I I I a 1). b 2. Erreicht den Zustellungempfänger aber das von dem Zustellenden ausgehende Schriftstück nicht und erlangt er von ihm nur anderweit Kenntnis, etwa durch Einsicht in die Gerichtsakten oder durch die Handlung eines anderen als des die Zustellung Betreibenden, etwa durch Mitteilung oder auf Zustellung durch das Gericht, wo die durch die Partei geboten war wie umgekehrt, so wird damit nicht die fehlende Zustellung nach § 187 ersetzt (wohl aber tritt nach § 295 I die Heilung ein, von Notfristen, die dadurch in Gang gesetzt werden sollten, abgesehen). A III. Wird gar ein Schriftstück einem (berufenen) Zustollungempfänger zugestellt, so liegt kein Zustellungmangel vor. Über das entsprechende Verhältnis, wenn jemandem als Zustellungempfänger, aber nicht als Ersatzperson zugestellt werden durfte, wie umgekehrt, vgl. § 184 A. a) Doch ist nicht die Partei als solche Ersatzperson ihres Prozeßbevollmächtigten. Wird deshalb der Partei an Stelle ihres Prozeßbevollmächtigten (§ 176) zugestellt oder an den bisherigen früheren anstatt den neuen Prozeßbevollmächtigten, so wirkt die Zustellung erst, wenn sie diesem zugeht und auch nur nach § 187. b) Geheilt werden also im besonderen b 1. wenn die Beurkundung der Zustellung unterbleibt oder wenn es unterlassen wird, eine beglaubigte Abschrift der Zustellungurkunde zu übergeben oder wenn die übergebene fehlerhaft ist, b 2. wo unmittelbar anstatt durch Ersuchen zugestellt wird, b 3. wo die zuzustellende Urkunde an eine falsche Person (eine falsche Ersatzperson, vgl. OVG DRZ 47/33) oder außerhalb der gewöhnlichen Geschäftzeit im Fall des § 184 I oder an einen falschen Empfänger ausgehändigt wird. (Geheilt wird, wo die zuzustellende Urkunde an den Zustellungbevollmäohtigten, der zwei Parteien vertritt, unter Adressierung an die falsche Partei [BGH v. 10. 3. 1960 I I ZR 56/59] gerichtet wird).
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Verfahren bei Zustellungen
§187 Ain
b 4. über den Fall des Zugangs zur Unzeit bei Verstößen gegen § 188 vgl. Kommentar § 188 A I I I . B. § 187 I 2 schließt von der Heilung aber die Zustellungen aus, durch die eine Notfrist (§ 223 I I I ) in Lauf gesetzt werden soll. In diesen Fällen kommt auch eine Heilung nach § 295 I nicht in Betracht (§ 295 II). B I. Eine entsprechende Anwendung des § 187 I 2 hat BGH v. 29. 1.1960 IV ZR 211/59 für die Fünfmonatefrist (§ 516) ausgesprochen. B II. Auf anfierprozessuale Fristen ist die Vorschrift auch nicht entsprechend auszudehnen, also nicht auf die Ausschlußfristen zur Klageerhebung (a. M. BGH MDR B 836/54). Kommt es indes darauf an, ob die Zustellung eine außerprozessuale Frist unterbricht (etwa die Klageerhebung die Verjährungfrist), so ist es nur auf die prozessuale Wirksamkeit der Zustellung und also auch auf die nach § 187 zur Fristwahrung abzustellen (RG J W 29/846 3 ). Über Rückwirkungen vgl. § 261 b I I I . B i n . Die Rechtsmittelbegründungfristen fallen nicht unter die Ausnahmevorschrift, weil sie keine Notfristen sind (BArbG AP §187/2; a. M. BGH MDR 59/115).
§ 188
(171)
I Zur Nachtzeit sowie an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen darf eine Zustellung, sofern sie nicht durch Aufgabe zur Post bewirkt wird, nur mit richterlicher Erlaubnis erfolgen. Die Nachtzeit umfaßt in dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens und in dem Zeitraum vom 1. Oktober bis 81. März die Stunden von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens. II Die Erlaubnis wird von dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts erteilt; sie kann auch von dem Amtsrichter, in dessen Bezirk die Zustellung erfolgen soll, und in Angelegenheiten, die durch einen beauftragten oder ersuchten Richter zu erledigen sind, von diesem erteilt werden. i n Die Verfügung, durch welche die Erlaubnis erteilt wird, ist bei der Zustellung abschriftlich mitzuteilen. IV Eine Zustellung, bei der die Vorschriften dieses Paragraphen nicht beobachtet sind, ist gültig, wenn die Annahme nicht verweigert ist. A. § 188 schreibt die gewöhnliche Zustellungzeit vor (vgl. § 761). A I. Zu jeder Zeit ist die Zustellung zulässig, wenn sie durch Aufgabe zur Post (§§ 175, 213), durch die Post (vgl. § 1 9 3 A ; PostO § 4 1 ; doch soll sie hier an Sonn- und Feiertagen regelmäßig unterbleiben, Anw. der PostA v. 6. 3. 1914 [ZB1DR 208] § 5 I V ; ein Verstoß hiergegen berührt nicht die Gültigkeit der Zustellung), von Anwalt zu Anwalt (doch stellte es hier RG Gruch. 32/1173 [1174] darauf ab, daß der Anwalt die Zustellung am Sonntag entgegennahm) oder von Gericht zu Anwalt, Notar oder Gerichtsvollzieher (§§ 198, 212a) und durch Übergabe an der Amtstelle (§ 212b) bewirkt wird. Daß der Gerichtsvollzieher (§194) oder die Geschäftstelle (§211) jederzeit die Sendung an die Post übergeben dürfen, hat mit der Bewirkung der Zustellung nichts zu tun. A II. Bei den übrigen Zustellungen durch Gerichtswachtmeister oder Gerichtsvollzieher sind die in der Nachtzeit und die an Sonn- und Feiertagen ausgenommen worden. a) Der Begriff der Nachtzeit ist in § 188 I 2 erklärt. Es gilt regelmäßig mitteleuropäische Zeit (G v. 12. 3. 1893 — RGBl. 93), wenn Sommerzeit aber eingeführt ist, wird nach dieser berechnet. Auf die Geschäftzeit kommt es hierbei, abgesehen von § 184 I, nicht an (RG J W 10/713 20 , wonach ein Abkommen der Anwälte mit Geschäftstellen ohne Beachtung blieb). b) Sonntag ist der kalendermäßig als solcher bezeichnete, jeder siebente Tag. c) Allgemeine gesetzliche Feiertage sind der Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, der 1. Mai, der Himmelfahrtstag, der Pfingstmontag, der 17. Juni (BundesG v. 4. 8.1953 [BGBl. I 778] § 1), weiter der Bußtag (Mittwoch vor Totensonntag, d. i. der Sonntag vor dem 1. Advent) mit Ausnahme Bayerns, soweit dort in den Gemeinden die Bevölkerung überwiegend katholisch
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§188 Alle
ZPO I. Buch
ist, sowie der erste und der zweite Weihnachtstag. Außerdem gibt es in den nachstehenden Ländern folgende gesetzliche Feiertage: Erscheinungfest (6. Januar): BW, Bay.; Fronleichnam: BW, Bay. (in Gemeinden mit überwiegend kath. Bevölkerung), Hessen, NRW, Rh.-Pf.; Friedensfest (8. August): Maria Himmelfahrt (15. August): Allerheiligen:
Stadtkreis Augsburg; Bay. (in Gemeinden mit überwiegend kath. Bevölkerung); BW, Bay. (in Gemeinden mit überwiegend kath. Bevölkerung; für Gemeinden mit überwiegend evangelischer Bevölkerung unter den Voraussetzungen des G v. 15. 12. 1949 [GVB1. 50/41] § 1 1 c), NRW, Rh.-Pf. Gleichgültig ist es aber, ob die Behörden auch an anderen Tagen einen Sonntagsdienst einrichten (etwa Sonnabend vor Ostern: RG J W 37/304386). B. Soll in dem Fall des § 188 außerhalb der gewöhnlichen Zustellzeit zugestellt werden, so bedarf es der Erlaubnis (d. i. einer Verfügung) des Gerichts. B I. Zuständig ist der Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 I 8) des Prozeßgerichts und für den, der die Zustellung betreibt, wahlweise der des Amtsgerichts des Zustellbezirks und der des ersuchten Richters, soweit dieser die Angelegenheit erledigen soll. a) Ist die Zustellung von den Parteien zu betreiben, so ist ihr Antrag erforderlich; bei der Zustellung von Gerichts wegen genügt Vorlegung durch den Urkundbeamten. b) Eine Anhörung des Gegners wird nicht gefordert. Das Verfahren ist die freigestellt mündliche Verhandlung. Entschieden wird nach Ermessen. b 1. Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist die Erinnerung (RechtspflegerG § 101) zulässig (gegen die ablehnende auch die Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 10 IV). Ändert der Rechtspfleger ab, so ist gegen diese Entscheidung die Erinnerung zulässig (RechtspflegerG § 10 I, bei Zurückweisung des Antrags auch die Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 10 IV). b 2. Ändert der Rechtspfleger nicht ab, so wird gegenüber dem Rechtspfleger des Prozeßgerichts vorgelegt: dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts, dem Einzelrichter (§§348folg.) oder dem beauftragten Richter — je nach dem, welcher mit der Sache in bezug auf die vorzunehmende Zustellung befaßt ist —; gegenüber dem Rechtspfleger des Amtsgerichts (sei es der ersuchte Richter, sei es der des Zustellbezirks) dem zuständigen Amtsrichter. Ändern sie ab, indem sie die gewünschte Art der Zustellung bewilligen, so ist gegen diese richterliche Entscheidung kein Rechtsbehelf gegeben. b 3. Ändern sie nicht ab, so ist bei der Sprungerinnerung die Sache sogleich dem Beschwerdegericht vorzulegen; im anderen Falle gibt es gegen ihre Entscheidung, die inhaltlich ein Beschluß ist, die (einfache) Beschwerde an dasi m Instanzenzug vorgeordnete Gericht, sofern nicht Richter eines OLG oder eines höheren Gerichts entschieden haben (§ 567 III 1). b 4. Gegen die Entscheidung des LG als Beschwerdegericht ist bei ablehnender Bewilligung (nicht bei Stattgabe) unter den Bedingungen des § 568 II, III die weitere Beschwerde zulässig, das OLG entscheidet dann endgültig, b 5. doch darf der Antrag mit neuer Begründung erneuert werden. C. Die Zustellung in der außergewöhnlichen Zeit ist wirksam, wenn die Annahme nicht verweigert wird (§ 188 IV) oder der Inhalt einer gerichtlichen, die Vornahme gestattenden Verfügung in einfacher (unbeglaubigter) Abschrift bei der Zustellung mitgeteilt wird (§ 188 III). Heilung tritt nach § 187 — abgesehen von den Fällen, wo Notfristen in Lauf gesetzt werden sollen — von der Zeit an ein, wo die Zustellung berechtigterweise hätte vorgenommen werden dürfen, falls das überlassene Schriftstück dem Zustellungempfänger dann schon zugegangen ist. Weiterhin ist auch Heilung nach § 295 I zulässig. C I. Im Fall wirksamer Zustellung läuft die Rechtsmittelfrist vom Zustellungtage, auch vom Sonntag an (RGZ 79/198 [199]).
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Verfahren bei Zustellungen
§188
C II. Eine Beurkundung darüber, daß die gerichtlichen Verfügungen mitgeteilt worden sind, ist nicht vorgeschrieben, aber zu empfehlen. C HI. Wird nicht geöffnet, so darf nach § 182 zugestellt werden. Aus diesem Grunde sollte man den Inhalt der Verfügung ausdrücklich darauf beschränken, daß die Zustellung zur außergewöhnlichen Zustellungzeit zugelassen wird.
§ 189
(172)
I Ist bei einer Zustellung an den Vertreter mehrerer Beteiligter oder an einen von mehreren Vertretern die Übergabe der Ausfertigung oder Abschrift eines Schriftstücks erforderlich, so genfigt die Übergabe nur einer Ausfertigung oder Abschrift. II Einem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Beteiligter sind so viele Ausfertigungen oder Abschriften zu übergeben, als Beteiligte vorhanden sind. A. Da es bei der Zustellung nur auf den Zustellungempfänger, nicht auf die Parteien abzustellen ist, braucht, wenn ein Zustellungempfänger für mehrere Parteien vorhanden ist, nur eine beglaubigte Abschrift (usw.) und eine (beglaubigte) Abschrift der Zustellungurkunde übergeben zu werden. A I. Dies gilt auch dann, wenn einem Zustellungempfänger als Prozeßpartei und zugleich als Vertreter einer anderen Partei (derselben Parteiseite) zugestellt wird; a. M. OLG 19/172). A II. Anders ist dies, wenn zwei verschiedenen Organen einer Partei zugestellt werden muß (Aufsichtrat und Vorstand, vgl. § 171 B I a 2) oder wenn mehrere Parteien (Streitgenossen, auch Streitgehilfen und Partei) verschiedene Prozeßbevollmächtigte bestellt haben. B. Nur die Bestellung zum reinen Zustellungsbevollmächtigten (vgl. § 174 C) ist in § 189 I I ausdrücklich ausgenommen, da dieser jedem seiner Vollmachtgeber eine Urkunde weiter behändigen können soll.
§ 190 I
(173)
Über die Zustellung ist eine Urkunde aufzunehmen.
II Die Urkunde ist auf die Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf einen mit ihm zu verbindenden Bogen zu setzen. III Eine durch den Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde ist auf das bei der Zustellung zu übergebende Schriftstück oder auf einen mit ihm zu verbindenden Bogen zu setzen. Die Übergabe einer Abschrift der Zustellungsurkunde kann dadurch ersetzt werden, daß der Gerichtsvollzieher den Tag der Zustellung auf dem zu übergebenden Schriftstück vermerkt. IV
Die Zustellungsurkunde ist der Partei, für welche die Zustellung erfolgt, zu übermitteln.
A. Zur Zustellung gehört, daß die Übergabe des Zuzustellenden (vgl. § 166 D) beurkundet wird (§ 190 I). Da die Aufnahme der Urkunde zur Zustellung gehört, darf der Gerichtsvollzieher am Ort, wo er zustellt, verweilen, bis er die Urkunde aufgenommen, von ihr eine beglaubigte Abschrift angefertigt und diese übergeben oder u. U. nach § 182 hinterlassen h a t . A I . Fehlt die Beurkundung, so ist die Zustellung unwirksam (RGZ 124/22folg.). Weichen die dem die Zustellung Betreibenden übermittelte Urkunde und die dem Empfänger überlassene voneinander ab, so galt, solange diese im Verhältnis von Urschrift zu Abschrift standen, die bei der Zustellung vorgelegte Urschrift; doch wurde dem Empfänger eingeräumt, daß er sich auf die abweichende Abschrift, wenn er aus der Abweichung Rechte herleiten konnte, berufen durfte (RGZ 82/422 [427]); m. a. W., der beweisbelastete Teil darf sich auf das in seinen Händen befindliche Exemplar berufen (BGH N J W 53/422); doch wird der Mangel
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§ 1 9 0 AI
ZPO I. Buch
nach §§ 187, 295 I geheilt (was aber nicht für Zustellungen gilt, duroh die eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll, RGZ 46/372). A l l a ) Die Beurkundung muß grundsätzlich vollständig und richtig sein (vgl. § 191). a 1. Als unwirksam wurde die Zustellung angesehen, wenn der Prozeßbevollmächtigte, dem zugestellt werden soll, falsch bezeichnet wurde (OLG J W 32/1157, vgl. dazu aber § 187 A III b). a 2. Für unschädlich wurde angesehen, wenn etwa das dem Prozeßbevollmächtigten zuzustellende Schriftstück seinen Namen nicht enthielt (RGZ 17/392 [400]) oder wenn in der Urkunde die Zeit oder der Ort der Zustellung falsch oder die Stellung einer Ersatzperson falsch bezeichnet wird; bzw. die Übergabe in der Wohnung bezeugt wird, während sie im Büro stattfand (RGZ 124/22f.). b) Unwirksam sind Zustellungen, b 1. wenn das überlassene Schriftstück in wesentlichen Punkten von dem zuzustellenden abweicht (RGZ 46/375 [377]). Stimmen Urschrift und beglaubigte Abschrift überein, sind sie aber inhaltlich fehlerhaft, so darf sich der Zustellungempfänger auf die Urkunde berufen (nach RGZ 52/367 bis auf den Fall, wo der Mangel offenbar ist). b 2. Das Entsprechende gilt grundsätzlich für die unrichtige Zustellungurkunde (vgl. § 191 B). Wurde indes dem Zustellungempfänger nur eine unrichtige (beglaubigte) Abschrift der Zustellungurkunde übermittelt, so wird ihm, wenn durch die Zustellung Notfristen in Lauf gesetzt wurden und er durch die Urkunde irregeführt wurde, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein, nämlich wenn die Rechtsmittelfrist irrtümlich zu lang bemessen wurde. Dann ist ohne weiteres (auch ohne besonderen Antrag, sofern dies alles aktenkundig ist) die Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. § 236 A I b). Wird dagegen die Rechtsmittelfrist irrtümlich zu kurz bemessen, so wird die Partei aufklären müssen. Wurde indes die Frist versäumt, weil die Partei unverschuldet von der zu kurz bemessenen Frist ausging und stellt sich dann dieser Irrtum heraus, so ist der Wiedereinsetzunggrund gegeben, falls keinen der Verantwortlichen (§ 232) des Rechtsmittelklägers ein Verschulden trifft. B. Die über die Zustellung aufgenommene Urkunde oder ihre beglaubigte Abschrift (vgl. § 190 A II b) oder der Übergabevermerk (§ 190 III 2) werden zwar regelmäßig auf dem Wege des Urkundenbeweises (§ 415 I) die Zustellung nachweisen. B I. Doch kann die Unrichtigkeit der Beurkundung nach § 415 II bewiesen werden, also mit allen Beweismitteln (RGZ 124/22 [27]). B II. Wie die Zustellungnrkunde zu behandeln ist, sagt die Ordnungvorschrift des § 190 II (RGZ 52/llf.). a) § 190 II fordert, daß die Znstellungurkunde entweder auf die Urschrift (die Ausfertigung) des zuzustellenden Schriftstücks (vgl. § 170 A), das also an den, der zustellen will, zurückgelangt, zu setzen ist oder auf einem besonderen Bogen aufgenommen wird, der dann mit dem zuzustellenden Schriftstück verbunden werden soll (KG OLG 39/54). b) § 190 III ordnet an, daß die Zustellungurkunde dem Zustellungempfänger in der Form des § 190 III mitgeteilt wird. Auch diese Vorschrift ist Ordnungvorschrift (RGZ 133/365 [368]). Für diese Zustellunggegenurkunde gibt es vier Formen: b 1. den Vermerk des Gerichtsvollziehers über den Tag der Zustellung auf der zu überlassenden Urkunde; vollzogen durch Unterschrift ( § 1 9 1 B I I f ) , b 2. die Herstellung einer beglaubigten Abschrift auf dem zu überlassenden Schriftstück (§1911111), b 3. die auf einem besonderen Bogen, der mit dem zu überlassenden Schriftstück zu verbinden ist (§ 191 III 4), und b 4. den Vermerk der Zustellung auf dem Umschlag des zu überlassenden Schriftstücks in den Fällen der §§ 195 II 2, 212 II.
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Verfahren bei Zustellungen
§190
B III. Über die Zustellungsurkunde bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt vgl. § 198 B , über die bei der von Gerichts wegen an Anwalt, Notar oder Gerichtsvollzieher § 212 a B , über die durch Aushändigung auf der Amtstelle vgl. § 212 b B , über die bei Zustellung durch Aufgabe zur Post §§ 192 A I, 213 B , über die bei Zustellung durch die Post §§ 193folg.
§ 191 I
(174)
Die Zustellungsuikunde muß enthalten: 1. Ort und Zeit der Zustellung; 2. die Bezeichnung der Person, für die zugestellt werden soll; 3. die Bezeichnung der Person, an die zugestellt werden soll; 4. die Bezeichnung der Person, der zugestellt ist; in den Fällen der § § 181, 183, 184 die Angabe des Grundes, durch den die Zustellung an die bezeichnete Person gerechtfertigt wird; wenn nach § 182 verfahren ist, die Bemerkung, wie die darin enthaltenen Vorschriften befolgt sind; 5. im Falle der Verweigerung der Annahme die Erwähnung, daß die Annahme verweigert und das zu fibergebende Schriftstück am Ort der Zustellung zurückgelassen ist; 6. die Bemerkung, daB eine Ausfertigung oder eine beglaubigt« Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks und daß eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde übergeben oder der Tag der Zustellung auf dem zu übergebenden Schriftstück vermerkt ist; 7. die Unterschrift des die Zustellung vollziehenden Beamten.
A. Soweit es auf den Inhalt der Zustellungsurkunde ankommt, müssen grundsätzlich die in § 191 genannten Förmlichkeiten gewahrt werden, wenn die Zustellung wirksam sein soll. A I . Wegen der Heilungsmöglichkeit nach § 187 wird dies aber nur noch dann erheblich, a ) wenn eine Ersatzzustellung vorgenommen und die dabei behändigte oder niedergelegte Urkunde den (bzw. einen) Zustellungempfänger nicht (oder nicht rechtzeitig) erreicht, oder b) wenn es sich um die Ingangsetzung einer Notfrist handelt (§ 187 I 2). A II. Nur die wesentlichen Mängel des Inhalts der Urkunde bewirken die Unwirksamkeit der Zustellung (RG Warn. 17/185). Die Zustellungurkunde erbringt zwar auch den vollen Beweis für die Beurkundung (§§ 415, 418), der stets zulässige Beweis des Gegenteils (§§ 415 I I , 418 I I ) führt aber bei unwesentlichen Mängeln nicht zur Unwirksamkeit des Zustellungaktes (RGZ 109/265 f.). B I. Wann ein Mangel wesentlich, wann er unwesentlich erscheint, richtet sich nach der Art der Zustellung. a ) Bei der Ersatzzustellung müssen im besonderen der Ort der Zustellung (§ 1 9 1 1 1 , OGH M D R 50/273), die Bezeichnung des die Zustellung Betreibenden (§ 1 9 1 1 2), die B e zeichnung irgendeines Zustellungempfängers (§ 1 9 1 1 3, B G H LM § 181/1), die der Ersatzperson (§ 1 9 1 1 4) und die Unterschrift des Zustellungbeamten (§ 1 9 1 1 7) sowie nach B G H LM-ZPO § 181/1 die Angabe des Grundes der Ersatzzustellung beurkundet worden sein. b) I m Falle, wo eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll, kommt es auf die Beurkundung der Zeit (§ 1 9 1 1 1 ) neben der des die Zustellung Betreibenden (§ 1 9 1 1 2) wie die irgendeines Empfängers (§ 1 9 1 1 3) und die Unterschrift des Zustellungbeamten (§ 1 9 1 1 7) an. c ) Treffen beide Voraussetzungen zusammen, so müssen beide Erfordernisse erfüllt sein. B II a 1. Bei der Angabe des Ortes der Zustellung genügt die Angabe der politischen Gemeinde, wo zugestellt wird. Diese Angabe ist aber unwesentlich bis auf die Fälle der Ersatzzustellung (OGH M D R 50/273).
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§191 B II
ZPO I. Buch
a 2. Die Zeit der Zustellung ist wesentlich, soweit eine Notfrist durch die Zustellung in Lauf gesetzt werden soll. Angabe des Tages (RG N § 191/2), ja des Monats allein reicht aus (dann läuft die Frist vom letzten Tage des Monats). Bei der Bezeichnung Weihnachten u. dgl. m. läuft die Zeit vom letzten Weihnachtfeiertag ab. Bei der Ersatzzustellung in den Fällen des § 184 I wird (möglicherweise: Kommentar § 184 A I a) die Feststellung erforderlich, innerhalb welcher Stunden zugestellt wurde (um die Geschäftzeit ermitteln zu können), nur in diesen Fällen kann die Stundenangabe wesentlich werden. Sonst ist sie unwesentlich, wenn sie auch in den Fällen der §§ 262 I 2, 604 II, III, 605 a wie bei Zustellungen nach §§ 804 III, 829, 929, 936 geboten ist (vgl. auch RGSt. 27/147). Über die Besonderheiten der Beurkundung einer Zustellung an Sonn- und Feiertagen vgl. § 188 C II. b) Wesentlich ist die Angabe (§ 1911 2), ob auf Veranlassung des Gerichts oder der Partei zugestellt wird. Im letzten Fall ist grundsätzlich die Partei zu benennen, für welche die Zustellung bewirkt werden soll (RG Warn. 14/313). Doch genügt an Stelle der Partei die Angabe des unmittelbaren Auftraggebers, im besonderen ihres Prozeßbevollmächtigten, wenn diese Angabe für den Zustellungempfänger nur den Schluß darauf zuläßt, daß die Gegenpartei zustellen läßt. Dementsprechend ist die unrichtige (BGH LM § 191/2) bzw. die ungenaue Bezeichnung (RG Warn. 14/313) des Auftraggebers regelmäßig unschädlich. Die Bezeichnung des Auftraggebers darf auch völlig unterbleiben. Die Beweisführung, daß ein Nichtbevollmächtigter zugestellt hat, geht zu Lasten dessen, der Rechte daraus herleitet. Bewirkt ein Prozeßbevollmächtigter, der mehrere Parteien vertritt, eine Zustellung, so gilt sie für und gegen alle von ihm vertretenen. Wird aber nur einer von mehreren Streitgenossen als Zustellender genannt, so wirkt die Zustellung nur für und gegen ihn (RG DR 42 A 23019). b X. War der Auftraggeber nicht bevollmächtigt, so ist bei der Ingangsetzung von Notfristen eine Genehmigung und Heilung nicht möglich (vgl. § 166 D II c 2; a. M. RGZ 107/161 [164]). c) Nach § 1911 3 soll der Zustellungempfänger (vgl. §§ 171, 171, 176, 178) bezeichnet werden. e 1. Die Bezeichnung irgendeines von mehreren Zustellungempfängern derselben Partei usw. genügt (vgl. §§ 171 A I b 1, 176 B II b 2), ja sie kann ganz unterbleiben, sofern kein Irrtum darüber, wem zugestellt werden sollte, aufkommen kann (RG JW 99/37 26 ). In allen Fällen muß die Identität unzweifelhaft sein; es empfiehlt sich deshalb genaue Kennzeichnung nach Name, Beruf, Wohnort wie bei der Kennzeichnung der Partei (§253 G I a ) . Doch ist dies nicht wesentlich, ja selbst der irrtümlich falsch angegebene Vorname oder der falsche Zusatz unwesentlicher Bestandteile schadet nicht (vgl. RGZ 123/204 [206]); ausgenommen sind hier nur die Fälle des § 189 II. c 2. Muß mehreren Organen einer Partei (Vorstand und Aufsichtrat) oder auch mehreren (besonders uneinheitlich vertretenen) Parteien zugestellt werden (anders bei einheitlicher Vertretung), so ist der Mangel wesentlich. d) Unter der Person, welcher zugestellt ist (§ 1911 4), ist die zu verstehen, welcher das zu überlassende Schriftstück übergeben worden ist (oder im Fall der Annahmeverweigerung übergeben werden sollte). Die Vorschrift bezieht sich also sowohl auf den Zustellungempfänger wie auf die Ersatzperson (die grundsätzlich namentlich anzugeben ist: RG J W 01/750 3 ). Wesentlich ist sie im letzten Fall. Namentliche Bezeichnung ist aber nur dann erforderlich, wenn sonst die Identität des Adressaten nicht feststellbar ist (OLG 2/422 [424]). Die unrichtige Bezeichnung der Ersatzperson ist unschädlich, im Fall des § 183 II, wenn einem Schreiber zugestellt wurde, der als Gehilfe bezeichnet wurde oder umgekehrt (RG J W 30/33106) und auch, wenn jemand als Vorsteher nach § 184 bezeichnet wurde, während er nur Gehilfe war, wenn sich dann nur die Abwesenheit (oder Verhinderung) des Vorstehers (mit anderen Beweismitteln) z. Z. der Zustellung nachweisen läßt (RGZ 109/265 [267]). Sonst muß bei der Ersatzzustellung wenigstens die Tatsache, daß es eine solche ist, beurkundet werden (RArbG JW 39/50432). Wesentlich ist. die Beurkundung des Niederlegungvermerks i. F. des § 182 (OLG NJW 55/643).
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Verfahren bei Zustellungen
§191
B II
e) Wird die Annahme verweigert, gleichviel von wem (vgl. § 186 A I), so soll diese Tatsache beurkundet werden und die Tatsache, daß das zu übergebende Schriftstück am Ort der Zustellung (am besten genau wo) zurückgelassen worden ist (§ 191 I 5). In diesen Fällen wird regelmäßig wesentlich, welche Person die Annahme verweigert hat, besonders im Fall der Ersatzzustellung. Weiterhin ist hier bei Ersatzzustellung auch der Ort der Zustellung wesentlich. Schließlich ist bei einer nach § 188 vorgenommenen Zustellung wesentlich die Zustellungzeit. Vgl. auch § 188 IV. f ) Zweifelhaft ist es, inwieweit die Angaben zu § 1911 6 wesentlich werden können (vgl. §§ 170, 190). Für Zustellungen, durch die eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll, ist wesentlich die Beurkundung der Übergabe (vgl. RGZ 163/187). Soweit es dabei auf die Zustellung der vollständigen Entscheidung ankommt (vgl. §§ 320 II 1, 552), ist die Übergabe dieser zu beurkunden. Vgl. aber § 198 11. Die Bezeichnung, welches Schriftstück zugestellt werden sollte, ist nicht gefordert worden, weil das Gesetz von der Verbindung mit der Urschrift bzw. der durch besonderen Bogen ausging. Die Urkunde wird aber wertlos, falls die Verbindung nicht vollzogen wird und die Zustellung nicht anderweit bewiesen werden kann. Nicht wesentlich sind die Angaben über die Zustellungurkunde (vgl. dazu § 190 B II). Für die zu überlassende Urkunde ist der Vermerk darüber nicht wesentlich, daß sie in beglaubigter Abschrift usw. (vgl. § 170 A III b) überlassen wurde (RG Gruch. 36/467 [469]); auch der Gegner des Zustellungempfängers muß davon ausgehen, daß dies ordnungmäßig geschehen ist und deshalb die Frist auch gegen ihn läuft, falls er beschwert ist (§ 221 II). Auf Fehler der Urschrift oder der beglaubigten Abschrift kann sich der nicht berufen, der Urschrift oder die richtige beglaubigte Abschrift in den Händen hat; wohl aber der andere, wenn ihm dadurch Nachteile entstehen (RG JW 91/1462). g) Die Unterschrift des Zustellungbeamten ist stets wesentlich (RGZ 124/22 [27]). Vertretung in der Unterschriftleistung gibt es im Prozeßrecht nicht (RGZ 46/377). Doch ersetzt die Herstellung einer beglaubigten Abschrift ohne vorliegende Urschrift die Urschrift (vgl. § 129 A II a 2; a. M. RGZ 124/22 [271). Die Unterschrift des Zustellungsadressaten ist weder erforderlich noch genügend.
§ 192
(175)
I Ist die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175) erfolgt, so muß die Zustellungsurkunde den Vorschriften des vorstehenden Paragraphen unter Nr. 2, 3, 7 entsprechen nnd außerdem ergeben, zu welcher Zeit, unter welcher Adresse und bei welcher Postanstalt die Aufgabe geschehen ist. A. § 192 gilt nur für die Zustellung durch Aufgabe zur Post auf Parteibetreiben (§ 175), nicht von Gerichts wegen (§ 213). A I. In diesem Falle soll die Zustellungsurkunde enthalten: a) die Feststellung der Zeit der Aufgabe und der Postanstalt, wo die Sendung aufgegeben (dies entspricht § 19111); wesentlich ist nur die Aufgabezeit bei Zustellungen, durch die eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll; b) die Angabe, an welche Anschrift die Sendung aufgegeben wurde; auch dies ist hier nicht wesentlich, und zwar in allen Fällen; c) die Angaben zu § 1911 2, 3, 7. A II. Der Post übergeben wird ein verschlossener Briefumschlag, der eine beglaubigte Abschrift der zuzustellenden Urkunde enthalten soll.
§ 193 I
(176)
Zustellungen können auch durch die Post erfolgen.
585
§193
ZPO I. Buch
A. Nach § 193 darf auch durch die Post zugestellt werden. Wie § 197 ergibt, soll dieser Weg gewählt werden. Der Gerichtsvollzieher soll die Ordnungmäßigkeit der Zustellung überwachen (RGZ 91/179 [181]). A I. Die Haftung der Post ergibt sich gegenüber dem, der zustellen läßt, aus PostG §§ 6—15; gegenüber dem Zustellungempfänger aus GG Art. 34, BGB § 839 (BGHZ 12/52). A II. Der Postbeamte wird |Zustellungbeamter. Die [Post darf nur ¡angegangen werden a) vom Gerichtsvollzieher (§ 194), b) vom Gericht (§§ 196, 211). Die Post beglaubigt weder, noch erhält sie überhaupt Einblick in die Urschrift (des zuzustellenden Schriftstücks). A 0 1 . Nimmt die Post eine Zustellung aber vor, so ist sie doch ordnungsmäßig, wenn auch die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen haben, sofern nur das übermittelte Schriftstück formgerecht beglaubigt, ausgefertigt und von einer zur Beglaubigung oder Ausfertigung befugten Person in Urschrift ihr zugesandt wurde (a. M. hier noch RGZ 52/11 [14]). A I V . Die Übersendung durch eingeschriebenen Brief mit oder ohne Rückschein ersetzt die Zustellung nicht (vgl. aber § 187). Auch die telegrafische Zustellung ist nicht möglich (vgl. RG J W 96/31«). B. Zugestellt werden durch die Post darf nur im deutschen Postgebiet, d. j. z. Z. das Gebiet der BRD, der DDR, Westberlins. B I. Bei Wohnung- und Wohnortwechsel soll die Zustellung im bezeichneten Gebiet nachgesandt werden. B II. Die Post stellt auch Gefangenen zu. B III. Eine Zustellung an Exterritoriale durch die Post ist unzulässig.
§ 194
(177)
I Wird durch die Post zugestellt, so hat der Gerichtsvollzieher die zuzustellende Ausfertigung oder die beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks verschlossen der Post mit dem Ersuchen zu übergeben, die Zustellung einein Postbediensteten des Bestimmungsortes aufzutragen. Die Sendung muB mit der Anschrift der Person, an die zugestellt werden soll, sowie mit der Bezeichnung des absendenden Gerichtsvollziehers und einer Geschäftsnummer versehen sein. II Der Gerichtsvollzieher hat auf dem bei der Zustellung zu übergebenden Schriftstück zu vermerken, für welche Person er es der Post übergibt, und auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf einem mit ihr zu verbindenden Bogen zu bezeugen, daß die Übergabe in der im Abs. 1 bezeichneten Art und für wen sie geschehen ist. A. Die durch die Post vermittelte Zustellung wird an den Adressaten erst durch die Aushändigung bzw. Niederlegung des Postbeamten bewirkt (§§195, 195a, 212). A I. Die Übergabe des auszuhändigenden Schriftstücks an die Post zur Zustellung durch den GV regelt § 194, die durch die Geschäftsstelle §§ 196, 211; diese (erste) Übergabe brauchen weder der GV noch der Urkundsbeamte in Person vorzunehmen (a. M. RG H R R 34/13). Sie kann zu jeder Zeit geschehen. § 194 sieht ein Ersuchen um Zustellung an die Post vor. Es liegt in der vorbereitenden Ausfüllung der Zustellungurkunde. A II. Das von der Post auszuhändigende Schriftstück soll der Post in verschlossenem Briefumschlag übergeben werden. Wesentlich ist, daß die Sendung die Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, enthält. B. Die Vermerke des § 194 II sind unwesentlich und ihr Fehlen macht die Zustellung nicht unwirksam (RGZ 52/11 [14]). Bei der Zustellung von Gerichts wegen sind sie überhaupt nicht vorgeschrieben (§ 212 II). f)«f;
Verfahren bei Zustellungen
§194
B II. Eine Zustellungurkunde i. S. des § 190 ist dies nicht. Die beglaubigte Abschrift dieser Urkunde braucht also nicht dem Zustellungempfänger ausgehändigt zu werden (RG J W 96/5976); doch muß der GV ersichtlich machen, auf wessen Veranlassung zugestellt werden soll (vgl. §§ 191 I 2, 195). Insoweit der Vermerk nach § 1911 6 wesentlich wird, muß er vom GV bewirkt werden, weil ihn die Post nicht vollziehen kann.
§ 195
(178)
I Die Zustellung durch den Postbediensteten erfolgt nach den Vorschriften der §§ 180 bis 186. II Über die Zustellung ist von dem Postbediensteten eine Urkunde aufzunehmen, die den Vorschriften des § 191 Nr. 1 , 3 bis 5, 7 entsprechen und die Übergabe der ihrer Anschrift und ihrer Geschäftsnummer nach bezeichneten Sendung sowie der Abschrift der Zustellungsurkunde bezeugen muß. Die Übergabe einer Abschrift der Zustellungsurkunde kann dadurch ersetzt werden, daß der Postbedienstete den Tag der Zustellung auf der Sendung vermerkt; er hat dies in der Zustellungsurkunde zu bezeugen. i n Die Urkunde ist von dem Postbediensteten der Postanstalt und von dieser dem Gerichtsvollzieher zu überliefern, der mit ihr nach der Vorschrift des § 190 Abs. 4 zu verfahren hat. A. Die Post erhält einen verschlossenen Brief zur Zustellung, nicht die Urschrift zur Vorlegung (vgl. § 166 D), sie erhält also keine Kenntnis vom Inhalt. Der Postbeamte, der zustellt, ist zwar Ersatzperson des Gerichtsvollziehers beim Zustellungakt (vgl. PostG § 45 für die beurkundende Tätigkeit), doch sind auf ihn § 49, GVG § 155 nicht anwendbar. B. Bei der Zustellung sind §§ 180—186 zu beachten (§ 195 I). B I. Im Fall der Postsperre nach KO § 121, ist die Zustellung durch die Post nicht möglich. B II. In Postvollmachten wird die Zustellungsvollmacht zu finden sein (OLG 9/93). B III. Da § 188 hier nicht erwähnt worden ist, ist die Zustellung durch die Post jederzeit zulässig (wenn sie auch nach der Dienstvorschrift nicht jederzeit durchgeführt werden soll). Sonstige Fehler machen auch hier (im selben Umfange wie auch sonst) die Zustellung unwirksam (vgl. RG J W 84/26710). C. § 195 II ordnet an, daß der Postzusteller die Zustellungurkunde aufzunehmen hat. C I. Über die Notwendigkeit der Aufnahme und ihres Inhalts vgl. § 191. Soweit die Angaben wesentlich sind und sie fehlen, ist die Zustellung unwirksam (vgl. OLG PostAmtZ 27/276). Unwirksam ist sie aber noch nicht, wenn der Zustellungbeamte (der Postbote) es unterlassen hat, den Tag der Zustellung auf dem Umschlag zu vermerken (RG Warn. 19/77). § 1911 2 wird hier nicht erwähnt, da der Postzusteller den die Zustellung Betreibenden gar nicht irgendwoher entnehmen kann; diesen kenntlich zu machen, ist die Aufgabe des Gerichtsvollziehers bzw. der Geschäftstelle, und zwar im Inhalt der verschlossenen Sendung (Kommentar § 194 B I). Auch den Vermerk zu § 1911 6 kann der Postzusteller nicht machen. Für die Beweiskraft der Beurkundung des Postzustellers vgl. PostG § 47. G II. Die ZusteUungurkunde sendet die Post dem Gerichtsvollzieher (§ 195 III) bzw. der Geschäftstelle (§ 196) zu; diese sollen deshalb auf der Rückseite des von ihnen beizufügenden Formulars der Zustellungurkunde ihre Anschrift vermerken (PostO § 27 IV). Der Gerichtsvollzieher muß die ordnungmäßige Beurkundung durch den Postzusteller nachprüfen (RGZ 91/179 [183]), u. U. nochmals zustellen lassen oder selbst zustellen. Läßt sich der Mangel nicht oder nicht rechtzeitig beheben, so muß er den Auftraggeber sofort unterrichten (RGZ 91/179 [183]). C III. Der GV soll die Zustellungurkunde mit dem zuzustellenden Schriftstück (vgl. § 170 A) verbinden und diese sodann unverzüglich dem Auftraggeber zurücksenden (§§ 195 III, 190IV). Soweit von Gerichts wegen zugestellt wird, wird die Zustellungurkunde zu den Akten genommen.
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ZPO I. Buch
§ 195 a (—) I Findet nach der Wohnung oder dem Geschäftsraum, in denen zugestellt werden soll, ein Postbestelldienst nicht statt, so wird die Sendung bei der zuständigen Fostanstalt hinterlegt. Die Postanstalt vermerkt auf der Zustellungsurkunde und auf der Sendung den Grund und den Zeitpunkt der Niederlegung. Das Gericht kann die Zustellung als frühestens mit dem Ablauf einer Woche seit dieser Niederlcgung bewirkt ansehen, wenn anzunehmen ist, daß der Empfänger in der Lage gewesen ist, sich die Sendung aushändigen zu lassen oder sich über ihren Inhalt zu unterrichten. A. Ob die Zustellung durch Niederlegung nach § 195a als bewirkt anzusehen ist, entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen, und zwar auch über den Zeitpunkt der Niederlegung. Die Vorschrift gilt zwar nur bei der Niederlegung innerhalb der Postzustellung, schließt andererseits aber nicht den Fall aus, daß hierdurch eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll. Das Gericht sollte eine solche Zustellung nie gelten lassen, soweit eine Notfrist in Lauf zu setzen ist (arg. § 187 I 2). A I. Fällt die Bestellung nur vorübergehend aus, so wird sie nachzuholen sein. War sie auch nur in einem Zeitpunkt bis zur Rücksendung möglich, so wird man die Niederlegung nicht gelten lassen dürfen. A II. Die Sendung wird wie ein postlagernder Brief behandelt. Doch muß die Post auf der Zustellungurkunde den Tag und den Grund der Niederlegung vermerken. Diese Angaben sind wesentlich (vgl. § 190 B II a). Holt der Empfänger den Brief binnen einer Woche nicht ab, so sendet ihn die Post an den Absender zurück (vgl. PostO §§ 47 III, I 5; 45 III). B. Das Gericht darf die Zustellung nicht als bewirkt ansehen, wenn anzunehmen ist, daß der Empfänger nicht in der Lage war, sich die Sendung aushändigen oder über ihren Inhalt unterrichten zu lassen.
§ 196
(179)
I Insoweit eine Zustellung unter Vermittlung der Geschäftsstelle zulässig ist, kann diese unmittelbar die Post um Bewirkung der Zustellung ersuchen. In diesem Falle gelten die Vorschriften der §§ 194,195 für die Geschäftsstelle entsprechend; die erforderliche Beglaubigung nimmt der Vrkundsbeamte der Geschäftstselle vor. A. Uber die Fälle der Vermittlung der Geschäftstelle vgl. §§ 166 II, 508, 699 I. A I. Vermittelt die Geschäftstelle die Zustellung für eine Partei, so darf sie die Post unmittelbar ersuchen (§ 194). Sie tritt sodann an die Stelle des Gerichtsvollziehers, auch bezüglich der Beglaubigung (vgl. § 166 E III) des zu überlassenden Schriftstücks (§ 196 I 2: vgl. § 170 II). I A II. Ein abweichender Parteiwille ist nicht beachtlich (RGZ 46/323). Über die Ausführung durch den Urkundsbeamten oder seinen Helfer vgl. § 194 A.
§ 197 (180) I Ist eine Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher bewirkt, obgleich sie durch die Post hätte erfolgen können, so hat die zur Erstattung der Prozeßkosten verurteilte Partei die Mehrkosten nicht zu tragen. A. Die Kosten der sonstigen Zustellung durch den Gerichtsvollzieher sind also nur bedingt erstattungfähig (vgl. § 91 E V g).
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Verfahren bei Zustellungen
§ 198
(181)
I Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann ein Schriftstück auch dadurch zugestellt werden, daß der zustellende Anwalt das zu übergebende Schriftstück dem anderen Anwalt übermittelt (Zustellung von Anwalt zu Anwalt). Auch Schriftsätze, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes von Amts wegen zuzustellen wären, können statt dessen von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden, wenn nicht gleichzeitig dem Gegner eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist. In dem Schriftsatz soll die Erklärung enthalten sein, daß er von Anwalt zu Anwalt zugestellt werde. Die Zustellung ist dem Gericht, sofern dies für die von ihm zu treffende Entscheidung erforderlich ist, nachzuweisen. II Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift versehene schriftliche Empfangsbekenntnis des Anwalts, dem zugestellt worden ist. Der Anwalt, der zustellt, hat dem anderen Anwalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zustellung zu erteilen. A. Die Zustellung von Anwalt zu Anwalt ist eine weitere Art der Zustellung auf Betreiben der Parteien (§ 198 I). A I. Hier ist der Anwalt Zustellungorgan. a ) E r darf zu Zustellungzwecken (zu keinen anderen) beglaubigen (§ 171 II). b 1. Der Anwalt darf weder den Empfang des zu überlassenden Schriftstücks ablehnen noch sich weigern, die Empfangbescheinigung auszustellen und dem Gegner zu übermitteln (die versehentliehe Bückgabe des überlassenen Schriftstücks ändert nichts an der vollendeten Zustellung: B G H AnwBl. 56/46.) Hiervon weicht die h. M. in der Formulierung a b : sie fordert den Annahmewillen des empfangenden Anwalts (BGHZ N J W 54/1722). Jedenfalls ist der Anwalt, der sich unberechtigt weigert zuzustellen, disziplinarisch verantwortlich.—Wer davon ausgeht, daß ohne Empfangsbekenntnis (§ 198 I I ) die Zustellung noch nicht vollzogen ist (RGZ 150/392 [394]), so wie es die Zustellung nicht ohne Beurkundung (vgl. § 190 A) ist, der kann über den Willen des Zustellungempfängers nicht hinweggehen und muß die Zustellung bei Ablehnung des Anwalts scheitern lassen. b 2. Doch ist die Zustellunglage hier anders als sonst. Sieht man nur den zustellenden Anwalt als Zustellungorgan an, dann ist der andere Zustellungempfänger und muß die Zustellung dulden, ob er will oder nicht. Dann aber muß — entgegen der früheren Auffassung (vgl. § 186 A) — auch § 186 anwendbar sein (schon weil der Anwalt gar nicht verhindern kann, daß ihm ein Schriftstück in den Briefkasten geworfen oder mit der Post übersandt wird). OLG M D R 59/307 hat, wenn ein Anwalt ein Gerichtsfach unterhält, angenommen, daß er sich stillschweigend mit der Entgegennahme von Zustellungen einverstanden erklärt; dagegen aber B G H v. 7. 7 . 1 9 5 9 V I I I Z R 111/58. b 3. Allerdings gibt es keine Ersatzzustellung bei der von Anwalt zu Anwalt (RG J W 24/9Ö2 4 ). b 4. Ein Widerruf des zustellenden Anwalts kommt nach Zugang des Schriftstücks bei dem zustellungempfangenden Anwalt nicht mehr in Betracht (a. M. RGZ 150/392, wenn der Widerruf bis zum Empfangnahmewollen des anderen Anwalts zugeht). Andererseits kann der empfangende Anwalt nach Behändigung des Empfangbekenntnisses (vgl. § 198 A I b 4) nicht widerrufen (OLG l / 3 1 5 f . ) . Auch geht es nicht an, einen besonderen Zustellungwillen des übermittelnden Anwalts zu fordern (a. M. OLG B a y J M B l . 55/221). c ) Die entsprechende Anwendung des § 197 kann indes erst dann gebilligt werden, wenn sich die hier vertretene Ansicht durchgesetzt h a t ; denn bis dahin wird man es Anwälten, die durch den GV zustellen lassen, nicht verübeln dürfen, wenn sie es tun und muß deshalb auch die Kosten der anderen Zustellungart für erstattungfähig halten ( R G Z 40/410L). A II. Andererseits kann es nur darauf ankommen, daß die Zustellung unter Anwälten vorgenommen wird, also gleichviel ob im Anwaltprozeß (§ 78 I) oder im sog. Parteiprozeß (§ 79 A) oder als Zustellungbevollmächtigter (vgl. R G J W 99/304 1 3 ).
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§198 AU
ZPO I. Buch
a) Einer besonderen Kennzeichnung des die Zustellung empfangenden Anwalts als Vertreters bedarf es nicht. Dem Anwalt steht gleich sein bestellter Vertreter (BRAO § 53 VII; RG J W 18/7344), während der dem Anwalt nur zur Ausbildung überwiesene Referendar dazu nicht gehört (BGH NJW 54/1722). Allerdings wirkt das Empfangsbekenntnis des Vertreters nach RG Recht 04/1082 auch, wenn der Anwalt—innerhalb der Bestellungzeit des Vertreters -— seine Tätigkeit wieder aufgenommen hatte. Auch durch sonstige Anwälte kann eich der Anwalt im Einzelfall vertreten lassen (RG HRR 35/41); nur nicht der oder ein Anwalt der Gegenseite (vgl. § 185). Auch bedarf der Anwalt, der eine Zustellung für die Partei annehmen will, ihrer Vollmacht (bzw. der Bestellung), wenn er nicht zugleich für den zustellenden Anwalt mit dessen Ermächtigung die Zustellung entgegennimmt (RG N § 198/12). b) Das Berufs- oder Vertretungverbot steht der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen, selbst wenn es das Zustellungverfahren mit ergreift (BRAO § 155 V). A III. Daß von Person (Anwalt) zu Person (Anwalt) zuzustellen ist (§ 198 A I b 3), bedeutet nicht, daß der zustellende Anwalt den anderen aufsuchen und ihm das Schriftstück übergeben müßte. Vielmehr kann er sich dazu beliebiger Hilfspersonen bedienen, regelmäßig seiner Angestellten, aber auch des Gerichtsvollziehers. Entsprechend wird der Gegenanwalt sich regelmäßig seines Büropersonals bedienen. Dennoch vollzieht sich der Zustellungakt ausschließlich zwischen den Anwälten, wenn auch in äußerlich getrennten Vorgängen. a) Der zustellende Anwalt sendet das zu überlassende Schriftstück (also nicht mehr notwendigerweise auch zugleich das zuzustellende, vgl. § 170 A) dem Gegenanwalt in beglaubigter (oder in der die Beglaubigung ersetzender: Urschrift, Ausfertigung, vgl. § 435 A I) Form. Diese „Übermittlung" setzt voraus, daß der empfangende Anwalt den unmittelbaren Besitz erlangt hat, daß ihm das Schriftstück zugegangen ist (nach der Rechtsprechung darüber hinaus die Ergreifungsmöglichkeit und Wahrscheinlichkeit des Erlangens: RG JW 37/304589, wenn das Schriftstück in sein Gerichtsfach gelangt und ihm fernmündlich Bescheid gegeben wird; aber auch ohne diese Mitteilung, spätestens am folgenden Werktag, da mit werktäglicher Leerung zu rechnen ist; oder auch wenn das Schriftstück im Büro abgegeben oder in den Briefkasten dazu eingeworfen wird, da dann damit zu rechnen ist, daß spätestens am folgenden Werktag der Anwalt — oder sein Vertreter — davon Kenntnis bekommt). b) Daß der Anwalt vom Inhalt des Schriftstücks schon Kenntnis hat, wird zur Vollendung der Zustellung nicht gefordert (RG JW 24/962*). Es genügt, wenn der Anwalt vom Zugang des Schriftstückes erfährt (RGZ 156/385 [386]). Darauf, von wann ab der Anwalt die Zustellung gelten lassen will, darf es nicht abgestellt werden; auf den Zustellungtag im Empfangsbekenntnis kommt es insoweit nicht an (RG JW 36/92614). B. Die bei der Zustellung herzustellende Urkunde (Empfangsbekenntnis), die Datum und Unterschrift des empfangenden Anwalts oder seines Vertreters enthalten soll (RG N § 198/7); und die Gegenbescheinigung sind öffentliche Urkunden (a. M. RGZ 15/373 [374]). Darüber, ob das Empfangsbekenntnis zur Vollziehung der Zustellung notwendig ist, vgl. § 198 A I b 2. Nimmt man es an, so wäre es, soweit sich die Beurkundung auf den Nachweis einer in Lauf zu setzenden Notfrist bezieht (vgl. § 187 I 2), unumgänglich, während in allen anderen Fällen § 187 I 1 anwendbar ist. B I. Das Empfangsbekenntnis (§ 198 II 1) ist nichts anderes als die Urschrift der Zustellungurkunde; doch gibt es hiervon keine beglaubigte Abschrift. a) § 198 II 1 schreibt ein mit Datum und Unterschrift versehenes handschriftliches Empfangsbekenntnis des empfangenden Anwalts vor. a 1. Wird es auf besonderen Bogen gesetzt, so braucht es nicht mit der Urschrift verbunden zu werden (RGZ 46/357 [361], deshalb empfiehlt sich aber gute Kennzeichnung des überlassenen Schriftstücks). a 2. Auch braucht es nicht getrennt gegeben zu werden; die (beiläufige) Bestätigung im Brief genügt (KG OLG 39/53). b 1. Als Datum ist der Zeitpunkt des Empfangs (vgl. § 198 A III a) anzugeben (RGZ 156/385 [387]) nicht etwa das der Ausstellung der Quittung. Das unrichtig geschriebene Datum
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Verfahren bei Zustellungen
§ 198 B i b 1
gilt als nicht, geschrieben und die Zustellung in dem Zeitpunkt des Empfangs als bewirkt (RG JW 25/149016). Auch die Notfrist läuft deshalb nicht von der bescheinigten Zeit, sondern von der tatsächlichen Zustellung an (RGZ 79/199). Ist aber ein unrichtiges Datum unerheblich, so muß es auch gleichgültig sein, wenn das Empfangsbekenntnis gar kein Datum enthält (a. M. RGZ 124/22 [27]). b 2. Wesentlich ist dagegen die handschriftliche Vollziehung des Empfangsbekenntnisses durch den Anwalt, auch des zustellungbevollmächtigten (RG J W 99/30433), auch das seines bestellten Vertreters (RG JW 36/33139). Ebenso schadet nicht die unrichtige Bezeichnung des zustellenden Anwalts (RGZ 41 /358), oder wenn er überhaupt nicht erwähnt wurde, es sei denn, daß dadurch Zweifel über die Zustellung selbst entstehen können (RG N § 198/14). Hinzu tritt — nach der abweichenden Auffassung — die Begebung des Empfangsbekenntnisses. Behändigung ist das wissentliche Übertragen des unmittelbaren Besitzes an einen anderen (nicht schon notwendigerweise an den zustellenden Anwalt), schon die Herausgabe an die Post oder auch an den Verkehrsanwalt der Gegenpartei, der nicht selbst zugestellt hat (KG OLG 39/58), auch wenn sie achtlos unterschrieben wurde (RG JW 24/962*). B II. Das Empfangsbekenntnis liefert deshalb den vollen Beweis der in ihm bezeugten Tatsachen (RGZ 15/373 [374]). Doch ist auch hier der Gegenbeweis der Unrichtigkeit zugelassen (§ 418 II, RG Gruch. 47/1153), im besonderen der der unrichtigen Datierung des Empfangs (BGH LM § 233/37; bei versehentlich falscher Datierung läuft deshalb nach RGZ 79/197 [199] die Notfrist von dem richtigen Datum an, möglicherweise mit Wiedereinsetzungmöglichkeit) ; weiter ist der Gegenbeweis der Unrichtigkeit dafür zugelassen, daß die Beglaubigung der überlassenen Urkunde fehlt (vgl. BGH NJW 57/951), oder der, daß gar nichts zugestellt sei (RGZ 150/392 [393]), m. a.W. kein Schriftstück überlassen (wenn auch vorgelegt) worden ist (BGH LM § 198/1). Dagegen wird ein Beweis dahin, daß keine Urschrift vorhanden ist, nicht zugelassen (RGZ 46/357f.). Ist das Datum der Zustellung im Empfangsbekenntnis nicht ausgefüllt, so hat RGZ 51/163 (164) angenommen, daß der Zustellungakt wirkunglos sei; in jedem Fall ist der Anwalt zur Vervollständigung verpflichtet (BGH LM § 233/37). Auch dürfen sie nachträglich erteilt werden, selbst wenn inzwischen vom GV nochmals zugestellt wurde. Wenn auch regelmäßig die Zustellung durch das Empfangbekenntnis nachgewiesen wird, so darf doch, wie wenn eine Zustellungurkunde abhanden kommt, auch hier die Zustellung mit anderen Beweismitteln nachgewiesen werden (RGZ 14/348 [349]). C. An Stelle der beglaubigten Abschrift tritt die Gegenbescbeinignng des zustellenden Anwalts (§ 198 II 2), zu deren Ausstellung dieser in derselben Weise verpflichtet ist wie der die Zustellung empfangende zum Empfangsbekenntnis. C I. Die Ausstellung der Gegenbescheinigung wurde niemals als wesentlich angesehen, da sie nur auf Verlangen erteilt zu werden braucht (§ 198 II 2). C II. Welchen Inhalt sie haben soll, schreibt das Gesetz nicht vor. Häufig wird sie in den Beglaubigungvermerk des zu behändigenden Schriftstücks eingeschlossen (RG Gruch. 47/1153). Sie darf schon zu einer Zeit erteilt werden, wo das Empfangbekenntnis noch nicht ausgestellt ist. Ist die Gegenbescheinigung begeben, so liefert sie den vollen Beweis für die Zustellung zu der in ihr angegebenen Zeit entsprechend dem Empfangbekenntnis (vgl. RG J W 27/13092). Auch hier ist der Beweis des Gegenteils zulässig (RG J W 27/13092f.) und wird im besonderen durch das Empfangbekenntnis geführt (RG HRR 35/1691); das Empfangbekenntnis nimmt deshalb die Stelle der Urschrift der Zustellungurkunde, die Gegenbescheinigung die ihrer beglaubigten Abschrift ein. Und wie bei Abweichungen dieser untereinander wird sich regelmäßig der zustellende Anwalt auf die Richtigkeit des Empfangbekenntnisses, der die Zustellung Empfangende auf die der Gegenbescheinigung verlassen und deshalb berufen dürfen, zumal das Empfangbekenntnis die Zustellung auch zuungunsten des Zustellenden beweist (RGZ 17/336f). Widerrufen kann die Erklärung nur bei offenbarer Unrichtigkeit (vgl. § 319 B I) werden, also wenn überhaupt nicht zugestellt wurde oder unter Berichtigung des Datums. D. Auch der Zustellungvermerk auf dem zugestellten Schriftstück beeinflußt, selbst wenn er fehlt, nicht die Wirksamkeit der Zustellung (LG J R 51/27).
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§198
ZPO I. Buch
E. Der Form der Zustellung von Anwalt zu Anwalt dürfen sich die Anwälte auch bedienen, nenn das Gericht zuzustellen hätte (§ 198 I 2). In diesem Falle bleibt die Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks (§ 170 A) in den Händen des zustellenden Anwalts, und das Gericht erhält die einfache (unbeglaubigte) Abschrift, die umgehend nach bewirkter Zustellung auf der Geschäftstelle niederzulegen ist (§ 133 II). £ I. Die Vorschrift bezieht sich aber nicht auf bestimmende Schriftsätze (vgl. § 129 A I), sofern Erklärungempfänger das Gericht ist, also wo die Urschrift in jedem Falle bei dem Gericht einzureichen ist. So sind etwa die Rechtsmittelbegründung, die Anschlußrevision und die Beschwerdeschriften (§§ 519a, 554 V, 556 II, 569, 577) stets in Urschrift dem Gericht einzureichen, obwohl hier, selbst soweit überhaupt eine Zustellung an den Gegner vorgesehen ist, nicht notwendigerweise eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist. Dies gilt besonders bei ergänzenden Begründungen. Doch stellt § 133 II dies klar. Auf sonstige bestimmende Schriftsäzte (etwa die des schriftlichen Verfahrens) ist das Verbot nicht ausgedehnt (Kommentar §129 A l b 2); was dann, wenn ein Schriftsatz sowohl bestimmend wie vorbereitend sein könnte (etwa im Fall der Widerklageerhebung, die auch nach § 198 bewirkt werden kann, BGH NJW 55/1030; vgl. § 281 A II a 2), dazu führen muß, einen bestimmenden anzuneh-men, falls nicht das nur vorbereitende deutlich erklärt wird (§ 198 A I b 4; a. M. BGH a. a. 0.). E II. Stellt der Anwalt der Gegenpartei zu, obwohl das Gericht zustellen muß, so ist die Zustellung unwirksam, während umgekehrt das Gericht stets an Stelle des Anwalts zustellen darf. Andererseits können Widerklage und neue Ansprüche nach § 281 auch mündlich erhoben werden, allerdings dann erst in der mündlichen Verhandlung. Wird ein diesen Antrag vorbereitender Schriftsatz nach § 198 zugestellt (vgl. BGH v. 14. 5. 1955 VI NJW 1030«), so muß die mündliche Erhebung der neuen Ansprüche nachfolgen (vgl. aber § 198 E I). E III. In den Fällen des § 198 I 2 soll in dem Schriftsatz (besonders in der Abschrift, die bei dem Gericht niedergelegt wird), der Hinweis enthalten sein, daß von Anwalt zu Anwalt zugestellt werde (§ 198 I 3). Die Wirksamkeit der Zustellung wird jedoch davon nicht berührt. E IV. § 198 I 4 bestimmt, daß die Zustellung dem Gericht nachzuweisen ist, falls dies für die zu treffende Entscheidung erheblich ist.
§ 199
(182)
I Eine im Ausland zu bewirkende Zustellung erfolgt mittels Ersuchens der zuständigen Behörde des fremden Staates oder des in diesem Staate residierenden Konsuls oder Gesandten des Bundes. A. In §§ 199 folg. ist die Zustellung im Auslande geregelt. A I. Sie unterscheidet sich von der Zustellung an einen im Auslande (vgl. § 174 B) Wohnenden, dem nach § 175 durch Aufgabe zur Post zugestellt wird, dadurch, daß diese im Inlande bewirkt wird (§ 175 A II); in diesen Fällen hat der die Zustellung Betreibende die Wahl, ob er im Ausland nach §§ 199folg. oder im Inland nach § 175 zustellen lassen will (RG J W 00/13 11 ). Ist die Zustellung weder im Inland noch im Auslande möglich, so ist öffentlich zuzustellen (RG Recht 12/116). Doch sollte man strenge Anforderungen stellen, da regelmäßig die Zustellung an Ausländer durchführbar ist (vgl. § 203 B II a). Die Zustellungen an Exterritoriale werden auf diplomatischem Wege (durch den Außenminister) besorgt. Die Vorschriften sind durch Staatsverträge und das Haager Zivilprozeßabkommen modifiziert. A II. Unzulässig ist die Zustellung im Ausland in den Fällen des § 688 II, unnötig in denen der §§ 841, 844, 875. A IV. Über die Bestimmung der Einlassungfristen bei Zustellungen im Auslande vgl. §§ 262 II, 499 II, über die der Einspruchfrist vgl. § 339 II. B. Als Ausland i. S. dieser Bestimmung ist das Zustellungausland anzusehen, also alles, was nicht zu der BRD, DDR, Westberlin gehört (vgl. § 193 B).
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Verfahren bei Zustellungen
§199
B I. Von den in § 199 genannten Arten ist stets die Zustellung durch Ersuchen der zuständigen Behörde des fremden Staates zulässig. B II. Gerichtsinländische Gerichte können sonst nur über die Konsuln oder die Gesandten der BRD bzw. der DDR zustellen, je nach dem, zu welchem Gerichtsinland sie gehören. C. Die ausländische Behörde stellt nach dem Recht ihres Landes zu. Nach diesen Vorschriften bemißt sich also die Wirksamkeit der Zustellung. Doch gelten auch hier §§ 187, 295, so daß nur für die Iniaufsetzung der Notfristen der Nachweis der förmlichen Zustellung unentbehrlich ist.
§ 200
(189)
I Zustellungen an Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, erfolgen, wenn sie zur Mission des Bundes gehören, mittels Ersuchens des Bandeskanzlers. II Zustellungen an die Vorsteher der Bundeskonsulate erfolgen mittels Ersuchens des Bundeskanzlers. A. Deutsche sind in deutschen Missionen im Ausland in entsprechendem Umfang exterritorial wie Ausländer in denen des Auslandes im Bundesgebiet (vgl. dazu GVG §§ 18folg.). Die Deutschen, welche ihre Exterritorialität nicht vom Bunde (der BRD) herleiten, sondern sie auf Grund einer anderen Stellung (etwa einer internationalen Körperschaft) haben, kann nur über diese zugestellt werden (vgl. GVG § 18 B III); denen, die sie von der DDR ableiten, nur über diese, die aber von gerichtsinländischen Gerichten nicht ersucht werden kann. Über ausländische Exterritoriale vgl. § 199 A I. B. An Stelle des Bundeskanzlers ist inzwischen der Bundesminister des Auswärtigen getreten.
§ 201
(184)
betraf die Zustellung an inländische Truppen im Ausland.
§ 202
(185)
I Die erforderlichen Ersuchungsschreiben werden von dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts erlassen. II Die Zustellung wird durch das schriftliche Zeugnis der ersuchten Behörden oder Beamten, daß die Zustellung erfolgt sei, nachgewiesen. A. Das Verfahren bei der Zustellung im Auslande setzt, wenn diese auf Betreiben der Partei durchgeführt werden muß, den Antrag der zustellenden Partei voraus. Er ist an den Vorsitzenden des Prozeßgerichts (auch den Einzelrichter) der jeweiligen Instanz (§ 176 C II a) zu richten, im Vollstreckungverfahren ist dies das Vollstreckunggericht (§ 764), im Beweissicherung", Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren das angerufene Gericht (§§486, 919, 942, 943). Er unterliegt dem Anwaltzwang, soweit das Verfahren, in dem die Zustellung Bedeutung haben soll, dem Anwaltzwang unterliegt. Über die Rückwirkung auf die Einreichung des Antrags vgl. § 207 I. Bei der Zustellung von Gerichts wegen muß der Urkundsbeamte das Ersuchen anregen. Ein förmliches Antragsrecht steht ihm nicht zu. A I. Die Zuständigkeit wird nur insoweit geprüft, wie das Gericht mit der Sache befaßt sein muß oder werden soll (OLG 33/101), nicht aber bei einer zuzustellenden Klage, ob es zuständig ist. Die den Antrag stellende Partei darf vom Gericht nicht auf einen anderen Weg, im besonderen den des § 175 verwiesen werden, auch wenn dieser gangbar ist (OLG 15/264), wohl aber der anregende Urkundsbeamte. 38
" W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
593
§202
ZPO I. Buch
A II. Zugestellt werden kann jedes Schriftstück und jede Ladung, das die Instanz abschließende Urteil (RGZ 41/426 [428]), wie alle noch danach erforderlich werdenden Zustellungen (RGZ 68/247 [250]). B. Wird das Ersuchen abgelehnt, so ist dagegen Beschwerde zulässig (§567); wird ihm stattgegeben, so wird es durchgeführt. B I. Dem Ersuchungschreiben (das in Urschrift, KG OLG 34/268, in Ausfertigung bzw. beglaubigter Abschrift, vgl. § 169 A II, I I I abzusenden ist), Bind die Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks (§ 170 A) und die Ausfertigung bzw. beglaubigte Abschrift, die überlassen werden soll (vgl. Haager ZPA Art. 5 II), beizufügen (die Beglaubigung wird hier durch den Anwalt oder den Urkundsbeamten herzustellen sein, da ein Gerichtsvollzieher nicht tätig werden wird). Das Ersuchen mit den Anlagen geht dann auf dem vorgeschriebenen Verwaltungwege (vgl. ZRHO) an die zur Weiterleitung zuständige Stelle. Dies besorgt regelmäßig die Geschäftstelle. Soweit unmittelbarer Geschäftsverkehr besteht, ist auch ein telegrafisches Ersuchen zulässig (RGZ 14/335f.); wirksam durchführbar ist dies aber nur, sofern die ersuchte Stelle in der Lage ist, von sich aus eine Urschrift oder Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks herzustellen. B II. Nachgewiesen wird die Zustellung durch ein Zustellungzeugnis der ersuchten Behörde oder des zustellenden Organs; aus ihm muß sich die Tatsache der Zustellung und die Zustellungzeit ergeben; doch ist die Angabe der Zeit, abgesehen von den Fällen, wo eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll, nicht notwendig (vgl. § 187 B), wohl aber erforderlich, wenn ein sonstiger Fristablauf nachgeprüft werden soll und ohne diese Angabe nicht nachgeprüft werden kann. Vgl. auch Haager ZPA Art. 5. Das Zustellungzeugnis ist eine öffentliche Urkunde mit der Beweiskraft des § 418. Der Gegenbeweis ihrer Unrichtigkeit ist aber zulässig (§ 418 II). Telegrafische Übermittlung des Zeugnisses ist zulässig (RGZ 14/335), vgl. aber die V O v . 21.10.1942 (RGBl. I 609) § 4. C. Bei der Zustellung an Angehörige alliierter Truppen vgl. Truppenvertrag Art. 9 II.
§ 203 (186) I Ist der Aufenthalt einer Partei unbekannt, so kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. II Die öffentliche Zustellung ist auch dann zulässig, wenn bei einer im Ausland zu bewirkenden Zustellung die Befolgung der für diese bestehenden Vorschriften unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht. III Das gleiche gilt, wenn die Zustellung aus dem Grunde nicht bewirkt werden kann, weil die Wohnung einer nach den §§ 18, 19 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterworfenen Person der Ort der Zustellung ist. A. In den gesetzlich geregelten Fällen darf öffentlich zugestellt werden. Sind die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung gegeben, so ist sie zu bewilligen (OLG N J W 48/555®), ohne daß es sonst auf die allgemeinen Prozeßbedingungen für das Verfahren ankäme, soweit sie nicht überlagert werden (§ 204 A l b i ) . A II. Zulässig ist die öffentliche Zustellung nnr gegen eine Partei, auch gegen einen Streitgehilfen und im Falle der Streitverkündung. Unzulässig ist sie im Mahnverfahren (§ 688 II) und bei der Ladung von Zeugen und Sachverständigen; aber auch bei der zur Parteivernehmung (vgl. aber Kommentar § 356 C I c). Unterbleiben darf sie in den Fällen der §§ 763, 829, 835, 841, 844, 875, wenn sie nur als öffentliche bewirkt werden könnte. Gegenüber ausländischen Drittschuldnern wird man sie nicht anwenden (RGZ 22/404). B. Der erste Fall der öffentlichen Zustellung ist der unbekannte Aufenthalt der Partei (§ 203 I), nicht der ihres Zustellungempfängers (vgl. § 177 A).
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Verfahren bei Zustellungen
§203
B I. Ist ihr Aufenthalt bekannt, so darf nicht öffentlich zugestellt werden, selbst wenn sie prozeßunfähig und der Aufenthaltort ihres gesetzlichen Vertreters unbekannt ist. Hier hilft eine Pflegschaftbestellung (vgl. § 51 D I I b). a) Ist der Aufenthalt ihres gesetzlichen Vertreters oder irgendeines ihrer gewillkürten Vertreter bekannt (OLG Seuff. 53/188), so kommt die öffentliche Zustellung nicht in Betracht. b) Darauf, ob der Aufenthalt der betreibenden Partei (OLG MDR 47/239) wie dem Gericht unbekannt ist, kommt es allein nicht an (RGZ 59/259 [263]); er muß im allgemeinen unbekannt sein (OLG N J W 53/1797); man sollte deshalb auch bei der Zustellung von Gerichts wegen die Vernehmung der Gegenpartei fordern (vgl. RGZ 59/259 [262]). Die Auskunft des Einwohnermeldeamts (vgl. RGZ 59/259 [260]) und das Ergebnis der postalischen Ermittlunganfrage sollten stets gefordert werden, wenn nicht schon eine Zustellung durch die Post vergeblich versucht wurde. Ist jemand bekannt, der den Aufenthaltort kennt, so muß dieser erst befragt und die Ermittlung mit allen zu Gebote stehenden Mitteln betrieben werden (OLG JW16/612®). Vgl. auch ZuständigkeitergänzungG § 10. b 1. Kannte die die Zustellung beantragende Partei den Aufenthalt der anderen oder hätte sie ihn ermitteln können, so kann sie sich in einem nicht abgeschlossenen Verfahren nicht auf die öffentliche Zustellung berufen (a. M. RG J W 06/567 3 8 ); dies gilt, wenn es selbst im Laufe des Verfahrens noch möglich wird, den unbekannten Aufenthalt zu erforschen. Wird er bekannt, so ist der Beklagte zu laden (BayObLG HEZ 2/141). Nach abgeschlossenem Verfahren wird davon auszugehen sein, daß die Partei nicht ordnungmäßig vertreten war (vgl. § 579 I 4; vgl. dazu §579 B IV b; die h. M. gibt dagegen den Anspruch aus B G B § 826 gegen die zustellende Partei, wenn sie die öffentliche Zustellung erschlichen hatte, RGZ 61/365; vgl. dazu § 322 C I I I b 2). b 2. Die öffentliche Zustellung ist stets ein Wiedereinsetzungsgrund für die Partei, die von ihr keine Kenntnis erlangt hat (BGHZ 25/11) und der die mangelnde Kenntnis auch nicht vorzuwerfen ist. Vgl. aber § 234 I I I und SchutzVO Art. 3 1 2 . c) Andererseits darf es darauf, aus welchen Gründen der Aufenthalt unbekannt ist, nicht abgestellt werden (OLG SJZ 46/230, vgl. aber SchutzVO Art. 3). § 203 gilt auch, wenn ein Raubmörder ausgebrochen ist (OLG J R 48/337). Auch die Folgen des Krieges schließen die öffentliche Zustellung nicht aus (abweichend: OLG N J W 48/632®). B II. Bei einer nicht durchführbaren Zustellung im Auslande ist auch bei bekanntem ausländischem Aufenthalt die öffentliche Zustellung ausreichend (§ 203 II). a) Nicht ausführbar ist die Zustellung im Ausland dann, wenn das Ausland ablehnt zuzustellen (vgl. RG Recht 12/116); der Versuch muß grundsätzlich gemacht werden (vgl. OLG MDR 47/259, fordert private Benachrichtigung). a 1. Vorausgesetzt wird dabei, daß keine Zustellung im Inlande bewirkt werden kann. b) Dieser Fall wird gleichgesetzt dem, daß die Durchführung der Zustellung im Auslande keinen Erfolg verspricht (§ 203 II). Langsame Erledigung ist aber kein Hinderunggrund; dagegen wird bei nicht bestehenden diplomatischen Beziehungen infolge Krieges oder bei bewußtem Abbruch dieser der Fall angenommen werden dürfen. e) Die öffentliche Zustellung ist ferner zulässig, wenn einem nicht exterritorialen Angestellten oder Hausgenossen eines Exterritorialen zugestellt werden soll und die Zustellung daran scheitert, daß der Exterritoriale seine Erlaubnis hierzu verweigert oder das Ersuchen der deutschen Behörde abgelehnt wird. Bei Zustellung an einen Angehörigen der alliierten Truppen vgl. Truppenvertrag Art. 9 I I . B III. Ist der ausländische Aufenthalt unbekannt, so gilt die erste Alternative des § 203 (vgl. § 203 B ) ; dann muß also die um die Zustellung nachsuchende Partei dartun, daß ihre Ermittlungen im Auslande (die sie vornehmen muß: OLG HEZ 2/51) nicht gefruchtet haben. 38»
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ZPO I. Buch
§ 204
(187)
I Die öffentliche Zustellung wird, nachdem sie auf ein Gesuch der Partei vom Prozeßgericht bewilligt ist, durch die Geschäftsstelle von Amts wegen besorgt. Die Entscheidung über das Gesuch bann ohne mündliche Verhandlung erlassen werden. II Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Anheftung der zuzustellenden Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks an die Gerichtstafel. Enthält das Schriftstück eine Ladung, so ist außerdem die einmalige Einrückung eines Auszugs des Schriftstücks in den Bundesanzeiger erforderlich. i n Das Prozeßgericht kann anordnen, daß der Auszug noch in andere Blätter und zu mehreren Malen eingerückt werde. A I. Der öffentlichen Zustellung geht das sie bewilligende Verfahren voraus. Insofern unterscheidet sie sich von der Zustellung im Auslande (§§ 199folg.), wonach der Vorsitzende des Gerichts nur die Zustellung durchführt (§ 202), wenn sie beantragt ist, ohne daß es grundsätzlich zu einem getrennten Bewilligungverfahren käme. a) Das Bewilligung verfahren beginnt mit dem Antrag der Partei um öffentliche Zustellung, der a 1. vor den Kollegialgerichten dem Anwaltzwang (§ 78 I, RGZ 91/113 [114]), unterliegt; nicht aber für die Bewilligung der Zustellung eines Arrestes, wenn er durch Beschluß und ohne Anwaltzwang erlassen wird (RGZ 91/113). Dasselbe gilt, wenn ein Schiedspruch zuzustellen ist. b) Verfahren wird nach den Grundsätzen der freigestellt mündlichen Verhandlung (§ 204 I 2; vgl. §128 G II). Allerdings ergeben die Umstände (§ 286), welche Beweise zu erheben sind (vgl. § 203 B I b); doch sollte man Glaubhaftmachung allein (vgl. § 294) nicht genügen lassen. Auch darf das Gericht nach § 448 die bekannte (Gegen-)Partei vernehmen. Keinesfalls darf einem Gesuch ohne jeden Beweis stattgegeben werden. b 1. In dem Verfahren werden nur die Prozeßbedingungen für die öffentliche Zustellung geprüft (§ 203 A), nicht die sonstigen allgemeinen, soweit sie sich nicht mit dem des ersten Verfahrens decken. b 2. Abgesehen von der Überlagerung kommt es aber darauf, ob die Prozeßbedingungen des Hauptverfahrens gegeben sind, nicht an (RGZ 46/391). Nicht gefordert werden kann, daß nachgewiesen wird, daß die Partei, der zuzustellen ist, noch lebt (OLG J R 48/336 [337]; a. M. KG N J 47/17). b 3. Für das Zustellungsgesuch sind die Aussichten der Klage nicht zu prüfen (a. M. OLG J R 48/336). A II. Über das Gesuch entscheidet das zuständige Gericht (nicht sein Vorsitzender), wohl aber auch der Einzelrichter (§§ 348folg.), soweit die Zustellung in eine seinen Bereich betreffende Handlung fällt. a) In der Zwischeninstanz entscheidet die untere (RGZ 68/252). Bei Zustellung einer notariellen vollstreckbaren Urkunde ist nach § 797 I I I das Amtsgericht zuständig (KG OLG 37/1121). b 1. Wird die öffentliche Zustellung bewilligt, so ist dies dem Antragsteller bzw. bei der Zustellung von Gerichts wegen der bekannten Partei formlos mitzuteilen (§ 329 III), dem Gegner aber ebenfalls öffentlich zuzustellen. Hierzu bedarf es keiner besonderen Bewilligung der öffentlichen Zustellung. Dies gilt aber auch, wenn für die Zustellung eines Versäumnisurteils die öffentliche Zustellung bewilligt wurde, für die Zustellung des nachträglichen Beschlusses, durch den die Einspruchfrist bemessen wurde (RGZ 63/82 [84]). b 2. Wird die Bewilligung abgelehnt, so wird der Beschluß nur dem Antragsteller mitgeteilt (§ 329 III). c) Wird die öffentliche Zustellung bewilligt, so ist der Beschluß angreifbar (OLG J W 30/1089).
596
Verfahren bei Zustellungen
§204 Ali
c 1. Haben sieh indes die Voraussetzungen nach bewirkter Zustellung geändert und wäre nunmehr die öffentliche Zustellung unwirksam, so ist die Zustellung in der gewöhnlichen (also nicht öffentlichen) Form zu wiederholen, soweit noch Fristen laufen bzw. das Verfahren noch offen ist. c 3. Die Wirkungen der Bewilligung beschränken sich auf eine einzelne Zustellung (RGZ 64/44 [47]). e 4. Die von der unzuständigen Stelle bewilligte öffentliche Zustellung ist wirkunglos (RG N § 204/2). Im Verhältnis der Parteien sind formale Mängel der öffentlichen Zustellung nach §§ 187, 295 heilbar, ungeheilte aber jedenfalls im Rechtsmittelzuge angreifbar (vgl. RGZ 91/113). Über die Möglichkeit der Wiederaufnahmeklage vgl. § 203 B I b 1, über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 203 B I b 2. d) Gegen die ablehnende Entscheidung hat nur der Antragstelisr die Beschwerde (§ 567)A III. Bei der Zustellung von Gerichts wegen ist weder ein Antrag der Partei erforderlich noch genügend. Regelmäßig soll nach ihr der Urkundsbeamte die Bewilligung der öffentlichen Zustellung anregen; doch kann dann auch das Gericht von sich aus einschreiten, wie es auch die Anregung des Urkundsbeamten zurückweisen darf, ohne daß dieser ein Beschwerderecht hätte. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dagegen der Antrag der Partei auch in diesen Fällen erforderlich. Unterläßt sie die Antragstellung, so kommt das Verfahren zum Ruhen. Ihr verbleibt auch die Darlegung- und Beweislast für die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung (vgl. § 203 B I c). Die entgegenstehende h. M. muß von Gerichts wegen die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung ermitteln lassen. Allerdings hat bei der Zustellung von Gerichts wegen das Gericht die Verantwortung für die richtige Zustellung. B. Durchgeführt wird die öffentliche Zustellung durch den Urkundsbeamten der Geschäftstelle (§ 204 I). B I. Er muß dafür sorgen, daß das Schriftstück in Ausfertigung oder in beglaubigter Abschrift an die Gerichtstafel angeheftet wird (§ 204 II). Damit zugleich soll der Bewilligungbeschluß in Ausfertigung angeheftet werden. Hiervon hängt die Wirksamkeit der Zustellung ab. a) Meldet sich der Zustellungsempfänger, so hat er Anspruch auf Aushändigung der Urkunde (a. M. OLG 23/141); zumindest ist ihm eine beglaubigte Abschrift zu erteilen. b) Im anderen Falle wird sie zu den Akten genommen, wobei nach § 206 der Zeitpunkt der Anheftung beurkundet werden soll (RGZ 32/400f.). B II. Die öffentliche Ladung (vgl. §§ 214, 497) ist noch besonderen zusätzlichen Formen unterworfen (§ 204 II 2, III); auf sonstige öffentliche Zustellungen bezieht sich dies nicht (KG OLG 13/128). Getroffen von § 204 wird die Terminbenachrichtigung, auch wenn keine Ladung vorgeschrieben ist (a. M. OLG 29/77). In diesen Fällen muß ein Auszug des Schriftstücks, auf Grund dessen geladen wird (vgl. § 205 A), und die Ladung im Bundesanzeiger einmal veröffentlicht werden; sie ist zur Wirksamkeit der Zustellung erforderlich und genügend. B III. Alle weiteren Maßnahmen, die das Gericht anordnet, nehmen der Zustellung auch dann ihre Wirksamkeit nicht, wenn sie nicht ausgeführt wurden. In Betracht kommen einoder mehrmalige Veröffentlichung in anderen Blättern (die periodisch erscheinen).
§ 205 (188) I In dem Auszug des Schriftstücks müssen das Prozeßgericht, die Parteien, der Gegenstand des Prozesses, der Antrag, der Zweck der Ladung und die Zeit, zu welcher der Geladene erscheinen soll, bezeichnet werden. A. § 205 bestimmt den notwendigen Inhalt des Auszugs des Schriftstücks, der bei einer Ladung (nicht bei einer sonstigen öffentlichen Zustellung) zu veröffentlichen ist (§ 204 II). Fehlt es daran, so ist die Zustellung wirkunglos.
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§205
ZPO I. Buch
A I . Angegeben werden muß das Prozeßgericht. A II. Die Parteien müssen gekennzeichnet werden (vgl. § 130 B I a), nicht notwendigerweise ihre gesetzlichen Vertreter. Werden sie aber angegeben, so ist doch zweifelhaft, ob die an einen falschen gesetzlichen Vertreter adressierte Klage gegen den richtigen wirkt (bejahend OLG 37/136 für den verstorbenen gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person). A III. Weiterhin muß der Gegenstand des Verfahrens gekennzeichnet werden. b) Der Antrag muß eingerückt werden; Anträge über Kosten (§ 308 II), über vorläufige Vollstreckbarkeit (§§ 708—710) bedürfen keiner Veröffentlichung; auch nicht Rechtsmittelanträge (vgl. RGZ 40/329), sofern die ergangene Entscheidung dem Tenor nach mitgeteilt worden ist. Verfolgt die Partei die Klageabweisung, so muß der Klageantrag eingerückt werden (OLG 2/425). Für Widerklagen gilt das Entsprechende, auch wenn eventuell widergeklagt, ein Mitschuldantrag erhoben (§ 33 D I) wird und wegen der Wirkung des § 322 II auch, soweit ein aufgerechneter Anspruch geltend gemacht wird. A IV. Die Angabe des Zwecks der Ladang darf ganz allgemein gehalten werden. Notwendig ist die Angabe der Terminstunde und des Terminorts, falls dieser nicht schon aus der Bezeichnung des Gerichts erhellt.
§ 206
(189)
I Das eine Ladung enthaltende Schriftstück gilt als an dem Tage zugestellt, an dem seit der letzten Einrückung des Auszugs in die öffentlichen Blätter ein Monat verstrichen ist. Das ProzeBgericht kann bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung den Ablauf einer längeren Frist für erforderlich erklären. II Enthält das Schriftstück keine Ladung, so ist es als zugestellt anzusehen, wenn seit der Anheftung des Schriftstücks an die Gerichtstafel zwei Wochen verstrichen sind. i n Auf die Gültigkeit der Zustellung hat es keinen EinfluB, wenn das anzuheftende Schriftstück von dem Ort der Anheftung zu früh entfernt wird. A. § 206 legt den Zeitpunkt fest, wo die öffentliche Zustellung vollzogen ist. A II. Die Ladung ist nach § 206 1 1 nach Ablauf eines Monats ab der letzten Einrückung in die öffentlichen Blätter bewirkt (eine mehrmalige ist nicht mehr vorgesehen). Nachdem nur noch einmalige in den Bundesanzeiger erforderlich ist, ist maßgebend die letzte mangelfreie Veröffentlichung im Bundesanzeiger, die auch die erste sein kann. a) Das Gericht (nicht sein Vorsitzender) darf nach § 206 I 2 eine längere Frist zubilligen, was dann bekanntzugeben ist. Die spätere Verlängerung ist nur auf Antrag der zustellenden Partei zulässig (§224 II), eine Abkürung oder wiederholte Verlängerung kommt entsprechend § 225 II nicht in Betracht, weil der Gegenpartei kein Gehör gewährt werden kann. b) Die Prozeßordnung geht davon aus, daß grundsätzlich mündlich verhandelt wird. Wird aber im Bagatellverfahren das schriftliche Verfahren angeordnet, so ist dies zulässig, obwohl dadurch die öffentliche Ladung umgangen wird. B. Bei der öffentlichen Zustellung eines Schriftstücks, das nicht mit einer Ladung verbunden ist, ist es mit dem Ablauf von zwei Wochen seit seiner Anheftung an die Gerichtstafel zugestellt (§ 206 II). C. Die vorzeitige Abnahme ist unschädlich (§§ 206 III, 949). D. Es ist in der ZPO nicht vorgeschrieben, die Zeit der Anheftung zu beurkunden (RGZ 32/400 [403]). E. Die öffentliche Zustellung gehört zu denen, die im Inlande vollzogen werden.
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Verfahren bei Zustellungen
§ 207
(190)
I Wird auf ein Gesuch, das die Zustellung eines ihm beigefügten Schriftstücks mittels Ersuchens anderer Behörden oder Beamten oder mittels öffentlicher Bekanntmachung betrifft, die Zustellung demnächst bewirkt, so treten, insoweit durch die Zustellung eine Frist gewahrt und der Lauf der Verjährung oder einer Frist unterbrochen wird, die Wirkungen der Zustellung bereits mit der Überreichung des Gesuchs ein. II Wird ein Schriftsatz, dessen Zustellung unter Vermittlung der Geschäftsstelle erfolgen soll, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Einreichung bei der Geschäftsstelle zugestellt, so tritt, sofem durch die Zustellung eine Notfrist gewahrt wird, die Wirkung der Zustellung bereits mit der Einreichung ein. A. § 207 I bezieht sich auf den Fall, daß durch den Antrag einer Partei das Gericht zu einem Zustellungersuchen (§ 202), also zu der Zustellung im Ausland (§ 199) oder an exterritoriale Deutsche (§ 200) oder zur öffentlichen Zustellung (§ 204) veranlaßt wird. Bei der Zustellung von Gerichts wegen gelten unmittelbar §§ 261 b III, 496 III, 693 II. A I. Praktisch kann die Vorschrift indes noch werden, wenn einem Drittschuldner zur Vollziehung des Arrestes (oder auch einer einstweiligen Verfügung) im Ausland zuzustellen ist (§ 929 C I b, II b 3, D II a). A II. § 207 I bezieht sich jedenfalls nur auf den Fall, daß eine ablaufende Frist eingehalten ist, schon bevor die Zustellung bewirkt ist. Er erstreckt sich nicht auf sonstige Wirkungen, welche an die Zustellung geknüpft werden (§ 267), im besonderen auch nicht auf die Rechtshängigkeit (RGZ 1/435 [436]). A III. Über den Begriff der Einreichung vgl. § 261 b C III b, über den der demnächstigen Zustellung § 261 b C III a. B. § 207 II ist gegenstandslos. II. Zustellungen von Amts wegen §
208
(-)
I Auf die von Amts wegen zu bewirkenden Zustellungen gelten die Vorschriften über die Zustellungen auf Betreiben der Parteien entsprechend, soweit nicht aus den nachfolgenden Vorschriften sich Abweichungen ergeben. A. Die Zustellung von Gerichts wegen hat die auf Betreiben der Parteien bis auf wenige Fälle verdrängt (vgl. § 166 A I). A I. Über die Bewirkung vgl. Nr. 40,43 PrZusatzbestimmungen zur AktenO v. 28.11.1934. B. Bei der Zustellung von Gerichts wegen bleibt die Urschrift bei den Akten (will die Gegenpartei die Zustellung nachprüfen, wozu sie nicht verpflichtet ist, so muß sie die Akten einsehen, § 299). Der Gerichtsvollzieher wird nicht in Anspruch genommen. Doch tritt in gewissem Umfange der Gerichtswachtmeister an seine Stelle. B I a) Im Zustellungsrecht i. e. S. sind §§ 166—169 ersetzt durch § 209. Nur soweit die Geschäftstelle sich eines Gerichtswachtmeisters zur Zustellung bedient, ist § 167 entsprechend anzuwenden. § 170 I ist anzuwenden; regelmäßig wird auch hier eine beglaubigte Abschrift überlassen (RG J W 00/5895). Soweit ein Schriftstück nicht beglaubigt ist (§ 170 II), ist nach § 210 die Geschäftstelle zur Beglaubigung berufen. Ein schon nach § 170 II beglaubigtes Schriftstück wird dagegen von ihr nicht erneut beglaubigt. §§ 171 (172), 173—176, 178 gelten. Ob im Fall des § 174 I ein Parteiantrag auch bei den Zustellungen von Gerichts wegen erforderlich ist, ist streitig (vgl. § 174 A I), sollte aber bejaht werden; denn § 213 betrifft nicht die Voraussetzungen der Zustellung durch Aufgabe zur Post, sondern ihre Beurkundung. Über die Anwendbarkeit des § 175 II vgl. § 213 A. § 177 ist i. S. des § 210 a auszulegen (vgl. § 177 A). In den Fällen der Zustellung von Gerichts wegen ergänzt ihn §210 a unmittelbar. Über die Frage, ob auch hier der Antrag der Gegenpartei zur Bewilligung dieser Zustellung erforderlich ist,
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§ 208 B I a
ZPO I. Buch
vgl. § 177 A. §§ 180—189 gelten; ob es eines Antrags der Partei nach § 188 bedarf, darüber vgl. § 188 B I a. b) Im Beurkundungrecht gilt folgendes. Soweit die Geschäftstelle unmittelbar zur Beurkundung berufen ist, gelten §§ 190, 191 nicht; § 192 ist durch § 213 ersetzt worden. Stark geändert sind die §§ 193—195 a. § 194 I ist durch § 211 ersetzt worden, § 194 II ist unanwendbar (§ 211 II). § 195 gilt, doch sind § 195 II 2 durch § 212 I und der § 195 III durch § 212 II ersetzt worden. Bei der Zustellung durch den Gerichtswachtmeister sind die genannten Vorschriften für die Zustellung auf Betreiben der Parteien entsprechend anzuwenden. §§ 196, 197 kommen nicht zum Zuge; § 198 ist durch § 212a ersetzt worden. §§ 199, 200, 202—206 gelten entsprechend. Darüber, ob hier ein Parteigesuch erforderlich ist, vgl. § 204 A III. § 207 gilt nicht. B II. An Kosten werden nur die reinen Auslagen berechnet. C. Soweit von Gerichts wegen zuzustellen ist, genügt nicht die auf Betreiben der Partei bewirkte Zustellung (RG JW 02/1826, § 166 A I). Da aber bei der von Gerichts wegen nie der Gerichtsvollzieher in Anspruch genommen werden darf, müßte daraus auch folgen, daß die durch ihn bewirkte dann unwirksam ist, wenn er auf Antrag der Geschäftstelle zugestellt hat und diese eine Zustellung von Gerichts wegen bewirken wollte, während sie sie so nur als Vermittlerin der Partei bewirken kann (§ 166 II). Umgekehrt darf die auf Betreiben der Partelen nicht durch einen Gerichtswachtmeister bewirkt werden. Auch wird bei einer Zustellung von Gerichts wegen sich die Geschäftstelle die Art der Zustellung von der Partei nicht vorschreiben lassen; doch darf sie keine öffentliche Zustellung anregen, wenn die Partei ihr den Aufenthalt der Gegenpartei nicht nennt oder nicht nennen will (203 B I b). Anregungen der Partei über zweckmäßige Zustellung wird sie auf ihre Zweckmäßigkeit hin nachprüfen, wenn sie nicht schon mit einer anderen Art der Zustellung begonnen hat (RG JW 00/1311); der Herr der Zustellung ist hier die Geschäftstelle, die aber Weisungen ihrer Dienstvorgesetzten und des Gerichts unterliegt (§ 1 B IV b). Darüber, ob etwas zuzustellen oder nur mitzuteilen ist, entscheidet das Gesetz (§ 329 BIV), u. U. der Richter (§ 329 B IV a 4); die Zustellung wirkt aber stets als solche, selbst wenn sie der Richter hätte anordnen sollen, aber nicht angeordnet hatte (OLG BayJMBl. 55/78).
§ I
209
(-)
Für die Bewirkimg der Zustellung hat die Geschäftsstelle Sorge zu tragen.
A. Bei der Zustellung von Gerichts wegen ist die Geschäftstelle an die Stelle des Gerichtsvollziehers getreten. Sie ist Zustellungorgan (RG J W 36/2709®). A I . Sie bewirkt die Zustellungen entweder unmittelbar durch Übergabe nach § 212b (bei Mitteilungen vgl. auch §§ 261b II, 496 IV, 497 I 3) oder nach § 212 a. A n . Dabei hat sie u. U. das zu übergebende Schriftstück auszufertigen und bzw. oder das schon eingereichte unbeglaubigte zu beglaubigen (§ 210), u. U. i. V. m. den dazu ergangenen Gerichtsbeschlüssen (vgl. §§188, 204). Über die Anregungtätigkeit des Urkundsbeamten bei den Zustellungen nach §§ 199, 200, 202 vgl. § 204 A III. Die verfügten Ersuchen muß er ausfertigen und befördern. B. Die rechtzeitige und ordnungmäßige Zustellung muß die Geschäftstelle überwachen (RGZ 105/423f.). §
210
(-)
I Die bei der Zustellung zu übergebende Abschrift wird durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beglaubigt. A. Gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen werden regelmäßig ausgefertigt; doch würde es nicht schaden, wenn sie an Stelle dessen nur beglaubigt würden. Über unvollständige bzw. unzulässige Ausfertigungen vgl. Kommentar § 169 A II d (wird ein nicht unterschriebenes
600
Verfahren bei Zustellungen
§210
A
Urteil ausgefertigt, so wird durch seine Zustellung nach OGHZ 3/149 die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt). Vgl. auch § 170 A III c. B. Von den Parteien oder dritten stammende Schriftstücke können dagegen bloß beglaubigt werden. Die Beglaubigung ist aber nur erforderlich, wenn das zu übeilassende Schriftstück noch nicht (vorschriftsmäßig) beglaubigt ist.
§ 210 a
(164, 179)
I Gin Schriftsatz, durch den ein Rechtsmittel eingelegt wird, ist dem Prozeßbevollmächtigten des Rechtszuges, dessen Entscheidung angefochten wird, in Ermangelung eines solchen dem Prozeßbevollmächtigten des ersten Rechtszuges zuzustellen. Ist von der Partei bereits ein Prozeßbevollmächtigter für den höheren, zur Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zuständigen Rechtszng bestellt, so kann die Zustellung auch an diesen Prozeßbevollmächtigten erfolgen. II Ist ein Prozeßbevollmächtigte^ dem nach Abs. 1 zugestellt werden kann, nicht vorhanden oder ist sein Aufenthalt unbekannt, so erfolgt die Zustellung an den von der Partei, wenngleich nur für den ersten Rechtszug bestellten Zustellungsbevollmächtigten, in Ermangelung eines solchen an die Partei selbst, und zwar an diese durch Aufgabe zur Post, wenn sie einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen hatte, die Bestellung aber unterlassen hat. A. § 210a ergänzt §§ 176, 178 (vgl. §176 A Ia). Der (postulationfähig gewesene) Prozeßbevollmächtigte (nur dieser wird auch hier getroffen, vgl. § 176 B II b 4) bleibt im Zustellungverfahren Zustellungempfänger bis er durch einen anderen abgelöst wird, ja, er wird es erneut, falls die Funktionen des anderen wegfallen (Kommentar § 176 C II c 2), es sei denn, daß seine Empfangvollmacht nicht bloß überdeckt, sondern zerstört wurde (§§ 87, 176 B I I I a). A I. Entfällt seine Postulationfähigkeit (im besonderen durch den Tod) im Anwaltprozeß (§ 78 I), so wird das Verfahren, wenn es noch nicht beendet ist, unterbrochen (§ 244 I). Tritt der Fall nach Schluß der Verhandlung ein, so darf trotz dessen das Verfahren (in der Instanz) durch Verkündung des Urteils noch abgeschlossen werden (§ 249 III). Ist nur die Postulationfähigkeit des Anwalts erloschen, nicht aber die außerprozessual wirkende Prozeßvollmacht, so ist er Zustellungsempfänger i. S. des § 176 geblieben. Ist er aber prozeß-(geschäft-)unfähig geworden oder gestorben, so fehlt es an dem Prozeßbevollmächtigten, dem nach § 176 wirksam zugestellt werden könnte, m.a.W., es entfällt die Sperre des §176, und es darf an die Partei bzw. so zugestellt werden, wie es § 210a in bezug auf die Rechtsmittelbeklagten anordnet, die h. M. nimmt indes in diesen Fällen im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung einen Unterbrechungfall an (vgl. §§ 244 A III b 4; Kommentar 176 C II e 2), obwohl das Zustellungverfahren nicht dem Anwaltzwang unterworfen ist (vgl. § 167 A). a) Tritt die Empfangunfähigkeit nach der Urteilzustellung ein, so laufen die Fristen weiter, das Verfahren wird also nicht unterbrochen die h. M. weicht hiervon bei der Zustellung von technisch ersten Versäumnisurteilen ab, weil durch sie die Instanz nicht beendet werde, vgl. § 244 A I I I b 4, d. h. der Rechtsmittelkläger muß in der richtigen Frist das Rechtsmittel einlegen, gleichviel ob sein Prozeßbevollmächtigter oder der des Gegners empfangsunfähig geworden ist. In diesem Fall sagt §210a ausdrücklich, wem an Stelle des empfangsunfähigen Prozeßbevollmächtigten des Rechtsmittelbeklagten zuzustellen ist, wobei er also ausdrücklich voraussetzt, daß dadurch das Verfahren auch im Anwaltprozeß (§ 78 I) nicht nach § 244 I unterbrochen sein kann. b) Die h. M. nimmt ferner einen Unterbrechungfall an, wenn, obwohl ein nach § 176 legitimierter Bevollmächtigter vorhanden ist, in der Person des Rechtsmittelbeklagten bzw. seines gesetzlichen Vertreters ein Unterbrechungfall nach § 239, 241 bis 243 eingetreten ist und in der höheren Instanz sich für ihn bis dahin noch kein Postulationfähiger bestellt hat (§ 244 A III b 4) — entgegen §§ 81, 86. A II. § 210 a regelt ausdrücklich nur den Fall, in dem der Rechtsmittelbeklagte notwendigerweise einen — postulationfähigen — Prozeßbevollmächtigten wechseln muß.
601
§210a
All
ZPO I. Buch
a) § 210 a setzt seinem Wortlaut nach die Einlegung eines Rechtsmittels (Berufung, Revision und Beschwerde) voraus, nicht die sonstigen Rechtsbehelfe und verlangt, daß die höhere gerichtliche Instanz zum Zuge kommt. b) Auch im Falle des notwendigen Anwaltwechsels vertritt der bisherige Prozeßbevollmächtigte im Zustellungverfahren die Partei nach § 176 so lange, bis ein postulationfähiger neuer Anwalt sich (bei dem Rechtsmittelgericht) bestellt hat (§ 176 C II). b 1. Die erste Regel des § 210 a l l , wonach die Rechtsmittelschrift dem Prozeßbevollmächtigten der Instanz zuzustellen ist, deren Entscheidung angefochten wird, führt nichts von dem allgemeinen Recht abweichendes ein, ihm sind überhaupt alle Mitteilungen zuzuleiten, solange kein postulationfähiger Rechtsanwalt der höheren Instanz sich für den Rechtsmittelbeklagten bestellt hat (RGZ 9/329f.). b 2. Die Regel gilt auch, wenn das Verfahren durch den Wegfall des Postulationfähigen der höheren Instanz unterbrochen wurde (§ 244 I) und nunmehr das Verfahren wieder aufgenommen werden soll (vgl. § 244 I I ; RG Gruch. 59/1170f.). Dasselbe gilt, wenn der Aufenthalt des Instanzprozeßbevollmächtigten unbekannt ist (§ 210a II, vgl. § 177 A), sofern er keinen Zustellungbevollmächtigten bestellt hat (RG J W 99/304 13 ); während es auf den Unterbevollmächtigten nicht ankommt (RG J W 95/383 20 ). c) Da die Prozeßordnung von den drei Instanzen ausgeht, bedeutet die Regel, daß der Berufunganwalt vor dem erstinstanzlichen der Zustellungempfänger ist, wenn der Revisionanwalt nicht bestellt oder weggefallen ist (RG Warn. 11/478). c 1. Die Bestellung der Prozeßbevollmächtigten der höheren Instanz ist aber auf das Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil beschränkt, wie auf alle Angriffe — auch der Gegenseite — gegen ein und dasselbe Urteil (§ 176 C I I d). Die Bestellung erstreckt sich nicht auf das Verfahren in der vorhergehenden (ersten) Instanz, im besonderen nicht auf andere Teilurteile als die, welche die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 716) oder die Kostenentscheidung ergänzend (§ 321) nachholen. Wird von der höheren Instanz aufgehoben und zurückverwiesen (§§ 538, 539, 565), so bleibt der Anwalt der unteren Instanz, der sich in der wieder zuständigen bestellt hatte, legitimiert (§ 178 A II). c 2. Vor Einlegung des Rechtsmittels wird sich regelmäßig kein Anwalt (gegenüber dem Gericht) bestellen. Die Bestellung ist aber zu beachten, wenn sich der Prozeßbevollmächtigte bei Gericht gemeldet hat (RG J W 87/432). Wenn gegen ein und dasselbe Urteil wechselseitig mehrere Rechtsmittel selbständig eingelegt werden, muß die an zweiter Stelle eingegangene Rechtsmittelschrift dem Anwalt, der zuerst gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt hatte, zugestellt werden (RGZ 120/183 [1871). Nicht gebilligt werden kann, daß die Rechtsmittelschrift schon dann dem höherinstanzlichen Anwalt zugestellt wird; wenn er selber Partei ist (so RG Gruch. 48/393 für überholtes Recht); denn er braucht sich nicht zu bestellen. c 3. Fehlt dem Rechtsmittelbeklagten der höherinstanzliche Anwalt und h a t er keinen Berufunganwalt, so tritt der Prozeßbevollmächtigte der vorhergehenden Instanz (der der ersten) an seine Stelle (§210a 11), gleichviel aus welchen Gründen der zweitinstanzliche fehlt, mag der zweitinstanzliche (etwa durch Tod) empfangunfähig geworden sein. Das Zustellungverfahren wird dadurch nicht unterbrochen (RG Gruch. 28/1130). Der Anwalt ist aber nicht weggefallen, solange er durch einen bestellten Vertreter bzw. Abwickler vertreten wird oder ein Berufs- oder Vertretungverbot ergangen ist, selbst wenn noch kein Vertreter für ihn bestellt worden ist (str.). A i n . Ist überhaupt kein untergeordneter, auch kein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter vorhanden, so greift § 210 a II ein. Dabei bleibt, wenn der vorinstanzliche Prozeßbevollmächtigte weggefallen (gestorben) und nur noch der Rechtsmittelanwalt vorhanden ist, die Sache aber in die untere Instanz zurückverwiesen oder noch im Kostenverfahren u. dgl. m. anhängig, der höherinstanzliche Anwalt außer Betracht; denn die untere Instanz fällt nicht in seinen von vornherein beschränkten Aufgabenkreis. a) Hat die Partei einen Zustellungbevollmächtigten (auch nur für die erste Instanz, RGZ 103/334 [336]) bestellt (§§ 174, 175), so ist diesem zuzustellen (§ 210 a II).
602
Verfahren bei Zustellungen
§210a AUI
b) Ist auch dieser nicht vorhanden, so ist der Partei zuznstellen und nur, wenn sie einen Zustellungbevollmächtigten nach §§ 174, 175 hätte bestellen müssen, dies aber nicht getan hat, darf an sie durch Aufgabe zur Post zugestellt werden (vgl. § 175 A). Eines Gerichtsbeschlusses bedarf es dazu nicht (anders als bei der Zustellung auf Betreiben der Partei nach § 177). B. Ist der Staatsanwalt beteiligt, so ist Vertreter des Staates in dem Verfahren bis zum LG der Oberstaatsanwalt (bei dem LG), der für das betreffende LG zuständig ist, bei dem OLG der Generalstaatsanwalt des OLG, beim BGH der Generalbundesanwalt. B I. Da er ohne Bestellung Rechtsmittelgegner ist, ist dem Staat, vertreten durch die Staatsanwaltschaft als Rechtsmittelbeklagten, die Rechtsmittelschrift nur zu Händen des Generalstaatsanwalts bzw. des Generalbundesanwalts in Revisionverfahren zuzustellen (RG J W 15/1263"). C. Verstöße gegen § 210 a werden nach §§ 187, 295 geheilt (anders wenn durch die Zustellung eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll). §
211
(-)
I Die Geschäftsstelle hat das zu übergebende Schriftstück einem Gerichtswachtmeister oder der Post znr Znsteilung auszuhändigen. Die Sendling maß verschlossen sein; sie mal] mit der Anschrift der Person, an die zugestellt werden soll, sowie mit der Bezeichnung der absendenden Stelle lind einer Geschäftsnummer versehen sein. Sie muß den Vermerk „Vereinfachte Zustellung" tragen. n
Die Vorschrift des § 194 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.
A. Ob die Geschäftstelle sich eines Gerichtwachtmeisters oder der Post zur Zustellung bedient, steht in ihrer freien Wahl. Regelmäßig wird durch die Post zugestellt. Die Zustellung durch die Post unterscheidet sich auch hier wie in dem Fall der §§ 193 folg. von der durch Aufgabe zur Post (§§ 174, 175, 213), daß im letzten mit der Aufgabe zur Post die Zustellung bewirkt ist, während im ersten die Post erst noch die Zustellung bewirken muß. In diesem Fall wird die Tatsache, wann das Schriftstück dem Gerichtswachtmeister bzw. der Post übergeben wird, nicht beurkundet (§ 211 II); während auch bei der Zustellung von Gerichts wegen die Feststellung, wann das Schriftstück aufgegeben ist, bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post wesentlich ist (§ 213). B. Bei der Zustellung von Gerichts wegen durch Gerichtwachtmeister oder Post wird diesen das auszuhändigende Schriftstück verschlossen übergeben. B I. Die Verantwortung dafür, daß die richtigen Stücke übergeben werden, hat deshalb allein die Geschäftstelle. B II. Das zuzustellende Schriftstück (§ 170 A) wird hier also nicht mehr „übergeben" oder auch nur noch vorgewiesen, sondern bleibt bei den Akten. Die (verschlossene) Sendung muß äußerlich so gekennzeichnet sein, daß der Zustellungempfänger erreicht werden kann und daß die (ausgefüllte) Zustellungurkunde zurückkommen kann (§ 2111 2). Darüber, daß zu einer wirksamen Zustellung in diesen Fällen die Aufnahme der Zustellungsurkunde erforderlich ist, vgl. § 190 A I. a) Ein bloß falscher Vermerk zur Zustellungurkunde ist unschädlich (RArbG Recht 31/682). b) Die Zustellung soll als „vereinfachte Zustellung" gekennzeichnet werden, falls vereinfacht beurkundet wird (§ 212). Unterlassen beeinträchtigt ihre Wirksamkeit nicht (RG J W 08/27716). c) Die Person des Zustellers ergibt sich aus der Vollziehung der Zustellungurkunde (vgl. § 191 B II g). GVG § 155 trifft auf ihn nicht zu, da er den Inhalt der Sendung nicht kennt. Die Stellung des Gerichtwachtmeisters ist landesgesetzlich geregelt.
603
ZPO I. Buch B III. Ist zu befürchten, daß an eine untaugliche Ersatzperson zugestellt werden könnte (§ 185), so soll die mitzugebende Zustellungurkunde wie die Sendung vom Urkundsbeamten daraufhin gekennzeichnet werden.
§
212
( - )
I Die Beurkundung der Zustellung durch den Gerichtswachtmeister oder den Postbediensteten erfolgt nach den Vorschriften des § 195 Abs. 2 mit der Maßgabe, daß eine Abschrift der Zustellungsurkunde nicht zu übergeben, der Tag der Zustellung jedoch auf der Sendung zu vermerken ist. II
Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle zu überliefern.
A. § 212 vereinfacht die Beurkundung bei der Zustellung von Gerichts wegen, wonach keine beglaubigte Abschrift der Zustellungurkunde überlassen zu werden braucht, wenn das zu überlassende Schriftstück, gleichviel ob durch den Gerichtswachtmeister oder durch die Post bzw. ihren Boten übergeben wird. A I. Überlassen wird das Schriftstück nach §§ 170folg. (§ 195 I). A II. Bei der Zustellung von Gerichts wegen (ohne Beurkundung in der Zustellungurkunde) braucht stets nur auf der Sendung der Tag der Überlassung vermerkt zu werden; anders ist dies nur, wenn auf dem Vordruck zur Zustellungurkunde gefordert wird, daß die Stunde der Überlassung vermerkt wird. E r soll auch unterschrieben werden. Wesentlich ist aber der Vermerk nicht (RG J W 31/2365 5 f.). Dies gilt auch, wenn der Vermerk ein falsches Zustellungdatum ergibt (RG J W 08/277 1 6 ). Weicht der Vermerk von dem in der Zustellungurkunde beurkundeten Tag ab, so kann sich der Zustellungempfänger auf den Vermerk berufen (OLG 2/86), also die Wiedereinsetzung beantragen, sofern er (ohne Verschulden) die Rechtsmittelfrist versäumt hatte. Der Zustellungempfänger darf die Urkunde bei den Akten einsehen und E r teilung einer (beglaubigten) Abschrift bei Gericht beantragen (§ 299). Der Rechtsanwalt, dem so zugestellt wird, muß den Umschlag in den Handakten verwahren (RGZ 120/243 [248]; OVG N J W 57/1086 hat darüber hinausgehend von einem Anwalt verlangt, daß er den Zustellungvermerk überprüfe und, falls er fehlt, sich über die Zeit der Zustellung vergewissere). B . § 212 I I entspricht § 195 I I I bzw. § 195 I V ; eine Verbindung der Zustellungsurkunde mit dem zugestellten (§ 170 A) Schriftstück ist von der ZPO nicht vorgeschrieben.
§
2 1 2 a
( - )
I Bei der Zustellung an einen Anwalt, Notar oder Gerichtsvollzieher oder eine Behörde oder Körperschaft des öffentlichen R«chts genügt zum Nachweis der Zustellung das mit Datum und Unterschrift versehene schriftliche Empfangsbekenntnis des Anwalts oder eines gemäß der Rechtsanwaltsordnung bestellten Zustellungbevollmächtigten, des Notars oder Gerichtsvollziehers oder der Behörde oder Körperschaft. A I. Über die Stellung des empfangenden Anwalts vgl. § 198 A I a. a) Als solcher ist er beruflich verpflichtet, mitzuwirken (OLG J W 36/217 6 5 ); nach der hier vertretenen Auffassung (§ 198 A I b 1) kommt es auf den Nichtannahmewillen des Anwalts nicht an (während nach der h. M. die Zustellung an der erklärten Ablehnung scheitert, nach OLG J W 36/2174 8 5 schon am fehlenden Empfangsbekenntnis). Darüber, daß der Anwalt (disziplinarisch) zur Rechenschaft gezogen werden kann, vgl. § 198 A I b 1. A II. Das entsprechende gilt für Zustellung an Notare, Gerichtsvollzieher, den Staat (Behörde) und öffentliche Körperschaften (vgl. § 51 D I I I ) . Wer von den Angestellten zeichnet, muß für das Gericht als befugt angesehen werden; die inneren Dienstvorschriften über die Berechtigung hierzu sind für das Gericht gleichgültig.
604
Verfahren bei Zustellungen
§ 212
a
A III. Im übrigen ist aber die Zustellung durch bloßes Empfangbekenntnis einer anderen Person nicht zugelassen (LG MDR 53/685; vgl. aber § 212b). B. Das Empfangsbekenntnis kann nur wirksam von dem Zustellungempfänger abgegeben werden, an den die Sendung von der Geschäftstelle (die sich zur Überbringung eines Gerichtswachtmeisters bedienen darf, BGH v. 13. 7.1959 IV ZR 57/59) gerichtet ist. Doch tritt für ihn sein bestellter Vertreter (BRAO § 53 VII) bzw. der Abwickler (BRAO § 55) ein und der Zustellungbevollmächtigte (BRAO §3011). Als daher der neue Prozeßbevollmächtigte die an den alten gerichtete und von diesem an den neuen abgegebene Sendung quittierte, ließ dies RG HRR 32/1596 nicht gelten. Die Erklärung des Anwalts, er verzichte auf (förmliche) Zustellung, hindert die förmliche Zustellung nach § 212a nicht (RG HRR 36/432) und macht sie nur in der Form des § 212b entbehrlich. B I. Über den Zeitpunkt, wann die Zustellung wirksam wird, sofern das Empfangsbekenntnis ausgestellt wird, vgl. § 198 A I I I ; ohne es ist die Zustellung nach h. M. unwirksam (OLG JW 36/2174®5). Auf die Datierung im Empfangbekenntnis kommt es nicht an; der Beweis, daß das Schriftstück dem Anwalt früher „zugegangen" (vgl. dazu § 198 B I b 1), als bescheinigt wurde, ist zulässig (RG J W 36/240727). Über die Frage, ob, wenn eine Frist aufgehoben werden soll, schon der formlose Zugang entscheidet, vgl. § 329 B IV b. Wird einem Zustellungbevollmächtigten zugestellt, so entscheidet der Tag der Zustellung an ihn (RG N § 212 a/4). Wird dem Anwalt vom Gericht nur eine Urkunde in das Fach ohne vorbereitete Empfangquittung gelegt, so gilt dies nicht als Zustellung, selbst wenn nur versehentlich die Quittung nicht entworfen war (RArbG DR 44 A 2Ö534); wird dann hinterher eine Quittung verlangt und ausgestellt, so kommt es auf den Zeitpunkt der Quittung — richtiger ihres Zugangs bei dem Quittierenden — an. Doch kann nach „Zugang" nicht mehr erwartet werden, daß die Zustellung nicht gelten solle (RG J W 31/35443). B II. Die Geschäftstelle darf im Fall des § 212 a das Schriftstück offen oder geschlossen in das Fach des Anwalts geben oder es ihm durch die Post oder durch Boten übersenden. Die Rückgabe der Empfangsbescheinigung (durch Post, Boten oder Einlage in das Gerichtsfach) geschieht zwanglos. Eine abhanden gekommene hat der Anwalt zu ersetzen. B III. Ein Nachteil dieser Zustellungart ist die fehlende Gegenbescheinigung der Geschäftstelle. (Beglaubigte) Abschrift der Empfangbescheinigung darf der Anwalt fordern (§ 299); doch ist dies nicht üblich. §
212 b
(-)
I Eine Zustellung kann auch dadurch vollzogen werden, daß das zu übergebende Schriftstück an der Amtsstelle dem ausgehändigt wird, an den die Zustellung zu bewirken ist. In den Akten und auf dem ausgehändigten Schriftstück ist zu vermerken, wann dies geschehen ist; der Vermerk ist von dem Beamten, der die Aushändigung vorgenommen hat, zu unterschreiben. A. Die Zustellung des § 212 b geht von der Aushändigung des zu überlassenden Schriftstücks an den (reinen) Zustellungempfänger aus (OLG JMinBl. NRW 53/200: die Ersatzzustellung auf diese Art ist unzulässig). Um sie als Zustellung zu kennzeichnen, ist dies datummäßig auf dem ausgehändigten Schriftstück zu vermerken und von dem aushändigenden Beamten zu unterschreiben. Ist der Vermerk auf dem behändigten Schriftstück unrichtig oder unterblieben, so ändert dies an der Wirksamkeit der Zustellung nichts (OLG MDR 57/489; war sich der Empfänger der Zustellung nicht bewußt, so hat er u. U. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand). Auch braucht der Empfänger dabei nicht zu prüfen, ob der Beamte zur Aushändigung befugt war. B. Ein Zustellungvermerk ist zu den Akten zu bringen. Ist dies unterblieben, so ist die Zustellung unwirksam (vgl. § 190 A I, LG NdsRpfl. 48/88; a. M. OLG MDR 57/489). C. Heilung nach §§ 187, 295 I tritt auch hier wie sonst überhaupt ein, wenn nicht eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll.
605
ZPO I. Buch
§ 213
(-)
I Ist die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175) erfolgt, so hat der Urkundsheamte der Geschäftsstelle in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Adresse die Aufgabe geschehen ist. Der Aufnahme einer Zustellungsurkunde bedarf es nicht. A. § 213 ersetzt § 192. Er gilt nur in dem Fall, wo die Zustellung durch Aufgabe zur Post bewirkt werden kann (vgl. §§ 175, 210a II). Uber die Fälle vgl. § 175 A. Eingeschrieben braucht die Sendung nur im Fall des § 175 II aufgegeben zu werden, sonst steht dies im Ermessen der Urkundbeamten. Der Urkundbeamte soll entweder die Sendung selbst in den Briefkasten werfen oder sich eines Gerichtswachtmeisters bedienen. B. In dem Aktenvermerk ist der Tag (u. U. die Stunde) der Postaufgabe und die Anschrift dessen, an den die Sendung aufgegeben wurde, zu vermerken und vom Urkundsbeamten zu unterschreiben. Hat er die Sendung selbst nicht zur Post gegeben, so wird zu vermerken sein, wer dies getan und was dieser darüber erklärt hat. Dies ist die Zustellungsurkunde. Fehlt sie, so ist die Zustellung unwirksam. Dies gilt auch, wenn nur der Justizwachtmeister den Vermerk macht und unterschreibt (BGH NJW 53/422). Dritter Titel Ladungen, Termine und Fristen
§ 2 1 4 (191) I
Die Ladung zu einem Termin wird von Amts wegen veranlaßt. B. Nach § 214 wird von Gerichts wegen geladen. B I. Die Ladung ist die Terminsmitteilung an eine bestimmte Person mit der Aufforderung zu erscheinen (RGZ 60/273); a) die fehlende Aufforderung zu erscheinen kann auch durch besondere Mitteilung nachgeholt werden (vgl. RG J W 21/124321); in der bloßen Mitteilung eines Termins liegt die Aufforderung zu erscheinen. a 1. Folgen brauchen nicht angedroht zu werden, welche bei Nichterscheinen eintreten können (§ 2311, auch nicht bei Ableistung des Offenbarungeides, vgl. § 900), soweit dies nicht besonders gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. §§ 141 I I I 2, 377 II 3, 402). Die Säumnisfolgen treten vielmehr ohne Androhung ein (vgl. §§ 95, 230folg., 330folg., 499f.). In diesen Regelfällen gibt es dann aber auch keine Mittel, das Erscheinen zu erzwingen. b) Die Terminsmitteilung kann förmlich zuzustellen sein (vgl. §§ 141 II, 296 II, 377 I 2, 402, 497 II), sie kann aber auch förmlich zugestellt werden, selbst wenn das Gesetz nur von einer Bekanntgabe spricht (vgl. §§ 251a II, 340 a, 366 II, 370 II 2, 520 I 1, 555 I, 700 I 2, 1042 d II 2, GVG § 102 I 3). §§ 187 1 1, 295 I sind auf die Ladung anzuwenden (RGZ 111/288). Eine Säumnisfolge darf nur gezogen werden, wenn die Ladung entweder zugestellt oder nachweisbar den Zustellungempfänger — rechtzeitig — erreicht hat. Ohne diesen Nachweis darf kein Versäumnisurteil (§§ 330folg.) und keine Entscheidung nach Aktenlage (§§ 331a, 251a) ergehen (RGZ 13/334folg., § 335 I 2). Soweit gegen nichterschienene Zeugen usw. nach § 380 vorgegangen wird, ist die Maßnahme zu unterlassen bzw. wieder aufzuheben, falls der Zeuge (usw.) glaubhaft macht, daß ihn die Mitteilung nicht erreicht hat (vgl. § 381 A I). B II. Die §§ 214folg. beziehen sich auf die Ladungen der Parteien zu Terminen, im besonderen die §§ 215, 217, 218, nicht auf die zu Beweis- und Auskunftsterminen der Zeugen und Sachverständigen; aber auch nicht auf die der Partei nach §§ 141, 296, 619, 451. a) Sie gelten im besonderen für die Einhaltung der Ladung- und sonstigen Zwischenfristen (vgl. §§ 217, 499, 262, 520 II, 555 II). Daß in den Fällen der §§ 520 II, 555 II die Fristen von der Bekanntgabe des Termins an laufen, hat RGZ 81/321 bestätigt; für den Fall des § 340a hat es RGZ 86/139 f. bezüglich der Partei, die Einspruch eingelegt hat, verneint.
606
Ladungen, Termine und Fristen
§ 2 1 4 b Ii
b) Betrieben wird die Ladung in allen Fällen durch die Geschäfteteile (§§ 261a I, 497 1 8 , 377 1 1 , 402), sofern sieh dies nicht durch die mündliche Mitteilung des Gerichts erledigt. B III. Die Terminsmitteilung setzt voraus, daß ein Termin bestimmt worden ist (RGZ 55/305 [307]; vgl. § 216 A I). Für die Ladung ist wesentlich, daß der Empfänger weiß, daß vor Gericht zu einer bestimmten Zeit und ebenso bestimmten Ort in einem bestimmten Streit verhandelt wird. a) Wird nur mitgeteilt, daß Beweise erhoben werden sollen, nicht aber, daß auch verhandelt werden soll, dann darf nicht verhandelt werden. Wohl aber dürfen Beweise erhoben werden, auch wenn das vorher nicht mitgeteilt worden ist, wie § 272 b ergibt. b) Enthält die Mitteilung keine Terminzeit oder eine falsche (BGZ 55/305) oder eine in der Vergangenheit liegende (RG J W 01/650 6 ; es sei denn, daß die Jahreszahl nur verschrieben ist, vgl. § 170 A I I I a) oder keinen oder einen falschen Terminort, so ist sie unwirksam. Der Zeit nach wird nur der Beginn der Verhandlung mitgeteilt (indes kann im Einverständnis der Beteiligten vor der festgesetzten Terminstunde verhandelt werden, § 295 I). Die Parteien haben einen Anspruch darauf, daß diese Stunde abgewartet wird. Sie haben dagegen keinen Anspruch darauf, daß pünktlich begonnen wird. Nach RG N § 216/2 schadet die fehlende Angabe der Terminstunde nicht; dann sei zur üblichen Zeit zu verhandeln. Wird nicht an der Gerichtstelle verhandelt, sondern an einem anderen Ort, so brauchen die Beteiligten hier (weil sie sich hier nicht erkundigenkönnen) nur angemessen ( x / 4 Stunde) zu warten (RG J W 07/392 12 ). B IV. Mehrfache Ladung zum selben Termin ist zulässig (vgl. RG J W 04/363 2 3 ).
§ 215
(192)
I In Anwaltsprozessen muß die Ladung zur mündlichen Verhandlung, sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, die Aufforderung enthalten, einen bei dem ProzeBgericht zugelassenen Anwalt zu bestellen. A. Ist in Anwaltsprozessen (§ 78 I) Zustellungempfänger (vgl. § 171 AI) kein Anwalt (darauf, ob er am Prozeßgericht zugelassen ist, kommt es nicht an), so muß die Ladung zur mündlichen Verhandlung (§ 128 I) die Aufforderung zur Anwaltsbestellung enthalten. So ist zu jedem Termin, zu dem geladen wird, aufzufordern. B. Fehlt die Aufforderung, erscheint aber ein Rechtsanwalt, so ist der Mangel behoben (OLG ZZP 38/236). Dasselbe muß aber auch dann gelten, wenn einem Volljuristen zugestellt wird oder wenn der Zustellungempfänger anderweit belehrt wurde. Bei wiederholten Ladungen zu mehreren Terminen genügt es, daß die Ladung zum letzten Termin die Aufforderung enthielt (RG J W 21/1243 2 1 ).
§ 216
(193)
I Die Termine werden von Amts wegen bestimmt, wenn Anträge oder Erklärungen eingereicht werden, über die nur nach mündlicher Verhandlung entschieden werden kann oder über die mündliche Verhandlung vom Gericht angeordnet ist. II Die Bestimmung der Termine erfolgt binnen vierundzwanzig Stunden durch den Vorsitzenden. III Auf Sonntage und allgemeine Feiertage sind Termine nur in Notfällen anzuberaumen. A I. Grundsätzlich braucht nach § 216 I kein besonderer Antrag auf Terminsanberaumung gestellt zu werden. a) Regelmäßig wird der Beginn eines Verfahrens indes von irgendeiner Prozeßhandlung einer Partei abhängen, einem Antrag, etwa a 1. der Einreichung der Klage (vgl. § 253 F II). b) Auch ohne solche (unmittelbaren) Anträge einer Partei ist aber ein Termin anzuberaumen, wenn ein Verfahren schon und noch im Lauf ist, also nicht ruht (§ 251), ausgesetzt oder unterbrochen ist.
607
§ 216
AI
ZPO I. Buch
c) In den Fällen der freigestellt mündlichen Verhandlung (§ 128 G II) hat die Partei keinen Anspruch auf Terminanberaumung, und der Vorsitzende (usw.) darf es nur tun (und soll es dann), wenn das Gericht (nicht der Vorsitzende, wohl aber der Einzelrichter, §§ 348folg.) die Terminanberaumung beschlossen hat. A II. Ob Termin anzusetzen oder anders zu verfahren ist, richtet sich nach dem Inhalt der Eingabe. a) Wurde nur ein Armenrechtsgesuch eingereicht, so wird zunächst in freigestellt mündlicher Verhandlung verfahren. Über die Frage, ob eine Klage mit Armenrechtsgesuch ohne Terminsanberaumung erhoben ist, vgl. § 253 F II b 1. b) In gewissem Umfange kann jedenfalls bei beschleunigter Anberaumung die Mitwirkung der Partei erforderlich werden, wie etwa wenn im Falle des § 254 die Rechtskraft der ersten Stufenentscheidung abgewartet werden muß; ist sie durch Versäumnisurteil ergangen, so ist das Gericht stets auf diese Mitteilung angewiesen. Dasselbe gilt, wenn die Fortsetzung des Verfahrens von der Rechtskraft eines Zwischenurteils abhängt oder von der Entscheidung über eine Nichtigkeitklage im Fall des § 578 II. c) Rechtsähnlich ist der Fall, wenn dem Gegner öffentlich zuzustellen ist und die Partei den Antrag nicht stellt (vgl. § 204 A III). d) So wie die Durchführung des Prozesses mit der Klageerhebung beginnt, so die eines unterbrochenen, ausgesetzten und ruhenden Verfahrens (§§ 239 II, 242, KO § 10, AnfG § 13 II) mit einer neuen Prozeßbehandlung. e) Ferner ist der Antrag erforderlich, nachdem im Mahnverfahren Widerspruch erhoben ist (§ 696 1), wenn der Offenbarungeid geleistet werden (§900), ein Klagerücknahmeurteil nach § 113 I 2, ein Anerkenntnis- bzw. Verzichturteil ergehen soll, sowie im Fall des § 856 III. A III. Der bloße Antrag auf Terminsanberaumung reicht dort nicht aus, wo sie eine andere Prozeßhandlung voraussetzt (§ 216 A I a, b, II d). A IV. Dagegen löst die bloße Streitverkündung (§ 73) noch nicht die Ladungspflicht des Gerichts aus. Da aber in ihr die Lage des Streits anzugeben ist, hat hier der Streitverkünder die Last, einen etwa anstehenden Termin im Schriftsatz mitzuteilen. B. Liegen die allgemeinen Prozeßbedingungen für eine Terminanberaumung vor, so ist der Termin anzusetzen (a. M. RG JW 05/33521, wenn von vornherein die Unzulässigkeit des Verfahrens feststehe). B I. Fehlen Prozeßfortsetzungvoraussetzungen, so ist nur im Einspruchverfahren Termin anzusetzen (vgl. § 340a), sonst ist die mündliche Verhandlung freigestellt (vgl. §§ 519b B I I I ; 554a II). B II. Der Termin ist selbst dann anzusetzen, wenn dem Gesuch Prozeßbedingungen fehlen. a) Dies gilt auch für Partei- und Prozeßunfähigkeit, vgl. § 253 F II a 3 (RG J W 17/29518). Auch darf es nicht darauf abgestellt werden, ob sonstige Prozeßvoraussetzungen fehlen (mit Ausnahme der, daß ein nicht Postulationfähiger handelt — vgl. RG J W 17/29518). Dies gilt auch bei ausländischen Hoheitträgern (OLG J R 54/263), Exterritorialen (KG J R 25 B 1817), weil sie sich der Gerichtsbarkeit unterwerfen können, und auch wenn ein tiefergestuftes Gericht zuständig ist, was gemeinhin unter der Zulässigkeit des Rechtswegs begriffen wird (KG Seuff. 50/49; a. M. KG ZZP 51/280). a 1. Auch die Beendigung eines Verfahrens hindert nicht, über einen nach ihr eingereichten Antrag zu entscheiden (schon wegen der Vorschrift des § 321). a 2. Das entsprechende gilt innerhalb eines schwebenden Verfahrens. Der Antrag auf Anberaumung eines Verhandlungtermins darf abgelehnt werden, weil erst der Beweisbeschluß durchgeführt werden soll (a. M. RG SächsA 9/385), etwa wenn noch der Ablauf einer Frist abzuwarten ist (vgl. §§ 360, 431). Liegen die Gerichtsakten nicht vor (sei es, daß sie verloren wurden und erst wiederhergestellt werden müssen, sei es, daß sie versandt sind), so hat OLG J W 20/104210 vor Wiederherstellung vernichteter Akten die Terminbestimmung abgelehnt.
608
Ladungen, Termine und Fristen
§216
B Ii
b) Doch gibt es auch besondere Prozeßbedingungen für die Terminanberaumung. Dahin gehört b 1. der Sühnetermin in Ehestreiten nach § 608. b 2. Der Terminsantrag ist aber auch unzulässig, wenn etwa Termin während eines unterbrochenen, ausgesetzten oder ruhenden Verfahrens angesetzt werden soll, ohne daß eine die Unterbrechung, Aussetzung oder das Ruhen beseitigende Handlung vorgenommen wird. Ein ruhendes Verfahren ist nach Ablauf von drei Monaten (§ 251 II) durch jeden neuen Schriftsatz als fortgeführt anzusehen. Dazu gehört auch der Fall, daß eine Partei ein Verfahren fortsetzen will, das durch einen Vergleich beendet worden ist: mag sie auf Erfüllung des außerprozessual geschlossenen oder bei einem Prozeßvergleich auf das, was sich nach Beseitigung des von ihr angefochtenen oder sonst nichtigen Vergleichs ergibt, Hagen (RG J W 07/311 14 ; a. M. RG JW 05/535 21). b 4. Einen besonderen Raum nehmen die Kostenvorschüsse ein, die vor der Klageerhebung noch gefordert werden können. B III. Darauf, ob das Gesuch begründet und ihm stattzugeben ist, kommt es nicht an, weil darüber erst im Termin zu entscheiden ist (RGZ 33/244 [246]). B IV. Die Anberaumung eines Termins ist grundsätzlich von der vorherigen Zahlung der Prozeßgebühr des Gerichts abhängig zu machen (GKG § 1111); a) im Mahnverfahren, wo eine halbe Gebühr vor Erlaß des Zahlungbefehls zu entrichten ist (GKG § 111 II), grundsätzlich erst nach Zahlung der zweiten Hälfte (GKG § 1111 2). b 1. Doch fallen nicht unter die Norm das Wiederaufnahmeverfahren, weil dieses ein außerordentliches Rechtsbehelfsverfahren ist, Arreste, einstweilige Verfügungen, die Vollstreckbarerklärung eines Schiedspruchs und seine Aufhebung. b 2. Soweit die Klageerweiterung erstrebt wird, soll nach GKG § 1111 3 schon die Zustellung des die Klage erweiternden Schriftsatzes durch das Gericht unterbleiben. Doch wird man insoweit die Vorschrift nicht anwenden dürfen, wie man die Klage ohne Vorschuß zustellen muß. Wird die Klage in der höheren Instanz erweitert, so gilt GKG § 1111 3 auch hier (RGZ 135/224 [229]). b 8. Für die Widerklage bzw. die Widerklageerweiterung gibt es keine Vorschußpflicht. c) Im schriftlichen Verfahren gilt die Bestimmung nicht. c 1. Ist der Termin (auf Grund einer gezahlten Gebühr, aber auch wenn es übersehen ist, die Gebühr anzufordern) bestimmt, so ist er abzuhalten (auch wenn die Gebühr nicht richtig oder sogar versehentlich gar nicht angefordert worden ist, RGZ 135/224 [229]). Auch darf dem Beklagten es nicht verweigert werden, daß Termin angesetzt wird, wenn er es fordert. c 2. Die Vorschußpflicht nach GKG § 1111—III entfällt nach seinem Absatz IV, also mit der Bewilligung des Armenrechts (§ 118 I 3),bei persönlicher oder sachlicher Gebührenfreiheit. Macht der Kläger glaubhaft (§ 294), daß ihm die alsbaldige Zahlung der Gebühr Schwierigkeiten bereitet, so ist von der Vorschußleistung abzusehen. Die Aussichten der Klage sind dabei nicht zu prüfen (RGZ 135/224 [230]). Macht der Kläger glaubhaft (§ 294), daß ihm die Verzögerung einen schwer zu ersetzenden Nachteil bereiten würde, so ist von der Zahlung der Prozeßgebühr abzusehen. In diesem Fall (aber auch nur in diesem) genügt die Erklärung des zum Prozeßbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalts; ob der Anwalt sich mit der Erklärung begnügen darf, die dem Wortlaut des Gesetzes entspricht (so KG J W 30/299221), oder ob er die Tatsachen zu behaupten hat, welche den durch die Verzögerung eintretenden Schaden belegen (so KG J W 32/115914), ist streitig. C. Die Termine setzt der Vorsitzende des Gerichts (§ 216 II — u. U. sein Vertreter: RG v. 20.10.1926 VII E 115/157 f. —, auch der Einzelrichter, §§348 folg., der beauftragte oder der ersuchte Richter, § 229, der Rechtspfleger in Sachen, über die er zu entscheiden hat) an, die Parteien nur im Fall des § 500 1 1. C I. Der Termin soll sodann innerhalb von 24 Stunden angesetzt werden (§ 216 II). In der Rechtsmittelinstanz ist erst die notwendige Rechtsmittelbegründung abzuwarten, weil vorher 39
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
609
§216 ci
ZPO I. Buch
nicht feststeht, ob in notwendiger mündlicher Verhandlung zu verfahren ist (Kommentar § 216 B I a). Auf Sonntage und allgemeine Feiertage (vgl. § 188 A I I b, c) sollen Termine nur in Notfällen anberaumt werden (§216 III). Über Fristen in Gerichtsferien vgl. §223; über die Ladung vgl. § 214 B. C IL Die mündliche Verhandlung hat heute nicht mehr die Bedeutung, die sie dereinst (1879) hatte. Sie wird ganz oder zum Teil durch Bezugnahme auf den Akteninhalt ersetzt (§137 III). C IV. In der unberechtigten Verweigerung der Terminsanberaumung, wo sie geboten, liegt aber eine Aussetzung des Verfahrens, wogegen nach § 252 die Beschwerde zulässig ist (RGZ 65/420; a. M. nur die Dienstaufsichtbeschwerde: OLG 7/295), nicht aber die Anrufung des Gerichts. Ein weit hinausgesetzter Termin kommt einer Aussetzung gleich.
§ 217 (194) I Die Frist, die in einer anhängigen Sache zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstag liegen soll (Ladungsfrist), beträgt in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens drei Tage, in Med- und Marktsachen mindestens vierundzwanzig Stunden. A I. Die Ladungfrist gibt es — als Vorbereitungfrist — nur für die Parteien und nur f ü r sie in bezug auf die reine Verhandlung; nicht soweit sie zur Anhörung oder zur Parteivernehmung geladen werden und nicht für die Ladung von Zeugen und Sachverständigen (§ 214 B I I ) ; für diese Personen braucht nur die Frist gewährt zu werden, welche ihnen die Wahrnehmung des Termins ermöglicht; diese ist gesetzlich nicht geregelt. A II. Die Ladungfrist ist zu jedem Termin zu beachten, auch für den nach der Beweisaufnahme (§ 370 I I ; RGZ 81/321 [323]), und weil sie eine Vorbereitungfrist ist, muß sie auch bei verkündeten Terminen gewahrt werden. Anders ist dies nur bei der Verlegung der Terminstunde auf eine frühere oder spätere Zeit, weil der Terminstag bleibt und dieser nicht mehr als Vorbereitungtag gilt (RG J W 95/379 3 ). B. Der Tag des Zugangs bzw. der Zustellung der Ladung und der Terminstag werden bei der Berechnung von Tagesfristen nicht mitgerechnet (vgl. § 222 A I a). Anders ist dies nur, wenn bei Stundenfristen vorverlegt wird, dann wird von der letzten Mitteilung an die Frist berechnet. Bei Fristen nach Stunden zählen nur die werktäglichen (vgl. § 222 B III). Bemessen wird sie für jede Partei verschieden, je nachdem wann ihr ordnungmäßig (§ 214 B I I I b) die Mitteilung zugeht oder die Ladung zugestellt wird. Über die Verkürzung der Fristen vgl. §§224folg.; verlängert werden die Fristen nicht (vgl. § 226).
§ 218 (195) I Zu Terminen, die in verkündeten Entscheidungen bestimmt sind, ist eine Ladung der Parteien unbeschadet der Vorschriften des § 141 Abs. 2 nicht erforderlich. A. Die verkündete Entscheidung (§§ 312 I, 329 II) wirkt, auch wenn die Partei(en) bei der Verkündung abwesend war(en) als Ladung (RG Gruch. 55/1053f.). A I. Ausgenommen von der Wirkung des § 218 ist allerdings nicht bloß die Ladung nach § 141 II, sondern auch die nach §§ 296, 619, 377, 402 (vgl. § 217 A I). A II. Gegen eine ausgebliebene Partei ist eine Ladung gesetzlich vorgeschrieben nach §§ 251a I 3, 331a I 2; 335 II, 337 I 2; 618 II, 640 I, 670 1,679 IV, 684 IV, 686 IV (aber nicht, wenn die Partei, wenn auch nicht durch einen postulationfähigen Anwalt vertreten, erschienen war).
610
Ladungen, Termine und Fristen
§ 219
(196)
I Die Termine werden an der Gerichtsstelle abgehalten, sofem nicht die Einnahme eines Augenscheins an Ort und Stelle, die Verhandlung mit einer am Erscheinen vor Gericht verhinderten Person oder eine sonstige Handlung erforderlich ist, die an der Gerichtsstelle nicht vorgenommen werden kann. II
Der Bundespräsident ist nicht verpflichtet, persönlich an der Gerichtsstelle zu erscheinen. A. § 219 trifft als Ausnahmeregel die Lokaltermine.
A I . Die Termine sind grundsätzlich an der Gerichtstelle abzuhalten, also im Gerichtsgebäude. Auf einem Gerichtstag ist dies das dazu bestimmte Gebäude (vgl. YO v. 20. 3.1935 [RGBl. I 403] § 3). A II. Von diesen unterscheidet sich der Lokal-(Orts-)Termin dadurch, daß er nicht an einer Gerichtstelle abgehalten wird. Über die Erforderlichkeit entscheidet das Ermessen des Gerichts (RGZ 56/357 [359]). Auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Lokaltermin nicht vorliegen, ist dies mit einer Rüge nicht verfolgbar. Ebenso ist die Ablehnung eines Parteiantrags, einen Ortstermin abzuhalten, nicht angreifbar (RG N § 219/2). A III. Der Ort, wo der Lokaltermin stattfindet, ist genau in der Ladung zu beschreiben. Es besteht weder für die Parteien noch für dritte (abgesehen von dem Fall der Amtshilfe) die Arerpflichtung, einen Ortstermin auf ihrem Eigentum oder Besitz abhalten zu lassen. Wird auch nur einem Beteiligten der Zutritt verwehrt, so darf der Termin dort nicht abgehalten werden. Findet der Ortstermin außerhalb des Gerichtsbezirks statt, so soll die Zustimmung des örtlich zuständigen AG herbeigeführt werden; nur bei Gefahr im Verzuge genügt die bloße Anzeige an das AG (GVG § 166); doch sind Verstöße hiergegen ohne zivilprozessuale Wirkung. Über die Öffentlichkeit und Sitzunggrundlagen bei Lokalterminen vgl. GVG § 169 C. B. Der Bundespräsident braucht am Gerichtsort nicht zu erscheinen.
§ 220
(197)
I
Der Termin beginnt mit dem Aufruf der Sache.
II
Der Termin ist von einer Partei versäumt, wenn sie bis zum Schluß nicht verhandelt.
A I. Der Aufruf der Sache zum Termin vollzieht sich an der Gerichtstelle regelmäßig in zwei Akten: der Gerichtswachtmeister (oder sonst irgend jemand) ruft vor dem Sitzungzimmer die Sachen auf (sofern dort üblicherweise das Publikum sich aufhält), und der Vorsitzende des Gerichts ruft sie innerhalb des Verhandlungzimmers nochmals zur Verhandlung auf. Der eigentliche Terminbeginn, an den § 220 denkt, ist der letzte Aufruf (Sydow-Busch § 220 Anm. 1); er ist nach der in der Terminsbestimmung angegebenen Zeit jederzeit zulässig (RG JW 07/39212). A II. Ein vorzeitig aufgerufener oder überhaupt nicht ordnungmäßig (sowohl durch den Gerichtswachtmeister wie den Vorsitzenden) aufgerufener Termin löst keine Versäumnisfolge aus (RGZ 76/101 [102]). Bevor deshalb eine Säumnisfolge gezogen wird, muß sich das Gericht vergewissern, ob die Terminstunde erreicht worden (RG Warn. 14/82) und oh danach die Sache zur Verhandlung aufgerufen worden ist. B. § 220 II bestimmt darüber hinaus aber, daß eine Säumnisfolge nicht eintreten kann, wenn bis zum Schluß des Termins die Partei irgendwann einmal verhandelt (§ 137 B). B I. Unter Schluß des Termins ist der Zeitpunkt zu verstehen, den der Vorsitzende bestimmt (§ 136 IV), indem er die Sache ablegt. B II. Hit der Zurückstellung von Sachen kommt das Gericht oft in Schwierigkeiten, wenn auf einer Seite ein Anwalt, auf der anderen eine Naturalpartei steht. Hier sollte man gegen die durch einen Anwalt vertretene Partei nicht Versäumnisurteil geben. Sind zwei Anwälte be39*
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§ 2 2 0 B Ii
ZPO I. Buch
teiligt, so ist es unbedenklich, Versäumnisurteil zu geben. Bei dem Erlaß von Versäumnisurteilen wird bei erstinstanzlichen Gerichten üblicherweise etwa eine halbe Stunde nach Ablauf der Terminstunde gewartet.
§ 221
(198)
I Der Lauf einer richterlichen Frist beginnt, sofern nicht bei ihrer Festsetzung ein anderes bestimmt wird, mit der Zustellung des Schriftstücks, in dem die Frist festgesetzt ist, und, wenn es einer solchen Zustellung nicht bedarf, mit der Verkiindung der Frist. II Der Lauf einer gesetzlichen oder richterlichen Frist, deren Beginn von einer Zustellung abhängig ist, beginnt mit dieser auch gegen diejenige Partei, welche die Zustellung hat bewirken lassen. A. §§ 221 folg. geben Vorschriften über prozessuale (RGZ 68/55 [57]) Fristen, die, wie § 222 I ergibt, neben den Vorschriften über die außerprozessualen Fristen stehen, für welche die Normen der ZPO nicht gelten. A I a) Unter Frist versteht man einen Zeitabschnitt bestimmter oder doch bestimmbarer Dauer, der von einem gewissen Ereignis an gerechnet wird, mag dieses Ereignis vom menschlichen Wollen unabhängig (unabwendbar, vgl. § 233) sein oder gerade auf einem menschlichen Wollen (Willkür) beruhen (vgl. die Fristsetzung in B G B § 326). Der Fristenlauf beruht dann entweder auf einer rechtsgesetzlich oder durch Parteien festgelegten Bestimmung. b) Innerprozessualer Art sind die Fristen, welche sich auf ein bestimmtes Verfahren beziehen, außerprozessualer Art sind sie, wenn sie einen außerprozessualen Anspruch betreffen. b 2. Prozessual sind die Fristen, welche zur Klageerhebung gesetzt sind. A I I . Auch unter den prozessualen Fristen gibt es zwei Gruppen, die unabänderlichen oder sog. uneigentlichen und die übrigen echten Prozeßfristen. a) Auf alle prozessualen Fristen sind §§ 221, 222 anzuwenden (BGHZ 7/195). b) Auf die uneigentlichen sind schon nicht mehr die Regeln der §§ 223 folg., die von der Unterbrechung und Aussetzung (§ 249), dem Ruhen des Verfahrens (§ 251; RGZ 122/51 [54]) und der Wiedereinsetzung (RGZ 122/51 [54]) anzuwenden. B . Die unabänderlichen sog. uneigentlichen Fristen lassen sich ihrer Wirkung nach in bloß mittelbar und unmittelbar wirksame trennen, es gibt aber auch Mischwirkungen. B I. Nur mittelbar wirkende Fristen sind die Ordnung- oder Erinnerungfristen (vgl. §§ 216 I I , 310, 315 I I , 544 I, 566, 620 II, 571, 994, 1001). Ihre Verletzung kann für den sie Verletzenden disziplinare Folgen tragen, sie kann unter den Voraussetzungen des B G B § 839, GG Art. 34 auch den Staat ersatzpflichtig machen, wirkt sich aber innerprozessual nicht aus. B I I . Auf die unmittelbar prozessual wirkenden unabänderlichen Fristen sind, abgesehen von §§ 221, 222 (RGZ 97/3001), keinerlei Vorschriften des Prozeßrechts anwendbar. a ) Hierher gehören auch alle Ausschlußfristen zur Klage- oder Widerklageerhebung; auch die des § 234 I I I ist eine Ausschlußfrist. b) Weiter sind zu nennen die Zwischenfristen der §§ 206 I I , 320 I I 3 ; 516, 552 (die Fünfmonatefristen); 914 I I , 950, 1002 V, 1015 u. a. B IV. Zwischen den unabänderlichen Fristen und den wandelbaren (auf die also §§ 223 folg., 233, 249, 251 anwendbar sind) gibt es Mischfälle. b) Aus den außerprozessualen Gesetzen gehören hierher die Ausschlußfristen, welche zur Klageerhebung gesetzt, aber hemmbar sind. In diesen Fällen werden regelmäßig B G B §§ 203 I I , 206, 207 (vgl. B G B § 214 II) für entsprechend anwendbar erklärt, die dann oft kraft der besonderen Vorschriften zu befolgen sind. C. Auch die Gruppe der wandelbaren Prozeßfristen hat noch verschieden geregelte Untergruppen.
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Ladungen, Termine und Fristen
§221
C I. Nach dem Ursprungereignis sondert die ZPO die auf Gesetz beruhenden Fristen von denen, die sich auf richterliche Macht gründen. Über die verschiedenen Auswirkungen vgl. § 224 B I a, b. Über die Wirkungen des Ablaufs der Fristen vgl. § 230 A II, die der Nachholbarkeit bis zur Entscheidung vgl. § 231 B. In den Fällen der §§ 279 a, 283 II, 356, 431, 519 besteht nur die schwächere Wirkung der Zurückweisungmöglichkeit. a) Prozessuale gesetzliche Fristen werden in verschiedenen Vorschriften genannt. a 1. Von ihnen hat die Gruppe der Notfristen (§ 223 III) besondere Bedeutung. Notfristen sind die der §§ 104 III, 107 III, 339 I, II, 508 II, 516, 552, 577 II, 586 I, 700, 958 I, 1042 d I, 1043 II, 1044 IV, 1044a III (auch die jetzt nicht mehr praktische in § 207 II wurde als Notfrist angesehen, RGZ 63/413 [414], vgl. § 207 B), ArbGG §§ 66 I, 74 1,100 III, GenG §§ 111 I 3, 113 13, 114 III, 115c III, 115e II 4, Rh.-Pf. LVO JagdG v. 15. 3. 1956 (GVB1. 15) §48, SchlH DVO JagdG v. 22. 6.1954 (GVB1.105) §8; FlüchtlingsnotleistungG v. 9. 3. 1953 (BGBl. I 45) § 32 (vgl. § 34). Ob GVG § 181 eine Notfrist enthält, ist streitig (vgl. GVG § 181 A II). Die Klageerhebungfristen nach BEG § 210 (III) sind Notfristen. a 2. Eine weitere besondere Gruppe sind die notwendigen Begründungfristen, die Beruf ungund Revisionbegründung- (Rechtsbeschwerdebegründung-)fristen einschließlich der Anschlußrevisionfrist (§§ 519 II, 554 II, 556; LVG §§ 26, 28). b) Prozessuale richterliche Fristen unterliegen als reine dem § 224 II, nicht aber soweit sie richterlich nicht mehr geändert werden dürfen; für beide Gruppen gilt dagegen § 2211. c) Wenn auch das Ursprungereignis die Frist erst in Lauf setzt, so ist damit nicht gesagt, daß nicht schon vor Beginn des Fristenlaufs eine ProzeBhandlung vorgenommen werden darf, die mit dem Ende der vom Ursprungereignis an zu berechnenden Frist unzulässig wird; dies gilt im besonderen für Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelfristen (RG J W 09/2703). C Ii. Für die prozessualen, wandelbaren Fristen kommen auch Lauf- und Endereignisse, gemessen an den Wirkungen, in Frage. Dahin gehören die Unterbrechung und die Aussetzung des Verfahrens, das Ruhen des Verfahrens, die Fristhemmung, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (die Nachsicht gegen den Fristablauf). a) Die Folgen der Unterbrechung (und Aussetzung) regelt § 249. Sie erstrecken sich auf alle prozessualen Fristen, die nicht zu den sogenannten uneigentlichen gehören. b) Die Folgen der Ruhe des Verfahrens sind ähnlich, erstrecken sich aber nicht auf die Fristen, gegen deren Ablauf die Wiedereinsetzung zugelassen worden ist (§251 I, vgl. §221 C II d). c) Die Fristhemmung erstreckt sich nicht auf die Notfristen (vgl. § 221 C I a 1) und die Fristen in Feriensachen (§ 223 II). Sie umfaßt also auch die Fristen, gegen deren Versäumung die Wiedereinsetzung zugelassen worden ist, die aber keine Notfristen sind (also die notwendige Begründungfrist, § 221 C I a 2). d) Die der Wiedereinsetzung zugänglichen Fristen sind nur die Notfristen (§ 221 C I a 1) sowie die notwendigen Begründungfristen (§ 221 C I a 2); nicht aber Vergleichwiderruffristen (BGH J R 55/179). C III. Eine richterlich oder gesetzlich gesetzte Frist darf die Partei voll ausnutzen (RG DR 42 A 119312), ohne daß ihr daraus ein Vorwurf gemacht werden darf. Über die Wahrung der Fristen durch Armenrechtsgesuche vgl. § 114 F I. D. § 221 setzt den Beginn für eine von einem Richter bestimmte Frist (§ 221 C I b) fest. D I. Danach ist der Zeitpunkt der Verkündung maßgebend (vgl. §§ 312, 329), soweit es nicht einer gesetzlich vorgeschriebenen Zustellung neben der Verkündung bedarf; im übrigen muß zugestellt werden (RGZ 96/350f.); doch hat die formlose Mitteilung genügen lassen RGZ 160/307 [309] für die Fristverlängerung. D U. § 221 II bezieht sich nur auf den Fall, daß eine Zustellung auf Betreiben der Parteien bewirkt wird.
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§221
DU
ZPO I. Buch
a 2. Wird mehreren Streitgenossen (Streitgehilfen) nacheinander zugestellt, so läuft auch hier die Frist gegen jeden einzelnen von ihnen gesondert (RGZ 157/33 [35]). a 8. Soweit § 221 II aber auch in Betracht kommt, ist damit nicht gesagt, daß die Fristen die zu laufen beginnen, von gleicher Länge sein müssen. Ist ein Urteil erlassen, durch das zum Teil auf Grund der Versäumnis des Beklagten erkannt wurde, während ein anderer (kontradiktorisch) abgewiesen wurde, so läuft von der Zustellung ab für den Beklagten die Einspruchfrist, für den Kläger die Berufungfrist (vgl. RG JW 88/425'). b 1. Nur bei Vollziehung nach §§ 929, 936 muß diejenige, die begünstigt worden ist, zur Vollziehung zustellen, so daß, wenn beide Parteien begünstigt wie beschwert sind, beide zur Vollziehung zustellen müssen (OLG BayJMBl. 52/217).
§ 222 I
(199, 200)
Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
II Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so endigt die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags. III Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage und allgemeine Feiertage nicht mitgerechnet. A. § 222 I verweist für die Fristberechnung auf das bürgerliche Recht (BGB §§ 186folg.). A I a) Für die prozessualen (vgl. § 221 A II) Fristen, soweit sie gesetzlich genannt und nicht bloß nach Tagesbruchteilen bestimmt sind, wird gewohnheitrechtlich nur BGB § 187 I angewandt (vgl. RGZ 125/286 [287]). b) Anders ist dies, wenn eine Frist sich unmittelbar an eine mit dem Ende eines Tages ablaufende Frist anschließt, wie sich aus BGB § 190 ergibt. Hierher gehören die Nachfrist nach § 224 III, die Zwischenfristen nach öffentlicher Zustellung (§ 206 A II a), die Frist des § 701; sodann ist nur BGB § 187 II 1 anzuwenden. Dies gilt auch für richterlich zu bestimmende Fristen, wenn sie das Ursprungsereignis mit dem Beginn eines Tages festlegen (RG v. 29. 9. 1934 V Warn. 169, OLG Breslau JW 32/36364). Ob das Ursprungereignis oder gar der ihm folgende Tag auf einen Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt, ist dabei gleichgültig (RGZ 131/337; a. M. BGH NJW 56/1278). A II. BGB § 188 gilt, soweit nicht das Ende der Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag fällt. a) Die Frist endet mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist 24 Uhr, gemessen nach der jeweils festgestellten Zeit (regelmäßig der mitteleuropäischen, bei Sommerzeiten aber entsprechend früher). Darüber, daß, wenn ein Rechtsmittel (Rechtsbehelf) einzulegen ist, dies durch Benutzung des Nachtbriefkastens geschehen darf, vgl. § 233 B II d 3. b) Für die nach Monaten bemessenen Fristen ist dasselbe Tagesdatum i. F. des BGB § 187 I, das des vorangegangenen Tages i. F. des BGB § 187 II als Endtermin maßgebend; nur wenn der Monat dieses Tagesdatum (etwa den 31., oder der Februar die Tage vom 29. bis zum 31.) nicht hat, endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages des Monats (BGB § 188 III). Ist deshalb das Berufungurteil am 29. 1. zugestellt worden, so muß Revision bis 28. 2. (von Schaltjahren abgesehen) eingelegt werden, die Begründungfrist läuft aber erst mit dem 31. 3. ab (RG LZ 13/85528). A IV. BGB § 191 gilt gewohnheitrechtlich nicht für die Hemmung der Fristen durch die Gerichtsferien (denn hier zählt schon der Beginn des 15. Juli als erster Ferientag und der 15. September noch als der letzte, RG JW 16/51, vgl. GVG § 199 B), m. a. W., würde am 15. 9. die Frist enden, so läuft sie bis zum 16. 9. (RGZ 109/215f.). Die ohne Hemmung am 15. 7. ablaufende Frist endet am 16. 9. (wenn dieser kein Sonntag ist). Entsprechend wurde das Ende der Begründungfrist, die während der Ferien begonnen wurde, auf den 15. 10. angenommen (BGHZ 5/275 [276]); ferner vgl. § 223 B II.
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Ladungen, Termine und Fristen
§222
B I. § 222 II gilt für alle prozessualen Fristen, sofern sie nicht nach Tagesbruchteilen zu berechnen sind, vgl. auch §§ 222 B II, 224 B IV (BGH BB 54/1044), auch für die sogenannten uneigentlichen (vgl. § 221 B), auch wenn sie in außerprozessualen Gesetzen gesetzt sind (RGZ 105/123 [125]), sofern sie nur prozessualer Art sind (vgl. § 221 A I b). Fällt bei den Zwischenfristen (§ 221 B II b) der letzte Tag auf einen allgemeinen Feiertag oder Sonntag, so muß der folgende Werktag noch voll in die Frist eingerechnet werden. Dies gilt auch für die Frist des § 798 (RGZ 83/336 [338]). B II. Bedeutungslos wird aber der Sonntag bzw. der allgemeine Feiertag für diese Fristen, wenn das entsprechende Endereignis erst später eintritt. So kommt es nicht darauf an, wann die Fünfmonatefrist der §§ 516, 552 endet; denn dieses Ende ist nur der endgültige Beginn der einen Monat betragenden Rechtsmittelfrist. Dasselbe gilt, wenn eine am Sonntag endende Frist verlängert wird (RGZ 131/107 f.) oder wenn der Ablauf einer sonst an einem Sonntag endenden Frist gehemmt ist (a. M. BGH NJW 56/12786). Sonn- und Feiertage sind also stets einzurechnen (abgesehen von Stundenfristen), wenn nicht gerade das (letzte) Ende der Frist auf einen solchen Tag fällt (RG Warn. 35/88). B III. Für die Stundenfristen gilt die Sonderregel des § 222 III (richtigerweise werden hiervon alle Fristen getroffen, die den Bruchteil eines Tages betreffen). C. Die Sonntage sind kalendermäßig festgelegt. Über die Feiertage vgl. § 188 A II c. Bei unterschiedlichen Feiertagen kommt es stets auf den Ort an, wo eine Handlung vorzunehmen ist (BArbG v. 15. 10. 1959 I AZR 19/59).
§ 223
(201)
I Der Lauf einer Frist wird durch die Gerichtsferien gehemmt. Der noch übrige Teil der Frist beginnt mit dem Ende der Ferien zu laufen. Fällt der Anfang der Frist in die Ferien, so beginnt der Lauf der Frist mit dem Ende der Ferien. II Die vorstellenden Vorschriften sind auf Notfristen und Fristen in Feriensachen nicht anzuwenden. III Notfristen sind nur diejenigen Fristen, die in diesem Gesetz als solche bezeichnet werden. A. Gerichtsferien sind in der Zeit vom 15. 7. bis zum 15. 9. (GVG § 199). A I . Unter § 233 I fällt jede prozessuale Frist, die nicht zu den sogenannten uneigentlichen gehört (§§ 221 B II, 223 A II) und die keine Notfrist (vgl. § 221 C I a 1) oder Feriensachenfrist ist (§ 223 II). Über den Begriff der Feriensachenfristen vgl. GVG §§ 200folg. A II. Abgesehen von diesen gehören dazu sowohl die gesetzlichen, im besonderen also die Berufungsbegründung-, Revisionsbegründung- und Anschlußrevision(begründung)fristen (§§ 519 II 2, 554 II 2, 556), die des § 234 I (BGH NJW 58/183); wie die richterlichen; a) nicht aber die Rechtsbeschwerdebegründungfrist nach LVG § 26 V, die zu den von den Ferien nicht betroffenen Fristen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört (GVG § 200 A II). B. Die Hemmung wirkt grundsätzlich dahin, daß der gehemmte Teil der Frist nicht berechnet wird. B I. Über Anfang und Ende des Fristenlaufs in den Ferien vgl. § 222 A IV. B II. Wird eine Sache durch Beschluß zur Feriensache erklärt (die Erklärung wirkt nur für die Instanz: RGZ 143/250 [251]), so wird ab (Verkündung bzw.) Zustellung (§ 329 III) des Beschlusses die Frist wieder in Lauf gesetzt, d. h. mit dem Beginn des folgenden Tages, vor dessen Ende sie nicht abläuft (BGH MDR B 83/53). Wird der Beschluß wieder aufgehoben, so endet mit der Verkündung bzw. der Mitteilung des Beschlusses (der hier nicht zugestellt zu werden braucht) der Fristenlauf. Die inzwischen verbrauchte Frist bleibt aber verbraucht. Ist eine Frist kalendermäßig bestimmt, deren Ablauftermin außerhalb der Gerichtsferien steht, so läuft sie mit dem Kalendertag (etwa dem 1. 10.) ab (RG Warn. 26/71), und zwar
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§223
BIi
ZPO I. Buch
selbst dann, wenn sie hinterher zur Feriensache erklärt wird (RG H R R 84/1161). Wird indes eine Frist auf einen in die Ferien fallenden Kalendertag bestimmt, so läuft sie am 16. 9. a b ; (OLG Anw. Bl. 53/203, a. M. B G H Z 2 7 / 1 4 3 : sie beginnt am Ende der Ferien mit dem in die Ferien fallenden Tage zu laufen). C I. Die Besonderheiten der Notfristen bestehen darin, daß sie in den Ferien laufen; daß sie nicht verlängert oder verkürzt werden können (RG N § 179/4; vgl. § 224 A I ) ; daß es gegen ihre Versäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt, doch teilen sie diese letzte Eigenschaft mit den notwendigen Begründungfristen.
§ 224
(202)
I Durch Vereinbarung der Parteien können Fristen, mit Ausnahme der Notfristen, abgekürzt werden. II Auf Antrag können richterliche und gesetzliche Fristen abgekürzt oder verlängert werde«, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche Fristen jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen. III Im Falle der Verlängerung wird die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet, wenn nicht im einzelnen Falle ein anderes bestimmt ist. A I. § 224 I gibt den Parteien die Möglichkeit, alle prozessualen Fristen, soweit sie nicht zu den sog. uneigentlichen gehören (§ 221 B) und soweit es keine Notfristen sind (§ 221 C I a 1), also sowohl richterliche (§ 221 C I b) wie gesetzliche (§ 221 C I a), durch Vereinbarung kürzen zu können. Hatte eine Partei der Verlängerung einer Frist für die Gegenseite widersprochen und beantragt sie dann selbst (zur Begründung der Anschlußrevision etwa) Fristverlängerung, so ist dieser Antrag unzulässig (BGH N J W 51/605 9 , der allerdings entgegen RGZ 156/156 [157] die Fristverlängerung für den Anschlußrevisionkläger schlechthin für unzulässig hält). A II. Die Verlängerung prozessualer Fristen ist jedenfalls durch Parteivereinbarung ausgeschlossen. Eine einmal durchgeführte Zustellung eines Urteils setzt deshalb die Notfrist in Lauf, ohne daß dies durch Einverständnis der Parteien geändert werden könnte (RG W a r n . 33/107). Die Widerrufsfrist für einen geschlossenen Vergleich ist aber keine prozessuale (Kommentar § 221 A I b 1) und darf deshalb durch Vereinbarung verlängert werden ( K G J W 30/2801 5 ). B I . Allein durch das Gericht (RG H R R 25/1383), auch durch den Einzelrichter (§§349folg.), und nur soweit gesetzlich gestattet, durch den Vorsitzenden (nach §§ 134 I I , 226 I I I , 519 I I , 554 I I [556], ArbGG §§ 53 I, 64 I I I , 72 I I I ) dürfen Fristen verlängert und verkürzt werden, soweit dies das Gesetz zuläßt. a ) Die gesetzlichen prozessualen Fristen (§ 221 C I a) dürfen nur verlängert (vgl. §§ 134 I I , 519 I I , 554 I I [556] — der Fall des § 206 I 2 gehört nicht hierher, da die Befugnis der „Verlängerung" vor Beginn des Fristenlaufs vom Gesetz zugelassen wird, während § 224 I I nur die Verlängerung einer bereits laufenden Frist trifft) oder verkürzt (§§ 134 I I , 226 I) werden, wenn dies das Gesetz ausdrücklich zuläßt. b) Die richterliehe Frist (§221 C I b ) darf dagegen stets verlängert oder verkürzt werden. Sofern aber das Gesetz dem Richter nur vor Beginn des Fristenlaufs die Möglichkeit gibt, eine Frist zu bestimmen (§ 206 I 2) oder auch eine gesetzliche zu verlängern oder zu verkürzen, liegt keine reine richterliche Frist vor. Ob eine so verlängerte gesetzliche Frist noch verkürzt werden darf, hängt dann davon ab, ob dem Richter Verlängerung und Verkürzung überlassen worden sind (etwa nach § 134 I I ) . Keinesfalls darf er aber in anderen Fällen eine gesetzliche Frist, die er nur verlängern darf, wieder verkürzen (BGH v. 25. 1. 1956 V Z R 206/55), oder eine Frist, die er nur verkürzen darf, wieder verlängern (auch nicht, wenn er sich den Widerruf vorbehält; RGZ 150/144 [146]); wohl aber darf er eine Frist, die er einmal verlängern darf, mehrmals verlängern, eine Frist, die er einmal verkürzen darf, mehrmals verkürzen (vgl. auch §§ 225 I I , 95).
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Ladungen, Termine und Fristen
§224
B II. Die richterliehe Verlängerung wie Verkürzung setzt den Antrag einer Partei voraus. Der Antrag bedarf der Glaubhaftmachung (§ 294). Doch wird der Beschluß auch wirksam, wenn der Antrag oder die Glaubhaftmachung gefehlt hat. Gewohnheitrechtlich wird die Glaubhaftmachung von Verlängerunggründen nicht gefordert, wenn sie aktenkundig sind, aber auch — und dies ist nicht unbedenklich — wenn nichts weiter vorgetragen wird. Über das Verfahren vgl. § 225 A. B III. Eine Frist kann nur so lange verkürzt oder verlängert (RGZ 137/2701.) werden, wie sie schon und noch läuft. Maßgebend für die Verlängerung oder Verkürzung ist dabei der Zeitpunkt, wo der Beschluß oder die Verfügung zugestellt bzw. mitgeteilt wird (§ 221 II in unmittelbarer wie in entsprechender Anwendung). Da durch den Zugang nur eine Frist in Lauf gesetzt werden soll, ist er zuzustellen (a. M. BGH N J W 52/469); da indes keine Notfrist betroffen wird, gilt § 187 I l . E s entscheidet aber stets der Zugang; nicht, wann die Verlängerungverfügung in den Geschäftsgang gegeben wurde (a. M. BGH N J W 52/469 11 : die Absendung entscheide). Mündliche (BGH N J W 54/1604) bzw. fernmündliche Mitteilung (BGH LM-ZPO § 329/2) genügen nach der Rechtsprechung. Der Gegner braucht nach RGZ 144/260 (262) keine Mitteilung zu erhalten. B IV. Die Verlängerung schließt unmittelbar an die bis dahin laufende Frist an, ohne Rücksicht darauf, ob die alte Frist mit einem Sonn- oder Feiertag endete (RGZ 131/337 = J W 1798®; a. M. BGH N J W 56/1278; vgl. dagegen aber § 222 B I I ; BGB § 190 I und § 222 A I b), es sei denn, daß sie kalendermäßig festgelegt wird. Das Entsprechende gilt auch für die Hemmung im besonderen in den Gerichtsferien (§ 223 B). Während der Hemmung einer Frist darf sie verlängert werden (BGH MDR B 58/513).
§ 225
(203)
I Über das Gesuch um Abkürzung oder Verlängerung einer Frist kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. II Die Abkürzung oder wiederholte Verlängerung darf nur nach Anhörung des Gegners bewilligt werden. III Eine Anfechtung des Beschlusses, durch den das Gesuch um Verlängerung einer Frist zurückgewiesen ist, findet nicht statt. A. Nach § 225 I ist das Verfahren das der freigestellten mündlichen Verhandlung (vgl. § 128 G II). A I. Es wird durch den Antrag der Partei mit Glaubhaftmachung (§ 294) der Verlängerung- oder der Verkürzunggründe (§ 224) eingeleitet. Der Antrag unterliegt im Anwaltprozeß dem Anwaltzwang (§ 78 I). A II. Einer Anhörung des Gegners bedarf es bei der erstmaligen Verlängerung nicht, wohl aber bei jeder Verkürzung wie der wiederholten Verlängerung (§ 225 II). Ein Verstoß hiergegen berührt die Wirksamkeit des Abkürzung- oder Verlängerungbeschlusses nicht (RGZ 150/357 [361]). Auch die Anhörung unterliegt dem AnwaltzwaDg. Nach RG J W 17/107 10 braucht bei der wiederholten Verlängerung der Rechtsmittelbegründungfristen der Gegner nicht gehört zu werden. Der OGH hörte ihn regelmäßig. Der BGH hat durch einen Präsidialbeschluß sich dieser Praxis angeschlossen, doch wird der Beschluß nicht voll durchgeführt. A III. Entschieden wird durch Beschluß (§ 329 III), der regelmäßig dem förmlich zuzustellen ist, dem eine Frist verlängert bzw. verkürzt wird (vgl. aber § 224 B III); dem Gegner kann sie formlos mitgeteilt werden (auch noch diese Mitteilung hielt RGZ 150/357 [361] für unnötig; dies gilt aber nicht, wo Anschlußrevision zulässig ist: § 556). Auch wenn nicht förmlich zugestellt wird, wird durch den Zugang hier, wo es sich um keine Notfristen handeln kann, nach § 187 I 1 geheilt.
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§225
ZPO I. Buch
B. Wird der Antrag auf Verlängerung der Frist zurückgewiesen, so ist nach § 226 I I I der Beschluß unanfechtbar. Wird dagegen verlängert, abgekürzt oder die Abkürzung versagt, so hat RG Gruch. 30/1149 den § 567 I nicht angewandt, aber den Angriff nach §§ 512, 548 zugelassen. Nur im Fall des § 108 I ist nach RGZ 51/144f. wegen der Bestimmung des § 109 IV die Beschwerde gegeben. OLG 23/230 will nur die Dienstaufsichtbeschwerde geben. Stellt sich die Verlängerung praktisch als eine Aussetzung dar (vgl. § 216 C IV), so ist die Beschwerde nach § 252 gegeben.
§ 226
(204)
I Einlassungsfristen, Ladungsfristen sowie diejenigen Fristen, die für die Zustellung vorbereitender Schriftsätze bestimmt sind, können auf Antrag abgekürzt werden. II Die Abkürzung der Einlassungs- und der Ladungsfristen wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß infolge der Abkürzung die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze nicht vorbereitet werden kann. III Der Vorsitzende kann bei Bestimmung des Termins die Abkürzung ohne Anhörung des Gegners und des sonst Beteiligten verfügen; diese Verfügung ist dem Beteiligten abschriftlich mitzuteilen. A. Die Zwischenfristen (§ 221 B II b) dürfen nach § 226 I auf Antrag einer Partei (oder ihres Streitgehilfen), der vor Kollegialgerichten dem Anwaltzwang unterliegt (§ 78 I), nach dem Ermessen des Gerichts abgekürzt werden. A II. Sinn hat die Abkürzung nur in Verbindung mit der Anberaumung eines nahen Termins. Da die Terminbestimmung dem Vorsitzenden obliegt (§ 216 II), gibt § 226 III ihm in diesem Falle die Befugnis, allein über die Abkürzung zu bestimmen, und zwar — abweichend von § 225 II — ohne vorher den Gegner zu hören. A III. Das Verfahren ist das der freigestellten mündlichen Verhandlung (§ 128 G II). Entschieden wird durch Beschluß oder Verfügung, die allen Beteiligten abschriftlich mitzuteilen ist (vgl. § 329). B. Soweit nur der Vorsitzende vor Terminbestimmung für die Abkürzung zuständig ist, ist es danach dem Gesetze nach das Gericht. Die Praxis überläßt indes die Bestimmung allein dem Vorsitzenden, auch wenn das Gericht entscheiden müßte (vgl. § 227 B I). C. Eine Beschwerde ist gegen die Ablehnung unzulässig. D. Über Verlängerung der Fristen vgl. SchutzVO.
§ 227
(205, 206)
I Das Gericht kann aus erheblichen Gründen auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben. Beschlüsse hierüber können ohne mündliche Verhandlung ergehen. II Der Beschluß über die Aufhebung eines Termins ist, falls er ohne mündliche Verhandlung ergeht, mit Gründen zu versehen. Auch die Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung eines Termins ist unanfechtbar. III Die Vorschriften der Abs. 1, 2 gelten auch für die Verlegung eines Termins und für die Vertagung einer Verhandlung. B I. Zuständig für die Terminveränderung ist nach dem geschriebenen Gesetz das Gericht. Die Praxis läßt darüber den Vorsitzenden entscheiden. B II. Entschieden wird durch Beschluß, der auf mündliche Verhandlung hin zu verkünden (§ 329 I), sonst mitzuteilen und, falls er eine neue Terminbestimmung enthält, zuzustellen ist (§ 329 III); aber auch dann können noch Mängel nach § 187 I 2 geheilt werden. Der Beschluß über die Aufhebung oder die Verlegung eines Termins soll, wenn er außerhalb der mündlichen Verhandlung ergeht, begründet werden (§ 227 II 1, III).
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Ladungen, Termine und Fristen
§227
C. Wird der Antrag auf Aufhebung, Verlegung oder Vertagung zurückgewiesen, so ist der Beschluß regelmäßig unanfechtbar (§ 227 II 2, III, RGZ 111/288 [290]). CI. Doch kann in einer solchen Ablehnung die Versagung des rechtlichen Gehörs liegen, womit ein erheblicher Verfahrensmangel begründet wird (BGHZ 27/163). Anders ist dies, wenn die frühere Verhandlung schon genügend Gelegenheit zur Äußerung gebracht hatte (RGZ 81/321 [324]); doch hat nach RG J W 37/222240 die Partei noch keinen Anspruch auf Vertagung, nachdem die Zeugen gehört worden sind. Darüber hinausgehend hat bei der Ablehnung einer Vorverlegung des Termins RGZ 55/99 [100] den § 567 über § 252 angewandt.. C II. Wird dem Antrag auf Änderung des Termins in mündlicher Verhandlung stattgegeben, so ist regelmäßig keine Beschwerde zulässig, wie § 567 I ergibt (RGZ 62/207 [208]), wohl aber darf die Änderung nach §§ 512, 548 angegriffen werden. Nur wenn ein stattgegebener Antrag so wirkt wie die Anordnung des Ruhens des Verfahrens bzw. die der Aussetzung, ist die Beschwerde entsprechend § 252 zugelassen worden (RG J W 97/Ö624).
§ 228
(206)
ist durch Nov. 24 mit § 227 vereinigt worden.
§ 229
(207)
I Die in diesem Titel dem Gericht und dem Vorsitzenden beigelegten Befugnisse stehen dem beauftragten oder ersuchten Bichtor in bezug auf die von diesen zu bestimmenden Termine und Fristen zu. A. Über den beauftragten Richter vgl. § 355 B II a, über den ersuchten § 355 B II a, über die Beschwerdemöglichkeit gegen seine Entscheidungen §§ 576 I, 577.
Vierter Titel Folgen der Versäumung — Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 230
(208)
I Die Versäumung einer Prozeßhandlung hat zur allgemeinen Folge, daß die Partei mit der vorzunehmenden Prozeßhandlung ausgeschlossen wird. A II. An die Versäumung einer Prozeßhandlung knüpft § 230 die Folge, daß die Partei mit der Handlung ausgeschlossen wird. Wann aber die Versäumung eintritt, ist dem einzelnen Gesetz zu entnehmen. a) Dabei ist hier nicht an die Rechtskraft der Entscheidung eines Verfahrens gedacht (vgl. §§ 705, 322), die weitere Handlungen ausschließt (vgl. aber §§ 323f., 578folg., 767 II), und auch nicht an den vorläufigen Ausschluß aller Handlungen der Instanz durch Totalsäumnis (vgl. §§ 330folg., 251a) oder Zwischenentscheidungen (vgl. §§ 275, 341). b) Über den Begriff der Prozeßhandlung vgl. §§ 128 C II b, 38 B II c. Getroffen werden hier nur die diese betreffenden Fristenläufe. A III. Der Begriff der Versäumnis, d. h. die Feststellung des Endereignisses, von wo ab eine Prozeßhandlung nicht mehr zulässig ist, ist so mannigfach, daß er nicht allgemein, sondern nur auf Grund der bestimmten gesetzlichen Vorschriften bemessen werden kann.
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§ 230 A i n
ZPO I. Buch
a) Regelmäßig tritt die Versäumung ohne Androhung der Folge und ohne Antrag ein (vgl. dazu § 231 A); b) aber auch ohne Rücksicht auf Verschulden (RG J W 27/792 21 ); ausgenommen sind aber die Fälle, wo es anders gesetzlich bestimmt ist. b 1. Nur bei Verschulden treten die Folgen der §§ 279, 279 a, 283 II, 529 II, I I I ein. b 2. Mangelndes Verschulden führt aber auch o{t dazu, daß die Nachholung der Handlung gestattet wird (vgl. §§ 44 IV, 274 III, 295 I, 367 II, 406 II 2, 528, 529 V, 531, 532). Vgl. dazu auch § 233 B II. c) Regelmäßig tritt die Säumnisfolge schon bei dem zur mündlichen Verhandlung bestimmten ersten Termin ein, wenn dann der regelmäßig dazu erforderliche Antrag gestellt wird; c 1. aber erst mit Schluß der mündlichen Verhandlung (§ 136 IV), auf welche die Entscheidung ergeht; entsprechend im schriftlichen Verfahren und im freigestellt mündlichen Verfahren (§ 128 G II) mit dem Erlaß (§ 329 B I b) der Entscheidung (vgl. §§ 138 III, 429 III, 441 I I I und §§ 356, 364 III, 431 sowie §§ 694 I, 951). c 2. Doch treten in einer Reihe von Fällen die Wirkungen schon früher ein (vgl. §§ 39, 43, 76, 77, 85 I 2, 90 II, 175, 239 IV, 242, 244 II, 269, 274 I, III, 528, GVG § 101). 3 c. Außerhalb der mündlichen Verhandlung tritt mit Fristablauf bei den Notfristen (vgl. § 221 C I a 1) die Wirkung ein, daß die danach vorgenommene Prozeßhandlung unzulässig wird. Das Entsprechende gilt bei den notwendigen Begründungfristen (vgl. §221 C I a 2). Über die Frage, ob eine notwendige Begründung ergänzbar ist, vgl. § 554 D I I I c 2. d) Welche Folge die Versäumung nach sich zieht, ist in § 230 allgemein dahin geregelt, daß die Unterlassung aufrechterhalten wird und die Handlung nach dem Endereignispunkt durch das Rechtsgesetz ausgeschlossen wird. B. Die durch die Versäumung eingetretene Ausschlußwirkung darf in den gesetzlich bestimmten Fällen behoben werden. B I. Bei Vollversäumnis (vgl. § 230 A II b) dient dazu der Rechtsbehelf (der Einspruch: §§ 338folg., 700), der Antrag, die Aktenlageentscheidung zu unterlassen (§§251 a I 4, 331 a l 2) bzw. das Rechtsmittel gegen sie. Weiter gehören hierher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233folg.), der Antrag auf die Wiedereröffnung eines ruhenden Verfahrens (§ 251 II); vgl. auch §§ 44 IV, 274 III, 367 II, 528. B II. Bisweilen bleibt dann aber noch ein Kostennachteil zurück (vgl. §§ 95, 97 II, 238 III, 278 II, 283 II, 344).
§ 231
(209)
I Einer Androhung der gesetzlichen Folgen der Versäumung bedarf es nicht; sie treten von selbst ein, sofern nicht dieses Gesetz einen auf Verwirklichung des Rechtsnachteils gerichteten Antrag erfordert. II Im letzteren Falle kann, solange nicht der Antrag gestellt und die mündliche Verhandlung über ihn geschlossen ist, die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt werden. A. Regelmäßig treten die Folgen der Versäumung ohne Androhung ein (§ 231 I). A I . Doch ist die Androhung des Versäumnisnachteils erforderlich, soweit das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt (vgl. §§ 215, 692, 890 II, 947 I 3, 981, 981 a, 987, 987 a, 988, 995, 997, 1002 VI, 1009). A II. Regelmäßig treten die Folgen der Versäumnis auch ohne Antrag kraft Gesetzes (§ 231 I) ein.
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Folgen der Versäumung • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 2 3 1 A II
a) Hiervon gibt es aber wieder gesetzliche Ausnahmen (vgl. §§ 109 II, 113, 158, 239 IV, 24e II, 330, 331, 331 a, 347, 349 I 4, 542, 557, 600 III, 699, 881, 926 II, 936, 952). I») Den gesetzlichen Ausnahmen steht es gleich, wenn bei der richterlichen Fristsetzung ein Antrag zum Eintritt der Säumnisfolge erforderlich wird (KG OLG 19/37). B. Soweit hiernach ein besonderer Antrag erforderlich ist, tritt die Versäumung erst ein, wenn die mündliche Verhandlung darüber geschlossen (§ 136 IV) wird, im schriftlichen Verfahren erst mit Erlaß (vgl. § 329 B I b) der Entscheidung. B I. In dem Falle der §§ 109, 113, 694 I, 951 tritt auch dort, wo mündlich verhandelt wird, die Folge erst mit Erlaß der Entscheidung ein, und dies muß in allen Fällen der freigestellten mündlichen Verhandlung gelten (vgl. § 128 G II). B II. Es fallen aber nur ProzeBhandlungen unter § 231 II.
§ 232 (210) I Auf Grund der den Minderjährigen und den ihnen gleichgestellten Personen als solchen zustehenden Rechte findet die Aufhebung der Folgen einer Versäumung nicht statt. II Insofern die Aufhebung der Folgen einer unverschuldeten Versäumung zulässig ist, wird eine Versäumung, die in dem Verschulden eines Vertreters ihren Grund hat, als eine unverschuldete nicht angesehen. A. § 232 I besagt nur, daß die Minderjährigkeit als solche vor Säumnisfolgen nicht schützt (vgl. EG § 14 I 1). Prozeßunfähige als solche können keine Prozeßhandlung rechtswirksam vornehmen; sie können deshalb aber auch durch ihre Unterlassungen keine versäumen; denn jede Versäumung setzt voraus, daß eine Handlung hätte vorgenommen werden können (Kommentar § 230 A). Soweit Minderjährige aber prozeßfähig sind, werden sie nicht besonders geschützt. B. § 232 II verhaftet indes die Partei f ü r schuldhaftes Verhalten ihres Vertreters. B I a) Dazu gehören stets die gesetzlichen Vertreter der Partei, welche ihre Prozeßfähigkeit ergänzen oder ersetzen (§ 51 D II, III). b) Ferner gehören zu den Vertretern alle die, welche als Postulationfähige in Anspruch genommen worden sind (RG J W 98/35011). Das Verschulden des Postulationfähigen wird der Partei angelastet (RG J W 34/165111). Daneben bleibt aber auch die eigene Haftung des Prozeßfähigen (OGHZ 3/362). Andererseits braucht der Postulationfähige nicht aus eigenem Antrieb zu handeln; dies gilt im besonderen, wenn es um den Entschluß der Prozeßfortsetzung geht. Stirbt die Partei, so darf er aus eigenem Entschluß nach § 246 das Verfahren aussetzen lassen. Die Vertreterstellung gewinnt der Postulationfähige schon mit der Vollmachterteilung (nicht erst mit der Bestellung, vgl. § 232 B I c); er verliert sie andererseits nicht erst mit der Neubestellung eines anderen Postulationfähigen (§ 87 I), sondern schon mit der Niederlegung (§ 232 B II b 2; BGH NJW 53/703), mag sie berechtigt oder unberechtigt sein. c) Da hier die Vollmacht bedeutsam wird, muß auch derjenige einbezogen werden, der sie erteilen darf, nach allgemeiner Meinung also der gewillkürte Verfahrensvertreter mit allgemeiner oder spezieller Vertretungmacht (RGZ 136/276 [283]). Dieser gewillkürte Vertreter muß nicht postulationfähig sein; es kann im besonderen ein minderjähriger Prokurist (vgl. § 80 B II b 1), der Verkehrsanwalt sein (BGH MDR B 63/52). Nach BGH NJW 55/1919 sind sowohl der Korrespondenzanwalt wie der Prozeßbevollmächtigte für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist jeder selbständig verantwortlich; der vom Anwalt beauftragte, ihn unmittelbar vertretende Sachbearbeiter (RArbG DR 43 A 52819), sein bestellter Vertreter (BGH MDR B 254/54) der Zustellungbevollmächtigte (BRAO § 30) und auch der Rechtsanwalt, dem der Prozeßbevollmächtigte die Behandlung der Sache voll überlassen hat, so daß er auch selbst zeichnen darf (RGZ Warn. 36/164); aber auch der Nichtanwalt, der den Verkehr mit der Partei vermittelt (RGZ 156/208 [211]), ja er kann auch bloßer Zustellungbevollmächtigter sein (RG J W 35/24306).
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§232 ki
ZPO I. Buch
c 1. Nicht Vertreter ist, wer in bezug auf das Verfahren keine selbständigen Entschlüsse fassen darf, wie derjenige, welcher nur Briefe zu öffnen und ihren Inhalt weiterzugeben hatte (RG Warn. 28/94); wie die Ehefrau (RG N § 232/2); und dies gilt überhaupt für bloße Prozeßbevollmächtigte, wenn es von diesen bis zum Zustellungbevollmächtigten auch nicht mehr weit ist. Im Rahmen des § 232 II ist BGB § 278 unanwendbar (RG J W 23/143). Angestellte ohne Vollmacht sind keine Vertreter (vgl. BGH MDR B 249/51), auch nicht das Büropersonal des Anwalts (RGZ 164/52 [57]) und nicht sein selbst juristisch ebenso wie er vorgebildeter Hilfsarbeiter (BGH MDR B 249/51). Doch ist hier die Abgrenzung schwierig: der nicht postulationfähige Sozius wurde wie ein Angestellter behandelt (RG J W 35/157717»). Doch kommt es auf die Postulationfähigkeit nicht an (§ 232 B I c). Jedenfalls hat RArbG DR 43 A 52819 den Anwalt, der als Gegenleistung für die Mitbenutzung der Kanzlei einige Sachen des anderen bearbeitet, als Parteivertreter angesehen; dagegen wurde der Rechtsmittelanwalt, der nur ein Gutachten erstatten sollte, nicht als Vertreter der Partei betrachtet (BGH NJW 52/382). Dies gilt ferner von dem Gerichtsvollzieher (RGZ 67/186f.); von der Geschäftstelle, selbst soweit diese auf Betreiben der Parteien handelt (RG Warn. 18/101) und von der Post. c 2. Darüber, inwieweit aber ein eigenes Verschulden des als Vertreter Verantwortlichen bzw. der Partei vorliegt, wenn sein Angestellter schuldhaft handelt, indem er es unterläßt, ihn zu fiberwachen, vgl. § 233 B II c 3. Die Überwachungpflicht erstreckt sich dabei nicht bloß auf eigene Angestellte, sondern auch auf dritte. Es gibt deshalb keine Wiedereinsetzung mit der Begründung, daß eine vom Anwalt nicht unterschriebene Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungschrift von der Geschäftsstelle nicht zurückgewiesen wurde (RG N § 233/84). Hatte indes das Gericht selbst auf ein Hindernis zu achten, so darf es dem Anwalt nicht verübelt werden, wenn er es nicht beachtet, also etwa keinen Aussetzungantrag nach § 247 stellt (RG N § 233/98). Lehnt es dagegen die Geschäftstelle ab, ein Armenrechtsgesuch zu protokollieren, sei es auch, weil sie die Vollmacht bezweifelt oder es für unschlüssig hält, ist die Wiedereinsetzung zu gewähren (RGZ 91/26). Dasselbe gilt, wenn ein ohne Vollmachtsurkunde auftretender Vertreter eines Kriegsteilnehmers für ihn das Armenrecht nachsucht und dieses aus diesem Grunde abgelehnt wurde (RGZ 95/262). B II. Die Vertreterstellung i. S. des § 232 II ist nach Vollmacht bzw. Bestellung abzugrenzen. a) Wieweit die Vertreterstellung reicht, richtet sich einmal n a c h der V o l l m a c h t . Darüber entscheidet das Innenverhältnis (RGZ 145/228 geht darüber hinaus). So kann den bloßen Zustellungbevollmächtigten nur ein Verschulden treffen in bezug auf die Entgegennahme und Weiterleitung des überlassenen (§ 170 A) Schriftstücks unter Angabe der Zustellungzeit. Die Vertretung des Prozeßbevollmächtigten der ersten Instanz erstreckt sich nicht auf die Einflußnahme auf den Betrieb in der zweiten Instanz (wenn er nicht Verkehrsanwalt ist, Kommentar § 232 B I c), wohl aber auch auf die Überwachung der Berufungfrist (RG J W 39/36537), und jedenfalls bleibt er noch der bevollmächtigte Anwalt nach Zustellung des Urteils. Mit der Übermittlung des Rechtskraftattestes wird indes nach BGH MDR B 758/52 seine Vertreterstellung beendet und schon vorher in bezug auf den Wiederaufnahmeprozeß (vgl. § 586 A III a); sein schuldhaftes Verhalten schadet dann der Partei nach § 232 II nicht (mehr). a 1. Bei sich überschneidenden Vollmachten sind die mehreren Bevollmächtigten Vertreter i. S. des § 232 II, so daß schon das Verschulden des einen der Partei schadet (vgl. § 232 B Ic). a 2. Soweit sich die Vertreterstellung des Postulationfähigen und die des Prozefifähigen (gesetzlichen Vertreters) oder des sonstigen Prozeßbevollmächtigten überschneiden, ist es unerheblich, daß im Innenverhältnis der gesetzliche Vertreter bzw. der Prozeßbevollmächtigte den Postulationfähigen anweisen darf. Von der eigentlichen Überwachung des Postulationfähigen durch den Prozeßfähigen kann aber keine Rede sein (RG JW 35/24306; vgl. aber RGZ 115/411, das einer Partei, welche im Gefängnis saß, das Verschulden ihres Armenanwalts nicht anrechnet; RG J W 26/2574, das die Bestellung einer Person, die sich fälschlich als zugelassener Anwalt ausgegeben, für die Partei nicht als schuldhaft angesehen und deren Verschulden
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Folgen der Versäumung • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 2 3 2 B II a 2 nicht, nach § 232 I I die Partei entgelten ließ). Auch in den Fällen des BGB § 1594 (Ehelichkeitanfechtungklage), wie bei der Ehe(anfechtung bzw.)-aufhebungklage hat RGZ 158/357 (360) § 232 II nicht mehr angewandt (vgl. auch EheG §§ 35, 36). b) Umgekehrt entscheidet nicht die Vollmacht schlechthin, sondern die Bestellung des Prozeßbevollmächtigten, selbst wenn er keine Vollmacht hat (§ 89 A I, RGZ 138/346 [354]). b 1. Wird sein Verhalten von der Partei genehmigt, so geht es zu ihren Lasten (BGH MDR 51/732 464 ), wozu allerdings der Genehmigungswille festzustellen ist, der bei etwa verspäteter Rechtsmitteleinlegung durch den Anwalt aber nicht besteht, denn die Partei will regelmäßig nicht eine unzulässige Prozeßführung genehmigen, sondern die zulässige (vgl. RGZ 167/203 [205]). Auch das Verschulden des sich bestellenden, beigeordneten Armenanwalts muß die Partei gegen sich gelten lassen (a. M. die h. M., welche dies erst von der Erteilung einer Vollmacht nach der Beiordnung gelten läßt: RG J W 36/813 2 '; selbst wenn es der von der Partei vorgeschlagene ist: RG DR 40 A 2124 26 ; vgl. dazu § 115 B I I I b 3). b 2. Umgekehrt wird einer Partei von der Rechtsprechung selbst das Verhalten eines sich bestellt habenden und mit Vollmacht ausgerüsteten Vertreters nicht (mehr) zugerechnet, wenn der Prozeßbevollmächtigte (selbst schuldhaft falsch) die Vertretung niedergelegt hat (BGH N J W 53/703 oder nach RGZ 168/396 [397] auch schon, wenn er rein tatsächlich die Partei nicht mehr vertritt (dagegen BGH N J W 55/1225). B III. Darüber, was im einzelnen als Verschulden angesehen wurde, gibt es eine umfängliche Rechtsprechung (vgl. § 233 B II). a) Es ergreift die gesamte Prozeßführunglast (BGHZ 2/205). Die Rechtsprechung geht von einem subjektiven Maßstab aus und prüft dann, was unter seiner Berücksichtigung vernünftigerweise (also objektiv) erwartet werden konnte (BGH N J W 52/66 16 ). b) § 232 II spricht nur von Verschulden, gilt aber gegen den gesetzlichen Vertreter der Partei wie gegen ihren postulationfähigen auch für die Handlungen und Unterlassungen, wo nach der Prozeßordnung eine Säumnis ohne Verschulden eintritt. Das Entsprechende kann gegenüber sonstigen gewillkürten Vertretern indes nicht ohne weiteres gelten.
§ 233 (211) I Einer Partei, die durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verhindert worden ist, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung oder der Revision einzuhalten, ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen. II Hat eine Partei die Einspruchsfrist versäumt, so ist ihr die Wiedereinsetzung auch dann zu erteilen, wenn sie von der Zustellung des Versäumnisurteils ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat. A I. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es nach § 233 nur gegen den Ablauf der Notfristen (§ 221 C I a 1) und gegen den der notwendigen Begründungfristen (§ 221 C I a 2). a) Entsprechend ist die Norm anzuwenden, a 1. wenn die Frist zur Einlegung und Begründung der Anschlußrevision (§ 556), die sich mit der Revisionbegründungfrist deckt, versäumt worden ist (BGH N J W 52/425 16 ). Ob Doch nach Beendigung der Instanz das Anschlußrechtsmittel eingelegt werden kann, ist noch nicht entschieden worden. a 2. Außer diesen Fristen gehört die Bechtsbeschwerdebegründungfrist nach LVG § 26 II hierher (BGH RdL 52/52). a 3. Wird bei einer Sprungrevision (§ 566a) die Zustimmungerklärung des Gegners (die nicht zugleich mit der Revisionschrift eingereicht zu werden braucht, sondern auch noch nachher bis zum Ablauf der Revisionfrist nachgereicht werden darf) ohne Verschulden später eingereicht, so gilt §233 entsprechend (vgl. RArbG E 27/266f., das von unabwendbarem Zufall spricht).
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§233 Ai
ZPO I. Buch
a 4. Schließlich gibt KO § 165 noch die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung des Prüfungtermins. a 5. Bei Kriegseinwirkungen vgl. SchutzVO Art. 3 1 2 . A II a) Aus der Abhängigkeit der Begründung — von der Rechtsmittelfrist folgt, daß die notwendigen Rechtsmittelbegründungfristen (einschließlich der Anschlußrevisionfrist) erst von der tatsächlichen Einlegung des Rechtsmittels an laufen (nach BGH NJW 55/1318 auch, wenn der Wiedereinsetzungantrag der Rechtmitteleinlegung nachfolgt; doch sollte man in dem nachfolgenden Wiedereinsetzunggesuch eine Bestätigung der Rechtsmitteleinlegung sehen). Umgekehrt sind sie auch dann zu wahren, wenn die Rechtsmittelfrist versäumt worden ist; gleichviel wann über das Rechtsmittel und seine Wiedereinsetzung entschieden wird. Die mangelnde endgültige Entscheidung über das Rechtsmittel allein gibt wegen Versäumung der Begründungfrist demnach keinen Wiedereinsetzunggrund ab (RGZ 145/228). Wird die notwendige Begründungfrist versäumt und gibt es dafür keine Wiedereinsetzung, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, ohne daß es noch darauf ankäme, ob einem Wiedereinsetzunggesuch gegen den Ablauf der Rechtsmittelfrist stattzugeben wäre. B I. § 233 läßt die Wiedereinsetzung nur zu, wenn die Partei bzw. ihr Vertreter i. S. des § 232 II bzw. beide durch unabwendbare Ereignisse daran gehindert waren, die versäumte Prozeßhandlung rechtzeitig vorzunehmen, d. h. das Ereignis wird auf die Möglichkeit, die Prozeßhandlung vornehmen zu können, bezogen, nicht aber auf die Gründe, welche die Partei zu ihrem Vorgehen bewogen haben (also nicht auf die Motive zur Vornahme). Hätte die Partei ihren Entschluß, das Rechtsmittel einzulegen, rechtzeitig durchführen können, so gibt es keine Wiedereinsetzung, wenn sie diesen Entschluß erst nach Fristablauf faßt, weil sie erst später die (vielleicht sogar erst neu entstandenen) sie bestimmenden Tatsachen erfuhr (RGZ 149/379; a. M. aber RGZ 159/109 für den Fall, daß einer Partei die Wichtigkeit eines „offenbar" unrichtigen Gutachtens eines Sachverständigen erst später klar wird). a) Kein Wiedereinsetzunggrund ist die Rücknahme des gegnerischen Rechtsmittels für die Partei zur Einlegung eines selbständigen Rechtsmittels, wenn sie nur ein unselbständiges Anschlußrechtsmittel eingelegt hatte, obwohl sie ein selbständiges hätte einlegen können (RG JW 25/137410), und auch, wenn das Armenrecht für eine Anschlußberufung nachgesucht wurde (RG J R 25 B 1055), selbst wenn noch die selbständige Berufung hätte durchgeführt werden können, wenn zu ihr um das Armenrecht gebeten worden wäre. Das Entsprechende gilt, wenn nur in der Person des Gegners ein Aussetzunggrund (Wegfall seines gesetzlichen Vertreters) gegeben war, mag auch die beschwerte Partei mit ihm vereinbart haben, daß er den Aussetzungantrag stellt. Kein Wiedereinsetzungsgrund gegen den Ablauf der Begründungfrist ist gegeben, wenn die vollständige Urteilsausfertigung (trotz Erinnerung) nicht übermittelt wird (RGZ 121/121; hier wird der Anwalt Fristverlängerung beantragen; nach Verstreichen der angemessenen Frist [vgl. §§ 519 B I I I c 3, 554 B II b] ist das Rechtsmittel damit begründbar, daß keine Entscheidunggründe vorliegen). b) Ob ein BerichtigungrbeschluO (§ 319) des Gerichts einen Wiedereinsetzunggrund abgibt, ist zweifelhaft (vgl. dazu § 319 E II). Bei möglicher Irreführung der Partei sollte man die Wiedereinsetzung geben (RG J W 38/118744); nicht aber, wenn die Berichtigung für den Entschluß der Partei belanglos sein müßte. B II. Den Begriff des unabwendbaren Ereignisses hat das Gesetz mit dem des Naturereignisses oder eines anderen unabwendbaren Zufalls umrissen. Da es im Prozeß aber gerade auf die einzelnen Handlungen der Menschen ankommt, muß man es auf diese abstellen, was aber darauf hinausläuft, zu prüfen, ob den Nichthandelnden ein Verschulden trifft. Über den Kreis der für eine Partei (einen Streithelfer) in Betracht kommenden verantwortlichen Personen vgl. § 232 B I. a) Die h. M. will aus § 233 II folgern, daß auch bei entschuldbarem Nichthandeln noch kein Wiedereinsetzunggrund gegeben zu sein braucht, und betont deshalb, daß noch ein Mehr zu fordern ist (RGZ 94/342Í.). Doch muß sich das Rechtsgesetz hier dem Naturgesetz beugen, wonach höhere Gewalt, bezogen auf die Psyche des Menschen, stets vorliegt, wenn man ihm nicht den Vorwurf des Verschuldens machen kann. Daß es nur auf das Verschulden abgestellt
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Folgen der Versäumung- • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 2 3 3 B II a wird, besagt im Grunde schon die Rechtsprechung, welche den Begriff der höheren Gewalt im subjektiven Sinne auslegte (RGZ 96/322) und die höhere Gewalt dann formulierte als das, was gerechterweise die zuzumutende Sorgfalt (RGZ 159/109 [110]) oder die „nach Lage des Falls zuzumutende" Sorgfalt (RG J W 20/38111) oder die gerechterweise zuzumutende Sorgfalt (RG J W 23/83612) oder die größtmögliche (RG J W 26/15619) zu beachtende äußerste (RG Warn. 14/65), vernünftigerweise aufzuwendende Sorgfalt überstieg (BGH NJW 52/661®). a 1. Auch leichtes Verschulden eines Verantwortlichen (Kommentar § 232 B I) schließt die Wiedereinsetzung aus (OGH NJW 50/5996). a 2. Allerdings sollte man es auch auf das sog. Rechtschutzbedürfnis im Verhältnis zum Gegner abstellen. Kannte der Gegner den Wiedereinsetzunggrund, weiß er, daß die Frist gewahrt werden sollte, so fällt selbst ein Verschulden der betroffenen Partei nicht so schwer in das Gewicht. Ganz besonders gilt dies aber, wenn die Gegenpartei es zu vertreten hat, daß die andere Partei die Notfrist nicht wahren konnte. a 3. Andererseits wird die Wiedereinsetzung, wenn nur Grund für sie gegeben ist, nicht dadurch verhindert, daß der Gegner sich auf die Rechtskraft verlassen hat. Dies gilt auch bei Gestaltungurteilen (§ 894) und deshalb auch in Ehestreiten, selbst wenn der Gegner inzwischen neu geheiratet hatte (BGH NJW 53/423). b) Der Verschuldenmaßstab sollte nach dem Durchschnitt aufgestellt werden. b 1. Bisweilen findet man Entscheidungen, die es zu sehr auf die P e r s o n des S ä u m i g e n (seine Bildung, seine Lage, seine Erfahrung) abstellen (RG J W 30/13916). Daß auch der Begriff durchschnittlichen Verhaltens veränderheb ist, findet seinen Grund in den Verhältnissen der Umwelt, etwa im Krieg. So wurde der (im August 1914 ausgebrochene) Krieg zum unabwendbaren Ereignis erklärt (Bek. v. 10.9.1914 [RGBl. 403]; RG Warn. 15/2), und im Krieg wurde manches als unverschuldet angesehen (RGZ 167/215 [221]), sofern die auf den Krieg zurückzuführenden Ereignisse die Ursache der Fristversäumung waren (RG J W 16/42217), etwa wenn die Kanzlei des Anwalts durch Bomben zerstört (RGZ 171/313) oder der Anwalt durch mehrere Vertretungen überlastet war (RG LZ 19/3257), während in gewöhnlichen Zeiten die Überlastung des Anwalts nicht entschuldigt, weil er für Abhilfe Sorge tragen kann (BArbG NJW 56/78). b 2. Wo das Gesetz selbst eine Grenze zieht, kann nicht entgegen der Norm entschuldigt werden. c) Da nur das Verschulden der Verantwortlichen (§ 232 II), nicht das anderer Menschen, die Wiedereinsetzung ausschließt, ist ihr Verantwortungkreis abzugrenzen. Die Verantwortlichen können und brauchen nicht alles selbst zu tun. Soweit sie sich dritter bedienen, die selbständig oder unselbständig (als ihre Angestellten) tätig werden, haften sie nicht, wenn diese schuldhaft handeln, sondern nur für schuldhaft schlechte Auswahl und mangelnde Überwachung (BGB § 278 kommt insoweit nicht zum Zuge, vgl. § 232 B i e l ) . c 1. Auf geschultes und erprobtes Personal darf sich der Anwalt verlassen (RGZ 164/52 [57]), im besonderen darauf, daß der Bürovorsteher das ihm ausgehändigte, zugestellte Urteil vorlegt (RG Recht 04/205), daß das Personal die Reinschriften durchbessert (RG N § 233/134) und daß nichts abhanden kommt (das unerklärlich abhanden gekommene Urteil ergibt deshalb einen Wiedereinsetzunggrund, RG J W 31/108514). Je weniger erprobt die Angestellten sind, um so schärfer müssen sie überwacht und angeleitet werden, etwa ein Lehrling, der die Briefe zur Post bringt dadurch, daß er die Einschreibescheine dem Büro vorlegt. Kann ein Lehrling die Scheine nicht sofort vorlegen, so muß die Aufgabe wiederholt werden (RG J W 34/11715; a. M. BGH Z 4/389 in bezug auf die üblicherweise vom Gericht gegebenen Kontrollbelege, die Stempelung der Aktenexemplare). Lehrlinge dürfen zwar die Fristensachen heraussuchen, müssen aber dabei auf Vollständigkeit ins einzelne gehend überwacht werden (BGH VersR 53/335). Die Überwachung von Rechtsmittelsachen darf jedenfalls nicht einem jungen und unerfahrenen Lehrling zur selbständigen Bearbeitung überlassen werden, wozu BGH LM-ZPO § 233/64 schon dies gerechnet hat, daß dem Lehrling es überlassen wurde, die die Zustellung nachweisenden Urkunden zu den Akten zu bringen, die er falsch ablegte. Die Angestellten sollen als zuverlässig erprobt sein. Gelegentliche Versehen der Angestellten in weiten Abständen fallen nicht in das Gewicht, besonders wenn es schwierig ist, 40
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§233
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zuverlässiges Personal zu erhalten. Bedient der Verantwortliche sich eines Volljuristen, so braucht er ihn nicht zu belehren (BGH MDR B 249/51; doch hat es BGH v. 31. 1. 1955 II LM-ZPO § 232/22 nicht genügen lassen, daß der Anwalt seinem Anwaltassessor die Überwachung der Bechtsmittelfrist in einem Binzellall übertragen, jedoch nicht dafür gesorgt hatte, daß die Notfrist im Kalender eingetragen wurde und auch nicht ständig die Wahrung der Fristen auf Grund der Eintragungen überwacht hat); anders ist dies schon bei einem Referendar (nach RG J W 34/2848° darf diesem auch die Fristenüberwachung nicht anvertraut werden, wenn er nicht hinreichend belehrt worden ist). Belehren muß der Verantwortliche seine mithelfenden Familienangehörigen (RG J W 38/2981 39 ) wie seine Angestellten (besonders die neu eingetretenen, RG DR 40 A 143724), daß sie die Fristen beachten (RG v. 2. 10.1926 V Warn. 220), daß sie im besonderen die Zustellungurkunde (bzw. den Briefumschlag mit dem Zustellungvermerk) zu dem bei der Zustellung überlassenen (§ 166 D) Schriftstück nehmen (RG Warn. 29/190). Aber auch bei einem Bürovorsteher muß er sich überzeugen, ob er die Fristenläufe (auch in den Ferien) kennt (RG DR 40 A 1437 24 ; doch ließ BGH v. 1.12.1955 II ZB 13/55 nicht einmal die Belehrung über Feriensachen an die maßgebliche Bürokraft ausreichen), jedenfalls wenn die Kraft kein Volljurist ist. Wiedereinsetzung wurde verweigert, als der Anwalt dem Bürovorsteher die Rechtsmittelfristnotierung und -belehrung an die Partei überließ, ohne ihn weiter zu überwachen (BGH v. 6. 7.1955 IV N J W 1358 = LM-ZPO § 233/58). Danach muß der Verantwortliche die Fristen selbst verfügen. Auch bei geschultem Personal genügt es nicht, daß der Anwalt lediglich das unterschriebene Empfangsbekenntnis in den allgemeinen Geschäftsbetrieb des Büros gibt (BGH LM § 233/63). Gibt der Anwalt das Empfangsbekenntnis zurück, so muß er sich nach BGH v. 22. 1. 1955 VI N J W 45 vergewissern, daß die Rechtsmittelfrist notiert ist. c 2. Der Verantwortliche muß indes, wenn er sich Angestellter bedient, eine Organisation einrichten, welche im Regelfalle zuverlässig ist (BArbG AP § 232/6). Zur sachgemäßen Organisation gehört es, daß ein Fristenkalender geführt wird (RG J W 35/776 10 ). Die Führung des Fristenkalenders darf er dem Büro überlassen (RGZ 96/322 [325]); auch in Einzelfällen, also wenn er regelmäßig die Fristen selbst einträgt oder eintragen läßt und dann es doch dem Büropersonal überläßt einzutragen (BGH VersR 59/806). Eine eigene Fristenkontrolle ist von ihm nicht zu verlangen (RG DR 40 A 143724); deshalb darf ihm aber auch, wenn er daneben noch einen eigenen Kontrollkalender führt, es nicht angerechnet werden, wenn dieser Kontrollkalender einmal versagt (BArbG AP § 233/6). Werden in demselben Kalender gewöhnliche und Notfristen notiert, so werden zumeist die Hinweis-(Genau-)fristen besonders notiert. Geschieht dies aber nicht, so sind sie besonders — etwa in rot —• im Kalender kenntlich zu machen (RG J W 39/365 37 ). Auch wird für Notfristen die Notierung von Vorfristen verlangt (BGH N J W 52/183®, der von einer Vorfrist spricht; wohl üblich, aber nicht zu fordern, sind zwei Vorfristen). Es gibt Anwälte, die solche Fristen niemals löschen lassen, sondern bei Fristablauf sich das Aktenstück nochmals vorlegen lassen. Doch braucht man nicht soweit zu gehen. Es muß aber dafür gesorgt werden, daß die Hauptfrist erst dann gelöscht wird, wenn sie gewahrt ist (BGH N J W 53/1023), also wenn das Schriftstück auf dem Gericht abgegeben ist, was nachzuprüfen ist. Keinesfalls darf die Notfrist schon bei Vorlegung der Handakte gelöscht werden (RG J W 39/S65 37 ). Für die versehentlich gelöschte sollte man den Anwalt dann entschuldigen, wenn das Versehen allein auf das Büropersonal zurückzuführen ist. Bei Fristverlängerungen darf die Frist erst gelöscht werden, wenn die die Frist verlängernde Verfügung eingegangen ist (BGH N J W 53/1023). RGZ 105/8 (10) hat es nicht beanstandet, wenn der Anwalt die Fristverfügungentwürfe daraufhin nicht nachprüfte, daß und welche Fristen eingetragen wurden (häufig werden die Fristen, die im Kalender notiert sind, in den Akten vermerkt; doch muß dies nicht so geschehen). BGH N J W 55/1358 (vgl. § 233 B II c 1) verlangt, daß der Anwalt selbst die Eintragung der Fristen verfügt (was aber zu weit geht; wenn man aber so weit geht, so muß auch die mündliche Anweisung, im besonderen die auf Band oder Platte gesprochene, ausreichen (OLG N J W 54/319). Was für den Anwalt gilt, ist auf alle Einrichtungen anzuwenden, welche auf einen Geschäftsverkehr mit den Gerichten eingestellt sind, also für große Unternehmen, Behörden (RG H R R 30/1865), den Patentanwalt (RG J W 30/544 3 ). Soweit solche Einrichtungen nicht vorhanden sind, muß der Verantwortliche selbst kontrollieren (RG N § 233/16). Bei der Übersendung des Rechtsmittelauftrags mit der Post
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an den Rechtsmittelanwalt bzw. bei der der Rechtsmittelbelehrung an die Partei darf der Verantwortliche damit rechnen, daß der Brief innerhalb der für den Postverkehr normalen Frist bei dem Empfänger eingeht; die Notfrist darf dann gelöscht werden, wenn der Rechtsmittelauftrag rechtzeitig zur Post gegeben ist (BGH J R 54/304); RG N § 232/12 hat es genügen lassen, wenn der Anwalt einen eingeschriebenen Brief dem Rechtsmittelanwalt zugehen ließ, den dieser am vorletzten Tag der Frist hätte erhalten müssen; eine Nachfrage wurde für nicht erforderlich gehalten, auch wenn noch keine Mandatsbestätigung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingegangen war (BGH NJW 53/824; im Gegensatz hierzu hat BGH NJW 55/6718 gefordert, daß der abgebende Anwalt innerhalb zweier Wochen nachfragen muß, falls ihm der Rechtsmittelanwalt den Eingang des Rechtsmittelauftrags nicht bestätigte). Mit Verzögerungen des Post- wie des sonstigen Behördenverkehrs muß gerechnet werden (RG J W 98/155); soweit die Gerichte ein Postfach haben, darf mit werktäglicher Leerung gerechnet werden; BGH LM § 232/13 hat einen Einwurf in dieses Fach drei Tage vor Fristablauf genügen lassen. Wenig bekannt ist, daß die Post Telegramme nicht in die Nachtbriefkästen einwerfen läßt; es empfehlen sich deshalb entsprechende Anweisungen an die Post. BArbG NJW 55/1894 hat keine Wiedereinsetzung gewährt, wenn die Rechtsmittelschrift (trotz Zusicherung des Postbeamten) erst am Tage vor Ablauf der Frist zur Post gegeben wird und dann die Schrift verspätet eintrifft. Bei zu knappen Fristen kann die Sendung durch Eilboten erforderlich werden (BGH NJW 53/824 hielt dies auch bei knapper Frist für die Wahrung der Berufungbegründungfrist nicht für erforderlich). Eilbriefe werden allerdings nur beschleunigt am Ankunftort ausgetragen, sonst aber nicht besonders behandelt (für einen vier Tage vor Fristablauf aufgegebenen Eilbrief gab es Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, OGH DRZ 50/1611). Über telegrafische Rechtsmitteleinlegung vgl. § 129 A II a 4. Bei Brieftelegrammen muß beachtet werden, daß sie am Empfangsort nur wie gewöhnliche Briefe ausgetragen werden. Wird schuldhaft falsch adressiert, so ist die infolge des fehlerhaften Verhaltens verlorene Zeit abzusetzen, etwa wenn ein falsches Postamt angegeben wurde (RG N § 233/31), wie auch sonstige Verzögerungen in der Postbeförderung, die durch schuldhaftes Verhalten eintreten (RG Warn. 09/168), bei Paketsendungen muß mit besonders verzögerlicher Beförderung gerechnet werden (RG N § 233/4). In einem zwei Tage vor Fristablauf an einen (gelöschten) Anwalt abgesandten Revisionauftrag wurde ein Verschulden gefunden, obwohl die Revision noch rechtzeitig eingelegt worden wäre, wenn der Anwalt nicht gelöscht gewesen wäre (RG Warn. 11/448). Organisiert muß auch die Absendung bzw. die Abtragung der Schriftstücke sein, so daß sie sich reibunglos abwickelt (also die Postabfertigung, Abheften der Akten und Nachsehen). Doch braucht der Anwalt usw. nicht das Büro anzuweisen, täglich unter Schreibtischen oder in sonstigen Möbelstücken nach liegengebliebener Post zu fahnden (BGH J R 54/304). Ist dies der Fall, so wird das Versehen der Angestellten dem Verantwortlichen nachgesehen, etwa wenn der Anwalt seinem erprobten Büro ein unterschriebenes Armenrechtsgesuch zur Absendung übergeben hatte, es aber durch Büroversehen nicht abgesandt wurde (RG N § 233/101). Zu dieser Organisation gehört es auch, daß angeordnet ist, Rechtsmittelsachen im Büro alsbald zu erledigen (RG J W 23/143). Auch muß der Verantwortliche dafür sorgen, daß ihm alle Eingänge umgehend zur Kenntnis gebracht werden (BArbG AP § 233/10). Erfahrene Anwälte öffnen die Post selbst bzw. lassen sie in ihrer Gegenwart öffnen. Die Gefahr, daß ein Angestellter, der einen Vorgang nicht findet, den Brief liegen läßt, ist nicht unbeachtlich. Der Anwalt muß ferner dafür sorgen, daß ihn Briefe erreichen, auch die, welche durch Ersatzzustellung an ihn gelangen (RG JW 06/170). Darüber muß er alle in Betracht Kommenden belehren (RG Warn. 21/49). Er muß seine Angestellten belehren, im besonderen darüber, daß bei den vereinfachten Zustellungen die Briefumschläge zu den Akten zu nehmen sind (RGZ120/243 [248]). Empfängt der Anwalt am Vortage Zustellungen, so muß er dies den Angestellten sagen, damit nicht falsch gestempelt wird (RArbG N § 233/194). Besonders bei längerer Abwesenheit muß der Anwalt genügend Vorkehrungen dafür treffen, daß der Fristenlauf beachtet wird (RG HRR 39/175) bzw. muß sich durch einen Vertreter vertreten lassen. c 3. Der Verantwortliche hat eine Überwachungpflicht (BArbG AP § 232/6), in bezug auf die Sorgfalt der Arbeit der Angestellten schlechthin (RG Recht 22/1194). Über die Wahrung der Fristen muß der Verantwortliche Stichproben machen (RG JW 28/130221), darauf achten, daß Fristen nicht vorzeitig gelöscht werden (RG HRR 35/619). Doch ist nicht zu fordern, daß der 40'
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Anwalt in jedem Einzelfall nachprüft, ob die Fristen im Kalender eingetragen sind (RG D R 41 A 1557 1 8 ). B G H M D R B 931/54 hat dabei die für den Anwalt erkennbare Auskunft aus dem Gedächtnis der zuverlässigen Angestellten nicht genügen lassen. d) Der Verantwortliche muß ferner überwachen, wo er selbst eingreift; im besonderen muß er, wenn d 1. ihm ein Aktenstück vorgelegt wird, prüfen, ob eine Frist läuft und ob mit ihrer Innehaltung zu rechnen ist (also beiläufig: RGZ 158/195 [197]), auch wenn ihm die Vorinstanzakten übersandt wurden und er aus dieser Vorlage den Fristablauf erkennen mußte (OGH N J W 50/823 3 ). Werden dem Anwalt die Akten vor Ablauf der Berufungfrist vorgelegt und kann er nicht feststellen, ob die Berufungschrift das Rechtsmittelgericht erreicht hat, so muß er dies aufklären, notfalls aber nochmals Berufung einlegen (BGH M D R B 61/52). Dies gilt auch, wenn er die falsche Datierung der Berufungschrift übersieht, die er zu unterschreiben hat, und dann die Begründungfrist versäumt (RG J W 25/362 16 ). Sind die Fristen in den Akten notiert, so wird er sich regelmäßig mit dieser Kontrolle begnügen dürfen, sind und werden sie nicht in den Akten gebucht, so wird der Anwalt prüfen müssen, ob die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Wahrung getroffen sind (wenn er nicht erstmalig schreibt). Bei Fertigung der Begründungschrift muß der Verantwortliche selbst sich um die Fristwahrung kümmern (BGH M D R 58/225); nimmt er Akten an sich, so muß er selbst auf den Fristablauf achten (BGH M D R B 793/57). Wird dem Anwalt ein Aktenstück zur Rechtsmittelbegründung vorgelegt, so muß er nach B G H v. 13. 7. 1959 I V Z R 57/59 nochmals selbständig den Fristablauf errechnen (a. M. OLG J R 55/343). d 2. Unterzeichnet der Anwalt eine Zustellungurkunde, so muß er dafür sorgen, daß die Zustellungzeit vermerkt wird, am besten auf der Urkunde selbst (nach B G H M D R B 466/55 in den Handakten); nach B G H N J W 53/620 muß er sich die Handakten vorlegen lassen odei auf den Vermerk der Zustellungzeit hinwirken; doch muß es auch genügen, wenn der Anwalt das zugestellte Schriftstück unter Angabe der Zustellungzeit zuverlässigen Bürokräften übergibt (vgl. B G H B B 56/521). Jedenfalls hat R G J W 31/1085 14 den privaten Vermerk der Zustellungzeit genügen lassen, wenn der Anwalt die zugestellte Schrift in das Büro gab, sofern er sich auf sein Personal verlassen konnte, daß es ihm die Urkunde sofort (mit den Akten) wieder vorlegte, selbst wenn sie dann abhanden kommt; den vom Büro versehentlich falsch aufgesetzten Eingangstempel hat R G N § 233/27 nicht entschuldigt, wenn er einen späteren Tag als den der Zustellung nannte. Die Feststellung der Zustellungzeit ist besonders wichtig, wo von Gerichts wegen zugestellt wird und das Gericht keine Gegenbescheinigung gibt. Jedenfalls darf nicht übersehen werden, daß keine Parteizustellung zu erwarten ist (RG J W 31/2365 5 ). Bei der von Gerichts wegen nach § 310 I I darf der Anwalt nicht übersehen, daß die gerichtliche Zustellung nur die Verkündung ersetzt (RGZ 120/243 [248]). Läßt sich der Verantwortliche durch die Zustellung des Gegners irreleiten, so hat B G H v. 5 . 4 . 1 9 5 1 I V Z R 46/51 keine Wiedereinsetzung gegeben. H a t der Anwalt einen Zustellungbevollmächtigten, so hat er nach OLG Celle NdsRpfl. 51/47 persönlich darauf zu achten, daß die Fristen schon mit Zustellung an jenen beginnen. Bei einer Zustellung nach §§ 212 a, 625 muß sich der Anwalt von seinem Zustellungbevollmächtigten den Tag der Zustellung bescheinigen lassen. Zu weit geht R G N § 233/2, wonach der Anwalt sich nicht einmal auf die Richtigkeit des im Zustellungvermerk des Gegenanwalts befindlichen Datums verlassen darf. Wird der Anwalt auf eine abhanden gekommene Urkunde aufmerksam, so muß er sofort nachforschen, also wenn ihm etwa sein Mandant (innerhalb der Rechtsmittelfrist) eine Gerichtskostenrechnung vorlegt (aus der sich der Erlaß des Urteils ergibt); findet dann sein Büro die Akten nicht, so muß er sich (u. U. durch Gerichtsakteneinsicht, Anruf bei dem Gegner) über den Lauf der Rechtsmittelfrist vergewissern, weil die Unzuverlässigkeit seines Büros hervorgetreten ist (BGH v. 27. 1 1 . 1 9 5 2 I V Z R 218/51). Wurde der Anwalt vom Gegner auf einen (Zustellung-)Mangel hingewiesen und geht er dem nicht nach, so handelt er schuldhaft (RGZ 67/186f.). Das Ende der Begründungfrist muß der Anwalt selbst nachprüfen und darf sich nicht auf Auskünfte der Geschäftstelle oder seines Büros verlassen (BGH N J W 52/665 1 4 ); anders ist dies bezüglich des Anfangs der Begründungsfrist oder wenn es um eine datummäßig verlängerte Frist oder um eine Zustellung von Gerichts wegen geht; hier muß sich der Anwalt auf die Auskunft der Geschäftstelle des Gerichts ver-
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lassen können. Unterläßt der Anwalt schuldhaft, die Partei zu informieren, so gibt es keine Wiedereinsetzung, auch wenn der Anwalt schon Rechtsmitteleinlegungauftrag hat und den Fristablauf infolge der unterbliebenen Information der Partei nicht überwacht (BGH NJW 52/1414). Teilt der Prozeßbevollmächtigte ein Erkenntnis mit, so wird er regelmäßig damit eine Rechtsmittelbelehrung verbinden; denn er muß damit rechnen, daß ein zulässiger Rechtsbehelf eingelegt werden soll (BArbG AP § 233/8). Der Postulationfähige, der den Prozeßfähigen einmal (rechtzeitig) von dem Ablauf der Rechtsmittelfrist unterrichtet, hat damit seiner Pflicht genügt; doch wird er sich vergewissern müssen, ob der Prozeßfähige die Nachricht empfangen hat, oder die Post eingeschrieben senden müssen. Unterbleibt die Nachricht, obwohl sie zu erwarten ist, so werden die Rechtskundigen nachfragen, also der Rechtsmittelanwalt (BGH NJW 51/1114), aber auch die Partei. Unter dem Gesichtswinkel der Wiedereinsetzung wird der Mitteilende in der Regel schon entlastet, wenn er die Tatsache der Zustellung der Entscheidung mitteilt, dafür aber der Empfänger belastet (BGH NJW 51/1114 verlangt die Mitteilung in jedem Fall, wo die Zustellung für den Empfänger nicht kenntlich ist). Doch genügt der bloße Hinweis, wenn dem Empfänger die zugestellte Urteilsausfertigung schon zuvor übermittelt wurde, oder wenn es im Fall des § 240 darauf ankommt, wann der Konkurs beendet ist (§ 240 F II). Belehrt der Prozeßbevollmächtigte einen anderen Verantwortlichen über den Fristenlauf falsch, so darf der Belehrte von der Richtigkeit der Mitteilung ausgehen (BGH LM § 233/13); werden aber die Unterlagen (mit der Belehrung) übersandt und ergibt sich aus ihnen ein früherer Fristablauf, so muß dies der angeschriebene Rechtskundige sehen (BGH LM § 233/67); auch wenn er nur die Aussichten des Rechtsmittels überprüfen soll; denn das Rechtsmittel wird aussichtlos, wenn die Frist zu seiner Einlegung nicht gewahrt wird. Schuldhaft handelt der Anwalt, welcher ohne Heranziehung der Zustellungunterlagen die Partei über das Ende der Frist falsch belehrt (BGHZ 2/205); auf den Eingangsvermerk allein darf er sich nicht verlassen (RG JW 37/22912), wenn der Prozeßbevollmächtigte (Anwalt), der es wissen muß (§ 176) weder die zugestellte Ausfertigung übermittelt noch das Zustellungdatum mitteilt. Wird dem Rechtsmittelanwalt die Zustellungzeit nicht mitgeteilt und ergibt sie sich aus den Unterlagen nicht, so muß er aufklären (BArbG AP § 233/8) und unverzüglich prüfen (BArbG AP § 233/10) oder am Empfangtage das Rechtsmittel einlegen. Bei der Möglichkeit unrichtiger Belehrungen muß aufgeklärt werden, also etwa, wenn die Zustellung eines Urteils an den Streitgehilfen mitgeteilt wird, die über die an die Hauptpartei (vgl. § 516 B I c 2, 3). Unter dem Gesichtswinkel der Wiedereinsetzung wird die unrichtige Mitteilung eines Verantwortlichen nur dann übergangen, wenn sie für die verspätete Wahrung der Frist nicht ursächlich geworden ist, also wenn etwa der Rechtsmittelanwalt die richtige Frist notieren läßt und seine Angestellten dann den Fristenlauf übersehen. Das Entsprechende gilt bei sich widersprechenden Angaben über die Zustellungzeit, sofern der Verantwortliche dem nicht nachgeht (RG HRR 36/567). Vom Rechtsmittelanwalt wurde gefordert, daß auch er die Zustellung nachprüft und nachfragt, wenn etwa bei der vereinfachten Zustellung der Vermerk auf dem Briefumschlag fehlt (RG J W 31/23654). Keinesfalls darf der Rechtsmittelanwalt die Prüfung des Zustellungtages (bei Unklarheiten) dem Bürovorsteher überlassen (RG N § 233/181). Auf die Erklärung der Naturalpartei allein, im besonderen bei Zustellungen von Gerichts wegen, darf er sich nach BGH NJW 51/2358 nicht verlassen. Jedenfalls muß der Rechtsmittelanwalt, der von einer Partei (oder als Armenanwalt) unmittelbar angegangen wird, die Zustellung des angefochtenen Urteils nachprüfen (RG JW 32/286913). Nach RG J W 28/14891 darf sich der Anwalt nicht einmal auf den Hinweis des Rechtsmittelgerichts verlassen, sondern soll sich u. U. telefonisch oder telegrafisch vergewissern. Legt ein Anwalt noch am selben Tage, wo er den Auftrag erhält, das Rechtsmittel ein, so trifft ihn jedenfalls kein Verschulden; doch muß er dann nachprüfen, ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachzusuchen und zu begründen ist (vgl. dazu § 234 B II a 1). Fordert der Rechtsmittelanwalt Aufklärung, klären weder der Verkehrsanwalt noch der Prozeßbevollmächtigte der Vorinstanz die Zustellungzeit auf, so liegt kein unabwendbarer Zufall vor (BGH NJW 51/1114). Der Verantwortliche, der belehrt, muß dafür sorgen, daß die Belehrung rechtzeitig den erreicht, der über die Fortführung des Prozesses entscheiden soll (d. i. aber nicht der erstinstanzliche Bevollmächtigte, wenn mit ihm der Schriftwechsel nicht geführt wird, nach BGH NJW 58/384). Sendet er den Brief rechtzeitig eingeschrieben ab, so wird er sich auf seine
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Ankunft verlassen dürfen und diese nicht weiter zu überwachen brauchen (RG N § 233/106). Will der Anwalt sich völlig absichern, wird er die Sendung unter Rückschein einschreiben und die Rückkunft des Rückscheins überwachen müssen; RG Recht 23/88 hat ein Verschulden angenommen, wenn das Urteil mit Belehrung (durch gewöhnlichen Brief) ohne Empfangschein übersandt wird und der Eingang bei dem Empfänger vom Absender nicht überwacht wurde. Abgesehen von Rechtsmitteleinlegungen kann auch der Prozeßbevollmächtigte erster Instanz bei der Weitergabe von Kostenfestsetzungbeschlüssen an den Verkehrsanwalt bzw. die Partei auf Fristen zu achten haben (RG J W 29/441 9 ). Dem Verkehrsanwalt hat BGH N J W 52/1137 keinen Vorwurf daraus gemacht, wenn er nach Verkündung des Urteils eine Dreimonatefrist verfügt, weil er damit rechnen durfte, daß der Prozeßbevollmächtigte ihm die Zustellung des Urteils rechtzeitig — unverzüglich — mitteilte. d 8. Der ßeehtsmittaleinlegungaiiftrag an den Rechtsmittelanwalt ist besonders zu überwachen. Den Entschluß hat die (prozeßfähige) Partei (bzw. ihr gesetzlicher Vertreter) zu fassen. Keinesfalls trifft den Anwalt ein Verschulden, wenn er keinen Rechtsbehelf einlegt, weil er die Partei nicht erreichen kann (RG N § 233/100). Die Übermittlung eines Rechtsmitteleinlegungauftrags durch einfachen Brief oder Paket an den Anwalt der höheren Instanz wurde als schuldhaft angesehen (RGZ 105/8f.); anders ist dies aber, wenn noch Zeit zur fristgemäßen Nachfrage blieb und diese dann unverschuldet unterblieb (RG LZ 25/597 10 ). Jedenfalls entbindet die einfache Übersendung nicht von der Nachprüfung, ob sie eingegangen ist (RGZ 99/272 [273]); regelmäßig wird also, wenn nicht rechtzeitig bestätigt wird, nachgefragt werden müssen (RG J W 37/992 6 ). Wird bis zum letzten Augenblick gewartet, so muß mit ganz besonderer Vorsicht zu Werke gegangen werden (RG DR 40 A 546 9 ). Bei stark belastetem Büropersonal muß der Anwalt darauf achten, daß er die Rechtsmittelschrift zur Unterschrift vorgelegt erhält (RG LZ 28/49 14 ). Auch ließ RG Seuff. 90/91 es nicht genügen, daß der Anwalt, der einen Tag vor Fristablauf der Sache den Rechtsmittelauftrag übersandte, nur den Bürovorsteher beauftragte, den Rechtsmittelanwalt anzuläuten, auch wenn er seinerseits den eigenen Bürovorsteher kontrollierte, ob er den Auftrag ausgeführt hatte. Dementsprechend hat RG J W 38/2366 49 gefordert, daß der Anwalt selbst 6ich bei einem Handeln am letzten Tage die Eingangsbestätigung durch das Gericht vorlegen ließ (a. M. BGH N J W 52/469 11 , der nicht einmal die büromäßige Überwachung des abtragenden Boten für erforderlich hielt). Dies gilt im besonderen bei Aufgabe zur Post am letzten Tag der Frist (RG Warn. 09/168; BGH v. 4. 2.1952 IV ZB 8/52 hat in der Aufgabe eines Briefes zur Rechtsmitteleinlegung durch den Prozeßbevollmächtigten der ersten Instanz zwei Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist ein Verschulden gesehen; BGH MDR B 477/54 hat es genügen lassen, wenn die Rechtsmittelschrift in Berlin am Tage vor dem Fristablauf durch gewöhnlichen Brief in den Postbriefkasten geworfen wurde — ohne Nachfrage zu fordern) oder beim Einwurf des Rechtsmittelschriftsatzes in den Gerichtsbriefkasten am letzten Tag, der kein Fristenlaufkasten (Nachtbriefkasten) ist (RG J W 10/480 24 ). Ist ein (Nacht-)Briefkasten für mehrere Gerichte eingerichtet (etwa in Hamburg), so muß man auch das Schriftstück, das nicht ausdrücklich an ein bestimmtes Gericht gerichtet ist, als ausreichend ansehen, wenn es nur, wie sich aus ihm doch irgendwie ermitteln läßt, an eines von ihnen gerichtet war (LArbG AP § 236/2); notfalls gilt es bei allen zugleich als eingegangen (a. M. BGH N J W 51/71 3 ). Ist kein Nachtbriefkasten eingerichtet, so ist deswegen die Wiedereinsetzung zu gewähren (BGHZ 2/31), weil es jeder Partei grundsätzlich ermöglicht werden muß, die vom Gesetz bestimmte Frist voll auszunutzen (a. M. BGHZ 23/307, wenn die Parteivertreter wissen, daß kein Nachtbriefkasten vorhanden ist). Das Entsprechende gilt für den Versuch, die Rechtsmittelschrift nach Dienstschluß abzugeben (KG J W 25/811 19 ). Weil Nachtbriefkästen vorhanden sein müssen, kommt es jetzt auch nicht darauf mehr an, ob die Behörde Sonntagsdienst macht (vgl. dazu für die vergangene Zeit RG JW03/177 1 4 ). Deshalb wird auch regelmäßig keine Fristversäumnis mehr wegen vorzeitigen Behördenschlusses eintreten können (wo RG N § 233/160 dem Anwalt noch Verschulden vorwarf, wenn er es nicht wußte). Wird umgekehrt weit vor Fristablauf der Rechtsmittelauftrag erteilt, so braucht der Anwalt sich nicht das Empfangsbekenntnis der eingereichten Rechtsmittelschrift vorlegen zu lassen (RG J W 30/704 4 ). d 4. Bei der Einlegung von Rechtsbehelfen muß der Anwalt den Urteilskopf nachprüfen (RG J W 34/1651 12 ) und auch, ob die Schrift an das richtige Gericht gerichtet ist (BGH N J W
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51/2358); lerner muß er unterschreiben (doch hat bei Einreichung durch das gut eingerichtete Büro die nicht unterschriebene Rechtsmittelschrift OLG NJW 49/313" noch entschuldigt). Zu weit geht OGH NJW 49/9454, wenn er vom Anwalt verlangt, daß er selbst die unterschriebene Berufungbegründungschrift in die Abtragmappe (wo eine solche eingerichtet ist) gibt, also die Wiedereinsetzung versagt, wenn er sie „versehentlich" in die Handakte zurücklegt; denn dies gehört nicht zu seiner notwendigen Tätigkeit. d 5. Nach der hier vertretenen Ansicht (§ 233 B II a 2) ist kein so strenger Maßstab anzulegen bei Versäumung der notwendigen Begründungfristen. Daß es, wenn der Anwalt eine eingereichte Berufungbegründung nicht unterschrieben hat, keine Wiedereinsetzung gibt (so OLG JZ 53/308), kann nicht gebilligt werden. Jedenfalls muß der Berufunganwalt die Frist überwachen (lassen) und darf dies nach BGH VersR 55/734 nicht dem erstinstanzlichen Anwalt überlassen, der die Begründungschrift fertigen wollte. Wird ein Verlängerungantrag gestellt, so kann allerdings der Anwalt nicht damit rechnen, daß ihm stattgegeben wird, selbst wenn es sich um die erste Verlängerung handelt. OGH NJW 49/264" verlangte, daß der Eingang des Antrags bei der Geschäftstelle nachgeprüft werde (BGH LM § 232/5 verlangte es, wenn er am letzten Tage der Frist gestellt wurde). Wird Verlängerung am letzten Tage der Begründungfrist so spät beantragt, daß eine Verfügung des Vorsitzenden nicht mehr zu erlangen und ihre Zustellung nicht mehr möglich ist, so wird keine Wiedereinsetzung nach RG J W 37/143749 gewährt. Der Anwalt muß sich auch dann um die Fristverlängerung kümmern, wenn sonst üblicherweise die Ablehnung sofort fernmündlich durchgegeben wird und dies nicht geschehen ist ! BGHZ 12/161) bzw. wenn sonst Ablehnung wie Verlängerung fernmündlich bekannt gegeben werden (BGHZ 10/307 [309]). Doch genügt dann nach h. M. auch die Mitteilung an eine Büroangestellte durch den Urkundsbeamten der Geschäftstelle (BGHNJW54/1604 4 ). Wird einem Anwalt die Verlängerung mündlich übermittelt, so hat er nach BGH NJW 51/565® selbst für die Fristeintragung im Kalender zu sorgen. Über die Fristverlängerunganträge bei schwebenden Armenrechtsverfahren vgl. §§ 233 A II a; 519 B III c 2. Jedenfalls muß der Anwalt auf den Lauf der Begründungfristen in den Ferien achten (BGH NJW 53/179) und bei Diktat der Begründung den Fristenlauf nachprüfen (BGH MDR B 60/52). Auch ist der Anwalt nicht zu entschuldigen, wenn er einen Schriftsatz einreicht, der den Erfordernissen der Rechtsmittelbegründungschrift nicht entspricht (BGH MDR B 942/52). e) Die Kreise der Verantwortlichen sind in bezug auf ihr Verschulden unterschiedlich abzugrenzen. Einerseits muß jeder Verantwortliche das seinerseits erforderliche zur Fristenwahrung tun, andererseits ist nicht immer gerade sein Handeln oder Unterlassen entscheidend (wenn ein Anwalt die gesamten Handakten einer Versicherung abgibt, muß nach BGH MDR B 261/53 diese die Fristenkontrolle übernehmen). Soweit das Unterlassen eines Verantwortlichen nicht entscheidet, ist es dann auch gleichgültig, ob die Handlung schuldhaft unterblieb (RG J W 25/13702). Mußte deshalb ein Verantwortlicher handeln und war damit auch ohne das Handeln des anderen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen, so kommt es nur auf den Wiedercinsetzunggrund bei dem entscheidenden Verantwortlichen an (RG JW 02/12611). Ist indes das Verschulden des entscheidenden Verantwortlichen deshalb zu verneinen, weil ein anderer Verantwortlicher (§232 II) schuldhaft gehandelt hat, so hindert dies die Wiedereinsetzung. Dasselbe gilt, wenn andere Verantwortliche den Entscheidenden nicht überwacht haben, obwohl dies zu erwarten war; denn auch Mitverschulden eines Verantwortlichen hindert die Wiedereinsetzung (§ 233 B II d). Dies gilt auch für die Beachtung der Fristen, wenn auch gegenüber dem Postulationfähigen die nicht rechtskundige Partei leichter zu entschuldigen ist (vgl. RG LZ 31/106321). e 1. Der nicht postulationfähige Prozeßfähige (die Partei, u. U. ihr gesetzlicher Vertreter) muß für die Bestellung des Postulationfähigen sorgen. Die Partei bzw. ihr gesetzlicher Vertreter muß sich darum kümmern, daß ihr Nachrichten rechtzeitig zugeleitet werden können (RGZ 73/55f.). Dies gilt im besonderen für die, welche einen großen Teil des Jahres (RG Warn. 08/554) oder längere Zeit (RG N § 233/142) oder in das Ausland (RGN § 233/162) verreisen. Eine juristische Person bzw. die hinter ihr Stehenden müssen dafür sorgen, daß sie geeignete verantwortliche Vertreter hat (RG HRR 31/621). Anderweitige berufliche Inanspruchnahme ist jedenfalls keine Entschuldigung (BGH v. 13. 2.1952 IV ZB 3/52). Mißverständnismöglich-
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keit und Hörfehler müssen in Betracht gezogen werden (RG HRR 31/356: Ziffern müssen deshalb wiederholt werden). Schriftstücke müssen sorgfältig gelesen werden (RG J W 35/295511). Überhaupt muß die Partei (usw.) Zweifel, die sie hat, klären (RG J W 34/30565). Auch darf sich die Partei nicht mit der einfachen Absendung des Briefes an den Anwalt ohne weitere Kontrolle begnügen (RG JW 97/133', wie es umgekehrt auch nicht der Anwalt darf, vgl. § 233 B II c 2, d 2, 3). Nicht in jedem Fall will BGH MDR B 63/52 es einer Partei als Verschulden anrechnen, wenn sie den Rechtsmittelauftrag anstatt an das Büro an die Wohnung des Anwalts richtet (er fordert andererseits vom Anwalt, daß er auch dafür sorgt, daß ihn alsbald seine Privatpost erreicht, wenn auch hier keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen: BGH MDR B 63/52). Hat der Anwalt Büro und Wohnung im selben Haus, so müssen auch die Haushaltsangehörigen über die Empfangnahme und Weiterleitung von Zustellungen und Briefen belehrt sein (RG DR 39 A 217524). e 2. Keine Schuld im Zivilprozeßverhältnis trifft die Partei, wenn sie plötzlich schwer erkrankt (OGHZ 2/235f.) oder ihr ein Unfall zustößt (RG J W 38/2682 18 ; abweichend aber, wenn sie schreiben konnte: RG Warn. 12/132; mit leichter Panne bei Autofahrten muß aber gerechnet werden: LArbG Hamburg ARSt. V 556) oder wenn sie psychisch außergewöhnlich stark abgelenkt wurde, auch die durch plötzliche Erkrankung eines nahen Angehörigen (RG J W 29/3256 für die Ehefrau, die sonst die Geschäfte des erkrankten Klägers hätte führen können) oder durch eine ihr (RG JW 35/25575) nahe bevorstehende Operation oder ein anderes sie außergewöhnlich ablenkendes und bedeutendes Ereignis. Wird jemand plötzlich verhaftet, so wird regelmäßig ein Wiedereinsetzunggrund gegeben sein. Doch ist die Unterbringung in Strafhaft allein noch kein Wiedereinsetzunggrund (RG HRR 31/621). Befindet sich jemand in einer Strafanstalt, so ist eine ihm verweigerte Rücksprache nicht notwendigerweise ein Wiedereinsetzunggrund (RG JW 00/469 4 ); wohl aber dann, wenn damit der Partei die Weisungmöglichkeit genommen wird (RG Warn. 29/19). Andererseits ist die gefangene Partei entlastet, wenn ihr der Anstaltspfarrer einen falschen Rat erteilt (RG N §233/133; während RG J W 00/4694 dies für den Gefängnisvorsteher, der falsch riet, verneinte). Die Erkrankung der Partei ist aber unerheblich für die Einhaltung der Revisionbegründungfrist (BArbG Betrieb 56/356) und LArbG AP § 233/12 hat verlangt, daß der Anwalt, der für die Begründung der Berufung von der Partei nicht (rechtzeitig) informiert wird, die Berufungbegründungfrist verlängern lassen muß. e 3. Liegt gerade in der Person des zum Entschlüsse Berufenen der Wiedereinsetzunggrund, so genügt seine Behinderung; also bei der Rechtsmitteleinlegung in der Person der prozeßfähigen Partei (RG JW 32/114314). Keinesfalls trifft den Anwalt ein Verschulden, wenn er keinen Rechtsbehelf einlegt, weil er die Partei nicht erreichen kann (RG N § 233/100). Fällt die Partei, die den Anwalt instruieren soll, infolge eines Ereignisses aus, nachdem das Rechtsmittel eingelegt ist, so muß der Anwalt die Frist zur Begründung verlängern lassen (RG JW 38/268218), und die Partei muß ihn nach Möglichkeit über das Ereignis, das sie hindert, informieren; aber auch der Anwalt muß aufklären. e 4. Lag die Versäumung der Handlung an dem Anwalt, der den Fristablauf nicht mitteilte, oder, nachdem er Auftrag zur Einlegung des Rechtsbehelfs hatte, diese versäumte, so genügt regelmäßig seine ernste plötzliche Erkrankung (BGH RdL 52/52). Doch muß nach BGH NJW 58/995 der Anwalt Vorsorgen, daß nichts versäumt wird, wenn er plötzlich verhindert wird. Muß der Anwalt mit Krankheitsfällen rechnen, so muß er auch für diesen Fall Vorsorgen (BGH VersR 57/536). Verläßt der Anwalt auf zehn Tage das Büro, so muß er für einen Anwaltvertreter sorgen (BGH VersR 57/254), einem Bürovorsteher darf er das Büro nicht überlassen. Jedenfalls muß auch der plötzlich erkrankte dafür sorgen, daß die Fristensachen alsbald von einem Verantwortlichen (Vertreter) wieder kontrolliert werden können (BArbG AP § 232/10). Ist der Anwalt assoziiert, so muß sein Sozius einspringen (RG J R 25 B 612), selbst wenn er nicht postulationfähig ist; auch wenn es um die eigene Sache des Erkrankten geht. Bei längerer Krankheit wird von dem Anwalt gefordert, daß er sicherstellen muß, daß die in dieser Zeit ergehenden Gesetze beachtet werden (BayObLG NJW 49/2645) und daß, jedenfalls wenn die Krankheit ihn schwer in Anspruch nimmt, er sich einen Vertreter bestellen läßt. BGH NJW 52/117710 macht den vom Krankenbett aus tätigen Anwalt
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Folgen der Versäumung • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 2 3 3 B II e 4 verantwortlich, wenn er nicht für Vertretung sorgt bzw. nicht so wie ein gesunder nachprüft. Schließlich muß auch die Partei einspringen, wenn sie weiß, daß ein Erkenntnis ergangen ist, und wenn sie die Verhinderung ihres Anwalts kennt. H a t die Partei eine Terminsnachricht erhalten, so muß sie sich nach RG J W 18/7344 nach dem Ergebnis des Termins erkundigen (vgl. § 233 B II d 2). f ) Bedenklich ist es, den Rechtsirrtaim gelten zu lassen (dagegen RG Warn. 12/132); doch hat dies bei einer schwierigen und verwickelten Rechtslage die Rechtsprechung (vgl. OGH v. 12. 6. 1950 I I ZB 15/50) getan. Ein Anwalt muß wissen, ob ein Rechtsbehelf gegeben ist (RG Warn. 37/57), u. U. muß er alle in Betracht kommenden einlegen und vorsorglich die ungünstige Fristenlage zugrunde legen (BGHZ 8/48). Doch ging es zu weit, wenn der Prozeßbevollmächtigte von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abwich und sich nur auf das Schrifttum stützte, etwa bei der Bezugnahme auf den Schriftsatz eines Nichtpostulationfähigen in einer notwendigen Rechtsmittelbegründung: hier wurde keine Wiedereinsetzung gewährt (BGH MDR B 942/52). f 1. Ist allerdings der Rechtsirrtum durch den Staat (Gesetzgebung oder Rechtsprechung) veranlaßt worden, so ist dies stets ein Wiedereinsetzunggrund (BGHZ 23/307). Ob bei Organisationänderungen Wiedereinsetzung zu gewähren ist, ist zweifelhaft. Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn das Gericht selbst von einer sonst vertretenen und anerkannten Auffassung abweicht (a. M. BGH N J W 53/1390). f 2. Immerhin hat bei sonstigen Rechtsirrtümern die Rechtsprechung einen strengen Maßstab angelegt (RG DR 39 A 176118). Jedenfalls muß der Anwalt sich über den Stand der Rechtsprechung unterrichten nach BGH N J W 52/42514, indem er Fachzeitschriften liest. Nur dort, wo eine Rechtslage so zweifelhaft ist, daß auch der Anwalt sie nicht zu klären vermag, darf die Frage des Rechtsirrtums praktisch werden (vgl. RG Warn. 37/120). g) Wird ein Versehen bemerkt und wird es wett gemacht, so wird das Verschulden, das in jenem lag, nicht ursächlich. Doch hat BGH v. 4. 9.1952 IV ZB 86/52 im Ergebnis den Anwait nicht entschuldigt, der sein Versehen, die Zustellungzeit falsch mitgeteilt zu haben, bemerkte und dann die Partei bestellte, um es auszuräumen, obwohl die Partei durch allgemeine Ereignisse (inzwischen erfolgter Umzug u. dgl. m.) zu spät oder gar nicht kam (allerdings ohne sich in den Gründen des Beschlusses zu diesem mit der sofortigen Beschwerde Vorgebrachten ausdrücklich zu erklären). Hätte der Anwalt schon im Brief die Zustellungzeit klargestellt, so wäre er entlastet gewesen. Erreicht indes der Brief die Partei nicht rechtzeitig infolge von nicht zu übersehenden Ereignissen, so wird auch dieses Argument gleichgültig. Wird ein Rechtsmittel (unverschuldet) zurückgenommen und dann erneut (aber wieder unverschuldet) zu spät eingelegt, so ist Wiedereinsetzung zu gewähren (RGZ 120/243 f.). h) Nicht zu verantworten sind Üliermittlunghindemisse, welche kein Verantwortlicher zu vertreten hat. Wieweit die Kontrolle gegen die Post reicht, vgl. § 233 B I I d 3. Wird durch ungebührlich verzögerte Übersendung durch die Post eine Frist versäumt, so wird die Wiedereinsetzung gewährt (RGZ 98/195 [196]), bei der Fehlleitung durch die Post an Stelle in das Büro in die Wohnung des Anwalts (OHG MDR 50/155 63 ) oder an das Gericht, bei dem er zugelassen ist, oder wenn bei der Beförderung das (eingeschrieben abgesandte) Auftragschreiben, das (so übermittelte) Urteil verlorengeht (RG J W 31/108514) oder der (eingeschriebene) Brief, in dem der Anwalt die Versagung des Armenrechts mitteilt (RG Warn. 31/96). Aber auch wenn dritte die Nichteinhaltung der Frist zu verantworten haben, gibt es die Wiedereinsetzung, etwa wenn ein Nachtportier des Bürohauses nicht zu erreichen ist, obwohl er zu erreichen sein müßte und dadurch das im Büro liegende Schriftstück nicht abgetragen werden kann (BGH MDR B 479/54). B III. Zu der Belehrungpflicht des Postulationfähifren gehört auch die über die Beschaffung von Geldmitteln vom Prozeßgegner, soweit die Partei darauf einen Anspruch hat, wie die über die Möglichkeit, ein Armenrechtsgesuch an das Gericht zur (Fort-)Führung des Prozesses richten zu dürfen. a) Der prozeßbevollmächtigte Anwalt einer Ehefrau muß sie auf die Vorschußpflicht des Mannes hinweisen (RG H R R 35/1427) und auf die Möglichkeiten, sie verwirklichen zu können.
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§233 Bin
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b) Die Belehrungpflicht für die arme Partei erhält nur den allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit, wie sich die Partei das Armenrecht beschaffen kann. Sie umfaßt nicht etwa die Pflicht, der Partei ein begründetes Armenrechtsgesuch zu fertigen. Für den Instanzanwalt, welcher der armen Partei die Rechtsmittelfrist mitteilt, ergibt sich die weitere Pflicht, die Partei darüber zu belehren, daß sie bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist das Armenrechtsgesuch bei der Rechtsmittelinstanz (über dessen Begründung vgl. § 233 C I c 1, § 118 C) einreichen muß (vgl. dazu § 233 C), daß dann aber die Armenrechtunterlagen vorliegen müssen (Kommentar § 233 B III c 2). c) Die arme Partei darf ihr Begehren durch ein Armenrechtsgesuch einleiten. Weil darauf nun erst das Gericht zu entscheiden hat, liegt die Wahrung der Fristen nicht mehr in der Hand der armen Partei, und es muß ihr also bei Versäumung die Wiedereinsetzung gewährt werden. C I. Geht man davon aus, daß von der armen Partei nicht verlangt werden darf, daß sie sich früher entschließt als die vermögende und daß ihr Gegner dadurch, daß sie ein Armenreehtsgesuch einreicht, ihren Willen, den Rechtsbehelf zu ergreifen, erfährt (vgl. § 233 B II a 2), so muß es genügen, daß das Armenrechtsgesuch zu der Zeit erklärt wird, wo sonst die Prozeßhandlung vorzunehmen gewesen wäre (BGH NJW 55/3458). Andererseits darf keine Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn die Prozeßhandlung unterbleibt und das Armenrecht zu ihrer Vornahme (ohne Darlegung von Wiedereinsetzunggründen) erst nach Ablauf der Notfrist beantragt wurde, weil sonst der Arme besser als der Vermögende gestellt würde (RG J W 30/3311'). Wurde indes zunächst das Armenrecht verweigert, dem nach Ablauf der Notfrist dann eingereichten neuen Gesuch aber stattgegeben, so wurde (bei unveränderter Rechtslage) die Wiedereinsetzung von BGH v. 30. 9. 1957 VII ZR 298/56 gewährt (vgl. § 234 B I a 3). Anders ist dies, wenn das Armenrecht auf Grund neuen Tatsachenvorbringens bewilligt (RG Recht 07/1683) und das Gesuch erst nach Ablauf der Notfrist angebracht wurde (RGZ149/379 f.). Bei erneuten erfolglosen Armenrechtsgesuchen wird keine Wiedereinsetzung gewährt (BGH J R 53/104); dann sollte aber auch das später bewilligte Armenrecht nicht mehr zur Wiedereinsetzung ausreichen, wenn es erst auf erneute Vorstellung nach Ablauf der Notfrist gewährt wird. a 2. Im besonderen kommt es nicht darauf an, ob es noch praktisch möglich war, innerhalb der Rechtsmittelfrist über das Gesuch zu entscheiden. a 3. Dasselbe sollte für ein Armenrechtsgesuch gelten, das nach wirksam eingelegtem Rechtsmittel vor Ablauf der Begründungsfrist eingereicht worden ist (LArbG BArbBl. 1956 H V e hat nur eine Frist von zehn Tagen für ausreichend angesehen), sofern der Postulationfähige niedergelegt hat (vgl. § 232 B II b 2). b) Ist das Gesuch nicht rechtzeitig eingegangen, so ist es jedenfalls unerheblich, ob auch über das rechtzeitig eingegangene nicht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist hätte entschieden werden können (RG LZ 32/95116). Bei der späteren Binreichung sind indes stets die besonderen Tatsachen darzulegen, welche die verspätete Binreichnung analog § 233 entschuldigen (RG J W 37/10618). c 1. Das Armenrechtsgesuch bedarf nur zur Klageerhebung (§ 118 C), nicht aber zur Rechtsmitteleinlegung der Begründung (BGH MDR B 250/54). Doch muß das an das (Reclitsmittel-)Gericht gerichtete Gesuch ergeben, um welchen Streit es sich handelt. Ein fehlendes Aktenzeichen schadet dabei regelmäßig nicht. Jedenfalls hat RG LZ 16/147617, wenn noch genügend Zeit zur Entscheidung blieb, es der Partei nicht angelastet, wenn der Urkundsbeamte bei ihr fernmündlich nachfragte und sich daraus ein Mißverständnis ergab, obwohl noch Zeit zur schriftlichen Nachfrage war. Auch wurde es einer Partei nicht angelastet, daß sie falsche Angaben über die Zustellungzeit machte, sofern sich die Zustellung aus den Akten ergab (RG N § 233/66). Das beim BGH anstatt beim BayObLG gestellte Armenrechtsgesuch hat BGH LM § 233/45 als verschuldet falsch gestellt angesehen, da es von einem bayerischen Anwalt ausging. c 2. Darüber hinaus müssen die Armenrechtsunterlagen — das Armutzeugnis (vgl. § 118 II) bzw. die Darlegung der Armut — vorliegen (noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nach BGH NJW 56/1435, also im Widerspruch zu § 233 C I), und zwar zu der Zeit, wo das Gericht erst-
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§ 233 C I c 2
malig entscheiden kann (vgl. RG JW 37/10618) oder es muß dargetan werden, daß es rechtzeitig beantragt war und erklärt werden, daß es alsbald nachgereicht werde (RG J W 37/10618). BGH v. 23. 5.1959 IV ZB 109/59 fordert, daß das Armenattest spätestens bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht wird oder daß innerhalb der Frist des § 234 dargelegt wird, daß die Partei innerhalb dieser Frist dazu nicht in dei Lage war und daß sie die Unterlagen dann unverzüglich nachreicht. Es darf aber nicht mit dem Armenrechtsgesuch gewartet werden, bis das Armenattest vorliegt. BGH NJW 57/1236 hat es nicht ausreichen lassen, daß ein Armenrechtattest, von mehr als anderthalb Jahre zurück ausgestellt, vorlag, wenn die Partei erwerbstätig war; BGH v. 20. 9.1957 VII ZA 11/57 hat ohne Rücksicht auf mögliche Änderungen vier Jahre alte Atteste nicht ausreichen lassen, sondern Vorlegung neuer Atteste innerhalb der Rechtsmittelfrist verlangt; wogegen BGH JZ 58/12 ausgesprochen hat, daß, wenn die Einkommenverhältnisse der armen Partei sich nicht so sehr geändert haben, die arme Partei am Fortbestehen ihrer Armut zweifeln mußte, sie ein neues Armenattest erst auf Anforderung des Rechtsmittelgerichts und dann noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beibringen darf. Wird das Armenrecht verweigert, weil die Armenrechtsunterlagen fehlen, so ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Partei an ihrer Nichtbeibringung kein Verschulden trifft (RG N 233/167, das von unabwendbarem Zufall spricht). Ist dies aber nicht der Fall, so tritt auch das Hindernis der mangelnden Entscheidung nicht ein, weil sie nur ablehnend sein kann, wenn die Mittellosigkeit nicht dargetan worden ist (RG J W 29/165412). War die Armut im Attest bescheinigt, so wird die Wiedereinsetzung auch dann gewährt, wenn das Armenrecht mangels Armut verweigert wurde (RGZ 138/247 [249]), selbst wenn im Zeugnis der Streitwert unrichtigerweise zu hoch angegeben war (RG N § 233/146); abgesehen von den Fällen, wo die Bescheinigung erschlichen war (vgl. RG J W 29/165412), kommt es nicht darauf an, auch nicht darauf, ob die Partei objektiv arm ist (RGZ 138/257 f.); auch darauf, ob die Partei sich subjektiv für arm halten durfte, kommt es nicht an (BGH MDR B 88/53; a. M. BGH NJW 58/183, der fordert, daß die nicht arme Partei darlege, sie habe begründeten Anlaß dafür gehabt anzunehmen, sie wäre arm). Hat die arme Partei die Forderung abgetreten, so muß sie nach BGH VersR 57/601 auch die Armut des Abtretungsempfängers belegen (was nicht gebilligt werden kann, weil die arme Partei trotz Abtretung ihr Klagerecht nicht verliert), wenn sie sich nur für arm hielt (RG N 233/177), vgl. dazu aber auch die abweichende Ansicht von BGH NJW 55/587, der einer juristischen Person die Wiedereinsetzung verwehrte, wenn die an ihr wirtschaftlich Interessierten in der Lage, aber nicht bereit waren, die erforderlichen Mittel aufzubringen. Entsprechend hat BGH LM § 114/8 dem Konkursverwalter keine Wiedereinsetzung bewilligt, weil es er unterlassen hat darzulegen, daß er die erforderlichen Mittel von den wirtschaftlich Beteiligten nicht aufbringen konnte. Jedenfalls darf einer armen Partei nicht zugemutet werden, Schulden zu machen (RGZ 103/209 [210]), oder ihr angelastet werden, daß sie in der Lage war, einen Gebührenvorschuß aufzubringen (RG LZ 19/38216), immer vorausgesetzt, daß die ordnunggemäßen Armenrechtsunterlagen ihr die Armut bescheinigen. Werden neue Unterlagen gefordert, so schadet der Partei dies nicht (RGZ 100/268 [270]). Wechseln die Voraussetzungen nach Einreichung des Armenrechtsgesuchs, so wird, auch wenn das Verfahren schon rechtskräftig abgeschlossen war und also keine Armenrechtbewilligung (etwa in den Fällen des Todes der armen Partei oder wenn nach Rechtskraft der Konkurs eröffnet wurde) mehr gegeben werden kann, dem nachfolgenden — armen — Konkursverwalter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt (BGH NJW 53/1144). Darüber, wenn die Partei danach vermögend wird, vgl. §233 C l l b . In Abweichung von der erläuterten Rechtsprechung verlangt BGH LM§ 236/4 die Darlegung, weshalb sich eine Partei für arm halten durfte. Doch kann, selbst wenn der Partei die Armut nicht bescheinigt war, das Gericht sie noch annehmen (RGHRR 30/1154, die Frage der Armut wird hier auch vom Revisiongericht selbst ohne Bindung an die Entscheidung der Tatsacheninstanz beurteilt). c 3. Das Hindernis besteht nicht schlechthin in der Armut der Partei (RGZ 117/304: es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Armut inzwischen aufhört; jedenfalls ist Geldmangel kein Wiedereinsetzunggrund: RG Warn. 29/54), sondern in der fehlenden Entscheidung über das Gesuch. Die Wiedereinsetzung nach abgelehnter Armenrechtbewilligung ist zu gewähren, ohne daß die Partei zu begründen brauchte, weshalb sie nunmehr in der Lage ist, das Rechts-
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mittel auf eigene Kosten durchzuführen (BGH v. 15. 3. 1955 IV J R 55/300). Dies gilt auch, wenn die arme Partei vor Entscheidung über ihr Gesuch das Rechtmittel auf eigene Kosten einlegen läßt; auch dann braucht sie regelmäßig nicht darzutun, weshalb sie nicht noch innerhalb der Rechtsmittelfrist in der Lage war, das Rechtsmittel einlegen zu lassen (BGH MDR B 593/57). C II. Hat die arme Partei im Anwaltprozeß (§ 78 I) keinen postulationfähigen Anwalt und benötigt sie ihn, so liegt der Fall des Armuthindernisses vor (RG J W 36/254415). Darauf, ob die arme Partei einen Anwalt vor Ablauf der Rechtsmittelfrist hätte finden können, der zunächst einmal das Rechtsmittel für sie einlegte, kommt es nicht an (das wäre sicher häufig der Fall; a. M. RG N § 233/18; vgl. auch § 233 C II a). Handelt für sie zunächst der Anwalt in Erwartung der Beiordnung, so wurde er nicht mehr als ihr Vertreter i. S. des § 232 II angesehen, wenn er das Rechtsmittel nicht begründete und auch keine Fristverlängerung nachsuchte (§ 232 B II b 2); auf diese bedenkliche Praxis sollte sich niemand verlassen (BGHZ 7/280 hat ausdrückliche Niederlegung gegenüber der eigenen Partei und Belehrung verlangt). Allerdings muß dann auch die Frist verlängert werden; denn der Anwalt, der ohne Entgelt — von hier nicht zu erörternden Ausnahmefällen abgesehen — begründet, begeht wegen Unterbietung der anderen Anwälte einen Standesverstoß, zu dem er nicht gezwungen werden darf (vgl. übereinstimmend BGH v. 29. 9. 56 IV ZR 243/56 und über die abweichende Praxis des III. ZS des BGH Kommentar §519 B III c 2; doch erscheint es unangemessen, daß, wenn das Gericht sich nicht in der Lage sieht, über ein Armenrechtsgesuch zu entscheiden, von dem Anwalt die Begründung zu verlangen). a) Hat die arme Partei einen Wahlanwalt bestellt und dieser die Vertretung übernommen, so wird der besondere Fall des Armuthindernisses nicht praktisch (RG J W 31/108615). feil») Wird die Partei naoh Abiauf der Notfrist bzw. notwendigen Begründungfrist vermögend, so daß sie nunmehr auf eigene Kosten den Prozeß betreiben muß, so kommt es für sie auf die fehlende Entscheidung von da ab nicht mehr an. Allerdings wird ihr bei nicht flüssigem Vermögen noch eine kurze Zeit bis zur Verflüssigung zugebilligt werden müssen (BGH MDR 55/221). Dies gilt auch, wenn ein vermögender Konkursverwalter (vgl. § 114 III) an ihre Stelle tritt (BGH NJW 53/1144). c) Das Hindernis der Entscheidung besteht jedenfalls nur für die Partei, die das Armenrecht nachgesucht hat, nicht für ihren (das Armenrecht nicht nachsuchenden) Streitgenossen (RG JW 29/31514), mag sie auch das Armenrechtsgesuch nur deshalb nicht stellen, weil es dem Streitgenossen versagt wurde. Das Entsprechende gilt für die vermögenden Streitgenossen und Streithelfer. Umgekehrt kann jemand, der dem Streit durch Einlegung eines Rechtsmittels beitreten will, keine Widereinsetzung (selbst auf ein rechtzeitig gestelltes Armenrechtgesuch) bewilligt werden, wenn das Urteil gegen die Hauptpartei schon rechtskräftig geworden ist (RG HRR 33/1887). Über den Eintritt des Konkursverwalters vgl. § 233 C I c 2, über das Vermögendwerden vgl. § 233 C II b. C III. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt, gleichviel, ob dem Armenrechtsgesuch stattgegeben oder ob es zurückgewiesen wurde (RG Recht 21/2214). Bisweilen wird dabei dann gesagt, daß die Rechtsverfolgung nicht mutwillig sein dürfe (vgl. RGZ 138/247 [250]); doch kommt dies in der Reehtsmittelinstanz nicht in Betracht (§ 119 B II); selbst wenn die Partei von vornherein entschlossen war, den Streit auch dann durchzuführen, wenn das Armenrecht nicht bewilligt werden sollte (BGH MDR B 606/52). D. Eine ähnliche Lage kann sich ergeben, wenn eine Partei keinen übernahmebereiten Rechtsanwalt findet und das Gericht um Beiordnung bitten muß (§ 78a). Hier wird es genügen, daß sie den ersten ablehnenden Anwalt kurz vor dem Ablauf der Frist anging (RG N § 233/21 ließ es nicht genügen, daß ein Revisionsanwalt am 23. Tage der laufenden Monatsfrist angegangen wurde, weil mit seiner und anderer Anwälte Ablehung gerechnet werden mußte). E. Die scheinbare Ausnahmeregelung des § 233 II hat ihren berechtigten Grund darin, daß die Partei unberechtigterweise überrascht worden ist und daß infolge dieser Überraschung eine Versäumnisentscheidung gegen sie ergehen und zugestellt werden konnte (§§ 338, 700). Diese Voraussetzung ist im Regelverfahren nicht gegeben, weil die Partei, wenn sie schon einmal
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§ 233 E
verhandelt hat, weiß, daß ein Verfahren anhängig ist; dies gilt im besonderen aber auch dann, wenn ein Versäumnisurteil erst in einer späteren Verhandlung oder eine Aktenlageentsoheidung (§§ 331a I 2, 251a I 2, wo nämlich schon zuvor mündlich verhandelt sein muß) oder auch das zweite Versäumnisurteil durch Verwerfung des Einspruchs ergeht (§ 345; RGZ 73/55f.). Liest man aus § 233 II aber nur heraus, daß die schuldlose Überraschung zu schützen ist, so ist dies auch in den Fällen des § 233 I nicht auszuschließen für die schuldlose Unkenntnis der Ersatzzustellung (§§ 181folg.; BGH FamRZ 57/173) bzw. bei der öffentlichen Zustellung (§ 203 A; BGH NJW 57/1400). Denn in diesen beiden Fällen ist schuldloses Nichtwissen von der Zustellung schutzwürdig. Darüber hinaus sollte man auch stets die Wiedereinsetzung zulassen, wenn der Gegner die (öffentliche) Zustellung erschlichen (oder auch nur fahrlässigerweise falsch bewirkt hat). E I. Die Rechtsprechung hat auch in dem Fall des § 233 II schon dann das Verschulden einer Partei angenommen, wenn die Partei gewußt hat, daß ein Prozeß gegen sie anhängig ist oder er ihr bevorstehe (RGZ 78/121 f.), im besonderen, wenn sie nach Kündigung des alten Bevollmächtigten keinen neuen bestellt (RG JW 95/1996), wie überhaupt, wenn sie abreist, ohne dafür zu sorgen, daß sie Zustellungen erreichen können (RGZ 73/55folg.). E II. Über den Lauf der Einspruchfrist vgl. §§ 339, 508 II, 700. Eine ausdehnende Anwendung der Vorschrift ist nach allgemeiner Meinung unzulässig (im besonderen nicht die auf die stets kontradiktorisch zu entscheidenden Ehesachen: RG JW 06/567 38 ; nach der hier vertretenen Auffassung ergibt sich daraus für die Partei kein Nachteil). Es kommt allerdings in allen Fällen darauf an, daß die Partei weder das Erkenntnis noch den Lauf der Rechtsbehelfsfrist kannte (RGZ 73/55f. hat darauf hingewiesen, daß es nur auf die schuldlose Unkenntnis von der Urteilzustellung ankomme).
§ 234
(212)
I
Die Wiedereinsetzung muß innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden.
II
Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist.
III Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. A. § 234 befristet das Einsetzunggesuch durch eine Zweiwochenfrist ab Behebung des Hindernisses und die Ausschlußfrist von einem Jahr. Auf die Fristen ist von Gerichts wegen zu achten (RGZ 131/261 [263]). Die Fristen werden gewahrt durch Einreichung des Antrags (vgl. § 236 A l b ) bei dem zuständigen Gericht (vgl. § 237 A), auch soweit die Prozeßhandlung selbst erst durch Zustellung an den Gegner wirksam wird (vgl. §§ 261b III, 496 III), sofern sie „demnächst" bewirkt wird (etwa im Fall des § 586 I, RG N § 586/11). A I. Die Zweiwochenfrist des § 234 I ist eine gesetzliche, keine Notfrist (RG JW 31/108818), deshalb gibt es gegen ihren Ablauf auch keine Wiedereinsetzung (BGH NJW 52/1414 = J R 53/103); sie kann nicht verlängert werden (§ 224 II). Auch kann auf ihre Einhaltung nicht verzichtet werden (§ 295 II; RGZ 131/261 [262]), sie ist also fest bestimmt (selbst wenn die Notfrist kürzer war, § 508 II; LArbG AP 51/127). Über den Einfluß der Gerichtsferien vgl. § 223 A I. a) Anders ist es mit der Ausnahmevorschrift der SchutzVO Art. 3 12, wonach auch gegen den Ablauf der Zweiwochenfrist die Wiedereinsetzung gewährt wird (RG DR 44 A 4179). A II. Die prozessuale Jahresausschlußfrist des § 234 I I I ist eine unwandelbare, sog. uneigentliche Frist (vgl. § 221 B II a), gegen deren Ablauf es keinen Rechtsbehelf gibt (RG DR 41 A 225419). a) Anders ist dies im Fall der SchutzVO Art. 3 1 2 , hier gibt es auch gegen den Ablauf der Jahresfrist die Wiedereinsetzung (was für die Nachwirkungen der Kriegsfolgen noch gilt: BGH MDR B 449/56).
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§234
ZPO I. Buch
B. Die Zweiwochenfrist wird berechnet vom Tage an, wo das Hindernis entfällt. Nach BGB § 187 I ( | 222 I) wird dieser Tag nicht mitgerechnet (RGZ 41/367 [368]). B I. Hindernis ist der nach § 233 erhebliche Grund (RG J W 21/2737). Das Hindernis entfällt mit der Kenntnis von seinem Wegfall und, soweit die Unkenntnis erheblich wird, mit dem Wegfall der Unkenntnis bzw., wenn die Unkenntnis aufhört, unverschuldet zu sein (BGH NJW 52/469). Abgesehen davon muß das Hindernis tatsächlich beseitigt sein und nicht bloß beseitigt sein können (RGZ 65/193f.). a) Bei vorangegangenem Armenrechtsgesuch entfällt das Hindernis mit der Entscheidung über das Gesuch und ihrer Zustellung (die wegen der Frist des § 234 geboten ist, vgl. RG J W 35/2814«) bzw. (falls dies entgegen §329111 nicht geschieht) ihrer Mitteilung (BGHLM§234/1) an den Gesuchsteller (vgl. RG J W 35/2814«), sobald er von ihr Kenntnis erlangt (oder seine Unkenntnis verschuldet ist, vgl. § 234 B I). Ist die Partei im Prozeß durch einen Postulationfähigen vertreten, so gilt § 176. Hat die arme Partei selbst ein Armenrechtsgesuch an die Rechtsmittelinstanz gerichtet, so ist sie selbst zu bescheiden (vgl. RGZ 147/154); keinesfalls gilt §210a. Bis zur Entscheidung darf der Gesuchsteller abwarten (RGZ 149/379 [381]), er hat nicht die Pflicht, sich zu erkundigen (RG Gruch. 70/288). Nimmt er indes das Gesuch zurück, so muß er sofort handeln (RG DR 39 A 1761 ls ), weil dann mit der Rücknahme das Hindernis wegfällt. Wird die Partei inzwischen vermögend, so entfällt nach RGZ 100/268f. das Hindernis, sobald sie nicht mehr von ihrer Armut überzeugt sein durfte. Das Entsprechende gilt, wenn sie in Konkurs fällt und der Konkursverwalter sich nicht auf Armut beziehen kann (§ 114 I I I ; BGHZ 9/308 hat dem Konkursverwalter, dem das Armenrecht bewilligt worden ist, die Wiedereinsetzung gewährt, wenn die Revisionfrist nach einem noch vom Gemeinschuldner rechtzeitig vor Fristablauf eingereichten Armenrechtsgesuch verstrichen war, bevor der Konkurs eröffnet wurde). a 1. Die bejahende Entscheidung — gleichviel ob dieses Ereignis vor oder nach Ablauf der Frist fällt — und ihre Zustellung (RGZ 147/154) bzw. der Eingang ihrer Mitteilung (RGZ 157/168 [171]) beseitigt das Hindernis. Von da ab sollte die Frist des § 234 berechnet werden (RG J W 02/604®). Allerdings reicht der Zugang bei dem beigeordneten Armenanwalt nicht aus, weil er sich erst noch bestellen muß. Nach der hier vertretenen Ansicht hat er indes Vollmacht, kann sich deshalb jederzeit bestellen und belastet mit seinem Verschulden bei der Bestellung die Partei, wenn er nicht ablehnt, im besonderen wenn er sich dann tatsächlich später bestellt. Davon weicht die h. M. ab, welche die Vollmachterteilung der armen Partei fordert (RGZ 94/342) und die Partei bis zu ihrer Erteilung nicht mit dem Verschulden des Armenanwalts belastet (RG J W 32/21445) und ihm gestattet, noch bis zur „Erteilung" der Vollmacht zu warten (RG JW 25/13701), wenn sie ihm auch gleichzeitig auferlegt, die arme Partei dazu anzuhalten (RGZ 115/60 [62]). Andererseits muß aber auch die Partei von sich aus tätig werden und an den beigeordneten Anwalt herantreten (RG N § 233/82). a 2. Wird das Gesuch nach Fristablauf abgelehnt, so gilt das entsprechende (die Frist läuft also mit der mitgeteilten bzw.zugestellten Ablehnung: RG Recht 29/2051). Im Gegensatz hierzu billigt die h. M. jetzt der armen Partei noch eine darüber hinausgehende kurze Frist zur Geld- und Anwaltbeschaffung zu (BGH LM § 233/24 hat 1—2 weitere Tage zugebilligt; OLG Düsseldorf v. 21. 11.1952, 5 U178/52 drei bis vierTage; doch kann dies nicht gebilligt werden, weil Wiedereinsetzungsgrund nicht die Armut, sondern die Nichtbescheidung des Gesuchs ist, vgl. § 233 C I c 3; RG J W 36/653" hat die Zeit von 17 Tagen als zu lang bezeichnet). a 3. Auch ein neue9 Armenrechtsgesuch schiebt die Wiedereinsetzungfrist nicht hinaus (vgl. BGH NJW 52/183 10 ); jedenfalls nicht, wenn es erfolglos ist (BGH NJW 52/743), auch wenn es sonst nachträglich zu bewilligen wäre (vgl. BGH v. 24. 9.1954 III ZA 15/54); denn so könnte die endgültige Entscheidung noch verhältnismäßig weit hinausgezogen werden (a. M. die h. M., wenn die erneute Eingabe das Gericht davon überzeugt, daß das Armenrecht nach altem Sachstande, in der Revisioninstanz stets, zuzubilligen sei, denn dann beruhe die erste Versagung auf einem Fehler des Gerichts, der für den Gesuchsleller unabwendbar gewesen: § 233 C I; nach der hier vertretenen Ansicht hat die arme Partei dann einen Anspruch gegen
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Folgen der Versäumung • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 234 B I a 3
den Staat aus BGB § 839, GG Art. 34). Doch bewilligt auch die h. M. die Wiedereinsetzung nicht, wenn das neue Gesuch auf Grund neuen tatsächlichen Vorbringens durchdringt (vgl. RG J W 36/280015). An sich darf in solchen Fällen schon nicht mehr das Armenrecht bewilligt werden (RG LZ 30/716 12 ), weil die Rechtsverfolgung dann aussichtlos ist, auch wenn die neuen Tatsachen der Partei selbst erst später bekannt werden (vgl. RGZ 149/379 [382]). b) Wird dagegen noch kurz vor Ablauf der Frist entschieden, so ist, b 1. wenn stattgegeben wird, sofort einzulegen, sofern der beigeordnete Anwalt nicht ablehnt. Nach der hier vertretenen Auffassung wird sich also der Anwalt unverzüglich, d. h. am nächsten Werktag, über den Fristenlauf vergewissern müssen (über die abweichende h. M. vgl. § 234 B I a 1, 2). Das RG gab Armenrechtsbewilligungen häufig erst heraus, nachdem die Rechtsmittelfrist verstrichen war, um Komplikationen zu vermeiden. Bisweilen wird auch schon im Beschluß auf den Fristenlauf hingewiesen. b 2. Wird das Gesuch abgelehnt, so ist nach der h. M. (vgl. § 234 B I a 2) der armen Partei noch eine kurze Frist zur Anwaltbeschaffung zuzubilligen (RG Warn. 37/121). Dazu wird man eine kurze Frist (etwa von fünf Tagen) anzusetzen haben, so daß, wenn darauf die tatsächlich verspätete Rechtsmitteleinlegung zurückzuführen ist, die Wiedereinsetzung zu gewähren ist (RG JW SO/33117). B II. Sonstige Hindernisse sind der Verlust von Urkunden oder die Verzögerung in ihrer Übermittlung. a) Der Verlust eines Auftragschreibens, nach dem ein Rechtsmittel einzulegen war, ist kein Hindernis von dem Zeitpunkt an, wo der Verlust durch Nachfrage festgestellt wird oder hätte festgestellt werden müssen (RG J W 37/9925). Das Hindernis zur Beseitigung eines Versäumnisurteils entfällt von der Kenntnis seiner Zustellung an (RGZ 78/121). Dasselbe gilt, sobald die Unkenntnis von der Zustellung verschuldet ist (RGZ 67/186 [189]). Soweit man Rechtsunkenntnis als Wiedereinsetzungsgrund ansieht (vgl. § 233 B II f), ist das Hindernis beseitigt, sobald Zweifel an der Richtigkeit der Rechts(un)kenntnis entstehen müssen (OGH MDR 50/530). Doch braucht der Anwalt einen ihm zugegangenen Schriftsatz nicht schon am Tage des Zugangs zu lesen (RGZ 67/186 [189]). Das Hindernis der versäumten Rechtsmittelfrist fällt, sobald der Rechtsmittelkläger von ihrer Versäumung Kenntnis erlangt (BGH NJW 56/1879). a 1. Die Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses steht der verschuldeten Unkenntnis gleich (vgl. BGH NJW 57/184); doch ist stets die schuldhafte Unkenntnis der Partei bzw. des für sie Verantwortlichen zu fordern; die eines Angestellten steht der dieser Personen nicht gleich (RG J W 29/2710', vgl. § 233 B II c). Das Hindernis gilt dann mit dem Zeitpunkt als behoben, wo das Verschulden, es nicht beseitigt zu haben, beginnt (RGZ 67/186 [188]). a 2. Die Kenntnis darf aber nur auf den Wegfall des Hindernisses bezogen werden, nicht etwa noch darauf, wenn erst mit einer erfolgreichen Durchführung des Rechtsmittels zu rechnen ist (vgl. RGZ 169/100 [104]). b) Entfällt das Hindernis schon vor dem Ablauf der Notfrist bzw. der notwendigen Rechtsmittelbegründungtost, so ist zu prüfen, ob die verbleibende Zeitspanne nicht genügte, die Frist zu wahren. Abgesehen von der ablehnenden Entscheidung über Armenrechtsgesuche und die ablehnende über die Beiordnung eines Anwalts, wird allerdings regelmäßig eine solche Zeitspanne nicht zuzubilligen sein (so schlechthin RG HRR 29/254). Jedenfalls führt der Eintritt eines Hindernisses am Anfang der Frist nicht zu einer ihrer Hemmung oder gar ihrer Unterbrechung ähnlichen Wirkung. Und so ist auch schon ein Verschulden am Anfang der Frist regelmäßig erheblich, wenn ein Hindernis am Ende der Frist eintritt, das auf diesem Verschulden beruht (vgl. aber § 233 B II g).
§ 235
(213)
aufgehoben.
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ZPO I. Buch
§ 236
(214)
I Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sieh nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozeßhandlung gelten. Der Antrag muß enthalten: 1. die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen; 2. die Angabe der Mittel für ihre Glaubhaftmachung; 3. die Nachholung der versäumten Prozeßhandlung oder, wenn diese bereits nachgeholt ist, die Bezugnahme hierauf. A. Der Wiedereinsetzungantrag ergänzt die versäumte Prozeßhandlung um die Erklärung (Entschuldigung) ihrer verspäteten Vornahme. Aul diese Prozeßbedingungen ist von gerichts wegen zu achten (RGZ 131/2611.). A I. Die versäumte Prozeßhandlung muß innerhalb der Frist des § 234 nachgeholt werden. a) Der Wiedereinsetzungantrag ohne die Prozeßhandlung ist wirkunglos (§236 13); es genügt aber, daß beide am Ende der Frist vorliegen (RGZ 119/86). Wird der Wiedereinsetzungantrag später gestellt, so liegt darin stets die Bezugnahme auf die vorausgegangene Prozeßhandlung (RG J W 32/11355). b) Sind die Umstände, aus denen sich die Berechtigung der Wiedereinsetzung ergibt, aktenkundig, so erübrigt sich der Wiedereinsetzungantrag (RGZ 169/196 [199]); im Gegensatz dazu forderte bisweilen die Rechtsprechung früher einen förmlichen Wiedereinsetzungantrag (RG JW 35/277, aber keinen wörtlichen mehr); doch ließ schon RG J W 15/147 den Hinweis auf die Verspätung genügen; die neuere Rechtsprechung tendiert wieder nach etwas größerer Förmlichkeit (BGHZ 7/195 im Fall, daß die Partei bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter der irrigen Meinung sei, die Rechtsmittelfrist sei noch nicht verstrichen; aber mehr als die prozessuale Willenserklärung, den Streit fortzusetzen, liegt im Antrag nicht). Jedenfalls genügt es, daß die Wiedereinsetzungtatsachen vorgebracht werden, selbst wenn kein Wiedereinsetzungantrag gestellt wird (RG JW 15/14712). Nach den Wiedereinsetzungtatsachen zu forschen, ist nicht Aufgabe des Zivilprozeßrichters (RArbG J W 37/267032); insoweit gibt es auch keine richterliche Fragepflicht (RG N § 236/10). Doch hat RG N § 233/96 gefordert, daß der Vertreter gehört wird, wenn ihm ein Verschulden angelastet werden soll (vgl. § 236 B I). c) Das Wiedereinsetzungsgesuch hat die Verspätung zu entschuldigen, soweit dazu nicht schon der Akteninhalt genügt (BGH MDR B 946/52). A II. Zur Nachholung der versäumten Prozeßhandlung genügt nicht a) die Stellung eines Verlängerungantrags für die Berufung- oder Revisionbegründungfrist (RG J W 36/280218). Sie besteht nicht in einem Armenrechtsgesuch, weil durch dieses unmittelbar keine Frist gewahrt wird, gegen deren Versäumung es die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt. Wohl aber kann eine solche Frist dadurch versäumt worden sein, daß das Armenrechtsgesuch nicht rechtzeitig gestellt werden konnte, welche Verhinderung sich also als Wiedereinsetzunggrund bieten kann, vgl. § 233 C I b; doch müssen dann sämtliche zur Bewilligung nötigen Unterlagen noch rechtzeitig beigebracht werden (vgl. RG J W 37/10618). Über den Lauf der Rechtsmittelbegründungfrist nach verspätet eingelegtem Rechtsmittel vgl. § 233 A II a. b) Da der Wiedereinsetzungantrag nur eine Ergänzung der Prozeßhandlung ist, unterliegt er denselben Formen wie diese, auch wenn die Prozeßhandlung selbst schon vorliegt (RGZ 84/41f.); dies gilt im besonderen bezüglich des Anwaltzwangs (RG Warn. 31/225). B I. Nach § 236 1 1 sind die Gründe zu behaupten, welche ergeben, daß die Fristen des § 234 eingehalten worden sind (RGZ 100/268 [269]), wann ein Hindernis beseitigt worden ist (RG J W 02/604); Darlegung genügt unter Bezugnahme auf Erfahrungsätze (RG Warn. 08/555), gerade wenn etwa die Nichtkenntnis darzulegen ist. Ferner ist darzutun, daß kein Verantwortlicher (§ 232 B I) etwas verschuldet hat (BGH NJW 57/790); also im besonderen, was er getan hat, um die Versäumnis abzuwenden (RG J W 31/1798 10 ); beim Verschulden eines Angestellten die Vorkehrungen, welche zur Fristwahrung getroffen worden sind (RG J W 36/190312).
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Folgen der Versäumung • Wiedereinsetzung in den vorigen S t a n d
§ 236 BI
a) Bis z u m Fristablauf dürfen die Wiedereinsetzunggründe beliebig nachgeschoben werden (RG J W 39/172 3 4 ). b) Vom Fristablauf ab ist jede Nachschiebung unzulässig (BGHZ 2/342). b 1. Dies gilt i m besonderen f ü r die in der Beschwerdeinstanz nachgebrachten Wiedereinsetzunggründe t r o t z § 570 (OGH N J W 49/945 4 ). b 2. D a r ü b e r , ob ihre nachträgliche Ergänzung noch zulässig ist, herrscht Streit; B G H Z 5/157 h a t es jedenfalls zugelassen, daß der Tag des Zugangs des Armenrechtsbeschlusses noch nachgebracht wurde, wenn er nicht aus den Akten ersichtlich war (zu R e c h t , weil er aus den Akten h ä t t e ersichtlich sein müssen, die P a r t e i sich darauf verlassen d u r f t e u n d nichts vorzutragen brauchte, was a k t e n k u n d i g ist); RGZ 131/261 [264] h a t es zugelassen, d a ß der Tag der Urteilzustellung nachträglich angegeben wurde (a. M. R G J W 35/3308 1 5 ). RGZ 78/121 [124] h a t Ergänzungen zugelassen, soweit darin kein neuer Wiedereinsetzunggrund lag. B II. Die Mittel der Glaubhaftmachung müssen (wenn sie sich nicht aus dem A k t e n i n h a l t ergeben — diese sind von gerichts wegen zu b e a c h t e n : B A r b G A P § 182/1, wie auch sonstige gerichtsbekannte T a t s a c h e n : B G H N J W 60/464) m i t den Darlegungen (in der vorgeschriebenen Frist des § 234 II) a) angegeben werden, wobei die bloße Schilderung der H a n d l u n g e n eines Anwalts genügt, da in ihr zugleich die pflichtgemäße Versicherung, daß sie so geschehen seien, zu sehen ist (RGZ 78/121 [124]; anders die Schilderung des Anwalts über Handlungen eines D r i t t e n : B G H VersR 60/60); der Hinweis, daß eidesstattlich versichert werden würde, reicht aus. a 1. Eine Nachholung nach Fristablauf ist aber bezüglich der Angabe der Mittel der G l a u b h a f t m a c h u n g unzulässig (RG J W 37/229 1 2 ). a 2. Die Glaubhaftmachung selbst, d. h. die Vorlegung der Beweismittel, b r a u c h t dagegen erst in der mündlichen Verhandlung vorgenommen zu werden (RG J W 37/229 1 2 ). Auch h a t es OLG 31/39 zugelassen, daß neue eidesstattliche Versicherungen beigebracht werden dürfen, wenn der Gegner die vorgebrachten b e k ä m p f t . Doch m u ß der Antragsteller die Mittel der G l a u b h a f t m a c h u n g selbst beibringen, das an das Gericht gestellte Verlangen, A u s k ü n f t e einzuholen, genügt nicht (BGH N J W 58/712). b) Soweit in freigestellter mündlicher Verhandlung entschieden wird (vgl. § 128 G II), genügt Beibringung der Beweismittel bis zum E r l a ß (§516 A I ) der Entscheidung (vgl. R G W a r n . 40/90).
§ 237
(215)
I Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozeßhandlung zusteht. A. Einzureichen ist der A n t r a g stets dem Gericht, dem gegenüber die v e r s ä u m t e Prozeßh a n d l u n g — deren E r g ä n z u n g er ist (vgl. § 236 A) — vorzunehmen i s t ; bei der sofortigen Beschwerde deshalb sowohl das u n t e r e wie das Beschwerdegericht (§ 577 I I ) ; nicht aber das Gericht der weiteren Beschwerde, selbst wenn die Beschwerde schon als unzulässig verworfen worden ist (RGZ 42/367 [368]); bei einer sofortigen Beschwerde gegen eine A n o r d n u n g des b e a u f t r a g t e n oder ersuchten Richters oder des U r k u n d s b e a m t e n n u r bei dem Prozeßgericht (§ 576), nicht etwa bei dem Beschwerdegericht; bei der sofortigen Erinnerung bei dem Gericht, dessen Rechtspfleger entschieden h a t (§ 104 I I I 1), bei dem Rechtsmittel der B e r u f u n g u n d der Revision bei dem Rechtsmittelgericht ( § § 5 1 9 b l , 525, 554a, 559), bei der Wiederaufnahmeklage dort, wo diese Klage anzubringen ist (§ 584). A I. K a n n die Prozeßhandlung bei verschiedenen Gerichten vorgenommen werden, so k a n n es auch der Wiedereinsetzungantrag, so daß die Prozeßhandlungen auseinanderfallen, etwa wenn bei der sofortigen Beschwerde die sofortige Beschwerde bei dem R e c h t s m i t t e l gericht, der Wiedereinsetzungantrag aber bei dem unteren Gericht gestellt wird, wie u m g e k e h r t (nur müssen dann die jeweils Postulationfähigen, u. U. verschiedene, A n t r a g bzw. Beschwerde einlegen, u n d es müssen auch insgesamt die Fristen gewahrt werden). Andererseits k a n n der Wiedereinsetzungantrag für eine bayrische Revision n u r bei dem B a y O b L G gestellt werden, solange dieses noch nicht den Streit an den B G H verwiesen h a t (vgl. auch § 237 A II). 41
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§237
ZPO I. Buch
A II. Über den Antrag entscheidet das Beschwerdegericht, auch wenn der A n t r a ? bei dem unteren Gericht eingegangen war, der BGH, auch wenn die Revision bei dem BayObLG eingelegt war (vgl. BGH MDR B 257/54). Entscheidet allerdings das BayObLG über ihn und verwirft es die Revision, so ist diese Entscheidung endgültig. Gibt es ihm statt, so dürfte der BGH diese Entscheidung nur nachprüfen, wenn er auch die eigene nachprüfen könnte (§ 238 B I I I b 2). Ob das BayObLG die Vorprüfung vornehmen muß oder nicht, ist gesetzlich nicht festgelegt (BGH a. a. 0 . meinte, daß das BayObLG nicht entscheiden dürfe, so lange es sich nicht für zuständig erachte, auch sachlich über die Revision entscheiden zu dürfen). Aber auch sonst ist die Rechtsmittelinstanz zur Entscheidung über den Antrag berufen, wenn die untere Instanz über ihn nicht entscheidet (BGHZ 7/280) oder ihn abschlägig beschieden h a t . BGH MDR B 453/53 h a t es für zulässig gehalten, daß die Rechtsmittelinstanz über das bei der unteren Instanz gestellte Wiedereinsetzunggesuch mit entschied. B. Das Gericht stellt die beglaubigte Abschrift des Antrags dem Gegner zu (RGZ 84/41 [42]).
§ 238
(216)
I Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholt« Prozeßhandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. II Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozeßhandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu. III Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind. A I. Das Wiedereinsetzungverfahren ist in vielen Fällen die freigestellte mündliche Verhandlung, nämlich im Kostenfestsetzungverfahren (§§ 104 I I I 3, 107 III), im Berufung- und Revisionverfahren (§§ 519b I I 1, 554a II), im sofortigen Beschwerdeverfahren (§§ 573 I, 577) und im gerichtlichen Schiedsverfahren. BVG N J W 58/2011 verlangt vorherige Anhörung des Gegners. A II. In den Fällen, wo Notfristen durch Klageerhebung zu wahren sind (§§ 586 I, 958 I, 1042 d I, 1043 II, 1044 IV, 1044a I I I , vgl. § 221 C I a 1), ist es die notwendige mündliche Verhandlung (§ 128 I), die aber durch das schriftliche Verfahren nach § 128 I I ersetzt werden darf. A III. Im Falle des Einspruchs ist es regelmäßig die notwendige (§ 128), im Bagatellverfahren (§ 510 c) aber auch die freigestellte mündliche Verhandlung. B. Das Verfahren über die Wiedereinsetzung darf abgesondert werden (§ 238 I 2), es darf aber auch verbunden und mit dem übrigen Verfahren zur Entscheidung gebracht werden (§ 238 I). Jedenfalls darf sachlich nur entschieden werden, wenn der Wiedereinsetzung stattgegeben wird, sofern die Notfrist versäumt wurde. B I . Ein Anschlußrechtsmittel bzw. die in erster Instanz erhobene (unselbständige) Widerklage (Kommentar § 33 A I I I c) wird dann ebenfalls unzulässig, wenn das H a u p t rechtsmittel bzw. der Einspruch (doch gibt es keine Anschließung an den Einspruch, § 331a B I I b 3) es sind. Ist indes das Anschlußrechtsmittel als selbständiges zu werten, so ist das unzulässige Hauptrechtsmittel des Gegners noch als Anschlußrechtsmittel aufrechtzuerhalten und darf deshalb nur dann verworfen werden, wenn es auch als solches unzulässig ist. B II. Der Wiedereinsetzungtatbestand (§ 236 B I) ist von gerichts wegen zu prüfen (RGZ 131/261 [263]).
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Folgen der Versäumung • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§238
B III. Entschieden wird regelmäßig durch das Gericht, das über die Prozeßhandlung zu entscheiden hat (§ 237 A II). Hat indes das zuständige Gericht den Antrag übergangen, so ist sein Rechtsmittelgericht zur unmittelbaren Entscheidung darüber berufen (BGHZ 7/280folg.). a) Geht es um die Zulässigkeit der Klage (§ 238 A II), so ist nur durch Urteil zu entscheiden. a 1. Wird die Wiedereinsetzung verneint, so ist die Klage stets kontradiktorisch als unzulässig abzuweisen. a 2. Ist die Wiedereinsetzung zu gewähren, so darf darüber durch Zwischenurteil (§ 303) oder in den Entscheidunggründen des Endurteils entschieden werden. b) Geht es um die Zulässigkeit des Rechtsmittels, so wird durch Beschluß oder Urteil entschieden. b 1. Wird die Wiedereinsetzung gewährt, so wird der verwerfende Beschluß hinfällig, ohne daß es dazu eines besonderen Ausspruchs der Aufhebung der Verwerfungentscheidung bedürfte (RGZ 139/1 [3]). b 2. Die Entscheidung ergeht, wo ohne mündliche Verhandlung entschieden werden darf und entschieden wird, durch Beschluß (RGZ 125/68 [69]). Wird die Wiedereinsetzung gewährt, so ist das Gericht, das sie erläßt, an seine Entscheidung gebunden (§ 318 in entsprechender Anwendung: vgl. BGH NJW 54/880). Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (RG HRR 34/133); wohl aber zugleich mit der Endentscheidung (§§ 512, 548, 583, RGZ 167/213f). Nur in dem Falle des § 554a ist das Revisiongericht gebunden (§ 318 in entsprechender Anwendung: RGZ 125/68 [71]). BGH NJW 56/1518 hat die von der zweiten Instanz gewährte Wiedereinsetzung (an die infolge der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung die erste — vgl. § 565 II in entsprechender Anwendung — und die zweite •— vgl. § 318 — gebunden waren) im späteren Revisionverfahren nachgeprüft und die gewährte Wiedereinsetzung verworfen. Im Verhältnis zu der Wiedereinsetzung durch das BayObLG prüft der BGH nach (BGH LM § 233/42); doch ist dies bedenklich (vgl. § 237 A II). b 3. Wird der Antrag verworfen, so sollte zugleich das Rechtsmittel verworfen werden. Die Praxis lehnt vielfach getrennt die Wiedereinsetzung ab und gewährt dann schon gegen diesen Beschluß die sofortige Beschwerde nach § 519b II (BGH NJW 58/183). Darüber hinaus fordert RG JW 35/295511, daß schon der erste Beschluß mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden muß. Ergeht der die Wiedereinsetzung verneinende Beschluß erst nach der Rechtsmittelverwerfung, so bedarf es der erneuten Verwerfung nicht. Dann ist nur der Angriff gegen den die Wiedereinsetzung verwerfenden Beschluß gegeben (BGH v. 1. 6.1955 IV ZB 46/55). b 4. Nach mündlicher Verhandlung und im Bagatellverfahren (§ 510c) wird durch Urteil entschieden (RGZ 131/261 [263]). Wird dem Antrag stattgegeben, ohne daß zugleich zur Sache entschieden wird, so liegt ein nicht selbständig anfechtbares Zwischenurteil vor (§ 303), an das das Gericht gebunden ist (§ 318), das aber zugleich mit dem Endurteil angreifbar ist (§§ 512, 548, RG LZ 28/757"; a. M. RG JW 34/2617'). Wird der Antrag durch Zwischenurteil zurückgewiesen, so hat BGH v. 18. 6.1953 IV ZR 22/53 die Anfechtung auch gegen das Zwischenurteil gegeben. Ob es so angegriffen werden muß, ist noch nicht entschieden worden. Dies gilt auch, sofern das Gericht durch Zwischenbeschluß entscheidet (vgl. §§ 519b II, 554a II). Wird der Antrag verworfen, so sollte zugleich das Rechtsmittel als unzulässig verworfen werden, weil nämlich die Entscheidungreife eingetreten ist. c) Dieselben Grundsätze wie bei Rechtsmitteln gelten auch im Einspruchverfahren, nur daß hier stets durch Urteil zu entscheiden ist (vgl. § 341) .Wird durch Zwischenurteil auf Wiedereinsetzung erkannt, so liegt eine selbständig nicht anfechtbare Zwischenentscheidung nach § 303 vor (RG N § 237/1). Dies gilt auch, falls fehlerhaft durch (Zwischen-)Beschluß so entschieden werden sollte. c 1. Ist der Einspruch zulässig und der Einsprechende erneut säumig, so ist der Einspruch durch technisch zweites Versäumnisurteil zu verwerfen (§ 345); ist er dagegen unzulässig, so 41'
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§ 238 B in c l
ZPO I. Buch
gilt dasselbe. In beiden Fällen sind sodann Berufung bzw. Revision nach Maßgabe der §§ 513 II, 566 gegeben (RGZ 140/77 [79]). c 2. Aber auch wenn der Gegner des Einsprechenden nicht erschienen ist, ist über die Wiedereinsetzung kontradiktorisch zu entscheiden, nur darf, wenn getrennte Verhandlung angeordnet war (§ 238 II 2), dann allein auf Verwerfung des Antrags (RGZ 140/77 [79]) oder auf dessen Stattgabe erkannt werden (§ 347 II kommt insoweit nicht zum Zuge). Ist keine getrennte Verhandlung angeordnet, so darf sogleich (auf Antrag) zur Sache entschieden werden (u. U. durch Versäumnisurteil), wenn der Antrag zulässig ist, sonst wird er durch Endurteil zurückgewiesen (vgl. RG J W 95/200 10 , § 331 II). Wird der Antrag verworfen, so gibt es wiederum keinen Einspruch (§ 238 I I 2), sondern nur das Rechtsmittel nach §§ 513 II, 566. B IV. Auch die Rechtsmittclinstanz prüft von sich aus, ob eine gewährte Wiedereinsetzung zu Recht besteht (OGH N J W 50/823 3 ). a) Wird dem Angriff gegen die Verwerfung stattgegeben, so wird die Wiedereinsetzung für begründet erklärt, die angegriffene Entscheidung aufgehoben und der Rechtstreit zur sachlichen Entscheidung von der Revisioninstanz aus zurückverwiesen (RG Warn. 18/17), während die Berufunginstanz unmittelbar entscheiden darf (§§ 538 1 1, 539, 540). Jedenfalls ist die Wiedereinsetzung unmittelbar auszusprechen (RGZ 70/121 [127]; a. M. RG v. 10. 2. 1919 VI LZ 888 36 ). b) Wird dem Antrag nicht stattgegeben, so ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Fünfter Titel Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§ 239
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I Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. II Wird die Aufnahme verzögert, so sind auf Antrag des Gegners die Bechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache zu laden. III Die Ladung ist mit dem den Antrag enthaltenden Schriftsatz den Rechtsnachfolgern selbst zuzustellen. Die Ladungsfrist wird von dem Vorsitzenden bestimmt. IV Erscheinen die Rechtsnachfolger in dem Termin nicht, so ist auf Antrag die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden anzunehmen und zur Hauptsache zu verhandeln. V Der Erbe ist vor der Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet. A I. Der 5. Titel betrifft nur den Lauf der Fristen im anhängigen Verfahren, nämlich den der prozessualen im engen Sinne, also soweit es sich nicht u m die sog. uneigentlichen Fristen handelt (§ 221 B, so daß im besonderen die laufende Fünfmonatefrist der §§ 516, 552 nicht unterbrochen wird: RGZ 122/51). B I a 1. In Ehesachen erledigt sich mit dem Tod eines Ehegatten (abgesehen von der Nichtigkeitklage) der Rechtstreit in der Hauptsache (§§ 628, 636); diese Folge t r i t t unabhängig davon ein, ob der Rechtstreit unterbrochen wird oder nicht. a 2. In Kindschaftsachen gilt dasselbe nach § 640 I, wenn das Kind stirbt, a 3. Auch in Entmündigungsachen wird mit dem Tod des zu Entmündigenden der Streit in der Hauptsache erledigt. Stirbt der Antragsteller des § 646 I oder verliert er die ihn legiti-
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§ 239 b i a e
mierende Eigenschaft, so muß das amtsgerichtliche V?rfahren eingestellt werden, falls kein legitimierter Antragsteller mehr vorhanden ist. Im Klageverfahren erledigt sich dagegen die Hauptsache. b) Das entsprechende gilt von der Verfolgarg höchstpersönlicher Anspräche (vgl. B G B §§ 1 0 6 1 , 1 0 6 3 I, 1090 II), sofern nicht das Gesetz mit der Klageerhebung diese in unpersönliche umwandelt (vgl. B G B §§ 847 I 2, 1300 II). c ) I m Aufgebotverfahren (§§ 946folg.) gelten die Vorschriften bis auf § 245 nicht. B II. Die Vorschriften des 5. Titels gelten auch bei den freigestellt mündlich zu verhandelnden Verfahren, a) im (selbständigen) Beschwerdeverfahren (§ 573 I, RGZ 30/409), b) in Arrest- und einstweiligen Verfügungstreiten (§§ 921 1, 937 I I , 942 I V ; vgl. OLG LZ 10/246 5 f.); doch ist hier die Aussetzung des Verfahrens in den Fällen der §§ 148, 149 wegen der Dringlichkeit nicht statthaft (OLG B a d R P r . 26/69 3 1 ). c) Auch das Mahnverfahren unterliegt dem 5. Titel. c 1. Stirbt der nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene Gläubiger (vgl. sonst § 253 F I I a 3) nach der Absendung des Antrags an das Gericht, so muß der Zahlungbefehl neu zugestellt werden. Geschieht dies innerhalb der Frist des § 701, so wird die Frist des § 693 I I als gewahrt angesehen werden können, gleichviel ob der Schuldner widerspricht oder nicht. Doch müssen die Rechtsnachfolger des verstorbenen Gläubigers schon in der Frist des § 701 den Antrag auf Erlaß des Vollstreckungbefehls stellen bzw. wenn der Schuldner widersprochen hat, ihm innerhalb dieser Frist den Schriftsatz, welcher die Rechtsnachfolge erklärt und der den Zahlungbefehl ergänzt, zustellen lassen, weil insoweit das Mahnverfahren noch in Ordnung zu bringen ist. Soweit der Gläubigernachfolger den Zahlungsbefehl ergänzen muß, muß er sein Rechtsnachfolgeverhältnis darlegen. Dieser Schriftsatz ist an den Schuldner mit der Aufforderung, an den neuen Gläubiger zu zahlen, zu richten. H a t der Schuldner Widerspruch erhoben und will er das Verfahren betreiben, so muß er den Rechtsnachfolger zur Aufnahme auffordern (§ 239 I I , vgl. § 239 G) und darf dann nach Abschluß des Aufnahmeverfahrens Terminanberaumung nach § 696 I 1 fordern. Stirbt vor Zustellung des Zahlungbefehls der Schuldner, so muß seinen Rechtsnachfolgern neu zugestellt werden. Wenn die Wirkung des § 693 I I nicht verloren gehen soll, muß innerhalb der Frist des § 701 den Rechtsnachfolgern zugestellt und gegen sie Vollstreckungsbefehl beantragt werden, falls sie nicht im gleichen Zeitraum schon widersprochen haben; denn die Frist des § 701 wird von der Unterbrechung nicht berührt. Stirbt der Schuldner nach Zustellung des Zahlungbefehls, so wird das Mahnverfahren nach § 239 unterbrochen. Aufgenommen wird es dann dadurch, daß der Gläubiger den Rechtsnachfolger des Schuldners nach § 239 I I zur Aufnahme zwingt, falls der Rechtsnachfolger nicht selbst aufnimmt. Erst nach Beendigung dieses Zwischenverfahrens (vgl. § 239 H I I I ) darf dann der Gläubiger den Antrag auf Erlaß des Vollstreckungbefehls gegen den Rechtsnachfolger des Schuldners stellen. c 2. Gerät der Gläubiger in Konkurs, so kann der Konkursverwalter das Verfahren aufnehmen und, wenn er es ablehnt, der Gemeinschuldner oder der Schuldner. Doch läuft die Frist des § 701. Gerät der Schuldner in Konkurs bevor der Zahlungsbefehl zugestellt ist, so ist die Zustellung an den Gemeinschuldner bedeutunglos (KO § 7), die an den Konkursverwalter ist es nach KO § 12. d) I m Armenrechtsverfahren gelten §§ 245, 247, 251; im übrigen ist zu unterscheiden, ob es an einen schon anhängigen oder einen noch nicht anhängigen Prozeß anknüpft. d 1. I m anhängigen Streit gehören gerichtliche Handlungen, die auf ein Armenrechtsgesuch ergehen, zur Hauptsache, d. h. sie sind von der Unterbrechung bzw. der Aussetzung betroffen (RG N §§ 114—127/3). Stirbt die arme Partei, so wird das Armenrechtsverfahren erledigt (§ 122). d 2. Ist das Hauptverfahren rechtskräftig abgeschlossen, läuft aber ein Armenrechtsverfahren, so wird es zwar im Fall des Todes der armen Partei erledigt (§ 122), besteht indes die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so wird sie nicht dadurch zer-
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§ 2 3 9 B II d 2
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schlagen, daß das Armenrechtverfahren erledigt ist; sondern erst dadurch, daß nunmehr von den Rechtsnachfolgern schuldhaft die Fortsetzung des Verfahrens verabsäumt wird. Der Fall des § 242 liegt entsprechend. Ergibt sich diese Rechtslage bei einem sonst nach § 240 erheblichen Ereignis, so wird das Armenrechtsverfahren unterbrochen; doch muß der Konkursverwalter, wenn er es nicht aufnehmen kann (vgl. § 114 III), unverzüglich den Wiedereinsetzungsantrag stellen, weil er ihm sonst verloren geht (§ 233 C II b). Kann er indes nach § 114 III das Armenrechtsgesuch verfolgen, so wird er unverzüglich die Armenrechtsunterlagen beibringen müssen (BGHZ 9/308; § 233 C I c 2). Ergibt sich in solchem Fall ein Unterbrechungsereignis nach § 241 und wird auch hier das Hauptverfahren nicht mehr unterbrochen, so wird davon das Armcnrcchtsverfahren grundsätzlich nur dann noch berührt, wenn nicht entschieden werden kann (vgl. § 249 C II c), sondern — ausnahmsweise — noch Prozeßhandlungen vorzunehmen sind. In diesem Falle gilt das zu § 240 Gesagte entsprechend. In allen Fällen muß aber auch die Jahresfrist des § 234 III gewahrt werden, die durch die Unterbrechung so wenig berührt wird wie die des § 234 I, II. d 3. Im noch nicht anhängigen Prozeß wird das Armenrechtsverfahren erledigt. e) Bei dem Kostenfestsetzungverfahren (vgl. §§ 103folg.) sind zwei Fälle zu unterscheiden: ist bereits der Hauptprozeß unterbrochen oder ausgesetzt, so bezieht sich dies auch auf das Kostenfestsetzungverfahren als Unterverfahren (OLG LZ 25/972®); ist aber das Hauptverfahren wieder aufgenommen, so gilt dies ohne weiteres auch für das Kostenfestsetzungverfahren ; wird aber nur das Kostenfestsetzungverfahren wieder aufgenommen, so erstreckt sich die Wirkung doch auch auf das Hauptverf ahren; möglich ist allerdings, daß dies die Parteien und das Gericht übersehen und daß sodann das Hauptverfahren tatsächlich ruht (vgl. dazu § 251 a C). e 2. Im Falle des Konkurses des Kostengläubigers (§ 240) wird das Verfahren unterbrochen (RG Gruch. 44/1169), bis es der Konkursverwalter aufnimmt; ist der Kostengegner Gemeinschuldner geworden, so muß der Ablauf des Prüfungtermins abgewartet werden und bei etwaigem Widerspruch nach KO § 146 III vorgegangen werden (was unpraktisch ist; der Konkursverwalter wünscht regelmäßig den Nachweis der festgesetzten Kosten, und praktisch wird so häufig die Festsetzung noch oder bis zu Ende entgegen § 240 betrieben). f ) Das Beweissicherungsverfahren (§ 490 I) wird ebenfalls weder unterbrochen, noch ist es aussetzbar (vgl. § 494 B). g) Im Vollstreckungverfahren gibt es grundsätzlich weder das Ruhen noch die Aussetzung noch die Unterbrechung (KG JW 34/472), auch nicht im Beschwerdeverfahren (OLG JW 33/1538®). Allerdings kann es der Gläubiger jederzeit ruhen lassen (OLG Seuff. 57/133). Andererseits gibt das Vollstreckungrecht dem Schuldner Möglichkeiten, die Durchführung der Vollstreckung zu hemmen (vgl. § 704 H). g 1. Auf Seiten des Schuldners ist § 239 durch § 779 ersetzt (OLG 4/153). g 2. Im Konkurs des Gläubigers wird seine Vollstreckungmaßnahme wirkunglos, soweit der Konkursverwalter die Verfügungmacht erhält (KO §§ 1, 6). Ob hier allerdings eine Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf den Konkursverwalter nötig wird oder ob der Konkursverwalter nur einzutreten braucht, ist streitig (vgl. § 727 B IV b 3). Macht der Schuldner Konkurs und ist der Gläubiger Konkursgläubiger (KO § 3), so ist die Vollstreckung einzustellen (vgl. KO § 14). Ist dagegen der Gläubiger Massegläubiger, zur Aussonderung oder zur Absonderung berechtigt, etwa als Hypothekengläubiger, der auch Mietzinsen (mit besonderem Rang) gepfändet hatte (RG Warn. 15/62; a. M. RGZ 52/138), oder als Pfändungpfandgläubiger gemäß KO § 49 I 2 beteiligt (OLG 19/93), so berührt die Konkurseröffnung das Verfahren nicht. Darüber, ob dann die Vollstreckungklausel für oder gegen den Konkursverwalter umzuschreiben ist, vgl. § 727 B IV b 3; doch gilt in all diesen Fällen auch KO § 15. Nur im Nachlaßkonkurs ist dies nach KO § 221 anders. Über weitere Vollstreckunghindernisse vgl. § 704 H II. g 3. Die Prozeßfähigkeit des Schuldners (bzw. seine gesetzliche Vertretung) ist erheblich, wo von ihm prozessuale Handlungen gefordert werden (vgl. §§ 807, 883, 887, 888, 890) oder wo ihm gegenüber eine Handlung vorzunehmen ist (§§ 829, 857, KG KGB1. 09/84) oder sie sich
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U n t e r b r e c h u n g u n d Aussetzung des Verfahrens
§ 239
B Ii g 3
gegen seine Person richtet (§§ 899folg.) oder sein Gehör Torgeschrieben ist (§ 891), aber auch sonst, da er Einwendungen gegen die Vollstreckung erheben können m u ß . Der Gläubiger m u ß die Legitimation des prozeßfähigen Schuldners bzw. seines gesetzlichen Vertreters überall dort nachweisen, wo er sich gegen die Person des Schuldners w e n d e t oder eine Mitwirkung von i h m in anspruch n i m m t , w ä h r e n d der Schuldner überall durch sich selbst oder durch seinen nicht legitimierten Vertreter auf seine Prozeßunfähigkeit a u f m e r k s a m m a c h e n darf (vgl. auch § 579 I 4). Das Hindernis ist von gerichts wegen zu beachten (OLG J W 16/521®). g 4. Auf Seiten des Schuldners gibt § 242 keinen U n t e r b r e c h u n g s g r u n d (OLG 6/144). g 6. § 247 gilt, soweit ein gerichtliches Verfahren in b e t r a c h t k o m m t , u n d zwar schon dann, wenn der Schuldner das Gericht a n r u f e n will, aber es nicht a n r u f e n k a n n . h) I m schiedsrichterlichen Verfahren, also soweit es sich außerhalb des Gerichts abspielt, gilt der f ü n f t e Titel n i c h t (RGZ 62/24 f ü r den Fall des Konkurses), wohl aber f ü r das gerichtliche Verfahren, etwa bei der Mitwirkung zur E r n e n n u n g eines Schiedsrichters (vgl. §§ 1029 I I , 1031 I 2 u n d OLG 13/246) oder im gerichtlichen A u f h e b u n g s t r e i t . i) D a s Konkursverfahren wird durch den Tod des Gemeinschuldners oder eines Gläubigers nicht b e r ü h r t ; der Wegfall des Verwalters u n t e r b r i c h t es rechtlich nicht, der E i n t r i t t einer Nacherbfolge ist gleichgültig, eine Aussetzung wie das R u h e n des Verfahrens sind nicht zulässig, a u c h § 247 ist u n a n w e n d b a r . k) D a s entsprechende gilt f ü r das Vergleichsverfahren. Stirbt hier der Vergleichschuldner, so m u ß das Verfahren in das Nachlaßvergleichsverfahren übergeleitet werden. B III a) Unterbrochen wird a u c h noch das Verfahren in der Revisioninstanz (RG J W 32/168 4 ), aber auch das n a c h Erledigung der H a u p t s a c h e (OLG 21/177f.); oder das E r g ä n zungverfahren nach §§ 321, 716. b) D a s Zustellungverfahren (§§ 166folg.) unterliegt besonderen Normen. E s k a n n n i c h t ausgesetzt oder z u m R u h e n gebracht werden. Die U n t e r b r e c h u n g aber folgt besonderen Regeln. b 1. Einer nicht mehr existierenden (toten) Partei k a n n nicht u n m i t t e l b a r zugestellt werden. Eine Ersatzzustellung wirkt nicht, a u c h nicht zu Lasten der Rechtsnachfolger, weil sie nicht als Zustellungempfänger g e n a n n t sind. b 2. I m Konkurs hindert die Postsperre n a c h K O § 121 zwar die Zustellung durch die P o s t (vgl. § 195 B 1), n i c h t aber die durch den Gerichtsvollzieher oder den G e r i c h t s w a c h t meister. K a n n die Zustellung so bewirkt werden, d a n n gilt sie. b 3. Ist die Partei, an die zugestellt werden soll, nicht prozeßfähig, so m u ß sie einen gesetzlichen Vertreter h a b e n (§ 171 I), sonst scheitert die Zustellung schlechthin. W i r d einem falschen gesetzlichen Vertreter zugestellt, so wirkt die Zustellung (bei E n t d e c k u n g ) n i c h t gegen die Partei. b 5. Der Zustellungprozeß ist dem Anwaltzwang nicht u n t e r w o r f e n (vgl. § 166 E II). D a r a u s folgt, d a ß er durch den Wegfall des Anwalts n i c h t unterbrochen wird. § 244 I wird insoweit ersetzt durch §§ 177, 210a. b 8. Der Stillstand der Rechtspflege ( § 245) hindert die Zustellung nicht, wohl aber der Stillstand der Zustellungen, weil sie d a n n tatsächlich n i c h t bewirkt werden k ö n n e n . Hiervon gibt es n u r eine A u s n a h m e in § 195 a. c) D a r ü b e r , d a ß die Fristen des § 234 (grundsätzlich) nicht von der Unterbrechung (vgl. aber SchutzVO A r t . 3 1 2 ) oder Aussetzung des Verfahrens berührt werden, vgl. §234 A. Über die Einwirkung unterbrochener Armenrechtsverfahren vgl. § 239 B I I d 2. D. Nach § 239 I wird das Verfahren durch den Tod einer physischen (Natural-)Partei unterbrochen. D I. Nicht unterbrochen wird das Verfahren, wenn die P a r t e i durch einen Prozeßbevollmächtigten v e r t r e t e n ist (§ 246) u n d wenn sie durch einen gesetzlichen Vertreter v e r t r e t e n wird, der n i c h t zugleich m i t ihr wegfällt (§ 246 A I I I ) , also i m besonderen durch einen Ab-
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§239 d i
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wesenheitpfleger (BGB § 1911, RG J W 95/323«); in den Fällen der Nachlaßpflegschaft, der Nachlaßverwaltung und des Nachlaßkonkurses gelten §§ 243, 241 II, welche § 239 ausschließen. D II. Unterbrochen werden kann nur ein anhängiges (§ 263 A I a) Verfahren. Anhängig wird das Verfahren mit dem Angehen des Gerichts, schon mit dem Zeitpunkt, wo der Kläger sich der Klage-(Antrags-)schrift begibt. Von da ab kann für und gegen den Kläger unterbrochen werden; für das Gericht mit dem Zugang, für den Beklagten (Antragsgegner) von der Rechtshängigkeit an (§ 263 B); die h. M. hält indes noch den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit gleichmäßig für beide Parteien für maßgebend (§ 50 B I b 2). Über den E i n t r i t t des Todes vor diesem Zeitpunkt vgl. § 50 B I b. D III. § 239 I trifft den Tod der physischen Person bzw. a) ihre Todeserklärung. b) Bei der Auflösung einer juristischen Person in den Ausnahmefällen, wo in ihr Vermögen Gesamtrechtsnachfolge stattfindet, wendet die h. M. § 239 entsprechend an (RG J W 36/2305 3 ) u n d bei der Vermögensübertragung der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer bergrechtlichen Gewerkschaft, soweit sie juristische Person ist, der GmbH auf eine physische Person. b 1. Ein wahrer Unterbrechunggrund liegt in diesen Fällen gar nicht vor. b 2. Auch sonst h a t die Rechtsprechung § 239 nicht angewandt, wenn eine Gesellschaftform in eine andere gewechselt wird (RGZ 155/350 [354]) oder bei Verlust der Rechtsfähigkeit (RG J W 34/2845 4 ), bei Eintritt der Liquidation (RGZ 45/340); soweit hier Aktien auf einen anderen übertragen sind, kommt § 266 zum Zuge (RG JW 01/317f.; a. M. RG JW32/175 1 1 ). c) Bei den Gesamtparteien (vgl. § 50 B III) wird das Verfahren nicht unterbrochen, wenn ein Glied der Gesamtpartei entfällt (RG J W 07/515f.) oder die Gesamtpartei in ihre Glieder zerfällt (RGZ 124/146 [150]). d) Bei dem Wegfall einer sog. Partei kraft Amtes (§ 50 B IV) wechselt d 1. nach der hier vertretenen Ansicht nur der gesetzliche Vertreter, so daß nach § 241 zu entscheiden ist. Die gesetzliche Vertretung (nach h.M. das „ A m t " ) ist aber für Abwicklungprozesse noch nicht beendet (vgl. RGZ 59/87). d 2. Dasselbe gilt, wenn an Stelle des Testamentvollstreckers der Erbe nach Wegfall des Amtes t r i t t (a. M. RGZ 155/354); entsprechendes gilt im Falle des Konkurses (RGZ 73/312 [314]), in dem der Nachlaßverwaltung (RG J W 30/2047 8 ), in dem der Zwangsverwaltung feindlichen Vermögens (RG N §§ 239/256/1). Anders ist es nach dem Gesetz mit Konkurseintritt. Das Gesetz mißtraut dem Gemeinschuldner; von einer freiwilligen Übergabe an den Konkursverwalter kann keine Rede sein, während im umgekehrten Falle kein Anlaß dafür vorliegt, den Konkursverwalter zu hindern, schwebende Angelegenheiten dem wieder frei gewordenen Gemeinschuldner zu übertragen. In den Fällen, wo der „Amtsträger" wechselt, wird von der h. M. § 241 angewandt (RG J W 15/34). e) Der Übergang der Verfügungmacht auf den überlebenden Gatten bei den fortgesetzten Gütergemeinschaften beruht auf dem Tod des anderen Gatten. Diese Fälle gehören unter § 239 I. E. Die Unterbrechung (usw.) wirkt in der Person dessen, bei dem der Unterbrechunggrund hervortritt. E I. Bei gewöhnlichen Streitgenossen wirkt die Unterbrechung singulär, d. h. nur im Verhältnis des Toten zu seinem bzw. seinen Prozeßgegnern und nicht zu der eignen Parteiseite, also in bezug auf eigene (selbstständige) Streitgenossen (RGZ 51/94f.). oder auf Streitgenossen des Gegners, zu denen die weggefallene Partei in keinem Verhältnis steht. Sind so mehrere Streitgenossen vorhanden, so wird das Verfahren durch die Unterbrechung kraft Gesetzes getrennt (vgl. § 145). a) Ob dies auch bei notwendiger Streitgenossenschaft so ist, sollte nur von der Frage abhängen, ob, wenn nicht verbunden geklagt werden würde, dies noch zulässig wäre, wie dies in der Regel der Fall ist (§ 62 B I). Nur dort, wo die getrennt erhobene Klage gegen mehrere Streitgenossen nicht ohne (endgültigen) Rechtsnachteil durchgeführt werden könnte, unter-
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§239 Ela
bricht der Tod. Darüber hinaus tendiert hier die h. M. dahin, daß der Tod eines notwendigen Streitgenossen das Verfahren schlechthin unterbricht (vgl. § 240 E I I I a). b) Entsprechend wirkt die Aufnahme singulär (OLG 27/28). E II a) Der Tod des selbständigen Streithelfers (§ 69) wird so wie der des notwendigen Streitgenossen (§ 62) behandelt, gegen den einheitlich entschieden werden muß (also wie im Ausnahmefall zu § 239 E l a , b). b 1. H a t t e sich der unselbständige Streitgehilfe neben der Hauptpartei beteiligt, so zwingt sein Wegfall die Hauptpartei, wenn sie sich später auf die Wirkung des § 68 berufen will, zur Streitverkündung an den Rechtsnachfolger des Streitgehilfen (§§ 72, 74 III). Solange die Rechtsnachfolge nicht geklärt ist, so daß der Rechtsnachfolger nicht in den Streit gezogen werden darf, sollte man es zulassen, den Streit, bis dies möglich ist, auf Antrag der H a u p t partei auszusetzen. b 2. H a t t e der unselbständige Streithelfer sich (in der höheren Instanz oder nach einem Einspruch) nicht (mehr) beteiligt, so sollte man ihn wie einen Streitverkündeten behandeln, der nicht beigetreten ist. Nur darf hier gegen ihn keine Kostenentscheidung ergehen, weil er insoweit eigene Rechte hat (vgl. § 67 D). b 3. Betrieb aber der unselbständige Streithelfer allein den Prozeß (etwa in der Rechtsmittelinstanz), so wird zwar kein Recht auf Aussetzung begründet, doch muß seinem Anwalt Gelegenheit gegeben werden, sich mit der Hauptpartei wie mit den Rechtsnachfolgern des Streithelfers in Verbindung zu setzen, da er nicht in eine Zwangslage gebracht werden darf (es entsteht also ein Vertagungrecht). Ist der Streithelfer selber postulationfähig, so wird mit seinem Tod regelmäßig ein Fall des § 244 eintreten, der auch zugunsten des Streithelfers wirkt. E III. Der Tod des Streitverkündeten (§ 72) vor der Zustellung der Streitverkündung läßt diese scheitern. Der nach ihr ist einflußlos und übt die Wirkung der §§ 74 I I I , 68 auch gegenüber dem Rechtsnachfolger aus (§ 74 B II). F. Die Darlegung- und Beweislast (§ 138 A II) dafür, daß das Verfahren nicht unterbrochen ist, hat der Kläger. F I. Will das Gericht die Unterbrechung verneinen, so muß es darüber im Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung (§ 128 G III) auf Grund dieser entscheiden (OLG H R R 30/2107). Es darf hierüber abgesondert verhandeln lassen (vgl. §§ 274 II 7, 275 I) und Zwischenurteil erlassen (§ 303), das nach § 275 I I selbständig anfechtbar ist (auch wenn nicht abgesondert verhandelt wurde); doch darf es auch zugleich in der Sache selbst erkennen (vgl. dazu § 275 B III). F II. Bejaht dagegen das Gericht den Eintritt der Unterbrechung, so wird es dies durch Beschluß festzustellen haben, da die (unrichtige) Bejahung eine Aussetzung darstellt und die Entscheidung hierüber nach § 248 I I nicht der mündlichen Verhandlung bedarf. Insoweit muß dann aber auch § 252 anwendbar sein, und zwar selbst dann, wenn das Gericht die Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung trifft und durch Zwischenurteil entscheidet. G I. Aufgenommen werden kann der Rechtstreit nur vom Rechtsnachfolger (§ 239 G I I a) des Verstorbenen, nicht von seinem Gegner. Über die Form der Aufnahme des Verfahrens vgl. § 250 A, über den Antrag § 239 J I I a. Der Gegner kann ihn nur zur Aufnahme laden lassen (§ 239 II). Über dieses Verfahren vgl. § 239 J . G II a) In § 239 I versteht das Gesetz unter R«chtsnachfolger den, der durch den Tod der bisherigen Partei in ihre Parteistellung einrückt, d. i. der, welchen der positive bzw. der negative außerprozessuale Anspruch (vgl. § 253 B I I c 1) betrifft. a 1. Nach auBerprozessualem Recht t r i t t mit dem Verlust der Rechtsfähigkeit einer Person eine andere an ihre Stelle (vgl. BGB § 1922 I, 1942 I), bei der Erbfolge u. U. mit rückwirkender K r a f t . Ein unterbrochenes Verfahren darf in der Schwebezeit gegen den Erben nicht aufgenommen werden (RGZ 60/179 [181]); hier kann sich der Gegner nur dadurch helfen, daß er einen Nachlaßpfleger bestellen läßt (vgl. BGB § 1961). Das Vorbringen der Einrede
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des B G B §§ 2014, 1015, 1489 I I hat mit diesem Schwebezustand nichts zu tun und hindert die Aufnahme nicht (vgl. auch §§ 305, 782). a 2. Für das Prozeßrecht kommt es entscheidend darauf an, auf wen durch den Tod unmittelbar der außerprozessuale positive oder negative Anspruch übergeht (RGZ 34/427 folg.), regelmäßig ist dies der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger ( B G B § 1922 I). Dies gilt auch für Popularklagen, etwa für die Patentnichtigkeitklage (RG J W 06/206 3 1 ). Rechtsnachfolger (an Stelle der sonstigen Erben) ist der Hoferbe, soweit der Streit das Hofvermögen betrifft; es ist die fortgesetzte Gütergemeinschaft ( B G B §§ 1487 I, 1483) an Stelle der sonstigen Erben, wenn sich der Streit auf ein an die fortgesetzte Gütergemeinschaft gefallenes Recht bezieht (RGZ 148/243 [245]). Das entsprechende gilt im Falle des Übergangs vom Vorerben auf den Nacherben nach § 242, und ähnlich ist die Rechtslage bei wechselnder Verfügungbefugnis (vgl. aber § 239 D I I I e). Rechtsnachfolger ist aber auch der Eigentümer an Stelle des Nießbrauchers bei einem Streit des Nießbrauchers mit einem dritten, soweit der Nießbraucher Rechte aus B G B § 1065 (positiv oder negativ sich auswirkend) geltend gemacht hatte. W a r eine Abtretung an einen Gläubiger auflösend durch den Tod bedingt, so tritt an seine Stelle der Abtretende bzw. eine für diesen Fall erwerbende Ersatzperson. a 3. Dagegen liegt kein unmittelbarer Übergang infolge des Todes im Verhältnis zum Vermächtnisnehmer vor und auch nicht im Verhältnis zum Erbschaftkäufer. Führte der Erblasser einen Streit mit dem Versicherer, so tritt nicht der durch seinen Todesfall Begünstigte an seine Stelle, da dieser nicht in die Rechtstellung des Versicherungnehmers eintritt (RGZ 54/94), Rechtsnachfolger bleibt hier der Erbe, unabhängig davon, ob er der Begünstigte ist. Auch nicht der sonstige durch Rechtsgeschäfte erwerbende Einzelrechtsnachfolger ( B G B §§ 398folg.), selbst wenn er den Anspruch durch Abtretung vor dem Tode des Gläubigers erworben hatte (RG Warn. 39/23), ist Rechtsnachfolger i. S. des § 239 I , wie auch nicht der Gläubiger, welcher den Anspruch (vor dem Tode des Schuldners) pfänden und sich überweisen ließ (KG H R R 38/1558). Auch wenn der Nießbrauch entfällt und damit sonst die Eigentümer an dessen Stelle treten, tritt der Erbe des Nießbrauchers für die dem Nießbraucher bereits zugefallenen Nutzungen an seine Stelle. b) Der geltend gemachte außerprozessuale Anspruch kann sich durch den Tod erledigen; dann besteht nur noch die Aufnahmemöglichkeit wegen der Kosten. b 2. Tritt eine solche Erledigung nur in bezug auf einen mehrerer Streitgenossen derart ein, daß einer Rechtsnachfolger des Gegners wird, dann ist eine Aufnahme von ihm nur im Verhältnis zu den übrigen Streitgenossen zulässig (RG Warn. 09/221). W a r er Streitgehilfe des Gegners, so liegt in der von ihm betriebenen Aufnahme zugleich die Lösung von der Streitgehilfenschaft (vgl. § 66 A I I c 2). Der Wirkung der §§ 68, 74 I I I kann sich die Partei trotz Seitenwechsels nicht entziehen (vgl. § 68 A I I b). c ) Ob bei einer Mehrheit von Rechtsnachfolgern alle bei der Aufnahme beteiligt sein müssen oder es auch nur einer sein kann, richtet sich nach der außerprozessualen Stellung, die sie haben. I m Regelfall der Erbnachfolge genügt die durch einen Miterben (vgl. B G B §2039, B G H Z 14/251). Gleichviel aber ob einer oder alle aufnehmen müssen, die Aufnahmehandlung selbst wirkt nur für und gegen die, welche aufgenommen haben bzw. welchen gegenüber aufgenommen worden ist (RG J W 98/280 1 3 ). G III. Wurde ein Verfahren als unterbrochen angesehen, weil eine noch lebende Partei für tot erklärt oder als tot behandelt wurde, so ist das Verfahren überhaupt nicht unterbrochen worden. Wurde es indes nach § 246 ausgesetzt, so muß die Aussetzung so beseitigt werden (vgl. B G H v. 8. 4. 1953 I I Z R 58/53 zu Ziff. 2), wie dies auch sonst geschieht. H. Aufgenommen wird das Verfahren durch einen Schriftsatz (§ 250), und zwar in der Instanz, wo das Verfahren unterbrochen oder ausgesetzt war; hatten es falsche Rechtsnachfolger aufgenommen und schwebt es in einer höheren Instanz, so dennoch in der unteren (RGZ 45/359 [362]), wenn die Prozeßführung nicht genehmigt wird oder nicht genehmigt werden kann. Mit jeder Aufnahmehandlung (vgl. § 250 B I) des Rechtsnachfolgers endet die Unterbrechung. Dies kann vor der Entscheidung, in dem Verfahren mit mündlicher Verhand-
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§239H
lung vor dem Termin, geschehen, auch vor dem, der auf Veranlassung seines Gegners nach § 239 II, um ihn zur Aufnahme zu bringen, anberaumt worden ist. Wird von dem Geladenen aufgenommen, so bedarf es keiner besonderen Entscheidung darüber, sondern es wird zur Hauptsache verhandelt (KG OLG 21/77 f.). H I. Bei Streit über die Rechtsnachfolge hat der Rechtsnachfolger sie darzutun und zu beweisen. H II a) Wird die Rechtsnachfolge bejaht, so darf über die Aufnahme durch Zwischenurteil (§ 303) oder in den Gründen des Endurteils erkannt werden (RGZ 46/320). b) Verneint das Gericht die Rechtsnachfolge, so wird der Prätendent durch Urteil, das Endurteil ist (§ 300), aus dem Rechtstreit verwiesen (RGZ 46/320 [322]), das mit den gewöhnlichen Rechtsbehelfen angreifbar ist und, wenn es rechtskräftig wird, nur noch eine neue Aufnahme durch andere (RGZ 45/359 [362]) oder mit nicht präjudizierten Klagegründen zuläßt. H III. Wird ein Verfahren in der Zwischeninstanz (nach Erlaß des Endurteils, aber vor Einlegung des Rechtsmittels) ausgesetzt oder unterbrochen, so gehört die Aufnahme zur unteren Instanz, die durch Ergänzungurteil darüber zu entscheiden hat (RGZ 68/247 [255]). Dieses ergeht auch, wenn trotz Unterbrechung ein Sachurteil ergangen war und dann das Ergänzungurteil erlassen wird, das es bestätigt (RG JW 24/1986®). Erkennt die untere Instanz auf Zulassung des Rechtsnachfolgers, so sind beide Urteile zusammen anzugreifen, das sachliche wie das zulassende (RG JW 24/198619). Dasselbe gilt, wenn der Rechtsnachfolger zurückgewiesen wird und er, wäre er nicht zurückgewiesen, durch das sachliche Urteil beschwert ist. Beschwert ihn das sachliche Urteil nicht, so muß es der Gegner zumindest eventuell angreifen, wenn er sich nicht mit ihm abfinden will. Soweit beide Urteile zusammen angegriffen werden, steht dem § 537 nicht entgegen (RGZ 140/348 [352], Seit Zustellung der Aufnahme läuft die neue Rechtsmittelfrist. Ob man es zulassen darf, daß bei bestehender Beschwer sogleich die höhere Instanz angegangen wird, kann zweifelhaft sein (RGZ 88/207 hat das Rechtsmittel gegen ein während der Unterbrechung ergangenes Urteil zugelassen). Da die Fragen der Rechtsnachfolge im allgemeinen nicht schwer zu klären sind, sollte man es zulassen. Ist dann die Rechtsnachfolge zu verneinen, so ist das Rechtsmittel mit dieser Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, wenn dieser Entscheidung dann auch eine andere Aufnahme nicht entgegensteht. H IV. Verhandelt der Aufnehmende nicht, so wird er auf Antrag durch Versäumnisurteil bei Bestreiten der Rechtsnachfolge aus dem Streit gewiesen; ist die Rechtsnachfolge unstreitig, so wird durch sachliches Versäumnisurteil erkannt. Verhandelt der Gegner des Aufnehmenden nicht, so ergeht auf Antrag sachliches Versäumnisurteil, wenn es nicht nach § 330 II zur kontradiktorischen Klageabweisung kommt. Wird, anstatt Versäumnisurteil zu nehmen, Aktenlageentscheidung beantragt, so müssen die Voraussetzungen für sie nach §§331a, 251a gegeben sein. Erscheinen beide Parteien nicht, so gilt § 251a. J. Nach § 239 II hat der Gegner das Recht, den Rechtsnachfolger zur Aufnahme zu zwingen. Der Gegner hat in diesem Fall nicht das Recht, den Streit unmittelbar aufzunehmen (RG JW 95/1023). Vielmehr klagt er auf Abgabe der Aufnahmeerklärung, die mit Rechtskraft der Entscheidung bewirkt ist (vgl. § 894 A II b 1). Erst von da ab laufen die Fristen wieder (§ 249 B II c). J I. Das Recht steht dem Gegner nur zu, wenn der Rechtsnachfolger die Aufnahme verzögert, bei Erben also nach Ablauf der Frist des BGB § 1958 (§ 239 V). Die Aufnahme setzt also Kenntnis des Rechtsnachfolgers vom Erbfall bzw. von der Rechtsnachfolge und Kenntnis vom Prozeß voraus. J II. Das Gericht muß auf Antrag des Gegners Termin anberaumen (§ 216) und den Rechtsnachfolger laden (§§ 214, 215), sofern der Streit zur Hauptsache in einem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung auszutragen wäre (§ 128 G III). a) Der dem Gericht gegenüber abzugebende, entsprechend § 271 widerrufliche und nach § 306 verzichtbarc Antrag ist dorthin
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§ 2 3 9 J II a
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a 1. zu richten, wo der Streit schwebt, in der Zwischeninstanz regelmäßig an das untere Gericht (RGZ 27/350 [358]). Das Rechtsmittelgericht kann erst mit Einlegung des Rechtsmittels zuständig werden. Wenn dann auch der, welcher aufnehmen will, zugleich mit der Einlegung aufnehmen und das Rechtsmittel ohne Zwischenverfahren einlegen kann, falls man der hier vertretenen Ansicht folgt (§ 239 H III), so kann der Gegner des Aufnehmenden vor der Aufnahme so nicht verfahren, weil er nicht aufnehmen kann. Ist (vor oder) nach Eintritt der Unterbrechung der Streit an ein anderes Gericht (zu Recht oder zu Unrecht) verwiesen worden (§§276, 506, 697, 700, GVG §§97 folg.) oder zurückverwiesen worden (§§ 538, 539, 564, 565), so ist für den Antrag das Gericht zuständig, an das verwiesen oder zurückverwiesen worden ist. a 2. Der Antrag muß den zu ladenden Rechtsnachfolger kennzeichnen. Das Gericht darf die Ladung in den Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung nicht ablehnen (tut es dies, so liegt der Fall einer ungerechtfertigten Aussetzung vor, die nach § 252 bekämpfbar ist), in den anderen mit freigestellt mündlicher Verhandlung muß es den Antrag zur Entscheidung bringen, sonst ist ebenfalls § 252 anzuwenden. b 1. In den Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung (an deren Stelle aber das schriftliche Verfahren nach § 128 I I treten darf) muß der Vorsitzende zugleich mit der Terminanberaumung eine Ladungfrist bestimmen (§ 239 I I I 2). Diese Verfügung ist nach § 226 I I I den Beteiligten abschriftlich mitzuteilen. Geschieht dies nicht, so darf kein Versäumnisurteil gegen den Rechtsnachfolger erlassen werden (§335 I 2), wenn er nicht erscheint. Die Länge der Frist wird die gesetzliche Zwischenfrist (§221 B I I b ) nicht unterschreiten dürfen; eine zu lang bemessene Frist kann einer Aussetzung gleichkommen, die nach § 252 bekämpft werden darf. Sodann wird der Antrag des Gegners, der die Aufnahme bewirken soll, mit der Terminladung und der Mitteilung von der Ladungfrist dem Rechtsnachfolger „selbst" zugestellt, d. h. es wird nur die Zustellung an einen Prozeßbevollmächtigten ausgeschlossen, nicht aber etwa die an den gesetzlichen Vertreter (§ 171) oder auch nur die Ersatzzustellung (§§ 181—187) oder auch die öffentliche (§ 203). Dies gilt auch im Fall der Terminverlegung (RG Warn. 39/23), es sei denn, daß sich schon für den — angeblichen — Rechtsnachfolger ein Postulationfähiger bestellt hat. b 2. Im Verfahren mit freigestellt mündlicher Verhandlung braucht kein Termin angesetzt zu werden (erst auf Beschluß des Gerichts wäre er anzusetzen), wohl aber muß die Emiassungfrist vom Vorsitzenden bestimmt werden und es muß auch der Antrag des Gegners dem (angeblichen) Rechtsnachfolger „selbst" zugestellt werden (§ 239 J II b 1). c) Wird die Rechtsnachfolge bestritten, so darf das Gericht nach § 146 darüber getrennt verhandeln, regelmäßig wird aber zugleich zur Hauptsache verhandelt. c 1. Die Beweislast für den Eintritt der Rechtsnachfolge wird regelmäßig der antragstellende Gegner haben, da er den Eintritt der Rechtsnachfolge geltend macht. K o m m t es aber in einem Falle dazu, daß dem Rechtsnachfolger der positive Anspruch (vgl. § 253 B II b) zusteht, so hat die Beweislast nicht der antragstellende Gegner, sondern der Rechtsnachfolger (etwa in dem Falle der negativen Feststellungklage; doch muß dann zumindest die Berühmung der Rechtsnachfolge vom Antragsteller nachgewiesen werden). J III a) K o m m t das Verfahren mit freigestellt mündlicher Verhandlung in betracht, so darf durch Beschluß erkannt werden, nach Abschluß der Instanz durch einen Ergänzungbeschluß in der unteren Instanz, der, falls er den Rechtsnachfolger für zur Aufnahme verpflichtet erklärt, mit der sofortigen Beschwerde, falls aber der Antrag zurückgewiesen wird, mit der einfachen Beschwerde angreifbar ist (§ 252) und hier stets eine selbständige Zwischenentscheidung ist. b) Im Gegensatz zum Aussetzungverfahren, wonach der Aussetzungzwischenstreit in allen Fällen nur freigestellt mündlicher Verhandlung durchzuführen ist (§ 248 II), fordert das Aufnahmeverfahren im Erkenntnisprozeß die mündliche Verhandlung und damit als E n t scheidung das Urteil.
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b 1. Verneint das Gericht den Eintritt der Rechtsnachfolge, so ist der Antrag im Erkenntnisverfahren durch Urteil zurückzuweisen (belastet mit den besonderen Kosten dieses Antragverfahrens, nicht denen des Rechtstreits), nicht etwa die Klage abzuweisen (OLG Seuff. 72/105). Die so ergehende Entscheidung ist Endentscheidung, die den gewöhnlichen Rechtsmitteln unterliegt (RGZ 86/235 [zu § 240]). Der Prozeß bleibt dann unterbrochen. b 2. Wird die Rechtsnachfolge bejaht, so ergeht nach h. M. Zwischenurteil (§ 303, RG J W 24/198619, das nur zugleich mit dem Endurteil anfechtbar ist, §§ 512, 548), oder auch unmittelbar das Endurteil, indem zugleich sachlich entschieden wird (RGZ 86/235 [238]). b 3. In der Zwischeninstanz (§239 H i l l ) ist regelmäßig von der unteren Instanz ihr Endurteil zu ergänzen (RG JW 24/198619). Auch hier läßt die h. M. den Angriff gegen das ergangene Sachurteil schon vor Rechtskraft zu (RG JW 24/198619). Darüber hinaus sollte man auch zulassen, daß der Beschwerte zugleich mit der Aufrahme das Rechtsmittel einlegt (§ 239 H III). Jedenfalls betrachtet RG JW 06/43016 das Ergänzungurteil gegen den Konkursverwalter, in dem der Konkursverwalter zur Aufnahme verurteilt wurde, als Element des vorausgegangenen Sachverhalts, so daß beide zugleich angegriffen werden mußten. b 4. Wird zur Aufnahme zwischen der Einlegung eines Rechtsmittels und seiner notwendigen Begründung (§§ 519, 554) geladen, so kann hier nur eine Zwischenentscheidung ergehen, durch die der Rechtstreit für aufgenommen erklärt wird (RG JW 38/325534, BGH v. 1. 11. 1954 I ZR 22/53 haben hier ein Versäumnisurteil für zulässig erklärt; in kontradiktorischer Verhandlung wird dann ein Zwischenurteil nach § 303 ergehen müssen), die den Rechtsnachfolger zur Begründung zwingt, vorbehaltlich der Aufhebung des Zwischcnurteils das nur zusammen mit der Endentscheidung angefochten werden darf (vgl. §§ 512, 548); wird etwa nicht begründet und deshalb die Berufung als unzulässig verworfen, so darf diese Entscheidung — falls die Voraussetzungen dazu gegeben sind — gemäß § 519 b II mit der Begründung angefochten werden, daß die Aufnahme nicht rechtswirksam sei. Nach der Rechtsprechung des BGH über die selbständige Angreifbarkeit der die Wiedereinsetzung verneinenden Beschlüsse (§ 238 B III b) wird man allerdings auch damit rechnen müssen, daß die selbständige Angreifbarkeit dieser Zwischenentscheidung zugelassen wird, vielleicht sogar, daß sie gefordert wird. c) In dem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung kann es auch zu Zwischenversänmnisentscheidungen kommen (§ 347 II). c 1. Erscheint der als Rechtsnachfolger Geladene nicht, so wird die Rechtsnachfolge als zugestanden angesehen (§ 239 IV). Als zugestanden „anzunehmen" (vgl. § 138 III und § 138 D i a ) ist nur die Rechtsnachfolge, nicht die sich daraus ergebende Rechtsfolge der Verpflichtung zur Abgabe, geschweige denn die Abgabe der Aufnahmeerklärung selbst. Die Ladung zur Aufnahme ist dabei als die Mitteilung des neuen Antrags i. S. des § 335 I 3 anzusehen (RGZ 68/390 [392f.]). Sie ist Sachantrag i. S. des § 297 (vgl. § 261 b B III a 1). Darüber hinaus darf sogleich „zur Hauptsache" verhandelt werden, d. h. es darf auf Antrag nach §§ 330, 331 Versäumnisurteil zur Hauptsache (auch Aktenlageentscheidung nach § 331a, falls die Voraussetzungen dafür gegeben sind) ergehen (RG DR 41 A 20723), nur in der Zwischeninstanz ergeht es als Ergänzungurteil der unteren Instanz, nur auf die Aufnahmeerklärung gerichtet (RGZ 58/202), und das entsprechende gilt, wenn das Verfahren nach Rechtsmitteleinlegung und vor Rechtsmittelbegründung unterbrochen wurde (es ergeht hier ein besonderes Versäumniszwischenurteil, vgl. § 347 I I : RG JW 38/3255, sofern man hier überhaupt noch Versäumnisentscheidungen zuläßt, vgl. § 239 J III b 4, H III). c 2. Verhandelt aber der, welcher die Ladung veranlaßt hat, nicht, so darf der Rechtsnachfolger, wenn er die Rechtsnachfolge nicht bestreitet, eine Versäumnisentscheidung zur Sache (oder Aktenlageentscheidung) nehmen, wenn er aber die Rechtsnachfolge bestreitet, Versäumnisurteil (hier nicht Aktenlageentscheidung, sofern noch nicht früher darüber mündlich verhandelt war, §§ 331a, 251a B IV b 1) auf Zurückweisung des Aufnahmeantrags. c 3. Erscheinen in allen Fällen, wo es um die Aufnahme geht, beide Parteien nicht, so darf nur das Ruhen des Verfahrens angeordnet werden.
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§ 240
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I Im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Konkursmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird. A. Nach § 240 wird durch die Eröffnung des Konkurses der Streit unterbrochen, sofern er die Konkursmasse betrifft, und zwar auch dann, wenn der Gemeinschuldner bisher durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war. A I. § 246 ist nicht anwendbar (RGZ 118/158 [161]); die h. M. (Jaeger KO § 10 Anm. 1) nimmt an, daß die Vollmacht des Prozeßbevollmächtigten erlischt (vgl. KO § 23 II, BGB § 168). Ob dies der Fall ist oder ob sie nur zurückgedrängt wird wie die Verfügungmacht des Gemeinschuldners und mit dessen Wiedereintritt in den Streit ohne weiteres wieder gilt, kann zweifelhaft sein. Nimmt man, wie hier vertreten, an, daß die Ablösung des Konkursverwalters durch den Gemeinschuldner keine Unterbrechung bewirkt (vgl. § 240 F II), dann gilt die Prozeßvollmacht, welche der Konkursverwalter erteilt hatte, für den vom Konkurse befreiten „Gemeinschuldner" weiter. A II. Unterbrochen wird das Verfahren im Zeitpunkt der Eröffnung eines inländischen Konkurses (KO § 108; nicht des ausländischen, RG JW 03/18234). a) Unter dem Begriff des Inlands wird hier das Gerichtsinland, also die BRD und WestBerlin zu verstehen sein, weil im Verhältnis zur russisch besetzten Zone MilRegG 53 gilt (LG J R 57/106; a. M. LG NJW 49/67311). b) Legt der Gemeinschuldner gegen den eröffneten Konkurs sofortige Beschwerde ein (KO § 109) und wird auf diese der Eröffnungbeschluß aufgehoben, so bleibt es bei der Unterbrechung (Jaeger KO § 10 Anm. 13). c) Wie sich der Verwalter dabei verhält, ist gleichgültig, der Streit wird unterbrochen, auch wenn er sofort die Sachen freigibt (Jaeger KO § 10 Anm. 3). A III. Sonstige Verfahren haben nicht die unterbrechende Wirkung des Konkursverfahrens. A IV. Darüber, auf welche Klage- und Verfahrensarten sich die Unterbrechung nach § 240 erstreckt, vgl. § 239 B. B. Unterbrochen wird nur der Streit um Ansprüche, die zur Teilungsmasse (vgl. KO §§117 folg.) gehören, denn nur insoweit wird dem Gemeinschuldner das Verfügungrecht entzogen (KO §§ 6 folg.). B I. Nach KO § 1 1 gehört zur Teilungsmasse grundsätzlich das gesamte der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners z. Z. der Konkurseröffnung. B II. Nicht zur Teilungsmasse gehören die konkursfreien Ansprüche. B III. Der Anspruch auf Gläubigeranfechtung (AnfG § 13) gehört in die Konkursteilungmasse. C. Unterbrochen wird aber auch der Streit, der die Schuldenmasse im Konkurs betrifft (KO § 3), also der Streit, der gegen die Masse geht (RG JW 96/37321). Dabei entscheidet nicht die Parteistellung, sondern allein, ob Vermögenswerte gefordert werden (RGZ 122/253), wenn etwa der Gegner des KV Nutzungen eines dem Gemeinschuldner gehörenden Gegenstandes in ansprach nimmt (RG N § 240/5) oder bei der negativen, gegen den Schuldner gerichteten Feststellungklage (RGZ 73/276). Andererseits ist die Rückforderung des KV einer streitigen, bereits beigetriebenen Forderung eine nach KO § 8 zur Masse zu erfüllende Verbindlichkeit, gehört also nicht mehr zur Schulden-, sondern zur Teilungmasse (RGZ 45/374). C I. Streite, welche in Aussonderung- (KO §§43 folg.) oder Absonderungstreite (KO §§48folg.) übergehen (oder durch Klageänderung übergehen können: RGZ 86/235), werden unterbrochen, sofern sie nicht von der Schuldenmasse frei sind. Es kommt nur darauf an, ob die aus der Masse zu erfüllende Pflicht getroffen wird (RG Seuff. 91/126). Ob der Gläubiger
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sich an dem Konkursverfahren demnächst beteiligt oder nicht, ist gleichgültig (OLG LZ 0 9 / 8 6 9 2 ; a. M. RGZ 86/397, wonach die Erklärung des Gläubigers, er wolle nicht die Masse in anspruch nehmen, zur Fortsetzung des Streits gegen den Gemeinschuldner geniige und B G H N J W 58/23 für die nach Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner erhobene Klage). C II. Schuldenmassefrei sind Ansprüche, welche sich ausschließlich gegen die Person (nicht gegen das Vermögen) des Gcmeinschuldners richten, Ansprüche auf Veräußerung an dritte, die Leistung einer Arbeit, die nicht anmeldefähigen Forderungen nach K O § 63, die Inanspruchnahme des Schuldners auf Unterlassung von Handlungen (OLG 35/281), etwa nach B G B § 1004 oder die aus Besitzstörung; es sei denn, daß sie seinen Betrieb betreffen (Kommentar § 240 B Ia), also etwa die auf WZG § 12 oder auf ein Patent gestützten (RGZ 134/378). Der Schadeneratzanspruch wegen einer solchen vor Konkurseröffnung begangenen Störung fällt in die Schuldenmasse. C III. Bei Streitigkeiten zwischen Verwalter und Gemeinschuldner (Kommentar § 50 G I I I d 3) soweit man diese für zulässig hält, gilt § 240 nicht. D I. Sowohl im Teilung- wie im Schuldenmassestreit werden Hilfsklagen (auf Rechnunglegung u.dgl. m . ; Bestellung eines Schiedsrichters, OLG 13/246), die einen konkursgebundenen Hauptanspruch betreffen, wie die Hauptklage unterbrochen (vgl. B G H M D R B 258/54). D II. Ist der Hauptstreit z. Z. der Konkurseröffnung anhängig, so bleibt der Kostenpunkt außer betracht (Jaeger KO § 10 Anm. 24). Wird dagegen nur noch über die Kosten z. Z. der Konkurseröffnung gestritten so wird nach h. M. auch dieser Streit vom Konkurs ergriffen (RGZ 16/358 [360]). D III a) Betrifft der Streit zum Teil die Teilung- oder Schuldenmasse, so wird der Prozeß einheitlich unterbrochen nach Jaeger KO § 10 Anm. 4 a. Handelt es sich nur um Nebenforderungen (§ 4 C I), so wird das Recht, dem die Nebenfolge unterliegt, außer acht zu lassen sein; dies gilt im besonderen für die Zinsen (KO § 63 1 1 , anders beim Nachlaßkonkurs, K O § 226 I I 1). Ist dagegen schon die Hauptforderung geteilt (rückständiges Arbeitentgelt, das zum Teil unpfändbar ist), so wird man teilweise Unterbrechung anzunehmen haben (Kommentar § 240 B I I I b). b) Handelt es sich aber nicht um teilbare Ansprüche (§ 301), sondern um mehrere Klagegründe (§ 253 G IV), so wird selbst dann, wenn sie nicht einheitlich unter den Konkurs fallen sollten, das Verfahren einheitlich unterbrochen. c ) Über den Fall des Sonderkonkurses vgl. § 240 E IV, über den, wenn ein Teil der Kläger oder der Beklagten vom Konkurse betroffen wird, vgl. § 240 E I I I . E I. Die Unterbrechung tritt in der Person des Gemeinschuldners ein. Die nach Konkurseröffnung vom Gemeinschuldner als Kläger bei Gericht eingehende Klage ist nach der hier vertretenen Begebungtheorie (vgl. § 239 B I I c 1) noch wirksam, wenn der Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung sich ihrer begeben hatte; doch wird das Verfahren alsbald unterbrochen. Die nach Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner als Beklagten zugestellte Klage ist dagegen unwirksam zugestellt (vgl. RGZ 99/125). E . II Ist der Gemeinschuldner nicht Partei, so wird (abgesehen vom Fall des AnfG § 13) der Streit nicht unterbrochen, mag er auch wirtschaftlich beteiligt sein. a) Klagt der Zedent und fällt der Zessionar in Konkurs, so wird der Streit nicht unterbrochen; klagt der Zedent, der in Konkurs gerät, auf Zahlung an den Zessionar (vgl. § 5 0 G I c 1), so wird der Streit unterbrochen (RGZ 66/181). b) Der Konkurs des gesetzlichen Vertreters oder des Prozeßbevollmächtigten unterbricht nicht das Verfahren. I m Kostenverfahren nach § 124 unterbricht dagegen der Konkurs des Bevollmächtigten das Verfahren, der einen eigenen Kostenanspruch geltend macht, während der der Partei dieses Verfahren nicht unterbricht (LG J W 28/1163 2 ). E III a ) dazu § 239 E noch um die ebenso ist es
Der Konkurs des notwendigen Streitgenossen (§ 62) unterbricht nach h. M. (vgl. I a) das gesamte Verfahren (RG J W 98/280 1 3 ); aber nicht mehr, wenn es bloß Ko=ten geht, da dabei jeder Streitgenosse selbständig wird (vgl. § 62 B I V c); bei dem selbständigen Streithelfer (§ 69).
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b) Dagegen wirkt der Konkurs des gewöhnlichen Streitgenossen nur in seiner Person, und dasselbe gilt vom unselbständigen Streitgehilfen (OLG 40/352); nur soweit es sich u m das Kostenverfahren des unselbständigen Streitgehilfen handelt (vgl. § 67 D), wird dieses Verfahren im Konkurs des unselbständigen Streitgehilfen unterbrochen. c) Die Streitverkündung ist ohne Belang, selbst wenn sie gegen jemand gerichtet ist, der selbständiger Streithelfer werden würde, wenn er beiträte. Dies muß auch für die Fälle der gesetzlich gebotenen Streitverkündung gelten (vgl. § 72 B III). E IV a) Der Nachlaßkonkurs (KO §§ 214folg.) unterbricht nur Streite, welche den Nachlaß betreffen, nicht die, welche der Erbe aus Eigenvermögen f ü h r t (RG J W 83/36f.). Ist der Rechtstreit schon gemäß § 239 unterbrochen, so kann er, solange der Nachlaßkonkurs besteht, nur nach § 240 aufgenommen werden. b) Der Konkurs der offenen Handelsgesellschaft (KO §§209folg.) berührt nicht den Rechtstreit, den einer ihrer Gesellschafter f ü h r t (RGZ 34/360), wie umgekehrt der Konkurs über das Vermögen eines Gesellschafters nicht den Streit der oHG berührt (RGZ 51/94). Dies gilt entsprechend für die Kommanditgesellschaft, die Reederei, den nicht rechtsfähigen Verein (KO §213). c) Der Gesamtgutkonkurs (KO §§ 236folg.) unterbricht die Gesamtgutprozesse. Treffen hier der Tod des überlebenden Gatten und der Gesamtgutkonkurs zusammen, so ist § 243 anzuwenden (vgl. Jaeger KO § 10 Anm. 9). F. Durch den Konkurs unterbrochen wird das Verfahren ohne Rücksicht darauf, ob die Parteien den Konkurs kennen (RG Gruch. 60/513); die Unterbrechung wird in jedem Verfahren zu jeder Zeit von gerichts wegen, auch noch in der Revisioninstanz (RGZ 64/361) beachtet. F I. Von der Unterbrechung werden aber die sog. uneigentlichen Fristen (§ 221 B, im besonderen die Frist der fünf Monate nach §§ 516, 552) nicht berührt (RG LZ 32/28 3 ). Bei vom Gericht zu setzenden Fristen hat RGZ 151/279 angenommen, daß nach Beendigung der Unterbrechung die Frist neu zu setzen ist, wenn sie mit einem festen Kalendertag begrenzt wurde (anders, wenn dies zeitraummäßig geschah: RG N § 240/19). Ergeht trotzdessen Urteil, so h a t RG J W 37/1062® es dem Gemeinschuldner gestattet, ein Rechtsmittel zur Herstellung des alten Zustandes noch während der Unterbrechung einzulegen (vgl. dazu § 249 C I b 1). F II. Die Aufhebung des Konkurses (also seine Beendigung) beseitigt die Unterbrechung (ex nunc) ohne jede Aufhebunghandlung kraft Gesetzes (RG J W 27/848 14 f.), der bisherige Gemeinschuldner darf vielmehr den Streit wie eine prozeßfähig gewordene Partei (§ 241 B IV a) fortsetzen (RGZ 73/312; a. M. RGZ 155/350 [352]). a) Aufgehoben wird der Konkurs insgesamt a 1. wenn der Eröffnungbeschluß (KO § 109) auf die (sofortige) Beschwerde rechtskräftig aufgehoben wird; was nach KO § 116 öffentlich bekanntzumachen ist (KO § 76) und dann wie im Fall der KO § 163 wirkt (vgl. § 240 F I I a 2); a 2. durch den nach Aufteilung der Masse nach KO § 163 zu fassenden Aufhebungbeschluß, der mit der öffentlichen Bekanntmachung (KO § 163 II), also dem zweiten Tage nach der Ausgabe des die erste Einrückung enthaltenden Amtsblatts (KO § 76), wirkt und damit zugleich rechtskräftig wird; a 3. durch Einstellung des Verfahrens (RG J W 22/99 4 ) nach Aufteilung, aber auch mangels Masse (KO §§ 202, 204) und auch wegen Konkursverzichts. Dieser Beschluß unterliegt zwar der sofortigen Beschwerde, wird aber ohne Rücksicht auf sie im gleichen Zeitpunkt wie der vorige wirksam. Wird der Beschluß wieder aufgehoben, so wird das Verfahren erneut unterbrochen; und a 4. in bezug auf den einzelnen Streitgegenstand durch die Freigabeerklärung des Konkursverwalters (RGZ 79/29). Während sich die Aufhebung des gesamten Konkurses aber öffentlich vollzieht, wird die Freigabe gegenüber einem oder allen Beteiligten erklärt. Im Prozeß wird sie erst wirksam, wenn sie dort durch Prozeßerklärung eingeführt wird. War der KV schon im Prozeß durch einen Postulationfähigen vertreten, so genügt seine Erklärung gegenüber dem
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Gericht, die dem Prozeßgegner zuzustellen ist. Der Zustellung a n den Gemeinschuldner bedarf es dagegen nicht (vgl. § 240 F I I b 1). W a r der K V noch n i c h t i m Prozeß vertreten, so läßt RGZ 122/51 (56) die E r k l ä r u n g des K V an den Gemeinschuldner, nicht a u f n e h m e n zu wollen, genügen. Eine solche außerprozessuale E r k l ä r u n g k a n n indes nicht die U n t e r b r e c h u n g beseitigen, da diese n u r einheitlich (zur gleichen Zeit) f ü r alle Parteien behoben werden k a n n , wie dies bei den Veröffentlichungen der Fall ist. Hier m u ß deshalb der Streit entweder v o m Gemeinschuldner oder v o m Gegner (RGZ 79/29) a u f g e n o m m e n werden. b) Mit der Aufhebung des Konkurses erlischt die Vertretungmacht des KV, also auch wenn der Eröffnungbeschluß auf Beschwerde wieder aufgehoben wird (RG J W 29/99"), u n d zwar m i t der A u f h e b u n g (nicht schon m i t Abschluß des Zwangsvergleichs, R G Z 58/369). b 1. Da indes § 241 entsprechend anzuwenden ist, t r i t t der Gemeinschuldner ohne weiteres a n die Stelle des K V (RG Gruch. 48/120), u n d es bleibt auch die v o m K V erteilte Prozeßvollm a c h t bestehen (vgl. § 86; R G J W 27/848 1 4 f.) b 2. Die Vorgänge in Konkursen berühren regelmäßig den Prozeß nicht, i m besonderen nicht die Feststellung der v o m Gemeinschuldner bestrittenen Forderung (RGZ 27/116), wohl aber, wenn er nicht bestritten h a t (vgl. K O § 144 II). Der Zwangsvergleich in K o n k u r s e n wirkt nach K O § 193 auf den außerprozessualen Anspruch ein. Nicht f o r t f ü h r e n k a n n der Gemeinschuldner den v o m Konkursverwalter angestrengten Anfechtungprozeß zur H a u p t s a c h e (RGZ 135/350); wohl aber bezüglich der Kosten (RGZ 52/330); es ist dann nach § 9 1 a zu v e r f a h r e n ; fortsetzen darf ihn aber auch nicht der einzelne Gläubiger (vgl. Jaeger AnfG §13 Anm. 33f.); doch k a n n dieser selbständig n a c h dem AnfG vorgehen (vgl. AnfG § 13 IV). H a t aber der K V über einen rechtshängigen Anspruch v e r f ü g t u n d ist der Rechtsnachfolger in den Streit eingetreten, so ä n d e r t die Konkursbeendigung hieran nichts (OLG PosMS 05/169f.). T r i t t der Rechtsnachfolger nicht ein, so m u ß der K V den Streit f o r t f ü h r e n u n d n a c h Beendigung des Konkurses der Gemeinschuldner (RGZ 27/113). Anders ist dies aber, soweit die V e r t r e t u n g m a c h t des K V noch f ü r eine v o m Konkursgericht angeordnete Nachtragsverteilung (KO § 166) a u f r e c h t erhalten worden ist (RGZ 28/68) und in den sonst fortzusetzenden Streiten (§ 239 D I I I d 1). G. Die durch den K o n k u r s eingetretene Unterbrechung endet also entweder ohne A u f n a h m e durch die A u f h e b u n g des K o n k u r s v e r f a h r e n s insgesamt (§ 240 F I I a 1—4) bzw. infolge der Freigabe des Streitgegenstandes aus dem Beschläge ( K o m m e n t a r § 240 F I I a 5) oder durch Aufnahme. Darüber, wie dann a u f z u n e h m e n ist, verweist § 240 auf die K o n k u r s v o r s c h r i f t e n . G II. D a s K o n k u r s r e c h t k e n n t fünf verschiedene Arten der Aufnahme: K O § 10 b e t r i f f t den Teilungmassestreit (Aktivprozeß), K O § 11 den Teilungmassegegenstreit (Jaeger K O § 10 A n m . I I b ) ; der erste, m i t Erfolg d u r c h g e f ü h r t , v e r m e h r t die Masse (trifft den positiven Masseanspruch, vgl. § 253 B I I c 1). Zu der ersten Gruppe gehört der A n f e c h t u n g s t r e i t des AnfG § 13, wenn der Anfechtunganspruch Gegenstand der Klage, zu der letzten Gruppe gehört er, wenn er Gegenstand der „ E i n r e d e " (AnfG § 5) ist. Der Unterschied zwischen diesen B e s t i m m u n g e n liegt darin, daß der K V die F o r t f ü h r u n g des Aktivprozesses ablehnen darf, m i t der Folge, daß ihn d a n n Gemeinschuldner u n d Gegner f o r t f u h r e n dürfen u n d daß i m Falle des Teilungmassegegenstreits der K V zur A u f n a h m e gezwungen werden darf, w ä h r e n d im Falle des AnfG § 13, auch wenn der K V es ablehnt, i h n f o r t z u f ü h r e n , er zunächst n u r bezüglich der Prozeßkosten a u f g e n o m m e n werden darf (AnfG § 13 I I 4), i m übrigen aber erst n a c h K o n k u r s e n d e (AnfG § 13 IV), sofern nicht bis dahin der Anspruch durch Prozeßhandlungen des K V beeinträchtigt worden ist. K O § 146 I I I b e t r i f f t n u r den Schuldenmassestreit (vgl. K O § 12), also die Verm e h r u n g der zu berücksichtigenden Gläubigersummen; K O §144 I I läßt dem Gemeinschuldner das Recht, die entgegen seinem Wollen a n e r k a n n t e F o r d e r u n g des Gläubigers zu b e k ä m p f e n . a) Es ist d e m n a c h möglich, daß dasselbe Verfahren auf verschiedene Weise wieder aufnehmbar ist (RGZ 122/51), wobei das Gericht zu prüfen h a t , ob richtig aufgenommen worden ist (RGZ 86/394); doch ist zu beachten, daß auch bei falscher A u f n a h m e die stillschweigende Einlassung der rügeberechtigten P a r t e i gemäß § 295 I wirkt (RG J W 02/423 2 '). b) F ü r die Aufnahmeform k o m m t es zunächst auf den Charakter des Prozesses z. Z. der Verfahrensunterbrechung a n . W u r d e n u r ein K o n k u r s a n s p r u c h betroffen, so darf n u r n a c h 42
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 240
G II b
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K O § 146 aufgenommen werden (RGZ 86/394); nur wenn die Klage auf Befriedigung aus einem Gegenstand gerichtet war, kommt KO § 11 zum zuge. W a r Gegenstand der Klage eine Konkursforderung und ändert sie der Gegner nunmehr im Rahmen des § 268 I 2, 3 in einen Aussonderunganspruch, so braucht nicht erst nach KO § 1 4 6 vorgegangen zu werden (RGZ 86/235); R G J W 32/168 4 hat einen solchen Übergang in der Revisioninstanz aber nicht mehr zugelassen. Umgekehrt verwandelt sich der Wandlunganspruch durch die Konkurseröffnung nach KO § 69 in eine Geldforderung, die dem Verfahren nach KO § 146 unterworfen ist (RGZ 65/132). b 1. Haben die Prozesse gemischte Ansprüche zum Gegenstande, so müssen alle Aufnahmeformen gewahrt sein, wenn für alle teilbaren (§ 301 B I I a 1) Ansprüche die Fristen wieder laufen sollen, andernfalls trifft für die unterbrochen bleibenden eine Prozeßtrennung kraft Gesetzes ein. Für all diese Ansprüche und im besonderen bei Klage und Widerklage kann so die Aufnahmezulässigkeit verschieden zu beurteilen sein, nach K O §10, nach K O § 11, aber auch nach K O §§ 144 I I , 146 I I I . Wesentlich ist allerdings allein der Unterschied der ersten zu den beiden letzten Bestimmungen. b 2. Bei mehreren Klagegründen (§ 253 G IV) für denselben Anspruch ist indes die Klagetrennung unzulässig, hier hört die Unterbrechung deshalb erst mit der letzten erforderlichen Aufnahmehandlung auf. G III a ) Regelmäßig wird der Gemeinschuldner im Teilungmassestreit (KO § 10) Gläubiger, Kläger oder Widerkläger sein (RG J W 08/305 1 5 ), nämlich wenn der positive Anspruch (§ 253 B I I c 1, R G Warn. 35/75) zur Masse gehören würde. Die Parteirolle in der Rechtsmittelinstanz, etwa als Rechtsmittelbeklagter (RGZ 63/364), ist ohne Belang. I m negativen Feststellungstreit muß er Beklagter sein, im Unterlassungstreit ist er es, wenn er sich auf ein Recht zum Handeln beruft (RG J W 32/879 1 2 ). Abwehrklagen (vgl. B G B § 1004), denen der Gemeinschuldner ein Recht auf Störung einredeweise entgegenhält, sind Teilungmassegegenstreite (KO § 11, RGZ 45/170). I m Prozeß des Pfändunggläubigers gegen den Schuldner, der abgetreten hatte, liegt ein unter K O § 10 fallender Streit vor, wenn der Gemeinschuldner die Abtretung verteidigt (RGZ 73/276); bzw. wenn gepfändet wird bzw. wenn sonst der Gläubiger eine Sicherstellung erlangt hat ( R G Gruch. 60/160 mit dem Ergebnis, daß „ a u c h " K O § 11 anzuwenden sei). I m Forderungprätendentenstreit wird jede Partei als aktiv (KO § 10) beteiligt angesehen (RGZ 16/118). W a r der Schuldner bereits verurteilt und ist die Urteilsumme beigetrieben, so ist der nach § 717 I I , I I I erhobene (Widerklage-)Anspruch Tcilungmassestreit (RGZ 86/394). Zum Teilungmassestreit gehört auch der Prozeß um eine Forderung, mit der der Gegner aufgerechnet h a t ; zum Schuldenmassestreit dagegen der Prozeß, in dem der Schuldner auf Zahlung verklagt, aufgerechnet hatte (RG J W 15/1437 1 3 ). b) Den Teilungmassestreit b 1. darf der K V nach KO § 10 aufnehmen. Damit wird die Kostenverbindlichkeit aus dem Prozeß zur Masseschuld (KO § 59 1 1 ) , und zwar auch in bezug auf die vor der Unterbrechung entstandene. In dem Fall der K O § 10 steht die Aufnahme nur dem K V zu, nicht dem Gegner. b 2. Lehnt der KV die Aufnahme ab, so können ihn Gemeinschuldner wie Gegner aufnehmen (KO § 10 I I ) . Damit wird der Prozeßgegenstand aus der Masse freigegeben (RGZ 122/51 [56]). Doch kann der K V vor Freigabeerklärung über den Streitgegenstand verfügen; diese Verfügungen bleiben wirksam (RGZ 45/324folg.). I m Falle der K O § 17 erlischt allerdings das Vertragsverhältnis schlechthin; ist darüber ein Streit anhängig, so ist die Hauptsache erledigt, wenn der Konkursverwalter ablehnt (vgl. K O § 17 I I ) . Die Ablehnung darf wie die Freigabe (Kommentar § 240 F I I a 5) außerprozessual gegenüber dem Gemeinschuldner oder dem Gegner abgegeben werden, solange der K V den Streit nicht aufgenommen hatte; sie sind, außerprozessual abgegeben, außerprozessuale Willenserklärungen (für die Ablehnung: RGZ 122/51 [56]). Die Ablehnung darf aber auch im Prozeß erklärt werden, dann ist sie gegenüber dem Gericht abzugeben und von diesem dem Gegner mitzuteilen, wenn dies nicht in mündlicher Verhandlung geschieht. Doch muß dann der K V durch einen Postulationfähigen vertreten sein. Sie kann so im besonderen noch abgegeben werden, nachdem der K V zunächst den Streit aufgenommen hatte (RGZ 79/27). Als prozessuale Erklärung ist sie frei widerruflich (unter Anwalt-
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§ 2 4 0 G III b 2
zwang, § 78 I ) ; da in ihr indes zugleich die außerprozessuale Freigabeerklärung liegt, ist der Widerruf nur unter gleichzeitiger Anfechtung der Erklärung nach außerprozessualem Recht zulässig (RGZ 122/51). Insoweit wie der K V ablehnt, wird regelmäßig der Gemeinschuldner legitimiert. Aber auch seinem Gegner steht, wenn der K V abgelehnt hat, das Aufnahmerecht zu (OLG 15/224). b 3. Für den Gläubigeranfechtungstreit (AnfG § 13) wirkt die Ablehnung des K V nur dahin, daß jede der bisherigen Parteien den Streit nur wegen der Kosten aufnehmen darf, während der K V noch selbständig Anfechtungklage erheben darf (vgl. R G J W 0 9 / 2 2 5 2 a f . ) . Erst nach Beendigung des Konkursverfahrens werden die einzelnen Gläubiger auch wieder zur Hauptsache legitimiert (AnfG § 13 IV). c ) Verzögert der Konkursverwalter die Abgabe der Aufnahmeerklärung, so greift § 239 I I bis I V Platz (KO § 10 I 2). Das Verfahren geht dahin, es durch den K V für aufgenommen zu erklären. G IV. Für den Teilungmassegegenstreit (Jaeger KO § 10 Anm. 10) gilt K O § 11. a ) Aufgenommen wird nach § 250, und zwar durch den K V oder den Gegner, nicht durch den Gemeinschuldner. Der K V kann sich hier nur von der Kostenlast nach K O § 11 I I durch sofortiges Anerkennen ( § 9 3 B I I c ) befreien. F ü r ein Versäumnisverfahren gegen den Konkursverwalter, wonach der Streit für aufgenommen erklärt wird, bleibt hier regelmäßig kein R a u m (RG ZZP 62/89); anders ist dies nur, soweit die Zwischeninstanz in Anspruch genommen werden muß oder es sich um die Ingangsetzung der notwendigen Rechtsmittelbegründungfrist handelt (vgl. § 239 J I I I b 4). b) KO § 1 1 1 nennt die Gegenstände des Teilungmassegegenstreits: Aussonderung, Absonderung und Konkursmasseschulden. b 1. Die Aussonderunganspriiche ergeben sich aus K O §§ 43folg.; b 2. über Absonderungansprüche vgl. K O §§ 47folg.; b 3. Masseschuldenansprüche können aus Handlungen des K V nach K O § 17 (KO § 59 I 2) entstehen; aber auch die Fälle der KO §§ 19, 21, 22 können in betracht kommen. I m N a c h l a ß k o n k u r s kommen noch die weiteren Ansprüche der K O § 224 in betracht. Nach KO § 236 gilt die Bestimmung entsprechend im Gesamtgutkonkurs. c ) Nach K O § 11 I I treffen die Kosten den K V nur nicht, wenn er sofort anerkennt (vgl. § 93 B I I c ) . Fallen die Voraussetzungen des § 93 mit denen der K O § 11 I I zusammen, so sind dem Gläubiger die Kosten des Rechtstreits aufzuerlegen. Ist das dagegen nicht der Fall, sondern liegt nur der Fall der KO § 11 I I vor, so ist die Kostenforderung des Gläubigers nur eine Konkursforderung (OLG LZ 10/485). H . Auch bei einem Schuldenmassestreit (KO § 3 und § 240 C) wird der Prozeß unterbrochen. H I. Ob der Gläubiger die Forderung anmelden will oder nicht, ist gleichgültig (Jaeger §12 Anm. 1, 7, 8, OLG LZ 0 9 / 8 6 8 2 ; a.M. RGZ 86/394folg„ B G H N J W 58/23), auch ob er eine bevorrechtigte oder nicht bevorrechtigte Konkursforderung hat (KO § 61). Wird der Prozeß, wenn auch noch nach Konkurseröffnung ,in einen Aussonderung-, Absonderung- oder Schuldenmassestreit verwandelt (§§ 268 I 3, 529 I I ) , so ist KO § 11 anzuwenden (vgl. R G Z 86/235 [239folg.]), und der Gläubiger braucht nicht erst den Anspruch, den er als Aussonderunganspruch verfolgen will, zur Tabelle anzumelden, bevor er umwandelt. H II. Die Aufnahme dieser Prozesse ist erst nach Anmeldung und Prüfung im Konkursverfahren zulässig (KO §§ 139folg.; R G J W 31/2104 1 2 ). a) Werden weder Vorrecht noch Höhe der angemeldeten Forderung bestritten und infolgedessen in die Tabelle eingetragen, so wird damit der Streit beendet; der Gläubiger erhält einen vollstreckbaren Titel (KO § 164 II), der zugleich ein Titel nach § 103 I und i m Sinne des AnfG § 2 ist. b) Wird dagegen der Anspruch bestritten, so ist nach KO § 146 zu verfahren. 42*
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b 1. Danach darf der unterbrochene Rechtstreit, nachdem die Tabellenfeststellung gescheitert ist, in der Lage vom Gläubiger, der noch keinen Titel erlangt h a t t e (KO § 146 I), gegen den Widersprechenden aufgenommen werden. Der Gläubiger kann also nicht zur Aufnahme gezwungen werden. Nur wenn ein Urteil nach Konkurseröffnung unzulässigerweise in Unkenntnis von der Konkurseröffnung ergeht, darf es in diesem Falle der Gemeinschuldner anfechten (RG J W 16/324 7 folg.), wie auch der KV, und es ist von gerichts wegen (§56) der Mangel der gesetzlichen Vertretung zu beachten. Wird das Verfahren von einem nicht Legitimierten aufgenommen und läßt sich der Gläubiger darauf ein, so ist der Mangel geheilt (§ 295 I). b 2. Umgekehrt hat der titulierte Gläubiger nicht das Recht, den Prozeß aufzunehmen, sondern dies haben nur der widersprechende KV bzw. andere Gläubiger bzw. beide (nicht der Gemeinschuldner). Diesen titulierten Forderungen sind die Ansprüche gleichgestellt, über die ein Endurteil, auch ein Teilendurteil (§§ 300, 301), ein Feststellungurteil, das Versäumnisurteil (RG v. 22. 2. 1902 I E 50/415), ein Vorbehalturteil (§§ 302, 599) besteht. Auch ausnahmeweise nicht für vollstreckbar erklärte Erkenntnisse gehören hierher. Nicht hierher gehören prozessuale Zwischenurteile (nach der h. M. auch nicht die nach §304, RG J W 31/2104 12 , doch entscheiden sie sachlich wie ein Feststellungurteil und müssen, weil sie sich auf außerprozessuale Ansprüche beziehen, hierher gezählt werden). Ferner fällt der Schiedsspruch (weil er einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht, vgl. § 1040 A) unter KO § 146 VI. Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen genügen aber nicht. Ist nur das Vorrecht bestritten, so ist KO § 146 VI nicht anwendbar (Jaeger KO §143 Anm. 23; a. M. RGZ 116/368); sind Anspruch und Vorrecht bestritten, dann müßte allerdings der Gläubiger aufnehmen, soweit das Vorrecht bestritten ist, aber der Widersprechende, soweit es der Anspruch ist (RGZ 116/368 gewährt hier beiden das Aufnahmerecht). b 3. Wird die Aufnahme gegen den titulierten Gläubiger vom widersprechenden Gläubiger oder vom KV verzögert, so sollte man § 239 I I entsprechend anwenden (a. M. RGZ 34/409, das dem titulierten Gläubiger gestattet, selbst den Streit nach § 250 aufzunehmen). J. Jedenfalls wird ein anhängiger Streit stets in der Lage fortgesetzt, in der er sich ab Unterbrechung befand. J I. Bei rechtskräftigen Urteilen kommt deshalb nur noch die Wiederaufnahme des Verfahrens in Betracht (§§ 578folg. OLG 11/364) oder die Vollstreckunggegenklage des §767 (RG J W 94/426). Ist ein Rechtstreit im Revisionrechtzug anhängig, so sind neue (bisher nicht gebrachte) Tatsachen nur auf Grund des Konkursrechts einführbar (also etwa die Frage des Vorrechts). Endet das Verfahren mit einer Prozeßabweisung, so greift dann wieder KO § 146 I — I I I durch. J II. Aufgenommen wird das Verfahren nach §250 (KG OLG 19/135). Durch dieAufnahme endet die Unterbrechung, und der Streit verwandelt sich kraft Gesetzes in den auf Feststellung an der Teilnahme am Konkurse u m (KO § 146 I I I , OLG 21/177), und zwar wegen einer Geldsumme, auch wenn die Klage vorher nicht auf eine solche ging (RGZ 65/132), auch noch in der Revisioninstanz. An der Prozeßart wird nichts geändert (KG OLG 29/137; a. M. KG OLG 3/60). Die Parteirolle wechselt im Fall der KO § 146 VI nicht . J III. Zwischen allen Widersprechenden besteht ein Fall der notwendigen StreitgenossenSchaft (vgl. RGZ 96/251 [254]), soweit sich die Ansprüche decken. Bestreitet aber einer nui den Anspruch, der andere nur das Vorrecht, so liegt nur gewöhnliche Streitgenossenschaft (§ 59) vor. Als Streitgehilfe darf jeder Konkursgläubiger, der widersprochen hat, dem anderen als Streitgehilfe beitreten, dann ist er selbständig (§ 69). Der Gemeinschuldner kommt weder als Streitgehilfe des KV (vgl. RG J W 02/213 3 ) noch als der eines widersprechenden Gläubigers noch umgekehrt in betracht. Der KV, der widersprochen hat, darf einem widersprechenden Gläubiger beitreten, dann ist er selbständig i. S. des § 69 (KG OLG 31/16f.). J IV. Für ein Versäumnisurteil gegen den Widersprechenden, das den Streit für aufgenommen erklärt, ist regelmäßig kein R a u m (RG ZZP 62/89); es muß sofort Versäumnisurteil zur Sache selbst ergehen. Ein Zwischeninstanzverfahren auf seiten des Widersprechenden sollte man nicht zulassen. Der Widersprechende muß den Streit durch Einlegung eines Rechts-
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mittels aufnehmen. Dann kann sich der Gläubiger nur durch Zustellung des Titels an den Widersprechenden helfen. Nur soweit man dem berechtigten Gläubiger das Recht zubilligt, trotz titulierter Forderung vorzugehen, wird man ein Ergänzungverfahren zulassen müssen, in dem dann der titulierte Forderunganspruch den Charakter eines Grundurteils (§ 304) h a t ; es wird also zum Zwischenurteil. Auch das zwischeninstanzliche Verfahren erfordert die Antragsumstellung (auf Feststellung zur Tabelle, RGZ 65/132, und gegebenenfalls auf die eines Vorrechts), es bleibt in der Instanz, wo der letzte Titel ergangen ist. Weiter ist stets das Zwischenverfahren zur Ingangsetzung der Rechtsmittelbegründurgfrist denkbar (vgl. § 239 J I I I b 4). J V. Soweit der Konkursverwalter eingreift, werden die dadurch entstehenden Prozeßkosten (§91) Masseschulden nach KO §59 1 1 . Dies gilt auch, wenn der Konkursverwalter einer Anmeldung widerspricht und dann den Widerspruch zurücknimmt, nach BArbG v. 2. 11.1959 I I AZR 479/56 fallen ihm dann grundsätzlich die Kosten des Rechtstreits — einschließlich der vor Konkurseröffnung entstandenen — zur Last.
§ 2 4 1 (219) I Verliert eine Partei die Prozeßfähigkeit oder stirbt der gesetzliehe Vertreter einer Partei oder hört seine Vertretungsbefugnis auf, ohne daß die Partei prozeßfähig geworden ist, so wird das Verfahren unterbrochen, bis der gesetzliche Vertreter oder der neue gesetzliche Vertreter von seiner Bestellung dem Gericht Anzeige macht oder der Gegner seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen, dem Gericht ar gezeigt und das Gericht diese Anzeige von Amts wegen zugestellt hat. II Die Anzeige des gesetzlichen Vertreters ist dem Gegner der durch ihn vertretenen Partei, die Anzeige des Gegners ist dem Vertreter zuzustellen. III Diese Vorschriften sind entsprechend anzuwenden, wenn eine Nachlaßverwaltung angeordnet wird. A. Nach § 241 wird, wenn die Prozeßfähigkeit bzw. der gesetzliche Vertreter einer Partei (für den Wegfall der Prozeßfähigkeit des Nebenintervenienten vgl. § 239 E II) im Laufe des Verfahrens wegfällt, das Verfahren unterbrochen, wenn kein Prozeßbevollmächtigter bestellt war (§246); denn dieser Zustand hindert die Durchführung des Verfahrens (§274 II 7) und gibt, wenn er unbeachtet bleibt, einen Nichtigkeitgrund (§ 579 I 4). War er schon von Anfang an vorhanden, so ist die Klage unzulässig (vgl. § 274 B I b 2, A IV). A I. Ist der Rechtstreit zunächst nach § 239 unterbrochen worden, wird dann aber vor Aufnahme Nachlaßverwaltung angeordnet, so ist der Streit nur nach § 241, nicht mehr nach § 239 aufzunehmen; der bereits nach § 239 aufgenommene wird durch die Anordnung der Nachlaßverwaltung erneut unterbrochen (§241). Das entsprechende gilt für die Eröffnung des Nachlaßkonkurses, die dann wieder jenes vom Nachlaßverwalter aufgenommene Verfahren unterbricht (§ 240). A II. Wird die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters verzögert, so muß der Prozeßgegner sich an die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit wenden. Vgl. auch § 57. B. Der Wegfall der Prozeßfähigkeit (bzw. des gesetzlichen Vertreters ohne Nachfolge eines Prozeßfähigen) ist Unterbrechunggrund. B I a) Die physische, prozeßfähige Person kann prozeßunfähig werden, wenn sie im juristischen Sinne geisteskrank (§ 51 B I b) oder über sie vorläufige Vormundschaft angeordnet (§ 51 B I I a 2) oder wenn sie entmündigt wird (§ 51 B I c, II a). b) Doch genügt es schon, wenn der gesetzliche Vertreter (§ 51 D II, III) einer physischen oder einer juristischen Person prozeßunfähig (§ 51 D I I a, III) wird oder wegfällt. Hierher gehören nach der hier vertretenen Auffassung auch die Personen, welche „ k r a f t Amtes" eine Partei vertreten (§ 50 B IV). B II. Die Anordnung der Nachlaßverwaltung (§ 241 III) unterbricht (wie der Konkurs, § 240) das Verfahren. Über die Wirkungen des Endes der Nachlaßverwaltung vgl. § 241 B IV a.
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b) Nicht unterbrochen wird aber der Prozeß, soweit der Gläubiger den Erben persönlich in Anspruch nimmt (BGB §§ 1994 I 2, 2006 III, 2013). B III. Vertreten mehrere die Partei gesetzlich, so wird die Partei (deren Prozeßfähigkeit durch die gesetzliche Vertretung ergänzt wird, §51D) erst prozeßunfähig, wenn alle gesetzlichen Vertreter (ohne Ablösung) wegfallen, während, wenn sie nur einen gesetzlichen Vertreter hat, schon sein Wegfall (ohne Herstellung der Prozeßfähigkeit der Partei) sie prozeßunfähig macht (RGZ 45/340). a) Bei der Vertretung durch mehrere wird es also darauf abgestellt, ob die Vertreter die Partei passiv (§ 171 II) vertreten können. Wird der Rumpf dabei zwar aktiv vertretungunfähig, bleibt er aber passiv vertretungfähig, so entfällt die Prozeßfähigkeit nur in bezug auf die aktive Vertretungfähigkeit (RG J W 98/280 13 ). a 2. Ist der Vorstand als solcher Partei (vgl. § 50 E I a), so muß er mit der gesetzlichen Mindestzahl an Mitgliedern besetzt sein. Sinkt die Anzahl während eines Rechtstreits unter die Mindestzahl, so endet damit aber nicht die Partei (vgl. § 239 D I I I c), vielmehr steht dieser Fall dem § 241 gleich, weil der Vorstand zu ergänzen ist. b) Auch soweit ein Wechsel der Vertretungbefugten derart eintritt, daß an Stelle der bisherigen Vertreter sogleich andere treten, wird das Verfahren nicht unterbrochen. Liegt ein Zeitraum von mehr als einer Woche dazwischen, so wird man geneigt sein, die Unterbrechung anzunehmen, wie dies RG J W 13/876 20 bei dem Wechsel von Testamentvollstreckern getan hat, bei dem eine größere Zeitspanne dazwischen lag. B IV. Entsprechend dem wie bei alsbaldiger Ablösung gesetzlicher Vertreter, wird der Streit nicht unterbrochen, wenn die gesetzliche Vertretung dadurch endet, daß der Prozeßfähige sie verdrängt, also bei Eintritt der Prozeßfähigkeit der bis dahin prozeßunfähigen Partei. In diesen Fällen geht der Prozeß ohne Unterbrechung auf die Partei über (RGZ 33/412), nicht einmal für eine Aussetzung ist hier Raum (OLG 17/318). Darüber, daß die von dem gesetzlichen Vertreter erteilte Prozeßvollmacht weitergilt, vgl. § 86 B I. a) Auch wenn eine Nachlaßpflegschaft aufgehoben wird (BGB § 1960 II), setzen die Erben den Prozeß ohne Unterbrechung fort (RGZ 33/412); das entsprechende gilt für die Aufhebung der Nachlaßverwaltung (RG J W 30/2047 8 ), wie die des Konkurses (RGZ 58/369) und die der Testamentvollstreckung (RG N § 241/8). Im besonderen bei den sog. Parteien kraft Amtes kann ihre gesetzliche Vertretung noch abwicklunghalber andauern (§§ 239 D I I I d 1, 240 F I I b 2). Andererseits dürfen auch die gesetzlichen Vertreter (einschließlich der sog. Parteien kraft Amtes) vorsorglich die Geschäfte zugunsten des Nachfolgers fortführen, etwa noch ein Rechtsmittel einlegen (RG J W 30/2047); abweichend davon hat RG J W 00/296 11 das noch vom KV nach Aufhebung des Konkursverfahrens eingelegte Rechtsmittel für unzulässig erklärt; ebenso hat RG J W 13/87 6 2 0 das von dem Testamentvollstrecker nach Beendigung seines Amtes eingelegte für unzulässig erklärt. Im Falle des Todes des Testamentvollstreckers ist aber BGH v. 1. 2. 1960 I I I ZR 8/59 § 239 entsprechend verfahren. b) Aber auch im Umkehrfalle, wenn die Partei außerprozessual nicht geschäftsunfähig wird, aber für sie ein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, wird das Verfahren grundsätzlich nicht unterbrochen. c) Die Abwesenheit als solche ist kein Unterbrechunggrund. Auch durch die Vereinbarung eines ehelichen Güterstandes wird der Prozeß nicht unterbrochen. C. Soweit danach das Verfahren unterbrochen wird, ist die Aufnahme durch die dem Gericht gegenüber abzugebende Erklärung einzuleiten, in der der neue Vertreter der prozeßunfähigen Partei bzw. der Nachlaßverwalter sich o d e r der Gegner den (neuen) gesetzlichen Vertreter anzeigt. Die Aufnahme wird durch die Zustellung der Erklärung an die außer dem Anzeigenden Beteiligten vollzogen. Vgl. im übrigen § 250 B. C I. Die Anzeige ist eine prozessuale, gegenüber dem Gericht abzugebende Willenserklärung über die Aufnahme des Streits. Sie ist bis zu ihrer Vollziehung widerruflich. Doch darf der Gegner sie ebenfalls abgeben. Schon von der Anzeige ab darf jeder Beteiligte Prozeßhandlungen vornehmen, deren Wirksamkeit ohne Bestätigung über die Vollziehung der Auf-
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nähme eintritt (der Anzeigende darf also etwa zugleich mit der Anzeige das Rechtsmittel einlegen oder begründen). a) Vollzogen wird die Aufnahme mit der Zustellung der Anzeige an den Erklärunggegner. a 2. Stehen auf der Seite des Anzeigenden mehrere und ist auch ihnen gegenüber der Streit unterbrochen worden, also nach h. M. bei der notwendigen Streitgenossenschaft (vgl. dazu § 239 E I a), so ist auch den notwendigen Streitgenossen derselben Parteiseite die Anzeige zuzustellen. Dies gilt ferner für den Streithelfer der anzeigenden Partei, möge er selbständig (§ 69) oder unselbständig (§ 68) sein. b) Das Gesetz verlangt die förmliche Zustellung der Anzeige. Wird nicht zugestellt, sondern nur mitgeteilt, so können zwar die Notfristen nicht in Lauf gesetzt werden; im übrigen wirkt aber die bloß mitgeteilte Anzeige nach § 187, dies gilt auch bei den Berufungbegründung-, Revisionbegründung- und Anschlußrevisionfristen (vgl. auch § 241 C II). Auch kann nach § 295 I der Zustellungmangel geheilt werden. C II. Wird die Richtigkeit der Anzeige bestritten, so kommt es zu einem besonderen Zwischenstreit hierüber in der Zwischeninstanz (der mit dem Ergänzungsurteil schließt) und in der Rechtsmittelbegründungszeit. In diesem Falle wird die Aufnahme vollzogen mit dem Ergänzungurteil (nicht erst mit seiner Rechtskraft; doch laufen die Rechtsmittelfristen zugleich mit dem Ergänzungurteil, wenn bestätigt wird, anders wenn der angeblich Prozeßfähige bzw. der angebliche gesetzliche Vertreter aus dem Prozeß gewiesen wird, vgl. § 239 H I I b). In der Begründungzeit ist die Bejahung der Aufnahme im Zwischenurteil nach § 303 eine nur nach §§ 512, 548 anfechtbare Entscheidung, vgl. § 239 J I I I b 4.
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I Tritt während des Rechtsstreits zwischen einem Vorerben und einem Dritten über einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand der Fall der Nacherbfolge ein, so gelten, sofern der Vorerbe befugt war, ohne Zustimmung des Nacherben über den Gegenstand zu verfügen, hinsichtlich der Unterbrechung und der Aufnahme des Verfahrens die Vorschriften des § 239 entsprechend. A. Wenn die Nacherbfolge eintritt, wechselt regelmäßig die Verfügungbefugnis zwischen Vorerben (BGB §§ 2112, 2136, 2137, 2140) und Nacherben (BGB § 2139). Rechtsnachfolger des Vorerben ist der Nacherbe nicht; doch erstreckt sich die Rechtskraftwirkung der gegen den Vorerben erstrittenen Urteile gegen den Nacherben, sofern der Vorerbe verlügungbefugt war. Diese Verfügungbefugnis entfällt mit dem Eintritt des Nacherbfalls. Ein danach gefälltes Urteil wirkt deshalb nicht mehr gegen den Nacherben, sondern nach § 242 wird der Streit dann unterbrochen, und zwar über § 239, sofern nicht der Vorerbe durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 246). A II. Nicht berührt werden die Prozesse, über deren Gegenstand die Verfügungmacht nicht wechselt, also wo der Vorerbe nur mit Zustimmung des Nacherben über einen Nachlaßgegenstand verfügen darf (BGB § 2113folg.). Bestreitet der Nacherbe die Zustimmung, so muß der Streit mit ihm ausgetragen werden; bestreitet er die Zustimmung nicht, so ist nur der Vorerbe legitimiert. Bestreitet dieser das Geschäft und geht darum der Streit, so wird er bei Eintritt der Nacherbfolge unterbrochen und § 242 ist anzuwenden (Hellwig, System § 177 I I I 2 a). A III. F ü r eine Nachlaßvcrbindlichkeit (BGB §§ 1967 folg.) haften Vor- und Nacherbe. a) Doch haftet der Vorerbe im Verhältnis zum Nacherben nach BGB §§ 2120 I 3, 2124 I allein. In diesen Fällen wird der Prozeß gegen den Vorerben durch den Eintritt des Nacherbfalles nicht unterbrochen, weil insoweit die H a f t u n g des Vorerben unbeschränkt bestehen bleibt (BGB § 2145 I 2); ist allerdings der Vorerbc gestorben, so kann der Prozeß (vorausgesetzt, daß er unvertreten war, § 246) nur gegenüber seinem Erben nach § 239 oder gegen den Nacherben nach § 242 oder gegen beide aufgenommen werden.
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§242 A in
ZPO I. Buch
b) Abgesehen von diesen Fällen kann bei beschränkter Haftung des Vorerben dieser nach dem Eintritt der Nacherbfolge den Gegner auf den Nachlaß verweisen ( B G B § 2145 II), allerdings einschließlich dessen, was ihm aus dem Nachlaß zugeflossen ist. c) Hatte der Vorerbe keine Verfügungsbefugnis über den Nachlaß, so berührt der Eintritt der Nacherbfolge den Prozeß insoweit nicht. B . Unterbrochen wird das Verfahren kraft Gesetzes, und selbst dann, wenn der Nacherbe durch Ausschlagung mit rückwirkender Kraft wegfällt und die Erbschaft selbst dem Vorerben verbleibt ( B G B § 2142). Die Aufnahme wird nach § 250 vollzogen, wobei der Nacherbe an die Stelle des Rechtsnachfolgers i. S. des § 239 I tritt. Wird die Aufnahme verzögert, so darf der Gegner nach § 239 I I vorgehen, aber nicht, solange die Nacherbschaft noch nicht angenommen ist ( § 2 3 9 V).
§ 243
(220)
I Wird im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei ein Nachlaßpfleger bestellt oder ist ein zur Führung des Rechtsstreits berechtigter Testamentsvollstrecker vorhanden, so sind die Vorschriften des § 241 und, wenn über den Nachlaß der Konkurs eröffnet wird, die Vorschriften des § 240 bei der Aufnahme des Verfahrens anzuwenden. A. § 243 setzt voraus, daß im Falle des Todes einer Partei ein anhängig gewesener Streit unterbrochen worden war ( § 2 3 9 1), trifft also nicht zu, wenn der Erblasser durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 246) und danach ein Nachlaßpfleger, Testamentvollstrecker vertretungbefugt wird. Nur im Falle des Nachlaßkonkurses entfällt die Wirkung des § 2 4 6 (§ 240 A I ) . A I . Für den Eintritt der Nachlaßverwaltung ( B G B § 1975) gilt § 241 I I . Über den Nachlaßkonkurs vgl. § 240 E I V a. A II. Werden Testamentvollstrecker und Nachlaßpfleger für den Fall des Eintritts der Nacherbfolge eingesetzt, so gilt § 243 entsprechend. B I. Aufgenommen wird das unterbrochene Verfahren, wenn Nachlaßpfleger bzw. Testamentvollstrecker bestellt sind, durch Anzeige (§ 241 C I) in der Form des § 250 (RG J W 04/238 1 7 ), und zwar entweder vom Pfleger bzw. Testamentvollstrecker oder vom Gegner (§ 241 I I , R G J W 0 4 / 2 3 8 " ) , was auch schon vor Annahme der Erbschaft (vgl. B G B §§ 1960 I I I , 2213 I I ) zulässig ist. Vollzogen wird die Aufnahme durch Zustellung an den oder die Beteiligten, von denen die Anzeige nicht ausgeht (§ 241 C I a), bzw. bei Bestreiten durch das Zwischenverfahren (§ 241 C I I ) . B II. I m Falle des Nachlaßkonkurses ist dagegen das Verfahren ausschließlich nach Konkursrecht wieder aufzunehmen (vgl. § 240 G). Ein so aufgenommenes Verfahren wird aber nicht durch die Beendigung des Nachlaßkonkurses erneut unterbrochen (vgl. § 240 F I I ) .
§ 244
(221)
I Stirbt in Anwaltsprozessen der Anwalt einer Partei oder wird er unfähig, die Vertretung der Partei fortzuführen, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis der bestellte neue Anwalt seine Bestellung dem Gericht angezeigt und das Geriebt die Anzeige dem Gegner von Amts wegen zugestellt hat. II Wird diese Anzeige verzögert, so ist auf Antrag des Gegners die Partei selbst zur Verhandlung der Hauptsache zu laden oder zur Bestellung eines neuen Anwalts binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist aufzufordern. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist das Verfahren als aufgenommen anzusehen. Bis zur nachträglichen Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts können alle Zustellungen an die zur Anzeige verpflichtete Partei, sofern diese weder am Ort des Prozeßgerichts noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirks wohnt, in dem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, durch Aufgabe zur Post ( § 175) erfolgen.
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§244
A. Fällt in Anwaltprozessen (§ 78 I) der postulationfähige Rechtsanwalt weg, so wird das Verfahren nach § 244 I unterbrochen. A II. Im Anwaltprozeß wird nur der Wegfall des sich bestellt habenden postulationfähigen Vertreters von § 244 I getroffen (RG LZ 33/178 5 ). a) Der Wegfall der Postulationsfähigkeit des Anwalts, der die mündliche Verhandlung wahrnehmen soll, des Verkehrsanwalts, des Unterbevollmächtigten ist belanglos. a 1. Fällt der sich bestellt habende Postulationfähige weg, so wird der Prozeß unterbrochen, auch wenn Verkehrsanwälte und Unterbevollmächtigte noch vorhanden sind (KGZ 14/333). a 2. Das Verfahren wird unterbrochen, selbst wenn ihm die Prozeßvollmacht von der Partei entzogen war und sogar nachdem er niedergelegt hatte, so lange nicht für die Partei sich ein anderer Anwalt bestellt hat. a 3. Endgültig erlischt die Stellung des Postulationfähigen mit der Rechtskraft der E n t scheidung vorbehaltlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. dazu § 586 A I I I a). Tritt der Wegfall im Lauf der Frist des § 234 ein, so kann sich dadurch ein neues Hindernis i. S. des § 234 I I ergeben (vgl. aber auch § 234 I I I und SchutzVO Art. 3 12). Das entsprechende gilt, wenn die Postulationfähigkeit gerade im Laufe der Fristen des § 586 entfällt und die Fristen dadurch (und von der Partei unverschuldet) versäumt werden (§ 233 B I I a). a 4. Anhangverfahren, die dem Anwaltszwang nicht unterliegen, wie etwa die Kostenfestsetzung, werden von dem Wegfall der Postulationfähigkeit nicht berührt. b) Das entsprechende gilt für die bestellten Postulationfähigen der unteren Instanz, wenn der Rechtstreit in der höheren schwebt (RG H R R 33/536) und sich in ihr schon einer der höheren Instanz bestellt hat. b 1. Nur soweit gerade der der unteren Instanz (noch oder wieder) zum zuge käme, wird sein Wegfall bedeutungvoll (vgl. § 210a). c) Sind mehrere postulationfähige, bestellte Anwälte vorhanden, so wird das Verfahren erst bei Wegfall des letzten unterbrochen; also regelmäßig nicht bei Sozien (KG D R 42 A 748 3 0 ); es sei denn, daß sie an verschiedenen Gerichten zugelassen wären. H a t t e ein Postulationfähiger (der Partei oder gesetzlicher Vertreter der Partei ist) einen anderen bestellt, so wird durch den Wegfall des bestellten Anwalts das Verfahren nicht unterbrochen, weil die Partei bzw. ihr gesetzlicher Vertreter dann selbst postulationfähig ist. A III. Innerhalb des Anwaltprozesses gibt es indes Prozeßhandlungen, die dem Anwaltszwang nicht unterliegen (§ 78 C). a) Ist das Verfahren indes auch nur in bezug auf eine dem Anwaltzwang unterliegende Handlung unterbrochen, so ist es insgesamt, also auch für die dem Anwaltzwang nicht unterworfenen, unterbrochen. b) Besonderheiten ergeben sich indes im Zustellungverfahren. Im Zustellungverfahren herrscht kein Anwaltzwang für die zustellende Partei (§ 167 A). b 1. Soweit von gerichts wegen zugestellt wird, ist für die Bewirkung der Zustellung der Tod des Postulationfähigen der Partei, deren Erklärung der anderen zugestellt wird, belanglos. b 2. Dies gilt aber auch, wenn der Anwalt der Partei, der postulationunfähig geworden ist, unmittelbar zustellen läßt (RG Gruch. 41/1172), nämlich soweit noch die Zustellungen auf Betreiben der Parteien bewirkt werden (vgl. §§ 317 I, 166 A I). Auch wird nach der hier vertretenen Auffassung (vgl. § 239 D II) die Zustellung nicht dadurch unwirksam, daß der Anwalt der den Zustellungauftrag begeben hatte, stirbt, bevor sie bewirkt wird (a. M. RG J W 04/363 23 ); denn sein erklärter Wille wird durchgeführt und wirkt insoweit noch fort. b 4. Fällt der allein und für das Der reine Wegfall nicht unfähig, die
Postulationfähige desjenigen, dem zuzustellen ist, weg, so wird dadurch Zustellungverfahren als solches noch nicht das Verfahren unterbrochen. der Postulationfähigkeit macht den Anwalt (der Prozeßvollmacht hat) Zustellung wirksam zu empfangen (a. M. BGH N J W 57/713). Allerdings
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§ 244
A III b 4
ZPO I. Buch
kann dem postulationunfähig gewordenen Anwalt nicht mehr nach § 198 wirksam zugestellt werden; dann tritt in die Lücke der Vorinstanzanwalt der (prozeßfähigen) Partei (vgl. §§ 210a, 177; a. M. RGZ 71/155 [159]) ein; fehlt ein solcher, so tritt der Zustellungbevollmächtigte und, wenn auch dieser nicht vorhanden, die prozeßfähige Partei ein (bzw. ihr gesetzlicher Vertreter). Dies gilt aber nur für das hier zu betrachtende Zustellungverfahren, nicht für die Zustellung bei der verzögerten Aufnahme nach der Unterbrechung gemäß § 244 I I 1 (vgl. § 244 D I I b 1). Wird der Anwalt nach bewirkter Zustellung postulationunfähig, so nimmt auch die h. M. keine Unterbrechung an (vgl. jetzt § 210a und BGH MDR 58/479); anders aber RG N § 244/9 bei Zustellung eines Versäumnisurteils, weil hier die Instanz noch fortdauere. Dieses Argument der Beendigung der Instanz zieht aber nicht, zumal die Klage auch noch in der Zwischeninstanz wirksam zurückgenommen werden darf (§ 271 III) und auch sonst noch sich mancherlei zwischeninstanzliche Wirkungen ergeben können (vgl. §§ 320, 321; 716, 239 H I I I , 240 J IV, 241 C II). Zu einem zwischeninstanzlichen Verfahren kann es nach der hier vertretenen Auffassung in diesem Fall nicht kommen. Eine weitere Folge ist dann zu ziehen, wenn die Partei als Rechtsmittelbeklagte vor Bestellung eines Anwalts der Rechtsmittelinstanz verstirbt (vgl. § 246 B II b). c) Im Beschwerdeverfahren h a t RG Recht 33/242 angenommen, daß der Wegfall der Postulationfähigkeit des Anwalts der unteren Instanz, der Beschwerde eingelegt hatte, das Beschwerdeverfahren nicht unterbreche, weil er am Beschwerdegericht nicht postulationfähig sei. B I. Verloren wird die Postulationfähigkeit durch den Tod, sofern in diesem Zeitpunkt kein für den Postulationfähigen bestellter Vertreter (oder Abwickler) tätig war; wird der Abwickler, wie in der Regel (BRAO § 55 11), erst nach dem Tode des Anwalts bestellt, so ist die Unterbrechung eingetreten; B II. durch Verlust der Rechtsanwalteigensehaft infolge strafgerichtlicher Verurteilung (StGB §§ 31, 33, 35); sofern nicht ein Vertreter (vgl. BRAO §§ 161, 54 entsprechend) bestellt war (in bezug auf diesen kommt es dann auf die Löschung des Anwalts an); B III. durch Löschung infolge Zurücknahme der Zulassung und rechtskräftige Ausschließung aus der Anwaltschaft im ehrengerichtlichen Verfahren (BRAO § 36); B I V . infolge einer Aufgabeerklärung. Diese Erklärung darf bis zur Rechtskraft der Zurücknahmeerklärung widerrufen werden. B V. Der Anwalt verliert aber auch die Postulationfähigkeit durch Eintritt seiner Prozeßunfähigkeit (§ 78 A I ; BGH Z 30/112). B VI. Die Postulationfähigkeit wird dem Anwalt indes nicht genommen, wenn er in Konkurs gerät. Auch die Verhängung eines Berufs- und Vertretungverbots f ü h r t nicht dazu. C. Unterbrochen wird auch hier das Verfahren ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Gegners (RG Gruch. 33/1144) oder des Gerichts. C I. Ist das Verfahren unterbrochen, wird dies indes nicht erkannt und wird in concreto die durch den Mangel betroffene Partei nicht benachteiligt, so tritt gar keine Folge ein (vgl. § 78 D). a) Daß die nicht vom Mangel betroffene unterlegene Partei sich auf die mangelnde Postulationfähigkeit des Gegners berufen kann, erscheint nicht angängig. b) Wird dies zuungunsten der betroffenen Partei nicht erkannt, so muß diese ein etwa gegen sie ergangenes Urteil beseitigen; ein Versäumnisurteil durch Einspruch, ein zweites Versäumnisurteil durch Berufung oder Revision. Darüber, daß aber die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gegeben sind, vgl. §§ 579 14, Kommentar 78 D IV. c) Fällt der Anwalt des Nebenintervenienten weg, so wird c 1. im Falle des § 69 das Verfahren unterbrochen. c 2. Ist der Streithelfer aber unselbständig und ist die Hauptpartei neben ihm im Streit, so tritt, während sie den Streit selbst führt, keine Unterbrechung ein; obwohl sie die Aussetzung des Verfahrens fordern darf (§ 246 in entsprechender Anwendung). Führt dagegen der
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§ 244 c I c 2
Streithelfer allein den Streit fort (etwa in der Rechtsmittelinstanz), so wird das Verfahren unterbrochen. Dasselbe gilt für die Zwischeninstanz. c 3. Bei dem Wegfall des Anwalts des Streitverkündeten, auch für den, der im Prozeß der Gegenpartei beigetreten war, tritt keine Unterbrechung ein. C II. Wird die eingetretene Postulationunfähigkeit erkannt, so wirkt dies gegen beide Parteien und das Gericht. a) Nach der hier vertretenen Auffassung (§ 244 A I I I b) tritt die Unterbrechung in der Zwischeninstanz nicht ein, weil das Zustellungverfahren außerhalb des Postulationzwanges steht und also darauf die Unterbrechung nicht gestützt werden darf. Der Fall, wenn sich das Verfahren zwischen Rechtsmitteleinlegung und notwendiger Rechtsmittelbegründung befindet, wird ausdrücklich in § 210 a geregelt. Fällt die Postulationfähigkeit des Anwalts des Rechtsmittelklägers zwischen Rechtsmitteleinlegung und Rechtsmittelbegründung weg, so wird das Verfahren unterbrochen (RG LZ 18/69911). b) Ist der Wegfall der Postulationsfähigkeit streitig, so wird darüber entweder im Endurteil oder im Zwischenverfahren erkannt. lb 3. Ergeht ein Zwischenurteil (§ 303), das auf Nichtbestehen der Postulationfähigkeit erkennt, so ist dieses zugleich mit dem Endurteil (§§ 512, 548) angreifbar. D. Die Aufnahme des Verfahrens wird vorbereitet durch die Anzeige des sich bestellenden neuen Postulationfähigen. Vollzogen wird die Aufnahme erst durch Zustellung des Schriftsatzes (§ 244 I) an die übrigen Beteiligten (§ 241 C I a); darüber, wann die Aufnahme wirkt, wenn nicht zugestellt, sondern nur mitgeteilt wird, vgl. § 241 C I b. Über das Wesen der Aufnahmeerklärung vgl. § 241 C I. D I. Die Aufnahme darf auch stillschweigend erklärt werden, indem etwa der neue Anwalt eine Prozeßhandlung vornimmt (vgl. § 250 B 1, RG Gruch. 59/495; abweichend BArbG E 5/103). a) War das Verfahren zwischen Rechtsmitteleinlegung und notwendiger Begründung unterbrochen worden, so darf sogleich das Rechtsmittel begründet werden. b) Für beide Parteien, im besonderen für den Gegner beginnen indes die Fristen erst mit der Vollendung der Aufnahme, also mit der Zustellung an ihn, zu laufen; und nur mit der Zustellung die Notfristen (§ 187) und die Begründungfristen; wobei allerdings die Anschlußrevisionsfrist (§ 556) keine Notfrist ist und für die Anschließung in der Berufunginstanz diese Frist gleichgültig ist (vgl. § 522a). In jedem Falle wird der Mangel gemäß § 295 geheilt (BGH N J W 57/713). c) Ist in der Rechtsmittelinstanz noch kein Anwalt bestellt, so wird dem vorinstanzlichen Anwalt bzw. Prozeßbevollmächtigten der Gegenpartei die Anzeige zugestellt (§ 210a; RG Warn. 11/478). D II. Wird die Aufnahme verzögert, so hat der Gegner je nach der Lage des Verfahrens das Recht, die Ladung der Partei oder die Bestimmung einer durch den Vorsitzenden zu setzenden Frist zu beantragen, innerhalb der die Partei den Anwalt bestellen soll (§ 244 II 1). a) Der Vorsitzende des Gerichts hat, gleichviel welchen Antrag der Gegner stellt, je nach Lage des Verfahrens entweder Termin zu bestimmen oder die Frist zu setzen. a 1. Die gesetzte Frist ist eine richterliche (§ 221). Mit ihrem Ablauf ist das Verfahren aufgenommen. a 2. Ist ein Termin gesetzt, so endet die Frist mit dem Beginn des Termins, auch wenn er vertagt wird, nicht aber wenn er vor Beginn verlegt wird. Ist die Partei im Termin nicht postulationfähig vertreten, so darf sofort gegen sie Versäumnisurteil ergehen. Nur wenn (versehentlich) zwischen Rechtsmitteleinlegung und Rechtsmittelbegründung zum Termin geladen worden ist, geht dies nicht an; denn erst mit Ablauf des Termins ist der Streit aufgenommen, ohne daß es eines besonderen Ausspruchs bedarf; von da ab läuft dann wieder die Begründungfrist. b) Ist Termin zur Aufnahme angesetzt, so ist die Partei selbst zu laden,
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§244
Dil
ZPO I. Buch
b 1. also nicht ihr Prozeßbevollmächtigter der unteren Instanz (vgl. § 176), und, wenn sie prozeßunfähig ist, ihr gesetzlicher Vertreter (§ 51). Die Ersatzzustellung ist nicht ausgeschlossen; nur die an den Zustellungbevollmächtigten oder, wenn der Wegfall in der höheren Instanz eintritt, an den Anwalt der unteren Instanz (RGZ 103/337) ist unwirksam. Die im Auslande wohnende Partei war deshalb dort (trotz inländischen Zustellungbevollmächtigten) zu laden (RGZ 103/334 [339]). §§ 174 II, 175 gelten insoweit nicht. b 2. Auch die Fristbestimmung ist der Partei selbst zu zustellen. D III. Ist die (erste) Zustellung an die Partei „selbst" in Ordnung, so darf, so lange sich kein neuer Anwalt meldet, an die Partei bzw. ihren gesetzlichen Vertreter zugestellt werden oder, wenn sie nicht an einem Orte des Gerichtsbezirks wohnen, durch Aufgabe zur Post gemäß § 175 (§ 244 II 3). Doch gilt dies erst ab vollendeter Aufnahme des Verfahrens, nicht vorher, also im besonderen nicht bei Terminverlegung. §
245
(222)
I Hört infolge eines Krieges oder eines anderen Ereignisses die Tätigkeit des Gerichts auf, so wird für die Dauer dieses Zustandes das Verfahren unterbrochen. A. § 245 ordnet die Verfahrensunterbrechung an, wenn die Rechtspflege (durch das Gericht) stillsteht. Nach außerprozessualem Recht wird dann nach BGB § 203 der Ablauf der Verjährungfristen gehemmt. Das entsprechende muß für sonstige Klage-(ausschluß)-fristen gelten, mögen sie auch keine Notfristen sein, und für die vorprozessualen Notfristen, welche zur Klageerhebung gesetzt sind (§ 221 C I a 1). A I. Stillstand der Rechtspflege (iustitium) heißt, daß das Gericht in seiner Gesamtheit nicht (mehr) funktioniert. a) Der Ausfall seiner einzelnen Glieder, mögen es tatsächlich alle sein, bewirkt noch keinen Stillstand der Rechtspflege, sofern die Gerichtsverwaltung noch vorhanden ist, welche den Ausfall ausgleicht oder doch umgehend ausgleichen kann. Selbst wenn vorübergehend nichts mehr an Erklärungen, Zustellungen usw. herausgegeben wird, t r i t t noch keine Unterbrechung ein, wohl aber wenn keine Eingänge mehr angenommen oder angebracht werden können. b) Aus welchem Grunde ein Stillstand der Rechtspflege eingetreten ist, ist gleichgültig. A II. Ob die Rechtspflege nicht mehr arbeitet, ist vom Gericht selbst zu entscheiden, und zwar für jeden einzelnen Fall. Einer Erklärung bedarf es dazu nicht. Das ZuständigkeitergänzungG geht von dem Stillstand der Rechtspflege bei den ersatzlos weggefallenen Gerichten aus. A III. Die Unterbrechung endet nach § 245 kraft Gesetzes, wenn das Gericht die Tätigkeit wieder aufnimmt (OLG J W 23/190 3 ), ohne daß es also der Zustellung eines Schriftsatzes (§ 250) bedarf (RG Recht 21/2625). Doch kann von den Parteien erwartet werden, daß die Aufnahme der gerichtlichen Tätigkeit öffentlich bekanntgegeben wird. Zumindest ist, wenn die Partei unverschuldet (vgl. § 233 B II) von der Aufnahme der Rechtspflegetätigkeit nichts erfährt, ein Wiedereinsetzunggrund gegen den Fristablauf (für die Notfristen und die zur notwendigen Rechtsmittelbegründung) gegeben. B. Die Verfahrensunterbrechung nach § 245 wirkt aber anders als die, welche an die Parteien, ihre gesetzlichen und ihre postulationfähigen Vertreter a n k n ü p f t (§§ 239 bis 244, 246, 247). B I. Alle Prozeßhandlungen, welche die Parteien allein ohne Mitwirkung des Gerichts vornehmen können, im besonderen die Zustellung der Urteile auf Betreiben der Parteien und die Zustellungen nach § 198 I 2, sind voll wirksam (vgl. §§ 166folg.). Soweit noch die Vollstreckungorgane funktionieren, aber nicht mehr das Gericht, werden sie nur noch sichernde Maßnahmen treffen dürfen, selbst wenn diese nach § 766 angreifbar wären. Die Vollziehung von Arresten und einstweiligen Verfügungen werden sie bewirken müssen, denn wenn sie noch funktionieren, laufen auch die Vollziehungfristen der §§ 929 II, I I I ; 936.
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§245
B II. Die dem Gerieht gegenüber vorzunehmenden Prozeßhandlungen (im besonderen die Rechtsmitteleinlegung) werden wirksam mit der Aufnahme der Tätigkeit des Gerichts. Bs kann keine Rede davon sein, daß sie wiederholt werden müßten. Kann ein Schriftsatz zwar noch von Anwalt zu Anwalt zugestellt, nicht aber mehr auf der Geschäftstelle niedergelegt werden (§ 133 II), so sind etwa dafür laufende Fristen (vgl. § 272 a) auch dann noch gewahrt, wenn er später zugestellt, aber innerhalb der Frist, in der er niederlegt werden konnte, zugestellt und niedergelegt worden ist. B III. Nach der Wiedereröffnung der Gerichte, die nach 1945 instanzenmäßig geschah, sind zugleich vielfach Bestimmungen für die Behandlung von Streiten in der Zwischeninstanz und in den höheren Instanzen, die nicht wiedereröffnet wurden, getroffen worden. Soweit die gesetzliche Zwischenregelung reicht, können durch sie beendete Verfahren nicht wieder aufgenommen werden (BGHZ 6/64). Doch hat BGHZ 6/64 die Beendigung dieser Verfahren auch für West-Berlin angenommen, obwohl dort jede Übergangregelung fehlt (vgl. EG § 1 B I I c). a) Dies gilt auch für die Nachfolge des Reichsgerichts. Dennoch hat BGH LM § 321/1 keine Ergänzung eines reichsgerichtlichen Urteils (§ 321, wo die Kostenentscheidung vom RG versehentlich weggelassen war) und auch keine Berichtigung nach § 319 mehr zugelassen, und BGH PatBl. 54/156 kat kein Kostenfestsetzungverfahren in Patentnichtigkeitklagen vor dem BGH für ein vor dem RG abgeschlossenes Verfahren zugelassen. Wohl aber hat sich OGH N J W 50/65 für Wiederaufnahmeklagen gegen Urteile des R G für zuständig gehalten. Vgl. auch ZuständigkeitergänzungG § 4 IV. Über die Nachfolge des DOG durch den BGH vgl. Kommentar EG § 1 B I I c 5. Soweit seine Funktionen nicht auf den BGH übergegangen sind, erhielt sie das BVG. b) Der Stillstand der Rechtspflege, der in den polnisch besetzten und den russisch besetzten Gebietsteilen eingetreten ist, ist nach dem ZuständigkeitergänzungG v. 7. 8. 1952 innerhalb der B R D und West-Berlins behebbar.
§ 246
(223)
I Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozeßfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlaßverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge ( § § 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozeßbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; daß Prozeßgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. II Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richten sich nach den Vorschriften der §§ 239, 241 bis 243; in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist die Ladung mit dem Schriftsatz, in dem sie beantragt ist, auch dem Bevollmächtigten zuzustellen. A. Die Prozeßordnung geht davon aus, daß, wenn ein Unterbrechunggrund nach §§ 239, 241—243 eintritt, sofern die Partei durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten ist, das Verfahren nicht von selbst unterbrochen wird, weil die Partei im Verfahren vertreten ist (wie § 86 bezüglich der Vollmacht ergibt). A I. Für den Fall des § 240 gilt dieser Grundsatz nicht, weil der Konkursverwalter nicht durch den Prozeßbevollmächtigten des Gemeinschuldners vertreten wird (§ 240 A I). A II. Die Vertretung durch Prozeßbevollmächtigte hilft indes nichts a ) im Armenrechtsbcwilligungverfahren, wenn die Partei stirbt, weil es sich dann grundsätzlich erledigt (§ 122; OLG J W 36/1309 40 ). Dasselbe gilt bei ersatzlosem Wegfall der juristischen Person wie bei ersatzlosem Wegfall einer sog. Partei kraft Amtes (§ 50 B IV b), und bei Wechsel vom Vorerben zum Nacherben (§ 242); rieht aber sonst bei Wegfall des gesetzlichen Vertreters (§ 241), einschließlich des Nachlaßpflegers (§ 243); während Nachlaßverwalter (§ 241 II) und Testamentvollstrecker (§ 243) von der h. M. wieder zu den Parteien kraft Amtes gezählt werden, auf die § 114 I I I hinweist. Über die Frage, inwieweit der Wiedereinsetzunggrund trotz erledigten Armenrechts fortwirkt, vgl. § 239 B I I d 2.
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§246 Ali
ZPO I. Buch
b) Ferner ist bei Nebenverfahren, die keinem Anwaltzwang unterliegen, wie bei dem Kostenfestsetzungverfahren (§ 103, hier einschließlich der Gebührenwertfestsetzung) und bei dem der Rückgabe einer Sicherheit (§ 109) keine Aussetzung aus § 246 zu begründen, wenn auch sonst nach ausgesetztem Verfahren die Prozeßhandlungen im Anwaltprozeß, die keinem Anwaltzwang unterliegen (§78 11), mit unter die Wirkung der Aussetzung fallen (vgl. § 244 A III a). A III. § 246 gilt entsprechend, wenn die Partei wegfällt, ihr gesetzlicher Vertreter aber bestehen bleibt (§ 51 D), im besonderen bei dem Abwesenheitpfleger (vgl. § 239 D I); vgl. auch §§ 53, 57, 58. a) Dies ist aber anders, wenn die Partei selbst postulationfähig war (sie erteilt sich selbst keine Vollmacht), so daß, wenn sie bisher nach § 78 III auftrat, schon infolge des Wegfalls als Partei bzw. des als gesetzlichen Vertreters das Verfahren nach §§ 239, 241, 242, 243 unterbrochen wird, auch wenn der Anwalt seine Postulationfähigkeit behalten hat (RG JW13/876 20 ). b) Entfällt dagegen im Anwaltprozeß (§ 78 I — nicht im Parteiprozeß) die Postulationfälligkeit, so gilt § 244. c) Entsprechend ist § 246 I angewandt worden, wenn eine juristische Person durch Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere übergeht (RGZ 56/331). B. Hatte die Partei einen bestellten Postulationfähigen, so ist ein nach §§ 239, 241, 242, (243) eintretendes Ereignis kein Unterbrechunggrnnd (RGZ 155/350). Die Bestellung- erfolgt gegenüber dem Gericht; im Parteiprozeß braucht dies kein Anwalt zu sein. Dazu gehört auch der Vertreter nach § 89, nicht aber der nur für einzelne Prozeßhandlungen Bestellte (vgl. § 83 II) und nicht der Beistand (§ 90). B I a) Fehlte von Anfang an die Parteifähigkeit der als Partei benannten und a 1. war an die Stelle der weggefallenen Partei eine andere (rechtsnachfolgend) getreten, so überdauert die Prozeßvollmacht dieses Ereignis (§ 86). Das auf den Namen der weggefallenen Partei oder das gegen sie ergangene Erkenntnis wirkt für und gegen den Rechtsnachfolger (RG J W 29/139731), es muß allerdings berichtigt werden (vgl. dazu §50 F III a 3). Dabei ist es gleichgültig, ob zur Zeit des Wechsels schon ein gerichtliches Verfahren anhängig war oder erst nach dem Ereignis anhängig gemacht wurde (vgl. § 86 A I a); es wird auch nicht bloß der gerichtlich bestellte Prozeßbevollmächtigte, sondern schon der außergerichtliche (§§ 78 A II, 80 B II d,81 B) getroffen, und dies gilt nicht bloß für den Angreifer, sondern auch gegenüber dem Angegriffenen. In solchen Fällen sollte man § 246 entsprechend anwenden (über die prozessuale Behandlung dieser Fälle vgl. § 50 F II, III). Ist dagegen die Partei ersatzlos weggefallen, so ist für § 246 kein Raum, die Klage ist mangels Parteifähigkeit als unzulässig abzuweisen (§ 50 F I). a 2. Wird eine z. Z. der Anhängigkeit des Verfahrens noch nicht bestehende Partei existent oder tritt eine von vornherein angenommene Rechtsnachfolge im Laufe des Verfahrens ein, so liegt kein Unterbrechungfall vor; § 246 ist nicht anzuwenden. Bis zu dem Ereignis ist die Klage als unzulässig abzuweisen, wenn überhaupt keine Partei existent ist (§ 50 F I), sachlich als unbegründet aber, wenn die behauptete Rechtsnachfolge noch nicht eingetreten ist. b) Mangelt von Anfang an die Prozeßfähigkeit, b 1. also auch schon bei Erteilung der Vollmacht, so darf § 246 nicht angewandt werden (RGZ 18/384), die Klage ist als unzulässig abzuweisen (§ 51 A II b); wenn auch der Bevollmächtigte sich auf die Vollmacht des Prozeßunfähigen berufen darf, denn dieser ist insoweit relativ prozeßfähig (vgl. §51 A II b2); und das entsprechende gilt für den nicht legitimierten, gesetzlichen Vertretender Vollmacht erteilt hat; andernfalls, wenn überhaupt keine Vollmacht wirksam erteilt worden ist, ist der angebliche Vertreter nach § 89 aus dem Streit zu weisen (§ 88 C II a). b 2. War dagegen die Prozeßfähigkeit z. Z. der Vollmachterteilung vorhanden und fiel sie danach weg, so ist § 86 anzuwenden (RGZ 118/122); damit wird dann aber § 246 entsprechend anwendbar. Bei Wegfall der Legitimation des gesetzlichen Vertreters ist aber zu beachten, daß ein gesetzlicher Ubergangsfall vorliegen kann. Auch diese Vollmacht bezieht sich sowohl auf
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§ 246 BI b 2
den gerichtlichen wie auf den außergerichtlichen Prozeßbevollmächtigten (vgl. §§ 78 A II, 80 ß II d, 81 B), sowohl auf den angreifenden wie auf den angegriffenen. Fällt aber jemand weg, der außergerichtliche Prozeßvollmacht hatte, also befugt war, Prozeßvollmacht zu erteilen, so hängt die Frage, ob er wirksam die Vollmacht weiter erteilt hat, vom außerprozessualen Recht ab (auch hier gibt es eine gesetzliche Übergangzeit). Der Wegfall eines solchen außergerichtlichen Prozeßbevollmächtigten im Laufe des Verfahrens ist rechtlich bedeutungslos. § 246 ist unanwendbar. Ein Fall des § 241 liegt nicht vor. b 3. Wird ein von Anfang an bestehender Mangel in der Prozeßfähigkeit (Legitimation des gesetzlichen Vertreters) geheilt, so ist kein Unterbrechungfall gegeben (§ 241 B IV). Die Herstellung der Prozeßfähigkeit ist kein Unterbrechung- oder Aussetzunggrund. c) Tritt Nacherbfolge ein, so wirkt nur in dem Fall des BGB § 2140 die Vollmacht des Vorerben gegen den Nacherben, dann gilt § 246. Sonst deckt die v'om Vorerben erteilte Vollmacht den Bevollmächtigten gegenüber dem Nacherben nicht. B II. Der in § 246 I geregelte Fall bezieht sich unmittelbar auf die Unterbrechung im Laufe eines Verfahrens. a) Die Norm gilt auch, wenn die arme Partei durch einen Anwalt vertreten wird und infolge des § 122 das Armenrecht endet. b) Hier ergeben sich Besonderheiten in der Zwischeninstanz. Prozeßbevollmächtigter der Zwischeninstanz ist der der unteren Instanz (RGZ 68/247 [256]). Ist indes schon ein Rechtsmittel eingelegt und ist von der vom Ereignis betroffenen Partei (dem Rechtsmittelbeklagten) noch kein Rechtsmittelanwalt bestellt (anders bei Simultanzulassung des Anwalts, der in der unteren Instanz vertritt), so wird durch das Ereignis (etwa den Tod der Partei) nach BGH Z 2/227 das Verfahren unterbrochen, auch wenn ein Prozeßbevollmächtigter der unteren Instanz vorhanden ist. Da indes für die Empfangnahme der Zustellung die Postulationfähigkeit nach geltendem Recht nicht zu fordern ist (§ 244 A III b), kann dieser Rechtsprechung nicht mehr gefolgt werden. Der Prozeßbevollmächtigte der unteren Instanz darf im besonderen den der höheren bestellen (Kommentar § 81A II d 2) und darf auch die Aussetzung in der höheren Instanz beantragen. Stirbt eine Partei innerhalb der ersten oder der zweiten Instanz, wird dann aber der Prozeß fortgeführt, sei es innerhalb der Instanz, sei es auch durch Einlegung des Rechtsmittels, so wird der Prozeß nicht unterbrochen (RGZ 68/390). Auch in dem Fall, wo der einzige gesetzliehe Vertreter des Klägers, der in der Instanz obgesiegt hatte, gestorben war (und bislang kein neuer bestellt war), hat BGH LM § 233/28 den Streit nicht als unterbrochen behandelt. C. Träte ohne den Bevollmächtigten ein Unterbrechungfall ein, so darf indes der bestellte Prozeßbevollmächtigte (und u. U. der sich bestellende) beantragen, daß ausgesetzt wird. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn der Unterbrechunggrund besteht. Er unterliegt nicht dem Anwaltzwang (§ 248 A I). C I. Der Mangel der Vollmacht steht, so lange nicht ihre Unwirksamkeit feststeht, dem Antrage aus § 246 nicht entgegen (RG JW 17/29518). Auch sind hier relativ Prozeß- und Parteifähige in der Lage, eine in bezug auf die Feststellung ihrer Prozeß- bzw. Parteiunfähigkeit wirksame Vollmacht zu erteilen (§§ 50 E, 51 B IV). C II. Der Antrag darf grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens vom Unterbrechungereignis an (§§ 239, 241, 242, 243) gestellt werden, gleichviel ob und welche Prozeßhandlungen dazwischen vorgenommen worden sind (KG OLG 1/124). a) Wird der Antrag am Schlüsse der mündlichen Verhandlung gestellt und daraufhin ausgesetzt, so sollte dies die Verkündung einer sachlichen Entscheidung nicht verhindern (§ 249 III in entsprechender Anwendung; a. M. RG JW 00/3414). b) Der Antrag darf noch in der Zwischeninstanz (RGZ 68/247), in der unteren Instanz gestellt werden, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist (RG JW 00/3414). c) Man sollte ihn nicht mehr zulassen, wenn der Rechtsnachfolger bzw. der Nacherbe bzw. der neue gesetzliche Vertreter bzw. der prozeßfähig Gewordene dem Prozeßbevollmäch-
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tigten Vollmacht erteilt hatte, und im besonderen, wenn er schon in seinem Namen aufgetreten ist (a. M. RGZ 46/379). C III. Der Aussetzungantrag darf von dem Prozeßbevollmächtigten namens der Partei gestellt werden. a) Der Streitgehilfe (§§ 67folg.) ist dazu nicht befugt (RG Warn. 11/88). Die prozeßunfähige Partei kann nicht eingreifen, weil sie zum Widerruf der Prozeßvollmacht nicht befugt ist. Der Rechtsnachfolger darf zwar im Fall des § 239, auch der neue gesetzliche Vertreter in dem des § 241 und der Nacherbe in dem des § 242 eingreifen; damit treten sie aber im Prozeß aktiv hervor, was im Falle der Unterbrechung nur durch Aufnahmehandlung geschehen könnte; ihnen darf also nicht das Recht gegeben werden, nur zwecks Aussetzung einzugreifen. Nur wenn in den Unterbrechungereignisfällen außer dem gerichtlich bestellten Prozeßbevollmächtigten noch ein außergerichtlicher vorhanden ist, der kraft postmortaler Vollmacht eingreift, könnte er die Aussetzung gegen den Willen des bisherigen Prozeßbevollmächtigten durch dessen Abberufung in Form des § 87 durchsetzen. Ebenso darf der Prozeßbevollmächtigte der unteren Instanz einen der höheren Instanz bestellen nur zu dem Zweck, das Verfahren aussetzen zu lassen. a 1. OLG J R 50/246 meint, daß auf den Aussetzungantrag wirksam und unwiderruflich verzichtet werden dürfe. Doch ergibt sich dies nicht aus der Prozeßordnung. Auch darf der Antrag nicht wegen Mißbrauchs abgelehnt werden (vgl. BGH Z 1/248). Die Gegenpartei h a t es in der Hand, die Aufnahme zu betreiben. Vgl. auch § 246 C II c. b) Der Aussetzungsantrag darf ferner von dem Gegner gestellt werden, wenn die Partei gestorben (§ 239) bzw. eine nach § 242 erhebliche Nacherbfolge eingetreten ist. b 1. Die h. M. setzt hier dem Tod den „Wegfall" juristischer Personen gleich (RGZ 56/331). b 2. Der Tod des gesetzlichen Vertreters (RGZ 14/436) oder das Eintreten eines sonstigen Falles des § 241 gibt dem Gegner dieses Recht nicht. Auch entfällt sein Recht, wenn der Rechtsnachfolger bzw. der Nacherbe im Prozeß bereits hervorgetreten ist (RG J W 02/420 9 ). D I. Die Wirkungen der Aussetzung (§ 249) treten mit der Verkündung des Beschlusses bzw. mit der formlosen Mitteilung nach § 329 I I I (im Falle der Stattgabe des Antrags) ein (RG J W 28/1297 14 ). Ergeht der Beschluß der unteren Instanz in der Zwischeninstanz erst, nachdem ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, so ist er wirkunglos, da dann nur das Rechtsmittelgericht für die Aussetzung zuständig ist (RGZ 130/337). Das trotz Aussetzung eingelegte bzw. begründete Rechtsmittel ist aber wirksam eingelegt und begründet (Kommentar § 249 C I b). D II. Für die Aufnahme eines ausgesetzten Verfahrens sind dieselben Vorschriften für anwendbar erklärt worden, die im Falle des unterbrochenen Verfahrens gelten (§ 246 II), u. U. bei Verzögerung durch den Gegner auch die dafür gegebenen Normen der §§ 239 II, 242, 243 (nicht aber im Fall der §§ 241, 243). Die Aussetzung endet mit der Zustellung der Aufnahmeerklärung bzw. Anzeige, ohne daß es eines gerichtlichen Beschlusses bedürfte (vgl. § 250 A); nur im Fall der Aufforderung zur Aufnahme durch den Gegner bedarf es eines Gerichtsbeschlusses, regelmäßig keines Urteils. Befindet sich indes der Rechtstreit z. Z. der Aussetzung in der Zwischeninstanz bzw. vor der notwendigen Rechtsmittelbegründung, so muß im ersten Fall eine Ergänzungentscheidung (wenn die Betroffenen nicht erscheinen, u. U. auf dem Weg des Versäumnisurteils, RGZ 58/202) und im letzten Fall ein (u. U. Versäumnis-, vgl. aber § 239 J I I I b 4) Zwischenurteil ergehen, das zur Aufnahme verurteilt (RGZ 68/390). Sonst kommt es zu Zwischenverfahren nur bei Widerspruch der Gegenpartei (vgl. RG N § 246/20). a) In den Fällen des Todes (§ 239 bzw. denen des Wegfalls einer juristischen Person vgl. § 246 C I I I b 1) und der Nacherbfolge (§ 242), nicht aber in den übrigen Fällen, ist der Aufnahmeschriftsatz nebst der Terminladung dem bisherigen Prozeßbevollmächtigten gleichfalls zuzustellen. Doch genügt die Zustellung an ihn allein in dem Fall des § 239 I I nicht, weil hier stets dem Rechtsnachfolger persönlich zuzustellen ist. Dem früheren Prozeßbevollmächtigten ist zuzustellen, obwohl seine Prozeßvollmacht in diesem Falle erloschen ist (RGZ 50/339). Das gegen den Rechtsnachfolger ergehende Versäumnisurteil ist diesem zuzustellen (RGZ 50/339), nicht dem bisherigen Prozeßbevollmächtigten.
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§ 246
D II
b) Nimmt ein neuer Bevollmächtigter auf, so gelten für ihn §§ 80, 81; andernfalls gilt die Vollmacht des alten Bevollmächtigten fort (§ 86) bis auf den genannten Fall der Aussetzung infolge des Todes, Wegfalls der juristischen Person und Eintritts der Nacherbfolge, in denen die Vollmacht des alten erloschen ist. E. Wird der Aussetzungantrag nicht gestellt, so läuft das Verfahren unverändert fort. E I. Einer Anzeige der eingetretenen Änderung bedarf es nicht (OLG 21/94f.). Ergeht die Entscheidung noch auf den Namen des Verstorbenen, so wirkt sie doch für und gegen den Rechtsnachfolger (RG J W 29/139731). Das Bestreiten der Aktivlegitimation infolge des Todes bzw. der Nacherbfolge bedarf nicht der vorherigen Aussetzung des Verfahrens (RGZ 50/362). E II. Doch ist die Legitimation des neuen gesetzlichen Vertreters nach §56 zu prüfen (a. M. KG OLG 16/35f.).
§ 247
(224)
I [Befindet sich eine Partei zu Kriegszeiten im Militärdienst oder] hält sieh eine Partei an einem Ort auf, der durch obrigkeitliche Anordnung oder durch Krieg oder durch andere Zufälle von dem Verkehr mit dem Prozeßgericht abgeschnitten ist, so kann das Gericht auch von Amts wegen die Aussetzung des Verfahrens bis zur Beseitigung des Hindernisses anordnen. A. § 247 gibt dem Gericht die Möglichkeit, von sich aus den Streit auszusetzen, wenn eine prozeßfähige Partei bzw. ihr gesetzlicher Vertreter vom Prozeßgericht durch höhere Gewalt abgeschnitten ist. Ist nur die Partei, nicht aber ihr gesetzlicher Vertreter abgeschnitten, so kommt es nur auf den letzten an. Ist nur der Prozeßbevollmächtigte abgeschnitten, so wird das Gericht nach § 337 vertagen müssen; aussetzen darf es aus diesem Grunde nicht (vgl. aber auch § 176). Ist der Prozeßbevollmächtigte nicht abgeschnitten, so sollte man § 246 entsprechend anwenden (a. M. RG N § 247/2). A I. Liegen die Voraussetzungen der Bestimmung vor, so muß das Gericht aussetzen. A II. Aussetzunggrund ist die Behinderung einer Partei, das Verfahren tatsächlich betreiben zu können. a) Vgl. auch die SchutzVO; auch ein nach der SchutzVO unterbrochenes Verfahren darf noch nach § 247 ausgesetzt werden (OLG HEZ 2/53). b) Die Abschneidung nach Osten ist dabei noch nicht als eine nach § 247 anzusehen (OLG NdsRpflege 53/200; a. M. OLG NdsRpfl. 49/88). A III. Die Abschneidung von Beweismitteln gehört jedenfalls nicht unter § 247 (OLG JMB1. N R W 51/238). Hier ist nach § 356 vorzugehen. B. Die Aussetzung wird von Gerichts wegen, auch auf Antrag der Gegenpartei wie auf den des nicht abgeschnittenen Prozeßbevollmächtigten der betroffenen Partei ausgesprochen. Wird dem Parteiantrag nicht stattgegeben, so gilt § 252. B I. Bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62 A) wirkt die Aussetzung für und gegen alle Streitgenossen (RGZ 106/136 [142]; bei gewöhnlicher Streitgenossenschaft hat RGZ 106/136 [141] gemäß § 148 zugleich auch die Aussetzung gegen die übrigen Streitgenossen zugelassen). Ob ein unselbständiger Streitgehilfe (§67) behindert ist, wird nicht beachtet, wohl aber, wenn es ein selbständiger ist (§ 69). B II. Wann die Aussetzung endet, ist streitig. Wird die behindert gewesene Partei tätig, so wird es regelmäßig keines Gerichtsbeschlusses bedürfen; anders ist dies aber, sobald für die Gegenpartei oder einen sonst Beteiligten Fristen erneut zu laufen beginnen. Keinesfalls wird nach der hier vertretenen Auffassung dadurch, daß jemand vor ihrem Beginn eine Prozeßhandlung vornimmt, diese schlechthin unbeachtlich, sondern sie gilt mit dem Fristenlauf als vorgenommen. Der Gerichtsbeschluß ist förmlich zuzustellen (§ 329 I I I ) ; geschieht dies nicht, so kann der Lauf von Notfristen (zu denen die notwendigen Begründungfristen aber nicht gehören) nicht beginnen (§ 187). 43 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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ZPO I. Buch
§ 248
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I Das Gesuch um Aussetzung des Verfahrens ist bei dem Prozeßgericht anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. II
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
A. § 248 regelt das Aussetzungverfahren in dem Falle der §§ 246 (247). Er gilt nicht für die sonstigen Aussetzungfälle (a. M. für den Fall des § 149: RG J W 00/217 19 ). Darüber, ob § 248 I I in diesen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, vgl. §§ 148 F, 150 C. A I. Das Gesuch darf schriftlich, zu Protokoll der Geschäftstelle (§ 248 I), ohne Anwaltzwang (§ 78 II) bzw. zu gerichtlichem Protokoll und in der mündlichen Verhandlung angebracht werden. a) Es darf vom Bevollmächtigten der unteren Instanz in der höheren gestellt werden (RGZ 71/155). Anders ist dies für die Beschwerde gegen einen die Aussetzung ablehnenden Beschluß. Diese unterliegt dem Anwaltzwang (RG Gruch. 38/1209), abgesehen vom Fall des § 569 I I . b) Anzubringen ist es bei dem Gericht, wo der Streit schwebt; bis zur Einlegung des Rechtsmittels bei der unteren Instanz (RGZ 68/247folg.); im besonderen zugleich mit der Einlegung des Rechtsmittels beim Rechtsmittelgericht. Wird es in unverschuldeter (§ 233 B I I a) Unkenntnis bei dem Gericht der unteren Instanz gestellt, obwohl ein Rechtsmittel eingelegt ist, so sollte man es für wirksam halten, sobald es bei dem Rechtsmittelgericht eingeht. Jedenfalls ist der Beschluß der unteren Instanz, wenn er nicht vor Einlegung des Rechtsmittels zugestellt worden ist, unwirksam (RGZ 130/337). Umgekehrt ist das Rechtsmittel nach der hier vertretenen Auffassung wirksam eingelegt, selbst wenn das Verfahren ausgesetzt war (vgl. § 249 C I b). Wird der Antrag nach Rechtsmittelfristablauf gestellt, so ist er unzulässig, selbst wenn das Rechtsmittel noch unter einem (erfolgreichen) Wiedereinsetzungantrag angebracht werden könnte. B. Nach § 248 I I wird gemäß den Grundsätzen der freigestellt mündlichen Verhandlung verfahren (§ 128 G II). B I. Entschieden wird durch Beschluß, der auf mündliche Verhandlung zu verkünden, sonst formlos mitzuteilen ist (§ 329 I, I I I ) ; nur wenn die Aussetzung abgelehnt wird, muß er zugestellt werden (§§ 329 III, 252). a) Ausgesetzt werden darf nicht, wenn die Instanz dazu nicht mehr zuständig ist (vgl. § 248 A I I b), wenn über eine Prozeßbedingung zu entscheiden ist, die ranglich der Prozeßbedingung vorgeht (§ 274 B), welche den Aussetzunggrund abgibt (vgl. RG J W 14/1043 10 ). Dasselbe gilt von den Prozeßfortsetzungbedingungen, sofern sie gegeben sein müssen, wenn davon die Aussetzungmöglichkeit abhängt. B II. Über die Beschwerde gegen den Beschluß vgl. § 252.
§ 249
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I Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, daß der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt. II Die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozeßhandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. III Durch die nach dem Schluß einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert. A. § 249 behandelt die Folgen von Unterbrechung und Aussetzung.
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§249
A II. Unterbrechung wie Aussetzung wirken nur in bezug aui das bestimmte Verfahren und beschränkt auf die Instanz wo das Ereignis eintritt. a) Stirbt die Partei, die sich bei einem Prozeß vor dem AG (§ 79) oder vor dem LG nach § 78 I I I selbst vertritt, so wird hier das Verfahren nach § 239 unterbrochen; doch erstreckt sich die Unterbrechung nicht auf den Teil des Prozesses, der in der Berufunginstanz schwebt, sofern die Partei durch einen (anderen) Anwalt vertreten war (§ 246 I). War die Partei vor dem Amts- und dem Landgericht in einem solchen Fall durch denselben Anwalt vertreten und stirbt dieser, so wird nicht der Amtsgerichtsprozeß, wohl aber der Landgerichtsprozeß unterbrochen (§ 244 I). Stirbt der Anwalt der zweiten Instanz, so wird das Verfahren nur dort, nicht auch, soweit es noch in der ersten oder in der dritten anhängig ist, unterbrochen. Entsprechend wirkt die Aussetzung nur für die Instanz, die sie ausgesprochen hat. Ist die Partei in einem Verfahren, das über mehrere Instanzen gleichzeitig geht, verschieden vertreten, so darf jeder ihrer Prozeßbevollmächtigten nach § 246 unabhängig von dem anderen beantragen, daß ausgesetzt wird mit der Folge, daß der Aussetzungsbeschluß der einen Instanz nicht für die andere wirkt. Nur der Aussctzungsbeschluß der Zwischeninstanz soll nach der h. M. die höhere binden, jedenfalls soweit er vor Einlegung des Rechtsmittels erlassen worden ist (Kommentar § 248 A I I b, B II). b) Das unterbrochene wie das ausgesetzte Verfahren hindert nicht, daß ein neues Verfahren in Gang gesetzt wird. Deckt es sich mit dem ersten, so wird ihm der Rechtshängigkeiteinwand entgegenstehen. Ist gar ein Verfahren speziell ausgesetzt (etwa nach § 620), so wird dadurch nicht einmal ein Anordnungverfahren nach §§ 627folg. ausgeschlossen (OLG SchlHA 50/60). B . Die Wirkung beginnt bei der U n t e r b r e c h u n g mit dem Eintritt des Unterbrechungereignisses, ohne Rücksicht auf die Kenntnis der Beteiligten vom Unterbrechunggrunde (RG J W 07/713 24 ). Die A u s s e t z u n g wirkt erst mit der Verkündung des Beschlusses und, wo er nicht verkündet wird, mit dem Zugang an die Partei (vgl. RGZ 62/26) und hier bei auseinanderfallenden Daten für jede getrennt. Jeder weitere Unterbrechunggrund wirkt zusätzlich; aber auch jeder Aussetzunggrund wirkt so, weil auch er zur ordnungmäßigen Aufnahme beseitigt werden muß. B I. Nach § 249 I hört mit der Unterbrechung bzw. der gerichtliehen Aussetzung jeder Fristablauf auf. Dies gilt indes nur für die Prozeßfristen im engeren Sinne (§ 221 A I b), nicht für die sogenannten uneigentlichen (§ 221 A I b 2); im besonderen nicht für die Fünfmonatfristen der §§ 516, 552 (RGZ 122/51), nicht für die Dreimonatefrist des § 320. Von den Prozeßfristen im engeren Sinne werden aber alle, richterliche wie gesetzliche, getroffen, Notfristen, Rechtsmittclbegründungfristen (RGZ 78/343) und andere. a) Unterbrechung und Aussetzung wirken nicht auf außerprozessuale Fristen ein. Die außerprozessuale Unterbrechung (durch Klageerhebung u. dgl. m.) endet nach BGB § 211 erst, wenn der Unterbrechung- und Aussetzunggrund entfallen ist (RGZ 72/187). B II. Nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung beginnt eine neue Frist zu laufen. Über den Beginn dieses Fristenlaufs vgl. §§ 239 H, J I I I ; 240 G, H I I ; 241 C; 242 B ; 243 B ; 244 D I, I I ; 245 A I I I ; 246 D I I ; 247 B II.Im Falle der Entscheidung eines Kompetenzkonfliktgerichtshofes (vgl. GVG § 17 B) beginnen die Fristen wieder zu laufen mit Zustellung des Urteils dieses Gerichtshofes (RG J W 00/872 4 ). a) Ist bei einer richterlichen Frist vom Gericht ein kalendermäßig bestimmter Endtermin gesetzt (§ 233 B II), der abgelaufen ist, so ist nach der neuen Rechtsprechung eine neue Frist zu setzen (RGZ 151/279). b) Lief bereits die Notfrist der §§ 516, 552, so wird nach Unterbrechung bzw. dem Ende der Aussetzung die neue Notfrist in Lauf gesetzt. Lief sie aber noch nicht, so ist von der Urteilsverkündung die Fünfmonatefrist zu berechnen, und die Notfrist beginnt erst nach ihrem Ablauf zu laufen, falls bis dahin das Urteil nicht zugestellt worden ist; ist die Fünfmonatefrist aber schon verstrichen, so läuft nur noch die (volle) Notfrist ab Ende der Unterbrechung oder Aussetzung (RGZ 122/51 [54]). c) Kommt es in der Zwischeninstanz zu einem Ergänzungverfahren (vgl. § 239 H III), so läßt die h. M. von der vollzogenen (§ 250 A I) Aufnahme (nicht von der Aufforderung zur 43
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§ 249
B Ii c
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Aufnahme durch den Gegner und nicht von der Einreiehung des Auinahmeschriftsatzes bei dem Gericht) an die Rechtsmittelfrist laufen (RGZ 140/348). Kommt es zum Ergänzung(Zusatz-)urteil, so läuft die Rechtsmittelfrist (für das ergänzte Urteil) erst von der Rechtskraft des Zusatzurteils an (RG J W 31/2564 5 ); § 517 ist insoweit unanwendbar (RGZ 140/348). Wird indes schon gegen das Ergänzungsurteil ein Rechtsmittel eingelegt, so muß es zugleich gegen das vorangegangene Urteil eingelegt werden (§ 239 H III), wenn nicht bloß die Rechtsnachfolge usw. (also der Aufnahmegrund) umstritten ist. Im Rechtsmittelverfahren fällt sodann das getrennte Verfahren wieder zusammen. Auf der anderen Seite erübrigt sich das Zwischenverfahren, wenn zugleich mit der Rechtsmitteleinlegung aufgenommen wird (vgl. § 250 B I a 1). Unbedenklich ist dies nach der hier vertretenen Ansicht auch bei Einsprüchen, die in derselben Instanz bleiben. Das Gesagte gilt für alle Notfristen (§ 221 C I a 1). d) Kommt es nach Rechtsmitteleinlegung aber vor Ablauf der notwendigen Rechtsmittelbegründungfristen zur Unterbrechung oder zur Aussetzung, so sollte man entsprechend dem Zwischenverfahren vorgehen, d. h. den Fristenlauf mit Rechtskraft des Zwischenurteils bzw. Zwischenbeschlusses beginnen lassen; nimmt das Verfahren indes der Rechtsmittelkläger auf, so muß er ab vollzogener Aufnahme begründen. Auch darf er, wenn der Grund in der Partei des Rechtsmittelbeklagten aufgetreten ist, schon vor vollzogener Aufnahme das Rechtsmittel einlegen bzw. es begründen (vgl. § 249 C I b), wenn beides auch erst wirksam mit der vollzogenen Aufnahme wird. C. Nach § 249 I I sind die Prozeßhandlungen (vgl. § 128 C I I I c), die von einer Partei „in Ansehung der Hauptsache" gegenüber der anderen Partei vorgenommen werden, wirkunglos. C I. Unter Prozeßhandlungen zur Hauptsache werden die begriffen, welche im Laufe eines Prozesses vorgenommen werden dürfen und sollen, einschließlich der Nebenansprüche (§ 4 C I) und Nebenverfahren (Arrest usw.). Im Gegensatz dazu stehen die, welche die Unterbrechung oder Aussetzung beheben oder die Aussetzung herbeiführen sollen (vgl. RGZ 63/364f.), wie die, welche zum Streit hierüber gehören. a) Vorausgesetzt wird dabei indes, daß die Nebenverfahren überhaupt betroffen worden sind (vgl. § 246 A II). b) Soweit Prozeßhandlungen gegenüber dem Gericht vorgenommen werden dürfen oder gar vorzunehmen sind, wird ihre Vornahme nur im Fall des § 245 (vgl. § 245 A I) verhindert. Sonst sind sie (relativ) wirksam, selbst wenn sie gegenüber der anderen Partei (noch) nicht wirken (§249 I I ; RGZ 170/1 [6]). Das Rechtsmittel oder der Rechtsbehelf oder die Rechtsmittelbegründung sind also nicht unzulässig und dürfen als solche nicht verworfen werden. Nur gibt es keine Sachentscheidungen hiernach. Ein dahingehender Antrag einer Partei wäre vor Behebung des Hindernisses zurückzuweisen (§ 335). Seit der Nov. (48) 50, wo die Zustellung von gerichts wegen besorgt wird, darf sogar jeder Schriftsatz bei Gericht eingereicht werden. Allerdings wäre die Zustellung an den Gegner unwirksam und kann auch nicht „demnächst" bewirkt werden (vgl. §§ 261 b III, 496 III), sondern erst nach Aufhebung des Unterbrechungöder Aussetzungzustandes. b 1. In jeder Prozeßhandlung liegt, wenn die betroffene Partei sie vornimmt, zugleich eine Aufnahmehandlung (die allerdings erst mit der von gerichts wegen vorgenommenen Zustellung der Erklärung wirksam wird, § 250 A I; a. M. RGZ 141/308). Anders ist dies, wenn der nicht zur Aufnahme berechtigte, aber dennoch Beschwerte so verfährt; also der Gemeinschuldner, sofern er nicht handeln darf (ob ihm dieses Recht noch zusteht, ist allerdings umstritten, vgl. es bejahend: RG J W 37/1062 9 ). Der Konkursgläubiger, der nach KO § 144 eingreifen darf, hat nicht das Recht, ein Erkenntnis, das gegen den Gemeinschuldner ergangen war, so zu beseitigen, sondern nur auf dem Weg der KO §§ 144, 149 (RG J W 30/1058 2 ). b 2. Die gegenüber der betroffenen Partei vorgenommenen Prozeßhandlungen sind wirkunglos. Unwirksam ist nur noch die Zustellung (Mitteilung) an die andere Partei, möge sie vom Gericht oder vom Gegner ausgehen, möge sie die behinderte oder die andere Partei betreffen (RG Warn. 16/61). Soweit Zustellungen bewirkt werden, die keine Notfrist betreffen, gilt § 187 11. Die Heilung (also u. U. die Rechtshängigkeit, § 263) tritt aber erst mit Wegfall des Unterbrechung- oder Aussetzungereignisses ein. Nur Zustellungen, welche eine Notfrist
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§ 249 cIb 2
in Lauf setzen sollen, müssen wiederholt werden. Stellt indes das Gericht eine Prozeßhandlung der behinderten Partei der anderen zu, so liegt darin eine Aufnahme (vgl. § 249 C I b 1); soweit die Parteien, etwa nach § 198, selbst zustellen, kann darin keine Aufnahmehandlung gesehen werden (RGZ 66/399). Jedenfalls können Mängel durch Rügeverlust der behinderten Partei behoben wenden (§ 295 I, BGH NJW 57/713). C II a) Zustellungen (Mitteilungen) durch das Gericht sind gegenüber jeder Partei wirkunglos, so lange die Aussetzung oder Unterbrechung währt, sofern durch sie eine Frist in Lauf gesetzt werden soll; dies gilt im besonderen für Notfristen (RG Warn. 17/39). b) Fällt ein Termin in die Hinderungzeit, so darf er nicht abgehalten werden. Wird das Verfahren aber erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung bzw. nach dem gemäß §§ 251a, 331a abgehaltenen Termin unterbrochen, so hindert dies die Entscheidung nicht (§ 349 III). Im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) darf indes nicht so vorgegangen werden, weil die Einverständniserklärung jederzeit widerruflich ist (§ 128 J II c 5) und die behinderte Partei ja nicht mehr widerrufen kann. Anders ist dies in den Verfahren mit freigestellt mündlicher Verhandlung, wo ohne Rücksicht auf das, was sich noch ereignen könnte, zu entscheiden, also im Besonderen ein Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen ist (RG HRR 40/1403). b 1. Entscheidet das Gericht i. F. des § 249 III nicht, weil der Unterbrechunggrund ihm bekannt ist, so liegt eine unzulässige Aussetzung vor, die mit der Beschwerde (§ 252 A I) anfechtbar ist (OLG J W 31/3571). b 2. War aber der behinderten Partei eine Nachreichungfrist nach § 272a gewährt, so darf nicht mehr verkündet werden. Wird in den sonstigen Fällen verkündet, so wirkt die Unterbrechung im übrigen fort. Deshalb darf aber auch nicht mehr im schriftlichen Verfahren entschieden worden, wenn der Anwalt nach Stellung des Antrags stirbt (a. M. BayObLG NJW 59/2120), c) Nach Erlaß des Aussetzungbeschlusses wendet die h. M. — entgegen der hier vertretenen Auffassung — den § 249 III nicht an (RG Gruch. 45/91 läßt es aber zu, daß das Gericht sachlich entscheidet und zugleich aussetzt). Aber auch Entscheidungen, welche entgegen diesen Bestimmungen erlassen worden sind, sind nicht unwirksam (vgl. §§ 551 1 5, 579 I 4), sondern nur angreifbar (RG JW 24/198619), u. U. ohne Aufnahme des Verfahrens zur Hauptsache durch Rechtsmittel (vgl. RGZ 141/308) oder Rechtsbehelfe (OLG 15/108: Einspruch) oder durch Nichtigkeitklage (§ 579 I 4, OLG Bl.f.RA 70/211). Vgl. oben § 250 B I a. c 1. Ergeht eine solche Entscheidung, so ist für sie die Vollstreckungklausel zu erteilen (KG OLG 25/216) und auf Grund des Titels das Kostenfestsetzungverfahren zulässig (RG J W 93/53916); ein Aussetzungbeschluß gilt durch ihren Erlaß als aufgehoben; doch hindert die Unterbrechung das Kostenfestsetzungverfahren, wenn es betroffen wird. Darüber, ob die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung zulässig ist, entscheidet das Vollstreckungsgericht (BGH V. 14.1.1952 V ZR 37/51 hat trotz Unterbrechung durch Konkurs die Vollstreckung nach § 719 II eingestellt). c 2. Dagegen darf bei bestehendem Hindernis kein Rechtskraftzeugnis erteilt werden. c 3. Durch eine irrtümlich das Verfahren instanzmäDig beendende Entscheidung wird din Unterbrechung des Verfahrens in der Instanz nicht aufgehoben.
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I Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes. A I. Aufgenommen wird (bis auf den Fall des § 247) von dem Behinderten bzw. dem zur Aufnahme Berechtigten (vgl. § 240 G III b 2) durch Zustellung eines (bestimmenden, § 129 A I) Schriftsatzes. Mit der Zustellung ist die AufDahme vollzogen. Von da ab laufen die Fristen, im besonderen die Notfristen und die notwendigen Rechtsmittelbegründungfristen wieder. Eine Rückdatierung gibt es hier nicht (vgl. §§ 261 b III, 496 IV).
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A II. Andererseits kann aber schon ab Einreichung bei Gericht jede Prozeßhandlung von dem Aufnehmenden wirksam vorgenommen werden (vgl. § 249 C I b). B. Die Aufnahmeerklärung ist eine dem Gericht gegenüber abzugebende, einseitige prozessuale Willenserklärung, die unwiderruflich ist. B I. Der ausdrücklichen (RGZ 41/403) Erklärung steht die stillschweigende gleich (RG Gruch. 60/512), die in jeder Prozeßhandlung des Aufnahmeberechtigten liegt, durch die der Prozeß als solcher fortgesetzt werden soll (a. M. B G H BB 60/305 bei dem Verwalter, der beantragt hatte, dem Gegner eine Frist zur Anwaltbestellung nach § 244 zu setzen). a 1. Ein besonderes Verfahren in der Zwischeninstanz erübrigt sich jedenfalls durch die Einlegung des Rechtsmittels. a 2. Die Aufnahmeerklärung des Rechtsnachfolgers bzw. des sonst zur Aufnahme Berechtigten muß unbedingt (RG J W 09/22 18 , abgesehen von Rechtsbedingungen) und unbefristet sein; sie muß sich auf den gesamten Streit, der ausgesetzt wurde, beziehen, ist also nicht auf einen Teil beschränkbar (OLG J W 30/1517 20 ). Anders ist es aber unter mehreren am Prozeß Beteiligten; bei Streitgenossen kann der Prozeß auch geteilt aufgenommen werden, etwa wenn mehrere Erben vorhanden sind, so daß der Streit nur von einem oder gegen einen aufgenommen wird (RG J W 04/410 19 ) und gegenüber dem anderen ruhen bleibt, soweit keine notwendige Streitgenossenschaft der Rechtsnachfolger derart anzunehmen ist, daß sie alle stets von vornherein als Kläger oder Beklagte beteiligt sein müßten (vgl. §§ 62 A I I b 2, 239 E I b). Einheitlich wirkt die Aufnahme gegenüber dem selbständigen Streitgehilfen (§ 69) wie gegenüber dem unselbständigen (§ 67), wenn gegenüber der von ihnen unterstützten Partei aufgenommen wird. b) Nicht in jeder Prozeßhandlung liegt eine Aufnahmeerklärung. b 1. Die bloße Zustellung des Urteils kann keine wirksame Aufnahmehandlung sein. b 2. Die Anzeige über einen (außergerichtlichen) Vergleichschluß ist keine Aufnahmehandlung (vgl. RG J W 91/468 11 ), sondern eine Erklärung über die Nichtfortführung des Rechtstreits mit der Folge des § 98. b 3. Die Form des bestimmenden Schriftsatzes wird auch nicht durch eine gemeinsame nicht schriftsätzliche Erklärung der Parteien ersetzt, wonach das Verfahren als aufgenommen zu gelten habe (RGZ 167/123 [128]); abgesehen von einer Erklärung vor dem AG nach § 500 I 3 in entsprechender Anwendung oder in der mündlichen Verhandlung vor anderen Gerichten, die in Anwesenheit des Gegners abgegeben wird (RGZ 140/348 [352]). B II. Wird nur auf bestimmte Zeit ausgesetzt, so laufen die Fristen nach Ablauf der Aussetzungfrist von selbst wieder (BGH LM § 249/2), also ohne Aufnahmeschriftsatz. Vgl. dazu auch die Regelung im MSchG § 11 (§ 150 C I I c). Wird indes nur das Ruhen des Verfahrens angeordnet, so gilt § 251. C. Bleibt die Rechtsnachfolge bzw. das Aufnahmerecht unstreitig, so bedarf es keiner besonderen Entscheidung hierüber. Wird sie aber bestritten, so hat die Beweislast, soweit die Prozeßvoraussetzungen getroffen werden (vgl. im besonderen § 241), der Kläger, soweit es aber um die außerprozessualen Anspruchsvoraussetzungen geht, der, welcher den positiven Anspruch geltend macht, also der Kläger der Leistung- und positiven Feststellungklage, der Beklagte bei der negativen; wer den Prozeß aufnimmt, ist dabei gleichgültig. C I. Der Beweis ist wie gewöhnlich zu führen (also nicht durch Glaubhaftmachung). a) Wird der Beweis der richtigen (gesetzlichen) Vertretung (Prozeßfähigkeit) nicht geführt, so wird eine Prozeßvoraussetzung betroffen, also in dem Falle der §§ 240, 241; sodann wird der unrichtige (Vertreter) durch Prozeßurteil zurückgewiesen. Wird aber der Beweis der Rechtsnachfolge (§§ 239, 242) nicht geführt, so ist durch Sachurteil zu erkennen (vgl. RGZ 45/359 [362]). b) Entschieden wird im Erkenntnisverfahren (vgl. §§ 128 G I I I , 239 J I I I b) auf Grund mündlicher Verhandlung (RGZ 167/123). b 1. Wird unzulässigerweise (§ 250 B I a 2) nur die Aufnahme bezüglich eines Teils begehrt, so ist nach Hinweis (§ 139) der Antrag durch Endurteil als unzulässig zurückzuweisen
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(RGZ 46/320). Wird ein solches Urteil rechtskräftig, so wird damit bestätigt, daß die Unterbrechung nicht beendet wurde. Doch kann sich keine Partei vor Rechtskraft des Urteils darauf berufen. b 2. Wird die Rechtsnachfolge (§§ 239, 242) als erwiesen angesehen, so darf das Gericht nach § 146 verfahren und Zwischenurteil erlassen (§ 303, RGZ 54/120), es darf aber auch darüber in den Gründen des Endurteils entscheiden. Bezüglich der Kosten darf § 94 entsprechend angewandt werden, abgesehen davon ist die Kostenentscheidung aber für die gesamten Kosten des Rechtstreits zu treffen (OLG H R R 30/1057). Das Zwischenurteil ist nur zugleich mit dem Endurteil angreifbar (RGZ 54/120, §§ 512, 548). Wird dagegen die Rechtsnachfolge (§§ 239, 242) nicht als erwiesen angesehen, so ergeht sachentscheidendes Endurteil (RGZ 46/320f.; a. M. R G J W 08/305 1 5 : Zwischenurteil); aber beschränkt auf diesen Punkt (RGZ 45/359 [362]), und nur mit der Kostenentscheidung bezogen auf das Aufnahmeverfahren (RGZ 46/320f.). b 3. Wird die Prozeßfähigkeit (die richtige gesetzliche Vertretung) als erwiesen angesehen, so darf der Zwischenstreit ebenfalls durch Zwischenurteil, aber auch zugleich mit dem Sachurteil entschieden werden; ergeht aber Zwischenurteil, so ist dieses wie ein Endurteil angreifbar, weil es die „Einrede" der Prozeßfähigkeit „verwirft" (§§ 274 I I 7, 275 II). Wird die Prozeßfähigkeit (die richtige gesetzliche Vertretung, § 51 D) verneint, so ist der Aufnehmende durch Prozeßurteil aus dem Streit zu verweisen. Dieses Urteil ist Endurteil; wird es rechtskräftig, so steht damit fest, daß der Streit nicht aufgenommen worden ist. b 4. Wird die Nachfolge in der Postulationfähigkeit als erwiesen angesehen, so darf auch hier Zwischenurteil ergehen (§ 303), ebenso darf hier zugleich im Sachurteil entschieden werden. Das Zwischenurteil ist nur zugleich mit dem Endurteil angreifbar (§§ 512, 548). Wird die Nachfolge in der Postulationfähigkeit verneint, so ist zu unterscheiden, ob die Aufnahmehandlung wirksam vollzogen ist, dann liegt ein Fall der Säumnis vor. Ist dagegen die Aufnahmehandlung unwirksam, so ist, wenn nur die Vollmacht fehlt, nach § 89 zu verfahren, fehlt aber die Postulationfähigkeit, so wird der sich ihrer Berühmende aus dem Rechtstreit gewiesen, und zwar durch Zwischenurteil, gegen das entsprechend §§ 71 I I , 135 I I , 387 I I I , 402 die sofortige Beschwerde zulässig ist. c) In Verfahren, welche keine mündliche Verhandlung erfordern (§ 128 G I I ) , ergehen all diese Entscheidungen durch Beschluß, die Entscheidungen unterliegen dann aber ausschließlich dem Angriff nach § 252. d) Inkorrekte Entscheidungen werden rechtsmittelmäßig so behandelt, wie wenn sie korrekt ergangen wären (vgl. § 511 B IV b). C II. In den Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung kann es zu Versäumnisentscheidungen kommen. a 1. Ist die Aufnahme durch den Rechtsnachfolger formal unzulässig (etwa weil sie unzulässigerweise geteilt wurde, § 250 C I b 1), so ist nur kontradiktorisch auf Zurückweisung des Aufnahmeantrags zu erkennen. a 2. Erscheint der Gegner des Rechtsnachfolgers (§§ 239, 242) nicht, so gilt die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden und es darf Versäumnisurteil in der Sache ergehen. a 3. Bleibt der aufnehmende Rechtsnachfolger aus und bestreitet er die Rechtsnachfolge nicht, so darf Versäumnisurteil und gegebenenfalls auch Entscheidung nach Aktenlage ergehen; bestreitet er aber die Rechtsnachfolge, so kann er nur Versäumnisurteil auf Zurückweisung des Rechtsnachfolgers erwirken. b) In den Fällen der § § 240, 241 ist von gerichts wegen (§ 56) die Legitimation des Aufnehmenden zu prüfen. In diesem Teil des Verfahrens gibt es keine Versäumnisentscheidung. Führt die Prüfung zur Verneinung, so ist der Nichtlegitimierte durch Prozeßurteil aus dem Streit zu weisen. b 1. Führt die Prüfung dazu, die Legitimation zu bejahen, und ist der Gegner des Aufnehmenden nicht erschienen, so darf auf Antrag Versäumnisurteil zur Sache (auch E n t scheidung nach Aktenlage, wenn schon früher verhandelt worden ist, § 331 a) ergehen.
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b 2 . Ist der Aufnehmende nicht erschienen, so darf einem Versäumnisantrag oder dem auf Entscheidung nach Aktenlage entsprochen werden. c ) Erscheint im Falle des § 2 4 4 1 ein postulationunfähiger Vertreter für die Partei, so ist nur zu prüfen, ob die Aufnahmeschrift von einem solchen stammt. Ist wirksam aufgenommen, so steht der Versäumnisentscheidung in der Sache nichts entgegen. Besteht Streit über die Vollmacht, so ist nach § 89 zu verfahren. C III. Ist ein Verfahren in der Zwischeninstanz aufzunehmen, also nach Beendigung der Instanz in bezug auf den (außerprozessualen) Hauptanspruch, so a) darf von dem Beschwerten die Aufnahme in der Rechtsmittelschrift erklärt werden (vgl. § 250 B I), also mit der Rechtsmitteleinlegung. b) Ist der, welcher aufnehmen darf, nicht beschwert, so ist er allein auf das Aufnahmeverfahren der Zwischeninstanz angewiesen. Dieses Verfahren spielt sich vor dem unteren Gericht (RGZ 68/247 [251] )ab und ersetzt die Klage nach § 731. E s ist ein Ergänzungverfahren der unteren Instanz und wird durch einen Aufnahmeschriftsatz eingeleitet, der durch das Gericht förmlich zuzustellen ist (§§ 261 b I I 1, 498 I V , 250); er wird wegen des Personenwechsels wie ein Sachantrag behandelt (vgl. § 261 b B I I I a 1). Auf den Schriftsatz hin hat das untere Gericht Termin in dem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung zu bestimmen (§ 216) und zu laden (§§ 214, 215); bei einem Verfahren der freigestellt mündlichen Verhandlung (vgl. § 128 G I I ) bedarf es der Ladung nicht; hier darf die Entscheidung durch Beschluß ergänzt werden. b 1. In Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung ergeht nach dieser, sonst (auf den Antrag des Gegners) ohne sie eine Ergänzimgentscheidung (RGZ 68/247 [256]), sofern die Aufnahmeberechtigung bejaht wird. Auf diese Entscheidung wird § 517 nicht angewandt (RGZ 140/348 [353]). Sie kann von dem Gegner des Aufnahmeberechtigten selbständig angegriffen werden, wenn er nämlich n u r die Aufnahmeberechtigung bestreitet, aber auch zugleich mit dem ersten Urteil (und er muß auch dieses angreifen, wenn er unterlegen war und dies nicht gegen sich gelten lassen will), und zwar durch Rechtsmittel (RG J W 24/1986 1 9 ), wobei die Frist hierzu schon mit der Zustellung des Aufnahmeschriftsatzes zu laufen beginnt (§ 249 B I I c). Ist aber das erste Urteil angegriffen, so bedarf es dann keines besonderen Angriffes des Ergänzungurteils, wenn man es nur als einen unselbständigen Nachtrag der ersten Entscheidung ansieht (vgl. RGZ 68/247 [256]), vielmehr wird es (stillschweigend) zugleich mit dem vorangegangenen Urteil angegriffen (also wie die unter §§ 512, 548 fallende Zwischenentscheidung). Will der Erbe seine beschränkte Haftung geltend machen, so muß er es in dem Verfahren nach § 780 tun (a. M. OLG SächsAnn. 23/281f., das § 781 anwenden will). b 2. Ein Versäumnisverfahren ist auch hier nur im Erkenntnisverfahren und auch nur in dem Falle der Rechtsnachfolge (§§ 239, 242) zulässig. Erscheint der Gegner des aufnehmenden Rechtsnachfolgers nicht, so ist die Aufnahme durch Versäumnisurteil für zulässig zu erklären (RG Warn. 16/1). Erscheint dagegen nur der Gegner, so ist die Aufnahme unter Verneinung der Rechtsnachfolge auf seinen Antrag durch Versäumnisurteil zurückzuweisen, wenn er die Rechtsnachfolge bestreitet. C IV. War der Streit zwischen Rechtsmitteleinlegung und notwendiger Rechtsmittelbegründung (§§ 519, 554) unterbrochen oder ausgesetzt, so wird schon durch die Begründung des Aufnehmenden wie durch seine Rücknahme- oder Verzichterklärung aufgenommen. a) Ist aber der Aufnehmende Rechtsmittelbeklagter, so wird wegen der Aufnahme in den Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung noch grundsätzlich geladen. In diesem Falle ist über die Aufnahme durch Urteil zu erkennen; wird die wirksame Aufnahme verneint, so ist es Endurteil und wie dieses angreifbar, andernfalls ist es Zwischenurteil, das im Falle der Rechtsnachfolge nicht selbständig angreifbar ist (vgl. § 250 B I b 2), wohl aber im Falle der Bejahung der (gesetzlichen) Vertretung (vgl. § 250 B I b 3), nämlich gemäß § 275 I I . Zur Sache selbst ist in diesem Verfahren nicht zu erkennen. b) Das entsprechende gilt auch für das Versäumnisverfahren. Erscheint der Aufnehmende, so ist auf seinen Antrag Versäumnisurteil dahin zu erlassen, daß der Streit aufgenommen ist; erscheint sein Gegner, der die Rechtsnachfolge bestreitet, so ist auf seinen Antrag der Auf-
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nahmeantrag durch Versäumnisurteil zurückzuweisen; er darf aber auch sein Rechtsmittel zurücknehmen (RG Warn. 17/189). c ) Erscheinen in den Aufnahmeverhandlungen beide Parteien nicht, so wird nur das Ruhen des Verfahrens angeordnet werden dürfen, soweit sonst nur im Versäumnisverfahren zu entscheiden wäre. Mit Rechtskraft des Urteils beginnt die Aufnahmewirkung, so daß von da ab das Rechtsmittel zu begründen ist. D. Über den Fall der durch den Gegner erzwungenen Aufnahme vgl. § 239 J , § 240 G I I I c. I m Fall des § 245 wird angenommen, daß es der Zustellung des Aufnahmeschriftsatzes nicht bedarf (vgl. § 245 A I I I ; R G N § 250/9).
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I Das Gericht hat das Buhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, daß wegen Sehwebens von Vergteichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 Abs. 1 bezeichneten Fristen keinen Einfluß. II Vor Ablauf von drei Monaten kann das Verfahren nur mit Zustimmung des Gerichts aufgenommen werden. A. § 251 läßt das Ruhen des Verfahrens durch Gerichtsbeschluß zu. Die Vorschrift beschränkt sich auf das Brkenntnisverfahren (OLG H R R 33/1272). Für das Scheidungverfahren gibt es die Aussetzung nach § 620, in Miet- und Pachtstreitigkeiten die des MSchG § 11 (vgl. dazu § 1 5 0 0 11 c). A I. Voraussetzung ist dafür ein Antrag von allen (erschienenen) Parteien (über den Fall der Anordnung der Verfahrensruhe ohne Antrag der Parteien vgl. § 251a). b) Doch darf auch ein Ruhen nur im Verhältnis zu einigen von mehreren gewöhnlichen (§ 59) Streitgenossen (nicht in dem zu notwendigen, § 62) angeordnet werden, was dann zur Prozeßtrennung (§ 145) führt. A II. Entschieden wird nach freigestellt mündlicher Verhandlung (§ 248 I I in entsprechender Anwendung, § 128 G I I ) . Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts. a) Entschieden wird durch zu verkündenden (§ 329 I) oder formlos mitzuteilenden (§ 329 I I I ; die Frist des § 251 I I ist eine' uneigentliche und läuft vom Zugang an, vgl. § 221 A I b 2) Beschluß. b) In der Zwischeninstanz (vgl. § 250 C I I I ) gibt es keine Verfahrensruhe mehr. c ) Dasselbe gilt in der Zeit zwischen Rechtsmitteleinlegung und dem Ende der notwendigen Begründungfrist (vgl. §§ 252 I 2, 233 I). A i n . Gegen die Ablehnung hat jeder Beteiligte die sofortige Beschwerde (§ 252), gegen die Anordnung die beschwerte Partei die einfache Beschwerde (§ 252, K G J W 25/496 3 ). B I. Die Notfristen (§ 221 C I a 1) und die notwendigen Rechtsmittelbegründungfristen (§ 221 C I a 2) laufen trotz des Ruhens (§§ 233 I, 2 5 1 1 2). Nur die übrigen Prozeßfristen i. e. S. ( § 2 2 1 C I b ) werden unterbrochen, also auch hier nicht die sog. uneigentlichen Fristen (RGZ 49/349, § 221 B ) . Zustellungen dürfen dementsprechend jederzeit durchgeführt werden. Auch Schriftsätze und Anträge an das Gericht dürfen eingereicht werden. § 249 I I wirkt hier nicht. B II. Das Ruhen hat deshalb nur zur Folge, daß das Gericht nicht tätig wird (bzw. zu werden braucht), abgesehen von der Bewirkung der Zustellungen. Auf Eingaben wird es zu entscheiden haben, ob das Ruhen aufgehoben wird, da in jeder auf Verfahrensfortsetzung gerichteten der (stillschweigende) Antrag auf Aufhebung der Verfahrensruhe gestellt ist. Beweisbeschlüsse dürfen verkündet werden (vgl. § 358). B i n . Außerprozessual beendet die Anordnung die Unterbrechung der Verjährung usw. ( B G B § 211 I I , RGZ 157/379), allerdings nach der h. M. erst nach Ablauf der Frist des § 251 I I
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(RGZ 145/239 [241]) oder wenn mit der Aufhebung durch das Gericht sicher zu rechnen sei. Aber auch ohne Anordnung des Ruhens hat RGZ 157/379 erkannt, daß die Verjährungfrist wieder läuft, sofern das Verfahren rein tatsächlich nicht betrieben wird. C. Die Verfahrensruhe wird beendet durch einen das Ruhen beendenden Beschluß, der im Falle, daß das Verfahren vor Ablauf von drei Monaten fortgesetzt werden soll, der besonderen Einwilligung des Gerichts bedarf. Nach Ablauf der Frist ist das Verfahren durch jeden (formlosen und in jeder Eingabe enthaltenen) Antrag irgendeiner Partei fortzusetzen. Wird die Zustimmung versagt oder wird, obwohl die Dreimonatefrist abgelaufen ist, die Anordnung abgelehnt, so ist dagegen einfache Beschwerde zulässig (§ 252).
§
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I Erscheinen in einem Termin beide Parteien nicht oder stellt beim Ausbleiben einer Partei, ohne daß es zur Vertagung kommt, die erschienene Partei keine Anträge zur Sache, so kann das Gericht nach Lage der Akten entscheiden. Ein Urteil darf in diesem Falle nur in einem besonderen, auf mindestens eine Woche hinaus anzusetzenden Termin verkündet werden, und nur, wenn in einem früheren Termin eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Das Gericht hat der nicht erschienenen Partei durch eingeschriebenen Brief den Verkündungstermin bekanntzugeben. Die Verkündung unterbleibt, wenn eine nicht erschienene Partei dies vor dem Verkündungstermin beantragt und glaubhaft macht, daß sie in dem Verhandlungstermin ohne ihr Verschulden ausgeblieben ist. II Ergeht eine Entscheidung nach Lage der Akten nicht, so bestimmt das Gericht von Amts wegen einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung und gibt ihn den Parteien bekannt oder ordnet das Ruhen des Verfahrens an. A. § 251a läßt in dem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung und, soweit nicht nach § 128 I I zu verfahren ist, nach Aktenlage entscheiden, wenn keine Partei verhandelt. Ob das Gericht eine solche Entscheidung erläßt, steht aber in seinem freien Ermessen. Die Bestimmung gilt auch in der Berufung- und in der Revisioninstanz (§§ 523, 557; R G Warn. 24/194) und in jeder Verfahrensart (OLG M D R 48/296). A II. Für beide Parteien muß ein Fall der Säumnis gegeben sein. Ist deshalb auch nur für eine Partei ein Vertagunggrund nach §§ 335, 337 gegeben, so darf nicht nach Aktenlage entschieden werden (KG D J Z 25/193). A III. Bloße Versäumung von Beweisterminen rechtfertigt keine Säumnis. B . Das Verfahren bei der Aktenlageentscheidung entspricht dem der freigestellt mündlichen Verhandlung (§ 128 G II), aber mit der Begrenzung auf den Zeitpunkt der Verhandlung, in der mündlich verhandelt werden sollte, also anders als nach § 128 I I , wo der Sachvortrag nachgereichter Schriftsätze zu beachten ist, solange die Entscheidung noch nicht erlassen worden ist. B I. Entschieden werden darf nur über Anträge, welche gestellt worden sind. Prozeßanträge, die in der Verhandlung zu stellen sind, sind nicht ersetzbar. Deshalb dürfen Anerkenntnis- wie Verzichturteil nicht ergehen. Sachanträge müssen zudem dem Gegner rechtzeitig (§ 132) zugegangen sein (§ 281), sofern sie nicht schon in früherer mündlicher Verhandlung gestellt waren, wenn der Gegner nicht erschienen ist (§ 335 I 3). B II. Bei Erklärungen über Tatsachen gilt § 138 I I I (wie § 3 3 1 1 ) insoweit nicht, wie über den möglichen Streitpunkt noch nicht verhandelt worden ist (RGZ 132/330); deshalb ist aber auch jedes andere schriftliche Vorbringen zu beachten, gleichviel ob es der Gegenpartei bekannt ist oder nicht, weil die Erklärungen, wie wenn sie bestritten wären, zu behandeln sind. Die Zurückweisung wegen Verspätung (§§ 279, 283 I I , 529 I I , I I I ) ist unstatthaft (RGZ 132/330). Über weitere Wirkungen vgl. §§ 39, 76, 269, 271, 274 I I I , 295. B III. Beweisergebnisse sind zu berücksichtigen, auch wenn sie die Partei nicht kennt, sofern sie wußte, daß eine Beweisaufnahme stattgefunden hatte.
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a) Ergibt sich in einem Verfahren, wo nach Aktenlage entschieden werden darf, eine Lage, die aufklärungbedürftig ist, so darf vor Aufklärung nicht durch Urteil entschieden werden (RGZ 132/330 [338]). Auch wird hier durch eine Auflage der Antrag verbraucht, so daß also nur bei entscheidungreifen und nicht mehr aufklärungbedürftigen Streiten nach Aktenlage durch Urteil entschieden werden darf, wenn die weiteren Voraussetzungen dafür vorliegen (§ 251 a B IV b). B IV. Der Inhalt der Aktenlageentscheidung kann der einer jeden anderen Entscheidung sein. a) § 309 gilt nicht (RGZ 149/157). b) Der Erlaß eines Urteils (§§ 300folg.) wird an die weiteren Voraussetzungen des § 251a I 2—4 geknüpft. b 1. Der Erlaß setzt voraus, daß (nach h. M. in derselben Instanz: RG W a r n . 24/194; nach der hier vertretenen Auffassung überhaupt) einmal streitig mündlich verhandelt worden ist (LG N J W 53/750). Doch genügt es auch nach h. M., wenn vor Aufhebung und Zurückverweisung mündlich verhandelt worden ist (RGZ 149/157) oder wenn das Kollegium entscheidet, mag auch zuvor nur vor dem Einzelrichter verhandelt worden sein (OLG J W 25/ 2352 2 8 ; a. M. RGZ 132/330). Da auch der Richterwechsel (§309) unerheblich ist ( § 2 5 1 a B IV a), muß es auch genügen, wenn vor Verweisung eines Streits nach § 276 mündlich verhandelt worden ist (a. M. KG ZZP 50/52). Daß derselbe Antrag wie der, über den entschieden wird, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sein muß, wird nicht zu fordern sein (RG J W 30/141 19 bei Klageerweiterung, wenn der Klagegrund derselbe geblieben). Auch genügt eine mündliche Verhandlung, welche sich nur auf einzelne Streitpunkte (vgl. §§ 146, 275) erstreckte (RGZ 132/330; a. M. OLG Recht 25/542). Nach h. M. darf aber nicht bloß mündlich im Urkundenprozeß, sondern es muß auch noch im Nachverfahren verhandelt sein; bei einem nach Grund und Betrag geteilten Verfahren genügt nach h. M. nicht eine Verhandlung über den Grund des Anspruchs, sondern es wird noch eine im Betragsverfahren erforderlich und entsprechend bei Vorbehaltentscheidungen eine im Nachverfahren (RGZ 149/157). Andererseits ist wieder nach h. M. der Wechsel der Parteien zwischen der mündlichen Verhandlung und der Aktenlageentscheidung unerheblich. Dem mündlichen Verfahren ist das Verfahren nach § 128 I I gleichzustellen (Jonas § 251a Anm. I I I 4 a); offen gelassen von BGH LM § 128/8, der jedenfalls das an eine Bedingung geknüpfte Einverständnis i. S. des § 128 I I nicht gelten ließ). b 2. Das Urteil soll nicht vor einer Woche nach dem Termin in einem Verkündungtermin verkündet werden. Von ihm soll nur abgesehen werden, selbst wenn beide Parteien erschienen waren und wenn das Gericht eine Entschuldigung für ausgeschlossen hält (a. M. KG ZZP 50/51). Der Verkündungtermin ist der nicht erschienenen Partei (nicht auch der erschienenen), an ihrer Stelle aber auch hier ihrem Prozeßbevollmächtigten (§ 176, RGZ 149/157 [162]) durch eingeschriebenen Brief (KG DJZ 25/1882) mitzuteilen, der die Partei so rechtzeitig erreichen soll, daß sie noch den Antrag, der die Aktenlageentscheidung verhindern soll, stellen kann. Im Verkündungstermin ist allerdings grundsätzlich nur der Abgang des Briefes festzustellen. Ist er aber als unbestellbar zurückgegeben worden, so h a t die Entscheidung zu unterbleiben (Sydow-Busch § 251a Anm. 7; a. M. Jonas § 251a Anm. I I I 4 b). Die Zustellung ersetzt den eingeschriebenen Brief (RGZ 149/157); aber auch die einfache Mitteilung (vgl. § 187 I I ; a. M. KG KGB1. 25/116), doch muß deren Ankunft festgestellt werden können. b 3. Die Entscheidung hat zu unterbleiben, wenn eine Partei bis zum Beginn der Verkündung beantragt und glaubhaft macht (§ 294), daß sie unverschuldet nicht verhandelt h a t (RG H R R 33/537). Die Partei hat für die für sie nach § 232 II Verantwortlichen einzustehen. RG H R R 33/537 hat es dem Anwalt zum Vorwurf gemacht, wenn er keinen Terminvertreter bestellte, obwohl er seine Behinderung voraussehen konnte; KG J W 25/1416 1 h a t sogar, wenn er jemand beauftragte, für seine Vertretung zu sorgen, dies nicht als genügend angesehen. Wird dem Antrage stattgegeben, so ist nach § 216 neuer Verhandlungtermin anzusetzen. Eine Beschwerde gibt es weder gegen die Anberaumung des neuen Verhandlungtermins noch gegen die Zurückweisung des Antrags. b 4. Die ergehende Entscheidung ist kontradiktorisch, kein Versäumnisurteil. Verstöße gegen § 251a 12—4 lassen sich deshalb nur mit den ordentlichen Rechtsmitteln verfolgen
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§ 251 a B iv b 4
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(RG H R R 33/537). Möglicherweise kann auch noch § 579 I 4 gegeben sein. Die Berufunginstanz darf nach § 539 selbst entscheiden und wird es regelmäßig tun. b 6. Schriftlich fortgeführt werden darf das Verfahren nach § 251 a nicht (wohl aber nach §12811), ein Aufklärungbeschluß (vgl. §279a) ist keine Aktenlageentscheidung. C I. Entscheidet das Gericht nicht nach Lage der Akten, so darf es entweder vertagen oder die Verfahrensrulle anordnen (§ 251a II). Die Praxis kennt häufig auch das Ruhenlassen ohne besondere Anordnung, und zwar nach seinem Ermessen. Die Entscheidung ist zu verkünden. Vertagt es, so ist der neue Termin den Parteien besonders bekanntzugeben. C II. Wählt es die Verfahrensruhe, so genügt die Verkündung des Beschlusses. Dieser Beschluß unterliegt der Beschwerde (§ 252) und ist vom Beschwerdegericht auch bezüglich der Anwendung des richtigen Ermessens nachprüfbar (KG J W 27/1324 3 ). a) In den Fällen tatsächlicher wie angeordneter Verfahrensruhe treten die Folgen des BGB § 211 II ein (RGZ 157/379).
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I Gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet Beschwerde, im Falle der Ablehnung sofortige Beschwerde statt. A. § 252 gibt das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde (§ 567) in den Fällen, wo ein Verfahren ausgesetzt worden ist oder, was dem gleichsteht, wo die Fortsetzung eines ausgesetzten oder eines unterbrochenen Verfahrens abgelehnt wird (RGZ 32/428). Über den weiteren Anwendungbereich der Norm vgl. Kommentar GVG § 1 B II. A I. Die einfache Beschwerde setzt regelmäßig zwar einen Gerichtsbeschluß voraus, doch genügt auch die Tatsache, daß jede gerichtliche Verhandlung oder auch die Verkündung (OLG J W 31/3571 16 ) unterbleibt, a) etwa wenn eine Sache ohne Terminanberaumung vertagt wird (RG J W 97/2S7 35 ). Selbst weit hinausgesetzte Termine (von mehr als drei Monaten, vgl. § 251 II, in den Tatsacheninstanzen, vgl. § 523 A) können der Anordnung eines ruhenden oder ausgesetzten Verfahrens gleichkommen (doch wird auf außergewöhnliche Geschäftslagen Rücksicht zu nehmen sein). Einer Aussetzung ist ferner die Anordnung des Ruhens des Verfahrens (vgl. §§ 251, 251a II) gleichzustellen (KG J W 27/1324 3 ; a. M. KG J W 26/267 1 ). a 1. Wird durch Urteil eine Aufnahme abgelehnt, so sind dagegen nicht die Beschwerde, sondern die gewöhnlichen Rechtsmittel gegeben (vgl. § 239 H II b, RGZ 32/428). Wird an Stelle durch Urteil durch Beschluß entschieden wie umgekehrt, so liegt eine inkorrekte Entscheidung vor, die aber dieselben Angriffsmöglichkeiten (und nur sie) eröffnet, welche es gegen die korrekt erlassene Entscheidung gibt (§§ 511 B IV d 2, 250 C I d). b 1. Ob von gerichts wegen oder auf Antrag ausgesetzt worden ist, ist gleichgültig, b 2. Es gehören alle Aussetzungfälle hierher (KG J W 27/1324 3 ; a. M. KG J W 26/267 1 ), auch die nach §§ 65, 148 (§ 148 E III), 149 (§ 149 C II), 151—154 (§§ 151 D, 150 C II), 620 (§ 620 B I I I a), 953 (§ 953 B II) sowie die nach EG § 15 1 1 im Falle des Kompetenzkonfliktes (RGZ 25/413folg., sofern die Beschwerde nicht landesgesetzlich ausgeschlossen worden ist). Vgl. auch § 252 A I a. b 3. Ob bei einem Beschluß nach § 356 der § 252 anwendbar ist, soweit das Beweismittel sonst endgültig verloren wird, vgl. § 356 A II, D III. Jedenfalls ist § 252 anwendbar (OLG Seuff. 71/218) im besonderen, wenn das Beweismittel ersetzbar ist, wie bei einem Sachverständigen, der erklärt, sein Gutachten aus persönlichen Gründen erst in unbestimmter, unabsehbarer Zeit fertigstellen zu können (RG N § 252/7). b 4. Nicht angreifbar mit der Beschwerde ist der Beschluß, wonach dem BVG (GG Art. 100) vorgelegt wird, weil die Beschwerdeinstanz diese Vorlage nicht verhindern kann. A II. Die sofortige Beschwerde (§ 577) nach § 252 ist dagegen gegeben, wenn die Aussetzung (oder Verfahrensruhe) abgelehnt oder wieder aufgehoben wird (RG J W 01/327 3 ) oder die Unterbrechung für nicht eingetreten erklärt wird (RGZ 40/375).
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Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens
§252 An
a) Nur bei den Aufnahmeurteilen (i. S. der §§ 239 usw.) gibt es die dagegen mögliehen Rechtsmittel gegen Urteile (RGZ 27/350 [356]), nicht aber die sofortige Beschwerde (RGZ 32/428). Hatte das erkennende Gerieht in den Entscheidunggründen des Endurteils die Aussetzung abgelehnt, so ist dagegen keine sofortige Beschwerde gegeben (BGH LM § 252/1); aber auch das Rechtsmittel darf nicht darauf gestützt werden; wohl aber darf die Rechtsmittelinstanz (wenn die sonstigen Gegebenheiten dafür zu bejahen sind) auf neuen Antrag von sich aus aussetzen. Dagegen sind die in der Zwischeninstanz ergehenden Entscheidungen mit der sofortigen Beschwerde angreifbar; reicht die Zeit nicht mehr aus, so wird das Rechtsmittel eingelegt und in der Rechtsmittelinstanz die Aussetzung beantragt werden müssen. b) Ergeht nach der Ablehnung Endurteil im Rechtstreit, obwohl zuvor dagegen die sofortige Beschwerde eingelegt war, so wird sie gegenstandslos (RG J W 09/2703). Doch ist die sofortige Beschwerde dann in einen Antrag umzudeuten, das Verfahren vor demselben Rechtsmittelgericht auszusetzen. b 1. Anders ist dies nur bei Versäumnisurteilen, die die Instanz nicht beenden. Hier bleibt die sofortige Beschwerde zulässig (RG N § 252/4); wenn RG N § 252/6 meint, die Beschwerde sei durch den Erlaß des Versäumnisurteils unbegründet geworden, wenn Einspruch eingelegt werde, weil die Einspruchsverhandlung eine neue sei, so ist dem nicht zu folgen. b 2. In den Fällen der §§ 148, 149, 151 folg. kann indes nur die Verhandlung ausgesetzt werden; deshalb wird die sofortige Beschwerde durch jedes Endurteil, in diesem Falle auch durch ein Versäumnisurteil (RG N § 151/5), das die Instanz noch nicht beendet, gegenstandslos und unzulässig (§ 148 E IV a, RG JW 09/454). Auch wenn kontradiktorisch entschieden wird, läßt die h. M. hier die Anfechtung des Urteils nach §§ 512, 548 zu. B I. Die einfache wie die sofortige Beschwerde sind auch gegeben gegen Entscheidungen, welche das LG als Berufungsinstanz trifft (§ 148 E III a); und soweit möglich, ist auch die weitere Beschwerde zulässig ohne Rücksicht darauf, ob die weitere Beschwerdeinstanz über den Streit zur Entscheidung berufen sein kann (§ 148 E III b). B II. Im Anwaltprozeß unterliegt die einfache wie die sofortige Beschwerde dem Anwaltzwang (§ 78 I; RG Gruch. 38/1209), sofern nicht die erste Instanz das Amtsgericht war (§569 II). B III. In Kostensachen gelten §§ 567 II, 568 III. Gegen die Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der höheren Gerichte gibt es kein Rechtsmittel (§ 567 III, RG HRR 28/1519). Doch läßt sich der Antrag erneuern. Zweites Buch
Verfahren im ersten Rechtszuge Erster Abschnitt
Verfahren vor den Landgerichten Erster Titel Verfahren bis zum Urteil
§ 353
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I II
Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). Die Klageschrift muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts: 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag. III Die Klageschrift soll ferner die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes enthalten, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht.
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§253
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IV Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden. V Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. B II. Gegenstand eines jeden zivilprozessualen Verfahrens (Streitgegenstand) ist das Klagebegehren, d . h . das, was der Kläger vom Beklagten verlangt: der Klageanspruch. b) Das Klagebegehren deckt sich bei positiven Klagen mit dem Streitgegenstand und dem Klageanspruch; bei den negativen, die mit einem Einwand oder einer sonst zur Klageabweisung führenden Einrede begründet werden, geht es aber gerade u m das, was der Beklagte außerprozessual begehrt. b 3. Jeder Anspruch findet seine Begründung in dem Rechtsverhältnis als seinem Grundverhältnis, das aus dem Einwirken bzw. Nichteinwirken bei gebotenem Einwirken entsteht und das einen oder mehrere Ansprüche auslöst oder doch auslösen kann. Dem Klageanspruch dient es zur Begründung. Darüber, daß auch das Rechtsverhältnis zum Klageanspruch werden kann, vgl. §§ 256, 281, dann ist sein Grund zu behaupten. Doch genügt es, daß das Bestehen des Klagegrundes behauptet wird. b 4. Die aus den Rechtssphären der einzelnen Rechtssubjekte sich ergebenden Ansprüche können auch so entstehen, daß auf einer oder auf jeder Seite eine Mehrzahl einzelner beteiligt ist. c) Von dem Klagebegehren, dem Klageanspruch ist das außerprozessuale Begehren, der außerprozessuale Anspruch, das außerprozessuale Rechtsverhältnis zu unterscheiden, die sich weder mit dem Klageanspruch noch dem für den Prozeß erheblichen Rechtsverhältnis decken müssen. Der außerprozessuale Anspruch kann im Prozeß nur im Klageantrag wiederkehren. c 1. Mit der Klage können zwar Ansprüche i. S. des BGB § 194 geltend gemacht werden, indes auch ihre Verneinung. c 2. Der außerprozessuale Begriff des Rechtsverhältnisses wird auch auf das rechtlich geregelte Verhältnis einer Person zu einer Sache (BGB § 90) bezogen (vgl. RG Seuff. 94/59). Vom Standpunkt des Prozeßrechts kommt es auf diese Beziehung nur mittelbar an, weil es der Streitbefriedigung der Personen dient. c 3. Aus dem außerprozessualen Rechtsverhältnis brauchen sich keine Ansprüche i. S. des BGB § 194 zu entwickeln; droht auf es kein Zugriff, so entstehen auch keine i. S. des Prozeßrechts. B DI. Von dem Klagebegehren ist die Klageberechtigung zu unterscheiden (Kommentar § 253 B I). Nach dem Prozeßrecht darf ein Klagebegehren nur der geltend machen, welcher Anspruchträger zu sein behauptet bzw. dem gegenüber eine solche Anspruchträgerschaft unmittelbar geltend gemacht wird. a) Wer selbst kein unmittelbarer (positiver oder negativer) Anspruchträger ist, hat keine Klageberechtigung, d. h. seine Klage ist unzulässig. a 1. Die Lehre vom Rechtschutzanspruch hat keine praktische Berechtigung (Rosenberg Lb. § 90 IV 3 b ; vgl. RGZ 71/71: die Unterscheidung sei dem Prozeßrecht fremd); sie faßt unterschiedlos Gruppen zusammen, die nicht zueinander gehören. a 2. Von dem Rechtschutzanspruch ist die Klagebegründung zu sondern; sie stützt sich — abgesehen von der Urkundenechtheitfeststellungklage — auf außerprozessuales Recht und f ü h r t dazu, wenn sie fehl geht, daß die Klage als unbegründet (nicht als unzulässig) abgewiesen wird. a 3. Von dem Rechtschutzanspruch sind aber auch die sonstigen allgemeinen Prozeßbedingungen (§ 274 A I) herauszunehmen (also die in § 274 genannten), so daß noch das Verbot der Verfahrensüberlagerung (§ 253 D), die fehlende Beschwer (§ 253 E) und die mangelnde Klageberechtigung (§ 253 B III) verbleiben. a 4. J e nach der Bestimmung des Gesetzes kann eine Voraussetzung bald die des außerprozessualen Anspruchs, bald Prozeßbedingung sein. Für das Verfahren wirkt beides unter-
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Verfahren bis zum Urteil
§253
bina4
schiedlich wegen der Rechtskraftwirkung, welche eine solche Entscheidung auslöst, und ist deshalb voneinander zu trennen. b) Unter dem Gesichtswinkel des Prozeßrechts kommt es gar nicht darauf an, ob ein Anspruchsträgerverhältnis (Klagerecht begründeterweise) besteht, sondern nur darauf, ob es behauptet wird. Nur wenn es einmal nicht behauptet ist, ist deshalb die Klage unzulässig, m. a. W., besteht das (prozessuale) Klagerecht nicht. b 1. Das Klagerecht besteht bei den in Kommentar § 253 B II b 2 geschilderten Verhältnissen. Es ist auch gegeben, wenn die eigene Rechtsphäre auf Grund gegebener obligatorischer (vertraglicher) Ansprüche zu dinglieh Berechtigten besteht, sofern die dinglich (absolut) Berechtigten den ihnen obligatorisch Verpflichteten ermächtigt haben, eine Rechtsänderung herbeizuführen. b 2. Zu unterscheiden davon sind die Fälle, wo jemand als Treuhänder nach außerprozessualem Recht in die dingliche Rechtstellung eines Rechtsubjekts einrückt, mag auch der Treugeber (nach der Rechtsprechung) noch einen verdinglichten Rückgabeanspruch behalten; eine solche „Ermächtigung" wirkt außerprozessual (vgl. RGZ 89/135), etwa als Abtretung. b 3. Umgekehrt reicht die reine Bevollmächtigung nicht dazu aus, daß der Bevollmächtigte die Klage im eigenen Namen erheben darf (RGZ JW 08/47910). Auch die bloße Ermächtigung ist ungenügend, sofern nicht der Klagende aus seiner Rechtsphäre ein eigenes unmittelbares Interesse hat. Deshalb hätte aber auch die Klage des ermächtigten KV einer oHG im oHG-Konkurs, die dieser gegen einige Gesellschafter persönlich kraft Ermächtigung der Konkursgläubiger führte, als unzulässig abgewiesen werden müssen, zumal sich der KV eine Zuständigkeit gab, die ihm das Gesetz gerade nicht geben will (a. M. BGH v. 26. 5. 1954 II ZR 168/53). c) Soweit aus der Rechtschutzbedürfnistheorie weitergehende Folgen gezogen werden, ist dies abzulehnen (vgl. dazu auch § 253 E II a, b). B IV. Der Klageanspruch, gegründet auf die Spannungen unter den einzelnen Rechtsubjekten, ist nicht stets ein Ausgleichsanspruch für die Verletzung der Rechtsphäre eines Rechtsubjekts, sondern er gibt schon den Anspruch darauf, daß die Rechtsphäre nicht verletzt wird, also auf Unterlassung der Rechtsverletzung, sofern die Rechtsphäre rechtlich bedroht ist. a) Der Klageantrag kann die folgenden Ziele verfolgen: a 1. daß der Beklagte handeln soll; a 2. daß der Beklagte es unterläßt zu handeln oder auf einen dritten einwirkt, daß dieser nicht handelt; a 3. daß der Beklagte ein fremdes Handeln duldet; oder a 4. daß der Beklagte duldet, daß der Kläger oder ein dritter ein Handeln unterläßt. b) Das Gericht beachtet aber nicht nur das Verlangen des Klägers, sondern auch das des Beklagten, sofern er wirksam im Prozeß verhandelt (§§ 331, 333; erscheint oder verhandelt er nicht, so gilt das Vorbringen des Klägers als unbestritten) und sofern er den Klageanspruch nicht anerkennt (§ 307). Dabei gilt auch hier der Grundsatz iura novit curia (RG Warn. 33/92). b 1. Dies gilt im besonderen, wenn er beantragt, den Anspruch des Klägers als unzulässig oder als unbegründet abzuweisen. b 2. Neben der Leugnung des Klageanspruchs darf der Beklagte aber auch die Klagebegründung verneinen, sei es, daß er die vorgetragenen Behauptungen (des Sachverhalts) bestreitet (doch muß er dies nicht, § 138 I I I ; er kann sogar zugestehen, § 288), sei es, daß er die vom Kläger aus ihnen gezogenen Rechtsfolgen verneint (doch gilt hier der Satz iura novit curia, sowohl zu seinen Gunsten wie zu seinen Lasten: RGN §§253—299/1). Inbezug auf tatsächliches Vorbringen begnügt sich die ZPO regelmäßig mit dem übereinstimmenden Verhalten beider Parteien. Der Beklagte darf aber auch rechtshindernde, rechtshemmende und rechtsvernichtende Einwendungen (über den Unterschied vgl. § 282 E III d) und Einreden vorbringen (die nicht unter den Begriff des Anspruchs i. S. des BGB § 194 fallen). Die Prozeßordnung gebraucht die Begriffe Einwendung oder Einrede nicht in dem technischen Sinne,
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§ 253 B I V b 2
ZPO II. Buch
sondern in anderer Weise. Die prozessuale Verwendung dieser Begriffe hat keine Unterscheidungkrait und wird deshalb hier außer acht gelassen. c) Der Kläger kann auf die Erwiderung des Beklagten (aber auch ohne sie) auf den Klageanspruch verzichten (§ 306), die Klage zurücknehmen (§ 271), aber auch nicht gegen ihn verhandeln (§§ 330, 333), Behauptungen widerrufen, seinen Vortrag ergänzen, die von dem Beklagten für seine Einwendungen und Einreden aufgestellten Behauptungen bestreiten, nicht bestreiten oder zugestehen, aber auch Gegeneinwendungen (Repliken), Gegeneinreden (Replikationen) vortragen; worauf der Beklagte mit Bestreiten, Nichtbestreiten, Zugestehen, aber auch mit Dupliken, Duplikationen antworten kann. Der Ausdruck Replik findet sich nur gelegentlich in der ZPO (vgl. § 278 I). B V. Das Prozeßverhältnis (§ 38 B III) regelt die innerprozessualen Rechte der Parteien und die auf den Prozeß (die Befriedung). a) Das Recht auf Befriedung kann keiner Partei genommen werden (a. M. BGH N J W 1260/53 für die Verpflichtung, keine Patentnichtigkeitklage zu erheben). Das Recht, vor die staatlichen Gerichte zu gehen, kann allerdings wirksam durch Schiedsabrede (§§ 1025folg.) beschränkt werden. b) Das ordentliche Verfahren beginnt mit der Einreichung der Klage (andere Verfahren mit dem schriftlichen Antrag an ein Gericht, eine Behörde) oder durch ein mündliches Vorstelligwerden bei ihm (vgl. § 500). Das Prozeßverhältnis (vgl. § 38 B III) allein ist nicht abtretbar; kein Abtretender kann deshalb den Kläger ermächtigen, im eigenen Namen auf Leistung an den Abtretenden zu klagen (RGZ 160/204 [insbesondere 210, 211]). Auch darf nicht darauf geklagt werden, daß ein dritter einer Klage zustimme, die er selbst erheben könnte (RGZ 144/71 f.). Anders ist dies in den Fällen, wo jemand eine Forderung an einen dritten abtritt und sich diesem gegenüber verpflichtet, die Forderung im eigenen Namen auf Leistung an den dritten gerichtlich geltend zu machen (vgl. RG J W 37/541 9 ); hier wirkt sich noch das alte Rechtsverhältnis aus. Über die Parteien kraft Amtes vgl. § 50 G III. e) Soweit prozessuale Erfordernisse auch außerprozessuale sind, werden sie prozeßrechtlich verschieden behandelt. C. Je nachdem, ob der Klageantrag auf Leistung oder auf Feststellung gerichtet ist, ergeben sich zu unterscheidende Klagearten, die verschiedenartigen Prozeßbedingungen unterliegen. Aber auch die erste Gruppe h a t noch weitere Prozeßbedingungen, wenn sie auf künftige Leistung gerichtet ist. C I. Mit der Leistungklage begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung, im weiteren noch zur Rechtsgestaltung. a) Für den Begriff der Leistungklage ist es nur darauf abzustellen, ob eine Leistung begehrt wird, nicht darauf, ob das Leistungbegehren begründet ist oder gar ob es durchzusetzen ist. Nicht begründete Leistungklagen sind als unbegründet abzuweisen (nicht als unzulässig), selbst wenn dies geschieht, weil eine unmögliche Leistung gefordert wird, die nicht zuerkannt werden darf, wenn die Unmöglichkeit feststeht (RGZ 88/76), obwohl, wenn auf sie erkannt wurde, BGB § 283 zum zuge kommt. Ist die Leistung aufschiebend bedingt, wird sie aber unbedingt gefordert, so ist die Klage als z. Z. unbegründet abzuweisen (RGZ 151/35 [38]); wie auch bei einer Klage auf eine betagte Leistung, die sofort gefordert wird. Einer solchen Klageabweisung steht die Erneuerung nach Eintritt der Bedingung bzw. der Fälligkeit nicht entgegen (vgl. RGZ 151/35 [38]). Dagegen ist die Verurteilung zur Leistung unabhängig davon, ob vollstreckt werden darf, wie §§ 888 II, 510 b, 888 a ergeben; und um eine Leistungklage handelt es sich auch dort, wo das rechtskräftige Urteil die Rechtsänderung herbeiführt, ohne daß noch eine Vollstreckung möglich wäre, wie nach § 894 (Hellwig Lb. 1/47) und in den Fällen der sog. reinen Gestaltungklagen. Völlig bedeutunglos ist es, ob die begehrte Verurteilung durchgesetzt werden kann oder nicht, etwa weil der Beklagte vermögenslos ist oder weil nicht in seinen Hof vollstreckt werden darf (vgl. RG J W 35/16863) oder weil zur Vollstreckungshandlung noch eine besondere Devisengenehmigung erforderlich ist oder weil sie überhaupt nur beschränkt möglich ist (vgl.§§ 305, 786, BGB §§ 419,1410,1504,1990,1991, 2187, HGB §§ 486, 662, BinnenschiffahrtG § 4), m. a. W. die Möglichkeit der Durchsetzung braucht nur abstrakt
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§ 253 CIa
gegeben zu sein. Andererseits kann eine Leistungklage darauf gerichtet sein, die Vollstreckung zu verhindern (vgl. §§ 767, 785, 771—774, 810 II). Bedingte, betagte, Zug um Zug Leistungen ändern den Charakter der Leistungklage nicht. a 1. Gegenstand der Leistungklage ist jedes Begehren nach einer Handlung, also das zur Leistung von Gegenständen, von Arbeit. Nur soweit ein anderes Verfahren die Klage sperrt, ist sie unzulässig (wie etwa solange der Konkursanspruch nicht angemeldet und geprüft ist; vgl. KO §§ 12,146 I, RGZ 130/333 [334/335]). Zu den Leistungklagen gehören die auf Widerruf einer Äußerung (vgl. RGZ 170/320), oder auf Befreiung von einer Schuld. a 2. Gegenstand der Leistungklage ist auch das Unterlassen (vgl. RGZ 72/393); die außerprozessuale Voraussetzung für diese Ansprüche ist die Gefahr, daß die Handlung begangen werden könnte (vgl. RGZ 115/74 [83]), die sog. Wiederholunggefahr. a 3. Eine Unterart der Unterlassungklage ist die Duldungklage, weil hier die Handlung des Klägers hinzukommt, wenn auch die Gefahr, daß der Beklagte den Eingriff verhindern würde, nicht zu ihrem Tatbestand gehört. b) Auch die Gestaltungklage ist nur eine Form der Leistungklage, nämlich die, wo das Urteil die Vollstreckung erübrigt (vgl. RGZ 100/98 [100]). Die Gestaltung des Rechtsverhältnisses durch Urteil in den Fällen des BGB §§ 315 I I I 2, 319 II usw. wirkt nur unter den Parteien. Andererseits gibt es sonstige Leistungurteile, welche auch über die Parteien hinaus, wenn auch auf einen beschränkten Personenkreis, wirken (vgl. HGB § 129). b 1. Bisweilen kann die Rechtsgestaltung sowohl außerprozessual wie im Prozeß (durch Anerkenntnis) herbeigeführt werden. Ihre Wirkung wird regelmäßig mit dem Eintritt der Rechtskraft vollzogen (vgl. aber die Ausnahme in MSchG § 13 II 2) und äußert sich für die Zukunft. b 2. Bisweilen wirkt das Urteil zurück, wenn dies auch überwiegend erst ab Rechtskraft geschieht. Dazu gehören: die Anfechtungklage bei Erbunwürdigkeit; die Nichtigkeit- und Anfechtungklagen bei Gesellschaftbeschlüssen, die auf Eintragung bzw. Löschung eines Warenzeichens. b 3. Mischungen von Gestaltung mit sonstiger Leistung stellen die Fälle dar, wo auf eine vollstreckbare Leistung erkannt wird, die kraft gleichzeitiger Gestaltung als von Anfang an geschuldet gilt. Bei den Eheaufhebung-und Scheidungklagen (§606; EheG §§28 folg., §§41folg.), der Aufhebungklage in Entmündigungsachen (§§ 679, 686) tritt die gestaltende Wirkung ab Rechtskraft ein. b 4. Mit ab Rechtskraft eintretender, rückwirkender Kraft sind ausgestattet die auf die Ehenichtigkeit, die Kindschaftanfechtung, Entmündigung-, Aufgebotanfechtung, Schiedsspruchaufhebung erkennenden Entscheidungen wie die Gestaltungsklagen, die unter den Parteien wirken und nur in mancher Beziehung zurückwirken, sonst aber für die Zukunft nach BGB §§ 315 I I I 2, 316, 319 I 2, II, 343, 655, 660 I 2; 2048 I 3, 2156 I 2, 2192; HGB §§ 744 I, II, 748. Gestaltungen teils mit zukünftiger, teils mit voller oder teilweiser rückwirkender Kraft finden sich auch in Urteilen, die den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 253 C I c 1) und die ergänzende Vertragsauslegung (§ 253 C I c 2) zum Gegenstand haben. e) Gegenstand der Leistungsklage kann ein einziger Anspruch sein; in den Fällen der Gestaltungsklagen ist er es regelmäßig. c 1. Auch, wenn es um die Auswirkungen der weggefallenen Geschäftsgrundlage geht, steht das gesamte Rechtsverhältnis zur Entscheidung. Entfällt sie, so kommt es dann zur neuen Gestaltung des Vertrages (BGH MDR 52/26), wenn nicht ein Festhalten an ihm schlechthin Treu und Glauben widerspricht (RGZ 168/126). c 2. Umgekehrt wird von der ergänzenden Vertragsauslegung (BGB § 157) nur der Teil getroffen, der von den Parteien unberücksichtigt geblieben ist (vgl. RGZ 119/237 [239]). c 4. Auch soweit sich die Leistungklage auf einen einzelnen Anspruch bezieht, so legt das Urteil doch stets zugleich das Rechtsverhältnis fest, aus dem heraus es über den Anspruch 44
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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ZPO II. Buch
erkennt, wenn auch die Festlegung- auf den Bereich des erkannten oder aberkannten Anspruchs beschränkt ist. Bs gibt mithin kein abstraktes Erkenntnis. d) In welcher Verfahrensart Leistungsansprüche erhoben werden, ist gleichgültig. C II. Im Gegensatz zur Leistungklage steht die Feststellungklage. Sie geht entweder auf das Bestehen (das ist die positive) oder das Nichtbestehen (d. i. die negative) eines Rechtsverhältnisses, möglicherweise auch eines Anspruches (vgl. § 256 C II b) und entspricht den Feststellungen abweisender (Leistungs-)Urteile. a) Als ihre Grundlage tritt das Rechtsverhältnis, das unter den Parteien besteht, stärker hervor, also das Verhältnis, aus dem sich die außerprozessualen Ansprüche im oben geschilderten Sinne (§ 253 B II c 2) ergeben. Dazu gehört auch die Anerkennung eines ausländischen Urteils (§§ 328, 722) oder die Feststellung des Inhalts einer unklaren Entscheidung (RGZ 82/161folg.), die keine Feststellungwirkung haben. Die Feststellung eines Prozeßverhältnisses wie einzelner, daraus fließender prozessualer Ansprüche ist dagegen regelmäßig ausgeschlossen (OLG H R R 1931/875); die Feststellung der Echtheit bzw. Unechtheit einer Urkunde ist ausdrücklich zugelassen (§ 256 G). b) Die Feststellungklage kann das Rechtsverhältnis insgesamt treffen (vgl. § 280), aber auch einzelne Ansprüche; die positive allerdings nur, wenn die Leistungklage nicht erhoben werden kann, und erst recht nicht, wenn überhaupt kein Klagerecht besteht; die negative dagegen stets, also im besonderen, wenn eine Einrede erhoben wird, die gegenüber der positiven Klage zur Klageabweisung führen würde. Im Gegensatz hierzu öffnet die Einrede gegen die Einrede (die Replikation) wieder das volle (Leistung-)Klagerecht, während die Duplikation es entsprechend der Einrede beschränkt usw.. Würde das Leistungverweigerungrecht zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung führen, so ist wieder die Leistungklage zu wählen. c) Im Gegensatz zur Leistungklage erschöpft sich die Feststellungklage in dem Urteil, sie ist also kein Befehl zur Leistung und führt auch keine Rechtsänderung unmittelbar herbei, sofern über sie richtig entschieden worden ist; nur die unrichtig entschiedene stellt zugleich eine Änderung des bis dahin Bestehenden dar. C III. Die Widerklage (vgl. § 33 A, E) ist für sich genommen Klage. D. Allgemeine Prozeßbedingung (§ 274 A I) des ordentlichen Klageverfahrens ist es, daß kein anderes Verfahren vorgeschrieben ist, das es ausschließt (Verbot der Verfahrens- oder Klageüberlagerung). D I. Besteht die Überlagerung, so ist die Klage als unzulässig (vgl. RGZ 160/204), nicht als unbegründet abzuweisen; steht und fällt indes zugleich mit dieser Vorentscheidung die über den Anspruch, so ist sie als unbegründet abzuweisen, nicht als unzulässig (vgl. § 12 B I I a 1, RG J W 14/541 18 ). Jedenfalls darf die Klage nicht als unzulässig und als unbegründet abgewiesen werden (vgl. RG J W 36/653 18 , die letzte Begründung gilt dann als nicht gegeben). D II a) freiwilligen § 14, über barkeit vgl.
Über die Überlagerung zur Strafgerichtsbarkeit vgl. GVG § 13 D, über die zur Gerichtsbarkeit vgl. GVG § 13 C, über die zur Sondergerichtsbarkeit vgl. GVG die zur Verwaltunggerichtsbarkeit und über die zur VerwaltungsondergerichtsGVG § 13 F.
b 1. Innerhalb der Prozeßordnung gibt es die Überlagerung durch Sonderverfahren u. a. für das Kostenfestsetzungverfahren (RGZ 130/217 folg.), das die Klage über dieselben Kosten unzulässig macht; für das Verfahren auf Rückgabe einer Sicherheit (RGZ 86/36 [43]); für die Vollstreckung: etwa bei der Umschreibung des Titels (RG Warn. 25/74); bei der Umschreibung auf Duldung (OLG 10/375); nach § 766 (Klage ist aber zulässig, wenn Kläger die Klarstellung im Hinblick auf künftige Ereignisse erstrebt, vgl. RGZ 131/113); für Gerichtsvollzieher vgl. GVGebG § 9; nach § 887 (OLG J W 37/282Ö5); nach §§ 1042, 1044, 1044a (jedoch wurde die Feststellungklage auf Nichtbestehen eines Schiedsvertrages von RG H R R 31/793 zugelassen, solange nicht die Voraussetzungen des § 1039 vorliegen). Die Räumungklage des Zwangsverwalters gegen den Schuldner ist unzulässig, weil er ihn nach ZVG §§ 149 folg. zur Räumung zwingen kann (RG Warn. 18/22); ebenso die Klage des Konkursgläubigers, der nach KO §§ 164 II, 206 II nach Beendigung des Konkurses gegen den Gemeinschuldner vorgehen kann. Ob
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auch bei ausländischen Urteilen (und Schiedssprüchen) nur nach §§ 328, 722,1044 vorgegangen werden darf (so RGZ 16/427 [435]) oder ob daneben die Möglichkeit der Erhebung der Leistungklage offen gelassen ist, ist streitig; nach RG J W 38/468 32 darf sich der Beklagte nicht darauf berufen, daß der Kläger nach § 1042 anstatt nach § 722 hätte vorgehen müssen. b 2. Arrest und einstweilige Verfügung hindern keinesfalls die Hauptklage (RG J W 10/191 29 ). Auch ist die Klage dann zulässig, wenn ein Sonderverfahren aus formellen Gründen nicht zum Ziele führt, etwa wenn die Erteilung oder Umschreibung der Vollstreckungklausel endgültig verweigert worden ist. b 3. Auch sonstige Rechtsbehelfe schließen weitergehende Klagerechte nicht aus, wie das Recht auf Berichtigung in Pressesachen und die Klage auf Unterlassung (OLG MDR 56/165). Auch hindert die Möglichkeit der Strafverfolgung nicht die zivilrechtliche Unterlassungklage (BGH N J W 57/1319). c) Dies gilt aber auch für Verfahren außerhalb der ZPO, etwa im Kostenrecht. D III. Überlagerungen, die bei gleichzeitigen Klagen entstehen oder entstehen könnten, fallen unter den Einwand der Rechtshängigkeit, falls sie erhoben sind, unter den der Überlagerung, wenn sie nach der Prozeßordnung in erster Linie wegen der bevorzugten Klageart h ä t t e n erhoben werden sollen. a) So wird die Feststellungklage von der Leistungklage, die an ihrer Stelle erhoben werden könnte, überlagert. (§ 256 C I I I a 1). b) Solche Überschneidungen treten auch im Verhältnis von Klage und Widerklage auf, sofern beide denselben Streitgegenstand (§ 253 B II) betreffen. b 1. Leistungklage und Leistungwiderklage können sich allerdings nicht überdecken. b 2. Dies gilt auch für die Gestaltungklagen. b 3. Dagegen können sich den Ansprüchen nach decken: negative Feststellungklage mit Leistungwiderklage, Leistungklage mit negativer Feststellungwiderklage, positive Feststellungklage mit negativer Feststellungswiderklage, negative Feststellungklage mit positiver Feststellungwiderklage. Diese Möglichkeiten gehören zu denen der Überlagerung, welche zur Unzulässigkeit der Klage oder der Widerklage führen, je nachdem, welche Klageart weniger weit reicht. D IV. Auch der Prozeßstand kann zu einer Überlagerung führen. a) Das ist der Fall, wo der Anspruch (zulässigerweise) anerkannt oder wo auf ihn verzichtet wird; hier dürfen weder der Kläger noch der Beklagte die Forderung im streitigen oder Versäumnisverfahren weiterverfolgen, sondern haben nur die Möglichkeit, Anerkenntnisbzw. Verzichturteil zu beantragen (a. M. BGH N J W 53/1830). b) Unzulässig ist die Klage, wenn an das Zuerkennen gar keine Rechtsfolge a n k n ü p f t (§ 883 A II); die auf Feststellung, daß ein Ehegatte an der Zerrüttung nicht schuldig sei (RGZ 164/98), wie die Eheherstellungklage (§ 606 b B I e). c) Klagen des Vorstandes bzw. des Aufsichtrats von Aktiengesellschaften auf E n t lastung sind nach dem AktienG § 84 IV 3 jedenfalls nicht mehr zu begründen, wenn ein Verzicht auf Ansprüche vorzeitig begehrt wird. d) Über die Rechtsbehelfsüberlagerung vgl. § 256 A I b 6. D V. Darüber hinaus kann jede Klageart durch eine rechtskräftige Vorentscheidung überlagert werden. a) Ein rechtskräftig entschiedener Anspruch darf durch neue Klage nur verfolgt werden, wenn sonst keine Möglichkeit der Herstellung des Urteils besteht (OGHZ 1/213 [214]). a 2. Wird sonst der Anspruch verfolgt, so ist die Klage als unzulässig (nicht als unbegründet) abzuweisen; ist sie aber (ausnahmsweise) zulässig, so ist, wie schon früher rechtskräftig erkannt war, zu entscheiden, vgl. § 322 B I I I . b) Das Überlagern verschiedener Vollstreckungtitel allein schließt die Klage nicht aus, soweit diese keine Rechtskraftwirkung (§ 322 B) nach sich ziehen. 44«
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E. Jede Klage setzt eine Beschwer voraus. E I. Darüber, daß keine Partei sich selbst verklagen darf, vgl. § 50 A II a. Der Kläger kann nicht darauf klagen, daß er selbst eine Leistung an den Beklagten zu erbringen hat. Diese Beschwer stimmt mit dem Klagerecht überein, das sich aus der Rechtsbeziehung ergibt, aus der der Klageanspruch entsteht. Die Beschwer kann auch nicht vermögensrechtlicher Art sein. E II. Die Beschwer des Klägers darf aber nicht verneint werden, a) wenn er aufrechnen konnte (er braucht es nicht zu tun) wie überhaupt, wenn der Kläger sich eine Leistung selbst verschaffen könnte (a. M. OLG 4/226). b) Dementsprechend darf auch niemand gezwungen werden, einen Anspruch voll, anstatt nur zum Teil geltend zu machen (vgl. § 5 B I b), oder auch nur einen Teil an Stelle des ganzen. F. Die Klage begehrt die Schlichtung eines (außerprozessualen) Streites (abgesehen von den Urkundenechtheitsfeststellungsprozessen). F I. Wird der Streit erstmalig vor Gericht gebracht, so ist die Regel die (Erst-)Klage. a) Doch kann einer solchen Erstklage bereits ein anderes (Streitschlichtung-)Verfahren unter den Parteien vorausgegangen sein. b) Darüber hinaus gibt es aber noch eiDe Art von Klagen, die sich logisch nur als Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens darstellen; b 1. und zwar entweder als Folgeklagen wie in den Fällen der Anfechtung- oder Aufhebungklagen nach §§ 664, 679, 684, 686, 957 f., 1043 oder nach §§ 323,324 oder als Fortsetzungklagen wie im Vollstreckungrecht zur Durchführung oder Verhinderung einer Vollstreckung (§§ 731, 767f., 771 folg., 805, 856, 878folg.), die aber zum Teil — nämlich falls neue Parteien zur Klage kommen — Erstklagen sind. b 2. Nur in den Fällen der §§ 578, 585 lebt das alte Prozeßverhältnis (in gewissem Umfange) wieder auf (vgl. § 578folg.); die „Klage" stellt sich rechtlich nur als ein außerordentlicher Rechtsbehelf dar. c) Nicht jedes Verfahren wird allerdings durch eine Klage i. S. der § 253 eingeleitet, sondern auch schon durch Anträge; doch sind diese Verfahren besonders geregelt. F II. Die Klage ist eine prozessuale, im Rahmen des § 271 widerrufliche, empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. § 38 B II). Sie folgt insoweit den Regeln dieser und duldet (regelmäßig) keine Bedingung in bezug auf die Parteien (also bei der subjektiven Klagehäufung, § 59; RGZ 144/71 [72]; bei der Klageerhebung im eigenen Namen, eventuell in fremdem Namen war die letzte unzulässig: RGZ 58/248; bei der Klage gegen einen, eventuell gegen alle Beklagte anteilweise: RG Warn. 08/670); Alternativklagen gegen A oder gegen B sind unzulässig (RArbG E 16/24). War indes die Klage gegen den ersten Beklagten rechtskräftig abgewiesen worden, so wird gegen den zweiten sachlich entschieden; vgl. bei der Widerklage RG LZ 13/96131 und über die Zulassung von Eventualwiderklagen § 33 D. Die Klage duldet ferner keine Zeitbestimmung, m. a. W. der prozessuale Antrag auf Entscheidung muß unbedingt und unbefristet sein; doch gilt dies nur für den Antrag auf Entscheidung schlechthin, nicht für den auf eine bestimmte Entscheidung. Zulässig ist es, wenn mehr Parteien, als unbedingt erforderlich sind, klagen (RGZ 58/248 [252]) oder bei objektiver Klagehäufung in Eventualstellung (§ 260 B I b), also etwa, wenn der Kläger die Klage einmal auf eigenes, hilfsweise auf abgetretenes Recht oder einmal auf Abtretung durch A, hilfsweise auf die durch B gegen denselben Beklagten stützt (RGZ 144/71folg.). a) Die Klage begründet mit ihrer Einreichung bei einem Gericht (bzw. ihrer mündlichen Erhebung vor dem Gericht, §§ 281, 500) das ProzeBverhältnis; denn sie veranlaßt das Gericht zu handeln. Damit wird das Verfahren anhängig. a 1. Allerdings liegt eine Klage nur vor, wenn sie von einem Postulationfähigen ausgeht, wozu bei der schriftlichen Klage die persönliche Unterschrift des Postulationsfähigen gehört, die nur bei Erhebung durch Telegramm von der h.M. nicht gefordert wird (vgl. RGZ 151/82 [86] und dagegen § 129 A II a 4). Je nachdem, ob die Unterschrift bei dem Gericht bekannt ist oder
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nicht, werden verschiedene Anforderungen an ihre Deutlichkeit zu stellen sein; denn die Unterschrift soll die Urheberschaft des Unterzeichnenden erkenntlich machen, so daß seine weitere namentliche Benennung nicht erforderlich ist (vgl. RGZ 6/349). Über die Prozeß Voraussetzung der Vollmacht vgl. § 88. Der Mangel der Vollmacht kann durch ihre Erteilung behoben werden. Über die Frage der prozessualen Rückwirkung vgl. § 89 B I I a. Das Fehlen der Vollmacht ist mit Rechtsmitteln und u. U. durch Wiederaufnahmeklage angreifbar. Daß der Mangel der Postulationfähigkeit im Falle des Erlasses des Endurteils geheilt werden kann, hindert die Behandlung einer nicht von einem Postulationfähigen ausgehenden Schrift als Nichtklage nicht. Über die Ersatzform, wenn eine persönlich und eigenhändig beglaubigte Abschrift der Klage eingereicht wird, vgl. § 129 A I I a 2. a 2. Irgendwie muß das Gericht sich äußern, wenn der Vorgang nur nicht klarstellt, ob er eine Klage oder ein sonstiger Antrag ist, sofern beides zulässig ist. Klärt der Kläger nicht auf, so wird das einfachere Verfahren als angesprochen angesehen werden müssen. Ist die eingereichte Schrift als Armenrechtsgesuch bezeichnet, so liegt keine Klage vor; wohl aber wenn sie als Armenrechtsgesuch u n d Klage bezeichnet ist oder beide miteinander eingereicht werden. Über die Wirkung der Klagezustellung ohne Terminanberaumung vgl. § 253 F I I b 1. a 3. Geht die Klage von einem Postulationfähigen aus, so ist es eine Klage, auch wenn eine oder beide Parteien partei- oder prozeßunfähig (und nicht richtig gesetzlich vertreten) oder beides sind (RG J W 17/295 1 8 ). E s ist dann nicht etwa die Terminanberaumung mit der Begründung einer mangelnden Prozeßbedingung abzulehnen. a 4 . Gegen die verweigerte Terminanberaumung gibt es die Beschwerde (§§567, 252). b) Eine (solche, vgl. § 253 F I I a) Klage (die nicht nach §§ 500, 281 in der mündlichen Verhandlung erhoben wird), ist von gerichts wegen (§§ 261 b 1,208,166folg.) zuzustellen (§ 2531). Dies gilt auch für die Widerklage und auch, b X. wenn noch kein Termin anzusetzen ist. Die Klage wird, auch wenn sie vor der Terminanberaumung zugestellt wird, rechtshängig (§ 263 I ; B G H N J W 54/640). Will der Kläger, daß die Klage nur erhoben werden soll, wenn das Armenrecht bewilligt wird und hat er dies ausdrücklich erklärt und wird diese Erklärung der Gegenpartei zugleich mit der Klage übermittelt, so ist die Klage noch nicht mit ihrer Übermittlung erhoben ( B G H N J W 52/545 1 0 ). Erhält der Gegner aber nur die Klage — ohne die einschränkende Erklärung des Klägers — so ist sie erhoben (selbst wenn sie nicht förmlich zugestellt wurde, vgl. § 187 A I I ) und sogar wenn sie das Gericht übermittelt hatte mit dem Zusatz, daß zunächst nur über das Armenrechtsgesuch entschieden werden soll (OLG D R 40 A 2 1 8 8 3 0 ; a. M. OLG N J W 51/969 2 1 ). b 2. Das Gericht darf schon mit der Einreichung der Klage nach § 2 7 2 b vorgehen; auch werden §§ 272, 279 I I zu Lasten des Klägers anwendbar. b 3. Durch Verwaltunganordnung ist vorgeschrieben, daß von einer Klage gegen Beamte, Rechtsanwälte und Notare und Notarassessoren der vorgesetzten Dienststelle Mitteilung zu machen ist (AV R J M v. 1 . 1 0 . 1 9 3 7 [ D J 1570]). Eine weitere Unterrichtungpflicht des Gerichts besteht nach G gegen Wettbewerbsbeschränkungen § 90. b 4 . Sodann ist Termin anzuberaumen (§§ 216, 261), sofern keine Hinderungsgründe bestehen (vgl. § 253 F I I b 1). b 5 . Mit der Einreichung der Klage treten die Wirkungen der §§ 261 b I I I , 496 I I I bei nachfolgender (demnächstiger) Zustellung ein. Vgl. auch § 207. c ) Bis zur Klagezustellung bzw. ihrer sonstigen Erhebung ( § 2 5 3 F I I I ) hat der Kläger es in der Hand, sie zu verändern. c 1. Soweit aber eine Rückwirkung nach §§ 261b I I I , 496 I I I eintritt, bleibt auch eine solche nachträgliche Änderung des Prozeßverhältnisses erheblich. c 2. Die Wirkungen einer solchen Änderung kommen denen der Klageänderung nach Rechtshängigkeit nahe, nur daß im letzten Falle bei Rüge des Beklagten und Nichtzulassung durch das Gericht der Kläger beschränkt wird, was vor Klageerhebung nicht der Fall ist (vgl. §§ 264, 269, 270). Allerdings kann er immer noch nach § 271 die Klage (einseitig) zurücknehmen.
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F III. Die Klage wird erhoben durch Zustellung eines Schriftsatzes (§ 253 I) cder durch mündlichen Vortrag (§500); sie wird erweitert entweder durch Zustellung eines Schriftsatzes oder i n der mündlichen Verhandlung (§ 281, also auch ohne Schriftform: R G N § 253/22), was auch f ü r die Widerklage gilt. a) Die ordnungmäßige Klageerhebung löst m i t R ü c k d a t i e r u n g zum Beginn des Prozeß Verhältnisses (vgl. § 38 B I I I ) die Wirkung aus, daß außerprozessuale Fristen, die noch b e i ihrer Einreichung bei Gericht liefen, gewahrt worden sind, sofern die Klage „ d e m n ä c h s t " zugestellt worden ist (vgl. § § 2 6 1 b I I I , 496 I I I , 207). F ü r eine zur Klageerhebung laufende N o t f r i s t gilt dies entsprechend. a 1. Darüber, was im einzelnen zur ordnungmäßigen Klagezustellung gehört, vgl. § 253 G; dazu gehört nicht, daß sie beim zuständigen Gericht eingereicht ist (RGZ 151/233). D a r ü b e r , daß in all diesen Fällen, wenn die Klage als unzulässig abgewiesen wird, noch die Frist des B G B § 212 I I läuft, vgl. RGZ 84/309 (310). Die Versäumung einer außerprozessualen F r i s t m a c h t die Klage (wie jeder außerprozessuale Mangel) u n b e g r ü n d e t (RG J W 07/264 2 7 ), n i c h t u n zulässig; die Versäumung einer N o t f r i s t m a c h t sie unzulässig. a 2. Die Klage, welche wegen Mangels der OrdnungmäSigkeit abzuweisen ist, löst a u c h diese Wirkungen nicht aus ( B G H N J W 57/263). Anders ist dies, soweit n u r die gewählte Klagea r t unzulässig ist (vgl. § 256 A I I I , IV, V u n d B G B § 212). b) Die wirksame Klageerhebung löst die prozessuale Folge der Rechtshängigkeit (§ 263) m i t all ihren weiteren (auch außerprozessualen; vgl. dazu § 267) Folgen (vgl. §§ 264folg., 308, 322), i m besonderen der Festlegung des Streitverhältnisses, a u s . b 1. Mit der Klageerhebung wird das (außerprozessuale) Rechtsverhältnis i m gesetzlich b e s t i m m t e n U m f a n g fixiert, was auf den Z e i t p u n k t der Klagezustellung f ü r die W a h r u n g von Fristen (mit Rückwirkung u n d ohne Rückwirkung) erheblich ist. Über Klageänderungen vgl. §§ 264folg.. Begründet sein m u ß die Klage z. Z. des Verhandlungschlusses (§§ 136 B I I , 300 C I I a 1), regelmäßig des in der Tatsacheninstanz. L ä ß t die Klage ein bedingtes oder betagtes E r k e n n t n i s zu, so ist auch die im L a u f e des Rechtstreits außerprozessual eingetretene Bedingung oder Fälligkeit zu beachten (RG J W 03/238 8 ). Keinesfalls darf aber der E i n t r i t t einer Tatsache abgewartet werden (RGZ 41/88); Verstöße dagegen sind wie bei der — ungerechtfertigten — Aussetzung des Verfahrens verfolgbar (§ 252). b 2. Soweit die Klage außerprozessuale Willenserklärungen enthält, sind diese n a c h außerprozessualem R e c h t zu beurteilen. Dies gilt im besonderen f ü r die in der Klage erklärten R e c h t e des rechtlichen Könnens, die Verfügung i m materiellen Sinne, also etwa die A n f e c h t u n g , K ü n d i g u n g (vgl. R G J W 03/238 8 ). c) Soweit die außerprozessuale Willenserklärung einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird sie erst m i t dem Zugang wirksam. Ob die E r k l ä r u n g zugegangen ist, ist aber n a c h bürgerlichem R e c h t zu beurteilen. G. Zur ordnungmäßigen Klage gehören notwendigerweise: der prozessuale A n t r a g des Klägers an das Gericht auf E n t s c h e i d u n g gegen den Beklagten und der außerprozessuale Anspruch des Klägers über den I n h a l t der erstrebten, gegen den Beklagten gerichteten E n t scheidung des Gerichts (§ 253 II). G l . Der prozessuale A n t r a g setzt die eindeutige Kennzeichnung der P a r t e i e n u n d die des Gerichts voraus. a ) Über den Begriff der P a r t e i vgl. § 50 B. a 1. Die genaue Kennzeichnung der Partei m u ß so weit gehen, daß aus ihr sich f ü r jeden dritten die betroffene P a r t e i ermitteln l ä ß t . Dies wird regelmäßig durch Angabe des (Voru n d Zu)Namens der Partei, ihres Berufs, ihrer W o h n u n g der Fall sein; doch ist auch dies noch n i c h t genügend, wenn es etwa zwei Personen (Vater u n d Sohn) gibt, auf welche alle diese Merkmale zugleich z u t r e f f e n ; andererseits k ö n n t e auch eine nicht namentliche Kennzeichnung
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genügen, wenn sie nur eine bestimmte Rechtsperson ausreichend kennzeichnet (vgl. RGZ 67/349). Auch ist die Klage eines ncht rechtsfäihigen Vereins eine im allgemeinen hinreichende Kennzeichnung ihrer Mitglieder, die zwar nach § 50 einzeln klagen müssen (vgl. RG Gruch. 43/749); doch darf bei einer solchen Klage die bloß fehlerhafte Parteibezeichnung durch Nachbringung der Benennung der einzelnen Mitglieder auch noch in der Revisioninstanz berichtigt werden (RG J W 03/4 8 ). Dies gilt auch für die bergrechtliche Gewerkschaft des alten Rechts, wo man sogar die Bezeichnung der Gewerkschaft statt der der Gewerken passieren ließ (RG J W 25/252 37 ). Bei der Kennzeichnung einer sog. Partei kraft Amtes ist die Kennzeichnung ihrer Person und die ihres Vertretenen zu bringen. Bei Rechten noch nicht geborener oder noch nicht erzeugter genügt die Kennzeichnung der Abstammung von einem bestimmten Menschen (RGZ 61/355 [357]). a 2. Gemäß H G B § 17 I I darf ein Kaufmann unter seiner Firma klagen und verklagt werden. Die Klage gegen eine Firma gilt stets als gegen den Inhaber z. Z. der Klageerhebung gerichtet (RG N § 253/39). Der Einzelkaufmann darf nicht selbständig nebeneinander einmal über seine Firma, das andere Mal unter seinem Privatnamen verklagt werden (RG N § 253/46). Die Umstellung der Klage von der Firma auf den Inhaber ist zulässig (RG N § 253/18). Wird eine Einzelhandelsfirma als oHG verklagt oder klagt sie als solche, so ist nur der Einzelkaufmann Kläger oder Beklagter (RGZ 157/369; anders wenn ausdrücklich die Gesellschaft verklagt werden sollte: RGZ 157/376). Darauf, ob der Beklagte oder der Kläger zur Fortführung der Firma berechtigt ist, wird es nicht abgestellt (RGZ 54/15). Wird eine (echte) oHG verklagt, so geht diese Klage nur gegen sie (RG N § 253/38, nicht gegen die Gesellschafter der oHG). Wird die oHG im Laufe des Prozesses aufgelöst, so geht die Klage gegen die Gesellschafter weiter, selbst wenn nur einer von ihnen die Firma fortführt, es sei denn, daß die anderen ausdrücklich entlassen worden wären (RGZ 66/241); war sie vor Klageerhebung aufgelöst, so wirkt die Klagezustellung nur gegen den Gesellschafter, dem sie zugestellt wurde (RG N § 213/40). Allerdings können bei Klage gegen die oHG neben der Firma auch die einzelnen Inhaber wegen ihrer persönlichen H a f t u n g verklagt werden (RG J W 07/712 23 ) ,während umgekehrt, wenn die oHG klagt, die einzelnen Gesellschafter grundsätzlich keine Ansprüche zugleich erheben; doch hat RG N § 253/79, wenn die Gesellschafter mit aufgeführt waren, die Klage so gedeutet, daß sie nicht als selbständige Partei klagen wollten. Vgl. § 50 B I I I c. a 3. Die Berichtigung einer falschen Parteibezeichnung (vgl. auch § 264 E I) ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig, wenn sich die richtige Partei auf den Streit eingelassen hat. Ist aber der Empfang der Zustellung durch den Betroffenen nicht feststellbar, im besonderen bei der öffentlichen Zustellung, die doch der Öffentlichkeit ermöglichen soll, den Betroffenen zu benachrichtigen, so ist die nachträgliche Berichtigung unzulässig (RGZ 99/272). Zulässigerweise wurden berichtigt die Rubren gegen oder für das Deutsche Reich, auch gegen oder für die B R D (vgl. OGH N J W 50/65; doch läßt sich nicht das R u b r u m einer Klage gegen das Deutsche Reich in das gegen die B R D „berichtigen", sofern nicht die Schuldnachfolge außer Streit ist). a 4. Für die Leistung- (einschließlich der Gestaltung-)klage gibt es die weitere Modifikation, daß durch einen Antrag Leistung an einen dritten bzw. die Gestaltung des Rechtsverhältnisses unter Einbeziehung von dritten gefordert werden darf. Hier sind die in betracht kommenden dritten wie eine Partei (§ 50 B) kenntlich zu machen (RG J W 32/787). Das entsprechende gilt, wenn die Befreiung von einer Schuld gefordert wird (vgl. RG N § 253/6). b 2. Von RG J W 06/394 wurde die Bezeichnung einer Partei als Generalbevollmächtigter von Erben, also des Vertreters statt der näheren Umschreibung der Partei, f ü r unzulässig angesehen; als unzureichend wurde die Kennzeichnung des Beklagten als Mieter eines bestimmten Hauses angesehen (LG ZZP 49/228). Zu unbestimmt ist der Antrag, die Beklagten zu verurteilen, alle Rechtsgeschäfte, die zur Übertragung des Geschäfts auf den Kläger erforderlich sind, vorzunehmen (BGH v. 25. 5.1959 I I ZR 115/58). 6 II. Über den Begriff des Gerichts vgl. Kommentar § 1 B I b 2, II. Die Angabe des (Amts-, Land- usw.) Gerichts als solchen ist ausreichend und genügend. Nur bei Landgerichten muß der Kläger, falls er eine Kammer für Handelsachen angehen will, dies nach GVG § 96 in der Klage
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oder in der mündlichen Verhandlung, wenn der Rechtstreit an das Landgericht verwiesen wird, oder im Gesuch um Erlaß des Zahlungbefehls (§ 697 II) erklären. G III. § 253 II 2 fordert ferner Angabe des Klagegrundes und des bestimmten Antrags. a) Die ZPO {§ 253 II 2) fordert zwingend einen von der Partei bestimmten Klageantrag (RGZ 154/63f.). Zieht das Gericht eine andere Folge, so wird darauf, wenn zuerkannt werden kann, nach § 139 hinzuweisen sein; nur beim Erlaß der einstweiligen Verfügung darf es einstweilige Maßnahmen anordnen, ohne darin mit dem Antrag übereinstimmen zu müssen (vgl. § 938). Über die Kostenentscheidung vgl. § 308 II. a 1. Der Antrag muß so bestimmt sein, daß jeder unbeteiligte dritte daraus das Begehren des Klägers zu entnehmen vermag. Er ist zwar auslegungfähig; doch wird er so ausgelegt, wie jeder dritte den Antrag versteht, nicht wie es der Kläger will; allerdings gilt der Wille des Klägers, und insoweit ist dann möglicherweise eine Klageänderung anzunehmen, wie der Kläger sich erklärt (RG J W 01/173); dies gilt auch für die Auslegung der Reihenfolge von Haupt- und Hilfsanträgen (RG N 253/88). a 2. Für die Leistung- einschließlich der Gestaltungklage (§253 C I b) ist grundsätzlich ein bestimmter Klageantrag zu fordern. Die Bestimmtheit ergibt die Verkehrsanschauung. Der Art nach zu bezeichnende Gegenstände brauchen nur nach Menge und Beschaffenheit bezeichnet zu werden (RGZ 21/386). Bei einem Unterlassunganspruch ist nur die Unterlassung, nicht aber ein bestimmtes Verhalten des Gegners zu fordern. Doch kann nicht etwa abstrakt geklagt werden, Störungen zu unterlassen, sondern es muß konkret geschehen. Wird auf Unterlassung aus einem Patent- (oder Gebrauchsmuster-)recht geklagt, so kann der Anspruch nicht durch Wiederholung des Patentanspruchs formuliert werden, sondern die Unterlassung muß weiter spezifiziert werden. Die zu unterlassende Handlung muß genannt werden (RGZ 123/303 [309]), so daß die Vollstreckunginstanz dann ohne weiteres vorgehen kann, wenn ein Verstoß gegen die Unterlassungpflicht vorliegt. Der Antrag aus BGB § 1004, mehr als unwesentliche Beeinträchtigungen zu unterlassen, wurde als hinreichend bestimmt angesehen (RGZ 40/184). Der Antrag, eine Wirtschaft sauber und ordentlich zu führen, genügt nach RG N § 253/4. a 3. Bei Klagen auf Geldleistungen wird in der Regel (vgl. RGZ 112/117 [119]) Bezifferung zu verlangen sein. In gewissem Rahmen werden indes unbezifferte Leistung- wie Gestaltungklagen zugelassen. Über wertbeständige Schuldtitel und ihre Umrechnung vgl. EntlVO §§ 9folg. Will der Beklagte sofort anerkennen, um der Kostenlast nach § 93 zu entgehen, so kann er dies nur beziffert tun. Der Kläger selbst darf allerdings sein Risiko bei unbezifferten Leistungklagen durch Höchstbeträge begrenzen; begrenzt er den Antrag auf einen Mindestbetrag, so ist der gesamte darüber hinaus geforderte Wert mit im Streit (RG J W 38/60544). Nicht bezifferte Anträge sind zuzulassen, soweit das Gericht nach § 287 schätzen darf (RGZ 165/298). Insoweit genügt die Bestimmbarkeit (RG J W 37/318440). Darunter fallen Klagen auf Minderung (BGH v. 13.1.1954 VI ZR 248/52), Schadenersatz (BGHZ 4/138). Dies gilt ferner bei der Ermäßigung einer Vertragstrafe (vgl. RGZ 61/20) oder der Bestimmung des verhältnismäßigen Teils nach BGB § 508, sofern der Anspruch „seiner Natur nach" nur nicht zweifelhaft ist (RG HRR 31/1480). Den Antrag auf Verurteilung zur Zahlung einer vom Sachverständigen im Verfahren zu ermittelnden Summe (unter Zusprechung einer bestimmten Mindestsumme) hat RGZ 140/211 (213) zugelassen; aber auch in diesen Fällen muß der Kläger den Grund des Anspruchs (wie bei den Feststellungklagen) deutlich machen und Einzelheiten für seine Berechnung vortragen (RG J W 09/140). Besonders weit geht das Ermessen des Gerichts bei der Ergänzung der Verträge nach BGB § 157 bzw. ihrer Ausgestaltung bei veränderter Geschäftsgrundlage nach BGB § 242 (§ 253 C I c 1, 2). Über die so gesteckten Grenzen hinaus darf aber der unbestimmte Antrag nicht zugelassen werden. Vgl. dazu § 253 G I I I b 5. a 4. Bei Wahlschulden (BGB §§ 262folg.) ist alles, was zur Wahl gestellt ist, in den Antrag aufzunehmen, und so wird auch, ob die Wahl dem Kläger oder dem Beklagten zusteht, alternativ erkannt (RG J W 96/655); eine Abwendungbefugnis (facultas alternativa) ist in den Antrag aufzunehmen. Begründet sind solche Anträge nur dort, wo das Gesetz diese Möglichkeiten zugelassen hat, nicht wenn etwas nur im Nacheinander verlangt werden kann, etwa die Erfüllung und im Fall der Nichterfüllung Schadenersatz wegen Nichterfüllung, abgesehen von dem Fall des § 510b (BGH LM § 300/1).
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a 5. Obwohl die Klage nicht bedingt oder befristet erhoben werden darf (vgl. § 253 F II), so kann doch der Klageantrag einen bedingten oder betagten (außerprozessualen) Ansprach, betreffen. a 6. Ein Antrag darf auch als Entscheidungsbedingung gestellt werden, ohne daß er dadurch unbestimmt wird; dies ist der Fall, wenn Haupt- und Hilfsantrag, der letzte für den Fall, daß das Gericht nicht auf den ersten erkennt, geltend gemacht worden sind. Hier sind auch sich widersprechende Begehren verfolgbar (RG N § 253/23, vgl. § 260 B I b 3). Solche Entscheidungbedingungen sind zulässig; setzen aber einen unbedingt erhobenen Hauptanspruch und die Angabe der bestimmten Reihenfolge der zu entscheidenden Hilfsanträge voraus. Sie sind als eventuelle wie als alternative Anträge, sowohl bei der Klage wie bei der Widerklage zulässig (RG N § 253/57). a 7. Klagt der Kläger den Teil einer Gesamtsumme aus verschiedenen Gründen ein, so muß er sagen, wie er die Gesamtsumme berechnet (BGH MDR 52/164). Der Kläger darf dabei die Reihenfolge, in der seine Ansprüche zu prüfen sind, dem Gericht vorschreiben (RGZ 152/292 [296]), und muß es tun, wenn sonst der Klageantrag unbestimmt werden würde (RGZ 157/321 [326]) und unzulässig wird (BGH MDR B 632/56), was aber nicht der Fall ist, wenn der Kläger aus mehreren Klagegründen nur ein und denselben Anspruch herleitet; in diesem Falle darf zwar der Kläger die Reihenfolge der Prüfung bestimmen, braucht es aber nicht zu tun, und das Gericht darf wählen. Wenn bei einer Entscheidung in bezug auf denselben Gegenstand der Anspruch von dem Eigentümer, einem dinglich Berechtigten und einem obligatorisch Berechtigten geltend gemacht werden kann, bedarf es keiner Aufgliederung, wenn die Ansprüche aus eigenem bzw. abgetretenem Recht einheitlich geltend gemacht werden (BGH v. 21.12. 1959 I I I ZR 137/58 S. 7f). Ist ein nicht aufgegliederter Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, so ist die Nachholung der Aufgliederung in der Revisioninstanz dann nicht zulässig, wenn die Ansprüche nur zum Teil dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden sind und Bedenken an der Schlüssigkeit der Einzelforderungen bestehen (BGH N J W 55/1030 = J R 425), wohl aber sonst (BGH N J W 54/757). Das entsprechende gilt, wenn jemand Zahlung an mehrere Pfändunggläubiger oder Zessionare verlangt, ohne zu sagen, wieviel jeder einzelne erhalten soll (RG J W 32/787 10 [790]). a 8. Das entsprechende gilt, wenn mehrere Ansprüche zu Unrecht zusammengerechnet worden sind, wie die Rentenansprüche von Mutter und Kind eines Unfallgetöteten (BGH N J W 54/716). Auch hier ist durch den Kläger aufzuteilen, und zwar u. U. noch in der Revisioninstanz (vgl. § 253 G I I I a 7). b) Zurückzuweisen sind Anträge, welche das Gesetz nicht zuläßt bzw. die, welche zu unbestimmt sind. b 1. Geht der Antrag aber auf ein Verlangen, das das Gesetz nicht kennt oder zuläßt, so ist er ohne Rücksicht auf den Anspruchgrund als unbegründet zurückzuweisen (RG Warn. 26/61).
b 2. Als zu wenig konkretisiert sind die folgenden Anträge zurückgewiesen worden: das auf BGB § 985 gestützte Verlangen auf Herausgabe eines Warenlagers (RG Gruch. 57/166), das auf Herausgabe von übereigneten Mobilien (RG J W 16/845 17 ), das auf in bestimmten Bauwerken aufgestellter Maschinen (RGZ 130/267), der Antrag auf Leistung erst zukünftig zu spezifizierender Waren (RG N § 253/70), die Forderung von Zinsen ohne Angabe des Beginns des Zinsenlaufs (RG N § 253/15). b 4. Das Haupt- und das Hilfsvorbringen muß sich auf dieselben Parteien beziehen. Die Klageerhebung gegen zwei Parteien mit der Maßgabe, daß, falls nicht die erste, die zweite verurteilt werden müsse, ist unzulässig (RArbG E 16/24). b 5. Der Kläger darf nicht dahingestellt lassen, ob er eine Rente oder eine Kapitalabfindung in ansprach nimmt (RGZ 141/304); er wird auch sagen müssen, von wann ab und in welcher zeitlichen Begrenzung er die Rente fordert (RG DR 44 A 290 12 ). RG Warn. 15/159 hat sogenannte akzessorische Klagen auf Schadenersatz unter Vorbehalt der Feststellung des Schadens in einem besonderen Verfahren zugelassen. c) Bei den Feststellungklagen geht es meist um das Rechtsverhältnis (§ 253 C II), den Grund der Ansprüche; bisweilen (bei den negativen) um Abwehr ziffernmäßig bestimmter
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Ansprüche und sodann {bei positiven) auch um solche bei den deshalb so bezeichneten, den bezifferten Feststellungklagen (§ 256 B I V a 1). Abgesehen von den letzten entfällt bei ihnen das Kennzeichen der Bezifferung (RGZ J W 36/2546 17 ). Hier muß aber der Anspruchgrund ausreichend bestimmt werden (RGZ 130/267). d 1. Ist der Hauptantrag unbestimmt, der Hilfsantrag aber bestimmt, so ist die Klage wirksam in bezug auf den Hilfsantrag und umgekehrt. d 2. Bei sich widersprechenden Haupt- und Hilfsanträgen, bei dem Hauptantrag, die Sache für erledigt zu erklären, dem Hilfsantrag, nach dem ursprünglichen Klageantrag zu erkennen, ist der letzte unberücksichtigt zu lassen (RG J W 08/45 21 , vgl. dazu § 91 a A I I a 1). e) F a ß t man die Widerklage als eine selbständige Klage auf (RGZ 51/8) und behandelt sie als solche, so müssen alle für die Klage entwickelten Grundsätze auch für sie zutreffen, im besonderen wäre eine bedingt erhobene unzulässig (RGZ 126/18 [20], vgl. § 33 C, D I a). Eine Widerklage, die nur die Klage verneint, ist regelmäßig unzulässig (RGZ 71/75), aber nur soweit sie sich mit dem Klageabweisungantrag deckt; man sollte sie einfach als solchen behandeln. e 1. Doch setzt die unselbständige Widerklage eine zulässige Klage voraus; sie fällt in sich zusammen (wie das unselbständige Rechtsmittel), falls die Klage nicht wirksam ist oder schon zur Zeit ihrer Erhebung zurückgenommen ist (RGZ 34/366 [367]). Solche Widerklagen sind zulässig und dürfen eventuell gestellt werden (BGH N J W 56/1478). e 2. Über die Frage, ob eine Widerklage gegen eine Widerklage zulässig ist, vgl. § 33 B I a 2 (und RGZ 135/17: bejahend). G IV. Vom Klageanspruch nur logisch zu trennen ist der Anspruchgrund; beide gehören zum Streitgegenstand, dem Klagebegehren (vgl. § 253 B I I b). a 1. Wo ein konkreter Sachverhalt den Tatbestand mehrerer Gesetze erfüllen kann, so daß dieselbe Rechtsfolge sich aus mehreren Gesetzen, wenn im Ergebnis auch nur einmalig, ziehen läßt (bei sich so überlagernden Fällen spricht man von Gesetzes- bzw. Anspruchkonkurrenz), so wird grundsätzlich jeder dieser verschiedenen Anspruchgründe ( R G Warn. 39/71) von gerichts wegen geprüft (über den Unterschied zur Klagehäufung vgl. § 260 B I I b). Trägt er deshalb einen Sachverhalt vor, der seinen Antrag rechtfertigt, so ist nach ihm zu erkennen, selbst wenn seine Rechtsmeinung falsch ist (RGZ 129/60; da mihi factum, dabo tibi ius: RGZ 126/28 [29]). E r braucht allerdings gar keine Rechtsmeinung in concreto zu äußern (RG J W 28/1489 2 , iura novit curia: R G H R R 35/817). Dies gilt grundsätzlich für jede Klageart (§ 253 C), soweit in ihr keine zulässige Klagegrundbeschräakung liegt (vgl. § 260 B I I b 2). a 2. Im Gegensatz hierzu darf das Gericht grundsätzlich nicht Tatsachen berücksichtigen (§ 138 B I I a), die nicht vorgetragen worden sind (RG J W 01/838 11 ). K o m m t es zu einer Rechtsansicht, welche zur Bejahung des Anspruchs führen könnte, wenn nichtvorgetragene Tatsachen noch vorgetragen werden könnten, so hat das Gericht auf seine Rechtsauffassung nach § 139 hinzuweisen, damit dann die Partei von sich aus den Tatsachenvortrag ergänzen kann ( R G N § 213/83). Unrichtig ist es aber, wenn verlangt wird, daß die Tatsache zur Begründung des Anspruchs vorgetragen werden muß und nicht etwa nurnebenbei (so: RGZ 151/97). b) Weil aber bei Anspruchskonkurrenzen die gesetzlichen Tatbestände sich praktisch unterscheiden und es Angelegenheit des Klägers ist, die zu jedem einzelnen Tatbestand erforderlichen Tatsachen vorzutragen, kann er schon mit seinem Tatsachenvortrag den Anspruchgrund bestimmen, so daß es nur zur Bescheidung eines der mehreren Klagegründe kommen kann. b 1. Darüber hinaus darf der Kläger aber auch, soweit die verschiedenen Gesetze unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben, weil er den Antrag bestimmt, auch den Klagegrund bestimmen und beschränken (BGHZ 12/332 [335]). b 2. Wählt der Kläger einen umfassenden Klagegrund, so ist, wenn ihm auch nur ein Teil von dem Verlangten zuzusprechen ist, der Anspruch nach dem weniger weiten zuzuerkennen, selbst wenn er sich ausschließlich auf den weiteren stützt (RGZ 86/377). R G D R 40 A 291 1 5 meint, daß die Rechtshängigkeit aller sonstigen Ansprüche (Klagegründe) mit der Entscheidung ebenso erlischt wie bei Hilfsansprüchen. Dieser Vergleich ist nicht richtig; denn auch über die anderen Klagegründe ist rechtskräftig mit entschieden, soweit sie den Anspruch decken, weil
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§ 2 5 3 GIV b 2
über ihn entschieden ist (vgl. § 322 E IV b 4). Macht der Kläger aus mehreren selbständig nebeneinander bestehenden Sachverhalten nur einen Anspruch geltend, so muß er allerdings die Reihenfolge der gerichtlichen Prüfung bestimmen, weil sonst sein Antrag unbestimmt wird (RG H R R 35/817). Über nachträgliche Beschränkung und Erweiterung der Klagebegründung vgl. § 268 B. b 3. Anders ist dies, wenn ein aliud zwischen dem Verlangten und dem Zuerkannten entstehen würde. Verlangt jemand Scheidung wegen Ehebruchs, so braucht er sich nicht die wegen ehewidrigen Verhaltens gefallen zu lassen. Wer ein eigenes Recht geltend macht, es später auf Abtretung stützt, ändert die Klage (RG J W 02/165 12 ). Es darf deshalb auch dem, der seinen Anspruch auf Abtretung stützt, nicht aus seinem unmittelbaren eigenen Recht etwas zugesprochen werden (RGZ 151/93 [98]). Das Entsprechende ist zu sagen, wenn ein Rechtsnachfolger (Erbe) die Klage später auf eigene (nicht ererbte) Rechte stützt (RGZ 98/22 [25]). b 4. Soweit (wie in der Regel) sich Feststellungklagen auf die (positive oder die negative) Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beziehen, gehört dieBenennung des Rechtsverhältnisses zum Antrag. Aber auch hier kommt es nur auf die Anspruchgrundlage, nicht auf ihre rechtliche Qualifizierung an. Wer auf Feststellung des Nichtbestehens eines Vertrages, gestützt auf seine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten oder infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, klagt, begibt sich nach Erlaß eines rechtskräftigen Urteils der Möglichkeit, eine Anfechtung wegen Drohung später geltend zu machen (RGZ 78/390 [397]). Das entsprechende wurde in dem Fall angenommen, wo die Feststellung des Nichtbestehens des Vertrags wegen Scheingeschäfts begehrt wurde und die spätere Klage Feststellung des Nichtbestehens infolge Tilgung geltend machte (RGZ 72/145), oder in dem Fall, wo zunächst Nichtigkeit wegen Irrtums, arglistiger Täuschung, Verstoßes gegen die guten Sitten, später wegen Geisteskrankheit geltend gemacht wurde (OGHZ 3/298 [300folg.]), was indes zu weit ging, weil erst die Erben sich auf die Geisteskrankheit des Erblassers in dem Prozeß, den er früher selbst geführt hatte, beriefen. Bei diesen negativen Feststellungklagen, die sich auf einen Einwand stützen, ist zu bedenken, daß der Anspruch im Streit steht, weil, wenn sie abgewiesen werden, das Positive festgestellt wird (RGZ 90/292) und nach § 767 II neue Einwendungen und Einreden ausgeschlossen sind (vgl. RG Warn. 12/225). b 5. Darüber, wie weit sich Ansprüche, die in verschiedenen Klagearten geltend gemacht werden, überlagern, vgl. § 253 D III. Die Umwandlung eines Leistungantrages in einen Feststellungantrag (auch in der Revisioninstanz; BGH N J W 54/31) und umgekehrt, ist zulässig (aber nicht mehr in der Revisioninstanz, § 256 C I I I a). c) Der Anspruchgrund wird also von den Tatsachen, welche den Rechtsgrund ergeben sollen, gebildet; er ist nicht die Rechtsfolge selbst und nicht das Rechtsverhältnis als solches (RGZ 126/248), sondern die konkrete Beziehung auf den Klageantrag. c 1. Klagegrund ist nach der sog. Substantiierungtheorie die Summe der Tatsachen, welche rechtlich geeignet und erforderlich sind, den Klageantrag zu rechtfertigen (vgl. RG J W 01/483 4 ). Im Gegensatz hierzu stellt es die Individualisierungtheorie (vgl. Hellwig Lb. 3/235 folg.) auf das Rechtsverhältnis ab, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Einen Mittelweg geht Rosenberg Lb. § 88 I I I 2, der beides modifizieren will. c 2. Die Darlegung des Erwerbsgrundes wird man jedenfalls dann stets fordern müssen, wenn der Streit der Parteien gerade darum geht, ob im Verhältnis der Parteien zueinander die eine rechtmäßig erworben hat, denn in solchen Fällen gilt auch nicht die Vermutung des BGB § 1006 I (vgl. RG N BGB § 1006/18). Wenn das Rechtsverhältnis der Parteien durch den Erwerbsgrund der einen Partei nicht berührt wird, ist seine Darlegung nicht zu fordern (der Dieb einer Sache darf von dem früheren Besitzer nicht Darlegung des Erwerbsgrundes seines Eigentums fordern). Dies gilt nach RGZ 145/324 auch für den, der aus einem Inhaberpapier klagt, für die Darlegung des Erwerbsgrundes, während hier die Individualisierungtheorie die Darlegung der Inhaberschaft (gestützt auf BGB §§ 793,1096) genügen läßt. Bei einer Forderung muß stets ihre Begründung vorgetragen werden, soweit sie sich nicht aus einer Urkunde (Inhaber- oder Orderpapier) ergibt.
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§253
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6 V. Enthält eine Klage die unter § 253 G I—IV erforderliehe Kennzeichnung und ist sie von einem Postulationfähigon eigenhändig unterschrieben bzw. geht sie von ihm aus (§ 253 F II a 1), sei es, daß sie nicht unterschrieben zu werden braucht (wie nach der h. M. bei der Einlegung durch Telegramm, § 253 F II a 1), sei es, daß sie mündlich erhoben werden darf (§§ 281 I, 500), so liegt eine ordnungmäßige Klage vor. a) Deckt allerdings die Unterschrift bzw. die Verhandlung des Postulationfähigen nicht sämtliche Klagemomente, so liegt zwar noch eine — formelle — Klage vor (§ 253 F II a 1), aber eine unzulässige, wenn nicht der vom Postulationsfähigen gedeckte Teil eine vollständige Klage ergibt. b) Umgekehrt kann der Postulationfähige sich auf alle Vorgänge beziehen, die von einem Postulationfähigen erklärt worden sind, mag auch gegenüber dem Gericht, wo sie erklärt sind, der erste Postulationfähige nicht mehr postulationfähig sein. b 1. Darüber hinaus wird der Postulationfähige sich stillschweigend auf alle Eingaben Postulationfähiger, im besonderen der eigenen beziehen, auch wenn sie in einem vorausgegangenen Armenrechtsverfahren eingereicht worden sind. b 2. Äuf nicht von Postulationfähigen stammende Eingaben ist dagegen in weitem Umfange die Bezugnahme verwehrt worden. H. § 253 III—V gibt eine Reihe von Sollvorschriften, die indes, wenn sie nicht beachtet worden sind, die Wirksamkeit der Klageerhebung unberührt lassen. H I. § 253 III bestimmt, daß der Wert des Streitgegenstandes, der nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht, in der Klage angegeben werden soll. Getroffen wird damit der Streitwert i. S. der §§ 3—9, nach dem sich die Zuständigkeit von Amts- und Landgericht bestimmt (vgl. § 2 A I). Eine Glaubhaftmachung ist hier nicht vorgeschrieben, vielmehr muß der Wert in Streitfällen bewiesen werden (mit Beweislast für den Kläger, auch wenn der Beklagte die Unzuständigkeit rügt). H II. Die (schriftliche) Klage ist auch ein die mündliche Verhandlung vorbereitender Schriftsatz (vgl. § 129 A I b 3, B). Es sind deshalb §§ 130 folg. anzuwenden. Dies bestimmt ausdrücklich § 253 IV. Doch sind auch diese Vorschriften grundsätzlich nur Sollvorschriften (RG JW 06/6719). a) Die Angabe, daß eine Partei durch einen bestimmten gesetzlichen Vertreter vertreten wird, ist allgemein erforderlich, abgesehen von juristischen Personen, die notwendigerweise gesetzlich vertreten werden; doch gilt auch bei ihnen § 130 1 1 (§§ 130 B I a, 51 E IV b); das Unterlassen der namentlichen Benennung trifft keine Prozeßvoraussetzung (RG J W 06/6719); selbst die unrichtige Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters schadet deshalb grundsätzlich nicht (RG J W 13/21024). Soll indes die Partei in der Person eines Sondervertreters angesprochen werden, so ist dieser zu kennzeichnen, also etwa bei Anfechtung- (und Nichtigkeit-) klagen im Gesellschaftsrecht (Vorstand u n d Aufsichtrat oder nur der Aufsichtrat); doch genügt auch dann die allgemeine (gesetzliehe) Kennzeichnung, die namentliche Benennung des Vertreters ist also nicht erforderlich. Der BGH achtet auf die namentliche Benennung der gesetzlichen Vertreter, mit Ausnahme der öffentlich-rechtlichen Körperschaften. BGH v. 30.10.1951 I ZR 58/51 läßt die Bezeichnung „vertreten durch den Regierungspräsidenten" gelten, fordert aber bei der Genossenschaft und der GmbH die Angabe der Geschäftsführer oder der Abwickler (BGH v. 30.10.1951 I RZ 58/51); der BGH verlangt auch bei Aktiengesellschaften die Angabe der Vorstandmitglieder. b) Bei der Erhebung von Klagen durch einen anderen Prozeßfähigen als die Partei muß zwar dessen Name nicht angegeben werden, sich aber aus der Unterschrift ergeben. H III. Verstöße gegen § 253 V haben nur Kostenfolgen. Mit den Kosten der Abschriften wird der hiergegen Verstoßende belastet (GKG § 91 I 2), ohne daß sie erstattungfähig sind (§ 91 E II b). Erforderlich ist nur die Anzahl von Abschriften, die zu Zustellungen benötigt wird. Die unter Anwälten übliche Beifügung eines weiteren Exemplares für die durch einen Gegenanwalt vertretene Partei darf von dem Gericht weder nach ZPO noch nach GKG gefordert werden.
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Verfahren bis zum Urteil
§ 253
Hin
a) Wie viele Abschriften einzureichen sind, ergibt sich aus der Zahl der Gegner, Streitgehilfen usw., sofern sie nicht einheitlich vertreten sind. b) Für das Gericht ist die Urschrift bestimmt. Außerdem sind nach Sondervorschriften weitere Abschriften einzureichen. b 1. Bei den Amtsgerichtsklagen auf Aufhebung von Mietverhältnissen sind zwei weitere Klageabschriften nach MschG § 10 I I 2 beizufügen. H IV. Uber die Besonderheit der Urkunden-, Wechsel- und Scheckklage vgl. §§ 593, 604, 605 a, für die der Wiederaufnahmeklagen §§ 587, 588. J. Die Klage (in ihren wesentlichen Bestandteilen, vgl. § 253 II) und ihre Erhebung (§ 253) sind Prozeßvoraussetzung (§ 274 A I ) , die als Klagebedingung zur Beweislast des Klägers steht. Doch setzt dies schon voraus, daß wenigstens eine formale Klage vorliegt, also keine Nichtklage vorhanden ist, die überhaupt nicht beachtet zu werden braucht (vgl. §253 F II a 1). J I. Liegt zwar eine formale Klage vor, fehlt es aber an der Prozeßvoraussetzung des § 253 I, II, die den Bang vor sonstigen Prozeßvoraussetzungen hat (RGZ 99/125 [126]), so ist dies vor der Zuständigkeit des Gerichts zu prüfen. a) Mangelt es an der Prozeßvoraussetzung der Klageerhebung (§ 253 I) oder der Klagebegründung (§253 II), so tritt keine Rechtshängigkeit ein (RG J W 88/407 6 ); die Klage muß wegen fehlender Prozeßvoraussetzung als unzulässig abgewiesen werden (RG Gruch. 57/169). Doch könnte wohl Anerkenntnis- oder Verzichturteil ergehen (§§ 306f.), sofern dann bei Mängeln aus § 253 II noch hinreichend konkretisiert wird. Auf eine mögliche Behebung des Mangels ist hinzuwirken (§ 139). a 1. Geheilt werden die Mängel der Klage nach § 295 (BGH LM § 253/6); soweit sie verzichtbar sind; auch der Mangel der Schriftform der Klagen ist im amtsgerichtlichen Verfahren wegen der Vorschrift des § 500 verzichtbar; im landgerichtlichen Verfahren wird er erst durch das Urteil geheilt, das im Tatbestand die Klage enthält, bis dahin ist er nur behebbar. Auf die Rüge des Mangels des unbestimmten und unbestimmbaren Klageanspruchs oder Klagegrundes kann nicht verzichtet werden; die Nachholung im selben Verfahren ist zulässig und unangreifbar (vgl. § 270, RG Warn. 08/556). a 2. Fehler der Zustellung sind heilbar: durch Neuzustellung (RGZ 99/125; soweit sie nicht wegen Fristablaufs unbehebbar geworden sind, also etwa eine Ausschlußfrist nicht mehr gewahrt werden kann: OLG Seuff. 74/76, vgl. aber §§ 261 b I I I , 496 I I I ) ; durch Zugang (§ 187) und durch Rügeverlust (§ 295; RG J W 34/1493 10 ), und zwar auch in materiellrechtlicher Hinsicht, etwa bezüglich der Verjährung (RGZ 87/271), selbst wenn die Klage in der mündlichen Verhandlung gegen einen anderen Beklagten gerichtet wird als den, welchem die Klage zugestellt worden ist (RGZ 49/376), doch muß der Kläger dies gewollt haben; dies gilt auch, wenn ein neuer Kläger eintritt, sofern nicht Partei-(Klage)änderung gerügt wird (RGZ 58/248). Vor Zugang (§ 187) kann indes keine Rechtshängigkeit angenommen werden, wohl aber wirkt dann noch die Rückdatierung nach §§ 261b I I I , 496 I I I (vgl. BGH N J W 52/1377). Ist nicht zugestellt und greifen auch §§ 187, 295 nicht Platz, so muß erneut zugestellt werden (RGZ 99/125); fehlt die Unterschrift, so wird sie durch Einreichung eines bestätigenden Schriftsatzes gedeckt (aber hier mit Wirkung ex nunc, a. M. anscheinend: BGH N J W 52/545); anders, wenn eine beglaubigte Abschrift, die vom selben Anwalt vollzogen war, eingereicht war, mag sie auch nicht bei den Gerichtsakten verblieben sein (vgl. § 129 A I I a 2). a 8. Nicht rückwirkend behebbar und nicht heilbar sind Mängel, die erst durch Eintritt weiterer Voraussetzungen, die außerhalb des Verfahrens liegen, beseitigt werden können (vgl. RG J W 01/750 4 ). a 4. Nicht behebbare und nicht heilbare Mängel wie gerügte, aber nicht behobene Mängel sind in jeder Lage des Verfahrens u. U. mit Rechtsmitteln verfolgbar (soweit nicht durch Erlaß des Urteils erster Instanz die Heilung eintritt; auch liegt ein Fall des § 511 a IV nicht vor) und die ersten gegebenenfalls auch mit den Wiederaufnahmeklagen (vgl. §§ 578folg.). b) Soweit die Mängel im Verfahren erster Instanz heilbar sind (§ 295), darf auch Versäumnisurteil gegen den Kläger nach § 330 ergehen, weil in dem Antrag auf Erlaß des Ver-
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Säumnisurteils durch den Beklagten sein Verzieht auf die Rüge des Mangels liegt. Sind die Mängel nicht heilbar oder besteht der Beklagte auf der Rüge, so darf stets n u r kontradiktorisches Prozeßurteil ergehen. Ist der Mangel behebbar und soll er behoben werden, so darf bis zu seiner Behebung kein Versäumnisurteil gegen den Beklagten ergehen; ein dahingehender Antrag des Klägers muß nach § 335 zurückgewiesen werden. J II. Nicht zur Prozeßvoraussetzung der Klage gehört ihre Schlüssigkeit oder gar ihre Begründetheit. Selbst der unvollständig vorgetragene Sachverhalt ändert nichts an dem Vorliegen einer Klage, sofern er nur das Begehren des Klägers im Sinne des bestehenden Rechtsverhältnisses hinreichend kennzeichnet. Zur Schlüssigkeit gehört auch die Frage der Sachlegitimation (ob der Kläger vom Beklagten etwas verlangen darf), die regelmäßig mit der Inhaberschaft des Rechts zusammenfällt (RG Gruch. 56/938) und die nur bei Auseinanderfallen von Inhaberschaft- und Geltendmachung des Rechts einer besonderen Begründung (nämlich durch Darlegung eines bestehenden Rechtsverhältnisses, vgl. § 253 B I I c 2) bedarf; hierher gehören überhaupt alle außerprozessualen Voraussetzungen.
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I Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzcichnisses oder auf Leistung des Offenbarungseides die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder der Offenbarungseid geleistet ist. A. Die Stufenklage ist die Hilfsklage auf Auskunft (Rechnunglegung, Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses) und Leistung des Offenbarungeides verbunden mit der Hauptklage auf Herausgabe des Geschuldeten unter Vorbehalt der Bezifferung nach Erledigung der Hilfsklage. Beide verbundenen Klagen sind Leistungklagen (OGHZ 4/183), f ü r beide, auch den noch nicht bezifferten Anspruch, t r i t t Rechtshängigkeit in Höhe der späteren Bezifferung durch den Kläger ein, nicht bloß in der Höhe, welche die Rechnung ergibt oder die noch später zuerkannt wird (BGH BB 58/4). A I. Der Kläger darf indes auch an Stelle der Stufenklage eine Klageverbindung von der Hilfsklage auf Auskunft usw. m i t der Feststellungklage (sofern die Prozeßbedingungen für sie gegeben sind, vgl. § 256 C) oder der (Teil-)Leistungklage wählen. Diese Häufung stellt dann in sich keine Stufenklage dar (BGH VRS 3/402). a) Wählt er die zusätzliche Feststellungklage, so wird von ihm keine (weitere) Bezifferung gefordert. Die Feststellungklage unterscheidet sich aber von der Stufenklage dadurch, daß ihre Gegebenheiten selbständig und ohne Rücksicht auf die Auskunftklage vorhanden sein müssen und daß die unbezifferte Leistungklage nicht mit verbunden ist bzw. verbunden werden kann (BGH MDR B 226/56). So kann sich ergeben, daß kein (bzw. ein negativer) Leistunganspruch besteht. Ist eine negative Feststellungklage erhoben, so muß — auch schon vor der Auskunft — klar sein, daß kein Gegenanspruch besteht. In diesen Fällen kann deshalb der Auskunftklage stattzugeben, die Feststellungklage aber abzuweisen sein. b) I m Verhältnis zu Leistungklagen wird nur die Häufung mit b 1. Teilleistungen in betracht kommen. Sie muß von vornherein, d. h. ohne Rücksicht auf die Auskunft, substantiiert und begründet sein, so daß zumindest Grundurteil (§ 304), neben dem Auskunfturteil ergehen kann (RG H R R 37/293). b 2. Die (Teil-)Leistungklage muß der Höhe nach beziffert sein (RG JW 12/398 20 ); wird die Bezifferung des Antrags zulässigerweise in das Ermessen des Gerichts gestellt (§ 253 G I I I a 3), so darf die Entscheidung nicht von der Auskunft abhängen. c) In beiden Fällen darf andererseits der Kläger verlangen, daß, bevor das Auskunftverfahren erledigt ist, über den gehäuften Anspruch entschieden wird (KG J W 28/1518 6 ).
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§254
A II. Umgekehrt sollte die Stufenklage nicht die gleichzeitige Vorabentscheidung über den Grund (§ 304) zugleich mit der Verurteilung zur Auskunft usw. hindern, sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind, also selbst wenn der Anspruch noch nicht beziffert ist. Dies gilt im besonderen, wenn die Bezifferung (zulässigerweise, vgl. § 253 G I I I a 3) in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde und nun auch schon darüber (etwa zum Teil) sogleich entschieden werden kann. a 1. Ist die Hilfsklage auf Auskunft unbegründet, so ist die auf Leistung des Offenbarungeides wie die Hauptklage sogleich sachlich voll abzuweisen (RG H R R 36/219), falls Hilfs- und Hauptklage auf demselben Klagegrund ruhen und dieser nicht besteht. Ist dagegen nur der Anspruch auf Auskunft unbegründet, so ist weiter zu prüfen, ob der auf Leistung eines Offenbarungeides begründet ist; ist auch dieser als unbegründet abzuweisen, so ist die Hauptklage unzulässig (weil unbeziffert), sofern sie einen selbständigen (d. h. von der Hilfsklage unabhängigen) Klagegrund hat, es sei denn, daß die Bezifferung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 253 G I I I a 3). Die bloße Abweisung der Auskunftklage allein rechtfertigt keine Entscheidung über die Hauptklage, sofern die Entscheidung über die Offenbarungeidleistung noch offen steht (BGH BB 58/4). Ist die erste Hilfsklage (auf Auskunft) begründet, die zweite auf Offenbarungeidleistung unbegründet, so ist das Verfahren wegen der Hauptklage (auf Zahlung) fortsetzbar, sobald die Klage beziffert ist. a 2. Hat die erste Instanz nur der Auskunftklage stattgegeben, hält aber die höhere den Anspruch(-grund) nicht für gegeben, so wird die gesamte Klage einschließlich der vorbehalten en Bezifferung abgewiesen, nicht etwa bloß die Auskunftklage (RG H R R 36/219, vgl. § 536 B I I b 1). b) Sind die erste bzw. die zweite bzw. beide Hilfsklagen begründet, so läßt die h. M. keine Entscheidungverbindung zu (RG H R R 37/293), so daß also nicht mit dem zur Auskunft verurteilenden Erkenntnis zugleich Grundurteil ergehen dürfte (vgl. dagegen §254 A l l ) . b 2. Der Übergang von der nebeneinander geltend gemachten Klage zur Stufenklage ist zulässig, wobei § 268 I 2 anzuwenden ist (OLG H R R 36/698; a. M. RG J W 11/91 10 ) wie umgekehrt. b 3. Das Gericht wird, wenn es den Hilfsanspruch zuerkennt, zum Erlaß des Teilurteils (§ 301) gezwungen (RG Warn. 42/24). Erkennt das Gericht nur durch Teilurteil auf den Hilfsanspruch, so wird damit kein Präjudiz für den Zahlunganspruch geschaffen (RG J W 36/2137 10 ), d. h. das Gericht darf in Abweichung von seinem im Auskunfterkenntnis eingenommenen Standpunkt die Zahlungklage abweisen. b 4. War die Klage in der ersten Instanz (insgesamt) abgewiesen und spricht nun die zweite den Auskunftanspruch zu, so darf sie in entsprechender Anwendung des § 538 I 3 wegen des Grundes und der Höhe des Zahlunganspruchs an die erste Instanz zurückverweisen (RGZ 169/127); das Berufunggericht darf indes (nach der hier vertretenen Auffassung zugleich oder später) über den Grund vorab entscheiden und wegen der Höhe dann an die erste zurückverweisen (§ 538 I 3) oder auch selbst über die Höhe entscheiden (vgl. auch § 540). Die dritte Instanz darf dagegen nur in bezug auf die gerade zu erkennende Stufe durcherkennen und muß im übrigen aufheben und zurückverweisen. c) Bei der nicht bezifferten Stufenklage läßt die h. M. bei Säumnis des Beklagten innerhalb der ersten Stufe nur ein den Hilfsanspruch ausdrückendes Erkenntnis zu (RG H R R 31/1962). Im Säumnisverfahren gegen den Kläger ist Versäumnisurteil (§ 330) wegen der Hilfswie der Hauptklage zu erlassen. B I. Vollstreckt wird das Urteil auf Erteilung der Auskunft nach § 888 I. a) Den Begriff der Auskunft i. S. des § 254 geben BGB §§ 259, 260. a 2. Die Rechtsprechung hat die außerprozessualen Einzelvorschriften auf Grundgesetze zurückgeführt und für rechenschaftpflichtig den erklärt, der fremde Angelegenheiten oder solche, die eigene und fremde sind, besorgt (RArbG Seuff. 89/22), auch wenn er vermeinte, nur seine Geschäfte zu besorgen (vgl. BGB § 687). Doch können sich diese Rechte auch aus BGB § 249 ergeben; wenn auch diese Bestimmung als solche nicht in jedem Falle eine Rechts-
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Grundlage für den Auskunftanspruch abgibt (RGZ 47/102). RG J W 35/506 2 hat (nach Treu und Glauben) den Auskunftanspruch überall dort zugebilligt, wo der Berechtigte über Bestehen und Umfang seines Rechts unverschuldet im Ungewissen ist. Auch kann eine vertragliche Auskunftpflicht begründet werden, was besonders weitgehend aus BGB § 242 hergeleitet wird (OGH N J W 50/781 1 ). a 3. Der Anspruch auf Auskunft ist unlöslich an das ihm verbundene Recht gebunden (RGZ 95/231 [234]). b) Eine allgemeine Auskunftpflicht aber gibt es nicht (RG JW 35/506 2 ). B II. Über den Offenbarungeid des außerprozessualen Rechts (EG § 16 I 2) gilt das zum Auskunftanspruch Gesagte entsprechend. a) Der Anspruch darf zugleich mit dem auf Auskunft erhoben werden (RGZ 58/59), aber er muß es nicht; sonst darf über Auskunft und Offenbarungeid nur in der Stufenklageform entschieden werden, d. h. nachdem die Auskunft erteilt worden ist, ist auf den Eid zu erkennen, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen (BGH N J W 54/70). b) Der Offenbarungeid kann nach § 889 erzwungen werden. B III a) Auf Vervollständigung der Auskunft usw. kann nicht geklagt werden (OLG 30/236); es bleibt nur noch die Klage auf Leistung des Offenbarungeides und die auf Zahlung. Scheitern Auskunft bzw. Offenbarungeid völlig, gibt der Beklagte also keine Auskunft oder leistet er den Eid nicht, so darf der Kläger entweder ohne Rücksicht darauf beziffern (hat aber dann die Beweislast) oder das Interesse fordern (§§ 893, 268 I 3). b) Legt der Kläger seiner Bezifferung die Auskunft bzw. das Beeidete zugrunde, so hat der Beklagte die Beweislast für ihre Unrichtigkeit. Der Kläger braucht aber nicht die Auskunft usw., welche der Beklagte gegeben hat, der Bezifferung zugrunde zu legen, hat dann aber seine Behauptungen zu beweisen (RGZ 154/299 [303]). c) Der neu gestellte, bezifferte Antrag fällt unter §§ 297, 335 I 3; für das Verfahren vgl. § 347 I. Über den Wert des Antrags vgl. § 3 B I I a 1. c 1. Ergibt die Auskunft keinen Zahlung- (usw.) Anspruch des Klägers, so darf er ihn für erledigt erklären, sodann ist über die Kosten nach § 91 a zu erkennen, wenn der Beklagte der Erledigung zustimmt, andernfalls nach § 93 in entsprechender Anwendung (KG OLG 25/89). c 2. Beantragt der Beklagte nach Rechnunglegung neuen Termin und bestreitet der Kläger die Erledigung, so muß das Gericht die Erledigung prüfen (die Beweislast trifft den Beklagten); nur falls der Anspruch des Klägers aus dem Teilurteil noch nicht erledigt ist (sei es auch durch fruchtlose Vollstreckung), so hat das Gericht die Terminansetzung bzw. die Fortsetzung des Verfahrens abzulehnen (vgl. OLG 27/67). C. Darüber hinaus müssen die allgemeinen Prozeßbedingungen gegeben sein. §
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I Hat der Kläger für den Fall, daB der Beklagte nicht vor dem Ablauf einer ihm zu bestimmenden Frist den erhobenen Anspruch befriedigt, das Recht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern oder die Aufhebung eines Vertrages herbeizuführen, so kann er verlangen, daB die Frist im Urteil bestimmt wird. II Das gleiche gilt, wenn dem Kläger das Recht, die Anordnung einer Verwaltung zu verlangen, für den Fall zusteht, daß der Beklagte nicht vor dem Ablauf einer ihm zu bestimmenden Frist die beanspruchte Sicherheit leistet, sowie im Falle des § 2193 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Bestimmung einer Frist zur Vollziehung der Auflage. A. Vgl. § 510b B II a. Die Fristsetzung betrifft außerprozessuales Recht. Auf sie sind BGB §§187 folg. anzuwenden, nicht §§224 II, 225 (eine Verlängerung der Frist durch das Gericht ist also unzulässig). Die Frist beginnt im Zweifel mit der Rechtskraft des Urteils (RG J W 93/251); ausdrücklich wird dies in den Fällen des BGB §§ 283, 1052, 2128, 2193 II gefordert.
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Verfahren bis zum Urteil
§255
A I. Der auf sie gerichtete Antrag ist ein Sachantrag (§§ 297, 335 I 3). Er darf noch im Laufe des Verfahrens, auch im zweiten Rechtszug (§ 268 I 2; doch läßt die h. M. seine Stellung in der Revisioninstanz nicht zu, vgl. Jonas § 255 Anm. I I I 1) gestellt werden. Die Entscheidung über ihn wirkt Rechtskraft nur in bezug auf die Angemessenheit der Frist (die Entscheidung darüber, was angemessen ist, darf der Kläger dem Gericht überlassen), nicht bezüglich des sich aus der Fristsetzung ergebenden Anspruchs, auch wird durch den Antrag die Verjährungfrist nicht unterbrochen. Rechtsmittel gegen die Bemessung wie gegen die Fristsetzung sind möglich. A n . Der Antrag ist Hilfsklage. Wird er übergangen, so ist Urteilsergänzung nach § 321 zulässig. Ist die Hauptklage unbegründet, so ist es aus demselben Grunde auch die Hilfsklage. B I. § 255 I betrifft den Fall, daß der Kläger das Recht hat, nach Fristsetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern oder einen Vertrag aufzuheben, was allein nach außerprozessualem Recht zu entscheiden ist (RGZ 52/262 [266]). B n . § 255 II betrifft den Fall, wo dem Kläger das Recht zusteht, die Anordnung einer Verwaltung zu verlangen, wenn der Beklagte nicht innerhalb einer ihm vom Kläger zu bestimmenden Frist Sicherheit leistet und den zweiten für die Fristsetzung des BGB § 2193 II.
§ 256
(231)
I Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. A I a 1. Es gibt Fälle, wo ausnahmsweise nur für Leistungklassen, nicht aber für Feststellungklagen der Rechtsweg verschlossen ist (RGZ 105/275). Die Feststellungklage, wem die Hausratentschädigung nach LAG § 293 zusteht, wurde trotz LAG § 315 zugelassen (BGH NJW 58/1293). b) Wenn nach besonderem formellen oder materiellen Recht zu verfahren ist, sind die ordentlichen Klagen ausgeschlossen, b 1. also im besonderen Klagen auf Vornahme von Prozeßhandlungen (§ 253 B V); b 2. oder wenn es um allgemeine Prozeßbedingungen wie die Beschwer (§253E) oder die Zulässigkeit der Urteilsvollstreckung geht, die nur mit der Erinnerung (§ 766 A) anzugreifen ist (OLG 39/52); b 3. ferner, wenn es (abgesehen von den Urkundenechtheitfeststellungklagen) nur um die Beweissicherung geht (§§ 485folg.; vgl. RG Gruch. 58/1074). b 4. Die unrichtige Feststellung des geringsten Gebots ist jedenfalls kein Anlaß zur Feststellungklage, solange das Versteigerungverfahren noch offen ist (RG J W 02/102; später ist wegen der Bereicherungansprüche möglicherweise die Leistungklage gegeben). Die Möglichkeit der Beschlüsse des Prozeßgerichts nach § 888 schließt die Feststellungklage aus (RGZ 167/331). Auch ist die Feststellungklage auf Sondereigentum einer Lokomotive als Zubehör eines enteigneten Grundstücks gegenüber einem Hypothekengläubiger unzulässig (RG J W 04/41327). b 5. Es gibt keine negative Klage gegen Scheidung-, Eheaufhebung- und Ehenichtigkeitklage (§ 606 b B I a 3, b 3, c 3); b 6. keine gegen Rechtsbehelfe, also daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben ist, daß kein Rechtsmittelgrund vorliegt. c) Zulässig sind die Klagen, c 1. wenn ein Straffestsetzungverfahren nach § 890 schwebt, wo streitig ist, ob das aus einem Patent hergeleitete Verbot sich auf eine bestimmte Konstruktion bezog (RGZ 147/27 [29]) bzw., wenn im Verfahren nach § 890 schon rechtskräftig entschieden war (BGHZ 5/189). c 2. Doch darf die Rechtskraft nicht entgegenstehen. 45
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§256 AI
ZPO II. Buch
c 8. Zulässig sind auch die zivilrechtlichen Klagen auf Ehrenschutz, selbst wenn noch ein strafrechtlicher besteht (§ 253 D II b 3). A II. In den Fällen, wo sich sachlich rechtliche und formell rechtliche Erfordernisse überlagern, ist sachlich zu entscheiden, wie wenn bei der Klage aus Amtspflichtverletzung der BGB § 839 I 2 entgegensteht (RG J W 35/3533). A III. Es kann indes auch die Feststellungklage nach positiver Regelung ausgeschlossen sein, während die Leistungklage zulässig ist. a) Dahin gehören kraft formellen Rechts die Fälle, wo bestimmte Verfahrensarten (§ 260 C I I I a) nur die Leistungklage zulassen (vgl. §§ 592, 645folg., 688folg., 916folg., 946folg., 1042folg.). b) Nicht als Feststellungklagen durchzuführen sind die Gestaltungklagen. c) Negative Feststellungklagen sind dagegen regelmäßig (vgl. § 256 A I b 5, 6) zulässig. d 1. Zugelassen sind die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe (§ 606), nach § 640 die auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Elternoder Kindschaftverhältnisses, wie der elterlichen Gewalt der einen Partei über die andere; § 644 spricht von den Klagen auf Feststellung der unehelichen Vaterschaft (vgl. §§ 256 B I b 17, 640 C l b ) . d 2. Im Schiedsverfahren ist vor Niederlegung des Schiedspruchs die Feststellungklage auf seine Nichtigkeit, danach nur noch die Aufhebungklage nach § 1041 zulässig (RG Warn. 16/150). A IV. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Leistungklage ausgeschlossen ist, während Feststellung begehrt werüon darf. a) Unzulässig ist die Leistungsklage nach dem AG zum Abkommen über deutsehe Auslandschulden § 12, KO § 146. Nicht zulässig ist die Leistungklage in dem Verfahren auf Feststellung der Urkunden(un)eehtheit wie dann, wenn im Sinne des außerprozessualen Rechts ein Einwand oder eine das Recht des Gegners zerstörende Einrede geltend gemacht werden soll (§ 282 E III e 1, 2), weil hier nur entweder der Leistunganspruch oder die (negative) Feststellungklage erhoben werden kann (vgl. RGZ 74/292). Nicht zulässig ist die Leistungsklage nach LArbG BB 52/976 bei der Klage, die auf KSchG § 1 II, I I I gestützt wird. A V. Darüber, inwieweit die Leistungklage die Feststellungklage überlagert und sie deshalb unzulässig macht, vgl. §§ 253 D III a; 256 A IV, C II. B. Gegenstand der Feststellungklage kann sowohl etwas Positives wie etwas Negatives sein. Die Stattgabe der positiven Feststellungklage wirkt in gleicher Weise Rechtskraft wie die Abweisung der negativen (OGH MDR 50/348 184 ); die Abweisung der positiven wie die Stattgabe der negativen (RG JW 35/28147). B I. Streitgegenstand (§ 253 B II) der Feststellungklage sind entweder ein oder mehrere Ansprüche (§ 253 B II b; RG Warn. 10/254), oder ein Rechtsverhältnis (§ 253 B II b 3), wobei hier von der prozessualen Urkundenechtheitfeststellungklage zunächst abgesehen wird (über sie vgl. § 256 G). a) § 256 nennt zwar nur Rechtsverhältnisse; a 1. doch schließt diese Kennzeichnung nicht die Feststellungklage um einzelne (OGHZ 3/20 [23]) oder, soweit teilbar, auch um geteilte (RG J W 30/5476) Ansprüche eines Rechtsverhältnisses aus. Über das Erfordernis der Aufgliederung bei negativer Teilfeststellungklage vgl. § 253 G III a 7. a 2. Soweit ein Rechtsverhältnis (§ 253 B II b 3, c 2) im Streit ist, kann um seine Gesamtheit, aber auch um ein Teilrechtsverhältnis geklagt werden (RGZ 144/54 [57]). Ist Klage auf Feststellung allen Schadens aus einem Unfall erhoben worden, so wird damit auch der Schmerzensgeldanspruch mit erfaßt (BGH MDR B 17/54). a 3. Der Unterschied zwischen positiven und negativen Feststellungklagen ist nach ihrem Inhalt zu beurteilen.
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Verfahren bis zum Urteil
§256 Bl
b 1. Es darf auf Feststellung des Namensrechtes geklagt werden (RGZ 5/171) oder nur auf das Recht der Führung einer Firma (RG J W 99/336 7 ). b 2. Die Mitgliedschaft bei einer juristischen Person (RG J W 29/8474) darf mit der Feststellungklage geklärt werden. b 8. Das Rechtsverhältnis wird betroffen, wenn es um die Feststellung eines Vertrages (§ 29 B), um die seiner Wirksamkeit (RG Seuff. 94/59) geht, wenn auch immer nur konkret, nicht abstrakt festgestellt werden darf. Die Feststellung eines bestehenden Versicherungschutzes ist zulässig (OGH v. 16. 6.1950 I I ZS 240/49). Unter die zulässige Feststellungklage fallen auch Schadenteilungvertragsansprüche vor Eintritt des Schadensfalles unter mehreren Versicherern (a. M. BGH MDR B 257/51). b 4. Zulässig ist die Feststellungsklage über den Bestand und Umfang eines Vollmachtverhältnisses (RG N § 256/113). b 5. Zulässig ist die Feststellungklage auch, wenn Wirkungen festzustellen sind, die noch betagt oder — tatsächlich, nicht bloß rechtlich — bedingt sind (RG LZ 18/1209®), oder wenn der Streit um sonstige zukünftige Änderungen eines geschlossenen Vertrages geht (OGH v. 3.8.1950 I Z S 76/49). b 6. Auch hat RGZ 168/240 (243) es zugelassen, daß der Schuldner eines Fremdwährungschuldverhältnisses, der nicht wußte, nach welchem Kurs er zu zahlen hatte, mit bestimmtem Antrag die Feststellungklage erhob. b 7. Auf Feststellung, daß ein Annahmeverzug vorliegt, darf geklagt werden (vgl. RG J W 09/463 23 ). b 8. Zulässig ist die Feststellungklage, zu welchem Zeitpunkt eine Kündigung wirksam ist (RArbG E 14/156). b 9. Zulässig ist die Feststellungklage beschränkt auf die Rechtsbeziehungen eines Konkurrenzverbots (vgl. RG J W 09/497 21 ). b 10. Zulässig ist die Feststellungklage, ob ein Schiedsvertrag geschlossen (RG DR 39 A 1915 4 ) und ob er wirksam ist, solange noch kein Schiedsspruch nach § 1039 niedergelegt worden ist (RG H R R 31/793); ferner darf auf die Wirksamkeit der Ablehnung eines Schiedsrichters geklagt werden nach RGZ 145/171 (vgl. § 1045 A II b). b 11. Der Feststellung des Rechtsverhältnisses stand es nicht entgegen, daß Schiedsgutachter tätig werden sollten (RG JW 93/4247). b 12. Das Besoldungverhältnis der Beamten ist Teil seines Rechtsverhältnisses zum Staat (RGZ 122/113 [118], vgl. aber GVG § 13 H I). b 13. Zulässig ist die Feststellungklage im Falle des BGB § 829, wenn der Schädiger z. Z. weder Einkommen noch Vermögen hat (RGZ 169/394). Dies gilt auch im Falle des BGB § 844 II, auch wenn der Schaden noch nicht eingetreten ist (BGH LM § 256/7). b 14. Zulässig ist die Feststellungklage darüber, wer die Folgen eines Unfalls (RGZ 61/164) zu tragen hat. b 15. Zulässig ist die Klage über den Besitz (RGZ 54/133), das Eigentum (RG LZ 12/46238) und weitere absolute Rechte (§ 24 B II b 2, 4, 5). b 16. Zulässig ist die Feststellungklage über das Bestehen eines Absonderungrechts (RG J W 01/617 3 ). b 17. Politisch umstritten ist die Feststellungklage über das Rechtsverhältnis des unehelichen Vaters zum Kinde. Verneint hat das Interesse BGH JZ 54/396, wenn der uneheliche Vater rechtskräftig zur Zahlung verurteilt war; anders BGH N J W 52/935, der grundsätzlich das Interesse bejaht (vgl. auch § 322 C I I I b 2). Vgl. § 640 C I b 2. b 19. Zulässig ist die Klage auf Feststellung der Zugehörigkeit bestimmter Gegenstände zum Gesamtgut (RG J W 01/168). b 20. Aus dem Nachfolgerecht sind Klagen auf seine Feststellung, also auf die des Erbrechts (§27 B), des Pflichtteilrechts, des Pflichtteilentziehungrechts zulässig (RGZ 92/1), sowie die Klage des Vertragserben, wenn der noch Lebende den Vertrag anficht (RG N § 256/57), des späteren Erben oder des späteren Vermächtnisnehmers vor Anfall, wenn ihre Anwartschaft 45'
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§ 256 B I
b 20
ZPO II. Buch
sich aui ein gemeinschaftliches Testament nach Ableben eines Gatten gründet (RG Warn. 17/121), des Nacherben nach Eintritt des Erbialles (vgl. BGB §2142, RG LZ 28/893 3 ); aber auch die Klage des Erblassers gegen jemand, der sich eines gesetzlichen (RGZ 169/98) oder vertraglichen Erbrechts berühmt. Dabei können auch Teilansprüche geklärt werden, im besonderen bei einer Auseinandersetzung (vgl. § 256 C II c 3). Sträuben sich die Erben dagegen, daß der Testamentsvollstrecker ein Vermächtnis auskehrt, so darf er seine Berechtigung hierzu feststellen lassen (RG Warn. 12/174); wie er auch die Gültigkeit des Testaments feststellen lassen darf (RG J W 19/724). Doch dürfen Erbe wie Nacherbe nicht vor Annahme der Erbschaft nach BGB § 1958 verklagt werden, deshalb auch nicht der Nacherbe, der die Nacherbschaft noch nicht angenommen hatte, von der Vorerbin darauf, was sie aus eigenen Mitteln auf den Nachlaßgegenstand aufgewendet hatte (a. M. BGH v. 26.1.1955 IV ZR 180/54. c 1. Bei der Verneinung eines Rechtsverhältnisses muß die Klage abgewiesen werden, wenn es besteht. Geht die Feststellungklage darauf, daß der Beklagte keine Ansprüche aus einem bestimmten Unfall habe, so ist die Klage möglicherweise nur in bezug auf die Ansprüche aus StVG abzuweisen, ihr dagegen aus unerlaubter Handlung stattzugeben. c 2. Berühmt sich der Beklagte bestimmter Ansprüche, so darf die negative Feststellungklage nur (voll) abgewiesen werden, wenn die Berühmung im vollen Umfange zu Recht besteht, m.a.W., wenn die Ansprüche des Beklagten auch zu keinem Teil begründet sind (RG J W 36/5118). Im besonderen sind auch Teilklagen (negativ gegenüber Geldforderungen, RG Warn. 28/19) zulässig. Unteilbar ist der negative Anspruch nur, wenn ihm ein positiver entgegensteht, der noch (RG LZ 18/38921) in der Entwicklung begriffen ist und den der Gegner noch nicht beziffern kann (RG J W 38/32553S). c 3. Dies gilt auch, wenn eine einzige Tatsache über das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses entscheidet (RG N § 256/140). c 4. Bei der negativen Feststellungklage entsteht das Rechtsverhältnis schon mit der Berühmung (§ 256 C V b 1). B II. Unzulässig ist (aber) die Feststellungklage, wenn nicht um den (Teil-)Anspruch oder das (Teil-)Rechtsverhältnis gestritten wird, sondern nur um das, was zu deren Begründung (§253 G IV) gehört, also um einzelne „Elemente" des Anspruchs oder des Rechtsverhältnisses. a) Die bloße Tatsachenfeststellung, das bloß einzelne, angezweifelte Element ist kein zulässiger Gegenstand einer Feststellungklage (RGZ 158/164 [166]). Vgl. aber § 256 B I c 3. a 1. Als Tatsachenelementfeststellung wurden erachtet die reine Auslegung von Rechtsgeschäften (RG J W 00/3415); zulässig ist die Auslegung unklarer Erkenntnisse (BGH NJW 52/655). a 2. Unzulässig ist die reine Feststellung der Grundlage einer Berechnung (vgl. RGZ 73/82). a 3. Unzulässig ist die reine Feststellung der rechtlich erheblichen Eigenschaften einer Person (ihrer Geschäftsfähigkeit); weitere Elemente sind die Eigenschaften einer Sache (etwa ihre Feststellung als Zubehör). a 4. Reines Element ist die Feststellung, ob ein Sittenverstoß vorliegt (RG HRR 35/813). a 5. Element ist es, wenn festgestellt werden soll, ob jemand von der NS-Regierung aus politischen Gründen entlassen worden ist (LArbG DRZ 47/380). a 7. Ein bloßes Element liegt in der Frage, ob jemand eine Ehe schuldhaft zerrüttet hat (RGZ 142/223 [229]). a 8. Darauf, daß die erteilte Auskunft unrichtig oder unrechtmäßig sei (RG J W 07/47 8 ), darf nicht geklagt werden. a 10. Unzulässig ist es, wenn ein Pflichtteilberechtigter nur die Schenkungen des Erblassers feststellen lassen will (RG J W 16/6755) oder, daß Nachlaßmasse vorhanden sei (RG N § 256/48). a 11. Ein reines Element wurde darin gefunden, daß nur um die örtliche Abgrenzung von Lizenzbezirken gestritten wurde (RGZ 50/399).
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Verfahren bis zum Urteil
§256 BH
a 12. Element ist die Frage, ob eine Partei Invalide ist (RG JW 04/493 20 ). b) Die Feststellungklage über eine bloße Rechtsfrage ist unzulässig (EGZ 164/196 [198f.]); zweifelhaft ist dies bei der Frage, ob eine Tarifnorm reehtsgültig ist (RArbG E 1/132 für die Feststellung einer Norm des normativen Teils des Tarifvertrags durch eine Tarifvertragspartei). b 1. Unzulässig ist es, wenn die Gültigkeit eines Gesetzes (OLG LZ 27/12833) festgestellt werden soll (vgl. jetzt aber BVG G § 90). b 2. Unzulässig ist die Feststellungklage über das Bestellen einer juristischen Person (für sich genommen; RG Seuff. 94/59) oder die ihrer rechtlichen Eigenschaften (RArbG E 3/286 [288] für die Tariffähigkeit eines klagenden Verbandes). b S. Nicht geklagt werden darf auf Feststellung der Wirkung eines erst abzuschließenden Vertrages, wenn die das Rechtsverhältnis begründenden Tatsachen noch nicht eingetreten sind (RG J W 11/37234), oder wenn es sich um nur gedachte Rechtsbeziehungen handelt (vgl. RGZ 84/390), auch wenn für einen Beteiligten Abschlußzwang besteht (bei Post und Bahn, RGZ 107/303). b i. Unzulässig ist die Klage auf Feststellung des Erbrechts am Nachlaß eines noch Lebenden (OLG J W 30/20645), wenn keine erbvertragliche Regelung besteht und noch keine Bindung, etwa durch den Tod eines Gatten, eingetreten ist (Kommentar § 253 B I b 4). b 5. Dies gilt auch für die Rechte des rechtlichen Könnens, die erst mit ihrer Geltendmachung die Rechtsänderung unmittelbar herbeiführen, indem sie kraft der einzelnen zustehenden Macht die Rechtsverhältnisse gestalten. Es darf also nicht auf Feststellung, daß eine Kündigung zulässig ist, geklagt werden, solange sie nicht ausgesprochen worden ist, sofern die Kündigung unstreitig zulässig ist (nicht aber, wenn im Streit ist, ob sie überhaupt ausgesprochen werden kann, vgl. dazu § 256 B I b 8). b 6. Die Klage, ob bei einer künftigen Zwangsversteigerung des Grundstücks nach Zuschlag Mieten des laufenden und des folgenden Vierteljahres dem Ersteher zugeschlagen werden dürfen, wenn darum auch Hypothekengläubiger und Zessionar stritten, wurde nicht zugelassen (RG N § 256/89). b 7. Auf Feststellung eines schlechthin vergangenen Rechtsverhältnisses darf nicht geklagt werden, es sei denn, daß es noch gegenwärtige oder zukünftige Ansprüche ergibt (RGZ 27/204 [205]). b 8. Nicht geklagt werden darf darauf, ob der Kläger oder der Beklagte etwas zu beweisen habe (a. M. LArbG AP 50/134). B III. Der Anspruch, über den zu urteilen ist (§ 50 A II), wie das Rechtsverhältnis, um das gestritten wird, muß die Parteien als Anspruchberechtigte bzw. -verpflichtete aufweisen (§ 50 F III). Darüber, daß das Klagerecht nicht allein und als solches abgetreten werden kann, vgl. §§ 253 B III b 3, 50 G I a 1. a) Die Unzulässigkeit der Klage bei fehlender Klageberechtigung (§ 253 B III a) wird bei der Feststellungklage regelmäßig mit der Sachlegitimation zusammenfallen, so daß dann nur sachlich zu erkennen ist (RGZ 106/46 [48]). a 1. Danach müssen die Rechtsbeziehungen, über welche die Parteien streiten, unmittelbar zwischen ihnen gegeben sein (RGZ 142/223 [226 folg.]). Geht man von dem Eingriff in die Rechtsphäre des anderen aus (Kommentar § 253 B II b 2), so ist, auch wenn Rechte abgetreten, gepfändet oder verpfändet sind, das Rechtsverhältnis mit dem Zedenten usw. bestehen geblieben (RG N § 256/41). Das Rechtsverhältnis besteht unter allen Prätendenten (vgl. § 75, RG Warn. 10/297); im besonderen bei Erbprätendenten (RG J W 03/384'). Ein solches unmittelbares Verhältnis ist auch angenommen worden zwischen dem (angeblichen) Erben und dem Nachlaßpfleger auf Feststellung seines Erbrechts (OGHZ 4/219) bzw. dem Prätendenten und dem Testamentvollstrecker (RG Gruch. 62/631). Dasselbe gilt für die umgekehrten Fälle, etwa bei der Befreiung von Rückgriffsansprüchen (RGZ 156/193 [200]) oder bei dem Streit, wer die Kirchenbaulasten zu tragen habe, die Gemeinde oder die Kirche (RG N § 256/224), oder ob der Kläger als Sänger von den Mitgliedern des Bühnenvereins nicht nur die bestimmten Vergütungen beziehen durfte (RGZ 128/92 [94]). Bei den negativen Feststellungklagen genügt,
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daß sieh jemand auf die Rechtsphäre des andern (sein Rechtsverhältnis) bezieht (RGZ 94/227 [234]). Auch die Verbundenheit der Arbeitnehmerschaft untereinander in einem Betrieb hat zu einem Rechtsverhältnis geführt (vgl. RArbG E 5/217). a 2. Nicht die eigene Rechtsphäre wird berührt gegenüber dem stillen Gesellschafter eines Firmeninhabers, der nicht die Rechte (Patente) des Firmeninhabers gegen dritte geltend machen kann (RG N § 256/79); dasselbe gilt im Verhältnis eines Mitglieds zu seiner juristischen Person (RGZ 142/223 [227 f.], a. M. RG N § 256/318 für die GmbH). Bei Doppelverkäufen stehen die Käufer unter sich in keinem Rechtsverhältnis (RG N § 256/231). Auch kann der Altmieter nicht gegen den Neumieter klagen, um feststellen zu lassen, daß dessen Mietvertrag unwirksam sei (LG DRZ 49/372, a. M. LG HuW 51/341). Bei der Klage einer Tarifvertragspartei gegen einen Außenseiter besteht jedenfalls kein Rechtsverhältnis (RArbG E 3/265). Wenn der Fahrer gegen Haftpflicht mitversichert ist, die Rechte aber ausschließlich dem Versicherungnehmer zustehen (also kein Anspruch des Fahrers aus BGB § 328 begründet ist), hat der Fahrer kein Klagerecht gegen den Versicherer (RG D R 41 A 131 45 ). Zu weit geht aber RG N § 256/55, welches das rechtliche Verhältnis zwischen dem Maschinenfabrikanten der nur unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Maschinen gegenüber dem nicht die Versteigerung betreibenden Hypothekengläubiger verneint. Das uneheliche Kind kann nicht gegen die uneheliche Mutter auf Feststellung seiner Abstammung klagen (RGZ 102/358). Der Erbenprätendent einer Geistesschwachen kann nicht zu ihren Lebzeiten wegen der Nichtigkeit der von ihr mit dritten geschlossenen Verträge gegen diese vorgehen (RG J W 11/186'6). b) Das Klagerecht kann einerseits gegeben sein, b 1. obwohl die eigene Rechtsphäre eingeschränkt ist. Dies ist der Fall bei den Gesellschaften zur gesamten Hand, soweit dem einzelnen Gesellschafter das außerprozessuale Recht eine eigene Klageberechtigung gibt (BGB §§ 2039, 432). b 2. Andererseits kann trotz eigener Rechtsphäre das Klagerecht nicht bei der Partei stehen. Die Übertragung von Rechten während des Prozesses beseitigt nach § 265 nicht das Klagerecht (RG D R 39/ A 666 38 ), wenn auch der Antrag umzustellen ist. c) Erheben mehrere gemeinsam einen Feststellunganspruch, so müssen jeder einzelne oder alle zusammen klageberechtigt sein. B IV. Auch Feststellungsklagen fordern Klageantrag und -begründung (§ 253 II), a) und zwar einen bestimmten Antrag (§ 253 I I 2). Fehlt es an diesem Erfordernis und hilft auch die nach § 139 erforderliche Frage nichts, so ist die Klage unzulässig. a 1. Entsprechend dem Gegenstand der Feststellungklage (§ 256 B I) genügt aber die Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, das festgestellt werden soll; die Substantiierung der Klage in bezug auf die einzelnen sich aus ihm ergebenden Ansprüche ist nicht zu fordern (RG N § 256/229); über bezifferte Feststellungklagen vgl. § 304 A II. Die Formulierung der Feststellungklageanträge ist oft ungenau. Sie können sich im Gewände von Leistungklagen bieten. Umgekehrt können aber auch Leistungklagen in Form von Feststellungklagen erscheinen. Dies gilt stets, wenn sie nur klagebegründende Bedeutung haben (RG J W 09/66315). Bei allen Schadenersatzklagen ist es Frage der Auslegung, ob ein Leistungsantrag oder ein Feststellungantrag gemeint ist (RG J W 16/8314). a 2. Rechtfertigt ein Antrag nicht die Leistungklage, so kann er doch die Feststellungklage rechtfertigen, und es darf auch anstatt auf Leistung auf Feststellung, nicht aber umgekehrt erkannt werden. a 3. Unzulässig ist ein Antrag, der die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts stellt, also im besonderen der, festzustellen, welche Rechte dem Kläger aus einem Testament zustehen (RG N § 256/89). Insoweit ist die Rechtslage bei den Feststellunganträgen anders als bei Leistunganträgen (§ 253 G I I I a 3). a 4. Auch bei der Feststellungklage ist das Gericht an den Antrag des Klägers gebunden (§ 308 I); hat es Zweifel, muß nach § 139 aufgeklärt werden. Bei negativen Feststellungklagen ist das Rechtsverhältnis, das verneint werden soll, bestimmt zu kennzeichnen (RG J W 11/81525). Über das teilweise Zuerkennen auf negative Feststellungklagen vgl. § 256 B I c 2. Umgekehrt
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§ 256 BIV a 4
ist bei teilweiser Begründetheit der positiven Feststellungklage diese nicht voll abzuweisen, sondern auf den Teil zu erkennen (RG N § 256/217). b) Für die übrigen Erfordernisse (vgl. § 256 B I) der Klagebegründung (§ 253 II 2) gilt nichts Besonderes. Es hat also, wer eine Eigentumfeststellung begehrt, den Erwerbsgrund, den Besitz oder das bessere Recht zum Besitz zu behaupten (und nachzuweisen; RG Seuff. 63/167). Bei der negativen Feststellungklage genügt zur Begründung der Vortrag der Berühmung des Beklagten (§ 256 C V b). C. Die besondere Prozeßbedingung der Feststellungklage ist das Interesse an alsbaldiger Feststellung, von der h. M. als Rechtschutzinteresse (vgl. BArbG AP § 256/3) bezeichnet. C I. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung ist eine Prozeßvoraussetzung (vgl. RG HRR 32/989), welche zur Darlegung- und Beweislast des Klägers steht, wozu für die positive Feststellungklage die Darlegung des bestimmten Rechtsverhältnisses (RG J W 11/81525), während bei der negativen die Darlegung des Bestreitens gehört (RGZ122/102 [106], was, wenn es fehlt, zur Prozeßabweisung führt (RGZ 107/303 [305]) und was also grundsätzlich vor der sachlichen Entscheidung zu bejahen ist (RG J W 29/84754). a) Da eine Prozeßabweisung auch auszusprechen ist, wenn sonstige Prozeßbedingungen fehlen, ist die Bangstelle aus der Prozeßbedingung des fehlenden Feststellunginteresses festzulegen. a 1. Grundsätzlich sind die allgemeinen Prozeß-(fortsetzung-)bedingungen vor der des Feststellunginteresses zu prüfen (§ 274 B I h). Eine Klageänderung hat LArbG AP 51/7 nicht zugelassen, wenn die Klage mangels Feststellunginteresses als unzulässig abzuweisen war (vgl. dagegen § 264 C III a 2). a 2. Die Klage ist aber sachlich abzuweisen, wenn die Prüfung der Prozeßvoraussetzung mit der des sachlichen Streits notwendigerweise zusammenfällt (vgl. § 256 B III a). b) Die Prozeßbedingung ist in jeder Lage des Verfahrens von gerichts wegen zu prüfen, und zwar noch in der Revisioninstanz (BGH NJW 55/1513). b 1. Doch wird die Prozeßbedingung des rechtlichen Interesses nicht geprüft, wenn der A n s p r u c h anerkannt (§ 307) oder auf ihn verzichtet wird (§ 306); während ein Anerkenntnis ihres Gegebenseins bzw. ein Verzicht darauf unbeachtlich ist (RG J W 31/3263®), wenn auch die Tatsachen, die ihre Annahme rechtfertigen, zugestanden (§ 288), nicht bestritten oder auch bestritten werden können. Im Versäumnisverfahren wird deshalb, nur wenn der Kläger den Antrag auf Erlaß des Versäumnisurteils stellt, die Prozeßvoraussetzung geprüft (§ 331 II), nicht aber, wenn der Beklagte gegen den Kläger Versäumnisurteil nimmt. b 2. Zum (für vom Kläger zu erbringenden, § 256 C I) Beweis genügt es, daß bei einem Rechtsverhältnis der Kläger oder der Beklagte sich bestehender Ansprüche berühmt, während die andere Partei den entgegengesetzten Standpunkt einnimmt. Werden sie zum Teil im Prozeß geltend gemacht, so handelt es sich um eine Zwiscbenfeststellungklage nach § 280, die weitere Behauptungen und Beweise über die Existenz des Streites nicht fordert (OGHZ 1/279 [281]); nur dann, wenn kein weiterer Anspruch sich ergibt, ist auch sie wegen der Überlagerung unzulässig (vgl. § 280 A I c 1). b 3. Bestreitet der Beklagte, daß die ProzeBbedingung gegeben ist, so braucht er den Anspruch nicht anzuerkennen, selbst wenn er seiner Ansicht nach besteht (wenn er auch unter Bestreiten der Prozeßvoraussetzungbehauptungen unter Protest gegen die Kostenlast nach § 93 anerkennen darf), erst recht braucht er die den Anspruch betreffenden Tatsachen nicht zu bestreiten (RGZ 164/79 [82]); ist die Prozeßbedingung nicht gegeben, so wird die Klage als unzulässig abgewiesen; besteht sie aber, so wird der (sachlich begründeten) Klage entsprochen. c) Die Prozeßbedingung des Feststellunginteresses muß z. Z. des Verhandlungschlusses der Tatsacheninstanz gegeben sein, auch wenn sie früher nicht vorlag (RG J W 35/24945). BGH NJW 55/1513 hat den Wegfall in der Revisionsinstanz für maßgeblich erklärt.
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§256ci
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c 1. Die h. M. nimmt indes an, daß die Prozeßbedingung bei der positiven Feststellungklage ebenso fixiert werde, wie die Zuständigkeit (vgl. § 263 II 2), m. a. W., daß es genüge, wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt von der Klageerhebung ab vorgelegen habe, möge sie auch später entfallen sein (RGZ 124/371 [378]); daß also der Kläger, der erst im Laufe des Prozesses in die Lage versetzt wurde, seinen Anspruch zu beziffern, nicht gezwungen sei, auf die Leistungklage überzugehen (BGH MDR 54/94). Doch muß auch hier das Rechtsverhältnis noch von gegenwärtiger Bedeutung sein, weil sonst der Streitgegenstand entfällt (RGZ 142/291 [293]) und die Klage unbegründet wird. BGH NJW 52/546 hat den Übergang zur Leistungklage gefordert, wenn der Schaden in der ersten Instanz schon abgeschlossen war und der Prozeßgegner den Übergang gefordert hat. Über die Rechtslage, wenn nur ein Teil beziffert werden kann, vgl. § 256 C II b 2; sodann braucht wegen des bezifferten Teils nicht auf die Leistungklage übergegangen zu werden (LArbG AP 50/169). Über den zulässigen Übergang von der Feststellung- zur Leistungklage vgl. § 256 C III a. c 2. Die Prozeßbedingung bei der negativen Festgtellungklage wird auch nach h. M. nicht fixiert (RGZ 71/68 [73]). Erhebt der Beklagte in einem neuen Prozeß Leistungklage oder im selben Leistungwiderklage, die sich mit der vom Kläger gegen ihn erhobenen negativen Feststellungklage deckt, so vgl. § 256 C III. Uber die Frage, wann hier das Feststellunginteresse (durch Behauptung) entfällt, vgl. § 256 C V b. Wird indes der negativen Feststellungklage die positive entgegengesetzt, so bleibt die negative Klage zulässig und die positive ist unzulässig (RG JW 36/240018) bzw. der Antrag der positiven Klage ist in den Klageabweisungsantrag umzudeuten (Kommentar § 256 C IV a; das Gegenstück hierzu bilden die bloßen Klagebegründungen, welche in Feststellungsanträgen gefunden wurden, vgl. § 256 B IV a 1). C II. Nicht zuzulassende Überlagerungen (§ 253 D III) treten einmal im Verhältnis der Leistungklage zu den beiden Feststellungklagearten gemeinsam hervor (vgl. § 256 C III), sodann aber auch im Verhältnis der beiden Feststellungklagearten zueinander, während eine Klage derselben Klageart zu einer anderen nach dem Verhältnis des Überlagerungverbots der Rechtshängigkeit zu beurteilen ist (§ 263 II 1). Eine positive Feststellungklage darf nicht erhoben werden, wenn an ihrer Stelle die Leistungklage hätte angestrengt werden können (BGHZ 5/314). s 1. Dies gilt für gewöhnliche Leistungklagen, also auch bei Schadensersatzklagen (RGZ 140/231 [235]), mag auch die Schadenhöhe erst in schwieriger Beweisaufnahme feststellbar sein (RGZ 152/193 [195]). Doch hat RG HRR 36/388 die Feststellungklage zugelassen, wenn erst durch langwierige Auseinandersetzungen der Parteien die beiderseitigen Ansprüche ausgeglichen werden können und die Frage der Nichtigkeit so lange nicht in der Sohwebe bleiben darf. Auch in den Fällen der Enteignung, wo es regelmäßig nur um die Höhe der Entschädigung geht, ist nur die Leistungklage zulässig (RGZ 82/433). Dies gilt auch, wenn Vollstreckunggegenklage erhoben werden kann (a. M. RG N § 256/46). BGH BB 56/1091 hat bei Streit um das Zustandekommen eines Vorvertrags die Feststellungklage nicht zugelassen, weil auf Abschluß des Hauptvertrags geklagt werden konnte. a 2. Unzulässig ist die Feststellung in allen Fällen der (gemischten wie einfachen) Gestaltungklage (§ 253 C I b). Soweit aber eine Vollstreckunggogenklage noch nicht zulässig ist (bei einem ausländischen Urteil, das noch nicht für vollstreckbar erklärt worden ist), darf der Kläger der Vollstreckbarerklärung mit der Feststellungklage zuvorkommen, wobei aber ein Rückgriff auf das alte Schuldverhältnis, soweit das Urteil nach § 328 anzuerkennen ist, ausgeschlossen ist (RGZ 167/373 [380f.]). Zulässig sind die negativen Feststellungklagen gegen die Berühmung von Unterlassungsansprüchen (BGH GRUR 54/346). a 4. Das entsprechende gilt in den Fällen der Duldungklagen (vgl. § 253 C I a 3), nur wird, wenn wegen eines Feststellunganspruehs die Duldung gefordert wird, die Duldung bezüglich des festgestellten Anspruchs gefordert. a 5. Die Einrede des Zurückbehaltungrechts gegenüber einer Leistungklage macht die Feststellungklage nicht zulässig (BGH MDR B 261/54). Über ausgeübte Einwendungen und Einreden vgl. § 256 C II b 5; über die Geltendmachung des Gegenrechts vgl. § 256 C III c 3.
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b) Die sofortige Leistangklage ist nicht durchführbar und deshalb die Feststellungklage zulässig, wenn die zu jener erforderliche Umgrenzung des Leistunganspruchs (seine Bezifferung) tatsächlich (noch) nicht möglich ist (RGZ 152/193). Bedenkt man indes, daß die Bezifferung in weitem Umfange in das Ermessen von Sachverständigen oder in das des Gerichts gestellt werden darf (§ 253 G III a 3) oder daß künftig voraussehbare Ereignisse auch bei der Leistungklage mit zu berücksichtigen sind, so ist die Zulassung von Feststellungklagen beschränkt (nach RG N § 256/62 ist die Feststellungklage auch zulässig, wenn eine Leistungklage für Vergangenheit und Zukunft möglich ist, vgl. § 256 C II b 3). Jedenfalls wird die Feststellungklage nicht deshalb zulässig, weil die Leistungklage dem § 323 unterliegt (BGHZ 5/314). b 1. Dies ist der Fall, wenn der für die Leistungklage erforderliche Sachverhalt noch nicht geklärt ist (RG JW 29/8474), etwa weil der schädigende Zustand noch andauert und erst behoben werden muß (BGH JZ 54/644), im besonderen bei Unfallschäden (vgl. OLG VRS 2/111) oder wenn es etwa um erst künftig eintretenden Sohaden geht (OLG VRS 2/106). Dabei ist es möglich, daß zum Schadenersatz verpflichtende Auswirkungen überhaupt noch nicht hervorgetreten sind, sondern erst — möglicherweise — in der Zukunft hervortreten werden (RG J W 10/82418). b 2. Die Möglichkeit, eine Teilleistungklage erheben zu können, hindert die Feststellungklage nicht (OGH Rpfl. 50/129). Besteht die Möglichkeit einer Teilleistungklage, aber nicht die, auf volle Leistung klagen zu können, so darf ausschließlich auf Feststellung geklagt werden (RGZ 152/193). In diesen Fällen ist aber auch neben der Teilleistungklage die Feststellungklage zulässig (RG J W 06/23623). Die Feststellungklage ist nur zulässig, wenn sie über die (mögliche) Leistungklage hinausgeht (RG LZ 07/65623). Nur im Falle von Bergschäden gemäß PrABG § 148 II soll nach RG J W 38/196514 stets die Leistungklage abgewartet werden müssen, weil die Abfindung auf ein Kapital gehe. b 3. An Stelle einer Klage auf zukünftige Leistung darf nach h. M. wegen der besonderen Bedingungen für diese (§§ 257folg.) auf Feststellung geklagt werden (RGZ 113/410 [411]), auch wenn nur ein Teil der Leistungen erst zukünftig entsteht (RG Recht 24/1370) oder bei anderen wiederkehrenden Leistungen (RGZ 41/369 [372]). b 4. Scheitort die Bezifferung an einem Verhalten des Beklagten, etwa weil er keine Auskunft gibt, so darf auf Feststellung geklagt werden. Vom Kläger darf also nicht gefordert werden, daß er die Leistungklage erhebt, wenn er es in Form der Stufenklage (§ 254) tun müßte (vgl. aber § 254 A I a). b 5. Einwendungen und die Leistungklage zerstörende Einreden hindern die Feststellungklage nicht, wenn dann überhaupt noch ein Streitgegenstand besteht (vgl. § 256 B I für die Klagen über Einwendungen und Einreden, und § 256 D I b, B II b 7 für die Unzulässigkeit von Klagen über in der Vergangenheit liegende Rechtsverhältnisse ohne gegenwärtige Wirkung). Dies gilt auch für die Einwendung der Aufrechnung. Ist hier die Gegenforderung bestritten, so darf darauf geklagt werden, daß sie durch die Aufrechnung getilgt ist. Wird aber eine Feststellung begehrt, um einer Einrede zu entgehen, so ist die Klage als unbegründet abzuweisen, wenn die Einrede besteht; klammert sie die Einrede ein, so ist ihr mit Einrede stattzugeben (a. M. BGH LM § 256/27). Bei den nicht zerstörenden, sondern nur hemmenden Einreden kommt es darauf an, ob sie die derzeitige Leistung hinausschieben (etwa bei der Stundung), sodann vgl. § 256 C II b 3, oder ob sie nur ein Zurückbehaltungrecht betreffen, sodann vgl. § 256 C II a 5. c) Die Rechtsprechung läßt die Feststellungklagen ferner ans ProzeBwirtschafUichkeit zu, c 1. wo eine Behörde (der Fiskus) Prozeßgegner (der positiven Klage) ist (RGZ 146/290 [294f.]) oder eine sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaft (BArbG v. 14. 7. 1954 I AP § 256/1), ein Konkursverwalter (RG JW 38/892"), eine große Privatversicherunganstalt (LG DRZ 50/253), ein ideeller Verein (RGZ 128/92 [94]). C 2. Die Zulässigkeit der Feststellungklage ist auch sonst bejaht worden, wenn sich durch sie der Streit voraussichtlich erledige (RG JW 06/56940).
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c 3. Bei Auseinandersetzungen darf gewohnheitrechtlich auf Feststellung geklagt werden, auch wenn der Streit nur um Teilpunkte geht, während die übrigen unstreitig sind (BGH LMBGB § 242 (Bd)/1). c 4. Nicht zugelassen wurde die Feststellungklage, weil die Leistungklage einer zeitraubenden Beweisaufnahme unterläge (RGZ 152/193 [195]), im besonderen, wenn ihr Einwendungen und Einreden entgegengesetzt werden können (vgl. § 256 C II a 5). Nicht zuzulassen ist die Feststellungklage, auch wenn nur der Grund, nicht die Höhe streitig ist. C III. Ist die Leistungklage rechtshängig und wird dann über denselben Gegenstand eine andere (Leistung-, positive oder negative Feststellung-)Klage erhoben, so steht ihr der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen (§ 263 II 1). Derselbe Streitgegenstand wird dabei auch dann getroffen, wenn einmal um (Einzel-) Ansprüche geklagt wird (§ 256 B I a 1), sodann um das Rechtsverhältnis, sofern außerhalb des geltend gemachten Anspruchs weitere Ansprüche nicht in betracht kommen. Dies gilt im besonderen, wenn die negative Feststellung(wider)klage nach der alles umfassenden Leistungklage erhoben wird (RGZ 151/65). a) In den Tatsacheninstanzen darf jederzeit von der Feststellungklage auf die Leistungklage übergegangen werden, was nach § 268 I 2 zugelassen ist (RG Warn. 09/44). In der Revisioninstanz ist der Übergang unzulässig, weil der Leistungantrag im Verhältnis zum Feststellungantrag weiter geht und die Klageerweiterung in ihr grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 559 D II a, BArbG AP § 256/6). a 1. Der umgekehrte Fall (Übergang von der Leistung- auf die Feststellungklage) ist in allen Instanzen, also auch noch in der Revisioninstanz vollziehbar (BGH MDR B 48/54), vorausgesetzt, daß die Feststellungklage zulässig ist. b) Wird die Leistungklage erhoben, nachdem bereits eine (positive oder negative) Feststellungklage des gleichen Klagegegenstandes rechtshängig ist, so steht der Leistungklage nicht der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen, weil sie gegenständlich weiter geht, nämlich dem Kläger bei positivem Erkenntnis mehr Rechte gibt (RGZ 71/68 [73]). Die spätere Leistungklage erledigt die frühere Feststellungklage und macht sie unzulässig, sobald die Leistungklage nicht mehr ohne Zustimmung des Gegners zurückgenommen werden kann (§ 271 I) nach RGZ 151/65 (66). Der Kläger wird dann die Feststellungklage für erledigt erklären und sich auf Kostenanträge beschränken (RG Seuff. 83/173). b 2. Allerdings besteht kein Zwang, die Leistungklage, wenn überhaupt, im anhängigen Verfahren zu erheben (RG J W 30/10593). Wird die Leistungklage in einem anderen Verfahren als die negative Feststellungklage erhoben, so braucht der negative Feststellungkläger sie nach der hier vertretenen Auffassung nicht für erledigt zu erklären; denn die reine Klagemöglichkeit kann den Gegner nicht daran hindern, die negative Feststellungklage zu erheben (RG N § 256/187; a. M. RGLZ 18/399; vermittelnd: RG JW 09/417); befinden sich die Verfahren in derselben Instanz vor demselben Gericht, so sollte man sie verbinden (§ 147). Trotz Vollstreckunggegenklagemöglichkeit (§ 767 I), die auch Leistungklage ist (§ 253 C I a), hat die Feststellungklage zugelassen: RGZ 100/123 (126); (dagegen aber RG 59/301 [305]). Dasselbe Problem ergibt sich im Verhältnis zur positiven Feststellungklage des Leistungklägers, nur daß hier der Beklagte die Erledigungerklärung des Klägers nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, im besonderen wenn die erste Klage sich etwa schon in höherer Instanz (und zwar in der Revisioninstanz) befindet. c) Decken sich der Streitgegenstand der Feststellung- und der Leistungklage nicht und c 1. ist die Feststellungklage vor der Leistungklage erhoben (§ 253 I), so bleibt in jedem Falle die negative Feststellungklage zulässig (RG J W 39/36638). Schwebt die negative Feststellungklage in höherer Instanz, so wird regelmäßig die Leistungklage auszusetzen sein (§ 148, vgl. RG JW 09/41718). Dies gilt auch, wenn der Beklagte zur Erhebung der Leistungklage wegen Fristablaufs gezwungen wird, wenn man hier nicht etwa die Frist mit der Erhebung der negativen Feststellungklage als gewahrt ansieht, was hier vertreten wird. c 2. Das entsprechende gilt für die positive Feststellungklage, wenn die Leistung(wider-) klage nur einen Teil trifft (RG HRR 40/13).
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c 3. Decken sich der Streitgegenstand der Feststellung- und der Leistungklage nicht, so steht auch die spätere Feststellungklage der Leistungklage nicht entgegen, wenn sie auch (zumindest stillschweigend) die frühere Leistungklage ausklammern muß, so daß in diesen Fällen der Leistungstreit nicht ausgesetzt werden darf (§ 148). C IV. Der Einwand der Rechtshängigkeit ist gegeben, wenn bei sich deckendem Streitgegenstand positive und negative Feststellungklage im Nacheinander erhoben werden. a 1. Klagen auf Feststellung der unehelichen Vaterschaft können nicht die frühere rechtskräftige Abweisung der Leistungklage beseitigen (BGH N J W 52/935 8 ; § 640 C I b 2). Ist indes ein rechtskräftiges (Feststellung-)Urteil unklar, so wird es im neuen Streit ausgelegt (RG J R 27 B 310). a 2. Macht der Kläger einen Anspruch nur hilfsweise geltend, so ist die unbedingte Widerklage, die zur Entscheidung über den nur hilfsweise geltend gemachten Anspruch in jedem Falle zwingt, zulässig. Wird gegenüber einer negativen Feststellungklage die positive Feststellung(wider)klage erhoben, dann ist die (spätere) positive unzulässig (RG J W 18/309 14 ). Umgekehrt ist regelmäßig die Erhebung der späteren negativen Feststellung(wider)klage über denselben Streitgegenstand nach der positiven unzulässig (vgl. RGZ 166/175 [182]). Eine Überlagerung besteht auch bei der Streitverkündung nach §§ 68, 74, so daß nicht der Streitgehilfe oder der Streitverkündunggegner etwa negative Feststellungklage mit anderer Begründung erheben dürfen (RG Seuff. 77/103; a. M. BGH v. 10.12.1955 IV ZR 173/55). Umgekehrt schließt die Möglichkeit der Streitverkündung die auf denselben Streitgegenstand (vgl. §§ 68, 74) gerichtete Feststellungsklage aus (RG N § 256/226). Erstreckt sich die Rechtskraft auf jeden (bei der Statusklage; vgl. §§ 636a, 638 I 2, 643), so ist die Klage dritter insoweit ausgeschlossen, wie sie gegen ein Statusurteil eine Feststellung begehrt, bis zu ihm ist sie aber (abgesehen von dem Fall des § 636 a) zulässig (OGHZ 1/51 [54folg.]). Dagegen besteht keine Überlagerung, wenn der Kläger jemand nur deshalb mitverklagte, um ihn als Zeugen auszuschalten (a. M. RG J W 35/1982 5 ). C V a) Die positive Feststellungklage ist zulässig, wenn der Beklagte einen vermeintlichen Anspruch des Klägers bzw. das Rechtsverhältnis außerprozessual bestreitet (RG D R 39 A1915 4 ). J e nach dem Umfang des Bestreitens richtet sich die Zulässigkeit der Feststellungklage. Wird nicht das Rechtsverhältnis im allgemeinen, sondern nur ein bestimmter Anspruch bestritten, so ist die Klage nur wegen dieses bestimmten Anspruchs (dann aber zumeist nur als Leistungklage) zulässig. a 1. Regelmäßig wird als Bestreiten (Berühmung) eine ausdrückliche Erklärung gefordert. (RG J W 07/205 2 ). Zahlung unter Vorbehalt ist Bestreiten (RG LZ 07/658 2 ). Auch die Erklärung, nicht zu erfüllen, gehört hierher (RG N § 256/70). Wehrt sichder Beklagte in einem Prozeß damit, daß nicht er, sondern ein dritter hafte, so darf der dritte gegenüber dem Beklagten auf Feststellung klagen, daß dieser ihm gegenüber verpflichtet sei, die Schuld zu decken, auch wenn er dem Erstkläger haftet (RG LZ 31/769 17 ). Das Bestreiten muß sich aber stets auf den Anspruch (§ 253 B I I b) oder das Rechtsverhältnis (§ 253 B I I b 3) beziehen (bezieht es sich nur auf Prozeßbedingungen, so rechtfertigt dies keinen Prozeß; RGZ 164/79). Dem entspricht die Behauptung des Verpflichteten, der Anspruch sei erloschen (RG J W 17/481 25 ) oder er habe ein eigenes Recht, das mit dem des Klägers nicht vereinbar sei (RG Seuff. 63/167), wie bei Forderungprätendenten; oder wenn Mithaft und Ausgleichungpflicht zwischen den Parteien streitig sind (RG H R R 32/551). Auch gegen den Beklagten, der sich heimlicherweise vorbereitet, Rechte des Klägers zu verletzen, ist die Feststellungklage zulässig (RGZ 95/304). Ein Bestreiten kann auch trotz der Erklärung, nicht bestreiten zu wollen, bestehen, wenn ihr tatsächlich zuwidergehandelt wird. Bei bestrittener Haftungspflicht ist die Klage zulässig, auch wenn ein gegen den Versicherten erhobener Anspruch unbegründet ist (RG v. IE. 3.1932 V I I E 135/368). Andererseits kann die Haftpflicht des Versicherten unstreitig, aber das Eintreten des Versicherers streitig und damit die FeststelluDgklage zulässig sein (RG v. 27. 4.1926 VI E113/286). a 2. Bloße Hoffnungen oder Befürchtungen des Gegners berechtigen nicht zur Klageerhebung (RG Gruch. 60/1019 [1023]).
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a 3. Doch kann auf Aufforderung innerhalb eines (vermeintlichen oder tatsächlichen) Rechtsverhältnisses die Pflicht zur Erklärung bestehen, so daß, wenn der Aufgeforderte schweigt, daraus sein Bestreiten zu entnehmen ist (B6H v. 22. 2. 1952 I ZR 49/51). b) Die negative Feststellungklage fordert, daß sich der Beklagte (außerprozessual oder auch schon im Reohtstreit) zumindest eines Anspruchs (oder des Bestehens eines Rechtsverhältnisses) berühmt. Der Umfang des Berühmens entscheidet über die Zulässigkeit der Feststellungklage (vgl. § 256 C V a). b 1. Es genügt die aufierprozessuale Berühmumg oder Rechtsanmaßung (R6 Gruch. 58/1074). Sie liegt in der Androhung von Regreßansprüchen ( R 6 J W 09/7510). Eine solche außerprozessuale Berühmung ist auch gegeben, wenn jemand in einem Schriftsatz (weitere) Ansprüche zu erheben ankündigt oder sie sich vorbehält (RGDR42 A904 16 ). Die Berühmung ist gegeben, wenn bei einem Drittschuldner eine nicht bestehende Forderung des Schuldners gepfändet wird (OLG 25/129); sofern nicht etwa zugleich um Auskunft nach §840 ersucht wird, woraus sich nämlich ergibt, daß der Gläubiger den Bestand der Forderung noch nicht behaupten will, oder wenn jemand um das Armenrecht zur Klageerhebung nachsucht (OLG ZZP 53/289) oder ein Beweissicherungverfahren beantragt (OLG J W 29/519') oder ein Recht im Aufgebotverfahren anmeldet oder einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung erwirkt. Der Streit kann auch noch bestehen, selbst wenn der Beklagte trotz Berühmung lange Zeit hindurch nichts unternommen hat (RG J W 10/82550), und möglicherweise bei nicht unmittelbar streitigem Anspruch, dem eine bestrittene Einrede (etwa die Verjährung) entgegensteht. Ist indes der Anspruch inzwischen verjährt und will sich der Kläger darauf berufen, so muß er die neue Berühmung des Beklagten trotz der von ihm (außerprozessual) erhobenen Einrede abwarten. Die Berühmung entfällt nicht, weil der Beklagte im Prozeß sein außerprozessuales Verhalten (die Berühmung) nicht wiederholt, auch nicht, wenn er im Prozeß erklärt, vorläufig nichts geltend zu machen, weil er seine Ansprüche nicht beziffern könne (RG Warn. 17/64); oder auch, wenn er im Prozeß den gegnerischen Anspruch nicht leugnet (vgl. RG DR 39 A 19154). Die Berühmung bleibt auch bestehen, wenn der Beklagte, ohne anzuerkennen, erklärt, er wolle sie nicht aufrechterhalten (RG Gruch. 63/341). Die Berühmung ist im besonderen auch noch im Prozeß möglich, etwa dadurch, daß ein sachlicher Abweisungantrag gestellt wird (RGZ 63/179 [183]). b 2. Bestreitet der Beklagte die Berühmung, so muß der Kläger sie beweisen. Berühmt sich ein dritter, einen Anspruch zu haben, und hat der Kläger im Fall, daß dieser Anspruoh besteht, gegen den Beklagten einen Rückgriffanspruch, so ist die Klage nur zulässig, falls der Anspruch des dritten gegen ihn bewiesen wird (RG J W 01/2052) oder wenn die Haftpflicht streitig ist (vgl. § 256 C V a 3). Ist die Versicherung nicht streitig, so genügt die Streitverkündung (§ 256 C IV a 2). b 3. Wer einen Titel erworben hat, berühmt sich noch nicht, daß er Gehaltsansprüche pfänden könne, die negative Feststellungklage vor Pfändung ist deshalb (ohne sonstiges Berühmen) unzulässig (RArbG E 20/255 [264f.]). Über die Klage nach Pfändung vgl. § 256 C V b 1. c) Der Widerruf eines Bestreitens bzw. eines Berühmens ist von Bedeutung, solange der Prozeß noch nicht anhängig ist; denn dann wird der Kläger außerprozessual befriedigt. Der Widerruf des Bestreitens im Prozeß (ohne Anerkenntnis i. S. des § 307) beseitigt das Feststellunginteresse nicht (im Prinzip, aber Ausnahmen zulassend: RG Gruch. 63/341). Dies sollte man auch bei sofortigen Anerkenntnissen bedenken und insoweit nicht § 93 anwenden, wenn das Berühmen erst im Prozeß aufgegeben wurde (abweichend RGZ 118/261). Daß bei außergerichtlichem Anerkennen das Feststellunginteresse nicht entfällt, wenn zuvor bestritten war, hat BGH VRS 17/107 erkannt. d) Unzulässig sind die Feststellungklagen, wenn über den Anspruch bzw. das Rechtsverhältnis kein Streit der Parteien besteht (RArbG E 17/330 [334]). d 1. Ob ein solcher außerprozessualer Streit tatsächlich vorliegt, wird von gerichts wegen geprüft (RG Seuff. 54/48).
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d 2. Bestellt Streit, so kommt es auf seine rechtliche Begründetheit nicht an (RG Warn. 09/361). D. Weitere Erfordernisse bestehen nicht. D I. Sieht man das Interesse nicht in der Bereinigung des Streits, so muß es anders umschrieben werden. a) Dies ist geschehen durch die Kennzeichnung eines wirtschaftlichen (im Gegensatz zum reinen rechtlichen) Interesses (RArbG JW37/192 68 ). Außerdem gibt es auch Feststellungklagen über nicht-vermögensrechtliche Gegenstände wie die Ehrenfeststellung (RGZ 80/189). Unrichtig ist es, ein wirtschaftliches Interesse dann genügen zu lassen, wenn der Streit zwischen verschiedenen Rechtspersonen besteht, mag auch die entsprechende Rechtslage zwischen einer von ihnen und der anderen sich ergeben und mögen auch die Betroffenen wirtschaftlich eng verbunden sein (so aber RG v. 9. 7.1912 VII106/12 N § 256/149 [nicht mit abgedruckt in E 80/58] für überholtes Recht, als der Fiskus eine Straßenbahngesellschaft auf Stempelsteuer in Anspruch genommen hatte und wo diese negativ gegen den Fiskus klagte). b) Weiter wird ein gegenwärtiges Interesse gefordert (RG J W 96/2383), was (nach der hier vertretenen Auffassung) mit dem Bestehen des Rechtsverhältnisses bzw. des Streits zusammenhängt und sich mit ihm deckt. Dagegen ist zu bedenken die Zulässigkeit der Feststellungklage bei betagten und bedingten Ansprüchen (§ 256 B I b 5, D I I I a 1) bzw. wenn der Anspruch noch im Entstehen begriffen ist (§ 256 C II b 1). D II. RGZ 170/358 (374) kehrt das Moment der Gefährdung hervor (es besteht aber überall, wo Streit über Ansprüche oder Rechtsverhältnisse vorhanden ist). a) In diesem Zusammenhang wird häufig das Moment der drohenden Verjährung genannt (BGH NJW 52/741); doch ist die Leistungklage zu erheben, falls der Anspruch schon bezifferbar ist, was in weitem Umfange möglich ist; es braucht aber auch mit der Erhebung der Feststellungklage nicht gewartet zu werden, bis die Verjährung droht (a. M. RGZ 94/227 [233]). D HI. Bedenklicher ist es, auf die alsbaldige Klarstellung abzustellen, sofern man darunter etwa das Erfordernis, daß der Streit z. Z. ausgetragen werden darf, verstehen wollte, was allerdings in der Regel nicht geschieht. a) Faßt man das Bedürfnis nach alsbaldiger Klarstellung so, daß es überall besteht, wo Streit ist, so decken sich diese Begriffe (RGZ 134/221 [222]). a 1. Die Zulassung der bedingten und betagten Klagen (§ 256 B I b 5) belegt das Gesagte. a 2. Das Gegenstück dazu wird betont, wenn man auf die Unsicherheit der Rechtslage verweist (vgl. RGZ 95/248). a 3. Als Folge wird genannt, daß der Kläger in seiner Freiheit zu handeln beengt wird, so daß er wirtschaftliche Nachteile dadurch erleiden kann oder daß er Rücklagen bilden muß (RG J W 38/172820). b) Wenn umgekehrt bei akzessorischen Schadensersatzansprüchen (als Folgen einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungpflicht, vgl. BGB §§ 12, 1004) gesagt wird, es sei kein „Feststellunginteresse" erforderlich (RGZ 12/353), so ist nach der hier vertretenen Auffassung doch der Streit über sie erforderlich. D IV a) Im besonderen kommt es nicht darauf an, ob eine gesetzliche Regelung zu erwarten ist, die das Rechtsverhältnis ändert (OGH v. 3. 8. 1950 I ZS 76/49). E. Das Verfahren über die Feststellungklage unterscheidet sich grundsätzlich nicht von dem über die Leistungklage. Klagegegenstand ist in beiden Fällen der Anspruch (§ 253 B II), der entweder bejaht (d. h. zuerkannt) oder verneint (d. h. aberkannt) wird; die Parteirolle ist deshalb sowohl im Verhältnis zum Leistungprozeß wie in dem von der negativen zur positiven Feststellungklage für die Auslegung des sachlichen Streits grundsätzlich bedeutunglos; anders ist dies für das Prozeßverhältnis, im besonderen die Prozeßbedingungen, die an die Parteirollen anknüpfen. E I. Wenn auch die Frage, wer als Kläger, wer als Beklagter auftritt, regelmäßig die der Initiative ist, so knüpft doch das Prozeßrecht an die Stellung des Klägers bestimmte Folgen, die zu ziehen sind, gleichviel ob er positiv oder negativ klagt.
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§256 e i a) So hat der Kläger unter stand Bich nach dem Beklagten soweit dies gleichgültig ist (also gebene Merkmal ohne Rücksicht 22/262 [263]) geklagt wird.
ZPO II. Buch mehreren Gerichtständen die Wahl (§ 35). Soweit der Gerichtrichtet (§§ 12—21), entscheidet die Parteirolle; im übrigen, nach §§ 23—24), entscheidet das von der Prozeßordnung gedarauf, ob positiv (RGZ 21/409 [411]) oder negativ (KG OLG
b) Prozeßvoraussetzungen stehen ohne Rücksicht auf den sachlichen Änspruch zur Behauptung- und Beweislast des Klägers, Prozeßfortsetzungvoraussetzungen zu der des Rechts behelfsklägers, Prozeßeinwendungen und -einreden zu der des Beklagten. Dies gilt auch für die Prozeßvoraussetzungen der Feststellungklage selbst. c) Den Streitumfang bestimmt der Kläger (§ 308 I). E. II. Soweit Uber außerprozessuales Recht zu entscheiden ist, ändert die Parteirolle nichts an der Rechtslage. a) So entscheidet über die Behauptung- und Beweislast für den sachlichen Streit das außerprozessuale Recht, unabhängig von der Parteirolle (RGZ 164/281 [283]). a 1. Fordert der Kläger die Feststellung seines Anspruchs (Kommentar § 253 B II b 1) positiv, so hat er dafür die Behauptung- und die Beweislast (RG LZ 19/3192). a 2. Im Prätendentenstreit muß so der Kläger sein Recht dartun, der Beklagte dagegen das seine (vgl. RG Gruch. 58/1077) nach dem des Klägers (vgl. auch § 256 C V a 1). a 3. Will der Kläger den Anspruch des Beklagten verneint haben, so muß der Beklagte die Existenz des Anspruchs nachweisen. Die Behauptung- und die Beweislast kehrt sich also bei der negativen Feststellungklage nicht um (RGZ 73/276 [278]). b) Das entsprechende gilt für Einwendungen und Einreden (§ 253 B IV b 2). Stützt der Kläger die negative Feststellungklage gerade darauf, daß der Anspruch des Beklagten wegen einer Einwendung nicht besteht, so hat er sie zu behaupten und zu beweisen. Die Einwendung wird also nicht zum Anspruchsgrund. Umgekehrt dürfen der positiven Klage alle Einwendungen und persönlichen Einreden entgegengehalten werden, also im besonderen der Einwand des mitwirkenden Verschuldens (BGB § 254), der also schon im Feststellungprozeß zu prüfen ist (RG J W 31/335624), die Erfüllung, die Verjährung, die Anfechtung wegen Betrugs (RG N § 256/100), die Anrechnungen auf den geltend gemachten Pflichtteilanspruch (RGZ 58/57). b 1. Dies gilt auch für den Aufrechnungeinwand, wenn er erhoben wird (RG J W 17/1068 läßt ihn im nachfolgenden Leistungprozeß nicht gelten, wenn er im Feststellungprozeß hätte erhoben werden können und den gesamten Feststellunganspruch vernichtet hätte). Doch ist zu bedenken, daß grundsätzlich im positiven Feststellungurteil der höhenmäßige Bestand der Forderung nicht geprüft wird, sondern nur der Grund und also nicht der Betrag rechtskräftig festgestellt wird. b 2. Die Einrede des Zurückbehaltungsrechts hindert die Feststellungklage nicht; vgl. aber § 256 C II b 5. Erhebt der Gegner, wenn der Kläger sie nicht gelten lassen will, Leistungoder Feststellungwiderklage, so wird der Anspruch des Klägers zur Zug-um-Zug-Verurteilung führen müssen (was aber seine Feststellungklage nicht vernichtet, wenn sie überhaupt zulässig ist). Soweit wegen des Gegenrechts geklagt wird, wird dieses Klagegegenstand, während es sonst — als Einrede erhoben — nicht in Rechtskraft erwächst (§ 322 H I). b 3. Der Zwang zur Einrede- und Einwanderhebung durch § 767 II besteht hier ohne Rücksicht auf die Parteirolle (RG J W 17/1068), also auch, wenn der Kläger negativ klagt und zur Begründung der Klage sich auf einen Einwand stützt; hat er mehrere, so muß er sie bei Vermeidung ihres Verlustes mit vorbringen. Bei negativen Feststellungklagen, wo zur Klagebegründung ein Einwand oder eine zerstörende Einrede gehört, genügt es also nicht, daß nur ein Einwand (Sittenwidrigkeit) geprüft wird, wenn noch andere gegen den Vertrag erhoben worden sind (RG N § 256/309); doch wird die Klage nicht etwa deshalb unzulässig, weil nur ein Einwand geltend gemacht worden ist. Dasselbe gilt, wenn die Nichtigkeit eines Schiedsgutachtens wegen Irrtumsanfechtung nach BGB § 318 II und seine Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit nach BGB § 319 geltend gemacht wird (RG DR 43 A 2969). E III. Unterschiede ergeben sich noch aus der Struktur der Klagen.
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Verfahren bis zum Urteil
§256 Eni
a) Auf prozessualem Gebiet wird der Fall des § 75 nur praktisch bei Leistungklagen und bei der bezifferten positiven Feststellungklage (§ 75 A II c 1); der des § 76 ist nur bei der positiven, nicht bei der negativen Feststellungklage gegeben (§76 A II); die Fälle der §§57, 58 werden bei der negativen Feststellungklage nicht praktisch. b) Im aufierprozessualen Recht macht die h. M. einen Unterschied bei der Verjährung und Ersitzung, weil BGB §§ 209, 941 von der Unterbrechung sprechen, wenn der „Berechtigte auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs . . . Klage erhebt". Doch ist der Anspruchsbegriff des BGB nicht der der ZPO (§ 253 B II c 1), der Begriff der Klageerhebung aber ganz der des § 253 I. b 1. Die Verjährung wird nach der hier vertretenen Auffassung unterbrochen, sobald über einen Streitgegenstand geklagt wird, über dessen Ansprüche i. S. des BGB die Verjährungfrist läuft (a. M. RGZ 153/375 [380folg.]). Dasselbe ist im Fall der KO § 41 ausgesprochen worden (Kommentar § 256 C I I I c 1). b 2. Die materiellrechtliche Wirkung der Unterbrechung der Verjährung nach BGB § 212 II (vgl. BGB §§ 209 II 1, 212 I) tritt dabei gerade und auch dann ein, wenn die Feststellungklage unzulässig ist (vgl. RGZ 100/149). Das entsprechende gilt bei Ausschlußfristen (RGZ 102/339). b 3. Dagegen ist es nicht ungleich, wenn Ansprüche aus dem Feststellungurteil erst nach 30 Jahren verjähren, Ansprüche aus dem Grundurteil nach Stillstand des Verfahrens dagegen der ursprünglichen Anspruchsverjährung unterliegen (RGZ 100/118), weil sich diese Unterschiede daraus ergeben, daß das Verfahren mit dem Feststellungurteil beendet wird, mit dem Grundurteil dagegen nicht. F I. Wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkung im Verhältnis zur sachlichen Entscheidung (vgl. § 322 B I b) darf nicht offenbleiben, ob nur aus prozessualen oder ob aus außerprozessualen Gründen entschieden worden ist, m. a. W., die Klage darf nicht als unzulässig u n d als unbegründet abgewiesen werden (RG JW 36/65318). a) Wird eine solche Entscheidung rechtskräftig, so wird es nur die Abweisung der Klage als unzulässig (RG J W 36/65318). b) Wird das Urteil angegriffen, so ist, wenn die höhere Instanz die Zulässigkeit bejaht, von ihr zugleich über die sachlichen Gründe zu entscheiden, wobei in der Beruf unginstanz §§ 538 I 3, 540 entsprechend anzuwenden sind (RGZ 158/145 [152] schließt in jedem Falle die Zurückverweisung aus). Dies gilt aber auch von der Revisioninstanz (RGZ 165/315; indes nur, sofern die erforderlichen Tatsachen festgestellt worden sind). F II. Wird die Klage als unbegründet abgewiesen, so steht bei der negativen das Bestehen, bei der positiven das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (vgl. §§322; 256 B I c l ; 640 F III c 3; RG JW 37/1589). Geht die negative Feststellungklage schlechthin auf Verneinung, so kann nun nicht der Gegner beliebig viel fordern ; war sie etwa abgewiesen, weil sie sich gegen jede Pachterhöhung wandte, so wird noch nicht die Angemessenheit des Entgelts festgestellt (RGZ 126/18), doch hätte sie so schon zuerst abgewiesen werden sollen, daß die Höchstgrenze festgelegt wurde (vgl. § 256 B I a 2). a) Die abgewiesene Leistungklage kann regelmäßig auch nicht als Feststellungklage wiederholt werden. Wird eine Leistungklage (Herausgabeanspruch) aber als z. Z. unbegründet rechtskräftig abgewiesen, so besteht u. U. noch die Zulässigkeit einer Feststellungklage (RGZ 155/87 [91]) ; doch kann dann auch die Leistungklage selbst wiederholt werden. Für eine negative Feststellungklage fehlt es trotz Berühmung wegen der entgegenstehenden Rechtskraftwirkung an Raum. Bei der Stattgabe der Klagen ist zu beachten: die stattgegebene Leistungklage schließt die entgegenstehende negative wie die sie bestätigende positive Feststellungklage aus. Hat der Kläger durch Leistungklage eine Rechnunglegung erzwungen und sind die Vollstrekkungmittel erschöpft, so darf er nicht mehr auf Feststellung klagen, daß die Rechnung unvollständig gelegt ist (RGZ 167/328). Wird nach der positiven Feststellungklage erkannt, so wirkt sie für die spätere Leistungklage Rechtskraft wie ein Grundurteil (RGZ 97/118). Nach RGZ 153/210 bewirkt die abgewiesene (Feststellung-)Klage, nach der der Beklagte auf Grund des
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§256 Flla
ZPO II. Buch
Patents des Klägers bestimmte Gegenstände nicht herstellen sollte, keine Rechtskraft gegenüber einer vom Beklagten mitbegründeten GmbH, die es tat. Auch wenn der Forderungprätendent gegen einen anderen auf Peststellung seiner Rechte klagt, wirkt dieses Urteil nicht für oder gegen den Schuldner (RGZ 27/345). b) Deshalb muß die sachliche Beurteilung das Klage- und Verteidigungvorbringen wie bei jedem Grundurteil völlig erschöpfen (RG N § 256/60, vgl. aber bezüglich der nicht zu berücksichtigenden Einwendungen und Einreden § 256 E II b 2), im besonderen ist auch das aberkannte Rechtsverhältnis bei negativen Feststellungklagen klar zu umreißen (in der Begründung; RG J W 06/8094). c) Ist eine Feststellungklage mit einer Leistungklage verbunden und die Sache nach dem Grund entscheidungreif, so ist auf Feststellung zu erkennen und der Leistunganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären (RG J W 04/49321). Doch sollte man bei nicht ausdrücklich ausklammernden Entscheidungen das Feststellungurteil auch als Grundurteil für den Leistunganspruch auffassen (a. M. RG J W 04/49321), zumal ja auch im anhängigen Prozeß auf Grund des Feststellungurteils Leistungansprüche nachgeschoben werden können (RG N § 256/92), wie auch umgekehrt, wenn in einem solchen Falle über den Grund entschieden wird, zugleich die Feststellung als ausgesprochen anzusehen ist (RG N § 256/103). Bei bezifferten Feststellungklagen sind auch Grundurteile (§ 304 A I) zulässig (RG N § 256/100). d) § 323 will zwar RGZ 74/121 [124] nicht anwenden, praktisch trägt es aber der Verän derung der Umstände derart Rechnung, daß bei neu eintretenden Umständen es diese in einer der Feststellungklage nachfolgenden Leistungklage bewertet. e) Teillirteile (§ 301) sind auch bei Feststellungklagen denkbar, aber nur soweit es um teilbare Ansprüche (Kommentar § 301 A III b) geht. F III. Wird die Klage als unzulässig abgewiesen, so sind beide Parteien beschwert, der Kläger, wenn er ihre Stattgabe begehrt, der Beklagte, wenn er sie sachlich abgewiesen haben will. Legt nur der Kläger das Rechtsmittel ein und kommt das Gericht dann zu dem Erkenntnis, daß die Klage zulässig ist, so hat es sachlich auch dann zu erkennen, wenn der Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hat, und muß dabei die Einlassung des (vertretenen) Beklagten berücksichtigen. Legt nur der Beklagte das Rechtsmittel ein und schließt sich der Kläger nicht an, so darf nur entweder die Klage sachlich abgewiesen oder das Rechtsmittel des Beklagten zurückgewiesen werden, nicht aber nach dem Klageantrag erkannt werden (§§ 536 A II b, 559). Wird der Klage stattgegeben, so ist nur der Beklagte beschwert, er darf den Zuspruch sowohl als unzulässig wie als unbegründet angreifen. Auch wenn er sich anf das letzte beschränkt, ist von gerichts wegen vorweg die Zulässigkeit der Klage zu prüfen (§ 274 A I b). F IV. Für den Umfang der Rechtskraftwirkung gilt das letzte Erkenntnis (BGH MDR 53/34). a) Eine neue Feststellungklage wird auf Grund neuer Tatsachen (§ 767 II) nicht ausgeschlossen, etwa wenn nach Feststellung des Bestehens eines Vertrags die spätere Aufhebung behauptet wird (RG Warn. 17/190). G. § 256 gewährt Urkundenechtheitfeststellungverfahren, das die Vorschriften über die Beweissicherung (§§ 486folg.) ergänzt. GI. Die besonderen Prozeßbedingungen sind nur, a) daß über die Echtheit bzw. Unechtheit der Urkunde Streit unter den Parteien besteht und b) daß die Urkunde in irgendeinem Zivilprozeß, der unter den Parteien zu Recht erhoben werden könnte, als Beweismittel verwendbar wäre (abweichend RG Seuff. 75/174: das Interesse kann auch strafrechtlicher oder verwaltungrechtlicher Art sein trotz der Erkenntnis, daß den Strafrichter das zivilrechtliche Erkenntnis nicht bindet; RGZ 148/29, selbst, wenn die Verwaltungbehörde nicht gebunden ist, aber sich doch tatsächlich danach richten würde). Ist dies der Fall und wird die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde in einem anhängigen Verfahren bezweifelt, so darf auch Zwischenfeststellungklage erhoben werden (§280), wenn nur noch irgendein anderer Prozeß, wo die Urkunde verwandt werden könnte, möglich erscheint.
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Verfahren bis zum Urteil
§256
G II. Der Gerichtstand des Urkundenechtheitfeststellungprozesses wird nach jedem möglichen eines Hauptprozesses bestimmt. G m . Das Urteil wirbt Rechtskraft für und gegen die Parteien (RGZ 148/29 [31]) für jedes zivilprozessuale Verfahren, gleichviel ob es zur Begründung des Gerichtstandes erwähnt worden ist oder nicht. §
257
(-)
I Ist die Geltendmachung einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung oder die Geltendmachung des Anspruchs auf Bäumung eines Grundstücks, eines Wohnraumes oder eines anderen Baumes an den Eintritt eines Kalendertags geknüpft, so kann Klage auf künftige Zahlung oder Räumung erhoben werden. A I. Ist der Anspruch noch nicht fällig (betagt), so ist die auf ihn gerichtete — sofortige — Leistungklage als z. Z. unbegründet abzuweisen, wenn nicht die besonderen Prozeßbedingungen der §§ 257—259 gegeben sind. An der Möglichkeit, erst nach Eintritt der Fälligkeit vollstrecken zu können, wird durch sie nichts geändert. Frühere Vollstreckung ermöglichen nur der Arrest und die einstweilige Verfügung (§§ 916folg.) und § 850 d III. a) Der Ubergang der Klage von der gegenwärtigen Leistung zur zukünftigen ist in jeder Instanz zulässig (§ 268 I 2, auch in der Revisioninstanz, OGH v. 31. 3.1950 I I ZS 164/49). a 1. Liegen die Voraussetzungen für eine Verurteilung zur künftigen Leistung vor, so ist ohne weiteres darauf zu erkennen (RG N § 259/4). b) Wird der Anspruch bis zum Erlaß (§ 516 A I) des Erkenntnisses fällig, so entfallen die besonderen Prozeßbedingungen der §§ 257—259 von selbst, was noch in der Revisioninstanz zu beachten ist (RGZ 88/178). b 1. Entfällt umgekehrt die Fälligkeit durch eine nicht vom Gläubiger zu vertretende Handlung, so ist, falls nur gestundet ist (vgl. Vertragshilfe G § 1 1 I V , BGB § 1382 V), entsprechend zu erkennen. Liegt dagegen der künftige Fälligkeitzeitpunkt nicht fest, sondern soll er erst noch bestimmt werden, so ist auch die Klage auf zukünftige Leistung unzulässig, und es bleibt nur die Möglichkeit, zur Feststellungklage überzugehen (vgl. BGH v. 23.10.1953 I ZR 106/52). A II. Wegen ihrer Richtung auf die Zukunft stimmen die Klagen mit ihren entsprechenden Feststellungsklagen überein. Darüber, ob zwischen ihnen und dieser der Kläger die Wahl hat, vgl. § 256 C II b 3. B I. Die besonderen Prozeßvoraussetzungen der Klagen auf künftige Leistung werden wie im Fall des § 256 in jeder Lage des Verfahrens von gerichts wegen und noch in der Revisioninstanz geprüft (RG J W 32/2992 17 ) und im selben Umfange (§ 256 C I); also nicht bei Anerkenntnis und Verzicht, wohl aber im streitigen wie im Versäumnisverfahren. Das Anerkennen der Prozeß Voraussetzungen ist wirkunglos; Zugestehen der sie begründenden Tatsachen aber zulässig (§288). In rechtskräftigen Urteilen sind Verstöße nicht mehr behebbar; soweit sie als Leistungurteile unmöglich sind, wirken sie möglicherweise als Feststellungurteil. B n . Scheitert die Klage nur an den besonderen Prozeßbedingungen der §§ 257—259, so ist sie unzulässig (OLG Karlsruhe H R R 36/699); stimmen aber die Prozeßbedingungen mit dem Bestehen des Anspruchs überein, so ist die Klage auch hier sachlich, d. h. als unbegründet abzuweisen (§ 256 B I I I a). B III. Außerprozessual hat die Verurteilung zur künftigen Leistung keine weitere Folgerung. Sie setzt nicht etwa den Verurteilten in Verzug. Auch dürfen Prozeßzinsen erst ab Fälligkeit der Geldforderung zuerkannt werden (BGB § 2911); vgl. aber § 258 B II. C I a) Die von keiner Gegenforderung abhängige Geldleistung kann auf Geld oder auf Duldung wegen eines Geldanspruchs gerichtet sein. a 1. Geld ist sowohl inländisches (Banknoten, Münzen) wie ausländisches (Zahlungmittel). 46
Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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§257 Cl
ZPO I I . Buch
a 3. Die Geldansprüche dürfen von keiner Gegenleistung abhängig sein. Die abhängige Gegenleistung wird regelmäßig aus einem gegenseitigen Vertrag stammen ( B G B §§ 320folg.). Die Abhängigkeit besteht auch, wenn der Schuldner vorzuleisten hat und sogar, nachdem der Gläubiger vorgeleistet hat (RG Warn. 08/671), etwa bei künftigen Mietzinsen (RG H R R 32/989). Darüber hinaus ist die Abhängigkeit aber gegeben, wenn überhaupt eine Gegenleistung besteht, die zu einer Verurteilung Zug um Zug führen könnte ( B G B § 274). Dies gilt auch für Gegenforderungen, die bis zur Fälligkeit der geltend gemachten Forderung ihr aufrechenbar gegenüberstehen würden, selbst wenn sie nicht dasselbe Rechtsverhältnis betreffen (vgl. B G B §§ 387 folg.). Anders ist dies nur, wenn das Zurückbehaltungrecht durch Sicherheitleistung abgewendet worden ist ( B G B §§ 322, 273 I I I ) . Besteht die vom Gesetz geforderte Handlung des Klägers nur in der Bestätigung der Leistung, so liegt eine Gegenleistung überhaupt nicht vor; dies gilt für den Anspruch auf Erteilung einer Quittung ( B G B § 368), der Rückgabe eines Schuldscheins (BGB §371), der Aushändigung eines Orderpapiers (HGB §§424, 448, 653, W G Art. 39 I — KG, zitiert von Marcus im Recht 01/558, ScheckG Art. 34), der Aushändigung des Briefes eines dinglichen Rechts (vgl. B G B § 952) oder eines Schuldrechts (vgl. B G B § 808) und sogar der eines Inhaberpapiers (vgl. B G B § 797). a 4. Auch wenn die Geldleistung von noch Ungewissen Umständen oder einer Bedingung abhängt, darf nicht auf künftige Leistung geklagt werden (RG N § 257/1). b) Räumung und Duldung der Räumung entsprechen sich ebenfalls (Kommentar § 257 C I a 2). b 1. Räumung ist die Aufgabe des unmittelbaren Besitzes ( B G B § 854) eines Grundstücks, einer Wohnung oder eines anderen Raumes (eines Wohnwagens, eines Schiffs). Sie darf indes auch von einem bloß mittelbaren Besitzer verlangt werden ( B G B § 556 I ; und auch von dem, dem nur der Gebrauch an ihr überlassen worden ist, B G B § 556 III), der die Besitzaufgabe des unmittelbaren Besitzers dann bewirken muß; deshalb ist auch die gegen diesen gerichtete Klage auf Räumung zulässig. Gegen den Besitzdiener ( B G B § 855) kann sich dagegen die Räumungklage des Dienstherrn erst richten, wenn er einen Besitz für sich in Anspruch nimmt, m. a. W., er wird Besitzer, sobald er die Räumung gegenüber seinem Dienstherm verweigert; von einem dritten muß die Klage stets gegen den Dienstherrn gerichtet werden. b 2. Nicht hierher gehören die sonstigen Ansprüche auf Herausgabe von Sachen, b 3. Daß der Bäumunganspruch von einer Gegenleistung unabhängig sein muß, sagt das Gesetz nicht. b 4. Doch ist § 257 nicht anzuwenden, soweit Mieter- und Pächterschutz gilt (MSchG §§ 1, 36, vgl. GVG § 23 B I I I ) . C II. Prozeßbedingung ist ferner, daß der zu § 257 C I geschilderte Anspruch an einem kalendermäßig zu bestimmenden Tag zu erfüllen ist. a) Auf bedingte Forderungen ist § 257 nicht anzuwenden. Ist die Fälligkeit von einer Kündigung abhängig, so ist diese ohne weitere ausdrückliche Erklärung in der Klageerhebung zu sehen (RGZ 53/212). Ist nicht bloß eine Erklärung des Klägers abzugeben und abgegeben, sondern noch ein weiteres Tun erforderlich, wie bei einem Sichtwechsel dessen Vorlegung, so wird diese durch die Klageerhebung nicht ersetzt (OLG 18/87). C III. Erkennt der Beklagte den Anspruch sofort an, so müssen den Kläger die Kosten treffen (§ 93, sofern nicht der Beklagte bereits — wenn auch nur mit einer Teilleistung — im Rückstände ist und dann zugleich ein Fall des § 259 vorliegt). §
258
( - )
I Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlaß des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden. A. § 258 betrifft die Klagen auf künftig wiederkehrende Leistungen. Er ergänzt § 257 (vgl. „auch") und fordert wie diese Vorschrift, daß der Anspruch von keiner Gegenleistung (§ 257 C I a 3) abhängt (RGZ 168/321 [325]). § 258 ist deshalb auf Zahlung des Miet- und Pachtentgeltes (RG H R R 32/989) oder des Dienstlohnes (RArbG ZZP 59/410) nicht anzuwenden.
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Verfahren bis zum Urteil
§258
B. Über den Begriff der wiederkehrenden Leistung vgl. § 9 A I c. Ob die Klage auch für im Verhältnis zum Vorprozeß geforderte zusätzliche Renten zulässig ist, vgl. § 323 A IV. Die Leistung braucht nicht auf Geld gerichtet zu sein. B I. Der Anspruch muß bereits zur Entstehung gelangt und seine Fälligkeit nur vom Zeitablauf abhängig sein (OGHZ 4/227). a) Ist der Anspruch aufschiebend bedingt, so stehen weder sein Eintritt noch seine Wiederkehr fest, was § 258 voraussetzt. b) Dagegen hindert der auflösend bedingte Wegfall der Leistungpflicht nicht die Verurteilung (OGH NJW 50/821), wenn auch die erfahrungmäßig eintretenden Ereignisse berücksichtigt werden müssen; also bei einer Verurteilung nach BGB § 843 die Erfahrung, daß die als Richtlinie dienende Erwerbsfähigkeit eines Menschen regelmäßig altersbedingt nachläßt (RG JW 06/30813; vgl. dagegen RG J W 35/29494); oder wenn an saisonbedingte Entgelte anzuknüpfen ist (wie bei einem Tiefbauarbeiter: LG NJW 54/1330); nur wenn die Entwicklung der künftigen Verhältnisse auch nicht erfahrunggemäß zu übersehen ist, ist die Klage auf zukünftige Leistung unzulässig (RGZ 145/196 [198]). B II. Nicht gefordert wird, daß die Leistung regelmäßig wiederkehrt; auch dürfen die wiederkehrenden Leistungen ungleichartig sein (RG J W 00/48 4 ). Die wiederkehrende Leistung braucht z. Z. des Urteilserlasses noch nicht fällig zu sein (RGZ 63/406), und es braucht nicht etwa schon eine fällige Leistung mit eingeklagt zu werden (das Wort „auch" ist darauf nicht zu beziehen: RG N §258/7). Stehen die künftigen Leistungraten kalendermäßig fest, so ist der Antrag auf Zahlung von Verzugzinsen für den Fall des Verzugs zulässig (RG N § 258/1). C. Über die Anwendung des § 93 vgl. § 257 C III (OLG 25/126). Über die Vollstreckbarkeit von Unterhaltrenten (auch der aus unerlaubten Handlungen stammenden) vgl. § 708 I 6, über Abänderungklagen §§ 323, 324. §
259
(-)
I Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der §§ 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. A. § 259 ergreift über §§ 257, 258 hinaus alle zukünftigen Leistungen, mögen sie in Geld oder sonstigen Gegenständen (RG Warn. 12/281) bestehen, von Gegenforderungen abhängig (RGZ 168/321 [325]; also auch bei Miet- und Pachtentgelten: RG VIII HRR 32/989; oder bei Entgeltklagen, wenn bei einer auf künftige Leistung gerichteten Pfändung gegen den Arbeitgeber geklagt wird: RArbG E 18/148 [152]) oder bedingt sein (RGZ 51/243). A I . Doch müssen die Ansprüche aus einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis herrühren (a. M. RG N § 259/10), nicht erst aus einem künftigen (OLG Seuff. 72/107 für Unterhaltansprüche nach der Scheidung; vgl. aber § 627 b I). a) Darüber hinaus wird gewohnheitrechtlich gefordert, daß die künftige Leistung gewiß sein muß (RG Gruch. 58/1082). b) Weiterhin ist die Klage ausgeschlossen, wenn Grundkapital ausgezahlt werden soll (RG N § 259/8) oder wenn die Erfüllungklage unter einer noch zu erteilenden behördlichen Genehmigung steht (RG N § 259/15). A II. Ob unter § 259 die Unterlassungklage fällt oder schon unter § 253 (so Rosenberg Lb. § 85 II 1 c; Baumbach-Lauterbach § 259 Anm. 1 A) und nicht unter § 259 (so: Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 388folg., RG Seuff. 79/34), so daß also die besonderen Prozeßbedingungen dieser Bestimmung nicht vorzuliegen brauchen, ist streitig. Die Voraussetzungen für sie sind zumeist außerprozessual dahin geregelt, daß eine Gefährdung vorliegen müsse (vgl. BGB §§12, 550, 862, 1004, 1053, 1134, RGZ 101/335 [339]); sie decken sich dann mit denen des § 259, so daß der Unterschied nicht praktisch wird, nur daß stets, wenn sie nicht vorliegen, die Klage als unbegründet, nicht als unzulässig abzuweisen ist (vgl. §§ 256 B III a, 257 B II). 46'
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§259 An
ZPO II. Buch
e) Wird auf eine bedingte Leistung erkannt, so ist die Bedingung in das Urteil (seinen Tenor) aufzunehmen (RG N § 289/13); auch darf (nach BGB § 925 II) auf Auflassung, sobald der Beklagte (Zessionar) die Rechtsmacht dazu hat, verurteilt werden (RG J W 30/1325). Deshalb müssen aber auch die Gegenleistungen schon bestimmt oder doch bestimmbar sein (RGZ 168/321 [325f.]). Das entsprechende gilt für Befristungen. B. Im Gegensatz zu §§ 257, 258 fordert § 259 weiterhin, daß zu besorgen ist, „daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde". B I a) Hängt das Unvermögen des Beklagten zur Leistung nicht von seinem Willen ab, so ist § 259 unanwendbar; deshalb begründen seine Zahlungunfähigkeit (OLG 31/375) wie überhaupt sein (unverschuldetes) Unvermögen oder gar die Unmöglichkeit zu leisten, nicht die Klage nach § 259 (KG OLG 5/165). Daß der Schuldner angekündigt aufzurechnen, ist kein Nichterfüllenwollen (OLG H R R 36/699). b) Es entscheidet deshalb zunächst der Wille des Schuldners, nicht zu befriedigen; dieses Wollen (RG J W 36/183913) des Beklagten muß geäußert worden sein. Dazu genügt das Bestreiten der Schuld (BGH NJW 52/817). Doch genügt auch das Nichtbestreiten, wenn der Schuldner nur erklärt, nicht erfüllen zu wollen, also die Erklärung des Wechselakzeptanten, den Wechsel nicht einlösen zu wollen (OLG 5/57). Aus welchem Grunde der Schuldner nicht zahlen will, ist gleichgültig (vgl. RG N § 259/23). c) Andererseits ist die Klage unzulässig, wenn der Schuldner sich der Erfüllung gar nicht entziehen kann und der Gläubiger sich durch Aufrechnung befriedigen kann oder doch durch ein Zurückbehaltungrecht hinreichend gesichert ist. B II. Die Klage ist auch zulässig, wenn der Kläger die Forderung gestundet hat (RG JW 17/48126). Sein Versprechen, bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht gerichtlich vorzugehen, ist überhaupt unbeachtlich (RGZ 90/177 [179f.] und § 253 B V a). Dies gilt auch dann, wenn nur wegen des vertragswidrigen Verhaltens des Gläubigers die Forderung erst künftig (anstatt schon gegenwärtig) fäUig ist (RG J W 17/48125). a) Hat aber der Kläger die gegenwärtige Fälligkeit hinausgeschoben, um den Schuldner zu sichern (etwa für Gewährleistungansprüche), so ist die Klage auf künftige Leistung unzulässig (RG Warn. 08/671). B m . Erkennt der Beklagte sofort an, so ist zwar Urteil zu erlassen, auch wenn die Voraussetzungen des §259 nicht vorliegen (§ 257 B I); die Kosten treffen ihn aber nur, wenn sie z. Z. der Klageerhebung oder bis zum Anerkenntnis vorgelegen haben (§93; OLG 20/312).
§ 260
(232)
I Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten kfinnen, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozeßgericht zuständig und dieselbe Prozeßart zulässig Ist. A I . Der Anspruch (§ 253 B II b) fließt aus dem Rechtsverhältnis, soweit es zwischen mehreren Rechtsubjekten besteht (§ 253 B II b 3). Dieses entsteht durch freiwillige (rechtlich gebilligte) Bindung oder durch den Einbruch einer (oder mehrerer) Rechtsperson(en) in den Freiheitbereich (die Rechtsphäre) einer (oder mehrerer) anderen (oder anderer); es stellt eine Spannung dar, die entsprechend der freiwilligen Bindung oder durch den (gesetzlich gebotenen) Ausgleich (ein-)gelöst wird. Der Anspruch auf Einlösung bzw. Ausgleich ist der Ausgang für die Begriffsbildung des Anspruchs im Sinne des Verfahrenrechts. Was im Einzelfall einzulösen oder auszugleichen ist, folgt aus dem Rechtsgesetz, das an einen gesetzlich normierten Tatbestand eine (oder mehrere) Rechtsfolge(n) knüpft. Stimmt sein Tatbestand mit dem Sachverhalt des (konkreten) Falles überein, so ist in diesem entsprechend der vom Gesetz allgemein (abstrakt) gezogenen Rechtsfolge der (konkrete) Ausgleich (durch logisches Urteil) zu bestimmen (Kommentar § 253 B II a). a) Zur Verwirklichung des Ausgleichs kann nun das Rechtsgesetz eine oder mehrere (sich nicht deckende) Rechtsfolgen ziehen (vgl. RGZ 86/377 [378]), wenn etwa der Ausgleich
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Verfahren bis zum Urteil
§260 Ala
für die Vergangenheit im Schadenersatz, der für die Zukunft in der Unterlassung besteht (vgl. z. B. UWG § 1). a 1. Die verschiedenen Rechtsfolgen, welche das Rechtsgesetz zieht, können gehäuft nebeneinander bestehen. Dementsprechend dürfen im Prozeß die Ansprüche kumulativ gehäuft werden. a 2. Di e Rechtsordnung gestattet aber auch alternative Häufungen von Klageansprüchen indes nur, wenn die Alternative ihren Grund im Gesetz hat, weil sonst gegen die Bestimmtheit des Klageantrags verstoßen wird (§ 253 G III a), also bei Alternativvereinbarungen (vgl. BGB § 264 I, RGZ 53/80), aber auch bei der gesetzlich gewährten Ersatzbefugnis (facultas alternativa, wenn der Gläubiger klagt, vgl. BGB §§ 244 [RGZ 126/2151, 251 II, 528 I 2, 617 I, 775 II, 1712 II, 1973 II 2, 1992 I 2, 2329 II). Anders ist dies in den Fällen, wo es um die Ersetzungbefugnis des klagenden Gläubigers geht, weil dieser hier bestimmen muß (vgl. BGB §§ 340 I, 843 III, 844 II, 845). b) Sie können auch Im Nacheinander zu verwirklichen sein. Soweit der Kläger den Umfang der Verletzung seiner Rechtsphäre gar nicht kennt, gibt ihm die Rechtsordnung regelmäßig Hilfsansprüche (den auf Auskunft, Rechnunglegung, vgl. § 254 A); dadurch entstehen die Hilfsklagen (vgl. § 253 G III a 6), durch die er in die Lage versetzt werden soll, seinen Hauptanspruch zu umgrenzen. Er kann hier aber auch zugleich die Stufenklage (§ 254) erheben. In einen einheitlichen Prozeß lassen sich aber nur die Fälle der §§ 254, 510b bringen. A II. Unter Klagegrund versteht man nicht das Rechtsverhältnis, sondern den Tatbestand des Rechtsgesetzes (der die Rechtsfolge, den Anspruch auslöst), bezogen auf den Sachverhalt des Rechtsverhältnisses (vermittels eines logischen Urteils). Da die gesetzlichen Tatbestände abstrakt normiert sind, kann ein und derselbe Sachverhalt des konkreten Falles unter mehrere normierte Tatbestände fallen; dadurch ergeben sich dann ein oder mehrere Klagegründe für das bestehende Rechtsverhältnis. a 1. Die Vielzahl der Klagegründe vermehrt die Ansprüche nicht, a 2. Ergeben die verschiedenen Tatbestände verschiedene Rechtsfolgen, so kann aus jeder dieser ein Anspruch getrennt von dem anderen verlangt werden, wie bei dem Unfallverletzten der Anspruch auf Heilungkosten (gestützt auf Vertrag und auf Gesetz) und der auf Schmerzengeld (gestützt auf BGB § 847). b) Zu unterscheiden hiervon sind aber die Fälle, wo ein Schaden sich aus mehreren einzelnen Posten errechnet, wie bei der Enteignungentschädigung diese und Schadensersatz für Wertminderung durch Verlegung der Fluchtlinie (RG J W 11/99541). Auch bei Unfallschäden aus demselben Ereignis und damit demselben Rechtsverhältnis sind die einzelnen Schadenposten nur Teilansprüche, wogegen Heilungkostenersatz, Schmerzengeld, Sachschadenersatz verschiedene Ansprüche sind, weil sie als besondere gesetzliche Rechtsfolgen anzusprechen sind (RGZ 151/279 [286]). Dies gilt ferner dann, wenn ein Schaden einmal abstrakt, sodann konkret berechnet wird (RG Warn. 15/267). b 1. Es können aber auch mehrere Ausgleichansprüche rechtlich zu einer Einheit zusammengefaßt sein, so daß sich nur ein einheitlicher Rechtsanspruch ergibt; so verbindet der Unterlassunganspruch alle möglichen Handlungen, während bei anderen Ansprüchen jede einzelne Handlung einen besonderen Anspruch auslösen kann (etwa bei Schadenersatzansprüchen, soweit sie nicht auf einheitlichem Rechtsverhältnis beruhen). In solchen Fällen ist derselbe Gesamtsachverhalt bald als einheitlicher (sich überlagernder, gewissermaßen fortgesetzter) Klagegrund, bald als eine Vielzahl von Einzelgründen zu betrachten. Die rechtliche Einheit des Anspruchs besteht bei sich tatsächlich überlagernden Klagegründen, wenn sie (d. h. jeder von ihnen) sich auf n u r eine bleibende Rechtsfolge beziehen können, so daß neue Tatsachen, welche für sich genommen einen selbständigen Klagegrund abgeben können, keine neue Rechtsfolge auslösen können (weil sie bereits ausgelöst worden ist). In diesen Fällen führt die Häufung der Tatsächlichkeit in der Begründung nur zu derselben Rechtsfolge, der erste Grund überlagert schon alle (möglicherweise) folgenden. Eine Selbstständigkeit kommt den überlagerten tatsächlichen Gründen hier nicht zu. Sie werden deshalb im folgenden wie ein Klagegrund behandelt. Anders ist dies, wo mehrere tatsächliche Vorgänge je eine Rechtsfolge aus-
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lösen, die indes nur einmal vollziehbar ist, etwa wenn derselbe Anspruch einmal aus der Nichtigkeit des Vertrages (z. B. aus BGB § 138), sodann aus der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (BGB § 123) hergeleitet wird; auch in diesen letzten Fällen schließen sich aber die Tatsachen nicht gegenseitig aus. Hier gilt § 260 entsprechend (vgl. RGZ 94/348). b 2. Doch kann auch umgekehrt trotz sonstiger Einheit des Anspruchs die Rechtsordnung die Einheit trennen und mehrere getrennte Ansprüche geben wie bei der auf mehrere Ehebrüche mit verschiedenen Personen gestützten Klage nach § 624 (vgl. RGZ 151/45). A III. Der Ausgleichanspruch kann sich gegen eine oder mehrere Rechtspersonen richten, wie für eine oder mehrere Personen gegeben sein. Je nachdem nun die Rechtsordnung hier die Rechtsfolge für oder gegen den einzelnen oder für oder gegen die Gesamtheit ausspricht, liegt ein Anspruch vor oder es sind mehrere gegeben. a 1. Ein Anspruch ist gegeben für Gesamthandgläubiger oder gegen G e s a m t h a n d schuldner, a 2. mehrere bei Gesamtgläubigern (BGB § 428) bzw. Gesamtschuldnern (BGB §§ 420folg,). a 3. Weitere Fälle ergeben sich aus den Kreuzungen von Mehrheiten der ersten und der zweiten Art. b) Die Fälle der subjektiven Klagehäufung sind in §§ 59 folg. geregelt. Doch gilt auch hier der Grundsatz des § 260, wonach für sämtliche Klagen das Prozeßgericht (örtlich oder sachlich) zuständig und dieselbe Prozeßart gewählt worden sein muß, wobei allerdings die Unzuständigkeit des Gerichts durch Antrag des Klägers nach § 36 I 3 überwindbar ist. Auch ist eine Klage gegen den zweiten Beklagten unzulässig, wenn der Klageantrag nur gegen ihn und für den Fall gerichtet ist, daß er gegen den ersten unbegründet ist, denn dann liegt gegen den zweiten eine unzulässige Alternativklage vor (§ 59 A II a 2). Unbedingt erhoben würde eine solche Klage aber gegen den Beklagten zu 1 auf Leistung, gegen den zu 2 auf bedingte Feststellung gehen können, worauf der Kläger nach § 139 vom Gericht hinzuweisen ist. B. § 260 regelt den Grundfall des einen Klägers gegen den einzelnen Beklagten. Das, was der Kläger im Prozeß gegen den Beklagten begehrt, wird im Klageantrag ausgedrückt (§ 253 B II). Der sich auf den Ausgleichsanspruch beziehende Klageantrag (abgesehen also von den mit dem Verfahren zusammenhängenden Anträgen, von den auf die Prozeßkosten, auf die vorläufige Vollstreckbarkeit u. dgl. m.) kann sieh mit jenem decken, braucht es aber nicht zu tun. B I. Ein begründeter Antrag kann nicht größer sein als der begründete Ausgleichanspruch, wohl aber darf er kleiner sein. a) Werden mehrere Teilansprüche gehäuft, so müssen sie klar abgegrenzt sein (§ 253 G I I I a 7). b) Darüber hinaus darf der Kläger Ansprüche für den Fall erheben, daß seinem Hauptantrag nicht stattgegeben wird (RG Warn. 36/86), aber nicht für den Fall, daß ihm stattgegeben wird (RGZ 144/71 [73] entscheidet darüber nicht). Doch darf keine Partei die Auswahl ihrer Ansprüche dem Gericht überlassen, sondern muß die Reihenfolge der Prüfung durch Eventualstellung selber bestimmen (RG Warn. 38/19). b 1. Zulässig ist die eventuelle Anspruchhäufung, etwa wenn der Kläger den Beklagten aus der ihm abgetretenen Forderung des A, hilfsweise aus der ihm abgetretenen des B in Anspruch nimmt (RGZ 144/71). b 2. Eventuell können auch Ansprüche geltend gemacht werden, die aus demselben Sachverhalt verschiedene rechtliche Folgen ziehen (RG Seuff. 77/157). Dies gilt, wenn Minderung des Kaufpreises, eventuell Schadenersatz wegen Nichterfüllung gefordert wird (RGZ 87/237). b 3. Es darf auch ein Sachverhalt vorgetragen werden, der zu sich widersprechenden Rechtsfolgen führt, also wo die Ansprüche in einem solchen Abhängigkeitverhältnis zueinander stehen, daß der eine den anderen ausschließt (RG J W 95/48636). An dieser Rechtslage ist durch § 138 I nichts geändert, da er nur die Wissens- (nicht die Willens-)erklärungen betrifft (vgl. RGZ 144/71). Allerdings darf der Kläger nicht sich widersprechende Wissenserklärungen abgeben, wohl aber darf er sein Wissen erklären und für den Fall, daß das G e r i c h t ihm nicht
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folgt, sondern das Gegenteil feststellt, die rechtlichen Folgerungen durch einen Hilfsantrag daraus ziehen. b 4. Läßt die Rechtsordnung das von dem Kläger mit Haupt- und Hilfsantrag erstrebte deshalb nicht bestehen, weil das Begehren des Hilfsantrags den Hauptantrag zu Fall bringen muß und umgekehrt, so ist aus diesem Grund im ersten Fall der Hauptantrag abzuweisen, während es im zweiten zum Ausspruch der Abweisung des Hilfsantrags nicht kommt. B H a. Die Regel des § 260 denkt an mehrere Klageansprüche, die unter mehrere Klagegründe fallen (vgl. RGZ 86/377 [378]), so daß zu je einem Klageanspruch ein bestimmter Klagegrund gehört. Doch sind Überschneidungen möglich; sie sind wie die bei einem Einzelanspruch zu behandeln (d. h. § 260 ist entsprechend anzuwenden; § 260 D). a 2. Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ansprüchen braucht nicht zu bestehen. b) Im Gegensatz zum Klageantrag(-anspruch), auf den das Gericht keinen Einfluß nimmt (§ 308 I), steht die Klagebegründung, die es von sich aus prüft (iura novit curia, § 253 G IV a 1), grundsätzlich, gleichviel ob der Kläger sich darauf bezieht oder nicht, wenn er auch den zu ihr gehörenden Sachverhalt vortragen muß (§ 253 G IV a 2; a. M. BGH v. 15. 11. 1956 II ZR 147/55 S. 8, der den Grundsatz dann nicht anwenden will, wenn der Kläger sich auf den Klagegrund nicht beziehe). Diese Klagegrundhäufung sieht BGHZ 9/22= J R 53/224 nicht als Klagehäufung an. b 1. Soweit sie den Klageantrag rechtfertigt, wird über sie alternativ nach Wahl des Gerichts (vgl. aber § 260 B II b 3) entschieden (vgl. RGZ 151/45 [47]). Indes darf der Kläger erst abgewiesen werden, wenn keiner der Klagegründe durchgreift (RG DR 42 A 123715). Über die Frage, ob im Fall des § 304 dem Kläger alle nur möglichen Klagegründe zugesprochen werden müssen, vgl. § 304 B II b 1. Es darf über keinen Klagegrund Teilurteil erlassen werden (RG HRR 29/1697). Wird ein Klagegrund übergangen, so gibt das dem Kläger keinen Ergänzunganspruch nach § 321, sondern unmittelbar und nur den Rechtsbehelf (RG JW 19/249 1 '). Es genügt, wenn in der Rechtsmittelbegründungschrift zu einem Klagegrund Stellung genommen wird (RGZ 149/202 [205], da das übrige außerprozessuale Recht auch in der Revisioninstanz von Gerichts wegen nachgeprüft wird, vgl. § 559 B II a). b 2. Der Kläger darf aber auch die Klage auf bestimmte Klagegründe beschränken (RGZ 151/93 [98]). Auch darf der Kläger die Reihenfolge der Klagegründe bestimmen (RG Warn. 38/19). Gegen die Beschränkung der Klagegründe kann sich der Beklagte durch Erhebung der negativen Feststellungklage wenden. b 3. Darüber hinaus darf der Kläger auch die Klagegründe in eine Eventualstellung bringen und so das Gericht dazu zwingen, sie in der von ihm bestimmten Eventualfolge zu prüfen. b 4. Eine Trennung der Klagegründe kann dadurch eintreten, daß für sie verschiedene Gerichte (die Arbeit-, die Verwaltung-, die Verwaltungsondergerichte) zuständig sind (vgl. GVG §§ 12 C II, I I I ; 13 B IV). Fehlt für einen der Klagegründe dem Gericht die Gerichtsbarkeit, so durfte es grundsätzlich nur über die anderen entscheiden; lediglich in den Gründen war zu sagen, daß über diesen Grund nicht entschieden worden ist; die Klage selbst war als unbegründet, nicht als unzulässig abzuweisen (RG HRR 36/1359). Sind die zur Entscheidung berufenen Gerichte durch ein Verweisungrecht untereinander verbunden, so sollte man jedes angegangene über die mehreren Klagegründe erkennen lassen; sonst kommt es dazu, daß das angegangene Gericht verweisen muß, während das angewiesene über ihn entscheidet (vgl. RG N § 528/11 in einem Fall, wo das ArbG verwiesen hatte, weil es annahm, daß der Kläger Beamter war, während das ordentliche Gericht dazu kam, ein Angestelltenverhältnis anzunehmen). c 1. Einige Einzelnormen hindern den Kläger daran, gewisse Klagegründe für einen späteren Rechtetreit zu verwerten, m. a. W., das Gesetz schließt ihn mit diesen, wenn er sie nicht benützt, aus, begründet gegen ihn also einen dem Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache entsprechenden (obwohl über sie nicht entschieden ist). Dahin gehören § 616 (EheG § 51 II), PatentG § 54; MSchG § 17 (vgl. auch C1M und CIV Art. 50 § 2).
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c 2. Wird negativ auf Feststellung geklagt, so muß der Kläger alle Einwendungen und persönlichen Einreden bei Vermeidung ihres Verlustes nach § 767 II, I I I häuien (vgl. § 256 E I I b 3). B III a) Der Beklagte ist dagegen gezwungen bei Vermeidung eines Verlustes alle Einwendungen und Einreden gegen den Klageanspruch zu häufen (§ 767 II, III), wenn er auch grundsätzlich (vgl. auch § 616 I 2) nicht gezwungen werden darf, Widerklage zu erheben. Entsprechend wird er gegenüber der negativen Feststellungklage, also wenn er seinen positiven Standpunkt verteidigt, bei Verlust der „Klage"-gründe zu ihrer Häufung gezwungen (vgl. § 260 B I I c 2), wenn er sie als Kläger verlieren würde. a 8. Im Fall des g 6 1 6 1 2 wird der Beklagte sogar gezwungen, Widerklage zu erheben, falls er seine Widerklagegründe nicht verlieren will. b) Der Antrag des Beklagten verbietet es ihm nicht, sich widersprechender Verteidigungmittel zu bedienen (BG J W 93/499). b 1. Auch hier gilt der Grundsatz: iura novit curia (§ 253 G IV a 1). Anders ist dies nur für die Aufrechnung, die im Prozeß geltend gemacht werden muß (vgl. § 322 II) und für Einreden (§ 260 B I I I b 2). b 2. Wie bei dem Einwand der Aufrechnung (§ 260 B I I I b 1) muß der Beklagte sich auf Einreden (§ 253 B IV b 2) ausdrücklich beziehen, wenn daB Gericht über sie entscheiden soll, weil er sich nicht auf sie zu beziehen braucht. B IV. Die gehäuften Anträge und die gehäuften Klagegründe führen zunächst zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. a) Sie erübrigen nicht die Prüfung, ob die (sonstigen) Prozeßbedingungen gegeben sind. Fehlen sie, so ist der Klageanspruch unzulässig, der Klagegrund nicht verfolgbar. Das Prozeßgericht darf die Verhandlung nach § 146 zunächst auf die Prozeßbedingungen beschränken (§ 145), die selbständigen Ansprüche, nicht aber eventuell geltend gemachte und nicht die einzelnen Klagegründe abtrennen. Die sachliche Zuständigkeit (vgl. § 5) wird durch eine gerichtlicherseits bewirkte Trennung nicht berührt (§ 263 I I 2). a 1. Die vom Gericht bewirkte, aber ihm verbotene Trennung ist mit den ordentlichen Rechtsmitteln verfolgbar. b) Rechtshängig werden grundsätzlich alle Klageansprüche und -gründe im Rahmen des Klageantrags, die auf Grund des vorgetragenen oder im Rahmen einer gesetzlich zugelassenen Klageänderung (§ 268 I 1) vorzutragenden Sachverhalts erhoben bzw. zu erheben sind, so daß also der identische Anspruch nicht mit anderen Klagegründen besonders verfolgt werden darf. Dies gilt auch, soweit der Klagegrund bei identischem Anspruch zulässigerweise beschränkt ist, in bezug auf den weggelassenen Klagegrund, weil bei der Rechtshängigkeit es auf den Klageanspruch, nicht auf den Klagegrund abgestellt wird (RG J W 11/50 44 ). b 1. Nicht ausgeurteilte Hilfsansprüche werden, wenn zugunsten des Klägers über den Hauptanspruch entschieden worden ist, gegenstandslos (RG J W 99/433'); doch erlischt ihre Rechtshängigkeit nicht; sondern der HiLfsanspruch gelangt, wenn der Beklagte ein Rechtsmittel einlegt, ohne daß ein Anschlußrechtsmittel eingelegt werden müßte, in die Rechtsmittelinstanz (BGH N J W 57/1398; RG N § 247/85 ließ das Anschlußrechtsmittel auch in diesen Fällen zu). Seine Rechtshängigkeit erlischt erst, wenn der Hauptanspruch rechtskräftig ausgeurteilt ist. Eventualwiderklagen (§ 33 D) werden wie die Eventualklageanträge behandelt; sie lösen die Rechtshängigkeit aus. b 2. Nur der Aufrechnungeinwand macht nach h. M. die aufgerechnete Forderung nicht rechtshängig (§ 263 A I o 1). Wird indes ein Aufrechnunganspruch zurückgewiesen, so muß der Beschwerte sich mit dem Rechtsmittel dagegen wehren; es gilt dann dasselbe wie für das sonstige Verhältnis von Haupt- und Hilfsanspruch (§ 260 B IV c 6), nur daß, wenn die Klage nur wegen des Hauptanspruchs abgewiesen wird, über die zurückgewiesene, zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden wird, weil die Gegenforderung mit Rechtskraftwirkung nur abgesprochen wird, wenn bei bestehendem Hauptanspruch der Klage trotz der Aufrechnung stattgegeben wird (§ 322 II).
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b 3. Abgesehen von der Aufrechnung (§ 260 B IV b 2) brauchen grundsätzlich zurückgewiesene Klagegründe, soweit sie nicht Inhalt des Urteilserkenntnisses (regelmäßig des Tenors) sind, nicht rechtsmittelmäßig bekämpft zu werden. Sie sind in jeder Instanz von neuem zu prüfen. Sind sie aber Inhalt einer rechtskräftigen Entscheidung, so ist der Rechtsmittelangriff erforderlich (vgl. § 260 B IV c 7). b 4. Soweit Einreden hilfsweise geltend gemacht werden, die zu einer Verurteilung Zug um Zug führen, entspricht die Rechtslage der Aufrechnung insoweit, wie der dem Zurückbehaltungrecht zugrunde liegende (Gegen-)Anspruch nicht rechtshängig wird; über ihn wird aber auch nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden (§ 322 F II b). c) Entschieden werden muß in erster Linie über den Hauptantrag, sodann über die Eventualanträge in der Reihenfolge, wie sie der Kläger haben will. In der Regel wird so sachlich zu entscheiden sein. c 1. Doch kann auch der Hauptantrag im Verhältnis zum Eventualantrag unzulässig sein. Da die Entscheidung einheitlich zu treffen ist, kann die Verteidigung des Beklagten dazu führen, daß abweichend von der vom Kläger gewählten Reihenfolge zu entscheiden ist. Erklärt der Kläger den Hauptanspruch (einer vorbeugenden Unterlassungklage) in der Hauptsache für erledigt und stellt er nur noch einen Kostenantrag und beantragt, hilfsweise nach dem Hauptantrag zu erkennen, so zwingt der Antrag des Beklagten, die Sache nicht für erledigt zu erklären, sondern die Klage abzuweisen, zur Entscheidung darüber, ob der Hilfsantrag des Klägers begründet ist (RGZ 156/372 [377]). Eine dementsprechende Rechtslage ergab sich, als gegen einen stattgegebenen Hilfsantrag auf Zahlung Revision eingelegt wurde, während wegen des abgewiesenen Hauptantrags auf Eigentumsübertragung an einem Grundstück Anschlußrevision eingelegt wurde; hier durfte über die Revision erst dann entschieden werden, wenn die Anschlußrevision unbegründet war (RGZ 169/65 [69]). c 2. Unzulässig ist es, wenn das Gericht, anstatt über den Hauptantrag, nur über den Hilfsantrag entscheidet (RGZ 152/292 [296]). Vielmehr muß der Hauptantrag abgewiesen werden, wenn dem Hilfsantrag nach erkannt werden soll. Die Rechtshängigkeit des Hauptanspruchs erlischt aber, wenn nicht rechtzeitig die Ergänzung des Urteils beantragt worden ist (§ 321); doch darf der Kläger auch unmittelbar ein Rechtsmittel einlegen, wenn er die Verletzung des § 308 I rügt, weil über den Hilfsantrag erst nach dem Hauptantrag zu entscheiden war (RGZ 156/372 [376]), und entsprechend darf er sich dem Rechtsmittel des Gegners wegen des übergangenen Hauptanspruchs anschließen. Dagegen hat der Beklagte nur das Recht der Ergänzung (§ 321), nicht aber das Rechtsmittel wegen der Nichtentscheidung (RGZ 152/292 [297]), abgesehen von dem gegen das Ergänzungurteil, auch wenn es den Ergänzungantrag als unzulässig zurückweist. c 3. Unzulässig ist es auch, wenn ein Gericht, anstatt nur über den Hauptantrag zu entscheiden, zugleich (alternativ) über den Eventualantrag entscheidet (BGH MDR B 760/52). c 4. Weist das Gericht nur den Hauptantrag zurück und vergißt es den Hilfsantrag, so hat der Kläger das Recht, ein Ergänzungurteil zu beantragen (§ 321); er darf aber auch den Anspruch erneut in der Berufunginstanz geltend machen; das Rechtsmittel allein wegen der Nichtbescheidung steht ihm aber nicht zu (RG Gruch. 59/932 [934]). c 5. Ist dem Haupt- oder einem vorrangigen Hilfsantrag stattgegeben, so werden die folgenden Hilfsanträge gegenstandslos (über ihre Behandlung in der Rechtsmittelinstanz vgl. § 260 B IV b 1). c 6. Zurückgewiesene Hanpt- und Hilfsansprüche müssen dagegen mit dem Rechtsmittel oder mit der Anschließung verfolgt werden (a. M. BGH MDR B 524/53). c 7. Über die rein innerprozessuale Wirkung der Entscheidung über verschiedene Klagegründe vgl. § 260 B IV b 3, über die weitere Wirkung der Aufrechnunggründe vgl. § 260 B IV b 2. Wurde nicht nur über einzelne Ansprüche, sondern über Rechtsverhältnisse (i.S. des § 256 B I) entschieden, so wird damit der Klagegrund des Rechtsverhältnisses in die Entscheidung gezogen, und damit der Rechtskraftwirkung und dem Rechtsmittelangriff ausgesetzt, so daß, wenn etwa einer Feststellungsklage auf Grund des BGB § 823 stattgegeben
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wird, dagegen die aus StVG § 7 zurückgewiesen wird, wie umgekehrt, die Zurückweisung rechtsmittelmäßig verfolgt werden muß. Dasselbe wird man für Grundurteile gelten lassen müssen (vgl. § 304 B II b 1). C. Nach § 260 ist Prozeßbedingung für die Klage(anspruchs)häufung, daß zwischen Kläger und Beklagtem das Prozeßverhältnis (§ 38 B III) besteht, daß für sämtliche Ansprüche das Prozeßgericht zuständig ist und daß sie in derselben Prozeßart (§ 260 C I I I a) erhoben worden sind. C I. Über die Frage, inwieweit unter verschiedenen Parteien Ansprüche gehäuft werden dürfen, vgl. §§ 59, 60. b 1. Haben zwei Kläger gemeinsame Ansprüche gegen zwei Beklagte, daneben der erste noch Ansprüche anderer Art gegen den ersten Beklagten, der zweite gegen den zweiten, so ist nach der hier vertretenen Auffassung (vgl. § 59 A II) auch eine solche Klagehäufung zulässig. b 2. Das entsprechende gilt, wenn ein und dieselbe Partei durch mehrere Vertreter gesetzlich vertreten wird. c) In nachträglicher Parteieinführung oder Parteiwechsel liegt ein Fall der Parteiänderung, der im wesentlichen der Klageänderung entsprechend behandelt wird (§ 264 E). C II. Unter dem Begriff der Zuständigkeit i. S. des § 260 versteht die Prozeßordnung die örtliche (§ 12 A) und die sachliche (§ 1 B III b). b) Einen allgemeinen Gerichtstand des Sachzusammenhangs kennt die ZPO nicht (RG Gruch. 50/423); vgl. aber über die Verbindung persönlicher und dinglicher Klagen §§ 25, 26 und G gegen Wettbewerbsbeschränkungen § 88. b 1. Bei der sachlichen Zuständigkeit kann die Häufung der vermögensrechtlichen Ansprüche dazu führen, die landgerichtliche Zuständigkeit zu begründen (Kommentar § 5 B I a), wie umgekehrt auch die land- oder die amtsgerichtliche vereinbart sein oder werden kann (§ 38 C), soweit die Vereinbarung zulässig ist (§ 40). Über die Frage der Vereinbarung ausschließlicher Zuständigkeit und ihrer Wirkung vgl. § 38 C I c 1. Ist das Amtsgericht für den einen Anspruch ausschließlich zuständig, für den anderen aber das Landgericht ausschließlich, so ist die Klageverbindung unzulässig. Ist dagegen nur für den einen Anspruch ein Gericht ausschließlich zuständig, so darf der andere auch vor diesem Gericht erhoben werden wenn auch für ihn allein die Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet wäre. b 2. Wird eine Klage mit gehäuften Ansprüchen vor die Kammer für Handelssachen des Landgerichts gebracht, obwohl auch nur einer der gehäuften Ansprüche nicht vor sie gehört, so ist GVG § 97 anzuwenden. b 3. Die örtliche Zuständigkeit muß für jeden der gehäuften Ansprüche beim selben Gericht gegeben sein (RG Gruch. 50/423). c) Nicht zu fordern ist es, daß die sachliche und die örtliche Zuständigkeit von Anfang an gegeben sind (vgl. §§ 10, 39, 512a, 528, 549 II). Wird der Klageanspruch nur erweitert (§ 268 I 2, auch durch Erhebung einer Zwischenfeststellungklage, § 280), so kann ihm die fehlende sachliche oder örtliche Zuständigkeit nicht mehr entgegengehalten werden, wenn sie in bezug auf den vorangegangenen Teil schon bestand; anders ist dies bei der sachlichen Zuständigkeit, wenn dadurch das LG zuständig wird (vgl. § 506). Ist die Zuständigkeit einmal gegeben, so wird sie fixiert (§ 263 C II). C III. Weiterhin muß dieselbe Prozeßart für die gehäuften Ansprüche gewählt sein. Dagegen ist die verschiedene Klageart bedeutunglos. a) Unterschiedliche Prozeßarten sind a 1. das ordentliche Verfahren, a 2. das Beweissicherungverfahren (§§ 485folg.), a 3. der Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozeß (§§ 592folg.), a i. Ehe-, Kindschaft- und Entmündigungverfahren (§§ 606folg.), die unter sich keine Häufung vertragen,
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a 6. das Mahnverfahren (§§ 688folg.), a 6. das Urkunden-, Wechsel- und Scheckmahnverfahren (§ 703 a), a 7. die Vollstreckung (§§ 704folg.), a 8. das Arrest- und einstweilige-Verfügung-Verfahren (§§ 916folg.), a 9. das Aufgebotverfahren (§§ 946folg.), a 10. das schiedsrichterliche Verfahren. b 1. Kraft besonderer Gesetzesbestimmungen sind die Klagehäufungen beschränkt nach MSchG §§ 15, 36 und ausgeschlossen ist die Häufung der Klage auf Entschädigung nach CIM + CIV Art. 50 § 5 mit der Rückgriffsklage. b 4. Welche Klageverbindungen der Klagen des 6. Buches zugelassen sind, ist in §§ 615, 633, 638, 640 II, 667, 679 IV, 684 IV, 686 IV geregelt. C IV. Fehlt die Zuständigkeit für einzelne Ansprüche, so ist regelmäßig für die, für welche sie gegeben ist, die Klage zulässig und durchzuführen. a) Wird allerdings dadurch, daß sie einigen Ansprüchen fehlt, die landgerichtliche Zuständigkeit hinfällig (vgl. § 5 A I), so ist auch für die verbleibenden die Unzuständigkeit gegeben. Stellt bei Ansprüchen, welche nicht zur Zuständigkeit des Gerichts gehören, die Partei einen (zulässigen) Verweisungantrag, so sind die Ansprüche abzutrennen (§ 145), und der Streit ist an das örtlich bzw. sachlich zuständige Gericht zu verweisen (§ 276). Ist auch dieses Gericht für die übrigen Ansprüche zuständig (besonders bei der sachlichen Zuständigkeit), so darf anstatt der Verweisung einzelner Ansprüche auch die der gesamten Klageansprüche beantragt werden, soweit der Kläger die Klage auch ohne Zustimmung des Beklagten zurücknehmen darf (§ 2711), andernfalls nur mit seiner Zustimmung (§ 2 7 1 1 in entsprechender Anwendung). b) Ist das Gericht zur Entscheidung über den Hauptantrag unzuständig, für den Hilfsantrag aber zuständig, so ist, wenn nicht zu verweisen ist, der Hauptantrag als unzulässig zurückzuweisen und über den Hilfsantrag zu entscheiden. Ist auch er unzulässig, so wird die gesamte Klage als unzulässig abgewiesen; ist er dagegen unbegründet, so wird er als unbegründet (nicht als unzulässig) zurückgewiesen (RG Gruch. 44/735; a. M. RG J W 03/372 1 ). Ist dagegen von gerichts wegen zu verweisen, so muß ohne Rücksicht auf den Hilfsantrag verwiesen werden (BGH N J W 56/1357 für BVerwGG § 81; vgl. auch § 260 B I I b 4). Ist das Gericht für den Hauptanspruch zuständig, für den Hilfsanspruch unzuständig, so darf es nicht trennen. Vielmehr muß es über den Hauptanspruch sachlich entscheiden. Wird der Hauptanspruch abgewiesen und muß wegen des Hilfsanspruchs verwiesen werden, so sollte dies erst mit Rechtskraft (oder bedingt durch sie) geschehen. Wird umgekehrt auf Grund eines Antrags des Klägers wegen des Hauptanspruchs verwiesen, so darf der Hilfsantrag nicht abgetrennt werden, selbst wenn für ihn das Gericht zuständig ist, das verweist (vgl. BGH N J W 56/1357). Vielmehr wird das angewiesene Gericht hierauchfürdenHilfsantragnach§276II(usw.)zuständig. c) Sind Ansprüche verschiedener Prozeßarten gehäuft, so sind sie grundsätzlich zu trennen (§ 145, a. M. BGH v. 24. 5.1954 IV ZR 147/53), wenn sie nicht im Eventualverhältnis gebracht sind. Ein im Eventualverhältnis erhobener Anspruch ist bei unzulässiger Verbindung, sobald über ihn zu entscheiden ist, als unzulässig zurückzuweisen. Über die Abweisung der Klage bei unzulässigerweise nicht substantiierten Teilansprüchen vgl. § 253 G I I I a 7. Ist ein gehäufter Anspruch im Urkundenprozeß erhoben, der in dieser Prozeßart nicht verfolgbar ist, so wird er als in der gewählten Prozeßart unzulässig abgewiesen (§597 I I ; RG LZ 27/318 20 ). c 1. Entsteht die Häufung nach § 260 durch das Gericht, so ist die unzulässige Verbindung jederzeit von gerichts wegen aufzuheben. Wäre in letzter Instanz zu trennen, dennoch aber zugleich zu entscheiden, so braucht nicht getrennt zu werden (a. M. BGH v. 24. 5.1954 IV ZR 147/53). c 2. Entsprechend sind verbotene Trennungen (vgl. § 260 C I I I a), die von gerichts wegen vorgenommen wurden, wieder aufzuheben. D. § 260 wird auch bei der Häufung von Klagegründen entsprechend angewandt, d. h. auch bei ihnen soll grundsätzlich die Zuständigkeit des Gerichts (RGZ 27/385) wie die Zu-
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lässigkeit des Urkundenprozesses bestehen, wenn sie geprüft werden (die anderen Fälle des § 260 werden bei ihnen nicht praktisch). D I. Klagegründe können auch im Laufe des Prozesses gehäuft werden; regelmäßig liegt dann eine nach § 268 1 1 gesetzlich zugelassene Klagerweiterung (vgl. § 268 B) vor. D II. Bei mehreren Klagegründen a) darf das Gericht alternativ entscheiden. b) Unter ihnen gibt es weder Teil- noch Zwischenurteile (§ 303 A I I b 1).
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I Der Termin zur mündlichen Verhandlung soll nur so weit hinausgerückt werden, als es zur Wahrung der Einlassungsfrist geboten erscheint. A. Der Termin wird vom Vorsitzenden bestimmt (§216 11); überweist indes der Vorsitzende den Streit dem Einzelrichter (§ 348 B), so bestimmt dieser den Termin (KG J W 26/845' beiläufig). A I. Regelmäßig soll der Termin (der innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Klage bei Gericht, § 216 II, und Bezahlung der Prozeßkostengebühr bestimmt werden soll) nur so weit hinausgerückt werden, wie dies die Einlassungfrist (§ 262) gebietet. A n a ) §§ 618, 640 I, 670, 679 IV, 684 IV, 686 IV schreiben vor, daß § 261 nicht anzuwenden sei. b) Soweit eine Anfechtungklage gegen einen Gesellschaftsbeschluß erhoben wird, ist ferner bestimmt worden, daß die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf der Monatsfrist des AktienG § 199 I stattfinden darf (AktienG § 199 I I I 2). c) Bei Rückgriffsklagen nach CIV + CIM Art. 50 darf im Falle einer Streitverkündung der erste (streitige) Termin nach Eingang der Streitverkündungschrift erst abgehalten werden, wenn die vom Gericht zu bestimmende Beitrittfrist (Art. 50 § 1 1 2) abgelaufen ist. A i n . In den Bechtsmlttelinstanzen gilt der Grundsatz des § 261 ebenfalls (vgl. dazu §§ 520,557). Doch darf hier Termin erst nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungfrist angesetzt werden. B. Der, welcher den Termin bestimmt, soll nach pflichtmäßigem Ermessen handeln (RGZ 130/154 [156]). Verstößt er dagegen, so ist nach der hier vertretenen Auffassung nur Beschwerde (§252) zulässig. §
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I Nach der Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist die Ladung der Parteien durch die Geschäftsstelle zu veranlassen. n Dem Beklagten ist mit der Ladung die Klageschrift zuzustellen. Mit der Zustellung der Klageschrift soll, sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, die Aufforderung verbunden werden, etwaige gegen die Behauptungen des Klägers vorzubringende Einwendungen und Beweismittel unverzüglich durch den zu bestellenden Anwalt in einem Schriftsatz dem Gericht mitzuteilen. A. § 261a I ( = § 497 I 2) bestimmt wie bei allen Zustellungen von gerichts wegen (§ 2111), daß die Ladung zum Termin von der Geschäftstelle zu veranlassen ist. Die Vorschrift des § 261a I gilt für jeden Termin; doch bedarf es der förmlichen Ladung bei verkündeten Terminen nicht (§ 218), auch nicht gegenüber dem Nichterschienenen, sofern nicht die besonderen Fälle der §§ 335 II, 337 I 2 oder die der persönlichen Ladung einer nicht anwesend gewesenen Partei nach §§ 141 II, 272 b IV, 296, 618 I I (und der Vorschriften, die hierauf verweisen, vgl. §§ 640, 670, 684 IV, 686 IV) oder die des § 450 I 2 gegeben sind (für den Anwesenden gilt diese nicht).
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Verfahren bis zum Urteil
§261 a
A I a) Geladen werden die Parteien, die Gläubiger, welche sich der Klage nicht angeschlossen haben, auf Antrag des Drittschuldners nach § 856 III, jeder Streitgehilfe, auch der noch nicht zugelassene (§ 71 III), der als Urheber Benannte (§§ 76, 77), die Rechtsnachfolger (§ 239 II), die Nacherben (§ 242); aber nicht mehr die alte Partei, nachdem die frühere Partei ausgeschieden und an ihre Stelle eine neue getreten ist. Dabei ist an Stelle der Partei ihr Prozeßbevollmächtigter (§ 176), an Stelle der prozeßunfähigen ihr gesetzlicher Vertreter (§ 171) zu laden. In Zwischenstreiten mit dritten (vgl. §§ 71, 135, 387folg., 402) sind a u c h diese dritten zu laden, sofern Termin für den Zwischenstreit angesetzt ist. Über die Ladung von Beweismitteln vgl. §§ 377, 402, 450. b) In all diesen Fällen muß die Geschäftstelle von sieh aus alle in betracht Kommenden laden, und zwar bis auf den Fall des § 856 I I I ohne besonderen Antrag eines Beteiligten und ohne Anordnung des Gerichts. b 1. Darüber hinaus hat die Geschäftstelle in Ehesachen (nicht aber in Kindschaftsachen) dem nicht als Partei beteiligten Staat(sanwalt) von dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung Kenntnis zu geben (§ 607 11 2), desgleichen von allen Terminen bei der Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche und ihrer Wiederaufhebung (§ 652 I 2, 663 II, 676 III); im darauffolgenden Anfechtungprozeß ist der „Staatsanwalt" Partei (vgl. §§ 666, 679IV), nicht aber in denen wegen Trunksucht (wo er nur im Fall des § 686 III Partei werden kann). b 2. Über sonstige Mitteilungen der Geschäftstelle vgl. § 253 F II b 3. A II. Die Ladung muß förmlich zugestellt werden (§ 329 III), soweit nicht die Prozeßordnung andere Formen gelten läßt (§ 337 I 2 gilt allgemein). a) Im Fall der §§ 251a I 3, 331a I 2 wird der Verkündungtermin den Nichterschienenen durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt (obwohl sich sonst die Ladung zu den — regelmäßig •— verkündeten Terminen erübrigt, § 218 A). Vgl. ferner §§ 497 I 4, 696 I 3, 366 II, 370 II. b) Die Ladung ist in öffentlicher Form zu fertigen. Sie soll den Termintag, die Terminstunde (vgl. § 216 C I), den genauen Ort (§ 219 A I, III) und die Aufforderung enthalten, in dem Termin zu erscheinen (§ 214 B I a). Auch soll in ihr allgemein angegeben werden, wozu der Termin bestimmt worden ist. Säumnisfolgen werden in ihr regelmäßig nicht angedroht (§ 2311); doch ist die etwaige Abkürzung der Ladungfrist mitzuteilen (§226111). Auch ist nach MSchG § 10 I auf die Möglichkeit, daß Versäumnisurteil gegen den Beklagten ergehen kann, hinzuweisen. Im Verfahren, in dem Anwaltzwang herrscht und die Ladung an keinen Anwalt ergeht, soll sie zudem die Aufforderung zur Anwaltbestellung enthalten (§ 215). c) Nichtbeachtung der Vorschriften gegenüber einem zu Ladenden schließt jede unmittelbare oder mittelbare Schlußfolge wegen Säumnis gegen diesen aus. c 1. Mängel der Zustellung werden nach § 187 1 1 geheilt. B. Nach § 261a II 1 ( = § 498 I) soll die Klageschrift zugleich mit der Ladung zugestellt werden (vgl. §§ 340a I 2, 700). B I. Wird aber der Vorschuß nicht gezahlt und infolgedessen noch kein Termin anberaumt, so ist die Klage zunächst zuzustellen, und es unterbleibt die Ladung zum Termin; jedenfalls wird so verfahren, wenn zugleich ein Armenrechtverfahren eingeleitet wird. Von der Zustellung der Ladung hängt die Klageerhebung (§253 1) nicht ab (§ 253 F II b 1). Mit der Klagezustellung wird der Streit rechtshängig (§§ 263folg.), und es werden all die Folgen ausgelöst, die sonst das Gesetz daran knüpft (§ 263 C). Wirksam kann die Klage nur von gerichts wegen, nicht auf Betreiben der Partei zugestellt werden (RG JW 36/27098), auch im Anwaltprozeß. a) Werden Klage und Ladung zugleich zugestellt, so ist bis zum Termin zugunsten des Beklagten (und seiner Streitgehilfen) die Einlassungfrist zu wahren (§§ 262, 499, 604 II), bei der Ladung dagegen die Ladungfrist gegenüber allen Beteiligten (§§ 217, 604 II 2, 605 a, über die letzte vgl. ferner §§ 497 I 4, 496 IV 2, 696 I 3). B II. § 261a II 2 (in amtsgerichtlichen Verfahren ersetzt durch § 498 II 1) verlangt, daß, wenn die Klage (nicht die Ladung) keinem Rechtsanwalt zugestellt wird, der Beklagt« aufzufordern ist, seine Verteidigung unverzüglich schriftsätzlich durch einen zu bestellenden Anwalt
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vorzubringen, a) Über die Frage, ob in der Zeit vor Klageerhebung schon jemand als Prozeßbevollmächtigter bestellt sein kann, vgl. §§ 176 B I, 81 A I I b 1. b) Ist die Aufforderung erforderlich, unterbleibt sie aber, so darf gegen die nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei kein Versäumnisurteil ergehen (vgl. § 215 B), selbst wenn auch die Partei nicht erscheint. Weitergehende Folgen hat die fehlende Aufforderung nicht. c) Unterbleibt trotz Aufforderung die unverzügliche (vgl. BGB § 121) schriftsätzliche (§ 129 II) Erwiderung, so darf das Vorbringen nach §§ 279 II, 283 I I als verspätet zurückgewiesen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen, also im besonderen die des § 272, und wenn sie nicht in bloßem Bestreiten bestehen, das auch in der mündlichen Verhandlung gebracht und — nach der hier vertretenen Auffassung — nicht als verspätet zurückgewiesen werden darf (vgl. § 531 A I a). C I. Uber weitere Vorschriften bei Miet- und Pachtaufhebungstreiten, die vor die Amtsgerichte gehören (GVG § 23 B I I I a), vgl. MSchG § 10 I I (§ 498 B). In Ehesachen vgl. Kommentar § 609 A I. In Entmündigungsachen vgl. §§ 666 I I I , 679 IV. C II. Über die Veröffentlichung des Termins durch den Vorstand einer Gesellschaft bei der Gesellschafteranfechtung- und Nichtigkeitklage vgl. AktienG §§ 199 V, 201 I, 202 I I I , 216 IV, 219 I I I ; GenG §§ 8 1 I V , 96, GmbHG § 75. § I
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Die Zustellungen erfolgen, soweit nicht ein anderes vorgeschrieben ist, von Amts wegen.
II Mit Ausnahme der Klageschrift und solcher Schriftsätze, die Sachanträge oder eine Zurücknahme der Klage enthalten, sind Schriftsätze und sonstige Erklärungen der Parteien, sofem nicht das Gericht die Zustellung anordnet, ohne besondere Form mitzuteilen. Bei Übersendung durch die Post gilt die Mitteilung, wenn die Wohnung der Partei im Bereich des Ortsbestellverkehrs liegt, an dem folgenden, im übrigen an dem zweiten Werktage nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, sofem nicht die Partei glaubhaft macht, daB ihr die Mitteilung nicht oder erst in einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. III Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden, so tritt die Wirkung, sofern die Zustellung demnächst erfolgt, bereits mit der Einreichung oder Anbringung des Antrags oder der Erklärung ein. A. § 261b I ( = § 496 I) stellt den Grundsatz auf, daß von gerichts wegen zuzustellen ist. A I. Der Grundsatz gilt überall, wo keine Sonderregeln Platz greifen, deshalb auch bei der Zustellung der Streitverkündung, selbst wenn sie durch einen dritten, der nicht beigetreten ist, betrieben wird (§ 72 II). a) Auf Betreiben der Parteien werden nur noch zugestellt: a 1. grundsätzlich die Urteile (§ 317 I); a 2. die auf das Urteil gesetzten Kostenfestsetzungbeschlüsse, soweit die Urteile von Partei wegen zuzustellen sind (vgl. § 105); a 3. die Vollstreckungbefehle (§ 699 I 4); a 4. die Beschlüsse, durch die Arreste und einstweilige Verfügungen angeordnet werden !§? 922 II, 936); a 5. die vollstreckbaren Urkunden (§ 749 I 5), die Vergleiche (§ 794 1 1) sowie alle zur Durchführung der Vollstreckung erforderlichen Beschlüsse und Urkunden, welche ausschließlich diesem Ziele dienen (§§ 750, 751); a 6. in der Vollstreckunginstanz die Pfändung- und die Überweisungbeschlüsse, Vorpfändungen und Verzichte (§§ 829 I I 1, 835 I I I , 843, 845, 846folg., 857folg., 930, 936). b) Auch soweit die Zustellung oder Mitteilung von gerichts wegen vorgeschrieben ist, darf sie durch die von Anwalt zu Anwalt im Rahmen des § 198 bewirkt werden. c) Ausgenommen sind aber c 1. von den Urteilen: die in Ehe- und Kindschaftsachen (§§ 625, 640 I).
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Verfahren bis zum Urteil
§261 b
A II. Über die Bewirkung der von gerichts wegen durchzuführenden Zustellung vgl. §§ 208—213. A III. Die auf Betreiben der Parteien vorgenommene Zustellung kann nicht von gerichts wegen, die von Gerichts wegen nicht auf Betreiben der Partei rechtswirksam bewirkt werden (RG J W 36/7098). Über die möglichen Folgen vgl. §§ 187, 295; vgl. indes § 198 (§ 261 b A I b). B. Die Schriftsätze der Parteien werden in Urschrift bei dem Gericht eingereicht (Ausnahme: §§ 198, 133 II), ihnen sollen die zur Zustellung erforderlichen Abschriften beigefügt werden (§ 253 V: für die Klage, sonst § 496 II in entsprechender Anwendung). Die Anlagen zur Klage dürfen in Urschrift oder Abschrift eingereicht werden (§ 131; auch im Urkundenprozeß, vgl. § 593 B). Die Urschrift des zuzustellenden Schriftsatzes bleibt aber bei der Geschäftsstelle (§§ 170, 210). B I. § 261b II ( = § 496 IV) bezieht sich nur auf die Zustellung fremder schriftlicher Erklärungen und Urkunden der Parteien, der am Zwischenstreit Beteiligten, des Streitverkünders, der ihn nur weiter verkündet (§ 72 II) bzw. auf die ihrer Vertreter (kurz Parteierklärungen genannt); nicht aber auf die, welche vom Gericht ausgehen; für die vom Gericht ausgehenden Erklärungen gelten §§ 310, 329. Aber auch für die Übermittlung der Parteierklärungen gilt § 261b nicht, soweit die Anwälte gemäß § 198 I 2 unmittelbar wirksam zustellen. B II. Soweit diese Schriftstücke nicht zuzustellen sind (vgl. § 261b B III a 1, 4) genügt die formlose Mitteilung (§261b II 1), soweit nicht auch diese unterbleiben darf bzw. muß, nämlich soweit der Gegner nicht gehört zu werden braucht bzw. nicht gehört werden darf (vgl. § 261b B III a4). a) Wird das Schriftstück durch einen Gerichtswachtmeister überbracht, dem Anwalt in das Fach gelegt u. dgl. m., so wird die allgemeine Zugangregel (vgl. BGB § 130) gelten müssen, daß mit Kenntnisnahme am folgenden Werktag zu rechnen ist. Bedient sich die Geschäftstelle der Post, so ist die Regelung im Bereich des Ortsbestellverkehrs (ab Aufgabe zur Post) ausdrücklich in § 261b II 2 ( = § 496 IV 2 u. § 357 II 2) aufgenommen. Im übrigen wird vermutet, daß die Mitteilung am zweiten Werktage nach der Aufgabe den Empfänger im Gerichtsinland erreicht hat. a 1. Kommt eine Mitteilung an das Gericht zurück, so wird damit bewiesen, daß sie den Adressaten nicht erreicht hat. a 2. In den Fällen, wo die Mitteilung nicht zurückkommt, muß die empfangende Partei glaubhaft machen (§ 294), daß sie die Mitteilung entweder gar nicht oder wann sie sie später als vermutet empfangen hat. b) Förmliche Zustellung ist bei Übermittlung von Sachanträgen (§ 261b B III a), Klagerücknahmen und bei Anordnung (§261bBIV) vorgeschrieben worden. Für sie gilt keine Zugangregel, weil der Zugang zu beweisen ist (vgl. auch § 187). B III. Förmlich zuzustellen sind Parteierklärungen, welche „Sachanträge", Klagerücknahmen enthalten oder bei denen die Zustellung angeordnet worden ist. a) Der Begriff des Sachantrags knüpft ersichtlich an § 297 an und ist entsprechend dieser Regel auszulegen. Danach stellt der Kläger Sachanträge durch Verlesung der Anträge aus der Klageschrift (§ 253 II 2) oder aus späteren Schriftsätzen (§ 281). a 1. Sachantrag ist der vom (Kläger formulierte) außerprozessuale Anspruch (sein Verlangen), den er gerichtlich sanktioniert wünscht, der erstrebte Urteilsaussprueh (Tenor; vgl. RGZ 10/386 [392]). Auch wenn der Ausspruch gefordert wird, daß der Streit erledigt sei, liegt ein Sachantrag vor (vgl. OLG 21/80, § 91a B II), anders ist dies nur, wenn die Parteien übereinstimmend die Erledigung erklären (vgl. § 91a C). Zu den Sachanträgen gehören die auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen und schiedsrichterlichen Vergleichen (§§ 1042a, 1044a III). Der Sachantrag des Klägers wird auch gestellt, wenn über Prozeßbedingungen verhandelt wird. Der im Urkundenechtheitfeststellungstreit (§ 256 G) gestellte Antrag ist Sachantrag. a 2. Nicht zu den Sachanträgen gehören die Prozeßanträge, die sich nur auf die Gestaltung des Verfahrens richten. Dahin gehören auch die Anträge auf Erlaß des Verzichts-, Anerkenntnis-
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und Versäumnisurteils (§§306, 307, 330f.; OLG Colmar 19/140 zu §§ 330folg.) sowie die auf Aktenlageentscheidung (§ 331a, RG v. 23. 2.1939 V E 159/357 [360]), obwohl sie nur in Verbindung mit einem Sachantrag Bedeutung haben. Dahin gehören auch mit der Hauptsache verbundene Kostenanträge (§ 4 C I b), nämlich soweit über sie nach § 308 II auch ohne Antrag zu erkennen ist; anders werden sie aber behandelt, wenn sie allein im Streit sind (wie im Fall des § 91a), weil dann das Gericht nur auf besonderen Antrag der Partei über die Prozeßkosten zu entscheiden hat (§ 308 E II). a 8. Anträge über die vorläufige Vollstreckbarkeit betreffen das Vollstreckungverfahren; soweit sie von dem, was das Gericht auch ohne Antrag anzuordnen hätte, nicht abweichen, dürfen sie nicht wie Sachanträge behandelt werden; anders geschieht dies mit den Anträgen, die eine davon abweichende Regelung erstreben (§§ 712 folg.). Die Anträge auf Urteilergänzung (§§ 321, 716) sind stets als Sachanträge zu behandeln. Auch Anträge auf Aufnahme bzw. die zur Erzwingung der Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens nach §§ 239 folg. (nicht aber der nach dem Ruhen des Verfahrens, § 251 C) sind (auch) Sachanträge (vgl. auch § 261b B III o 3). a 4. Aber auch Sachanträge werden dort nicht zugestellt (ja nicht einmal übermittelt), wo die Anhörung des Gegners nicht vorgeschrieben oder sogar nicht gestattet ist (§ 834). b) Der Sachantrag wird sowohl durch Klage- wie Parteiänderung geändert, mag er auch abstrakt gesehen derselbe bleiben, weil er insoweit vom Klagegrund gar nicht zu lösen ist (§ 253 G IV). Doch trifft § 261 b II nur die ersichtlichen Veränderungen. b 1. Alle Veränderungen, die auf einen Wechsel der Parteien gerichtet sind, sind deshalb zuzustellen. b 2. Dagegen brauchen sonstige Klageänderungen nicht förmlich zugestellt zu werden. c) Auch der Beklagte stellt Sachanträge. Sie sind — nach der hier vertretenen Auffassung darüber, daß die Parteirollen im Prozeß für die Sachentscheidung belanglos sind(§256 B)—mit denen des Klägers gleichwertig. c 1. Dennoch fallen gewohnheitrechtlich seine Anträge grundsätzlich nicht unter § 297 (OLG 27/114). Dies gilt dann aber auch für alle Behelfe, deren sich der Beklagte bedient, also soweit er aufrechnet, die Einrede des Zurückbehaltungrechts (BGB §§ 274, 322), den Vorbehalt beschränkter Haftung u. dgl. m. erhebt. Der Antrag auf Wirkungloserklärung eines Erkenntnisses nach Klagerücknahme wie die Kostenanträge (§ 271 III) und selbst den selbständig gewordenen nach erledigter Hauptsache (also anders als beim Kläger) wird man nicht dem Zustellungzwang des § 261 b II unterwerfen dürfen. c 2. Kein Antrag ist der reine Widerspruch nach EheG § 48. Ist der Beklagte aber Widerkläger, so sind seine Widerklageanträge wie die des Klägers zu behandeln. Dazu gehören auch die sog. Inzidentfeststellunganträge, soweit man sie nicht für Widerklagen hält (§§302 IV, 600 II, 717 II, III, 945), ferner nach der hier vertretenen Auffassung der Mitschuldantrag in Eheverfahren (§ 33 D I b 2; abweichend RGZ 160/373 [377]). c 3. Bei Veränderung durch Eintritt eines Dritten in den Streit oder eines neuen gesetzlichen Vertreters nach unterbrochenem oder ausgesetztem Streit gilt, was bezüglich des Klägers gesagt worden ist, auch für den Beklagten (§ 261b B III b 1). d) Doch wandelt sich prozessual die Stellung der Parteien in gewisser Weise, falls eine gerichtliche Vorentscheidung vorliegt. Dann tritt in bezug auf die Sachanträge der Rechtsmittelkläger in die Stelle des Klägers, der Rechtsmittelbeklagte in die des Beklagten ein. d 1. Der Beklagte bleibt auch bezüglich der Sachanträge Beklagter, wenn er gegen einen Zahlungsbefehl Widerspruch erhebt. d 2. Bei den Wiederaufnahmeklagen (§§ 578folg.) kommt er in die Stellung des Klägers. Aber auch wenn er Anträge stellt, um nach §§ 925, 926 II, 927, 936 Arreste oder einstweilige Verfügungen zur Aufhebung zu bringen oder bei dem Widerspruch gegen die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen und Schiedsvergleichen nach §§ 1042 c II, 1044 a III wird er zum Angreifer. Die Rechtsmittel- und Einspruchanträge (vgl. §§ 340 a I 2, 519 I I I 1, 525, 536, 554 III 1, 556, 559, 700 I 2) werden jedenfalls als Sachanträge behandelt. Dies gilt auch dann,
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wenn der Rechtsmittelantrag nur auf Aufhebung des Urteils geht und auch wenn dies in einem Verfahren geschieht, in dem nur über Prozeßbedingungen zu entscheiden ist. d 3. Dagegen werden die Anträge des Rechtsmittel- bzw. behelfsbeklagten nicht wie die Saehanträge des Rechtsmittelklägers behandelt. Greift aber auch der Rechtsmittelbeklagte das Erkenntnis an, so tritt er insoweit in die Stellung des Rechtsmittelklägers ein (aber auch bei sog. Inzidentanträgen, vgl. § 261b B I I I c 2). e) Im Zwischenstreit mit dritten kommt es darauf an, ob Sachanträge erforderlich sind, e 1. Im ersten Fall sind die Anträge aller Beteiligten Sachanträge, e 2. Anders ist dies, soweit der Zwischenstreit auch ohne Parteiantrag auszutragen ist (§§ 387, 402). B IV. § 261b II 1 schreibt ferner die Zustellung der Klagerücknahme und die auf besondere Anordnung vor. a) Der Klagerücknahme entsprechend sind der Rechtsmittelverzicht und die Rechtsmittelrücknahme sowie die Rechtsbehelfsrücknahme zu behandeln. c) Der Zustellung bedürfen ferner alle Schriftsätze, deren Zustellung den Lauf einer Notfrist in Gang setzt (arg. § 187 I 2). B V. Wird ein Schriftsatz vom Gericht nur mitgeteilt, anstatt zugestellt, so liegt ein Zustellungmangel vor, der nach § 187 1 1 heilbar ist. Auch ist ein Verzicht nach § 295 möglich. C. § 261b III ( = §496111; vgl. § 207 1) läßt, wenn Fristen zu wahren sind, die Einreichung bei der Zustellung von gerichts wegen genügen, wenn demnächst zugestellt wird. Die Norm ist ausgedehnt durch GVG § 17 I I I 3, 4 (GVG § 17 B III), VerwaltunggerichtsO § 41 I I I 3, 4 (GVG § 17 B II). C I. § 261b III regelt nur die (Vor)-Wirkung, die früher erst mit der Zustellung (Rechtshängigkeit, § 263) eintrat und geht deshalb regelmäßig nicht über die hinaus, welche die Rechtshängigkeit nach sich ziehen würde (vgl. dazu § 263 B II, III). a) Die Vorschrift erstreckt sich auf prozessuale Fristen, die man zu den sog. uneigentlichen zählt (§221 B); insoweit es darauf ankommt, daß ein Anspruch (im besonderen durch Klage oder auch durch Widerklage oder Klage- oder Widerklageerweiterung, auch durch eventuelle, § 260 B I b) rechtzeitig erhoben wird. a 1. Regelmäßig sind dies Ausschlußfristen, die zur Klageerhebung bestimmt sind, a 2. Es können aber auch Notfristen sein, a 3. Es gibt aber auch richterliehe Fristen zur Klageerhebung. a 4. Bisweilen ist die Einhaltung dieser Fristen abgemildert, etwa soweit die Frist zur Klageerhebung wie eine Verjährungfrist behandelt wird. a 5. Bei den Ausschlußfristen hatte die Rechtsprechung zwei wesentliche Unterschiede im Verhältnis zu den Verjährungfristen herausgebildet. Auch die Teilklage wahrte die Ausschlußfrist, so daß die Klage nach ihrem Ablauf erweitert werden darf (BGH LM § 268/3). BGB § 212 II gilt dagegen nur für die Verjährungfristen, nicht aber für Ausschlußfristen (RGZ 88/294). a 6. § 261b III wirkt auch für die Fristen nach §§323111, IV, 929 II (RGZ 117/287 [293]), III (OLG 29/219f.); a. M. OLG MDR 57/234. b) Die Vorschrift erstreckt sich auf außerprozessuale Fristen. b 1. Unter § 261b III fallen die Fristen des BGB §§ 801 I 3, 804 I 2, 1188 II 2, 977 I 2, 1002 I; des HGB §§ 561 II 2, 580, 581 II; §§ 440 III, 457, 632 II; der KO § 611 5; des G zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung v. 19.1.1949 (WiGBl. 8) § 2 II 2, verlängert durch G v. 30. 7.1951 (BGBl. I 476) auf unbestimmte Zeit. In diesen Fällen wird aber nur die gerichtliche Geltendmachung gefordert. b 2. Soweit es außerprozessuale Normen entsprechender Art noch auf die Rechtshängigkeit abstellen, ist § 261b III entsprechend anzuwenden. 47
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b 3. Nicht dahin gehören die Fristen, welche ersichtlich an die Zustellung selbst anknüpfen, weil der Schuldner von ihr damit Kenntnis hat, wie die des ScheekG Art. 52 I I ; des BGB § 1412; d?s HGB § 433 II 1; des PachtkreditG v. 5. 8. 1951 (BGBl. I 494) § 5 II. b 4. Soweit darüber hinaus im Prozeß außerprozessuale Erklärungen abgegeben werden (§ 128 C I I I a 4; b 2—5), für deren Abgabe eine außerprozessuale Frist läuft (Anfechtung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung, Kündigung usw.), gilt grundsätzlich § 261b I I I nicht; doch tendiert wohl der Gerichtsbrauch dahin, daß, wenn die Parteien im Prozeßverhältnis stehen und hier außerprozessuale Erklärungen in bezug auf den Streitgegenstand abgegeben werden, der dafür gewählte Umweg durch das Gericht — zwecks Vermeidung doppelter Erklärung — als unverschuldet anzusehen ist (vgl. BGB § 121). C II. Das Gesetz erwähnt ferner ausdrücklich die Verjährungfristen. a) Den Verjährungsfristen gleichgestellt sind die, welche BGB § 203 unterworfen worden sind. Aber auch die vertraglichen Vereinbarungen, wonach Fristen durch Klage usw. zu wahren sind, gehören hierher (OLG J W 32/2553"). b) Verjährungsfristen (usw.) werden nach BGB §§ 209, 210 sowohl durch Klageerhebung (BGB § 209 I) wie durch die der Klageerhebung gleichstehenden Handlungen (BGB § 209 II) unterbrochen (vgl. BGB §§ 212 folg.). b 1. Wird auf Leistung in Höhe eines bestimmten Betrages geklagt, so wird die Frist nur in dieser Höhe unterbrochen (RGZ 93/158 [160]); doch in dieser Höhe auch dann, wenn die Klageforderung erst nachträglich aufgegliedert wird (BGH v. 13. 7.1959 I I I ZR 27/58). Wird die Klage später erhöht, so wird erst ab Klageerweiterung die Verjährungfrist unterbrochen (RG Warn. 10/195). Vgl. dagegen die andere Behandlung der Ausschlußfristen in § 261b C I a 5. b 2. Dabei sind Klagen mit dem Antrag, über einen nach richterlichem Ermessen festzustellenden Betrag zu erkennen, keine Teilklagen (RG J W 38/605 44 ). Die positive Feststellungklage unterbricht die Frist für den gesamten Anspruch (RGZ 90/290 [292]). Nach — der hier bekämpften (vgl. § 256 E I I I b 1) — h. M. soll dies für die negative nicht gelten (RGZ 132/284); die Verteidigung gegen die Vollstreckunggegenklage (§ 767) wie die gegen die des § 768 unterbrechen die Verjährung des mit der Verteidigung geltend gemachten Gegenrcchts nicht (vgl. aber über die Aufrechnung § 261 b C I I b 3). b 3. Wenn es BGB § 209 II 3 darauf, daß im Prozeß eine Gegenforderung aufgerechnet wird, abstellt (auch hier wird die Verjährung nur bezüglich des aufgerechneten Teils, RGZ 85/365, aber auch bezüglich des nur eventuell aufgerechneten unterbrochen), so ist auch dies auf die Einreichung der Erklärung bei dem Gericht zurückzubeziehen. b 4. Der Grundsatz der §§ 261 b I I I , 496 I I I gilt für die Unterbrechung auch, wenn ein Zahlungbefehl zugestellt werden soll (§ 693 II). Das entsprechende gilt für die Streitverkündung (die die Verjährung unterbricht, BGB § 209 I I 4 — RGZ 61/390 [392]). b 5. Bei dem Antrag auf Vorentscheidung durch eine Verwaltungbehörde oder dem Antrag auf Bestimmung des Gerichts nach § 36 h a t BGB § 210 eine Vorwirkung, bezogen auf die Einreichung des Gesuchs, angeordnet. c) Über die Wirkungen der Unterbrechung vgl. BGB §§ 211 folg., auch im Falle der Prozeßabweisung, wenn hier auch nur bedingt (BGB § 212 II). Über die weitergehenden Wirkungen der Rechtshängigkeit vgl. § 267 B. c 1. Die ProzeBvoraussetzungen brauchen bis auf die des § 253 I I (vgl. § 253 J I a) nicht gegeben zu sein (vgl. BGB § 212, RGZ 115/135 [140]), auch wird die mangelnde Prozeßvollmacht (§ 89 II) geheilt, also (rückwirkend) die Verjährung unterbrochen (RGZ 86/245f.). c 2. Soweit einzelne Vorschriften schon Wirkungen an die Einreichung des Antrags auf Beweissicherung knüpfen, kommt es auf die Zustellung des Antrags überhaupt nicht an. Schließlich knüpft das außerprozessuale Recht noch im Falle des HGB § 160 an die Unterbrechung eines Anspruches Wirkungen zu Lasten anderer an und BGB § 477 I I I bei der des einen Anspruches auch bezüglich anderer; auch hierfür gilt § 261 b I I I . d) Die Unterbrechung endet, wenn der Prozeß nicht mehr betrieben wird (vgl. § 251 B III). Die Rücknahme der Klage (RGZ 75/286 [289]), ihre Abweisung angebrachtermaßen,
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§ 261 b c H D
wegen Unzuständigkeit des Gerichts, Unzulässigkeit der Prozeß- oder Klageart (vgl. §§ 597, 256) oder mangels der Prozeßvoraussetzungen beseitigt dieUnterbrechung rückwirkend, wenn binnen sechsMonaten erneut Klage erhoben {BGB §212), d. h. nach § 261 b I I I eingereicht und demnächst zugestellt wird. Soweit die Rücknahme eines Klageantrags von der Zustimmung des Gegners abhängt, wirkt die Rücknahme erst ab Zustellung der Einwilligungerklärung (RGZ 75/286 [291]) und hier ohne Verurteilung. C III. §§ 261 b III, 496 I I I 1 erweitern den § 207 I, der f ü r Zustellungen im Auslande und für die öffentliche Zustellung die Rückwirkung vorsehreibt. Nur wenn „demnächst" zugestellt wird, wird zurückdatiert. a) Das, was „demnächst" bedeutet, entscheidet das Gericht, welches über den Streit zum zuge kommt. Was der Gesetzgeber sich darunter vorgestellt hat, darf aus § 207 I I entnommen werden: eine Frist von etwa zwei Wochen, wobei die Fristen des § 207 I zuzurechnen sind. Als äußerste Frist hat er sich die eines Monats vorgestellt (BGH N J W 53/1139 nimmt die Frist von vier Wochen als Regelfrist an), wie der jetzt aufgehobene § 235 I I lehrt, als normale die von drei Tagen (vgl. den aufgehobenen § 235 I) ; denn die Frist soll nur dazu dienen, die Zustellung zu bewirken (weshalb bei der Zustellung im Ausland eine weitere Frist angemessen ist als bei der im Inland). a 1. Die Praxis h a t den Begriff in sein Gegenteil verkehrt. BGH LM § 261b/4 will die durch das Armenrechtsprüfverfahren vom Gericht benötigte Zeit ausklammern. a 2. Bei dem Begriff „demnächst" h a t RGZ 105/422 (426) es nicht auf „unverzüglich"; aber „ohne besondere Verzögerung" abstellen wollen. Wird durch schuldhaftes Parteiverhalten die Zustellung verzögert (etwa wenn die Adresse unrichtig angegeben wurde u. dgl. m.), dann ist die Zustellung nicht mehr demnächst zu bewirken (OLG MDR53/684). Wenn die Zustellung aber innerhalb von zwei Wochen seit der Binreichung durchgeführt ist, gleichviel auf welche Weise zugestellt wird (OLG SächsAnn. 30/332f.), wird man die Zustellung als demnächst bewirkt ansehen dürfen, selbst wenn eine Zustellung zunächst erfolglos geblieben ist, mag die Geschäftstelle oder die Partei ein Verschulden daran treffen oder nicht (KG OLG 1 /114, a. M. RG Gruch.45/ 1099). Trifft die Partei kein Verschulden, so wird die Zustellung noch demnächst bewirkt, auch wenn sie zunächst etwa im Auslande versucht, dann aber öffentlich vorgenommen wurde, weil der Versuch gescheitert ist (vgl. RGZ70/291 [294]),mögen auch die Umstände zu der anderen Zustellung erst nachträglieh eingetreten oder bekannt geworden sein. Aber auch die inländische Zustellung ist „demnächst" bewirkt, wenn sie zunächst im Ausland versucht wurde und inzwischen ein inländischer Aufenthalt des Zustellungempfängers begründet oder bekannt geworden ist und nunmehr dorthin zugestellt wird (RGZ 70/291). Verschulden eines Parteivertreters i. S. des § 232 wird der Partei zugerechnet (BGH VersR 60/268). a 3. Selbst wenn nicht demnächst zugestellt ist, aber die Zustellung als demnächstige gelten würde, wenn am letzten Tage der Frist eingereicht und dann „demnächst" zugestellt worden wäre, wird die Frist gewahrt, weil es nach § 261 b I I I nur auf dieses Verhältnis ankommen kann (OLG H R R 37/127). a 4. War allerdings bei dem Gericht das zuzustellende Schriftstück nicht rechtzeitig eingereicht, so wird die Frist auch dann nicht zurückbezogen, wenn noch innerhalb der Frist, in der eine demnächstige Bewirkung der Zustellung anzunehmen wäre, das neue Vorbringen zugestellt wird (RG J W 35/2361»), b) Die Vordatierung wird auf den Tag der Binreichung bestimmt, d. h. auf den Zugang der Schrift bei dem Gericht (vgl. § 253 F II a). b 1. Den modernen Verkehrsanschauungen Rechnung tragend, muß jeder Eingang bei Gericht genügen, der dem Zugang einer Zustellung bei dem Anwalt entspricht (vgl. § 198 A I I I a). Wird das Schriftstück in einen Kasten geworfen, so wird mit dessen Leerung erst am folgenden Werktag gerechnet werden dürfen (die Rechtsprechung ließ dies zunächst überhaupt nicht genügen, RGZ 76/127; auch wurde die Niederlegung im Amtszimmer nicht als ausreichend angesehen: RG J W 29/3157 9 ). Dasselbe gilt, wenn das Gericht seine Post vom Postamt abholen läßt. Ist ein (kontrollierter) Fristbriefkasten eingerichtet worden, der als solcher gekennzeichnet worden ist, so genügt Einwurf bis Mitternacht (vgl. RG Warn. 36/95). Die Einrichtung von Nachtbricfkästen ist dabei für alle Gerichte zu fordern 47'
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§261 b
cmbl
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(vgl. BGHZ 2/31 [34]). Ist eine gemeinsame Briefannahmestelle für mehrere Gerichte errichtet, so genügt die Einreichung daselbst für alle in betracht kommenden (KG OLG 19/125f.). Darüber hinaus sollte die Abgabe der Schrift bei jedem Gerichtsangestellten einschließlich der Pförtner (a. M. OLG 17/139), der Wachtmeister genügen. Ob ein im Gerichtsgebäude Angestellter legitimiert ist oder nicht, kann das Publikum nicht wissen (a. M. für den nicht legitimierten Unterbeamten RG J W 05/5226). Anders ist dies, wenn ein Beamter, der die Sendung entgegennimmt, ausdrücklich erklärt, er sei nicht zuständig, werde aber die Sendung dem zur Empfangnahme zuständigen weiterleiten (vgl. RG HRR 32/2205). Dagegen kann dem zuständigen Beamten das Schriftstück innerhalb (RG JW 31/20195) wie auch außerhalb des Gerichtsgebäudes und zu jeder Zeit wirksam übergeben werden (RG J W 31/53719), wenn er es annimmt, auch, wenn er dies unter Verstoß gegen die Dienstvorschriften tut; aber nicht, wenn er die Annahme ablehnt (OLG 31/35), selbst wenn er sie nach einer Dienstvorschrift hätte annehmen müssen. Zuständig zur Entgegennahme des Schriftstücks ist auch der Richter (§ 1 B IV b ; nicht bloß der speziell zuständige; so OLG J W 37/14386), nicht aber die Staatsanwaltschaft (a. M. OLG JW 35/349170). Zu Protokoll des Gerichts oder der Geschäftsstelle gegebene Erklärungen werden mit der Vollendung der Niederschrift, u. U. aber schon durch die mündliche Erklärung „eingereicht". b 2. Darüber daß die Einreichung eines Telegrammes nach der h. H. der einer unterschriebenen Schrift gleichkommt, vgl. § 129 A II a 4. Doch kann dadurch nicht mehr die notwendige handschriftlich zu vollziehende (vgl. § 129 A II a) Urkunde in Urschrift hergestellt werden, von der dann die beglaubigte Abschrift zu fertigen ist. b 3. Der Beweis des rechtzeitigen Eingangs wird regelmäßig durch den Eingangsvermerk zu führen sein (§ 418), doch ist er auch mit anderen Beweismitteln zu führen, und gegen die Richtigkeit des Eingangsvermerks ist der Beweis ebenfalls zulässig (§ 418 II). Die Rückgabe eines ordnungmäßig eingereichten Schriftstückes (etwa um seine Reinschrift zu ermöglichen) hebt die Wirkung des rechtzeitigen Empfanges nicht auf (RGZ 45/233 [234]). C IV. ZusteUungmängel können nach § 187 I 1 geheilt werden. a) Dagegen ist es bedenklich, § 295 insoweit anzuwenden, wie es sich um nicht zugestellte und nicht übermittelte Klagen handelt. Scheitern sowohl Zustellung wie Mitteilung, so tritt auch die Wirkung des § 261 b III nicht ein. b) Die Anbringung bei einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht schadet nicht >RGZ 149/9, Kommentar § 276 B IV b 1).
§ 262
(234)
I Zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung muß ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen (Einlassungsfrist). In Meß- und Marktsachen beträgt die Einlassungfrist mindestens vierundzwanzig Stunden. II Ist die Zustellung im Ausland vorzunehmen, so hat der Vorsitzende bei Festsetzung des Termins die Einlassungsfrist zu bestimmen. A. § 262 regelt die Länge der Einlassungsfrist zwischen der Zustellung der Klage (§ 261 a II) und dem Verhandlungtermin, nicht die Ladungfrist (vgl. § 261 a B I a). Sie gilt nicht für die Klageerweiterung oder die Ergänzung tatsächlichen Vorbringens; in diesen Fällen ist allein die Frist des § 132 zu beachten (RGZ 15/390 [392]). Auch für die Erhebung der Widerklage gibt es keine Einlassungfrist für den Widerbeklagten, wohl aber die des § 132. A 1. Sie ist regelmäßig eine Mindestfrist von zwei Wochen; dabei werden der Tag der Zustellung und der Termintag nicht mitgerechnet (§ 222 A I a). In Meß- und Marktsachen (§ 30 A I) beträgt sie mindestens 24 Stunden, in Wechsel- und Scheckstreiten vgl. §§ 604, 605a. In der Berufung- und Revisioninstanz ist die Frist für den Rechtsmittelbeklagten entsprechend § 262 zu bemessen (§§ 520, 555). In amtsgerichtlichen Sachen gilt § 499. A II. Auf Antrag darf die Frist vom Vorsitzenden abgekürzt werden (§ 226). Der gestellte Antrag muß bei der Abkürzung erwähnt werden.
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Verfahren bis zum Urteil
§262
A III. Eine Verlängerungmöglichkeit der Frist besteht nach der SchutzVO Art. 2 I I I . B. Bei der Zustellung der Klage im Auslande (§ 199 B) hat der Vorsitzende die Einlassungfrist zu bestimmen; die Länge der Einlassungfrist ist dem Gegner mitzuteilen (§ 226 I I I in entsprechender Anwendung). C. Ist die Einlassungfrist nicht gewahrt, so darf gegen den nicht erschienenen wie den nicht verhandelnden Beklagten kein Versäumnisurteil ergehen. Vgl. aber bzgl. der Nichteinhaltung der Ladungfrist § 214 B I b. Wohl aber kann sich der Kläger (Rechtsmittelkläger) auf die nur zum Schutze des Beklagten (Rechtsmittelbeklagten) laufende Einlassungsfrist nicht berufen. D. Aber auch, wenn die Einlassungfrist gewahrt ist, darf das Gericht nach §837 vertagen; dies gilt aber nicht, wenn der Beklagte erschienen ist, und nicht gegenüber dem Kläger.
§ 263
(235)
I
Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.
II
Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen: 1. wenn während der Dauer der Rechtshängigkeit von einer Partei die Streitsache anderweit anhängig gemacht wird, so kann der Gegner die Einrede der Rechtshängigkeit erheben; 2. die Zuständigkeit des Prozeßgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.
A. § 263 I bestimmt (für den Regelfall) den Beginn der Rechtshängigkeit, § 263 I I zwei ihrer Wirkungen. A I . Die Vorwirkungen der Rechtshängigkeit beginnen mit dem Augenblick, wo der Kläger sich der — unterschriebenen — Klage begibt, d. h. sie entsprechend seinem Willen an das Gericht gibt (mit der Post absendet, sie in den Gerichtskasten wirft oder auf dem Gericht abgibt). Aber auch wenn die vom Kläger ausgehende Klage ohne seinen Willen (also ohne die Begebung) an das Gericht gelangt, wird mit dem Zugang bei dem Gericht (§ 253 F II a) die Klage anhängig. a) Der Begriff der Anhängigkeit ist im gesamten Prozeßrecht in der Regel gleich. a 1. Im Fall des § 266 wird der Begriff des Anhängigen im Sinne des Rechtshängigen gebraucht (§ 266 A I). b) Die Anhängigkeit wirkt prozessual wie außerprozessual. b 1. Vom Standpunkt der Partei aus gibt die Anhängigkeit den prozessualen Anspruch auf Entscheidung. b 2. Ihre sonstige Wirkung ist verschieden weit, je nachdem ihr die Rechtshängigkeit folgt oder ob es dazu nicht kommt (vgl. § 261b C II b 4). b 3. Weitergehende Folgen ergeben sich dort, wo die Folge der Anhängigkeit die Rechtshängigkeit sein soll oder kann. b 4. Die Rechtshängigkeit selbst wird dagegen zurückbezogen im Mahnverfahren (auf die Zustellung des Zahlungbefehls, nicht auf die Anhängigkeit des Mahnverfahrens, die mit seiner Einreichung eintritt), sofern infolge des Widerspruchs es alsbald zum Termin kommt (§ 696 II) oder falls der Vollstreckungbefehl erlassen wird (§ 700 1 1). Noch weiter geht die Rückbeziehung der Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt der Zahlung in den §§ 302 IV 4, 600 II, 717 I I 2, I I I 4,1042 c II. Nach StPO § 404 II wird die Rechtshängigkeit eines im Strafverfahren verfolgten Anspruchs des Verletzten schon mit der Anhängigkeit (StPO § 404 I) begründet. c) Auch innerhalb eines Verfahrens kann ein Anspruch bloß anhängig sein, ohne daß er rechtshängig wird. c 1. So wird bei der Aufrechnung der aufgerechnete Anspruch zwar anhängig, aber allein durch die Aufrechnung und ihre Verfolgung im Prozeß noch nicht rechtshängig (RG Gruch.
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§263
Alci
ZPO II. Buch
39/441), wenn auch mit der Wirkung der Unterbrechung der Verjährung (BGB §§ 209 I I 3, 215 mit der Vorwirkung nach § 261b III). c 2. Auch sonstige durch Einrede verfolgte Ansprüche werden nicht rechtshängig (RG Seuff. 69/169). A II. Soweit die Anhängigkeit zur Rechtshängigkeit führen soll, kann sie regelmäßig keine weiteren Folgerungen nach sich ziehen als die Rechtshängigkeit (§ 261b C I). a) Schon die Anhängigkeit löst, bezogen auf die Rechtshängigkeit, Wirkungen formaler Art aus, welche die Häufung der Verfahren verbieten. So ist schon das Anhängigmachen, soweit es eine Vorstufe der Rechtshängigkeit ist, entgegen der sonstigen Rechtshängigkeit (nicht Anhängigkeit) unzulässig (§ 263 I I 1 in entsprechender Anwendung), so daß nicht etwa ein Zahlungbefehl erlassen werden darf, wenn die Klage schon rechtshängig ist. b) Ob darüber hinaus ein anhängiges Verfahren das folgende aussehließt, ist nur dann zu bejahen (§ 263 II 1 in entsprechender Anwendung), wenn das erste noch verfolgbar ist. A III. Ob man auch für anhängige Verfahren eine Fixierung der Zuständigkeit annehmen darf, wie sie bei rechtshängigen § 263 I I 2 vorschreibt, ist zweifelhaft. a) Bei Verfahren, die in rechtshängige fibergehen können, ist die Frage zu verneinen. b) Bei Verfahren, die in sich Bestand haben, sollte man eine Fixierung der Zuständigkeit annehmen. A IV. Der Umfang der Rechtshängigkeit ist mit dem der Rechtskraftwirkung in Einklang zu bringen. a) Die Rechtshängigkeit bezieht sich auf alle Verfahren vor den Gerichten, die im Verweisungverhältnis (§ 276 A II, ArbGG §§ 48, 48a, GOG § 17; B G H N J W 56/630) zueinander stehen. a l . Die Schiedsklage macht das Verfahren nicht rechtshängig (BGH N J W 58/950; a. M. RGZ 88/179 [183]); vielmehr ist bis zur Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs (§ 1040 A I) die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit zu erheben (§ 274 I I 3), während von da ab der Einwand des rechtskräftig entschiedenen Streits gilt, vorbehaltlich der Aufhebungklage bzw. der Vollstreckbarkeiterklärung des Verfahrens. In diesem letzten Verfahren gibt es wieder den Einwand der Rechtshängigkeit. b) Der räumliche Geltungsbereich ist entsprechend weit. b 1. E r erstreckt sich auf das weitere Inland (auf die Ostzone: BArbG AP § 263/2), findet aber seine Grenze, wo das Urteil im Gerichtsinland nicht anerkannt werden würde (BGH N J W 58/103). b 2. Im Verhältnis zum Ausland wirkt die Einrede insoweit, wie der in einem ausländisch staatsgerichtlichen Verfahren ergehende (über Schiedsverfahren vgl. § 263 A IV a 1) Spruch im Inlande anerkannt werden könnte (§ 328 A I, RGZ 158/145 [147]), was der Beklagte darzulegen hat (RG J W 15/1264 9 ). Im Verhältnis zu Belgien schreibt dies das belgisch-deutsche Abkommen v. 30. 6.1958 (BGBl. I I 765) Art. 15 ausdrücklich vor, im Verhältnis zu Österreich der Vertrag v. 6. 6.1959 (BGBl. II 1245) Art. 17. B. Die Rechtshängigkeit beginnt nach § 263 I mit der Zustellung der Klage (§ 253 I) bzw. ihrem Zugang beim Beklagten (§187 11), nicht erst mit der Terminanberaumung (§ 261a B I) und endet (in formaler Beziehung) mit dem Ausgang des Verfahrens. B I. Dem Beginn durch Klageerhebung steht die Klageerweiterimg nach § 281 in mündlicher Verhandlung oder durch Zustellung eines Schriftsatzes bzw. die Widerklageerhebung oder -erweiterung, bezogen auf diesen Zeitpunkt, oder die Klageerhebung in mündlicher Verhandlung nach § 500 I I 1 gleich. a) Keine Rechtshängigkeit tritt ein, wenn eine (Haupt-)Klage nur eventuell erhoben wird (§ 253 F II) oder wenn sie § 253 II nicht entspricht (RG Gruch. 52/1124 [1128]) u n d deshalb unzulässig ist. a 1. Die von Postulationunfähigen ausgehende Klage ist eine Nichtklage (§ 253 F I I a 1). a 2. Dagegen sind Eventualwiderklagen zulässig (§ 33 D I a) und machen den Eventualwiderklageanspruch rechtshängig (§253 G I I I e 1). Auch sonst (also auch bei Hauptklagen)
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§ 263 B I a 2
werden sämtliche im Eventualverhältnis erhobene Ansprüche rechtshängig (RGZ 117/112 [114]). b) Das Fehlen sonstiger Prozeßbedingungen hindert gewöhnlich den E i n t r i t t der Rechtshängigkeit nicht. b 1. Dies gilt für die fehlende Zuständigkeit des Gerichts (RG J W 07/391 9 ),für die Klage eines Vertreters ohne Vollmacht (RG D R 40 A 1634 11 ). Es gilt ferner für die fehlende Parteioder Prozeßfähigkeit des Klägers (OLG MDR 49/39®, sofern die Klage von einem Postulationfähigen ausgeht, § 253 F I I a 1). Zustellungmängel (OLG J W 24/105«) hindern die Rechtshängigkeit nicht. b 2. Wird einem Prozeßunfähigen zugestellt, so ist damit noch nicht die Klage erhoben. Dies gilt auch, wenn einem Anwalt ohneVertretungmacht zugestellt und seine Prozeßführung nicht genehmigt wird (RG J R 25 B 1812) bzw. wenn er sich nicht bestellt. Die fehlende Parteifähigkeit des Beklagten ist dagegen unschädlich, wenn die Klage einen Postulationfähigen zum Zustellungempfänger hat, der für ihn handelt. b 3. Tritt der Anerkennungzustand eines ausländischen Verfahrens im Inlande (vgl. § 263 A IV b 2) im Laufe des Verfahrens ein, so kann sich eine Rückwirkung dahin ergeben, daß einem bis dahin zulässigen inländischen Verfahren der Rechtshängigkeiteinwand entgegensteht, der ihm bis dahin nicht entgegengesetzt werden konnte, weil das ausländische Erkenntnis nicht anerkannt worden war. B II. Der Begriff der Rechtshängigkeit knüpft an den Klageantrag an, über den mit Rechtskraftwirkung entschieden werden soll (RGZ 160/191f.). Doch kann das Klagebegehren im Verhältnis zur (rechtskräftigen) Entscheidung weiter sein als es diese dann ist, etwa wenn ein Anspruch als unzulässig aberkannt wird oder wenn über ihn nicht entschieden wird, weil die Rechtshängigkeit erlischt; und es kann enger sein, wenn über § 308 I hinausgehend erkannt wird oder bei der Aufrechnung (§ 263 A I c 1). Im Urkundenechtheitstreit wird er durch die Urkunde gegeben (RGZ 69/123 f.). a I. Stellt der Kläger einen Anspruch zur Entscheidung, ohne ihn auf einen bestimmten Klagegrund zu beschränken oder ist die Beschränkung unzulässig (§ 260 B I I b 4), so wird der Anspruch mit allen für ihn überhaupt nur in betracht kommenden Klagegründen Streitgegenstand (eine Folge des Satzes: da mihi factum, dabo tibi ius, vgl. § 253 G IV a 1), und er bleibt es, selbst wenn eine Instanz über ihn nicht entscheidet (RG J W 11/50 44 , vgl. § 260 B IV b). Nur soweit die Klagegründe nach Zuständigkeiten aufgespalten werden, muß man verschiedene Streitgegenstände annehmen (so RGZ 27/285 [289] m. N.). Beschränkt der Kläger zulässigeiweise die Klagegründe, so wird nur der durch die Begründung getroffene zum Streitgegenstand (RGZ 26/367 [368]). a 2. Verschiedene Ansprüche bei verschiedenen Anspruchgründen schließen regelmäßig die Identität des Anspruchs aus (RGZ 158/145 [147f.]); die Klage aus dem Grundgeschäft nicht die aus dem Wechsel (RGZ 160/338 [347]). Dies gilt auch für die Klage auf Erfüllung gegenüber der Klage auf Aufhebung des Vertrags bzw. Löschung der Hypothek (OLG Seuff. 59/163; a. M. BayObLG Seuff. 49/126) oder für die auf Herausgabe eines Wechsels gegenüber dem Anspruch aus dem Wechsel (RGZ 50/416 [418f.]). a 3. Werden sich unterscheidende Teilansprffiche (§ 253 G I I I a 7) geltend gemacht, so wird nicht derselbe Streitgegenstand getroffen (RGZ 47/407; bei mehreren nichtunterschiedenen nimmt BGH N J W 59/1819 Rechtshängigkeit aller bis zur Aufgliederung an, vgl. BGB § 212 II), mögen sie auch zusammen denselben Ausgleichsanspruch (§ 253 B II, RG J W 01/651 4 ) ergeben. Ob die Entscheidung in mehreren Streiten von derselben Vorfrage abhängt, ist gleichgültig (RG Gruch. 38/1214). b) Bei den verschiedenen Klagearten überschneiden sich bisweilen die Überlagerungverbote (§ 253 D III) mit dem der mehrfachen Rechtshängigkeit. Bei der negativen Feststellungklage (tj 256 B I a 3) wie überhaupt bei negativen Klagen wird über den positiven Anspruch entschieden, der also rechtshängig wird (RG Gruch. 58/1077 [1082]); wie bei positiven Klagen der negative Anspruch zugleich rechthängig wird (vgl. § 253 B IV).
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§263 BII
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b 1. Doch wird die Leistungklage nicht durch die negative Feststellungklage ausgeschlossen (Kommentar §256CIVb). Dies gilt ferner, wenn ausnahmeweise die Konkurrenz der Leistungszur Vollstreckungsgegenklage in betracht kommt (RG Warn. 15/266) oder wenn auf Aufhebung eines Vertrags geklagt und später nach § 767 die Vollstreckunggegenklage erhoben wurde (RG J W 03/17817). Wird auf Aufhebung des Schiedsspruchs geklagt (§ 1041), so steht dem ein später gesondert gestellter Antrag auf Vollstreckbarerklärung nicht entgegen, doch zeigt § 1043 I, daß er in dem anhängigen Verfahren gestellt werden sollte, solange dies zulässig ist. b 2. Positive und die ihr entsprechende negative Feststellungklage haben denselben Streitgegenstand (§ 256 B I) und schließen sich gegenseitig aus (KG OLG 37/123), ebenso die auf Feststellung der Echtheit einer Urkunde wie die umgekehrte auf Feststellung der Unechtheit (§ 256 G). Anspruchprozeß und Urkundenechtheitprozeß schließen sich aber nicht aus (RGZ 21/393). c) Der gleiche Streitgegenstand kann auch über die verschiedenen Prozeßarten (§ 260 C III a) hinausgehen. Derselbe Gegenstand kann u. U. sowohl im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozeß wie im ordentlichen Prozeß geltend gemacht werden wie umgekehrt; dann wird er mit der ersten Klage rechtshängig (RGZ 160/338 [345]). c 1. Im Verhältnis zum Vertragshilfeverfahren gibt es aber keine Rechtshängigkeit (OLG N J W 55/1403); c 2. ebenso nicht im Verhältnis zum Schiedsverfahren (BGH N J W 58/950). d) Derselbe Streitgegenstand wird regelmäßig unter denselben Parteien Verfahrensgegenstand sein; doch wirkt er auch hinsichtlich der Rechtsnachfolger i. S. der §§ 325folg. (RGZ 52/259), selbst wenn die Rechtsnachfolge im Laufe des Rechtstreits eintritt (RGZ 49/419). Klagt eine offene Handelsgesellschaft, so ist dem einzelnen Gesellschafter die Klage wegen der Rechtshängigkeit verwehrt (RGZ 49/340 [341 f.]), nicht aber, wenn gegen den Gesellschafter geklagt wird, die gegen die oHG (OLG 2/6), weil er als Gesamtschuldner haftet (HGB § 128). Werden alle Erben als Gesamthandschuldner verklagt, so können die, welche früher einzeln verklagt wurden, den Einwand der Rechtshängigkeit erheben. e) In bezug auf mehrere Popularklageberechtigte gibt es aber den Rechtshängigkeiteinwand nicht nach BGH BB 60/308. B III. Der Umfang der Rechtshängigkeit ist wegen des Verhältnisses zur Rechtskraft teils erweitert, teils wegen der weiteren Klagemöglichkeit vor Rechtskraft eingeschränkt. a) In den Fällen, wo indes das Gesetz eine erweiterte Rechtskraftwirkung gerade darum anordnet, damit der Streit in einem Verfahren ausgetragen wird, erstreckt sich diese auch auf die Rechtshängigkeit. a 1. Dies gilt in Ehesachen nach § 616, so daß bei der Scheidung- und der Aufhebungklage die sie oder eine solche Widerklage begründenden Tatsachen nur im anhängigen Prozeß durch Verbindung (§ 615) vorgetragen werden dürfen (RGZ 104/155). Dies gilt auch noch, wenn der erste Streit sich bereits in der Revisioninstanz befindet, obwohl hier die neue Klage nicht mehr erhoben werden darf (RGZ 59/410 [413]). Andererseits können aber trotz solcher Klagen im anhängigen Prozeß die Klagen erweitert oder eine Widerklage deswegen erhoben werden, ohne daß dem die Rechtshängigkeit der unzulässigen zweiten Klage entgegensteht, a 2. Das entsprechende gilt im Patentprozeß, soweit PatentG § 54 wirkt und a 3. im Fall des MSchG § 17 (§ 260 B II c 1) wie a 4. im internationalen Eisenbahnrecht (CIM + CIV Art. 50 §§ 2—4) und a 5. soweit die Wirkungen der §§ 68, 74 III reichen (vgl. § 256 C IV a 2). a 6. Im Einstweiligen-Verfügungs-Verfahren besteht die sich aus § 938 ergebende Erweiterung derart, daß, soweit das Gericht entscheiden könnte, der danach geltend gemachte Antrag unzulässig wird (vgl. aber § 938 A). a 7. Eine erweiterte Rechtskraftwirkung ergibt sich aus § 856 II (856 A II a). b) Soweit Einwand und Einrede des einen Prozesses selbständige Gegenansprüche zum Gegenstande haben, steht einem zweiten Prozeß der Rechtshängigkeiteinwand nicht entgegen; denn der Aufrechnungeinwand bzw. eine selbständige Einrede (etwa die des Zurückbehaltungrechts) erwachsen, der erste nur bedingt (§ 322 II), die zweite überhaupt nicht in Rechtskraft.
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Verfahren bis zum Urteil
§ 263
Bmb
Wird über die Aufrechnung aber mit Rechtskraftwirkung entschieden (§ 322 H), so wirkt die Entscheidung schlechthin. Steht die aufgerechnete Forderung oder stehen Gegenansprüche in einem anderen Prozeß zur Entscheidung, so hindert der Prozeß, in dem aufgerechnet bzw. (etwa das Zurückbehaltungrecht) eingeredet wurde, nicht, über die Ansprüche selbständig zu entscheiden, wie umgekehrt im Einwand- bzw. Einredeprozeß entschieden werden darf (RGZ 50/416). Ist aber in dem Gegenanspruchsprozeß rechtskräftig entschieden, so entfallen auch Einwand und Einrede (RG J W 21/124523), während die Entscheidung im Einredeprozeß die des Prozesses des Gegenanspruchs (auf den sie sich gründet) nicht präjudiziert (RGZ 160/338 [347]). B IV. Die Rechtshängigkeit bleibt bis zur rechtskräftigen (§ 705) Entscheidung des Streits bestehen. Sie geht also durch alle Instanzen und bleibt, selbst wenn das Verfahren ruht, ausgesetzt oder unterbrochen wird. a) Sie endet nicht, selbst wenn der Streit sich in der Revisioninstanz befindet und ein Anschlußrechtsmittel z. Z. nicht mehr möglich ist, soweit im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung ein solches wieder zulässig wird (§ 521 B II b 4); ferner selbst noch nach Rechtsmittelverzicht, solange noch die Möglichkeit besteht, daß die Gegenseite ein Rechtsmittel einlegt, dem sich die verzichtende Partei ansehließen darf (RG J W 03/17817). Die Rechtsmittelrücknahme für sich beendet den Streit nicht, bis die Rechtsmittelfrist verstrichen ist. Das Vorbehalturteil (§§ 302, 599), die Verweisung an ein anderes Gericht (§§ 276, 506, 697) lassen die Rechtshängigkeit bestehen; wird allerdings an ein Gericht verwiesen, das die Weiterführung (rechtskräftig) ablehnt, so erlischt die Rechtshängigkeit. Darüber, ob der gerichtliche (KG OLG 20/314) wie auch der außergerichtliche Vergleich die Rechtshängigkeit beenden, vgl. § 794 C IV d. Nicht beenden die Rechtshängigkeit Verzicht, Anerkenntnis ohne Urteil oder die sonstige Erledigung des Rechtstreits (abgesehen von der übereinstimmenden Erledigungerklärung und einem Zwangsvergleich, der den Anfechtungprozeß schlechthin beendet, OLG 9/61). Außerprozessuale Vorgänge — etwa die Befriedigung — ändern an der Rechtshängigkeit nichts (RG J R 25 B 1572). a 1. Bei Wechsel der Gebietshoheit gilt das ZuständigkeitergänzungG. Es ergibt, daß weder die Anhängigkeit (G § 2) noch die Rechtshängigkeit durch den Stillstand der Rechtspflege (§ 245) an den von ihm gekennzeichneten Gerichten (G § 1) beendet worden ist (G § 2). a 2. Das Gesetz trifft keine Regelung im Verhältnis zur Ostzone. KG NJW 48/30514 hat angenommen, daß die Gerichthoheit des LGBezirks Berlin sich nur auf den derzeitigen Ortsbereich von Groß-Berlin erstreckt, während selbst bei ersatzlosem Wegfall der untergeordneten Gerichte RG LZ 23/213 bestehengebliebene Zuständigkeit der übergeordneten Gerichte nnd Rechtshängigkeit angenommen hat. b) Wird Wiedereinsetzung gewährt oder die Wiederaufnahmeklage betrieben, so lebt die Rechtshängigkeit rückwirkend wieder auf. Ferner endet die Rechtshängigkeit mit der (wirksamen) Zurücknahme der Klage (§ 2711; OLG SächsA 15/118f.), u. U. erst mit der Einwilligungerklärung des Gegners, im Fall des § 113 durch {rechtkräftige) Zurücknahmeentscheidung; aber auch durch Fristversäumnis für den Ergänzungantrag nach § 321, nicht aber wenn bei Eventualanträgen über sie deshalb nicht zu entscheiden war, weil über den Hauptantrag oder einen vorhergehenden Eventualantrag entschieden wurde; dann bleibt auch der Eventualantrag rechtshängig, bis die Entscheidung rechtskräftig wird (§ 260 B IV b 1). Bei einer Klageänderung sind nach ihrer Durchführung die bisher rechtshängig gewesenen Ansprüche ausgeschieden und nicht mehr rechtshängig, die neu eingeführten sind es ab Erhebung (RG N § 263/14). Insoweit kommt es also auf den jeweiligen Antragstand und im besonderen auf den der letzten Verhandlung an (RG § 263/26). Ist der Antrag so gestellt, daß die Bemessung der Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, so ist der gesamte Anspruch rechtshängig (RG N § 263/33; wovon RG JW 38/60544 nur dann abgehen will, wenn der Kläger später die Forderung gegen jede vernünftige Erwartung beziffert). b 1. Soweit Rechtshängigkeit im Verhältnis zum Ausland anzunehmen ist, kann die Rechtshängigkeit auch dadurch enden, daß das Verhältnis zum Ausland sich derart ändert, daß ein dort zu erlassendes Urteil (usw.) keine Rechtskraft mehr im Inlande wirkt.
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§263
ZPO II. Buch
0. Die besonderen prozessualen Wirkungen der Rechtshängigkeit sind in §§ 263, 264, 265 II geregelt. Über die außerprozessualen Wirkungen vgl. §§ 261b C I b, I I ; 267 A II, B. § 263 II behandelt die prozessuale Folge der Rechtshängigkeit, wonach der erste dem späteren Prozeß entgegensteht, und die Fixierung der Zuständigkeit des Gerichts. C I. § 263 II 1 verbietet, daß während schwebender Rechtshängigkeit ein anderer Prozeß desselben Inhalts (RGZ 158/145 [147]) anhängig (§ 263 A I ; nicht bloß rechtshängig) gemacht werden darf. Die Vorschrift soll sich widersprechende Urteile vermeiden, von denen das spätere nach § 580 I 7 a zu beseitigen wäre, während sonst nach der h. M. das zweite den Vorrang h a t (RGZ 52/216 [218], vgl. § 322 B IV c). Wenn mehrere sich widersprechende Urteile gleichzeitig (oder zu nicht zu unterscheidenden Zeiten) rechtskräftig geworden sind, m u ß dies zur Wirkunglosigkeit bzw. Vernichtbarkeit beider Urteile führen. a) Mehrere rechtshängige identische Prozesse sind ein Prozeßhindernis, und zwar begründen sie einen von gerichts wegen zu beachtenden prozessualen Einwand (RGZ 160/338 [344] m . N.). Die nach Rechtshängigkeit anhängig gewordene Klage ist deshalb als unzulässig abzuweisen; dies gilt aber auch dann, wenn die zweite Klage zwar vorher schon anhängig, aber noch nicht rechtshängig war; nur wenn beide Klagen zugleich rechtshängig geworden sind, müssen sie beide prozessual abgewiesen werden. b) Der Einwand steht zur Beweislast des Beklagten (RGZ 160/338 [347]), sofern Unklarheiten bestehen. Dem steht nicht entgegen, daß die Rechtshängigkeit eines anderen Prozesses von gerichts wegen zu prüfen ist (RGZ 160/338 [344folg.]). Es handelt sich wie in dem Fall des § 56 u m die Frage der Beweislast im formellen Recht. Die Beweismittel dazu sind unbeschränkt (also auch im Urkundenprozeß nicht etwa auf die für diesen Prozeß zum Beweise des sachlichen Rechtes gegebenen zu beschränken, RGZ 160/338 [346]). C II. Der Prozeß geht in weitem J m f a n g e mit den Veränderungen, welche in seinem Laufe eintreten, mit; die einmal bestehende Zuständigkeit wird aber nach § 263 I I 2 vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an grundsätzlich fixiert, d. h. ein späterer Wegfall der Voraussetzungen schadet nicht (RGZ 151/103 [105folg.]), während der Eintritt zu irgendeiner Zeit während der Rechtshängigkeit genügt (RG Warn. 18/81), und zwar bis zum Verhandlungschluß (der Tatsacheninstanz: RG Warn. 13/37). a) § 263 I I 2 bezieht sich sowohl auf die örtliche wie auf die sachliche Zuständigkeit. a 1. Eine Wertminderung des Streitgegenstandes ist deshalb für die einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts gleichgültig, aber auch die Werterhöhung bleibt außer betracht, anders bei der Werterhöhung durch Klageerhöhung (§ 506 B). a 2. Die Zuständigkeit des Gerichts wird nicht dadurch verändert, daß nach Klageerhebung die Vertretung des Fiskus auf eine andere Behörde mit anderem Sitz übertragen wurde (RGZ 102/304 [307]); daß sich die nach § 23 den Gerichtstand begründenden Tatsachen ändern (RGZ 58/258), die spätere Wohnsitzverlegung in das Ausland (RGZ 151/103 [105]), der Wechsel der Staatsangehörigkeit (RGZ 150/374), die nachträglichc Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtstandes ist unerheblich oder der Wegfall eines an ein anderes Verfahren geknüpften Gerichtstandes durch Beendigung dieses anderen Verfahrens (vgl. § 64), die spätere Änderung der Gerichtsbezirke (ZuständigkcitänderungG) wie der ersatzlose Wegfall der Gerichte (vgl. ZuständigkeitergänzungG). b 1. Regelmäßiung erheblich ist der Wegfall der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch Einführung von Sondergerichten (RGZ 103/102 [103]), soweit dies nicht Überganggesetze anders regeln. Aber auch wenn diese fehlen, wirkt die gesetzliche Verschließung des Rechtsweges so, daß regelmäßig die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts entfällt (RGZ 103/303 [305]). Doch ist jetzt zu bedenken, daß, wenn der Ubergang auf ein Verwaltunggericht angeordnet wird, der Fall entsprechend der Überleitung auf Sondergerichte liegt. Die Einführung von Vorbescheiden ändert nicht die gerichtliche Zuständigkeit. Entfällt die Gerichtsbarkeit, weil ein höher gestuftes Gericht eingeführt wird (GVG § 13 B I I I a) oder weil eine Partei exterritorial wird (GVG § 18 A I b), so wird das Verfahren unzulässig (RGZ 157/389).
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Verfahren bis zum Urteil
§ 263 c n
b 2. Fällt die inländische Zuständigkeit durch ausländische Gesetzgebung weg, so sollte man wie bei den inländischen Regelungen verfahren (die Frage ist bestritten; für die Anwendung des § 263 I I 2 schlechthin: RGZ 150/374 [3761). c) Wird die Klage geändert, so ist das angegangene Gericht für die geänderte Klage nicht auf Grund des § 263 I I 2 zuständig, wenn es für den geänderten Anspruch unzuständig ist (RG N § 263/14). d) § 263 I I 2 gilt entsprechend auch für einzelne Prozeßakte.
§ 264
(235)
I Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet. A. Das Verbot der Klageänderung schützt den Beklagten. Inwieweit die Klageänderung eine erneute S t r e i t v e r k ü n d u n g erforderlich macht, vgl. Kommentar § 73 A I b. A I. Unter Klage ist der Streitgegenstand (§ 253 B II), unter ihrer Änderung die des Gegenstandes zu verstehen, also sowohl die des Anspruches (§ 253 B I I b) wie die des Klagegrundes (RGZ 143/57 [64f.]). Die Vorschrift gilt für alle Verfahren, die einen außerprozessualen Streitgegenstand haben (BGH N J W 51/405 16 ). Beim Urkundenechtheitsfeststellungprozeß (§ 256 G) ist Klagegegenstand die Urkunde selbst, die Zugrundelegung einer anderen ist Klageänderung. a) Die Veränderung der Prozeßbedingungen f ü h r t nicht zur Veränderung des Streit" gegenständes. a 1. Doch wird der Wechsel von der Feststellung- zur Leistungklage als Klageänderung angesehen, die indes unter § 268 I 2 fällt (RGZ 171/202f.). In der Revisioninstanz wird, abgesehen von dem Übergang auf bezifferte Feststellungklagen, die Klageänderung gar nicht durchführbar sein, da hier grundsätzlich neue Tatsachen nicht gebracht werden dürfen (§§ 256 C I I I a, 559 D II a). Auch der Übergang von der Leistung- zur Feststellungklage fällt unter § 268 I 2 (RG H R R 30/1659); er ist noch in der Revisioninstanz (bei bestehenbleibender Bezifferung) durchführbar (BGH v. 26. 2. 1952 I ZR 133/51). Dasselbe ist in dem Fall der KO § 146 I I I zu sagen. a 2. Der Wechsel von einer Verfahrensart in die andere ist keine Klageänderung Ob die Verfahrensänderung zuzulassen ist, ist nach den einzelnen Normen zu entscheiden. Wird im Nachverfahren die Klage geändert (was zulässig ist: BGH N J W 55/790), so liegt darin zugleich ein Wechsel der Verfahrensart; dasselbe gilt für Klageänderungen im Verfahren über die Vollstreckbarkeiterklärung eines Schiedsvergleiches (BGH N J W 51/405). b) Die Änderung der Nebenentscheidunganträge ist keine Klageänderung (vgl. RGZ 31/379). A II. Werden weder der Klageantrag noch der Klagegrund geändert, so wird die Klage nicht geändert; a) im besonderen, wenn die Rechtsausführungen geändert werden (RG H R R 29/161). a 1. Da grundsätzlich bei dem vorgetragenen Sachverhalt jeder Klagegrund zu berücksichtigen ist (iura novit curia), ist die rechtliche Charakterisierung durch die Partei ohne Bedeutung (RG D R 39 A 803 32 ). Es genügt jedenfalls, daß die Behauptungen aufgestellt worden sind, auch wenn der Rechtsgrund erst später vorgebracht wird (RGZ 36/4 [12]), auch wenn aus anderer Gruppierung der Behauptungen sich ein neuer rechtlicher Klagegrund ergibt (RGZ 85/424). a 2. So wie die Praxis sich bisweilen nicht an den Grundsatz iura novit curia hält, so weicht sie bisweilen auch von den daraus zu § 264 A I I a 1 gezogenen Folgen ab, im besonderen, wenn eine Partei etwas nur „beiläufig" behauptete, d. h. wenn sie das Vorgetragene selbst nicht zur Begründung ihres Anspruches heranzog (BGH v. 25. 3.1954 I I I ZR 341/52), wobei zumindest § 139 übergangen wurde (was in dem vom BGH entschiedenen Falle gerügt war).
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§264 An
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a 3. Nur in den Fällen, wo eine Partei ausdrücklich (was im Zweifel nach § 139 zu klären ist) sich auf einen bestimmten Rechtsgrund zulässigerweise beschränkt (vgl. § 258 G IV b), liegt in dem Wechsel auf einen oder mehrere andere Rechtsgründe eine Klageänderung. Der Übergang von der Preisminderung- zur Wandlungklage wurde als Klageänderung angesehen (RG N § 527/17). b) Gesetzlich zugelassene Klageänderungen in den Tatsacheninstanzen ergeben sich aus §§ 268, 614; in der Revisioninstanz gilt dies nur beschränkt. Im Miet-(Pacht-)aufhebungsstreit ist die Klageänderung im ersten Rechtzug im MSchG §§ 13 I, 36, 52 c I ausdrücklich zugelassen, im zweiten Rechtszuge dagegen daran geknüpft, daß der Vermieter sie im ersten Rechtszuge ohne Verschulden nicht gebracht hat, sofern der Mieter nicht einwilligt (MSchG § 13 I 2). Insoweit ist der Übergang von der Mietaufhebung- zur Räumungklage wie umgekehrt dann als Klageänderung anzusehen (LG JMB1. NRW 49/145). Wenn das Gesetz eine Last zur Klagehäufung begründet, ist die Klageänderung zulässig, also in den Fällen der § 616, PatentG § 54, MSchG §17, CIM -I- CIV Art. 50 §§2—4. Das entsprechende gilt für Klageänderungen bei den Wiederaufnahmeklagen, wo auch andere als die nach § 588 1 1 angegebenen Anfechtunggründe später geltend gemacht werden dürfen; die vor der Klageerhebung entstandenen und der Partei bekannt gewesenen allerdings nur in der Frist des § 586 II (RGZ 82/268 [270f.]), die danach entstandenen oder dem Kläger bekannt gewordenen aber unbefristet (RGZ 168/225 [230]), nach RGZ 64/227 aber nicht mehr nach Ablauf der Fünfjahresfrist. Die Regel gilt nicht, wo ein Nachschieben von Klagegründen wegen des Fristablaufs unzulässig ist, etwa in Kindschaftsachen (§ 640) oder in Gesellschafterbeschlußanfechtungprozessen (RGZ 101/242 [245]). Bei sonstigen Überlagerungen prozeßrechtlicher und außerprozessualer Tatbestandsmerkmale (vgl. § 12 B II a 1) ist nur sachlich zu entscheiden. b 1. Nur in den Tatsacheninstanzen läßt § 268 1 1 die Ergänzung des Tatsachenvortrags zu. b 2. In den Tatsacheninstanzen sind Klagebeschränkung, -modifikation und -erweiterung nach § 2681 2 gesetzlich zugelassen; in der Revisioninstanz gilt dies nicht für die Klageerweiterung. b 3. Der Fall des § 2 6 8 1 3 umfaßt die des § 268 1 1, 2. Er scheidet deshalb grundsätzlich in der Revisioninstanz aus (vgl. aber § 717 II, III). A m . Eine Klageändernng liegt vor, wenn zur Behauptung eines neuen Klagegrundes (§ 253 G IV) neue Tatsachen vorgetragen werden. Dies kann so weit gehen, daß das neue Begehren mit dem ursprünglichen gar nichts mehr zu tun hat; allerdings fällt eine solche Klageänderung niemals unter § 268 (RG Warn. 26/219). a) Im einzelnen wird der Klagegrund geändert, wenn der Anspruch zunächst auf eigenes Recht, dann auf Rückabtretung gestützt wird (RGZ 77/141), oder umgekehrt. b) Doch liegen hier bisweilen Fälle der gesetzlich zugelassenen Klageänderung vor (vgl. § 264 A II b), etwa wenn zunächst der Unterschied zwischen dem Erlös aus dem Selbsthilfeverkauf und dem Verkaufspreis (vgl. HGB § 373), später der Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach BGB § 326 gefordert wurde (RGZ 109/134 [136]), oder wenn der Inhaber eines Wechsels seine Nachmänner erst nach Klageerhebung streicht (RGZ 114/365 [366]). c) Umgekehrt gibt es indes auch Klageänderungen, in die weder das Gericht noch der Beklagte willigen können. Im Fall der KO § 146 IV muß der Klagegrund mit dem Anmeldunggrund übereinstimmen (RG HRR 31/533); der Klagende mit dem Anmeldenden (RG Gruch. 56/353); doch sind Änderungen im Rahmen des § 268 1 1 zulässig, weil insofern nach KO § 72 auch die Anmeldung geändert werden darf (RG J W 11/37135 will schlechthin §§ 268—270 anwenden). Das entsprechende gilt in den Verteilung verfahren (§ 878, ZVG § 115). A IV. Eine Klageänderung liegt stets vor, wenn der Klageantrag umgestellt wird. a) Gesetzlich zugelassen ist dies in den Fällen der Klagebeschränkung, der Modifikation in allen Instanzen, der Klageerweiterung in den Tatsacheninstanzen. b) Über den Übergang von der Leistung- zur Feststellungklage bzw. umgekehlt vgl. § 264 A I a 1.
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§264
B . Der Klage steht die Verteidigung, der Verteidigung die Gegenverteidigung usw. gegenüber. Die geänderte Verteidigung usw. unterliegt grundsätzlich anderen Normen als die geänderte Klage; jedenfalls ist sie keine Klageänderung (RG J W 37/3155 8 ). B I. Nachträgliches Bestreiten ist nach der hier vertretenen Auffassung in den Tatsacheninstanzen stets zulässig und darf nicht zurückgewiesen werden. Aber auch in den nachträglichen Häufungen der Einwendungen und Einreden kann grundsätzlich keine Klageänderung gesehen werden; vielmehr zwingt § 767 I I dazu, sie zn erheben. a) Der Einwand der Aufrechnung wird jedoch mit Rücksicht auf seine Rechtskraftwirkung (§ 322 I I ) in zweiter Instanz entsprechend der Klageänderung behandelt (§ 529 V), in erster Instanz vgl. § 302. In dritter Instanz ist die Aufrechnung grundsätzlich nicht mehr zulässig (vgl. aber § 717 I I ) . b) Keine Klageänderung liegt vor, wenn der Kläger im Falle der negativen Feststellungklage neue Verteidigunggründe häuft (OLG 29/228, vgl. RGZ 55/101, sofern die Stellung des Beklagten dadurch nicht erschwert werde); hier verlangt die Zulassung des Nachbringens schon § 767 I I . Ihm muß deshalb bis zum Verhandlungschluß der Tatsacheninstanz das Nachbringen gestattet werden (nicht mehr in der Revisioninstanz: R G J W 25/772 2 5 ), und zwar sowohl, wenn die nachgebrachten Verteidigunggründe schon früher entstanden und bekannt waren (RGZ 55/101foIg.), wie erst recht für später neu entstandene (RG J W 05/53 2 9 ). c ) Dies gilt auch dann, wenn sich Klage und Widerklage gegenüberstehen (es wird also nicht der Einwand oder die Einrede ohne weiteres zur selbständigen Klagebegründung der entgegenstehenden Klage, R G N § 264/11). Selbst wenn deshalb eine Klageänderung nicht zugelassen wird, ist das Vorbringen insoweit zu beachten, wie es Verteidigung gegenüber einer Widerklage ist, wie umgekehrt das Vorbringen zu einer unzulässigen Widerklageänderung als Verteidigung gegen die Klage wirken kann (RG Warn. 09/246). B II. Umgekehrt dienen Replik und Replikation der Bekämpfung der Einwendungen bzw. der Einreden. Man darf sie deshalb nicht wie die Klagebegründung behandeln, sondern wie die Einwendungen und Einreden als Verteidigungmittel (RG LZ 25/955 1 ). Davon zu unterscheiden ist der Fall, wenn der Kläger gegenüber Einwendungen und Einreden keine Replik oder Replikation im technischen Sinne, sondern eine neue Klagebegründung bringt (RG N §264/31). B III. Das entsprechende gilt dann von den Dupliken und Duplikationen, die der Einwendung und Einrede entsprechen, der Triplik und der Triplikation usw.. C. Die (nicht gesetzlich zugelassene, vgl. § 268 B , C, D) Klageänderung ist zulässig, wenn der Beklagte in sie willigt (vgl. dazu § 269) oder das Gericht sie als sachdienlich zuläßt (vgl. dazu § 2 7 0 ) . C I. Die Einwilligung des Beklagten ist eine empfangsbedürftige (dem Gericht gegenüber abzugebende), einseitige, prozessuale Willenserklärung, die unwiderruflich ist (arg. § 2 6 9 ) . Sie darf mündlich wie schriftlich (unter Anwaltzwang) erklärt werden, was a) aus schlüssigem Verhalten entnommen werden darf (RG Gruch. 65/111 [113]); sie kann ausdrücklich auch vorweggenommen werden (vgl. R G Warn. 18/194). Vorbehaltlose Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung führt zum Verlust seines Rechts, die Einwilligung zu verweigern (§ 269). b) Sind mehrere Beklagte vorhanden, so muß derjenige in die Klageänderung einwilligen, der betroffen wird. Bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62) scheitert am Widerspruch eines Beklagten die Einwilligung; bei den selbständigen Streitgehilfen (§ 69) aber auch an dem des Streitgehilfen; während bei der gewöhnlichen Streithilfe (§ 67) der Streitgehilfenwiderspruch die positive Einwilligung des Beklagten nicht unbeachtlich macht, nur sein Schweigen läßt sich dann nicht als Einwilligung nach § 269 deuten. c) Ändert nur ein Kläger eine gemeinschaftliche Klage, so fragt es sich bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62), ob auch die übrigen zustimmen; hier ist aber § 269 nicht anwendbar; das entsprechende gilt auch vom selbständigen Streitgehilfen des Klägers ( § 6 9 ) ; bleibt der Kläger bei der Änderung, so hält er die ursprüngliche Klage nicht aufrecht, was je nach ihrem
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§264 Clc
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Charakter dann die gesamte alte Klage hinfällig macht (§ 62 A I a) oder unbeachtlich ist (§ 62 A I b); an dem Widerspruch eines dieser scheitert die Klageänderung. Bei gewöhnlicher Streitgenossenschaft und unselbständiger Streitgehilfenschaft ist dann bezüglich des einen Klägers über den geänderten, bezüglich des anderen über den alten Anspruch zu entscheiden. In die Klageseite darf sich das Gericht auch dann nicht, wenn es die Klageänderung für sachdienlich hält, einmischen (§ 264 ist insoweit nicht entsprechend anzuwenden). d) Das Gericht darf, wenn der Beklagte einwilligt, nicht etwa die Änderung (wegen Verspätung oder Niehtsachdienlichkeit) zurückweisen (RG N § 264/40); denn die Klage(änderung) ist Angriff und kein Angriffsmittel (RG J W 37/544 12 ). Dies gilt auch für die Berufunginstanz, wo § 529 I I unanwendbar wird (BGH N J W 55/707). C II. Widerspricht der Beklagte, so darf das Gericht in die Änderung willigen und muß es t u n , wenn die Änderung sachdienlich ist. a) Sachdienlich ist die Befriedung (Kommentar § 253 B I I b 2), m. a. W . : der Sache dient, was den Streit beendet (RG J W 37/811 4 ); was objektiv zu bestimmen ist (RGZ 157/369 [379]). a 1. Der Umfang des Klagebegehrens wird zwar so vom Gericht ausgelegt; da indes der Wille des Klägers über den Klageantrag entscheidet (§ 308 I), liegt in der anderen Auslegung durch ihn dann nur eine Klageänderung (vgl. RG J W 01/173). Bei der eventuell gehäuften Klage werden alle Ansprüche rechtshängig (vgl. § 260 B IV b). Ein nicht ausgeurteiltes Eventualbegehren geht ohne weiteres in die höhere Instanz über (§ 260 B IV b 1), ohne daß es der Anschließung bedarf (BGH N J W 54/1324). Das erstmalige, nachträgliche Hinzufügen eines neuen (eventuellen) Klagegrundes ist eine Klageänderung (a. M. RGZ 47/390); die Umstellung von Haupt- und Hilfsantrag dagegen keine (a. M. BGH N J W 51/311). a 2. Die ZPO unterscheidet dabei nicht, ob die Klage in erster oder in zweiter Instanz geändert wird, also bis zum Verhandlungschluß in der Tatsacheninstanz (RG Seuff. 92/104). Deshalb isl; auch nicht in das Gewicht zu werfen, ob eine Tatsacheninstanz verloren wird (BGHZ 1/65 [71f.]). Anders ist dies nur nach MSchG § 13 I. b 1. Das Verschulden einer Partei mag zu den Kostenfolgen der §§ 96, 97 I I führen, darf indes nicht die Zulassung der Klageänderung hindern (RG H R R 37/1254). b 2. Eine Verzögerung durch neue Beweisaufnahme oder Erschwerung der Verteidigung des Beklagten ist kein Grund, die Sachdienlichkeit zu verneinen (BGH D B 51/760). c 2. Nur bei nicht übereinstimmenden Klageereignissen sollte die Sachdienlichkeit verneint werden. Die Rechtsprechung geht aber oft darüber hinaus. Nicht zugelassen wurde die Klageänderung vom Anspruch auf Erfüllung auf den auf Rechnunglegung für den Fall der Nichtigkeit des Vertrags vom BGH v. 15. 11.1956 I I ZR 147/55. C III. Zu entscheiden ist über die Zulassung einer Klageänderung nur, wenn der Beklagte widersprochen h a t . Dies darf durch Zwischenurteil geschehen (§ 330) — dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 270) —, aber auch in den Gründen des Endurteils, und zwar ausdrücklich, wenn die Klage abgewiesen wird, weil sonst nicht ersichtlich ist, ob dies als unzulässig oder unbegründet geschehen sollte (RG J W 34/974 1 ); wird die Änderung zugelassen, so braucht darüber nur stillschweigend, nämlich sachlich über die geänderte Klage entschieden zu werden (RGZ 155/227 [229J). Wird die Klageänderung nicht zugelassen, so ist nur über die alteKlage zu entscheiden und in den Gründen die Nichtzulassung der Änderung zu bescheiden. a) Dahingestellt bleiben darf die Frage, ob die Klageänderung zuzulassen ist, an sich nicht (BGH LM § 268/1). a 1. Wird die Klageänderung nicht zugelassen, so ist die neue Klage als unzulässig abzuweisen (nicht als unbegründet); wird trotz Nichtzulassung aber sachlich entschieden, so liegt darin eine Aufhebung der ersten Entscheidung. Die Lage ist hier anders als bei den sonstigen Prozeßabweisungen, weil der sachlichen Entscheidung des Gerichts nur die eigene Zulassung entgegensteht und sie trotz entgegenstehender wörtlicher Begründung durch die Tat gegeben wird (a. M. RGZ 149/167). a 2. Von dem hier vertretenen Standpunkt aus gilt das entsprechende, wenn über eine Prozeßbedingung, welche später zu erledigen ist (§ 274 B I c), die Entscheidung fällt, während
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Verjähren bis zum Urteil
§ 264 c m a 2
die Zulässigkeit der Klageänderung wörtlich verneint wird (RGZ 102/391 [393] für die Zulässigkeit des Rechtswegs ; a . M . R G J R 2 6 B 7 2 7 ) . Es ist deshalb aber auch unrichtig, die Klageänderung als nicht sachdienlich nicht zuzulassen, weil eine solche — spätere — Prozeßbedingung fehlt oder weil sie unbegründet ist. b) Entscheidet die Instanz anstatt über den neuen Klageantrag trotz vollzogener Klageänderung über den alten, so ist, wenn der neue nur zusätzlich gestellt war, § 321 anzuwenden; wenn und soweit er den alten ersetzte, ist das Rechtsmittel (Berufung, Revision) einzulegen. Das letzte gilt auch in den Fällen, wo der neue Antrag als Hauptantrag, der alte als Hilfsantrag gestellt war; denn hier durfte über den alten Antrag entweder überhaupt nicht mehr oder doch nicht vorzeitig entschieden werden. Wurde aber der alte Antrag als Hauptantrag, der neue als Hilfsantrag gestellt und wird dann der H a u p t a n t r a g abgewiesen und über den Hilfsantrag nicht entschieden, so liegt ein Fall des § 321 vor, während, wenn dem H a u p t a n t r a g stattgegeben wird, der Hilfsantrag selbst dann in die höhere Instanz kommt, wenn über die Klageänderung noch gar nicht entschieden ist; dann muß es gegebenenfalls die höhere Instanz tun (RG N § 264/32). C IV. H a t die erste Instanz die Klageänderung nicht zugelassen (hat sie zugelassen, so gibt es keine Nachprüfung, § 270), sondern die Klage als unzulässig abgewiesen, a) so überprüft die zweite Instanz die Zulässigkeit, wenn die Nichtzulassung in der Rechtsmittelbegründungschrift gerügt worden ist. Selbst wenn man unterstellt, daß die Frage der Sachdienlichkeit nach dem Ermessen der Tatsacheninstanz zu entscheiden wäre (RG Warn. 31/75, vgl. § 264 C IV b), so würde die zweite Instanz nach eigenem Ermessen zu prüfen haben. Jedenfalls verweist weder die zweite noch die dritte zur Prüfung der Sachdienlichkeit zurück (vgl. BGH MDR B 260/51), sondern entscheidet über die Sachdienlichkeit selbst. b) Dieselbe Prüfung nimmt indes auch das Revisiongericht vor, wenn man den Begriff der Sachdienlichkeit objektiv fasst (BGH N J W 58/184). Jedenfalls gehört er zu den Prozeßbedingungen und ist auch deshalb wie jede dieser unbeschränkt in der Revisioninstanz nachzuprüfen, da insoweit § 561 nicht entgegensteht (im Ergebnis auch BGH v. 15.11. 1956 II ZR 147/55). c) Ist die Klageänderung in den höheren Instanzen zuzulassen oder als zugelassen zu behandeln, hat also die untere nicht sachlich über sie entschieden, so darf die Berufunginstanz stets selbst sachlich entscheiden (§§ 539, 540). In beiden Fällen muß das Berufunggericht — nach der hier vertretenen Auffassung — gemäß § 538 II jedenfalls sämtliche Prozeßbedingungen klären. c 2. Die Revisioninstanz kann allerdings nicht durcherkennen, wenn sich das Berufunggericht der sachlichen Entscheidung enthalten hat (BGH N J W 51/881) und der Sachverhalt ungeklärt ist. D I. Wird der alte Klageantrag fallen gelassen, so scheidet er aus dem Prozeß aus und der neue tritt an seine Stelle. b) War der alte Anspruch schon rechtshängig (§ 263 I), so erlischt die Rechtshängigkeit; da es sich aber u m keine reine Klagerücknahme handelt, wird § 271 nicht angewandt. b 1. Doch darf der Beklagte dann stets eine — negative — Widerklage erheben (was auch gegenüber einem fallengelassenen Eventualanspruch geht; u. U. durch eventuelle Widerklage; vgl. § 33 D I a), um eine Entscheidung über den alten Klageanspruch zu erzwingen. Diese ist auch im zweiten Rechtzuge zuzulassen (RG J W 36/928 17 ). b 2. Abgesehen von diesem Fall darf aber über den alten Klageanspruch nicht mehr entschieden werden und es wird auch deshalb keine — gesonderte — Kostenentscheidung erlassen (vgl. aber §§ 96, 97 II). b 2. Keine Klageäaderung ist die Klagerücknahme; hier kann die Einwilligung des Gegners — sofern sie erforderlich ist (§ 271 I) — nicht bei „Sachdienlichkeit" durch das Gericht (§ 246) ersetzt werden. Das entsprechende gilt für die Rechtsmittelrücknahme. b 4. Wird in der Klage (welche bestimmender Schriftsatz ist) ein Anspruch erhoben, der aber nicht vorgetragen wird, und wird über ihn (infolgedessen) auch im ersten Rechtzuge nicht
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§ 264 Dib
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entschieden, so liegt, wenn er im zweiten Rechtzuge erneut geltend gemacht wird, eine Klageänderung vor, sofern er nicht mehr rechtshängig ist (RG J W 11/457 30 ). Ist der Anspruch trotz fehlenden Vortrags rechtshängig geblieben, so daß, wenn er wieder aufgegriffen werden würde, im ersten Rechtzuge über ihn zu entscheiden wäre, so wird man, soweit die zweite Instanz der Entscheidung der ersten vorgreifen darf (§ 536 B II), in seiner Verfolgung in der zweiten Instanz keine Klageänderung sehen dürfen, während in der Erzwingung einer vorgriffsweisen Entscheidung der zweiten Instanz, die an sieh gesetzlich nicht zu rechtfertigen ist, eine Klageänderung liegt, welche die Rechtshängigkeit in der ersten Instanz auf die zweite überträgt. In der dritten Instanz ist dies nur durchführbar, soweit keine neuen Tatsachen vorzutragen sind, die in der dritten sonst nicht vorgetragen werden dürfen und sofern keine neuen Ansprüche erhoben werden, abgesehen von den Fällen, wo auch dies zulässig ist (§ 717 II, III). b 5. Der neue Anspruch wird rechtshängig (§ 263 B), bevor über seine Zulassung entschieden wird, nämlich mit seiner Erhebung (§ 281), regelmäßig durch bestimmenden (§ 129 A I) Schriftsatz, der den Erfordernissen des § 253 I I 2 entsprechen und dann zugestellt (§ 261b II) werden muß, u. U. bei deutlich gemachter Ankündigung aber auch erst in der mündlichen Verhandlung (§ 281). Aber auch wenn sie vollzogen ist. braucht sie noch nicht vorgetragen zu werden, wie auch nicht alles, was in der Klage enthalten ist, vorgetragen zu werden braucht. b 6. Willigt der Beklagte in die Änderung ein oder läßt sie das Gericht zu, so erlischt mit der Abgabe der Erklärung des Beklagten bzw. dem Zulassungspruch des Gerichts (§ 270) die Rechtshängigkeit des bisher geltend Gemachten, und es ist dann nur noch über die geänderte Klage zu entscheiden (OLG J W 38/2149 28 ). c) Bis zur Vollziehung des Wechsels überschneiden sich die Ansprüche derart, daß sowohl der alte wie der neue Anspruch rechtshängig bleiben. c 2. Die wiederholte Klageänderung ist s t a t t h a f t , und zwar auch dahin, daß die erste Klageänderung wieder rückgängig gemacht wird (OLG 41/268). d) Willigt der Beklagte nicht in die Klageänderung und läßt sie auch das Gericht nicht zu, so ist aufzuklären, ob der Kläger den alten Anspruch nicht mehr geltend macht, entweder auf ihn verzichtet (§ 306), die Klage insoweit (u. U. mit der dazu erforderlichen Einwilligung des Beklagten, § 2711) zurücknimmt oder nur nicht über ihn verhandelt. Häufig wird hier der alte Anspruch in Form eines Eventualanspruchs aufrechterhalten; dann bleibt seine Rechtshängigkeit bestehen (Umstellung von H a u p t - und Hilfsantrag ist zulässig und keine Klageänderung, vgl. aber § 264 C I I a 1). Auch ist es denkbar, daß der alte Anspruch sieh erledigt (vgl. § 91a A l b ) ; ist all dies nicht der Fall, so darf der Beklagte ein Versäumnisurteil beantragen, weil der Kläger über den Anspruch nicht (mehr) verhandelt (§ 333; ein Fall des § 334 liegt nicht vor). D II. Die (Wider-)Klage kann nachträglich auch kumulativ oder eventuell gehäuft und damit im Verhältnis zur ursprünglichen geändert werden (RG Seuff. 77/157). Eine Vermutung dafür, daß ein zunächst geltend gemachter Anspruch fallen gelassen wird, besteht nicht; denn die Einführung eines neuen Klagegrundes bedeutet nicht notwendig, daß der frühere fallen gelassen wird (RG J W 91/5 9 ); im Zweifelsfall ist nach § 139 aufzuklären. D III. Bei der Klageänderung als solcher werden weder die Prozeßbedingungen noch die Schlüssigkeit oder gar die Begründetheit der geänderten (bzw. der zu ändernden alten) Klage geprüft. a) Grundsätzlich wird die Zulässigkeit der Klageändernung vorweg von den übrigen Prozeßvoraussetzungen geprüft (§ 274 B I c); es sei denn, daß nur in bezug auf die Änderung das Fehlen von Prozeßvoraussetzungen gerügt wird, da sie dann selbst gar nicht existent geworden ist (etwa weil sie von einem nicht legitimierten gesetzlichen Vertreter erhoben worden ist). a 1. War für einen Klageanspruch die an sich fehlende Gerichtsbarkeit durch Unterwerfung hergestellt, so bedarf es der erneuten Unterwerfung für die geänderte Klage. a 2. So wird auch für den neu erhobenen Anspruch die Zulässigkeit des Rechtsweges erst nach der Zulässigkeit der Klageänderung geprüft (RG J R 26 B 727).
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Verfahren bis zum Urteil
§264
Dina
a 3. Das entsprechende gilt für die Zuständigkeit des Gerichts. Sie muß auf Büge oder, soweit eine ausschließliche Zuständigkeit besteht, auch von gerichts wegen für den neuen Anspruch geprüft werden (RGZ 88/55 [61]); die Zugehörigkeit zur Kammerfür Handelsachen bzw. zur Zivilkammer wird dagegen nur zur Verweisung des gesamten Streits führen (vgl. RGZ 99/202 [207]). Wird die Klage erst in der höheren Instanz geändert und ergibt sich dabei für die höhere Instanz ihre örtliche Unzuständigkeit, so ist ihr nachzugehen, weil ein Fall des § 512a nicht vorliegt. Bei der sachlichen Unzuständigkeit ist dagegen zu beachten, daß der Beklagte in keine Schleehtefstellung zu willigen braucht und auf Verweisung an eine landgerichtliehe erste Instanz beharren darf, wenn sich der Wechsel aus einer Klageänderung vor dem Landgericht als Berufunginstanz ergibt (Kommentar § 276 B IV c 1). Darüber, inwiefern für die geänderte Klage, für die eine Frist zu wahren war, auf die ursprüngliche zurückgegriffen werden darf, vgl. § 261 b C. a 4. Die Beibringung einer neuen Vollmacht ist grundsätzlich nur dort zu fordern, wo das Gesetz Spezialvollmachten vorschreibt und diese (erst) mit der Klageänderung vorgelegt werden müssen (der umgekehrte Fall wird nicht praktisch). a 7. Über die erweiterte Klage soll erst verhandelt werden, nachdem die Prozeßgebühr nach GKG § 111 I 3 bezahlt worden ist. Doch darf auch der Beklagte auf Verhandlung bestehen (§ 216 B IV c 1). a 8. Steht dem neuen Anspruch eine Schiedsgerichtseinrede entgegen, so darf sie erhoben werden, selbst wenn sie auch schon gegen den ursprünglichen Anspruch hätte erhoben werden dürfen und dort versäumt wurde. Dasselbe gilt für Kosteneinreden. c) Besteht die Klageänderung darin, daß der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, so darf er nur noch die Kostenentscheidung erstreben (KG OLG 39/42). Bei Streit über die Erledigung ist wie üblich darüber zu entscheiden (§ 91a B II). Über die Frage, wie zu verfahren ist, wenn er trotz Erledigungerklärung hilfsweise den alten Antrag aufrechterhält, vgl. § 260 B IV c 1. Erklären beide Parteien den Streit zur Hauptsache für erledigt, so gilt § 91a. E. Die h. M. behandelt die Parteiänderung wie die Klageänderung (BGH LM § 264/8); im besonderen wird so gestattet, nachträglich durch neue Klage einen weiteren Beklagten in den Streit zu ziehen (RG J W 34/2615 6 ). Doch gibt es Parteiänderungen ohne Klageänderung (wie es Klageänderungen ohne Parteiänderungen gibt), mag auch in dem Regelfalle mit der Parteiänderung zugleich eine Klageänderung verbunden sein (vgl. § 264 E II). E I. Von der Parteiänderung ist die bloße Berichtigung der Parteibezeichnung zu unterscheiden, die keine Parteiänderung und keine Klageänderung ist (RG J W 38/1730 21 ). Sie ist jederzeit im Laufe des Verfahrens, auch noch in der Revisioninstanz zulässig. Nach beendigtem Verfahren sind die Normen der Umschreibung des Titels (§§ 727 folg.) entsprechend anzuwenden, u. U. ist auf Klarstellung neu zu klagen. a) Wechselt nur der gesetzliche Vertreter (bzw. der Prozeßfähige), so liegt keine Parteiänderung vor. Die h. M. ist genötigt, bei dem Wechsel auf eine bzw. einer sog. Partei kraft Amtes eine gesetzlich zugelassene Parteiänderung anzunehmen (BGH N J W 56/1598). b) Parteiänderung liegt vor, wenn eine Partei nunmehr als Vertreter der Partei auftritt (BGH N J W 55/667). c) Die Umwandlung einer juristischen Person (eines Unternehmens) in eine andere Rechtsform fällt, wenn die juristische Person bestehenbleibt (auch in dem Fall der Fusion) unter den Begriff der Parteiberichtigung. Doch gehört dazu auch die Umwandlung in eine andere Person (Auflösung juristischer Personen und Übertragung ihres Vermögens auf die Inhaber). E II. Die Prozeßordnung kennt die gesetzlich zugelassene Parteiänderung (vgl. RGZ 141/277 [283], v. 10. 7.1924 V E 108/350 f.), knüpft sie an bestimmte Voraussetzungen und schreibt für ihren Eintritt bestimmte Formen vor (vgl. §§ 75, 76, 77; 239 [240], [243 bezogen auf § 240]; 265 II 2, 266 I; 666 III, 679 IV; 856). Dazu gehört auch der Fall, wenn der Staatsanwalt in den Prozeß auf Ehelichkeitanfechtung des Kindes eintritt (was noch in der Re48 Wleczorek, ZPO, Handausgabe
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§264
Eil
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visioninstanz zulässig ist: BGH LM - BGB § 1595a/l). Aber auch wenn eine Gründergesellsehaft oder die Mitglieder eines nicht-rechtsfähigen Vereins klagen, sodann aber die juristische Person entsteht, der Verein etwa eingetragen wird, liegt eine gesetzlich zugelassene Parteiänderung vor (OLG J W 37/1659 26 ). Umgekehrt liegt der Fall bei der Auflösung von Gesamtparteien in Einzelparteien (§ 50 B I I I c 2). Auch hier ist die Parteiänderung gesetzlich zugelassen. Der Übergang der Klage gegen eine nichtrechtsfähige Gesellschaft auf die gegen ihre einzelnen Mitglieder wurde zugelassen (RGZ 39/286 [291]). Darin sah eine bloße Klageberichtigung: R G J W 03/4 8 . a) Mit der Parteiänderung wird regelmäßig eine Klageänderung verbunden sein, etwa wenn der Rechtsnachfolger Leistung an sich begehrt oder sie gegen ihn gefordert wird. Ist die Parteiänderung gesetzlich zugelassen, so ist es auch die damit untrennbar verbundene Klageänderung; dies gilt für alle Instanzen (RGZ 105/313 für die Berufunginstanz), also auch noch für die Revisioninstanz. Umgekehrt bewirkt die „Zulassung" der Parteiänderung nicht die Folge des § 270 (RGZ 108/350 für den Fall des § 266 I). b) Doch gibt es auch Fälle, wo eine Klageänderung durch die Parteiänderung nicht bewirkt wird, etwa bei dem Eintritt des Staats(anwalts) in den Ehelichkeitanfechtungprozessen oder wenn die frühere Partei schon auf Leistung an den eintretenden dritten klagte und dieser nun Leistung an sich begehrt. E III. Die darüber hinausgehenden Fälle betrachtet die h. M. unter dem Gesichtswinkel der Klageänderung (RGZ 157/369 [377]; a. M. die Parteiänderung auf der Seite des Beklagten nicht zulassend: BGH N J W 56/1598 mit der Einschränkung, daß die mißbräuchliche Verweigerung der Zustimmung des eintretenden Beklagten unbeachtlich sei; auch die des Klägers nicht zulassend: KG OLG 5/25). Die Parteiänderung ist noch in der Berufunginstanz zugelassen (BGH N J W 55/707). Obwohl die Revisioninstanz nur sehr beschränkt einen neuen Tatsachenvortrag duldet (§ 561 B), sollte man sie in ihr zulassen, soweit damit keine in der Revisioninstanz verbotene Klageänderung verbunden ist, also nur, soweit in ihr auch die Klageänderung noch zulässig ist (vgl. § 268 C I I I für die Modifikationen; dagegen will RGZ 58/248 schlechthin § 268 nicht anwenden). a) Der erste Fall betrifft die Parteiänderung, welche sich durch riigelose Einlassung vollzieht (RG J W 07/843 24 ). Wird gerügt, so ist die Parteiänderung unzulässig, sofern nicht ein Fall gesetzlicher Zulassung vorliegt (RGZ 141/277). b) Der zweite Fall betrifft die Parteiänderung, welche das Gericht zuläßt; auch stillschweigend, etwa wenn der Kläger erklärt, er nehme einen bestimmten Beklagten in Anspruch und das Gericht dahin erkennt, daß dieser nach der Klageschrift als Beklagter anzusehen sei (RG J W 02/418 4 ). BGH N J W 55/667 hat die als sachdienlich zugelassene Parteiauswechslung (von dem klagenden Gesellschafter einer ZweimannGmbH auf die GmbH) bei der Klage auf Ausschluß des anderen Gesellschafters gebilligt. b 1. Werden ein neuer Kläger oder ein neuer Beklagter oder beide in erster Instanz in den Streit (zusätzlich) hineingezogen, so wird ein neues Prozeßrechtsverhältnis begründet, das mit Rücksicht auf § 147 der Zustimmung des Gerichts, nicht aber der sonstigen am Rechtstreit Beteiligten bedarf (vgl. RGZ 96/201). In den höheren Rechtzügen hat das Gericht diese Befugnis grundsätzlich nicht mehr. Doch wird man hiervon abweichen dürfen, wenn der, welcher in den Streit gezogen werden soll, schon als Streitgehilfe oder ursprünglich als gesetzlicher (RGZ 58/248 [251]) oder gewillkürter Vertreter für eine andere Partei aufgetreten ist (RGZ 157/369 [376]) und im umgekehrten Fall (OLG H R R 36/1367). b 2. Ferner ist § 270 auch in diesem Fall unanwendbar (vgl. RGZ 108/350, entschieden zu §266 1). b 3. Von einer gesetzlichen Zulassung der Parteiänderung entsprechend § 268 kann in den hier in betracht kommenden Fällen grundsätzlich keine Rede sein; obwohl nicht zu verkennen ist, daß, wenn der Anspruch gepfändet wurde, dann der Kläger — gleichviel wann dies geschah — nur den Antrag umzustellen braucht (RG Gruch. 49/1061 [1065f.]), worin dann
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§ 264
e in b 3
eine Änderung des Klageantrags liegt, die unter § 268 I 2 fällt. Nur im Fall des CIM + CIV Art. 50 sollte die Hereinziehung eines neuen Beklagten in den Verfahren erster Instanz zugelassen werden (vgl. § 2 a. a. 0., da sonst der Anspruch gegen den Beklagten erlöschen würde). c) Im Rechtsbehelf(mittel)zuge kann sich ein Verbot der Parteiänderung dadurch ergeben, daß für oder gegen die Partei, welche in den Streit gezogen werden soll, eine (formell) rechtskräftige Entscheidung vorliegt. War so gegen eine Partei nur ein Rechtsbehelf eingelegt, so kann nicht — bei subjektiver Klagehäufung — noch eine weitere Gegenpartei, gegen die kein Rechtsbehelf eingelegt war, in den Streit einbezogen werden (im Fall des Widerspruchs gegen einen Arrestbefehl bzw. gegen eine einstweilige Verfügung gilt dies aber nicht, weil der Widerspruch unbefristet lange eingelegt werden darf). d) Bin ausscheidender Beklagter hat die Rechte gegen den Kläger aus § 271 III 2, 3 in entsprechender Anwendung (LG Schl.HA 58/46).
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I Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten. II Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozeß keinen Einfluß. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozeß als Hauptpartei an Stelle des Rechtevorgängers zu übernehmen oder eine Hauptintervention zu erheben. Tritt der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auf, so ist § 69 nicht anzuwenden. IH Hat der Kläger veräußert oder abgetreten, so kann ihm, sofern das Urteil nach § 325 gegen den Rechtsnachfolger nicht wirksam sein würde, der Einwand entgegengesetzt werden, daß er zur Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr befugt sei. A. §§ 265, 266 fixieren die Klageberechtigung (§§ 50 G, 253 B III) mit der Rechtshängigkeit (§ 263 I), d. h., steht sie dem Kläger in diesem Zeitpunkt oder in irgendeinem, solange der Streit rechtshängig ist (also auch, wenn er sie nach Klageerhebung erst durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge erlangte) zu, so wird sie ihm nicht durch Veränderungen, die außerprozessual wirken, genommen. Das Gegenstück hierzu findet sich in § 325, wonach derjenige, auf den die außerprozessualen Rechte des Klägers nach Rechtshängigkeit übergegangen sind, die Prozeßführung des Klägers gegen sich gelten lassen muß. A I. Behält der Kläger die Klageberechtigung trotz „Veräußerung", so kann sich nur noch der zweite Teil der Normen verwirklichen, a) daß dann, wenn dies nach Rechtshängigkeit geschieht, der Erwerber der Prozeßführung des Klägers unterworfen ist. a 1. Dies gilt in all den Fällen, wo der Kläger trotz „Veräußerung" noch Klage erheben darf (§§ 50 G I a 1, 253 B III b). a 2. Das entsprechende gilt bei hoheitlichen Übertragungakten. b) Wird hier vor Rechtshängigkeit „veräußert", so bleibt das Klagerecht erhalten, wenn auch der Antrag auf Leistung an den Erwerber gestellt werden muß (vgl. § 265 III). In diesen Fällen ist der Erwerber nicht der Prozeßführung des Klägers unterworfen. A II. Dem entspricht die Rechtslage beim Urkundenechtheitfeststellungprozeß (§ 256 G), nur daß hier eine Antragsänderung nicht in betracht kommt. B. Die außerprozessuale Veränderung betrifft die Rechtsverhältnisse (§ 253 B II c 2) und die Ansprüche i. S. des außerprozessualen Rechts (BGB § 194; § 253 B II c 1); Streitgegenstand sind indes die Ansprüche i. S. des § 253; beide decken sich nicht (§ 253 B II c). Die Rechtshängigkeit (§ 263) ergreift nur die Ansprüche i. S. der ZPO. Soweit ein Rechtsverhältnis Streitgegenstand ist (§§ 253 B II b; 256 B I a 2) und hier ein Personen -(Rechtsubjekt-)wechsel eintritt, liegt zugleich mit der außerprozessualen Änderung die Änderung der Anspruch48*
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berech tigung i. S. der ZPO vor. Dasselbe gilt für die Klageberechtigung für den Einzelanspruch i. S. der ZPO, soweit dieser einen Anspruch des BGB § 194 betrifft. B I. In diesen Fällen ist von dem Rechtsverhältnis von einer Person zu einem Gegenstand auszugehen (§ 253 B II c 2). a) Bei Klagen aus dinglichen Rechten ist der Gegenstand des Rechts i. S. des § 265 streitbefangen, a 1. bei Klagen aus Eigentum (BGB §985), aber auch bei denen aus BGB §§904folg., 1004 (BGH MDR 56/157). Ob dabei ein Anspruch aus dinglichem Recht (positiv) oder die Befreiung davon geltend gemachtwird (negativ),ist gleich (auch dieKlage aufLöschung der Hypothek macht das Grundstück streitbefangen, (RG Gruch. 60/504 [508 f.]). Die Klage aus BGB §894gegen den Bucheigentümer läßt das Grundstück streitbefangen werden (RGZ 121/279 [381f.]), ebenso die bei Abtretung des Berichtigunganspruchs (RG Gruch. 65/723). Das entsprechende gilt für die Klagen der beschränkt dinglich Berechtigten gegen dritte (nicht gegen den Eigentümer oder einen beschränkt dinglich Berechtigten, von dem sie ihr Recht ableiten), soweit sie denen des Eigentümers entsprechen; und auch gegen den Eigentümer, soweit sie Besitzschutz genießen ; hier ist nicht bloß das dingliche (Teil-)Recht, sondern auch das Vollrecht, also die Sache selbst, als in Streit befangen anzusehen. Ob das entsprechende bei Klagen aus einer Vormerkung (BGB § 883) gilt, ist streitig (bejahend: RGZ 27/237; a. M. KG OLG 15/268). a 2. Den dinglichen Rechten stehen die absoluten gleich (§ 253 B III b 1). Ein Patentrecht ist streitbefangen, wenn es um die Nichtigkeit oder die Zurücknahme des Patents (RGZ 72/242) geht oder um Unterlassungansprüehe. Ein dinglicher Anspruch ist auch der aus BGB § 2033 (nicht aber der aus BGB § 2018). a 3. Aber auch Forderungen können dieses absolute Verhältnis haben (§ 253 B II b, III b 1). Ein Recht ist streitbefangen im Prätendentenstreit (§ 75 A I) oder, wenn seine Belastung oder die Freiheit von einer Belastung beansprucht wird (RG JW 29/77440 für das Erbbaurecht). b) Dagegen ist das zwischen Rechtsubjekten als solches bestehende Rechtsverhältnis, das von der Rechtskraft nicht ergriffen wird, nicht im Streit befangen, wenn aus ihm allein die sich daraus ergebenden (obligatorischen) Rechtsansprüche hergeleitet werden. b 1. Schuldrechtliche Ansprüche machen deshalb den Gegenstand, auf den sie sich beziehen, nicht streitbefangen, im besonderen nicht die auf Herausgabe und Auflassung (RG J R 27 B 416). Darauf, ob sie geeignet sind, eine Widerspruchsklage (§ 771) zu begründen oder die Aussonderung oder Absonderung im Konkurse, kommt es nicht an (OLG 2/350), sofern nicht das Besitzverhältnis entscheidet. Dies gilt ferner für die Ansprüche aus Gläubiger- und Konkursanfechtung (RGZ 103/113 [121]). Auch bei der Erbschaftklage (BGB § 2018) sind nicht die einzelnen Nachlaßsachen im Streit befangen. b 2. Ebenso ist bei schuldrechtlichen Ansprüchen auf ein Recht, auf seine Abtretung, auf seine Belastung u. dgl. m. oder wegen (schuldrechtlicher) Schadenersatzansprüche aus der Verletzung des Rechts oder auf Auskunft über die Verletzung nicht das Recht streitbefangen. Bei einer Klage auf Einwilligung in die Auszahlung einer Sicherheit ist nicht der Anspruch gegen die Hinterlegungstelle streitbefangen. B II. Auf Klage- (§ 253 C) und Prozeßart (§ 260 C III a) kommt es nicht an. a) Die Parteirolle entscheidet nicht, gleichviel ob positiv oder negativ geklagt wird (OLG SächsAnn. 32/342). a 1. Bei der negativen Klage kann der streitbefangene Gegenstand also gerade vom Beklagten beherrscht werden. Dann wirkt die Entscheidung gegen seinen Rechtsnachfolger (RGZ 88/267f.), wenn der Beklagte die dem Kläger gehörende Sache während des Rechtsstreits veräußert, der Erwerber aber die Rechtshängigkeit kannte (§ 325 II), ohne daß der Klageantrag selbst deshalb verändert werden müßte. Richtet sich die Hauptklage nach BGB § 1004 gegen den Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, so ist auch dessen Rechtsnachfolger gebunden (RGZ 40/333 [337]).
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Verfahren bis zum Urteil
§ 265 B
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a 2. Wird indes der Gegenstand vom Kläger beherrscht und richtet sich sein Anspruch gegen den Verletzer, so ist der, welcher nach diesem dieselbe Verletzung begeht, nicht sein Rechtsnachfolger. Dies gilt bei Patentverletzungen mehrerer, mögen sie auch untereinander in Verbindung stehen (RGZ 153/210 [214]). Auch kann der Beklagte nicht die Unterlassungschuld (etwa wenn sie an seinen Gewerbebetrieb knüpft) durch Veräußerung (des Gewerbebetriebs) übergehen lassen (RGZ 153/210 [214]; anders ist es, wenn der Kläger seinen Gewerbebetrieb veräußert, aus dem heraus die Unterlassung wegen unlauteren Wettbewerbs begehrt wurde: RGZ 86/252 [254f.]). Das Mitschulden als solches, wie bei der Schuldmitübernahme (RG H R R 30/2021), begründet keine Rechtsnachfolge. Dies gilt besonders im Falle der unerlaubten Handlung (RG DR 41 A 51114). Nur bei späterer privativer Schuldübernahme (BGB §414) ist es streitig, ob §265 anzuwenden ist (bejahend: KG J W 38/1916 69 ; verneinend: OLG München H R R 36/704). b) Die Prozeßart, die Normen, unter denen die Klage durchgeführt wird, sind für § 265 ohne Bedeutung. Bei der Widerspruchklage (§§ 771folg.), die auf Eigentum, ein dingliches Recht oder Besitz gestützt wird, ist der Gegenstand streitbefangen (OLG DR 40 A 1692 23 ); das entsprechende gilt bei Klagen nach § 722 wie nach § 731. Schon im Verfahren über den Grund ist die Abtretung zu beachten (a. M. RG J W 06/204 24 ); ist dies dort übersehen, so ist ihr noch im Betragsverfahren Rechnung zu tragen. Andererseits ist § 265 unanwendbar, wenn über den Sachanspruch bereits rechtskräftig entschieden ist, abgesehen vom Fall der Wiederaufnahmeklage (a. M. RGZ 57/285). Steht sonst nach Rechtskraft nur noch das Nachverfahren nach § 302 offen, so wird der Antrag des Klägers nicht mehr geändert, es sei denn durch Umschreibung (vor Umschreibung darf aber nicht der alte Gläubiger, auch nicht zugunsten des neuen vollstrecken, OLG BayJMBl 56/145); wie in allen Fällen, wo Rechtskraft eingetreten ist, aber auch schon wenn überhaupt nur ein Titel vorliegt, aus dem vollstreckt werden soll, nachdem veräußert worden ist, auch noch nach Pfändung zur Fortsetzung der Vollstrekkung (OLG 31/42). C. Getroffen wird durch §§ 265, 266 nur die Einzelrechtsnachfolge, nicht die Gesamtrechtsnachfolge (wo der Nachfolger selbst in den Prozeß eintritt, §§ 239 folg.). C I a) Keine Rechtsnachfolge tritt ein, wenn nur die Prozeßfähigkeit (bzw. die gesetzliche Vertretung) wechselt. a 1. Dies gilt auch für die Fälle der sog. Parteien kraft Amtes (RGZ 94/55 [57]). Doch hat BGH MDR B 482/54 es nach Wegfall der Zwangsverwaltung nicht zugelassen, daß der neue Eigentümer (der durch Zwangsversteigerung originär erwarb) als Rechtsnachfolger des Zwangsverwalters den Räumungprozeß gegen einen Mieter fortführt. a 2. Wer einen Gesamtschuldner in anspruch nimmt, t u t dies nur, um selbst befriedigt zu werden. Befriedigt ihn ein anderer Gesamtschuldner, so erledigt sich für ihn der Streit, nicht aber kann der Streit für den Befriedigenden oder durch ihn weitergeführt werden, auch wenn der Anspruch auf den ihn befriedigenden Gesamtschuldner übergegangen ist (RG N § 265/33). a 3. Auch ist nicht Rechtsnachfolger derjenige, der gegen den unbekannten Eigentümer ein Ausschlußurteil erwirkt und sich eintragen läßt (BGB § 927) im Verhältnis zu dem unbekannten Eigentümer, dessen Pfleger eine Enteignungentschädigung einklagt (RG Warn. 13/97). b) In dem Fall des BGB §§ 844, 845 sind die Berechtigten nicht (Gesamt-)Rechtsnachfolger des Getöteten bzw. Verletzten (RGZ 69/186, vgl. aber BGB § 846). b 1. Unter ihn gehört auch die Eingehung einer ehelichen Gütergemeinschaft mit der Bildung von Gesamtgut (vgl. BGHZ 1/65). b 2. Vollrechtsnachfolge liegt auch vor, wenn die Rechtsform einer Gesellschaft in eine andere umgewandelt wird. b 3. Bei Auflösung einer Gesamtpartei (oHG) treten die Gesellschafter als gesetzliche Gesamtrechtsnachfolger (ohne weiteres, § 239 ist nicht anwendbar, vgl. § 239 D I I I c) in den Prozeß ein (RGZ 141/277 [281]). Wird indes das gesamte Vermögen der Gesamtpartei nur einem ihrer Teile übertragen, wird es etwa durch Vertrag von dem Gesellschafter einer oHG (mit allen Lasten) übernommen, so liegt Einzelrechtsnachfolge vor (RGZ 82/35 [38]).
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§265
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C II. Abgesehen hiervon fällt jede Einzelrechtsnachfolge unter §§ 265, 266 (RGZ 121/379 [381]). Auch die Aufgabe eines der Klage zugrunde liegenden Rechts begründet eine Rechtsnachfolge insoweit, wie ein anderer dadurch eine (unbeschränkte) Befugnis erlangt (RG J W 29/774 49 ); dagegen nicht die Aufgabe des Besitzes, weil hierdurch keine Anwartschaft begründet wird. a) Veräußerung ist die rechtsgeschäftliche Übertragung von Rechten an einem Gegenstand auf einen anderen (und darf nicht umgedeutet werden in Vollmacht oder A u f t r a g : RG v. 1. 3.1932 VII Warn. 89, v. 15. 5.1931 V I I E 132/364); der Rechtsgrund zur Veräußerung kann sich auf das Vollrecht (Eigentum, BGB § 985; RG N § 265/41) des Gegenstandes beziehen; es kann aber auch Miete (BGB § 535), Pacht (BGB § 581) oder Leihe (BGB § 598) sein, sich auf eine Nutzung beziehen wie auf die Einräumung des Besitzes zielen (BGB §§854iolg.); es kann auch die Begründung eines dinglichen Rechts, eines Nießbrauchs, eines Pfandrechts (RGZ 53/8 [10]) sein; auch die sicherunghalber (zahlunghalber) erfolgten Rechtsgeschäfte zählen zu den Veräußerungen. Die Teilrechtsveräußerung ist eine Veräußerung (RGZ 82/35 [38]); deshalb sollte man auch die Besitzeinräumung an einen Untermieter, dem der Besitz nach Rechtshängigkeit überlassen wurde, hierher rechnen (a. M. LG DGVZ 51/12). Auch die Abtretung (BGB §§ 398foIg.) außerprozessualer Ansprüche (§ 253 B I I c) ist eine Veräußerung. Unter den Begriff der Veräußerung fällt die Übertragung durch Indossament (RGZ 113/335), die Fortführung eines Handelsgeschäfts oder der Eintritt in dieses (HGB §§ 25, 28; RG Seuff. 70/115). Ferner gehört unter den Begriff der Einzelrechtsnachfolge der Eintritt oder das Ausscheiden der Mitglieder nichtrechtsfähiger Vereine oder von Gesellschaftern (RGZ 78/105). a 1. Selbst die (obligatorisch) rechtsgrundlose Übertragung dinglicher Rechte, des Besitzes oder der Registrierung (des Buchrechts; RGZ 121/379 [381]) ist Veräußerung. b) Unter den Begriff der Veräußerung i. S. der §§ 265, 266 fällt der originäre Eigentumerwerb (RGZ 102/177 [179]), die Rechtsübertragung kraft Gesetzes (KG KGB1. 02/73 f.) oder kraft Hoheitaktes (bei der Zwangsversteigerung durch Übertragung des Eigentums auf den Ersteher, RGZ 89/77 [80]; a. M. BGH LM § 265/2). K r a f t Hoheitaktes wirkt die P f ä n d u n g und Überweisung auf dem Wege der Vollstreckung als Einzelrechtsnachfolge (RG Warn. 12/380). Dasselbe gilt für die Entrechtung (die Enteignung; a. M. LG N J 49/93). Im Prozeß des Schiffsgläubigers gegen den Ausrüster (HGB § 510, BinnenschiffahrtG § 2) t r i t t eine Rechtsnachfolge ein, wenn der Eigentümer sein Schiff während des Prozesses einem dritten veräußert (RGZ 118/182). b 1. Ob ein solcher Rechtsübergang stattfindet, richtet sich nach dem jeweils zur Anwendung kommenden außerprozessualen Recht. c) Mit dem letzten Akt, der zum Erwerb des Rechts außerprozessual erforderlich ist, ist die Veräußerung vollendet. Auch die auflösend bedingte Veräußerung ist Veräußerung; t r i t t die Bedingung ein, so löst sie eine Rechtsnachfolge i. S. der §§ 265, 266 aus, während die aufschiebend bedingte erst mit Eintritt der Bedingung sich vollendet. c 1. Vollendet wird der Erwerb an Grundstücken durch Einigung und Eintragung (BGB §§873, 925, RG J W 30/629 7 ; bei der Briefhypothek gehört die Briefübertragung regelmäßig dazu, wogegen die Eintragung nicht erforderlich ist, BGB §§ 1117, 1154). c 2. Der Zeitpunkt, wann die Rechtshängigkeit eingetreten ist, wird nach Prozeßrecht beurteilt (§ 263 B, RGZ 58/98). Im Schiedsverfahren findet eine Rückwirkung nicht statt, das gerichtliche Verfahren, im besonderen das auf Vollstreckbarkeiterklärung des Schiedsspruches (§ 1042) darf deshalb nur der neue Gläubiger betreiben (RG J W 11/644 9 ). D. Nach §265 11 1 hat die Veräußerung auf das Prozeßverhältnis (§ 38 B III) keinen Einfluß. D I. Der veränderten außerprozessualen Rechtslage muß aber der positiv Klagende Rechnung tragen. H a t der Kläger bisher auf Leistung an sich, positive Feststellung (für sich) geklagt, so muß er den Antrag auf Leistung bzw. Feststellung für den Rechtsnachfolger umstellen (RGZ 88/4 [7]). Dies gilt auch bei der Sicherungabtretung (RGZ 155/50), wie bei gesetzlicher Veränderung, bei Übergang auf den Bürgen (BGB § 774: RGZ 39/16); bei dem der Mietforderung auf den Grundstückserwerber (BGB § 572, RGZ 55/293), bei dem des Schadenersatz-
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Verfahren bis zum Urteil
§265 Di
anspruchs auf die Unfallberufsgenossenschaft (RVO §1542: RGZ 76/215f.; die jetzt h. M. nimmt an, daß der Anspruch bereits in der Person des öffentlichen Rechtsträgers entsteht, so daß der Unfallgeschädigte ihn von vornherein nicht geltend machen kann); bei dem eines Fürsorgebedürftigen auf den Fürsorgeverband (RGZ 74/276); vgl. dazu FürsorgepflichtVO §21a; und bei der Veränderung, die auf Staatshoheitakt beruht, wie bei einer Pfändung und Überweisung, wo der Antrag auf Zahlung an den Pfändunggläubiger umgestellt werden muß (RG Warn. 12/380); bei bloßer Pfändung ohne Überweisung (etwa im Falle des Arrestes) muß der Antrag auf Hinterlegung an Kläger und Pfändunggläubiger oder auf Feststellung für beide umgestellt werden (RG J W 06/810 5 ). Auch bei rechtsgeschäftlicher Verpfändung muß u. U. auf Leistung an den Kläger und den dritten (vgl. BGB § 1281) oder auf Hinterlegung für beide geklagt werden (RG N § 205/4), und der Kläger darf sogar auf Leistung des Beklagten an diesen selbst klagen, falls ihm sonst ein Aufrechnungverbot entgegensteht (RG N § 265/46). a) Wird der Klageantrag nicht umgestellt, so hat das Gericht auf den Umstand hinzuweisen, wenn er dem Kläger entgangen sein könnte (§ 139, RG Warn. 14/98), und, falls trotz des Hinweises nicht umgestellt wird, die Klage aus diesem Grunde als unbegründet abzuweisen (RG J W 16/1273®). a 1. Wird die Klage abgewiesen, weil nicht umgestellt wird, so steht das abweisende Urteil dem Rechtsnachfolger nicht entgegen, wenn er den übertragenen Anspruch geltend machen will (RG Warn. 14/98). Deshalb darf der Beklagte, wenn der Kläger nicht umstellt, negative Feststellungwiderklage darauf erheben, daß dem Kläger der Anspruch nicht zustand und nunmehr dem Erwerber der Anspruch nicht zusteht. a 2. Die Umstellung entspricht dem § 268 I 2 ; sie ist eine bloße Modifikation des Klageantrags (RG J W 12/870 30 m. N. und § 268 C I I I a 1) und noch in der Revisioninstanz zulässig (BGH N J W 58/98; a. M. OGH H E Z 1/313). b) Wer von den Parteien die Übertragung behauptet, ist gleichgültig. Auch wenn es der Kläger ist, muß er den Antrag umstellen (RG J W 16/847 18 ). Sind Tatsachen, welche die Rechtsübertragung ergeben, nicht behauptet, so werden sie (abgesehen von den Offizialverfahren. vgl. § 128 B I I I d 2) überhaupt nicht beachtet. D II. Veräußert der Beklagte den Streitgegenstand gegenüber der negativen Klage, so braucht regelmäßig der Kläger nicht den Antrag umzustellen (RGZ 121/379f.). a) Hat der Erwerber im besonderen nicht gutgläubig und nicht originär erworben, so darf der Kläger nach §§ 727, 731 vorgehen. a 1. Im Prozeß darf er den Antrag schon gegen den Rechtsnachfolger des Beklagten umstellen und t u t es praktisch, wenn dieser in den Streit eintritt, doch muß er es nicht, weil er auch seinen Anspruch gegen den Beklagten behält (vgl. RGZ 60/247 [250]). a 2. Anders kann dies nur sein, wenn der Kläger einem privativen Schuldnereintritt zuBtimmt. D III a 1. Erwirbt der Gegner nach Kenntnis von der Abtretung bzw. nach Zustellung des Überweisungbeschlusses gegen den Zedenten eine Forderung, so kann er damit gemäß BGB § 406 bzw. § 392 nicht mehr aufrechnen (RG J W 12/870 30 ); das entsprechende gilt für neue Einwendungen, die nicht unter BGB § 404 fallen. Dementsprechend kann sich der Klagende (Zedent) nicht mehr vergleichen (RG Warn. 13/259), wohl aber kann er auf den Anspruch verzichten bzw. ihn anerkennen, wenn man in Anerkenntnis und Verzicht reine Prozeßhandlungen, nicht aber wenn man in ihnen auch nur gleichzeitig außerprozessuale Rechtshandlungen sieht (vgl. § 306 A II). Über den veräußerten Streitgegenstand selbst kann er nicht mehr (ohne Einwilligung des Rechtsnachfolgers) verfügen (BGB § 185). a 2. Wohl aber darf der Gegner sich auf die Mängel des Rechtsüberganges nach umgestelltem Anspruch berufen und alle Einwendungen und Einreden, die der Prozeßgegner des Zedenten gegen den Zessionar hat, bringen. a 3. Es kann sich aber auch ergeben, daß das außerprozessuale Recht die Rechtstellung des außerprozessualen Beteiligten schon von sich aus — in gewissem Umfang — unverändert läßt, wie bei der Veräußerung einer vermieteten oder verpachteten Sache.
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§ 265 D m
ZPO II. Buch
b) Hat der Beklagte gegenüber dem Einzelrechtsnaehfolger zur Abwendung der Vollstreckung erfüllt und macht er dann den Anspruch aus §§ 802 IV 4, 600 II, 717 II, 945 geltend, so sind ihm der Prozeßgegner (RGZ 148/171 folg.) wie sein Einzelrechtsnachfolger verhaftet. E. Nach § 265 II 1 hat die Veräußerung auf den Prozeß (§ 38 B III) grundsätzlich keinen Einfluß. E I. Gleichviel, ob die Einzelrechtsnachfolge aufgedeckt wird oder nicht, muß der Nachfolger die Entscheidung gegen sich gelten lassen, wie umgekehrt er sie auch für sich in Anspruch nehmen darf, wenn dann auch der Titel gegen bzw. für ihn umgeschrieben werden muß, falls gegen bzw. für ihn vollstreckt werden soll (§§ 727 folg.; RGZ 40/340 [345]). E II. Die bisher berechtigt gewesene Partei führt den Rechtstreit grundsätzlich im eigenen Namen und für eigene Rechnung fort; sie bleibt Partei (RGZ 166/218 [237]). a) Die Prozeßbedingungen sind wie bisher zu beurteilen. Unterbrechung- und Aussetzunggründe können deshalb nur in der Person der Partei, nicht der des Erwerbers des Streitgegenstandes, eintreten (RGZ 66/181). Der klagende Zedent usw. darf Arreste wie einstweilige Verfügungen zur Sicherung des Klagegegenstandes erwirken (RG N § 265/16). Dem Zessionar, der die Rechtskraft des Urteils gegen sich gelten lassen muß, steht die Rechtshängigkeit des Prozesses entgegen, wenn er einen neuen Prozeß um denselben Streitgegenstand mit dem Prozeßgegner des Zedenten beginnt (RGZ 52/259). b) Der Gegner hat alle Rechte, die er sonst als Partei hat, im besonderen auch das, Widerklage erheben zu können (RGZ 90/350 [354]). b 1. Hatte der Kläger einen Teil des Anspruchs geltend gemacht, so darf ihm nach Abtretung nicht mehr die Widerklage wegen des Restes entgegengestellt werden und auch nicht mehr die Inzidentfeststellungklage (§280). War indes schon eine Widerklage anhängig, so ist ihre Veränderung jedenfalls im Rahmen des § 268 I 1, 3 zulässig (BGH BB 60/340 für den letzten Fall), aber auch Klagebeschränkungen und -modifikationen i. S. des § 268 I 2; nicht aber Erweiterungen. E III a) Der Rechtsnachfolger hat regelmäßig weder das Recht noch die Pflicht oder auch nur die Last, den Prozeß zu übernehmen (auch nicht als Streitgehilfe). a 1. Will er in den Prozeß als Hauptpartei an Stelle seines Rechtsvorgängers eintreten, so geschieht dies durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung oder durch einen Schriftsatz, auch, wenn er nur n e b e n seinem Rechtsvorgänger als Mitpartei auftreten will (RGZ 58/248). a 2. Die Übernahmeerklärung bedarf — abgesehen von den Ausnahmefällen (§ 266 C I a) — der Zustimmung des Prozeßgegners (§ 265 II 2, RGZ 58/98 [101]). Sie ist eine prozessuale, empfangsbedürftige und als letzte erforderliche Erklärung unwiderrufliche Willenserklärung (§ 38 B II c). Stimmt der Prozeßgegner zu, so begibt er sich damit nicht des Einwandes, daß der Rechtsnachfolger nicht legitimiert sei, weil die Veräußerung unwirksam sei (RG J W 37/29 8227). Stimmt er nicht zu, so ist der als neue Partei auftretende (angebliche) Rechtsnachfolger aus dem Streit zu verweisen (RGZ 58/98 [101]). a 3. Weiterhin muß aber auch der Rechtsvorgänger (in gleicher Form) zustimmen. Diese Zustimmung kann vom Erwerber nicht erzwungen werden. a 4. Übergangen wird die Zustimmung des Rechtsvorgängers und die Förmlichkeit des Eintritts durch den Einzelrechtsnachfolger, wenn der Gegner den Eintritt erzwingt in den Fällen des § 266 I, für die Löschungklage nach WZG § 11 III, für die Patentnichtigkeitklage, die auf Zurücknahme des Patents (vgl. RGZ 153/210) und die auf Unterlassung im Patentrecht. b) Tritt der Einzelrechtsnachfolger in den Rechtsstreit ein, so geschieht dies entweder neben der bisherigen Partei oder sie ablösend. b 1. Im letzten Fall scheidet der Rechtsvorgänger aus dem Streit völlig aus (RGZ 21/395 f.), auch bezüglich der Kosten derart, daß der Rechtsnachfolger, wenn er unterliegt, sie zu tragen hat; während er, wenn er obsiegt, auch die seines Rechtsvorgängers mit liquidieren darf. Zwischen Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger entscheidet das außerprozessuale Rechtsverhältnis darüber, wem die Kosten zur Last fallen.
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Verjähren bis zum Urteil
§265
Em
b 2. Bleiben Rechtsvorgänger und Einzelrechtsnachfolger im Streit, so regelt sich die Prozeßkostenlast nach § 100; während im Innenverhältnis zwischen den beiden ihre außerprozessuale Vereinbarung entscheidet. c) Scheitert die Übernahme der Parteirolle auf den Rechtsnachfolger, so darf er dem Streit als unselbständiger Gehilfe des Rechtsvorgängers beitreten (§§ 66, 70, RGZ 20/420 [422]). Seine Rechte bestimmen sich deshalb ausschließlich nach § 67 (RGZ 20/420 [422]); nicht aber wenn er schon vor dem Eintritt selbständiger Streitgehilfe (§ 69) war oder bei Beitritt vor der Veräußerung es hätte werden können. Darüber hinaus wollen Sydow-Busch (§ 265 Anm. 9) ihm stets (auch gegen den Widerspruch des Rechtsvorgängers) die Umstellung des Antrags zubilligen. F. Erwirbt der Einzelrechtsnachfolger gutgläubig, so scheitert der Anspruch des Prozeßgegners gegen jenen (RGZ 56/301 [309]). F I. Regelmäßig wird bei der Einzelrechtsnachfolge die ProzeBbelastung des Streitgegenstandes mit erworben. Soweit indes gutgläubiger Rechtserwerb gesetzlich zugelassen ist, kann sich der gute Glaube zugleich darauf erstrecken, daß über den Gegenstand kein Prozeß anhängig ist (§ 325 II); sodann wird der Gegenstand frei von der Prozeßbelastung (wie sie in §§ 265 I, II, 266, 325, 727 geregelt ist) erworben. Der Einzelrechtsnachfolger muß deshalb sowohl hinsichtlich des Rechts wie hinsichtlich der fehlenden Rechtshängigkeit gutgläubig sein (RG JW 36/4714). Auf das ihm günstige Urteil darf sich der Rechtsnachfolger stets berufen (RGZ 122/156). a) In welchem Umfange der gutgläubige Erwerb geschützt ist, ergeben die Vorschriften des außerprozessualen Rechts sowohl wegen des Grades, in dem der gute Glaube vorhanden sein, wie wann er bestehen muß. a 3. Es gibt aber keinen guten Glauben an die Prozeßführungsbefugnis des Prozeßfuhrenden. Der nicht eingetragene Berechtigte wird durch die Prozeßführung des eingetragenen Nichtberechtigten nicht gebunden (RGZ 62/373). b) Gutgläubig kann nur durch Rechtsgeschäft, aber auch bei den gesetzlichen Pfandrechten des Kommissionärs (HGB § 397), des Spediteurs (HGB § 410), des Lagerhalters (HGB § 421), des Frachtführers (HGB § 440) erworben werden. Einen sonstigen gutgläubigen Erwerb kraft Gesetzes oder gar kraft hoheitlicher Verfügung gibt es nicht. Dem Pfändungspfandgläubiger hilft also nicht seine Unkenntnis von der Rechtshängigkeit bei der Pfändung. Anders ist es nur bei der Ersitzung, die kein Rechtsgeschäft ist. b 1. Gutgläubigen Erwerb gibt es in bezug auf den dinglichen Anspruch, auch bei der Hypothek (RGZ 49/363 [366f.]), sowie bei Forderungen nach BGB § 405 und bei denen, die durch Indossamente übertragen werden. b 2. Dagegen gibt es keinen Schutz des guten Glaubens für den Grundstückserwerber gegenüber dem rechtshängigen Anspruch (vgl.§3251111) aus einer e i n g e t r a g e n e n Reallast (BGB §§ 1105 folg.), Hypothek (BGB §§ 1113 folg.), Grund- (BGB §§ 1191 folg.) oder Rentenschuld (BGB § 1199). Dies gilt auch für die Schiffshypothek an Schiffsbauwerken (G über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, §§ 76 folg.). Dem Grundstückseigentümer steht der Inhaber der Rechte gleich, die wie das Eigentum behandelt werden. b 3. Von dieser Ausnahme gibt es aber die Unterausnahme (§ 325 III 2), wenn das Grundstück auf dem Wege der Zwangsversteigerung veräußert wird. Hier muß die Rechtshängigkeit bis spätestens im Versteigerungtermin vor der Aufforderung, Gebote abzugeben, angemeldet sein; selbst die Kenntnis des Erstehers von der Rechtshängigkeit schadet hier also, wenn diese nicht angemeldet wurde, nicht (RGZ 112/156 [158]). d) Bei einer Klage ans dinglichem und persönlichem Recht (Hypothek) ist § 265 III nur in bezug auf das dingliche anzuwenden (RGZ 49/363 [367]). J II. Umgekehrt kann sich der Schuldner gegenüber dem neuen Gläubiger nicht auf ein rechtskräftiges Erkenntnis, das zu seinen Gunsten noch gegen den alten Gläubiger ergangen ist, berufen, wenn er die Abtretung „bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit" kannte (BGB §§ 407 II, 408).
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§265
ZPO II. Buch
J III. H a t der Kläger den Streitgegenstand veräußert und beruft sich der Beklagte auf den gutgläubigen Erwerb des dritten, so muß der Kläger nachweisen, daß der Erwerber bezüglich des Eigentums usw. wie der Rechtshängigkeit nicht gutgläubig ist (Hellwig, Rechtskraft 165). Tut er dies nicht, so ist die Klage als unbegründet abzuweisen (RGZ 56/301 [309]). Der Beklagte soll nicht gezwungen werden, sich weiter mit dem Kläger einzulassen, wenn er nicht gegen erneute Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers geschützt ist (RG J W 11/327 22 ). a) Hat dagegen der Beklagte den Streitgegenstand veräußert, so ist § 265 I I I nicht anzuwenden. Der Kläger darf hier den Prozeß gegen den Beklagten unverändert (vgl. BGB § 283) fortsetzen (RGZ 121/379 folg.); er darf aber auch das Interesse fordern (§ 268 I 3). Er darf ferner neu gegen den Rechtsnachfolger klagen. b) Der gutgläubige Erwerber kann aber auch den Prozeß gegen sich gelten lassen, indem er (mit Zustimmung der Parteien) eintritt oder sich als Streitgehilfe anschließt (dies kann er aber nur, wenn er insoweit seine Gutgläubigkeit hintenanstellt, da sonst kein Fall des § 266 vorliegt). Er darf aber auch — auf seinem guten Glauben bestehend — hauptintervenieren (§ 64) und kann deshalb auch nicht zum Eintritt in den Prozeß gezwungen werden, auch nicht im Fall des § 266 II (RGZ 108/350 [355]).
§ 266
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I Ist über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts, das für ein Grundstück in Anspruch genommen wird, oder einer Verpflichtung, die auf einem Grundstück ruhen soll, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig, so ist im Falle der Veräußerung des Grundstücks der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in der er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen. Entsprechendes gilt für einen Rechtsstreit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Verpflichtung, die auf einem eingetragenen Schiff oder Schiffsbauwerk ruhen soll. II Diese Bestimmung ist insoweit nicht anzuwenden, als ihr Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entgegenstehen. In einem solchen Falle gilt, wenn der Kläger veräußert hat, die Vorschrift des § 265 Abs. 3. A. § 266 modifiziert § 265 II. Entsprechendes gilt nach §§ 75—77, für die Löschung von Warenzeichen nach WZG § 11 I I I , bei Nichtigkeit-, Unterlassungklagen und im Patentrecht (RGZ 153/210), im Gebrauchsmusterrecht und bei entsprechenden Registrierungen (Komment a r § 76 C III). A I. § 266 I setzt einen rechtshängigen Streit voraus (§ 263 I). Er bezieht sich auf Rechtstreite, die Rechte an einem oder für ein Grundstück bzw. an einem registrierten Schiff oder Sehiffsbauwerk zum Gegenstand haben und trägt der außerprozessualen Einzelrechtsnachfolge rechnung (§ 265 C II), auch dem Erwerb durch Zwangsversteigerung oder Enteignung (RG Gruch. 43/510). A l l . Besteht bei verschiedenen „Repräsentanten" (des Grundstücks: der wahre Eigentümer, der Bucheigentümer bzw. der Eigenbesitzer; bzw. des Schiffs: der Eigentümer und der Ausrüster) diese Konkurrenz schon vor Rechtshängigkeit, so kann nicht nach § 266 einer der mehreren Repräsentanten mit in den Streit gezogen werden. a 1. Wird der Bucheigentümer verklagt und gegen ihn der Titel erlangt, so darf das Grundstück sowohl unter Zwangsversteigerung wie unter Zwangsverwaltung gebracht werden. Bei der Zwangsverwaltung genügt sogar der Eigenbesitz des Schuldners (ZVG § 147 I). a 2. Durch das Verfahren gegen den Bucheigentümer wird aber im Verhältnis zum echten Eigentümer keine Rechtshängigkeit, durch die Entscheidung keine Rechtskraft begründet. Andererseits wirkt der Titel gegen den echten Eigentümer nicht gegen den Bucheigentümer. a 3. Wird auf dem Wege der Zwangsverwaltung gegen den Eigenbesitzer (BGB § 872) vorgegangen, so hat der echte Eigentümer dieselben Rechte wie im Verhältnis zu dem Buch-
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Verfahren bis zum Urteil
§ 266 A n a 3
eigentümer (§ 266 A I I a 2), der Bucheigentümer h a t sie nur, indem er sich auch auf sein Eigentum stützt, für das die Vermutung des BGB § 891 spricht. a 4. Die Repräsentation überlagert sich bei Miteigentümern (BGB § 1008). b) Im Schiffsrecht ist der Ausrüster vor dem Eigentümer legitimiert (RG J W 12/544 24 ); ausgenommen, wenn der Ausrüster widerrechtlich handelte und der Prozeßgegner davon wußte, oder sein Nichtwissen grob fahrlässig war; (nach Schaps H G B § 510 Anm. 10 genügt schon leicht fahrlässiges Nichtwissen). b 1. Ist der Ausrüster dazu nicht ermächtigt, so steht der Eigentümer wie der echte im Verhältnis zum Bucheigentümer. b 2. Allerdings darf auch ohne Eintragung des Eigentümers in das Schiff vollstreckt werden; für § 266 kommt indes dieser Fall nicht in betracht. A III. Spaltet sich die Repräsentanz nach der Rechtshängigkeit, so kommt § 266 zum zuge. a) Bei mehrfachen Veräußerungen muß sogleich auf den letzten Eigentümer übergegriffen werden (RGZ 40/333 [339]). b) Als Rechtsnachfolger kommen aber auch aus sonstigem Grunde neu hinzugetretene in betracht. c) Im Schiffrecht findet allerdings kein Wechsel statt, wenn nur das Eigentum wechselt, der belangte Ausrüster indes derselbe bleibt. B. Gegenstand des Streites ist ein Recht an einem Grundstück, an einem registrierten Schiff oder Schiffsbauwerk bzw. eines für ein Grundstück (bei den subjektiv dinglichen Lasten). B I a) Dem Grundstück stehen die grundstücksgleichen Rechte gleich (§24 B I b); § 266 I wird aber nur praktisch, wenn an ihnen dingliche Rechte der zu § 266 B I I genannten Art bestehen. b) Ob man § 266 auch auf andere Rechte an eingetragenen Rechten anwenden darf, also auf ein Pfandrecht oder einen Nießbrauch an einer Hypothek, ist zweifelhaft; die Grurulstücksveräußerung berührt in diesem Falle den Streit über diese Rechte überhaupt nicht. B II. Auf der anderen Parteiseite a) kommen die aus dem dinglichen Recht sich ergebenden Ansprüche in betracht. a 1. Die Gegenpartei muß ein dingliches Recht (§ 24 B I I b) an einem Grundstück (§ 24 B I a) gegen den Eigentümer in Anspruch nehmen oder der Eigentümer muß gegen sie das Nichtbestehen eines solchen dinglichen Rechts geltend machen. Auch die aus dem Nachbarrecht sich ergebenden Ansprüche, einschließlich der Grenzscheidungklagen (BGB §§ 906 folg., 1004, EGBGB Art. 124, RG v. 6. 12. 1919 V 192/19 N § 265/4 folg., v. 29. 5. 1897 V E 40/333 [335 folg.] OLG Karlsruhe B a d R P 04/2 5 , 16/179, Kiel SchlHA 16/57), gehören hierher und die Vormerkung (BGB § 883) für die dinglichen Rechte (RG N § 266/3) und der Widerspruch (BGB § 899). a 2. Dagegen fallen nicht unter § 266 die Klagen aus dem dinglichen Recht des Eigentümers gegen einen nicht (wenigstens angeblich) dinglich Berechtigten, also nicht Ansprüche aus BGB § 985 auf Herausgabe gegen den Besitzer, wie die des Besitzers gegen den Eigentümer, wenn er sich nur auf einen schuldrechtlichen Titel beruft, auch nicht die des BGB §§ 571 folg. und nicht die Störungklage des BGB § 1004 (RG J W 12/471 17 ), soweit sie sich nicht gegen einen dinglich Berechtigten richten; auch nicht persönliche Ersatzansprüche (RG J W 12/471 17 ). b) § 266 I 2 schreibt die entsprechende Anwendung für eingetragene Schiffe und eingetragene Schiffsbauwerke vor in bezug auf die beschränkt dinglichen Rechte am Schiff. B III. Treffen Ansprüche, die unter § 266 I fallen, mit anderen zusammen, die nur unter § 265 gehören, so wird grundsätzlich getrennt (RGZ 40/333 folg.). B I V . Für Luftfahrzeuge gilt § 266 gemäß G über Rechte an Luftfahrzeugen v. 26. 2.1959 (BGBl. I 57) § 99. C. Der Einzelrechtsnachfolger des Grundstücks- oder Schiffseigentümers, auch der Bucheigentümer (§ 266 A I I a 1), nicht aber der Ausrüster (§ 266 A II b 1) oder der Eigenbesitzer
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§266 c
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sind berechtigt, den Streit als Hauptpartei an Stelle des früheren Eigentümers (Inhabers) zu übernehmen. C I. Die Übernahme ist eine prozessuale, gegenüber dem Gericht und dem Gegner zu erklärende, unter der Voraussetzung des § 271 I widerrufliche Willenserklärung, die auch stillschweigend durch schlüssiges Handeln, durch Zustellung (§ 261 b II) eines (bestimmenden, § 129 A I) Schriftsatzes oder in der mündlichen Verhandlung abgegeben wird; der Eintritt als Streitgehilfe wird als Übernahmeerklärung aufzufassen sein, was das Gericht nach § 139 zu klären haben wird. a) Wird von keiner Seite wirksam widersprochen, so bedarf es keiner gerichtlichen Entscheidung. Im Falle der selbständigen Übernahme scheidet der frühere Eigentümer (Inhaber) völlig aus dem Streit aus (RGZ 21/395 f., auch bezüglich der Kostenentscheidung), aber nur soweit § 266 I reicht, also nicht soweit der frühere Kläger noch als Mitberechtigter oder Mitrepräsentant (§ 266 A III) oder bezüglich der persönlich geltend gemachten Ansprüche im Streite bleibt. Das Verhältnis beider bestimmt sich nach den §§ 59 folg.; notwendiger Streitgenosse (§ 62) wird er nur bei sieh überlagernder Repräsentanz. a 1. Widerspricht auch der Rechtsvorgänger nicht und scheidet er aus, so kann er sich nicht darauf berufen, daß die Rechtsnachfolge nicht eingetreten sei. Ergibt sich nach seinem Ausscheiden für ihn, daß die Rechtsnachfolge nicht wirksam ist, so ist er wie ein Rechtsnachfolger zu behandeln, d. h. er muß übernehmen und dann bei Widerspruch nachweisen, daß die Rechtsnachfolge nicht eingetreten ist. a 2. Das Eintrittsrecht besteht aber nicht, wenn sich der Rechtsnachfolger auf gutgläubigen Erwerb beziehen will (§ 266 II; RGZ 108/350 [354f.]). Tut er es dennoch mit der Übernahmeerklärung, so liegt kein Fall des § 266 I vor, wenn auch hier die Parteiänderung durch Zustimmung der Beteiligten sich vollziehen kann (§ 264 E). a 3. Der Streit wird in der Lage fortgesetzt, in der er sich befindet. b) Unter den (reinen) Voraussetzungen des § 266 I haben weder der Rechtsvorgänger noch der Gegner ein Widerspruchsrecht gegen die Übernahme durch den Einzelrechtsnachfolger (RGZ 108/350 [352f.]), gleichviel in welcher Instanz und welcher Prozeßlage die Übernahme erklärt wird, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptsache, also auch noch in der Revisioninstanz (nicht mehr bloß wegen der Kosten); aber auch noch nach rechtskräftiger Entscheidung über den Grund (§ 304), indes nicht mehr i. F. des § 302 (wohl aber wieder in dem des § 600); gleichviel wann die Rechtsnachfolge eingetreten oder bekannt geworden ist; aber nicht zwischen den Instanzen. Der Widerspruch ist eine prozessuale, gegenüber dem Gericht und den Parteien abzugebende Willenserklärung, die bis zur faktischen Übernahme abzugeben ist und die bis zur rechtskräftigen Entscheidung über sie widerruflich ist (§ 271 in entsprechender Anwendung). b 1. Der Rechtsvorgänger darf aber mit der Begründung widersprechen, daß eine Rechtsnachfolge nach § 266 I nicht eingetreten ist bzw. daß sie nur teilweise eingetreten ist, so daß er noch als Partei (mit)streitberechtigt ist. Jedenfalls kann er sich im besonderen nicht darauf berufen, daß der Rechtsnachfolger gutgläubig ist und deshalb vom Prozeß nicht betroffen wird (§ 266 II); denn dieser Einwand steht nur dem Rechtsnachfolger zu und auch nur, wenn er den Streit nicht übernimmt (§ 266 C I a 2). Widerspricht so der Rechtsvorgänger, so wird der Streit zwischen dem Rechtsvorgänger und seinem Prätendenten ausgetragen. Solange hierüber nicht rechtskräftig entschieden ist, könnte das andere Verfahren nur bedingt entschieden werden; ein Urteil zur Hauptsache könnte deshalb wie im Fall des § 275 II nur unter der — stillschweigenden — Bedingung der Rechtsbeständigkeit der ersten Entscheidung ergehen. Scheitert der Nachweis, so ist er durch Urteil aus dem Streite zu weisen. Dieses Urteil ist im Verhältnis der Parteien zum Rechtsnachfolger Endurteil (vgl. RGZ Gruch. 49/662); § 270 ist nicht anwendbar (RGZ 108/350); man wird aber auch die Rechtskraftwirkung dieses Urteils unter den Parteien gelten lassen müssen, obwohl es im Verhältnis zu ihnen Zwischenurteil (§ 303) ist; nimmt man bei getrennter Entscheidung die selbständige Angriffsmöglichkeit an (§ 275 II), so würde ihren Angriffen der Mangel der Beschwer entgegenstehen. Wird die Rechtsnachfolge als erwiesen angesehen, so wird darüber ebenfalls durch Urteil zu ent-
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Verfahren bis zum Urteil
§266
Cibi
scheiden sein, das wieder im Verhältnis des Rechtsnachfolgers wie der Gegenpartei zum Rechtsvorgänger Endurteil sein muß, da er durch das Urteil aus dem Rechtstreit ausscheidet oder zumindest beschränkt wird; im Verhältnis der verbleibenden Parteien gilt das oben Gesagte. b 2. Der Gegner darf der Übernahme durch den Prätendenten mit der Begründung widersprechen, er sei nicht Rechtsnachfolger; er kann sich nicht darauf berufen, daß der Rechtsnachfolger gutgläubig erworben hat; denn dieses Einwandes begibt sich der Rechtsnachfolger durch den Eintritt in den Prozeß. Der Streit wird dann im Verhältnis des Gegners zum Prätendenten durch Endurteil entschieden, wenn er aus dem Streit gewiesen wird (RG Gruch. 49/662); im Verhältnis zu den Parteien darf sich der Gegner nicht darauf berufen, daß der Ausgewiesene doch Rechtsnachfolger geworden sei. Wohl aber darf er, anstatt sich gegen die Übernahme zu wehren, mit dem Eintritt einverstanden sein und dennoch den Mangel der Sachlegitimation des eingetretenen Prätendenten bekämpfen. b 3. Soweit der Prätendent durch Urteil aus dem Streit gewiesen wird, sind die Kosten dieses Verfahrens dem Prätendenten aufzuerlegen; unterliegt der Rechtsvorgänger, so treffen ihn die Kosten seines Streits mit dem Prätendenten; unterliegt der Gegner, so werden sie Teil der Kosten des Hauptstreits, weil insoweit das Urteil zum Zwischenurteil wird (§ 303). C n a) Erscheint der Rechtsnachfolger, aber keine der Parteien, so darf er gegen seinen Prozeßgegner Versäumnisurteil nehmen. Hatten dagegen beide Parteien widersprochen, so ist der Widerspruch durch Versäumnisentscheidung zurückzuweisen, und es darf auch gegen die Gegenpartei zugleich sachlich durch Versäumnisentscheidung erkannt werden. Hatte nur eine der Parteien widersprochen, so ergeht gegen sie (auch) die Entscheidung auf Zurückweisung des Widerspruchs, im übrigen zugleich die sachliche gegen den Gegner. b) Erscheint der Rechtsnachfolger und eine der Parteien, so wird, wenn der Nichtverhandelnde dem Eintritt widersprochen hat, (u. U. auch zugleich sachlich) über den Widerspruch durch Versäumnisurteil entschieden. Verhandelt der Widersprechende, so ist sachlich über den Widerspruch zu entscheiden; ist es der Parteigegner, so darf sogleich sachlich zur Hauptsache entschieden werden; ist es der Rechtsvorgänger, so darf zur Hauptsache nur Versäumnisurteil ergehen, sofern keine Aktenlageentscheidung durch Urteil möglich ist, indes nur entweder für den Rechtsnachfolger oder für den Rechtsvorgänger. Die Entscheidung zwischen Rechtsvorgänger und -nachfolger muß deshalb vorweg oder zugleich fallen. Hat keiner widersprochen, so wird nur zur Hauptsache entschieden. c) Bleibt der Rechtsnachfolger aus, nachdem er übernommen hat, c 1. wenden sich aber beide Parteien gegen den Rechtsnachfolger mit der Begründung, daß er es nicht geworden sei, so ist gegen ihn das Versäumnisurteil dahin zu erlassen, daß er den Streit nicht übernommen habe. c 2. Widerspricht der Übernahme nur der Rechtsvorgänger, so darf der Gegner für den nicht erschienenen Prätendenten verhandeln, dann liegt ein Fall des § 62 vor, und es muß streitig entschieden werden. Verhandelt aber auch der Gegner nicht für den Rechtsnachfolger, so darf er durch Versäumnisentscheidung usw. aus dem Streit gewiesen werden und es darf sodann zwischen Rechtsvorgänger und Gegner über den Streit sachlich entschieden werden. c 3. Widerspricht aber der Gegner der Übernahme und tritt der Rechtsvorgänger für sie ein, so liegt insoweit wieder ein Fall des § 62 vor, und es darf nur streitig über die Übernahme entschieden werden; wird die Übernahme bejaht, so könnte gegen den Rechtsnachfolger nur zugleich durch Versäumnisurteil erkannt werden. Bezüglich der Sachentscheidung ist der Rechtsvorgänger nur noch legitimiert, wenn die Rechtsnachfolge verneint wird. c 4. Widerspricht keine Partei, dann ist die Übernahme vollzogen, und es darf sogleich Versäumnisurteil usw. zur Sache ergehen. D. In dem Fall des § 266 I hat aber auch der Prozeßgegner das Recht, zu beantragen, daß der Rechtsnachfolger in den Streit als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers eintritt. Der Antrag ist eine prozessuale und bis zum Eintritt frei widerrufliche, dem Gericht und dem Rechtsvorgänger und dem Rechtsnachfolger gegenüber durch Zustellung eines Schriftsatzes
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§266 D
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abzugebende Willenserklärung. In der mündliehen Verhandlung kann er nur gestellt werden als Sachantrag (§ 297), wenn der Rechtsnachfolger vertreten ist (vgl. § 500 II). Der Antrag kann so lange gestellt werden, wie die Übernahme erklärt werden darf. D I. Übernimmt der Rechtsnachfolger, ohne daß der Rechtsvorgänger widerspricht, so ist die Übernahme vollzogen. Bei Säumnis des Rechtsnachfolgers bzw. des Gegners sind Säumnisentscheidungen möglich. D II. Widerspricht a) nur der Rechtsvorgänger, so ist dieser Streit zwischen ihm auf der einen, dem Rechtsnachfolger, wenn dieser eintreten will, und dem Gegner auf der anderen Seite auszutragen (die insoweit notwendige Streitgenossen, § 62, werden). Wird die Nachfolge bejaht, so wird der Rechtsvorgänger aus dem Streit gewiesen. Die Entscheidung ist im Verhältnis zu ihm Endurteil (im Verhältnis der Partei zur anderen ist sie Zwischenurteil, § 266 C I b 1). Wird die Nachfolge verneint, so wird der Antrag des Prozeßgegners zurück- und der Rechtsnachfolger aus dem Streit gewiesen. Diese Entscheidung ist dann im Verhältnis zu dem Prätendenten Endurteil, im Verhältnis der Parteien ist sie Zwischenurteil, das, wenn es getrennt ergeht, selbständig anfechtbar ist (§ 275 II). Bleibt der widersprechende Rechtsvorgänger aus, so kann gegen ihn Versäumnisurteil ergehen; und es darf dann sachlich zwischen Rechtsnachfolger und Gegner verhandelt werden. Bleibt der Rechtsnachfolger oder der Gegner aus, so ist streitig zu entscheiden (§ 62); eine Entscheidung gegen den Ausbleibenden wäre zugleich nur möglich, wenn die entsprechenden Anträge gestellt sind, aber auch nicht vor der Entscheidung darüber, ob nun Rechtsvorgänger oder Rechtsnachfolger Partei sind. b) Weigert sich nur der Rechtsnachfolger einzutreten, so entweder, weil er die Rechtsnachfolge bestreitet oder weil er gutgläubigen, prozeßlastfreien Erwerb behauptet (§§ 265 III, 266 II, 325 II). b 1. Beruft er sich nur auf gutgläubigen Erwerb, so hat der Prozeßgegner die Bösgläubigkeit zu behaupten und nachzuweisen, da der gute Glaube vermutet wird; denn die Übernahmelast entfällt bei gutgläubigem, prozeßlastfreiem Erwerb. Bei gutgläubigem Erwerb gilt auch in dem Falle des § 266 der § 265 I I I (§ 266 II 2), d. h. dem Kläger darf seine fehlende Klagebefugnis entgegengehalten werden (RGZ 108/350 [355]). Eine Prozeßlastenfreiheit tritt aber nach § 325 I I I bei eingetragenen Reallasten, Hypotheken, Grund- und Rentenschulden (vgl. § 24 A II), in bezug auf Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (§ 24 B I b) überhaupt nicht ein (OLG PosMS 07/6). Und das entsprechende gilt auch für die eingetragenen Schiffsund Schiffsbauwerkhypotheken (§ 325 IV). Darüber hinaus ist der böse Glaube des Erstehers in der Zwangsversteigerung unschädlich, soweit die Rechtshängigkeit nicht vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist, § 265 F I b 3. Gelingt sonst der Nachweis der Bösgläubigkeit, so ist der Widerspruch des Nachfolgers zurückzuweisen, und es darf zugleich sachlich erkannt werden. Mißlingt der Beweis, so ist der Antrag des Prozeßgegners auf Übernahme zurückzuweisen. Die Entscheidung ist im Verhältnis des Prozeßgegners zum angeblichen Nachfolger Endurteil, in dem zum Rechtsvorgänger dagegen Zwischenurteil (vgl. § 266 C I b 1). Erscheint der Rechtsnachfolger nicht, so darf gegen ihn Versäumnisurteil über die Bejahung seiner Eintrittspflicht und zugleich Versäumnisurteil zur Hauptsache erlassen werden. Ist der Gegner ausgeblieben, so darf in diesem Falle der angebliche Rechtsnachfolger gegen ihn Versäumnisurteil nur dahin erwirken, daß der Antrag auf Übernahme zurückgewiesen wird. Nur der zugleich erschienene Rechtsvorgänger kann dann Versäumnisentscheidung zur Hauptsache gegen den Gegner nehmen, nicht aber der ausscheidende Rechtsnachfolger. b 2. Beruft sich der angebliche Rechtsnachfolger nur darauf, daß er nicht Rechtsnachfolger geworden ist, so muß ihm die Rechtsnachfolge vom Prozeßgegner nachgewiesen werden, soweit nicht Versäumnisentscheidung gegen ihn ergehen kann. c) Widersprechen angeblicher Rechtsnachfolger und Rechtsvorgänger gemeinsam dem Antrag des Gegners, so hat der Gegner gegenüber beiden die Beweislast für die Rechtsnachfolge. c 1. Genügt er ihr nicht, so ergeht Endurteil, wonach der Antrag des Gegners auf Eintritt des Rechtsnachfolgers zurückgewiesen wird; andernfalls wird der Rechtsnachfolger zur Übernahme für verpflichtet erklärt und der Rechtsvorgänger aus dem Streit gewiesen. Diese Ent-
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Verfahren bis zum Urteil
§266
DHcl
Scheidungen dürfen zusammen mit dem Endurteil zur Hauptsache getroffen werden (RGZ 21/395 [397f.]); sie sind im Verhältnis der bleibenden Prozeßparteien Zwischenurteile (§ 303), welche, wenn sie getrennt ergehen, nach § 275 II zu beurteilen sind. Der angebliche Rechtsnachfolger muß die Rechtsnachfolge gegen sich gelten lassen, wenn sie nach dem Erkenntnis des Gerichts vollzogen ist. Erscheint einer von beiden — der angebliche Rechtsvorgänger bzw. der angebliche Rechtsnachfolger — nicht, so ist bei Verhandlung mit dem anderen durch streitiges Urteil zu entscheiden (§62). Nur wenn beide ausbleiben, kann eine Säumnisentscheidung ergehen und zugleich die über den übrigen Streit gegen die Partei, welche nach der Säumnisentscheidung hauptbeteiligt ist.
§ 267
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I Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die sonstigen Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben unberührt. Diese Wirkungen sowie alle Wirkungen, die durch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts an die Anstellung, Mitteilung oder gerichtliche Anmeldun der Klage, an die Ladung oder Einlassung des Beklagten geknüpft werden, treten unbeschadet der Vorschrift des § 207 mit der Erhebung der Klage ein. A. Außerprozessuale Wirkungen, welche das außerprozessuale Recht an Vorgänge des Prozeßrechts knüpft, gibt es in mancher Beziehung. A II. Bedeutung hat § 267 noch dort, wo das Gesetz es gerade auf die Kenntnis (das Kennensollen) des Prozeßgegners abstellt, also bei dem Anspruch auf die Prozeßzinsen (BGB § 291, RG J W 97/133 9 ), die gesteigerte H a f t u n g für den Gegenstand des schuldrechtlichen Anspruchs (BGB § 292), die Haftungumwandlung von der Bereicherung in die des allgemeinen Rechts des BGB § 292 (BGB § 818 IV), bei der Klage gegen den Besitzer (BGB §§987, 989, 991, 994 II, 996), bei der gegen den Erbschaftbesitzer (BGB §§ 2023, 2034) und der gegen den Unterhaltpflichtigen (BGB § 1613, EheG § 64) und in dem Falle des BGB §§ 284 I 2, 347, 407, 1422, des HGB §§ 140, 372. Bei Klageerweiterung (§ 281), Widerklageerhebung gilt dies erst für den Zeitpunkt der Zustellung dieser Schriftsätze bzw. der Erhebung in der mündlichen Verhandlung (RG v. 26. 1.1897 V Gruch. 41/1187 [1190]: für Prozeßzinsen). B. An die Rechtshängigkeit knüpfen auch noch eine Reihe weiterer Vorschriften an (vgl. §§ 741, 852; BGB §§ 528, 847 I 2, 1300 II; HGB § 433 II; EVO § 96 III). Soweit es das außerprozessuale Recht auf prozessuale Vorgänge abstellt, sollte man aber das prozessuale Recht allein darüber entscheiden lassen, ob seine Voraussetzungen gegeben sind (KG D R 42 A 976 6 ). Umgekehrt ist es für außerprozessuale Erklärungen, die zugleich mit Prozeßhandlungen abgegeben werden (§ 253 F I I I b 2), gleichgültig, ob die Prozeßformen gewahrt sind, wenn es nur die außerprozessualen sind. Andererseits werden diese auch nicht dadurch rückgängig gemacht, daß die Prozeßhandlung rückgängig gemacht wird (etwa durch Klagerücknahme, RGZ 59/150 [154]; oder Widerruf).
§ 268 I
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Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes 1. die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; 2. der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; 3. statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird. A. § 268 bestimmt, inwieweit eine Klageänderung gesetzlich zugelassen ist.
A I a) Der Umfang der Rechtskraftwirkung (Kommentar § 322 B) erstreckt sich auf die unter § 268 1 1 fallenden Veränderungmöglichkeiten der Klagegründe wie der Einzelanführung von Tatsachen (RG N § 268/86), abgesehen von denen, wo es zulässig erscheint, neue Ereignisse
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§ 268 A I
a
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so einzuführen (vgl. § 268 B I I I a 2; RG Seuff. 41/306). Doch erstreckt sich die Rechtskraftwirkung nicht auf andere als die geltend gemachten Ansprüche, selbst wenn sie unter § 268 I 2, 3 gebracht werden könnten. b) Andererseits muß in den umgekehrten Fällen, wo die Rechtskraft sich auf eine mögliche Klagehäufung erstreckt (§ 260 B I I c 1, I I I a), davon ausgegangen werden, daß sie — in der Tatsacheninstanz — keine unzulässige Klageänderung ist. Dazu gehören die Fälle der §§ 614, 767 I I (RGZ 72/143folg.), PatentG § 54; CIM + CIV Art. 50 § 2 (§ 264 E). A II. Über den Begriff der Klageänderung vgl. § 264 A I, über den der Parteiänderung vgl. § 264 E. a) Die gesetzlich zugelassenen Änderungen der Klage sind unabhängig von dem Willen des Gegners wie des Gerichts. A III. Die Bestimmung bezieht sich auf Haupt- (RG H R R 34/911) wie Eventual- (§ 260 B I b; RG Seuff. 77/156) wie Alternativanträge (§ 260 A I a 2). a) Wird über einen der gehäuften Anträge nicht entschieden, so muß er entweder durch Ergänzung nach § 321 oder durch Neueinführung in der höheren Instanz gebracht werden (was grundsätzlich nur im Berufungverfahren zulässig ist). Darüber hinaus hat RGZ 142/268 (278) das Anschlußrechtsmittel (der Berufung) wegen des übergangenen Anspruchs zugelassen, obwohl (wegen der fehlenden Beschwer) der übergangene Anspruch nicht mit dem (Haupt-) Rechtsmittel verfolgbar ist, und BGH N J W 54/640 hat dem Kläger als Berufungbeklagten das Anschlußrechtsmittel gestattet, mit dem er auf noch im ersten Rechtzug rechtshängige Teile Vorgriff (vgl. §§ 263, 536 B). Hatte indes der Kläger das in der ersten Instanz gebrachte Vorbringen selbst fallen lassen und erneuert er es in der zweiten, so liegt eine (nicht unter § 268 fallende) Klageänderung vor (RG J W 12/794 10 ). a 1. Im Kostenfestsetzungverfahren dürfen die Kostenanträge und Kostenansätze auch im Beschwerdeverfahren nachgeschoben werden (Kommentar § 104 C I I c 1). b) Für Hilfsanträge gilt darüber hinaus, daß, wenn über sie in der unteren Instanz nicht entschieden wird, sie ohne weiteres in die höhere Instanz eingehen (§ 260 B IV b 1). b 1. Die gleichzeitige Klagehäufung im Eventualverhältnis ist zulässig (RG J W 03/124 8 ; § 260 B I b). Wird so nachträglich gehäuft, so liegt Klageänderung vor (RG N § 268/15: aber nur in bezug auf den Eventualantrag). b 3. Die Umstellung der Klage und Hilfsklage zur Entscheidung in anderer Reihenfolge ist keine Klageänderung. A I V . §268 gilt uneingeschränkt in den Tatsacheninstanzen (RG J W 35/777 12 ); in der Revisioninstanz wird die Norm eingeschränkt durch § 561. a) In den Tatsacheninstanzen ist die Klageänderung auch noch nach Erlaß eines Teilurteils für den im selben Rechtszug noch verbliebenen Anspruch zulässig; sie ist es aber auch im Berufungrechtzug (BGH SchlHA 55/22). a 1. Soweit nach § 268 I 2, 3 die Antragsänderung zugelassen ist, ist es auch der Vortrag der neuen zu ihr gehörenden Tatsachen ohne Zurückweisungmöglichkeit (§ 264 C I d). b) In der Revisioninstanz wird b 1. die Ergänzung tatsächlicher Anführungen (§ 268 1 1) nur insoweit zugelassen, wie überhaupt neue Tatsachenbehauptungen in ihr beachtet werden (vgl. § 5 6 1 B ) ; zugelassen werden hier im besonderen die Parteiänderungen, die die h. M. als Klageänderungen behandeln (§§ 264 E, 268 B I I b 1). Beachtet wird der Eintritt der Fälligkeit in der Revisioninstanz (§ 561 B III b); die Nachbringung einer zur Klage sonst erforderlichen Ermächtigung (RG J R 26 B 1564; vgl. § 253 B I I I b 1); der Tod eines Ehegatten bei Eheklagen (§§ 628, 636); der Eintritt des Konkurses unter Übergang zur Feststellungklage nach KO § 146 I I I (Kommentar § 240 G I c). b 2. Der Klageantrag darf in der Revisioninstanz im Kähmen der Beschwer beschränkt und erweitert werden. Nur im Falle des § 717 II, I I I sind darüber hinausgehende Erweiterungen auch in der Revisioninstanz und neue Behauptungen dazu zulässig. RG MuW 32/537
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Verjähren bis zum Urteil
§268 AIV b 2
(539) hat Aufbrauchanträge neu in der Revisioninstanz zugelassen (vgl. § 559 D II b 2). Keine Erweiterung enthält die reine Antragsumstellung (Modifikation); sie ist deshalb in der Revisioninstanz zulässig (BGH Z 26/31; a. M. OGH HEZ 1/313). b 3. Die Veränderung des Klagegegenstandes (§ 268 I 3) wird zumeist zugleich Tatsachenergänzung sein; insoweit ist § 268 I 3 regelmäßig in der Revisioninstanz unanwendbar. A V. Materiell-rechtliche Folgen können sich a) auf Grund von Verjährung und Verwirkung ergeben. b) Über die Einwirkung auf Ausschlußfristen vgl. § 261 b C I a 5. B. § 268 I X läßt die Ergänzung durch neue (tatsächliche) Behauptungen, die rechtlich erheblich sind, zu, soweit dadurch nicht der „Klagegrund" verändert wird (RG JW 12/4341). B I. Über den Begriff des Klagegrundes vgl. § 253 G IV. a) Die rechtliche Begründung ist (vgl. § 268 B III a 2) nur insoweit erheblich, wie die Partei ersichtlich ihre Ansprüche auf bestimmte Klagegründe beschränken will (RG JW 98/4156, vgl. § 253 G IV b), was aber nicht vermutet wird (§ 253 G IV a 1). Liegt indes ein solcher Ausnahmefall vor, dann ist die Hinzufügung eines weiteren Klagegrundes Klageänderung. a 1. Dahin gehören sowohl Erweiterungen wie Beschränkungen (BGH NJW 54/640). Nur in Verbindung mit einer Klageantragänderung wird § 268 I 2 (zugleich) getroffen. Dasselbe gilt für die Klageumgestaltung (Modifikation), also wenn zunächst einzelne Posten eingeklagt werden und dann der Saldo (RG Warn. 12/15). Hierher gehört auch die Klage aus barem Darlehen (BGB § 607 I), wenn später aus BGB § 607 II geklagt wird (RGZ 10/395); oder wenn aus BGB § 607 II geklagt, dann aber auf das Grundgeschäft zurückgegangen wird (RGZ 98/22); ferner der Übergang von der konkreten zur abstrakten Schadensberechnung (RG Seuff. 78/97) wie umgekehrt; ferner wenn aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis geklagt und später auf einen Vergleich zurückgegangen wird (RG N §268/1); ebenso wenn von der gesetzlichen Unterhaltregelung auf einen Unterhaltvertrag zurückgegangen wird oder umgekehrt (RG Seuff. 79/226) oder wenn eine Konkursforderung später als Masseforderung verfolgt wird (RG J W 03/17816). Eine gesetzliche Modifikation des Klagegrundes tritt in dem Fall des AnfG § 13 II ein, wonach der Konkursverwalter ausdrücklich die Möglichkeit hat, einen von einem Gläubiger begonnenen Anfechtungprozeß auf andere Anfechtunggründe auszudehnen. Auch der Übergang von der Anfechtung wegen Betruges auf die wegen Irrtums ist Modifikation (RG N § 268/57). Modifikation ist auch die von dem Anspruch auf Feststellung der Wandlung (BGB § 465) auf Feststellung, daß kein Kaufpreisentgelt mehr zu zahlen sei (RG N § 268/84). Auch wird der Anspruch aus Eigentum und auf (Rück-)Übertragung des Eigentums als Modifikation angesehen (RG N § 268/90). Vgl. auch Kommentar § 268 A II b 2. a 2. Soweit ein mittelbarer Klagehäufungzwang besteht (§ 260 B II c 1), ist eine sich darauf beziehende Änderung stets zulässig (§ 268 A I b). b) Ferner ist bei unverändertem Klageantrag eine Klageänderung möglich, wenn das Klageereignis wechselt. Diese Veränderung will § 268 1 1 nicht zulassen. B II. Keine Klageänderung ist die bloße Berichtigung des Vorgetragenen. b 1. Die Parteibezeichnung einer unzweifelhaft im Streit befindlichen Person darf berichtigt werden (noch in der Revisioninstanz: RG N §268/12). Über Parteiänderung vgl. § 264 E I. b 2. Auch die nähere Substantiierung zur Streitumgrenzung sollte man wie eine Berichtigung behandeln dürfen, so, wenn auf Herausgabe einer Anzahl von Wechseln geklagt wurde und die substantiierte Bezeichnung, welche von allen in betracht kommenden gemeint seien, nachgeholt wird (RG JW 09/49822). Dahin gehört auch, wenn Tilgung behauptet wurde, die nachfolgende Klärung, daß aufgerechnet sei (RG Warn. 08/672). Wird das Datum für eine und dieselbe Handlung berichtigt, so liegt darin noch keine Klageänderung (RG JW 11/22128). B III. Die Klageänderung ändert den Klagegrund; sie beginnt dort, wo durch neues Vorbringen andere Rechtsfolgen möglich werden (vgl. RGZ 99/172 [176]). Dies läßt § 268 1 1 zu, 49
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 2 6 8 B III
ZPO II. Buch
wenn der Streitfall, d. h. das Ausgangereignis für den Streit (§ 253 B II b) dasselbe bleibt (RGZ 60/418). a) Ergänzbar sind a 1. die Tatsachen, welche die Verfolgbarkeit des Klageanspruchs betreffen, Kündigung, Fälligkeit, Bedingungeintritt, die Titel im Gläubigeranfechtungprozeß (RGZ 41/87). Macht der Kläger Rechte aus BGB § 326 geltend, so darf die Fristsetzung später behauptet werden (RGZ 88/405). Die Durchstreichung von Wechselunterschriften, die zur Legitimierung des Klagenden erforderlich war, ist gestattet (RGZ 114/365). a 2. Das Klagegrundereignis wird an den Behauptungen bewertet; das Nachschieben neuer Ereignisse ist im Rahmen desselben Klagegrundes zulässig, also bei einer negatorischen Klage für die Behauptung weiterer Störungen im Laufe des Streits (RGZ 99/172 [176f.]). Das entsprechende gilt, wenn eine Vertragsstrafe gefordert wird, die an eine bestimmte Handlung knüpft, wenn sie später aus einer anderen Handlung hergeleitet wird (RG N § 268/121); bei einer Klage aus Gewährleistung ist es zuzulassen, andere Mängel, die innerhalb der Gewährsfrist aufgetreten sind, nachzubringen (RG JW 12/64417); auch wenn auf Räumung wegen Nichtigkeit des Mietvertrages, dann wegen Ablaufs der Mietzeit nach Kündigung geklagt wurde, wurde dies zugelassen (RG LZ 31/83414). Trotz der gegebenen Anspruchbehauptung ist die gesetzliche Zulassung der Klageänderung nach §268 I I v e r n e i n t worden, wenn bei dem Widerruf einer Schenkung andere Ereignisse nachgebracht wurden (RG Warn. 15/ 281) oder ein weiterer Auflösunggrund nach HGB § 131 (RG J W 95/505) oder wenn die Amtspflichtverletzung des Notars zunächst bei der Erwirkung der vormundschaftgerichtlichen Genehmigung, sodann in der Beurkundung gesehen wurde (RG HRR 30/1155). a 3. Darüber hinaus sind Ergänzungen zuzulassen, die zur Begründung der nach § 268 I 2, 3 veränderten Anträge erforderlich sind. b) Der Wechsel des Klagegrundes fällt nicht mehr unter § 268 1 1, sondern ist trotz gleichbleibenden Antrags Klageänderung, wenn er ein anderes Grundereignis (§ 253 G III, IV) verbunden mit einer neuen Rechtsbehauptung betrifft. b 1. Klageänderung ist gegeben im Verhältnis zur Aktiv- oder Passivlegitimation (RGZ 90/430 [433]), also wenn der Anspruch erst auf eigenes Recht, dann auf Abtretung (RGZ 120/189 [192]) oder Erbgang (RGZ 98/22 [24 f.]) oder sonstige andere schuldrechtliche Entstehunggründe (RGZ 48/372) gestützt wird; oder wenn der Anspruch zunächst auf Pfändung und Überweisung, dann auf Abtretung (RG Warn. 20/164) oder auf einen neuen Pfändungbeschluß, weil der erste mangels örtlicher Zuständigkeit unwirksam war (OLG J W 34/3744); und wenn die zunächst ohne Angabe von Rechtsgründen verfolgte Hypothekenforderung nachträglich auf Schuldübernahme gestützt wurde (RG JW 11/37 336). Dies gilt auch im umgekehrten Fall, wenn der Anspruch erst auf Abtretung, dann auf eigenes Recht (RG Warn. 37/7) gestützt wird; erst auf Erbgang, dann auf Rückübertragung (RGZ 77/141); oder wenn der Anspruch zunächst gegen den Beklagten unmittelbar, dann gegen ihn als Erben geltend gemacht wird (RG HRR 28/469). In diesen umgekehrten Fällen ist ferner zu beachten, daß regelmäßig der Kläger modifizieren darf (§ 268 C III), so daß also, wenn dem Anspruch aus eigenem Recht die Abtretung entgegengehalten wird, der Kläger auf Leistung an einen anderen klagen darf. b 2. Für die schuldrechtlichen Ansprüche kommt es auf den Entstehunggrund an. Klageänderung liegt vor, wenn — bei wechselndem Klageantrag (nicht bei sich gleichbleibendem, vgl. § 268 B I a 1) — vom Vertrag auf ungerechtfertigte Bereicherung (RG Warn. 17/124) oder auf unerlaubte Handlung (RGZ 85/424 [426f.]) oder umgekehrt (RGZ 103/419 [422]) oder von dem Anspruch, gestützt auf Testament, auf den aus einer Schenkung unter Lebenden übergegangen wird; oder wenn vom Wechselanspruch auf das Grundgeschäft zurückgegriffen wird (OLG 37/155) oder wenn aus dem (präjudizierten) Wechsel geklagt und dann auf den Wechselbereicherunganspruch oder auf einen anderen Schuldgrund übergegangen wird. Der Übergang von der auf BGB § 780 gestützten Klage auf das dem Anerkenntnis zugrunde liegende Rechtsgeschäft ist Klageänderung (RG N § 268/38). Klageänderung liegt auch vor, wenn der Kläger einen abgetretenen Teilanspruch geltend macht und dann die Klage um einen nach-
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Verfahren bis zum Urteil
§ 268
B
in B 2
träglich abgetretenen anderen Teil erweitert (RGZ 77/141); oder wenn der Kläger statt der Zinsen in derselben Höhe einen Kapitalteil fordert, bzw. wenn erst der Gewinnanteil, dann Kapital gefordert wird (RG N § 268/51); oder wenn der Schmerzengeldanspruch mit dem auf sonstigen Vermögenschaden oder umgekehrt ausgewechselt wird (RGZ 170/37 [39]). Der Übergang von der Erfüllung- zur Schadenersatzklage ist grundsätzlich Klageänderung (RG JW 35/77712) wie umgekehrt (RG LZ 14/93116); ebenso der von der eingeklagten Kaufpreisforderung nach Konkurseröffnung auf den Anspruch auf Schadenersatz wegen der Weigerung des Konkursverwalters, den Vertrag zu erfüllen (RGZ 64/204 [207]). Soweit der Klageantrag zu ergänzen ist, liegt Klageänderung vor, wenn zunächst Unmöglichkeit der Erfüllung, dann Formungültigkeit des Vertrages geltend gemacht wird (RG N § 268/9), wenn erst die übliche, dann die vereinbarte Vergütung gefordert wurde (RGZ 126/248). b 3. Klageänderung liegt vor, wenn bei einer dinglichen Klage auf einen anderen Erwerbgrund übergegangen wird, weil dieser zur Klagebegründung gehört (RG Seuff. 78/211). Klageänderung ist es, wenn von der Herausgabeklage (BGB § 985) auf die Störungklage (BGB § 1004) übergegangen wird; oder wenn verschiedene Gründe für die Löschung einer Hypothek angeführt werden (RG Grueh. 36/702). b 4. Der Übergang vom schuldrechtlichen zum dinglichen Anspruch (RG N § 268/16) und umgekehrt ist regelmäßig als Klageänderung anzusehen. Doch wird der Anspruch aus Eigentum und auf (Rück-)Übertragung des Eigentums als Modifikation angesehen (RG N § 268/90, § 268 B I a 1). b 5. Beim Schiedspruch ist die Aufhebungklage aus verschiedenen Gründen des § 1041 als Klageänderung angesehen worden (RG J W 27/213743); ebenso wenn zunächst auf Zahlung einer Entschädigung, die durch Schiedsgutachten festgestellt sei, geklagt wurde und dann unter der Behauptung, es sei ein Schiedsspruch, die Vollstreckbarkeit gefordert wurde (RGZ 144/369 [373f.]). Dagegen wurde keine unzulässige Klageänderung gesehen bei dem Übergang der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vergleichs zu der aus § 323 (RG N § 268/124). Auch der Übergang vom Urkundenprozeß auf den ordentlichen ändert die Klage nicht. B IV. Nach der h. M. steht die gesetzliche Zulassung der Klageänderung nicht der Zurückweisung wegen Verspätung (§§279 [279a], 283 II; §529 11,111) entgegen, soweit sie nicht in Verbindung mit einer Antragänderung steht (§ 268 I 2, 3), welche ihre Einführung erforderlich macht (denn insoweit gehört sie mit zum Angriff, § 268 B III a 3). C. § 268 I 2 gestattet es, den Klageantrag zu erweitern, ihn zu beschränken und ihn umzugestalten. C I. Unter § 268 I 2 fallen nur Sachanträge (§ 297 C). Der über die Vollstreckbarkeit darf nach Prozeßrecht geändert werden. Ist nur die Vollstreckbarkeit Gegenstand eines Verfahrens (in den Fällen der §§ 722, 723, 731, 1042), dann ist dieser Antrag auf Vollstreckbarerklärung Hauptanspruch. C II. Keine Klageänderung liegt in der Berichtigung des Antrags oder wenn zunächst ein Unausgerechnetes, dann das Ausgerechnete gefordert wird. C III. Die Umgestaltung (Modifikation) des Klageantrags ist weder eine Beschränkung noch eine Erweiterung; sie läßt den Klagegegenstand unverändert (und auch den Streitwert; vgl. bei Miterben unter § 3 B III b 1), ändert den Antrag aber wegen der gesetzlich festgelegten Rechtsfolgen derart, daß (regelmäßig) der Beklagte nicht größer beschwert wird. Wenn der Kläger statt auf Leistung an sich auf die an mehrere (z. B. nach BGB § 2039) klagt,' ist die vom Beklagten zu erbringende Leistung dieselbe geblieben (vom Standpunkt des Klägers aus könnte man von einer Beschränkung des Klageantrags ausgehen, worauf die Rechtsprechung sieht; doch ist es in bezug auf den Streitgegenstand keine — vgl. § 3 B III b 1). Bei der Klage auf Zahlung anstatt Duldung (bei Gläubigeranfechtungprozessen) ist die Summe, um die es dem Kläger geht, dieselbe; wirtschaftlich kann die Duldung der Vollstreckung für den Beklagten unangenehmer sein, für den Kläger beschwerlicher. a) Die Umgestaltung kann sich nur auf den Antrag, aber auch auf die dazu vorzubringenden Behauptungen beziehen. Die Umgestaltung des Klageantrages bei bestehenbleibendem 49*
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C III a
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Sachvortrag ist keine Klageänderung und kann auch noch in der Revisioninstanz vollzogen werden (§ 268 A I V b 2). a 1. Das gilt, wenn eine Partei von der Klage auf Leistung an sich auf die an (sich und) andere übergeht (RGZ 93/196), sofern der Kläger zur Klage befugt bleibt (§ 253 B I I I b). a 2. Umgestaltet wird der Antrag auch, wenn von der Klage auf Zahlung an den Kläger auf Hinterlegung an ihn (bzw. Sieherheitleistung: R G Gruch. 61/290) und andere (RG D R 43 A 9 4 2 1 2 ) ; oder von der Leistung- zur Duldungklage übergegangen wird oder von der Leistung auf Duldung der Vollstreckung (RG N § 268/144, vgl. aber § 268 B I I I b 4); oder von der Leistung auf Befreiung von einer Schuld (RGZ 139/315 [322]); oder wo zuerst auf Aussonderung, dann auf Absonderung auf der gleichbleibenden Grundlage des Sicherungeigentums gegen den Konkursverwalter geklagt wurde (a. M. RGZ 118/209f.); oder wenn die Widerspruchklage nach § 771 in die auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 geändert wird (a. M. R G Warn. 12/214). Die Klage des Konkursverwalters auf Löschung der Hypothek wegen anfechtbaren Erwerbs durfte in die auf Auszahlung des Erlöses nach Zwangsversteigerung geändert werden (RGZ 52/82). Auch der Übergang von der Gesamtschuldklage in die Gesamthandschuldklage ( B G B §§ 2058, 2059 I I ) fällt unter § 268 I 2 (RGZ 93/196 [198]); oder wenn Gesamthaftung statt Einzelhaftung geltend gemacht wird (RG J W 96/31 8 f.). Hierher gehört es, wenn gegen den Beklagten im eigenen Namen, später als handelnder Vertreter eines nichtrechtsfähigen Vereins geklagt wird (RG N § 268/77). Zugelassen wurde es, wenn Zahlung in ausländischer Währung begehrt wurde und nunmehr Zahlung in inländischer Währung nach der Zeit des Zahlungtages begehrt wird (RG N § 268/133); oder wenn von dem Antrag auf Berichtigung der hypothekarisch gesicherten Forderung nach B G B § 894 bei gleichbleibendem Sachvortrag auf die Verzichtklage nach B G B § 1169 übergegangen wird (RG Warn. 34/96). Auch der Übergang vom Wiederherstellungverlangen auf Vergütung durch Geld bei Schadenersatzansprüchen gehört hierher (RG J W 19/505 1 1 ); wie ferner der Übergang vom Kapitalverlangen nach B G B §§843, 844 auf das Rentenverlangen ( R G J W 33/1114 3 ). Dahin gehört weiter, wenn Geld nach K O § 69 anstatt des anhängigen Wandlunganspruchs gefordert wird (RGZ 65/132). a 3. Umgestaltet werden darf der Antrag auch in bezug auf den Gegenstand, etwa wenn die Forderung von Handlungen ihrem Inhalt oder ihrer Art nach geändert wird (RGZ 72/354 [359]). a 4. Auch der Übergang von der sofortigen zur künftigen Leistung wie auch umgekehrt (OGH R d L 50/198) gehört zu den Umgestaltungen (deshalb ist die Fälligkeit noch in der R e visioninstanz zu berücksichtigen, § 561 B I I I b). Dahin gehört ferner der Übergang von der Leistung- zur Feststellungklage (vgl. § 256 C I I I a). b) Darüber hinausgehende Umgestaltungen sind mehr als die gesetzlich zugelassene Klageänderung, etwa wenn statt Geld die Lieferung (RG Seuff. 84/35) oder die Bestellung einer Hypothek gefordert wird (RG LZ 29/1474 6 ); oder wenn zuerst die Rückzahlung eines Darlehens, dann die Aufnahme in eine Gesellschaft unter Zuweisung eines Geschäftsanteiles in Höhe des zuerst Zurückgeforderten verlangt wurde (RG N § 268/89). Keine bloße Modifikation, sondern Klageänderung ist der Übergang von der Unterlassung- zur Schadenersatzklage (RGZ 88/129 [132]); der vom Anspruch auf Unterlassung auf den auf Widerruf. Vgl. ferner § 268 B I I I b. c ) Die Modifikation ist im Verhältnis zur Klagebeschränkung niemals Klagerücknahme, im Verhältnis zur Klageerweiterung ist sie noch in der Revisioninstanz zulässig (§ 268 C I I I a). Eine Umwandlung und Erweiterung ist gegeben, wenn im Hauptantrag ein Miterbe Zahlung des ihm zustehenden Anteils einer Forderung und nachgeschoben hilfsweise die Zahlung der gesamten Forderung an alle Erben fordert (RG J W 28/107 1 3 ). c 1. Antragsumwandlungen sind, wenn ein Grundurteil vorliegt (§ 304), im Betragsverfahren unzulässig, wenn über den Grund des Anspruchs völlig neu entschieden werden müßte und damit das gesamte vorangegangene Verfahren gegenstandslos würde (RG Gruch. 78/212). Dasselbe gilt bei den übrigen Vorabentscheidungen; die nach § 302 dulden keine Umwandlung im Nachverfahren, wohl aber darf noch ein weiterer Anspruch des Klägers im Nachverfahren eingeführt werden (vgl. § 268 C I V b 2). Für Ansprüche aus dem Urkundenprozeß, die
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Verfahren bis zum Urteil
§ 268 c in c l
sich im Nachverfahren befinden, gilt dies im Urkundenprozeßabsehnitt nur, soweit noch die Abstandnahme vom Urkundenprozeß zulässig oder die Umwandlung durch Urkunden belegbar ist, darüber hinaus nur, soweit das Gesetz die Umwandlung erzwingt (etwa weil gepfändet und überwiesen oder abgetreten ist). C IV. Klageerweiterung und Klagebeschränkung sind gesetzlich zugelassen (§ 268 I 2)a 1. Soweit die Klage nicht mehr ohne Einverständnis des Gegners zurückgenommen werden kann (§ 271 I), so kann er bei Klagebeschränkung auf Sachentscheidung bestehen (RG Gruch. 41/699 [702]; a. M. BGH LM § 256/6). Ausnahmeweise kann allerdings auch eine Beschränkung in derselben Instanz unter § 268 I 2 fallen, wenn sich nämlich das Mehr erledigt, wie wenn etwa s t a t t der Leistung schlechthin Leistung Zug u m Zug gefordert wird. a 2. Die Klage darf in jeder Instanz, auch bei Einlegung eines Rechtsmittels (im Rahmen der Beschwer), beschränkt werden. In der Beschränkung des Rechtsmittelantrages liegt nicht die teilweise Rücknahme des Rechtsmittels. a 3. Nur wenn trotz Beschränkung neuer Vortrag zu bringen ist, liegt ein Fall der (gleichzeitigen) Klageänderung, die aber nach § 268 I 1, 2 gesetzlich zugelassen ist, vor. b 1. Die Klageerweiterung ist in der Revisioninstanz über den Rahmen der Beschwer hinaus unzulässig, auch wenn der Sachvortrag derselbe bleibt (§ 268 A IV b 2). Erweitert der Kläger, so soll nach GKG § 111 I erst nach Zahlung des Prozeßkostenvorschusses die Verhandlung zugelassen werden (§ 261 A I). Durch Einlegung eines Rechtsmittels ist sie nicht durchzusetzen (RG J W 02/19 5 ), wohl aber durch Anschließung an das Rechtsmittel des Gegners (RGZ 29/375 [378f.]) und bei eigenem Rechtsmittel durch Klageerweiterung in der Berufungsinstanz (RGZ 61/254 [257]) bzw. nach dem Einspruch in den Tatsacheninstanzen. Wird in der zweiten Instanz bei dem LG der Anspruch erweitert, so darf dadurch dem Beklagten (bzw. dem Widerbeklagten) nicht die Möglichkeit abgeschnitten werden, die Verweisung zu beantragen (a. M. RGZ 119/379), allerdings m ü ß t e hier wohl sogleich an das OLG als zweite Instanz verwiesen werden. Auch in zweiter Instanz ist entgegen dem Wortlaut des § 529 IV, V die Erweiterung nach Widerklage oder durch Berufung des Beklagten zuzulassen, wenn damit (negativ) ein Anspruch verfolgt wird, nach dem der Kläger (positiv) die Klage erweitern könnte. b 2. Die Klageerweiterung setzt die Rechtshängigkeit (§ 263) eines auderprozessualen Anspruchs voraus. Ist nur noch die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit oder die Kosten zu fällen, so ist die Erweiterung (zur Hauptsache) unzulässig (RG N § 286/120 geht darüber hinaus, sofern nur noch unbedeutende und untergeordnete Teile der anderen Ansprüche im Streit sind). War über mehrere Teilansprüche zu entscheiden, die aus mehreren Ereignissen stammen und soll gerade an die, über die rechtskräftig entschieden worden ist, die Erweiterung angeknüpft werden, so hat dies RG N § 286/159 nicht zugelassen. RG LZ 31/7 672 hat es gestattet, daß der erledigte Rechnunglegunganspruch u m den Zahlunganspruch erweitert wurde. Die Erweiterung ist auch noch im Nachverfahren (§§ 302 IV, 600: BGH N J W 55/790), im Betragverfahren (§ 304) zulässig, auch noch in diesen Verfahren in der zweiten Tatsacheninstanz (RGZ 101/418), obwohl dann über den erweiterten Anspruch dem Grunde nach neu zu erkennen ist und das Verfahren bezüglich des erweiterten Anspruchs im Urkundenprozeß nicht mehr durchgeführt werden darf. b 3. Die Erweiterung nach § 268 I 2 muß den Klagegrund (vgl. § 253 G IV) und das Klageereignis (das Rechtsverhältnis) unberührt lassen (RG Warn. 21/50). Unter sie fällt der Übergang von bislang geforderten Verzugzinsen auf den vollen Verzugschaden (RG N §268/136), ebenso der von der in das Ermessen gestellten auf die bezifferte Leistungklage (vgl. § 253 G I I I a 3). Bei T e i l k l a g e n ist das Hinausgehen über den eingeklagten Teil die zulässige Erweiterung (RG J W 99/278 7 ), auch wenn bei Ansprüchen aus demselben Werkvertrag weitere Leistungen vergütet verlangt werden (RG N § 268/74); ebenso sind es die Ansprüche auf Rückzahlung zu Unrecht eingezahlter Vorschüsse auf eine Werklohnforderung, der Anspruch auf Feststellung, daß die Werklohnforderung übersetzt sei, der auf Rechnunglegung aus demselben Werkvertrag nacheinander erhoben (RG N § 268/81). Darauf, wann die Teilansprüche entstanden sind (RGZ 101/418 [420]), kommt es nicht a n ; sie können sogar im selben Rechtstreit
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§268
ClYbS
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(oder im anderen) schon erhoben gewesen, dann aber fallen gelassen worden sein (RGZ 152/37 [45f.]). Auch der Übergang von einer Konkurs- zu einer Masseschuldforderung gehört hierher (RG J W OB/178 16 ). Ferner gehören unter § 268 I 2 : der zusätzliche Antrag auf Veröffentlichung eines Urteils nach UWG (OLG 7/187), die (zusätzliche) Fristsetzung nach § 255, der zusätzliche Anspruch auf Rechnunglegung neben der Leistung (RGZ 144/71 [74]), die Nebenansprüche (§ 4 C I ; B a y O b L G Seuff. 41/234); die umgekehrte Erweiterung von dem Zins- auf den Hauptanspruch ließ aber R G J W 96/247® nicht zu. Die Inzidentfeststellungklage ist ausdrücklich nach § 280 zugelassen worden. Zulässig ist es, den Anspruch auf Unterlassung um den auf Schadenersatz wegen der Beeinträchtigungen zu erweitern (RGZ 61/254). Dagegen ließ R G J W 33/1658 1 1 nicht zu, dem Antrag auf Unterlassung von Beleidigungen den auf ihren Widerruf hinzuzusetzen. Den Übergang von der Wandlung zur Minderung hat R G J W 98/388 1 1 zugelassen (dagegen R G J W 07/46 5 f.). c ) Nicht zugelassen hat die Erweiterung (trotz einheitlichen Rechtsverhältnisses) bei mehreren Ansprüchen aus demselben Testament R G J W 12/471 1 8 . D. § 268 I 3 läßt den Übergang auf eiDen anderen Gegenstand oder das Interesse wegen einer nachträglich eingetretenen Änderung zu. In diesem Falle werden regelmäßig der Klageantrag und der Klagegrund geändert (vgl. R G J W 27/843®). D I. I m Gegensatz zu den Fällen des § 268 I 1, 2 wird zugelassen, daß das Klageereignis durch weitere Ereignisse ergänzt wird. a ) Vorausgesetzt wird deshalb, daß die Veränderung sich aus dem Klageereignis (RGZ 100/95 [96]) durch ein weiteres Ereignis entwickelt. Doch braucht nicht sofort geändert zu werden, vielmehr kann noch in zweiter Instanz geändert werden, wenn die Änderung schon in der ersten Instanz eingetreten ist (RGZ 39/428). a 1. Dabei ist nach RGZ 61/259 f. erforderlich, daß gerade durch das neue Ereignis die neue Forderung ihre Begründung findet. In diesen Fällen muß die Klage geändert werden, wenn sie nicht abgewiesen werden soll (RG N § 268/10). a 2. Der Anspruch aus § 268 I 3 kann aber auch neben dem alten Anspruch geltend gem a c h t werden (a. M. R G N § 268/122). E s kann deshalb jetzt auch noch nach Rechnunglegung auf das Interesse übergegangen werden (vgl. § 254 A I I b 2 ; a. M. RGZ 61/405 [408]). Jedenfalls dürfen auch hier die zur Begründung des Anspruchs vorzubringenden Tatsachen mit der Erweiterung vorgebracht werden, ohne daß sie zurückgewiesen werden dürfen (§ 268 C I V b 1). b) Die Veränderung muB nach Rechtshängigkeit (§ 263 I) eingetreten sein (RG Warn. 18/25), es sei denn, daß sie zwar vorher eingetreten, dem Kläger aber vor Klageerhebung weder bekannt (RG LZ 16/307 2 2 ) noch fahrlässigerweise unbekannt geblieben ist (RGZ 88/405). Doch kann kein Verschulden darin gesehen werden, daß der Kläger schon früher das Ereignis der Veränderung hätte herbeiführen können, mag er es auch nicht herbeigeführt haben (vgl. RGZ 88/55: bei der späteren Aufrechnungerklärung). D II. In welchem Falle ein solcher Übergang möglich ist, entscheidet das außerprozessuale Recht (RGZ 47/186 [188]). a) E r ist gegeben, wenn an Stelle des untergegangenen ( B G B § 2 8 3 : R G J W 09/485 5 ) oder wertlos gewordenen Gegenstandes Ersatz oder nach B G B § 326 Schadensersatz gefordert wird (RGZ 109/134 [137]) oder statt des Naturalersatzanspruchs oder des Leistunganspruchs Ersatz in Geld ( B G B §§249 I 2, 251; R G J W 19/505 1 1 ), statt der Sache das Surrogat ( B G B § 281) oder Schadenersatz ( B G B §§ 989, 990), oder statt des zurückbehaltenen Gegenstandes die Befriedigung aus dem ersatzweise hinterlegten Geldbetrag (RG D J Z 25/666 f.), oder statt Schadenersatzes aus Vertrag die Bereicherung (RG I I R R 35/688); oder wenn in einer nach § 771 erhobenen Klage der geforderte Gegenstand versteigert wird und der Gläubiger auf Freigabe des hinterlegten Erlöses, auf Schadenersatz oder Bereicherung übergeht (RG Seuff. 74/195); oder von der Duldung der Vollstreckung in die mit der Gläubigeranfechtungklage in ansprach genommene Sache auf Geldersatz, wenn die Sache veräußert wurde (RG J W 98/262 1 9 ); oder wenn bei einer Vollstreckunggegenklage (§ 767) die Vollstreckung im Laufe des Verfahrens um den Gegenstand beendet wird, auf Schadenersatz; statt der Verurteilung zur Leistung die
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Verfahren bis zum Urteil
§ 268 D n a
auf Feststellung nach KO § 146 I I I (vgl. § 268 A IV b 1), statt anderweiter Verteilung im Verteilungverfahren die auf Herausgabe der Bereicherung (RGZ 99/202 [207]), s t a t t Erfüllung nach Anfechtung des Vertrages (BGB §§ 119folg.) auf Ersatz des Vertrauenschadens (BGB § 122, RG Warn. 18/25) oder Ersatz nach Anfechtung wegen Täuschung (BGB § 123; RG J W 35/777 12 ); oder wenn von dem Antrag anteiligen Unkostenersatzes gegen die Gesellschafter einer bestehenden Gesellschaft nach deren Auflösung auf das Auseinandersetzungguthaben übergegangen wird (vgl. RG J W 12/472 19 ); oder statt der vom Testamentvollstrecker verlangten Bewirkung der Auseinandersetzung nach Niederlegung durch ihn auf Rechenschaft und Herausgabe des Nachlasses an die Erben und Feststellung der Ersatzpflicht geklagt wird (RGZ 100/95). b) Dabei spielt es keine Rolle, ob zunächst aus dinglichem Recht, dann aus obligatorischem (RGZ 88/55 [60]) oder umgekehrt (RG J W 11/330 29 ) geklagt wird. Als gesetzlich zugelassen erklärt wurde die Änderung von der Klage auf Schadenersatz wegen Grundstückmängel, nachdem Kläger gegen die Restkaufgeldhypothek aufgerechnet h a t t e (BGB § 1142), auf die Klage auf Hypothekenlöschung (RGZ 88/55); die von der Eigentumherausgabeklage auf Schadenersatz wegen der nach Rechtshängigkeit eingetretenen schuldhaften Unmöglichkeit der Herausgabe nach BGB § 989 (RG J W 11/330 29 ); die von der Klage auf Duldung der Ablösung einer Hypothek nach BGB § 268 auf die Feststellungklage, daß die Hypothek erloschen ist, weil der Beklagte die Ablösung vereitelt hatte (RGZ 90/350 [353]); die v o m H y p o thekenanspruch, nachdem die Hypothek in der Zwangsversteigerung ausgefallen ist, auf persönlichen Schadenersatz (RG J W 11/330 29 ); die, wenn der Konkursverwalter, der aus Konkursanfechtung die Löschung einer Hypothek begehrt, nach durchgeführter Zwangsversteigerung die Klage auf den Erlös richtet (RGZ 61/259f.). E. Entsprechend ist § 268 anzuwenden, wenn der Antrag unverändert geblieben ist, indem er in das Ermessen eines dritten oder des Gerichts gestellt wurde (§ 253 G I I I a 3), inzwischen durch das Klagegrundereignis aber weitere Schäden entstanden sind. F. In den Fällen der Klageerweiterungverbote (vgl. § 260 C) ist die Klageerweiterung selbst dann nicht zugelassen, wenn sie sonst gesetzlich begründet wäre, weil diese Verbote weitergehen als die (sonstigen) Zulassungnormen.
§ 269
(241)
I Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klaffe ist anzunehmen, wenn er, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat. A. § 269 bestimmt, daß der Beklagte sein Recht, die Klageänderung zu rügen (§ 264), verliert, sobald er sich auf die abgeänderte Klage eingelassen hat, d. h. in der mündlichen Verhandlung durch Unterlassung der Rüge, im schriftlichen Verfahren mit dem nächsten Schriftsatz, der sich mit der Änderung befaßt (vgl. § 269 B I I a). Die Vorschrift entspricht in ihrer Rechtswirkung dem § 39. Dies gilt entsprechend für die Widerklage in bezug auf die Rüge des Widerbeklagten, auch in der Berufunginstanz (vgl. § 529 IV) und für die Erklärung der Aufrechnung, selbst wenn in der Berufunginstanz aufgerechnet wird (§ 529 V: RGZ 119/64 [69]). A I. Nimmt der Beklagte einredeweise einen neuen Klagegrund vorweg, so darf er sich gegenüber der danach auf ihn gestützten Klage nach RG H R R 29/850 nicht auf die Klageänderung beziehen. B. Der Rügeverlust ist für das Verfahren endgültig (RG J R 27 B 1251); er kann auch noch in der Berufunginstanz (RGZ 51/110 [112]) und in der Revisioninstanz eintreten (RG Warn. 37/13), wenn hier auch grundsätzlich neue Tatsachen nicht vorgebracht werden dürfen (§ 561). B II a. Unterbleibt die Einlassung, etwa bei Säumnis, so wird die Rüge nicht verloren (RG J W 12/200 23 ). Auch braucht sie nach RG Warn. 16/4 nicht vor Verhandlung zur H a u p t sache vorgebracht zu werden, was dann von § 39 abweicht.
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ZPO I I . Buch
§ 270
(272)
I Eine Anfechtung der Entscheidung , daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder daß die Änderung zuzulassen sei, findet nicht statt. A. Zu einer Entscheidung des Gerichts über die Klageänderung- kann es nur auf Rüge des (Wider-)Beklagten kommen; doch gewährt diese Rüge dem Beklagten kein Recht, die Verhandlung auf die abgeänderte Klage zu verweigern (das Gesetz zählt sie nicht zu den prozeßhindernden Einreden des § 274). A I. Beugt sich der Beklagte der zugelassenen Klageänderung nicht, sondern greift er mit dem Rechtsmittel nur die fallengelassene Klage an, so ist das Rechtsmittel unzulässig (RG J W 00/522 8 ). Andererseits kann dem Beklagten nicht verwehrt werden— in den Tatsacheninstanzen — , fallen gelassene Ansprüche (soweit auf sie nicht verzichtet wurde, § 306) durch Widerklage zu verfolgen. A II. Umgekehrt zwingt eine nicht erhobene Rüge das Gericht (sachlich) zu entscheiden. B . Über die Klageänderung entschieden werden darf durch Zwischenurteil (§ 303) oder im Endurteil (RG v. 28. 1. 1903 I E 53/359 [361]). B I. Läßt das Gericht die geänderte Klage zu (§ 264) oder nimmt es zu Unrecht an, daß sie gesetzlich zugelassen sei (§ 268, R G J W 02/418 4 ) oder daß der Gegner eingewilligt habe (RG J W 10/944 2 4 ), so ist diese Entscheidung unanfechtbar (§ 270). a) Schon in der stillschweigenden Entscheidung über den geänderten Klageantrag liegt die Zulassung (RGZ 155/227 [229]). a 2. Fällt das Gericht überhaupt keine Entscheidung, von der die Sache selbst auch nur mittelbar betroffen wird, und läßt es auch die Klageänderung nicht zu, so liegt auch kein Fall des § 270 vor (RGZ 66/415 [419]). b) Die Entscheidung des Gerichts ist in allen Fällen unanfechtbar (§ 270, RGZ 128/359 [363]), auch wenn sie erst in der Berufunginstanz (RGZ 53/359 [361]) oder in der Revisioninstanz ergeht. b 1. Dies gilt selbst dann, wenn das Gericht über eine Feststellung nach K O § 146 I I I erkennt, indem es die Identität der Anmeldung mit dem Feststellungvorbringen zu unrecht bejaht (KO § 146 IV, R G J W 11/371 3 3 ). b 2. Über die Verweisungmöglichkeit aus der Berufungsinstanz bei geänderter Klage vgl. § 268 C I V b 1. B II. Wird allerdings die Klage emeut geändert und dann auf eine schon einmal zugelassen gewesene geänderte Klage zurückgegriffen, so liegt eine neue Klageänderung vor, über die trotz der Vorentscheidung erneut zu befinden ist. B m . L ä ß t das Gericht die Klageänderung nicht zu, so hat es dies zu begründen. Geschieht dies durch Zwischenurteil (§ 303), so ist dieses zugleich mit dem Endurteil (§§ 512, 548), geschieht es im Endurteil, so ist die Entscheidung in ihm angreifbar, obwohl es nur über den alten Klageanspruch befindet, also daraufhin, daß es die Klageänderung hätte zulassen müssen (§ 264 C I V b). a) Läßt sie die höhere Instanz zu, so darf die Berufunginstanz selbst sachlich über die geänderte Klage entscheiden. Ist die sachliche Entscheidung offengeblieben, so sollte die Revisioninstanz aufheben und zurückverweisen (vgl. 264 C I V b). b) Läßt zwar das Gericht nicht zu, entscheidet es aber hilfsweise sachlich, so sollte man die Nichtzulassung als nicht geschrieben ansehen.
§ 271
(243)
I Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. II Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zu-
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Verfahren bis zum Urteil
§ 2 7 1 Ii
rücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. III Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne daB es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist. Auf Antrag des Beklagten sind die in Satz 1 und 2 bezeichneten Wirkungen durch Beschluß auszusprechen. Der Beschluß bedarf keiner mündlichen Verhandlung. E r unterliegt der sofortigen Beschwerde, IV Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind. A I. § 271 regelt die Zulässigkeit und die Folgen der Klage- bzw. Widerklage- (RGZ 58/259) rücknahme für alle Klage- und Prozeßarten ( R G N § 271/39). a ) § 271 IV gilt entsprechend, sofern infolge des Verhaltens des Klägers die Klage für zurückgenommen erklärt wird (§§ 113, 635, 640, AktienG §§ 123 I I I , 199 IV, 201, 216 I V , 219 I I I , GmbHG § 75 I I ) . b) Entsprechend der Klagerücknahme ist auch die Rücknahme der Streithilfe (§§ 66 folg.) zulässig (RGZ 56/28 f.), die indes grundsätzlich im freien, von der Zustimmung der Parteien unabhängigen Willen des Streitgehilfen steht (RGZ 61/286 [291f.]); auch darf sich der Streitgehilfe erneut derselben Partei anschließen. Über die Wirkung, wenn der Streitgehilfe der Gegenpartei beitritt, vgl. § 68 A I I b. Der Wirkung des § 68 kann der Streitgehilfe nicht durch Rücknahme der Streithilfe entgehen (vgl. 74 I I I ) . Verfolgt der Streitgehilfe allein einen von ihm eingelegten Rechtsbehelf, so liegt in der Rücknahme der Streithilfe zugleich die des Rechtsbehelfs, und es ist deshalb die Rücknahme in derselben Form zu vollziehen wie die des Rechtsbehelfs selbst. B . Nach § 2 7 1 1 , I I 1 wird die Klagerücknahme mit dem Zugang der Erklärung des (Wider-) Klägers bei dem Prozeßgericht vollzogen, sofern noch nicht zur Hauptsache verhandelt worden ist; sonst erst mit der Einwilligung des Beklagten. In Miet- (und Pacht-)schutzsachen ist die Einwilligung des Beklagten nicht erforderlich, wenn die Klage während der Aussetzung des Verfahrens nach MSchG § 11 zurückgenommen wird (MSchG §§ 11 I I I , 36). B I. Als prozessuale Willenserklärung sind Klagerücknahme und Einwilligung bedingungfeindlich (RArbG Warn. 39/44). Sie ist ferner befristungfeindlich, nicht nach außerprozessualem Recht anfechtbar (RG Warn. 16/144), wenn auch offenbare Mängel (§ 319 B I) zu berichtigen sind. a 1. Nach vollzogener Klagerücknahme gibt es keinen Widerruf mehr (RG N § 271/4). Doch darf die Klage erneuert werden; ist sie etwa nur zum Teil zurückgenommen worden, so steht ihrer Erneuerung im selben Verfahren nichts entgegen (RGZ 152/37 [46]), soweit dies nach §§ 268, 264 zulässig ist. Bleibt eine Widerklage anhängig, so kann durch Widerklage zu ihr auf die zurückgenommene Klage zurückgegriffen werden (BGH LM § 616/9). a 2. Bedurfte die Klagerücknahme noch der Einwilligung des Beklagten (§ 271 I), so wird sie erst durch die Einwilligung vollzogen, womit bis dahin die Klagerücknahme widerruflich wird (RGZ 75/286 [290]); dies folgt aber daraus, daß, wenn der Beklagte nicht in die R ü c k nahme willigt, der Kläger die Klage weiter verfolgen darf (RG H R R 34/58) und daß der B e klagte gegen den Kläger eine Versäumnisentscheidung nehmen darf, wenn dieser nicht verhandelt (§§ 330, 331a, RGZ 75/286 [290f.]). a 3. Dementsprechend ist auch die Einwilligung unwiderruflich, wenn sie die Klagerücknahme vollzieht. Wird sie indes vor Klagerücknahme erklärt, so ist sie bis zur Abgabe der Erklärung des Klägers gegenüber dem Gericht frei widerruflich; denn erst mit der nachfolgenden Klagerücknahmeerklärung des Klägers wird sie vollzogen. a 4. Der Beklagte (wie im Fall der vorweggenommenen Einwilligung der Kläger) kann die Einwilligung (bzw. die Klagerücknahme) ausdrücklich verweigern; die Weigerung ist eine einseitige, prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende unwiderrufliche Willenserklärung
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§271
Blal
ZPO II. Buch
(RGZ 108/135 [137]); denn sie bringt die Erklärung der Gegenseite zum Erlöschen (RG N § 271/22). b 1. Die Klage darf zurückgenommen werden von der Anhängigkeit (§ 263 A I a) an (OLG JMB1. NRW 52/228), also nicht erst von der Rechtshängigkeit an (so aber OLG NJW 54/275), bis zur Rechtskraft des Urteils (RG DR 43 A 61910), also auch in der Berufung- (RG J W 03/2893) und in der Revisioninstanz (RG JW 12/80221), aber auch zwischen den Instanzen (RG HRR 31/1965). Ist in der höheren Instanz die Klagerücknahme von der Zustimmung des Gegners abhängig und wird sie nicht (rechtzeitig) erteilt, so bleibt nur der Klageverzicht (§ 306) möglich; um ihn zu erklären, ist in Ehesachen das Rechtsmittel gegeben (RGZ 157/141 [143]), da er in der Zwischeninstanz nicht erklärbar ist. Der Eintritt der Rechtskraft ist nach § 705 zu bemessen. Andererseits kann auch noch die nach formeller Rechtskraft zurückgenommene Klage wirken, nämlich wenn auf Grund eines Wiedereinsetzunggesuchs die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, und bei der Wiederaufnahmeklage, nachdem ihre Zulässigkeit feststeht. Darüber hinaus dürfen, wenn auch nach Rechtskraft die Klagerücknahme nicht mehr zulässig ist, die Parteien doch regelmäßig durch außerprozessuale Vereinbarung die Entscheidung beseitigen, bei gestaltenden Urteilen allerdings nur durch Neuvornahme. b2. Die Einwilligung darf im selben Zeitraum erklärt werden. Erforderlich ist ihre Erklärung indes erst von dem Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache durch den Beklagten an, im schriftlichen Verfahren von der Einreichung einer sich auf die Hauptsache beziehenden Erklärung nach Klageerhebung, gemessen an dem im Streit befindlichen Klageanspruch. Hat der Beklagte Versäumnisurteil genommen und der Kläger Einspruch eingelegt, so läßt BGH NJW 52/545 wegen des § 342 noch die einseitige Klagerücknahme durch den Kläger zu. b 3. Über den Begriff der Verhandlung zur Hauptsache vgl. § 39 A II. Unter Hauptsache wird hier die Verhandlung über den außerprozessualen Anspruch (§ 253 B II c 1, im Urkundenechtheitsfeststellungprozeß die über die Echtheit der Urkunde) im Gegensatz zu der über die Prozeßbedingungen verstanden. Doch genügt es, wenn neben diesen zugleich, wenn auch nur hilfsweise, zur Hauptsache verhandelt wird (RGZ 151/165 [167]). In der Stellung des Klageabweisungantrags allein hat RGZ 132/330 (336) noch keine Verhandlung zur Hauptsache gesehen, weil dieser Antrag auch die prozessuale Klageabweisung ergreife. Regelmäßig wird aber ein solcher Abweisungantrag genügen. b 4. Auch der Gegner des Staatsanwalts (a. M. RG DR 44 A 91431) muß gegebenenfalls einwilligen. c) Klagerücknahme wie Einwilligung können auch schlüssig vollzogen werden, c 1. wenn dies auch völlig eindeutig und unzweifelhaft sein muß. Keine Klagerücknahme ist bloßes Nichtverhandeln (§ 334, RGZ 168/56 [58f.]) oder auch die Erledigungerklärung zur Hauptsache (RG JW 39/169 30 ). Keine Klagerücknahme ist anzunehmen, wenn ein Anspruch „fallen gelassen" wird, weil das Armenrecht nicht bewilligt wurde (RGZ 168/56 [57 f.]). Bedenklich ist es, in der Erklärung, am Verfahren nicht mehr teilnehmen zu wollen, eine Klagerücknahme zu sehen (so BGH GRUR 53/86). Eine Klagerücknahme wurde in der ausdrücklichen Beschränkung des Klageantrags gesehen (RGZ 152/37 [44]), doch muß mehr als der Wille, nur einen Stillstand der Anspruchsverfolgung zu erstreben, ausgedrückt sein (RGZ 75/286 [289f.]). Wird neben einer Leistungklage aus einem Unfall die Feststellung klage erhoben und später bei Erhöhung des Leistunganspruchs der Feststellungantrag nicht gestellt, so liegt eine Umwandlung der Feststellungklage, nicht aber ihre Rücknahme vor (RGZ 168/56). c 2. Auch zur Einwilligungerklärung durch den Beklagten genügt jedes schlüssige Handeln (RGZ 152/37 [45]); aber Untätigbleiben genügt nicht (RG Warn. 14/5). c 3. Ebenso sind der Widerruf der Klagerücknahme und die Versagung der Einwilligung, etwa durch Aufrechterhaltung des Berufungsantrags (RG J W 03/2893), wie der Widerruf der Einwilligung behandelt worden. Bloßes Schweigen genügt aber auch hier nicht; ein Rügeverlust durch Schweigen tritt also nicht ein. d) Die Klagerücknahme kann sich auf die gesamte Klage,
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d 1. aber auch auf einen Teil beziehen (RG Warn. 14/5; über die Klagebeschränkung vgl. § 268 C IV a). d 2. Die Klageänderung kann auch nur gegenüber einem von mehreren Beklagten erklärt werden, mögen sie selbst notwendige Streitgenossen (§ 62) sein, wie sie auch von nur einem mehrerer Kläger ausgehen kann, die als notwendige Stroitgenossen klagen. Doch kann der Streitgehilfe, auch der selbständige (§ 69), die Klage nicht zurücknehmen (§ 67 B I I a 1) bzw. in ihre Rücknahme willigen (vgl. RGZ 56/28). d 3. Wird die Partei durch mehrere gesetzliche Vertreter vertreten, auf die § 171 I I I nicht anzuwenden ist, also wenn etwa eine Handelsgesellschaft durch Vorstand und Aufsichtrat vertreten wird, so bezieht sich die Klagerücknahme ohne weiteres auf beide Vertretergruppen. Müssen beide Vertretergruppen die Erklärung abgeben, so wird erst, wenn beide Erklärungen vorliegen, die Klagerücknahme vollzogen. B II. Die Erklärungen müssen von einem Postulationfähigen (Anwalt, RG J W 12/802) ausgehen und an das Prozeßgericht gerichtet sein und sind entweder in der mündlichen Verhandlung oder schriftsätzlich zu erklären (RG J W 10/28). Die Zustellung des Schriftsatzes schreibt § 261 b II vor; doch wird die Klagerücknahme schon durch Einreichung des Schriftsatzes vollzogen (§ 271 II). Der Schriftsatz ist also bestimmend (§ 129 A II) und kann deshalb nicht bloß von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden (§ 198 A l b 1—3). a) In der Zwischeninstanz ist dazu der Anwalt der unteren Instanz (RG H R R 31/1965) und auch noch für den Rechtsmittelbeklagten so lange, bis sich für ihn in der höheren Instanz ein Anwalt bestellt hatte, befugt nach BGH N J W 54/1405. Nach LG NJ W 57/756 ist die Klagerücknahme durch die Naturalpartei vor dem LG zulässig, wenn die Sache aus einem Mahnverfahren stammt und solange Terminanberaumung nicht beantragt worden ist. Im Ergänzungverfahren (§ 321) ist die Klagerücknahme usw. stets (weil insoweit kein Rechtsmittel eingelegt werden kann) vor dem unteren Gericht zu erklären. Sich überschneidende Zuständigkeiten gibt es insoweit, wie eine Instanz der anderen vorgreifen darf (vgl. § 536 B); dann darf die Klage insgesamt vor der höheren Instanz zurückgenommen werden, während die Rücknahme vor der unteren nicht den in der höheren Instanz befindlichen Anspruch berühren kann. Im getrennten Grund- und Betragsverfahren (vgl. § 304), bei formal und materiell getrennten Verfahren (vgl. § 275 II), im Urkundenprozeß (usw.) und in seinem Nachverfahren ist die Klagerücknahnie bei jedem Gericht zulässig, bei dem eines der genannten Verfahren entschieden werden soll. Bei der Vorabentscheidung nach § 302 ist dagegen nur in dem Vorabverfahren die Klage rücknehmbar, in dem verbleibenden Verfahren kann der Kläger den zur Aufrechnung gestellten Betrag anerkennen, der Beklagte dagegen den Aufrechnungeinwand (wenn man ihn insoweit entsprechend einer Widerklage behandelt) zurücknehmen (entsprechend § 271 I). B III. Die Klageräcknahme bewirkt a) prozessual, daß Anhängigkeit und Rechtshängigkeit (§263) mit rückwirkender K r a f t a 1. zu Lasten des Klägers entfallen (§ 271 I I I 1) bezüglich des außerprozessualen Anspruchs bzw. im Urkundenechtheitprozeß bezüglich dieser Feststellung (§271 I U I ) ; nicht aber bezüglich des Kostenbeschlusses (OLG 40/460f.) bzw. aes Aufhebungbeschlusses (§ 271 I I I 3); die Rechtskraft einer Entscheidung kann nicht mehr eintreten; ein Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden (OLG DR 43 A 696 5 ). a 2. Die Beseitigung der Rechtshängigkeit hat aber nicht zu Lasten des Beklagten etwa die Folge, daß die Anknüpfung, die sie ihm bot, noch beseitigt werden könnte. Es bleiben der Gerichtstand der Hauptintervention (§ 64) und der Widerklage (§ 33) bestehen (§ 263 II 2, RG J W 17/295 18 [297]); wenn auch nach Klagerücknahme diese Gerichtstände nicht neu begründet werden können (RGZ 34/366; vgl. dazu § 33 C I I I a); hatte sich allerdings der Kläger trotzdessen zur Hauptsache auf die Widerklage eingelassen (§ 39), so ist über sie zu entscheiden (RG LZ 24/554 16 ). Der Streitbeitritt ist nicht mehr zulässig, da es einen solchen in bezug auf die Kostenentscheidung nicht gibt (§ 66 A I I I b). b) Die Klagerücknahme
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b 1. ändert nichts an den Wirkungen der außerprozessualen Erklärungen (§ 253 F III b 2). Doch können solche Wirkungen (Kündigung u. dgl. m.) durch Parteivereinbarung regelmäßig wieder rückgängig gemacht werden (die aber nicht in der Klagerücknahme liegt). b 2. Soweit an Anhängig- oder Rechtshängigkeit außerprozessuale Folgen geknüpft werden, entfallen ihre Wirkungen nur insoweit, wie keine besonderen gesetzlichen Bestimmungen getroffen worden sind (RG J W 26/374°), und im besonderen, soweit sie in der Form des Prozesses geltend gemacht werden müssen. Über die Wirkung bei der Verjährung vgl. BGB §§ 212 II, 941 I 2, 215 II (§ 261b C II d). B IV. Die Wirkungen der Klagerücknahme grenzen sie gegen den Stillstand des Verfahrens, den prozessualen wie außerprozessualen Verzicht, die prozessuale Erledigung erklärung wie den außerprozessualen Vergleich ab. a 1. Die Unterbrechung, die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens beenden den Prozeß nicht, sie lassen den weiteren Betrieb durch die Parteien zu (RG HRR 34/1063) im Gegensatz zur Klagerücknahme. a 2. Vom prozessualen Verzicht (§ 306 — die Möglichkeit eines solchen vorausgesetzt) unterscheidet sieh die Klagerücknahme dadurch, daß der Verzicht auch den außerprozessualen Anspruch ergreift, während die Klagerücknahme diesen unberührt läßt und also die erneute Klageerhebung zuläßt (RGZ 100/123). Auch beendet der Verzicht noch nicht die Rechtshängigkeit, läßt aber keine Klagerücknahme mehr zu (KG OLG 31/43f.). Andererseits ist der Klageverzicht nicht von der Einwilligung abhängig, selbst wenn schon zur Hauptsache verhandelt worden ist (RG LZ 17/46215;. a 3. Von der Rechtsmittelrficknahme unterscheidet sich die Klagerücknahme dadurch, daß jene das ergangene Erkenntnis bestehen läßt; dasselbe gilt bei Rechtsmittel verzichten. b 1. Der (gerichtliche oder außergerichtliche) Vergleich erledigt den außerprozessualen Anspruch (ganz oder teilweise), beendet aber das Prozeßverhältnis nicht notwendigerweise (a. M. im Prinzip die h. M., RG N § 271/9, vgl. § 794 C IV d); doch kann sein Abschluß mit der Klagerücknahme verbunden werden. Wird die Klagerücknahme im Rahmen eines Vergleichs erklärt, so teilt sie nicht das Schicksal des Vergleichs (a. M. RG JW 11/3983), sondern bleibt bestehen, ohne Rücksicht darauf, ob der Vergleich unwirksam (vgl. BGB § 779) ist oder (etwa durch Anfechtung) vernichtet wird; wie umgekehrt, wenn die Klage nicht zurückgenommen wird, nach — außerprozessualer — Beseitigung des Vergleichs das Verfahren fortgesetzt werden darf (vgl. § 794 C IV d 1). b 2. Das entsprechende gilt für die außerprozessualen Verzichte, mögen sie einseitig (auf dem Gebiete des dinglichen Rechts, vgl. BGB §§ 875, 928, 1064, 1168 II, 1255 I) oder zweiseitig, also auf dem Gebiete des Schuldrechts (BGB §397), außerprozessual zu erklären sein. Sie werden in der Praxis bisweilen mit der Klagerücknahme verbunden (besonders bei Vergleichen), unterliegen aber dem außerprozessualen Recht. b 3. Von der Erledigungerklärung unterscheidet sich die Klagerücknahme dadurch, daß jene den außerprozessualen Anspruch betrifft; entsteht über sie Streit, so ist sachlich über den geänderten Klageantrag zu entscheiden (RG JW 39/169 30 ); erklären sie aber beide Parteien, so ist § 91a anzuwenden. Eine Klagerücknahme liegt in ihr nicht (RG Warn. 38/14). Hat der Kläger die Klage zu Unrecht für erledigt erklärt, so ist sie abzuweisen (RG HRR 34/58); wird im zweiten Rechtzuge nach Klageabweisung vom Kläger, der Berufung eingelegt hatte, die Klage für erledigt erklärt, so ist — bei ungerechtfertigter Erklärung — die Berufung zurückzuweisen. Wird der Rechtstreit durch Urteil für erledigt erklärt, so wird mit dessen Rechtskraft der Streit beendet. B V. Außerprozessuale Erklärungen, nicht klagen zu wollen oder eine Klage zurücknehmen zu wollen, sind unwirksam (Hellwig Lb. 1/177; a. M. RGZ 159/186 [189]). Niemals aber kann der Kläger durch eine Vereinbarung gezwungen werden, eine prozessuale Willenserklärung abzugeben (§894 bezieht sich r e g e l m ä ß i g auf die Abgabe außerprozessualer Willenserklärungen; §894 A II; die Fälle, wo durch Urteil eine prozessuale Erklärung vollzogen wird, sind besonders geregelt, vgl. §§ 113 I 2, 635).
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C. Über die Klagerücknahme ist im selben Verfahren, wo sie vollzogen ist, vom Prozeßgericht (aber auch vom Einzelrichter [§ 349 I 3]) zu entscheiden, sofern Anlaß dazu besteht. Sie wird von gerichts wegen beachtet (RG N § 271/35). C I. Der Beklagte darf stets beantragen, daß die Zurücknahme (durch Beschluß) gerichtlich festgestellt wird. a) Der Antrag des Beklagten ist Prozeßantrag (§271 III 4), so daß er nicht verlesen (vgl. § 297) und auch dem Gegner nicht zugestellt zu werden braucht (§ 261b B III a 2) b) Er löst das Beschlußverfahren aus, wonach eine ergangene Entscheidung (bei einstweiliger Verfügung und Arrest: OLG NJW 55/1194; a. M. OLG NJW 55/1803) für wirkunglos erklärt und über die Kosten entschieden wird (§ 271 III 3). Über die Frage, ob der allein ausscheidende Beklagte Anspruch auf die sofortige Entscheidung hat, selbst wenn der Streit mit anderen Beklagten fortgesetzt wird, vgl. §§ 75 A IV c, 76 B III b. b 1. Durch die Antragrücknahme im schiedsgerichtlichen Verfahren wird aber nicht der Schiedsspruch beseitigt (vgl. § 1040). Nur die Prozeßkostenentscheidungen sind besonders behandelt (v&l. § 2 7 1 C I a 2 ) ; sie fallen aber deshalb nicht unter den Aufhebungbeschluß, sondern unter die Kostenentscheidung. b 2. Nach § 271 III 3 sind die Prozeßkosten dem Kläger aufzuerlegen, soweit über sie noch nicht rechtskräftig erkannt ist (§ 271 III 2). Stellt der Kläger den Beklagten klaglos, so ist allerdings bestritten, ob er noch die Kostengrundentscheidung erhält (verneinend OLG J W 23/849 23 ; anders, sobald auch nur über die Höhe Streit besteht oder entstehen würde: RG Warn. 31/226). b 3. Die Kostenregel findet sich wieder bei der Rechtsmittelrücknahme (§§ 515 III, 566). Sie gilt aber auch bei Rücknahme des Zahlungbefehls, des Arrestes, der einstweiligen Verfügung (OLG JW 35/80952), bei der des Entmündigungsantrags (OLG HRR 35/1702), einer Beschwerde (OLG HRR 35/1702), bei der der Wiederaufnahmeklage, bei der der Vollstreckungerinnerung nach § 766 (a. M. LG JW 31/20511). Nur dort, wo sie ausdrücklich durchbrochen wird, gilt sie nicht, wie etwa im Patentverfahren (Kommentar § 271 A III) nach MSchG § 11 III 2 wie nach § 788 III. Die Kostenlast umfaßt die Kosten der Streitgehilfen des Be. klagten (RG JW 04/492 18 ); nicht aber die der Streitgehilfen des Klägers, die dieser mög. licherweise nach außerprozessualem Recht zu ersetzen hat. b 4. Die Einwilligung des Beklagten berührt diese Kostenlast nicht (RGZ 20/414f.). Haben die Parteien sich aber gerichtlich oder außergerichtlich, auch in anderen Sachen (RGZ 96/203f.), verglichen, dann hat § 98 den Vorrang vor § 271 III 3 (OLG 43/137; a.M. OLG JW 30/66126). § 93 ist unanwendbar (OLG 25/93). Unter die Bestimmung fallen aber nur die Kosten der Klagerücknahme, nicht die der Widerklage (da diese stets weiter verfochten werden darf; a. M. OLG HGZ 1919 Beibl. 189; die Rechtslage bei den Anschlußrechtsmitteln ist insoweit nicht dieselbe); wohl aber die der eventuellen Widerklage (vgl. § 33 D). b 5. Ob § 271 III mit Vorrang vor § 344 gilt, ist umstritten (verneinend RG JW 87/311 3 ; bejahend: OLG HRR 31/1966; vgl. auch § 344 B I). b 6. Eine besondere Kostenentscheidung enthält der reine Kostenbeschluß nicht. Zu den Kosten, die er ergreift, gehören aber auch die des Beschlußverfahrens; an Gerichtskosten entsteht % Gebühr (GKG § 33 1 1 a; über die Minderung der Gerichtskosten vgl. GKG § 29, über die beim Vergleich KG JW 35/35 7 4 5 6 ' " ) , an Anwaltskosten die nach RAGebO § 13 (berechnet nach dem Gebührenwert als Streitwert), sofern diese nicht — wie regelmäßig — schon durch die des Hauptverfahrens abgegolten sind. Dabei will die Rechtsprechung darauf hinaus, eine Klagerücknahme im kostenrechtlichen Sinn auch in anderen Fällen anzunehmen als in denen des Zivilprozeßrechts (vgl. KG JW 36/30869: das in einem außergerichtlichen Vergleich kostenrechtlich eine Klagerücknahme sehen wollte; dagegen aber: OLG Celle Recht 29/860, Hamburg JW 32/9642 15 ; OLG Nürnberg Rpfl. 54/269, BayJMBl. 53/159, die in der Erledigungserklärung kostenrechtlich eine Klagerücknahme sehen wollten). b 7. Der Beschluß ist Vollstreekungtitel i. S. des § 103.
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b 8. Hatte ein nicht legitimierter Vertreter i. S. des § 89 die Klage erhoben und dann zurückgenommen, so treffen ihn die Kosten (OLG MDR 56/431). C II. Nimmt das Gericht im Gegensatz zu den Parteien an, daß die Klage zurückgenommen ist a) und verhandeln die Parteien (bzw. äußern sie sich schriftlich weiter zur Sache), so ist dieses Vorbringen auch ohne Antrag des Beklagten durch Beschluß mit der Begründung zurückzuweisen, daß die Klage zurückgenommen ist. Verhält sich das Gericht nur untätig, so haben die Parteien das Rechtsmittel der Beschwerde (§ 252). Ist jedoch in dem Verhalten der Parteien eine neue Klageerhebung zu sehen (was in amtsgerichtlichen Verfahren nach § 500 II zulässig ist), so ist auch über sie zu entscheiden; auch ist für das neue Verfahren nach GKG § 111 I zunächst auf die Einzahlung des Prozeßkostenvorschusses zu dringen. Darüber hinaus kann der Zeitpunkt der Klageerhebung wegen der Wahrung der Fristen, bei der Frage der Rechtshängigkeit u. dgl. m. entscheidend sein. b) Ist (nach Auffassung des Gerichts) die Klage nicht wirksam zurückgenommen, während die Parteien dies als wirksam behandeln, so bleibt nur, wenn die Parteien schweigen, die Rücknahme zweifelhaft. Dann darf das Gericht Termin ansetzen und, selbst wenn die Parteien nicht erscheinen oder nicht verhandeln, im Rahmen des § 251 a entscheiden. C III. Ist unter den Parteien die Rücknahme streitig, so wird darüber entschieden. a) Behauptet der Kläger, zurückgenommen zu haben, so liegt, selbst wenn die Rücknahme nicht in Ordnung war, darin eine Neuvornahme. Der Beklagte kann dagegen nur einwenden, daß er schon zur Hauptsache verhandelt habe, deshalb in die Rücknahme willigen müsse, dies aber nicht getan habe. Dann steht die Frage der Verhandlung zur Hauptsache durch den Beklagten zu seiner Beweislast, die seiner Einwilligung zu der des Klägers. Wird festgestellt, daß der Beklagte noch nicht zur Hauptsache verhandelt hatte oder daß er eingewilligt hatte, so ist der Antrag des Beklagten auf eine andere Entscheidung zurückzuweisen, d. h. auf Antrag des Klägers durch Beschluß (a. M. OLG NdsRpfl. 55/213: durch Urteil) festzustellen, daß die Klage zurückgenommen ist, wobei dann der Kläger zugleich in die Kosten zu verurteilen ist (§ 271 I I I 3 in entsprechender Anwendung, § 308 II). Wird dagegen festgestellt, daß der Beklagte schon zur Hauptsache verhandelt und nicht in die Rücknahme gewilligt hat, so wird entweder durch Zwischenurteil (§ 303) der Antrag des Klägers auf Feststellung der Rücknahme zurückgewiesen oder aber es wird sogleich zur Hauptsache erkannt. Darüber, ob das Zwischenurteil nach § 275 II in entsprechender Anwendung besonders anfechtbar ist, vgl. § 275 B II b. b) Behauptet der Beklagte, die Klage sei zurückgenommen worden, so stellt er den Antrag aus § 271 III 3. Er hat die Beweislast für die Rücknahme durch den Kläger und soweit es darauf ankommt auch für die Rechtzeitigkeit der Einwilligung in die Rücknahme. Wird nach dem Antrag des Beklagten erkannt, so ergeht Beschluß auf Grund freigestellt mündlicher Verhandlung (§ 271 III 4). Wird dem Antrag des Beklagten nicht gefolgt, so darf er durch Zwischenurteil (§ 303) zurückgewiesen werden oder in den Entscheidunggründen des Endurteils. Darüber, ob das Zwischenurteil besonders anfechtbar ist, vgl. § 275 B II b. c) Kommt es in der Zwischeninstanz zu einem Streit der Parteien über die Rücknahme, so wird die beschwerte Partei, welche die Rücknahme nicht gelten lassen will, den Rechtsbehelf einlegen müssen; sodann wird von der Rechtsbehelfs(-mittel)-instanz darüber zu entscheiden sein, ob die Klage wirksam zurückgenommen ist. Stützt sich indes die beschwerte Partei gerade auf die Rücknahme, so steht ihr nur das Verfahren nach § 271 III 3 in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung zur Verfügung. Unterliegt sie damit (rechtskräftig), so bleibt ihr die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung auch nach Fristablauf, da sie zu erkennen gegeben hat, daß sie das ergangene Erkenntnis nicht gegen sich gelten lassen will und ihr deshalb die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht verweigert werden sollte, weil sie sich dazu eines an sich tauglichen Mittels bedient hat und dem Gegner das erkenntlich war (§ 233 B II a 2). Folgt man allerdings der hier vertretenen Auffassung nicht (sie hat die h. M. nicht für sich), so wird die beschwerte Partei vorsorglich den Rechtsbehelf einlegen müssen, um nicht die Gefahr zu laufen, keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erhalten, wenn
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ihr Antrag nach § 271 III 3 (in unmittelbarer bzw. entsprechender Anwendung) rechtskräftig zurückgewiesen wird. Auch darf die Jahresfrist des § 234 III nicht verstrichen sein, wenn Wiedereinsetzung begehrt wird. C IV. Gegen den Kosten- und Aufhebungsbeschluß ist a) grundsätzlich das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§577), regelmäßig des Klägers, aber auch des Beklagten, wenn dieser die Klagerücknahme in Abrede stellt (vgl. § 271 C III b), gegeben (§ 271 III 5), doch nicht mehr gegen die Entscheidung der Oberlandesgerichte (§ 567 III) oder höherer Gerichte. Für den Kläger ist die Beschwer dieser Entscheidung im Kostenpunkt zu sehen; deshalb muß der Beschwerdewert DM 50,— übersteigen (§ 567); auch ist (gegen die Entscheidungen des Landgerichts) keine weitere sofortige Beschwerde zulässig (§ 568 III). Entscheidet das Landgericht als Berufunggericht, so ist nach dem Gesetz die sofortige Beschwerde zuzulassen. b) Ist die Entscheidung mit anderen gemischt, also bei teilweiser Klagerücknahme, so sollten die Entscheidungen getrennt werden. Eine einheitliche Kostenentscheidung, die auch einheitlich angreifbar ist, ist in den Mischfällen mit §§ 91a (II), 99 II gegeben. Andernfalls sollte selbst dann getrennt werden, wenn (fehlerhaft) durch Urteil anstatt durch Beschluß über die Kosten entschieden wird (über die Rechtsbehelfe bei fehlerhaften Entscheidungen vgl. § 511 B IV; a. M. OLG NJW 54/1043, das hier die Berufung geben will und BGH v. 27.1.1958 II ZR 112/57, der die Kostenentscheidung anläßlich einer Revision richtig gestellt hat). D. § 271IV gibt dem Beklagten die prozeßhindernde Einrede der nicht bezahlten Kosten (§ 274 II 6), falls die zurückgenommene Klage in einem neuen Verfahren über denselben außerprozessualen Anspruch (im Urkundenechtheitfeststellungprozeß: über dieselbe Urkunde) erhoben wird (wird derselbe Anspruch durch Klageänderung im selben Verfahren wieder aufgenommen, so gilt die Einrede nicht, RG N § 274/76). Ob der Beklagte die Zurücknahme veranlaßt hat (OLG SächsA 15/118folg.), muß dabei gleichgültig sein. D I. Die Höhe der Kosten muß bei Erhebung der Einrede substantiiert werden (RGZ 6/359f.). a) Unter Eheleuten ist aber zu beachten, ob die Kosten nicht im Innenverhältnis dem Beklagten zur Last fallen (vgl. §91 E II b); dann hat der Beklagte die Einrede nicht (RGZ 31/421). Auch in anderen Verhältnissen können solche Überschneidungen vorkommen (vgl. § 91 E II b). Hat der Beklagte im Vorprozeß die Kosten übernommen, so liegt ein Vergleich vor und § 271 kommt nicht zum zuge, sondern § 98 (RGZ 24/421). Nicht zu billigen ist die Meinung der Praxis, daß die Einrede entfällt, wenn der Kläger darlegt, daß ihm eine belästigende Absicht mangelt (RG JW 15/24910). Nach dieser Rechtsprechung muß der Kläger beweisen (RG JW 99/7418), daß die Zurücknahme der Klage sachgemäß und zweckmäßig war. b) Die Einrede entfällt, wenn die Kosten bezahlt wurden. Ob die Aufrechnung bei Widerspruch des Beklagten ausreicht, ist zweifelhaft (verneinend OLG J W 28/215711). D II. Die Bestimmung wirkt, soweit bei gleichzeitigem Schweben die Rechtshängigkeit der neuen Klage entgegengesetzt werden durfte (vgl. § 263 C), also auch gegenüber dem Rechtsnachfolger (RGZ 33/359folg.). In welcher Parteirolle sich die Partei des neuen Verfahrens befindetest gleichgültig, sie kann also auch Widerkläger sein (RGZ 28/404 f., vgl. aber §110113). D III. Soweit die Einrede beachtlich ist, setzt das Gericht dem Kläger eine Frist zum Zahlungnachweis. Wird er nicht geführt, so ist gegen ihn durch Prozeßurteil auf Klageabweisung zu erkennen. Ob der Beklagte bis dahin die Einlassung zur Hauptsache verweigern darf, vgl. § 274 C V.
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I Jede Partei hat solche tatsächlichen Behauptungen, Beweismittel und Anträge, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung mittels vorbereitenden Schriftsatzes so zeitig mitzuteilen, daB der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.
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A. Im sog. Parteienprozeß (§ 79 A) gilt die Vorschrift nicht, weil dort der Wechsel vorbereitender Schriltsätze nicht vorgeschrieben ist (§ 129 II), im Anwaltprozeß gilt sie nicht bei der Abkürzung von Antrag- und Einlassungfristen, weil sie die Abhaltung des Termins auch dann nicht hindert, wenn nicht schriftsätzlich vorbereitet werden kann (§ 226 II). Im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) ist sie dahin auszulegen, daß das Gericht vor der Entscheidung auf die Erwiderung eine angemessene Frist abwarten muß. A I a) Wie zeitig der Mitteilende etwas vorbringen muß, ergibt § 132. Keinesfalls dürfen Mitteilungen deshalb wegen Verspätung zurückgewiesen werden (§§ 279 II, 283 II, 529 II, III), bloß weil die in § 132 genannte Frist nicht ausreicht. b 1. Welche Frist die Gegenpartei hat, entscheidet das Gericht, welches die Sachentscheidung fällt, auch noch das Berufung- und das Revisiongericht (wenn die erforderlichen Rügen erhoben worden sind, RGZ 81/321 [324]). b 2. Von der Gegenpartei darf vor Ablauf der Frist keine Erklärung gefordert werden. Ist das Vorbringen einer Partei beachtlich (d. h. wird es nicht nach §§ 279 II, 283 II, 529 II zurückgewiesen) und erheblich, so darf die andere Vertagung beantragen (RGZ 81/321). Dem wird das Gericht nachkommen müssen, sofern es nicht nach § 272a verfahren kann (RG HRR 34/1064). A II. Zurückgewiesen werden dürfen nur Behauptungen und Beweismittel (§§ 279 II, 283 II, 529 II, III), nicht Sachanträge (§ 261b B III a 1) und damit auch nicht die zu ihnen gehörenden Behauptungen und Beweismittel (§ 268 A IV a 1). Insoweit entstehen dem, der sich zu spät erklärt hat, keine Nachteile (vgl. § 129 I), abgesehen von Kosten, vgl. § 278 II. B. § 272 betrifft das tatsächliche Vorbringen, die Beweismittel und die Anträge, nicht also Rechtsausführungen (vgl. § 264 A II a). B I a. In der Revisioninstanz kommt § 272 nur für nachträgliche Rügen des Revisionklägers (§ 554 D III c 2) und die des Revisionbeklagten (§ 554 F II b), soweit sie neue Tatsachen bringen, in betracht. b) Für Wiedereinsetzunganträge gilt nur § 234. c) Die Behauptungen des Tatsächlichen können sich sowohl auf Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse wie auf den außerprozessualen Anspruch beziehen. c 1. Auf bloßes Bestreiten (anders als auf das substantiierte) bezieht sich § 272 nicht. B II. Über den Begriff der Beweismittel vgl. § 282 C. a) Die Vorschrift erstreckt sich nur auf die Angabe der Beweismittel, auf die das Gericht nicht von sich aus zurückgreifen darf (§ 138 E I). b) In Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren entfällt aber auch diese Last (RG JW 99/33810), weil hier nur Glaubhaftmachung (§ 294) vorgeschrieben ist. Aber auch sonst kann sich keine Partei darüber beschweren, wenn ein rechtzeitig benannter Zeuge gestellt und vernommen wird (RG N § 272/2). B III. Unter den Begriff des Antrags fallen die Sachanträge (§ 261b B I I I a 1), wie der von der gesetzlichen Regelung abweichende Antrag über die vorläufige Vollstreckbarkeit (vgl. §§ 712folg.); nicht die Kostenanträge, nicht Anträge zum Verfahren (§ 261b B III a 2). § 272a
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I Kann eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf eine Behauptung des Gegners eine Erklärung nicht abgeben, weil ihr die Behauptung nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb deren sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann, und gleichzeitig einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumen, der auch über eine Woche hinaus angesetzt werden kann. Ist bis zu dem Termin der Schriftsatz dem Gegner zugestellt oder gemäß § 261b Abs. 2 mitgeteilt, so ist sein Inhalt bei der Entscheidung zu berücksichtigen; wird der Schriftsatz bis zu dem Termin nicht eingereicht, so gilt die Behauptung des Gegners als nicht bestritten.
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Verfahren bis zum Urteil
§ 272 a
A I. § 272a bezieht sich auch aui die Beweismittel (§ 272 B II). a) Dem Gegner darf die Erklärung auch dann nicht abgeschnitten werden, wenn die Frist des § 132 ihm gegenüber gewahrt wurde, aber nach § 272 nicht ausreichend ist. b) Darüber, ob eine Partei sich bis zum Termin noch erklären konnte, wird durch das Gericht entschieden (§ 272 A I b 1). A l l . Die Vorschrift des §272a ist nicht so zu lesen, daß sie der Partei, die sich zuerst erklärt, das rechtliche Gehör absehneidet, wenn auch § 272a vom Mündlichkeitgrundsatz abweicht (vgl. auch §§251a, 331a). Bringt deshalb die Gegenerklärung neues Material (vgl. § 272a B II b 2), so darf dem Gegner die Erwiderung dazu nicht abgeschnitten werden, sondern es muß die Verhandlung wieder eröffnet werden (§ 156 B II b, a. M. RG HRR 29/1162), wenn der Gegner dies beantragt. In richtiger Erkenntnis dieses Problems setzt die Praxis dann auch noch der anderen Partei eine weitere Frist zur Erwiderung. Das ist nach § 272a aber unzulässig. Wollte man hierin den Übergang zum schriftlichen Verfahren sehen, so liegt ein Widerruf des Einverständnisses vor, sobald eine Partei weiteres Verbringen ankündigt oder um Termin bittet; auch kommt es dann gar nicht mehr darauf an, ob die gesetzte Frist eingehalten worden ist (weil im schriftliehen Verfahren es auf die Einhaltung der Fristen nicht abgestellt werden darf: BGH NJW 54/266). Erst recht ist es unzulässig, nachgereichte Schriftsätze, deren Einreichung gestattet war, dann nicht zu berücksichtigen, selbst wenn dieses Verfahren nicht dem § 272 a entspricht (OLG NJW 49/2912). B. Liegen die Voraussetzungen des § 272 a vor, so darf die Partei, anstatt um Vertagung nachzusuchen, beantragen, daß ihr eine nachträgliche Erklärungfrist bewilligt wird. B I. Auf die Zustimmung des Gegners kommt es nicht an (RG J W 34/19099). Eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Verfahrens nach § 272 a ist nach § 567 I unzulässig. B II. Gibt das Gericht dem Antrag statt, so ist die Nachfrist durch verkündeten Beschluß und zugleich der Verkündungtermin bekanntzugeben. Die Frist beginnt mit der Verkündung (§§ 329 I, 2211) und darf auf Antrag verlängert werden (§ 224 II, wobei dann möglicherweise der Verkündungtermin zu verlegen ist, vgl. § 227). Der Verkündungtermin darf (abweichend von § 310) auch über eine Woche hinaus anberaumt werden. a) Die fehlerhafte Fristsetzung nach § 272 a ist mit dem Rechtsmittel (§§ 512, 548) auch dann angreifbar, wenn eine erbetene Verlängerung abgelehnt wird und eine rechtzeitige Erklärung nicht möglich war oder auch die zwar nicht innerhalb der Frist, wohl aber vor Erlaß der Entscheidung eingereichte Erklärung nicht berücksichtigt wurde (§ 337 in entsprechender Anwendung). Auch wenn überhaupt keine Frist gesetzt wurde, ist dies angreifbar (RG DR 39 A 118642). b 1. Wird kein Schriftsatz eingereicht, so gilt das Vorbringen des Gegners als (in der Regel unzulässige Erklärung mit Nichtwissen) als nicht bestritten (vgl. § 138 D II), selbst wenn noch nach Ablauf der Frist ein bestreitender Schriftsatz beim Gericht einging (BGH NJW 51/273, vgl. aber § 272a B II a). Daß der Schriftsatz nicht beachtet wurde, hat das Gericht nach RG DR 41 A 22926 im Tatbestand (oder in den Gründen) klarzustellen. Die Behauptung ist aber auch dann bestritten, wenn es sich aus den früheren Schriftsätzen oder einer mündlichen Verhandlung ergibt, sofern nur noch die substantiierte Bestreitung vorbehalten blieb. b 2. Werden Schriftsätze von der Partei, der die Nachreichung gestattet war, innerhalb der gesetzten Frist eingereicht, so sind sie zu berücksichtigen, ohne daß es darauf ankommt, ob der Gegner damit einverstanden ist (BGH NJW 52/2226). Der Schriftsatz darf neue Behauptungen usw. bringen (BGH NJW 52/222«; a. M. BGH LM-BGB § 242 [A]/7). B III. Bevor die Entscheidung verkündet werden darf, muß ein eingereichter Schriftsatz, der berücksichtigt wird, der anderen Partei zugestellt (vgl. § 198 I 2) oder mitgeteilt (§ 261 b II) sein. Solange dies nicht der Fall ist, muß der Verkündungtermin verlegt werden. a) Reicht die andere Partei Schriftsätze ein, so brauchen diese nicht berücksichtigt zu werden, soweit sie sich nicht gegen neues Vorbringen der Gegenpartei richten, das diese in nachgereichten Schriftsätzen (zulässigerweise) gebracht hat. 60
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 272 a
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b) Das Verfahren nach § 272a ergänzt die mündliche Verhandlung; für die Partei, welcher die Frist gesetzt wird, verschiebt sich der Schluß der mündlichen Veihandlung (nicht aber für die Gegenpartei). Dies ist bedeutsam u. a. für §§ 323, 767 zu Lasten dessen, der sich erklären darf. Wird das Verfahren vor Ablauf der Frist (gleichviel von welcher Parteiseite aus) unterbrochen, so darf nicht verkündet werden. Wird das Verfahren vor der Verkündung, aber nach Ablauf der Frist unterbrochen, so wendet die h. M. § 249 III entsprechend an. Die Entscheidung selbst muß von denselben Richtern gefällt werden, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben (Jonas § 272a Anm. III 4). C. Im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) ist die Fristsetzung überhaupt nicht am Platz, § 272a ist deshalb überhaupt nicht anzuwenden (Fristüberschreitungen sind hier deshalb ohne Bedeutung: BGH NJW 54/266).
§ 272b ( - ) I Der Vorsitzende oder ein von ihm zu bestimmendes Mitglied des Prozeßgerichts hat schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die angebracht erscheinen, damit der Rechtsstreit tunlichst in einer mündlichen Verhandlung erledigt wird. II Zu diesem Zwecke kann er insbesondere 1. den Parteien die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze sowie die Vorlegung von Urkunden, Stammbäumen, Plänen, Rissen und Zeichnungen aufgeben; 2. Behörden oder Beamte um Mitteilung von Urkunden oder um Erteilung einer amtlichen Auskunft ersuchen; 3. das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen; 4. Zeugen, auf die eine Partei sich bezogen hat, zur mündlichen Verhandlung laden oder von ihnen nach Maßgabe der Vorschriften des § 377 Abs. 3 , 4 schriftliche Auskünfte einholen; 5. die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen oder Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden. III Anordnungen der unter Nr. 4, 5 bezeichneten Art sollen nur ergehen, wenn der Beklagte dem Klageanspruch bereits widersprochen hat. Erfordert die Ausführung der Anordnung die Abhaltung eines Termins, so ist dieser tunliehst mit dem Termin zur mündlichen Verhandlung zu verbinden. IV Die Parteien sind von jeder Anordnung zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn es nach dem Ermessen des Vorsitzenden oder des von ihm beauftragten Mitglieds f ü r die Wahrnehmung der Rechte der Parteien nicht wesentlich ist, daß sie vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung von der Anordnung Kenntnis erhalten. Wird das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet, so gelten die Vorschriften des § 141 Abs. 2 , 3 . A. Im Armenrechtsverfahren gilt § 272b nicht, sondern § 118a (KG JW 38/334 23 ). A I. Auf die Verletzung des § 272b kann regelmäßig eine Verfahrensrüge (in der Revisioninstanz) nicht gestützt werden (RGZ 152/213 [216]); doch hat BGH MDR B 303/57, wenn ein Beweismittel nach § 529 als verspätet zurückgewiesen wurde, die Nichtanwendung von § 272 b rügen lassen. A II. § 272b gibt dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts (auch dem Einzelrichter, § 348) das Recht, die in ihm erwähnten Maßnahmen zu treffen oder ein Mitglied des Prozeßgerichts zu bestimmen, dies zu tuD. Kein Recht zu diesen Anordnungen hat der ersuchte Richter (vgl. RG JW 09/21 17 ; a. M. OLG JW 30/1089 1 '). Die Befugnis des § 272b steht dem Vorsitzenden nur außerhalb der mündlichen Verhandlung zu, nicht in ihr (KG DR 42 A 1029 14 ). B I. Die Anordnung ist nach § 329 III 2 regelmäßig formlos mitzuteilen (sofern sie keine Fristsetzung enthält). 786
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§ 272 b
B II. Der Inhalt der Anordnung ist nach § 272b II nicht erschöpfend angegeben. Die Aufklärung ist nur über bestimmte Tatsachen zulässig (RG Warn. 42/98) zur Klage wie zur Verteidigung (OLG DR 39 A 650); darf sich dabei aber auch auf Rechtsfragen erstrecken. a) Doch kann der Vorsitzende keine größeren Rechte haben als sie das Gericht hat; er kann also nicht von gerichts wegen Beweise erheben wollen, die das Gericht nicht erheben darf (vgl. § 272b II 4). b) Die h. M. (Sydow-Busch § 272b Anm. 1) läßt eine Fristsetzung nach § 279a zu. Doch ist, wenn ein Kollegialgericht entscheiden soll, dies bedenklich, weil die Befugnis nach § 279 a nur dem Gericht, nicht dem Vorsitzenden zusteht (OLG HRR 38/464). CI. Die Vorschrift des § 272bIII knüpft an §§139, 142, 143 an. Sie überläßt danach das, was das Gericht kann, dem Vorsitzenden vorbereitenderweise. Doch ist im Gegensatz zu § 142 die Vorlegung der Urkunden nach § 2 7 2 b I I l vor einem ersuchten Richter unstatthaft, da dies nicht der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem Prozeßgericht dient. C II. § 272b II 2 knüpft an § 432 an. a) Er erweitert die Befugnisse des Gerichts über diese Vorschrift hinaus und gibt dem Vorsitzenden und damit auch dem Gericht das Recht, amtliche Urkunden sich von den Behörden bzw. Beamten vorlegen zu lassen, ohne daß es dazu des Antrages einer Partei bedürfte. Andererseits zwingt aber auch der Antrag einer oder beider Parteien auf Einholung einer Auskunft nicht den Vorsitzenden oder das Gericht, ihm zu folgen (RGZ 93/101). Werden indes solche Anträge gestellt, so wird das Gericht, falls es sie für erheblich hält, nach § 139 darauf hinweisen müssen, daß es die Auskunft nicht einholen will, damit die Partei dann den ordnungmäßigen Beweisantritt (Zeugen- bzw. Sachverständigenbeweis, möglicherweise auch den Urkundenbeweis) antreten kann, dem dann das Gerieht folgen muß. Darauf, ob sich die Partei die Urkunde selbst beschaffen kann oder nicht (vgl. § 432 II), kommt es nach § 272b II 2 nicht an. Andererseits kann aber das Gericht, wenn die Behörde sich weigert, die Urkunde oder eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift von ihr vorzulegen, die Behörde regelmäßig nicht zur Vorlegung zwingen (§ 432 III), sondern ist insoweit auf die Mitwirkung der Partei angewiesen. Soweit die Behörde Urkunden nur mit Zustimmung der Parteien vorlegen darf (Finanzämter, Notare), kann das Gericht die Vorlegung ohne Zustimmung der Parteien nicht mit § 272b II 2 begründen. Unter den Begriff der Urkunde (Kommentar § 415 A) fällt nicht bloß die Einzelurkunde, sondern auch das Aktenstück. Auch Gerichtsakten darf der Vorsitzende heranziehen. Urkunden und Auskünfte, die den Parteien nicht zugänglich gemacht werden dürfen, darf der Vorsitzende auch nach § 272 b II 2 nicht heranziehen, da sie nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung werden können. Andererseits sind herbeigezogene Akten den Parteien voll zugänglich zu machen (vgl. §299 A l l ) . Dienen solche Akten nicht der Beweiserhebung und tragen die Parteien ihren Inhalt nicht vor, so dürfen sie bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden. b) Die amtliche Auskunft ersetzt eine Zeugenvernehmung usw. nicht (a. M. BGH Z 2/20), wenn die Parteien sich auf diese bezogen haben; anders wenn dies nicht der Fall ist (vgl. § 286 C III b 5). Dies gilt besonders, wenn Behörden ihrerseits Umfrage halten und dann über deren Ergebnis Auskunft geben (a. M. BGH LM-BGB § 147/1). Jedenfalls ist im Verhandlungstermin nur im ordentlichen Beweisverfahren vorzugehen (KG DR 42 A 102914). Auch zu reiner Ausforschung hat RG N § 299/8 die Auskunft nicht zugelassen. c) Liegt eine amtliche Äußerung vor, so darf sie im Rahmen des Gesagten allerdings auch ohne vorherige Anforderung durch das Gericht verwertet werden (BGH NJW 57/1440). CIII. § 272 b II 3 läßt die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Partei zu. Darunter fällt die sonst dem Gericht nach § 141 zustehende Anordnung (§ 272 b IV 3). Deshalb ist § 141 I zweiter Halbsatz ebenfalls anzuwenden, da die Rechte des Vorsitzenden insoweit im Verhältnis zum Gericht nicht erweitert werden sollen. Nach § 141 II, III (§ 272b IV 3) ist die Partei persönlich zu laden, ihr Ausbleiben bzw. ihre mangelnde Vertretung ist unter Strafe gestellt. Unter die Bestimmung des § 272 II 3 fällt aber auch die Anordnung zwecks Vornahme eines Sühneversuchs (§ 296); wobei dann § 141 III unanwendbar ist, wie § 296 ergibt. Schließet)'
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lieh kann die Anordnung auch auf § 619 gestützt werden (OLG SchlHA 56/268 will die Norm aber nicht anwenden, wenn eine Partei sich auf den Rechtstreit noch nicht eingelassen hat) und unterliegt dann den dort genannten Folgen und nicht dem Recht des § 141. Die Parteien selbst dürfen indes in der mündlichen Verhandlung nur auf Grund eines förmlichen Beweisbeschlusses (§ 450 A) vernommen werden. C IV. Zeugen darf der Vorsitzende nur laden, wenn sich die Partei auf sie zwecks Beweises bezogen (§ 272 b 114), d . h . ihre Vernehmung beantragt (§373) hatte. Verzichtet die Partei auf die Vernehmung des Zeugen noch vor dem Termin, so ist er abzubestellen (erscheint er aber, so gilt § 399). Schriftliche Äußerungen dürfen vor der mündlichen Verhandlung nur nach § 377 III, IV angefordert werden. Die Auskunft darf verwandt werden, sobald sie abgegeben worden ist. Wird inzwischen auf den Zeugen verzichtet, so ist der Zeuge zu benachrichtigen, daß er sich nicht äußern soll ; t u t er es dennoch, so bleibt die Äußerung verwendbar. Die Vernehmung von Zeugen vor der mündlichen Verhandlung ist unzulässig (KG DR 42 A 102914) ; und sie ist nicht zulässig, wenn die Parteien nicht erscheinen, da dann erst eine Entscheidung nach Aktenlage ergehen muß (§251a), die den Parteien mitzuteilen ist, bevor sie ausgeführt wird (§ 367 I ist unan\Yendbar). Anders ist dies nur, soweit die Offizialmaxime herrscht. Geladen werden die Zeugen nach § 377. Vorschuß braucht der Beweisführer nicht zu leisten (KG DR 40 A 206 22 ). Die Zeugenvernehmung soll nur vorbereitet werden, wenn der Beklagte bereits dem Klageantrag widersprochen hat (§ 272b I I I 1). Die Beweisaufnahme selbst wird vom Gericht angeordnet; doch bedarf es dazu nicht des Erlasses eines förmlichen Beweisbeschlusses (§ 358). C V. Die Augenscheineinnahme durch den Vorsitzenden, die — schriftliche — Begutachtung durch Sachverständige kann dagegen schon vor dem Termin stattfinden (§ 272b II 5). a) Auch hier soll der Beklagte widersprochen haben, bevor eine solche Anordnung ergeht (§ 272b I I I 1). b) Unter den Begriff des Augenscheins dürfen auch die Fälle der Blutgruppenuntersuchung (§ 372a) gebracht werden; ferner die, wo einer Partei aufgegeben wird, ein Augenscheinobjekt mitzubringen oder bereitzustellen, soweit ein solches Anliegen an die Partei überhaupt gestellt werden darf (vgl. § 371 C II, III). Andererseits gibt die Bestimmung dem Vorsitzenden nur das Recht, die Beweisaufnahme selbst durchzuführen, nicht das, sie durch einen ersuchten Richter durchführen zulassen. D. Die Anordnung soll beiden Parteien (z. H. ihrer Prozeßbevollmächtigten, § 176, formlos) mitgeteilt werden (§ 272b IV 1). Über die daneben bestehende Pflicht, die Partei selbst zu laden, vgl. § 272 b C III. D I. Die Mitteilung darf allerdings nach dem Ermessen des Vorsitzenden (im besonderen in den Fällen des § 272b II 2) unterbleiben (§ 272b IV 2). Diese Bestimmung gilt nicht, soweit Zeugen vernommen oder von ihnen Auskünfte gefordert werden sollen, weil nämlich die Partei darauf verzichten darf (§ 399); sie gilt nicht bei der Einnahme des Augenscheinbeweises und nicht für die Beweiserhebung nach § 372 a sowie für die Vernehmung von Sachverständigen in dem Verhandlungtermin des Prozeßgerichts, weil die Parteien in diesen Fällen Anspruch auf ihre Beteiligung haben, wie in den Fällen, wo die Partei unmittelbar zu laden ist. Schließlich ist auch in den Fällen zu §272b II 1 die andere Partei zu benachrichtigen. D II. Wird die Anordnung von den Parteien nicht befolgt, so darf das Gericht alle Folgerungen ziehen, welche es auch sonst nach förmlicher Aufklärung oder Beweisanordnung ziehen dürfte, im besonderen kann § 141 I I I zum zuge kommen (vgl. § 272b C III, A I).
§ 273 I
(256)
Die mündliche Verhandlung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. A. Die Vorschrift wird ergänzt durch §§ 296, 297, 298.
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Verfahren bis zum Urteil
§ 274
(247)
I Prozeßhindernde Einreden sind gleichzeitig und vor der Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache vorzubringen. II
Als solche Einreden sind nur anzusehen: 1. die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts; 2. die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs; 3. die Einrede, daß der Rechtsstreit durch Schiedsrichter zu entscheiden sei; 4. die Einrede der Rechtshängigkeit; 5. die Einrede der mangelnden Sicherheit für die ProzeBkosten; 6. die Einrede, daß die zur Erneuerung des Rechtsstreits erforderliche Erstattung der Kosten des früheren Verfahrens noch nicht erfolgt sei; 7. die Einrede der mangelnden Parteifähigkeit, der mangelnden Prozeßfähigkeit oder der mangelnden gesetzlichen Vertretung.
III Nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache können prozeßhindernde Einreden nur geltend gemacht werden, wenn sie entweder solche sind, auf die der Beklagte wirksam nicht verzichten kann, oder wenn der Beklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden nicht imstande gewesen sei, sie vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend zu machen. A. § 274 nennt einige Bedingungen der Zulässigkeit des Verfahrens. A I . Die Verfahrenszulässigkeitbedingungen — kurz Prozeßbedingungen genannt — müssen bestehen, damit über den außerprozessualen (sachlichen) Anspruch entschieden werden darf (RGZ 70/179 [187]). Ein Teil von ihnen ist von gerichts wegen zu beachten, der andere wird nur auf Rüge des Beklagten beachtet. Bei einigen führt der ungeklärte Zweifel zur Klageabweisung als unzulässig, bei den anderen eröffnet er die sachliche Prüfung; darin spiegeln sich Beweislastnormen wider. Im allgemeinen bezeichnet man die ersten als Prozeßvoraussetzungen; in bezug auf sie trägt das Verfahrenswagnis (Prozeßrisiko) der Kläger, mag er positiv oder negativ klagen; die zweiten werden Prozeßhindernisse genannt. a) Bleiben Zweifel an absoluten Prozeßvoraussetzungen (d. h. an solchen, die auch bei Anerkenntnis- bzw. Verzicht- oder Säumnisentscheidung gegen den Kläger zu beachten sind), so muß die Klage — kontradiktorisch — als unzulässig abgewiesen werden. a t . Verfolgt der Kläger die Klage, so trifft ihn (relativ) die Beweislast (RG J W 38/3187 3 1 ). Hat er auf den Klageanspruch verzichtet (§ 306) oder erstrebt der Beklagte gegen ihn eine (sachlich entscheidende) Säumnisentscheidung (§§ 330, 331a), so muß der Beklagte die Zweifel des Gerichts beheben. a 2. Regelmäßig werden die Prozeßvoraussetzungen von gerichts wegen geprüft, d. h. das Gericht hat die Tatsachen ohne Rücksicht auf die Meinung der Parteien festzustellen, ist aber nicht verpflichtet, die Beweismittel sich zu beschaffen (RGZ 160/338 [346f.]). Jedenfalls müssen die Zweifel des Gerichts behoben werden, bevor sachlich entschieden wild (RG Warn. 29/50), gleichviel in welcher Lage des Verfahrens sie hervortreten; auch noch im Betragsverfahren (§ 304 B I b ; R G D R 40 A 2187 2 9 ), in der Revisioninstanz (RG J W 08/44 2 0 ). Parteieneinverständnis über Tatsachen ist hier unerheblich (RGZ 70/179). §§ 138 I I I , 288 gelten nicht für sie. a 3. Auf Rüge des Beklagten ist die Prozeßvollmacht des Klägers im Anwaltprozeß (§ 78 I) zu prüfen (§ 88). b) Bleiben Zweifel an den relativen Prozeßvoraussetzungen, so ist die Klage ebenfalls als unzulässig abzuweisen, soweit der Kläger den sachlichen Anspruch verfolgt und der Beklagte ihn nicht anerkennt (§ 256 C I b 1). Verfolgt ihn allein der Beklagte, so wird die fehlende Prozeßvoraussetzung nicht beachtet. In betracht kommen hierfür die besonderen Prozeßbedingungen der einzelnen Klagearten, im besonderen die der §§ 256—259, also bei Fest-
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§274 Alb
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stellungklagen und Klagen auf künftige Leistung, die des Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozesses (§ 592 B) wie die aus § 323. Solange die Prozeßbedingung nicht feststeht, darf ein dem Kläger günstiges Versäumnis- oder streitiges Urteil nicht ergehen, gleichviel in welcher Instanz, also auch noch in der Revisioninstanz (RGZ 73/82 [85]). Im Mahnverfahren werden seine Prozeßvoraussetzungen schon bei dem Erlaß des Zahlung- bzw. des Vollstreckungbefehls von gerichts wegen geprüft. Ist dies versehentlich falsch gemacht, so wird durch den Widerspruch bzw. den Einspruch in das ordentliche Verfahren übergeleitet. c) Unter den Prozeßhindernissen gibt es zwei Gruppen, die Prozeßeinwände und die Prozeßeinreden im engen Sinne. c 1. Die Prozcßeinwendung entspricht der absoluten Prozeßvoraussetzung. Doch ist sie stets von gerichts wegen zu beachten, also auch bei Anerkenntnis- bzw. Verzicht- oder Versäumnisentscheidung gegen den Beklagten. Bleiben Zweifel, so ist sachlich zu erkennen, sofern die Zweifel nicht behebbar sind. Regelmäßig muß der Beklagte sie beheben, wenn er die Klage (wenn auch nur sachlich) abgewiesen haben will; der Kläger muß jedoch zumindest ihre Nichtbehebbarkeit nachweisen (wenn er die. Zweifel nicht völlig entkräften kann), soweit er eine sachlich günstige Entscheidung (zumindest) gegenüber dem (sich nicht wehrenden) Beklagten erstrebt. Dahin gehören der Einwand der Rechtshängigkeit (vgl. § 263 C I a), der der rechtskräftig entschiedenen Sache (§ 322 B IV), wenn er auch nur relativ wirkt, nämlich soweit er als gegen das Verbot der Klageüberlagerung verstoßend zur Klageabweisung durch Prozeßurteil f ü h r t ; soweit die Klage zulässig ist, muß dagegen sachlich in gleicher Weise wie früher erkannt werden (§ 322 B II, III). Nahe stehen diesen Prozeßeinwendungen die Abänderungklage des § 323, sofern sie vom Beklagten erhoben wird, nur daß hier von vornherein im Verhältnis zum ersten Prozeß die Parteirollen umgekehrt sind (über die vom Kläger erhobene, vgl. § 274 A I b). c 2. Im übrigen wird als Prozeßhindernis der örtlichen und sachlichen (nicht ausschließlichen) Zuständigkeit des Gerichts nur von gerichts wegen geprüft, wenn der Beklagte nicht vertreten ist und gegen ihn eine Säumnisentscheidung ergehen soll. c 3. Nur auf Einrede des Beklagten werden beachtet, die der mangelnden Sicherheitleistung für die Prozeßkosten (§ 274 II 5), die der mangelnden Kostenerstattung eines früheren Rechtstreits (§ 274 II 6), die des Schiedsvertrags (§ 274 II 3), die des Schiedsvertrags in Arbeitgerichtsachen (ArbGG § 101 II), die der Sicherheitleistung nach AktienG §§ 123 III, 199 IV, 201, 216 IV, 219 (vgl. dazu § 274 C I a 2). d) Darüber hinaus gibt es aber auch Prozeßbedingungen, welche der Beklagte zu erfüllen hat, wenn er zugelassen werden will. Dahin gehören die Postulationfähigkeit und die Prozeßvollmacht für seine Prozeßbevollmächtigten (§ 88), welch letzte allerdings nur im Parteienprozeß (§ 79) von gerichts wegen, im Anwaltprozeß (§ 78 I) dagegen regelmäßig nur auf Rüge zu beachten ist (§88); ihr NichtVorliegen beeinträchtigt die Klage nicht, sondern führt nur zur Zurückweisung des Vorbringens des Beklagten. A II. Zu den Prozeßbedingungen im weiten Sinne gehören auch die Prozeßfortsetzungbedingungen, die entweder Prozeßfortsetzungvoraussetzungen oder Prozeßfortsetzunghindernisse sind. Sie sind stets von gerichts wegen zu beachten. a) Die Prozeßfortsetzungvoraussetzungen stehen in erster Linie zur Beweislast des Rechtsmittelklägers; beantragt aber der Rechtsmittelbeklagte eine Versäumnisentscbeidung, oder tritt er als Anschlußrechtsmittelkläger auf, während der Rechtsmittelkläger das Rechtsmittel nicht verfolgt, so hat der Rechtsmittelbeklagte die Beweislast; während, wenn der Rechtsmittelkläger über das Anschlußrechtsmittel die sachliche Entscheidung wünscht, er, wenn der Anschlußrechtsmittelkläger es nicht verfolgt, die Zulässigkeit des Anschlußrechtsmittels nachzuweisen hat. Zu den Prozeßfortsetzungbedingungen gehören die Zulässigkeit des (einfachen wie des sofortigen) Widerspruchs, die der (einfachen wie der sofortigen) Erinnerung, die des Einspruchs, die dei Berufung, die der einfachen und der sofortigen Beschwerde, die der Revision, die der Wiederaufnahmeklage und die der Anschließung. Das Fehlen der Postulationfähigkeit führt hier zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs. b) Die Prozeßfortsetzunghindernisse sind von gerichts wegen zu beachten.
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§ 274
A Ii b
b 1. Die Unterbrechung und die Aussetzung (bedingt auch das Ruhen) des Verfahrens (§§239folg.) stehen zur Beweislast der Partei, die das Verfahren fortsetzen will, während ihr E i n t r i t t von der Partei zu beweisen ist, in deren Person sie eingetreten sind. b 2. Der Rechtsbehelfsverzicht, die Reehtsbehelfsrücknahme stehen zur Beweislast de» Rechtsmittelbeklagten. Der Mangel der Postulationfähigkeit führt hier zur Feststellung der Unwirksamkeit der Erklärung. b 3. Der dritte Fall ergibt sich aus § 245, wo die Bedingung in der Person des Gerichts eint r i t t ; denn hier bedarf es keines Beweises. A III a) Von den Verfahrens- und Verfahrensfortsetzungbedingungen, die zu einer Entscheidung (prozessualer oder sachlicher Art) führen, sind zu scheiden die Verfahrensbedingungen, die innerhalb eines Verfahrens zu beachten sind, bevor es zur Entscheidung kommen darf, welche auf die Zulässigkeit einzelner Prozeßhandlungen wie einzelner gerichtlicher Handlungen zielen; sie lassen das Veifahren und seine Fortsetzung (in potentia) zu, mögen sie gänzlich fehlen oder z. Z. unwirksam sein. b) Die Prozeßbedingungen erstrecken sich grundsätzlich auf Klage wie auf Widerklage (RGZ 58/259) und können für beide verschieden sein. Nur im Fall des § 274 II 5 darf die prozeßhindernde Einrede nicht der Widerklage entgegengesetzt werden (§ 110 II 3). A IV. Bestehende Mängel der Prozeßbedingungen lassen keine Sachentscheidung zu. Ob sie entscheidungreif (§ 300) sind, hängt davon ab, ob sie gegenwärtig behebbar sind oder nicht. Dagegen ist nicht abzuwarten, ob sie etwa später noch wegfallen, etwa dadurch, daß jemand die inländische Staatsangehörigkeit erwirbt und so von der Sieherheitleistung freigestellt wird. Andererseits wird ihr Wegfall grundsätzlich bis zum Erlaß des Urteils berücksichtigt (RGZ 160/204 [209f.]). Dies gilt auch für die Revisioninstanz (RGZ 146/244 [246]). Auf den Verhandlungschluß in der Tatsacheninstanz wird es für die Bedingung der Prozeßüberlagerung (§253D) wie bei der relativen Prozeßvoraussetzung der Schiedsgerichtseinrede (§274 113) abgestellt. Die fehlende Postulatic-nfähigkeit wird in der höheren Instanz unbeachtlich, sofern nicht ein vorangegangener Rechtsbehelf durch sie unzulässig ist. a) Die Abweisung als unzulässig verhindert die Entscheidung über den außerprozessualen Anspruch (RG H R R 37/751) bzw. die Urkundenechtheit; es darf auch nicht etwa dahingestellt bleiben, ob die Prozeßbedingung fehlt, und die Klage sachlich abgewiesen werden (RGZ 70/179 [187]). a 1. Verstößt das Gericht hiergegen, so tritt grundsätzlich keine Rechtskraft bezüglich des außerprozessualen Anspruchs (bzw. der Urkundenechtheit) ein (RGZ 154/167 [184]). Die sachliche Begründung gilt dann als nicht geschrieben (RG LZ 16/1229 12 ) und beschwert nicht die Partei (RG H R R 33/341), welche der Prozeßabweisung beipflichtet. a 2. Mehrere Prozeßbedingungen dürfen aber auch mit Hilfsbegründungen abgeitan werden; auch darf sowohl festgestellt werden, daß die Prozeßfortsetzungbedingung unzulässig wie im besonderen, daß sie verspätet vorgebracht ist (RG Seuff. 83/75). b) Bei sich überlagernden Voraussetzungen wird aber nicht bloß formell, sondern sachlich entschieden. b 1. Ergeben die klagebegründenden Behauptungen, daß, wenn sie richtig sind, die Prozeßbedingungen gegeben sind, etwa die Zuständigkeit des Gerichts, so wird nur sachlich entschieden (§ 12 B II a l ) ; dies gilt auch für die Frage der sog. Zulässigkeit des Rechtsweges (RGZ 103/18f.). Das entsprechende gilt ferner, wenn die klagebegründenden Behauptungen, sofern sie richtig sind, ergeben, daß der vom Beklagten behauptete Schiedsvertrag unwirksam ist (RG Warn. 10/80). Die Schiedsgerichtseinrede des Beklagten war zu verwerfen, wo der Kläger die Unwirksamkeit eines Liefervertrags, der die Schiedsgerichtsklausel enthielt (etwa wegen Anfechtung durch arglistige Täuschung) zur Klagegrundlage gemacht hatte (RG Warn. 19/201; vgl. aber über die isolierte Schiedsabrede § 1025 B I b 5). Die Einrede ist unbegründet, wenn der Beklagte behauptet, daß der Schiedsvertrag nicht zustande gekommen sei (RG H R R 38/1557). b 2. Bei der Zulassung der Klageänderung ist zwar auch zuerst die Zulässigkeit zu prüfen; wird aber auch nur hilfsweise der Anspruch sachlich geprüft, so liegt darin die Zulassung (§ 264 C II).
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B . Die einzelnen Prozeßbedingungen unterliegen nach Logik und Gewohnheitrecht der Prüfung in bestimmter Reihenfolge. Eine Eventualbegründung ist zwar nicht ausgeschlossen, wirkt jedoch rechtskraftmäßig nicht. Das Berufunggericht hat, auch wenn die erste Instanz nur über eine Prozeßvoraussetzung erkannt hat, die es nicht für gegeben, bzw. auf ein Prozeßhindernis erkennt, daß es für gerechtfertigt hält, über sämtliche zu erkennen (§ 538 I I ) . B I a. In der ersten Gruppe sind die folgenden Prozeßbedingungen in der folgenden Reihenfolge zu prüfen: a 1. daß die Klage von einem Postulationfähigen ausgeht (§ 253 F I I a 1), a 2. ihre sonstige OrdnungmäBigkeit (§ 253 I I ) , a 3. ihre Erhebung (§ 253 I : R G J W 00/312 7 ; Z 99/125f.); h) in der zweiten Gruppe die folgenden in der folgenden Reihenfolge: b 1. die Parteifähigkeit (RG J W 06/810«; RGZ 53/239), b 2. die Prozeßfähigkeit wie die richtige gesetzliche Vertretung (RG J W 2 3 / 1 2 2 7 ) ; zu der letzten gehören nach der hier vertretenen Auffassung auch die sog. Parteien kraft Amtes (§ 50 B I V b), während die h. M. sie unter § 274 B I b 1 bringen muß, b 3. die Postulationfähigkeit (soweit sie nicht unter § 274 B I a 1 fällt; bei den Prozeßfortsetzungvoraussetzungen vgl. § 274 A I I a), b 4. die Vollmacht. c ) In die dritte Gruppe gehört die Klageänderung (RGZ 102/391 [394]). d) In der vierten Gruppe besteht die folgende Reihenfolge: d 1. die funktionelle Zuständigkeit, d 2. die örtliche Zuständigkeit, d 3. die sachliche Zuständigkeit (RGZ 129/175 [178f.]; R G J W 37/3041 3 3 ), d 4. die Zulässigkeit der Prozeßart (RGZ 47/379 [382]), d 5. die Gerichtsbarkeit, d 6 . die Zulässigkeit des Rechtsweges (RG J W 97/592 8 2 ; R G N § 274/51). Über das Verhältnis zur Klageänderung vgl. § 274 B I c, GVG § 13 B I V a 3. e) Die Kostenerstattungeinrede (§ 274 I I 6) gehört in die fünfte Gruppe. f ) Die sechste Gruppe ist in der folgenden Reihenfolge zu prüfen: f 1. die Rechtskraft, f 2. die Rechtshängigkeit, f 3. die Schiedsklausel. g) Die Kostensicherheiten bilden die siebente Gruppe; zu ihr gehören: g 1. die unmittelbar unter § 274 II 5 fallenden, g 2. die auf Prozeßkosten nach PatentG § 37 V und g 3. die auf sonstigen Ersatz (AktienG §§ 123 I I , 199 IV, 201, 216 I V , 219, GmbHG § 75). h ) In die achte Gruppe gehören die der folgenden Reihenfolge: h 1. das Prozeßurteil wegen Versäumung der Klagefrist (vgl. B G H v. 9 . 1 . 1 9 5 6 I I I Z R 197/54); h 2. die sonstigen (vgl. § 274 B I f) Prozeßabweisungen wegen des Verbots der Klageüberlagerungen (§ 253 D, vgl. RGZ 164/226 [229]). B II. Vor den zu § 274 B I genannten Prozeßbedingungen sind, sofern Prozeßfortsetzungbedingungen zu erfüllen sind, diese zu prüfen (BGHZ 4/389), a) und zwar die letzten zuerst. Ist deshalb Revision eingelegt, so sind sie vor denen der Zulässigkeit der Berufung zu prüfen. War in der höheren Instanz gegen ein Versäumnisurteil Einspruch eingelegt, so ist die Zulässigkeit des Einspruchs vor der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu prüfen; war dagegen zunächst ein Versäumnisurteil in der ersten Instanz ergangen
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Verjähren bis zum Urteil
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und dann ein kontradiktorisches Bndurteil, so ist, wenn dagegen Berufung eingelegt wurde, zunächst die Zulässigkeit der Berufung und erst danach die des Einspruchs von der höheren Instanz nachzuprüfen. a 1. Soweit mehrere Bedingungen erst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs ergeben, haben die seiner Statthaftigkeit (§ 511 B I a 1) den Vorrang vor denen der weiteren Zulässigkeit, die Wahrung der Rechtsbehelffrist den vcr der notwendigen Begründungfrist (soweit eine Begründung vorgeschrieben worden ist). Dabei knüpft die Begründungfrist an die Einlegung des Rechtsmittels an (nicht an die Rechtsmittelfrist). a 2. Liegt ein Prozeßfortsetzungshindernis vor, so darf nicht sachlich entschieden werden; was das Hinausweisen eines Beteiligten, der sich zu Unrecht in den Streit drängen will, nicht ausschließt. b) Bei den Prozeßfortsetzungsbedingungen ist zu beachten, daß auch der Partei- und Prozeßunfähige zur Feststellung dieser Unfähigkeit (relativ) partei- und prozeßfähig ist, so daß also niemals ein Rechtsbehelf unzulässig ist, weil er von einem solchen Partei- oder Prozeßunfähigen eingelegt wurde (§§ 50 F I I b, 51 B I V b). Anders ist es mit der Postulationfähigkeit; fehlt sie, so ist der Rechtsbehelf unzulässig. C. § 274 II nennt einige Prozeßbedingungen, die er unter Ausschluß aller übrigen als „prozeßhindernde Einreden" anspricht und für die in §§ 274 I, I I I , 275, 538 I 2, I I besondere Normen getroffen werden. C I . Die übrigen Prozeßbedingungen fallen unter §§ 303, 539, 146; die Prozeßfortsetzungbedingungen unter §§ 341, 346, 508 I I I , 515 I I I , 5 1 9 b , 554a, 566, 590 I I , 239folg. a ) Die (noch) herrschende Auffassung geht dahin, daß die Sondervorschriften der §§275, 538 I 2 (II) nicht auf die sonstigen Prozeßbedingungen anzuwenden sind (RGZ 158/145 [152 folg.]). a 1. Doch hat RGZ 157/388 (393f.) § 275 bei Fragen der Gerichtsbarkeit und Immunität eines fremden Staatschiffes angewandt; RGZ 158/193 hat die Frage der Zuständigkeit der Arbeitgerichte unter § 274 I I 1 subsumiert. a 2. R G J W 96/59 1 5 hat auf PatentG § 37 V den § 274 I I 5 entsprechend angewandt. Entsprechend hat RGZ 123/194 (198f.) für die Sicherheitleistung bei Anfechtung eines Hauptversammlungbeschlusses der Aktiengesellschaft erkannt. C II. Die Prozeßbedingungen sind verschiedenen Regeln unterworfen, je nachdem, ob sie verzichtbar sind oder nicht. a 1. Unzulässig ist der Verzicht nach § 274 I I 1 bei ausschließlicher örtlicher wie sachlicher Zuständigkeit ( § 4 0 11, vgl. RGZ 108/198) aller nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten ( § 2 A l b 1); ihre Verletzung ist noch in der Revisioninstanz (RGZ 130/53) und außerhalb der Revisionbegründungschrift rügbar; bei vermögensrechtlichem Anspruch ist die Rüge nicht mehr nach einem die Zuständigkeit bejahenden Sachurteil der Vorinstanz zu bringen (vgl. §§ 10, 512a, 528, 549 I I , 566; a. M. BGHZ 14/72). Unzulässig ist der Verzicht im Fall des § 274 I I 2 (RGZ 122/100f.), des § 274 I I 4 (RGZ 160/338 [344] m. N.) und des § 274 I I 7 (RG J W 00/27 9 2 3 ). Über die Unverzichtbarkeit der Postulationfähigkeit vgl. § 78 D I b, I I , I I I , bezüglich fehlender Vollmacht vgl. § 88 B I I a. Inwieweit die übrigen Prozeßvoraussetzungen unverzichtbar sind, ergibt das Gesetz; regelmäßig werden sie verzichtbar sein, wenn auch die relativen (§ 274 A l b ) durch Anerkenntnis, Verzicht und Versäumnisurteil gegen den Kläger überbrückt werden können (über die verzichtbaren vgl. § 274 C I I b). b) Verzichtbar sind die prozeßhindernden Einreden des § 274 I I 3, 5, 6. Verzichtbar ist auch die örtliche wie die sachliche Zuständigkeit, soweit sie nicht ausschließlicher Art ist (RG N §274/1), wenn auch der Amtsrichter auf Mängel hinweisen soll ( § 5 0 4 ) ; sie ist indes im Gegensatz zu der vorgenannten Einrede zu beachten, wenn der Beklagte nicht verhandelt (also vor Erlaß einer Säumnisentscheidung gegen ihn). b 1. Verzichtbare Mängel müssen durch rechtzeitige Rüge beanstandet werden. Dies gilt auch für die Prozeßbedingungen, die nicht unter § 274 I I fallen, wie etwa die Rü{,e der Klageänderung (vgl. §§ 264, 268, 269), oder den Rügeverlust nach §§ 38folg., 512a, 528, 549 I I , 566.
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Für den Antrag auf Verweisung an eine andere Kammer ist nach GVG § 101 der Antrag des Beklagten zu stellen, bevor sonst — auch über prozeßhindernde Einreden — verhandelt wird. Über Ablehnunggesuche vgl. § 43 A. C III. Soweit unverzichtbare Prozeßbedingungen von gerichts wegen zu prüfen sind, ergeht, wenn sie fehlen, eine kontradiktorische Entscheidung, selbst wenn der Kläger (Rechtsbehelfskläger) nicht vertreten ist (also keine Säumnisentseheidung; § 331 B I a). a) Darüber hinaus ordnet § 274 I an, daß prozeßhindernde Einreden gleichzeitig und vor der Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen seien, worunter nur die verzichtbaren und die relativ unverzichtbaren fallen, nicht aber die absolut unverzichtbaren, wie § 274 I I I ergibt, also regelmäßig nicht die in den Fällen des § 274 II 1, 2, 4, 7 (RGZ 70/185), ausnahmeweise hier aber, soweit Mängel nur auf Rüge zu beachten sind, und stets in den Fällen des § 274 II 3 (RG H R R 38/1557), 5 (RGZ 98/316f.) und 6. a 1. Gleichzeitiges Vorbringen i. S. des § 274 I bedeutet das bis zum Schluß der Verhandlung über die (sonstigen) ProzeBbedingungen (des § 274 II, OLG 23/137). Abgesondert wird nur noch selten über Prozeßbedingungen verhandelt. Geschieht es, so dürfen die Mängel noch in der höheren Instanz gerügt werden (doch darf nicht auf rechtskräftig zurückgewiesene zurückgegriffen werden: OLG 27/77). a 2. Verhandlung zur Hauptsache heißt in § 274 die über den außerprozessualen Anspruch (bzw. im Urkundenechtheitfeststellungprozeß die vor der zu diesem Anspruch), also ebenso wie in § 39 (RG J W 99/813 2 ). Die Klageänderung ist auf die hier maßgebenden verlierbaren Einreden ohne Einfluß; war deshalb schon über die alte Klage zur Hauptsache verhandelt, so darf der geänderten nicht eine prozeßhindernde verlierbare Einrede entgegengesetzt werden; denn der Verlust ist endgültig mit der ersten Verhandlung zur Hauptsache eingetreten. Dies gilt auch bei der Klagehäufung. Klagen und Widerklagen sind dabei getrennt zu behandeln. Ein Verhandeln zur Hauptsache stellt es auch dar, wenn der Beklagte vorträgt, daß über Qualitätmangel der verkauften Ware durch Schiedsgutachten zu entscheiden sei (RG Gruch. 44/1181 [1183], weil dies keine Schiedsgerichteinrede betrifft). b) Für die nicht unter § 274 II fallenden ProzeBbedingungen (soweit sie verlierbar sind) gelten die besonderen Regeln über ihren Verlust (vgl. § 269 A). CIV. Soweit die Geltendmachung einer Prozeßbedingung durch Rüge verloren wird (§ 274 C I I I a), wirkt der Rügeverlust grundsätzlich endgültig für alle Instanzen (RGZ 108/50 [53f.]). H a t der Beklagte im besonderen keine Prozeßkostensieherheit in der ersten Instanz verlangt — und liegt kein Fall des § 274 I I I vor — so kann er dies in zweiter oder dritter nicht nachholen (RGZ 83/428 f.); dies gilt auch dann, wenn die Klage später erweitert wird. Andererseits hat RG J W 11/51 47 die Schiedsabrede auch dann gelten lassen, wenn ein anderer Teil der Ansprüche schon vor dem staatlichen Gericht geltend gemacht worden ist. a) Ob die Einrede verloren ist, ist für jeden Streitgenossen besonders zu beurteilen — abgesehen von den notwendigen (§ 62), wo sie mit dem Verlust durch einen f ü r alle verloren wird. Streitgehilfen, welche für die unterstützte Partei auftreten, verlieren sie auch für die Partei, wenn diese nicht widerspricht (§ 67). Andererseits genügt die Rüge jedes einzelnen notwendigen Streitgenossen oder selbständigen Streitgehilfen, um sie allen zu erhalten (§§ 62, 69). Das entsprechende gilt, wenn die Rüge gegenüber einer Parteimehrheit erhoben wird. Regelmäßig wirkt sie dann gegenüber allen (weil sie dem Gericht zu erklären ist). Wird sie aber ausnahmsweise beschränkt oder läßt sie sich nur gegen einen von mehreren Streitgenossen richten, so wirkt sie nur gegen die, denen gegenüber sie erhoben worden ist. b) Nach § 274 III dürfen aber auch die verzichtbaren prozeßhindernden Einreden noch nach Verhandlung zur Hauptsache geltend gemacht werden, sofern der (Wider)-Beklagte glaubhaft macht, daß er sie unverschuldet nicht rechtzeitig geltend gemacht h a t ; abgesehen von §§ 39 (269). Es kommen hierfür praktisch nur noch die Einreden des § 274 I I 3, 5, 6 in betraeht. b 1. Die Rügen der örtlichen und der sachlichen Unzuständigkeit bilden zwei getrennte Rügen (OLG 2/397). Da § 39 erst an die Verhandlung zur Hauptsache anknüpft, ist in der
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Verfahren bis zum Urteil
§274 oivbi
Zwischenzeit insoweit noch § 274 III anwendbar (BayObLG Seuff. 39/160). Sobald die Voraussetzungen des § 39 gegeben sind, entfällt auch die Möglichkeit, nach § 274 III die Rüge nachholen zu dürfen (RGZ 86/229); dies gilt auch, wenn §504 I nicht beachtet worden ist. b 2. Sind die Voraussetzungen der Einrede des § 274 II 3, 5, 6 erst später eingetreten oder dem Beklagten unverschuldet (vgl. § 233 B II) bekannt geworden (vgl. RGZ 40/416) oder tritt jemand in den Streit neu ein, dem die Einrede zusteht (OLG 19/226), so'ist sie nunmehr vor der nächsten Verhandlung zur Hauptsache (im schriftlichen Verfahren: vor der nächsten sachlichen Einlassung oder doch mit ihr zugleich) zu bringen. 1) 3. Wird der Schiedsvertrag erst nach der Verhandlung geschlossen, so wird die darauf gestützte Einrede nicht mehr beachtet (RGZ 58/151). Ist über eine aufzurechnende Forderung im Schiedsgerichtsverfahren zu entscheiden, so muß die Einrede gegen die Aufrechnung rechtzeitig, also vor Verhandlung zur Aufrechnung, erhoben werden (RG N § 295/46). Über die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Geltendmachung der Aufrechnung entgegengehalten werden darf, daß die zur Aufrechnung gestellte Forderung einer Schiedsabrede unterworfen ist, vgl. § 1025 B I d 1. c) Darüber hinaus gestattet eine verbreitete Meinung, daß verzichtbare Einreden, die verloren wurden, nachgebracht werden dürfen, wenn die Parteien einverstanden sind (BGH LM-BGB § 675/6). Dem kann nicht beigetreten werden (vgl. § 528 A II). C V. Trotz der Rüge der Prozeßbedingungen muß sich jetzt aber der Beklagte grundsätzlich gleichzeitig zur Hauptsache einlassen (was nach Erhebung der Rüge unschädlich ist). Nur im Falle des § 271IV hat der Beklagte noch das Recht, die Einlassung zur Hauptsache zu verweigern (vgl. § 274 II 6; Stadtgericht Berlin NJ 54/124). D. Der Begriff der „prozeßhindernden Einrede" wird in § 274 II festgelegt. D I. Die Prozeßbedingung des zuständigen Gerichts (§ 274 II 1) betrifft nach dem Sprachgebrauch der ZPO nur die örtliche und die sachliche Zuständigkeit. b) Im Verhältnis zu den Sondergerichten (GVG § 14 A) wird von der h. M. das sachlicher Zuständigkeit angenommen (RGZ 76/176); beim Arbeitgericht gilt dies nach ArbGG §48 (RGZ 158/193). c) Bei ausschließlichem Gerichtstande ist dies in erster Instanz von gerichts wegen, in zweiter bei ausschließlich örtlicher überhaupt nicht mehr zu beachten, wenn der Gerichtstand bejaht wurde (§§512a, 549 II) und in erster nicht mehr nach Verweisung ( § 2 7 6 B I I a 3 ) . Bei sachlich ausschließlichem Gerichtstand wird dies von gerichts wegen in zweiter nur noch in nichtvermögensrechtlichen Streiten (§ 2 A I b 1) und bei vermögensrechtlichen (§ 2 A I b 2) nur auf — rechtzeitig erhobene — Rüge (§ 528 B I a 1), sofern er angenommen wurde, aber überhaupt nicht mehr, wenn ein LG an Stelle des AG entschieden hat (§ 10), beachtet. In der dritten werden diese Rügen wegen des § 10 nicht mehr praktisch, sofern die sachliche Zuständigkeit bejaht wurde. Im übrigen wird zwar bei Säumnis des Beklagten geprüft, ob der Kläger die zur Begründung des Gerichtstandes erforderlichen Behauptungen aufgestellt hat, sonst wird aber die Prozeßbedingung nicht von gerichts wegen berücksichtigt (RG N § 274/1). Über die Frage, inwieweit bei sich überlagernden Behauptungen nur sachlich geprüft wird, vgl. § 274 A IV b; über den Gerichtstand des Zusammenhangs bei sich überlagernden Klagegründen vgl. § 260 D. d) Ein Urteil, das wegen Unzuständigkeit abweist, schafft nur insoweit Rechtskraft, wie die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts verneint wird (§ 11). D II. Über die sog. Unzulässigkeit des Rechtsweges (§ 274 II 2) vgl. §§ 511a IV, 547 1 1; GVG §§9, 13, 17; EG ZPO §§ 3, 4, 11; der Rechtstreit muß der Entscheidung des ordentlichen Gerichts unbedingt oder z. Z. entzogen sein; sie wirkt also auch, wenn nur ein erforderlicher Verwaltungvorbescheid fehlt (RG LZ 16/122912). b) Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in jeder Instanz von gerichts wegen zu prüfen (RGZ 70/179 [185]); auch noch in der Revisioninstanz (RGZ 133/144 [146]); für jeden Antrag (Haupt- wie Hilfsantrag) besonders (RG N § 274/57).
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Dil
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b 1. Zeitlich muß der Rechtsweg zulässig sein bei dem Erlaß des Urteils. b 2. Ist indes rechtskräftig entschieden, so wird auch die Frage der Zulässigkeit gleichgültig; im besonderen, wenn nach § 302 vorab entschieden wurde, kann im Nachverfahren der zuerkannte Anspruch nicht mehr aberkannt werden mit der Begründung, daß der Rechtsweg nicht zulässig ist; das entsprechende gilt, wenn ein rechtskräftiges Grundurteil (§304 B I b 1) vorliegt (a. M. RG H R R 41/48) oder auch ein rechtskräftiges Feststellungurteil, dem dann die Leistungklage folgt. D I U . Die Schiedsgerichtseinrede (§ 274 11 3) setzt einen Schiedsvertrag (§ 1025 B I b) oder eine nicht auf Vereinbarung beruhende, rechtsbindende einseitige Verpflichtung (§ 1048 A I) voraus. Ob es sich um eine Abrede für ein ausländisches oder ein inländisches Schiedsgericht handelt, ist gleichgültig (vgl. § 1044 A I). Darüber, ob die Schiedsabrede auch gelten kann, wenn der Hauptvertrag, auf den sie sich bezieht, ungültig ist, vgl. § 1025 B I b. Ist der Schiedsspruch gefällt u n d niedergelegt (§ 1039), so wirkt er wie ein rechtskräftiges Urteil (§ 1040 A; RG J W 31/1800 l 2 ); bis dahin besteht die Einrede des Schiedsgerichtsvertrages (RG J W 29/854 12 ), von da ab die des rechtskräftig entschiedenen Sachantrags (RG J W 31/1800 12 ). Diese wirkt nach RG Warn. 18/104 selbst dann, wenn der Schiedsspruch erst nach Klageerhebung und ohne Erhebung der Schiedseinrede ergangen war. Nimmt man indes an, daß mit dem Verlust der Einrede der Schiedsvertrag außer K r a f t tritt, so ist der Schiedsspruch nach § 1 0 4 1 1 1 aufzuheben, wobei dieser Mangel nicht mehr durch die Einlassung nach § 1027 I 2 heilbar ist, weil in den Fragen der Rechtshängigkeit der Parteiverzicht unbeachtlich ist (vgl. § 263 C I). Ist der Schiedsspruch jedoch aufgehoben, so ist der Schiedsvertrag außer kraft getreten (RG H R R 29/857). Schließt das Schiedsverfahren mit einem Schiedsvergleich und ist für Streitigkeiten aus i h m keine Schiedsklausel vorgesehen, so ist der Rechtsweg offen. Nur bezüglich der Vollstreckung, die § 1044a regelt, besteht die Einrede gegen den, der sie begehrt, bis zur Niederlegung. I h m steht auch der Überlagerungeinwand entgegen. a) Gesetzliche Schiedsgerichte gehören nicht dazu (RGZ 167/129 [131]), sie fallen unter § 274 I I 1,2. Auch gehören nicht unmittelbar hierher Abreden (oder gesetzliche Bestimmungen), wonach vor Beschreitung des Rechtsweges ein Schlichtungausschuß (RG N § 274/52) angerufen werden soll oder ein Schiedsgutachtervertrag abgeschlossen ist oder wo der Schiedsrichter oder Schiedsgutachter nur über einen Teil urteilen soll, während die Anrufung der ordentlichen Gerichte doch nicht erspart bleibt (RG N § 274/46). Ähnliche Fälle finden sich, wenn ein Statut die Anrufung eines Organs bestimmt (das etwa über den Ausschluß eines Mitglieds zu bestimmen hat); hier muß der autonome Weg zunächst durchschritten sein, bevor die Gerichte anzugehen sind (die zuvor erhobene Klage wird als vorzeitig abgewiesen: RG J W 01/304 4 ). b) Begründet ist die Einrede auch, wenn über einen Teil der Ansprüche ein Schiedsspruch ergangen ist und das Schiedsgericht noch nicht abschließend urteilen wollte; wie gegenüber dem Rechtsnachfolger (OLG 19/99), auch gegen den Konkursverwalter (abgesehen von Anfechtungprozessen: BGH N J W 57/791). Sie besteht aber nicht zu Lasten des Bürgen, wenn sie der Hauptschuldner vereinbart hat (OLG 27/41). c) Die Prozeßart entscheidet nicht; auch einem Urkundenverfahren kann die Einrede entgegengesetzt werden (RG Warn. 25/15). Arrest und einstweilige Verfügung können aber Schiedsgerichte nicht erlassen; insofern gibt es also keine wirksame Schiedsklausel und also auch keine Schiedagerichtseinrede (RGZ 30/319 [322]). d) H a t das Schiedsgericht sich für unzuständig erklärt, so ist durch diesen Ausspruch die Zuständigkeit des Schiedsgerichts endgültig beseitigt und die Einrede nicht zu beachten (RG H R R 29/438). H a t umgekehrt das ordentliche Gericht auf Bestehen der Schiedsabrede erkannt, so wirkt diese Entscheidung Rechtskraft, bis das Schiedsgericht ausfällt (RGZ 108/374 [378]). e) Wird der Einrede entsprochen, so ist die Klage durch Prozeßurteil abzuweisen. Das rechtskräftige Urteil hat zur Folge, daß bei der Klage nach § 1 0 4 1 1 1 nicht mehr das Nichtbestehen des Schiedsvertrags geltend gemacht werden kann (RGZ 40/401 [403]). Dies gilt aber nicht, wenn der Kläger auf die Einrede hin die Klage zurückgenommen h a t (a. M. J W 13/655 18 ).
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D IV. Über den Einwand der Rechtshängigkeit (§ 274 II 4) vgl. § 263 C I a; sie ist von gerichts wegen zu beachten (RGZ 160/338 [344]). Werden zwei Prozesse gleichzeitig anhängig, so steht jedem der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen. a) Rechtshängigkeit besteht auch im Verhältnis zu dem ausländischen Gerichtsverfahren, dessen Urteil anerkannt werden könnte (§ 328 A I; RG JW 15/12649). Über die Rechtshängigkeit bei ersatzlos weggefallenen Gerichten vgl. ZuständigkeitergänzungG § 2. D V. Die Einrede der fehlenden Prozeßkostensicherheit (§ 274 II 5) ist in §§ 110—113 näher fundiert. Sie besteht nicht gegenüber einer Widerklage (§ 110 I 3). Auf andere Kostensicherheiten (im besonderen nach dem Gesellschaftrecht) wird die Vorschrift von der h. M. nicht entsprechend angewendet (vgl. dazu § 274 C I a 2). Besteht sie am Anfang oder entsteht sie erst im Laufe des Verfahrens, so wird durch Zwischenurteil (RGZ 33/431) die Sicherheit festgesetzt, bei nicht streitigem Grund hat BGH v. 10.10.1957 II ZR 141/57 durch Beschluß festgesetzt. D VI. Über die Einrede mangelnder Kostenerstattung vgl. § 274 II 6 (§ 271 D). RG N § 274/76 hat bei erneuter Klageerweiterung nach früherer Teilrücknahme im selben Prozeß § 274 II 6 nicht angewendet. Die Einrede darf auch gegenüber der Widerklage erhoben werden (RGZ 58/259) und, wenn die Klage nicht freiwillig zurückgenommen, sondern für zurückgenommen erklärt worden ist (§113; RGZ 58/259). Ob die Partei mit der des Vorprozesses identisch sein muß oder ob sie auch deren Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger sein kann, ist zweifelhaft; RG JW 04/55617 hat sich auf den ersten Standpunkt gestellt. D VII. Über die Partei- und Prozeßfähigkeit (bzw. die gesetzlichen Vertreter) — § 274 117 — vgl. §§ 50—57. Sie sind nach § 56 von gerichts wegen zu beachten. Der Mangel der Vollmacht gehört nicht unter § 274 II 7. Entfallen die Prozeßbedingungen des § 274 II 7 im Laufe des Verfahrens, so wird — abgesehen von dem Fall des § 246, aber auch hier in dem des § 240 — das Verfahren unterbrochen (RG N § 274/15). a) Wird einem unrichtigen gesetzlichen Vertreter zugestellt, so ist die Klage, falls die Zustellung nicht geheilt oder nachgeholt wird, als unzulässig abzuweisen (OLG 37/127). Um die fehlende gesetzliche Vertretung handelt es sich, wenn die für den Fiskus als Vertreter genannte Behörde zu Recht ihre Vertretungmacht leugnet (RG Warn. 14/268), während das Bestreiten der „Sachlegitimation" (§ 50 G) den außerprozessualen Anspruch betrifft und nicht hierher gehört (RGZ 13/331foIg.). b) Zu dem gesetzlichen Vertreter zählt nach der hier vertretenen Auffassung auch die sogenannte Partei kraft Amtes, also der Konkursverwalter (RG Warn. 10/472) usw.
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I Über prozeßhindernde Einreden ist besonders zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden, wenn das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die abgesonderte Verhandlung anordnet. II Das Urteil, durch das die prozeßhindernde Einrede verworfen wird, ist in betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, daß zur Hauptsache zu verhandeln sei. A. § 275 I ordnet die gesonderte Entscheidung über „prozeßhindemde Einreden" (d. h. die i. S. des § 274 II) an (§ 150 wird damit unanwendbar), falls eine Partei (oder ihr Streithelfer, bei unselbständiger Streitgehilienschaft unter der Voraussetzung, daß die unterstützte Partei nicht widerspricht) dies beantragt oder das Gericht es für angemessen hält (der letzte Fall ist eine Anwendung des § 146). A I. Der Antrag ist Prozeßantrag, er ist auch zulässig, wenn er von einem mehrerer einfacher Streitgenossen ausgeht oder sich nur gegen ihn richtet oder wenn er nur einen von mehreren Klagegründen betrifft (RGZ 129/95f.). a) Gibt das Gericht dem Antrage nicht statt, so ist dagegen kein Rechtsbehelf gegeben.
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§275 AI
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a 1. Entscheidet es sogleich sachlich, so kann darauf, daß zunächst über den Antrag vorab zu entscheiden gewesen wäre, allein der Reehtsbehelf nicht gestützt werden, von dem Fall des § 274 II 6 abgesehen, weil nur noch in diesem Fall das Recht, die Einlassung zur Hauptsache zu verweigern, besteht (§ 271IV). a 2. In allen übrigen Fällen darf, wenn sich der Beklagte nicht hilfsweise zur Sache einläßt, eine Säumnisentscheidung gegen ihn ergehen (RGZ 123/194 [199]). b) Ordnet das Gericht die abgesonderte Verhandlung an, so gibt es gegen den auf die mündliche Verhandlung zu verkündenden (§ 329 I) Beschluß (RG Warn. 14/133, vgl. § 146) keine Beschwerde (§ 567). Hebt es einen solchen Beschluß — inkorrekterweise — wieder auf, so hat auch die Partei, die die Anordnung nicht beantragt hat, dieselben Rechtsbehelfe, wie eine die Absonderung beantragende. Eine Beschwerde ist auch hier nicht gegeben. Wird aber der Antrag unterlassen, so darf die Partei den Rechtsbehelf allein darauf nicht stützen. A II. Die Anordnung führt zur abgesonderten Verhandlung über die Prozeßbedingung, also zu einem Zwischenstreit (RGZ 110/56). b) Nach Beweislast und Beweisgrundsätzen (vgl. § 274 A I a) ist das Bestehen der Prozeßbedingungen und Fehlen der Prozeßhindernisse nachzuweisen (a. M. BGH v. 22. 2.1956 V ZR 62/55: der mit dieser Begründung Beweisanträge übergangen hat). b 1. Deckt sich indes die Begründetheit der Klage mit der (sachlichen bzw. örtlichen) Zuständigkeit, so genügt ihre Schlüssigkeit (§ 12 B II a 1); dies gilt auch für den Einwand der Rechtshängigkeit (§ 274 D IV) und die Schiedsgerichtseinrede (§ 274 A IV b 1). c) Der Streitwert (RGZ 40/416) und der Gebührenwert (§ 4 B III, C) für den Zwischenstreit ist der des Hauptstreits, auch wenn es nur um die Sicherheitleistung geht. Eine Kostenentscheidung ist im Zwischenurteil nicht zu treffen (RG JW 97/4®). A III. § 275 ist entsprechend in den anderen Verfahren anzuwenden, wo durch Urteil entschieden werden muß, wie im schriftlichen Verfahren nach § 128 II; aber auch bei den Zwischenentscheidungen nach §§ 71,135, 387, 402. Hier sind Zwischenurteile zu den Zwischenentscheidungen zulässig. Nur in den Fällen, wo durch Beschluß zu entscheiden ist, darf dem Beschluß regelmäßig kein Zwischenurteil vorausgehen, denn der Zwischenbeschluß ist dem Gesetz unbekannt. B. Das auf Grund des Zwischenstreits durchgeführte Verfahren endet mit dem Erkenntnis des Gerichts. B I. Erkennt das Gericht, daß die Prozeßbedingung fehlt, so wird, falls nicht verwiesen oder abgegeben wird (vgl. § 276 A), die Klage durch Prozeßurteil abgewiesen; nur in dem Fall des § 113 wird sie für zurückgenommen erklärt. a) In dem Fall des § 274 n 5 ist zuvor eine Frist zu setzen (vgl. §§ 112, 113) und erst nach Ablauf dieser die Klage durch Urteil „für zurückgenommen" zu erklären; dieses Urteil ist dann mit dem Rechtsmittel sowohl hinsichtlich des Grundes der Anordnung wie der Höhe angreifbar (RG JW 28/14893, vgl. §§ 113 B I a, 274 D V ) ; die Fristsetzung selbst ist aber unangreifbar, auch wenn sie durch Zwischenurteil gesetzt wird (§ 303; RG J W 28/14893). b) Entsprechend darf verfahren werden, sofern der Mangel in der Gegenwart behebbar ist (vgl. § 139), im besonderen wenn Verweisungantrag gestellt werden kann (§ 276). c) Wird der Mangel einer Prozeßbedingung nur für einen mehrerer Klagegründe bejaht, so ist zwar insoweit nicht sachlich zu entscheiden, aber auch nicht durch Prozeßabweisung zu erkennen (RGZ 73/162 [164f.]), vielmehr muß hier über die anderen Klagegründe zunächst sachlich entschieden werden, über die verbleibenden dann aber prozessual auf Abweisung erkannt werden, falls der Klage nicht schon aus einem anderen Klagegrunde stattzugeben ist. Doch steht dem nicht entgegen, daß, wenn die Klage auf mehrere Klagegründe gestützt wird, ein die „Einrede" verwehrendes Zwischenurteil ergeht, in dem etwa die Zulässigkeit des Rechtsweges für einen Klagegrund bejaht wird (RGZ 129/95f.); fehlerhaft wäre es nur, wenn die Zulässigkeit für den anderen verneint werden würde.
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Verfahren bis zum Urteil
§275
B II. Erkennt dagegen das Gericht, daß die Prozeßbedingung gegeben bzw. die Einrede nicht gegeben ist, so „verwirft es die Einrede" nach abgesonderter Verhandlung gemäß § 275 I durch Zwischenurteil (vgl. § 303). a) Das Urteil wird in Abweichung von § 303 in bezug auf die Rechtsmittel als Endurteil behandelt (§ 275 II), d. h. nach §§ 511 (521), 545 (556), aber nur insoweit, wie über eine Prozeßbedingung nach §274 II entschieden worden ist; bei den sonstigen Prozeßbedingungen gilt ausschließlich § 303, d. h. das Urteil ist nur zugleich mit dem Rechtsmittel gegen das folgende Sach- und (oder) Zwischenurteil (§ 304) angreifbar (§§ 512, 548, RG Warn. 23/44). b) Wird über eine Prozeßbedingung, die zu § 274 II gehört, durch Zwischenurteil entschieden, so ist § 275 II anzuwenden, anch wenn nicht zuvor abgesonderte Verhandlung angeordnet war (BGH NJW 56/1920). b 1. Hat daa Gericht sowohl über Prozeßbedingungen des § 274 II wie über andere entschieden, so ist das Urteil nach § 275 II anfechtbar, selbst wenn die Anfechtung sich nur auf eine Prozeßbedingung richtet, die nicht unter § 274 II fällt (RGZ 82/65). In der Revisioninstanz nötigt ferner § 538 II dazu, auch die Rüge solcher Prozeßbedingungen zuzulassen, über welche das Berufunggericht nicht entschieden hat (a. M. BGH NJW 58/747). b 2. Die Behandlung inkorrekter Entscheidungen (§511 B IV) ist schwierig; da es Zwischenurteile über sachliche Elemente des Klageanspruchs nicht mehr gibt (§ 303 n. F.), wird in der Regel nur zugleich formell und sachlich durch das nach § 304 zugelassene Zwischenurteil oder im Vollend- oder Teilurteil (§§ 300, 301) entschieden werden; diese Entscheidungen sind Endurteile, korrekt und wie auch sonst Endurteile, sowohl formell wie sachlich angreifbar. Dies gilt auch für Zusatzurteile in der Zwischeninstanz nach unterbrochenem bzw. ausgesetztem Verfahren (vgl. §§239folg.). B HI. Ordnet das Gericht die abgesonderte Verhandlung nicht an, so ist zugleich zur Hauptsache (§ 274 C III a 2) zu verhandeln. B IV. Nach abgesonderter Verhandlung kann es zu einem Versäumnisverfahren nach § 347 n kommen. a) Doch kommt § 347 II insoweit nicht zum zuge, wie eine Prozeßbedingung von Gerichts wegen zu prüfen ist b) und wie sie nicht das sachliche Vorbringen überlagert. C I. Das Urteil, durch das die Klage als unzulässig abgewiesen wird, ist Endurteil. Es kann, soweit die Prozeßbedingungen von gerichts wegen zu prüfen sind, nur kontradiktorisch ergehen. Nur bei den Prozeßhindernissen des § 274 II 3, 5, 6 kann Versäumnisurteil beantragt werden; diese fallen indes unter § 275 I. a) Wenn ein Urteil, das nach § 275 ergangen ist, rechtskräftig geworden ist, bindet es die Instanzen, soweit entschieden worden ist (RG JW 11/45936), also nicht in bezug auf Prozeßbedingungen, über die nicht entschieden wurde. Dies gilt auch für die Berufungurteile, obwohl sie alle Prozeßbedingungen nach § 538 II erledigen sollen, wenn sie eine Klageabweisung als unzulässig aufheben. Über die Frage, inwieweit die Bindung eintritt, wenn nicht der Reihenfolge nach entschieden ist, vgl. § 274 B. Wird aber selbst das unter Mißachtung der richtigen Reihenfolge ergangene Erkenntnis rechtskräftig, so wird damit nicht die Prüfung der weiteren Prozeßbedingungen ausgeschlossen (RArbG ArbRS 29/303). b) Trotz des § 275 II sind mit Rechtsmitteln nicht angreifbar (wohl aber mit dem Einspruch) Zwischenurteile, welche die örtliche Zuständigkeit in veimögenrechtlichen Streiten bejahen (§§ 512 a, 549 II, RGZ 110/56) oder wo ein Landgericht seine sachliche Zuständigkeit annimmt (§ 10) oder wenn in vermögensrechtlichen Streiten (§ 2 A I b 2) die zweite Instanz sachlich entscheidet (§ 528); nur bei nichtvermögensrechtlichen mit ausschließlicher Zuständigkeit bleiben sie in jeder Instanz angreifbar. C II. Auch wenn die unter § 274 II fallende „Einrede" verworfen wird, a) kann ein eigentlicher Stillstand des Verfahrens nur noch bei Versäumnisentscheidungen eintreten, weil hier für das Gericht die Zustellung unkontrollierbar ist.
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§ 2 7 5 c Ii
ZPO II. Buch
b) Aber auch schon vor Rechtskraft darf das Gericht auf Antrag einer Partei (nicht etwa bloß auf den des Klägers) das Verfahren zur Hauptsache fortsetzen, also nicht von sich aus. b 2. Doch steht es im Ermessen des Gerichts, dem Antrag stattzugeben, worüber auf Grund mündlicher Verhandlung (oder nach § 128 II) zu entscheiden ist (vgl. RGZ 57/416f., soweit das Verfahren dem Mündlichkeitzwange unterliegt). Wird ihm stattgegeben, so geschieht dies durch unanfechtbaren (§ 567 I, RG J W 99/17812), zu verkündenden (§ 329 I) Beschluß. Wird ihm nicht stattgegeben, so liegt darin eine Aussetzung des Verfahrens, die in entsprechender Anwendung des § 252 mit der einfachen Beschwerde angreifbar ist. b 3. Der Antrag, die Verhandlung in der Hauptsache fortzusetzen, richtet sich stets an die Instanz, die über die Hauptsache zu entscheiden hätte; hatte die erste Instanz durch Prozeßurteil die Klage abgewiesen und die zweite die Berufung zurückgewiesen (wogegen dann etwa Revision eingelegt wurde), so wird die zweite Instanz anzurufen sein (vgl. § 540). Das Revisiongericht muß zwar, wenn es aufhebt, zurückverweisen (RGZ 70/179 [187]), kann dies aber nach der h. M. (§ 565 C IV c) an die erste wie an die zweite Instanz nach seinem Ermessen. Wird dem Antrag stattgegeben, so wird allerdings auch das Revisiongericht an die Entscheidung des Berufunggerichts gebunden. b 4. Ist die Sachverhandlung angeordnet, so darf der anordnende Beschluß nicht wieder aufgehoben werden; geschieht dies doch, so ist dagegen die Beschwerde gegeben (§252 in entsprechender Anwendung; a. M. OLG 9/102). C m a) Ergeht im Zwischenstreit ein prozeBabweisendeg Urteil, so wird damit dem Verfahren zur Hauptsache der Boden entzogen, sobald es rechtskräftig wird. § 271 I I I 2—5 gelten dann in bezug auf die Hauptsachenentscheidung entsprechend. a 1. Bis dahin wird das Verfahren zur Hauptsache weiter betrieben (§ 717 I ist insoweit nicht entsprechend anwendbar). Die Entscheidung zur Hauptsache ist ohne Rücksicht auf das Zwischenverfahren für vorläufig vollstreckbar zu erklären (RGZ 107/330). Wird das Urteil hinfällig, so sind §§ 302 IV 3, 4; 717 II, III entsprechend anzuwenden. b 1. Im Fall der Unzuständigkeit des Gerichts (§ 274 II 1) wird das Zwischenurteilverfahren nicht praktisch werden. b 2. Bei der Unzulässigkeit des Rechtsweges herrscht Verweisungrecht (§ 276 A, GVG § 17). b 3. Im Fall der Schiedseinrede sollte man, wenn inzwischen die Klage sachlich abgewiesen wird, das schwebende Vorverfahren als erledigt ansehen (weil der Beklagte die Einrede fallen lassen kann). b 4. Wird die Rechtshängigkeit (§ 274 II 4) verneint und ergeht ein rechtskräftiges Urteil zur Hauptsache, so wird das Zwischenverfahren unzulässig. b 5. Die Kostensicherheiteinrede (§ 274 II 5) wird hinfällig, wie über den sachlichen Streit rechtskräftig entschieden ist; denn dann sind bereits alle Kosten entstanden. b 6. Das entsprechende gilt von der Einrede nicht bezahlter Prozeßkosten des Vorprozesses (§ 274 II 6). b 7. Im Fall des § 247 II 7 hebt die Zwischenentscheidung ohne weiteres die Hauptentscheidung auf (RGZ 5/424). c) Kommt es zu einem Anerkenntnis bzw. einem Verzicht zur Hauptsache (§§ 306, 307)> so entfallen damit zugleich die Fälle des § 274 II 1,3,5,6. Darüber hinaus entfällt das Zwischenwie das Hauptverfahren durch Klagerücknahme (§ 2711).
§ 2 7 6 (249, 505) I Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gerieht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluß sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
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Verfahren bis zum Urteil
§276
II Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt; mit der Verkündung des Beschlusses gilt der Rechtsstreit als bei dem im Beschluß bezeichneten Gericht anhängig. Der Beschluß ist für dieses Gericht bindend. III Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluß bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt. A. § 276 will ein Verfahren nicht an einer Zuständigkeitnorm scheitern lassen, wenn das Verfahren vor einem anderen inländischen Gericht austragbar ist. A I a) Die funktionelle Zuständigkeit (§ 1 B IV b) innerhalb desselben Gerichts löst eine Zuleitungpflicht jedes mit der Sache befaßten Organs an das (übergeordente) zuständige aus; ob die Partei dies will oder nicht. b) Dasselbe gilt für die Geschäftsverteilung (§ 1 B IV a) innerhalb gleichrangiger Organe desselben Gerichts (BGHZ 6/178). b 1. Dies gilt auch, wenn das angegangene Gericht als besonderes ordentliches Gericht tätig wird (für Patent- oder Warenzeichenstreite, für Schiffahrtsachen). b 2. Auch die gesetzliche (GVG §§ 96folg.) Regelung des Verhältnisses von Zivilkammer und Kammer für Handelsachen ist eine Frage der Geschäftsverteilung. A H. § 276 setzt die Zuständigkeit eines vom angegangenen verschiedenen Gerichts voraus, sofern ein Verweisungverhältnis besteht. a) §276 gilt grundsätzlich für alle Klage- (§253 C) und Prozeßarten ( § 2 6 0 C I I I a ) wobei die Tendenz dahin geht, es auf die Anhängigkeit beim Gericht (§ 263 A I), nicht auf die Rechtshängigkeit (§ 263 A IV a) abzustellen, wenn auch in dem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung für den Antrag er nicht vor Rechtshängigkeit gestellt werden kann. a 1. Unmittelbar anzuwenden ist er in allen Verfahren, die zu einem Urteil führen, auch bei Arrest- und einstweiligen Verfügungsstreiten (nach mündlicher Verhandlung: KG J W 29/16693) und im Aufgebotverfahren (RGZ 121/20 [22]). a 2. Entsprechend gilt er im Beschluß- und Beschwerdeverfahren (OLG JW 28/74524), soweit diese Verfahren nicht an die auszunehmenden Vorverfahren anknüpfen (§ 276 A II a 3); wie wo das Recht der Zivilprozeßordnung gilt (RGZ 131/197 [200] für das Vergleichverfahren); im Mahnverfahren gilt § 697 für die unmittelbare Verweisung an das Landgericht bei sonst fehlender sachlicher Zuständigkeit des Amtsgerichts. a 3. Geht indes ein Beschlußverfahren ohne Anhörungzwang einem anderen Verfahren mit Anhörungzwang voraus, so darf nicht in jenem schon eine Bindung für dieses herbeigeführt werden; in jenem ist deshalb nur die einseitige unverbindliche Abgabe an ein anderes Gericht zulässig (für das Armenrechts verfahren: OLG J R 48/339f.; a. M. OLG JMB1. NRW 51/32 3 ; für das Mahnveriahren in bezug auf die örtliche Zuständigkeit: RG J W 36/1777 14 ; für das Arrestbeschlußverfahren: KG J W 29/16693). a 4. Soweit funktionell die Rechtspfleger zuständig sind, ist auch im Rahmen der Verweisungmöglichkeiten (§ 276 A II a 2, 3) § 276 unter ihnen anzuwenden. b) § 276 gilt zwischen allen Gerichten, welche diese Bestimmung unmittelbar anzuwenden haben, b 1. auch im Verhältnis der ordentlichen zu den besonderen ordentlichen Gerichten wie dieser untereinander (den Patent-, Warenzeichen-, Schiffahrtgerichten usw.). b 2. § 276 gilt auch im Verhältnis zu den Gerichten der Ostzone (BayObLG NJW 49/223 3 ; a. II. OLG FamRZ 56/27). Da dort indes z. T. schon abweichendes Recht gilt, ist zu beachten, ob nach dortigem Recht das Gericht zur Entscheidung auch zuständig ist (vgl. DDR GVG §§ 42, 50). b 3 . §276 gilt nicht im Verhältnis zu ausländischen ( = nicht-deutschen) Gerichten. Auch an Schiedsgerichte wie umgekehrt von diesen an die ordentlichen Gerichte wird nicht verwiesen. 51
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§276
ZPO II. Buch
A III. Innerhalb der drei Zweige der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird ein Verhältnis i. S. des GVG § 13 angenommen (GVG § 13 C, D). a) Im Strafverfahren gilt anderes Recht (vgl. StPO §§ 15folg., 270). Im Verhältnis von Zivil- und Strafgericht gilt § 276 nicht, weil überall, soweit das Strafgericht über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden darf (Kommentar GVG § 13 D III), Sondernormen dann entweder das strafgerichtliche oder das zivilgerichtliche Verfahren ausschließen. b) Das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dagegen in vielem dem des Zivilprozesses angenähert. Innerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt § 276 aber regelmäßig nicht, sondern FGG (im besonderen FGG §§ 4 folg.). b 1. Bisweilen ist eine Abgabepflicht angeordnet (VerschollenheitG §15 112, 15 b 12, LVG § 12). c) Das Verhältnis der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit zur freiwilligen gestattet, schon weil auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit sich keine einheitliche Linie findet, nicht, ohne besondere gesetzliche Norm § 276 anzuwenden (KG ZZP 51/114 [118]). c 1. Kommt ein Hausratstreit (EheG, 6. DVO §§ 1, 25f.; 19) vor ein ordentliches streitiges Gericht, so gibt es den Streit an das Hausratsgericht ab, nach EheG, 6. DVO § 18. Der Streit muß unter den (früheren) Ehegatten bestehen. Die Beteiligung dritter regelt sich nach EheG, 6. DVO § 7. Der umgekehrte Fall (Abgabe vom Hausratgericht an das ordentliche) ist nicht geregelt. Über die Kosten vgl. EheG, 6. DVO § 23. c 2. Eine weitere Regelung findet sich in WohnungeigentumsG § 46. Der Fall der Abgabe vom Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit an das ordentliche Gericht ist nicht geregelt. Über die Kosten vgl. WohnungeigentumsG § 50. c 8. Im Verhältnis zu den Landwirtschaftgerichten wird nach LVG § 12 (GVG § 13 C I a) hin und her verwiesen (BGH MDR 53/544). Über die Kosten, wenn an das Landwirtschaftgericht abgegeben wird, wird vom Prozeßgericht nicht entschieden (BGH NJW 54/1001). c 4. Entsprechend wird im Fall des DM-BilanzG § 58 zu verfahren sein (vgl. GVG § 13 C I e 2). AIV. § 276 gilt auch im Verhältnis zu den Sondergerichten. a) Das Verweisungverhältnis der Arbeitgerichto zu den Zivilgerichten wie umgekehrt wird in ArbGG § 48 I geregelt. Vgl. auch ArbGG § 48a. b) Die inländischen Rhein- und Moselschiffahrtobergerichte (vgl. GVG § 14 B III c) verfahren nach der ZPO, so daß § 276 gilt. c) § 276 gilt auch im Verhältnis zu den Orts- und Gemeindegerichten (vgl. GVG § 14 E). A V. Im Verhältnis zu den Verwaltung- und Verwaltungsondergerichten vgl. GVG § 17. B. § 2 7 6 1 überbrückt die fehlende (örtliche oder sachliche) Zuständigkeit (§§ lfolg., 12folg.); die Frage wird erst geprüft, nachdem die vorher zu erfüllenden Prozeßbedingungen gegeben sind (§ 274 B); er wird ergänzt durch § 506. B I. Die Bestimmung trifft nicht die Abgrenzung nach oben (die Gerichtsbarkeit, vgl. GVG § 13 B III a; vgl. auch GG Art. 100). Wird unter Verstoß gegen das Verweisungrecht abgegeben oder verwiesen, so sollte damit (abgesehen von den Fällen zu § 276 A II a 3) nichts anderes als bei einer echten Verweisung hergeleitet werden, im besonderen gibt es keine Beschwerde bei der Verweisung an ein Sondergericht (OLG J W 10/87096) oder bei der ohne Antrag des Klägers, falls der Antrag an sich erforderlich ist (Kommentar § 276 B II c 4). B II. Zur Verweisung wird vorausgesetzt, a) daß das angegangene Gericht örtlich oder sachlich unzuständig ist, und zwar im Zeitpunkt der Verweisung (OLG JW 22/140722). a I. Erkennt das Gericht, daß seine eigene Zuständigkeit begründet ist, so wird der Verweisungsantrag zurückgewiesen, selbst wenn ihm der Beklagte zustimmt, da nach Rechtshängigkeit oder auch schon nach Anhängigkeit jede abweichende Parteivereinbarung unbeachtlich wird, und zwar durch ein § 275 II unterliegendes Zwischenurteil (das aber in den
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§ 276
B II a 1
Fällen der §§ 10, 512 a, 549 I I nicht anfechtbar ist) oder in den Entscheidungsgründen des Endurteils. a 2. Die Verweisung muß auch unterbleiben, wenn das angegangene Gericht nur für einen von mehreren Klagegründen zuständig ist (BGH NJW 54/1321). Darüber, ob in solchen Fällen nicht das angegangene Gericht sogleich über alle Klagegründe entscheiden darf, vgl. §§ 260 B I I b 4; Kommentar 276 B I I I a 2. a 3. Verweist das Gericht, weil es zu Unrecht seine Unzuständigkeit annimmt, so ist dies nicht angreifbar, selbst wenn das verweisende Gericht ausschließlich zuständig war (KG J W 29/8692). Dasselbe gilt auch, wenn es die (u. U. ausschließliche) Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu unrecht annimmt (BGHZ 2/278). b) Die Verweisung setzt weiter voraus, daß ein anderes inländisches Gericht, an das verwiesen werden soll, zuständig ist. Sind mehrere Gerichte zuständig, so hat der Kläger die Wahl (§ 276 I 2). Läßt sich nur die sachliche oder nur die örtliche Zuständigkeit des anderen Gerichts bestimmen, so ist die Verweisung unzulässig (OLG 40/379 [381]). Keinesfalls darf zur Prüfung der Zuständigkeit verwiesen werden (OLG MDR 53/111; eine solche Verweisung bindet nicht und ist auch mit der Beschwerde anfechtbar, vgl. § 276 B I). c) § 276 I fordert ferner den Antrag des Klägers, der das zuständige Gericht nennen muß (doch ist Dach § 139 zu helfen). c 1. Der Antrag ist Prozeß-, nicht Sachantrag i. S. der §§ 261b II, 297 (a. M. OLG J W 38/11884*); darf in jeder Instanz gestellt werden, also noch in der Berufung- (RGZ 108/263) und in der Revisioninstanz (BayObLG N J W 58/1825; BGH MDR 53/544). Bevor hier verwiesen werden kann, muß allerdings der Rechtsbehelf zulässig sein (BGH MDR B 98/55); seine Unzulässigkeit darf im Rechtsbehelfsverfahren verfolgt werden, obwohl verwiesen worden ist, vgl. § 276 C I I . Soll die Kammer für Handelsachen entscheiden, so muß der Kläger diesen Antrag spätestens in der mündlichen Verhandlung vor der Verweisung stellen, wenn der Streit bisher beim Amtsgericht anhängig war (vgl. GVG § 96 I I ; KG OLG 33/78). c 2. Er darf auch als Hilfsantrag gestellt werden (BGH MDR 53/544), sodann darf ihm erst stattgegeben werden, wenn sich für keinen Klagegrund die Zuständigkeit des Gerichts ergibt (vgl. § 276 B I I a 2). Zuvor ist aber nicht auszusprechen, daß bzw. wegen welcher Klagegründe die Zuständigkeit nicht gegeben ist, sondern die Sache wird insgesamt verwiesen, also selbst mit den Gründen, welche präjudiziell das verweisende Gericht verneinen mußte (weil es nicht sachlich entscheidet; OLG JZ 53/473). c 8. Der Antrag des Beklagten ersetzt den des Klägers nicht; er ist antragsberechtigt in den Fällen der §§ 506, 508 I I I , 697, GebrauchsmusterG § 19 II, WZG § 32 II. c 4. Verweist das Gericht, obwohl der Kläger keinen Antrag gestellt hatte, so treten damit dennoch die Verweisungfolgen des § 276 (usw.) ein (RGZ 131/197 [200]). B i n . Inden Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung (§ 128 I) wird auf Grund dieser entschieden (OLG J W 38/118846), im schriftlichen Verfahren (RGZ 121/20 [22]) oder bei freigestellt mündlicher Verhandlung (vgl. § 128 G II) jedenfalls nach Anhörung des Gegners mit Ausnahme des Falles des § 697 (vgl. auch EheG 6. DVO § 18 I 2, WohnungseigentumG § 46 I 2). Verstöße dagegen sind bei Verweisungen unschädlich (BGH N J W 51/656). a) Verneint das Gericht seine Zuständigkeit und bejaht es die vom Kläger bzw. vom Beklagten (soweit es auf seinen Antrag ankommt, Kommentar § 276 B I I c 3) bzw. beiden vorgeschlagene (hier ist auch noch Parteivereinbarung nach § 38 zulässig), so hat es dorthin zu verweisen. Nimmt das Gericht aber eine andere Zuständigkeit an, so hat es nach § 139 darauf hinzuweisen. Verneint das Gericht seine Zuständigkeit und die vom Kläger für die Verweisung vorgeschlagene, so ist durch Prozeßurteil die Klage abzuweisen. a 1. Für teilbare Ansprüche (§ 301 B I I a 1) ist gesondert zu prüfen (vgl. auch § 36 I 3). a 2. Wird indes ein und derselbe Klageanspruch auf mehrere Klagegründe gestützt, über die nicht einheitlich entschieden werden kann, so darf, wenn die Gerichte im Verweisungverhältnis zueinander stehen, das zuerst angegangene Gericht über alle Klagegründe entscheiden, selbst wenn es sonst örtlich oder sachlich (im Verhältnis zu den Arbeitgerichten) 51'
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§ 2 7 6 B III a 2
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nicht zuständig wäre. Das ist für den Fall, daß verwiesen worden ist, gebilligt, etwa wenn ein Arbeitgericht ein Beamtenverhältnis annimmt und an das ordentliche Gericht verweist, während dieses ein Angestelltenverhältnis annimmt (RG N § 276/9) oder wenn der Klagegrund der Schuldmitübernahme verneint wird und eine Bürgschaft oder privative Schuldübernahme in betracht kommen kann; jedenfalls ist die Verweisung wegen eines einzelnen Klagegrundes unzulässig (RGZ 165/374 [384]). U. u. ist deshalb noch zu verweisen, selbst wenn das verweisende Gericht das angewiesene nur für einen Klagegrund (nach der hier vertretenen Auffassung sich aber für gar keinen) für zuständig hält (vgl. auch § 276 B II a 2, c 2). Entgegengesetzt zu dem hier vertretenen Standpunkt haben BGH v. 13.12.1954 III ZR 113/53 S. 14, NJW 56/1358 in Fällen nicht nach BVerwaltungGG § 81 verwiesen, wo mehrere Klagegründe von den ordentlichen Zivilgerichten zu entscheiden waren und nur ein weiterer vor die Verwaltungsgerichte gehörte; BGH NJW 56/1358 mit der Begründung, daß eine teilweise Verweisung nicht stattfinde. a 3. Werden Haupt- und Hilfsantrag gestellt, ist für den Hauptantrag aber das angegangene Gericht nicht zuständig, so verweist es auf Antrag an das zuständige, auch wenn es für den Hilfsantrag zuständig wäre (BGH NJW 56/1357) und nunmehr durch die Verweisung dafür auch das angewiesene Gericht zuständig wird. Ist das Gericht aber nur für den Hauptantrag, nicht für den Hilfsantrag zuständig, so darf es den Hauptantrag nicht als unbegründet abweisen, sondern muß auf den Hilfsantrag bei entsprechendem Verweisungantrag verweisen, womit dann das angewiesene Gericht auch noch über den Hauptantrag entscheiden muß. b) Das entsprechende gilt für die Widerklage. Die einmal für sie nach § 33 begründete Zuständigkeit bleibt bestehen, auch wenn der Streit später verwiesen wird; doch kann der Beklagte, der Widerklage erhoben hat, nicht die fehlende Zuständigkeit rügen (vgl. § 33 G III a). Auch für die Anhangverfahren (den Gerichtstand des § 64) ist die durch die Verweisung eintretende Veränderung ohne Belang (§ 263 II 1). B IV. Erkennt das Gericht nach dem Verweisungantrag, so hat das Gericht sich für unzuständig zu erklären und den Rechtstreit an das zuständige Gericht zu verweisen (§ 276 1 1). a) Dies geschieht (sofern noch kein Urteil ergangen ist) durch Beschluß, nur wenn schon ein Titel besteht (Versäumnisurteil, Vollstreckungbefehl) durch Urteil unter Aufhebung des Titels (Kommentar vgl. §276 B I V b ) . Eine Verweisung wird allerdings nicht mehr auszusprechen sein, wenn die Hauptsache erledigt ist und es nur noch um die Prozeßkosten geht (vgl. § 276 III 2, a. M. LG JW 11/1020). a 1. Ergeht der Beschluß auf Grund mündlicher Verhandlung, so ist er zu verkünden (§ 329 I); andernfalls wird er zuzustellen sein (RGZ 121/20 [23]). Doch darf das Gericht seinen Beschluß schon ab Erlaß (§ 516 A I) nicht mehr ändern (OLG ZZP 54/96). a 2. Der Beschluß wird nicht für vollstreckbar erklärt und soll keine Kostenentscheidung enthalten (RG JW 96/694). Belastet die Entscheidung aber zu Unrecht den Beklagten mit den Kosten, so sollte man dem Beklagten die sofortige Beschwerde entsprechend §§ 91a II, 99 II geben. Vgl. Kommentar § 276 A V c. b) Der Beschluß hat zur Folge, daß der Rechtstreit mit der Verkündung (bzw. der Zustellung) bei dem angewiesenen Gericht anhängig ist. b 1. Das Verfahren geht regelmäßig in dem Zustande über, in dem es sich z. Z. der Verweisung befindet. Von der Anhängigkeit (§ 263 A I) bei dem unzuständigen Gericht an ist zu beurteilen (§§ 261b III, 496 III, 263), etwa ob die zur Klageerhebung erforderliche Frist gewahrt ist (BGH NJW 53/1139). Dies gilt auch für die Verjährung (RGZ 115/135 [140]). b 2. Die vorgenommenen Prozellhandlungen bleiben wirksam, auch Zugeständnisse (§§ 288, 532), die (fixierten) Anträge, die Klageänderung. Beweisaufnahmen brauchen nicht wiederholt zu werden. Die Einlassungfrist braucht nicht erneut gewahrt zu werden. b 3. Die ergangenen Entscheidungen bleiben zunächst (bis sie aufgehoben werden) bestehen. Dies gilt für das in derselben Instanz ergangene Versäumnisurteil, wenn nach Einspruch der Rechtstreit verwiesen wird. Hier schreibt § 508 III für das amtsgerichtliche Verfahren vor (doch ist die Vorschrift in anderen Verfahren entsprechend anzuwenden), daß zu-
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Verfahren bis zum Urteil
§ 276
B IV b 3
nächst über die Zulässigkeit des Einspruchs zu entscheiden ist (ist er unzulässig, so ergeht Endurteil nach § 341, das dem Rechtsmittel der Berufung bzw. der Revision unterliegt, §§ 513, 566); ist der Einspruch zulässig, so ist bei Streit durch zulässiges Zwisehenurteil zu entscheiden (§ 303), welches das angewiesene Gericht bindet; die Entscheidung kann auch zugleich mit dem Verweisungbeschluß ergehen; ist dies aber übersehen worden, so muß das angewiesene Gericht darüber entscheiden; anfechtbar ist die Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Einspruchs stets nur mit dem Endurteil des angewiesenen Gerichts (§§ 512, 548). b 4. Das entsprechende gilt, wenn eine einstweilige Verfügung oder ein Arrestbefehl erlassen war, auch hier bleibt der Arrestbefehl bestehen, wenn im Widerspruchsverfahren verwiesen wird (OLG MDR 58/171). b 5. Schwebt ein Zwischenverfahren über die Prozeßbedingungen des § 274 II in einer höheren Instanz, so kommt eine Verweisung durch die untere nicht in Betracht (§§ 538 II, 566), sondern der Antrag kann wirksam nur in der höheren gestellt werden. Verweist das untere Gericht inkorrekterweise dennoch, so kann damit, wenn das Rechtsmittelverfahren nur um die fehlende örtliche oder sachliche Zuständigkeit geht, dieses gegenstandslos werden; nur wenn es über einen anderen Punkt geht, wird es unverändert weitergeführt. b 6. Das Beschwerdeverfallren wird durch die Verweisung nicht beeinträchtigt (OLG JW 34/119226, a. M. KG JW 31/23786). Schwebte noch keine Beschwerde, sondern hatte das LG, das an das AG verwiesen hatte, etwa das Armenrecht verweigert, so entscheidet über die dann bei dem LG eingelegte Beschwerde (zunächst das AG, das abändern darf und danach) wieder das LG (OLG BayJMBl. 52/1337). b 7. Außerprozessuale Erklärungen behalten wie auch sonst ihre Gültigkeit (vgl. § 271 B III b 1). c) Auch im höheren Rechtzuge bleibt die Prozeßlage (Kommentar § 276 BIV b 2) dieselbe. Wird aber aus einem höheren Rechtzug in einen unteren verwiesen, so ist die Rechtslage in bezug auf das erlassene Urteil, über das erkannt worden ist, anders; es müssen nämlich die (prozeßabweisenden) Urteile der Vorinstanz(en) aufgehoben werden. Deshalb kann hier nur durch Urteil verwiesen werden (BGH MDR 53/544). Ob dies auch jetzt noch gilt, ist zweifelhaft, weil auch § 271 III die Aufhebung von Urteilen durch Beschluß kennt. Soweit die Entscheidungen der unteren Instanzen aufgehoben werden, werden aber die durch sie aufgehobenen Versäumnis urteile nicht wieder in kraft gesetzt. Wird aber nach einem ein Versäumnisurteil beseitigenden Sacherkenntnis der im zweiten Rechtzuge durchgreif ende Mangel geltend gemacht, so wird man das Versäumnisurteil, das bislang noch nicht aufgehoben war, bestehen lassen müssen. c 1. Ergibt sich im Berufungverfahren gegen ein amtsgerichtliches Urteil, daß das Landgericht erstinstanzlich zuständig wäre, so muß auf Antrag der Streit in das erstinstanzliche landgerichtliche Verfahren überführt werden (RGZ 60/321f.); auch wenn die Voraussetzungen für die Verweisung erst in der zweiten Instanz durch Klageerweiterung oder Widerklageerhebung im landgerichtlichen Berufungverfahren eintreten nach dem dann entsprechend anwendbaren § 506 (a. M. RGZ 119/379); es sei denn, daß die Widerklage nach § 529 IV zurückgewiesen wird. c 2. Da die Prozeßfortsetzungbedingungen die Verweisung bedingen, sollte man entsprechend wie bei der Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs verfahren (Kommentar § 276 B IV b 3). C. Beschluß bzw. Urteil, die verweisen, sind unanfechtbar (§ 276 II 1), selbst wenn die Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren. Das verweisende Gericht ist an ihn gebunden (§ 318 C I), aber auch das angewiesene Gericht (§ 276 II 2; RG HRR 41/607). C I a) Bückverweisungen sind unzulässig (RG DR 41 A 149334). Entsteht Streit über die Zuständigkeit zwischen den ordentlichen und den Arbeitgerichten, so entscheidet jetzt das BVG nach § 36 I 6; es ist aber an die erste Verweisung nach § 276 II 1 gebunden (RG DR 41 A 149334). BGH NJW 55/948 hält in dem Fall, wo ein ordentliches Gericht unzulässigerweise an ein Arbeitgericht zurückverweist, das dem ordentlichen Gericht übergeordnete Gericht für
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§ 276 CIa
ZPO II. Buch
zuständig. Liegt ein Verweisungbeschluß vor, so ist keine anderweite Bestimmung nach § 3616 mehr zulässig (RGZ 121/20) und auch nicht die nach § 36 I 3 (RGZ 158/222 f.). b) Schließlich wird nach Verweisung an das LG gemäß § 697 nach LG HannRpfl. 47/31 auch das AG selbst dann nicht wieder zuständig, wenn der Widerspruch zurückgenommen wird. Doch beseitigt die Zurücknahme des Widerspruchs die Rechtshängigkeit, wodurch auch die Verweisung hinfällig wird, die im Mahnverfahren nach der hier vertretenen Auffassung gar nicht aussprechbar ist (vgl. § 276 A I I a 2). C II. § 276 gilt aber nicht in bezug auf Rechtsmittel. a) Wird ein bei der Rechtsmittelinstanz ausschließlich einzulegendes Rechtsmittel bei der vorhergehenden angebracht, so kann es nicht nach § 276 an die Rechtsmittelinstanz verwiesen werden (RArbG E 11/76). Geht es allerdings bei der Rechtsmittelinstanz noch rechtzeitig ein, so wird die Frist als gewahrt anzusehen sein. Vgl. auch ZuständigkeitänderungG Art. 1 § 6 I 2, ZuständigkeitergänzungG § 2. C III. Die Weiter- bzw. Zurückverweisung ist aber zulässig, a) wenn nach Verweisung die Klage geändert wurde und sich dadurch eine andere Zuständigkeit ergibt (LArbG AP 53/19). b) Die Weiterverweisung ist auch dann unzulässig, wenn in dem Verweisungbeschluß erkennbar nur die örtliche oder nur die sachliche Zuständigkeit geprüft war (OLG N J W 58/148; a. M. RG J W 36/1777 im FaU des § 697). D. Über die Kosten ist vom angewiesenen Gericht zu entscheiden (§ 276 I I I 1). Da die Kosten des verweisenden Gerichts als Kosten des angewiesenen zu behandeln sind, ist so zu entscheiden, wie wenn sie von vornherein bei dem angewiesenen entstanden wären (RG Warn. 23/27), vorbehaltlich der Mehrkosten. D n . Die erstattungfälligen Mehrkosten fallen nach § 276 III 2 dem Kläger zur Last, auch die für die Widerklage, wenn der Beklagte der Klage nur folgt. Auch kommt es darauf, ob der Beklagte der Verweisung zustimmt, nicht an (a. M. OLG ZZP 64/147). a) Dies gilt nicht in dem Fall der §§ 506 II, 697 I ; hier gehören die Mehrkosten zu denen des Rechtstreits. In den Fällen des GebrauchsmusterG § 19 IV, WZG § 32 IV, PatentG § 5 1 I V werden die Mehrkosten nicht erstattet. b) Die Kosten der Bechtsmittelinstanzen treffen den Kläger als Mehrkosten stets, wenn von ihnen der Streit an die erste Instanz verwiesen wird (RGZ 95/280 [283]). c) Geht der Streit nach Erledigung der Hauptsache nur noch um die Prozeßkosten, so darf nicht verwiesen werden (a. M. LG J W 11/1020); vielmehr sind die gesamten Kosten dem Kläger aufzuerlegen. d) Über die Kosten eines vor der Verweisung erlassenen Versäumnisurteils ist nach § 344 zu erkennen (OLG J R 26 B 317). D m . Ist die Entscheidung versehentlich unterblieben, so darf sie nach § 321 ergänzt werden (RG H R R 35/43). a) Nicht ausgeschlossen erscheint die Ergänzung der Entscheidung in höherer Instanz, soweit § 308 n gilt. b) Ob auch ohne Ergänzung und Fortsetzung des Verfahrens, also ohne Titel, die Mehrkosten im Kostenfestsetzungverfahren zu berücksichtigen sind, darüber herrscht Streit (verneinend OLG J W 29/1687 4 2 ; bejahend OLG J W 31/1847"). Ohne ausdrückliche Entscheidung wird jedenfalls der Kläger die Mehrkosten nicht erstattet verlangen dürfen. OLG MDR 54/303 hat, als der Kläger bei einer nicht aussondernden Kostenentscheidung obsiegte, die Mehrkosten bei der Kostenentscheidung abgesetzt. D IV. Die Berechtigung der Verweisung darf im Rahmen der Kostenentscheidung nicht mehr nachgeprüft werden (KG OLG 29/125f.). Doch hat OLG N J W 53/1922 dem Kläger die Kosten des zuerst tätigen Anwalts ersetzen lassen, wenn er nach Verweisung als Korrespondenzanwalt tätig wurde und diese Kosten erstattungfähig waren (vgl. § 91 E IV b 3).
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Verfahren bis zum Urteil
§ 277
(250)
§ 278
(250)
durch Nov. 24 aufgehoben.
I Angriffs- und Verteidigungsmittel (Einreden, Widerklage, Repliken usw.) können bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, geltend gemacht werden. II Das Gericht hat, wenn durch das nachträgliche Vorbringen eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird, der obsiegenden Partei, die nach freier richterlicher Überzeugung imstande war, das Angriffs- oder Verteidigungsmittel zeitiger geltend zu machen, die Prozeßkosten ganz oder teilweise aufzuerlegen. A. Eine Folge der Einheit der mündlichen Verhandlung zieht § 278 I, nach dem bis zum Verhandlungschluß (§ 278 A I b 1) Angriff- und Verteidigungmittel, aber auch neue Angriffe, von denen die Norm bis auf die Widerklagen nicht spricht, vorgebracht werden dürfen. Sie gilt nur in den Tatsacheninstanzen, grundsätzlich nicht in der Revisioninstanz (wo neues Vorbringen nur beschränkt zugelassen wird, vgl. § 561 B), und auch schon in der Berufunginstanz eingeengter als in der ersten. A I. Jede Vertagung innerhalb der Instanz wirkt so, daß stets erneut mündlieh verhandelt werden muß; deshalb ist auch der Richterwechsel gleichgültig. a) Doch läßt die Prozeßordnung nicht bloß die letzte mündliche Verhandlung gelten, sondern bezieht die vorangegangenen in gewissem, gesetzlich festgelegtem Rahmen ein. a 1. Dies bedeutet, daß — selbst bei durchgeführter mündlicher Verhandlung — stillschweigend stets auf den unstreitigen oder ausgetragenen Sachverhalt in verfahrensrechtlicher Hinsicht zurückgegriffen werden darf. a2. Die den außerprozessualen Anspruch betreffenden Prozeßhandlungen werden fixiert (vgl. § 288 in erster, § 532 in zweiter und § 561 in dritter Instanz; und darüber hinausgreifend sogar in einen neuen Prozeß ragend § 616, PatentG § 54). b 1. Im Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung darf aber grundsätzlich der nach dem Abschluß der Verhandlung gebrachte Schriftsatz nicht mehr berücksichtigt werden. Jedoch muß das Gericht prüfen, ob es nicht die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen hat (vgl. § 156 B). b 2. Im schriftlichen Verfahren entspricht diesem Zeitpunkt der Erlaß der Entscheidung (vgl. RGZ 151/193 [195f.]). b 8. Bei der Aktenlageentscheidung (§§251a, 331a) gilt grundsätzlich der Schluß der mündlichen Verhandlung (vgl. § 251a); in dem Verfahren nach § 272 a wird dagegen der Verhandlungschluß für eine Partei verlängert. A II. Der Begriff der Angriff- und Verteidigungmittel a) umfaßt in § 2781 nicht die Beweismittel und die Beweiseinreden (vgl. § 283 I), auch nicht prozessuale Rechtsbehelfe (vgl. RG JW 95/60). b) Er bezieht sich nur auf den außerprozessualen Anspruch bzw. die Urkundenechtheitfeststellung. b 1. Bestreiten ist Verteidigung, nicht Verteidigungmittel (a. M. RArbG ArbRS 29/309 [313]), dagegen ist die als Verteidigungmittel genannte Widerklage keines (vgl. § 278 B II b); das bloße Bestreiten fällt indes auch nicht unter §§ 278 II, 279, 529 (RG J W 36/3051 10 ; a. M. BGH NJW 54/600). b 2. Reine Rechtsausführungen sind nicht Angriff- oder Verteidigung- (RG J R 27 B 1071), sondern Anspruch- bzw. Verteidigungrechtfertigungmittel. B. § 278 n wendet die Praxis nur selten an. §§ 278 II, 279 (OLG MDR 57/746), 279 a gelten auch im schriftlichen Verfahren in der Berufung- (vgl. § 278 B II a 1), in der Beschwerdeinstanz (OLG NJW 57/1197); nicht aber in der Revisioninstanz wegen des §561.
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§278
ZPO II. Buch
B I. Ob schriftsätzlich verspätetes Vorbringen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung dazu gehört, ist zweifelhaft. Jedenfalls kann es nur nachträglich sein, wenn es nach Ablauf von Fristen gebracht wird, welche das Gesetz setzt (vgl. §§ 132, 272). Dabei ist zu beachten, daß eine Frist zur Erwiderung auf die Klageantwort (zur Replik) usw. nicht gesetzt ist. Tritt an die Stelle der mündlichen Verhandlung die schriftliche Entscheidung, so müssen sich die Parteien zunächst einmal ausgeschrieben haben. Weist das Gericht auf die Ergänzungbedürftigkeit hin (§ 139), so sind die gegebenen Erklärungen nicht nachträglich abgegeben worden (RG HRR 31/55). Wird von der Revisioninstanz aufgehoben, so ist damit zu rechnen, daß neue Beweise zu erheben sind, dann darf aber weder früher Vorgebrachtes (a. M. RG LZ 28/11330) noch danach zu den Ausführungen des Revisiongerichts gegebenes neues Material zurückgewiesen werden. B II. Der (reine) Angriff fällt so wenig wie die reine Verteidigung (§ 278 A II b 1) unter §§ 278 II, 279, vielmehr a) vom Standpunkt des Klägers aus unter die Normen der Klageänderung (§§ 264folg.), die in den Tatsacheninstanzen in der Form nicht mehr voneinander abweichen; anders grundsätzlich in der dritten Instanz (vgl. aber auch § 717 II, III). a 1. Was zur Begründung auch der geänderten Klage vorgetragen wird, ist Angriffsmittel. Dient das Vortragen einem neuen Angriff (der Klageerweiterung, der Widerklage, dem Anschlußrechtsmittel), so dürfen ihm, wenn es in unmittelbarer Folge auf den Angriff vorgebracht wird, nicht §§ 278 II, 279 usw. entgegengesetzt werden (vgl. § 529 A I b 2). a 2. Das entsprechende gilt grundsätzlich auch für unverzüglich auf den neuen Angriff vorgebrachte Verteidigungmittel, wozu auch die Aufrechnung gehört. Keinesfalls darf die Aufrechnung selbst zugelassen, aber das sogleich zu ihrer Begründung Vorgetragene wegen Verspätung zurückgewiesen werden (§ 278 B II c). b) § 278 I nennt die Widerklage als Verteidigungmittel, was sie aber nicht ist. Vielmehr ist sie Angriff und fällt deshalb auch nicht unter §§27811, 279 (RG J W 39/173 36 ); dazu gehört auch der Mitschuldantrag (RGZ 150/51folg.). Die Widerklage darf bis zum Verhandlungschluß in der ersten Instanz erhoben werden (RG J W 02/631 4 ); doch genügt die Einreichung der Widerklageschrift zwecks Zustellung durch das Gericht (vgl. § 281 A I I I a). War sie nicht erhoben, hatte das Gericht der ersten Instanz indes ihre Erhebung angenommen, so gilt sie als erhoben, wenn dies in zweiter Instanz nicht von dem Widerkläger gerügt wird (RG LZ 31/83410). Geht sie aber dort, wo mündlich verhandelt wird, erst nach dem Schluß der Verhandlung ein, so bleibt sie unberücksichtigt. Über die Widerklageerhebung in zweiter Instanz vgl. § 529 IV, in dritter Instanz § 559 D II b. b 1. Nur was zu ihrer Begründung vorgetragen wird, ist wieder Angriffsmittel (RG J W 99/7684). I) 2. Wenn eine Widerklage zulässigerweise erhoben wird, muß auch die „neue" Begründung dieser zugelassen werden (a. M. LG J W 30/30082). c) Die Aufrechnung wird praktisch (in diesem Fall) wie eine Eventualwiderklage behandelt (§ 278 B II a 2), weil sie wegen des § 322 II auch Angriff ist (a. M. RGZ 31/363, das § 279 anwenden will). d) Sonstige Einreden, wie das Zurückbehaltungrecht und die, welche nicht rechtszerstörend wirken, fallen unter §§ 278 II, 279, 279 a; anders bei den rechtzerstörenden, denen die Verjährung gleich zu behandeln ist. e) Unzulässig ist die Zurückweisung, wenn der Kläger entgegen § 138 I etwas vorgebracht hat, wogegen der Beklagte sich erst später wendet; denn er darf darauf vertrauen, daß der Kläger der in § 138 I begründeten Last nachkommt. Das entsprechende gilt, wenn der Kläger zum nachträglichen Vorbringen eines Angriffsmittels kommt, weil der Beklagte seiner Last nach § 138 I nicht genügt hat. f ) Unzulässig ist ferner die Zurückweisung eines von gerichts wegen zu beachtenden Vorbringens (RGZ 151/43f.).
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Verfahren bis zum Urteil
§278 B Ii
g) Auch fällt die Umstellung von Hanpt- und Hilfsvorbringen nicht unter § 278 II (RArbG E 6/297: wohl aber wenn sonst eine Behauptung, nachdem sie fallen gelassen war, wieder aufgestellt wird). B HI. Darüber hinaus muß das nachträgliche Vorbringen die Entscheidung des Streits verzögern. a) Dies kann nur nach der Prozeßlage z. Z. des Vorbringens beurteilt werden (RG LZ 27/4921). Erhebt das Gericht ohnehin noch Beweise, so darf es sonst verspätetes Vorbringen nicht zurückweisen, weil es eine erweiterte Beweisaufnahme nötig mache (RG LZ 27/4921). Auch wenn ohnedies vertagt werden muß, darf nicht zurückgewiesen werden. b) Einen erhobenen Beweis als verspätet zurückzuweisen (RArbG ArbRspr. 30/89), geht so wenig an, wie etwa ein Angriff- oder Verteidigungmittel zurückzuweisen, zu dem sich der Gegner zugestehend oder nicht bestreitend verhält. b 1. Aber auch, wenn ein außerprozessualer Rechtsbehelf später vorgebracht wird, ohne daß neue Behauptungen gebracht werden wie die Erhebung der Verjährungeinrede, wird regelmäßig sofort entschieden werden können (RG JW 31/35455); wird dadurch aber die andere Partei zu Ausführungen •— etwa über die Unterbrechung der Verjährung — genötigt, so bringt nicht die Einrede die Verzögerung, sondern das auf die Einrede Erklärte (a. M. RG J W 31/35455), das allerdings dann wieder nicht verspätet ist, weil es vorher nicht erklärt zu werden brauchte. b 2. Die Länge der ProzeBdauer entscheidet nicht (OLG Recht 25/1466); vgl. auch § 272 b A I. B IV. Die Partei muß ferner ihr anlastbar imstande gewesen sein, das Angriff- oder Verteidigungmittel früher anzubringen. Das Verschulden eines Streitgehilfen oder Streitgenossen geht nicht zu Lasten der Partei. Die abweichende Rechtsauffassung des Gerichts kann die Partei zu einem nachträglichen Vorbringen zwingen (KG JW 26/24621), sie kann etwa ihr peinliches Vorbringen u. U. später bringen, (vgl. RG JW 36/177815). a) Verschleppungabsieht oder grobe Nachlässigkeit wie in § 279 werden hier nicht gefordert. Wird das Vorbringen nach § 279 zurückgewiesen, so tritt keine Verzögerung des Rechtstreits mehr ein, womit § 278 II unanwendbar wird. b) Nach § 278 II dürfen die Prozellkosten (nicht bloß die durch die Verzögerung verursachten wie nach § 95) ganz oder zum Teil der obsiegenden Partei auferlegt werden. Diese Entscheidung ist selbständig nicht anfechtbar (§ 99 I, RGZ 152/248).
§ 279
(252)
I Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die von einer Partei nachträglich vorgebracht werden, können zurückgewiesen werden, wenn durch deren Zulassung die Erledigung des Rechtstreits verzögert werden würde und nach der freien Überzeugung des Gerichts die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit das Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht früher vorgebracht hat. II Unter den im Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen können ferner Angriffs- und Verteidigungsmittel zurückgewiesen werden, deren rechtzeitige Mitteilung durch vorbereitenden Schriftsatz (§ 372) die Partei unterlassen hatte. A I. § 279 deckt sich mit dem Tatbestand des § 278 II bis auf das Verschulden, das hier vorsätzlich oder grob nachlässig sein muß. A II. Nicht hierher gehört die Zurückweisung von Beweismitteln für rechtzeitig vorgebrachte Behauptungen (RG LZ 09/469 24 ); doch dürfen diese nach §283 II zurückgewiesen werden. B. Der subjektive Tatbestand des § 279 fordert grob fahr-(nach-)lässig spätes Vorbringen oder Prozeßverschleppungabsicht.
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§279
ZPO II. Buch
B I. Die grobe Nachlässigkeit bezieht sich auf die Verspätung. Sie ist mehr als das einfache Verschulden, das § 278 II fordert; dieses entspricht dem leichter Fahrlässigkeit (§ 278 B IV, vgl. BGB § 276), während jenes der groben Fahrlässigkeit gleichzusetzen ist (§ 279 B I a). a) Hat sich der Gegner verschleppend benommen, so darf auch der anderen Partei nicht ihre Langsamkeit vorgeworfen werden. b) Nicht grobnachlässig handelt die Partei, wenn sie glauben durfte, mit dem vorgebrachten Material auszukommen (RG HRR 31/877), besonders wenn die Fragepflicht (§ 139) nicht ausgeübt wird (RG HRR 31/55). Stellt die Partei auf eine verspätete Aufforderung des Gerichts die Behauptungen dänn auf, so darf sie nicht zurückgewiesen werden (RG Seuff. 86/60); aber auch nicht, wenn die Zurückhaltung der Partei zu rechtfertigen ist, etwa damit, daß ehrenrührige Behauptungen nicht sogleich aufgestellt werden, um den Gegner zu schonen (RG JW 30/549®); oder daß die Partei Unannehmlichkeiten für sich oder das Beweismittel befürchtete (RG JW 36/177816); oder wenn in der Beweisaufnahme neue Gesichtspunkte hervortreten, mit denen die Partei nicht gerechnet hat und im Grunde nicht zu rechnen brauchte (RG HRR 37/196); doch hat RG JW 32/2875 23 es nicht genügen lassen, wenn die Partei mehrere Zeugen hätte benennen können, sich aber auf einen verlassen hatte. B II. Verschleppungabsicht ist bewußt nachträgliches Vorbringen zu dem Zweck, den Prozeß in die Länge zu ziehen. Dies ist nicht der Fall bei verspätetem Beweisvorbringen, wenn die Partei Auslagenvorschüsse sich ersparen wollte. Gewinnt das Gericht die Überzeugung der Verschleppungabsicht, so darf auch die zweite Instanz im ersten Verhandlungtermin das Vorbringen zurückweisen (RG N § 279/4). B III. Beide Voraussetzungen werden nach freiem Ermessen des Gerichts festgestellt nach RGZ 132/330 (334). Eine besondere Beweiserhebung darüber findet nicht statt; zweifelt das Gericht nur, so darf es nicht zurückweisen. a) Die zur Zurückweisung erforderlichen Tatsachen, welche die grobe Nachlässigkeit oder Verschleppungabsicht ergeben müssen, sind festzustellen (RG HRR 32/999). Ob die Begriffe der groben Nachlässigkeit bzw. der Verschleppungabsicht getroffen worden sind, ist mit der Revision nachprüfbar (RG J W 32/2875 M ). b) Ob die Voraussetzungen des § 279 vorliegen, ist von gerichts wegen zn prüfen. C. Ob das Gericht zurückweisen will, steht, auch wenn alle Voraussetzungen des § 279 vorliegen, in seinem Ermessen (RG Seuff. 86/86). C I. Zurückzuweisen ist das nachträgliche neue Vorbringen im Endurteil (auch im Zwischenurteil nach § 304; im Voraburteil nach § 302, sofern sich die Verzögerung auf den vorab entschiedenen Teil bezieht; die Zurückweisung im Teilurteil sollte nur ausgesprochen werden, wenn nicht noch weitere Teile zu bescheiden sind, wo das Gericht das verspätete Vorbringen berücksichtigen muß); der Einzelrichter darf regelmäßig nicht der Entscheidung der Kammer vorgreifen (RGZ 123/136), es sei denn, daß er zur Entscheidung berufen ist. Ein Zurückweisungbeschluß ist unzulässig, jedenfalls nicht getrennt angreifbar (§ 567 I), er ist aber ein Verfahrensmangel, der nach §§ 512, 548 angreifbar ist. Das ihn erlassende Gericht ist an ihn nicht gebunden. Die Berechtigung der Zurückweisung wird auf Rüge vom Berufunggericht in vollem Umfange nachgeprüft (KG J W 30/28026). Auch darf das in erster Instanz zurückgewiesene Vorbringen in der Berufunginstanz erneuert werden (§ 529 I; vgl. aber § 529 II 2). a) In Ehe- and Kindschaftsachen gelten ausschließlich §§ 626, 640. b) Im Urkunden-, Wechsel- nnd Scheckprozeß gilt § 598 neben § 279. C II. Wird ein Vorbringen nach §§279, 279 a zurückgewiesen, so darf es sachlich in den Gründen nicht gewürdigt werden (OG DDR N J 52/124); wird dennoch aber sachlich entschieden, so ist dies prozessual unzulässig (RArbG Warn. 31/137), gilt aber wie in dem Fall des § 264 als berücksichtigt und nicht als zurückgewiesen (vgl. § 264 C III a 1). Auch wenn das Gericht sich dahin äußert, daß, wenn man seiner Auffassung über ein verspätetes Vorbringen nicht folge, es zurückzuweisen gewesen wäre, ändert daran, daß es nicht zurückgewiesen worden ist, nichts.
810
Verfahren bis zum Urteil
§ 279
D. § 279 II gestattet die Zurückweisung von Vorbringen, das nach § 272 nicht rechtzeitig vorgebracht worden ist und gilt deshalb nur im Anwaltprozeß (vgl. §§ 78 1,129 II). Unmittelbar auf Klage, Klageänderung oder Widerklage, Widerklageänderung, Aufrechnung ist auch § 279 II nicht anwendbar (§ 279 A I).
§
279 a
(—)
I Erachtet das Gericht bestimmte Funkte für aufklärungsbedürftig, so soll es den Parteien aufgeben, sich innerhalb bestimmter Frist über die streitigen Punkte zu erklären. Wird einer solchen Anordnung nicht Folge geleistet, so kann die Erklärung, wenn sie später nachgeholt wird, für den Rechtszug unberücksichtigt bleiben, wenn die Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt. A. § 279a geht über § 139 (RG J W 31/247510 [2478]) nicht hinaus. Ob das Gericht (auch der Einzelrichter, § 348 B I b 3), nicht aber der Vorsitzende etwa nach § 272 b (OLG HRR 38/464) von § 279a gebrauch macht, steht nach Gewohnheitrecht in seinem Belieben; die Ablehnung der Fristsetzung ist nicht angreifbar. A n . Die Fristversäumung kann in allen Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung erst wirksam werden in der nächsten mündlichen Verhandlung; in denen mit Anwaltzwang darf allerdings dann § 279 a angewandt werden, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen; unter die Ausschlußwirkung des § 279a I 2 kann aber die bis zur nächsten mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung nicht fallen (str.). Auch die abweichende schriftsätzliche Ankündigung schadet deshalb nichts. A m . Die Behauptung usw. müssen vom Gegner bestritten worden sein (OLG J W 39/65048). Liegt keine Gegenerklärung vor, so kommen §§ 138 III, 272a zum zuge, sofern deren Voraussetzungen gegeben sind, wenn also nicht bloß wegen der erbetenen Erklärungfrist die Sache vertagt wird. Die Praxis verfährt allerdings häufig anders, dann treten aber die Ausschlußwirkungen des § 279a nicht ein (vgl. RGZ 132/330 [337f.]). B. Das Gericht muß die einzelnen Punkte, die es für aufklärungbedürftig hält, in der Auflage zweifelsfrei kennzeichnen (LG J W 30/30082). B I. Die Fristsetzung wird durch BeschluB angeordnet; ob dieser in den Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung nur auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen darf (so RGZ 132/330 [337f.]) oder auch außerhalb dieser (so Jonas § 279a Anm. I I I 2), ist streitig. B II. Die gesetzte Frist ist eine richterliche (§ 221 C I b), über die Art der Bestimmung vgl. § 224 B IV; sie darf verkürzt oder verlängert werden (§ 224). C. Die Ausschlußwirkung des § 279a I 2 tritt nur ein, wenn das Gericht die Nachholung (also nach dem nächsten Termin bei notwendiger mündlicher Verhandlung, nicht bis zu seinem Schluß, vgl. § 136 B II) nach seinem Ermessen unberücksichtigt läßt; berücksichtigt es sie, so hat der Gegner kein Recht, dies zu rügen. CI. Doch muß es die Nachholung beachten, a) wenn die Partei sich entschuldigt. b) Darüber hinaus muß es die Nachholung beachten, wenn das Vorbringen nicht verzögernd wirkt. C II. Die Ausschlußwirkung tritt nur für die Instanz ein, und das Berufunggericht hat nur, wenn es Verschleppungabsicht oder grobe Nachlässigkeit feststellt (vgl. § 279 B I, II), die nachgeholte Erklärung unberücksichtigt zu lassen (§ 529 II 2), woraus für das Gericht der ersten Instanz, dessen Urteil mit der Berufung angreifbar ist, folgt, daß es nur unter diesem Gesichtswinkel schon in erster Instanz zurückweisen darf.
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ZPO II. Buch
§ 280
(253)
I Bis zum Schluß derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, daB ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. A. § 280 regelt die Zulässigkeit der Zwischenfeststellung(wider)klage, indem er davon ausgeht, daß sie erhoben wird, nachdem schon eine Klage schwebt. A I a) Die Übereinstimmung des § 256 mit dem § 280 beruht darauf, daß in beiden Fällen über ein streitiges Rechtsverhältnis (Kommentar § 253 B II b 2) die Feststellung, ob es besteht oder nicht besteht, zu treffen ist. Die Urkundenechtheitfeststellung wird in § 280 nicht erwähnt (und deshalb von RGZ 148/29 [31] ausgeschieden). a 1. Das Vertragsverhältnis ist das Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen der eingeklagte Leistunganspruch abhängt (RGZ 73/272 [274]), oder wenn eine Abänderung eines ursprünglichen Vertrags durch einen Vergleich behauptet wird, der zur Leugnung oder Bestätigung des Klageanspruchs führt (RG Warn. 13/28), oder wenn überhaupt ein umfassendes Rechtsverhältnis durch die Zwischenfeststellung getroffen wird (RGZ 126/234 [237]). Dies gilt auch, wenn bei einem Streit um Unterhaltgelder für uneheliche Kinder auf Feststellung der (Zahl-)Vaterschaft geklagt wird (RGZ 161/277). a 2. Über die Frage, ob das Rechts- bzw. Streitverhältnis unter den Parteien bestehen muß, vgl. § 256 B III a 1. Jedenfalls wirkt die Rechtskraft stets nur unter den Parteien, nicht im Verhältnis zu dritten (BGH LM § 325/4). Die Inzidentfeststellungklage darüber, ob ein am Tarifvertrag beteiligter Verband tariffähig sei, durfte jedenfalls nicht anläßlich der Streitigkeit zwischen einem Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer zugelassen werden (LArbG BB 53/385). BGH NJW 56/1755 hat die Zwischenfeststellungentscheidung durch Teilurteil zugelassen. a 4. Wie im Fall des § 256 ist der Streit über Tatsachenfeststellungen (die sog. Elemente, § 256 B II a) auch bei der Zwischenklage unzulässig (RGZ 50/401), etwa die Feststellung über die Sachlegitimation (RG J W 33/125918) oder über die Haltereigenschaft i. S. des StVG (RG Warn. 35/27). a 5. Das entsprechende gilt für die Unzulässigkeit der auf Klärung reiner Rechtsfragen gerichteten Klagen ( § 2 5 6 B I I b ) ; etwa die der Zulässigkeit des Rechtswegs (§274112, RG N § 280/15). Doch kann, auch wenn nur eine einzige Rechtsfrage zu entscheiden ist, um ein Rechtsverhältnis gestritten werden (RGZ 144/54 [56]). b) Das Interesse an der alsbaldigen Feststellung in § 256 deckt sich mit dem Begriff des „streitig gewordenen" Rechtsverhältnisses in § 280 (RG N § 280/13). Ein solcher Anwendungfall ist es, wenn man die zugleich mit einem anderen Anspruch nach § 260 zulässigerweise verbundene Feststellungsklage der nachträglich erhobenen (von der § 280 allein spricht) gleichstellt (RGZ 170/328folg.). Die h. M. betont demgegenüber, daß es im Fall des § 280 nicht des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung bedürfe (RGZ 144/54). c) Auch für die Inzidentklage gilt das Verbot der Klageüberlagerung (§ 253 D). c 1. Ist das Rechtsverhältnis bereits im Streit, so ist eine Zwischenfeststellung darüber unzulässig (RG J W 33/125918). Dies gilt auch dann, wenn der im Streit befindliche Hauptanspruch auf Leistung geht und er der einzige ist, der aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis erwächst (BGH J R 55/64). c 2. Darüber hinaus wird man überall dort, wo die Leistungklage möglich ist, die Feststellungklage für unzulässig halten müssen; also im besonderen, wenn Teilleistungklage erhoben wird, aber auf volle Leistung geklagt werden könnte, anstatt dessen aber die positive Feststellungklage gewählt worden ist, was unzulässig ist (a. M. RG DR 40 A 17253). Zulässig ist dagegen die negative Feststellungwiderklage auf das Ganze, wenn nur ein Teil eingeklagt worden ist (RG J W 25/5614). Unzulässig ist die Inzidentklage, wenn sie einer positiven Feststellungklage etwa als negative Feststellungwiderklage entgegengesetzt werden würde (RGZ 166/175 [182]).
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Verfahren bis zum Urteil
§280 AI
c 3. Auch die Zwischenfeststellungklage kann durch die nachträglich erhobene Leistungklage ausgeräumt werden (§ 256 C III b). c 4 . Die im Eventualverhältnis gebrachte Feststellungklage (BGH LM §256/16) fällt nicht unter § 280. d) Die Prozeßbedingungen der Inzidentfeststellungklage müssen im Zeitpunkt des Erkenntniserlasses gegeben sein (BGH MDR B 494/55). Doch kommt das Feststellunginteresse noch nicht dadurch in Wegfall, daß die Leistungklage, an welche die Inzidentklage anknüpft, aus Gründen, welche das festzustellende Rechtsverhältnis nicht berühren, abgewiesen wird (a. M. BGH MDR B 944/53). A II. Auch die Zwischenfeststellungklage ist Klage, also nicht Angriff- oder Verteidigungmittel, und darf deshalb nicht als verspätet zurückgewiesen werden (vgl. §§ 279 A I, 529 C I a); es darf zu ihrer Erhebung keine Frist nach § 279 a gesetzt werden. a) Die Klageerweiterung ist in § 280 gesetzlich zugelassen. Daraus folgt, daß die Inzidentfeststellung(Widerklage auch in zweiter Instanz ohne Einwilligung des Gerichts wie des Gegners erhoben werden darf (RGZ 165/140 [144]), dagegen nicht mehr in der Revisioninstanz (§ 268 C IV b 1). b) Auch als Widerklage unterliegt sie deshalb nicht der Norm des § 529 IV (a. M. RG J W 32/65013). Sie kann so wenig wie die Klageerweiterung noch gebracht werden, wenn der Anspruch, an den sie geknüpft werden kann, ausgeurteilt oder erledigt ist (BGH MDR B 944/53), darüber hinaus aber auch nicht, soweit sie als (Wider)klage (vgl. § 33 C III d) bzw. Prozeßhäufung (vgl. §280 B I e) unzulässig ist; im besonderen wenn es nur noch um die Prozeßkosten oder um die vorläufige Vollstreckbarkeit geht. B. Wie bei jeder (Wider)klage müssen die (allgemeinen) ProzeBbedingungen gegeben sein. B I a) Ist eine Partei relativ parteifähig (§ 50 II), so darf sie grundsätzlich (vgl. aber § 50 E l l b2) auch keine Inzidentwiderklage erheben. Auch im Verhältnis von Gesamt- und Teilparteien kann sich die Unzulässigkeit der Inzidentklage ergeben, wenn der Erstanspruch nur gegenüber der einen, der Inzidentanspruch aber gegenüber der anderen geltend zu machen ist. b) Soweit jemand nur relativ prozeBfähig ist (§ 51 B IV), wird die Prozeßfähigkeit gerade für die Inzidentklage ausgeschlossen sein. Ist die gesetzliche Vertretungmacht geteilt (für einen Anspruch nur der Vorstand, für das Inzidentverhältnis aber nur Vorstand und Aufsichtsrat von Gesellschaften gemeinsam), so ist sie unzulässig (anders im umgekehrten Fall). Hat der Konkursverwalter einen Anspruch freigegeben, so darf, sofern noch das Rechtsverhältnis im übrigen der Konkursverwaltung unterliegt, nicht Zwischenfeststellungklage erhoben werden. Die gestaffelte Teilung der gesetzlichen Vertretungmacht ist beim Fiskus denkbar. Bei geteilter gesetzlicher Vertretungsmacht sollte man es indes gestatten, den weiteren gesetzlichen Vertreter mit in den Streit zu ziehen, um so die Unzulässigkeit zu überbrücken. d 1. Soweit die fehlende Gerichtsbarkeit durch Unterwerfung hergestellt wird (GVG § 18 C), bedarf es bei der Klageerweiterung der erneuten Unterwerfung (GVG § 18 C II a). d 2. Die Zulässigkeit des Rechtsweges kann für Hauptklage und Inzidentklage verschieden zu beurteilen, etwa für die Hauptklage zu bejahen, für die Inzidentklage zu verneinen sein (RG N § 280/7). d 3. Ist für die Zwischenfeststellungsklage oder für sie zusammen mit dem Erstanspruch sachlich das Gericht zuständig, so ist nach § 506 zu verfahren. Über die Anwendung des § 506, wenn die Inzidentklage in zweiter Instanz bei dem LG als Berufunggericht erhoben wird, vgl. § 268 A IV. Anders ist dies bei ausschließlicher Zuständigkeit. Ist ein vor das Gericht gehörender Anspruch schon beim Gericht anhängig, so darf der Zwischenfeststellungklage nicht der besondere Einwand, daß nur das Gericht zuständig wäre, entgegengesetzt werden. Wird die Inzidentklage erst im zweiten Rechtszug erhoben, so ist § 528 anwendbar. d 4. Für das Verweisungverhältnis zwischen der Kammer für Handelsachen und der Zivilkammer vgl. GVG § 99 A.
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§ 2 8 0
HI
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d 5. Darüber hinaus gewährt für die örtliche Zuständigkeit § 280 nach h. M. die sonst nicht gegebene des Zusammenhangs (Sydow-Busch § 280 Anm. 1, abweichend OLG MDR 51/741). e) Unzulässig ist die Klageführung in anderer Prozeßart (§ 260 C III). e 1. Eine im Urkundenprozeß erhobene Feststellungklage scheitert an § 592; vom Kläger erhoben, muß sie nach § 597 II als unstatthaft zurückgewiesen werden; vom Beklagten erhoben nach § 595 I; im Nachverfahren ist sie zulässig (§ 600 D II a). e 2. In Ehe-, Kindschaft- und Entmündijungstreiten gelten die Sondervorschriften der §§ 615 II, 633, 638, 640, 667, 679, 684, 686; hier sind §§ 151—154 anzuwenden. e 8. In Arrest- und einstweiligen Verfügungstreiten ist für sie so wenig Raum wie in den Vorverfahren. e 4. Im schiedsrichterlichen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten ist sie unzulässig, weil sie in dieser Verfahrensart nicht austragbar ist. f ) Es besteht kein Zwang, eine Zwischenklage nach § 280 zu erheben (RG J W 30/1059 3 ). Ist aber anderweit schon eine selbständige Klage oder eine Zwischenklage erhoben, so steht der später erhobenen die Rechtshängigkeit der früheren entgegen (vgl. RG J W 19/573®). g) Über die Erstreckung der Prozeßvollmacht vgl. § 81 B II a. B n . Der besonderen Erleichterung der Zwischenfeststellungklage des § 280, ihrer gesetzlichen Zulassung (§ 280 A II a) und der Begründung eines Gerichtstandes des Zusammenhanges (§ 280 B I d 5), steht die besondere Prozeßbedingung der Präjudizialität gegenüber. a) Die Präjudizialität besteht darin, daß die behaupteten Tatsachen dieselben bleiben und die Entscheidung der Hauptklage von der Entscheidung über die Zwischenfeststellung abhängigist (RG J W 93/3065). Ohne die Zwischenklage würde das präjudizielle Rechtsverhältnis nicht in Rechtskraft (§ 322 E IV b 1) erwachsen (RGZ 170/328 [330]). a 1. Ob sich die Präjudizialität auf den Anspruch oder einen Einwand, eine Einrede usw. gründet, ist gleichgültig (RG Seuff. 74/150). Es genügt auch, daß sie im Verhältnis zu einem Klagegrunde (§ 253 G IV) besteht (RG V Seuff. 83/206; a. M. RG N § 280/19) und entsprechend zu einem Verteidigunggrunde, also auch zu einem nur hilfsweise geltend gemachten Anspruch oder einer nur hilfsweise geltend gemachten Verteidigung, im besonderen der Eventualaufrechnung, aber auch dem Zurückbehaltungrecht. a 2. Das Vorbringen zu der Zwischenfeststellungklage darf nicht an endgültig zurückgewiesenes (d. h. für den Erstanspruch nicht mehr einführbares) Vorbringen angeknüpft werden, im besonderen, wo schon rechtskräftig über den Grund nach § 304 entschieden war (RG J W 39/36639). Dagegen schaden Zwischenurteile nach § 303 nicht. a 3. Bei der Gläubigeranfechtung kann das Gemeinsame das angefochtene Grundverhältnis sein (RG Seuff. 68/111), bei einer geteilten Forderung ist es die in ihr enthaltene gesamte (RGZ 126/234 [238]). a 5. Die Präjudizialität muß nachgewiesen werden (RG ZZP 59/411), soweit nicht gerade über die Behauptungen, die zu ihrer Annahme führen, materiell zu entscheiden ist (vgl. § 12 B II a 1). Die Zulässigkeit der Zwischenklage wird von gerichts wegen geprüft (RG HRR 36/995). a 6. Waren die Prozeßbedingungen der Zwischenklage nach § 280 bei ihrer Erhebung bzw. in einem ihr nachfolgenden Zeitpunkt fixiert (vgl. § 263 II 2 für den Gerichtstand des Zusammenhangs), so ist der spätere Wegfall des Hauptanspruchs ohne belang (RG N § 280/3) ; doch muß im Zeitpunkt des Verhandlungschlusses noch der Streit über den Gegenstand der Zwischenklage bestehen, da dies auch bei den sonstigen Feststellungklagen der Fall sein muß. b) Fehlt die besondere Prozeßbedingung des § 280, so ist zu prüfen, ob nicht die (weitergehenden) des § 256 gegeben sind, sodann ist die Klage als solche aufrechtzuerhalten (RG ZZP 59/411).
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Verfahren bis zum Urteil
§280
B III a) Die Inzidentklage kann nur an ein zulässiges Verfahren angeschlossen werden. Sind die Prozeßfortsetzungbedingungen für den Anspruch, an den sie geknüpft wird, nicht gegeben, so ist sie unzulässig. a 1. Schwebt ein Verfahren in verschiedenen Instanzen (vgl. § 275 II), so darf die Inzidentklage in jeder Instanz angehangen werden (über den Fall der §§ 302, 304 vgl. aber § 280 B I I a 2 ) . Ist der Anspruch rechtsbehelfsmäßig geteilt worden und bezieht sich die Präjudizialität auf einen der Teilansprüche, so darf nur an diesen die Zwischenklage angeschlossen werden; schließt sie sich dagegen an jeden der geteilten Ansprüche (oder an einen, der in verschiedenen Instanzen hängt), so darf sie an jeden bzw. in jeder Tatsacheninstanz angehangen werden, wird aber an den der höheren angehangen werden müssen, wenn nicht der in der höheren Instanz befindliche Teilanspruch ausgeklammert werden soll. a 2. Auch kann sie so wenig wie sonst ein neuer Anspruch in der Zwischeninstanz (nach Erlaß des Sachurteils zumindest nach § 304 und vor Einlegung eines Rechtsmittels) oder durch Einlegung eines Rechtsbehelfs, wenn auch in Erweiterung oder im Anschluß an einen solchen erhoben werden. b) Kommen Inzidentklage und Erstklage zugleich zur Entscheidung (vgl. § 280 C III, was aber nicht notwendig ist; wenn auch bei sich abdeckenden Ansprüchen nicht zuerst durch Teilurteil über die Erstklage entschieden werden darf, OLG MDR 57/425, weil dann wegen der Präjudizialität die Zwischenklage auch entscheidungreif sein muß, § 300 C), so genügt es rechtsbehelfsmäßig, wenn der Rechtsbehelf für einen von beiden Ansprüchen zulässig ist, um für beide das Erkenntnis anzugreifen (RGZ 166/175 [181f.]). C. Die Zwischenfeststellungklage kann nur von einer Partei erhoben werden, nicht von ihrem Streitgehilfen (auch nicht dem selbständigen). C I. Erhoben wird die Zwischenfeststellungklage durch Zustellung eines Schriftsatzes nach § 253 oder durch Verlesung des Antrags in der mündlichen Verhandlung aus einem vorbereitenden Schriftsatz (§ 281 A I I I b). C III. Über die Zwischenfeststellungklage muß durch Endurteil entschieden werden; auch durch Teilurteil (RGZ 170/328 [3301); die Trennung nach § 145 ist unzulässig.
§ 281 (254) I Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird. A. Die Erhebung eines neuen Anspruchs im Laufe des Verfahrens regelt § 281, indem er entweder die Klageform (§ 253 II 2) oder die Erhebung in der mündlichen Verhandlung vorschreibt. A I. Neue Ansprüche werden erhoben bei der nachträglichen Klagehäufung (§ 260 A I a), mag sie auch in der gesetzlich zugelassenen Klageerweiterung (§ 26812) bestehen, im besonderen infolge einer Klageänderung (§ 264) einschließlich der Klageumgestaltung (Modifikation, vgl. § 268 C III), der Widerklageerhebung (§ 33 C I) und ihrer Veränderung, wie der Erhebung der Zwischenklage (§ 280) und im Fall des § 510b. a) Doch liegt keine Klageemreiterung in diesem Sinne vor, wenn der Kläger bloß mitteilt, daß inzwischen weitere Schäden eingetreten sind, sofern er von Anfang an den vollen, etwa nach richterlichem Ermessen zu bestimmenden Schadensersatz begehrte (RG N § 281/4). Nicht geregelt sind hier die Wirkung der Klagebeschränkung (vgl. § 268 C IV a), nicht die der Veränderung in der Verteidigung, im Bestreiten, Einwenden (RGZ 18/408 für den Einwand der Aufrechnung), Einreden, wie die der Gegenwehr. A II. Das neue (Wider-)Klagebegehren wird anhängig (§ 263 A I) a) mit der Einreichung eines Schriftsatzes (nicht aber mit der eines bloß vorbereitenden). Soll der Schriftsatz zur Zustellung gegeben werden, so gelten §§ 261b III, 496 III.
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Ali
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a 1. Der Schriftsatz, durch dessen Einreichung die Anhängigkeit eintritt, ist als bestimmender (§ 129 A I) in Urschrift bei dem Gericht einzureichen. a 2. Soweit dagegen ordnungmäßig von Anwalt zu Anwalt zugestellt wird (§ 198), d. h. unter Niederlegung einer Abschrift auf der Geschäftstelle (§ 133 II), kann der Schriftsatz kein bestimmender sein, sondern ist bloß ein vorbereitender (§ 198 E I; a. M. BGH NJW 55/1030). Andere — also die in Urschrift dem Gericht eingereichten — Schriftsätze sind dagegen nur dann noch als vorbereitende anzusehen, wenn sie als solche ausdrücklich gekennzeichnet sind oder erklärt wird, daß der neue Anspruch noch nicht erhoben werden soll. b) Wird die Klage aber erst in der mündlichen Verhandlung erhoben, so wird sie anhängig und rechtshängig (RGZ 49/376) zugleich. A III. Rechtshängig wird der neue Anspruch mit der Zustellung eines Schriftsatzes, welcher der Form des § 253 II 2 entspricht, bzw. mit der Klageerhebung in der mündlichen Verhandlung (§ 281). a) Nach § 258 n 2 ist a 1. ein Sachantrag erforderlich; a 2. auch ist der Anspruchgrund mitzuteilen, wenn dies nicht schon (möglicherweise auch vom Gegner) zuvor geschehen war (RGZ 153/101 [104f.]). Auch kann die Anspruchbegründung zu einem (neuen) Antrag nachgebracht werden, sodann liegt darin die vollzogene Klageerweiterung, selbst wenn sie sich nur stillschweigend auf einen früheren Sachantrag bezieht. b) Rechtshängig wird der erweiterte Anspruch aber auch, wenn er zuvor nicht schriftsätzlich geltend gemacht wurde (oder unvollständig) in der mündlichen Verhandlung. Die Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung erfordert, daß der Sachantrag, im amtsgerichtlichen Verfahren auch mündlich, was dann aber zu protokollieren ist (vgl. §§ 496 II 1, 500 II), sonst aber durch Verlesung oder unter Bezugnahme auf schriftliche Anträge (§297) gestellt u n d eine mindestens mündliche Begründung gegeben wird. Anwesend braucht der Gegner dabei nicht zu sein (vgl. RGZ 28/407 folg.), wenn auch in bezug auf den in der Verhandlung gestellten neuen Antrag kein Versäumnisurteil gegeben werden darf (§ 335 I 3). A IV. Bei der Klageanspruchauswechslung durch Klageänderung können, obwohl der neue Anspruch den alten ablösen soll, dann beide Ansprüche rechtshängig sein, bis diese Klageänderung vollzogen ist ( § 2 6 4 D I b 5 ) ; wird sie zugelassen, so erlischt die Rechtshängigkeit des alten Anspruchs ex nunc, wird sie nicht zugelassen, so erlischt die des neuen, aber auch wieder nur ex nunc; wie, wenn ein Anspruch als unzulässig zurückgewiesen wird, mit der Rechtskraft der Zurückweisung. B. Eine Einlassungfrist braucht nicht gewahrt zu werden; ist aber der Schriftsatz (bzw. die Erhebung des neuen Anspruchs) nicht rechtzeitig (§§ 335 I 3, 132) zuvor zugestellt (bzw. angekündigt) worden, so darf eine Versäumnisentscheidung nicht erlassen werden. B I. Mit der Bechtshängigkeit (mit den Vorwirkungen der Anhängigkeit nach §§ 261 b III, 496 III) treten alle Wirkungen dieser ein, sowohl die prozessualen (RGZ 52/92 [94]) wie die außerprozessualen (RGZ 57/192). Dies gilt auch für eventuelle Anträge (§ 260 B I b) und für eventuelle Widerklagen (§ 33 D I a). B II. Wird die Klage erweitert, so ist auch die weitere ProzeBgebühr vor Verhandlung zu fordern (vgl. § 268 C IV b 1).
§ 282
(255)
I Jede Partei hat unter Bezeichnung der Beweismittel, deren sie sich zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, den Beweis anzutreten und über die von der Gegenpartei angegebenen Beweismittel sich zu erklären. II Hinsichtlich der einzelnen Beweismittel wird die Beweisantretung und die Erklärung hierauf durch die Vorschriften des sechsten bis zehnton Titels bestimmt.
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Verfahren bis zum Urteil
§282
A. § 282 gibt den Parteien auf, die Beweismittel für die Richtigkeit ihres Vorbringens bzw. die Unrichtigkeit des gegnerischen anzugeben und sich zu den vom Gegner angegebenen Beweismitteln zu erklären. A I. Es gibt keine äußeren und inneren Tatsachen, sondern nur Geschehnisse, die, wenn sie erkannt, Tatsache werden, und die nicht ohne das (geistige) Urteil gegeben sind. Auf die sog. inneren Tatsachen wird auf Grund von Wahrnehmungen geschlossen (RG J W 12/76 18 ). A II. Aus der Erklärung-(Darlegung-, Behauptung-)last, die keine Pflicht ist, folgt, daß es auch nur Beweislast geben kann. Das Verhältnis der verschiedenen Prozeßlasten läßt sich, wie folgt, bestimmen: a) Die Wahrheitlast betrifft alles Erklärte, nicht aber das, was unterlassen wurde zu erklären (§ 138 B III a) und nicht das Bestreiten (§ 138 B III b). Wahrheitlastverträge sind nichtig. b) Die Erklärunglast wird nur dann bedeutsam, wenn keinerlei Erklärung abgegeben wird; b 1. bringt sie die Gegenpartei, so gilt sie, wenn die belastete Partei nicht bestreitet. Insoweit muß jede Partei den eigenen Vortrag gegen sich gelten lassen (RGZ 165/260 [267]). Als Geständnis i. S. des §288 ist dies allerdings so lange nicht zu werten, wie nicht die erklärungbelastete Partei die Behauptung übernimmt, sondern nur unbestritten läßt. b 2. Ausdrücklich bestrittene Behauptungen der nichterklärungsbelasteten Partei, die ihr ungünstig sind, dürfen aber nicht als unbestritten (oder gar als Geständnis) gewertet werden (RGZ 103/419 [422]). Nur in den Offizialverfahren (§ 138 B II b 4), soweit es auf das Bestreiten des Beklagten nicht ankommt, darf auch die von ihm bestrittene Behauptung zur Urteilsgrundlage gemacht werden. b 3. Sich widersprechende Erklärungen derselben Partei heben sich gegeneinander auf. Die h. M. läßt sie zu, wenn sie im Eventualverhältnis gebracht werden (RG Warn. 38/19). Zulässig ist dies, insoweit die Partei einem möglichen Erkenntnis des Gerichts begegnen will (vgl. § 2 6 0 B I b ) . b 4. Erklärunglastverträge sind nur insoweit wirksam, wie das außerprozessnale Recht Beweislastverträge gestattet. Es gibt keinen wirksamen Erklärunglastvertrag, welcher der Partei die Erklärung untersagt. c) Die Beweisführunglast trifft den Erklärungbelasteten für die Richtigkeit seiner vom Gegner bestrittenen Erklärung, soweit nicht das Gericht von sich aus prüfen muß. Es gibt keine Beweisführunglast, soweit von gerichts wegen zu prüfen ist. Beweisführunglastverträge sind nichtig. d) Die Beweislast trifft den Erklärungbelasteten, sofern nichts bewiesen ist (RGZ 68/355 [357]): die Verkennung der Beweislast spielt bei positiven Feststellungen also keine Rolle (RG N § 286/179). Über Beweislastverträge vgl. § 282 C III c. B I a) Für die Proze&bedingungen entscheidet über die Beweislast regelmäßig die Parteirolle. a 1. Der Kläger muß grundsätzlich die Prozeßvoraussetzungen beweisen (§ 274 A I a 1); wenn auch der Beklagte zu beweisen haben kann, daß sie bestehen, sofern er den Streit sachlich entschieden haben will ( § 2 7 4 A I a l ) . Prozeßeinwände ( § 2 7 4 A I c l ) und -einreden (§274 A I c 3) muß grundsätzlich der Beklagte behaupten und beweisen. Den Prozeßeinwand muß aber der Kläger, auch wenn der Beklagte sich nicht auf ihn beruft, ausräumen. a 2. Die Beweislast für die ProzeBfortsetzungvoraussetzungen trifft in erster Linie den, welcher den Rechtsbehelf eingelegt hat; den Rechtsbehelfsbeklagten nur, wenn er sich auf die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs bezieht, um eine Anschließung durchsetzen zu können. Das Prozeßfortsetzunghindernis als Einwand hat der Rechtsbehelfsbeklagte darzulegen und zu beweisen, wenn der Einwand auch von gerichts wegen beachtet wird. b) Bei der Entscheidung über den sachlichen Streit treffen Beweislast den Anspruchbzw. Einwand- oder Einredeberechtigten, und zwar ohne Rücksicht auf die Parteirolle, wenn 52
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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es auch zur Begründung des Anspruchs nach B G B § 812 gehört, zu behaupten, daß kein Rechtsgrund vorhanden ist. Wer klagt, muß sagen, was er begehrt (dies geschieht durch den Klageantrag) und warum er es begehrt (dies geschieht durch Darlegung des Anspruchgrundes, § 253 I I 2; § 253 G IV). Das Begehren muß sich aus dem Anspruchgrunde ergeben, weil das Rechtsgesetz eine solche Rechtsfolge auf Grund seines (normierten) Tatbestandes gebietet. Der im allgemeinen festgelegte Tatbestand muß den Einzelergebnissen, die sich also abgespielt haben müssen, (in concreto) entsprechen. Die Ereignisse selbst muß aber die (klagende) Partei behaupten; ohne solche Behauptung eines Sachverhalts darf das Gericht nicht entscheiden. Doch braucht der Kläger nicht mehr zu behaupten, als erforderlich ist, damit seinem Anspruch stattgegeben werden kann. Erklärt sich der Kläger nicht vollständig, so wird das Gericht ihn auf die fehlende Schlüssigkeit nach § 139 aufmerksam machen; es besteht aber keine Möglichkeit, den Kläger zur Abgabe von Erklärungen zu zwingen. Kommt er der Erklärunglast nicht nach, so muß die Klage als unbegründet abgewiesen werden. b 1. Was im einzelnen zur Schlüssigkeitbegründung gehört, ergibt sich aus den außerprozessualen Normen. Wird im Prozeß negativ auf Feststellung geklagt, so gehört zur Klagebegründung nur die Darlegung der Berühmung des Beklagten ( § 2 5 6 C V b ) , während der Beklagte seinen außerprozessualen Anspruch darlegen muß (RGZ 164/281 [2831), bei der Vollstreckunggegenklage muß der Kläger den Einwand darlegen und beweisen (RG Gruch. 49/913 [916]); auch das Zurückbehaltungrecht (RG Seuff. 69/169) muß der beweisen, der sich darauf beruft. b 2. Im UrkundenechtbeitfeststellungprozeB (§ 256 G) muß die Echtheit der Urkunde von dem nachgewiesen werden, der sich auf die Echtheit beruft. c) Für das Bestreiten (u. U. sogar nur für die Erklärung mit Nichtwissen) besteht zwar eine Erklärung- (und keine Wahrheit-)last, aber keine Bewcislast. B II. Regelmäßig darf nichts zur Entscheidunggrundlage gemacht werden, was nicht behauptet worden ist (Verhandlunggrundsatz; §§ 138 I I I , 288, 331 II). a) Anders ist dies, soweit das Offizialverfahren reicht (§§ 622, 640 I, 653, 663 II, 670 I), wenn auch in diesem Falle das Gericht den Parteibehauptungen folgen darf (RG N § 286/56); andererseits dürfen auch hier nicht Tatsachen verwertet werden, die den Parteien nicht bekannt gegeben wurden (RG H R R 41/139). a 1. Nicht aufgestellte Behauptungen von Tatsachen dürfen danach nicht zur Begründung der Entscheidung verwandt werden (RG N § 286/108). Doch ist davon auszugehen, daß sich jede Partei die ihr günstigen Zeugenaussagen aneignet (RG N § 286/67). Läßt aber eine Partei eine Behauptung fallen (etwa die der Anfechtbarkeit eines Vertrages), so darf nicht die wirksame Anfechtung festgestellt werden (RGZ 74/1 [4]). a 2. Beweisgründe für aufgestellte Behauptungen werden aus der Verhandlung auch gegen den Willen der Parteien entnommen. Das Gericht darf hier auch Schlüsse ziehen, die keine Partei gezogen hat (RG J W 26/1452 2 ). Für Umstände, die das Gericht anderen Vorgängen (Akten) entnehmen will, bedarf es aber der Darlegung durch das Gericht in der Verhandlung (RG J W 00/152"). a 3. Einen Unterfall der vom Gericht von sich aus — auch gegen den Willen der Parteien — zu prüfenden Beweisgründe bilden die Erfahrungsätze (RG N § 286/186). Im Gegensatz zu dem Geschehen selbst werden sie von der Rechtsprechung den Tatsachen gleichgestellt (RGZ 85/185 [189]). Erfahrungsätze sind auch die Naturgesetze; insofern sind sie also von den Tatsachen zu trennen (RGZ 99/70f.), sie hat das Gericht — wie die Rechtsgesetze selbst — nachzuprüfen; wenn das Gericht sie nicht kennt, ist Beweis zu erheben. Sie sind revisibel (OGH MDR 50/156 6 4 ). Allerdings läßt R G D R 42 A 810 3 3 die Nachprüfung von Erfahrungsätzen in der Revisioninstanz nicht zu, wenn über sonst nicht revisibles Recht entschieden wird (vgl. § § 5 4 9 H I c , 550 A I I b 6). Kennt die Revisioninstanz Naturgesetze bzw. Erfahrungsätze nicht, so darf sie (im Gegensatz zu den Tatsacheninstanzen) keinen Sachverständigenbeweis darüber erheben. Dementsprechend muß auch die Übergehung von Erfahrungsätzen regelmäßig (rechtzeitig) gerügt werden. Kennt die Tatsacheninstanz Erfahrungsätze (usw.) nicht, werden sie aber von einer Partei behauptet (und unter Beweis gestellt), so wird der Sach-
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verständigenbeweis zu erheben sein. Lehnt das Gericht dann den Sachverständigenbeweis ab, so liegt darin keine Gesetzesverletzung (RG Seuff. 67/101). Wird indes die Erfahrung des Gerichts in Zweifel gezogen und können die Zweifel beachtlich sein, so wird Sachverständigenbeweis zu erheben sein; vgl.BGH MDR B 677/54; während RG N § 286/42 Mißgriffe des Tatrichters für irrevisibel hält. Sind die Brfahrungsätze nicht so stark, daß sie die Wahrscheinlichkeit eines Geschehens dartun, so können sie allerdings nur neben anderen Umständen in das Gewicht fallen (BGH NJW 51/8393). Soweit individuelles Handeln entscheidet, gibt es keine Erfahrungsätze (BGH LM § 286 [C]/ll). a 4. Sehr nahe kommen den Erfahrungsätzen die sog. technischen Urteile. Man faßt sie bisweilen unter den Begriff „Tatsachenzusammenfassung" (RG Warn. 41/9). Auch sie setzen Sachkunde voraus (RG JW 04/47518), nur daß hier die Streitmöglichkeit größer ist. Insoweit können Gegenstand der Beweisaufnahme werden das Wissen um einen Wert (RG J W 97/1679). Dahin gehört auch das Bestreiten einer Verkehrsauffassung (RG J W 14/9151). Einen Handelsbrauch hat der darzulegen und zu beweisen, der sich auf ihn beruft (BGH LM § 346 P/1). b) Andererseits kommt es grundsätzlich nicht darauf an, auf welche Rechtsgesetze die Partei sich bezieht. b X. Sie werden regelmäßig auch gegen ihren Willen angewandt (RG J R 25 B 591). b 2. Die Auslegung steht grundsätzlich zur Entscheidung des Gerichts (RG HRR 32/378 sah in der Auslegung einer Urkunde stets eine Rechtsfrage, nie eine Tatfrage). Regelmäßig werden Erklärungen nach allgemeinem Sprachgebrauch ausgelegt (BGH LM-BGB § 133 F b/4; dagegen aber BGH BB 56/575 insoweit, wie die Revisioninstanz bei individuellen Erklärungen nur für ermächtigt gehalten wird, nachzuprüfen, ob gesetzliche Auslegungregeln, Denkgesetze, Erfahrungsätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind; ausnahmelos werden typische Willenserklärungen von der Revisioninstanz ausgelegt: § 549 H I a). Sind aber mehrere Auslegungen möglich und die Erklärungen auch auf die Parteien beschränkt (sog. nicht-typische), so muß zwar der Tatrichter unter Berücksichtigung des Inhalts der Verhandlung und der Beweisaufnahme auslegen; die für die Auslegung erheblichen Tatumstände unterliegen den gewöhnlichen Normen (BGH NJW 56/665); die Revisioninstanz muß dann aber die mögliche Auslegung hinnehmen (bei sog. nicht-typischen: § 561 C I I I a). Ist dafür, daß ein bestimmter Ausdruck der Urkunde abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch von den Beteiligten gebraucht worden ist, Beweis angetreten, so ist dieser zu erheben (RG J W 15/6501; nur insoweit spricht RG Recht 30/871 von einer Beweislast); und die Beweiserhebung kommt nicht in betracht, soweit die Parteien in dem abweichenden Sinne der Erklärung übereinstimmen (RG Gruch. 52/929). Eine Auslegung des Gerichts, die von der abweicht, wie die Parteien eine Erklärung (erwiesenermaßen) übereinstimmend verstanden haben (bzw. sich so erklären), ist unzulässig (RG J W 12/6836); anders ist dies insoweit, wie die Parteien nur negativ darin übereinstimmen, daß etwa die vom Landgericht vorgenommene Auslegung nicht in betracht kommt nach RG LZ 14/16561. Allerdings kommen selbst übereinstimmend abweichende Angaben der Parteien nicht in betracht, wo die Erklärung noch für andere gilt, die nicht am Streit beteiligt sind (etwa bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages: RArbG ArbRspr. 28/407). Die Auslegung solcher Erklärungen ist noch in der Revisioninstanz zulässig, weil hier nur nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ausgelegt werden darf (dies gilt für die Satzung der Aktiengesellschaften, der GmbH und anderer juristischer Personen, vgl. § 550 B II a). c) Die Grenzen zwischen Tatsachen- und Rechtsfeststellung verwischen sich in der Praxis. Soweit sieh die Parteien einer bekannten Mischform bedienen, ist das Gericht an die sie umkleidenden Tatsachenbehauptungen gebunden. c 1. Weicht der allgemeine Begriff von dem Rechtsbegriff ab, so ist die rechtliche Bc" urteilung auf Grund des allgemeinen Begriffs Aufgabe des Gerichts, ohne daß es an die Auffassung der Parteien gebunden wäre. Dies gilt von dem Rechtsbegriff der guten Sitten (RG J W 99/768®). c 2. Stimmt der allgemeine Begriff mit dem Rechtsbegriff überein, so erübrigt sich grundsätzlich die richterliche Nachprüfung (RG J W 11/94513). Soweit jedoch die Parteien streiten, 52«
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darf sich der Richter weder auf das Vorurteil der Parteien noch das der Zeugen verlassen (RG J R 26 B 1305). In diesen Fällen muß auf die (unstreitigen) Tatsachen bzw. die Geschehnisse zurückgegriffen werden (RGZ 92/222). e 3. Bei der Nachprüfung der Begriffsrichtigkeit ergibt sich das entsprechende, wenn der Begriff außerjuristisch und nicht im Streit i s t ; etwa bei dem der Nachbildung (RGZ 71/355 [357 f.]). Nicht weiter zerlegt brauchen allgemein bekannte Begriffe zu werden (RG Warn. 08/260). Doch müssen diese im einzelnen nachgeprüft werden, sobald Streit über sie besteht, also wenn die Erbentschädigung als solche oder wenn die effektive Berechnung bei Differenzgeschäften streitig ist; die Frage, ob das strittige Vermögen ausreicht (RG Gruch. 40/957 [960]). Wird über das Vorliegen von Verfolgungwahnsinn gestritten, so kann nicht dieser, sondern nur die Einzelerscheinung Gegenstand des Beweises sein (RG J W 10/658 2 1 ). c 4. J e nach dem Umfang des (substantiierten) Bestreitens richtet sich die Substantiierunglast für das Vorbringen. Bei dem Eigentumserwerb müssen die Erwerbstatsachen vorgetragen werden (RG Warn. 16/161). Reine Ausforschungbeweise werden — abgesehen von dem Offizialverfahren (nach §§ 640folg.: R G D R 42 A 8 6 3 1 8 ) — für unzulässig gehalten (RG H R R 40/619). Doch wird dem nicht zu folgen sein. I m besonderen muß es genügen, daß die Beweistatsache nur ungefähr umrissen wird, etwa wenn sich der Beweisführer auf Akten bezieht, deren Inhalt er nicht genau kennt (RG J W 3 6 / 2 1 3 5 7 ) . Die Kindesmutter über Mehrverkehr nur dann vernehmen zu wollen, wenn Anhalt für einen solchen Lebenswandel gegeben ist (so RGZ 162/316 [320]), geht zu weit. Praktisch ist dieser Teil der Rechtsprechung überholt durch die Zulassung des Abstammungbeweises durch Blutgruppenuntersuchungen und erbbiologische Gutachten (BGH J Z 51/643). Das entsprechende sollte für die Behauptung des Ehebruchs und von Ehewidrigkeiten gelten (was R G H R R 28/1940 nur bei dringendem Verdacht billigt). Die Behauptung der Geisteskrankheit ohne Angaben von Einzelheiten wurde als nicht ausreichend angesehen (RG N § 282/1). Nicht zugelassen wurde ein Beweisantritt auf Anforderung der Vorstrafenliste des Gegners für die entsprechenden Parteibehauptungen (LArbG W A 52/64). Jedenfalls muß das Gericht nach § 139 darauf hinweisen, wenn es ein Vorbringen als Ausforschung nicht zulassen will, bevor es nur aus diesem Grunde das Beweisanerbieten als unzulässig zurückweisen darf. c 5. Eine Beweisaufnahme über Rechtssätze ist nur in den Fällen des § 293 vorgesehen, also über ausländisches Recht, Gewohnheitrecht ( R G D R 40 A 587 1 4 ), das von autonomen Rechtspersonen gesetzte Recht (Statuten, wozu auch Tarifnormen gehören, RArbG E 14/266 [268]). Auch läßt man die Beweisführung über nicht mehr geltendes Recht und über in anderen Zonen geltendes Recht zu. Die Grenze verläuft dort, wo das Gericht das Recht kennen muß (iura novit curia). Hier ist das Gericht weder an das Parteivorbringen gebunden, noch wird es durch übereinstimmendes Parteivorbringen von eigenen Nachforschungen befreit ( R G J W 34/835«), d) Die Erklärunglast zur Substantiierung braucht nicht erfüllt zu werden, soweit der Gegner die Substantiierung unmöglich macht oder wesentlich erschwert (RGZ 5/28f.) oder wo sogar ein Anspruch auf Auskunft (§ 254 B I) für den, der zu substantiieren hat, gegen den Prozeßgegner gegeben ist (RGZ 166/240 [242] konstruiert über § 138 I). In diesen Fällen kehrt sich die Beweislast um (RGZ 76/295 [297]). Eine Umkehrung der Beweislast gibt es aber nicht in sonstigen Fällen (im besonderen werden sonst nicht die Grundsätze der Beweislast durch § 138 I verändert: B G H V R S 17/100; a. M. B G H VersR 60/323). d 1. Vereitelt (was aber nachgewiesen sein muß) der Gegner der beweisbelasteten Partei die Beweisführung, so ist zu unterstellen, daß der Beweis erbracht ist (BGH LM § 282/2), besonders bei Urkundenbeseitigung (RGZ 105/255 [259]). Vereitelung liegt auch in dem Vorenthalten von Akten, die eine Partei in den Prozeß eingeführt hat, gegenüber dem Gegner ( R G H R R 32/181). Wird einem Notar, wenn es darum geht, ob eine Partei schuldhaft gehandelt hat, keine Aussagegenehmigung erteilt, so ist dies Beweisvereitelung (OLG J W 34/3299'). Die Vereitelung von Beweisen kann sich auch aus dem Verhalten dritter ergeben, welche mit der Partei verbündet sind (RGZ 101/197f. für den Rechtsvorgänger). Die Grenzen der Vereitelung liegen dort, wo eine Partei nicht gezwungen ist, aufzuklären; im besonderen braucht sie dort, wo sie nicht auskunftpflichtig ist, keine Auskunft zu geben (BGH N J W 52/1215 9 bei dei Eheanfechtungklage, Kommentar § 622 B I I ; R G W a r n . 12/136 im Eheprozeß; entgegengesetzt
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für sonstige Prozesse aber RG N § 286/103). Eine besondere Vereitelungabsicht ist nicht zu fordern; so genügt es, wenn ein Röntgenarzt über die technischen Einzelheiten der Behandlung von Kranken nicht mit der erforderlichen Genauigkeit Buch führt (RG HRR 35/1009; a. M. BGH VersR 57/786, wo ein Arzt einen Tampon, den er bei der ersten Operation vergessen hatte zu entfernen, nach der zweiten wegwarf, obwohl dadurch hätte aufgeklärt werden können, ob er bei der ersten Operation schuldhaft gehandelt hat). Von einer solchen Vereitelung kann aber nicht gesprochen werden, wenn die schädigende Handlung selbst die Unaufklärbarkeit der ursächlichen Folgen bewirkt hat (RG JW 38/21 52 29 ). d 2. Die Fälle einer gegnerischen auBerprozessnaten Pflicht wirken praktisch- wie die Beweislastverträge, vgl. § 282 C III c. C. Nur soweit das (regelmäßig sich widersprechende) Parteivorbringen (oder die Offizialmaxime, vgl. §§ 622, 640 I, 653, 663 II, 670 I) das Gericht zur Beurteilung des Geschehens zwingt, muß der Beweis geführt werden. C I. Der Beweis wird vor Gericht durch Erleben oder gedankliche Mitteilung geführt, b 1. Die wichtigsten Beweisregeln sind die, welche bei Erklärtem der Urkunde den Vorrang vor anderen Berichten geben (§§415—418); denn die (schriftliche) Urkunde ist das beste Beweismittel für die Abgabe einer Erklärung; sie gibt das Erklärte wortgetreu wieder. Die Rechtsprechung hat (zu Recht) ihren Beweiswert noch dadurch verstärkt, daß sie ihr die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit zuerkannte (RG J W 37/3922). Der Beweis gegen die Vermutung ist Hauptbeweis (AG VersR 53/155). Wer eine mündliche Abrede neben schriftlichen Vereinbarungen behauptet, muß sie nachweisen (RG Warn. 11/6). Dies gilt im besonderen auch bei kaufmännischen Bestätigungschreiben: Abweichungen von mündlich Verabredetem gelten hier bei Schweigen als angenommene Abänderung (BGH BB 57/766), und zwar regelmäßig, selbst wenn Gegenbestätigung gefordert wurde, sie aber unterblieb (RGZ 106/414). Berief sich bei der Bestätigung der Verkäufer auf seine, der Käufer bei der Gegenbestätigung dagegen auf seine eigenen Lieferbedingungen, so können Lieferbedingungen nur gelten, soweit sie übereinstimmen (BGH LM-BGB § 105/5). Auf die Anwendung dieser Regeln bei Nichtkaufleuten vgl. RG Gruch. 71/253; für den Rechtsanwalt RG JW 31/522« (524). Wer einem solchen Bestätigungschreiben widersprochen haben will, muß dies dartun (RGZ 114/282). Andererseits kann sich der auf ein Bestätigungschreiben nicht berufen, der bewußt unrichtig einen Vertrag als zustande gekommen bestätigt, der nicht geschlossen wurde (BGH BB 55/941). c) Die Prozeßordnung (§ 286) stellt den Richter dem Wortlaute nach weitgehend frei. Nach ihr darf er das im allgemeinen schlechtere Beweismittel dem im allgemeinen besseren vorziehen, aber nicht ohne Begründung, daß das bessere nicht stichhält. c 1. Der sog. Indizienbeweis (das Darlegen von Tatsachen, von denen auf andere geschlossen wird, die unmittelbar oder auch selbst nur mittelbar Beweisgegenstand sind) ist nicht schlechter als etwa der Zeugenbeweis ist; er kann durch alle Beweismittel, also auch durch Zeugen- und Parteivernehmung (vgl. § 445) geführt werden (RG JW 89/306 18 ). Fällt aber ein Indiz, welches das Berufunggericht festgestellt hat, weg, so ist aufzuheben, wenn nicht andere Umstände ergeben, daß der Wegfall des Indizes bedeutunglos ist (abweichend OGH MDR 50/530), während die Tatsacheninstanz beurteilen muß, ob sie trotz Ausfalls eines Indizes bei der Annahme bleiben darf. Die sog. Hilfstatsachen haben den Rang der Indizien, sie betreffen die Beweiswürdigung (Glaubhaftigkeit des Beweismittels), die Beweiseinreden (§ 283BI; RG JW 05/2634). Indizien sind das außergerichtliche Geständnis wie wechselnde Behauptungen zu werten. c 2. Über sog. innere Tatsachen läßt sich stets nur der Indizienbeweis führen, c 3. Soweit man von negativen oder unmöglichen Tatsachen spricht, meint man nur, daß etwas nicht geschehen sein kann. Das Gesetz legt bisweilen auch dafür einer Partei die positive Erklärunglast auf. Dies ist der Fall, wenn etwa darzulegen ist, daß neues Vorbringen einer Partei zu einer bestimmten Zeit noch nicht bekannt war (vgl. §§ 616, 767 II), so daß hier das Unbekanntsein nachzuweisen ist (RG Warn. 18/102). c 4. Die angeblich zukünftige Tatsache ist noch kein Geschehnis, sondern allenfalls ein vorausgesehenes Geschehen. Soweit die Rechtsordnung ausgleichend wirkt, bemüht sie sich,
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den vollen Ausgleich herbeizuführen und bezieht deshalb auch eine zukünftige Regelentwicklung (vgl. etwa BGB § 252) in die Ausgleichkalkulation ein. c 5. Soweit die moderne Rechtsprechung es darüber hinaus auf hypothetische Geschehnisse abstellt (OGH NJW 50/2253) oder erwägt, wie jemand gehandelt hätte (vgl. RG Seuff. 65/253), geschieht dies begründeterweise nur, soweit die Rechtsordnung dies ausdrücklich anordnet (vgl. BGB §§ 119 I, 2078). C II. Soweit das Gericht Beweise erheben muß, darf es sich der Beweismittel der ZPO entweder von sich aus oder nur auf Parteiantrag bedienen. Im Offizialverfahren ist es dabei stets vom Parteiantrag unabhängig. a) Auch im gewöhnlichen Verfahren darf das Gericht von sich aus, ohne an die Parteianträge gebunden zu sein, sich (bestimmte) Urkunden vorlegen lassen (vgl. §§ 142 I, 143, 272 b II 1, 2, HGB §§ 45, 47, 102, im letzten Falle allerdings nur zum Vergleich mit anderen Beweismitteln), einen Augenschein einnehmen (§1441, vgl. §§3, 511a II, 546 III), Sachverständige hören (§ 144 I, vgl. auch §§ 3, 287 I, 372 I, 442), eine Auskunft von Beamten (und Behörden) einholen (§ 437 II, vgl. auch § 272b II 2) und die Parteien hören, um den Sachverhalt zu klären (§ 1411), auf Beweisantritte hinwirken (§ 139 I), und 60gar (wenn auch erst nach der Erhebung der von den Parteien angebotenen Beweise) als Beweismittel die Parteien vernehmen (§§ 448, 452 I). b) Daraus folgt, daß (dem Gesetz nach) das Gericht in den gewöhnlichen Verfahren nur in zwei Fällen bei der Beweiserhebung an Parteianträge gebunden ist, nämlich einmal bei der Vernehmung von Zeugen (§ 373, einschließlich der sachvei ständigen Zeugen, § 414, aber ausschließlich der Möglichkeit, eine Auskunft von Beamten zu fordern, § 272b II 2, die allerdings wenn sie nicht erteilt wird, allenfalls durch eine von der Antragstellung der Parteien abhängige Zeugenvernehmung erzwungen werden darf) und 6odann bei der Vorlegung von Urkunden durch dritte (§§428—432), ausschließlich der Möglichkeiten, welche § 272b II 2, HGB §102 bieten; da das Gericht indes den dritten in diesen Fällen nicht zwingen darf, muß es, falls Zwang erforderlich wird, diesen den Parteien überlassen, ist deshalb insoweit wieder von deren Verhalten abhängig. c) Und selbst in Fällen der Abhängigkeit des Gerichts vom Parteiverhalten hat es auf die Parteianträge nicht einzugehen, wenn es die Tatsächlichkeit kennt (§291); und auch die noch verbleibende Abhängigkeit von den Parteianträgen ist in allen Sonderverfahren, soweit die Offizialmaxime gilt, völlig beseitigt (§§ 622, 640 I, 6411, 653, 663 II, 670 I). d) Wenn auch das Gericht von sich aus Beweise erheben darf, so braucht es dies noch nicht ohne Beweisantrag zu tun. Ist aber der Beweisantrag gestellt, so darf es ihn bei Erheblichkeit nicht übergehen. e) Der Beweis wird angetreten durch Bezeichnung der zu erweisenden Tatsachen und Angabe des Beweismittels; UnVollständigkeiten sind zu ergänzen, worauf das Gericht nach § 139 hinzuwirken hat (RGZ 97/206 [210]; nur bei Sachverständigenbeweis ist ein allgemeiner Hinweis zulässig, § 403 B). f ) Die Erklärung zu Beweisantritten geschieht regelmäßig ohne Aufforderung (vgl. aber §§ 446, 453 II). Über die Folgen unterlassener Erklärungen vgl. §§ 283, 439, 446, 453, 510. g) Im Falle des § 420 besteht der Beweisantritt in der Vorlegung der Urkunden. Son6t muß die Partei nur bei der Glaubhaftmachung für präsente Beweise sorgen (§ 294 B). C III. Verträge, die das Ziel der Beweiserhebung durchkreuzen können, sind nichtig (BGB § 134). Danach gibt es keine wirksamen Beweisverträge (RG JW 06/1516; abweichend aber RGZ 96/57 [59]); dies gilt im besonderen bei Verträgen, durch die bestimmte Beweismittel ausgeschlossen werden sollen (RGZ 20/398 [402]; a. M. RG J W 08/30413). Über die Frage der Zulässigkeit von Schiedsgutachterverträgen vgl. §§ 282 C I I I a 2, 1025 C II a. a) Beweisregelungverträge läßt die h. M. nicht gelten (Hellwig, System 1450). a 2. Die h. M. läßt ganz allgemein Schiedsgutachterverträge zu (Hellwig, System II 104f.; § 1025 C II a), sofern nicht die Offizialmaxime in den Sonderverfahren gilt.
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a 3. Abgesehen vom Schiedsgutachtervertrag und seinem Gegenstück, dem Gutachtenunterlassungvertrag wie dem allgemeinen Auslegungvertrag, wird man keine vertragliche Betreisregelung anerkennen dürfen. c) Beweislastverträge sind im selben Umfang zulässig wie Erklärunglastverträge (§ 282 A II b 4, E l l b). D. Die Anforderungen an das, was zu beweisen ist, sind gradlich abgestuft. D I. Bisweilen fordert das außerprozessuale Recht einen sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit, so in BGB §§ 1591, 1717 die „offenbare" Unmöglichkeit oder in BGB §§ 319, 660 die „offenbare" Unbilligkeit. Aber auch dieser hohe Grad ist nicht gleich Gewißheit, sondern nur ein besonders hoher Grad von Wahrscheinlichkeit (BGH NJW 52/1171), wenn auch ein wesentlich höherer Grad, als er zum gewöhnlichen Beweise verlangt wird (RG Warn. 08/220). D II. Abgesehen von diesen Sonderfällen wird — auch für die Verfahren, die der Offizialmaxime unterliegen (RGZ 168/321 [324]) — ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit zum Beweise gefordert (BGH MDR 51/9853). Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit genügt dafür nicht (RG JW 36/318711). Andererseits wird der volle Beweis im Sinne einer unumstößlichen Gewißheit nicht verlangt. a) Daran knüpfen die Regeln des Anschein(prima facie)beweises, die § 286 ausgestaltet haben (RG LZ 33/94215). Nach RG N §286/127 werden sie von gerichts wegen beachtet, nach OGH v. 24. 5.1950 II ZS 215/49 in der Revisioninstanz nur auf Rüge. Rechnet man sie zu der Beweiswürdigung, so ist die Revisionrüge erforderlich. a 1. Von Einzeltatsachen wird nach der Erfahrung (Regeln des Lebens) auf bestimmte andere, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören (auf eine bestimmte Ursache) geschlossen, weil das Geschehen so abzulaufen pflegt (BGH MDR 51/9853). Man spricht von typischen Geschehensabläufen (RG Warn. 40/138). a 2. Einmal muß deshalb der Erfahrungsatz feststehen (vgl. dazu § 282 B II a 2) und sodann die Einzeltatsachen, welche die Grundlagen des prima-facie-Beweises bilden. Diese Tatsachen müssen nachgewiesen worden sein. Verdacht genügt nicht (RGZ 134/237 [242]). Stürzt ein Fahrgast aus einem fahrenden Zuge, so darf nicht prima facie auf sein Verschulden geschlossen werden (BGH VRS 7/260). Brannte ein Kraftwagen im Schuppen des Klägers ab und verneinte das Berufungsgericht vorsätzliche Brandstiftung wie fahrlässige Fehlzündung, so durfte es nicht auf die Vermutung, daß der Kläger geraucht hatte, sein Verschulden unterstellen (RG Warn. 35/60; a. M. BGH NJW 51/231. Wer sich bei einem Unglück in einer Badeanstalt infolge Ausgleitens auf einen bestimmten, aber nicht erwiesenen Vorfall (Wegrutschen eines Läufers) beruft, kann sich nicht schon auf Grund des Unfalls darauf berufen, daß er infolge mangelhafter Anlage der Badeanstalt verunglückt sei (BGH v. 23. 2.1955 VI ZR 11/54). a 3. Die tatsächliche Vermutung, welche für den typischen Geschehensablauf spricht, wird entkräftet, wenn Tatsachen nachgewiesen (nicht bloß behauptet oder unterstellt) werden (BGH NJW 52/1137), die beweisen, daß im Einzelfall der erfahrunggemäß eintretende Geschehnisablauf sich nicht ereignet haben muß (BGHZ 11/227). Es kehrt sich also nicht die Beweislast um, sondern das, was als für erwiesen zu halten ist (BGH VRS 5/87), weil die hohe Wahrscheinlichkeit erschüttert wurde, welche zur Beweisführung erforderlich ist (RG J W 35/263416). Wird der prima facie dargetane Geschehensablauf durch den Nachweis anderer Tatsachen in Frage gestellt, so ist von dem Beweisbelasteten der volle Beweis für die Verursachung zu führen (RGZ 159/235 [239]). Schließt indes wiederum die — weitere — Beweisaufnahme die Möglichkeit des aufgezeigten anderen Ablaufs aus, so wird die erste Beweisführung wiederhergestellt (OGHZ 4/194 [201f.]). a 4. Haben mehrere Geschehnisse bei Entstehung eines Schadens zusammengewirkt, von denen jedes einzelne ihn hätte herbeiführen können, so gilt jedes allein als verursachendes (BGHZ 11/227), so daß also der Schädiger beweisen muß, daß die von ihm gesetzte Ursache nicht erfolgreich gewirkt hat, sofern nicht nach BGB § 830 schon die Nebenverursachung genügt. Vgl. aber auch BGH MDR B 118/52, wonach bei einem unrichtig behandelten Gesuch
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noch nichts über die Stattgabe eines richtig behandelten feststehe. Steht nicht fest, welches der beiden möglichen Geschehnisse das Klageereignis herbeigeführt hat, so muß der Kläger nachweisen, daß das die Klage nicht begründen Könnende sich nicht ereignet hat (von dem Fall des BGB § 830 abgesehen). b) Im einzelnen ist die Anwendung der Erfahrungsätze (vgl. § 282 B II a 3) sehr umfangreich. Erleichtert wird der prima-facie-Beweis durch die Forderung nach qualifiziertem Bestreiten (RGZ 103/6 [8]). b 1. Erfahrungmäßige Ursächlichkeit genügt zum Beweise (RG J W 36/1444 1 1 ; a. M. im Ergebnis BGH LM § 286 [C]/20), erfahrungmäßige Erfolgsverhinderung reicht aus, sie zu entkräften ( § 2 8 2 D I I a 2 ) . b 2. Es wird bisweilen (vgl. auch § 286 D I I c 2) von einem sich ergebenden Zustand auf die Verursachung geschlossen (RG Warn. 40/138). Wird etwa behauptet, daß ein Geschäft unter Bestechung eines anderen zustande gekommen ist, so genügt der Nachweis der Bestechung (OGH J R 50/245). Vom Endzustand (Vorfinden von Tamponen im Körper nach einer Operation) darf auf die Verursachung geschlossen werden (BGH N J W 56/1638). Von der Verschmutzung von Brunnenwasser, dessen Grundwasserstrom mit einem Bombentrichter in Verbindung steht, darf darauf geschlossen werden, daß sie durch Eindringen von Abraum in den Trichter entstanden ist (BGH J R 57/62). Bei Ansprüchen aus B G B § 618 bzw. HGB § 62 genügt die Darlegung der Mängel, der Gegner muß dann das Fehlen der Ursächlichkeit bzw. mangelndes Verschulden gegenbeweislich nachweisen (RGZ 148/148). Wird ein Möbelwagen auf offenem Eisenbahnwagen bei elektrisch betriebener Strecke befördert, so ist, wenn er in Flammen gerät, dem Anschein nach dargetan, daß dies durch die Beförderunggefahr geschehen ist (RGZ 155/193 [195f.]). Wird eine Schleuse im Notstand geöffnet und wird Land überschwemmt, so muß der Handelnde nachweisen, daß das Land gar nicht dadurch, daß die Schleuse geöffnet wurde, sondern durch einen Wolkenbruch überschwemmt wurde (RGZ 156/187 [191]). Der Anscheinbeweis für die Ehezemittung wird durch das Verlassen geführt (RGZ 164/361 [364]). War eine Partei in der Zeit um eine Rechtshandlung willensunfrei, so ist anzunehmen, daß sie es bei der Vornahme der Rechtshandlung war (RGZ 162/223 [230]). Werden Fremdkörper in einer Wunde vorgefunden, so ist der Anscheinbeweis für Eiterungen durch sie geführt (BGH VersR 53/14. Vgl. auch § 282 E I I I d 1 a. E.). Im Fall des B G B § 839 I 2 darf der Gläubiger nicht darauf verwiesen werden, daß er möglicherweise sich bei einer großen Anzahl von Konkursgläubigern auf dem Wege der ungerechtfertigten Bereicherung erholen könnte, indem er einen Teil der ihnen ausgezahlten Konkursdividenden zurückfordert (RGZ 154/291 [296]). Ein Großkaufmann, der regelmäßig die Börse besucht, wird sich die Kenntnis einer in den betreffenden Handelskreisen aufsehen erregenden Zahlungeinstellung entgegenhalten lassen müssen (RG H R R 34/293). Bei dem Nachweis der Lückenlosigkeit eines Preisbindungsystems genügt der, daß nach gewöhnlichem Verlauf der Dinge es keinen Außenseiter — infolge der vertraglichen Abmachungen— geben könne (RGZ 151/239 [255]). Wird zum Nachweis des Abdrucks eine Liste übereinstimmender Fehler des Erstdrucks und des Abdrucks vorgelegt, so ist der Abdruck prima facie erwiesen (RG LZ 32/952 1 7 ). Wird der Besucher einer Gastwirtschaft tot aufgefunden, ist der Hof unbeleuchtet und befand sich in ihm ein im Dunkeln nicht erkennbarer Bodenabsatz, so spricht der Anschein dafür, daß er infolge der schlechten Beleuchtung zu Fall gekommen ist, sofern der Tod durch den Sturz eintrat (BGH MDR B 860/54). Versinkt ein Nichtschwimmer an einer Stelle der Badeanstalt, die gefährlich tief ist, so spricht der erste Anschein dafür, daß das Versinken auf die Tiefe zurückzuführen ist (BGH N J W 54/1119). Wer einen mit Sägemehl befeuerten Leimofen unbeaufsichtigt zurückläßt, gegen den spricht der Anschein für die Verursachung bei einem entstandenen Brand (OLG VersR 54/10). Explodiert ein Schrottschmelzofen, so spricht dafür prima facie das Material, wenn es aus alten Kriegsmitteln stammte (BGH B B 53/992). Fährt ein Fahrzeug auf ein anderes, nicht vorschriftmäßig beleuchtetes in der Dunkelheit auf, so spricht der Anscheinbeweis für die Verursachung durch Nichtbeleuchten (BGH LM-StVO §23/3), selbst wenn Entgegenkommer geblendet haben (BGH VersR 57/583); andererseits hat BGH v. 6 . 1 0 . 1 9 5 9 VI ZR 191/58 es als schuldhafte Fahrweise angesehen, wenn ein Kraftfahrer in der Dunkelheit auf ein unbeleuchtetes Hindernis auffährt.
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b 3. Anscheinsbeweis ist der Schluß von Ursache auf Verschulden (RG JW 33/S3811, v. 7.11.1931IX E 134/237 [242], v. 22.12.1919 VI J W 20/5546; vgl. § 286 D II b 2, E I a 3), besonders bei Verkehrsunfällen. Bei einem in Bewegung befindlichen Gefährt wird vermutet, daß es gegenüber dem nicht in Bewegung befindlichen den Zusammenstoß verschuldet hat (RG HRR 39/852). Bei einem Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften spricht der Anscheinbeweis für ein Verschulden (OGH RdK 50/88). Fährt ein Kraftwagen gegen einen Straßenbaum (BGH NJW 53/584); überfährt ein Kraftwagen den Bürgersteig, so wird das Verschulden seines Fahrers vermutet (BGH MDR 51/15290). Wird ein Fahrzeug beim Überholen gestreift, das dann einen dicht bei ihm stehenden Menschen verletzt, so spricht der Anschein geg'en das vorbeifahrende Fahrzeug (BGH MDR B 620/53), sofern das überholte Gefährt sich auf der richtigen Bahn bewegte. Kommt es auf der Kreuzung zwischen zwei Fahrzeugen zum Zusammenstoß, so ist der Beweis ersten Anscheins geführt, wonach das von links kommende Fahrzeug das Voifahrtrecht des von rechts kommenden schuldhaft verletzt hat (BGH VRS 5/182). Das plötzlich aus der Fahrbahn abbiegende Fahrzeug trifft prima facie die Verantwortung dafür (OLG Tübingen DAR 52/29 für das nach links fahrende). Wird in einer engen Straße ein Radfahrer überfahren, so muß sich der Kraftwagenhalter (und -fahrer) vom schuldhaften Handeln entlasten (OLG DAR 51/92). Kommt es zu einem Unfall und wird nachgewiesen, daß der Kraftfahrer zu viel Alkohol im Blut hat, so wird sein Verschulden vermutet (BGH NJW 56/21 [bei Blutalkoholgehalt von l,5°/ 00 ]; OLG VersR 55/219 noch nicht bei 0,95—1,1 ° l m ) . Daß der Alkohol nicht auf jeden Menschen gleich wirkt ,ist kein Argument dagegen (BGH VRS 3/153). Bei Zusammenstoß von Fahrzeugen spricht verschuldete Verursachung durch das auf der Gegenfahrbahn befindliche (BGH VersR 55/189); dies gilt im besonderen beim Überfahren des Grünstreifens auf der Autobahn (BGH VersR 58/91); bei Verstoß gegen Beleuchtungvorschriften wird Verschulden durch den Nichtbeleuchtenden prima facie angenommen (BGH VersR 55/760), ebenso bei nicht ausreichender Kennzeichnung von Hindernissen auf der Fahrbahn (BGH VersR 55/523). Wird ein Verkehrszeichen überfahren, so spricht dies nach BGH VersR 55/183 für Verschulden. Nach BGH LM § 286/628 muß der Kraftfahrer bei einer haltenden Straßenbahn mit unvorsichtig aussteigenden oder hinzueilenden Fahrgästen rechnen, so daß, wenn er es nicht tut, ihm mitwirkendes Verschulden angelastet wurde. Bei Zusammenstoß mit einem Hund spricht der Anschein gegen den Hund (OLG VersR 54/22). Verunglückt jemand auf der Bahnstrecke trotz rechtzeitig geschlossener Schranken, so spricht der erste Anschein für das Verschulden des Verunglückten (BGH VRS 10/22). Kommt es zu einem Unfall, so muß sich der Unternehmer gegenüber dem, der seinen Anspruch aus Beförderungvertrag herleitet, entlasten (BGH NJW 53/584). Wird ein Gast bei Erfüllung des Gastaufnahmevertrages verletzt, so muß sich der Gastwirt entlasten, daß ihn kein Verschulden trifft (RG JW 35/12214). Wird jemand tot (ertrunken) aufgefunden und ist das Gewässer unverwahrt, so wird das Verschulden mangels Abzäunung angenommen, wo sie zu erwarten war (RG N § 286/39). Wird vergiftetes Öl aus einer Fabrik entnommen, so spricht dies für das Verschulden des Fabrikanten (BGH MDR B 622/53). Kommen einer Person, einem Beamten oder einer Behörde Gelder oder Sachen abhanden, so müssen sie dartun, daß dies ohne Verschulden geschehen ist und den Umstand nachweisen, der ihre Herausgabepflicht erlöschen ließ (RGZ 137/153 [155]). Beim Speditiongeschäft und Frachtgeschäft muß der Spediteur bei Entstehung eines Schadens die Ursache aufklären und sich entlasten, falls er nicht prima facie dafür in Anspruch genommen werden soll (a. M. BGH MDR 52/609). Wer durch Unterlassen genügender Aufklärung verletzt wird, hat prima facie den Beweis für eine Amtspflichtverletzung geführt, wenn er nachweist, daß nicht aufgeklärt wurde (RGZ 154/291 [297]). Wer ein geladenes, ungesichertes Gewehr trägt, dem wird es als Verschulden angerechnet, wenn sich ein Schuß löst. (RG JW 20/5546). Der Nachweis eines ordnungwidrigen Zustandes genügt prima facie für die Annahme des Verschuldens des Dienstherrn, sofern jener sich aus der Natur der Dienstleistung ergibt (RArbG Seuff. 90/66). Wird gegen eine Unfallverhütungvorschrift verstoßen und tritt an der Gefahrenstelle der Unfall ein, so spricht der erste Anschein dafür, daß der Unfall bei Beachtung der Vorschrift vermieden worden wäre (BGH MDR B 844/53). Macht ein Konkursverwalter bei der Veräußerung von Zubehör eines Grundstücks, das in der Versteigerung steht, nicht auf diese Eigenschaft aufmerksam, so darf auf sein Verschulden geschlossen werden (RG N § 286/226). Entschuldigt sich der Beklagte
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gegenüber einem objektiven Verstoß gegen das UWG, so muß er die ihn entlastende Tatsache beweisen (RG N § 282/20). b 4. Diese Beweisführung ist besonders bei dem Beweise von Negativem erheblich (RGZ 84/382 [385f.]); hier genügt die Widerlegung von Umständen, die für das Positive sprechen, was sich entweder aus der Sachlage selbst oder dem Vorbringen des Gegners ergibt (RG Warn. 18/102). Bei einem Einbruchdiebstahl hat der Versicherte den Beweis zu führen, daß die Sachen gegen seinen Willen weggekommen sind (RGZ 153/135), doch genügt dies, wenn der Anhalt für den Einbruchdiebstahl besteht. Im Wettbewerbsrecht wird der Anscheinbeweis etwa bei der Frage der Wiederholunggefahr erheblich (RG MuW 31/276 [278]). b 5. Auf den Erfahrungsatz, daß sechsjährige Kinder durchschnittlichen Verkehrs» anforderungen gewachsen sind, kann sich der Aufsichtpflichtige verlassen (LG VersR 55/414). e) Aber nicht jede Wahrscheinlichkeit ist schon Anscheinbeweis. c 1. Von einem typischen Geschehensablauf kann dort nicht gesprochen werden, wo es um eine auf dem Willen eines Menschen beruhende Einzelhandlung geht (BGH JZ 53/347), im besonderen nicht bei einem Vertragschluß (BGH N J W 51/70). Dafür, daß bei ordnunggemäß geführten Handelsbüchern die Eintragungen richtig sind, gibt es keinen Anscheinbeweis (BGH MDR 55/92). Inwieweit dieser Satz bei kollektivem Handeln vom Menschen gilt, ist zweifelhaft. Es gibt keinen Erfahrungsatz dafür, daß abgesandte Schreiben dem Gegner auch zugegangen sind (BGH N J W 57/1230). BGH RzW 60/34 hat erkannt, daß es keinen Anscheinbeweis für die Frage gebe, ob die von dem Anmeldenden in dem Meldeschein angegebenen Tatsachen wahr sind. c 2. Aus einem Endzustand kann nicht notwendigerweise auf einen Anfangzustand geschlossen werden, auch gibt es nach RGZ 137/153 (155) keinen Anscheinbeweis aus der Entstehung eines Zustandes für seine Fortdauer. Liefert der Verkaufskommissionär Ware zurück und ist sie beschädigt, so muß der Empfänger zunächst nachweisen, daß sie vor der Rückgabe beschädigt worden ist (RGZ 126/70). Für die Auslieferung der Stückzahl gibt es keinen primafacie-Beweis (RG Warn. 25/65). Zu weit geht es, wenn aus der reinen Tatsache, daß es zu einem Unfall kam, auf zu hohe Fahrgeschwindigkeit geschlossen wurde (so aber: OGH RdK 50/88). Wird ein Fußgänger auf der rechten Fahrbahnseite angefahren, so gibt es keinen Anscheinbeweis gegen den Kraftfahrer (BGH MDR B 623/53); keinen gegen den Reisenden, der aus einem fahrenden Zug herausfällt (BGH MDR B 973/54), dafür, daß er schuldhaft gehandelt haben könnte. OLG MDR 55/92 hat keinen Schluß auf verschuldete Verursachung bei zu glattem Fußboden einer Landwirtschaft in bezug auf den Sturz eines Menschen zugelassen, ebenso OLG J R 54/464 bei dem eines Verwaltunggebäudes, OLG VersR 55/46 bei einer gewachsten Treppe. c 3. Im Gegensatz zu der Regel, daß aus einer objektiven Handlung auf das Verschulden zu schließen ist, steht die, daß, wenn ein Handeln zu erwarten war, der Erfolg des Handelns aber nicht abzusehen ist, aus einem sich ergebenden ungünstigen Zustand dann noch nicht auf das Verschulden des Handelnden geschlossen werden darf (weil der Zustand auch ohne das Handeln eintreten konnte). Dies ist der Fall bei ärztlichem Handeln: dem Arzt muß, selbst wenn er operativ eingreift, Verschulden nachgewiesen werden (RGZ 128/121). Verletzt er indes die Gebärmutter anläßlich einer anderen Operation, so muß er sich entlasten (BGH N J W 53/700), ebenso wenn er Fremdkörper in der Operationwunde zurückläßt (BGH VersR 338; a. M. BGH VersR 57/786). Treten infolge einer Röntgenbehandlung Schäden auf, so muß sich der Röntgenarzt entlasten (RG J W 35/3460 4 ). Der Arzt, dessen Eingriff für die Gesundheitschädigung ersichtlich ist, muß sein Verschulden widerlegen (RGZ 165/336 [338folg.]). Namentlich bei Infektionkrankheiten liegt der Anschein hinsichtlich der Entstehungursache nahe (RGZ 165/336 [339]). Entgleitet dem Zahnarzt eine Nervennadel im Munde des Patienten, so spricht dies für das Verschulden des Arztes (OLG MDR 53/483). Zum Nachweis einer fehlerhaften anwaltlichen Beratung muß der Kläger darlegen, daß, obwohl der Anwalt ihn hätte beraten sollen, er ihn nicht beraten hat (RG N § 282/25). Notare haben aber eine allgemeine Belehrungpflicht und müssen sich deshalb entlasten (RG N § 282/21). Auch versagen die Grundsätze über den prima-facie-Beweis, wenn bei einem unstreitigen Ereignis es zweifelhaft ist, ob es zufällig oder absichtlich eingetreten ist (RG J W 36/3234 1 ). Bei Manövern des letzten Augenblicks gilt nicht die Verschuldenregel, die sonst bei objektiv falschem Handeln angewandt
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wird (BGH NJW 52/2171). Bei Aussteigen aus haltendem Zug wurde von BGH NJW 56/709 kein prima-facie-Beweis für einen Unfall angenommen. c 4. Inwieweit die Einrede der Verwirkung hineinspielen kann, vgl. RGZ 130/11 (16) (wer jahrzehntelang als Übersetzer die Verbreitung seiner Übersetzung durch andere geduldet hat, muß gegenbeweislich nachweisen, daß diese nicht dazu berechtigt waren). c 5. Vom Anscheinbeweis zu unterscheiden sind die Beweisanzeichen (Indizien), d. h. Tatsachen, welche das zu Beweisende wahrscheinlich machen, allein aber nicht die hohe Wahrscheinlichkeit erreichen, die zum Beweise erforderlich ist (BGH MDR B 266/51 für den Schluß auf die Inhaberschaft eines Gewerbes für den, auf den das Gewerbe gewerbepolizeilich angemeldet worden ist). Die richtige Würdigung der Beweisanzeichen gehört zur Beweiswürdigung (BGH VRS 7/260). e 6. Bei gleichem gesetzlichen Tatbestand gibt es keine unterschiedliche Anwendung von Erfahrungsätzen und Anscheinbeweis (a. M. BGHZ 8/239: bei der Haftung aus unerlaubter Handlung im Verhältnis zu der aus Vertrag, wo es nur um das Verschulden des Fahrers bei einem Unfall ging). D III. Geringere Beweisanforderungen gibt es nur bei der Glaubhaftmachung. Sie begnügt sich mit der guten Möglichkeit des Geschehens (RG JW 27/13092). Zwischen ihr und dem sonst zu führenden Beweis noch einen Freibeweis zu unterscheiden (Schönke § 282 Anm. V, VI 2), entspricht nicht dem positiven Recht. E. Wie Erklärung- und Beweislast fallen, ergibt sich aus besonderen Rechtsnormen. E I. Diese Normen sah man um die Jahrhundertwende als außerprozessuale an (RGZ 6/412). Später (und nach der h. M. noch jetzt) sah man sie als zum Prozeßrecht gehörig an (Hellwig Lb. 1/6). Aber sie liegen zwischen beiden Rechten. Zu unterscheiden von der Beweislast ist also die Urteilstätigkeit des Gerichts. Das Gericht darf sich, wo es dazu berufen ist, des Urteils nioht enthalten und es darf nicht dort, wo es zu keinem Urteil kommt, nach Beweislast entscheiden. Dies gilt im besonderen, wenn der Inhalt von Parteierklärungen (Urkunden) auszulegen ist (RG J W 27/5143). Über die Grenzen der Auslegung vgl. § 282 B II b 2; aber auch BGB § 157 und die ergänzende Vertragsauslegung. Es gibt auch keine Beweislast im Rahmen des § 287 (RGZ 159/257 [263]). Dennoch spielt in den Fall des § 293, obwohl hier Normen zu beweisen sind, die Beweislast hinein (vgl. RGZ 170/28 [32Iolg.]). E n . Die Beweislastnormen a) werden im Prozeß wie außerprozessuales Recht behandelt, also a 1. von gerichts wegen grundsätzlich noch in der Revisioninstanz ohne besondere Rüge nachgeprüft (RG JW 37/222848). Schließen sie indes an irrevisibles Recht an (§ 549 E II, F), so sind sie in der Revisioninstanz nicht nachprüfbar, selbst wenn gerügt wird (RG JW 23/60214). a 2. Gültig sind die Normen, soweit sie an landesgesetzliche anknüpfen, auch wenn sie das Landesrecht gibt (EG BGB Art. 55folg., RG Seuff. 56/264). Knüpfen sie an ausländisches Recht an, so sind sie nach ausländischem Recht zu beurteilen (BGH NJW 52/142). b) Beweislastverträge sind insoweit zuzulassen, wie das Recht, an das sie anschließen, dispositiv ist (die h. M. läßt sie schlechthin zu, vgl. OLG Seuff. 51/5; a. M. Baumbach-Lauterbach Anh. § 282 Anm. 1 B, Hellwig, System 1/450: schlechthin verneinend). E HI. Die Beweislastnorm auf dem Gebiete des Prozeßrechts richtet sich in gewissem Umfange nach der Parteirolle ( § 2 7 4 A I a l ) , während für die auf dem Gebiete des außerprozessualen Rechts die Parteirolle gleichgültig ist (RGZ 9/337 [339], § 256 E II a). a) Der, welcher einen Anspruch behauptet, hat — bei Bestreiten des Gegners — die für sein Bestehen erforderlichen Tatsachen (RGZ 57/46 [49f.]; die sog. klagebegründenden Behauptungen) zu beweisen: zu beweisen ist das Behauptete; wer das Bestehen einfach bestreitet (d. h. nur nein sagt), braucht die Richtigkeit des Bestreitens nicht darzutun. Behauptet er aber die Veränderung eines Anspruchs, so muß er die verändernde Tatsache (die Veränderung) nachweisen; dies ist der Grundtatbestand des Einwandes und aus ihm folgt schon die Regel, daß, wer die Entstehung eines Anspruchs behauptet, regelmäßig nicht sein Fortbestehen dar-
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zulegen braucht. Wird aber nicht der Anspruch als solcher bestritten, sondern nur seine Geltendmachung von anderen Rechten des Gegners abhängig gemacht, so liegt der Grundtatbestand der Einrede vor: er erfordert stets die Willenserklärung des Gegners, daß sein Recht berücksichtigt werde; ohne diese Willenserklärung ist die Einrede unbeachtlich. Das Gegenbestreiten selbst gehört wieder zu dem, was nicht bewiesen zu werden braucht. b) Wann aber etwas zu dem einen, wann zu dem anderen gehört, das muß aus der Beweislastnorm heraus entschieden werden. b 1. In einigen Fällen ist die Beweislastnorm ausdrücklich im Gesetz geregelt. b 2. Eine mittelbare Regelung findet sich im BGB, dort, wo eine Ausnahmeregel mit „es sei denn", „wenn nicht" oder „sofern nicht" oder „die Vorschrift findet keine Anwendung" gegeben wird (RGZ 60/419f.). So ist regelmäßig der böse Glaube und die Kenntnis als Erwerbshindernis zu beweisen, weil das Gesetz vom guten Glauben und der Unkenntnis ausgeht (RGZ 82/35 [37f.]). Weitere Beweislastregeln sind daraus zu entnehmen, daß der Gesetzgeber zunächst den Hauptfall, dann den Ausnahmefall regelt wie bei den Haftpflichtvorschriften durch Einführung der Gefährdunghaftung; und dann dem, der danach grundsätzlich haftet, die Möglichkeit offenhält, nachzuweisen, daß ein unabwendbares Ereignis oder höhere Gewalt vorliegt. Sehr nahe kommen diese Vorschriften den Vermutungen (§ 292) und den sog. Fiktionen. b 3. Soweit das außerprozessuale Recht ergänzende Rechtsnormen aufstellt, gilt das Gesetz; wer andere vertragliche Abmachungen dann behauptet, muß sie beweisen (RG Warn. 10/54). Wer die Umwandlung einer Schuld in ein Darlehen behauptet (BGB § 607 II), muß sie nachweisen. Wer behauptet, eine Sache sei nur zum vorübergehenden Zweck mit dem Boden verbunden, muß dies beweisen (BGB §95 I I ; RGZ 158/362 [375]). c) Zum Vortrag der rechtsbegründenden Tatsachen c 1. genügt, daß die Entstehung des Anspruchs bewiesen wird. Wann der Anspruch entsteht, sagt das Gesetz. Beim Zustandekommen eines Vertrags hat die Rechtzeitigkeit der Annahme der, der sich auf den Vertrag beruft, nachzuweisen (RGZ 103/11 f.). Wird bei Vertragsverhandlungen ein Vorbehalt gemacht, so ist von ihm zu beweisen, daß entweder vorbehaltlos abgeschlossen wurde (RG J W 03/47 8 ) oder daß der Vorbehalt erfüllt worden ist (RG Warn. 18/72). Dazu gehört auch die Formwahrung (BGB §§ 125, 126). Behauptet der Beklagte, daß Beurkundung oder schriftliche Bestätigung vorbehalten sei, so muß der Kläger das Negative nachweisen (RG J W 19/304 3 ). Die Behauptung des Klägers, auf die ursprünglich vereinbarte Schriftform sei verzichtet worden, zwingt ihn zum Nachweis des später geschlossenen Vertrages (BGH BB 57/799). Behauptet der Kläger einen Vertrag mit dem Beklagten und bestreitet der Beklagte nur, daß er im eigenen Namen gehandelt hat, so muß der Kläger auch dies nachweisen (RGZ 95/188 [190f.]), doch genügt es, wenn er dartut, daß der Beklagte nicht erkennbar in fremdem Namen gehandelt hat (RG Warn. 08/102). Auch den sonstigen Vertragsinhalt hat der, welcher Ansprüche aus ihm herleitet, nachzuweisen. Behauptet der Kläger den Abschluß des Vertrages zum angemessenen Preise, während der Beklagte dies bestreitet, indem er einen bestimmten Preis nennt oder umgekehrt, so muß der Kläger den Klagegrund nachweisen, wie er ihn behauptet (RG J W 07/175 13 ); in dem Fall des BGB §§ 612 II, 632 II, 653 II genügt es aber, daß der Kläger nachweist, daß zu keinem bestimmten Preise abgeschlossen wurde. Bei einem Werkvertrag ließ indes BGH N J W 57/1555 das Bestehen eines Handelsbrauchs für eine Vergütung dafür genügen, daß keine abweichende vereinbart worden ist. Ist Geld — unstreitig — hingegeben, behauptet der Kläger dann ein Darlehen, während der Beklagte Schenkung vorgibt, so muß der Kläger das Darlehen beweisen (RG Warn. 12/336). Klagt der Auftraggeber gegen den Beauftragten auf Rückzahlung eines Vorschusses, so muß er Auftrag und Zahlung nachweisen; der Beauftragte kann dagegen einwenden, daß er das Erhaltene zur Erfüllung des Auftrags verwendet hat (RG Warn. 20/158). Ist der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung abgeschlossen, so muß der Kläger unbefristeten oder unbedingten Abschluß bzw. den Eintritt der Bedingung wie der Befristung nachweisen (RG J W 19/304 3 ); anders, wenn die Bedingung oder die Befristung nachträglich vereinbart worden ist; dann muß der die Vereinbarung Behauptende und aus ihr Rechte Herleitende sie beweisen (RG Warn. 13/44); dasselbe muß aber auch für den Abschluß des Vertrages
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unter auflösender Bedingung gelten (RGZ 28/145; a. M. OLG Seuff. 49/150); doch wird regelmäßig der, welcher den Eintritt der auflösenden Bedingung behauptet, den behaupteten bedingten Abschluß des Vertrags zugestehen, so daß dann nur der Eintritt der Bedingung streitig ist, und diesen Eintritt der auflösenden Bedingung hat der Anspfuchsgegner nachzuweisen (RGZ 28/145). Bestreitet der beklagte Käufer, indem er eine besondere Eigenschaft als bedungen angibt, so trifft es den Klagegrund, wenn der Kläger ohne diese Bedingung abgeschlossen haben will, und der Kläger muß den Vertragschluß so, wie er ihn behauptet, nachweisen (RG J W 15/650 1 ). Behauptet der Kläger arglistiges Verschweigen, Beklagter eine nur aufklärende Äußerung, so hat der Kläger zu beweisen (RG Warn. 10/237). Ist ein Wechsel verändert, so muß der Kläger den streitigen Zeitpunkt nachweisen (RGZ 66/201), die Vereinbarung des Depotwechsels der, welcher sich auf sie beruft (RG J W 08/151 25 ), die bedungene Ablieferung an einen dritten als Erfüllung hat der aus ihr Rechte Herleitende zu beweisen (RG J W 08/479 11 ); wer die Haftung für Mietausfall behauptet, muß nachweisen, daß er die Unmöglichkeit anderweitiger Vermietung nicht zu vertreten hat (RG J W 11/400 7 ). Bei den Schadenersatzansprüchen wegen Gesundheitschädigung durch einen schlechten Arbeitraum (BGB §618) hat die Beweislast der Geschädigte (RArbG E 16/1); das entsprechende gilt für sonstige Schadenersatzansprüche aus Dienst- oder Werkverträgen (RGZ 148/48), wie bei Beförderung- und Gastaufnahmeverträgen (RG Warn. 35/4) oder aus Versicherungverträgen (RGZ 157/83). Vgl. dazu aber § 282 D II über die Beweisführungmöglichkeit durch den Anscheinbeweis. Bei Schadenersatzansprüchen wegen Lieferung gesundheitschädigender Waren muß den Mangel der Belieferte nachweisen (RG Gruch. 56/910). Bei der Klage auf Unterlassung unwahrer kreditgefährdender Behauptungen muß der Regel nach nur die kreditgefährdende Behauptung nachgewiesen werden, der Beklagte aber nach UWG § 14 I ihre Wahrheit nachweisen (RG MuW 27/262folg.); gegenüber dem Schutzeinwand des UWG § 14 II hat dann der Kläger die Wahrheitwidrigkeit zu beweisen (RG MuW 27/180f.). Bei der Unterlassungklage muß der Kläger die Wiederholunggefahr nachweisen (RGZ 96/242 [244]). Bei den Schadenersatzansprüchen wegen Veräußerung von Gegenständen des Klägers, an denen der Beklagte ein gültiges Pfandrecht zu haben behauptet, muß der Beklagte das Pfandrecht und die Rechtmäßigkeit der Veräußerung nachweisen (RGZ 77/201 [205]). Bei der Bereicherung des BGB § 812 muß Bereicherung und Grundlosigkeit der Herausverlangende dartun (RG Warn. 38/45). Beruft sich jemand auf Schikane (BGB § 226), so muß er den vorsätzlichen Rechtsmißbrauch des Gegners dartun (RGZ 98/15 [17]). e 2. Der Anspruch kann durch ein Geschehen wie ein Nichtgeschehen gegeben sein. Im Fall des BGB § 814 muß der Leistungempfänger beweisen, daß der Leistende das Nichtbestehen der Verbindlichkeit gekannt hat (RG J W 10/109®), in dem Fall des BGB § 812 der Geleistethabende den Mangel des rechtlichen Grundes (RG J W 26/2843®). c 3. Die Anspruchbegründung kann sich aus einer Teilnorm, aus einer gesamten Norm wie aus mehreren Normen ergeben. c 4. Wo kein tatbestandsmäBiger Anhalt gegeben ist, wird man von der Tendenz, daß der, welcher das Positive behauptet, um Rechte daraus für sich herzuleiten, regelmäßig dieses nachweisen muß, ausgehen dürfen. Die Aktiengesellschaft, welche ein Vorstandsmitglied auf Schadenersatz wegen fahrlässiger Geschäftsführung in ansprach nimmt, muß diese nachweisen (RG J W 20/1032 10 ). Bei Klage aus Miete nach BGB § 548 muß der Vermieter den Zustand bei der Übergabe und folglich auch die Verschlechterung bei der Rückgabe der Mietsachen nachweisen, während mangelndes Verschulden der Mieter dartun muß (OLG 23/38). Der Versicherer hat die vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls durch den Versicherungsnehmer nachzuweisen (vgl. BGH LM-VVG § 61/2); Selbstmord wird nicht vermutet (RG Warn. 36/9). Leitet der Versicherer Rechte aus der Verletzung einer Obliegenheitpflicht her, so muß er den verschuldeten Verstoß darlegen (RG Warn. 38/13). Bestreitet im Scheidungprozeß die beklagte Frau, daß sie Ehefrau sei, so muß dies der Mann nachweisen (RGZ 157/257 [258]). Bei Ansprüchen aus Unterhalt muß der Kläger beweisen, daß die näher Verpflichteten ausscheiden (RG Seuff. 62/112) bzw. der gleich Verpflichtete nicht leisten kann. d) Wer im Verhältnis zu der den Anspruch begründenden Grundnorm sich auf den abweichenden Tatbestand einer Gegennorm beruft, hat die Beweislast für deren Vorliegen. Dabei
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unterscheidet man rechtshindernde, rechtsvernichtende und rechtshemmende Gegennormen. Werden ihnen entsprechende Tatsachen behauptet, so nennt man sie Einwendungen. d 1. Rechtshindernd sind die Einwendungen, welche einer Grundnorm von Anfang an entgegenstehen, also ihre Wirkung von vornherein ausschließen. Dazu gehört die mangelnde Geschäftsfähigkeit. Nachgewiesen werden müssen von dem, der sich darauf beruft: Unzurechnungfähigkeit und Testierunfähigkeit (RG J W 02/360 10 ), Minderjährigkeit (vgl. RG J W 11/328 26 ). Der über sieben Jahre alte Minderjährige, der sich nach BGB § 828 I I auf seine mangelnde Einsicht beruft, muß sie nachweisen (RGZ 74/143 f.). Wo die Geschäftsfähigkeit als Ausnahme gegeben ist (vgl. BGB § 110), stellt dieser Tatbestand sich als Replik gegenüber dem Einwand der mangelnden Geschäftsfähigkeit dar und ist vom Replizierenden zu beweisen (RG Warn. 13/108). Entsprechend muß auch seine mangelnde Wechsel- oder Scheckfähigkeit beweisen, wer sich darauf beruft (RG Warn. 18/145). Ferner gehören dazu der Verstoß gegen gesetzliche Verbote (BGB § 134, RG Warn. 21/59), der gegen die guten Sitten (BGB § 138), der Widerruf eines Vertragsangebots (BGB § 145) usw. Behauptet der Beklagte eine Vereinbarung, die vom Regelinhalt, den das Gesetz annimmt, abweicht, so muß der Beklagte die Abweichung nachweisen, selbst wenn die Vereinbarung schon ursprünglich getroffen worden ist (etwa bei einem Kontokorrent nach HBG § 355 die Einräumung einer Stundung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, RGZ 88/373 [375f.]), während in sonstigen Fällen der Kläger die Behauptung des Beklagten einer anfänglichen Stundung zu widerlegen hat (vgl. § 282 E I I I e 4). Wer gegenüber einer (objektiv) rechtswidrigen Handlung Notwehr (RG Seuff. 81/50) einwendet, muß das ausnahmsweise Erlaubtsein der Handlung darlegen; anders im Fall des BGB § 2333 I 2; hier ist mit Rücksicht auf BGB § 2336 I I I der Nachweis der Mißhandlung unter Ausschluß der Notwehr zu fordern (RG Warn. 13/402). Wer sich auf den Schutz des StGB § 193 beruft, muß die Voraussetzungen dafür nachweisen. Auch der Wahrheitbeweis im Fall des StGB § 186 ist Einwand (vgl. § 282 E I I I e 1). Wird gegenüber einem gesetzlichen Erben ein Testament behauptet, so ist dies ein Einwand, wird dann gegenüber dem bestehenden Testament seine Vernichtung repliziert, so ist dies nicht schlüssig; es muß deshalb außerdem die Vernichtung des Testaments oder die Änderung der Urkunde durch den Erblasser vom Replizierenden (Testamentsgegner) nachgewiesen werden (RG Warn. 12/346). Wird Erbunwürdigkeit wegen Testamentsfälschung geltend gemacht (BGB § 2339 I 4), so muß der Fälscher seine Behauptung, die Änderung habe dem wahren Willen des Erblassers entsprochen, beweisen (RG Warn. 13/301). Der Eigentümer des Kraftfahrzeugs hat zu beweisen, daß ein anderer Betriebsunternehmer ist (RGZ 167/1 [12]). Einwand ist es, wenn die Beklagte sich im Eheaufhebungprozeß darauf beruft, daß der Kläger die Kenntnis von Eheaufhebunggründen schon früher erlangt h a t (RGZ 160/19 [22]), bei der Ehescheidung ist die behauptete Einwilligung in den Ehebruch Einwand (RGZ 137/48), ebenso die Bescholtenheit i. S. des BGB § 1300 (OLG Seuff. 60/212). Bei einem Gebrauchs- und Geschmacksmuster muß der Gegner des Inhabers den Mangel der Neuheit gegenbeweislich dartun (RGZ 142/341 [343]). Zu den rechtshindernden Einwendungen gehört die des Scheins (BGB § 117, RG Recht 20/2794). Für das Verschulden bei der positiven Vertragsverletzung hat RG DR 44 A 182 das BGB § 282 entsprechend angewandt (a. M. RGZ 66/289). d 2. Ein Einwand ist rechtsvernichtend, wenn er den ursprünglich bestehenden Anspruch erledigt, wie der Eintritt der auflösenden Bedingung, die Erfüllung (BGB § 362), die Annahme an erfüllungstatt (BGB § 364), die Hinterlegung unter Verzicht auf das Rücknahmerecht (BGB § 378), der Erlaßvertrag (BGB § 397), die einseitigen dinglichen Verzichte (vgl. BGB § 875). Ist eine Grundschuld zur Sicherung gegenwärtiger und künftiger Ansprüche abgetreten und wird nur die Grundschuld eingeklagt, so muß der Kläger die Entstehung, der Beklagte die Tilgung der schuldrechtlichen Ansprüche nachweisen (RG J W 35/777 13 ). Ist eine Leistung unstreitig, behauptet aber der klagende Gläubiger, daß sie auf eine andere — streitige — Forderung anzurechnen sei als die eingeklagte, so trifft die Beweislast den Schuldner für die Anrechnung, nachdem sein Gegner das Bestehen der streitigen Forderung bewiesen hat (RG Warn. 10/10); doch genügt es, wenn er den Tatbestand des BGB § 366 I I darlegt. Die Annahme einer Leistung als Erfüllung hat der Leistende zu beweisen (BGB §363); wird die Mangelhaftigkeit der Leistung gerügt, so hat die Beweislast für die Mängel der Empfänger (RG Warn.
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§ 282
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12/40) bzw. die dafür, daß der Schuldner die Mängel zu vertreten hat (RG Warn. 10/425). Dabei vermögen den Gläubiger Vorbehalte nur insoweit zu schützen, wie er die Annahme der Leistung als Erfüllung ablehnt (RGZ 66/279 [2S2]), sonstige Vorbehalte ändern die Beweislastlage nicht (RGZ 71/23). Auch der Wegfall der Bereicherung (BGB § 818 III) ist Einwand (RGZ 93/227 [230]). Mitwirkendes Verschulden des Anspruchsbehauptenden hat der Gegner zu beweisen (RGZ 159/257 [261]). Beim Gastwirtvertrag hat der Wirt das eigene Verschulden des Geschädigten nachzuweisen (RGZ 169/84 [97]). Regelmäßig genügt im Fall des BGB § 839 I 2 die (klagebegründende) Behauptung, es bestehe keine andere Ersatzmöglichkeit, ihre Versäumung muß der Anspruchsgegner nachweisen (RGZ 158/277 [283]). d 8. Rechtshemmende oder rechtsausschließende Einwendungen sind die, welche durch eine Willenskundgebung ein bestehendes Recht verändern, wie die Anfechtung nach BGB §§ 119, 123 (RGZ 70/88 [90]); während das Erlöschen des Anfechtung rechts Replik, also vom Gegner zu belegen ist (BGB § 124, RG J W U/648 18 ). Weiter sind hier die gesellschaftrechtlichen Anfechtungklagen zu nennen (vgl. § 2 5 3 C I b 2 ) ; die Ausübung des Rücktritts nach BGB § 346, die Kündigung und die Aufrechnung (BGB §§ 387folg.). Wer gegenüber einem eingetretenen Schaden Vorteilsausgleichung einwendet, muß sie nachweisen (RG JW 09/4558). e) Die Einrede besteht darin, daß sie als Recht geltend gemacht werden muß, wie auch der Anspruch des Klägers — während der Einwand auch dann zu beachten ist, wenn sich die Tatsachen bloß aus dem Parteivortrag ergeben (RGZ 94/348 [351]). e 1. Die rechtzerstörenden Einreden fuhren zur Klageabweisung schlechthin, also die Verjährung (BGB § 222), die Wandlung und die Minderung (RGZ 95/116 [119]); die der Ersitzung (BGB §§927 folg.), die der Bereicherung nach BGB §821; die der durch unerlaubte Handlung erlangten Forderung nach BGB §853; die Ties Eigentümers gegen die Hypothek nach BGB §§ 1157, 1169; die des Verpfänders nach BGB § 1254; die des Mehrverkehrs nach BGB §§ 1717,1718; ferner auch die aus BGB § 478; von ihr gehen BGB §§ (404) 813 I, 886 aus. Zu dieser Gruppe gehört ferner die Einrede der Arglist, welche sich nach der Rechtsprechung immer mehr zu einem zerstörenden Einwand verdichtet. Bei der Verwirkung hat der Schuldner die Behauptung- und Beweislast dafür, daß der Gläubiger lange Zeit hat verstreichen lassen, während nach BGH NJW 58/1188 der Gläubiger dartun soll, wann er die Forderung geltend gemacht hat (doch ist dies nur substantiiertes Bestreiten). e 2. Eine wesentliche Abschwächung bedeuten die relativ rechtzerstörenden Einreden, weil sie die Verfolgung des Anspruchs in anderen Verfahren zulassen. Dazu gehören die sich aus BGB §§ 390, 863 ergebenden Einreden, deren Gegenansprüche in getrennten Verfahren verfolgbar sind. e 8. Die dritte Gruppe betrifft die bedingenden Einreden. Dazu gehören die Zurückbehaltungrechte (BGB §§273, 1000), Vorleistungrechte (BGB §§274, 322 I; II); diese führen zur Verurteilung Zug um Zug bzw. zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung. Sie werden praktisch bei der Einrede der mangelnden Sicherheit (BGB §§ 258, 811, 867, 997,1005). Ferner gehören hierher die die Haftung beschränkenden (vgl. BGB §§ 2014—2017, 419); diese führen zur Verurteilung unter Vorbehalt der Haftungbeschränkung. e 4. Die aufschiebenden Einreden führen zur Abweisung der Klage zur Zeit, nämlich die Stundung (BGB § 202), die des BGB §§ 986, 1958 und ferner die des Bürgen nach §§202, 768, 770, 771—773, sowie die, welche auf diese Normen verweisen (vgl. BGB §§ 1137 [1157], 1211). F. Je nachdem, wer die Beweislast hat, dem liegt unter dem Gesichtswinkel der Beweisführung der Hauptbeweis, seinem Gegner der Gegenbeweis ob. F I. Der Beweisantritt des Beweisführungbelasteten ist Hauptbeweis, gleichviel, ob er mittelbarer als der der Gegenpartei ist oder unmittelbarer. Der Hauptbeweis kann mit allen Beweismitteln geführt werden. F II. Gegenbeweis ist dagegen die Bestätigung, daß das Bestrittene wahr ist, der Beweis der Gegenpartei für das umgekehrte des Hauptbeweises. Er kann durch eine beantragte Parteivernehmung nicht geführt werden (§ 445 II) und ist schon erbracht, wenn der für den Haupt-
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§ 2 8 2 F II
ZPO II. Buch
beweis zu erfordernde hohe Grad der Wahrscheinlichkeit nicht mehr erreicht wird (RGZ 134/237 [242]). Deshalb ist es irrig, bei dem prima-facie-Beweis von einer Umkehrung der Beweislast zu sprechen (BGH NJW 52/217), denn der Anscheinbeweis ist die Feststellung des Gerichts, daß der Beweis erbracht ist, wogegen die Gegenbeweisführung offen bleibt (RG Warn. 30/46), während sich bei der gesetzlichen Vermutung die Beweislast selbst ändert. F III. Der Beweis des Gegenteils gegen eine Vermutung (§§ 167, 292) ist deshalb Hauptbeweis.
§ 283
(256)
I Beweismittel und Beweiseinreden können bis zum SchluB der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, geltend gemacht werden. II Für das nachträgliche Vorbringen von Beweismitteln und Beweiseinreden gelten die Vorschriften des § 278 Abs. 2 und der §§ 279, 279 a entsprechend. A. § 283 I entspricht dem § 278 I in bezug auf Beweismittel und Beweiseinreden. A I . Die Prozeßordnung nennt eine beschränkte Zahl der Beweismittel (Augenschein-, Urkunden-, Zeugen-, Sachverständigen-, Parteibeweise, vgl. § 282 C II e), doch gibt es darüber hinaus noch a) erbbiologische Untersuchungen (§ 372a), b) Auskünfte von Behörden und Beamten (§§ 118a I 3, 272b II 2). A II. Soweit die Prozeßordnung die Zulässigkeit der Beweismittel beschränkt, etwa in § 80 auf die schriftliche Vollmachturkunde, in §§ 164, 314 I 2 auf das Sitzungprotokoll, die Parteivernehmung auf den Hauptbeweis (§ 445 II), gibt es keine darüber hinausgehende Beweisführung mit anderen Beweismitteln. A HI. § 283 I gilt in den Tatsacheninstanzen (erster und zweiter Instanz) bis zum Verhandlungschluß (vgl. § 278 A l b ) unbeschränkt, selbst wenn die Beweismittel und die Beweiseinrede erst im Laufe des Verfahrens greifbar geworden bzw. entstanden sind (RG N § 283/1, aber nicht mehr für nachgereichte Schriftsätze, RG LZ 31/13858). In der B«visioninstanz gilt er nicht, soweit § 561 C I durchgreift, und für den Revisionkläger darüber hinaus für alle Tatsachen, welche nach Ablauf der Revisionbegründungfrist vorgebracht werden (§554 III 2 b, soweit sie nicht ausnahmeweise noch später nachgebracht werden dürfen, vgl. § 554 D I I I c 2); für den Revisionbeklagten gilt er nur für die von ihm zulässigerweise noch vorgebrachten (vgl. § 554 F II b). B. § 283 I unterscheidet zwischen Beweismittel und Beweiseinrede. Damit wird auf die Beweislast hingedeutet (vgl. § 282 B). B I. Der Hauptbeweis (§ 282 F I) ist keine Beweiseinrede, wohl aber das gegenbeweisliche Vorbringen, die Beweismittel zur Entkräftung eines dem Anschein nach geführten Beweises (§ 282 D II). Auch der Angriff gegen die Glaubwürdigkeit eines Beweisvermittlers gehört hierher (BGH MDR 58/501), der gegen die Echtheit der Urkunde. Eine Beweiseinrede stellt auch der Angriff gegen die Zulässigkeit des Beweismittels dar. Zu ihr gehört auch die Ablehnung eines Sachverständigen. B II. Die Prozeßordnung geht davon aus, daß in der mündlichen Verhandlung der Beweis unter Angabe des Beweisthemas oder des Beweissatzes, der Beweistatsache (vgl. §§ 360 I 2, 377 II, IV) und des Beweismittels (§§ 371, 373, 403, 420folg., 445, 447) duich den Beweisführer angetreten wird, d. i. der, welcher ihn tatsächlich antritt (§§ 364, 379, 421, 422). Im Anwaltprozeß soll der Beweisantritt schon im vorbereitenden Schriftsatz enthalten sein, wie § 283 II ergibt, da er sonst als verspätet zurückgewiesen werden (§ 279 II) und dann auch in der Beiufunginstanz unbeachtet bleiben darf (§ 529 C II d 2), was entsprechend auch für die Beweismittel oder Beweiseinreden gilt. Die Berufungsinstanz prüft zunächst, ob sie nach
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Verfahren bis zum Urteil
§ 283 B H
§ 529 IT, III zurückweisen muß, sodann, ob sie es nach §§ 279, 283 II tun darf (RG N § 283/3). a) Verspätet vorgebrachte Beweismittel und Beweiseinreden können zu den Kostenfolgen des § 278 II führen, doch gibt es keine Kosten, wenn ein Anspruch verspätet erhoben wird (vgl. § 278 B II). b) Verspätet vorgebrachte Beweismittel und Beweiseinreden können ferner bei schuldhafter Prozeßverschleppung zur Zurückweisung führen (§§ 283 II, 279, 529). Doch ist diese Zurückweisung noch weiteren Einschränkungen im Verhältnis zu der der Behauptungen usw. (§ 279 A) unterworfen. Verspätung liegt aber in allen Fällen nicht vor, wo eine Beweisaufnahme (wenn auch über andere Punkte) durchgeführt werden muß (§ 278 B III a). b 1. Eine Partei braucht niclit von vornherein anzunehmen, daß und was der Gegner bestreiten wird. Der nach der Erklärung des Gegners in angemessener Frist danach vorgebrachte Beweisantritt darf deshalb nicht als verspätet zurückgewiesen werden. Solange die beweisbelastete Partei den Hauptbeweis nicht antritt, braucht kein Gegenbeweis angetreten zu werden und auch für dessen Antritt ist der Gegenpartei angemessene Zeit zu lassen. Da über die Beweislast Streit bestehen kann, wird das Gericht auf den fehlenden Beweisantritt hinzuweisen haben (§ 139). Solange das Gericht dieser Pflicht nicht genügt hat, darf es nicht wegen Verspätung zurückweisen (auf die Möglichkeit, einen Gegenbeweis antreten zu können, braucht nicht hingewiesen zu werden). Die beweisbelastete Partei kann nicht verurteilt werden, wenn sie an Stelle aller möglichen Zeugen für einen und denselben Vorgang zunächst nur einen oder mehrere Zeugen benennt, von dem bzw. denen sie annimmt, daß sie den Vorgang wahrgenommen haben, und erst, nachdem diese versagt haben, weitere Zeugen benennt (RG J W 16/13318). Das entsprechende muß aber auch für die Gegenpartei gelten, wenn sie glaubt, daß der benannte Zeuge nicht das bekunden kann, was der Beweisführer durch ihn beweisen will. Der nachträglich angetretene Beweis durch Parteivernehmung ist als Hilfsbeweismittel (§ 445 D III) nicht verspätet, wenn er erst nach dem Scheitern der übrigen Beweise gebracht wird (RG Warn. 35/91). Beweiseinreden, die sich auf den Beweiswert des Beweismittels beziehen, werden sich regelmäßig erst nach der Beweisaufnahme ergeben. b 2. Präsente Beweismittel (Urkundenvorlegupg — § 420 —, gestellte Zeugen) dürfen niemals als verspätet zurückgewiesen werden (RG JW 93/2348: für Zeugen). Im übrigen muß der Vorsitzende nach § 272b helfen (BGH MDR B 303/57), b 3. Der Beweisantritt durch Benennung von Sachverständigen kann niemals verspätet sein, denn wenn dem Gericht die Sachkunde fehlt, so muß es Sachverständige von gerichts wegen hören (§ 144). Ebenso wird man nicht Beweismittel zurückweisen dürfen, welche sich auf von gerichts wegen aufzuklärende Punkte beziehen. c) §§ 283 II, 279a gestatten dem Gericht einer Partei (nicht beiden) zur Vorbringung von Beweismitteln oder Beweiseinreden, eine Erklärungfrist zu setzen (§ 279a B II). C, Der Beweisantritt kann zurückgenommen werden, einseitig bis der Zeuge zur Vernehmung vor dem Richter erschienen (§ 399) oder die Urkunde in der mündlichen Verhandlung vorgelegt ist (§ 436), im schriftlichen Verfahren aber schon nicht mehr mit dem Zeitpunkt der Vorlegung (§ 436 A). Diese Zurücknahme hindert die Partei nicht, von dem Beweismittel später gebrauch zu machen (RG JW 37/1237'); doch kann dann u. U. wegen Verspätung zurückgewiesen werden (von der Vorlegung nach § 420 abgesehen).
§ 284
(257)
I Die Beweisaufnahme und die Anordnung eines besonderen Beweisaufnahmeverfahrens durch Beweisbeschluß wird durch die Vorschriften des fünften bis elften Titels bestimmt. A. Über den Beweisbeschluß vgl. §§ 358—360. 53
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
m
§285
ZPO II. Buch
§ 285
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I Über das Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Parteien unter Darlegung des Streitverhältnisses zu verhandeln. II Ist die Beweisaufnahme nicht vor dem Prozeßgericht erfolgt, so haben die Parteien ihr Ergebnis auf Grund der Beweisverhandlungen vorzutragen. A. Die Beweisaufnahme muß zum Gegenstand der Entscheidung gemacht werden. A I. Wird mündlich verhandelt (§ 128 6), so ist auch über die Beweisaufnahme unter Darlegung des Streitverhältnisses zu verhandeln (§ 285 I). Fehlt es daran, so darf die Beweisaufnahme nicht benutzt werden (RG Gruch 62/608). Doch darf auf die Einhaltung der Bestimmung verzichtet werden (§ 295), auch gilt § 137 III. Keines Parteivortrags bedarf eine Beweisaufnahme, die von gerichts wegen veranlaßt worden ist oder werden konnte (§ 282 C II a, b); doch muß das Gericht den Parteien Kenntnis von der von ihm veranstalteten Beweisaufnahme und ihrem Ergebnis geben. A II. Im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) muß den Parteien Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung gegeben werden, wenn die Parteien sich nicht erst nach der Beweisaufnahme mit der schriftlichen Entscheidung einverstanden erklärt haben. A III. Bleiben die Parteien in dem im Anschluß an eine Beweisaufnahme bestimmten Verhandlungtermin (§370) aus, so darf das Gericht nach Aktenlage entscheiden (§§ 251a, 331a). B. Der Vortrag des Beweisergebnisses ist im mündlichen Verfahren dem Grundsatze nach bei jedem Richterwechsel erforderlich; §285 II bestimmt dies für den Fall, daß die Beweisaufnahme nicht vor dem Prozeßgericht stattgefunden hat. Dies gilt auch bei der Verhandlung vor dem Kollegium nach einzelrichterlicher Vernehmung (RG J W 33/221510), aber auch, wenn das Prozeßgericht selbst in der Schlußverhandlung anders besetzt ist (RArbG E 14/285 [290]). Im letzten Falle muß eine nicht protokollierte Vernehmung (§ 161 A) wiederholt werden (RG HRR 41/555). C. Zeugenvernehmungen in anderen Verfahren (vgl. § 286 C III b 2) dürfen im Einvernehmen der Parteien urkundenbeweislich verwandt werden.
§ 286
(259)
I Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht für wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. II An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden. A. § 286 nennt zwei verfahrensrechtliche Grundsätze: die Pflicht des Gerichts, den gesamten Inhalt der Verhandlung zu berücksichtigen, und die Freiheit eigenen Urteilens. A I. Die erste Pflicht ist auf den Verhandlunggrundsatz zurückzuführen (§ 128 B III). Danach darf das Gericht ein Einzelgeschehen nicht beachten, wenn sich die Parteien nicht darauf beziehen; aber auch die Parteibehauptungen über das Einzelgeschehen binden das Gericht, obwohl in ihnen bereits ein Vorurteil (nämlich das über das Geschehen in der Form der Tatsache, vgl. § 282 A I) liegt. Auch dieses Vorurteil muß das Gericht ungeprüft hinnehmen, wenn (im Regelverfahren) die Tatsache unstreitig ist, selbst wenn nach der Überzeugung des Gerichts das Geschehene anders verlief. Über die zur freien Beweiswürdigung des Gerichts zu ziehende Grenze vgl. § 282 C I c; bei der Beweiswürdigung ist das Gericht nicht an die Schlüsse der Parteien gebunden (§ 286 B IV). a) Soweit das Gericht dem Verhandlunggrundsatz folgen muß, darf es herbeigezogene Akten nicht verwerten, wenn keine der Parteien sich auf sie bezieht (OGH JR50/52 1 ); dürfen gar Akten nicht allen Parteien zugänglich gemacht werden, so sind sie unverwendbar (BGH NJW 52/305).
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Verfahren bis zum Urteil
§286 AI
b 1. Soweit die Wahrheitlast der Parteien reicht (§ 138 B), darf das Gericht die der Aufrichtigkeit zuwider aufgestellten Behauptungen nicht berücksichtigen (RG J W 36/2228 18 ). b 2. Auf dem Gebiet der Offizialmaxime (§ 282 B I I a) soll dagegen (soweit sie reicht) das Gericht sich stets ein eigenes Urteil bilden und ist insoweit nicht an das Vorurteil der Parteien gebunden. A II. Im schriftlichen Verfahren (§ 128 I I ) tritt an die Stelle des mündlich vorgebrachten das schriftlich Erklärte. In dem gemischten Verfahren (§ 128 J I b) gilt beides, soweit nicht die eine Erklärung durch die spätere andere aufgehoben wird (was auch im mündlichen Verfahren gilt). B. Mit allen erheblichen (RG J W 25/1105 2 ) Parteibehauptungen (d. h. allen, welche die Entscheidung beeinträchtigen könnten) muß der Richter sich auseinandersetzen (§ 286 I). B II. Widerspricht sich das Vorbringen, so ist das, was im Zugleich gebracht wird, nach jeder Richtung unbeachtlich, soweit es nicht im Eventualverhältnis zueinander steht (§ 282 A I I b 3). b) Widersprechendes späteres Vorbringen, das in keinem Eventualverhältnis steht, wird man als Berichtigung des früheren anzusehen haben. b 1. Wegen des Gewichts des schriftlichen Vorbringens (Kommentar § 286 B I) sollte bei abweichendem mündlichem Vortrag dieser zu Protokoll genommen und verlesen werden (die Prozeßordnung schreibt dies nicht vor). b 2. Schriftliche Wiederholungen zu fordern, geht nicht an; denn was in den Akten ist, ist in der Welt. Doch nimmt die Praxis bisweilen stillschweigende Überholung an (etwa R G H R R 31/622: wenn nach umfangreicher Beweisaufnahme in einer Ehesache nicht die früheren Beweisantritte wiederholt werden). B III. Bei der Feststellung des Erklärten gibt es keine Willkür. a) Was unter dem Erklärten gemeint ist, das ist nach allgemeinem Sprachgebrauch zu ermitteln, also nach dem, was von einem beliebigen (verständigen) dritten unter ihm verstanden wird (RG N § 286/159). a 1. Gibt die Partei einer Erklärung von vornherein eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung, so gilt die (erklärte) Abweichung; tut sie es später, so ist dies wie bei sonstigem Wechsel der Behauptungen bzw. des Bestreitens zu berücksichtigen. a 2. Liegt der Beurteilung des Gerichts nur eine schriftliche Erklärung vor — etwa die Bekundung eines Zeugen — so darf es, wenn es den Zeugen nicht selbst vernommen hat und deshalb gar nicht feststellen kann, daß der Zeuge etwas vom allgemeinen Sprachgebrauch Abweichendes erklärt haben könnte, die Erklärung nur nach allgemeinem Sprachgebrauch auslegen (RG N § 286/150). Vgl. hierzu auch die Rechtsprechung zur Verwendung nicht protokollarisch festgehaltener Eindrücke (§ 286 D I I d 2). b 1. Wird der Partei das rechtliche Gehör versagt, so ist § 286 verletzt (RG Warn. 13/85). b 2. Auch das Beweismittel muß Gelegenheit haben, sich auszusprechen. B IV. Das Gericht darf bei bestrittenen Behauptungen nicht willkürlich den Angaben einer Partei folgen (Bestrittenes muß bewiesen werden: R G N § 288/44). Für das Gericht muß jede Partei gleich glaub- oder unglaubwürdig sein (a. M. R G N § 286/113, wenn der Parteivertreter das Vorbringen versichert). Bloß weil der Richter eine Partei gesehen hat, darf er nicht aus seiner visuellen Wahrnehmung auf die Glaubwürdigkeit oder die Unglaubwürdigkeit der Partei schließen (RG H R R 33/957 für die vom Einzelrichter vertretene Ansicht). a) Es dürfen allerdings auch ohne Beweisaufnahme Schlüsse gezogen werden, a 1. etwa, wenn das unbestrittene den Schluß auf das bestrittene zuläßt (RG H R R 28/1651) oder wenn das substantiierte Bestreiten des Beklagten einen Beweisgrund für die Behauptung des Klägers ergibt (RGZ 86/331). Über den Anscheinbeweis vgl. § 282 D I I . a 2. Wenn sich die Parteien (oder ein Beweismittel) widerspruchsvoll erklären und sie diese Widersprüche nicht aufklären können, so darf das Gericht daraus die Folgerungen 53*
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§ 2 8 6 BIV a 2
ZPO II. Buch
ziehen (und wird es zu Lasten des sich Erklärenden tun müssen). RG N § 286/6 hat es für zulässig erklärt, daß Erklärungen der Partei anläßlich einer strafgerichtlichen Untersuchung verwertet wurden; und RG J W 15/79814, daß Erklärungen aus früheren Prozessen berücksichtigt wurden; RG Warn.08/93 hat aus dem aus anderen Prozessen dem Gericht bekannten, betrügerischen Verhalten einer Partei Schlüsse zugelassen. Das außerprozessuale Verhalten der Partei darf allerdings nur als Indiz gegen sie gewertet werden. Läßt eine Partei einen Sachverständigen Waren nicht untersuchen, so liegt darin, wenn sie zu beweisen hat, die Rücknahme ihres Beweisantritts (RGZ 46/368 [370f.]), wenn der Gegner zu beweisen hat, eine Vereitelung seiner Beweisführung, die zum Anscheinbeweis für die Richtigkeit der gegnerischen Behauptung führt (§ 282 B II d 1). Noch bedeutsamer ist das Verhalten der Partei im Prozeß, aus dem im erweiterten Umfange geschlössen werden darf, selbst wenn die Partei nicht zugesteht (RGZ 86/331). Noch weiter geht das Geständnis, an das das Gericht gebunden ist (§§ 288, 289, 532). Andererseits dürfen Beweise gegen Indizien nicht abgelehnt werden (BGH v. 22. 5.1953 VZR 155/53 S. 8). Dem Parteiverhalten steht das des postulationfähigen Vertreters (vgl. § 232 B) gleich (RG J W 04/5386). Auch dürfen die Erklärungen des Parteivertreters über das, was ihm seine Partei gesagt hat, verwendet werden, sofern nicht seine Zeugenvernehmung beantragt worden ist (RG Warn. 16/308). b 1. Der Gegenbeweisantritt darf nicht übergangen werden, besonders bei umstrittenen Erklärungen (vgl. RG JW36/249 1 ), nicht die, welche die Feststellungen eines Strafurteils widerlegen sollen (RG Gruch. 61/799 [801]). Und es ist nicht zu billigen, wenn das Gericht über einen angebotenen Beweis mit der Begründung hinweggeht, daß auch eine abweichende Zeugenbekundung seine Meinung nicht zu ändern vermöge (a. M., schon die Überzeugung des Gerichts billigend, daß das Ergebnis der Beweisaufnahme die Meinung des Gerichts nicht zu ändern vermöge: RG J W 36/813 28 ; und für den Ausnahmefall: BGH NJW 56/1480). b 2. Aus der mangelnden Substantiierung des Bestreitens darf nicht auf die Wahrheit der bestrittenen Behauptung geschlossen werden (a. M. RG JW 10/15423), wenn trotz Hinweises nach § 139 eine Partei die Sachaufklärung unterläßt. Auch darf aus nur hilfsweisem Vorbringen nichts gegen den Behauptenden geschlossen werden (Kommentar § 286 B II a). C. Die Übergehung eines erheblichen Beweisantritts verstößt gegen § 286 (RGZ 94/140). C I. Vorausgesetzt wird, daß der Beweis zulässigerweise (RGZ 10/415f.) und in ordentlicher Form (RGZ 13/418 [421]) angetreten ist, a) worauf das Gericht nach § 139 hinzuwirken hat. C II a) Die Beweiserhebung darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß die Behauptung unwahrscheinlich (RG Warn. 37/20) sei. Unzulässig ist es, die Beweiserhebung abzulehnen mit der Begründung, daß das (darüber noch nicht vernommene) Beweismittel unglaubwürdig sei (RG JW 31/333318 [3335]) oder daß eine bestimmte Aussage von den Zeugen nicht zu erwarten (RGZ 15/335), oder daß ein erhebliches Ergebnis mit Rücksicht auf die bereits vernommenen Zeugen nicht zu erwarten sei (RGZ 4/375 [378]) oder daß die Aussagen wegen der Länge der inzwischen verstrichenen Frist ohne Beweiswert seien (RG LZ 32/95218) oder daß das Beweismittel nur „Ansichten" über das Beweisthema äußern würde (OGH MDR 50/25) oder bei sonstiger Vorwegwürdigung nicht erhobener Beweise (RG J W 11/53912). Die Beweiserhebung darf auch nicht abgelehnt werden mit der Begründung, daß der Beweisantritt im Gegensatz zu früherem (jetzt aber fallen gelassenem) Vorbringen der Partei stehe (BGH v. 22. 5. 1953 V ZR 155/51 S. 8) oder weil die sie betreffende Behauptung bereits widerlegt sei (RG Warn. 20/124). Die Ablehnung des Urkundenbeweises über die Klagegrundlage ist, selbst wenn diese für erwiesen angesehen wird, unzulässig (a. M. RG N § 286/161).
b) Die Beweiserhebung darf abgelehnt werden, b 1. wenn das Beweismittel völlig untauglich ist (RG J W 30/10614) oder wenn derselbe Zeuge schon früher zum selben Beweispunkt vernommen war und ihn schon früher hätte bekunden müssen (RG JW 07/10912). Dasselbe gilt, wenn die Möglichkeit eines Beweises von vornherein ausgeschlossen ist (RG N § 286/126).
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Verfahren bis zum Urteil
§286
cIi
b 2. Die mehrfache Vernehmung eines Zeugen über dasselbe Beweisthema darf nach § 398 abgelehnt werden. Die Ablehnung steht im Ermessen des Gerichts (OGH V. 4. 11. 1948 I I E 1/226; R G v. 30. 10. 1911 V I I 201/11 N § 286/102 hat dies auch dort noch gelten lassen, wo behauptet war, daß der Zeuge inzwischen Aufzeichnungen gefunden habe, über die er berichten und nunmehr Bestimmtes aussagen könne; vgl. aber, wenn das Beweismittel sich selbst korrigiert, § 286 C I V a 3). W a r die nochmalige Vernehmung (auf Antrag der Gegenpartei mit Gegenüberstellung) beschlossen, so darf von ihr nur Abstand genommen werden, wenn sie nicht mehr durchführbar ist (RG v. 7. 10. 1931 I X LZ 3 3 / 9 4 5 1 7 ; Kommentar § 356 A I I I ) . Das Entsprechende 'gilt bei sonstigen Wiederholungen der Beweisaufnahme, auch im Verhältnis der ersten zur zweiten Instanz. C III a) Die beantragte Augenscheineinnahme darf nicht abgelehnt werden, a 1. weil Zeugen andere Wahrnehmungen bekundet haben (RG H R R 32/552). Wenn das Gericht einem Antrag auf Augenscheinbeweisaufnahme nicht stattgibt, muß es dies begründen (RG Warn. 19/67). Umgekehrt darf der mittelbare Zeugenbeweis abgelehnt werden, wenn die Augenscheineinnahme etwas Gegenteiliges ergeben hat. a 2. I m Verhältnis zum Sachverständigenbeweis darf die Augenscheineinnahme abgelehnt werden, wenn der Richter nicht die Wahrnehmungmöglichkeit hat, sondern nur jemand, der eine besondere Sachkunde besitzt. b) Den Urkundenbeweis darf das Gericht auch von sich aus erheben (§ 144). T u t es dies aber nicht von sich aus, so kann ihm daraus kein Vorwurf gemacht werden (OGH D B 51/372). b 1. Geht der Streit um die Frage, welchen Inhalt eine Urkunde hat, so beweist ihn die vorgelegte Urkunde, indes darf der Zeugenbeweis darüber, was die Parteien unter ihrem Inhalt verstanden haben, nicht abgelehnt werden (RArbG H R R 42/14). Doch müssen dann bestimmte Tatsachen angeführt werden, die einen sicheren Schluß auf den wahren Parteiwillen zulassen (RG Warn. 11/103). b 2. Wird durch eine Urkunde nur das Wissen einer Person wiedergegeben, so ist die Vernehmung der Person das unmittelbare Beweismittel; und deshalb darf die Vernehmung regelmäßig nicht abgelehnt werden. Beziehen sich die Parteien nicht auf die Zeugen, sondern auf die Urkunden, so kann das Gericht (abgesehen von dem Offizialverfahren) nicht von sich aus die Zeugen vernehmen. Der Beweisantrag auf Herbeiziehung von Ermittlungakten ist zulässig (RG J W 07/714 2 6 ). So dürfen beurkundete Aussagen von Zeugen (Sachverständigen) aus einem früheren Stadium desselben Verfahrens (RG J W 97/287') auf dem Wege des Urkundenbeweises benutzt werden; dies gilt auch von den in der ersten Instanz vernommenen Zeugen, wenn ein Teilstreit schon in der Berufungsinstanz anhängig ist und der Zeuge nach Erlaß des Teilendurteils der ersten Instanz, das auf die Berufung angegriffen ist, vernommen wurde (RGZ 105/219); doch darf auf solche Vernehmungen auch aus ganz anderen, aus früheren Zivil- (RG N § 286/157) und Strafverfahren (RG Gruch. 52/446) urkundenbeweislich zurückgegriffen werden. b 3 . Dies gilt auch, wo Urkunden zum Ersatz der Vernehmung angefertigt wurden (a. M. R G J R 25 B 938); R G J W 10/191 1 7 ließ Privatgutachten im gegenseitigen Einverständnis der Parteien verwerten. Nicht auf dem Wege des Urkundenbeweises verwendbar sind dagegen Beurkundungen nach § 161, wenn in einem Vorprozeß eine Partei (versehentlich) als Zeuge vernommen wurde (selbst wenn dies nicht gerügt wird, weil der Mangel nicht heilbar ist, RGZ 91/37) wie umgekehrt; doch ist eine solche Beurkundung als Äußerung der Partei noch indiziell verwertbar (vgl. § 286 B I V a 2), also im besonderen zu Lasten der Partei, so wie sonstige außerprozessuale Äußerungen der Partei gewertet werden dürfen, nicht etwa als Parteivernehmung (wozu die Moderne neigt). b 5. Doch braucht sich keine Partei diesen mittelbaren Beweis gefallen zu lassen, wenn auch ein bloßer Widerspruch gegen die Verwertung der Urkunde nicht genügt, sondern der Zeugenbeweis angetreten werden muß (BGH v. 25. 9 . 1 9 5 2 I V Z R 11/52 S. 7). H a t der B e weisführer sich auf den Zeugenbeweis berufen, so ist er als Hauptbeweis zu erheben, sofern das Gericht nicht schon durch die Urkunde den Beweis als geführt ansieht (RG J W 07/714 2 6 ), sodann erübrigt sich die Zeugenvernehmung. Wer Zeugenbeweis anbietet und sich daneben
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ZPO I I . Buch
auf Strafakten bezieht, tritt den Zeugenbeweis an (OLG H R R 38/1195). Will die Gegenpartei gegen den Urkundenbeweis den Gegenbeweis liefern, so muß sie sich auf die Vernehmung der Zeugen bzw. der Sachverständigen beziehen, also gegenbeweislich (RG J W 35/?953 9 ). So übergangene Beweisantritte verletzen § 286 (BGH V R S 54/346). (Nochmalige) Vernehmung des Zeugen (und Sachverständigen) im Verhältnis zu der des anderen Verfahrens darf nicht abgelehnt werden (BGH N J W 52/1171), im besonderen nicht damit, daß diesem, wenn er die Aussage ändern würde, keine Glaubwürdigkeit zukäme (RG J W 11/549 3 3 ), und es ist keine Vernehmung nach § 398 (BGH N J W 52/1171). b 6. Die Möglichkeit, die Zeugenvernehmungen zu fordern, besteht also noch in der Bernfunginstanz, wenn die Aussagen eines Vorprozesses auf dem Wege des Urkundenbeweises verwendet worden sind (RG J W 24/962 5 ). Dies gilt auch gegenüber den im Armenrechtprüfverfahren vernommenen Zeugen, deren Vernehmung im Prozeß (auch erstmalig in der Berufungsinstanz) gefordert werden darf (BGH VersR 60/367). b 7. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Vereinbarung der Parteien, den protokollarischen Beweis als vollen Beweis in einem Verfahren gelten lassen zu wollen, unwirksam, weil es keine wirksamen Beweiswürdigungverträge gibt (vgl. § 282 C I I I ; a. M. RGZ 105/219 [222]). b 9. Durch diesen Urkundenbeweis kann auch ein Sachverständigenbeweis ersetzt (RG Warn. 18/86) werden. Beantragt die Partei die Vernehmung eines Sachverständigen, so scheidet die urkundenbeweisliche Verwertung anderer Gutachten aus (a. M. B G H V R S 56/63). Dabei genügt es, wenn sich die Partei auf ein Sachverständigengutachten bezieht; die mündliche Vernehmung des Sachverständigen braucht sie also nicht zu beantragen (RGZ 54/260 [269]). Beantragt sie aber die mündliche Vernehmung des Sachverständigen (ein Recht, das ihr zusteht, § 411 A I I b), so muß das Gericht einen Sachverständigen vernehmen (RG Warn 38/74). b 10. Urkunden dürfen nicht als Ersatz der Parteivernehmung verwandt werden, wenn der Gegner widerspricht (RG LZ 3 2 / 1 4 2 1 2 ; a. M. RGZ 46/410 [412]). Ist allerdings der, welcher als Partei vernommen werden könnte, früher ordnungmäßig über denselben Punkt im selben Verfahren als Zeuge vernommen worden, so ist seine Aussage nunmehr nur als Parteivernehmung zu werten (RGZ 18/378). b 11. Wird eine frühere Zeugenaussage als Parteivernehmung gewertet, so darf dies nur geschehen, wenn sie vorgetragen wird (RG Warn. 12/185; vgl. § 286 A I a); dem Gericht ist hier gegen den Willen beider Parteien die Verwertung als Urkunde also verwehrt. Weiter darf sie aber auch nur berücksichtigt werden, wenn dies nach § 445 erforderlich wird, sofern das Gericht nicht zum Ausdruck bringt (vgl. § 139). daß es sonst nach § 448 vorgegangen wäre. Die uneidliche Parteivernehmung wird nur indiziell gegen die sich belastende Partei gewürdigt werden dürfen; denn Verstöße gegen die Wahrheitspflicht stellen kein Aussagedelikt dar (StGB §§ 153folg.). Über die Frage, ob der Verstoß eine Wiederaufnahmeklage zuläßt, vgl. § 580 C I I I b 2. c ) Auch Sachverständigenbeweis darf das Gericht von sich aus erheben (§ 144). c 1. Häufig wird das Gericht, anstatt einen Augenschein zu nehmen, Sachverständigenbeweis anordnen. Doch ersetzt der Sachverständigenbeweis nicht den durch Augenschein, sofern das Gericht in der Lage ist, die Feststellungen selbst treffen zu können (anders, wenn ihm die Sachkunde dazu fehlt, R G J W 37/33 2 5 3 7 ) . c 2. Über das Verhältnis zum Urkundenbeweis vgl. § 286 C I I I b 9. Der Privatgutachter kann nur vernommen werden, wenn das Gericht es anordnet und ihn damit zum gerichtlichen macht, u. U. aber auch als Zeuge (§ 414 A). Ohne beiderseitiges Einverständnis beanstandete RGZ 54/260 (269f.) die Verwendung außergerichtlicher Äußerungen von Sachverständigen als Beweismittel (vgl. auch § 286 C I I I b 3). e 3. Soweit das Gericht durch Zeugenbeweis etwas feststellen könnte, braucht und hat es keinen Sachverständigenbeweis zu erheben (RG N § 286/28). Befinden sich in einem Sachverständigengutachten tatsächliche Feststellungen, welche nicht auf Grund eines Gutachtens, sondern einer Bekundung gewonnen wurden, wo also der Sachverständige zum sachverständigen Zeugen wird (§ 414), so ist der Gegenbeweis gegen diesen zu erheben (RGZ 91/208). Stützt sich der Gutachter auf Angaben dritter, die er ermittelt hat, so müssen diese Angaben erst
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Verfahren bis zum Urteil
§286 c m c 3
vom Gericht festgestellt werden (also u. U. durch Zeugenvernehmung), da dem Sachverständigen die Zeugen- und Parteivernehmung nicht überlassen werden dar! (abweichend EG N § 286/61, das dies dem freien Ermessen des Gerichts Uberläßt). Zumindest darf, wenn der Sachverständige neue Tatsachen ermittelt, der Beweis des Gegenteils nicht abgeschnitten werden (RG N § 286/36) und das Gericht muß auch sonst prüfen, ob die vom Sachverständigen festgestellten Tatsachen mit dem festgestellten Sachverhalt in Einklang stehen (OGH v. 7. 10. 1949 II ZS 105/49). Soweit es sich nur um Gutachtliches handelt, braucht aber nach BGH v. 15. 2. 1960 VII ZR 117/59 S. 6 der sachverständige Zeuge nicht gehört zu werden, wenn schon ein Gutachten vorliegt. Stellt der Sachverständige etwas fest, was zu seinem Sachgebiet gehört, wie etwa die „Landesüblichkeit", und will dem das Gericht nicht folgen, so muß es seine bessere Sachkunde darlegen (BGH MDR B 99/55). Über das Verhältnis zur Parteivernehmung vgl. § 286 C III d. c 4. Hat jedes Mitglied des Gerichts eine eigene Sachkunde, so braucht kein Sachverständigenbeweis erhoben zu werden. Die Praxis spricht hier nur von dem Gericht und meint die Mehrheit des Gerichts (RG Warn. 16/168). Über Handelsbräuche darf die Kammer für Handelsachen aus eigenem Wissen (mit Mehrheitbeschluß) erkennen (GVG § 114). In anderen Fällen muß das Gericht seine Sachkunde darlegen (BGH MDR B 677/54). Ist dies geschehen, so darf sich die höhere Instanz bei ihrem Urteil auf das sachverständige Urteil der Vorinstanz stützen (RGZ 90/102 [104]; vgl. auch § 282 B II a 4). Dementsprechend braucht das Gericht kein Obergutachten einzuholen, wenn es aus genügend eigener Sachkunde, die es aus dem ersten Gutachten gewonnen haben kann, dem ersten Gutachten folgt (OGH VRS 3/64). Bei groben Mängeln eines oder mehrerer vorangegangener Gutachten, die das Gericht nicht aus eigener Sachkunde klären kann, muß ein Obergutachten eingeholt werden (BGH MDR 53/605). Andernfalls darf die höhere Instanz (auf Rüge) sachverständigen Äußerungen des unteren Gerichts nicht folgen, wenn ihm gegenüber die Sachkunde nicht belegt ist oder wenn es gar davon ausgehen muß, daß dem unteren Gericht die erforderliche Sachkunde fehlt (BGH NJW 51/481, etwa bei erbbiologischen Gutachten; aber auch sonst bei ärztlichen Gutachten: BGH VRS 12/251). c 5. Hält sich das Gericht für sachkundig, so darf es auch einen behaupteten Vorgang aus seiner Sachkunde heraus negativ beurteilen. So darf es bei der Beurteilung der Sorgfaltpflicht eines Angestellten (er hatte ein zur Reparatur gebrachtes Kraftfahrzeug unrepariert einem Mitfahrenden herausgegeben) sich über die Auskunft einer Berufsorganisation hinwegsetzen (BGH MDR B 454/56). Doch darf es, wenn es einen Handelsbrauch nicht kennt, um seiner Unkenntnis willen nicht die Beweiserhebung ablehnen (RG Warn. 15/282). d) Die Parteivernehmung ist grundsätzlich subsidiär (§ 445). d 1. Der Richter darf der eidlichen Bekundung der Frau des Beklagten folgen, ohne auf den angebotenen Beweis durch Parteivernehmung einzugehen (RG N § 286/81); anders ist dies bei der richterlichen Parteivernehmung (§ 448); doch schneidet die Parteivernehmung weitere Beweise nicht ab. Die Beweisanregung, selbst als Partei vernommen zu werden, darf stets und ohne jede Begründung übergangen werden; denn § 448 ist den Gerichten bekannt (OGHZ 1/228). C IV. Das Gericht muß die angebotenen Beweise regelmäßig erschöpfen, a) Doch ist es zulässig, Beweise nicht zu erheben, a 1. wenn sie über ein Thema gehen, welches das Gericht für bewiesen hält, a 2. Nicht erhoben zu werden braucht der Beweis, der die Entscheidung im Ergebnis nicht beeinträchtigt, der als wahr unterstellt wird (RG JW 15/33612 [337]). Es darf aber auch so alternativ erkannt werden, daß zugunsten des Verurteilten ein Teil der zum Tatbestand mehrerer Gesetze erforderlichen Tatsachen unterstellt, der andere zu seinen Lasten festgestellt wird, sofern jede der wahlweise angewandten Normen die gesamte Verurteilung rechtfertigt (BGH NJW 54/1802). a 3. Doch hat die Rechtsprechung darüber hinausgehend in Ausnahmefällen die Ablehnung eines angebotenen Beweismittels für zulässig erachtet, obwohl die größere Unmittelbarkeit nicht entgegenstand, und zwar bei völligem Unwert des Beweismittels (BGH NJW 56/1480). Ein bereits vernommener Zeuge (dessen Unglaubwürdigkeit schon erkannt ist)
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braucht zu keinem anderen P u n k t mehr vernommen zu werden. Abgelehnt werden darf die nochmalige Vernehmung mit der Begründung, daß nicht anzunehmen sei, daß der Zeuge seine Aussage ändern werde, sofern nicht der Beweisführer Beweise dafür antritt. Abzulehnen ist es aber, einen Zeugen deshalb nicht zu vernehmen, weil er (ohne nähere Belegung) unglaubwürdig (§ 286 C I I a) oder (als naher Verwandter, Rechtsvorgänger) zu interessiert sei (RG LZ 31/769 19 ). a 4. Das Revisionsgericht hat darüber hinaus die Ablehnung gelten lassen, wenn das Gericht meinte, daß seine Überzeugung nicht mehr zu erschüttern sei (was allerdings im Zusammenhange mit der früher notwendigen Vereidigung von Zeugen ausgesprochen wurde, die unterblieben war; vgl. RG H R R 37/339). Ist ein unmittelbarer Beweis oder ein Gegenbeweis erbracht, so wird ein mittelbarer Gegenbeweis bzw. Beweis außer acht bleiben dürfen, sofern unterstellt wird, daß die Beweisaufnahme so ausfällt, wie es den Behauptungen des Beweisführers entspricht (bei Indizien: BGH v. 30. 10. 1953 V ZR 134/52 S. 11), etwa wenn die Beweisantritte vereinzelte Vorkommnisse betreffen, die das Gesamtbild nicht ändern (RG N § 286/70). b) Umstritten ist es, inwieweit das Gericht Beweisangebote über die nur mittelbare Erbenntnismöglichkeit erschöpfen muß. Grundsätzlich sollte man dies fordern (BGH N J W 51/481). b 1. Doch hat in den Fällen mittelbarer Erkenntnismöglichkeit — entgegen der hier vertretenen Auffassung —• der BGH häufig Rügen zurückgewiesen. b 2. Im Gegensatz dazu wurde aus materiell-rechtlichen Gründen bei der ergänzenden Vertragsauslegung eine besonders weite aufklärende Erschöpfung aller Umstände gefordert (BGHZ 12/337), D. § 286 I will das Urteil des Gerichts bei der Feststellung des Geschehens grundsätzlich nicht binden. Doch wird es schon weitgehend durch Beweislastnormen eingeengt; nur von Beweisregeln soll es, soweit nicht § 286 I I durchgreift, also grundsätzlich, frei sein. D I. Das Rechtsgesetz ist zu erkennen, auch auszulegen (A III), wie auch die Naturgesetze zu erkennen sind. Hier gibt es dem Prinzip nach keine Beweiswürdigung, sondern nur die auf Wissen und Gesetz beruhende logische Feststellung. a) Wo das Rechtsgesetz selbst nachzuweisen ist (§ 293), gelten die Grundsätze der freien Beweiswürdigung auch für diesen Nachweis (RG J W 21/1365 8 ). b) Soweit die freie Beweiswürdigung reicht, besteht die Bügelast in der Revisioninstanz. D II. Nur soweit das Geschehen selbst zu ergründen ist, gibt es die freie Beweiswürdigung (§ 282 D I I c), d. h. den Zwang, selbst urteilen zu müssen. Die so gewährte Freiheit bedeutet alles andere als Willkür (RG N § 286/6); denn die Tatsächlichkeit nimmt auf das einmalige Geschehen Bezug (Kommentar § 282 A I b), das von der Willkür des einzelnen unabhängig ist, und das Urteil darüber unterliegt— wie jedes Urteil — dem Zwang logischen Denkens, und es hat seine Grundlage im Geschehen und im Rechtsgesetz. Die Beweiswürdigung bezieht sich in gleicher Weise auf den Indizienbeweis (vgl. § 282 C I c 1) wie auf sonstige Beweise, und zwar sowohl für die Feststellung des Beweisanzeichens wie für den Schluß vom Indiz auf das Geschehen. a) Grundsätzlich werden die Beweismittel nicht beschränkt. a 1. Anders ist dies im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozeß (§§ 592, 595), aber nur im Rahmen dieser Prozeßarten — und also nur vorläufig. Dasselbe gilt für das Arrest- und das einstweilige Verfügungverfahren, wo über § 294 die Beschränkung auf präsente Beweismittel eintritt. a 2. Darüber hinaus gibt es besondere Formen des Beweises beim Wechsel- und Scheckprozeß (vgl. WG Art. 44, ScheckG Art. 40); bei der Zustellung (vgl. § 190 B), durch das Protokoll (§ 164) bzw. den Tatbestand (§ 314), welche, wenn sie in diesen Formen nicht vollzogen sind, unwirksam sind, b) Im übrigen setzt die freie Beweiswürdigung die innerprozessuale Ordnungmäßigkeit der Beweisaufnahme voraus (RG J W 04/538®), im besondern, daß sie unter Hinzuziehung der
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§ 286
Verfahren bis zum Urteil Parteien (soweit dies § 357 fordert: RGZ 136/299) und Unter (§§ 160folg.) stattgefunden hat.
richtiger
D Ii b
Protokollierung
b 1. Ist der Zeuge zulässigerweise (vgl. § 391) unbeeidigt geblieben, so darf ihm geglaubt werden (RG J W 01/399 14 ), auch wenn dann anderen beeidigten Zeugen nicht mehr geglaubt werden kann (RGZ 53/252 [257]). Ist ein Zeuge zu Unrecht vereidigt, so darf seine Aussage nicht als eidliche bewertet werden, doch darf ihr wie einer uneidlichen geglaubt werden (RG Warn. 11/299). b 2. Ein Mangel geht aber durch Rügeverlust unter (§ 295 B I I b 2). Die Partei braucht aber nicht mit der Benutzung einer ordnungwidrigen Beweisaufnahme zu rechnen, wenn der Mangel offenbar ist und noch kein Erkenntnis darüber vorliegt. b 3. Liegt ein Mangel vor, der nicht durch Rügeverlust behoben worden ist (§ 295 B II b 2), so muß er durch Neuvornahme behoben werden. Auf die Möglichkeit, daß die Vernehmung gar nicht anders ausfallen kann, darf es nicht abgestellt werden (a. M. RGZ 100/174f.). Ein Beweisergebnis Von Zeugen- und Parteibekundungen brauchen die Parteien nicht zum Vortrag zu bringen; es darf sodann nicht verwertet werden (§ 128 B I I I e). Über die Verwertung im schriftlichen Verfahren nach §§ 128 II, 251a, 331a vgl. Kommentar § 128 B II d. c) Die Feststellung des Geschehens kann nur aus der Würdigung aller Vorgänge im Zusammenhang ermittelt werden (RG J W 11/946 16 ). c 1. Soweit keine Beweisregel platz greift, gilt dies auch bei der Ermittlung der Prozeßbedingungen (RG Warn. 37/169), die aber auch in der Revisioninstanz nachgeprüft werden (BGHZ 4/389 [395f.]). c 2. In bezug auf den außerprozessualen Anspruch ist die Beweiswürdigung Aufgabe des Tatrichters. Sind die Erwägungen des Gerichts lückenhaft, so muß die Revisioninstanz aufheben und zurückverweisen (OGHZ 1/161 [166]). Dies gilt schon, wenn ein für die Beweiswürdigung erhebliches Indiz mangelhaft festgestellt war und dadurch nun nicht mehr übersehen werden kann, wie das Gericht sich danach verhalten hätte (vgl. auch § 563 B II a 3). Davon abweichend würdigt das Revisiongericht bisweilen selbst. Mittelbar finden sich solche Wirkungen, wenn das Revisiongericht etwa sagt, es könne nach dem Zusammenhang angenommen werden, daß das untere Gericht das Vorbringen für unerheblich hält. Vgl. dazu auch § 286 E II. d) Vom wissenschaftlich-logischen Standpunkt aus sind die Anforderungen an eine Beweiswürdigung anders zu bemessen als vom metaphysischen. Nach dem ersten ist nicht, wie es gewesen sein könnte, zu erahnen, sondern es hinzunehmen, wie es gewesen ist. Regelmäßig läßt sich der erforderliche hohe Grad der Wahrscheinlichkeit nicht beweisen, wenn der Zeuge, anstatt etwas auszusagen, schweigt. Allerdings wird der nicht schweigen, der sich damit nur belasten muß (etwa bei dem Vorwurf des Ehebruchs), und die Praxis kommt bei der derzeitigen Rechtslage gar nicht ohne solche Schlüsse aus. Doch sollte man sie auf die Gebiete begrenzen, wo sie unumgänglich sind. Regelmäßig sollte man jedenfalls den Parteienbeweis in solchen Fällen vorziehen, sofern es sich u m die Klärung vertraglicher Verhältnisse handelt (wo du deinen Glauben gelassen hast, dort sollst du ihn suchen). d 1. Die Erklärung des Zeugen, des Sachverständigen, den Inhalt der Urkunde muß das Gericht hinnehmen, wie sie sind (RG N § 286/150); doch h a t es, wenn der Zeuge unter einem Ausdruck etwas anderes begreift als der gewöhnliche Sprachgebrauch, auszulegen (vgl. RG Seuff. 51/224). Andererseits kann das der Richter, der den Zeugen vernommen hat, nicht gegen ihren Wortlaut tun, wenn nicht der Zusammenhang etwas anderes ergibt; denn es ist Sache des vernehmenden Richters, die Sprache des Vernommenen in den allgemeinen Sprachgebrauch zu übersetzen. Die gesamte Erklärung des Zeugen muß bei der Entscheidung berücksichtigt werden (RG ZZP 61/135), soweit sie sich nicht auf Grund sonstiger Beweisergebnisse durch die Beweiswürdigung ausklammern läßt. d 2. Eindrücke des Richters über den Wert des Beweismittels müssen im Protokoll (u. U. im Tatbestand nach § 161) festgehalten werden, wenn ein Richterwechsel (etwa zum höheren Gericht hin) eintritt (RG J W 39/650 47 ). Der persönliche Eindruck muß substantiiert
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D II d 2
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begründet werden (RG N § 286/43). Mit dem Eindruck kann nur die Glaubwürdigkeit oder die Unglaubwürdigkeit des Beweismittels begründet werden, nicht aber darf das Gegenteil seiner Bekundung auf Grund dieser als erwiesen angesehen werden. d 3. Bei sich widersprechenden Beweisergebnissen ist zu prüfen, welches Beweismittel vorzuziehen ist. Dabei sollte das bessere Beweismittel dem schlechten, das unmittelbare dem mittelbaren aber nur vorgezogen werden, wenn es um Berichte vom Hörensagen geht, sonst ist das Indiz nicht gering zu werten. Widersprechende Angaben gleichwertiger Beweismittel sind zu würdigen. Bei sich widersprechenden Zeugenaussagen soll nach RG HRR 36/914 im Fall des HGB § 734 das Gericht prüfen, ob nicht die eine oder die andere Aussage wahrscheinlicher ist, bevor es zu einem non liquet kommt; doch ist die letzte Entscheidung gerechter als der willkürliche Vorzug einer Bekundung, und der Richter muß nicht dazu kommen, der einen oder der anderen Aussage zu folgen (RG JW 00/748®). Das Berufungsgericht kann der Aussage eines Zeugen der ersten Instanz den Vorzug vor dem, den es selbst vernommen hat, geben (RG N § 286/57), und es darf auch die Parteivernehmung selbst gegen die im Strafverfahren für schuldig erklärte Partei beschließen und ihrem Ergebnis folgen (RG N § 286/33). d 4. Die Zeugnisverweigerung ist darauf zu würdigen, was sie wahrscheinlicherweise ergibt (vgl. BayObLG Z 1951/18). Welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, ist Sache der Tatsacheninstanz (RG N § 286/148). Sie darf aus der Zeugnis- oder auch aus der Eidesverweigerung nicht ohne weiteres auf Unglaubwürdigkeit schließen (OGH NJW 49/1468). bzw. auf Richtigkeit des Behaupteten (BGH NJW 58/826). Wird das Zeugnis verweigert, so darf aber auch nichts ausdrücklich verwandt werden, was der Zeuge früher bekundet oder was er dem vernehmenden Beamten gesagt hat (BGHSt. J R 51/349; abweichend aber bei richterlichen Vernehmungen: BGHSt. NJW 52/356). d 5. Den Sachverständigenbeweis muß das Gericht überprüfen (vgl. § 286 C III c 4), und zwar auf seine logische Schlüssigkeit, und erwägen, weshalb es dem Gutachten bestimmter Sachverständiger folgt (RGZ 162/223 [227]). Es darf auch ärztlichen Gutachten (etwa in der Frage der Geisteskrankheit) entgegentreten (RGZ 162/223 [228folg.]). Bei widersprechenden Gutachten wird das des anerkannten Fachgelehrten vorzuziehen sein (RG DR 43 A 62214). Folgt es einem von mehreren sich widersprechenden Gutachten, so muß es dies begründen und sich mit dem entgegenstehenden auseinandersetzen (vgl. RG DR 39 A 1918'). Wenn der Laie nicht erkennen kann, welches Gutachten vorzuziehen ist, muß aber ein Obergutachten angefordert werden (vgl. BGH NJW 51/481'). Ob, wenn die fehlende Sachkunde der Sachverständigen unter Beweis gestellt wurde, der Beweis darüber zu erheben ist, ließ RG N § 286/36 offen. d 6. Beim Urkundenbeweis ist zu beachten, welchen Beweiswert er hat. D III. Wie die Beweise gewürdigt werden, dies muß das Gericht zur Nachprüfung durch die höhere Instanz begründen (§ 286 I 2). RG N § 286/5 wollte diese Norm zwar auf Urteile beschränken und nicht auf Beschlüsse anwenden; doch dürfte dem für anfechtbare Beschlüsse nicht zu folgen sein. § 286 gilt aber nicht für die nichtstaatlichen schiedsrichterlichen Verfahren (RG LZ 11/84734). Praktisch wird die mangelhafte Begründung allerdings nur im Verhältnis von der Berufung- zur Revisioninstanz (§ 539 B II b 3). Durch nachträgliche „Berichtigung" (vgl. §§ 319, 320) des Urteils kann die unterbliebene Begründung nicht nachgeholt werden (RG N § 286/180). a) Grundsätzlich muß das Gericht alle erhobenen Beweise und die Parteierklärungen würdigen, soweit sie erheblich sind. Dazu muß es sich mit den noch nicht erledigten erheblichen Beweisangeboten auseinandersetzen (RG Warn. 08/411). Bezugnahmen auf Urteile derselben Art eines zwischen den Parteien anhängig gewesenen Vorprozesses sind zulässig (RG N § 286/111); doch hat RArbG E 18/211 die bloße Bezugnahme auf die Begründung der ersten Instanz nicht zugelassen. Allgemeine Annahmen und Mutmaßungen genügen so wenig (RG J W 39/650 49 [652]) wie abstrakt gehaltene Ausführungen (RG N § 286/71), die auf den Einzelfall nicht eingehen. a 1. Der Antrag auf Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei ist kein Beweisantritt; die Nichtanordnung kann deshalb nicht § 286 verletzen (a. M. OGH VRS 2/295).
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a 2. Begründet werden muß bei sieh widersprechenden Beweismitteln, welcher Bekundung das Gericht folgt (RG N § 286/124) und weshalb es dies tut. Will es ein Beweismittel als unglaubwürdig abtun, so muß es dies begründen. Ist die Glaubwürdigkeit eines Beweismittels auch nur von einer Partei angegriffen, so muß sich das Gericht damit auseinandersetzen. Andererseits kann die Glaubwürdigkeit des Aussage des angeblichen Erzeugers (RG J W 38/313138) wie der Kindesmutter (OLG NJW 55/1881; jedenfalls wenn Anhalte für Mehrverkehr bestehen: BayObLGZ 51/16; abweichend BGH LM—BGB § 1595a/2) so lange nicht bejaht werden, wie noch das erbbiologische Gutachten aussteht. Besonders bedenklich ist es, wenn man Zeugen oder Parteien, die in irgendeinem Punkt vor Gericht gelogen haben, die Glaubwürdigkeit zusprechen will. Bedenklich war es auch, wenn die Trunkenheit eines Zeugen behauptet wird, dem nur nachgehen zu wollen, wenn völlige Betrunkenheit unter Beweis gestellt ist (so: RG N § 286/24), wenn auch aus der Klarheit der Aussage die Trunkenheit regelmäßig widerlegbar ist. Gefade hier sollte man stets indiziellen Beweisangeboten nachgehen (vgl. aber § 286 D III b). Noch weniger sind Begründungen zu billigen, welche in einem Teil der Bekundung eines Beweismittels folgen, im anderen nicht, ohne dies näher zu begründen. Wenn interessierte Beweismittel etwas Negatives im Verhältnis zu dem, was sie nach der Behauptung des Beweisführers bekunden sollten, äußern, wird man sie insoweit für glaubwürdig halten dürfen. a 3. Kreuz- und Querbekundungen dürfen nicht gewertet werden, im besonderen nicht bei Unterstellung des Haupt- oder des Hilfsbegehrens (RG Warn. 38/19). Enthält die Begründung der zweiten Instanz nur die entgegengesetzte Feststellung wie die der ersten Instanz, so muß sie begründet werden (RG N § 286/75). b) Die Rechtsprechung ist indes metaphysischer geworden (vgl. auch § 286 E II). b 1. Auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus braucht sich das Gericht nicht mit unerheblichen Ausführungen auseinanderzusetzen (RG J W 11/94616). Ausdrücklich abgelehnt zu werden brauchen unerhebliche Beweisantritte nicht (ObArbG Rh.-Pf. AP 52/4). b 2. Nach RG N § 286/132 brauchen nur die leitenden Gründe mitgeteilt zu werden. Die neue Praxis geht darüber hinaus, wenn schlechthin gesagt wird, daß das untere Gericht sich nicht mit jedem einzelnen (wenn auch erheblichen) Vorbringen auseinandersetzen muß (vgl. BGH NJW 52/23). Nach der sonstigen Rechtsprechung genügt es, wenn eine ablehnende Würdigung sich aus der Gesamtheit der Gründe ergibt (RG JW 12/75420). So genügt es, wenn das Gericht die für die Entscheidung maßgebenden Beweisergebnisse würdigt und sich daraus ergibt, daß die sonstigen Aussagen nicht übersehen worden sind (BayObLG OLG 37/128). b 3. Noch weiter geht die Rechtsprechung, wenn sie das Urteil des Berufungsgerichts bestehen läßt, obwohl sich das Berufunggericht auf mehrere Indizien gestützt hat, von denen eines der Nachprüfung nicht standhält, sofern nur noch ein anderes übrig bleibt (OGH J R 51/281), damit geht aber die Revisioninstanz in die Beweiswürdigung (vgl. § 286 D II c 2). E I. Die Verstöße gegen § 286 werden in der Revisioninstanz nur auf Büge beachtet, die für den Revisionkläger der Form des § 554 III 2 b entsprechen muß (d. h. die den Schriftsatz, in dem das Beweisangebot sich befindet, bezeichnen muß, RGZ 126/245 [248f.]), während dei Revisionbekla^te, sofern man ihn zur Rüge zuläßt, noch in der mündlichen Verhandlung rügen darf (vgl. § 554 F II b 2). Im Gegensatz zu Rügen aus § 139 bedarf es keiner weiteren Ausführung (a. M. aber BGH v. 11. 11. 1954 IV ZR 88/54). a) Richtet sich die Rüge aus § 286 gegen eine mangelhafte Begründung des Berufunggerichts, so a 1. hat RGZ 86/113 zu § 313 I 4 derart abgegrenzt, daß der Verstoß gegen diese Vorschrift nur dann bestehe, wenn das Urteil überhaupt nicht begründet, bei mangelhafter Begründung aber § 286 verletzt sei. a 2. Im Verhältnis zu § 5511 7 ist angenommen worden daß unter diese Vorschrift nur die für einen ganzen Rechtsbehelf fehlende Begründung falle (RG Warn. 25/69), also die fehlende Stellungnahme zu einem Klagegrunde (§ 253 G IV), einem Einwände, einer Einrede usw. (§ 253 B IV b, c).
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§286 ei
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a 3. Besonders bedeutsam ist die Abgrenzung zwischen § 286 und § 287, weil die Be" gründung nach § 287 weniger substantiiert gegeben zu werden braucht und das Gericht auch in der Beweiserhebung selbst dort freier steht, weil es schätzen darf. § 287 gilt nur für die Feststellung der Schadenhöhe (BGHZ 3/162 [175]), nicht für die des Schadengrundes. Nach BGH NJW 52/301 ist die Kausalität im Geschehen nach dem bestimmten Haftunggrunde gemäß § 286 zu ermitteln (getroffen wird dabei das Schadenereignis). Dementsprechend hat RG JW 37/222645, ob eine Person überhaupt Schädiger ist, d. h. etwas Gesetz- oder Vertragswidriges getan oder zu tun unterlassen hat, nur nach § 286 feststellen lassen. RG LZ 18/50313 hat die Fiage, ob und welche Folgen der Körperveiletzung aus einem Unfall entstanden sind, nach § 286 beurteilt und RG JW 37/222645 hat den Tatbestand der unerlaubten Handlung (z. B. der Unfallvorgänge) einschließlich des Tatverschuldens ausschließlich nach § 286 feststellen lassen. Dies gilt auch für die Tatbestandsvoraussetzungen nach RHaftpflichtG § 1 (RG N § 286/81), wie die nach BGB § 823 I (BGH J R 57/62), II (BGH LM § 286/C 28). Über den Kausalzusammenhang zwischen dem konkreten Haftunggrund (Schadenereignis) und dem Schaden wird nach §287 entschieden; also über den ursächlichen Zusammenhang eines eingetretenen Vermögenschadens (BGH NJW 53/261). Diese Rechtsprechung entspricht der vom RG entwickelten Linie, wonach die Eimittlung der (weiteren) Verursachung unter § 287 fällt (RGZ 167/14 [32]), sofern die Entstehung des Schadens feststeht (RG Warn. 42/95). Zu weit ging RG HRR 34/128, das § 287 bei der Feststellung einer Verkehrsauffassung anwandte, wie RGZ 46/407, wo bei einem Schadenersatzanspruch nach § 287 geprüft wurde, ob dabei, wo auf Deckungkauf gestützt wurde, ordnunggemäß verfahren war. § 286 wurde angewandt für die Feststellung, ob der wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist in ansprach Genommene den ungünstigen Ausgang des Verfahrens verursacht habe (RG JW 12/5155) oder der im Strafverfahren verurteilte Kläger nicht verurteilt wäre, wenn ihn der jetzt beklagte Mitangeklagte nicht der Wahrheit zuwider belastet hätte (RG JW 12/7619); a. M. BGH NJW 56/505 in dem Fall arglistiger Herbeiführung eines Urteils, wo nicht mehr entschieden wurde wie der erste Rechtstreit unter Erhebung aller angebotenen Beweise zu entscheiden gewesen wäre, sondern gemäß § 287 I nach freier Überzeugung. Den Ursachenzusammenhang zwischen den Dauerfolgen einer spinalen Kinderlähmung und Impfung gegen Scharlach und Dyphtherie während der Inkubationszeit hat BGH VersR 59/636 nach § 287 ermitteln lassen. a 4. §§ 288, 532 haben im Verhältnis zu § 286 in allen Verfahren die nicht Offizialverfahren sind, den Voriang. Ein übergangenes Geständnis fällt deshalb nicht unter § 286 (RG HRR 33/1895). c) In der Revisioninstanz wird indes die Rüge aus § 286 von der Rechtsprechung nicht beachtet, wie diese das Urteil c 1. nach § 549 nicht nachprüfen darf (RG DR 42 A 81033, vgl. dazu aber § 549 F III b, H I d); jedenfalls kann nicht die Beweislastverteilung, soweit sie an dieses Recht anknüpft, als verletzt gerügt werden (BGHZ 3/342 [345folg.]). E II. Die tatsächliche Richtigkeit der der Tatsacheninstanz überlassenen Feststellung der Geschehnisse (§ 138 B II) ist mit der Revision nicht angreifbar (RG N § 286/95). Der BGH geht darin bisweilen weit. Unter dem Gesichtswinkel der metaphysischen Beurteilung stehen die Ablehnung der Rügen aus „beiläufigem" Vortrag (vgl. § 282 B II b 1), die der aus § 286 in bezug auf einen indiziellen Beweisantritt gegen einen vom Berufungsgericht festgestellten Inhalt eines Individualvertrages. F. § 286 II bindet das Gericht nur an die gesetzlichen Beweisregeln F l a ) beim Urkundenbeweis nach §§415—418, 438 II; doch ist der Gegenbeweis hier irgendwie stets zulässig. b) Im Falle des § 164 ist gegen das Sitzungprotokoll nur der Gegenbeweis der Fälschung zugelassen (die entsprechende Bestimmung enthält StPO § 274). Doch ist es anerkannten Rechts, daß diese Bestimmung die Protollberichtigung nicht ausschließt. c) Die Beweisregeln bei der Zustellung (§§ 167 II, 198 II, 202 II, 212a, 212b, 261b II 2, 357 II 2, 496 IV 2, 497 I 4, 696 I 3) lassen ebenfalls den Gegenbeweis zu.
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Vorfahren bis zum Urteil
§286 F i
d) Im Falle des § 314 I 1 ist der Beweis des Gegenteils sehr beschränkt durch § 314 I 2, unbeschränkt aber auf dem Wege des Berichtigung- und Ergänzungverfahrens zugelassen (§§ 319—321). e) Nicht anders steht es mit den Bestimmungen der §§ 435, 437, 438 II und 440 II; denn sie handeln von Vermutungen (vgl. §§ 437, 440 II), gegen die § 292 den Beweis des Gegenteils zuläßt. f ) Zu den Beweisregeln zählt Hellwig (System I 468) auch die Vermutungen. F II. In der Tendenz der Ermittlung der (wahren) Tatsächlichkeit ist die Zivilprozeßordnung auch den Beweisregeln feindlich. a) Doch kann man ohne Beweisregeln gar nicht auskommen; man denke an die Zurückweisung wegen Verspätung. b) Eine weitere Beschränkung der Feststellung der (wahren) Tatsächlichkeit findet sich in der Revisioninstanz, weil in dieser — dem Grundsatze nach — das sich hierauf beziehende Urteil der Vorinstanz der Nachprüfung des Revisiongerichts entzogen ist (§ 561 C; ausgenommen, wenn ein begründeter Revisionangriff auf diese Feststellungen gerichtet ist). F III. § 286 I I verbietet die Beweisregel schlechthin, soweit sie nicht durch die ZPO erlaubt worden ist. F IV. Die Beweisregeln wirken im allgemeinen nicht der Feststellung der wahren Tatsächlichkeit entgegen. a) Zumindest lassen sie (in gewissem Rahmen) ihre Widerlegung zu, um das richterliche Wollen, welches mit der freien Beweiswürdigung gegeben ist, zu begrenzen; damit ergibt sich zugleich die Möglichkeit, die Prozeßaussichten sicherer beurteilen zu können. So tritt eine größere Rechtssicherheit ein. b) Über die Zulässigkeit der Beweisregelung- (und im besonderen der Schiedsgutachter-) vertrage vgl. § 282 C I I I a.
§ 287
(260)
I Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend. II Die Vorschriften des Abs. 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. A. In den von § 287 abgegrenzten Fällen wird die Erklärung- (§ 282 A I I b) und Beweislast (§ 282 A I I d) gemildert, es andererseits dem Gericht freigestellt, die angetretenen Beweise zu erheben, und dadurch die Begründungpflicht (§ 286 D III) abgeschwächt. Insoweit weicht § 287 von § 286 ab und ist ihm gegenüber abzugrenzen (§ 286 3U I a S). Daß das Gericht dabei den Beweisführer über den entstandenen Schaden Vernehmen darf, ist ein § 448 erweiternder Anwendungfall. A I. Die Norm ist nur dann anzuwenden, wenn der Klageanspruch dem Grunde nach gegeben ist, seine Höhe aber streitig und diese schwer aufzuklären ist (RGZ 150/210 [215]). Soweit § 287 für Schadenersatzansprüche auch die Feststellung, ob ein Schaden entstanden ist, in sich schließt, wird nur der Grenzfall berührt, weil auch bei gegebenem Schadengrunde die Höhe gleich Null sein kann (§ 286 E I a 3).
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§287
ZPO II. Buch
A II. § 287 ist für die Ermittlung der Nutzungvergütung nach AbzahlungG § 2 ausdrücklich für anwendbar erklärt worden (RGZ 138/28 [32f.]). B. Auf die Abgrenzung der Schadenersatzansprüche von den sonstigen kommt es nur noch insoweit an, wie § 287 I und II verschiedene Anforderungen stellen. B I. Schadenersatzansprüche fallen unter BGB §§ 249 folg.. a) Der Rechtsgrund für den zu leistenden Schadenersatz ist dabei gleichgültig. Auch kann nach § 287 auf Klage oder Einwand zu entscheiden sein. b) Kein Schadenersatzanspruch ist der auf Erfüllung auf Grund eines Vertrags (RG J W 25/9353) oder auf Gewährleistung (RG DR 39 A 79 9 29 ), abei auch auf Grund einseitig verpflichtender Verfügung (etwa Testament), wie überhaupt bei gesetzlichen Ansprüchen, die keine Schadenersatzansprüche sind, wie die auf die Höhe der Sicherheit nach BGB § 273 (RG Warn. 37/159). Auch Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen (BGB § 670) oder die aus ungerechtfertigter Bereicherung (BGB §§ 812folg.) gehören nicht unter § 287 I (abgesehen von den Fällen des BGB §§ 819, 820, vgl. BGB § 292). Die Enteignungentschädigung nach dem Enteignungrecht ist ebenfalls kein Schadenersatzanspruch (RGZ 107/228 [229]). B II. Die Schätzung der Höhe nach § 287 II ist auch zulässig bei anderen vermögensrechtlichen Ansprüchen (§ 2 A I b 2) als Schadenersatzansprüchen, deren Grund feststeht, über deren Höhe aber gestritten wird. RGZ 139/172 (174) will darüber hinaus auch schon die Schätzung, ob überhaupt ein Geschäftsgewinn erzielt worden ist, zulassen. a) Von der Höhe der Forderung kann bei Ansprüchen auf „vertretbare" Sachen (BGB § 91) gesprochen werden, im besonderen bei der Bemessung der Leistung nach BGB §§ 315, 319, 343, 655, 660, 2048, 2156, HGB § 741; bei dem Anspruch auf Minderung (BGB §§ 462, 472f.), dem auf ungerechtfertigte Bereicherung (BGB §§ 812folg.); aber auch reine Erfüllungansprüche können hierher gehören wie auch die Übernahme der Gewähr bei Kostenanschlägen durch den Architekten (RGZ 137/83 [88]). Eine ähnliche Lage ergibt sich bei der Bestimmung der Größe eines Grundstücks in den Fällen der Grenzverwirrung (vgl. BGB § 920); in den Fällen der Herabsetzung der Vertragstrafe (BGB § 343, RG v. 24. 2. 1910 V J W 293 29 ) entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen, und das entsprechende gilt auch in dem Fall des BGB § 319. b) § 287 ist indes in diesen Fällen nur anwendbar, wenn die vollständige Aufklärung im Verhältnis zur streitigen Forderung zu schwierig ist (das kann auch die ganze Forderung sein, RGZ 139/172 [174], indes nur wenn der Grund feststeht). C I. § 287 ersetzt § 286 in gewissem Umfange. Wo sonst § 286 nicht zum zuge kommt, gilt auch § 287 nicht (vgl. § 286 E I a 3), im besonderen gilt er nicht, soweit sonstige Beweisregeln gelten (vgl. RG J W 99/2563). C n . Eine gewisse Überleitung zu der „freien" Beurteilung nach § 287 ergibt sich aus den Regeln des Anscheinbeweises in den Fällen des § 286 (§ 282 D II, vgl. BGHZ 11/227) wie dort, wo das Gericht nach „Billigkeit" entscheidet. Der Anscheinbeweis selbst gehört sowohl zu § 286 wie zu § 287 (RG Seuff. 90/58). a) Es wird also auch nach der Lebenserfahrung geschätzt. b) Wird entgegen dem Anseheinbeweis entschieden, so müssen jedenfalls die Gründe, welche den Anscheinbeweis entkräften, wie im Fall des § 286 bewiesen werden (RGZ 95/103f.) und der insoweit angebotene Gegenbeweis darf deshalb nicht zurückgewiesen werden (RG J W 23/291»). c) Nach RG J W 35/354011 soll nach Lage des Falles beurteilt werden, ob der Anscheinbeweis oder der Wahrscheinlichkeitbeweis nach § 287 genüge; doch sollte hier nach Grund und Höhe geschieden werden. Bei dem Schluß vom Schadenereignis zur Schadenfeststellung vgl. Kommentar § 286 E I c 3. d) Grenzfälle sind dagegen die, wo Grund und Höhe ineinanderfließen, etwa wenn ein Schaden auf mehrere nicht solidarisch Haftende zu verteilen ist (RGZ 51/248 [250]); dies gilt auch für die Abgrenzung des Schadens bei zwei aufeinanderfolgenden (voneinander unabhängigen) Unfällen (RG N § 287/63) oder bei der Verteilung des Schadens bei mit-
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Verfahren bis zum Urteil
§287 cnd
wirkender Verursachung und des darauf gegründeten mitwirkenden Verschuldens (BGB §§ 254, 846) oder soweit das Gesetz in gewissem Rahmen nach Hypothesen urteilen läßt, also etwa im Fall des BGB § 252, auch bei der Frage, ob der Schaden konkret oder abstrakt zu bemessen sei (vgl. RGZ 68/163). C III. Es entscheidet die freie Überzeugung, d. i. ein freierer Spielraum über § 286 hinaus (RG J W 06/47131) und nicht der hohe Grad der Wahrscheinlichkeit, der beim Beweise nach § 286 erforderlich ist. C IV a) Für die Schadenersatzansprüche kommen für das Verfahren nach § 287 die der Berechnung zugrunde liegenden Tatsachen in betracht. a 1. Bei Unfallrenten ist nach der Rechtsprechung die Rente nach der Dauer der mutmaßlichen Lebenzeit zu berechnen, was kalendermäßig festzustellen sei (RG JW 27/2371); im besonderen bei Renten aus BGB §§ 843, 844, 845 (BGHZ 1/45), wobei der Lebensunterhalt für eine Witwe nicht mit ihrer Wiederverheiratung zu erlöschen braucht (OGHZ 1/317 [321 f.]), diese bleibt vielmehr grundsätzlich außer betracht (RG HRR 34/1023); die Rente darf nach Prüfung des Einzelfalles über das 65. Lebensjahr hinausgehen (OGHZ 1/317 [322]); nach RGZ 83/65 darf aber regelmäßig nicht eine Rente auf Lebenzeit festgesetzt werden. Von dieser Rechtsprechung sollte man abgehen, da es dann Abänderungklagen gibt, wenn das Gericht zu Unrecht die Rente zu kurz bemessen hat (§ 323 B II b), und selbstverständlich braucht sie nach dem Tode des Begünstigten als solche nicht fortgezahlt zu werden, selbst wenn das Gericht sie zu lang bemessen hatte. Der Höhe nach wird die Rente bestimmt durch die Bedürfnisse des Geschädigten, wobei nicht die abstrakte Minderung der Erwerbsfähigkeit, sondern der konkrete Verdienstausfall festzusetzen ist (RG N § 287/53). Die Höhe des Schmerzensgeldes (BGB § 847) wird geschätzt (RG Warn. 21/25); bei dauerndem Körperschaden in Form einer Rente (BGH NJW 57/383). a 2. Bei der Patentverletzung ist davon auszugehen, daß der Verletzte zumindest den Gewinn erzielt hätte, den der Verletzer gewonnen hat (RGZ 95/220f.). a 3. Bei nur möglichem, aber noch nicht durchgeführtem Deckungkauf wird die Differenz zum Kaufpreise geschätzt (RG LZ 20/7562). Schätzungen gibt es bei der abstrakten Schadenberechnung; aber auch wenn verschiedene Posten abstrakt, andere konkret berechnet sind, darf das Gericht einen Gesamtbetrag als Schadenersatz schätzen (RG N § 287/76); nicht aber darf das Gericht, wenn der Kläger konkret berechnet, den Schaden abstrakt schätzen (a. M. RG N §287/19); wohl aber umgekehrt. Der abstrakte Sehaden wird dabei im wesentlichen nach der Marktlage bestimmt; der Marktpreis wird nach RG LZ 09/4784 gemäß § 287 ermittelt (doch ist die Schätzung des Gerichts widerlegbar). a 5. Ein Ausgleichposten darf für Schätzungfehler einkalkuliert werden (RG N § 287/75). c) Begrenzt wird die freie Schätzung des Gerichts c 1. durch andere zwingende Gesetzesnormen. Bei der Schätzung hat das Gericht etwa bestehende Preisbindungen zu beachten (RG DJ 38/1563). c 2. Auch insoweit, wie die Partei konkretes Material anbietet, wird in der Regel dem nachzugehen sein. c 3. Nicht dagegen fällt unter § 287, sondern nur unter § 286, die Frage, wie ein Schaden (ob durch Kapital oder durch Rente) auszugleichen sei (BGB § 843 III, RG v. 10. 11. 1899 VII E 45/203 [207]), auch nicht, ob die Entschädigung durch Herstellung oder Geldersatz zu begleichen ist. Vgl. im übrigen § 286 E I c 3. D i a ) Soweit § 287 reicht, bedarf es keiner Substantiierung (RG JW 38/466 as ); im besonderen brauchen die einzelnen Posten einer Schadenberechnung nicht angegeben zu werden (RG N § 287/38). Vgl. aber § 287 D I b. a 1. Der Gläubiger darf vielmehr selbst schätzen. a 2. Jedenfalls muß das Gericht auch ohne die Parteidarlegung zu einer, wenn auch nur allgemeinen Schätzung kommen und darf den Anspruch nicht mangels Substantiierung zurückweisen (RGZ 148/68 [70]).
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§287 Di
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b) Anders ist dies nur, wenn das Gericht überhaupt keinen Anhalt für die Schätzung hat (RG J W S7/24 6 6 25 ). In diesen Fällen darf das Gericht verlangen, daß die für die Schätzung erforderlichen Einzelheiten angegeben werden (BGH N J W 52/23 10 ). b 1. Doch liegt dem Gericht insoweit eine erweiterte Aufklärungpflicht (§ 139) ob (RG J W 39/65 0 49 ). Unterläßt die Partei trotz Hinweises jede Mitteilung tatsächlicher Anhaltpunkte, so darf die Klage ganz abgewiesen werden (RG N § 287/31). b 2. Sodann sind die Grundtatsachen darzulegen (RG N § 287/44). D IX a) Soweit § 287 reicht, gibt es keine Entscheidung nach der Beweislast (BGH N J W 51/405 14 ). Daß der Schaden unübersehbar oder rentenmäßig nicht zu erfassen ist, ist kein Hinderunggrund für die Schätzung (RGZ 148/68 [70]). b) Anders ist dies, wo der Gläubiger Tatumstände vorbringen muß (vgl. § 287 D I b). Insoweit hat er auch die Beweislast (RG J W 98/69 8 ). Erst recht muß, wenn alle Unterlagen zu einer Schätzung fehlen, nach Beweislast entschieden werden (RGZ 155/37 [39]). D III. Die Beweiserhebung steht im Rahmen des § 287 nach h. M. im Ermessen des Gerichts. Es darf danach von den Parteien angetretene Beweise zu erheben, ablehnen (BGH 3/162 [177]). § 287 I 2 bezieht sich nach der h. M. nicht bloß auf den Sachverständigenbeweis (den das Gericht stets von gerichts wegen erheben, § 144, und seine Erhebung ablehnen darf), obwohl man ihn so lesen könnte (und auch sollte). a) Das Gericht darf selbst schätzen oder durch Sachverständige schätzen lassen (RG N § 287/14) oder die Unterlagen der Schätzung durch sonstige Beweiserhebungen ergründen. a 1. Doch darf das Gericht auch hier nicht Zeugen vernehmen, deren Vernehmung nicht von den Parteien beantragt wurde. Zahlt die Partei einen von ihr geforderten Auslagenvorschuß für einen Sachverständigen nicht, so muß sich das Gericht darüber schlüssig werden, ob es den Sachverständigen von sich aus (§ 144) hören will, und ihn dann ohne Vorschuß vernehmen (RGZ 155/37 [39]). Doch kann das Gericht nicht die Frage, ob infolge eines Unfallschadens mit einem Zukunftschaden zu rechnen, durch Augenschein ohne ärztliches Gutachten beantworten (BGH VersR 57/244). a 2. Nach § 287 I 3 darf es auch eine Partei vernehmen; doch ist dies, wenn man der hier vertretenen Auffassung folgt, nur ein Anwendungfall des § 448. Dann besteht aber auch kein praktischer Unterschied zu § 287 II, der § 287 I 3 nicht zitiert; denn wenn der Grund feststeht, ist damit zugleich für die Höhe ein Beweisanzeichen gegeben. Durch diese Beweiserhebung darf das Gericht hier die weitere Beweiserhebung abschneiden. In der Würdigung der Aussage ist das Gericht frei; beeidigen darf das Gericht den Vernommenen, sofern nicht der Gegner darauf verzichtet bzw. er rechtskräftig wegen Meineids verurteilt worden ist. Auch § 449 ist anzuwenden. Ohne eine solche Vernehmung darf aber das Gericht sich nicht allein auf die bloße Erklärung einer Partei stützen (a. M. RGZ 91/60 [68]). b) Erhebt das Gericht einen Beweis, so ist es an die Beweiserhebungnormen gebunden (RG Seuff. 86/52). Deshalb darf auch das Gericht nicht ein Gutachten auf dem Wege des Urkundenbeweises verwerten, wenn gegenbeweislich auf ein Sachverständigengutachten bezug genommen wurde, dessen Erstattung das Gericht für erforderlich hielt (RG J W 37/2226 45 ). Wenn mündliche Vernehmung des Gutachters beantragt war, muß das Gericht dem Antrag entsprechen (vgl. §411 A IIb), wenn es — zunächst — ein schriftliches Gutachten sich erstatten ließ. c) Bei der Schätzung darf das Gericht nach h. M. auch von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen berücksichtigen (RG J W 00/839 2 ); dies ist besonders bei hypothetischen Tatsachen anerkannt (RG J W 36/813 29 ), und es darf über solche und andere auch Beweis erheben (RG J W 01/206 4 ). D IV. Das Gericht muß die Schätzung nach § 287 begründen. a) Nach RG LZ 11/548 31 braucht der Tatrichter nicht die Schadenhöhe ziffernmäßig zu berechnen. Nach RG N § 276/71 braucht der Tatrichter nicht die einzelnen Umstände anzugeben, die er für die Schadensberechnung für erheblich hält.
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Verfahren bis zum Urteil
§ 287
DIV
a 1. Immerhin müssen die leitenden Gründe mitgeteilt werden ( B G H Z 3/162 [175folg.]) bzw. die für die Sehadenbemessung maßgebenden Tatsachen ( B G H N J W 53/261 = J R 52/478). Dies gilt i m besonderen, wenn ein bestimmter B e t r a g zu- oder a b e r k a n n t worden ist ( O G H N J W 4 9 / 3 4 0 = J R 49/217). a 2. Das Gericht muß das, was die Parteien vortragen, würdigen (alles: B G H V e r s R 5 1 / 4 7 ; a. M. B G H Z 3/162 [175]). Lehnt es angetretene Beweise zu erheben ab, so muß es dies würdigend begründen ( R G Z 1 3 0 / 1 0 8 [112]) und darf nicht die die Schätzung bedingenden Behauptungen ohne Beweisaufnahme beiseite schieben ( R G L Z 1 7 / 8 6 1 6 ) . b) § 287 soll das Gericht so nahe wie möglich an die Tatsächlichkeit heranführen; er g e s t a t t e t deshalb dem Prinzip nach keine Willkür bei der Entscheidung ( R G N § 287/41). b 1. Der R i c h t e r darf deshalb nicht runde Summen zuspiechen, sofern die Berechnung der Partei auf genauen Unterlagen beruht ( R G N § 287/1). B e i m Absprechen einer Summe h a t B G H v. 5. 5. 1954 V I Z R 71/53 die Ubergehung von unter Beweis gestellten Summen gebilligt. E I. Die Beriifunginstanz h a t nur zu prüfen, wie zu schätzen ist. E r h o b e n e Beweise müssen beachtet werden. Eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 539 sollte unzulässig sein (vgl. § 286 D I I I ) . E II. I n der Revisioninstanz ist a ) ein Fehler nur auf Rüge zu prüfen ( B G H Z 3/162). b) Die Entscheidungen über den Umfang der Nachprüfungmöglichkeit schwanken zwischen dem einen Pol, daß nicht alle Umstände gewürdigt sind und deshalb aufgehoben wird ( R G Z 40/422 [424]), bis zu dem anderen, daß in die Ermessenfreiheit des Tatsachengerichts nicht eingegriffen werden darf ( R G J W 3 6 / 3 4 5 7 1 2 ) . Ergeben die Gründe, daß der Tatsachenrichter von falschen Grundsätzen ausgegangen ist, so wird aufgehoben ( B G H v . 12. 7. 1952 I Z R 2 4 / 5 2 ) ; ergeben sich nur „beiläufige" Irrtümer, so geht das Revisiongericht darüber hinweg.
§ 288
(261)
I Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum P r o tokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind. II
Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.
A . Das Geständnis ist eine einseitige (§ 288 I I ) , dem Gericht gegenüber abzugebende (§ 288 I) prozessuale und grundsätzlich v o m Augenblick übereinstimmender Erklärungen an unwiderrufliche (vgl. aber § 290) Wissenserklärung. A I a 1 ) W e n n der Erklärungbelastete behauptet und der Gegner bestreitet, ist die Behauptung zu beweisen (§ 282 A I I c, d, R G N § 2 8 8 / 1 8 : ohne R ü c k s i e h t darauf, ob a u c h Gegenbeweise angetreten sind, die h ä t t e n angetreten werden können). a 2 . W e n n der Erklärungbelastete behauptet und der Gegner schweigt; sodann gilt, soweit der Verhandlunggrundsatz reicht, das E r k l ä r t e als wahr, und es ist kein Beweis zu erheben (§ 138 I I I ) . Dasselbe t r i t t ein, wenn der Erklärunggegner sich — unberechtigt — m i t Nichtwissen erklärt (§ 138 I V ) . a 3. Wenn der Erklärungbelastete behauptet und der Gegner sich anschließt, g e s t e h t er zu. Der Unterschied des Geständnisses zu dem Nicht- (oder nicht ordnungmäßigen) B e streiten liegt aber in der prozessualen Bindung an das Gestandene (§§ 290, 532). a 4 . W e n n der Gegner behauptet und der Erklärungbelastete sich i h m anschließt, t r i t t ebenfalls Geständniswirkung ein ( R G Z 86/143 [145f.]). Man nennt diesen F a l l das antizipierte — vorweggenommene — Geständnis ( R G W a r n . 40/13). E s ist dabei nicht erforderlich, daß die zugestehende Partei weiß, daß sie ein Geständnis abgibt. D o c h darf jede Partei ihre B e 54
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 288 A I a
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ZPO I I . Buch
hauptung widerrufen, solange sie sieh mit der des Gegners noch nicht deckt (RGZ 100/279 [284]). a S. Wenn der Gegner behauptet und der Erklärungbelastete schweigt oder sich mit Nichtwissen erklärt, dann liegt zwar kein Geständnis vor (RG J W 09/729 26 ), und die Erklärung darf widerrufen werden; doch ist die unwiderrufene Erklärung (zugunsten des Erklärungbelasteten) zu verwerten, ohne daß Beweis zu erheben wäre, also gegen den Behauptenden (RG J W 05/27 35 ); denn jede Partei muß ihre Behauptungen auch gegen sich gelten lassen (RGZ 165/260 [267]). Allerdings darf auch dann nicht etwa die Behauptung bezüglich des Anspruchs als nicht bewiesen oder widerlegt und bezuglich eines anderen Anspruchs als erwiesen angesehen werden (RG J W 98/413 2 ). Die Erklärung, einen Einwand nicht erheben zu w o l l e n , ist nur als Nichtbehaupten der Einwandtatsachen auszulegen (vgl. OLG 23/168), da das hierauf bezügliche Wollen der Partei ohne bedeutung ist. a 6. Wenn der Gegner behauptet und der Erklärungbelastete bestreitet, darf die Behauptung nicht verwertet werden (RG Warn. 17/24). b) Die Fälle sind zu variieren, wenn das Gericht die Wahrheit der Behauptung oder ihre Unwahrheit kennt oder die Wahrheit ohne Rücksicht auf das Parteiverhalten ermitteln muß (im Offizialverfahren). b 1. Kennt das Gericht die Wahrheit der Behauptung, so ist auch in dem Falle zu § 288 A I a 1 kein Beweis zu erheben (§ 291); im Fall des § 288 A I a 6 muß sie trotzdessen unberücksichtigt bleiben, weil das Gericht nur das verwerten darf, was die Parteien vortragen (§ 128 B I I I a), soweit der Verhandlunggrundsatz reicht. b 2. Kennt das Geriebt die Unwahrheit der Behauptung, dann braucht im Fall zu § 288 A I a 1 kein Beweis erhoben zu werden, und in dem zu § 288 A I a 6 bleibt sie wiederum außer betracht. In den übrigen Fällen greift § 138 I ein und Behauptung und Gegenerklärung werden, soweit § 138 reicht, unbeachtlich ( § 1 3 8 C I c), d. h. in den Fällen zu § 288 A I a 2, 5 wird die Behauptung, in denen zu § 288 A I a 3 und 4 Behauptung und Geständnis unbeachtlich. Damit wird aber nicht etwa das Gegenteil der Behauptung in den Prozeß eingeführt, soweit der Verhandlunggrundsatz reicht, vielmehr wird nur die Behauptung so behandelt, wie wenn sie nicht erklärt wäre, was sich im Falle zu § 288 A I a 5 zugunsten der die Unwahrheit behauptenden Partei auswirkt. b S. Sind dem Gericht (wie regelmäßig) Wahrheit und Unwahrheit unbekannt, so gelten die zu § 288 A I a 2—5 genannten Grundsätze nur nicht, soweit das Gericht von sich aus die Wahrheit erforschen muß (Offizialmaxime). A II. Erklärung wie Geständnis beziehen sich auf Tatsachen: in diesen liegt das Urteilen eingeschlossen (vgl. § 138 B I I a). Doch fehlt in ihnen stets das Element des Wollens. a ) Das Geständnis unterscheidet sich vom Anerkenntnis dadurch, daß das letzte ein Sichbekennen zum geltend gemachten Rechtsanspruch ist (RG J W 89/4317), während das Geständnis nur die Tatsache ergreift. Das Anerkenntnis ist keine Wissen-, sondern eine Willenserklärung (es enthält kein Geständnis; R G Seuif. 57/131). b 1. Auch Urteile über Tatsachen (§ 138 B I I a) sind wieder Tatsachen; die Angabe des Klägers, daß er für die Vermittlung eines Kaufs nur die übliche Provision fordern könne, ist deshalb als Geständnis angesehen worden (RG J W 07/264 2 '). Auch die Tatsache, daß eine Urkunde echt sei, kann zugestanden werden (RGZ 97/162f.). Inwieweit das Gericht in das Tatsachen u r t e i l eingreifen darf, ist nur aus dem Gesetz und dem Tatbestand zu entnehmen. „Unmögliche Tatsachen" (d. h. den Naturgesetzen wie auch den Erfahrungregeln widersprechende) sind unbeachtlich (OLG HGZ 07 B 12 1 0 ). Die rein rechtliche Beurteilung darf jedenfalls nicht durch Parteidisposition beeinträchtigt werden, im besonderen nicht die Beurteilung eines Beweisergebnisses (vgl. RG LZ 32/3228 [325]) oder, wenn Beklagter zugibt, daß dem Kläger Rechte aus einer von ihm käuflich erworbenen Gerechtsame (ohne anzuerkennen) zustehen (RGZ 161/243 [247]), oder wenn die Parteien übereinstimmend meinen, der Klageanspruch sei berechtigt, wenn der Kläger einen bestimmten Nachweis erbringe (RG J W 01/57 2 ). Das Hinzufügen rechtlicher Beurteilungen ist für die sonst abgegebene
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Verfahren bis zum Urteil
§ 288 a n b 1
Wissenerklärung ohne Bedeutung; das Geständnis gilt, selbst wenn die rechtliche Beurteilung falsch ist (RG JW 97/46114). b 2. Einfache Rechtsbegriffe gehören zu den Tatsachen (RG J W 12/35 7 26 ); soweit nicht gerade um den Rechtsbegriff der Streit geht (RG JW 01/58 3 ). Wenn dagegen auch übereinstimmende Erklärungen der Parteien über die Auslegung eines Rechtsgeschäfts oder einer Urkunde von RG HRR 32/378 nicht als maßgebend angesehen werden, so ist dies nur zu billigen, soweit es sich um Willenserklärungen über die Auslegung handelt; nicht aber, soweit die Parteien nur wissenmäßig erklären wollen, was sie oder andere gemeint haben (RG N § 288/4) B. Geständnis ist die sich deckende Wissenerklärung der Parteien (über Tatsachen; RG HRR 33/1052). B I. Stehen sich mehrere Parteien gegenüber, so wirkt das Geständnis nur zwischen denen, welche sich erklärt haben, also bei mehreren Streitgenossen nur unter den sich parteimäßig gegenüberstehenden, zwischen denen es erklärt ist (§ 61 A I b 2, A II c), und zwar auch bei den notwendigen Streitgenossen nur individuell (§ 62 B III a). Dies gilt auch für den (selbständigen wie unselbständigen) Streitgehilfen; hier kann also die Hauptpartei jederzeit das Geständnis des Nebenintervenienten vernichten, indem sie widerspricht (§ 67). B II a 1. Eine förmliche Erklärung ist nicht erforderlich. Das „Nichtbestreitenwollen" kann nur dann ein Zugestehen bedeuten, wenn die sonstigen Äußerungen der Partei ergeben, daß sie meint, das, was der Gegner sage, sei richtig (RG JW 01/7492). In dem Widerruf einer Behauptung kann zugleich das Zugeständnis der Unwahrheit der widerrufenen Behauptung liegen, nämlich, wenn die Parteien darin übereinstimmen, daß sie unwahr ist (RG Warn. 14/234); im Regelfall liegt aber darin, daß eine Behauptung fallen gelassen oder aufgegeben wird, kein Geständnis (RG J R 26 B 732); im Zweifelsfall ist nach § 139 aufzuklären. a 2. Sich nicht erklären und nicht bestreiten ist kein Zugestehen (RG J W 12/59213). Wird nur dies im Urteil (RG JW 07/67515) oder im Protokoll festgestellt (RG Gruch. 56/987 [990]), so ist allein daraus kein Geständnis nachgewiesen. a 3. Unter einer Bedingung (eventuell) oder unter einer Befristung (vgl. auch § 288 B II a2) kann man nichts positiv als Wissen erklären (vgl. RGZ 167/257 [258]). Dagegen ist die Rechtsbedingung, daß der Gegner auch die entsprechende Behauptung aufstelle, bedeutunglos und hindert die Geständniswirkung nicht. b) Es genügt, daß sich die Wissenserklärungen beider Parteiseiten im wesentlichen decken: auch Teilgeständnisse sind möglich (RG Warn. 30/126, vgl. §289). Nur soweit die Übereinstimmung reicht, liegt ein Geständnis vor (RG N § 288/15), wobei u. U. bei Gesamttatsachen (§ 288 A II b 1) die einzelnen Tatsachen nicht näher angegeben zu werden brauchen (RG N § 288/20). Deckt sich schon die Erklärung einer Parteiseite nicht in sich, sind also in ihr Widersprüche enthalten, so kann kein Geständnis vorliegen, solange der Widerspruch nicht behoben ist (RG N § 288/42, das den Widerspruch einer Schadenberechnung jederzeit berichtigen ließ). B III a) Als prozessuale Erklärung kann das gerichtliche Geständnis nur von dem Postulationfähigen abgegeben werden. Über die Möglichkeit der (prozeßfähigen) Partei bzw. ihres gesetzlichen Vertreters, ein vom Postulationfähigen abgegebenes Geständnis widerrufen zu können, vgl. § 85 I 2. Die nicht postulationfähige Partei bzw. ihr gesetzlicher Vertreter können allein nicht wirksam gestehen (vgl. § 85 B I a). Deshalb ist die Erklärung der vernommenen Partei (§§ 445folg.) auch nicht als Geständnis zu werten (so mit abweichender Begründung: RG J W 38/1272 42 ; a. M. BGH NJW 53/621). b) Das Geständnis setzt sich aus einseitigen Erklärungen zusammen, die gegenüber dem Gericht abzugeben sind (das nur dem Gegner zugegangene Geständnis ist keines), und zwar in mündlicher Verhandlung oder zu Protokoll des beauftragten oder ersuchten Richters (§ 288 I) bzw. im schriftlichen Verfahren (§ 128 II) mit dem Zugang des Schriftsatzes bei dem Gericht. Ein Geständnis, das im anderen Rechtstreit abgegeben ist, genügt nicht. b 1. Inwieweit bei einem nach §§ 538, 539, 565 aufgehobenen Verfahren das Geständnis noch seine Wirksamkeit behält, vgl. § 564 B II. Soweit in der mündlichen Verhandlung 54*
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§ 2 8 8 B Iii b l
ZPO II. Buch
auf Schriftsätze bezug genommen wird (§ 137 III, und dies wird stillschweigend regelmäßig geschehen), genügt zum Nachweis des Geständnisses die Erklärung in einem vom Erkenntnis in bezug genommenen Schriftsatz; während sonst das im (vorbereitenden) Schriftsatz abgegebene (RG J W 99/177®) oder das zu Protokoll der Geschäftstelle erklärte kein gerichtliches Geständnis nach § 288 I ist; die Feststellung im Urteil genügt (vgl. RG J W 91/199'), selbst wenn die Besetzung des Gerichts gewechselt h a t (RG Warn. 08/92). b 2. Nur bei Verhandlung vor dem beauftragten oder ersuchten Richter ist Protokollierung erforderlich (§§298II,510a), und es muß dann vor dem Prozeßgericht vorgetragen werden (RG Seuff. 73/231, was aber jede Partei darf). Im übrigen gilt auch hier § 137 III. Von dem Antrag auf seine Protokollierung hängt die Wirksamkeit des Geständnisses nicht ab (RG J R 2 7 B 530). B IV. Wann das gerichtliche Geständnis abgegeben wird, ist (zumindest in den Tatsacheninstanzen) gleichgültig (ob es auch in der Revisioninstanz noch abgegeben werden darf, darüber vgl. § 561 B II b); niemals kann es wegen Verspätung zurückgewiesen werden; möglicherweise wird dadurch eine Beweisaufnahme hinfällig. C. Das wirksame gerichtliche Geständnis gestattet dem Gericht im Regelverfahren nicht, die Wahrheit der behaupteten Tatsachen durch eigenes Urteil nachzuprüfen (vgl. RG J W 12/683®). Es wirkt auch in der Berufung- (§ 532) und in der Revisioninstanz (vgl. § 561 A I b). Und selbst im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozeß bedürfen die klagebegründenden Tatsachen keiner Belegung durch Urkunden, soweit ein Geständnis vorliegt (RG J W 05/344 17 ). C I. Ob die erste bzw. die zweite Instanz mit Recht ein Geständnis angenommen hat, wird in der höheren nachgeprüft (eine Bindung nach § 532 besteht über diese Tatsache nicht, RG Warn. 27/38). a) Das gilt zunächst für die Berufunginstanz (RG N § 288/10). Läßt das über die Erklärung schriftlich Niedergelegte Zweifel offen, ob zugestanden oder nur nicht bestritten werden sollte, so ist das letzte anzunehmen (RG N § 288/3). b) Auch in der Revisioninstanz wird nachgeprüft, ob übereinstimmende Erklärungen vorliegen (BGH MDR B 305/57). C II. Doch wird das Geständnis hinfällig, wenn die beweisbelastete Partei ihre Behauptung zurücknimmt (OLG ZZP 39/514f.). Eine Zustimmung des Gegners in die Zurücknahme des Geständnisses stellt zugleich die Zurücknahme seiner Behauptung dar. Über die Beschränkung des einseitigen Widerrufs der beweisbelasteten Partei vgl. § 290 A; über die Einwirkung der Wahrheitlast vgl. Kommentar § 138 C. D. Von dem gerichtlichen Geständnis ist das außergerichtliche zu unterscheiden. D I. Es ist eine nicht in der Form des gerichtlichen Geständnisses abgegebene Wissenerklärung, Wenn es im laufenden Prozeß aufgegriffen werden soll, muß es von einer Partei vorgetragen werden. D II. Bewiesen werden kann es mit allen Beweismitteln, falls seine Abgabe bestritten wird; doch wird das Gericht regelmäßig den unmittelbaren Beweis vorziehen. a) Das außergerichtliche Geständnis wirkt nur indiziell (RG J W 97/565 15 ); sein Beweiswert ist nach § 286 frei zu würdigen. Wird eine vom Gegner bestrittene Behauptung widerrufen, so kann dies überhaupt nicht bewertet werden (RG Warn. 11/286). b) Stets muß hier aber der Gegenbeweis zugelassen werden (RG N § 290/6 meint, die außergerichtlich gestehende Partei habe die Beweislast).
§ 289
(262)
I. Die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses wird dadurch nicht beeinträchtigt, daß ihm eine Behauptung hinzugefügt wird, die ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel enthält. II Inwiefern eine vor Gericht erfolgte einräumende Erklärung ungeachtet anderer zusätzlicher oder einschränkender Behauptungen als ein Geständnis anzusehen sei, bestimmt sich nach der Beschaffenheit des einzelnen Falles.
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Verfahren bis zum Urteil
§289
A. Über Angriffs- und Verteidigungmittel vgl. § 278 A II. Dadurch, daß sich die Partei eines solchen Mittels bedient, kann die Wahrheit des Geständnisses nicht beeinträchtigt werden; es gibt keine eventuellen Geständnisse (§ 288 B II a 3). B. § 289 läßt die Beweislastfrage unangetastet. Qualifiziertes Bestreiten bzw. motiviertes Leugnen (RG JW 03 Beil. 54 125 ) und qualifiziertes Gestehen (RG J W 03/478) ändern an der Beweislast nichts.
§ 290
(263)
1
Der Widerruf bat auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses nur dann Einfluß, wenn die widerrufende Partei beweist, daß das Geständnis der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrtum veranlaßt sei. In diesem Falle verliert das Geständnis seine Wirksamkeit.
A. Gegen ein vollzogenes Geständnis (§ 288 B III b) läßt § 290 seinen Widerruf zu, wenn es unwahr u n d irrtümlich abgegeben worden ist. Er bürdet dabei die Erklärung- und die Beweislast dem Gegner der erklärungbelasteten Partei auf, kehrt also die Beweislast um (RG N § 290/11). A I. Der Widerruf nach §§ 85 I 2, 90 II folgt anderen Regeln; ebenso der Widerruf des reinen Bestreitens, der jederzeit in den Tatsacheninstanzen zulässig ist (RG JW 01/1204). Auch das außergerichtliche Geständnis ist frei widerruflich (RG J W 02/92®), wenn es auch regelmäßig zur Entkräftung des Indizes; aber ohne Beweislastumkehr, nötigt (vgl. § 288 D II a). A II. Nach § 138 I ist jedoch die bewußt unwahr abgegebene Erklärung nicht zu beachten (§ 138 C I; RGSt. 72/113 [115]); also selbst dann nicht, wenn sich einer der Erklärenden nicht geirrt hat. Daraus folgt aber, daß es auf diesen Irrtum nicht mehr abgestellt werden darf. a) Soweit er nur um die Wissenerklärung geht, sind Vereinbarungen darüber, welche diese Erklärungen inhaltlich zu Willenerklärungen machen müßten, unzulässig. A III. Die ältere Rechtsprechung ist demnach in bezug auf die Wissenerklärungen (aber nicht in bezug auf die Willenerklärungen, vgl. § 290 B) überholt. a) Nach ihr ist der Irrtum, weshalb das Unwahre gestanden wurde, darzulegen, d. h. a 1. der irrige Glaube an die Wahrheit der Tatsache (RG J W 02/166 16 ); der Beweis de 8 Irrtums war auf die Tatsachen zu richten, die den Irrtum herbeigeführt haben (RG Seuff73/231); ob der Irrtum tatsächlicher oder rechtlicher Art war, entschuldbar oder nicht, darauf kam es nicht an (RGZ 11/405 [408]). Der Nachweis der bloßen Unkenntnis von einem Sachverhalt genügte dazu nicht (RG JW 02/16618). Der Beweis war nach § 286 zu führen (OLG Bad. RPr. 06/183); selbst bei bewiesener Unwahrheit wurde nicht einmal prima facie von der Unwahrheit auf den Irrtum geschlossen (RG N § 290/13). a 2. War für den Irrtum kein Beweis angetreten, so war das Geständnis nicht wirksam widerrufen (RGZ 41/43 [46]). b) Soweit der Vertreter der Partei, für den die Partei nach § 232 II einzustehen hat (§ 232 B), geirrt hat, war dieser (RArbG E 26/346) zu kennzeichnen. Sein Irrtum kam aber nicht in betracht, wenn die Partei in Kenntnis der Unwahrheit ihren Prozeßbevollmächtigten mit der Abgabe des Geständnisses beauftragt hatte (RGZ 146/348 [352f.]). Dies gilt selbst in dem Fall vollinachtloser Vertretung (§ 89 A) bei späterer Genehmigung (vgl. OLG Bad. RPr. 06/18384). A IV. Der Widerruf ist eine einseitige, dem Gericht gegenüber abzugebende und in derselben Form wie das Geständnis bzw. die Abgabe sonstiger Erklärungen vollziehbare (RG v. 15. 4.1919 III 570/18 N § 288/41), prozessuale Willenserklärung, deren Widerruf bei noch aufrechterhaltener Behauptung der Gegenpartei in der Form eines neuen Geständnisses zu vollziehen ist und dann als solches wirkt. Widerrufen kann noch in der Berufunginstanz werden (RGZ 11/405), nicht mehr in der Revisioninstanz (hier auch nicht mit Zustimmung des Gegners, wenn nicht darin zugleich die Rücknahme der Behauptung zu sehen ist; ob dies noch zulässig
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§290 A iv
ZPO II. Buch
ist, darüber vgl. § 561 B II b und § 554 C I I I d 6, falls Wiederaufnahmegründe vorliegen). Über den Widerruf des (unselbständigen) Streitgehilfen vgl. § 67 B I a. B I . Die außerprozessualen Willenserklärungen folgen ganz dem außerprozessualen Recht, im besonderen bezüglich ihrer Willensmängel und der Anfechtbarkeit (RG N § 290/3). B II. Die prozessualen Willenserklärungen von Verzicht und Anerkenntnis darf man der Regel des § 290 in entsprechender Anwendung unterwerfen, d. h. besteht der Anspruch entgegen dem Verzicht oder besteht er entgegen dem Anerkenntnis nicht, so darf der Verzichtende bzw. der Anerkennende widerrufen, sofern er beweist, daß der Anspruch besteht bzw. nicht besteht u n d er sich beim Verzicht oder Anerkenntnis im Irrtum Uber die wahre Rechtslage (vgl. BGB § 814) befunden hat (der entsprechend BGB §§ 119, 123 erheblich ist). Uber die Frage der Erheblichkeit des Irrtums vgl. § 290 A I I I a 1, b. Der Irrtum im Motiv ist allerdings gleichgültig (RG N § 290/4). b) Der Widerruf ist noch in der Berufunginstanz zulässig (RG v. 6. 12.1907 II E 67/154 für den Fall, daß der Anspruch in erster Instanz unter Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung anerkannt, in zweiter aber der Grund des Anspruchs bestritten wurde); ob man ihn noch in der dritten für zulässig erachten darf, hängt davon ab, inwieweit man die Einführung der für ihn erheblichen neuen Behauptungen zuläßt (vgl. § 561 B II b).
§ 291 (264) I
Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.
A. § 291 überhebt das Gericht, Beweise erheben zu müssen, wenn es die behaupteten Tatsachen kennt. A I. Nach dem Verhandlunggrundsatz müssen die Tatsachen behauptet sein; a) sonst dürfen auch offenkundige Tatsachen nicht berücksichtigt werden (RGZ 143/175 [183]). Die Nichtberücksichtigung solcher nicht behaupteten Tatsachen verstößt auch nicht gegen § 138 I ; denn die Wahrheitslast gilt nur für das Behauptete, nicht in bezug auf das, was zu behaupten ist (§ 138 B III a). Deshalb ist insoweit auch nicht § 139 anzuwenden. b) Wird das Gegenteil von der erklärungbelasteten Partei behauptet und zugestanden (§ 288), so muß das Gericht dies hinnehmen (RG J W 13/385 21 ), selbst wenn es auf Grund der Beweisaufnahme anders urteilen könnte; nur wenn es vom Gegenteil überzeugt ist, so daß Behauptung oder Gegenerklärung prima facie gegen § 138 I verstoßen, wird es nach § 139 aufklären und dann trotz des Geständnisses die Behauptung unbeachtet lassen (nicht aber das Gegenteil als erwiesen ansehen) dürfen. A II. Anders ist dies, soweit das Offizialprinzip herrscht (§ 128 B I I I d 2), a) soweit Tatsachen, die von den Parteien nicht vorgetragen werden, berücksichtigt werden (RGZ 38/387 [389]). Sie müssen allerdings zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden (vgl. RGSt. 28/171 f.); und hier ist, auch wenn sie nicht behauptet werden, § 139 anzuwenden. Ii) Unter der Offizialmaxime steht auch die Beweiswürdigung. Hier müssen gerichtskundige Indizien (auch die Glaubwürdigkeit von Zeugen) bei Offenkundigkeit stets berücksichtigt werden (RG Gruch. 36/1131 [1133]), ohne daß es auf die Parteibehauptung ankäme (§ 286 B IV). A III a) Weder die Rechtsgesetze noch die des allgemeinen Geschehens (die Erfahrungsätze) gehören unter § 291 (RG LZ 27/78S 29 ). a 1. Sie sind von gerichts wegen zu beachten (RG v. 29. 5.1900 I I I 61/00 N § 291/2 für Erfahrungsätze) und zu ermitteln, und zwar noch in der Revisioninstanz (RG J W 19/505 12 ; Erfahrungsätze indes nur auf Rüge: § 554 III 2 b). a 2. Ob sie gegeben sind oder nicht, darüber entscheidet die Mehrheit der Stimmen eines Kollegialgerichts; doch müssen sie (auch die allgemeinen Erfahrungsätze) den höheren In-
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§291
AUIaS
stanzen bekannt sein bzw. von ihnen durch Nachlesen usw. ermittelt werden (können); kennen sie sie, so bedarf dies keiner weiteren Begründung; kennen sie sie nicht, so ist zu prüfen, ob sie das Untergericht nach § 291 hinreichend begründet festgestellt hat (vgl. § 286 D III). Die im Widerspruch zur allgemeinen Erfahrung stehende besondere Entwicklung muß im einzelnen durch Tatsachen begründet festgestellt werden (RG J W 27/377 10 ). b) Im engeren Bereich der Tatsachen ist zwischen den allgemein- und den gerichtskundigen Tatsachen zu unterscheiden. b 1. Die allgemeinkundigen Tatsachen müssen ähnlich offenbar sein, wie die allgemeinen Erfahrungsätze (vgl. aber § 291 A I I I c); es sind historisch und politisch bekannte Vorgänge. Die Frage nach der Allgemeinkundigkeit ist ort- und zeitbedingt. b 2. Die allgemeinkundige Tatsache darf nur im Rahmen des Behaupteten, hier aber auch ohne Einzelbehauptung als Indiz (§ 282 C I c 1) benutzt werden. Weil sie allgemeinkundig ist, muß sie indes auch den höheren Instanzen bekannt oder doch zugänglich sein. Ist dies der Fall, so bedarf sie keiner weiteren Begründung (vgl. BGHSt. 6/292). Kennt das Revisiongericht eine allgemeinkundige Tatsache, die das untere Gericht verkannt hat, so ist sie in der Revisioninstanz (im Rahmen der Behauptungen der Tatsacheninstanz) zu berücksichtigen (vgl. § 561 B I I b 2). b 3. Die h. M. behandelt die Allgemeinkundigkeit als einen Fall der Offenkundigkeit und meint, daß, wenn die Mehrheit der Richter ihre Kenntnis bestätigt, keine Beweiserhebung erforderlich sei (RArbG J W 29/1325 21 ). Ist indes nur einer der Richter nicht von der Allgemeinkundigkeit zu überzeugen, so darf die Tatsache nicht als allgemeinkundig angesehen werden, weil sie es dann aus logischen Gründen nicht ist. c. Gerichtskundig sind die Tatsachen, welche allen Richtern (RGSt. J W 29/1051"; a. M. RG Warn. 17/95: der Mehrheit) bekannt sind. c 1. Es gibt keine Beweiserhebung über die Frage der Offenkundigkeit (RGZ 13/369 [372]). Wenn das Gericht erst Ermittlungen anstellen muß, so darf dies nur im Beweisverfahren geschehen, sonst ist die Offenkundigkeit prozeßordnungwidrig erlangt (a. M. BGHSt. 6/292). c 2. Wie die Tatsache gerichtskundig geworden ist, ist sonst gleichgültig, c 3. Unter die Untergruppe der amtlich dem Gericht bekanntgewordenen Tatsachen gehören im besonderen die, welche der Richter aus anderen Prozessen erfahren hat (RG Warn. 08/93). Über das innerprozessuale Verhalten der Partei im Prozeß vgl. § 286 B IV a 2. c 4. Neu erworbenes Wissen stellt keine Offenkundigkeit her. Aktenkundigkeit allein genügt deshalb nicht (RGZ 13/369 [371]; a. M. BGHSt. 6/141). c 5. Die Offenkundigkeit ist zu begründen (RG J W 11/102 30 ; a. M. RG J W 32/878"). Um nicht zu überraschen, wird das Gericht schon in der Verhandlung nach § 139 auf die ihm offenkundigen Tatsachen hinweisen müssen. c 6. Ist die Tatsache im ersten Rechtzuge offenkundig, in der Berufunginstanz dagegen nicht, so muß über sie Beweis erhoben werden. c 7. Der Revisionrichter prüft dagegen die tatsächliche Feststellung nur in begrenztem Umfang nach. Soweit das Berufunggericht eine Tatsache als offenkundig feststellt, wird er regelmäßig durch § 561 an diese Feststellung gebunden sein. Doch wurde bei fehlender oder nicht einwandfreier Begründung angenommen, daß der Begriff der Offenkundigkeit verkannt war (RGZ 143/175 [184]). B II. Kommt es darauf an, ob eine Nachricht veröffentlicht ist oder daß ein Wort nach allgemeinem Sprachgebrauch einen bestimmten Sinn hat (RG N § 291/1), so ist bei Allgemeinkundigkeit kein Beweis zu erheben; kommt es dagegen darauf an, ob die Nachricht den Tatsachen entspricht, so ist zu prüfen, ob man auf die Wahrheit des Mitgeteilten schließen darf. Soweit aber auch der Hauptbeweis nicht zu erheben ist, darf der Gegenbeweis nicht abgeschnitten werden (vgl. RG J W 32/2992 17 ). C. § 291 gilt für alle Klage- und Verfahrensarten, also auch für den Urkundenprozeß (RGZ 109/701.).
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ZPO II. Buch
§ 292 I Stellt das Oesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, so ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Beweis kann auch durch den Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 geführt werden. A. Die Vermutung ist eine Beweislast- (vgl. § 282 E I I I b 2) und
Erklärunglastnorm.
A II. I m gewissen Gegensatz zu den Beweislastnormen stehen die Auslegungregeln, wenn also etwas im Zweifel gilt, wenn nichts anderes abgesprochen worden ist; denn hier bedient sich das Rechtsgesetz der Form der Fiktion und läßt etwas als Recht gelten, wenn die Parteien nicht nachweisbar etwas anderes gewollt haben. Doch ist auch die Fiktion nur eine Rechtsfigur. A III. Von diesen Fällen sind die sog. tatsächlichen Vermutungen zu unterscheiden, welche zum Anscheinbeweis gehören (§ 282 D I I a), welche aber zu keiner Umkehr der Beweislast führen (§ 282 D II a 3). A IV. Die Vermutung ersetzt das Urteil des Richters kraft Gesetzes (insoweit gibt es also keine richterliche Beweiswürdigung gegen das Gesetz, RG Gruch. 48/1115 [1119]). a) Wie weit sie reicht, ergibt das Gesetz (RG J W 01/663 34 ). b) Der Beweis des Gegenteils besteht darin, die Grundtatsachen zu widerlegen. D a f ü r gilt die freie Beweiswürdigung nach § 286 (RGZ 114/73 [75]), wonach also jedes Beweismittel, auch die Parteivernehmung, zulässig ist, wie § 292 I 2 klarstellt. Der Hauptbeweis (RGZ 92/68 [71], das Gesetz spricht hier von dem Beweis des Gegenteils, der aber nicht mit dem Gegenbeweis identisch ist, § 282 F II, III) muß gegen die Richtigkeit der Vermutung geführt werden, also von dem, gegen den die Vermutung spricht (RGZ 99/152). B I. Zu den Vermutungen rechnet man u. a. die folgenden außerprozessualen Vorschriften: a) BGB §§ 484, 685, 891, 921, 938, 1006, 1058, 1065, 1117 III, 1138, 1148, 1154 I, 1155, 1227, 1253 II, 1591, 1618, 1625, 1717, 1720, 1964 II, 2009, 2256, 2365, 2368 I I I . b) Soweit Landesrecht gilt (vgl. EG BGB Art. 57 folg.), gelten auch die dort gegebenen Vermutungen (RG Seuff. 56/264), und das entsprechende gilt, soweit ausländisches Recht zum zuge kommt (OLG Seuff. 66/33). c) An bürgerlich-rechtlichen Nebengesetzen vgl. u . a . : VerschollenheitG §§ 9 I, 10, 11, 44 I I 1. d) Weiter sind zu nennen: HGB §§694 11, 774 II, 783 II, EVO §§61111, 82 I I I , IV, 83 II. e) Schließlich darf an LitUrhG § 7, VerlagsG § 47, StVG § 7 erinnert werden. B II. Über die Vermutungen im Prozeßrecht vgl. §§ 437, 440 II, EG §§ 14, 16 1 1 , 17 und § 286 F I I I .
§ 293
(265)
I Das in einem anderen Staat« geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, aueh andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen. A. § 293 geht davon aus, daß das Gericht das inländische geschriebene Gesetzesrecht (Bundes- und Landesgesetze im materiellen Sinne, im besonderen auch Verordnungen; RGZ 43/418 [420], auch Gemeinde- und Gemeindeverbandrecht, vgl. RGZ 2/63 [65], wie allgemein verbindliches Völkerrecht, GG Art. 25) kennt (iura novit curia). A I. Grundsätzlich muß sich der Richter also über jede inländische, geschriebene Gesetzesnorm Kenntnis verschaffen (RGZ 126/196 [202]); wozu auch die Prüfung des ordnungmäßigen
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Verfahren bis zum Urteil
§293 a i
Erlasses von Verordnungen (RGZ 111/320) und ihre ordnungmäßige Veröffentlichung gehört (RG J W 01/537 4 ). Die Auslegung der Rechtsätze ist Sache des Gerichts (RGZ 30/79f.). Soweit das Gericht danach die Gesetze kennen soll, gibt es weder eine Erklärunglast (vgl. über die Folge § 253 G IV a 1) noch eine Beweislast. A II. § 293 mutet dem Gericht die Kenntnis ausländischen, gewohnheitrechtlichen und statutarischen Rechts nicht zu. a) Wann solches Recht anzuwenden ist, wird für ausländisches Recht nach internationalem Privatrecht (über Anknüpfungpunkte und nach EG BGB Art. 7folg.) entschieden. b) Doch hat RG N § 293/14 gefordert, daß mit der Revision dargelegt wird, inwiefern das ausländische Recht zu einer anderen Entscheidung geführt hätte, wenn Verletzung der Kollisionnormen gerügt wird. B I. Den Begriff des Rechts des anderen Staats gibt das Gesetz nicht; man sollte ihn so fassen wie in § 276 A I I b, also für das Recht außerhalb der BRD, DDR, Berlins. B II b) Unter Gewohnheitrecht (Observanz) versteht man das, was als Rechtsgesetz anerkannt wird, obwohl kein schriftlicher Anhalt dafür vorhanden ist. Die Rechtsprechung h a t es darin gesehen, daß die Beteiligten von seiner Geltung überzeugt sind (RGZ 102/9 [12]); Doch hat RGZ 170/28 (32) kein Gewohnheitrecht mehr im Bereiche bürgerlich-rechtlicher Bestimmungen der Landesrechte zugelassen (EG BGB Art. 55). b 1. Das Gewohnheitrecht s t e h t i m Gegensatz zum Herkommen, das die beständige Übung der Vertragsparteien innerhalb eines Rechtsverhältnisses ist und nur Vertragsrecht schafft (RGZ 102/9 [12]). b 2. Selbst ein zunächst ungültig erlassenes schriftliches Gesetz kann, wenn die rechtliche Erforderlichkeit allen Beteiligten bewußt ist, in Gewohnheitrecht übergehen (RG Warn. 12/23). c) Gewohnheitrechte (Observanzen) c 1. h a t man angenommen bei Streupflichten gegen Glatteis (RGZ 93/124), bei einer Kirchenbaulast gegen die politische an Stelle der kirchlichen Gemeinde (RGZ 102/9 [12f.]), bei einem auf alter Verleihung beruhenden Wasserbenutzungrecht (RGZ 161/243 [248]), bei der Bergung einer Schiffsladung unter der Voraussetzung des H G B § 740 für die Frage, ob auch, ohne daß HGB § 700 gegeben, der Bergelohn nach den Grundsätzen der großen Havarei auf Schiff, Fracht und Ladung zu verteilen ist (RGZ 165/166 [185]). B HI. Unter statutarischem Recht sind die auf der Selbstverwaltung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften beruhenden schriftlichen Bestimmungen zu verstehen (RG Gruch. 50/1070 [1072]), wogegen die auf Gesetz beruhenden örtlichen Rechtsnormen das Gericht kennen muß (RGZ 43/418 [420f.]). B IV. Die normativen Bestimmungen von Tarifverträgen sind vom BArbG N J W 57/1006 wie Statuten behandelt wpj-den, während RArbG E 18/72 (78) sie wie inländische Gesetze behandelt haben will, RArbG E 20/171 (173) verlangt dann, daß der Richter sich 567, 568, 577), d. h. gegen die Entscheidung, gegen die er sich richtet, als solche (abstrakt) gegeben ist (vgl. § 511 B I I ) , m. a. W., daß er zulässig sein kann (wenn er es auch erst ist, sofern die weiteren Zulässigkeitsbedingungen gegeben sind); a 2. die weitere Zulässigkeit, d. h. daß der Rechtsbehelf in richtiger F o r m (vgl. für die Rechtsmittel §§ 518, 522a, 553, 556, 569) und richtiger Frist (§§ 516, 552, 556, 577) eingelegt worden, die Beschwer nicht bis dahin entfallen (die ursprüngliche Beschwer ist aber S t a t t haftigkeitbedingung, vgl. § 511 B I I c) und die Beschwerdesumme erreicht ist, soweit eine solche gesetzlich vorgesehen ist bzw. der Rechtsbehelf zugelassen ist, soweit dies gesetzlich vorgesehen i s t ; bei notwendiger Begründung (§§ 519, 522a, 554, 566a), daß ordnunggemäß in rechter Form und Frist begründet worden ist, a 4. bei der unselbständigen AnschlieBung (§§ 521 B I b 2, 556 B I I I b) außerdem, daß das Hauptrechtsmittel zulässig ist. b) Zu den Prozeßfortsetzunghindernissen gehören b 1. die Rechtsbehelfs-(mittel-)verzichte (§§ 514, 566) und b 2. die Rechtsbehelfs-(mittel-)riicknahmen (§§ 515, 566). B II. Ist ein Rechtsbehelf „an sich" unstatthaft, so berührt der dennoch eingelegte die Wirksamkeit der ergangenen Entscheidung, gegen die er sich richtet, nicht; seine Verwerfung wirkt nur deklaratorisch; die Einstellung der Vollstreckung nach § 719 ist bei unstatthaftem Rechtsbehelf unzulässig. Die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs steht bei seiner Einlegung
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Berufung
§511
BD
lest; auf die Begründung des Rechtsbehelfs kann es also insoweit nicht ankommen (vgl. § 511 B II a, c). a) An sich statthaft ist der Rechtsbehelf, wenn er sich gegen eine Entscheidung richtet, gegen die er dem Gesetze nach gegeben ist. a 1. An das (End-)Urteil (§ 300) knüpft das Gesetz regelmäßig das Hauptrechtsmittel (die Berufung, §§ 511 folg., bzw. die Revision, §§ 545folg.) an. Betrifft ein Ergänzungurteil (§ 321) nur einen Teil, durch den das zu ergänzende Urteil nicht mit einem Hauptrechtsmittel angreifbar wäre, so gilt dies auch für das Ergänzungurteil (etwa bzgl. der Kostenentscheidung). a 2. Gegen Schiedsurteile (§ 510 c), Berufungurteile der Landgerichte und die ein anderes Urteil aufhebenden, die den Rechtstreit an ein anderes Gericht verweisen (§ 276 C), sind Hauptrechtsmittel an sieh unstatthaft; ebenso gegen nicht selbständig anfechtbare Zwischenurteile (§ 303); bei den die Wiedereinsetzung verwerfenden Entscheidungen (es sind überwiegend Beschlüsse) gibt indes die Rechtsprechung den Rechtsbehelf (§ 238 B III b 3), obwohl dies nicht folgerichtig ist, sofern der Rechtsbehelf nicht schon vorher verworfen war; während sie ihn gegen die die Wiedereinsetzung gewährende Entscheidung nicht zuläßt (§ 238 B I I I b 4), was der Regel entspricht. a 3. Sind Kostenentscheidungen mit Hauptentscheidungen verbunden, so sind sie für sich allein nicht angreifbar (§ 99 I), selbst wenn sie in getrennter Entscheidung (etwa in einem Schlußurteil) ergangen sind. Ist die Hauptsache nach Erklärung beider Parteien erledigt (vgl. § 91a A) und erkennt so das Gericht, so ist in bezug auf den Erledigungausspruch des Gerichts keine Partei beschwert (RGZ 46/347); doch wird hier nicht die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs getroffen, sondern nur seine weitere Zulässigkeit, weil sich der Angriff erst aus der Begründung ergibt und das Rechtsmittel an sich statthaft ist, wenn die Partei die Erledigungerklärung nicht gelten lassen will. Über die isolierte Angriffsmöglichkeit gegen Kostenentscheidungen vgl. §§ 91a II, 99 II, 271 III. a 4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit darf nach § 718 I nur mit der Berufung; nach § 718 II aber nicht mit der Revision angegriffen werden, die Revision ist unstatthaft (RGZ 104/303). a 5. Wird die Miet- oder Pachtaufhebungentscheidung nach MSchG nur wegen der Umzugkosten oder nur wegen der Gewährung oder der Versagung der Räumungfrist angegriffen, so ist nur sofortige Beschwerde zulässig (MSchG §§ 4 V 2, 6 I). Dasselbe gilt für das Ergänzungurteil nach MSchG § 6 I und nach MSchG § 6 II, wo gegen das zu erlassende Urteil nur sofortige Beschwerde statthaft ist. Vgl. auch MSchG § 14. a 6. Gegen das technisch erste Versäumnisurteil (wie den Vollstreckungbefehl) gibt das Gesetz den Einspruch (§§ 338, 700); und gegen das technisch zweite Versäumnisurteil, durch das der Einspruch verworfen wird, das Hauptrechtsmittel (§§513, 566); wenn das Urteil kein Schiedsurteil (§ 510 c) ist. a 7. Nur die sofortige Beschwerde ist gegeben gegen die Zwischenurteile gegen dritte (§§ 71, 135, 387, 402 und §§ 88 C II a 1, 89 A). a 8. Die Wiederaufnahmeklagen (§§ 578folg.) richten sich nur gegen Urteile, gegen die noch ein Hauptrechtsmittel statthaft gewesen wäre oder durch die ein Hauptrechtsmittel durchgeführt worden ist; also nicht gegen Beschlüsse oder gegen Urteile, welche nur mit der Beschwerde angreifbar sind (vgl. § 578 D II c). a 9. Gegen Beschlüsse und Verfügungen (§ 329 A, D I ) sind dagegen Berufung oder Revision nicht gegeben. Ob und welche Rechtsbehelfe gegen sie bestehen, ist nicht einheitlich geregelt worden. a 10. Über die Verfassungbeschwerde vgl. BVGG §§ 90folg. b) Die gesetzlich gewährte Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs setzt den Erlaß der Entscheidung voraus, b 1. also bei zu verkündenden Entscheidungen, wenn sie verkündet sind (§§ 310 I, 329 II), im übrigen, wenn sie der Partei zugegangen sind (nach h. M. schon, wenn sie in den Geschäfts.
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§511
Bllbl
ZPO III. Buch
gang zur Mitteilung an die Parteien gegeben sind, vgl. § 310 A II b 2; bei Urteilen (§ 310 A II b 1). Wird eine zu verkündende Entscheidung schriftlich mitgeteilt, wird umgekehrt eine schriftlich mitzuteilende verkündet, so wird die Entscheidung nach der hier vertretenen Auffassung (vgl. § 310 C I) existent. Es genügt, daß irgendeinem Beteiligten die Entscheidung zugegangen ist. b 2. In zeitlicher Hinsicht ist der Rechtsbehelf an sich statthaft, wenn er z. Z. des Erlasses der Entscheidung bis zu der Einlegung (§ 263 II 2 entsprechend) gegeben ist (RG Gruch. 44/1160folg.), dann wird er fixiert. Der schon vor Erlaß der Entscheidung eingelegte Rechtsbehelf wird, wenn dann tatsächlich eine angreifbare Entscheidung ergeht, nach der h. M. nicht etwa von selbst statthaft (vgl. § 339 A). b 3. Mit der sonstigen Zulässigheit des Rechtsmittels, die nicht die Statthaftigkeit betrifft, hat dagegen die Frage zu tun, ob die E r w a c h s e n h e i t s u m m e gegeben ist (vgl. § 511 B II c 9); hier wird auch der Zeitpunkt der Einlegung fixiert (doch sollte man das Rechtsmittel noch für zulässig halten, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist die Erwachsenheitsumme erreicht wird), denn sie braucht im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung nicht gegeben zu sein (vgl. aber § 511 B II c 9). Für die Frage, ob F o r m und F r i s t der Prozeßhandlung gewahrt sind, kommt es auf den Zeitpunkt, wann die Handlung vorgenommen worden ist, an. c) Zur Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs gehört ferner regelmäßig (vgl. aber § 511 B I a 2) die Beschwer (RGZ 29/377). Beschwert ist die Partei, über deren Begehren nicht (voll) zuerkennend entschieden worden ist. Der unterlegene Kläger hat keinen Rechtsbehelf, nur um auf den Klageanspruch zu verzichten (§ 306); wohl aber wird er dem obsiegenden dazu gewährt, wenn sonst der Zustand, der erstrebt wird, nicht mehr mit derselben Wirkung hergestellt werden kann (wie in Ehe-und Kindschaftstreiten), nicht aber sonst (vgl. § 511 B II c 7). Daß hier in der Zwischeninstanz (also ohne Einlegung des Rechtsmittels) der Verzicht noch nicht ausgesprochen werden kann, liegt daran, daß er in mündlicher Verhandlung zu erklären ist und die schriftliche Erklärung, abgesehen vom schriftlichen Verfahren (§ 128 II), vorher nicht wirkt. Umgekehrt hat der Beklagte, der obgesiegt hat, keinen Rechtsbehelf, nur um den Anspruch des Klägers anzuerkennen. Ist die Beschwer abstrakt gegeben, ergibt sich aber aus der Begründung, daß sie fehlt nach dem, wie der Rechtsbehelfskläger seinen Anspruch weiterverfolgen will, so ist der Rechtsbehelf zwar an sich statthaft, aber unzulässig (vgl. § 511 B I a 2). Fällt dabei dann gar die Prüfung der Beschwer mit der der sachlichen Begründetheit des Anspruchs zusammen, so ist das Rechtsmittel zulässig, möglicherweise aber unbegründet (RGZ 158/1). c 1. Beschwert ist keine Partei, wenn ein Anspruch übergangen worden ist; hier muß nach § 321 vorgegangen werden. c 2. Die völlig siegreiche Partei hat grundsätzlich keinen Rechtsbehelf (RGZ 170/349f.); im besonderen kann die Beschwer nicht aus der Erweiterung des Klageantrages entnommen werden (RG HRR 32/996) und nicht, wenn der Kläger nur mit dem ersten Anspruch durchgedrungen ist, mit dem zweiten dagegen abgewiesen wurde und nun ein Rechtsmittel einlegt, n u r um den ersten Anspruch zu erweitern (RGZ 130/100); anders ist dies, wenn er den ersten Anspruch nur hilfsweise auf den zweiten ausdehnt; insoweit ist dann nicht mehr die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs allein im Streit, oder wenn er außer dem Angriff auf Abweisung noch erweitert (RGZ 130/100). Auch liegt keine Beschwer der Partei gegen das Urteil darin, daß eine Streitgehilfenschaft zugelassen wurde, die sie bekämpfen will. Das entsprechende gilt gegenüber dem Beklagten, der einen Rechtsbehelf, nicht bloß um die Widerklage zu erheben, einlegen kann; anders ist dies nur, soweit zugleich das für den Gegner erlassene Erkenntnis in seinen Weiterungen durch den Rechtsbehelf eingeschränkt werden soll, wie im Eheprozeß (§ 511 B II c 7); auch darf der auch sonst Beschwerte mit dem Rechtsmittel seinen Anspruch in der Berufunginstanz erweitern (RGZ 130/100). Dadurch wird indes nicht ausgeschlossen, daß der demnach Beschwerte sich neuer Tatsachen bedient, selbst wenn sie erst später eingetreten sind, gleichviel, ob er deshalb einen Rechtsbehelf einlegen mußte oder nicht (vgl. §§ 323 II, 324, 767 II).
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Berufung
§511
B II
c 3. Doch sind weder der Kläger noch regelmäßig der Beklagte voll durchgedrungen, wenn die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist; der Kläger nicht, weil er abgewiesen wurde; der Beklagte nicht, weil über seinen regelmäßig darüber hinausgehenden (oft negativen) Anspruch auf Abweisung aus außerprozessualen Gründen nicht entschieden worden ist (RG Seuff. 79/133). Läßt das Gericht offen, ob als unzulässig oder als unbegründet abgewiesen wird, so gilt nur die Abweisung als unzulässig (die h. M. läßt dann den Rechtsbehelf zur Klarstellung zu). Anders ist dies in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren. Hier beschwert die Zurückweisung des Antrags wegen Unzulässigkeit den Antragsgegner nicht, weil über den Anspruch nicht sachlich entschieden wird (RG Warn. 10/79). Wird die Klage als unbegründet abgewiesen, so ist der Kläger selbst dann beschwert, wenn er (nachträglich) nur ihre Abweisung als unzulässig erstrebt (BGH LM § 511/8), während der Beklagte, der sie nur als unzulässig abgewiesen wissen will, nicht beschwert ist (RGZ 45/399) Das entsprechende gilt, wenn über den Antrag des (Wider-)Klägers (entgegen § 308 I) hinaus erkannt worden ist, auch in diesem Falle ist der Kläger nicht beschwert und hat jedenfalls keinen Rechtsbehelf. Wohl aber ist der Beklagte beschwert (selbst wenn der Kläger seinen Antrag auf Zug-um-Zug-Verurteilung beschränkt, der Beklagte sich nicht ausdrücklich auf das Zurückbehaltungrecht bezogen hatte, das Erkenntnis aber ohne Zug um Zug verurteilt: RG N §550/64). Ist eine positive bzw. negative Feststellungwiderklage wegen der dagegen stehenden negativen bzw. positiven Feststellungklage als unzulässig abgewiesen worden, dagegen über diese sachlich erkannt, so ist, wenn die negative Feststellungklage des Klägers abgewiesen wurde, der Beklagte trotz Abweisung seiner positiven Feststellungwiderklage (abgesehen vom Kostenpunkt) nicht beschwert (RG J W 18/309). Ist über einen Rechtsbehelf sachlich erkannt, obwohl er unzulässig war (RGZ 151/45), so ist der Rechtsbehelfsbeklagte nicht beschwert, wenn der Rechtsbehelf zurückgewiesen wurde; dasselbe gilt für den umgekehrten Fall, wenn der Rechtsbehelf verworfen, anstatt als unbegründet zurückgewiesen wird. Der Anschlußrechtsmittelkläger kann nicht rechtswirksam die Verwerfung der unselbständigen Anschlußberufung bekämpfen, solange nicht der Rechtsmittelkläger gegen den das Hauptrechtsmittel verwerfenden Beschluß vorgeht. Wird das Rechtsmittel verworfen, so ist der Rechtsmittelkläger, der es zurückgenommen hatte, nicht beschwert, wenn die Rücknahme nicht beachtet worden war (RG J W 35/2635). Nicht ist beschwert, wer nur geltend machen will, daß ein kontradiktorisches Urteil statt eines Versäumnisurteils ergangen ist (RG H R R 29/1880) wie umgekehrt. Ist die Klage mit einer Klageänderung zugelassen worden, so ist wegen der Unanfechtbarkeit der Entscheidung (§ 270), wenn dann nur über den geänderten Klageanspruch entschieden wird, der Beklagte nicht deshalb beschwert, weil er die Abweisung des vor der Änderung geltend gemachten Anspruchs nicht erreicht hatte (RG J W 00/522), wenn er nicht selbst entgegengesetzt widergeklagt hat (§ 264 D I b 1); und der Kläger selbst darf auf diesen ersten Anspruch nicht mit dem Rechtsmittel zurückgreifen, weil über ihn nicht erkannt ist; wohl aber, wenn er sonst beschwert ist oder durch Anschließung in der Berufunginstanz. Ist eine Klage (wegen mangelnden Rechtschutzbedürfnisses) als unzulässig abgewiesen, so hat BGH MDR B 102/55 den Rechtsmittelangriff, daß sie wegen fehlenden Rechtswegs unzulässig sei, nicht zugelassen. Der Berichtigungbeschluß nach § 319 beschwert für sich genommen die Partei, welche der Berichtigung widersprach, bzw. die, welche durch sie formal belastet ist (vgl. § 511 B I I c 5). Soweit er aber die Entscheidung (das Urteil) bloß berichtigt, wird allein dadurch keine Partei beschwert, so daß für das Hauptrechtsmittel wie für den Einspruch das Urteil als von vornherein richtig erlassen gilt (RGZ 170/189; BGH N J W 55/989 meint allerdings, daß die Rechtsmittelfrist erst von der Zustellung des Berichtigungbeschlusses ab laufe). c 4. Bei bezifferten (§ 253 G I I I a 3) Ansprüchen ergibt sich die Beschwer aus der Differenz zwischen Antrag und Tenor des Erkenntnisses (RG J W 38/2909). Ist einer Bezifferung voll entsprochen worden, so ist der Kläger nicht beschwert, selbst wenn die Begründung von der seinen abweicht, ihm im besonderen — in abstracto — ungünstig ist (RGZ 154/140), wenn der Anspruch mit Haupt- und Hilfsgründen verfochten wurde und das Gericht nur der Hilfsbegründung folgt. Auch durch Alternativbegründung allein wird die Partei, der sie zugute kommt, nicht beschwert. Über die Alternativbegründung der Unzulässigkeit und der Unbegründetheit des Anspruchs vgl. § 511 B II c 3. H a t der Kläger (berechtigterweise,
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§511 b n c 4
ZPO I I I . Buch
§ 253 G I I I a 3) die Bezifferung in das Ermessen des Gerichts gestellt, so ist er durch das Erkenntnis, das seinen Erwartungen nicht entspricht, nach h. M. beschwert (RGZ 140/211;. R G H R R 31/1602 h a t das Rechtsmittel für gegeben erachtet, auch wenn das Ermessen des Gerichts ungerechtfertigt angegriffen wurde. Diese Rechtsprechung ist insoweit bedenklich, wie sie nicht jeden höheren Antrag als dem Kläger abgesprochen behandelt; t u t man dies nicht, so muß es dem Kläger noch möglich sein, eine neue Klage über weitere Beträge zu bringen, damit entfällt aber seine Beschwer. c 5. Bei unbezifferten Ansprüchen ist die Beschwer ebenfalls die Differenz des Klagebegehrens zum Erkenntnis. Nur ist hier die Differenz schwerer zu ermitteln. In diesen Fällen kann sich die Differenz auch aus den Gründen ergeben. Zu bejahen ist die Beschwer jedenfalls, wenn sie im Tenor steht (RGZ 97/30 m. N.) Ist einem Feststellungbegehren entsprochen, so gilt dies f ü r alle Klagegründe, wenn nicht ausdrücklich ein Klagegrund (oder mehrere) abgesprochen worden ist. Ist der abgesprochene Klagegrund der engere (Vertrauenschaden wird abgesprochen, voller Ersatz aber zugesprochen), so ist der Kläger nicht beschwert. Wird umgekehrt verfahren, so sind Feststellung- wie Grundurteil angreifbar (BGH M D R B 545/51). Dahin gehört auch der Fall, daß dem Feststellungbegehren aus BGB § 242 (mit Ausgleichungpflicht) stattgegeben wird, also unter dem Gesichtswinkel des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, während Berichtigung nach BGB § 894 begehrt war (BGH LM-BGB § 242 B b 18). Soweit indes das Grundurteil den Anspruch nur auf eine Höchstsumme beschränkt, diese aber in der Bezifferung des Klageanspruchs nicht überschritten wird, ist der Kläger nicht beschwert (RG J W 38/822 15 ). c 6. Der Kläger, der nur mit einem Hilfsanspruch durchdringt, ist wegen der Aberkennung des Hauptanspruches bzw. des vorangestellten Hilfsanspruches, der Beklagte wegen der Zuerkennung des Hilfsanspruchs beschwert; der Beklagte indes nicht allein durch die Übergehung des Hauptanspruchs des Klägers (RGZ 152/292) und selbst dann nicht, wenn der Hilfsanspruch weiter geht als der Hauptanspruch allein u m der Übergehung des H a u p t anspruchs willen, weil in allen Fällen, wo dem Kläger mehr zugesprochen worden ist, als er beantragt hatte (§ 308 I), er dies genehmigen darf. c 7. Auch wenn die gleiche unmittelbare Rechtskraftwirkung gegeben ist, ist die Partei beschwert, sofern die weitergehende Tatbestandwirkung eingeschränkt worden ist, also in Ehesachen bei den Scheidungs- und Aufhebungsklagen, wo sich aus dem Erkenntnis des Ehebruchs besondere Wirkungen (EheG §§ 2, 22, StGB § 172) oder diese sich aus der Schuldigerklärung f ü r Unterhalts-, Namen- und Kinderfürsorge ergeben. Auch in Ehesachen besteht grundsätzlich das Erfordernis der Beschwer (RG D R 42 A 1342). Der Kläger, der m i t der Scheidung- oder der Aufhebungklage obgesiegt hat, darf nicht mit dem Rechtsmittel auf die andere Klage übergehen (RG Warn. 26/16). Wird von der vom Kläger bestimmten Reihenfolge, in der H a u p t - und Hilfsgrund geltend gemacht wurden, abgewichen, so ist der Kläger nur beschwert, wenn der H a u p t g r u n d für unbegründet erklärt oder übergangen wurde und der Hilfsgrund weniger weit ging (RG J W 28/3039); nicht aber, wenn der H a u p t g r u n d weniger weit ging als der Hilfsgrund (RGZ 123/134). W a r die Scheidungklage auf Ehebruch (oder auf mehrere Ehebrüche, EheG § 42) und auf andere Scheidunggründe (EheG § 43) gestützt u n d ist wegen des oder der Ehebrüche geschieden worden, so ist der Kläger nicht beschwert; anders wenn nur wegen eines von mehreren Ehebrüchen geschieden wurde (RGZ 156/113) oder wenn nur aus anderen Gründen geschieden wurde (OLG H R R 35/1428; a. M. R G D R 40 A 1140 2 ). Wurde die Ehe ohne Schuldausspruch geschieden, so ist der Kläger wegen des in der Instanz geltend gemachten, aber nicht zuerkannten Schuldbegehrens beschwert (RG D R 39 A 2074). Der Beklagte ist beschwert, wenn er wegen Ehebruchs geschieden ist, aber nur die Scheidung nach EheG § 43 billigt (RGZ 115/1), oder wenn er auf Grund seines Verschuldens geschieden ist, den Schuldausspruch aber beseitigt wissen will. K e i n e B e s c h w e r liegt vor, wenn statt auf Alleinschuld nur auf überwiegende Schuld wie umgekehrt (BGH F a m R Z 55/136; a.M. RG v. 12. 6.1939 IV H R R 1132) erkannt wurde, weil die Erkenntnisse wirkungmäßig gleich sind. Will der Kläger erstmalig mit dem Rechtsmittel von der Scheidung ohne Verschulden (EheG §§ 44, 48) auf die aus Verschulden (BGH N J W 50/1401), von der Scheidung aus EheG § 43 auf die aus Ehebruch (EheG § 42) übergehen, so steht ihm die fehlende
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Berufung
§511
BIIc7
Beschwer entgegen, weil er voll obgesiegt hatte (RG DR 42 A 1342). Das muß auch dann gelten, wenn der Mann mit der Klage aus EheG § 48 durchgedrungen ist, er aber auf den Antrag der Frau für allein schuldig erklärt wurde und die Frau im zweiten Rechtzuge auf Scheidung aus Ehebruch klagt (a. M. BGH JZ 53/276). Ebenso unzulässig wäre der Übergang von der Herstellung- zur Scheidungklage (RG J W 26/2436). Umgekehrt darf der siegreiche Beklagte nicht zur Erhebung der Widerklage Berufung einlegen (RG DR 41 A106 15 ), obwohl er nach § 616 I 2 seine Widerklagegründe verliert (RGZ 123/364). Wohl aber darf der unterlegene Beklagte das Rechtsmittel einlegen, auch wenn er nur auf seine erst neu zu erhebende Widerklage die Scheidung (RGZ 135/18) oder die Aufhebung oder die Mitschuld- (BGH N J W 55/545 10 ) oder die Alleinschuldigerklärung des Klägers (RGZ 115/86) erreichen will, weil hierdurch die Wirkung des zugunsten des Gegners ergangenen Urteils eingeschränkt wird. Gewohnheitrechtlich wird allerdings zur Aufrechterhaltung der Ehe gegenüber Scheidung- und Aufhebungklagen von dem Erfordernis der Beschwer abgesehen (BGH v. 1. 6.1953 IV ZB 41/53). Insoweit ist also die Einlegung des Rechtsbehelfs stets statthaft, sofern der Rechtsmittelkläger in der Vorinstanz a l l e i n obgesiegt hat (RG N §§ 511—577/24); nicht, wenn auch auf den Antrag seines Gegners geschieden wurde; doch ist dann jetzt nur der Weg des § 271 zu beschreiten (OLG N J W 57/46 will das Rechtsmittel zulassen, solange eine erforderliche Einwilligung des Gegners nicht erteilt ist); doch setzt die Klagerücknahme regelmäßig voraus, daß der Gegner einwilligt, geschieht dies nicht, so wird entsprechend jener alten Rechtsprechung gewohnheitrechtlich dem Kläger das Rechtsmittel zum Klageverzicht zur Aufrechterhaltung der Ehe zugebilligt werden, wenn seine Ehe aufgehoben oder geschieden wurde (RG Warn. 16/143). Das Rechtsmittel zum Klageverzicht in Ehesachen ist allerdings nicht zulässig, wenn die ausgesprochene Scheidung bzw. Aufhebung der Ehe deshalb bestehen bleibt, weil die Gegenpartei mit einer (Haupt-) Widerklage (anders mit der Eventualklage des Mitschuldantrags) durchgedrungen ist, weil dann der Zweck dieses Rechtsmittels nicht erreicht wird. Die Kosten treffen in diesem Falle stets den Rechtsmittelkläger (RG H R R 32/1601). Sind die Kosten der Vorinstanz z. T. etwa auf Grund der Zurückweisung der Widerklage des Rechtsmittelbeklagten, die nicht mehr im Streit steht, diesem auferlegt, so ist nach § 92 zu verfahren (RG J R 27 B 1686). Doch hat BGH v. 2.12.1959 IV ZR 130/59 das Rechtsmittel nicht zugelassen, wenn der Kläger im Berufungrechtszuge zwar auf den Klageanspruch verzichten will, aber entschlossen ist oder doch in Erwägung zieht, eine neue Scheidungklage zu erheben. e 8. Die Einwendungen und die Einreden des Beklagten ziehen keine Rechtskraftwirkung nach sich, von der Aufrechnung abgesehen (§ 322 II). Über die Verurteilung Zug um Zug bei so gestelltem Antrag des Klägers vgl. § 511 B II c 3. Der Beklagte darf deshalb bei gleich weit wirkenden Gründen die Entscheidung nicht angreifen (RG J W 00/522). Auch ist der Beklagte nicht beschwert, wenn dem Kläger der Anspruch nur aus Gesetz zuerkannt wurde, während er ihn auch auf Vertrag stützte oder umgekehrt, und der Beklagte nur geltend machen will, daß er dem Kläger aus dem nicht zuerkannten Grunde haftet; ebenso ist er nicht dadurch beschwert, daß das Gericht nicht aus dem Hauptklagegrunde, sondern nur aus dem hilfsweise geltend gemachten verurteilt hat, soweit er nur den Hauptklagegrund bekämpft (RG DR 40 A 291). Hatte der Beklagte geltend gemacht, die Klage sei unbegründet, und wird sie nur als z. Z. unbegründet abgewiesen, so ist er wegen dieser Begrenzung beschwert. BGH N J W 57/21 hat erkannt, daß, wenn der Beklagte zum Ersatz aller Impfschäden für verpflichtet erklärt war, er aber nur die Aufopferungschäden anerkannt hatte, wegen der Mehrverurteilung beschwert ist. Wird die Klage wegen einer Aufrechnung mit der Begründung abgewiesen, daß die Forderung durch Aufrechnung getilgt sei, so ist der Beklagte wegen des Verbrauchs der aufgerechneten Forderung regelmäßig beschwert (RG Warn. 15/108); anders nur, wenn er bedingt anerkannt hatte (vgl. RGZ 167/258). Ist eine negative Feststellungklage erhoben, so werden Einwendung und Einrede zum Klagegrund und ihr Zu- und Absprechen wirkt wie sonst bei Feststellungklagen den Kläger beschwerend, soweit auch nur ein Klagegrund abgesprochen wird (vgl. auch die entsprechende Lage bei sonstigen negativen Klagen in § 322 F II b 2); während umgekehrt der Kläger regelmäßig (über den Ausnahmefall vgl. § 322 F II a) nicht zur Klageerhebung gezwungen werden kann. Über die Lage bei erweiterter Rechtskraftwirkung vgl. § 260 B I I c, III a; über die, wenn sich Feststellung- und Feststellungwiderklage entgegenstehen und die eine sachlich, die andere wegen Kongruenz aber als unzulässig abgewiesen wird, vgl. § 511
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§511
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ZPO III. Buch
B I I c 3. Über die Frage, ob, wenn wegen der Aufrechnung aberkannt worden ist, auf sonstige Einwendungen und Einreden zurückzugreifen ist, vgl. § 302 C I. c 9. Die Beschwer muß grundsätzlich beim Erlaß (§ 511 B II b 1) der Entscheidung gegeben sein, soweit es um die Statthaftigkeit des Rechtsmittels geht. Fällt sie danach weg, so ist das bis auf die Berichtigung nach § 319, die zurückwirkt (vgl. § 511 B II c 3), für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ohne belang. Doch kann auch dann noch das Rechtsmittel unzulässig bzw. unbegründet werden, wenn die Beschwer entfällt, etwa wenn nach einem klageabweisenden Urteil, aber vor Einlegung des Rechtsmittels, der Beklagte die Urteilsumme bezahlt hat (RGZ 104/368). Anders ist das bei Zahlungen unter Vorbehalt oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, weil dann nicht voll erfüllt wird. Haben sich die Parteien nach Erlaß des Urteils unter Vorbehalt des Kostenpunktes verglichen, und erledigt sich der Streit durch den Vergleich zur Hauptsache (was RG N § 511/33 angenommen hat und was in der Regel der Fall ist), so ist eine Berufung wegen des Kostenpunktes nach § 99 I unzulässig. Entfällt die Beschwer erst nach der Rechtsmitteleinlegung, so kann das Rechtsmittel nur unbegründet werden, wenn nämlich der alte Anspruch (etwa trotz Erfüllung) weiter verfolgt wird; insoweit muß also die Beschwer vom Erlaß der beschwerten Entscheidung an bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf vorhanden sein (RG Warn. 38/159). Umgekehrt muß der Rechtsmittelkläger, der den Gegner endgültig befriedigt (also nicht bloß zur Abwendung der Vollstreckung, RG J W 00/180), den Streit für erledigt erklären; unzulässig wird sein Rechtsmittel nur, wenn er bei unveränderter Lage befriedigt (RG J W 00/180), aber auch, wenn inzwischen die Fälligkeit eingetreten ist und er deshalb vor Einlegung des Rechtsmittels befriedigt (RG H R R 35/1081); aber nicht, wenn ein dritter nach Erlaß des Urteils den Kläger befriedigt, so daß der unterlegene Beklagte das Urteil noch damit bekämpfen kann, daß die Forderung gegen ihn unbegründet war (RG N § 511/10). Soweit eine bestimmte Höhe der Beschwer (die Erreichung einer Erwachsenheitsumme) vom Gesetz gefordert wird (vgl. § 511 a A), geht es nicht um die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs, sondern um seine sonstige Zulässigkeit. c 10. Die Überlagerung anderer Streit« gehört in die Beschwer nicht hinein. c 11. Die Beschwer ist nur aus der Stellung der Partei heraus zu entnehmen, nicht aus der eines Streitgehilfen (vgl. § 6 6 B I b); dem Streitgehilfen wird (abgesehen vom Kostenpunkt) nicht der eigene Angriff auf das Erkenntnis, losgelöst von der Hauptpartei und deren Interessen, gestattet. Daß der Streitgehilfe auch an die Tatsachenfeststellung des Gerichts im Folgeprozeß gebunden wird, begründet also keine besondere Beschwer. Umgekehrt darf aber auch der Streitgehilfe durch Einlegung des Rechtsmittels die Seite zugunsten seiner bisherigen Gegenpartei wechseln, obwohl er mit seinem Antrag die obsiegende Partei unterstützt hatte (a. M. KG J R 49/349). d) Im Fall der weiteren Beschwerde müssen ferner die Voraussetzungen des § 568 II gegeben sein. e) Bei der Sprungrevision muß ferner die Einwilligung des Gegners eingereicht sein (§ 566a). B III. Da die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs von der Entscheidung abhängt, ist er nur gegeben, wenn er an eine formal gegebene Entscheidung anknüpft. a) Der gegen Nichtentscheidungen eingelegte Rechtsbehelf ist an sich unstatthaft. b) Geht die Entscheidung von einem staatlichen Organ aus, so daß der Schein einer hoheitlichen Entscheidung hervorgerufen wird, so kann die Entscheidung nichtig sein, b 1. wenn sie ein nicht berufener Hoheitträger gefällt hat oder wenn dem Gericht die Gerichtsbarkeit schlechthin fehlt (GVG § 18 A I). b 2. Gegen die nichtigen Entscheidungen ist der Rechtsbehelf an sich statthaft. Die sonstigen Zulässigkeitvoraussetzungen für den Rechtsbehelf müssen auch in diesen Fällen gegeben sein (BGHZ 4/389). Doch braucht der Rechtsbehelf nicht eingelegt zu werden. c) Die unwirksamen Entscheidungen beenden formal das Verfahren (§ 705), wenn sie rechtskräftig werden (BGH N J W 52/469), lösen aber keine außerprozessualen Wirkungen
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aus (§ 322 B ) ; doch bleibt es bei den Kostenentscheidungen. Ihre Vollstreckbarkeit nach §§ 732, 768, 775 I 1, 2, beseitigt werden.
muß
c 1. Unwirksam sind die Entscheidungen, die sich inhaltlich völlig widersprechen, bzw. die völlig unklaren Urteile; aber auch die, deren Tenor fehlt oder unbestimmt und unbestimmb a r ist ( R G R e c h t 16/511), wie die, welche auf etwas erkennen, worauf nicht erkannt werden kann (vgl. § 888 I I ) , oder die, wenn zu dinglichen R e c h t e n bzw. ihrer Bestellung verurteilt wurde, welche es nicht gibt bzw. die nicht eintragbar sind; doch gilt dies nicht für E r k e n n t nisse, welche auf eine unmögliche Leistung erkennen (vgl. § 893, B G B § 283, R G W a r n . 29/27). Neben den voll unwirksamen gibt es auch die teilweise unwirksamen Entscheidungen, etwa wenn ein Urteil die Unzulässigkeit der K l a g e ausspricht und sie außerdem als unbegründet abweist, so ist der zweite Teil unwirksam (vgl. § 3 2 2 E I I b 1). c 2 . Gegen unwirksame Entscheidungen sind bis zur R e c h t s k r a f t die sonst zulässigen Rechtsbehelfe statthaft, das Gericht selbst wird i m R a h m e n des § 3 1 8 an seine Entscheidung gebunden. B IV. Nur inkorrekt ergangene Entscheidungen a ) sind voll wirksam ( R G J W 31/2017), wie wenn sie korrekt erlassen worden wären. An sie ist dieselbe Instanz i m R a h m e n des § 318 gebunden; sie sind anfechtbar, wie es die korrekt ergangenen Entscheidungen wären ( R G J W 0 7 / 2 6 1 ) ; sie können formal rechtskräftig werden (§ 705), wenn sie an sich anfechtbar wären, aber nicht angefochten werden und wirken darüber hinaus auch R e c h t s k r a f t nach § 3 2 2 (A I b). W i r d eine inkorrekte Entscheidung j e nach der Möglichkeit unmittelbar oder mittelbar angegriffen, so ist der Mangel in dem Verfahren über den Rechtsbehelf zu beheben ( R G Z 73/87). b) Schwierigkeiten bei diesen inkorrekten Entscheidungen ergeben sich bei der W a h l des richtigen Kechtsbehelfs. Ob der Rechtsbehelf „ a n s i c h " s t a t t h a f t ist. richtet sich kraft Gesetzes nach der Art der (gerichtlichen) Entscheidung. Soweit hier ein unrichtiger R e c h t s behelf eingelegt wird, wird die Wiedereinsetzung in den vorigen S t a n d zu geben sein (§ 233), wenn die Partei durch die Inkorrektheit der Vorentscheidung irregeführt wurde, was bei undurchsichtiger Rechtslage stets der F a l l ist ( R G J W 16/1122). c ) Geht man davon aus, daß das Gericht, das entschieden h a t , grundsätzlich keinen E i n fluß darauf h a t , welcher Rechtsbehelf zulässig ist, so kann es auch durch seinen Willen, mag es i h m auch Ausdruck geben, durch die angreifbare Entscheidung nicht die S t a t t h a f t i g k e i t des Rechtsbehelfs bestimmen, die sich allein aus dem Gesetz ergibt (objektive Theorie), m . a. W . , ob und welcher Rechtsbehelf an sich s t a t t h a f t ist, ergibt sich dann nur aus dem I n h a l t der Entscheidungen ( R G Z 143/170). Anders ist dies nur, wo das Gesetz dem Gericht es überläßt zu bestimmen, welche Entscheidung es fällen will; also i m F a l l des § 5 1 0 c I I , ob es ein Versäumnisurteil oder ein Schiedsurteil erlassen will; dann k o m m t es auf die B e s t i m m u n g des Gerichts an. Die entgegengesetzte subjektive Theorie stellt es stets darauf ab, wie die Entscheidung von dem erkennenden Gericht charakterisiert worden ist. Dagegen wollen die Anhänger der vermittelnden Theorie nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung verfahren und sowohl die Erklärung des Gerichts wie den Inhalt der Entscheidung gelten lassen und dann bei den inkorrekten Entscheidungen der Partei wahlweise jeden Rechtsbehelf geben, also den, der entsprechend der Erklärung des Gerichts gegeben wäre, wie den, der es nach dem I n h a l t seiner Entscheidung wäre ( R G Z 110/138). d) Die äußere F o r m der Entscheidung (Urteil, Beschluß, Verfügung) entscheidet grundsätzlich nicht über den zulässigen Rechtsbehelf, sofern korrekterweise nur eine Entscheidungform bzw. gegen mehrere Entscheidungen nur ein und derselbe Rechtsbehelf gegeben ist. d 1. So gibt es keinen Rechtsbehelf in dem Falle des § 276, wenn durch Urteil verwiesen wird ( R G Z 108/263). d 2 . E s gibt nur die (sofortige) Beschwerde, gleichviel, ob durch Urteil oder durch schluß korrekter- oder inkorrekterweise entschieden wird, in den Fällen der §§ 9 1 a I I , 99 2 5 2 ( R G Seuff. 55/240), 793, 890 ( R G J W 02/272), 1045 (OLG 1 3 / 2 4 6 ) ; dritte haben nur Werden dem einstweilen Zugelassenen i m Urteil die K o s t e n auferlegt, so h a t er nur die 72
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fortige Beschwerde (vgl. §§ 102, 99 I I ) , auch wenn eine Partei Berufung einlegt (a. M. K G J W 26/844). Besonders häufig ergehen Entscheidungen anstatt durch selbständigen Beschluß in den Gründen des Endurteils. Auch in solchen Fällen gibt es dann nur die Rechtsbehelfe (aber auch stets: RGZ 98/139), die gegen den getrennt abgesetzten Beschluß gegeben wären. d 3. Umgekehrt gibt es auch gegen inkorrekte Beschlüsse u. U . nur das Hauptrechtsmittel der Berufung bzw. das der Revision. Wird im Falle des § 926 I I die Aufhebung des Arrestes bzw. der einstweiligen Verfügung (§ 936) durch Beschluß anstatt durch Endurteil ausgesprochen, so ist dagegen nur die Berufung zulässig (a. M. OLG J W 27/2154), weil es hier überhaupt keine Beschwerde geben kann. e) Sind mehrere Formen (Urteil oder Beschluß) für den Inhalt der Entscheidung zulässig, hat dann aber das Gericht eine bestimmte Form gewählt, so ist der Rechtsbehelf zulässig, der an die gerichtliche Kennzeichnung anknüpft. e 1. Wird das Anerkenntnisurteil (bzw. Verzichturteil) in der Hauptsache mit dem Rechtsmittel angegriffen, so gibt es nicht die isolierte sofortige Kostcnbeschwerde des § 99 I I und umgekehrt wird mit dem Angriff auf die Hauptsache die isolierte sofortige Beschwerde unzulässig. Ist die Hauptsache für erledigt erklärt und Kostenbeschluß ergangen, und wird die Erledigungerklärung angegriffen (vgl. dazu § 9 1 a B I I ) , so ist die isolierte Kostenbeschwerde nach § 91 a I I unzulässig. e 2. Ergeht ein Ergänzungurteil (§ 321) statt des Berichtigungbeschlusses, so ist sowohl die besondere Berufung wie der Angriff über die erste Berufung zulässig ( R G J W 29/101); nicht aber darf das Urteil durch sofortige Beschwerde beseitigt werden, sondern nur durch das selbständige Rechtsmittel. Ist dagegen statt eines Ergänzungurteils (§ 321) ein Berichtigungbeschluß (§ 319) ergangen, so hat RGZ 30/343 nur die sofortige Beschwerde zugelassen. Doch ist dann das Ergänzungurteil auch mit dem Hauptrechtsmittel angreifbar, wie es das berichtigte Urteil ist (vgl. § 319 E ) . e 3. Da nach § § 1 2 8 I I , 251a, 3 3 1 a die Möglichkeit, schriftlich zu verfahren, besteht und das inkorrekte Verfahren von der inkorrekten Entscheidung zu unterscheiden ist, wird zu jeder Säumnisentscheidung jetzt ihre ausdrückliche Kennzeichnung gehören, soweit nicht ihre Form (vgl. § 313 I I I ) oder ihr Inhalt unzweideutig erkennen läßt, daß das Gericht ein Versäumnisurteil fällen wollte (RG J W 17/769). Ist das Urteil nicht als Versäumnisurteil gekennzeichnet, so hat in den Fällen der Schiedsurteile (§ 510c) die Partei kein Rechtsmittel, sonst nur das Rechtsmittel der Berufung bzw. der Revision (RGZ 39/411). Bezeichnet das Gericht aber eine Entscheidung als (erstes) Versäumnisurteil, so wird die Partei sich regelmäßig darauf verlassen dürfen und Einspruch einzulegen haben, selbst wenn ein streitiges Urteil hätte ergehen sollen (vgl. auch § 510 c I I ) . Nur dort, wo gar keine Versäumnisentscheidung ergehen kann, gilt dies nicht, also wenn die Klage des einseitig verhandelnden Klägers zurückgewiesen wird; dann ist nur das Rechtsmittel (Berufung oder Revision) zulässig, selbst wenn das Urteil sich als eine Versäumnisentscheidung bezeichnet (§ 331 I I ) . Das entsprechende gilt, wenn der Einspruch durch Versäumnisurteil verworfen wird (§ 345); oder wenn über eine Prozeß- oder Prozeßfortsetzungsbedingung nur kontradiktorisch entschieden werden kann (§ 330 B I V a 1); oder wenn ein Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird (BGH J R 58/102). Anders ist es in Ehesachen, wo über Klage und Widerklage nur einheitlich entschieden werden darf (vgl. §§ 615, 618), wenn die Klage durch Versäumnisurteil (so weit dies möglich ist, vgl. § 618 IV, V) abgewiesen und auf die Widerklage kontradiktorisch erkannt wird oder umgekehrt; in solchem Falle sind sowohl der Einspruch wie das Rechtsmittel zulässig (RGZ 110/135). e 4. Ist das Rechtsmittel durch Beschluß verworfen worden (§ 519b), so ist dagegen nur die sofortige Beschwerde (§ 519 b I I ) , auch wenn darüber mündlich verhandelt war und es durch Urteil hätte verworfen werden sollen, zulässig (RG Warn. 43/33), wie, wenn es (auch ohne mündliche Verhandlung) durch Urteil verworfen worden ist, nur die Revision zulässig ist. Dagegen ist nur noch der Verlustigkeitbeschluß zu erlassen ( § 5 1 5 1 1 1 2 ) ; wird Verlustigkeiturteil erlassen, so ist dagegen nur die sofortige Beschwerde zulässig {§ 5 1 9 b I I entsprechend).
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e 5. Auf dem Gebiete des Vollstreckungrechts ist bei Beschlüssen in den Fällen der §§ 769 III, 771 III, wenn eine einstweilige Verfügung erklärtermaßen erlassen (§ 940), nur der Widerspruch gegeben (RG Gruch. 45/379); ist eine Anordnung nach §§ 707folg. getroffen, so ist sie unanfechtbar (§ 707 II). e 6. Ist in dem Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren (vgl. auch § 511 B IV e 5) wie in dem auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedspruchs durch Beschluß anstatt durch Urteil erkannt, so ist nur der (sofortige: im Schiedsurteilsverfahren, vgl. § 1042 d I) Widerspruch (§§ 924 I, 936; RG Warn. 08/424) zulässig, selbst wenn mündlich verhandelt war, und nur das Rechtsmittel der Berufung (im Schiedsverfahren auch das der Revision), wenn durch Urteil erkannt wird, mag auch zuvor gar nicht mündlich verhandelt worden sein (RGZ 37/368). Hatte indes das Amtsgericht nach § 942 den Antrag des Gläubigers durch Urteil anstatt durch Beschluß zurückgewiesen, so ist dagegen nur die einfache Beschwerde statthaft (§ 942 C II a 2). e 7. Hat sich das Gericht in einem Fall, in dem die Form entscheidet, nicht erklärt, so kann die Partei durch die Form der Entscheidung nicht irregeführt worden sein. Nur wenn auch der Inhalt die Möglichkeit offen läßt, daß das Gericht an mehrere Arten gedacht haben könnte, also, wenn zweifelhaft ist, ob eine Entscheidung unter § 303 a. F. oder unter § 304 fallen könnte, dann ist jeder mögliche Weg gangbar (vgl. § 511 B IV f, i). f ) Inkorrekte Teilurteile (§ 301) sind anfechtbar wie es die korrekten sind (vgl. auch § 511 B IV e 3). Doch darf man bei solchen inkorrekten Entscheidungen nach der hier vertretenen Ansicht nicht den Angriff gegen die Schlußentscheidung mit dem Hinweis auf die Rechtskraft der Vorentscheidung abtun; diese ist also auch zusammen mit dem Endurteil anfechtbar, wenn sie nicht selbständig angefochten wurde; darüber, ob dieselbe Instanz an sie gebunden ist, vgl. § 318 A II c (RG J W 31/3548 hält sie für nichtig). Bei feststellendem Teilurteil kann es zu inkorrekten Entscheidungen über selbstständige Angriffs- oder Verteidigungmittel kommen. Solche Entscheidungen entsprechen den Grundurteilen (vgl. § 511 B I V i ) . Dies ist auch bei einer Zwischen- (§280) bzw. bei einer gewöhnlichen, verbundenen Feststellungsklage (§ 256) der Fall, wenn Teilurteile über Angriffsmittel erlassen werden; auch gegen solche Entscheidungen ist das Rechtsmittel gegeben (im Falle des § 280: RG J W 32/650). g) Inkorrekte Vorabentscheidungen (§ 302) sind wie korrekte anfechtbar. Wird anstatt bloß die Aufrechnung noch mehr (Klage- oder Verteidigungsgründe) ausgeklammert, so ist sowohl gegen die Vorabentscheidung das Rechtsmittel gegeben wie im Nachverfahren die weitere (wenn auch inkorrekte) Ausklammerung zu beachten ist, sofern die Vorabentscheidung rechtskräftig geworden ist (vgl. § 304 D III b, c). h) Unanfechtbare Zwischenurteile nach § 308 sind h 1. von den anfechtbaren nach § 275 durch ihren Inhalt abzugrenzen; denn nur die über „prozeßhindernde Einreden" i. S. des § 274 II unterliegen der selbständigen Anfechtbarkeit (RGZ 39/392); gleichviel, ob über sie getrennt (§275 11) oder nicht getrennt verhandelt wurde, also ob schon korrekt oder inkorrekt bis zu ihrem Erlaß verfahren war (§ 275 B II b ; RGZ 110/56). Immerhin ist auch hier insoweit eine Ausweitung eingetreten, wie die bestehende oder fehlende Gerichtsbarkeit unter § 274 II gebracht worden ist (§ 274 C I a 1) und wie bei den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneinenden Entscheidungen das selbständige Rechtsmittel zugelassen worden ist (§ 519b C I I b 6); im ersten Falle so, daß der Angriff gegen das Nachverfahrensurteil nicht mehr zugelassen wird; ob dies auch im letzten Fall gilt, ist noch nicht entschieden. h 2. § 303 läßt nur noch Zwischenurteile über verfahrensrechtliche Zwischenstreite zu (§ 303 A II b), nicht mehr wie § 303 a . F . über selbständige Angriffs- und Verteidigungmittel; bei inkorrekten Grundentscheidungen vgl. § 511 B IV i. h 3. Völlig anders liegt der Fall, wenn eine Zwischenentscheidung gefällt wird, die im Verhältnis zu einer Partei Endurteil ist (vgl. §§ 75—77 oder bei der Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens); hier ist auch gegen die sich als Zwischenentscheidung bezeichnende Endentscheidung Berufung oder Revision; nicht sofortige Beschwerde gegeben 72»
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(a. M. RGZ 34/400). Wird eine Partei durch Beschluß aus dem Streit verwiesen, weil sie lür einen dritten gehalten wird, so sind in den Fällen der Zusatzurteile nur Berufung- oder Revision (vgl. § 511 B IV d 3) zulässig; nicht die sofortige Beschwerde, weil die Partei ja eben behauptet, Partei und nicht dritter zu sein, dann aber muß auch darüber sachlich entschieden werden, wie es OLG JW 28/742 getan hat. i) Bei Grundurteilen (§ 304) ergibt sich, daß bisweilen der Anspruch nur aus einem bestimmten Klagegrunde zu-, aus einem anderen aber ausdrücklich abgesprochen wird, obwohl die selbständige Verneinung eines Klagegrundes unzulässig ist; in solchen Fällen verlangt die Rechtsprechung auch den selbständigen Angriff gegen den abgesprochenen Klagegrund (§§ 304 B II b 1, 511 B II c 5), obwohl, wenn nur abgesprochen und nichts zugesprochen ist, eine inkorrekte (ehemals nach § 303 a. F. zugelassene) Entscheidung vorliegt. Die Grundurteile (§ 304) können dann inkorrekt sein, wenn sie gar nicht über einen Klagegrund, sondern über ein selbständiges Angriffsmittel (§ 146 B) entscheiden. Doch sind sie dann wie korrekte Grundurteile (selbständig) anfechtbar (RGZ 58/232). j) Soweit gegenüber inkorrekten Entscheidungen Zweifel über den statthaften Rechtsbehelf entstehen, wird der Anwalt dazu raten, alle möglicherweise in betracht kommenden Rechtsbehelfe einzulegen (vgl. RG Warn. 25/70); wenn ihm dann auch kein Vorwurf daraus gemacht werden darf, falls er falsch wählt; so daß ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht wegen der falschen Wahl vorenthalten werden darf (vgl. aber § 234 III). Andererseits schadet die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels nichts (RGZ 170/385), wenn nur die Form des zulässigen Rechtsmittels gewahrt worden ist. k) Wird auf einen danach unstatthaften Rechtsbehelf dennoch erkannt, k 1. so ist dies unschädlich, sofern in gleicher Weise erkannt wird; unbeachtlich für die höhere Entscheidung aber, wenn sie nur der Bindung der Instanz (§§ 512, 548) unterlag. k 2. Wird auf den Rechtsbehelf die erste Entscheidung geändert, so ist, wenn dies durch (End-)Urteil geschieht, die Entscheidung anfechtbar, soweit gegen sie sonst der Rechtsbehelf statthaft wäre; soweit kein Rechtsmittel gegen sie statthaft ist, ist es die Wiederaufnahmeklage nach § 580 I 7 a. F I . Ist der Rechtsbehelf unzulässig, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die sonstigen (§ 274 A I) Prozeßbedingungen gegeben sind, zu verwerfen, sofern nicht die Unzulässigkeit auf dem Fehlen der Prozeßbedingungen beruht. b) Soweit relative Partei- (§ 50 F II b) bzw. Prozeßfähigkeit (§ 51 B IV b) zugebilligt wird, ist nur über die Prozeßbedingung zu erkennen, also der Rechtsbehelf (die Berufung des Partei- bzw. Prozeßunfähigen bzw. des falschen gesetzlichen Vertreters) zuzulassen und die Klage als unzulässig abzuweisen bzw. das Rechtsmittel gegen die unzulässigerweise abgewiesene Klage sodann als unbegründet (nicht als unzulässig) zurückzuweisen. b 2. Tritt der Mangel bei der Rechtsbehelfeinlegung erstmalig auf, so ist der Rechtsbehelf unzulässig (vgl. aber § 176 C II bei der Überlagerung der Prozeßvollmacht des Prozeßbevollmächtigten der unteren mit der der höheren Instanz). F II. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels offen zu lassen und e6 als unbegründet zurückzuweisen, ist unzulässig (RG Warn. 08/670). a) Überlagert sich indes die sachliche Entscheidung mit der Prozeßabweisung, so fehlt wegen der Prozeßabweisung die Beschwer (vgl. § 511 B II c 3). Fällt die Prüfung der Beschwer mit der sachlichen Begründung zusammen, so ist das Rechtsmittel zulässig, möglicherweise aber unbegründet; die Zulässigkeit ergibt sich sodann durch die formale Begründung (RGZ 158/1 für die Berufungbegründung). b) RGZ 160/209, 213 will darüber hinausgehend die Beschwer leugnen, wenn das sog. Bechtschutzbedürfnis fehlt, das es als Prozeßvoraussetzung ansieht, während es tatsächlich eine Anspruchsvoraussetzung ist, worüber also sachlich zu entscheiden ist. G III a) Grundsätzlich sind Berufunggerichte gegen amtsgerichtliche Urteile (GVG § 23) die Landgerichte, und zwar
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a 1. regelmäßig die Zivilkammern (GVG § 72). a 2. Aber auch die Kammern für Handelssachen können zur Entscheidung über Berufungen zuständig sein (GVG § 94); aber nur in Handelsachen (GVG § 95); bei verbundenen Klagen gilt § 99. In dem Falle des UWG § 25 geht die Berufung an die Kammer für Handelsachen. Soll die Kammer für Haridelsachen zuständig werden, so muß der Antrag schon in der Berufungschrift gestellt werden. b) Doch ist schon gegen die amtsgerichtlichen Entscheidungen das OLG als Beruflinggericht zuständig in Binnen-(Mosel-, Rhein-)schiffahrtsachen (Binnen- und RheinschiffahrtverfahrensG § 11). Im übrigen ist das OLG das Berufunggericht gegen die landgerichtlichen Urteile (GVG § 119 II), gleichgültig, ob das Urteil von der Zivilkammer oder der Kammer für Handelsachen, vom Kollegium oder dem Einzelrichter erlassen wurde. G IV. Das Berufungverfahren ist grundsätzlich für Land- und Oberlandesgerichte einheitlich geregelt; Unterschiede ergeben sich aber dadurch, daß gegenüber landgerichtlichen Beschlüssen und Verfügungen die Beschwerde regelmäßig zulässig ist, während es gegenüber den oberlandesgerichtlichen Entscheidungen grundsätzlich keine Beschwerden gibt (§ 567 III); mit Ausnahme der Beschwerde nach § 519 b II, die wieder dem landgerichtlichen Verfahren fehlt. J I. § 511 bestimmt, daß gegen die Endurteile (Kommentar § 300 A I ) der ersten Instanz das Rechtsmittel der Berufung statthaft (§511 B II) ist, gleichviel, ob sie sachlich oder über das Fehlen von Prozeßbedingungen (bzw. das Bestehen von Prozeßhindernissen) entscheiden. a) Dazu gehören die Vollendurteile (§ 300), die Teilendurteile (§ 301), die Ergänzungurteile (einschließlich der die Ergänzung zurückweisenden Urteile, § 321), die Zusatzurteile (§ 239 J I I I b 3), die Entlassungurteile der §§ 75—77, das den Einspruch verwerfende Versäumnisurteil (§ 341), die Aktenlageendurteile (§§ 251a, 331a), die Zurückweisung des Rechtsnachfolgers (§§ 265 E I I I a 2, 266 C I b 1), die Ablehnung der Aufnahme des Verfahrens nach dessen Unterbrechung (§ 239 H II b), die Ablehnung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Klagefrist (§§ 958, 1043; wo sonst Notfristen zu wahren sind, vgl. § 221 C I a 1). b) Obwohl es Endurteile sind, gibt es keine Berufung gegen Schiedsurteile nach § 510c, gegen Urteile nach § 957, gegen die reine Kostenentscheidung, die regelmäßig allein überhaupt nicht angreifbar ist; bei Anerkenntnis- und Verzichturteil wie bei beiderseitiger Erledigungerklärung ist gegen die reine Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statthaft (§§ 91a II, 99 II). Gegen die technisch ersten Versäumnisurteile (§§ 330, 331, gegen die der Einspruch zulässig ist), gegen Nebenfolgen in Miet- und Pachtaufhebungprozessen (MSchG §§ 4 V, 6 I, 14, 36, wo ebenfalls die sofortige Beschwerde gegeben ist, § 511 B II a 5) gibt es keine Berufung. J II. Obwohl nicht Endurteile, sind die Zwischenurteile nach § 275 II, die Vorabentscheidung nach §§ 302, 599 und die Grundurteile nach § 304 II den Endurteilen in bezug auf die Rechtsmittel gleichgestellt. Darüber, ob hierher auch die Zwischenentscheidungen gehören, durch welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt wird, vgl. § 511 B IV h 1; im besonderen, wenn Einspruch eingelegt wurde, vgl. § 347 D (auch, wenn anstatt durch Zwischenurteil unrichtigerweise durch Zwischenbeschluß erkannt wurde, § 511 B IV d). b) Wegen der Anfechtung von sonstigen Zwischenurteilen, Beschlüssen und Verfügungen vgl. § 512 A I a, b. Zwischenurteile gegen dritte (§§ 71, 135, 387, 402; §§ 88 C II a 1,102 C V) unterliegen nicht der Berufung, sondern der sofortigen Beschwerde. J III a) Erstinstanzlich sind nur Urteile der Amts- und der Landgerichte. Hebt das Landgericht als Berufunggericht die Entscheidung des Amtsgerichts auf, indem es den Streit (selbst prozeßordnungwidrig: RGZ 119/381) an sich selbst als erste Instanz verweist, und entscheidet es dann als erste Instanz, so ist die Berufung statthaft. Auch das auf einen Einspruch gegen ein Versäumnisurteil bzw. einen Vollstreckungbefehl ergehende Endurteil der ersten Instanz ist erstinstanzlich; ebenso ist es bei Arresten und einstweiligen Verfügungen wie bei Vollstreckbarkeiterklärungen (RG Gruch. 56/1052) für die auf den Widerspruch in der ersten Instanz ergehenden Urteile.
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b) Nicht erstinstanzlich sind die ersten Entscheidungen über Wiederaufnahmeklagen, die in der Berufunginstanz oder in der Revisioninstanz anhängig zu machen sind. Das Verfahren bleibt auch zweitinstanzlich, wenn die Klage geändert oder in der Berufunginstanz erstmalig aufgerechnet oder Widerklage erhoben wird. Hat die zweite Instanz infolge der Beschwerde gegen einen den Erlaß einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes zurückweisenden Beschlusses durch Endurteil erkannt, so ist dies eine zweitinstanzliche Entscheidung (RGZ 71/24). Aber auch wenn vor diesen Gerichten erstmalig in der Berufunginstanz des Hauptprozesses über Arrestanträge oder einstweilige Verfügungen entschieden wird, zählt dies als zweitinstanzliche Entscheidung i. S. des § 511 (RG JW 10/153). c) Dagegen führen die Anfechtung- und Aufhebungklagen (§§ 664, 679, 684, 686, 957) zu erstinstanzlichen Verfahren trotz der amtsgerichtlichen Vorverfahren. K I . Das Rechtsmittel (der Rechtsbehelf) ändert grundsätzlich das Prozeßverhältnis nicht. a) Als Rechtsmittelkläger kommt jede am Streit der Vorinstanz beteiligte Person in betracht, a 1. darüber hinaus aber auch der Rechtsnachfolger, sofern ein Zusatzurteil ergangen ist (§239 J III b 3), wie auch der, dessen Eintritt als Partei durch Urteil abgelehnt wurde, während umgekehrt die Ablehnung der Entlassung aus dem Streit nur ein Zwischenurteil ist (vgl. § 75 A IV a). Den Rechtsbehelf darf auch der einlegen, für den das Urteil ergangen oder gegen den es gerichtet ist, obwohl er nicht als Partei beteiligt war. Über den Eintritt des richtigen gesetzlichen Vertreters bzw. des Prozeßfähigen durch Einlegung eines Rechtsmittels in das von dem falschen Vertreter betriebene Verfahren vgl. § 56 B III. a 2. Von einem in der ersten Instanz sonst Unbeteiligten kann das Rechtsmittel aber nur durch Streitbeitritt (§§ 66 A I b 1; 634, 666 III, 856 II) eingelegt werden (RG J W 98/70); auch nicht von einer Teilperson für die Gesamtperson oder umgekehrt (OLG 17/145f.). Der unselbständige Streitgehilfe (§ 67 A) hat das Rechtsmittel jedoch nur, soweit die von ihm gesetzlich vertretene Partei nicht widerspricht (§ 67 B II e 5), der selbständige (§ 69) dagegen auch gegen den Widerspruch der Hauptpartei. b) Soweit mehrere Streitgenossen beteiligt sind, ist der beschwerte Streitgenosse unabhängig von den übrigen zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt; bei gewöhnlicher Streitgenossenschaft hindert die Rechtsmitteleinlegung des einen nicht den Eintritt der Rechtskraft gegenüber den anderen Streitgenossen (diese scheiden also mit rechtskräftiger Erledigung aus dem weiteren Prozeßverhältnis aus). Anders ist es bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62); notwendige Streitgenossen, die kein Rechtsmittel einlegen, werden zwar nicht Rechtsmittelkläger, bleiben aber im Prozeßverhältnis (wenn auch in etwas abgeschwächter Form in bezug auf die Kostenlast); das Verhältnis ist hier ähnlich wie das des Streitgehilfen, der allein das Rechtsmittel (für die Partei) einlegt; auch hier bleibt die Partei im Prozeßverhältnis (wenn sie auch mit den Rechtsmittelkosten nicht belastet werden darf, vgl. § 67 D I). Je nach der Art der notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 A I) kann indes schon das Ausscheiden eines notwendigen Streitgenossen dazu führen, daß das Rechtsmittel dann wegen der Rechtskraft der Vorentscheidung gegen ihn zugleich gegen alle als unbegründet (nicht als unstatthaft) zurückzuweisen ist. K II. Das Rechtsmittel (der Rechtsbehelf) darf statthafterweise nur gegen eine (bzw. die) Gegenpartei(en) gerichtet werden, a) nicht gegen ihren (selbständigen oder unselbständigen) Streitgehilfen, nicht gegen einen eigenen Streitgenossen derselben Parteiseite (RG JW 99/2), von einem Streitgehilfen gegen die Hauptpartei nur, wenn er damit zugleich einen Seitenwechsel vollzieht (und vollziehen darf, § 66 A I a), und nicht gegen einen in der ersten Instanz sonst Unbeteiligten (wenn nicht seine Beteiligung durch Zwisehenurteil festgestellt wurde, § 511 K I a 1). Vgl. Kommentar § 553 B II. b) Doch darf das Rechtsmittel gegen einen von mehreren Streitgenossen gerichtet werden; sind diese gewöhnliche, so scheiden die nicht als Gegner bezeichneten aus dem Prozeßverhältnis
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aus (eine spätere nach Fristablauf vorgenommene Ausdehnung des Rechtsmittels auf sie ist unzulässig); sind es notwendige (§ 62), so bleiben sie zwar im Streit, doch tritt ihnen gegenüber bereits Rechtskraft ein, womit das Rechtsmittel, das nur gegen einen von mehreren notwendigen Streitgenossen eingelegt wird, gegenstandslos ist und als unbegründet (nicht unzulässig) zurückzuweisen ist, sofern durch die Rechtskraftwirkung gegenüber einem notwendigen Streitgenossen die Entscheidung bereits zugunsten aller gefallen ist (vgl. § 62 A I b); ein etwaiges Wiederaufnahmeverfahren ist dann aber gegen alle notwendigen Streitgenossen zu richten. Anders ist dies, wenn die Rechtskraftwirkung erst eintritt, wenn gegen jeden einzelnen der notwendigen Streitgenossen erkannt sein muß (§ 62 A I a). § 511a
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I In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche ist die Berufung unzulässig] wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes fünfzig Deutsche Mark nicht übersteigt. II Für den Wert des Beschwerdegegenstandes gelten die §§ 3 bis 9. III Der Berufungskläger hat diesen Wert glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden. IV Insoweit es sich um die Unzulässigkeit des Rechtsweges handelt sowie in Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, für welche die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig sind, findet die Berufung ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes statt. A. Ursprünglich war die Berufung ohne Rücksicht auf eine Erwachsenheitsumme zulässig. Sie ist, wo das Gesetz sie fordert, eine selbständige Prozeßfortsetzungbedingung, die neben den sonstigen (R6Z 74/365) gegeben sein muß. Sie verlangt, daß als Beschwer ein bestimmter Wert erreicht ist. Sie gehört trotz der irreführenden Formulierung in § 511a IV nicht zur Statthaftigkeit des Rechtsmittels (§ 511 B I a 1), sondern zu den weiteren Zulässigkeitbedingungen (§ 511 B I a 2). A II. Ohne wertmäßige Begrenzung ist die Berufung zulässig, a) in nichtvermögensrechtlichen Streiten (§ 2 A I b 2). a 1. Ob ein Streit vermögensrechtlicher Art ist, wird allein nach dem geltend gemachten außerprozessualen Anspruch beurteilt, selbst, wenn nur über Prozeßbedingungen (§ 274 A I) bzw. Prozeßfortsetzungbedingungen (§ 274 A II) entschieden wird. Die Klageart entscheidet nicht (RGZ 12/361). Ist der Anspruch für den Kläger vermögensrechtlicher Art, für den Beklagten nichtvermögensrechtlicher, so hat ihn RG N § 546/62 als vermögensrechtlichen gewertet; während man nach der objektiven Theorie dann jede Wertung gelten lassen sollte bzw. allenfalls nach der Parteirolle des Rechtsmittelklägers zu entscheiden hätte (vgl. dagegen aber § 511a B I b 4). a 2. Bei der Klage auf Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kommt es darauf an, ob aus der Urkunde vermögensrechtliche oder nichtvermögensrechtliche Rechte zu begründen sind. Dabei genügt es, wenn auch nichtvermögensrechtliche Rechte aus ihr hergeleitet werden können, um von der Erwachsenheitsumme abzusehen (wie umgekehrt im Fall der Revision, daß auch vermögensrechtliche Ansprüche hergeleitet werden dürfen, welche die Erwachsenheitsumme erreichen). a 3. Sind vermögensrechtliche mit nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen verbunden, so genügt es, wenn aus einem dieser Gründe das Rechtsmittel zulässig ist, d. h. bei der Berufung ist die Erwachsenheitsumme nicht erforderlich, wenn ein nichtvermögensrechtlicher Streit vorhanden ist (RGZ 164/289). Sollte indes umgekehrt der nichtvermögensrechtliche Teil des Streits nicht mit dem Rechtsmittel angreifbar sein (vgl. für die Revision § 546), wohl aber der vermögensrechtliche, so folgt umgekehrt die Zulässigkeit des Rechtsmittels für den nichtvermögensrechtlichen Teil aus der Verbindung mit dem vermögensrechtlichen, wenn im letzten die Erwachsenheitsumme erreicht wird; vgl. § 546 A IV (BGHZ 14/72). Ist die
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Verbindung verboten (§ 260 C), so muß getrennt werden; hat dies die entscheidende Instanz übersehen, so muß es die höhere tun (§ 147 A II a); ist dann das Rechtsmittel iür den einen Anspruch nicht zulässig, so muß es insoweit verworfen werden. Dem entspricht es, daß das Rechtsmittel zu verwerfen ist, wenn es nur auf den nicht angreifbaren Teil des Streites gerichtet ist (RGf JW 00/853). a 4. Bei vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Klagegründen kommt es auf die Beschwer an. War nach einem vermögensrechtlichen Grund erkannt, so muß für den Beklagten als selbständigen Rechtsmittelkläger die Erwachsenheitsumme erreicht worden sein (RG JW 14/208). Sind bei identischem Klageanspruch vermögensrechtliche wie nicht vermögensrechtliche Klagegründe gegeben, ist die Klage aus beiden Gründen abgewiesen und führt nur ein Klagegrund die Rechtsmittelfähigkeit herbei, so darf nur dieser in der Rechtsmittelinstanz nachgeprüft werden (RGZ 144/358). Umgekehrt ist das Rechtsmittel des Beklagten unzulässig, wenn der Klage aus mehreren Klagegründen stattgegeben worden ist, von denen einer nicht mit dem Rechtsmittel angreifbar ist (vgl. aber § 511 a A II c 3). Anders ist dies aber, wenn das untere Gericht nur über privilegierte Rechtsmittelgründe entschieden hat, obwohl es auch über nichtprivilegierte hätte entscheiden sollen. Ist nur angreifbaren Rechtsmittelgründen entsprochen, so muß auf das Rechtsmittel des Beklagten auch den nichtangreifbaren nachgegangen werden, sofern die angreifbaren unbegründet sind. War nur auf Grund der nichtangreifbaren zugesprochen, so ist der Angriff, daß über einen nicht entsprochenen, angreifbaren Grund nicht entschieden wurde, (mangels Beschwer) unzulässig. Vgl. bezüglich der Aufrechnung auch § 511 a A II b 10. a 5 . Bei gemischten Haupt- und Hilfsansprüchen kann der Hauptanspruch nur durchgesetzt werden, wenn für ihn die Prozeßfortsetzungbedingung gegeben ist; allerdings ist dann auch über den Hilfsanspruch in der Rechtsmittelinstanz zu entscheiden, selbst wenn für ihn die Prozeßfortsetzungbedingung nicht gegeben ist. Wird der unzulässige Hauptantrag als Hilfsantrag umgestellt, so ist, wenn der zulässige Hilfsantrag nicht begründet ist, auch noch über den eventuell gestellten Hauptantrag zu entscheiden. Bei Alternativansprüchen kann dagegen in der Rechtsmittelinstanz nur der Anspruch durchgesetzt werden, für den die Prozeßfortsetzungbedingung gegeben ist (vgl. aber § 5 1 1 a B I a 8 ) . Die facultas alternativa wird überhaupt nicht bewertet (§ 3 B I I I c 3). Über das Verhältnis von Haupt- und Hilfsbegründung gilt das zu § 511 a A II a 4 Erläuterte. a 6. Abzustellen ist es dabei stets auf den geltend gemachten Klageanspruch; nicht auf den Charakter von Einwendungen und Einreden (RGZ 61/89). b) Die Zulässigkeit des Rechtswegs (vgl. GVG § 13) ist ohne Erreichung der Erwachsenheitsumme durch Rechtsmittel nachprüfbar (§ 511 a III, vgl. § 547 1 1), gleichviel, ob sie bejaht oder verneint wurde (RGZ 157/106). Ist einer Klage stattgegeben, so darf der Beklagte (nicht der Kläger, weil, wenn das Urteil rechtskräftig wird, der Mangel behoben ist, vgl. GVG § 13 B IV b 1) mit der Begründung, daß der Rechtsweg unzulässig ist, das Urteil angreifen. Ist die Klage mit dieser Begründung als unzulässig abgewiesen, so sind beide Parteien beschwert; ist die Klage aber als unbegründet abgewiesen, so darf nur der Kläger die Abweisung mit der Begründung angreifen, daß sie wegen Verschließung des Gerichtsweges unzulässig war, nicht aber der Beklagte. Allerdings darf der Kläger bis zum Verhandlungschluß den Verweisungsantrag entsprechend ArbGG § 48 a I I I (auch hilfsweise) stellen (§276 A IV a 4); gegen die Verweisung hat aber jede Partei das Rechtsmittel, sofern sie sich dagegen gewehrt hat; der Beklagte hat aber kein Rechtsmittel, wenn auch der Verweisungantrag zurückgewiesen wurde, sofern er nicht meint, das Gericht hätte sachlich entscheiden müssen. b 1. Der Rechtsweg grenzt die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte i. w. S. (Kommentar § 1 B) nach unten ab, d. h. der rechtskräftige (§ 705) Vorgriff der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist unangreifbar (Kommentar § 1 B II b 4, GVG § 13 B IV c 1). b 2. Die Norm gilt entsprechend bei fehlender Gerichtsbarkeit (RGZ 157/393). b 3. Dagegen gehört die sonstige Zuständigkeit nicht mehr zu der Zulässigkeit des Rechtsweges, also im besonderen nicht das Verhältnis der ordentlichen Gerichtsbarkeit
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zu der freiwilligen, soweit ein Verweisungverhältnis besteht (§ 276 A III c). Dies gilt auch für die zwischenstaatliche Zuständigkeit (RArbGE 12/303). b 5. Die Zulässigkeit des Rechtsweges betrifft eine Prozeßbedingung (§ 274 II 2). Von den sonstigen Prozeßbedingungen (§ 274 A I) sind nur die zu prüfen, welche bei der gerichtlichen Prüfung stets vor der des Gerichtsweges zu prüfen sind (§ 274 B I a—d 5, RG J W 00/750). Auch mit dem Fehlen dieser vorangehenden Prozeßbedingungen ist also das Urteil dann angreifbar. Haben sie ihren Rang hinter der Prozeßbedingung des zulässigen Gerichtsweges, so muß das Rechtsmittel insoweit zulässig sein, wie der Rechtsweg gegeben sein muß. Hatte ihn die Vorinstanz verneint und entscheidet das Rechtsmittelgericht umgekehrt, so muß es allerdings über die folgenden Prozeßbedingungen von sich aus entscheiden (vgl. § 538 II), wobei es bei dem Fehlen einer ranglich nachfolgenden Bedingung dann die Klage als unzulässig abzuweisen hat (RG N § 547/8). War aber der Rechtsweg für zulässig erklärt, so kann diese Entscheidung nicht damit angegriffen werden, daß eine nachfolgende Prozeßbedingung fehlte (RG HRR 30/1645). b 6. Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist mit der Klagebegründung gekoppelt. Wird die Entscheidung deshalb nicht aus dem Grunde der gegebenen bzw. der fehlenden Zulässigkeit des Gerichtsweges angefochten, so ist, wenn die Erwachsenheitsumme nicht erreicht ist, das Rechtsmittel unzulässig (RG J W 04/40). Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels genügt es aber, daß der Rechtsmittelkläger (in der Begründung) für alle Klagegründe, die zugesprochen wurden, die Unzulässigkeit des Rechtsweges behauptet bzw. wenn er bei so als unzulässig abgewiesener Klage für einen Klagegrund die Zulässigkeit des Rechtsweges, in anspruch nimmt. Fehlt diese Begründung, so ist das Rechtsmittel unzulässig. Darüber, daß die sonstigen Prozeßfortsetzungsbedingungen gegeben sein müssen, wenn das Rechtsmittel zulässig sein soll, vgl. § 511 B I a 2 (BGHZ 4/389). b 7. Hängt die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels davon ab, ob bei einem die Klage abweisenden Urteil der Rechtsweg zulässig, bei einem der Klage stattgebenden Urteil der Rechtsweg unzulässig ist, so ist die Prüfung grundsätzlich auf diesen Punkt beschränkt (BGHZ l/380f). Hatte die untere Instanz die Klage aus mehreren Klagegründen (§260A II) alternativ zugesprochen, so ist das Rechtsmittel unzulässig, wenn auch nur wegen eines Klagegrundes der Rechtsweg gegeben ist. War der Klage aus einem Grunde entsprochen, für den der Rechtsweg verschlossen ist, in den Gründen aber ausgeführt, daß andere Klagegründe, für die der Rechtsweg offen ist, nicht bestehen, so kommt es nur auf den ausgeurteilten Klagegrund an (vgl. im übrigen § 511a A II c 3, 6). Ist die Klage als unzulässig wegen des verschlossenen Rechtsweges abgewiesen worden, so muß die Abweisung alle Klagegründe decken; ist die Klage als unbegründet abgewiesen worden, für einen oder mehrere Klagegründe aber (wegen des verschlossenen Rechtswegs) als unzulässig, so können nur diese zur Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts gestellt werden (OGHZ 2/21). Für die Haupt- und Hilfsbegründung gilt das entsprechende. Soweit die untere Instanz sich mit sonstigen Klagegründen nicht befaßt, weil schon einer durchgreift, und wenn gerade für diesen die Rechtsmittelinstanz den Rechtsweg für unzulässig hält, muß sie die Prüfung der übrigen Gründe nachholen (über die bislang noch nicht entschieden worden war bzw. entschieden werden durfte). b 8. Bei Haupt- und Hilfsanträgen muß für den Antrag, über den entschieden wurde, der Rechtsweg gegeben sein. Wurde die Klage deswegen als unzulässig abgewiesen, der Hilfsantrag aber übergangen, so ist nach § 321 zu verfahren; nicht aber darf im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden, daß für den Hilfsantrag der Rechtsweg offen ist. Ist umgekehrt der Klage zum Hauptantrag stattgegeben, so kommt auch der nichtbeschiedene Hilfsantrag in die Rechtsmittelinstanz. b 9. Einwendungen und Einreden sind in vollem Umfange von der Rechtsmittelinstanz zu prüfen, wenn der Rechtsweg zulässig ist und die Klage zu Unrecht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges abgewiesen war. Ergeben aber gerade sie die Unzulässigkeit des Rechtsweges (GVG § 13 J II b 3) und wird der Klagegrund für zulässig gehalten, so sind sie mit dem Rechtsmittelangriff zu überprüfen, während die sonstigen Einwendungen und Einreden
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gegen den für zulässig erklärten Anspruch nicht nachprüfbar sind, sofern der Rechtsweg zulässig ist. b 10. Für den Einwand der Aufrechnung ergibt sich eine Besonderheit (GVG § 13 J II b 2), wenn über den aufgerechneten Anspruch nicht von den ordentlichen Gerichten erkannt wurde bzw. erkannt werden durfte. Wurde die Aufrechnung als unbegründet zurückgewiesen, so darf dies der Beklagte mit der Begründung angreifen, daß für den aufgerechneten Anspruch der Gerichtsweg verschlossen ist (RG N §547/12). Wird der Aufrechnung gefolgt, so darf der Kläger dies mit der Begründung angreifen, daß für den aufgerechneten Anspruch der Rechtsweg verschlossen ist. Der Beklagte darf nach GVG §17 III—V, ArbGG §48a III Verweisung beantragen. Bei Vorabentscheidungen nach § 302 muß gerade die Klageforderung in bezug auf die Zulässigkeit des Rechtsweges angegriffen werden; daß die vorbehaltene Forderung damit in Zweifel gezogen werden könnte, ist erst mit dem Urteil im Nachverfahren angreifbar. b 11. Über die Zulässigkeit des Rechtsweges darf bejahend durch selbständig anfechtbares Zwischenurteil entschieden werden (§ 275 11); wird es rechtskräftig (§ 705), so ist diese Angriffsmöglichkeit gegenüber dem Endurteil verbraucht. c) Die Berufung ist ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig, wenn die Landgerichte in vermögensrechtlichen Streiten ohne Rücksicht auf den Streitwert sachlich ausschließlich zuständig sind (GVG § 71 B II, vgl. § 547 I 2); Tatsachenbehauptungen, die das Vorliegen eines solchen Tatbestandes begründen, genügen zur Zulässigkeit (BGHZ 16/275). Dazu gehören die Fälle des GVG § 71 II (RGZ 165/343), I I I (RGZ 167/254), die Anfechtungklagen nach AktienG § 199 (RG J W 12/802), die Nichtigkeitklagen (AktienG §§ 201 I 1, 216 IV 1), die entsprechenden Klagen bei der GmbH (RG AKZ 44/49), hier auch die Auflösungklagen (GmbHG §§ 61 folg., 75); bei der Genossenschaft (GenG §§ 51, 96, OGHZ 2/199), bei Klagen eines Genossen einer Genossenschaft aus Sonderrecht (RG JW 08/350), bei den Versicherungvereinen auf Gegenseitigkeit (VAG § 36); femer die des BörsenG § 49 wie die Entschädigungklagen wegen unschuldig erlittener Untersuchung- bzw. Strafhaft (RGZ 129/293). Auch die Vollstreckunggegenklagen (§ 767) gegen einen Anspruch aus einem privilegierten Verfahren fallen unter die Norm (RG HRR 33/1704). c 1. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem KJageanspruch (§ 511a A II a 1), nicht nach Einwendungen und Einreden (§ 511 a A II a 6). Bei mehreren Ansprüchen (RG JW 28/222) darf nur der Teil nachgeprüft werden, der einen privilegierten Klagegrund hat. c 2. Das Berufunggericht darf nicht aus einem anderen Klagegrund als Amtspflichtverletzung zusprechen, wenn sonst die Erwachsenheitsumme nicht erreicht ist (RGZ 144/358). c 8. Ist bei mehrfachen Klagegründen die Klage abgewiesen, so ist das Rechtsmittel ohne Erwachsenheitsumme zulässig, wenn mit dem Rechtsmittel gerügt wird, daß ein Klagegrund, der sie nicht fordert, nicht beachtet wurde (RG N § 547/83); während umgekehrt, wenn der Klage nur aus einem anderen Grunde stattgegeben war, der Beklagte das Rechtsmittel nicht hat, um zu rügen, daß der Klagegrund, der keine Erwachsenheitsumme erfordert, nicht gegeben sei (RGZ 156/303). Dasselbe gilt, wenn der Klage sowohl aus privilegierten wie aus nicht privilegierten Klagegründen stattgegeben wurde. Dann ist das Rechtsmittel unzulässig (RG J W 35/769); dabei genügt es, daß in einer Hilfsbegründung ein nicht angreifbarer Klagegrund als ebenfalls durchschlagend genannt wird. Auf die rechtlich falsche Beurteilung der unteren Instanz darf es nicht abgestellt werden (RGZ 46/340). Ist der Klage a l l e i n aus einem privilegierten Klagegrunde stattgegeben worden, so hat der Beklagte das Rechtsmittel (OLG MDR 49/369); der Kläger darf dann aber das Urteil mit einem Klagegrunde verteidigen, der als solcher nicht angreifbar wäre (RG HRR 36/631). Hat das untere Gericht es offen gelassen, welchen von mehreren Ansprüchen der einen bzw. der anderen Art es für begründet ansieht, dann wird in vollem Umfange nachgeprüft (RGZ 156/257). Ist die Klage trotz des durchgreifenden Angriffs in bezug auf einen privilegierten Grund begründet, so kommt es auf die sonstigen Klagegründe nicht an und es darf durcherkannt werden (RGZ 126/28). Ist dagegen die Klage abgewiesen worden und wird das Urteil mit der Begründung angegriffen, daß ein privilegierter Klagegrund unbeachtet blieb, so ist die Entscheidung nur in bezug auf
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den privilegierten Grund nachprüfbar (RGZ 161/199folg.). Wird indes aufgehoben und zurückverwiesen, so ist damit das angefochtene Urteil der Vorinstanz schlechthin beseitigt und wirkt nicht mehr nach § 318, so daß das untere Gericht auch dem Anspruch noch aus einem nicht privilegierten Klagegrunde stattgeben darf. Da die Anführung der Rechtnorm nicht Sache der Partei ist (§ 253 G I V a 1), kann ein Anspruch unter dem Gesichtswinkel eines privilegierten Anspruchs noch durch das Rechtmittel aufgegriffen werden (RG Warn. 14/120). c 4. Die mit dem Klagegrunde unlösbar verbundenen Einwendungen und Einreden (über die Aufrechnung vgl. aber § 5 1 1 a A I I c 7) werden zu ihm gerechnet ( R G J W 38/2154 für mitwirkendes Verschulden). c 5. Ob bei gemischten Ansprüchen ein Verhältnis von Haupt- und Hilfsansprüchen gegeben ist, ist wie bei Alternativansprüchen gleichgültig; angreifbar ist nur der unter GVG § 71 I I , I I I fallende Anspruch, also u. U. nur der Hauptanspruch (RG J W 35/769); war indes der Klage stattgegeben, so muß, wenn der zulässige Angriff gegen den Hauptanspruch begründet ist, auch auf den Hilfsanspruch, der an sich nicht privilegiert ist, noch erkannt werden. e 6. Bei Haupt- und Hilfsbegründung gelten keine Besonderheiten, c 7. Dabei wird das Urteil über die zur Aufrechnung eingewandte Gegenforderung nur bis zur Höhe der durch das Urteil zugesprochenen Forderung rechtskräftig (§ 322 I I ) , sei es, daß die Aufrechnung zurückgewiesen, sei es, daß ihr entsprochen wird. Bei der Eventualaufrechnung ist zu unterschieden: fallen die Klageansprüche und die aufgerechneten Ansprüche unter GVG § 71 I I , I I I und wird die Klage einschließlich der Aufrechnung abgewiesen, so ist die Rechtslage wie sonst bei der Abweisung, wenn aufgerechnet wird
die darin besteht, daß, wenn das Hauptrechtsmittel unzulässig ist oder wird, die Anschließung selbst unzulässig wird (RG D R 44 A 84), a) im besonderen durch Rechtsmittelrücknahme (§ 515 B). a 1. Nach Beginn der Verhandlung des Berufungbeklagten kann die Berufung rechtswirksam nur mit Einwilligung des Berufungbeklagten zurückgenommen werden (§ 515 I). "Willigt der Rechtsmittelbcklagte ein, so verfügt er damit zugleich über die Anschließung, gleichviel ob er dies will oder nicht. In der Eventualanschließung (§ 521 B I I I c) liegt dabei stets die vorweggenommene Einwilligungerklärung in die Rücknahme. a 2. Willigt der Berufungbeklagte nach Verhandlung (§ 515 B I b) nicht in die Rücknahme, so bleibt die Berufung wirksam (R6Z 103/124); sodann ist aber auch auf die Anschließung zu erkennen. a 3. Die teilweise Rechtsmittelrücknahme hat auf die Wirksamkeit der Anschließung keinen Einfluß. b) Wurde ein Bechtsmittelverzicht (§ 514) b 1. in einem Zeitpunkt erklärt, wo die Rechtsmittelrücknahme einseitig wirksam werden würde (§ 515 I), so wird auch durch ihn die unselbständige (nicht die selbständige) Anschließung unzulässig (§ 514 B I I a 2). Wurde er erklärt, als der Gegner sich noch nicht angeschlossen hatte, so ist die spätere Anschließung unzulässig (§ 521 B I I o 1). b 2. Hat der Rechtsmittelkläger ganz oder zum Teil auf das Rechtsmittel verzichtet, so kann er das Verzichtete grundsätzlich nicht durch Anschließung an die unselbständige Anschließung seines Gegners geltend machen, während er sich an die selbständige Anschließung unselbständig anschließen darf. A II a) Ist das Rechtsmittel an sich unstatthaft (§ 511 B I a 1), so ist es auch die Anschließung. Ist es sonstwie unzulässig, etwa weil es nicht in richtiger Form oder Frist eingelegt oder begründet worden ist, so ist auch die Anschließung unzulässig. a 1. Wird dem Rechtsmittelkläger nach Verwerfung die Wiedereinsetzung gewährt (§§ 233 folg.), so lebt damit auch ohne weiteres eine bis zur Verwerfung oder danach ausgesprochene Anschließung auf. a 2. Der Berufungbeklagte hat gegen die Versäumung der Anschlußberufung keine Wiedereinsetzungmöglichkeit, weil die Frist, innerhalb der sie zulässigerweise eingelegt werden kann, weder eine Notfrist ist noch an eine Begründungfrist anknüpft (§ 521 B IIb). Hatte er indes das selbständige Rechtsmittel (§ 522 II) und außerdem einen Wiedereinsetzunggrund (§ 233), so darf er sich anschließen unter Stellung des Wiedereinsetzungantrags. Dagegen gibt der Wegfall des Rechtsmittels des Berufungklägers als solcher dem Rechtsmittelbeklagten keinen Wiedereinsetzunggrund im Fall der (zunächst) unselbständigen Anschließung (KG D R 41 A 2293). a 3. Im Fall der Anschlußrevision, die innerhalb der Revisionbegründungfrist einzulegen ist (§ 556 I), gibt es auch für die unselbständige Anschlußrevision die Wiedereinsetzung nach § 233 I (§ 556 B I I I a). 75*
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b) Soweit die Erwachsenheitsumrae ( § 5 1 1 a A ) die Zulässigkeit des Rechtsmittels bedingt und das Rechtsmittel durch willkürliche Beschränkung des Rechtsmittelklägers unzulässig wi.d, bleibt die unselbständige Anschließung wirksam, sofern der Rechtsmittelkläger das Rechtsmittel nach dem in §515 I genannten Zeitpunkt beschränkt. Anders ist dies, wenn der Rechtsmittelbeklagte sich nur eventuell angeschlossen hatte (§ 522 A I a 1). A i n . Wird über eine Prozeßbedingung oder den außerprozessualen Anspruch auf das Rechtsmittel erkannt, so bleibt die Anschließung zulässig, sofern mit ihr nicht unzulässigerweise vorgegriffen wird (§ 511 B I a 4). a) Dies gilt auch, wenn durch Versäumnisurteil zu erkennen ist (RGZ 103/124). Wird gegen ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und schließt sich erst danach der Rechtsmittelbeklagte an, so hängt die Anschließung auch von den Prozeßfortsetzungbedingungen des Einspruchs ab. Nimmt der Rechtsmittelkläger, bevor er zu verhandeln begonnen hatte (§ 515 I), den Einspruch zurück, so wird das Versäumnisurteil rechtskräftig und dadurch die Anschließung unzulässig (RGZ 165/87). b 2. Wegen der prozessualen Abhängigkeit darf zwar selbständig durch Teilurteil (§ 301) über die Berufung; grundsätzlich nicht aber über die unselbständige Anschließung vor der Berufung entschieden werden ( B G H N J W 56/1030). Umgekehrt läßt B G H N J W 54/109 nicht die Verwerfung der Anschlußberufung vor abschließender Verhandlung zur Hauptsache zu, weil bis dahin ihre etwaigen Mängel noch geheilt werden können (vgl. § 521 B I I b). b 3. Wird durch Teilurteil (§ 301) über die Berufung sachlich erkannt, so ist damit (vorbehaltlich der Aufhebung durch das Revisiongericht und seiner Verwerfung der Berufung) die Anschließung wirksam. Das Berufunggericht bleibt insoweit an seine Entscheidung über die Berufung gebunden (§ 318), auch wenn es später die Unzulässigkeit der Berufung im übrigen erkennt. Wird die Entscheidung über das Teilurteil rechtskräftig, dann darf auch das Revisiongericht die Anschlußberufung nicht verwerfen. b 4. Ausnahmeweise darf über die Anschlußberufung erkannt werden, selbst wenn die Berufung unzulässig ist, in den Fällen, in denen die unselbständige Anschließung wirksam bleibt (also bei dem verspäteten Verzioht, § 522 A I b 2 ; und bei der verspäteten Beschränkung des Rechtsmittels unter die Rechtsmittelsumme, § 522 A I I b). A IV. Die Kosten einer unselbständigen Anschließung treffen grundsätzlich den Rechtsmittelkläger, wenn sie auf Grund der prozessualen Abhängigkeit zum Hauptrechtsmittel unzulässig wird (vgl. § 556 C V b), a ) im besonderen, wenn die Anschließung unzulässig wird infolge eines Verhaltens, das in der Willkür des Rechtsmittelklägers lag (BGH N J W 52/384), auch im Falle der Verwerfung des Hauptrechtsmittels (RGZ 7/343; a. M. R G J W 36/257) und auch, wenn erst von der Revisioninstanz die Berufung als unzulässig verworfen wird (RG N § 522/11). b) Doch haben R G N § 5 2 2 / 8 die Kosten der Anschließung nicht dem Rechtsmittelkläger auferlegt, wenn die Anschließung „von vornherein unzulässig" (unstatthaft) ist, bzw. wenn die Anschließung als solche unzulässig ist ( B G H N J W 55/1187). c ) Auch für die unselbständige Anschließung werden die Kosten selbständig berechnet und wird das Armenrecht selbständig bewilligt. Doch entstehen für die nur bedingt eingelegte Anschließung Kosten nur, wenn über sie infolge des Eintritts der Rechtsbedingung entschieden wird (§ 556 C V). B I. Der selbständigen Anschließung (§ 522 II) darf sich der Gegner anschließen (§ 5 2 1 A I I I b). b) Die Kostenentscheidung ergeht für sie stets getrennt. B II. Die unselbständige Anschließung, die eine weitere unselbständige Anschließung zuläßt (§ 522 A 1 b 2), steht im Verhältnis zu dieser der selbständigen Berufung gleich.
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§ 522 a ( - ) I Die Allschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlußschrift bei dem Berufungsgericht. II Die Anschhißbernfung muß vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist (§ 519 Abs. 2) und, sofern sie nach deren Ablauf eingelegt wird, in der Anschlußschrift begründet werden. III Die Vorschriften des § 518 Abs. 2, 4, des § 519 Abs. 3, 5 und der §§ 519a, 519b gelten entsprechend. A I. Die Anschließung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, prozessuale, bis zur Entscheidung über sie einseitig widerrufliche Willenserklärung (§ 38 B II c), die der Schriftform bedarf (§ 522a I). a) Der Schriftsatz, durch den sie eingereicht wird, ist deshalb ein bestimmender (§ 129 A), welcher der eigenhändigen und persönlichen Unterschrift des postulationfähigen Anwalts bedarf (RGZ 152/27) und kann nicht nach § 198 wirksam zugestellt werden (RGZ 156/291). Die bloß mündlich erklärte Anschließung ist nichtig (RGZ 171/131). b) Sie i t bedingungfeindlich (über die Möglichkeit, sie eventuell einlegen zu dürfen vgl. § 521 B III c). Einseitig ist die Rücknahme für unselbständige Anschließungen jederzeit zulässig, soweit nicht an sie ausnahmeweise eine Anschließung des Gegners zulässig ist (§ 522 A I b 2). c) Die Anschließung wird wirksam mit der Einreichung bei dem Rechtsmittelgericht ohne Rücksicht darauf, ob sie dem Gegner zugestellt wird (RG Warn. 40/7). Über das Erlöschen der Anhängigkeit vgl. § 321 A IV. c 1. Auf die Einreichung bzw. die Innehaltung der sonstigen Form kann nicht verzichtet werden (RG JW 28/3042); wohl aber auf die förmliche Zustellung; insoweit gelten auch §§ 187, 295. c 2. Die Rechtshängigkeit neuer Ansprüche tritt aber nicht vor der Zustellung bzw. vor Erhebung in der mündlichen Verhandlung (RGZ 156/299) ein (§ 281); auch die Nebenwirkungen des § 261b III ergeben sich nur bei demnächstiger Zustellung. A II. Praktisch ist in jeder Schrift eine Anschiußschrift zu sehen, wenn in ihr ein Antrag gestellt wird, der mehr als die Zurückweisung der Anträge des Berufungklägers enthält. a) Die Anschlußschrift hat das Urteil zu kennzeichnen, gegen welches sich der Rechtsmittelbeklagte (im Ausnahmefall der Rechtsmittelkläger) wendet (§§ 522 a III, 518 II 1); nur ist diese Kennzeichnung noch formloser, weil sie auf das Hauptrechtsmittel bezug nimmt (RG HRR 32/1790); die bloße Einreichung der Schrift zu den richtigen Akten genügt (RGZ 156/295); es genügt das zum Ausdruck gebrachte Abänderungverlangen (RGZ 142/311). b) Die Anschließungsschrift hat ferner kenntlich zu machen, daß das so bezeichnete Urteil abgeändert werden soll (§§ 522a III, 518 II 2; vgl. dazu § 518 B II a). Dazu genügt schon die Stellung eines dementsprechenden Antrags (RGZ 161/169). A III. Weitere Formerfordernisse für die Anschlußschrift bestehen nicht. Der Hinweis des von § 522 a I I I in Bezug genommenen § 518 auf die Vorschrift über die vorbereitenden Schriftsätze (§§ 129 folg.) ist nur eine Ordnungvorschrift; von der Unterschrift des Postulationfähigen abgesehen (vgl. § 518 B III, § 522 a A I a). B I. Die Anschließung muß begründet werden, und zwar entweder innerhalb der Berufungbegründungsfrist oder danach in der Anschließungschrift. a) Die isolierte Anschiußschrift (d. h. die ohne Begründung) ist nur zulässig innerhalb der Berufungbegründungfrist (§§ 522a II, 519 II). a 2. Die Verlängerung der Begründungfrist kommt dem Anschlußkläger ohne weiteres zustatten. Er hat aber kein Recht darauf, die Verlängerung zu erwirken; die spätere Begründung ist als Nachholung der Anschließung zu werten (RGZ 170/20).
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§ 522a Bi
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b) Die Ansch'.ußbegründung ist eine prozessuale, dem Gericht gegenüber zu erklärende, einseitige, unwiderrufliche (§ 519 A II b) Willenserklärung (§ 38 B II c). Sie ist ebenfalls ein bestimmender Schriftsatz (§ 129 A) mit der erforderlichen eigenhändigen und persönlichen Unterschrift des postulationfähigen Rechtsanwalts (RG N §522a/l); während auch hier die weitere Verweisung der §§ 522 a III, 519 V auf die vorbereitenden Schriftsätze (§§ 129 folg.) nur Ordnung-Forschriften trifft. b 1. Sie muß den AnschlieBungantrag enthalten (§§ 522 a III, 519 III 1). Eine nachträgliche Änderung der Anträge ist zulässig und nicht der Form der Anschließung unterworfen. b 2. Sie muß auch die einzelnen Anfechtunggründe enthalten (§§ 522 III, 519 I I I 2). Der bloße Antrag ohne die Begründung genügt regelmäßig nicht (RG HRR 36/1087). Damit wird zugleich stets die Form der §§ 281, 253 II gewahrt, wenn neue Ansprüche mit ihr erhoben werden (RGZ 153/101). Doch genügt die stillschweigende Bezugnahme auf vorangegangene Schriftsätze (RGZ 142/311), im besonderen bei bloßer Erweiterung der Klage (BGH NJW54/266); auch kann bei einer Widerklageerhebung das zur Verteidigung gegen die Klage Vorgetragene genügende Begründung sein (RGZ 153/104). In keinem Falle darf die Anschlußberufung verworfen werden, wenn die Begründung bis zum Verhandlungschluß (§ 521 B II b) schriftsätzlich nachgebracht wird (BGH NJW 54/109), und bis dahin sollte sie nioht verworfen werden (§ 522 A I I I b 2). B II. Praktisch ergeben sich deshalb keine Unterschiede zu der Klageerweiterung, welche der Rechtsmittelkläger (in der Berufunginstanz) vornimmt und die nicht als Anschließung angesehen wird (§ 521 A III). C. Verstöße gegen die notwendigen Formen der Anschließung und ihrer Begründung führen zu ihrer Unzulässigbeit (RG J W 28/3042); während das Unterlassen neuer Angaben allenfalls nach § 529 III zur Zurückweisung wegen Verspätung führen und die Unbegründetheit der Anschließung ergeben könnte (§ 529 C 11 c); indes nur wenn man nicht an die Erneuerungmöglichkeit der Anschließung nach vorheriger Rücknahme denkt. Wird indes die Anschließung verworfen, so steht dem die Erneuerung nicht im Wege. Gegen die Verwerfung der (unselbständigen wie der selbständigen) Anschließung der Berufung durch Beschluß eines OLG ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben (§ 519 b II) bzw. bei Verwerfung durch Urteil das der Revision (§ 547 I I ) . Die Prozeßfortsetzungbedingungen der Anschließung werden von geriehts wegen geprüft (§ 519 b A II), die der Anschlußberufung auch noch in der Revisioninstanz (BGH MDR B 103/55). D. Die Anschluß- und die Anschlußbegründungsohrift werden von geriehts wegen zugestellt (§§ 522a III, 519a). Dabei reicht die Übergabe der Schrift an den Gegner in der mündlichen Verhandlung nach § 187 aus (RGZ 142/311).
§ 523
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I Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. A. In der Berufunginstanz wird das Verfahren der ersten fortgesetzt. Sie ist zusammen mit der ersten die sog. Tatsacheninstanz und unterscheidet sich von ihr durch ihre besonderen Prozeßfortsetzungsbedingungen (§ 511 B), wie durch einige Einschränkungen im Verfahren (§§ 523 a folg.), das sie sonst aber grundsätzlich von dem der ersten übernimmt, § 523 schreibt deshalb vor, daß die Vorschriften des ersten Abschnitts des zweiten Buches entsprechend anzuwenden sind. Die Vorschriften des ersten Buches (§§ 1—252) gelten in den Rechtsmittelverfahren (des dritten Buches) unmittelbar, soweit sie sich nicht ausschließlich auf das amtsgerichtliche Verfahren beziehen (vgl. § 495). A I. Wendete man die Vorschriften des ersten Buches unmittelbar an,
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Berufung
§523 AI
a) so müßten die des §§ 251a 12 (331a) dazu führen, daß auch eine Verhandlung in der ersten Instanz für das Aktenlageurteil der zweiten ausreicht, während die h. M. annimmt, daß dieses Urteil nur ergehen darf, wenn auch schon in der Berufunginstanz (mindestens) einmal verhandelt worden ist (vgl. RGZ 159/360). b) Die in erster Instanz gestellten Beweisanträge gelten ohne weiteres (BGH v. 7. 5.1958 V ZR 237/56 S. 12) in der zweiten. c) Die Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufunginstanz ist ausschließlich nach § 264 zu beurteilen und fällt nicht unter § 529 II (BGH NJW 55/707). Soweit die Parteiänderung (vgl. § 264 E) wie eine Klageänderung behandelt wird, wird auch die Einführung eines neuen Beklagten in der Berufunginstanz für zulässig erachtet (§ 264 E). A n a ) In dem Berufungsverfahren der Oberlandesgerichte als Rechtsmittelinstanz gegenüber den Landgerichten gelten von den Vorschriften des zweiten Buches der ZPO die des ersten Abschnitts (§§ 253—494), nicht die des amtsgerichtlichen Verfahrens (§§ 495—510b), entsprechend (§ 523). Soweit die Oberlandesgerichte Berufunginstanzen der Amtsgerichte sind (vgl. § 511 G III b, GVG § 119 B I), gelten auch für sie die Besonderheiten des landgerichtlichen Berufungverfahrens (§ 523 A II b). b) Im landgerichtlichen Berufungverfahren gelten grundsätzlich dieselben Vorschriften wie vor dem Oberlandesgericht; Modifikationen ergeben sich aber aus den Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten. Darüber, ob § 506 dann anzuwenden ist, wenn in zweiter Instanz der Streitgegenstand erweitert wird, vgl. § 506 F. Jedenfalls darf der Antrag nach § 510 b auch erstmalig in der Berufunginstanz gestellt werden (§ 510 b A II b). B I. Durch Klage (vgl. §§ 253—259) kann das Berufungverfahren nur im Falle der Wiederaufnahmeklage eingeleitet werden. B II. An die Stelle des Klägers bzw. des Widerklägers tritt der Rechtsmittelkläger bzw. der Anschließungkläger. Über die (Wider-)Klagerücknahme nach Erlaß des Urteils der Berufunginstanz vgl. § 271 III. B III. Über das modifizierte einzelrichterliche Verfahren vgl. § 523a; über die abweichende Beurteilung von Prozeßbedingungen in der Frage der ausschließlichen Zuständigkeit vgl. § 528 1 2. Davon abgesehen brauchen die in erster Instanz erhobenen prozessualen Rügen nach § 274 II 3, 5, 6 in der Berufungsinstanz nicht erneuert zu werden, vielmehr muß über sie in erster Linie entschieden werden (RG Warn. 12/43). Über den Rügeverlust vgl. § 530. Über die Modifikationen des Versäumnisurteils vgl. § 542 1. B IV. Das Berufunggericht darf alle Entscheidungen treffen, die das Gericht der ersten Instanz treffen könnte, auch in bezug auf neu erhobene Ansprüche. Vgl. über Vorgriffe § 536 B. § 523a I
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Die Vorschrift des § 349 Abs. 3 ist nicht anzuwenden.
A. Der Einzelrichter darf im streitigen Verfahren nicht nach § 349 III entscheiden (§ 523 a). Da das Gesetz also die Entscheidung durch den Einzelrichter (abgesehen von reinen Versäumnisurteilen) nicht will, sollte man aber auch § 349 I 5 nicht anwenden und ihn auch nicht nach § 331a oder nach § 331 II kontradiktorisch entscheiden lassen (§ 349 C I d). Der Einzelrichter darf auch nicht das Rechtsmittel verwerfen, und er darf auch nicht über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 folg.) entscheiden. Auch darf er nicht verspätetes Vorbringen nach § 529 zurückweisen (RGZ 123/136). Im übrigen hat der Einzelrichter die Stellung des erstinstanzlichen. Verstöße gegen diese Vorschrift führen im landgerichtlichen Berufungverfahren zur Nichtigkeitklage (§ 579 11), im oberlandesgerichtlichen auf die Rüge der Revision nach § 55111 zur Aufhebung und Zurückverweisung und u. U. zur Nichttekeitklaee. § 524
(486)
Gestrichen.
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§ 525
(487)
I Vor dem Berufungsgericht wird der Rechtsstreit in den durch die Anträge bestimmten Grenzen von neuem verhandelt. A n . § 525 berücksichtigt die durch den Abschluß der ersten Instanz entstandene Prozeßlage derart, daß in der Berufunginstanz der Rechtstreit nur in den Grenzen der Berufunganträge neu entschieden wird (vgl. § 536 A) und a) wiederholt den Grundsatz des § 308 I für die Berufunganträge (§ 519 III 1), a 1. was aber nicht verhindert, daß das Berufunggericht über etwas entscheidet, worüber sich die erste Instanz nicht ausgesprochen hat (vgl. § 536 B). a 2. Hatte die erste Instanz gegen § 308 I verstoßen, so braucht der Rechtsmittelbeklagte nicht, um die weitergehende Verurteilung aufrechtzuerhalten, sich der Berufung anzuschließen, sondern es genügt sein Zurückweisungantrag (RGZ 157/23). Stellt er sich nicht hinter das erstinstanzliche Urteil, so kann er durch Anspruchverzicht bzw. -anerkenntnis der Kostenlast nach § 93 entgehen. A III. Das von der Partei festgelegte Begehren wird bezüglich der Bindung des Geiichts nur nach der Rechtskraftwirkung (§ 322 B) beurteilt. a) Soweit dies durch den Tenor geschieht, a 1. prüft das Rechtsmittelgericht ohne Bindung die Rechtsgrundlage nach (RG JW01/250). Läßt sich der Anspruch auf mehrere Klagegründe (§ 253 G IV) stützen, so ist grundsätzlich ein jeder zu prüfen (§ 537 B II), auch wenn ihn der erste Richter nicht geprüft hat (RG J W 03/400) und wie etwa bei eventuellen Klagegründen gar nicht prüfen durfte (RG N § 527/14). Enthielt die Häufung solcher Gründe eine Klageänderung, über deren Sachdienlichkeit die erste Instanz nicht zu entscheiden hatte, weil sie eventuell gestellt war, so muß die zweite die Prüfung nachholen, wie wenn die erste Instanz darüber entschieden hätte (RG N § 527/14). Dies gilt auch, wenn etwa aus EheG § 42 anstatt aus EheG § 43 und umgekehrt geschieden wird (RGZ 161/216); allerdings darf dann nicht ausgesprochen werden, daß wegen Ehebruchs (mit einem bestimmten Ehebrecher) geschieden wird, wenn nur wegen ehewidrigen Verhaltens geschieden war und nur der Unterlegene in die Berufung gegangen war, um die Scheidung zu verhindern (RGZ 115/193). Die zweite Instanz prüft auch selbständig alle Einwände und Einreden nach, usw.. Einzelne Rechnungposten werden ohne Anschließung ausgeglichen (RG JW 37/2366). a 3. Anders ist dies aber, wenn die Aufhebung eines Schuldausspruchs gefordert wird, was nur durch Anschließung erreichbar ist (RGZ 161/216); oder wenn wegen eines (andeien) Ehebruchs geschieden werden soll (RGZ 156/113). a 4. Bloß wegen der Prozeßkosten ist keine Anschließung erforderlich (§ 308 E 1). a 5. Über die vorläufige Vollstreckbarkeit vgl. § 718 A. b) Wird indes in das Erkenntnis ein Klagegrund (§253GIV) mit einbezogen, so daß gerade er in Rechtskraft erwächst (§322 F), so gehört die Begründung zur Beschwer (§511 B II c 5), also im besonderen bei Feststellungstreiten (§ 322 F I a 1) und bei Grundurteilen (vgl. § 304 E I b), aber auch wenn die Klage als unzulässig abgewiesen wird (über die Beschwer in diesen Fällen vgl. § 511 B II c 3) und wenn derselbe Anspruch auf eine Haupt- und auf eine Hilfsbegründung gestützt ist, die für sich genommen von einander unabhängig den Anspruch ergeben. In diesen Fällen darf das Berufunggericht nicht ohne Rcchtsmittel(anschließung)angriffe auf den anderen Klagegrund zurückgreifen. b 1. War für denselben Anspruch eine Hauptbegründung (Klage aus dem Darlehn an den Beklagten, das der Kläger gegeben hat) und eine Hilfsbegründung (Klage aus dem Darlehn an den Beklagten, das ein dritter gegeben hat, der seinen Anspruch dem Kläger abgetreten hat) gegeben und hat die erste Instanz dem Anspruch nur aus der Hilfsbegründung stattgegeben, so darf ohne Rechtsmittelangriff des Klägers das Berufunggericht nicht auf den Hauptanspruch zurückgehen (über die Rechtslage bei der Alternativbegründung vgl. § 525 B II).
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Berufung
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b 2. Die Rechtsprechung erklärt sich daraus, daß auch die Partei selbst ihre Klage ausdrücklich auf bestimmte Klagegründe beschränken darf (§ 253 G IV b 1). B. Soweit eine Partei durch das erstinstanzliche Erkenntnis nicht beschwertist(§ 511 BIIc) und sie deshalb gar keinen Rechtsmittelangriff führen kann, erwachsen ihre in erster Instanz geltend gemachten Alternativ- und Hilfsansprüche ohne weiteres in d e Berufunginstanz, (a. M. für den Vollstreckungschutzantrag des in erster Instanz obgesiegt habenden Beklagten: BGH v. 10. 7.1959 V ZR 109/59). B I. Hatte der Kläger einen Haupt- und einen Hilfsanspruch geltend gemacht und ist der Hauptanspruch zuerkannt, so war über den Hilfsanspruch nicht zu entscheiden (RGZ 149/202). a) Greift der Beklagte mit der Berufung an, so erwächst der nicht erkannte Hilfsantrag ohne weiteres in die Berufunginstanz (RG Warn. 36/23). b) Wird dei Hauptanspruch abei aberkannt und b 1. der Hilfsanspruch zuerkannt, so muß der Kläger (zumindest Anschluß-) Berufung einlegen, wenn er auf den Hauptanspruch zurückgreifen will. b 2. Wurde dagegen der Hauptanspruch aberkannt, der Hilfsantrag vergessen, so darf der Kläger den Hilfsantrag in der Berufunginstanz selbständig weiter verfolgen, weil über ihn nicht rechtskräftig entschieden wurde (RGZ 75/293), wenn er nicht den Weg des § 321 beschreitet. Legt er deshalb Berufung wegen des abgewiesenen Hauptan-pruchs ein, so darf er den Hilfsantrag durch Erweiterung in der zweiten Instanz zur Entscheidung stellen; wegen des übergangenen Hilfsantrags allein kann aber nicht Berufung eingelegt werden (§ 511 B II c 6, 7). b 8. Ob bei Aberkennung von Haupt- und Hilfsantrag beide in die Berufung gehen, ist eine Frage der Begründung. B II. Bei Alternativstellung (vgl. § 260 A I a 2) geht diese ohne (Anschluß-) Rechtsmittel in die Berufunginstanz über, wenn auch nur ein Klagegrund zuerkannt wurde. Werden beide aberkannt, so entscheidet die Berufungbegründung. Wird nur einer aberkannt, der andere übergangen, so ist nach §321 zu verfahren (anders bei sich überlagernden Klagegründen; Kommentar § 525 A III a 2). Berufung allein wegen des übergangenen kann nicht eingelegt werden; wird indes Berufung wegen der Abweisung des ersten eingelegt ,so darf sie auch auf den zweiten erweitert werden; sodann ist es aber ein neuer Anspruch (RGZ 59/130), der den Regeln über neue Ansprüche unterliegt (§ 529 B I b 5, II b 4). B IH. Nach der (der Rechtskraft fähigen) Beschwer ist auch zu entscheiden, ob die Hanptund Hilfsbegründung des Erkenntnisses der ersten Instanz rechtsmittelmäßig anzugreifen ist. a) Beziehen sich Haupt- und Hilfsbegründung auf denselben Klagegrund (§ 253 G IV), so genügt es, daß eine von beiden zieht, selbst wenn die Hilfsbegründung der Hauptbegründung widerspricht (RGZ 158/155). Nur darf die Gegensätzlichkeit nicht so sein, daß sich widersprechende tatsächliche Feststellungen betroffen werden. b) Beziehen sie sich auf Haupt- und Hilfsanspruch, so ist die letzte als nicht geschrieben anzusehen, wenn sie für d°n zuerkannten Hauptanspruch nicht Stich hält; wenn auch das Berufunggericht dann nicht gehindert ist, der Hilfsbegründung für den Hilfsanspruch zu folgen und nach ihm zu erkennen. Das entsprechende Verhältnis besteht, wenn eine Klage sowohl als unzulässig wie als unbegründet abgewiesen wird. Zwar geht hier nur die erste Begründung in Rechtskraft über (§322 E II b 1); doch hält die h. M. das Urteil zur Klarstellung für angreifbar (§ 511 B I H b 2, c 2). Hatte der Kläger die Abweisung der Klage als unzulässig nicht angegriffen, sö ist die Berufung des Beklagten, der ihre Abweisung als unbegründet erstrebte, zurückzuweisen (nicht aber darf der Klage sachlich entsprochen werden). B IV. Ansprüche werden auch bei dem Einwände der Aufrechnung und den bürgerlichrechtlichen Einreden geltend gemacht. a) Ist über eine Aufrechnung in der ersten Instanz nicht entschieden worden, weil die Klage auch ohne Aufrechnung abgewiesen wurde, so muß die zweite Instanz, wenn sie die Klage für begründet hält, darüber entscheiden (RG Seuff. 86/157). Ist die Klage zwar abgewiesen
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§525 BIV
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wegen der Aufrechnung, will der Beklagte aber die volle Abweisung, so muß er entweder selbst Berufung einlegen oder sich anschließen (§ 302 C I; a. M. BGH N J W 55/825). b) Sonstige Einwendungen und Einreden, über welche nur in den Gründen erkannt wird, gehen ohne weiteres in die Berufung (RG N § 525/1). Dies gilt auch für die Einrede des Zurückbehaltungrechts (RGZ 109/104).
§ 526
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I Bei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien das durch die Berufung angefochtene Urteil sowie die dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen nebst den Entscheidungsgründen und den Beweisverhandlungen insoweit vorzutragen, als dies zum Verständnis der Berufungsanträge und zur Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung erforderlich ist. II Im Falle der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Vortrags hat der Vorsitzende dessen Berichtigung oder Vervollständigung, nötigenfalls unter Wiedereröffnung der Verhandlung zu veranlassen. A I. Dem nach § 526 geforderten Vortrag ist durch a) die stillschweigende Bezugnahme auf den Akteninhalt (§ 137 III) genügt. b) Die persönlichen, nichtprotokollierten Eindrücke der Richter des ersten Rechtzuges sind unverwendbar (RG Seuff. 42/255). c) Daß dem § 526 entsprochen ist, braucht nicht beurkundet zu werden (RGZ 102/328). A III a) Die h. M. läßt eine Aktenlageentscheidung durch Urteil der Berufunginstanz erst zu, nachdem die Parteien in der Berufunginstanz bereits mündlich verhandelt hatten (§ 251 a 12; § 523 A I a). B I. Üblicherweise werden in der ersten Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht zu Protokoll die ProzeSfortsetzungvoraussetzungen (rechtzeitige und formgerechte Rechtsmitteleinlegung und Begründung) festgestellt (ihre Erwähnung im Tatbestand des Berufungurteils erübrigt sich sodann, vgl. § 313 B I I I b 2). Auf Prozeßfortsetzunghindernisse ist nur einzugehen, soweit dazu Anlaß gegeben ist. Sodann werden die Rechtsmittelanträge (§ 525) gestellt und danach wird vorgetragen. B i l d ) U. U. sind die Parteivorbringen nach § 526 II richterlich zu ergänzen. Nach dem Gesetz ist der Bericht eines Richters über den Prozeßstand (er wird bei einigen landgerichtlichen Berufungkammern gegeben) nicht vorgesehen; er ersetzt den Parteivortrag nicht (RG Warn. 15/312). B III a) Das Parteivorbringen wird durch § 526 nicht beschränkt, a 1. im besonderen nicht die Ansprüche, welche die Parteien in der Berufunginstanz geltend machen wollen. a 2. § 526 ändert also an dem Beibringunggrundsatz der Parteien nichts. b) Soweit nicht durch die Änderung des Parteivortrags (vgl. § 526 B I I I a) eine Beweisaufnahme unbeachtlich wird, sind die Beweisverhandlungen vorzutragen (§ 526 I). b 1. Die Parteien haben darüber kein Verfügungrecht. Tragen sie eine (noch) erhebliche Beweisaufnahme nicht vor bzw. nehmen sie auf sie nicht bezug (§ 137 I I I entsprechend), so muß dies der Vorsitzende tun (§ 526 II). Praktisch wird dies jetzt nur noch dann, wenn die Parteien ausdrücklich erklären, sie nicht gelten lassen zu wollen. Eine ordnunggemäß vorgenommene Beweisaufnahme der ersten Instanz bleibt in der zweiten bestehen (RG Warn. 16/93). b 2. Das Berufunggericht darf aber die Beweisaufnahme nach seinem Ermessen wiederholen (RGZ 110/47), vgl.aber § 533 II. b 3. Die nicht ordnungmäBige Beweisaufnahme muß wiederholt werden, sofern sie das Berufunggericht für erheblich hält. Wird nach Erlaß eines Teilurteils weiterer Beweis erhoben, so können diese Beweisverhandlungen nur auf dem Wege des Urkundenbeweises in die zweite
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Berufung
§ 526 B i n b 3
Instanz durch den Beweisführer eingeführt werden (RGZ 105/219); doch darf ihrer Verwertung auf diesem Wege bei Zeugen- und Sachverständigenbeweisen der Gegner durch Beweisantritt entgegenwirken (§ 286 C I I I b 5, 6), so daß also der Zeuge und der Sachverständige erneut zu vernehmen sind. Dabei sind die Parteien an ihre Erklärung, mit der Verwendung von Zeugenund Sachverständigenaussagen auf dem Wege des Urkundenbeweises einverstanden zu sein, nicht gebunden (a. M. RG Warn. 16/93), weil diese Erklärungen wie sonstige Prozeßhandlungen grundsätzlich widerruflich sind (§ 38 B II c 2). b 4. Entsprechend muß auch die Berufunginstanz angebotene und von der ersten I n s t a n z übergangen« Beweise, soweit sie erheblich sind, erheben (vgl. dazu auch § 533).
§ 527
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Aufgehoben.
§ 528
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1 Prozeßhindernde Einreden, auf welche die Partei wirksam verzichten kann, dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie ohne ihr Verschulden außerstande gewesen sei, sie im ersten Rechtszuge vorzubringen. Das gleiche gilt, wenn bei vermögensrechtlichen Ansprüchen für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand oder die Zuständigkeit eines Arbeitsgerichts begründet ist, und von der Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts, sofern der Beklagte im ersten Rechtszuge zur Hauptsache mündlich verhandelt hat; eine Prüfung der Zuständigkeit von Amts wegen findet nicht statt. A I a) § 5 2 8 1 1 ergänzt den § 274 III insoweit, wie verzichtbare Prozeßbedingungen in zweiter Instanz noch geltend gemacht werden dürfen, wenn die Partei sie ohne Verschulden nicht in der ersten bringen konnte und dies vor Verhandlung zur Hauptsache (§ 274 C I I I a 2) in der Berufunginstanz, sobald sie gebracht werden konnten, bringt und dies glaubhaft macht (§§ 528 11, 274 III, RG Seuff. 60/41). a 1. Unter die Bestimmung fallen nur die echten prozeßhindernden Einreden des § 274 113,5,6; a 2. nicht aber die übrigen Prozeßbedingungen (vgl. aber § 528 B). b) Dies gilt auch, wenn in der ersten Instanz über eine prozeßhindernde Einrede entschieden worden ist, aber noch eine andere geltend gemacht werden soll (BayObLG Seuff. 39/160), weil Häufungzwang besteht (§ 274 I). Hat die Partei die Einrede fallen lassen, so ist sie verloren (RGZ 155/240). A II. Schließen die Parteien inzwischen einen Schiedsvertrag, so darf die Einrede nicht mehr erhoben werden, weil nicht durch das willkürliche Verhalten der Parteien eine solche Rechtslage geschaffen werden kann. Das gilt entsprechend, wenn die Parteien später eine Vereinbarung über die Leistung einer Prozeßkostensicherheit treffen (a. M. BGH MDR B 785/53). Treten dagegen die Voraussetzungen für eine Einrede ohne Handlung der Parteien in der Berufunginstanz ein, so darf sie erhoben werden (RGZ 155/241). B I. Für die ausschließliche sachliche Unzuständigkeit (§ 274 II 1; § 274 D I c) g'lt § 528 1 2. Er knüpft daran an, daß sie in nichtvermögensrechtlichen Streiten (§ 2 A I b 1) und denen, welche einen ausschließlichen Gerichtstand (Kommentar § 12 A I I I a 2; b 2; c 2, 3; d 2) nach sich ziehen trotz Verhandlung zur Hauptsache (§ 39 A II) bestehen bleibt. a 1. Doch wird die örtliche Unzuständigkeit in der Berufunginstanz für vermögensrechtliche Streite nicht mehr beachtet (§ 512 a), a 2. die sachliche nicht mehr, wenn ein Landgericht an Stelle des Amtsgerichts entschieden hat (§ 10). b) § 528 I 2 kommt also nur zum zuge, wenn in erster Instanz an Stelle des Landgerichts das Amtsgericht entschieden hatte,
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§528 B i
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b 1. also regelmäßig vor dem Landgericht als Berufunggerieht. b 2. Vor Land- und Oberlandesgerieht als Berufungsinstanz kommt aber weiter der Fall zum zuge, wenn an Stelle des Arbeitgerichts das ordentliche Gericht entschieden hatte. Bezüglich der übrigen Gerichtsbarkeiten vgl. GVG § 17. B II. Hat der Beklagte, ohne die Rüge der Unzuständigkeit zu erheben, in erster Instanz zur Hauptsache verhandelt ( § 2 7 4 C I I I a 2 ; im schriftlichen Verfahren genügt schriftliche Erörterung, bevor die zur Hauptsache gegeben wurde, § 128 II), so kann er sich in der Berufungsinstarz nur dann noch auf sie berufen, wenn er glaubhaft macht (§ i94), daß er dies ohne Verschulden tat (RG HRR 31/1258). Das entsprechende muß aber auch gegen den Kläger gelten (a. M. RG HRR 31/1258, das auf Anregung des Klägers das Berufunggericht nachprüfen läßt). a) Im Gegensatz hierzu meint BGHZ 14/72, daß es genüge, wenn die Rüge bis zum Schluß der ersten Instanz erhoben sei. b) Ist die Büge rechtzeitig erhoben, so gilt § 528 I 2 nicht. Dabei verhandelt die Partei, welche im Termin ausbleibt, nicht. B III. Soweit ein Rügeverlust nach § 528 eintreten kann (§ 528 B II), wird die Zuständigkeit nicht von gerichts wegen geprüft. War die Klage aber wegen Unzuständigkeit abgewiesen, so muß die Richtigkeit der Entscheidung auf die dagegen eingelegte Berufung nachgeprüft werden (OLG 13/54f.). Hatte indes die erste Instanz die Zuständigkeit entgegen einer Rüge des Beklagten bejaht, so muß der Beklagte hier wegen dieser Sondervorschrift erneut (vor Verhandlung zur Hauptsache) rügen (RArbG ArbRspr. 30/3). Das entsprechende gilt für die dritte Instanz (vgl. dagegen § 528 B II). C I. Die Einlassung zur Hauptsache darf trotz Rüge nicht verweigert werden (§§ 523, 275). Ob dies auch zur Kosteneinrede nach § 274 II 6 gilt, vgl. § 275 A I a 1. Über die abgesonderte Verhandlung- und Entscheidungmöglichkeit vgl. § 275.
§ 529
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I Die Parteien können Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge nicht geltend gemacht sind, insbesondere neue Tatsachen und Beweismittel, vorbringen. II Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Beweismittel und Beweiseinreden, die im ersten Rcchtszuge hätten geltend gemacht werden können und deren Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, sind jedoch nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszuge weder in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, noch aus grober Nachlässigkeit unterlassen hatte. Diese Vorschrift gilt entsprechend für das Vorbringen einer Partei, das im ersten Rechtszuge nach den §§ 279, 279 a, 283 Abs. 2 zurückgewiesen worden ist. III Die Vorschrift des Abs. 2 Satz 1 gilt ferner entsprechend, wenn der Berufungskläger ein neues Vorbringen, dessen Geltendmachung in der Berufungsinstanz zulässig ist, entgegen der Vorschrift des § 519 nicht in der Berufungsbegründung mitgeteilt hat. IV Die Erhebung einer Widerklage ist nur zuzulassen, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht die Geltendmachung des mit ihr verfolgten Anspruchs in dem anhängigen Verfahren für sachdienlich hält. V Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, so ist die hierauf gegründete Einwendung nur zuzulassen, wenn der Kläger einwilligt oder das Gericht die Geltendmachung in dem anhängigen Verfahren für sachdienlich hält. B. Die Berufunginstanz ist grundsätzlich für den neuen Angriff frei, und zwar soweit es der erste im Laufe des Verfahrens selbst ist, abgesehen von den Einschränkungen des § 529 IV,V. B I. Der neue Angriff des Klägers in der Berufunginstanz, gleichviel ob als Berufungkläger oder Berufungbeklagter, unterliegt denselben Vorschriften wie in erster Instanz (§ 523, RGZ 148/131).
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Berufung
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b) Der Kläger darf Beinen Angriff bis znm Verhandlungschluß (§§ 136 B II, 300 C II a 1) ändern, ohne daß das Berufunggericht dies zurückweisen darf, b 1. und zwar stets im Rahmen der Beschwer (§ 511 A I a, B II e), ohne daß hierin eine Klageänderung läge. b 2. Darüber, inwieweit das Verfahren der zweiten Instanz auf die in erster Instanz nicht en tschiedenen und in ihr anhängig gebliebenen Ansprüche ohne weiteres vorgreift, vgl. §§ 525 A II, 53 gegeben sind (BGHZ 2/280). b) Soweit nach gegebenen Prozeßfortsetzungbedingungen die Prozeßbedingungen von gerichts wegen zu prüfen sind, ändert § 551 daran grundsätzlich nichts. b 4. Ob solche Gründe (wie sie in § 551 genannt sind) das erstinstanzliche Verfahren nach abgewickeltem zweiten Rechtzug treffen, ist ohne Belang (§540, BGH N J W 58//1398). A II. Verstöße gegen § 551 führen grundsätzlich zur Aufhebung und Zurückverweisung (§565 I, RG J W 29/325). A III. Die absoluten Revisiongründe sind stets mit der Revision angreifbar (RG J W 94/142), selbst wenn sonst über irrevisibles Recht entschieden wird (vgl. § 549 H X c). A I V . Ob § 551 im Beschlußverfahren entsprechend anzuwenden ist, ist zweifelhaft (bejahend RGZ 121/78 für § 5 5 1 1 1 im Verfahren nach § 519b). B I. Der erste absolute Revisiongrund ist die unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, dessen Urteil angefochten wird (§ 55111). a) Die Kenntnis der Partei von dem Mangel ist nur relativ bedeutsam, a 1. Der Revisiongrund darf auch dann geltend gemacht werden, wenn die Partei ihn schon in der Instanz kannte und die unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts nicht rügte. Durch §§ 558, 295 kann die Rüge nicht verloren werden, weil der Mangel erst durch den Erlaß des Urteils eintritt und außerdem auf die ordentliche Besetzung des Gerichts im voraus nicht verzichtet werden kann. Doch muß die Partei den Mangel mit der Revision verfolgen, wenn sie ihn kennt oder bis zum Ablauf der Revisionfrist so rechtzeitig erfährt, daß sie noch Revision einlegen konnte (§ 579 II). a 2. Wird die Bevisionriige aber nicht erhoben und war die unvorschriftsmäßige Besetzung des Untergerichts der Partei bekannt, so darf das Revisiongericht nicht von sich aus prüfen (RGZ 121/5). Wird der Mangel der Partei nach Ablauf der Begründungfrist bekannt, so muß sie die Rüge nachbringen und dann ist der bestehende Mangel (trotz Rüge außerhalb der Begründungfrist) zu beachten, weil ohne Rüge der Mangel unerheblich würde (einer Wiedereinsetzung dazu bedarf es nicht; § 554 D I I I c 2). Über die Rüge des Revisionbeklagten vgl. § 554 F II b 2. a 3. Zur ordnungmäßigen Erhebung der Rüge gehört die substantiierte Angabe, weshalb das Gericht nicht ordnungmäßig besetzt ist nach BGH LM § 551 Ziff. 1/10.
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b) § 55111 betrifft nur die unvorschriftmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 309); nicht die durch die Richter, welche die Entscheidung bloß verkündet haben (RG J W 02/543); nicht die beauftragter und ersuchter Richter (RArbG E 22/175). Wegen unzutreffender Benennung der Richter im Kopf der Entscheidung vgl. § 315 A II a 2. b 1. Vorschriftmäßig besetzt ist das Gericht, wenn seine Richter durch die zuständige Verwaltung bei einem bestimmten Gericht ernannt worden sind (GVG § 6 A), und zwar unter Wahrung der gesetzlichen Voraussetzungen zu ihrer Ernennung: der Richterfähigkeit (GVG §§ 2—5); ob auch, soweit sie zu wählen sind (vgl. Kommentar § 6 A I a, b), die Tatsache der Wahl dazu gehört, ist noch nicht geklärt, wird indes zu bejahen sein; ferner gehört dazu ihre inländische Staatsangehörigkeit (vgl. GVG § 109), der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter (StGB §§ 31, 34 I 1, 35), das Alter von 27 Jahren (nach Beamtenrecht), für Handelsrichter das von 30 Jahren (GVG § 109), für Bundesrichter das von 35 Jahren (GVG § 125 II). b 2. Weiter ist die Prozeßfähigkeit der Richter zu fordern (RGSt. J W 28/821 bei Geisteskrankheit; a. M. RGSt. 22/106: bei Schlaf und anderweiter Beschäftigung). c) Zur ordnungmäßigen Besetzung gehört die Beachtung des GVG, c 1. also, daß die erforderliche Anzahl von Richtern vorhanden sein muß (vgl. GVG §§ 22, 59, 75,105,115,122, 124,132, 139,192), die Kammern und die Senate ordnungmäßig gebildet ,GVG §§ 60 folg., 116 folg., 130 folg.) und die Vorsitzenden richtig bestimmt worden sein müssen (kein Assessor als Vorsitzender in Zivilkammern; kein Hilfsrichter als Vorsitzender eines Senates: GVG § 66 A I; ein Senat, der für die Dauer ohne Präsidenten besetzt ist, ist unvorschriftmäßig besetzt: GVG § 62 B I b). c 2. Auch müssen die Mitglieder des Gerichts und ihre Vertreter in der richtigen Reihenfolge berufen worden sein (RGSt. J W 35/3393); im besonderen müssen die Vorschriften über die Heranziehung der Hilfsrichter beachtet worden sein (GVG §§ 10, 70, 118, vgl. GVG § 70 B ; RGSt. 66/122), und es darf kein Staatsanwalt als Richter entgegen GVG § 151 tätig sein und auch nicht der Einzelrichter an Stelle des Kollegiums unberechtigt entschieden haben. Doch ist es unerheblich, daß ein beurlaubter Richter an der Verhandlung teilgenommen hatte (RGSt. GoltdA 38/440), auch kann die Revision nicht darauf gestützt werden, daß ein ordentliches Mitglied i. S. des GVG § 66 nicht verhindert war (RG J W 12/875), und nicht darauf, daß der Vorsitzende zu unrecht das eine oder das andere Mitglied der Kammer bzw. des Senats herangezogen hatte. War indes der Vorsitzende selbst ausgeschlossen, so darf er nicht noch die Zusammensetzung der Kammer usw. bestimmen (BVG NJW 56/545). B II. Der Revisiongrund des § 5511 2 (vgl. StPO § 338 I 2) trifft den kraft Gesetzes ausgeschlossenen, erkennenden (vgl. § 309 A), also nicht den bloß bei der Verkündung mitwirkenden (RG JW 02/543) Richter. b 1. Der Revisiongrund darf auch dann geltend gemacht werden, wenn die Partei ihn schon in der Instanz kannte und den Richter nicht ablehnte (RArbG J W 30/2242). Die Rüge kann nicht nach § 558, 295 verloren werden, schon weil der Mangel erst durch das Urteil hervortritt» aber auch weil auf die Einhaltung von § 41 nicht im voraus verzichtet werden kann. Auch wird die Partei in diesem Falle nicht nach § 579 II gezwungen, die Revision durchzuführen, so daß sie also das Recht, die Nichtigkeitklage erheben zu können, nicht verliert, wenn sie Revision nicht einlegt (§ 579 A II). b 2. Auch wenn die Rüge von der Partei nicht erhoben wird, muß das Revisiongericht von sich aus auf den Mangel achten, weil sonst Nichtigkeitklage erhoben werden könnte (§ 579 II) Ist aber der Ausschluß des Richters rechtskräftig (§ 705) verneint, so ist der Mangel unerheblich (§ 46 II). B III. Der wegen Befangenheit rechtskräftig abgelehnte (erkennende )Richter (vgl. § 551 B II) darf ebenfalls bei der Entscheidung nicht mitgewirkt haben (§ 551 I 3). b) Die Kenntnis der Partei vom Ablehnunggrund nimmt ihr das Rügerecht (RG J W 93/461). b 2. Ist über die Ablehnung rechtskräftig bejahend befunden worden, so darf die Rüge erhoben werden, auch wenn die Partei in der Tatsacheninstanz den Mangel nicht gerügt hatte;
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denn der Fehler tritt hier erst durch daa Urteil hervor. Wird die Revision nicht durchgeführt, obwohl sie durchführbar ist, so entfällt die Möglichkeit der Nichtigkeitklage nach § 579 I I . b 3. Ist der Mangel der Partei (unverschuldet) unbekannt geblieben, so darf er ab Kenntnis (bzw. dem Wegfall der unverschuldeten Unkenntnis) nachgebracht werden (vgl. § 551 B I a 2). b 4. Wird ein Ablehnunggrund der Partei (unverschuldet) erst nach der Zeit, wo sie ein Ablehnunggesuch in der Vorinstanz anbringen konnte, bekannt, so sollte man die Revisionrüge darüber hören, sofern die Ablehnung begründet wäre. b 5. Die (rechtskräftige) Ablehnung des Ablehnunggesuchs begründet keine Revisionrüge. Wird darüber fehlerhaft erst nach der Endentscheidung positiv entschieden, so gilt das zu § 551 B I a 2 Gesagte entsprechend. B IV. Die verkannte Zuständigkeit i. e. S. (vgl. § 1 B III) ist absoluter Revisiongrund ( § 551 I 4). Die Vorschrift wirkt nach der ZPO nur noch beschränkt. a 1. Die fehlende Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte (GVG § 13 B III a) ist in der Revisioninstanz von gerichts wegen zu beachten; sie fällt nicht unter § 551 I 4. a 2. Die Zulässigkeit des Gerichtswegs (§ 274 D II) gehört auch nicht unter § 551 I 4. a 3. Auf die Geschäftsverteilung trifft § 551 I 4 nicht zu. Die Frage, ob der Einzelrichter an Stelle des Kollegiums zu Unrecht entschieden hat, fällt unter die der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (vgl. § 551 11). b 1. Der Mangel der sachlichen Zuständigkeit ist im Verhältnis zu den ordentlichen Gerrichten ohne belang. Im Verhältnis zu den Arbeitsgerichten ist die Rechtslage anders, weil hier § 10 nicht gilt. Ist der Mangel nicht rechtzeitig (§ 528 B II) in der ersten Instanz geltend gemacht worden und hat ihn auch die zweite nicht berücksichtigt, so steht der Erhebung der Rüge in der Revisioninstanz § 528 I 2 entgegen. Im Verhältnis dieser Gerichte wird deshalb § 551 I 4 nur noch anwendbar, wenn (in erster Instanz) rechtzeitig gerügt war, die Rüge aber entweder von der ersten Instanz übergangen oder ihr Urteil von der zweiten aufgehoben und sachlich erkannt war und (besonders im eisten Falle) die Rüge in der zweiten Instanz aufrechterhalten war oder wenn die zweite Instanz (auf Rüge, nicht von sich aus, vgl. § 528 I 2, BGH MDR B 230/53) formell abweist und nunmehr das Revisiongericht die Zuständigkeit bejaht. b 2. Die verletzte örtliche Zuständigkeit spielt nur bei nichtvermögensrechtlichen Streiten eine Rolle (vgl. §§ 512a, 549 II). c) Das Revisionsgericht selbst prüft nicht von gerichts wegen die örtliche und die sachliche Zuständigkeit (vgl. §§ 549 II, 566, 528 I 2). c 2. Über die Rüge des Revisionbeklagten vgl. § 554 F II b 2. B V. Der absolute Revisionsgrund des § 551 I 5 entspricht dem Nichtigkeitgrund des § 579 I 4. Auch dieser Grund muß in bezug auf das Endurteil gegeben sein (RG N § 551/18). a 1. Hangelnde Parteifähigkeit (die das Gesetz nicht ausdrücklich nennt) ist ebenfalls ein absoluter Revisiongrund. a 2. Nicht vertreten i. S. des § 551 I 5 ist die Partei in jedem Falle einer fehlenden Vertretung (RGZ 96/48), also wenn sie nicht prozeßfähig ist (§§ 51—56) bzw. die prozeßunfähige Partei nicht durch ihren gesetzlichen Vertreter im Prozeß vertreten worden ist (RG HRR 30/749) und wenn sie keinen wirksam bevollmächtigten Vertreter hatte (RG JW 15/36) oder wenn sonst die Vollmacht des gewillkürten Vertreters fehlt (§§ 80, 88, RGZ 161/92). a 3. Der Eintritt der Prozeßunfähigkeit nach Beginn des Prozesses ist nach §§ 246, 86 ohne Einfluß, wenn der prozeßunfähig Gewordene einen Vertreter (im Prozeß) hatte (RGZ 118/125). Bei der Anwaltbestellung durch einen anderen Prozeßbevollmächtigten muß auch dessen Bestellung unwirksam sein, § 81 A II d: RGZ 118/124. Auch kommt es darauf, ob eine schriftliche Vollmacht erteilt worden ist, nicht an (§ 80 B I i b 4; RG Warn. 12/134). a 4. Hat sich ein Anwalt ohne Vollmacht bestellt, ist er dann später nicht mehr aufgetreten und wird dem nichtbevollmächtigten Anwalt zugestellt, so ist § 551 I 5 gegeben (RGZ 38/406), ebenso wenn ein Anwalt einem anderen Untervollmacht erteilt, ihm diese aber für
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den Termin erklärterweise entzogen hatte (RG DR 39 A 1828), odei wenn ein Unterbevollmächtigter aufgetreten ist, dem der Prozeßbevollmächtigte keine Vollmacht erteilt hatte (RG N § 551/57). a 5. Dagegen gehört nicht der Fall hierher, daß ein Prozeßfähiger im Prozeß tatsächlich nicht vertreten ist oder daß von seiner Vollmacht tatsächlich kein Gebrauch gemacht wird, also niemand im Prozeß für den Prozeßfähigen auftritt, mag er selbst zu Unrecht durch öffentliche Zustellung geladen worden sein und vom Verfahren keine Kenntnis erlangt haben (BayObLG Z 1951/24). a 6. Mangelnde Postulationfähigkeit gehört nicht hierher (a. M. RArbG ArbRspr. 31/51). b) Bei den unter § 5511 5 fallenden Mängeln kommt es nicht auf die Kenntnis der Parteien von dem Mangel an. Sie sind auch ohne Rüge von gerichts wegen zu beachten. b 1. Den Mangel darf auch der Gegner rügen, selbst wenn er obgesiegt hatte, um der Gefahr einer Nichtigkeitklage zu entgehen, sofern der Mangel tatsächlich gegeben ist (RGZ 126/263); aber, soweit er nicht beschwert ist, nur im Lauf des Verfahrens, nicht durch Einlegung eines Rechtsmittels. b 2. Der zu unrecht in der Instanz als gesetzlicher Vertreter Behandelte darf den Mangel durch Revision geltend machen (RG J W 15/250), aber auch der tatsächliche gesetzliche Vertreter darf es durch Eintritt in den Prozeß, u. a. auch durch Revisioneinlegung (RG JW 16/130). c) Ausgeschlossen wird dieser Grund nur durch Zustimmung zur Prozeßführung durch den richtigen Prozeßfähigen der Partei (vgl. § 89 II), gleichviel in welchem Stadium des Verfahrens sie gegeben wird (RGZ 126/263). Zur Genehmigung gehört nur die Kenntnis der tatsächlichen Sachlage, also die, daß ein Prozeß im Namen der Partei geführt wird; rechtliche Zweifel genügen nicht (RG J W 00/854). d 1. Wird in der Revisionsinstanz die Partei richtig vertreten, so liegt in der (nicht rechtzeitigen) Erhebung der Rüge (§ 554 I I I 2 b) die Genehmigung zur Prozeßführung. d 2. Wird in der Revisioninstanz unrichtig vertreten, so ist der Mangel von gerichts wegen zu berücksichtigen (RG J W 23/122). Im übrigen ist zu unterscheiden, ob die Partei bisher richtig vertreten war; dann ist nur der unrichtige Vertreter kontradiktorisch aus dem Streit zu weisen. War sie bis zu einem Vorurteil richtig vertreten, danach nicht mehr, so ist der unrichtige Vertreter von da ab hinauszuweisen. War das Verfahren unterbrochen, so ist die richtige Lage wiederherzustellen. War die Partei von Anfang an nicht richtig vertreten, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen (über die Kosten vgl. § 56 C IV). B VI. Über die Öffentlichkeit der Verhandlung vgl. GVG §§ 169 folg. Örtliche Beschränkung ist noch nicht dem Ausschluß der Öffentlichkeit gleichzusetzen (RGZ 157/343f.). Auch hier kommt nur der Verstoß bei der Schlußverhandlung in betracht. a) Die Verhandlung über den Ausschluß der Öffentlichkeit ist grundsätzlich öffentlich (GVG § 174); bei unterlassener Begründung der Ausnahme müßte dies nach RGZ 128/216 (217) als absoluter Revisionsgrund angesehen werden. b) Die Büge sollte man nur für begründet ansehen, wenn die Öffentlichkeit rechtlich oder tatsächlich zu unrecht ausgeschlossen war (GVG §§ 169, 173 I, 174 I); nicht aber, wenn sie zugelassen war, obwohl sie hätte ausgeschlossen werden müssen (vgl. GVG §§ 170,171,172,173 II; a. M. RG DR 40 A 84). War tatsächlich kein Zuhörer anwesend, so muß, wenn die Verhandlung der Öffentlichkeit zugänglich war, es gleichgültig sein, daß die Öffentlichkeit hätte ausgeschlossen werden müssen (a. M. RG JW 38/1046). b 2. Der Verzicht auf die Einhaltung der Vorschrift muß als zulässig angesehen werden, wobei dann nach §§ 558, 295 Rügeverlust eintreten kann. B VII. Nach der Rechtsprechung ist der absolute Revisiongrund fehlender Begründung (§ 5511 7) a) in zwei Gruppen aufzuspalten, von denen die erste ohne Rüge von gerichts wegen zu beachten ist, die andere nur auf rechtzeitige Revisionrüge (§ 554 III 2 b). Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ergibt sich daraus, daß im ersten Fall das Revisiongericht seiner
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Nachprüfungpflicht mangels der ihm zu liefernden Grundlage der Tatsacheninstanz nicht nachkommen kann, während im zweiten nur die Möglichkeit fehlt, den übergangenen Grund bescheiden zu können. b 1. Der Begriff der Entscheidunggründe i. S. des § 313 I 4 deckt sich nicht mit dem Fehlen der Begründung für die Entscheidung i. S. des § 551 I 7. b 2. Notwendig i. S. des § 5511 7 ist der Tatbestand (§ 313 I 3) insoweit, wie Widersprüche sich nicht klären lassen; eine sonstige Rüge aus § 313 I 3, wenn also der Tatbestand in bezug auf den Revisionangriff klar ist, fällt nicht unter §551 I 7 (RG N § 551/12). Der Teil der Entscheidunggründe gehört unter § 551 I 7, in dem festgestellt wird, ob eine Behauptung als erwiesen oder als nicht erwiesen angesehen wird. Fehlt diese tatsächliche Feststellung, so darf sie das Revisiongericht von sich aus nicht treffen (RG Gruch. 26/1173). wenn etwa nicht erkennbar ist, auf welche (rechtlichen oder) tatsächlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (RG J W 30/2849), oder bei in sich widerspruchvollen Feststellungen (RG J W 27/2135). b 3. Die sonstigen Entscheidungsgründe (§ 313 I 4) müssen den Umfang der Rechtskraftwirkung der Entscheidung erkennen lassen (§ 322 B; RGZ 142/175). Dagegen gehören sonstige Rechtsausführungen grundsätzlich nicht unter § 551 I 7, weil der Satz gilt: iura novit curia (§ 253 G IV a 1) und das Revisiongericht über einen festgestellten Tatbestand nach § 563 entscheiden muß. Die Vorinstanz braucht deshalb die Auslegung des Gesetzes nicht zu erörtern (RG J R 25 B 1911). Wird über irrevisibles Recht entschieden, so gilt § 549 I. Treffen revisibles und irrevisibles Recht zusammen, so wird grundsätzlich getrennt zu erkennen sein, was nach dem einen oder dem anderen zu entscheiden ist (RG JW 12/1107); anders ist dies nur, wenn in sich gleiches Recht (etwa ausländisches und inländisches) festgestellt wird (RG Warn. 15/311, vgl. § 549 F II b 1). b 4. Fehlen Tatbestand und Gründe, so ist ein Fall des § 554 I 7 gegeben. Dies ist an sich von gerichts wegen zu beachten. Wegen der Vorschrift des § 554 III 2 gehört es indes zu einer (formellen) Revisionbegründung, daß dies gerügt wird. Über die Zeit, wann eine solche Rüge erhoben werden darf (nach der hier vertretenen Auffassung bei Ablauf der Tatbestandberichtigungfrist des § 320 II 3 von drei Monaten), vgl. § 315 B. BGH J R 55/183 läßt nur zu, daß substantiiert gerügt werden dürfe, welcher Tatbestandberichtigunganträg gestellt worden wäre. Vor Ablauf der Dreimonatefrist kann allerdings nicht wirksam damit begründet werden, daß keine Entscheidunggründe vorliegen, wenn diese noch bis zu ihrem Ablauf nachgebracht werden. Jedenfalls hat BGH NJW 52/1335 die Rüge bei einer Frist von fünf Monaten ab Verkündung gelten lassen. b 5. Fehlt der Urteilstenor (§ 313 I 5), so wird er aus dem festgestellten Urteilsinhalt zu ergänzen sein, auch soweit er nicht nach § 319 berichtigt werden kann; stehen nur die Anträge fest, so wird das Revisiongericht von sich aus erkennen dürfen (vgl. § 563 B II a 2). Nur wenn sich nicht ermitteln läßt, worüber entschieden werden sollte u n d worüber entschieden ist, geht dies nicht. Wird das, was im Tenor ausgeurteilt wurde, nur zum Teil begründet, so ist § 551 I 7 (in bezug auf den anderen Teil) gegeben. Begründet werden muß jeder im Tenor beschiedene Anspruch, damit die Rechtskraftwirkung eintreten kann (§ 322). Bei mehreren zum Teil geltend gemachten Ansprüchen muß klargestellt werden, über welche entschieden wird, im besonderen auch in der Reihenfolge, welche der Kläger bestimmt, wenn sie hauptbzw. hilfsweise geltend gemacht werden (RGZ 157/328, § 301 B I a 1); doch ist dies nicht von gerichts wegen zu beachten, sofern nur klar ist, worüber entschieden wurde; anders ist dies, wenn völlig unklar ist, welcher Teil beschieden wurde (BGH v. 15.12. 1952 III MDR 53/164). Die Zulässigkeit des Teilurteils wird bei unteilbarem Gegenstand von gerichts wegen auch in der Revisioninstanz nachgeprüft (jedenfalls in Ehesachen, vgl. § 614 A I b—d; nach BGH NJW 55/337 sonst nur auf Rüge). Die Übergehung eines Hilfsantrages fällt nach RG Warn. 36/23 (vgl. auch § 321 B I a 1) unter § 551 I 7, wenn der Hauptantrag abgewiesen wurde und nunmehr Haupt- und Hilfsantrag weiter verfolgt werden sollen. Auch der übergangene Aufrechnungeinwand fällt unter § 551 I 7 (RGZ 160/343), wie auch der übergangene Mitschuldeinwand nach BGB § 254 (RG Warn. 37/128), wie überhaupt alle Eventual(wider)klagen. Doch greift die Nichtbescheidung von Ansprüchen (etwa über den Hilfsantrag) schon über die Rechtskraftwirkung hinaus, und dasselbe gilt für die nicht beschiedene Einrede des Zurück-
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behaltungrechts. Bei Urteilen nach § 304 muß jeder vom Kläger genannte Klagegrundposten von der Entscheidung des Gerichts betroffen worden sein (§ 304 D 1 b). c) In dem erläuterten Sinne müssen sich die Feststellungen des Berufunggerichts auf alle erheblichen Streitpunkte des Parteivorbringens erstrecken (RGZ 3/388f.). c 1. Die klare Abgrenzung der Rüge aus § 551 I 7 zu der Übergehung sonstigen Vorbringens unter Verletzung von § 286, die nur einen relativen Revisiongrund, abgibt, ist der Rechtsprechung nicht gelungen. Immer wird damit zu rechnen sein, daß das Revisiongericht zur Annahme des § 286 neigt (so lange es diese Rügemöglichkeit gibt). c 2. Aus dem Urteil muß sich ergeben, ob ein für erheblich gehaltenes Vorbringen zurückgewiesen wurde bzw. ob ein sonstiges Vorbringen aus Rechtsgründen nicht nachgeprüft wurde. Zu ihm muß das Berufunggericht Stellung nehmen und darf sich nicht völlig ausschweigen, und zwar tatbestandsfeststellungmäßig. Die Rechtsprechung stellt es darauf ab, daß sich aus dem Urteil ergeben müsse, weshalb ein einzelnes Vorbringen zurückgewiesen wurde (RGZ 170/331). Berührt die Übergehung die tragenden Gründe der Entscheidung nicht, so kann die Revision mit der Rüge nicht durchdringen (RG J W 12/754). Ob darunter auch die völlig übergangene Beweiswürdigung fällt, ist umstritten (verneinend: RGZ J R 26 B 845, bejahend: RGZ 24/336). Übergangenes Bestreiten gehört nicht unter § 5 5 1 1 7, sondern unter § 286. Die bekämpfte mangelnde Schlüssigkeit der Klage kann deshalb nicht unter § 551 I 7 fallen (RG N § 551/20). Insoweit ist jedenfalls die Rüge erforderlich, wie das Gericht aus einem übergangenen Vorbringen zu einem anderen Schluß kommen kann, während bei unklarem Erkennen ein von gerichts wegen zu beachtender Mangel im festgestellten Tatbestand vorliegen kann (§ 551 B VII b 2—4). c 3. H a t das Gericht sich mit den Klagegründen, Einwendungen usw. nicht erschöpfend beschäftigt, so t r i f f t das, was gegen die Richtigkeit der Feststellung des Berufunggerichts vorgebracht wird, den Fall des § 286; nicht den des § 551 I 7 (RG Warn. 28/130). d) Was für die Entscheidung gilt, gilt auch für die Begründung der dem Endiirteil vorangegangenen d 1. und mit ihm nach § 548 nachzuprüfenden Entscheidungen der Vorinstanz (vgl. OLG RzW 49/23). Ist die Zwischenentscheidung, die unter § 548 fällt, selbst begründet, so bedarf es keiner weiteren Begründung. Stillschweigende Bezugnahme auf ein vorangegangenes Teilurteil räumt die Rüge nach § 551 I 7 jedenfalls insoweit nicht aus, wie neues Vorbringen nach dem Teilurteil überhaupt nicht bedacht wurde (RG N § 551/44). Aber auch sonst darf auf eine Entscheidung im anderen oder im selben Prozeß mit denselben Parteien bezug genommen werden, ohne daß eine Verletzung des § 551 1 7 vorliegt (RG H R R 33/344, vgl. § 543 C). d 2. Formfehler, welche das Revisiongericht von sich aus zu klären hat, fallen nicht unter § 551 I 7 (wie etwa die Bescheidung eines Wiedereinsetzunggesuches). e) Dort, wo der Unterschied zwischen der von Gerichts wegen und der nur auf Rüge zu beachtenden Verletzung des § 551 I 7 liegt, ist auch die Grenze bei der Sprungrevision (§ 566 a) zu ziehen.
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I Die Revisionsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils. A. § 552 entspricht dem § 516 bis darauf, daß hier eine vollständige Urteilsausfertigung zugestellt werden muß, wenn die Revisionfrist vor Ablauf der fünf Monate ab Verkündung des Urteils in Lauf gesetzt werden soll (RGZ 104/404) ; insoweit wird von der Regel des § 317 II 3 abgewichen. Die Zustellung nach § 310 II setzt nicht die Monatsfrist in lauf (BGH MDR B 475/57). Für Sprungrevisionen (§ 566a) gilt die Norm insoweit nicht, wie für sie auch die Zustellung des abgekürzten Urteils die Revisionfrist in lauf setzt (RGZ 140/167). Über die entsprechende Anwendung auf sofortige Beschwerde vgl. § 577 B II d.
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§552
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B. Die Monatfrist (ab Zustellung bzw. ab fünf Monaten nach Verkündung;) ist eine Notfrist (§ 221 C I a 1), gegen deren Ablauf es die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt (§ 233). Über den Lauf dei Monatsfrist vgl. § 516 A II; über die Fristberechnung § 516 A III. Über die Wirkung der Zustellung des Urteils durch einen Streitgehilfen vgl. § 516 B I c 2. Über die Binlegung des Rechtsmittels durch einen bzw. gegen mehrere Streitgenossen vgl. § 516 B i e l , über die bei notwendigen Streitgenossen der ersten wie der zweiten Alternative im Zugleich und im Nacheinander vgl. auch § 62 A I (RGZ 49/427). Über die Zustellung von gerichts wegen vgl. § 317 A II. Über Mängel der Zustellung vgl. § 516 B I b 1. § 187 heilt hier Fehler nicht (§ 187 I 2). Über das Erfordernis doppelter Zustellung im schriftlichen Verfahren vgl. § 310 B II b. Unvollständige Ausfertigungen, mögen sie bewußt abgekürzt sein und der Form des § 317 II, IV entsprechen oder nicht oder mögen sie auch versehentlich nicht vollständig sein (RG N § 552/4), setzen die Monatfrist für die Revision vor Ablauf der fünf Monate nicht in lauf; anders bei offenbaren Schreibfehlern (§ 319 B I a 1). Auch die unrichtige Angabe des Prozeßbevollmächtigten ist unschädlich (RG JW 13/501). C. Die Fünfmonatefrist ist eine Ausschlußfrist (§ 221 B II b), keine Notfrist; über sie vgl. § 516 B II. Über den Lauf der Frist und über die Fristberechnung vgl. § 516 B II b. Vgl. aber BGH MDR 60/388, das im Fall des § 516 den § 187 I 2 entsprechend anwendet. D. Für den Fristenlauf bei Erlaß von Ergänzungurteilen (§§ 321, 716) gilt § 517 entsprechend (§ 517 A III). E. Über die Möglichkeit, das Rechtsmittel zu wiederholen, vgl. §§ 518 A III, 519 b D I. Darüber, daß in der verspäteten Begründung die Bestätigung der Rechtsmitteleinlegung liegt, wenn sie in diesem Zeitpunkt noch zulässig ist, vgl. Kommentar § 511 C I b. § 5 5 3 (515) I Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muß enthalten: 1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird; 2. die Erklärung, daß gegen dieses Urteil die Revision eingelegt werde. II Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Revisionsschrift anzuwenden. A. Die Revision wird beim Revisiongericht eingelegt, gegen Entscheidungen eines jeden bayerischen OLG beim BayObLG in München (EG § 7 1 1 ) , gegen Entscheidungen der übrigen OLG bei dem BGH in Karlsruhe. Bei Sprungrevisionen (§566a) ist das BayObLG zuständig, wenn die Revision gegen das Urteil eines bayerischen LG eingelegt wird. B. Über die Erfordernisse des § 5531 vgl. § 518 A. Fehlt es hieran, so ist die Revision unzulässig. Über die Erfordernisse des § 553 1 1 vgl. § 518 B I. Über die Voraussetzungen des § 553 I 2 vgl. § 518 B II. Von welcher Partei die Revision auszugehen hat und gegen welche sie zu richten ist, sagt § 553 I nicht, doch ist, wenn mehrere Parteien in betraeht kommen, jede zu benennen (vgl. §511 K). C. Verbindungen der Rechtsmitteleinlegung mit anderen Erklärungen, prozessualer und außerprozessualer Art, sind zulässig. Über die Rechtsmitteleinlegung als Aufnahmehandlung vgl. § 518 C I I I b 1; über die Verbindung mit der Erklärung der Streitgehilfenschaft vgl. § 518 C I I I b 2. D. Das Rechtsmittel kann von vornherein beschränkt eingelegt werden (§ 511 A I a 1). Über die Begründung einer späteren (zulässigen) Erweiterung (§ 511 A I a) vgl. § 554 D II a. § 5 5 3 a (—) I Mit der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision sich richtet, sowie der Nachweis der Zustellung des Urteils dem Revisionsgericht vorgelegt oder angegeben werden, daß das Urteil nicht zugestellt sei.
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Revision
§553 a
II Die Revisionsschrift ist der Gegenpartei von Amts wegen zuzustellen. Hierbei ist der Zeitpunkt mitzuteilen, in dem die Revision eingelegt ist. Die erforderliche Zahl von beglaubigten Abschriften soll der Beschwerdeführer mit der Revisionsschrift einreichen. A. § 553a I entspricht dem § 518 I I I ; § 553a I I dem § 519a. Es muß förmlich zugestellt werden (vgl. § 5 1 9 a B ) . Über das Erfordernis, die zugestellte Urteilsausfertigung vorzulegen, vgl. § 518 C I. B. Unterbleibt die Zustellung, so ist die Revision doch wirksam eingelegt. Zustellungmängel heilen nach §§ 187 (vgl. aber auch § 187 I 2), 295. Durch die datenmäßige Mitteilung, wann die Revision eingelegt worden ist, wird der Rechtsmittelbeklagte über die Frist zur Einlegung der Anschlußrevision unterrichtet (§554 11). Fehlerhafte Mitteilungen können einen Wiedereinsetzunggrund abgeben.
§ 5 5 4 ( —) I
Der Revisionskläger muß die Revision begründen.
II Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Revision und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. III Die Revisionsbegründung muß enthalten: 1. die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge); 2. die Angabe der Revisionsgründe, und zwar: a) die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm; b) insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben. IV In der Revisionsbegründung soll ferner der Wert des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes angegeben werden. V Die Vorschriften des § 553 Abs. 2 und des § 553 a Abs. 2 Satz 1. S sind auf die Revisionsbegründung entsprechend anzuwenden. VI Nach dem Ablauf der Begründungsfrist ist die Geltendmachung neuer Revisionsgründe nicht zulässig. A II. Die Revisionbegründung ist entsprechend der Berufungbegründung eine Prozeßfortsetzungbedingung, die rein formal gegeben sein muß (vgl. § 519 A I b). § 554 I, II, III, V, VI sind zwingend, die Verletzung des § 554 I, II, III, V (zum Teil) macht die Revision unzulässig. § 554 IV, V (zum anderen Teil) sind reine Sollvorschriften, deren Verletzung die Zulässigkeit der Revision nicht berührt; im Fall des § 554 VI darf der neu vorgebrachte Revisiongrund nicht beschieden werden. Ist die Revision mangels (formaler) Begründung unzulässig, so wird sie verworfen; dies hindert indes die Erneuerung der Revision (unter ordnungmäßiger Begründung) nicht (Kommentar § 519 D). A III. Über Revisionen, die beim BayObLG einzulegen sind, vgl. EG § 7. Die beim BayObLG eingelegten Revisionen dürfen bis zur Zustellung des Verweisungbeschlusses von einem dort postulationfähigen Anwalt (EG § 8 I 2) begründet werden, allerdings nur innerhalb der Frist des § 554 II (RG J W 08/144); nach Zustellung des Verweisungbeschlusses kann nur noch der beim BGH zugelassene Anwalt sie wirksam begründen (RG N § 554/16). B I. Über das Formerfordernis der Schriftform vgl. § 519 B, im besonderen über das der eigenhändigen Unterschrift (nach der Rechtsprechung abgesehen von Telegrammen) Kommentar § 519 B I a, über die richtige Adressierung der Schrift § 518 A, B IV.
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§ 5 5 4 BI
ZPO III. Buch
a) Auch der Revisionsanwalt muß durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Behauptung der Gesetzesverletzung übernehmen (§ 519 B I b 1). a 1. Über die unzulässige Bezugnahme vgl. § 519 B I b 2. a 2. Über die Bezugnahme auf vom Postulationsfähigen eingereichte Schriftsätze vgl. § 519 B I I a 2, 3. B II. Die Frist (§ 519 B III) wird durch Einreichung der Schrift bei dem Revisiongericht gewahrt. Der Vorbehalt einer weiteren Begründung, wenn schon die erste Schrift formal eine ausreichende Begründung enthält, ist belanglos. a) Der Fristenlauf beginnt (vgl. § 5 1 9 B I I I a , b) mit der Einlegung der Revision (§ 554112), a 1. auch wenn die Revision verspätet (mit gleichzeitiger Anbringung eines Wiedereinsetzunggesuches) eingelegt wird (RG J W 37/1666), und selbst dann, wenn inzwischen die Revision als unzulässig verworfen wird bzw. solange über den Wiedereinsetzungantrag noch nicht entschieden worden ist. a 2. Doch kann die Revision schon vor Beginn des Fristenlaufs begründet werden (vglRG N § 554/89). a 3. Bei Wiedereinsetzungen gegen den Ablauf von Begründungfristen vgl. § 519 B I I I a 3, bei der nachträglichen Begründung verbietet § 554 VI die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sofern schon begründet ist; vgl. § 554 D I I I b. b) Die Frist darf auf Antrag vom Vorsitzenden verlängert (§ 554 II 2), aber nicht verkürzt werden; §§ 224 III, 225 gelten (vgl. § 519 B I I I c 4). b 1. In gesetzlichen Feriensachen darf die Frist zur Begründung auch in den Ferien verlängert werden. b 2. Im Gegensatz zur Rechtslage bei der Verlängerung der Berufungbegründungfrist (vgl. § 519 B I I I c) wirkt die Revisionbegründungfrist zugunsten der Rechtsmittelbeklagten insoweit, wie er damit die Frist zur Einlegung der Anschlußrevision erweitert erhält, weshalb die Verlängerungverfügung auch dem Revisionbeklagten zugestellt werden sollte, sofern er auch beschwert ist (§ 329 III). Ferner hat auch der Revisionbeklagte das Recht auf Fristverlängerung (RGZ 156/156; a. M. BGH N J W 51/605). b 3. Über Unterbrechung und Aussetzung vgl. § 519 B I I I a 2. C I. § 554 III bestimmt den notwendigen Inhalt der Revisionbegrimduugschrift (vgl. § 519 C). Wegen des formalen Charakters dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an (vgl. dagegen aber: § 547 C I, D i a , E l l a ) , ob der Antrag oder die Revisiongründe durchgreifen (RGZ 74/143), ja ob das Revisiongericht überhaupt zu ihnen Stellung nehmen darf oder nicht (vgl. RG Warn. 12/276). a) Ist die Norm gewahrt, so prüft das Bevisiongericht von sich aus nach, ob das materielle Recht (RG J W 07/181) oder ob verfahrensrechtliche Normen, auf die es von gerichts wegen zu achten hat, vom Berufunggericht beachtet sind. b) Nur bei anderen verfahrensrechtlichen Normen ist es an die vorgetragenen Rügen nach § 554 I I I 2 b, IV gebunden; doch betrifft diese Bindung ein anderes Merkmal: die Vorverlegung des Rügeverlustes nach §§ 295, 557 für den Rechtsmittelkläger. C II. Der Revisionantrag (§ 519 C II) a) besteht regelmäßig in der Bezugnahme auf die Beschwer (§ 511 B II c). a 1. Dazu genügt, wenn nur die Aufhebung beantragt wird (RG J W 06/737). Gleichviel, wie der Antrag formuliert ist, wird von gerichts wegen aufgehoben oder durcherkannt (RG J W 08/279). a 2. Doch braucht der Revisionantrag grundsätzlich überhaupt nicht formuliert zu werden (vgl. § 519 C I I a 2). b) Das formale Erfordernis des Revisionbegehrens (verdeutlicht durch den Antrag) wird indes nicht erfüllt, wenn die Revision andere Sachanträge (§ 261b B I I I a 1) begründet und begründen will als die, welche in der letzten Tatsacheninstanz verfolgt wurden.
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Revision
§554 c Ii
b 1. Regelmäßig ist eine solche Verfolgung neuer Ansprüche, die erweiternde Klageänderung, in der Revisioninstanz ausgeschlossen (vgl. § 268 C IV b 1). Beschränkt die Revision das Begehren von vornherein oder mit der Revisionbegründung, so wird dies in der Begründung klargestellt werden; und dies gilt auch, wenn die Klage modifiziert wird (§ 268 C III, § 554 D II a). Grundsätzlich wird das Formalerfordernis der notwendigen Begründung dadurch nicht beeinträchtigt, schon weil die Revision nicht gehindert ist, noch später zu beschränken bzw. zu modifizieren, bzw. im Rahmen der Beschwer (trotz Beschränkung in der Begründung) in der mündlichen Verhandlung den Antrag wieder zu erweitern (vgl. § 511 A 1 a 1). b 2. Die Unklarheit des Begehrens kann indes, wenn die Begründung neu auf mehrere Teilansprüche ohne nähere erforderliche Abgrenzung zugreift, zur Unzulässigkeit der Revision(-begründung) führen. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob das begehrbar ist, was begehrt wird; die Revision ist deshalb nicht unzulässig, wenn mit ihr ein unteilbarer Teil (entgegen § 301 B II a 2) begehrt wird (wobei es dann möglicherweise noch nach § 139 und durch Änderung des Antrags zu einer positiven sachlichen Entscheidung für den Revisionkläger kommen kann, vgl. § 519 C II a 3). C III. Unter die (regelmäßigen) Revisionsgründe, die das Formalerfordernis der Revisionbegründung erfüllen können (§ 554 C I), zählt das Gesetz die Angabe der verletzten Rechtsnorm (§554 III 2a) und bei verfahrensrechtlichen Rügen die Angabe der Tatsachen, worin die Verfahrensverletzung besteht (§ 554 I I I 2b). a) Mit der Einreichung einer formalen Revisionbegründung wird die Frist gewahrt; die Erklärung ist unwiderruflich und nicht zurücknehmbar. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachbringung von Revisionrügen ist jedenfalls unter diesem Gesichtswinkel ausgeschlossen (RGZ 121/5). a 2. Widerruflich sind dagegen einzelne Verfahrensrügen (RG H R R 40/1311). Dies gilt auch, wenn nur solche Rügen erhoben sind und auch die letzte widerrufen wird, da die formale Revisionbegründung die Prüfung des materiellen Rechts usw. (Kommentar § 554 C III a 1) von selbst auslöst. b) Soweit nur (vgl. sonst § 554 C I I I e) die Verletzung auBerprozessualen Rechts gerügt wird, genügt nach § 554 I I I 2 a die Angabe der (angeblich) verletzten Rechtsnorm, etwa die eines bestimmten Paragraphen (RGZ 123/38); doch ist die Angabe des Paragraphen nicht erforderlich, vielmehr reicht es aus, wenn eine inhaltliche Abweichung von der Beurteilung der angegriffenen Entscheidung gebracht wird (RG JW10/294). Falsche Zitate sind unschädlich (BGH MDR 53/164). Bei Verletzung gewohnheitrechtlicher Normen muß der Inhalt der Norm wiedergegeben werden. Wird die Verletzung von Naturgesetzen, von Erfahrungsätzen oder eines Sprachgebrauchs gerügt, so sind dies Rügen, die entsprechend § 286 behandelt werden, d. h. es müssen die Tatsachen angeführt werden, die gegen das Naturgesetz, den Erfahrungsatz verstoßen, während die Kenntnis des Naturgesetzes, des Erfahrungsatzes oder des Sprachgebrauchs als allgemein bekannt vorausgesetzt wird. Über die Angabe der verfahrensrechtlichen Norm vgl. § 554 C III c 1. b 1. Die Begründojig muß konkret gegeben werden (§ 519 C I I I c). Deshalb genügt nicht die Rüge der Verletzung des materiellen Rechts schlechthin (RG HRR 29/1168) oder die reine Angabe, die Grundsätze der Testamenterrichtung (RG J W 15/712) oder die der einschlägigen Normen des Betriebsrätegesetzes und der allgemeinen Normen über die Auslegung von Gesetzen (RArbG ArbRS 10/28) seien verletzt. Je mehr zur „Billigkeitrechtsprechung" übergegangen wird, um so weniger ist allerdings zu begründen. b 2. Je weniger klar die Bezeichnung der Norm den Umfang des Revisionangriffes erkennen läßt, um so mehr wird an Stelle der Norm die Angabe der Tatsachen erforderlich, in denen die Verletzung einer Norm gesehen wird (RG J W 36/511). Fällt eine als materiell erhobene Rüge in das Gebiet des Verfahrensrechts, so ist sie umzudeuten (a. M. RG J R 26 B 1429), was im besonderen bei Rügen aus BGB §§ 157,133, 242 im Verhältnis zu § 286 praktisch werden kann. b 3. Da die Angabe der verletzten Rechtsnorm bloßes Formalerfordernis ist, muß auch die Angabe einer irrevisiblen Norm genügen (§ 549 A I a), sofern der Revisionanwalt sie nicht selbst für irrevisibel erklärt, sondern von ihrer Revisibilität ausgeht. 79
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§554
c m
ZPO I I I . Buch
c) Zur Rüge verletzter verfahrensrechtlicher Bestimmungen gehört die Angabe der Tatsachen, durch welche die Verfahrensnorm verletzt worden sein soll (§ 554 I I I b 2). c 1. Die Angabe des Verfahrensgesetzes, gegen das verstoßen ist, genügt nicht (RGZ 87/5). Andererseits ist die Angabe der Norm grundsätzlich nicht erforderlich, wenn die Einzeltatsachen, die ihre Verletzung ergeben, genannt sind (RG J R 25 B 1061). Insoweit ist dann auch die falsche Paragraphenbezeichnung der Norm unerheblich (BGH MDR 53/164). Wenn aber die Revisionbegründung sich auf eine bestimmte Norm bezieht, das Revisiongericht dagegen meint, diese Norm sei nicht verletzt, sondern eine andere, so sollte es in seinen Urteilsgründen diese andere Norm auch nennen. Jedenfalls ist selbst die rechtlich falsche Beurteilung einer Verfahrensnorm in der Revisionbegründung unschädlich (RGZ 132/335). Völlig unerheblioh ist es, unter welchem materiell-rechtlichen Gesichtswinkel die formale Rüge ausgeführt worden ist (a. M. BGH v. 7. 5.1954 V ZR 98/53 S. 12, 14). Auch die Ausführungen einer Rüge des materiellen Rechts kann die Tatsachen ergeben, welche die Rüge aus § 551 I 7 rechtfertigen, selbst wenn diese Norm nicht zitiert worden ist (a. M. RG J R 26 B 1429). c 2. Die Tatsachen, welche das angefochtene Urteil anfechtbar machen, sind bei formellen Rügen klar und konkret herauszustellen (RGZ 126/249). BGH MDR B 73/57 h a t betont, daß bei Verweisung auf Strafakten die einzelnen Stellen kenntlich zu machen sind, auf die die Rüge sich stützt, BArbG v. 19.10.1959 I I AZR 60/59, daß nicht verwertete Schriftstücke im einzelnen gekennzeichnet werden müssen. c 3. Soweit auf Tatsachen bezog genommen wird, welche sich aus dem beanstandeten Verfahren (dem Akteninhalt) unmittelbar ergeben müssen, ist die Verweisung auf die d a f ü r in Betracht kommenden Aktenstellen erforderlich. Die Verweisung auf umfangreiche Schriftsätze genügt nicht (RG ZZP 57/150), nicht einmal die auf gewisse (aber nicht näher bezeichnete) Behauptungen der Klageschrift (RG N § 554/4f.), u n d auch nicht die auf einen „längeren" Schriftsatz (RG N § 554/32). Hier muß also grundsätzlich die Schriftsatzstelle näher bezeichnet sein (OGHZ 2/235). Dies gilt besonders f ü r übergangene Beweisantritte (RG N § 554/45). d) In zeitlicher Hinsicht müssen sich die Rügen auf die angefochtenen u n d die mit ihr gekoppelten Entscheidungen beschränken. d 1. Rügen aus Verfahrensverstößen erster Instanz können (abgesehen von den Prozeßfortsetzungbedingungen, vgl. § 554 C I I I d 4 u n d nach § 532) grundsätzlich nicht mehr wirksam erhoben werden (§ 540). d 3. Rügen wegen fehlender Prozefibedingungen (§ 274 A I ) sind ebenfalls formeller Art (RG J W 32/1016). Dabei ist es gleichgültig, ob das Revisiongericht den gerügten Mängeln von sich aus (also auch ohne Rüge) nachgehen muß. d 4. Das entsprechende gilt f ü r Rügen, welche Prozeßfortsetzungbedingungen (§ 274 A I I ) betreffen (RG Warn. 31/52). d 5. Auch die absoluten Revisiongründe des § 551 bedürfen grundsätzlich der Begründung (über die Ausnahmen vgl. § 551 B V I I a). d 6. Über die Beachtung der Nichtigkeitgründe (§ 579 I) in der Revisioninstanz vgl. § 5 5 1 1 1 — 3 , 5. Von den Restitutiongründen ist der des § 580 I 7 a stets von gerichts wegen zu beachten, wie er auf das laufende Verfahren einwirkt. Ob man sonstige Restitutiongründe zulassen darf, ist wegen des § 582 zweifelhaft (bejahend B G H N J W 52/658, wenn Strafverurteilung vorliegt, für § 580 1 1—5; B G H GmbH Rdsch. 53/58 für § 580 I 7 b). f ) Da es auf die Begründetheit der Verfahrensrüge für das formale Erfordernis der Revisionbegründung nicht ankommt, genügt es, wenn unbegründete, nicht aber, wenn unzulässige Verfahrenrügen erhoben werden. f 1. Unbegründet sind nicht ausgeführte Rügen aus §§ 139 (RG H R R 30/1662), 286; die, die nach §§ 295, 530, 558 nicht mehr beachtet werden dürfen, die, durch welche die letzte mündliche Verhandlung nicht betroffen worden sein kann, oder die, daß das Gericht von seinem Ermessen einen falschen Gebrauch gemacht hat. f 2 . Werden indes unzulässige (formelle) Rügen erhoben, die sich gegen eine mit der Revision nach § 548 nicht anfechtbare Zwischenentscheidung richten, so ist damit auch das Formerfordernis der Revisionbegründung durch sie jedenfalls nicht gewahrt.
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Revision
§ 554 c in
g l . Bei angeblich verletzten B e w e i s l a s t n o r m e n , die ein Zwischenrecht sind (§282 E II), ist die formelle Rüge zu erheben, soweit sich die Beweislastnormen auf verfahrensrechtliche (nicht von gerichts wegen zu beachtende) Vorschriften beziehen; nicht aber in bezug auf außerprozessuales Recht (RG JW 37/2228). g 2. Nicht als verfahrensrechtliche Mängel i. S. des § 554 III 2 b wurden die behandelt, welche als inhaltlicher Mangel des angefochtenen Urteils angesehen wurden, mögen sie auch die falsche Beurteilung des Verfahrensrechts betreffen (§ 554 C I I I g 1; RGZ 132/335). Sobald bei der Rechtskraftwirkung der außerprozessuale Anspruch betroffen wird wie nach §§ 322, 323 (RGZ 140/169folg.), steht auch außerprozessuales Recht zur Entscheidung (RGZ 132/305). Damit im Zusammenhang steht die Beachtung der Normen der §§ 318,565 II (RG J W 34/1783) von gerichts wegen. g 3. Hatte sich eine Partei im Berufungverfahren nicht mehr beteiligt und entschied das Berufunggericht auch gegen sie kontradiktorisch, weil es notwendige Streitgenossenschaft annahm (§ 62), so geht es um einen formalen Mangel, der nur auf rechtzeitige Rüge, daß nur Versäumnisurteil hätte ergehen dürfen, behoben werden darf (RG N § 554/88). g 4. Eine, gleichviel wann erhobene Büge erfordert aber keine weitere; dies gilt also auch für die bereits in der unteren Instanz erhobenen Rügen (§ 39 B I ; a. M. BGH v. 20.12.1954 IV ZR 194 + 198/54). C IV a. Will der Kläger nur auf den Anspruch verzichten, a 1. um die Ehe oder ein Kindschaftverhältnis (sofern dies zulässig ist, Kommentar § 640 P I I I d l ) aufrechtzuerhalten (über die Zulässigkeit des Rechtsmittels vgl. §511B II c 7), so muß er diesen Verzicht innerhalb der Begründungfrist erklären (RG LZ 23/131). Dazu wird allgemein die Begründung, die Ehe aufrecht erhalten zu wollen, als ausreichend angesehen (BGH v. 1. 6.1953 IV ZB 41/53). Darüber, ob diese Begründung genügt, wenn bei einer Scheidung wegen ehewidrigen Verhaltens später auf Scheidung wegen Ehebruchs übergegangen wird, vgl. § 519 A I b 1 (vorausgesetzt, daß der Übergang im Rahmen der Beschwer liegt). b) Zur Begründung der Revision gegen das technisch zweite Versäumnisurteil vgl. § 513 B III. In diesem Falle braucht das Rechtsmittel nicht sachlich begründet zu werden, ebenso wie in den Fällen, wo prozessual abgewiesen wurde, nichts über den außerprozessualen Anspruch gesagt zu werden brauoht (vgl. § 519 C IV a). Andererseits ist die bloß sachliche Begründung nicht ausreichend nach § 554 VI. c) Liefert das Tatsachengericht überhaupt keine Gründe (vgl. § 5511 7), so genügt die unter Bezugnahme auf diese Tatsache erhobene Prozeßrüge zur Begründung der Revision. Darüber, wann diese Rüge erhoben werden darf, vgl. § 551 B VII b 4. d) Ist gegen ein Teilurteil zulässigerweise Revision eingelegt und dann gegen die Kostenentscheidung des Schlußurteils (was zulässig ist: RG Warn. 11/36; aber nicht notwendigerweise geschehen muß, vgl. § 308 E I; RArbG E 18/244), so darf auch die unbegründete Revision gegen das Sohlußurteil nicht als unzulässig verworfen werden. e) Darüber, ob bei nachträglich (im Rahmen der Beschwer) erweiterten Ansprüchen begründet werden muß, vgl. § 554 D I I I a 2. f ) Bei den von gerichts wegen zu beachtenden Prozeßbedingungen ist der Umfang der Begründunglast geringer (vgl. § 554 C I a, b). Ist der Gerichtsweg bzw. der Rechtsbehelf unzulässig, so sollte der Hinweis darauf genügen. f 1. Weist das Berufunggericht eine Klage als unzulässig ab, so muß dies formal gerügt «Verden; doch braucht sich die Begründung nicht auf vom Berufunggericht nicht berührte, weitere formale Gründe zu beziehen; wohl aber muß die Revisionbegründung, soweit der Zwang, formelle Rügen zu erheben, reicht, sich auch mit diesen weiteren vom Beruf unggericht berührten Abweisunggründen befassen; nur soweit Prozeßbedingungen von gerichts wegen zu beachten sind, sollte man auch in diesem Falle es genügen lassen, wenn die formale Rüge in bezug auf einen Punkt wirksam ausgebracht ist (vgl. § 554 C I). 79*
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§554
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D I. § 554 VI bewirkt, daß für den Revisionskläger der Rügeverlust schon mit Ablauf der Revisionbegründungfrist eintritt; während der Revisionbeklagte das Rügerecht erst in der mündlichen Verhandlung verlieren kann (vgl. § 554 F I I b). D II. Nicht betroffen werden durch § 554 VI Revisionanträge, a) die im Rahmen der Beschwer (§ 511 B I I c 2 auch nach Ablauf der Begründungfrist (RG J W 36/1841) erweitert werden dürfen; die darüber hinausgehenden sind unzulässig. Bei beschränkten Anträgen der Revision bzw. der Revisionbegründungschrift ist § 560 anzuwenden, selbst wenn noch nicht mündlich verhandelt wurde (RGZ 65/284). b) Erweiterungen über den Rahmen der Beschwer hinaus sind in der Revisioninstanz nur in Ausnahmefällen zugelassen. Dazu gehören: die Widerklagen nach §§ 302 IV, 600 II, 717 II, I I I , 1042 c I I (RGZ 34/384); die Aufbrauchanträge in Patent- und Gebrauchsmustersachen (§ 559 D I I b 2); der Vorbehalt nach § 599 (§ 599 B), soweit das Revisiongericht sonst über die Parteianträge und die Beschwer hinausgehen darf (§ 559 D II). b 1. Diese zulässigen Erweiterungen unterliegen jedenfalls nicht dem Begründungzwang nach § 554 III, VI (§ 554 C IV e). b 2. Über sonst zulässiges neues Vorbringen in der Revisioninstanz vgl. § 5 6 1 B I I b 2, I I I . D III. § 554 VI schließt die nachträgliche Begründung nur insoweit aus, wie nicht von gerichts wegen zu prüfen ist (RG Seuff. 76/104), a 1. betrifft also nicht die von gerichts wegen zu prüfenden Prozeß- (RGZ 154/147) und Prozeßfortsetzungbedingungen (RGZ 159/83). a 2. Von gerichts wegen ist auch zu prüfen das außerprozessuale Recht (RGZ 121/6). Eine Ausnahme besteht hier in den Fällen des § 547 1 2 (§ 547 E II b). a 3. Dazu gehören auch die Grenzfälle (vgl. § 554 C I I I g 2, 4), soweit sie sog. inhaltliche Mängel des angegriffenen Urteils sind, b) Unter § 554 VI b 1. fallen im besonderen die formellen Rügen, die nach § 554 I I I 2 b besonders zu begründen sind (RG J W 36/1841). b 2. Bei gehäuften (§ 260 A I a) Ansprüchen (§ 253 B II b 3), über die zur Beschwer des Revisionklägeis erkannt ist, ist eine Begründung für jeden einzelnen zu geben (RGZ 153/85), im besonderen bei Klage und Widerklage, die auf verschiedener Begründung ruhen (RG ZZP 56/354). Doch genügt die Begründung des weitestgehenden Anspruchs (RG J W 37/2786). Wie insoweit nicht begründet war, wurde die Revision von RG J W 11/593 als unzulässig verworfen ; doch ist dies nicht zu billigen, sofern die Revision noch nach § 554 D I I I a bei einer Erweiterung im Rahmen der Beschwer nachträglich begründbar war. b 3. Bei Zurückweisung von Haupt- und Hilfsanspruch muß die Revision für beide begründet werden (RG H R R 38/419). Wird dagegen dem Hauptansprueh stattgegeben, so wird dem Formalerfordernis genügt, wenn sich die Begründung nur auf den Hauptanspruch erstreckt, obwohl auch der Hilfsanspruch in die Revisioninstanz gedeiht (§ 260 B IV b 1). Ist zu ihm im angefochtenen Urteil hilfsweise Stellung genommen und deckt er die Verurteilung, so ist auch zu ihm Stellung zu nehmen. b 4. Ist der Anspruch teilbar (Kommentar § 301 A II a 1) und vom (Rechtsmittel-)Kläger geteilt, so ist zu jedem zu- (oder abgesprochenen Teil zu begründen (RGZ 159/12f.). Mit Rücksicht auf die Ausführungen zu § 554 D I I I a ist ebenso wie im Falle gehäufter Ansprüche (§ 554 D I I I b 2) die Revision bei nachträglicher Erweiterung zulässig (a. M. RGZ 71/18). b 5. Begründet werden muß auch bei aufgerechneten Ansprüchen, welche in Rechtskraft erwachsen würden (§ 322 I I ; RG H R R 28/1049). b 6. Ob eine auf mehreren Klagegründen, Einwendungen, Einreden (usw.) beruhende Entscheidung zu jedem einzelnen Entscheidunggrund gegenbegründet werden muß, ist streitig (vgl. auch § 554 D I I I b 2; verneinend RGZ 149/202: a.M. RG JW38/2769). Dasselbe gilt für die Frage, ob gegen jeden einzelnen Grund zu begründen ist, wenn dem Anspruch aus mehreren
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§ 554 D i n b 6
Gründen stattgegeben wurde (vgl. § 554 D I I I b 2). Nicht (hypothetisch) gegenbegründet zu werden braucht, wo das untere Gericht keine Veranlassung sah, sich mit einem Vorbringen auseinanderzusetzen; befaßte sich etwa das Gericht nicht mit dem Hilfsantrag, weil es nach dem Hauptantrag erkannte, so brauchte gegen ihn nichts begründet zu werden (RGZ 149/203), und wohl auch dann, wenn gerade ein Grund angegriffen wurde, auf den das Urteil nicht gestützt war. Ist die auf mehrere Klagegründe gestützte Klage abgewiesen worden, so genügt der Angriff gegen einen Ahweisunggrund; denn die Berechtigung eines Grundes erschüttert schon das Urteil. Bei Alternativentscheidungen genügt der Angriff gegen die eine Begründung; bei Entscheidungen, in denen gesagt wird, daß die Klage aus dem Grunde A, zumindest aus dem Grunde B, die beide festgestellt wurden, begründet ist, ist der Angriff gegen beide Gründe erforderlich. Für Einwendungen, Einreden usw. gilt das entsprechende (RG N § 554/53). Dabei dürfen auch eventuelle Rügen (vgl. aber auch § 554 D I I I c 1) vorgebracht werden. e 1. Nicht unter die Norm fallen hypothetische Rügen. c 2. Die Nachholling der unter § 554 VI fallenden Rügen nach Ablauf der Begründungfrist sollte man gelten lassen, sofern dem Rechtsmittelkläger der Mangel nicht fahflässigerweise unbekannt geblieben ist (§ 295 C I I d 3). F I. Nur der Zurückweisungantrag muß schriftlich gebracht werden (vgl. aber § 297 C). Er braucht nur auf Zurückweisung der Revision zu gehen, selbst wenn dann das Revisionsgericht als unzulässig verwirft. F II b. Ist nur die Schlußfolge des Berufunggerichts richtig, sind dagegen eine Reihe ungünstiger Feststellungen gegen den Beklagten getroffen, so wird er formelle und materielle Rügen zu erheben haben. b 1. Daß er materielle Vorstellungen auch dann erheben soll, wenn die Begründung, welche das angefochtene Urteil gibt, nicht überzeugt, folgt aus § 563. b 2. Der Revisionbeklagte darf auch formelle Rügen erheben (BGH v. 19. 12. 1957 VII ZR 5/57 S. 5). Die Gefahr für den Revisionbeklagten ist nicht gering, wenn man seine Rügen nicht zulassen wollte. Zu Lasten des Revisionbeklagten können im besonderen Beweisantritte übergangen oder auch eine Feststellung entgegen dem Vortrag getroffen oder Ausführungen gebracht worden sein, die den Revisionbeklagten übenaschen, so daß er sich genötigt sieht, unter Erhebung einer Rüge nach § 139 Gegenausführungen zu machen. Mit der Rügemöglichkeit eröffnet sich andererseits die Rügelast, nur daß ihr der Revisionbeklagte erst in der mündlichen Verhandlung zu genügen braucht, weil für ihn keine Sperrfrist, wie in § 554 I I I 2 b, VI, eingeführt worden ist.
§ 554 a (—) I Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Revision an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. II
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß ergehen.
A. Die Vorschrift entspricht § 519 b. Sie verhält sich nur über die Prozeßfortsetzungbedingungen der Revisioninstanz; über die sonstigen Prozeßfortsetzungbedingungen ist auf Grund mündlicher Verhandlung (§ 128 I) bzw. im schriftlichen Verfahren nach § 128 I I zu entscheiden. Über den Umfang der Prüfung vgl. § 519b A II. Es ist zu prüfen, ob die Revision an sich statthaft ist (§ 511 B I a 1), d. h., ob gegen ein revisibles Urteil (§§ 545 I, 553) von dem Beschwerten (RG H R R 39/1532; nicht nur im Kostenpunkt, § 511 B I I c) hei dem richtigen Gericht Revision eingelegt worden ist (vgl. § 519b A IIa) und ob die sonstigen Prozeßfortsetznngbedingungen gegeben sind, also die, ob die Revision in richtiger Form und Frist eingelegt worden ist (§§ 546, 547, 552, 553), und zwar entweder unter Wahrung der Erwachsenheitsumme oder mit oberlandesgerichtlicher Zulassung oder nach § 547, und ob sie rechtzeitig begründet worden ist (§554 I, II, III), bzw. daß das angefochtene Urteil nicht unter § 549 II
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(§ 549 J) fällt. Auch Rechtsmittelverzichte und Rechtsmittelrücknahmen sind nach der hier vertretenen Auffassung von gerichts wegen zu prüfen (vgl. im übrigen § 519 b A II c). In den Fällen der §§ 547, 513, 566 wird die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht im Verfahren nach § 554a geprüft; doch ist dies nur üblicherweise so. B I. Über das Verfahren im allgemeinen vgl. § 519 b B I. Auch das Revisiongericht entscheidet entweder durch Zwischenurteil oder durch Beschluß bzw. in den Gründen des Endurteils oder mündlich unter Feststellung im Protokoll (§ 519b II, III). Aus welchem Zulässigkeitmangel heraus die Revision verworfen wird, ist gleichgültig; ist eine Revision zurückgenommen, so braucht nicht mehr ihre Zulässigkeit geprüft zu werden. a) Die Zwischenentscheidung (Zwischenurteil oder Beschluß) bindet das Revisiongericht (RGZ 125/71f.); der Beschluß ist unanfechtbar und auch nicht zurücknehmbar; eine Gegenvorstellung ist unzulässig. b) Eine Versänmnisentscheidung gibt es nicht (§ 519b B I I I c); anders ist dies nur, wenn eine Revision mit Rücksicht darauf unzulässig ist, daß ein unterbrochenes bzw. aufgenommenes Verfahren dazwischen steht und infolge der Säumnis die Rechtsnachfolge u. dgl. m. als zugestanden gilt; dann ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden (BGH NJW 57/1840). B II. Gegen Fristversäumnisse ist auf Wiedereinsetzangantrag vom Revisiongericht (über das Verhältnis zum BayObLG vgl. EG § 7 B II a) zu entscheiden (vgl. § 519b C). a) Wird die Wiedereinsetzung gewährt, so ist das Revisiongericht daran gebunden (§ 318, auch wenn dies duich Beschluß geschieht: RGZ 125/68; a. M. BGH LM-VAG § 21/2). b) Wird der Wiedereinsetzungantrag zurückgewiesen, bevor die Revision verworfen ist, so behandelt die Rechtsprechung die Entscheidung wie eine Verwerfung (RG J W 25/1370). War die Revision bereits verworfen, so bedarf es keiner erneuten Verwerfung, wenn der Wiedereinsetzungantrag zurückgewiesen wird. B III. Unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahmeklsge (§§ 578folg.) findet diese auch gegen Revisionurteile statt; über das Wiederaufnahmegericht vgl. § 584 I. C. Die Vorschrift gilt entsprechend für die Zulässigkeitprüfung bei der Anschlußrevision (§ 556 II, BGH VRS 7/437).
§ 555
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I Wird die Revision nicht durch Beschluß als unzulässig verworfen, so ist der Termin zur mündlichen Verhandlung von Amts wegen zn bestimmen nnd den Parteien behanntzumachen. II Auf die Frist, die zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Termins und der mündlichen Verhandlung liegen muß. sind die Vorschriften des § 262 entsprechend anzuwenden. A. Der Vorsitzende darf mit der Bestimmung des Termins warten, bis feststeht, ob die Revision begründet wird. § 555 entspricht dem § 520 11, II. Über den Zustellungempfänger vgl. § 520 B I. § 215 gilt auch hier.
§ 556
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I Der Revisionsbeklagte kann sich bis zum Ablauf der Begründungsfrist der Revision anschließen, selbst wenn er auf die Revision verzichtet hat. II Die Anschließung erfolgt durch Einreichnng der Revisionsanschlußsehrift bei dem Revisionsgericht. Die Anschlußrevision muß in der Anschlußschrift begründet werden. Die Vorschriften des §521 Abs. 2, der §§ 522, 553, des § 553 a Abs. 2 Satz 1,3, des §554 Abs. 3, 6 und des § 554a gelten entsprechend. A II b. Die Anschließung an die Revision setzt (im Gegensatz zu der an die Berufung notwendigerweise) eine Beschwer im Anspruch (§ 511 B II c) des Anschließungklägers durch das
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angefochtene Urteil voraus; es gibt also keine Anschlußrevisionen zur Erhebung neuer Ansprüche (BGHZ 24/279), abgesehen von denen, die noch in der Revisioninstanz erhoben werden dürfen (vgl. §559 D II b> b 1. Eine Beschwer, die nur die Begründung, nicht aber unmittelbar den Anspruch betrifft, reicht zur Anschließung nicht aus (vgl. § 511 B II c und 5 § 554 P II b). b 2. Anders ist dies, wenn die Begründung den Tenor bestimmt, wie bei Feststellung- und Grundurteilen, wo in ihnen ein (weiter gehender) Klagegrund abgesprochen wird (§ 304 B II b 1). c) Hat der Rechtsmittelbeklagte nur beschränkt Anschlußrevision eingelegt, so darf er im Rahmen der Beschwer genau so seine Anträge erweitern, wie das der Revisionkläger darf (§ 554 D II a, RG LZ 10/77). B I. Die selbständige Anschließung ist jedoch eine selbständige Revision, die unselbständige Revision sollte als Anschließung aufrechterhalten werden, wenn ihre Prozeßfortsetzungsbedingungen gegeben sind (Kommentar § 521 B I b 3, c 2). a) Weist die Anschließung alle Merkmale einer selbständigen Revision auf, dann ist sie selbständig zu beurteilen, auch wenn sie als Anschlußrevision eingelegt und begründet worden ist (§§ 556 II 3, 522 II); d. h., sie bleibt als selbständige zulässig, auch wenn die Revision (an die sie anschließt) unzulässig ist (RGZ 65/78). Ist eine Anschließung nicht innerhalb der für den Gegner laufenden Revisionbegründungfrist begründet, weist sie aber als selbständige Revision alle sonstigen Merkmale einer Revision auf, so genügt es, wenn sie innerhalb der für sie laufenden Begründungfrist begründet wird (RGZ 65/78). b) Weist umgekehrt eine Revision nicht sämtliche Zulässigkeitbedingungen auf, besteht indes noch die des Gegners, so ist sie, wenn sie im übrigen die Prozeßbedingungen der Anschließung erfüllt, ohne weiteres als u n s e l b s t ä n d i g e A n s c h l i e ß u n g zu behandeln (BGH J R 55/302). B II. Die besonderen Erleichterungen der unselbständigen Anschließung an die Revision bestehen darin, a) daß sie nicht innerhalb der Revisionfrist eingelegt zu sein braucht. b) Ihr darf nicht Rechtsmittelverzicht oder Rcehtsmittelrücknahme (RG N § 556/2) entgegengesetzt werden. b 1. Der Verzicht auf die Anschließung hindert die spätere Anschließung nicht (a. M. RGZ 55/276). b 8. Die Rücknahme der Anschließung (§ 515) ist entsprechend der Rechtsmittelrücknahme zulässig; ihre Erneuerung ist dann zulässig. b 4. Dies gilt auch, wenn sie, als Hauptrechtsmittel (RGZ 153/348) oder als Anschließung eingelegt, als unzulässig verworfen wurde (RG Warn. 38/80). Läuft gar noch die Rechtsmittelfrist, so darf auch nach Rücknahme des Anschlußrechtsmittels das Rechtsmittel selbständig eingelegt werden (RArbG E 19/44). c) Die Anschließung ist von der Erwachsenheitsumme befreit (§ 5461; OGH VRS 2/184). c 1. Anders ist dies nach RG HRR 34/968, wenn die Hauptrevision selbst nicht die Erwachsenheitsumme erreicht, sondern nur nach § 547 zulässig ist und die Anschlußrevision sich nicht auf einen solchen Grund beziehen kann (dann sei sie unbegründet). Wird indes die Erwachsenheitsumme von der unselbständigen Anschlußrevision erreicht, so darf sie nicht deshalb verworfen werden, weil sie nicht selbständig eingelegt worden ist. c 2. Sie ist aber als Hauptrevision (und deshalb auch als Anschließung) selbst dann zulässig, wenn das Berufunggericht die Revision nur für die andere Partei zugelassen hat (vgl. § 546 A I b 4). c 3. Die Anschließung darf auch allein wegen der Kosten erklärt werden, wo also das Hauptrechtsmittel nach § 99 I unstatthaft wäre (RGZ 156/242); der Angriff ist hier aber insoweit unzulässig, wie als selbständiges Rechtsmittel die sofortige Beschwerde eingelegt werden
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B II c 3
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müßte (§§ 91a II, 99 II). Wird dagegen nur wegen einer ursprünglich verbundenen sonstigen Nebenforderung (§ 4 C I a) das Rechtsmittel eingelegt, so kann es auch selbständig sein, weil der Wert der Nebenforderung verselbständigt wird (§ 4 C III b 2). c 4. Die Anschließung wegen der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist in der Revisioninstanz unzulässig (vgl. § 718). d) Die Anschließung darf eventuell gestellt werden, d. h. es darf über sie nur unter der Rechtsbedingung eine Entscheidung gefordert werden, daß die Revision nicht zurückgewiesen wird (BGH MDR B 949/53). Doch sind Bedingungen wie etwa, daß die Anschließung unter der Bedingung eingelegt werde, daß über sie eine günstige Entscheidung ergeht, rechtsunwirksam, weil das Risiko der Entscheidung wegen ihrer zweiseitigen Rechtskraftwirkung stets der Antragsteller tragen muß. e) Die Anschließung darf betagt erklärt werden (nicht aber befristet, also bis zu einem bestimmten Zeitpunkt). B III a. Die (unselbständige) Anschließung muß innerhalb der Revisionbegründimgfrist eingelegt und begründet werden. Wenn auch § 556 II 2 mit der Einlegung die gleichzeitige Begründung vorschreibt, so darf doch die Begründung bis zum Ablauf der Begründungfrist des Hauptrechtsmittels nachgebracht und ergänzt werden; a. M. RG J W 36/815. a 1. Wie lange die Begründlingfrist läuft, bemißt sich zunächst allein nach der Einlegung der Revision (§ 554 II 2). Die Verlängerung der Frist kommt dem Anschlußrevisionkläger ohne weiteres zustatten. a 2. Darüber hinaus darf aber auch er selbst die Fristverlängerung beantragen (RGZ 156/157; a. M. BGH NJW 51/605). a 3. Auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Anschlußfrist ist zulässig (BGH NJW 52/425). a 4. Der Einhaltung der Anschließungfrist bedarf es bei Ansprüchen nicht, die noch in der Revisioninstanz erhoben werden dürfen (§ 554 D II b). Diese Ansprüche unterliegen auch nicht dem schriftlichen Begründungzwang (§ 554 D II b 1). b) Die unselbständige Anschließung wird hinfällig, wenn die Revision unzulässig ist oder wird, so daß dann auch in bezug auf sie Verlustigkeitbeschluß beantragt werden darf (RG N § 556/11). b 1. Die Anschließung ist nach Verwerfung der Hanptrevision nicht mehr zulässig; aber auch schon nicht mehr nach ihrer wirksamen Rücknahme, mag davon auch der Anschließungkläger noch keine Kenntnis haben (BGH NJW 55/1187). b 2. Über die Zulässigkeit der Anschließung an eine unselbständige Anschließung bei demselben Klagegegenstand im Ehestreit vgl. § 521 A III b. C III. Als sich an die Revision Anschließende hat die Partei die Stellung des Revisionsklägers im Prozeß mit allen seinen Rechten und Lasten. Die Anschlußschrift wird dem Revisionkläger von gerichts wegen zugestellt, auch sollen die erforderlichen Abschriften sogleich vom Anschließenden eingereicht werden (§§ 553a II 1, 3, 556 II 3). C IV. Die nicht frist- oder formgerecht eingereichte Anschlußrevision darf nach §§ 554 a, 556 II 3 verworfen werden; der unselbständigen darf sachlich erst stattgegeben werden entweder im Zugleich mit oder nach der Hauptrevision; doch genügt dazu das Versäumnisurteil gegen den Revisionkläger (allerdings kann dann noch der Revisionkläger ohne Zustimmung des Revisionbeklagten seine Revision zurücknehmen und damit auch die Entscheidung über die Anschlußrevision zu Fall bringen, vgl. § 556 B III b 1); auch darf über die Anschließung durch Versäumnisurteil erkannt werden (RG N § 556/8). C V a. Über das Armenrecht für die Anschlußrevision ist besonders zu entscheiden (§ 119 B III). b) Wird die Revision verworfen, so werden dem Revisionkläger auch die Kosten der Anschlußrevision auferlegt (BGH NJW 52/384). Für den Fall, daß die Revision von vornherein unzulässig war, hat RG N § 556/9 die Kosten der Anschließung dem Anschlußkläger auf-
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erlegt; dasselbe hat RG N § 556/14 getan, als die Anschließung erklärt wurde, nachdem die Unzulässigkeit der Revision sieh aus der Begründungschrift ergab; BGH NJW 55/1187 hat die Kosten der Anschließung dem Anschließungkläger auferlegt, als er die Anschließung zu einer Zeit anbrachte, als die Revision schon zurückgenommen war, obwohl dies der Anschließungkläger nicht wußte. D. Gegenüber der Anschließung rückt der Revisionkläger in die Stellung des Rechtsmittelbeklagten ein mit allen Rechten und Lasten dieser Parteistellung (vgl. § 554 F), wie auch der Anschließungkläger durch die Anschlußrevision nicht seine Parteistellung als Rechtsmittelbeklagter gegenüber dem Rechtsmittel der Revision verliert (vgl. § 554 F).
§ 557
(520)
I Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechts zuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen ans den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. A. § 557 verweist für das Revisionsgericht auf die landgerichtlichen Verfahrensvorschriften, soweit sie mit dem Revisionrecht in Einklang stehen. Ohne diese Verweisung gelten grundsätzlich unmittelbar die Vorschriften des ersten Buches der ZPO, soweit sie im Revisionsverfahren Sinn haben und nicht bloß für die Amtsgerichte gelten (§ 495 A, B); doch ist § 510 b anwendbar, sofern in erster Instanz ein AG entschieden hat. Das Beweissicherungverfahren (zwölfter Titel) ist auch in der Revisioninstanz durchführbar; das die Beweissicherung anordnende Gericht (§ 486 I) ist das Revisiongericht (vgl. aber § 486 A II a). Über die Anwendung bzw. Nichtanwendung der Vorschriften über die Berufung (drittes Buch, erster Abschnitt) vgl. § 566 B. Die Vorschriften des vierten Buches (Wiederaufnahme des Verfahrens) sind auch in der Revisioninstanz anzuwenden, im besonderen insoweit, wie bei dem Revisiongericht die Wiederaufnahmeklage zu erheben ist (§ 584 I). B. Soweit das Verfahren in der Tatsacheninstanz durch besondere Prozeßarten modifiziert wird, sind diese Modifizierungen auch in der Revisioninstanz zu beachten. Über einstweilige Verfügungen bzw. Anordnungen wird indes in der Revisioninstanz nicht entschieden (§ 545 II). Die Vollstreckungvorschriften des achten Buches schlagen nur vereinzelt in das Revisionverfahren hinein (vgl. §§ 704 bis 707, 719 II, I I I ; darüber, inwieweit § 721 anzuwenden ist, vgl. § 714 B I I I b; Uber die Frage, ob das Revisiongericht eine vollstreckbare Urteilsausfertigung erteilt, vgl. § 724 B I a; über die Anwendung von § 770 vgl. § 770 A III).
§ 557 a ( - ) I
Die Vorschriften der §§ 348 bis 350 sind nicht anzuwenden.
A. §557a schließt den Einzelrichter in der Revisioninstanz aus; nicht aber beauftragte und ersuchte Richter.
§ 558
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I Die Verletzung einer das Verfahren der Berufungsinstanz betreffenden Vorschrift kann in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei das Rügerecht bereits in der Berufungsinstanz nach der Vorschrift des § 295 verloren hat. A. § 558 bestätigt die Einheitlichkeit der Verhandlung auch für die Revisioninstanz. In der Revisioninstanz gehören in den Vorinstanzen erhobene (und aufrechterhaltene) Rügen zu dem Inhalt des Erkenntnisses der Vorinstanz, in bezug auf den keine Rüge nach § 554 I I I 2 b erhoben zu werden braucht i§ 554 C I I I g 4).
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B I. Sind erst in der Berufunginstanz durch den Erlaß des Endurteils Vorschriften verletzt worden, so bleibt das Rügerecht erhalten. Der Revisionkläger verliert es, wenn er es nicht (nach § 554 III 2 b) rechtzeitig geltend macht (§ 554 D I), und dasselbe gilt für den Anschlußrevisionkläger. Dem Revisionbeklagten (Anschlußrevisionbeklagten) bleibt es aber (in der Verteidigung) offen, fehlsame Feststellungen weiterhin bis zum Schluß der (ersten) mündlichen Verhandlung zu rügen. Bedient er sich dabei Tatsachen, welche nicht festgestellt worden sind, so sind allerdings §§ 129, 132, 272 zu beachten; sonst ist § 279 anwendbar (§ 557 A), d. h. die neuen Tatsachen müssen rechtzeitig vor dem Termin vorgebracht werden. Das entsprechende gilt für Gegenerklärungen auf neue Tatsachen. B II. Der Fehler darf bei einer zweiten Revision gerügt werden, wenn das Berufunggericht, dessen Urteil zum ersten Male aufgehoben war, ihn erneut beging, selbst wenn er mit der ersten Revision nicht gerügt war (RG N § 559/14).
§ 559
(522)
I Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge und, soweit die Revision darauf gestützt wird, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt sei, nur die nach Maßgabe der §§ 554,556 geltend gemachten Revisionsgründe. Bei der Prüfung, ob sonst das Gesetz verletzt sei, ist das Revisionsgericht an die von den Parteien geltend gemachten Revisionsgründo nicht gebunden. A. § 559 umgrenzt die Prüfungpflicht des Revisiongerichts in bezug auf die Sachanträge (§ 261b B III a 1) der Parteien. Auf die Formulierung des Revisionantrags kommt es nicht an (vgl. § 554 C II a 2). Maßgebend sind die Anträge, welche bis zum VerhandlungschluB gestellt werden. Der Revisionkläger ist also nicht an die Anträge der Revisionbegründung gebunden (§ 554 C II b 1). Wird indes durch den letzten Antrag die Revision so beschränkt, daß die Erwachsenheitsumme nicht mehr erreicht ist, so ist sie unzulässig (RGZ 74/325); während, wenn der Antrag nooh in der mündlichen Verhandlung über die Erwachsenheitsumme zulässigerweise (also im Rahmen der Beschwer, § 511 B II c) erweitert wird, die Revision zulässig ist (vgl. § 554 C II b 1, D II a); über die Begründung der Ansprüche vgl. § 554 C. B I. Unter das Verbot der in § 559 ausgesprochenen reformatio in peius fallen nicht die Folgerungen, welche das Revisiongericht bezüglich des verfolgten Anspruches zieht a) aus fehlenden Prozeß- und Prozeßfortsetzungbedingungen (RGZ 151/47), einschließlich der Frage, ob eine Wiedereinsetzung zu lecht gewährt wurde oder nicht (BGH LM § 234/1); vgl. aber GVG § 17 III, IV. a 2. Fehlt eine sonstige Prozeßbedingung, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen (bzw. für zurückgenommen zu erklären), wenn dies die fehlende, von gerichts wegen zu berücksichtigende Prozeßbedingung gebietet (vgl. § 536 B II a, b; für die Parteifähigkeit: RGZ 86/63f.; für die Prozeßfähigkeit: RG J W 24/908; für die gesetzliche Vertretung: RGZ 64/400; für die Wiederaufnahme des Verfahrens: RGZ 99/170; für den Eintritt des Rechtsnachfolgers: RGZ 141/277). Dasselbe gilt für die Prozeßeinwendungen (die der Rechtskraft, § 322 B IV, RG JW 16/831; die des § 565 II: RGZ 94/13; die der Rechtshängigkeit, § 274 D IV; die der Bindung nach § 318 A). Prozeßvoraussetzung ist aber auch das Feststellunginteresse (§ 256 CI), das sog. Rechtschutzbedürfnis (vgl. BGH NJW 54/299; abweichend RGZ 151/65, das dies als Teil des materiellen Klagegrundes ansah und aus diesem Grunde von gerichts wegen prüfte). b) Das Revisiongericht darf ferner über die Entscheidung des Berufunggerichtes aus demselben Grunde hinausgehen, wie das Berufunggericht über die der ersten Instanz dies tun darf (§ 536 B II), soweit die festgestellten Tatsachen dies rechtfertigen (sonst muß es aufheben und zurückverweisen). Dies kann bei einem Teilurteil der Fall sein, im besonderen wo dieses nach § 301 gar nicht zulässig war (wie in Ehesachen: RGZ 107/350) oder wenn das Berufunggericht einer Teilklage stattgegeben hat, das Revisiongericht aber den Grund verneint und deshalb alle Ansprüche abweist (abweichend BGH MDR B 682/54, wenn die Möglichkeit einer weiteren
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§559 Bib
Substantiierung durch den Kläger bestehe); auch ist ein Vorgriff gegenüber einem Grundurteil (§ 304) darüber zulässig (§ 536 B II c 2), daß das Revisiongericht einem Teil der Klage ziffernmäßig stattgibt und bzw. oder wegen des andeien die Klage abweist (RG N § 559/15). RG J W 28/2705 hat eine wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zu unrecht abgewiesene Klage auf die Revision nach dem festgestellten Sachverhalt als unbegründet abgewiesen; ebenso hat RG DR 40 A 161 auf ein die Klage aus § 256 als unzulässig abweisendes Berufungurteil die Klage sachlich abgewiesen. Über die Frage der Haupt- und Hilfsbegründung vgl. § 561 C II b 3. c) Schließlich wird auch über die Kosten von gerichts wegen erkannt (§ 308 II und RG Warn. 16/181, § 308 E). B II. Soweit der Anspruch (§ 308 I, vgl. § 253 B II c) des Revisionklägers unberührt bleibt, wird er durch eine ihn verschlechternde (reine) Begründung nicht berührt (vgl. auch § 536 C II). a) Dies gilt nach § 559 1 2 hinsichtlich der Anwendung des aoBerprozessualen Rechts als Ausfluß des Grundsatzes iura novit curia (§§ 253 G IV a 1; 561 C II). a 1. Zu dem außerprozessualen Recht gehören auch die es betreffenden Beweislastnormen (BGH MDR B 500/55); a 2. dagegen nicht die Würdigung des Parteivorbringens (RG J W 06/432). b) Bei verfahrensrechtlichen Verstoßen ist dagegen grundsätzlich die Rüge erforderlich, wenn das Revisiongericht auf sie eingehen soll; b 1. ausgenommen bei Normen verfahrensrechtlicher Art, die von gerichts wegen zu beachten sind, also etwa die Unterbrechung des Verfahrens (RGZ 64/361), die Fälle, wo die Verletzung des § 5511 7 von gerichts wegen zu beachten ist (§ 551 B VII), ferner die Mängel, welche den Inhalt der Entscheidung betreffen (§ 554 C I I I g 2), oder wenn es um die Rechtskraftwirkung (§ 322 B; RGZ 110/51), im besonderen um die Auslegung des Urteils eines Vorprozesses (RGZ 7/351) und um die Wirkung nach §68 geht (RG J W 12/469); dazu gehört auch die Auslegung eines Schiedsspruches wegen des § 1040 (RGZ 110/50) wie die von Zuschlagbeschlüssen in der Zwangsversteigerung (RGZ 67/380) und ferner, wenn der Tenor in sieh widerspruchvoll und aus den Gründen nicht zu klären ist (BGHZ 5/244), wie die Prüfung des Einwandes der Rechtshängigkeit (§ 274 D IV, RGZ 160/348). b 2. Noch milder wirkt, wenn nach RVO § 901 II auszusetzen und dies nicht geschehen ist, die Aussetzung durch das Revisiongericht (RG N § 559/36), während RG LZ 26/332 an das Berufunggericht zurückverwies, das die Aussetzung nicht beachtet hatte. b 3 . Von den (neu zu erhebenden; die erhobenen betreffen den Inhalt des Urteils, vgl. § 554 C III g 4) Rügen über Prozeßbedingungen werden die echten prozeßhindernden Einreden des § 274 II 3, 5, 6 betroffen. Doch prüfte RG J W 35/1088 von gerichts wegen die unrichtige Beurteilung der Gültigkeit des einem Schiedsspruch zugrunde liegenden Schiedsvertrages. Ferner werden betroffen die Prozeßbedingungen, auf deren Befolgung die Revisioninstanz nicht mehr zu achten hat, wenn ihre Nichtbeachtung nicht gerügt war (vgl. §§ 274 II 1, 528, 566); waren indes die Rügen übergangen, so gehören sie zum Inhalt des Urteils und ihre Übergehung braucht nicht nochmals formell gerügt zu werden (RG J W 10/28; a. M. BGH v. 20.12.1954 IV ZR 194 + 198/54). Verfahrensrechtlich eiforderlich ist die Rüge, daß notwendige Streitgenossen nicht zum Verfahren hinzugezogen wurden (RGZ 71/370); wird indes der Mangel von gerichts wegen bemerkt, so muß der notwendige Streitgenosse noch im Revisionverfahren hinzugezogen werden (RG JW 14/48). b 4. Die h. M. berücksichtigt die verfahrensrechtlichen Rügen nicht (voll), soweit sie sich auf irrevisibles Landesrecht beziehen (§ 549 H I d). c) Mischfälle ergeben sich, wenn zweifelhaft ist, auf welches Rechtsgebiet übergegriffen wird. RGZ 107/140 hat unter dem Gesichtswinkel des materiellen Rechts eine erhebliche Veränderung des Währungwertes von sich aus berücksichtigt. Bei Verstößen gegen Erfahrungsätze wurde Verletzung des außerprozessualen Rechts (§ 550 A II e), bei denen gegen die Regeln des Anscheinbeweises die von prozessualem Recht angenommen (RG JW 37/2228).
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§559
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B III. Eine andere Frage ist es, ob eine nach außerprozessaalem Recht noch abzugebende Erklärung des Staats oder der Parteien noch nachgebracht werden darf, vgl. § 561 B, was bejaht wurde für Devisengenehmigungen (RGZ 150/334). C I. Soweit auf Formalien nicht von gerichts wegen zu achten ist, darf nur auf die spezifizierte Rüge der Verletzung des formellen Rechts (§ 554 I I I 2 b) nachgeprüft werden (§ 554 C I b); über die Nachbringungmöglichkeit der Rüge trotz § 554 VI vgl. § 554 D III c 2. Andere Tatsachen als die vom Berufunggericht festgestellten und das Gerügte dürfen nicht berücksichtigt werden (RGZ 131/113). C III. Der Rügeverlust nach §§ 554 VI, 559 1 1 trifft den Revision- bzw. Anschlußrevisionkläger, nicht den Rechtsmittelbeklagten (RG J W 06/395). D I. Neue Anträge in der Revisioninstanz sind durch §§ 559, 561 in beschränktem Umfange zulässig, stets wegen des Suspensiveffekts (§ 511A I a 1) im Rahmen der Beschwer (§ 554 D II a), a) auch die Modifizierungen (§ 268 C III a), etwa dadurch, daß der Kläger Leistung auf ein Sperrkonto erbittet oder wenn er von der Leistung an sich auf Leistung an andere wie umgekehrt bzw. von der Leistung auf Hinterlegung übergeht (BGH N J W 58/184; a. M. OGH MDR 49/679). Über den zulässigen Übergang von der Leistung- zur Feststellungklage vgl. BGHZ 18/22. Im Grunde fällt hierunter auch die Umwandlung der Klage im Konkurs (vgl. § 561 B III a 2), wie überhaupt die, wo ein neuer zuzulassender Tatbestand sie fordert (§ 561 A IV b). b) Die Parteiänderung (§ 264 E) ist in der Revisioninstanz zulässig im Aufnahmestreit (§§ 239folg.) nach Unterbrechung und Aussetzung, also soweit sie gesetzlich geboten ist (nicht sonst). Doch hat BGH LM-BGB §1595a/l auch den Eintritt des Staatsanwalts als Kläger in einen Ehelichkeitanfechtungprozeß zugelassen. D II. Die erweiternde Klageändernng in der Revisioninstanz ist a) grundsätzlich unzulässig (RGZ 160/212). b) Anders ist dies in den zugelassenen Fällen, b 1. und zwar einmal in den gesetzlich zugelassenen nach §§ 302 IV, 600 II, 717 II, III, 1042 c II. b 2. Durch die Rechtsprechung (RG MuW 32/539) ist es zugelassen worden, daß neue Anträge auf Bewilligung einer Aufbrauchfrist gestellt werden. Darüber, inwieweit in der Revisioninstanz neue Anträge auf Gewährung von Räumungfristen gestellt werden dürfen, vgl. § 714 B III b.
§ 560
(523)
I Ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil des Berufungsgerichts ist, insoweit es durch die Revisionsanträge nicht angefochten wird, auf den im Laufe der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag von dem Revisionsgericht für vorläufig vollstreckbar zu erklären. A I. Die Vorschrift entspricht dem § 534 für die Berufunginstanz. Ist auf das Rechtsmittel teilweise verzichtet und hat auch der Gegnei keine Revision bzw. keine selbständige Anschlußrevision eingelegt, so tritt schon teilweise die Rechtskraft ein, und es bleibt insoweit für § 560 kein Raum (RGZ 130/229). A l l e . Ist der Beklagte zum Teil verurteilt, zum Teil die Klage abgewiesen und legt der Kläger Revision ein, so muß er bezüglich des verurteilenden Erkenntnisses die Rechtskraft abwarten; § 560 ist insoweit anwendbar (RGZ 130/229). B. Der Antrag nach § 560 ist in der mündlichen Verhandlung zu stellen, die auch zur Hauptsache bestimmt worden sein muß (RG HRR 28/280). Vollstreckbar erklärt werden darf auch bei Ausbleiben des Revisionklägers (RGZ 65/285); doch kann der erschienene Revision-
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Revision
§560 B
kläger dem Antrag mit dem erweiterten Revisionantrag begegnen (RGZ 130/229). Umgekehrt ist der Antrag begründet, auch wenn die Revision eist in der mündlichen Verhandlung eingeschränkt wird. Entschieden wird durch Beschluß (vgl. § 534), der eine Kostenentscheidung enthält.
§ 561
(524)
I Der Beurteilung des Revisionsgcrichts unterliegt nur das Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die im § 554 Abs. 3 Nr. 2 erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden. II Hat das Berufungsgericht festgestellt, daß eine tetsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, daß in bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter ß«visionsangriff erhoben ist. A I. Tatsachen werden im Tatbestand (§ 314 11) wie in den Entscheidunggründen (§ 313 B I I I a 1) beurkundet, nur in den Entscheidunggründen, sofern das untere Gericht feststellt daß eine bestrittene Tatsachenbehauptung wahr oder unwahr (§ 561 II), daß sie bewiesen oder unbewiesen ist, a) und zwar im Endurteil oder in einer Vorentscheidung, welche nach § 548 nachprüfbar ist. b) Die Tatsachenfeststellung bezieht sich auf das von den Parteien und den Beweismitteln wissensmäßig Erklärte. A II. Bei den (von der Revisioninstanz) von gerichts wegen zu prüfenden Tatbeständen der unverzichtbaren Normen werden diese Tatsachen vom Revisiongericht ohne Bindung an die tatrichteriichen Feststellungen selbst festgestellt. Diese Normen decken sich aber nicht in vollem Umfang mit denen, denen die Tatsacheninstanz von gerichts wegen nachgehen darf oder soll (vgl. z. B. §§ 622, 640 I, 653, wie überall dort, wo Amtsbetrieb herrscht, § 128 B I l l d 2). a) Zu den vom Revisionsgericht von sich aus nachzuprüfenden Tatsachen gehören a 1. die Prozeßfortsetzungbedingungen (vgl. § 559 B l a ) . Soweit sie von neuen Behauptungen, Einwendungen, Einreden usw. abhängen (wie u. U. dem Wegfall der Beschwer durch Erfüllung, dem Abschluß eines außergerichtlichen Vergleichs), wird dies in der Revisioninstanz nicht berücksichtigt (vgl. §§323 11, 767 II), wenn sie streitig sind (RGZ 161/353). Bei der Prüfung der erreichten Erwachsenheitsumme (§ 546 A l a ) wird dagegen auf neue Behauptungen eingegangen (§ 511a B II b 1). Neue Tatsachen gibt es ferner bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und bei der dazu erforderlichen Glaubhaftmachung. a 2. Von gerichts wegen ist in der Revisioninstanz aber auch den Tatsachen nachzugehen, welche die Fortsetzung des Verfahrens hindern (vgl. §§ 239folg., RG J W 01/162) wie überhaupt den die Revision selbst betreffenden Tatsachen (RGZ 160/204). Über die Rechtsfolgen, welche in der Revisioninstanz zu ziehen sind, wenn sich solche Tatsachen in den Vorinstanzen ergeben haben, und ihre Nachprüfung von gerichts wegen in der Revisioninstanz vgl. § 559 B I I b 1. b) Ferner sind vom Revisiongericht die Tatsachen nachzuprüfen und festzustellen, welche Prozeßbedingungen betreffen, die noch in der Revisioninstanz fortwirken (BGH v. 19. 4.1956 MDR 603), soweit sie von gerichts wegen zu prüfen sind (RG N § 561/16 für die Prozeßfähigkeit), und zwar dann ohne Unterschied, ob hierzu eine Rüge erforderlich ist oder nicht. Ist eine Rüge erforderlich wie bei den echten prozeßhindernden Einreden (§ 274 II 3, 5, 6), so muß sie erhoben worden sein. b 1. Ergeben sich Tatsachen (für solche Prozeßbedingungen) erst in bezug auf das Revisionverfahren, so sind sie tatbestandsmäßig voll zu prüfen, etwa in den Fällen, wo sonst eine Nichtigkeitklage erhoben werden könnte (§579; RG Warn. 38/113); doch ist die Einwilligung des Berechtigten zu beachten, selbst wenn sie erst in der Revisioninstanz beigebracht wird, sofern von ihr die Zulässigkeit der Klage abhängt (RG N § 561/17). Beachtet
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§ 561 A II b 1
ZPO III. Buch
wird, wenn die Klage zurückgenommen wird (RG J W 24/965; anders bei „Verpflichtung" zur Rücknahme, vgl. § 561 B I a 1), wenn der Klageanspruch anerkannt (§ 307) oder auf ihn verzichtet wird (§306: RG J W 24/965); auch darf noch der Widerspruch nach EheG § 48 II fallen gelassen werden (RGZ 164/319f.). Über die Zuständigkeitbehauptungen in Revisionverfahren vgl. §§ 12 B I I I a 3, 549 B I I I c. b 2. Über die Einwirkungen der Prozeßbedingungen, die schon in den Vorinstanzen zu beachten waren, vgl. § 559 B II b 1. Für das Feststellunginteresse stellt es RG H R R 28/468 auf den Tatsachenverhandlungschluß ab (a. M. BGH NJW 57/303f., vgl. § 256 C I c). Für die Schiedsgerichtseinrede (§ 274 II 3) dagegen kommt es auf den Verhandlungschluß der Tatsacheninstanz an, wenn der Schiedsspruch erst nach dem Abschluß der Tatsacheninstanz niedergelegt wird (RG Seuff. 73/189), sofern auf diesen Fehler hin abgewiesen wurde (anders wenn der Fehler übersehen wurde, RGZ 159/97). Vgl. auch § 1041 D I c für den Umfang tatrichterlicher Feststellungen bei Aufhebungklagen. A III. Die prozessualen Willenserklärungen unterliegen der Nachprüfung der Revisioninstanz (RGZ 168/57). b) Die neuen außerprozessualen Willenserklärungen gehölen grundsätzlich zum Tatbestand, der von der Revisioninstanz nicht zu berücksichtigen ist (RG J W 98/192). Dazu gehören auch Zustimmungen zur Klage (Kommentar § 5 2 B I I I a 2 ) ; doch hat die Rechtsprechung diese Nachbringung in der Revisioninstanz zugelassen (§ 268 A IV b 1). AIV. Soweit neue Klagen oder Ansprüche vor dem Revisiongericht erhoben werden, muß auch die neue Tatsachenfeststellung zugelassen werden, a) bei den vor dem Revisiongericht erhobenen Wiederanfnahmeklagen sind deren Zulässigkeitsbedingungen von dem Revisiongericht zu klären (§ 590 III, RGZ 162/174f.). b) Soweit in der Revisioninstanz zu den gesetzlich zugelassenen neuen Ansprüchen (§ 554 D II b) Tatsachen vorgebiacht werden, sind diese auch vor dem Revisiongericht zugelassen (vgl. dazu § 717 D Illf.). Üblicherweise wird aber aufgehoben und zurückverwiesen, wenn die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen bestritten ist. B. Die in § 561 angeordnete Fixierung der Tatsachen in der Revisioninstanz wirkt sich dahin aus, daß die Verwertung der Tatsachen, die sich nach Verhandlungschluß (§§ 136 B II, 300 C II a 1) der Tatsacheninstanz (§ 523 A) ereignet haben, unzulässig ist (BHG VersR 57/753); wobei §§ 323 II, 767 I I dann aber zur Berücksichtigung solcher neuen Tatsachen die in ihnen genannten Klagen zugelassen haben. B I. Die Veränderung der durch § 561 betroffenen Tatsachen, an deren Feststellung das Revisiongericht gebunden ist, wird nicht beachtet, gleichviel aus welchem Grunde sich die Tatsachen verändert haben, also gleichviel ob dies auf willkürlichem Verhalten der Parteien beruht oder unabhängig davon eingetreten ist, sofern es um außerprozessuale (Willens-) Erklärungen geht (RG Warn. 30/145). a 1. Dahin gehören aber auch ins Tatsächliche gehende Handlangen, die keine Rechtsgeschäfte zu sein brauchen, wie die Verzeihung im Ehestreit (RG Wain. 27/120), der Untergang der Sache, das Unvermögen zur Leistung, die Unmöglichkeit der Erfüllung. b) Ob die Veränderung den Klagegrund (RGZ 100/98) oder neues Bestreiten (RG Warn. 12/262), die Erhebung neuer Einwendungen und Einreden (RG Warn. 17/201) betrifft, ist gleichgültig. B II a. Durch die Abgabe einer außerprozessualen Wissenerklärung (bei der Klage auf Auskunft, Rechenschaft u. dgl. m.) kann sich der Streit erledigen; wird indes die Erledigung nicht erklärt, so ist sie ohne Einfluß auf den Streit, wenn nicht dadurch die Beschwer dem Revisionkläger genommen wird (§ 511 B II c 9) und dies feststeht. b) Die Abgabe einer prozessualen Wissenerklärung bleibt grundsätzlich unberücksichtigt. b 1. Auch müssen Beweisergebnisse, die sich neu ergeben, etwa die auf Grund eines Beweissicherungverfahrens, in der Revisioninstanz völlig außer betracht bleiben (RG J W 12/802). Über die Möglichkeit. Restitutionrügen vorbringen zu dürfen, vgl. aber § 554 C I I I d 6.
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Revision
§561
BD
b 2. Wird aber eine Behauptung unstreitig, so ist dies im Regelverfahren zu beachten (BGH v. 17. 12. 1956 VII ZR 35/56 S. 7). Da Bestreiten nicht einer Wahrheitpflicht unterließt (§ 138 B III), fällt die Nachprüfung in der Revisioninstanz aus, ob eine Partei wahrheitwidrig bestreitet (im Ergebnis OGHZ 2/283). Zugeständnisse in der Revisionsinstanz sind zu beachten (§ 288; a. M. RG JW 99/92). Darüber, ob die bei dem Revisiongericht offenkundigen Tatsachen (§ 291 A I I I b 2) berücksichtigt werden dürfen, vgl. § 291 A I I I o 7. B i n . Ausnahmeweise werden a) behördlich-hoheitliche (nicht fiskalische) Erklärungen (vgl. § 550 B II e) in der Revisioninstanz beachtet (BGH DÖV 51/193). a 1. Dahin gehören die Erteilung (BGH NJW 52/302) bzw. die Vernichtung eines Patents (BGH J R 51/152). Über das Erlöschen dieser Rechte vgl. § 561 B III b. Weiter gehört hierher die Beibringung von behördlichen Genehmigungen, deren Vorliegen von gerichts wegen zu prüfen ist (RG J W 36/1537), a 2. der Eonkurs (RGZ 135/350). Nach KO § 146 ist der Klageantrag zu ändern und diese Tatsache neu einzuführen (vgl. § 240 G) ; im besonderen ist bei bestrittener Forderung auf ihre Feststellung zur Tabelle zu klagen (BGH ZZP 67/300); aber auch der Streit um ein Vorrecht (BGH NJW 54/31), der um ein Absonderung- (a. M. RG J W 32/168) bzw. um ein Aussonderungrecht darf dann in die Revisioninstanz gebracht werden. a 3. Gerichtliche Erklärungen sind dabei im Regelfall hoheitlich (RGZ 120/119). b) Die im voraus von der Vorinstanz festgestellten Ereignisse werden in der Revisioninstanz beachtet. Dahin gehört das Erlöschen des Patents (BGH J R 51/152), die inzwischen eingetretene Fälligkeit (BGH MDR B 273/54). Ist zur künftigen Leistung verurteilt worden, 60 darf auf gegenwärtige erkannt werden, wenn der festgestellte Zeitpunkt eingetreten ist (a. M. RGZ 57/46). c) Ist eine in der Revisioninstanz neu eintretende Gesetzesänderung zu beachten (§ 549 A II b), so brauchen die dafür in betracht kommenden neuen Tatsachen nicht gerügt zu werden (OGH NJW 49/502). C I b. Ist das Berufunggericht nach Auffassung des Angreifenden zu unrecht zu einer unter § 561 fallenden, sonst für das Revisiongericht bindenden Feststellung gekommen, so muß dies gerügt werden. Das Gesetz verweist dazu auf § 554 III 2 b, indem es an den Revisionkläger denkt (über das Nachbringen der Rüge nach Ablauf der Begründungfrist durch den Revisionkläger vgl. § 554 D I I I c 2; über die Rüge des Revisionbeklagten vgl. §554 F 11 b). Die Rüge geht dahin, daß eine Tatsache zu unrecht oder zu recht nicht festgestellt worden ist. b 1. Neu werden hier die die Rüge begründenden Tatsachen vorgebracht (RG Seuff. 47/245). b 2. Soweit die Rüge sich auf Aktenvorgänge erstreckt, wird ihre Begründetheit unmittelbar vom Revisiongericht nachgepiüft; soweit dagegen in ihr neue Tatsachen behauptet werden (§ 139, Kommentar § 554 C III e 3) muß die Möglichkeit ihrer Feststellung in der Revisioninstanz unterstellt werden (RG Warn. 09/167). Beweise werden insoweit vor dem Revisiongericht nicht erhoben. Soweit Restitutiongründe als Revisionrügen zugelassen werden (§ 554 C I I I d 6), prüft BGH NJW 51/923 nur die Geeignetheit des Vorbringens. b 3. Fällt dem Berufunggericht (nach der Überzeugung des Revisiongerichts) kein Verfahrenverstoß zur last, so können auch diese Behauptungen nicht beachtet werden (RG JW 08/277). Doch wäre es ungesetzmäßig, wenn das Revisiongericht eine Rüge aus § 286 nicht beachtet, weil es der Überzeugung ist, daß sie im Ergebnis (also etwa nach Beweiserhebung) erfolglos bleiben wird. C II. Dagegen prüft das Revisiongericht von sich aus (auch ohne Rüge) nach, ob das außerprozessuale Recht von der Vorinstanz richtig beurteilt worden ist, wie vom formellen Reoht das, was das Revisiongericht von sich aus zu prüfen hat. Vgl. § 559 B II. a) Neue rechtliche Ausführungen sind zulässig (iura novit curia, RG N § 561/25). b) Gegen diesen Grundsatz ist von den Revisiongerichten wiederholt verstoßen worden.
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§561 c n
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b 2. Bisweilen wird auch derart verstoßen, daß eine bloß „beiläufige" Feststellung der Vorinstanz nicht berücksichtigt wird. b 3. Andererseits genügt es auch, wenn das Berufunggericht Tatsachen nicht iür erheblich hält, sofern es sie etwa nur für Hilfserwägungen feststellt (RGZ 166/267). Stehen aber die Feststellungen für Haupt- und Hilfserwägung in unlöslichem Widerspruch, so kann keine gelten (a. M. BGH v. 29. 10. 1956 VII ZR 5/56 S. 8, das dann nur die Hilfserwägung nicht gelten läßt). C HI. Über Grenzfälle zwischen tatsächlichen und rechtlichen Rügen entscheidet das Revisiongericht (RG N § 561/33). a) Sie gibt es im besonderen bei der Auslegung der außerprozessualen Willenserklärungen, wo über § 286 bzw. über BGB §§ 133, 157 gerügt werden kann. Bei der Auslegung (nicht an die Öffentlichkeit gerichteter, sog.) individueller Willenserklärungen wird (auch auf Rüge) nur nachgeprüft, ob die Auslegung (denk-)möglich ist und keine gesetzlichen Auslegunggrundsätze verkannt sind (RGZ 104/219). D I. Soweit das Revisiongericht selbst Beweise erhebt, findet die Beweisaufnahme nach den Regeln des 2. Buches statt. a) Im selben Rahmen kann auch Beweissicherung beantragt werden, nur daß in diesen Ausnahmefällen die Ergebnisse der Beweissicherung schon in der Revisioninstanz verwertet werden. b) Über sonstige Beweissicherunganträge vgl. § 486 A II a. D II. Das Beweisergebnis wird nach § 286 gewürdigt. Doch muß der volle Beweis geführt werden (a. M. BGH v. 22. 2. 1956 V ZR 62/55). Angetretene erhebliche Beweise dürfen nicht übergangen werden. Über eine darüber hinausgehende Beweiswürdigung vgl. § 563 B II a 3.
§ 562
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I Die Entscheidung des Berufungsgerichts Uber das Bestehen und den Inhalt von Gesetzen auf deren Verletzung die Revision nach § 549 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend. A I. Während § 561 die Nachprüfung des Tatsächlichen (§ 561 A) begrenzt, tut dies § 562 für die nicht revisiblen Normen mit Rücksicht auf § 549. Das vom Berufunggericht festgestellte Bestehen und der Inhalt des irrevisiblen Rechts werden nicht nachgeprüft (RGZ 93/124). a) Zur Anwendung des irrevisiblen Rechts gehört auch seine Auslegung (Kommentar §549 G). Das Revisiongericht prüft nicht nach, ob das irrevisible Recht überhaupt Normen enthält, welche die Anwendung des revisiblen ausschließen (RG J W 01/252). b) Nach der hier vertretenen Auffassung ist Prozeßrecht immer revisibel (vgl. § 549 B I I I b). A II. Dagegen wird vom Revisiongericht nachgeprüft a) die Grenze zum revisiblen Recht (vgl. auch § 549 G I a). Dazu gehört die zeitliche und örtliche Herrschaft des irrevisiblen Rechts (RGZ 85/155), und, ob das revisible Recht die Entstehung irrevisibler Rechtsnormen zuläßt (RGZ 116/38) oder ob sie durch revisibles Recht gebrochen werden (RGZ 134/6f.). b) Im Verhältnis zum ausländischen Recht sind im besonderen die Normen des internationalen Privatrechts revisibel (§ 549 F II b 2). A III. Uber den Fall, wenn die Vorinstanz irrevisibles und revisibles Recht gehäuft angewandt hat, vgl. § 549 G I a 3. A IV. Wendet das Berufunggericht irrevisibles Recht nicht an, obwohl es anzuwenden ist, so darf das Revisiongericht darüber entscheiden (§ 549 G I a 2; § 565 IV).
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Revision
§ 563
(526)
I Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sieh als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen. A I. § 563 besagt, daß die Revision zurückzuweisen ist, wenn die Vorentscheidung im Ergebnis richtig ist, mag sie auch in der Begründung nicht zutreffen. § 563 ist also der Fall des Durcherkennens gegen den Revisionkläger. a) Das Revisiongericht entscheidet stets selbst (RGZ 76/345f.) über die Prozeßfortsetzungbedingungen (§ 274 A XI), über die eigenen (§ 554a A) wie die der Vorinstanzen (vgl. auch Kommentar § 559 B l a l ) ; b) Uber die der Vorinstanzen aber erst nach mündlicher Verhandlung (oder im schriftlichen Verfahren nach §§ 128 II, 331a, 251a) ohne echtes Säumnisverfahren. b 5. Bei der Eostenentscheidung ist es nur darauf abzustellen, ob die Revision im Endergebnis erfolgreich ist, nicht ob sie zur formalen Änderung der Entscheidung des Berufunggerichts führt. A II. Ist über fehlende Prozellbedingungen (§ 274 A I) zu entscheiden, so trifft es die Entscheidung selbst , soweit es von gerichts wegen zu erkennen hat, also wenn das Berufunggericht die Klage als unbegründet statt als unzulässig abgewiesen hatte (RGZ 82/128); nicht aber im umgekehrten Fall (RG J R 27 B 69, vgl. 565 B I, II), und zwar regelmäßig kontradiktorisch. a 2. Ist aber die Partei säumig, welche eine echte prozeßhindemde Einrede (§ 274 II 3, 5, 6) vorgebracht hatte, so ist diese als nicht aufrechterhalten anzusehen und gegen sie durch Versäumnisurteil zu erkennen; dies gilt auch für die Frage des Feststellunginteresses (§ 256 C I). a 4. Ferner ist ein Versäumnisverfahren zur Zurückweisung der Revision denkbar, wenn die Einredetatsachen, welche nicht von gerichts wegen zu prüfen sind, im Versäumnisverfahren nach dem Gesetz als unstreitig behandelt werden, also in den Aufnahmefällen (§§ 239 folg.). b) Dabei kann es sich ergeben, daß das Revisiongericht über eine andere Prozeßbedingung zu entscheiden hat (RGZ 23/173), wobei auch für die Revisioninstanz § 538 II nach § 566 gilt (a. M. BGHZ 27/15). b 5. Bei der Eostenentscheidung ist es stets darauf abzustellen, ob die Revision sachlich Erfolg hat, d. h. dem Revisionkläger im Endergebnis ein ihm günstiges Erkenntnis verschafft oder nicht. c) War ein ausgesetztes oder unterbrochenes Verfahren zu unrecht fortgesetzt, so hat das Revisiongericht den prozeßordnungmäßigen Zustand herzustellen, worüber das Revisiongericht selbst zu entscheiden hat. c 5. Wird nur ein laufendes Verfahren in seinen Unterbrechungzustand zurückgeführt, ohne daß ein dritter endgültig aus dem Streit verwiesen wird, so darf nicht über die Eosten entschieden werden, vielmehr muß die Entscheidung dem noch nicht beendeten Verfahren vorbehalten werden. d) War ein Verfahren auszusetzen, das nicht ausgesetzt worden ist, so hat im Ausnahmefall (etwa dem der RVO § 901) die Revisioninstanz auszusetzen (§ 559 B II b 2). B I. Das Schwergewicht des § 563 liegt bei den sachlichen Erkenntnissen. Entschieden wird darüber auf Grund mündlicher Verhandlung (bzw. im schriftlichen Verfahren nach §§ 128 II, 251a, 331a). Über die Versäumnisentscheidungen in diesem Falle vgl. § 566 D. B II a. Hat das Berufunggericht eine Verfahrensnorm verletzt (§ 554 I I I 2 b) und wird dadurch seine Entscheidung beeinflußt (§ 550 B I), so entfällt der betroffene Entscheidunggrund. a 1. § 563 ist dann nur in bezug auf andere bestehen gebliebene Entscheidunggründe anzuwenden. 80
W i e c z o r e k , 7,PO, Handausgabe
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a 2. Dies gilt bei absoluten Revisiongründen (§ 551), sofern sich der Mangel ausnahmsweise nur auf bestimmte Verfahrensabschnitte bezieht (a. M. Sydow-Busch § 563 Anm. 1). a 3. Regelmäßig wird bei erheblicher formeller Rüge allerdings aufzuheben und zurückzuverweisen sein (RGZ 170/137). Nicht zu billigen ist es, wenn das Berufunggericht auf Grund von kumulativ festgestellten (anders bei alternativ festgestellten) Indizien eine Feststellung zu seiner vollen Überzeugung trifft, dann die Entscheidung aufrechterhalten wird, wenn auch nur ein Indiz ausfällt (das geschieht indes häufig, vgl. z. B. OGHZ 4/105). Keinesfalls darf das Revisiongericht selbst Beweise würdigen (§ 286 D II c 2; a. M. BGH v. 12. 5. 1955 II ZR 77/54) oder 6onst in rein tatsächliche Abwägungen des Berufunggerichts eintreten (a. M. BGH YRS 4/168). Vgl. aber auch § 565 B I I I a. a 4. Gerügte Mängel darf das Revisiongericht selbst beseitigen, sofern dies im Revisionverfahren zulässig ist, etwa indem es ein unzulässiges Grundurteil nach § 304 durch ein zulässiges abschließendes Feststellungurteil ersetzt (RG LZ 25/42 m. N.) oder wenn es bei einem unzulässigen Teilurteil (in Ehesachen, aber auch sonst) eine Entscheidung über es mit der gegen das Schlußurteil eingelegten Revision verbindet und durcherkennt (BGH MDR 53/164). Auch fehlende Aufteilungen mehrerer teilweise geltend gemachten Ansprüche (§ 301 C I) werden noch in der Revisioninstanz nachgeholt (BGH v. 2. 6.1955 III ZR 215/54). Auch berichtigt das Revisiongericht nach § 319 offenbare Unrichtigkeiten von sich aus (RG J W 08/454); aber auch die sachliche Richtigstellung der Formel kommt in betracht (RGZ 101/110). b) Dagegen ist über Vorwegnahmen nur unter dem Gesichtswinkel des zulässigen Vorgriffs (§ 559 B) zu erkennen. b 1. Dann darf aber die Revision nicht bloß zurückgewiesen werden, sondern es muß über mehr entschieden werden. b 2. Hatte die Vorinstanz nur über Prozeßfortsetzung- (RG J W 38/966) oder ProzeSbedingungen (RGZ 164/234) entschieden, so darf nicht sachlich durcherkannt werden, wenn die erforderlichen sachlichen Feststellungen fehlen (BGH NJW 54/150), also wenn sie nicht auch nur hilfsweise von dem Berufunggericht getroffen worden sind (§§ 559 B I b; 565 B l i l a ) . Durcherkannt werden darf nur (und muß dann auch) bei vollständigen Feststellungen des Sachverhalts, etwa wenn ein Feststellungbegehren zu unrecht als unzulässig zurückgewiesen wurde (BGH NJW 54/1159). B III. Der Regelfall des § 568 trifft das Durcherkennen im außerprozessualen Recht. a) Dies kann ausnahmeweise auch tatsächlich liegen, etwa wenn das Berufunggerieht eine Forderung als fällig behandelt, die es z. Z. seiner Entscheidung noch nicht war, sofern nach dem übrigen festgestellten Sachverhalt sie z. Z. des Revisionutteils fällig geworden ist (§ 561 B III b). Auch darf das Revisiongericht, wenn es den vom Berufunggericht als entscheidend betrachteten Grund nicht für stichhaltig hält, der Hilfsbegründung des Berufunggerichts zustimmen (§ 561 C II b 3). b) Durcherkannt darf (nicht muß, vgl. § 565 IV) auch werden, wenn das Berufungsgericht zu unrecht revisibles Recht (§ 549 B, C, D) angewandt hatte, richtigerweise aber ¡•revisibles anzuwenden ist, und dieses zur selben Entscheidung führt (RGZ 24/383 [391]). Gehen die Feststellungen des Berufunggerichts dahin, daß es gleichgültig ist, ob nach inländischem oder nach dem in betracht kommenden ausländischen Recht zu entscheiden ist, so darf auch das Revisiongericht in einem solchen Falle dahingestellt sein lassen, welches dieser Rechte anzuwenden ist (BGH MDR B 770/52). d) Soweit das Revisiongericht auf die Prüfung bestimmter Klagegründe nach § 547 I 2 beschränkt ist, folgt aus § 563, daß es ein Urteil, das aus diesem Grund einer Klage stattgibt, erst aufheben kann, wenn auch keine sonstigen Klagegründe (die es sonst nicht zu prüfen hat) bestehen, welche die Entscheidung rechtfertigen (RG HRR 36/631). Stehen solche Klagegründe auf Grund der tatrichterlichen Feststellung fest, so wird nach § 563 durcherkannt (BGH JZ 53/766). B IV. Die Kostenentscheidung ist aus § 97 zu entnehmen. C II. Über Verweisungen und Abgeben vgl. § 276 A I I I b, c; IV; GVG § 17 III, IV.
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Revision
§ 564
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I Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. II Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird. A. § 564 verlangt, daß, wenn die Revision begründet ist, das Urteil aufzuheben ist. Darüber, inwieweit auf das schwebende Verfahren, auch das der eisten Instanz, vorgegriffen werden darf, vgl. § 559 B. B I. Ein unterbrochenes oder ausgesetztes Verfahren ist, wenn es nicht wirksam aufgenommen worden ist, nur auf den Unterbrechung- bzw. den Aussetzungstand zurückzuführen. B II. Bei sonstigen Verfahrensmängeln, a) die nur einen Teil betreffen, ist nur dieser Teil des Verfahrens aufzuheben. b) Wird ohne Einschränkung wegen eines Verfahrensmangels aufgehoben, so ist stets das gesamte Verfahren betroffen; denn es ist durchaus zulässig, daß bei Verfahrensverstößen das gesamte Berufungurteil aufgehoben wird, und sogar dann, wenn sich der Revisionantrag nur auf den dem Revisionkläger ungünstigen Teil beschränkt (RG J W 16/498). Das Verfahren der ersten Instanz wird auch hier nur dann betroffen, wenn der Mangel auf es übergreift (vgl. dazu die Fälle der §§ 538, 539 einerseits, § 565 I I I andererseits). Davon kann indes nicht mehr (vgl. § 540) die Rede sein, wenn kein ordnungmäßiges Urteil der ersten Instanz vorliegt. B m . Ist das Berufungurteil sachlich unrichtig, so braucht auf die Verfahrenangriffe, die den sachlich unrichtigen Teil betreffen, nicht eingegangen zu weiden (RGZ 159/162); kommt es dagegen auch darauf an, ob die Entscheidung über verfahrenrechtliche Rügen für das weitere Verfahren erheblich sein könnte, so muß zugleich das Verlahren aufgehoben werden. C I. War der Hauptantrag aberkannt, der Hilfsantrag zuerkannt, so ist der Kläger beschwert und muß, wenn er es dabei nicht bewenden lassen will, Revision einlegen bzw. sich der Revision des Beklagten anschließen. Hat der Beklagte keine Revision eingelegt bzw. sich der Kläger nicht angeschlossen, so wird nur noch auf die Revision des Beklagten über den Hilfsantrag erkannt. C II. War der Hauptantrag zuerkannt, so durfte über den Hilfsantrag nicht erkannt werden; auf die Revision des Beklagten ist indes, wenn der Hauptantrag abzuweisen ist, noch über den Hilfsantrag (ohne Revision des Klägers bzw. ohne seine Anschließung) zu erkennen. C III. Waren Haupt- und Hilfsantrag aberkannt, so ist, falls wegen des Hauptantrags aufzuheben und zurückzuverweisen ist (§ 565 1 1), auch wegen des Hilfsantrags so zu erkennen, ohne daß dieser näher zu prüfen ist (RG N § 565/50). Im Fall, wo die Revision wegen des Hauptantrags unbegründet, aber wegen des Hilfsantrags begründet war, hat BGH NJW 56/1154 die Revision wegen des Hauptantrags zurückgewiesen, aber die Entscheidung des Berufunggerichts wegen des Hilfsantrags aufgehoben und zurückverwiesen. C IV. Die entsprechende Relation ergibt sich bei Haupt- und Hilfsklagegründen; soweit hier überhaupt Rechtsbehelfe erforderlich sind, vgl. §§ 559 B II, 304 E l b .
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(528)
I Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Senat des Berufungsgerichts erfolgen. II Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. 80»
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III Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden: 1. -wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist; 2. wenn die Aufhebung des Urteils wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs erfolgt. IV Kommt in den Fällen der Nr. 1 und 2 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 549 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. A. Dem Revisiongericht steht grundsätzlich die Ermittlung der Tatsachen (§ 138 B II) nicht zu (§ 561 B). Muß es deshalb ein Berufungurteil aufheben (§ 564), so muß es insoweit auch zurückverweisen, wie die Entscheidung von noch festzustellenden Tatsachen abhängt (vgl. aber § 563 A). Dies ist der Regelfall des § 665 1 1. Sind dagegen die Tatsachen vom Berufunggericht bereits festgestellt, so muß das Revisiongericht selbst entscheiden (§ 565 III); davon ist nur ausgenommen der Fall, daß irrevisibles Recht anzuwenden ist (§ 549 E II, F IIa); dann läßt § 565 IV dem Revisiongericht die Wahl. A II. § 565 II regelt dagegen, wie nach Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufunggericht weiter zu verfahren ist. a) Er gilt im Beschwerdeverfahren entsprechend (RGZ 53/318) b) und auch, wenn das Berufunggericht aufhebt und an die erste Instanz nach §§ 538, 539 zurückverweist (BGH NJW 58/59). c) Die Revisionsenate sind an die Entscheidung der großen Senate, die nach GVG §§ 136 folg. entscheiden, entsprechend § 565 II gebunden. B I. § 565 III normiert das Durcherkennen gegen den Revisionbeklagten (über das gegen den Revisionkläger vgl. § 563). Darüber, daß das Revisiongericht von sich aus die Prozeßfortsetzungbedingungen festzustellen hat, vgl. § 554a A. B II. Über die eigene Prüfung des Revisiongerichts bzgl. der Prozeßbedingungen vgl. §§ 563 A II, 559 B I a 2, über Verweisungen § 276 A III, IV. b) Erklären sich in Bayern die ordentlichen und die sonstigen Gerichte rechtskräftig für unzuständig, so darf der Bay. Kompetenzkonfliktgerichtshof nach BayG v. 18. 8.1879 (GV Bl. 1878/991) Art. 22 angerufen werden, der über die Zuständigkeit entscheidet. Vgl. im übrigen über die Verweisungmöglichkeit GVG § 17 III, IV. B III. Der bedeutendste Fall ist indes der, wenn sachlich gegen den Revisionbeklagten durcherkannt wird. Dies setzt voraus, daß der Sachverhalt entscheidungsreif (§ 300 C) festgestellt ist, auf Grund dessen durcherkannt werden soll (u. U. durch Hilfsbegründung, vgl. § 561 C II b 3), so daß keine weitere Tatsachenfeststellung mehr erforderlich ist (auf die reine Möglichkeit dieser darf es nicht abgestellt werden, RGZ 134/66). a) Das Revisiongericht zieht dabei nur die rechtlichen Schlüsse aus den Feststellungen des Berufunggerichts an dessen Stelle. Vgl. auch § 563 B II a 3. a 1. Doch können verfahrensrechtliche Rügen, welche das Revisiongericht von sich aus klären kann, dazu führen, von einem anderen von ihm festzustellenden Sachverhalt auszugehen und daraus die erforderlichen Schlüsse zu ziehen, etwa wenn ein Geständnis (§§ 288, 532) übergangen worden ist oder ein Bestreiten. Dies muß aber auch gelten, wenn in der Revisioninstanz etwas zugestanden oder unstreitig wird (§ 561 B II b 2, RG J W 11/192). a 2. Besteht indes hier etwa die Möglichkeit, nach § 448 vorzugehen, so darf nicht durcherkannt werden; ebenso nicht, wenn der Revisionbeklagte gegen die Feststellungen des Berufunggerichts prozessual begründete Rügen erhoben hatte (vgl. § 554 F I I b 2). b 1. Dabei darf über verfahrensrechtliche Verstöße nur im selben Umfange hinweggegangen werden bzw. solchen Rügen nur stattgegeben werden, wie sie auch im Falle des § 563 ein Durcherkennen rechtfertigen (§ 563 B II).
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B
in
b 2. Kommt nicht-revisibles Recht zum zuge, so darf das Revisiongericht nach seiner Wahl entweder selbst entscheiden und dann doch über irrevisible8 Recht erkennen (RG J W 32/240) oder aber es darf aufheben und deshalb an das Berufunggericht zurückverweisen (RGZ 102/250). Im letzten Falle darf es aber dem Berufunggericht bezüglich des irrevisiblen Rechts nichts vorschreiben (anders nach § 565 II). B IV b 1. Auf vor der Revisionentscheidung liegende, anders zu beurteilende Prozeßfortsetzungbedingungen darf in dem folgenden Verfahren selbst dann nicht mehr eingegangen werden, wenn sie versehentlich nicht geprüft worden waren; denn sie waren zu prüfen. Möglicherweise gibt es dann aber die Wiederaufnahmeklage nach § 580 I 7 a. b 2. Dagegen wird man so weit bei den ProzeBbedingungen trotz § 538 II nicht gehen dürfen; vielmehr gelten sie nur als geprüft, soweit sich das Urteil mit ihnen auseinanderzusetzen hatte und dies auch tatsächlich getan hat. b 3. Hatte ein OLG aufgehoben und an die erste Instanz zurückverwiesen, ohne daß die Voraussetzungen der §§ 538, 539 vorlagen, so wird regelmäßig das Urteil des OLG nur aufgehoben werden; dann muß das OLG nunmehr selbst entscheiden; insoweit gilt § 565 II (das Revisiongericht darf allerdings niemals eine Entscheidung des Berufunggerichts mit der Begründung aufheben, es hätte wegen eines solchen Fehlers aufgehoben und zurückverwiesen werden sollen, weil dem § 540 entgegensteht). Andererseits darf auch das Revisiongericht entsprechend § 540 verfahren und den gesamten Streit dem Berufunggericht zur Entscheidung zuweisen (Kommentar § 540 A II; BGH NJW 55/546). c) Über die Kostenentscheidung vgl. § 565 C IV a. Sie wird von gerichts wegen getroffen (§ 308 II), u. U. im Vorgriff auf ein (nicht angegriffenes) Schlußurteil der Tatsacheninstanz (§ 559 B I b). Entscheidet das Revisiongericht endgültig, so gilt § 91; wird dagegen erstmalig in der Revisioninstanz ein Grundurteil erlassen oder wird nur die Entscheidung des Berufunggeriehts nach §§ 538, 539 aufgehoben oder sonst eine Entscheidung getroffen, die noch kein endgültiges Prozeßergebnis hat, so wird die Kostenentscheidung der unteren Instanz, die den Streit zu Ende zu führen hat, überlassen (vgl. § 97 A II b 2). C I. Soweit das Revisiongericht zur Feststellung von Tatsachen aufheben (vgl. § 564 A) und den Streit an das Berufunggericht zurückverweisen muß (RGZ 170/137), beseitigt die Aufhebung das Berufungurteil und macht den Weg zur neuen Entscheidung durch das Berufunggericht (im Ausnahmefall durch die erste Instanz, vgl. § 565 C IV c) frei. a) Ist das dem Berufungurteil zugrunde liegende Verfahren (ganz oder teilweise) aufgehoben worden, so fallen durch es eingetretene Bindungen für das Berufunggericht. Das Verfahren der ersten Instanz wird indes regelmäßig nicht aufgehoben; es sei denn, daß auch es von demselben Verfahrensmangel schon betroffen ist oder in die erste Instanz zurückverwiesen werden muß (vgl. § 565 C IV c 1). b) Bleibt dagegen das frühere Verfahren bestehen, so bleibt es auch grundsätzlich bei der durch das frühere Verfahren eingetretenen Prozeßlage. b 1. Im besonderen bleiben die nicht aufgehobenen Zwischenurteile bestehen (RGZ 35/407), aber auch die erhobenen Beweise. Doch sind selbst nach §§ 279, 283 II, 529 zurückgewiesene Behauptungen, Angriffs- und Verteidigungmittel sowie Beweisantritte regelmäßig zu beachten (RG JW 26/1567; a. M. RG N § 565/56), da eine neue Tatsachenfeststellung erforderlich wird. Auch der Tatbestand des früheren Urteils bleibt grundsätzlich mit der Beweiswirkung des § 314 bestehen (RG Warn. 36/46), im besonderen bleiben die Geständnisse (§§ 288, 532); hinzu kommen aber hier die neuen Geständnisse in der Revisioninstanz usw. (vgl. § 565 C I a). b 2. Nicht bestehen bleiben die Beurkundungen nach § 161; bleibt das Gericht allerdings in derselben Besetzung, so ist es gesetzlich nicht ausgeschlossen, daß im nächsten Tatbestand dasselbe beurkundet wird (BGH Z 3/321), was allerdings die Erinnerungfähigkeit der Richter voraussetzt, die nach so langer Zeit tatsächlich nicht mehr als vorhanden anzusehen ist (vgl. § 161 A, B I).
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C II. Durch jede Zurückverweisung wird die Tatsacheninstanz wieder eröffnet (RGZ 158/195f.). a) Daraus folgt, daß grundsätzlich neues Vorbringen zulässig ist. a 1. Im besonderen dürfen neue Anträge gestellt (E6Z 144/236) bzw. zugelassen werden (RGZ 122/212); und zwar auch dann, wenn damit auf einen bisher nicht angegriffenen Teil des erstinstanzlichen Urteils zurückgegriffen wird (§ 511 A I a 1). Dementsprechend darf auch Anschlußberufung neu eingelegt werden. a 2. Ferner dings nur unter stritten werden, wenn auch hier § 272b A 1).
dürfen Behauptungen und Geständnisse widerrufen werden (letztere allerden Voraussetzungen de9 § 290), unbestritten gewesene Behauptungen beneue Angriffs- und Verteidigungmittel vorgebracht werden (RGZ 129/225), die Möglichkeit der Zurückweisung nach § 529 II, I I I besteht (vgl. aber
b) Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, ob die tatsächliche Grundlage, welche der Entscheidung des Revisiongerichts zugrunde lag (§ 561 B), verändert wird. b 1. Vielmehr hat das Berufunggericht den sich auf Grund der neuen Verhandlung ergebenden Sachverhalt in eigener Verantwortung festzustellen (RG Warn. 41/2). Eine solche anderweite Feststellung kann sich auch daraus ergeben, daß das Berufunggericht dieselben Tatsachen und dieselben Beweise im Verhältnis zum ersten Berufungverfahren anders würdigt (RG J W 37/2467). Das Berufunggericht darf trotz Aufhebung seiner Feststellungen wieder (nunmehr unter Vermeidung des Mangels) zu demselben tatsächlichen Ergebnis kommen (RG N § 565/7). b 2. Nur soweit das Revisiongericht Tatsachen festzustellen hatte und bzw. oder festgestellt hat (§ 563 A), ist das Berufunggericht auch an die Tatsachenfeststellung des Revisiongeriohts gebunden (RGZ 109/13). Das Berufunggericht darf deshalb im besonderen nicht eine Revision als unzulässig verwerfen, etwa weil zu unrecht die Wiedereinsetzung gewährt worden sei. Auch darf das Berufunggericht nicht Prozeßerklärungen der Vergangenheit anders auslegen als das Revisiongericht (RGZ 136/206). Dies gilt aber auch für die Beurteilung eines neuen in der Revisioninstanz unstreitig gewordenen Sachverhalts durch das Revisiongericht (BGH NJW 57/543). c) Das neue Berufungurteil darf auf das alte bezug nehmen, selbst soweit das alte aufgehoben worden ist, muß aber den neu entstandenen Streitstoff, die vom Revisiongerioht vermißten anderen Feststellungen und die neue rechtliche Stellungnahme zu den Feststellungen insoweit, wie es aufgehoben war, enthalten (RG N § 565/22), wenn eB jetzt mangelfrei sein soll. C III. Darüber hinaus ist indes die Tatsacheninstanz an die Bechtsanffassnng des Revisiongerichts gebunden (vgl. auch § 565 B IV b), soweit es diese in Beurteilung des Falles ausgesprochen hat (§§ 565 II, 318). a) Die bindende Wirkung des § 565 II ist nach der Wirkung des § 318 auszurichten (a. M. RG N § 565/68). Man kann hier von einer begrenzten Rechtskraftwirkung reden, wenn diese auch nicht hindert, daß im Endergebnis zuungunsten des Revisionklägers entschieden werden darf (RG Warn. 31/171). b) Die Bindung gilt für alle Rechtsfragen (§ 550 A II a 2), auch dann, wenn das Revisiongericht in späteren Entscheidungen von der in dem vorliegenden Rechtstreit vertretenen Meinung abgewichen ist (BGH LM-BGB § 675/3). Dies muß auch dann gelten, wenn inzwischen in anderer Sache der große Senat abweichend entschieden hatte (vgl. aber § 565 A II c). b 1. Die Bindung erstreckt sich deshalb auf alle Rechtsgesetze, auf revisibles wie auf irrevisibles Recht (vgl. § 565 IV); hatte das Revisiongericht versehentlich die Anwendung irrevisiblen Rechts übersehen, so bleibt es auch dabei (RGZ 76/191). b 2. Das entsprechende gilt für die festgestellten Erfahrungsätze und die Auslegung der an die Öffentlichkeit gerichteten Erklärungen, die dem Revisiongericht zusteht (§ 550 B I I ; BGH NJW 52/1252).
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b 8. Gebunden ist das Berufunggericht auch in bezug auf die Subsumtion unter den festgestellten Sachverhalt (RG J W 18/562). Ändert sich die tatsächliche Feststellung nicht, so darf nicht von dem Revisionurteil abgewichen werden (BGH NJW 57/543). b 4. Wird nur das Verfahren aufgehoben, so ist nur insoweit das Berufunggericht gebunden (RG HRR 33/1539). b 5. Ob das Revisionsgericht aufhebt (§ 565 II) oder die Ansioht des Berufunggerichts billigt (vgl. § 318), ist dabei gleich. Die abweichende Rechtsprechung, die es dem Berufunggericht (und dem Revisiongerioht) gestattet, von einer übereinstimmenden Auffassung beider Gerichte im neuen Verfahren abzuweichen, verstößt gegen das Gebot der Gerechtigkeit (vgl. GG Art. 3 I); denn durch solche Zufälle darf nicht die Rechtsicherheit und das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttert werden, das nur in ihrer gleichbleibenden Ausübung ruhen kann (a. M. BGHZ 3/326). e) Das Berufunggericht ist dagegen nieht gebunden, c 1. wenn der Sachverhalt auf Grund neuer Gesetze zu beurteilen ist (RGZ 45/95). c 2. Das entsprechende gilt bei erheblichen, neuen Tatsachenfeststellungen (vgl. § 565 C II). Ist eine veränderte tatsächliche Grundlage festzustellen, so sind die Rechtsfolgen aus ihr neu zu ziehen (RGZ 142/42f.). c 3. Bedenklich ist es, wenn die das Revisionurteil nicht tragende Äufierung nicht als bindend angesehen wurde (RG J W 00/895). RG JW 27/845 hat das Berufunggericht auch an die Richtlinien, die ihm das Revisiongericht gab, als gebunden angesehen. c 4. Die Bindung entfällt für alle neu gestellten Anträge, wobei bloße Klagebeschränkungen und die Modifikationen wie der Übergang nach § 265 außer betracht zu bleiben haben (RG J W 12/875). Neu gestellt sind danach auch Anträge, welche die ursprüngliche Klage nur erweitern (RG J W 37/2229). d) Soweit die Bindung der Tatsacheninstanz reicht, wird auch in der Rechtsprechung die des Revisiongerichts angenommen (RGZ 149/163). Und hier wird auch von gerichts wegen die Beachtung des § 565 II nachgeprüft, was wieder nur Ausfluß einer bedingten Rechtskraftwirkung ist (RG J W 34/1783). d 3. Soweit indes das Berufungsgericht neu entscheiden muß (§ 565 C I I I c), kann auch das Revisiongericht nioht gebunden sein (RG JW 29/509). d 4. Der Verstoß gegen die Norm gibt einen Wiederaufnahmegrund nach § 580 I 7 a in entsprechender Anwendung ab. Die Verfassungbeschwerde wegen einer solchen (behaupteten) Verletzung hat BVG NJW 54/1153 zurückgewiesen. C IV a. Die Entscheidung über die Kosten der Revisioninstanz wird, wenn aufgehoben und zurückverwiesen wird (abgesehen von dem Falle des § 97 III), der Tatsacheninstanz vorbehalten (vgl. § 97 A II b 2). Die untere Instanz legt dann auch die Kosten der Revisioninstanz dem nach §91 Unterliegenden bzw. dem, dessen Berufung zurückgewiesen wird, auf (RGZ 13/413). b) Das Urteil wird nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt, vielmehr hebt es die Vollstreckbarkeit der Vorentscheidung auf (§ 717 I). e) Nach Zurückverweisung ist die Instanz zur Fortführung des Verfahrens berufen, deren Urteil aufgehoben ist, sofern nicht das Revisiongericht nach § 566 a V die höhere dazu bestimmt. Die Zurückverweisung in die erste Instanz wird im Gesetz nicht erwähnt, doch geht § 566 a V von ihr aus. Auch hat das Revisiongericht bisweilen davon Gebrauch gemaoht (BGH NJW 52/182). c 1. Geboten ist sie nur dort, wo auch das Urteil der ersten Instanz mit dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben werden muß, weil das Verfahren schon in ihr unterbrochen oder ausgesetzt und nicht wirksam wieder aufgenommen war. Zulässig erscheint sie in Verfahren, wo erstmals die Revisioninstanz das Grundurteil erläßt (RGZ 50/224).
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c 2. Im übrigen erscheint die Verweisung in die erste Instanz nur noch im Fall des § 566 a zulässig; denn der Fall des § 538, der früher, wenn er vom Berufunggericht übergangen wurde, dazu zwang, ist durch § 540 ausgeschlossen worden. d) Verweist das Revisiongericht an das Berufunggericht zurück, so darf es diea auch „an einen anderen Senat des Berufungsgerichts" tun (§ 565 I 2). d 1. Wird die Bestimmung nicht getroffen, so entscheidet die Geschäftsverteilung des Berufunggerichts (RG J W 24/965). d 2. Die Verweisung an einen anderen Senat steht im Ermessen des Revisiongerichts, d 8. An einen anderen Senat darf indes nur verwiesen werden, wenn ein solcher ziviler Spruchsenat vorhanden ist. Die Zurückverweisung an ein anderes Gericht ist unzulässig, wie die an einen Strafsenat oder an einen Beschwerdesenat desselben Gerichts (RG J W 38/1915). Auch kann nicht wirksam ausgesprochen werden, daß der andere Senat eine andere Besetzung haben müsse, als der, welcher entschieden hatte (RG N § 565/19). Auch darf nicht bei einer erstmaligen Verweisung an das Berufunggericht nach einer Sprungrevision an einen anderen als den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat verwiesen werden. d 4. Das Revisiongericht verweist an einen von ihm bestimmten anderen Senat desselben Berufunggerichts, der dann ohne Rücksicht auf die Geschäftsverteilung zuständig ist (RGZ 89/257); aber in seiner Besetzung der Geschäftsverteilung und ihrer wechselnden Ordnung unterliegt (RGZ 53/4). Ausgewählt wird von vornherein mit Rücksicht auf die Geschäftsverteilung; war sie z. Z. der Auswahl geändert, so ist die Berichtigung nach § 319 zugelassen worden (vgl. § 319 B I I I e; RG JW 18/222). d 5. Der angewiesene Senat bleibt zuständig, auch wenn später die Geschäftsverteilung geändert wird (RG Warn. 37/12). Die Zuweisung ergreift, wenn ein Teilurteil erlassen war, auch den nicht in die Revisioninstanz gediehenen Teil, der bei dem Berufunggericht (schon) anhängig war, so daß der vom Revisiongericht angewiesene Senat den gesamten Streit zu entscheiden hat (RGZ 152/262). Dies gilt nach BGH MDR B 104/55 auch, wenn nur gegen einen mehrerer Streitgenossen Teilurteil ergangen war, in bezug auf den anderen. d 6. Die Änderungen innerhalb angewiesener Senate werden trotz der Zuweisung nicht beachtet. Die früheren Richter als solche sind nicht ausgeschlossen (RGZ 53/4). Wird der Senat (als Spruchsenat) aufgehoben (RG J W 17/45), so entscheidet wieder der nach der Geschäftsverteilung zuständige; bei der Zusammenlegung mehrerer Senate der zusammengelegte Senat (RG N § 565/36). Bei Teilung eines Senats nach Sachgebieten oder nach Buchstaben und Zusammenziehung mit einem anderen kommt es auf den wesentlichen Teil an (RG N § 565/83). d 7. Die Zuweisung an den bestimmten Senat bezieht sich nur auf die folgende Endentscheidung (RG H R R 31/1484; a. M. BGH v. 7. 11. 1957 II ZR 141/57 S. 4). d 8. Das Revisiongericht beachtet die Entscheidung durch einen anderen Senat von gerichts wegen (BGH v. 7. 11. 1957 II ZR 141/57 S. 4). Da indes nach der h. M. der mitwirkende Richter gerade nicht ausgeschlossen wird, also durch Verstoß gegen die Vorschrift kein Nichtigkeitgrund eintritt und die Norm nur im Parteiinteresse gegeben ist, sollte sie nur auf (rechtzeitige, d. h. schon vor dem Beruf unggericht erhobene) Rüge (§§ 295, 558) beachtet werden.
§ 566
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I Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Vertagung der mündlichen Verhandlung, über die Verhandlung prozeßhindernder Einreden, über den Vortrag der Parteien bei der mündlichen Verhandlung und über die Einforderung und Zurücksendung der Prozeßakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. B I. § 566 schreibt die entsprechende Anwendung der Berufungnormen über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile vor, d. h. die der §§ 513, 521 II (von denen die letzte Vor-
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Revision
§566 Bi
schritt schon in § 556 II 3 zitiert ist), wenn also das Berufunggericht das Gesetz dadurch verletzt hatte, daß es den (zweiten) Säumnisfall zu unrecht annahm (§ 345). Über Versäumnisurteile in der Revisioninstanz vgl. § 566 D. B II. Weiter sind nach § 566 anzuwenden die Vorschriften über Rechtsmittelverzicht und -rücknahme, also die §§ 514, 515 (vgl. § 522 und § 556). b 1. Über die Nichtanfechtbarkeit und über den Widerruf dieser prozessualen Erklärungen vgl. §§ 514 B IV a, b, 515 B IV; an den prozessualen Folgen wird jedenfalls dadurch, daß sie infolge eines unwirksamen oder erfolgreich angefochtenen Vergleichs abgegeben worden sind, nichts mehr geändert (RGZ 152/324). In bayrischen Streiten darf der Anwalt, der beim BayObLG die Revision einlegen darf, sie auch zurücknehmen (bzw. auf sie verzichten), solange für seine Partei kein beim BGH zugelassener Anwalt bestellt ist (BGH LM § 78/3). b 2. Wird die Klage (wirksam) zurückgenommen, bevor die Revision zurückgenommen wurde, so ist die letzte gegenstandslos. b 3. Wird auf die Revision verzichtet oder sie zurückgenommen, so ergeht auf Antrag die Verlustigkeiterklärung durch Beschluß unter Verurteilung des Verzichtenden bzw. des Zurücknehmenden in die Kosten des Rechtsmittels (RG LZ 15/1588), wie des Anschlußrechtsmittels (RG Warn. 14/203, vgl. § 556 C V b). e) Ein Vorgriff auf die Berufunginstanz (Einspruch- bzw. höhere Instanz) ist nicht zulässig; nach Erlaß des Berufungurteils kann die Berufung nicht mehr zurückgenommen bzw. nicht auf sie verzichtet werden (RArbG E 8/333: für die erfolgreiche Berufung). B IV. Die Vorschrift des § 528 gilt auch in der Revisioninstanz. Über die erstmalig sich ergebenden prozeßhindernden Einreden und ihre Beachtung in der Revisioninstanz im übrigen vgl. § 111 A I a. Bei der Prozeßkostensicherheit ergeht dann Zwischenurteil, das anordnet, sie zu leisten (RGZ 33/431, vgl. § 113 A I I ; bei unstreitigem Sachverhalt hat sie BGH v. 22. 9. 1954 II ZR 113/53 durch Beschluß angeordnet). Über die stets von gerichts wegen zu beachtenden Prozeßbedingungen vgl. §§ 551 A l b , 563 A. B V. Die Verweisung auf § 526 bedeutet, daß in der mündlichen Verhandlung der gesamte Sachvortrag zu bringen ist, soweit er dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt und für dessen materiell-rechtliche Beurteilung bedeutsam ist, sowie das für die Revisionrügen Erforderliche. Sodann werden regelmäßig die Entscheidunggründe des angefochtenen Urteils verlesen. B VI. Schließlich wird noch auf § 544 verwiesen. Die Revisionakten verbleiben bei dem Revisiongericht. C I a. § 534 I ist unmittelbar in der Revisioninstanz anzuwenden, wenn es darum geht, ein erstinstanzliches Urteil in ihr für vorläufig vollstreckbar zu erklären, soweit gegen dieses keine Berufung eingelegt worden ist. C ET. Soweit man in der Revisioninstanz neues Vorbringen zuläßt, gilt § 532 für die in der Revisioninstanz abgegebenen Geständnisse entsprechend. C I H a . §517 gilt entsprechend (BGH BB 53/369); b) ebenso § 543 (RGZ 80/172 meint demgegenüber, das Revisionurteil habe keinen Tatbestand). Über Tatbestandsberichtigungen vgl. § 320 A l b . D. Das Versäumnisverfahren in der Revisioninstanz ist nicht ausdrücklich geregelt. Weil § 542 in § 566 nicht zitiert ist, wendet die h. M. für das Revisionverfahren die Säumnisvorschriften der ersten Instanz an. D I. Doch sind von vornherein die Entscheidungen über die Prozeßfortsetzungbedingungen (§ 511 B) auszuklammern, weil es über sie kein Säumnisverfahren gibt (vgl. § 330 B IV a 2). Im Wiedereinsetzungfall ist dies in § 238 II 2 klargestellt (RGZ 140/79). Ausgenommen sind nur die Fälle der Aufnahme, wenn in ihnen Parteivorbringen der Säumigen als Nichtbestreiten gewertet wird (§§ 330 B IV c 2, 563 A II a 4). D II. Für die von gerichts wegen zu prüfenden Prozeßbedingungen (§ 274 A I a 2) gilt das entsprechende (§ 330 B IV a 1).
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§566 Dn
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a) Auszunehmen davon sind die verzichtbaren Prozelleinreden (§ 274 II 3, 5, 6). Kommt es zu einer Aufnahme des Verfahrens in der Revisioninstanz, so kann sich diese auch als Versäumnisverfahren abspielen (vgl. § 563 A II a 4, b, c). b) Soweit danach ein Versäumnisverfahren überhaupt zulässig ist, gilt folgendes: b 1. ob die in der Tatsacheninstanz erhobene Einrede rechtzeitig erhoben und aufrechterhalten worden ist, wird von gerichts wegen geprüft. b 2. Ist die Einrede von der Tatsacheninstanz zurückgewiesen worden, so muß der Einredende Revision einlegen bzw. sich anschließen. Ist dann der Einredende säumig, so kann er mit der Einrede nicht gehört werden (§ 330 entsprechend). Ist aber der Gegner des Einredenden säumig, so sind die Behauptungen über die Einrede als zugestanden zu behandeln (§ 331) und danach ist durch Versäumnisurteil über ihre Begründetheit zu entscheiden. b 3. War nach der Einrede erkannt, so muß der Revisionkläger die Entscheidung angegriffen haben. Sodann kommt das gewöhnliche Versäumnisverfahren der Revisioninstanz (vgl. § 566 D III) zum Zuge. b 4. Wird die Einrede erstmalig in der Revisioninstanz erhoben, so ist zunächst von gerichts wegen ihre rechtzeitige Erhebung zu prüfen; insoweit gibt es keine Versäumnisentscheidung. Hatte sie der Revisionkläger erhoben, so muß dies rechtzeitig geschehen sein (§ 554 I I I 2 b, VI). Sodann gilt das gewöhnliche Versäumnisverfahren der ersten Instanz (§§ 330, 331), wobei der, welcher die Einrede geltend macht, dem Kläger des erstinstanzlichen Verfahrens entsprechend behandelt wird. D i n . Das gewöhnliche Versäumnisverfahren in der Revisioninstanz schließt regelmäßig mit der Sachentscheidung (in Ausnahmefällen mit der über echte prozeßhindernde Einreden, vgl. § 566 D II a). a) An Stelle der Versäumnisentscheidung darf indes auch nach Aktenlage gemäß § 331a entschieden werden, wobei allerdings die wohl h. M. nach § 251a I 2 stets eine vorausgegangene mündliche Verhandlung in der Revisioninstanz fordert (vgl. dagegen § 2 5 1 a B I V b l ) . b) Verhandelt nur der Revisionkläger, so muß er vortragen wie im streitigen Verfahrenb 1. Soweit er keine neue in der Revisioninstanz zu beachtende Tatsache vorbringt, wird die Revision wie sonst geprüft und kontradiktorisch zurückgewiesen (RGZ 3/196), falls sie unbegründet ist; andernfalls wird ihr durch Versäumnisurteil stattgegeben. b 2. Unmittelbar darf § 642 in der Revisioninstanz angewandt werden, wenn die Berufung des Berufungklägers auf seine einseitige Verhandlung kontradiktorisch zurückgewiesen wurde, wenn das Berufunggericht einen nach § 542 II erheblichen Beweisantritt übergangen hatte. Sodann ist gegen den säumigen Berufungbeklagten und Revisionbeklagten durchzuerkennen, während gegen den verhandelnden Revisionbeklagten allenfalls aufgehoben und zurückverwiesen werden darf. b 3. Soweit im Revisionverfahren neue Tatsachen gebracht werden dürfen, welche vom Revisiongericht festzustellen sind (vgl. § 561 B I I I ; nicht die anderen), so wird darüber so wie in erster Instanz entschieden, nur daß hier an die Stelle des Klägers der Revisionkläger, an die des Beklagten der Revisionbeklagte tritt, so daß wieder § 542 entsprechend gilt. c) Verhandelt nur der Revisionbeklagte, so wird die (zulässige und die Prozeßbedingungen erfüllende) Revision seines Gegners durch Versäumnisvirteil zurückgewiesen, wobei § 542 I auch hier entsprechend angewandt wird und der Revisionkläger ohne Rücksicht auf seine Parteirolle als Kläger (BGH NJW 55/748) oder als Beklagter wie der ausbleibende Kläger behandelt wird (vgl. § 330). d) Über Versäumniszwischenentscheidungen bei der Aufnahme unterbrochener oder ausgesetzter Verfahren vgl. § 563 A II c. D IV. Soll Versäumnisurteil ergehen, so muß stets die Voraussetzung der Säumnis gegeben sein. Deshalb darf kein Versäumnisurteil ergehen, wenn sowohl die Hauptpartei als
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Revision
§566 Div
auch ihr Streitgehilfe Revision eingelegt haben und einer von ihnen erschienen ist. Schließlich sind u. a. auoh die Voraussetzungen des § 335 I 3 zu beachten; es muß also der Sachantrag (nicht der Prozeßantrag auf Erlaß des VersäumnisurteUs, § 261b B I I I a 2) dessen, der das Versäumnisurteil nehmen will, rechtzeitig dem Gegner mitgeteilt worden sein (RGZ 68/392).
§ 566 a (—) I Gegen die im ersten Rechtszuge erlassenen Endarteile der Landgerichte kann in den Fällen, in denen die Revision nach den §§ 546, 547 ohne Zulassung statthaft ist, mit den folgenden Maßgaben unter Übergehung der Berufungsinstanz unmittelbar die Revision eingelegt werden. II Die Übergehung der Berufungsinstanz bedarf der Einwilligung des Gegners. Die schriftliche Erklärung der Einwilligung ist der Revisionsschrift beizufügen; sie kann auch von dem Prozeßbevollmächtigten des ersten Rechtszuges abgegeben werden. i n Die Revision kann nicht auf Mängel des Verfahrens gestätzt werden. IV Die Einlegung der Revision und die Erklärung der Einwilligung (Abs. 2) gelten als Verzicht auf das Rechtsmittel der Berufung. V Verweist das Revisionsgericht die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann die Zurückverweisung nach seinem Ermessen auch an dasjenige Oberlandesgericht erfolgen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. In diesem Falle gelten für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsmäßig eingelegte Berufung beim Oberlandesgericht anhängig geworden wäre. VI Die Vorschrift des § 565 Abs. 2 ist in allen Fällen der Zurückverweisung entsprechend anzuwenden. VII Von der Einlegung der Revision nach Abs. 1 hat die Geschäftsstelle des Revisionsgerichts innerhalb vierundzwanzig Stunden der Geschäftsstelle des Landgerichts Nachricht zu geben. A I. Die Prozeßfortsetzungsbedingungen der Sprungrevision regelt § 566 a I. a) Danach ist die Revision an sich statthaft (vgl. § 511 B I a 1) gegen die Endurteile der ersten Instanz der Landgerichte. a 1. Ob damit die Amtsgerichte ausgeschlossen werden sollten, gegen deren Urteil die Berufung in Schiffahrtstreiten an das Oberlandesgericht geht, ist zweifelhaft. a 2. Unstatthaft ist die Sprungrevision gegen die landgerichtlichen Berufungurteile (§ 511 G I I I a). Unstatthaft ist sie gegen erstinstanzliche landgerichtliehe Endurteile, welche Arreste oder einstweilige Verfügungen betreffen (§ 545 II). Im übrigen kann sie nicht weiter statthaft sein, als es die Revision gegen oberlandesgerichtliche Urteile ist. b) Weitere Znlässigkeitbedingung ist, daß der Streit vermögensrechtlicher Art ist und einen Streitwert von mehr als 6000 DM hat (§ 546 1 zweite Alternative, III) oder daß ein Fall des § 547 gegeben ist, sofern ohne Rücksicht auf die Zulassung die Revision zulässig ist. Wirksam zugelassen werden kann die Revision von der ersten Instanz nicht (vgl. RGZ 146/211). c) Weitere Zulässigkeitvoraussetzung ist die schriftliche Einwilligungerklärung des Gegners (§ 566a II); sie hat besondere Bedeutung unter dem Gesichtswinkel der Zulassung der Rüge des Revisionbeklagten (§ 554 F II b), die nämlich durch die Einwilligung verloren geht (§ 566 a III). c 1. Die Einwilligungerklärung unterliegt dem Anwaltzwang (§ 78 I, RG DR 41 A 1106); sie ist entweder von dem Prozeßbevollmächtigten des Gegners der ersten Instanz oder dem, den er schon für die Revisioninstanz bestellt hat, abzugeben. Über die eigenhändige Unterschrift vgl. das, was zu den bestimmenden Schriftsätzen gesagt ist (§ 129 A II a; telegrafische Einwilligung hat BGH VersR 55/340 genügen lassen). c 2. Das Gesetz fordert, daß die Einwilligung mit der Revisionschrift dem Revisiongericht eingereicht wird. Doch darf man Nachreichung innerhalb dor Revisionfrist als aus-
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§566a
Aic2
ZPO III. Buch
reichend ansehen (BGHZ 16/192); nicht aber genügt die Einwilligung, welche erst nach Abiaul der Revisionfrist beigebracht wird (RGZ 118/294). Auch gibt es insoweit keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil ja Berufung ohne die Einwilligung eingelegt werden konnte (a. M. RArbG E 27/266, das hier § 233 entsprechend anwenden will). c 3. Die Einwilligung ist eine einseitige prozessuale Willenserklärung (§ 38 B II c), die zunächst dem Anwalt des Gegners behändigt werden soll und die vom Gegner dem Revisiongericht einzureichen ist, aber auch durch unmittelbare Einreichung bei dem Revisiongericht wirksam wird. Mit der Einreichung beim Revisiongericht wird sie unwiderruflich, sofern dann schon die Revision eingereicht ist. c 5. Zur Einlegung der Anschlußrevision bedarf es keiner Einwilligung. d) Die Sprungrevision kann nur innerhalb der Berufungfrist (§ 516) wirksam eingelegt werden. § 552 gilt nicht, d. h., es genügt die Zustellung des Urteils der ersten Instanz in abgekürzter Form (RGZ 140/169 gegen RG J R 25 B 1453). e) Für die Bevisionbegründungsehrift gilt § 554. Wenn auch die Sprungrevision die Erhebung formeller Rügen (§ 554 I I I 2 b) (grundsätzlich) ausschließt (§ 566 a III), so ist doch die nur auf sie gestützte Sprungrevision nicht unzulässig, sondern allenfalls unbegründet (RGZ 158/319). A II. Die (wirksame) Einlegung der Sprungrevision vernichtet das Rechtsmittel der Berufung (§ 566 a IV); nicht aber umgekehrt die Berufung die Sprungrevision. a) Es ist deshalb gleichgültig, ob schon Berufung eingelegt und zurückgenommen war (RGZ 154/144) oder ob sie nicht zurückgenommen wird; denn die Berufung ist dann bzw. wird unzulässig. b) Dies gilt auch, wenn eine an sich unstatthafte oder unzulässige Sprungrevision mit wirksamer Einwilligung des Gegners eingelegt worden ist (RGZ 146/211), ohne Rücksicht darauf, ob sie zurückgenommen (OLG BayZ 26/128) oder ob auf sie verzichtet worden ist. A III. Von der Einlegung der Sprungrevision soll die Geschäftstelle des Revisiongerichts die des Landgerichts innerhalb von vierundzwanzig Stunden benachrichtigen (§ 566a VII), damit diese kein Rechtskraftattest erteilt (vgl. § 706 II 2); in derselben Frist sollen die Prozeßakten angefordert werden (§§ 566, 544). a) Vor Einlegung der Revision werden die Prozeßakten nur bei Armenrechtgesuchen angefordert, sodann kann ebenfalls vom LG kein Rechtskraftattest erteilt werden, weil die Akten nicht vorliegen. Bei Armenrechtgesuchen für eine Sprungrevision wird die Einwilligung des Gegners mit vorzulegen sein. B I . Im Sprungrevisionverfahren sind die Prozeßfortsetzungbedingungen von gerichts wegen zu beachten (Kommentar § 566 A I). B II. Von gerichts wegen werden ferner die Prozeßbedingungen (§ 274 A I) geprüft, die in jedem Revisionverfahren zu prüfen sind (§§ 563 A I, 559 B I a); dazu gehört auch, daß der Tatbestand nicht verworren sein darf (§ 551 B VII; RG v. 7. 6.1932 VII JW 32/2872) B III. Nicht geprüft werden sonstige Verfahrenverstöße (§ 566a III), die auf Rüge zu beachten sind. Ob dies hier auch für erhobene Rügen gilt, die zum Inhalt des angefochtenen Urteils gehören (vgl. § 554 C III g 2), ist noch nicht ausgetragen. B IV. Geprüft wird die Verletzung des außerprozessualen Rechts (RGZ 158/318). C. Für die Entscheidung gelten §§ 563—565. C II. Ist der Tatbestand verworren (§ 551 I 7, § 566a B II) oder ist er in einem Punkte nicht geklärt, den das Revisiongericht für entscheidend hält, bzw. fehlen erforderliche Feststellungen, so ist das erstinstanzliche Urteil aufzuheben (§ 564 I) und der Streit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. a) Dabei darf das Revisiongericht den Streit sogleich an das sonst für die Berufung zuständige OLG zurückverweisen (was wohl in der Regel geschieht); hier aber nicht an einen anderen als den zuständigen Senat (§ 565 I 2 ist also unanwendbar).
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Revision
§ 566a c Ii
a 1. Die Verweisung an das OLG macht die Berufung insgesamt zulässig; es darf also keine Zulässigkeitprüfung mehr vorgenommen werden. a 2. I m weiteren Verfahren ist § 529 I I unanwendbar, weil tatsächlich nicht mehr die Berufung begründet zu werden braucht; allerdings gilt noch § 529 I I I . b) Das Revisiongericht darf indes den Streit auch an die erste Instanz zurückverweisen, b 1. Für das Verfahren in dieser gilt nur die Besonderheit der Bindung nach § 565 II und nach der hier vertretenen Auffassung auch die nach § 318. Darüber, ob das Revisiongericht an eine andere Abteilung bzw. Kammer zurückverweisen darf, vgl. § 565 C I V d. C III. Gegen die nach der Zurückverweisung ergehende neue Entscheidung sind die gewöhnlichen Rechtsmittel gegeben, a) gegen die Entscheidung des OLK unter den Bedingungen der §§ 546 folg. die Revision. b) gegen die der ersten Instanz unter den Prozeßbedingungen dieser Rechtsmittel entweder die Berufung (§§ 511folg.) oder wieder die Sprungrevision (§ 566a). b 1. Wird wieder Sprungrevision eingelegt, so ergibt sich dieselbe Lage wie sonst bei einer zweiten Revision, im besonderen bezüglich der Bindung des Revisiongerichts (§ 565 C I I I d). b 2. Wird Berufung eingelegt, so ist hierbei auch das Berufunggericht nunmehr von vornherein nach § 565 I I und nach der hier vertretenen Auffassung auch nach § 318 gebunden (vgl. § 565 A I I ) .
Dritter
Abschnitt
Beschwerde
§ 567 (530) I Das Rechtsmittel der Beschwerde findet in den in diesem Gesetz besonders hervorgehobenen Fällen und gegen solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen statt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen ist. II Sie Beschwerde gegen Entscheidungen über Kosten, Gebühren und Auslagen ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes fünfzig Deutsche Mark übersteigt. i n Gegen die Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist eine Beschwerde nicht zulässig. Ausgenommen sind Beschlüsse, durch die eine Berufung nach § 519 b als unzulässig verworfen wird. A l b . Die Beschwerde ist als selbständiges Rechtsmittel mit selbständigem Beschwerderechtzug geregelt, welcher den Angriff durch Berufung oder Revision ausschließt (§§ 512, 548). b 1. Die einfache Beschwerde unterscheidet sich von der sofortigen durch die Befristung (§ 577 B) b 2. Die weitere Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Beschwerdeinstanz, sie kann sowohl einfach wie sofortig sein. Das Verfahren der einfachen und der weiteren Beschwerde ist nur durch die besonderen Prozeßfortsetzungvoraussetzungen für diese (vgl. § 568 I I , I I I ) unterschieden. A II. Das Verfahren über die Beschwerde der ZPO ähnelt dem über die Berufung, nicht dem über die Revision, denn es läßt (sogar unbeschränkt) neues Vorbringen zu (§ 570 A). a) Wegen der Ähnlichkeit mit dem Berufungrecht sind die Beschwerdevorschriften im Zweifel nach dem ersten zu ergänzen. a 2. § 514 ist entsprechend anzuwenden, wenn auch nicht überall auf die Beschwerde verzichtet werden kann (§ 567 A I I a 7). Soweit nicht verzichtet werden kann, ist der Verzicht in eine Rücknahme umzudeuten. Nicht verzichtet werden kann auf die Beschwerde,
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§ 567
A II a 2
ZPO III. Buch
insoweit sich die Partei damit überhaupt des Rechts begeben würde, eine gerichtliche Entscheidung zu erlangen; also etwa bei der Entscheidung gegen die Aussetzung (§ 252). Im übrigen ist der Verzicht zulässig, der aber die unselbständige Anschließung nicht hindert (sodann gilt dasselbe wie iür die Rücknahme, vgl. § 567 A II a 3). In der weiteren Beschwerdeinstanz darf zwar auf die weitere Beschwerde verzichtet werden, nicht aber mehr auf die Beschwerde. Wegen der Form der Rücknahme (und des Verzichts) vgl. § 567 A II a 3; doch ist hier § 569 II zu beachten, soweit er anwendbar ist. Für den Verlustigkeitbeschluß gilt das zu § 515 C II Gesagte. a 3. § 515 gilt entsprechend mit der Kostenlast des § 515 I I I (BGH NJW 53/1263). Soweit Anwaltzwang herrscht, kann ein beim unteren Gericht bestellter Anwalt zurücknehmen, so lange keiner beim oberen bestellt ist; Zustimmung des Gegners sollte gefordert werden, sobald er sich auf die Beschwerde eingelassen hat; über sie entscheidet das Gericht, vor dem sie zurückgenommen worden ist (BGH NJW 53/1263). a 4. Die Rücknahme des Antrags kommt nur bei außerprozessualen Ansprüchen (Kostenentscheidungen) in betracht (a. M. schlechthin: OLG H R R 32/560). a 5. §§ 516, 517 können nur bei der sofortigen Beschwerde praktisch werden; die Monatsfrist ist durch § 577 II 1 durch eine Zweiwochenfrist ersetzt; vgl. über die Anwendung des § 516 den § 577 B II d. a 7. Ob Anschlußbeschwerde zulässig ist, ist umstritten (bejahend BayObLG OLG 7/295; dagegen OLG J R 54/64). Die überwiegenden Gründe sprechen für eine Zulassung der Anschlußbeschwerde. Läßt man die Anschließung zu, so gilt für ihre Form § 569 entsprechend; auch darf nicht eine Instanz übersprungen werden. a 8. Jedenfalls darf der Beschwerdegegner zur Stützung der angefochtenen Entscheidung neue Tatsachen beibringen und hat ein eigenes Rügerecht (Sydow-Busch § 567 Anm. 7). Dazu ist die Anschließung weder erforderlich noch überhaupt zulässig, a 9. §§ 523, 523 a sind anzuwenden. a 10. §§ 525, 536 gelten entsprechend (RG JW 97/50). Im Kostenfestsetzungverfahren haben sich gewohnheitrechtlich Änderungen eingebürgert, vgl. § 104 B I I I a. Auch können die Grundsätze der §§ 525, 536 dort nicht durchgreifen, wo das Gericht nach freiem Ermessen entscheiden darf (RG J W 03/175). a 14. § 537 gilt entsprechend. a 17. Die Begründung der Beschwerdeentscheidung ist nur insoweit unerläßlich, wie sie mit der weiteren Beschwerde angreifbar ist (Sydow-Busch § 573 Anm. 1); insoweit ist aber schon eine Begründung der ersten Entscheidung wegen des § 568 II (vgl. § 568 B IV) erforderlich. Im Armenrechtverfahren ist sie in § 126 II vorgeschrieben. b 1. Regelmäßig bleiben im Beschwerdeverfahren die Parteirollen bestehen (BayObLG OLG 15/132). Soweit dritte beschwerdeberechtigt sind (§§ 71, 102 III [vgl. auch § 89 I], 135, 387 [402], 793 [760]), sind regelmäßig die beschwerte Partei oder beide Parteien Gegner. Einseitige Beschwerden gibt es aber in den Fällen der §§ 102, 380, 390 oder im Falle des GKG § 47. Das Gericht selbst hat nur nach GVG § 159 das Recht der Beschwerde. b 2. Die mündliche Verhandlung ist im Beschwerdeverfahren stets freigestellt (§ 573 I); Versäumnisentscheidungen gibt es nicht. Dem Prinzip nach braucht der Gegner nicht gehört zu werden (vgl. aber § 573 B I a; GG Art. 103 I zieht im Zivilprozeßrecht insoweit nicht), c) § 565 II gilt auch im Beschwerdeverfahren (RGZ 53/318). A i n . Im übrigen sind auch im Beschwerdeverfahren, soweit nicht seine besonderen Vorschriften entgegenstehen, die Vorschriften des ersten Buches (die allgemeinen Bestimmungen) unmittelbar anzuwenden, im besondeien b 1. der fünfte Titel (Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens). Ist das Beschwerdeverfahren ein Zwischenverfahren, so wird es mit dem Hauptverfahren unterbrochen und folgt der Aussetzung des Hauptverfahrens ohne weiteres; während bei einem selbständigen Beschwerdeverfahren diese Voraussetzungen unmittelbar gegeben sein müssen; d. h. hier
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Beschwerde
§ 5 6 7 A III b 1
muß das Beschwerdegericht aussetzen (RGZ 30/409); doch kann auch das Beschwerdeverfahren unmittelbar unterbrochen werden, wie umgekehrt nur das Hauptverfahren unterbrochen werden kann. Auch kann allein das Beschwerdeverfahren ausgesetzt werden, wie umgekehrt. AIV. Die Vorschriften des zweiten Buches gelten im Rahmen der Vorschriften über die Berufung auch im Beschwerdeverfahren, im besonderen § 276 (OLG JW 28/745). Mit Glaubhaftmachung (§ 294 A I) darf sich das Gericht nur dort begnügen, wo sie auch in der ersten Instanz zugelassen ist, und muß es insoweit. Sonst sind die Beweise im förmlichen Beweisverfahren zu erheben, also u. a. unter Zuziehung der Parteien (OLG JMinBl. NRW 55/222; a. M. OLG HRR 33/1540). Auch § 322 gilt, kommt aber für außerprozessuale Ansprüche nur in bezug auf Kostenentscheidungen zur Anwendung. Über die sonstige Abänderungmöglichkeit der Beschwerdeentscheidung wie ihre Erneuerung vgl. § 567 G II. A V. Darüber, inwieweit die Vorschriften des vierten Buches (Wiederaufnahme des Verfahrens) gelten, vgl. einerseits § 577 II 3, andererseits § 578 D I I I b. Von den Modifikationen des gewöhnlichen Verfahrens durch das sechste Buch gelten §§ 607, 612, 617, 622; (640 I), 641, 644; 652 (676 III) auch im Beschwerdeverlahren. A VI a. Abartig geregelt ist die Beschwerde nach GVG §§ 159, 181. c) Von dem Rechtsmittel der Beschwerde sind die Dienstaufsichtbeschwerden zu unterscheiden (vgl. auch BGB § 839 III), die man im gerichtlichen Verfahren nicht zulassen sollte (GVG § 1 B II) und die jedenfalls mit dem Beschwerderecht, das in der ZPO geiegelt ist, nichts zu tun haben. Gegen sie gibt es aber den Rechtbehelf nach EG GVG § 23. A VII. Die Normen des Beschwerdeverfahrens gelten entsprechend im Erinnerungverfahren gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers (RechtspflegerG § 10 V). Gegen seine Entscheidungen ist die sofortige Erinnerung gegeben, sofern gegen sie, wenn der Richter entschieden hätte, die sofortige Beschwerde gegeben wäre (RechtspflegerG §10 1 1 ) ; in den übrigen Fällen wird die Erinnerung entsprechend der einfachen Beschwerde behandelt. Die Entscheidung auf die angegriffene des Rechtspflegers trifft bei der einfachen Erinnerung der Richter, wenn der Rechtspfleger nicht abhilft (RechtspflegerG § 10 II 1), in allen übrigen Fällen der Richter (RechtspflegerG § 10 II 1, III). Gegen die Entscheidung des Richters ist dann das sonst gegen seine Entscheidung vorgesehene Rechtsmittel gegeben (RechtspflegerG § 10 III). Doch besteht die Möglichkeit der Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 10 IV, wonach, wenn dies bei Einlegung der Erinnerung beantragt ist, der Richter, wenn er der Erinnerung nicht abhelfen will, die Sache dem ihm vorgesetzten Rechtsmittelgericht unmittelbar zur Entscheidung vorlegen soll. B. Wann im Einzelfalle die (sofortige) Besehwerde an sich statthaft ist (§ 511 B I a 1), sagt das Gesetz in vielen Einzelnormen; auf sie verweist die erste Alternative des § 567 I, soweit sie in der Zivilprozeßordnung sich finden. Voraussetzung ist aber stets der Erlaß (§ 516 A I) einer Entscheidung; zuvor eingelegte Beschwerden sind grundsätzlich unstatthaft (RG J R 25 B 1690). C. Über die im einzelnen geregelten Fälle hinaus wird in der zweiten Alternative des § 567 I die Beschwerde für an sich statthaft erklärt gegen alle Entscheidungen, welche nicht notwendigerweise auf Grund mündlicher Verhandlung (bzw. im schriftlichen Verfahren nach §§ 128 II, 331a, 251a) ergehen sollen, sofern ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. CI. Vorausgesetzt wird also, daß die mündliche Verhandlung über das Gesuch dem Gericht freigestellt ist, so daß es auch ohne mündliche Verhandlung über es entscheiden darf. Es kommt dabei nur auf die gesetzliche Regelung an, nicht darauf, wie das Gericht tatsächlich verfährt (RGZ 39/394). b) Ist die mündliche Verhandlung vom Gesetz als notwendig angeordnet (§ 128 I) oder wird in diesem Falle nach §§ 128 II, 251a, 331a, schriftlich entschieden, so gibt es keine Beschwerde (RG J W 01/721) ; aber regelmäßig ist dann die Zwischenentscheidung (vgl. § 303) nach §§ 512, 548, 583 anfechtbar (RG JW 01/721), nämlich wenn nicht ausnahmeweise die
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Anfechtung schlechthin ausgeschlossen worden ist (§ 512 B III). Wird deshalb ein Parteivertreter im mündlichen Verhandeln beschränkt, u. U. entgegen § 157 ausgeschlossen, obwohl er nicht ausgeschlossen werden durfte, so gibt es die Rechtsmittelrüge mit der Berufung u n d der Revision (RGZ 83/1), nicht aber die Beschwerde (LG JMinBl. N R W 55/87). C II. Bs muß ein das Verfahren betreffendes Gesuch (Gegensatz: die Entscheidung über den Anspruch, RGZ 47/365) zurückgewiesen werden. a) Verfahrensmäßig ist alles, was dazu dient, den Rechtstreit abzuwickeln (RG Warn. 08/267). a 1. Wenn einem Gesuch, das auf die Gestaltung des Verfahrens positiv wirkt, stattgegeben wird, ist dagegen die Beschwerde (nach der zweiten Alternative des § 567 I) unstatthaft. a 2. Die Entscheidung über das Begehren, ein (positives) Gesuch zurückzuweisen, ist nicht mit der Beschwerde angreifbar (RG N § 567/1). Dasselbe gilt für den Fall, daß ein negatives prozessuales Gesuch, das einem positiven vorbeugen soll, gestellt wird. Der Widerspruch in Antragform begründet deshalb keinen prozessualen Anspruch auf Entscheidung. a 3. Dies gilt auch für die weitere Beschwerde, wenn einem in erster Instanz abgelehnten Gesuch auf weitere Beschwerde stattgegeben wird [RG J W 00/605). b) Es muß sich weiter um ein Gesuch der Partei oder des dritten handeln, d. h. um einen prozessualen Antrag (§ 261b B I I I a 2), auf dessen Entscheidung die Partei oder der dritte einen gesetzlich begründeten (prozessualen) Anspruch hat. b 1. Steht die Entscheidung nur im Ermessen des Gerichts, so hat die Partei keinen prozessualenAnspruch auf sie. Eine solche Entscheidung (a.M.KGJW26/2464) oder eine solche Nichtent6cheidung ist deshalb nicht angreifbar. Dies gilt etwa in dem Fall, wo es dem Gericht freigestellt ist, mündlich zu verhandeln, und es die beantragte mündliche Verhandlung ablehnt (OLG H R R 31/1984), oder wenn bei einstweiligen Verfügungen etwa die Partei nach § 937 II die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beantragt, das Gericht sie aber ansetzt (RGZ 54/348); oder wenn das Gericht es ablehnt, nach § 275 II zur Hauptsachen vor Rechtskraft des ergangenen Zwischenurteils zu verhandeln (RGZ 57/416) bzw. wenn es es unterläßt, nach §§ 128 II, 251a, 331a schriftlich zu verfahren. Dies gilt ferner, wenn das Gericht von § 102 oder GKG § 47 keinen gebrauch macht (RGZ 32/392) oder wenn es einen Parteivertreter nach § 157 I I nicht zurückweist (RG J W 97/458) oder wenn es von der Möglichkeit, nach § 121 das Armenrecht zu entziehen, keinen gebrauch macht, bzw. von der nach §§ 296, (609 [OLG N J W 57/1405]), 141, bzw. von der Bestrafung nach § 380; ferner wenn es die Möglichkeit, einen Prozeß trennen zu dürfen (§ 145, RGZ 24/425) oder Prozesse zu verbinden, außer acht läßt. Die Ablehnung der Protokollergänzung ist unangreifbar (OLG JMB1. N R W 52/249). Unzulässig ist die Beschwerde gegen die Bewilligung der Abkürzung oder die Bewilligung oder die Ablehnung der Verlängerung einer richterlichen oder gesetzlichen Frist (§ 225 B); gegen die Ablehnung, einen Termin zu vertagen (§ 227 C, RGZ 62/207), sofern nicht ein Fall des § 252 gegeben ist, wie umgekehrt gegen eine Vertagung (RGZ 15/422); gegen die Bewilligung oder Ablehnung, einen Termin hinauszuschieben (§ 227 II) oder vorzuverlegen (RG N § 567/25; a. M. RGZ 55/99); anders ist dies, wenn die Terminanberaumung schlechthin abgelehnt wird, obwohl in notwendiger mündlicher Verhandlung zu verfahren ist (RGZ 65/420); unzulässig ist die Beschwerde ferner gegen die Ablehnung, einen Beweisbeschluß zu erlassen (RG J W 01/801) oder ihn nach § 360 zu ändern (RG J W 00/590), bzw. dagegen, daß die Ladung des Sachverständigen von einem Kostenvorschuß abhängig gemacht wird (RG J W 99/829), wie gegenüber dem nachträglichen Beschluß des Gerichts über die Art der im Urteil angeordneten Sicherheitleistung (OLG MDR 56/617). Anders ist dies, wenn es darum geht, ob und in welcher Weise der Beweisaufnahme Fortgang verschafft werden soll (§ 252 entsprechend: OLG N J W 56/555). b 2. Regelmäßig sind Vorentscheidungen nicht beschwerdefähig, also die, welche die endgültige auf das Gesuch erst vorbereiten sollen (KG J W 35/3646), wie wenn das Gericht zur Ergänzung des Gesuchs eine Auflage macht (OLG 40/408). Dazu gehört auch die Anordnung des Gerichts, einem Sachverständigen die Unterlagen für sein Gutachten zur Verfügung
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Beschwerde
§567 c n b 2
zu stellen (OLG MDB 54/554). Besteht die Partei, ohne die Auflage zu erfüllen, aber auf Entscheidung, 80 liegt darin das Gesuch, auch ohne Erfüllung der Auflage über den Antrag zu entscheiden. G III. Es gibt auch Fälle der zweiten Alternative des § 567 I, wo kraft besonderer Vorschrift die Beschwerde unstatthaft ist. Dahin gehören §§ 127, 567 I I I 1, 568 I I I (für die weitere Beschwerde). Weitere Zulässigkeitvoraussetzungen ergeben sich aus §§ 567 II, 568 II, 512 a. Über die sonstige UnStatthaftigkeit bzw. Unzulässigkeit der Beschwerde vgl. § 567 B—F. D I . Liegen die Prozeßfortsetzungvoraussetzungen der Beschwerde vor, so ist sie ohne Bücksicht auf die Form, in der sich die angefochtene Entscheidung bietet, zulässig (vgl. BGH MDB B 673/54). a) Gegen korrekte Endurteile ist die Beschwerde allerdings nur in den Ausnahmefällen des § 99 I I 1, MSchG §§ 4 V, 6 I, II, 14 I und gegen Zwischenurteile gegen dritte naoh §§ 71, 135, 387, 402 gegeben; sonst nur gegen Beschlüsse und Verfügungen des Prozeßgerichts, des Vorsitzenden, des Einzelrichters; nicht aber gegen die des betrauten Bichters, soweit gegen dessen Entscheidungen erst das Prozeßgericht anzurufen ist (Kommentar § 576 A I b 1). a 1. Die Beschwerde kann sich sowohl gegen Endentscheidnngen wie gegen Zwischenentscheidungen richten. a 2. Verlautbarungmängel der angefochtenen Entscheidung sind ganz ohne belang (OLG Bpfl. 50/186), wenn auch ein Beschluß schon erlassen sein muß (§ 329 B I ; vgl. auch BechtspflegerG § 10 IV, §§ 577 IV, 576). a 3. War aber eine Entscheidung, die nur nach notwendiger mündlicher Verhandlung ergehen durfte, irrigerweise ohne sie erlassen, so ist gegen sie die Beschwerde unstatthaft (BG J W 01/721). a 4. Ist ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung durch Beschluß anstatt durch Urteil erlassen worden, so gibt es nur den Widerspruch; nicht das Rechtsmittel (RGZ 30/432); ebenso wenn eine einstweilige Verfügung anstatt eines Einstellungbeschlusses nach § 769 erlassen worden ist (BG N §/567/16, vgl. dazu §§ 707 F I, 769 A I I I b). a 5. Dies gilt aber auch im Verhältnis zum Urteil und den Bechtsmitteln, die dagegen gegeben sind (vgl. § 511 B IV), also wenn eine Entscheidung durch Urteil erlassen war, die durch Beschluß hätte ergehen sollen (BGZ 32/379, hier ist also nur die Beschwerde gegeben). b) Davon sind aber wieder Entscheidungen zu unterscheiden, die gar nicht als Urteil zu erlassen waren, welche das Verfahren nicht beendeten, die aber, korrekterweise ergangen, nach der Prozeßordnung unanfechtbar sind; hier ist die Anfechtung durch die Beschwerde zulässig, wenn sie gesetzlich so unzulässig waren, daß die Gesetzesgrundlage schlechthin verlassen worden ist (nicht aber, wenn bloß fehlerhaft entschieden worden ist). b 1. Ist durch eine (nicht urteilsmäßige) Entscheidung ein im Verfahren nicht Beteiligter beschwert, so wurde ihm das Beschwerderecht zugebilligt (OLG J W 33/1781); ebenso wenn ein Bechtsanwalt entgegen § 157 zurückgewiesen wurde (BGZ 83/3). Dagegen ist die urteilsmäßige Einbeziehung eines weiteren Beklagten in zweiter Instanz nicht mit der Beschwerde bekämpfbar (OLG MDR 54/554). b 2. Wurde der Bechtstreit an ein ausländisches Gericht nach § 276 verwiesen, so ist die Beschwerde zulässig. Daß ordnungwidrig auf Antrag des Beklagten verwiesen wurde, ist jedenfalls nicht anfechtbar (OLG J B 48/334), auch eine sonstige Verweisung nach § 276, mag sie auch zu dem Zwecke geschehen sein, daß das angewiesene Gericht die Zuständigkeit prüfen sollte, bleibt wirksam (a.M.OLG MDB 53/111). Über sonstige Verweisungverhältnisse vgl. § 276 A. b 8. BGZ 47/398 hat, wenn das Gericht den Antrag nach § 32Ö als unzulässig verwarf, die Beschwerde zugelassen. Doch kann dieser Entscheidung nicht gefolgt werden. Vielmehr ist auf Bechtsmittelrüge (§§ 519 I I I 2, 554 I I I 2 b) der Verfahrensmangel zu beachten. b 4. Hatte der Einzelrichter ungesetzlich an Stelle des Kollegiums entschieden, so hat OLG ZZP 51/86 die Beschwerde zugelassen; doch ist dies nicht zu billigen; auch dieser Mangel ist duich Recbtsmittelrüge verfolgbar (vgl. § 551 I). 81 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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§ 5 6 7 DI
ZPO III. Buch
b 5. Im Falle des § 707 II 2 hat man die Unanfechtbarkeit des Beschlusses nur angenommen, sofern er sich im Rahmen des § 707 hält; abweisende Beschlüsse hat man der sofortigen Beschwerde (§ 793) unterworfen, sofern die Voraussetzungen der §§ 707, 719 verkannt waren (RGZ 59/66), und ebenso unzulässige (RGZ 141/3091.). Über die Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 769 I vgl. § 769 C. b 6. Vgl. auch KG JW 38/133746, das eine Beschwerde gegen die Anweisung des Vollstreckimggerichts zur Vollstreckung an den Gerichtsvollzieher gibt, wo die Zwangsvollstreckung einen endgültigen Zustand herstellen würde und die Erinnerung zu spät käme (vgl. dazu jetzt aber § 765a). b 7. Zu weit geht OLG HEZ 2/61, das die Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung gab, die nach Erlaß des Anerkenntnisurteils schriftlich erging; OLG NdsRpfl. 50/173, das sie gab, als eine Widerklage im Bagatellverfahren (§ 510c) nicht zugelassen wurde. D II. Die Umwandlung einer (sofortigen) Beschweide in eine Anschlußberufung, wie diese in eine sofortig« Beschwerde, ist denkbar, sofern sie begründet ist (a. M. RGZ 107/56). Im besonderen sollte man die sofortige Kostenbeschwerde ( § § 9 1 a I I l , 99 II 1) als Anschlußberufung gelten lassen, wenn vom Gegner Berufung eingelegt worden ist. D i n . Unterlassene Entscheidungen sind angreifbar, soweit sie in anderen Entscheidungen stillschweigend enthalten sind (RG Seuff. 41/75), die Nichtanberaumung notwendiger Termine kann unter § 252 fallen (§ 252 A I a). Im übrigen ist aber das Unterlassen keine Entscheidung und bloß mündliche Erörterungen sind keine Entscheidungen. E I. Beschwerde kann nur einlegen, wer besehwert ist (§ 511 B II c). a) Die Beschwer ergibt sich ans der Entscheidung, nicht bloß aus der Begründung (RG Seuff. 49/193). Ist antragsgemäß entschieden worden, so kann der Antrag nicht mehr auf dem Wege der Beschwerde von dem, der obgesiegt hat, zurückgenommen werden (OLG 27/103). Auch ist zur bloßen Erweiterung des Antrags die Beschwerde nicht zulässig (etwa, wenn die Kosten in voller Höhe festgesetzt wurden: RGZ 35/427). b) Die Beschwer muß in concreto gegeben sein (RGZ 43/424). b 1. Der Streitgenosse hat regelmäßig keine Beschwerde gegen die gegenüber einem anderen Streitgenossen ergangene Entscheidung (RGZ 37/396; anders beim notwendigen [§ 62], wenn auch ihn die Entscheidung beschwert); die Partei hat keine Beschwerde gegenüber einer Entscheidung, die einen dritten beschwert (RG JW 94/514). b 2. Soweit dritte das Beschwerderecht haben (vgl. §§ 71, 89, 102, 380, 390, 402, 409, und im Vollstreckungrecht §§ 766, 793), sind sie, aber zugleich ist auch die Partei beschwert, die in ihrem Recht durch die Entscheidung beeinträchtigt wird; im Falle des § 71 ist es die Partei, welcher der Streitgehilfe beigetreten war (§ 68); nicht ihr Gegner, wenn er dem Streitgehilfen den Streit verkündet hatte (§ 72), weil über die Zulässigkeit der Streitverkündung nicht entschieden wird. Beschwert ist ferner der Beweisführer, wenn Zeuge oder Gutachter sich weigern; aber auch sein Gegner, wenn er auf der Vernehmung der Erschienenen besteht (§ 399). Dagegen gibt es in Kostenentscheidungen, die nur den dritten treffen (§ 102), keine Beschwer einer Partei. Vgl. auch KG OLG 13/151 zu § 319. Andererseits hat der Armenanwalt kein Beschwerderecht, wenn das Gericht seinem Nachzahlungbegehren nicht stattgibt (OLGMDR 54/430). b 3. Sind mehrere (beide Parteien) beschwert, so hat grundsätzlich jede Partei selbständig die (erste bzw. die weitere) Beschwerde gegen die Entscheidung. E n . Die Beschwer muß von Beginn der Bechtsmitteleinlegung bis zum Erlaß (§§ 329 B I, 516 A I) der Entscheidung gegeben sein (RG Seuff. 62/97). a) Wann die Beschwer im Einzelfalle wegfällt, richtet sich danach, ob die Prozeßlage, welche zu der Entscheidung geführt hat, noch besteht und damit die angefochtene Entscheidung für den Prozeß noch irgendeine Bedeutung hat. a 1. Die Beschwerde kann gegenstandslos werden, etwa wenn der Richter, dessen Entscheidung angegriffen war, ihr inzwischen sachlich entsprochen hat (BayObLG OLG 23/376);
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Beschwerde
§567 E n a l
wenn die Frist, die abgekürzt werden sollte, abgelaufen oder der Tag, aui den ein Termin verlegt werden sollte, verstrichen ist (OLG 23/193) oder wenn der Termin, zu dem die Partei zugezogen werden wollte (OLG SächsAnn. 28/74), abgehalten ist; wenn eine einstweilige Anordnung durch eine endgültige ersetzt worden ist (OLG 22/367); wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen worden ist, so daß die Frage vor dem betrauten Richter nicht mehr gestellt werden kann. Häufig wird die Beschwerde schon mit der Beendigung der Instanz gegenstandslos, etwa nach Ablehnung der Aussetzung oder wenn in der Zwischeninstanz die Rechtsmittelfrist schon verstrichen ist (KG OLG 23/142) bzw. wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist; ebenso ist es in der Vollstreckunginstanz, wenn die Vollstreckung beendet ist (§ 704 F III) oder die angefochtene Maßregel durchgeführt worden ist (OLG 40/426). a 2. Die Beschwerde gegen Zwiaehenentschcidungen wird gegenstandslos, sobald die Zwischenentscheidung oder die ihr zugrunde liegende aufgehoben wird; regelmäßig mit der Beendigung der Instanz in der Hauptsache, sofern durch sie die Entscheidung ihre Bedeutung verliert, und stets mit der Rechtskraft der Hauptentscheidung (RG N §§ 567—577/4). a 8. Ist ein das Rechtsmittel verwerfender Beschluß wieder aufgehoben worden, auch stillschweigend, indem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wurde, so sah RGZ 127/287 die gegen diesen gerichtete Beschwerde als unzulässig an. Doch fußte die Entscheidung darauf, daß die Wiedereinsetzung unangreifbar und endgültig sei. Von dem umgekehrten Standpunkt aus ist dagegen die sofortige Beschwerde so lange nicht unzulässig, wie nicht feststeht, daß die Wiedereinsetzung unangreifbar geworden ist. a 4. Die unterbliebene Zurückweisung eines Vertreters der Partei in einer Beweisaufnahme ist schon nach Beendigung der Beweisaufnahme nicht mehr angreifbar (RGZ 43/424); der Mangel ungerechtfertigter Zurückweisung kann in das Hauptverfahren hineinragen (§ 567 C I b) bis zum Abschluß der Instanz; die fehlende Postulationfähigkeit des Verhandelnden ist nach Beendigung der Instanz bedeutunglos geworden (vgl. § 78 D), soweit nicht seine Handlungen (durch bestimmende Schriftsätze) fortwirken; doch ist auf solche Mängel keine Beschwerde zu stützen. a 5. Die Aussetzung des Verfahrens ist noch in der Zwischeninstanz, also nach Erlaß der Endentscheidung bis zur Rechtsmitteleinlegung zulässig, nicht aber mehr nach der Rechtsmitteleinlegung (vgl. OLG 31/63). In diesen Fällen wird die Beschwerde unzulässig (a. M. unbegründet: RGZ 66/46f.); wird sie unzulässig und damit für erledigt erklärt, so ist indes noch eine Kostenentscheidung zulässig, die sich nicht nach § 97 I richtet, wenn die Beschwerde ursprünglich zulässig war, sondern nach § 93 entsprechend (vgl. § 93 C). Über die Zulässigkeit der Aufnahme eines in der Zwischeninstanz ausgesetzten Verfahrens durch Rechtsmitteleinlegung vgl. § 250 B I. a 6. Ist ein Richter der ersten Instanz abgelehnt, so wird die Ablehnung mit der Entscheidung der zweiten gegenstandslos (vgl. § 540); soweit die Ablehnung in Verbindung mit einer Beweisaufnahme stand, allerdings dann nicht, wenn darauf eine prozessuale Rüge (nicht ordnungmäßige Vernehmung) gestützt war und die Vernehmung in der zweiten Instanz nicht wiederholt wurde. b) Nur der Beschwerdewert (soweit ein solcher nach § 567 II gefordert wird) wird mit der Einlegung wie bei den übrigen Rechtsmitteln fixiert (OLG NdsRpfl. 48/173). F I. Grundsätzlich unstatthaft ist die Beschwerde gegen die Entscheidungen der Gerichte vom OLG ab aufwärts (§ 567 I I I 1). a) Auch das Gericht selbst darf seinen Beschluß nicht von sich aus auf Gegenvorstellung ändern (OLG 42/15, a. M. OLG 37/154); es sei denn, daß der abgelehnte Antrag erneuert werden darf. b) So zurückgewiesene Allträge machen das Verfahren nicht mangelhaft (RG J W 33/1058). Wird indes das weitere Verfahren fehlerhaft, so ist dies durch Rechtsmittelrüge zu beachten (RGZ 83/1; vgl. § 127 C III). c) Der beauftragte Richter des OLG wie der höheren Gerichte fällt unter § 576 (a. M. OLG 27/103 Note 1). 81'
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§ 547
ZPO III. Buch
F II. Gegen oberlandesgerichtliche Entscheidungen ist indes nach § 567 I I I 2 die (sofortige) Beschwerde statthaft (§ 519b II), gleichviel ob der Beschluß zulässigerweise ergangen war (RG LZ 25/598) oder Urteil hätte ergehen sollen, gegen die die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschlüsse und ihre notwendigen Vorentscheidungen (z. B. die versagte Wiedereinsetzung: RGZ 108/347). Über die Rechtsprechung über die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen Wiedereinsetzungbeschlüsse, selbst wenn noch nicht verworfen worden ist, vgl. § 238 B III b 3. Die sofortige Beschwerde gegen Streitwertfestsetzungbeschlüsse hat man indes noch nicht gegeben (vgl. RG JW 36/1968). Die sofortige Beschwerde ist ohne Zulassung und ohne Erwachsenheitsumme in allen, auch in den nicht vermögensrechtlichen (§ 2 A I b 1) Streiten zulässig (vgl. § 547 1 1). a) Ausgenommen ist a 1. die Verwerfung des Rechtsmittels in einem Arrest- oder einstweiligen Verfügungverfahren (§§ 545 II, 547 II, RG Warn. 35/139). a 2. Gegen landgerichtliche Entscheidungen derselben Art (§ 519b) ist die (sofortige) Beschwerde unstatthaft und deshalb auch gegen die Entscheidungen der LG, welche eine Wiedereinsetzung wie eine Streitwertfestsetzung im Berufungvorfahren betreffen, wie überhaupt gegen zweitinstanzliche Bndurteile des Landgerichts. Hierunter fallen auch die Kostenbeschwerden der §§ 91a II 1, 99 II 1 (RGZ 57/310), die nach MSchG §§ 4 V, 6 I, II, 14 I, 36 ergehenden Entscheidungen sowie die Arreste und die einstweiligen Verfügungen, welche das LG in zweiter Instanz bzw. als Berufunggericht erließ (OLG JMB1. NRW 48/187) bzw. ihren Erlaß ablehnte (KG MDR 52/627). Auch gibt es bei Einstellungbeschlüssen nach § 707, selbst soweit man entgegen § 707 II 2 sonst die sofortige Beschwerde zuläßt, keinen Rechtsbehelf gegen zweitinstanzliche Landgerichtsentscheidungen (OLG BayJMBl. 51/11). Bei Gebührenwertfestsetzungen (Kommentar § 3 D I c) ist indes die Beschwerde zugelassen worden, auch wenn das LG als Berufunginstanz entschieden hatte (OLG J R 50/55). b) § 519b II ist nicht entsprechend anzuwenden, selbst wenn eine noch so wesentliche Veifahrensvorschrift verletzt worden ist (RGZ 144/86; a. M. OLG SchlHA 56/145). c) Wird die Verwerfung der Berufung durch Beschluß aufgehoben, so kommt § 519b II nicht zum zuge (RG LZ 25/518; doch ist gegen das Endurteil des OLG dann die Revision mit der Begründung zulässig, der Verwerfungbeschluß sei zu unrecht aufgehoben worden, etwa weil Wiedereinsetzunggründe nicht vorlagen, vgl. § 547 D). F III. Ferner ist gegen oberlandesgerichtliche Entscheidungen im Falle des GVG § 1591 2, 3 die Beschwerde statthaft. F IV. Auch gegen zweitinstanzliche landgerichtliche Entscheidungen ist die sofortige Beschwerde an sich statthaft. a) Für die Zulässigkeit der Beschwerde kommt es also nicht darauf an, in welcher Instanz sich das Hauptverfahren befindet und an welche Instanzentscheidung sie anknüpft (OLG J R 52/249, a. M. OLG JMB1. NRW 52/155). b) Anders ist dies, soweit in die Entscheidungsgewalt des LG mit der Berufung eingegriffen wird (§ 567 F IV a), wozu auch die Armenrechtentscheidungen nach § 127 I 2 gehören. c) In bezug auf die ProzeBkosten wird die weitere Beschwerde durch § 568 III ausgeschlossen, nicht aber die einfache gegen Kostenbeschlüsse des Landgerichts als Berufunginstanz nach § 102 (§ 567 H II b 1). Die weitere Beschwerde ist ferner im Armenrechtverfahren naoh § 127 II unstatthaft. GI. Außer den Statthaftigkeitvoraussetzungen müssen auch bei der Beschwerde die weiteren Znlässigkeitbedingungen gegeben sein. Die Zulässigkeitbedingung der Einlegung der Beschwerde innerhalb einer Frist gibt es nur bei der sofortigen Beschwerde (vgl. § 577 B). a) Die einfache Beschwerde ist an keine Frist gebunden; sie ist so lange zulässig, wie die Instanz zur Hauptsache noch offen ist und die Partei nicht etwa ihr Rügerecht nach §§ 295, 530, 558 verloren hat. Dies kann regelmäßig auch durch Rechtsmittelverzicht geschehen. Von einer Verwirkung des Beschwerderechts kann keine Rede sein (a. M. OLG MDR 58/112).
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Beschwerde
§567
G II. Der ßechtskrafteinwand ist aber auch bei einfacher Beschwerde gegeben. a) An die Entscheidung der höheren Instanz bleibt die untere gebunden (RG J W 98/641), wogegen die obere auch die eigene Entscheidung abändern darf, sofern gegen ihre Entscheidung die weitere Beschwerde zulässig und eingelegt ist (RGZ 37/385). b) Gegen eine rechtskräftige Beschwerdeentscheidung ist eine (weitere) Beschwerde unzulässig. Ist dieser Fall gegeben, so darf auch die Beschwerdeinstanz ihre Entscheidung auf eine Gegenvorstellung (vgl. § 567 F l a ) nicht mehr ändern (a. M. OLG MDR 54/237). c) Eine Beschwerdewiederholung ohne neue Begründung (vgl. § 567 F II b) ist unstatthaft (KG JW 23/843). Dagegen darf eine einfache Beschwerde, gestützt auf neue Tatsachen (vgl. RG J W 05/741) oder unter Vermeidung der früheren formellen Mängel (RG [Zitat von David in] Recht 06/1186), wiederholt werden. Die sofortige darf wiederholt werden, wenn die erste als unzulässig verworfen wurde, der Grund indes mit der neuen ausgeräumt werden soll. G DI. Uber die Form der Einlegung vgl. §§ 569, 577. G IV. Unter der Voraussetzung des § 512 a ist die Beschwerde unzulässig. G V. Ferner müssen Prozeßfortsetzunghindernisse fehlen, also das des Beschwerdeverzichts (vgl. § 567 A II a 2) und das der Beschwerderücknahme (Kommentar § 567 A II a 1). H I. In KostenbesChwerden schreibt § 567 II (vgl. LVG § 34 II) als Zulässigkeitbedingung (entsprechend §§511a, 546) eine Erwachsenheitsumme von mehr als 50 DM vor. Die Erwachsenheitsumme ist nach §§ 511a I I I (546 III) glaubhaft zu machen. Darüber, ob sie gegeben ist, entscheidet das Beschwerdegericht (RG HRR 40/1314). H II. Unter den Begriff der Kostenbeschwerde fällt die Beschwerde über Prozeßkosten (vgl. §§ 91folg.) im weiten Sinne, mögen sie festgesetzt sein oder nicht, im besonderen auch die Vollstreckungkosten (KG OLG 15/152), wie überhaupt die Kosten ohne Rücksicht auf ihre Erstattungfähigkeit. a) Gleichgültig ist dabei, ob es sich um die Kostengrundentscheidimg oder die über die Höhe (KG KGB1. 27/39) handelt. a 1. Darüber, inwieweit solche isolierte Kostenentscheidungen überhaupt angreifbar sind, vgl. §§ 91a D II, 99 C. a 2. Über die Anfechtung der Kostenschlußurteile mit dem Rechtsmittel, wenn vorausgegangene Teilurteile mit ihr bekämpft werden, vgl. § 99 B II a 2 (RGZ 148/403f.). b 1. Bei unter § 102 fallende Kosten wendet die h. M. die Norm nicht an (RGZ 64/377). b 2. Auch die das Armenrecht versagenden Beschlüsse sollte man unter § 567 II bringen (a. M. RGZ 63/408) wie die Entscheidung über die Beschwerde gegen ein Armenrechtsgesuch in Kostenfragen (RG N § 568/30). c) Ob die Prozeßkosten unmittelbar oder mittelbar Angriffspunkt sind, ist gleichgültig. Deshalb fällt hierher auch die Gebührenwertfestsetzung (OLG J R 50/55); der Berichtigungbeschluß (§ 319), der nur wegen der Kosten ergangen ist (RGZ 47/361); die Erteilung der Vollstreckungklausel zum Kostenfestsetzungbeschluß (RGZ 49/386) bzw. ihre Umschreibung (KG JW 37/247) oder der Angriff darüber, ob sie zu Recht erteilt war, wenn vollstreckt wird, oder wenn sonstige das Verfahren in Kostensachen betreffende Beschlüsse angegriffen werden (RG N § 567 Anh./7 für die Ablehnung der Terminanberaumung). d) Ob dem Gesuch entsprochen oder darüber sachlich entschieden oder ob es als unzulässig verworfen wird (RGZ 64/21), ist gleichgültig. H III. Bei der Berechnung der Beschwer kommt nur die Differenz in betracht, um die der Beschwerdeführer sich verbessern will (RGZ 45/402). a) Geht es um Kosten nur bis zur Erledigung der Hauptsache, so kommen spätere nicht in betracht (RG N § 568/17). Hilft das untere Gericht ab, so wird es auf die ursprüngliche Beschwer abgestellt (KG NJW 58/2023).
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§567 Hin
ZPO III. Buch
b) Die Umsatzsteuer ist zu berücksichtigen (OLG MDR 57/239); daß sie der Anwalt abführen soll, ist dabei wie auch sonst im Gebühren- und Streitwertrecht ohne belang. c) Bei der Gebührenwertherabsetzung ist Streitwert die Differenz der (beiderseitigen) Anwalts- und Gerichtsgebühren (OLG ZfV 52/415), bei der Gebührenwerthinaufsetzung ist Streitwert nur die Anwaltgebühr desjenigen, der die Heraufsetzung erstrebt. d) Wohl aber sind, wenn mehrere gemeinsam Beschwerde einlegen, deren Summen zusammenzurechnen (vgl. § 511a B I d 1; a. M. RG JW 02/363). e) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst bleiben bei dem Gebührenwert außer betracht (§ 4; RGZ 50/368). H I V . Eine weitere Besehwerde ist nach § 568 III unstatthaft. J. Die unzulässige Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (vgl. dazu § 574 B), aber nicht bloß, wenn die Beschwerde schon vor der Einlegung gegenstandslos wurde (so: RGZ 36/401), sondern auch wenn dies später eintritt. Die unstatthafte Beschwerde braucht nicht weitergegeben zu werden (RGZ 130/348f.); nach BGH NJW 53/1263 darf das angegangene Gericht nicht weitergeben, wenn die unzulässige Beschwerde zurückgenommen worden und nur noch über die Kosten nach dem entsprechend anwendbaren § 515 III zu entscheiden ist. Wird indes die höhere Instanz unmittelbar angegangen, so entscheidet sie (BayObLG v. 26. 10. 1956 I 57/56).
§ 568
(531)
I Über die Beschwerde entscheidet das im Bechtszuge zunächst höhere Gericht, n Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist, soweit nicht in ihr ein neuer selbständiger Beschwerdegrund enthalten ist, eine weitere Beschwerde nicht zulässig, m Entscheidungen der Landgerichte über Prozeßkosten unterliegen nicht der weiteren Beschwerde. A I. Beschwerdegericht gegenüber Entscheidungen des Prozeßgerichts (der Kammer, des Vorsitzenden, § 569; des Einzelrichters), aber nicht gegenüber denen eines betrauten Richters (§ 576, abgesehen vom Fall des ZuSGebG) ist im Regelfall das im Instanzenzuge zunächst höhere Gericht (§ 568 I), also a 1. gegenüber dem Amtsgericht das Landgericht, und zwar entweder die Kammer für Handelsachen oder die Zivilkammer (GVG §§ 94, 104). a 2. Gegenüber einer Entscheidung des Landgerichts ist das Oberlandesgericht zuständig (GVG § 119 I 2). a 3. Das Revisiongericht ist nur in dem Fall des § 519 b II (§ 567 III 2) gegenüber den oberlandesgerichtlichen Verwerfungbeschlüssen und in dem des GVG § 159 I 2, 3 zuständig. b) Von der Regel wird abgewichen, b 1. wo über Entscheidungen des AG dag dem Instanzenzug übergeordnete OLG zu entscheiden hat. b 2. Wegen der Zuständigkeit des Gerichts bei Änderung der Gerichtseinteilung vgl. G v. 6.12.1933 (RGBl. 11037), wegen der bei ersatzlos weggefallenen Gerichten vgl. ZuständigkeitergänzungG v. 7. 8.1952 (RGBl. I 407). Wegen Bestimmung des zuständigen Gerichts i. F. des § 36 vgl. KG OLG 13/173. b 3. Sofern besondere Gerichte in erster Instanz zur Entscheidung berufen sind (GVG § 14 B III c; Patent-, Warenzeichen-, Bauland-, Sondergerichte), bleibt es für sie sowieso bei dem ihnen vorgeordneten Gericht als Beschwerdegericht. B I. § 568 II, III setzt für die weitere (einfache wie sofortige) Beschwerde noch zusätzlich besondere Prozeßfortsetzungvoraussetzungen; doch unterliegt ihnen nicht der in GVG § 159 I 3 geregelte Fall (RGZ 64/180). Wenn im Berufungverfahren erstmalig entschieden wird, ist die Beschwerde gegen die Entscheidung die erste (RGZ 59/429). B II. Ob die weitere Beschwerde einfach oder sofortig ist, richtet sich nach dem Inhalt der Entscheidung.
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Beschwerde
§568 BT
a) Weist auch die Beschwerdeinstanz ein Gesuch zurück, so wird dadurch der Inhalt der Entscheidung nicht geändert, und es muß, wenn gegen die erstinstanzliche Entscheidung die einfache oder die sofortige Beschwerde zulässig war, dieselbe Art auch bei der weiteren Beschwerde gegeben sein. Anders ist es, wenn die Beschwerdeentscheidung abändert und nunmehr ein Fall der besonderen gesetzlichen Zulassung gegeben ist und diese inhaltlich eine andere Art der Beschwerde zuläßt (RGZ 6/390f.), wie dies in dem Falle des § 252 praktisch werden kann; hier kann deshalb gegen die erste Entscheidung die einfache Beschwerde, gegen die Beschwerdeentscheidung dagegen die sofortige weitere wie umgekehrt gegeben sein. Regelmäßig wird allerdings die Alt der Beschwerde, wenn sie gesetzlich zugelassen wird, ohne Rücksicht auf den weiteren Inhalt einheitlich festgelegt worden sein, wie dies im Vollstreckungverfahren stets die sofortige Beschwerde ist (§ 793; RGZ 30/395). b) Ist einer unstatthaften oder unzulässigen Beschwerde stattgegeben, so ist dies, soweit die weitere Beschwerde statthaft ist (vgl. § 568 B IV b 1) im Beschwerderechtzug zu beheben; sonst ist die Entscheidung in dem laufenden Verfahren nicht zu beachten, u. U. auf die Rüge im Rechtsmittelzug der Berufung bzw. der Revision. B III. Da die weitere Beschwerde auch eine Beschwerde ist, gelten zunächst auch für sie die Prozeßbedingungen der Beschwerde schlechthin (RGZ 57/318). a 1. Ist die Beschwerde nur nach der zweiten Alternative des § 667 I zugelassen (also nicht durch einen besonderen im Gesetz hervorgehobenen Fall), so ist auch die weitere Beschwerde unzulässig, wenn durch Beschwerdeentscheidung dem Gesuch stattgegeben worden ist (RGZ 31/410). a 2. Die weitere Beschwerde ist nicht zulässig gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte (§ 567 III, RG N § 568/35) oder der höheren Instanzen. Daraus folgt, daß sie überhaupt nur gegeben sein kann, wenn in erster Instanz ein Amtsgericht entschieden hat. Nur im Falle des GVG § 159 I 3 kommt als dritte Instanz der BGH (nicht das BayObLG) zum zuge (und hier auch gegen die Entscheidung eines LG als erster Instanz); doch unterliegt diese Beschwerde nicht den Beschränkungen des § 568 II, III. Die weitere Beschwerde ist aber auch nicht zulässig, wo das Gesetz gegen die entsprechende Beschwerdeentscheidung ein Rechtsmittel ausschließt (vgl. § 568 B I I I b 4). b) Kraft Gesetzes ist die weitere Beschwerde in besonderen Fällen unstatthaft (§ 511 B I a 1; abweichend gibt OLG MDR 58/702 sie stets bei groben Verfahrenverstößen). b 1. Dahin gehört der Ausschluß der weiteren Beschwerde gegen landgerichtliche Beschwerdeentscheidungen in Armenrechtbewilligungverfahren (§ 127), gegen die Bestätigung oder die Verwerfung eines Zwangsvergleichs im Konkurs (KO § 189 III), im Vergleichverfahren (VglO § 121), im Vollstreckungverfahren im Falle des ZVG § 30b I I I 2, nach MSchG § 11 VI 3. b 2. § 568 III schließt die weitere Beschwerde in bezug auf die Prozeßkosten aus (vgl. §§ 91 folg.). Der Ausschluß des § 568 III gilt schlechthin (OLG NdsRpfl. 54/85 für die isolierte Prozeßkostenentscheidung; OLG MDR 57/493 bei einer isolierten Prozeßkostenentscheidung des LG als Beschwerdeinstanz, wenn sich aus ihr ergibt, daß eine übereinstimmende Entscheidung mit der ersten i. S. des § 568 II ergangen sein würde); a. M. KG NJW 60/635 für die Ablehnung der Kostenentscheidung schlechthin. b 8. Ausgeschlossen ist die weitere Beschwerde, wenn sie bloß gegen die Kostenentscheidung der Beschwerdeinstanz eingelegt wird (§ 99 I, RGZ 6/339). b 4. Schließlich sind auch dort weitere Beschwerden unstatthaft, wo die einfache gegen landgerichtliche Entscheidungen unstatthaft ist, weil das IG als Berufanggericht entscheidet (vgl. § 567 F IV; KG NJW 56/1723). B IV. Als besondere Prozeßfortsetzungsvoraussetzung für die weitere Beschwerde wird der neue selbständige Beschwerdegrund gefordert (§ 568 II). Die Vorschrift gilt nicht im Fall des GVG § 159. Bei teilweiser Zurückweisung der Beschwerde müssen für den Beschwerdeführer die besonderen Bedingungen des § 568 II gegeben sein, in der geteilten Zurückweisung liegen sie nicht (OLG J R 59/383). a 1. Wurde die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen, so hat der Beschwerdeführer (RG Seuff. 60/19) das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde, sofern die erste Entscheidung sachlicher Art war (RGZ 55/310f.) oder auf einem anderen formellen Grunde ruhte.
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§ 5 6 8 BIT
ZPO III. Buch
a 2. War das Gesuch von der ersten Instanz als unzulässig zurückgewiesen worden und hatte die Beschwerdeinstanz es als unbegründet zurückgewiesen, so hat der Beschwerdeführer die weitere Beschwerde (RG J W 96/74). b) Wurde die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen, so hat der Beschwerdeführer die weitere Beschwerde nur, wenn ihr nicht übereinstimmende Entscheidungen der ersten und der Beschwerdeinstanz entgegenstehen, selbst wenn das alte Vorbringen auf Grund neuen Vorbringens des Beschwerdegegners zurückgewiesen wurde (RG Seuff. 58/197). Um dies zu klären, kommt es auf Inhalt und Bedeutung der Entscheidung, nicht bloß auf die Begründung an (RGZ 16/317), und nicht bloß auf die Formel (RGZ 30/394), also zunächst darauf, ob die Entscheidungen beider Instanzen gleich weit reichen (RGZ 34/377f.); die rechtliche, nicht tatsächliche Verschlechterung entscheidet (RG Seuff. 60/66). Wird der Beschwerdeführer rechtlich ungünstiger gestellt, also geht das Beschwerdegericht über das Untergericht hinaus, so ist insoweit (aber nur in den Grenzen der Schlechterstellung) die weitere Beschwerde zulässig (KG JW 38/1841), nicht dagegen wenn die Beschwerdeentscheidung die Wirkung der ersten einschränkt. Daß beide Entscheidungen in der tatsächlichen Feststellung öder in rechtlicher Begründung übereinstimmen, ist nicht zu fordern (RG J W 02/170); es kann auch die erste Entscheidung aus tatsächlichen, die zweite aus rechtlichen Gründen ergehen (RG Seuff. 60/66). b 1. Neu ist der Beschwerdegrund, wenn er noch nioht in der früheren Instanz gegeben war (RGZ 4/363), selbständig, wenn er die Anfechtung allein begründet (RGZ 42/352f.). Fehlen P r o z e ß f o r t s e t z u n g b e d i n g u n g e n der B e s c h w e r d e i n s t a n z , so ist immer aufzuheben, also wenn die Beschwerde sachlich geprüft und ihr stattgegeben wurde, anstatt daß sie als unzulässig verworfen wurde (RGZ 16/322). Verfahrensverstöße sind immer neu (RGZ 42/352 folg.), auch wenn dieselben schon in erster Instanz begangen wurden, sofern sie die zweite erneut begangen hat (RGZ 60/406), aber nicht wenn Prozeßbedingungen gleich beurteilt werden. Angreifbar mit der weiteren Beschwerde ist die Entscheidung stets, wenn eine beider Entscheidungen überhaupt nicht mit Gründen versehen worden ist (a. M. RG N § 568/2), ferner bei Versagung rechtlichen GehBrs (RGZ 18/425). Zu entscheiden, ohne die einseitig vom Beschwerdeführer vorbehaltene Begründung abzuwarten, ist zulässig (RG JW 03/125). Bloße Lücken in der Begründung sind unschädlich (RGZ 60/407). Eine Gesetzänderung ist stets neuer Beschwerdegrund (OLG NJW 53/588). b 2. Neue Anträge nnd auch neue Hilfsanträge dürfen grundsätzlich in der Beschwerdeinstanz gestellt worden (vgl. KG JW 36/1310). Geschieht dies, so liegt in der Entscheidung darüber stets eine neue vor (OLG Büro 53/75). Wird über einen Antrag nicht entschieden, so liegt ebenfalls ein neuer Beschwerdegrund vor (RG N § 568/24). b 3. Wird der Beschwerde zum Teil stattgegeben, so hat der Beschwerdeführer die weitere Beschwerde nur insoweit, wie er einen neuen selbständigen Beschwerdegrund darlegen kann (RGZ 14/321). c) Wurde der Beschwerde stattgegeben, so findet die weitere Beschwerde durch den Gegner (nicht durch den Beschwerdeführer) statt (RGZ 42/402), sofern diese überhaupt gegeben ist; also nicht, wenn es gegen die Stattgabe des Gesuchs keine Beschwerde gibt (i. F. des § 567 I zweite Alternative, vgl. § 568 B III a 1, RG JW 00/605) oder im Fall des § 319 III, wenn die zweite Instanz die Berichtigung ablehnt (RG JW 01/484); und auch sonst in dem Fall der Fristbestimmung nach § 109 I (RGZ 51/144); bei der vom Beschwerdegericht angeordneten Erteilung des Rechtskraftattestes und der vollstreckbaren Ausfertigung (RG N § 568/26). Dagegen beschwert den Gegner die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig nicht (weil außerprozessuale Ansprüche nicht in betracht kommen). C. Das Verfahren der weiteren Beschwerde entspricht im übrigen dem der Beschwerde. Eine Begründung ist nicht vorgeschrieben. Doch darf das Gericht all das, worauf die Partei verzichten darf, nicht von sich aus berücksichtigen. Soweit auf eine weitere Beschwerde sachlich zu entscheiden ist, wird man die unselbständige Anschließung in allen Fällen zulassen müssen (vgl. § 567 A II a 7); doch muß dann auch der Beschwerdegcgner die zur weiteren Beschwerde erforderlichen besonderen Prozeßbedingungen für sich haben. Soweit das Gericht die weitere Beschwerde nach § 568 II (OLG Büro 53/38), III (OLG Büro 53/410) als unzulässig zu verwerfen hat, darf es auf die Sache selbst nicht eingehen.
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Beschwerde
§ 569
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I Dte Beschwerde wird bei dem Gericht eingelegt, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist; sie kann in dringenden Fällen anch bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. n Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Sie kann anch durch Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn der Rechtsstreit bei einem Amtsgericht anhängig ist oder anhängig war, wenn die Beschwerde das Armenrecht betrifft oder von einem Zeugen oder Sachverständigen erhoben wird. A I . Eingelegt wird die einfache wie die sofortige, die erste wie die weitere Beschwerde (die einfache mit Rücksicht auf die Abänderungbefugnis des iudex a quo, § 571) bei dem Gericht (dem Einzelrichter, dem Vorsitzenden), das die angefochtene Entscheidung erlassen hat o d e r bei dem Beschwerdegericht (dem iudex ad quem; in dem Fall des § 519b II ist dies für bayerische Gerichte das BayObLG [EG § 7 B], in dem des GVG § 159 der BGH); und zwar darf die sofortige Beschwerde in jedem Fall bei dem Beschwerdegericht (§ 577 II 2), die einfache nach §569 I jedenfalls im dringenden Fall dort eingelegt werden; doch darf, selbst wenn das Beschwerdegericht keinen dringenden Fall annimmt, die eingereichte Beschwerde nicht deshalb als unzulässig verworfen werden, sondern ist nur dem Untergericht zu übersenden. a) Eingereicht wird die Beschwerdeschrift regelmäßig am Gerichtsort (vgl. dazu § 518 A II b). Wird eine Beschwerde an das Revisiongericht über das Berufunggericht bei dem letzten eingelegt, so ist sie beim Berufunggericht eingelegt (RG DR 39 A 1189). b) Im Falle des § 627 IV ist die Beschwerde gegen einen landgerichtlichen Beschluß bei dem Berufunggericht einzulegen, wenn der Ehereohtstreit in der Berufunginstanz schwebt, also von der Einlegung der Berufung an bis zum Erlaß der Eheentscheidung; selbst wenn Versäumnisurteil ergeht, solange hier kein Einspruch eingelegt ist, und ebenso wenn die Berufung verworfen ist, so lange die Wiedereinsetzung nicht nachgesucht ist; ob eine eingelegte Berufung zulässig, ein Wiedereinsetzunggesuch begründet ist, hindert dagegen das Schweben in der Berufunginstanz nicht. Erst mit der Zurückweisung; eines Wiedereinsetzunggesuches nach Rechtsmittelverwerfung ist wiederum die Berufunginstanz beendet. Während der Revisioninstanz ist wieder das LG zuständig; wird auf die Revision aufgehoben und an die Berufunginstanz zurückverwiesen, so ist wieder vom Erlaß des Revisionurteils die Berufunginstanz zuständig. A II. Die Beschwerde muß schriftlich abgefaBt werden. a) Zu der Schriftform gehören die einfache Schrift (§ 569 A II b) wio die mündliche Erklärung zu Protokoll der Geschäftstelle (§ 569 B II b), die durch die Partei selbst (§ 569 B II) wie durch einen Bevollmächtigten (§ 569 B II b 3) abgegeben werden dürfen; u . U . ist die Postulationfähigkeit beschränkt (§ 569 B I). b) Dazu muß b 1. die angefochtene Entscheidung bezeichnet und angegeben werden, was beanstandet wird (RG J W 29/441). Regelmäßig wird die Bezeichnung des Beschwerdegegners nicht erforderlich sein; anders ist dies nur, soweit die sofortige Beschwerde gegen bestimmte Gegner zu richten ist, wie bei der gegen eine Kostenentscheidung, die außerprozessual wirkt. Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels ist unschädlich (RGZ 54/430). b 2. Weiterhin ist erforderlich die eigenhändige und persönliche (handschriftliche: RGZ 46/375) und identifizierbare (RG J W 06/573) Unterschrift. b 3. Wegen der telegrafischen Einlegung vgl. § 129 A II a 4. b 4. Eventuelle Beschwerden sind unzulässig (RG JW 07/678); abgesehen von denen, die an Rechtsbedingungen hängen bzw. die nach § 577 IV, RechtspflegerG § 10 IV zu beurteilen sind (§ 577 C I a). c) Die Kennzeichnung der Schrift als Beschwerde ist nicht erforderlich; doch hat OLG MDR 58/522 in der Bezeichnung „Gegenvorstellung" nooh keine Beschwerde gesehen (was
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§569 Anc
ZPO III. Buch
mit Rücksicht auf die durch eine Beschwerde ausgelöste Kostenlast zu billigen ist); im Zweifel ist nach § 139 aufzuklären. c 1. Nicht vorgeschrieben ist der Beschwerdeantrag (RGZ152/319); auch bei der sofortigen Beschwerde kann der Antrag noch nachgeholt oder ergänzt (auch erweitert) werden (RG N § 577/4; a. M. KG J W 36/1310), im besonderen wenn das Gericht diese Klärung fordert (§ 139). c 2. Nicht vorgeschrieben ist die Beschwerdebegründung (RGZ 152/316). Das Gericht ist weder berechtigt noch verpflichtet, diese Begründung anzufordern, es braucht sie aber auch nicht abzuwarten (selbst wenn sie angekündigt ist); auch nicht in dem Fall des §519b II. U. U. kann sich die Notwendigkeit, die Beschwerde zu begründen, aus anderen Vorschriften ergeben, im besonderen soweit (ausnahmeweise) ein Wiedereinsetzunggesuch mit ihr verbunden wird. B I. Wird die Beschwerde bei einem Landgericht oder bei einem höheren Gericht eingelegt, so unterliegt sie regelmäßig dem Anwaltzwang (§ 78 I). Je nachdem, bei welchem Gericht sie eingelegt wird, entscheidet es sich, welcher Anwalt sie einlegen darf, a) nämlich nur der bei dem Gericht, wo sie eingelegt wird, zugelassene (RG J W 36/2228). Reicht indes ein nur am Untergericht zugelassener Anwalt sie beim Beschwerdegericht ein und gibt dieses sie an das Untergericht zurück, so wird sie wirksam mit dem Eingang beim Untergericht (RG Warn. 35/139), wie umgekehrt, wenn der nur am Beschwerdegericht zugelassene sie beim Untergericht einreicht, so wird sie mit dem Eingang beim Beschwerdegericht zulässig (KG J W 37/2220). Die schriftliche Genehmigung durch einen zugelassenen Anwalt wirkt als Neueinlegung und ist ohne rückwirkende Kraft (RG J W 04/118). a 1. Wird im Fall des § 519 b II die sofortige Beschwerde bei dem OLG eingereicht, so muß die Schrift ein dort zugelassener Anwalt unterschreiben; wird sie beim BayObLG eingereicht, so ein dort zugelassener (EG § 7 B), und bei dem BGH der dort zugelassene. Kein Anwaltszwang herrscht, wo in erster Instanz ein AG oder der Rechtspfleger tätig war (§569 B II a 1). a 2. Der Fall des GVG § 159 ist dem § 569 II unterworfen. Soweit hier das Gericht antragsberechtigt ist, ist es dem Anwaltzwang niemals unterworfen. b) Legt die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein, so muß sie von der bei dem Beschwerdegericht errichteten herrühren, wenn sie bei dem Beschwerdegericht eingereicht wird; diese ist aber auch legitimiert, sie bei dem Untergericht einzulegen. c) Soweit es auf die Postulationfähigkeit der Anwälte abzustellen ist, wird aber, wenn kein Anwalt der Beschwerdeinstanz bestellt worden ist, das Verfahren nicht nach § 244 unterbrochen, mag auch, nachdem die Beschwerde von diesem eingelegt wurde, dieser gestorben sein (RG HRR 33/536). B II. Der Anwaltzwang ist durch § 569 II gelockert. Die Norm gilt für alle Instanzen (RGZ 50/347f.); die weitere Beschwerde ist in dem Fall des § 568 I I stets vom Anwaltzwang befreit, weil sie immer vom Amtsgericht kommen muß (vgl. § 567 III). a) Die Lockerung erstreckt sich a 1. nach § 569 II 2 und weiteren Vorschriften auf den Fall, daß in erster Instanz der Rechtstreit beim Amtsgericht anhängig ist oder war. Betroffen werden davon die Beschwerde an das LG, die vom AG an das OLG (vgl. § 567 A I b 1), die vom LG, das als Berufunginstanz tätig ist, an das OLG (KG DJZ 12/577, OLG Frankfurt HRR 29/2040) oder die Entscheidung, die es in der Beschwerdeinstanz fällt, die weitere Beschwerde an das OLG wie die nach GVG §]159 an den BGH. a 2. Die Lockerung erstreckt sich auf die Fälle des Kostenrechts (abgesehen von den Anträgen gegen Kostengrundentscheidungen nach §§ 91 a II, 99 II), den Antrag auf Beiordnung eines Anwalts. a 3. Soweit das Armenrecht nachgesucht wird, besteht kein Anwaltzwang (§ 569 II 2, zweiter Fall). Befreit von ihm ist das gesamte Armenrechtsverfahren. a 4. Beschwerden, die Zeugen oder Sachverständige (nicht aber sonstige dritte) erheben können, ergeben sich aus Beschlüssen nach §§ 380, 390, 409, 411; gleichgestellt sind ihnen
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Beschwerde
§569
Büa4
die Bestrafungen der Partei nach §§ 141 I I I , 272b IV, 619 I I I . Im Falle der Zeugnis- oder Gutachtenverweigerung haben Zeugen und Sachverständige hier das Recht, nach §§ 387 II, 402 unmittelbar das Gericht anzugehen. Nicht unter die Bestimmung gehören die Fälle der §§ 71, 102 (RG Gruch. 50/1060). a 5. Bei der Bestimmung der Gerichtstände (§ 36) hat es sich eingebürgert, daß ohne Anwaltzwang entschieden wird (vgl. § 78 C II, III). a 6. In dem Fall des § 576 I I ergibt sich die Befreiung vom Anwaltzwang aus § 78 I I . b) § 569 I I 2 usw. (vgl. § 569 B I I a) gestatten es der beschwerten Partei, sich auch zu Protokoll der Geschäftstelle zu erklären (vgl. § 78 II). Wirksam wird die Beschwerde erst mit dem Eingang bei einer zuständigen Geschäftstelle bzw. dem bei einem zuständigen Gericht. b 1. Die Erklärung zu richterlichem Protokoll genügt (OLG LZ 28/1643). b 2. Es genügt aber auch Schriftform (RG J W 01/835). b 8. Wird die Beschwerde durch einen Bevollmächtigten eingereicht, so genügt die zunächst mündliche Bevollmächtigung (a. M. OLG 19/126), wenn auch die Urkunde nachzureichen ist (§ 80 I), worauf von gerichts wegen zu achten ist (§ 88 I, RG Warn. 36/99). Daß die Vollmachturkunde noch nach Ablauf der sofortigen Beschwerdefrist nachreichbar ist, darüber vgl. § 88 A I b 1 (auf den Mangel ist nach § 139 hinzuweisen). Allerdings wird gewohnheitrechtlich auf der Vorlegung der Urkunde nicht bestanden, wenn die Beschweide von einem Prozeßbevollmächtigten, dessen Vollmacht nicht geprüft zu werden braucht (§ 88 II), eingelegt wird. c) Soweit § 569 I I 2 zum Zuge kommt, ist es gleichgültig, ob die Zuständigkeit des AG für die Hauptsache zu Recht besteht oder nicht, bzw. ob das AG durch Vereinbarung zuständig wurde. Es genügt aber auch, wenn der Rechtstreit im ersten Rechtszuge bei dem AG anhängig und von diesem entschieden war, wenn noch das darauf sich gründende Verfahren beim Berufunggericht (Revisiongericht) anhängig ist. c 1. Die Norm trifft jetzt auch die Fälle des § 519b II, wo das OLG Berufunggericht für das AG ist (vgl. GVG § 119 B I). c 2. Wo als erste Instanzen zwei verschiedene (AG oder LG) tätig werden, muß es darauf abgestellt werden, welche tätig geworden ist. Das Anfechtungverfahren vor dem Landgericht in Entmündigung- und Aufgebotstreiten setzt nicht das amtsgerichtliche fort. Wird der Rechtstreit vom Amtsgericht zum Landgericht nach §§ 276, 506, 677, 700 verwiesen, so entfällt vom Erlaß (§§ 829 B I, 516 A 1) des Beschlusses an die amtsgerichtliche Zuständigkeit schlechthin (KG OLG 23/194f.), wie sie bei umgekehrter Verweisung von da ab begründet wird. Entsprechend endet die Tätigkeit des Amtsgerichts nach § 942 mit der Bestätigung durch das Landgericht bzw. dem Anrufen des Landgerichts. War indes in den Fällen des Zuständigkeitwechsels eine Beschwerde rechtswirksam eingelegt, so wird sie nicht durch den Zuständigkeitwechsel unzulässig, sondern bleibt zulässig (RG J W 00/154). Es kann indes dann nicht die Beschwerdeinstanz gewechselt werden. Hatte deshalb das LG vor Verweisung an das AG das Armenrecht verweigert und lief dagegen die Beschwerde, so muß darüber noch das OLG entscheiden (a. M. OLG BayJMBl. 52/133). c) Das Verfahren vor dem Rechtspfleger entspricht inhaltlich dem Verfahren vor dem Amtsrichter. § 569 I I 2 ist deshalb auf die Verfahren vor dem Rechtspfleger entsprechend anzuwenden (vgl. dazu auch RechtspflegerG § 10 V). B m . Die ausdehnende Auslegung der unter § 569 B gehörenden Fälle ist nicht angängig. Das Kostenfestsetzungverfahren wie das Erinnerungverfahren nach § 104 B sind vom Anwaltzwang, auch vor den Landgerichten, befreit; nicht aber das Beschwerdeverfahren gegen die erstinstanzlich landgerichtlichen Entscheidungen (RG J W 96/355). Das Ablehnunggesuch ist vom Anwaltzwang beireit, nicht aber das Beschwerdeverfahren gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts, das die Ablehnung des Richters zurückgewiesen hatte (§§ 44, 46, RG J W 91/90), oder das nach §§ 576 II, 78 I I gegen den Beschluß des LG stattfindet, oder das Beschwerdeverfahren gegen den einen Arrest ablehnenden erstinstanzlichen landgerichtlichen Beschluß (RG J W 93/268, §§ 920 I I I , 922) oder in dem des § 91a I I (OLG N J W 54/275).
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ZPO III. Buch
§ 570 I
(533)
Die Beschwerde kann auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden.
A I. In der Beschwerdeinstanz ist neues Vorbringen zulässig (§ 570), auch bei der sofortigen wie bei der weiteren Beschwerde (RG J W 25/479). Soweit die weitere durch § 568 I I belastet ist, ist ihre Zulässigkeit aus dem bisherigen Vortrag zu prüfen, so daß sie nicht etwa (abgesehen von Verfahrensrügen) durch den neuen Tatsachenvortrag allein zulässig weiden kann (KG J W 23/843). A n a ) Im Rahmen des Beschwerdeereignisses darf der Antrag modifiziert, beschränkt und erweitert (RGZ 55/61) bzw. durch Einführung von Hilfsanträgen unteistützt werden (OLG BadRPr. 19/101; a. M. OLG 9/71). b 2. Bei der Höhe der ProzeBkosten darf der Antrag im Rahmen des § 268 geändert werden. Der, der völlig obgesiegt hat, daif 6ich nicht beschweren, um neue Ansprüche geltend machen zu können (RGZ 35/427), selbst wenn die Tatsachen für die neuen Ansprüche sich erst nach dem Erlaß der Entscheidung ergeben haben. Dabei ist noch zu bedenken, daß der Austausch einzelner Rechnungposten zu keiner Klageänderung führt und daß von gerichts wegen ausgeglichen wird (§ 104 B III a). A DI. Eine Widerklage im Beschwerdeverfahren gibt, es grundsätzlich nicht, im besonderen ist die Kostenausgleichung (§ 106) keine solche, a) abgesehen von Schadenersatzansprüchen aus §302 IV, 600, 717 II, I I I , 1042 c I I in bezug auf Kostenentscheidungen. b) Über die Frage der Aufrechnung (BGB §§ 387 folg.) im Kostenfestsetzungverfahren vgl. § 103 A I I I a 1. B I. Im Rahmen des Beschwerdeereignisses dürfen Behauptungen neu gebracht werden, mögen sie den (Klage-)Beschwerdegrund, einen Einwand (vgl. aber wegen der Aufrechnung § 570 A I I I b), eine Einrede usw. betreffen und gleichviel, ob sie schon früher hätten geltend gemacht werden können oder erst neu entstanden sind (RG DJZ 02/359). B II. Die Parteien dürfen sich auch auf neue Beweise stützen. Sie dürfen auch nur die tatsächliche Beweiswürdigung des Untergerichts angreifen (RG J W 06/690f.) oder auch auf eine abweichende Ausübung richterlichen Ermessens drängen (KG J W 26/2464), soweit sie demgegenüber überhaupt ein Beschwerderecht haben (vgl. dazu § 567 C I I b 1). B HI. § 529 I I (RGZ 55/61), I I I sind unanwendbar; auch eine Zurückweisung nach §§ 279> 279 a, 28311 läßt sich schwerlich rechtfertigen. Über das stets zulässige Nachholen des Be" streitens vgl. § 531 A I a. CI. Doch darf neues Vorbringen nicht berücksichtigt werden a) bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das außerhalb der Frist des § 234 beigebrachte (RG Warn. 31/210). Darüber, daß aber die Glaubhaftmachung selbst nachgeholt werden darf (sofern sie ang'eboten war), vgl. § 236 B I I . b) Auch das summarische Kostenverfahren (§ 91 a, nicht das nach § 99 II) läßt kein Nachbringen neuer Tatsachen zu (OLG SchlHA 50/45). c) Ferner ist das Nachbringeverbot des § 389 III in der Besehwerdeinstanz zu beachten (KG OLG 29/121). C II. Wird sonst gegen § 570 verstoßen, so ist das ein Grund für die weitere Beschwerde nach § 568 I I (vgl. 568 B IV b 1), deren Zulässigkeit unterstellt.
§ 571
(534)
I Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde vor Ablauf einer Woche dem Beschwerdegericht vorzulegen. A I. Ist die Beschwerde begründet, so soll der Unterrichter der einfachen Beschwerde abhelfen (KG J W 36/1480), wobei auch neu vorgebrachte Tatsachen zu berücksichtigen sind
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Beschwerde
§571
AI
(KG DR 39 A 1336). Auf Erinnerung gegen Rechtspflegerentscheidungen ist die Norm entsprechend anzuwenden (RechtspflegerG § 10 V); im Fall der sofortigen Erinnerung entscheidet aber grundsätzlich zunächst das Gericht (RechtspflegerG § 10 II 2. Halbsatz); nur im Fall der Sprungerinnerung (RechtspflegerG § 10 IV), hier aber auch auf sofortige Erinnerung, wird der Richter dem des § 571 gleichgestellt. a 1. Einer unzulässigen Beschwerde darf der Unterrichter nicht abhelfen; abgesehen von den Fällen, wo er sowieso ändern darf (RGZ 62/10). Unzulässig ist die Abänderung auch mit der Entscheidung des Besohwerdegerichts (§ 567 G II a). Im Fall der weiteren Beschwerde hat dies dazu geführt, daß es dem Beschwerdegericht zu unrecht entgegen § 568 II zugebilligt wurde, abzuhelfen (RGZ 37/385). a 2. Ist die Beschwerde an sich unstatthaft (§ 567 B—F), so braucht nicht vorgelegt zu werden (RGZ 130/348f.); anders ist dies, wenn nur sonstige Zulässigkeitbedingungen (§ 567 G) fehlen. Doch ist über Kostenanträge einer zurückgenommenen Beschwerde vom Unterrichter zu entscheiden (BGH MDR B 951/53). a 3. Soweit nach § 627 IV 3 die Beschwerde gegen einen erstinstanzlichen Beschluß bei dem Berufunggerioht einzulegen ist, entfällt damit das Abhilfeverfahren (§ 627 D III b 1). b) Im Abhllfeverfahren b 1. ist die Anhörung des Gegners (§573) nicht vorgeschrieben; auch darf das Untergericht noch Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen (vgl. § 627 IV 2), und dies selbst dann, wenn dadurch die Beschwerde gegenstandslos wird (a. M. OLG 13/175). b 2. Hat der Gegner gegen die abhelfende Entscheidung ein Beschwerderecht, so ist dies die erste (nicht die weitere) Beschwerde (RGZ 62/12f.). b 3. Erscheint dem Untergericht die Beschwerde teilweise begründet, so ändert es insoweit ab und legt im übrigen vor (RG JW 95/126). b 4. Soweit die Beschwerdeentscheidung eine Kostenentseheidung zu enthalten hat (Kommentar § 586 B III b 3), so muß sie auch das Untergericht treffen, wenn es abhilft (KG DR 40 A 2190). A II. Erscheint dem Untergericht das Beschwerdevorbringen unbegründet, so legt es die Beschwerde mit den Akten dem Beschwerdegericht vor, ohne daß es zu dem Vorbringen noch Stellung zu nehmen braucht. b) War die erste Entscheidung nicht begründet, so darf das Untergericht die Begründung bei der Vorlegung nachholen. b 1. Nimmt das Untergericht bei der Vorlegung Stellung, so ist auch dieser Beschluß den Parteien mitzuteilen nach § 329 III. c) Die Vorlegungfrist von einer Woche ist eine uneigentliche Frist (§ 221B I). Wird sie versäumt, so hat der Beschwerdeführer das Recht, das Beschwerdegericht unmittelbar anzugehen.
§ 572
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I Die Beschwerde hat nnr dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen eine der in den §§ 109, 380, 390, 409, 619, 656, 678 erwähnten Entscheidungen gerichtet ist. II Das Gericht oder der Torsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, kann anordnen, daB ihre Vollziehung auszusetzen sei. III Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daB die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen sei. A. Regelmäßig werden die mit der Beschwerde angreifbaren Entscheidungen sofort wirksam und vollzogen bzw. vollziehbar (§5721); sie sind regelmäßig sofort vollstreckbar (§ 794 I 3), selbst wenn dadurch die Beschwerde selbst gegenstandslos wird.
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§572
ZPO III. Buch
A I . Ausgenommen ist a) nach § 672, a 1. daß eine Sicherheit erst nach Rechtskraft der Anordnung zurückgegeben werden darf (§109); a 2. wo gegen eine Straffestsetzung oder Zwangsmaßnahme gegen Zeugen oder Sachverständige (§§ 380, 390, 409, 411) oder gegen die nicht erschienene Partei (§§ 141 III, 272b IV i. V. m. § 380; §§ 619, 640) oder a 3. wo gegen die Unterbringung der Partei in eine Heilanstalt (§ 656) wie a 4. gegen die Aufhebung der Entmündigung (§§ 678, 685) eine Beschwerde eingelegt worden ist. b) Aufschiebende Wirkung haben ferner bis zum Eintritt der Rechtskraft die Entscheidung über die Untersuchung nach §372a, die über die Zeugnis- oder Gutachtenverweigerung (§§ 387 III, 402), die über den Widerspruch im Offenbarungeidverfahren (§ 900 III), die Entscheidungen im Konkurs (KO §§ 74,116,190), die im Genossenschaftrecht nach GenG § 80 II 3 bei Auflösung der Genossenschaft, die nach GVG § 181 II im Fall des GVG § 180. A II. Umgekehrt ordnet ZVG § 90 an, daß das Eigentum mit dem Zuschlagbeschluß übergeht, der Übergang aber wegfällt mit rechtskräftiger Aufhebung des Beschlusses. Hier wird der Beschluß, der den Zuschlagbeschluß aufhebt, also erst mit Rechtskraft (§ 705) wirksam. Auch die Regelung des Zwangsvergleichs im Konkurse und im Vergleichsverfahren führt zu ähnlichen Wirkungen. Erst aus dem rechtskräftigen Zwangsvergleich entstehen die Wirkungen der KO §§ 193folg. (vgl. auch GenG § 115e II). B. Nach § 572 II dürfen das Gericht bzw. der Vorsitzende, auch der betraute Richter bzw. der Rechtspfleger bzw. der Urkundsbeamte in dem Fall des § 576 I, deren Entscheidung angefochten wird (der iudex a quo; nicht aber der Vorsitzende für die Kammer, wenn diese entschieden hatte, wie umgekehrt; wohl aber das Gericht in dem Fall des § 576 I), die Vollziehung bis zur Entscheidung von sich aus (ohne Antrag) aussetzen. B I. Die Anordnung darf schon von vornherein sich Wirksamkeit erst mit Rechtskraft beilegen, falls gegen sie die sofortige Beschwerde zulässig ist. B n . So entsteht die Befugnis des iudex a quo erst mit der Einlegung der (einfachen wie der sofortigen) Beschwerde (RG N § 572/3). Sie erlischt mit der Abgabe an das Beschwerdegericht (bzw. i. F. des § 576 I mit der an das Prozeßgericht), sobald der Vorgang dort zugegangen ist (§ 572 III). a) Bei der Anordnung braucht zwar nicht die Zulässigkeit der Beschwerde geprüft zu werden; wohl aber ihre Statthaftigkeit (vgl. § 567 B). b) Andere Maßnahmen dürfen mit der Aussetzung hier nicht verbunden werden (anders im Fall des § 572 III). B i n . Die Aussetzung wirkt wie die einstweilige Einstellung gegenüber der Vollstreckung. Den Beteiligten ist die Anordnung von gerichts wegen bekanntzugeben (§ 329 III). B IV. Die Anordnung nach § 572 II ist unanfechtbar; doch wird man es dem Beschwerdegericht zubilligen müssen, die Maßnahmen des Untergerichts auch im Vorwege aufzuheben. Auch billigt die h. M. die Änderungbefugnis dieser Entscheidung auch sonst dem Anordnenden zu. C I. Das Beschwerdegericht darf aussetzen (§ 572 III) von der Einlegung der Beschwerde an, selbst wenn es die Akten noch nicht hat. Die Befugnis des Beschwerdegerichts erlischt mit dem Erlaß (§§ 329 B I, 516 A I) der Beschwerdeentscheidung, a) wenn es auch bei mit sofortiger weiterer Beschwerde angreifbarer Entscheidung die Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung von der Rechtskraft abhängig machen darf (§ 572 B I, OLG JMB1. NRW 52/60). b) Nach der Beschwerdeentscheidung darf das Beschwerdegericht, wenn weitere Beschwerde eingelegt wird, entsprechend § 572 II aussetzen (vgl. § 572 B II—IV).
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Beschwerde
§572
C n . Im Fall des § 678 i n darf im Gegensatz zum Untergericht das Beschwerdegericht auch andere Anordnungen treffen, also etwa gegen Sicherheitleistung einstellen. C m . Gegen die einstweiligen Anordnungen des Beschwerdegerichts gibt es keine Besehwerde (OLG Büro 53/499); doch gestattet die h. M. dem Gericht die Änderung seiner Entscheidung (KG JW 38/1841).
§ 573 I
(536)
Die Entscheidung über die Besehwerde kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
II Ordnet das Gericht eine schriftliehe Erklärung an, so kann sie durch einen Anwalt abgegeben werden, der bei dem Gericht zugelassen ist, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist. In den Fällen, in denen die Beschwerde zum Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden darf, kann auch die Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. A I . § 573 I stellt dem Gericht frei, mündlich verhandeln zu lassen (vgl. § 128 G II). Wird die mündliche Verhandlung angeordnet, a) so gilt der Anwaltzwang (§ 78 I), auch wenn die Einlegung der Beschwerde vom Anwaltzwang befreit ist (§ 569 II). Ein Versäumnisverfahren gibt es aber nicht. A II. Anstatt daß mündlich verhandelt wird, darf das Gericht auch anordnen, daß der Gegner schriftlich sich erklären darf (§ 573 II). a) Dafür wird der Anwaltzwang nach § 572 II 2 gelockert. a 1. Die Gegenerklärung ist vom Anwaltzwang insoweit befreit, wie es die Besehwerde selbst ist. a 2. Soweit die Beschwerde dem Anwaltzwang unterliegt, gestattet § 573 II 1 für die Gegenerklärung, daß sie von einem bei dem Untergericht zugelassenen Anwalt abgegeben wird. Im Fall des §519b II, GVG § 159 darf die Gegenerklärung deshalb auch durch den bei dem Oberlandesgericht zugelassenen Anwalt abgegeben werden. Damit wird indes der Anwalt der unteren Instanz für die obere nicht schlechthin postulationfähig, so daß, wenn er stirbt, dadurch das Verfahren noch nicht nach § 244 unterbrochen wird (RG H R R 33/536, vgl. § 244 A I I I b, c), sondern nur relativ. Andererseits kann er nicht durch einen beliebigen anderen Anwalt ersetzt werden, sondern es muß ein bei dem Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, zugelassener sein. A III. Gegen die Anordnung der mündlichen Veihandlung (OLG HRR 31/1984) wie die der schriftlichen Gegenerklärung gibt es keine Beschwerde. B. § 573 ermöglicht es aber dem Gericht, auch ohne den Gegner zu hören, entscheiden zu düifen. B I. Bisweilen ist es gesetzlich unmittelbar vorgeschrieben, dem Gegner Gelegenheit zur Äußerung ( r e c h t l i c h e s Gehör) zu gewähren, a) so in §§ 91 a II 2, 99 II 2. Bei der sofortigen Beschwerde muß der Gegner gehört werden, wenn auf Betreiben der Parteien zugestellt wurde und es zweifelhaft ist, ob die nachgewiesene Zustellung die erste ist (RGZ 47/430), oder wenn das Gericht gerade aus dem Verhalten des Gegners Schlüsse ziehen will. b) Die h.M. nimmt an, daß, wenn es gesetzlich geboten ist, den Gegner in der ersten Instanz zu hören (vgl. §§ 102,387,844, 891,1042a, 1045), die Beschweideinstanz nicht dazu verpflichtet ist (RG Gruch. 44/190), wenn nicht die erste Instanz es verabsäumt hatte und die Beschwerdeinstanz selbst entscheiden will (OLG BayZ 26/360) oder wenn die erste Instanz das Gesuch abgelehnt hatte und den Gegnernicht zu hören brauchte, während die Beschwerdeinstanz ihm entsprechen will. Doch sollte man hier stets den Gegner hören, zumal die allgemeine Tendenz dahin geht, das rechtliche Gehör in weitem Umfang den Parteien zu gewähren. Bei dem Gegner ungünstigen Entscheidungen hat BVG NJW 57/1395 seine Anhörung gefordert.
1295
§573 B n . In 834; im Fall kann für die persönlichem
ZPO III. Buch gewissen Fällen ist es dem Gericht verboten, den Gegner zu hören. Vgl. §§ 48 II, des GVG § 175 II 2 braucht das Gericht ihn nicht zu hören. In anderen Fällen Anhörung des Gegners kein Anlaß bestehen (vgl. z. B. §§ 336, 952 IV) oder bei Arrest gegen den Schuldner oder auch bei dinglichem (vgl. § 922 1).
B m a) Das entsprechende gilt für die weitere Anhörung des Beschwerdeführers zu der Gegenerklärung (RG JW 01/326). Soweit die weitere Beschwerde gegeben ist, darf diese jedenfalls auf Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt werden (vgl. § 568 B IV b 1). b) Andererseits muß das Gericht jede Erklärung bis zum Erlaß der Entscheidung berücksichtigen.
§ 574
(537)
I Das Beschwerdegericht hat von Amte wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sieh statthaft lind ob sie In der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. A I . Bevor sachlich über die Beschwerde entschieden werden darf, sind ihre Prozeßfortsetzungbedingungen, im besonderen ihre Statthaftigkeit (§ 567 B) zu prüfen. A n . Von den sonstigen Zulässigkeitbedingungen nennt § 574 1 1 nur den Mangel der richtigen Form (§ 569 A) und den der innezuhaltenden Frist (§ 577 II); doch kann auch die einfache Beschwerde unzulässig werden, etwa wenn das Verfahren beendet ist (§ 567 E II a 1). Weitere Zulässigkeitbedingungen sind das Erfordernis der Erwaohsenheitsumme i. F. des § 567 II wie, daß es nicht bloß um die örtliche Zuständigkeit des Gerichts in vermögensrechtlichen Streiten geht (§ 512a); bei der weiteren Beschwerde die Bedingung des § 568 I I ; ferner bei allen, daß auf die Beschwerde nicht verzichtet wurde bzw. daß sie nicht zurückgenommen wurde. Das entsprechende gilt auch für die Anschlußbeschwerde, wenn man sie zuläßt (§ 567 A II a 7). B. Ist die (Anschluß-)Beschwerde unzulässig, so wird sie verworfen (§ 574 I 2). Ist sie zurückgenommen worden oder auf sie verzichtet worden, so ergeht Verlustigkeitbeschluß. Dabei werden die Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt (§ 97 A I); über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Entscheidung vgl. § 572 A. Über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde vgl. § 568 B. C. Nicht verworfen werden darf die Beschwerde, wenn sie an die falsche Kammer gelangt ist. Ist die angerufene Zivilkammer oder die für Handelsachen nicht zuständig, weil es die andere ist, so wird von gerichts wegen abgegeben. D. Über die Zulässigkeit der Beschwerde darf entsprechend § 303 durch Zwischenbeschluß erkannt werden.
§ 575
(538)
I Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen. A I . § 575 regelt die stattgebende Beschwerdeentscheidung, während § 574 die verwerfende normiert, über die zurückweisende besteht keine Norm im Beschwerderecht. Ist die Beschwerde unbegründet, so wird sie zurückgewiesen (mit der Folge des § 97 I); ist sie dagegen begründet, so wird die Vorentscheidung abgeändert, wobei entweder das Beschwerdegericht durcherkennen oder nach seiner Wahl dann dem Untergericht „die erforderliche Anordnung übertragen" darf (§ 575), und zwar durch Beschluß, a) der auf Grund mündlicher Verhandlung erlassen, nach § 329 1 zu verkünden, sonst nach § 329 III mitzuteilen ist; zuzustellen ist er nur in dem Fall des § 329 III 2.
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Beschwerde
§575
A II b) Bei begründeter Beschwerde gibt es nur bei den vom Hauptverfahren gelösten Verfahren Kostenentscheidungen, sofern ein Gegner vorhanden ist. b 1. In den Zwischenverfahren gehören die Kosten zum Hauptverfahren und sie können hier sehr wohl auch den siegreichen Beschwerdeführer treffen, wenn er nämlich in der Hauptsache unterliegt. b 2. Nur bei dem selbständigen (vom Hauptverfahren unabhängigen, OLG 17/126) Beschwerdeverfahren wie den Kostenbeschwerden der §§ 91 a II, 99 II, dem Kostenfestsetzungverfahren, in der Vollstreckung im Verfahren auf Aufhebung eines vollzogenen Arrestes oder einer einstweiügen Verfügung ist die Kostenentscheidung erforderlich, wenn durcherkannt wird; aber nicht, wenn die erste Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen wird. o) Soweit es danach zur Kostenentscheidung kommt, gelten §§ 91 folg.. d) Unterbleibt die Kostenentscheidung in den Fällen, wo sie ergehen müßte, so ist das Ergänzungverfahren nach § 321 zu betreiben. A DI. Über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung ist im Beschwerdeverfahren keine besondere Anordnung zu treffen. Über sie vgl. §§ 572, 594 I 3. B I. Wird der Beschwerde stattgegeben, so darf durcherkannt werden bzw. die Einzelentscheidung dem Untergericht vorbehalten werden. a) Die Wahl darüber steht beim Beschwerdegericht (RGZ 16/323). a 1. Nur im Fall des ZVG § 1 0 1 1 muß das Beschwerdegericht selbst entscheiden. b) Wird aufgehoben und zurückverwiesen, so ist das Untergericht entsprechend § 565 II an die Entscheidung des Beschwerdegerichts gebunden (RGZ 53/318), und auch das Beschwerdegericht an seine eigene (KG OLG 19/129). Doch tritt dadurch für den sachlich zu entscheidenden Hauptstreit keine Bindung an die rechtliche Begründung der Beschwerdeentscheidung ein (RG N § 575/3). B II. Das Beschwerdegericht darf stets durcherkennen (vgl. § 540), B m . auch die weitere Beschwerdeinstanz (OLG H R R 37/1343). b) Ob auch an die eiste Instanz zurückverwiesen werden darf, vgl. § 565 C IV c; die Zurückverweisung an eine andere Kammer (vgl. § 565 C IVd) bzw. an eine andere Abteilung ist. unzulässig.
§ 576
(539)
I Wird die Änderung einer Entscheidung des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle verlangt, so ist die Entscheidung des ProzeBgerichts nachzusuchen. II
Die Beschwerde findet gegen die Entscheidung des ProzeBgerichts statt.
III Die Vorschrift des ersten Absatzes gilt auch für den Bundesgerichtshof und die Oberlandesgerichte. A. § 576 gibt den Beteiligten ein Recht auf die grundsätzlich unbefristete Erinnerung gegen Entscheidungen des betrauten Richters wie des Urkundsbeamten. Ihm entspricht in bezug auf den Reohtspfleger das RechtspflegerG § 10 I 1. B. Das ProzeBgericht entscheidet nach § 576 I über die von einem betroffenen Beteiligten eingelegte Erinnerung gegen Verfügungen und Beschlüsse des Urkundsbeamten und die der betrauten Richter, soweit sie nicht aus eigenem Recht handeln; gegen die des Rechtspflegers nach RpflegerG §1011. Die unmittelbare Beschwerde ist in diesen Fällen gegen die Entscheidungen der betrauten Richter, des Rechtspflegers und der Urkundsbeamten unzulässig. B I. Die Erinnerung an das (Frozeß-)Gericht nach § 576 I bzw. nach RechtspflegerG § 10 I muß entweder schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung vor dem (Prozeß-)Gericht 82 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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§576 bi
ZPO III. Buoh
oder dem, dessen Entscheidung angegriffen wird, angebracht werden (RGZ 66/202f.; entsprechend § 569). Wird sie mündlich vor dem, dessen Entscheidung angegriffen wird, angebracht, so ist die Erklärung zu protokollieren. Die Bezeichnung als Beschwerde ist unschädlich. a) In den Fällen des § 576 bzw. des RechtspflegerG § 10 1 ist sie aber keine Eventualbeschwerde (anders im Fall des § 577 IV, bzw. in dem des RechtspflegerG § 10 IV), sondern die Beschwerde muß nach § 576 II bzw. RechtspflegerG § 10 I I I neu eingelegt werden, wenn das (Prozeß-)Gericht ihr nicht entspricht. b) Sie unterliegt nicht dem Anwaltzwang (§ 78 II; RGZ 66/202); wird indes mündlich vor dem Prozeßgericht verhandelt und sie nur mündlich vorgebracht, so kann sie dort nur der Postulationfähige wirksam vorbringen. e) DerRechtsbeheli ist,-abgesehen voß-den Fälles-der $$ 577IV (RechtspflegerG § 1 0 1 2 ) , 104 III, 700, an keine Frist gebunden. B II. Das Abänderungrecht des Prozeßgerichts ist unabhängig von den sonstigen besonderen Prozeßfortsetzungbedingungen der Beschwerde, soweit diese nach §§ 576, 568 bestehen (OLG ZZP 30/523), im besonderen gilt dies auch für die Entscheidungen des beauftragten Richters oder des Urkundsbeamten wie des Rechtspflegers, der Oberlandesgerichte und der höheren Gerichte (§ 567 I I I gilt also nicht). Dagegen muß auch hier die Beschwer gegeben sein. Auch kann die Entscheidung inzwischen gegenstandslos und damit unzulässig werden. C I . Das Erinnerungverfabren entspricht dem Beschwerdeverfahren. Wird die Erinnerung bei dem Urkundsbeamten bzw. dem Rechtspfleger bzw. dem betrauten Richter angebracht, so dürfen diese regelmäßig ihre Entscheidung entsprechend § 571, RechtspflegerG § 10 II 1 ändern; aber nicht in dem Fall des §577 IV, RechtspflegerG § 10 1 2 (§ 577 I I I entsprechend, RechtspflegerG § 10 II 1). Wird abgeändert, so ist möglicherweise der Gegner beschwert, der dann das Prozeßgericht angehen darf (wird nochmals geändert, so ist in jedem Fall auch hier vorzulegen). Auch § 572 ist entsprechend anzuwenden. C II. Wird dem Angriff nicht (durch Abhilfe) entsprochen (für den Rechtspfleger vgl. RechtspflegerG § 10 II 2) bzw. wird (sonst) das Gesuch unmittelbar beim (Prozeß-)Gericht angebracht, so entscheidet dieses, a) und zwar auf Grund notwendiger mündlicher Verhandlang (bzw. im schriftlichen Verfahren nach §§ 128 II, 251 a, 331 a) in den Fällen der §§ 694, 700 (die nicht unmittelbar unter § 576 fallen), wo auf Grund mündlicher Verhandlung beauftragt oder ersucht wurde, im besonderen in den Zwischenstreiten mit dritten nach §§ 389, 402, aber auch, wenn ein Streitgehilfe vom betrauten Richter zurückgewiesen wird nach § 71 I 1 oder wenn ein Anwalt dem betrauten Richter das ihm überlassene Urteil nicht zurückgibt (§ 135 II). b) In allen übrigen Fällen wird in freigestellt mündlicher Verhandlung (§ 128 G II) entschieden (§ 573 I entsprechend). C HI. Die Entscheidung des (Prozeß) Gerichts ergeht, soweit notwendigerweise mündlich zu verhandeln ist bzw. wenn sohriftlich verfahren wird, durch Urteil; sonst durch Beschluß. a) Ergeht der Beschluß auf Grund mündlicher Verhandlung, so wird er verkündet (§ 329 I), sonst aber nach § 329 I I I formlos mitgeteilt. b) Beschlüsse sollten eine Kostenentscheidung haben, wenn die Erinnerung zurückgewiesen wird (vgl. § 575 A II). Über die Vollstreckbarkeit vgl. § 575 A III. CIV b. Gegen die zurückweisenden Beschlüsse des Prozeßgerichts ist die selbständige Beschwerde nach §§ 567, 568 bzw. nach RechtspflegerG § 10 I I I gegeben (§ 576 II). Diese Beschwerde ist die erste (nicht die weitere; RG J W 96/320). Im Fall der Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 10 IV ist, wenn das Prozeßgericht nicht abhilft, dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorzulegen (vgl. § 577 IV). b 1. Sie ist aber nur zulässig, wenn dieProzeBfortsetzungbedingungenfür sie gegeben sind; also nicht gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte (RG N § 576/3) und die einer höheren Instanz (§ 567 III); nicht bei Prozeßkosten, wenn die Erwachsenheitsumme nicht erreicht ist (§ 567 II); nicht, sofern nicht die Voraussetzungen des § 567 I gegeben sind.
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Beschwerde
§ 576
C IT
b 2. Sie unterliegt dem Anwaltzwang des § 78 I, sofern kein Befreiungsgrund gegeben ist (§§ 569 II, 78 II). e) Ändert das Prozeßgericht durch Beschluß ab, so ist möglicherweise der Gegner beschwert und beschwerdeberechtigt (aber nicht stets, nämlich auch nur unter den Voraussetzungen des § 567 I).
§ 577 I
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Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.
II Die Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung, in den Fällen der §§ 336 und 952 Abs. 4 mit der Verkündung der Entscheidung beginnt, einzulegen. Die Einlegung bei dem Beschwerdegericht genügt zur Wahrung der Notfrist, auch wenn der Fall für dringlich nicht erachtet wird. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden. III Das Gericht ist zu einer Änderung seiner der Beschwerde unterliegenden Entscheidung nicht befugt. IV In den Fällen des § 576 muH auf dem für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Wege die Entscheidung des ProzeBgerichts binnen der Notfrist nachgesucht werden. Das Prozeßgericht hat das Gesuch, wenn es ihm nicht entsprechen will, dem Beschwerdegericht vorzulegen. A. Auch die sofortige Besehwerde ist eine Beschwerde (RGZ 15/431), die sich von der einfachen durch ihre Befristung (§ 577 II), die fehlende Abänderungbefugnis (§577 III) und die Modifizierung des § 576 durch § 577 IV unterscheidet; dem entspricht die Regelung im RechtspflegerG § 10 I 2, II, IV. Über die Form der sofortigen Beschwerde vgl. § 569 A II. Über die Frage der Umwandlung einer Berufung in eine sofortige Beschwerde wie umgekehrt vgl. § 567 D II. Über den Anwaltzwang vgl. § 569 B. A I. Wann die Beschwerde einfach, wann sie sofortig ist, ergibt das Gesetz. a) Sie ist grundsätzlich nur sofortig, wo das Gesetz dies ausdrücklich anordnet (vgl. dazu § 567 B); aber auch, wo überhaupt eine, wenn auch von § 577 II abweichende Frist von nur einer Woche gesetzt wird, wie in GVG § 181 (OLG 23/316 Anm.), weshalb auch in diesem Falle die Wiedereinsetzungmöglichkeit in den vorigen Stand gegeben ist (OLG 23/316 Anm.; a. M. OLG 40/174) und die Entscheidung nicht abgeändert werden darf (OLG J W 26/2586). Dasselbe gilt im Fall der RVO § 1574 II 2. Auch im Fall der VglO § 121 II 2 beträgt die Frist für die sofortige Beschwerde nur eine Woche (während im Konkursverfahren gegen den Eröffnungbeschluß die Zweiwochenfrist läuft, OLG MDR 55/366). b) Aber auch sonst gibt es Abgrenzungschwierigkeiten, etwa im Fall des § 793 vgl. § 704 F I; § 577 IV gilt, wenn etwa der betraute Richter einen Sachverständigen selbst ernannt hat, sofern er ein bei ihm nach § 406 eingebrachtes Ablehnunggesuch für unbegründet erklärt (RG Warn. 09/256). A II. Sie kann eine erste wie eine weitere sein und ist es im Fall des § 252 bei wechselnder Entscheidung entweder als erste oder als weitere, nur bei Zurückweisung oder Verwerfung ist sie als weitere derselben Art wie als erste (RGZ 30/394). A i n . Über die Möglichkeit der Anschlußbeschwerde vgl. § 567 A II a 7. A IV. Die (sofortige) Beschwerde (§ 793) nach dem ZVG unterliegt weiteren Prozeßfortsetzungbedingungen, vgl. ZVG §§95 folg.. B. Die Befristung ist eine zusätzliche ProzeBfortsetzungbedingung; sie muß neben den allgemeinen (§§ 567 B-G, 568 B III, IV) gegeben sein (RGZ 15/431). 82»
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§577
ZPO III. Buch
B I. Die sofortige Begehwerde darf mit dem Erlaß (§ 516 A I; nicht aber vorher: RZG 110/169, vgl. aber § 567 B) der Entscheidung, gegen die sie sich richtet-, eingelegt werden, auch wenn die Notfrist noch nicht zu laufen begonnen hat (RG J W 30/3549). B D I ) Die Frist beträgt regelmäßig zwei Woehen, auch in dem Ämtsgerichtsverfahren ; aber nur eine Woche in den Fällen des GVG § 181, RVO § 1574 II 2, VglO § 121. Über die Berechnung der Frist im allgemeinen vgl. § 222. Sie ist eine Notfrist (§ 223 II, vgl. § 577 A I a) mit der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen ihren Ablauf bei ihrer Versäumung (§ 233 A I). Die Beweislast für die Einhaltung der Notfrist trifft den Beschwerdeführer. b) Der Fristenlauf beginnt in den Regelfällen mit der Zustellung der Entscheidung, selbst wenn sie verkündet oder auf der Geschäftstelle niedergelegt wurde, also nicht mit der Verkündung (§ 577 II 1). b 1. Wurde nicht verkündet, sondern nur zugestellt, so beginnt die Frist mit dieser von gerichts wegen zu bewirkenden Zustellung (§ 329 III). b 2. Wurde die angegriffene Entscheidung verkündet, so kommt es darauf an, ob von gerichts wegen oder auf Betreiben der Parteien zuzustellen ist. Vorgeschrieben ist nach der Verkündung die Zustellung von gerichts wegen in ZVG §§ 103, 104. Im übrigen werden aber die verkündeten Beschlüsse auf Betreiben der Parteien nach §§ 329 II, 317 1 zugestellt. Diese allgemeine Regel gilt auch in den Fällen der §§ 900 III, 1045, wenn der Beschluß auf Grund mündlicher Verhandlung erlassen worden ist (RG GrUch. 33/1189). b S. Soweit Zustellung erforderlich ist, muß sie förmlich bewirkt werden, eine Heilung tritt nach § 187 I 2 nicht ein. Bei Zugang der Urkunde und Versagen der förmlichen Zustellung will hier OLG JZ 53/154 eine Fünfmonatefrist laufen lassen (vgl. § 577 B II d). Zustellungen in abgekürzter Form (§ 317 II 3) sind unwirksam (§ 329 C I I I ; a. M. OLG BayJMBl 59/217). c) Nur in Ausnahmefällen beginnt die Frist mit einem anderen Ereignis, regelmäßig dem der Verkündung der Entscheidung, doch nur dort, wo es gesetzlich angeordnet worden ist. Nur in dem weiteren Ausnahmefall der KO § 158 II 3 beginnt sie bei der Abschlagverteilung mit der Niederlegung der Entscheidung auf der Geschäftstelle (vgl. § 577 B II e 5). Ferner beginnt sie mit der Verkündung c 1. bei Ablehnung des Erlasses eines Versäumnisurteils nach § 336 (§ 577 II 1), c 2. bei der Zurückweisung des Antrags auf Erlaß eines Ausschlußurteils oder bei solchen, die mit Vorbehalten oder Beschränkungen gegeben wurden, nach § 952 IV (§ 577 II 1), c c c § 189
8. in den Fällen des ZVG § 98, 4. in den Fällen des GenG §§ 112 II 3, 113 I 2, 114 III, 115 o III, 115 e II 4, 5. wo im Konkursverfahren der Vergleich bestätigt oder verworfen wird nach KO II,
c 6. und im Vergleichverfahren (VglO § 121 II 3). d) Ob bei verkündeten Beschlüssen, die zuzustellen sind, der Fristenlauf auch nach Ablauf von fünf Monaten ab Verkündung beginnt, also insoweit §§ 516, 552 entsprechend anzuwenden sind, ist umstritten; die Literatur bejaht es überwiegend, ebenso ein Teil der Rechtsprechung (KG J W 35/1709). d 1. Auszuschließen sind davon von vornherein die Fälle, wo neben der Verkündung noch ausdrücklich die Zustellung vorgeschrieben worden ist. d 2. Doch ist auch darüber hinaus Vorsicht geboten, weil die Analogie ja auch nicht bei Versäumnisentscheidungen gilt und die Gegenpartei im Beschwerdeverfahren oft nicht gehört zu werden braucht (vgl. § 573 B). Schließlich kennt die Praxis im gewöhnlichen Verfahren nur wenige verkündete Beschlüsse, die mit der Beschwerde angreifbar sind, weil überwiegend schriftlich entschieden wird, und bei Zwischenurteilen gegen dritte, die sich nicht im Verfahren
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Beschwerde
§577
Büd2
befinden, erscheint es nicht vertretbar, eine Fünfmonatefrist ab Verkündung zu rechnen, wenn nicht zugestellt wird (im besonderen bei Zeugen und Sachverständigen). d 8. In den Fällen der VO v. 18. 6. 1942 (RGBl. I 395) über die Ersetzung abhandengekommener Urkunden §6 ist die Annahme des Laufs der Fünfmonatefrist nicht vertretbar (vgl. VO § 6 B). e) Beim Vorliegen der Erfordernisse der Wiederaufnahmeklage (§§ 579—582) ist die sofortige Beschwerdefrist noch in der Wiederaufnahmeklagefrlst des § 586 zulässig (§ 577 I I 3). Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist dies aber nicht, denn nur bei ungenutzter Beschwerdemöglichkeit ist sie gegeben, nicht aber gegen Beschlüsse der letzten Instanz (KG OLG 17/177). B M . Gewahrt wird die Frist durch Einlegung der Beschwerde bei dem Unter- oder dem Beschwerdegericht (§ 577 I I 2), doch wird die weitere Beschwerde nicht beim Amtsgericht eingelegt und wirkt erst, wenn sie dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht zugeht (KG H R R 38/1502). Über die Einlegung zu Protokoll der Geschäftstelle vgl. § 569 B I I b. Über die aufschiebende Wirkung von Beschwerden vgl. § 572 A I. B IV. Die Abänderung der Entscheidung ist nach § 577 I I I grundsätzlich ausgeschlossen (RGZ 20/408; a. M. OLG 37/154). Über die Frage der Wiederholbarkeit der sofortigen Beschwerde vgl. § 567 G I I c. a) Mit dem ungenutzten Ablauf der Notfrist tritt die formelle Rechtskraft (§ 705) ein (RGZ 25/390). Über die (materielle) Rechtskraftwirkung vgl. § 322 B . b) Doch gelten auch hier §§ 319 (RGZ 129/161), 321 (§ 321 A II). C I. Die Regelnorm des § 577 wird durch § 577IV, RechtspflergerG § 10 modifiziert. Soweit nach § 576 vor Einlegung der einfachen Beschwerde die Entscheidung des Prozeßgerichts nachgesucht werden muß, muß dies auch bei der sofortigen Beschwerde geschehen, hier aber wegen der Befristung (§ 577 II) innerhalb derselben Frist, innerhalb der die sofortige Beschwerde einzulegen wäre. Dasselbe gilt für die sofortige Erinnerung des RechtspflegerG § 10 I 2 gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers. a) Dooh gilt das Anrufen zugleich als eventuelle sofortige Beschwerde, da die, welche entschieden haben, ihre Entscheidung nicht abändern dürfen und das angerufene Gericht nur abändern darf, aber weitergeben muß, wenn es nicht ändern will (§ 577 IV 2, RG N § 577/3); dasselbe gilt im Fall der Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 1 0 I V (nicht aber bei sonstigen sofortigen Erinnerungen gegen Entscheidungen des Rechtspflegers, RechtspflegerG § 10 III). b) Die sofortige Beschwerde ist nur in den Fällen des § 104 III 5, RechtspflegerG § 10 I I I besonders einzulegen. Abgesehen von diesem Fall ist die bestätigende Entscheidung des angerufenen Gerichts ohne Bedeutung, im besonderen läuft nicht etwa erst von ihrer Zustellung, die gar nicht erforderlich ist, die Notfrist des § 577 I I . C II. Im Fall des § 577 IV läßt die h. M. nur die Anbringung bei dem Gericht, das abändern darf oder weitergeben muß, zu (KG ZZP 51/98). Zwingend ist dies nicht, man sollte deshalb die Anbringung bei allen drei möglichen Stellen zulassen. C M . Ändert das angerufene Gericht ab, so hat es einen förmlichen Beschluß zu erlassen, und diese Befugnis steht ihm auch in den Fällen zu, wo es keinem höheren Gericht die Entscheidung im Falle seiner Ablehnung überlassen kann (§ 576 III). Der Beschluß ist gegebenenfalls zu verkünden, im Regelfall aber von gerichts wegen zuzustellen (vgl. § 329 III). Bei teilweiser Abänderung ist die sofortige Beschwerde weiterzugeben (auch wenn sie dadurch, etwa nach § 567 II, unzulässig geworden sein sollte); abgesehen von dem Falle der Unstatthaftigkeit (vgl. § 567 B - F , im besonderen nach § 567 III). a) Mit dei Zustellung (u. U. aber schon mit der Verkündung, vgl. § 577 C I I I ) der Entscheidung des angerufenen Gerichts läuft dann möglicherweise für den Gegner, wenn er das Recht der sofortigen Beschwerde hat, die Notfrist zu ihrer Einlegung nach § 577 I I .
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ZPO IV. Buch Viertes Buch
Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 578 (541) I Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen. II Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist die Verhandlung nnd Entscheidung über die Kestitutionsklage Ms zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen. A I. Die Rechtsprechung hat zu umgehen (RGZ 151/206).
versucht, die Wiederaufnahmeklagen über BGB § 826
A II. Die Rechtsprechung hat darüber hinaus in laufenden Verfahren Wiederaufnahmegründen erhöhte Bedeutung geschenkt, etwa wenn man im Revisionverfahren die Wiederaufnahmegründe verwertete (§ 554 C I I I d 6) oder wenn man, sofern Wiederaufnahmegründe vorlagen, Prozeßhandlungen für widerruflich erk'ärte (RGZ 156/78). a) Während infolge der Gesetzgebung die Prozeßfortsetzungbedingungen des Rechtsmittelverfahrens regelmäßig im vereinfachten Beschlußverfahren getrennt vorgeprüft werden, hat man es für die Wiederaufnahmeklagen bei dem alten Verfahren belassen, so daß über sie nur nach mündlicher Verhandlung und nur durch Urteil entschieden wird. A III. Die Wiederaufnahme ist kein Rechtsmittel i. S. der Zivilprozeßordnung (vgl. § 511 A 1 a 4). a) Die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil darf nach § 707 eingestellt weiden; doch nicht vor Rechtskraft des Urteils (RG N § 578/1), weil sonst die Wiederaufnahmeklage unstatthaft ist. b) Prozessual unterscheidet sich die Wiederaufnahme von dem Rechtsmittel durch die Form der Klage (vgl. RGZ 57/285), sie wird deshalb erst mit dei Zustellung der Klage wirksam (§ 253 I, doch gilt für die Klage § 261b III). Sie unterliegt nicht dem Suspensiveffekt (§ 511 A 1 a); da aber nach altem Recht die Antragstellung der mündlichen Verhandlung vorbehalten ist (vgl. § 588 B III b), kann der nur im insoweit vorbereitenden Schriftsatz gestellte (§ 588 I 3) Antrag im Rahmen der Beschwer in der ersten Wiederaufnahmeinstanz beliebig (mit rückwirkender Kraft) geändert werden ( § 5 8 6 B I I I a ) . Es gibt keine Anschließung an die Wiederaufnahmeklage durch den Gegner. Dagegen sollte man die Anschließung des Wiederaufnahmeklägers bei einer gegen ein Berufungurteil gerichteten Wiederaufnahmeklage zulassen, sofern von demselben Mangel auch das erstinstanzliche Urteil betroffen wurde (vgl. BGH v. 10. 7.1959 VI ZR 160/58, wonach der Angriff auf ein rechtskräftiges Betragsurteil noch auf ein Grundurteil ausgedehnt werden darf: hier hatte die erste Instanz den Klagegrund der unerlaubten Handlung durch ein Grundurteil, das nach dem StVG erkannte, auf Grund falscher Zeugenaussage zurückgewiesen, während das Berufunggericht die Klage deshalb ganz abwies). Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, nicht aus § 97. A IV b) Über die Wiederaufnahme gegen die Ausurteilung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren vgl. StPO § 406 c. B I. Die ProzeSfortsetzungbedingungen der Wiederaufnahmeklage sind besonders ausgestaltet. a) An sich statthaft ist sie, wenn sie a 1. für den Wiederaufnahmekläger eine Beschwer (§ 511 B I I c) aufweist, a 2. unter den richtigen Parteien angestrengt wird (vgl. § 578 C II),
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Wiederaufnahme des Verfahrens
§578 Bla
a 8. gegen eine rechtskräftige (§ 705) Endentscheidung i. S. des § 578 I gerichtet ist (vgl. § 578 D I), a 4. wenn ein Nichtigkeit- (§ 579) oder ein Restitutiongrund (§ 580) wie die zu dem letzteren gehörenden besonderen Voraussetzungen des § 581 schlüssig behauptet worden sind (RGZ 118/124), a 5. wenn der schlüssig behauptete Restitutiongrund nicht im früheren Verfahren geltend gemacht werden konnte (§ 582; a. M. OGH NJW 50/65). b) Sonst unzulässig ist sie, b 1. wenn sie beim unzuständigen Gericht erhoben wurde (§ 584), b 2. wenn sie nicht in rechter Frist (§ 586) oder richtiger Form (§ 587) geltend gemacht wurde, b 8. wenn die Wiederaufnahmegründe (§§ 579—581) nicht nachgewiesen worden sind (vgl. §§ 588, 589), b 4. wenn die Klage zurückgenommen worden ist (§ 271), b 5. wenn der Klage sonstige Prozeßbedingungen fehlen (§ 274 A I). B n . Eine weit verbreitete Meinung weicht von der hiei vertretenen Auffassung insoweit ab, a) wie sie den Nachweis der Wiederaufnahmegründe bezogen auf §§ 579—582 nicht zur Zulässigkeit, sondern zur Begründetheit der Klage rechnet (RGZ 151/203folg.). b) Häufig wird das Wiederaufnahmeverfahren in drei Abschnitte eingeteilt: b 1. die Zulässigkeit der Klage, b 2. ihre Begründetheit und b 3. die neue Entscheidung (iudicium rescissorium). e) Nicht berührt werden die Folgen, welche die Prozeßordnung an das Nicht-mehrgeltendmachen-können von Einwendungen und Einreden knüpft (§§ 323 11, 767 II); diese müssen also im (zulässigen) Wiederaufnahmeverfahren gebracht werden, vgl. §§ 323 C I I I c, 767 B I b, 590 C. B i n . Die Prozeßfortsetzungsbedingungen müssen vor den Prozeßbedingungen geprüft werden, a) die im Zeitpunkt des Urteils vorliegen müssen, sofern nicht frühere Fristen zu wahren sind (RGZ 64/224folg.). b) Sie sind von gerichts wegen zu prüfen (RGZ 99/170). Über das Verfahren vgl. § 585 A—C. c) Die Beweislagt hat der Wiederaufnahmekläger (RGZ 99/170). B IV. Daran schließt die Prüfung der sonstigen Prozeßbedingungen (§ 274 A I). B V. Erst danach gelten die Regeln, die sonst für die Sachentscheidung (und die nicht von gerichts wegen zu prüfenden Prozeßbedingungen, § 274 A I a 3) gelten; erst dann kann verzichtet (§ 306), anerkannt (§ 307) und gestanden (§ 288) werden. CI. Ohne Beschwer gibt es keine Wiedel aufnahmeklage. a 1. War die Klage als unzulässig abgewiesen, so darf der Beklagte nicht aus dem Grunde mit der Wiederaufnahmeklage zugelassen werden, daß sie als unbegründet abzuweisen gewesen wäre. a 2. Das Anerkenntnis- wie das Verzicbturteil können nur angegriffen werden, wenn zugleich oder schon früher Anerkenntnis und Verzicht rechtswirksam widerrufen worden sind (§ 306 E, B III). a 8. Versäumnisurteile nach § 331 gegen den Beklagten oder Vollstreckungbefehle (§ 700) k önnen nicht nach § 580 11—3, 6, 7 angegriffen werden, weil die Entscheidung allein auf Grund der Behauptungen des Klägers ergangen ist-und deshalb diese Gründe nicht vorliegen können (RGZ 163/291).
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a 4. Mit der Wiederaufnahmeklage kann auch grundsätzlich nicht ein Klagegrund geltend gemacht werden, der durch das rechtskräftig ergangene Urteil nicht ausgeschlossen wurde (BGZ 87/269f.). Bei Klagen mit erweiterter Rechtskraftwirkung (§ 322 F II) werden alle Gründe ergriffen, die durch die Rechtskraftwirkung ausgeschlossen werden (RGZ 171/39). a 5. Wiederaufnahmeklagen zur bloßen Antragerweiterung sind unzulässig, b) In Ehesachen wird man indes im selben Umfang wie bei den Rechtsmitteln von der Beschwer abzusehen haben (vgl. § 511 B II c 7). C II. Grundsätzlich kann die Wiederaufnahmeklage nur unter den Parteien des alten Prozesses erhoben werden (RGZ 168/228). a 1. Bestand die Parteiseite des Wiederaufnahmeklägers aus mehreren Streitgenossen, so werden sie nur im Falle notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62) am Wiederaufnahmeverfahren beteiligt (RGZ 96/52; in den Fällen der zweiten Alternative [§ 62 A I b] ist indes die Wiederaufnahmeklage unzulässig, wenn alle Streitgenossen aufnehmen mußten, indes nur ein Kläger den Wiederaufnahmegrund hat); bestand die des Wiederaufnahmebeklagten aus mehreren, so werden nur die beteiligt, gegen welche die Wiederaufnahmeklage gerichtet ist. Sind diese indes notwendige, so steht die Rechtskraft der Entscheidung bezüglich dieser anderen in den Fällen der zweiten Alternative (§ 62 A I b) entgegen und die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig. a 2. Ohne weiteres beteiligt werden die Streitgehilfen. Auch ist der Streitgehilfe einer Partei zur Erhebung der Wiederaufnahmeklage berechtigt (§ 66 A I b 2). Auch darf der Streitgehilfe, der bislang noch nicht im Prozeß war, sofern ihm der Streit verkündet war, mit der Erhebung der Wiederaufnahmeklage in ihn eintreten; nicht sonst (abweichend RGZ 89/424; in beiden Fällen nicht). a 3. Doch kann weder der Streitgehilfe noch die Hauptpartei sich auf einen nur den Streitgehilfen betreffenden Wiederaufnahmegrund stutzen; liegt er vor, so tritt nämlich nur die Wirkung des § 68 nicht ein, was im Prozeß zwischen dem Gehilfen und der Hauptpartei auszutragen ist. b) An Stelle der Parteien (und ihrer Streitgehilfen) sind indes ihre Gesamtrechtsnachfolger am Streit beteiligt, wenn inzwischen eine solche Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist (RGZ 46/77), auch in Statusprozessen (RG J W 24/908). b 1. In dem Fall, wo ein angeblich zum Nachlaß gehörender Anspruch abgewiesen worden war, hat der einzelne Miterbe nach BGB §2039 das Recht der Wiederaufnahmeklage (BGH NJW 54/152). b 2. Dies gilt aber nicht für und gegen den Sonderrechtsnachfolger des Wiederaufnahmeklägers, gegen den das Urteil nach §§ 325folg. Rechtskraft wirkt (RGZ 168/225folg.). C III. Ob die Wiederaufnahmeklage die Prozeßbedingungen erfüllt, ist grundsätzlich wie bei der sonstigen Klage (bzw. Rechtsmittel) zu beurteilen. Fehlt ein solcher Grund, so ist die Klage unzulässig (RGZ 75/56folg.). a) Doch darf auf die Prozeßbedingungen des alten Verfahrens nur zurückgegriffen werden, inwieweit sie zugleich einen Wiederaufnahmegrund abgeben. b 1. Doch gehört die Zuständigkeit (vgl. § 274 II 1) des Gerichts zu den Prozeßfoitsetzungbedingungen (vgl. § 584 A). b 2. Die Zulässigkelt des Gerichtsweges (vgl. § 274 II 2) darf nicht mit der Begründung verneint werden, daß schon das rechtskräftige Urteil nicht hätte erlassen werden dürfen (RG HRR 29/1528 hat die erneute Einholung des Vorbescheides für Beamtenansprüche nioht gefordert); die neue Sachentscheidung wird nur dann gehindert, wenn nach Rechtskraft des Urteils der Gerichtsweg verschlossen worden ist. b 3. Die Einrede des Schiedsvertrages (vgl. §274113) ist ebenfalls eiloschen; bezüglich des Wiederaufnahmeverfahrens kann er nicht wirksam vereinbart werden (§ 1025 1). b 5. Auf eine alte ProzeBkosteneinrede (vgl. § 274 II 5, 6), die verworfen wurde, darf grundsätzlich nicht mehr zurückgegriffen werden; anders ist es mit einer, die neu erhoben werden darf (vgl. § 590 D II a).
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b 6. Neu wird auch nicht das Feststellunginteresse (§ 256 C) geprüft, wenn es nur im Zeitpunkt der alten Entscheidung bestand. b 7. Die Klagerücknahme gehört zu den Prozeßfortsetzungsbedingungen. Sie unterliegt § 271. Der „Klageverzicht" hat hier nur die Bedeutung eines Rechtsmittelverzichts (RGZ 23/434). Er ist zu unterscheiden vom Anspruchverzicht (§ 306) wie vom Anerkenntnis (§ 307); ein Rechtsmittelanerkenntnis gibt es nicht, Anspruchverzichte (§ 306) wie Anspruchanerkenntnisse kommen erst in betracht, wenn das Verfahren zur Prüfung des außerprozessualen Anspruchs fiei ist (vgl. § 578 B V). D I. Die Wiederaufnahmeklagen setzen gerichtliche Entscheidungen mit RechtskraftWirkung voiaus; § 578 nennt die rechtskräftigen Endarteile (§ 5 1 1 J I ) . a) Damit wird zunächst an die formelle Rechtskraft (§ 705) angeknüpft (RGZ 153/68f.), selbst wenn vorher die Wiederaufnahmegründe nicht gebracht wurden, obwohl sie gebracht werden konnten, sofern sie nicht gebracht werden müssen (vgl. § 579 II, 582). Die Zustellung des rechtskräftigen Uxteils ist nicht zu fordern. a 1. Tritt die Rechtskraft bis zum Erlaß (§ 516 A I) der (letztinstanzlichen) Entscheidung des Wiederaufnahmeverfahrens ein, so ist die Wiederaufnahmeklage zulässig (RGZ 8/394). a 2. Aus § 579 1 4 ist zu entnehmen, daß ein Urteil auch dann rechtskräftig werden kann> wenn die Partei im Verfahren nicht gesetzlich vertreten war, etwa bei der Zustellung an den falschen gesetzlichen Vertreter (RG Warn. 17/258) oder bei Prozeßunfähigkeit der Partei, bei der an diese selbst (RGZ 121/63), sofern sie nicht erst in der Zwischeninstanz eingetreten ist (vgl. § 166 D II a 2, b). a 4. Die Aussetzung des Verfahrens, um den Eintritt einer Prozeß(fortsetzung)bedingung abzuwarten, ist unzulässig (RGZ 35/416). b 1. Die Prozeßart (§ 260 C I I I a) entscheidet grundsätzlich nichts. Darauf, ob sich bei Gestaltungklagen die Gestaltung abändern läßt, kommt es dabei nicht an. Auch bei Ehescheidungen gibt es Wiederaufnahmeverfahren, selbst wenn die Ehegatten anderweit wieder geheiratet haben (BGH MDR B 87/54). Über das Mahnverfahren vgl. § 590 D I, über Arrest und einstweilige Verfügungen §§ 578 D IV o 1, 921 A III. b 2. Die Klageart (§ 253 C) ist grundsätzlich unerheblich (vgl. auch § 578 C III b 6). D II. Unter die Enduiteile (§ 511 J I) fallen die, a) welche eine Rechtsferaftwirkung über einen geltend gemachten anBerprozessnalen Anspruch auslösen (§ 322 B), ferner prozessuale Entscheidungen, durch die eine Klage als unzulässig abgewiesen wurde oder ein Rechtsmittel als unzulässig verworfen oder der Rechtsmittelkläger des Rechtsmittels für verlustig erklärt wurde (a. M. RGZ 91/197); b) die Zwischenentscheidongen, die selbständig rechtskräftig werden, wenn sie im Prozeß rechtsmittelmäßig wie Endurteile behandelt werden, also b 1. die nach § 275 II angreifbar sind (Sydow-Busch § 578 Anm. 1, a. M. BaumbachLauterbach § 578 Anm. 2), b 2. die rechtskräftige Vorabentscheidung nach § 302, b 3. die über den Grund nach § 304 (RGZ 35/412, zweifelnd RGZ 89/118; BGH v. 10.7.1959 VI ZR160/58 hat bei Wiederaufnahme gegen das Betragurteil auch die — an sich verspätete — gegen das Grundurteil gewährt). b 4. Ob auch das rechtskräftige Vorbehalturteil nach § 599 hierher gehört (bejahend: RGZ 14/322foIg.), hängt davon ab, inwieweit die Wiederaufnahmegründe im Nachverfahren geltend gemacht werden müssen oder sonst verloren gehen. c) Nicht wie Endurteile werden die Zwischenentscheidungen gegen dritte behandelt (§§71, 135, 387. 402); gegen sie gibt es keine Wiederaufnahmeklage (a. M. RGZ 67/343f.). D III a) Unerheblich ist es, ob die Endurteile oder wie Endurteile zu behandelnde Entscheidungen kontradiktorisch, als Anerkenntnis- oder Verzichtuiteile oder als Versäumnisurteile erlassen worden sind.
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b) Gegen alle Entscheidungen, die nach der ZPO 1877 durch Urteil ergingen und die Endurteile im erläuterten Sinne waren, stand die Wiederaufnahmeklage offen. Dies muß jetzt auch für die Entscheidungen gelten, die nunmehr als Beschlüsse erlassen werden. b 1. Ist allerdings gegen einen solchen Beschluß noch die sofortige Beschwerde an sich statthaft und greift § 577 II 3 ein, so ist er noch nicht rechtskräftig i. S. des § 578 (RG ZZP 61/144). Derselbe Ausschluß muß dort gelten, wo andere Rechtsbehelfe zulässig sind, also gegen die Beschlüsse des Entmündigungsverfahrens (KG OLG 17/177 hat die Wiederaufnahme in einem Fall verworfen, wo im Beschwerdeverfahren die Frage der Geisteskrankheit sachlich geprüft war, vgl. dazu § 579 B IV a), wie gegen die im Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren ergangenen Beschlüsse. b 2. §58411 läßt die Klagen gegen Vollstreckungbefehle (vgl. §7001 1) zu; das entsprechende gilt für die Eintragungen in die Konkurstabelle (RGZ 37/386) und die in das Gläubigerverzeichnis des Vergleichverfahrens. b 3. Dies muß aber auch gelten, soweit durchBeschluß über das Rechtsmittel der Berufung und der Revision entschieden wird (BArbG NJW 55/926; sofern hier keine sofortige Beschwerde mehr statthaft ist, vgl. § 578 D I I I b 1), was die Praxis allerdings überwiegend ablehnt (RGZ 120/173). b 4. Dies muß ferner für das gerichtliche Schiedsverfahren (§§ 1025folg.) gelten, wo früher nur durch Urteil entschieden wurde. b 5. Für die ein Verfahren abschließenden Beschlüsse, welche außerprozessuale Wirkungen herbeiführen, sollte man die Wiederaufnahmeklagen dort zulassen, wo die sofortige Beschwerde unstatthaft ist, also im besonderen in der Zwangsvollstreckung, einschließlich der Zwangsversteigerung und Verwaltung (a. M. für den Zuschlagbeschluß: RGZ 73/196, wie überhaupt bei Beschlüssen im Zwangsversteigerungverfahren), wie im Konkurs und Vergleichsverfahren. Für Kostengrundbeschlüsse vgl. aber § 578 D IV d. b 6. Auch gegen Beschlüsse nach GVG § 113 sollte die Wiederaufnahmeklage zugelassen werden. c) Soweit auch gegen Beschlüsse Wiederaufnahmeklagen zugelassen sind, ändert sich am Klageverfahren der §§ 578folg. nichts; im besonderen gibt es hier kein Beschlullverfahren (RG ZZP 61/144). D IV. Keine Wiederanfnahmeklagen gibt es a) gegen Verfügnngen und Beschlüsse, gegen die nur die einfache Beschwerde gegeben sein könnte. Aber auch die Ausdehnung auf rein verfahrensmäßige Entscheidungen ist unstatthaft, weil diese allenfalls das Verfahren beeinträchtigen, nicht aber unmittelbar in außerprozessuales Recht eingreifen. Es gibt deshalb keine Wiederaufnahme gegen Zwischenentscheidungen im Beschlußverfahren; diese Zwischenentscheidungen können indes nach § 583 der Anfechtung zugleich mit der Endentscheidung unterliegen. Es gibt aber auch unanfechtbare Zwischenentscheidungen (vgl. § 583 B I a). b) Keine Wiederaufnahmeklagen gibt es gegen Schiedssprüche, weil es hier die besondere Aufhebungklage gibt (vgl. § 1041 I 6), oder bei Schiedsgutachterverträgen, wo BGB § 319 anzuwenden ist, oder bei Vergleichen; doch stehen diese, wenn sie mit Rücksicht auf ein rechtskräftiges Urteil geschlossen worden sind und dieses in seiner Wirkung ändern, nicht der neuen Klage entgegen (RGZ 151/205f.). c) Abgekürzte Verfahren zu vorübergehendem Zweck mit besonderer Feststellung gestatten keine Wiederaufnahmeklagen. c 1. Dies gilt vom Arrest- und einstweiligen Verfügungverfahren (OLG J W 35/2300; a. M. OLG JZ 56/122), c 2. vom abgelehnten Beweissicherungverfahren (§ 485folg.). d) Die besondere Behandlung der Prozeßkostenentscheidungen ergibt, daß gegen sie, gleichviel ob sie in einem Urteil oder in einem Beschluß enthalten sind, allein (also isoliert) keine Wiederaufnahmeklage statthaft ist (vgl. § 99 B III a; a. M. RGZ 118/75, etwa wenn
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beide Gatten für schuldig geschieden wurden und nach dem Tode des einen der andere den Schuldspruch beseitigen will, vgl. auch § 628); anders ist dies, wenn sich sonstige Folgen: Erbrecht, Unterhalt ergeben; dann ist auch noch nach dem Tode eines Gatten daB Scheidungurteil aufzuheben (RGZ 149/110). e) Wiederaufnahmeklagen gibt es nicht e 1. gegen Nichtentscheidungen (§ 511 B III a) und e 2. gegen nichtige Entscheidungen (§ 511 B III b). e 3. Gegen unwirksame Entscheidungen (§ 511 B III c) gibt es das Rechtmittel und die Wiederaufnahmeklage. e 4. Das Gegenstück hierzu bildet die nachträgliche Unwirksamkeit des Urteils, wo das Urteil unter einer (stillschweigenden) Bedingung erlassen wurde (§ 275 C I I l b ; § 600), nach Eintritt der Bedingung, oder wo die Partei ohne Rechtnachfolge weggefallen ist, in Ehesachen und Kindschaftsachen mit dem Tode eines Gatten oder des Kindes (vgl. §§ 628, 640 und wegen der Kostenentscheidung §578D IV d). Hier gibt es keine Wiederaufnahmeklage. D V. Negative Feststellungklagen wegen nichtbestehender Wiederaufnahmegründe sind unzulässig, da die Wiederaufnahmeklagen Rechtsbehelfe sind und die Regelung dieser die Möglichkeit sonstiger überlagert (vgl. § 256 A I b 6). E. Abgesehen von diesen Ausnahmefällen (§ 578 D IV e) wirkt das rechtskräftige Urteil formell (§ 705) wie materiell (§ 322 B), welche Mängel es auch aufweist (RGZ 111/310), und im besonderen, welche Verfahrensverstöße auch immer begangen sein mögen (RG N §§ 578—591/7). E I. Nur unter den besonderen Voraussetzungen der Wiederaufnahmeklagen können solche Mängel überhaupt noch in die Waagschale geworfen werden (RGZ 160/309); dies gilt auch gegenüber allen anderen Entscheidungen (Beschlüssen und Verfügungen) des Gerichts (RGZ 73/196f.). F. Werden Restitution- und Nichtigkettklage erhoben, so muß zunächst Uber die letzte rechtskräftig entschieden werden; deshalb ordnet § 578 11 die Aussetzung der Restitutionklage in diesem Falle (nach mündlicher Verhandlung oder im Verfahren nach §§ 128 11, 251a, 331a) an. Eine Anschließung wie bei Rechtsmitteln gibt es (wegen des fehlenden Suspensiveffektes vgl. § 578 A III b) nicht. E IL Jttit Eintritt der. Rechtskraft des Nichtigkeiturteils wird dann das Restitutionverfahren von gerichts wegen wieder aufgenommen. F IQ. Bei mehreren Restitutionklagen und mehreren Nichtigkeitklagen sollte man jede Art untereinander verbinden. a) Eine nachträgliche Erweiterung (der Restitutionklagegründe) hat RGZ 168/230 derart zugelassen, daß für die nachgebrachten Gründe auf die Fristwahrung nicht geachtet wird, 6ofern die ursprüngliche Klage rechtzeitig erhoben [war. Über die Erweiterung des Klageantrags vgl. § 578 A III. b) Nach abgewiesener Wiederaufnahmeklage kann noch die gegen das Wiederaufnahmeurteil aus Wiederaufnahmegründen, die dieses betreffen, wie eine neue gegen das erste Urteil aus anderen Wiederaufnahmegründen erhoben werden (RGZ 37/389). G. Über die Kosten wird nach §§ 91folg. (nicht nach § 97) entschieden (§ 585). Bezüglich der Rechtsmittel vgl. § 591 B.
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Die Nichtigkeitsklage findet statt: 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
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3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; 4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. II In den Fällen der Nr. 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte. III Gegen ein Schiedsurteil (§ 510 c) findet die Nichtigkeitsklage außer in den Fällen des Abs. 1 auch dann statt, wenn der Partei in dem Verfahren das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist. Das gleiche gilt, wenn das Schiedsurteil nicht mit Gründen versehen ist, es sei denn, daß die Parteien in der Verhandlung vor dem Gericht ausdrücklich auf schriftliche Begründung verzichtet haben. A l b ) Sind die Nichtigkeitgründe nicht schlüssig behauptet, so ist die Klage unstatthaft (§ 578 B I a 4), sind sie nicht bewiesen, so ist sie unzulässig (vgl. § 578 B I b 3). Über die Beweislast vgl. § 578 B I I I c. Uber das Verfahren vgl. §§ 589, 590. A II. Sind Gründe, welche sonst ein Nichtigkeitverfahren ergeben, schon im ersten (laufenden) Verfahren ausdrücklich geprüft (also nicht übergangen) und, wenn auch zu unrecht, verneint worden, so gibt es keine Nichtigkeitklage mehr. Dieser Grund ist in § 579 I 2 nochmals ausdrücklich hervorgehoben für die Ablehnung- bzw. Ausschließungentscheidung, die im besonderen Verfahren anfechtbar ist (§46 II); ist aber nicht abgelehnt worden, so ist die Wiederaufnahmeklage statthaft, selbst wenn der Nichtigkeitgrund schon im Prozeß hätte geltend gemacht werden können (RG JW 99/726), weil § 579 I 2 nicht in § 579 II zitiert ist. a) Darüber hinaus ordnet § 579 II an, daß in den Fällen des § 579 I 1, 3 es keine Nichtigkeitklage gibt, sofern der Grund noch mit einem Rechtsmittel (Berufung, Revision, sofortige Beschwerde) hätte verfolgt werden können (vgl. § 551 1 1, 3). Der Einspruch gehört nicht dazu, auch nicht die sofortige Erinnerung (§ 104 III, ReohtspflegerG § 10 I 2). Soweit die Partei ein Rechtsmittel nach § 579 II geltend machen soll, kommt es nicht bloß auf die tatsächliche Möglichkeit, sondern auch auf ihr verschuldetes Unterlassen an; dies ist aus § 582 zu folgern (a. M. OLG HRR 29/963; doch wird der Nichtigkeitklägei nirgends schlechter als der Restitutionkläger gestellt). b) § 579 II gilt nicht in dem Fall des § 579 I 2, 4. Insoweit hat der Wiederaufnahmekläger die Wahl, ob er das Rechtsmittel oder die Wiederaufnahmeklage einreichen will. B I. § 579 I 1 entspricht § 551 I 1 (vgl. § 551 B I). B II. § 579 I 2 entspricht § 551 I 2 (vgl. § 551 B II). a) Im Falle des Vollstreckungbefehls gilt die Norm in bezug auf den Urkundsbeamten. b) Wird die Ablehnung zurückgewiesen, so wird ein Rechtsmittel gegen die ablehnende Entscheidung gegenstandslos (RG v. 23. 4. 1907 VII E 66/46), und es kann kein Fall des § 579 I 2 gegeben sein, wenn der abgelehnte Richter mitentschied. B ffl. § 579 I 3 entspricht § 551 I 3 (vgl. § 551 B III). a) Im Falle des Vollstreckungbefehls gilt die Norm in bezug auf den Urkundsbeamten. B IV. § 579 I 4 entspricht dem § 551 I 5 (vgl. § 551 B V). a) Der Mangel der gesetzlichen Vertretung hindert nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (RGZ 155/50; BGH NJW 58/343 für den Fall, daß eine prozeßunfähige Partei ihr Rechtsmittel zurücknimmt). Der Nichtigkeitgrund besteht auch, schon wenn die Klage nicht dem richtigen Prozeßfähigen (Vertreter) zugestellt worden ist, selbst wenn daraufhin Versäumnisurteil erging (a. M. RGZ 38/408) ; wenn dei Vertreter der falsche war oder wenn er fehlerhaft bestellt war (OGH NJW 51/72); wenn gegen den Prozeßunfähigen verfahren wurde (RGZ 121/63).
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b) Gesetzlich vertreten war indes auch die Partei, wenn der Postulationfähige für sie auftrat, der ihre Vollmacht hatte, mag der Prozeßbevollmächtigte die Prozeßvollmacht (etwa der Anwalt der ersten Instanz dem der höheren) übertragen haben (OLG SchlHA 49/130). Auch läßt sich gegen die öffentliche Zustellung der Ladung nichts einwenden, wenn sie ordnunggemäß wai (OGH NJW 51/72). c) Genehmigt werden kann die Prozeßführung insgesamt (RGZ 110/230f.), nicht unter Ausschluß einzelner Prozeßhandlungen (§ 38 B II); bestand der Mangel von Anfang an, so wird er durch die Genehmigung behoben (RG N § 579/1). Wurde die vom richtigen Vertreter (ostzonaler Treuhänder) eingelegte Revision vom unrichtigen (westzonalen) begründet, so hat OGHZ 2/4, lOf. die Revision als unzulässig verworfen, obwohl der ostzonale später genehmigt hatte (vgl. § 56 B I I I b). c 1. Die Genehmigung setzt die Kenntnis des Mangels voraus, wobei Zweifel an der unrichtigen gesetzlichen Vertretung genügen (RG JW 00/854). Darüber, daß auch der richtige Vertreter durch Einlegung eines Rechtsmittels in den Streit eintreten darf, vgl. § 56 B I I I a. d) Mangelnde Parteifähigkeit ist kein Nichtigkeitgrund (a. M. OLG J W 20/908). e) Mangelnde Postulationfähigkeit ist kein Nichtigkeitgrund (Kommentar § 78 D IV). f ) Mangelndes rechtliches Gehör fällt nicht unter die Norm (LArbG AP 53/87). B V. Bei Schiedsurteilen (§ 510c) sind zwei weitere Nichtigkeitgründe gegeben (§ 579 III) a) fehlende Entscheidunggriinde (vgl. § 557 1 7, § 1041 I 5, II), sofern nicht auf die Begründung (im voraus oder danach) verzichtet wurde (§§ 510 e III, 104111); doch ist ein solcher Verzicht zu protokollieren (§ 510c III). Er kann nur so bewiesen werden (§ 164) und gilt sonst nicht. b) Weiterer Nichtigkeitgrund ist hier das versagte rechtliche Gehör (vgl. § 1041 I 4; § 1041 D IV). Ein vorgängiger Verzicht ist unwirksam, der nachträgliche wirkt. C. Besonderheiten ergeben sich noch für den Fall der SchutzVO Art. 1 V, VII; 3 13.
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Die Restitutionsklage findet statt: 1. wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; 4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Handlung erwirkt ist, die mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist; 5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat, sofern diese Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist; 6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
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7. wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zn benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. A l b . Die Restitutiongründe sind subsidiär, wenn sie unverschuldet im vorangegangenen Streit nicht geltend gemacht wurden (§ 582). Von den Nichtigkeitgründen gilt dies nur, soweit nach § 579 XI Rechtsmittel nicht eingelegt worden sind. A m . Die Rechtsprechung neigt dazu, die Möglichkeit der Wiederaufnahmeklagen einzuschränken (RGZ 155/373); während sie sich der Erkenntnis, daß die Wiederaufnahmegründe gesetzlich zu eng gefaßt sind, nicht entziehen konnte, indem sie Klagen aus BGB § 826 gegen rechtskräftige Urteile gegeben hat (§ 322 C I I I b 2). A IV. Darüber, Restitutionsgründe im anhängigen Verfahren geltend machen zu dürfen, vgl. § 578 A II. B I. Gehen unrichtige Wissenerklärungen von der Partei aus, so können sie einen Restitutiongrund nur nach § 580 I 4 ergeben. a) Inwieweit auf Grund unrichtiger Behauptungen ein Restitutiongrund gegeben ist, ist zunächst nach zivilprozessualen Grundsätzen zu entscheiden; nicht nach strafrechtlichen. Die strafrechtlichen werden nur insoweit erheblich, wie sie unmittelbar zum Restitutionsgrund erhoben worden sind (vgl. § 580 I 4). Da das Zivilprozeßrecht davon ausgeht, daß das bestrittene Vorbringen einer Partei keinen Glauben verdient, kann kein Wiederaufnahmegrund darin Hegen, daß die Parteien etwas Unwahres behauptet haben. a 1. Daß unaufrichtige Behauptungen gegen die Wahrheitlast verstoßen (§ 138 I) ist allein noch kein Restitutiongrund; sondern nur dann, wenn der Gegner strafbarerweise getäuscht wird. a 2. Nur wo das Gericht einer Partei Glauben schenkt, obwohl die Gegenpartei bestreitet, muß die Wiederaufnahmeklage gegeben werden, wenn das Glaubenschenken zu einem objektiv falschen Ergebnis geführt hat. Nach der hier vertretenen Auffassung gibt es bei lichtigen Verfahren diesen Wiederaufnahmegrund nicht. b) Für den Restitutiongrund bleiben nur die bewußt unwahren (unaufrichtigen) und objektiv unzutreffenden Behauptungen übrig, sofern nicht der Gegner dem bewußt zustimmt. b 1: Läßt d e r Gegner die Behauptung unbestritten, weil er dem Behauptenden traut, oder erkennt er sogar an bzw. verzichtet er auf seinen Anspruch gegenüber solchem Behaupten, so kann darin ein Fall des StGB § 263 liegen; dies kann auch so geschehen, daß zivilprozessual ein Versäumnisurteil ergeht (RGSt. 72/115). Ist aber das Gericht getäuscht worden, so kommt es nicht darauf an, ob auch der Gegner getäuscht wurde; unterläßt er es, infolge der Täuschung einen Rechtsbehelf einzulegen, so bleibt ihm dennoch die Wiederaufnahmeklage (a. M. BGH MDR 58/670). b 2. Wird die strafbare Handlung vom Strafgericht verneint, so entfällt der Restitutiongrund nach § 581; bejaht sie das Strafgericht, so ist das Zivilgericht zwar nicht an diese Feststellung des Strafgerichts gebunden (EG § 14 II 1), doch wird es praktisch im Regelfalle zum selben Erkenntnis kommen. c) Aber auch dann noch muß das angefochtene Zivilurteil sich gerade auf die objektiv und subjektiv unzutreffende Behauptung gründen (OGH v. 25. 1. 1950 II ZS 35/48), d. h. das Zivilgericht darf nicht aus anderen Gründen erkannt haben. Doch kommt es nicht darauf an, ob möglicherweise auch ohne diese Handlung so hätte erkannt werden dürfen, wenn nur zugleich mit der Handlung so erkannt worden ist (OGH NJW 50/105). B II. Anders wird diese Rechtslage mit der (uneidlichen) Vernehmung der Partei (§§ 445 folg.), weil diese Beweismittel ist. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Partei eidlich oder uneidlich vernommen wird, weil nur das erste als Eidesdelikt strafbar ist, wenn es unaufrichtig war; nicht aber das zweite, selbst wenn es unaufrichtig und unrichtig war. Nur das erste Delikt fällt unter den Wortlaut des § 580 I 1; das zweite kann, wenn man von der entsprechenden Anwendung des § 580 I 1 absieht, nur noch unter § 580 1 4 fallen,
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Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 580 B Ii
a) was aber auch zutrifft (RGSt. 69/191). b) Hat die Partei (§ 452) eidlich bewußt falsch ausgesagt, so fällt die Handlung unter StGB § 154 und ist nach § 580 I 1 Restitutiongrund. b 1. Der Partei steht ihr gesetzlicher Vertreter gleich, der an ihrer Stelle vernommen wird (§ 455 1). Bei der Vernehmung auch nur eines von mehreren gesetzlichen Vertretern genügt die eines zu Lasten der Gegenpartei (§§ 455 I 2, 449) und dementsprechend auch die ihrer (nicht bloß selbständigen [§ 69] sondern auch unselbständigen [§ 445 B III) Streitgehilfen (§ 449 A), und sogar die des notwendigen (§ 62) wie die des einfachen Streitgenossen (§ 449 A), obwohl der letzte nicht unter den strengen Wortlaut des § 580 I 4 zu bringen ist. b 2. Unter den Begriff des Eides (vgl. § 481 A) fallen auch die dem Eide entsprechenden Beteuerungen über die Richtigkeit der Bekundungen (vgl. § 484 A, StGB § 155 I 1), die Versicherung auf den in derselben Sache geleisteten Eid (§ 398 C, StGB § 155 12); die Berufung auf den Diensteid (§ 386 B I b 1, StGB § 155 I 3). b B. Im Gegensatz zu § 580 I 4 genügt es für den Restitutiongrund des § 580 11, daß das Eidesdelikt irgendeinen Teil der Aussage betrifft, gleichviel ob es auf diesem Teil der Aussage beruht (RGZ 137/93f.). b 4. Bestraft wird schon die bewußt (nicht die bloß fahrlässig) unaufrichtige eidliche Bekundung, selbst wenn sie objektiv richtig ist (StGB § 43). Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß trotz des Restitutiongrundes das Gericht feststellt, daß die Bekundung der Partei objektiv zutraf. b 5. Auch genügt es, daß der Eid im Vorprozeß oder im anderen Prozeß geleistet wurde (RGZ 143/46) und nun nrkundenbeweislich (§ 286 C I I I b 2, 3) diese Bekundung verweitet wurde. b 6. Während in den Fällen des § 580 1 4 nur das bewußt (vorsätzlich) falsche Behaupten den Restitutiongrund abgibt, genügt bei der Vereidigung auch das fahrlässig falsche Bekunden (vgl. StGB § 163). b 7. Falsche eidliche Wissenserklärungen hat die Rechtsprechung unter § 680 I 4 subsumiert, soweit kein Fall des § 580 1 1 gegeben war, etwa die Offenbarungeide der Partei nach § 889, wenn das Urteil sich nach § 254 darauf gründete (RGZ 46/342). Bei dem Eid nach §§ 807, 883 könnte ein Urteil, das auf den falschen Eid folgend, gestützt auf BGB § 283, ergeht, sich auf ihn gründen. Auch falsche eidesstattliche Versicherungen der Partei (§ 294 B II) sind unter § 580 I 4 gebracht worden. Diese Handlung fällt dabei stets unter StGB § 156. Eidliche Vernehmungen fallen dann unter § 580 I 4, wenn der Gegner danach anerkennt oder veizichtet, also selber verfügt. c) Dabei kann es sich ereignen, daß die Bekundung einer Partei gegen sie selbst wirkt. c 1. Eine Wiederaufnahmeklage zu ihren Gunsten ist in solchen Fällen regelmäßig nicht zulässig. c 2. Anders ist dies, wenn der Vertreter einer Partei, ihr Streitgenosse oder ihr Streitgehilfe ihr gegenüber eine strafbare Handlung i. S. des § 580 I 4 begangen haben, weil es in diesen Fällen nicht auf die Beteiligung der Gegenpartei an der strafbaren Handlung ankommt (vgl. § 580 C IV). B HI. Im Verhältnis zum früheren Recht ergibt sich bei der uneidlichen Parteivernehmung eine Lücke, insoweit wie die fahrlässig falsche keinen Restitutiongrund nach dem Wortlaut des § 580 I 1 abgibt. C I. An die Verfälschnng des Augenscheingegenstandes hat § 580 I 2 nicht ausdrücklich gedacht. Man wird (einschließlich der Fälle der Verfälschung des Untersuchungsergebnisses durch die zu Untersuchenden, §§ 372 a, 580 I 2 entsprechend anzuwenden haben. Diese Anwendung liegt um so näher, als der zivilprozessuale Begriff der Urkunde mit dem des Schriftstückes verbunden ist (vgl. § 415 A), während der des Strafrechts weiter geht (vgl. StGB §274 1 2; §415 A I ) . a) Wer die Verfälschung des Augenscheinobjekts vorgenommen hat, ist gleichgültig.
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b) Die Augenscheingegenstandunterdrückung gehört so wenig zu den Restitutiongründen wie die Urkundenunterdrückung (Kommentar § 444 B III). C II. In bezug auf den Urkundenbeweis ist a) Restitutiongrund das Verfälschen (im weiten Sinne) von Beweisurkunden (§ 580 I 2, vgl. dazu StGB §§ 267, 271folg.); dazu gehören aber auch die Falschbeurkundungen (StGB §§ 348, 351; auch die mittelbaren nach StGB § 271); indes ist zu beachten, daß unter den Begriff der Urkunde i. S. des Zivilprozesses gerade das Schriftstück gehört (Kommentar § 415A), nicht die sonstigen Urkunden deB Strafrechts (vgl. StGB § 274 I 2, soweit sie nicht Augenscheinobjekt sind, vgl. § 580 C I). b) Das Gesetz geht in § 580 I 2 von der vorsätzlichen Verfälschung aus (PrOVG 65/441). Wer die Urkunde verfälscht hat, ist aber ohne Belang. c) Die Urkunde muß für die Entscheidung erheblich gewesen sein. Dies trifft auch das Versäumnisurteil im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozeß (OLG HRR 36/571) oder das Urkundennachverfahren, aber auch das nach §§ 542, 566, wenn die Urkunde zwecks Beweises vorgelegt werden muß (§ 420). c 1. Nicht gegründet ist das Urteil auf die Urkunde im gewöhnlichen Versäumnisverfahren der ersten Instanz (RGZ 130/386), aber auch wenn die andere Partei infolge der mitgeteilten Urkunde nicht bestritt, zugestand, anerkannte oder verzichtete. Hier ist die Restitutionklage nur nach § 580 I 4 gegeben. c 2. Ist nur ein Teil verfälscht worden, der nicht Urteilsgrundlage ist, so gibt es keine Restitutionklage. C III. Bei den Bekundungen von Zeugen und Sachverständigen, zu denen auch die Dolmetscher nach GVG §§ 189,191 gehören, handelt es sich um Wissenerklärungen (§ 38 B II a 1). Der Restitutiongrund des § 580 I 3 ist ohne Rücksicht darauf gegeben, ob eine Partei und welche Partei versucht hat, das Beweismittel zu beeinflussen. Hat eine Partei beeinflußt, so wird zusätzlich der Tatbestand des § 580 I 4 erfüllt sein. a) Die Erklärung muß bewußt unwahr (unaufrichtig) abgegeben worden sein, wenn der Zeuge oder der Sachverständige uneidlich vernommen wurde (StGB § 153); wenn sie eidlich vernommen wurden, bei vorsätzlicher (StGB § 154), aber auch bei fahrlässiger Verletzung der Eidespflicht (StGB § 163) wie auch bei bewußt oder fahrlässig falsch abgegebener eidesstattlicher Versicherung (§§ 377 III, IV, 294), vgl. StGB §§ 156, 163. a 1. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Wiederaufnahmeklage entsprechend gegeben bei fahrlässig falschen uneidlichen Erklärungen, obwohl dann § 581 nicht angewandt werden kann. a 2. Darüber hinaus müßte aber der Partei auch dann der Restitutiongrund gegeben werden, selbst wenn die Aussage nur objektiv unrichtig ist und sonst ein Fall des § 581 nicht gegeben ist. b 1. Die Zeugen und Sachverständigen können also auch in einem anderen Verfahren vernommen worden sein als in dem, wo das rechtskräftige Urteil erging, das mit der Wiederaufnahmeklage angegriffen wird (RGZ 143/46), also wenn die Beweisaufnahme des anderen Verfahrens urkundlich verwertet wurde (§ 286 C III b 2, 3). b 2. Hier ergeben sich indes vom Standpunkt der abweichenden Meinung Schwierigkeiten, wenn in diesem anderen Verfahren das Beweismittel Partei war, gleichviel ob sie als solche vernommen war oder sich nur erklärt hatte. c) Das rechtskräftige Urteil muß sich stets auf die falsche Aussage, wenn auch nur im Zusammenhang mit anderen Beweismitteln, gründen (OLG 17/178); doch genügt es, wenn auch hier nur in einem Punkt die falsche Aussage nachzuweisen war (RGZ 137/93f., vgl. § 580 B II b 3). C IV. Die unerlaubte Einwirkungsmöglichkeit von der Parteiseite wird durch § 580 I 4 abgedämmt. Unter die Bestimmung fällt das unmittelbare Verhalten der Partei usw. im Prozeß (vgl. § 580 B I), wie das mittelbare (in bezug auf Angehörige der Partei), mag es auf die Verfälschung des Beweisergebnisses (§ 580 C I—III, § 580 I 1, 2, 3) gehen oder sich
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Wiederaufnahme des Verfahrens
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auf das Gerieht (§ 580 I 5) oder auf die andere Partei erstrecken (BGHZ 12/284); ja es kann auch von einem Vertreter der Partei ausgehen (vgl. § 232 II) und gegen die eigene Partei gerichtet sein. In all diesen Fällen kommen nur vollendete, vorsätzliche strafbare Handlungen (Freiheitberaubung, Nötigung, Erpressung, Aussageerpressung; StGB §§ 239folg., 253, 255, 343) in betracht, nicht bloß versuchte (vgl. StGB § 43; aber auch § 580 B II b 4), nicht bloß disziplinar zu bestrafende. Andere als die in § 580 I 4 gekennzeichneten Personenkreise und Handlungen außerhalb des Prozeßverhältnisses (§ 38 B III) fallen nicht unter die Bestimmung. b) Ausgehen müssen diese Handlungen von der Partei, ihrem gesetzlichen Vertreter (§ 51 D), ihrem im Prozeß bestellten Vertreter (§§ 78folg.), wie dem außerprozessualen, der Prozeßvollmacht hat (§ 232 B I c), b 1. dem Konkursverwalter, dem Gemeinschuldner. b 2. Handlungen der Streitgehilfen und sogar der nicht notwendigen Streitgenossen genügen. Auch kann die Handlung gegen jede der genannten Personen gerichtet sein. c) Schließlich wird nach § 580 I 4 die Partei vor den Handlungen ihres eigenen Vertreters, die gegen sie nach § 232 I I wirken, geschützt, wenn der Vertreter sich gegen StGB §§ 266, 356 vergangen hat, selbst wenn weder der Gegner noch sein Vertreter darauf hingewirkt haben. d) Doch sollte es genügen, wenn der objektive Tatbestand der strafbaren Handlung verwirklicht worden ist, selbst wenn kein Fall des § 581 gegeben sein sollte. C V. Die Verfälschung der Beweisaufnahme bzw. die (bewußt) unwahre Auskunft (vgl. § 272 b I I 2) sind unter den Restitutiongründen nicht genannt, doch gibt es die Wiederaufnahmeklage auch hier. a) Bei behördlich falscher Auskunft sollte man § 580 I 6 entsprechend anwenden. Über den Fall des § 377 III, IV vgl. § 580 C I I I a. b) Es genügt, daß die Verfälschung des Beweisergebnisses mitbestimmend für die tragenden Entscheidunggründe des rechtkräftigen Urteils war. c) Auf die unrichtige Auskunft braucht von keiner Partei eingewirkt worden zu sein. D. Die vorsätzliche Verletzung der richterlichen Amtspflicht, die mit öffentlicher Strafe bedroht ist (StGB §§ 240, 334, 336, 348), ist ein weiterer Restitutiongrund (§ 580 I 5). Unter den Begriff des Richters fallen auch die Rechtspfleger und die Urkundsbeamten, soweit sie richterlich tätig sind (RechtspflegerG § 8, GVG § 153 C IV). D I. Zu den Handlungen, die einen Restitutiongrund abgeben, gehören die bewußt falsche Augenscheineinnahme (nicht die fahrlässig falsche) und die bewußt falsche Bewertung der Urkunden und sonstiger Beweismittel, die bewußt falsche Feststellung von Tatsachen, wie die bewußt falsche Rechtsfindung. b) Auch hier muß es genügen, daß die Amtspflichtverletzung in bezug auf irgendeinen Punkt des Verfahrens begangen ist, der mitursächlich war; die Verletzung aus einem anderen Verfahren kann nur nach § 580 I 6 einen Wiederaufnahmegrund abgeben. D II. Weiterer Restitutiongrund ist der Wegfall einer Vorentscheidung (Urteil, Beschluß, Verfügung), auf die sich das rechtkräftige Urteil gründet (§ 580 I 6). Den umgekehrten Fall ergibt § 580 I 7 a. a) Dazu gehören die Verwaltungakte, die verwaltunggerichtlich angreifbar sind, a 1. die Aufhebung eines Schiedpruchs (§ 1040, RG ZZP 61/144), a 2. möglicherweise Versäumnisentscheidungen der höheren Instanzen (vgl. § 542). a 3. Nicht unter den Begriff des Vorurteils fallen die nur das Verfahren betreffenden Entscheidungen des anderen Verfahrens, dem das angefochtene rechtskräftige Urteil zugrunde liegt (vgl. §583 A); bei diesen kommt es darauf an, ob sie sich auf die rechtskräftige Entscheidung auswirken. 83
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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a 4. Auch sonstige Verwaltungakte (die nicht in verwaltunggerichtlichen Verfahren angreifbar sind) gehören nicht hierher (vgl. aber § 580 C V). D III. § 580 I 7 a nennt die Möglichkeit, ein früher rechtskräftiges Urteil benutzen zu können, als Restitutiongrund. a) Daß über einen rechtskräftig entschiedenen Streit nicht mehr entschieden werden darf, ergibt § 322 (vgl. § 322 B II). b) Die Rechtsbehelfverwerfung ist eine sich auf eine andere Entscheidung beziehende. Insoweit ist § 580 I 7 a anwendbar, sofern nicht schon im fortgesetzten bzw. fortzusetzenden Verfahren ihre Wirkung nachzuprüfen war. c) Wird eine Klage als unzulässig abgewiesen, so wirkt die Rechtskraft nur bezüglich der als fehlend festgestellten Prozeßbedingung (trotz des § 538 II). c 2. Ist die Vorentscheidung versehentlich übergangen und trifft auch die beschwerte Partei kein Verschulden, so liegt der Fall des § 580 I 7 a vor. c 3. War umgekehrt zuerst die Klage sachlich abgewiesen und im zweiten Streit als unzulässig, obwohl die rechtskräftig entschiedene Sache nicht beachtet wurde, so ist dies unerheblich. d) Der Hauptfall des § 580 I 7 a betrifft den der doppelten sachlichen Entscheidungen, die sich entgegenstehen. d l . War die erste Entscheidung gestaltend (§ 253 C I b ; die Ehe wurde geschieden), so fällt die zweite in das Leere (die Ehe [RG LZ 27/539] wird nicht wieder hergestellt). Anders ist dies, wenn beide Entscheidungen gestaltend wirken (etwa wenn die Ehe im ersten Verfahren aus Verschulden des Klägers geschieden war, im zweiten aus dem der Beklagten); dann löst regelmäßig die neue Gestaltung die erste ab (hier ist nach § 580 I 7 a zu verfahren). Auch das spätere Urteil über den Bestand der Ehe h a t den Vorrang vor früheren (Kommentar § 538 A II). d 3. Lag im Verhältnis zu einem ausländischen Urteil das inländische Urteil vor dem Zeitpunkt der Anerkennung (§ 328 D), wenn auch nach dem des ausländischen, so wird es Auslegungfrage sein, ob insoweit die Anerkennung rückwirkende K r a f t haben soll. Umgekehrt darf das spätere ausländische Urteil überhaupt nicht anerkannt werden, weil das frühere inländische Urteil gilt. Wird es aber durch Urteil anerkannt (§ 722 C II), so ist gegen dieses die Aufhebungklage nach § 580 I 7 a gegeben, sofern in diesem nicht schon ausdrücklich entschieden worden ist, daß die Rechtskraft nicht entgegensteht. d 4. Auch der Schiedsspruch wirkt wie ein rechtskräftiges Urteil (§ 1040), der inländische (§ 1025 F) indes erst von der Niederlegung nach Zustellung an (vgl. § 1 0 4 0 A I a ) ; hier kommt es also auf diesen Zeitpunkt ausschließlich an. Im Schiedsverfahren ist § 580 I 7 a nicht für anwendbar erklärt worden (§ 1041 I 6). Dies muß dazu führen, die Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs gegenüber inländischen gerichtlichen Urteilen schlechthin zu verneinen, also auch ohne Wiederaufnahmeklage. Wird indes ein solcher Schiedsspruch für vorläufig vollstreckbar erklärt, so liegt wieder eine inländische Entscheidung vor, und dieses rechtskräftige Urteil (bzw. der Beschluß) muß nach § 580 I 7 a beseitigt werden. § 1043 schlägt hier nicht ein, da nicht der Schiedsspruch aufzuheben ist, sondern nur die Vollstreckbarerklärung, weil der Schiedsspruch nichtig ist. d 5. Praktisch wird der Fall des versehentlichen Übergehens besonders bei sich überschneidender Rechtskraftwirkung. e) Weitere Besonderheiten ergeben sich, wenn mehrere sich widersprechende E n t scheidungen zugleich rechtskräftig werden. Geschieht dies in verschiedenen Instanzen, so wird die der höheren der unteren vorzuziehen sein. Bei gleichen Instanzen kann indes keine gelten, und es m u ß neu entschieden werden. g) In dem Falle, wo ein Verfassunggericht eine gesetzliche Bestimmung für nichtig erklärte, hat LArbG JZ 53/558 die Wiederaufnahme gegen rechtskräftige Erkenntnisse, die sie anwandten, nicht zugelassen. Soweit die Entscheidungen des BVG eine Rechtsnorm für nichtig erklären, ist das nach BVGG § 79 kein Wiederaufnahmegrund. Noch nicht durch-
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geführte Vollstreckungen können nach dieser Norm aber auf dem Wege der Vollstreckunggegenklage in Zukunft verhindert werden. Bei Gesetzesänderungen gibt es keine Restitutionklage; doch gibt es Gesetze, welche auch rechtskräftige Entscheidungen rückwirkend beseitigen. Die Änderung der Rechtsauffassung in der Rechtsprechung ist kein Restitutiongrund (BArbG A P § 580/1). i) Greift § 580 I 7 a durch, so muß das zweite rechtskräftige Urteil beseitigt werden. Eine andere Entscheidung ist unzulässig (§ 322 E III). E. § 580 I 7 b gestattet die Restitutionklage, wenn die beschwerte Partei nachträglich in die Lage versetzt wird, eine Beweisurkunde im ordentlichen Verfahren beizubringen (nicht im Schiedsverfahren, §§ 1041 I 6, 1043), die sie vorher ohne Verschulden nicht beibringen konnte. Ob sich die Partei in dem vorausgegangenen Verfahren vertreten ließ, gilt gleich (BGH JZ 51/560). E I b) Die Urkunde (§ 415 A) muß zu Beweiszwecken geeignet sein (RGZ 80/242f.); wenn sie auch nicht für sich vollbeweisend nach §§ 415 folg. zu sein braucht, sondern nur in Verbindung mit den sonstigen früheren Beweisergebnissen (RGZ 16/438) oder auch bei der sonstigen Würdigung des gesamten tatsächlichen Streitstoffes, auch wenn ein bis dahin angenommenes Beweisergebnis nur erschüttert werden kann, und zwar selbst wenn dies nur teilweise so ist (RGZ 37/381). b 1. Gewohnheitrechtlich wird der Beweis in bezug auf die Feststellung geltender Gesetze ausgeschlossen (RG Warn. 37/1). b 2. Nicht verwendbar ist die Urkunde indes, wenn der Beweis durch sie in der (ersten) Instanz nur dann als geführt angesehen werden kann, wenn der Gegner mit der Art dieser Beweisführung einverstanden ist (§ 286 C I I I b 5), etwa bei schriftlich niedergelegten Äußerungen von Sachverständigen, bei Protokollen über Zeugen- und Sachverständigenvernehmungen (RG Warn. 14/34), weil dann nämlich die nachträgliche Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen durchgesetzt werden könnte und für diese gerade die Restitutionklage nicht gegeben ist (für spätere erbbiologische Gutachten: BGH J R 51/375, OLG Köln FamRZ 55/52). Anders ist es aber, wenn es nicht auf die erst zukünftig zu bewirkende Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen ankommt, sondern gerade auf das, was nur schriftlich niedergelegt worden ist, also bei rechtsgeschäftlichen Urkunden, aber auch bei Wissenerklärungen, wenn es nur darauf ankommt, was damals als Wissen erklärt wurde (RG J W 16/135; BGH v. 20. 12. 1954 IV ZR 198/54 S. 19 hat aufgefundene Briefe des Rechtsvorgängers der Klägerin, der als Zeuge in dem Rechtsstreit vernommen war, an einen anderen Mitgesellschafter als den Reehtsvorgänger der Beklagten nicht als Wiederaufnahmegrund gelten lassen, weil sie nur die Meinung des Briefschreibers wiedergäben). Die früheren Bekundungen von Zeugen und Sachverständigen haben diesen urkundlichen Wert, wenn durch sie die Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder Sachverständigen, der im angefochtenen Verfahren vernommen wurde, je nach Lage des Falles bestätigt oder vernichtet wird (RG J W 97/168). Enthalten die Aufzeichnungen Tatsachen, die als solche urkundlichen Wert haben, eine Krankengeschichte etwa (OGH H E Z 3/85), so daß aus ihnen etwa ein Sachverständiger Folgerungen ziehen kann, oder sind es Geschäftsbücher, so muß dies genügen. c) Die Urkunde muß auf dem Wege des Urkundenbeweises verwandt werden können (RGZ 151/207) nach §§ 420, 421folg., 429, 432folg. (RGZ 151/207f.). c 1. Die übereinstimmende Erklärung der Parteien vom Vorhandensein und über den Inhalt der Urkunde allein genügt nicht (a. M. RGZ 135/129folg'.). Über die Beweisführung bis zur letzten Tatsachenverhandlung vgl. § 589 A I I a (RGZ 135/129). c 2. Ist die Urkunde inzwischen vernichtet worden, so liegt ein Fall des § 580 I 7 b nicht (mehr) vor. Nur die Vernichtung durch den Gegner oder auf seine Veranlassung wirken nach den Regeln des Urkundenbeweises auch in diesem Falle gegen ihn. Über Wiederherstellung von Urkunden vgl. die VO v. 18. 6. 1942. (RGBl. I 395). c 3. Ist eine beglaubigte Abschrift aufgefunden und geht es u m die Echtheit der Urschrift, so h a t OLG J R 52/172 die neuen Beweismittel für die Echtheit der Urschrift zugelassen (Kommentar § 550 E I I I b). 83»
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d) Die Urkunde muß schon im früheren Verfahren, regelmäßig bis zum Schluß der Tatsacheninstanz (§ 523 A, RGZ 151/206), vorhanden gewesen sein. d 1. Dazu genügt es, daß die Urkunde bis zum Ablauf der Berufungfrist errichtet wurde (RGZ 123/304), desgleichen bei Einspruchmöglichkeit bis zum Verstreichen der Einspruchfrist. Vom Schluß der Tatsacheninstanz abzugehen, zwingt auch nicht die Rechtsprechung, wonach Restitutiongründe auch noch in der Revisioninstanz geltend gemacht werden dürfen (§ 578 A II). Im Verhältnis zur Revisioninstanz ist maßgebender Zeitpunkt der Verhandlungschluß in der Tatsacheninstanz (RG JW12/802), richtiger der des Erlasses der Entscheidung, weil nämlich die Verhandlung wieder zu eröffnen wäre, wenn ein Wiederaufnahmegrund eingeführt werden kann (vgl. § 156 B II c), was dann aber auch für den erst nach Verhandlungschluß entstandenen gelten sollte (a. M. BGH v. 29. 4.1959 IV ZR 311/58). d 2. Eine Ausnahme besteht nur für die Urkunden, welche später errichtet wurden, nach dem Gesetz aber mit rückwirkender Kraft Geschehnisse der Vergangenheit beweisen, die vor dem letzten in betracht kommenden Zeitpunkt liegen, also bei Geburturkunden (BGH NJW 53/1263). Doch hat, wenn eine Totgeburt nicht zu beurkunden war, die Tatsache der Totgeburt OLG NdsRpfl. 53/6 nicht als Restitutiongrund gelten lassen. d 8. Ein später ausgestellter Erbschein ist kein Restitutiongrund nach § 580 I 7 b (OLG SchlHA 52/95); auch nicht das später ausgestellte Vaterschaftanerkenntnis (OLG NJW 54/1372). E II. Es darf aber auch die durch die Urkunde zu beweisende Tatsache neu behauptet werden (BGH NJW 53/1263). a) Doch darf damit kein neuer Klagegrund nachgeschoben werden (RG N §580/4); a 1. anders in dem Fall der erweiterten Rechtskraftwirkung (§§ 616, 323, PatentG § 54); im Eheprozeß auch zur Herbeiführung der Mitschulderklärung (OLG MDR 53/304, a. M. OLG 43/150). b) Hatte der Restitutionkläger früher die Tatsachen zugestanden, so muß er sie nach § 290 widerrufen (RGZ 35/409). Auch schadet es nach BGH JZ 51/560 nicht, daß eine Behauptung im Vorprozeß bewußt nicht aufgestellt war. e) Hatte sich der Restitutionkläger auf sie schon im früheren Verfahren berufen, so handelt es sich um keine neue Urkunde (RG J W 09/464); deshalb muß aber auch der Restitutionkläger den früheren Ausschluß nach §§ 279, 279 a, 283 II, 529 gegen sich gelten lassen. Es genügt, daß der Restitutionkläger die Urkunde in allen Verfahren kannte, wenn er auch den Beweis nur nach § 428 antreten konnte (RGZ 89/4f.). E III. Die Urkunde muß geeignet sein, die alten Feststellungen zu ändern (BArbG AP § 580/2). a) Dazu genügt, daß die Urkunde dazu beiträgt, selbst wenn zu den alten Feststellungen noch weitere Beweise zu erheben sind, die erst im Wiederaufnahmeverfahren angetreten worden sind (RGZ 82/273; a. M. RGZ 151/209f., nur wenn sie im Vorprozeß schon angetreten waren). Die Urkunde braucht also nur die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung zu eröffnen (RGZ 75/58; a. M. RGZ 151/210). Es muß dasselbe gelten wie bei Verfahrensverstößen, die in der Revisioninstanz auf ihre Erheblichkeit (§ 550 B I) geprüft werden. Erst die Entscheidung zur Hauptsache ergibt, wie die (sachliche) Entscheidung ausfällt (RG J W 28/1493). b) Nicht urkundlich belegt zu werden brauchen die Ausstellungzeit, die Art der Entstehung der Urkunde, die Echtheit von Privaturkunden (RG J W 16/135), bei beglaubigten Abschriften die Echtheit der Urschrift (OLG J R 52/172). Auch schadet es nicht, daß sie erst durch Dolmetscher übersetzt oder durch Sachverständige entschlüsselt werden muß (RG Warn. 31/76). Insoweit reichen im Regelverfahren auch die übereinstimmenden Erklärungen der Parteien zu der Feststellung aus (vgl. RGZ 135/129 folg.). E IV. Die Urkunde muß (neu) aufgefunden oder der Restitutionkläger in die Lage versetzt worden sein, sie benutzen zu können. a) Hierzu genügt nicht, daß der Restitutionkläger den Inhalt der Urkunde nicht kannte (RGZ 89/5), wenn er sonst wußte, daß die Urkunde bei einer Behörde lag (OLG J W 34/1059).
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Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 580 E I V
a 2. Erkannte er aber nicht die Erheblichkeit der Urkunde, so ist die Restitutionklage zulässig (RGZ 169/102); anders ist dies, wenn er sie erkennen mußte (vgl. § 582 B II). b) Erst wenn der Restitutionkläger sie im Nachprozeß benutzen kann, er also Beweis nach §§ 420, 421, 422, 428, 429, 431 antreten kann, wird er zu ihrer Benutzung instand gesetzt (RGZ 99/170). c) Liegen die Voraussetzungen des § 580 I 7 b vor, so kommt es nicht darauf an, ob die Partei im Vorprozeß den Beweis durch andere Beweismittel hätte führen können (RG J W 99/830). E V. Ob und inwieweit § 580 I 7 b auf sonstige Fälle entsprechend anzuwenden ist, ist zweifelhaft. a) Wegen der Ähnlichkeit des Urkundenbeweises mit dem Augenscheinbeweis, wo nämlich beide dem Gericht zu unmittelbaren Schlüssen unterbreitet werden, läßt es sich (wie im Fall des § 580 I 2, vgl. § 580 C I) rechtfertigen, insoweit bei neu aufgefundenen Augenscheinbeweisgegenständen § 580 I 7 b entsprechend anzuwenden, und zwar unter allen sonstigen Bedingungen dieser Vorschrift, zumal der Urkundenbegriff im Strafrecht weiter ist. Dann aber müssen auch aufgefundene Fotografien und Fotokopien zur Restitutionklage genügen, wie auch Tonbänder, Schallplatten. b) Doch sollte man über diese Grenze nicht hinausgehen. Die Entdeckung neuer Tatsachen allein genügt zur Wiederaufnahmeklage nicht (RGZ 151/206), auch nicht die sonstiger neuer Beweismittel (RGZ 80/240).
§ 581
(544)
I In den Fällen des vorhergehenden Paragraphen Nr. 1 bis 5 findet die Restitutionklage mir statt, wenn wegen der strafbaren Handlung eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Hangels an Beweis nicht erfolgen kann. II Der Beweis der Tatsachen, welche die Restitutionklage begründen, kann durch den Antrag auf Parteivernehmung nicht geführt werden. A I . Die Prozeßbedingung wirkt, soweit Restitutionklage erhoben wird (RGZ 153/69); a) über die Geltendmachung im Revisionverfahren, vgl. § 554 C I I I d 6; im Fall des Widerrufs der Rechtsmittelrücknahme nach Rechtskraft § 5 1 5 B I I c ; über das dann zuständige Gericht vgl. § 583 A I I b. Im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung hat BGH N J W 58/1352 den Widerruf der Rechtsmittelrücknahme gefordert und die Restitutionklage für unzulässig gehalten, wenn durch den behaupteten Betrug das Rechtsmittel zurückgenommen wurde. A l l . Die Restitutionklage überlagert alle übrigen Klagearten (OLG HRGZ 29 B 16); doch hat BGH LM-BGB § 826 (Fa)/7 Klage aus BGB § 826 wegen beeinträchtigten Unterhalts gegeben, ohne daß gegen das Scheidungurteil die Restitutionklage erhoben werden mußte. Wird gegen den dritten, der die strafbare Handlung begangen hat, nach BGB § 823 auf Schadenersatz geklagt, so geschieht dies im gewöhnlichen Verfahren ohne die Voraussetzungen des § 581 I. B. In den Fällen des § 580 I 1—5 gehören die Voraussetzungen des § 5 8 1 1 zur Prozeß(fortsetzung)bedingung der Restitutionklage. B I . Kommt es zu einem ausländischen Strafverfahren, so genügt dies, wenn der maßgebende Straftatbestand in entsprechender Weise vom ausländischen materiellen Strafrecht geahndet wird (RGZ 140/97). B II a) Ist der Betroffene rechtskräftig durch das Strafgericht verurteilt, so ist der Weg für das Wiederaufnahmeverfahren frei. Wird die rechtskräftige Verurteilung im Strafverfahren auf dem Wege des Wiederaufnahmeverfahrens (StPO §§ 359folg.) beseitigt und freigesprochen, so entfällt die Prozeßfortsetzungbedingung des zivilen Wiederaufnahmeverfahrens und die Klage ist zu verwerfen (§ 589 A). Tritt dieser Fall erst ein, nachdem das zivile Wiederaufnahmeverfahren rechtskräftig beendet ist, und hat es zu einer anderen Entscheidung geführt,
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§581
B II a
ZPO IV. Buch
so liegt ein neuer Wiederaufnahmegrund gegen das rechtskräftig abgeschlossene Wiederaufnahmeverfahren nach § 580 I 6 vor. Die neue Klage f ü h r t dann zur Herstellung des ersten rechtskräftigen Zivilurteils. b) Ist der Betroffene durch Strafurteil rechtskräftig freigesprochen, so ist die Wiederaufnahmeklage grundsätzlich unzulässig (RGZ 140/99); nach h. M. auch, wenn dem Täter ein Rechtfertigunggrund zur Seite steht oder wenn ihn kein Verschulden trifft (RGZ 139/44; vgl. dagegen §§ 580 C I I I a 2, 581 B I I I b). Wird die Entscheidung im strafrichterlichen Wiederaufnahmeverfahren umgewandelt und verurteilt, so wird der Weg zur zivilrechtlichen Wiederaufnahmeklage frei. B III a) K o m m t es zu keinem Spruch der Strafgerichte oder wird durch sie ein Verfahren eingestellt, so ist dies unerheblich, wenn dadurch nichts über die Begehung der S t r a f t a t entschieden wird; andernfalls entfällt die Prozeßfortsetzungbedingung des § 581 I. a 1. Trotz begangener S t r a f t a t wird das Strafverfahren nicht durchgeführt, wenn der Täter amnestiert oder das Veifahren niedergeschlagen oder die Verfolgung wegen Geringfügigkeit (StPO §§ 153, 154), wegen Verjährung, wie wegen nach der Tat eingetretener Geisteskrankheit (RG J W 11/373) nicht verfolgt wird; auch wenn das Verfahren nur einstweilig eingestellt wurde (StPO § 205) oder weil die inländische Strafgerichtsbarkeit des Täters nicht h a b h a f t werden kann, mag er verstorben, der strafrechtlichen Gewalt des Inlandes nicht unterlegen, abwesend (RGZ 73/150) sein. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn die Handlung z. Z. ihrer Begehung noch strafbar war, später aber ihre Strafbarkeit entfallen ist. a 2. Wird dagegen das Strafverfahren mangels Beweises nicht durchgeführt, so entfällt die Prozeßfortsetzungbedingung (RGZ 139/44). a 8. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist der Einstellungentscheidung zu entnehmen. Ergibt diese nichts, so ist jedes Beweismittel dafür, daß die S t r a f t a t objektiv gegeben ist, zulässig. Ii) Darüber, ob in den Fällen, wo der objektive Tatbestand der strafbaren Handlung gegeben ist, die Wiederaufnahmeklage in entsprechender Anwendung gegeben ist, vgl. § 580 C I I I a 2. Folgt m a n dieser Auffassung, so wird die Prozeßbedingung des § 581 I dahin eingeschränkt, daß, wenn ein Strafverfahren mangels der objektiven Voraussetzungen der Straft a t zum Freispruch bzw. aus mangelndem Beweis zur Einstellung kommt, die Wiederaufnahmeklage unzulässig ist. B IV. Soweit an die strafverfahrensrechtliche Entscheidung angeknüpft wird, geschieht dies ohne nachzuprüfen, ob die Entscheidung richtig ist (RGZ 73/150). Liegt die Prozeßfortsetzungsbedingung vor, so ist aber auch im Zivilverfahren wieder zu prüfen, ob die Straft a t tatsächlich begangen ist (EG § 14 II 1). C. Fehlt irgendeine Prozeß(fortsetzungs)bedingung der Wiederaufnahmeklage, so ist sie als unzulässig abzuweisen (§§ 578 B, 589 A I b). Tritt sie nach Rechtskraft eines solchen Wiederaufnahmeurteils ein, so steht der Erhebung einer neuen Wiederaufnahmeklage nichts im Wege. C I . Ob die Prozeßfortsetzungbedingungen der Wiederaufnahmeklagen gegeben sind, wird von gerichts wegen geprüft (§ 589 A I). Deshalb sind Parteiverzichte, -anerkenntnisse, -geständnisse nur so zu würdigen, wie bei jeder P r ü f u n g von gerichts wegen (RGZ 135/130f.). C II. Auf welchem Wege sie zu beweisen sind, darüber enthalten §§ 581 II, 589 II besondere Regeln. a) § 581 I I schließt den Antrag auf Parteivernehmung für die Prozeß(fortsetzung)bedingung der Restitutionklage aus (§ 445); dazu gehört auch die nach § 447. Dagegen bleibt die Parteivernehmung nach § 448 zulässig (RGZ 14/328). Auf Nichtigkeitgründe ist § 581 I I nicht zu beziehen (a. M. RGZ 99/170). Andererseits wird man den Beweis der Echtheit der Urkunde, den ihrer Ausstellungzeit u. dgl. m. (vgl. § 580 B I I I b) nicht von dem Restitutiongrunde so lösen dürfen, daß man hier nicht von gerichts wegen prüft und deshalb auch die Parteivernehmung zuläßt (a. M. RGZ 16/438). c) § 581 I I gilt insoweit nicht, wie § 589 I I anzuwenden ist, also im besonderen nicht f ü r den Fall des § 582 (vgl. § 582 A I c).
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Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 582
(545)
I Die Restitutionsklage ist nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Einspruch oder Rerufung oder mittels Anschließung an eine Berufung, geltend zu machen. A I. § 582 gibt eine Zulässigkeitbedingung (BGH N J W 56/1154), a) die von gerichts wegen zu prüfen ist (RG Warn. 38/67) und b) die zur Beweislast des Restitutionklägers steht (RGZ 99/170). c) Jedoch wird ihr genügt durch Glaubhaftmachung nach § 589 II, die auch für die Entscheidung zur Sache selbst (RGZ 99/170) genügt, so daß also § 581 I I unanwendbar ist. A II. Darüber, ob, wenn Restitutiongründe im anhängigen Verfahren geltend gemacht werden, § 582 anzuwenden ist, vgl. § 581 A I a. B I. Der Restitutionkläger darf nicht in der l ä g e gewesen sein, den Restitutiongrund noch in dem ErstprozeB vorzubringen. Objektiv grenzt das Gesetz diese Voraussetzungen ab mit der Möglichkeit des Vorbringens in einer Tatsacheninstanz (§ 523 A). a) Ob dies schon im Vorverfahren oder auch noch im Nachverfahren möglich war (RGZ 54/306f.), ist gleich (soweit dem nicht der Ausschluß durch die Rechtskraft entgegensteht, § 322 A I a). Der Partei wird dabei zugemutet, den Rechtsbehelf oder das Rechtsmittel einzulegen; grundsätzlich nicht aber die Revision (a. M. RG D R 44 A 498) oder Anschlußrevision. Auch die Erhebung des Vorbehalts (§ 599) gehört dazu, wenn m a n im Nachverfahren dann noch den Restitutiongrund geltend machen darf (Kommentar § 600 C I c 2). Kenntnis vor Verkündung des Berufungurteils schadet nach geschlossener Verhandlung nicht (RGZ 16/419). Die entsprechende Anwendung im Beschwerdeverfahren ist geboten, soweit gegen Beschlüsse die Restitutionklage zuzulassen ist (vgl. § 578 D I I I b). B II. Besteht der objektive Tatbestand, so muß der Partei noch ein Verschulden zur last fallen, also Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis vom Restitutiongrunde. a 1. Restitutiongrund ist in den Fällen des § 580 1 1—5 die strafbare Handlung, nicht die Verurteilung, also nicht die Voraussetzungen des § 5 8 1 (RGZ 153/70); ist die strafbare Handlung begangen, so muß dies also schon im Erstverfahren vorgebracht werden (RG Warn. 14/41). a 2. In den Fällen des § 580 I 6, 7 ist das Vorhandensein i. V. m. dem Benutzenkönnen der Urkunden zu verstehen (RGZ 99/170; a. M. RGZ 156/82). Soweit dabei auch neue Tatsachen vorgebracht werden dürfen (§ 580 E II), kommt es nicht auf die Kenntnis dieser, sondern auf die von der Urkunde an. b) Der Begriff des Verschuldens ist dem allgemeinen Recht zu entnehmen (§ 233 B II). b 1. Ein vorprozessuales Verschulden wird man, so lange kein Streit bestand und es der Partei nicht sonst, besonders im Verhältnis zur Gegenpartei, oblag, die Urkunde sorgfältig (BGB § 276) für einen anderen zu verwahren, ihr nicht zum Vorwurf machen dürfen (RG N § 582/6). RG Warn. 11/137 hat einem unsorgfältigen Geschäftsbetrieb die unzureichende Ordnung zum Vorwurf gemacht. Bis zum Aufkommen des Streits gilt als Verschuldengrenze die diligentia quam in suis. b 2. Ab Aufkommen des Streits ist aber jede Fahrlässigkeit (culpa levis) genügend (RG Warn. 12/135). b 3. Das Verschulden des gesetzlichen oder prozessualen Vertreters (§ 232 B) steht dem der Partei gleich (§ 232 II, RGZ 84/145). c) Im einzelnen ist das Verschulden zu bejahen, c 1. wenn der um eine Urkunde wissende Restitutionkläger sich u m die Herbeischaffung einer Urkunde nicht bemüht, etwa wenn die Partei sie bei gründlichem Forschen hätte finden können, aber zu spät gesucht (RGZ 99/170) oder gefunden h a t (RG J W 97/605), besonders wenn sie sich in ihrer Verfügunggewalt befand oder sie ihr ihrem Inhalt nach bekannt war (RGZ 89/1).
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§ 5 8 2 Bll
ZPO IV. Buch
e 2. Das Verschulden muß den Restitutionskläger im Rahmen des früher anhängig gewesenen Verfahrens treffen (RGZ 87/269). Beim Urkundenbeweis muß gerade die Beweisführung aus der Urkunde möglich gewesen sein (RGZ 99/170), so daß die Möglichkeit bestanden haben muß, die Urkunde herbeischaffen zu können (vgl. § 580 E I c); daß an Stelle des Urkundenbeweises schon anderer Beweis hätte angetreten werden können, steht dem nicht entgegen (RGZ 32/370f.). c 3. Anders ist dies, wenn der Kläger nicht vermuten konnte, daß eine ihm günstige Urkunde noch vorhanden war, und er deshalb die Nachforschung unterließ (RG JW 26/2576), oder wenn er ihre Erheblichkeit nicht erkannt hat und vom Standpunkt eines normalen dritten aus auch nicht zu erkennen brauchte (RGZ 169/100). Ebenso liegt der Fall, wenn die Partei sich an das Beweismittel nicht mehr erinnerte (RG JW 02/76), sofern sie nicht die Erinnerung hätte auffrischen können und dies schuldhafterweise unterlassen hat. C. Ist ein Restitutiongrund im vorausgegangenen Verfahren vergeblich geltend gemacht worden, so darf auf ihn nicht durch Wiederaufnahmeklage zurückgegriffen werden (OLG Seuff. 69/259); anders wenn die Revisioninstanz auf ihn nicht eingeht.
§ 583
(546)
I Mit den Klagen können Anfechtungsgründe, durch die eine dem angefochtenen Urteil vorausgegangene Entscheidung derselben oder einer unteren Instanz betroffen wird, geltend gemacht werden, sofern das angefochtene Urteil auf dieser Entscheidung beruht. A. § 583 eröffnet (entsprechend §§ 512, 548) den Rückgriff auf Vorentscheidungen, die nach § 578 I nicht selbständig angegriffen werden können, weil sie keine Endentscheidungen sind, sofern sie vom Wiederaufnahmegrunde betroffen werden. A I. Die Bestimmung trifft aber auch (im Gegensatz zu §§ 512, 548) die sonst schlechthin unanfechtbaren (§ 512 B III) und regelmäßig auch die selbständig anfechtbaren Vorentscheidungen (§ 512 B II). A n . Angegriffen wird grundsätzlich die letztinstanzliche Endentscheidung. a) Soweit die Restitutionklagen nach § 580 1 1—3, 6, 7 gegen Urteile der dritten Instanz vor der zweiten verhandelt werden (§ 584 I), wird damit nicht nur das Revisionurteil (einschließlich seiner möglichen Vorentscheidungen) aufgehoben, sondern auch die Entscheidung des Berufunggerichts im ersten Verfahren, und es wird so entschieden, wie die Berufunginstanz auch sonst zu entscheiden hätte. Im Fall der Sprungrevision vgl. § 584 B III b 1. b) Dem entsprechende Lagen ergeben sich bei Rechtsbehelfsverwerfungen. b 2. Richtet sich der Wiederaufnahmeangriff gegen die durch die Verwerfung rechtskräftige Endentscheidung der Vorinstanz, so ist diese anzugehen (RGZ 120/173); doch können die Angriffe gegen sie dann gerade wegen der Verwerfung unzulässig sein. b 3. Werden beide Entscheidungen von Wiederaufnahmegründen betroffen, so vgl. § 584 B I b. B. Läßt man die Restitutionsklage gegen die selbständig anfechtbaren Zwischenentscheidungen nach §§ 275 II, 304 II zu (RGZ 35/412; § 578 D II b 1, 3), so sind sie von § 583 auszuklammern, d. h. über sie ist nur dann zu entscheiden, wenn sie ebenfalls in einem selbständigen Wiederaufnahmeverfahren angegriffen sind. B I. Führt das Wiederaufnahmeverfahren in dem Fall des § 275 II zu dem Ergebnis, daß die (bzw. eine, vgl. § 538 II) Prozeßbedingung s. Z. nicht bestanden hat, so ist zu prüfen, ob sie später nicht, im besonderen schon in dem Folgeverfahren eingetreten ist (und auch keine sonstige fehlt, vgl. § 538 II). a) Handelt es sich gar um eine unanfechtbare Zwischenentscheidung, so ist allein daraus, daß sie sonst unter § 275 fällt (Bejahung der örtlichen Zuständigkeit z. B.), nicht zu entnehmen, daß gegen sie eine Wiederaufnahmeklage zulässig wäre; denn gegen eine unselb-
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Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 583 B I a
ständige Zwischenentscheidung gibt es keine Wiederaufnahmeklage, selbst wenn sie (allein) von einem Wiederaufnahmegrunde betroffen wird. b) Ergibt sich indes in den anderen Fällen, daß die Prozeßbedingung fehlt, so ist auch das Urteil des Folgeverfahrens aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen. War indes die Klage schon als unzulässig abgewiesen (wenn auch aus einem anderen Grunde), so ist die Wiederaufnahmeklage mit» diesem Ziele unzulässig (§ 578 C I a 1). B II. Ergibt sich im Fall des § 304, a) daß die Klage unbegründet ist, so ist auch das Betragsurteil ohne weiteres Verfahren aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ergibt sich, daß die Klage zum Teil unbegründet ist (etwa wenn im Vorurteil die Haftung aus BGB § 823 bejaht wurde, während sie im zweiten Grundurteil nur nach StVG § 7 zu bejahen ist, oder wird bei Teilansprüchen nur noch für einen Teil der bestehende Grund bejaht), so ist das Betragsverfahren über den vom abgeänderten Grund ergriffenen Teil aufzuheben und soweit neu in ihm zu entscheiden, wie dies das neue Grundurteil erfordert. B III. Im Falle des § 302 sind das Vorbehalturteil wie das Nachurteil getrennt anfechtbar. a) Wird nur das Vorlbelialturteil angefochten und ergibt sich, daß es ganz oder zum Teil zu unrecht ergangen war, so ist, wenn im Nachurteil die Aufrechnung aberkannt wurde (§ 322 II), das Nachurteil aufzuheben und entweder abzuweisen oder nur noch zum Teil zu erkennen, ohne daß hier nochmals über die Aufrechnung entschieden wird. Ist im Nachverfahren auf Grund der Aufrechnung abgewiesen worden, so bedeutet der Angriff auf das Vorbehalturteil die Feststellung, daß die aufzurechnende Forderung noch besteht. b) Wird nur das Nachverfahrenurteil angegriffen, so kann nur über die Frage der Aufrechnung neu erkannt werden; das Vorbehalturteil muß als rechtskräftig bestehen bleibend behandelt werden (§ 578 D II b 2). B IV. Zu der Frage eines selbständigen Angriffs auf ein Urkundenvorbehalturteil (§ 599) vgl. §578 D I I b 4 ; erging es ohne Vorbehalt, so muß es im Aufnahmeverfahren auch mit der Wirkung bestätigt werden, daß nunmehr ein Vorbehalt ausgesprochen wird, der dann zum Nachverfahren führt. CI. Hatte die höhere Instanz aufgehoben und zurückverwiesen und ist gerade dieses Urteil von einem Wiederaufnahmegrund betroffen, so muß die Wirkung des § 565 II beseitigt werden, was nur durch Angriff auf diese Entscheidung geschehen kann. C II. Ein Bückgriff auf die Vorentscheidung ist insoweit unzulässig, wie das spätere Urteil die Vorentscheidung ersetzt (RGZ 75/60). a) Da die Berufunginstanz die Entscheidung der ersten ersetzt, kommt es nur auf jene an (RGZ 15/388). Ist in erster Instanz ein Meineid geleistet worden, so ist die Entscheidung des Berufunggerichts zugleich betroffen, wenn sie sich auf diesen Eid stützt. b 1. Die Nichtigkeitsgründe des § 579 1 1—3 (III) werden nur auf die letztinstanzliche Entscheidung bezogen. b 2. Nur in dem Fall des § 579 I 4 werden alle Vorentscheidungen vom gleichen Wiederaufnahmegrunde betroffen sein können (RGZ 75/60). In diesen Fällen ist aber die Vorentscheidung sowieso aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen. Anders ist es, wenn hier nicht das Verfahren der ersten Instanz von dem Mangel betroffen worden ist, sondern nur das der höheren, dann sind nur die letzte Entscheidung bzw. die beiden letzten zu beseitigen und das Verfahren in den Zustand zu bringen, der vor ihnen bestanden hat. c l . § 5 8 0 1 4 , 5 trifft regelmäßig die letzte Instanz; nur wenn eine Tatsachenfeststellung betroffen wird, an die das Revisiongericht gebunden ist (§ 561), ist auf die Entscheidung der Berufunginstanz zurückzugreifen. c 2. In den Fällen des § 580 I 7 a bleiben alle Zwischenentscheidungen bestehen. c 8. In den übrigen Fällen des § 580 kommt es im einzelnen darauf an, welche Entscheidung vom Wiederaufnahmegrund betroffen wird.
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ZPO IV. Buch
§ 584
(547)
I Für die Klagen ist ausschließlich zuständig: das Gericht, das im ersten Rechtszuge erkannt hat; wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 angefochten wird, das Berufungsgericht; wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund der §§ 579, 5S0 Nr. 4, 5 angefochten wird, das Revisionsgericht. II Sind die Klagen gegen einen Vollstreckungsbefehl gerichtet, so gehören sie ausschließlich vor das Amtsgericht, dessen Geschäftsstelle den Befehl erlassen hat; wenn der Anspruch nicht zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehört, vor das für den Rechtsstreit über den Anspruch zuständige Gericht. A. § 584 bestimmt für Wiederaufnahmeklagen den örtlich und sachlich ausschließlichen Gerichtstand und gibt damit eine Prozeßbedingung für die Wiederauinahmeklage, welche im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung (§ 516 A I) gegeben sein muß, andernfalls ist die Klage als unzulässig abzuweisen (über die Verweisungsmöglichkeit nach § 276 vgl. § 585 C I f, über Fristwahrung vgl. § 586 B). Die Norm wird durch die Vorschriften modifiziert, welche infolge der veränderten Gerichtseinteilung sich ergeben (vgl. im besonderen Zuständigkeitänderung- und ZuständigkeitergänzungG). Zuständigkeitvereinbarung (§ 40) wie die Schiedsgerichtsabrede sind für Wiederaufnahmeklagen ausgeschlossen (§ 1025). In das ausländische Verfahren greift das inländische Recht unmittelbar nicht ein (vgl. OLG IPRspr. 50 + 51/132); über die Auswirkungen auf darauf gegründete inländische Titel vgl. § 723 B I I I c. B I. Die Revisioninstanz ist zuständig, wenn ihr Urteil bzw. Beschluß (§ 578 D I I I b) von einem Wiederaufnahmegrunde betroffen wird, für den sie allein verantwortlich ist. a) Dies gilt für die Nichtigkeitgründe (§ 579 1 1—4). Doch hat hier RGZ 120/173 Verwerfungbeschlüsse der Instanz zugewiesen, die zuletzt sachlich erkannt hatte (vgl. dazu §583 A I I b ) , a 1. also wenn das Revisiongericht unvorschriftsmäßig besetzt war (§ 579 1 1). Darauf, ob schon die Vorinstanzen unvorschriftsmäßig besetzt waren, kommt es dann nur nach § 583 für das weitere Verfahren an. Dagegen spielt die unrichtige Besetzung der ersten Instanz kaum noch eine Rolle, weil nämlich die zweite Instanz ihr Urteil ersetzt. Ob bei einer Sprungrevision der Grund geltend gemacht werden darf, vgl. § 566a B III. a 2. Das entsprechende gilt für den Nichtigkeitgrund nach § 579 I 2, nur daß hier die Vorschrift des § 579 I I nicht zutrifft. a 3. Für den Nichtigkeitgrund nach § 579 I 3 gilt das zu § 584 B I a 1 Gesagte entsprechend. a 4. Der Nichtigkeitsgrund des § 579 1 4 spielt insofern eine besondere Rolle, wie hier der Fall, daß auch schon das Urteil der ersten und der zweiten Instanz oder eines von beiden an dem Mangel litt (RG J W 24/908), leichter eintritt. Jedenfalls entscheidet darüber allein das Revisiongericht (RG N § 584/2). b) Über Restitutiongründe entscheidet das Revisiongericht grundsätzlich nur in dem Fall des § 580 I 4, 5. b 1. § 584 entzieht dem Revisiongericht die erste Entscheidung über die Restitutiongründe des § 5 8 0 1 1 — 3 , 6 , 7. Doch gilt dies nicht, wo das Revisiongericht von sich aus solche Tatsachen auf Grund eigener Beweisaufnahmen ermittelt hat oder wo es auch sonst sie von gerichts wegen zu prüfen hatte (vgl. § 561 A II). b 2. Wird die Entscheidung, durch die das Revisiongericht ein Rechtsmittel verwirft, angegriffen (vgl. § 583 A II b 1), so muß, wenn die Revision verworfen wurde, das Revisiongericht zum zuge kommen. Dies gilt auch für die Revisionentscheidung, welche eine Verwerfungentscheidung der Tatsacheninstanz bestätigt. Insoweit wird gleichzeitig die Wiederaufnahmeklage gegen die Vorentscheidungen unzulässig.
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Wiederaufnahme des Verfahrens
§584 bi
b 3. Wird umgekehrt die Verwerfungentscheidung des Revisiongerichts nicht angegriffen, so ist die Berufunginstanz zuständig, soweit nicht auch diese bloß das Rechtsmittel schon verworfen hatte und deren Verwerfungentscheidung nicht angegriffen wurde. Nur wenn beide Erkenntnisse angefochten werden (also die Verwerfungentscheidung der Berufunginstanz wie das Urteil der ersten Instanz), so ist wieder das Berufungsgericht zuständig. B II. Die Berufunginstanz ist zuständig a) gegen im Bevisionverfahren geschlossene Verfahren, a 1. in dem zu § 584 B I b 3 erwähnten Fall, a 2. bei den Restitutiongründen nach § 580 1 1—3, 6, 7 (OLG LZ 27/411). b) Die Berufunginstanz ist ferner zuständig bei im Berufungverfahren geschlossenen Verfahren, b 1. mag auch nicht bloß das Berufungurteil angegriffen werden, sondern auch zugleich das der ersten Instanz. Regelmäßig wird allerdings nur das Urteil der Berufunginstanz angreifbar sein (vgl. RGZ 75/60), weil dieses das der ersten Instanz ersetzt. Hatte das Berufunggericht aufgehoben und zurückverwiesen, so ist es möglich, daß nur dieses Urteil, aber auch daß nur das Folgeurteil angreifbar ist; im ersten Falle ist das Berufunggericht, im zweiten die erste Instanz zuständig; wird indes gegen beide Urteile vorgegangen, so ist nur das Berufunggericht zuständig. b 2. Das Berufunggericht ist aber nicht zuständig, wenn es das Rechtsmittel nur verworfen hat und die Verwerfungentscheidung nicht angegriffen wird. Es ist ferner nicht zuständig, wenn es nur über einen Teil entschieden hat, aber gerade ein anderer Teil angegriffen wird, über den nur die erste Instanz entschieden hat. Bei einem Grundurteil (§ 304) ist es nicht zuständig, wenn ein Betragsurteil ergangen und nur dieses angegriffen wird, sofern dieses sich nur in der ersten Instanz gehalten hat; wie umgekehrt bei einem Vorbehalturteil nach § 302 es nicht zuständig ist gegen das Nachurteil, wenn es nur um dieses geht und dieses Verfahren nicht in die Berufunginstanz gediehen ist, wie umgekehrt. b 3. Die Berufunginstanz ist ferner zuständig für die in erster Instanz geschlossenen Verfahren, sofern vor ihr ein Wiederaufnahmeverfahren schwebt, soweit hier Vorgriffe der Berufunginstanz zulässig sind (§ 536 B). B III. Die erste Instanz ist zuständig a) gegen die vor ihr selbst geschlossenen Verfahren. a 1. Im Wiederaufnahmeverfahren entscheidet die erste Instanz in voller Besetzung; also grundsätzlich nicht der Einzelrichter, auch wenn er das angefochtene Urteil erlassen hat (§349 12—5, III), abgesehen von zulässigen Versäumnisentscheidungen u. dgl. m.; auch ist § 349 III anwendbar. a 2. War in der landgerichtlichen Instanz die Kammer für Handelsachen zuständig, so sollte sie es auch für die Wiederaufnahmeklagen sein (vgl. GVG §§ 100, 104). a 3. Eine Besonderheit ergibt sich für die Nichtigkeitsklage gegen Schiedsurteile (§ 510c) nach § 579 III. Hier wird stets im ordentlichen Verfahren entschieden. a 4. Hatte das Amtsgericht einen Vollstreckungbefehl erlassen, so ist das übergeordnete Landgericht zuständig, wenn der Anspruch z. Z. der Zustellung der Wiederaufnahmeklage die amtsgerichtliche Zuständigkeit übersteigt (§ 584 II). b) Die erste Instanz ist nicht zuständig b 1. gegen Erkenntnisse der in der Revisioninstanz geschlossenen Verfahren, selbst wenn Sprungrevision eingelegt war (a. M. Baumbach-Lauterbach § 584 Anm. 2 C). Hier wird nach §584 I das Berufunggericht erstmalig zuständig (vgl. §566a V); es sei denn, daß es um eine nicht angegriffene Verwerfungentscheidung geht ; b 2. gegen Erkenntnisse der in der Berufunginstanz geschlossenen Verfahren, soweit nicht die Ausnahme zu § 584 B II b 2 besteht.
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§584
ZPO IV. Buch
B IV. Es ist danach nicht ausgeschlossen, daß es zu Verfahren von verschiedenen Instanzen kommt, wenn Restitution- und Nichtigkeitklagen erhoben werden. Soweit über Niohtigkeitund Restitutionklage zu entscheiden ist, muß allerdings die Instanz aussetzen, bei welcher die Restitutionklage schwebt (§ 578 II). Im übrigen wird es sich häufig empfehlen, daß die höhere Instanz aussetzt, bis das Verfahren vor der unteren Instanz erledigt ist — vorausgesetzt, daß es sich um ein auf sie überzuführendes Verfahren handelt.
§ 585
(548)
I Für die Erhebung der Klagen und das weitere Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften entsprechend, sofern nicht aus den Vorschriften dieses Gesetzes sich eine Abweichung ergibt. A I. Das alte Verfahren wird nach den Vorschriften fortgesetzt, die für das Verfahren gelten, das infolge der Wiederaufnahmeklage wieder eröffnet wird; also im besonderen gilt für die Revisioninstanz das Verfahren dieser, für die Berufunginstanz ihr Verfahren. Soweit das alte Verfahren in einer besonderen Prozeßart geführt wurde, wird es dann auch in ihr erneuert (§ 590 D I); über das Zustellungrecht vgl. § 591 B. B I a 2. Die Widerklageerhebung und ihr Gerichtstand (§ 33 A) kommen erst in Betracht, wenn der Streit neu zu verhandeln ist (§ 590 D, RGZ 91/195). Vom dritten Titel (Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte) gilt § 40 II. Vgl. aber das ZuständigkeitsergänzungsG v. 7. 8.1952 (BGBl. I 407) § 5. b 2. Für Verweisungen gilt § 276, wobei auch die vor einem unzuständigen Gericht erhobene Klage die nach § 586 innezuhaltende Frist wahrt, wenn die Klage rechtzeitig beim Erstgericht erhoben war (vgl. § 586 B I). Dies gilt auch, wenn das Berufunggericht an sich selbst als erste Instanz verweist (OLG JW 25/22733), und gleichviel, ob mit der Klage eine Wiedereinsetzung beantragt war oder nicht. B II a) Die Parteirolle des ersten Verfahrens bleibt bestehen (RGZ 91/197). Doch will dies RG JW 37/2222 in Ehesachen nicht wahr haben, wo es die Vollmacht des Wiederaufnahmeklägers ohne Rücksicht auf seine Parteirolle im Erstprozeß nach § 613 fordert und sie vom Wiederaufnahmebeklagten ohne Rücksicht auf die im Erstprozeß nicht verlangt (vgl. § 585 B II d). b) Die Streitgenossenschaft reicht nur soweit, wie die Wiederaufnahmeklage geht; sie erstreckt sich also nicht von selbst auf die Streitgenossen, welche von ihr nicht betroffen werden bzw. nicht in ihr angezogen worden sind. § 62 wird durch das Wiederaufnahmeverfahren modifiziert (§ 578 C II a 1), im übrigen gelten die sonstigen Normen, es sind also die notwendigen Streitgenossen nach § 63 im Wiederaufnahmeverfahren heranzuziehen (RGZ 96/52). c) Der Streitgehilfe des alten Prozesses ist von Anfang an in das Wiederaufnahmeverfahren seiner Hauptpartei einzubeziehen. Nur ist es ihm nach h. M. verwehrt, die Wiederaufnahmeklage zu erheben, wenn er im alten Verfahren kein Streitgehilfe war und ihm dort auch nicht der Streit verkündet war. d) Regelmäßig ermächtigt die (alte) Prozeßvollmacht auch zur Erhebung der Wiederaufnahmeklage wie zur Verteidigung ihr gegenüber (§ 81 A II b 5). Wird indes die Klage von einem anderen Prozeßbevollmächtigten erhoben, so ist damit die alte Vollmacht erledigt (§ 87 I). Dem (betroffenen) Prozeßbevollmächtigten des Gegners muß nach §§ 176, 178, 208, 210a (RG JW 37/2222) zugestellt werden. Im gewissen Gegensatz zu § 81 steht die herrschende Rechtsprechung, wenn sie für die Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes den Vertreterbegriff des § 232 II beschränkt, indem sie nicht die des Prozeßbevollmächtigten gegen die Partei gelten läßt (§ 586 A I I I a). g) Befindet sich das Verfahren im 2. oder im 3. Rechtzugc, so gilt § 119 II für den Fall, daß der Wiederaufnahmebeklagte im ersten Verfahren Rechtsmittelbeklagter war. Dabei ist nach § 127 die Beschwerde unzulässig, wenn ein Landgericht als Beruf unggericht das Armenrecht für eine Wiederaufnahmeklage versagt (OLG NdsRpfl. 51/222).
1324
Wiederaufnahme des Verfahrens
§585
B III a 3. §§ 148, 149 gelten nicht zur Herbeiführung einer Statthaftigkeitvoraussetzung (LArbG AP 53/87). b) Auch die Wiederaufnahmeklagen werden von gerichts wegen zugestellt (§§ 261 b I, 496 I); erhoben sind sie erst mit der Zustellung (§ 253 I), nicht schon mit der Einreichung bei dem Gericht (über die Vordatierung der Frist vgl. aber §§ 261b, 496 III). c) Darüber, daß die Fünfjahresfrist des § 586 II nicht unter die §§ 224, 226 fällt, vgl. § 221 B II a. d) Der Wiedereinsetzungantrag wird hier erst mit der Zustellung des Antrags vollzogen (§ 234), wenn auch die Vordatierung nach §§ 261b III, 496 III gilt. e) § 251a wird nur insofern praktisch, wie noch eine mündliche Verhandlung zu fordern ist (§ 590 D II b 2); dabei darf es dann nicht genügen, daß bereits im ersten Verfahren verhandelt worden ist, wenn Urteil erlassen werden soll (§ 251a I 2). C I a) Die Wiederaufnahmeklage wird erst durch Zustellung erhoben (§ 253 I). Da diese Zustellung aber von gerichts wegen vorgenommen wird (§§ 261b I, 496 I), gilt die Regel der §§ 261b III, 496 III, wonach es zur Fristwahrung genügt, wenn die Klage rechtzeitig eingereicht und demnächst zugestellt wird (vgl. §261bC). Über dieselbe Rechtslage für den Wiedereinsetzungantrag vgl. § 585 B III d. In der Klage muß das angegriffene Urteil gekennzeichnet werden. Eine notwendige Begründung ist nicht vorgeschrieben (vgl. aber §§ 587 A II, 588 B I). b) Die in erster Instanz gebrachte Klagehäufung (soweit diese sonst zulässig ist, vgl. § 260 C) führt zur Prozeßtrennung, wenn sie vor eine andere erste Instanz gehört und der Gegner dies rügt. Die in zweiter oder dritter Instanz gebrachte Klagehäufung unterliegt einer doppelten Begrenzung, zunächst muß die Wiederaufnahmeklage in dem hier gekennzeichneten Sinne zulässig sein und sodann muß es die Klagehäufung sein (RGZ 163/164). Diese Klageerweiterung ist nicht auf rechtskräftig bestehenbleibende Teile des alten Urteils ausdehnbar. Umgekehrt darf ein anderes Verfahren auch mit der zulässigen Wiederaufnahmeklage verbunden werden (RGZ 163/156folg.). Über die Häufung der Anfechtunggründe vgl. § 588 B I b. Hat der Gegner eine Wiederaufnahmeklage erhoben, so sollte man sie verbinden, soweit dem nicht § 578 II entgegensteht. Hat er sonst einen Wiederaufnahmegrund auch von seiner Seite, so darf man ihn hier anders als im Rechtsmittelverfahren nicht zulassen, weil das Urteil schon rechtskräftig ist. Vgl. auch über das Verbot der Anschließung § 578 A III b. d) Die Klageänderung ist in erster Instanz nach §§ 264, 268—270 zu beurteilen. Doch kann durch sie, wenn dadurch die Beschwer entfällt (§ 578 C I), die Wiederaufhebungklage unzulässig werden. Die Inzidentklage nach § 280 darf erhoben werden, soweit die Wiederaufnahmeklage zulässig ist (RGZ 91/195). In zweiter und dritter Instanz unterliegt die Klageänderung wieder den in diesen Instanzen gegebenen Beschränkungen. Über Klageerweiterung vgl. auch § 585 C I b. e) Über die Klagerücknahme (§ 271), Anerkenntnis und Verzicht (§§ 306, 307) vgl. § 578 B V, C III b 7. Der Klageverzicht hat hier nicht die Bedeutung des Anspruchverzichts (vgl. § 578 C III b 7); er ist alsbald nach Rechtskraft des Ersturteils zulässig durch einseitige Erklärung gegenüber dem Gericht; auch gegenüber dem Gegner, soweit die betroffene Partei das anfechtbare Verfahren genehmigen kann (§ 579 B IV c). Das mangelhafte Verfahren kann auch durch Genehmigung geheilt werden, womit dann praktisch derselbe Einwand begründet wird; doch wirkt die Genehmigung, wenn sie nur dem Gegner erklärt wurde, außerprozessual. Auf einen Wiederaufnahmegrund kann allerdings nur verzichtet werden, wenn er bekannt ist. Die Genehmigung ist als prozessuale Erklärung unwiderruflich; der Klageverzicht ist dagegen widerruflich (vgl. § 578 C III b 7). Ist die Wiederaufnahmeklage zulässig, so darf auch noch ein Rechtsmittel, über das vorerst zu entscheiden ist, zurückgenommen oder auf es verzichtet werden, und zwar unter den allgemeinen Voraussetzungen. f ) Die Zurückweisung nachträglicher Wiederaufnahmegründe ist unzulässig, die des sonstigen Vorbringens nach §§ 279, 279 a, 283 II nur, wenn dazu im neuen Verfahren Grund gegeben wird; nicht in bezug auf den Wiederaufnahmegrund. Darüber, inwieweit das Gericht an die alte Prozeßlage gebunden bleibt, vgl. § 583 C II.
1325
§585 ci
ZPO IV. Buch
g) Über die Prüfung der Prozeßbedingungen (§§ 274, 275) vgl. §§ 578 C I I I b, 590 D I I a; darüber, daß der Rechtsweg bei unveränderter Gesetzeslage stets zulässig ist, § 578 C I I I b 2. h 3. Ist die Klage an sich s t a t t h a f t , so darf auch ein Beweissicherungverfahren vor dem Prozeßgericht betrieben werden. j) Über die Entscheidung und ihren Inhalt vgl. §§ 589, 590. j 1. Muß die nächste Instanz einen von der vorhergehenden bejahten Zulassunggrund verneinen, so muß sie entsprechend § 538 I I alle maßgebenden Gründe derselben Gruppe durchprüfen. j 3. Soweit § 317 anzuwenden ist, kommt es u. U. auf die Prozeßart a n ; ist nach dieser von gerichts wegen zuzustellen (BGH N J W 55/1879), so ist es auch das Erkenntnis, daß die Klage als unzulässig abweist; andererseits ist im Regelverfahren für die Zustellung eines solchen Erkenntnisses § 317 I anzuwenden. Über § 322 vgl. § 578 F I I I b. j 4. Über §§ 325, 327 vgl. § 578 C II b 2. j 5. Gilt ein ausländisches Urteil im Inland (§ 328 C, D, E) oder wird ein ausländisches im Inland für vollstreckbar erklärt (§§ 722, 723), so vgl. § 584 A. Wird das rechtskräftige ausländische Urteil aufgehoben, vgl. § 580 D I I I d 3. Die Urteile des sowjetisch besetzten Gebietes gelten als inländische (BGH N J W 56/1436). C II a) Es findet auch keine Anschließung statt. Nur bei den Urteilen mit erweiterter Rechtskraftwirkung ist ein solches Hinübergreifen zulässig. Die Wiederaufnahmeklage wegen eines zurückgewiesenen Mitschuldantrags ist zulässig (RGZ 171/42). C III. Das entsprechende gilt für die besonderen Verfahren, die in den Büchern 5—10 der ZPO geregelt sind. Darüber, daß und inwieweit die besonderen Verfahrensarten wieder wirken, wenn neu über die Sache zu entscheiden ist, vgl. § 590 D I. Die einstweilige Einstellung der Vollstreckung ist in § 707 geregelt.
§ 586 I
(549)
Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.
I I Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tage der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft. III Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tage, an dem der Partei und bei mangelnder Prozeßfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist. A. § 586 setzt als Prozeßfortsetzungvoraussetzung (§ 578 B I b 2) für die Wiederaufnahmeklagen eine Frist, die auf die Klageerhebung bezogen ist (RG N § 586/11), d. h. auf die Zustellung der Klage (§ 253 I), wenn auch bei demnächstiger Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung zurückdatiert wird (§§ 261 b I I I , 496 III). Für Armenrechtgesuche ohne Klageerhebung muß für sie dasselbe gelten wie für die zur Rechtsmitteleinlegung (vgl. § 233 C, OLG J R 50/537); d. h. es gibt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch, sofern sie rechtzeitig eingereicht worden sind (vgl. § 233 C I); es sei denn, daß inzwischen die Fünfjahresfrist nach § 586 I I verstrichen ist. A I. Sind die Fristen nicht gewahrt, so ist die Klage unzulässig (RGZ 121/197). Über das Verfahren vgl. § 590 B I. A l l . Für die Wiederaufnahmeklagen sind zwei Fristen gesetzt: die Notfrist von einem Monat und die uneigentliche Ausschlußfrist von fünf Jahren, die indes nicht bei der auf § 579 I 4 gestützten Nichtigkeitklage läuft. Über die Berechnung der Frist vgl. § 222. a) Bei Unterbrechung durch Stillstand der Rechtspflege (§ 245) h a t OLG Düsseldorf v. 29. 4. 1946—1 U 90/46 gefordert, daß der Kläger sich über das Ende der Unterbrechung auf dem laufenden hält.
1326
Wiederaufnahme des Verfahrens
§586 Ali
b) Die Klage dar! schon vor Beginn der Notfrist erhoben werden (RG J W 28/2712); doch darf über sie nur entschieden werden, wenn die Vorentscheidung rechtskräftig ist, wozu genügt, daß dies z. Z. der letzten mündlichen Verhandlung gegeben ist. c) Den spätesten Zeitpunkt, in dem noch zulässigerweise die Wiederaufnahmeklage erhoben werden darf, legt § 586 fest. e 1) Die Notfrist beginnt in keinem Falle vor der Rechtskraft der Entscheidung; § 586 I I sagt dies ausdrücklich; dies gilt aber auch für §586111 (RG J W 17/605). c 2) Im übrigen beginnt die Notfrist von einem Monat in den Fällen des § 579 I 4 ab Zustellung des rechtskräftigen Urteils an den im Verfahren nicht Vertretenen (§ 586 I I I ) ; in den übrigen Fällen ab Kenntnis (§ 586 I I ) ; doch dürfen die Klagen im letzten Fall nicht mehr nach Äblauf von fünf Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung erhoben werden (vgl. aber SchutzVO Art. 3 1 2 ) , während im ersten Falle die Fünfjahresfrist nicht läuft. d 1. Die Ausschlußfrist ist eine uneigentliche Frist (§ 221 B II a) ohne die Möglichkeit der Verkürzung oder der Verlängerung oder der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen ihren Ablauf. Auch BGB § 203 ist nicht entsprechend anwendbar (BGH N J W 56/60). Der erste Tag der Frist wird nicht mitgerechnet (RGZ 65/24f.). Über die Hemmung dieser Frist bzw. die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Frist vgl. Schutz VO Art. 3 1 2 . d 2. Gegen die Versäumung der Notfrist von einem Monat gibt es die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233) innerhalb der in § 234 gesetzten Frist. Der Antrag kann auch stillschweigend gestellt werden (OLG DRZ 49/448), sofern die Bedingungen der Wiedereinsetzung aktenkundig sind (a. M. RG Warn. 37/82), wird aber erst wirksam mit der Zustellung an die Gegenpartei (RG N § 586/11); unbeschränkt aber nur, wenn ein Nichtigkeitgrund nach § 579 I 4 gegeben ist, sonst beschränkt durch die Fünfjahresfrist. A III. Soweit die Kenntnis der Partei erheblich ist (also in allen Fällen bis auf § 579 I 4), kommt es a) auf die der prozeßfähigen Partei bzw. eines (§ 51 E II a) ihrer gesetzlichen Vertreter oder die ihres Generalbevollmächtigten (§§ 81, 232 II, RGZ 37/389); aber nach h. M. nicht auf die ihres Prozeßbevollmächtigten an (BGH B Z W 60/34). Für jeden Streitgenossen läuft die Frist besonders. b) Zur Kenntnis genügt die der tatsächlichen Umstände (OLG 17/179), welche zur Wiederaufnahmeklage berechtigen, nicht also auch die Kenntnis, daß auf Grund dieser Tatsachen die Wiederaufnahmeklage zulässig ist (RGZ 169/104). Das nicht Erfahrenwollen (dolus eventualis) genügt. b 1. Bei den Restitutiongründen des § 580 1 1—5 muß die Kenntnis von der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung bzw. darüber hinzutreten, daß die Strafverfolgung aus anderen Gründen als wegen mangelnden Beweises unmöglich geworden u n d deshalb das Strafverfahren eingestellt worden ist (OLG H R R 35/1704). b 2. Bei dem Restitutiongrunde des § 5861 6, 7 ist es auf die Kenntnis des Inhalts der aufgefundenen Urkunde u n d ihrer Benutzbarkeit abzustellen (RGZ 64/227 fordert, daß die Benutzbarkeit z. Z. der ablaufenden Fünfjahresklagefrist schon gegeben sein müsse). Befindet sich die Urkunde im Besitz der anderen Partei oder eines dritten, so kommt es auf diese Kenntnis an; und bei dem dritten darauf, ob der dritte Vorlegung verpflichtet ist (RGZ64/226); nicht aber ist es auf die Kenntnis von der Verpflichtung des dritten hierzu abzustellen, und nur, wenn der dritte nicht verpflichtet ist, kommt es auch auf die Kenntnis davon an, daß er vorlegungbereit ist (vgl. RG J W 93/501). Werden mehrere Urkunden aufgefunden, so k o m m t es nach KG J W 37/2788 auf die Auffindung der ersten an; doch kann dies nicht gebilligt werden, die der letzten muß genügen, wenn die Urkunden nicht inhaltlich identisch sind. Bei der nachträglichen Geburt eines Kindes kommt es nach der hier vertretenen Auffassung auf die Kenntnis von der Geburt, nicht auf die von der Herstellung der Geburturkunde an (a. M. OLG D R IV [416] 43c). A IV. Im Fall des § 579 I 4 entscheidet nur die Zustellung (§ 586 III).
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§586 Aiv
ZPO IV. Buch
a) In diesem Fall kommt es auf die Kenntnis des (richtigen) Prozeßfähigen (gesetzlichen Vertreters) nicht an (a. M. OLG HRR 36/438). Wird ihm unverschuldet (vgl. § 233 B II) die Zustellung nicht bekannt, so läuft nur noch die Wiedereinsetzungfrist (§ 234). b) Erlangt die Partei selbst, nachdem ihr zugestellt worden war, die Prozeßfähigkeit, ohne daß zuvor ihrem gesetzlichen Vertreter zugestellt war, bzw. wird der, dem zugestellt war, später ihr gesetzlicher Vertreter, so muß diesen Personen erneut zugestellt werden, nachdem sie prozeßfähig bzw. richtige gesetzliche Vertreter geworden Bind. Liegt indes die Erlangung der echten gesetzlichen Vertretung nur daran, daß die Partei selbst erst parteifähig wird (wie bei zu gründenden juristischen Personen), so kommt es auf die fehlende Vertretung nicht an, weil sie von vornherein, wenn auch für die noch nicht existente Partei, bestanden hat. A V. Über die Glaubhaftmachung der Fristenwahrungtatsachen vgl. § 589 II. B I. Die Klagefrist ist gewahrt, auch wenn bei einem nach § 584 unzuständigen Gericht die Klage rechtzeitig erhoben worden ist, sofern dieses nur an irgendein anderes nach § 276 verweist (§276112). B II. Die Frist wird für jedes angegriffene Urteil besonders berechnet (RG J W 01/286 für den Fall eines selbständig rechtskräftig werdenden Teilurteils nach § 301). Die Kostenentscheidung des Schlußurteils ist nicht besonders angreifbar, da es gegen die Kostenentscheidung allein keine Wiederaufnahmeklagen gibt (§578D IV d); sie fällt indes ohne weiteres unter § 583. B III. Werden für ein und dasselbe Urteil andere Wiederaufnahmegründe nachgeschoben, so wird durch die Erhebung der einen Klage die Frist für die nachgeschobenen grundsätzlich gewahrt, a ) vgl. § 268 1 1; bei erweitertem Antrag liegt in den Tatsacheninstanzen eine nach § 268 I 2 gesetzlich zugelassene Klageänderung vor (in der Revisioninstanz steht der Erweiterung § 561 entgegen). Da es nach § 588 I 3 indes für den Antrag auf den Zeitpunkt des Verhandlungschlusses ankommt (§ 588 B III b), so darf in der ersten Wiederaufnahmeinstanz der Antrag im Rahmen der Beschwer beliebig verändert (also auch erweitert) werden (also auch in der Revieioninstanz). Verhielt sich das mit der Wiederaufnahmeklage angegriffene Urteil im Verhältnis zu dem Urteil der Vorinstanz nur über einen Teil und leidet auch das Vorurteil an demselben Mangel, der gegenüber dem Urteil der höheren Instanz zur Wiederaufnahme führt, so sollte man auch die Anschließung des Wiederaufnahmeklägers (nicht die des Wiederaufnahmebeklagten, vgl. § 578 A III b) zulassen, damit zugleich das erste Urteil mit geändert wird, jedenfalls bei der Berufung (vgl. BGH v. 10. 7.1959 VI J R 160/58), aber auch bei der Revision (und ohne Begrenzung an die gar nicht zu wahrende Frist des § 556, weil insoweit noch nach altem Recht zu entscheiden ist, das diese Frist nicht kannte. Ob dem über die Beschwer hinausgehenden Anspruch mit der Verjährungeinrede begegnet werden darf, richtet sich nach außerprozessualem Recht; bei Ausschlußfristen wird dagegen rückwirkend die Erweiterungsmöglichkeit stets gegeben; wie etwa zu wahrende Notfristen zur Erstklageerhebung zu behandeln sind, ist noch nicht entschieden. b) In den darüber hinausgehenden Fällen, wo neue Wiederaufnahmegründe nachgeschoben werden, schließt die h. M. diese Zulässigkeit aus § 588 1 1, so daß also die Frist für die nachträglich vorgebrachten Wiederaufnahmegründe durch eine Wiederaufnahmeklage offengehalten wird (RGZ 168/230). Folgerecht kann auch die Trennung des Prozesses, selbst die nach § 578 II gebotene, die Zulässigkeit dann nicht mehr in frage stellen, wenn der nachträgliche Grund nur innerhalb eines schwebenden Verfahrens gebracht wird. Auch darf die nachträgliche Häufung nicht als eine Klageänderung behandelt werden, für die §§ 264, 269 gelten, sondern man muß sie entsprechend der Rechtsmitteländerung behandeln. b 1. Voraussetzung für die (nachträgliche) Klagegrundhäufung der Wiederaufnahmegründe ist, daß sie in derselben Instanz (vgl. § 584) gebracht werden darf. Ist dies nicht der Fall, so ist zu trennen und auf Antrag insoweit zu verweisen (§ 276, wobei die Frist mit der Anbringung in der falschen Instanz gewahrt wird). b 2. War die Frist für einen Wiederaufnahmegrund schon z. Z. der Klageerhebung der Wiederaufnahmeklage verstrichen, so kann auf diesen Grund nicht mehr zurückgegriffen werden (RGZ 168/230).
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Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 587
(550)
I In der Klage muß die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Nichtigkeits- oder Restitutionsklage gerichtet wird, und die Erklärung, welche dieser Klagen erhoben wird, enthalten sein. A I a) Das Gesetz verlangt die Kennzeichnung als Restitution- oder als Nichtigkeitklage, wozu der Fall treten kann, daß beide erhoben werden (vgl. § 578 II). Doch braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden, ob Restitution- oder Nichtigkeitklage erhoben werde; es genügt vielmehr eine Klage, aus deren Inhalt sich ergibt, daß sie die eine oder die andere oder beides ist (RGZ 61/421). b) Das Gesetz fordert die Kennzeichnung des Urteils, gegen das die Klage gerichtet ist. Unerläßlich ist dabei nur die Angabe, daß eine Wiederaufnahmeklage gegen ein bestimmt oder doch bestimmbar gekennzeichnetes Urteil erhoben werden soll, was noch durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. § 518 B I). A II. Damit sind (neben der Unterschrift des Postulationfähigen) die Erfordernisse des § 587 erfüllt (vgl. RGZ 135/129). Eine Begründung ist sonst nicht vorgeschrieben, ergibt sich aber durch den Vortrag der Wiederaufnahmegründe (vgl. § 588 B I), § 253 gilt daneben nicht. B. Sind die Bedingungen des § 587 nicht gegeben, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (§589).
§ 588 I
(551)
Als vorbereitender Schriftsatz soll die Klage enthalten: 1. die Bezeichnung des Anfechtungsgrundes; 2. die Angabe der Beweismittel für die Tatsachen, die den Grund und die Einhaltung der Notfrist ergeben; 3. die Erklärung, inwieweit die Beseitigung des angefochtenen Urteils und welche andere Entscheidung in der Hauptsache beantragt werde.
II Dem Schriftsatz, durch den eine Restitutionsklage erhoben wird, sind die Urkunden, auf die sie gestützt wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. Befinden sich die Urkunden nicht in den Händen des Klägers, so hat er zu erklären, welchen Antrag er wegen ihrer Herbeischaffung zu stellen beabsichtigt. A. § 588 gibt Vorschriften über den weiteren Inhalt der Wiederaufnahmeklagen, deren Begründung bis zum Verhandlungschluß (§§ 136 B II, 300 C I I a 1) nachgebracht werden darf (RGZ 168/228folg.). Über das Erfordernis, die Urkunden beizufügen, vgl. § 588 C. Werden die Voraussetzungen des § 588 allerdings auch in der (letzten) mündlichen Verhandlung nicht erfüllt, so ist die Wiederaufnahmeklage unzulässig. Doch ist zuvor nach § 139 aufzuklären, auch darf nach § 272 b II 1, 2 vorgegangen werden. B I. § 588 I führt keinen Begründungzwang für die Wiederaufnahmeklage ein. § 588 1 1 fordert die Angabe des Anfechtunggrundes, wobei die Partei nicht verpflichtet ist, sich auf alle etwa gegebenen Anfechtunggründe zu beziehen. Insoweit herrscht auch hier Partei- (nicht Amts-)betrieb. a) Zu der Anführung des Anfechtunggrundes gehört die der Prozeltfortsetzungbedingungen der Wiederaufnahmeklagen, also die nach §§ 579, 580, 581 1, 584 und, soweit auf Zwischenentscheidungen zurückgegriffen wird, auch die Darlegung der Voraussetzungen für diese (§ 583). Fehlt der Angriff auf Vorentscheidungen (§ 583), so wird dadurch nicht die Wiederaufnahmeklage unzulässig, sondern es ist bloß die nicht angegriffene Vorentscheidung hinzunehmen (vgl. § 590 B II). Nicht unter § 588 1 1 fällt die Wahrung der Form nach § 587, wie die der Frist nach § 586 (über diese vgl. § 588 I 2). b) Der Anfechtunggrund darf noch bis zur letzten (Tatsachen-) Verhandlung (vgl. § 523 A) nachgebracht werden (RGZ 82/268), womit auch für diese die Frist des § 586 nach der selbst 84 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
1329
§ 588
Bib
ZPO IV. Buch
z. Z. ihrer Erhebung unzulässig gewesenen Wiederaufnahmeklage gewahrt wird (vgl. § 586 B I I I ) . Über die Frage, ob eine Restitutionklage durch einen Nichtigkeitgrund begründet werden darf, vgl. § 578 F I I I a. Dabei darf der Zuständigkeitmangel nach § 581 durch Verweisung (§ 276) auf Antrag behoben werden (§ 584), und zwar auch mit Rückwirkung bis zur Klageerhebung (§ 586 B I). B II. Die Prozeßbedingungen der §§ 582, 586, 589 I I werden in § 5 8 8 1 2 besonders erwähnt. Auch sie sollen (nicht müssen) in der Klage dargelegt werden. a) Die Fristversäumung ist nur durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beseitigen (§ 586 A I I d 2), späteres Vorbringen wird schlechthin ausgeschlossen. Dann aber müssen die nicht aktenkundigen Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden (§ 236). Der Antrag muß (mit der Klage) zugestellt werden (vgl. § 586 A). b) Anders steht es mit den Tatsachen (§ 188 B I I a), welche die Fristwahrung der Wiederaufnahmeklage ergeben. Sie und die in § 589 I I vorgeschriebene Glaubhaftmachung dürfen wie auch die übrigen Prozeßbedingungen in der mündlichen Verhandlung (bis zum Verhandlungschluß) nachgebracht werden. B III. § 588 1 8 fordert die Erklärung, inwieweit das rechtskräftige Urteil angegriffen wird, den Klageantrag. a) Ein ausdrücklicher Antrag ist nicht erforderlich (RGZ 14/332). Er ist, wo die Aufhebung erstrebt wird, entbehrlich (OLG 17/179), und dieses Bestreben wird im Rahmen der vollen Beschwer anzunehmen sein, soweit sich nicht Beschränkungen aus der Begründung ergeben, worauf dann diese maßgebend sind. Bei Teilangriffen kann indes auch der Antrag unerläßlich sein und die bloße Aufhebungforderung allein nicht genügen. b) Doch braucht auch der Antrag erst zum Verhandlungschluß (§§ 136 B I I , 300 C I I a 1) gebracht zu werden. Über Antragsänderungen vgl. §§ 585 C i d , 586 B I I I a (589 A I I b). Auf seine Klarstellung wird nach § 139 hinzuwirken sein, wenn er unklar ist, bevor aus diesem Grunde die Klage als unzulässig verworfen werden darf. C. Für den Fall, daß die Restitutionklage auf Urkunden gestützt wird (§§ 580 I 2, 6, 7, 5911), schreibt § 588 I I vor, daß sie der Klage beizufügen bzw. die entsprechenden Anträge zu ihrer Herbeiziehung zu stellen sind (wenn auch zunächst wohl nur an die nach § 580 I 7 b gedacht war). C I. Trotz der Ist-Fassung der Bestimmung genügt aber auch hier die Nachbringung bis zum Verhandlungschluß (RGZ 135/129). C II. Der Urkundenbeweis muß nach §§ 420 folg. geführt werden (abweichend RGZ 135/129). b) Der (Vorlegung-)Antrag ist nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen dafürgegeben sind (RGZ 64/226). C IV. Für sonstige Beweisantritte (vgl. § 581 II) gilt die Bestimmung des § 588 I I nicht. Soweit man die Wiederaufnahmeklagen bei Augenscheinbeweisen zuläßt (vgl. § 580 C I, E V a), ist der Augenscheinbeweis (§§371,372 a) wie gewöhnlich anzutreten; der Augenscheingegenstand braucht also niemals (sofort) vorgelegt zu werden.
§ 589
(552)
I Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen. II Die Tatsachen, die ergeben, daß die Klage vor Ablauf der Notfrist erhoben ist, sind glaubhaft zu machen. A I. Die Zulässigkeit der Aufnahmeklagen wird von gerichts wegen geprüft (§ 589 I I ) , und zwar auf Grund notwendiger mündlicher Verhandlung (§ 128 I) bzw. im schriftlichen Verfahren nach §§ 128 I I , 251a, 331a (BGH v. 10. 6 . 1 9 5 9 IV ZA 24/59).
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Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 5 8 9 AI
a) Die fehlenden Prozeß-(fortsetzung-) Voraussetzungen sind in jeder Instanz zu berücksichtigen, auch in der Revisioninstanz und selbst, wenn der Fehler nicht gerügt worden ist (RGZ 99/170). b) Fehlt es an einer Prozeßfortsetzungvoraussetzung, so wird die Klage als unzulässig verworfen mit der Kostenlast für den Wiederaufnahmekläger (§91); fehlt eine sonstige Prozeßvoraussetzung, so wird sie als unzulässig abgewiesen. A II. Über die Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage vgl. § 578 B I a, über die sonstigen Prozeßfortsetzungbedingungen § 578 B I b, über die Prüfung der Prozeßbedingungen §578 B III. a) Die Prozeßfortsetzungvoraussetzungen müssen z. Z. des Erlasses (§ 516 A I) der Entscheidung gegeben sein. Der Verhandlungschluß entscheidet nur für das Vorbringen der Wiederaufnahmegründe ( § 5 8 9 A I I b ) ; eine frühere Präklusion tritt nur durch den Fristablauf (§ 586) ein. b) Geprüft werden dürfen nur die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Wiederaufnahmegründe (§ 128; RGZ 82/268); doch gelten alle Gründe als gebracht, die bislang, wenn auch nur schriftsätzlich, erhoben und in der vorangegangenen Verhandlung nicht fallen gelassen waren. Zu einer Versäumnisentscheidung kommt es nicht mehr (§ 589 A I ; a. M. Rosenberg Lb. § 156 V). B. Für die Prüfung der Prozeßfortsetzungvoraussetzungen der Fristwahrung (§ 586) schreibt § 589 I I vor, daß die Tatsachen, welche die Fristwahrung darlegen, glaubhaft zu machen sind (§294, RG J W 93/349; Gegenglaubhaftmachung ist zuzulassen, RGZ 82/273; erhobene Beweise sind zu beachten, §589 B; bloße Beweisantritte nicht: RG J W 28/1493). Insoweit gilt § 581 II nicht, d. h. es sind auch die eigenen eidesstattlichen Versicherungen der Parteien zur Glaubhaftmachung zugelassen; maßgebend dafür ist die Zeit des Erlasses der Entscheidung. C. Für die Kosten gelten dieselben Vorschriften wie bei der sonstigen Klage. Wird die Klage in der Rechtsmittelinstanz erhoben, so gelten die Sätze der Rechtsmittelinstanz (RGZ 57/231).
§ 590
(553)
I Die Hauptsache wird, insoweit sie von dem Anfechtungsgrunde betroffen ist, von neuem verhandelt. II Das Gericht kann anordnen, daB die Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhandlung über die Hauptsache erfolge. In diesem Falle ist die Verhandlung über die Hauptsache als Fortsetzung der Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen. III Das für die Klagen zuständige Revisiongericht hat die Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zu erledigen, auch wenn diese Erledigung von der Feststellung und Würdigung bestrittener Tatsachen abhängig ist. A. Sind die Prozeßfortsetzungvoraussetzungen (§ 589 A) gegeben, so wird die Sache neu verhandelt (§590 I), soweit sie vom Anfechtunggrunde betroffen wird; neu entschieden wird nur, soweit auch der sonstige Inhalt der alten Entscheidung geändert wird (Kommentar §578 B II d). B I. Über die Prozeßfortsetzungsbedingungen (§ 578 B—F) a) wird sowohl getrennt (§ 146, RGZ 9/358) wie auch unabhängig von der Prozeßart entschieden (BGH LM § 590/1). Doch darf zur Sache zugleich verhandelt werden (OGH N J W 50/105). b) Aus der Prüfung der Prozeßfortsetzungbedingungen von gerichts wegen (§ 589 A I) c) folgt, daß es keine Versäumnisentscheidungen über sie gibt (§ 589 A II b). 84»
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§590 BI
ZPO IV. Buch
c 1. Wird die Klage wegen ihres Fehlens als unzulässig verworfen (§ 589 A) so sind dagegen die Rechtsmittel wie sonst gegen das Urteil des erkennenden Gerichts gegeben (§ 591). c 2. Liegen Bie vor, so darf durch Zwischenurteil nach § 303 entschieden werden, das nur mit dem Endurteil zugleich angreifbar ist (§§ 512, 548). Doch wird es auch, wenn es nicht besonders angegriffen wird, von gerichts wegen von der höheren Instanz nachgeprüft (§ 590 B I b). Wird das folgende Verfahren geteilt, etwa nach §§ 275, 304, oder nach §§ 599, 302, so haben die Rechtsmittelinstanzen nicht bloß in diesen Verfahren, sondern auch in den Folgeverfahren über die Prozeßfortsetzungbedingungen der Wiederaufnahmeklage noch zu entscheiden; anders ist dies nur, wenn die Rechtsmittelinstanz schon (wenn auch stillschweigend) bei eingelegtem Rechtsmittel gegen eine angreifbare Zwischenentscheidung darüber entschieden hat. d) In diesem Stadium des Verfahrens darf nicht zur „Hauptsache" entschieden werden (RGZ 151/203); doch schaden Hilfserwägungen zur Hauptsache durch untere Gerichte nicht (vgl. § 561 C II b 3). B II. Ist der Wiederaufnahmegrund festgestellt, so wird das Verfahren grundsätzlich auf den Stand zurückgebracht, der ohne Aufhebunggrund bestand (RGZ 99/171). Darüber, inwieweit Vorentscheidungen von ihm ergriffen werden, vgl. § 583 A. a) Die neue Verhandlung a 1. ist nur auf den betroffenen, ausgeurteilten Anspruch (§ 578 C I) zu beziehen, a 2. Der nicht betroffene Teil bleibt voll stehen, auch hinsichtlich der Begründung (RGZ 75/59). b) Sind Teilurteile (§ 301) ergangen, so muß bezüglich jeden Urteils getrennt die Wiederaufnahmeklage erhoben werden. Ist indes eine Gesamtentscheidung ergangen, so ist sie zu teilen, soweit sie teilbar wäre (§ 301 B II a 1), wenn nur einer ihrer Teile vom Aufhebunggrund betroffen ist. b 1. Ist der Klagegegenstand unteilbar, so ergreift der Aufhebunggrund alle Teile (RGZ 75/58) und bei erweiterter Rechtskraft (§ 322 E IV a 7) alles, was dazu gehört, im besonderen in Ehesachen ( § 6 1 6 A , RGZ 96/223f.). b 2. In den Fällen der §§ 579 1 1—3, 580 I 5 wird das gesamte Endurteil von dem Aufhebunggrund betroffen. Nur wenn der betroffene Richter nur teilweise mitgewirkt hatte, sind hier Teilungen denkbar. b 3. Im Fall des § 579 1 4 wird regelmäßig das gesamte Verfahren betroffen sein; doch ist es auch denkbar, daß für einen Teilanspruch die Vertretung ordnungmäßig war, zum Teil nicht. b 4. Ein erhebliches Vorurteil (§ 560 1 6, 7 a) oder ein erhebliches Beweismittel (§ 580 1—3, 7b) kann sich auf einen Teil (§ 301 B I I a 1) des Anspruchs beziehen. b 5. Im Fall des § 579 III kann ein Teil des Urteils begründet, ein Teil unbegründet geblieben sein, kann zu einem Teil des Urteils rechtliches Gehör gewährt worden sein, zu einem anderen nicht. c) Der Aufhebunggrund betrifft mehr, wenn das durch ihn betroffene Handeln den VorprozeB beherrschte, etwa in bezug auf die Frage der Glaubwürdigkeit einer Partei und ihrer Beweismittel oder nach § 448. c 1. Doch hat RArbG H R R 36/603 die neue Beweiswürdigung für „ersichtlich unabhängige Teile des früheren Beweisverfahrens" nicht zugelassen. c 2. Soweit sonst die Rechtsmittelinstanz vorgreifen darf (vgl. § 536 B), wird zu erwägen sein, inwieweit dann auch die Beschränkungen fallen müssen, welche sonst dem Wiederaufnahmeverfahren entgegenstehen. C. Soweit danach das Verfahren zur „Hauptsache" frei geworden ist, wird so verhandelt, wie wenn noch keine Vorentscheidung ergangen wäre. C I a ) Da über den Anspruch rechtlich neu zu entscheiden ist (RGZ 75/58f.), ist zunächst von den alten Anträgen auszugehen. Neue Ansprüche dürfen nach §§ 264, 268, 269 geltend ge-
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§ 590 c i s
macht werden (RGZ 91/195; soweit sie sich nicht auf rechtskräftig stehen gebliebene Ansprüche beziehen, selbst wenn die Klage nunmehr wegen mangelnder Prozeßfähigkeit als unzulässig abgewiesen wird; doch hat RGZ 91/202 die Anwendung des § 717 II abgelehnt. Ob gegen den Anspruch auf Erstattung aufgerechnet werden darf (verneinend RG JW 19/451), richtet sich nach außerprozessualem Recht (vgl. BGB § 393). Dementsprechend ist auch die Widerklageerhebung zulässig. b) In der ersten Instanz dürfen neue Tatsachen und Beweise, Angriffs- und Verteidigungmittel geltend gemacht werden (RGZ 82/273), und zwar unabhängig vom Wiederaufnahmegrund, selbst wenn sie früher als verspätet zurückgewiesen waren. Bestreiten und das Geständnis wie sein Widerruf dürfen neu erklärt werden. Vor Eintritt des Wiederaufnahmegrundes eingetretene Rechtsausschlüsse (vgl. §§ 39, 274, 295) wie nicht betroffene Geständnisse usw. bleiben in kraft (RGZ 35/409). Eine Zurückweisung wegen Verspätung kommt insoweit nicht in betracht, wie erst durch die Wiederaufnahmeklage das Vorbringen eingeführt wird. Im übrigen wird neu entschieden darüber, wie auch die Beweise neu zu würdigen sind (RG Gruch. 31/101). C II. In der zweiten Instanz gelten die weiteren Beschränkungen dieser Instanz; im besonderen § 529 II (nicht § 529 III, weil die Wiederaufnahmeklagen keinen Begründungzwang enthalten); doch darf auch hier (wie bei Klageänderungen) nicht ein Wiederaufnahmegrund, selbst wenn er nachgebracht wird, ausgeschlossen werden (§ 589 A II b). Darüber, daß im übrigen die nicht betroffenen Vorentscheidungen in kraft bleiben, vgl. § 583 A I; Geständnisse bleiben nach §§ 532, 533 bestehen. C III. Soweit das Revisiongericht nicht aufheben und zurückverweisen muß, damit die Tatsacheninstanzen erst die erforderlichen Tatsachen (§ 550 A II a 1) feststellen, wird von ihm durcherkannt (vgl. § 561 A). D I. Das neue Verfahren wird in derselben Prozeßart fortgesetzt, wie das alte (OLG J W 30/2996, § 578 D I b 1). War indes im Bagatellverfahren entschieden (§ 510c), so wird nunmehr das Verfahren im ordentlichen Prozeß fortgeführt. Auch das Mahnverfahren wird als Klageverfahren durchgeführt. D II. Die neue Verhandlung endet (wenn sich der Rechtstreit nicht erledigt hat, wie etwa nach §§ 628, 640, RGZ 118/75), wie die alte ohne den Wiederaufnahmegrund hätte schließen sollen mit dem Endurteil. a) Über Prozeßabweisungen vgl. § 589 A. b) Ist der Weg zur Sachentscheidung frei, so wird nach dem Stande der letzten mündlichen Verhandlung bzw. dem des Erlasses der Entscheidung wie auch sonst geurteilt, b 1. im besonderen gelten die Regeln des Versäumnisverfahrens mit den in diesen Verfahren gegebenen Rechtsbehelfen. b 2. Nach streitiger Verhandlung wird kontradiktorisch entschieden (über die Angriffe gegen diese Urteile vgl. § 591 B). e 1. Kommt das Wiederaufnahmegericht zum selben Ergebnis, so sollte man die alte Entscheidung aufrechterhalten wie beim Versäumnisurteil (Kommentar § 578 B II d 1); während die h. M. aufhebt und in gleicher Weise erkennen läßt (RGZ 75/57), aber mit verminderter Rechtskraftwirkung (vgl. § 578 B II). c 2. Kommt das Wiederaufnahmegericht zum gegenteiligen Ergebnis, so wird das (alte) rechtskräftige Urteil aufgehoben und neu erkannt. Diese Aufhebung beseitigt das Urteil mit der Wirkung, wie wenn es nie ergangen wäre, auch, wenn das alte Urteil gestaltend war (§ 253 C I b). Doch kann dann trotz der Aufhebung nicht voll der alte Zustand wieder hergestellt werden. Wird ein Urteil auf Auflösung einer oHG oder Ausschließung eines Gesellschafters (HGB §§ 133, 140) aufgehoben und ist die Liquidation der oHG schon beendet, so kann der frühere Rechtszustand nicht hergestellt werden. Wird ein Scheidungurteil aufgehoben, so wird der Bestand der Ehe zwar wiederhergestellt, doch sollte man EheG §§ 38 folg. entsprechend anwenden, wenn einer oder beide Gatten inzwischen wieder geheiratet haben, nicht stets also EheG § 20 (so aber OLG FamRZ 56/56). Im besonderen wird man auch die sonstigen vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung bei Rechtsgeschäften und Verfügungen der Frau bestehen
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lassen müssen (OLG SJZ 49/115), und das entsprechende gilt für die Rechtsgeschäfte mit den Liquidatoren der oHG schon kraft bürgerlichen Rechts bei gutgläubigem Erwerb (vgl. auch HGB § 368). Auch gibt ein solches die Rechtsgestaltung aufhebendes Urteil regelmäßig keinen Restitutiongrund i. S. des § 580 I 6 ab. In dem Verfahren sollte § 717 II, III entsprechend angewandt werden (abweichend: RGZ 91/195folg.). Soweit es auf die Rechtskraft der neuen Entscheidung ankommt, kann sie erst ab Rechtskraft der neuen Entscheidung wirken. c S. Auch geteilte Ergebnisse sind denkbar. D III. In dem neuen Endurteil wird über die gesamten Kosten entschieden nach §§ 91 folg., so daß also dann, wenn die Wiederaufnahmeklage keinen Erfolg hat, den Wiederaufnahmekläger die (weiteren, nach der h. M. die gesamten) Kosten treffen (vgl. § 97), selbst wenn ein Wiederaufnahmegrund gegeben war. D IV. Die Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach den allgemeinen Regeln.
§ 591 (544) I Rechtsmittel sind insoweit zulässig, als sie gegen die Entscheidungen der mit den Klagen befaßten Gerichte überhaupt stattfinden. A. Gegen die Wiederaufnahmeentscheidung gibt es dieselben Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, die es gegen die Endentscheidung gäbe, wenn keine Wiederaufnahmeklage dazwischen getreten wäre (RGZ 120/172). B. Der Rechtsbehelf muß statthaft (§ 511 B I a 1, was nach der Zeit des Erlasses der Entscheidung zu beurteilen ist, OGH HEZ 3/83) und sonst zulässig sein (§ 511 B I a 2). Bezüglich des Zustellungrechts gelten die Normen der betroffenen Prozeßart, also in Ehesachen § 625 (BGH NJW 55/1879). Gegen kontradiktorische Endurteile des Landgerichts als Berufunginstanz gibt es kein Rechtsmittel (RG JW 36/2099). Gegen die oberlandesgerichtlichen Endentscheidungen gibt es die Revision unter den Bedingungen der §§545—547 (also u.U.bei Zulassung nach § 546: RGZ 143/388). Bei Rechtsmitteln gegen erstinstanzliche Entscheidungen muß in dem Falle des § 511a I die Erwachsenheitsumme erreicht sein. Doch kommt es hier darauf, ob das Erstverfahren ein Bagatellprozeß (§510c) war, nicht an; denn das Wiederaufnahmeverfahren ist niemals als Bagatellverfahren durchführbar (vgl. § 590 D I). Über das Sprungrevisionverfahren vgl. § 584 B I I I b 1. C I. Wurde die Klage als unzulässig verworfen, so sind nur die in ihr erhobenen Wiederaufnahmegründe verbraucht (§ 322). Wegen neuer Klagegründe darf die Wiederaufnahmeklage erneut erhoben werden (RGZ 37/389). C II. Wurde das alte Urteil aufgehoben, so entfallen damit alle anderen möglichen Wiederaufnahmegründe gegen es; eine Wiederaufnahmeklage kann hier nur noch gegen das neue Urteil erhoben werden, wenn es selbst einem Wiederaufnahmegrunde unterliegt. Wird das zweite Urteil aufgehoben, so ist neu zu prüfen, ob auch ein Wiederaufnahmegrund gegen das alte vorlag. Fünftes Buch
Urkunden- nnd Wechselprozeß
§ 592 (555) I Ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstande hat, kann im Urkundenprozeß geltend gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer Rentenschuld oder einer Schiffshypothek.
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Urkunden- und Wechselprozeß
§592
A II b) Die Urteile werden nach § 708 I 4 für vorläufig rollstreckbar erklärt, c) Soweit im Urkundenverfahren keine Besonderheiten vorgeschrieben sind, gelten die allgemeinen Bestimmungen. c 1. Über die Verwendbarkeit des Einzelrichters vgl. § 848 C II. e 2. Darüber, daß die Prozeßfortsetzungbedingungen außerhalb des Urkundenprozesses geprüft werden, vgl. § 592 C I I I a 1. Dies gilt auch für die Wiederaufnahmeklage, vgl. § 578 D I b 1. Über die Prüfung der allgemeinen Prozeßbedingungen vgl. § 597 A I. Soweit die Klage sachlich abgewiesen wird, wird über den geltend gemaohten Anspruch endgültig entschieden, anders ist dies, wenn die Klage als im Urkundenprozeß u n s t a t t h a f t abgewiesen wird (§ 597); gegen den Beklagten ist die Entscheidung endgültig, wenn er anerkennt oder Versäumnisurteil gegen ihn ergeht, oder der Vorbehalt des Nachverfahrens unterbleibt (§ 599 I) und das vorbehaltlose Urteil rechtskräftig wird. c 3. Verbunden (§ 147) werden dürfen nur Urkundenprozesse derselben Klageseiten untereinander, da es zu keinen Widerklagestellungen kommen darf (§ 595 I). Über die dann notwendige Trennung vgl. § 595 B I, für die sonstigen gilt § 145. Aussetzungen nach §§ 148, 149 sind zulässig, aber nicht angemessen. Über die Frage der Klageänderungen vgl. § 596 A II. c 4. Über die Beweismittelbeschränkung im Vorverfahren vgl. § 595 C. B. Der Urkundenprozeß unterliegt nach § 592 besonderen Prozeßbedingungen, die neben den allgemeinen (§ 274 A I) gegeben sein müssen. Dies sind Leistung- ([§ 253 C I] bzw. Duldung-)klagen wegen vertretbarer (BGB § 91) Sachen oder Wertpapiere (vgl. BGB § 279). B I. Im Urkundenprozeß darf a 1. sowohl auf sofortige (§ 253 C I c 4) wie auf künftige Leistung (§§ 257—259, OGH N J W 50/821) geklagt werden, auf unbedingte oder bedingte, auf Leistung Zug um Zug (RGZ 56/303). Ob der Klage die Einrede der beschränkten Erbenhaftung wie überhaupt Einwendungen und Einreden entgegengehalten werden, ist gleichgültig. a 2. Dagegen wird im allgemeinen die Feststellungklage (§ 256, RGZ 50/414) nicht zugelassen und auch nicht die Inzidentfeststellungklage des § 280. Doch sollte man davon bezifferte Feststellungklagen (§304 A l l ) ausnehmen. Dies geschieht jedenfalls im Konkursverfahren (RGZ 50/414f.; a. M. RGZ 32/231). b) Nach h. M. genügt es nicht, daß der Beklagte verurteilt werden soll, in die Leistung (Auszahlung) eines hinterlegten Gegenstandes an den Kläger zu willigen, oder daß darauf geklagt wird, einen unter § 592 fallenden Leistungsanspruch abzutreten oder eine solche Abtretungerklärung (bei Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden etwa; RG H R R 33/1265) beglaubigen zu lassen oder darauf, das Urteil nach § 722 für vollstreckbar zu erklären, die Vollstreckungklausel zu erteilen (§ 731), ein ausländisches Urteil anzuerkennen (vgl. §§ 328, 322 B I I b 1) oder einen Schiedspruch für vollstreckbar zu erklären (§ 1042). 1b 2. Nach RGZ 104/36 genügt es nicht, daß auf eine solche Leistung oder auf Sicherheitleistung geklagt wird oder auf Befreiung von einer solchen Schuld nach RG Warn. 17/155; doch hat RGZ 104/36f. es zugelassen, daß auf Leistung an den Kläger u n d einen dritten geklagt wird (im Fall des BGB § 1281) und BGH N J W 53/1707, daß auf Hinterlegung von Geld geklagt wird, die zur Erfüllung einer Sicherheitsleistung unter den Parteien vereinbart war. b 3. Duldungklagen aller Art fallen unter § 592, sofern damit unter § 592 genannte Ansprüche getroffen werden. B II. Gegenstand des Urkundenprozesses sind Gattungschulden (vgl. BGB § 279). b) Ansprüche aus Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden, aus Inhabergrundschulden (RGZ 59/385), auch wenn sie gegen den (dritten) Eigentümer des Grundstücks gerichtet sind, gehören hierher, sowie die aus der Schiffshypothek und die aus dem Luftfahrzeugregisterpfand. Reallasten dürfen im Urkundenverfahren geltend gemacht werden in bezug auf die einzelnen Leistungen, soweit diese auf vertretbare Sachen gerichtet sind. c) Das Gesetz fordert Bestimmtheit des Anspruchs, doch genügt die Bestimmung der einzelnen Rechnungfaktoren (etwa bei Zinsen von der Kündigung oder der Klageerhebung an).
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ZPO y. Buch
Bei alternativen Ansprüchen muß jede Alternative in diesem Sinne bestimmt sein, gleichviel wer die Wahl hat; doch genügt es, wenn der Kläger die Wahl und sie schon ausgeübt hat, so daß der Anspruch bestimmt ist, den er geltend macht. C I. Die zweite besondere Prozeßbedingung des Urkundenprozesses ist, daß die zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden (§ 415 A) zu belegen sind, selbst die ohne Unterschrift (RGZ 95/71), öffentliche wie private; über die Verwendung von Zeugen- und Sachverständigenprotokollen vgl. § 592 C II b 3. C II. Das Erfordernis ist ein formales. Über die Form und Frist für die Beibringung der Urkunden vgl. § 593 II (§ 593 B I). a) Wird überhaupt keine Urkunde zur Klagebegründung beigebracht, so ist der Urkundenprozeß unzulässig (unstatthaft). b) Ist dieses formale Erfordernis gegeben, so ist die Klage zulässig, und es kann nur noch über ihre Begründetheit entschieden werden. b 1. Hat die angebotene Urkunde überhaupt keine Beziehung auf den Streit, so ist die Klage unzulässig. Wird zur Begründung der Klage mehr an sich Erhebliches behauptet, als durch Urkunden nachgewiesen wird, so ist sie unstatthaft (vgl. § 597 II). Dies gilt auch für einen nicht entsprechend § 595 III angetretenen Urkundenbeweis. b 2. Bezieht sich die Urkunde aber auf die Klage, so entscheidet über die Zulässigkeit des Urkundenprozesses nicht, ob sie zum Beweise des Klageanspruchs ausreicht; vielmehr ist, wenn dies zu verneinen ist, die Klage als unbegründet abzuweisen. Zur Beziehung auf die Klage genügt, wenn sie als indizielles Beweismittel verwendbar ist (RGZ 113/18). b 3. Wird eine Urkunde verwandt, deren Verwendung der Gegner widersprechen darf, so entfällt damit die Möglichkeit des Urkundenbeweises, wenn er widerspricht, und die Klage wird unzulässig. Dies geschieht, wenn sich der Kläger auf Protokolle einer Augenscheineinnahme oder Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren beruft, und der Beklagte die Neuvornahme fordert (RGZ 97/162); dies gilt auch für ein vorausgegangenes Beweissicherungverfahren. Dabei genügt es in diesem Falle, wenn vom Beklagten ein anderer Beweis angetreten wird, weil der erhobene Vorbeweis insoweit keinen Vorrang haben darf, nicht aber reicht sein Widerspruch aus, wenn der Beklagte weder berechtigterweise eine Beweisaufnahme fordert, noch anderen Beweis erhoben wissen will (RG Warn. 11/58). So sind im besonderen die von einer Partei außergerichtlich veranlaßten schriftlichen Erklärungen von Zeugen (bei gegnerisehem Widerspruch) nicht verwertbar (schlechthin nicht: RGZ 97/162; a. M. BGH v. 7. 1. 1956 IV ZR 236/55 für nicht im Zusammenhang mit dem RechtBtreit geschriebene Briefe). Sonst ist aber kein Unterschied zu machen zwischen einer bewirkenden oder bloß bezeugenden Urkunde (RGZ 142/306). C ID. Von der Beweisbarkeit durch Urkunden ist der Beweis durch diese zu unterscheiden, der zur Begründetheit der Klage gehört. Wird durch Urkunden der außerprozessuale Anspruch nicht nachgewiesen, so wird die Klage als unbegründet abgewiesen. a X. So wie auch sonst sind die Prozeß- und die Prozeßfortsetzungbedingungen von gerichts wegen nachzuprüfen ohne Rücksicht darauf, ob sie durch Urkunden belegt werden; dies ist weder erforderlich, noch genügend (KG J W 31/3567); aber auch, soweit sie nicht von gerichts wegen zu beachten sind, sind sie mit allen Beweismitteln beweisbar (RGZ 160/346); vgl. aber § 110 I 2. a 2. § 275 gilt auch im Urkundenprozeß (RGZ 71/14f.). a 3. Der Kläger, der im ordentlichen Prozeß klagt, darf nicht nachträglich einen Urkundenprozeß anstrengen (RGZ 160/344f.); deshalb kann auch nicht vom Zahlungbefehlverfahren auf den Urkundenprozeß übergegangen werden (RGZ 79/71), wohl aber darf der Kläger vom Urkundenprozeß Abstand nehmen (§ 596) und in das ordentliche Verfahren übergehen (vgl. dazu § 596 A). Macht deshalb der Kläger auch nur nachträglich einen ordentlichen Prozeß anhängig, so wird das Urkundenverfahren unzulässig, auch wenn es früher rechtshängig geworden ist. Der Beklagte wird nicht gehindert, die entgegengesetzte Klage (etwa die negative
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Urkunden- und Wechselprozeß
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Feststellungklage) anhängig zu machen; seine frühere anhängig gemachte Klage wird aber unzulässig, sobald die Leistungklage bindend erhoben worden ist (§ 256 C I I I b). b) Der für den außerprozessualen Anspruch bestehende Klagegrund ist mit Urkunden zu belegen (RG Warn. 31/99). Was im einzelnen zum Klagegrunde gehört, ist nach Beweislastgrundsätzen zu prüfen (vgl. § 282 E III c). Für den Urkundenprozeß wird dabei zwischen Haupt- und Nebenansprüchen nicht geschieden (anders im Wechselprozeß nach § 605 II). Nur der Prozeßkostenanspruch gehört nicht zum Klagegrunde (vgl. §308 II). Der Klagegrund verändert sich nicht durch substantiiertes Bestreiten; dies kann aber zu einer weiteren Substantiierung des Klagegrundes führen, die dann urkundlich zu belegen ist. Einwendungen und Einreden gehören nicht zum Klagegrunde, aber auch nicht Repliken und Replikationen usw. (vgl. § 253 B IV c). b 1. Zum Klagegrund gehört die sog. Sachlegitimation (vgl. §253 B III) beider Parteien (RG HRR 28/1657). Wurde eine Partei bei dem Rechtsgeschäft usw. gesetzlich vertreten, das zum Klagegrunde gehört, so ist ihre gesetzliche Vertretung urkundlich zu belegen. Soweit die Zustimmung des Vormundschaftgerichts zu dem Rechtsgeschäft erforderlich ist, ist diese als zum Klagegrund gehörend urkundlich zu belegen (vgl. BGB §§ 1821 folg., 1643). Das entsprechende gilt für die Ermächtigung wie die Genehmigung des Vormundschaftgerichts nach BGB §§ 112, 113. Dagegen gehört die Prozeßlegitimation des gesetzlichen Vertreters zu den Prozeßvoraussetzungen und nicht hierher (RG Seuff. 44/235). Wird eine Leistung gefordert, die nur mit Zustimmung eines Dritten bewirkt werden darf, so ist diese urkundlich zu beweisen. Wird der Beklagte für ein Handeln seines Vertreters in ansprach genommen, so wird auch die urkundliche Belegung der Vollmacht bzw. die der Genehmigung des Beklagten verlangt werden müssen (RG HRR 28/1657), selbst wenn der Vertreter mit dem Namen des Vertretenen gezeichnet hat (RGZ 115/316f.). Stützt sich die Klage auf einen abgetretenen Anspruch, so muß die Abtretung urkundlich dargetan werden; stützt sich der Kläger auf die Überweisung der Forderung nach § 835, so muß der Überweisungbeschluß vorgelegt werden; wird bei der Blankozession die Begebung bestritten, so wird diese durch den Besitz des Papiers prima facie nachgewiesen (RG Gruch. 43/214). Wird ein Bürge in anspruch genommen, so gehören zum Klagegrunde das Bestehen (RGZ 97/163) und die Fälligkeit der Hauptschuld; die Annahme der Bürgschaft durch den Gläubiger braucht nicht besonders erklärt zu werden (RGZ 97/163). b 2. Auch die Fälligkeit des Anspruchs gehört zum Klagegrunde, wenn der Anspruch von vornherein betagt oder bedingt ist, im besonderen die rechtzeitige Kündigung (RGZ 88/375). b 8. Hat der Kläger vorzuleisten, so gehört die Behauptung, daß dies geschehen ist, zum Klagegrunde (RG JW 14/101) b 4. Wird ein Darlehn behauptet, so muß die Darlehnshingabe belegt werden. C IV a) Kein Urkundenbeweis braucht geführt zu werden, wo kein Beweis (mehr) zu führen ist, also soweit der Gegner zugesteht (§ 288: RGZ 142/306), oder auch nur nicht bestreitet (RG HRR 28/1052) oder die Tatsache offenkundig ist (§ 291 A III b, RGZ 109/71). b) Der durch Urkunden zu führende Beweis ist nach § 286 frei zu würdigen (RGZ 102/331). Auch indizielle Beweisführung ist zulässig (RGZ 8/45), wie auch Auslegungen. c) Weiterhin wird aber von dem Zwang, durch Urkunden zu beweisen, ausgeschlossen der Beweis ihrer Echtheit oder ihrer Unechtheit (§ 595 II). D I. Die fehlenden Prozeßbedingungen des § 592 werden überbrückt, wenn der außerprozessuale Anspruch (§ 308 I) anerkannt (§ 307, RGZ 9/434) oder wenn auf ihn verzichtet wird (§ 306). D III. Der Verzicht, im Urkundenprozeß klagen zu wollen, ist nur bindend, sobald im ordentlichen Verfahren geklagt worden ist und diese Klage nicht mehr einseitig vom Kläger zurückgenommen werden darf (a. M. RGZ 160/242).
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(556)
Die Klage muß die Erklärung enthalten, daß im Urkundenprozeß geklagt werde.
II Die Urkunden müssen in Urschrift oder in Abschrift der Klage oder einem vorbereitenden Schriftsatz beigefügt werden. Im letzteren Falle muß zwischen der Zustellung des Schriftsatzes und dem Termin zur mündlichen Verhandlung ein der Einlassungsfrist gleicher Zeitraum liegen. A I. Ob ein Verfahren als Urkunden- (Wechsel-, Scheck-) verfahren betrieben werden soll, bestimmt der Kläger in der Klageschrift (§ 593 I). a) Fehlt die Erklärung, so handelt es sich um eine Klage im ordentlichen Verfahren, von dem auf den Urkundenprozeß nicht mehr zurückgegangen werden darf (RGZ 79/70 folg., a. M. OLG ZZP 48/582). A II. Eine Klageverbindung (§ 260) ist zulässig, wenn sämtliche Ansprüche im Urkundenprozeß erhoben werden; als Widerklage gegenüber der im ordentlichen Verfahren anhängigen Klage ist das Urkundenverfahren nicht zu betreiben. Über die Erhebung der Widerklage vgl. § 595 B I. B. Um das Formalerfordernis (§ 592 C) des Urkundenprozesses zu erfüllen, müssen die Urkunden, welche § 592 erfordert, in Urschrift oder in (einfacher oder in beglaubigter) Abschrift der Klage oder einem vorbereitenden Schriftsatz beigefügt werden (§ 593 II 1); insoweit wird von §§ 130, 131 abgewichen. B I. Dies muß also auch dann geschehen, wenn die Urkunde dem Gegner schon bekannt ist oder wenn er ihren Inhalt nicht bestreitet oder zugesteht. Die nachträgliche Einreichung sollte genügen. War früher auf sie nicht verwiesen worden, so muß die Verweisung in einem (vorbereitenden) Schriftsatz nachgeholt werden, der förmlich zugestellt werden muß (§ 593 I I ) ; doch werden Mängel nach §§ 187, 295 geheilt. Übergabe in der mündlichen Verhandlung ersetzt die Zustellung (RG H R R 34/1242 m. N.). a) Die eingereichte Abschrift braucht nicht beglaubigt zu sein. Geringfügige Mängel sind unschädlich (RG J W 99/229); bei fremdsprachigen Urkunden ist die Beifügung einer Übersetzung nicht erforderlich (RGZ 9/436f.). b) Urschrift oder Abschrift sind aber dem Beklagten in beglaubigter Abschrift zuzustellen (§§ 170, 210). B II. Das Formalerfordernis ist gewahrt, wenn die Urkunde bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz, auf die Urteil ergeht (im schriftlichen Verfahren bis zum Erlaß der Entscheidung, § 516 A I), vorgelegt wird. a) Ergeht indes Urteil gegen den Beklagten, so soll zwischen der Zustellung der Urkunde und der mündlichen Verhandlung die Einlassungfrist der betreffenden Instanz (§§ 262, 499, 520 II) und Prozeßart (§ 604) liegen, die indes nach § 226 abgekürzt werden darf (RGZ 97/165). Der Mangel kann auch noch in der Berufunginstanz behoben werden (RGZ 108/390). R ü g t der Beklagte indes nicht, so verliert er dieses Recht nach § 295 (RGZ 114/371). b) Will der Beklagte, daß die Urschrift der Urkunde vorgelegt wird, so trifft dies die Beweisführung, nicht das Formalerfordernis des Urkundenprozesses, das gewahrt ist, wenn ihre Abschrift vorgelegt wird. In diesen Fällen muß Niederlegung oder Mitteilung nach §§ 134, 135 beantragt werden. B III. Die Vorlegung der Urkunden erübrigt sich, wenn der Beklagte den außerprozessualen Anspruch anerkennt (§ 307) oder der Kläger auf ihn verzichtet (§ 306); vgl. § 592 D I. Dagegen kann der Beklagte auf das Formalerfordernis des Urkundenprozesses nicht verzichten (RGZ 142/304).
§ 594 gestrichen.
1338
(557)
Urkunden- und Wechselprozeß
§ 595 I
(558)
Widerklagen sind nicht statthaft.
II Als Beweismittel sind bezüglich der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde sowie bezüglich anderer als der im § 592 erwähnten Tatsachen nur Urkunden und Antrag auf Parteivernehmung zulässig. III Der Urkundenbeweis kann nur durch Vorlegung der Urkunden angetreten werden. B I. § 595 I bestimmt, daß Widerklagen im Vorverfahren (anders im Nachverfahren, vgl. § 600 D I I a 2) nicht s t a t t h a f t sind. Dennoch erhobene sind zu trennen (§ 145 I I entsprechend; a. M. Sydow-Busch § 595 Anm. 1), was zur Folge hat, daß der Gerichtstand des § 33 nicht zur Begründung der Zuständigkeit herangezogen werden darf. Auch Inzidentfeststellungwiderklagen (§ 280) sind unzulässig. Urkundenwiderklagen sollten zugelassen werden. Gewohnheitrechtlich werden die nach § 717 II, I I I (RGZ 71/15) zugelassen, wobei streitig ist, ob die Beweisbeschränkungen des § 595 II, I I I gelten (so Schönke § 595 Anm. IV) oder nicht (so OLG 5/50). C I. Soweit etwas zu beweisen ist (§ 592 C IV a) sollen im Urkundenprozeß a) die die Klage begründenden Behauptungen nur durch Urkunden bewiesen werden (§ 592 C I I I b); nicht durch Parteivernehmung (RG H R R 35/1705), soweit es nicht u m die Echtheit oder die Unechtheit einer Urkunde geht (§ 595 II). Für den nach § 592 zu führenden Beweis gilt zudem § 593 II. b) Alles übrige (einschließlich des Echtheitnachweises der Urkunde) ist im Vorverfahren (anders im Nachverfahren, vgl. § 600 C I c 3) nur durch Urkunden oder Parteivernehmung beweisbar. Diese Beweismittelbeschränkung gilt auch für die Beseitigung eines Geständnisses (OLG Recht 32/659). Für diese Beweisführung gilt § 593 I I 2 nicht (soweit sie also nicht unter § 592 fällt). b 1. Der Urkundenbeweis darf nur durch Vorlegung, also nach § 420 (nicht nach §§ 421, 428) geführt werden (§ 595 I I I , RG Warn. 16/288). Doch beschränkt er sich nicht auf die vom Beweisführer vorgelegten Urkunden; hat das Gericht sie selbst in Verwahrung (auch eine andere Abteilung; Strafakten etwa, RG J W 97/532), so müssen sie auf Antrag herangezogen werden (RG Warn. 16/288; a. M. OLG 31/73; nach OLG N J W 53/1835 gilt dies nicht für die von anderen Gerichten heranzuziehenden Akten, vgl. aber § 272b I I 2). Über die Vorlegung öffentlicher Urkunden in öffentlich beglaubigter Abschrift vgl. § 435. § 434 ist anwendbar. Das Berufunggericht braucht die Urkunden sich nur vorlegen zu lassen, wenn es erneut Beweis erhebt (RGZ 36/104), im besonderen nach Aushändigung des Wechsels auf Grund des vollstreckbaren ersten Urteils: hier muß der Gegner gegenüber der mitgeteilten Abschrift gegenbeweislich vorlegen. b 2. Unter den Antrag auf Parteivernehmung fällt der nach §§ 445, 447; nicht aber die nach § 448 (RG H R R 35/1705). c) Will der Kläger sich anderer Beweismittel bedienen, so muß er vom Urkundenverfahren abstand nehmen (§ 596); will es der Beklagte, so muß er widersprechen und den Beweis im Nachverfahren geltend machen (§§ 599 I, 600 I). Doch sind auch die im Nachverfahren erhobenen Beweise schon im Vorverfahren (in der Berufunginstanz) zu berücksichtigen. C II. Ist der Beweis auf diese Weise nicht zu führen, so ist zu unterscheiden, ob der Kläger ihn noch auf andere Weise führen kann, dann ist die Klage unzulässig, anderenfalls ist sie unbegründet. Kann ihn der Beklagte nicht führen, so ist der Klage stattzugeben und dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorzubehalten (§§ 599 I, 600 I).
§ 596
(559)
I Der Kläger kann, ohne daß eg der Einwilligung des Beklagten bedarf, bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung von dem Urkundenprozeß in der Weise abstehen, daß der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig bleibt.
1339
§ 596
ZPO V. Buch
A I. Die Abstandnahme ist eine einseitige, empfangsbedürftige, unwiderrufliche, prozessuale Willenserklärung, a) die in der mündlichen Verhandlung zu erklären ist, im schriftlichen Verfahren durch bestimmenden Schriftsatz (§ 129 A I). Nach RG HRR 32/1791 ist sie zu protokollieren (bzw. im Tatbestand zu beurkunden, § 314). b) Sie berührt nicht die Wirkung der Rechtshängigkeit (vgl. dazu §§ 596 A II) bzw. die Vorwirkungen bei der Anhängigkeit (vgl. §§ 261b III, 496 III). Es bleiben im besonderen die Wirkungen der §§ 263—267 bestehen, sobald die Klage rechtshängig war, auch in bezug auf die Befreiung von der Kostensicherheit (§ 110 II 2) und für die erworbene Zuständigkeit (auch die nach § 603 begründete). c) Wirksam ist sie nur, wenn sie unbedingt abgegeben worden ist. d) Ob die Erklärung auf einen Teil erstreckt werden kann, ist streitig (verneinend KG ZZP 52/203; bejahend Sydow-Busch § 596 Anm. 2). A II. Die Erklärung bewirkt eine Prozeßänderung; keine Klageänderung (vgl. §§ 264folg.). Die gesamte Prozeßlage wird auf den ordentlichen Prozeß übertragen. a) Es ist gleichgültig, ob der Urkundenprozeß zulässig war oder nicht (OLG 37/155). und selbst für die Kostenentscheidung. b) Sie ist in erster Instanz ohne Zustimmung des Gegners bis zum Verhandlungschluß zulässig (§ 596). b 1. Ein Recht auf Vertagung erwächst durch die Abstandnahme weder dem Kläger noch dem Beklagten; doch wird dem Beklagten zumindest nach § 272a eine Erklärungfrist zuzubilligen sein. b 2. Dem niehtersehienenen Beklagten muß die Abstandnahme rechtzeitig zuvor mitgeteilt worden sein, bevor eine Versäumnisentscheidung gegen ihn erlassen werden darf (§ 335 I 3). Dazu ist die Zustellung der Erklärung erforderlich (vgl. §§ 496 IV 1, 261b II 1 entsprechend); wird vertagt, so ist der Beklagte von gerichts wegen zu laden; doch braucht keine neue Einlassungfrist, sondern nur die alte Einlassung- und die neue Ladungfrist beachtet zu werden. b 3. Die Abstandnahme ist auch nach Vereidigung einer Partei zulässig (doch ist dann § 533 II entsprechend anzuwenden) und auch, nachdem schon Versäumnisurteil erlassen war, also nach Einlegung des zulässigen Einspruchs. Die Erledigung der Hauptsache hindert nach OLG ZZP 51/284 die Abstandnahme nicht, c) In der zweiten Instanz wird § 596 gewohnheitrechtlich nicht angewandt, sondern die Abstandnahme wird nur bei Sachdienlichkeit oder Einwilligung des Beklagten zugelassen (RG JW 26/579). c 1. Wird eine gesetzlich zugelassene (§ 268) Klageänderung erforderlich, so wird, wenn damit notwendigerweise der Übergang zu einer anderen Prozeßart verbunden ist, auch der Übergang zu dieser zuzulassen sein. Das entsprechende muß aber dann gelten, wenn die Klageänderung als solche sonst vom Gericht oder dem Beklagten zugelassen wird und dadurch der Übergang in das ordentliche Verfahren erforderlich wird. Darüber wird man in Analogie zur Klageänderung den Wechsel der Prozeßart vom Urkundenprozeß zum ordentlichen schlechthin gestatten müssen, wenn Gericht oder Gegner zustimmen. c 2. Siegt der Kläger dann auf Grund neuen Vorbringens ob, so ist § 97 II anwendbar. d) In dritter Instanz wird regelmäßig der Übergang deshalb nicht in betracht kommen, weil neue Tatsachen nicht gebracht werden dürfen (§ 561 A). B. Der Übergang vom Urkunden- zum Scheck- oder Wechselprozeß oder umgekehrt ist gesetzlich nicht geregelt. Der Wechselprozeß ist indes eine Unterart des Urkundenprozesses, der stets Wechselprozeß ist, wenn der Anspruch aus einem Wechsel geltend gemacht wird (§ 602), woran besondere Wirkungen geknüpft sind (vgl. auch § 604 I). Wird indes vom Anspruch aus dem Wechsel- auf das Grundgeschäft zurückgegangen, so liegt eine Klageänderung vor (OLG 24/206). Hierfür gelten §§ 264, 269, die dann den Übergang in das Ur-
1340
Urkunden- und Wechselprozeß
§ 596
B
kundenverfahren nach sich ziehen, womit die Erleichterungen, die in bezug auf den Wechselanspruch gegeben sind, entfallen. Doch wird man dann die etwa nur auf Grund des § 603 gestützte Zuständigkeit als beständig ansehen müssen. Der bloße Übergang vom Wechselprozeß auf den Urkundenprozeß (ohne Änderung des Anspruchs) ist stets in erster (RG Seuff. 42/170) wie in zweiter Instanz zulässig; aber nicht mehr in der dritten, sofern neue Tatsachen gebracht werden müßten (vgl. § 596 A II d). Ist in das Urkundenverfahren übergegangen, so erscheint im selben Umfange auch der Rückgang auf den Wechsel- oder Scheckprozeß nicht ausgeschlossen. Der Scheckprozeß ist dem Wechselprozeß entsprechend zu behandeln.
§ 597
(560)
I Insoweit der in der Klage geltend gemachte Anspruch an sich oder infolge einer Einrede des Beklagten als unbegründet sich darstellt, ist der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen. II Ist der Urkundenprozeß unstatthaft, ist insbesondere ein dem Kläger obliegender Beweis nicht mit den im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt, so wird die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abgewiesen, selbst wenn in dem Termin zur mündlichen Verhandlung der Beklagte nicht erschienen ist oder der Klage nur auf Grund von Einwendungen widersprochen hat, die rechtlich unbegründet oder im Urkundenprozeß unstatthaft sind. A I a I. Über die Prüfung der Prozeßfortsetzung- und der allgemeinen Prozeßbedingungen vgl. § 592 C I I I a 1. a 2. Werden sie bejaht, so darf ein Zwischenurteil erlassen werden, sonst wird in den Gründen des Endurteils über sie erkannt. Dies gilt auch für die Frage, ob der Urkundenprozeß zulässig ist. Eine solche bejahende Zwischenentscheidung fällt aber nur unter § 275, wenn eine unter § 274 II gehörende Prozeßbedingung getroffen wird (vgl. § 275 A). In den übrigen Fällen gehört sie unter § 303 und ist dann nur zugleich mit dem Endurteil angreifbar (§§ 512, 548, 585). a 3. Werden sie verneint, so ist bei fehlenden Prozeßfortsetzungbedingungen (§ 274 A II) der Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen, bei fehlender Prozeßbedingung (§ 274 A I) die Klage als unzulässig abzuweisen. b 1. Fehlen die allgemeinen Prozeßbedingungen, so ergeht darüber Urteil, und dieses Urteil hindert auch das ordentliche Verfahren. Andererseits erstreckt sich die Rechtskraftwirkung eines solchen Urteils nicht auf die Prozeßart, sondern auf die Klage schlechthin. b 2. Die Abweisung einer Urkundenklage als unzulässig steht der ordentlichen nicht entgegen (RGZ57/44). Die Urkundenklage selbst ist aber auch dannnicht wiederholbar, wenn sie auf neue Urkunden bei gleichbleibenden Klagegründen gestützt wird. A II. Wegen der unterschiedlichen Wirkungen einer wegen allgemeiner Prozeßbedingungen abgewiesenen Klage und der wegen der besonderen des Urkundenprozesses sind jene vor diesen zu prüfen; über die Rangfolge der allgemeinen untereinander vgl. § 274 B. «ff b 1. Die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses ist eine Prozeßbedingung, die in jeder Instanz von gerichts wegen zu beachten ist (RG N § 597/7). Insoweit gibt es also kein Säumnisverfahren; doch beschränkt dies § 597 II auf die die Klage begründenden Urkunden der §§ 592, 593 II 1. Doch braucht der Kläger nicht die Urschrift der in Abschrift dem Beklagten rechtzeitig mitgeteilten Urkunden vorzulegen (KG J W 29/120; a. M. KG J W 31/3566). Bei Inhaberund Orderpapieren (im besonderen bei Wechsel und Scheck) kommt es allerdings auch auf die Legitimation durch den Inhaber an, so daß die Urschriften dieser Urkunden vorgelegt werden müssen (Sydow-Busch § 597 Anm. 4). B I. Ist der Klageantrag nicht schlüssig, so ist der Anspruch unbegründet und muß als solcher abgewiesen werden (§ 597 I).
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§597
ZPO V. Buch
B II a) Wird ein Anspruch verfolgt, der seiner Art nach nicht im Urkundenprozeß erhoben werden darf (Kommentar § 592 B II a), so ist die Klage unzulässig. In diesem Falle wird auch nicht seine Schlüssigkeit zu prüfen sein. b) Wird ein zulässiger Anspruch verfolgt, so muß er schlüssig dargelegt worden sein; ist er dies nicht, so ist die Klage unbegründet (RG Gruch. 30/1066). c) Ist er schlüssig, aber zu beweisen, so muß der Klagegrund nach § 592 urkundlich dargetan worden sein (also bis auf die Echtheit der Urkunde, § 595 II). c 1. Ist dies nicht der Fall, so ist die Klage unstatthaft (RGZ 115/316). c 2. Ist dies gegeben, aber die Echtheit darzutun, oder bringt der Kläger eine schlüssige Replik oder Replikation vor (RG JW 98/10), und kann der Kläger den Beweis nicht durch Vorlegung von Urkunden oder durch den Antrag auf Parteivernehmung führen (§ 595 II), so ist die Klage unzulässig. d) Dagegen ist sie unbegründet, wenn der Kläger eine schlüssige Einrede oder Einwendung des Beklagten nicht bestreitet oder der Beklagte sie mit den nach § 595 II zulässigen Beweismitteln beweist, wie wenn die Repliken (RG JW 98/10) nicht schlüssig sind. d 1. Hat der Kläger allerdings zur Entkräftung der Beweisführung des Beklagten über eine Einrede oder Einwendung unzulässige (§ 595 II) Beweise angetreten, so ist die Klage nur unstatthaft (RG Warn. 12/48). d 2. Soweit indes der Urkundenbeweis und der Beweis des außerprozessualen Rechts zusammenfallen, ist die Klage nicht unstatthaft, sondern unbegründet, wenn der Urkundenbeweis nicht geführt wird. e) Umgekehrt wird die Klage nicht abgewiesen, wenn eine Einrede durchgreift, welche nach außerprozessualem Recht nur zur Verurteilung Zug um Zug führt (BGB §§ 274, 322, 348). Hatte indes der Kläger gegen eine solche Einrede im Urkundenprozeß unzulässige Beweismittel vorgebracht, so wird die Klage als unzulässig abzuweisen sein (RG Gruch. 41/1181). B III. Soweit sachlich geprüft wird, reicht aber auch die Rechtskraftwirkung. Wird deshalb eine Klage als unbegründet abgewiesen, so darf der Kläger sie nicht im ordentlichen Verfahren wiederholen. C. Soweit danach überhaupt noch ein Prozeßurteil als Versäumnisurteil in Betracht kommt, müssen die Gründe ergeben, ob es dies oder ein Sachurteil ist, sofern nicht schon der Tenor klarstellt (OLG SchlHA 55/23).
§ 598
(561)
I Einwendungen des Beklagten sind, wenn der dem Beklagten obliegende Beweis nicht mit den im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt ist, als im Urkundenprozeß unstatthaft zurückzuweisen. A I. Macht der Beklagte Prozeßfortsetzunghindernisse geltend (Rechtsbehelfsrücknahme und -verzieht), so wird dies von gerichts wegen geprüft, und zwar mit allen Beweismitteln; zu prüfen sind so aber auch die verbleibenden, vom Beklagten zu beweisenden Einreden des § 274 II 3, 6. A II. Das übrige (sachliche) Vorbringen des Beklagten unterliegt dagegen der Regel des § 598. a) Beschränkt er sich auf das Bestreiten gegenüber dem schlüssigen Klagevortrag, die schlüssige Replik, Replikation usw., so wird der Kläger zum Beweise gezwungen; doch kann schon hier der Beklagte Gegenbeweis antreten; geschieht dies mit im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln (§ 595 II, III), so wird darüber auch schon im Urkundenprozeß endgültig entschieden. Geschieht es aber mit im Urkundenprozeß unzulässigen Beweismitteln, so werden die Beweismittel zurückgewiesen und dem Nachverfahren vorbehalten (RGZ 23/297).
1342
Urkunden- und Wechselprozeß
§598
Ali
b) Soweit der Beklagte Einwendungen und Einreden vorbringt, müssen diese schlüssig sein. b 1. Bestreitet sie der Kläger nicht, so ist über sie im Urkundenprozeß zu entscheiden (§ 597 B II d). b 2. Andernfalls muß der Beklagte Beweis antreten. Geschieht dies nur mit den Beweismitteln des Urkundenprozesses, so ist darüber endgültig im Urkundenprozeß zu entscheiden, soweit keine weiteren Beweismittel in betracht kommen und auch § 448 nicht zum zuge kommt. A III. Dies gilt auch für den Einwand der Aufrechnung. Die h. M. wendet hier §§ 145 I I I , 302 nicht an (RGZ 24/425). A IV. Bei Einreden, die zur bedingten (Zug-um-Zug) Verurteilung führen, gelten keine Besonderheiten. Die Verurteilung muß unbedingt ausgesprochen werden, wenn die Zug- umZug-Leistung streitig oder nicht bewiesen ist, ist sie schlüssig und Beweis mit unzulässigen Beweismitteln angetreten, so müssen diese zurückgewiesen und dem Nachverfahren vorbehalten werden (LG N J W 56/1285). B. Soweit über Einwendungen aber im Urkundenverfahren endgültig zu entscheiden ist, darf dies nicht dem Nachverfahren vorbehalten bleiben; und soweit dies nicht geschehen ist, wirkt dies insoweit auch im Nachverfahren (§ 600 A II, C, RG H R R 34/300). C. Aussetzung des Urkundenprozesses bis zur Erledigung der Beweisaufnahme eines anderen Prozesses, wo die im Urkundenprozeß sonst unzulässigen Beweise erhoben werden, ist unzulässig (RG N 598/1; a. M. RG J W 01/718).
§ 599
(562)
I Dem Beklagten, welcher dem geltend gemachten Anspruch widersprochen hat, ist in allen Fällen, in denen er verurteilt wird, die Ausführung seiner Rechte vorzubehaten. II Enthält das Urteil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urteils nach Vorschrift des § 321 beantragt werden. III Das Urteil, das unter Vorbehalt der Rechte ergeht, ist für die Rechtsmittel und die Zwangsvollstreckung als Endurteil anzusehen. A. Dem Beklagten muß die Ausführung seiner Rechte vorbehalten werden, wenn er dem Klageanspruche widersprochen (§ 599 I), also Klageabweisung oder bedingte Verurteilung oder die unter Haftungbeschränkung oder auch unter Vorbehalt beantragt hat. Die Erklärung des Beklagten ist zu beurkunden (im Protokoll bzw. im Tatbestand). A I. Ohne Vorbehalt darf der Beklagte nur verurteilt werden, soweit er anerkennt (§ 307), wenn der Anspruch erledigt ist, und es nur noch u m die Kosten geht (a. M. KG J W 25/2019) oder soweit er nicht verhandelt (§§ 331, 333) und das Versäumnisurteil gegen ihn ergeht (abweichend LG N J W 55/68). A II. Wird in der Rechtsmittelinstanz über das Rechtsmittel gegen ein Vorbehalturteil entschieden, so bleibt es stets bei dieser Vorbehaltentscheidung (§§ 536, 566); anders, wenn die erste Instanz keinen Vorbehalt ausgesprochen hatte und dann in der Berufunginstanz Versäumnisurteil ergeht. B. Ausgesprochen wird der Vorbehalt in der Urteilsformel (RGZ 47/364); ist er nur in den Gründen enthalten, so darf nach § 319 das Urteil berichtigt werden; fehlt er auch dort, so sind nur §§ 321, 599 I I anzuwenden; doch wird schon durch Einlegung eines Rechtsbehelfs (auch der Wiederaufnahmeklage wie der Revision) widersprochen (RGZ 10/348f.). Der Vorbehalt wirkt allgemein. Das Gericht kann ihn nicht auf bestimmte Einwendungen beschränken. Ein Urteil ohne Vorbehalt wird unbedingt rechtskräftig i. S. der §§ 322, 767 (RG J W 96/399).
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§599
ZPO V. Buch
C I. Das Vorbehalturteil wird in bezug aul das Rechtsmittel (§§ 611, 545) und die Vollstreckbarkeit (§§ 704, 708 I 4) wie ein Endurteil behandelt (§ 599 III). In ihm ist über die Kosten zu entscheiden. Nach ihm wird die dreißigjährige Frist des BGB § 218 berechnet (BGB § 219). Es wird sogar endgültig vollstreckbar (§ 704), wenn es rechtskräftig wird (RG J W 98/540). C n . Es ist aber auflösend bedingt durch das Nachverfahrensurteil. Sobald das Nachverfahrensurteil deshalb rechtskräftig geworden ist, ist für ein weiteres Vorbehaltverfahren kein Raum mehr (RGZ 77/95f.). a) Im Nachverfahren darf die Vollstreckung aus dem Vorbehalturteil entsprechend §§ 707, 719 eingestellt werden (RG DR 41 A 1562); nicht aber kann dies durch einstweilige Verfügung erreicht werden (RG J W 10/69). b) Aber auch schon, wenn im Nachverfahren ein abänderndes Urteil ergangen ist, endet die Vollstreckbarkeit selbst des rechtskräftig gewordenen Vorbehalturteils (RG J W 02/163; § 775 I 1). Über die Erhaltung der vorläufigen Vollstreckbarkeit vgl. § 708 E IV. C III. Im AnfechtungprozeB ist die Vollstreckung des Anfechtungurteils davon abhängig, daß das Vorbehalturteil endgültig durch rechtskräftiges Nachverfahrensurteil bestätigt wird (AnfG § 10).
§ 600
(563)
I Wird dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten, so bleibt der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig. II Soweit sich in diesem Verfahren ergibt, daß der Anspruch des Klägers unbegründet war, gelten die Vorschriften des § 302 Abs. 4 Satz 2 bis 4. i n Erscheint in diesem Verfahren eine Partei nicht, so sind die Vorschriften über das Versäumnisurteil entsprechend anzuwenden. A I. Die besonderen Prozeßfortsetzungsbedingungen des Nachverfahrens sind das Vorverfahrensurteil mit dem Vorbehalt für den Beklagten. a) Das Nachverfahren ist fortzuführen, sobald das (u. U. noch nicht rechtskräftige) Vorverfahrenurteil vorliegt (RGZ 77/95f.). b) Der Beklagte kann auf den Vorbehalt in derselben Form verzichten, wie auf die Einlegung von Rechtsbehelfen mit der Wirkung, daß das Vorbehalturteil ohne sachliche Erörterung im Nachverfahren aufrechterhalten und der Vorbehalt in Wegfall gebracht wird (vgl. KG OLG 37/657: §514 entsprechend). A II. Das Nachverfahren ist der fortgesetzte Prozeß im ordentlichen Verfahren (§ 600 I). Im Nachverfahren wirken deshalb alle im Urkundenverfahren eingetretenen Bindungen ohne weiteres fort. a) Dies gilt auch in bezug auf die ProzeBfortsetzungbedingungen des Vorverfahrens wie b) bezüglich der bereits im Vorverfahren zu prüfenden und geprüften ProzeBbedingungen; b 1. bei den besonders zu prüfenden muß dies im Nachverfahren nachgeholt werden, also für die Rechtshängigkeit (§ 274 II 4, RG HRR 34/300); die Rechtskraft (§ 322), alle Wiederaufnahmegründe (§§ 579, 580, ohne daß es auf die besonderen Prozeßfortsetzungvoraussetzungen der §§ 581, 582 für die Wiederaufnahme ankäme, § 578 B; soweit sie im Vorverfahren nicht ausdrücklich beschieden worden sind) und die Partei- und Prozeßfähigkeit (einschließlich der gesetzlichen Vertretung), die aber auch selbständig im Nachverfahren gegeben sein müssen (§ 274 II 7), wobei, wenn sie im Vorverfahren gegeben waren, § 246 den Mangel nicht hervortieten läßt und der Wegfall der Parteifähigkeit juristischer Personen regelmäßig nicht eintritt, weil sie insoweit zur Liquidation aufrechterhalten wird (§ 50 B I I b 1).
1344
Urkunden- und Wechselprozeß
§600 AH
b 2. Aber auch, wenn nicht besonders geprüft, bleiben die weg, welche zu prüfen waren, sofern damit keine Wiederaufnahmeklage zu rechtfertigen ist (§§ 579, 580). Dahin gehören die weitaus meisten Prozeßbedingungen, nämlich alle übrigen (vgl. R G Z 159/176) mit Ausnahme der echten prozeßhindernden Einreden (§ 2 7 4 I I 3, 5, 6). b 3. Die prozeBhindernden Einreden des § 2 7 4 I I 3, 5, 6 werden im Nachverfahren nicht mehr b e a c h t e t , soweit sie im Vorverfahren zu bringen gewesen oder schon dort unbeachtlich waren. c ) W e i t e r bleibt die gesamte Prozeßlage des Vorprozesses erhalten, also die R e c h t s hängigkeit (§ 263), Geständnisse (§ 288), Anerkenntnisse (§ 307) und Verzichte (§ 306) und sogar Zwischenentscheidungen, soweit sie nicht v o m Vorbehalt ergriffen werden. B I . Das Nachverfahren beginnt mit dem E r l a ß der Vorbehaltentscheidung (§ 6 0 0 A I a), von wo aus es das Gericht von sich aus fortzusetzen h a t (§§ 216, 497 I 2). E s darf nicht etwa bis zur R e c h t s k r a f t des Vorbehalturteils ausgesetzt werden ( R G Gruch. 44/457), wird die Verhandlung verweigert, so gelten §§ 252, 336. B II. Mit der A u f h e b u n g d e s V o r b e h a l t u r t e i l s (mag die Entscheidung auch noch nicht rechtskräftig sein) wird das Nachverfahren gegenstandslos, soweit damit die K l a g e als unbegründet oder als unzulässig abgewiesen wird. a ) So lange das Vorbehalturteil noch nicht rechtskräftig aufgehoben ist, k o m m t das darauf sich beziehende Nachverfahren zum R u h e n . T r i t t der F a l l in der Zwischeninstanz (§ 2 3 9 H I I I ) ein, so darf die Aussetzung des Verfahrens beantragt werden (vgl. § 1 4 8 ) ; wird nicht ausgesetzt, so laufen die R e c h t s m i t t e l - und Rechtsmittelbegründungfristen. b) W i r d das Vorbehalturteil im Vorbehalts verfahren rechtskräftig durch Klageabweisung aufgehoben, so wird regelmäßig nur noch über die Kosten (OLG 1 3 / 1 7 7 ) ; bei Widerspruch des Klägers aber auch über die insoweit unzulässig gewordene Klage entschieden. T r i t t der F a l l in der Zwischeninstanz ein, so ist ein gegen das Nachverfahrensurteil eingelegtes R e c h t s mittel unzulässig; t r i t t er nach Einlegung des Rechtsmittels hervor, so ist das R e c h t s m i t t e l verfahren erledigt und auf die Kosten zu beschränken. c ) Soweit die Klage im Vorverfahren abgewiesen wird, treffen auch die Kosten des Nachverfahrens den Kläger (§ 91). B III. W i r d i m Nachverfahren ein Urteil erlassen, so berührt dies, gleichviel welchen Inhalt es h a t , das Urteil des Vorverfahrens grundsätzlich nicht. a ) Wird das die Klage abweisende Nachverfahrenurteil vor Beendigung des Urkundenverfahrens rechtkräftig, so wird das Vorverfahren unzulässig ( R G Z 7 7 / 9 5 f . ) . b) W i r d im Nachverfahren der Beklagte rechtskräftig verurteilt, so k o m m t es weiter darauf an, ob auch das Vorbehalturteil rechtskräftig wird (OLG 1 9 / 1 2 0 ; vgl. § 275 C I I I ) . C I a ) Mit widersprechenden Behauptungen i m Vor- und im Nachverfahren wird die P a r t e i nicht gehört (§ 1 3 8 I ) . Zugeständnisse und Nichtbestreiten i m Vor- oder i m Nachverfahren wirken in beiden. Wird auch i m Nachverfahren nur nicht bestritten, so gilt das Nichtbestreiten schlechthin. b) Die Beweisergebnisse des Nachverfahrens müssen im Vorverfahren werden (vgl. § 600 C I c 1), wie umgekehrt.
berücksichtigt
c ) Soweit das Vorverfahrensurteil Zwischenurteil ist, t r i t t die Bindung an die Entscheidung für das Nachverfahren ein, also soweit es endgültig entscheidet ( R G Z 159/175). c 1. Dazu gehört die rechtliche Beurteilung der Schlüssigkeit (der K l a g e : R G Z 6 2 / 9 5 ; der Einwendungen: R G Z 63/370), ferner das, was im Urkundenprozeß bewiesen worden ist und zu beweisen war ( R G Z 62/95); anders ist dies nur, wenn Gegenbeweis angetreten war, aber nicht zugelassen werden durfte (§ 598, O L G 35/171). E s bleibt auch bei der Beweiswürdigung des Vorurteils; es sei denn, daß durch neue Beweise das Gericht zu einer anderen Auffassung k o m m t ( R G N 600/9). W a r über die Einrede der Verjährung im Vorverfahren schon entschieden bzw. zu entscheiden, so ist diese Entscheidung nicht mehr im Nachverfahren angreifbar ( R G Z 63/370). 85
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
1345
§600 Cl
ZPO V. Buch
c 3. Nur insoweit bindet das Vorbehalturteil nicht, soweit es auf den Beschränkungen des Urkundenveriahrens beruht (RG J W 02/217). C III. Der Beklagte kann sich dem Nachverfahren nicht willkürlich entziehen. Er hat nicht etwa an Stelle des Nachveriahrens die Vollstreckunggegenklage (§ 767; RGZ 45/432). D I. Ergeht Vorbehalturteil in erster Instanz, so wird das Nachverfahren vor demselben Gericht, wo das Urkundenverfahren begann, fortgeführt. a) Wird der Vorbehalt erstmalig in der Berufunginstanz ausgesprochen, so nimmt die herrschende Rechtsprechung an, daß das Nachverfahren in dieser beginnt (RGZ 57/184f.); b) wenn auf ihn in der Revisioninstanz erkannt wird, daß das Berufunggericht zuständig sei (RGZ 54/3061.). D II a) Regelmäßig geht der Antrag des Klägers im Nachverfahren auf Äufrechterhaltung des Vorbehalturteils unter Wegfall des Vorbehalts (RGZ 46/76); doch darf jler Kläger die Klage erweitern, selbst soweit er mit einem Anspruch als im Urkundenverfahren unzulässig abgewiesen worden ist (§597 11; RGZ 148/202); andererseits sind Widerklagen zulässig (vgl. auch §§ 33, 529 IV). a 1. Die Klage darf geändert werden (§§ 264, 268, 269, BGH NJW 55/790); die Änderung darf nur im selben Umfange zugelassen werden, wie noch eine Abstandnahme vom Urkundenverfahren zulässig ist. a 2. Wird durch die Klageerweiterung (bzw. die Widerklageerhebung) die amtsgerichtliche Zuständigkeit überschritten, so gilt § 506, wonach auf Antrag an das Landgericht zu verweisen ist (OLG JW 16/614). Sodann wird für das Nachverfahren das LG als erste Instanz tätig, das sonst als zweite über das Vorverfahren entscheidet. Dagegen ist es nicht zulässig, den Streit insgesamt an ein örtlich anderes Landgericht zu verweisen. a 8. Bei solchen Erweiterungen ist das gesamte Vorbringen dagegen offen, ohne daß das Vorbehalturteil insoweit wirken kann (RG N 600/20). b) Der Antrag des Beklagten geht auf Aufhebung des Vorbehalturteils und (sachliche) Klageabweisung, u. U. verbunden mit dem Widerklageantrag aus § 600 II (Kommentar § 595 B III) oder auch mit gewöhnlichen Widerklageerhebungen (vgl. §§ 33, 529 IV). c) Im Nachverfahren sind grundsätzlich neue Tatsachenbehauptungen, Angriff- und Verteidigungmittel, die Nachholung von Erklärungen, Bestreiten (RGZ 45/430f.), Erklärung über die Echtheit der Urkunde, über eine Parteivernehmung (§ 446) usw. zugelassen. Auch im Urkundenverfahren wegen Verspätung zurückgewiesenes Vorbringen (§§ 279, 279a, 283 II, 529 II, III) darf gebracht werden und wird regelmäßig nicht zurückzuweisen sein. Nachträglich entstandene Einwendungen dürfen stets erhoben werden (RG N 600/17) und müssen sogar im Nachverfahren vorgebracht werden wegen der §§ 323 II, 767 II (RGZ 45/430); aber auch andere, sofern über sie im Vorbehalturteil noch nicht (endgültig) entschieden worden ist (RG Gruch. 45/114). c 1. Darüber hinaus läßt ein Teil der Rechtsprechung aber auch den Angriff auf das Vorbehalturteil zu, wenn ein nicht schlüssiger Einwand nunmehr im Nachverfahren schlüssig vorgetragen (und bewiesen) wird (RG Seuff. 55/245). Die Zeugenvernehmung gegen die Parteivernehmung ist zulässig (OLG NJW 53/1070). c 2. Soweit der Beklagte Neues im Nachverfahren vorbringen darf, darf auch der Kläger neu Stellung nehmen; doch hat es RGZ 47/188 nicht zugelassen, daß er sich im Nachverfahren auf eine Garantieabrede berief, nachdem der Beklagte seine vorzeitige Inanspruchnahme bewiesen hatte, indem der Kläger replizierte, der Fall sei nunmehr eingetreten; während andererseits RG N § 600/18 es zuließ, daß der Kläger gegen eine nach § 600 II geltend gemachte Forderung aufrechnete. E I a) Ist der Kläger säumig, so ergeht das Urteil nach § 330 gegen ihn, wonach das Vorbehalturteil aufgehoben und die Klage als unbegründet abgewiesen wird. b) Ist der Beklagte säumig, so wird der Vorbehalt in Wegfall gebracht.
1346
Urkunden- und Wechselprozeß
§600 e i
c) §§ 331a, 251a sind unmittelbar anzuwenden. Dabei genügt zum Urteilserlaß auch die mündliche Verhandlung im Urkundenprozeß (Schönke § 600 Anm. VII 2). E II. Im kontradiktorischen Verfahren ist das Vorbehalturteil, a) wenn der Vorbehalt sich als unbegründet erwiesen hat, unter Streichung des Vorbehalts aufrechtzuerhalten. Wird im Nachverfahren erkannt, während schon ein höher instanzliches Vorbehalturteil vorliegt, so bezieht sich das Nachverfahren auf dieses letzte Urteil (RGZ 57/185folg.). Nur über die nachträglich etwa vorgenommene Klageerweiterung im Nachverfahren muß in diesem Urteil besonders entschieden werden. b) Dringt dagegen der Beklagte durch, so ist nach § 302 II—IV zu verfahren (§ 600 II), d. h. das Vorbehalturteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (regelmäßig als unbegründet, möglicherweise aber auch als unzulässig). Über die Kosten (auch des Urkundenprozesses: KG OLG 7/299) ist in diesem Fall besonders (nach §§ 91folg.) zu erkennen (§§ 97 II, 278 II werden regelmäßig nicht anwendbar sein; vgl. OLG 17/182). E III. Über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung vgl. § 708 E IV; über die Kosten vgl. § 91 A II a 2. Einer ausdrücklichen Entscheidung darüber bedarf es dann nicht, wenn schon im Vorbehalturteil die Kostenentscheidung enthalten war. E IV. Die Urteile unterliegen den zulässigen Rechtsmitteln (RGZ 25/424). F. Trotz der (möglichen) Bindungen des Urkundenurteils trennt die Rechtsprechung von der Gerichtseite aus das Nachverfahren völlig vom Vorverfahren, so daß ein Richter, der beim Erlaß des Vorbehalturteils mitgewirkt hat, nicht von der Entscheidung im Nachverfahren auch nicht in einer höheren Instanz als ausgeschlossen angesehen wird (§ 41 I 6; RGZ 148/199folg.). G I. Wird das Vorbehalturteil aufgehoben, so ist der Kläger dem Beklagten zum vollen Sehadenersatz verpflichtet, sofern er vollstreckt hat (§ 302 D). Der Anspruch kann im anhängigen Verfahren geltend gemacht werden. Die h. M. (vgl. dagegen § 33 D I b) hält diesen Anspruch für einen Inzidentantrag, wenn er im Laufe des Streits geltend gemacht wird, was nach § 302 IV 2—4 zulässig ist. Er kann aber auch als förmliche Widerklage im anhängigen Verfahren verfolgt werden (RGZ 63/369). G II. Doch darf der Anspruch auch im besonderen Verfahren geltend gemacht werden, was aber erst nach Aufhebung des Vorbehalturteils zulässig (KG OLG 25/136) und begründet ist. Aufrechnungen sind zulässig.
§ 601
(564)
§ 602
(565)
gestrichen.
I Werden im Urkundenprozeß Anspräche aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes geltend gemacht (Wechselprozeß), so sind die nachfolgenden besonderen Vorschriften anzuwenden. A. Im Verhältnis zum Urkundenprozeß bringen der Wechsel- und der Scheckprozeß (§ 605 a) Erleichterungen bei der Klage gegen Gesamtschuldner für den gemeinschaftlichen Gerichtstand (§ 603), die abgekürzten Einlassung- und Ladungfristen (§ 604 II, III) wie Beweiserleichterungen (§ 605, vgl. dagegen § 592 C III). Die Erleichterungen werden gewährt, wenn Ansprüche aus einem Wechsel oder Scheck geltend gemacht werden, und erklärt wird (§ 602), daß im Wechsel- oder im Scheckprozeß geklagt wird (§ 604 I). Diese Erklärung tritt an die Stelle der, im Urkundenprozeß zu klagen (§ 593 I). A I. Abgesehen davon gelten für den Wechsel- und den Scheckprozeß dieselben Regeln wie im UrkundenprozeB. 85*
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§602 AI
ZPO V. Buch
a) In den Wechselprozeß gehören nur Ansprüche auf Zahlung (§ 602 B II a), die unter § 592 fallen (Sydow-Busch § 602 Anm. 1; a. M. Hellwig Syst. 2/65). Über die Geltendmachung als Konkursfeststellung vgl. § 592 B I a 2, über die Streitwertberechnung vgl. § 3 B IV c 1, über die vorläufige Vollstreckbarkeit § 708 I 4. b) Im besonderen ist der gesamte Klagegrund durch Urkunden zu belegen (§ 592 C I I I b), soweit nicht § 605 Platz greift, oder schon der Wechsel hierzu genügt. Auch die Legitimation dessen, der Protest erheben ließ, ist zu belegen; doch wird man bei ordnungmäßigem Protest prima facie annehmen dürfen, daß der Protestierende für den legitimiert Gewesenen Protest erhoben hatte (vgl. RGZ 104/271). Berührt indes die Durchstreichung die wechselmäßige Verpflichtung, so muß der Kläger nachweisen, warum verändert worden ist (RGZ 66/201 f.). Doch stellt sich dieser Beweis als Replik dar (RG J W 91/94; a. M. OLG 29/225) und braucht deshalb nicht mit Urkunden belegt zu werden (aber mit den Beweismitteln des § 595 II). Auch die Innehaltung der Benachrichtigungfrist nach WechselG Art. 45 ist Replik (RGZ 9/26folg.). Die Fälligkeit bei einem auf bestimmte Zeit nach Sicht gestellten Wechsel wird durch die Klageerhebung in Lauf gesetzt und bewiesen (RG Recht 02/71). Schließlich sind ffesetzliche Vertretungmacht und Vollmacht urkundlich nachzuweisen (§ 592 C I I I b 1). c) Im Nachverfahren wird die Verteidigung des Schuldners durch die Vorschriften des Wechsel- und Scheckgesetzes beschränkt (vgl. WechselG Art. 17: RG J W 93/19, ScheckG Art. 22). Der Beklagte hat ein Zurückbehaltungrecht nach WechselG Art. 39 I ; macht er es geltend, so ist er mit dieser Maßgabe zu verurteilen. A II. Auch gilt die Regel (§ 592 C I I I a 3), daß vom ordentlichen Prozeß nicht auf den Wechsel- oder den Scheckprozeß übergegangen werden darf (RGZ 79/71) und daß das ordentliche Zahlungbefehlsverfahren nicht im Wechsel- oder im Scheckprozeß weitergeführt werden darf. Werden Wechsel oder Schecke im ordentlichen Verfahren geltend gemacht, so sind §§ 602—605 unanwendbar, wohl aber sind sie auch dann noch Handelsachen (GVG § 95 I 2, 3) und fallen unter GVG § 200 I 6, 7. Wohl aber darf vom Urkundenprozeß in der Tatsacheninstanz auf den Wechsel- und Scheckprozeß wie umgekehrt übergegangen werden (§ 596B) und auch vom Urkundenzahlungbefehl auf das Wechsel- oder Scheckverfahren, wie umgekehrt. B I. Der Begriff des Wechsels ist dem Wechselgesetz, der des Schecks dem Scheckgesetz zu entnehmen. B II a) Es muß ein Wechsel- oder scbeckmäßiger Anspruch in betracht kommen.
§ 603 (566) < Wechselklagen können sowohl bei dem Gericht des Zahlungsortes als bei dem Gericht angestellt werden, bei dem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. II Wenn mehrere Wechselverpflichtete gemeinschaftlich verklagt werden, so ist außer dem Gericht des Zahlungsortes jedes Gericht zuständig, bei dem einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. A I. § 603 bestimmt (keine ausschließlichen, RG J W 98/166) Gerichtstände (§ 12 A) für Wechsel- und Scheckklagen. a) Die Klausel „zahlbar an allen Orten" bedeutet dabei, daß der Akzeptant überall dort, wo er betroffen wird, zahlen will (ROHG E 4/261). b) Ist der Ort der politischen Gemeinde in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so kommt es darauf an, ob der Ortsteil genauer bezeichnet ist (etwa durch Angabe der Straße und Hausnummer, KG OLG 15/154f.); anderenfalls ist jedes Gericht zuständig. Auf die Vorschriften, welche Orte im Wechsel- und im Scheckverfahren als benachbart anzusehen sind (§ 604 C I), kommt es hier nicht an. A III. Hält man die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtstandes für zulässig (vgl. § 38 C I b), so wird man sie auch im Falle der Wechsel- und Scheckklagen zulassen müssen,
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Urkunden- und Wechselprozeß
§603 Am
sofern die Vereinbarung in den Wechsel oder in den Seheck aufgenommen oder gerade zwischen den Parteien getroffen worden ist (RG JW 03/46). Aber auch dann kann der Gerichtstand des Erfüllungortes (§ 29) nicht ausgeschlossen werden, weil die Bestimmung des Zahlungortes unabdingbar ist. A IV. Zum zuge kommt bei den Landgerichten die Kammer für Handelsachen (GVG § 95 I 2, 3). B. Besondere Bedeutung hat § 603 II, der ohne gerichtliche Bestimmung (§ 36 I 3) die Klageerhebung gegen mehrere Beklagte (§§ 59, 60) zuläßt, indem er außer dem Gerichtstande des Zahlungortes (Brfüllungortes), der für alle gleich ist, auch jeden allgemeinen Gerichtstand eines der beteiligten Beklagten gelten läßt. B I. Dabei genUgt es, daß die Klage in bezug auf irgendeinen Zeitpunkt ab Klageerhebung für einen der zu dieser Zeit beteiligten Beklagten in dem gewählten Gerichtstand zulässig ist (RGZ 36/365folg.). Ist die Fixierung eingetreten, so vermag auch die Tatsache, daß sie gerade gegen den Beklagten, in dessen allgemeinen Gerichtstand sie erhoben wurde, nicht verfolgt (a. M. RGZ 51/176f.) oder gar zurückgenommen wird (RG N 603/2), an der Zulässigkeit gegenüber den anderen nichts mehr zu ändern. B II. Der Mitverklagte, auf dessen allgemeinen Gerichtstand die Zulässigkeit der Klage gegründet wird, muß Wechsel- oder scheekverpflichtet sein.
§ 604 I
(567)
Die Klage muß die Erklärung enthalten, daß im Wechselprozeß geklagt werde.
II Die Einlassungsfrist beträgt mindestens vierundzwanzig Stunden, wenn die Klage an dem Ort, der Sitz des Prozeßgerichts ist, zugestellt wird; mindestens drei Tage, wenn die Klage an einem anderen Ort zugestellt wird, der im Bezirk des Prozeßgerichts oder, falls dieses ein Amtsgericht ist, im Bezirk des dem Amtsgericht übergeordneten Landgerichts liegt, oder von dem ein Teil zu diesem Bezirk gehört; mindestens eine Woche, wenn die Klage sonst im Inland zugestellt wird. Das gleiche gilt von der Ladungsfrist, soweit sie nicht nach den allgemeinen Vorschriften kürzer als die im ersten Satz festgesetzte Einlassungsfrist ist. III In den höheren Instanzen beträgt die Einlassungs- und Ladungsfrist mindestens vierundzwanzig Stunden, wenn die Zustellung der Berufungs- oder Revisionsschrift oder der Ladung an dem Ort erfolgt, der Sitz des höheren Gerichts ist; mindestens drei Tage, wenn die Zustellung an einem anderen Ort erfolgt, der ganz oder zum Teil in dem Landgerichtsbezirk liegt, in dem das höhere Gericht seinen Sitz hat; mindestens eine Woche, wenn die Zustellung sonst im Inland erfolgt. B. Die Bezeichnung „Klage im Urkundenprozeß" reicht aber für den Wechselprozeß nicht aus, ist aber insofern nicht schädlich, da dann immer noch auf den Wechselprozeß übergegangen werden darf (§ 602 A II). C. Einlassung- und Ladungfristen dürfen auch in Wechselprozessen abgekürzt werden (§ 226), die für die Einlassungfrist vorgenommene Verkürzung wirkt nicht ohne weiteres für die Ladungfrist. Über die Fristberechnung vgl. § 222. Über die Fristverlängerung vgl. SchutzVO Art. 2. C I. Nach Nov. 09 Art. V i. V m. der Bekanntmachung v. 11. 3; 1910 (RGBl. 474 folg.) RBB1. 42/5, 131, 151, 226; 44/50, 146; WiGBl. 49/16 sind die in dieser genannten Orte i. S. der §§ 499, 604 als ein Ort anzusehen (vgl. § 603 A I b). Dagegen kommt es nicht darauf an, welche Orte i. S. des WechselG Art. 88, ScheckG Art. 55 III für Vorlegung und Protest als ein Ort anzusehen sind. C II b) Im Wechsel- und Scheckverfahren werden die Fristen des gewöhnlichen Verfahrens ohne Unterschied, ob es sich um amts- oder landgerichtliche Streite handelt, verkürzt: b 1. auf vierundzwanzig Stunden, wenn an einem (u. U. benachbarten, § 604 C I) Orte zugestellt wird, in dem das Gerichtsgebäude (ganz oder zum Teil) liegt (§ 603 A l b ) ;
1349
§604 cn
ZPO V. Buch
b 2. auf drei Tage, wenn an einem Orte zugestellt wird, der im Bezirke des Landgerichts liegt (oder einem solchen Orte benachbart ist, § 604 C I); b 3. auf eine Woche in den übrigen Fällen bei der Zustellung im Inlande (einschließlich der sowjetisch besetzten Zone, § 12 A II a 1), auch bei öffentlicher Zustellung; b 4. nur bei der Zustellung im Auslande bleibt es bei der Vorschrift der §§ 262 II, 499 II (doch ist die durch Aufgabe zur Post Zustellung im Inlande, auch wenn der Brief an einen Ort des Auslandes adressiert worden ist, § 175 B). c) Im erstinstanzlichen Verfahren werden ferner die Ladungfristen (§ 217) entsprechend den Einlassungfristen abgekürzt. c 1. Die Frist beträgt vierundzwanzig Stunden, wenn am (u. U. benachbarten, § 604 C I) Ort, der Sitz des Prozeßgerichts ist, zugestellt wird; c 2. drei Tage, wenn an einem Ort, der wenigstens zum Teil zum Bezirk des (u. U. übergeordneten) Landgerichts gehört (u. U. diesem benachbart ist — § 604 C I), zugestellt wird, auch in Landgerichtsprozessen; c 8. im übrigen gilt § 217. C III. In den höheren Instanzen sind die Einlassung- und Ladungfristen in gleicher Weise abgekürzt. § 605
(-)
I Soweit es zur Erhaltung des wechselmäßigen Anspruchs der rechtzeitigen PTotesterhebung nicht bedarf, ist als Beweismittel bezüglich der Vorlegung des Wechsels der Antrag auf Parteivemehmung zulässig. II
Zur Berücksichtigung einer Nebenforderung genügt, daS sie glaubhaft gemacht ist.
A III. Der Kläger muß die Vorlegung nachweisen, soweit er Verzugzinsen vom Verfalltage oder von der Vorlegung anfordert. Nur für diesen Fall greift § 605 I im Verhältnis zu § 592 erleichternd ein, indem er sieh mit den Antrag auf Parteivernehmung begnügt (und im Säumnisfalle gilt diese Behauptung entgegen § 597 II als unstreitig, KG OLG 20/330). Soweit diese Forderungen als Nebenforderungen geltend gemacht werden, wie in der Regel, fallen sie zugleich unter § 605 II. B. Nebenforderungen (Zinsen, Protestkosten, Benachrichtigungkosten, Auslagen sowie Provision und Spesen) sind entweder durch Urkunden zu belegen (§ 592 C III b) oder ihre Entstehung ist glaubhaft zu machen (§ 294) nach § 605 II. Nur soweit sie davon abhängen, ob der Scheck oder der Wechsel vorgelegt worden ist, darf dies auch durch den Antrag auf Parteivernehmung (also entgegen § 294 II) bewiesen werden (OLG 10/361); in diesem Falle bedarf es deshalb bei Säumnis des Beklagten keiner Glaubhaftmachung. Dem entsprechend darf auch der Beklagte sich der entsprechenden Beweismittel bedienen, doch genügt auch seine Gegenglaubhaftmachung; im Nachverfahren ist trotz der Glaubhaftmachung nach § 605 II der volle Beweis zu fordern. § 6 0 5 a (—) I Werden im Urkundenprozeß Ansprüche aus Schecks im Sinne des Scheckgesetzes geltend gemacht (Scheckprozeß), so sind die §§ 602 bis 605 entsprechend anzuwenden. A I. Es gilt all das, was in bezug auf den Wechselprozeß gesagt worden ist (§ 602 A I) entsprechend. Über benachbarte Orte im Scheckverkehr nach ScheckG Art. 55 III vgl. § 604 C I. Uber den Beweis der Vorlegung (ScheckG Art. 29) vgl. § 605 A III. Über Nebenforderungen vgl. § 605 B. A II. Im besonderen muß es sich auch hier um scheckmäßige Ansprüche handeln. B. Anders ist dies nur bei bestätigten Schecks der deutschen Bundesbank bzw. der Landeszentralbanken; nach G über die deutsche Bundesbank v. 26. 7.1957 (BGBl. I 745) § 23 V sind die sich daraus ergebenden Ansprüche als Wechselsachen zu behandeln.
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Verfahren in Ehesachen Sechstes
Buch
Ehesachen, Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern, Entmündigungssachen Erster Abschnitt
Verfahren in Ehesachen
§ 606
(568, 606 I a. F.)
I Für Klagen auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe, auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien oder auf Herstellung des ehelichen Lebens (Ehesachen) ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben. II Hat zur Zeit der Erhebung der Klage im Bezirk dieses Gerichts keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder haben sie einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nicht gehabt, so ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der gewöhnliche Aufenthaltsort des Beklagten oder, falls ein solcher im Inland fehlt, der gewöhnliche Aufenthaltsort des Klägers gelegen ist. Haben beide Ehegatten Klage erhoben, so ist von den Gerichten, die nach Satz 1 zuständig wären, das Gericht ausschließlich zuständig, bei dem der Rechtsstreit zuerst rechtshängig geworden ist; dies gilt auch, wenn die Klagen nicht miteinander verbunden werden können. Sind die Klagen am selben Tage erhoben worden, so ist § 36 entsprechend anzuwenden. III Ist die Zuständigkeit eines Gerichts nach diesen Vorschriften nicht begründet, so ist das Landgericht Berlin ausschließlich zuständig. B I. Den Begriff der Ehesache i. S. des ersten Abschnitts des sechsten Buches § 606 I, wobei aber der Mitschuldantrag weggelassen ist. a ) Scheidungklagen sind
gibt
a 2. als Klage und Widerklage (im Rahmen des § 615) zulässig; auch der Klage aus EheG § 48 I darf die Widerklage nach EheG § 48 entgegengesetzt werden (RGZ 160/282). Über die Eventualwiderklagen im Scheidungrecht vgl. § 615 B I I I . Die Eventualgründe dienen auch zur Unterstützung der Hauptgründe (EheG § 51 II). Über die Erhebung der Widerklage gegen eine Widerklage vgl. § 33 B I a 2. Eine besondere Form der Eventualwiderklage ist der Mitschuldantrag, die auch dann noch zulässig ist, wenn die prinzipielle es nicht ist; daß die prinzipiell erhobene Widerklage stets die eventuelle (den Mitschuldantrag) ergreift, ist anerkannten Rechts (RGZ 160/109). Dies gilt auch für die Fälle, wo ein Widerspruch nach EheG § 48 I I geltend gemacht wird, weil er nur auf Verschulden beruhen kann; es sei denn, daß dies erklärterweise nicht gewollt ist (RGZ 165/25), den Gegenantrag auf Mitschulderklärung hat aber B G H Z 9/229 gegen RGZ 164/95 nicht zugelassen. Aber ohne ihre Erhebung (Stellung des Mitschuldantrages) darf darüber nicht erkannt werden (RGZ 163/336f.). a 3. Die Erhebung der negativen Feststellungklage, daß kein Scheidunggrund gegeben ist, ist unzulässig (§ 256 A I I I a). Dagegen darf bei aufgehobener häuslicher Gemeinschaft der Gatte, der die Gemeinschaft herstellen will, zur Klageerhebung auffordern mit der Folge, daß nach fruchtlosem Ablauf von sechs Monaten die Scheidunggründe wegen Verschuldens entfallen (EheG § 50 I 4), während diese Frist bei nicht aufgehobener häuslicher Gemeinschaft ab Kenntnis von selbst läuft (EheG § 50 I 1). Bei den Scheidungklagen ohne Schuldausspruch laufen diese Fristen nicht. a 4. Die Klage auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, wie die auf Trennung von Tisch und Bett gibt es nicht mehr. Ein solcher Ausspruch ist unzulässig (RGZ 167/193). Dies muß auch für ausländische Urteile gelten. Die formelle Möglichkeit, solche ausländischen
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§606BI
ZPO VI. Buch
Urteile anzuerkennen, ist aber in 4. DVO EheG 38 § 24, in der BZ durch AVO EheG 46 § 28 (beide Bestimmungen geändert durch Entscheidung v. 6. 12. 1949 [BGBl. 34]) gegeben. Eine Umwandlung dieser Entscheidungen nach EheG 38 § 98 kommt jedenfalls nicht in betracht (RGZ 169/59). a 5. Keine Scheidungklage ist die, durch welche der Staat einen Scheidung- oder Aufhebungausspruch nach dem Tode eines Gatten bewirken darf (vgl. 5. DVO EheG). b) Die Aufhebungklage (anders als die frühere Anfechtungklage) hat bei Erfolg die Wirkung, daß die Ehe von der Rechtskraft des Urteils an aufgehoben wird (EheG § 29). Praktisch ist sie nur noch Scheidungklage mit besonderen Gründen, bei der nur das Sühneverfahren (§§ 608—610) und die Aussetzung (§ 620) unzulässig sind. Die Folgen der Aufhebung bestimmen sich nach Scheidungrecht (EheG § 37 I). b 2. Der bloße Mitschuldantrag (die Eventualaufhebungwiderklage) führt nur, wenn er als Prinzipalantrag geltend gemacht werden könnte, auch gegenüber einer Scheidungklage, zur Aufhebung der Ehe; kann er aber nicht prinzipaliter gestellt werden, so ist zu scheiden, aber wegen des Aufhebunggrundes u. U. die Mitschuld auszusprechen (EheG §§ 52 III 2, 53 II 2), allerdings nur nach Billigkeit. Auch kann einem Aufhebunggrund des Klägers ein Aufhebunggrund des Beklagten entgegengesetzt werden; doch ist nur auf die Schuld einer Partei aus ein und demselben Aufhebunggrunde zu erkennen. Den Mitschuldausspruch gegenüber einer Aufhebungklage aus einem Scheidunggrunde läßt 1. DVO EheG 38 § 18, in der BZ AVO EheG 46 § 17 zu. b 3. Negative Feststellungklagen in bczug auf Aufhebunggründe sind unzulässig. Die Klagefristen machen sie überflüssig. Über die Aussetzung bei einer Aufhebung- (nicht Scheidung)klage vgl. §§ 152, 620 A II. b 4. Eine Aufhebung mit der Wirkung wie bei der Nichtigkeiterklärung ist nach inländischem Recht nicht zulässig (EG BGB Art. 17 IV entsprechend). c) Nichtigkeitklagen gibt es nach EheG § 16 nur aus den Klagegründen des EheG §§ 17—22; § 38 I. Die für nichtig erklärte Ehe wird mit rückwirkender Kraft aufgelöst. Doch sind die aus ihr hervorgegangenen Kinder ehelich (EheG § 25 I); gutgläubige dritte können sich auf ihren Bestand berufen (EheG § 27). Solange die Nichtigkeit nicht ausgesprochen worden ist, besteht die Ehe. c 1. Der Nichtigkeitgrund wirkt für und gegen beide Parteien; die Nichtigkeitklage kann von jeder Partei erhoben werden, gleichviel ob sie wie ein Schuldiger zu behandeln ist oder nicht, und es können auch beide als Schuldige zu behandeln sein. Den Schuldausspruch sollte man im Tenor geben (1. DVO EheG § 17 bzw. BZ AVO EheG 46 § 16 entsprechend). Eines besonderen Antrags dazu bedarf es nicht. c 2. Die Nichtigkeitklagen sind als Klagen und Widerklagen zulässig. Vgl. über die zulässige Klageverbindung § 633. Eventualstellung ist zulässig. Ist ein Klagegrund verloren, so ist der Rückgriff auf diesen für die Schuldigerklärung zuzulassen (vgl. § 616 B II a). Über die Eventualstellung zwischen Ehebestand- und Nichtigkeitklage vgl. § 633 B I. c 3. Eine negative Feststellungklage ist unzulässig. Über die Aussetzung von Verfahren bei Nichtigkeitgründen vgl. § 151. c 4. Über die Frage, ob ein Nichtigkeitgrund nach inländischem Recht, der nach ausländischem Scheidunggrund ist, als Scheidunggrund verwendbar ist, vgl. Kommentar § 606 E I a 2. c 5. Über die Nichtigkeitklage nach dem Tod eines Gatten vgl. §§ 628 C I, 632 A I. Den Nichtigkeitklagen entsprechend sind auch die Klagen aus dem G über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung v. 29. 3.1951 (BGBl. I 215) zu behandeln. d) Die Ehefeststellungklage ist sowohl positiv wie negativ zulässig, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 256 gegeben sind. Soweit nur eine nichtige oder aufhebbare Ehe vorliegt (EheG §§ 23, 29), kommt sie nicht in betracht. d 2. Die positiven wie die negativen Feststellungsklagen kommen in Betracht, soweit die Ehe nach ausländischem Recht zu beurteilen ist (vgl. RG JW 17/364), wenn dieses keine entsprechenden Nichtigkeitgründe kennt oder wenn es um die Rechtswirksamkeit ausländischer
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Verfahren in Ehesachen
§606 B Id
Eheurteile geht (vgl. RGZ 109/385f.), besonders wenn es dem Kläger darum geht, einen Versagunggrund nach § 328 I 3 auszuräumen. Vgl. dazu aber 4. DVO EheG 38 § 24 und AVO BZ EheG 46 § 28. Die Feststellung, daß keine Ehe besteht, löst die Wirkungen, welche eine durch Nichtigkeiterklärung vernichtete Ehe nach sich zieht (EheG §§ 25—27), nicht aus. d 3. Nicht unter den Begriff der Ehesache fällt die Feststellungklage, die über das Bestehen einer Ehe in der Vergangenheit anhängig gemacht wird, nach Auflösung durch Tod, Aufhebung oder Scheidung. e) Ob die Ehcherstellungklage noch zulässig ist, wurde von RGZ 160/114 bejaht. Die Klage auf Unterlassung ehewidrigen oder ehebrecherischen Verhaltens ist unzulässig (BGH LM-BGB § 823 [Af}/2, der aber die Unterlassungklage der Ehefrau gegen den Mann auf Entfernung seiner Geliebten aus dem Geschäft gemäß BGB § 823 II für gegeben hält und diese dann nicht als Ehesache behandelt). e 1. Richtigerweise sollte man die Zulässigkeit der Herstellungklage verneinen (vgl. § 888 II). e 2. Nicht zu den Ehesachen gehören der namensrechtliche Streit (a. M. RGZ 108/230f.), der über die Unterhaltpflicht (abweichend nach altem Recht RGZ 97/288) oder die sich aus BGB § 1357 ergebenden Streite, wie die auf Unterlassung oder Zurücknahme einer im Auslande betriebenen Ehescheidungklage (vgl. RGZ 157/139). e 3. Die negative Feststellungklage, zur Herstellung nicht verpflichtet zu sein, ist unzulässig (§ 606 B I c 3; a. M. OLG FamRZ 57/33). B II. Die Normen der Nichtigkeitklage sind auf das Urteil, durch das der Ausspruch des Standesbeamten auf nachträgliche Eheschließung für unwirksam erklärt werden soll, nach dem G über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung v. 29. 3. 1951 (BGBl. I 215) für anwendbar erklärt worden (G § 4 IV). Über die Klage vgl. § 628 C II. An Stelle des § 606 gilt hier aber G § 4 III. a) Zuständig ist danach das Landgericht, in dessen Bezirk die nachträgliche Eheschließung beurkundet worden ist. Liegt das Gericht in der Ostzone, so ist das gerichtsinländische (§ 12 A II a 1) LG zuständig, in dessen Bezirk die Frau ihren gewöhnlichen Aufenthaltort (§ 606 C I a 1) hat, und, wenn sie keinen hat, in dem das älteste im Gerichtsinlande lebende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthaltort hat. b) Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so ist die Klage unzulässig. Verweisung nach § 276 ist zulässig. B III. Keine Ehestreitverfahren sind Klagen, welche ihren Rechtsgrund nicht in der Ehe haben (vgl. § 606 B I e 2). Dahin gehören die Klagen aus dem Verlöbnis (BGB §§1298folg.) wie die nach durchgeführter Auflösung oder Vernichtung der Ehe. Im besonderen ist keine Ehesache das Verfahren auf Hausratauseinandersetzung, das über güterstandliche Auseinandersetzung wie das über die Zugewinnauseinandersetzung (selbst wenn dieses bei noch bestehender Ehe angestrengt wird). Auch sind die einstweiligen Anordnungen nach § | 627 folg. keine Ehesachen. B IV. Der Eheprozeß (§606 B I) kann Vorfrage in anderen Prozessen sein; sodann muß regelmäßig die Vorfrage im Eheprozeß entschieden werden. a) Doch kann, wenn es nur um das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe geht, entweder nach § 154 ausgesetzt werden, oder es darf über diese Vorfrage auch in dem Drittprozeß mit entschieden werden; in diesem Fall ist eine Inzidentfeststellungklage nach § 280 unzulässig. b) Nicht entschieden werden darf ferner regelmäßig im Drittprozeß über die Frage, ob Nichtigkeit-, Aufhebung- oder Scheidunggründe bestehen. Anders ist dies nur mit Nichtigkeitgründen im Fall des EheG § 27, die der dritte kannte. Im Erbrecht ist der Nichtigkeitklage nicht besonders gedacht (vgl. BGB § 1933), weil sie auch nach dem Tode des einen Gatten weitergeführt wird (vgl. § 628 C I). Nur wenn beide Gatten (nacheinander) gestorben sind, wird man auch hier BGB §§ 1933, 2077 I, 2268, 2279 entsprechend anwenden, wobei das Verschuldenprinzip (§ 606 B i e l ) zu beachten ist. In solchen Fällen kann es im gleichen
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Umfang wie bei Aufhebung- und Scheidunggründen zur selbständigen Entscheidung im Drittprozeß als Vorfrage kommen. Über Scheidung- und Aufhebunggründe kommt es im Drittprozeß nach dem Tode eines Gatten nach BGB §§ 1933, 2077 I, 2268, 2279 zur selbständigen Entscheidung, wenn die Klage schon erhoben war. Im übrigen sind hier die Entscheidungen nach der 5. DVO EheG (§ 606 B I a 5) zu beachten. C. §§ 606, 606 b regeln die ProzeBbedingung der Zuständigkeit der inländischen Gerichte in Ehesachen (§606 B), worauf von gerichts wegen zu achten ist, und zwar noch in der Revisioninstanz (RG HRR 32/795). C I a) In Abweichung von den allgemeinen Zuständigkeitregeln (§§ 12 folg.) legt § 606 I den Gerichtstand in Ehesachen ausschließlich sachlich und örtlich fest, gleichviel wer klagt. Sachlich ist in der BRD und in West-Berlin das Landgericht (die Zivilkammer, GVG § 71) ausschließlich zuständig. Die örtlich ausschließliche Zuständigkeit des LG wird in verschiedenen Stufen bestimmt: a 1. zunächst nach dem Lanagerichtsbezirk, in dem die Gatten ihren gegenwärtigen, gemeinsamen, inländischen Aufenthalt haben. Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist weniger als der Wohnsitz i. S. des BGB § 7, wonach es nämlich auf den rechtsgeschäftlichen Willen, ihn zu begründen, abgestellt wird (§ 13 B); doch ist, wo ein Wohnsitz nach BGB § 7 begründet ist, auch ein gewöhnlicher Aufenthaltort bestimmt. Dies gilt nur nicht, wo der Wohnsitz rein rechtlich bestimmt worden ist, wie der Wohnsitz des (nicht volljährigen, Kommentar § 13 B IIa) Kindes (BGB § 11); in diesen Fällen kommt es auf den tatsächlichen Aufenthaltort an. Gew ö h n l i c h e r Aufenthaltort ist aber nicht der gerade gegenwärtige, sondern der, wo sich jemand tatsächlich längere Zeit (OLG DR 44 A 628) aufhält, gleichviel ob er vorübergehend abwesend ist (RG DR 44 A 913), also wo er wohnt und im besonderen schläft (vgl. § 16 A II). Bei Berufsoldaten kann dies der Wohnort von Frau und Kindern sein (so schlechthin: OLG SchlHA 50/195). Besteht ein solcher Aufenthaltort für die Ehegatten nicht, sondern lebt etwa die Frau bei ihren, der Mann bei seinen Eltern, wenn auch am selben Ort, so besteht kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthaltort (OLG J R 48/339; a. M. BayObLG Z 1950/14). Aufenthalt im Lager, Gefängnis usw. genügt nicht (RG DR 44 A 913; a. M. OLG SchlHA 55/166). Ein m e h r f a c h e r , gewöhnlicher Aufenthaltort kann begründet werden; in diesen Fällen hat der Kläger die Wahl (§ 35). Liegt nur einer dieser mehreren, gewöhnlichen, gemeinsamen Aufenthaltorte im Inlande, so wird nur der eine inländische gewöhnliche nach § 606 I berücksichtigt. a 2. Ist zur Zeit der Klageerhebung kein gemeinsamer, gegenwärtiger, gewöhnlicher, inländischer Aufenthaltort gegeben, so kommt es auf den letzten, gemeinsamen, inländischen an; sofern an diesem (d. h. in diesem Gerichtsbezirk, OLG SchlHA 48/47, also nicht notwendigerweise in derselben Wohnung) noch einer der Gatten seinen gewöhnlichen Auf enthaltort hat (§ 6061 2), wobei es gleichgültig ist, ob er ihn noch oder nach Unterbrechung wieder hat (BayObLG NJW 49/223). a 3. Sind auch diese Voraussetzungen nicht gegeben, so kommt ein gewöhnlicher, inländischer Anfenthaltort der beklagten Partei (bei mehreren inländischen mit dem Wahlrecht der klagenden, § 35) in betracht. Besteht neben ihrem inländischen ein ausländischer, so nur der erste. Ist der gewöhnliche Aufenthaltort der beklagten Partei unbekannt, so muß er außer betracht bleiben (OLG DRZ 48/29). a 4. In nächster Linie kommt dann nach § 606 II der gewöhnliche inländische Aufenthaltort der klagenden Partei in betracht, aber nur dann, wenn er zugleich der letzte, gemeinsame, inländische der Gatten war bzw. kein solcher bestand. a 5. In letzter Linie ist das LG Berlin (West) zuständig. a 6. Bei mehreren Klagen um dieselbe Ehe will der Gesetzgeber dasselbe Gericht zuständig machen (womit aber nicht eine Zuständigkeit eröffnet wird, die sonst nicht besteht, vgl. § 606 C I c). Da nun aber nach § 606 II 1 je nach der Parteirolle eine verschiedene Zuständigkeit gegeben sein kann, soll Uber die Zuständigkeit grundsätzlich die zuerst erhobene Klage (§ 253 I) entscheiden, und zwar bei mehreren Klagen, selbst dann, wenn sie nicht verbunden werden dürfen (vgl. §§ 615, 633, 260 C III b 4). Über den Verbindungzwang
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Verfahren in Ehesachen
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Cla6
getrennt erhobener Klagen, soweit sie verbunden werden können, vgl. §§ 615 A IV, 614 A. Dabei wird der maßgebende Zeitpunkt allein nach der zuerst rechtshängigen Klage (§ 263 I) bestimmt (also ohne die Vordatierung bis zur Einreichung nach § 2 6 1 b I I I ) . Für die später eingereichte Klage ergibt es sich, daß sie mangels Zuständigkeit unzulässig ist, so daß ihr Kläger die Verweisung nach § 276 beantragen muß. Ist die zuerst rechtshängige Klage bei dem unzuständigen Gericht erhoben und wird sie sodann nach § 276 an ein anderes Gericht verwiesen, so ist dieses andere Gericht (selbst wenn zu unrecht an dieses Gericht verwiesen wurde, § 276 I I ) zuständig. Ist im ersten Verfahren die Zuständigkeit umstritten oder wird sie im zweiten Verfahren bestritten, so ist das Gericht des zweiten Streites nicht befugt, von sich aus die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Streites zu prüfen, da § 606 I I es nur auf die Tatsache der Rechtshängigkeit (nicht auf die der Zuständigkeit) abstellt. E s darf deshalb ohne Rücksicht auf die Zuständigkeit und dann mit bindender Wirkung verweisen (§ 276 I I ) ; es darf aber auch, sofern im ersten Streit die Zuständigkeit umstritten ist, insoweit aussetzen (§ 148), wodurch aber der Kläger des zweiten Streits Nachteile erleiden kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen gleichzeitig rechtshängige (§ 263 I) Klagen bezüglich derselben Ehe vom selben Gericht entschieden werden. § 606 I I 2 ordnet deshalb an, daß § 36 anzuwenden sei, wenn am selben Tage gegensätzliche Eheklagen über dieselbe Ehe an verschiedenen Gerichten erhoben worden sind; die Norm ist deshalb für den Fall entsprechend anzuwenden, daß eine Klage an das Gericht des ersten Streites verwiesen wurde (§ 276 I I ) und danach die Klage des ersten Rechtstreits an ein anderes Gericht verwiesen wird. b) Auf die Reihenfolge nach § 606 ist von gerichts wegen zu achten, auch in der R e visioninstanz (RGZ 130/54); doch kann sich die Prüfung in der Revisioninstanz nur darauf erstrecken, ob das richtige Berufunggericht entschieden hatte. Ferner wird der Gerichtsstand nach § 263 I I 2 fixiert, wenn er zu irgendeiner Zeit von der Klageerhebung (§ 263 I) ab bis zum Erlaß (§ 516 A I) der Entscheidung irgendwann einmal gegeben war (RGZ 172/151f.). Erst wenn nirgends mehr ein gemeinschaftlicher, gegenwärtiger, inländischer Wohnsitz besteht, und auch keiner der Gatten dort den seinen hat, begründet der 3. Fall, der gewöhnliche, inländische Aufenthaltort der beklagten Partei bzw. der der klagenden, die Zuständigkeit des Gerichts. Durch den Wegfall des gewöhnlichen, inländischen Aufenthaltortes der beklagten Partei wird dann der der klagenden Partei begründet (4. Fall). Entfällt schließlich jeder der vier ersten Fälle, so wird das Landgericht Berlin (West) zuständig. Selbst wenn nach den genannten Normen ein inländischer Gerichtsstand begründet wäre, muß nicht im Inlande geklagt werden, soweit nicht § 606 a durchgreift. Andererseits darf nicht im Inlande geklagt werden, wenn nicht die Voraussetzungen des § 606 b gegeben sind. c ) Ist die Zuständigkeit für die Klage gegeben, so ist sie es auch regelmäßig für die Widerklage (§ 33), soweit sie zuzulassen ist (§§ 615 I I , 633 I I , 638); doch darf der Aufhebungklage, deren Zuständigkeit nur nach § 606 b I 2 begründet ist, keine Scheidungwiderklage entgegengesetzt werden; wohl aber der Mitschuldantrag. Sodann darf aber auch die klagende Frau einen Verschuldenausspruch gegen den Mann, wenn sie ihn auf die Aufhebungklage nicht stützen könnte, aus Scheidunggründen herleiten. d) Ist aber entgegen den zwingenden Regeln der §§ 606, 606b im Inland ein rechtskräftiges Urteil ergangen, so wirkt es im Inlande. D. Soweit das Urteil in einer Ehesache nach altem Recht rechtskräftig geworden das ausländische rechtskräftig gewordene anerkannt wurde, verbleibt es dabei; doch die Auswirkungen dem neuen Eherecht angepaßt worden. Dies gilt im besonderen von Urteilen, welche auf Grund des Haager Abkommens v. 12. 6. 1902 ( R G B l . 04/231) bis 1. 6. 1934 ( R G B l . I I 26) rechtskräftig geworden sind (§ 328 B I I I c).
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E . Welches auBerprozessuale Eherecht anzuwenden ist, bestimmt sich nach den Normen des inländischen zwischenstaatlichen Rechts (vgl. § 328 E I I I ) . E I. Handelt es sich um eine Scheidungklage, so gilt EG BGB Art. 17 (vgl. § 328 E I I I c). b) Nur inländisches Recht ist anzuwenden, b 1. wenn ausländisches auf inländisches verweist (RGZ 151/106) und
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b 2. wenn die Frau z. Z. des Erlasses des Urteils Deutsche ist und selbst (wider-)klagt und der Mann in irgendeiner Ehezeit Deutscher war; das entsprechende muß jetzt auch zugunsten des Mannes gelten. b 3. Bei gemischter Staatsangehörigkeit genügt, daß eine die deutsche ist. c) Gehören Mann und Frau keinem Staat an, so gilt EG BGB Art. 29. E II. Für die Aufhebung- und die Nichtigkeitklage ist von EG BGB Art. 13 auszugehen (vgl. § 328 E III b). b 2. Ist die Partei staatenlos, so gilt EG BGB Art. 29 (vgl. § 606b C III d). E IV. Für die positive wie die negative EhefeststeUungklage (§ 606 B I d) gilt das zur Nichtigkeitklage Gesagte. E V. Für die Herstellungklage, wenn man sie überhaupt noch zuläßt (vgl. § 606 B I e), kommt allein EG BGB Art. 14 zum zuge (RGZ 147/385). E VI. Ist es entgegen diesen Vorschriften zu einer rechtskräftigen Entscheidung gekommen, so wirkt sie im Inlande Rechtskraft (§ 328 B I a). b) Soweit die Wirksamkeit einer Ehe auf das Inland beschränkt ist (weil sie im Ausland nicht anerkannt wird), ist die inländische Zuständigkeit gegeben (KG J W 37/2523). Dasselbe gilt lür Staatenlose, welche im Inlande eine Ehe geschlossen haben, selbst wenn sonst nach dem Wortlaut des § 606 für sie im Inland kein Gerichtstand begründet wäre (vgl. KG J W 37/2523). Darüber hinaus muß aber der Gerichtsstand des § 606 gegeben werden, wenn sich Ausländer oder Staatenlose auf eine Eheschließung stützen, die nicht von ihrem Heimatstaat vorgenommen war, und nur im Inlande gilt, nicht aber in ihrem Heimatstaat, und wenn sie eine Ehesache deshalb im Inlande anhängig machen (vgl. RG Warn. 26/15), sofern sie im Inlande ihren gewöhnlichen Aufenthaltort haben. E VII. Ist ein Urteil gerechtfertigt sowohl nach inländischem wie nach dem möglicherweise in betracht kommenden ausländischen Recht, so darf dahingestellt bleiben, ob das ausländische Recht zum zuge kommt; doch müssen stets die tatsächlichen Feststellungen die Anwendbarkeit beider Rechte decken, und auch in der Revisioninstanz darf so erkannt werden, wenn die Feststellungen des Berufunggerichts ausreichen (RGZ 167/274), vgl. dazu § 563 B III b.
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(568, 606 II a. F.)
I Die Vorschriften des § 606 stehen der Anerkennung einer von einer ausländischen Behörde getroffenen Entscheidung nicht entgegen, 1. wenn der Beklagte eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, 2. wenn der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat oder wenn die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt im Ausland gehabt haben, oder 3. wenn der Beklagte die Anerkennung der Entscheidung beantragt. C II. § 606 a läßt die ausländische Eheentscheidung anerkennen, wenn der Beklagte eine fremde Staatsangehörigkeit hat, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Auslande hat oder die Gatten ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt im Auslande hatten oder wenn der Beklagte die Anerkennung der Entscheidung beantragt. a) Inland i. S. dieser Bestimmung ist der Geltungbereich der Zivilprozeßordnung (§ 12 A II a 1; RGZ 161/19), also die BRD, Westberlin wie die DDR (BGH NJW 56/1436 [insoweit er die Anerkennung der Eheurteil« der DDR billigt; anders nach BGH Z 30/1 bei erschlichenem Gerichtstand), auch wenn einer der Gatten im Westen seinen gewöhnlichen Aufenthaltort hat (OLG FamRZ 54/176; a. M. die DDR ausklammernd: BGH J R 52/477 = NJW 52/1415). a 1. Die Klage auf Unwirksamkeit eines Urteils der DDR ist als die auf Feststellung des Bestehens der Ehe zugelassen (OLG NJW 59/2023).
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§606a cn
b) Fremder Staatsangehöriger ist der, welcher eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, also nicht der Staatenlose und nicht der deutsche Staatsangehörige oder der, welcher ihm gleichgestellt ist. Nach § 606 a I 1 ist die ausländische Eheentscheidung schon dann anzuerkennen, wenn die beklagte Partei irgendeine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, selbst wenn sie daneben auch noch deutsche Staatsangehörige ist. Darauf, ob in solchen Fällen die Eheentscheidung gerade von dem Ausland herrührt, welchem die beklagte Partei angehört, kommt es nach dem Wortlaut des § 606 a I 1 zwar nicht an. Dennoch wird man zur inländischen Anerkennung der Eheentscheidung fordern müssen, daß sie von dem Heimatstaat anerkannt wird (vgl. § 606 b C III e), wobei bei mehrfacher Staatsangehörigkeit es allerdings ausreicht, daß ein Heimatstaat die Eheentscheidung anerkennt. Andererseits kann auch die Eheentscheidung eines ausländischen Staats selbst dann anzuerkennen sein, wenn die beklagte Partei auch Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthaltsort im Inlande ist. b 1. Der Begriff der deutseben Staatsangehörigkeit ergibt sich aus dem inländischen Staatsangehörigkeitrecht. Maßgebend sind danach GG Art. 16, 116, das Reichs- und StaatsangehörigkeitG v. 22. 7. 1913 (RGBl. 583) i. F. des G v. 5. 11. 1923 (RGBl. I 1077) i. V. m. der VO über die deutsche Staatsangehörigkeit v. 5. 2. 1934 (RGBl. I 85). Soweit Länder nach 1945 eine neue besondere Landesangehörigkeit geschaffen haben (Bay Verf. Art. 6 [8]), sind die Landesangehörigen zugleich Bundesangehörige nach R u. StAngehörigkeitG § 3. Ergänzt wird das Gesetz durch das G zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit v. 22. 2. 1955 (BGBl. I 65), durch das zweite G v. 17. 5. 1956 (BGBl. I 431) und durch das dritte G v. 19. 8. 1957 (BGBl. 11251). Die frühere Rechtsprechung ist überholt. Ist nach geltendem Recht jemand zwar nicht Deutscher, so kann er doch den deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sein (vgl. § 606a C II b 2folg.). Ohne Einverständnis des Deutschen wird die Staatsangehörigkeit nach GG Art. 16 nicht verloren. b 2. Soweit vertriebene Volksdeutsche (BVFG §§ 6—8) nicht deutsche Staatsangehörige sind (§606a C II b 1), sind sie i. S. des §606 den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt (BVFG § 81). Erwerben sie nach der Vertreibung (BVFG §§ 3—5) eine fremde Staatsangehörigkeit, so verlieren sie die deutsche Rechtstellung (BVFG § 12). b 3. Den Deutschen in bezug auf § 606 b völlig gleichgestellt sind die verschleppten Personen und die Flüchtlinge (AHKG 23 Art. 3 I [AHK ABl. S. 140], geändert durch AHKG 48 [AHK ABl. S. 808], für die BRD und KommandanturG 9 v. 28. 8. 1950 [VOB1. 459] mit ÄnderungG v. 13. 4. 1951 [VOB1. 332] für Westberlin). Flüchtlinge und Verschleppte ungeklärter Staatsangehörigkeit, die im Auslande oder in der DDR ihren gewöhnliehen Aufenthaltort haben, fallen nicht unter das AHKG 23 (wie überhaupt die, welche keine Bescheinigung der IRO vorlegen). Zu prüfen von dem Gericht ist dann, ob ihre Staatsangehörigkeit festgestellt werden kann. Erkennt der fremde Staat ihre Zugehörigkeit nicht an, so ist ihre Staatsangehörigkeit nicht festgestellt (vgl. RGZ 162/128), also regelmäßig bei den Emigranten, im besonderen bei Letten (OLG SchlHA 49/236), bei Esten (vgl. OLG HEZ 1/58; a. M. KG J R 47/115), bei Litauern (OLG NJW 50/509) und bei nicht zurückgekehrten Jugoslawen (eingeschränkt auf die Fälle des jugoslawischen Staatsangehörigkeitgesetzes v. 23. 8. 1945 Art. 15, 16 bzw. des Dekrets v. 23. 10. 1946: LG SchlHA 53/138); sie würden (auch ohne AHKG 23) als Staatenlose unter § 606 fallen (§ 606b I 1). b 4. Dem entspricht das G über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet v. 25. 4. 1951 (BGBl. I 269). b 5. Soweit das Recht der DDR weitergehend Personen als deutsche Staatsangehörige anerkennt, sind sie auch in der BRD als deutsche zu behandeln, soweit dort Gruppen von Personen anders behandelt werden als in der BRD, wird das Recht der BRD nicht berührt, und soweit dort Deutsche nicht als solche anerkannt werden, gilt in der BRD nicht das Recht der DDR über die Staatsangehörigkeit (vgl. BGH NJW 54/651). b 6. Unter den Begriff des deutschen Staatsangehörigen fällt nicht mehr der Österreicher. Das Verhältnis zu ihm ist im zweiten StaatsangehörigkeitG v. 17. 5. 1956 (BGBl. I 431) geregelt; die frühere Rechtsprechung zu dieser Frage ist überholt.
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§606a cn
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b 7. Für Staatenlose gilt, soweit sie nicht unter § 6 0 6 a C I I b 2 — 4 fallen, nur § 6 0 6 a I 2 , 3 ; nicht aber § 606 a I 1. Die Norm des § 606 a I 2, 3 gilt ohne Rücksicht darauf," ob der Beklagte irgendeine Staatsangehörigkeit, einschließlich der deutschen, hat oder staatenlos ist, sofern der gewöhnliche Aufenthaltort des Beklagten im Auslande liegt oder der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im Ausland war. Dabei genügt es, daß eine dieser beiden Voraussetzungen gegeben ist. Über den Begriff des Aufenthalts vgl. § 606 C I a l , über den des Auslandes § 606 a C II a. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der von der Klageerhebung an (weil durch die Rechtshängigkeit die Zuständigkeit fixiert wird, vgl. § 263 A III) bis zur Rechtskraft der Entscheidung, soweit es darum geht, daß festzustellen ist, ob die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatten. Bei mehrfachem gemeinsamem Aufenthalt genügt es, daß auch nur einer im Auslande war. Soweit es darauf abgestellt wird, daß der Beklagte seinen (d. h. einen) gewöhnlichen Aufenthalt im Auslande hat, kommt es auf den Zeitpunkt der Anerkennung der Entscheidung an. Ohne Rücksicht auf diese Voraussetzungen bestimmt § 606 a I 3, daß die ausländische Eheentscheiaung anzuerkennen ist, wenn die beklagte Partei (§ 606a C II a 8) dies beantragt. b 8. Der Begriff der beklagten Partei hat in den §§ 606, 606 b einen anderen Sinn als in § 606 a. In den ersten Vorschriften ist er nämlich allein nach der Rechtshängigkeitwirkung der Klage zu beurteilen, in den letzten auch nach der Rechtskraftwirkung der Entscheidung; denn unter die beklagte Partei gehört nicht nur die im ersten Streit i. S. des § 606 beklagte, sondern auch die im zweiten Streit i. S. des § 606 beklagte bzw. die widerbeklagte (wobei dann aber die Frage praktisch werden kann, ob die auf Mitschuld beklagte Partei Widerbeklagte ist, § 33 D I b 2). Erhebt die beklagte Partei Widerklage bzw. stellt sie den (Mit)Schuldantrag, so ist sie zwar insoweit nicht bloß-beklagte, sondern auch klagende Partei, so daß insoweit §§ 606, 606b auf sie nicht anzuwenden sind, soweit in ihnen die beklagte Partei gekennzeichnet ist. Doch ergibt § 606 II 2 für den Fall des § 606 II 1 (aber nur für diesen) auch die Zuständigkeit für die Widerklage; im Fall des § 606 b gilt dies aber nicht schlechthin (§ 606 C I c). § 606a zieht dagegen die Rechtskraftwirkung in betracht; denn ausländische Eheentscheidungen sind um ihrer Rechtskraft willen anzuerkennen. § 606a gilt sowohl in bezug auf den unterlegenen wie in bezug auf den obsiegenden Beklagten, m. a. W., Beklagter i. S. des § 606 a ist sowohl der, gegen den eine Scheidung-, Aufhebung- bzw. Nichtigkeitklage durchgedrungen ist, wie der, gegen den eine solche Klage abgewiesen worden ist. Hat aber die Widerklage des Beklagten auf Scheidung, Aufhebung bzw. Nichtigkeit zur Lösung der Ehe geführt und ist die gegen ihn erhobene Klage (als unzulässig oder als unbegründet) abgewiesen worden, so sollte man ihn nicht als Beklagten i. S. des § 606a ansehen; denn wäre nur die Klage gegen ihn erhoben, so wäre es nicht zu der Eheentscheidung gekommen, die anerkannt werden soll (also nicht zur Lösung, sondern zur Aufrechterhaltung der Ehe). Von dem hier vertretenen Standpunkt aus genügt es allerdings, daß gegen die beklagte Partei eine Mitschulderklärung durchgekommen ist. Andererseits geht es bei den Bestandfeststellungklagen überhaupt nicht an, die Anerkennung nach der Parteirolle des Beklagten ausrichten zu wollen, weil die Erhebung der Klage nicht entscheidend sein kann. Wenn man hier nicht beide Parteien als Beklagte i. S. des § 606 a behandeln will, so wird man als Beklagten nur den, der einer positiven Klage unterlegen ist, also den Kläger, der positiv klagt, aber abgewiesen wurde bzw. den Beklagten, der negativ verklagt wurde und unterlegen ist, ansehen dürfen. e) § 606 a gibt eine Regel für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen. c 1. Über sie wird jetzt von den Justizverwaltungbehörden entschieden, wenn es um eine Entscheidung geht, durch die eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, geschieden oder ihr Bestand oder Nichtbestand festgestellt worden ist (4. DVO EheG 38 § 24 bzw. in der BZ AVO EheG 46 § 28). Liegen die Voraussetzungen des § 606a vor, so ist die ausländische Eheentscheidung anzuerkennen.
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Verfahren in Ehesachen
§606 a cn
c 2. Nach § 606 a wird es nur auf die beklagte Partei, ihre Zugehörigkeit zu einem fremden Staat (§ 606a I 1), ihren Auslandsaufenthalt (bzw. den letzten gemeinschaftlichen der Gatten im Ausland; § 606a I 2) bzw. ihren Antrag auf Anerkennung der ausländischen Entscheidung abgestellt (§ 606a I 3). c 8. Auf die Staatsangehörigkeit der Frau kann es nach §§ 606a I 1, 606b ankommen. Durch die Eheschließung als solche verliert die Frau nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, selbst wenn sie durch sie eine ausländische erwirbt. Doch kann sie nach StaatsangehörigkeitG § 25 die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, wenn sie (bzw. ihr gesetzlicher Vertreter) jenen Erwerb beantragen und sie weder im Inlande (§606aCIIa) ihren Wohnsitz (§13) noch ihren dauernden Aufenthalt (§ 16) hat und nicht zuvor sich dazu die inländische Genehmigung erteilen läßt. Dem steht GG Art. 16 nicht entgegen. Die deutsche Frau bleibt Deutsche, wenn sie durch die Heirat keine ausländische Staatsangehörigkeit erhält (wann dies der Fall ist, vgl. den Kommentar). Nach der hier vertretenen Auffassung behält sie aber auch die deutsche Staatsangehörigkeit bei der Eheschließung mit dem Staatsangehörigen, dessen Staatsangehörigkeit sie durch die Eheschließung erwirbt (vgl. den Kommentar). c 4. Durch Eheschließung mit einem Deutsehen erwirbt jedenfalls die fremdstaatliche Frau auf grund ihres Einbürgerungantrags die deutsche Staatsangehörigkeit; ob sie ihre fremdstaatliche verliert, richtet sich nach ihrem Heimatrecht. c 5. Im Verhältnis zu Belgien gilt das belgisch-deutsche Anerkennung- und Vollstreckungabkommen v. 30. 6.1958 (BGBl. 59 II 766) Art. 4.
§ 606 b (568,
606 III a . F.)
I Besitzt keiner der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit, so kann von einem deutschen Gericht in der Sache nur entschieden werden, 1. wenn der gewöhnliche Aufenthaltsort des Mannes oder der Frau im Inland gelegen ist und nach dem Heimatrecht des Mannes die von dem deutschen Gericht zu fällende Entscheidung anerkannt werden wird oder auch nur einer der Ehegatten staatenlos ist; 2. wenn die Frau zur Zeit der Eheschließung deutsche Staatsangehörige war und sie auf Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe oder auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe oder der Staatsanwalt auf Nichtigerklärung der Ehe klagt. C III. § 606 b schränkt den § 606 ein, d. h. auch wenn die Voraussetzungen der Zuständigkeit der inländischen Gerichte nach § 606 gegeben sind, dürfen sie nicht entscheiden, soweit dies nicht § 606b zuläßt. a) Danach sind die inländischen Gerichte zuständig, wenn die Zuständigkeit nach § 606 gegeben ist, a 1. sofern nur ein Ehegatte (auch) deutscher Staatsangehöriger ist oder den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt ist (§ 606a C II b 2—5), a 2. sofern eine Frau, welche z. Z. der Eheschließung Deutsche (oder ihr gleichgestellt) war, auf Aufhebung, Nichtigerklärung, Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens des Ehe oder der Staatsanwalt auf Nichtigerklärung der Ehe klagt (§ 606b I 2), a 3. sofern einer der Gatten seinen gewöhnlichen Aufenthaltort (was nach deutschem Recht zu beurteilen ist, KG JW 36/3570, Kommentar § 16 A I) im Inlande hat und einer von ihnen staatenlos ist (§ 606b 11) oder a 4. wenn die Entscheidung nach dem Heimatrecht der Gatten dann anerkannt wird, wenn sie ein inländisches Gericht fällt (§ 606b I 1). b) Die Regelung des § 606b I 2 hing mit der des möglichen Staatsangehörigkeitverlustes der Frau durch die Heirat zusammen (vgl. § 606aCIIc3). Ein Verlust der des Mannes durch sie tritt nicht ein.
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§606b cm
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b X. Nur soweit die deutsche Frau sich der deutschen Staatsangehörigkeit begeben hat, wie sie die fremde erlangte, wird § 606 b I 2 praktisch, sie darf also im Inlande trotz fremder Staatsangehörigkeit beider Gatten klagen (KG J W 37/1324) und ohne Rücksicht darauf, ob einer von ihnen einen inländischen Aufenthaltsort hat. Soweit ein Teil Deutscher ist, kommt § 606b I 2 nicht zum zuge (LG J R 50/247). b 2. Der Gerichtstand nach § 606b I 2 ist nur zu begründen für die Klagen auf Aufhebung (§ 606 B I b), Nichtigkeit (§ 606 B I c), Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe (§ 606 B I d), nicht also auf Scheidung (§ 606 B I a, vgl. aber über die Frage des Mitschuldantrages, Kommentar § 606 E I b 2), oder wenn der Staat(sanwalt) auf Nichtigkeit klagt. c) Hat keiner der Gatten die deutsche Staatsangehörigkeit, so muß einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inlande haben und außerdem einer von ihnen staatenlos sein oder die inländische Entscheidung vom (in betracht kommenden ausländischen) Heimatstaat anerkannt werden (vgl. aber auch die Ausnahmen in § 606b I 2). Haben deshalb beide Gatten (abgesehen vom Fall des § 606 b I 2) eine (nicht notwendigerweise: dieselbe) fremde Staatsangehörigkeit, so soll nach § 606 b I 1 die inländische Entscheidung im Heimatstaat des Mannes anerkannt werden. c 1. Nach GG Art. 3 wird indes jetzt zusätzlich zu fordern sein, daß die inländische Entscheidung auch vom Heimatstaat der Frau anerkannt wird, wenn sie eine andere Staatsangehörigkeit hat als der Mann. c 2. Hat einer der Gatten eine mehrfache Staatsangehörigkeit, so genügt die Anerkennung eines Heimatstaates. c 3. Die Anerkennung muß von allen fremdstaatlichen Behörden gleich sein (RGZ 85/156; gerichtliche Anerkennung bei behördlicher Nichtanerkennung genügt nicht, RGZ 143/130folg.; anders ist dies also nur, wenn auch nur einer der Gatten Deutscher oder staatenlos ist, bzw. bis zum Erlaß des inländischen Urteils es wird, vgl. RGZ 113/38folg.). Liegt indes nach ausländischem Recht eine Nichtehe vor, so kommt es nicht auf die Anerkennung der inländischen Entscheidung durch das Ausland an (RGZ 105/365). e 4. Es genügt, daß die inländische Zuständigkeit zu irgend einer Zeit während des Streites gegeben ist (§ 606 C I b). Soweit die inländischen Gerichte entscheiden dürfen, müssen sie es. Die Verbürgung der Gegenseitigkeit i. S. des § 328 I 5 spielt dabei keine Rolle (RGZ 149/234). Die Staatsangehörigkeit der Gatten ist, weil zur Prozeßbedingung gehörend, von gerichts wegen zu prüfen (RG J W 33/2582; auch in der Revisioninstanz: RG D J 34/35). c 5. Über die Kostensicherheit vgl. § 110, über die Bewilligung des Armenrechts § 114 C. d) Staatenlosigkeit ist gegeben, wenn eine Person keinem Staat, aber auch keinem souveränen Orden angehört. Die inländischen Gerichte entscheiden bei Staatenlosen nach inländischem Recht (LG IPRspr. 45—49/116), indes sind sie nur zuständig bei gewöhnlichem inländischem Aufenthalt der Staatenlosen (LG IPRspr. 45—49/92). e) Die Anerkennung inländischer Entscheidungen im Auslande (über Einzelheiten vgl. den Kommentar) ist e 1. als nicht gegeben anzusehen zu Ägypten, Äthiopien, Afghanistan, Andorra, Argentinien, Brasilien, Chile, Irak, Iran, Irland, Israel, Italien, Jemen, Kolumbien, Libanon, Liechtenstein, Malta, San Marino, Marokko, Paraguay, Polen, Portugal, Rumänien, Saudi-Arabien, Sowjetunion, Spanien, Syrien, Tunis, Türkei, Ungarn, Vatikan, e 2. als gegeben anzusehen zu Albanien (bei Anwendung albanischen Rechts), Australien (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Belgien (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist und belgische Scheidung-, Aufhebung- oder Nichtigkeitgründe gegeben sind), Bolivien (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Bulgarien (wenn der Beklagte in Deutschland seinen Wohnsitz hatte), Costa Rica (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Cuba (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist und nicht gegen cubanisches Recht verstoßen wurde), Dänemark und Grönland (bei Wohnsitz des Beklagten in Deutschland bzw. letztem gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland), Dominikanische Republik (bei Wohnsitz in Deutschland), Ecuador (bei Wohnsitz in Deutschland), Finnland (bei Wohnsitz in Deutschland bzw. dem des Beklagten in
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Verfahren in Ehesachen
§ 606b c m e 2
Deutschland bei Gründen, die z. Z. der Beendigung des gemeinsamen, deutschen Wohnsitzes gegeben waren), Frankreich und Monaco (wenn Franzosen keinen Wohnsitz in Frankreich haben bzw. mit deutschem Verfahren einverstanden sind), Griechenland (wenn griechisches Recht angewandt wird und Deutschland nach griechischem Prozeßrecht zuständig ist), Grönland (vgl. Dänemark), Großbritannien und Nordirland (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Guatemala (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Haiti (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist und der Scheidunggrund nach dem Recht Haitis besteht), Honduras (wenn Deutsehland Wohnsitzstaat ist), Island (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Japan, Jugoslawien (wenn Aufenthalt in Deutschland und kein Wohnsitz oder Aufenthalt auch nur eines Gatten in Jugoslawien), Kanada (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Luxemburg (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Monaco (vgl. Frankreich), Mexiko (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist und das in betracht kommende ausländische Recht beachtet wurde), Neuseeland (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Nicaragua (wenn Deutschland Wohnsitzstaat ist), Niederlande (wenn niederländisches Recht beachtet wurde), Norwegen (falls kein Wohnsitz in Norwegen und Wohnsitz in Deutschland), Österreich, Panama (falls Deutschland Wohnsitzstaat ist), Peru (falls Deutschland Wohnsitzstaat ist), San Salvador (falls Deutschland Wohnsitzstaat ist), Schweden (wie in Finnland), Schweiz (falls kein Wohnsitz in der Schweiz und Wohnsitz eines Gatten in Deutschland), Südafrikanische Union (falls Deutschland Wohnsitzstaat ist), Tschechoslowakische Republik, Uruguay (falls Deutschland Wohnsitzstaat ist), Venezuela (falls Deutschland Wohnsitzstaat ist), Vereinigte Staaten von Amerika (falls Deutschland Wohnsitzstaat ist), e 3. ungeklärt zu China, Indien, Indonesien, Liberia, Pakistan, Thailand, f) Hat einer der Gatten die deutsehe Staatsangehörigkeit (oder ist er einem deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt), so ist stets die inländische Zuständigkeit zu begründen (wenn sie auch nicht notwendigerweise begründet sein muß, vgl. § 606 C I b); ist einer der Gatten staatenlos, so ist die inländische Zuständigkeit nur zu begründen, wenn einer von ihnen (nicht notwendigerweise gerade der Staatenlose) im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Dasselbe gilt für die Klage beider ausländischer Ehegatten (RGZ 126/353), nur daß hier noch zusätzlich die inländische Entscheidung in deren Heimatstaat(en) anerkannt werden muß, oder wenn die Frau z. Z. der Eheschließung noch Deutsche war und nur auf Aufhebung, Nichtigkeit, Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe oder der Staat(sanwalt) auf Nichtigkeit der Ehe klagt. Über die Erweiterungen des Gerichtstandes vgl. § 606 a C II a, b
§ 607
(569)
I In Ehesachen ist die Staatsanwaltschaft zur Mitwirkung befugt. II Der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht sowie vor einem beauftragten oder ersuchten Richter kann der Staatsanwalt beiwohnen. Er ist von dem ersten zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termin von Amts wegen in Kenntnis zu setzen. III Er kann sich über die zu erlassende Entscheidung gutachtlich äuBern und, sofern es sich um die Aufrechterhaltung einer Ehe handelt, neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen. IV Im Sitzungsprotokoll ist der Name des Staatsanwalts anzugeben, auch sind die von dem Staatsanwalt gestellten Anträge in das Protokoll aufzunehmen. A I. § 607 I gibt dem Staatsanwalt (als Vertreter des Staates) in Ehesachen (§ 606 B I) das Recht (nicht die Pflicht) mitzuwirken. Anwaltzwang für ihn besteht nicht. Zuständig ist der für das Gericht zuständige leitende Beamte der Staatsanwaltschaft, in der Zwischeninstanz noch der leitende Beamte der unteren Instanz (vgl. im übrigen § 632 A I a 1). a) Da die Bestimmung dem Staat nur in beschränktem Umfang Rechte einer Partei gewährt, entfällt sie, soweit der Staat in Ehesachen Parteistellung hat. A II. Vom ersten Termin in einer solchen Ehesache ist die Staatsanwaltschaft von der Geschäftstelle zu benachrichtigen (§ 607 II 2, vgl. auch AktenO § 38 I 5). Nach GVG 86
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§607 An
ZPO VI. Buch
§ 138 I I wird vor der Entscheidung des großen Senats der Bundesanwalt gehört. Die Unterlassung der Gebote der Justizverwaltung hat keine Folge für den Prozeß (a. M. RGZ 164/64, sie sei Revisiongrund). B I. Das Mitwirkungrecht beginnt mit der Einleitung eines Aulhebung-, Scheidung(oder Herstellung)verfahrens (schon mit dem Vorverfahren) und endet erst mit der Rechtskraft der Entscheidung (vgl. RG J W 30/1335), obwohl der Staatsanwalt kein Rechtsmittel einlegen kann. B II a) Sein Recht auf Anhörung ist insoweit beschränkt, wie er nur mit Vorbringen und Fragen gehört wird, wenn sie dazu dienen, die Ehe aufrecht zu erhalten (§ 607 III). a 1. Insoweit darf er auch Beweise antreten, a 2. Fragen an Zeugen und Sachverständige stellen wie die sich bei der Beweisaufnahme f ü r die Parteien ergebenden Rechte ausüben. b) Soweit der Staatsanwalt erklärt, mitwirken zu wollen, sind auch ihm Abschriften des Parteivorbringens, der Verfügungen und Beschlüsse des Gerichts wie das Urteil mitzuteilen; während es andererseits ihm gestattet ist, sich auch schriftsätzlich zu äußern, was wieder dem Gericht und den Parteien mitzuteilen ist. B III. Sachanträge darf der Staatsanwalt nicht stellen.
§ 608
(570)
I Wer eine Scheidungsklage oder eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens beabsichtigt, hat bei dem für die Klage zuständigen Gericht einen Sühneversuch zu beantragen. In dem Antrag hat er die Gründe anzugeben, auf die er die Klage stützen will. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. A I. Der Sühneversuch ist für Scheidung- und Herstellungklage Prozeßbedingung (RG Z 18/363). Die einzige Folge, die darauB zu ziehen ist, ist aber die, daß derTerminantrag abgelehnt werden darf (§ 609 II). Ist Verhandlungtermin angesetzt, so liegt darin stets die (stillschweigende) Abstandnahme nach § 609 I. B I. Das Verfahren wird eingeleitet durch den (vom Anwaltzwang befreiten) Antrag auf Anberaumung eines Sühnetermins (§§ 608 1 3; 78 II), der schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftstelle erklärt werden darf und die Klagegründe enthalten soll (§ 608 I 2). Enthält er sie nicht, so wird der Fristablauf nicht unterbrochen, wenn es zur Klageerhebung kommt (EheG §§ 50 III, 51 I), enthält er gar kein substantiiertes Vorbringen, so darf er als unzulässig zurückgewiesen werden (wogegen die Beschwerde nach § 567 zulässig ist); enthält die Klage nichts von dem Vorbringen des Sühneverfahrens, so sollte § 614 II entsprechend angewandt werden. B II. Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft ist nicht vorgeschrieben, andere Personen dürfen (abgesehen von den Prozeßvertretern) nicht zugelassen werden, es sei denn, daß die Parteien damit einverstanden sind.
§ 609
(573, 611)
I Der Vorsitzende kann den Sühneversuch erlassen, wenn sich der Beklagte im Ausland aufhält oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist, wenn dem Sühneversuch ein anderes schwer zu beseitigendes Hindernis entgegensteht, das von dem Kläger nicht verschuldet ist, oder wenn die Erfolglosigkeit des Sühneversuchs mit Bestimmtheit vorauszusehen ist. H Solange den Vorschriften über den Sühneversuch nicht genügt ist, hat der Vorsitzende die Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung abzulehnen. A II. Der Antrag auf Befreiung vom Sühnetermin unterliegt dem Anwaltzwang (§ 78 I), weil er nur in Verbindung mit der Klageeinreichung Sinn hat.
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Verfahren in Ehesachen
§609
A III. Entbindet der Vorsitzende vom Sühneversuch, auch wenn ein Grund für die Befreiung nicht vorliegt, so ist diese Entscheidung nicht angreifbar (RG Gruch. 33/118f.); dagegen ist, wenn der Vorsitzende die Befreiung vom Sühnetermin ablehnt, § 567 gegeben (vgl. § 252 A). B. § 609 I nennt vier Befreiunggründe: Aufenthalt des Beklagten im Ausland, unbekannter Aufenthalt des Beklagten (§ 203 B I), ein vom Kläger unverschuldetes, schwer zu beseitigendes Hindernis. Der häufigste Grund ist, daß mit Bestimmtheit vorauszusehen ist, daß der Sühneversuch ohne Erfolg verläuft.
§ 610 (572) I des Die des
Der Sühneversuch findet vor dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied Gerichts statt. Zu dem Termin ist das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen. Parteien sind von Amts wegen und persönlich zu laden. Dem Gegner ist eine Abschrift Antrags mitzuteilen.
II Erscheint zu dem Sühneversuch der Kläger nicht, so hat er einen neuen Sühneversuch zu beantragen. Erscheint der Kläger, aber nicht der Beklagte, so kann der Richter die einmalige Wiederholung des Sühneversuchs anordnen; andernfalls ist der Sühneversuch als mißlungen anzusehen. III Die Parteien können sieh in dem zum Sühneversuch bestimmten Termin nicht durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Beistände können zurückgewiesen werden. A I. Sühnerichter ist der Vorsitzende oder ein von ihm beauftragtes Mitglied des Prozeßgerichts, nicht der ersuchte Richter (§ 610 I 1). Die Parteien dürfen sich im Termin nicht durch Bevollmächtigte vertreten lassen (§ 610 I I I 1). a) Die Parteien sollen grundsätzlich persönlich erscheinen; doch fordert auch die Verhandlung vor dem Sühnerichter ihre ProzeBfähigkeit, die indes erweitert ist (§ 612 I). An die Stelle der prozeßunfähigen Partei tritt ihr gesetzlicher Vertreter (§ 612). a 1. Dem entspricht es, daß die Parteien persönlich zu laden sind (§ 610 I 3) und daß dabei anzuordnen ist, daß sie persönlich erscheinen sollen (§ 610 I 2). Eine Strafe darf für den Fall des Nichterscheinens nicht angedroht werden, auch gibt es kein unmittelbares Zwangmittel. b) Bei der Ladung soll dem Antragsgegner die Abschrift des Sühneantrags mitgeteilt werden; geschieht dies nicht, so darf der Beklagte nicht als nichterschienen behandelt werden, wenn er nicht erscheint. c) Ob in diesem Verfahrenabschnitt nach § 176 nicht bloß die Partei, sondern auch der Prozeßbevollmächtigte zu laden ist, ist streitig. A II. Der Antrag auf Ladung zum Sühnetermin (anders die Klagezustellung) begründet keine Rechtshängigkeit; im besonderen nicht für die Anwendung des BGB §§ 1933, 2077, 2268, 2278 (RGZ 96/202f.), doch nehmen EheG §§ 50 I I I , 51 I auf ihn bezug. A III. Aus der Vorschrift des EheG § 50 I I I 2 ist zu entnehmen, daß, wenn die Klage nicht binnen dreier Monate nach dem Sühnetermin eingereicht worden ist (§ 261b III), der Sühnetermin nicht mehr zu beachten ist. B I. Erscheint zum Sühneversuch der Kläger nicht, so gilt sein Antrag als nicht gestellt (§ 610 I I 1); damit entfällt die fristwahrende Wirkung des Antrags nach EheG §§ 50 I I I 2, 51 I. War der Kläger ohne sein Verschulden nicht erschienen, so ist nach EheG § 50 IV das EheG § 35 I I I , IV entsprechend anzuwenden, so daß unter Bezugnahme auf den alten Antrag neuer Termin erbeten werden darf. Ist die Ladungfrist nicht gewahrt (§ 217), so wird neuer Termin anzusetzen sein. § 337 gilt entsprechend; dagegen hat der Beklagte kein Vertagungrecht. 86*
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§610
ZPO VI. Buch
B II. Erscheint der Kläger, aber nicht der Beklagte, so soll das Gericht vertagen oder die Wiederholung des Sühneversuchs anordnen, wenn der Beklagte nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig (§ 217) oder unter Weglassung der Übermittlung der Antragschrift (§ 610 I 4) geladen war oder unverschuldet den Termin nicht wahrnehmen konnte (§ 337 entsprechend); sonst wird nicht vertagt und braucht auch nicht vertagt zu werden. B III. Erscheinen beide Parteien, so wird mit ihnen verhandelt. Prozeßbevollmächtigte für diesen Termin gibt es nicht, wohl aber Beistände (§ 90), die aber zurückgewiesen werden dürfen. Anwälte werden dabei gewohnheitrechtlich nicht zurückgewiesen. C. Die Verhandlung ist nicht öffentlich (GVG § 170).
§ 611
(573)
weggefallen. § 6 1 2 (—) I In Ehesachen ist ein in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Ehegatte prozeBfähig; dies gilt jedoch insoweit nicht, als nach § 30 des Ehegesetzes nur sein gesetzlicher Vertreter die Aufhebung der Ehe begehren kann. II Für einen geschäftsunfähigen Ehegatten wird der Rechtsstreit durch den gesetzlichen Vertreter geführt. Der gesetzliche Vertreter ist jedoch zur Erhebung der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens nicht befugt; zur Erhebung der Scheidungsklage oder der Aufhebungklage bedarf er der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. A I . Den in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten gibt § 612 I in allen Ehestreiten die Prozeßfähigkeit, mit Ausnahme des Aufhebungbegehrens nach EheG § 30 I 2. Insoweit ist § 455 II anzuwenden; doch darf eine unter 16 Jahren alte Partei nicht als Partei vernommen werden. A O. Prozeßunfähig ist aber der beschränkt Geschäftsfähige für die Aufhebungsklage wegen fehlender Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (EheG §§ 3, 30 I 2). b) Die Vertretungmacht des gesetzlichen Vertreters erstreckt sich nicht auf die Verteidigung gegen eine Widerklage des anderen Gatten. A l l e ) Einer Genehmigung des Vormundschaftgerichts bedarf der gesetzliche Vertreter zur Klageerhebung, wenn der Kläger geschäftsunfähig ist; nicht aber wenn er es erst wird, nachdem die Klage erhoben worden ist (RGZ 86/15). Andererseits darf jeder Gatte, auch der Gegner, das Vormundschaftgericht anrufen, das die Ehe auch gegen den Willen des gesetzlichen Vertreters genehmigen darf (EheG § 30 III). B I. Für Geschäftsunfähige bleibt es bei der Begel des § 52, daß sie prozeßunfähig sind (vgl. § 51 B). Dabei kann es sich einerseits ergeben, daß der Gatte gerade bezüglich der Ehe geschäftsunfähig ist, während er es sonst nicht ist; dann ist er für Ehestreite prozeßunfähig (RG J W 22/1007). Umgekehrt schließt der Scheidunggrund des EheG § 45 noch nicht die Geschäftunfähigkeit in sich (RG Warn. 30/63). B II. Der Mangel der Prozeßfähigkeit ist von geriehts wegen zu beachten (§ 56 A). B DI. Ist die Partei nicht geschäftunfähig, so kann auch § 53 nicht zum zuge kommen (RGZ 126/262f. für den Abwesenheitpfleger; dies muß aber auch für den Gebrechlichkeitpfleger gelten; abgesehen von dem für einen Geisteskranken, RGZ 30/188). C I. Zur Erhebung der Scheidung- (§ 606 B I a) oder Aufhebungklage (§ 606 B I b) bedarf der gesetzliche Vertreter der Zustimmung des Vormundschaftgerichts (FGG § 45, § 612 II 2), was von geriehts wegen zu prüfen ist (§ 56 I). Zur Klage gehört auch die Widerklage, nicht aber die Eventualwiderklage des Schuldantrages (RG v. 28. 9. 1940 IV ZR 213/40, § 33
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Verfahren in Ehesachen
§612 ci
C I b 2). Da die Zustimmung zu den Prozeßbedingungen (§ 274 A I) gehört, genügt es, wenn sie bei Erlaß des Revisionurteils vorliegt (vgl. RGZ 86/17). C III. Zur Erhebung einer Nichtigkeit- und positiven oder negativen Ehefeststellungklage bedarf der gesetzliehe Vertreter nicht der Zustimmung des Vormundschaftgerichts, und er darf die Klage auch selbst erheben.
§ 6 1 3 (—) I Der Bevollmächtigte des klagenden Ehegatten bedarf einer besonderen, auf den Rechtsstreit gerichteten Vollmacht. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen. A. § 613 dehnt die Vorschrift des § 88 II auf den Eheprozeß zu Lasten des (wider-) klagenden (RGZ 45/419f.) Gatten aus. Die Vollmacht darf bis zum Erlaß (§ 516 A I) des Urteils beigebracht werden (vgl. RGZ 115/65), durch die Prozeßvollmacht des Prozeßbevollmächtigten der höheren Instanz wird die fehlende dar unteren Instanz gedeckt. A I. § 613 1 1 verlangt die Beibringung einer besonderen auf den Eheprozeß gerichteten Vollmacht (Spezialvollmacht) auf den postulationfähigen Bevollmächtigten des klagenden Gatten. A II. Das Erfordernis gilt für alle Ehesachen (§ 606 B), auch wenn der Kläger für den Bestand der Ehe eintritt (RGZ 45/420). a) Die Vollmacht muß das Begehren erkennen lassen, also auf Scheidung, auf Aufhebung, auf Nichtigkeiterklärung, auf Feststellung des Bestandes oder auf die des Nichtbestandes der Ehe lauten; dagegen braucht sie nicht den einzelnen Klagegrund zu enthalten. b) Soweit indes die Zielrichtung nicht geändert wird, wird man den Übergang von der einen auf die andere Klage für zulässig halten müssen, ohne eine neue Vollmacht fordern zu dürfen, also deckt die Vollmacht zur Scheidungklage die für die Aufhebungklage (RG Recht 07/1474), aber auch die für die Nichtigkeitklage (a. M. OLG 19/139f.) und die für die Feststellung des Nichtbestehens der Ehe, wie eine von diesen die für die anderen angeführten Klagen; dagegen nicht die für die auf den Bestand der Ehe gerichtete Feststellungklage. A III b) Die Prozeßvollmacht kann nicht auf einen Prozeßbevollmächtigten übertragen werden, im besonderen gilt nicht § 81, insoweit er den Prozeßbevollmächtigten der unteren Instanz ermächtigt, die Prozeßvollmacht auf den Prozeßbevollmächtigten der höheren Instanz zu übertragen (RGZ 45/420). c) Läßt sich der postulationfähige Bevollmächtigte durch einen anderen (Untervertreter) vertreten, so ist weder die schriftliche Vollmacht des Bevollmächtigten auf diesen noch die der Partei auf den Unterbevollmächtigten vorzulegen (RGZ 161/93). B I. Die Vollmacht braucht nicht vorzulegen (gewohnheitrechtlich) der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, der Rechtsmittelbeklagter ist (RGZ 45/420). Wer sich dagegen dem Rechtsmittel anschließt, ist Rechtsmittelkläger (Sydow-Busch § 613 Anm. 2, a. M. Schönke § 613 Anm. II 2); es sei denn, daß es um einen reinen Mitschuldantrag geht. B II. Der Beklagte, auch nicht als Rechtsmittelkläger und gleichviel, ob er für den Bestand oder den Nichtbestand der Ehe eintritt, braucht die Vollmacht nicht vorzulegen. Erhebt er Widerklage, so ist er insoweit Kläger, und sein Bevollmächtigter bedarf der Vollmacht (RG Recht 07/1474). Aber auch wenn er sie nicht vorlegt, so ist er doch als Prozeßbevollmächtigter nach § 176 in seiner Stellung als der des Beklagten zu beachten (RG N § 613/5). Dagegen wird der reine Schuldantrag (als Eventualwiderklage) nicht der (Wider-)Klage gleichgestellt (vgl. § 606 B I a 2). B III. Bei der Wiederaufnahmeklage verlangt die h. M. die besondere Vollmacht von dem Wiederaufnahmekläger ohne Rücksicht auf die Parteirolle des Vorprozesses (RG Warn. 37/103). Doch sollte man dem nicht folgen.
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§613
ZPO VI. Buch
C I. Soweit demnach der Kläger einer besonderen Vollmacht bedarf (§ 613 I 1), ist sie einzureichen (§80 1); über ihre Beglaubigung vgl. §80 11. Sie ist von gerichts wegen zu prüfen. C III. Vollmacht einzureichen hat auch der frühere Ehegatte, der klagt (Sydow-Busch § 613 Anm. 2).
§ 614
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I Bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können andere als die in der Klage vorgebrachten Klagegründe geltend gemacht werden. II Das neue Vorbringen und die Erhebung einer Widerklage ist von einem Sühneversuch nicht abhängig. A I. Weil es bei der Lösung bzw. bei dem Bestand einer Ehe um ein für zwei Parteien bestehendes Ganzes geht, gilt der Grundsatz der einheitlichen Entscheidung (RGZ 171/41), was bedeutet, daß, wenn die Parteien dasselbe Ziel aus entgegenstehenden Gründen begehren, darüber durch ein und dasselbe Erkenntnis zu entscheiden ist. a) Die erste Folge ist das Verbot der Klagetrennung (RGZ 5/379 f.) und das Gebot der Klageverbindung. Doch ist eine Verbindung verschiedener Verfahren, welche vor verschiedenen Gerichten schweben, nicht zulässig. Soweit sie nicht zu erreichen ist, steht der später rechtshängig gewordenen Klage (§ 263) der Einwand der Rechtshängigkeit (§ 274 II 4) entgegen, was von gerichts wegen zu beachten ist (RGZ 104/158). Ist eine von ihnen schon rechtskräftig entschieden, so ist nur zu prüfen, wieweit die Rechtskraftwirkung reicht (RGZ 59/412) bzw. § 616 anzuwenden, ist. Werden nachträglich im anhängigen Verfahren als Widerklage neben der selbständig erhobenen Klage im anderen Prozeß dieselben Klagegründe geltend gemacht, so steht der Widerklage die selbständig erhobene frühere Klage entgegen, sofern nicht verbunden werden kann (OLG Seuff. 66/108). Dies gilt auch, wenn der erste Prozeß schon in der Revisioninstanz schwebt, obwohl in ihr die neue Klage nicht zulässigerweise anhängig gemacht werden kann (RGZ 59/413), doch ist dann u. U. die Ausschlußzeit nach § 616 anders zu bemessen (RGZ 59/412). Bei gleichzeitiger Rechtshängigkeit sind beide Bekehren unzulässig (vgl. § 274 D IV). a 1. Bei den Nichtigkeit- und Bestandklagen zwingt die Schuldbelastungmöglichkeit bei Nichtigkeitklagen zur einheitlichen Behandlung. Der Rechtshängigkeiteinwand schließt die weiteren Klagen nur aus, wenn der Nichtbestand der Ehe sich ergibt, nicht wenn der Bestand festgestellt oder eine Nichtigkeitklage abgewiesen wird. Mit der Erhebung einer positiven oder negativen Bestand- wie einer Nichtigkeitklage werden alle Nichtigkeitgründe rechtshängig, derart, daß bezüglich des Fristenlaufs auf die Erhebung nur dieser Klagen zurückgegriffen werden darf, jedenfalls soweit es sich um die Schuldbelastung handelt. Soweit der Gegner solche Gründe geltend machen will, nachdem die Frist für ihn verstrichen war, bleibt es bei der Möglichkeit der Eventualwiderklage. a 2. Bei den Scheidung- und Aufhebungklagen (§ 615 C II) werden wegen der Schuldbelastungmöglichkeit alle Scheidung- und Aufhebunggründe, soweit es auf ihre Fristwahrung ankommt, auf den Zeitpunkt der Klageerhebung bezogen (RGZ 104/158); es darf deshalb ein Aufhebunggrund auch noch nachträglich geltend gemacht werden, wenn die Frist dazu z. Z. der Erhebung der Scheidungklage noch nicht verstrichen war (RG Warn. 20/42). Dies gilt auch bzgl. der Schuldbelastung für die (Eventual-(Widerklage. a 3. Entsprechend wird man einen Nichtigkeitgrund, der selbständig nicht mehr geltend gemacht werden kann, als Schuldgrund eventualiter geltend machen dürfen, auch wenn eine Scheidung- oder Aufhebungklage anhängig ist (OLG HRR 39/371). Das Umgekehrte gilt dagegen nicht. b) Die zweite Folge ist die, daß Teilurteile nicht ergehen dürfen (RGZ 171/40folg.) b 1. über die Scheidung- bzw. die Aufhebungklage und die Scheidungwiderklage bzw. die Aufhebungwiderklage wie wechselseitig vertauscht oder auch nur über einen Schuld-
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§614
Albi
antrag (RG Warn. 17/157). War deshalb der Streit über die Scheidungklage nach § 620 ausgesetzt, so durfte auch nicht die Aufhebungklage durch Teilurteil abgewiesen werden (RG Warn. 13/75); vielmehr durfte gar nicht ausgesetzt werden, da dies für Aufhebungklagen unzulässig ist. b 2. Für zulässig gehalten wurde nur das Teilurteil, das über eine Herstellung-(wider-) klage vorweg entschied (RGZ 122/212). b 3. Über die Klage, welche den Bestand der Ehe festgestellt haben will, wie die ihr entgegenstehende negative (Wider-)Klage und die Nichtigkeit-(wider-)klage darf ebenfalls kein Teilurteil ergehen. b 4. Das entgegen diesem Grundsatz erlassene Teilurteil wird nicht getrennt rechtskräftig. Wird gegen das Teilurteil der ersten Instanz Berufung eingelegt, so muß die Berufunginstanz die Einheitlichkeit des Erkenntnisses herstellen und deshalb entweder aufheben und zurückverweisen (§ 539) oder, wenn es sachlich erkennen will, auf den von der ersten Instanz noch nicht entschiedenen Teil vorgreifen, was es darf (§ 536 B II b 2). Wird gegen das Teilurteil der zweiten Instanz Revision eingelegt, so kann das Revisiongericht nur aufheben und zurückverweisen, solange nicht Schlußurteil ergangen ist. Ist das Schlußurteil ergangen und gegen dieses Revision eingelegt, so sind in der Revisioninstanz beide Streite zu verbinden. Aber auch wenn gegen das Schlußurteil keine Revision eingelegt wird, kann das Revisiongericht die einheitliche Entscheidung herstellen, soweit es die Revision gegen das Teilurteil sonst (d. h. ohne den fehlerhaften Erlaß als Teilurteil) zurückweisen müßte oder wenn es durcherkennen (§ 563) kann. Ist dies nicht der Fall, so muß zugleich das Schlußurteil mit von gerichts wegen aufgehoben werden (RGZ 107/350). Wird gegen das Teilurteil kein Rechtsmittel (bzw. Rechtsbehelf) eingelegt, so wirkt es wie ein unzulässiges Zwischenurteil nach § 303a. F., d. h. es ist in das Schlußurteil einzubeziehen. Gleichviel ob das geschieht oder nicht, so wird bei dem Rechtsmittel gegen das Schlußurteil die Einheit wieder hergestellt. Jedenfalls darf der durch das (unzulässige) Teilurteil Beschwerte sich an ein schwebendes Verfahren anschließen (RGZ 49/397f.); die Rechtsmittelinstanz darf weder ein geteiltes Verfahren bestehen lassen noch selbst teilen. b 5. Dementsprechend ist aber auch § 321 unanwendbar und die Übergehung eines Scheidung-, Aufhebung- oder (Mit-)Schuldantrages darf nur durch Rechtsmittel verfolgt werden (RG HRR 32/1789). Nur im Kostenpunkt darf ein Teilurteil ergehen oder dieser darf auch so getrennt werden (RG N § 616/13), so daß hier § 321 anwendbar bleibt (ebenso bei der Vollstreckbarkeit dieser Entscheidung, § 716). c) Die h. M. läßt indes selbst dann, wenn einheitlich entschieden werden könnte, diese Entscheidung nicht zu, wenn sie verschiedenen Rechtsbehelfen unterliegen würde. Demnach darf nicht einerseits kontradiktorisch, andererseits durch Versäumnisurteil entschieden werden (RG HRR 31/1606), immer vorausgesetzt, daß ein doppelpoliges Verfahren läuft, also es um Klage und Widerklage geht, so daß über eine nicht durch Versäumnisurteil entschieden werden dürfte (RGZ 58/307); in diesem Fall muß also auch bei Ausbleiben des Beklagten als Widerklägers und Berufungbeklagten (RG HRR 31/1606) bzw. des Beklagten als Revisionbeklagten kontradiktorisch entschieden werden (RG LZ 20/891). Kann indes eine einheitliche Entscheidung, die mit denselben Rechtsbehelfen angreifbar ist, ergehen, so steht ihrem Erlaß nichts entgegen. e 1. Über die Frage, inwieweit Versäumnisurteil erlassen werden darf, vgl. § 618 B. Auch in der Berufunginstanz ist grundsätzlich eine Versäumnisentscheidung zulässig, soweit nicht auch der Gegner Berufung oder Anschlußberufung eingelegt hat (RGZ 27/361, 363). Entsprechend hat RG Warn. 20/128 für die Revisioninstanz entschieden. c 2. Ergeht indes eine Entscheidung sowohl als Versäumnisentscheidung wie kontradiktorisch, so sind hier sowohl der Einspruch wie das Rechtsmittel zulässig. Auf das Rechtsmittel der Berufung ist dann zugleich auch über das Versäumnisurteil zu entscheiden, entweder durch Aufhebung beider und Zurückverweisung (§ 539; OLG J W 30/2995) oder auch auf dem Wege des Vorgriffs (§ 536 B); während auf das Rechtsmittel der Revision, wenn das Versäumnisurteil nicht angefochten worden und auch nicht mehr anfechtbar ist, unter Ein-
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beziehung dieser Entscheidung durch Aufhebung beider Entscheidungen undZurückverweisung (RG J W 24/44) zu erkennen ist. Auf den Rechtsbehelf des Einspruchs ist nochmals über den kontradiktorisch ausgeurteilten Teil zu entscheiden (RGZ110/135). Werden der Einspruch und das Rechtsmittel eingelegt, so ist ein doppeltes Verfahren in den Instanzen denkbar. Im Verhältnis zur Revisioninstanz darf diese aussetzen; wird dann in der zweiten Instanz korrekt verfahren, d. h. das erste mit der Revision angegriffene Urteil einbezogen, so wird die Revision unzulässig; doch darf gegen das zweite Urteil das Rechtsmittel eingelegt werden (soweit § 547 I 1 durchgreift oder die Revision zugelassen ist, § 546). c 8. Vom inkorrekten Verfahren ist die inkorrekte Entscheidung zu trennen (vgl. § 511 B IV). So kann ein Berufungurteil, das sich als Versäumnisurteil kennzeichnet, aber kontradiktorisch entscheidet, nur mit der Revision angegriffen werden (RG N § 618/2); während umgekehrt, wenn Versäumnisurteil zu erlassen war, das Berufunggericht aber kontradiktorisch entschieden hatte, nur der Einspruch zulässig ist (RG J W 16/1122). d) Aus dem Erörterten folgt, daß die Rechtskraft gehemmt wird, auch wenn nur eine Partei einen Rechtsbehelf eingelegt hat (RGZ 161/222). Erweiterungen und Anaohließungen sind zulässig (RG J W 01/323). d 1. Erging auf Klage und Widerklage Scheidungurteil, nahm dann der Mann die Klage zurück, so durfte er sich der Berufung der Frau anschließen (RG Warn. 24/190) bzw. Widerklage erheben (BGH J R 53/104). d 2. Dementsprechend sind auch Widerklagen gegen Widerklagen zuzulassen (§ 33 B I a 2, BGH MDR B 673/55). d 3. Rechtsmittelrücknahmen und -verzichte hindern die Erneuerung des Rechtsmittels bzw. die Anschließung nicht. Die Wirksamkeit der Rechtsmittelverzichte im übrigen ist nach allgemeinen Vorschriften zu beurteilen (RGZ 59/348). d 4. Dem Grundsatz entsprechend wird das Verfahren in der RevisioninBtanz insgesamt aufgehoben und zurückverwiesen (RG Warn. 20/129), wenn auch nur ein Angriff dies rechtfertigt, und das Berufunggericht entscheidet voll über den gesamten Streit. e) Der Grundsatz, einheitlich zu entscheiden, sollte auch im Wiederaufnahmeverfahren gelten, wenn in dem wiedereröffneten Verfahren zu entscheiden ist, so daß man dann über die in der Tatsacheninstanz ausgeurteilten Bestandteile hinausgreifen sollte (Jonas § 615 Anra. II 4; a. M. RGZ 171/41 f.). A II. Der Grundsatz einheitlicher Verhandlung und Entscheidung a) ändert nicht den Beibringunggrundsatz (RGZ 104/293). Nur für Scheidung- und Aufhebungklagen ergibt sich wegen der Vorschrift des § 616 eine gewisse weitergehende Prozeßlast b) Er ändert ferner nichts daran, daß das Gericht sich im Rahmen der Parteianträge halten muß (BayObLG Z 1950/25). b 1. Auch der Eheprozeß wird von den Anträgen der Parteien beherrscht (§ 308 I, RG H R R 34/50). Darüber, daß es gegen den Beklagten kein Versäumnisurteil gibt, vgl. § 618 B II. b 2. Soweit Rechtsbehelfe eingelegt werden, entscheiden grundsätzlich wiederum die Anträge der Parteien in der zweiten (RGZ 151/182) wie in der dritten Instanz (RGZ 160/33). Gegen den durch ordnungmäßigen Rechtsmittelantrag des Klägers erklärten Willen darf jedenfalls kein Scheidungurteil aufrechterhalten werden (RGZ 161/94; über die Frage der Beschwer in diesem Falle vgl. § 511 B II c 7). Wird gegen ein Urteil, das die Ehe aus Verschulden des Beklagten scheidet, Berufung eingelegt mit dem Antrage, auch auf die Widerklage zu scheiden und den Kläger für mitschuldig zu erklären, so darf das Berufunggericht weder den Ausspruch auf Scheidung noch die Schuldigerklärung des Beklagten nachprüfen (RG H R R 32/1792). Greift nur der Kläger ein beiderseits schuldig scheidendes Urteil an, so kann der Beklagte den ihn belastenden Schuldausspruch nur durch selbständiges oder unselbständiges Rechtsmittel angreifen (RGZ 161/219). b 3. Ferner gilt grundsätzlich § 536, wonach nicht auf den nichtangegriffenen Teil der Vorentscheidung vom Berufunggericht übergegriffen werden darf (RGZ 135/17), soweit dazu
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Verfahren in Ehesachen
§614 ADbS
nicht der Grundsatz der Einheitlichkeit des Verfahrens in Ehesachen zwingt (RGZ 156/113); wenn wegen Ehewidrigkeit in erster Instanz geschieden war, darf in zweiter ohne Anschließung nicht wegen Ehebruchs geschieden werden (RG Warn. 31/68). War geschieden und der Kläger auf Antrag des Beklagten für schuldig erklärt und hat nur der Beklagte Berufung eingelegt, so darf nicht der gegen den Kläger ergangene Schuldausspruch beseitigt werden (RGZ 161/219), wenn nicht zugleich die Scheidungklage abgewiesen wird. Doch ist auch, wenn die Entscheidung zur Widerklage nicht angefochten wurde, der Angriff auf die tatsächlichen Peststellungen insoweit zuzulassen, wie der Kläger sie zur Begründung der Klage benutzt (RGZ 151/183). Allerdings darf die Partei die Klage erweitern, (wenn sie Rechtsmittelkläger ist, sonst muß sie sich dem Rechtsmittel anschließen) bzw. Widerklage erheben (u. U. durch Anschließung). War in erster Instanz nach EheG § 42 (wegen Ehebruchs) geschieden, so bedarf es, wenn die Klage auf Ehewidrigkeiten gestützt wird (EheG § 43), nicht der Anschließung, weil nur weniger gefordert wird (RGZ 161/218). b 4. Siegt iin Revisionverfahren nur eine Partei ob, so muß, wenn aufzuheben ist, wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Entscheidung das gesamte (auch der nichtangegriffene Teil) Urteil aufgehoben werden (RG Warn. 16/259), soweit Teilentscheidungen unzulässig sind (§ 614 A I b 1). c) Auch wird die Eventualstellung (im Rahmen des sonst Zulässigen) grundsätzlich nicht ausgeschlossen (vgl. aber §§ 615, 633). c 1. Werden Scheidung- und Aufhebunggründe alternativ gebracht, so darf das Gericht über den entscheiden, der zuerst entscheidungreif ist (OLG JW 34/1195). c 2. Bei der Eventualstellung muß das Gericht die Reihenfolge beachten, welche der Kläger wählt (RGZ 88/341). d 1. Das Rechtsmittelverfahren ohne Beschwer ist grundsätzlich unzulässig (RG N § 614/20). Wurde in erster Linie Scheidung wegen Ehebruchs begehrt, so darf die mit dem Schuldigausspruch aus EheG § 43 obsiegende Partei das Rechtsmittel einlegen (OLG HRR 35/1428), aber auch, wenn nur wegen eines Ehebruchs anstatt wegen der behaupteten mehreren geschieden wurde (RGZ 123/135f.). Der, welcher mit der Klageabweisung obgesiegt hat, darf nicht Berufung einlegen, um Widerklage (auf Scheidung) zu erheben (RGZ 123/365). d 2. Darüber, daß zur Aufrechterhaltung der Ehe der Obsiegende das Rechtsmittel einlegen darf, um das seinem Antrag entsprechende Urteil zu vernichten, darüber vgl. § 511 B II c 7. Dies ist selbst dann zulässig, wenn der Gegner widerspricht und wenn er selbst den Mitschuldantrag gestellt hat und damit obgesiegt hatte (RGZ 115/375), sofern der Kläger auf den Klageanspruch verzichtet (§ 306). Nur die Klagerücknahme ist nach § 271 nicht ohne Einwilligung des Gegners zulässig (RGZ 115/377). Nach dem Ausspruch des Verzichts wird man es dem Gegner nicht gestatten dürfen, Widerklage zu erheben und sich dem Rechtsmittel anzuschließen, um die Scheidung usw. zu erreichen. e) Entsprechend der Möglichkeit, die Anträge zu trennen, darf auch über das Armenrecht getrennt entschieden werden (RGZ 151/47folg.); doch bedarf es keiner besonderen Bewilligung für den Hilfsantrag auf Mitschulderklärung (RGZ 144/132) wie überhaupt für die eventuelle Widerklage (§ 33 A II). A III. Das Gebot gleichzeitiger, also einheitlicher Entscheidung besteht nur insoweit, wie das Gericht überhaupt im Rahmen des Begehrens der Parteien entscheiden darf. Es gilt fernerhin nur, soweit nicht das außerprozessuale Recht oder auch das Prozeßrecht die Trennung der Entscheidungen fordert. a) Das Prozeßrecht läßt nur die einheitliche Verhandlung über positive und negative Ehebestandfeststellungklagen und Nichtigkeitklagen (§ 633) als erster Gruppe sowie andererseits über Scheidung- und Aufhebungklagen zu (§ 615). b) Dennoch besteht eine Überschneidung der Klageansprüche. b I. Werden die negative Bestandklage und die Nichtigkeitklage positiv, die positive Bestandsklage negativ entschieden, so bleibt für eine Klage der zweiten Gruppe (§ 615) kein Raum. Werdeil die negative Bestandsklage negativ oder die positive positiv entschieden, so be-
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Ambi
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einflussen diese Entscheidungen nicht die Entscheidungen der zweiten Gruppe; dasselbe gilt, wenn die Nichtigkeitklage abgewiesen wird. b 2. Wird über eine Klage der zweiten Gruppe entschieden, so wirkt die Entscheidung keine Rechtskraft gegen die erste Gruppe. b 3. Hinfällig wird aber auch die Entscheidung der zweiten Gruppe, wenn sie auf Scheidung oder Aufhebung lautete. c) Aber auch innerhalb der einzelnen Gruppen ergibt sich eine Rangfolge. c 1. Besteht eine Ehe nicht einmal formal (ist es eine Nichtehe), so kann nicht über ihre Nichtigkeit entschieden werden. Geht es nur um den Bestand der Ehe, so darf der positiven die negative Feststellungklage aus den Gründen der Klageüberlagerung nicht entgegengesetzt werden (§ 256 C IV a 2). Und das entsprechende gilt für die Nichtigkeitklage aus demselben Klagegrund, welche Gatten gegeneinander erheben wollten. e 2. Wird der Scheidungklage rechtskräftig stattgegeben, so ist die Erhebung einer nochmaligen Scheidung- oder Aufhebungklage unzulässig, selbst wenn durch sie das Schuldergebnis geändert werden könnte. Die Aufhebungklage schließt die Scheidungklage aus, verhindert aber nicht mehr den (Mit-)Schuldausspruch auf Grund von Scheidunggründen (§ 616 B II a). d) Alle Zwangslagen, die sich so für eine Partei ergehen können, sind Prozettlasten, niemals ist die Partei verpflichtet, eine Klage zu erheben oder einen Antrag zu stellen. B I. Nach § 614 I dürfen neue Klagegründe (§ 253 G IV) bis zum Verhandlungschluß vorgebracht werden, selbst wenn die Klagen ausdrücklich beschränkt waren (OLG HRR 39/700); auch darf die Widerklage neu (u. U. von vornherein als eventuelle, vgl. RG DR 40 A 1956) erhoben werden. Unter den Klagegründen in Ehestreiten versteht man grundsätzlich alle die, welche die Anwendung einer anderen Norm rechtfertigen; nur wenn mehrere Ehebrüche mit verschiedenen Ehebrechern behauptet werden, gehört jeder dieser zu einem besonderen Klagegrunde wegen EheG § 6, StGB § 172. a) Der Klagegrundwechsel ist in den Tatsacheninstanzen über § 268 I 1, 2 hinaus zulässig, m. a. W., der Kläger (Widerkläger) darf auch ohne Einwilligung des Gegners (RGZ 27/374f.) und des Gerichts (RGZ 31/10) für die erste wie für die zweite Instanz sein Klagebegehren ändern (RGZ 106/222). a 1. Der Wechsel des Klagegrundes ist sowohl zulässig innerhalb der Instanz wie im Wechsel der Tatsacheninstanzen, also im besonderen, wenn von der erstinstanzlichen Scheidungklage (RG JW 00/658) auf die Aufhebungklage (RGZ 164/162) oder von der Aufhebungklage zur Scheidungklage übergegangen oder die Reihenfolge von Haupt- und Hilfsanträgen umgestellt wird (RGZ 104/293). a 2. Hat allerdings der Kläger obgesiegt, so kann er nicht das Rechtsmittel einlegen, nur um zu einer anderen Klage überzugehen (wohl aber, um auf den Klageanspruch zu verzichten, § 511 B II c 7); hat aber der Beklagte das Rechtsmittel eingelegt, so darf er sich anschließen und dann wechseln. Die Anschließung ist erforderlich, wenn der Klagegrund geändert wird; es sei denn, daß ein Geringeres gefordert wird. Die erste Instanz darf so wegen Ehebruchs, die zweite wegen Ehewidrigkeit, die erste wegen verschuldeter Ehewidrigkeit (EheG § 43), die zweite wegen unverschuldeter (EheG §44) scheiden (RGZ 161/218); während bei der Umkehr richtigerweise die Anschließung zu fordern ist; ebenso, wenn die erste wegen Ehebruchs mit A, die zweite wegen Ehebruchs mit B (RGZ 156/113) scheidet. Ferner erfordert die Umstellung der Haupt- und Hilfsklagegründe, wenn der Kläger obgesiegt hat, die Anschließung (RG Warn. 28/151); war er indes mit dem Hauptgrund unterlegen und mit dem Hilfsgrunde durchgedrungen, so darf er wegen des Hauptgrundes regelmäßig schon das Hauptrechtsmittel einlegen, nicht bloß das Anschlußrechtsmittel. a 3. Soweit die Klage geändert wird, sind §§ 278 II, 279, 279a, 283 II, 529 II, III (RGZ 31/10folg.) unanwendbar. b) Eine Anschließung kommt aber nicht in Betracht, wenn nur der Klagegrund ergänzt wird (RG Warn. 21/16).
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c) Der Grundsatz gilt aber auch zugunsten des Beklagten, der Widerklage einlegen will und darf, ohne daß § 529 IV entgegengesetzt werden darf. Der Beklagte darf sowohl, wenn er mit seiner in erster Instanz erhobenen Widerklage unterlegen ist, nur ihretwegen (RG JW 98/117) wie aber auch, um erst Widerklage zu erheben, Berufung einlegen, sofern er beschwert ist (RG JW 28/2132). Doch kann auch hier der Beklagte, wenn er gar nicht beschwert ist, etwa wenn seinem Abweisungantrag stattgegeben wurde, nicht das Rechtsmittel einlegen, um Widerklage zu erheben (RG DR 41 A 106). Dies gilt auch für die Erhebung der eventuellen Widerklage, deren Erhebung zulässig ist (RG DR 40 A 1956). B II. Die Norm des § 614 I gilt aber nicht a) für die Änderung des Klagegrundes außerhalb derselben Gruppe (§§ 615, 633). Bei einem Wechsel von einer Gruppe zur anderen liegt eine nach § 264 zu beurteilende Klageänderung vor (KG ZZP 56/194). b) Auch In der Revisioninstanz, wo nur die Klagebeschränkung (einschließlich der Modifikation) zulässig ist, nicht die Klageerweiterung (§ 559 D II), gilt § 614 nicht (RGZ 164/61). B HI. EheG § 51 bestimmt, daß neue Scheidungsgründe wegen Verschuldens geltend gemacht werden dürfen, wenn die Fristen des EheG § 50 (die nur bei Klagen wegen Verschuldens laufen) z. Z. der Klageerhebung noch nicht verstrichen waren, gleichviel ob der Kläger oder der Beklagte als Widerkläger sieh auf sie beruft. Dies gilt nach EheG § 35 entsprechend für die Aufhebungklage, soweit über sie wegen Verschuldens zu erkennen ist (vgl. RG Warn. 21/45). Und nichts anderes kann für die Nichtigkeitgründe gelten, an die ein Verschulden sich schließt (vgl. § 606 B I e).
aufgehoben.
§ 614 a ( - ) § 6 1 5 (575)
I Die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens, die Scheidungsklage und die Aufhebungsklage können verbunden werden. II Die Verbindung einer anderen Klage mit den erwähnten Klagen sowie die Erhebung einer Widerklage anderer Art ist unstatthaft. A I. Werden mit Ehesachen (§ 606 B III) andere Klagen verbunden, so werden sie getrennt (§ 145), soweit sie abtrennbar sind; anderenfalls sind sie als unzulässig durch Teilurteil (§ 301) abzuweisen. a) Bei hilfsweiser Verbindung sind sie erst im Endurteil abzuweisen, weil früher über sie nicht entschieden werden darf, und auch nur, wenn der Hauptantrag aberkannt wird bzw. bei Eventualstellung im Falle des Zuerkennens in diesem Falle. b) Einstweilige Anordnungen nach §§ 627folg. sind von den Ehestreiten gelöst (RGZ 40/360f.). A II. Innerhalb der Ehesachen gibt es nur nach §§ 615, 633 Klageverbindungen, nicht innerhalb dieser beiden Gruppen untereinander (vgl. aber wegen der Schuldbelastung § 614 A I a 3, B III). a) Werden Klagen der ersten Gruppe mit denen der zweiten wie umgekehrt verbunden, so sind sie (soweit möglich) ebenfalls zu trennen (§ 145). Über die Möglichkeit des Übergangs von der einen zur anderen Gruppe vgl. § 614 B II a. b) Bei hilfsweiser Verbindung ist die Hilfsklage unzulässig (RG JW 38/1538), wenn sie auch nicht vor Erlaß des Urteils über die Hauptklage abzuweisen ist. Die Zulässigkeit der Hauptklage wird nicht davon berührt, daß die Hilfsklage unzulässig ist (RGZ 53/36). Ist die Hauptklage unzulässig (nicht unbegründet), so muß über die Hilfsklage entschieden werden, doch wird auch sie dann regelmäßig unzulässig sein.
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A III. Der Mangel ist von Gerichts wegen zu beachten (RG J W 95/327). A IV. Getrennt erhobene Klagen sind bis zum Verhandlungschluß (§§ 136 B II, 300 C I I a 1) in der Tatsacheninstanz (§ 523 A), also noch in der Berufunginstanz (RG J W 11/369 ohne Zurückweisungmöglichkeit), soweit möglich, zu verbinden. A V. Über die Fristwahrung für mehrere Klagegründe, die einem Fristenlauf unterliegen, wenn auch nur einer geltend gemacht worden ist, vgl. § 614 B I I I . B I. Soweit Klagen verbunden werden dürfen, dürfen ihnen auch Widerklagen (also die derselben Gruppe) entgegengesetzt werden, ebenfalls bis zum Verhandlungsehlusse der Tatsacheninstanz (RGZ 31/14f.). Der Gerichtstand der Widerklage ist nach § 33 zu bestimmen. B II. Ob den Klagen Widerklagen desselben Grundes entgegengesetzt werden dürfen, richtet sich nach dem Verbot der Klageüberlagerung. a) Wird auf den positiven Bestand der Ehe geklagt; so darf nicht die negative (OLG 2/367), wohl aber die Nichtigkeitklage entgegengesetzt werden. Der Nichtigkeitklage desselben Klagegrundes wird nicht die entgegengesetzte entgegen zuhalten sein (die Schuldbclastung ergibt sich aus dem Gesetz ohne Rücksicht auf den Antrag des Gegners). b) Bei Aufhebungklagen werden die Aufhebunggründe nur einem bestimmten Gatten zugewiesen, so daß der andere nicht aus den in seiner Person gegebenen Gründen der gegnerischen Klage begegnen darf. Dasselbe gilt für die mit einem Schuldausspruch belasteten Seheidungklagen. Die beiderseitige Scheidungklage hat indes RGZ 160/282, gestützt auf EheG § 48, zugelassen. b 1. Dagegen darf der Klage aus EheG §§ 42, 43 etwa die Widerklage aus EheG § 48 entgegengesetzt werden (RGZ 160/34). B III. Bedingte Widerklagen sind zulässig (RGZ 165/319). a) Eine besondere Form ist der Mitschuldantrag (§ 33 D I b 2; a. M. die h. M.: er sei Inzidentantrag, Schönke § 615 Anm. I 3). Auch er ist spätestens in der Berufunginstanz bis zum Verhandlungschluß zu stellen (§ 614 B I I b); er darf selbst nach Zurücknahme einer prinzipaliter erhobenen Widerklage gestellt werden (RG Gruch. 48/616) und auch nach ihrer Abweisung (RGZ 165/62f.) und auch hilfsweise neben der prinzipaliter verfolgten Widerklage (RG Gruch. 49/1048). b) Über Widerklagen gegen Widerklagen vgl. § 33 B I a 2. C I. Die Herstellungklage (darüber, ob sie noch zulässig ist, vgl. § 606 B i e l ) k a n n mit der Scheidung- oder Aufhebungklage nur hilfsweise verbunden (RGZ 31/13) oder diesen als Widerklage entgegengesetzt werden. C II. Scheidung- und Aufhebungklagen sind ihrer Wirkung nach nicht mehr voneinander unterschieden. b) Werden Scheidung- und Aufhebungklage von derselben Partei alternativ erhoben, so ist über die zu entscheiden, die zuerst entscheidungreif ist (vgl. § 614 A I I c 1). Werden Aufhebung- und Scheidunggrund zugleich entscheidungreif, so ist nur aufzuheben (1. DVO EheG 38 § 18 = BZ AVO EheG 46 § 17). b 1. Anders ist dies, wenn die Partei das Verhältnis durch Eventualstellung bestimmt hat, dann ist in der von der Partei angegebenen Reihenfolge zu entscheiden (also die Scheidungklage vor der hilfsweise erhobenen Aufhebungklage: RGZ 104/293f.). c) Soweit sich zulässige Klage und zulässige Widerklage entgegenstehen, ist über sie und das Verschulden gleichzeitig zu entscheiden (RGZ 45/400f.). c 1. Da die Widerklage auch eventuell erhoben werden darf, darf auch der Scheidungklage hilfsweise die Aufhebungwiderklage entgegengesetzt werden (RG J W 27/2573) und, wenn beide begründet sind, darf nur aufgehoben werden (1. DVO EheG 38 § 18); ist nur die Aufhebungwiderklage begründet, so ist die Scheidungklage abzuweisen. c 3. Bei dem Verhältnis von Klage zu Widerklage ist zu bedenken, daß keine Seite vor der anderen wegen des Grundsatzes der Einheit der Entscheidung (§ 614 A) entscheidungreif werden kann.
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d) über die Schuldfrage wird unabhängig davon, ob die Ehe geschieden oder aufgehoben wird, entschieden, und sie darf auch allein mit dem Rechtsmittel zur Entscheidung gestellt werden (RG Warn. 24/190). d 1. Verlangt der Kläger Scheidung aus alleinigem Verschulden des Beklagten, hilfsweise Aufhebung, die den Beklagten schuldbelasten würde, und ist die Scheidung nur ohne Verschulden auszusprechen, so ist zu prüfen, ob aus dem Aufhebunggrund eine Schuldbelastung entnommen werden darf. Es kann sich aber auch die umgekehrte Reihenfolge ergeben. Nur über die Schuldbelastung bei Nichtigkeitgründen darf nicht so entschieden werden (vgl. § 614 A I a 3), weil diese einem getrennten Prozeß zugewiesen worden sind. d 2. Doch kann auch der Kläger für (allein) schuldig erklärt werden (RG J W 04/235), selbst wenn seine Klage Erfolg hat, sofern der Beklagte das prinzipaliter (durch Widerklage) oder eventuell durch (Mit-)Schuldantrag beantragt hat. d 3. Wird mit der eventuell erhobenen Widerklage nur der Verschuldenausspruch begehrt, so darf dieser auch auf Scheidung-, Aufhebung- und Nichtigkeitgründe gestützt werden. Aufgehoben oder geschieden wird aber dann nur aus den Klagegründen. Insoweit kann ein Mitverschulden, das sich auf einen Aufhebunggrund des Gegners stützt, jetzt ausgesprochen werden, obwohl die Ehe geschieden wird, wie umgekehrt (BGHZ 25/79). Wird dagegen der Scheidungklage eventuell die Aufhebungwiderklage entgegengesetzt und ist die Scheidungklage begründet, so ist zunächst über die Aufhebung zu entscheiden, wie im umgekehrten Fall immer zuerst aufgehoben wird, bevor auf die Scheidung erkannt werden darf. Doch ist das in allen Fällen bezüglich des Schuldausspruches gleichgültig. Wird die Klage abgewiesen, so kommt eine eventuelle Widerklage bzw. der Schuldausspruch nicht zur Aburteilung (RG Z 49/169).
§ 616
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I Der Kläger, der mit der Scheidungsklage oder der Aufhebungsklage abgewiesen igt, kann das Recht, die Scheidung oder die Aufhebung der Ehe zu verlangen, nicht mehr auf Tatsachen gründen, die or in dem früheren Rechtsstreit geltend gemacht hat oder die er in dem früheren Rechtsstreit oder durch Verbindung der Klagen geltend machen konnte. Das gleiche gilt im Falle der Abweisung der Scheidungsklage oder der Aufhebungsklage für den Beklagten in Ansehung der Tatsachen, auf die er eine Widerklage zu gründen imstande war. A. § 616 erstreckt die klageabweisende Wirkung der Scheidung- oder Aufhebungklage auf alle vorbringbaren Klage- und Widerklagegründe (erweiterte Rechtskraftwirkung: RGZ 104/156) beider Klagen (RGZ 104/156) gleichviel, welche von ihnen und ob sie als Haupt- oder Widerklage erhoben wurde; was zu den ProzeBbedingungen gehört, die als prozeßhindernder Einwand von Gerichts wegen zu beachten sind (RGJW 02/633), und zwar noch in der Revisioninstanz (BGH MDR B 634/53). Die entgegen § 616 erhobene Klage ist unzulässig; nicht unbegründet (streitig). B I. Die Ausschlußwirkung für Scheidung- und Aufhebunggründe tritt aber nur ein, sofern über eine solche Klage sachlich entschieden worden ist (RG Warn. 42/48). b) Ist sachlich entschieden worden, so wirkt § 616 auch dann, wenn die Verfahren getrennt schwebten und hätten verbunden werden müssen (§ 614 A I), dies aber unterblieb. Wurde die erhobene Scheidungklage nach § 620 ausgesetzt, inzwischen eine Aufhebungklage erhoben, die rechtskräftig abgewiesen wurde, so kann das Scheidungbegehren nicht mehr verfolgt werden (RG Gruch. 47/1180). B II. Es genügt, daß über eine Eventual(wider)klage entschieden wird, auch über eine, die nur einen Mitschuldausspruch begehrt (RGZ 118/193). a) Diese Regelung ist durchbrochen, insoweit das Gericht aus „Billigkeitgründen" bei der Schuldabwägung selbst verbrauchte Gründe mit berücksichtigen darf (d. h. muß, wenn sie bestanden haben), und zwar sowohl verbrauchte Aufhebung- (RGZ 165/317folg.) und Scheidung- wie auch Nichtigkeitgründe, welche schuldbelastend wirken (EheG §§ 52 III 2, 53 II 2, 3).
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§616 BH
ZPO VI. Buch
b) Auch dürfen verbrauchte Gründe unterstützend geltend gemacht werden (EheG § 51 II), sei es als Klagegründe (BGHZ 12/111), sei es als Einwand (RG JW 12/75). Unterstützendes Vorbringen für Nichtigkeit- und Aufhebunggründe gibt es aber nicht. Hier gibt es nur Mitschuldbelastungmöglichkeiten. B III a) Ob ein (Wider-) Klagegrund nicht geltend gemacht werden durfte, hat die Rechtsprechung nur auf bekannte Gründe (Kenntnis des Vertreters genügt nach § 232 II) erstreckt (RGZ 160/20f.) und sogar noch Kenntnis der Erweislichkeit gefordert (RGZ 165/126 folg.). a 1. Soweit sollte man nicht mehr gehen, da bei der Schuldabwägung jetzt eine Sonderregelung gilt (vgl. §§ 606 B I a, b, o 1; 615 C II). Auch können fehlende Kenntnis und fehlende Erweislichkeit auf Verschulden (dolus eventualis) beruhen, während fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis nicht gleichgesetzt wird (RG HRR 31/701). Es müssen auch schwer beweisbare Tatsachen vorgebracht werden (RG Recht 05/1501, vgl. auch § 582 B II c 2). a 2. Der Kläger muß deshalb seine ihm bekannten Scheidung- und Aufhebunggründe vorbringen bis zum Verhandlungschluß (§ 516 A I) in der Berufunginstanz (RGZ 128/74). Insoweit müssen auch zurückgenommene Klagen oder Widerklagen in demselben Streit erneut zugelassen werden, wenn sie der Zurücknehmende später weiter verfolgen will (RG Seuff. 71/265); u. U. durch Widerklage gegen eine Widerklage (BGH MDR B 673/55). a 3. Die Vorschrift eröffnet nicht die ßechtsmittelinstanz ohne Beschwer (RGZ 123/366). Werden deshalb neue Gründe erst nach Verhandlungschluß der ersten Instanz bekannt, so tritt für den durch das Erkenntnis nicht Beschwerten kein Ausschluß ein (so lange er sich dem Rechtsmittel nicht anschließen konnte). Die Zwischeninstanz zur Berufung geht nur zu Lasten des Beschwerten. Ein Irrtum über die eingetretene Rechtskraft hindert die Wirkung des § 616 (vgl. RGZ 19/410). a 4. Mit der Bevision sind neue Klagegründe nicht verfolgbar (§ 614 B II b). Auch bei einem Restitutiongrunde ist der Kläger nicht gezwungen, diesen in der Revisioninstanz geltend zu machen (Kommentar § 582 B I b). b) Neu (als Tatfrage) sind b 1. schon graduelle (aber nur erhebliche) Unterschiede (RG HRR 30/1867), etwa wenn eine Geisteskrankheit sich später verschlimmert hat (RGZ 100/107) oder sich als Schizophrenie herausstellte (RGZ 160/20) oder wenn der Kläger nachträglich Tatsachen erfahren hatte, deren Ausmaß ihm bis dahin unbekannt war (OLG HRR 39/1396 m. N.); auch das unbekannte hohe Maß eines verwerflichen, unsittlichen Umgangs wurde als genügend angesehen (RGZ 128/75Î.). Besonders gilt dies bei der Verzeihung, wenn diese sich gar nicht auf solche unbekannten Gründe erstrecken konnte (RGZ 155/294f.). b 2. Umgekehrt kann regelmäßig die abgewiesene Aufhebung- oder Scheidungklage nicht mit der Begründung erneuert werden, daß die nicht nachgewiesene, erhebliche Eigenschaft (bzw. der Scheidunggrund), die sie rechtfertigen sollte, nunmehr durch neue Tatsachen belegbar (RGZ 128/75) oder nunmehr beweisbar ist (RGZ 35/344). Andere rechtliche Beurteilung rechtfertigt die Klage nicht (OLG FamRZ 57/24). Auch darf das Recht zum Getrenntleben nicht mehr auf einen ausgeschlossenen Grund gestützt werden (OLG NJW 55/1720). c 1. Ist im Fall des § 616 eine Klage mangels Voraussetzung der dreijährigen Heimtrennung abgewiesen, so darf sie nach Ablauf dieser Frist erneuert werden. c 2. Ist dagegen die Klage aus einem anderen Grunde abgewiesen, so wird der Anspruch nicht etwa durch den Ablauf weiterer dreier Jahre erneuerungfähig (BGH J R 55/139); sondern die Klage ist jederzeit (OGHZ 1/119), aber nur auf Grund anderer, neuer Tatsachen erneuerungfähig. Da sich § 616 auch auf Tatsachen erstreckt, die einen Widerspruch nach EheG § 48 II entkräften können, müssen sie schon im ersten Verfahren vorgebracht werden (BGH J R 55/139); ändern sich diese Tatsachen später (wesentlich), so ist darauf die neue Klage stützbar (OGH J R 50/241).
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Verfahren in Ehesachen
§616 Bin
d) Äuch auf neue Tatsachen kann die Klage nicht gestützt werden, wenn der Kläger sie gesetzt hat (BGH FamRZ 55/251; a. M. BGHZ 2/98). B IV. Die Erneuerungfähigkeit des Streits ist auf den Erneuerunggrund beschränkt. Bezieht sie sich nur auf die Frage der Beachtlichkeit des Widerspruchs, so bleiben die übrigen Feststellungen des Vorprozesses über die Heimtrennung, das Verschulden, die Zerrüttung außer betracht (BGH J R 55/139); die neuen Tatsachen müssen für sich erheblich sein, bevor der übrige Sachverhalt unterstützend herangezogen werden darf (BGH J R 55/139). Dies gilt auch im Verhältnis zu einer früher abgewiesenen Scheidungklage aus § 43 zu der nun auf §§ 43, 48 gestützten für die Feststellung der Schuldfrage, wenn insoweit die Tatsachen gleichgeblieben sind (BGH MDR B 633/53). a) Die Beweislast für den prozeßhindernden Einwand des § 616 hat der Beklagte (RGZ 160/21); doch wird dem Beklagten durch die Regeln des prima-facie-Beweises geholfen, so daß regelmäßig es genügen wird, wenn er dartut, daß die Tatsachen nicht neu sind (RG HRR 28/916), wodurch dann praktisch der Kläger seine spätere Kenntnis belegen muß (RGZ 42/385). b) Wird durch ein zweites Urteil rechtskräftig gegen § 616 verstoßen, so sollte man die Klage aus § 580 I 7 a geben (im Verhältnis zu der DRR hat OLG FamRZ 57/388 das spätere Urteil der DRR nicht gelten lassen). C. Ob ein ausländischer Prozeß die Wirkungen des § 616 auslöst, sollte nach der lex fori beurteilt werden, wenn das Urteil im Inlande anerkannt wird. D. Eine Armenrechtbewilligung erstreckt sich auch auf die erst noch vorzubringenden Gründe, die nach § 616 ausgeschlossen werden würden (RG LZ 26/1196); allerdings nicht auf die Widerklageerhebung, für die es dann, wenn es nur zur Verteidigung gegen die Klage bewilligt war, neu bewilligt werden muß; während dies im allgemeinen wohl nicht gefordert wird, sofern der Beklagte nur den Mitschuldantrag stellt.
§ 6 1 7 (577) I Die Vorschriften über die Wirkung eines Anerkenntnisses, über die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen oder über die Echtheit von Urkunden, die Vorschriften über den Verzicht der Partei auf die Beeidigung der Gegenpartei oder von Zeugen und Sachverständigen und die Vorschriften über die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses sind nicht anzuwenden. A II. Nur soweit der Beklagte nicht bestreitet (§ 138 III), sich nicht unzulässigerweise mit Nichtwissen erklärt (§ 138 IV) oder sogar zugesteht (§ 288) oder sich über Urkunden nicht erklärt (Kommentar §439 A l l e ) , wird sein Verhalten nicht beachtet, d.h. der Kläger wird in all diesen Fällen zum Beweise gezwungen. Das Gericht braucht eine Aktennotiz an Stelle einer Vernehmung nicht als Urkundenbeweis gelten zu lassen, selbst wenn die Parteien dies tun wollen (RGZ 130/10f.). Doch billigte RG LZ 31/388 das Verfahren des Gerichts, das sie gelten ließ. Der Verzicht der Parteien auf Beeidigung von Zeugen, Sachverständigen und der Gegenpartei bindet nach § 617 das Gericht nicht. § 617 zwingt aber nicht das Gericht, zu beeidigen, wie überhaupt nicht zur Beweiserhebung (RG N § 617/17). a) Nachträgliches Bestreiten ist bis zum Verhandlungschluß (§§ 136 B II, 300 C II a 1) zulässig (§ 531 A I a), auch gegen früheres, hier unwirksames Zugestehen. Auch darf die Partei über § 85 I 2 hinaus noch zu späterer Zeit die Erklärungen ihres Prozeßbevollmächtigten zum Tatsächlichen widerrufen (RGZ 27/372). b) Die Regel, daß eine Partei die von ihr aufgestellten Behauptungen gegen sich gelten lassen müsse, wenn sie ihr ungünstig sind, besteht auch im Eheverfahren als prima-facieBeweiswürdigung (RG Warn. 17/24). c) Ergibt sich sonstiges beachtliches Material (etwa durch ein ärztliches Gutachten, das dem Gericht vorliegt), so darf dies nicht übergangen werden (OG DDR NJ 53/339).
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§617
ZPO VI. Buch
A Uli Ferner hat der Beklagte kein Verfügungrecht über den Klageanspruch. a) Das Anerkenntnis des Beklagten (§ 307) ist ohne Wirkung, d. h. das Gericht muß trotz des Anerkenntnisses den Anspruch nachprüfen und über seine Begründetheit entscheiden (RG J W 08/557). b) Der Verzicht des Klägers auf den Anspruch (§ 306) ist dagegen grundsätzlich zulässig (RG JW 27/1207). b 1. Dies ist bei Aufhebung- und Seheidungklagen sinnvoll, da es negative Festatellungklagen insoweit nicht gibt. b 2. Bei Bestandfeststellung- und Nichtigkeitklagen wirkt der Verzicht nur formal als Klagerücknahme (Hellwig System 2/24; a. M. RG J W 05/537); doch wirkt bei der Nichtigkeitklage der Verzicht schlechthin: bei Geschäftsunfähigkeit nach EheG § 18 II mit dem Wegfall dieser und, wenn inzwischen die Fristen verstrichen sind, in den Fällen des EheG §§ 17 II, 19 II (bei allen Aufhebunggründen gibt es dieselbe Wirkung, vgl. EheG §§ 30 II, 31 II, 32 II, 33 II, 34 II; bei Scheidungklagen ist in dem Verzicht die Verzeihung zu sehen, EheG § 49). b 3. Der Verzicht hindert nicht, die Schuldbelastung geltend zu machen, sofern der Gegner die Aufhebung oder Scheidung der Ehe oder ihre Nichtigkeiterklärung anstrebt (EheG §§ 52 III, 53 II, 37; RGZ 115/375); auf diesen Anspruch kann nicht verzichtet werden. Vgl. auch § 614 A I d 2 über die Widerwiderklage nach Verzicht (OLG MDR 50/289). c) Vereinbarungen über die Schuldfrage sind nichtig (a. M. RG HRR 31/920), auch die, durch welche die Parteien sich verpflichten, zur Abkürzung des Verfahrens nur einige Scheidunggründe vorzutragen (vgl. aber RGZ 126/321). A IV. Über Säumnisentscheidungen vgl. § 618 B. B I. Für Rügeverzichte und Rügeverluste gelten §§ 295, 530, 558 auoh im Ehestreit. Unter § 617 fällt auch nicht die Zustimmung der Parteien nach § 377 IV (a. M. RGZ 130/10), nicht die über den Sachverständigen nach § 404 IV (RG H R R 30/1868). § 411 steht nicht gegen § 617 (RG HRR 33/1255), auch die Parteivernehmung ist zulässig (RGZ 161/261). Darüber wird hier von der Rechtsprechung der sog. Ausforschungbeweis zugelassen (RGZ 169/224). B II. Die Prozeßbedingungen unterliegen den sonstigen Normen (§ 274 A I). Dies gilt auch für die echten prozeßhindernden Einreden (§ 274 II 3, 5, 6) trotz § 617, auf deren Erhebung-der Beklagte verzichten darf (a. M. Jonas § 617 Anm. I I I 2). B III. Rechtsmittelverzichte sind wie gewöhnlich zulässig (RGZ 105/352) und binden die Partei, auch wenn sie von ihrem Prozeßbevollmächtigten ausgehen (RGZ 59/349f.; vgl. aber dagegen die Rechtsprechung, wonach der Verzicht des Anwalts, der sich ohne Instruktion erklärt, nicht wirksam sein soll: RGZ 104/135folg.). a) Daß es keine vertraglichen Verzichte dabei gibt, war hier anerkannten Rechts (RGZ 118/173). Vorgängige Rechtsmittelverzichte sind unwirksam (RG Warn. 17/7). b) Der formell gültige Verzicht ist nicht deshalb unwirksam, weil er mit anderen außerprozessualen Vereinbarungen gekoppelt war, welche nichtig waren. Die Zulässigkeit der Unterbaltsverpflichtungerklärung für die Zeit nach der Scheidung regelt EheG § 72.
§ 618
(578)
I Die Vorschrift des § 261 ist nicht anzuwenden. II Der Beklagte ist zu jedem Termin, der nicht in seiner Gegenwart anberaumt wurde, zu laden. III Die Vorschrift des Abs. 2 ist nicht anzuwenden, wenn der Beklagte durch öffentliche Zustellung geladen, aber nicht erschienen ist. IV Ein Versäumnisnrteil gegen den Beklagten ist unzulässig. V Die Vorschriften der Abs. 2 bis 4 sind auf den Widerbeklagten entsprechend anzuwenden.
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Verfahren in Ehesachen
§618
A. Frühere Termine, im besonderen unter Abkürzung der Einlassungfrist, sind zulässig. In Abweichung von § 218 ist der Beklagte zu jedem (Verhandlung-, nicht aber zum bloßen Verkündung- [OLG Nds. Rpfl. 54/103]) Termin in jeder Instanz von gerichts wegen (§ 214) zu laden, der nicht in seiner Gegenwart anberaumt worden ist. Dies gilt auch für die im Verkündungtermin verkündeten Verhandlungtermine. Ist die Ladung unterblieben, so muß vertagt werden (RG Warn. 39/36). Hat der Beklagte einen Prozeßbevollmächtigten, so ist dieser nach § 176 zu laden. Geht die Ladung nicht an einen Anwalt, so ist die Aufforderung der Anwaltsbestellung mit ihr zu verbinden (§ 215). Nur wenn der Beklagte öffentlich geladen werden muß (§§ 203folg.) darf von der Beachtung des § 618 II abgewichen werden (§ 618 III, OLG 2/300). Entfallen nachträglich die Voraussetzungen der öffentlichen Ladung, so ist § 618 II anzuwenden (BayObLG HEZ 2/141). Wird er aber öffentlich geladen, so ist die Ordnungmäßigkeit der Ladung zu überprüfen, selbst wenn die Ladung nicht erforderlich gewesen wäre. B I. Gegen den Kläger kann dag Versäumnisurteil nur zulässig sein, wenn er auf den Klageanspruch verzichten darf (§ 330 E I). a) Folgerecht lassen deshalb §§ 635, 638 bei Bestandfeststellung- und Nichtigkeitklagen das Versäumnisurteil gegen den Kläger grundsätzlich nur dahin zu, daß die Klage als zurückgenommen erklärt wird (nur für die Nichtigkeitklage sollte man insoweit das Versäumnisurteil zulassen, wie ein Verzichturteil zulässig ist, § 617 A III b). a 1. Will der Beklagte in diesen Ausnahmefällen nicht die Klagerücknahme, so darf er nicht den Erlaß des Versäumnisurteils beantragen, sondern muß auf kontradiktorischer Entscheidung bestehen, was zulässig ist, selbst wenn die Voraussetzungen der §§ 251 a, 331 a nicht gegeben sind. a 2. Auch soweit das Versäumnisurteil gegen den Kläger zulässig ist und zur sachlichen Klageabweisung führt, braucht es der Beklagte nicht zu nehmen. Doch ist in einem solchen Fall ein kontradiktorisches Urteil nur zulässig, wenn die Bedingungen der §§251a, 331a gegeben sind (RG JW 16/751). b) In zweiter Instanz gibt es aber gegen den Rechtsmittelbeklagten kein schlichtes Versäumnisverfahren mehr, weil nach § 542 II der neue Vortrag als zugestanden anzusehen ist. Soweit von einem solchen unterstellten Zugeständnis gebrauch gemacht werden müßte, ist das Versäumnisverfahren unzulässig (vgl. RGZ 35/347). Zulässig, ist deshalb das Versäumnisurteil nur noch gegen den Kläger, der Rechtsmittelkläger ist, und gegen ihn als Beklagten, soweit es nicht mehr um noch offene tatsächliche Festellungen geht (OLG NJW 55/1075; a. M. OLG SchlHA 57/206). c) Deshalb ist das Versäumnisurteil gegen den Kläger in der Revisioninstanz, gleichviel ob er Revisionkläger oder Revisionbeklagter ist, zulässig (BGH NJW 55/748). B II. Gegen den Beklagten kann es dagegen a) kein Versäumnisurteil in der ersten Instanz geben, denn sein Nichtbestreiten oder Zugestehen ist ohne Belang (§ 617 A II). Da das Versäumnisurteil gegen ihn an sein Nichtbestreiten anknüpft (§ 331 I), gibt § 618 IV folgerecht kein Versäumnisurteil gegen ihn (RGZ 28/398). Doch ist § 335 1 3 entsprechend anzuwenden (RGZ 88/67); dies gilt auch, wenn die Ladung nicht ordnungmäßig ist (sofern nicht Heilung eingetreten ist, § 187; vgl. RGZ 88/69). b) Ist der Beklagte Rechtsmittel-(anschließung-)kläger und verhandelt er nicht, so darf gegen ihn Versäumnisurteil genommen werden, weil er auf das Rechtsmittel verzichten darf (RG Warn. 16/259). b 1. Der Beklagte als Rechtsmittelbeklagter hat den doppelten Schutz der §§ 618, 542 II, und es gibt gegen ihn kein Versäumnisurteil (RG V JW 24/44), soweit es um irgendwelche tatsächliche Feststellungen geht, wo sein Zugeständnis sonst fingiert werden würde. Ist dies nicht der Fall, so ist auch hier das Versäumnisverfahren gegen den Beklagten denkbar (wenn etwa auf Grund der erstinstanzlichen oder der zweitinstanzlichen Feststellungen aus Rechtsgründen erkannt wird), im besonderen also in der Revisioninstanz (vgl. § 618 B I c). Vgl. 87
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 618 B n b l
ZPO VI. Buch
im übrigen bei entgegengesetztem Vorbringen § 614 A I über die Einheit der Entscheidung. Soweit die Gegensätzlichkeit geht, ist keine Versäumnisentscheidung zulässig (OLG NJW 56/108). b 2. Darüber, daß, wenn es um Prozeßbedingungen geht, es regelmäßig keine Versäuntnisentscheidung gibt, vgl. § 330 B IV. c) § 251a ist anwendbar. Darüber, ob der Einzelrichter zum Erlaß von Versäumnisurteilen befugt ist, vgl. § 349 C I d (er darf in Ehesachen kein Versäumnisurteil erlassen). B III. Die Widerklage bringt den Kläger in die Rolle des (Wider-)Beklagten, und insoweit gilt zu seinem Schutz das, was in § 618 II—IV zugunsten des Beklagten angeordnet worden ist (§ 618 V). a) Dabei ist auch hier der Mitschuldantrag Widerklage (OLG JW 33/183; a. M. OLG HRR 33/541). Soweit sowohl über Klage wie über eine Widerklage in erster Instanz zu erkennen ist, darl nur einheitlich entschieden werden (§ 614 A); ein Versäumnisurteil ist hier unzulässig (vgl. § 618 B II b 1). b) Zulässig ist das Versäumnisurteil in der Rechtsmittelinstanz dann, aber auch nur dann, wenn es einheitlich ergehen könnte (RG Warn. 16/259); also wenn der Kläger nur die stattgegebene Widerklage mit der Berufung angegriffen hatte und nicht verhandelt, so darf gegen ihn durch Versäumnisurteil entschieden werden (§ 542 I). Bleibt aber der Widerkläger als Beklagter und Berufungbeklagter aus, so kommt es jetzt darauf an, ob neue Tatsachen vorgebracht werden, die unter § 542 II fallen würden; in diesem letzten Falle ist kein Versäumnisverfahren zulässig. Das entsprechende gilt in der Revisioninstanz (vgl. § 618 B I c). B IV. Ergeht Versäumnisurteil, so gibt es dagegen nur den Einspruch, auch wenn es nicht ergehen durfte (RG JW 16/751).
§619
(579)
I Bas Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei anordnen und sie über die von ihr, von dem Gegner oder von dem Staatsanwalt behaupteten Tatsachen vernehmen. II Ist die zu vernehmende Partei am Erscheinen vor dem Prozeßgericht verhindert oder hält sie sich in großer Entfernung von seinem Sitz auf, so kann sie durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernommen werden. III Gegen die nicht erschienene Partei ist wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen zu verfahren; auf Haft darf nicht erkannt werden. A I. § 619 ist kein Fall der Parteivernehmung i. S. der §§ 445folg. (RG N § 619/7). a) Von der Parteivernehmung unterscheidet sich § 619 dadurch, daß jene einen förmlichen Beweisbeschluß (§ 450) fordert, also die Angabe eines konkreten Beweisthemas. b) Ist die Vernehmung nach § 619 keine Parteivernehmung, so ist sie auch kein Beweismittel i. S. der ZPO. b 2. Die Vernehmung bedarf keiner förmlichen Protokollierung nach §§ 160 II 3, 161 (RG DR 40 A 1438). A II. § 619 sollte man deshalb nur als einen Fall des § 141 ansehen. a) Die Anordnung der Anhörung (und ihre Durchführung) steht im freien Ermessen des Gerichts (vgl. § 141 I; RG Warn. 20/208), das in der Revisioninstanz nicht nachprüfbar ist. b) Die Partei wird in der mündlichen Verhandlung angehört. Doch wird man die Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten nicht für erforderlich halten dürfen. b 1. Zu dem Termin ist die Partei persönlich entsprechend § 141 II zu laden und auf die Folgen ihres Ausbleibens entsprechend § 141 III 3 hinzuweisen. Die Ladung muß zugestellt werden.
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Verfahren in Ehesachen
§619 All
b 2. Das Erscheinen der Partei(en) kann auch vorbereitenderweise durch den Vorsitzenden angeordnet werden (§ 272b II 3), und dies ist zulässig, gleichviel ob die Partei durch einen Postulationfähigen vertreten ist oder nicht (OLG 17/183; a. M. KG OLG 13/89). c) Die Partei kann nicht gezwungen werden auszusagen. c 1. Wenn auch hieraus das Gericht beweismittelmäßig keine Schlüsse ziehen darf, so darf es doch nach § 286 dann den Behauptungen des Gegners folgen. Eine gesellschaftliche Rücksicht auf das Schamgefühl der Beteiligten darf nicht genommen werden (RG J W 10/25). Aus dem Ausbleiben der Partei dürfen Schlüsse entsprechend § 454 nicht gezogen werden. c 2. Eine Pflicht zur Duldung der Untersuchung folgt aus § 619 nicht (RG J W 03/26), auch nicht die der Untersuchung auf Geisteskrankheit (BGH NJW 52/1215, vgl. aber § 623 B). A III. § 619 geht aber über § 141 hinaus. a) Er läßt keine Vertretung (im Gegensatz zu § 141 III 2) zu; b) es dürfen Deue Behauptungen im Rahmen des § 622 ermittelt werden. c) Erscheint die Partei nicht, so gibt es nach § 619 III dieselben Zwangsmittel wie gegen nicht erschienene Zeugen (§ 380). Haftstrafe ist aber ausgeschlossen. Doch darf die Partei zwangsweise vorgeführt werden, wobei § 386 III nicht gilt (OLG 2/237). d) Die Partei darf auch durch einen ersuchten Richter, wenn sie weit entfernt wohnt, vernommen werden (§ 619 II). e) Die Vernehmung durch einen beauftragten Richter ist unzulässig (RG N § 619/4), wenn auch der Mangel nach § 295 geheilt werden kann (RG Recht 23/1287).
§ 620
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I Hat der Kläger die Aussetzung des Verfahrens über eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens oder über eine Scheidungsklage beantragt, so darf das Gericht über die Herstellungsklage nicht entscheiden oder auf Scheidung nicht erkennen, bevor das Verfahren ausgesetzt war. Das Gericht soll die Aussetzung von Amts wegen anordnen, wenn es zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits zwecksmäßig ist. II Auf Grund dieser Vorschriften darf die Aussetzung im Laufe des Verfahrens nur einmal und höchstens auf ein Jahr angeordnet werden. A I. Die Vorschrift soll der Aufrechterhaltung der Ehe dienen. a) Bei der Scheidungklage darf nur ausgesetzt werden, wenn sie nicht sofort (entscheidungreif) abzuweisen wäre (RG JW 38/251). Bei der auf EheG § 48 gestützten Klage darf nicht ausgesetzt werden, damit die dreijährige Frist verstreichen kann (OLG HRR 39/908), anders ist dies nur, so lange der Streit noch nicht entscheidungreif ist (OLG 37/158), aber auch, wenn ihr stattzugeben wäre. b) Ausgesetzt werden darf auch, wenn der Scheidungklage eine Scheidungwiderklage entgegengesetzt wird, wobei dann allerdings, wenn der Widerkläger nicht selbst die Aussetzung beantragt, § 620 I 2 anzuwenden ist (RGZ 58/316). Nur bei der Eventualwiderklage, im besonderen bei der, die auf den Mitschuldantrag beschränkt ist, kommt es nur auf die Hauptklage an (RG J W 10/69). Das entsprechende gilt, wenn nur der Scheidungwiderkläger die Aussetzung beantragt, nicht aber der Scheidungkläger. c) Ob die Aussetzungsvoraussetzungen durch Anträge (§ 620 I 1) oder allein durch das Gericht (§ 620 I 2) gegeben werden, ist gleichgültig (RGZ 58/316). Unzulässig ist nur die getrennte Aussetzung zur Klage oder zur Widerklage (OLG HRR 42/322). A II. Nicht ausgesetzt werden darf, wenn auch noch eine Aufhebungklage schwebt, a) da der Streit über eine Aufhebungklage nicht ausgesetzt werden darf; auch nicht, wenn mit der Scheidungklage hilfsweise eine Aufhebungklage verbunden ist. Eine Aussetzung nur zur Scheidungklage unter Fortsetzung der Aufhebungklage ist nicht zulässig (RG Warn. 13/75). 87*
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§620 An
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b) Wegen der Einheitlichkeit der Entscheidung in Ehestreiten (§ 614 A) darf ferner nicht ausgesetzt werden, wenn eine Aufhebungwiderklage, hauptsächlich oder hilfsweise gekoppelt mit einer Scheidungwiderklage erhoben ist mit Ausnahme der, welche nur eventuell ohne Koppelung mit einer Hauptwiderklage erhoben wurde oder die sich auf den (Mit-) Schuldantrag beschränkt. B I. Auszusetzen ist auf Alltrag des Klägers bzw. des Widerklägers (RGZ 58/316), der bis zum Verhandlungschluß (§§ 136 B II, 300 C II a 1) noch in der Revisioninstanz gestellt werden darf und bei dem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung (§ 128 I) nur in der mündlichen Verhandlung (OLG 35/172). a) Der Antrag ist eine prozessuale, gegenüber dem Gericht abzugebende, einseitige Willenserklärung (§ 38 B II c), die bis zum Erlaß (§ 516 A I) des Aussetzungbeschlusses frei widerruflich und von da ab unwiderruflich wird (a. M. OLG 37/158: wenn beide Parteien die Aufhebung beantragen). c) Auszusetzen ist auf den Antrag des (Wider-) Klägers, selbst wenn-das Gericht die Aussöhnungmöglichkeit verneint (RG JW 38/251; a. M. RG JW 02/217). Es geht auch nicht an, die Aussetzung mit der Begründung abzulehnen, es werde durch sie ein wirtschaftlicher Druck ausgeübt (a. M. KG DR 42 A 1035). B II. Von gerichts wegen darf ausgesetzt werden, wenn es zur gütlichen Beilegung des Streits zweckmäßig ist (§ 620 I 2). B III. Entschieden wird durch Beschluß des Prozeßgerichts (Einzelrichter sind nicht zuständig, OLG MDR 57/554). Die Zurückweisung des Antrags in den Gründen des Endurteils ist inkorrekt (vgl. RGZ 46/386), aber unschädlich. a) Wird die Aussetzung abgelehnt, so findet gegen die landgerichtlichen Beschlüsse die sofortige Beschwerde statt; wird ihr stattgegeben, so ist die einfache Beschwerde gegeben (§252; RGZ 46/386). b) Dagegen kann die unterlassene Aussetzung nicht nach §§ 512, 548 mit dem Rechtsmittel der Berufung bzw. der Revision gerügt werden (RGZ 46/386folg.). Doch darf die Rechtsmittelinstanz noch von sich aus aussetzen (falls noch nicht ausgesetzt war, Kommentar § 620 B I I I c 2), und zwar entweder nach § 620 1 1 oder § 620 I 2 (RG Warn. 09/257). c) Wird ausgesetzt, so ist die Aussetzungzeit zu bestimmen (OLG HRR 41/610); sie darf nicht mehr als ein Jahr betragen (§ 620 II). Die Frist ist eine uneigentliche (§ 221 B I) und unterliegt nicht der Vorschrift des § 224. c 1. Die Bemessung der Frist darf vom Kläger, wenn die Frist zu kurz bemessen ist, mit der sofortigen Beschwerde (§ 252), von jeder Partei mit der einfachen, wenn sie zu lang bemessen ist, bekämpft werden. c 2. Eine Verlängerung der Frist nach Ablauf der sofortigen Beschwerdefrist bei landgerichtlichen Beschlüssen und sofort ab Erlaß der oberlandesgerichtlichen oder eine erneute Aussetzung, gleichviel in welcher Instanz, ist in demselben Rechtstreit unzulässig (§ 620 II). C. Über die Wirkung der Aussetzung vgl. § 249 B, einer Aufnahme nach § 250 bedarf es nicht; vielmehr laufen die Fristen nach Ablauf der Zeit wieder von selbst (BGH MDR B 940/52). Die Aussetzung hindert nicht Anordnungen nach §§ 627folg. (RG JW01/306 10 f.).
gestrichen.
§ 621
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§ 622 (581) I Das Gericht kann auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Parteien auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von den Parteien nicht vorgebracht sind. II Im Verfahren Uber eine Scheidungsklage, eine Aufhebungsklage oder eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens kann das Gericht gegen den Widerspruch der die Auflösung
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Verfahren in Ehesachen
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der Ehe begehrenden oder ihre Herstellung verweigernden Partei Tatsachen, die von den Parteien nicht vorgebracht sind, nur insoweit berücksichtigen, als sie geeignet sind, der Aufrechterhaltung der Ehe zu dienen. A I. § 622 betrifft nur die Feststellungen zum außerprozessualen Anspruch, nicht Prozeßbedingungen (RGZ 104/158). a) Will das Gericht etwas von den Parteien nicht Behauptetes verwenden, so hat es die Parteien zu hören (RG HKR 31/834). b) Erfährt das Gericht nach Schluß der mündlichen Verhandlung eine nach § 622 erhebliche Tatsache, so hat es sie zu verwerten (RG N § 622/5), was allerdings nur durch Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geschehen darf. Doch hat RG Warn. 16/149 die Wiedereröffnung in das Ermessen des Gerichts gestellt. A IL Das Ermittlungrecht des Gerichts kann sich nur im Rahmen der Parteianträge halten (§ 614 A II a). a) Das Gericht hat keine Ermittlungpflicht (RG Warn. 08/105), auch braucht das Gericht nicht den Inhalt überreichter Korrespondenz nach RG Warn. 08/105 daraufhin durchzusehen, ob sie ehefreundliche Tatsachen enthält, was bedenklich ist. Wie es um die Ermittlung neuer Tatsachen geht, ist § 622 reine Ermessenvorschrift (vgl. RG Warn. 30/217). § 622 schließt aber nicht die Anwendung des § 139 für eheungünstige Tatsachen aus (RG LZ 19/870). b) Dasselbe gilt grundsätzlich für die Ermittlung von Einwendungen und Einreden usw. Einen Widerspruch, der nicht erhoben ist, darf das Gericht aber nicht einführen (EheG § 48 II, III; KG JW 29/1892). Doch liegt in dem Klageabweisungantrag gegenüber der Klage aus EheG §48 der Widerspruch nach EheG §48 11, III; über den auf (Mit-)Schulderklärung vgl. § 606 B I a 2. b 3. Gegen die Eheaufhebung und -scheidungklagen darf das Gericht von den Parteien nicht behauptete Tatsachen von sich aus einführen, weil dies der Aufrechterhaltung der Ehe dient, im besonderen bei der Aufhebungklage die Einwendung der Genehmigung (EheG § 30 II, III; doch kann das Gericht nicht von sich aus die Genehmigung des Vormundschaftgerichts herbeiführen), bei der Scheidungklage die der Zustimmung zum Ehebruch nach EheG § 42 II (RG JW 00/872), die der Unzurechnungfähigkeit im Hinblick auf die Ehewidrigkeiten des beklagten Gatten (EheG § 43 I 2; RG Warn. 15/290), die der Zumutbarkeit der Ehefortsetzung (vgl. EheG §§ 32 II, 43), die der unbilligen Härte nach EheG § 47, der Einwand der Verzeihung (EheG § 49: RG Warn. 16/142). Soweit es auf die Kenntnis bei dem Fristenlauf ankommt (EheG §§ 35, 50) darf auch diese von gerichts wegen ermittelt werden (RGZ 23/143). A III a) Dementsprechend darf das Berufunggericht nicht auf den nicht angefochtenen Teil der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgreifen (§ 536). b) In der Revisioninstanz dürfen auch solche Tatsachen nicht neu eingeführt werden, weil §561 entgegensteht (RGZ 44/354f.). A IV. Dient eine Tatsache sowohl der Aufrechterhaltung der Ehe wie (bei einer Widerklage) ihrer Zerstörung und ist auf sie § 622 I nicht anzuwenden, so darf sie nach § 622 II von gerichts wegen eingeführt werden (RG JW 24/46); anders wenn sie nur den (Mit-)Schuldantrag stützt (RGZ 135/38) bzw. die reine Eventualwiderklage. B. Nicht nur die Ermittlung von Tatsachen (in dem geschilderten Rahmen), sondern auch die Erhebung von Beweisen steht dem Gericht frei, soweit das Gericht die entsprechenden Behauptungen einführen durfte. Es darf im besonderen auch Zeugen (vgl. sonst § 128 B III e) vernehmen und hier auch über eheungünstige Behauptungen, sofern diese von den Parteien eingeführt worden sind. B I. Soweit es um die Erhebung der Beweise geht, muß das Gericht alle Möglichkeiten nach § 622 ausschöpfen, insoweit waltet also kein Ermessen des Gerichts mehr (RG Warn.
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§ 622 BI
ZPO VI. Buch
31/231). An der Beweislast wird durch die gerichtliche Beweiserjiebungpflicht aber nichts geändert (BGH NJW 52/302). Eine Pflicht, die Parteien in jedem Eheprozeß nach § 619 zu hören, besteht nicht (BayObLG Z 51/33). B II. Eine Untersuchungpflicht zu lasten der Partei wird aber durch § 622 nicht begründet (BGH NJW 52/1215). Diese gibt es nur im Rahmen von §§ 372a, 653. § 6 2 3 (—) I Auf Scheidung wegen eines in den §§ 44 bis 46 des Ehegesetzes genannten Scheidungsgrundes soll erst erkannt werden, wenn das Gericht das Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen eingeholt hat. Das Gericht hann die ärztliche Untersuchung eines Ehegatten anordnen, wenn dies zur Vorbereitung des Gutachtens erforderlich ist. Weigert sich der Ehegatte ohne triftigen Grund, sich der Untersuchung zu unterziehen, so ist § 619 Abs. 3 entsprechend anzuwenden. A. Während das Gericht regelmäßig, ohne Sachverständigen entscheiden darf, soweit es sachkundig ist; darf es nicht auf Scheidung (wohl aber auf Abweisung der Scheidungklage) erkennen, bevor es einen approbierten Arzt als Sachverständigen gehört hat, sofern Klagegrund das auf geistiger Störung beruhende Verhalten (EheG § 44), Geisteskrankheit (EheG § 45) oder ansteckende oder ekelerregende Krankheit (EheG § 46) des Beklagten ist. Zu folgen braucht das Gericht dem Sachverständigen nicht unbedingt, vgl. aber § 286 D II d 5). Zur Vorbereitung des Gutachtens darf das Gericht die ärztliche Untersuchung anordnen (§ 6231 2). Doch gilt dies nur in diesem Falle, nicht sonst (§ 622 B II), auch nicht zur Feststellung der Prozeßfähigkeit der Partei. Und das Gutachten muß andererseits auch eingeholt werden, selbst wenn schon ein anderes vorliegt, etwa das für einen Entmündigten. Weigert sich der Gatte, sich untersuchen zu lassen, so darf er dazu nach §619111 gezwungen werden (§ 62313), es sei denn, daß er einen wichtigen Grund (§ 372a D) zur Weigerung hat. Es ist also zwangsweise Vorführung und Untersuchung zulässig (§ 372 a E IV b), auch darf der Gatte in Geldstrafe (nicht in Haftstrafe) genommen werden (§ 619 A III c), allerdings kann gegenüber Geisteskranken auf Geldstrafe nicht erkannt werden (StGB § 51). B. Bei Aufhebungklagen wegen geistiger Störung bzw. Geisteskrankheit hat BGH NJW 52/1215 den § 623 nicht für anwendbar gehalten.
§ 624
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I Wird wegen Ehebruchs auf Scheidung erkannt und ergibt sich aus den Verhandlungen, mit welcher Person der Ehebruch begangen worden ist, so ist diese Person in dem Urteil festzustellen. A I. Der Name des Ehebrechers sollte in der Urteilsformel festgestellt werden, doch genügt auch die Feststellung in den Gründen (RG Warn. 32/63), auch dann, wenn er sich nicht strafbar gemacht hat (RGZ 49/84). A II. Unterbleibt die Feststellung, so besteht kein Ehehindernis des Ehebruchs (RGZ 35/246). Einer nach EheG § 22 angestrengten Nichtigkeitklage kann andererseits nicht entgegengesetzt werden, daß die Ehe nicht gebrochen wurde (KGJ 24/40). a) Ist die Feststellung unterblieben, so darf sie nicht nach § 821 ergänzt werden (a. M. Schönke § 624 Anm. I 3), weil es keine Teilurteile in Ehesachen gibt (§ 614 A I b), wohl aber darf das Rechtsmittel eingelegt werden. b) Die Berichtigung nach § 319 ist nur selten zulässig. B I. Werden Ehebruch und Ehewidrigkeit alternativ gehäuft geltend gemacht, so entscheidet das Gericht nach Liquidität (RG Warn. 11/475). Nicht genannt werden darf der Ehebrecher, wenn die Ehe nicht wegen Ehebruchs, sondern wegen Ehewidrigkeit geschieden wird (RGZ 55/245).
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Verfahren in Ehesachen
§624
B II. Ob wegen Ehebruchs auf Klage und Widerklage geschieden wurde, ist gleichgültig. Deshalb muß aber auch die Mitschulderklärung dieselbe Wirkung auslösen, weil der darauf gerichtete Antrag Eventualwiderklage ist (§606 B I a 2 ) . Dagegen wendet sich aber die h. M. (OGH MDR 50/348). Besonders unbillig wird dies in dem Fall des EheG § 48, wenn die Partei, weil sie nicht geschieden werden will, die Erhebung der Widerklage unterläßt und nur den Schuldantrag stellt. Dies muß aber auch dann gelten, wenn eine selbständige Klage deshalb nicht mehr erhoben werden könnte (a. M. RG LZ 16/117.5).
§625(552) I
Urteile in Ehesachen sind von Amts wegen zuzustellen.
A I . In allen Ehestreiten (§ 606 B I) werden alle Urteile aller Instanzen von gerichts wegen zugestellt (§ 625), auch wenn ein Rechtsmittel als unzulässig verworfen (RGZ 150/393) bzw. die Wiederaufnahmeklage und auch, wenn nur eine Mitschuld durchgesetzt wird (RG J W 05/234). a) Dies gilt auch für Kostenergänzungurteile (§ 321) in Ehestreiten (a. M. BaumbachLauterbach § 625 Anm. 1) und für die, welche die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 716) in bezug auf die Kostenentscheidung in Ehesachen ergänzen. A II. Zugestellt wird nach §§ 208folg. (RG Warn. 19/77), und zwar nach h. M., wenn im schriftlichen Verfahren der Tenor nach § 310 II zunächst zugestellt werden muß, durch nochmalige Zustellung des Urteils mit dem Vermerk der Tenorzustellung, der den Verkündungvermerk ersetzt (RGZ 123/335). a) Von der Verkündung ab läuft die Fünf-Monate-Frist der §§ 516, 552 ohne Rücksicht darauf, ob das Urteil zugestellt wird. Wird es in erster Instanz möglicherweise in abgekürzter (§ 317 II), in zweiter in vollständiger Form vor Ablauf der genannten fünf Monate zugestellt, so läuft die Rechtsmittelfrist ab Zustellung in einem Monat ab (§§ 516, 522). Die Rechtsmittelfrist läuft individuell nach der Zustellung bei dem Zustellungempfänger, also nicht für beide Parteien gleich, wenn auch einheitlich für das ganze Urteil, also im besonderen für die Entscheidung zur Klage und zur Widerklage, zur Berufung und zur Anschließung (RGZ 122/217). Bei der Bewilligung der öffentlichen Zustellung auf Grund einer Erschleichung (§§ 203, 204, 208) gibt es Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Rechtsmittelfrist läuft aber auch dort (RGZ 59/264f.). Wird ein Eheurteil auf Betreiben der Parteien zugestellt, so ist die Zustellung unwirksam (RG Gruch. 49/1052f.). b) Zuzustelleil ist der Partei; dem Staatsanwalt nur, wenn er Partei oder Streitgehilfe ist (§§ 632, 634), wie überhaupt dem selbständigen, auch dem unselbständigen Streitgehilfen (§67; a.M. für den letzten: Schönke §625 Anm.II), und zwar dem Prozeßbevollmächtigten (§ 176, RG J W 93/470). . . , B. Der Rechtsmittelverzicht wirkt schon mit dem Zugang der Erklärung bei dem Gericht (BGH MDR B 862/544, der es offen läßt, ob der Rechtsmittelverzicht auch dann wirkt, wenn die Parteien ihn untereinander erklärt haben). Über die Form vgl. § 514 B II d 1. Über die Rechtsmittelrücknahme vgl. § 515 B IV c. Notfristatteste sollten von gerichts wegen eingeholt werden (a. M. OLG Recht 24/715). C II. Der Staatsanwaltschaft soll jede rechtskräftige Entscheidung in Ehestreiten vorgelegt werden (AktenO § 38 I 4). Bei Scheidung, Aufhebung, Nichtigkeiterklärung einer Ehe sowie, wenn der Nichtbestand der Ehe festgestellt wird, soll die Staatsanwaltschaft zwei Urteilsausfertigungen (ohne Tatbestand und Entscheidunggründe) zur Weiterleitung an den Standesbeamten erhalten (AktenO § 38 I 5). C III. Ist ein gemeinschaftliches minderjähriges Kind vorhanden, so ist die Entscheidung in einer Ehesache, auch bei Klageabweisung, dem zuständigen (FGG §§ 36, 43) Vormundschaftgericht nach Eintritt der Rechtskraft anzuzeigen.
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ZPO VI. Buch
§ 626
(583)
I Die Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens sind in der BerufungsInstanz nur insoweit anzuwenden, als der Berufungskläger sein neues Vorbringen entgegen der Vorschrift des § 519 nicht in der Berufungsbegriindung mitgeteilt oder die Partei nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht früher vorgebracht hat. A I. § 626 betrifft die Zurückweisung verspäteten Vorbringens in der Berufunginstanz. Von der Zurückweisung wird (Kommentar § 529 A II) das neue Vorbringen nicht getroffen, das ein neu eingeführtes Klagebegehren rechtfertigt. a) Neue Klagegründe (Klageänderungen, Widerklagen, Mitschuldantrag [BGH FamRZ 55/208]) dürfen nicht zurückgewiesen werden. b) Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens in der ersten Instanz nach §§ 279, 283 I I wird durch § 626 beschränkt auf die Fälle der Prozeßverschleppungabsicht (vgl. § 279 B II), so daß selbst das aus grober Nachlässigkeit verspätete Vorbringen nicht zurückgewiesen werden darf (RG H R R 31/890); abweichend Sydow-Busch §621 Anm. 1, die auch diese Zurückweisung nicht zulassen. § 279 a ist dagegen schlechthin unanwendbar. A II. In der Berufunginstanz wird § 529 I I I auch in Ehesachen angewandt, während sonst in Ehesachen das Gericht die Verschleppungabsicht der Partei feststellen muß. a) § 529 I I I trifft nur den Berufungkläger; bringt er unter § 529 I I fallendes neues Vorbringen in der Berufungbegründungschrift (§ 519) nicht, so darf es zurückgewiesen werden, wenn es in der Berufungbegründung hätte gebracht werden können, dadurch der Streit verzögert werden würde und das Vorbringen aus Prozeßverschleppungabsicht oder grober Nachlässigkeit nicht in der Berufungbegründungschrift gebracht wurde. b) Im übrigen darf, d. h. für den Berufungkläger nur das in der Berufungbegründung schon mitgeteilte, für den Berufungbeklagten dagegen sein gesamtes Vorbringen (RG H R R 30/451) nur zurückgewiesen werden, wenn es in ProzeBverschleppungabsicht verspätet erklärt wurde. B. § 626 verlangt die Feststellung der Verschleppungabsicht im Urteil (RG H R R 31/890) und § 622 zwingt darüber hinaus noch, sie in seinen Fällen unbeachtet zu lassen.
§ 627
(584)
I In Ehesachen kann das Gericht auf Antrag für die Dauer des Rechtsstreits das Getrenntleben der Ehegatten gestatten, ihren gegenseitigen Unterhalt sowie die Verpflichtung zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses regeln, wegen der Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, soweit es sich nicht um die gesetzliche Vertretung handelt, Anordnungen treffen und die Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander ordnen. II Der Antrag ist zulässig, sobald die Klage eingereicht oder der Termin zum Sühneversuch bestimmt ist. III Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Er soll die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft machen. Über den Antrag wird durch Beschluß entschieden, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges und, wenn der Rechtsstreit in der Berufunginstanz schwebt, das Berufungsgericht. Während des Verfahrens vor dem Einzelrichter hat dieser zu entscheiden. IV Gegen den Beschluß des Landgerichts findet die Beschwerde statt. Das Landgericht kann zur Entscheidung über die Frage, ob es der Beschwerde abhelfen will (§ 571), mündliche Verhandlung anordnen. Schwebt der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz, so ist die Beschwerde bei dem Oberlandesgericht einzulegen.
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Verfahren in Ehesachen
$627
A I. § 627 gibt den Gerichtstand des Ehesachengerichts für einstweilige Anordnungen besonders gekennzeichneter Art, die selbst keine Ehesachen (§ 606 B) sind. a) §§ 627folg. sind AnwendungfäUe der §§ (935), 940 (a. M. die h. M.). a 1. Die Aussichten des Ehestreits werden nicht geprüft (RG JW 08/279). Steht indes der Scheidungklage schon ein rechtskräftiges Scheidungurteil entgegen, so ist auch keine Anordnung zulässig (OLG JMB1. NRW 52/27). Für die Zuständigkeit des Gerichts zur einstweiligen Anordnung kommt es nicht darauf an, ob die Eheklage auch bei dem örtlich zuständigen Gericht eingereicht worden ist (OLG MDR 51/45). a 2. §§944 (OLG JR 49/451), 945 (OLG HEZ 2/70; a. M. BGH NJW 57/1362) sind anzuwenden. a 3. § 926 sollte man entsprechend anwenden, soweit nicht § 627b IV1 durchgreift. Anzuwenden sind § 927 (OLG HRR 39/646; vgl. § 627 C III b 1, D II a) und § 707 zur Einstellung der Vollstreckung (OLG HRR 42/410), b) ferner die Vollziehungvorschriften der §§928, 929, 930 I, 931, 932 (a. M. BaumbachLauterbach § 627 Anm. 10 D). c) So wie einstweilige Verfügungen erneuert werden dürfen, dürfen es auch die Anordnungen, also bei neuem Vorbringen bzw. neuer Glaubhaftmachung, falls deswegen zurückgewiesen war; nicht aber bei unveränderter Sachlage (OLG NdsRpfl. 53/128). d) §§ 547 1 1, 519b II gelten für die einstweilige Anordnung so wenig wie für einstweilige Verfügungen. A II. Den Inhalt der einstweiligen Anordnungen regeln § 627 I und 6. DVO EheG 38 § 19; ihre Wirkungen §§ 627, 627a, 627b und 6. DVO EheG 38 § 19. a) Sie sind stets zulässig auf Grund des außerprozessualen Rechts, aber auch, wenn ihnen auBerprozessuales Recht nicht zur Seite steht. b) Soweit in ihnen besondere Voraussetzungen gegeben werden, die außerprozessual wirken, sind sie nur durch die einstweilige Anordnung zu verwirklichen; sodann gibt es auch keinen Anspruch auf Rückerstattung (OLG NJW 53/147). A III. Die einstweiligen Anordnungen sind Sonderrecht im Verhältnis zu den einstweiligen Verfügungen. a) Das ordentliche Verfahren kann durch das Anordnungverfahren aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, weil niemand gezwungen werden darf, in das einstweilige Verfügungverfahren zu gehen (a. M. OLG HRR 41/392). Die rechtskräftige Entscheidung im ordentlichen Verfahren hat stets den Vorrang vor der einstweiligen Anordnung (OLG l/327f., a. M. RGZ 63/279). Dennoch ist § 926 unanwendbar, soweit § 627 b IV gilt. Das ordentliche Verfahren schließt indes auch einstweilige Verfügungen und Anordnungverfahren nach § 627, so lange in ihm nicht rechtskräftig entschieden wurde, nicht aus; ob schon ein sehwebendes ordentliches Verfahren das Anordnungverfahren ausschließen kann, ist streitig (bejahend RG JW 19/502; verneinend OLG JW 31/1388). a 1. Zwar gibt es keine ordentlichen Klagen darauf, daß den Parteien gestattet wird, getrennt zu leben (vgl. § 606 B I e 1), a 2. wohl aber ordentliche Unterhaltklagen (RG JW 19/502), selbst wenn schon eine Anordnung nach § 627 ergangen ist (KG OLG 1/155). Ist gar das Unterhaltsurteil rechtskräftig, so bleibt kein Raum für die Anordnung mehr (OLG SchlHA 54/256; anders in dem Fall, wo ein Mehr gefordert wurde: OLG MDR 57/426). Dazu gehören auch die Anordnungen auf Leistung von ProzeßkostenVorschüssen und die Regelung des Kinderunterhaltes. a 3. Die Personensorge über die Kinder während bestehender Ehe wird nicht durch die ordentlichen Prozeßgerichte geregelt (BGB § 1632 II, vgl. GVG § 13 C I c). Auch nach Lösung der Ehe gibt es jedenfalls nur die Regelung durch das Vormundschaftgericht, keinen ordentlichen Prozeß über die Verkehrsregelung und keine Änderungen nach § 627 vor Lösung der Ehe (OLG DRZ 47/379; a. M. RG Gruch. 46/946). Darüber, ob auch im einstweiligen Anordnungverfahren nach § 627 über die Herausgabe von Kindern erkannt werden darf, herrscht
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§ 627
Ams3
ZPO VI. Buch
Streit (bejahend KG MDR 56/175; verneinend OLG N J W 54/1815). Über die Bindung des Vormundschaftgerichts vgl. GVG § 13 C II o 2; über die des Anordnunggerichts an Begelungen des Vormundschaftgerichts vgl. § 627 A I I I b 1. Die Übertragung des Sorgerechts ist auch auf den Mann zulässig (OLG FamRZ 59/23). a 4. Auch über die Benutzung der Ehewohnung und die des Hausrats dürfen die Parteien im ordentliohen Verfahren streiten (a. M. OLG BayJMBl. 54/121, sofern ein Anordnungverfahren zulässig ist). Nach rechtskräftiger Lösung der Ehe kommt allerdings nicht mehr das Verfahren vor den ordentlichen Prozeßgerichten in betracht, sondern das nach der 6. DVO EheG. b 1. Das Anordnungverfahren kann aber auch das vor dem Vormundschaftgericht über die Personenregelung der Kinder nicht ausschließen (GVG § 13 C I c).OLG N J W 56/1804 hält das Prozeßgericht nur für zuständig, wenn nicht das Vormundschaftgericht schon die Personensorge geregelt hat. Nach OLG MDB 51/114 ist die Anordnung, soweit das Vormundschaftgericht schneller erreichbar sei, unzulässig. Selbst wenn man hier eine Begelung nach § 627 im Nebeneinander zu der des Vormundschaftgerichts zuläßt, so darf doch eine vom Vormundschaftgericht getroffene nicht durch die nach § 627 umgeworfen werden (a. M. OLG HEZ 1/252). Nach § 627 darf ferner überall dort verfahren werden, wo das Vormundschaftgericht nicht eingreifen darf (vgl. BGB §§ 1666, 1672, 1671 I—IV). c) Im Verhältnis zu den einstweiligen Verfügungen hat die Möglichkeit der einstweiligen Anordnung den Vorrang. Die Partei hat also keine Wahl zwischen einstweiliger Anordnung und einstweiliger Verfügung (OLG ZZP 68/315). c 1. Werden indes Maßnahmen begehrt, die nicht durch einstweilige Anordnung geregelt werden dürfen, so sind Arrest bzw. einstweilige Verfügung zulässig (OLG JZ 52/308). Dahin gehören etwa einstweilige Verfügungen zur Sicherung der späteren Auseinandersetzung (OLG SchlHA 49/132), die, wem ein Sparkassenguthaben zuzuteilen ist (OLG SchlHA 48/79), die auf Herausgabe von Schmuck, Kleidungstücken (OLG ZJBI. 47/65; a. M. OLG SJZ 46/230) oder sonstiger persönlicher Bedarfsgegenstände oder auf Erlaß von Verfugungverboten über Hausrat (KG J R 50/281), Herausgabe nicht dringend benötigter Hausratgegenstände (OLG J R 50/89), Zuweisung eines Hausgartens (a. M. OLG J B 49/451), die Begelung der Telefonbenutzung (KG FamBZ 58/135). Dem steht eine ausdehnende Auslegung dessen, was einstweilen angeordnet werden darf, nicht entgegen, etwa bei der Kindesherausgabe (vgl. OLG NdsBpfl. 49/183; a. M. OLG J R 50/282). Auch kann keine Anordnung erlassen werden, zu unterlassen, sich im Geschäft des anderen Gatten zu betätigen (OLG DRZ 49/116); oder dem anderen Gatten das Betreten der ehelichen Wohnung zu gestatten bzw. der Geliebten das Betreten zu untersagen (a. M. LG MDR 56/111); soll etwa eine zukünftige Unterhaltsleistung durch Arrest abgesichert werden, so ist nur das Arrestverfahren dafür zulässig (OLG J W 33/182). Auch die Sicherung der Rechte (des Eigentums) an den Sachen kann nicht durch einstweilige Anordnung angeordnet werden (OLG RegBl. Thür. II 46/514). c 2. Ist gar nach rechtskräftiger Beendigung des Ehestreits (abgesehen von §§ 627 a, 627 b) eine einstweilige Anordnung unzulässig, so kommen die anderen Gerichte nach §§ 12folg. zum Erlaß einer einstweiligen Verfügung bzw. eines Arrestes zum zuge, die dann nach §§ 936 folg. verfahren (RG J W 05/645). Doch ist die Beschwerde noch nach rechtskräftiger Ehesachenentscheidung zulässig (OLG NdsRpfl. 49/60), soweit dadurch die einstweilige Anordnung nicht schon von selbst außer kraft getreten ist. B I b) § 612 wird für anwendbar gehalten (OLG DR 40 A 821. Zweifelhaft wird dies für Unterhaltleistungen. U. U. muß hier der gesetzliche Vertreter zu dem Antrag auf einstweilige Anordnung zugelassen werden. B~II. Das Anordnungverfahren ist so wie ein einstweiliges Verfügungverfahren im Verhältnis zum Hauptprozeß getrennt, a) auch für die Armenrechtbewilligung (KG J R 52/28), im besonderen bei Beiordnung von Anwälten (die ausdrücklich angeordnet werden muß, BRAGebO § 122 I I I 2, und die nach KG N J W 56/1404 im Regelfall angezeigt ist, nach OLG N J W 51/892 nur in besonderen Fällen). Über die Beiordnung von Anwälten bei Vergleichen vgl. § 627 b B II a 1. Doch kann der Mann
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Verfahren in Ehesachen
§ 627 B II a
nicht zur Abwendung seiner Prozeßkostenvorschußpflicht das Armenrecht für die Frau nachsuchen (OLG J E 50/280). Stillschweigende Bewilligung, wenn Anwälte armer Parteien unter Billigung des Gerichts mitwirken, hat OLG NJW 59/2123 angenommen. B III. Der nach § 627, 6. DVO EheG § 19 begründete Gerichtstand ist örtlich und sachlich ausschließlich (§ 40) das Eheprozeßgericht (§ 627 III 4). a) Zuständig ist grundsätzlich das Prozeßgericht der ersten Instanz, d. h. aber nur das in betracht kommende Landgericht, möglicherweise also eine andere Kammer als die, welche in dem Ehestreit entscheidet (RGZ 47/379). a 1. Ist der Streit in der Berufunginstanz (von der Einlegung der Berufung ab bis zur Einlegung der Revision [OLG DR 40 A 1021] bzw. Rechtskraft des Urteils; vgl. auch § 569 A l b ) anhängig, so ist es das Berufunggericht. Kommt es zu getrennten Instanzen, so hat der, welcher die Anordnung begehrt, sich nach dem in der höheren Instanz anhängigen Verfahren zu richten. a 8. Das Revisiongericht ist zur Entscheidung nach § 627 nicht berufen, vielmehr ist dann das LG zuständig (a. M. OLG HRR 30/452: das OLG). a 4. Mit der Rechtskraft des Eheurteils endet die Zulässigkeit, noch eine einstweilige Anordnung zu erlassen (OLG HRR 42/803), wenn auch die einstweiligen Anordnungverfahren damit noch insoweit nicht enden, wie die Beseitigung einer über die Rechtskraft des Urteil» in Ehesachen hinausgehenden Wirkung erstrebt wird. b) Die Zuständigkeit des Gerichts wird fixiert (§ 263 II 2) mit der Zustellung des Antrags (§§ 263 I, 253 I, entsprechend) und, falls dieser nicht zugestellt wird, mit der des Beschlusses, der auf ihn ergeht. § 276 gilt. b 2. Zur Begründung der Zuständigkeit genügt, daß die Ehestreitklage eingereicht ist (§ 627 II). Die Einreichung des bloßen Armenrechtsgesuchs des Klägers reicht nicht aus, auch nicht die Beifügung des Klageentwurfs als Anlage zu einem Armenrechtsgesuch, wenn die Klage nach ausdrücklicher Erklärung noch nicht erhoben werden soll (OLG HRR 40/4491. b 8. Ist die Eheklage noch nicht eingereicht (vgl. § 627 C I a 1), so sind sachliche und ört. liehe Zuständigkeit des Gerichts zu prüfen. b 4. Schwebt der Streit vor der Ehekammer und befindet sich das Eheverfahren vor dem Einzelrichter, so ist dieser (auch in der Berufunginstanz) allein zur Entscheidung berufen (§ 627 III 5; a. M. OLG JW 55/555, so lange ihn nicht der Vorsitzende auch zu diesem Verfahren ausdrücklich bestimmt hat). Unter den Begriff des Einzelrichters fällt aber auch der zum Sühneversuch (§ 610 I), der dem Klageverfahren vorausgehen soll, bestimmte Richter (vgl. § 944, OLG J R 49/451). C I. Das Verfahren beginnt mit dem Antrag einer Partei (RG JW 08/279); u. U., mit dem von ihrem gesetzlichen Vertreter gestellten Antrag (vgl. § 627 B I b); aber nicht dem des Staatsanwalts oder des früheren Gatten (OLG NdsRpfl. 57/153). a) Der Antrag ist eine prozessuale (§ 38 B II c), dem Gerieht gegenüber abzugebende und bis zu der Entscheidung über ihn frei, danach unter den Voraussetzungen des § 271 widerrufliche Willenserklärung; a 1. er ist zulässig von der Bestimmung eines Ehesühnetermins bzw. der Einreichung der Eheklage bis zur Rechtskraft der Eheentscheidung. Darüber, ob der vorher eingereichte zulässig bleibt, wenn die Eheentscheidung rechtskräftig geworden ist, vgl. § 627 C III b 1. a 2. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftstelle zu erklären (§ 627 I U I ) und deshalb vom Anwaltzwang befreit (§ 78 II). C II. Das Verfahren ist das der freigestellten mündlichen Verhandlung (§ 627 III 3). Anhörung des Gegners ist nicht vorgeschrieben (a. M. OLG NJW 49/30). Wird allerdings mündliche Verhandlung angesetzt, so besteht auch Anwaltzwang (§ 78 C III) und deshalb auch beim Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs (a. M. OLG MDR 59/668). a) Soweit der Antrag nicht verbraucht ist, dürfen weiteie Anträge gestellt werden (etwa zunächst der auf Prozeßkostenvorschuß, dann der auf Unterhalt). Die Voraussetzungen für
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§ 6 2 7 CDa
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die Anordnung — prozessualer wie außerprozessualer Art — sind darzulegen und glaubhaft (§ 294) zu machen (§ 627 III 2). Doch gehört dazu nicht die Aussicht des Ehestreites (§ 627 Alal). a 1. Darzulegen ist, soweit es sich nicht um eine Ermessensentscheidung des Gerichts bei dem Getrenntleben und der Personensorge handelt, der auBerprozessuale Anspruch. Die Anordnungvorschriften selbst geben keinen solchen Anspruch (KG MDR 53/50; a. M. OLG NJW 56/1404); bzgl. der Prozeßkostenvorschußpflicht vgl. BGB § 1360a IV; für Ausländer gilt deren Heimatrecht (OLG NJW 55/227). a 2. Die Beweislast liegt wie sonst. b) Ohne Glaubhaftmachung darf das Gericht nur insoweit entscheiden, wie sein freies Ermessen reicht. Eine Beweiserhebung, die nicht sofort vorgenommen werden kann, ist unstatthaft (§ 294 II). C III. Für die einstweilige Anordnung sind nur drei Gruppen von Anträgen zulässig. a) Zur ersten gehören der auf Getrenntleben, der auf Zuteilung der Wohnung, der auf Zuteilung von Hausrat. a 1. Über die einstweilige Regelung des Getrenntlebens vgl. BGB §§1353, 1356; doch geht die Möglichkeit der Anordnung nach § 627 darüber hinaus (RG JW 06/601), auch wenn die Frau sich getrennt hatte (OLG NJW 49/869). Dieser Anordnung steht die Aussetzung des Scheidungverfahrens nach § 620 nicht entgegen (RG N § 627/19). Und es ist das Getrenntleben selbst dann anzuordnen, wenn die Parteien schon tatsächlich getrennt leben (OLG JW 16/1357; a. M. OLG SchlHA 48/48). Eine Anordnung über die Lebensweise bei Getrenntleben ist unzulässig. Dem Gatten kann also nicht nach § 627 die Ausübung einer Tätigkeit verboten werden (OLGNJ49/43; a.M.RG JW03Beil.l04, das die Auflage an die Frau, nicht im selben Hause wie der Ehebrecher Wohnung zu nehmen, zugelassen hat). Nicht angeordnet werden darf die Herstellung des ehelichen Lebens durch einstweilige Anordnung nach § 627 (RG JW 01/306). a 2. Darüber hinaus läßt 6. DVO EheG § 19 die Regelung, wie die Wohnung zu benutzen ist, zu, die entweder dahin gehen darf, daß einem Gatten die Benutzung schlechthin verwehrt wird (OLG JR 49/451), und zwar ohne Rücksicht darauf, wer Mieter der Wohnung ist (OLG 25/139), oder daß die Benutzung geregelt wird (wie die Räume aufgeteilt werden, OLG HRR 36/439). Es darf auch angeordnet werden, daß ein Gatte die Wohnung betreten darf, der andere also die Benutzung der Wohnung unter Strafandrohung zu dulden hat (LG NJW 58/68). Die Aufgabe der Wohnung durch beide Gatten darf jedenfalls nicht angeordnet werden, auch nicht die Herausgabe eines Teils zu Tauschzwecken (OLG Rpfl. 48/120), wie nicht die Herausgabe des Hausgartens (a. M. OLG J R 49/451). Die Anordnung des Getrenntlebens wird bei der Wohnungteilung nicht vorausgesetzt. a 3. Auch darf einstweilen Hausrat (Möbel, Einrichtunggegenstände) in allen Ehestreiten dem einzelnen Gatten (auch dem Mann, OLG HRR 33/1897) zugewiesen werden, und zwar nach BGB § 1361a und ohne Rücksicht darauf, ob der Gatte die gemeinschaftliche Wohnung verläßt. Die Anordnung des Getrenntlebens und bzw. oder die getrennte Wohnungzuweisung ist hierzu nicht erforderlich; wohl aber das Getrenntleben (BGB § 1361a I 3, OLG J R 50/89). In wessen Eigentum oder Besitz sich die Sachen befinden, ist dabei gleichgültig (OLG HEZ 2/68). Eine Eigentumveränderung kann die Anordnung nicht bewirken (BGB § 1361 a IV). Maßnahmen zur Sicherung von Eigentum oder Besitz gehören nicht in das Verfahren nach §627 (OLG SchlHA 49/132), wohl aber die Zubilligung der Benutzungentschädigung nach BGB § 1361a III 2, sofern sie im Zusammenhang mit der Überlassungsanordnung zur Benutzung steht. Ein Veräußerungverbot über Hausrat darf nach § 627 nicht erlassen werden, auch nicht eine einstweilige Anordnung nach § 627 auf Rückgabe mitgenommener Gegenstände (RG Warn. 09/158). Auch darf der Mann nicht angehalten werden, die Sachen der Frau zu übersenden, vielmehr hat die Frau sie abzuholen (vgl. aber OLG 42/17, das dem Mann die Kosten auferlegt, wenn sie durch die Unterhaltsrente, die er zu gewähren hatte, nicht zumutbar gedeckt werden konnten). Die Hausratzuteilung umfaßt auch die für das Kind, welches bei dem Gatten lebt (OLG 40/395 Note 1). N i c h t zum H a u s r a t gehören Bekleidung, Schmuckstücke; dennoch tendiert die Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung, soweit es sich
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um notwendige Bekleidung handelt (OLG HEZ 2/213, München J W 21/1465', Rosenberg Lb § 161 III 9 d; Schänke § 627 Anm. III 1; a. M. OLG 42/18). Das entsprechende gilt für die notwendige Kinderbekleidung (OLG SJZ 46/230). Die Herausgabe von Hausrat richtet sich nach BGB § 1361a (OLG NJW 59/2125); ein Fernsehgerät ist kein Gegenstand, der zur abgesonderten Führung des Haushalts erforderlich ist (OLG NJW 59/2125). b) Unterhalt- und Prozefikostenvorsehüsse gehören zur zweiten Gruppe, b X. Die Vnterhaltansprttche der Gatten gegeneinander sind in BGB §§1360—1361a geregelt. Leben die Gatten nicht getrennt, so ist der Unterhalt in Natur zu gewähren, leben sie getrennt, so in einer Geldrente nach BGB § 1361IV 1 (RG JW 10/707). Doch hat in den Notzeiten OLG RegBlThür. 47/441 auf Herausgabe von Speisekartoffeln erkannt. Darauf, ob die Parteien getrennt leben oder nicht, kommt es nicht an. Andererseits ist das Recht zum Getrenntleben keine Voraussetzung für die Unterhaltpflicht (RG N § 627/28); wer aber gegen den Willen des anderen Ehegatten die Herstellung des ehelichen Lebens unberechtigt verweigert, hat den Anspruch nicht (BGB § 1361 III). Der Anspruch ist ohne Verzug (bzw. Rechtshängigkeit) zu gewähren (OLG J R 50/282, BGB § 1613 kommt für die Vergangenheit nicht zum zuge, weil darauf die Anordnung nicht erstreckt werden darf). Bei ausländischen Gatten entscheidet über Art und Höhe der Unterhaltgewährung das ausländische Recht (KG JW 36/3582). Bei der Bemessung des Unterhalts gilt auch BGB § 1611 II (RGZ 63/40). Auch sind die Gründe der Trennung zu berücksichtigen (BGB § 13611 2, II). Besteht so nach außerprozessualem Recht kein Anspruch, so ist der Antrag zurückzuweisen (KG JW 33/2074; a. M. OLG J R 50/282). Andererseits darf der Unterhaltsberechtigte nicht auf Fürsorgeunterstützung verwiesen werden (OLG SchlHA 51/64; wohl aber auf die Arbeitlosenunterstützung, OLG NJW 52/1102). Das Anordnungverfahren soll wie das Verfahren nach § 940 eine Notlage beheben (OLG MDR 54/367 verweist für den weitergehenden Anspruch auf das ordentliche Verfahren). Die Zonentrennung schließt nicht die Unterhaltanordnungen aus (OLG MDR 50/296; a. M. OLG MDR 50/554). Allerdings wird nach dem Einkommen und dem Vermögen dessen die Unterhaltleistung bemessen, von dem sie begehrt wird, also in Dm-Ost von dem in der Ostzone befindlichen Ehemann für die in der Westzone sich befindende Ehefrau (vgl. OLG SchlHA 50/301). OLG MDR 55/231 gibt bei den Unterhaltregelungen dem Mann 4 Teile, der Frau 2 Teile und jedem Kind 1 Teil des Gesamteinkommens (des Mannes). Zulagen, auch einmaliger Art, an Beamte sind zu berücksichtigen (OLG NJW 52/1382). OLG MDR 58/244 gestattete dem Mann, sich auf Abzahlungverpflichtungen zu berufen, wenn die Frau mit den Käufen einverstanden war, obwohl ihr Unterhaltsanspruch den Abzahlungverpflichtungen vorgeht. Nach OLG NJW 58/715 soll der der Frau zu gewährende Unterhalt so bemessen werden, daß sie auch ihrem eigenen Kinde, das vom Mann nicht abstammt, Unterhalt gewähren kann; doch ist der Mann zum Unterhalt des Kindes nicht verpflichtet; andererseits will OLG MDR 58/43 den Mann nicht für verpflichtet halten, Unterhalt für das bei der Frau lebende eheliche Kind zu gewähren, gegen das er Anfechtungklage erhoben hat; auch das ist nicht zu billigen. Regelmäßig betrifft der Anspruch wiederkehrende Leistungen, doch darf auch auf einmalige Zuschüsse erkannt werden (OLG BayJMBl. 51/207). OLG MDR 59/494 berücksichtigt Sonderanschaffungen des Unterhaltberechtigten nicht. Der Unterhalt ist vom Tage der Einreichung des Antrags zu gewähren (OLG NJW 47/307); nicht aber für die weiter zurückliegende Zeit (RG JW 98/586; a. M. OLG Büro 51/442). Entsprechend ist auch die rückwirkende (weitergehende) Änderung unzulässig (OLG SchlHA 58/140; a. M. OLG NJW 56/148). Er ist nach BGB § 1361IV 2 monatlich im voraus zu gewähren. Die Aussetzung des Scheidungstreits hat auf die Anordnung keinen Einfluß (OLG SchlHA 50/60). Die Unterhaltregelung reicht bis zur Rechtskraft des Ehestreites (OLG SchlHA 47/91); bei früherer Beendigung muß die Anordnung ausdrücklich aufgehoben werden (OLG BayJMBl. 54/163); nach Rechtskraft des Ehestreits dürfen Anordnungen nach § 627 nicht mehr erlassen werden (OLG DRZ 50/134). Vgl. aber § 627 b. Doch kann auch noch nach Rechtskraft des Ehestreiturteils wegen bis zu ihr fällig gewordener Beträge aus der Anordnung vollstreckt werden (OLG DRZ 50/134). Wird wegen der Beträge vollstreckt, die nach Rechtskraft des Ehestreites fällig geworden wären, so wendet OLG J R 27 B 748 zusätzlich § 766 an; RG Warn. 19/66 den § 767 (Kommentar § 767 C I a 3, D U a). Die Anordnung, daß kein Unterhalt zu gewähren ist, ist unzulässig (a. M. KG J W 33/2074).
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b 2. Geregelt werden darf ferner die ProzeßkostonvorschuBpflicht nach § 627, nur die für den Eheprozeß und die Anordnungen nach §§ 627folg. (KG J R 51/156); keine andere. Sie ist Ausfluß der Unterhaltpflicht (vgl. § 627 C I I a 1) und geregelt in BGB § 1360a IV. Auch der Mann kann von der vermögenden Frau den Prozeßkostenvorschuß fordern. Nicht zu fordern ist er vom Vermögens- und mittellosen Mann (KG DR 39 A 669), im besonderen, wenn dem Mann das Armenrecht bewilligt worden ist (KG J W 32/1398; a. M. RG Gruch. 51/385; anders, wenn der Mann z. T. das Armenrecht erhalten h a t : OLG N J W 49/869) oder sonst seine Armut nachgewiesen worden ist (KG J W 33/182); wenn er Fürsorgeunterstützung erhält (OLG SchlHA 51/64); ist dem Mann der Erwerb, den er zu erzielen unterläßt, anzurechnen (OLG Büro 52/126). Und es geht auch nicht an, daß der Mann nur seinen Anwalt voll deckt, selbst wenn er darüber hinaus nicht mehr aufwenden kann (a. M. OLG H R R 37/1265), weil er unter dem Gesichtswinkel des Unterhalts seine Mittel mit der Frau teilen muß (BGB § 1603 II). Der Vorschuß wird nicht gewährt, wo die Frau eigene Mittel hat (OLG MDR 52/111), wenn sie gemeinsame Ersparnisse mitgenommen hat (KG J W 34/1863). Hat die Frau das Armenrecht, so entfällt der Prozeßkostenvorschußanspruch, und schon wenn sie den Antrag mit Erfolg stellen kann (OLG H R R 29/2046). RG Warn. 09/261 hat aber ihr das Armenrecht nicht bewilligt, wenn nicht der Vorschußanspruch geltend gemacht worden war; anders, wenn der Frau mit Rücksicht auf die Vorschußpflicht des Mannes das Armenrecht unter gleichzeitiger Anordnung ratenweiser Rückzahlung bewilligt wurde, wenn man dies für zulässig hält; dann darf der Vorschuß in Raten vom Mann gefordert werden (OLG N J W 54/1533); doch ist dies unzulässig, wenn die endgültige Entscheidung über die Kosten im Prozeß entgegensteht (LG DGVZ 54/157). Anders ist dies, wenn der Frau das Armenrecht bewilligt wird mit der Anordnung der Ratenrückzahlung, soweit der Mann zahlt (OLG N J W 54/1533). Im Gegensatz zur Unterhaltgewährung muß der Anspruch wegen seiner Zweckgebundenheit anders als bei dem sonstigen Unterhaltsanspruch noch bis zur Rechtskraft vollstreckt sein, jedenfalls soweit er mit der rechtskräftigen Kostenentscheidung erlischt (OLG SchlHA 49/214). Doch wird der Vorschuß nicht zu einem Betrag des Kostenerstattungverfahrens (a. M. OLG N J W 55/367); betrachtet man ihn als Unterhaltleistung, so ist er nicht mehr zurückforderbar (a. M. OLG N J W 56/266). Der Vorschuß darf sodann grundsätzlich nur für die Zukunft verlangt werden, also nicht mehr dort, wo kein Anwalt mehr benötigt wird (OLG N J W 57/1768), nicht nach Beendigung der Instanz (KG DR 41 A 2073). Doch sollte man auch hier die Anordnung noch erlassen, bis der Streit rechtskräftig entschieden ist und mit rückwirkender K r a f t ab Einreichung des Antrags (OLG SchlHA 50/302). Ist der Prozeß noch nicht beendet, so ist auch für Gebühren, welche nicht mehr entstehen, der Vorschuß zu bewilligen ,weil sonst der Anwalt niederlegen darf (OLG J W 38/1607) und der Frau der Anwaltwechsel nicht zuzumuten ist. Bei der Heimtrennungsklage ohne Schuldausspruch (EheG § 48) billigte OLG Düsseldorf N J W 53/309 17 der Frau keine Anwaltskosten und nur die Hälfte der Gerichtskosten als Vorschuß zu, was nicht zu billigen ist. Regelmäßig wird die Frau den Vorschuß nur für die laufende Instanz fordern dürfen. In ihr eintretende Erhöhungen dürfen nachträglich geltend gemacht werden (OLG H R R 42/773), u. U. kann der Frau ein Verkehrsanwalt zugebilligt werden (OLG J R 54/221). Die Vorschußpflicht besteht ohne Rücksicht auf die Aussichten des Prozesses (vgl. § 627 A I a 1), was bisweilen geleugnet wird (OLG N J W 57/1768). c) Bei gemeinschaftlichen (OLG 40/421f.) minderjährigen Kindern darf nach § 627 c 1. eine Anordnung über das Personensorgerecht mit Ausnahme der Vertretung erlassen werden (a. M. LG FamRZ 56/87). Über die Abgrenzung zur Tätigkeit des Vormundschaftgerichts vgl. § 627 A I I I b. Unter § 627 fällt die Aufenthaltregelung; aber nicht die Verkehrsregelung mit den Eltern. Das Getrenntleben der Parteien ist keine Voraussetzung für die Kindersorgeregelung (RG N § 627/23). c 2. Geregelt werden darf nach § 627 unter den Gatten der Unterhalt für die minderjährigen, gemeinschaftlichen Kinder. Die Kinder haben zwar auch einen eigenen Anspruch gegen die Eltern (vgl. BGB §§ 1601, 1602 II, 1603 II, 1606 II). H a t indes ein Gatte für den Unterhalt eines Kindes, das tatsächlich vom anderen Gatten aufgezogen wird, zu sorgen (OLG 9/82), so haftet ihm der andere, und zwar vor oder neben ihm auf den Unterhalt (vgl. auch BGB §§ 677, 679, 683). Wegen dieses Anspruchs ist die einstweilige Anordnung nach
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§ 627 zulässig. Die Übertragung der Personensorge an den anderen Gatten ist dazu nicht erforderlich (OLG SchlHA 48/172). Dem Anspruch darf die widerrechtliche Vorenthaltung der Kinder entgegengesetzt werden. Da es sieh um Vorauszahlungen handelt, wird man auch sie nach dem Anfall des Einkommens bei dem Unterhaltspflichtigen bemessen (BGB § 760 gilt hier nicht, KG OLG 31 /75). Der Anspruch entfällt wie der Unterhaltanspruch des Gatten grundsätzlich mit der Rechtskraft des Eheurteils für die Zukunft (LG MDR 54/177). Geregelt wird nicht der Anspruch des Kindes (a. M. OLG NJW 55/554); doch muß sich das Kind das, was es an Unterhalt tatsächlich erhält, anrechnen lassen. Liegt indes ein Titel des Kindes vor, so entfällt damit die Zulässigkeit einer Anordnung nach § 627. c 3. Die Gemeinschaftlichkeit minderjähriger Kinder ist auch die Voraussetzung für Hausratanordnungen. Vgl. § 627 C III a 3. Eine dieser Anordnungen kann der Aufenthaltregelung des Kindes folgen, wie umgekehrt. Über die Zuteilung größeren Wohnraumes ist nach 6. DVO EheG § 19 zu entscheiden. D I. Entschieden wird durch Beschluß, der vom Beginn der Sühneterminanberaumung an, also auch vor Ehestreitklagezustellung ergehen darf (OLG 39/1366). Daß der Beschluß zu begründen ist, schreibt das Gesetz nicht vor. Er ist es aber, wenn er in Belgien vollstreckt werden soll; auf Antrag soll er dann (auch durch ein anders besetztes Gericht) nachträglich begründet werden (AG belgisch-deutsches Anerkennung- und Vollstreckungabkommen v. 26. 6.1959 [BGBl. I 245] §§ 10 I 2; 9). a) Ergeht die Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung, so wird sie verkündet, sonst dem unterliegenden Gegner förmlich zugestellt, dem obsiegenden Gegner und dem Antragsteller dagegen stets formlos mitgeteilt (§ 329). Auf Betreiben der Parteien wird nicht zugestellt. § 176 ist anzuwenden. Die Geschäftsstelle hat jede Anordnung nach § 627 dem Vormundschaftgericht mitzuteilen, wenn ein gemeinschaftliches eheliches Kind der Gatten vorhanden ist (vgl. § 627 C III c). b) Über die Kosten wird grundsätzlich nicht selbständig entschieden (§ 627c, abgesehen von denen des Aufhebungverfahrens nach § 627 b IV). b 2. Ist indes der Antrag als unzulässig zurückgewiesen worden, so ist selbständig über die Kosten zu entscheiden (OLG 42/803). c) Der Beschluß ist stets sofort vollstreckbar (§ 794 I 3), auch ohne Vollstreckungklausel (§ 929 I entsprechend). Unterhaltforderungen sind dabei nach § 850 d begrenzt pfändbar, dann aber auch Kostenvorschüsse (§ 627 C III b 2). Die einstweilige Einstellung der Vollstreckung ist zulässig (OLG HRR 42/410; § 707 entsprechend). Wird Erfüllung der einstweiligen Anordnung geltend gemacht, so ist nach OLG NJW 56/675 der §769 anzuwenden ¡während beiden nicht auf Befriedigung gehenden einstweiligen Verfügungen § 924 III anzuwenden ist (§ 927 B II a). D II. Die Anordnung gilt grundsätzlich nur für die Daner des Eherechtstreits, nur die Personensorgeregelung wirkt nach § 627 a, die Unterhaltregelung nach § 627 b auch für die Zeit nach der Rechtskraft. Über den Beginn (Rückwirkung auf den Tag des Eingangs des Antrags) vgl. § 627 C III b 1. Das Erlöschen tritt ein mit der rechtskräftigen Entscheidung, aber auch vorher mit der wirksamen Klagerücknahme (nicht schon mit dem Klageverzicht, § 306; nimmt aber der Gegner kein Verzichturteil, so ist ein Fall des § 927 gegeben). Doch wird damit nicht der Unterhaltsrückstand bis zu diesem Zeitpunkt hinfällig (§ 627 C III b 1); für Hausrat und Wohnung gilt die Anordnung bis zur anderweiten Regelung durch das Hausratgericht nach 6. DVO EheG 38 § 19 II, sofern die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt wird; nicht wenn diese Klagen abgewiesen werden oder wenn es um eine Herstellungklage ging (wenn man diese noch für zulässig erachtet, vgl. §606 B I e) oder bei negativen Ehefeststellungentscheidungen. Über die Prozeßkostenvorschüsse vgl. § 627 C III b 2. a) Soweit die Anordnung erlischt, kommt nicht § 323, aber auch nicht § 767 zum zuge, wenn man § 927 anwendet (§§ 627 A I a 3; 927 A I a 5); anders ist dies nur, soweit die einstweilige Verfügung auf Befriedigung geht (§ 936 C II a), bei ihr ist § 767 anzuwenden (vgl. § 928 C I b und § 627 C III b 1, D I c). Über die Folge des Erlöschens der Unterhaltanordnungen vgl. § 627 C III b 1. Eine frühere Begrenzung des Antrags durch das Gericht, also auf
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die Instanz, erscheint regelmäßig nicht zulässig (vgl. § 627 C III b 1); anders ist dies bei Prozeßkostenvorschüssen (vgl. § 627 C III b 2). D III. Gegen die Entscheidung des Landgerichts gibt es das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde (§ 627 IV 1), gegen die des Oberlandesgerichts keines (§ 567 III). a) Wird der Antrag zurückgewiesen, so bleibt die Zulässigkeit der Beschwerde (vgl. § 627 D III) wie die der sonstigen Erneuerung (vgl. § 627 A I c). Wird dem Antrag stattgegeben, so hat der Gegner die Beschwerde, auch, wenn die Ehestreitklage nicht erhoben wird. Deshalb sollte über die Beschwerde des Antragsgegners nicht vor Klageerhebung zurückweisend entschieden werden. b) Auf das Beschwerdeverfahren sind die allgemeinen Regeln anzuwenden, soweit sich nicht aus § 627 etwas anderes ergibt; Beschwerdegericht ist das Oberlandesgericht (§ 568 I). b 1. Ist bereits Berufung eingelegt, so ist die Beschwerde nur noch bei dem Oberlandesgericht einzulegen (§627 IV 3); damit wird die Abänderungbefugnis des Landgerichts ausgeschlossen. Wird die Beschwerde zulässigerweise beim Landgericht eingelegt, so ist es noch zur Abänderung berufen, selbst wenn inzwischen Berufung eingelegt worden ist (OLG 39/442, bzgl. der zeitlichen Begrenzung der Zuständigkeit des OLG vgl. § 569 A I b). b 8. Neue Behauptungen usw. dürfen vorgebracht werden (§570A; a. M. KG NJW 57/1240). b 3. Die Beschwerde muß schriftlich unter Anwaltzwang (§ 78 I) eingelegt werden (für einen Abänderungantrag i. S. des § 927 [vgl. § 627 A I a 3, D III b 2] besteht aber kein Anwaltzwang: OLG NJW 56/675). c) Wird die Beschwerde, um eine Anordnung herbeizuführen, -eingelegt, so wird mit der Rechtskraft der Eheentscheidung die Beschwerde grundsätzlich (abgesehen von § 627 b) unzulässig (OLG DRZ 50/134). Richtet sich dagegen die Beschwerde gegen eine Anordnung, so darf sie grundsätzlich weiter verfolgt werden (OLG HEZ 2/217), sofern sie noch irgendeine Wirkung hat. d) Auf die Beschwerde darf das zulässigerweise angegangene Gericht (u. U. das LG) die Vollstreckung einstweilen einstellen (dagegen gibt es keinen Rechtsbehelf, KG JW 39/500; doch darf das OLG diese Entscheidung des LG abändern); vgl. § 627 D i e . D IV. Ändert das Landgericht ab, so hat der Gegner die Beschwerde, ändert es nur zum Teil ab, so muß es weitergeben. Die Abänderung wird durch Beschluß ausgesprochen (vgl. §§ 574 B, 575 A I). Über die einstweilige Einstellung vgl. § 627 A I a 3. a) Das Oberlandesgerieht darf die Anordnung selbst erlassen oder den Erlaß dem Landgericht überlassen (sofern dort der Streit noch oder in der Revisioninstanz schwebt). Es darf die getroffene Anordnung von Anfang an, also mit rückwirkender Kraft (bis zur Antragsstellung) oder auch von seiner Entscheidung ab abändern.
§ 6 2 7 a (—) I Die nach § 627 getroffenen Anordnungen wegen der Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder bleiben während des Rechtsstreits und im Falle der Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Aufhebung oder, sofern das Kind nicht unehelich ist, im Falle ihrer Nichtigkeit auch darüber hinaus so lange wirksam, bis das Vormundschaftsgericht eine andere Anordnung getroffen hat. A I. § 627 a ordnet (entgegen der sonstigen Wirkung des § 627) an, daß eine einstweilige Anordnung über die Rechtskraft des Ehestreits hinauswirkt, wenn eine Ehe aufgelöst oder geschieden oder für nichtig erklärt wird, sofern das Kind ehelich ist. Für Bestandklagen ist § 627 entsprechend anzuwenden, wenn trotz Feststellung des Nichtbestehens gemeinsame eheliche Kinder vorhanden sind, auf die sich die Anordnung bezieht.
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A l l . §627a setzt die Möglichkeit des Eingreifens des inländischen Tormundschaftrichters voraus; er gilt deshalb nicht, wenn im maßgebenden Zeitpunkt ausländisches materielles Recht anzuwenden und der inländische Vormundschaftrichter deshalb in der Regel nicht zuständig ist. a) Nach geschiedener, aufgehobener oder für nichtig erklärter Ehe regelt das Vormundschaftgericht die Personensorge (und die Vertretung) der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder der Gatten nach BGB § 1671 und u. U. das Verkehrsrecht nach BGB § 1634 II. In diesen Fällen bleibt eine nach § 627 getroffene Anordnung über die Rechtskraft der Eheentscheidung hinaus aufrechterhalten, bis das Vormundschaftgericht entschieden hat. Dennoch darf eine solche Anordnung nur bis zur Rechtskraft des Eheurteils getroffen werden (§ 627 C III b 1). b) Über die Regelungen des Vormundschaftgerichts während des Ehestreits vgl. § 627 A III b 1. B. Für Hausratanordnungen gilt nach 6. DVO EheG 38 §§ 19 II, 25 dieselbe Regelung in denselben Fällen bis zur Entscheidung des Hausratrichters, also für die Zuteilung von Wohnraum und Hausrat auch in bezug auf die gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder. Das entsprechende müßte man für die Kleiderzuteilung gelten lassen (wenn es sie gibt, § 627 C III a 3), und zwar dann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des ordentlichen Gerichts. C. Unterhaltansprüche fallen dagegen nicht unter § 627 a (OLG NJW 53/1799). Darüber, ob Unterhaltsrückstände bestehenbleiben, vgl. § 627 C III b 1; im übrigen auch §627b. D. Sonstige einstweilige Anordnungen treten mit Rechtskraft der Eheentscheidung außer kraft; doch wird das Getrenntleben in den dem § 627a entsprechenden Fällen endgültig durch die Eheentscheidung; nur die Prozeßkostenvorschußregelung entfällt.
§ 627 b (—) I Dag Gericht hat auf Antrag zugleich mit dem Urteil,durch das auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe erkannt oder die Ehe für nichtig erklärt wird, einen Unterhaltsanspruch, der sich nach den Vorschriften des Ehegesetzes für einen Ehegatten gegenüber dem anderen ergibt, für die Zeit nach der Rechtskraft des Urteils durch Beschluß einstweilen zu regeln. II Der Beschluß wird mit der Rechtskraft des Urteils vollstreckbar, auf Grund dessen er ergangen ist. III Wird das Urteil angefochten, so hat das Gericht zugleich mit seiner Entscheidung über das Rechtsmittel darüber zu beschließen, ob es den Beschluß aufrechterhalten oder abändern will. IV Auf Antrag des Unterhaltspflichtigen hat nach Rechtskraft des Urteils das Gericht des ersten Rechtszuges eine Frist zu bestimmen, innerhalb deren der Unterhaltsberechtigte wegen seiner Ansprüche die Klage zu erheben hat. Wird die Frist nicht innegehalten, so hat das Gericht auf Antrag den Beschluß aufzuheben. Die Entscheidung über diesen Antrag unterliegt der sofortigen Beschwerde. V
§ 627 Abs. 3 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.
A I. § 627 b gestattet den Erlaß einer einstweiligen Unterhaltanordnung für die Zeit ab Rechtskraft der Ehestreitentscheidung (§ 627b I), sofern diese die Anordnung noch trägt, wenn die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt wird bzw. wenn der Nichtbestand infolge Scheidung festgestellt, wird und das erste Urteil die Unterhaltpflicht nach sich zieht. A II. Sie setzt einen Unterhaltanspruch des außerprozessualen Rechts voraus (§ 627 A II a) und richtet sich bei Ausländern regelmäßig nach deren Recht (§ 627 C III b 1). A III. Ob zu den Unterhaltsansprüchen auch Beiträge (§ 627 C III e 2) für die Kindesunterhaltung gehören, ist zweifelhaft; jedenfalls darf nur das Verhältnis der Gatten zueinander geregelt werden, nicht das des Kindes gegen den Unterhaltpflichtigen (BGH NJW 57/1362; a. M. OLG NJ 49/259). 88 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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B I. Das Anordnungverfahren nach § 627 b wird durch einen besonderen Antrag eingeleitet (§ 627b I), der schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftstelle und deshalb ohne Anwaltzwang (§ 78 II) erklärt werden darf (§§ 627b V, 627 I I I 1), der zu begründen und glaubhaft zu machen ist (§§ 627 b V, 627 I I I 2), in bezug auf die Tatsachen, welche die besonderen Voraussetzungen des Unterhaltverlangens betreffen (nicht über seinen Grund, den das Ehesachenurteil ergeben muß). a) Der Antrag darf so früh wie der nach § 627 zu stellende gestellt werden; entschieden wird über ihn indes erst mit dem Ehestreiturteil. Ist der Streit inzwischen verwiesen worden (§ 276), so gilt er als mitverwiesen. Gestellt werden darf der Antrag bis zum VerhandlungSchluß (§ 136 B II, OLG NdsRpfl. 51/160; a. M. OLG N J W 51/491). War er in der ersten Instanz nicht gestellt, so darf er in der zweiten gestellt werden. In der Revisioninstanz steht dem Begehren § 545 I I (entsprechend) entgegen. a 1. Kommt es in der Berufunginstanz nur zu einer das Rechtsmittel als unzulässig verwerfenden Entscheidung, so ist über den in ihr gestellten Antrag nicht zu entscheiden, weil § 627 b I die Sachentscheidung voraussetzt. a 2. Darüber, inwieweit die Entscheidung über die Anordnung in der Rechtsmittelinstanz nachzuprüfen ist, vgl. § 627b B IV c 3, 4. b) Der Antrag ist ein Eventualbegehren; seiner Zurückweisung (wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen) bedarf es nicht. Über ihn hat die höhere Instanz erstmalig zu entscheiden, wenn sich in ihr die Voraussetzungen dafür ergeben, ohne daß dies mit der Rechtsmitteleinlegung bzw. in der Anschließung ausgedrückt zu werden braucht. b 1. Ist der Antrag in der Vorinstanz übergangen, obwohl über ihn hätte entschieden werden sollen, so muß er neu in der Rechtsmittelinstanz gestellt werden, wenn keine Ergänzungentscheidung beantragt wird, was zulässig ist (a. M. OLG NdsRpfl. 51/160). c) Der Antrag darf bis zum Erlaß der Entscheidung (§ 516 A I) zurückgenommen werden. B II. Verfahren wird in freigestellt mündlicher Verhandlung (§ 128 G II). a) Kommt es zu Unterhaltvergleichen (vgl. EheG § 72), die als Prozeßvergleiche dem Anwaltzwang unterliegen (§ 296 A), a 1. EO nimmt die h. M. aus gebiihrenrechtlicben Gründen an, daß mit solchen Vergleichen zu einem Verfahren nach § 627 b übergeleitet wird (KG J R 48/352; vgl. aber dagegen OLG N J W 53/Ü.06). a 2. Wenn ein solcher Vergleich auch kein Ehesachenvergleich ist, so kann er doch vor dem Ehestreitgericht protokolliert werden (OLG SchlHA 51/177; a. M. OLG N J W 50/112); kostenrechtlich gehört der Vergleich allerdings nicht zum Scheidungstreit; das Armenrecht für ihn ist besonders zu bewilligen (OLG SchlHA 52/209), auch die Beiordnung von Anwälten (KG J R 51/153). b) Wenn von einem Prozeßgericht ein Vergleich über einen vergleichbaren Gegenstand wirksam geschlossen wird, ist es der Vergleich des § 794 1 1; auch der im Anordnungverfahren geschlossene, welcher mehr erfaßt als durch den Inhalt einer Anordnung ergriffen werden könnte (OLG SchlHA 51/177; a. M. OLG J R 51/443) bzw. der erst nach Rechtskraft geschlossen wurde (OLG JMB1. NRW 51/150; a. M. BGH N J W 55/166). B III. Entschieden werden soll durch getrennten Beschluß (vgl. § 627 D), wenn dem Antrag stattzugeben ist; nicht notwendigerweise, wenn er als unbegründet zurückzuweisen wäre; wohl aber, wenn dies als unzulässig geschehen müßte. a) Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für seinen Erlaß vor, so darf die Entscheidung nicht aus Zweckmäßigkeiterwägungen abgelehnt werden. b) Wirksam wird die Anordnung erst mit der Rechtskraft des Eheurteils (§ 627b II); dies sollte im Beschluß erklärt werden. b 1. Dementsprechend ordnet §627b II an, daß er erst von diesem Zeitpunkt an vollstreckbar wird.
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b 2. Die (positive )Anordnung hindert nicht die Erhebung der ordentlichen Klage nach dem Eintritt der Rechtskraft (vgl. §627b IV), wohl aber den Erlaß einer weiteren einstweiligen Verfügung über den Unterhalt; es sei denn, daß sie sich auf neue Tatsachen gründet (vgl. § 627 A III c). c) Eine Kostenentscheidung ergeht auch hier nicht (§ 627c), abgesehen von dem Fall, wo der Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird (§ 627 D I b 2). Daa Armenrecht muß für das Verfahren gesondert bewilligt werden (OLG SJZ 49/704). d) Der Beschluß wird, wenn er auf Grund mündlicher Verhandlung ergeht, verkündet (und muß dann zur Vollstreckung, vgl. § 750 I, von partei wegen zugestellt werden), sonst dem Pflichtigen von gerichts wegen förmlich zugestellt (§ 329 III), während er dem Antragsteller nur mitgeteilt zu werden braucht. Über die Erteilung der Vollstreckungklausel vgl. § 627 D I c. B IV. Der Beschluß ist nicht getrennt anfechtbar; über seinen Bestand beschließt das Rechtsmittelgericht zugleich mit seinem Endurteil, ohne daß es einer besonderen Anfechtung des vorinstanzlichen Beschlusses bedürfte (§ 627b III). a) Über erstmalig in der Rechtsmittelinstanz zu erlassende Beschlüsse vgl. § 627 B I I I a 1. b) Das Verfahren schließt nach § 627 b III das Beschwerdeverfahren aus. (OLG Bay J MinBl. 56/146). c) § 627 b III fordert eine neue Entschließung des Rechtsmittelgerichts über den Beschluß, d. h., wenn kein Beschluß des Rechtsmittelgerichts ergeht, obwohl er bestätigend oder abändernd hätte ergehen sollen, so tritt er mit der (sachlichen) Rechtsmittelentscheidung außer kraft; c 1. es sei denn, daß das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird. c 2. Die Nachprüfung muß auch hier im Rahmen der Anträge bleiben (§ 808 I). Übersieht das Berufungsgericht den Beschluß, so ist § 321 entsprechend anwendbar (Kommentar § 627 b B IV b 1); wird der Beschluß nicht bestätigt, so tritt er außer kraft. c 3. Im übrigen werden vom Berufungsgericht, soweit der Beschluß der ersten Instanz bestätigt oder geändert werden soll, Grund und Höhe der Anordnung nachgeprüft, wie wenn über ihn die Berufunginstanz erstmalig zu entscheiden hätte. c 4. § 627 b III gilt auch in der Revisioninstanz insoweit, wie sie den Beschluß des Berufunggerichts bestätigen muß, wenn er wirksam werden soll. Auch hier bedarf es dieser Entscheidung nur dann nicht, wenn die Revision als unzulässig verworfen wird (vgl. § 627b B IV c 1). Will man der Revisioninstanz grundsätzlich derartige Entscheidungen fernhalten (vgl. § 545 II), so dürfte man die erste Entscheidung über den Antrag in der Revisioninstanz nicht zulassen, selbst wenn in ihr durcherkannt wird. Bei der Bestätigung wären dann nur der Grund aus der Eheendentscheidung zu berücksichtigen und die dadurch eingetretenen Veränderungen. Wird aufgehoben und zurückverwiesen, so kommt eine Bestätigung des Beschlusses nicht mehr in betracht. C I. Der Beschluß nach § 627 b wird durch die Entscheidung der Unterhaltklage im ordentlichen Verfahren außer kraft gesetzt. Darüber hinaus schreibt § 627 b IV entsprechend §§ 936, 926 vor, daß der Verurteilte zur Erhebung der ordentlichen Klage dem Berechtigten eine Frist setzen lassen darf, a) aber erst nach Rechtskraft des Eheurteils (§ 627 b IV 1). Er wird an das Gericht der ersten Instanz gerichtet, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftstelle und ist deshalb vom Anwaltzwang befreit (§§ 627 b V, 627 III 1, 78 II), gleichviel, welche Instanz den Beschluß erlassen hatte. a 2. Die Frist darf ohne Anhörung des Gegners gesetzt werden. Geschieht dies nicht, so darf der Antragsteller negative Klage im ordentlichen Verfahren erheben oder sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung einlegen (§ 627 b IV 3, die aber dem Anwaltzwang unterliegt). Gegen die Fristsetzung gibt es dagegen kein Rechtsmittel. Die Aufhebung der Fristsetzung ist unwirksam. Über die Verlängerung dieser Frist vgl. § 224 II. Über die Berechnung vgl. §222. 88*
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b) Wird fristgerecht Klage erhoben, so ist sie auf die künftigen wie die fälligen, aber noch nicht getilgten Leistungen zu erheben (die getilgten scheiden hier zunächst aus). b 1. Uber die Zuständigkeit vgl. §§ 12 folg. und GVG § 23 B I I I e. b 2. Mit der Klageerhebung darf die einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus der Anordnung verbunden werden (§ 707 entsprechend). Mit dem ordentlichen Urteil tritt die Anordnung außer kraft (§ 717 I entsprechend); eine noch nicht beendete Vollstreckung wird unzulässig, und wegen der Rückstände darf nicht mehr vollstreckt werden (§§ 775 I 1, 776). b 3. Durch die Klage wird über den Titel entschieden; b 4. auch ist § 945 entsprechend anwendbar (§ 627 A I a 2). c) Wird die Frist nicht innegehalten, so ist auf Antrag die Anordnung nach § 627 b aufzuheben, ohne daß darüber mündlich verhandelt zu werden braucht; bis zum Erlaß des Beschlusses (§ 516 A I) darf nach § 231 I I die Klageerhebung nachgeholt werden, wobei die Einreichung der Klage die Frist wahrt (§ 496 III). w 1. Mit der Aufhebung wird die Vollstreckung unzulässig. c 2. Wird die Aufhebung nach Fristablauf abgelehnt oder wird durch Beschluß aufgehoben, so hat der Beschwerte das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 627 b IV 3). Sie unterliegt dem Anwaltzwang. c 3. Durch die Aufhebung wird aber nicht rechtskräftig über den auBerprozessualen Anspruch entschieden, d. h. auch nach Aufhebung des Beschlusses darf im ordentlichen Verfahren geklagt werden, wie auch trotz des Beschlusses der Unterhaltberechtigte im ordentlichen Verfahren selbst dann klagen darf, wenn er den vorläufigen Titel hat. e) Über die Zustellung des Beschlusses vgl. § 627 b B I I I d.
§ 6 2 7 c (—) I Die im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach §§ 627,627b entstehenden Kosten gelten, mit Ausnahme der Kosten des Aufhebungsverfahrens nach § 627 b Abs. 4, für die Kostenentscheidung als Teil der Kosten der Hauptsache; § 96 gilt sinngemäß. A I . Die Kosten der Anordnungen nach §§ 627, 627 b, 6. DVO EheG 38 § 19 gelten als Teil der des Ehestreits, an den sie angehängt werden. a) Gesondert sind zu behandeln die Kosten eines unzulässigen Antrags (OLG H R R 42/803), b) die der Beschwerdeinstanz, sofern die Beschwerde zurückgewiesen wird (§ 97 I), c) die nach § 627 b IV entstehenden. d) Darüber, ob die Kosten aus dem Unterhaltprozeßvergleich der Regel des § 627 c unterliegen, herrscht Streit (verneinend KG [West] Rpfl. 53/272; bejahend OLG N J W 50/608). Nach der hier vertretenen Auffassung ist der ersten Auffassung insoweit beizutreten, wie die vergleichsweise Regelung über §§ 627, 627 b hinausgeht, so OLG N J W 53/306; sodann ist § 98 anzuwenden, soweit nicht eine besondere Kostenregelung im Vergleich vereinbart worden ist. Darüber gehen die hinaus, welche in § 98 eine Sondernorm sehen, die § 627 c vorgreift (so OLG JMB1. N R W 54/63; dagegen: OLG MDR 52/435). A II. Im übrigen folgt die Kostenentscheidung der des Ehestreits, a) die der sachlich Unterliegende zu tragen hat (OLG SchlHA 49/211). b) Ergeht eine Entscheidung zwischen den Instanzen, so wird der Kostenanspruch zu ergänzen sein, zumindest wenn das Ergebnis beider Verfahren auseinandergeht. Wie das Gericht in diesem Fall teilt, ist Ermessensabwägung, die mit der Revision grundsätzlich nicht nachprüfbar ist (vgl. § 96 A). A III. Ein Ausgleich kann hier nur durch die Anwendung des § 96 geschaffen werden, wenn die Entscheidung über die Anordnung und die über den Ehestreit auseinandergehen. Hier wird
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also die selbständige Entscheidung so behandelt, wie wenn sie unter § 96 fallen würde. Danach dürfen auch dem im Eheverfahren obsiegenden Teil die Kosten der Anordnung auferlegt werden, soweit er im Anordnungsverfahren unterlegen ist (vgl. OLG Schleswig SchlHA 49/211). B. Das Armenrecht für den Ehestreit umfaßt nicht den Antrag aus §§ 627 (KG DR 40 A 341); 627 b (KG DR 39 A 331). § 6 2 8 (—) I Stirbt einer der Ehegatten vor der Rechtskraft des Urteils, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen. A I. Wenn der Ehestreit (§ 606 B I) durch den Tod eines Gatten in der Hauptsache erledigt wird (§ 628), ist dies von gerichts wegen zu beachten (RG HRR 32/1611). a) Über den Eintritt der (formellen) Rechtskraft vgl. § 705. b) § 628 verhindert nicht die Rechtsbehelfe, welche es zur Beseitigung der (formellen) Rechtskraft gibt, b 1. also nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf einer Rechtsbehelffrist (§§ 233folg.; OLG NdsRpfl 52/103) b 2. und nicht die Wiederaufnahmeklage, vgl. § 578 C I b. Ist sie zulässig, so muß das alte Urteil aufgehoben werden. Daran ändert der Tod eines oder beider Gatten nichts. War die erste Klage unzulässig, so muß sie als unzulässig abgewiesen werden (RGZ 149/110); wäre indes sachlich zu entscheiden, so muß die Entscheidung im Fall des § 628 in der Hauptsache offen bleiben und es darf nur noch wegen der Kosten entschieden werden (RG J W 30/1001), und zwar durch Beschluß nach § 91a. Stirbt ein Ehegatte vor Beginn des Wiederaufnahmeverfahrens, so ist die Wiederaufnahme insoweit unzulässig, wie es nur um die Prozeßkosten geht (§ 578 D IV d). b 3. Schließlich kann die formelle Rechtskraft noch durch die Entscheidung des BVG auf Grund einer Verfassungbeschwerde (BVGG §§ 90folg.) beseitigt werden. A II. Aus § 628 folgt, daß, wenn ein Gatte stirbt, nachdem die Rechtskraft der Entscheidung eintrat, es bei der Entscheidung verbleibt. Alle Wirkungen (positiver wie negativer Art), die an ein solches Erkenntnis sich knüpfen (im besonderen familienrechtlicher und erbrechtlicher Art), treten grundsätzlich ein. a) Die Entscheidungen nach § 627 a treten außer kraft, b) der BeschluB nach § 627b wird wirkunglos, wenn der berechtigte Ehegatte stirbt; dagegen bleibt er unter den Voraussetzungen des EheG § 70 zugunsten des überlebenden Ehegatten bestehen, wenn der Verpflichtete stirbt, mag auch der Titel gegen die Erben noch umgeschrieben werden müssen (vgl. § 727 C); der Beschluß, der wegen eines Kindesbeitrags erlassen wurde (§ 627 A III), erlischt (BGB § 1615). B I. Der Ehestreit wird nach § 628 erledigt, auch wenn ein Eheurteil vor dem Tode des Gatten schon erlassen, aber bei seinem Tode noch nicht rechtskräftig war. Es wird sodann mit dem Tode zur Hauptsache wirkunglos, also ohne daß es angefochten werden müßte. a) Doch wird man hier das Rechtsmittel (durch den Rechtsnachfolger) zu dem Zwecke, die Wirkunglosigkeit festzustellen, zulassen müssen. b 1. Ist der Rechtsbehelf unstatthaft (§ 511 B I a 1, II, III, IV), so ist er zu verwerfen, ohne Rücksicht darauf, ob der Tod schon vor Erlaß der angegriffenen Entscheidung, erst danach, vor oder nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eingetreten ist. b 2. Bei der sonstigen Unzulässigkeit wegen fehlender anderer Prozeßfortsetzungbedingungen (§ 511 B I a 2) ist zu unterscheiden, wann die Unzulässigkeit eingetreten ist. Ist der Rechtsbehelf nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eingelegt, so ist er ohne Rücksicht auf den Tod einer Partei zu verwerfen (von der Wiedereinsetzung abgesehen, § 628 A l b 1); dasselbe gilt, wenn er nach einem (wirksamen) Rechtsmittelverzicht (§§ 514, 566) eingelegt
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wurde. Wird der Rechtsbehelf dagegen erst später unzulässig, etwa weil er nicht rechtzeitig begründet worden ist oder weil er zurückgenommen wurde, so kommt es darauf an, ob der Tod vor oder nach dem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem er unzulässig wurde. Ist er danach eingetreten, so ist der Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen, ist er zuvor eingetreten, so ist die Erledigung zu beachten. Dies gilt auch in den Fällen, wo erst die notwendige Begründung des Rechtsmittels ergeben kann, ob es zulässig ist, wie in den Fällen der vom Berufunggericht nicht zugelassenen Revision, die nach § 547 I 1 oder damit begründet werden kann, daß die Ehe aufrechterhalten werden soll (vgl. § 511 B II c 7). B II. Der Tod erledigt (nach § 628) nur den sachlichen Ehestreit zur Hauptsache ( R 6 J W 30/1001). a) War indes eine sachliche Entscheidung ergangen, während die Klage als unzulässig abzuweisen gewesen wäre, so darf trotz der Erledigung, die sich nur auf die sachliche Entscheidung bezieht, der Prozeß von dem Rechtsnachfolger fortgesetzt werden mit dem Ziele, den Ausspruch zu erlangen, daß die Klage unzulässig ist (RGZ 149/110), auch wenn die Klage schon von einem oder gegen einen Toten erhoben worden war. b) Die Erledigung zur Hauptsache schließt nicht den Streit des Rechtsnachfolgers oder mit dem Rechtsnachfolger im Kostenpunkt au6 (OLG J W 35/2758). b 1. Bei Streit um die Prozeßkosten ist § 91a entsprechend anzuwenden (vgl. für das frühere Recht RGZ 118/73). Gegen die Kostenentscheidungen der LG ist die sofortige Beschwerde nach § 91a II zulässig. b 2. War bereits eine Endentscheidung ergangen, so ist das Rechtsmittel zur Klarstellung zulässig (vgl. § 511 B III). Darüber hinaus wird man § 91a I I entsprechend anwenden dürfen, wenn von vornherein nur die Kostenentscheidung angegriffen werden soll (OLG J MinBl. NRW 56/32). War die sofortige Beschwerdefrist verstrichen, lief aber noch die Rechtsmittelfrist, so wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein (§ 233). War das Rechtsmittel vom Verstorbenen oder vom Überlebenden bereits eingelegt, so wird es nicht unzulässig; vielmehr ist gegen seinen Rechtsnachfolger nur noch über die Kosten zu entscheiden (RG Warn. 20/177). § 628 berührt nicht die Nachwirkungen aus BGB §§ 1933, 2077, 2268, 2279. c 2. Auch sind gewöhnliche Klagen mit dritten über noch wirksame Folgen der Ehe verfolgbar (OLG DR 42 A 43). C I. Entgegen der Regel des § 628 dürfen noch Nichtigkeitklagen nach dem Tode eines Gatten neu erhoben und zuvor erhobene zur sachlichen Entscheidung gebracht werden durch den Staat als Kläger (EheG § 24 I 2), selbst wenn die Ehe schon früher aufgelöst war (EheG § 24 I 2). Nach dem Tode beider Gatten darf die Nichtigkeitklage nicht mehr erhoben (EheG § 24 II) und auch ein schwebendes Verfahren nicht zur Hauptsache fortgesetzt werden (§ 636). a) Bei der Wiederaufnahmeklage, die auch hier zulässig ist, muß es bei den alten Parteirollen bleiben. Gegen den Staat kann deshalb zulässigerweise nur die Klage betrieben werden, wenn er im Erstprozeß Kläger war. Daß der Staatsanwalt die Wiederaufnahmeklage betreiben darf, wenn er im Erstprozeß nicht Partei war, ist nicht zuzulassen, auch darf gegen ihn die Wiederaufnahmeklage nicht gerichtet werden, sofern er nicht Partei war. b) Standen der Staatsanwalt und der überlebende Gatte sich als Parteien gegenüber, so wird das Verfahren gegen den überlebenden Gatten fortgesetzt (§ 636). In dem Fall, wo der Staatsanwalt und der überlebende Gatte gemeinschaftlich gegen den Verstorbenen standen, wird man § 628 anwenden müssen, unbeschadet der Befugnis des Staatsanwalts, nach EheG § 24 I gegen den überlebenden Gatten neu Klage erheben zu dürfen. Die Kostenentscheidung ergeht in einem solchen Falle nur gegen den Rechtsnachfolger des Toten, der zur Hauptsache nicht Beklagter werden kann. C II. Das G über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung vom 29. 3. 1951 (BGBl. I 215), also der nach dem Tode eines Gatten, sieht gegen den Aus-
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sprach des Standesbeamten, daß die Ehe geschlossen worden ist, die in den Formen der Ehenichtigkeitklage (G § 4 IV) zu erhebende Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Ausspruchs vor (G § 4). C III a) Für die positiven und negativen BestandfeststeUungklagen gilt nur § 628 (§ 638). b) Bei der Scheidung- und Aufhebungklage (5. DVO EheG § 8) gilt die 5. DVO EheG 38 V. 18. 3. 1943 (RGBl. I 145), wonach der Staat nach dem Tode eines der Gatten die Feststellung verlangen darf, daß ein Scheidung- oder Aufhebunggrund bestand, was im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden wird. e) Bei Herstellungklagen (ihre Zulässigkeit unterstellt, vgl. dazu § 606 B I e) gilt nur § 628.
§ 629(—) aufgehoben.
§ 6 3 0 (—) aufgehoben.
§ 6 3 1 (585) I Für die Nichtigkeitsklage gelten die in den nachfolgenden Paragraphen enthaltenen besonderen Vorschriften. A II. Die h. M. meint, daß trotz der Vorschriften, welche einen Gatten auch im Nichtigkeitverfahren als schuldig behandeln, es keinen Schuldausspruch und keine Schuldfeststellung zugunsten des anderen Gatten gebe (OLG NJW 57/954). Doch kann es keinen Unterschied begründen, ob das Gesetz einen Schuldausspruch vorschreibt oder eine Partei so behandeln will, wie wenn sie schuldig gesprochen ist. Keinesfalls geht es deshalb an, in den Nachfolgeverfahren noch Feststellungen über die Schuldigbehandlung zuzulassen. A III. Im Falle der Wiederverheiratung nach Todeserklärung eines Gatten erster Ehe gibt es nach dem G zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitrechts v. 15. 1. 1951 (BGBl. I 59) Art. 3 grundsätzlich nur die Aufhebungklage, abgesehen von dem Fall, daß beide Gatten der neuen Ehe wissen, daß der für tot Erklärte noch lebt. B. Die Vorschriften der Ehenichtigkeitklage gelten entsprechend, wenn der Ausspruch des Standesbeamten einer nachträgliehen Eheschließung für unwirksam erklärt werden soll (G über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung v. 29. 3. 1951 [BGBl. I 215] § 4 IV). C. Ob eine Klage nach ausländischem Recht zur Nichtigkeiterklärung oder zur Bestandungültigkeitfeststellung führt, richtet sich nach dem anzuwendenden ausländischen Recht (vgl. RGZ 151/226).
§ 6 3 2 (586) I Die Nichtigkeitsklage des Staatsanwalts ist gegen beide Ehegatten und, wenn einer von ihnen verstorben ist, gegen den überlebenden Ehegatten zu richten. Die Nichtigkeitsklage des einen Ehegatten ist gegen den anderen Ehegatten zu richten. II Im Falle der Doppelehe ist die Nichtigkeitsklage des Ehegatten der früheren Ehe gegen beide Ehegatten der späteren Ehe zu richten. A I. Zur Erhebung der Ehenichtigkeitklage als Kläger ist der Staat legitimiert, der die Klage aus jedem Nichtigkeitgrunde erheben darf und auch noch nach Auflösung der Ehe, aber nur noch nach dem Tode eines Gatten (EheG § 24 I), nicht mehr nach dem beider (EheG § 24 II).
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§ 6 3 2 AI
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a 1. Vertreten wird der Staat im landgerichtlichen Verfahren durch den bei dem Landgericht bestellten Oberstaatsanwalt (bzw. dem von ihm beauftragten Staatsanwalt), im oberlandesgerichtlichen durch den bei dem Oberlandesgericht bestellten Generalstaatsanwalt bzw. dessen Beauftragten, beim Bundesgerichtshof durch den dort bestellten Generalbundesanwalt (RG JW 92/425) bzw. seinen Beauftragten. Da es sich hier aber nur um das Vertretungverhältnis handelt, ist die falsche Bezeichnung der Behörde ohne Bedeutung. In der Zwischeninstanz vertritt der der unteren Instanz, und er sollte auch in Rechtsmittelschriften noch als Gegner bezeichnet werden. a 2. Für ihn gilt nicht der Anwaltzwang (§ 78 I). Das Rechtsmittel kann aber nur der richtige Postulationfähige einlegen, nach dem Vertretungverhältnis der Staatsanwaltschaft an Stelle des Generalstaatsanwalts auch sein zur Vertretung ermächtigter Beamter (wie auch der Oberstaatsanwalt durch von ihm zur Vertretung Ermächtigte vertreten werden kann). b 1. Der Staat muß die Klage gegen beide Gatten richten und nur, wenn einer nicht mehr lebt, gegen den Überlebenden. Der Staat kann zwar als Partei dem dritten (§63211), der gegen beide Gatten die Ehenichtigkeitklage erhoben hat, beitreten; nicht aber kann er sich als Partei einem Gatten anschließen, der gegen den anderen klagt. Doch hat er dann das selbständige Betreibungrecht des § 634, das ihm dieselben Rechte wie der Partei gibt (vgl. § 69), darüber hinaus darf er auch nach § 607 mitwirken (vgl. § 607 A 1). b 2. In den Fällen der Klage auf Unwirksamkeiterklärung des standesamtlichen Ausspruchs der nachträglichen Eheschließung darf der Staat die Klage nur gegen die Frau und alle etwa vorhandenen Kinder richten (G über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung v. 29. 3. 1951 [BGBl. I 215] § 4 II 2). c) Über die Möglichkeit, nach dem Tode eines Gatten eine Scheidung und Aufhebung festzustellen, vgl. § 628 C III b (5. DVO EheG). A II a) Jeder Gatte ist befugt, gegen den anderen die Nichtigkeitklage zu erheben (soweit ihm nicht das Verbot der Klageüberlagerung entgegensteht, vgl. §§ 253 D, 615 B II). Nach Auflösung der Ehe ist er nicht mehr klageberechtigt. b) Doch können auch die Gatten gemeinsam verblagt werden (nicht Kläger sein), etwa von dem Staat oder dem früheren Gatten; dann sind sie notwendige Streitgenossen (§ 62). Die Möglichkeit, daß sich ein Gatte dem Staat als Streitgehilfe anschließt, besteht nicht (OLG NJW 57/954), auch nicht die, daß sich der Gatte dem früheren Gatten als Streitgehilfe anschließt. A III a) Im Fall der Doppelehe (EheG §§ 20, 38 I) ist auch der frühere Gatte klageberechtigt (EheG § 24 I; vgl. aber §631 AIII), solange beide Gatten leben; stirbt er, so ist § 628 anzuwenden. Im Regelfall muß er also die Klage gegen beide Gatten gerichtet haben (§ 632 II). Anders ist dies nur, wenn der Staat als Partei ihm beigetreten ist (§ 632 A I b 1). Solange dieser dritte klagen darf, darf er auch der Klage des Staatsanwalts beitreten, sodann ist er selbständiger Streitgehilfe (§ 69). Klagt einer der Gatten gegen den anderen, wo der frühere Gatte selbständig gegen beide klagen durfte, so kann er auch diesem als Streitgehilfe beitreten (§ 69). b) Die Klage auf Unwirksamkeitserklärung des Ausspruchs des Standesbeamten auf nachträgliche EheschlieBung darf von dem Vater und der Mutter des Mannes gegen die Frau und die Kinder erhoben werden (G über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung v. 29. 3. 1951 [BGBl. I 215] § 4 II). Ob, wenn Vater und Mutter leben, beide klagen müssen, kann zweifelhaft sein; doch sollte man es nach der Wortfassung annehmen. Ist einer von ihnen verstorben, so bleibt das Klagerecht dem Überlebenden. Die Klage ist stets gegen die Frau und alle etwa vorhandenen Kinder zu richten, die dann notwendige Streitgenossen sind (§ 62). B. Soweit der Staat, der Gatte und der frühere Gatte, Vater und Mutter (diese zusammen, sofern sie noch leben) das Klagerecht haben, haben sie es selbständig, solange bis
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irgend jemand die Klage erhoben hat. Ist eine Ehenichtigkeitklage über denselben Nichtigkeitgrund rechtshängig, so darf derselbe unter anderen Parteien nicht mehr zugelassen werden, wie auch, wenn rechtskräftig über den Nichtigkeitgrund entschieden wurde, selbst der Staat nicht mehr klagen darf. Soll über einen anderen Nichtigkeitgrund geklagt werden, so liegt keine Klageüberlagerung vor.
§ 633
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I Mit der Nichtigkeitsklage kann nur eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien verbunden werden. II Eine Widerklage ist nur statthaft, wenn sie eine Nichtigkeitsklage oder eine Feststellungsklage der im Abs. 1 bezeichneten Art ist. A I. § 633 läßt nur die Klageverbindung von Ehenichtigkeitsklagen mit der positiven oder der negativen Bestandfeststellungklage zu. Andere Klagen müssen von den Nichtigkeitbzw. Bestandfeststellungklagen getrennt werden (§ 145), was bei der Eventualstellung indes nicht angeht; diese ist dann unzulässig (RG JW 38/1538). Geht der Kläger von einer Gruppe zur anderen über, so ist dies Klageänderung (RG N § 633/1). A II. Nach §6331 darf nnr die Klage eines Gatten mit der weiteren desselben gegen den anderen verbunden werden. a) Dies gilt auch, wenn mehrere Nichtigkeitgrönde geltend gemacht werden. A III. Soweit die Klagen verbunden werden dürfen, darf der andere Gatte auch Widerklage erheben (§ 633 II). In diesem Falle sind sowohl Nichtigkeit- wie Bestandfeststellungklagen bzgl. derselben Ehe zulässig. a) Widerklagen gegen den Staat wie die des Staats, aber auch die des dritten (des früheren Gatten, der Manneseltern) wie die gegen einen solchen dritten sind unzulässig. b) Der positiven Bestandfeststellungklage kann nicht die negative Widerklage entgegengesetzt werden wie umgekehrt (vgl. § 253 D III b); nur wenn die (negative bzw. die positive) Bestandklage (des Mannes) eventuell angebracht wurde, darf ihr die Hauptwiderklage (der Frau) in der Art der positiven bzw. der negativen Bestandfeststellung entgegengesetzt werden. b 1. Nur wenn der Klageabweisungantrag nicht das Begehren des anderen Gatten trifft, ist die Widerklage zulässig; beantragt der betroffene Gatte nach Wegfall seiner geistigen Beeinträchtigung die Klageabweisung, so bringt er damit die Ehenichtigkeitsklage des anderen nach EheG § 18 I zu Fall. Aber auch wenn er nur Abweisung einer sonstigen Nichtigkeitklage des anderen beantragt, kann er nicht aus demselben Grunde die Ehenichtigkeitklage erheben, weil die Klageabweisung den Nichtigkeitgrund vernichtet (§ 636a). Über den Fall der Doppelehe nach Todeserklärung des einen Gatten der früheren Ehe vgl. EheG § 38 I (§ 632 A III a). B I. Zulässigerweise dürfen demnach bei Klagen der Gatten gegeneinander verbunden werden, die Klage aus verschiedenen Nichtigkeitgründen mit der positiven oder der negativen Bestandfeststellungklage. a) Wird die negative Bestandfeststellung- mit der Nichtigkeitklage verbunden, so wird die letzte unbegründet, wenn die erste begründet ist. Keinesfalls darf, wenn die Ehe für nichtig erklärt worden ist, eine weitere Nichtigkeitklage erhoben werden, hätte diese auch zur Schuldigerklärung des anderen Teils führen können. b) Wird die positive Bestandfeststellung- mit der Nichtigkeitklage verbunden, so würde sie, wenn die Nichtigkeitklage durchgreift, regelmäßig unbegründet werden. Sie hat deshalb nur Sinn für den Fall, daß die Nichtigkeitklage abgewiesen wird. B II. Die Widerklage in sich unterliegt denselben Normen wie die Klage. Im Verhältnis zur Klage ist ferner das Verbot der Klageüberlagerung zu beachten (§ 633 A III b). a) Der Ehenichtigkeitklage (der Frau) darf derselbe wie jeder andere Ehenichtigkeitgrund (des Mannes) entgegengesetzt werden, aber auch die positive wie die negative Be-
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§633 BDa
ZPO VI. Buch
standfeststellungwiderklage. Wird die positive Bestandfeststellungklage entgegengesetzt, so ist sie als unbegründet (nicht als unzulässig) abzuweisen, wenn die Ehenichtigkeitklage durchgreift; ist die Feststellungklage unbegründet, so kann und wird im Regelfall auch die Ehenichtigkeitklage als unbegründet abzuweisen sein. Wird die negative Feststellungklage der Ehenichtigkeitsklage entgegengesetzt, so ist die letzte unbegründet, wenn der ersten stattzugeben ist; und die erste darf nur als unbegründet abgewiesen werden, wenn auch die Nichtigkeitklage als unbegründet abzuweisen ist. b) Einer gemischten (Ehenichtigkeit- und Bestandfeststellung-)Klage darf stets die Ehenichtigkeitwiderklage entgegengesetzt werden, aber auch die positive wie die negative Bestandfeststellungklage, soweit diese als Hauptwiderklage (zulässigerweise, § 633 A III b) erhoben wird und damit die Eventualstellung der Klage durchbricht. C. Ein Zwang zur Klagehäufung oder zur Widerklageerhebung besteht nicht. Werden mehrere solche Klagen getrennt erhoben und könnten sie verbunden werden, so sind sie zu verbinden (§ 147), um in Ehestreiten einheitlich entscheiden zu können (vgl. § 614 A). Bei diesen Klagegruppen besteht keine Häufung- bzw. Widerklageerhebunglast nach § 616 (Kommentar § 616 A II a).
§634(589) I Der Staatsanwalt kann, auch wenn er die Klage nicht erhoben hat, den Rechtsstreit betreiben, insbesondere selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen. A I. Der Staat kann im Laufe eines Rechtstreits Partei werden, wenn nämlich der frühere Gatte (EheG §§ 20, 24 I) oder Vater und Mutter des Mannes im Fall der nachträglichen Eheschließung (G über die Rechtswirkungcn des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung V. 29. 3. 1951 [BGBl. I 215] § 4 II) Klage erhoben haben und er auf dem Wege der Partei-(Klage)änderung (vgl. § 264 E) in den Prozeß als Partei eintritt. Der Eintritt des Staates als Partei in den Streit unter den Gatten ist dagegen unzulässig (§ 632 A I b 1). Über den Eintritt des Staates als Partei nach dem Tode eines Gatten vgl. § 636. A II. Ist der Staat Partei, so hat er nur die Rechtstellung der Partei und § 634 ist nicht anzuwenden. R I. Die Norm des § 634 geht davon aus, daß der Staat nicht Partei ist, sei es, daß er .es nicht werden kann, sei es, daß er es nicht werden will, und gibt ihm das Recht, das Verfahren selbständig betreiben zu dürfen. Damit gelangt der Staat in die Stellung eines selbständigen Streithelfers (§ 69), gleichviel welcher Parteiseite er sich anschließt. Im Prozeß der beiden Gatten gegeneinander kann er nur einer Partei beitreten. Daß er sich nur dem Kläger anschließen darf, besagt § 634 nicht. R II. Der Staat darf in diesem Fall den Reitritt wechseln, auch noch bei Einlegung des Rechtsmittels. R III. Da er ganz die Stellung des selbständigen Streitgehilfen hat (§ 69), darf er auch gegen den Widerspruch der Partei, der er sich anschließt, handeln, im besonderen Rechtsmittel einlegen (RG JW 31/1335). Tritt er mit der Rechtsmitteleinlegung in den Streit ein, so muß allerdings die Rechtsmittelfrist für den Beschwerten noch laufen, wenn das Rechtsmittel zulässig sein soll (RG JW 30/1335). Darüber, ob er die Wiederaufnahmeklage, selbst wenn er im ersten Streit nicht beteiligt war, erheben darf, vgl. § 578 C II a 2. Über die Wiederaufnahmegründe in diesem Falle vgl. § 578 C II a 3. Auch darf der Staat ausgesetzte oder unterbrochene Verfahren aufnehmen. a) So wenig wie der selbständige Streitgehilfe darf er aber die Klage zurücknehmen (§ 67 B II a 1) und deshalb auch kein Rechtsmittel zu diesem Zweck einlegen. b) Darüber hinaus kann er der Klagerücknahme wie dem Klageverzicht der Partei (der hier nur wie Klagerücknahme wirkt, § 635 A) nicht rechtswirksam widersprechen (RG J W 05/537). C. Allerdings darf der Staat sich auch hier auf die Mitwirkung nach § 607 beschränken (vgl. § 607 A I).
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Verfahren in Ehesachen
§ 635 (—) I Das Versäumnislirteil gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Kläger ist dahin zu erlassen, daß die Klage als zurückgenommen gelte. A. Vor § 635 gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Verhandlung, 90 daß, wenn über Klage und Widerklage zu entscheiden ist, nur einheitlich kontradiktorisch entschieden werden darf (§ 614 A I). Das Versäumnisurteil ist ferner ausgeschlossen, wenn der Staat auf Seiten des Klägers nach § 634 mitwirkt (vgl. §§ 69, 62). Auch darf der Beklagte, anstatt das Versäumnisurteil zu beantragen, auf kontradiktorischer Entscheidung bestehen, soweit einer möglicherweise von ihm zu erhebenden Widerklage das Verbot der Klageüberlagerung entgegensteht (§§ 632 A I a, 253 D, 615 B II); auch muß der Beklagte in die Klagerücknahme von der in § 2711 festgelegten Zeit ab willigen. Aus der Vorschrift folgt, daß auch Klageverzichte (§ 306) nicht wirksam abgegeben werden können und nur als Klagerücknahme wirken (§ 306 D II a). B. Rechtsmittelverzichte sind zulässig (§ 617 B III). Gegen den Rechtsmittelkläger darf das Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zurückgewiesen werden (§ 542 I, gleichviel, ob er Kläger oder Beklagter ist, RG Warn. 16/259). Gegen den Rechtsmittelbeklagten, der Beklagter ist, wird stets nur kontradiktorisch entschieden (RG J W 98/83); ist er aber Kläger, so darf insoweit kein Versäumnisurteil gegen ihn ergehen, wie es im ordentlichen Verfahren § 542 II auf das unterstellte Zugeständnis des Beklagten abstellt, weil es dieses hier nach § 617 nicht gibt. Nur soweit es darauf nicht ankommt, ist das Versäumnisurteil auch in Ehesachen denkbar (§ 618 B I b), hier aber nur mit dem Inhalt der Verurteilung zur Klagerücknahme. Doch kann der Beklagte als Rechtsmittelkläger auf kontradiktorischer Entscheidung bestehen. Ist in der Rechtsmittelinstanz sowohl über Klage wie über Widerklage zu entscheiden, so ist nur die kontradiktorische Entscheidung möglich wegen des Gebots der Einheitlichkeit der Entscheidung (RG Gruch. 58/483).
§ 636
(590)
I Hat der Staatsanwalt die Nichtigkeitsklage zu Lebzeiten beider Ehegatten erhoben, so ist, wenn ein Ehegatte stirbt, § 628 nicht anzuwenden. Das Verfahren wird gegen den überlebenden Ehegatten fortgesetzt. A. Der Staat darf auch nach Auflösung der Ehe gegen den überlebenden Gatten die Nichtigkeitklage erheben (§ 632 I, EheG § 24 I 2). Deshalb ist in Nichtigkeitstreiten die Hauptsache durch den Tod eines Gatten, wenn der Staat klagt, nicht erledigt. B. Hatte zur Zeit des Todes einer Partei der Staat keine Nichtigkeitklage erhoben, hatte er sich aber gemäß § 634 dem verstorbenen Nichtigkeitkläger angeschlossen, so ist § 636 entsprechend anwendbar; sonst erledigt sich der Streit durch den Tod einer Partei nach § 628 und der Staat muß neu klagen (§ 628 C). Der Tod des Beklagten erledigt den Streit. Ob der Staat nunmehr gegen den Nichtigkeitkläger Klage erhebt, steht bei ihm; die Fortsetzung des Streits ist nur als (Klage-)Parteiänderung zulässig (vgl. § 628 C I b). Dasselbe gilt, wenn der Staat auf der Seite des überlebenden Gatten stand, wenn dieser Kläger war. Der Tod beider Gatten erledigt auch den Nichtigkeitstreit des Staates.
§ 636 a
(629)
I Das auf eine Nichtigkeitsklage ergehende Urteil wirkt, wenn es zu Lebzeiten beider Ehegatten oder, falls der Staatsanwalt die Nichtigkeitklage erhoben hatte, des Längstlebenden von ihnen rechtskräftig geworden ist, für und gegen alle. A. Das auf Nichtigkeitklage ergehende Sachurteil wirkt für und gegen alle (§ 636a). Gemäß EheG § 23 darf sich niemand auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen, wenn sie nicht
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§ 636a A
ZPO VI. Buch
für nichtig erklärt worden ist. Dasselbe gilt aber auch für die erst in der Zukunft wirkende Aufhebung oder Scheidung (EheG §§ 29, 41), wie auch für die Bestands- oder Nichtbestandfeststellungklagen (jenseits der Nichtigkeitgründe, vgl. § 638 I 2). § 636a bestimmt darüber hinaus, daß auch die abgewiesene Nichtigkeitklage Rechtskraft wirkt. A I. Daraus folgt, daß, von wem auch immer und gegen wen auch immer eine Nichtigkeitsklage erhoben worden ist, ihre rechtskräftige Abweisung den Nichtigkeitgrund für alle vernichtet, welche ihn geltend machen könnten; a) doch hat BGH v. 29. 4.1959 IV ZR 265/58 einer Klage aus einer sittlich verwerflichen Gesinnung das Rechtschutzbedürfnis versagt und dann die Klagebefugnis anderer bejaht; b) wohl aber bleibt den gemeinsamen Gatten die Aufhebungklage nach EheG § 39. d) Stirbt ein Gatte bei der Nichtigkeitklage des anderen oder des früheren Gatten, so wird der Streit in der Hauptsache erledigt (§ 628 A), dadurch verliert der Staat nicht das Recht, gegen den Überlebenden zu klagen (§ 636 B). A II. Aus der Vorschrift folgt die erweiterte Rechtshängigkeit, so daß, sobald eine Nichtigkeitklage erhoben worden ist, die auf denselben Nichtigkeitgrund gestützte spätere einer anderen Partei unzulässig ist (§ 632 B). a) Soweit bereits eine Nichtigkeitklage schwebt, besteht für den Staat bzw. den überlebenden Gatten nur die Möglichkeit, sich als selbständiger Streitgehilfe (§ 69) der Nichtigkeitklage der klagenden Partei anzuschließen (vgl. § 634 B). Der Staat darf sich indes auch der beklagten Partei anschließen, vgl. § 634 B I. Die beiden zusammen verklagten Gatten haben dieses Recht nicht, obwohl ihnen die Verfechtung ihrer Ansicht freisteht (Kommentar § 632 A IIb). b) Bei der postmortalen Eheschließung können sich Vater und Mutter, wenn der Staat klagt; der Staat, wenn Vater und Mutter des Mannes auf Unwirksamkeit des Ausspruchs der nachträglichen Eheschließung klagen, als Streitgehilfen anschließen (§ 69).
§ 6 3 7 (591) I In den Fällen, in denen der als Partei auftretende Staatsanwalt unterliegt, ist die Staatskasse zur Erstattung der dem obsiegenden Gegner erwachsenen Kosten nach den Vorschriften des fünften Titels des zweiten Abschnitts des ersten Buchs zu verurteilen. A. Soweit sich der Staat als Partei (§ 632) oder in der Stellung des selbständigen Streitgehilfen (§ 634) beteiligt, ergeht die Kostenentscheidung nach §§ 91 folg. für wie gegen den Staat. Im besonderen gilt auch § 100. B. Die reine Mitwirkung nach § 607 veihaftet den Staat kostenrechtlich nicht.
§ 6 3 8 (—) I Die Vorschriften der §§ 633 bis (¡35 gelten für eine Klage, welche die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien zum Gegenstand hat, entsprechend. Das Urteil, durch welches das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe festgestellt wird, wirkt, wenn es zu Lebzeiten beider Parteien rechtskräftig geworden ist, für und gegen alle. A I . Bei den Bestandfeststellungklagen darf der Staat als selbständiger Streitgehilfe (§ 69) mitwirken, und es gibt auch bei ihnen keinen Klageverzicht, kein so wirkendes Versäumnisurteil, sondern nur das auf Klagerücknahme (§ 635 A). Für die Verbindungmöglichkeit gilt § 633 (§ 638 I 1). Schließt sich der Staat nach § 634 dem Verfahren an, so gilt aber auch § 637, während er bei der reinen Mitwirkung nach § 607 nicht kostenrechtlich verhaftet wird. A II. Wird das Bestehen einer Ehe festgestellt, so gilt die Ehe als geschlossen (vorbehaltlich einer noch nicht verbrauchten, neuen Nichtigkeitklage). Wird dagegen der Nichtbestand der Ehe festgestellt, so gilt die Ehe ab Rechtkraft des Urteils als nicht bestehend. Das Urteil
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Verfahren in Ehesachen
§638 An
hindert nicht den späteren Ehesehluß. Ergeht, wenn auch zu unrecht, ein ihm entgegenstehendes Urteil, so gilt hier das letzte, wenn auch dieses durch Wiederaufnahmeverfahren beseitigt werden kann (§ 580 D III d, vgl. § 640 C I b 2). A III. Die Vorschrift hindert nicht, daß über den Bestand oder den Nichtbestand in anderen Prozessen mit dritten präjudiziell über andere Klagen entschieden wird. B. Bestandsfeststellungen nach dem Tode einer Partei sind nach der 5. DVO EheG 38 nicht zugelassen (§ 628 C III).
§ 6 3 9 (592) weggefallen. Zweiter Abschnitt
Verfahren in Rechtsstreitigkeiten, welche die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern zum Gegenstand haben § 640 ( - ) I Auf einen Rechtsstreit, der die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes, die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern- oder Kindesverhältnisses zwischen den Parteien oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Gewalt der einen Partei über die andere zum Gegenstand hat, gelten die Vorschriften des § 607 Abs. 1, der §§ 613, 617, 618, 619, des § 623 Abs. 1 und der §§ 635, 626, 628, 684, 635 und 687 entsprechend. II Mit einer der im Abs. 1 bezeichneten Klagen kann eine Klage anderer Art nicht verbunden werden. Eine Widerklage anderer Art kann nicht erhoben werden. B I a 3. Die nach Ablauf der Anfechtungfrist (BGB § 1594) erhobene Klage des Mannes ist unzulässig; der Mann kann dann auch nicht mehr auf Feststellung klagen (OLG SchlHA 56/349). b) Der Staat hat das Anfechtungrecht nach BGB § 1595a (BGHZ 2/130). b 3. Ob der Staat anfechten will, steht in seinem vom Gericht nicht nachprüfbaren Ermessen (RGZ 163/164). c) Die Frau hat das dem Manne entsprechende Anfeohtungrecht (GG Art. 3 II) nur, wenn ihr ein Kind des Mannes, mit dem sie in einer Ehe lebt oder lebte, als ihr Kind unterschoben wird, das von ihr nicht abstammt. Jedenfalls gehören die Klagen der Mutter oder eines sonstigen dritten gegen das (eheliche) Kind (RGZ 123/263) nicht zu den Anfechtungklagen, selbst wenn der Ehemann vor Ablauf der Anfechtungfrist verstorben ist. d) Auch das Kind hat nicht das Recht, die positive oder negative Anfechtungklage zu erheben (RG StAnz. 43/107). Es kann auch nicht auf die Feststellung der Uneheliohkeit seiner Abstammung klagen (OLG SchlHA 49/38). B II. Im Anfechtungstreit gibt es keine Umkehr der Parteirollen. a) Die Anfechtungrechte des Mannes und des Staates sind zunächst grundsätzlich selbständig (RGZ 163/160). Wegen der Einheitlichkeit des Streitgegenstandes wirkt die rechtskräftige Entscheidung aber grundsätzlich gegen beide, also auch gegen den Staat (BGHZ 23/1); wenn auch die rechtskräftig abgewiesene Anfechtungklage des Mannes nicht die des Staats hindert, sofern die Klage des Mannes wegen Fristversäumung abgewiesen wurde (RGZ 163/160). a 1. Ist einer Anfechtungklage stattgegeben worden, so wirkt dies schlechthin.
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§ 6 4 0 B II
ZPO VI. Buch
a 2. Daraus ergibt sich eine relative Rechtskraftwirkung, die zum Rechtshängigkeitverbot mehrerer Prozesse fahrt (§ 614 A I a, RGZ 163/160). s 3. Soweit der Mann oder der Staat die Klage wegen der Rechtshängigkeit nicht erheben dürfen, aber noch klageberechtigt sind, dürfen sie der Klage des anderen als notwendiger Streitgenosse beitreten (§ 62, noch in der Revisioninstanz: BGH LM-BGB § 1595a/1). a 4. Abgesehen davon können sie als selbständiger Stareitgehilfe (§ 69) beitreten, auch noch in der Revisioninstanz (RGZ 160/370) und noch im Wiederaufnahmeverfahren (RGZ 163/163f.). Der Staat darf die Klage noch nach dem Tode des Mannes fortsetzen. b) Anfechtunggegner ist nur das Kind, solange es lebt. b 1. Nach dem Tode des Kindes hat nur der Staat das Anfechtungrecht (BGB § 1595a), das im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor dem Vormundschaftsgericht ausgetragen wird (BGB § 1597). B i n . Die Anfechtunggründe ergeben sich aus außerprozessualem Recht. a 2. Durch die Feststellung der Vaterschaft kann ein dem entgegenstehendes Vatersohaftanerkenntnis infolge der Unmöglichkeit der Abstammung rückgängig gemacht werden (vgl. RGZ 165/251). b) Die Anfechtbarkeit der Ehelichkeit darf nicht als Vorfrage in anderen Prozessen ausgetragen werden (a. M. OLG HEZ 2/111). Wird diese Frage in anderen Prozessen streitig und ist der Anfechtungstreit schon anhängig, so ist auf Antrag einer Partei der Streit auszusetzen (§ 153 B). b 2. Nicht unter den Begriff der Anfechtungsklage gehört die Klage, mit der die Ehelichkeit eines Kindes geltend gemacht wird, das nach BGB § 1592 II als ehelich gilt, also wo die Frist von 302 Tagen (vgl. BGB § 1593) überschritten wird. Hier ist die Feststellungklage zulässig (vgl. § 640 C II a). b 3. Auch die legitimierende Wirkung der nachfolgenden EheschlleBung nach BGB § 1719 ist der Anfechtungklage nicht zugänglich, solange sie nicht das Vormundschaftgericht rechtskräftig festgestellt hat (PStG i. F. des G v. 18. 5.1957 [BGBl. I 518] § 31,1. AVO PStG § 22, vgl. § 640 B III a 2); sie tritt nur unter den Voraussetzungen des BGB § 1720 ein. Bis zu den nach PStG § 31 zu bewirkenden Eintragungen kann sich jedermann auf die Unehelichkeit berufen, weil die Wirkung des BGB § 1593 von der Registrierung abhängt (vgl. OGH NJW 48/523). Doch ist hier die Feststellungklage zulässig (OGH NJW 48/523). Hatte dasVormundschaftgericht die Feststellung der Legitimation abgelehnt, so darf es diesen Beschluß noch ändern (FGG § 18 I i. V. m. 1. AVO PersonenstandsG § 22 IV), ohne daß es dazu eineB Antrages bedarf (nur wenn das Beschwerdegericht abgelehnt hatte zu ändern, gibt es kein freies Änderungrecht nach FGG § 18 mehr). In diesen Fällen, gleichviel ob das Vormundschaftgericht ändert oder nicht, bleibt der Weg der Kindschaftfeststellungklage (vgl. OLG JMB1. NRW 51/66). Gegen das rechtskräftige Urteil des ordentlichen Zivilgerichts gibt es keine wirksame Entscheidung des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kommentar § 1 B V a). b 4. Auch bei der Ehelichkeiterklärung durch Verfügung der Staatsgewalt (BGB § 1723) gibt es keine Anfechtungklage, sondern die Zurücknahme der Ehelichkeiterklärung nach BGB § 1735a, bis dahin gilt sie schlechthin (BGB § 1735). Hier darf nach RG J W 16/1337 präjudiziell entschieden werden über die Herausgabeklage der Mutter mit der Begründung, die Ehelichkeitserklärung sei unwirksam; wird indes dann im später angestrengten Statusprozeß die Wirksamkeit festgestellt, so wird die Rechtskraft des ersten Urteils nicht beachtet (RGZ 122/24). Tatsächlich wird hier über eine Vorfrage entschieden, welche nur im Statusprozeß geklärt werden darf. Man sollte deshalb auch in diesem Falle BGB §1593 entsprechend anwenden. b 5. Die Anfechtung des Adoptionvertrages (BGB § 1755) spielt sich in anderer Form ab. c) Hat die Anfechtungklage Erfolg, so wird mit Wirkung von Anbeginn die Unehelichkeit des Kindes bzw. die Nichtehelichkeit gegenüber dem Anfechtenden festgestellt.
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Rechtsstreitigkeiten betr. das Rechtsverhältnis zw. Eltern u. Kindern
§640
C. Die positive wie die negative Bestandfeststellungklage eines Kindschaftverhältnisses ist der zweite Fall der Kindschaftprozesse. Davon hat § 644 die Bestandsfeststellung der unehelichen Vaterschaft ausgenommen, was aber RG und BGH nicht gelten lassen (§ 644 B). CI. Parteien des Statnsprozesses sind a) (von dem Fall der unehelichen Vaterschaftsfeststellung abgesehen) als Kläger oder Beklagte(r) nur (RGZ 76/286) der angebliche eheliche Vater, auch der Adoptivvater, der es durch Ehelichkeiterklärung oder der es durch Legitimation in nachfolgender Ehe geworden ist bzw. die Mutter (vgl. § 640 B I c) bzw. der Staat und das Kind. a 1. Soweit man die blutmäßige Abstammung unehelicher Kinder als Statusprozeß durchführt (§ 640 C I b), gibt es auch die Klage in negativer wie in positiver Form gegen und für das Kind bzw. den unehelichen Vater. a 2. Die Klage des Kindes gegen die Mutter über die Abstammung vom ersten oder vom zweiten Mann ist keine Statusklage (RGZ 102/358). a B. Mit dem Tode auch nur einer Partei erledigt sich die Statusklage in der Hauptsache (§ 640 F I I I f). Die Klage des unehelichen Kindes gegen die Erben der unehelichen Mutter auf Feststellung der Kindschaft ist keine Statusklage (RG N § 640/1). Doch kann die Klage als gewöhnliche Feststellungsklage (§ 256) zulässig sein (RGZ 102/360). a 4. Klagen dritter kommen als Statusklagen nicht in betracht, also nicht die Klage des dritten gegen den Vater oder die Mutter auf Feststellung, daß das Kind von ihm abstamme (RGZ 76/283). b) Darüber, ob die Klage auf Feststellung der blutmäBigen Abstammung im Verhältnis des unehelichen Kindes zu seinem Erzeuger zulässig ist, ob sie eine Status- oder eine gewöhnliche Feststellungklage, ob bei ihr besondere Zulässigkeitbedingungen über den Rahmen der allgemeinen Feststellungklagen zu beachten sind, herrscht Streit. b 1. Es besteht zwischen unehelichem Kind und unehelichem Vater ein Rechtsverhältnis i. S. des § 256, gestützt auf die Tatsache der Blutverwandtschaft (BGH MDR 52/486). Doch besteht bei der unehelichen Kindschaft kein öffentliches Interesse wie bei der ehelichen, weil, wessen uneheliches Kind es auch sein mag, dies grundsätzlich für die Öffentlichkeit gleichgültig ist und die Gefährdung von ehelichen und kindschaftlichen Verhältnissen, die der Staat schützt, nicht in betracht kommt. Man sollte deshalb auf die alte reichsgerichtliche Rechtsprechung zurückgehen (RGZ 159/58). b 2. BGHZ 5/385 hat sich auf den Standpunkt des RG gestellt, das unter dem Einfluß der Blutgesetzgebung den Statusprozeß forderte (RGZ 169/404). Der Statusprozeß ist im Prinzip weiterhin vom BGH gebilligt worden (BGH NJW 56/668), indes stark eingeschränkt, indem er das Feststellunginteresse in Frage stellen läßt und betont, daß das rechtskräftige Unterhalturteil nicht mit der Abstammungklage [BGH NJW 56/668) beseitigt werden kann. Vgl. auch § 640 B I b 2. b 3. Welcher Auffassung man auch folgt; wird die Abstammungklage rechtskräftig abgewiesen, so gibt es auch keine Unterhaltklage mehr (LG JMB1. NRW 54/188). Im übrigen haben sioh in der Rechtsprechung Unterschiede in den Auffassungen insoweit ergeben, wie nach der Auffassung als Statusklage die Urteile von gerichts wegen zuzustellen sind (§§ 640 I, 625; BGH FamRZ 54/42) und wie die Verbindung mit anderen (Zahlung)Klagen unzulässig ist (§ 640 II, BGH v. 24. 5. 1954 IV ZR 147/53); nach RGZ 122/26 macht das spätere Statusurteil die frühere andere Entscheidung nach § 256 hinfällig, dagegen RGZ 165/314. Anerkenntnis (§ 306 D II a, OLG Düsseldorf JW 38/330821) und Verzicht (§ 306 D II a) gibt es im Statusprozeß nicht; der letzte ist in die Klagerücknahme umzudeuten (§§ 640 I, 635). b 4. Von dem hier vertretenen Standpunkt aus dürfen sowohl der Mann wie das Kind klagen. Der Staat hat kein Klagerecht, auch darf die Klage nicht gegen ihn gerichtet werden, selbst wenn der Erzeuger inzwischen verstorben ist (BGH NJW 58/61; a. M. OLG FamRZ 57/329); das Klagerecht haben aber auch nicht sonstige, an dem Rechtsverhältnis nicht unmittelbar beteiligte Personen; die Feststellung blutmäßiger Abstammung von einem
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§640
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ZPO VI. Buch
bestimmten Vater ist also nicht durch Klage des Kindes gegen die Mutter zulässig, auch nicht nach dem Tod des Vaters (RGZ 169/404; a. M. OLG NJW 52/942). Die negative Feststellungklage darf nur bei Berühmung zugelassen werden; auch von dem, der als unehelicher Vater gilt, es aber blutmäßig nicht ist (RGZ 169/221). § 280 ist anzuwenden. Das Feststellunginteresse entfällt mit dem Tode des Erzeugers (RGZ 169/404) wie dem des Kindes (RGZ 163/100 hat § 628 entsprechend angewandt). Es gibt also keinen Prozeß für oder gegen Erben (RGZ 163/100). b 5. Die Feststellungklage ist unzulässig von dem und gegen das eheliche Kind (vgl. BGB §§ 1591, 1592, 1593; BGH NJW 57/1067; § 640 C I b 1), auch bei Legitimation durch nachfolgende Ehe, sobald diese nach PersonenstandG § 31, 1. AVO Personenstände § 22 rechtskräftig festgestellt worden ist (§ 640 B I I I b 3), oder wenn das Kind durch den Staat für ehelich erklärt worden ist (BGB §§ 1723folg., OLG DR 42 A 532, vgl. § 640 B I I I b 4); anders ist dies bei der Adoptiwaterschaft, soweit es um die außerhalb der Adoption liegende Stellung des Kindes geht. Die Feststellung, daß es ungewiß sei, ob ein solohes Verhältnis bestehe, ist unzulässig (RGZ 164/286f.; abweichend BGH NJW 55/1107 die Klage sei unbegründet; vgl. auch § 640 F I I I c 3). C IL Klagegrund ist das bestehende oder das nicht bestehende Kindschaftverhältnis. a) Unter die Klage fällt auch die Kindesunterschiebung (RGZ 76/283); die, daß der Annahmevertrag unwirksam sei (BGB §§ 1741 folg.), obwohl auoh hier die Aufhebung durch das Adoptiongericht nach dem G v. 12. 4. 1938 (RGBl. I 380) Art. 5 §§ 12folg. zulässig ist (vgl. RGZ 158/156); auch daß die Aufhebung nichtig sei, kann geltend gemacht werden, ebenso die Nichtigkeit der Legitimationerklärung des Staates nach BGB §§ 1723folg. (vgl. aber BGB § 1735, § 640 B I I I b 4). Bei der Legitimation des Kindes durch nachfolgende Ehe (BGB §§ 1719folg.) kann nach rechtskräftiger positiver Feststellung des Vormundschaftgerichts nach PersonenstandG § 31, 1. AVO PersonenstandG § 22 nur die Anfechtungklage erhoben werden (§ 640 B I I I b 3); anders bei ablehnender Entscheidung des Vormundschaftgerichts oder des Kindes (nicht der Mutter), oder wenn das Vormundschaftsgericht überhaupt nicht entschieden hat; doch hat BGH NJW 57/1067 dann das Feststellunginteresse verneint. b) Wird das Bestehen eines Kindschaftverhältnisses festgestellt, so wirkt dies für und gegen alle (§ 643 1 1). b 1. Doch ist es zulässig, die Frage des Bestehens eines Kindschaftverhältnisses ab Vorfrage in anderen Prozessen im Verhältnis zu dritten auszutragen; also bei Streit der natürlichen Eltern mit den Adoptiveltern um das Kind bei nichtigem Annahmevertrag (RGZ 125/265). b 3. Im Verhältnis der Beteiligten zueinander ist die Zulässigkeit, über das Kindschaftverhältnis als Vorfrage entscheiden zu dürfen, zu verneinen (RGZ 102/362). e) Einer Klage auf Bestehen des Kindschaftverhältnisses darf nicht die auf Nichtbestehen entgegengesetzt werden, da sie sich fiberlagern, wie umgekehrt (§ 256 C IV a 2). D I. Der dritte Fall der Statusklage betrifft die positive oder die negative Feststellung des Bestandes der elterlichen Gewalt der einen Partei über die andere. a) Doch ist mir der Streit zwischen dem Kinde und dem Elternteil, der die elterliche Gewalt für sich beansprucht, als Statusprozeß zu betreiben; dies gilt auch, wenn die uneheliche Mutter gegen das Kind auf Feststellung dieser Gewalt klagt (RGZ 102/360). Ebenso ist der Prozeß des Adoptivvaters bei nichtigem Adoptionvertrag, der des Vaters des für ehelich erklärten Kindes bei Nichtigkeit des Staatsaktes Statusverfahren. b) Kein Statnsverfahren ist die Klage des einen Elternteils gegen den anderen, die der Adoptiveltern und der natürlichen Eltern, die zwischen dem Vater oder der Mutter und dem Jugendamt. Bei für nichtig erklärter (EheG § 25), aufgehobener (EheG § 37) und geschiedener Ehe (BGB § 1671) wird dabei der Streit um das Sorgerecht unter den (Adoptiv-) Eltern vom Vormundschaftgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden. D II. Der Klagegrund ist nur dort gegeben, wo der Wille des Kindes schon erheblich sein kann, also wenn das Kind sich berühmt, volljährig oder für volljährig erklärt worden zu sein (BGB §§ 3folg.).
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Rechtsstreitigkeiten betr. das Rechtsverhältnis zw. Eltern u. Kindern
§ 6 4 0 D II
b) Der Prozeß des Vaters mit dem Kinde mit der Begründung, daß er lebt, ist unzulässig. D III. Das Urteil wirkt auch hier für und gegen alle, doch wieder mit der Einschränkung des § 643 I 2 (§ 643 A II b). E I. Soweit die inländischen Gerichte zur Entscheidung nach ausländischem Recht berufen sind (Kommentar § 642 A III), gilt das außerprozessuale ausländische Recht (vgl. aber EG BGB Art. 18—22). Prozessual sind aber auch diese Klagen Statusklagen, soweit sie unter § 640 fallen, was nach inländischem Prozeßrecht zu beurteilen ist. Ob das ausländische Verfahrensrecht eine solche inländische Feststellung zuläßt, ist nicht zu prüfen (Kommentar § 642 A III). E II. Sind (oder waren) Vater oder Mutter deutsche, so gilt inländisches Recht (EG BGB Art. 18 II). a) Für Staatenlose gilt EG BGB Art. 29. b) Bei gemischter Staatsangehörigkeit genügt es, wenn eine die deutsche ist; andernfalls müssen die Rechte aller in betracht kommenden Staaten die inländische Entscheidung zulassen. c) Ein Anfechtungrecht des Staates besteht gegenüber Ausländern nicht; selbst wenn es der ausländische Staat sonst hat, der es aber im Inlande nicht geltend machen kann. Anders ist dies nur, wenn auf inländisches Recht verwiesen wird. E III. Für das Rechtsverhältnis eines ehelichen Kindes zu seinen Eltern gilt die allgemeine Regel, daß es nach dem Recht des Staates beurteilt wird, dem der Vater oder dem, falls er verstorben ist, die Mutter angehört (RG DRZ 31/477). Kommt es zu einem Prozeß der oder mit der Mutter, so wird es jetzt auf ihre Staatsangehörigkeit abzustellen sein (GG Art. 3 II). Soweit hier ausländisches Recht auf inländisches Recht verweist, ist dann dieses anzuwenden (EG BGB Art. 27 entsprechend, RG JW 11/208). Bei Wechsel der Staatsangehörigkeit ändert sich (abgesehen von dem Fall des EG BGB Art. 19 I 2) das anzuwendende Recht (RGZ 81/373). Vgl. im übrigen § 640 E I I a , b. E IV. Das Rechtsverhältnis des unehelichen Kindes zu seiner Mutter bestimmt sich nach dem Recht des Staates, dem die Mutter angehört (RGZ 119/44), bei Staatenlosen aber nach dem Recht des Staates, welchem die Mutter zuletzt angehörte (KG JW 36/392). Dem entspricht die Norm des EG BGB Art. 20 I 1. Bei gemischter Staatsangehörigkeit genügt es, wenn eine die deutsche ist; andernfalls müssen säifttliche in betracht kommenden Rechte die inländische Entscheidung zulassen und rechtfertigen. Ist aber das Kind deutsch, so kommt es darauf, welche Staatsangehörigkeit die Mutter hat, nicht an, sofern sie die deutsche nur irgendwann einmal hatte (nicht notwendig im Zeitpunkt der Geburt, EG BGB Art. 20 I 2). a) Die Legitimation eines unehelichen Kindes durch nachfolgende Ehe oder durch Staatsakt sowie die Annahme an Kindes Statt richten sich grundsätzlich nach dem Recht des Staates, dem der Vater bzw. der Annehmende z. Z. der Legitimation angehören (RGZ 125/268). Die Wirkung der Legitimation bzw. die der Annahme bestimmt sich nach dem Heimatrecht des Legitimierenden bzw. dem des Annehmenden. Ein späterer Wechsel ist bedeutunglos. Dem entspricht EG BGB Art. 22 I. Ist das Kind deutsch, so gelten Legitimation oder Annahme nur, wenn die nach inländischem Recht erforderliche Einwilligung des Kindes bzw. für das Kind wirksam ist (EG BGB Art. 22 II, Art. 11). Ist schließlich die Annahme oder die Legitimation durch die inländische Behörde ausgesprochen worden, so gilt sie, selbst wenn sie nach ausländischem Recht unzulässig wäre; es sei denn, daß ein nichtiger Hoheitakt vorläge. b) Die ausländischen Normen über die Beendigung der elterlichen Gewalt durch Verheiratung der Tochter mit einem Ausländer sind im Inlande anzuwenden (RGZ 91/403). F I. In Statusverfahren ist die Öffentlichkeit nicht anwendbar (BGH NJW 56/1441). F IQ a) Die Mitwirkung des Staats ist in den Kindschaftprozessen entsprechend der Ehenichtigkeitklage geregelt. Das Gericht hat keinen Einfluß auf das Klagerecht des Staats (BGH LM-BGB § 1595a/2). 89
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§640 FIIIa
ZPO VI. Buch
a 1. Soweit er nicht Partei ist (BGB § 1595 a), ist er nach AktenO § 38 V vom ersten Verhandlungtermin, der Einlegung des Rechtsmittels, der rechtskräftigen Entscheidung und der Klagerücknahme von der Geschäftstelle des Gerichts durch Vorlegung der Akten zu benachrichtigen. Ein Verstoß dagegen führt aber (grundsätzlich) nicht zur Aufhebung des Urteüs (RGZ 164/64). a 2. Ist der Staat Partei oder hat er sich am Verfahren beteiligt, so ist er wie eine sonstige Partei zu behandeln. Sein Rechtsmittel setzt die Beschwer voraus. Da es indes im Ermessen des Staates steht, die Anfechtungklage zu erheben, muß es auch in seinem Ermessen stehen, auf sie zu verzichten. Demnach darf der Staat gegen den Willen des Kindes die Klage nicht zurücknehmen; es sei denn, daß er auf sein Anfechtungrecht verzichtet. Und entsprechend darf er mit diesem Ziele auch ein Rechtsmittel einlegen (§ 511 B II c 7). Dieser Verzicht wirkt allerdings nicht auf das Anfechtungrecht des Ehemannes der Kindesmutter ein; aber es hindert den Staat, erneut Klage zu erheben. Über das Eintrittsrecht des Staats in der Revisioninstanz vgl. BGH LM-BGB § 1595 a/1. a 3. Beteiligt sich der Staat, ohne Partei zu sein, so hat er die Stellung eines selbständigen Streitgehilfen (§ 69, vgl. § 634 B I), er darf dann im besonderen Rechtsmittel einlegen (RGZ 169/403), doch darf er sich auch auf die reine Mitwirkung nach § 607 I beschränken. Beteiligt er sich als Streitgehilfe, so darf der Staat Rechtsmittel auch einlegen, wenn entsprechend seinem Antrage erkannt ist (RG DR 44 A 915), indes nur durch Wechsel der Parteiseite (§ 66 A II c 2). Die Kostenfolge des § 637 besteht nur bei seiner Beteiligung (vgl. § 637 A) als Partei oder nach § 634. b) Das Verhältnis der im Statusprozeß zu erhebenden Klagen und Widerklagen regelt § 640 II. An der Parteistellung wird dadurch nichts geändert. Sie muß stets gegeben sein. Die Feststellungklagen sind dem § 256 unterworfen (BGH MDR 52/486). b 2. Die Klageverbindung mehrerer Klageberechtigten ist zulässig. Über den Beitrit t einer klageberechtigten Partei im Verfahren der anderen noch im Laufe des Verfahrens vgl§ 640 F III a 2. Auch kann die Klage auf ein bestehendes Gewaltverhältnis des Mannes mit der der Frau verbunden werden. Die Verbindung (§ 147) getrennt erhobener Statusklagen in Kindschaftsachen ist zulässig und ist geboten, wenn dadurch eine notwendige Streitgenossenschaft nach § 62 entsteht. Die Verbindung einer Kindschaftklage mit anderen Streiten ist zwar unzulässig, führt aber nur zur Trennung der Verfahren von gerichts wegen (§ 145). b 3. Die Beteiligung dritter, welche nicht Partei sein können, als Streitgehilfen, ist nach §§ 67folg. zulässig; der Streitgehilfe, der auch Partei sein könnte, ist dann regelmäßig selbständig (§ 69, RG DR 44 A 914). b 4. Widerklagen sind nur als Kindschaftklagen zulässig (§ 640 II 2). Andere Widerklagen werden von gerichts wegen getrennt (§ 145 I). Auch gilt das Verbot der Klageüberlagerung (§ 256 C IV a 2). c 1. Dem prozeßunfähigen Kind muß ein Pfleger bestellt werden (BGB § 1909), soweit es keinen gesetzlichen Vertreter hat (vgl. BGB §§ 1678,1679 II, 1681 II, BGH MDR 58/316). Auch hier setzt RG Warn. 31/103 den Wiederaufnahmekläger dem Kläger gleich, auch wenn er Beklagter ist (vgl. dazu § 613 B III). c 2. Das Gericht darf von sich aus im selben Umfang wie bei Ehenichtigkeitklagen in den Streit eingreifen (§§ 617, 622 I), neue Tatsachen einführen und alle Beweise (RGZ 163/322) erheben. Das Untersuchungrecht gestattet indes dem Gericht nicht, einer armen Partei (im besonderen dem beklagten Kind) das Armenrecht mit der Begründung zu verweigern, daß es selber prüfen werde (OLG J R 48/291). c 8. Die Behauptung- und die Beweislast werden aber dadurch nicht verändert. Im besonderen hat die Beweislast dafür, daß die Anfechtungfrist verstrichen ist, unbeschadet der amtlichen Ermittlungpflicht, das Kind (BGH LM-BGB § 1594/1). Und es kann hier sehr wohl nach der Beweislast zu entscheiden sein (RGZ 168/189). Die Abweisung der negativen Feststellungklage bedeutet, daß positiv festgestellt wird (§ 256 B I c 1, F II, a. M. BGHZ 17/259 m. N. unter Aufgabe von BGHZ 5/401; vgl. § 640 C I b 5); daß eine Feststellung,
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§ 6 4 0 P III c 3
daß die Abstammung ungewiß sei, unzulässig ist, hat RGZ 165/253 (vgl. § 640 C I b 5) hervorgehoben. Die Behauptung, daß ein Kind nicht von einer Partei abstamme, weil irgendein anderer Mann es erzeugt habe, ist eine hinreichende Behauptung (RGZ 169/283). c 4. RGZ 168/385 hat die Zurückweisung des Beweisantrages auf Herbeiführung eines erbbiologischen Gutachtens mit der Begründung, daß ein Mehrverkehr völlig ausgeschlossen sei, noch geduldet. Doch hatte schon früher RGZ 168/191 erkannt, daß zur erbbiologischen Untersuchung Mann, Frau und Kind genügen. Umgekehrt hielt BGH MDR B 391/54 die erbbiologische Untersuchung nicht für erforderlich, wenn der Tatrichter für erwiesen hält, daß die Mutter in der Empiängniszeit nicht mit ihrem Ehemann geschlechtlich verkehrt hat. Jedenfalls müssen alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden (RGZ 168/386); die zeitweilige schwierige Durchführbarkeit einer erbbiologischen Untersuchung kann die Unterlassung dieser Beweiserhebung nicht rechtfertigen, vgl. § 356 A l b . Darüber hinaushat RGZ 165/254 erkannt, daß die Kindesmutter beeidigt werden muß, sofern der Sachverhalt nicht geklärt ist. Da RGZ 169/193 das eigene Urteil des Gerichts gegenüber dem Sachverständigenurteil zurückstellt, geht es noch über § 623 hinaus. Über die Frage der freien Beweiswürdigung bei Feststellung der offenbaren Unmöglichkeit vgl. § 282 D I. d) Ein Versäumnisverfahren gegen den Beklagten gibt es nicht (§ 618), das gegen den Kläger geht auf Zurücknahme der Klage (§ 635). Nur im Anfechtungverfahren kann der Staat (§ 640 F III a 2), nicht auch der Mann verzichten (BGH NJW 51/958). d 2. Über die persönliche Anhörung vgl. § 619. d 3. Über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens vgl. § 626. Der Grundsatz des § 614 I gilt entsprechend. e) Alle Kindschafturteile sind voll gerichts wegen zuzustellen (§ 625), auch wenn es bloße Prozeßurteile sind (BGH FamRZ 54/42, auch für die Klage des Kindes auf blutmäßige Abstammung vgl. § 640 C I b 3). f ) Der Tod eines Beklagten (OLG HRR 40/311) erledigt den Statusprozeß zur Hauptsache (§ 628, RGZ 163/100). Nur wenn dem Kinde Mann und Frau gegenüber stehen, hindert der Tod des Mannes oder der der Frau den anderen Prozeß nicht, weil sie selbständige Klagegründe haben. f 1. Der Tod des Kindes erledigt auch den Prozeß des Staates in der Hauptsache, weil dessen Anfechtungsrecht nach dem Tode des Kindes in anderem Verfahren zu verfolgen ist (BGB § 1597). Die Erledigung der Hauptsache ist von gerichts wegen zu beachten (RG Warn. 32/103). f2. Die Klage des Kindes gegen den Vater des verstorbenen Vaters (OLG HRR 40/242) oder die gegen die Erben des Vaters (RGZ 163/101) oder gegen die uneheliche Mutter (RGZ 169/401folg.) oder die auf Wirksamkeit des Annahmevertrages nach dem Tode eines Beklagten (RG JW 33/160) sind deshalb kein Statusprozeß. g) Klagt der Mann (oder der Staat) auf Anfechtung der Ehelichkeit, so ist der Mann dem Kinde prozeßkostenvorschußpflichtig unter dem Gesichtswinkel des Unterhalts, vgl. § 627 C III b 2. F IV a) Das Rechtsmittel erfordert grundsätzlich die Beschwer. Im Anfechtungstreit kann der Staatsanwalt das Rechtsmittel zum Verzicht auf den Anfechtunganspruch einlegen (§ 640 F III d). b) War zu unrecht im Statusprozeß verfahren, so kann sich dagegen nur der durch das Statusverfahren in seinem Rechte zurückgedrängte Kläger wenden, und zwar mit der Rüge aus § 286. War zu unrecht im gewöhnlichen Verfahren vorgegangen, so muß getrennt werden (§ 147), noch in der Revisionsinstanz, wenn verbundene Ansprüche geltend gemacht waren. Der Verfahrensunterschied ist nicht so erheblich, daß man nicht auch in der Revisioninstanz erkennen darf, wenn keine Rüge vorgebracht wird (a. M. RG DR 40 A 2265). Die Rüge, die auch vom Staat gebracht werden darf (§§ 640 I, 634), müßte darlegen, was denn außer dem im ordentlichen Verfahren Entschiedenen noch an Prozeß- oder Beweismaterial vorgebracht worden wäre, und nur bei Erheblichkeit dieses Vorbringens wäre aufzuheben und zurückzuverweisen. OG DDR NJ 53/658 hält jede Umgehung des Offizialverfahrens für unzulässig. 89*
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ZPO VI. Buch § 641
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I Für die Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes ist der Ehemann der Mutter prozeßfähig, auch wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Für einen geschäftsunfähigen Ehemann wird der Rechtsstreit durch den gesetzlichen Vertreter geführt; der gesetzliche Vertreter kann die Anfechtungsklage nur mit Genehmigimg des Vormundschaftsgerichts erheben. A I. In Erweiterung zur allgemeinen Prozeßfähigkeit (§ 51) ist der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte eheliche Vater für prozeßfähig erklärt (§ 641). Dem entspricht BGB § 1595 I 2. Regelmäßig wird allerdings der inländische Ehemann auch voll geschäftsfähig (und prozeßfähig) sein (vgl. EheG § 1). Es kommen deshalb hier grundsätzlich nur die Fälle der Entmündigung wegen Geistesschwäche, Verschwendung, Trunksucht sowie der, wo jemand unter vorläufige Vormundschaft gestellt worden ist, in betracht (BGB § 114), wenn auch andere gesetzlich nicht ausgeschlossen worden sind. A II. Für den geschäftunfähigen Mann darf nur der gesetzliche Vertreter mit Zustimmung des Vormundschaftgerichts Klage erheben (§ 641 I 2, die von dem Mann, der noch nicht geschäftsunfähig war, erhobene Klage fortführen, darf er ohne Zustimmung des Vormundschaftgerichts, Kommentar § 612 C IV). B. § 641 gilt nicht für das Kind. Das nicht voll prozeßfähige Kind muß also gesetzlich vertreten sein. § 642
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I In den Fällen der §§ 640, 641 ist, wenn der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk der Kläger seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Ist auch für diesen ein allgemeiner Gerichtsstand im Inland nicht begründet, so ist das Landgericht Berlin zuständig, falls auch nur eine der Parteien die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. II Für die Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes ist, wenn die Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder zur Zeit ihres Todes besessen hat und nach den vorstehenden Vorschriften ein Gerichtsstand im Inland nicht begründet ist, das Landgericht, in dessen Bezirk die Mutter im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zur Zeit des Todes gehabt hat, sonst das Landgericht Berlin zuständig. A. § 642 gibt für die Kindschaftprozesse hilfsweise einen besonderen Gerichtstand, wenn kein allgemeiner gegeben ist (OLG SchlHA 49/160). Das Zitat von § 641 ist zu streichen, örtliche wie sachliche Zuständigkeit sind nicht ausschlieBlich, wenn es auch keine Vereinbarung über sie gibt (§ 40 II), da die Streite nicht vermögensrechtlicher Art sind (§ 2 A I b 1). Aus diesem Grunde ist auf diese Prozeßbedingungen (§ 274 D i e ) auch in den höheren Instanzen (vgl. §§ 512a, 528, 549 II) von gerichts wegen zu achten. Zuständig ist die Zivilkammer des Landgerichts (GVG §§ 71 I, 23). Die örtliche Zuständigkeit gilt ohne Rücksicht darauf, ob eine der Parteien deutsch ist (OLG HRR 38/839), und gleichviel, ob der ausländische Staat, dem die Parteien angehören, das Urteil anerkennt (KG OLG 26/242). Unter mehreren inländischen Gerichten hat der Kläger die Wahl (§ 35). B. In erster Linie kommt es auf den allgemeinen inländischen (§ 12 A II a 1) Gerichtstand (§§ 13, 15, 16) des Beklagten an (OLG SchlHA 49/160). Im Anfechtungsprozeß ist BGB § 11 I zu beachten. Dabei kann auch der Wohnsitz des Klägers in betracht kommen, auch wenn dieser die Anfechtungklage gegen das Kind erhoben hat (RGZ 96/70). Hat der Beklagte keinen allgemeinen inländischen Gerichtstand, so kommt der inländische des Klägers zum zuge. Dies gilt schon, wenn ein inländischer Gerichtsstand des Beklagten nicht zu ermitteln ist (RGZ 27/400f.). Haben beide Parteien keinen inländischen Gerichtstand, so sind die inländischen Gerichte zuständig, wenn auch nur eine Partei (u. a.) deutsche Staatsangehörige ist, und zwar das Landgericht Berlin. Nur bei Anfechtungklagen gibt es noch
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Rechtsstreitigkeiten betr. das Rechtsverhältnis zw. Eltern u. Kindern
§ 642 B
einen weiteren inländischen Gerichtstand nach § 642 II, aber nur, wenn er nach § 642 I nicht gegeben ist, also in letzter Linie. Dieser Gerichtstand bezieht sich auf EG BGB Art. 18 II. Besitzt die Mutter z. Z. der Erhebung der Anfechtungklage die deutsche Staatsangehörigkeit oder besaß sie sie vor deren Erhebung im Zeitpunkt ihres Todes (auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes kommt es nicht an), so ist das Gericht des inländischen Wohnsitzes (BGB § 7) der Mutter (vgl. § 13 B) zuständig, hilfsweise das ihres inländischen Aufenthaltortes (§ 16 A II), soweit sie diesen z. Z. der Erhebung der Klage (oder später) gehabt hat oder vor Erhebung der Klage zur Zeit ihres Todes gehabt hatte; äußerstenfalls das Landgericht Berlin. Ausgeschaltet wird also § 15. § 643
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I In den Fällen der §§ 640,641 wirkt das Urteil, sofern es bei Lebzeiten der Parteien rechtskräftig wird, für und gegen alle. Ein Urteil, welches das Bestehen des Eltern- und Kindesverhältnisses oder der elterlichen Gewalt feststellt, wirkt jedoch gegenüber einem Dritten, der das elterliche Verhältnis oder die elterliche Gewalt für sich in Anspruch nimmt, nur dann, wenn er an dem Rechtsstreit teilgenommen hat. A. Kindschafturteile (§ 640, die Anführung des § 641 ist zu streichen) wirken grundsätzlich für und gegen jedermann (§ 643 I 1); doch bleibt das Anfechtungrecht des Staates nach BGB § 1595 a bestehen, falls er am Streit nicht als Partei oder selbständiger Streithelfer beteiligt war (§ 640 F I I I a), sofern die Anfechtungklage des Mannes wegen Zeitablaufs abgewiesen wurde (nicht sonst: BGHZ 23/1). A I. Ihr wirksamer Erlaß setzt grundsätzlich voraus, daß sie zu Lebzeiten der Parteien ergangen sind (§ 640 F III f), da sich nämlich durch den Tod einer Partei die Hauptsache erledigt (§§ 640 I, 628). Hatten der Mann und der Staat die Ehelichkeit des Kindes angefochten, so ist der Tod des Mannes ohne Einfluß. Andererseits hindert das die Anfechtungklage des Mannes oder des Staates klageabweisende Urteil nicht den Nichtbeteiligten, noch seinerseits die Klage zu erheben (RGZ 163/159folg.), sofern dies wegen der verstrichenen bzw. noch nicht herangekommenen Frist geschehen ist (vgl. § 643 A). A II a) Die Rechtskrafterstreckung auf dritte gilt nur in Kindschaftprozessen. Das Kindschafturteil des einen Zwillings wirkt nicht in bezug auf den anderen; die Klage des einen Elternteils nicht gegen den anderen, weil die Ansprüche individualisiert sind. In dem der rechtskräftigen Anfechtung nachfolgenden Scheidungprozeß ist aber nicht die Tatsache des Ehebruchs als festgestellt anzusehen (RGZ 102/266). b) Die Bestandfeststellungklage (§ 640 C) oder die auf ein elterliches Gewaltverhältnis (§ 640 D) wirkt b 1. nicht Rechtskraft gegen den, der selbst ein positives Kindschaftverhältnis oder ein positives Gewaltverhältnis für sich in ansprach nimmt, sofern er nicht am Streit teilgenommen hat (§ 643 I 2). Ergeht in einem neuen (zulässigen) Streit ein neues Urteil, so wird damit das vorausgegangene mit rückwirkender Kraft aufgehoben, und das neue Urteil wirkt gegen jedermann (§ 643 I 1); abgesehen von denen, die einen neuen Anfechtungprozeß einleiten könnten. b 2. Das negative Bestand- oder Gewaltverhältnisurteil oder die Klageabweisung einer solchen positiven Klage wirkt dagegen nur unter den Parteien; die positive oder die negative Klage des dritten sind deshalb stets zulässig. Die Abweisung der negativen Klage wirkt dagegen positiv, so daß wieder die Wirkungen des § 643 I 1 ausgelöst werden (vgl. aber die abweichende h. M. in § 640 F III c 3). § 644
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I Die Vorschriften der §§ 640 bis 643 gelten nicht für einen Rechtsstreit, der die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der unehelichen Vaterschaft zum Gegenstand hat. A. Unter der positiven wie der negativen Feststellungklage der unehelichen Vaterschaft verstand man zunächst nur die Zahlvaterschaft nach BGB §§ 1708—1714, die dem besonderen
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§644 A
ZPO VI. Buch
Einwand dea BGB § 1718 unterworfen ist. Die h. M. hält sie für zulässig (OLG NJW 55/910) und läßt sie als Zwischenfeststellungklage nach § 280 (RGZ 161/277) zu; sie braucht nicht innerhalb der Jahresfrist erhoben zu werden (OLG ZBIJugR 54/174). Für sie ist sachlich ausschließlich (§ 40 II) das Amtsgericht (GVG § 23 I 2) zuständig, und das Urteil wirkt Rechtskraft nur für und gegen die Parteien (§ 325); sie kann auch mit Gesamtrechtsnachfolgern geführt werden (LG FamRZ 55/148). B. Für die darüber hinausgehende Klage auf blutmäßige Abstammung gilt die amtsgerichtliche Zuständigkeit nicht (vgl. § 640 C I b). Darüber, daß Bestandfeststellungklagen nur bei Lebzeiten der Partei zulässig sind, vgl. § 640 F I I I f. Das Vorliegen eines rechtskräftigen Unterhalturteils hindert sie nicht (§ 640 C I b 2). Das Urteil wirkt nur unter den Parteien (§ 325). Bin vorangegangenes rechtskräftiges Unterhaltsurteil wird durch die folgende Klage auf blutmäßige Abstammung nicht beseitigt (§ 640 C I b); von gerichts wegen sind sie nur zuzustellen, wenn sie Statusklagen sind (§ 640 C I b 3); dann gilt für sie auch § 642.
Dritter Abschnitt
Verfahren in Entmündigungssachen
§ 645
(593)
I Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche erfolgt durch Beschluß des Amtsgerichts. II
Der BesehluB wird nur auf Antrag erlassen.
B. Das amtsgerichtliche Verfahren ist ein Sonderverfahren, das der ZPO untersteht, so daß auch die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten (RGZ 35/358), nur kann ein nach BGB § 104 I 2 geistig Erkrankter nicht rechtswirksam ablehnen, denn er ist prozeßunfähig. Auch gelten die über das Armenrecht (§§ 114—127; RGZ 135/185). Zugestellt wird von gerichts wegen (§ 496 I), so daß nach § 176 dem Prozeßbevollmächtigten zuzustellen ist (RGZ 135/187). Die Ersatzzustellung ist wie gewöhnlich zulässig (BayObLG OLG 27/116). Für die Zustellung und die Wirkung des Entmündigungbeschlusses gelten indes die Sonderregeln der §§ 659, 660, für die Aufhebung die des § 678. Der Tod des Entmündigten beendet das Verfahren zur Hauptsache (§ 628 entsprechend). Der Wegfall eines Antragsberechtigten läßt ihn in seiner Beteiligung zur Hauptsache ausscheiden. Ist er der alleinige Antragsteller, so darf das Verfahren überhaupt nicht fortgesetzt werden, weil es in der Hauptsache erledigt ist (§ 628 entsprechend; die h. M. läßt die Entmündigungverfahren einstellen). An die Stelleder Klage trittder Antrag. Auf seine Rücknahme ist §271 entsprechend anzuwenden (OLG BayJMBl. 52/267); ein Verzicht auf den Antrag wirkt entsprechend § 635. Ein Versäumnisverfahren gibt es nicht. Über die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Beweisaufnahme vgl. § 653 B III. Der Antrag auf Entmündigung wegen Geistesschwäche kann im amtsgerichtlichen Verfahren auch zur Entmündigung wegen Geisteskrankheit führen (vgl. RGZ 68/403); aber nicht zu der wegen Trunksucht oder Verschwendung. Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche und Verschwendung oder Trunksucht ist nicht zulässig (OLG ZZP 43/401, a. M. BayObLG HRR 29/12); doch darf der Antragsteller sehr wohl die wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche oder Verschwendung oder Trunksucht betreiben (RGZ 108/308). Das GVG ist anzuwenden. Im Verfahren bei Entmündigungen wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche werden auch die Beschlüsse nicht öffentlich verkündet (GVG § 171 II); anders ist dies für die Beschlüsse bei der Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht. C I. Entmündigunggründe (Klaggründe) sind Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Verschwendung und Trunksucht (BGB § 6).
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Verfahren in Entmündigungssachen
§645 Cl
a) Steht der geistig Erkrankte in seinem Intellekt einem unter 7 Jahre alten Kinde gleich, so ist der Grund zur Entmündigung wegen Geisteskrankheit gegeben (RGZ 130/71). Die Frage, ob ein Gatte dem EheG § 45 unterliegt, deckt sich mit der Entmündigung in keiner Weise. b 1. Die Entmündigung eines Deutschen wirkt im Inlande grundsätzlich nur, wenn er von einem inländischen Gericht (§ 12 A II a 2) entmündigt worden ist (BayObLG Recht 20/2463, a. M. BGH NJW 56/262). b 2. Abweichendes gilt nach dem Haager Abkommen v. 17. 7. 1905 über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßregeln (RGBl. 12/463 folg., 475, VO v. 20. 7. 1929 [RGBl. II 635, 636]). c) Ein Ausländer (d. h. der, welcher auch nicht gemischt deutscher Staatsangehöriger ist) darf nach EG BGB Art. 8 nach inländischem Recht entmündigt werden, wenn er im Inlande seinen Wohnsitz hat (BGB §§ 7 folg., vgl. dazu § 13 B) oder, falls er diesen nicht im Inlande hat, sich im Inlande aufhält (wenn auch nicht für die Dauer und nicht freiwillig, RG JW 12/914). c 1. Nur die Angehörigen der Vertragstaaten des Haager Abkommens v. 17. 7. 1905 und die, welche auch nur eine Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzen, dürfen nur entmündigt werden, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inlande haben (Art. 11 I). e 2. Staatenlose unterliegen wie Ausländer der inländischen Entmündigung (EG BGB Art. 29). c 3. Die Entmündigung eines Ausländers bzw. Staatenlosen im Ausland wird dagegen unter den sonstigen Voraussetzungen des § 328 anzuerkennen sein, selbst wenn er nicht von seinem Heimatstaat entmündigt worden ist, sofern dieser die Entmündigung anerkennt. Die durch seinen Heimatstaat wirkt nach EG BGB Art. 7 (RGZ 80/265). C II. Wird die Entmündigung ausgesprochen, so wirken die Beschlüsse bzw. die Urteile gegen jedermann (§ 322 B). a) Die bestehende Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Trunksucht oder Verschwendung schließt die wegen eines anderen solchen Grundes aus (OLG HessRspr. 14/15/97; а. M. OLG SchlHA 05/12). Nur die wegen Geisteskrankheit kann noch vor dem Amtsgericht betrieben werden. Umgekehrt ist die Klageüberlagerung (§ 253 D) für eine Entmündigung wegen Geistesschwäche, Trunksucht oder Verschwendung bei bestehender Entmündigung wegen Geisteskrankheit verboten. b) Die Abweisung eines Grundes wirkt gegen alle Antragsberechtigten, so daß jeder von ihnen, auch wenn er bisher nicht beteiligt war, in die Beschwerde gehen kann. Die rechtskräftige Abweisung verbraucht die Antragsgründe schlechthin. C III. Weder das laufende Entmündigungverfahren noch seine Ablehnung hindern den Prozeß, in dem als Vorfrage die Geschäftsfähigkeit des zu Entmündigenden zu entscheiden ist (RG Gruch. 48/1138). Nur darf nicht das Ziel mit einer, etwa auch negativen (Zwischen-) Feststellungklage verfolgt werden, für das ausschließlich das Entmündigungverfahren offen steht (§§ 280, 256). D. Die Anfechtung- nnd die Aufhebungklage unterliegen nur den Besonderheiten des б. Buches. Anfechtung- und Aufhebungklage werden vorbehaltlich des GVG § 172 öffentlich verhandelt (GVG § 171); bei der Entmündigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche darf auf Antrag die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Bei der Vernehmung des Entmündigten ist sie nach GVG § 171 auszuschließen (ein Verstoß dagegen ist indes ohne Bedeutung; a. M. RG Gruch. 48/403). E I. Das Entmündigungverfahren wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche setzt nach § 645, das wegen Verschwendung oder Trunksucht nach § 680 II einen Antrag voraus, der von gerichts wegen zu beachtende Prozeßbedingung ist. b) Die Antragsberechtigung muß z. Z. des Erlasses des Beschlusses bzw. der Entscheidung vorhanden sein (KG OLG 5/447). Der spätere Wegfall der Legitimation berührt die ausgesprochene Entmündigung oder ihre Ablehnung nicht (RG JW 07/748).
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§645
ZPO VI. Buch
E II. Der Antrag ist eine prozessuale, dem Gericht gegenüber abzugebende Willenserklärung (§ 38 B II c); sie setzt Prozeßfähigkeit voraus (§ 51 B) und ist widerruflich bis zum Erlaß des Entmündigungbeschlusses (vgl. BGB §§ 115 II, 1908) und bei Ablehnung seines Erlasses bis zum Erlaß des Beschwerdebeschlusses (KG OLG 5/447). a) Das Antragsrecht selbst ist höchstpersönlicher Art (§ 646 A) und unvererblich; darüber, ob es durch einen gesetzlichen Vertreter ausgeübt werden darf, vgl. § 646 A II a. b) Der Antrag kann auch für einen anderen in seiner Vollmacht gestellt werden. Seine Genehmigung macht das Verfahren wirksam (RGZ 154/132). E III. Über die Form des Antrags vgl. § 647. Inhaltlich braucht der Antrag nur die Art der Entmündigung zu bezeichen. Ist Entmündigung wegen Geistesschwäche beantragt, so darf auch auf Entmündigung wegen Geisteskrankheit erkannt werden, und der Antrag auf Entmündigung wegen Geisteskrankheit enthält den wegen Geistesschwäche (RG Gruch. 47/897). Auch enthält der wegen Trunksucht den auf Entmündigung wegen Verschwendung wie umgekehrt.
§ 646
(595)
I Der Antrag kann von dem Ehegatten, einem Verwandten oder demjenigen gesetzlichen Vertreter des zu Entmündigenden gestellt werden, dem die Sorge für die Person zusteht. Gegen eine Person, die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, kann der Antrag von einem Verwandten nicht gestellt werden. Gegen einen Ehegatten kann der Antrag von einem Verwandten nur gestellt werden, wenn der andere Ehegatte zur Stellung des Antrages dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist oder wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. II In allen Fällen kann auch der Staatsanwalt bei dem übergeordneten Landgericht den 4ntrag stellen. A I . Für die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ist antragsberechtigt stets der Staat (§ 646 II, JWG § 70 IV), a) gesetzlich vertreten durch den (Ober-)Staatsanwalt des Landgerichts, das dem zuständigen Amtsgericht übergeordnet ist (GVG § 142 I 2), der sich durch einen seiner Beamten vertreten lassen darf (GVG §§ 144, 145). a 1. Bei Wechsel des AG in eines im fremden LG Bezirk wechselt die Vertretung, a 3. In den Rechtsmittelinstanzen auf die Anfechtungklage wechselt die gesetzliche Vertretung, doch kommt es dort auf den Willen des zuständigen Generalstaatsanwalts usw. nicht an, da dann der Antrag unwiderruflich geworden ist. b) Nach JWG § 70 IV ist daneben die Fürsorgebehörde antragsberechtigt, falls Fürsorgeerziehung angeordnet ist. A II. Im übrigen sind die folgenden gleichberechtigt nebeneinander antragsberechtigt; a) der gesetzliche Vertreter des zu Entmündigenden, wenn er das Personensorgerecht für ihn hat, und zwar neben dem Staat (§ 646 A I), a 1. bei minderjährigen ehelichen Kindern in der Regel die Eltern, a 2. bei adoptierten nur die Adoptiveltern, a 4. bei unter Vormundschaft stehenden der Vormund, a 5. bei unehelichen sollte es die Mutter sein, nach h. M. ist es aber der Amtsvormund, a 6. Es kann auch ein Ergänzungpfleger nach BGB §§ 1909, 1915, der für die Personensorgevertretung eines Minderjährigen bestellt ist, antragsberechtigt sein (RGZ 45/181); zu diesem Zwecke allein darf aber kein solcher Ergänzungpfleger bestellt werden. Auch sind es die sonstigen Pfleger (BGB §§ 1910 folg.) nicht, auch nicht der vorläufige Vormund (der erst infolge eines Antrags bestellt werden darf, BGB § 1906), und erst recht nicht der Prozeßpfleger.
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Verfahren in Entmündigungssachen
§646 A n
a 7. Der gesetzliche Vertreter hat das Antragsrecht aus eigenem Recht, nicht dem des Vertretenen. b) Der Ehegatte ist antragsberechtigt, solange die Ehe besteht (RG JW 07/748). b 1. Ist der antragstellende Ehegatte beschränkt geschäftsfähig, so hat er jedenfalls nicht das Antragsrecht selbst, weil er insoweit prozeßunfähig ist. b 2. Der gesetzliche Vertreter des Ehegatten ist nicht befugt, den Antrag zu stellen; denn er darf nicht in die Ehe eindringen, so lange der Gatte nur beschränkt geschäftsfähig ist (vgl. § 612 I 1. Halbs.). Und selbst wenn der antragstellende Ehegatte geschäftsunfähig ist, wird der gesetzliche Vertreter nicht zum Antrag zugelassen werden dürfen, denn die die Ehe aufrechterhaltenden Maßnahmen darf der gesetzliche Vertreter nicht treffen, wie § 612 II 2 ergibt. c) Das Antragsrecht der Verwandten ist beschränkt, c 4. wenn ein Ehegatte entmündigt werden soll. Gegen ihn darf der Verwandte nur den Antrag stellen, wenn unter den Ehegatten die häusliche Gemeinschaft aufgehoben worden ist oder wenn er dauernd außerstande ist, den Antrag zu stellen, oder wenn er auf Dauer unbekannten Aufenthalts ist (vgl. dazu § 203 B I). Wird der Aufenthalt aber noch bekannt oder wird die häusliche Gemeinschaft wieder hergestellt, so entfällt damit das Antragsrecht der Verwandten (KG OLG 5/447). c 5. Es besteht ferner nicht gegen Minderjährige, die unter elterlicher Gewalt stehen, gegen Minderjährige wie Volljährige, welche unter endgültiger Vormundschaft stehen. Wird ein gesetzlicher Vertreter nachträglich bestellt, so entfällt das Antragrecht des Verwandten. c 1. Antragsberechtigt ist ein jeder Verwandter des zu Entmündigenden; aber nicht der uneheliche Vater und seine Verwandten (BGB § 1589 II). Auf die Gradesnähe der Verwandtschaft kommt es nicht an (RG Warn. 14/314). c 2. Auch der Verwandte muß prozeßfähig sein; sein gesetzlicher Vertreter hat kein Antragsrecht (a. M. BayObLG NS 22/296). c 3. Verschwägerte kommen nicht in betracht (OLG 15/157). B. Die Antragsberechtigung ist nach inländischem Prozeßrecht zu beurteilen, auch wenn Ausländer beteiligt sind.
§ 647 (596) I Der Antrag kann bei dem Gericht schriftlich eingereicht oder zum Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden. Er soll eine Angabe der ihn begründenden Tatsachen und die Bezeichnung der Beweismittel enthalten. A. § 647 schreibt für den Antrag Schriftform vor und läßt die Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle zu (§ 78 C I b 8); Anwaltszwang besteht nicht (§ 78 II). Der Antrag darf auch in Vollmacht gestellt werden (vgl. §§ 80, 88). Die Rücknahme des Antrags unterliegt derselben Form (§ 645 E II). Über den Inhalt des Antrags vgl. § 645 E III. Es genügt also der auf die Entmündigung schlechthin (a. M. OLG 12/1). Tatsachen und Beweismittel sollen zur Begründung angegeben werden (§ 647 I 2); auch darf das Gericht die Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses fordern (§ 649).Die Berechtigung zur Antragstellung ist von gerichts wegen zu prüfen (§ 645 E I, b), auch die Vollmacht (§ 88 II).
§ 648 (594) I Für die Einleitung des Verfahrens ist das Amtsgericht, bei dem der zu Entmündigende seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig. II Gegen einen Deutschen, der im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, kann der Antrag bei dem Amtsgericht gestellt werden, in dessen Bezirk der zu Entmündigende den letzten Wohnsitz im Inland hatte; wenn er einen solchen Wohnsitz nicht hatte, gelten die Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2 entsprechend.
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§648
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A I. § 648 bestimmt die örtliche Zuständigkeit ausschließlich für Ausländer wie für Inländer (EG BGB Art. 8), soweit nicht Staatsverträge dagegen stehen. a) Doch kommt für Ausländer nur der Wohnsitz oder Aufenthaltort (wenn auch bloß vorübergehend oder erzwungen, RG Warn. 12/400) im Inlande, der noch z. Z. des Erlasses des Beschlusses bestehen muß, in betracht. b) Im Anfechtungverfahren wird man den Wechsel grundsätzlich zwar nicht zu beachten haben, doch läßt es sich nicht durchführen, wenn der zu vernehmende Entmündigte sich nicht mehr im Inlande aufhält. Ein Aufhebunggrund ist die Verlegung des Aufenthalts oder Wohnsitzes nicht; doch kann in einer danach ergangenen, anzuerkennenden ausländischen E n t scheidung ein Aufhebunggrund liegen, denn grundsätzlich ist diese anzuerkennen (RGZ 80/265). c) Das entsprechende wie für Ausländer gilt für Staatenlose (EG BGB Art. 29). A II. Ausschließlich zuständig ist das Amtsgericht des allgemeinen Gerichtstandes, also das des Wohnsitzes (§ 13 B), hilfsweise das des Aufenthaltsortes (§ 16 A), äußerstenfalls das des letzten Wohnsitzes (§ 16 A I I I ; vgl. aber § 648 A I a, c). Dabei ist zu bedenken, daß ein geschäftsunfähiger Geisteskranker weder einen Wohnsitz begründen noch den begründeten aufgeben kann (Kommentar § 13 B I a). Nur wenn er keinen Wohnsitz hatte, wird bei vorübergehender Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt dort der Gerichtsstand des § 16 begründet (RG J W 97/301). a) Bei Deutschen (§ 6 0 6 b C I I b l ) entscheidet der letzte inländische (§12 A I I a 1) Wohnsitz (§ 16 A III) auch dann, wenn ein oder mehrere ausländische Wohnsitze begründet worden sind (§ 648 IT). Gibt es diesen nicht, so ist nach § 15 I 2 zu verfahren (vgl. VO v. 5. 2.1934 [RGBl. I 85] § 4 II). A III. Unter mehreren Gerichtständen hat der Antragsteller die Wahl (§ 35). Über die Frage der Verfahrensverbindungen, wenn an mehreren zuständigen Amtsgerichten Anträge gestellt werden, vgl. Kommentar § 646 B I. B. Durch die Einleitung des Verfahrens wird die Zuständigkeit fixiert (§ 263 entsprechend). Eingeleitet wird das Verfahren durch den Erlaß (§ 516 A I) der ersten gerichtlichen Verfügung gegen den zu Entmündigenden (vgl. § 649 A). Über die spätere Verweisung vgl. §§ 650, 651).
§ 649
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I Das Gericht kann vor der Einleitung des Verfahrens die Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses anordnen. A. Eingeleitet wird das Verfahren durch eine Verfügung des Gerichts gegen den zu E n t mündigenden, die dem Staat(anwalt) mitzuteilen ist (§ 652). Auch das Vormundschaftgericht ist zu benachrichtigen, falls das Amtsgericht es für erforderlich hält (§ 657), damit es u. U. eine vorläufige Vormundschaft (BGB § 1906) oder auch Pflegschaft nach BGB §§ 1909folg. anordnen kann. Fehlt es an einer Prozeßbedingung, so ist ein gestellter Antrag durch förmlichen Beschluß als unzulässig zurückzuweisen, der dem Antragsteller nach § 329 I I I zuzustellen ist; wogegen die sofortige Beschwerde zulässig ist (vgl. § 663 A I). Die Zustellung des Beschlusses an den zu Entmündigenden ist nach §662 erforderlich (str.), die an den Staat empfiehlt sich. B. Das Amtsgericht darf fordern, daß ein ärztliches Zeugnis beigebracht wird, wenn wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche (nicht in den anderen Fällen) entmündigt werden soll; auch wenn der Staat die Entmündigung fordert. Man sollte dazu eine Frist Setzen. Gegen die Zurückweisung ist die sofortige Beschwerde zulässig (a. M. Sydow-Busch § 649 Anm. 2: die einfache). Das Attest darf auch in der Beschwerdeinstanz nachgebracht werden. Auch kann die Beschwerdeinstanz von sich aus anordnen, daß von dieser Prozeßbedingung
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Verfahren in Entmündigungssachen
§649 B
Abstand zu nehmen ist (eine Zurückweisung wegen Verspätung nach § 529 gibt es nicht, a. M. Baumbach-Lauterbach § 649 Anm. 2). Das Zeugnis ersetzt nicht die Vernehmung nach §654. C. Der zu Entmündigende darf sich eines Beistandes oder eines Prozeßbevollmächtigten bedienen (Kommentar § 645 B I b); eine Beiordnung für ihn ist zulässig, aber nicht geboten; § 57 gilt nicht. § 650
( - )
I Das Gericht kann nach der Einleitung des Verfahrens, wenn es mit Bücksicht auf die Verhältnisse des zu Entmündigenden erforderlich erseheint, die Verhandlung und Entscheidung dem Amtsgericht überweisen, in dessen Bezirk der zu Entmündigende sich aufhält. II Die Überweisung ist nicht mehr zulässig, wenn das Gericht den zu Entmündigenden vernommen hat (§ 654 Abs. 1). III Wird die Übernahme abgelehnt, so entscheidet das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht. A I. Ein unzuständiges Gericht hat auf Antrag nach § 276 zu verfahren. § 650 ermächtigt dagegen das zuständige Gericht nach Einleitung des Verfahrens (§ 649 A) und ohne Antrag an ein sonst noch zuständiges oder unzuständiges Gericht, das Verfahren mit Rücksicht auf die Verhältnisse des zu Entmündigenden zu überweisen, sofern der zu Entmündigende sich im Bezirk des angewiesenen Gerichts aufhält und der zu Entmündigende von dem abgebenden Gericht noch nicht vernommen worden ist (andere Ermittlungen schaden nicht, RGZ 148/128). A II a) Zweck der Überweisung ist, daß das Entmündigunggericht die Möglichkeit haben soll, den zu Entmündigenden kennen zu lernen (BayObLG OLG 31/78). a 1. Will das Gericht davon keinen Gebrauch machen, so darf es nicht überweisen, etwa wenn die Geisteskrankheit so weit fortgeschritten ist, daß es nach Aktenlage auf den persönlichen Eindruck gar nicht mehr ankommen kann (RGZ 148/128). Auch darf das Gericht den zu Entmündigenden durch einen ersuchten Richter vernehmen lassen (§§ 654 II, 676 III), wenn es auf den eigenen Eindruck nicht ankommt. a 2. Kommt es auf den Eindruck an, so darf es den zu Entmündigenden vernehmen, auch wenn er zuvor schon von einem ersuchten Richter vernommen war (BayObLG Z 50/46). b) Die Vernehmung durch den ersuchten Richter hindert nicht die Überweisung (BGH NJW 53/1787). A III. Das entsprechende gilt, wenn die Besetzung der Richterbank wechselt. A IV. Die Überweisung ist nur zulässig, wenn der zu Entmündigende seinen Aufenthalt (§ 16 A II) im Bezirk des angewiesenen Gerichts hat. Der Aufenthalt muß aber so lange währen, daß der zu Entmündigende dort durch das Gericht vernommen und begutachtet werden kann. Große Entfernung der Bezirke wird nicht gefordert, doch ist bei geringfügiger Entfernung und annähernd gleicher Verkehrslage die Überweisung aus persönlichen Verhältnissen des zu Entmündigenden nicht zu rechtfertigen. B. Überwiesen wird durch Beschluß, der dem Antragsteller, dem zu Entmündigenden (oder seinem gesetzlichen Vertreter) zu Händen ihrer Prozeßbevollmächtigten (§ 176) und dem Staat(anwalt) formlos mitzuteilen ist (§§ 329 III, 652). Diese Beteiligten haben gegen den Beschluß keinen Rechtsbehelf (OLG 9/439). Der Beschluß ist zu begründen (BayObLG H R R 34/661). B I. Mit Erlaß (§ 516 A I) des Beschlusses wird das angerufene Gericht zuständig mit der Rückwirkung auf die Einleitung des Verfahrens durch das überweisende Gericht (Kommentar § 276 B IV b 1). Doch darf der Beschluß bis zur Übernahme durch das angerufene Gericht wieder aufgehoben werden, womit dann die Zuständigkeit des angewiesenen Gerichts rückwirkend entfällt.
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§650
ZPO VI. Buch
B II. Unwiderruflich wird der Beschluß durch die Übernahme des angerufenen Gerichts. Die Überweisung hindert nicht die Rücküberweisung aus den Gründen des § 650, wie § 651 ergibt. B III. Lehnt das angewiesene Gerieht die Übernahme ab, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht niedrigster Instanz (§ 36 E I), wenn das anweisende Gericht den Beschluß nicht zurücknimmt. Über den Fall, daß ein gemeinsames oberes Gericht nicht vorhanden ist, vgl. § 36 A I, D I I I b 2, E I b. a) Die Ablehnung ist durch Beschluß (oder Verfügung) auszusprechen und den Beteiligten (§§ 645 B , 646, 656 B I I ) formlos mitzuteilen (§§ 329 I I I , 652). b) Eine Begründung der Ablehnung ist nicht vorgeschrieben. Die Begründung kann dahin lauten, daß eine allgemeine Prozeßbedingung fehlt (etwa die, daß das anweisende Gericht für das Verfahren nicht zuständig ist, OLG Seuff. 55/246, daß die Überweisung unzweckmäßig ist, B a y O b L G OLG 31/78); nicht aber dahin, daß das einmal eingeleitete Verfahren von der Beibringung des ärztlichen Zeugnisses hätte abhängig gemacht werden können ( § 6 4 9 ) ; aber auch derart, daß die Überweisung unzulässig oder auch unzweckmäßig ist (vgl. B a y O b L G OLG 31/78). B IV. Das gemeinschaftliche obere Gericht entscheidet nach eigenem Ermessen, aber nur ob die Überweisung berechtigt oder unberechtigt ist. a) Einen Rechtsbehelf gegen seine Entscheidung gibt es nicht. Der Beschluß ist den Beteiligten (§§ 645 B , 646, 656 B I I ) formlos mitzuteilen (§§ 329 I I I , 652).
§ 651 ( - ) I Wenn nach der Übernahme des Verfahrens durch das Gericht, an das die Überweisung erfolgt ist, ein Wechsel im Aufenthaltsort des zu Entmündigenden eintritt, so ist dieses Gericht zu einer weiteren Überweisung befugt. II
Die Vorschriften des § 650 gelten entsprechend.
A. Auch das übernehmende Gericht darf unter den Voraussetzungen des § 650 weiter überweisen (§ 651). Über die Mitteilung der Beschlüsse vgl. § 650 B I I I a, I V a.
§ 6 5 2 (597) I Der Staatsanwalt kann in allen Fällen das Verfahren dureh Stellung von Anträgen betreiben und den Terminen beiwohnen. E r ist von der Einleitung des Verfahrens sowie von einer Überweisung ( § § 650, 651) und von allen Terminen in Kenntnis zu setzen. A. Der Staat(anwalt) darf in den Entmündigungverfahren wegen Geisteskrankheit und wegen Geistesschwäche Anträge stellen und den Terminen beiwohnen (§ 652 1 1), auch wenn er den Entmündigungantrag nicht gestellt hat. Betreibt der Staat(anwalt) die Entmündigung selbst, so ist er Partei; sodann gilt § 646 I I . Auch wenn er sich nicht beteiligt, ist er von jedem Termin, gleichviel ob der zu Entmündigende oder Zeugen oder Sachverständige vernommen werden oder mündlich verhandelt werden soll, zu benachrichtigen. Darüber hinaus ist er vor der Entscheidung, ob der zu Entmündigende in eine Heilanstalt verbracht werden soll, zu hören ( § 6 5 6 1 2 ) . Überweisung- (§§650, 651) und Verweisungbeschlüsse (§276) sind ihm mitzuteilen. Der Entmündigungbeschluß oder der die Entmündigung ablehnende Beschluß ist dem Staat(anwalt) zuzustellen (§ 659); gegen ihn hat er im Falle der Ablehnung die sofortige Beschwerde (§ 663 I). Auch darf er die Wiederaufhebung der Entmündigung betreiben (§ 675). Der über die Wiederaufhebung ergehende Beschluß ist ihm wiederum zuzustellen (§ 678). Von sonstigen Beschlüssen und Verfügungen braucht der Staat(anwalt) nicht in Kenntnis gesetzt zu werden, wenn er sich am Verfahren nicht beteiligt. I m übrigen vgl. AktenO § 13 I 3.
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§652
B. Im Entmündigungverfahren wegen Trunksucht und Verschwendung wirkt der Staat(anwalt) grundsätzlich nicht mit (§ 680 IV). Soweit er ausnahmsweise herangezogen wird, ist er Partei. C. Soweit der Staat nicht durch den Staatsanwalt vertreten wird, sondern etwa durch die Jugendfürsorgebehörde oder nach § 680 V, ist § 652 nicht anwendbar. D. Werden Anträge auf Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche mit denen wegen Verschwendung oder Trunksucht verbunden, was zulässig ist (§ 645 E III), so ist die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft auf das Verfahren beschränkt, soweit es sich auf die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche bezieht (RGZ 108/309). § 653
(-)
I Das Gericht hat unter Benutzung der in dem Antrag angegebenen Tatsachen und Beweismittel von Amts wegen die zur Feststellung des Geisteszustandes erforderliehen Ermittlungen zu veranstalten und die erheblich erscheinenden Beweise aufzunehmen. Zuvor ist dem zu Entmündigenden Gelegenheit zur Bezeichnung von Beweismitteln zu geben, desgleichen demjenigen gesetzlichen Vertreter des zu Entmündigenden, dem die Sorge für die Person zusteht, sofern er nicht die Entmündigung beantragt hat. II Für die Vernehmung und Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen sind die Vorschriften im siebenten und achten Titel des ersten Abschnitts des zweiten Buchs anzuwenden. Die Haft kann im Falle des § 390 von Amts wegen angeordnet werden. A I. Ohne an die Behauptungen des Antragstellers oder die des zu Entmündigenden gebunden zu sein, stellt das Gericht den Geisteszustand des zu Entmündigenden fest, indem es den Sachverhalt selbst ergründet und Beweise erhebt. a) Doch darf es die Behauptungen und Beweisantritte der Parteien nicht übergehen, wenn sie erheblich sind (a. M. RGZ 81/197 zu lasten des zu Entmündigenden). Werden die Behauptungen und Beweisantritte des Antragstellers übergangen und die Entmündigung abgelehnt, so hat er dagegen die sofortige Beschwerde (§ 663); werden die des zu Entmündigenden übergangen und wird er entmündigt, so h a t er dagegen die Anfechtungklage (§ 664); doch muß das Beweismittel zulässig sein, was bei dem Verlangen auf polizeiliche Festnahme des zu Entmündigenden zu seiner Vernehmung nicht der Fall ist (OLG 37/153). Auch ist der auf eidliche Parteivernehmung gerichtete Antrag unbeachtlich (§ 670 11 entsprechend) und der auf uncidliche wird durch § 654 gegenstandslos. b) Auch muß das Gericht nach § 139 aufklären, sowohl gegenüber dem Antragsteller wie gegenüber dem zu Entmündigenden (§ 653 I 2). b 1. Da das Verfahren sich in freigestellt mündlicher Verhandlung abspielt, ist die weitere Anhörung des Antragstellers nicht vorgeschrieben. Wird aber sein Antrag abgelehnt, so muß er durch den Beschluß die ermittelten Tatsachen erfahren und hat dagegen die sofortige Beschwerde, womit er neue Tatsachen vorbringen darf. b 2. Dem zu Entmündigenden ist rechtliches Gehör zu gewähren. Dies bedeutet, daß ihm die Ergebnisse der Ermittlungen mitzuteilen sind und daß ihm Gelegenheit geboten wird, sich dazu zu äußern. A II. Ist der zu Entmündigende prozeBunfähig, so müßte ihm ein gesetzlicher Vertreter bestellt werden. Doch wird gewohnheitrechtlich dies trotz des § 653 I 2 nicht für erforderlich gehalten (RGZ 81/199); doch ist der zu Entmündigende im amtsgerichtlichen Entmündigungverfahren prozeßfähig, sofern mit ihm nur eine (natürliche) Verständigung möglich ist. a) § 53 gilt nicht. Der vorläufige Vormund gehört nicht in das Entmündigungverfahren. b) Ist der gesetzliche Vertreter des zu Entmündigenden derjenige, dem das Personensorgerecht zusteht, und ist er der Antragsteller, so gehört er zu der dem zu Entmündigenden entgegengesetzten Parteiseite und steht einem jeden sonstigen Antragsteller gleich.
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§ 6 5 3 Ali
ZPO VI. Buch
b 1. Ist er nicht Antragsteller, so ist das Verfahren wegen Entmündigung aus Geisteskrankheit und Geistesschwäche nur zulässig, wenn ein Gatte oder der Staat es beantragt hatte. Sodann ist in diesem Verfahren dem gesetzlichen Vertreter in gleicher Weise rechtliches Gehör zu gewähren wie dem zu Entmündigenden. B I. Werden Termine anberaumt, so haben die Parteien das Recht auf Ladung, Anwesenheit und Gehör, wie auch sonst im mündlichen Verfahren (§§ 128folg.); auch der zu Entmündigende; es sei denn, daß mit ihm eine Verständigung nicht möglich ist (OLG BadRPr. 20/63; a. M. RGZ 81/199). Bei Verstößen gegen die Ordnung in der Sitzung kommen sitzungpolizeiliche Maßnahmen in betracht, im besonderen die auf Entfernung des zu Entmündigenden nach GVG §§ 177, 180, wenn er ungehorsam ist. B II. Das Recht der Teilnahme des Antragstellers wird von OLG 29/148 verneint. Vgl. auch § 652. B III. Für Beweiserhebungen gilt grundsätzlich das allgemeine Recht der Zivilprozeßordnung. Obwohl § 653 II ausdrücklich nur auf die §§ 373—414 verweist, sind auch die nicht angezogenen §§ 359, 363—366, 369 anzuwenden. Ein förmlicher Beweisbeschluß braucht nicht erlassen zu werden. Beweise können mit allen nach der Prozeßordnung zulässigen Beweismitteln erhoben werden. a) Dazu gehört auch die Vernehmung des zu Entmündigenden (vgl. § 6 5 3 B I I I d ) ; dieser muß die Untersuchung dulden. e 1. Auch Zeugen dürfen von gerichts wegen vernommen werden. Dementsprechend gibt § 653 II dem Gericht die Befugnis, die Haft des Zeugen nach § 390 II auch ohne Antrag der Parteien anzuordnen. c 2. Die wohl h. M. läßt die Vernehmung des Antragstellers wie die des gesetzlichen Vertreters (selbst wenn er nicht Antragsteller ist) als Zeugen zu (RG N § 653/1) und gibt seinen Angehörigen kein Zeugnisverweigerungrecht, sondern nur denen des zu Entmündigenden. c 3. Verweigern Zeugen oder Sachverständige Aussage oder Eid, so ergeht auch hier Zwischenurteil (§§ 387,402; a. M. Baumbach-Lauterbach § 653 Anm. 2 A: Zwischenbeschluß). Das Beschwerderecht nach § 387 I I I steht den Parteien, Beschwer vorausgesetzt (OLG Seuff. 49/284), wie den Zeugen bzw. Sachverständigen zu. c 4. Durch die Verweisung des § 653 II wird jedenfalls klargestellt, daß die Parteien das Fragerecht nach § 397 haben (a. M. RGZ 81/199), woraus wieder zu schließen ist, daß sie von dem Termin zu benachrichtigen sind. c 5. Sodann muß aber auch den Parteien das Recht der mündlichen Befragung von Sachverständigen gegeben werden, wenn schriftliche Begutachtung angeordnet war (§ 411 A II b). c 6. Als Sachverständige kommen in betracht die Amtsärzte, die als Irrenärzte vorgebildet sind (G v. 3. 7.1934 [RGBl. I 531], DVO v. 6. 2.1935 [RGBl. 1177], DVO v. 22. 2.1935 [RGBl. I 215]). c 7. Dem zu Entmündigenden ist regelmäßig (anders bei Prozeßunfähigkeit) wie auch den übrigen Parteien das Ablehnungrecht nach § 406 nicht zu versagen. c 8. Ein Verzicht auf die Beeidigung (§ 391) ist unbeachtlich, § 404 IV gilt nicht (§§ 670 I, 617 entsprechend). d) Die Parteivernehmung (§§ 445folg.) ist zulässig. Vgl. § 653 A I a. Die Vereidigung des Antragstellers ist zulässig, die des zu Entmündigenden dagegen nicht; denn seine Vernehmung ist Augenscheineinanhme (OLG Seuff. 55/123). C I. Anerkenntnisse und Geständnisse, unterbliebene Parteierklärungen binden das Gericht nicht (§§ 670 I, 617 entsprechend). C II. Doch sind Beweislastentscheidungen nicht ausgeschlossen; auch muß die vom Nervenarzt gegebene Vorgeschichte u. U. durch Zeugenbeweis belegt werden, da sie regelmäßig nicht von ihm selbst zu erfahren ist (RG N §653/2). Die außergerichtliche Bekundung von Zeugen hierzu ist jedenfalls keine Erkenntnisgrundlage (RG N § 653/3).
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Verfahren in Entmündigungssachen
§653
C III. Nach der hier vertretenen Ansicht haben die Parteien auch das Recht der Akteneinsicht und auf Aktenabschriften (§ 299 B ; aber nicht der Prozeßunfähige, der zu entmündigen ist). C IV. Ein Säumnisverfahren gibt es nicht und deshalb auch keine Verfahrensruhe (§ 251). Eine gesetzliche Feriensache ist das amtsgerichtliche Entmündigungverfahren nicht (GVG § 200 II).
§ 654
(598)
I Der zu Entmündigende ist persönlich unter Zuziehung eines oder mehrerer Sachverständiger zu vernehmen. Zu diesem Zwecke kann die Vorführung des zu Entmündigenden angeordnet werden. II
Die Vernehmung kann auch durch einen ersuchten Richter erfolgen.
III Die Vernehmung darf nur unterbleiben, wenn sie mit besonderen Schwierigkeiten verbunden oder nicht ohne Nachteil für den Gesundheitszustand des zu Entmündigenden ausführbar ist. A I. § 654 I schreibt vor, daß grundsätzlich der zu Entmündigende unter Zuziehung mindestens eines Sachverständigen zu vernehmen ist. Das geschieht nicht öffentlich (GVG § 171). Verletzung der Norm ist unschädlich (a. M. RGZ 162/36). A II. Von der Vernehmung des zu Entmündigenden darf das Gericht nur absehen, wenn sie mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist oder nicht ohne Nachteil für den Gesundheitszustand des zu Entmündigenden durchgeführt werden kann. a) Schwere Ausführbarkeit reicht nicht aus, auch nicht die Weigerung des zu Entmündigenden, sich untersuchen zu lassen, da dann Vorführung nach § 654 I 2 anzuordnen ist (RG J W 00/802), auch nicht weite Entfernung, da diese bestenfalls die Vernehmung durch einen ersuchten Richter rechtfertigt (§ 654 II). Das Gericht muß im Entmündigungbeschluß den Grund angeben (RG Gruch. 30/1161). Unzweckmäßigkeit oder Unerheblichkeit gehören nicht hierher (abweichend RGZ 170/343). b) Daß der Sachverständige den Geisteszustand des zu Entmündigenden vorher begutachtet hat, ist nicht vorgeschrieben worden (RG J W 17/846). B I. Zweck der Vorschrift ist der, daß der Sachverständige dem Richter den Geisteszustand des zu Entmündigenden aufhellt (RG Gruch. 49/611). Dazu darf das Gericht auch die Vorführung des zu Entmündigenden anordnen; andererseits darf der zu Entmündigende nicht gezwungen werden, auszusagen. Gegenstand der Beweisaufnahme ist die Persönlichkeit des zu Entmündigenden (RG J W 18/433). B II. Die Vernehmung ist zu protokollieren, §§ 159folg. (RGZ 162/36). Dem prozeßunfähigen Entmündigten braucht das Protokoll nicht vorgelesen oder vorgelegt zu werden (§ 162), wohl aber den übrigen Parteien u n d dem oder den Sachverständigen. Ein Parteiverzicht auf die Vernehmung nach § 654 ist ausgeschlossen (RG J W 05/53). B III. Die Vernehmung darf auch vor einem ersuchten Richter durchgeführt werden, dem auch die Ernennung des Sachverständigen überlassen werden darf (§ 405). Ist dieser zuständig (GVG § 158), so darf er die Zweckmäßigkeit des Ersuchens nicht nachprüfen (KG OLG 40/397). Auch er m u ß das Ergebnis protokollieren lassen (OLG Seuff. 55/123). Das ersuchende Gericht kann fordern, daß der ersuchte Richter sich über seinen Eindruck äußert (OLG JMB1. N R W 53/284). B IV. Die Vernehmung durch den beauftragten Richter ist nicht zugelassen worden.
§ 655
(599)
I Die Entmündigung darf nicht ausgesprochen werden, bevor das Gericht einen oder mehrere Sachverständige über den Geisteszustand des zu Entmündigenden gehört hat. A I. Ist der zu Entmündigende nach § 654 in Gegenwart eines Sachverständigen vernommen worden, so wird das Gericht diesen regelmäßig auch gutachtlich hören (RG Gruch. 48/642).Doch darf das Gericht auch einen oder mehrere andere Sachverständige auswählen (§412).
1423
§655
Z P O VI. Buch
A II. Das Gericht d a r ! die schriftlichc B e g u t a c h t u n g a n o r d n e n (§ 411); doch b e s t e h t auch hier das R e c h t der Parteien, die Vernehmung des Sachverständigen zu fordern (§ 653 B I I I c 5). A III. Vorherige U n t e r s u c h u n g ist nicht vorgeschrieben (RG J W 17/846), doch müssen d a n n die tatsächlichen Feststellungen, auf denen der Sachverständige a u f b a u t , anderweit erwiesen werden. B. Allerdings darf auch der E n t m ü n d i g u n g a n t r a g vor Vernehmung eines jeden Sachverständigen zurückgewiesen werden. §
656
( - )
I Mit Zustimmung des Antragstellers kann das Gericht anordnen, daß der zu Entmündigende auf die Dauer von höchstens sechs Wochen in eine Heilanstalt gebracht werde, wenn dies nach ärztlichem Gutachten zur Feststellung des Geisteszustandes geboten erscheint und ohne Nachteil für den Gesundheitszustand des zu Entmündigenden ausführbar ist. Vor der Entscheidung sind die im § 646 bezeichneten Personen soweit tunlich zu hören. I I Gegen den Beschluß, durch den die Unterbringung angeordnet wird, steht dem zu Entmündigenden, dem Staatsanwalt und binnen der für den zu Entmündigenden laufenden Frist den sonstigen im § 646 bezeichneten Personen die sofortige Beschwerde zu. A. Nach § 656 (vgl. StPO §§ 81 folg.) darf der zu E n t m ü n d i g e n d e in einer Heilanstalt zur Untersuchung f ü r höchstens sechs Wochen auf besonderen Gerichtsbeschluß untergebracht werden, aber nur ausnahmsweise. L e h n t das Gericht die U n t e r b r i n g u n g ab, so gibt es dagegen keinen besonderen Rechtsbehelf (OLG 40/398). W i r d indes die E n t m ü n d i g u n g abgelehnt, so darf a u c h die Zwischenentscheidung m i t der gegen die E n d e n t s c h e i d u n g einzulegenden Beschwerde angegriffen werden (vgl. § 512), u n d das Beschwerdegericht darf die U n t e r b r i n g u n g anordnen. H a t t e das AG angeordnet, das LG auf die sofortige Beschwerde diesen Beschluß aufgehoben, BO ist die dagegen gerichtete weitere Beschwerde unzulässig (OLG J R 52/249). B I. Zulässig ist die Anordnung n u r a) nach Anhörung der Parteien. Der zu E n t m ü n d i g e n d e b r a u c h t nicht gehört zu werden, wenn er prozeßunfähig ist ( K o m m e n t a r §645 B I b). I n diesem Falle (aber auch sonst) ist sein gesetzlicher Personensorgevertreter (d.i. aber nicht der Vorlauf ige Vormund) zu hören; auch ein n u r zu diesem Zwecke bestellter Beistand. W i r d der zu E n t m ü n d i g e n d e bzw. sein f ü r ihn berufener gesetzlicher Vertreter übergangen, so h a t er die sofortige Beschwerde nach § 656 I I . Ob er bereits v e r n o m m e n worden ist oder nicht, ist gleichgültig (OLG 40/398). a 2. Darüber hinaus sollen vor der A n o r d n u n g die, welche als Antragsteller in betracht kommen (aber nicht Partei sind; soweit tunlich) gehört werden (§ 656 I 2). b) Der die U n t e r b r i n g u n g anordnende Beschluß setzt weiter voraus, h 1. daß ein ärztliches Gutachten (doch g e n ü g t eines, w e n n sich a u c h andere dagegen aussprechen) sie als geboten bezeichnet, b 2. d a ß sie ohne Nachteil f ü r den Gesundheitzustand des zu E n t m ü n d i g e n d e n a u s f ü h r b a r ist; b 3. daß der Antragsteller zustimmt; doch g e n ü g t auch hier von mehreren einer (str.). Die Z u s t i m m u n g ist bis z u m E r l a ß (§ 516 A I) des Anordnungbeschlusses u n d noch n a c h eingelegter sofortiger Beschwerde bis zum E r l a ß des Beschwerdebeschlusses frei widerruflich. Die sofortige Beschwerde ist aber nicht zum bloßen Widerruf der Z u s t i m m u n g zu geben. b 4. Die U n t e r b r i n g u n g darf in demselben E n t m ü n d i g u n g v e r f a h r e n a u c h bei mehrfacher A n o r d n u n g insgesamt die Dauer von sechs Wochen nicht übersteigen. B IL Das Gericht b e s t i m m t die Anstalt u n d die Zeitdauer der U n t e r b r i n g u n g . a) Der Beschluß m u ß , auch wenn er v e r k ü n d e t wird, den Parteien von Gerichts wegen zugestellt werden (§ 329 I I I ) ; er ist dem Staat(-anwalt) a u c h d a n n mitzuteilen, wenn er n i c h t P a r t e i i s t (§ 652 A),
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Verfahren in Entmündigungssachen
§656
B III. Gegen den Beschluß haben die Parteien das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 656 II) innerhalb der Frist von zwei Wochen, die nach den allgemeinen Regeln von der Zustellung an die Partei zu laufen beginnt (§ 577 I I 1). b) Innerhalb der Beschwerdefrist kann sich aber auch noch ein nicht als Partei beteiligter Antragsteller anschließen, wenn er innerhalb der für den zu Entmündigenden laufenden Frist die sofortige Beschwerde einlegt. c) Die sofortige Beschwerde bezieht sich in erster Linie auf die Unterbringung als solche, aber möglicherweise auch auf die Unterbringung in einer bestimmten Anstalt und auf die (zu lange) Dauer. B IV. Das Amtsgericht ist an seinen Beschluß grundsätzlich gebunden. Will das Gericht im Rahmen der Höchstdauer die Dauer der Unterbringung verlängern, so wird es darüber neu im selben Verfahren beschließen müssen (a. M. Baumbach-Lauterbach § 656 Anm. 1 B); dasselbe wird für die Unterbringung in einer anderen Anstalt gelten. Verkürzen darf das Gericht die Frist jederzeit. B V. Wird in der Beschwerdeinstanz die Anordnung aufgehoben, so ist die weitere Beschwerde unzulässig (Kommentar § 656 A I I I b). Wird dagegen die Entscheidung sachlich bestätigt, so gibt es keine weitere sofortige Beschwerde, wenn nicht ein neuer selbständiger Beschwerdegrund hervorgetreten ist (§ 568 II). C. Der Beschluß wird notfalls zwangsweise vollstreckt, und zwar nach §§ 908, 909. Die sofortige (weitere) Beschwerde hat aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes (§ 572).
§ 657
(600)
I Sobald das Gerieht die Anordnung einer Fürsorge für die Person oder das Vermögen des zu Entmündigenden für erforderlich hält, ist der Vormundschaftsbehörde zum Zwecke dieser Anordnung Mitteilung zu machen. A. § 657 schreibt dem Entmündigunggericht vor, dem Vormundschaftgericht nach Einleitung des Verfahrens (§ 649 A) dies mitzuteilen, wenn es eine FürsorgemaUregel für Person oder Vermögen des zu Entmündigenden für erforderlich hält. Die Zuständigkeit des Vormundschaftgerichts ergeben FGG §§ 35, 36, EG BGB Art. 147 I. Über weitere Mitteilungen vgl. Haager Abkommen v. 17. 7. J905 iRGRi 12/463) Art. 3 folg..
§ 658
(601)
I Die Kosten des Verfahrens sind, wenn die Entmündigung erfolgt, von dem Entmündigten, anderenfalls von der Staatskasse zu tragen. I I Insoweit einen der im § 646 Abs. 1 bezeichneten Antragsteller bei Stellung des Antrages nach dem Ermessen des Gerichts ein Verschulden trifft, können ihm die Kosten ganz oder teilweise zur Last gelegt werden. A I. Die Kostenentscheidung wird mit der Sachentscheidung gefällt (§ 808 II) und nur dann isoliert, wenn die Hauptsache erledigt ist (§ 91a A). Für sie gelten die allgemeinen Regeln (§§ 91folg.), also auch § 91a und §§ 97, 271, 514, 515, nicht aber § 93, weil es kein Anerkenntnis gibt. a) Diese Vorschriften werden nun durch § 658 dahin modifiziert, daß, wenn auf einen wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche gestellten Antrag nicht entmündigt wird, die Kosten grundsätzlich den Staat treffen, nicht den nicht staatlichen Antragsteller (anders bei dem Antrag wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht); bei gemischten Anträgen ist nach § 92 zu teilen zwischen Staat und nichtstaatlichem Antragsteller (§ 682). a 1. Die Vorschrift gilt ohne Rücksioht auf Verschulden (KG Seuff. 44/289), 90 W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§ 6 5 8 AI
ZPO VI. Buch
a 2. auch wenn sich die Hauptsache selbst erledigt. a 3. Aber auch dann läßt § 658 II ea zu, daß das Gericht nach seinem Ermessen einem solchen Antragsteller die Kosten ganz oder zum Teil durch besondere Entscheidung auferlegt, wenn ihn ein Verschulden trifft (§ 91a B). Er wird insoweit wie ein Bevollmächtigter behandelt (§ 102), nur daß im Gegensatz zu § 102 hier leichtes Verschulden ausreicht. b) Gibt das Gericht dem Antrag statt, so darf der Antragsteller nicht mit Kosten belastet werden; also selbst wenn im Anfechtungstreit der Entmündigungbeschluß aufgehoben wird. A II. Zu den zu erstattenden Kosten gehören sowohl die Gerichts- (wozu auch die Auslagen für die Unterbringung nach § 656 gehören), wie die Anwaltkosten im besonderen für den Anwalt des zu Entmündigenden (OLG 25/141), soweit sie nach Stellung des Antrags, aber vor Einleitung des Verfahrens (§ 649 A) entstanden sind, wie selbst die des unterlegenen Antragstellers, der die Entmündigung betreibt (OLG 40/398; a.M. KG OLG 15/76), sofern ihm nicht diese wegen seines Verschuldens auferlegt werden. B. Armenrechtsbewüligungen sind zulässig (§ 114 A II).
§ 659
(602)
I Der über die Entmündigung zu erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und dem Staatsanwalt von Amts wegen zuzustellen. A. Jeder das Entmündigungverfahren abschließende Beschluß ist dem Staat(-anwalt) wie dem Antragsteller als Partei förmlich zuzustellen (§ 176 gilt auch hier). Die Zustellung an den zu Entmündigenden regeln §§ 660, 662, 688, und zwar auch in der Beschwerdeinstanz. Wird entmündigt, so muß in dem Beschluß gesagt werden, ob wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche entmündigt wird (RGZ 16/236).
§ 660 (603) I Der die Entmündigung aussprechende Beschluß ist von Amts wegen der Vormundschaftsbehörde mitzuteilen und, wenn der Entmündigte unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, auch demjenigen gesetzlichen Vertreter zuzustellen, dem die Sorge für die Person des Entmündigten zusteht. Im Falle der Entmündigung wegen Geistesschwäche ist der Beschluß außerdem dem Entmündigten selbst zuzustellen. A. Wird entmündigt, so wird der Beschluß dem Vormundschaftgericht mitgeteilt, ferner dem Strafregister (StrafregisterVO §§912, 111 4) und der Geschäftstelle der Kreispolizeibehörde (AV d. RJM v. 12.1.1943 [DJ 44]). A II a) Dem wegen Geistesschwäche Entmündigten wird der Beschluß zugestellt (weil dann im Augenblick der Zustellung der zu Entmündigende beschränkt geschäftsfähig wird und für den Entmündigungsprozeß noch prozeßfähig ist, Kommentar § 51 B II a 2). Hat er einen Prozeßbevollmächtigten, so ist diesem nach § 176 zuzustellen (RGZ 135/187). Ersatzzustellung ist zulässig (BayObLG OLG 27/116). Doch darf ihm nicht zu Händen seines gesetzlichen Vertreters nach § 171 zugestellt werden (§ 185). b) Wird wegen Geisteskrankheit entmündigt, so wird der Beschluß nicht dem zu Entmündigenden zugestellt. Dies gilt selbst dann, wenn er von einem Prozeßbevollmächtigten vertreten wird, was aber bedenklich ist. A III. Außerdem und unabhängig von der Zustellung an den zu Entmündigenden selbst ist seinem gesetzlichen Vertreter, dem die Sorge für die Person des zu Entmündigenden zusteht, zuzustellen; aber nicht an den vorläufigen Vormund.
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Verfahren in Entmündigungssachen
§ 661
(603)
I Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit tritt, nenn der Entmündigte unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, mit der Zustellung des Beschlusses an denjenigen gesetzlichen Vertreter, dem die Sorge für die Person zusteht, andernfalls mit der Bestellung des Vormundes in Wirksamkeit. II Die Entmündigung wegen Geistesschwäche tritt mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten in Wirksamkeit. A. Die Entmündigung wegen Geistesschwäche wirkt mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten (§ 660 A I I a); nicht mit der an seinen gesetzlichen Vertreter; bei der wegen Geisteskrankheit nur mit Zustellung an den legitimierten gesetzlichen Vertreter des zu Entmündigenden. Hat der zu Entmündigende einen solchen gesetzlichen Vertreter nicht, so wird ihm einer von dem Vormundschaftgericht bestellt. Da ihm der Grund bei der Bestellung bekannt gegeben wird, wird die Entmündigung mit. der Verpflichtung des als Vormund Bestellten wirksam (BGB § 1789). B. Die Wirkungen treten ein ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit der Anfechtungklage (§ 664). § 662
(-)
I Der die Entmündigung ablehnende Beschluß ist von Amts wegen auch demjenigen zuzustellen, dessen Entmündigung beantragt war. A. Wird die Entmündigung abgelehnt, so wird der Beschluß dem zu Entmündigenden, auch hier zu Händen seines Prozeßbevollmächtigten (§ 176), zugestellt Da die zu Entmündigenden im Entmündigungsverfahren prozeßfähig sind, werden sie insoweit nicht durch ihren gesetzlichen Vertreter vertreten, so daß an ihn nicht zuzustellen ist. Die sonstigen Parteien und der Staat(-anwalt) erhalten den Beschluß nach allgemeinen Grundsätzen (§ 659 A).
§ 663
(604)
I Gegen den Beschluß, durch den die Entmündigung abgelehnt wird, steht dem Antragstoller und dem Staatsanwalt die sofortige Beschwerde zu. II In dem Verfahren vor dem Beschwerdegericht gelten die Vorschriften der §§ 652, 653 entsprechend. A I. Der die Ablehnung aussprechende Beschluß muß d e n A b l e h n u n g g r u n d angeben. Ob dieser Grund formal oder ob er sachlicher Art ist, ist gleich. In beiden Fällen gibt es nur die sofortige Beschwerde (§6631; Hellwig-System 2/46; a. M. RG J W 98/641, das bei formaler Ablehnung die einfache Beschwerde zubilligt). A IL Die sofortige Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung (nicht ab Verkündung) einzulegen (§ 577 II 1); sie setzt Beschwer voraus, darf vom Staatsanwalt auch, wenn er auf Seiten des zu Entmündigenden mitgewirkt hatte, eingelegt werden (§ 666 B II, IV c). a) Der Antragsteller ist beschwert, wenn er Entmündigung wegen Geisteskrankheit beantragt hatte, aber nur wegen Geistesschwäche entmündigt worden ist; aber nicht wenn wegen Trunksucht entmündigt worden ist, während er sie wegen Verschwendung beantragt hatte und umgekehrt (also bei gleichwertigen Gründen) und nicht wenn der Antragsteller die Entmündigung wegen Geistesschwäche beantragt, sie aber wegen Verschwendung oder Trunksucht ausgesprochen wurde oder umgekehrt. b) Hat der Antragberechtigte vor Einlegung der Beschwerde sein Antragrecht verloren, so ist seine sofortige Beschwerde unzulässig. Verliert er es nach Einlegung der sofortigen Be 90*
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§663
Allb
ZPO VI. Buch
schwerde, so erledigt sich die Hauptsache. Sind ihm Kosten auferlegt worden (§ 658 A I a 3), so steht ihm, auch wenn er das Recht auf die sofortige Beschwerde zur Hauptsache verloren hat, die getrennte nach § 102 zu (§ 102 C V). B. Das Verfahren vor dem Beschwerdegericht entspricht dem der ersten Instanz; jedoch unter den Bedingungen des Beschwerdeverfahrens (§§ 567 folg.). Hatte das Amtsgericht bereits den zu Entmündigenden vernommen und Sachverständige gehört, so ist dem Beschwerdegericht zwar die erneute Vernehmung freigestellt, wenn es nicht aus prozessualen Gründen zur nochmaligen Vernehmung auf Grund von Prozeßrügen des Beschwerdeführers genötigt wird, es ist aber anders als die Berufunginstanz (§ 671 A) nicht zur erneuten Vernehmung des zu Entmündigenden gezwungen und damit entfällt insoweit dann auch die Möglichkeit der Verweisung nach §§ 650, 651. Die sofortige (§ 663 I) weitere Beschwerde ist nur bei neuem selbständigem Beschwerdegrund zulässig (§ 568 II), also im besonderen, wenn das Amtsgericht formal, das Landgericht sachlich zurückgewiesen hatte (OLG HGZ 1927 B 37) oder umgekehrt. Da der Entmündigte die Beschwerde nicht hat, kann er gegen den ihn entmündigenden Beschluß des Beschwerdegerichts nur die Anfechtungklage erheben. Er hat nicht das Rechtsmittel der sofortigen (weiteren) Beschwerde (RG JW 98/641), selbst wenn die Hauptsache zu unrecht für erledigt erklärt wurde. Die sofortige Beschwerde ist vom Anwaltzwang befreit (§§ 78 II, 569 II). Nur wenn mündliche Verhandlung vor dem Beschwerde- oder dem weiteren Beschwerdegericht anberaumt wird, was nach § 573 I zulässig ist, besteht hierfür Anwaltzwang (§ 573 A I). Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I; die Kosten trägt also der beschwerdeführende Antragsteller (§ 658 bezieht sich auf sie nicht, OLG SchlHA 56/270). Wird auf die Beschwerde die Entmündigung ausgesprochen, so gilt nur § 658 (§ 97 II ist unanwendbar). Die Rechtskraft des ablehnenden Beschlusses beendet die etwa eingeleitete vorläufige Vormundschaft (BGB § 1908 I). Sie vernichtet das Antragsrecht für die Zeit bis zu seinem Erlaß, schließt aber nicht einen neuen Antrag, auf später eingetretene Tatsachen gestützt, aus.
§ 664
(605)
I Der die Entmündigung aussprechende Beschluß kann im Wege der Klage binnen der Frist eines Monats angefochten werden. I I Zur Erhebung der Klage sind der Entmündigte selbst, derjenige gesetzliche Vertreter des Entmündigten, dem die Sorge für die Person zusteht, und die übrigen im § 646 bezeichneten Personen befugt. III Die Frist beginnt im Falle der Entmündigung wegen Geisteskrankheit für den Entmündigten mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Entmündigung Kenntnis erlangt, für die übrigen Personen mit dem Zeitpunkt, in dem die Entmündigung in Wirksamkeit tritt. Im Falle der Entmündigung wegen Geistesschwäche beginnt die Frist für den gesetzlichen Vertreter des unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehenden Entmündigten mit dem Zeitpunkt, in dem ihm der Beschluß zugestellt wird, für den Entmündigten selbst und die übrigen Personen mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten. A I. Gegen die die Entmündigung aussprechenden Beschlüsse gibt es nur die Anfechtungklage (§§ 664 I, 684 I); nicht sonstige Rechtsbehelfe (OLG JW 35/3491). a) Erhebt der Entmündigte die Klage, so ist er dazu trotz der Entmündigung voll prozeßfähig, also selbst bei Entmündigung wegen Geisteskrankheit und selbst wenn ihm bereits, nachdem sie wirksam geworden ist (§ 661 A), ein Vormund bestellt worden ist. Betreibt er sie tatsächlich, so wird er auch geschäftsfähig nach BGB § 104 I 2 sein, wobei es genügt, daß er seinen Prozeßbevollmächtigten in einem lichten Augenblick bestellt hat (RGZ 34/387). Er darf auch nach § 668 sich einen Anwalt beiordnen lassen (RGZ 68/404); der so beigeordnete Anwalt ist gewillkürter, nicht gesetzlicher Vertreter (RGZ 35/354). Selbstverständlich erstreckt sich die Prozeßfähigkeit nur auf die Anfechtungklage (RGZ 68/404). Auch kann davon keine Rede sein, daß der Vormund sich an den Erörterungen mit dem Prozeßbevollmächtigten des Entmündigten beteiligen darf (a. M. KG DR 40 A 866). Ein wegen Geisteskrankheit ent-
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Verfahren in Entmündigungssachen
§664 Ala
mündigter Rechtsanwalt kann nicht den Anfechtungprozeß selbst als Postulationsfähiger führen, weil er prozeßunfähig ist (§ 78 A I, OLG ZZP 68/304). a 2. Die ProzeBkosten sind aus dem Vermögen des Entmündigten zu entnehmen; der Vormund hat sie zur Verfügung zu stellen und das Vormundschaftgericht hat ihn dazu anzuhalten ohne Rücksicht auf die Aussichten des Prozesses (abweichend: BayObLG Seuff. 59/115, falls die Klage nicht mutwillig sei). b) Über den gesetzlichen Vertreter, dem die Personensorge zusteht, vgl. § 646 A II a; der vorläufige Vormund hat das Klagerecht nicht. Über die Frage, ob der gesetzliche Vertreter, welcher den Entmündigungantrag gestellt hat, die Klage erheben darf, vgl. § 666 B IV. Darüber, daß er die Klage nicht erheben darf, wenn er Beklagter ist, vgl. § 666 B II. c) Über das Antragsrecht des Ehegatten vgl. § 646 A II b. d) Sobald ein solcher gesetzlicher Vertreter vorhanden ist, entfällt das Klagerecht für die Verwandten, und zwar selbst dann, wenn er erst auf Grund der Entmündigung bestellt worden ist. c) In jedem Fall bleibt aber hier der Staat klageberechtigt (§ 646 II), also auch neben dem gesetzlichen Personensorgevertreter. Darüber, daß der Staat, wenn er Beklagter ist, die Klage nicht erheben darf, vgl. § 666 B II. A II a) Stirbt der Entmündigte im Laufe des Prozesses, so wird damit die Hauptsache erledigt (§ 628). b) Fällt ein gesetzlicher Vertreter weg, so folgt ihm der neu bestellte entsprechend § 241. c) Über den Wegfall des Ehegatten vgl. § 646 A II b. d) Der Fall der Verwandtenklage (vgl. § 646 A II c) ist praktisch bedeutunglos; soweit man sie zuläßt, würde mit dem Tod des Klagenden die Klageberechtigung entfallen. Hatte sich bis dahin kein anderer Berechtigter (als Streithelfer) beteiligt, so ist die Klage nicht zu halten. A ID. Klagen mehrere Berechtigte, so sind sie notwendige Streitgenossen (§ 62), soweit nicht ihre Klageberechtigung ausgeschlossen ist (§ 666 B IV). Sind mehrere Klagen nebeneinander erhoben, so sind sie zu verbinden. Über den späteren Beitritt und seine Folge vgl. § 666 B IV a. B I. Die Klage ist in der Ansschlußfrist (RG Gruch. 62/595) von einem Monat zu erheben. a) Eine Fristverlängerung gibt es gewohnheitsrechtlich nicht (RGZ 40/394). Die Frist ist keine Notfrist, gegen ihren Ablauf gibt es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (RGZ 107/29). Auf ihren Lauf sind jedenfalls auch nicht BGB §§ 203, 206, 207 anzuwenden (RG Warn. 39/3). B II. Die Einhaltung der Frist ist ProzeBbedingung und von gerichts wegen zu prüfen (RGZ 40/394); der Parteiverzicht auf ihre Einhaltung ist ohne Bedeutung (OLG HRR 40/27). Sie wird gewahrt bei demnächstiger Zustellung durch Einreichung (§ 261 b III). Mangelhafte Zustellung wird durch rügelose Einlassung geheilt (RG JW 97/52), im übrigen gilt § 187, da durch die Zustellung keine Notfrist in gang gesetzt wird. B III. Die Klage ist zulässig mit ErlaB des Beschlusses (nicht erst mit dem Beginn der Klagefrist, OLG 25/143). b 1. Für den Entmündigten schreibt deshalb § 664 III 1 den Fristablauf von dem Zeitpunkt an vor, wo der Entmündigte Kenntnis von der Entmündigung (nicht die von ihrem Wirksamwerden) erhält; dazu gehört die sichere Kenntnis (RGZ 107/29), im besonderen die, daß der Beschluß von amtlicher Seite stammt, von seinen Entscheidunggründen (RGZ 68/404) und seinem ganzen Inhalt (RG JW 09/665), gleichviel ob der Entmündigte dies richtig begreift oder nicht (RGZ 68/404). Wer die Kenntnis zu beweisen hat, ist zweifelhaft. Da die Fristwahrung Prozeßbedingung ist, sollte die Beweislast gegen den Entmündigten gehen; RGZ 68/406 hat sie aber dem Gegner aufgebürdet. C. Gegenstand der Klage ist der Antrag auf Aufhebung der Entmündigung (§ 672), also die Frage, ob z. Z. des Erlasses des Entmündigungbeschlusses die Entmündigung gerechtfertigt ist (RGZ 154/133).
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§664
ZPO VI. Buch
C I. Wird das Gesetz geändert, so ist nach neuem Recht zu entscheiden (RG J W 00/867). C II. Bei späterer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse hilft nur die Aufhebung- nach § 675, nicht die Anfechtungklage (RG J W 25/770); wäre aber die Entmündigung z. Z. des Erlasses des Urteils begründet, so sollte man die Klage abweisen (RG Warn. 35/182 läßt nur Rückschlüsse auf den früheren Geisteszustand zu). Eine Umwandlung der Entmündigung wegen Geisteskrankheit in die wegen Geistesschwäche ist zulässig, nicht aber umgekehrt (vgl. Kommentar § 670 A II c). C III. Auf prozessuale Verstöße des Entmündigungverfahrens läßt sich die Klage nicht stützen; also nicht darauf, daß der zu Entmündigende nicht vernommen worden ist oder daß der Antragsberechtigte es z. Z. des Erlasses des Beschlusses nicht (mehr) war (RG J W 07/748) und selbst wenn überhaupt kein Antrag gestellt war (a. M. RGZ 154/133) und auch wenn das Entmündigunggericht unzuständig war (a.M. RG J W 98/641) und erst recht, wenn dem Beschwerten nicht voll das rechtliche Gehör gewährt worden ist (was RG Gruch. 29/1092 für rechtmäßig hielt). Doch darf keine Entmündigung zugelassen werden, die zu unrecht über Ausländer und Staatenlose ausgesprochen wurde (§ 645 C I c). b) Zweifelhaft ist, ob die Klage nicht dem Prozeßbevollmächtigten, der schon im Entmündigungverfahren den Beklagten vertreten hat, sondern diesem selbst zuzustellen sei (so RG J W 97/52) und ob die Prozeßvollmacht für das Entmündigungverfahren nicht für die Anfechtungklage ausreiche (so Sydow-Busch § 664 Anm. 1) oder ob dies anders ist (so BaumbachLauterbach § 664 Anm. 2 B). D. Das Verfahren ist das landgerichtliche. Es herrscht Anwaltzwang (§§ 665, 78.1). Entschieden wird durch Urteil. Das Urteil lautet auf Aufhebung des Beschlusses (Abänderung im Fall des Übergangs von der Entmündigung wegen Geistesschwäche in die wegen Geisteskrankheit) oder auf Abweisung der Klage. Unzulässig ist die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung an das Amtsgericht, vielmehr muß, wenn aufgehoben wird, zugleich die Entmündigung aufgehoben werden. Die Anfechtung beseitigt, wenn sie Erfolg hat, die Entmündigung mit rückwirkender Kraft (vgl. BGB § 115). Durch eine inzwischen ausgesprochene Wiederaufhebung wird die Anfechtungklage deshalb nicht gegenstandslos (BayObLG Seuff. 53/203).
§ 665
(606)
I Für die Klage ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das Amtsgericht, das über die Entmündigung entschieden hat, seinen Sitz hat. A. Ausschließlich zuständig ist das Landgericht, das dem Amtsgericht, welches die Entmündigung ausgesprochen hat, übergeordnet ist. Damit ist die Zuständigkeitprüiung des Amtsgerichts erledigt, auf die fehlende amtsgerichtliche Zuständigkeit darf also nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. § 664 C III). Hat erst das Beschwerdegericht entschieden, so ist es dasselbe Landgericht, das als Beschwerdeinstanz entschieden hat. B. Bei dem Wegfall der Gerichte vgl. Kommentar § 684 C I.
§ 666 I
(607)
Die Klage ist gegen den Staatsanwalt zu richten.
II Wird die Klage von dem Staatsanwalt erhoben, so ist sie gegen denjenigen gesetzlichen Vertreter des Entmündigten zu richten, dem die Sorge für die Person zusteht. III Hat eine der im § 646 Abs. 1 bezeichneten Personen die Entmündigung beantragt, so ist diese Person unter Mitteilung der Klage zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden. Sie gilt im Falle des Beitritts im Sinne des § 62 als Streitgenosse der Hauptpartei. A I. Nach § 666 I ist die Klage grundsätzlich gegen den Staat zu richten, der durch den Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht, wo sie anhängig gemacht wird, vertreten wird. In den
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Verfahren in Entmündigungssachen
§ 6 6 6 AI
Rechtsmittelinstanzen vertreten die für die Obergerichte zuständigen Generalstaatsanwälte kraft Gesetzes (RG J W 15/1263). Das Rechtsmittel wirksam einlegen kann nur der zuständige Generalstaatsanwalt (RGZ 18/407 Fußnote 1) bzw. der Generalbundesanwalt. A II. Da der Staat aber auch selbst klageberechtigt ist (§ 664 II), so ist seine ParteiStellung als Beklagter dort ausgeschlossen, wo er die Klage, um die Entmündigung zu beseitigen, erhebt. Er muß seine Klage, die er nicht gegen sich selbst richten kann, gegen den gesetzlichen Personensorgevertreter des Entmündigten richten (§ 666 II). Hat der Entmündigte noch keinen solchen, so muß der Staat(-anwalt) seine Bestellung abwarten. A III a) H a t der Staat zuerst die Klage erhoben, d. h. ist sie dem zuständigen gesetzlichen Vertreter zuerst zugestellt, so sind die später dem Staat zugestellten Klagen unzulässig; doch haben die Kläger die Möglichkeit, sich dem klagenden Staat als notwendige Streitgenossen (§ 62) durch Streitbeitritt anzuschließen (vgl. § 664 A III). Nur der gesetzliche Personensorgevertreter kann seine später gegen den Staat erhobene Klage nicht durch Streitbeitritt durchführen, sondern sie ist schlechthin unzulässig. b) Wird indes dem Staat eine Klage zuerst zugestellt, so wird seine Klage unzulässig c) Werden die Klage des Staates und die gegen ihn erhobene zur selben Zeit zugestellt, so sollte man nicht der Regel folgen, daß beide Klagen unzulässig sind (§ 263 C I a), sondern man sollte nur die gegen den Staat erhobene gelten lassen, weil der Staat in erster Linie passiv legitimiert ist. B I. Der gesetzliche Vertreter wird durch die gegen ihn gerichtete Klage nicht Partei, sondern er vertritt den Entmündigten gesetzlich. a) Der Wegfall eines gesetzlichen Vertreters, der in die Rolle des Beklagten kommt, beendet deshalb den Streit nicht, er wird durch seinen Nachfolger ersetzt; § 241 gilt entsprechend (§ 664 A I I b). b) Daran wird auch nichts geändert, wenn der Entmündigte selbst auf der anderen Seite steht. B II. Die formale Parteistellung als Beklagter zwingt dem beklagten Staat(-anwalt) bzw. dem gesetzlichen Personensorgevertreter keine fremde Meinung auf; er braucht keinen Klageabweisungantrag zu stellen und darf auch den Anfechtungkläger unterstützen (RGZ 90/44); darf aber selbst keine Anfechtunganträge stellen. Ob diese Beklagten auch ein Rechtsmittel zugunsten des Entmündigten einlegen dürfen, ist nicht entschieden; doch wird man dies verneinen müssen. B HI. Soweit der erfolgreiche Antragsteller nicht bei einer vom Staat gegen ihn nach § 666 II erhobenen Klage als gesetzlicher Vertreter passiv legitimiert ist, ist er es überhaupt nicht (RG J W 00/253), ihm (wie jedem am Entmündigungverfahren als Partei Beteiligten) müssen aber die Klage und der Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt werden (§ 666 I I I 1). Ist die Benachrichtigung unterblieben, so muß sie nachgeholt werden. B IV. Hat der Antragsteller im Entmündigungverfahren vor dem Amtsgericht obgesiegt, so darf er die Anfechtungklage selbst nicht erheben. a) Soweit ein Antragberechtigter gegen die Entmündigung steht (und gestanden oder sich im Entmündigungverfahren nicht beteiligt hat), darf er auch als Anfechtungkläger auftreten; dann muß seine Klage mit der der übrigen, die anfechten, verbunden werden, sodann hat der Antragsberechtigte Parteistellung (§ 62). Beteiligt er sich nicht innerhalb der Frist des § 664, so kommt er in die Stellung eines selbständigen Streitgehilfen nach § 69. b) Kommt er in die Parteistellung des Anfechtungbeklagten (diesen Fall regelt § 666 III), tritt also der schon im Entmündigungverfahren beteiligte Antragsteller im Anfechtungprozeß dem Beklagten bei, so erlangt er nach § 62 die Parteistellung des notwendigen Streitgenossen (§ 666 I I I 2, RG J W 14/48). Für den Eintritt gelten die §§ 70 folg.. b 3. Versäumt der beigetretene Antragsteller den Termin, so wird er vom Beklagten selbst dann vertreten, wenn dieser die Aufhebung der Entmündigung unterstützt (RGZ 108/134). Gegen ihn darf also selbst in diesem Falle kein Versäumnisurteil ergehen (RGZ 90/44).
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§ 666 B i v
ZPO VI. Buch
b 4. Rechtsmittel müssen gegen alle Beklagten eingelegt werden (RG JW10/821). Auch die Zustellung des Urteils durch den Antragsteller (soweit man diese noch zuläßt, § 670 A) wirkt damit praktisch für und gegen alle Beteiligten (RGZ 108/133). b 5. Hatte indes der Antragsteller die Antragbereclitigung nicht, möge er sie nun von Anfang an nicht gehabt (OLG 15/157) oder inzwischen verloren haben (OLG 2/446; a. M. RG Warn. 17/232), so gehört er nicht in den Anfechtungprozeß und ist zurückzuweisen. b 6. Der im Entmündigungverfahren als Partei nicht Antragsberechtigte (§ 646) darf zwar im Anfechtungprozeß noch beitreten, er wird dann aber nicht Hauptpartei nach § 62, sondern selbständiger Streitgehilfe nach § 69 (a. M. RGZ 108/133: er dürfe als Zeuge vernommen werden). c) Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Wechsel der Parteiseite im selben Umfang wie bei der Streithilfe zulässig, sofern eine Partei nicht notwendigerweise beklagte ist und ferner nicht durch Einlegung des Rechtsmittels.
§ 667
(608)
I Mit der die Entmündigung anfechtenden Klage kann eine andere Klage nicht verbunden werden. II Eine Widerklage ist unzulässig. A. Die die Entmündigung anfechtenden Klagen mehrerer Berechtigter müssen verbunden werden, sofern nicht die Parteirolle dadurch gewechselt werden müßte. Bei wechselnder Parteirolle ist eine von mehreren Klagen unzulässig (§ 666 A III, B I). Andere Klagen dürfen mit der Entmündigunganfechtungklage nicht verbunden werden (§ 667 1); geschieht dies dennoch, so sind sie zu trennen (§ 145). B. Widerklagen sind unzulässig. Zuzulassen ist nur die Klage bzw. die Widerklage auf Feststellung, daß der Entmündigungbeschluß (etwa mangels Zustellung) nicht wirksam geworden ist (was RGZ 135/183 dahingestellt läßt). Nicht zugelassene Widerklagen sind zu trennen (§ 145) und dann u. U. unzulässig (vgl. § 33).
§ 668
(609)
I Will der Entmündigte die Klage erheben, so ist ihm auf seinen Antrag von dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts ein Rechtsanwalt als Vertreter beizuordnen. A I. Da der Entmündigte im Anfechtungprozeß selbst prozeßfähig ist, kann er selbst wirksam einen Anwalt zum ProzeBbevollmächtigten bestellen (RGZ 34/388). Doch darf er auch das Gericht um Beiordnung eines Anwalts bitten; aber nicht solange er einen Postulationfähigen bestellt. a) In dem Antrag auf Beiordnung liegt schon die Erklärung der ProzeSvoilmacht für den Beigeordneten (§ 115 B III b 3; a. M. RGZ 35/351); hat das Gericht beigeordnet, so darf es die Beiordnung eines anderen Anwalts ablehnen, wenn die Prozeßvollmacht des alten Anwalts ohne berechtigten Grund entzogen wird. b) Der Beiordnungzwang besteht nur in der ersten Instanz; nicht für die Rechtsmittelinstanz, nicht für die Wiederaufnahmeklage und nicht für die Entmündigungaufhebungklage (§ 679). A II. Beigeordnet wird, ohne zu prüfen, ob der Prozeß aussichtvoll ist (OLG NdsRpfl. 55/230); auch der Anwalt darf nicht wegen Aussichtlosigkeit ablehnen (OLG 29/149). A III. Der beigeordnete Anwalt hat die Stellung eines gewillkürten Vertreters (RGZ 35/354). Er darf auch den Prozeßbevollmächtigten der höheren Instanz (§ 81) bestellen (RGZ 21/370). Über die Wirkung der Beiordnung in dem Fall der §§ 679 III, 686 II, wo er gesetzlicher Vertreter wird, vgl. § 679 A III c.
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Verfahren in Entmündigungssachen
§668
B II a) Ist die Partei arm, so muß der Anwalt das Armenrecht beantragen, das hier nicht wegen Aussichtlosigkeit abgelehnt werden darf (OLG JW 30/3356; a. M. OLG HRR 37/671). Deshalb muß auch unverzüglich entschieden werden (vgl. OLG NdsRpfl. 55/230). b) Der Anwalt muß auch tätig werden, wenn er keinen Vorschuß erhält (OLG J W 32/115; a. M. OLG JW 31/1840). C. Gegen die verweigerte Beiordnung (wie das verweigerte Armenrecht) hat der Entmündigte die nicht dem Anwaltzwang unterliegende einfache Besehwerde (§567; RG JW 04/362).
§ 669
(610)
I Bei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien die Ergebnisse der Saehnntersuehnng des Amtsgerichts, soweit es zur Prüfung der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses erforderlich ist, vollständig vorzutragen. n Im Falle der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Vortrags hat der Vorsitzende die Berichtigung oder Vervollständigung, nötigenfalls unter Wiedereröffnung der Verhandlung, zu veranlassen. A. Im Anfechtungprozeß wird notwendigerweise mündlich verhandelt (§ 128 I). § 669 I schreibt deshalb den Vortrag des Ergebnisses des amtsgerichtlichen Verfahrens ausdrücklich vor, weil das Ergebnis dieses Verfahrens nachgeprüft wird (RGZ 81/195), wobei die (auch stillschweigende) Bezugnahme nach § 137 III genügt. Doch darf auch hier nach § 128 II schriftlich verfahren werden (OGH v. 13. 7.1950 II b ZS 173/49). B. Die Parteien haben keinen Anspruch auf Wiederholung der ordnungmäßig vor dem AG durchgeführten Beweisaufnahme (RGZ 81/195), den Entmündigten muß das Prozeßgericht regelmäßig vernehmen (§ 671). C. Der Entmündigungrichter ist nach § 411 6 von der Mitwirkung als Richter im Anfechtungprozeß ausgeschlossen.
§ 670
(611)
I
Sie Vorschriften der §§ 617,618,622 Abs. 1 gelten entsprechend.
II
Die eidliche Parteivernehmung ist ausgeschlossen.
A. § 670 schreibt vor, die das Offizialverfahren regelnden Vorschriften des Eheprozesses entsprechend anzuwenden. Ob ein Versäumnisurteil gegen den Kläger ausgeschlossen ist, und zwar mit der Wirkung des Verzichts (§ 306) auf den Anspruch, ist zweifelhaft (verneinend Hellwig System 2/50). Das Gericht ist befugt (aber nicht verpflichtet: OGH v. 13. 7,1950 II ZS 173/49), von sich aus zu ermitteln und Beweise aller Art zu erheben (§ 622 I), muß sie dann aber zum Gegenstande der mündlichen Verhandlung machen (RG N § 670/1). Die Beibringung der besonderen Vollmacht (§ 613) wird von der Praxis bisweilen gefordert. Ob § 625 entsprechend anzuwenden ist, ist nicht unzweifelhaft. § 628 gilt entsprechend (§ 645 B I c). B. Die eidliche Parteivernehmung des Klägers wie des Beklagten ist unzulässig (§ 670 II); anders die uneidliche ; auch wird man die Antragsberechtigten nicht zur eidlichen Vernehmung zulassen dürfen, wenn sie im Entmündigungverfahren Partei waren.
§ 671 (612) I Die Vorschriften der §§ 654, 655 gelten in dem Verfahren über die Anfechtungsklage entsprechend. II Von der Vernehmung Sachverständiger darf das Gericht Abstand nehmen, wenn es das vor dem Amtsgericht abgegebene Gutachten für genügend erachtet.
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§671
ZPO VI. Buch
A I. Im Anfechtungprozeß ist der Entmündigte persönlich zu vernehmen (§ 6711) unter Hinzuziehung' mindestens eines Sachverständigen (§ 654 I), u. U. durch einen ersuchten (OLG HRR 36/300; nicht aber durch einen beauftragten) Richter (wohl aber auch vor dem Einzelrichter). Die Anhörung nach § 137 IV ersetzt diese Vernehmung nicht (RG Seuff. 60/159). a 1. Gewohnheitrechtlich (RGZ 162/36) wird die Vernehmung auch in der Berufunginstanz gefordert, selbst wenn der Entmündigte in der ersten Instanz vernommen war. a 2. Doch ist RGZ 170/342 abgewichen, wenn die Vernehmung für die Entscheidung bedeutunglos war. b) Wo die Vernehmung stattfindet, bestimmt das Gericht (§ 219). Die Vernehmung ist nicht öffentlich (GVG §1711); ein Verstoß dagegen aber unschädlich (§645 D; a. M. RG DR 40 A 84). Nur bei besonderen Schwierigkeiten oder wenn sie dem Gesundheitzustand des Entmündigten nachteilig wäre, darf die Vernehmung unterbleiben (§ 654 III). A II. Verstößt die erste Instanz gegen diese Vorschrift, so wird dies unerheblich, wenn die zweite sie beachtet hat (RG Warn. 38/163). B I. Grundsätzlich soll auch nicht entschieden werden, bevor nicht mindestens ein Sachverständiger über den Geisteszustand des Entmündigten gehört worden ist (§§ 655, 671 I), auch schriftlich (§ 411). Das Gutachten, das vor dem Amtsgericht abgegeben worden ist, genügt (RGZ 162/36). War vor dem AG der Sachverständige nicht mündlich vernommen, so kann der Partei der Antrag auf seine Vernehmung nicht abgeschnitten werden (vgl. § 411 A II b). Auch darf das Anfechtunggericht den schon im amtsgerichtlichen Verfahren vernommenen Sachverständigen erneut hinzuziehen (RG Warn. 11/138). B II. Die zweite Instanz darf sich ebenfalls mit dem vor dem Amtsgericht erstatteten Gutachten begnügen, und erst recht mit dem in erster Instanz erstatteten Gutachten (RG Gruch. 48/6421.). Bei der Vernehmung des Entmündigten nach §§ 654, 671 1 muß der Gutachter indes stets (auch in der Berufunginstanz) hinzugezogen werden (RGZ 162/36). C. Ob der Entmündigte im Anfechtungprozeß in einer Heilanstalt nach § 656 untergebracht werden darf, ist zweifelhaft. OLG Hamburg v. 18. 5.1949 (4 U 55/49) hat mit Zustimmung des Entmündigten ihn so untersuchen lassen.
§ 672
(613)
I Wird die Anfechtungsklage für begründet erachtet, so ist der die Entmündigung aussprechende Beschluß aufzuheben. Die Aufhebung tritt erst mit der Rechtskraft des Urteils in Wirksamkeit. Auf Antrag können jedoch zum Schutz der Person oder des Vermögens des Entmündigten einstweilige Verfügungen nach den §§ 936 bis 944 getroffen werden. A I. Kommt das Anfechtunggericht zum selben Ergebnis wie das Amtsgericht, so wird die Klage abgewiesen; kommt es dazu, daß statt wegen Geisteskrankheit wegen Geistesschwäche entmündigt wird (was zulässig ist, RG Recht 15/2539), so muß der Beschluß des Amtsgerichts teilweise aufgehoben werden. Aue h darf die Begründung im Beschlüsse gewechselt werden, wenn wegen Verschwendung entmündigt wurde, das Anfechtunggericht aber Trunksucht annimmt, wie umgekehrt; nicht aber zwischen Geistesschwäche und diesen wie umgekehrt. Erachtet es den wegen Geistesschwäche Entmündigten für geisteskrank, so muß es die Entmündigung wegen Geistesschwäche bestehen lassen. Hält es die Entmündigung für schlechthin unbegründet, so muß der Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben werden (§ 672 11). A II. Die Urteile wirken für und gegen alle (vgl. § 636 a), auch die klageabweisenden (RG Gruch. 58/1065). a) Die Wirkungen des ganz oder teilweise aufhebenden Urteils treten erst mit der Rechtskraft ein (§§ 672 I 2, 705), insoweit darf es auch nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, und diese Erklärung wäre nichtig. Es beseitigt mit rückwirkender Kraft die Entmündigung (BGB § 115).
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Verfahren in Entmündigungesachen
§ 672 A N a
a 2. § 672 I 3 läßt auf Antrag einstweilige Verfügungen nach §§ 936—944 (also auch vom Amtsgericht nach § 942) zu, selbst wenn noch kein Urteil im Anfechtungprozeß ergangen ist (KG OLG 23/200f., a. M. KG OLG 35/102). Doch darf das Gericht nicht die Verfügungbefugnis des Entmündigten herstellen oder die des Vormunds diesem schlechthin nehmen oder ihn gar absetzen (a. M. Sydow-Busch § 672 Anm. 2).
§ 673
(614)
I Unterliegt der Staatsanwalt, so ist die Staatskasse zur Erstattung der dem obsiegenden Gegner erwachsenen Kosten nach den Vorschriften des fünften Titels des zweiten Abschnitts des ersten Buches zu verurteilen. II Ist die Klage von dem Staatsanwalt erhoben, so hat die Staatskasse in allen Fällen die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. A. Ist der Staat Beklagter (§ 666 I), so gelten kostenrechtlich die allgemeinen Regeln (§§ 91—102, 673 I). Bei teilweisem Unterliegen gilt § 92 (a. M. OLG 4/5). Ist ihm ein dritter beigetreten, so gilt § 100 (OLG BadRPr. 05/193). Die gegen den Staat als Beklagten ergehende KostenentBcheidung umfaßt ohne besonderen Ausspruch die Kosten des Entmündigungverfahrens (KG JW 38/1541). B. Hat der Staat die Anfechtungklage erhoben (§ 666 II), so treffen ihn die Kosten auch dann, wenn er obsiegt (§ 673 II). Dies gilt auch für die Kosten derjenigen, die dem klagenden Staat beigetreten sind, sofern sie obsiegen; soweit sie unterliegen, ist § 100 anzuwenden; die Kosten derer, welche dem beklagten gesetzlichen Vertreter beigetreten sind, trägt der Staat nicht, sofern diese nicht obsiegen. C. In der Rechtsmittelinstanz gilt für das erfolglos gebliebene Rechtsmittel § 97 I. Ist der Staat aber Kläger und Rechtsmittelkläger und dringt er durch, so gilt § 673 II; anders wenn er Beklagter und Rechtsmittelkläger ist, dann gelten die allgemeinen Vorschriften.
§ 674
(615)
I Das ProzeBgerlcht hat der Vormundschaftsbehörde und dem Amtsgericht von jedem in der Sache erlassenen Endurteil Mitteilung zu machen. A. Vormundschaftgericht (FGG § 35) und Entmündigunggericht erhalten Nachricht von jedem Urteil (in vollständiger Form) formlos, ebenso das Strafregister (VO v. 17. 2.1934 [RGBl. 1137] §§ 9 I 3, 111 4). B. Über die weiteren Benachrichtigungen durch die Geschäftstelle vgl. § 660 A.
§ 675
(616)
I Die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt anf Antrag des Entmündigten oder desjenigen gesetzlichen Vertreters des Entmündigten, dem die Sorge für die Person zusteht, oder des Staatsanwalts durch Beschluß des Amtsgerichts. A. Die Entmündigung ist wieder aufzuheben, wenn die Gründe später weggefallen sind (BGB § 6 II), d. h. im Zeitpunkte des Erlasses (§ 516 A I) des Aufhebungbeschlusses (RG J W 08/234) bzw. in dem der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (RG J W 01/475). Dies gilt auch dann, wenn der Entmündigungbeschluß nicht hätte ergehen dürfen (RG JW 09/189). Auch ist eine teilweise Wiederaufhebung denkbar, wenn die Entmündigung wegen Geisteskrankheit in die wegen Geistesschwäche gemildert wird (RG v. 23.10.1902 IV Gruch. 47/897). Die Aufhebung wirkt grundsätzlich erst von der Rechtskraft der Entscheidung ab (RG JW
1435
§675 A
ZPO VI. Buch
96/372). Der Aufhebungantrag ist zulässig, sobald die Entmündigung wirksam geworden ist (§ 661), auch wenn noch ein Anfechtungverfahren betrieben werden darf (RG J W 95/328). B. Das Aufhebungverfahren ist von einem Antrag eines Antragsberechtigten abhängig. Durch den Tod des Entmündigten erledigt es sich in der Hauptsache (§ 628). Wiederholte Anträge sind zulässig, sobald ein Verfahren über den Antrag rechtskräftig geschlossen ist. Doch sind die neuen Gründe darzulegen (RG J W 01/475). Antragsberechtigt ist der Entmündigte, der hierzu prozeßfähig ist. Er darf den Antrag auch durch einen Prozeßbevollmächtigten stellen, doch bedarf es, wenn er sich zu den Kosten des Anwalts verpflichten will, der Zustimmung des Vormundes (BayObLG HRR 33/986). Auch darf er das Armenrecht erbitten. Den Anspruch auf Beiordnung eines Anwalts gibt es hier nicht. Ferner sind antragsberechtigt nur der gesetzliche Personensorgevertreter und der Staat (Oberstaatsanwalt bei dem dem Amtsgericht vorgeordneten Landgericht).
§ 676
(617)
I Für die Wiederaufhebung der Entmündigung ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei dem der Entmündigte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. II Ist der Entmündigte ein Deutscher und hat er im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, so kann der Antrag bei dem Amtsgericht gestellt werden, das über die Entmündigung entschieden hat. Das gleiche gilt, wenn ein Ausländer, der im Inland entmündigt worden ist, im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. III Die Vorschriften des § 647 und der §§ 649 bis 6S5 gelten entsprechend. A. Für das Aufhebungverfahren ist das inländische Amtsgericht ausschließlich zuständig, wo der Entmündigte seinen allgemeinen Gerichtstand (§§ 13,16) hat (§ 676 I). Darauf, welches Gericht entmündigte, kommt es also nicht an. Vorausgesetzt wird, daß ein im Inlande gültiger Entmündiglingbeschluß vorliegt; sodann ist aber auch der ausländische im Inlande aufhebbar. Ist der Entmündigte Deutscher, so ist das entmündigende inländische Amtsgericht auch dann zuständig, wenn er keinen allgemeinen Gerichtstand im Inlande hat; und das gilt auch für den Ausländer wie den Staatenlosen (EG BGB Art. 29), die im Inlande entmündigt worden sind. Ist der Ausländer im Auslande entmündigt und hat er im Inlande keinen allgemeinen Gerichtstand, so ist die Entmündigung im Inlande selbst dann nicht aufhebbar, wenn sie im Inlande anzuerkennen ist (BayObLG HEZ 3/90). B. § 676 III regelt das Verfahren entsprechend dem bei der Entmündigung vor dem Amtsgericht. Über den Ausschluß der Öffentlichkeit vgl. GVG § 171 II.
§ 677
(618)
I Die Kosten des Verfahrens sind von dem Entmündigten, wenn das Verfahren von dem Staatsanwalt ohne Erfolg beantragt ist, von der Staatskasse zu tragen. A. Die Kosten trägt der Staat, wenn er die Aufhebung der Entmündigung ohne Erfolg beantragt, sonst der Entmündigte, selbst wenn auf Antrag des Staates die Entmündigung aufgehoben wird. Vgl. § 658 A II.
§ 678
(619)
I Der über die Wiederaufhebung der Entmündigung zu erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und im Falle der Wiederaufhebung dem Entmündigten sowie dem Staatsanwalt von Amts wegen zuzustellen. II Gegen den Beschluß, durch den die Entmündigung aufgehoben wird, steht dem Staatsanwalt die sofortige Beschwerde zu. III Nach Rechtskraft des Beschlusses ist die Wiederaufhebung der Vormundschaftsbehörde mitzuteilen.
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Verfahren in Entmündigungssachen
§678
A. Der Beschluß, durch den der Antrag als unzulässig oder unbegründet abgelehnt wird, wird nur dem Antragsteller zugestellt. Dagegen gibt es nur die Aufhebungklage (§ 679). Im Gegensatz hierzu läßt die h. M. im Falle der Zurückweisung als unzulässig die einfache Beschwerde zu (§ 567, KG OLG 27/121). Der als unzulässig abgewiesene Antrag kann allerdings unter Behebung der die Unzulässigkeit ergebenden Mängel wiederholt werden. B. Wird die Entmündigung aufgehoben, so ist der Beschluß außerdem dem Staat (-anwalt) und dem Entmündigten von gerichts wegen zuzustellen (§ 678 I). Gegen die Aufhebung steht dem Staat(-anwalt) die sofortige Beschwerde zu (§ 678 II) mit aufschiebender Wirkung (§ 572); aber nicht, wenn er die Aufhebung selbst beantragt hatte. Führt die Beschwerde zum Erfolg, so gibt es nur die Aufhebungklage (§ 679); nicht aber die sofortige weitere Beschwerde; diese ist nur unter den Voraussetzungen des § 568 II für den Staat gegeben (vgl. dazu § 568 B). Wird die Entmündigung wegen Geisteskrankheit in die wegen Geistesschwäche gemildert, so steht gegen die Abmilderung dem Staat die sofortige Beschwerde (§ 678 II) und den sonst Berechtigten nach § 679 die Aufhebungklage zur völligen Beseitigung der Entmündigung zu. C. Die rechtskräftige Aufhebung ist dem Vormundschaftgericht von gerichts wegen mitzuteilen (§ 678 III), ebenso dem Strafregister und der Kreispolizeibehörde. Vgl. im übrigen § 660 A. D. Die Aufhebung hindert nicht ein neues Entmündigungverfahren.
§ 679
(620)
I Wird der Antrag auf Wiederaufhebung von dem Amtsgericht abgelehnt, so kann sie im Wege der Klage beantragt werden. II Zur Erhebung der Klage ist derjenige gesetzliche Vertreter des Entmündigten, dem die Sorge für die Person zusteht, und der Staatsanwalt befugt. IQ Will der gesetzliche Vertreter die Klage nicht erheben, so kann der Vorsitzende des Prozeßgerichts dem Entmündigten einen Rechtsanwalt als Vertreter beiordnen. IV Auf das Verfahren sind die Vorschriften der §§ 665 bis 667,669 bis 674 entsprechend anzuwenden. A I. Eine Frist zur Erhebung der Aufhebungklage ist nicht gesetzt. Doch braucht das Amtsgericht über einen neuen Antrag nicht zu entscheiden, so lange die Aufhebungklage noch zulässig ist. Nach rechtskräftiger Durchführung der Klage bleibt der neue Antrag zulässig. A II. Mit der Klage dürfen auch die nach dem Erlaß des Aufhebungbeschlusses bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung eingetretenen neuen Aufhebunggründe geltend gemacht werden (RG Warn. 08/274). A III. Klageberechtigt sind der Staat(-anwalt), der gesetzliche Personensorgevertreter des Entmündigten und c) der Entmündigte, gesetzlich vertreten (RGZ 35/358) durch einen beigeordneten Rechtsanwalt (§ 679 III), sofern sein gesetzlicher Vertreter die Klage nicht erheben will; d. h. die Klage des Entmündigten wird unzulässig, wenn sie sein gesetzlicher Vertreter erhebt. c 1. Der Entmündigte selbst hat nur für das Verfahren auf Beiordnung eines gesetzlichen Vertreters, des Rechtsanwalts nach § 679 III, Prozeßfähigkeit (OLG 37/159). Dieses Verfahren ist vom Anwaltzwang befreit. Der Antrag ist an das Prozeßgericht des Aufhebung streites zu richten. Über ihn entscheidet allein der Vorsitzende; er muß ihm stattgeben, wenn ein sachlicher Anlaß dazu besteht (RG Gruch. 48/1146), also wenn die Erfolgaussicht zu bejahen ist (OLG J W 35/2757). Ordnet der Vorsitzende bei, so gibt es keine Beschwerde, lehnt er aber ab, so hat der Entmündigte das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde (§ 567) ohne Anwaltzwang (RG Gruch. 48/1146).
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§679 Am
ZPO VI. Buch
c 2. Weitergehende Rechte hat der Entmündigte selbst nicht (RG Gruch. 48/1146 für die Ablehnung von Richtern; was aber beschränkt auf das Beiordnungverfahren nicht gilt; OLG SächsAnn. 25/463 für Armenrechtanträge). c 3. Der beigeordnete Anwalt braucht keine Prozeßvollmacht ; nur er darf um Armenrecht bitten. Er muß die Klage erheben. Er darf Anwälte der höheren Instanz selbst bestellen. Es genügt nicht, daß sich ein Anwalt findet, der den Entmündigten vertreten will; ohne die Beiordnung ist die Klage, die der Anwalt erhebt, unzulässig. B. Das Verfahren der Aofhebnngklage (§ 679 IV) entspricht im übrigen dem der Anfechtungklage.
§ 680 (621) I Die Entmündigung wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht erfolgt durch Beschluß des Amtegerichts. II Der BeschluB wird nur anf Antrag erlassen. III Auf das Verfahren sind die Vorschriften des § 646 Abs. 1 und der §§ 647,648,653,657,663 entsprechend anzuwenden. IV Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft findet nicht statt. V Die landesgesetzlichen Vorschriften, nach denen eine Gemeinde oder ein der Gemeinde gleichstehender Verband oder ein Armenverband berechtigt ist, die Entmündigang wegenVerschwendung oder wegen Trunksucht zu beantragen, bleiben unberührt. A I. Die EntmöndigunggrSnde der Verschwendung (BGB § 6 I 2) und der Trunksucht (BGB § 6 I 3) stehen in so enger Verbindung miteinander, daß der Übergang von dem einen auf den anderen stets zulässig ist, auch noch im Verhältnis vom Entmündigungbeschluß zum Anfechtungurteil. Liegt eine allgemeine geistige Störung vor, so ist nicht wegen Verschwendung oder Trunksucht, sondern nach BGB § 6 1 1 zu entmündigen (RG JW 25/937). Entmündigung erst wegen Verschwendung und dann wegen Geistesschwäche hat das BayObLG JFG 5/116 zugelassen. Ist aber die Entmündigung wegen Geistesschwäche ausgesprochen, so ist die wegen Verschwendung oder Trunksucht nicht mehr zulässig. Wegen der hier zulässigen Verbindung im amtsgerichtlichen Verfahren für beide Entmündigunggruppen vgl. § 645 E III. A II. Bei Verschwendung muß ein Hang zu im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Handelnden übermäßigen Ausgaben (RG JW 06/188) bestehen. Dies muß aus einem Charakterfehler heraus geschehen (RG HRR 32/929), im besonderen aus Leichtsinn und Willenschwäche (RG Warn. 11/314). Durch die Verschwendung muß ein wirtschaftlicher Notstand dem Verschwender oder denen drohen (RG JW 14/862), denen er unterhaltpflichtig ist. A III. Trunksucht ist der Hang zum Genuß von Mitteln, welche einen Rauschzustand ergeben (also nicht bloß durch Alkohol). Sucht ist zu verneinen, wenn der Trunkene Widerstandskraft zeigt, auch wenn dies wegen des drohenden Entmündigungverfahrens geschieht (RG Warn. 16/260); aber nicht wenn äußerer Zwang ihn zur Enthaltsamkeit bringt nach RG Warn. 19/129. Eine Notstandsgefahr braucht nicht zu bestehen (RG J W 09/654). A IV. Diese Entmündigung führt zur Beschränkung der Geschäftsfähigkeit (BGB § 114). Ein Minderjähriger darf zwar wegen Geistesschwäche und Trunksucht entmündigt werden, nicht aber wegen Verschwendung. B I. Das amtsgerichtliche Entmündigungsverfahren wegen Verschwendung oder Trunksucht schließt sich an das wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche an; doch a) ist das Verfahren öffentlich.
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Verfahren in Entmündigungssachen
§680 BI
b 2. Es sind auch sonstige gesetzliehe Vertreter antragsberechtigt (BayObLG NS 22/296); der Staat(-anwalt) ist es regelmäßig nicht (anders nach §§ 684 III, 686 III), auch hat er kein Mitwirkungrecht. b 8. Nicht gefordert werden darf, daß der Antragsteller ein ärztliches Zeugnis vorlegt (vgl. § 649), auch gibt es keine Überweisung an andere Gerichte (§§ 650, 651). Der zu E n t mündigende braucht nicht vernommen (RGZ 81/197) zu werden; wird er vernommen, darf er nicht vereidigt werden (§ 670 entsprechend). Über seinen Zustand braucht kein ärztliches Gutachten (vgl. § 655) herbeigeführt zu werden, in einer Heilanstalt darf er nicht untergebracht werden. b 4. Bei der Entmündigung wegen Trunksucht darf dieses Verfahren ausgesetzt werden (§ 681). B II. Das Strafregister ist vom Gericht zu benachrichtigen, und zwar auch bei Entmündigungen wegen Verschwendung, welche die StrafregisterVO nur versehentlich nicht nennt (a. M. Sydow-Busch § 687 Anm. 1). C I. An Stelle des Staates, vertreten durch den Staatsanwalt, läßt § 680 V die Vertretung der Öffentlichkeit durch andere öffentlichrechtliche Körperschaften als Antragsberechtigte zu. a) In BW sind im ehemaligen Baden der Gemeinde-(Stadt-)rat und der Unterstützung Pflichtige Fürsorgeverband zuständig; in Württemberg der Gemeinderat oder die Ortsfürsorgebehörde. Die Gemeinde-(Stadt-)räte sind in der BW GemeindeO bestehen geblieben. b) In Bay. sind die Fürsorgeverbände zuständig. c) In Berlin gilt ehemals preußisches Recht, wonach die Bezirksfürsorgeverbände, d. h. die Stadt- und Landkreise, die aber ihre Funktionen auf die Gemeinden übertragen dürfen (RGZ 154/131) zuständig sind. d) In Bremen ist antragsberechtigt der Armenverband, dem die vorläufige oder dauernde Fürsorge im Falle der Hilfsbedürftigkeit des zu Entmündigenden obliegt. e) In Hamburg ist der Fürsorgeverband, dem die vorläufige oder dauernde Fürsorge für den zu Entmündigenden im Falle seiner Hilfsbedürftigkeit obliegen würde, zuständig. f ) In Hessen enthält das AG für das Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Hessen keine besondere Regelung. Für die ehemalig preußischen Gebiete vgl. § 680 C I c. g) In Nds darf nach dem G v. 18.12.1959 (GVB1.149) § 1 die Entmündigung von der kreisfreien Stadt oder dem Landkreis (Bezirksfürsorgeverband), wo der zu Entmündigende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, beantragt werden. h) In NRW gilt in den ehemalig preußischen Gebieten und Waldeck preußisches Recht (§ 680 C I c). In Lippe ist auch der Gemeindevorstand des Ortes, an dem die Person ihren Wohnsitz oder den Unterstützungwohnsitz hat, zuständig. i) In Rh.-Pf. gilt in den ehemalig preußischen Gebieten preußisches Recht (§ 680 C I c); in den ehemals bayrischen Gebieten gilt bayrisches Recht (§ 680 C I b), über die ehemaligen althessischen Gebiete vgl. § 680 C I f. j) In SchlH gilt preußisches Recht. C H. Das Antragsrecht muß z. Z. des Erlasses des Beschlusses gegeben sein (§ 516 A 1). Wird entmündigt, ohne daß es vorhanden war, so darf auf das fehlende Antragsrecht nicht mehr zurückgegriffen werden (§ 664 C I I I ; a. M. RGZ 154/130). C III. Daß die Klage bzw. das Aufhebungverfahren gegen den zu richten ist, der den Entmündigungantrag gestellt hatte (§§ 684 III, 686 III), hat damit, ob er antragsberechtigt ist, nichts zu tun (RG J W 07/748; a. M. RGZ 154/130, vgl. § 684 B).
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ZPO VI. Buch § 681
(-)
I Ist die Entmündigung wegen Trunksucht beantragt, so kann das Gericht die Beschlußfassung über die Entmündigung aussetzen, wenn Aussicht besteht, daB der zu Entmündigende sich bessern werde. A. Das Gericht darf in dem Entmündigungverfahren wegen Trunksucht das Verfahren aussetzen, wenn nach seinem Ermessen die Aussicht besteht, daß der zu Entmündigende die Sucht überwindet. B. Ausgesetzt wird durch Beschluß, der den Parteien zu verkünden oder ihnen zuzustellen ist (§ 329 III). Die Aussetzung darf zeitlich begrenzt wie unbegrenzt, auch wiederholt angeordnet werden. Gegen den Beschluß ist die einfache Beschwerde (§§ 252, 567); wird abgelehnt, so ist dagegen die sofortige Beschwerde gegeben (§§ 252, 577). Die h. M. läßt die Aufnahme von gerichts wegen schlechthin zu. C. Im Anfechtungprozeß gilt die Vorschrift nicht (RG Warn. 16/260). Ist der Entmündigunggrund z. Z. der letzten Tatsachenverhandlung gegeben, so ist der Entmündigungbeschluß nach RG J W 25/770 über die Konstruktion, daß dies durch Rückschluß auf die frühere Zeit zu rechtfertigen sei, aufrechtzuerhalten. War nur irgendein Entmündigunggrund gegeben, so kommt es nur darauf an, ob einer der Verschwendung oder der Trunksucht z. Z. des Entmündigungbeschlusses gegeben war und ein anderer der genannten z. Z. des Erlasses der Entscheidung im Anfechtungprozeß gegeben ist.
§ 682
(622)
I Die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens sind, wenn die Entmündigung ausgesprochen wird, von dem Entmündigten, andernfalls von dem Antragsteller zu tragen. A. Die Vorschrift stellt nur klar, daß § 658 nicht gilt und also der Staat die Kosten nu trägt, soweit er Antragsteller ist und unterliegt. B. Über die Kosten in diesem Verfahren wird nur nach den allgemeinen Regeln entschieden. Tritt die Änderung im Laufe des Verfahrens ein, so darf der Antragsteller unter Protest gegen die Kostenlast auf seinen Antrag verzichten (§ 93 entsprechend; a. M. Sydow-Busch § 682 Anm. 1).
§ 683
(623)
I Der über die Entmündigung zu erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und dem zu Entmündigenden von Amts wegen zuzustellen. II Der die Entmündigung aussprechende Beschluß tritt mit der Zustellung an den Entmündigten in Wirksamkeit. Der Vormundschaftsbehörde ist der Beschluß von Amts wegen mitzuteilen. A. Der Beschluß ist den Parteien von gerichts wegen zuzustellen, den Antragstellern und dem zu Entmündigenden. § 176 gilt (RGZ 135/184); nur vertritt den zu Entmündigenden in diesem Verfahren nicht sein gesetzlicher Vertreter, weil jener voll prozeßfähig ist. Der die Entmündigung aussprechende Beschluß ist ferner dem Vormundschaftgericht nach § 688 II 2 mitzuteilen. Über die sonstige Mitteilung des Beschlusses vgl. § 680 B II, über seine Veröffentlichung § 687.
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Verfahren in Entmündigungssachen
§683
B. Wird entmündigt, so wird die Entmündigung mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten wirksam (§ 683 II 1). Mit der Zustellung beginnt die Klagefrist des § 684 II. C. Wird die Entmündigung abgelehnt, so hat jeder Antragsteller das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§§ 680 III, 663), die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses an den Antragsteller. Über die Zulässigkeit der weiteren sofortigen Beschwerde vgl. §§ 663 B, 568 B. Gibt das Beschwerdegericht der Entmündigung statt, so gibt es für den Entmündigten nur die Anfechtungklage; nicht aber die weitere sofortige Beschwerde (§ 684).
§ 684
(624)
I Der die Entmündigung aussprechende Beschluß kann binnen der Frist eines Monats von dem Entmündigten im Wege der Klage angefochten werden. II
Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten.
i n Die Klage ist gegen denjenigen, der die Entmündigung beantragt hatte, falls er aber verstorben oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Ausland ist, gegen den Staatsanwalt zu richten. IV Auf das Verfahren sind die Vorschriften der §§ 663,667,669,670,672 bis 674 entsprechend anzuwenden. A. Die Anfechtungklage darf nur von dem Entmündigten erhoben werden (§ 684 I), und zwar binnen der Ausschlußfrist (§ 664 B) von einem Monat ab Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten (§ 684 I, II). Klageerhebung vor Beginn des Fristlaufs ist zulässig (OLG 25/143), die vor Erlaß (§ 516 A I) des Entmündigungbeschlusses ist unzulässig, wird aber zulässig mit dem Erlaß des Beschlusses. B. Die Klage ist gegen jeden (§ 62) zu richten, der die Entmündigung beantragt hat (§ 684 III). Ob der Antragsteller berechtigt war, den Antrag zu stellen, ist ohne belang (RG Recht 07/918), und er bleibt Beklagter, wenn seine Antragberechtigung inzwischen weggefallen ist (RG JW 07/748). Auch ist die Entmündigung nicht wegen Nichtbestehens der Antragberechtigung auf die Anfechtungklage aufzuheben (a. M. RGZ 154/130). Soweit der Antragsteller durch ein Organ einer juristischen Person gekennzeichnet wird, ist Antragsteller doch die juristische Person (abweichend RG Gruch. 52/159 von der Amtstheorie aus). Das entsprechende gilt bei späterem Wegfall der Prozeßfähigkeit des Antragstellers; sodann wird der Antragsteller durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten. Ist jeder Antragsteller verstorben oder ist sein Aufenthalt unbekannt (§ 203 B I) oder im Ausland (§ 12 A II a 1), so ist der Staat (-anwalt) zum Beklagten berufen (§ 684 III). Treten der Tod der natürlichen oder der Wegfall der juristischen Person während des Streites ein, so gilt § 239 entsprechend. Die Erben des Weggefallenen haben kein Eintrittsrecht. C. Das Verfahren bei dieser Anfechtungklage entspricht dem bei der Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche. Ein Anwalt wird nur beigeordnet, wenn Aussicht auf Erfolg besteht (vgl. § 78 a). Das Gericht hat von sich aus zu ermitteln (§ 670, RG JW 05/166). Außergerichtliche Bekundungen sind keine ordnungmäßigen Beweismittel (RG N § 684/2). Die Vernehmung des Entmündigten ist nicht vorgeschrieben. Wird er vernommen, so darf er nicht vereidigt werden (§ 670 II). Auch ist das gesamte Verfahren grundsätzlich öffentlich, GVG § 169. Wird der Beschluß aufgehoben, so geschieht dies mit rückwirkender Kraft; wirksam wird die Entscheidung erst bei Rechtskraft (§ 672). Über die Möglichkeit, einstweilige Verfügungen zum Schutze des Entmündigten erlassen zu dürfen, vgl. § 672. Über die Mitteilung der Entscheidung, gleichviel wie sie ausfällt, an das Vormundschaftgericht und über die weiteren Mitteilungen vgl. § 660 A. Über die Veröffentlichung der aufhebenden Entscheidung vgl. § 687 B. Die die Anfechtungklage zurückweisende Entscheidung wird nicht veröffentlicht. Die Kostenentscheidung ergeht nach allgemeinen Regeln, sie ergreift auch die amtsgerichtlichen Kosten. 91
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
1441
ZPO VI. Buch
§ 685
(625)
I Die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt auf Antrag des Entmündigten oder desjenigen gesetzliehen Vertreters des Entmündigten, dem die Sorge für die Person zusteht, durch Beschluß des Amtsgerichts. Die Vorschriften der §§ 647,653, des § 676 Abs. 1, 2, des § 677 und des § 678 Abs. 1, 8 gelten entsprechend. A. Die Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht darf wieder aufgehoben werden; auch hier entscheidet der Zustand zum Schluß der letzton mündlichen Tatsachenverhandlung (RG Warn. 19/129). Antragsberechtigt sind nur der Entmündigte, der hierzu prozeßfähig ist, wie sein gesetzlicher Personensorgevertreter (§ 646 A II a); nicht der Staat, gleichviel durch wen vertreten (§ 685). Die Kostenentscheidung folgt den allgemeinen Regeln der §§ 91 folg.; auch dieses Verfahren ist öffentlich. Der die Entmündigung aufhebende Beschloß ist nur den Parteien nicht dem Staat(anwalt) zuzustellen und sogleich dem Vormundschaftgericht mitzuteilen (§ 678 III), da es kein Rechtsmittel gegen ihn gibt (§ 685). Über sonstige Mitteilungen vgl. § 660 A. Der aufhebende Beschluß ist zu veröffentlichen (§ 687). B. Trotz Aufhebung der Entmündigung darf neu entmündigt werden, wenn neue Tatsachen gebracht werden.
§ 686
(626)
I Wird der Antrag (§ 685) von dem Amtsgericht abgelehnt, so kann die Wiederaufhebung im Wege der Klage beantragt werden. II Zur Erhebung der Klage ist derjenige gesetzliche Vertreter des Entmündigton befugt, dem die Sorge für die Person zusteht. Will dieser die Klage nicht erheben, so kann der Vorsitzende des Prozeßgerichts dem Entmündigton einen Rechtsanwalt als Vertreter beiordnen. III Die Klage ist gegen denjenigen, der die Entmündigung beantragt hatte, falls er aber verstorben oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Ausland ist, gegen den Staatsanwalt zu richten. IV Auf das Verfahren sind die Vorschriften der §§ 665,667,669,670,672 bis 674 entsprechend anzuwenden. A I. Wird die Wiederaufhebung abgelehnt, so haben der gesetzliche Personensorgevertreter des Entmündigten und der Entmündigte, gesetzlich vertreten durch einen vom Prozeßgericht beigeordneten Rechtsanwalt (vgl. § 78 a), das Recht, die Aufhebungklage zu erheben, falls der gesetzliche Vertreter sie nicht erheben will (§ 679 A III c). Der Staat ist nicht zur Erhebung der Klage berechtigt. A II. Für das Beiordnungverfahren ist der Entmündigte prozeßfähig (§ 679 A I I I c 1), nicht für die Aufhebungklage (OLG 19/146). Der beigeordnete Anwalt der ersten Instanz bleibt gesetzlicher Vertreter auch für die Rechtsmittelinstanz (OLG 29/149). B. Die Klage wird gegen den Antragsteller, der das Entmündigungverfahren beantragt hatte, durchgeführt, sofern er nicht wie im Fall des § 684 I I I weggefallen ist (§ 686 III). Das weitere Verfahren entspricht der Anfechtungklage der Entmündigung wegen Trunksucht oder Verschwendung. Auch hier ist, wenn die Klage Erfolg hat, der Beschluß aufzuheben, aber wieder nur mit der Wirkung für die Zukunft, selbst wenn das Gericht die Überzeugung gewinnt, daß von Anfang an nicht hätte entmündigt werden dürfen (RG J W 08/234). Wird die Entmündigung aufgehoben, so ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 685 entsprechend) und die Wiederaufhebung zu veröffentlichen (§ 687).
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Verfahren in Entmündigungssachen
§ 687
(627)
I Die Entmündigung einer Person wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht sowie die Wiederaufhebung einer solchen Entmündigung ist von dem Amtsgericht öffentlich bekanntzumachen. A. Wird die Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht ausgesprochen (§ 680), so wird sie von dem Amtsgericht öffentlich bekannt gegeben ohne Rücksicht auf die Klagemöglichkeit der Anfechtungklage. Ebenso ist vom Amtsgericht die Wiederaufhebung der Entmündigung (nach rechtskräftiger Entscheidung) zu veröffentlichen. B. Über die Art der Veröffentlichung ist nichts gesagt. Nach der jedenfalls früher h. M. galt hier noch altes Recht. Soweit man dies nicht mehr anwendet, entscheidet das Amtsgericht über die Art der Veröffentlichung. C. Die Wirkung der Entmündigung wird durch die Veröffentlichung nicht berührt (BayObLG Scuff. 54/144).
Siebentes Buch
Mahnverfahren
§ 688 (628) I Wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat, ist auf Gesuch des Gläubigers ein bedingter Zahlungbefehl zu erlassen. Als ein Anspruch, der die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer ßentenschuld oder einer Schiffshypothek. II Das Mahnverfahren findet nicht statt, wenn nach dem Inhalt des Gesuchs die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erfolgten Gegenleistung abhängig ist oder wenn die Zustellung des Zahlungsbefehls im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen müßte. B I. Der Rechtspfleger erläßt den Zahlungbefehl (RechtspflegerG § 19 I 1), während der Urkundbeamte der Geschäftstelle den Vollstreckungbefehl erteilt (RechtspflegerG § 19 11). B II. Soweit nicht die Besonderheiten des Mahnverfahrens die allgemeinen Segeln ausschließen, gelten diese. b) Ob das Armenrecht für den Erlaß des Zahlungbefehls beantragt werden kann, ist zweifelhaft. Andererseits wird das Armenrecht für die Instanz bewilligt (§§ 118 A IV, 119 A I b). Das kann wieder der Rechtspfleger nicht, da RechtspflegerG § 4 I nicht soweit geht und § 119 durch das RechtspflegerG nicht geändert worden ist. Keinesfalls geht es an, eine arme Partei auf den Weg des Mahnverfahrens zu verweisen (RGZ 163/20). c 1. Stirbt der nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene Gläubiger vor eigener Begebung des Antrags auf Erlaß des Zahlungbefehls, so liegt kein wirksamer Antrag vor. Stirbt er nach Klageauftrag an einen Prozeßbevollmächtigten und reicht dieser den Antrag nach dem Tode des Gläubigers ein, so gilt das entsprechende wie bei der Klage (§§ 246 A, 239 D II). Stirbt der Gläubiger, wenn er nicht vertreten wird, nach der Begebung, so wird das Mahnverfahren als solches nicht unterbrochen; über die Wirkungen, die dann eintreten, vgl. § 239 B II c 1. Stirbt der Schuldner vor Zustellung, so muß der Gläubiger auf die Erben 91»
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§ 688 B II e 1
ZPO VII. Buch
umstellen und durch das Gericht neu zustellen lassen (LG ZZP 58/191); die erste Zustellung ist wirkunglos, doch können die Wirkungen des § 693 II eintreten (LG ZZP 55/432). Gerät der Gläubiger in Konkurs, so tritt an seine Stelle der Konkursverwalter (KO § 6), ohne daß es zur Unterbrechung nach § 240 kommt. Fällt der Schuldner in Konkurs, so ist die Zustellung an den Gemeinschuldner nach KO § 7 für den Konkurs ohne bedeutung (RGZ 129/344), die an den Konkursverwalter ist nach KO § 12 ohne belang. Nur darf auch hier die Wirkung des § 693 II nicht verloren gehen; wird deshalb der Anspruch im Konkursverfahren verfolgt, so ist BGB § 209 II 2 entsprechend anzuwenden (a. M. RGZ 129/345). Auch muß der Schuldner die Möglichkeit haben, insoweit seinen Widerspruch wirksam anzubringen. Wegen der Überleitung in das ordentliche Verfahren vgl. § 239 B II c. Ergeben sich zugleich Unterbrechungereignisse beim Gläubiger, so wird über BGB § 203 II konstruiert werden dürfen. Stirbt der Schuldner nach Zustellung, so gilt § 239 (KG ZZP 51/288), fällt er danach in Konkurs, so gilt § 240. B III a) Das Mahnverfahren allein begründet keine Rechtshängigkeit; doch wird diese, sobald es in das ordentliche Verfahren übergeht, auf die Zustellung des Zahlungbefehls zurückdatiert (§ 696 II). §§ 265, 266 gelten ab Rechtshängigkeit; deshalb darf sich der Mahnbeklagte ab Widerspruch gegen den Eintritt des Zessionars wehren, wenn diesem nach Widerspruch (oder nach Erteilung des Vollstreckungbefehls) die Forderung abgetreten wird (§ 265 II, RGZ 58/101). Auch sollte man diese Vorschriften entsprechend anwenden, wenn nach Einreichung des Antrages auf Erlaß des Zahlungbefehls abgetreten wird. In jedem Falle muß dann aber der Antrag umgestellt werden, weil auch der Zahlungbefehl auf Leistung an einen dritten gerichtet werden darf (vgl. Kommentar § 690 B III). b) Ein Zahlungbefehl für künftig fällig werdende Leistungen (RGZ 46/338) oder auf Feststellung ist ausgeschlossen (RGZ 129/343). Bedingte Ansprüche oder betagte (RGZ 90/179) dürfen nicht geltend gemacht werden (§ 688 II); anders ist dies nur für Nebenansprüche, im besonderen für Zinsen (§ 692 A II a). Die Schlüssigkeit der Behauptungen muß geprüft, die Gerichtskostengebühr muß gezahlt werden bzw. es müssen die besonderen Voraussetzungen für ihre Nichtbezahlung gegeben sein. Die von gerichts wegen zu prüfenden Prozeßbedingungen (§ 274 A I) sind zu beachten, also u. a. die Zuständigkeit (RG J W 36/1777), die Zulässigkeit des ordentlichen Gerichtswegs. C I. Der im Mahnverfahren geltend gemachte Anspruch muß auf Leistung, und zwar auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder auf Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen (BGB § 91, § 592 B II) gehen, wozu auch die Ansprüche aus einer Hypothek (BGB §§ 1113folg.), Grund- (BGB §§ 1191folg.) oder Rentenschuld (BGB §§ 1199folg.) oder einer Schiffshypothek (SchiffsregisterG §§ 24folg.) oder Luftfahrzeugregisterpfandrecht (G über Rechte an Luftfahrzeugen § 99 I) gehören (§ 592 B II b). Über sonstige Duldungansprüche vgl. § 592 B I b 3. a) Die Vorschrift entspricht dem § 592 I; doch entfallen hier alle bedingten, befristeten, betagten Ansprüche (§ 688 B III b). Andererseits hindert dies nicht die von vornherein beantragte Beschränkung der Erbenhaftung; auch gehört bei gegenseitigen Verträgen nicht dazu die Behauptung, daß schon erfüllt sei oder daß der Schuldner vorzuleisten habe, weil die Einrede zu erheben, im Willen des Schuldners steht. a 1. Andere ist dies, wenn von vornherein eine solche Verurteilung gefordert wird oder ein solcher Wille des Schuldners als erklärt vorgetragen wird; dann steht dem Erlaß des Zahlungbefehls § 688 II entgegen. b) Nicht unter den Begriff der Gegenleistung i. S. dieser Bestimmung gehört aber die Verpflichtung zur Ausstellung einer Quittung, zu der einer Löschungbewilligung, zur Aushändigung der Schuldurkunden, der Wechsel und der Schecke oder die auf Aushändigung der Abtretungurkunde (§ 726 D III). C IL Der Zahlungbefehl darf nicht im Auslande (§ 199 A II) oder durch öffentliche Bekanntmachung (§ 203 A II) zuzustellen sein. Ergibt erst das Fehlschlagen der Zustellung
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Mahnverfahren
§688 ( il
im Inlande, daß eine ausländische oder eine öffentliche erforderlich wäre, so wird man Nachreichung der Klage zulassen müssen, sofern noch die Wahrung der Frist möglich ist. C III. Es dürfen auch im gewöhnlichen Mahnverfahren Ansprüche aus Urkunden, Wechseln oder Schecken geltend gemacht werden (RGZ 79/71); geschieht dies, so wird durch Widerspruch in das ordentliche (nicht in das Urkundenverfahren) übergeleitet. Wird dagegen das Urkunden-, Wechsel- und Scheckzahlungbefehlverfahren gewählt (§ 703a), so wird bei Widerspruch in den Urkunden- usw. prozeß übergeleitet. Doch darf der Gläubiger auch bis zum Erlaß des Zahlungbefehls vom Urkundenzahlungbefehlverfahren in das gewöhnliehe Verfahren übergehen (§ 596 entsprechend). D. Ist der Zahlungbefehl erlassen, obwohl dies unzulässig war, so hat der Schuldner dagegen nur den Widerspruch (§ 694 A); beantragt der Gläubiger den Erlaß des Vollstreckungbefehls, so ist die Zulässigkeit des Zahlungbefehls aber nochmals zu prüfen (§ 699).
§ 689 I
(629)
Die Zahlungsbefehle werden von den Amtsgerichten erlassen.
II Zuständig ist das Amtsgericht, das für die im ordentlichen Verfahren erhobene Klage zuständig sein würde, wenn die Amtsgerichte im ersten Rechtszuge sachlich unbeschränkt zuständig wären. A I. Sachlich sind die Amtsgerichte ausschließlich zuständig, a) selbst wenn die Landgerichte für die Klage ausschließlich zuständig wären (RGZ 24/198). b) Ausgeschlossen werden sie von den Schiffahrt- (GVG § 14 B III c 1) und den Arbeitgerichten (GVG § 14 C). A II. § 6S9 II regelt die örtliche Zuständigkeit der Amtsgerichte a) nach den allgemeinen Vorschriften; § 36 I 3 ist anwendbar (RGZ 39/426). b) Soweit kein ausschließlicher Gerichtstand gegeben ist, genügt die Behauptung einer Vereinbarung durch den Gläubiger (RG JW 36/1777). B I. Soweit keine Vereinbarung zulässig ist, wird die Zuständigkeit von gerichts wegen auf Grund der Behauptungen des Gläubigers geprüft (vgl. § 689 A II b). B II. Der Schuldner kann nur durch Widerspruch (§ 694) bzw. Einspruch (§ 700) die Unzuständigkeit des Gerichts geltend machen (vgl. § 274 II 1), hier aber auch noch nach Verweisung an das Landgericht, und dieses darf nach § 276 örtlich weiter- (RG J W 36/1777), nicht aber sachlich an ein Amtsgericht zurückverweisen. B III. Die Zuständigkeit wird erst mit der Zustellung des Zahlungbefehls fixiert, was für den Erlaß des Vollstreckungbefehls noch zu beachten ist; eine Rückdatierung der Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs gibt es nicht (vgl. § 263 A I b 4; anders bezüglich der außerprozessualen Fristen, vgl. § 693 II).
§ 690 I
(630)
Das Gesuch muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien nach Namen, Stand oder Gewerbe und Wohnort; 2. die Bezeichnung des Gerichts; 3. die bestimmte Angabe des Betrages oder Gegenstandes und des Grundes des Anspruchs; 4. das Gesuch um ErlaB des Zahlungsbefehls.
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§690
ZPO VII. Buch
B. Der Antrag muß enthalten nach §690 1 1 die genaue Parteibezeichnung (§ 253 G I a 1). Die Angabe des Wohnorts ist mit der des Wohnsitzes nicht identisch (vgl. § 13 B). Die Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters wird in § 690 I 1 nicht ausdrücklich gefordert; doch gilt auch insoweit § 130 I 1 als Sollvorschrift. Wenn jemand als (angeblicher) Bevollmächtigter einer Partei auftritt, muß er sich jedenfalls kennzeichnen. Zurückgewiesen werden darf er selbst dann nicht, wenn er in der mündlichen Verhandlung nach § 517 zurückzuweisen wäre. Der Nachweis der Vollmacht ist für den Antrag auf Erlaß des Zahlungbefehls nicht zu fordern (§ 703). § 690 I 2 fordert die Bezeichnung des angerufenen Gerichts. Der Antrag muß ferner enthalten die geforderte Leistung (§ 688 C I) in ausgerechneter Summe (bestimmt und nicht bloß bestimmbar) und den Grund des Anspruches (§ 690 13), was auch für Nebenforderungen (§ 4 C I) gilt; die Kosten des Mahnverfahrens werden dabei ziffernmäßig in den Zahlungbefehl aufgenommen (§ 692 bzw. § 698). Die Angabe muß so substantiiert sein, daß das Gericht, wie im Fall des Versäumnisurteils, zu entscheiden in der Lage ist (RG Gruch. 50/1065). Bezugnahme auf eine Anlage genügt, aber nicht auf eine früher erteilte Rechnung. Schließlich muß der Antrag auf Erlaß des Zahlimgbefehls gestellt werden (§ 690 I 4).
§ 691
(631)
I Entspricht das Gesuch nicht den Vorschriften der vorstehenden Paragraphen oder ergibt sich aus dem Inhalt des Gesuchs, daft der Anspruch überhaupt oder zur Zeit nicht begründet ist, so wird es zurückgewiesen. II Das Gesuch ist auch dann zurückzuweisen, wenn der Zahlungsbefehl nur wegen eines Teiles des Anspruchs nicht erlassen werden kann; vor der Zurückweisung ist der Gläubiger zu hören. III Die zurückweisende Verfügung ist nicht anfechtbar. A. Vor dem Erlaß des Zahlungsbefehls sind die ProzeBbedingungen zu prüfen, im besonderen die allgemeinen, wozu auch die Verbote der Klageüberlagerung gehören (AG Rpfl. 56/139 im Fall der BRAGebO § 19). Das Gericht hat weiter die besonderen Prozeßbedingungen des Mahnverfahrens zu prüfen, also ob ein im Mahnverfahren verfolgbarer Anspruch (§ 688 I), der unbedingt, unbefristet und unbetagt ist (§ 688 II), und der Antrag auf Erlaß eines Zahlungbefehls (§ 688 I) vorliegen, ob der Zahlungbefehl dem Schuldner im Inlande und nicht öffentlich zugestellt werden kann (§ 688 II), ob der Antrag an das Amtsgericht gerichtet und dieses örtlich zuständig ist (§ 689) und ob das Gesuch den Anforderungen des § 690 I 1, 2 entspricht. B. Ferner muß der geltend gemachte Anspruch schlüssig dargelegt worden sein. Fehlt es überhaupt an der Angabe des außerprozessualen Begehrens, des Antrags oder an der Begründung, so ist das Gesuch nach § 690 1 3 unzulässig. Aber auch wenn es nur nioht schlüssig ist, wird nicht kontradiktorisch gegen den Gläubiger entschieden, sondern der Antrag wird nur (als unzulässig) zurückgewiesen (§ 6911). C. Ist der Mangel behebbar (arg. § 691 II), so ist der Gläubiger zu hören, damit er dem Mangel abhelfen kann. Eine beachtliche Meinung (Sydow-Busch § 691 Anm. 2) wendet die Vorschrift nicht an, wenn mehrere selbständige Ansprüche, über die Teilurteil ergehen kann (§ 301 A), zusammen geltend gemacht werden und nur einer von ihnen schlüssig ist, im besonderen nicht, wenn die berechneten Kosten teilweise unbegründet sind (OLG 39/66). Sie streicht Zinsen, wenn sie nicht schlüssig begründet sind, läßt aber nicht die Herabsetzung des Zinsanspruches zu. Bezüglich der Gerichtskosten hat der Rechtspfleger ein besonderes Bezifferungrecht, vgl. § 692. D. Wird das Gesuch, gleichviel ob berechtigt und aus welchem Grunde, zurückgewiesen, so ist der Beschluß des Rechtspflegers nur dem Gläubiger mitzuteilen (§ 329 III). Er ist zu
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Mahnverfahren
§691
D
begründen. Gegen ihn ist die Erinnerung nach RechtspflegerG § 10 I (nicht nach § 10 IV) zulässig (vgl. § 688 B I). Das Gericht entscheidet dann unanfechtbar (§ 691 III). Än gerichtlichen Gebühren entstehen 5/10 (GKG § 38 I). Wird ein Zahlungbefehlsantrag nur wegen der Kosten zurückgewiesen, so hat OLG 39/66 dagegen die einfache Beschwerde zugelassen; doch ist das nicht zu billigen (OLG LZ 20/902).
§ 692
(632)
I Der Zahlungsbefehl enthält die im § 690 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Erfordernisse des Gesuchs und außerdem den Befehl an den Schuldner, binnen einer vom Tage der Zustellung laufenden Frist von einer Woche bei Vermeidung sofortiger Zwangsvollstreckung den Gläubiger wegen des Anspruchs nebst den dem Betrage nach zu bezeichnenden Kosten des Verfahrens und den geforderten Zinsen zu befriedigen oder, wenn er Einwendungen gegen den Anspruch habe, bei dem Gericht Widerspruch zu erheben. Die Widerspruchsfrist ist den Vorschriften über die Einlassungsfrist entsprechend zu bemessen, falls diese weniger als eine Woche betragen würde. A I. Der Zahlungbefehl bedarf der Schriftform und ist vom Rechtspfleger zu unterschreiben. Auch sollte man Ort und Datum nicht vergessen. Doch soll er erst nach Zahlung der (halben) Gerichtskostenprozeßgebühr erlassen werden. A H . Der Zahlungbefehl soll Parteien und Gericht kennzeichnen (§ 690 I 1, 2) und das Leistungbegehren nach Grund und Betrag enthalten (§ 690 B) in derselben Vollständigkeit, wie sie vom Gesuch zu verlangen ist (RG Gruch. 50/1065). a) Dies gilt auch für alle Nebenansprüche. Zinsen dürfen dem Zinssatz und der Laufzeit nach angegeben werden; auch darf ihr Lauf vom Tage der Zustellung des Befehls an gestellt werden, was auch für sonstige Nebenansprüche (§ 4 C I a) gilt. b) Die Mahnverfahrenkosten werden dem außerprozessualen Antrag des Gläubigers beziffert hinzugesetzt (§ 692 I). Dazu gehören die unter § 91 fallenden, also im besonderen die Gerichts- (GKG § 38 I 1), die Anwaltgebühren (BRAGebO § 43 I 1, II) und sonstige Auslagen. Ein Kostenfestsetzungverfahren (§§ 103folg.) gibt es hier nicht (abweichend KGB1. 17/39 für später entstandene Kosten). Sind die Kosten übersetzt und ändert der Gläubiger nicht, so ist das Gesuch insgesamt zurückzuweisen, soweit man dem Rechtspfleger kein Änderungrecht einräumt (so: LG JW 36/2009). Dies sollte für die gesetzlich zu errechnenden Gerichts- und Anwaltskosten angenommen werden (Kommentar § 691 C II a). Hatte der Gläubiger vergessen, seine Kosten (abgesehen von den bekannten Gerichtskosten, die von gerichts wegen hinzugesetzt werden) im Mahngesuch zu beziffern, so darf er das noch bei dem Vollstreckungbefehl nachholen. B. Der bedingte Zahlungsbefehl soll den Ausspruch enthalten, daß der Schuldner den Gläubiger innerhalb der in ihm bestimmten Frist zu befriedigen oder die Befriedigung zu dulden hat wegen der betragsmäßig genannten Haupt- und der Nebenforderungen. B I. Dabei darf dem Schuldner die Beschränkung der Haftung vorbehalten werden. B II. Bedingt ist dieser Befehl dadurch, daß dem Schuldner gesagt wird, daß er, an Stelle zu befriedigen, Widerspruch erheben darf. a) Die dem Schuldner zu bemessende Widerspruchfrist beträgt längstens eine Woche ab Zustellung (§ 692 I 1). Sie ist in den Formularen vorgedruckt; wird keine von ihnen gestrichen, so gilt die längste der genannten Fristen. b 1. Vor den ordentlichen Gerichten beträgt die Frist bei einer Zustellung am Orte des Prozeßgerichts oder im Bezirke des Prozeßgerichts oder, wenn die (politische) Gemeinde in einem Teil des Prozeßgerichtsbezirkes liegt, drei Tage (§ 499 I); ob der Anspruch, wenn
1447
§ 6 9 2 B Ii b l
ZPO VII. Buch
er im Klageverfahren geltend gemacht würde, vor das Landgericht gehört, darauf kommt es hierbei nicht an (a. M. Sydow-Busch § 692 Anm. 5). In Meß- und Marktsachen (§ 30 A I) beträgt die Frist nur 24 Stunden (§§ 262 I 2, 499 I). b 2. Im Wechsel- (und Scheck-) Zahlungbefehlverfahren nach § 703 a gelten auch die Fristen der §§ 604 II, 605a. C. Mängel des Zahlungbefehls hindern den Erlaß des Vollstreckungbefehls (§ 699 B II), im besonderen wenn der Grund des Anspruchs nicht ersichtlich ist (OLG Nürnberg ZZP 21/508 meinte indes, daß auch ein solcher Befehl die Verjährung unterbreche). Offenbare Unrichtigkeiten dürfen nach § 319 berichtigt werden.
§ 693 I
(633)
Der Zahlungsbefehl wird dem Schuldner von Amts wegen zugestellt.
II Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden, so tritt die Wirkung, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, bereits mit der Einreichung oder Anbringung des Gesuchs um Erlaß des Zahlungsbefehls ein. III Die Geschäftsstelle hat von der Zustellung des Zahlungsbefehls den Gläubiger in Kenntnis zu setzen. A. Der Zahlungbefehl wird dem Schuldner von gerichts wegen zugestellt (§ 693 I); aber nicht in das Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung (§ 688 II). Mängel der Zustellung sind nach § 187 wie nach § 295 (RGZ 87/272) heilbar. Wird eine fehlerhafte Zustellung (vor Heilung) bemerkt, so ist sie sogleich fehlerfrei zu wiederholen. Die Wiederholung der Zustellung ist auch noch nach Verweisung an das Landgericht zulässig (RG Rpfl. 35/186), muß dann aber vom LG ausgehen. B I. Die Zustellung bewirkt keine Rechtshängigkeit, diese tritt erst ein, wenn Widerspruch erhoben (§ 696 II) oder ein Vollstreckungbefehl erlassen wird (§ 700 1 1), wird dann aber rückwirkend auf den Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungbefehls bezogen. B II. Wird das Gesuch nach Erhebung des Widerspruchs zurückgenommen, so gilt § 271. a) § 693 II (vgl. § 261 b C) datiert die Fristwahrung und die Unterbrechung der Verjährung auf den Zeitpunkt, in dem das Gesuch, den Zahlungbefehl zu erlassen, bei dem Gericht eingereicht wurde, zurück, wenn demnächst zugestellt wird. b) Die Rückdatierung setzt ordnungmäßige Zustellung (RGZ 87/272) bzw. Heilung nach § 187 oder nach § 295 voraus (RGZ 113/341). Eine nur nach § 688 II unzulässige Zustellung führt zur Rückdatierung, weil auch eine zugestellte Klageschrift sie bewirken würde (a. M. Schönke § 693 Anm. III 3). B III. Über die unterbrechende Wirkung nach § 693 II, wenn das Mahnverfahren nicht durchgeführt werden kann, vgl. § 688 B II c 1. Über die Unterbrechung des Mahnverfahrens vgl. § 239 B II c 1. Wird der Zahlungbefehl ausnahmeweise teilweise erlassen, so darf nur für den aufrechterhaltenen Teil zurückdatiert werden, nicht soweit der Erlaß des Zahlungbefehls zurückgewiesen wurde. C. Von der Zustellung des Zahlungbefehls soll der Gläubiger unter Angabe des Zustellungtages formlos in Kenntnis gesetzt werden (§ 693 III), aber auch, wenn die Zustellung scheitert. Uber die Pflicht, den Erlaß von Zahlungbefehlen gegen Beamte, Notare, Rechtsanwälte vorgesetzten Stellen mitzuteilen, vgl. § 2 5 3 F I I b 3 .
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Mahnverfahren
§ 694
(634)
I Der Schuldner kann gegen den Anspruch oder einen Teil des Anspruchs Widerspruch erheben, solange der Vollstreckungsbefehl nicht verfügt ist. II Das Gericht hat den Gläubiger von dem rechtzeitig erhobenen Widerspruch in Kenntnis zu setzen und dem Schuldner auf Verlangen eine Bescheinigung darüber zu erteilen, daß er rechtzeitig Widerspruch erhoben hat. III Einer Zurückweisung des nicht rechtzeitig erhobenen Widerspruchs bedarf es nicht. A I. Der Widerspruch darf vom Schuldner vom Erlaß (§ 516 A I) des Zahlungbefehls ab bis zum Erlaß des Vollstreckungbefehls wirksam durch Erklärung gegenüber dem Gericht auch mündlich eingelegt werden. a) Der Widerspruch ist widerruflich, stets biB zur Terminsanberaumung (§ 696 I I ; nur bis dahin: LG Rpfl. 55/77). Bei der Verweisung an das Landgericht ohne mündliche Verhandlung (§ 697 II) wurde die Rücknahme des Widerspruchs bis zur Terminanberaumung durch das LG zugelassen (OLG BB 50/51, aber nicht mehr danach: OLG BayJMBl. 55/65; Str.). Um des Fristlaufs nach § 701 willen sollte man dann die Rücknahme des Widerspruchs an die Zustimmung des Gläubigers knüpfen. b) In der Erklärung des Widerrufs liegt noch kein Verzicht auf den Widerspruch. Allerdings ist auch der Widerruf unter Verzicht auf die Erneuerung des Widerspruchs zulässig. Ein vor E r k ß des Zahlungbefehls ausgesprochener Verzicht ist prozessual nichtig. c) Der Schuldner darf beantragen, daß ihm eine Bescheinigung über den rechtzeitig erhobenen Widerspruch erteilt wird (§69411); zuständig ist der Urkundsbeamte der Geschäftstelle. A II. Ist der Widerspruch na«h Erlaß (§ 516 A I) des Vollstreckungbefehls eingelegt, so ist er als solcher unwirksam (darüber, ob er in einen Einspruch umzudeuten ist, vgl. § 700 A II b). Förmlich zurückgewiesen wird der verspätete Widerspruch nicht (§ 694 III). A III. Der Widerspruch darf auch für einen nach § SOI beschränkbaren Teil ausgesprochen werden, sodann darf Vollstreckungbefehl in bezug auf den anderen erteilt werden. Ein Zurückgreifen auf den durch den Widerspruch nicht angegriffenen Teil ist nach Erlaß (§ 516 A I) des Vollstreckungbefehls unzulässig; doch wird in diesen Fällen das Zurückgreifen als Einspruch anzusehen sein (§ 700 A I a). Ist indes der Vollstreckungbefehl rechtskräftig geworden, bo gibt es kein Zurückgreifen mehr. b) Der Widerspruch darf auch auf die Kosten beschränkt werden. B. Der Gläubiger wird vom Widerspruch formlos benachrichtigt (§ 694 II).
§ 695
(635)
§ 696
(639)
aufgehoben.
I Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben, so ist auf Antrag einer Partei vor dem Amtsgericht, das den Zahlungsbefehl erlassen hat, ein Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Der Antrag kann schon in dem Gesuch um Erlaß des Zahlungsbefehls gestellt werden. Die Terminsbestimmung ist dem Gläubiger, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, ohne besondere Form mitzuteilen; § 496 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.
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§696
ZPO VII. Buch
II Wird nach der Erhebung des Widerspruchs alsbald Termin anberaumt, so gilt die Streitsache als mit Zustellung des Zahlungsbefehls rechtshängig geworden. III Zur Herstellung eines Urteils in abgekürzter Form (§ 313 Abs. 3, § 317 Abs. 4) kann der Zahlungsbefehl an Stelle der Klageschrift benutzt werden. A I. Der rechtzeitige Widerspruch schließt das Zahlungbefehlverfahren ab, ohne daß er das Streitverfahren sehon eröffnen würde. Dies geschieht erst durch den Antra? des Gläubigers oder Schuldners, einen Termin anzuberaumen. a) Der Terminantrag ist bis zum Beginn des Termins widerruflich. a 1. Er unterliegt nicht dem Anwaltzwang, so lange das Verfahren nicht an das LG verwiesen worden ist (§ 697, ob danach ist str.). a 2. Wird der Antrag durch einen Vertreter gestellt, so muß dieser im amtsgerichtlichen Verfahren die Vollmacht nachweisen (§ 88 II). b) Der Antrag auf Terminanberaumung löst für den Gläubiger die Fälligkeit der letzten halben Prozeßgebühr aus und der Termin wird b 1. auf Antrag des Gläubigers erst anberaumt, wenn die weitere halbe Prozeßgebühr gezahlt ist, es sei denn, daß der Gläubiger das Armenrecht bewilligt erhalten hat oder ein Ausnahmefall nach GKG § 111 IV vorliegt. b 2. Beantragt der Schuldner den Termin, so ist ohne Bücksicht darauf, ob der Gläubiger die zweite halbe Prozeßgebühr zahlt, Termin anzuberaumen (§ 216 B IV c 1), ohne daß er dadurch Kostenschuldner wird (a. M. OLG Rpfleger 52/295). c) Zum Termin wird von gerichts wegen geladen (§§ 261a I, 497 I 1). Dabei wird dem Schuldner förmlich zugestellt (§ 497 I 3), dem Gläubiger dagegen im amtsgerichtlichen Verfahren der Termin formlos mitgeteilt. Die Ladungfristen sind innezuhalten. Die Ladung ist auch hier an den Prozeßbevollmächtigten zu bewirken (§ 176), selbst wenn er sich noch nicht durch Einreichung der schriftlichen Vollmacht legitimiert hat (§ 703). A II. Wird keine Terminanberaumung beantragt, so ruht das Verfahren. Die Unterbrechung der Verjährung endet nach BGB § 211 II dann mit der Mitteilung des Widerspruchs an den Gläubiger (§ 694 II). B I. Mit der vollzogenen (zugestellten bzw. mitgeteilten) Terminanberaumung wird das Streitverfahren rechtshängig, und zwar zurückbezogen auf die Zeit der Zustellung des Zahlungbefehls, sofern auf den Widerspruch alsbald Termin anberaumt wird (§§ 696 II, 263 A I b 4). Geschieht dies nicht, so tritt die Rechtshängigkeit erst mit der Ladung zum Termin ein. a) Mit dem Übergang vom Mahnverfahren in das Streitverfahren entfallen die besonderen Prozeßbedingungen des Mahnverfahrens (RGZ 90/179). b) Die allgemeinen Prozeßbedingungen werden geprüft. b 2. Bei nicht ausschließlicher, sachlicher Zuständigkeit macht erst die Rüge des Beklagten das Amtsgericht unzuständig; der nicht erschienene Beklagte kann hierauf nicht hingewiesen werden, was gegenüber dem erschienenen zu geschehen hat (§ 504 II). Es ist deshalb gegen den nicht erschienenen Beklagten auch in diesem Falle Versäumnisurteil zu erlassen (KG OLG 23/105; a. M. KG KGB1. 21/47). Der erschienene Beklagte hat die Wahl, Versäumnisurteil zur Sache nach § 330 zu nehmen, verliert damit aber sein Recht, die örtliche wie die sachliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts geltend machen zu können. Bei fehlender sachlicher Zuständigkeit darf er auch Verweisung nach § 697 beantragen; damit wird aber die Rüge der sachlichen Unzuständigkeit grundsätzlich ausgeschlossen. c) Der Übergang zum Urkunden-, Scheck- und Wechselverfahren ist unzulässig (RGZ 79/71).
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Mahnverfahren
§696
B II. Die landgerichtliche Zuständigkeit wird sachlich nur begründet, wenn z. Z. der Verweisung sie noch gegeben ist. a) Der Begriff der alsbaldigen Terminanberaumimg sollte mit dem der demnächstigen Zustellung i. S. des § 261 b III in Übereinstimmung gebracht werden. Vor Terminanberaumung tritt keine Rechtshängigkeit ein: OLG NJW 59/2219, dann gilt aber § 696 II. C. Ergeht in der mündlichen Verhandlung Versäumnis- oder Alierkenntnisurteil, so darf es in abgekürzter Form hergestellt und ausgefertigt werden (§§ 313 III, 317 IV), wobei der Zahlungbefehl an die Stelle der Klage tritt (§ 696 III) und das Befriediguiiggebot die Stelle des Klageantrages einnimmt (KG ZZP 55/152).
§ 697
(637)
I Ist ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor der Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluß sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen; die Vorschriften des § 276 Abs. 2, Abs. 8 Satz 1 sind anzuwenden. II Ist der Antrag auf Verweisung schon in dem Gesuch um Erlaß des Zahlungsbefehls gestellt oder mit dem Widerspruch verbunden worden, so kann die Entscheidung über den Antrag ohne mündliche Verhandlung erfolgen. Wird die Verweisung beschlossen, so gilt der Rechtsstreit mit der Zustellung des Beschlusses als bei dem Landgericht anhängig. A. Ist das Amtsgericht für das Streitverfahren sachlich unzuständig (GVG § 71), so dürfen sowohl der Kläger wie der Beklagte die Verweisung des Rechtstreites an das Landgericht beantragen (§ 697 I), worauf der Beklagte nach § 504 II in entsprechender Anwendung hinzuweisen ist. Über die Verweisung an Verwaltung- und Verwaltungsondergerichte vgl. § 276 A V, ArbGG § 48a. B I. Der Antrag darf vom gestellt werden, der Schuldner muß er aber vor Verhandlung Der Beklagte soll vom AG auf
Kläger schon mit dem Antrag auf Erlaß des Zahlungbefehls darf ihn zugleich mit dem Widerspruch stellen. Spätestens des Streits zur Hauptsache (§ 274 C I I I a 2) gestellt werden. diese Möglichkeit hingewiesen werden (§ 504 II).
a) Das Gesetz läßt die Entscheidung ohne vorgängige mündliche Verhandlung zu, wenn der Antrag mit dem ersten Gesuch jeder Partei gestellt wird (§ 697 II). Man sollte Anträge, die vor dem Beginn der Verhandlung gestellt worden sind, schriftlich bescheiden dürfen, und zwar dann unter Absetzung des bereits anberaumten Termins (AG Plettenberg v. 15. 12.1940 — C 217/40). Allerdings müßte dann das LG alsbald Termin ansetzen (vgl. § 696 B I). b) Sonst wird über den Antrag auf Grund der mündlichen Verhandlung entschieden. Über einen unbegründeten Verweisungantrag darf nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Auch wenn das Amtsgericht örtlich unzuständig ist, muß es mündlich verhandeln lassen und darf nur nach § 276 (auf Antrag des Klägers) an das örtlich zuständige Landgericht verweisen (vgl. RG J W 36/1777). B I l i ) Gibt das Gericht dem Antrag statt, so verweist es durch unanfechtbaren Beschluß an das Landgericht (§§ 697 I, 276 II); ist dieses örtlich unzuständig, so ist die Weiterverweisung (auf Antrag des Klägers nach § 276) nicht ausgeschlossen (RG J W 36/1777), gleichviel ob ohne mündliche Verhandlung oder nach ihr verwiesen wird. An das Amtsgericht zurückverweisen darf das Landgericht nicht (OLG HRR 39/443), selbst wenn der Beschluß prozessual unzulässig war (OLG 31/81), gegen einen solchen an das Amtsgericht zurückverweisenden Beschluß ist die Beschwerde (§ 567 I) zulässig. Andererseits darf das Amts-
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§ 697 B II a
ZPO VII. Buch
gericht seinen Beschluß nicht nachträglich durch Verweisung an ein anderes Landgericht ändern (RG JW 36/1777). a 1. Ist eine Handelsache (GVG § 95 B) im Streit, so darf der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor der Verweisung oder schon vorher schriftlich die Verweisung an die Kammer für Handelsachen beantragen; diesem Antrag ist zwar ohne Prüfung stattzugeben (GVG § 96 II), doch bindet er die Kammer für Handelsachen nicht. Dagegen kann der Antrag des Beklagten erst wirksam vor der Zivilkammer gestellt werden (GVG § 98). a 2. Der Verweisungbeschluß wird, wenn er auf Grund mündlicher Verhandlung ergeht, verkündet (§ 329 1); damit wird das Verfahren bei dem Landgericht anhängig. Ergeht er ohne vorangegangene mündliche Verhandlung (§ 697 II 1), so wird er erst mit der förmlichen letzten Zustellung an die Parteien wirksam (§ 697 II 2). b) Wird die Verweisung abgelehnt, so sollte man dieses nur nach notwendiger mündlicher Verhandlung aussprechen, und zwar entweder in den Gründen des Endurteils oder durch Zwischenurteil, wobei dann § 275 II anzuwenden ist. Doch wird vielfach der Beschluß mit daran anschließender einfacher Beschwerde zugelassen (Sydow-Busch § 697 Anm. 4). B III. Durch die Verweisung entsteht keine besondere Gerichtsgebühr, wohl aber bei Anwaltwechsel Anwaltgebühren. Die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens gehören, soweit die Verweisung nach § 697 in betracht kommt, zu den notwendigen des Rechtstreits (§ 276 III 1). Doch wird hier dem Kläger nicht die durch die Verweisung entstehende Kostenlast aufgebürdet (OLG SchlHA 55/223, selbst wenn erst nach mündlicher Verhandlung verwiesen wird; anders in dem Fall des § 276 III 2). Ob man von der Partei fordern darf, daß sie von vornherein einen Anwalt wählt, der sie auch vor dem Landgericht vertreten kann, ist zweifelhaft. B IV. Bei nachträglicher Erhöhung oder Widerklageerhebung gilt § 506 uneingeschränkt.
§ 698
(638)
I Die Kosten des Mahnverfahrens sind im Falle der rechtzeitigen Erhebung des Widerspruchs als ein Teil der Kosten des entstehenden Rechtsstreits anzusehen. A I. Die Gerichtskosten des Mahnverfahrens und seine eigenen Kosten trägt der Gläubiger, soweit sein Antrag zurückgewiesen wird (§ 691) oder er das Mahngesuch, bevor der Zahlungbefehl zur Zustellung an den Schuldner gegeben ist, zurücknimmt. Andererseits braucht er bis zu diesem Zeitpunkt Kosten des Schuldners nicht zu erstatten. Der Gläubiger kann solche Kosten aber auch nicht aus außerprozessualen Gründen gegen den Schuldner geltend machen. Hat der Schuldner vor Zustellung des Zahlungbefehls gezahlt, so kann der Streit in der Hauptsache nicht mehr zur Entstehung gelangen; doch darf der Gläubiger wie bei sonstiger Klageerhebung sie unter dem Gesichtswinkel außerprozessualer Erstattunggründe (Verzug z. B.) geltend machen (vgl. OLG SächsAnn. 21/525), auch unter Fortsetzung des Mahn Verfahrens. A II. Erhebt der Schuldner Widerspruch, so regelt sich die Kostenlast nach den allgemeinen Bestimmungen, und die Kosten des Mahnverfahrens werden als notwendige i. S. des § 91 betrachtet, sofern es zur Kostenerstattung kommt, ohne daß es dazu eines besonderen Ausspruchs bedürfte (§698), wobei auch die einer Verweisung nach §697 in Rechnung zu stellen sind, ohne daß § 276 III 2 anzuwenden ist. Dies gilt auch bei der Kostenteilung nach § 92 (KG J W 36/200). Dies gilt ferner, wenn der Prozeß durch Klagerücknahme oder durch Vergleich (vgl. § 98) erledigt wird (RGZ 34/376). B. Ob die Kosten eines unzulässigen Mahnverfahrens dem Kläger auferlegt werden dürfen, wenn er obsiegt, ist streitig (dafür RG JW 03 Beil. S. 114).
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Mahnverfahren
§698
C. Der Widerspruch darf auch auf die Kosten beschränkt werden (vgl. § 694 A I I I b). Soweit ein Kostenbeschluß oder ein Urteil ergeht, gelten §§ 91a, 99 (RG Recht 08/825 nach altem Recht).
§ 699
(639)
I Der Zahlungsbefehl ist nach Ablauf der darin bestimmten Frist auf Gesuch des Gläubigers für vorläufig vollstreckbar zu erklären, sofern nicht vor der Vollstreckbarkeitserklärung von dem Schuldner Widerspruch erhoben ist. Die Vollstreckbarkeitserklärung wird durch einen von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf den Zahlungsbefehl zu setzenden Vollstreckungsbefehl bewirkt. In den VoUstreekungsbefehl sind die von dem Gläubiger zu berechnenden Kosten des bisherigen Verfahrens aufzunehmen. Die Zustellung des Vollstreckungsbefehls erfolgt auf Betreiben des Gläubigers. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Zustellung zu vermitteln, sofern nicht der Gläubiger erklärt hat, selbst einen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragen zu wollen. II Will der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Gesuch des Gläubigers nicht entsprechen, so hat er das Gesuch dem Gericht zur Entscheidung vorzulegen. Gegen den BeschluB des Gerichts, durch den das Gesuch zurückgewiesen wird, findet sofortige Beschwerde statt. A I. Erst auf Grund des Vollstreckungbefehls darf vollstreckt werden; der Zahlungbefehl allein genügt nicht. Der Vollstreckungbefehl wird auf Antrag des Gläubigers vom Urkundsbeamten der Geschäftstelle (nicht vom Rechtspfleger, RechtspflegerG § 19 11) erteilt (§699 12). a) W a n n der Antrag frühestens gestellt werden darf, ist streitig. Die eine Meinung läßt ihn frühestens nach Ablauf der Widerspruchfrist zu (LG J W 10/689; dagegen hat LG N J W 56/1484 es zugelassen, daß der Antrag schon mit dem auf Erlaß des Zahlungbefehls verbunden wird). b) Dem Antrag darf nicht mehr stattgegeben werden, sofern Widerspruch vor Erlaß des Vollstreckungbefehls eingelegt worden ist, was dem Gläubiger nach § 694 I I formlos mitzuteilen ist. E r ist ferner unzulässig und als solcher zurückzuweisen, wenn der Zahlungbefehl nach § 701 kraftlos geworden ist. A II. Der Antrag ist formfrei. Wird er durch einen Bevollmächtigten gestellt, so muß dieser hierzu seine Vollmacht in Schriftform nachweisen (§§ 80 I, 88 II). A III. Der Parteiwechsel zwischen Zahlung- und Vollstreckungbefehl ist denkbar. Soweit dadurch das Verfahren unterbrochen werden würde (§ 239 B I I c), müßte es wieder aufgenommen werden (§ 250 A). Soweit das Verfahren aber nicht unterbrochen wird, m u ß dies dem Schuldner zuvor mitgeteilt werden, damit er an den neuen Gläubiger erfüllen kann. Doch dürfte es auch zulässig sein, wenn der neue Gläubiger sich nach § 727 legitimiert, daß der Vollstreckungbefehl erteilt und die Urkunde dem Schuldner zugleich mit dem Vollstreckungbefehl nach § 750 I I zugestellt wird. B I. Erteilt wird der Vollstreckungbefehl vom Urkundbeamten der Geschäftstelle (§ 699 I 2). Muß der Titel umgeschrieben werden (§§ 727 folg.), so geschieht dies durch den Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 19). B II. Zur Erteilung des Vollstreckungbefehls ist es erforderlich, daß sämtliche Prozeßbedingungen, grundsätzlich (vgl. aber § 699 B I I I a, D) auch die besonderen des Mahnverfahrens, gegeben sind, wozu auch die Schlüssigkeitprüfung gehört. Ein etwaiger Partei- oder Vertreterwechsel ist (§ 699 A III) zu beachten. Die Vollmacht des Prozeßbevollmächtigten muß nachgewiesen worden sein (§ 699 A II). Dagegen wird nicht mehr geprüft, ob der Gerichtskostenvorschuß gezahlt worden ist. B IQ a) Ist der Antrag beschränkt worden, so darf ihm nur insoweit stattgegeben werden (§ 308 I). Ist er dagegen nur zum Teil zulässig bzw. schlüssig, so ist ihm in Höhe des Teils stattzugeben, im übrigen ist er zurückzuweisen.
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§ 6 9 9 Bill
ZPO VII. Buch
a 1. Der Vollstreckungbefehl wird auf die Urschrift des Zahlungbefehls gesetzt und verbleibt bei den Gerichtsakten. Dem Gläubiger wird eine Ausfertigung erteilt, was zu der Urschrift zu vermerken ist (AktenO § 12 I 8). Einer besonderen Vollstreckungklausel bedarf der Vollstreckungbefehl nur in den Fällen der §§ 727 folg. (§ 796), die vom Rechtspfleger erteilt und auf die Urschrift des Vollstreckungbefehls gesetzt und mit ausgefertigt wird (§ 699 B I). a 2. Erweiterungen über den Zahlungbefehl hinaus sind, abgesehen von den Kosten (vgl. § 692 A II b), unzulässig. b) Die Kosten werden (ohne Kostenfestsetzung nach §§ 103 folg.) in den Vollstreckungbefehl betragmäßig mit aufgenommen (§ 699 I 3), soweit sie begründet sind (im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen). b 1. Aufgenommen werden dabei auch die Kosten des Zahlungbefehls, soweit sie in diesem noch nicht enthalten waren, einschließlich der Kosten eines wirksam zurückgenommenen Widerspruchs (OLG H R R 32/1983). b 2. Soweit Kosten im Vollstreckungbefehl nicht berücksichtigt worden sind und es bei dem Vollstreckungbefehl bleibt, gibt es keine Ergänzungmöglichkeit, sofern der Antrag, sie festzusetzen, nicht gestellt war (§ 321 B II b 4). Die Gebühr für den Antrag auf Erlaß des Vollstreckungbefehls wird nach BRAGebO § 43 I 3 fällig. b 4. Entsprechend § 104 I 2 ist die Verzinsung des Kostenbetrags mit vier vom Hundert jährlich auszusprechen ab Zustellung des Vollstreckungsbefehls (nach AG N J W 58/348: ab Erteilung; a. M. LG N J W 59/774). B IV b) Wird der Antrag des Gläubigers, gleichviel ob vom Rechtspfleger oder von dem Gericht, zurückgewiesen, so ist dieser Beschluß dem Gläubiger von gerichts wegen zuzustellen (§ 329 III). Dem Schuldner braucht dieser Beschluß nicht mitgeteilt zu werden. B V. Ist der Vollstreckungbefehl abhanden gekommen, so darf entsprechend § 733 I ein zweiter Zahlungbefehl ausgefertigt und für vollstreckbar erklärt werden. Ist die Urschrift nicht mehr vorhanden, so ist die Erteilung eines weiteren Vollstreckungbefehls unzulässig (es sei denn, daß die Urschrift nach der VO v. 18. 6.1942 wieder hergestellt worden ist). Doch ist auch der fehlerhaft erteilte zweite Vollstreckungbefehl rechtswirksam (LG J W 29/151), so lange er nicht beseitigt worden ist. C. Gegen den Erlaß des Vollstreckungbefehls hat der Schuldner nur den Einspruch (§ 700); gegen die Zurückweisung seines Antrags hat der Gläubiger die sofortige Anrufung des Gerichts innerhalb der Notfrist von zwei Wochen (§§ 577 IV, 576), das, wenn es nioht abändern will, das Gesuch dem Beschwerdegericht vorzulegen hat (§ 577 IV 2); falls der Beschluß ausnahmsweise vom Richter ausgeht: unmittelbar die sofortige Beschwerde (§ 699 II 2). Die sofortige Beschwerde nur wegen der Kosten ist dabei nach § 99 I unzulässig; anders ist dies aber bei erledigter Hauptsachenerklärung nach § 91 a ; soweit es nur noch um die Kosten geht, hängt ihre Zulässigkeit davon ab, ob die Beschwerdesumme (§ 567 II) erreicht worden ist (a. M. LG JMB1. N R W 55/128). Die weitere sofortige Beschwerde ist nur unter den Voraussetzungen des § 568 II zulässig; nicht aber wegen der Prozeßkosten (§ 568 III). D. Zugestellt wird der Vollstreckungbefehl (anders als der Zahlungbefehl) grundsätzlich auf Betreiben des Gläubigers (§ 699 I 4). Zum Zwecke der Zustellung wird dem Gläubiger eine Ausfertigung des Vollstreckungbefehls erteilt (AktenO § 12 I 8). Der Gläubiger, der sie zur Zustellung gibt, erhält sie nach vollzogener Zustellung, verbunden mit der Zustellungurkunde, zurück (§§ 190 II, IV, 195 III).
§ 700
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I Der Vollstreckungsbefehl stellt einem für vorläufig vollstreckbar erklärten, auf Versäumnis erlassenen Endurteil gleich; im Falle seines Erlasses gilt der Anspruch als mit der Zustellung des Zahlungsbefehls im Streitverfahren rechtshängig geworden. Gegen den Vollstreckungsbefehl findet der Einspruch statt; die Vorschriften über den Einspruch gegen ein von dem Amtsgericht
1454
Mahnverfahren
§7001
erlassenes Versäumnisurteil gelten entsprechend. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte, so findet eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht nach § 697 nur statt, wenn das Amtsgericht den Einspruch für zulässig erachtet. Das Landgericht ist an die Entscheidung des Amtsgerichts, durch die der Einspruch zugelassen wird, gebunden. A I. Der Erlaß (§ 516 A I) des Vollstreckungbefehls bewirkt die auf den Zeitpunkt der Zustellung: des Zahlungbefehls zurückwirkende (vgl. § 696 II) Rechtshängigkeit (§ 700 11). Er steht dem Versäumnisurteil gleich (§ 700 I I ) . a ) Gegen ihn ist der Einspruch zulässig, und zwar vom Erlaß (RG Gruch. 64/122) bis zur Rechtskraft des Vollstreckungbefehls (§ 705), die nach Ablauf der Notfrist von einer Woche (§ 508) ab Zustellung (§ 389 I) eintritt. Die Vollstreckung aus ihm ist schon vor Eintritt der Rechtskraft zulässig (§ 794 I 4), ohne daß es einer Vollstreckungklausel bedarf (§ 796 I), wenn er nicht auf Rechtsnachfolger umzuschreiben ist. a 1. Der Einspruch hindert den Eintritt der Rechtskraft, nicht aber die vorläufige Vollstrcckbarkeit; doch darf auch die einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach §§ 719, 707 beantragt werden (OLG Seuff. 72/89). Wird der Vollstreckungbefehl aufgehoben (§ 343), so tritt mit der Verkündung der ihn aufhebenden Entscheidung seine vorläufige Vollstreckbarkeit außer Kraft (§ 717 I). Wegen der Schadenersatzpflicht gilt § 717 II. Über die Vollstreckbarkeit der ihn bestätigenden Entscheidung vgl. § 708 E III b. a 2. Ist der Vollstreckungbefehl formell rechtskräftig (§ 705), so gibt es gegen ihn den Einspruch, verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233folg.). Wiederaufnahmeklagen (§§ 578folg.) sind wie sonst gegen rechtskräftige Urteile zulässig. b) Der rechtskräftige Vollstreckungsbefehl wirkt wie ein Urteil nach § 322 Rechtskraft (RGZ 46/336). c) Im Verhältnis zur Vollstreckunggegenklage gilt die Besonderheit, daß nur auf Einwendungen, die bis zur Zustellung des Vollstreckungbefehls entstanden sind, nicht zurückgegriffen werden darf (§ 796 II). A II a) Nach Erlaß des Vollstreckungbefehls darf auf Einlegung des Einspruchs verzichtet werden, und zwar nur durch Erklärung gegenüber dem Gericht (vgl. die abweichende Rechtsprechung in Kommentar § 514 B III). b) Wird ein Einspruch vor Erlaß des Vollstreckungbefehls eingelegt, so ist er in einen Widerspruch umzudeuten, der den Erlaß des Vollstreckungbefehls hindert (§ 694). Wird ein Widerspruch nach Erlaß des Vollstreckungbefehls eingelegt, so ist er in den Einspruch umzudeuten (RG Gruch. 32/738). A III. Über die Form der Einlegung vgl. § 340 A. Wird der Einspruch durch einen Vertreter eingelegt, so ist die schriftliche Vollmacht vorzulegen oder bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung nachzuweisen (§§ 80 I, 88 II). Über die Frist zur Vorlegung vgl. § 339 A. B I. Auf den Einspruch wird von gerichts wegen Termin angesetzt, in dem die Zulässigkeit des Einspruchs geprüft wird, a) und zwar ausschließlich vom AG, selbst wenn schon ein Antrag auf Verweisung an das LG gestellt worden ist (§ 697) und sonst ohne mündliche Verhandlung verwiesen werden dürfte (§ 697 II 1). a 1. Ist der Einspruch zulässig, so darf dies in den Gründen des Endurteils, aber auch schon durch Zwischenurteil (§ 303), das nur zusammen mit dem Endurteil anfechtbar ist (§§ 512, 548; K G OLG 40/365), ausgesprochen werden. Der Ausspruch ist in beiden Fällen zugleich mit dem Rechtsmittel gegen das Endurteil von gerichts wegen nachzuprüfen (§ 341 B). a 2. Ist ein Antrag auf Verweisung an das LG gestellt (vgl. § 697), so ist vor der Verweisung durch Zwischenurteil die Zulässigkeit des Einspruchs festzustellen (§ 700 I 3). An dieses
1455
§ 700 BI a 2
ZPO V I I . Buch
Zwischenurteil ist das LG gebunden (§ 700 I 4), also selbst, wenn es den Einspruch für unzulässig hält (OLG N J 51/519). b) Die Bindung des LG hindert nicht die Rechtsmittelinstanz, die Prozeßfortsetzungbedingung des Einspruchs von sich aus nachzuprüfen (§ 341 A). B II. Ist der Einspruch unzulässig, so wird er vom AG kontradiktorisch verworfen ( § 3 4 1 C H I ) . Gegen diese Entscheidung ist dann die Berufung (§§511folg.) gegeben (abgesehen von § 510c). a) Billigt das Berufunggericht die Entscheidung des AG, so wird die Berufung zurückgewiesen. b) Weicht es von ihr ab, so wird der Einspruch für zulässig erklärt und gleichzeitig der Streit an das LG als erste Instanz verwiesen, falls der gestellte Verweisungantrag berechtigt ist. b 1. Wird an das LG als erste Instanz verwiesen, so wird die auf die Berufung ergehende Entscheidung zum Zwischenurteil der ersten Instanz mit der Folge ihrer Überprüfbarkeit im daran schließenden Rechtsmittelverfahrcn über die Entscheidung des LG als erster Instanz. b 2. Wird aber an das AG zurückverwiesen, so bindet die Entscheidung des LG über die Zuläsaigkeit des Einspruchs nicht bloß das AG (§ 565 I I entsprechend), sondern auch das LG. B III. Bei zulässigem Einspruch wird a) das Verfahren nach § 342 in den vor Erlaß des Vollstreckungbefehls befindlichen Stand zurückversetzt (RG Gruch. 64/122), wobei die besonderen Prozeßbedingungen des Mahnverfahrens (§§ 688, 691, 692) gegenstandslos werden (RGZ 90/179). Das Zahlunggebot tritt an die Stelle des Klageantrages ( K G ZZP 55/152). Wird festgestellt, daß der Zahlungbefehl nicht zugestellt war, so ist die Zustellung u. U. auch vom LG nachzuholen (RG N § 693/7, vgl. aber §§ 187, 295). b) Kommt es danach zum Versäumnisverfahren, weil b 1. der Kläger nicht verhandelt, und ist der Einspruch zulässig, so darf der Beklagte Versäumnisurteil gegen ihn auf Aufhebung des Vollstreckungbefehls und Abweisung der Klage nehmen, aber auch Verweisung des Streits an das Landgericht beantragen (§ 697 I). b 2. Verhandelt der Beklagte nicht, so wird sein Einspruch nach § 345 verworfen mit der Maßgabe, daß er dann nur noch das Rechtsmittel der Berufung nach § 513 I I hat. Hatte inzwischen der Beklagte aber verhandelt und ist er dann säumig, so ergeht ein technisch erstes Versäumnisurteil gegen ihn. B IV. Wegen der Kosten gilt § 344 neben § 698.
§ 701
(641)
I Wird in dem Falle, wenn Widerspruch nicht erhoben ist, der ErlaB des Vollstreckungsbefehls nicht binnen einer sechsmonatigen Frist, die mit Ablauf der im Zahlungsbefehl bestimmten Frist beginnt, nachgesucht, so verliert der Zahlungsbefehl seine Kraft. Dasselbe gilt, wenn der Erlaß des Vollstreckungsbefehls rechtzeitig nachgesucht ist, das Gesuch aber zurückgewiesen wird. A. Der Zahlungbefehl verliert seine Kraft, wenn nicht innerhalb der Ausschlußfrist (§ 221 B I I b) von sechs Monaten ab Ablauf der Widerspruchfrist (§ 692) ohne die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233) der Erlaß des Vollstreckungbefehls beantragt wird; wenn der Antrag auf ErlaO des Vollstreckungbefehls endgültig zurückgewiesen wird. Über die Unterbrechung des Verfahrens und daß dadurch die Sechsmonatefrist des § 701 nicht beeinflußt wird, vgl. § 688 B I I c 1.
1456
Mahnverfahren
§ 702
(642)
I Das Gesuch um Erlaß eines Zahlungsbefehls oder eines Vollstreckungsbefehls sowie die Erhebung eines Widerspruchs werden der anderen Partei abschriftlich nicht mitgeteilt; im Falle ihrer mündlichen Anbringung ist die Aufnahme eines Protokolls nicht erforderlich. A. Der Prozeßantrag auf Erlaß des Zahlungbefehls (§ 690 I 4), der auf Erlaß des Vollstreckungbefehls (§699 I I ) , der unbegründete Widerspruch (§ 694 I), einschließlich der Anträge auf Terminanberaumung (§ 696 I) oder auf Verweisung an das Landgericht (§ 697 I) brauchen dem Gegner nicht abschriftlich mitgeteilt zu werden. Bei mündlicher Anbringung ist nicht einmal die Protokollierung vorgeschrieben, wohl aber die Aufnahme eines Aktenvermerks; Protokollierung ist aber angeordnet, wenn der Antrag des Gläubigers zurückgewiesen werden soll (AktenO § 12 I 4).
§ 703
(643)
I Des Nachweises einer Vollmacht bedarf es nicht, wenn für den Gläubiger der Erlaß eines Zahlungsbefehls nachgesucht oder für den Schuldner Widerspruch gegen einen Zahlungsbefehl erhoben wird. A. Für das Mahnverfahren einschließlich der in ihm zu stellenden Anträge (§§ 696 I, 697) braucht die Vollmacht entgegen § 88 II nicht nachgewiesen zu werden bis zur Einlegung des Widerspruchs und einschließlich dieser (§ 703). Wird ein Verweisungantrag nach Einlegung des Widerspruchs gestellt, so ist die Beibringung einer Vollmacht erforderlich (AG J W 10/689), und auch für die Einlegung des Einspruchs gilt dies (str.), wenn auch die Vollmacht nachgebracht werden darf, und zwar selbst noch nach Ablauf der Einspruchfrist (vgl. §§ 89, 340 A II b 1). Zum Antrag auf Erlaß des Vollstreckungbefehls ist ebenfalls die Beibringung der Vollmacht erforderlich (vgl. § 699).
§ 703 a ( - ) I Ist das Gesuch des Gläubigers auf den Erlaß eines Urkunden- oder eines Wechsel-Zahlungsbefehls gerichtet, so wird der Zahlungsbefehl als Urkunden- oder als Wechselzahlungsbefehl bezeichnet II
Für das Urkunden- und Wechsel-Mahnverfahren gelten folgende besonderen Vorschriften: 1. die Bezeichnung als Urkunden- oder als Wechsel-Zahlungsbefehl hat die Wirkung, daß die Streitsache, wenn rechtzeitig Widerspruch erhoben wird, als im Urkunden- oder im Wechselprozeß rechtshängig geworden anzusehen ist; 2. die Urkunden sollen in Urschrift oder in Abschrift dem Gesuch um Erlaß des Zahlungsbefehls beigefügt und in Abschrift mit dem Zahlungsbefehl zugestellt werden; 8. bei Erlaß des Zahlungsbefehls und des Vollstreckungsbefehls ist nicht zu prüfen, ob die gewählte Prozeßart statthaft ist; 4. beschränkt sich der Widerspruch auf den Antrag, dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten, so ist der Vollstreckungsbefehl unter diesem Vorbehalt zu erlassen. Auf das weitere Verfahren ist die Vorschrift des § 600 entsprechend anzuwenden; 5. die Ladungsfrist beträgt mindestens drei Tage; sie entspricht der Einlassungsfrist, wenn diese kürzer ist.
A I . Scheckzahlungbefehle sind wie Wechselzahlungbefehle zu behandeln (§605a). Weitere Prozeßbedingung dieses Verfahrens ist die Kennzeichnung des Zahlungbefehls als Urkunden-, Wechsel- oder Scheckzahlungbefehl (§ 703 a I). 92 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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§703a
AI
ZPO VII. Buch
a) Über den Übergan? von der einen in die andere Art vgl. § 688 C I I I . b) Die Statthaftigkeit des Urkunden- usw. -Verfahrens (§§592folg.) wird im Urkundenusw. -mahnverfahren nach § 703 a II 3 nicht nachgeprüft. b 1. Der Zwang der Urkundenvorlage nach § 593 II entspricht in etwa dem § 703 a II 2. Danach sollen die Urkunden in Urschrift oder in Abschrift schon dem Zahlungbefehlantrag beigefügt und in Abschrift dem Schuldner mit dem Zahlungbefehl zugestellt werden. Geschieht dies nicht, so darf deswegen der Antrag auf Erlaß des Urkunden- (usw.) -zahlungbefehls aber nicht zurückgewiesen werden (a. M. AG Rpfl. 52/248); wird dann Widerspruch eingelegt, so müssen die Urkunden nach §§ 593 II, 597 I I bis zum Verhandlungschluß beigebracht werden (§ 593 B II), sofern sich der Widerspruch nicht auf den bloßen Vorbehalt beschränkt (vgl. § 7 0 3 a l l 4). b 2. Wird der Erlaß des Vollstreckungbefehls beantragt und dabei festgestellt, daß von beigefügten Urkunden in Urschrift oder in Abschrift die Abschriften nicht zugestellt worden sind, so ist dies nachzuholen, bevor der Vollstreckungbefehl erlassen werden darf; doch darf der Antrag auf Erlaß des Vollstreckungbefehls nicht deshalb zurückgewiesen werden (LG J W 37/2230), wenn auch der Mangel zuvor behoben werden muß. Anders ist dies, wenn dem Zahlungbefehl gar keine Urkunden beigelegen haben, dann ist der Vollstreckungbefehl ohne weitere Prüfung zu erteilen. A II. Der Urkunden-(usw.)zahlungbefehl wirkt, wenn Widerspruch erhoben wird, so, daß das Verfahren im Urkunden(usw)-prozeß (u. U. mit rückwirkender Kraft entsprechend § 696 II) rechtshängig geworden ist (§ 703a I I 1). a) Doch darf auch der Widerspruch auf das ordentliche Verfahren beschränkt werden, sodann darf ein Vorbehaltvollstreckungbefehl erlassen werden, während das weitere Verfahren nach § 600 betrieben wird (§ 703a II 4). a 2. Gegen den Vorbehaltvollstreckungsbefehl ist der Einspruch nach § 700 zulässig. a 8. Unabhängig von dem Einspruchverfahren gegen den Vorbehaltvollstreckungbefehl wird auf Grund des Vorbehalts im Nachverfahren nach § 606 verhandelt, zu dem zu laden ist, ohne daß dies eine Partei beantragt haben müßte. b) Wird der Vollstreckungbefehl mangels Antrags oder aus sonstigen Gründen (vgl. § 699 II) nicht erlassen, so kann das Widerspruchverfahren nicht durchgeführt werden, weil es an dem Vorbehalttitel, den § 600 voraussetzt, fehlt. In diesem Falle muß die Frist des § 701 abgewartet werden. Ist bis zu ihrem Ablauf der Vollstreckungbefehl nicht beantragt worden, so tritt der Zahlungbefehl außer kraft. A m . Der Gläubiger darf vom Urkunden (nsw.)-mahnverfahren (§ 596) jederzeit abstehen, auch noch nach Einlegung des Widerspruchs bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, bevor Urkundenurteil (§ 596 A II b) bzw. Vollstreckungbefehl ergeht. B. Für Scheck- nnd Wechselmahnverfahren kommen die Verkürzung der Widerspruchfrist nach §§ 592, 604 II, 605a und für den Gerichtstand die §§ 603, 605a in betracht. Soll auf einen Widerspruch an das LG verwiesen werden, so gilt § 697, d. h. es darf auch nach § 697 I I ohne mündliche Verhandlung verwiesen werden; bei dem auf das Mahnverfahren beschränkten Widerspruch indes erst, wenn Vollstreckungbefehl unter Vorbehalt erteilt worden ist (vgl. § 703a A I I b ) .
1453
Allgemeine Vorschriften Achtes Buch
Zwangsvollstreckung Erster Abschnitt
Allgemeine Vorschriften
§ 704
(644)
I Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. II Urteile in Ehesachen und in Rechtsstreitigkeiten, welche die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern zum Gegenstand haben, dürfen nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. A II b 2. Das Vollstreckunggebiet ist grundsätzlich der Geltungbereich der ZPO (BRD, DDR, Westberlin); b 3. doch sind die Devisengesetze zu beachten; in Berlin gilt das G über die Vollstreckung von Entscheidungen auswärtiger Gerichte v. 26. 2.1953 (GVB1.152). c) Zeitlich kommt es auf die Geltung bei der Vornahme der Vollstreckung an (RG JW 99/325). B I a) Vollstreckungen gegen Gerichtsfreie richten sich nach GVG §§ 18, 20 (gegen sie ist die Vollstreckung in registrierte Grundstücke zulässig); ohne Einwilligung des fremden Staates ist eine Vollstreckung gegen sie grundsätzlich unzulässig (KG OLG 38/227). B II a) Die Zulässigkeit (im weiteren Sinn) der gerichtlichen Vollstreckung wird entsprechend GVG § 13 bestimmt, d. h. soweit keine anderweite verordnet ist, kommt die gerichtliche zum zuge (RGZ 55/61). b) Die Abgrenzung des gerichtlichen von dem verwaltungmäßigen Vollstreckungverfahren deckt sich nicht mit der der Erkenntnisverfahren. b 1. Der gerichtlichen Vollstreckung unterliegen in erster Linie die zivilprozessualen Titel. b 2. Unter die gerichtliche Vollstreckung gehören auch die aus den Nebengesetzen sich ergebenden Titel, die das Recht der Zivilprozeßordnung anwenden. b 3. Aus dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind einige Titel auf den Weg der gerichtlichen Vollstreckung verwiesen worden. b i. Das Strafverfahren verweist zum Teil in die gerichtliche Vollstreckung. b 5. Die aus der Sondergerichtsbarkeit stammenden Titel fallen unter die gerichtliche Vollstreckung. c) Auch das Verwaltungrecht verweist vielfach auf die gerichtliche Vollstreckung. B III. Soweit indes nach den außerzivilprozessualen Verfahrensnormen auf die des (zivilprozessual) gerichtlichen Vollstreckungverfahrens verwiesen worden ist, so sind damit noch nicht die Gerichte, die nach der ZPO berufen sind, zur Entscheidung zuständig, sondern u. U. andere Gerichte. a) Nur soweit diese Anordnung nicht getroffen ist, sind auch die nach der ZPO bzw. dem GVG berufenen ordentlichen Gerichte zuständig. c 2. Eine Umschreibung des Titels des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens in einen gewöhnlichen ist dann unzulässig, wenn der Titel nur dem Staat zusteht. So kann der, welcher eine Steuerforderung ablöst, nicht aus dem Titel klagen, aus dem der Staat vorgehen könnte. Dooh gibt es auch verwaltungrechtliche Titel, die umgeschrieben werden dürfen. B IV. Innerhalb der ordentlichen Gerichte wird die Zuständigkeit nach Organen (die funktionelle), wie die nach örtlich oder sachlich zuständigen Gerichten unterschieden. 93»
1459
§ 704 Biv
ZPO VIII. Buch
a) Handelt das Gericht an Stelle eines anderen Vollstreckungorgans, so ist die Handlung voll wirksam (a. M. Schönke Vorb. V 4 vor § 704 im Verhältnis zum GV), während umgekehrt, wenn ein anderes Vollstreckungorgan (etwa der GV) an Stelle des Gerichts handelt, dort, wo nur das Gericht handeln darf, die Handlung nichtig ist. Das entsprechende gilt bei Vorgriffen des Richters auf das Gebiet des Rechtspflegers, nicht aber für umgekehrte Übergriffe, die nichtig sind. Ebenso ist der rechtskräftige Vorgriff des Prozeßgerichts auf das Gebiet des Vollstreckunggerichts voll wirksam. Handelt der Amtsrichter (GVG §22d), so ist die Handlung wirksam, wenn auch der Amtsrichter in anderer Eigenschaft zum Handeln berufen ist. c) Die örtliche Unzuständigkeit eines Organs berührt dagegen die Wirksamkeit seiner Handlungen grundsätzlich nicht (KG JW 38/2685; a. M. RGZ 61/332); anders bei der Forderungspfändung nach h. M. (§ 828 C II b). B V. Die Partei- und die Prozeßfähigkeit wirken nur dort, wo jemand handeln muß. Die Parteien werden hier als Gläubiger (Inhaber der titulierten Forderung) und Schuldner (Leistungpflichtiger, aber auch Duldungpflichtiger, RG Gruch. 53/1055f.) bezeichnet. Wie im Erkenntnisverfahren dürfen die sich entgegenstehenden Parteien nicht identisch sein. Die Parteirollen werden auch nicht bei Gegenleistungen, die zu erbringen sind, gewechselt (RGZ 100/197). Die Parteien müssen in dem Titel oder der Klausel (bei der Umschreibung) namentlich gekennzeichnet sein (§ 750 I). a) Der Gläubiger muß prozeßfähig sein, wenn er seinen Antrag auf Vollstreckung stellt oder sonst handelnd eintreten soll; sein gesetzlicher Vertreter muß sich legitimieren. Soweit eine Gesamtperson im Erkenntnisverfahren prozeßfähig ist, ist sie es auch im Vollstreckungverfahren (auch der nicht rechtsfähige Verein). a 1. Trotz Verlustes der Parteifähigkeit wird die Vollstreckung, solange keine Handlung der Partei erforderlich ist, fortgesetzt. Wird sie erforderlich, so muß aber der Titel umgeschrieben und zugestellt werden, und zwar auch dann, wenn der Gläubiger durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten wird (trotz des § 86). Die außerprozessualen Wirkungen treten dagegen auch ohne die Umschreibung ein, sowohl die berechtigenden (Übergang des Pfandrechts) wie die verpflichtenden (Schadenersatz nach § 717 II, III; RGZ 76/195f.). a 2. Die mangelnde Prozeßfähigkeit wird nach § 246 (vom Konkurse abgesehen) überbrückt. Der Wechsel des gesetzlichen Vertreters fordert nur, daß der neue handelt und seine Legitimation nachweist. Bei dem Eintritt des Konkurses verlangt aber die Meinung, welche den Konkursverwalter in die Stellung der Partei kraft Amtes drängt, die Umschreibung des Titels (§ 727 B IV b 3). Eine Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens nach §§ 239—244, 246 gibt es jedenfalls nicht (OLG 4/153). b 1. Der Verlust der Parteifähigkeit des Schuldners schadet nicht mehr, nachdem die Vollstreckung begonnen hat (§ 779, § 704 F II), im übrigen muß der Schuldner aber mitwirken; und wo er mitwirken muß, muß er auch parteifähig und prozeßfähig sein, also wo von ihm Handlungen zu erzwingen sind oder wenn sich die Vollstreckung nach §§ 899 folg. gegen ihn persönlich richtet oder wenn ihm gegenüber eine Handlung vorzunehmen ist oder sein Gehör vorgeschrieben ist oder wenn er mit Erinnerung oder Beschwerde hervortritt (KG HRR 29/1398), aber auch schon bei der Zustellung. b 2. Die mangelnde Prozeßfähigkeit wird überbrückt (vom Fall des Konkurses abgesehen) durch den rechtmäßig bestellten Prozeßbevollmächtigten. Unterbrochen oder ausgesetzt wird dieses Verfahren-nicht. Der inländische Koniurs des Schuldners hindert die Konkursgläubiger (KO §3) zu vollstrecken (KO §14); eine begonnene Vollstreckung ist einzustellen. Hat der Gläubiger schon vor Konkurseröffnung ein Pfändungpfandrecht erworben, so ist er absonderungberechtigt (KO § 49 I 2; vgl. aber KO § 221), und die Vollstreckung wird durch die Konkurseröffnung grundsätzlich nicht mehr berührt (RG JW 98/507); nur im Zwangsversteigerungverfahren registrierter Sachen hat der Konkursverwalter das Recht, die einstweilige Einstellung nach ZVG § 30 c herbeizuführen. Völlig unberührt durch den Konkurs bleiben die Rechte der aussonderungberechtigten Gläubiger (KO §§ 43folg.). Das inländische Vergleichverfahren gegen den Schuldner wirkt ähnlich. Von der Vergleicheröifnung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Vergleichverfahrens dürfen Vergleichgläubiger (VglO § 25) und die dem Vergleichverfahren
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Allgemeine Vorschriften
§704
BVb2
nach VglO § 29 angeschlossenen nicht vollstrecken. Anhängige Vollstreckungverfahren dieser Gläubiger werden bis dahin einstweilen eingestellt (VglO § 48 I). Entsprechend wirkt die Beschlagnahme nach StPO §§290—294 (OLG Dresden 20/332). c) Die mangelnde Prozeßfähigkeit kann rückwirkend durch Genehmigung geheilt werden. d) Alle übrigen Personen sind im Vollstreckungverfahren dritte, selbst wenn der Titel gegen sie wirkt (RGZ 30/385). Doch kann ihnen u. U. der Titel dann entgegengehalten werden (§ 771 A I). Dritte sind aber auch die beschränkt haftenden Beteiligten, soweit ihr Vermögen, das über die Beschränkung hinausgeht, in anspruch genommen wird. e) Streitgenossenschaft ist möglich, auch die notwendige (bei der Forderungpfändung etwa, vgl. RGZ 68/22H.). f ) Vertritt ein Bevollmächtigter, so gelten die allgemeinen Regeln, auch bezüglich der Genehmigung nach § 89 (RGZ 64/217). Über den Nachweis der Vollmacht vgl. § 80 A I. B VI. Ist unter den Parteien rechtskräftig entschieden (etwa über die Unpfändbarkeit eines Radioapparates), so ist jede weitere andere Entscheidung darüber unzulässig. Ebenso steht dem Antrag auf Pfändung und Überweisung derselben Forderung wegen desselben Titels der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen. Dagegen wird nicht die weitere Pfändung gehindert, soweit nicht § 803 entgegensteht. §§ 264—266 gelten allerdings nicht (BayObLG NS 1/469). C I. Nicht jedes Erkenntnis ist unmittelbar durchsetzbar und nicht immer bedarf es zur Durchsetzung des Zwangs. Zu zwingen ist der Schuldner nur insoweit, wie er handeln oder unterlassen (dulden) soll. Dieses Verlangen muß im Tenor (§ 313 B V) des Erkenntnisses geformt worden sein, diese Formung nennt man die titulierte Forderung. a) Sie muß in sich verständlich sein, a 1. ausgelegt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (RG J W 35/2363), wollen sich Schuldner oder Gläubiger dagegen wenden, wie die Vollstreckungorgane ihn auslegen, so nach §§ 766, 793 (OLG 23/207). a 2. Der Inhalt des Titels muß bestimmt sein (OLG J W 38/1468). Bestimmbarkeit genügt nur, wenn sämtliche Voraussetzungen für die Bestimmung festgelegt worden sind. Über wertbeständige Schuldtitel vgl. EntlVO §§ 9folg., über die Wahlschuld vgl. § 803 B I f. a 3. Unbestimmtheiten dürfen im Vollstreckungverfahren grundsätzlich nicht aufgeklärt werden (vgl. aber § 887 D I c), sondern gehören in ein neues Erkenntnisverfahren (RGZ 147/27; LG N J W 56/1764: bei Angabe eines Bruttobetrages ohne nähere Spezifikation; dagegen OLG MDR 53/551). Zu unbestimmt war die Verurteilung zur Zahlung eines bestimmten Bruchteils des Einkommens (LGSaarR + StZ57/16), die zur Zahlung bestimmter unter Anrechnung nicht bestimmter Beträge (LArbG AP § 732/1), die Bezeichnung „Lagerkosten" (AG DGVZ 53/173). b) Trotz Bestimmtheit der titulierten Forderung darf nicht vollstreckt werden, wenn die Vollstreckung verboten ist (§ 888 II), aber auch nicht, wenn etwa nach Devisenrecht (RG H R R 36/296) oder wenn die Erfüllung unmöglich ist (RGZ 107/19). C II. Nicht vollstreckt werden Erkenntnisse, durch die schon rechtlich das vollzogen wird, was ausgesprochen worden ist, also a 1. bei Feststellungen (RG N § 704/1), positiver wie negativer Art (§§ 256, 280, 638, 640), wenn die Klage abgewiesen oder ein anderes Urteil nur aufgehoben wird (RGZ 32/421), a 2. ferner bei den gestaltenden Erkenntnissen (§ 253 C I b, RGZ 100/100). C III. An die Stelle der Klage (§§ 253folg.) tritt der Antrag des Gläubigers (RGZ 82/91). a) Er ist widerruflich. Ein Verzicht auf die titulierte Forderung darf ausgesprochen werden. C IV. Fehlt der vollstreckbare Titel, so ist die Vollstreckunghandlung nichtig, a) Geht der Titel verloren, so darf ihn der Gläubiger neu im Urkundenherstellungverfahren herstellen lassen; nur wenn dies nicht möglich ist, durch ein neues Erkenntnisverfahren
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§704
CITa
ZPO VIII. Buch
(§ 322 B II a). Hat der Gläubiger mehrere Titel auf denselben Anspruch, so wirkt jeder getrennt (RGZ 132/113); doch dar! der Schuldner nach § 767 die weiteren Titel bekämpfen (RGZ 112/297). Wird aus einem Titel mehrfach vollstreckt, so hilft u. U. § 766. b) Die Vollstreckbarkeit des Titels ergibt sich für das Vollstreckungorgan regelmäßig aus der Vollstreckungklausel. Ist sie erteilt, so darf das Vollstreckungorgan nicht die Rechtmäßigkeit ihrer Erteilung nachprüfen (KG HRR 31/463). b 1. Nicht erforderlich ist sie für den Kostenfestsetzungbeschluß, der auf eine vollstreckbare Urteilsausfertigung gesetzt wird, b 2. für Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen, sofern kein Gläubiger- oder Schuldnerwechsel eingetreten ist. b 3. Der Vollstreckungbefehl (§ 699 I 2) erhält keine weitere Vollstreckungklausel; es sei denn, daß er umgeschrieben werden muß (§ 796). c) Ist der Titel bedingt oder betagt, so muß sich dies aus dem Inhalt des Titels ergeben (RGZ 81/302). Vollstreckt werden darf dann erst nach dem Eintritt der Bedingung bzw. nach Fristablauf. Die Vollstreckungklausel wird hier erst, nachdem dieser Beweis geführt ist, erteilt, c 1. abgesehen von § 704 C IV d. c 2. Steht die Bedingung nicht zur Beweislast des Gläubigers, so wird auf die Bedingung keine Rücksicht genommen; deshalb wird bei der Verfallklausel die vollstreckbare Ausfertigung mit Vollstreckungklausel ohne Nachweis des Eintritts des Zahlungverzugs des Schuldners uneingeschränkt erteilt (RG HRR 38/1104), der Gläubiger braucht den Eintritt der Fälligkeit hier nicht einmal zu behaupten (KG J W 34/21634), die Zahlung muß der Schuldner beweisen (§ 767). d) Die Vollstreckungorgane prüfen bei Zug-um-Zug-Leistnngen, inwieweit in bezug auf die Gegenleistung vollstreckt werden darf; wegen der Gegenleistung kann aber nicht vollstreckt werden (RGZ 100/197); d 2. ferner wird geprüft die kalendermäßige Befristung d 8. die Sicherheitleistung, d 5. die Devisengenehmigung, d 6. die Reifefrist bei der Pfändung der Früchte auf dem Halm. C VI. Vollstreckungshindernisse ergibt § 755; zu ihnen gehören die vom Gläubiger bewilligte Einstellung der Vollstreckung; der Ablauf der Vollziehungfrist bei Arresten und einstweiligen Verfügungen; wie die in der Person des Schuldners gegebenen. C VII. Beschränkt wird die Vollstreckung dadurch, daß bestimmte Vermögensgegenstände des Schuldners dem Zugriff des Gläubigers entzogen sind (§§ 811foIg., 850, 851). Über das Verbot der Überpfändung vgl. § 803 F I. E I. Zwangsvollstreckung im engeren Sinne ist der staatliche Zwang gegenüber dem Schuldner, den titulierten Anspruch (§ 704 C I) zu erfüllen (RGZ 25/377). E l l e ) Regelmäßig ist die Vollstreckung Spezialexekution; doch gelten die Regeln auch im Konkurs- und Vergleichsverfahren ersatzweise, also für die Generalexekution. d) Eine Personalexekution (im Gegensatz zur Realexekution) gibt es nur zur Erzwingung unvertretbarer Handlungen und bei Zuwiderhandlungen gegen Duldung- und Unterlassungpflichten, sowie in der Form des persönlichen Sicherheitarrestes. Weitere, nicht totale Freiheitsbeschränkungen sind noch nach der Konkursordnung und der Vergleichsordnung zulässig. E V a 8. Eine notwendige mündliche Verhandlung gibt es nicht, sondern bloß die freigestellte (§§ 764 III, 128 G II), soweit nicht die Anhörung des Schuldners verboten ist (§ 834). Eine Aussetzung nach § 148 kommt nicht in betracht (a. M. OLG JMB1. NRW 54/129). Die Zustellungen werden von Gerichts wegen bewirkt, soweit es sich nicht um Urteil-(Titel-)zustellungen handelt. c) An Rechtsmitteln gibt es nur Beschwerde und sofortige Beschwerde, daneben noch eine Reihe weiterer Rechtsbehelfe, c 1. die Klagen im ordentliehen Verfahren (Kommentar § 704 E IV c),
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Allgemeine Vorschriften
§704 ET
c 2. die Erinnerung gegen die Art und Weise der Vollstreckung nach § 766, e 8. die einstweilige Anordnung auf Einstellung der Vollstreckung, d) Darüber, inwieweit es eine Wiederaufnahme des Verfahrens gibt, vgl. § 578 D III b 5. F. Soweit sich die Rechtsbehelfe im Vollstreckungverfahren bewegen, setzen sie Beginn und Ende der Vollstreckung voraus. F I. Noch nicht zum Beginn der Vollstreckung gehört ihre Vorbereitung, nämlich die Erteilung des Notfrist- und Rechtskraftattestes (§706), der Vollstreckungklausel (§724), der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§733); die Siehcrhcitleistung (§§ 710folg\), die Zustellung (§§750, 751), die Anzeige nach §§752, 882a I I ; die Einholung der Erlaubnis nach §761; auch der Antrag des Gläubigers (RGZ 53/82) und das Ersuchen nach §941. Die vorbereitenden Handlungen sind ohne Rücksicht auf die sonst für den Schuldner gegebenen Schutzvorschriften (vgl. § 750: Zustellung; §§ 751, 798: Fristablauf) durchführbar. a) Die sich daraus ergebenden Entscheidungen unterliegen nicht der sofortigen Beschwerde des § 793. b) Doch wird bezüglich der Kostenvorschrift des § 788 auch diese vorbereitende Tätigkeit einbezogen (RG Gruch. 38/501). F II. Der Beginn der Vollstreckung (§ 779 A II b) fällt mit der ersten Vollstreckungshandlung a) des GV zusammen; aber noch nicht mit der Mitteilung des Räumungtermins und noch nicht mit der Bestimmung des GV durch das Gericht nach § 882 a I 3; b) soweit die Gerichte berufen sind, mit dem Erlaß (§ 516 A I) der gerichtlichen Verfügung (vgl. aber § 704 F II a) oder des gerichtlichen Beschlusses; nicht erst mit der Zustellung der Verfügung oder des Beschlusses (RG Warn. 13/421). Wird ein Sachenherausgabeanspruch gepfändet (§ 846), so beginnt damit die Vollstreckung auch bezüglich der herauszugebenden Sache (OLG 15/162). Bei der Erzwingung von Unterlassungen genügt der Erlaß der Strafandrohung im besonderen Beschluß (§890; RGZ 42/419folg.; ergeht dieser nicht besonders, so beginnt die Vollstreckung mit dem Erlaß des Straffestsetzungbeschlusses); im Offenbarungeidverfahren beginnt die Vollstreckung mit dem Erlaß der Terminbestimmung (a. M. SydowBusch Vorb. 9 vor § 704: mit dem Antrag des Gläubigers). b 2. Soweit das Grundbuchamt tätig wird, beginnt die Vollstreckung mit der Eintragung (die Anordnung der Eintragung, worauf es RGZ 28/287 abstellte, oder den Eingang des Antrags: RGZ 26/395, sollte man nicht mehr entscheiden lassen). c) Bei der Vorpfändung (§ 845) beginnt die Vollstreckung erst mit ihrer ersten Zustellung (KG OLG 19/8). F III. Beendet wird die Vollstreckung erst mit der Befriedigung des Gläubigers (wird auf Grund eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung gepfändet und erst nach dem Urteil der Hauptsache verwertet, so stellt sich das gesamte Verfahren als Einheit dar, RGZ 41/393). b) Die Vollstreckung endet auch, wenn die Zwangsmaßnahme im einzelnen ihr Ende erreicht hat, also auch, wenn sie ergebnislos war (RGZ 31/412), b 1. mit der Aufhebung nach § 776, dem Verzicht des Gläubigers auf den hinterlegten Erlös (§ 843), der Entscheidung, welche die Vollstreckung für unzulässig erklärt. b 2. Dagegen wird die Vollstreckung grundsätzlich nicht beendet bei einstweiliger Einstellung, selbst wenn dadurch einzelne Vollstreckungmaßregeln gegen oder ohne Sicherheitleistungen aufgehoben werden (RG Gruch. 41/1186); doch gilt im Versteigerungverfahren nach ZVG die erneute (also zweite) Bewilligung der Einstellung als Rücknahme (ZVG § 30), und wird sonst der Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten erneuert, so wird ebenfalls das Verfahren aufgehoben (ZVG § 31). b 3. Der Untergang des Pfandrechts beendet die Vollstreckung nicht (OLG 21/105f.). b 4. Durch die Empfangnahme des Erlöses oder die Wegnahme von Geld durch den GV (§§ 815 III, 819) wird sie noch nicht beendet, sondern erst mit der Ablieferung an den Gläubiger (RGZ 80/189).
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§704 f m
ZPO VIII. Buch
b 5. Doch beendet die Vollstreckung der Zuschlag an den Gläubiger, sofern er nach §817 II nicht bar zu zahlen braucht. Bei freihändigem Verkauf an den Gläubiger (§§817a III 2, 825) wird in einem solchen Falle noch die Besitzübertragung erforderlich werden; nur wo dies nicht der Fall ist, tritt das Ende der Vollstreckung mit dem rechtskräftigen Beschluß ein (§ 825 E III b 1). Wird ein Urteil auf Herausgabe einer Sache vollstreckt (§§ 883folg.), so endet die Vollstreckung (trotz des § 897 I) mit der Ablieferung der Sache an den Gläubiger, im Fall des § 885 mit der Einweisung des Gläubigers in den Besitz (RG JW 99/164), im Fall des § 886 wie bei Überweisung von Forderungen (§ 704 F III b 5). Nicht beendet wird die Vollstreckung durch die Herausgabe der Sache nach § 847, sondern erst mit der Verwertung (§ 847 II). b 6. Bei der Forderungpfändung und Überweisung endet die Vollstreckung mit der Überweisung an zahlung statt; nicht aber mit der zur Einziehung, sondern hier erst mit der Befriedigung des Drittschuldners an den Gläubiger (OLG 26/370); die Einziehung gehört also noch zur Vollstreckung (RG Warn. 13/421). Mit der Hinterlegung durch den Drittschuldner endet die Vollstreckung nicht (RGZ 67/310). b 1. Die Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen endet mit der Vollziehung der angeordneten Zwangsmaßnahme. b 8. Bei der Offenbarungeidleistung tritt das Ende mit der Ableistung des Eides oder der Haftentlassung (OLG 10/395) ein. So lange die Haftanordnung nicht vollstreckt und noch vollstreckbar ist bzw. auf ihre Vollstreckung nicht verzichtet worden ist, ist die Vollstreckung nicht beendet. b 9. Das Verteilungverfahren endet mit der Auszahlung und Durchführung des Teilungplanes (§§ 872folg., ZVG § 130). Die Eintragung einer Sieherunghypothek beendet das Vollstreckungverfahren nicht (KG JW 32/25501). Das Verfahren der Zwangversteigerung und Zwangvollstreckung in unbewegliches Vermögen und registrierte Schiffe endet mit der Rechtskraft des Aufhebungbeschlusses. F IV. Nicht mehr zur Vollstreckung gehört die Aushändigung des Titels nach Befriedigung an den Schuldner, der Löschungantrag bzw. Eintragungantrag nach ZVG §§ 34,130, aber auch die Anordnung der Rückgabe, einer Sicherheit nach. § 7IS. E l l a ) Schuldnerschutzbestimmungen allgemeiner Art finden sich in der KO (§14); b) in der VglO §§ 46—48, c) im VHG §§ 6, 12—13, d) im LAG §§ 361—363. e) Eine vorübergehende Bedeutung hatte ferner noch die Vertragshilfe nach dem BVFG §§ 82—89, f ) die nach HeimkehrerG § 26 (vgl. dazu ReehtspflegerG § 19 II d), g) die nach AG Londoner Schuldenabkommen §§ 13—30. h) Das Gesetz über Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs von Bahnunternehmen des öffentlichen Verkehrs v. 7. 3. 1934 (RGBl. II 91) §§ 3, 4 und das G v. 3. 5. 1886 (RGBl. 131) lassen Eisenbahnfahrbetriebsmittel unpfändbar bzw. lassen die Pfändung nur mit Zustimmung der Aufsichtbehörde zu. i 8. Für registrierte Binnenschiffe gelten noch die Bestimmungen des Gesetzes über Vollstreckungschutz für die Binnenschiffahrt v. 24. 5.1933 (RGBl. I 289, 365) i. F. des G v. 27. 3.1934 (RGBl. I 251) und v. 30.10.1934 (RGBl. 11082) §§ 13—18, die der MaßnahmenVO §§ 1—4, 23 entsprechen, die aber für den Bereich der gerichtlichen Zwangsvollstreckung aufgehoben und in die ZPO überführt worden sind. i 4. Noch in Kraft ist das G über die Pfändung von Miet- und Pachtzinsforderungen wegen Ansprüche aus öffentlichen Grundstückslasten v. 9. 3.1934 (RGBl. 1181). i 5. Die VO über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung ist aufgehoben bis auf § 12 für die gerichtliche Vollstreckung. Der § 12 der VO ist aufgehoben bis auf das Verhältnis des Mieters zur Konkursmasse nach KO § 21.
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Allgemeine Vorschriften
§704 H n
i 6. Nach WohnraumbewirtschaftungG §§ 30,31 besteht Vollstreckungschutz (§ 885 A I a). i 7. GeschäftsraummietenG §§ 7folg, gewährt einen weiteren Vollstreckungschutz (§ 721 A III c). H III. Mit der Vollstreckung befassen sich ferner a) Truppen vertrag Art. 10, b) das Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt v. 7.12. 1944 (BGBl. 56 II 412) Art. 27. c) Von Vollstreckungen gegen Rechtsanwälte und Notare usw. ist den aufsichtführenden Behörden Mitteilung zu machen (§ 253 F II b 3). J. § 704 I läßt die Vollstreckung ans Endurteilen (§ 300), die rechtskräftig (§ 705 A) oder für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind, zu, soweit sie vollstreckbare Titel (§ 704 C IV) und erfüllbar sind (§ 704 C I b). Getroffen werden die inländischen (§ 704 A II b 2) Urteile, die ausländischen (§ 328 B I) nur nach Vollstreckbarerklärung nach §§ 722, 723, die der Sondergerichte, im besonderen der Rhein- und Moselschiffahrtgerichte (GVG § 14 B III c) und der Arbeitgerichte, wie die der landesrechtlich bestellten Gemeindegerichte (GVG § 14). 1 1 a) Trotz Rechtskraft sind nicht vollstreckbar die Zwischenurteile nach §§ 275, 304, die einem Vorbehalturteil (§§ 302, 599) nachfolgenden rechtskräftigen Urteile, so lange noch nicht das Vorbehaltsurteil selbst rechtskräftig geworden ist. Die Sachurteile, welche nach § 275 II folgen oder über den Betrag erkennen (§ 304 II), sind dagegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Werden sodann die Zwischenurteile aufgehoben, so verlieren sie selbst dann ihre Kraft, wenn sie inzwischen rechtskräftig geworden sind. Auch sind die Urteile des Nachverfahrens nach §§ 302 IV, 600 für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Weisen sie ab, so vernichten sie damit auch die Wirkung der Vorbehalturteile, selbst wenn diese rechtskräftig waren, u. U. nur vorläufig. J II. Vorläufig vollstreckbar heißt, vor Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar, a) soweit ein vollstreckungfälliger Inhalt vorhanden ist. a 1. Doch ist eine vorläufige Vollstreckbarerklärung wegen der sonstigen Wirkungen des Titels grundsätzlich auch in diesem Falle erforderlich und angebracht (RGZ 99/136). a 2. Die Wirkung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils auf Abgabe einer Willenserklärung ist in § 895 geregelt. a 3. Dies gilt auch für Vorbehalturteile (§§ 302, 599; RGZ 49/162). a 4. Der Regelfall, der von der Vollstreckbarkcitcrklärung getroffen wird, ist das sonstige Leistungurteil. b) Ohne Erklärung sind aber vorläufig vollstreckbar die kraft Gesetzes dafür erklärten Titel, b 1. Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen, die sie anerkennenden oder bestätigenden (Beschlüsse und) Urteile und die arbeitgerichtlichen Urteile (ArbGG § 62 I, 64 III). b 2. Ohne die vorläufige Vollstreckbarkeiterklärung wirkt auch das nur ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufhebende oder abweisende Urteil, auch wenn es nur die vorläufige Vollstreckbarkeiterklärung selbst aufhebt oder abändert (§ 717 I). J III. Nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären sind Urteile in Ehe- (§ 606b B I) und in Kindschaftstreiten (§ 640).
§ 705
(645)
I Die Rechtskraft der Urteile tritt vor Ablauf der für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels oder des zulässigen Einspruchs bestimmten Frist nicht ein. Der Eintritt der Rechtskraft wird durch, rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels oder des Einspruchs gehemmt. A. Der Eintritt der formellen Rechtskraft ist nur auf das Prozeßverhältnis (§38 B III) und seine formale Beendigung im Verhältnis der Beteiligten zueinander bestimmt worden.
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§705
ZPO V I I I . Buch
A I. Im Zweieinzelparteienstreit kann zugleich mit der formellen Rechtskraft die (außerprozessuale) Rechtskraftwirkung (§ 322 A I b), die sog. materielle Rechtskraft, eintreten. Doch brauchen sich beide Wirkungen nicht zu decken. a) In den Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 A I a) kann die formelle Rechtskraft gegen den einzelnen Streitgenossen eintreten, obwohl die materielle nicht gegeben ist, weil noch die anderen überwunden werden müssen; umgekehrt kann aber auch gegen einen einzelnen Streitgenossen (§ 62 A I b) die materielle Rechtskraftwirkung eingetreten sein, ohne daß das Urteil schon gegen ihn formell rechtskräftig zu sein braucht. A II. Die Norm des § 705 knüpft daran an, daß die Frist zur Einlegung eines zulässigen Rechtsbehelfs verstrichen ist. a) Dies gilt für Urteile wie für Beschlüsse (KG J R 52/154), b) bezüglich der Rechtsmittel (§§ 511folg.), des Einspruchs (§ 338), der sofortigen (befristeten) Erinnerung (§§104 1112, 577 I I ; RechtBpflegerG §10 12), des sofortigen Widerspruchs (§§ 1042c, 1042 d). A III a) Außerordentliche Rechtsbehelfe stehen grundsätzlich jenseits der formellen Rechtskraft, a 1. also im besonderen die Klagen gegen rechtskräftige Entscheidungen (§§ 578folg., 664, 684, 957; 323, 324; 675, 685; 927). a 2. das zulässige Nachverfahren (§§ 275 II, 302 IV, 600) bezüglich des Eintritts der formellen Rechtskraft des Vorbehalturteils, a 3. die Wiedereinsetzungmöglichkeit (§ 233folg.) und a 4. die Verfassungbeschwerden (BVGG § 90). b) Doch gibt es auch bei diesen Rechtsbehelfen schon Einwirkungen, wie sie sonst nur bei vorläufigen (formell noch nicht rechtskräftigen) Entscheidungen zu finden sind. b 1. Über das Entmündigungsverfahren vgl. § 672 I 3. b 2. Die einstweilige Einstellung der Vollstreckung wird zugelassen, wenn die Wiederaufnahmeklage erhoben worden ist (§ 707; vgl. über die entsprechende Anwendung der Vorschrift im zulässigen Nachverfahren § 707 A l l e l , 2). b 3. Auch wird gewohnheitrechtlich, sobald der Wiedereinsetzungantrag gestellt ist, kein Rechtskraft- oder Notfristattest (§ 706) mehr erteilt. c) Wendet sich die Klage gegen ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren, so wird die Entscheidung im Klageverfahren selbst erst rechtskräftig nach § 705, gleichviel, ob es dazu f ü h r t , die erste Rechtskraft zu beseitigen oder nicht. B. Unterscheidet man (mit der zu § 705 A erläuterten Maßgabe) zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen, so darf die Norm des § 705 dahin gefaßt werden, daß eine Entscheidung formell rechtskräftig ist, wenn gegen sie kein ordentlicher Rechtsbehelf mehr s t a t t h a f t (§ 511 B II) bzw. der an sieh s t a t t h a f t e infolge Fristversäumung nicht mehr zulässig ist. B I. Doch können auch die mit nichtbefristeten Rechtsbehelfen angreifbaren Entscheidungen endgültig (rechtskräftig) werden, ohne daß diese Möglichkeit ausgenutzt wurde, etwa bei der einfachen Beschwerde; im Vollstreckungverfahren durch Beginn und Ende des Verfahrens (§ 704 F), etwa bei der Erinnerung nach § 766. B II. Der Rechtsbehelf muß an sich statthaft sein (§ 511 B II). Auf die weitere Zulässigkeit (§ 511 B I a 2) kommt es dagegen nicht an, so daß selbst dann, wenn der an sich s t a t t h a f t e Rechtsbehelf unzulässig ist, die angegriffene Entscheidung erst mit der Verwerfung rechtskräftig wird (BGH N J W 52/425) bzw., wenn kein Rechtsbehelf eingelegt wird, mit dem Fristablauf (BGH a. a. O.). B III. Formell rechtskräftig sind a) die Entscheidungen der Revisiongerichte, die keine ersten Versäumnisurteile sind, mit der Verkündung (RG N § 705/2) bzw. bei Urteilen im schriftlichen Verfahren mit der Zustellung
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Allgemeine Vorschriften
§ 705 B m a
der Urteilsformel (§ 310 II) an einen Beteiligten, sonstige Entscheidungen im schriftlichen Verfahren mit ihrem Erlaß (§ 516 A I); das zweite Versäumnisurteil, durch das der Einspruch als unzulässig verworfen wird (§ 345), steht dem kontradiktorischen Endurteil gleich; b) die oberlandesgerichtliehen b 1. Beschlüsse und Verfügungen, soweit sie nicht nach §§ 519 b II, 548 angreifbar sind, mit ihrem Erlaß (§ 516 A I); b 2. Nichtversäumnisurteile in Arrest- und einstweiligen Verfügungsachen (§§ 545 II, 547 II), die reinen Kostenurteile, die nicht Schlußurteil sind. Dagegen sind anfechtbar die Versäumnisurteile und alle übrigen Urteile mit Rücksicht auf die Anfechtbarkeit nach § 54711 (RGZ 70/431), auch in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten bei Nichtzulassung der Revision (BGH NJW 52/425). c) An landgerichtlichen Entscheidungen werden rechtskräftig c 1. die landgerichtlichen Armenrechtentscheidungen, die in der zweiten Instanz erlassen werden (§ 127 B I); die Beschwerdeentscheidungen des LG in Prozeßkostensachen (§ 568 III); die Beschlüsse, durch welche die Berufung als unzulässig verworfen wird (§ 519b), sowie alle das Berufungverfahxen selbst betreffenden Beschlüsse (im besonderen die Streitwertfestsetzungbeschlüsse) oder die ein sonstiges Beschwerdeverfahren betreffenden, denen keine weitere Beschwerde folgen kann; c 2. die landgerichtlichen kontradiktorischen Berufungurteile; c 3. die landesarbeitgerichtlichen Beschlüsse und Verfügungen, soweit sie nicht nach §§ 519b II, 548 (ArbGG §§ 72, 77) angreifbar sind; sowie die kontradiktorischen Urteile in Arrest- und einstweiligen Verfügungsachen (ArbGG §72 II); nicht aber die Urteile, wo der festgesetzte Streitwert nicht ihre Revisibilität ergibt, sofern die Revision nicht zugelassen worden ist, und zwar mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Divergenzrevision (Kommentar § 511 D II a 2). Dasselbe gilt im arbeitgerichtlichen Beschlußverfahren nach ArbGG §§ 80 folg., weil auch hier die Divergenzrechtsbeschwerde zulässig ist (ArbGG § 92 I); abgesehen von] den Fällen des ArbGG §§ 98 (II 3), 99 (I 2), 100 (I 2). d) Von amtsgerichtlichen Entscheidungen sind rechtskräftig d 1. Beschlüsse, soweit sie schlechthin unanfechtbar sind (vgl. §§ 276, 512 B III) und Schiedsurteile nach § 510 c; d 2. arbeitgerichtliche Urteile, soweit die festgesetzte Berufungsumme nicht erreicht, und die Berufung nicht zugelassen ist (ArbGG § 64). B IV. War ein befristeter Rechtsbehelf zulässig, so tritt die Rechtskraft mit ungenütztem Ablauf der Frist ein (vgl. über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 705 B IV d 2). a) Wird der Einspruch verworfen (§§ 345, 238 II 2), so tritt die Rechtskraft erst mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist ein, soweit die Rechtsmittelmöglichkeit reicht (§§ 513 II, 566). a 1. Wird ein Rechtsmittel (§511 A) eingelegt, so wird der Eintritt der Rechtskraft i n bezug auf die gesamte Entscheidung, also auch soweit sie nicht angegriffen worden ist, gehemmt (BGH NJW 52/1295 = J R 52/367). a 2. Für den beschwerten Gegner des Rechtsmitteklägers wird die Rechtskraft gehemmt, so lange er sich anschließen darf. Wird die Berufunginstanz beendet, so ist eine Anschließung an die Berufung zwar nicht mehr zulässig (RGZ 56/31folg.), so lange aber noch die Möglichkeit der Aufhebung des Berufungurteils durch das Revisiongericht und die der Zurückverweisung besteht, wird auch der nicht angegriffene Teil nicht rechtskräftig (§ 511 A I a); dies gilt auch bei der sofortigen Beschwerde, wenn man die Anschlußbeschwerde zuläßt (§ 567 A II a 7; a. M. KG J R 52/174). Anders ist es bei der Anschlußrevision, die befristet ist (§ 556 I); nach Fristablauf wird hier das Urteil rechtskräftig, soweit es nicht dem Vorgriff der Rechtsmittelinstanz ausgesetzt ist. a 8. Im Gegensatz zu den Rechtsmitteln verträgt der Einspruch keine spätere Erweiterung. b) Vor Ablauf der Recbtsbehclfsfrist tritt die Rechtskraft bei beiderseitigem Rechtsmittelverzieht (BGH FamRZ 54/108) mit der Abgabe der letzten Erklärung ein. Den einseitigen
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§ 7 0 5 B IV b
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Rechtsmittelverzicht des Nurbeschwerten ließ RG J W 96/692 zum Eintritt der Rechtskraft genügen; dies gilt aber nicht in Ehe- und Kindschaftstreiten, wenn der Gegner die Aufrechterhaltung der Ehe bzw. des Kindschaftverhältnisses durch ein Rechtsmittel gegen sich herstellen könnte (BGH FamRZ 54/108). Bei teilweisem Rechtsmittelverzicht t r i t t die Rechtskraft nur ein, soweit nicht noch die Anschließung zulässig ist (vgl. § 522 A I b). c) Nach Ablauf der Frist wird das Erkenntnis formell rechtskräftig, sofern kein an sich statthafter Rechtsbehelf eingelegt war. c 1. Wird nach Ablauf der Frist das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, so steht die Rechtskraft der Entscheidung mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist fest, sofern es mangels Beachtung der Frist verworfen wurde (RG D R 43 A 619). Im übrigen tritt die Rechtskraft der Entscheidung bei einem an sich statthaften und rechtzeitig eingelegten, aber sonst unzulässigen Rechtsbehelf jedenfalls nicht früher ein als in dem Zeitpunkt, wo der Unzulässigkeitgrund eintrat. Wird deshalb die Erwachsenheitsumme nicht erreicht bzw. war das Rechtsmittel nicht zugelassen, so t r i t t sie mit dem Ablauf der Begründungfrist ein, wenn die Revision an sich mit der Unzulässigkeit des Rechtsmittels hätte begründet werden können; fehlte indessen dann die Beschwer, so wirkt der Eintritt der Rechtskraft nach RGZ 13/355 schon auf den Erlaß des Urteils der Vorinstanz (§ 516 A I) zurück. Da indes nach § 705 der Fristablauf in jedem Falle abzuwarten ist, sollte man den Eintritt der Rechtskraft in diesem Zeitpunkt gelten lassen. Wird nur eine Anschlußberufung verworfen, so bleibt ihre Erneuerung noch bis zum Ende der Berufunginstanz zulässig, desgleichen wenn die Berufunginstanz eine Erweiterung verwirft und in dem Fall der zulässigen Vorgriffe (§ 536 B). Wird ein Vergleich in der Rechtsmittelinstanz geschlossen, so wird damit das Rechtsmittel noch nicht unzulässig (OLG 19/8H). c 2. Die Rücknahme des Rechtsbehelfs nach Fristablauf stellt die Rechtskraft des Erkenntnisses im Zeitpunkt des Eingangs der Rücknahmeerklärung her (KG JZ 52/424); nur bei der Teilrücknahme, der die spätere Erweiterung nicht entgegensteht, tritt überhaupt noch keine Rechtskraft ein (RG J R 26 B 1311). War indes der Rechtsbehelf schon aus anderen Gründen unzulässig, so vgl. § 705 B IV c 1. d I. Der Fristablauf wird unterbrochen bei Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens (§ 249 B; RGZ 62/26). d 2. Wird nach Fristablauf die Wiedereinsetzung gewährt, so wird die Rechtskraft rückwirkend beseitigt (KG OLG 42/43), was aber auch bei der erfolgreichen Wiederaufnahmeklage der Fall ist.
§ 706
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I Zeugnisse über die Rechtskraft der Urteile sind auf Grund der Prozeßakten von der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges und, solange der Rechtsstreit in einem höheren Rechtszuge anhängig ist, von der Geschäftsstelle des Gerichts dieses R«chtszuges zu erteilen. I I Insoweit die Erteilung des Zeugnisses davon abhängt, daß gegen das Urteil ein Rechtsmittel nicht eingelegt ist, genügt ein Zeugnis der Geschäftsstelle des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts, daß bis zum Ablauf der Notfrist eine Rechtsmittelschrift nicht eingereicht sei. Eines Zeugnisses der Geschäftsstelle des Revisionsgerichts, daß eine Revisionsschrift nach § 566 a nicht eingereicht sei, bedarf es nicht. A l a ) Das Rechtskraftattest ist auch dort zu erteilen, wo keine Vollstreckungklausel erteilt wird (§ 704 C IV b). a 1. Soweit die Erteilung der Vollstreckungklausel von dem Eintritt der Rechtskraft abhängt, wird das Rechtskraftattest durch die Vollstreckungklausel ersetzt (vgl. BayObLG Seuff. 58/23). a 2. Über den Ersatz des Notfristattestes durch das Rechtskraftattest vgl. § 706 D I I I b. b) Im ordentlichen Verfahren darf der E i n t r i t t der Rechtskraft regelmäßig mit allen Beweismitteln nachgewiesen werden (RGZ 46/75). Dies kann durch das Rechtskraftattest, dessen
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Unrichtigkeit allerdings auf dem Wege des Gegenbeweises nach § 418 I I nachgewiesen werden darf (RGZ 46/360), geschehen. b 1. Die Beweislast hat die Partei, welche behauptet, daß entgegen der Erteilung des Rechtskraftattestes die Entscheidung nicht rechtskräftig geworden ist (BGH LM § 706/1). A II. Das Zeugnis wird erteilt, ohne daß ein Bedürfnis dafür nachzuweisen ist (RGZ 30/336) und auch wenn die Vollstreckungklausel erst auf Grund der Rechtskraft erteilt werden darf. B I. Erteilt werden das Rechtskraft- (wie das Notfrist-)attest auf Grund eines Antrages einer jeden Partei des Rechtstreits, auch der (unselbständigen) Streitgehilfen, und es darf keiner Partei die Erteilung verweigert werden mit der Begründung, daß es schon einer anderen Partei erteilt worden ist. B II. Der Antrag ist vom Anwaltzwang frei und schriftlich zu stellen. B III. Erteilt wird das Reehtskraftzeugnis „auf Grund der Prozeßakten" (von dem Urkundsbeamten [GVG § 153 I] der Geschäftstelle des Prozeßgerichts, gleichviel welcher Instanz), wo sich z. Z. des Eingangs des Antrags die Akten befinden. a) Grundsätzlich erteilt danach also das Prozeßgericht der ersten Instanz das Rechtskraftattest; bei geänderter Zuständigkeit das an seine Stelle getretene. b) Befinden sich die Akten nicht in der Geschäftstelle des Gerichts der ersten Instanz, so darf diese das Rechtskraftattest nicht erteilen, weil sie dies nur auf Grund der Akten tun darf. Sind die Akten dann bei einem im Instanzenzug vorgesetzten Gericht, so darf die Geschäftsteile dieses Gerichts das Rechtskraftattest auf Grund der ihm vorliegenden Akten erteilen (a. M. BGH~v. 26.1. 1956 VI ZA 106/55, wenn die Akten nur wegen eines Armenreehtgesuches von der höheren Instanz herangezogen worden sind). b 1. Die Zuständigkeit der Geschäftstelle der höheren Instanz dauert so lange an, wie sich die Akten dort befinden, also möglicherweise bis die Instanz vollständig erschöpft ist (RG Gruch. 54/1155) etwa, wenn noch ein Berichtigungverfahren (§§ 319,320) in der Rechtsmittelinstanz schwebt (KG ZZP ll/104f.) oder ein Ergänzungverfahren nach § 321. b 2. Darüber hinaus sollte man es auch genügen lassen, wenn die Akten, gleichviel aus welchem Grunde, wieder in die höhere Instanz gelangt sind. b 3. Andererseits ist nach Bücksendung der Akten die Geschäftstelle der Rechtsmittelinstanz auch dann nicht mehr zuständig, wenn die höhere Instanz erstmalig den Titel erlassen hatte. Ist bei der Wiederaufnahmeklage sofort ein höheres Gericht angegangen worden (vgl. § 584 B), so ist auch für die Erteilung des Rechtskraftattestes für das Wiederaufnahmeurteil das Prozeßgericht der ersten Instanz zuständig, bei dem das Erstverfahren anhängig war, sofern sich dort die Akten befinden. c) Nicht zuständig ist ein sonstiges Gericht, bei dem sich (zufällig) die Akten befinden, sofern es nicht als Prozeßgericht hätte zuständig werden können. C I. Erteilt wird das Rechtskraftattest auf Grund der Prozeßakten. Sind die Akten verloren gegangen, können aber die Entscheidungen nach der VO v. 18. 6.1942 wieder hergestellt werden, so ist auch das Rechtskraftattest zu erteilen. C II. Auch sind die Prozeßakten nicht alleiniges Beweismittel für den Eintritt der Rechtskraft. Soweit die Prozeßakten dazu nicht ausreichen, h a t der Antragsteller den vollen Beweis zu führen, wobei alle Beweismittel grundsätzlich zulässig sind (RG Gruch. 47/1184f.). a) Dabei wird der Beweis des Ablaufs der Notfrist ab Zustellung durch Vorlage der Zustellungurkunde zu führen sein, sofern nicht inzwischen sechs Monate (bei sofortiger Beschwerde fünf Monate und 2 Wochen, sofern man bei ihr die Fünf-Monatefrist gelten läßt, vgl. § 577 B II d) vergangen sind. Die Heilung der Zustellung nach § 187 kann nicht eintreten (§ 187 I 2); die nach § 295 ebenfalls nicht. Erklärte Rechtsmittelverzichte und Rechtsmittelrücknahmen müssen aus den Akten ersichtlich sein. Sind sie nach Einlegung eines Rechtsmittels abgegeben, so wird der Nachweis durch den Verlustigkeitbeschluß zu führen sein (vgl. RG Gruch. 51/1073). Doch wird man auch ohne diesen Beschluß das Rechtskraftattest erteilen dürfen und sogar müssen, wenn der Rechtsmittelverzicht vor Einlegung des Rechtsmittels abgegeben worden ist.
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§706 c n
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b) Steht der Beginn der Notfrist fest, und kann der unbenutzte Ablauf von der Geschäftstelle, die das Rechtskraftzeugnis erteilen soll, übersehen werden, so ist es zu erteilen, ohne daß die Beibringung eines Notfristattestes verlangt werden darf, also wenn gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel mehr an sich statthaft (§ 705 B II) ist oder es um die Rechtskraft eines ersten Versäumnisurteils geht (RGZ 66/205). Während umgekehrt, wenn sich die Akten in der höheren Instanz befinden und diese deshalb angegangen wird, die Rechtskraft eines ersten Versäumnisurteils der unteren Instanz zu bescheinigen, das Notfristattest erforderlich wird. b 1. Hat der Antragsteller noch einen Beweis zu erbringen, so hat ihn die Geschäftstelle darauf hinzuweisen (§ 139). Doch muß sie es ihm überlassen, auf welche Weise er den Beweis führen will; läßt er sich durch die Beibringung eines Notfristattestes führen, so darf er allerdings auch darauf verwiesen werden. Für die Beweisführung gilt § 286. Erbringt er den Nachweis nicht, so muß der Antrag zurückgewiesen werden. c) Ist eine Rechtsbehelfschrift (Einspruch) oder eine Rechtsmittelschrift innerhalb der richtigen Frist eingegangen, so darf das Rechtskraftattest nicht erteilt werden, bevor nicht über diese Schrift rechtskräftig entschieden ist (RG JW 05/400). Ist allerdings die Rechtsbehelfschrift erst nach Ablauf der Notfrist eingereicht worden, so ist das Urteil selbst dann rechtskräftig, wenn die Wiedereinsetzung erbeten wurde. Hier sollte deshalb — wie § 707 zeigt — nach dem Standpunkt der Prozeßordnung das Rechtskraftattest nicht verweigert werden (OLG Seuff. 50/293); doch ist dies mißlich, wenn die Wiedereinsetzung bewilligt wird. Die Praxis erteilt es deshalb vielfach dann nicht und schon nicht, solange noch ein Armenrechtverfahren in der Rechtsmittelinstanz schwebt, das zur Wiedereinsetzung führen könnte (vgl. § 233 C I b). In den Fällen, wo nur eine Wiederaufnahmeklage zulässig ist, muß es stets erteilt werden. C III a) Die Zurückweisung des Gesuchs wegen Entbehrlichkeit ist bei Endlirteilen (RGZ 30/336), und ihnen gleichstehenden Beschlüssen (RGZ 25/392) unzulässig; a 1. auch bei Zwischenurteilen, die selbständig rechtskräftig werden können. Ebenso darf bei den Entscheidungen, die dem sofortigen Widerspruch nach §§ 1042c, 1042d, der sofortigen Erinnerung nach §§ 104 III, 577 IV 1, RechtspflegerG § 10 I 2 unterliegen, das Rechtskraftattest gefordert werden, wie auch bei Endentscheidungen im Konkurs-, Vergleichsund Zwangsvollstreckungverfahren (über das bewegliche und das unbewegliche Vermögen). Beruhen Kostenfestsetzungbeschlüsse auf gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen, so ist auf ihnen auch die Rechtskraft des Urteils zu bescheinigen (OLG Rpfleger 56/198). a 2. Für andere Zwischenentscheidungen, gleichviel ob sie durch an sich anfechtbaren oder gar unanfechtbaren Beschluß ergehen, besteht indes nach Beendigung des Verfahrens kein Anlaß zur Erteilung von Rechtskraftattesten, sonst allenfalls bei den der sofortigen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen, soweit dies für den Lauf des Verfahrens entscheidend ist. b) Ist nur ein Teil der Entscheidung rechtskräftig geworden, so ist nur darüber das Rechtskraftattest zu erteilen; doch wird häufig auch der nicht angefochtene Teil einer Entscheidung nicht rechtskräftig (§ 511 A I a), dann darf auch das Rechtskraftattest nicht für den nicht angegriffenen Teil erteilt werden (RGZ 66/204f.); oder wenn die Entscheidung nur von einzelnen notwendigen (§ 62) Streitgenossen angegriffen (RG Seuff. 36/87) oder ein solcher Angriff gegen einzelne notwendige Streitgenossen geführt worden ist. c) Nicht erteilt werden kann es bei Klagerücknahme oder Klageverzicht, sofern kein Urteil dahin ergangen ist, ebenso nicht bei Abschluß eines Vergleiches, mit dem keine Rechtsmittelrücknahme und kein Rechtsmittelverzicht ausgesprochen worden ist. C IV. Die Angabe im Rechtskraftattest, wann eine Entscheidung rechtskräftig geworden ist, ist grundsätzlich nicht vorgeschrieben; doch sollte man sie stets machen. a) Für die die Scheidung, die Aufhebung und die Nichtigkeit erklärenden Urteile ist sie vorgeschrieben und entsprechend auch für Kindschaftanfechtungurteile. Ferner soll sie auch auf Ehebestand- und damit auch auf Kindschaftbestandurteile gesetzt werden (AktenO § 7).
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Allgemeine Vorschriften
§706
C V. Das Rechtskraftattest wird auf die Ausfertigung des rechtskräftigen Erkenntnisses gesetzt (§ 313 A l e ) bzw. die der Entscheidung, auf die sie sich bezieht (§ 706 C III a 1). Die bei den Akten verbleibende Urschrift wird mit dem Vermerk „rechtskräftig", der mit Amtsbezeichnung und Datum zu unterschreiben ist, versehen (AktenO § 7). D I. Das Notfristattest wird von der Geschäftstelle des Gerichts erteilt, dem keine Akten vorliegen, dem aber die Einlegung des (der Regel nach gegebenen) Rechtsbehelfs bekannt sein müßte, und zwar auf Betreiben der Parteien (OLG 24/989). D II. Erteilt wird das Notfristattest nur, sofern nicht sogleich das Rechtskraftattest erteilt werden kann (§ 706 C II b) bzw. wo wegen des Laufs von Notfristen (§ 223 C) ein Rechtskraftattest erforderlich werden kann. D III. Zuständig ist das Rechtsbehelfgericht. a) Angegangen wird bei Rechtsmitteln grundsätzlich nur das nächst höhere Gericht, also bei Urteilen des Landgerichts nur das Oberlandesgericht (RGZ 66/202). § 706 II 2 spricht dies für die Sprungrevision ausdrücklich aus. b) Soll das höhere Gericht die Rechtskraft eines ersten Versäumnisurteils bescheinigen, so muß dazu das Notfristattest des unteren Gerichts beigebracht werden (RG J W 02/608). Liegen dem Gericht, welches das Notfristattest erteilen soll, die Akten vor, so ist sogleich das Rechtskraftattest zu erteilen, falls dies zulässig ist (RGZ 66/202). c) Welche Geschäftstelle das Notfristattest erteilt, das hängt von der Geschäftsverteilung ab. D IV a) Soll der Urkundbeamte beseheinigen, daß innerhalb der Notfrist keine Rechtsbehelfschrift eingegangen ist, so hat ihm gegenüber der Antragsteller den Beginn der Notfrist zu beweisen (RG HRR 28/80), wozu gegenüber der Revision der Nachweis der Zustellung des in vollständiger Form zugestellten Urteils gehört (§ 552, RArbG E 13/204), sofern nicht die Sechs-Monatefrist verstrichen ist. Regelmäßig ist die Zustellungurkunde vorzulegen; nur bei den von gerichts wegen zugestellten Entscheidungen darf dies nicht gefordert werden. Die Beweisführung durch andere Beweismittel ist aber zulässig (RG JW 02/608). a 1. Doch braucht der Urkundsbeamte nicht den Beginn des Laufs der Notfrist zu prüfen; kann dann aber auch nur bescheinigen, daß bis zu einem von ihm kalendermäßig im Attest zu nennenden Zeitpunkt keine Rechtsmittelschrift eingegangen ist. Dann braucht er auch nicht die Ordnungmäßigkeit der Zustellung nachzuprüfen (OLG 18/388f.). b) Im übrigen darf dort kein Notfristattest erteilt werden, wo kein Rechtskraftattest erteilt werden darf (vgl. § 706 B, C II c). b 1. Ist eine Rechtsbehelfschrift vor Erteilung des Notfristattestes eingegangen, so darf es nicht erteilt werden (RG Warn. 09/432); anders ist dies nach dem Standpunkt der Prozeßordnung nur dann, wenn sie nach Ablauf der Notfrist eingegangen ist (RG BayZ 07/388), doch empfiehlt es sich, dies kenntlich zu machen. Ist das (Zustellung-)Verfahren aber ausgesetzt oder unterbrochen worden, so kann auch die Notfrist nicht ablaufen, und das Zeugnis darf nicht erteilt werden (a. M. OLG 31/380). b 2. Auch darf kein Teilnotfristattest erteilt werden, wo kein Teilrechtskraftattest erteilt werden könnte (§ 706 C III b). c) Das Notfristattest wird auf die vorgelegte Urteilsausfertigung (usw.) gesetzt (vgl§ 313 A I e). E. Rechtskraft- und Notfristattest werden entweder erteilt oder ihre Erteilung wird abgelehnt (immer als unzulässig). E I . Gegen die Erteilung der Atteste findet kein Rechtsmittel statt (RG JW 01/38); wohl aber darf das Gericht vom Gegner nach § 576 angerufen werden, wenn der Urkundsbeamte erteilt (RArbGZ 6/96). E II. Gegen die Ablehnung, sie zu erteilen, findet die Anrufung des Gerichts nach § 576 (BGH LM § 706/2) mit anschließender einfacher Beschwerde statt (RGZ 42/421). E IV. Vorgängiges Gehör das Gegners ist nicht vorgeschrieben.
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ZPO VIII. Buch
§ 707
(647)
I Wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, so kann das Gericht auf Antrag anordnen, daB die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werde oder nur gegen Sicherheitsleistung stattfinde und daB die VollstreckungsmaBregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, daB die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. II Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. A II. Soweit angestrebt wird, die Rechtskraft zu beseitigen und dazu ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233folg.) oder ein Wiederaufnahmeverfahren (§§ 578folg.) schwebt, läßt § 707 I die einstweilige Einstellung der Vollstreckung zu. b) § 707 trifft alle Fälle, wo an sich statthaft die (formelle) Rechtskraft (§ 705 B) gegen einen vollstreckbaren (titulierten) außerprozessualen Anspruch beseitigt werden soll, also b 1. auch die Verfahren, wo eine Abänderungklage nach § 323 erhoben worden ist, die zu einem geringeren Erkenntnis führen soll (OLG N J W 51/849, § 323 A V; der umgekehrte Fall der Erhöhung läßt sich durch einstweilige Verfügung vorgriffsweise regeln, vgl. § 940 C III). Aber auch dort, wo § 323 nicht gilt, weil besondere Rechtsbehelfe gegeben sind, wie in den Fällen einstweiliger Verfügungen (vgl. § 323 A I I I b 4) ist, wo der Weg der Aufhebung wegen veränderter Umstände beschritten wird (§§ 936, 927), der § 707 entsprechend anzuwenden (OLG MDR 56/557). b 2. Dann sollte aber § 707 auch auf den Fall angewandt werden, wenn das Revisiongericht, weil es ein Urteil aufhob, den Gegner nach § 717 II, I I I auf Leistung wegen seiner ungerechtfertigten Vollstreckung verurteilte, solange noch eine erneute Verurteilung über denselben Anspruch gehen darf (a. M. OLG H E Z 2/368). b 5. § 707 ist nach § 1042 c I I 3 entsprechend anzuwenden, aber auch in den Fällen der Schiedspruchaufhebungsklage nach § 1043 und bei schiedsrichterlichen Vergleichen (§ 1044a). b 6. Weiter gehört hierher die Vollstreckbarerklärung rechtskräftiger (§ 723 II 1) ausländischer Urteile. c) § 707 ist entsprechend anzuwenden, wenn einem für vorläufig vollstreckbar erklärten (noch nicht rechtskräftigen) Erkenntnis nach zulässiger Einlegung des Rechtsbehelfs die vorläufige Vollstreckbarkeit genommen werden soll (§ 719), c 1. wenn über einen Anspruch unter Vorbehalt der Aufrechnung entschieden worden ist (OLG N J W 53/187), der Prozeß aber noch wegen der Aufrechnung anhängig ist (§ 302 C), c 2. oder wenn im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozeß ein Vorbehalturteil erlassen wurde, aber noch das Nachverfahren anhängig ist (RG D R 41 A 1562; a. M. KG N J W 53/188). c 3. Entsprechend sollte man diese Vorschrift in den Fällen des gerichtlichen Vergleichs anwenden (OLG N J W 54/436, a. M. RG Recht 10/150) und c 4. bei guarantigierten Urkunden (§§ 794 I 5, II, 800). c 5. Entsprechend angewandt wird § 707 bei Arresten und einstweiligen Verfügungen, c 6. Im Verfahren nach MSchG § 5 a ist § 707 entsprechend anzuwenden (LG Göttingen NdsRpfl. 54/205). d) Entsprechend wird § 707 angewandt bei verwaltunggerichtlichen welche zu einem vollstreckbaren Titel geführt haben,
Vorverfahren,
d 3. im besonderen in Fällen, wo ein verwaltunggerichtliches Vorverfahren durch ein gerichtliches fortgesetzt wird (also etwa in dem Fall der Fürsorgepflichtverordnung §§ 23, 25 c; a. M. OLG H R R 31/630).
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Allgemeine Vorschriften
§707
A III. Über das Gesagte hinausgehend h a t K G N J 51/236 den § 707 bei Klagen gegen rechtskräftige Entscheidungen angewandt, die auf B G B § 826 gestützt wurden (vgl. § 322 C I I I b 2). B I. Nicht anzuwenden ist § 707, wo nach §§ 769, 770 eingestellt werden d a r f , also bei Klagen aus §§ 767, 768, weil diese Klagen die R e c h t s k r a f t nicht beseitigen, sondern n u r die Titulation der Forderung. Soweit indes der W e g der §§ 769, 770 offen steht, ist die einstweilige V e r f ü g u n g ausgeschlossen (§ 707 B I I I , R G J W 02/170). a) Dies gilt auch dort, wo GenG systemwidrig Anfechtungklagen gegen Vorschuß-, Zusatz- u n d Nachschußberechnung den §§ 767, 769 u n t e r w i r f t . B II. § 707 ist d o r t einzuschränken, wo die Einstellung n u r in besonderen Fällen zugelassen wird (vgl. § 707 D I I b), b) i m besonderen, wenn es u m die Wiedereinsetzung oder die Wiederaufhebungklage geht, welche in der Revisioninstanz a n h ä n g i g ist. Hier m u ß auch in dem Falle des § 707 die E i n s c h r ä n k u n g des § 719 I I gelten. B III. Die Regelung der §§ 707, 719 schließt ihrerseits andere rechtliche Verwirklichungsmöglichkeiten aus, a ) im besonderen die aus Arrest und einstweiliger Verfügung (RG Seuff. 66/195). a 1. Nach der hier vertretenen Ansicht gilt dies auch f ü r vollstreckbare Vergleiche u n d guarantigierte U r k u n d e n (§ 707 A I I c 3, 4); wendet m a n allerdings bei diesen §§ 707, 719 nicht entsprechend an, so m u ß m a n Arrest u n d einstweilige Verfügung d a n n a u c h insoweit zulassen (vgl. RGZ 61/361). b) Die n a c h § 707 ergehende einstweilige Regelung darf ihrerseits als solche a u c h nicht durch Arrest oder einstweilige Verfügung wieder aufgehoben werden (OLG J W 25/1664); dagegen darf ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung (RG J W 99/394) bezüglich des H a u p t a n s p r u c h s (etwa auf Unterlassung: beiläufig B G H v. 26. 4. 1957 I Z R 35/57) u n d etwa wegen der Sicherung des Anspruchs ausgebracht werden, der durch die Vollstreckung ents t a n d e n i s t ; aber nicht, wenn das E r k e n n t n i s selbst eine einstweilige Verfügung b e t r i f f t , durch die eine H a n d l u n g u n t e r s a g t worden ist (RGZ 40/383), weil es einstweilige Verfügungen gegen einstweilige Verfügungen zulässigerweise nicht gibt. a) Schließlich gibt es auch keine einstweiligen Anordnungen nach § 707 zur A u f r e c h t e r h a l t u n g von einstweiligen Verfügungen-(OLG Bay. JMB1. 54/102). C I. Prozeßbedingung f ü r die einstweilige Einstellung ist ein laufendes Verfahren, das zur A b ä n d e r u n g des Titels f ü h r e n k a n n , dessen Vollstreckbarkeit durch die Einstellung geh e m m t wird, u n d der A n t r a g des Schuldners. Die einstweilige Einstellung ist nur zulässig, a) wenn der an sich s t a t t h a f t e (§ 511 B II) Rechtsbehelf bei dem Gericht eingelegt worden ist (RGZ 161/356); ein Beginn der Vollstreckung (§ 704 F II) ist nicht erforderlich (RG J W 97/54). a 1. Armenrechtgesuche zur Einlegung genügen nicht. b) Bei dem Gesuch u m Wiedereinsetzung in den vorigen S t a n d m u ß die v e r s ä u m t e Prozeßhandlung nachgeholt worden sein (§ 236 I), also der Rechtsbehelf, das R e c h t s m i t t e l eingelegt bzw. die notwendige Begründung gegeben worden sein; Zustellung an den Gegner ist n i c h t erforderlich. Dasselbe m u ß auch f ü r die Wiederaufnahmeklagen gelten. b 1. Von den weiteren Zulässigkeitsbedingungen des Rechtsbehelfs (§ 511 B 1 a 2) wird n u r g e p r ü f t , ob der Rechtsbehelf in der richtigen Frist eingelegt ist. L ä u f t indes wegen Fristv e r s ä u m u n g ein Wiedereinsetzungverfahren, so ist n u r die S t a t t h a f t i g k e i t des Wiedereinsetzungverfahrens und die W a h r u n g der Frist (§ 234) zu prüfen, n i c h t notwendigerweise aber, ob sonst die Wiedereinsetzung zu gewähren ist. Die Rechtsprechung h a t diese Rechtslage so ausgedrückt, daß nicht eingestellt werden darf, wenn der Rechtsbehelf (das Rechtsmittel) sofort verworfen werden m ü ß t e (RGZ 104/303). b 2. Dagegen darf die sonstige (weitere) Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nicht entscheiden, solange darüber nicht b e f u n d e n ist, wenn auch zugleich m i t der V e r w e r f u n g des Rechtsbehelfs der Einstellungantrag unzulässig wird. 93
W i e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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§707 Cl
ZPO VIII. Buch
b 3. Erst recht wird bei der einstweiligen Einstellung nicht geprüft, ob der Rechtsbehelf sachlich begründet ist. c) Die Einstellung ist nicht mehr zulässig, wenn die Vollstreckung durchgeführt ist (RG J W 99/164, § 704 F III). Die Einstellung kann nicht die durchgeführte Vollstreckung wieder aufheben. C II. Das Verfahren erfordert einen Antrag des Schuldners (§ 707 I; anders nach SchutzVO Art. 2 V). a) Der Antrag ist dem Gericht gegenüber abzugeben, fällt nicht unter § 297 (§ 297 C), muß aber protokolliert werden (§ 160 I I 2). a X. Nach Erlaß darf der Schuldner auf die Rechte aus der Anordnung verzichten, sodann ist sie aufzuheben. a 2. Der Antrag unterliegt dem Anwaltzwang und muß schriftlich (im amtsgerichtlichen Verfahren auch zu Protokoll der Geschäftstelle; § 496 I I 1) oder in der mündlichen Verhandlung gestellt werden. C III. Zur Entscheidung zuständig ist das Bechtsbehelfgericht, a) der Einzelrichter nur, wenn er das (Versäumnis-)Urteil selbst erlassen h a t t e (OLG J W 28/1878; a. M. OLG J W 26/1037). C IV. Verfahren wird in freigestellt mündlicher Verhandlung (§ 128 G II, § 707 I I 1). D. Entschieden wird durch Beschluß, der nach vorangegangener Verhandlung verkündet (§ 329 I), sonst aber den Parteien formlos mitgeteilt wird (§ 329 III). D I. Das Gericht h a t die Einstellung abzulehnen a) als unzulässig, wenn kein Rechtsbehelfverfahren schwebt oder über die Vollstreckbarkeit nach § 718 vorab entschieden worden ist (OLG 25/149), wenn der eingelegte Rechtsbehelf an sich u n s t a t t h a f t , die Vollstreckung durchgeführt worden ist. b 1. Liegen die Prozeßbedingungen des § 707 vor, so ist einzustellen; eine verbreitete Meinung stellt indes abweichend hiervon auch dann noch die Einstellung in das Ermessen des Gerichts (RGZ 66/305). D II. Auch nach der hier vertretenen Ansicht steht die Art der Einstellung (abgesehen von § 707 I 2) im freien Ermessen des Gerichts. a 1. Das Gericht darf gegen Sicherheitleistung (§§ 108 folg.) des Schuldners einstweilen einstellen. Sind Sachen gepfändet, so hat das Gericht zugleich oder nachträglich zu entscheiden, ob nur der Verkauf oder auch schon die Wegschaffung der Sachen zu unterbleiben h a t (RG Seuff. 52/126), während bei der Pfändung von Forderungen und Rechten nur die Einziehung bzw. Verwertung zu unterbleiben hat. Über die Aufhebung von Vollstreckungmaßnahmen vgl. § 765a. Die Sicherheit haftet dem Gläubiger wie ein Pfand einschließlich des Schadens, der durch die verzögerte Vollstreckung eintritt (RGZ 141/197), begrenzt auf den Nachteil, der durch die Aufhebung der Vollstreckungmaßregel entsteht. Eine Umwandlung der Hinterlegung in eine schuldbefreiende ist möglich durch Verzicht des Schuldners auf Rücknahme (RG LZ 14/1366). Wird nur gegen Sicherheitleistung eingestellt unter Aufrechterhaltung bisheriger Pfändungen, so haftet nach der Rechtsprechung die Sicherheit nur für den Verzögerungschaden (RGZ 141/196). Die vom Schuldner geleistete Sicherheit haftet dem Gläubiger auch dann, wenn der Gläubiger nur gegen Sicherheit vollstrecken durfte, diese Sicherheit aber nicht geleistet hat (RGZ 141/198). Die Einstellung ist jedenfalls auch dann gegen Sicherheitsleistung des Schuldners zulässig, wenn der Gläubiger zur Vollstreckung Sicherheit leisten m ü ß t e (OLG 18/391). Ist gegen Sicherheitleistung des Schuldners die Vollstreckung einstweilen eingestellt, so ist, wenn er sie nicht leistet, § 720 entsprechend anzuwenden. a 2. Die Einstellung der Vollstreckung ohne Sicherheitleistung des Schuldners ist nach § 707 I 2 nur zulässig, wenn der Schuldner glaubhaft macht (§ 294), daß ihm die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 719 B I I ; die Glaubhaftmachung kann hier anders als beim Arrest nicht durch Sicherheitleistung ersetzt werden: RG N § 719/16). Die Gefährdung des Gläubigers ist nicht zu prüfen (RG J W 97/237).
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Allgemeine Vorschriften
§707 DD
a 3. Eine Herabsetzung der vom Schuldner zu leistenden, ihm nach § 713 II aufgebürdeten Sicherheit hat OLG JW 25/2156 für zulässig gehalten, sofern er den verbleibenden Betrag leisten kann, ohne daß ihm dadurch ein unersetzlicher Nachteil entsteht. a 4. Auch kann, wenn dieselbe Sicherheit festgesetzt wird, aber die gleiche Befugnis des Gläubigers ausgeschlossen werden soll, trotz des Erkenntnisses nach § 713 II die Anordnung, welche die Befugnis des Gläubigers ausschließt, erlassen werden. a 5. Das Gericht darf aber auch gegen Sicherheitleistung des Gläubigers die Durchführung der Vollstreckung zulassen, wie auch dann, wenn die vorangegangene Entscheidung ohne Sicherheitleistung für (vorläufig) vollstreckbar erklärt worden ist (RGZ 47/419), dabei auch die ihm schon vom Gericht der vorhergehenden Instanz auferlegte erhöhen (RGZ 66/305); nicht aber vermindern. a 6. Bereits erfolgte Vollstreckungmaßnahmen dürfen aufgehoben werden, aber nur gegen Sicherheitleistung des Schuldners (RG Warn. 26/198), weil insoweit in das Pfandrecht des Gläubigers eingegriffen wird. Deshalb hat auch der Betrag der Sicherheit dem Wert der gepfändeten Gegenstände zu entsprechen (RG JW 27/380). Wird der Antrag von vornherein auf Einstellung der Vollstreckung beschränkt, so dürfen Vollstreckungmaßnahmen nicht aufgehoben werden (§ 308 I; OLG 40/399). Über die Wirkung der Aufhebung bei einer eingetragenen Sicherunghypothek vgl. § 868 II. a 7. Der Gläubiger darf aber nicht gezwungen werden, einen ihm bereits ausgeantworteten Gegenstand wieder herauszugeben (RG J W 99/164). b 1. Nach §719 11 ist ohne Sieherheitleistung einzustellen (RG HRR 26/740); eine Aufhebung der Vollstreckungmaßnahmen (RG JW 27/380) oder die Herabsetzung der Sicherheitleistung kommt in diesen Fällen nicht in betracht (RG Warn. 15/132). Vgl. auch § 719 A II, B I. E I. Die Einstellung betrifft die VoUstreckbarkeit. Sie hebt sie zwar nicht formell auf (RGZ 66/305), beschränkt sie aber. Sie bedarf nicht der Erklärung, daß sie vorläufig vollstreckbar ist. Es ist dann u. U. Sache des Schuldners, die Entscheidung dem Vollstreckungorgan vorzulegen (§ 775 I 2). Bei der Pfändung und Überweisung von Forderungen und Rechten genügt die Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner, die sowohl auf Betreiben der Partei wie von gerichts wegen bewirkt werden darf, aber auch durch sonstige Vorlegung, weil es nur auf die Kenntnis des Drittschuldners von dem Beschluß ankommt. E II. Sie bedarf, wenn dem Antrag stattgegeben wird, auch keiner Kostenentscheidung (KG DR 39 A 456). Die Kosten fallen unter die notwendigen nach § 91 (D). a) Die zurückweisende Entscheidung sollte die Kosten dem Antragsteller auferlegen; für die Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit dieser Entscheidung gilt § 709 I 4 entsprechend. E IV. Die Entscheidung über die einstweilige Einstellung tritt ohne weiteres außer kraft mit dem Erlaß der Endentscheidung (RG Seuff. 84/96). a) Bei Rücknahme des Rechtsbehelfs oder bei Verzicht auf ihn ist der Beschluß aufzuheben (nach OLG BadRPr. 06/195 tritt er von selbst außer Kraft). b) Sofern der Schuldner Sicherheit zu leisten hatte, ist der Grund dafür entfallen (§ 109 B), soweit das Urteil aufgehoben worden ist, für die Sicherheitleistung des Gläubigers, soweit es bestätigt worden ist. F I. Ein Rechtsbehelf gegen die anordnende oder die Anordnung ablehnende Entscheidung ist grundsätzlich nicht gegeben (§ 707 II 2), auch wenn ohne Glaubhaftmachung die Einstellung ohne Sicherheitleistung angeordnet wurde (RG JW 07/840; a. M. OLG 39/67, wenn nicht einmal der drohende Eintritt eines nicht zu ersetzenden Nachteils behauptet worden sei) und gleichviel ob sie begründet worden ist oder nicht (RG JW 07/840; a. M. KG JW 25/804, wenn das Gericht Vollstreckungmaßnahmen ohne Sicherheitleistung aufgehoben hat). Dies gilt erst recht, wenn und soweit richterliches Ermessen waltet und angeblich ungesetzliche Ausübung des richterlichen Ermessens gerügt wird (OGH Rpfl. 51/79; a. M. OLG Rpfl. 48/119). Wurde indes eine einstweilige Verfügung an Stelle der Anordnung nach §§ 707, 719 erlassen, so ist dagegen der Widerspruch zulässig (RG JW 01/514). 93*
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§707
ZPO VIII. Buch
F II. Anders ist dies nur, wenn der Antrag als unzulässig zurückgewiesen worden ist (vgl. RGZ 47/419). a) Die überwiegende Meinung läßt die Anfechtung auch dann zu, wenn gesetzlich keine Anordnung nach §§ 707, 719 hätte ergehen dürfen (RGZ 144/86). b) Sodann ist nur die sofortige Beschwerde zulässig (§ 793, RG J W 03/101). b 1. Wird der sofortigen Beschwerde stattgegeben, so gibt es keine weitere sofortige Beschwerde (§ 707 I I 2); nur wenn sie aus einem anderen Grunde für unzulässig erklärt wird, ist die weitere sofortige Beschwerde nach § 568 I I gegen amtsgerichtlich erstinstanzliche Entscheidungen (etwa bei einer Einstellung nach Einspruch) denkbar. Ob sonst das Landgericht als Berufunginstanz entscheidet, ist für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ohne Belang (a. M. OLG ZMR 54/127). F III. Wiederholung des abgelehnten Antrags mit neuer Begründung ist zulässig (RG J W 92/463); auch darf die Anordnung bei veränderter Sachlage abgeändert werden (RGZ 66/305), wenn auch nur auf Antrag der Gegenseite (RG J W 00/736). Die Abänderung bei unveränderter Sachlage ist unzulässig (vgl. RGZ 66/305).
§ 708 I
(648)
Auch ohne Antrag sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären: 1. Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses eine Verurteilung aussprechen (§ 307); 2. (weggefallen); 3. Versäumnisurteile; 4. Urteile, die im Urkunden- oder WeehselprozeB erlassen werden; 5. Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen aufgehoben werden;
6. Urteile, welche die Verpflichtung zur Entrichtung von Alimenten oder zur Entrichtung einer nach den §§ 848, 844 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschuldeten Geldrente aussprechen, soweit die Entrichtung für die Zeit nach der Erhebung der Klage und für das der Erhebung der Klage vorausgehende letzte Vierteljahr zu erfolgen hat; 7. Urteile der Oberlandesgerichte in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. A I. Bei der Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit a) wird grundsätzlich nicht geprüft, ob das Erkenntnis überhaupt zur Vollstreckung geeignet ist (etwa bei Feststellung oder gestaltenden Erkenntnissen, vgl. RGZ 25/377, aber auch § 704 J II a); soweit indes auch bei solchen Erkenntnissen erst die Rechtskraft Wirkungen auslöst, treten diese nicht schon mit der Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ein (KG J W 24/1179). b) Doch fordert m a n in der Praxis häufig, daß der Ausspruch nur auf ihren vollstreckungfähigen Inhalt bezogen wird; ist dies geschehen, so treten die Nebenwirkungen nicht ein (§ 768 A l a ) . A II. Doch gibt es auch Urteile, welche nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden dürfen, a) so der Hauptausspruch in Ehe- und Kindschaftstreiten (§ 704 II) und bloß aufhebende und zurückverweisende Urteile. b) Nach MSchG § 13 I I 1 darf ein unter das MSchG fallendes Räumungurteil (§ 721 A II a 6) nach MSchG §§ 4, (36, gestützt auf Eigenbedarf) nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Die Anordnung dieses Ausspruchs ist mit der sofortigen Beschwerde nach MSchG § 6 angreifbar, wenn nur eine Räumungfrist zugebilligt werden soll; sonst mit der Berufung unter Vorabentscheidung nach § 718 I. Ergeht Räumungurteil nach MSchG §§2,3, so darf es nur für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, wenn glaubhaft gemacht (§ 294) wird, daß die Aussetzung der Vollstreckung einen dem Gläubiger nicht zu ersetzenden Nachteil (§ 707 D I I a 2) bringt. Vgl. die entsprechende Regelung im GeschäftsraummietenG § 7 II (§ 721 A I I I c 5).
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Allgemeine Vorschriften
§708
A III. Wirkungen, welche den Eintritt der Rechtskraft voraussetzen, treten durch die Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht ein (KG OLG 27/390). A IV. Ist die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheitleistung abhängig oder kann sie durch Sicherheitleistung abgewandt werden, so entfallen diese Bedingungen mit dem Eintritt der Rechtskraft. A V. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit wirkt auch gegen den Fiskus (OLG 29/159; a. M. KG J W 13/1118); doch kann der Ausspruch gegen einen (inzwischen übergegangenen) Fiskus nicht ohne weiteres gegen den „Nachfolgefiskus" wirken, etwa bei den Titeln gegen das Deutsche Reich. B I. Im übrigen treten auch bei dem vorläufig vollstreckbaren Erkenntnis alle Wirkungen ein, welche aus der Vollstreckbarkeit eines Erkenntnisses sich ergeben (RGZ 18/287). Es darf im besonderen der Schuldner nach §§887—890 gezwungen werden; wird ein vorläufig vollstreckbares Erkenntnis aufgehoben, so darf die vor seiner Aufhebung begangene Zuwiderhandlung nicht mehr nach § 890 bestraft werden (RGZ 38/425); die vorher festgesetzte, aber noch nicht vollstreckte Strafe ist auf sofortige Beschwerde (§ 793) aufzuheben. Auch die Ableistung des Offenbarungeides darf gefordert werden. B II. Die Vollstreckung führt dazu, den Gläubiger zu befriedigen (RGZ 39/105). . a) Doch ist die Befriedigung nur vorläufig (RGZ 98/328). b) In dem Fall der §§895, 713 I I kommt der Gläubiger nur zur Sicherung (§§ 720, 849). B III. Doch können auch schon durch vorläufige Vollstreckung Rechte verloren gehen. So verliert der Schuldner, wenn ihm durch Vollstreckung eine Sache weggenommen wird, sein Zurückbehaltungrecht wegen Verwendungen auf die Sache, sofern dieses an den Besitz a n k n ü p f t (RGZ 109/104), wenn es nicht schon zuvor geltend gemacht worden ist. Auch wenn der Schuldner eine Auskunft erteilen soll und diese auf Grund des vorläufig vollstreckbar erklärten Erkenntnisses gibt, so läßt sich dies nicht mehr rückgängig machen. C I. Die vorläufige Vollstreckbarkeit muß in Urteilen durch das Gericht zuerkannt werden (RG J W 01/81), wird der Ausspruch übersehen, so gilt § 716. Dagegen bedarf es des Ausspruchs nicht bei rechtskräftigen Erkenntnissen. a) Obwohl der Schiedspruch wie ein rechtskräftiges Urteil behandelt wird (§ 1040), bedarf es zur Vollstreckung aus ihm noch der Vollstreckbarkeiterklärung. Dasselbe gilt für die Vollstreckbarkeiterklärung eines ausländischen Urteils (§§ 722, 723), bzw. eines ausländischen Schiedsspruchs. b) Andererseits sind (Kostenfestsetzungbeschlüsse), Vollstreckungbefehle (§ 699), Beschlüsse, die dem Rechtsmittel der Beschwerde unterliegen (vgl. § 794 E I), aber auch Arrestbeschlüsse und einstweilige Verfügungen ohne besondern Ausspruch vollstreckbar. C II. Soweit ein besonderer Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit danach erforderlich ist, wird auf sie im selben Verfahren erkannt, wie in dem über den Haupt- (oder den Kosten-)anspruch. Der Ausspruch bezieht sieh jedenfalls auf den Haupt- wie auf den Kostenanspruch. Wird die vorläufige Vollstreckbarkeit ausgeschlossen, so gilt dies auch für den Kostenanspruch. b) Entschieden wird in Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung auf diese; über sie gestellte Anträge sind Sachanträge (§ 297) und müssen in der mündlichen Verhandlung gestellt werden (§ 714). b 1. Die im ersten Rechtszuge unterlassenen Anträge dürfen im zweiten Rechtzuge neu gestellt werden (RGZ 55/99). b 2. Deshalb kann kein Antrag nach § 713 II wirksam gestellt werden in bezug auf einen nicht angefochtenen erstinstanzlichen Teil der Entscheidung (KG OLG 23/190). b 3. War nur im ersten Urteil dem Beklagten die Abwendungbefugnis vorbehalten (§ 713 II), nicht aber mehr im zweitinstanzlichen, so ist sie erloschen (OLG Jena 23/207); doch ist es nicht erforderlich, daß nunmehr eine neue Sicherheit zu leisten ist, wenn das erste Urteil, das gegen Sicherheitleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt war, aufrecht-
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erhalten wird und wiederum eine Sicherheitleistung (etwa zur Überwindung der der Gegenseite, vgl. § 713 II) festgesetzt wird; sodann ist die für das erstinstanzliche Urteil geleistete Sicherheit auf das zweitinstanzliche anzurechnen (a. M. OLG 40/399). C III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit a) kann isoliert überhaupt nicht angegriffen werden; wohl aber verbunden mit der zur Hauptsache (einschließlich der Nebenforderungen) bzw. bezogen auf sie; a 1. zusammen mit der Kostenentscheidung nur, soweit über die Kosten durch Urteil erkannt wird; nicht, soweit durch Beschluß (vgl. §§ 91a II, 99 II) entschieden wird (§ 794 I 3). b) Sie kann nur mit der Berufung angefochten werden (nicht mit der sofortigen Beschwerde, § 708 C III a 1) bzw. mit der Kostenentscheidung, soweit diese (allein und mit der Berufung) angreifbar ist. b 2. Die Berufung ist auch zur Erhöhung oder zur Herabsetzung der Sicherheitleistung zulässig (RGZ 104/303). b 3. Über die Berufung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit verhandeln der Gläubiger wie der Schuldner nach § 718 vorab; der Schuldner darf aber auch nach § 719 die Einstellung der Vollstreckung beantragen (RGZ 66/305). b 6. Die neue Entscheidung ersetzt ohne weiteres die durch Teilurteil nach § 718 I ergangene bzw. die des Vorurteils über die vorläufige Vollstreckbarkeit (RG Warn. 12/188). b 7. Wird auf die Revision das Urteil des Berufunggerichts aufgehoben und der Streit an das Berufunggericht zurückverwiesen, so tritt damit nicht die vorläufige Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils wieder in Kraft (a. M. BGH MDR 59/122). c) Mit der Revision ist der Angriff auf die vorläufige Vollstreckbarkeitentscheidung unstatthaft (§ 718 II). c 2. Auch können in der Berufunginstanz unterlassene Anträge (etwa die aus § 713 II) nicht in der Revisioninstanz nachgeholt werden (BGHZ 10/88). Wohl aber darf der Antrag aus § 719 II gestellt werden (vgl. § 719 A III). d) In den Ausnahmefällen der §§ 534, 560 wird durch Beschluß vorab entschieden. Der Beschluß selbst bedarf nicht des Ausspruchs seiner vorläufigen Vollstreckbarkeit. Die Zulässigkeit dieses Ausspruchs in der Revisionsinstanz ist stehengebliebenes Recht ohne praktische Bedeutung (vgl. § 708 C I I I c 1). D II. Die Wirkung der Erklärung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils a) beginnt mit der Verkündung bzw. der Zustellung des Tenors des Urteils (§ 310 II) ohne Rücksicht darauf, ob schon eine Vollstreckungklausel erteilt worden ist (§ 724); im besonderen ist dann schon die Vorpfändung (§ 845) zulässig. b) Sie endet mit dem Urteil, welches das für vorläufig vollstreckbar erklärte in der Sache oder in der Vollstreckbarkeiterklärung ganz oder im Fall des § 718 I zum Teil aufhebt oder abändert. Mit dem aufhebenden wird auch die vollzogene Vollstreckungmaßnahme hinfällig und muß nach §§ 775 I 1, 776 aufgehoben werden. D IV. Parteivereinbarungen darüber, daß nicht vollstreckt werden soll, hindern den Ausspruch nicht (über die Wirkung der Vereinbarungen vgl. § 767 B III c). E I. Unter § 708 I 1 fallen Anerkenntnisurteile (§ 307). Dem stehen Verzichturteile (§ 306 A) gleich. EIII. Unter § 708 1 3 fallen alle Versäumnisurteile (§§ 330folg.); nach der geschichtlichen Entwicklung auch die technisch zweiten Versäumnisurteile (§ 345), durch die der Einspruch verworfen wird und gegen die nur die Berufung (§ 513) bzw. die Revision (§ 566) zulässig ist. Dem Versäumnisurteil steht der Vollstreckungbefehl gleich (§ 699), in dem die Vorläufigkeit der Vollstreckbarkeit nicht hervorgehoben wird. a) Sonstige kontradiktorische Urteile (vgl. § 330 C II a) gehören dagegen nicht hierher (wird der Kläger indes abgewiesen, so vgl. § 709 I 4).
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E m
b) Wird ein Versäumnisurteil durch spätere Entscheidung aufrechterhalten (§ 343), so ist nach der überwiegenden Meinung (KG J W 30/168) nach § 710 I 1 zu erkennen; vgl. dagegen § 717 A I b 1. E IV. Urkunden- und Wechselprozeßurteile werden nach § 708 I 4 für vorläufig vollstreckbar erklärt. Ihnen stehen Scheckprozeßurteile gleich (§ 605a). Die Vorschrift gilt auch für die Abweisung der Klage wie für die Verurteilung ohne Vorbehalt und die im Nachverfahren ergehende, das Urkundenurteil aufrechterhaltende (LG MDR 54/368; a. M. OLG N J W 56/1883) oder die es vernichtende Entscheidung. E V. Für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist das Urteil, durch das Arreste oder einstweilige Verfügungen aufgehoben werden (§ 708 15). Die Aufhebung t r i t t schon mit der Verkündung in Wirksamkeit (§ 717 I ; RGZ 56/148). Ist aber eine Vollstreckungmaßnahme noch wirksam, so muß sie u. U. noch aufgehoben werden. E VI. Für die Zeit nach Klageerhebung und für das der Klageerhebung vorausgehende Vierteljahr werden die in § 708 I 6 bestimmten erkannten Rentenleistungen für vorläufig vollstreckbar erklärt. a) Nach §§ 261b I I I , 496 I I I wird die Frist der Klageerhebung (§ 253 I) auf die Einreichung der Klage bei demnächstigcr Zustellung vordatiert. b) Der Begriff der Alimentenzablung bezieht sich auf den der gesetzlichen Unterhaltzahlung wie auf vertragliche, auch wenn sie auf Schenkung oder letztwilliger Verfügung beruhen (anders § 850d). b 1. Doch muß das Rechtsverhältnis gerade zwischen den Parteien bestehen; der Zessionar des Schuldners hat diese Rechtstellung nicht, auch nicht der nach BGB §§ 679, 683, 670 Ersatzberechtigte und auch nicht im Fall des BGB § 1709 II bei gesetzlichem ForderungÜbergang (a. M. im letzten Fall Schönke — Pohle § 708 Anm. II 6). b 2. Diese Forderungen sind der Unterhaltsrente des BGB §§ 843, 844 (HaftpflichtG § 7 II, StVG § 13 II, LuftverkehrG § 24 II, HGB §§ 62 I I I , 76 I) gleichgestellt, zu denen auch die aus BGB § 618 gehören. Eine Ausdehnung der Norm auf andere Ansprüche ist indes nicht zulässig, im besonderen nicht auf die nach BGB § 845 (OLG 35/111) oder auf sonstige Pensionen oder Gehälter. E VII. Für vorläufig vollstreckbar sind die Urteile der Oberlandesgerichte zu erklären; sofern sie nicht sogleich rechtskräftig sind (vgl. aber §546 B); und auch nicht bei denZwischenurteilen (§§ 275 II, 304) oder den aufhebenden und zurückverweisenden (§§ 538, 539). Auch bei den die Berufung zurückweisenden Urteilen ist die vorläufige Vollstreckbarkeit auszusprechen (RG N 708/1).
§ 709 I
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Urteile sind ferner ohne Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn sie betreffen: 1. Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Bäumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Bäume wegen Überlassung, Benutzung oder Bäumung sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; 2. Streitigkeiten zwischen Seeschiffern und ihren Arbeitgebern hinsichtlich des Dienstöder Arbeitsverhältnisses, sofern sie während der Dauer des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses entstehen; 3. Streitigkeiten zwischen Beisenden und WirteD, Fuhrleuten, Schiffern, Flößern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Beisenden und ihrer Habe und über deren Verlust und Beschädigung, sowie Streitigkeiten zwischen Beisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Beise entstanden sind;
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4. andere vermögensrechtliche Ansprüche, sofern der Gegenstand der Verurteilung an Geld oder Geldeswert die Summe von fünfhundert Deutsche Mark nicht übersteigt; für den Wert des Gegenstandes gelten die Vorschriften der § § 3 bis 9. A I . § 709 1 1 entspricht dem GVG § 23 I 2 a (GVG § 23 B I I I a). a ) Auf Pachtverhältnisse ist diese Bestimmung nicht angewandt worden (RG J W 33/516). b) Die Vorschrift ist außer kraft, soweit sie die dem Mieterschutz unterliegenden (MSchG § 1 ; GVG § 23 B I I I a) Räumungurteile betrifft 1 (MSchG § 13 I I ) , im übrigen vgl. auch GesohäftsraummietenG §§ 7folg. (§ 885 A I b) und § 721 A I I I c. A II. § 709 I 2 entspricht der früheren Bestimmung des GVG § 23 I 2, I I , die indes mit Rücksicht darauf gestrichen worden ist, daß diese Streitigkeiten jetzt grundsätzlich vor die Arbeitgerichte gehören (ArbGG § 2 I 2). A III. § 709 I 3 entspricht GVG § 23 I 2 b (GVG § 23 B I I I b). A IV. § 709 I 4 trifft Urteile über vermögensrechtliche Ansprüche (§ 2 A I b), die auf Leistung erkennen, also vollstreckbar i. e. S. sind (vgl. § 704 E I). Die Leistung darf den Geldeswert von 500 DM nicht übersteigen. Die hier vorgeschriebene Wertberechnung (§§ 3—9) ist auf den Gegenstand der Verurteilung zu beziehen ( K G OLG 19/33). In die Kostenberechnung sind nur die dem Gegner zu erstattenden (nicht die eigenen Gerichts- und die eigenen außergerichtlichen) Kosten (OLG M D R 54/78) einzubeziehen. a ) Für jeden von mehreren Beklagten ist die Summe, die ihn trifft, maßgebend. a 1. Bei mehreren Ansprüchen kommt es darauf an, ob der nicht unter §§ 708 I 1 — 6 ; 709 I 1—3 fallende Teil den Betrag von 500 DM übersteigt (§ 709 1 4); im übrigen werden mehrere im selben Titel ausgeurteilte Ansprüche nach § 5 zusammengerechnet. a 2. Bei Teilurteilen wie beim Schlußurteil ist nur die jeweils ausgeurteilte Summe maßgebend. b) § 709 I 4 ist auch gegen den Kläger anzuwenden, wenn ihm Kosten auferlegt werden, die unter 500 DM bleiben. I m Gegensatz hierzu will L G M D R 57/489 klageabweisende Urteile ohne Rücksicht auf die Höhe der Kosten für unbedingt vorläufig vollstreckbar erklären. Reine Kostenbeschlüsse (§§ 9 1 a I I , 99 I I ) sind nach § 794 I 3 stets vollstreckbar.
§ 710
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I Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Auf Antrag sind sie auch ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Gläubiger zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und dafi die Aussetzung der Vollstreckung ihm einen schwer zu ersetzenden oder einen schwer zu ermittelnden Nachteil bringen würde. A I. Andere Urteile als die unter §§ 708, 709 fallenden und als die rechtskräftigen sind nach § 710 1 1 gegen Sicherheitleistung von gerichts wegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären. A II. Die Sicherheitleistung ist der Höhe nach im erlassenen Urteil zu bestimmen. a ) Die nachträgliche Abänderung ist unzulässig (RG Gruch. 38/178); über die nachträgliche Änderung der Art der Sicherheitleistung vgl. § 710 A I I I . Wird Berufung eingelegt, so kann der Berufungbeklagte Abänderung verlangen (§ 708 C I I I b 2). Im übrigen sind auch §§ 707, 719 anwendbar (OLG J W 25/2156). Ist der Ausspruch unterblieben, so gilt § 716. Die Anwendung des § 319 ist insoweit ausgeschlossen. b) Der Betrag der zu leistenden Sicherheit (in Geld) wird gewohnheitrechtlich so bemessen, wie sich der Ersatzanspruch nach § 717 I I voraussichtlich (ohne weitere Vollstreckungschäden) errechnen würde (OLG 6/409), also nach dem Wert des Verurteilunggegenstandes (Hauptanspruch und Nebenleistungen) wie der Prozeßkosten der ersten Instanz. Soweit eine Vollstreckung nach dem Urteil nicht in betracht kommt (bei feststellenden Erkenntnissen etwa), bleibt dieser Wert außer ansatz (OLG 13/179).
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Anb
b 1. Bei Ratenzahlungerkenntnissen darf die zu leistende Sicherheit mit der Fälligkeit einer jeden neuen Rate erhöhbar gestaltet werden (OLG 25/147), aber auch in Höhe des beizutreibenden Betrages (RG J W 27/991; a. M. OLG 25/147). b 2. Ist die Höhe absolut festgesetzt, so ist die volle Sicherheit zu leisten, auch wenn der Gläubiger nur wegen eines Teilanspruchs vollstrecken will (LG Rpfl. 50/279). A III. Die Art der Sicherheitleistung (§ 108 B III) darf noch nachträglich durch Beschluß geändert werden (§ 108 B II b 1) ohne notwendige mündliche Verhandlung und ohne Anhörung der Parteien (RG J W 99/41). Zuständig hierfür ist {auch nach Einlegung der Berufung) das Gericht der ersten Instanz (OLG 21/104). A I V . Die geleistete Sicherheit darf nach § 713 I I zur Sicherheitsleistung verwandt werden, wenn die zweite Instanz nach § 717 II erkennt (a. M. Sydow-Busch § 710 Anm. 2). A V. Zurückgegeben wird die Sicherheit nach Rechtskraft des Urteils (§ 715), bei Eint r i t t der unbedingten Vollstreckbarkeit des Urteils nach §§ 534, 560, 718 oder nach Zurückweisung oder Verwerfung eines Rechtsbehelfs des Gegners durch rechtskräftige oder vorläufig vollstreckbare Entscheidung (§§ 708 I 7, 109). Auch wenn der Gläubiger endgültig befriedigt wird, ist die Veranlassung zu ihr weggefallen, nicht aber bei einer Leistung zur Abwendung der Vollstreckung (RG J W 12/247). Bei Aufhebung des Urteils besteht die Veranlassung fort. A VI. Über die Kosten der Sicherheitleistung vgl. § 788 B II. B I. Auf Antrag des Gläubigers ist das Urteil ohne Sicherheitleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn er glaubhaft macht (§ 294), daß er die Sicherheit nicht leisten kann und ihm die spätere Vollstreckung einen schwer zu ersetzenden oder schwer zu ermittelnden Nachteil bringen würde. Die Vorschrift kommt auch in den Fällen des § 713 I I zum zuge. B II. Unter derselben (§ 710 B I) Voraussetzung wird die vorläufige Vollstreckbarkeit (auch ohne Antrag des Gläubigers) in den Fällen des MSchG §§ 2 , 3 gewährt (MSchG § 13 II 2). Die entsprechende Norm findet sich im GeschäftraummietenG § 7 II (§ 721 A III c, vgl. auch GeschäftraummietenG § 7a II 3 [§ 885 A l b ] ) . B III. Versehentliches Übergehen des Antrags berechtigt zum Antrag auf das Ergänzungurteil (§ 716, OLG Seuff. 78/105).
§ 711 ( - ) aufgehoben.
§712(651) I Wird glaubhaft gemacht, daß die Vollstreckung des Urteils dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so ist in den Fällen der §§ 708, 709, 710 Satz 1 auf Antrag des Schuldners auszusprechen, daB das Urteil nicht vorläufig vollstreckbar sei; in den Fällen des § 710 Satz 2 ist der Antrag des Gläubigers zurückzuweisen. A. Auf den Antrag des Schuldners ist an Stelle des Ausspruchs vorläufiger Vollstreckbarkeit die Unvollstreckbarkeit auszusprechen, wenn durch die Vollstreckung dem Schuldner ein unersetzlicher Nachteil droht (§ 719 B II), was der Schuldner glaubhaft zu machen h a t (§ 294). Vor den ordentlichen Gerichten ist der ausdrückliche negative gerichtliche Ausspruch nur zur Klarstellung erforderlich. Fehlt die Beurkundung des Antrags, so ist Tatbestandberichtigung zu beantragen (§ 320); ist er übergangen, so besteht die Möglichkeit der Ergänzung nach § 716 (OLG Seuff. 78/105). B. Auch wenn alle Voraussetzungen des § 712 vorliegen, darf dem Antrag nicht stattgegeben werden, wenn das Urteil sogleich rechtskräftig wird.
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§ 713 (652) I Das Gericht kann auf Antrag die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Diese Vorschrift ist auf die im § 708 Nr. 7 bezeichneten Urteile nicht anzuwenden. n Das Gericht hat auf Antrag dem Schuldner nachzulassen, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden, wenn nicht der Gläubiger sich erbietet, vor der Vollstreckung Sicherheit zu leisten. A. § 713 gilt nicht in den Fällen der §§ 712, 710 I 2 (str.); 534, 560 und nicht, wenn das Urteil sogleich rechtskräftig ist (§ 713a). A I. Abgesehen vom oberlandesgerichtlichen Verfahren in vermögensrechtlichen Streiten (§ 2 A I b, § 713 I 2) dar! der Schuldner beantragen, daß der Gläubiger nur gegen Sicherheitleistung vollstrecken darf (§ 713 I 1). Über den Antrag entscheidet das Gericht nach h. M. nach freiem Ermessen. A II. Auf Antrag des Schuldners ist (ohne Ermessenerwägungen des Gerichts) ihm nachzulassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitleistung oder Hinterlegung abzuwenden (§ 713 II). Schuldner kann dabei auch der Kläger werden, nämlich in bezug auf die Prozeßkosten, wenn er abgewiesen wird (OLG MDR 54/238). Wird von vornherein die Vollstreckung nur gegen Sicherheitleistung des Gläubigers angeordnet (§§ 710 11, 713 I 1), so wird wegen des zweiten Halbsatzes des § 713 II der Antrag des Schuldners gegenstandslos (OLG J W 25/836). A III. Das Antragsrecht besteht, auch wenn der Anspruch auf ein Tun oder Unterlassen geht und deshalb gar nicht das zurückgewährt werden kann, worüber vollstreckt wird (SydowBusch § 708 Anm. 1). Auch muß die Anordnung bei einem Urteil, das die Berufung gegen ein Grundurteil zurückweist, getroffen werden. A IV. Die Anordnung nach § 713 II hindert unter den Voraussetzungen des § 940 nicht den Erlaß einer einstweiligen Verfügung (OLG 35/112), in diesen Fällen darf aber der Schuldner verlangen, daß aus der Sicherheitleistung gezahlt wird; wie überhaupt Freigabe durch den Schuldner aus der Sicherheit zur Befriedigung des Gläubigers jederzeit zulässig ist. Hat der Gläubiger aber trotz der Sicherheit Befriedigung erlangt, so ist insoweit die Veranlassung zur Sicherheitleistung weggefallen. Auch hindert die Anordnung nach § 713 II nicht die Anwendung des § 719 II (BGH J R 52/172; a. M. BGH MDR 53/98 und ständig). B I. Der Antrag des Schuldners darf von vornherein nach seiner Wahl auf Sicherheitleistung oder auf Hinterlegung des Streitgegenstandes gerichtet werden, er darf aber auch auf eine dieser Leistungen beschränkt werden. Es darf ferner nachträglich, da es sich nicht um die Höhe der Sicherheit handelt, an Stelle der Sicherheitleistung die Hinterlegung angeordnet werden; und wohl auch das Umgekehrte. Dem Antrag auf Hinterlegung darf nur stattgegeben werden, wenn der Gegenstand auch hinterlegbar ist. B II. Ist dem Schuldner die Abwendungsbefugnis zugesprochen, so a) kann der Schuldner mit dem Nachweis der Hinterlegung die Einstellung der Vollstreckung und die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen (§§ 775 I 3, 776) herbeiführen. B n i . Ist dem Schuldner die Abwendungbefugnis zugebilligt, so a) wird der zu hinterlegende Gegenstand gepfändet, darf aber dem Gläubiger nicht ausgeliefert werden; sondern muß, sofern er hinterlegungfähig ist, hinterlegt werden (§ 720 entsprechend). Ist er dagegen nicht hinterlegbar, so ist er dem Gläubiger auszuliefern. b) Gepfändetes Geld oder der Erlös gepfändeter Gegenstände sind zu hinterlegen (§ 720), die Wegnahme von Geld durch den Gerichtsvollzieher ist dann aber nicht Zahlung des Schuldners (§815 111); gepfändete Forderungen dürfen nur zur Einziehung durch Hinterlegung überwiesen werden (§ 839); bietet der Gläubiger selbst, so muß er bei der Versteigerung erworbener Sachen den gebotenen Betrag auszahlen (§ 817 IV), die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher gilt nicht als Zahlung des Schuldners an den Gläubiger (§ 819). Andererseits wird keine Verwahrungpflicht des Gläubigers nach BGB § 1215 gegenüber dem Schuldner begründet.
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B IV. Im selben Verfahren geleistete Sicherheiten sind in bezug auf denselben Anspruch anzurechnen. War etwa in erster Instanz vom Kläger-Gläubiger Sicherheit geleistet, ist dann das Urteil in der zweiten abgeändert, der Kläger nach § 717 II verurteilt, ihm aber als nunmehrigem Schuldner nachgelassen, die Vollstreckung nach § 713 II abzuwenden, so ist die in erster Instanz geleistete Sicherheit, die doch gerade der Sicherung des Anspruchs nach § 717 II dienen sollte, ohne weiteres auf die nach § 713 II zu leistende anzurechnen. Hatte umgekehrt der Gläubiger Sicherheit geleistet und vollstreckt, ist dann das Erkenntnis der ersten Instanz von der zweiten bestätigt, dem Schuldner aber die Abwendungbefugnis zugebilligt worden, so kann er die Sicherheitleistung des Gläubigers nur dann festhalten, wenn er die Abwendungbefugnis erfüllt; sonst ist dem Gläubiger nach § 715 bzw. § 109 die Sicherheitleistung zurückzugewähren (RG Warn. 17/101). C I. Dem Antrag des Schuldners auf Vollstreckungsschutz nach § 713 II darf der Gläubiger mit dem Antrage begegnen, daß er selber Sicherheit leisten wolle. C II. In diesem Falle ist (ohne Ermessensmöglichkeit des Gerichts) beiden Anträgen, dem des Schuldners und dem des Gläubigers, stattzugeben (RGZ 20/425). C III. Vollstreckt wird in diesem Falle so, daß zunächst der Gläubiger vollstrecken darf, bis die Sicherheitleistung des Schuldners nachgewiesen ist bzw. bis die Vollstreckung zur Hinterlegung geführt hat. Er erlangt dann aber keine Befriedigung, wenn es nicht in der Vollstreckung um Handlungen oder Unterlassungen usw. geht oder um die in einen nicht hinterlegungfähigen Gegenstand (§ 713 B I). Will er sich sonst befriedigen, so muß er selbst hinterlegen (BGH NJW 54/558), darf dies aber auch noch, nachdem der Schuldner hinterlegt hatte. D. Bei der von dem Gläubiger zu leistenden Sicherheit ist zu bedenken, ob er nach § 717 II oder nach § 717 III haftet (regelmäßig sind zu bemessen Hauptforderung, Zinsen, Kosten, LG JW 33/1673); bei der vom Schuldner sind zu leistende Erfüllung und Schaden abzudecken (RGZ 141/194) bzw., wenn es um Verzugschaden geht, nur der Aufschubschaden. Die Sicherheit haftet dem Gläubiger als Pfand (BGB § 233, vgl. RG JW 12/247); über den WegfaU der Veranlassung zur Sicherheit vgl. § 710 A V, über die Rückgabepflicht § 715. RG HRR 35/715 hat die Vereinbarung der Parteien, daß der Beklagte Sicherheit durch Hinterlegung auf Bankkonto beibringt, so ausgelegt, daß diese bis zur rechtskräftigen Entscheidung verbleiben sollte, auch wenn das vorläufig vollstreckbare Urteil keinen Bestand hatte. E. Übergangene Anträge können zum Ergänzungurteil führen (§ 716, OLG Seuff. 78/105). Darüber, inwieweit sie mit dem Rechtsmittel verfolgt werden können, vgl. §§ 718, 714.
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I Die in den §§ 712 und 713 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, nach dem Ermessen des Gerichts unzweifelhaft nicht vorliegen. A I. Ist der ßechtsbehelf unstatthaft (§ 511 B II), so ist das Erkenntnis rechtskräftig. § 713 a stellt klar, daß sodann zugunsten des Schuldners Anordnungen nicht getroffen werden sollen. Werden sie getroffen, so sind sie unwirksam. Dennoch geht es nicht an, § 713 a auf die Fälle der weiteren Zulässigkeitvoraussetzungen der Rechtsbehelfe (§ 511 B II b 3) auszudehnen und darunter auch etwa die Fälle, wenn die Erwachsenheitsumme (§§ 511a B, 546 A I a, 567 II) nicht erreicht ist, zu beziehen (a. M. OLG Hamburg v. 31. 1. 1955 — 18 U 191/54). a) Soweit die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs davon abhängt, ob der Gegner das Rechtsmittel einlegt, sofern die Möglichkeit der Anschließung besteht (§§ 521folg., 556), ist § 713a nicht anzuwenden (OLG JW 31/1830). A II. Geprüft wird dabei nicht die Erfolgsaussicht (OLG JW 31/1830).
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§713a
ZPO VIII. Buch
B. Die Übergehung der Vorschrift kann nicht gerügt werden; ihre unrichtige Anwendung darf aber mit dem Rechtsmittel der Berufung nach § 718 verfolgt werden. Im Falle der Revision eröffnet sie die Einstellungsmöglichkeit nach § 719 I I (unter den dort gegebenen Bedingungen); soweit man hier, wenn die Möglichkeit, nach §§ 712, 713 vorzugehen, bestand, den § 719 I I nicht anwendet, vgl. § 719 B I.
§ 7 1 4 (653) I Die in den §§ 710 bis 713 erwähnten Anträge sind vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. A. Soweit Anträge über die Vollstreckbarkeit gestellt werden sollen, hat dies in dem Erkenntnisverfahren bis zum Verhandlungschluß zu geschehen, bzw. im schriftlichen Verfahren bis zum Erlaß der Entscheidung (§ 516 A I). Es sind Sachanträge i. S. des § 297; sie unterliegen der notwendigen mündlichen Verhandlung (RG J W 01/402). § 714 bezieht sich nicht auf die Art der Leistung einer der Höhe nach bestimmten Sicherheit (§ 112 A) und er deckt sich nicht mit §§ 534, 560. B I. Soweit der Antrag einer besonderen Begründung und Glaubhaftmachung bedarf (§ 710 I 2, MSchG § 13 I I 2), müssen Antrag, Begründung und Glaubhaftmachung rechtzeitig beigebracht werden. B II. Die Entscheidung ist mit der Berufung (§ 718 I); nicht mit der Beschwerde (RG J W 01/402) und nicht mit der Revision anfechtbar (§ 718 II). B III. Nachträgliche Anträge in bezug auf die Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils a) in der Berufunginstanz sind unzulässig (RGZ 55/99folg.; a. M. OLG MDR 57/171) a 2. Wird indes der Vollstreckungausspruch als solcher mit der Berufung angegriffen, so dürfen neue Anträge im Rahmen der §§ 264, 268, 269 zugelassen werden. b) In der Revisioninstanz sind Anträge nach § 560 zulässig, außerdem die nach § 719 I I ; aber grundsätzlich keine sonstigen, im besonderen nicht die Nachholung der in der Berufunginstanz versäumten Antragstellung (BGH N J W 53/1263), für die des Gläubigers nach § 713 I I (BGH v. 13. 5.1959 V ZR 94/59) wie f ü r die des Schuldners (BGHZ 10/88); doch sollte man die aus § 721, MSchG § 27, GeschäftsraummietenG § 7 zulassen, im besonderen, wenn die Räumungsfristen nicht erst ab Rechtskraft wirken.
§ 715 ( - ) I In den Fällen der § 710, 713 kann das Gericht, das die Sicherheitsleistung angeordnet oder zugelassen hat, auf Antrag die Rückgabe der von dem Gläubiger geleisteten Sicherheit anordnen, wenn ein Zeugnis über die Rechtskraft des für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils vorgelegt wird. Die Vorschriften des § 109 Abs. 3 gelten entsprechend. A. § 715 läßt die Rückgabeanordnung einer vom Gläubiger (nicht vom Schuldner) auf Grund der §§ 710 11, 713 11, I I geleisteten Sicherheit im vereinfachten Verfahren zu, wenn das Urteil, aus dem der Gläubiger vollstrecken wollte, rechtskräftig geworden ist (§ 705 B). In allen übrigen Fällen gilt § 109 unmittelbar. § 715 gilt auch, wenn ein dritter für den Gläubiger Sicherheit geleistet hat (OLG J W 25/819) und wenn nur ein Vorbehalturteil rechtskräftig geworden ist (§§ 302, 599), indes ist hier die Einstellung der Vollstreckung entsprechend § 707 zulässig. Sonst aber haftet die Sicherheit nicht für einen eventuellen Ersatzanspruch, der sich aus dem Nachverfahren, wenn es zur Klageabweisung führt, ergibt (RGZ 47/365 f.). Bei einer gegen Gesamtschuldner geleisteten Sicherheit muß das Urteil gegen alle Gesamtschuldner rechtskräftig geworden sein (OLG Seuff. 70/97). B. Der Gläubiger hat die Wahl, ob er das Verfahren nach § 109 oder das nach § 715 betreiben will. So ist etwa, wenn der Schuldner bezüglich eines Vorbehalturteils Sicherheit
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Allgemeine Vorschriften
§715 B
nach § 713 II geleistet hatte, die Veranlassung dazu schon weggefallen, wenn dieses im Nachverfahren auch durch ein noch nicht rechtkräftiges Urteil aufgehoben worden ist (BGHZ 11/503); während, wenn der Fall der Sicherheitleistung eingetreten ist, die Sicherheit erst zurückgegeben werden darf, wenn feststeht, daß der Geschädigte befriedigt worden ist. Zuständig für das Rückgabeverfahren ist die Instanz, welche die Leistung der Sicherheit angeordnet hat; auch ist die Berufunginstanz nicht zuständig, wenn sie nur die Anordnung der ersten Instanz bestätigt hat. Es entscheidet der Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 I 3). Das Verfahren setzt den Antrag des Gläubigers bzw. seines Rechtsnachfolgers voraus; OLG JW 25/819 hat auch den dritten, der die Sicherheit für den Gläubiger geleistet hat, für antragsberechtigt gehalten. Der Antrag unterliegt nicht dem Anwaltzwang (§ 78 II). Entschieden wird im freigestellt mündlichen Verfahren (§§ 715 I 2, 109 III) durch Beschluß, der, wenn mündlich verhandelt wird, zu verkünden (§ 329 I), sonst formlos mitzuteilen ist (§ 329 III). Zum Beweise der eingetretenen Rechtskraft ist die Vorlegung des Rechtskraftzeugnisses (§ 706 I) vorgeschrieben; doch genügt auch Offenkundigkeit (§ 291). Ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, so kann nur nach § 109 vorgegangen werden (RG Warn. 17/101). Die Rückgabe wird an den Gläubiger bzw. den dritten Hinterleger angeordnet, nicht an einen Prozeßbevollmächtigten (KGJ 27 A 6), doch kann diesem Empfangvollmacht erteilt werden. Die Rückgabeanordnung bindet die Hinterlegungstelle (KGJ 32 A 20), doch kann diese auch ohne Anordnung die Sicherheit nach HinterlegungO § 13 II 2 herausgeben (KGJ 32 A 21). C. Gegen die Anordnung der Rückgabe wie die Zurückweisung des Antrages ist die einfache Erinnerung nach RechtspflegerG § 10 I 1 zulässig. Sprungerinnerung (RechtspflegerG § 10 IV) ist nur statthaft, soweit gegen die Entscheidung des Richters die Beschwerde zulässig ist (§ 715 C). Gegen die Entscheidung des Richters findet, wenn die Rückgabe abgelehnt wird, die einfache Beschwerde des § 567 I statt (RGZ 47/364f.), sofern keine Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 10 IV eingelegt worden ist; gegen die Anordnung der Rückgabe ist kein Rechtsmittel gegeben.
§ 716
(754)
I Ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht entschieden, so sind wegen Ergänzung des Urteils die Vorschriften des § 321 anzuwenden. A. Auch die übergangene Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit unterliegt der Norm der Urteilsergänzung (§ 321). Die Tenorergänzung auf dem Wege der Berichtigung (§ 319) wäre nur dann berechtigt, wenn in den Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit entschieden worden ist, während der Ausspruch im Tenor fehlt; nicht aber sonst. Ist im Urteil nicht über die vorläufige Vollstreckbarkeit entschieden, obwohl dies hätte geschehen sollen, oder ist der Antrag des Gläubigers (a. M. für den Gegenantrag des Gläubigers nach § 713 II: KG JW 24/61) oder des Schuldners (RGZ 151/309; a. M. OLG 29/164) oder sind beide (§ 713 II) übergangen, so ist § 321 anzuwenden (§ 716). Entsprechend wird § 716 angewandt, wenn ein Räumungschutzantrag nach §721 I (§ 721 II) oder ein Aufbrauchantrag im gewerblichen Rechtschutz (§ 561 B III a 1, b) gestellt, aber nicht beschieden ist. B. In dem Verfahren mit notwendiger mündlicher Verhandlung muß über den Ergänzungantrag erneut verhandelt werden, wenn nicht nach § 128 II verfahren werden darf; weitere Anträge, welche die Vollstreckbarkeiterklärung betreffen, dürfen dann nachgeholt werden, sofern sie mit dem Antrag im Zusammenhang stehen. Das Urteil ist Endurteil; § 517 gilt, auch in der Revisioninstanz (§ 566; RGZ 151/304). Die Anfechtung des Urteils ist nach RGZ 151/304 auch mit der Revision trotz § 718 zulässig. C. Ist die Ergänzungmöglichkeit des § 716 versäumt, so darf der Gläubiger wegen der unterlassenen Entscheidung nicht das Urteil mit der Berufung (oder gar der Revision) anfechten (OLG 5/118). Über die Nachholung nicht gestellter Anträge in der Berufunginstanz vgl. § 714 B III a, über die in der Revisioninstanz vgl. § 714 B III b.
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ZPO V I I I . Buch
§ 717
(655)
I Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht. II Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert, so ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen. III Die Vorschriften des Abs. 2 sind auf die im § 708 Nr. 7 bezeichneten Urteile der Oberlandesgerichte, mit Ausnahme der Versäumnisurteile, nicht anzuwenden. Soweit ein solches Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, ist der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem auf Grund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Die Erstattungspflicht des Klägers bestimmt sich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Wird der Antrag gestellt, so ist der Anspruch auf Erstattung als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen; die mit der Rechtshängigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verbundenen Wirkungen treten mit der Zahlung oder Leistung auch dann ein, wenn der Antrag nicht gestellt wird. A. Eine Entscheidung tritt außer kraft mit ihrer Aufhebung, gleichviel ob sie rechtskräftig aufgehoben wird oder nicht (RGZ 91/202). A I. § 717 I spricht diesen Satz auch für die Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus, insoweit sie abgeändert oder aufgehoben wird (vgl. § 708 C I I I b 7). a) Die vorläufige Vollstreckbarkeiterklärung reicht nicht über die auf den Rechtsbehelf folgende Endentscheidung hinaus. b) In diesem zurückweisenden Urteil muß erneut über die vorläufige Vollstreckbarkeit (von gerichts wegen) entschieden werden. b 1. Enthält das bestätigende Urteil eine Vollstreckbarkeiterklärung, so wird das bestätigte ihr unterworfen, also wenn das OLG die Berufung zurückweist und sein Urteil für (schlechthin) vorläufig vollstreckbar erklärt, so gilt dieser letzte Ausspruch auch für das LGurteil; umgekehrt wird, wenn auf einen Einspruch das Versäumnisurteil aufrechterhalten, das Urteil aber gegen Sicherheit für vorläufig vollstreckbar erklärt wird, davon auch das Versäumnisurteil ergriffen (obwohl das nach der hier vertretenen Ansicht nicht geschehen sollte, § 708 E I I I b). b 2. Abgeändert wird das erste Erkenntnis noch nicht durch den Erlaß von Zwischenurteilen (§§ 275 II, 304, RGZ 78/238). Soweit diese ergehen und einen neuen Vollstreckbarkeitausspruch enthalten (also etwa für schlechthin vollstreckbar erklären), bezieht sich dieser nicht auf das vorinstanzliche Urteil. b 3. Bei Urkunden- usw. Vorbehalturteilen gibt es regelmäßig kein Auseinanderfallen (§ 708 E IV), aber auch keinen Übergriff des Nachverfahrensurteils, b 4. und dasselbe muß bei den Vorbehalturteilen nach § 302 gelten; nur kann nicht das Nachverfahrenurteil eine über das Vorbehalturteil hinausgehende Vollstreckbarkeit geben, so lange dieses nicht rechtkräftig ist. A II. Die Wirkung des abändernden (aufhebenden) Urteils tritt mit der Verkündung bzw. dem ihr entsprechenden Zeitpunkt ein, also bevor das aufhebende Erkenntnis rechtskräftig oder auch nur zugestellt wird. Wird seine Ausfertigung vorgelegt, so ist die Vollstreckung auf Grund des abgeänderten Urteils einzustellen und sind die auf ihm beruhenden Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben (§§ 775 1 1, 776, 868, OLG Seuff. 55/182). a) Ein das aufhebende Urteil aufhebendes Urteil stellt nicht die vorläufige Vollstrcckbarkeit des ersten Urteils her (§ 708 C I I I b 7; anders beim Durcherkennen in der Revisioninstanz, wenn ein aufgehobenes Urteil wieder hergestellt wird).
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Allgemeine Vorschriften
§717
B I. § 717 II, I I I geben dem Schuldner einen außerprozessualen Ersatzanspruch wegen ungerechtfertigter Vollstreckung. Der Anspruch wird grundsätzlich gewährt, gleichviel aus welchem Grunde das erste Urteil aufgehoben wird (etwa bei Aufhebung und Zurückverweisung: LG N J W 56/1763). a) Entsprechendes gilt nach §§ 302 IV 2, 4; 600 I I ; 945; 1042c II 2, 1044a I I I und den JagdG. b) Entsprechend anzuwenden ist § 717 II 1, b 1. wenn aus noch nicht rechtskräftigen Beschlüssen vollstreckt wird (§ 794 I 2, 3; OLG 29/164; über die Frage, ob OLG-Beschlüsse den OLG-Urteilen gleichstehen, vgl. § 717 C IV b); b 2. ferner, wenn ein selbst rechtskräftiges Betragsurteil bei noch schwebendem Verfahren über den Grund durch Aufhebung des Grundurteils (§ 304 F I I I d 1) oder wenn ein Urteil bei noch schwebendem Zwiscbenstreit nach § 275 II durch ein in diesem Verfahren ergehendes Urteil beseitigt wird (§ 275 C I I I b), oder wenn eine Vollstreckungklausel nach §§ 732, 768 aufgehoben wird (arg. § 731). c) Grundsätzlich ausgeschlossen aber erscheint die entsprechende Anwendung, c 1. wo mit außerordentlichen Rechtsbehelfen eine auch nicht bloß bedingt eingetretene Rechtskraft beseitigt wird, wie bei rechtskräftigen Urteilen, die durch Wiederaufnahmeklage (RGZ 91/198), oder bei Schiedsprüchen und Schiedvergleichen, die durch Aufhebungklage nach § 1043 vernichtet werden. Ob dies auch bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt, die das Rechtsmittel zulässig macht, ist zweifelhaft. c 2. Bei Berichtigung des Urteilstenors (§ 319 B I I I e) haftet der Gläubiger, weil es sich hier um eine offenbare Unrichtigkeit handeln muß, die auch ihm nicht entgehen durfte (vgl. OLG Seuff. 55/49); das entsprechende gilt im Falle des § 845 und erst recht, wenn der Gläubiger den Titel nur irrtümlicherweise für gegeben ansieht. c 3. § 717 II 1 gilt nicht bei erfolgreicher Vollstreckunggegenklage (§ 767), bei erfolgreicher Drittwiderspruchklage (§ 771, RG Gruch. 59/375), bei der Aufhebung einer Einstellung (vgl. § 769, RG Seuff. 61/120) und nicht bei außerprozessualen Eingriffen (RG J W 12/201). d) Aber auch soweit § 717 I I 1 nicht anzuwenden ist, gibt es hier gewohnheitrechtlich Ersatzansprüche aus dem entsprechend anzuwendenden § 655 II a. F. auf Rückforderung des Geleisteten (ohne Zinsen), selbst wenn kein sonstiger außerprozessualer Anspruch gegeben ist (RGZ 91/200). e) Bei vollstreckbaren Vergleichen (§ 794 1 1) oder bei guarantigierten Urkunden (§ 794 I 5) kommt nur sonstiges außerprozessuales Recht zum zuge. B II. Wird auf einen nicht für vorläufig vollstreckbar erklärten Titel gezahlt, so ist § 717 II, I I I nicht anzuwenden (RGZ 60/344); ebenso, wenn geleistet wird, nachdem der Gläubiger erklärt hatte, aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel nicht vollstrecken zu wollen (Kommentar § 704 G I a). B III. Der Ersatzanspruch nach § 717 II, III setzt voraus, daß der vorläufige Vollstreckungtitel durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben oder abgeändert worden sein muß. a) Dazu muß der Ausspruch zur Sache geändert worden sein (BGH LM-AnfG § 2/1). Von einem Schadenersatz wegen vorzeitiger Befriedigung des Gläubigers kann keine Rede sein. Der Schadenersatzanspruch ist nicht gegeben, wenn die Aufhebung oder Abänderung durch ein späteres Urteil wieder beseitigt und das erste Urteil wiederhergestellt wird (RGZ 121/182). War die Vollstreckung schon durchgeführt und hatte der Gegner nach § 717 II seine Schadenersatzforderung durchgesetzt (und sie ist schon zuzusprechen, wenn das alte Urteil aus formellen Gründen aufzuheben ist: OLG 6/411), so bleibt dem Gläubiger dagegen nur der Anspruch aus § 717 II, I I I gegen die vom Gegner zu unrecht betriebene Vollstreckung. b) Trotz formaler Aufhebung kann indes der Ersatzanspruch entfallen, wie er umgekehrt trotz formaler Bestätigung gegeben sein kann. b 1. Bestätigt ein späteres Urteil das frühere auf Grund erst nachträglich entstandener Klagegründe usw., so ist trotz der Bestätigung der Anspruch aus § 717 II, I I I bis zu dem
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s m b l
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Zeitpunkt begründet, wo der neue Klagegrund usw. wirksam geworden ist. Wird ein Urteil aufrechterhalten, weil inzwischen die Fälligkeit der Forderung eingetreten ist, so gilt das entsprechende. b 2. Der Ersatzanspruch kann entfallen, wenn erst infolge eines nachträglich eingetretenen Umstandes die Aufhebung des Urteils bewirkt wurde, also wenn der Schuldner mit einer erst später eingetretenen Einwendung usw. hervortritt. Hatte der Schuldner etwa mit einer im Urkundenprozeß zurückgewiesenen Forderung aufgerechnet, so haftet der Gläubiger nach § 600 II, wenn der Einwand im Nachverfahren durchgreift (RG N § 717/44). Wirkt indes ein Tatbestand zurück, so tritt die Rückwirkung trotz späterer Erklärung des Schuldners ein, wie bei der Anfechtung (BGB § 142 I); wobei allerdings wegen der nach BGB §§ 119, 120 ausgesprochenen Anfechtung wie bei der aus BGB § 118 sich ergebenden Nichtigkeit der Schuldner den Vertrauenschaden zu ersetzen hat (BGB § 122), so daß bei Vollstreckung vor Zugang einer solchen Anfechtungerklärung der Anspruch aus § 717 II auf den Herausgabeanspruch nach § 655 a. F. herabgemindert wird (§ 717 B I d). Entfällt der Anspruch durch nachträgliche Gesetzesänderung, so war bis dahin die Vollstreckung gerechtfertigt, wohl aber gilt § 655 II a. F. (§ 717 B I d). b 3. Heben die Parteien durch Vergleich den Titel auf (RGZ 145/328), so kommt es auf den Inhalt des Vergleichs an, ob damit auch die Ersatzansprüche aus § 717 II, I I I getroffen werden sollen, was im Zweifel anzunehmen ist (OLG 15/1). b 4. Der Anspruch entsteht auch und dann insoweit, wie nur teilweise aufgehoben oder abgeändert wird (RG Seuff. 65/59). c) Im übrigen entsteht der Anspruch auch, wenn nur aus formellem Grunde aufgehoben wird (RGZ 113/134). d) Bei Grundurteilen (§ 304 A) können solche Ansprüche nicht entstehen (RGZ 78/238). B IV. § 717 II, III sprechen von Kläger und Beklagten, gemeint ist aber das Gläubigerund Schuldnerverhältnis, ohne Rücksicht auf die Parteirollen im ProzeB (RGZ 49/411). a) Es haftet der Gläubiger, auch wenn sein gesetzlicher Vertreter (die Partei kraft Amtes) oder sein Prozeßbevollmächtigter (RGZ 96/177f.) vollstrecken lassen. b) Betreibt ein Gläubiger des Gläubigers (etwa ein Pfändungpfandgläubiger) die Vollstrekkung, so haftet dieser, da auch er den Schaden verursacht (der Gläubiger verursacht ihn aber auch; seine Verbindlichkeit gegen den Drittgläubiger wird mit der Erfüllung getilgt). Daß dieser Schaden im Prozeß geltend gemacht werden darf, entspricht dem § 265 II 1; Prozeßpartei bleibt der Gläubiger, und der Rechtsnachfolger wird es nicht (RGZ 148/173); zu verurteilen ist nach RGZ 148/173 die Prozeßpartei, der Gläubiger, nach Jonas (JW 35/2729) nur der Rechtsnachfolger, nach der hier vertretenen Auffassung beide als Gesamtschuldner. c) Ersatzforderunggläubiger ist der Schuldner, gegen den vollstreckt wird, mag ihm auch ein anderer für den Schaden einzutreten haben. c 1. Dies gilt auch dann, wenn jemand als Vertreter ohne Vertretungmacht in ansprach genommen worden ist, der seine Vertretung nicht nachweisen konnte. Insoweit sind diese als Partei im Prozeß Beteiligten auch berechtigt, den einem dritten entstandenen Schaden geltend zu machen (RGZ 115/419). Doch hat OLG VersR 59/894 einen solchen Anspruch des Versicherers verneint, der über den Bereicherungschaden hinausging, vgl. auch § 717 B IV o 2. c 2. Hat einer von mehreren Gesamtschuldnern in der Berufunginstanz obgesiegt, so hat ihm OLG 34/94 nicht den Anspruch aus § 717 II zugebilligt, wenn ein anderer Gesamtschuldner gezahlt hatte, selbst wenn ihm dies der Obsiegende erstattet hat; dies gilt aber nicht bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62). Die Leistung eines dritten für den Beklagten (BGB § 267) läßt den Schadenersatzanspruch nicht auf ihn übergehen (anders nach BGB § 268). Auch sonst hat ein dritter den Anspruch aus § 717 II, I I I nicht (solange er ihn nicht durch Abtretung, Pfändung und Überweisung usw. erworben hat), selbst wenn in sein Vermögen vollstreckt wurde (RGZ 77/48; vgl. § 771 B IV). B V a) Der Schaden muß durch die Vollstreckung (OLG SchlHA 47/93) entstanden sein. Doch hat RG Seuff. 75/178 die nach §§ 888, 890 verhängte Geldstrafe als keinen durch die Vollstreckung entstandenen Schaden angesehen.
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b) Zur Abwendung der Vollstreckung ist der Schaden nur entstanden, wenn geleistet worden ist, wozu auch die Sicherheitleistung (RG J W 11/55) oder die gesetzlich zulässige Hinterlegung gehören, und dann ohne Rücksicht darauf, ob die Leistung dem Gläubiger etwas gebracht hat (RG Gruch. 69/239). Die Leistung auf einen vorläufig vollstreckbaren Titel ist im Zweifel nicht zur Tilgung der Forderung des Gläubigers bestimmt, sondern zur Abwendung der Vollstreckung (RG N § 717/29); jedenfalls, wenn es auf Androhung der Vollstreckung geschieht; freiwillige Zahlung reicht nicht aus (RG Warn. 40/13). Androhung der Vollstreckung ist die Zustellung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils, das mit Vollstreckungklausel versehen ist (RG J W 32/654), selbst wenn die Vollstreckung nur gegen Sicherheitleistung zulässig und die Sicherheitleistung noch nicht nachgewiesen ist (RG J W 38/2368); dabei braucht sich der Schuldner grundsätzlich nicht erst beim Gläubiger nach dessen Absichten zu erkundigen (RG J W 38/2368), vielmehr muß der Gläubiger dem Schuldner erklären, daß er nicht vollstrecken will, wenn er die mit Vollstreckungklausel versehene Ausfertigung zustellen läßt (RG J W 38/2368). Darüber hinaus sollte man jede Leistung als unter § 717 II, I I I fallend gelten lassen, sobald eine vorläufig vollstreckbare Entscheidung erlassen ist, sofern nicht der Gläubiger erklärt, daß er nicht vollstrecken wolle. Sicherheitleistungen des Schuldners oder Hinterlegung zur Abwendung der Vollstreckung sind stets unfreiwillig. c) Die Einleitung des Vergleichverfahrens wurde nicht als Ersatzgrund nach § 717 II angesehen (RGZ 131/185). C I. Der Schadenersatzanspruch aus § 717 II, III ist ein außerprozessualer (OLG SchlHA 47/93) und stellt sich als Gefährdunghaftung dar, tritt also grundsätzlich ohne Verschulden des Gläubigers ein (RG J R 26 B 27/75). a) Er unterliegt der Verjährungvorschrift des BGB § 852 (BGH N J W 57/1926), wobei die Verjährung mit der Aufhebung des Titels beginnt (OLG MDR 57/427). b) Er fällt unter § 32 (OLG 25/57). C II. Er geht auf Schadenersatz (BGB §§ 249folg., RGZ 64/283), nicht auf Bereicherung (BGB §§ 812folg.), wenn auch im Fall des § 717 III auf Bereicherungvorschriften verwiesen wird (vgl. § 717 C IV b). Über den Ersatz der Zwangsvollstreckungkosten vgl. § 788 D II. a 1. Dringt der Kläger nur mit einem Zurückbehaltungrecht durch, so muß der Kläger nach § 717 II zur Rückgabe der Leistung mit der Abwendungbefugnis durch eigene Leistung, wegen welcher der Beklagte die Leistung zurückbehalten darf, verurteilt werden (RG J W 27/1468); anders ist dies, wenn das Zurückbehaltungrecht etwa erst im zweiten Rechtszuge geltend gemacht wurde, nachdem schon vollstreckt war (RGZ 109/104). Auch hat BGH v. 20. 6. 1956 V ZR 62/55 einem Rückforderungbegehren aus § 717 II, I I I nicht stattgegeben, wo nur die Zug-um-Zugverurteilung geändert (neu ausgesprochen) wurde. b) Verlangt der Schuldner nach § 717 II Schadenersatz in Geld, obwohl sein Anspruch zunächst nur auf Herstellung geht (BGB § 249 I 1), so liegt in diesem Verlangen regelmäßig die Aufforderung zur Herstellung. Erklärt der Gläubiger dann nicht, daß er zur Herstellung bereit sei, aber den Geldersatzanspruch ablehne, sondern beantragt er schlechthin die Zurückweisung, so wird man darin auch eine Erfüllungsablehnung sehen dürfen, welche die Fristsetzung nach BGB § 250 erübrigt (RGZ 56/234). d 1. Nach BGB § 252 genügt die abstrakte Schadenberechnung bei der Pfändung von Warenlagern, wo der Unterschied zwischen dem Einkaufspreis und dem Veräußerungwert (RGZ 68/165f.), u. U. dem Marktpreis zu berechnen ist (RGZ 99/46). Gesetzliche Zinsen nach BGB § 288, HGB § 352 dürfen stets gefordert werden (RGZ 49/64). d 2. Andererseits ist die Vorteilansgleichung durch den Ersatzfordernden zu gewähren. e) Nur ist der immaterielle Schaden nicht zu ersetzen (BGB § 253). C i n . BGB § 254 gilt (BGH VersR 57/753). a 1. Doch darf dem Schuldner nicht die Gefahr für die Vollstreckung aufgebürdet werden, wenn er sich zunächst nicht verteidigt, im besonderen, wenn Versäumnisurteil gegen ihn ergeht (RG J W 05/645; a. M. KG J W 30/168). Auch darf dem Schuldner nicht vorgeworfen werden, daß er keinen Einstellungantrag gestellt h a t ; denn der Gläubiger braucht nicht zu 94 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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vollstrecken (a. M. RG J W 32/654). Wenn der Schuldner sich allerdings vorsätzlich schädigen lassen will, um so dem Gläubiger Schaden zuzufügen (vgl. BGB § 826), ist BGB § 254 gegen ihn anzuwenden. a 2. Unbeschränkt ist BGB § 254 II 1 anzuwenden (RG Gruch. 58/918). b) Im übrigen hat der Vollstreckunggläubiger gegenüber dem Anspruch des Schuldners aus § 717 II alle sonstigen Einwendungen (RGZ 103/358), die ihm das außerprozessuale Recht bietet, b 1. im besonderen darf er aufrechnen (RGZ 76/406). Doch wäre die Aufrechnung mit der Klageforderung unzulässig, weil, wenn sie besteht, die Vollstreckung gerechtfertigt ist (RG JW 33/1130); auch ist deshalb ein Zurückbehaltungrecht wegen der Klageforderung an dem beigetriebenen Gegenstand ausgeschlossen (RGZ 123/395). Doch gilt dies nur, wenn der Anspruch nach § 717 II im selben Prozeß geltend gemacht wird; nicht, wenn ein neuer Prozeß angestrengt wird, nachdem der erste aus formellen Gründen gegen den Kläger entschieden wurde, nunmehr aber sachlich zu prüfen ist. Dann ist die Aufrechnung selbst dann zulässig, wenn sie im Ergebnis zur sonst verbotenen Gegcnaufrechnung führt (§ 145 D I, RG N § 717/49). Umgekehrt hindert die Beitreibung der Schuld den Schuldner nicht an der Aufrechnung (RGZ 63/330). b 2. Soweit indes eine an den Besitz geknüpfte Einrede erst nach der Durchführung der Vollstreckung einer herauszugebenden Sache erhoben wird, greift sie aus materiellen Gründen nicht durch (RGZ 109/104). C IV. Der Ersatzanspruch des Schuldners nach § 717 II wird für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteile der OLG (§ 708 I 7), die keine Versäumnisurteile sind, eingeschränkt (§ 717 III 1). a 2. Nicht unter die Beschränkung fallen auch die Urteile im Urkunden- usw. prozeß und die unter Vorbehalt der Aufrechnung ergehenden (§§599, 302), sofern das Nachverfahren zu einem anderen Ergebnis führt (§ 717 B I a), a 3. und nicht die aus Arresten und einstweiligen Verfügungen (§ 945). b) Bei den übrigen kontradiktorischen oberlandesgerichtlichen Urteilen und den diesen entsprechenden Beschlüssen wird der Rückerstattunganspruch auf das beschränkt, was der Gläubiger von dem vom Schuldner Geleisteten erhalten hat (§ 717 I I I 2, 3), also die Hauptleistung, die Nebenleistungen und die beigetriebenen Kosten, einschließlich der Vollstreckungkosten (RG Gruch. 55/1080). b 1. Der Gläubiger haftet auf das von ihm Erlangte und Genutzte (BGB § 818 I, II) wie auf die unterlassene Nutzung (BGB §§ 292, 987 II), während er Ersatz für seine notwendigen Verwendungen fordern darf (BGB §§ 292, 994 II). Er hat ab Empfang, was er zu erstatten hat, nach BGB §§ 291, 288 bzw. HGB § 352 zu verzinsen. b 2. Der Hinweis des § 717 III 3 auf die Bereicherungvorschriften schließt den Ersatz des sog. mittelbaren Schadens des Schuldners ans. Nicht aber ist etwa BGB § 813 anzuwenden (RGZ 139/17). BGB § 818 I I I ist unanwendbar (§ 717 III 4). c) Einwendungen und Einreden sind im selben Rahmen wie gegen den Anspruch aus § 717 II zulässig (OLG HRR 39/1534). d 1. Ist ein Anspruch nach § 717 II entstanden, so wird er dadurch nicht geändert, daß das Urteil gemäß § 717 I I I nach § 708 I 5 für vorläufig vollstreckbar erklärt wird. Doch wird mit der Verkündung dieses Urteils (im schriftlichen Verfahren mit der Zustellung des Tenors, § 310 II) der Anspruch auf den bis dahin entstandenen Schaden begrenzt, wie er sich in diesem Zeitpunkt darstellt. d 2. Von da ab gibt es kein weiteres Anwachsen mittelbaren Schadens. C V. Sonstige etwaige außerprozessuale Ansprüche des Schuldners gegen den Gläubiger bestehen neben § 717 II, III, soweit deren Tatbestände gegeben sind (RGZ 91/195). D II. Wird der Ersatzanspruch durch neue Klage geltend gemacht, so wird der Gläubiger mit dem Einwände, daß der Vorprozeß falsch entschieden sei, nicht gehört (RGZ 58/236).
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§717
DO
a) Die Zuständigkeit wird nach allgemeinen Vorschriften (§§ 12foIg.) begründet, doch gilt auch § 32. b) Begründet ist die Klage, wenn der Tatbestand des § 717 II, I I I gegeben ist (also das Urteil, selbst wenn noch nicht rechtskräftig aufgehoben worden ist, KG OLG 17/180f.). Darüber, daß die Aufrechnung mit dem rechthängigen Gegenanspruch zulässig ist, vgl. § 263 A I c 1. Der rechtskräftige Vorprozeß schneidet den Aufrechnungeinwand ab (a. M. für den Fall der sog. Erschleichung des rechtskräftigen Urteils [BGB § 826] OLG 15/273, vgl. § 322 C I I I b 2). Wird ein noch nicht rechtskräftiges, aufhebendes Urteil des Vorprozesses wieder aufgehoben und das erste wieder hergestellt (§ 717 A II a), so wird der Anspruch unbegründet. b 1. Wird die besondere Klage gegenüber einem Rechtsnachfolger erhoben, so dürfen sowohl er (RG J W 98/223) wie der Gläubiger einer Partei des früheren Prozesses wie beide als Gesamtschuldner in ansprach genommen werden. In dem Falle, in dem nur der Rcchtsvorgänger neu verklagt wird, wirkt aber das Urteil gegen den Gläubiger nicht Rechtskraft gegen den Rechtsnachfoger (anders bei der Widerklage, vgl. § 265 II 1). b 2. Bei der besonderen Klage können die Klagegründe des § 717 II, I I I mit denen des außerprozessualen Rechts (BGB §§ 812folg., 823folg.) gehäuft werden (§ 260). Eine Aufrechnung gegen sie ist bei vorsätzlich unerlaubter Handlung nicht zulässig (BGB § 393); wohl aber sonst (RG J W 95/201 hält sie für schlechthin unzulässig). b 3. Die besondere Klage hat nicht dieselben Vorzüge wie die im anhängigen Verfahren erhobene Widerklage (vgl. § 33 C III). D III. Wird der Anspruch im anhängigen Prozeß verfolgt, a) so ist diese Verfolgung eine privilegierte Widerklage, die auch die h. M. als solche zuläßt (RGZ 124/185); während sich nach ihr davon noch der sog. Inzidentantrag unterscheidet. a 1. Der zu stellende Antrag ist Sachantrag (§§ 297, 510a); er wird durch Zustellung eines Schriftsatzes oder in der mündlichen Verhandlung nach § 281 geltend gemacht. a 2. Wird der Anspruch im anhängigen Prozeß erhoben, so begründet die Abweisung für jeden neuen Prozeß den Einwand der Rechtskraft (§ 322 B IV a 1); wird er dort eingeführt, so steht der selbständigen Klage der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen, weil diese im Vorprozeß zurückdatiert wird (§ 717 II 2, I I I 4, KG J W 24/1441). a 8. Zulässig ist die privilegierte Widerklageerhebung, so lange nicht über den Hauptanspruch, an den sie angehängt werden darf, rechtskräftig entschieden ist; dies gilt auch gegenüber rechtskräftigen Teilklagecntscheidungen (RGZ 145/296). b) Das Privileg gegenüber der gewöhnlichen Widerklage besteht darin, daß sie auch dort zulässig ist, wo die gewöhnliche verboten ist, nämlich b 1. im U r k u n d e n - usw. p r o z e ß (OLG 5/50), in E h e s a c h e n , in K i n d s c h a f t s a c h e n , bei den E n t m ü n d i g u n g a n f e c h t u n g k l a g e n . b 2. Ferner ist die Widerklage (bzw. der Inzidentantrag) zulässig in der Berufung- (OLG H R R 33/346) und in der Revisioninstanz (RGZ 27/44), wobei auch auf das erstinstanzliche Urteil zurückgegriffen wird, das schon in der Berufunginstanz aufgehoben war (RGZ 34/384), gleichgültig, ob der Antrag schon in einer früheren Instanz hätte erhoben werden können (RG J R 26 B 798). Die Widerklage darf danach bis zum Schluß der Instanz, auf welche die abändernde oder aufhebende Entscheidung ergeht, erhoben werden. b 3. Streitwert der Widerklage ist die Schadensumme als Hauptforderung (also die Leistung des Schuldners an Hauptforderung, Zinsen, Kosten usw.). Die h. M. bejaht dies für die förmliche Widerklage, nicht für den sog. Inzidentantrag (RG J W 09/23; dagegen aber OLG N J W 56/1644). b 4, Die Widerklage darf auch vom nichtrechtsfähigen Verein erhoben werden, vom Proze ßunfähigen, wenn er als solcher gegen den Hauptantrag durchdringt (RGZ 66/246). Nimmt der Konkursverwalter einen Streit auf, indem er die Klage erhebt, so ist dies ein Aktivprozeß 94*
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§717
Dmb4
ZPO VIII. Buch
nach KO § 10 (RGZ 86/396). Über die Befugnis des Rechtsvorgängers, sie zu erheben, vgl. § 717 B IV c 2. c) Das Privileg ergreift nicht c 1. andere auBerprozessuale Klagegründe. c 2. Die Folge der Privilegierung ist andererseits, daß auch die Aufrechnung des Gläubigers nach § 529 V zuzulassen ist, weil er vor Stellung des Antrages sie nicht geltend machen konnte, und hier auch noch in der Revisioninstanz, weil der Beklagte nicht ungünstiger gestellt werden darf als der Kläger. d) Entschieden wird in demselben Verfahren, in dem über den Hauptantrag zu entscheiden ist, d 1. regelmäßig durch Endurteil (RG J W 97/464), das bei übergangenem Anspruch nach § 321 ergänzbar ist. Dabei ist auch die Abtrennung der Widerklage zulässig (RGZ 85/221); nur ist die Entscheidung vor Erlaß der Hauptentscheidung in derselben Instanz ausgeschlossen, weil, bevor dieser Streit zur Entscheidung reif ist, nicht über den Anspruch nach § 717 II, I I I entschieden werden kann. d 3. Die Vollstreckbarkeiterklärung richtet sich nach den allgemeinen Regeln (OLG 21/104); die vom Kläger nach §§ 710, 713 geleistete Sicherheit ist auf die nach § 713 II von ihm als Widerbeklagten zu leistende anzurechnen (Sydow-Busch § 717 Anm. 9; a. M. OLG 21/104). Jedenfalls haftet die vom Kläger geleistete Sicherheit auch für den Schadenersatz (RG J W 98/223). § 718 II ist auf diesen außerprozessualen Anspruch unanwendbar (RG J W 93/486). f ) In der R«visionsinstanz wird ü b e r s t r e i t i g e T a t s a c h e n nicht Beweis erhoben, sondern aufgehoben und zurückverwiesen (RGZ 34/384). E. Wird ein nach § 717 II, I I I erhobener Anspruch für begründet erklärt und vorläufig vollstreckbar zugesprochen, so ist, falls dieses Urteil wieder aufgehobeil wird, § 717 II, I I I auch gegen dieses Urteil anzuwenden (RGZ 49/411f.). F. Für österreichische Titel gilt AG v. 8. 3 1960 (BGBl I 169) § 8.
§ 718
(656)
I In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu verhandeln und zu entscheiden. II Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt. A I. § 718 ergibt, daß die Entscheidung der ersten Instanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit mit dem Rechtsmittel der Berufung (nicht mit dem der Revision, § 718 II) angreifbar ist. a) Ist eine isoliert anfechtbare Kostenentscheidung durch Urteil ergangen, welche für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde, so darf die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nur mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden. b) Entsprechend gibt es in dem Verfahren auf Vollstreckbarkeiterklärung eines Schiedsspruchs oder Schiedsvergleichs, wenn der Antrag abgelehnt wird, nur die sofortige Beschwerde nach § 1042c I I I ; wird dem Antrag stattgegeben, gibt es nur den Widerspruch mit der Einstellungmöglichkeit nach § 707 für den Schuldner, während, wenn er einen Aufhebunggrund geltend macht, sogleich in das Urteilsverfahren gegangen werden soll (§ 1042 a II). A III. Im Versäumnisverfahren (§§ 330, 331), wo der Gegner nicht gehört wird, kommt für den Schuldner nur die Einstellung nach §§ 707, 719 in betracht, für den zurückgewiesenen Gläubiger aber die Berufung, weil er insoweit kontradiktorisch abgewiesen worden ist. B I. Isoliert angreifbar ist die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, wenn der Gläubiger allein in der vorläufigen Vollstreckbarkeiterklärung beschwert ist (RG J W 12/247). b) Die Anschließung wegen des Vollstreckbarkeitausspruchs ist unzulässig.
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Allgemeine Vorschriften
§718
B II. Der Schuldner hat den Angriff gegen den Vollstreckbarkeitausspruch nur, soweit er zugleich die Entscheidung zur Sache bekämpft, wozu auch Nebenforderungen (§ 4 C) gehören können. a) War der Hauptangriff geführt, so ist die nachträgliche Erweiterung auf die Vollstreckbarkeitentscheidung jederzeit zulässig und auch hier mit dem Zwange zur Vorabentscheidung. b) Eine Anschliettung des Schuldners an das Rechtsmittel des Gläubigers wegen der Vollstreckbarkeitentscheidung ist ebenfalls unzulässig. Hatte der Gläubiger Zahlung, hilfsweise Hinterlegung verlangt und war er nur mit dem Hilfsantrag durchgekommen, so daß er die Berufung wegen des Hauptantrages durchführt, so kann der Schuldner nicht die Abänderung der Vollstreckbarkeitentscheidung fordern, solange er nicht auch das Hinterlegungerkenntnis selbständig bekämpft. B III s) Ist die Kostenentscheidung nicht selbständig angreifbar, wird sie aber zusammen mit dem Hauptanspruch (§ 99 B I) angegriffen, so ist zugleich (auch) der sie betreffende Ausspruch der Vollstreckbarkeit angreifbar. Dagegen ist der isolierte Angriff wegen des nur auf sie bezogenen Vollstreckbarkeitausspruchs unzulässig, und zwar selbst dann, wenn er mit dem Angriff gegen die Kostenentscheidung verbunden wird, sofern sie nicht isoliert angreifbar ist (§ 99 C). C I a) Man sollte vermeiden, die festzusetzende Sicherheit nach § 719 I und § 713 II unterschiedlich festzulegen. Ist über eine nach § 713 II erkannt, so sollte man den Antrag nach § 719 I wegen Überlagerung (§ 719 A III) nicht zulassen, sofern auch über ihn nur gegen Sicherheitleistung zu erkennen ist und dem Gläubiger nicht das Recht, durch eigene Sicherheitleistung doch vollstrecken zu dürfen, einzuräumen ist (§ 713 C). b) Die Entscheidung nach § 718 I über den Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat nichts mit dem Erkenntnis über den auBerprozessualen Anspruch nach § 717 II zu tun (§ 717 C). Es ist gleichgültig, welchen Inhalt im einzelnen der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat, also ob er ohne oder gegen Sicherheitleistung (OLG 6/409) und in welcher Höhe (RGZ 104/303) erlassen worden ist; nur bezüglich der Art der Sicherheitleistung ist es anders, weil darüber die erste Instanz entscheidet (OLG 21/104f., § 710 A III). C II. Die Partei hat im besonderen den Angriff nicht, wenn über die vorläufige Vollstreckbarkeit im erstinstanzlichen Urteil überhaupt nicht entschieden worden ist (hier muß zunächst die Ergänzung der Entscheidung herbeigeführt werden), und nicht, wenn den Anträgen der Partei entsprochen worden ist. b) Ist die Vollstreckung beendet (§ 704 F III), so ist der Antrag des Schuldners unzulässig, soweit er selbst die Beendigung der Vollstreckung nicht bestreitet (OLG MDR 49/369); bestreitet er sie, so wird allerdings nicht etwa in die Beweisaufnahme über die Beendigung der Vollstreckung einzutreten sein, sondern es wird vorab zu entscheiden sein, weil der Gläubiger durch sein Verhalten die Entscheidung nicht hintanhalten darf. D I. Ist die erstinstanzliche Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit angegriffen, so ist darüber (auf Antrag) vorab zu entscheiden, sofern nicht die Entscheidung zur Hauptsache (einschließlich der Nebenforderungen und Kosten) voll zur Endentscheidung reif ist (§ 300 C), wobei schon in dem Angriff der Antrag auf Vorabentscheidung liegt. D II a) Über den Antrag wird mündlich vor der Kammer bzw. dem Senat (RGZ 66/305) verhandelt, abgesehen von den Fällen, in denen auf sofortige Beschwerde zu entscheiden ist (§ 718 A I a), wo die mündliche Verhandlung freigestellt ist (§ 128 G II). b) Entschieden wird durch Endurteil nach vorheriger Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels (§ 519b I). Die Entscheidung muß nicht vor Verhandlung zur Hauptsache ergehen (LG ZMR 53/286). Die Entscheidung ist Teilurteil nach § 301 (RGZ 104/303). Ein Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit ist für die Entscheidung, die selbst eine Vollstreckbarkeiterklärung enthält, überflüssig; sie wirkt sofort. Eine Kostenentscheidung enthält sie nicht.
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§718
ZPO VIII. Buch
D III. Wird kontradiktorisch entschieden, so ist dies unanfechtbar (§ 718 II, RGZ 104/303). Wird die vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben, so begründet dies allein noch keinen Ersatzanspruch nach § 717 II. a) Wird durch Versäumnisurteil (§§ 330, 331) erkannt, so ist dagegen der Einspruch zulässig. b) Die {kontradiktorische oder rechtskräftige Versäumnis-)Entscheidung bindet das Gericht nur bis zum Erlaß (§ 516 A I) des Endurteils zur Hauptsache bzw. bis zu einer Entscheidung nach § 534. Im Endurteil zur Hauptsache wird neu entschieden (§ 717 A) und damit die Entscheidung nach § 718 I außer kraft gesetzt (§ 717 I; RGZ 20/423).
§ 719
(657)
I Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. II Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so hat das Revisionsgericht auf Antrag anzuordnen, daß die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt werde, wenn glaubhaft gemacht wird, dafi die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. III Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. A I. § 719 I gibt bei Einspruch und Berufung gegen ein ohne oder gegen (RGZ 37/411) Sicherheitleistung (oder mit Abwendungbefugnis) für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil (und den Vollstreckungbefehl nach § 699) dem den Rechtsbehelf Einlegenden die Möglichkeit einstweiliger Einstellung der Vollstreckung nach § 707. Dies gilt auch für die einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung aufhebenden Urteile, vgl. § 708 I 5 (RGZ 25/401). Über die entsprechende Anwendbarkeit des § 707 in anderen Fällen vgl. § 707 A II c, im besonderen bei Beschlüssen nach § 534, wenn die Berufung später auf den nicht angegriffenen Teil ausgedehnt wird (RGZ 47/419). A II. Das Gericht entscheidet nach seinem Ermessen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit darf auch von einer höheren als der in der Vorinstanz zuerkannten Sicherheitleistung abhängig gemacht werden (RGZ 66/305), während andererseits die Bedingung der Sicherheitleistung ganz in Wegfall gebracht werden darf (RGZ 47/419f.). OLG DR IV (420) 65b hat bei Aufhebung einer einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitleistung einstweilen eingestellt; bei nicht vollstreckungfähigem Urteil hat OLG Bay. JMB1. 54/102 die einstweilige Einstellung abgelehnt. A III. Die Entscheidung darf noch nach Erlaß der Entscheidung aus § 718 I getroffen werden (abweichend RGZ 36/431). A IV. Über das Verfahren vgl. § 707 A. B I. Nach § 719 II wird in der Revisioninstanz unter Ausschluß jedes Ermessens eingestellt (BGH NJW 57/1193), selbst wenn das Berufungsurteil nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt (§ 713 I ; RGZ 79/223f.) oder dem Schuldner die alleinige Abwendungbefugnis gegen Sicherheitleistung gewährt worden ist (und der Schuldner die Sicherheit leisten kann: BGH J R 52/172; a. M. BGH NJW 55/632), BGH NJW 56/1717 läßt dies jedenfalls dann gelten, wenn durch das berufunggerichtliche Urteil zeitweise endgültige Verhältnisse geschaffen werden, die auch bei Erfolg der Revision bestehen bleiben. Ebenso hat BGH v. 21. 12. 1956 V ZR 293/56 entschieden, wo eine Ausschließungklage gegen einen Gesellschafter anhängig war, bei deren Durchdringen es nicht zu der angeordneten Liquidation kommen darf. Der Anwendung des § 719 II steht auch nicht entgegen, daß der Schuldner sich durch Anträge nach §§ 712, 713 II hätte sichern können (BGH LM § 719/1; a. M. ständig BGH NJW 56/24, selbst wenn das Bedürfnis erst nach Schluß der Berufunginstanz eingetreten ist). BGH NJW 56/1717 hat aber eingestellt, als die Sicherheitleistung des Gläubigers unverhältnismäßig niedrig bemessen war. Andererseits ist die Rückgabe einer
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Allgemeine Vorschriften
§719 BI
vom Gläubiger zur Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geleisteten Sicherheit, nachdem das zweitinstanzliche Erkenntnis die Verurteilung ohne Sicherheitleistung für vorläufig vollstreckbar bestätigt hat, noch kein Grund, die Vollstreckung nach § 719 II einzustellen (BGH JZ 54/259), wenn man einmal von der Sicherung des Zwischenschadens (vgl. § 717 C IV d) absieht, was gewohnheitrechtlich allgemein geschieht. BGH v. 19. 3.1960 V ZR 41/60 hat bei Herausgabeansprüchen auch dann eingestellt, wenn der Antrag aus § 713 II nicht gestellt war. B II. Eingestellt werden darf nur, wenn glaubhaft gemacht war (§ 294), daß die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. a) Zu berücksichtigen ist nur das, auf dessen Ersatz der Schuldner nach § 717 II, III rechtlich Anspruch hat (a. M. BGH MDR 51/482 für Unterlassungansprüche; bei der Verurteilung zur Vornahme vertretbarer Handlungen: OGH NJW 50/27). Führt man die hier vertretene Auffassung folgerecht durch, so darf es nur darauf abgestellt werden, daß der Gläubiger tatsächlich zahlungschwach ist, während es auf die Vermögenslage des Schuldners gar nicht ankommt (BGH J R 52/172; a. M. BGH NJW 53/181). b) Unter diesem Gesichtswinkel ist jedenfalls einzustellen, b 1. wenn der Gläubiger arm ist (so früher ständig BGH, vgl. jetzt § 719 B I); aber auch schon, wenn er das Armenrecht nachgesucht hat, mag er es selbst nicht bewilligt erhalten haben. Doch sollte es genügen, wenn die Auflösung einer Partei und der Ausfall von Kostenerstattungansprüchen droht (a. M. OGHZ 3/107); denn es gibt keine Rangfolge der Ersatzansprüche bei der Einstellung aus § 719. Der Begriff der Armut ist dabei auf das zu beziehen, was der Gläubiger im Fall seines Unterliegens zu ersetzen hat. BGH v. 12. 8. 1954 II ZR 171/54 hat so die Vollstreckung nur wegen eines höheren Betrags als 5000 DM eingestellt. Doch sollte es genügen, wenn der Gläubiger selbst vorträgt, daß, wenn er nicht vollstrecken kann, er seine Gläubiger (abgesehen von dem Schuldner) nicht befriedigen könne (a. M. BGH v. 13. 5. 1953 II ZR 85/53). b 2. Dagegen wurde es noch nicht als genügend angesehen, wenn glaubhaft gemacht wurde, daß der Gläubiger im Auslande wohnt und daß dadurch die Vollstreckung gegen ihn erschwert ist (BGH v. 13. 5. 1955 I ZR 102/55) oder daß er Devisenausländer ist (BGII NJW 52/425). b 3. Auf die Person des Schuldners darf es danach nicht abgestellt werden, auch nicht darauf, ob er durch die Vollstreckung seine Existenz verliert (BGHZ 7/398; a. M. BGH NJW 58/24) und auch nicht darauf, daß der Schaden nicht in Geld zu ersetzen ist; etwa wenn der Schuldner den Offenbarungseid leisten mußte (BGH JZ 54/259; a. M. BGH v. 26. 2.1954 I ZR 212/53) oder wenn er Konkursantrag stellen müßte (BGH NJW 52/1210), oder wenn auf dem Postscheck- und Bankkonto des Schuldners fremde Gelder eingehen (doch hat dann BGHZ 18/219 bei einem Anwalt eingestellt). In dem Fall, wenn der Schuldner Rechnung legen muß und dadurch seine Revision gegenstandslos wird, ist auch einzustellen (BGH NJW 54/1933). b 4. Bei einer Verurteilung Zug um Zug hat BGH v. 6. 5. 1954 IV ZR 88/54 die Einstellung abgelehnt. b 5. Teilweise Einstellung der Vollstreckung sowohl der Höhe (BGH v. 12. 8. 1954 II ZR 171/54) wie dem Gegenstande nach (BGH NJW 55/1635) ist für zulässig gehalten worden. b 6. Jedenfalls hat OGHZ 3/107 es nicht auf die Person eines dritten, also nicht auf den Armenanwalt abgestellt, der vollstreckte, obwohl er ersetzen konnte. B III. Über den Antrag vgl. § 707 C II. Das Verfahren nach § 719 II ist die freigestellt mündliche Verhandlung (§ 719 III bezieht sich aber nur auf den Fall des § 719 II; für § 719 I gilt § 707 II). a) Über die Prüfung der Prozeß- und Prozeßfortsetzungbedingungen vgl. § 707 C. Bei UnStatthaftigkeit (§ 511 B II) des Rechtsbehelfs hat das RGZ 104/303 nicht eingestellt. BGH NJW 53/179 will dies auch für die sonstige Unzulässigkeit des Rechtsmittels gelten lassen; doch geht dies nicht an, weil, wenn der Antrag gestellt wird, die weitere Zulässigkeit (§ 511 B I a 2) nicht festzustehen braucht. Keinesfalls sind die sonstigen Aussichten der Revision zu prüfen (BGH v. 13. 6. 1957 II ZR 84/57).
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§719 Bin
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b) Über den von einem Postulationfähigen vor dem BayObLG gestellten Einstellungantfag hat der BGH nach Verweisung durch das BayObLG zu entscheiden, sofern dieses noch nicht entschieden hat (EG § 7 B I I a; BGH MDR B 499/54). B IV. Die Beschlüsse nach § 719 I I stellen ohne Sicherheitleistung ein (RG J W 27/380). B V. Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Über die Frage der Zulässigkeit ihrer Abänderung durch dieselbe Instanz vgl. § 707 F I I I (BGH v. 16. 3. 1955 II ZR 99/54 und ständig haben auf Gegenvorstellung den Einstellungbeschluß aufgehoben).
§ 7 2 0 (659) I Ist nach § 713 Abs. 2 dem Schuldner nachgelassen, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden, so ist gepfändetes Geld oder der Erlös gepfändeter Gegenstände zu hinterlegen. A. Nur wenn dem Gläubiger der Gegenvorbehalt nach § 713 II gemacht wurde und er Sicherheit leistet, kommt es zur Befriedigung (BGH N J W 54/558). Die Wegnahme von Geld f ü h r t hier sonst nicht zur Befriedigung des Gläubigers (§ 815 III), sie begründet aber auch keine Verwahrungpflicht für den Gläubiger gegenüber dem Schuldner (BGB § 1215) und bedeutet keinen Gefahrübergang; unterschlägt der Gerichtvollzieher das Geld, so darf erneut gegen den Schuldner gepfändet werden (RG LZ 13/69). § 720 setzt nur voraus, daß dem Schuldner nachgelassen worden ist, die Vollstreckung gegen Sicherheitleistung abzuwenden (§ 713 II); die Vollstreckung wird dann erst unzulässig, wenn der Schuldner Sicherheit geleistet hat (§§ 108folg.). Leistet er sie aber nicht, so wird so vollstreckt, daß für ihn die Sicherheit in Geld geleistet wird. Zur Möglichkeit der Hinterlegung eines Gegenstandes vgl. § 713 B. Mit der Hinterlegung erhält der Gläubiger ein Pfandrecht am Hinterlegten gegenüber dem Anspruch auf Auskehrung, der gegen den Staat gerichtet ist (RG J W 13/101).
§ 721
(-)
I Wird auf Bäumung einer Wohnung erkannt, so kann das Gericht auf Antrag dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Frist zur Räumung gewähren. II
Auf den Antrag sind die Vorschriften der §§ 714, 716 entsprechend anzuwenden.
A I. § 721 gestattet dem Gericht, dem Schuldner bei der Räumung einer Wohnung eine Räumungsfrist zu gewähren. Über das Verfahren des GV vgl. § 885 A. Die Vorschrift ist rein prozeßrechtlicher Art und wirkt als Beschränkung der Vollstreckung (vgl. §§ 811, 850, 851), hat aber grundsätzlich keine auBerprozessualen Einwirkungen (BGH MDR 53/675). a) Doch setzt die Norm die Verurteilung des Schuldners voraus, während schon diese Verurteilungmöglichkeit MSchG §§ 4 a, 23 c einschränken. b) Der Grundsatz ist durch GeschäftsraummietenG § 7 eingeschränkt worden. A II. § 721 ist durch MSchG § 5 a verdrängt, a l . der Miet- und Pachtverhältnisse (MSchG §36, BGB §§581 folg.) über Gebäude, Gebäudeteile (Innenräume) gewerblicher wie nicht gewerblicher Art (§ 384 B I I d 1), soweit noch die gewerblicher Art dem Mieter-(Pächter-)schutz unterliegen (vgl. GVG § 23 B I I I a, GeschäftsraummietenG § 5, § 721 A I I I c), für H a u p t - wie für Untermiet- oder Unterpachtverhältnisse betrifft. a 2. Es muß auf R ä u m u n g erkannt worden sein auf Grund eines Aufhebungurteils nach MSchG §§ 2—4, 36. a 3. Zur Bewilligung der Räumungfrist nach MSchG § 5a I ist ein Antrag nicht erforderlich; dennoch wird bei einem Versäumnisurteil nach MSchG § 2 die Vorschrift (LG H u W 48/221) nicht angewandt. a 4. Die Bewilligung der Räumungfrist darf von der pünktlichen Mietezahlung und der Abtragung der Rückstände (in Raten) abhängig gemacht werden (LG H u W 49/124; aber
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Allgemeine Vorschriften
§721
Aüa4
auch, wenn dies nicht geschieht, steht sie unter der Voraussetzung, daß künftige Zahlungen bewirkt werden, MSchG § 5a IV). a 5. Von der Bewilligung der Räumungfrist nach MSchG § 5a ist abzusehen, wenn für den Mieter oder Pächter die Versagung billig oder wenn die Gewährung für den Vermieter eine unbillige Härte ist; anders ist dies im Fall der Aufhebung nach MSchG § 2; hier soll der Mieter oder Pächter nur, wenn besondere Umstände dies dringend gebieten, geschützt werden. a 6. Dabei kann die Räumungfrist in dem Falle des MSchG §§ 4 (4a, 4b), 22—23c nur nach Rechtskraft des Aufhebungurteils bemessen werden, weil diese Urteile nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären sind (MSchG § 13 I I 1) und andere Räumungurteile (auch die nach MSchG § 2 aufhebenden) nur für vorläufig vollstreckbar zu erklären sind, wenn die Aussetzung der Vollstreckung dem Vermieter einen unersetzlichen Nachteil bringt (MSchG § 13 II 2). Die gewährte Räumungfrist darf, wenn sie auf Grund des MSchG §§ 4 (4a, 4b) gewährt wurde, nach MSchG § 6 II wieder aufgehoben werden, wenn ein Räumunggrund nach MSchG §§ 2, 3 nach Ablauf der Beschwerdefrist gegeben ist. a 7. Im Falle der Aufhebung des Miet- oder Pachtverhältnisses infolge von Zahlungverzug (vgl. MSchG § 3) gilt WohnraumbewirtBchaftungG § 31 I, II. Über die Anwendung der Norm durch das Vollstreckunggericht vgl. § 885 A I a 2. b) Ebenso steht auch die einmalige Verlängerung der Bäumungfrist durch das Prozeßgericht in dessen Ermessen. Doch setzt dies einen Antrag des Schuldners voraus, der spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungfrist zu stellen ist. Die Frist ist eine gesetzliche (keine Notfrist); der rechtzeitige Eingang des Antrags bei dem Gericht wahrt die Frist Über den Räumungschutz durch das Vollstreckungsgericht vgl. § 885 A I a 6. c) Bei einem Vergleich wird im besonderen die Räumungsfrist zu verlängern sein, wenn sich kein angemessener Ersatzraum gefunden hat (LG MDR 47/102: nur wenn sich die Verhältnisse anders als angenommen entwickelt haben). A III. Erweitert wird § 721 durch MSchG § 27. a) Herausgabe eines Miet- (oder Pacht-)raums ohne Aufhebung des Miet- (oder Pacht-) Verhältnisses kommt nur bei solchen Räumen (nicht aber für Grundflächen) in betracht, die nicht dem Mieter-(Pächter-)schutz unterliegen (MSchG §§ 1, 36), also die nicht unter MSchG § 5a fallen. Nicht unter die Norm des MSchG § 27 fallen der Rechtsgrund der Leihe (BGB § 598}, der der Gesellschaft (AG- N J W 47/29), Treuhandverhältnisse:b) Für Wohnräume gilt aber nur § 721 und nicht MSchG § 27; es sei denn, daß ein Fall des MSchG § 52e I 1 a gegeben ist; in diesem Falle gilt MSchG § 27 I 2 (nicht aber MSchG § 27 I 1). b 1. Doch ergeben sich zwischen beiden Normen noch weitere Unterschiede dadurch, daß nach MSchG § 27 das MSchG § 6 I entsprechend anzuwenden ist, wonach übergangene Ansprüche nicht nach §§ 716, 321 zu ergänzen, sondern nach MSchG § 6 I 2 unter Anwendung von § 319 II, zu berichtigen sind. b 2. Im übrigen entspricht das Verfahren nach MSchG § 27 dem des § 721, im besonderen insoweit es einen Antrag des Schuldners voraussetzt. b 3. Auch wirkt im Gegensatz zu MSchG § 5a die nach MSchG § 27 bewilligte Räumungfrist so wenig außerprozessual wie nach § 721 (BGH N J W 53/1586). c) Verdrängt wird MSchG § 27 durch GeschäftraummietenG § 7. c 1. In bezug auf Geschäftsräume entspricht die Norm des GeschäftsraummietenG § 7 I der des MSchG § 27 I; sie geht über diese hinaus, soweit sie sich auch auf gewerblich genutzte, unbebaute Grundstücke bezieht (GeschäftsraummietenG § 5 I). c 2. Den Begriff des Geschäftsraumes gibt GeschäftsraummietenG § 2 I, II. c 4. Das Verfahren des GeschäftsraummietenG § 7 entspricht dem des MSchG § 2 7 ; auch hier ist der Antrag des Schuldners erforderlich, bei Übergehung des Antrags wird in das Berichtigungverfahren übergeleitet (§ 721 A III b 1). Der Antrag kann nur bis zum Verhandlungschluß (§§ 136 B II, 300 C II a 1) gestellt werden. Er ist auch vom Berufung-
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Amc4
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gericht noch zu beachten (OLG Schleswig v. 25. 11. 1S54 [3 U 41/54]), so daß nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, daß dem Vermieter kein unersetzbarer Nachteil entsteht (vgl. § 707 D II a 2), die Vollstreckung ausgesetzt werden darf. c 5. Für vorläufig vollstreckbar erklärt werden darf ein Herausgabeurteil nur, wenn glaubhaft (§ 294) gemacht wird, daß die nicht durchzuführende Vollstreckung dem Gläubiger einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt (§ 712 A): GeschäftsraummietenG § 7 II. Über den Lauf der Räumungsfrist vgl. § 721 A II a 6. c 8. Über die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, Schutz gegen die Räumung von Geschäftsräumen zu gewähren, vgl. GeschäftsraummietenG § 7a (§ 885 A I b). A IV. Bei Landpachtverträgen gilt das LandpachtG v. 25. 6. 1952 (BGBl. I 343). B I. Das Verfahren nach § 721 setzt den Antrag des Schuldners voraus, ihm zur Räumung einer Wohnung eine Räumungfrist zu gewähren. Der Antrag (vgl. § 707 C II) des Schuldners ist bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung (§§ 714, 721 II) dem Gericht gegenüber unter Anwaltzwang zu erklären, a) auch noch in der Berufunginstanz. Über die Neustellung in der Revisioninstanz vgl. § 714 B III b. a 2. Wird er fibergangen, so gelten §§ 716, 321 (§ 721 II), während die Regelung des MSchG hiervon abweicht (vgl. § 721 A II, III). c) Die Entscheidung über ihn ist mit der Berufung angreifbar mit der Folge der Vorabentscheidung (§ 718 I); aber nicht mit der Revision (§ 718 II). Die sofortige Beschwerde gibt es nur in dem Fall der MSchG §§ 6, 27, GeschäftsraummietenG § 7 (vgl. § 721 A III), nicht in dem des § 721 (LG ZMR 52/104). B II. Es muß auf Bäumung einer Wohnung (§ 181 B II) erkannt werden, a) auch die der in einem Schiffe wie im Wohnwagen, die eines möblierten Zimmers; nicht aber die der reinen Schlafstelle (§ 181 B I I a). Bei gemischten Rechtsverhältnissen, die sich auf mehr als eine Wohnung beziehen, kommt nur der Räumungsschutz in bezug auf diesen in betracht. Als Wohnraum wollte LG MDR 54/680 die baufällige Unterkunft nicht ansehen. b) Das zugrundeliegende Rechtsverhältnis ist dabei gleichgültig. B III. Über die Gewährung der Bäumungfrist entscheidet die richterliche Erwägung. c) Auch dürfen noch sonstige Auflagen beigefügt werden, etwa die, daß die Gewährung der Frist noch vom Zahlungnachweis eines Entgelts abhängig gemacht wird. Sodann hat der Schuldner den Zahlungnachweis nach § 775 I 4, 5 zu führen. Den Beweis des Mangels der Zahlung dem Gläubiger aufzubürden, erscheint nicht angängig, weil damit der Gläubiger u. U. zu einer neuen Klage gezwungen wird, was nicht Sinn des § 721 ist. d) Gleichgültig ist es, ob das Urteil vorläufig vollstreckbar oder rechtskräftig ist, wenn die Frist gewährt wird. Von der Gegenerklärung des Gläubigers ist die Gewährung der Frist unabhängig (OLG J W 15/416). e) Die einmal getroffene Entscheidung darf wegen des § 318 nicht abgeändert werden, im besonderen gibt es hier keine Verlängerung der Frist. Über die Möglichkeit eines Vollstreckungschutzantrags vgl. § 765 a A II b 1. B IV. Bei einem gerichtlichen Räumungvergleich wird keine Räumungfrist gewährt; sie ist vielmehr als Vergleich Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags, der nicht unter § 721 fällt.
§ 722 (660) I Aus dem Urteil eines ausländischen Gerichts findet die Zwangsvollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist. II Für die Klage auf Erlaß des Urteils ist das Amtsgericht oder Landgericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und sonst das Amtsgericht oder Landgericht zuständig, bei dem nach § 23 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann.
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Allgemeine Vorschriften
§722
A I. Ob ein ausländisches Erkenntnis im Inlande wirkt, ist nach § 328 zu beurteilen. Wirkt es nicht, so darf es auch nicht für vollstreckbar erklärt werden (§ 723 I I 2). Aber auch wenn es im Inlande wirkt, kann aus ihm noch nicht vollstreckt werden, soweit dies nicht sonstige Normen (im besonderen Staatsverträge) bestimmen oder es im Verfahren nach §§ 722, 723 für vollstreckbar erklärt worden ist. Bei den Vollstreckungklagen geht es also nur um die Vollstreckung im engen Sinn (§ 704 E I ) ; nicht um die sonstigen Nebenwirkungen. a ) Ist nur ein Teil der ausländischen Entscheidung vollstreckbar, geht es etwa nur um die Kostenerstattung, so ist nur der Teil in dem Urteilsverfahren (§ 722 C I I I ) für vollstreckbar zu erklären (RGZ 109/387), soweit hier nicht Staatsverträge ein abweichendes Verfahren gestatten. b) Im Fall des § 894 kann es nur noch auf den gleichen Ausspruch wie in der ausländischen Entscheidung ankommen. Deshalb wirkt das Urteil, das hier ergeht, wenn es mit dem ausländischen übereinstimmt, so lange es noch nicht rechtkräftig ist, nach § 895 (vgl. § 894 A I I I , a). c ) Nicht zulässig ist das Verfahren nach §§ 722, 723 für reine feststellende oder klageabweisende Entscheidungen (RGZ 88/248). A II. Über die Rechtskraftwirkung ausländischer Erkenntnisse im Inland vgl. § 328 B . Uber die in Ehestreiten entscheidet die Landesjustizverwaltung (§ 6 0 6 b C I I c 1). a) Hat die ausländische Entscheidung keinen vollstreckbaren Inhalt im e. S. und gibt es kein besonderes Verfahren, ihre Rechtskraftwirkung im Inlande festzustellen, so darf nur Klage mit dem Ziel des gleichen Ausspruchs erhoben werden; gilt das ausländische Erkenntnis im Inlande, so darf von ihm im Inlande nicht abgewichen werden (Judikatklage). Wegen der Wirkung der Entmündigung und ihrer Aufhebung vgl. Art. 9, 11 des Haager Abkommens über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßregeln v. 17. 7. 1905 ( R G B l . 12/463f.). b) Über die Vorwirkung der Rechtshängigkeit im Verhältnis ausländischer Verfahren zu inländischen vgl. § 263 A I V b 2. A III a 1. Nach dem Binnen- und RheinschiffahrtverfahrensG § 21 werden die Urteile der ausländischen Rheinschiffahrtgerichte mit einer inländischen Vollstreckungklausel von dem OLG Köln versehen. Das entsprechende gilt für das Moselschiffahrtabkommen v. 27. 10. 1956 (BGBl. I I 1838) Art. 34 I I I , wobei an die Stelle des OLG Köln das OLG Koblenz tritt. a 2. Vgl. ferner das italienisch-deutsche
Vollstreckungabkommen,
a 3. das schweizerisch-deutsche, a 4. das österreichisch-deutsche Abkommen, a 5. das Haager ZPA, a 6. CIM + CIV Art. 55 § 1 a 7. und das Londoner Schuldenabkommen, a 8. das belgisch-deutsche Abkommen sowie a 9 . das europäische Niederlassungsabkommen, b) Doch sind die Devisengesetze zu beachten. B I. Der Begriff der inländischen Entscheidung stimmt mit dem bei der RechtskraftWirkung nach § 328 überein (§ 328 A). Grundsätzlich behält danach eine Entscheidung, die irgendwann einmal als inländische vollstreckbar war, ihre Vollstreckbarkeit. a) Vgl. dazu die VO zur einheitlichen Regelung der Vollstreckung von Titeln in den verschiedenen Rechtsgebieten des großdeutschen Reichs vom 16. 1. 1940 ( R G B l . I 176) mit AV R J M v. 21. 3. und v. 1. 4. 1940 ( D J 396, 398). Ergeht eine abändernde Entscheidung nach dem 8. 5. 1945, so kommen die Vorschriften dieser VO für das in ihr umrissene Gebiet nicht mehr in betracht. b) Über die Vollstreckungtitel der ersatzlos weggefallenen deutschen Gerichte vgl. das ZuständigkeitergänzungG. Soweit solche Titel gegen Vertriebene gerichtet sind, wirken sie nach B V F G §86 I grundsätzlich nicht mehr. Doch sind die in B V F G § 87 genannten Titel (Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit Westvermögen stehen, gesetzliche Unterhaltverpflichtungen, Löhne und Gehälter) bestehen geblieben.
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§ 7 2 2 Bl
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c ) Die Vollstreckung der (P-) Mark-Titel aus der Vor- und der Inflationzeit spielt überhaupt keine Bolle mehr, da sie nur, wenn sie aufgewertet wurden, noch zur Vollstreckung dienen könnten. B II. Über den Begriff des Inlands vgl. § 328 B I I I b. a) Über die Frage, ob saarländische Entscheidungen vor dem 1. 1. 1957 im Inlande als inländische gelten, vgl. § 328 B I I I b l ; daß im Saargebiet französische Entscheidungen anerkannt und vollstreckt werden auf Grund besonderer Bestimmungen, die von §§ 722, 723 abweichen, macht jedenfalls die französischen nicht zu inländischen. b) Obwohl die zum Inlande gehörenden Entscheidungen der Gerichte der DDR (OLG N J W 55/67, § 328 B I I I b 1) grundsätzlich vollstreckbar sind, ist b 1. die Devisengesetzgebung zu beachten (vgl. auch § 803 B I I c). b 2. Soweit die Erkenntnisse der DDR gegen den ordre public der B R D verstoßen, werden sie nicht anerkannt (OLG N J W 55/67). b 3. In West-Berlin gilt das G v. 31. 5. 1950 über die Vollstreckung von Entscheidungen auswärtiger Gerichte i. F . v. 26. 2. 1953 (GVB1. 151); das auch auf Entscheidungen Ostberlins angewandt wird (KG N J W 55/27). C I . Soweit keine Sondernormen (vgl. § 722 A I I I a) gegeben sind, bedarf der ausländische Titel zur Vollstreckung (i. e. S.) des Vollstreckungurteils nach §§ 722, 723; gleichviel ob er vom ausländischen Gericht im ordentlichen oder summarischen Verfahren erlassen wurde (RGZ 16/427f.; also auch im Versäumnisverfahren: RGZ 72/124). Sie treffen auch Beschlüsse (BGH J Z 54/244) und Verfügungen der Gerichte, welche nach inländischem Recht als Urteile, Kostenfestsetzungbeschlüsse (§ 794 I 2), beschwerdefähige Beschlüsse i. S. des § 794 I 3 und als Vollstreckungbefehle hätten ergehen können. a) Ob die ausländische Entscheidung von einem ordentlichen (auch einem der freiwilligen Gerichtsbarkeit, vgl. B G H J Z 54/244) oder einem besonderen Gericht ergangen ist oder gar von einem Verwaltunggericht oder Verwaltungsondergericht, ist gleichgültig. b) Bei ausländischen Schiedssprüchen wird nicht die ausländische Vollstreckbarkeiterklärung zugrunde gelegt, sondern der ausländische Schiedsspruch (vgl. § 1025 F), der nach inländischem Recht für vollstreckbar zu erklären ist (§ 1044 D). c ) Guarantigierte ausländische Urkunden (vgl. § 794 I 5) und ausländische gerichtliche Vergleiche (vgl. § 794 I 1, OLG ThürBl. 42/245) wie auch ausländische Schiedsvergleiche (§ 1044a A I a 2) oder sonstige Mischgebilde zwischen Urteilen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedspruch i. S. des inländischen Rechts (RG H R R 38/421) sind nicht Grundlage fiir eine Vollstreckungklage und äußern nicht die Wirkung gerichtlicher Entscheidungen. C II. Die Vollstreckungklage führt zum Vollstreckungurteil, das der ausländischen E n t scheidung die inländische Vollstreckbarkeit verbrieft. a) Zuständig sind die ordentlichen Gerichte, a 1. selbst wenn die Streitigkeit, wenn sie im Inlande ausgetragen worden wäre, vor Sondergerichte oder Verwaltunggerichte gehört. a 2. Nach h. M. ist die örtliche Zuständigkeit in § 722 I I ausschließlich (§ 802) geregelt. Danach sind das Gericht des allgemeinen Gerichtstandes des Schuldners (§§ 13—19) und nur, wenn dieses fehlt, das Gericht des Vermögens für vermögensrechtliche Ansprüche nach § 23 (§ 722 I I ) zuständig. Ersatzgerichtstände anderer Art gibt es hier nicht. Über die Frage, welches Gericht bei der Vollstreckunggegenklage gegen Vollstreckungurteile zuständig ist, vgl. § 723 B I I I c. a 3. Dagegen will die h. M. die Ausschließlichkeit fiir die sachliche Zuständigkeit nicht gelten lassen (RGZ 13/369). Der Streitwert ist (für vermögensrechtliche Streite) nach GVG § 23 I 1 abzugrenzen. Dabei ist das LG auch dann sachlich zuständig, wenn der von dem ausländischen Gericht ausgeurteilte Anspruch unter GVG § 23 I 2 fallen würde, wenn die summenmäßig bestimmte Zuständigkeitgrenze des Landgerichts erreicht ist. Über die Bestimmung des Streitwerts vgl. § 4 C II a 2. Das LG entscheidet stets durch die Zivilkammer.
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§722 c n
b) Die sonstigen Prozeßbedingungen werden nach inländischem Recht beurteilt. Dabei ist es aui den hier maßgebenden Zeitpunkt abzustellen. b 1. Ob die Parteifälligkeit nach inländischem oder nach ausländischem Prozeßrecht zu beurteilen ist, ist streitig (vgl. Stein ZZP 24/230: nach inländischem; RG Gruch. 45/1128: nach ausländischem). Nach Auflösung der oHG durch das ausländische Urteil kann nicht mehr gegen die oHG auf Vollstreckbarkeiterklärung geklagt werden (RG J W 08/686). Über den wirksamen Eintritt der Rechtsnachfolge ist im Verfahren über die Vollstreckungklage zu entscheiden (RG J W 08/686). In betracht kommen nur die Parteien der Vollstreckung; nicht notwendigerweise die des ausländischen Prozesses (RGZ 16/434). b 2. Die Prozeßfähigkeit (vgl. § 51 B), die gesetzliche Vertretung (vgl. § 51 D), die Prozeßstandschaft (vgl. § 50 G) sind nach inländischem Prozeßrecht zu beurteilen. c) Gegenstand der Klage ist die inländische Rechtskraftwirkung einer ausländischen Entscheidung in bezug auf die Vollstreckbarkeit; sie ist eine Leistungklage (§ 253 C I), welche grundsätzlich die Feststellungklage ausschließt (§ 253 C II b). Dagegen kommt bei anderen Entscheidungen die Wiederholung des ausländischen Ausspruchs im inländischen Verfahren unter Beachtung des § 328 in betracht (§ 722 A II a; a. M. wohl RG Gruch. 39/1155f.). c 1. Dem Gläubiger, der einen ausländischen gerichtlichen Titel hat, steht es nicht frei, anstatt die Vollstreckbarkeiterklärung zu fordern, die Klage auf den ursprünglichen Klagegrund zu stützen; es sei denn, daß er die Unwirksamkeit der ausländischen Entscheidung im Inlande nach § 328 selbst zutreffend nachweist. Ein Verzicht des Gläubigers auf den ausländischen Titel entsprechend § 306 ist nur in Verbindung mit dem Verzicht auf den Anspruch zulässig. c 2. Die Parteivereinbarung, daß ein ausländisches Erkenntnis im Inlande auch ohne die Vollstreckungklage nach §§ 722, 723 wirksam sein soll, ist nichtig (RGZ 36/381). c 3. Der Schuldner hat den Weg der negativen Feststellungklage (RGZ 167/380). Doch darf er dabei nur insoweit auf das ursprüngliche Schuldverhältnis zurückgreifen, soweit das ausländische Erkenntnis nicht nach § 328 anzuerkennen ist. , c 4. Ist eine Klage im Inland wegen des einem ausländischen Urteil zugrunde liegenden Anspruchs anhängig und wird danach die Vollstreckungklage erhoben, so liegt die Wirkung der Rechtshängigkeit vor, weil im ersten Verfahren nur entschieden werden darf, wenn die Vollstreckungklage unzulässig ist (§ 722 A I I a ) ; das entsprechende gilt im umgekehrten Falle; die Unzulässigkeit der zuerst erhobenen Vollstreckungklage ist Prozeßbedingung für die über den Anspruch. Im Gegensatz hierzu nimmt die h. M. keine Rechtshängigkeitswirkung an (RG J W 03/178); dann wird es aber schwierig, die Rechtshängigkeitwirkung im Verhältnis zum ausländischen Verfahren zu begründen (vgl. § 263 A IV b 2). Der. Übergang von der einen zu der anderen Klage ist eine (gesetzlich nicht zugelassene) Klageänderung (die unter § 264 fällt). C III. Verfahren wird nur im ordentlichen Urteilsverfahren (RGZ 109/387). a) Das Anerkenntnis über Prozeßbedingungen ist ausgeschlossen (Kommentar § 307 A I a). Anerkannt werden darf nur der außerprozessuale Anspruch. b) Entsprechend steht es auch mit dem Klageverzicht (§ 306). d) Einwendungen sind zulässig, soweit sie nicht durch § 723 I ausgeschlossen werden, vgl. dazu § 723 B II. e) Widerklagen sind zulässig (RG J W 11/51); es sei denn, daß es Einwendungen sind, die nach § 767 II nicht mehr geltend gemacht werden dürfen (RGZ 114/173). C IV a) Kosten entstehen wie im ordentlichen Verfahren. b) Vollstreckungstitel ist das inländische Urteil; doch darf dieses auch auf das ausländische Urteil verweisen und es so zu seinem Inhalt machen. Lautet es auf eine Summe in ausländischer Währung, so wird nicht umgerechnet. Vollstreckt wird auf Grund der Vollstreckungklausel, die auf das inländische Urteil zu setzen ist (§ 724 A I 1).
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§ 723 (661) I Das Vollstreckungsurteil ist ohne Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Entscheidung zu erlassen. II Das Vollstreckungsurteil ist erst zu erlassen, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts nach dem für dieses Gericht geltenden Recht die Rechtskraft erlangt hat. Es ist nicht zu erlassen, wenn die Anerkennung des Urteils nach § 328 ausgeschlossen ist. A I. Prozeßbedingung des Vollstreckungurteils ist die Rechtskraft (Endgültigkeit) des ausländischen Urteils (§ 723 II 1); ist sie nicht gegeben, so ist die Vollstreckungklage unzulässig, nicht unbegründet. Ob die formelle Rechtskraft (§ 705 B) des ausländischen Urteils eingetreten ist, ist danach zu beurteilen, ob dieses noch mit den ordentlichen Rechtsbehelfen nach ausländischem Recht angreifbar ist oder nicht. a) Sofern verschiedene Teile eines Urteils getrennt rechtskräftig werden können, sollte man es darauf abstellen, ob die rechtskräftige Ausurteilung noch verändert werden kann. b) Läuft noch ein ausländisches Wiedereinsetzungverfahren, so sollte man allerdings aussetzen; es gelten dabei dieselben Erwägungen, die nach inländischem Recht dazu führen sollten, kein Rechtskraftattest zu erteilen (§ 706 C II c). c) Der Begriff der endgültigen, rechtskräftigen Entscheidung entspricht dem der CIM + CIV Art. 55 § 1. B I. Nachgeprüft wird im Verfahren der Vollstreckungklage, ob das ausländische Urteil im Inlande anerkannt wird, was sich aus § 328 ergibt (§ 723 II 2), und zwar von gerichts wegen (RGZ 75/148). a) Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Anerkennung trifft den Kläger. b) Nachgeprüft wird auch die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts im Verhältnis zum inländischen (§ 328 I 1, RGZ 61/69); aber nicht bei Versäumnisentscheidungen des ausländischen Gerichts, die dadurch entstanden sind, daß der Beklagte die Unzuständigkeit dort nicht geltend gemacht hat (RGZ 75/147). c) Nach § 328 kommt es im besonderen auf die Verbürgung der Gegenseitigkeit an (vgl. § 328 E V). B II. Liegen die Prozeßbedingungen vor, so wird das Vollstreckimgurteil erlassen. a) Die Richtigkeit der ausländischen Entscheidung wird nicht nachgeprüft (§ 723). a 1. Deshalb ist der inländischen Nachprüfung entzogen, ob das ausländische Urteil nach seinem Staatsrecht die Zuständigkeitnormen beachtet hat. a 2. Im Kostenverfahren wird die Richtigkeit der einzelnen Ansätze nicht nachgeprüft (RG Warn. 08/686), aber auch nicht die Kostengrundentscheidung. b) Verändern sich die Vollstreckungparteien (Gläubiger und Schuldner), so ist dies zu beachten. Geht die Rechtsnachfolge nicht schon aus dem ausländischen Erkenntnis hervor, so muß sie nunmehr nachgewiesen werden (RGZ 13/349). Doch darf sie auch durch ein das ausländische Erkenntnis ergänzendes Erkenntnis nachgewiesen werden. War dann schon das inländische Vollstreckungurteil erlassen, so darf die Vollstreckungklausel des inländischen Vollstreckungurteils umgeschrieben werden. Andernfalls ist die später eingetretene Rechtsnachfolge im Verfahren nach § 731 zu klären, wobei als Prozeßgericht das Gericht, das auf die Vollstreckungklage erkannt hat, in betracht kommt. B III. Der Beklagte darf der Klage auch in diesem Verfahren alle nach § 767 zulässigen Einwendungen entgegenhalten, a) weil über sie das ausländische Urteil nicht entschieden hat (RGZ 13/349). Dies gilt auch von der Aufrechnung (RG JW 13/596); doch ist die Aufrechnung von OLG 43/142 dann versagt worden, wenn die Gegenforderung im ausländischen Verfahren mit Erfolg hätte geltend gemacht werden können; während sie gerade dann wieder zugelassen wurde, wenn sie im ausländischen Verfahren einem Nachverfahren vorbehalten wurde von OLG 43/143.
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§ 723
B
in
b) Nach der hier vertretenen Ansicht muß aber auch der Schuldner diese Einwendungen geltend machen, wenn er sie nicht nach § 767 II verlieren will. c) Entstehen die Einwendungen (§§ 767, 768) erst nach Erlaß des Vollstreckungurteils (§ 767 II), so sind sie gegen das inländische Erkenntnis, also gegen das Vollstreckungurteil, geltend zu machen (RGZ 165/379). Wird das ausländische Urteil aufgehoben, so gilt § 767 entsprechend.
§ 724 (662) I Die Zwangsvollstreckung wird auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (vollstreckbare Ausfertigung) durchgeführt. II Die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges und, wenn der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erteilt. A I . Regelmäßig ist die Vollstreckungsklausel auf Urteilen Verfahrensbedingung für die Zwangsvollstreckung, gleichviel ob die Titel rechtskräftig (§ 705 A) oder nur vorläufig vollstreckbar sind (§§ 708 bis 710). c) Doch bedarf es c 1. bei Arresten und einstweiligen Verfügungen keiner Vollstreckungklausel (§§ 929 I, 936). Das entsprechende gilt für die einstweiligen Anordnungen nach §§ 627 folg. (Bez. Ger. N J 53/568). Anders ist dies, wenn die Vollstreckung von einer anderen Partei ausgeht oder gegen eine andere gerichtet ist als die im Urteil verbriefte ; dann bedarf es auch hier der Vollstreckungklausel. c 2. Bei den auf das Urteil gesetzten Kostenfestsetzungbeschlüssen (§ 105) bedarf es nicht der Vollstreckungklausel, weil sie durch die des Urteils gedeckt ist (§ 795 a). c 3. Vollstreckungbefehle (§§ 699, 796 I) bedürfen der Klausel nicht (anders wenn sie Rechtsnachfolger kennzeichnen). c 4. Dasselbe gilt für die Haftbefehle (§§ 901, 908). c 5. Auch bedarf der Pfändungbeschluß, der zur Wegnahme von Hypotheken-, Grundund Rentenschuldbriefen berechtigt (§§ 830 I, 857 VI), nicht der Vollstreckungklausel, und das entsprechende gilt bei der Einziehung einer Forderung für die Pfändung der zur Überweisung erforderlichen Urkunde (§ 836 I I I 2). c 6. Ähnlich ist die Rechtslage bei Vollstreckungen der Konkursverwalter gegen den Gemeinschuldner wie die bei denen der Zwangsverwalter gegen den Eigentümer (§ 704 B II b 2). A II. Die Vollstreckungklausel ist, soweit erforderlich, grundsätzlich für alle Vollstreckunghandlungen Prozeßbedingung; a) nur nicht im Falle der Vorpfändung (§ 845). b) Gehört sie sonst zu den Verfahrenbedingungen und fehlt sie, so hat das Vollstreckungorgan von sich aus die Vornahme der Vollstreckunghandlung abzulehnen. Vollstreckt es dennoch, so werden zwar die Pfandverstrickung, nicht aber die außerprozessualen Wirkungen der Vollstreckung (§ 704 B IV a) herbeigeführt. Wird die Vollstreckungklausel nachgeholt, so wird die früher vollzogene Vollstreckungmaßnahme nicht materiell wirksam. c 1. Die Einstellung der Vollstreckung hindert nicht die Erteilung der Vollstreckungklausel (str.). c 2. Die Vollstreckungklausel darf auch unter der Bedingung einer Sicherheitleistung erteilt werden. c 3. Zur Kostenfestsetzung bedarf es nicht der Erteilung der Vollstreckungklausel (§ 103 B II c 4); wohl aber zur Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß. d) Während der Gläubiger regelmäßig beliebig viele Ausfertigungen des Erkenntnisses erfordern darf, steht ihm grundsätzlich nur das Recht auf eine vollstreckbare Ausfertigung
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§724 And
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zu (vgl. § 733 A). Diese wird dem Schuldner ausgehändigt, wenn der vollstreckbare Anspruch befriedigt worden ist (§ 757 I; KG Seuif. 57/258 II). A III. Ist die Vollstreckungklausel erteilt, so richtet sich die Vollstreckung nach ihrem Inhalt und dem Tenor des von ihr in bezug genommenen Titels (über den sie nicht hinausgehen darf: RG JW 00/155); bei den guarantigierten Urkunden (§ 794 1 5) darf die Vollstreckbarkeit nur nach dem Inhalt der Urkunde erklärt werden (RGZ 134/162). a) Das Volistreckungorgan prüft grundsätzlich nicht, ob die Klausel zu recht erteilt ist (KG JW 37/1509). b) Doch sind b 1. äußere Mängel nach § 419 zu würdigen (OLG 29/169), b 2. sonstige Mängel nur insoweit, wie der Inhalt des Titels ergibt, daß er nicht für vollstreckbar erklärt wurde (vgl. OLG 31/94). B I. Die vollstreckbare Ausfertigung erteilt der Urkundbeamte der Geschäftstelle (§ 724 II); in den Fällen der §§ 726 I, 727—729, 733, 738, 742, 744, 745 II, MSchG § 16 der Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 I 9). Die vollstreckbare Ausfertigung ist vom Urkundbeamten zu unterschreiben (der die Dienstbezeichnung hinzufügen sollte; KG J R 25 B 109 hat bei Fehlen der Amtsbezeichnung der Ausfertigung die Wirksamkeit abgesprochen.) a) Bei einem mehrinstanzliehen Verfahren entspricht die Zuständigkeitregelung des § 724 II dem § 706 I (vgl. § 706 B III). Ist der Streit in zwei Instanzen anhängig, so ist der der höheren Instanz nach RGZ 18/424 zuständig, aber auch der des Berufunggerichts, wenn es schon durch Teilurteil die Berufung zum Teil zurückgewiesen hat, während der andere noch vor ihm schwebt (RG JW 10/241). b) Dies sollte man auch bei einem vor dem Prozeßgericht abgeschlossenen Prozeßvergleich gelten lassen (OLG JW 37/2468; a. M. RG Seuff. 59/168). b 1. Bei Vergleichen, die vor einer Gütestelle abgeschlossen worden sind, ist zuständig nur der von der Landesjustizverwaltung ermächtigte Vorsteher der Gütestelle (§ 797 a IV) oder der Urkundbeamte des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Gütestelle ihren Sitz hat (§ 797 a l ) ; c) bei sonstigen gerichtlichen vollstreckbaren Urkunden (§ 794 I 5) der zu ihrer Verwahrung zuständige Urkundbeamte des Amtsgerichts (§ 797 I, KG DR 40 A 1638), bei vollstreckbaren notariellen Urkunden der Notar oder die Behörde, welche die Urkunde verwahrt (§ 797 II), bei tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderung des Notars das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtsitz hat (KG JW 38/56, § 797 II entsprechend). d) Der Urkundbeamte des Strafgerichts ist es, wenn der Titel im Strafverfahren entstanden ist (LG JMB1. NRW 48/144). B II. Die Erteilung der Vollstreckungklausel setzt den Antrag des Gläubigers voraus, der formlos und außerhalb des Anwaltzwangs (§ 78 II) zu stellen ist. Wird indes die Klausel auch ohne Antrag erteilt, so wirkt sie dennoch. a) Der Antrag ist bis zur Erteilung der Volstreckungklausel frei widerruflich (vgl. § 38 B II a 2). Über das Antragrecht von dritten vgl. § 727 B. b) Gehör des Gegners ist nicht vorgeschrieben. B III. Der Urkundbeamte hat zu prüfen, a) ob das Erkenntnis als solches existiert (§ 516 A I); ob es einen vollstreckbaren Inhalt hat (RG JW 03/374); ob es rechtskräftig oder vorläufig vollstreckbar ist. Ferner sind die Voraussetzungen der §§ 726 bis 729 zu prüfen und die des Vorliegens einer etwa erforderlichen Devisengenehmigung. a 1. In kraft ist das Betragsurteil, selbst wenn noch das Verfahren über den Grund schwebt (§ 304, RGZ 107/330) bzw. wenn auch die Vorabzwischenentscheidung nach § 275 noch nicht rechtskräftig ist; das entsprechende gilt für die Nachverfahrensentscheidungen (§§ 302, 600) bei noch nicht rechtkräftigem Vorbehaltverfahren.
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Allgemeine Vorschriften
§ 724 B III
a 2. Nicht mehr In kraft ist das Erkenntnis, wenn ein vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil nach § 717 I außer kraft gesetzt ist oder durch Prozeßvergleich, Klagerücknahme (§ 271 III), Klageverzicht (selbst wenn noch kein Verzichturteil vorliegt, vgl. § 271 I I I 3) geändert oder aufgehoben worden ist. Selbst rechtskräftige Vorbehalturteile (§§ 302, 600) erhalten die Vollstreckungklausel nicht mehr, wenn sie im Nachverfahren, selbst durch ein bloß vorläufig vollstreckbares Urteil, aufgehoben worden sind. b) Dagegen wird nicht geprüft 1) 1. die Unterbrechung des Verfahrens (§ 249), die Eröffnung des Konkurses (Jaeger KO § 14 Anm. 16), die des Vergleichverfahrens oder eines Vertraghilfeverfahrens; ob der ausgeurteilte Anspruch besteht (KG J W 34/1862); es sei denn, daß ein nach § 767 ergangenes rechtskräftiges Urteil entgegensteht. Nicht geprüft wird die Einstellung der Vollstreckung nach §§ 707, 719 (str.). b 2. Nicht zu prüfen ist bei der Erteilung der Vollstreckungklausel auch die Frage, ob die konkrete Vollstreckunghandlung zulässig ist. Wird das Erkenntnis aber von gerichts wegen zugestellt, so sollte dies stets in der Vollstreckungklausel vermerkt werden. B IV. Wird die Klausel erteilt, so wird dies auf der Urschrift des Titels vermerkt (§§ 734, 795); wird sie verweigert, so ist dies durch Beschluß dem Gläubiger mitzuteilen. C I. Gegen die Erteilung der Klausel hat der Schuldner nur die Einwendungen nach § 732 und die Klage nach § 768; nicht die (sofortige) Beschwerde (RG J W 01/38). C II. Wird die Erteilung der Klausel durch Beschluß des Urkundbeamten verweigert, so darf der Gläubiger das Gericht nach § 576 anrufen (auch wenn der Vorsitzende den Urkundbeamten angewiesen hatte) und hat gegen die ablehnende Entscheidung des Gerichts die einfache Beschwerde (§ 567; RG J W 00/605; a. M. OLG Seuff. 80/69 zu § 732), wenn auch in den Fällen der §§ 731, 738 I, 742 I, 744, 749 dem Gläubiger die Klage auf Erteilung der Klausel zusteht. a) Schon die Beschwerde ist aber unzulässig, wenn es nur um die Vollstreckungklausel für eine Kostenentscheidung geht und die Erwachsenheitsumme des § 567 II nicht erreicht ist (RGZ 49/386f.). Wird auf den Rechtsbehelf die Klausel erteilt, so hat der Schuldner nur die Einwendungen aus § 732 oder die Klage aus § 768 (OLG Seuff. 77/163; a. M. KG OLG 25/216f.). b) Verweigert auch die Beschwerdeinstanz die Erteilung der Klausel, so hat der Gläubiger die weitere Beschwerde unter den Voraussetzungen des § 568 II. c) Über die Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen des Rechtspflegers vgl. § 730 C I. C III. Bei offenbarer Unrichtigkeit darf die Klausel nach § 319 berichtigt werden (die Ergänzung mit Änderung des sachlichen Inhalts ist auf diesem Wege unzulässig, KG J W 37/3050).
§ 725 (660) I
Die Vollstreckungsklausel: „Vorstehende Ausfertigung wird dem usw. (Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt" ist der Ausfertigung des Urteils am Schluß beizufügen, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. A I. § 725 schreibt den Inhalt der Vollstreckungklausel zwingend vor, wobei der in ihm angegebene Wortlaut nicht benutzt zu werden braucht (KG J W 37/1509); die Kennzeichnung als vollstreckbare Ausfertigung genügt dazu nicht. a) Auf den Gläubiger des Titels (in blanco) darf nicht verwiesen werden (KG J W 32/2174). a 1. Doch genfigt die Parteibezeichnung (Kläger, Beklagter) als Inhaber des Titels; sind mehrere Parteien vorhanden, denen die Vollstreckungklausel zu erteilen ist, so ist jede einzeln mit dem ihr zustehenden Vollstreckunganspruch zu kennzeichnen. Hat der Gläubiger ge95 Wieczorek, ZPO, Handausgabe
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§725
AFal
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wechselt, so ist der neue Gläubiger in der Klausel zu kennzeichnen. Dies gilt auch bei der Namenberichtigung (KG OLG 13/151). a 2. Unzulässig wäre es, an Stelle des Gläubigers seinen Vertreter zu kennzeichnen (KG J W 38/56). b) Soll gegen einen anderen als den aus dem Titel ersichtlichen Schuldner vollstreckt werden, so ist dieser zu kennzeichnen. Vgl. §§ 727, 742, 744. A n . Die Bezugnahme ist im übrigen nur so weit zulässig, wie durch sie der Ausspruch des Titels gedeckt wird. Die stillschweigende Bezugnahme auf ein anderes Urteil als das, worauf die Klausel gesetzt wird, ist unzulässig. a) Wird ein erstinstanzliches Urteil bestätigt, ohne daß sein Tenor in die zweitinstanzliche Entscheidung übernommen wird, so ist die Vollstreckungklausel auf das erstinstanzliche Urteil zu setzen (RG Warn. 12/188). Zwar darf auch das zweite ausgefertigt werden, doch muß dann in die Vollstreckungklausel der Tenor des erstinstanzlichen Urteils aufgenommen werden (RG Gruch. 54/1154f.). Modifiziert das zweitinstanzliche Urteil das erstinstanzliche, so muß die Vollstreckungklausel dies ergeben (OLG NJW 56/996). Ändert das Berufunggericht ab, etwa bei einschränkender oder bedingter (Zug-um-Zug-Leistung) Verurteilung, so bedarf auch dieses Urteil der vollstreckbaren Ausfertigung, wenn dazu auch nicht die Rückgabe der erstinstanzlichen vollstreckbaren Ausfertigung gefordert werden darf (RG J W 27/1311). Enthält die zweitinstanzliche Entscheidung einen vollen Tenor, so wird die Vollstreckungklausel nur auf sie gesetzt. b) Die Klausel ist auf den Antrag des Gläubigers zu beschränken, sofern die Titelforderung teilbar ist (§ 301 B II, OLG ZZP 33/288) oder wenn der Gläubiger nur gegen einen Gesamtschuldner vorgeht (RG J W 99/5). c) Soweit nur in bestimmte Vermögensmassen vollstreckt werden darf, sind diese zu kennzeichnen; es sei denn, daß ohne Rücksicht auf die Beschränkung zu vollstrecken ist und der Schuldner nur die Möglichkeit hat, auf dem Wege der Vollstreckunggegenklage die Haftungbeschränkung geltend zu machen (§ 785). d) Dagegen kommt die Angabe, daß nach dem Titel eine Sicherheit zu leisten (vgl. § 726 A II) oder gar geleistet ist, in der Klausel nicht in betracht (RG Warn. 12/188). d 1. Die Modifikation des zweitinstanzlichen Urteils über die vorläufige Vollstreckbarkeitentscheidung wirkt sich danach in der Regel nicht auf die Erteilung der Klausel aus. War das Urteil der ersten Instanz nur gegen Sicherheitleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt, ist das zweite dagegen ohne Sicherheitleistung vollstreckbar, so genügt nach RG Warn. 12/188 zum Belege der vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitleistung die einfache Ausfertigung des zweitinstanzlichen Urteils, was allerdings RG JW 27/1311 anzweifelt. War dagegen der alte Titel nicht vollstreckbar, so muß die neue Entscheidung in die Klausel aufgenommen werden, die auf die alte gesetzt wird. d 2. Wird auf Grund eines gegen Sicherheitleistung vollstreckbaren Urteils ein Kostenfestsetzungbeschluß erlassen, so ist in ihm die Vollstreckbarkeitbedingung aufzunehmen, sofern er vom Grundtitel gelöst ist (vgl. § 105; OLG NJW 56/996). A III. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Sollvorschriften für den Inhalt der Klausel, deren Nichtbeachtung aber unschädlich ist, wie die Feststellung der Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge (§ 727 II), die Bezeichnung der vorgelegten Urkunde (§§ 726, 727), die Kennzeichnung, daß sie als weitere vollstreckbare Ausfertigung erteilt wurde (§ 733 III). B I. Die Vollstreckungklausel wird von der Geschäftstelle, d. h. ihrem Urkundbeamten (bei der nach § 724 nicht von dem Rechtspfleger i. S. des RechtspflegerG; vgl. § 724 B I) erteilt und an den Schluß des Vollstreckungtitels gesetzt. B I. Enthält der Titel selbst wieder eine Verweisung, wie nach §§ 731; 722, 723, so wird u. U. der Tenor der in bezug genommenen Entscheidung in die Vollstreckungklausel aufzunehmen sein, soweit nicht das (inländische) gerichtliche Erkenntnis die bestätigende Entscheidung wiederholt. Im Fall des §731 darf die Klausel auf das alte Urteil gesetzt werden, dann muß aber die Klausel auf das nach § 731 ergangene Urteil verweisen; oder aber sie wird
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auf dieses gesetzt, dann ist der Tenor der ersten Entscheidung in die Klausel aufzunehmen. Vgl. bei der Vollstreckbarkeitserklärung von Schiedssprüchen §§ 1042folg., 1042a, 1044a und die bilateralen Vollstreckungsabkommen; auoh hier muß der inländische Spruch mit der Klausel versehen werden, die den ausländischen Tenor in sich aufnehmen sollte, sofern ihn nicht schon der inländische Titel aufgenommen hat. B II. Ferner muß die eigenhändige (vgl. § 315 A II a) Unterschrift des die Vollstreckungklausel Erteilenden und das Gerichtsiegel (§ 169 A b) unter die Klausel gesetzt werden (Sydow-Busch § 725 Anm. 3; a. M. Baumbach-Lauterbach § 725 Anm. 2 in bezug auf das Siegel).
§ 726 (664) I Von Urteilen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt, darf eine vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird. II Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so ist der Beweis, daß der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, nur dann erforderlich, wenn die dem Schuldner obliegende Leistung in der Abgabe einer Willenserklärung besteht. A. Nach § 726 ist die Vollstreckungklausel grundsätzlich erst dann zu erteilen, wenn alle Bedingungen der Vollstreckbarkeit des Titels eingetreten sind. Über die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers vgl. §§ 724 B I, 730 A. A II. Von diesem Grundsatz wird abgewichen, wenn die Vollstreckung noch von einer Sicherheitleistung (vgl. § 725 A II d) oder von einer Zug-um-Zug-Leistung oder einer Vorleistung des Gläubigers (§ 756 A) abhängt; im letzten Fall aber mit der Unterauanahme bei einer vom Schuldner abzugebenden Willenserklärung (§ 726 II). Weiterhin darf die Vollstreckungklausel vor Eintritt des Kalendertages (§ 751) und vor Ablauf der Frist, nach der ab Zustellung erst vollstreckt werden darf (§ 798, AG Haager ZPA § 7, MSchG § 16 III), erteilt werden. A III. Nicht unter § 726 gehören die zur Beweislast des Schuldners stehenden Bedingungen (§ 726 B II) wie Bedingungen, welche schlechthin außerhalb des Vollstreckungrechts liegen (§ 726 C). B I. Welche Bedingungen der Vollstreckbarkeit im einzelnen vom Gläubiger zu beweisen sind und also nach § 726 vor Erteilung der Vollstreckungklausel zu prüfen sind, richtet sich allein nach der Beweislast (RGZ 41/373). a) Die Beweislast knüpft an das Vollstreckungrecht an (RGZ 81/302f.). a 2. Regelmäßig fallen die aus dem Titel ersichtlichen Bedingungen (RGZ 81/299) der Vollstreckbarkeit unter die Beweislast des Gläubigers; im besonderen der Fristablauf, bei der Wiederauflebensklausel ihr Eintritt (OLG JW 31/2167). Bei einem Räumungsvergleich gegen angemessenen Ersatzraum hat LG MDR 60/54 den Nachweis, daß der Ersatzraum zur Verfügung stand und daß er angemessen war, gefordert. b 1. Bei alternativer Verurteilung wird die Klausel schlechthin erteilt (RG JW 00/155). b 2. Bei Eventualverurteilungen wird die Klausel grundsätzlich einheitlich für die gesamte Verurteilung, auch für die eventuelle, erteilt (KG OLG 18/394f.). Von diesen ist die Abwendungbefugnis des Schuldners zu unterscheiden; ihre Erfüllung steht zur Beweislast des Schuldners. Ist die Hauptverurteilung nicht gegen den Schuldner vollstreckbar (etwa nach § 888 II, RG JW 00/155), so hat der Gläubiger den Eintritt der Vollstreckbarkeit der Eventualverurteilung vor Erteilung der Vollstreckungklausel nachzuweisen. B II a) Bei Verfallklauseln, wo die Bedingung der Vollstreckbarkeit vom Schuldnerverzug abhängt, darf die Vollstreckungklausel auf Antrag des Gläubigers ohne Nachweis des Schuldnerverzugs erteilt werden, sofern den Nichteintritt der Schuldner zu beweisen hat (RGZ 134/160). 95«
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b h
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b) Ebenso h a t der nach § 510 b verurteilte Schuldner zu beweisen, daß er die Handlung, zu der er verurteilt worden ist, rechtzeitig vorgenommen hat. Doch darf vor Ablauf der Frist zur Vornahme der Handlung nach § 510b keine Vollstreckungklausel erteilt werden (OLG JMB1. N R W 50/38). c) Auch hat der Schuldner nachzuweisen, daß eine auflösende Bedingung eingetreten ist (OLG 29/170). CI. K O § 14 hindert nicht, die Vollstreckungklausel zu erteilen (RGZ 86/396f.; a. M. Sydow-Busch § 726 Anm. 3). C II. Die entsprechende Rechtslage ergibt sich bei den Vergleichgläubigern (VglO §§ 25, 29). Auch wird die Möglichkeit, daß der Titel, im besonderen nach §§ 323, 324 veränderbar ist, nicht beachtet (OLG SchlHA 57/306 bei Vergleichen nach §§ 627folg.). C IV. Ist die Vollstreckung eines Kostenfestsetzungbeschlusses von dem Nachweis der Zahlung von Gerichtskosten abhängig gemacht worden, so wirkt dies wie die Verurteilung gegen Sicherheitleistung und ist als solche zu behandeln. D I. Nach § 726 I wird die Klausel, ohne daß die prozessuale Sicherheitleistung nachzuweisen ist, vom Rechtspfleger erteilt (RechtspflegerG § 19 I 9), weil das Vollstreckungorgan ihre Leistung nachzuprüfen hat (§ 751 II). Wird die Vollstreckungklausel (bei einem Kostenfestsetzungbeschluß) getrennt vom Haupttitel erteilt, so muß aus ihr die Bedingung der Sicherheitleistung ersichtlich sein (OLG N J W 56/996); nach RechtspflegerG § 19 I 9 darf auch in diesem Fall die Vollstreckungklausel nur vom Rechtspfleger erteilt werden, obwohl das gesamte Kostenfestsetzungverfahren sonst in der Hand des Urkundbeamten liegt. a) Dagegen muß der Nachweis der außerprozessualen Sicherheitleistung vor Erteilung der Vollstreckungklausel geführt werden (RG J W 36/249). b) Von § 726 I weicht MSchG § 16 ab. b 4. In Wohnungstreiten kommen auch Bäumungtitel gegen Beschaffung eines Ersatzraums durch den Gläubiger vor. Hier muß, falls im Titel darüber nichts besonderes bestimmt ist, der Gläubiger die Angemessenheit des Ersatzraumes vor Erteilung der Klausel nachweisen. Es ist unzulässig zu vereinbaren, daß andere als öffentliche Urkunden zum Nachweis der Angemessenheit des Ersatzraums genügen (§ 726 E I I ; a. M. OLG NdsRpfl. 54/48). Doch dürfen bei Vergleichen Beweislastverteilungen getroffen werden. Doch ist es nicht angängig, ein Staatsgericht als Schiedsgericht zu bemühen (OLG MDR 55/47). Die E n t scheidung eines Schiedsgerichts oder auch die eines Schiedsgutachters können vereinbart werden. Wird der Bürgermeister zur Entscheidung berufen, so ist sie jedenfalls kein (anfechtbarer) Verwaltungakt (OVG HMR Rspr. 52/127). Doch erübrigt eine solche Vereinbarung nicht den nach § 726 I erforderlichen Nachweis (a. M. LG ZMR 52/272). Auf Aufhebung der Ersatzraumklausel darf nach LG N J W 54/82 geklagt werden, wenn sich nach Vergleichschluß der Eigenbedarf des Vermieters wesentlich verschärft; während LG JMB1. N R W 48/189 MSchG § 6 II angewandt hat, was LG MDR 49/363 im Fall des späteren Eintritts der Voraussetzungen des MSchG §§ 2, 3 getan hat. Ist der Räumung vergleich mit Ersatzraumklausel von der pünktlichen Mietzahlung abhängig gemacht, so erlischt der Räumunganspruch nicht, wenn erst nach Verzug die Miete gezahlt wird (LG H u W 51/34; vgl. aber WohnraumbewirtschaftungG § 31). Sollte der Ersatzraum in einem bestimmten Stadtteil gewährt werden und ist dort die Wohnungnot besonders groß, so hat AG H u W 54/90 die Klage auf Aufhebung der Ortsbestimmung zugelassen. Jedenfalls steht ein Räumungvergleich mit Ersatzraumklausel der Räumungklage nach Aufhebung des Mieterschutzes nicht entgegen (AG EMWG 53/332). LG ZMR 54/173 h a t nach gesetzlicher Verschärfung einen unter früherem Recht geschlossenen Ersatzraumvergleich nicht angreifen lassen. Ist im Vergleich niemand (wirksam) berufen, über die Angemessenheit des Ersatzraumes zu entscheiden, so muß nach § 731 auf Erteilung der Vollstreckungklausel geklagt werden (LG WM 53/39). War die Klausel schon erteilt, so hat der Schuldner das Recht, nach §§ 732, 768 vorzugehen (LG ZMR 53/200). Bei erheblichen Belästigungen hat LG ZMR 55/13 WohnraumbewirtschaftungG § 30 V angewandt; vgl. auch § 885 A I a.
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D II. Lautet das Urteil auf Leistung Zug-um-Zug (§ 756 A), so wird grundsätzlich die Vollstreckungklausel ohne den Nachweis der Vorleistung oder des Annahmeverzuges des Schuldners (RGZ 84/230) erteilt (§ 726 II); die Bedingung des Titels hat das Vollstreckungorgan zu beachten. a) Die wohl h. M. läßt die Feststellung des Annahmeverzugs des Schuldners schon im Titel zu (RG J W 09/463); dann sollte aber erst gar nicht mehr Zug-um-Zug verurteilt werden. Man sollte, wenn eine Verurteilung Zug-um-Zug ausgesprochen worden ist, erst den Annahmeverzug nach Erlaß des Titels gelten lassen (Hellwig, Anspruch und Klagerecht 377; a. M. OLG Seuff. 64/83). Bei Verurteilungen zur künftigen Leistung wie bei Vergleichen und vollstreckbaren Urkunden in bezug auf künftig fällig werdende Leistungen hat der Gläubiger die Vorleistung oder den Annahmeverzug des Schuldners nach §§ 726 I, 731 nachzuweisen (RG Gruch. 49/1055). b) Soll der Schuldner eine Willenserklärung abgeben (§§ 894, 895), so muß der Gläubiger entweder praktisch vorleisten oder den Annahmeverzug des Schuldners nachweisen, wofür die Grundregel des § 726 I gilt bzw. §§ 730, 731 anzuwenden sind (OLG 13/185). Dies gilt also auch schon für die Eintragung der Vormerkung aus § 895. Ist die Hauptverurteilung zur Zahlung davon abhängig, daß der Gläubiger ein Grundstück aufläßt, so liegt der Ausnahmefall des § 726 II nicht vor (OLG 33/90). c) Darüber, daß der Schuldner nicht in die prozessuale Gläubigerstellung eintritt, weil auch ihm eine Leistung zusteht, vgl. § 322 F I I b (RGZ 100/199). D III a) Braucht der Schuldner nur gegen Aushändigung einer den Gläubiger legitimierenden Urkunde bzw. gegen Quittung zu leisten, so kommt dies weder im Titel (RGZ 36/105) noch in der Klausel zum Ausdruck (RGZ 55/227). b) Das Vollstreckungorgan muß zwar auch diese erfüllen können (vgl. § 757); so darf aus einem Wechselanspruch zur Hauptsache nur mit dem Wechsel vollstreckt werden (RG J W 98/224); anders ist dies bei einer Vollstreckung gegen den Akzeptanten bezüglich der Protesturkunde, weil es ihm gegenüber keines Protestes bedarf (OLG Seuff. 56/160), und anders ist es auch wegen der Kosten (OLG Seuff. 66/103); wenn auch eine Vollstreckung handlung des Vollstreckungorgans deshalb noch nicht unwirksam ist, wenn etwa der GV eine solche Nebenverpflichtung nicht erfüllen konnte (BayObLG Blf. RA 65/99); wohl aber, wenn er sie erfüllen muß und er sie nicht erfüllen kann. E. § 726 verlangt den Beweis durch Vorlegung (§ 420 A I) öffentlicher (§ 415 C) oder öffentlich beglaubigter (§ 415 C i d ) Urkunden. E I. Offenkundigkeit (§291; OLG 17/186) wie Zugeständnis des Schuldners (§ 288) ersparen den Beweis. E II. Andere Parteivereinbarungen über eine erleichterte Beweisführung sind unwirksam (RGZ 83/340; a. M. KG KGB1. 19/64 I). a) Geht es um den Beweis einer Kündigung, so ist streitig, ob auch diese selbst in öffentlich beglaubigter Form ausgesprochen sein m u ß ; den Nachweis der Z u s t e l l u n g der Kündigung in öffentlich beglaubigter Form läßt genügen: BayObLG J F G 5/40; a. M. BayObLG OLG 31/136, die letzte Ansicht entspricht jedenfalls dem Wortlaut des Gesetzes. b) Die Vorlegung einer schriftlichen, öffentlich beglaubigten Zeugenaussage nicht, weil sie kein zulässiger Urkundenbeweis ist (BayObLG J W 23/81).
genügt
E III. § 726 schreibt zwar nicht vor, daß die Vorlegung der Beweisurkunde in der Vollstreckungklausel erwähnt wird; doch ist dies wegen der nach § 750 II erforderlichen Zustellung der Urkunde, auf Grund deren die Klausel erteilt worden ist, erforderlich (a. M. KG J W 22/499). E IV. Soweit der Beweis so nicht geführt werden kann, muß nach § 731 geklagt werden (Obertribunal J W 30/1538). F. Wird die Klausel (versehentlich) erteilt, bevor die Bedingung eingetreten ist, so wird sie durch den späteren Eintritt der Bedingung nach RGZ 81/302 nicht zulässig. Der Schuldner
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muß gegen sie nach §§ 782, 768 vorgehen; ein Mangel nach § 766 liegt nicht vor, da das Vollstreckungverfahren unmittelbar auf Grund der Vollstreckungklausel nicht zu beanstanden ist (RGSt. 26/289; a. M. OLG 4/139). Über die Rechtsbehelfe von dritten vgl. §§ 766 B IV b 7, 8; 771, 805.
§ 727 (665) I Eine vollstreckbare Ausfertigung kann für den Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Gläubigers sowie gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Schuldners und denjenigen Besitzer der in Streit befangenen Sache, gegen die das Urteil nach § 325 wirksam ist, erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. II Ist die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig, so ist dies in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen. A I. Ergeben sich die Parteien (Gläubiger, Schuldner) nicht aus dem Titel, so ermöglicht § 727 die Umschreibung durch den Rechtspfleger (§ 730 A). Ist auf diese Weise der wahre Zustand der Parteistellung des Vollstreckungverfahrens aber nicht herbeizuführen, so bleibt nur die Klage nach § 731. A II. Haben die Parteien des Erkenntnisses gewechselt und soll auf Grund eines Titels vollstreckt werden, so muß der Titel (mit dem die Vollstreckung noch nieht begonnen war) umgeschrieben werden (BayObLG NS 1/469). a) Umgeschrieben wird zur Vollstreckung. a 2. Doch darf nicht das Urteil für und gegen eine Gesamtpartei (§ 50 B III) auf ihre einzelnen außerprozessualen Träger umgeschrieben werden (KG OLG 14/166f.). b) Im Fall des § 856 IV ist die Klage auf die Vollstreckung gerichtet, so daß die Umschreibung der Klausel auch entsprechend § 727 zulässig erscheint. B I. Der Inhaberwechsel einer (Einzelhandels-)Firma als Gläubiger oder als Schuldner bewirkt grundsätzlich keine Rechtsnachfolge; gegen den alten Inhaber darf nicht bloß in sein Handelsvermögen, sondern auch in sein sonstiges vollstreckt werden (OLG 23/206). Man sollte deshalb die Inhaberschaft schon im Titel klarstellen, notfalls aber in der Vollstreckungklausel, wobei es allerdings fraglich ist, ob dies nach § 727 geschehen darf (bejahend: OLG 29/171; verneinend: KG OLG 7/147). Die Berechtigung zur Firmenführung wird im Zweifelsfalle erst das Vollstreckungorgan nachprüfen müssen (KG OLG 1/397). Deoken sich Firma und Vor- und Familienname des Inhabers, so erübrigt sich in aller Regel die Klarstellung (BayObLG NJW 56/1800). b) Entsprechend sollte man bei Decknamen verfahren (KG OLG 13/152f.). B III a 3. Uber die Umschreibung des Kostenfestsetzungtitels auf den Namen des Armenanwalts, des Patentarmenanwalts vgl. § 124 C III a 3 (BGH NJW 52/786 hat § 727 nicht angewandt). b) Soweit das Verfahren nach § 319 nicht zum ziele führt, wird das nach §§ 727, 731 zu beschreiten sein. Soweit dieser Weg zulässig ist, sind andere Klagen auf Klarstellung des Titels (§ 322 B II a, c) grundsätzlich ausgeschlossen (BGH NJW 57/1111); doch können diese in ein Verfahren nach § 731 umgedeutet werden. Ist der Weg nach § 727 möglich, so muß er beschritten werden, und die Klausel muß erteilt werden, wenn seine Voraussetzungen erfüllt sind (RGZ 57/329). Rechtstreitigkeiten zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Gläubiger können aber nicht nach §§ 727, 731 ausgetragen werden; hier muß auf Grund des BGB §402 neu geklagt werden; nach Erlaß der Entscheidung im Prätendentenstreit wird dann der Titel umgeschrieben (RG HRR 37/1555). B IV. Die Titel für und gegen die gesetzlichen Vertreter schreibt die h. M. in den Fällen um, wo sie nach der. Amtstheorie ihnen Parteieigenschaft beilegt (§ 50 G III c).
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Allgemeine Vorschriften
§ 727 B iv
a 1. Der Wechsel des gesetzlichen Vertreters, der Verlust der Prozeßfähigkeit, der Eintritt der Liquidation (RG JW 94/426), der Wechsel der Mitglieder einer Gesamtpartei (OLG 13/184) beeinträchtigt die Wirkung der Klausel nicht. b 1. Nur bei Eintritt der Testamentsvollstreckung schreibt § 749 die Umschreibung auf die Erben nach ihrem Wegfall (§ 728 II) vor. b 2. Die entsprechende Lage ergibt sich nach der h. M. bei dem Nachlaßverwalter im Verhältnis zum Erben und b 3. beim Konkursverwalter (RGZ 53/8). Die h. M. schreibt nicht bloß bei der Vollstreckung des Massegläubigers um, sondern auch, wenn Aus- und Absonderungberechtigte und Massegläubiger gegen den Gemeinschuldner, vertreten durch den KV, vollstrecken (OLG 22/359) oder wenn nach Beendigung des Konkursverfahrens gegen den Gemeinschuldner vollstreckt werden soll, sofern es bis dahin nach der Konkursordnung gesetzlich verboten war, oder wenn nach Aufhebung des Konkursverfahrens der vom Konkursverwalter erwirkte Titel auf den Gemeinschuldner umgeschrieben wird (KG OLG 25/219). Dies gilt auch bei Wechsel der KV (OLG J W 18/145). b 4. Über den Vertreter des Aneignungsberechtigten bei herrenlosen Grundstücken vgl. § 787 A. b 5. Über die Vollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer vgl. §§ 800 II, 800a I. b 6. Bzgl. des Zwangsverwalters (KG KGJ 42/7) gilt dasselbe. CI. Umgeschrieben wird nach § 727 die Klausel für oder gegen die Rechtsnachfolger des Schuldners oder des Gläubigers, wenn sie es nach Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 325 I) geworden sind. a) Bei vollstreckbaren Urkunden tritt an die Stelle der Rechtshängigkeit die Errichtung der Urkunde (KGJ 49/22). Ist die Rechtsnachfolge vor Rechtshängigkeit eingetreten und der Kläger dennoch zur Klage berechtigt (§ 253 B III), so wird ihr auf der Gläubigerseite schon durch den Klageantrag rechnung zu tragen sein. b) Bei einem Wechsel des Gläubigers vom Zahlung- zum Vollstreckungbefehl gibt es keine Titelumschreibung (LG Rpfl. 54/377). Dasselbe gilt, wenn im Laufe des Rechtstreits der Streitgegenstand veräußert wird (§§ 265, 266) und infolgedessen der Klageantrag umgestellt wird (§ 265 D I). Ergeht hier Urteil auf Leistung an einen dritten (den Gläubiger), so wird nicht etwa der Titel umgeschrieben, sondern von vornherein dieser dritte als Gläubiger im Titel bezeichnet und ihm allein die Klausel erteilt (nicht etwa dem Kläger, der den Prozeß geführt hat; a. M. KG J R 56/303). b 1. Unmittelbar anzuwenden ist § 727, wenn die Rechtsnachfolge nach Eintritt der Rechtshängigkeit eingetreten ist (§ 325 I), wobei gleichgültig ist, ob dies vor oder naoh Beendigung des Rechtstreits geschehen ist (OLG ZZP 53/164) und ob dies schon im Urteil berücksichtigt worden ist oder nicht (RGZ 7/332). Daß der frühere Gläubiger einen Prozeßbevollmächtigten hatte, dessen Vollmacht nach § 86 auch für den Rechtsnachfolger wirkt, erübrigt nicht die Umschreibung (OLG Seuff. 43/313). b 2. Zugunsten der Erben des Gläubigers darf schon vor Annahme der Erbschaft die Klausel erteilt werden (BGB § 1959), hier auch auf Antrag des Nachlaßpflegers (OLG 2/127f.), des Nachlaßverwalters oder des Nachlaßkonkursverwalters (KO §216); indes, wenn Miterben vorhanden sind, bis zur Auseinandersetzung nur an alle Erben gemeinsam (BGB §§ 2032, 2039); an einen von ihnen nur mit der ausdrücklichen Beschränkung des BGB § 2039; nach Auseinandersetzung ist auf den einzelnen Erben, dem die Forderung zugewiesen worden ist, die Klausel umzuschreiben. Im Fall der Testamentvollstreckung vgl. § 749 A. b 3. Ist die Auswirkung der Rechtsnachfolge übersehen worden und das Erkenntnis ergangen, so ist die Klausel erst auf Grund erneuter Bestätigung des Klägers umzuschreiben. Soweit dies nicht geschieht, ist die Klausel noch dem ursprünglichen Gläubiger trotz Abtretung, Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs zu erteilen (OLG 11/183). Ob der Einzelrechtsnachfolger die Leistung des Schuldners an seinen Rechtsvorgänger gegen sich gelten lassen muß, regelt sich nach außerprozessualem Recht.
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§ 7 2 7 B iv
ZPO VIII. Buch
b 4. W a r vor Prozeßbeginn Gesamtrechtsnachfolge eingetreten, so ist, wenn möglich, nach § 319 zu berichtigen, andernfalls § 727 entsprechend anzuwenden (OLG SächsAnn. 19/86f.). RGZ 163/56 h a t § 727 entsprechend a n g e w a n d t , wenn dem Vorerben n a c h E i n t r i t t des Nacherbfalles (versehentlich) die Klausel erteilt wird u n d er n u n m e h r in die Umschreibung an den Nacherben einwilligt. C II. Die Rechtsnachfolge auf Seiten des Gläubigers k a n n a) eine Gesamtrechtsnachfolge sein, aber a u c h eine Einzelnachfolge, eine Vollrechtoder auch eine Teilrechtnachfolge (RGZ 82/38). Gleichgültig ist auch, wie sich der Rechtserwerb vollzog, also auf Grund Rechtsgeschäfts oder durch Vollstreckung oder k r a f t Gesetzes wie bei dem Bürgen, der den Gläubiger befriedigt h a t (OLG 18/44), oder bei denen, die n a c h B G B § 268 die Schuld abgelöst haben. Ist durch Vollstreckung dem Gläubiger die Forderung a n Zahlung s t a t t oder zur Einziehung überwiesen, so ist i h m die Vollstreckungklausel zu erteilen, a u c h wenn noch andere Überweisungen vorliegen (RGZ 57/326). Bei teilweiser P f ä n d u n g u n d Überweisung oder teilweiser A b t r e t u n g ist aber n u r f ü r diesen Teil umzuschreiben (KG OLG 31/85f.); sodann wird f ü r den abgespaltenen Teil eine neue vollstreckbare umgeschriebene A u s f e r t i g u n g erteilt, während der abgespaltene Teil v o m alten Titel bzw. der Vollstreckungklausel abgeschrieben wird. b) Keine Rechtsnachfolge liegt vor, wenn sich j e m a n d auf Grund verbotener E i g e n m a c h t den Besitz verschafft h a t ; a u c h ist der Aneignungberechtigte kein Rechtsnachfolger des früheren Eigentümers. Die Besitznachfolge k o m m t nicht in b e t r a c h t , wenn der Nachfolger des Gläubigers zugleich sein übergeordneter Besitzer ist. Auch b e g r ü n d e t die Befriedigung durch einen Gesamtschuldner regelmäßig keine Rechtsnachfolge (KG N J W 55/913). C III. Auch der Schuldreehtsnachfolger k a n n a) Einzel- wie Gesamtrechtsnachfolger sein. Ist der Rechtsnachfolger in die Schuld vor Rechtshängigkeit (§ 263 B) eingetreten, so ist die Klausel gegen den Schuldner grundsätzlich nicht umzuschreiben. Anders ist dies, wenn der Schuldnachfolger den Prozeß selbst g e f ü h r t h a t . a 1. Schuldgesamtnachfolger ist der E r b e . Auf seinen A n t r a g ist der Vorbehalt der bes c h r ä n k t e n E r b e n h a f t u n g in die Klausel a u f z u n e h m e n (OLG J W 32/1405), andernfalls bleibt n u r die Gegenklage n a c h § 785 offen. OLG 2/127 f. erteilt sie auch gegen den Nachlaßpfleger. a 2. Einzelschuldnachfolger ist der Nießbraucher a m G r u n d s t ü c k (KG OLG 25/264), a u c h der Sonderrechtsnachfolger (RG Seuff. 93/47), der K ä u f e r eines eingetragenen Gebrauchsmusters (OLG 26/377), der Besitzmittler des Schuldners einer streitbefangenen Sache (RGZ 153/212f.); sind mehrere Rechtsnachfolger n u r gemeinschaftlich verpflichtet, so ist a u c h die Klausel n u r gegen alle z u s a m m e n zu erteilen (RGZ 28/400). Doch gilt die E i n s c h r ä n k u n g des § 325 zugunsten des gutgläubigen Erwerbs (RGZ 79/165), den aber der Rechtsnachfolger nach §§ 732, 768 verfolgen m u ß (RGZ 79/169; a. M. B G H Z 4/283). Der Untermieter einer im Streit befangenen Sache ist u n m i t t e l b a r Besitzer; ist er Untermieter vor Rechtshängigkeit durch Besitzergreifung geworden, so ist gegen ihn besonders zu verfahren (BGB § 556 I I I ) . Anders ist dies, wenn er erst n a c h Rechtshängigkeit Untermieter geworden ist, dann wird der Titel umgeschrieben (LG N J W 53/30). b) Keine Schuldnachfolger sind die privativen Schuldübernehmer n a c h B G B §§ 415, 416 (OLG 13/184); die einzelnen Gesellschafter der oHG, selbst wenn diese ohne Liquidation aufgelöst wurde (RG J W 29/1397); nicht ist es der Patentverletzer des unterlegenen Klägers, der auf negative Feststellung geklagt h a t t e , selbst wenn der Verletzer die Maschinen v o m ersten Kläger ü b e r n o m m e n h a t , m i t denen die dem P a t e n t unterliegenden Gegenstände hergestellt w u r d e n ; es gibt hiernach keine Schuldnachfolge in die festgestellte Unterlassungpflicht (RGZ 153/210folg.). Nicht Schuldnachfolger ist auch der Besitzdiener n a c h B G B § 855. H a t t e der K ä u f e r eines Grundstücks eine R e s t k a u f g e l d h y p o t h e k bestellt u n d das G r u n d b u c h a m t eine Vormerkung eingetragen, so k a n n das Urteil, das dem K ä u f e r a u f g i b t , das Hindernis zu beheben, nicht gegen den Neuerwerber umgeschrieben werden, der das Grundstück inzwischen g e k a u f t h a t t e (RGZ 62/375).
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Allgemeine Vorschriften
§727
C IV. Ob Funktionnachfolge (BGH N J W 53/381) als Rechtsnachfolge anzusehen ist, ist für die Frage der Umschreibung der Vollstreckungklausel noch nicht klargestellt worden; doch sollte man sie als Rechtsnachfolge ansehen. D I. Die Klausel wird vom Rechtspfleger umgeschrieben. Außer den allgemeinen Prozeßbedingungen (KG OLG 25/152) muß die Rechtsnachfolge bewiesen werden, und zwar durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, falls sie nicht offenkundig (§ 291) oder zugestanden (§ 288) ist (§ 726 E I, II). Über die Beschaffung der Urkunden durch den Gläubiger vgl. § 792. Kann der Nachweis nach § 727 nicht geführt werden, so steht die Klage nach § 731 offen (RG Warn. 17/37). D II. Der Umschreibunggrund ist in die Klausel aufzunehmen, für die Offenkundigkeit schreibt dies § 727 I I unmittelbar vor, für den Urkundenbeweis ergibt es sieh aus § 750 II, weil diese Urkunden zugestellt werden müssen (LG J W 39/181; a. M. KG J W 22/499). W a r die Klausel bereits für andere Beteiligte erteilt, so muß die alte vorgelegt werden. Bei Teilnachfolge ist der Titel aufzugliedern, u. U. durch mehrere Ausfertigungen über die einzelntn Teile mit den entsprechenden Klauseln. a) Beantragt der ursprüngliche Gläubiger, die Vollstreckungklausel zu erteilen, so ist sie ihm, wenn er es nach dem Titel ist, selbst dann zu geben, wenn die Rechtsnachfolge offenkundig ist (KG H R R 30/1163). Der Schuldner darf sich nur nach § 767 wehren (KG H R R 30/1163). b) Der neue Gläubiger darf die Klausel beantragen, b 1. wenn er im Titel als Gläubiger genannt ist (a. M. RGZ 167/323f.); b 2. andernfalls, wenn noch keine vollstreckbare Ausfertigung erteilt war unter Vorlegung der öffentlichen Urkunden. Bestreitet der ursprüngliche Gläubiger die Rechtsnachfolge, so ist nur zu prüfen, ob der Beweis der Rechtsnachfolge als erbracht anzusehen ist. Erscheint dies zweifelhaft, so ist die Erteilung für den neuen Gläubiger abzulehnen. Der Streit muß dann zwischen altem und neuem Gläubiger im neuen Prozeß ausgetragen werden (RG J W 36/1126). Ist schon eine vollstreckbare Entscheidungausfertigung dem alten Gläubiger erteilt, so h a t der neue Gläubiger zwar einen außerprozessualen Anspruch auf Hergabe des Titels (KG OLG 31/85), im Falle der Pfändung und Überweisung auch einen Anspruch auf Herausgabe nach § 836 I I I ; er darf aber nicht die Umschreibung beantragen, so lange er nicht die alte vollstreckbare Ausfertigung vorlegen kann, sofern diese überhaupt noch vorlegbar ist. Ob dann diese alte Ausfertigung umgeschrieben oder eine neue erteilt wird, steht im Ermessen des Rechtspflegers (KG J W 33/1779). E. Über die Rechtsbehelfe des Schuldners vgl. § 732 A, über die des Gläubigers § 731 A. Vor der Erteilung der Klausel darf die Vollstreckung nicht beginnen (§ 750 I). Wird vollstreckt, obwohl die Klausel nicht umgeschrieben ist, so hat der Schuldner die Erinnerung nach § 766 (RG N § 727/3). §
728
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I Ist gegenüber dem Vorerben ein nach § 326 dem Nacherben gegenüber wirksames Urteil ergangen, so sind auf die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für und gegen den Nacherben die Vorschriften des § 727 entsprechend anzuwenden. II Das gleiche gilt, wenn gegenüber einem Testamentsvollstrecker ein nach § 327 dem Erben gegenüber wirksames Urteil ergangen ist, für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für und gegen den Erben. Eine vollstreckbare Ausfertigung kann gegen den Erben erteilt werden, auch wenn die Verwaltung des Testamentsvollstreckers noch besteht. A I. § 728 I läßt die Umschreibung eines Titels für und gegen den Nacherben (BGB §§ 2100folg.) durch den Rechtspfleger (§ 730 A) zu, sofern das Urteil für oder gegen ihn wirkt. Durch § 727 wird dieser Fall nicht gedeckt, weil der Nacherbe nicht Rechtsnachfolger des Vorerben, sondern des Erblassers ist.
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§728
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A II. Kann der Gegner des Vorerben das zugunsten des Nacherben erlassene Urteil nicht mehr angreifen, bo wird es rechtskräftig, selbst wenn die Nacherbfolge noch vor der Rechtskraft des Urteils eintritt. In solchen Fällen ist entsprechend § 728 I umzuschreiben. A HI. Der Streit zwischen Vor- und Nacherben um den Streitgegenstand kann allerdings nicht im Verfahren nach § 728 I ausgetragen werden, sondern nur im besonderen Prozeß (RGZ 163/56). B. Wirkt ein Urteil für oder gegen den Testamentvollstrecker, so wirkt es auch für und gegen die Erben, wenn der Streitgegenstand der Verwaltung des Testamentvollstreckers unterliegt (§ 327 I). Doch wirkt die Umschreibung nur, soweit die Verwaltungbefugnis dem Testamentvolistrecker zusteht (BGB § 2213 11), nicht soweit er die Verwaltung nicht hat (BGB § 2213 I 2) und nicht gegenüber Pflichtteilansprüchen (BGB § 2213 I 3). Abgesehen von diesen Ausnahmefällen hat der Nachlaßgläubiger die Wahl, ob er sich gegen den Testamentvollstrecker oder den Erben oder gegen beide wenden will; bei Pflichtteilansprüchen muß er zusätzlich auch den Testamentvollstrecker auf Duldung in anspruch nehmen (BGB § 2213 III).
§ 729
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I Hat jemand das Vermögen eines anderen durch Vertrag mit diesem nach der rechtskräftigen Feststellung einer Schuld des anderen übernommen, so sind auf die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen den Übernehmer die Vorschriften des § 727 entsprechend anzuwenden. II Das gleiche gilt für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung gegen denjenigen, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, in Ansehung der Verbindlichkeiten, für die er nach § 25 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs haftet, sofern sie vor dem Erwerb des Geschäfts gegen den früheren Inhaber rechtskräftig festgestellt worden sind. A I. Der Vermögensübernehmer haftet nach BGB § 419 als Gesamtschuldner neben dem, der ihm das Vermögen übertragen hat, dem Gläubiger mit der Beschränkung auf das übernommene Vermögen (RGZ 69/283folg.). Wird das Vermögen durch Vertrag nach Rechtskraft (OLG SächsAnn. 24/553f.) des Urteils gegen den Schuldner (§ 705 B) übernommen, so gestattet § 729 I die Umschreibung des Titels auf den Vermögensnachfolger. a) Es genügt das rechtskräftige Vorbehalturteil. Ausgedehnt wird durch § 729 I nur die Vollstreckbarkeit des Titels, nicht etwa seine Rechtskraft, der Vermögensnachfolger hat das Recht der Vollstreckungsgegenklage, nach Sydow-Busch §729 Anm. 2 auch ohne die Beschränkung des § 767 II. b) Der Rechtskraft gleich steht bei anderen Schuldtiteln (§ 794 I 1, 5) ihre Entstehung (§ 727 C I a). Treuhandvergleiche nach der VglO, die insoweit das Vermögen des Schuldners übertragen, lassen aber die Umschreibung gegen den Treuhänder, wenn aus dem Vergleich vollstreckt werden soll, nicht zu (VglO § 92 V). A II. Die Gesamthaftung ist in der Klausel kenntlich zu machen (OLG 31/88). A III. Die Beschränkung der Haftung nach BGB § 419 II ist bei der Erteilung der Klausel nicht zu beachten (OLG 31/87 f.), vielmehr nach §§ 786, 785 (767) geltend zu machen. A IV. Entsprechend anzuwenden ist § 729 I gegen den Erbschaftkäufer, bei Erwerb eines Nießbrauchs am Vermögen oder Nachlaß (RArbG Warn. 40/64). B I. Wird das Handelsgeschäft eines Vollkaufmanns unter Lebenden erworben und wird die Firma fortgeführt (HGB § 25 I 1), ohne daß der Ausschluß der Übernahme der Verbindlichkeiten im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht (HGB § 10) oder dem Gläubiger vom Erwerber oder Veräußerer (vor Eintragung) mitgeteilt worden ist (HGB § 25 II), so haftet der Erwerber neben dem Veräußerer (HGB § 26). In diesen Fällen darf die Klausel
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§ 729 B i
nach § 729 II umgeschrieben werden, gleichviel, ob der Titel auf den Namen des veräußernden Firmeninhabers oder auf die Firma lautet; doch muß die Forderung im Geschäftsbetriebe entstanden sein, was aber nach HGB § 344 vermutet wird. a) Vorausgesetzt wird, daß das Urteil vor Geschäftveräußerung rechtskräftig geworden ist. Bei Übernahme vor Rechtskraft ist die neue Klage erforderlich (RGZ 153/211 f.). b) Der Übergang einer Firma ist durch Handelsregistereintragung zu belegen, aus der sich auch ein etwaiger Ausschluß der Haftung ergeben muß. Die Möglichkeit, daß die Haftung durch Mitteilung an den Gläubiger ausgeschlossen worden ist, bleibt in dem Verfahren auf Umsehreibung der Klausel zunächst außer betracht, ebenso die der Widerlegung der Vermutung des HGB § 344. Der Erwerber darf dies nach §§ 732, 768 geltend machen. Eine Rechtskraftwirkung tritt nicht ein, weil es sich um eine Teilvermögensübernahme handelt; § 767 I I gilt hier nicht. B II. § 729 I I wird entsprechend angewandt, wenn in das Geschäft eines Einzelkaufmanns jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist eintritt (HGB § 28; OLG H R R 31/2081), und entsprechend gegen die neue oHG oder Kommanditgesellschaft bei dem Eintritt eines Gesellschafters, was aber im Verhältnis zum privativen Schuldübernehmer (§ 727 C I I I b) ungleich und nicht zu billigen ist. C. Zuständig für die Umschreibung ist der Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 I 9, § 730 A).
§ 730 (688) I In den Fällen des § 726 Abs. 1 und der §§ 727 bis 729 kann der Schuldner vor der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung gehört werden. A. Auf Grund des RechtspflegerG § 19 I 9 schreibt der Rechtspfleger aus eigener Verantwortung um. Dies gilt auch in dem Falle des MSchG § 16 I. B. In allen Fällen darf der Rechtspfleger dem Richter die Sache nach RechtspflegerG § 5 zur Entscheidung vorlegen. Der Richter darf sodann entweder die Klausel selbst erteilen (RechtspflegerG §§ 6, 7 I) oder den Rechtspfleger anweisen (RechtspflegerG § 5 II). Erteilt der Rechtspfleger auf eine solche Anweisung die Klausel, so sollte er es in ihr erwähnen, wie dies früher § 730 III, MSchG § 16 II vorsahen. Unterbleibt die Erwähnung, so ist aber die Klausel dennoch wirksam (OLG J W 37/3328). C I. Gegen die Erteilung der Klausel darf der Schuldner (sofern der Rechtspfleger sie erteilt hat) das Gericht anrufen (§ 732), gegen ihre Versagung durch den Rechtspfleger hat der Gläubiger die einfache Erinnerung des RechtspflegerG § 10 I 1. War die Klausel auf Anweisung des Gerichts erteilt, so wird dadurch an der Zulässigkeit der genannten Rechtsbehelfe nichts geändert, nur daß der Rechtspfleger entgegen RechtspflegerG § 10 II 1 der Erinnerung nicht abhelfen darf (RechtspflegerG § 5 II 3). Über die Erteilung der Klausel durch das Gericht vgl. § 730 C I a. Hilft der Rechtspfleger nicht ab, so entscheidet das Prozeßgericht (RechtspflegerG § 10 I I 2). Gegen die Entscheidung des Prozeßgerichts hat jeder Beschwerte die einfache, nicht die sofortige Beschwerde (RG J W 97/84). Weist das Beschwerdegericht den Rechtspfleger an, so hat nach RG J W 01/38 der Schuldner nur den Rechtsbehelf nach § 732; doch sollte man dem Beschwerten gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die weitere Beschwerde geben, sofern sie zulässig ist. An Stelle der einfachen Erinnerung darf indes auch die Sprungerinnerung nach RechtspflegerG § 10 IV eingelegt werden, sodann gibt der Rechtspfleger, wenn er nicht abhilft, die Sache an den Richter, und wenn auch dieser nicht abhilft, die Sache unmittelbar an das Beschwerdegericht weiter (ohne daß es also der erneuten Einlegung der Beschwerde gegen die Entscheidung des Richters bedarf). a) H a t das Gericht die Klausel unmittelbar erteilt oder die Erteilung unmittelbar verweigert, so gibt es nur die (einfache) Beschwerde. b) Soweit die höhere Instanz erteilen darf und erteilt oder verweigert, darf die untere nicht abändern. Der Schuldner darf nach § 768 klagen, wenn er nach § 732 keinen Erfolg hatte.
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§730
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C II. Der Streit mehrerer Prätendenten um die Klausel ist auszutragen durch selbständige Klage (KG OLG 26/376). Nach endgültiger Versagung der Klausel hat der Gläubiger nur die Klage nach § 731, und wenn die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind, die Klage aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis (§ 256 B III a 1).
§ 731 (667) I Kann der nach den § 726 Abs. 1 und den §§ 727 bis 729 erforderliche Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nicht geführt werden, so hat der Gläubiger bei dem ProzeBgericht des ersten Rechtszuges aus dem Urteil auf Erteilung der Vollstreckungsklausel Klage zu erheben. A. Ist dem Gläubiger das vereinfachte Verfahren der §§ 726—729, 738, 742, 744, 745, 749 verschlossen, weil er den dort geforderten Nachweis durch Urkundenvorlage usw. nicht führen kann, so steht ihm nur die Erhebung der Klage vor dem ProzeBgericht erster Instanz frei (§ 731). A I. Die Klage ist nicht unzulässig, weil der Gläubiger den vereinfachten Weg nicht beschreitet, obwohl er ihn beschreiten könnte (RG JW 00/155; vgl. aber § 93). Jedenfalls wird die Klage nach abgelehnter Erteilung zugelassen, bevor der Rechtsmittelzug erschöpft ist (RG JW 95/520). A II. Mit der Klage wird ein neuer Prozeß eröffnet. Sie unterbricht Verjährung und Ersitzung (BGB §§ 209 I, 941). Doch bleiben die Prozeßvollmachten des alten Prozesses bestehen (§ 81 A II b 3), weshalb die Klage auch dem alten Prozeßbevollmächtigten des Unterlegenen (§ 178 B I) zuzustellen ist. a) Zu erheben ist die Klage bei dem ausschließlich (§ 802) zuständigen Gericht der ersten Instanz, also bei dem Gericht, das die Sache tatsächlich entschieden hat (RG JW 99/5), a 1. aber nur beim AG oder LG als solchem mit der nach der Geschäftsverteilung z. Z. der Klageerhebung zuständigen Kammer (RGZ 45/343). a 2. Hatte ein Gericht höherer Instanz entschieden, so ist es das Gericht, das im ersten Rechtzuge zuvor tätig war (RGZ 157/159). Wird ein Klagebegehren nach § 731 erstmalig im zweiten Rechtzuge eingeführt, so genügt es, daß das zweitinstanzliche Gericht in der Berufunginstanz zuständig wäre (RGZ 157/159). b) Vgl. das ZuständigkeitänderungG bzw. das ZuständigkeitergänzungG. c) Ist inzwischen die Gerichtsbarkeit (GVG § 13 B III a) dem Gericht entzogen (etwa weil der Schuldner exterritorial geworden ist), so ist die Klage unzulässig; dagegen ist der Wegfall des ordentlichen Gerichtswegs (GVG § 13 B I I I c) ohne Bedeutung. A III. Dies gilt a) auch für die gerichtlichen Vergleiche (§ 795 A I a 7) wie für die der Gütestellen (§§ 794 11, 797 a III), wie bei bestätigter Erbauseinandersetzung (FGG §§ 98, 99). b) Bei vorausgegangenem schiedsgerichtlichen Verfahren ist die erste Instanz des staatlichen Gerichts zuständig (RGZ 85/396), c) bei der Vollstreckungklage nach §§ 722, 723 die erste Instanz des inländischen Gerichts. d) Bei Vollstreckungbefehlen ist nicht der Urkundbeamte der Geschäftstelle, der sie erteilt, für die Klage zuständig, sondern ausschließlich das AG und, wenn der Streit dem Werte nach vor das LG gehört, dieses (§ 795 III). e) Bei vollstreckbaren Urkunden (§ 794 I 5) ist das Gericht zuständig, bei dem der Schuldner einen allgemeinen Gerichtstand (§§ 12—19) hat, hilfsweise das des § 23 (§ 797 V), und je nach der sachlichen Zuständigkeit das AG oder das LG. f ) Bei der Umschreibung der Konkurstabelle ist das AG oder das LG des Konkursgerichtsitzes ausschließlich zuständig, g) was entsprechend vom Vergleichverfahren (VglO § 86) und h) bei der bestätigten Dispache gilt (FGG § 158 III).
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Allgemeine Vorschriften
§731
B. Der Klageantrag geht auf die Erteilung der Vollstreckungklausel (RG Warn. 25/74). Die Klage selbst darf auch als Widerklage erhoben werden (RG Gruch. 33/1202). B I. Über den bereits entschiedenen auBerprozessualen Anspruch wird nicht mehr entschieden (KGB1. 06/47 f.), sondern nur über die Voraussetzungen der Umschreibung. Deshalb ist der Urkundenprozeß hier unzulässig (§ 592 B II). a) Auf den außerprozessualenAnspruch wird nicht zurückgegriffen (RG Warn. 25/74); b) andere bei nichtgerichtlichen Erkenntnissen (OLG 33/89). B II a) Sind die besonderen ProzeBbedingungen der Klage nach § 731 gegeben, so ist nur diese Klage zulässig. b) Darauf, ob das Verfahren in besonderer Prozeßart geführt worden ist, kommt es nicht an, vgl. § 731 B I. c) Darauf, ob der Titel, für den die Klausel erteilt wird, noch nicht rechtskräftig oder auch mit besonderen prozessualen Mängeln behaftet ist wie bei dem während eines unterbrochenen Verfahrens entgegen § 249 zustande gekommenen Titel (OLG 35/61), kommt es nicht an. d 1. Wegen der nach § 767 II zu bringenden Einwendungen gibt es Überschneidungen derart, daß die Einwendungen im fortgesetzten Hauptprozeß, sodann aber auch in dem Prozeß nach § 731 gebracht werden dürfen; doch hat RG JW 03/240 die Zulässigkeit der Einwendungen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nach § 767 II in bezug auf den Titel, für den die Vollstreckungklausel erteilt werden soll, beschränkt. d 2. Vorgebracht werden müssen die Einwendungen, um den Ausschluß nach § 767 II zu vermeiden (RGZ 34/350); und auch die nach §§ 732, 768 sich ergebenden sind zu bringen, weil die Rechtskraft des Urteils nach § 731 ihre Nachbringung ausschließt. Ebenso muß sich der Erbe schon in diesem Verfahren auf die beschränkte Erbenhaftung berufen (OLG 16/323). d 3. Dem Schuldnachfolger dürfen im besonderen nicht die in seiner Person gegebenen Einwendungen abgeschnitten werden, selbst wenn die Einwendungen vor dem in § 767 II genannten Zeitpunkt eingetreten waren ; dem Rechtsnachfolger des Gläubigers nicht die, welche durch die Klage gegen den Gläubiger nach § 767 II verbraucht worden sind. d 4. Bei nicht-gerichtlichen Erkenntnissen ist § 767 II unanwendbar, weil es an der prozessualen Vorwirkung fehlt. B III. Der Charakter der Klage auf Erteilung der Vollstreckungklausel ist streitig. Die einen halten sie für eine prozessuale Feststellungklage (Hellwig, System 2/203), die anderen für eine Gestaltungklage (Schönke-Pohle § 731 Anm. I). Den ersten zufolge geht das Urteil auf Erteilung der Vollstreckungklausel, nach der zweiten Ansicht muß das Urteil selbst sie erteilen. a) Wird auf die Umschreibung bzw. auf die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung erkannt, so ist über die vorläufige VoUstrechbarkeit des Erkenntnisses nach §§ 708 folg. ohne Rücksicht darauf zu erkennen, ob das erste Erkenntnis vorläufig vollstreckbar oder rechtskräftig war. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dann die Vollstreckung schon bei vorläufiger Vollstreckbarkeit des Titels nach § 731 unter Beachtung der Vollstreckungbedingungen sowohl des ersten wie des zweiten Titels zulässig; es wird also nicht erst die Rechtskraft des zweiten Titels abgewartet. Doppelte Sicherheitleistungen sind schon im Ausspruch des zweiten Titels zu vermeiden. b) Wird die Klage abgewiesen, so geschieht dies bei fehlenden Prozeßbedingungen (§ 274 A I) als unzulässig; sodann darf sie nach Herstellung dieser erneuert werden (§ 322 B I b 1). Andernfalls wird sie als unbegründet abgewiesen. Die Erneuerung ist dann nur aus einem anderen Klagegrund zulässig (nicht schon auf Grund der Beibringung neuer Tatsachen, so Sydow-Busoh § 731 Anm. 3 ; auch nicht notwendigerweise auf Grund erst später entstandener Tatsachen, so Schönke-Pohle § 731 Anm. IV; denn die Klage zwingt nicht zur Häufung der Gründe). c) Die Kostenentseheidung folgt den allgemeinen Regeln und ist für diese Verfahren besonders zu treffen. Vgl. auch § 94.
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§ 711
Bin
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d) Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil, das umgeschrieben worden ist, aufgehoben und nunmehr nach § 717 II, III erkannt, so wirkt es auch gegen den nach Rechtshängigkeit eingetretenen Rechtsnachfolger des Klägers (§ 717 D I I b 1); dieser muß den Einwand fehlender Leistung in dem Verfahren nach § 717 II, I I I vorbringen und ist mit ihm im Folgeverfahren nach § 731 ausgeschlossen (RGZ 148/166).
§ 732 (668) I Über Einwendungen des Schuldners, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen, entscheidet das Gericht, von dessen Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel erteilt ist. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. I I Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei. A I. § 732 setzt voraus, daß der Urkundbeamte der Gesohäftstelle (§ 724) die Vollstrekkungklausel erteilt hat. a) Vor Erteilung der Vollstreckungklausel darf der Schuldner seine Einwendungen geltend machen und verfolgen, soweit er zu hören ist oder auch nur gehört werden darf; auch darf er die Klage nach § 768 erheben, wenn in einem Verfahren die Klausel ohne Klage umgeschrieben worden ist. Da indes in diesem Fall jetzt der Rechtspfleger zuständig ist (§ 730 A), gilt nicht mehr § 732 unmittelbar, sondern ReohtspflegerG § 10 (§ 732 C). a 1. Die rechtskräftige Entscheidung nach § 768 schließt sowohl die Erinnerung nach § 732 für den entschiedenen Fall wie die nach § 731 aus; während die rechtskräftige Entscheidung nach § 731 die Fälle der §§ 732, 768 schlechthin ausschließt. a 2. Dagegen steht der Klage nach § 768 nicht die rechtskräftige Zurückweisung der Erinnerung nach § 732 entgegen (RGZ 50/374), wie umgekehrt die Stattgabe der Einwendungen nach § 732 nicht die Klage aus § 768 ausschließt (OLG 35/118). Auch die Tatsaohe, daß das Verfahren nach § 732 noch offen steht, ist der Klage nach § 768 nicht entgegensetzbar (OLG ZZP 32/363). b) Mit § 766 kann § 732 nicht kollidieren, weil im Vollstreckungverfahren selbst die Zulässigkeit der Erteilung der Vollstreckungklausel nicht nachzuprüfen ist (KG OLG 37/196). c) Auch die Klage aus § 767 ist bei unbestimmtem Titel nicht neben §§ 732, 797 I I I gegeben nach BGH N J W 57/23. A II. Nach Erteilung der Klausel ist die Erinnerung nach § 732 zulässig, auch wenn die Vollstreckung noch nicht begonnen; aber nicht mehr, wenn sie schon durchgeführt worden ist (§ 704 F III). A III. Erteilt nicht der Urkundbeamte die Klausel, sondern der Vorsitzende oder das Gericht auf die Erinnerung des Gläubigers nach § 576 oder auch das Beschwerdegericht, so sollte man dem Schuldner, wenn er gehört worden ist, gegen die Entscheidung des angerufenen Gerichts nur die Beschwerde, gegen die des Beschwerdegerichts nur die weitere Beschwerde geben; während man ihn, wenn er nicht gehört worden ist, mit der Erinnerung nicht ausschließen darf. B. Der Schuldner hat die Erinnerung des § 732 (§ 732 G) gegen die Vollstreckungklausel nur, soweit sie unzulässigerweise erteilt war, auch wahlweise in bezug auf ein aufgehobenes oder abgeändertes Erkenntnis (OLG 20/333, § 717 I). Zu den zulässigen Erinnerunggründen gehört auch der, daß der Gläubiger nioht durch den echten gesetzlichen Vertreter vertreten ist (OLG NdsRpfl. 55/77). B I. In diesen Ausnahmefällen besteht der Rechtsbehelf wahlweise, im übrigen aber in allen Fällen, die sonst nach § 768 verfolgt werden dürfen (RGZ 50/365), und dann, wenn gegen den gutgläubigen Erwerber umgeschrieben ist, so daß dieser, ohne sich der Rechtsbehelfe der §§ 732, 768 bedienen zu müssen, Hagen darf (BGHZ 4/283). Maßgebend ist die Zeit der Entscheidung über die Erinnerung, nicht die der Erteilung der Klausel.
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Allgemeine Vorschriften
§73Z
B n . Bei Titeln, die keine Erkenntnisse sind (§ 794 1 1, 5), werden solche Mängel selten sein. B III. Nicht verfolgt werden können auf diese Weise aber Einwendungen gegen den außerprozessualen Anspruch (OLG 20/333; a. M. OLG LZ 16/706). Hier hat der Schuldner nur die Vollstreckunggegenklage des § 767, wo diese Einwendungen zu bringen sind, wenn diese Klage erhoben wird (RGZ 50/375). Andererseits gehen diese Einwendungen aber auch nicht nach § 767 II in dem bloßen Verfahren nach § 732 verloren. B IV. Nicht anwendbar ist § 732 bei einem Streit zwischen Gläubigerprätendenten (RG J W 36/1126). C. Für das Verfahren gilt folgendes. Das Verfahren nach § 732 ist mit dem Erinnerungverfahren gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers nach RechtspflegerG § 10 I, II nicht in Übereinstimmung gebracht. Unmittelbar gilt § 732 nur noch, wenn die Erinnerung sich gegen die Entscheidung des Urkundbeamten der Geschäftstelle (§ 725 B) richtet. Andernfalls, also wenn der Rechtspfleger entschieden hatte (RechtspflegerG § 19 I 9), schiebt sich vor die Erinnerung des § 732 die des RechtspflegerG § 10 I, II ein. Danach gibt es in dem letzten Falle also zunächst die Erinnerung gegen die Entscheidung des Reohtspflegers nach RechtspflegerG § 10 I, der der Rechtspfleger abhelfen darf (RechtspflegerG § 10 II 1); hilft er ihr nicht ab, so hat er vorzulegen, und für das Gerioht kommt es dann zu dem Erinnerungverfahren nach § 732. Doch kann daraus, daß dem Rechtspfleger die Abänderungbefugnis nach RechtspflegerG § 10 II 1 zusteht, nicht gefolgert werden, daß ihm auch die Einstellungbefugnis aus § 732 II zusteht; ein Bedürfnis, die Norm des § 732 II entsprechend anzuwenden, besteht in dem Regelfalle nicht. C I. Für die Entscheidung über die Erinnerung nach § 732 ist das Gericht zuständig, dessen Rechtspfleger die Vollstreckungklausel erteilt hat (nicht der Einzelrichter, nicht der Vorsitzende). C II. Dem Verfahren geht ein widerruflicher, vom Anwaltzwang befreiter (§ 78 II) Antrag des Schuldners voraus. C III. Entschieden wird in freigestellt mündlicher Verhandlung (§ 732 I 2). Wird mündliche Verhandlung anberaumt, so herrscht vor den Kollegialgerichten Anwaltzwang (§ 78 I). C IV. Bis zur Entscheidung darf das Gerioht von sich aus einstweilen anordnen (§ 732 II), daß die Vollstreckung eingestellt wird oder daß sie von eiDer Sicherheitsleistung (§§ 108folg.) abhängig zu machen ist. Eine Aufhebung von Vollstreckungmaßnahmen kommt hier (im Gegensatz zu § 707) nicht in betracht. Der Schuldner oder der dritte hat die Entscheidung nach § 775 I 2 dem Gerichtsvollzieher vorzulegen, u. U. dem Drittschuldner zustellen zu lassen. a) Ein Rechtsbehelf gegen die Anordnung oder ihre Versagung ist unzulässig (§ 707 II 2 entsprechend; KG J W 30/2065). b) Sie ist sofort vollstreckbar und tritt ohne weiteres durch die endgültige Entscheidung außer Kraft. D. Wird in der Entscheidung den Einwendungen des Schuldners entsprochen, so wird die Vollstreckung aus der Klausel durch Beschluß (der auf Grund mündlicher Verhandlung zu verkünden, § 329 I; sonst den Parteien von gerichts wegen formlos mitzuteilen ist, § 329 III) für unzulässig erklärt; die Einziehung der erteilten Klausel ist nicht vorgeschrieben und deshalb nicht zulässig. D I. Gegen die Aufhebung der Klausel hat der Gläubiger nach h. M. die e i n f a c h e Beschwerde (wenn nicht § 567 III entgegensteht; KG OLG 31/88, a. M. OLG Seuff. 77/163), der, wenn der Rechtspfleger entschieden hat, die (einfache) Erinnerung nach RechtspflegerG § 10 I, II 1 vorangeht. Nur gegenüber amtsgerichtlich erstinstanzlichen Verfahren ist noch die weitere einfache Beschwerde denkbar (vgl. § 567 III), aber auch nur bei neuem Beschwerdegrund (§ 568 II). Über die Möglichkeit der Klage des Gläubigers nach § 731 vgl. § 731 A. D II. Werden die Einwendungen des Schuldners zurückgewiesen, so steht ihm die einfache Beschwerde nach § 567 zu (OLG JW 33/1669); die Entscheidung ergeht durch Beschluß (entweder durch zu verkündenden, § 329 I; oder durch formlos mitzuteilenden, § 329
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§ 732 D Ii
ZPO VIII. Buch
III); wird ihr danach stattgegeben, so hat der Gläubiger die einfache weitere Besehwerde, sofern erstinstanzlich ein AG entschied, sonst die Klage nach § 731 (die er stets wahlweise hat), der Schuldner hat die einfache weitere Beschwerde nur bei neuem Beschwerdegrund (§ 568 II). Wird die Beschwerde rechtskräftig zurückgewiesen, so darf der Schuldner (aber auch schon früher) nach § 768 vorgehen, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen (§ 732 A I a, BGH Z 16/180; a. M. BGH NJW 57/23). D III. Die Entscheidung ist sofort vollstreckbar, die einstweilige Anordnung wird durch sie auoh dann außer kraft gesetzt, wenn sie noch nicht rechtskräftig ist (§ 732 C IV). Das Verfahren ähnelt dem des § 576.
§ 733 (669) I Vor der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung kann der Schuldner gehört werden, sofern nicht die zuerst erteilte Ausfertigung zurückgegeben wird. II Die Geschäftsstelle hat von der Erteilung der weiterenAusfertigung den Gegner in Kenntnis zu setzen. III Die weitere Ausfertigung ist als solche ausdrücklich zu bezeichnen. A. Weitere vollstreckbare Ausfertigungen sind dem Gläubiger grundsätzlich nur zu erteilen, wenn er ein Bedürfnis dafür nachweist. Die Norm wird auch auf vollstreckbare Urkunden angewandt (RGZ 50/365, § 797 III). A II. Das Bedürfnis kann etwa bei Teilung der Forderung (§ 727 D II), u. U. auch, wenn an mehreren Orten gleichzeitig vollstreckt werden soll (OLG J W 36/400), wenn die erste dem Schuldner versehentlich ausgehändigt worden ist (OLG J W 32/3639) oder weil man annahm, der Gläubiger sei befriedigt, während sich später infolge Kursdifferenz mit dem Auslande herausstellte, daß dies nicht der Fall war (RGZ 110/118), oder wenn dem Gläubiger nachträglich die Leistung des Schuldners von einem dritten nach §§ 731, 805 oder durch Anfechtung (KO § 39, AnfG § 8) wieder entwunden worden ist (OLG 42/32; a. M. OLG Seuff. 65/254) oder wenn die erste sonst abhanden gekommen ist oder die Personen verwechselt worden sind. Das Bedürfnis besteht aber auch, wenn die Klausel inzwischen in einem anderen Verhältnis zu erteilen ist, weil inzwischen eine abändernde Entscheidung ergangen ist, oder wenn die Forderung aufgeteilt worden ist. B I. Wird die erste zurückgegeben, so darf die weitere ohne weiteres erteilt werden; ist dies nicht der Fall, so entspricht das Verfahren dem des § 730. a) Entschieden wird auf Antrag des Gläubigers. Er hat die Darlegung- und Beweislast. Eine bloße Glaubhaftmachung (§ 294) sollte man nicht genügen lassen, jedenfalls dürfen angetretene Beweise nicht übergangen werden (§ 286). Eine förmliche Beweiserhebung über die das Bedürfnis begründenden Behauptungen des Gläubigers ist allerdings nicht vorgeschrieben (KG J W 38/969). b) Für den zweiten Fall stellt § 733 I die Anhörung des Schuldners frei (§ 733 I). B II. Über den Antrag entscheidet der Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 I 9). a) Wird dem Antrag stattgegeben, also die weitere vollstreckbare Ausfertigung erteilt, so ist dies auf der Urschrift zu vermerken (§ 734) und dem Schuldner von gerichts wegen mitzuteilen. Ein Verstoß dagegen macht u. U. den Staat regreßpflichtig (BGB § 839, GG Art. 34, RG Seuff. 88/28). Die Klausel soll als weitere gekennzeichnet werden; Verstöße dagegen sind unschädlich (§ 730 B). B III a) Wird die weitere vollstreckbare Ausfertigung erteilt, so hat dagegen der Schuldner die Erinnerung naoh RechtspflegerG § 10 I, II 1 bzw. § 732 (vgl. § 732 C) und, wenn dem Antrage des Gläubigers erst vom Gericht stattgegeben wurde, die einfache Beschwerde (KG OLG 16/296; a. M. RG J W 00/605), sofern er gehört war (vgl. § 766 B I c); sonst die Erinnerung nach § 732. Das entsprechende gilt, wenn das LG als Beschwerdegericht dem Antrage deB Gläubigers entspricht, hier hat der gehörte Schuldner die einfache weitere Beschwerde. sonst die Erinnerung.
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Allgemeine Vorschriften
§733 i m
b) Wird der Antrag zurückgewiesen,.so darf der Gläubiger nach § 576 I die Entscheidung des Prozeßgerichts nachsuchen (OLG 36/400); weist auch das Prozeßgericht die Erinnerung zurück, so hat dagegen der Gläubiger die e i n f a c h e Beschwerde (RGZ 42/421, sofern nicht § 567 I I I dagegen steht, OLG 15/159) und bei neuem Beschwerdegrund gegen die Beschwerdeentscheidung des LG die weitere nach § 568 II. b 1. Die Klage gegen den Schuldner auf Einwilligung in die Vollstreckung ist unzulässig.
§ 7 3 4 (670) I Vor der Aushändigung einer vollstreckbaren Ausfertigung ist auf der Urschrift des Urteils zu vermerken, für welche Partei und zu welcher Zeit die Ausfertigung erteilt ist. A. Auf der Urschrift des Titels (vgl. §§ 315. 317) soll jede Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung und die Zeit ihrer Erteilung sowie der Gläubiger, für den sie erteilt wird, vom Urkundbeamten der Geschäftsstelle bzw. vom Rechtspfleger (§ 730 A) vermerkt werden. Soweit die Urschrift der höheren Instanz nach § 544 nicht der unteren übermittelt wird, tritt die beglaubigte Abschrift an die Stelle der Urschrift. B. Hatte die höhere Instanz schon eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt, so muß sie dies auf der zu übersendenden beglaubigten Abschrift (nicht oder nicht bloß auf der Urschrift) vermerken.
§ 735 ( - ) I Zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins genügt ein gegen den Verein ergangenes Urteil. B I. Der nicht rechtsfähige Verein (BGB § 54; § 50 E II) ist im Prozeß grundsätzlich (vgl. aber § 50 E T I b) nur passiv parteifähig (§50 II), kann aber in der Vollstreckung als Gläubiger wie als Schuldner auftreten. Er wird gesetzlich durch den Vorstand vertreten (OLG 25/175). a) Werden an Stelle des nicht eingetragenen Vereins seine einzelnen Mitglieder verklagt, so darf in deren Vermögen vollstreckt werden, in das des nicht eingetragenen Vereins aber nach § 735 nur, wenn ein Titel gegen alle Vereinsmitglieder vorliegt. a 1. Bei der Vollstreckung in das Vereinsvermögen haben die einzelnen Mitglieder als Teilpersonen kein Widerspruchrecht nach § 771. b) Der Titel gegen den nicht eingetragenen Verein genügt zur Vollstreckung in das Vereinsvermögen (BGB § 718), wenn es im Besitz der Vereinsorgane ist. b 1. In der Klausel brauchen die einzelnen Vereinsmitglieder nicht namhaft gemacht zu werden ( K G J 52/210f.). Nach Auflösung des Vereins ist die Vollstreckung zulässig, so lange noch gemeinschaftliches Vermögen vorhanden ist (KG OLG 25/19). b 2. Zum Vereinsvermögen gehören auch die einzelnen geschuldeten Mitgliederbeiträge (RGZ 76/276), die vom Gläubiger gepfändet werden können, selbst wenn der Verein sie nicht einzieht. Gehört ein Vermögensgegenstand allen Vereinsmitgliedern gemeinsam, so wird man die Vollstreckung mit dem Titel gegen den Verein zulassen dürfen, selbst wenn der Gegenstand nicht zum Vereinsvermögen gehört. Das entsprechende gilt auch bei der Vollstreckung zur Erzwingung von Handlungen oder Unterlassungen (OLG 19/31). B II. Der Fall ist auf andere Gesamtgebilde, die nicht rechtsfähig sind, entsprechend anzuwenden, also im besonderen auf den grundsätzlich nur aktiv parteifähigen Vorstand (§ 50 E I a), der in der Vollstreckung ebenfalls als Gläubiger wie als Schuldner auftreten kann. 96
W I e c z o r e k , ZPO, Handausgabe
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ZPO VIII. Buch § 736
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I Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich. A I. Über die Pfändung des Gesellschaftanteils des einzelnen Gesellschafters vgl. § 859 A. Zur Vollstreckung in das gesamthänderisch gebundene Vermögen der Gesellschaft ist ein Titel gegen alle Gesellschafter erforderlich (LG DGVZ 53/61; einen Gesamtkonkurs gibt es hier nicht). Liegt ein Titel gegen alle Gesellschafter vor, so ist es gleichgültig, ob er eine Gesellsohaftschuld betraf oder nicht; befinden sich aber sämtliche Gesellschafter der Gesellschaft im (Einzel-)Konkurs, so darf auch der Gesellschaftgläubiger nicht in das (konkursfreie) Vermögen der GeseUschaft(er) vollstrecken (BGH NJW 57/750). A II. Ändert sich der Bestand der Gesellschaft, so hindert das Ausscheiden eines Gesellschafters die Vollstreckung nicht, da sein Anteil den anderen anwächst (BGB § 738); wohl aber der Eintritt eines neuen Gesellschafters, soweit dieser vor Beginn der Vollstreckung (§ 704 F II) schon eingetreten ist. Die Umschreibung des Titels als Schuldnachfolger (§ 727 C III) gegen den neu eintretenden Gesellschafter ist nur wegen der Gesellschaftschulden zulässig. Mit dem ersten Vollstreckungakt tritt die Fixierung der Rechtslage ein. Wird ohne einen solchen Titel vollstreckt, so hat jeder im Titel nicht genannte Gesellschafter als dritter die Widerspruchklage nach § 771. A III. In wessen unmittelbaren Besitz (§ 808 A II) der mehreren Gesellschafter sich der Gesellschaftgegenstand befindet, ist ohne belang. B. Die oHG und die Kommanditgesellschaft, welche aktiv wie passiv parteifähig sind (§ 50 B III o, d), gehören nicht hierher. Bei diesen ist der Titel gegen die Gesellschaft erforderlich und genügend; der gegen die einzelnen Gesellschafter, und mögen es auch alle sein, reicht nicht aus. Der Wechsel der Gesellschafter und der Eintritt der Liquidation ist gleichgültig. Darüber, daß hier auch nach Auflösung der Gesellschaft keine Umschreibung des Titels zulässig ist, vgl. § 727 C III b. Das entsprechende gilt für die Reederei. C. Soweit sich juristische Personen oder Gesamtparteien noch in der Gründung befinden und bürgerlich-rechtliche Gesellschaften sind, unterliegen sie dem Vollstreckungrecht dieser (LG DGVZ 51/137); wurden sie inzwischen juristische Personen oder Gesamtparteien, so ist der Titel umzuschreiben. § 737
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I Bei dem Nießbrauch an einem Vermögen ist wegen der vor der Bestellung des Nießbrauchs entstandenen Verbindlichkeiten des Bestellers die Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch zulässig, wenn der Besteller zu der Leistung und der Nießbraucher zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist. II Das gleiche gilt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die NachlaßverMndlichkeiten. B. Wird der Nießbrauch an einem Vermögen (auch bruchteilmäßig), d. h. dem letzten Vermögensgegenstand, bestellt, nachdem die Schuld des Bestellers rechtskräftig feststand, so wird der Titel nach § 738 gegen den Nießbraucher umgeschrieben. Fand die Bestellung vorher statt, so gilt § 737, sofern nicht der Titel nach § 727 umzuschreiben ist. Die Bestellung des Nießbrauchs ist Veräußerung i. S. des § 265. § 737 gilt auch, wenn die Bestellung vor Eintritt der Rechtshängigkeit vollzogen wird. B I. Der Nießbraucher ist im Verhältnis zum Schuldner und Vollstreckungsgläubiger dritter, sein Recht wird deshalb (soweit der Titel nicht gegen ihn umschreibbar ist) nur durch einen Duldungtitel überwunden (§ 737); a) doch genügt auch der Zahlungtitel gegen den Nießbraucher (str.). a 1. Der über denselben Gegenstand ergangene Zahlungtitel geht weiter; der Duldungtitel hat in bezug auf die Vollstreckung nämlich nur die Bedeutung, daß die Vollstreckung
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Allgemeine Vorschriften
§737
Blal
auf die dem Nießbrauch unterworfenen Gegenstände zu beschränken ist, während die Vollstreckung des Zahlungtitels grundsätzlich unbeschränkt in jeden Vermögensgegenstand zulässig ist. Der Duldungtitel beschränkt sich auf Nießbrauchsgegenstände und erstreckt sich nicht auf die Nutzungen, die der Nießbraucher zieht und die er zu eigenem Recht erwirbt. a 2. Umgekehrt braucht der Gläubiger keinen Duldungtitel gegen den Nießbraucher für den Fall, daß der Nießbraucher verbrauchbare Sachen (BGB § 92 I) des Eigentümers zu Nießbrauch und damit zu seinem Eigentum erworben hat, sondern hier genügt die Pfändung und Überweisung der Forderung des Eigentümers gegen den Nießbraucher. Erfüllt der Nießbraucher nicht freiwillig, so muß er erst auf Leistung verklagt werden; die Vollstreckung geht dann aber in sein gesamtes Vermögen. b) Ein Duldungtitel gegen den Nießbraucher ist überhaupt nur insoweit erforderlich, wie der Nießbrauch zu fiberwinden ist, also nicht soweit ein dingliches Recht (oder das obligatorische aus einer Vormerkung) geltend gemaoht wird, das dem Nießbrauch im Range vorgeht. Deshalb darf auch der Hypothekengläubiger, der dem Nießbrauoher im Range vorgeht, die Mietzinsforderung ohne Duldungtitel gegen den Nießbraucher wirksam pfänden (RGZ 93/124). C. Sind die Forderungen erst nach Nießbrauchsbestellung entstanden, so ist die Mobiliarzwangsvollstreckung ausgeschlossen. Die Zwangsversteigerung von Grundstücken und Sohiffen ist zulässig, berührt aber den Nießbrauch nicht (eine Zwangsverwaltung darf deshalb nicht angeordnet werden). § 738
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I Ist die Bestellung des Nießbrauchs an einem Vermögen nach der rechtskräftigen Feststellung einer Schuld des Bestellers erfolgt, so sind auf die Erteilung einer in Ansehung der dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen den Nießbraucher die Vorschriften der §§ 727, 730 bis 732 entsprechend anzuwenden. It Das gleiche gilt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gegen den Erblasser ergangenen Urteils. A. Über die Bestellung des Nießbrauchs vor Rechtshängigkeit, aber nach Entstehung der Forderung, wie über die nach Rechtshängigkeit vgl. § 737 B. Die nach Rechtskraft (§ 705) regelt § 788, der im besonderen auch für Gattungschulden gilt. Bei anderen Titeln, die keine Rechtskraftwirkung auslösen (§ 794), kommt der Zeitpunkt ihrer Entstehung in Betracht. Die Regelung entspricht dem § 729 II. Die Haftung wird auf die Nießbrauchgegenstände beschränkt. B. Ein besonderer vollstreckbarer Titel gegen den Nießbraucher ist hier nicht erforderlich, der alte Titel gegen den Eigentümer als Schuldner wird auch gegen den Nießbraucher umgeschrieben, und zwar durch den Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 I 9). Urkundlich nachzuweisen ist nur die Zeit der Bestellung des Nießbrauchs (Kommentar § 737 A) und des Eintritts der Rechtskraft; dagegen sind es nicht die einzelnen Gegenstände, die zum Vermögen gehören. Zum Nachweis der Bestellungzeit kann ein nach BGB § 311 beurkundeter Vertrag als genügend angesehen werden, weil der Vollzug der Nießbrauchbestellung der Beurkundung regelmäßig naohfolgen wird (§ 286). C. §§ 266 II, 325 II sind unanwendbar, weil es nach BGB § 1086 nicht auf die Kenntnis des Nießbrauches ankommt. §
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I Wird zugunsten der Gläubiger eines Ehemannes oder der Gläubiger einer Ehefrau gemäß § 1362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vermutet, daß der Schuldner Eigentümer beweglicher Sachen ist, so gilt, unbeschadet der Rechte Dritter, für die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur der Schuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer. 96«
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§739
ZPO VIII. Buch
A. § 739 a. F. ging von dem gesetzlichen Güterstande der Verwaltung und Nutznießung des Mannes aus, der 1900 durch das BGB eingeführt wurde und der durch 6G Art. 3 II mit dem 1. 4. 1953 endete; § 739 n. F. bedenkt dagegen nur die Regelung durch das GleichberechtigungG v. 18. 6. 1957 (BGBl. I 609), ohne an die Übergangsregelung zu denken. Die Neuregelung kennt kein eingebrachtes Gut mehr; dagegen sind nach dem GleichberechtigungG Art. 8 I 7 die Vorschriften über die Errungenschaftsgemeinschaft wie die über die Fahrnisgemeinschaft aufrechterhalten worden, soweit diese Güterstände bis zum 30.6.1958 vereinbart worden sind; für dieses aufrechterhaltene Recht gilt § 739 a. F. auch nach dem 1. 7. 1958 fort, da sowohl die Errungenschaftgemeinsohaft (BGB §§ 1521 bis 1524a. F.) wie die Fahrnisgemeinschaft (BGB §§ 1550 bis 1554 a. F.) das eingebrachte Gut kennen (und insoweit auf die Vorschriften des BGB §§ 1363 a. F. verweisen; vgl. § 52 B). Vom 1. 7. 1958 ab können diese Güterstände zwar nicht mehr wirksam vereinbart werden (BGB § 1409 I); doch kann dadurch, daß ein ausländisches Recht, das nach BGB § 1409 II anerkannt wird (nämlich, daß, wenn ein Ehegatte z.Z. der Eheschließung bzw. zur Zeit des Vertragsschlusses seinen Wohnsitz — § 13 B — im Auslande — § 12 A II a 2 — hat, auf das ausländische Güterstandsrecht verwiesen werden darf), eingebrachtes Gut kennt, § 739 a.F. noch anzuwenden sein. Dagegen ist der frühere (auch der vertragliche) Güterstand der Verwaltung und der Nutznießung schlechthin auf den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft übergeleitet worden (GleichberechtigungsG Art. 8 13, 4), und der vertragliche der allgemeinen Gütergemeinschaft (der nach BGB § 1439 a. F. Sondergut kannte, das entsprechend dem eingebrachten Gut behandelt wurde, vgl. die Verweisung des BGB § 1439 a. F. auf BGB §§ 1520 bis 1523 a. F.) auf die neue Gütergemeinschaft (GleichberechtigungG Art. 8 I 6), die beide kein eingebrachtes Gut mehr kennen. Es lautet: § 739 a. F. I Bei dem Güterstand der Verwaltung und Nutznießung, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschaft ist die Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut der Ehefrau nur zulässig, wenn die Ehefrau zu der Leistung und der Ehemann zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut verurteilt ist. Über die Bedeutung der Norm vgl. Kommentar § 739 A I—F. 6. § 739 neuer Fassung bezieht sich nur auf die Überwindung des (Mit-)Besitzes des anderen Ehegatten i. S. des § 808 B, also bei der Fahrnispfändung, soweit diese auf die Wegnahme beweglicher Sachen (einschließlich der Wertpapiere; auf die Verwertungart [vgl. § 821] kommt es insoweit nicht an) geht. G I. Hat der Gläubiger die Vermutung des BGB § 1362 für sich, so ist es gleichgültig, welcher Ehegatte im Besitz des zu pfändenden Gegenstandes ist. a 8. Die Vermutung des BGB § 1362 I greift indes bei getrennt lebenden Ehegatten nicht platz. Der Begriff des Getrenntlebens erfordert die räumliche Trennung (möglicherweise allerdings innerhalb derselben Wohnung, wenn auch u. U. unter Mitbenutzung einiger Räume, Küche, Bad usw.). b) Im Falle des Konkurses eines Ehegatten wird über BGB § 1362 hinausgehend dem anderen Ehegatten für die während der Ehe erworbenen Gegenstände die Beweislast dafür aufgebürdet, daß er sie nicht mit den Mitteln des Gemeinschuldners erworben hat (KO § 45). Die Verfassungmäßigkeit dieser Bestimmung ist zweifelhaft. G II. Für die Vollstreckung stellt § 739 neuer Fassung klar, daß, soweit die Vermutung des BGB § 1362 reicht, es nicht darauf ankommt, welcher Ehegatte im (Mit-)Besitz des Gegenstandes, auf den zugegriffen wird, ist. Auch wenn deshalb gegen den nichtschuldenden Besitzer vorgegangen, sein Besitz gebrochen wird, steht ihm ein Recht aus § 766 mit dieser Begründung allein nicht zu (vgl. § 766 B IV b 11). Sein Besitz wird nicht beachtet. a) Die Bestimmung nimmt dem anderen Ehegatten in keinem Falle das Interventionrecht aus § 771. a 1. Hatte der andere Ehegatte nur ein Pfandrecht an dem Gegenstand, so erlischt dieses zwar durch den Zugriff durch den Gläubiger nicht (BGB § 1253); doch wird ihm dann nur
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Allgemeine Vorschriften
§ 7 3 9 G II a 1
das Recht auf vorzugweise Befriedigung nach § 805 zuzubilligen sein, weil auch sein Pfandbesitz durch § 739 überwunden werden darf. b) Die Rechtstellung dritter wird durch § 739 neuer Fassung nicht berührt. Dritte sind dabei alle übrigen außer den Eheleuten, also auch ihre Kinder, ihre Familien- und Hausangehörigen. Haben diese die Sachen im Besitz, so ist der unmittelbare Zugriff des Gläubigers unzulässig (vgl. § 809 B III).
§ 740
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I Leben die Ehegatten in Gütergemeinschaft und verwaltet einer von Ihnen das Gesamtgut allein, so ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein Urteil gegen diesen Ehegatten erforderlich und genügend. II Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich, so ist die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut nur zulässig, wenn beide Ehegatten zur Leistung verurteilt sind. A II. § 740 befaßt sich nur mit dem Gesamtgut der (noch) bestehenden Gütergemeinschaft unter Ehegatten (§ 745 mit dem der fortgesetzten). Betroffen wird die Gütergemeinschaft (neuen Rechts) wie die Errungenschaft- und die Fahrnisgemeinschaft. B I. Zur Vollstreckung in das Gesamtgut ist ein Leistungtitel gegen den Mann bzw. den verwaltenden Gatten erforderlich (§ 740 I), a 1. doch reicht ein Duldungtitel zur Vollstreckung in das Gesamtgut aus (RG Seuff. 65/16). a 2. Das für oder gegen den verwaltenden Gatten erstrittene Urteil wirkt für und gegen den nichtverwaltenden Gatten nur in bezug auf das Gesamtgut. b) Das für oder gegen den nicht (allein) verwaltenden ergangene Urteil wirkt nicht gegen das Gesamtgut. b 1. Soweit der nicht (allein) verwaltende Gatte zustimmen muß, aber nicht zugestimmt hat, hat er ein eigenes Klagerecht, das nach § 771 geltend gemacht werden darf; die Verletzung seines Besitzes wird nach § 739 übergangen. Es ist streitig, ob der Gläubiger des Mannes den Titel gegen die Frau nach § 727 umschreiben lassen darf, wenn er in Gesamtgut vollstrecken will, das auf den Namen des nicht verwaltenden Gatten registriert ist (bejahend: Hellwig, Anspruch und Klagerecht S. 338 N 7; a. M. Sydow-Busch § 740 Anm. 4). b 2. Mit Rücksicht auf die Gegenklagemöglichkeit des nichtverwaltenden Gatten darf er auf Duldung der Vollstreckung in das Geamtgut belangt werden (RGZ 105/19). Geschieht dies, so besteht zwischen den Gatten (regelmäßig) notwendige Streitgenossenschaft. B II. Wird aus einem Urteil gegen den nicht (mit)verwaltenden Gatten in das Gesamtgut vollstreckt, so hat er die Klage nach § 771; nicht aber die Erinnerung wegen Besitzesverletzung wegen des § 739. B IV. Wenn der Gläubiger in das gemeinsam verwaltete Gesamtgut vollstrecken will (§ 740 II), muß er einen Leistungtitel gegen beide Gatten haben (doch genügt auch ein Leistungtitel gegen einen Gatten und ein Duldungtitel gegen den anderen bzw. ein doppelter Duldungtitel) ; die Regelung entspricht § 743. a) Hat der Gläubiger einen Leistungtitel nur gegen einen Gatten, so darf nicht in das Gesamtgut vollstreckt werden; wird vollstreckt, so hat der andere Gatte die Interventionklage nach § 771 (haftet er, so darf ihm der Gläubiger einwandweise diese Haftung entgegenhalten). b) Dagegen hat der andere Gatte keine Erinnerung nach § 766, weil nämlich sein Besitz nach § 739 übergangen wird (§ 739 G). C. Tritt der Güterstand erst nach Rechtshängigkeit des Prozesses ein, so gilt § 742. D. Der Anteil der Ehegatten am Gesamtgut ist unpfändbar bis zur Beendigung der Gemeinschaft (§ 860).
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ZPO VIII. Buch §
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I Betreibt ein Ehegatte, der in Gütergemeinschaft lebt und das Gesamtgut nicht oder nicht aliein verwaltet, selbständig ein Erwerbsgeschäft, so ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein gegen ihn ergangenes Urteil genügend, es sei denn, daß zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit der Einspruch des anderen Ehegatten gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäfts oder der Widerruf seiner Einwilligung zu dem Betrieb im Güterrechtsregister eingetragen war. A. § 741 knüpft an die besondere Regelung des außerprozessualen Rechts an, wenn der nicht (allein) verwaltende Gatte selbständig ein Erwerbsgeschäft betreibt, wobei für Errungenschaft und Fahrnisgemeinschaft noch § 741 a. F. gilt, der, wie folgt, lautet: I Betreibt die Frau selbständig ein Erwerbsgeschäft, so ist zur Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut und in das Gesamtgut ein gegen die Ehefrau ergangenes Urteil genügend, es sei denn, daß zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit der Einspruch des Ehemannes gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäfts oder der Widerruf seiner Einwilligung zu dem Betrieb im Güterrechtsregister eingetragen war. A I. Durch die Geschäftsführung (selbst wenn er ausgeschlossen ist, RGZ 87/102) durch andere wird die Stellung des nicht verwaltenden Gatten nicht berührt, selbst wenn der andere das Geschäft verwaltet. Auch braucht er nicht alleiniger Inhaber des Unternehmens zu sein (OLG JW 27/131). Die stille Beteiligung gehört nicht hierher. A II. Wird ein selbständiges Erwerbsgeschäft mit Einwilligung des anderen Gatten betrieben, so haftet das Gesamtgut. a) Nach § 741 darf deshalb ohne Titel gegen den anderen Gatten in das Gesamtgut vollstreckt werden, nur muß das Vollstreckungorgan den Betrieb des Geschäftes feststellen. Über die Rechtsbehelfe des anderen Gatten vgl. § 740 B IV i. V. m. § 774. c) Das Vollstreckungsorgan prüft nicht nach, ob es sich bei dem Titel um Geschäftschulden handelt (vgl. HGB § 344) ; es bleibt dem anderen Gatten nach § 774 überlassen, sich gegen einen nioht die Geschäftschulden betreffenden Titel durch Widerspruchklage zu wehren. Doch muß zur Zeit der Vollstreckung der nicht (allein) verwaltende Gatte das Erwerbsgeschäft (noch) betreiben (OLG SächsAnn. 21/275); auch wenn es sich in Liquidation befindet, betreibt er es aber noch. B I. Obwohl ein Titel gegen den anderen Gatten im Fall des § 741 nicht erforderlich ist, darf der Gläubiger den anderen Gatten auf Duldung (bei Gesamtgutverbindlichkeiten auch auf Leistung) mit verklagen (RG Warn. 30/141). Auch darf der Titel gegen den anderen Gatten naoh § 727 umgeschrieben werden (Hellwig, Anspruch und Klagerecht S. 329). B II b) Klagt der andere Gatte nach § 774, so darf ihm seine Duldung- bzw. Leistungpflicht entgegengehalten werden (RG Warn. 30/141). §
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I Ist die Gütergemeinschaft erst eingetreten, nachdem ein von einem Ehegatten oder gegen einen Ehegatten geführter Rechtsstreit rechtshängig geworden ist, und verwaltet dieser Ehegatte das Gesamtgut nicht oder nicht allein, so sind auf die Erteilung einer in Ansehung des Gesamtgutes vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils für oder gegen den anderen Ehegatten die Vorschriften der §§ 727, 780 bis 732 entsprechend anzuwenden. A. Tritt ein Güterstand erst nach Rechtshängigkeit (§ 263 B) eines Prozesses ein, so ergibt sich für die Gläubiger des nicht (allein) verwaltungberechtigten Gatten die Besonderheit in der Vollstreckung, daß von da ab noch das Recht des (mit-) verwaltungberechtigten Gatten am Gesamtgut zu überwinden ist. Hier läßt § 742 die Umschreibung des Titels nach § 727 (§§ 730—732) zu. Für die Errungenschaft- wie für dieFahrnisgemeinsohaft gilt weiter § 742 a. F. I Ist der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschaft erst eingetreten, nachdem ein von der Ehefrau oder gegen sie geführter Rechtsstreit rechtshängig geworden ist, so sind auf die Erteilung einer in An-
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Allgemeine Vorschriften
§742 A
sehung des eingebrachten Gutes der Ehefrau vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils für oder gegen den Ehemann die Vorschriften der §§ 727, 730 bis 732 entsprechend anzuwenden. II Das gleiche gilt für die Erteilung einer in Ansehung des Gesamtguts vollstreckbaren Ausfertigung, wenn die allgemeine Gütergemeinschaft oder die Fahrnisgemeinschaft erst eingetreten ist, nachdem ein von der Ehefrau oder gegen sie geführter Rechtsstreit rechtshängig geworden ist. A I . Der andere Gatte ist in diesen Fällen Teil-(sonder-)rechtsnachfolger (RG Gruch. 48/1020). A II. Nach § 727 darf nur umgeschrieben werden, wenn zur Zeit der Rechtshängigkeit (§ 263 B; bei anderen Titeln z. Z. der nachzuweisenden Errichtung bzw. beim Schiedsspruch zu der der formell rechtskräftigen Entscheidung, § 1040 A) kein solcher vereinbarter ehelicher Güterstand bestanden hat. Umgeschrieben wird auch, wenn nur in einem Zeitpunkt des Prozesses ein solcher (vertraglicher) Güterstand nicht bestand. Ohne die erforderliche Umschreibung fehlt es an dem Titel zur Vollstreckung gegen den anderen Gatten. B I. Das Umschreibungverfahren richtet sich nach §§ 727, 730—732. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger (RechtspflegerG § 19 I 9). Nach § 727 ist der Titel gegen den (allein oder mit) verwaltenden Gatten nur umzuschreiben, wenn der güterfreie Zustand ab Rechtshängigkeit zu irgendeiner Zeit durch öffentliche Urkunden nachgewiesen wird. Entsprechend frjlt § 742 bei der neuen Gütergemeinschaft, wenn in der in betracht kommenden Zeit die Stellung des verwaltungberechtigten Gatten geändert worden ist, wenn etwa der ursprünglich nicht verwaltungberechtigte Gatte mitverwaltungberechtigt geworden ist bzw. wenn dem verwaltungberechtigten Gatten das Verwaltungrecht genommen worden ist. a) Soweit die Umschreibung zulässig ist, wäre es die getrennte Klage gegen den Mann bzw. die gegen den (allein oder mit) verwaltenden Gatten nicht (wegen des Verbots der Klageüberlagerung, § 253 D). b) Umgeschrieben wird der Titel derart, daß der andere Gatte zusätzlich auf Leistung (bzw., soweit er sich noch auf vom anderen Gatten verwaltetes eingebrachtes Gut bezieht: auf Duldung) in anspruch genommen wird, bzw. zusätzlich Gläubiger wird. c 1. Soweit der Gatte allerdings auf Leistung an den anderen klagen müßte (§ 52 B III), gibt es keine Umschreibung des Titels auf ihn, denn hier ist der andere Gläubiger des Vollstreckungverfahrens (§ 704 B V). c 2. Wird eine Umschreibung gefordert, obwohl der Frau schon eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden ist, so ist dies das Verlangen nach einer zweiten i. S. des § 733. d 1. Ist der andere Gatte allein verwaltungberechtigt, so wird der Titel nur auf ihn umgeschrieben; d 2. ist er mitverwaltungberechtigt, so wird der Titel auf beide Gatten gestellt. B II a) Einwendungen muß der Mann bzw. der andere Gatte nach §§ 732, 768 geltend machen. a 1. Hat der nicht (allein) verwaltungberechtigte Gatte unter Zustimmung des anderen gehandelt, so ist § 742 entsprechend anzuwenden (BayObLG OLG 31/102 Note 1). b) Behauptet der nicht (allein) verwaltungberechtigte Gatte, eine Forderung gehöre zu seinem Vorbehaltgut, so kommt dies auf einen Streit der Gatten hinaus, der im Verfahren nach § 727 nicht auszutragen ist, sondern in dem der Forderungprätendenten. Regelmäßig bedarf es nioht der Anhörung des nicht (allein) verwaltungberechtigten Gatten, bestehen aber Zweifel, so hat sie der allein oder mitverwaltungsberechtigte (andere) Gatte (urkundlich) zu beheben. c) Das entsprechende wie für das Vorbehaltgut gilt für das Sondergut bei der neuen Gütergemeinschaft (vgl. BGB § 1417).
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ZPO VIII. Buch § 743
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I Nach der Beendigung der Gütergemeinschaft ist vor der Auseinandersetzung die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut nur zulässig, wenn beide Ehegatten zu der Leistung oder der eine Ehegatte zu der Leistung und der andere zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt sind. A. § 743 regelt Vollstreckung bei Fortwirkungen eines beendeten Güterstandes, also dem zu liquidierenden, wenn z. Z. der Rechtshängigkeit schon ein solches Güterstandstadium bestellt. Über die fortgesetzte Gütergemeinschaft vgl. § 745 A. Für Errungenschaft- und Fahrnisgemeinschaft gilt noch § 743 a. F. I Nach der Beendigung der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschaft ist vor der Auseinandersetzung die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut nur zulässig, wenn beide Ehegatten zu der Leistung oder der eine Ehegatte zu der Leistung und der andere zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt sind. A II. Im Liquidationstadium verwalten die Gatten das Gesamtgut grundsätzlich gemeinschaftlich. b) Deshalb ist bis zur Beendigung des Liquidationstadiums ein Titel gegen beide Gatten zur Vollstreckung in das Gesamtgut (ein doppelter Leistung- oder ein Leistung- und ein Duldungtitel und sogar ein doppelter Duldungtitel) erforderlich. Als Titel genügt ein jeder, auch der unter § 794 fallende, im besonderen der Duldungtitel in einer vollstreckbaren Urkunde (RGZ 89/366). b 1. Der Leistungtitel gegen den nicht verwaltenden Gatten kommt nicht in betracht, soweit er beschränkt haftet. b 2. Dasselbe gilt aber auch gegen den früher allein verwaltenden Gatten, sofern er den Gläubigern des anderen nicht mehr als Gesamtschuldner haftet (OLG HGZ 41 B 51). B I. Die Prozesse gegen Frau und Mann sind getrennt durchführbar, auch der auf Duldung vor dem auf Leistung (RGZ 89/367). a) Auch wenn es sich um keine Gesamtgutverbindlichkeit handelt, ist die Vollstreckung in das Abwicklunggesamtgut auf Grund des beiderseitigen Leistungurteils zulässig. b) Ein einseitiger Titel berechtigt zur Pfändung des Auseinandersetzunganteils gegen den anderen Gatten (§ 860 II), nicht aber zum Zugriff auf die einzelnen Gesamtgutgegenstände. B II. § 743 gilt nur für das Liquidationstadium, also von der Aufhebung der Gütergemeinschaft bis zur Beendigung der Auseinandersetzung. a) Dabei ist der Aufhebunggrund gleichgültig. a 2. Wird der Güterstand durch Vertrag geändert, so gelten die Sonderregeln insoweit nicht, wie zugleich eine andere güterrechtliche Gemeinschaft vereinbart wird, in die das Gesamtgut ohne Liquidation als Gesamtgut übertragen wird. Innerhalb des Güterstandes der Gütergemeinschaft kann auch von der alleinigen Verwaltung des einen Gatten auf die des anderen bzw. auf die Mitverwaltung oder von der Mitverwaltung auf die alleinige Verwaltung eines Gatten gewechselt werden. b) Das Liquidationstadium wird beendet durch die vollzogene Aufteilung unter den Gatten. b 2. Nach Beendigung der Auseinandersetzung ist der Titel gegen denjenigen erforderlich und genügend, in dessen Vermögen vollstreckt werden soll. Dies ist regelmäßig der Leistungtitel, doch muß auch der Duldungtitel genügen (a. M. stets Leistungtitel verlangend: RGZ 89/365). B III a) Liegt dieser gegen einen Gatten nicht vor, so hat dieser die Widerspruchklage nach § 771 (RGZ 89/366); doch darf ihm der Gläubiger dann seine Haftung oder eine sonstige
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Allgemeine Vorschriften
§ 743 B in s
Duldungpflicht entgegenhalten (a. M. BGZ 68/424). Der Gatte hat trotz des Einwandes aber Erfolg, wenn auf Gegenstände zugegriffen wird, die nicht zum Gesamtgut gehören (RGZ 89/366). a 1. Das Vollstreckungorgan darf nicht vollstrecken, wenn es die Rechtslage kennt. Im besonderen reicht das Urteil gegen den Mann auf Auflassung nicht mehr nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe; sondern es bedarf des Titels gegen die Frau (RGZ 108/285). a 2. Soweit § 739 reicht, gibt es keine Erinnerung nach § 766; wohl aber sonst (RGZ 89/366). b) War der Rechtstreit schon, bevor der Znstand aufgehoben wurde, rechtshängig, so gilt § 743; nicht § 744 (§ 744 B); darüber, ob es deshalb keine Umschreibung gibt, vgl. § 744 B II; anders wenn der Streit schon „beendet" war (§ 744 A I).
§ 744
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I Ist die Beendigung der Gütergemeinschaft nach der Beendigung eines Rechtsstreits des Ehegatten eingetreten, der das Gesamtgut allein verwaltet, so sind auf die Erteilung einer in Ansehung des Gesamtgutes vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen den anderen Ehegatten die Vorschriften der §§ 727,730 bis 733 entsprechend anzuwenden. A. Wird die Gütergemeinschaft nach Rechtskraft des Prozesses beendet, so wird die Vollstreckung in das Gesamtgut (§ 52 B IV) dadurch erschwert, daß nunmehr das entgegenstehende Recht des nicht (mit-)verwaltenden Gatten am Gesamtgut (§ 743 A II b) erst nach § 743 überwunden werden muß. Das entsprechende gilt für die Errungenschaft- und die Fahrnisgemeinschaffc in bezug auf . die Frau, was noch regelt § 744 a. F. I Ist die Beendigung der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschaft nach der Beendigung eines Rechtsstreits des Ehemannes eingetreten, so sind auf die Erteilung einer in Ansehung des Gesamtguts vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen die Ehefrau die Vorschriften der §§ 727, 730 bis 732 entsprechend anzuwenden. A I. War der Streit des allein verwaltungberechtigten Gatten mit dem Gläubiger rechtskräftig bzw. durch die Errichtung eines sonstigen Titels (§ 794 I 1, 5, OLG HGZ 1920 B 51) beendet, bevor die Gütergemeinschaft aufgehoben wurde (§ 742), so läßt § 744 die (zusätzliche) Umschreibung der Klausel gegen den nicht verwaltungberechtigten Gatten zu, a) die sich auf das noch ungeteilte Gesamtgut bezieht und auf Duldung der Vollstreckung in das Gesamtgut geht. b) Nach Auseinandersetzung geht sie auf Leistung. A l l . Soweit eine solche Umschreibung zulässig ist, steht nur dieser der Weg offen; doch ist auch die Klage auf Duldung bei sofortigem Anerkenntnis nicht abzuweisen (OLG Seuff. 61/211), vgl. aber § 93. B. Ist dagegen der Streit gegen den allein verwaltungberechtigten Gatten noch nicht rechtskräftig beendet z. Z., wo der Güterstand endet, so gilt § 744 grundsätzlich nicht, auch wenn der Streit schon zu dieser Zeit rechtshängig war (OLG 4/140). B I. Erlischt die Haftung des allein verwaltungberechtigten Gatten nach BGB § 1459 II 2, so ist die Kl