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German Pages 248 Year 2015
Ingo Rollwagen Zeit und Innovation
Band 3
2008-05-27 12-30-10 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02a8179786352400|(S.
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) T00_01 schmutztitel - 899.p 179786352408
Editorial Moderne Gesellschaften sind nur zu begreifen, wenn Technik und Körper konzeptuell einbezogen werden. Erst in diesen Materialitäten haben Handlungen einen festen Ort, gewinnen soziale Praktiken und Interaktionen an Dauer und Ausdehnung. Techniken und Körper hingegen ohne gesellschaftliche Praktiken zu beschreiben – seien es diejenigen des experimentellen Herstellens, des instrumentellen Handelns oder des spielerischen Umgangs –, bedeutete den Verzicht auf das sozialtheoretische Erbe von Marx bis Plessner und von Mead bis Foucault sowie den Verlust der kritischen Distanz zu Strategien der Kontrolle und Strukturen der Macht. Die biowissenschaftliche Technisierung des Körpers und die Computer-, Nano- und Netzrevolutionen des Technischen führen diese beiden materiellen Dimensionen des Sozialen nunmehr so eng zusammen, dass Körper und Technik als »sozio-organisch-technische« Hybrid-Konstellationen analysierbar werden. Damit gewinnt aber auch die Frage nach der modernen Gesellschaft an Kompliziertheit: die Grenzen des Sozialen ziehen sich quer durch die Trias Mensch – Tier – Maschine und müssen neu vermessen werden. Die Reihe Technik | Körper | Gesellschaft stellt Studien vor, die sich dieser Frage nach den neuen Grenzziehungen und Interaktionsgeflechten des Sozialen annähern. Sie machen dabei den technischen Wandel und die Wirkung hybrider Konstellationen, die Prozesse der Innovation und die Inszenierung der Beziehungen zwischen Technik und Gesellschaft und/oder Körper und Gesellschaft zum Thema und denken soziale Praktiken und die Materialitäten von Techniken und Körpern konsequent zusammen. Die Herausgeber der Reihe sind Gesa Lindemann, Professorin für Soziologie an der Universität Oldenburg, und Werner Rammert, Professor für Soziologie und Sprecher des interdisziplinären Zentrums für Technik und Gesellschaft an der TU Berlin.
Ingo Rollwagen (Dr. phil.) arbeitet als Analyst für Zukunftsfragen bei der Deutschen Bank Research. Seine Forschungsschwerpunkte sind Zeitlogiken, Bildung, Strukturwandel der Wertschöpfung und Sozialkapital.
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) T00_02 seite 2 - 899.p 179786352424
Ingo Rollwagen
Zeit und Innovation Zur Synchronisation von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bei der Genese der Virtual-Reality-Technologien
2008-05-27 12-30-11 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02a8179786352400|(S.
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) T00_03 titel - 899.p 179786352440
Diese Studie ist die gekürzte Fassung der ursprünglich genehmigten Universitätsdissertation an der Technischen Universität Berlin (D83) mit dem Titel »Zeitlogiken und Synchronisationen in Innovationsprozessen: Eine theoretische und empirische Sondierung am Beispiel der Entwicklung von Technologien zur Erzeugung virtueller Realitäten aus soziologischer Sicht«. Erstellt an der Fakultät VI, Berichter: Prof. Dr. Werner Rammert, Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, Vorsitzender des Promotionsausschusses: Prof. Dr. Arnold Windeler, Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 21. August 2007. Technische Universität Berlin D 83
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2008 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Ingo Rollwagen Satz: Jörg Burkhard, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-899-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
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Inhalt Eckard Minx: Geleitwort ....................................................................................... 9 Vorwort ................................................................................................................. 13 1.
Die Bedeutung des Faktors Zeit für die Entstehung von Innovationen ....................................................................................... 15
1.1
Bestehende Defizite und Forschungsbedarf ........................................... 17
1.2
Ziele und Forschungsfragen .................................................................... 19
1.3
Überblick über die Kapitel des Buches .................................................... 20
2.
Bisherige Forschungsansätze zu Zeit und Innovation ........................... 23
2.1
Zeit und die Entstehung von Innovationen in der ökonomischen Innovationsforschung ............................................... 2.1.1 Wellen und Pfade in der makroökonomischen Innovationsforschung ............................................................................... 2.1.2 Geschwindigkeiten, Trägheiten und Zeitfenster in der systemisch-institutionalistischen Innovationsforschung ............... 2.1.3 Zeit und Innovation in der mikroökonomischen Innovationsforschung ............................................................................... Zeit und die Entstehung von Innovationen in der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung ............................. 2.2.1 Tempi, Rhythmen, Polyrhythmizität und Synchronisationen zur Beschreibung von Innovationsprozessen ......................................... 2.2.2 Temporalisierung und Zeitschemata zur sozialen Synchronisation und Gestaltung von Innovationsprozessen ................ 2.2.3 Zeitkapazitäten und Zeitperspektiven zur Gestaltung von Pfaden ...... 2.2.4 Zusammenfassung ....................................................................................
24 24 28 31
2.2
44 47 53 59 61
2.3
Zeit und Innovation – Synopse ökonomischer und sozialwissenschaftlicher Innovationsforschung ..................................... 64 2.3.1 Gestaltorientierte Ansätze zu Zeit und Innovation ............................... 65 2.3.2 Gestaltungsorientierte Ansätze zu Zeit und Innovation ....................... 68 2.4
Kritische Würdigung der Innovationsforschung zu Zeit und Innovation ................................................................................... 72
3.
Soziologisch basiertes Konzept zur Untersuchung von Zeit und Innovation ................................................................................... 77
3.1
Soziologische Begriffe und Theorien: Zeit als Mittel zur Handlungsstrukturierung ................................................................. Charakteristika sozialer Zeit .................................................................... Funktionen und Entstehung sozialer Zeit: Sozialwissenschaftliche Ansätze ............................................................. Auswirkungen sozialer Zeit ..................................................................... Zusammenfassung zu Erkenntnissen der soziologischen Zeitforschung ............................................................................................ Kritische Würdigung der soziologischen Zeitforschung .......................
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5
Soziologisch inspiriertes Konzept zur Betrachtung von sozialer Zeit und Synchronisationen in Innovationsprozessen .......... 3.2.1 Vorstellung von sozialer Zeit in Innovationsprozessen ....................... 3.2.2 Thesen und Hypothesen zu Zeit und Innovation ................................ 3.2.3 Soziologisches Konzept zur Betrachtung sozialer Zeit in Innovationsprozessen .........................................................................
77 78 82 91 92 98
3.2
3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
100 100 104 108
Empirische Operationalisierung ............................................................ Ziele der empirischen Untersuchung ................................................... Objekte in der empirischen Untersuchung .......................................... Kategorien für die empirische Untersuchung ...................................... Arenen als Ebenen in der empirisch-explorativen Rekonstruktion ....
113
3.4 Vorgehensweise in der empirischen Betrachtung ................................ 3.4.1 Historisch-sequenzielle Analyse in der Fallstudie ............................... 3.4.2 Ausgewähltes Untersuchungs- und Datenmaterial ............................. 3.4.3 Methoden in der empirischen Untersuchung ...................................... 3.4.4 Gründe für die Auswahl des Innovationsprozesses .............................
120
113 114 115 116
120 121 123 124
3.5
Möglicher Erkenntnisgewinn und Erklärungsanspruch der Untersuchung ................................................................................... 126
3.6
Zusammenfassung zur Vorgehensweise der empirischen Untersuchung .......................................................................................... 127
4.
Zeitlogiken und Synchronisationen in der Entstehung von Technologien zur Erzeugung virtueller Realitäten ............................... 129
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4
Was sind VR-Technologien? .................................................................... Definitionen und Begriffe rund um Virtuelle Realitäten .................... Funktionsorientierte Beschreibung der VR-Technologien ...... Auf bau und technische Komponenten von VR-Systemen ................... Differenzierte Charakterisierung von VR-Technologien .....................
130 130 133 134 137
4.2 Die Entwicklung von VR ......................................................................... 140 4.2.1 Verteilter Entstehungsprozess von VR-Technologien .......................... 140
4.2.2 Massive Ausweitung der Anwendung von VR-Technologien .............. 142 4.2.3 VR-Systemgenerationen abhängig von Kompatibilitäten und Konvergenzen von Komponententechnologien .................................... 144 4.2.4 Überzogene Erwartungen und Verzögerungen der VR-Entwicklung ................................................................................ 147 4.3 Akteure und Arenen in der Entwicklung von VR ................................ 4.3.1 Beiträge aus der wissenschaftlichen Arena zur Entwicklung von VR ...................................................................................................... 4.3.2 Beiträge aus der wirtschaftlichen Arena zur Entwicklung von VR .... 4.3.3 Beiträge aus der forschungspolitischen Arena zur Entwicklung von VR ...................................................................................................... 4.3.4 Zusammenfassung zur Entwicklung von VR ...................................... Zeitlogiken und Synchronisationen in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente .................................................. 4.4.1 Zeitliche Strukturierungen in der wissenschaftlichen Arena ............ 4.4.2 Zeit und Innovationen für VR in der wirtschaftlichen Arena ............ 4.4.3 Zeitliche Strukturierungen in der forschungspolitischen Arena .......
148 149 151 155 157
4.4
4.5
158 159 165 172
Zusammenfassung zu arenenspezifischen zeitlichen Strukturierungen in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente ............................................................................................. 177
4.6
Auswirkungen von Zeit auf die Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente .................................................. 4.6.1 Entstehung von Zeitnormen .................................................................. 4.6.2 Entstehung vieler verschiedener Zeitnormen ...................................... 4.6.3 Höhere Geschwindigkeit der technischen Entwicklung ..................... 4.6.4 Anforderungen an reflexiven Umgang mit Zeit und Synchronisationen steigen ...................................................................... 4.6.5 Weiterentwicklungen von virtualitätsgenerierenden Instrumenten durch Synchronisationen ............................................... 4.6.6 Verlangsamung der Technikentwicklung durch De-Synchronisationen .............................................................................
182 182 185 186 187 188 198
4.7
Zeit- und Synchronisationsformen in der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten (Zusammenfassung) .......... 204
5.
Innovation – die Bedeutung von Zeit und der Synchronisation von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ............................................. 209
5.1
Soziologisch inspiriertes Verständnis von Innovationsprozessen und Zeit .............................................................. 210
5.2
Formen des Umgangs mit Zeit in Innovationsprozessen ................... 211
5.3
Auswirkungen des Umgangs mit Zeit auf Innovationsprozesse ........ 212
5.4
Synchronisation von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, aber wie ? – Praktische Implikationen der Ergebnisse ........................ 214
5.5
Ausblick: Weiterer Forschungsbedarf ................................................... 218
5.6
Schlusswort .............................................................................................. 224
Geleitwor t Eckard Minx
Es sind Begriffe, Worte, die die Befindlichkeiten wie auch die Herausforderungen einer Epoche beschreiben. Sie dienen als Kennzeichen, als Wegweiser wie auch als Maß für politische und/oder unternehmerische Herausforderungen. Zwar vermochten in der Vergangenheit derartige Begriffe vielfach real nur begrenzte Kraft zu entfalten, aber die Richtung, in die das Denken und Handeln zu gehen hatte, haben sie allemal sehr grundsätzlich vorgegeben. Im Kontext unternehmerischen – wie auch staatlichen – Handelns ist, so bin ich überzeugt, seit mindestens zwei Dezennien das entsprechende Wort »Innovation«. Ohne Zweifel auch Globalisierung, Information, Kreativität, Wissen, Wettbewerb, Zukunft sowie China, Indien und noch eine Anzahl weiterer Worte. Der Begriff Innovation aber spielt eine besondere Rolle, ihm kommt eine herausragende Bedeutung zu. Steht doch gerade er für eine Fülle von Erwartungen – insbesondere was Wettbewerb und Erfolg betrifft. Insofern verweisen gleichermaßen Politiker, Unternehmer wie Wissenschaftler auf die zentrale gesellschaftliche Gestaltungsfunktion von Innovationen und damit auf die Notwendigkeit von Veränderung. Dagegen wird auch nichts einzuwenden sein. Allerdings – und das ist eben auch eines der markanten Kennzeichen dieses Begriffs – kann diese Zuweisung entweder aus einer optimistischen oder aber eher pessimistischen Grundeinschätzung heraus geschehen. Innovation bezeichnet einerseits den Tatbestand, die Voraussetzung für Erfolg und Teilhabe an Fortschritt und Entwicklung zu sein. Aber auch die konträre Betrachtungsperspektive, diejenige, die den Aspekt des Mangels an, der Unmöglichkeit von, sogar der Unwilligkeit zur Innovation hervorhebt, ist Teil des öffentlichen Diskurses. Und noch eine dritte Perspektive überlagert die beiden vorangegangenen: Ist Innovation eher Mittel oder Ziel einer Wirtschafts- bzw. Unternehmenspolitik? Ziel, das zu seiner Erfüllung vielfältiger Voraussetzungen bedarf, bzw. Mittel, um diese Voraussetzungen schaffen zu können? Die notwendige Verfügbarkeit über Mittel ist unstrittig, ohne sie ist keine Entwicklung denkbar. Ziele dagegen sind wählbar und daher genauer zu begründen. So wird Innovation nicht das Ziel an sich sein. Indem aber Innovationen als Schlüssel für wirtschaftliche Dynamik und Erfolg im globalen Wettbewerb zu sehen sind, rücken Fragen in den Mittelpunkt der Analysen, die sich mit der Dauer (kürzere Zeiten), der Umset-
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zung bzw. der Umsetzungsgeschwindigkeit (Tempoerhöhung) und den günstigen Bedingungen/Konstellationen trotz Zeitwettbewerb bei Innovationsprozessen beschäftigen. Damit wird auf einen »offenen« Fragenkomplex verwiesen, der jenseits der bisher diskutierten betriebswirtschaftlichen Bedingungen für erfolgreiche Innovationsprozesse anzusiedeln ist. Bzgl. der Zusammenhänge zwischen Zeitlogiken und der Entstehung von Innovationen fehlt es bisher gleichermaßen an differenzierten theoretischen Konzepten wie auch empirischen Analysen. In dem vorliegenden Buch »Zeit und Innovation« geht Ingo Rollwagen dieser komplexen und komplizierten Fragestellung aus der Perspektive der Innovationsforschung sowie der soziologischen Forschung nach. Ausgangspunkt waren dabei u.a. die sich im Rahmen von Zukunftsszenarien bzw. Roadmaps stellenden Fragen nach der Bedeutung von Zeitaspekten. Es zeigt sich, dass in Projektionen und Zukunftsbetrachtungen Gegenwart und mögliche Zukünfte durch Entwicklungspfade miteinander in Beziehung gesetzt werden. Zeit tritt hier als ein zentraler Planungsfaktor auf. Denn Zeit dient den Akteuren zur Orientierung, zur Kommunikation, zur Regulierung und zur Synchronisation in Innovationsprozessen, was wiederum zur Herausbildung sog. Zeitlogiken führt. Dabei fällt auf, wie unterschiedlich die jeweils beteiligten Akteure mit Zeithorizonten umgehen und dies gerade in Prozessen der Technologieentwicklung. Erst die Kenntnis der unterschiedlichen Zeitlogiken, wie sie von Rollwagen beschrieben werden, ermöglicht einen angemessenen Umgang mit ihnen. Es ist daher zunehmend wichtig auf die Vielfalt von Zeitlogiken hinzuweisen, weil die Erfahrung zeigt, dass gerade in Innovationsprojekten die Bedeutung unterschiedlicher zeitlicher Logiken von Akteuren unterschätzt wird, gleichzeitig aber deren Berücksichtigung für Erfolg oder Misserfolg der Innovation entscheidend sein kann. So arbeitet Rollwagen z.B. heraus, dass für die Entwicklung von Technologien der wechselseitig aufeinander bezogene Umgang mit Zeit zwischen Akteuren eindeutig förderlich ist. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass z.B. in der Gegenwart darüber disponiert werden muss, wie und wann und in welchem Umfang zukünftig Spielräume für Inspiration und Aktivität eingeplant werden sollten. Ein letzter Gesichtspunkt. Zukunft wird produziert, durch Tun und durch Unterlassen. Nur wenn es gelingt möglichst vielen diese Option zu eröffnen, dann werden Volkswirtschaften bzw. Unternehmen erfolgreich im internationalen Wettbewerb sein. Ein wichtiger Faktor, so legt uns dieses Buch nahe, ist dabei der reflexive Umgang mit Zeit. Wir unterschätzen weithin, welche Bedeutung der Umgang mit Zeit hat, was der Faktor Zeit für die Organisation von Innovationen und für Unternehmen und deren Steuerungsprozesse bedeutet. An größeren geschlossenen Beiträgen zur Synchronisation von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bei der Gestaltung von Technologien mangelte es bisher in der deutschsprachigen Literatur. Das vorliegende Buch schließt eine Erkenntnislücke und ist daher ein wichtiger Beitrag zum besseren Verständnis des Zusammenhanges von Zeit und Innovation. Damit aber nicht genug, denn die sehr grundlegenden Erkenntnisse sind auch für Fragen der Zukunftsanalytik,
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für Planungsprozesse in Unternehmen sowie Wissenschafts- und Forschungspolitik relevant. Man kann dem Buch daher nur viele Leser wünschen. Eckard Minx, Prof. Dr. rer pol., Dipl. Volkswirt und Dipl. Kaufmann. ist seit 1992 Leiter des Think Tank »Gesellschaft und Technik« der Daimler AG, Berlin und Palo Alto, CA. Seit 2007 ist er Vorstandsmitglied der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung, Ladenburg.
Vor wor t
Zeit und Rhythmen haben mich von jeher fasziniert. Durch meine Arbeit in der Zukunftsgestaltung und das Moderieren von Szenarioprozessen wurde ich ständig damit konfrontiert, dass Wissenschaftler, Forscher, Entwickler und Politiker völlig unterschiedliche Vorstellungen von Zeit und Zeithorizonten haben, ohne dieses Rätsel aber genauer fassen und durchdringen zu können. Durch den intellektuellen Austausch und die Inspiration durch Eckard Minx und die Arbeit mit Kollegen und Freunden in der Society und Technology Research Group in Berlin hatte ich endgültig den Entschluss gefasst, mich mit dem Thema Zeit in Verbindung mit Innovationsprozessen näher mit einer Promotion auseinandersetzen. Nach einer längeren Sondierungsphase und wichtigen Anregungen durch Saskia Sassen, Barbara Adam, Ida Sabelis und Ernst Pöppel bin ich dann schließlich auf ein Diskussionspapier meines Doktorvaters Werner Rammert gestoßen. Aufgrund der Inspiration und der kontinuierlichen, fachlichen und menschlichen Unterstützung – vor allem der Schulung im soziologischen Denken – durch Werner Rammert und die Arbeit in der Innoversity Research Group Berlin konnte ich an diesem Thema über mehrere Jahre hinweg arbeiten. Dies fand seine Krönung in der durch die Volkswagen Stiftung geförderten Innoversity Konferenz. Auch in Hans-Georg Gemünden habe ich einen zweiten Doktorvater gefunden, mit dem mich ein gemeinsames Faible für Zeit und Technologiemanagement tief verbindet. Aufgrund des Verständnisses und der Arbeitsvertragsgestaltung durch Norbert Walter und Stefan Schneider konnte ich schließlich, trotz meines Wechsels zur Deutschen Bank Research, diese Arbeit zu Ende bringen. Dank gebührt vor allem meinem Freund und Mitstreiter Alexander Peine, der mich in der ganzen Zeit begleitet hat und ohne dessen Unterstützung dieses Projekt wohl kaum so geglückt wäre. Ferner möchte ich Stefanie Wagner, Daniela Zajoncz und Irene Feige sowie meinem Freund Marco Neuhaus danken. Dank gilt auch meinem Freund Jan Hofmann und auch meinem Bruder Jochen Rollwagen, Herrn Oliver Riedel, Herrn Reuse und Herrn Jäger, ohne die ich wahrscheinlich die Phänomene Präsenz und die technologischen Grundlagen der Technologien zur Erzeugung virtueller Realitäten nie durchdrungen hätte. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, ohne deren Liebe und ständige Unterstützung ich niemals das Abenteuer einer Bildungskarriere und einer Promotion eingegangen wäre.
1. Die Bedeutung des Faktors Zeit für die Entstehung von Innovationen
Beschäftigen sich Forscher, Manager und Politiker mit der Frage, wie Innovationen entstehen, richten sie ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf den Einfluss von Zeit. Innovationen gelten als Schlüssel für wirtschaftliche Dynamik und für Erfolg im globalen Wettbewerb. Deswegen sollen auch die Zeitspannen für die Entstehung von Innovation verkürzt, das Innovationstempo beschleunigt werden. Geht es um Innovationen, agieren Manager, Forscher und Politiker im zeitlichen Wettbewerb: »Alles – gleichzeitig und sofort!« (vgl. Geissler 2004). Dieses Leitmotiv scheint für keinen Bereich so zu gelten, wie für die Entwicklung neuer Technologien, Produkte und Dienstleistungen. Beobachtet man Technologiemärkte, überholt eine Technologiegeneration die Nächste. Technologie- und Produktlebenszyklen werden seit Jahren kürzer (Brockhoff/Urban 1988; Kubik 1994).1 Zügig fragen Kunden neue, leistungsfähigere Produkte und Anwendungen nach. Investoren erwarten schnell Ergebnisse und Umsetzungserfolge. Kurzum, die Bedeutung des Faktors Zeit steigt (Gemünden 1993). Der Innovationswettbewerb zeichnet sich dadurch aus, dass nicht nur der Größere den Kleineren in die Knie zwingt, sondern vielmehr der Schnellere den Langsamen. Um zu den Schnelleren zu gehören und Innovationen rechtzeitig hervorzubringen, müssen Unternehmen adäquat mit Zeit umgehen. Nicht allein der gestiegene Zeitdruck, nein auch die Tatsache, dass mehrere unterschiedliche Akteure zusammenarbeiten, um Innovationen entstehen zu 1 | Untersuchungen belegen die Verkürzung der Produktlebenszyklen zumindest für den Zeitraum von 1974 bis 1989. In diesem Zeitraum haben sich Produktlebenszyklendauern um rund 40 Prozent verkürzt (Krüger 1998: 16). Für die letzten Jahre liegen zwar keine umfassenden Untersuchungen vor, die das genaue Ausmaß der Beschleunigung belegen. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass sich die Tendenz zur Beschleunigung nach 1989 noch verstärkt hat: So belegen beispielsweise nicht veröffentlichte Studien aus der Automobilindustrie, dass sich die Dauer von Produktentwicklungszyklen für neue Fahrzeugtypen von 60 Monaten Anfang der 1990er Jahre auf bis zu 18 Monaten am Beginn des neuen Jahrtausends verkürzt haben.
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lassen, macht das angemessene »Timing«2 von Innovationsaktivitäten wichtiger. Wollen Unternehmen Wünsche ihrer Kunden erfüllen, sind System-Innovationen und komplexe, systemische Anwendungstechnologien entscheidend (Wettengl 1999: 18). Diese komplexen, technologischen Innovationen werden erst durch systematisches, kooperatives Agieren mehrerer Partner in Innovationsnetzwerken möglich (vgl. Koschatzky 2001; OECD 2001; Rammert 1997; Wettengl 1999). Diese Netzwerke erstrecken sich bei Systeminnovationen in aller Regel über die Grenzen einzelner Unternehmen und schließen häufig Lieferanten komplementärer Technologien ebenso ein, wie Referenzanwender, Forschungsinstitute und Entwicklungsdienstleister (vgl. Wettengl 1999) und Forschungspolitiker. Unternehmen, die komplexe Innovationen unter Zeitdruck hervorbringen wollen, sind darauf angewiesen, die zur Entstehung von Innovationen notwendigen Beiträge rechtzeitig von anderen Akteuren – Forschern, Wissenschaftlern oder anderen Unternehmen – zu erhalten. Keine Innovation kann erfolgreich entstehen, wenn staccato-artig verschiedene Impulse zu schnell aufeinander folgen, oder durch Abwarteblockaden (vgl. Wettengl 1999) Verzögerungen bei unverzichtbaren Systemkomponenten auftreten. Deswegen müssen Akteure intelligent mit Zeit umgehen, sich mit Anderen zeitlich koordinieren: Schnelles Agieren bedeutet nicht unbedingt effizient zu handeln. Vielmehr ist es in Innovationsnetzwerken auch gefragt, Pausen zu machen und darauf zu warten, bis Innovationspartner, Kunden oder Auftraggeber bereit sind, sich mit der nächsten Technologiegeneration auseinander zu setzen.3 Um mit diesem Zeitdruck und den Kooperationsanforderungen umzugehen, strukturieren Unternehmen ihre Innovationsaktivitäten stärker zeitlich. Im Innovationsmanagement von Technologieunternehmen spielen Verfahren des Zeitmanagements, der Zeitplanung und des Zeitcontrollings dabei in Strategie und Umsetzung eine herausragende Rolle (vgl. Becker 2002; Billerbeck 2003; Burgstahler 1997; Krüger 1998; Eversheim 2003). Unternehmen antizipieren heute auf Basis von Roadmapping-Verfahren rountinemässig Entwicklungen von Technologien, sie formulieren detaillierte strategische Zeitpläne für Innovationsaktivitäten und setzen diese operativ um. Auch öffentliche Innovationspartner, wie zum Beispiel wissenschaftliche Institute, Forschungs- und Innovationspolitiker und ihre Verwaltungen, setzen zunehmend Roadmaps oder andere Formen des zeitlichen Innovationsmanagements ein. Denn auch Akteure aus Forschung, Wissenschaft, Politik und Verwaltung brauchen rechtzeitig und kontinuierlich Impulse, damit Innovationen entstehen können. Auch Wissenschaftler und Forschungspolitiker müssen adäquater mit Zeit umgehen, ihre Zeitpläne in Abstimmung mit Anderen anpas2 | In der deutschen Sprache existiert kein Ausdruck für den Umgang mit Zeit. Elias hat vorgeschlagen, ein Verb »zeiten«, analog zum englischen Begriff »timing« zu verwenden (Elias 1984: 8). 3 | Nowotny unterstreicht, dass »Technologien […] ihre Eigenzeit haben und es heute nicht mehr allein um Beschleunigung geht, sondern auch Verlangsamung angezeigt sein kann« (Nowotny 1993: 64).
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sen, um zur schnelleren oder kontinuierlicheren Entstehung von Innovationen beizutragen und sich so im weltweiten Geschwindigkeitswettbewerb in der Wissensproduktion behaupten zu können. Damit neue Technologien kontinuierlich und schnell – ohne größere Verzögerungen – entstehen können, müssen sich die verschiedenen Akteure scheinbar stärker zeitlich koordinieren: Doch wie sich in Gesprächen mit verschiedenen Experten, Technologie- und Innovationsmanagern in Unternehmen vernehmen lässt, gestaltet sich diese zeitliche Koordination oft schwierig. Oft – so Unternehmenspraktiker – gestalte sich die zeitliche Koordination mit Wissenschaftlern, die neues Wissen oder Prototypen liefern, schwierig, da Wissenschaftler meist langfristig orientiert sind und sich Zeitpläne in Abhängigkeit vom Forschungsfortschritt schnell ändern können. Von Wissenschaftlern wiederum lässt sich vernehmen, dass sich Partner in Unternehmen meist zu sehr an Zeitplänen orientierten sowie, dass die Forschungspolitik meist zu kurzfristig orientiert sei und nur opportunistisch fördere, was der Logik der Wissenschaft entgegenstünde und die weitere Wissensproduktion teils behindere. Von Seiten der Forschungspolitiker hingegen vernimmt man Klagen, dass die Komplexität, die durch unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten entsteht, vor allem aber die sehr schnelle Gangart der Unternehmen, viele forschungspolitische Entwürfe schon in ihrer Entstehung zur Makulatur mache. Die verschiedenen Akteure in Forschungspolitik, im Innovationsmanagement von Unternehmen oder in der strategischen Planung eines wissenschaftlichen Instituts scheinen bei der Strukturierung ihrer Aktivitäten also unterschiedlich mit Zeit umzugehen. Innovationsaktivitäten werden – teils in Reaktion auf Zeitdruck, teils aus strategischen Gründen – intensiv, mit einer akteursspezifischen zeitlichen Logik strukturiert. So entsteht ein weites Spektrum unterschiedlicher Zeitlogiken. Dieses Spektrum der Zeitlogiken reicht von kurzfristigem, marktorientiertem Denken und Handeln in Unternehmen, über mittelfristige Zeithorizonte in der Innovationspolitik, bis hin zu langfristigen zeitlichen Orientierungen in der Forschung. Da sich diese vielfältigen Zeitlogiken überlagern und die Aktivitäten der Akteure beeinflussen, müssen die verschiedenen Akteure aufmerksamer mit Zeit umgehen. Der adäquate Umgang mit Zeit scheint also zur Gretchenfrage für die Entstehung von Innovationen zu werden. Die Frage, mit welcher Logik welche Akteure ihre Innovationsaktivitäten strukturieren und wie man als Akteur folglich mit Zeit in der eigenen Planung umgehen sollte, um Innovationen möglichst friktionsfrei durch die zeitliche Koordination verschiedener Aktivitäten heterogener Akteure entstehen zu lassen, muss beantwortet werden.
1.1 Bestehende Defizite und Forschungsbedar f Zwar haben sich verschiedene sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten aus der Innovationsforschung mit der Rolle von Zeit in Innovationsprozessen auseinandergesetzt, es fehlt aber an differenzierten theoretischen Konzep-
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ten, um den unterschiedlichen Umgang von sozialen Akteuren mit Zeit und die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Umgangsweisen auf den Innovationsprozess zu erfassen. Zwar gibt es im Bereich der ökonomischen Innovationsforschung eher historisch orientierte Analysen, die deutlich machen, dass es Zyklen, Epochen und Wellen in der Entstehung von neuen Technologien gibt (vgl. Freeman/Louca 2001). Zwar gibt es in der Innovationsökonomie auch Analysen, die feststellen, dass Trägheit ein wichtiger Faktor hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Innovationssystemen, Nationalstaaten und Branchen ist (vgl. Edquist 2003; Lundvall/Borras 2005; Narula 2002). Zwar haben sich in der Innovationsökonomie auch verschiedene betriebswirtschaftliche und mikroökonomische Arbeiten unter dem Oberbegriff »Zeitwettbewerb« mit den zeitlichen Anforderungen in Produktentwicklungsprozessen auseinandergesetzt (Billerbeck 2003; Fischer 2000 et al.; Gemünden 1993; Gemünden et al. 2003). Sie heben hervor, dass das richtige Timing – vor allem die Beschleunigung von Innovationsaktivitäten – einer der kritischen Faktoren im Innovationsmanagement von Unternehmen ist (vgl. Becker 2002; Billerbeck 2003; Billing 2003; Bitzer 1992; Krüger 1998; Perilieux 1987; Voigt 1998). Doch trotz dieser Auseinandersetzungen mit Zeit in der ökonomischen Innovationsforschung, wurden die verschiedenen Formen des Umgangs mit Zeit sowie vor allem die Auswirkungen von Zeit auf die Entstehung von neuen Technologien bisher nicht eingehend betrachtet. Ein ähnlicher Befund ergibt sich auch für die sozialwissenschaftliche, techniksoziologische Innovationsforschung. Auch diese Arbeiten haben erst begonnen, klarer zu hinterfragen, welche Bedeutung Zeit und die darauf auf bauende Synchronisation von Aktivitäten für die Entstehung von Innovationen und die Strukturierung von Pfaden hat (vgl. Bender 1996; Rammert 1997; ebd. 2000; ebd. 2002; Windeler 2003). Vor allem Rammert hat darauf hingewiesen, dass durch die Veränderung von Tempi, mit denen wissenschaftliche und ökonomische Innovationen hervorgebracht werden, Synchronisationsherausforderungen entstehen (vgl. Rammert 1997; ebd. 2000; ebd. 2002). Dabei wurde allerdings bisher nicht näher verdeutlicht, wie Akteure mit Zeit umgehen sollten, um Synchronisationen zu befördern. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die ökonomische und sozialwissenschaftliche Innovationsforschung zum Verhältnis von Zeit und Innovation zwar viel geleistet hat. Zwei Fragen bleiben jedoch unbeantwortet: Zum einen, bleibt ungeklärt, wie unterschiedliche Akteure mit Zeit umgehen. Betrachtet man wissenschaftliche Beiträge zum Zusammenhang von Zeit und Innovationen, wird deutlich, dass bisher wenig theoretisch gesicherte, trennscharfe und einheitlich verwendete Begriffe für die so genannte »soziale Zeit« etabliert wurden. Aufgrund uneinheitlicher Begriffe und unzureichender Hypothesen wird bisher nicht genug erfasst, welche Funktionen Zeit in sozialen Zusammenhängen bei der Entstehung von Innovationen hat. Auch die zweite, eigentlich noch wichtigere Frage, wie sich unterschiedliche Umgangsformen mit Zeit heterogener Akteure auf Innovationen auswirken, wird bisher nicht geklärt. Obwohl auf das Phänomen der »Eigenzeiten«
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(vgl. Nowotny 1993), wie auch auf den Einfluss unterschiedlicher Rhythmen in Innovationsprozessen (vgl. Rammert 2000) hingewiesen wurde, wurde bisher weder konzeptionell noch empirisch eingehend betrachtet, welche Bedeutung unterschiedliche Zeitlogiken wissenschaftlicher, politischer oder wirtschaftlicher Akteure für die Entstehung von Innovationen haben. Es fehlen kategorienbasierte Beschreibungen, Typologien und Hypothesen, um zu erfassen wie sich unterschiedliche zeitliche Strukturierungen verschiedener Akteure auf die Entstehung von Innovationen auswirken. Es fehlen kategoriengeleitete Charakterisierungen der Umgangsformen heterogener Akteure mit Zeit, um auf dieser Basis zu klären, wie sich unterschiedliche Akteure besser zeitkritisch koordinieren können, um Innovationen zu unterstützen.
1.2 Ziele und Forschungsfragen Auf Grundlage dieser Fehlstellen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Zeit und Innovation und aufgrund der praktischen Relevanz des Themas, leistet diese Arbeit einen konzeptionellen Beitrag zur zeitlichen Koordinationsproblematik in verteilten Innovationsprozessen. Auf Basis der Aufarbeitung und selektiven Zusammenfassung von Konzepten aus der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zu Zeit und Innovation und soziatheoretischen Studien zu Zeit werden Hypothesen darüber formuliert, wie der Umgang mit Zeit und die Entstehung von Innovationen miteinander zusammenhängen. Um diese Hypothesen empirisch zu fundieren, greift diese Arbeit auf eine explorative, qualitative, empirische Rekonstruktion der Entwicklung von VR-Technologien in Deutschland in den Jahren von 1995 bis 2005 zurück. In dieser qualitativen Rekonstruktion werden Formen und Auswirkungen des Umgangs heterogener Akteure mit Zeit mit Dokumentenanalysen und kategorienbasierten, offenen leitfadengestützten Expertengesprächen ermittelt. Da die Frage, welche Bedeutung unterschiedliche Zeitlogiken, d.h. Formen des Umgangsformen mit Zeit, unterschiedlich orientierter Akteure für die Entstehung von Innovationen haben, weitgehend unbeantwortet ist, stehen in dieser empirischen Rekonstruktion zwei Fragekomplexe im Vordergrund: Der erste Fragekomplex bezieht sich darauf, wie heterogene Akteure in Innovationsprozessen Zeit nutzen, um ihre Handlungen zur Weiterentwicklung von Technologien zu strukturieren. Es wird gefragt: Wie gehen Akteure mit Zeit um? Welche unterschiedlichen Formen des Umgangs mit sozialer Zeit bestehen bei den Akteuren in den jeweiligen Arenen? Daneben werden in einem zweiten Fragenkomplex die Auswirkungen des unterschiedlichen Umgangs von Akteuren mit sozialer Zeit betrachtet: Dabei wird die Frage gestellt, ob und wie sich unterschiedliche zeitliche Strukturierungen heterogener Akteure auf die Entstehung und den Verlauf von Innovationsprozessen auswirken. Aufgrund der explorativen, qualitativen Ausrichtung der zugrunde liegenden Rekonstruktion sind die Ergebnisse dieser Arbeit als Hypothesen über den unterschiedlichen Umgangs heterogener Akteure mit
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Zeit und dessen Auswirkungen auf Innovationen zu verstehen. Die Ergebnisse dieser Arbeit dienen als konzeptioneller, empirisch fundierter Diskussionsbeitrag für die Innovationsforschung. Damit können zeitlich gestaltende Aktivitäten heterogener Akteure und deren Folgen für die Entstehung neuer Technologien abgebildet werden. In erster Linie zielt die Arbeit auf eine Weiterführung der Forschungen zur sozialen Gestaltung von Technologien ab. Diese Arbeit hat auch praktische Relevanz für Wissenschaft, Politik und Unternehmen. Die Darstellung und Analyse der Umgangsformen verschiedener Akteure mit Zeit ermöglicht Hypothesen und Hinweise, wie Unternehmen, Wissenschaftler und Forschungspolitiker mit Zeit angemessen umgehen können, um Innovationen besser entstehen zu lassen.
1.3 Überblick über die Kapitel des Buches Das zweite Kapitel stellt die Erkenntnisse der ökonomischen und sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung zum Zusammenhang von Zeit und Innovation systematisch gegenüber. Die in ihnen entwickelten Perspektiven und Begriffe für den Zusammenhang von Zeit und Innovationen werden beschrieben, kritisch gewürdigt und synoptisch dargestellt. Auf Basis dieser Synopse und der Identifikation der Fehlstellen wird im dritten Kapitel, im Rückgriff auf soziologische und sozialwissenschaftliche Beiträge zu ›sozialer Zeit‹, ein Konzept zur Betrachtung des Zusammenhangs von Zeit und Innovation dargestellt. Darin wird dargestellt, welche Theorien, Konzepte und Begriffe es für Zeit gibt. Das Kapitel bietet eine Kompilation wichtiger Begriffe, mit denen man die Formen und Auswirkungen des Umgangs sozialer Akteure mit Zeit in Innovationsprozessen beschreiben kann. Diese Kompilation und eine theoretisch fundierte Ableitung von Hypothesen werden verwendet, um zu zeigen, wie Zeit im Kontext von Innovationsprozessen zu verstehen ist, warum Akteure Zeit als Strukturierungshilfe verwenden und welche Funktionen Zeit für soziale Akteure hat. Die Begriffskompilation und die theoretische Aufarbeitung dienen auch dazu, Kategorien zur Untersuchung von Zeit und Innovation für eine wissenschaftlich-analytische Operationalisierung abzuleiten. Im vierten Kapitel werden die Ergebnisse der auf Basis der Operationalisierung erfolgten Rekonstruktion der Entwicklung von Technologien zur Visualisierung, Simulation und Immersion und Erzeugung von Präsenz über einen Zeitraum von zehn Jahren präsentiert. Es wird gezeigt, welche Akteure im Technologiefeld zur Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung virtueller Realitäten beigetragen haben. Es wird illustriert, wie sich Impulse einzelner Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschungspolitik auf die Entwicklungspfade von Technologien zur Erzeugung virtueller Realitäten auswirkten. Um dies zu leisten, werden Technologien zur Erzeugung virtueller Realitäten eingehend charakterisiert. Auf dieser Basis wird gezeigt, welche in Benutzung befindlichen technischen Systeme (»technical-systems-in-use«) sich parallel mit den Wissensbeständen, die für diese Technologien gebraucht wur-
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den, in zehn Jahren entwickelten. Anhand dieser Charakterisierung und einer kategoriengeleiteten, rekonstruktiven Fallbetrachtung ist es vor allem möglich zu zeigen, wie unterschiedliche Umgangsformen verschiedener Akteure mit Zeit zur Entstehung dieser Technologien beigetragen haben. Das Kapitel zeigt, dass trotz unterschiedlicher Zeitlogiken in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Innovationen schnell entstanden sind. Dazu schien es notwendig, dass sich die verschiedenen Akteure ausreichend im Umgang mit Zeit aneinander orientierten. Die Entstehung neuer Technologien wurde dadurch befördert, dass die gestaltenden Akteure in Betracht zogen, auf Basis welcher Kalender und welcher Zeithorizonte mit welchen Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen andere Akteure ihre Innovationsaktivitäten zeitlich strukturieren. Um die unterschiedlichen, arenenspezifischen Zeitlogiken in der Entstehung von Technologien zur Erzeugung virtueller Realitäten beschreiben zu können, werden die wichtigsten Begriffe und Kategorien von Zeitlogiken aufgegriffen. Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse – theoretisch generierte und empirisch explorierte Hypothesen zum Umgang und den Auswirkungen heterogener Akteure mit Zeit – zusammengefasst. Das Kapitel zeigt, dass die Entstehung von Innovationen teilweise von einem reflexiven Umgang mit Zeit und damit Synchronisationen abhängt. Wird dieser reflexive Umgang mit Zeit nachrangig betrachtet oder vernachlässigt, treten De-Synchronisationen auf, welche die Entstehung von Innovationen behindern, verzögern, teils sogar scheitern lassen können. Abschließend werden Forschungsbedarfe zum Zusammenhang von Zeit und Innovation aufgezeigt. Im sechsten Kapitel findet sich der Anhang mit einer Übersicht über die dieser Arbeit zugrunde liegenden Literatur sowie der Quellen.
2. Bisherige Forschungsansätze zu Zeit und Innovation
Um den Zusammenhang von Zeit und der Entstehung von neuen Technologien konzeptionell und empirisch-explorativ betrachten zu können, werden zuerst wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Ansätze, die sich mit Innovation und Zeit auseinandersetzen, systematisiert. Um angesichts der Breite und Dynamik der Innovationsforschung den Rahmen nicht zu sprengen, 1 wird eine Auswahl getroffen, die sich vor allem danach richtet sich, ob die jeweiligen Arbeiten Konzepte und Begriffe für die Beziehung von Zeit und Innovation geprägt haben. Die Leitfrage der der Systematisierung verschiedener Ansätze zum Verhältnis von Zeit und Innovation aus der Innovationsforschung lautet: Welche zentralen Begriffe und Konzepte kennzeichnen die jeweiligen Ansätze im Hinblick auf Zeit und Innovation? Darüber hinaus werden auch Fehlstellen zum Verhältnis von Zeit und Innovation identifiziert, um so eine erweiterte Konzeption des Verhältnisses von Zeit und Innovation liefern zu können. Sowohl ökonomische als auch sozialwissenschaftliche Arbeiten zur Innovationsforschung liefern Ansatzpunkte für die Erfassung der Bedeutung von Zeit für die Entstehung von Innovationen. In der ökonomischen Innovationsforschung werden hier exemplarisch makroökonomische, historisch-systematische Arbeiten, systemisch-institutionalistische Arbeiten und mikroökonomische Ansätze zum Verhältnis von Zeit und Innovation diskutiert. Vor allem die mikroökonomischen Ansätze bieten eine reichhaltige Auswahl von Begriffen und Konzepten wobei sich hier empirische, mikroökonomische Arbeiten, konzeptionell-managementorientierte Arbeiten und schließlich instrumentell-managementorientierte Arbeiten unterscheiden lassen. Um ein Ergebnis der theoretischen Aufarbeitung vorwegzunehmen: Es lassen sich zwei Hauptlinien unterscheiden: Eine Gruppe von Arbeiten, die mit 1 | Das Feld der Innovationsforschung ist noch in Bewegung, was die Vielzahl von Auffassungen des Begriffs »Innovation« zeigt (Bullinger 2002). Mit dem Schlagwort »Innovation« werden unterschiedliche Veränderungsprozesse beschrieben, die von Veränderungen in Komponenten von technischen Systemen bis hin zu Veränderungen der gesellschaftlichen Organisation reichen (vgl. Nowotny 2005).
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Hilfe von Zeit Innovationsprozesse beschreiben. Sie versuchen sozusagen die Gestalt, das Ergebnis der Interaktionen von heterogenen Akteuren, sprich die Entstehung und Diffusion bestimmter Technologien in Forschungs- und Anwendergemeinschaften im Verlauf mit Hilfe von Zeit abzubilden. Eine andere Gruppe von Arbeiten nimmt Zeit als Gestaltungsmittel von Akteuren in Innovationsprozessen wahr. Dazu gehören beispielsweise Arbeiten, die sich mit der strategischen und taktischen Zeitplanung und deren Auswirkungen beschäftigen. Stellvertretend hierfür seien Begriffe wie Zeitwettbewerb, Zeithorizonte, Zeitmanagement, Temporalisierung genannt. Die in den ökonomischen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen entwickelten Begriffe und Konzepte für den Zusammenhang von Zeit und Innovation rekurrieren jeweils auf spezifische Forschungsleitfragen, Erkenntnisinteressen, Untersuchungsgegenstände und Charakterisierungen von Innovationsprozessen. Da sich die wissenschaftlichen Perspektiven teils stark unterscheiden, werden die Ansätze der Innovationsforschung synoptisch gegenübergestellt. Aufgrund der konzeptionellen und empirisch-explorativen Ausrichtung dieser Arbeit beschränkt sich die Synopse auf die Begriffe, Konzepte und Perspektiven zu Zeit und Innovationsforschung. Auf die Ergebnisse der einzelnen Forschungsarbeiten wird nicht explizit eingegangen.
2.1 Zeit und die Entstehung von Innovationen in der ökonomischen Innovationsforschung Um einen Überblick zu bieten, werden innerhalb der Innovationsökonomie drei Hauptansätze in der Wahrnehmung des Zusammenhangs von Zeit und Innovation unterschieden: Die makroökonomisch, historisch-systematischen Arbeiten, die systemisch-institutionalistisch Arbeiten sowie die mikroökonomischen Arbeiten.
2.1.1 Wellen und Pfade in der makroökonomischen Innovationsfor schung Forschungsansätze mit makroökonomischer Perspektive untersuchen mit historischer Perspektive den Verlauf des langfristigen technischen und wirtschaftlichen Wandels (Freeman/Louca 2001; Verspagen 2005). Sie stellen vor allem darauf ab, mit einer längsschnittlichen, historisch-systematischen Abbildung und Analyse der zeitlichen Muster von verschiedenen Wandelprozessen die Wechselwirkungen zwischen technologischem und ökonomischem Wandel, die Ordnungen und Selektionskriterien, generalisierbaren Muster und die Funktionsweise institutioneller Arrangements genauer zu ergründen (Russell/ Williams 1999: 34). Im Anschluss an die Wirtschafts- und Technikgeschichte untersuchen sie, wie sich Veränderungen von Technologien und Wirtschaftsystemen aufeinander auswirken. Sie untersuchen die Interaktionen der Akteure
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in aggregierter Form im Hinblick auf die Durchsetzung bestimmter technischer Artefakte und Anwendungen. Das Erkenntnisinteresse der historisch orientierten Betrachtung von Innovationsprozessen besteht darin, Häufungen von Innovationen zu bestimmten Zeitpunkten und in bestimmten Zeiträumen, also Epochen und Zyklen in der Entwicklung von Technologien aufzuzeigen sowie die damit verbundene Entwicklung des wirtschaftlichen Wachstums nachzuvollziehen (Verspagen 2005). Um dies klären zu können, werden die Entwicklungslinien von Innovationsprozessen und des wirtschaftlichen Wachstums auf einem Zeitstrahl aus objektiven, zeitlichen Elementen abgetragen und chronologisch verortet.2 Es werden historische Periodisierungen zur Beschreibung von Prozessen der technologischen Entwicklung und des wirtschaftlichen Wachstums über die Zeit hinweg vorgenommen. So können kritische Zeitabschnitte und Zeitpunkte in der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung identifiziert werden, in denen besonders viele oder besonders wichtige Innovationen stattgefunden haben (»temporal clustering«, vgl. Verspagen 2005). Durch das zeitliche Clustern und die stattfindende Aggregation verschiedener Ereignisse zu Ereignisfolgen entstehen aus Beobachterperspektive zusammengehörende, technologische und wirtschaftliche Prozesse mit Entwicklungslinien (Helmstädter 1995).3 So kann gezeigt werden, dass Innovationen mit besonders großen Umwälzungspotenzialen für die Gesellschaft, aber auch für Wirtschaftssysteme in bestimmten Zeitabschnitten gehäuft auftreten. So genannte »Schrittmachertechnologien«, wie beispielsweise die Dampfmaschine oder Mikrochips, leiteten Wellen von Entwicklungen ein und wirken sich so über lange Zeit positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. In der makroökonomisch, historisch-systematischen Innovationsforschung werden also Wellen oder Zyklen in Innovationsprozessen mit Hilfe von Zeit beschrieben. Für eine genauere Einordnung der Untersuchung von Zeit und Innovation in der makroökonomischen Innovationsforschung wird beispielhaft der Ansatz von Freeman und Louca diskutiert (Freeman/Louca 2001). Sie sehen die Entstehung von Innovation als einen Prozess, in dem inkrementelle Innovationen 2 | Durch Rückgriff auf das abstrakte Referenzsystem objektiver Zeit steht Wissenschaftlern ein quantifizierbares, homogenes, objektunabhängiges und inhaltsneutrales Ordnungssystem zur Verfügung, welches die Basis für den zeitpunktunabhängigen Vergleich von Ereignissen bildet (vgl. Bitzer 1992: 15-21). Zeit kann so als Index (Zeitstrahl) eingesetzt werden, um die chronologischen Eigenschaften von Ereignisfolgen zu beschreiben. Durch diese Zuordnung von Ereignissen werden sowohl die Zeitpunkte einzelner Ereignisse, aber auch Zeitpunkte des Beginns von aggregierten Ereignisfolgen und Entwicklungen definiert (vgl. Hüpen 1995). 3 | Bartolini verdeutlicht, dass vor allem Wirtschaftshistoriker durch die Analysen von Zeitreihen bestimmte Perioden identifizieren. Sie analysieren mit Hilfe von Zeit Prozesse, um die Geschwindigkeit der Veränderung von bestimmten Aggregaten zu vergleichen und Perioden der Kontinuität und Diskontinuität zu unterscheiden (Bartolini 1993: 149-159).
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akkumuliert werden (Verspagen 2005). Sie unterstreichen, dass wirtschaftliches Wachstum und die Technologieentwicklung von synchronisierten Entwicklungen, d.h. von verschiedenen synchron wirkenden Dynamiken in bestimmten historischen Zeiträumen abhängen. Das Wirtschaftswachstum hängt neben neuen technologischen Innovationen vor allem auch von geeigneten und unterstützenden gesellschaftlichen Institutionen ab, die eine effiziente Anwendung dieser Technologien im Wirtschaften ermöglichen. Freeman und Louca nehmen in ihrem Ansatz Abstand von technikdeterministischen Vorstellungen. Sie gehen vielmehr von der Hypothese aus, dass die gesellschaftlichen Subsysteme – Wissenschaft, Technologie, Wirtschaft, Politik und Kultur – jeweils eine große Anzahl an spezifisch geprägten Fluktuationen und Irritationen für Prozesse, in Form von Wellen, produzieren, die sich mit unterschiedlichen Periodizitäten auf diese auswirken. Ihre zweite Hypothese ist, dass diese Dynamiken durch die Wirkung von Koordinationsmechanismen entstehen: Für sie sind insoweit gesellschaftliche Koordinationsprozesse zentrale kausale Faktoren für den Verlauf von Innovationsprozessen und von Prozessen des technologischen und wirtschaftlichen Wachstums (Freeman/Louca 2001: 123). Für den Zusammenhang von Zeit und Innovation ist wichtig, dass Freeman/Louca auf dieser Basis folgern, dass sich Phänomene der De-Synchronisation (»out-of-sync phenomena«) ergeben können: Falls die verschiedenen technologischen Entwicklungen nicht von institutionellen Entwicklungen begleitet werden, sich nicht gegenseitig synchron ergänzen, entstehen Zustände der DeSynchronisation. Diese wiederum wirken sich negativ auf das wirtschaftliche Wachstum und die weitere Verbreitung von Innovationen aus (Freeman/Louca 2001: 128ff.) Sie unterstellen, dass bei einem Mangel an Synchronität der Entwicklungslinien in den jeweiligen gesellschaftlichen Subsystemen entweder Innovationsprozesse gar nicht stattfinden oder die Durchsetzung bestimmter technischer Innovationen behindert wird (Freeman/Louca 2001: 123-124 & 127).
Zusammenfassung zur Per spek tive auf Zeit in makroökonomischen, historisch-systematischen Ansät zen Im Zentrum des Erkenntnisinteresses der historisch, makroökonomischen Ansätze steht die Erklärung des wirtschaftlichen Wachstums und dessen Veränderung aufgrund der spezifischen, langfristigen Verläufe der Technologieentwicklung über die Zeit hinweg. Der Fokus der Betrachtung wird dabei jedoch meist nur auf die Entwicklung der makroökonomischen Aggregate gelegt, die einzelnen Akteure, deren Interaktionen und deren Koordination werden nicht betrachtet. In makroökonomischen, historisch-systematischen Arbeiten geht es hauptsächlich um die Definition von kritischen Zeitpunkten, Zeitabschnitten und Zeiträumen auf Basis von temporalen Häufungen. So werden Zeitabschnitte identifiziert, in denen besonders viele und besonders wichtige Innovationen stattgefunden haben. Die Ereignisse werden verdichtet – es findet eine deskriptive, historisch angelegte Betrachtung der zeitlichen Muster und der Verläufe von Innovationsprozessen über die Zeit hinweg (»as time goes by«: Freeman/
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Louca 2001) in Epochen, Phasen, Wellen, Zyklen statt. Aufgrund des Interesses für das wirtschaftliche Wachstum in Abhängigkeit von der Technologieentwicklung charakterisieren Freeman/Louca Innovationsprozesse als komplexe, historische Prozesse, die aus Kombinationen relativ autonomer Entwicklungen in vier gesellschaftlichen Subsystemen (Wissenschaft, Kultur, Politik, Technologie) zustande kommen. Technologische Entwicklungen führen zu Wirtschaftswachstum, wenn diese möglichst synchron mit politisch-gesellschaftlichen Wandelprozessen sind. In makroökonomisch, historisch-systematischen Arbeiten wird Zeit als eine Modellgröße eingeführt, um den Verlauf von Innovationsprozessen zu beschreiben und die Entwicklungsverläufe einer kausalanalytischen und historischsystematischen Analyse zugänglich zu machen. Zeit dient dabei als objektives Symbol in Modellen zur chronologischen Verortung von Ereignissen und Ereignisfolgen auf Basis von Indexierungen und Datierungen (Zeitstrahlen). Durch diese Abbildung kann auf zeitliche Häufungen und andere kausale Zusammenhänge in Innovationsprozessen in einer systematischen Form geschlossen werden. Zeit hat keine eigenständige Bedeutung in der Interaktion der Akteure, sondern dient als Mittel zur systematischen Abbildung der chronometrischen Eigenschaften von Ereignisfolgen in Prozessen, zur historischen Periodisierung und der Identifikation von Epochen und langen Wellen, in denen neue technische Entwicklungen gemacht wurden.
Weiße Flecken in historisch-makroökonomischen Arbeiten Wie gerade verdeutlicht, wird Zeit in makroökonomisch, historisch-systematischen Arbeiten meist verwendet, um Aggregate in der Entwicklung von Technologien zu betrachten. Zeit wird – trotz des immanenten historischen Bezugs dieser Ansätze und ihres Bezugs auf aggregierte Interaktionen – nicht in ihrer Bedeutung als wichtige Orientierungsgröße für Akteure in der Konzeption von Innovationsprozessen erfasst. Wenn die situativen Interaktionen der Akteure sowie die Bedeutung der institutionellen Grundlagen für die Koordination der Handelnden nicht berücksichtigt werden, droht die Gefahr, dass durch die Orientierung auf langfristige Entwicklungen und den Auf bau von Ursache/-Wirkungsschemata auf Basis sequenzieller Beschreibungen von Innovationsprozessen über mehrere Jahrzehnte hinweg, wechselseitige, situative Beeinflussungen der Akteure nicht sichtbar werden. Dadurch droht gerade im Kontext der historisch makroökonomischen Innovationsforschung die Gefahr von Fehlschlüssen, da historisch-makroökonomische Ansätze Zeit systematisch als Mittel zur wissenschaftlichen Analyse verwenden, um kausale Schlüsse zu ziehen und Phänomene zu erklären. 4
4 | Zu methodologischen Fragen bei der Betrachtung von zeitlichen Verlaufsmustern und temporalen Kausalitätsschlüssen vgl. Bartolini 1993; Baur 2005 und Kelly/ McGrath 1988.
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2.1.2 Geschwindigkeiten, Trägheiten und Zeit fenster in der systemisch-institutionalistischen Innovationsfor schung Arbeiten aus der ökonomisch, systemisch-institutionalistischen Innovationsforschung untersuchen, wie und mit welcher Geschwindigkeit meist ökonomische Akteure in bestimmten nationalen, regionalen oder sektoralen Zusammenhängen unter dem Einfluss bestimmter Institutionen miteinander interagieren, voneinander lernen und so Innovationen hervorbringen. Systemisch-institutionalistische Arbeiten verbinden die evolutionsorientierte Betrachtung der Lernprozesse von Akteuren in ihren Interaktionen mit der Untersuchung der Leistungsfähigkeit ökonomischer Systeme (Antonelli 1999; Edquist 1997; Edquist 2005; Lundvall et al. 2002, Lundvall/Borras 2005; Malerba 2002; Nelson/ Nelson 2002). Sie analysieren den Wandel von Institutionen in Innovationsprozessen vor dem Hintergrund bestimmter sozial und politisch geprägter Innovationssysteme. Dabei untersuchen solche Arbeiten im Besonderen, welchen Schwung spezifische Dynamiken in Innovationssystemen aufgrund der institutionellen Verfasstheit von Innovationssystemen aufweisen. Darüber hinaus untersuchen sie, wie und vor allem wann politische Akteure durch abgestimmte innovationspolitische Maßnahmen auf die Geschwindigkeit von Dynamiken einwirken können. Methodisch gesehen, betrachten systemisch-institutionalistische Arbeiten sich herausbildende Aggregateigenschaften, Dynamiken und Lernprozesse in Innovationssystemen (Edquist 1997). Im Unterschied zu makroökonomisch, historisch-systematischen Arbeiten sind sie eher darauf ausgelegt, existierende Innovationssysteme zu bestimmten Zeitpunkten und über die Zeit hinweg im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit Innovationen hervorzubringen, zu vergleichen (Furmann/Porter/Stern 2002: 900). Um Entwicklungsmuster und die Leistungsfähigkeit von Innovationssystemen beurteilen zu können, wird das Verhalten einzelner innovativer Akteure heuristisch-konzeptionell mit der Betrachtung der komplexen Beziehungen zwischen Akteuren in systemischen Zusammenhängen verbunden: Daraus wird dann auf die Eigenschaften von Innovationsprozessen und die Verfasstheit von Innovationssystemen geschlossen. Bei dieser Analyse hilft den Vertretern des systemischen Ansatzes ihre grundsätzliche Charakterisierung von Innovationsprozessen: Innovationsprozesse kommen nach deren Auffassung durch die Zusammenarbeit und das Lernen unterschiedlicher Akteure unter bestimmten institutionellen Bedingungen in Innovationssystemen zustande. Innovationsprozesse sind in Innovationssysteme eingebettet und dadurch bis zu einem gewissen Grad pfadabhängig: Sie werden durch die Interaktionen heterogener Akteure geprägt, deren Verhalten von den bestehenden Infrastrukturen, Produktionsstrukturen und vor allem Institutionen, d.h. den Regeln, Gesetzen und Konventionen abhängt.
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Trägheit Explizit wurde Zeit in ihrer Bedeutung für Akteure in Innovationssystemen in systemisch-institutionalistischen Arbeiten bisher vor allem im Hinblick auf die Geschwindigkeit und Trägheit institutioneller Regime (Narula 2002) sowie in Bezug auf das Timing von politischen Maßnahmen zur Unterstützung von Innovationen aufgegriffen. So vertritt Narula die Auffassung, dass sich das Beharrungsvermögen von Institutionen in Innovationssystemen auf den Verlauf und die Geschwindigkeit von Innovationsprozessen auswirkt. Da die Anpassung von Institutionen meist ein lang andauernder, oft langsamer Prozess ist, sind sowohl einzelne Akteure als auch Innovationssysteme eher lethargisch: Sie weichen erst mit zeitlicher Verzögerung von ihren gewohnten Regeln und Verhaltensweisen ab. Wenn sich einmal Institutionen stabilisiert haben, verändern sich diese nur langsam. Für die Betrachtung von Zeit bedeutet dies, dass Technologieunternehmen schwerer überleben können und sogar das Innovationspotenzial eines Innovationssystems durch langsamere Veränderungsprozesse sinken kann, wenn das Beharrungsvermögen von Institutionen zu groß ist. Beispielsweise wenn Gesetze nicht schnell genug geändert werden können (Narula 2002: 799).
Zeit fallen Da Institutionen beschleunigende als auch verzögernde Wirkungen unterstellt werden, geht es vielen systemisch-institutionalistischen Arbeiten um die Identifikation von innovations- bzw. technologiepolitischen Maßnahmen, mit denen die Rahmenbedingungen in Innovationssystemen so gestaltet werden können, dass Innovationen schneller entstehen bzw. mehr innovative Unternehmen tätig sein können (vgl. Branscomb/Keller 1999; Branscomb/Auerswald 2001).5 Dabei ist vor allem der Begriff der Zeitfalle relevant. Der Begriff Zeitfalle (»valley of death«) (vgl. Leifer 2000) bezeichnet die bestehende Lücke zwischen Invention (Erfindung) und der Vermarktung der Innovation in Innovationsprozessen. Vor allem für hochtechnologieorientierte Unternehmen und Neugründungen, die Investitionskapital benötigen, stellt diese Zeitfalle eine große Herausforderung dar. Deswegen diskutieren viele systemisch-institutionalistische Arbeiten Fragen der aktiven Förderung innovationsorientierter Akteure, wie zum Beispiel die politisch motivierte Finanzierung von Risikokapitalunternehmen. Sie argumentieren, dass es zumindest in Teilen Aufgabe des Staates ist, Zeitfallen, d.h. Lücken der Finanzierung und zeitliche Verzögerungen im Diffusionsprozess von Innovationen, durch finanzielle Anreize zu glätten. Denn so können mehr innovative Unternehmen überleben, die andernfalls Lücken in der Finanzierung zum Opfer gefallen wären. Durch mehr innovative Unternehmen entstehen wiederum potenziell mehr Innovationen. Diesen Arbeiten geht 5 | Die Verbindung von politikwissenschaftlicher und innovationspolitischer Forschung zu Zeit und Innovation ist schwach ausgeprägt, weswegen die politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Zeit im dritten Kapitel zusammen mit anderen sozialwissenschaftlichen Ansätzen diskutiert wird.
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es im Endeffekt darum, günstigere Bedingungen für Innovationsaktivitäten zu schaffen, Zeit ist dabei nur implizit im Sinne des Timings politischer Unterstützungsmaßnahmen von Bedeutung.
Gelegenheit sfenster Bei den Fragen des politischen Timings geht es in der neueren institutionalistisch ausgerichteten Innovationsforschung, vor allem darum, herauszufinden, wann die politischen Akteure bestimmte Maßnahmen durchführen sollten, wie lange diese dauern sollten und in welcher Reihenfolge diese getaktet werden sollten, um die beste Wirkung zu erreichen. Deswegen hat in einigen neueren wissenschaftlichen Arbeiten über Innovationspolitik vor allem der Begriff »Zeitfenster« Konjunktur (»Window of opportunity«: Lundvall/Borras 2005: 618, 625-626). Bei diesem Begriffskonzept geht es um die Identifikation von Gelegenheiten und Gelegenheitsstrukturen für politische Akteure, welche nur für eine begrenzte Zeitspanne vorhanden sind. So fordern Lundvall/Borras in einem neueren Beitrag, dass die Betrachtung der Gelegenheitsstrukturen und der Zeitfenster zu einem Kriterium innerhalb des Designs und der Bewertung von Innovationspolitiken werden sollte, um innovationspolitische Maßnahmen erfolgreicher zu gestalten (Lundvall/Borrás 2005: 618, 625). Nach Lundvall/ Borras sollten Zeitfenster und zeitliche begrenzte Möglichkeitsräume zur Einflussnahme sowohl bei der Gestaltung wie auch bei der Bewertung von Innovationspolitiken beachtet werden. So fordern sie, dass gerade bei der Bewertung innovationspolitischer Maßnahmen und der Leistung der politischen Entscheidungsträger die richtige zeitliche Positionierung von Aktivitäten und von Bewertungen besonders beachtet werden sollte, da es in Innovationsprozessen oft Probleme mit der Zuschreibung von Resultaten und Erfolgen zu bestimmten Politiken gibt (Lundvall/Borrás 2005). Diese Forderung wurde allerdings bislang nicht weiter wissenschaftlich durch Untersuchungen untermauert.
Zusammenfassung zur Per spek tive auf Zeit in systemisch-institutionalistischen Arbeiten Die Perspektive auf Zeit in systemisch-institutionalistischen Ansätzen fußt darauf, dass Innovationsprozesse als kollektive und interaktive Prozesse aufgefasst werden, die durch das institutionell geprägte Zusammenwirken und das gegenseitige Lernen unterschiedlicher Akteure (Unternehmern, Wissenschaftlern und Regierungs- und Verwaltungsakteuren) zustande kommen. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses systemisch-institutionalistischer Ansätze stehen die Analyse der institutionellen Beschaffenheit, der Funktionsweise, der Entwicklung und die Bewertung von spezifischen Innovationssystemen. Dabei sind vor allem die Regeln und vorherrschenden Verhaltensweisen, die Lernprozesse der Akteure wie auch die Politiken in Innovationssystemen (Regionen, Branchen Sektoren, Clustern oder auch Nationalstaaten) und die sich daraus ergebenden technologischen, wirtschaftlichen und institutionellen Wandelprozesse von Interesse. Systemisch-institutionalistische Arbeiten betrachten hauptsächlich die Ge-
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schwindigkeit von Dynamiken und Trägheit des Wandels, wie auch die damit zusammenhängende zeitliche Strukturierung innovationspolitischer Maßnahmen in Innovationssystemen. Zeit dient dabei als Index zur Beschreibung des Schwungs, der Veränderungsfähigkeit und des Beharrungsvermögens aufgrund institutioneller Arrangements in Innovationssystemen. Das Verhältnis von Zeit und Innovation wird in neueren Arbeiten vor allem im Zusammenhang mit Zeitfenstern als wichtiges Kriterium zur Gestaltung von politischen Maßnahmen diskutiert (Lundvall/Borras 2005). Dabei wird die taktische und strategische Nutzung von Zeit im Rahmen der aktiven Gestaltung und Steuerung von Innovationsprozessen und -systemen durch innovationspolitische Maßnahmen analysiert (vgl. Branscomb/Auerwald 2002; Branscomb/Keller 1999; Lundvall/ Borras 2005). Darin wird Zeit als konzeptionelles Hilfsmittel herangezogen, um Möglichkeits- und Zeitfenster für die Einflussnahme politischer Akteure auf Innovationsprozesse zu identifizieren, ein besseres politisches Timing zu ermöglichen: Zeit dient als Element zur Abbildung von Entwicklungen, um zu signalisieren, an welchen Zeitpunkten politische Akteure Impulse setzen sollten, um auf den Verlauf des Innovationsprozesses stimulierend oder auch verlangsamend einzuwirken.
Weiße Flecken in systemisch-institutionalistischen Arbeiten Jedoch: Abgesehen von Analysen der Geschwindigkeit des Wandels sowie von Zeitfenstern, spielt Zeit an sich bisher keine herausragende Rolle in der systemisch-institutionalistischen Betrachtung von Innovationssystemen. Bisher wurde in systemisch-institutionalistischen Arbeiten nicht eingehend betrachtet, welche Auswirkungen Institutionen und die Impulse der Akteure haben. Diese Fehlstelle macht es schwierig, zu analysieren, wie Zeitfenster und günstige Gelegenheiten in Innovationssystemen zustande kommen. Auch wurde bisher nicht eingehend betrachtet, wie sich unterschiedlich zeitlich getaktete Impulse der Akteure auf den Verlauf von Innovationsprozessen und auf institutionelle Arrangements in Innovationssystemen auswirken.
2.1.3 Zeit und Innovation in der mikroökonomischen Innovationsfor schung Im Zentrum des Erkenntnisinteresses mikroökonomischer Innovationsforschungsarbeiten stehen die strategische Ausrichtung und das Verhalten einzelner Unternehmen in Innovationsprozessen. Die Autoren untersuchen, wie Akteure im Wettbewerb mit anderen Akteuren, unter Aufwand von wenig möglich Kapazitäten und Ressourcen Innovationen hervorbringen können. Auf Basis der Analyse von bestehenden Prozessen werden Erfolgsfaktoren für die Gestaltung von Innovationsprozessen identifiziert (Bessant/Pavitt/Tidd 2001: 45). Viele mikroökonomisch orientierte Arbeiten beschäftigen sich dabei ausführlich mit »Timing-Fragestellungen«, d.h. Fragen wie und vor allem wann Innovationen eingeführt werden sollen, um den höchsten Profit zu erreichen (Bessant/Pavitt/Tidd 2001: 7,18). Sie fassen Zeit als eine strategische Ressource
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und als Instrument auf, das Unternehmen in Innovationsprozessen systemisch und systematisch im strategischen Management verwenden können, um Koordinationsprobleme in und zwischen Organisationen zu lösen (Pavitt 2005: 91). Sie hinterfragen, wie Unternehmen mit Zeit bei der Planung und Durchführung ihrer innovativen Aktivitäten umgehen sollen und können. Zeit wird als strategischer Handlungsparameter und Erfolgsfaktor für die Gestaltung des unternehmerischen Handelns betrachtet (Voigt 1998: 474). In mikroökonomisch orientierten Arbeiten werden Innovationsprozesse als nichtlineare, dynamische, ergebnisoffene Prozesse aufgefasst, die auf Basis von zufällig zusammentreffenden Impulsen vieler, unterschiedlicher Akteuren entstehen. Ereignisse und Impulse haben durch ihr Zusammentreffen einen gemeinsamen kumulativen Effekt, so dass einige Akteure dazu gebracht werden, Chancen zu erkennen, die eine technische Weiterentwicklung bietet. Dies wiederum führt zu der Initiierung eines neuen oder auch zur Fortführung eines bereits bestehenden Innovationsprozesses (Van de Ven et al. 1999: 26). Diese Prozesse sind durch Diskontinuitäten geprägt, da Experimentier- und Lernprozesse der Akteure vor sich gehen. Die mikroökonomische, managementorientierte Innovationsforschung sieht also Innovationsprozesse als dynamische, diskontinuierliche und kumulative Lernprozesse, die durch Unternehmen und andere Organisationen geprägt werden. Bei einem Blick auf bisherige Auseinandersetzungen mit Zeit in mikroökonomischen Innovationsforschungsarbeiten zeigt sich, dass es spezifische Schwerpunkte zu Zeit und Innovation gibt. Um diese Schwerpunkte und Begriffe zu Zeit und Innovation einzuordnen, wird auf eine Systematisierung mikroökonomischer Ansätze von Gemünden zurückgegriffen (Gemünden 1993: 80) und diese aufgrund des Forschungsfortschritts erweitert. Ohne den Anspruch, das Forschungsfeld der mikroökonomischen Forschung vollständig und systematisch abzudecken, sondern um einen Überblick zu geben, werden hier anhand von exemplarischen Arbeiten drei Ansätze unterschieden. Darstellung 1: Überblick über Ansätze in der mikroökonomisch-, managementorientierten Innovationsforschung
Mikroökonomische Innovationsforschung
Empirische, mikroökonomische Arbeiten
Konzeptionellmanagementorientierte Arbeiten
Instrumentellmanagementorientierte Arbeiten
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2.1.3.1 Produk tlebensz yklen und Phasen in der mikroökonomischen, empirischen For schung Um Empfehlungen für das Technologiemanagement erarbeiten zu können, betrachten einige mikroökonomische Arbeiten empirisch Innovationsprozesse. Sie bilden den Verlauf von Innovationsprozessen ab und analysieren deren Charakteristiken. Dabei werden im Besonderen zeitliche Muster, Phasen und Zyklen in der Technologieentstehung identifiziert: Zeit spielt also eher implizit – im Hinblick auf die Abbildung von Prozessphasen und der Identifikation von Faktoren im Verhalten von Unternehmen, die zur Ausprägung dieser Muster führen – eine Rolle (Van de Ven et al. 1999). Auf Basis der Identifikation von Regelmäßigkeiten im Verlauf von Innovationsprozessen werden Modelle von Entwicklungsphasen in Innovationsprozessen erarbeitet. Diese ermöglichen es wiederum, Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten (Bessant/Pavitt/Tidd 2001: 45; Van de Ven et al. 1999:21). Zeit dient in diesen empirischen, Längsschnitt-Untersuchungen dazu, kritische Ereignisse und Phasen, wie Initiierung, Entwicklung und Umsetzung in Innovationsprozessen definieren zu können (Van de Ven et al. 1999: 25). Lineare und objektive Zeitsymbole werden also – ähnlich wie in den makroökonomisch-historischen Analysen – als Instrument eingesetzt, um die Entwicklung von Produkten und Märkten über die Zeit hinweg zu beschreiben. Dabei ist die Auswahl des Betrachtungszeitraums sowie die Auswahl von wichtigen Zeitpunkten und Ereignissen eine der wichtigsten Aufgaben in der Längsschnitt-Analyse von Innovationsprozessen (Van de Ven et al. 1999: 7). Für das Verhältnis von Zeit und Innovation sind diese Arbeiten wichtig, da sie Modelle von Lebenszyklen erarbeiten: Modelle, die die Zeitdauer der Technologieentstehung (Ancona et al. 2001: 657; Tushman 2002), der Verwertung der Technologien am Markt (Bronner 2001: 20-47; Agarwal/ Bayus 2002) in Form von Produkten sowie das Outphasing von Technologien umfassen (Horneber 1995). Im Zusammenhang mit Produktlebenszyklen wurde auf Grundlage empirischer Untersuchungen die landläufige Hypothese überprüft, dass die Beschleunigung von Entwicklungsprozessen und damit die Verkürzung der Innovationszeiten positive Wirkungen haben (vgl. Kessler/Bierly 2002). Dabei hat sich gezeigt, dass eine Verkürzung der Entwicklungszeiten nur unter bestimmten Umständen eine erfolgreichere Marktpositionierung von Produkten zur Folge hat: Eine höhere Geschwindigkeit in Innovationsprojekten ist vor allem dann angebracht, wenn es sich um Produktentwicklungen in relativ stabilen Umfeldern mit relativ gut vorhersehbaren Entwicklungen handelt (Kessler/Bierly 2002: 10). Auch andere empirisch orientierte Beiträge zeigen, dass es vorrangig um die rechtzeitige Hervorbringung von Innovationen sowie die langfristige Orientierung von Unternehmen (Tellis/Golder 1996: 67) geht und nicht nur um Beschleunigung von Innovationsprozessen. So deuten empirische Ergebnisse darauf hin, dass eine Orientierung auf Beschleunigung nur dann Erfolg versprechend ist, wenn sich auch der Gesamtzusammenhang von Innovationen und sozialen Entwicklungen, dementsprechend schnell entwickelt (Agarwal/
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Bayus 2002: 1037): Die Absatzfähigkeit neuer Produkte und damit ihr Erfolg in Märkten ist entscheidend von der rechtzeitigen Entwicklung von anderen, für die Entwicklung des eigentlichen Produktes notwendigen komplementären Technologien wie auch von der Entwicklung der Marktinfrastrukturen d.h. den Preismodellen, wie auch dem Kenntnisstand der Kunden abhängig (Agarwal/ Bayus 2002: 1028). Zusammenfassend bedeutet dies, dass Beschleunigung von Innovationsprozessen alleine weder für die Hervorbringung neuer Technologien noch für deren Erfolg am Markt entscheidend ist.
2.1.3.2 Zeitbasier ter Wet tbewerb und strategische, zeitliche Sequenzierung in der konzeptionellmanagementorientier ten For schung Konzeptionell-managementorientierte Arbeiten zielen darauf ab, Konzepte für den strategischen und taktischen Umgang mit Zeit – das »Timing« – von Unternehmen zu entwickeln, um Unternehmen zu helfen, schneller Gewinne zu erzielen oder Marktanteile zu sichern (Gemünden 1993: 88). Zeit wird dabei als eine grundlegende, knappe Ressource zur Gestaltung der Innovationsaktivitäten von Unternehmen betrachtet, deren Nutzung wesentlichen Einfluss auf die Überlebensfähigkeit einzelner Unternehmungen im Wettbewerb hat (Krüger 1998: 12). Nach Auffassung der meisten Autoren der konzeptionell ausgerichteten Arbeiten können Unternehmen Zeit als strategische und taktische Größe nutzen, um den Wettbewerb zu gestalten. Folgerichtig steht bei konzeptionellen Arbeiten die Frage im Vordergrund, wie Unternehmen Zeit strategisch und operativ wahrnehmen sollten, ob es Zeitvorsprünge in Märkten und optimale Markteintrittszeitpunkte gibt sowie durch welche zeitbasierten Strategien man diese am besten nutzen kann (Voigt 1998: 53).
Zeitbasier te Wet tbewerbsstrategien Eines der wichtigsten Konzepte in diesem Bereich ist das Konzept der »zeitbasierten Wettbewerbsstrategien« (Fischer 2000: 112ff.). Ausgangspunkt ist, dass die Entwicklungszeit in technologisch orientierten Branchen zu einem wichtigen, wenn nicht gar zu dem dominierenden Wettbewerbsfaktor geworden ist: Es herrscht Zeitwettbewerb (Billerbeck 2003; Fischer 2000; Nerger 2004; Stalk 1988; Stalk 1990; Voigt 1998: 161). Diejenigen Marktteilnehmer dominieren, die den Wettbewerb und die Märkte zeitbasiert, d.h. durch die erfolgreiche Verringerung der Zykluszeiten in ihren Prozessen, gestalten (Milling et al. 2000: 2). Die Beschleunigung von Entwicklungsaktivitäten stellt also vielmehr eine Chance und keine Gefahr im Wettbewerb dar; sich auftuende Marktbedarfe sollten möglichst schnell durch ein entsprechendes Marktangebot befriedigt werden (Bitzer 1992: 32; Kubik 1994: 106). Im Kern dieses Konzeptes liegt die Überzeugung, dass Unternehmen durch Zeitmanagement und vor allem durch die Beschleunigung ihrer Aktivitäten erfolgreicher sein können (Kubik 1994: 106-107). Sie können durch bessere Strukturierung der Aktivitäten ihre Durchlaufzeiten verkürzen, d.h. innerbetriebliche Aktivitäten beschleunigen, dadurch
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einen Vorsprung im Wettbewerb erreichen, um so ihren Marktanteil und ihren Gewinn zu erhöhen (Fischer 2000; Voigt 1998: 475).
Pionier- und Nachzügler strategien Eine wesentliche Frage im Hinblick auf zeitbasierte Wettbewerbsstrategien ist, wie früh oder spät Unternehmen neu zu entwickelnde Produkte in den Markt einführen sollen (Voigt 1998: 476). Viele Arbeiten untersuchen, ob sich Unternehmen in Innovationsprozessen als Pioniere oder eher als Nachzügler positionieren sollten (Billerbeck 2003: 30ff). Dabei zeigt sich, dass Pionierunternehmen (»first-mover«) Vorteile gegenüber den anderen Unternehmen haben, da sie sich hohe Marktanteile sichern und vor allem Markteintrittsbarrieren gestalten können. Besonders im Bereich von Systeminnovationen scheint der Erfolg von der Frühzeitigkeit und der Geschwindigkeit abzuhängen, mit denen Unternehmen die erforderlichen Technologien entwickeln und in Systeme integrieren. Denn für den Absatz einzelner Generationen neuer Systeme bestehen klar umrissene Zeitfenster, in denen sich Technologien vermarkten lassen (Wettengl 1999: 1-2, 83). Trotz dieser Feststellung, dass sozusagen »der frühe Vogel den Wurm fängt« und Geschwindigkeit zählt (Kessler/Chakrabarti 1999; Kessler/Chakrabarti 1996), ist in der weiteren wissenschaftlichen Forschung deutlich geworden, dass auch schnelle Nachzüglerstrategien Vorteile bieten: So kann es in sich entwickelnden Märkten für Unternehmen besser sein, nicht auf Beschleunigung zu setzen und nicht als Pionier in neuen Märkten aufzutreten: Wenn Unternehmen in neuen Märkten, in denen die Produkte noch zu neu sind und die Kunden infolgedessen noch zu wenig über die Produkte informiert sind, auf die Verfolgung von zeitbasierten Wettbewerbsstrategien setzen, kann dies zur Folge haben, dass Unternehmen auf viele Probleme stoßen, die hohen finanziellen Aufwand nach sich ziehen. Deshalb ist es beim Eintritt in neue Märkte besser, bedacht vorzugehen und teils Pausen zu machen. Man sollte erst andere Unternehmen beobachten, die als Pioniere in Märkten Fehler machen. Dann kann man schnell mit einer nächsten Generation von Produkten (»fast-follow products«) in den Wettbewerb einsteigen, wenn man die Zeit dafür gekommen hält (vgl. Billerbeck 2003).
Beschleunigungsfallen Neben dieser Auseinandersetzung mit Pionier- oder Nachzüglerstrategien, haben sich einige Autoren in der Rezeption des Konzepts des Zeitwettbewerbs kritisch mit der landläufigen Auffassung auseinandergesetzt, dass die Beschleunigung von Produktentwicklungsaktivitäten die beste Strategieoption zur Steigerung der Effektivität und Effizienz in Innovationsprozessen ist. Vor allem von Braun hat mit dem Begriff der »Beschleunigungsfalle« eloquent darauf hingewiesen, dass es bei der Ausrichtung und Strukturierung von Forschungsaktivitäten nicht allein darum geht, die Aktivitäten zu beschleunigen und als Unternehmen ständig mit Neuerungen aufzuwarten (von Braun 1994: 184). Von Braun unterstellt – mit Blick auf die nicht beabsichtigten Folgen von
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zeitbasierten Wettbewerbsstrategien –, dass bei einem zu hohen Innovationstempo der Wettbewerb blitzschnell reagiert und dadurch Produkte immer kürzer in Märkten verbleiben. Wenn das Innovationstempo die Geschwindigkeit seiner Neuerungsbedürfnisse übertrifft, entwickeln Kunden potentiell einen zunehmenden Abnahmewiderstand. Die kürzere Verbleibdauer der Produkte im Markt verbunden mit dem Abnahmewiderstand und dem Entwicklungsaufwand für ständig neue Innovationen führen dann in Kombination dazu, dass die Profite der Unternehmen sinken (von Braun 1994: 190). Um dies zu verhindern, hat von Braun unterstrichen, dass es gerade bei der Organisation der Forschung und Entwicklung für neue Produkte darum geht, die Aktivitäten überlegt zu planen: Vor allem Manager in Hochtechnologiebereichen sollten bedacht mit den Ziel- und Steuergrößen und dabei besonders mit zeitlich bestimmten Zielgrößen wie Zeithorizonten und Amortisationsfristen umgehen (von Braun 1994: 246-250).
Optimales Timing Auch andere Autoren haben im Zuge der Auseinandersetzung mit dem »Zeitfallentheorem« und zeitbasierten Wettbewerbsstrategien begonnen, sich eher mit dem »optimalen Timing« auseinanderzusetzen (Billerbeck 2003, Nippa/Labriola 2005). Es geht dabei nicht mehr in erster Linie um eine Beschleunigung der Aktivitäten um jeden Preis, sondern eher darum, ein Produkt zum richtigen Zeitpunkt zu entwickeln. Da es in Märkten strategische Fenster, d.h. abgegrenzte Zeiträume für die erfolgreiche Vermarktung von Produkten gibt, herrscht lediglich während dieser Zeitspannen eine Übereinstimmung zwischen den zentralen Anforderungen des Marktes und den spezifischen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Unternehmens vor (Bitzer 1992: 43; Fischer 2000: 13). Deswegen ist ein optimales Timing erforderlich.
Strategische, zeitliche Sequenzierung (»Time Pacing«) Für die Diskussion des Zusammenhangs von Zeit und Innovation ist auch eine differenzierte Weiterentwicklung des Konzepts zeitbasierter Wettbewerbsstrategien zum »Time Pacing« relevant (Brown/Eisenhardt 1998). Im Gegensatz zur Ausrichtung auf Beschleunigung sieht das »Time Pacing« Konzept vor, dass Unternehmen eine »Zeitstrategie« entwickeln, um damit externen Wandelanforderungen und Marktdynamiken erfolgreich zu begegnen. Dabei geht es nicht mehr primär um die Beschleunigung von Prozessen. Es kommt vielmehr auf den sensitiven zeitlichen Umgang mit Aktivitäten an. Dies kann auch bedeuten, nicht mehr nur zu beschleunigen, sondern Aktivitäten auch zu entschleunigen. So wird innerhalb des Ansatzes eingefordert, die zeitliche Taktung der Aktivitäten flexibler zu handhaben. Aktivitäten sollen nicht mehr – wie in der herkömmlichen strategischen Planung – sklavisch nach bestimmten formalen Temporalkriterien wie einer Jahres- oder Zwei-Jahresplanung zeitlich getaktet werden. Vielmehr sollen die Aktivitäten frei mit der für sie relevanten Zeit verknüpft werden. Es geht vorrangig um die flexible Synchronisation von Unternehmen und deren Aktivitätszyklen mit den Dynamiken in Unternehmensumfeldern.
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Im Hinblick auf Synchronisation sind im »Time Pacing« Konzept Aktivitätszyklen, Rhythmen und Übergänge wichtig: Aktivitäten sollten gedanklich – mit Hilfe von Zeit – miteinander verbunden; Rhythmen sollen kreiert, Zeit sollte in Schritte und Sequenzen eingeteilt; Strukturen sollten reduziert werden. Schließlich sollten Rituale für die Gestaltung von Übergängen und Strategiewechseln geschaffen werden (Brown/Eisenhardt 1998: 246). Bei Brown und Eisenhardt rücken also die zeitliche Strukturierung der Aktivitäten eines Unternehmens, die Sequenzierung der Aktivitäten (»Pacing«) und vor allem deren Synchronisation mit externen Dynamiken und Rhythmen ins Zentrum der Betrachtung (vgl. Brown/Eisenhardt 1998). Das »Time Pacing«-Konzept begreift damit zeitliche Setzungen als variabel, offen und zugänglich für die jeweilige Gestaltung und hebt stark auf die Notwendigkeit der Synchronisation mit den Umfeldern ab.
Zeit vor sprünge und recht zeitige Integration von Ak tivitäten Dieser Trend, die Angemessenheit von Geschwindigkeit wie auch Synchronisationsnotwendigkeiten hervorzuheben, lässt sich auch bei einem Blick auf neuere Ansätze aus der konzeptionell-managementorientierten Literatur feststellen (vgl. Ancona et al. 2001; Chakravorti 2003). Es geht zunehmend um die rechtzeitige Integration – die Synchronisation – von Aktivitäten mit vorherrschenden Mustern in Märkten und Innovationsprozessen, um Zeitvorsprünge zu nutzen: So rät Chakravorti Unternehmen bei dem Timing ihrer Aktivitäten, nicht nur die »first-mover« Vorteile in Betracht zu ziehen (vgl. Chakravorti 2003). Vielmehr sollten sie bei der Einführung neuer Produkte darauf achten, welche anderen Akteure gerade in Technologien investieren und Produkte weiterentwickeln und wie die Konsumenten diese Technologien wahrnehmen. Chakravorti rät Unternehmen zu berücksichtigen, inwieweit Märkte für neue technische Produkte durch Netzwerkeffekte geprägt sind. Denn in Märkten, die durch Netzwerkeffekte geprägt sind, können sich Pionier-Vorteile leicht ins Gegenteil verkehren: Netzwerkgüter hängen in ihrem Absatz davon ab, dass eine ausreichende Anzahl von Konsumenten diese neuen technischen Produkte kennt. Deswegen ist in diesen Märkten eine Nachzügler-Strategie eher angeraten, die auf das zeitlich optimale Angebot von Produkten und nicht auf Beschleunigung ausgelegt ist. Nur dann können Unternehmen davon profitieren, dass die Technologien schon bekannt sind, bereits eine Nachfrage von Seiten der Kunden für diese Technologien besteht.
Temporal leader ship Im Zusammenhang mit der gestiegenen Bedeutung von Zeit und Synchronisation in der Planung von Innovationsprozessen vertreten einige Autoren auch die Auffassung, dass vor allem Entscheidungsträger in Unternehmen dynamische zeitliche Führungsqualitäten (»temporal leadership«) brauchen, um Innovationen in ihrer Entstehung zu befördern. Diese Autoren unterstreichen, dass Topmanagementteams fähig sein müssen, sich ein Bild vom Ablauf von Technologiezyklen zu machen. Auf dieser Basis sollten sie darüber entscheiden, wie schnell ihr Unternehmen handelt und mit welchen externen Technologie-
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zyklen es sich in seinen Aktivitäten koordiniert, um so direkt das Timing von Technologiezyklen zu gestalten (Ancona et al. 2001: 656-659). Zeit und Synchronisation wird also in neueren Forschungsarbeiten mehr Wert beigemessen. Die umfassende, reflexive Gestaltung der Technologiezyklen und des Wettbewerbs mit anderen Unternehmen und nicht mehr nur die Beschleunigung der Entstehung von Innovationen zählt.
2.1.3.3 Zeit ziele, Timing, Technologiekalender und Roadmaps in der instrumentellmanagementorientier ten For schung In der mikroökonomischen Innovationsforschung gibt es einige Arbeiten, die sich dezidiert mit der konkreten Verwendung von Zeit zur Gestaltung der Aktivitäten von und in Unternehmen und Organisationen auseinandersetzen (Gemünden 1993: 80, Bessant/Pavitt/Tidd 2001: 7). Sie machen meist konkrete Gestaltungsvorschläge zur Organisation von Aktivitäten in Prozessen, die die Zeiteffizienz in Unternehmen erhöhen (Voigt 1998: 193, 218ff.). Sie beschäftigen sich vor allem mit Instrumenten, die zum Zeitmanagement von Innovationen bzw. zur zeiteffizienten Entwicklungsorganisation verwendet werden können (vgl. Voigt 1998: 193).
Timing und Zeit ziele zur ex-ante Koordination Speziell in der managementorientierten Innovationsforschung geht es um die Frage des strategischen »Timings«. Es geht darum, wie Unternehmen ihre Innovationen strategisch zeitlich »managen« können, wie Aktivitäten und Prozesse mit Hilfe von Zeitvorgaben effizient strukturiert werden können. Diese Arbeiten analysieren beispielsweise, »Wann«, zu welchen Zeitpunkten, ein Unternehmen Impulse – wie durch die Einführung neuer Produkte in Märkte – setzen sollte. Dabei beschäftigen sie sich vor allem mit den konkreten Zeitzielen in Organisationen sowie den Instrumenten, mit denen Unternehmen die zeitliche Gestaltung vornehmen wie bspw. die Definition von Projekten6 und Technologieprogrammen.7 6 | Projekte sind eine der weit verbreiteten Formen zur Durchführung von Innovationsaktivitäten in unterschiedlichen Bereichen. Ein Projekt ist nach DIN (»Deutsche Industrie Norm«) 69900 als ein Vorhaben definiert, das durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit, eine Zielvorgabe und verschiedene Begrenzungen vor allem in zeitlicher, aber auch finanzieller und personeller Hinsicht und Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben gekennzeichnet ist (Bronner 2001: 276). Die Form der Projektierung und vor allem der Umgang mit Zeit in der Projektierung unterscheiden sich in unterschiedlichen Handlungssphären wie der Wissenschaft, der Wirtschaft bis hin zur öffentlichen Verwaltung oft stark. Auf diese Unterschiede in der Projektorganisation, wird hier nicht näher eingegangen, da dies eine eigene wissenschaftliche Untersuchung wäre. 7 | Besonders durch Technologieprogramme werden Aktivitäten von Unternehmen
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Grundansatzpunkt dieser Arbeiten ist, dass Unternehmen Zeit einsetzen können, um Zeitziele zu definieren. Durch die Verwendung von Zeit und vor allem die Bestimmung von Zeitzielen können sich Unternehmen orientieren. Sie sind dadurch fähig, mit Zeitdruck und Zeitknappheit in Produktentwicklungsprozessen umzugehen und die Unsicherheit in Innovationsprozessen zu reduzieren (Bessant/Pavitt/Tidd 2001: 23; Pavitt 2005: 89). Unternehmen und vor allem Manager können also demnach dem Zeitdruck im Technologiemanagement vor allem dadurch begegnen, indem sie von Zeit Gebrauch machen. Durch die Nutzung von Zeit können sie ihre Wahrnehmung strukturieren und Entwicklungen interpretieren, wodurch Orientierung für ihre Organisationsmitglieder geschaffen wird. Durch diese Verwendung von Zeit wird nicht nur die Orientierung in der strategischen Planung erleichtert. Vielmehr wird es durch die Nutzung von Zeit auch möglich, Koordinationsprobleme in und zwischen Organisationen Herr zu werden (Bitzer 1992: 301; Schulte 1996: 121123). Die Autoren gehen davon aus, dass Unternehmen einen Teil dieser Abstimmungsprobleme über Vorauskoordination lösen können, indem sie einen zeitlichen Rahmen und Zeitziele vorgeben. Denn zeitliche Zielvereinbarungen vermitteln Wissenschaftlern und Ingenieuren Klarheit über die gewünschten Ergebnisse und Randbedingungen in Innovationsprojekten (Krüger 1998: 44). Bei dieser Form der ex-ante Koordination werden auf der Basis von erwarteten zukünftigen Ereignissen Entscheidungen hinsichtlich zu koordinierender Handlungsanweisungen getroffen. Die Handlungen werden in Abhängigkeit von der erwarteten Situation mit Instrumenten, wie Programmen und Plänen ex-ante festgelegt. Dadurch wird gewährleistet, dass einige Handlungen koordiniert ablaufen können (Billing 2003: 56). Dabei ist Zeit als Instrument für die ex-ante Koordination wichtig, da mit Hilfe von Zeitzielen die Aktivitäten unterschiedlicher Akteure oder von unterschiedlichen Organisationsteilen in Projekten aufeinander abgestimmt werden können (Schulte 1996: 122). Zeitziele sind insoweit nichts anderes als ein Integrations- und Koordinationsinstrument für Aktivitäten in Organisationen.
Optimale Zeit ziele und Zeitdisziplin Im Zusammenhang mit den Zeitzielen geht es in vielen Arbeiten darum, die Zeitziele zu finden, mit denen die Forschungs- und Entwicklungs- wie auch Durchlaufzeiten in Unternehmen optimal auf die Märkte und deren Erfordernisse ausgerichtet und dadurch Kosten gesenkt werden können (Krüger 1998: 2). So haben einige Studien herausgearbeitet, dass eine angemessene zeitliche Orientierung zum Erfolg von Projekten beiträgt (vgl. Billing 2003; Gemünden 1993; Gemünden et al. 2003). Gemünden et al. unterstreichen, dass die Einhaltung von bedacht definierten Zeitplänen und Zeitzielen, also die »Zeitdiszi-
zeitlich strukturiert. Sie beinhalten zeitliche Vorgaben hinsichtlich der Verfügbarkeit von Einzeltechnologien sowie deren ihre Kombination in Technologiekonzepten (Burgstahler 1997: 69).
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plin«, ein Erfolgsfaktor von Innovationsprojekten ist (Gemünden et al. 2003:12, 33). Der direkte Zusammenhang von Zeit und Innovation wird so deutlich.
Zeiter fassung und Zeitkapazitäten Abgesehen von Zeitzielen beschäftigen sich andere mikroökonomische Innovationsforschungsarbeiten mit dem operativen Zeitmanagement in Innovationsprozessen. Sie beschäftigen sich mit Verfahren und Instrumenten, innerhalb derer Zeit von Unternehmen eingesetzt wird, um Stärken und Schwächen abzuschätzen und zu bewerten, sowie um die Ressourcen und Kompetenzen eines Unternehmens im Vergleich zu seinen Mitwettbewerbern beurteilen zu können (Schulte 1996: 122). Gemessene Zeit wird bspw. als Indikator in Benchmarking-Verfahren benutzt, um anhand der Entwicklungszeiten (»time-tomarket«)8 – zu messen, ob ein anderes Unternehmen schneller als das eigene Unternehmen Innovationen hervorbringt. Die Zeitmessung wird auch eingesetzt, um die Zeitbeanspruchung, d.h. die benötigte Zeit für bestimmte Aktivitäten abzuschätzen. Dabei geht es in verschiedenen Arbeiten darum, welche Instrumente wie eingesetzt werden sollten, um die für bestimmte Aktivitäten in Innovationsprozessen benötigten Zeitkapazitäten zu bestimmen, die durch Akteure durch ihre Organisation geschaffen werden müssen.
Zeitcontrolling und Meilensteine Nach Auffassung der meisten Autoren muss Zeit auf jeden Fall strategisch »gemanagt« werden. Im Zusammenhang mit diesem Zeitmanagement ist vor allem das Zeitcontrolling ein zentrales Element (Krüger 1998: 27; Mertes 2000). Innerhalb des Zeitcontrollings ist Zeit ein Element, anhand dessen eine ständige Auswertung und effizienzorientierte Bewertung vergangener Innovationsprozesse und auch eine effizienzorientierte Bewertung der Planung und Einhaltung der Zeitziele erfolgt. (Krüger 1998: 36-37). Dabei haben innerhalb der Technologieentwicklung und durch bessere Projektmanagementtechniken vor allem Meilensteine als Zwischenziele in Technologieentwicklungsprojekten an Bedeutung gewonnen.
Roadmaps Neben dem Zeitmanagement beschäftigen sich instrumentell, managementorientierte Arbeiten mit der Interpretationsfunktion, die Zeit in Unternehmen hat. So dienen oftmals Zeitperspektiven in Organisationen den Organisationsmitgliedern als Grundlage zur Beobachtung, Interpretation und Beurteilung der Entwicklungen, Dynamiken und Ereignisse in der Unternehmensumwelt. Gerade in Unternehmen werden unterschiedliche industrielle Planungstechniken eingesetzt (vgl. Bronner 2001), die meistens auch zeitliche Strukturierungswirkungen haben. 8 | Time-to-market ist die Zeitspanne zwischen der Ideengenerierung für ein neues Produkt und der Markteinführung dieses Produktes (Milling/Schwellbach/Thun 2000: 6).
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Zu diesen Instrumenten, in denen Zeit zur Planung und Interpretation verwendet wird, zählen unter anderem Zeit- und Ablaufpläne wie Netzpläne (Bronner 2001: 281), Technologiekalender9 und vor allem die Methodik des Technologieroadmapping (vgl. Behrens 2001; Behrens 2003; de Laat 2004, Gausemeier et al.ii 2001; Lisazo/Reger 2004; Möhrle/Isenmann 2001). Roadmapping wird mittlerweile als Verfahren zur Entscheidungsunterstützung und als Gestaltungshilfe nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der Forschungs- und Innovationspolitik verwendet (de Laat 2004: 2). Roadmaps werden als Instrumente eingesetzt, um mit der Hilfe von Zeit die Bedeutung von Entwicklungen zu erkennen, Entwicklungen zu antizipieren und zu interpretieren (vgl. Voigt/Weber 2005). Diese Antizipation der Entwicklungen basiert auf der Einschätzung der Zeitdauern von Umweltentwicklungen, wie Veränderungen von Produktlebenszyklen und Veränderungen der Nachfrage, Zielgruppen, sowie über Kooperationspartner und Wettbewerber in der Frühauf klärung über Technologien (Gemünden 1993: 97; Krüger 1998: 43). Daraus wird ein Bild von zukünftigen Abläufen erstellt – bestimmte Zeitperspektiven kristallisieren sich heraus. Auf Basis dieser Zeitperspektiven wiederum wird dann die Länge der Planungszeiträume, die Periodisierung – wie die Einteilung in Zyklen – von Prozessen bestimmt. Wie nur wenige andere zeitlich orientierte Verfahren erlaubt Roadmapping eine Verbindung der Erfassung und Messung von Zeit mit Interpretationen in einer grafischen Form: Quantitative, wie auch qualitative Daten können in einer grafischen Darstellung abgebildet werden. Dadurch können Roadmaps nicht nur zur Einschätzung von zukünftigen Zeitdauern und Zeitbeanspruchungen, sondern auch zur Abbildung von zeitlichen Einschätzungen der Technikentwicklung eingesetzt werden. Roadmaps sind im Hinblick auf die Entstehung von Innovationen besonders relevant, da sie als Mittel zur zeitlichen Strukturierung in aber auch zwischen verschiedenen Unternehmen eingesetzt werden können. Auf Basis dieser kompakten Darstellungen von Zeitplanungen ist es mehreren Akteuren möglich, sich über Entwicklungen auszutauschen und sich besser aneinander zu orientieren. Durch Technologieroadmaps haben die Akteure das Potenzial sich stärker aneinander zu orientieren, sich zeitlich zu koordinieren und so Innovationen restriktionsfreier entstehen zu lassen.
2.1.3.4 Zusammenfassung Wie sich beim Überblick über die verschiedenen mikroökonomisch orientierten Ansätze erkennen lässt, wird das Verhältnis von Zeit und Innovation vor allem im Hinblick auf das Timing betrachtet. In mikroökonomischen Untersuchungen wird hauptsächlich die Frage betrachtet, wie man das zeitliche Management von Aktivitäten in Innovationsprozessen optimal gestalten kann (Bessant/ 9 | Technologiekalender sind ein Planungshilfsmittel zur ganzheitlichen Entwicklung der Produktion. Mit ihnen werden Phasen der Produktentwicklung mit Phasen zur Entwicklung der Produktionstechnologien zeitlich verknüpft (Burgstahler 1997: 5).
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Pavitt/Tidd 2001: 45). Es geht um die Identifikation der Erfolgsfaktoren und der besten Vorgehensweisen in Wettbewerbsstrategien, die zur Differenzierung von Unternehmen bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Technologien in Märkten beitragen. Ein zentrales Erkenntnisinteresse der mikroökonomischen, managementorientierten Arbeiten ist es, auf Basis einer ex-post Betrachtung von Innovationsprozessen, strategische Konzepte und Handlungsempfehlungen für Unternehmen und deren Management von Innovationsprozessen zu liefern. So geht es auch um die Erfassung von optimalen Zeitpunkten und optimalen zeitlichen Strukturierungen in Technologiestrategien von Unternehmen. Es wird oft der Frage nachgegangen, wann und wie schnell Unternehmen Innovationen hervorbringen sollten, um Wettbewerbsvorteile und möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Zeit in neueren konzeptionellen mikroökonomischen Arbeiten scheint gerade der Aspekt der Synchronisation, also der rechtzeitigen Hervorbringung von Innovationen in Organisationen in Abstimmung mit den anderen Akteuren und den jeweiligen Entwicklungen in Technologiefeldern und Märkten, wie auch das Setzen von dementsprechend adäquaten Zeitzielen wichtiger zu werden. In der mikroökonomischen Betrachtung von Innovationsprozessen wird Zeit mit verschiedenen Schwerpunkten und den dementsprechenden Begriffen behandelt: Die empirisch mikroökonomischen Arbeiten beschäftigen sich hauptsächlich mit der Abbildung des Verlaufs, Phasen Aktivitätszyklen der Akteure in Innovationsprozessen (vgl. Van de Ven et al. 1999) sowie den Lebenszyklen von Produkten und Märkten (vgl. Utterback 1984). Vor allem mikroökonomisch empirisch orientierte Arbeiten erfassen mit Hilfe von zeitlichen Indizes den Verlauf – Pfade und Lebenszyklen – von Innovationsprozessen, um (Phasen-)Modelle zu erarbeiten. Analog zu der makroökonomisch historischsystematischen Analyse wird auch objektive, lineare Zeit als ein Element in Modellen eingesetzt, um Ereignisse und Entwicklungslinien in einem zeitlichen Kontinuum zu verorten. Sie verwenden dabei Zeit, um idealtypische Modelle von Innovationsprozessen, wie Phasenmodelle zu erarbeiten. Die mikroökonomisch konzeptionell-managementorientierten Arbeiten weisen darauf hin, dass Zeitvorsprünge vor dem Wettbewerb durch den richtigen Umgang mit Zeit, durch die strategische Setzung von Schrittfolgen beim Management von Innovationsprozessen zu erreichen sind (vgl. Brown/Eisenhardt 1999). Besonders in neueren Arbeiten wird Zeit als eines der wichtigsten Mittel zur Synchronisation, d.h. zur rechtzeitigen systemischen Integration von Aktivitäten in Technologiezyklen durch einzelne Organisationen in Abstimmung mit anderen Akteuren in Technologiefeldern und Märkten gesehen (vgl. Argaval/ Bayus 1999; Chakravorti 2003; Tushmann 2002). Sie weisen in dieser Hinsicht darauf hin, dass Synchronisation wichtig ist: Innovationsprozesse kommen nur dann zustande, wenn es Unternehmen gelingt, die Hervorbringung von neuen Technologien systemisch zu integrieren und ihre Aktivitäten mit Umfeldentwicklungen zu synchronisieren (vgl. Ancona et al. 2001; Chakravorti 2003; Ian-
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siti 1997; Tushmann/Anderson 1986; Tushman 2002): Innovationen entstehen nur dann, wenn Akteure auf Entwicklungen der Kundenbedürfnisse wie auch andere Akteure in verschiedenen Technologiefeldern zeitlich abgestimmt reagieren. In instrumentell-managementorientierten Arbeiten werden hauptsächlich die konkreten Zeitziele von Projekten und Organisationen analysiert, die als Instrument zur Koordination von Aktivitäten in Unternehmen und zwischen Akteuren eingesetzt werden. (Gemünden 1993; Gemünden et al. 2003). Es werden Verfahren, Methodiken und Planungstechniken wie Roadmapping und Technologiekalender (vgl. Burgstahler 1997; de Laat 2004: 4; Eversheim 2003; Lisazo/Reger 2004: 10; Möhrle/Isenmann 2001) und andere konkrete Instrumente zur Antizipation, Erfassung und zur Darbietung von zeitlichen Mustern von Entwicklungen behandelt. Einige andere instrumentell-managementorientierte Arbeiten setzen sich mit dem Zeitcontrolling als einer besonderen Form der Erfassung von Zeit auseinander. Sie untersuchen genauer, wie viel Zeit für bestimmte Aktivitäten benötigt wurde und potentiell benötigt wird, somit auch, wie Manager die Zeitbeanspruchung messen und bewerten können (Krüger 1999). Die Einhaltung von Zeitzielen und die Stärkung von Zeitdisziplin in Projekten und Organisationen werden ebenfalls eingehender untersucht.
Bisherige Lücken der mikroökonomischen Betrachtung Zu den Lücken der bisherigen wissenschaftlichen mikroökonomischen Untersuchung ist für die konzeptionellen, mikroökonomischen Arbeiten festzuhalten, dass diese bisher noch nicht eingehend auf die Auswirkungen, d.h. die intendierten und die nichtbeabsichtigten Effekte von zeitbasierten Wettbewerbsstrategien auf die Koordination von Akteuren in Märkten und auf die Unternehmensumfelder eingehen. Bei den instrumentell management-orientierten Arbeiten fällt auf, dass bisher fast ausschließlich Unternehmen in ihrem Umgang mit Zeit und mit Zeitplanungsinstrumenten in Innovationsprozessen betrachtet wurden: Es wurde bisher nicht konzeptionell einbezogen und betrachtet, dass die am Innovationsprozess beteiligten Akteure heterogen sind und folglich ihre Aktivitäten mit Hilfe von Zeit in einer unterschiedlicher Form, unter Zuhilfenahme anderer Zeitplanungsinstrumente strukturieren. Anders ausgedrückt: Die Fragen, wie unterschiedlich Zeit in sozialen Zusammenhängen durch verschiedene Akteure eingesetzt wird; und wie unterschiedlich folglich auch die Zeitorientierung in und von wissenschaftlichen, unternehmerischen und forschungspolitischen Organisationen sind, wurden weder empirisch noch konzeptionell in bisherigen mikroökonomischen Arbeiten eingehend betrachtet. Es wird ebenfalls deutlich, dass in instrumentell management-orientierten Arbeiten zwar Instrumente zur Zeitplanung und die dadurch gesetzten Termine eine hohe Bedeutung haben. Die Funktionsweise von subjektiver und sozialer Zeit, ihre Entstehungsbedingungen und die Auswirkungen der Nutzung von Zeitplanungen und der darin stattfindenden Strukturierung von Aktivitäten wurden jedoch bisher nicht eingehend betrachtet. So wird bisher nicht näher
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analysiert, dass und wie sich auf Basis der Nutzung von zeitorientierten Instrumenten Zeitagenden in Organisationen ausbilden. Obwohl Zeit als einer der zentralen Erfolgsfaktoren wahrgenommen wird, wurde bisher auch nicht eingehend betrachtet, inwieweit Zeit als strategischer Handlungsparameter und Erfolgsfaktor wirklich bedeutsam ist: So fehlen bisher umfassende Soll-Ist-Abgleiche von geplanten, avisierten Zeitzielen und den tatsächlichen realisierten Meilensteinen und Geschwindigkeiten. Trotz der Betonung des strategischen Wettbewerbsfaktors Zeit wurde bisher nicht eingehend empirisch nachvollzogen, ob zeitbasierte Strategien wirklich Erfolge zur Folge hatten. Nach dieser Darstellung der Beiträge aus der ökonomischen Innovationsforschung zum Zusammenhang von Zeit und Innovation erfolgt nun eine Sondierung der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung.
2.2 Zeit und die Entstehung von Innovationen in der sozialwissenschaf tlichen Innovationsforschung Bei einem Überblick über die bisherige wissenschaftliche Auseinandersetzung der Innovationsforschung zum Zusammenhang von Zeit und der Entstehung von Innovationen spielen neben ökonomischen Arbeiten auch Arbeiten aus der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung eine wesentliche Rolle. Sie beschäftigen sich damit, inwieweit soziale Faktoren auf die Technikentwicklung Einfluss haben. Diese Arbeiten werden mit dem Begriff der »sozialen Gestaltung von Technologien« zusammengefasst (»Social Shaping of Technologies«: Russell/Williams 2002: 37). Autoren dieser Forschungsrichtung haben aufgezeigt, dass Zeit als Mittel zur Gestaltung von Innovationsprozessen eingesetzt wird und sich auf die Entstehung von Innovationen auswirkt. Aufgrund der Breite der wissenschaftlichen Arbeiten innerhalb der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung werden nur die Arbeiten aus dem Feld der sozialen Gestaltung von Technologien näher diskutiert, die sich mit Zeit in Innovationsprozessen auseinandersetzen.10 Um den Beitrag von Arbeiten zur sozialen Gestaltung von Technologien im Hinblick auf den Zusammenhang von Zeit und Innovation darzustellen, werden zuerst anhand programmatischer Arbeiten aus diesem Feld selektiv die Grundlagen dieses Ansatzes dargestellt (vgl. Williams/Edge 1996; Russell/ Williams 2002). Da dieses Forschungsfeld unterschiedliche Konzepte von wissenschaftssoziologischen, techniksoziologischen bis hin zu mikroökonomisch orientierten Arbeiten umfasst (vgl. Bijker et al. 1987; MacKenzie/Wajcman 1999; Sörensen/Williams 2002; Williams/Edge 1996), erhebt diese selektive 10 | Rammert hat zwar aufgezeigt, dass das verfügbare, stabilisierte kulturelle Wissen und kulturell gerahmte Interpretationen großen Einfluss auf die Technologieentwicklung haben (Rammert 2002: 173-180; Russell/Williams 2002: 83). Da aber Rammert in diesem Ansatz zur kulturellen Gestaltung von Technologien nicht explizit auf Zeit eingegangen ist, wird dieser hier nicht diskutiert.
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Darstellung nicht den Anspruch einen systematischen, vollständigen Überblick zu geben. Vielmehr geht es darum, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Perspektive auf Zeit und Innovation zwischen ökonomischen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen zu verdeutlichen, die sich in der Charakterisierung von Innovationsprozessen und den zentralen Erkenntnisinteressen deutlich ausnehmen.
Methodische Grundlagen der Analyse der sozialen Gestaltung von Innovationsprozessen Arbeiten im Bereich der sozialen Gestaltung gehen grundsätzlich davon aus, dass Technologien sozial konstruiert und situiert sind: Technologien werden in spezifischen sozialen Kontexten geschaffen und genutzt. Sie entstehen auf Basis einer Ko-Evolution des technischen und gesellschaftlichen Wandels, in der sowohl Technologien als auch die sozialen Arrangements im gleichen Prozess geschaffen werden. Die Technologieentwicklung wird so als sozialer Prozess aufgefasst, der weniger durch immanente, technisch induzierte Logiken als vielmehr durch soziale Akteure und deren soziale Handlungen gestaltet wird und von sozialen Kontexten abhängt (Russell/Williams 2002: 48). Die sozialen Akteure und sozialen Kontexte in ihrer Wirkung auf die Technikentwicklung stehen dabei im Vordergrund der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung. Die Entwicklung einer spezifischen Technologie ist ein unsicherer, sozialer Prozess. In diesem Prozess führen Interpretationen in und zwischen sozialen Gruppen wie Ingenieuren, die Interaktionen, Aushandlungen, Neubestimmungen der Akteure und soziale Schließungen zu Richtungs- und Geschwindigkeitswechseln wie auch zu der Entstehung verschiedener – teilweise abweichender – Technologieoptionen und Varianten (Russell/Williams 2002; Bijker/Hughes/Pinch 1987: 12; Bijker/Pinch 1987: 28-30). Bei einer zusammenfassenden Betrachtung der Diskussion der letzten Jahre im Bereich der Forschung zur sozialen Gestaltung zeigt sich, dass die meisten Arbeiten in diesem Bereich Technikentwicklungsprozesse als komplexe Prozesse auffassen, die durch viele unterschiedliche, von heterogenen Akteuren ausgehenden Impulse geprägt sind. Innovationsprozesse werden als Entdeckungsreise aufgefasst, die durch kontingente Ereignisse und durch Fehlschläge geprägt ist. Die Technologieentwicklung wird als ein unbestimmter, in vielen unterschiedlichen Richtungen verlaufender Strom von Ereignissen (›Flux‹) aufgefasst, der von Interpretationen und Interaktionen heterogener Akteure in ihren sozialen Zusammenhängen abhängt (Bijker et al. 1987: 4, 12). Eine Besonderheit des Verständnisses im Bereich der sozialen Gestaltung liegt darin, dass diese komplexen Prozesse als verteilte Prozesse gesehen werden (Rammert 1997; ebd. 2002). Aktivitäten und Impulse, die Innovationsprozesse prägen, sind auf mehrere Akteure verteilt: Die Prozesse werden durch heterogene Akteure und deren Aktivitäten geprägt, die an unterschiedlichen Orten, gleichzeitig und auch Zeit versetzt mit ihrer eigenen Logik handeln. Innerhalb der Innovationsprozesse finden verschiedene spezifische Entwicklungen in unterschiedlichen Anwendungsbereichen und sozialen Gruppen statt,
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die jeweils von historischen und sozialen Begebenheiten abhängen (Russell/ Williams 2002: 88). Aufgrund ihrer Verteiltheit weisen diese Prozesse ein hohes Maß an Kontingenz auf, weswegen auch die heterogenen Akteure auf Basis verschiedener sozialer Mechanismen koordiniert werden müssen (Russell/Williams 2002: 55). Auf Basis der Auffassung von der Technologieentwicklung als einem sozialen, kontingenten, verteilt entstehenden Prozess sind Arbeiten zur sozialen Gestaltung gefordert, konzeptionell zu klären und empirisch zu untersuchen, wie und mit welchen Mechanismen die potentielle Heterogenität der Impulse in der Technikentwicklung begrenzt wird. Die Forschung konzentriert sich darauf zu betrachten, wie Akteure auf Basis gesellschaftlicher Mechanismen und Institutionen mit der Unsicherheit in der Technikentwicklung umgehen und wie sie sich mit anderen Akteuren koordinieren, um Innovationen hervorzubringen. Dabei haben Arbeiten aus dem Bereich der sozialen Gestaltung zwei hauptsächliche Ziele: Zum einen analysieren einige Arbeiten die Technikgenese, d.h. die Entwicklung von Technologien. Sie zeigen Entwicklungspfade von Technologien auf und untersuchen, wie soziale Akteure auf Grundlage spezifischer sozialer Bedingungen und ihrer Interpretationen und Auswahlentscheidungen den Verlauf von Innovationsprozessen gestalten (Rammert 1993: 9; Fleck 1994; Hughes 1983; Hughes 1987; Russell/Williams 2002: 49). Dies führt bestenfalls zu »Innovationsbiografien«, in denen sowohl verdeutlicht wird, wie sich soziale Handlungs- und Deutungsrahmen als auch Formen sozialer Koordination auf Innovationsprozesse und deren zeitliche Verlaufsmuster ausgewirkt haben (vgl. Rammert 1997; Rammert 2002). Die zweite Hauptausrichtung von Arbeiten aus der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung versucht auf Basis der Analyse der Technikgenese, Empfehlungen und auch Konzepte für die ›bessere‹ soziale und politische Gestaltung. von Innovationsprozessen zu erarbeiten (Williams/Edge 1996: 866). Dieser Impetus ist vor allem in jüngerer Zeit ein Antrieb für die Weiterentwicklung des Feldes der sozialen Gestaltung von Technologien: Nun wird nicht mehr nur die Feststellung untermauert, »dass« die Entwicklung von Technologien von sozialen Faktoren abhängt. Vielmehr wird in vielen Arbeiten die Frage gestellt, »wie« die Entwicklung von Technologien von sozialen Faktoren abhängt, um daraus folgern zu können, wie sich die Koordination der Akteure in Innovationsprozessen durch innovationspolitische Maßnahmen verbessern lässt (Russell/Williams 2002: 38). Im Zusammenhang mit der Frage, »wie« die sozialen Faktoren auf die Technikentwicklung wirken, spielt vor allem die Orientierung von Akteuren und deren Koordination auf Basis von institutionellen sozialen Regelungen von jeher eine wichtige Rolle bei der Betrachtung der sozialen Gestaltung von Technologien (Russell/Williams 2002: 56). Durch verschiedene Beiträge ist deutlich geworden, dass es vielfältige Formen der Koordination von Akteuren auf Basis gesellschaftlicher und institutioneller Prägungen, sowohl auf der Mikro- (Nischen), der Meso- (Organisationen und Netzwerke) und auf der gesellschaftlichen Makroebene gibt, die für das Verständnis von Innovationsprozessen von Bedeutung sind (Russell/Williams 2002: 56ff.).
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Nach dieser eher allgemeinen Einordnung werden nun einige ausgewählte Arbeiten, deren zentrale Begriffe und konzeptionelle Grundlagen, die sich spezifisch mit dem Zusammenhang von Zeit und Innovationsprozessen beschäftigen, dargestellt. Vor allem Rammerts konzeptioneller Beitrag zu Tempi, unterschiedlichen Rhythmen und Synchronisationen in Innovationsprozessen ist dabei relevant. Denn Rammert charakterisiert die Verläufe von Innovationsprozessen aus theoretischer Perspektive rhythmisch und liefert dadurch die Basis für eine deskriptive Analyse der Auswirkungen des Umgangs von heterogenen Akteuren mit Zeit zur Gestaltung von Innovationsprozessen (Rammert 1997; Rammert 2000). Neben diesem konzeptionellen Beitrag sind vor allem empirische Arbeiten für die Auseinandersetzung mit Zeit und Innovation relevant, die sich explizit mit Zeit als Mittel zur Gestaltung, Koordination und Synchronisation in Technologieprojekten und Technologiepfaden auseinandersetzen (Garud/Karnoe 2001; Bender 1996).11
2.2.1 Tempi, Rhy thmen, Polyrhy thmizität und Synchronisationen zur Beschreibung von Innovationsprozessen Im Bereich der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung hat sich vor allem Rammert konzeptionell – anhand einer theoretisch fundierten Beschreibung des Wandels von Innovationsprozessen in der Moderne – dezidiert mit der zeitlichen Dimension von Innovationsprozessen und dem Phänomen der Synchronisation auseinandergesetzt und wertvolle Begriffe geliefert (Rammert 1997). Rammert zielt darauf ab, die Gestalt und den Entstehungsmodus moderner Innovationsprozesse zu beschreiben. Er geht speziell auf die Formen und Mechanismen der sozialen Koordination, die gesellschaftlichen, institutionellen Arrangements und Regime wie auch deren Auswirkungen auf den Verlauf von Innovationsprozessen ein (Rammert 1997: 401-402). Ihn interessieren weniger die einzelnen Akteure. Vielmehr betrachtet er die Veränderung in den Modi, wie Innovationsprozesse auf Basis von Formen gesellschaftlicher Koordination zustande kommen. Er betrachtet die Formen der Koordination und die Entstehungsmodi, um neben der umfassenden Charakterisierung von Innovationsprozessen politische Handlungsempfehlungen zu identifizieren. Dabei will er vor allem aufzeigen, wie die Aktivitäten heterogener Akteure durch reflexive Innovationspolitik heute koordiniert werden können (Rammert 1997: 411). 11 | Andere Arbeiten aus dem Feld der sozialen Gestaltung, die sich mit Erwartungen und Zukunftsentwürfen beschäftigen und dabei feststellen, dass die Vorwegnahmen von künftigen Ereignissen und zeitlich strukturierte Erwartungen zur Strukturierung, Orientierung, wie auch Koordination von Akteuren beitragen (Brown/Rappert/Webster 2000; de Laat 2000, 2004; Deuten/Rip 2000: 65-67; Michael 2000; Russell/Williams 2002: 60; van Lente 2000: 59), werden hier aufgrund des nur impliziten Verweises auf Zeit nicht näher diskutiert.
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Rammert verwendet dabei Zeit methodisch als Beschreibungsgröße, um die Aktivitätszyklen von Akteuren, Tempi und Rhythmen im Verlauf von Innovationsprozessen zu charakterisieren (Rammert 1997: 403). Dabei geht Rammert davon aus, dass Innovationsprozesse in bestimmte gesellschaftliche Subsysteme und institutionelle Felder eingebettet sind. Innovationsprozesse und die Akteure in ihren Aktivitäten werden so durch bestimmte soziale Institutionen, Schemata, kollektive Konstruktionen und stabilisierte Formen der sozialen Koordination in institutionellen Feldern geprägt (Rammert 1995: 13). Damit charakterisiert Rammert Innovationsprozesse als Prozesse, die durch eine Pluralität von institutionell stabilisierten Rationalitätsstandards, durch eine Vielzahl von Dynamiken von Akteuren in strukturierten Feldern geprägt sind, die sich voneinander abgrenzen und gleichzeitig miteinander kreuzen (Rammert 1997: 407-408). Innovationsprozesse sind also verteilte Prozesse, die durch verschiedene, institutionell geprägte und spezifisch verlaufende Entwicklungen von heterogenen Akteuren zustande kommen. Dieser verteilte Charakter von Innovationsprozessen hat nach Meinung von Rammert zur Folge, dass die Entwicklungen von Technologien und die individuellen Verläufe von Innovationsprozessen nicht mehr in dem Standardmodell der sequenziellen Innovation ablaufen. Innovationsprozesse sind verstärkt durch Zick-Zack-Verläufe gekennzeichnet (Rammert 1997: 403). Um die Zick-Zack-Verläufe genauer charakterisieren zu können, greift Rammert auf die Musiktheorie zurück und beschreibt den Verlauf von Innovationsprozessen anhand verschiedener Rhythmen und Tempi. Rammert geht dabei davon aus, dass Innovationsprozesse als Ganzes eine spezifische Rhythmik haben, die stark von den Akteuren und deren Impulsen, aber auch den institutionellen Regimen, die für die jeweiligen Akteure wichtig sind, geprägt werden. Er verbindet die Abbildung zeitlicher Muster von Innovationsprozessen mit Hilfe von objektiver Zeit mit musikalischen Metaphern, um die zeitlichen Eigenschaften, heterogene Tempi und Rhythmen im Verlauf von Innovationsprozessen aufzuzeigen. Dabei geht Rammert davon aus, dass Tempi und Rhythmen konsonant, d.h. passfähig gemacht werden müssen, um Innovationsprozesse entstehen zu lassen. Rammert charakterisiert Innovationsprozesse in seiner rhythmischen Perspektive analog zu einem musikalischen Opus, in dem unterschiedliche Melodien vorherrschen, die dann im Verlauf zusammengeführt werden müssen (Rammert 1997: 409). Diese Hinwendung auf eine rhythmische Charakterisierung ermöglicht es, moderne Innovationsprozesse als Prozesse zu charakterisieren, die – wie Rammert es ausdrückt – ›im Netz‹ und verteilt verlaufen. Sie sind relativ unbestimmt, auf Basis der Interaktionen von vielen heterogenen Akteuren mit unterschiedlichen Prägungen in vielfältigen institutionellen Umfeldern, also durch eine Menge von spezifisch getakteten und eigenständigen Dynamiken geprägt. Rammert macht deutlich, dass Innovationsprozesse aufgrund der spezifischen Aktivitäten der Akteure als vielfältig rückgekoppelte auf heterogene Akteure und Felder verteilte Prozesse aufzufassen sind, die aufgrund dessen durch verstärkte Beschleunigung, Temposprünge und Rhythmen geprägt sind (Rammert 1997: 406-412).
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Tempi und Rhy thmen Diese rhythmische Charakterisierung ermöglicht Rammert zu postulieren, dass sich Innovationsprozesse in ihrem Verlauf verändert haben, da sich die zeitliche Verteiltheit in diesen Prozessen verändert hat. So postuliert Rammert mit Rückgriff auf den »Bolero« von Maurice Ravel bzw. die musikalische Semiotik, dass in Innovationsprozessen ein »Accelerando« stattgefunden hat: Das zu beobachtende Tempo von Innovationsprozessen hat sich innerhalb der Moderne gesteigert, die Rhythmik und Tempi sind im neuen Innovationsmodus verändert (Rammert 1997: 401). Dabei ist das moderne Innovationsregime durch den Rhythmus und die Aktivitätszyklen mit der Takt- bzw. Aktivitätsfolge: Innovation – Routine – Routine/Innovation – Routine – Routine/usw. gekennzeichnet. Seiner Auffassung nach wird in modernen Innovationsprozessen besonders der erste Takt, d.h. die Innovation betont, wohingegen in der vormodernen Innovation eher Routinehandlungen im Vordergrund standen (vormoderner Rhythmus: Routine – Routine – Innovation/Routine – Routine – Innovation) (Rammert 1997: 401). Rammert hebt damit hervor, dass die Aktivitätszyklen moderner Innovation viel lebhafter und vor allem beschleunigt sind. Dies beinhaltet auch eine komplexe Form der Zyklizität: Denn Rammert beschreibt Rhythmen nicht einfach so wie sie sich auf einem Zeitstrahl wieder finden. Vielmehr beschreibt er, wie sich diese Aktivitätszyklen aneinander anschließen. Durch diese komplexe rhythmische Beschreibung ist Rammert fähig, inhaltlich anders geprägte Aktivitäten und Taktfolgen von Aktivitäten mit »Routine« und »Innovation« und damit die qualitativen Zyklen in Innovationsprozessen abzubilden. Das Bestechende an Rammerts rhythmischer, zeitlich-orientierter Charakterisierung von Innovationsprozessen ist, dass diese es ermöglicht, zu beschreiben, in welcher Hinsicht sich Innovationsregime über die Zeit hinweg verändert haben: Vor allem die Dauern, Tempi, Rhythmen und Zyklen also die Abfolge der Aktivitäten (Sequenzen) und die inhaltlichen Orientierungen (wie die Ausrichtung auf Routinetätigkeiten und innovative Tätigkeiten) haben sich verändert. Dies wiederum befähigt, Hypothesen darüber aufzustellen, auf welcher Grundlage dieser Wandel in der rhythmischen Gestalt von Innovationsprozessen zustande gekommen ist. So arbeitet Rammert heraus, dass dieser Wandel nicht durch einen substantiellen Wandel der eigentlichen Aktivitäten der Akteure, sondern vielmehr durch die Veränderung der Interpunktion, d.h. durch Veränderungen in der Gestaltung der Akteure bewirkt wurde (Rammert 1997: 401). Er stellt die Hypothese auf, dass die Tempi und Rhythmen deswegen so unterschiedlich sind, da die heterogenen Akteure in ihren Handlungen, die sie strukturieren, durch unterschiedliche institutionelle Regime, an verschiedenen Orten unterschiedlich zeitlich geprägt werden (Rammert 1997: 403). Rammert geht implizit davon aus, dass die Dynamiken, die die Verläufe von Prozessen prägen, durch die Aktivitäten der Akteure in spezifischen institutionellen Feldern zustande kommen. Die Akteure und sowohl das Tempo, als auch die Richtung der technischen Entwicklung sind durch die spezifischen Handlungsbedingungen in den jeweiligen institutionellen Arenen wie der Wissenschaft, Wirtschaft und Staat
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unterschiedlich geprägt, wodurch eine spezifische Rhythmik in ihren Interaktionen entsteht. Im Hinblick auf Innovationsprozesse als Ganzes und den Zusammenhang von Zeit und Innovation bedeutet diese Hypothese, dass eine Vielfalt von unterschiedlichen Zeithorizonten und zeitlichen Orientierungskomplexen aufgrund des Einflusses der verschiedenen institutionellen Felder vorherrscht (Rammert 1997: 405). Doch Rammert liefert noch weiter gehende Ansatzpunkte, um das Verhältnis von Zeit und Innovation zu erfassen. Auf Basis der rhythmischen Charakterisierung und der institutionellen Prägung von Innovationsprozessen unterstellt Rammert, dass die zeitlichen Orientierungen der am Innovationsprozess beteiligten Akteure heterogen sind. Er unterstellt, dass die Akteure mit unterschiedlichen Rhythmen der Intensität und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in ihren Aktivitäten zu Innovationen beitragen (Rammert 1997: 400). Er geht noch weiter: Jede Form der Koordination, sei es über Hierarchie, Markt und Wettbewerb oder durch Netzwerke, bringt eine besondere Form des Rhythmus und der zeitlichen Strukturierung in Innovationsprozessen mit sich. Er macht deutlich, dass Unternehmen durch ihre Form der Organisation von Innovationsaktivitäten in eigenen Abteilungen und durch eine Reihe von stillen Praktiken sowie regulatorischen Institutionen in der industriellen Wertschöpfungskette, wie bspw. durch den Auf kauf von Patenten, durch geheime Marktabsprachen oder durch Definition von Zeitintervallen in Produktlebenszyklen, Tempi und Rhythmen von Innovationen kontrollieren (Rammert 1997:404).
Polyrhy thmizität Mit der Feststellung, dass unterschiedliche Formen des Umgangs mit Zeit in den unterschiedlichen institutionellen Feldern in Innovationsprozessen bestehen macht Rammert für den Zusammenhang von Zeit und Innovation deutlich, dass Innovationsprozesse polyrhythmische Prozesse sind, die durch spezifische zeitliche Strukturierungen auf Basis heterogener Impulse von Akteuren, Entwicklungen und Dynamiken mit jeweils spezifischen Tempi und Rhythmen geprägt sind. Damit lässt sich erfassen, dass unterschiedliche, feldspezifische Geschwindigkeiten, die Rammert auf die unterschiedlichen quasi-institutionell verfestigten Zeitperspektiven zurückführt, vorherrschen. Es herrscht also Polyrhythmizität: Verschiedene Tempi und Rhythmen bestehen in Innovationsprozessen.
Synchronisationsherausforderungen Auch lassen sich mit der Feststellung der Polyrhythmizität auch spezifische Problemstellungen in modernen, polyrhythmischen Innovationsprozessen nachvollziehen: So unterstellt Rammert, dass auf Grundlage heterogener und spezifischer Tempi und Rhythmen in unterschiedlichen institutionellen Feldern, Dissonanzen in Innovationsprozessen entstehen können, die sich negativ auf die Innovationsprozesse auswirken (Rammert 1997: 399). Rammert unterstellt, dass eine normale Rückkopplung zwischen den Instanzen der Innovation nicht mehr ausreicht, um Dissonanzen auszugleichen und zur Koordination
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der heterogenen Akteure beizutragen. Vielmehr sind nach Rammert unter der Bedingung der reflexiven, modernen Innovation und von Tempounterschieden zwischen unterschiedlichen Akteuren, neue Formen von Innovationspolitik notwendig, um die Entstehung von Dissonanzen und paradoxen Effekten zu verhindern: Es sind neue, reflexive Formen der Innovationspolitik notwendig: Je mehr der technische Wandel in verschiedenen Phasen, einzelnen Technologiefeldern und von bestimmten Akteursgruppen beschleunigt wird, desto stärker kann das Tempo der gesamtgesellschaftlichen Innovation abgebremst werden. Die vielen »Accelerandos« der einzelnen Melodien, also die vielen einzelnen Beschleunigungen in Entwicklungen in verschiedenen institutionellen Feldern, können eine steigende Disharmonie und potentiell ein »Ritardando«, d.h. eine Verlangsamung, im gesamten Innovationsprozess erzeugen, wenn diese nicht miteinander in Einklang gebracht werden (Rammert 1997: 409). Rammert verdeutlicht, dass dieser paradoxe Effekt moderner Innovation vor allem dann auftritt, wenn die Dynamiken und Impulse der verschiedenen Akteure und der Entwicklungen im Gesamtprozess nicht durch innovationspolitische Maßnahmen synchronisiert und harmonisiert werden. In einem heterogen verteilten System der Innovation wachsen also die Koordinations- und Synchronisationsprobleme zwischen den unterschiedlichen Motiven und Tempi von einzelnen Entwicklungen und Dynamiken an. Daraus folgert Rammert die Notwendigkeit der Schaffung eines neuen Innovationsregimes. Dieses Innovationsregime sollte den Herausforderungen reflexiver Innovation durch Koordinationsmechanismen, die Vielfältigkeit und Ambivalenz tolerieren, gewachsen sein. Es sollte rekursives Lernen der Akteure begünstigen und Zeitdifferenzen zulassen (Rammert 1997: 409). Nicht allein eine Beschleunigung einzelner Prozesse ist notwendig. Es müssen vielmehr auch verstärkt Formen und Mechanismen der Koordination wie beispielsweise Innovationsnetzwerke gefunden werden, die heterogene Akteure und deren Impulse durch Kontextsteuerung so synchronisieren, dass eine Beschleunigung des Gesamtprozesses möglich wird. Es werden Formen der Koordination benötigt, die es unterschiedlichen Agenturen und Akteuren ermöglichen, rekursiv zu lernen, um somit durch reflexive zeitliche Strukturierungen ihrer verschiedenen Aktivitäten ihre Impulse mit denen anderer Akteure abzustimmen (Rammert 1997: 409). Es gilt einen Modus zu finden, der fähig ist, die Vielfalt dissonanter Melodien und asynchroner Rhythmen nicht polyphon zu harmonisieren, sondern polyrhythmisch zu vernetzen (Rammert 1997: 412). Damit verdeutlicht Rammert, dass Tempi, Rhythmen und Abfolgen der Aktivitäten und Interaktionen und deren zeitliche Kohärenz, dass also Synchronitäten verstanden als das pünktliche Zusammentreffen von Aktivitäten, die zentralen Faktoren in modernen Innovationsprozessen sind. Rammert macht den Stellenwert deutlich, der der Synchronisation der Aktivitäten und dem reflexiven Umgang mit Zeit zum Umgang mit Tempounterschieden und Unterschieden in Zeitintervallen, Sequenzen und Rhythmen in modernen Innovationsprozessen zukommt. Rammert kann auf Basis der rhythmischen-zeitlich orientierten Charakterisierung
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des Innovationsprozesses, darauf hinweisen, dass dieser veränderte Verlauf von Innovationsprozessen den Akteuren eine größere Reflexivität in ihrer Koordination abverlangt (Rammert 1997: 412): Unter der Bedingung der Beschleunigung und der mannigfaltigen Rückkopplungen von Aktivitäten steigt die Unsicherheit in diesen Prozessen. Um die Unsicherheit zu begrenzen, wird es immer wichtiger, an kritischen Passagepunkten in einer modernen Innovationsbiographie zu einer Synchronisation von Dynamiken in wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Feldern beizutragen. In Analogie zu Musikwerken müssen verschiedene Melodien vereinigt werden, um ein Gesamtkunstwerk zu schaffen. Rammert unterstreicht, dass die Anforderungen an die Synchronisation der verschiedenen Akteure und besonders der Aktivitäten in den verschiedenen institutionellen Feldern gewachsen sind: So hat sich beispielsweise die Notwendigkeit, technische Standards zwischen den unterschiedlichen Akteuren auszuhandeln, vergrößert (Rammert 1997: 408 – 409). Um in dem Bild des musikalischen Werkes zu bleiben: Um die Aktivitäten in modernen Innovationsprozessen integrieren zu können, um moderne Innovationsprozesse zustande zu bringen, bedarf es nach Rammert neuer Formen der Koordination, vor allem Formen der Synchronisation, die fähig sind relativ unbestimmte, verteilt beschleunigte Aktivitäten von heterogenen Akteuren zusammenzuführen, so dass ein durchgängiger Prozess entsteht: Moderne Innovationsprozesse hängen also aus rhythmischer Perspektive von Formen reflexiver Koordination und der Synchronisation ab. Rammert ermöglicht es durch seine rhythmische Beschreibung von Innovationsprozessen und seinen Rückgriff auf Zeit als ein methodisches Hilfsmittel zur Abbildung von Aktivitätszyklen, die Synchronisation von Impulsen und Aktivitäten heterogener Akteure als die zentrale Aufgabe innerhalb von modernen Innovationsprozessen wahrzunehmen.
Kritische Würdigung des Konzept s von Rammer t Durch Rammerts Beschreibung des neu entstehenden Innovationsmodus anhand musikalischer Bezeichnungen wird es möglich, den Blick auf unterschiedliche Tempi und Rhythmen sowie auf die dadurch entstehenden Koordinationsherausforderungen zu lenken. Rammerts These, dass das Tempo und die Richtung der Technikentwicklung nunmehr von vielen institutionell und zeitlich unterschiedlichen Dynamiken aus Wissenschaft, Wirtschaft und Staat abhängen (Rammert 1997: 405), ermöglicht es, zu folgern, dass Zeit zur Beherrschung der Polyrhythmizität für Innovationsprozesse, deren Verlauf und Innovationspolitik relevant ist. Trotz dessen bleiben noch einige Aspekte im Hinblick auf Zeit und Innovation offen, die der genaueren Klärung bedürfen. So besteht noch Bedarf, die Tempounterschiede zwischen den institutionellen Feldern und Akteuren sowie die verschiedenen Entwicklungen und deren Genese genauer anhand von empirischen Beispielen zu charakterisieren, auf die Rammert hinweist (Rammert 1997: 399). Darüber hinaus geht Rammert nicht näher darauf ein, wie Synchronisation eigentlich in Innovationsprozessen funktioniert. Deswegen scheint es
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vor allem notwendig, die unterschiedlichen Formen des Umgangs mit Zeit, die unterschiedlichen Tempi und Rhythmen und deren Bestimmungsgründe eingehender zu betrachten. Es scheint notwendig, auf Basis einer empirisch basierten Analyse zu analysieren, wie sich diese unterschiedlichen Formen der zeitlichen Strukturierung auf Innovationsprozesse und deren Pfade auswirken und wie Synchronisationen der unterschiedlichen Akteure mit ihren spezifischen Umgangsformen mit Zeit ablaufen. Dies setzt voraus, die Begriffe für den Umgang mit Zeit und Synchronisationen noch genauer zu fundieren.
2.2.2 Temporalisierung und Zeit schemata zur sozialen Synchronisation und Gestaltung von Innovationsprozessen Während die meisten Autoren aus der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung bisher Zeit implizit und methodisch betrachten, hat sich vor allem Bender in einer empirischen Arbeit explizit und detailliert mit Zeit als einem Hilfsmittel zur Gestaltung, zur Strukturierung und zur Koordination von heterogenen Akteuren innerhalb der Entwicklung eines europäischen Standards im Bereich der Mobiltelefonie (GSM) auseinandergesetzt (Bender 1996). Diese Arbeit wird hier eingehend diskutiert, da diese wichtige konzeptionelle und begriffliche Ergebnisse zum Zusammenhang von Zeit und Innovation liefert: Bender folgert aus einer empirischen Rekonstruktion, dass Akteure Zeit als Mittel zur Zukunftserzeugung, d.h. als Hilfsmittel zu ihrer Orientierung, zur Strukturierung von Prozessen, Reduzierung von Unsicherheit und Koordination mit anderen Akteuren einsetzen können (Bender 1996). So führt er aus, dass durch die nähere zeitliche Bestimmung von Antizipationen innerhalb von frühzeitigen Standardisierungsbemühungen für einen GSM-Standard, die Gestaltung der Entwicklung von Mobilfunktechnologien möglich wurde (Bender 1996: 42-43): Seiner Ansicht nach wurden durch die Definition von zeitlichen Vorgaben für die Entwicklung von spezifischen Komponenten und Funktionalitäten im GSM-Standard verbindliche Ziele und auch (Handlungs-)Räume für die Entwicklungsarbeit, aber nicht dezidierte Entwicklungsergebnisse definiert (Bender 1996: 153, 159). Bender argumentiert, dass Kontexte der Technikentwicklung mit Hilfe von Zeit genauer strukturiert wurden, um die Technikentwicklung positiv zu beeinflussen. Nach Meinung Benders wurden durch die antizipativen Standardisierungsaktivitäten und die Terminierung von wichtigen zukünftigen Ereignissen die verschiedenen, am Innovationsprozess beteiligten Akteure orientiert und koordiniert (Bender 1996, S. 166ff.). Diese Koordinationswirkung wurde dadurch erreicht, dass Zeit zur Festschreibung eines verbindlichen Zeitplans für die Spezifizierungsarbeit wie auch für die schrittweise Implementierung der Systeme im GSM-Projekt genutzt wurde: Durch die Zeitpläne für Anforderungen an GSM-Technologiekomponenten wurde eine bestimmte Zukunft erzeugt und somit die Technikentwicklung vorstrukturiert. Bender führt aus, dass durch Zeit in einem Prozess heute Bedingungen dafür geschaffen wurden, damit
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morgen etwas möglich wurde (Bender 1996: 172). Bender interpretiert insoweit die Zusammenarbeit von Unternehmen und Entwicklern und die Schaffung eines Standards als eine Form der Gestaltung von Zukunft, wodurch Akteure ihre Aktivitäten synchronisiert haben. Bei Bender spielt Zeit eine herausragende Rolle in der Technikentwicklung. Er zeigt auf, dass durch die soziale Bearbeitung von Zeit und durch die Synchronisation von Akteuren in komplexen Technologieentwicklungsprojekten Unsicherheit reduziert werden kann (Bender 1996: 203): Die offene Zukunft wird durch den spezifischen Umgang mit Zeit in Standardisierungsaktivitäten zu einer strukturierten Potenzialität. Durch die systematische Nutzung von Zeit wird ein Entwicklungskorridor für Technologien geschaffen (Bender 1996: 171). Qua Antizipation werden planmäßige Entwicklungsmöglichkeiten als spezifische Zukunft definiert. Von diesen Antizipationen ausgehend, werden dann in der Gegenwart systematisch die Bedingungen dieser Möglichkeiten aufgebaut (Bender 1996: 164). Bender sieht also Zeit als Hilfsmittel zur sozialen Gestaltung von Technologieentwicklungsprozessen. Er sieht Zeit als ein Mittel, das von Akteuren z.B. in Projekten eingesetzt werden kann, um – über die Erzeugung und Strukturierung von Zukünften – Unsicherheit durch soziale Strukturierung zu begrenzen, um den verschiedenen Akteuren zeitliche Orientierung über Termine zu vermitteln und dadurch Prozesse gestalten zu können. Von besonderer Relevanz ist, dass Bender die Technologieentwicklung als sozialen Prozess auffasst, in dem Zeit bearbeitet wird (Bender 1996: 162). Er will herausfinden, mit welchen Mechanismen die Orientierung und die Koordination von heterogenen Akteuren in Technikentwicklungsprozessen möglich werden.
Temporalisierung In diesem Zusammenhang argumentiert er, dass in Innovationsprozessen etwas mit Zeit gemacht wird (Bender 1996: 185): Ereignisse werden mit Hilfe von zeitlichen Zuschreibungen in Projekten und Standards wirkungsmächtig gemacht. Um dies zu erklären, greift Bender auf Luhmanns Verständnis von Zeit und dessen Konzept der Strukturierung durch Temporalisierung zurück: Demnach werden innerhalb der Temporalisierung – d.h. der genaueren Bestimmung von sozialer Zeit – bestimmte Ereignisse als gegenwärtige, aktuelle Ereignisse definiert. Bestimmten Ereignissen wird Aktualität und damit Relevanz zugeschrieben. Sie werden in eine Reihenfolge nach ihrer Dringlichkeit gebracht (Bender 1996: 171). Wenn so einige Ereignisse als aktuell und andere als inaktuell in der Temporalisierung definiert werden, werden dadurch soziale Kontexte strukturiert. Dadurch ergeben sich kausale Muster des Voreinander und Nacheinander. Eine spezifische Gegenwart und Zukunft wird im Lauf der Zeit definiert: Es wird ein zeitliches Kontinuum aus Ereignissen aufgebaut, in dem gegenwärtige Aktivitäten in Zuständen resultieren, die zukünftige Aktivitäten strukturieren (Bender 1996: 164). So kann die Temporalisierung praktisch bedeuten, dass Teilaspekte einer Aufgabe durch die Angabe von Terminen
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dringlicher gemacht werden, wohingegen andere Teilaspekte bewusst auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Prospek tive Antizipation – Verbindung von Gegenwar t und Zukunf t Bender führt aus, dass in Zukunftsentwürfen die Gegenwart und die Zukunft in einer prospektiven Antizipation, d.h. durch Simulation von Zukunft, so aufeinander bezogen werden, dass sie einander strukturieren (Bender 1996: 185): Von der Zukunft aus, wird eine bestimmte temporalisierte Ereigniskette in der prospektiven Antizipation vorgedacht. Diese Ereigniskette hat Ordnungscharakter für jetzige Aktivitäten, da sich durch vorgedachte, temporalisierte Ereignisketten bestimmte Abfolgen von Akteursaktivitäten materialisieren (Bender 1996: 173 & 203). Bender behauptet also, dass Zukunft und Gegenwart durch die Temporalisierung in der ex-ante Standardisierung rekursiv aufeinander bezogen werden. Das gegenwärtig Aktuelle – die Gegenwart – und das derzeit Inaktuelle – die Zukunft – wird im Projekt definiert. In der Verbindung von Gegenwart und Zukunft entsteht ein Prozess – es entsteht eine Kette von aktuellen und zukünftigen Ereignissen –, die so aufeinander bezogen sind, dass durch jedes einzelne Ereignis der Möglichkeitsspielraum der anderen Ereignisse folgenreich beeinflusst wird (Bender 1996: 172). Insoweit geht Bender davon aus, dass sich Antizipationen in einem zeitlich bestimmten Zukunftsentwurf auf die Entwicklungsarbeit der verschiedenen Akteure in der Gegenwart auswirken: Die durch Zeitplanungen erzeugte Zukunft – die inaktuellen, antizipierten Ereignisse – beeinflussen aktuelle Ereignisse wie auch dadurch zukünftige Ereignisse (Bender 1996: 172). Für den Zusammenhang von Zeit und Innovation ist der Aspekt relevant, dass innerhalb der sozialen Bearbeitung von Zeit – dem Umgang mit Zeit – Strukturen geschaffen werden (Bender 1996: 27). In dieser Strukturierung werden auf der Basis der Ex-ante-Standardisierung und der Bearbeitung von Zeit Orientierungskomplexe und soziotechnische Konfigurationen für Akteure geschaffen (Bender 1996: 154). Diese tragen zur Synchronisation von heterogenen Akteuren und deren Aktivitäten bei (Bender 1996: 22). Bender argumentiert, dass durch den Entwurf und die zeitliche Strukturierung einer Zukunft in der Projektierung eine Form von Zeit und eine sozio-technische Konfiguration von großer sozialer Bedeutung entstehen (Bender 1996: 172,185). Diese entworfene spezifische Zeit – das Projektzeitschema – hat zeitliche Ordnungsmacht, da dadurch Prozesse strukturiert und Möglichkeiten zur Gleichzeitigkeit in der Zukunft geschaffen werden: Bestimmte Formen der Zukunft werden im Vergleich zu anderen Formen der Zukunft wahrscheinlicher gemacht (Bender 1996: 188). Bender geht darauf ein, dass Zukunftsentwürfe die Fähigkeit besitzen, reale Prozesse und Ausgangssituationen sowie Handlungsbedingungen für Akteure in der Standardisierung zu erzeugen. Die Besonderheit dabei ist, dass die Ordnungsmacht dieser Zukunftsentwürfe über den Rahmen der Projektorganisation hinaus reicht (Bender 1996: 188). So können Zeitpläne und Road-
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maps sämtlichen an Innovationsprozessen beteiligten Akteure dazu dienen, die Wahrnehmung von Potenzialen der Technikentwicklung zu strukturieren. Mit der Schaffung von projektspezifischen Zeitschemata, können auch zeitliche Rahmen für die Aktivitäten anderer, am Innovationsprozess beteiligter Akteure definiert werden. Durch diese Zeitrahmen können Bedingungen für eine mögliche Gleichzeitigkeit der Aktivitäten in der Zukunft geschaffen werden. Anhand dieser Zeitrahmen werden verschiedene Entwicklungsoptionen in der Technikentwicklung ausgeschlossen. Anhand dieser Zeitrahmen und der für alle Akteure als wichtig definierten Ereignisse wird die Vielfalt der Entwicklungsoptionen eingeschränkt, wodurch sich die heterogenen Akteure besser auf avisierte Ziele hin koordinieren können. Bender behauptet also, dass durch die Bearbeitung von Zeit und die Schaffung eines projektbezogenen Zeitschemas Synchronisation stattfindet. Durch diese Synchronisation, die er als einen Spezialfall der sozialen Koordination auffasst, werden dann auch neue gesellschaftliche (Handlungs-)Bedingungen geschaffen. Es werden Handlungsbedingungen geschaffen, da die Akteure auf Basis ihrer synchron wirksamen Handlungen neue Potenziale für die Weiterentwicklung von Technologien erarbeiten (Bender 1996: 175, 188).
Termine und zeitliche Schemata Diese Synchronisation ist nur möglich, weil Akteure in der Projektplanung mit Hilfe von Zeit ihre Antizipationen gedanklich strukturiert und dadurch Zusammenhänge hergestellt haben (Bender 1996: 185). Dazu haben sie Verbindungen zwischen Ereignissen mit einem zeitlichen Schema hergestellt. Sie haben Termine geplant. Erst mit dieser Fixierung von Terminen schaffen die Akteure einen stabilen zeitlichen Bezugsrahmen, eine nach Bender noch zunächst potentielle Eigenzeit des Projekts, an dem sie ihre Aktivitäten orientieren (Bender 1996: 186). Durch diese Zeitplanungen und Termine werden nach Bender Zukunftsentwürfe stabilisiert (»gehärtet«: Bender 1996: 186). Die Stabilisierung von Zukunftsentwürfen durch eine – in Projekten entworfene Zeit – hat zur Folge, dass das, was im Entwurf als Möglichkeit angelegt war, nach und nach in Faktizität umgewandelt wird: Mit der Stabilisierung der Termine werden eigentlich nur gedachte temporale Kausalitäten zwischen Ereignissen faktisch erzeugt. Auf der Basis der Herstellung von temporalen Kausalitäten werden auch Anschlusszwänge erzeugt, d.h. es werden konkrete Bedingungen für zukünftig aktuelle Aktivitäten gesetzt. Anders ausgedrückt: Durch die Erstellung von Zeitplänen und die Avisierung von bestimmten Zeitpunkten werden Akteure darauf orientiert, zu spezifischen Zeitpunkten in den Zeitplänen ihre Beiträge zur Technikentwicklung zu leisten. Dies hat im Endeffekt eine Synchronisation der Aktivitäten und die Entstehung einer Gleichzeitigkeit von Ereignissen zur Folge. In der Weiterführung der Annahme, dass Zeitpläne große Bedeutung für die Koordination von Akteuren und die Strukturierung der Technikentwicklung haben, argumentiert Bender, dass Zeit als epistemisches Mittel zur Synchronisation von Akteuren in der Technikentwicklung dient. Nach Bender bil-
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det Zeit bei der Technologieentwicklung nicht nur einen impliziten, diffusen Hintergrund. Vielmehr kann Zeit gezielt durch Akteure genutzt werden, um Innovationsprozesse zu beeinflussen: Bender hebt hervor, dass Akteure mittels der Definition bestimmter Zeitskalen, durch die Festschreibung von Terminen, auf die sie verpflichtet werden bzw. auf die sie sich selbst verpflichten, für bestimmte Zeiträume mit anderen Akteuren verbunden werden (Bender 1996: 165). Sie werden durch die zeitliche Strukturierung in eine bestimmte Abfolge von Ereignissen und Aktivitäten integriert. Dabei ist in der Auffassung Benders die Bedingung für diese Synchronisation von Akteuren, dass die Eigenzeit eines Projektes als das eine Schema institutionalisiert wird, an dem sich die anderen an der Technikentwicklung beteiligten Akteure in der Strukturierung ihrer Aktivitäten orientieren müssen (Bender 1996: 174). Mit anderen Worten: Bender geht davon aus, dass durch Zeitplanungen ein bestimmtes Schema stabilisiert und den Akteuren vermittelt wird. Diese orientieren sich dann in ihrer Zeitplanung an diesem spezifischen Schema; sie richten ihre Handlungen und ihre eigenen Zeitplanungen nach dem Schema im Projekt aus. Dadurch gleichen sie sich in ihrer zeitlichen Strukturierung aneinander an, weswegen im Endeffekt ein homogenes Zeitschema entsteht: Bender geht also davon aus, dass bei der Herstellung von Synchronität, die heterogenen Akteure ein Zeitschema ausbilden und damit im Endeffekt gleiche Zeitperspektiven und Formen des Umgangs mit Zeit zur Gestaltung ihrer Aktivitäten entwickeln (Bender 1996: 174).
Her stellung von Gleichzeitigkeiten (Synchronitäten) Das Besondere an Benders Perspektive ist, dass er nicht nur ausführlich auf die Synchronisation, sondern vielmehr auch auf die Herstellung von Synchronitäten, d.h. die Herstellung von Gleichzeitigkeiten in Innovationsprozessen eingeht. Ausgangspunkt ist dabei die Charakterisierung von Innovationsprozessen in der Arbeit von Bender: Bender charakterisiert die Technologieentwicklung als einen sozialen, gerichteten Prozess mit offenem Ausgang, in dem durch planvolle Interessen geleitete Gestaltung der Akteure De- und Re-Kontextualisierungen, mehrstufige Institutionalisierungsprozesse, stattfinden (Bender 1996: 202ff.). In der Technologieentwicklung finden Prozesse der Vermittlung von technischen Funktionsanforderungen und Markterfordernissen, wie auch Bewertungen und Entscheidungen über Technologieentwicklungsalternativen statt. Deswegen ist die Technikentwicklung durch Unsicherheit geprägt. Viele Akteure verändern die Strukturierung ihrer Innovationsaktivitäten, es entstehen unterschiedlich getaktete Impulse und Unsicherheiten, so dass Orientierung geschaffen werden muss. Und diese Orientierung wird hergestellt, indem Zeit bearbeitet wird. Orientierung wird geschaffen, indem in Zukunftsentwürfen bestimmte Zeitpunkte, zu denen der Zustand der Synchronität herrscht, gedanklich erzeugt werden. Die Gleichzeitigkeit von Handlungen wird also durch eine gemeinsame Zeitperspektive, durch die nähere zeitliche Bestimmung von Zukunftsentwürfen in der Standardisierung festgelegt. Dies geht nach Bender im Fall der GSMStandardisierung dadurch vor sich, dass bei der Erarbeitung von Roadmaps be-
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stimmte Zeitpunkte (die ›Synchronitätszeitpunkte‹) definiert werden, zu denen bestimmte Funktionalitäten von Produkten erreicht sein sollen. Dadurch wird eine zeitliche Einordnung von Aktivitäten vorgenommen, an denen sich Akteure orientieren können. Dadurch wiederum entsteht dann zu diesen Zeitpunkten eine Synchronität von unterschiedlichen Entwicklungsströmen, da die Akteure auf diese Zeitpunkte hingearbeitet haben. Für diese Beschreibung der Herstellung von Gleichzeitigkeit der Aktivitäten heterogener Akteure in Prozessen geht Bender also einen Schritt zurück und führt diese Gleichzeitigkeit auf den Umgang mit Zeit der Akteure zurück, um deren Entstehung zu erklären. Die Synchronität – der Zustand der Gleichzeitigkeit von Aktivitäten heterogener Akteure – wird durch die gedankliche Vorwegnahme von Prozessen und durch die Definition von wichtigen Ereignissen und Ereignisfolgen, d.h. durch die zeitliche Strukturierung von Zukunftsentwürfen befördert. Die gedankliche, zeitlich strukturierte Vorwegnahme der Zukunft mit Hilfe von Roadmaps führt potentiell dazu, dass Aktivitäten heterogener Akteure synchron werden. Damit ist auch eine koordinierte Zusammenarbeit der Akteure wie auch eine bessere Entwicklung von neuen Technologien möglich (Bender 1996: 174). Bender zeigt also, wie heterogene Akteure und deren Aktivitäten ex-ante durch Standardisierungsaktivitäten zeitlich koordiniert wurden. Dabei misst Bender der Nutzung von Zeit als Mittel zur Gestaltung von Innovationsprozessen einen großen Stellenwert bei: Zeit ist ein Teil von Konzepten zur Gestaltung von Prozessen. Akteure können durch genauere Terminierungen Zustände der Gleichzeitigkeit schaffen. Sie können dadurch ihre Aktivitäten synchronisieren, was zu Gleichzeitigkeit führt (Bender 1996: 185). Bender betrachtet Zeit also nicht nur als methodisches Mittel, mit dem Dauern und Phasen von Entwicklungen aufgezeigt werden können. Vielmehr sieht Bender Zeitschemata als wichtige Mittel, die Akteuren zur Verfügung stehen, um sich zu orientieren und sich mit anderen Akteuren in komplexen Prozessen zu synchronisieren.
Weiße Flecken in Arbeiten zur sozialen Gestaltung mit Hilfe von Zeit Bei der kritischen Würdigung wird deutlich, dass Bender durch seine Analyse der Verwendung von Zeit zur Erzeugung von Zukunftsentwürfen und als Mittel zur Koordination von Akteuren wertvolle Hinweise für das Verständnis des Zusammenhangs von Zeit und Innovationen sowie von Synchronisation in Innovationsprozessen liefert. Allerdings versäumt es Bender, die vor sich gehenden zeitlichen Strukturierungen genauer zu beschreiben. Er versäumt es – abgesehen von Temporalisierung und Synchronisation – trennscharfe Begriffe für den Umgang mit Zeit zu entwickeln und diese zu kontrollieren. Dies hat zur Folge, dass der Begriff »Zeit« in vielen verschiedenen Konnotationen verwendet wird. Dadurch bleibt unklar, wie Formen sozialer Zeit entstehen, welche Funktionen soziale Zeit hat. Vor allem bleibt unklar, wie sich die Charakteristika und Funktionen sozialer Zeit in Innovationsprozessen auswirken. Dies verwundert, da Bender einige Auswirkungen der Nutzung von Formen sozialer Zeit, wie die
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Entstehung einer spezifischen sozialen Zeitlichkeit, unterstellt und dieser auch einen großen Einfluss auf die Technologieentwicklung und sogar allgemein der Strukturierung von Realität beimisst. Darüber hinaus betrachtet Bender auch nicht detailliert genug, wie die heterogenen, an Innovationsprozessen beteiligten Akteure mit Zeit unterschiedlich umgehen. Er berücksichtigt nicht ausreichend, dass verschiedene Akteure teilweise ganz unterschiedliche Interessen und auch ganz unterschiedliche zeitliche Schemata durch ihre Strukturierungen ausbilden. Er unterstellt nicht, dass die Formen der Temporalisierung, d.h. die Nutzung von Zeit zur Strukturierung, von Akteur zu Akteur und somit auch die Eigenzeiten der Akteure unterschiedlich sein können. Bender beschreibt zwar den Prozess der Synchronisation und geht davon aus, dass sich Akteure über vorgedachte und entworfene Zeitlichkeiten und Prozesse orientieren und auch koordinieren können (Bender 1996: 174). Er geht jedoch nicht darauf ein, wie genau Synchronisation vor sich geht. Bender problematisiert nicht die Frage, wie Akteure, die mit Zeit umgehen, befähigt werden können, ihre Aktivitäten mit denen anderer Akteure zu synchronisieren. Er fragt nicht, welche Vorgehensweisen und welche Mechanismen potenziell zu Synchronisationen beigetragen. Vielmehr liefert er relativ schnell auf Basis seiner empirischen Betrachtung eines bestimmten Innovationsprozesses eine verengte Sichtweise auf Synchronisation. Nach Meinung Benders funktioniert Synchronisation über ein vorherrschendes homogenes Zeitschema, das auf alle am Innovationsprozess beteiligten Akteure wirkt. Bender berücksichtigt meines Erachtens nach damit die aktiven Komponenten der Synchronisation zu wenig: Er berücksichtigt zu wenig, dass Akteure durch die mehr oder weniger reflexive Ausrichtung und (zeitliche) Planung ihrer Aktivitäten auf Basis ihrer Interessen ständig zur Entstehung von Synchronitäts- und De-Synchronitätszuständen in Entwicklungen beitragen, indem sie beispielsweise ihre Aktivitätsfolgen verlangsamen oder beschleunigen und damit zur Entstehung von Zeitdifferenzen und Entwicklungsdifferenzen beitragen. Da Bender Synchronisation an die Existenz und Wirkungsmächtigkeit eines Zeitschemas bindet, wird die Frage, wie genau Synchronisation auf Basis des Umgangs von Akteuren mit Zeit zustande kommt, nicht von ihm betrachtet. Die Bindung von Synchronisation an ein homogenes Zeitschema erscheint in Anbetracht der vielen unterschiedlichen zeitlichen Schemata, die in realiter in komplexen Innovationsprozessen mit vielen verschiedenen Akteuren bestehen, schwierig. Denn diese verschiedenen Akteure werden sich nur in Ausnahmefällen auf ein gleiches Zeitschema, wie es von Bender beschrieben wird, einigen.
2.2.3 Zeitkapazitäten und Zeitper spek tiven zur Gestaltung von Pfaden Innerhalb des weit reichenden Forschungsfeldes von sozialwissenschaftlichen Innovationsforschungsarbeiten ist im Hinblick auf Zeit und Innovation die Arbeit von Garud und Karnoe relevant. In dieser gehen die Autoren dezidiert
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auf den Umgang mit Zeit und die Zeitkapazitäten der Akteure bei der Kreation von Pfaden in der Technikentwicklung ein (Garud/Karnoe 2001). Für die Autoren spielt Zeit als eine Ressource zur Schaffung von Pfaden eine große Rolle: So haben sie mit Rückgriff auf einzelne Innovationen – wie die erfolgreichen Klebezettel (›Post-It‹©) von 3M – darauf verwiesen, dass einzelne Akteure Zeitkapazitäten schaffen müssen, um langfristig technische Entwicklungen gestalten und Pfade schaffen zu können (Garud/Karnoe 2001: 21ff.): Die Akteure sollten in ihrer Planung einen angemessenen Zeitrahmen anvisieren, möglichst weite Zeithorizonte haben, wenn sie neue Technologiefelder und Märkte entwickeln (Garud/Karnoe 2001: 22). Garud und Karnoe weisen vor allem darauf hin, dass die Zeithorizonte der einzelnen Akteure und die benötigte Zeit für die Neuentwicklung miteinander in Einklang gebracht werden sollten, da es sonst entweder zu wenig oder auch zu viel Zeit für Entwicklungen gibt, was in beiden Fällen negative Auswirkungen auf das Ergebnis des Innovationsprozesses hat.12 Garud und Karnoe fordern also, dass Akteure Zeit für die Entwicklung von technologischen Innovationen zur Verfügung stellen sollten. Zeit sollte zur bewussten Einflussnahme auf Prozesse strategisch mit langen Zeithorizonten geplant werden. Zeitkapazitäten sollten als Ressource mobilisiert und eingesetzt werden, wie sie dies im Zusammenhang mit der 12-Jahre dauernden Entwicklungszeit der »Post-It«©-Klebezettel beobachtet haben (Garud/Karnoe 2001: 22). Garud und Karnoe sehen Zeit als eine zentrale Ressource für Akteure zur Strukturierung von Innovationsprozessen. Sie weisen explizit auf die hohe Bedeutung hin, die der Umgang mit Zeit, in Form von Zeitplanungen im Zusammenhang mit der Schaffung von Pfaden hat. Daraus lässt sich schließen, dass einzelne Akteure durch ihren Umgang mit Zeit Einfluss auf Prozesse ausüben und diese gestalten können. In dieser Arbeit zur Strukturierung von Pfaden werden Innovationsprozesse als relativ offene Prozesse charakterisiert, die durch Impulse und Interaktionen von Akteuren geprägt werden. Diese offenen Prozesse sind sowohl durch stabilisierte und situative Vorgehensweisen der Akteure, durch Regeln sowie Artefakte also durch Pfadabhängigkeit geprägt (David 1985). Diese Prozesse sind aber auch durch situative, strategische Impulse von Akteuren geprägt, die unter Einsatz ihrer Ressourcen versuchen, in ihrem Sinne bewusst und strategisch Pfade zu schaffen und zu strukturieren: Sie gehen davon aus, dass Akteure durch ihre Handlungen, durch ihre Bedeutungszuschreibungen in Technologiefeldern Pfade schaffen können, indem Akteure auf die Wahrnehmung von Technologien, ihre Anwendung und ihre Einbettung einwirken (Garud/Karnoe 2001:7). Besonders Garud und Karnoe – aber auch andere Arbeiten zur Pfadgenese 12 | »Timeframe and degrees of novelty must be matched«; »If too little time is slotted for the deviation, it will be either be half done or may not be perceived as an interesting novelty to anyone involved. In contrast, too much time may result in trivialization of the idea or in a situation where those attempting to create a path are unable to generate the necessary momentum required to get the project through«(Garud/Karnoe 2001:22).
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– stellen die fortgesetzten Interaktionen von Akteuren und die Folgen von Ereignissen, d.h. die Pfade der Technikentwicklung in den Mittelpunkt ihres Interesses (vgl. Windeler 2003). Auf Basis der Strukturationstheorie (vgl. Giddens 1987) wird in diesen Arbeiten hinterfragt, wie bestimmte Pfade in der Technikentwicklung durch die Aktivitäten einzelner sozial kompetenter Akteure, die unternehmerisch handeln, zustande kommen (Garud/Karnoe 2001; Windeler 2003: 300-301). Im Zentrum stehen die Fragen, wie einzelne soziale Akteure die Pfade der Technikentwicklung beeinflussen können und wie sich Pfade auf Basis der Beeinflussung der Akteure realisieren. In ihrer Beschreibung des Zustandekommens von Pfaden, schlagen diese Arbeiten die Brücke zwischen der Betrachtung des situativen Verhaltens der Akteure und dem Verlauf von Innovationsprozessen. Diese Arbeiten betrachten also sowohl die Gestaltung durch die situativen, strukturierenden Aktivitäten einzelner Akteure als auch die Gestalt von Prozessen. Durch diesen Brückenschlag wird nachvollzogen, welche Handlungen der Akteure zu bestimmten Pfaden geführt haben. Diese Perspektive ist im Hinblick auf Zeit und Innovation interessant, da daraus gefolgert werden kann, dass einzelne Akteure Tempi durch ihre zeitlich strukturierenden und strukturierten Aktivitäten hervorbringen.
Fehlende Aspek te in Arbeiten zur Struk turierung von P faden Bei der kritischen Würdigung der Arbeiten zur Pfadstrukturierung bleibt festzuhalten, dass es speziell durch das Konzept der Pfadkreation möglich wird, anzunehmen, dass einzelne sozial kompetente und mit Wissen ausgestattete Akteure durch die unternehmerische Nutzung ihrer Zeitkapazitäten und mit Zeithorizonten strukturierend, dauerhaft einen Prozess und dessen Geschwindigkeit gestalten können. Die Auswirkungen der Nutzung von Zeit einzelner Akteure auf den Innovationsprozess lassen sich also nachvollziehen. Gerade in dieser Richtung wird allerdings innerhalb der bisherigen Arbeiten (Garud/Karnoe 2001) nicht hinreichend analysiert, wie genau die einzelnen unternehmerisch handelnden Akteure Zeit nutzen, um die Technikentwicklung zu beeinflussen. Zwar wird in den bisherigen Arbeiten konzeptionell auf einzelne Akteure abgestellt, doch konzeptionell und empirisch erfolgt noch keine überblicksartige, typisierende Betrachtung der Heterogenität der spezifischen, unterschiedlichen Formen wie Zeit als Ressource und Akteurswissen in Technikentwicklungen genutzt werden kann und welche Auswirkungen dies potenziell auf Pfade hat.
2.2.4 Zusammenfassung Für die Auseinandersetzung mit Zeit und Innovation liefern sozialwissenschaftliche Innovationsforschungsarbeiten einen wichtigen Beitrag, weil sie es durch ihre spezifische Perspektive auf Innovationsprozesse ermöglichen, die Formen des Umgangs mit Zeit und deren Auswirkungen auf die Entstehung und den Verlauf von Innovationsprozessen sowie Phänomene der Synchronisation konzeptionell schärfer zu fassen.
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Relevant sind in dieser Hinsicht vor allem Arbeiten aus dem Feld der sozialen Gestaltung, die zum einen – wie Bender – explizit und empirisch die Rolle von zeitlichen Strukturierungen und deren koordinierenden Wirkungen auf das Handeln der Akteure betrachten. Diese Arbeiten liefern, empirisch basiert, eine konzeptionelle Perspektive auf Zeit (Bender 1996). Sie beschäftigen sich eingehend mit Zeit als einem Mittel zur sozialen Gestaltung und zur Synchronisation mit anderen Akteuren in Innovationsprozessen. Sie nehmen Zeithorizonte und Zeitkapazitäten als Faktoren für den Verlauf von Innovationsprozessen und als strategische Ressourcen von Akteuren wahr (Garud/Karnoe 2001). So sieht Bender Zeit als eine interpretative Größe, als ein Hilfsmittel zur Orientierung und Synchronisation, mit dem Akteure direkt Innovationsprozesse durch die Erzeugung von Zukunft gestalten können (Bender 1996: 22). Bender verdeutlicht auf Basis einer empirischen Betrachtung, dass sich durch die Nutzung von Zeit (›Temporalisierung‹), bestimmte Zeitrahmen (›Projektzeitschemata‹), Formen von sozialen zeitlichen Strukturen bilden, die zur Herbeiführung von Synchronität und damit zur Synchronisation von Akteuren in Prozessen verwendet werden können (Bender 1996: 188). Bender zeigt, dass durch die Formulierung von Zeitplänen Zukunft bearbeitet werden kann, um den Akteuren zu helfen, ihre Aktivitäten stärker aneinander anzupassen, Zeit ist ein Hilfsmittel zur Synchronisation der Aktivitäten heterogener Akteure (Bender 1996: 175). Ein anderer relevanter empirischer Beitrag für den Zusammenhang von Zeit und Innovation setzt sich mit dem Umgang von Akteuren mit Zeit, mit Zeitkapazitäten und deren Auswirkungen auf Pfade in Innovationsprozessen auseinander (Garud/Karnoe 2001). Zeit wird dabei als eine Ressource von unternehmerisch handelnden Akteuren gesehen, die von diesen zur Beeinflussung von Pfaden genutzt werden kann: Wenn Akteure dazu fähig sind, Zeit zu mobilisieren, Zeitkapazitäten zu schaffen sowie adäquat gestaltete Zeithorizonte zu konstruieren, können sie nachhaltig Einfluss auf Technologiepfade nehmen (Garud/Karnoe 2001: 22). Der Beitrag dieser Arbeit für das Verständnis von Zeit und Innovation liegt damit darin zu erfassen, dass einzelne Akteure durch ihren unternehmerischen Umgang mit Zeit, Einfluss auf Pfade der Technologieentwicklung ausüben können. Neben dieser empirischen Auseinandersetzung mit Zeit als Mittel zur Herstellung von Synchronität in Innovationsprozessen ist der konzeptionell-theoretisch orientierte Beitrag von Rammert relevant. Rammert betrachtet anhand einer theoretisch fundierten rhythmischen Beschreibung von Innovationsprozessen die zeitlich-rhythmischen Muster von Innovationsprozessen und die Herausforderungen an die Synchronisation von Akteuren (Rammert 1997, 2000). Rammert benutzt Zeit als Beschreibungsgröße, um den Verlauf, die Gestalt und die zeitlichen Eigenschaften von Innovationsprozessen ex-post abzubilden. Er verbindet die Betrachtung zeitlicher Verläufe mit musikalischen Begriffen, um so die zeitlichen Eigenschaften des Verlaufs und die rhythmische Form der Aktivitätszyklen von Akteuren (Tempi, Sequenzen, Rhythmen: ›Ritardando und Accelerando‹) in Innovationsprozessen zu charakterisieren. Er kann so beschreiben, in welchen Dimensionen sich Innovationsprozesse in ihrem Verlauf
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verändert haben und welche Herausforderungen im Hinblick auf die soziale Koordination und die Synchronisation heute in der Innovationspolitik entstehen (Rammert 1997). Rammert geht dabei von der Annahme aus, dass Akteure durch ihre Prägung in ihren jeweiligen sozialen und institutionellen Umfeldern unterschiedliche Zeitperspektiven haben, die sich in Form spezifischer Tempi und Rhythmen auf Innovationsprozesse auswirken. Auf Basis von Rammerts Perspektive ist es möglich, anzunehmen, dass Innovationsprozesse aufgrund der heterogen strukturierten Handlungen der Akteure durch unterschiedliche Rhythmen und unterschiedliche Geschwindigkeiten geprägt sind.
Charak terisierung von Innovationsprozessen in Arbeiten zur sozialen Gestaltung Die meisten Arbeiten im Bereich der sozialen Gestaltung fassen Technikentwicklungsprozesse als komplexe, offene und letztendlich unvorhersagbare Prozesse auf (Russell/Williams 2002: 9), die durch viele verschiedene Impulse und Einflüsse unterschiedlicher Akteure geprägt sind. Innovationsprozesse sind durch heterogene Akteure und deren Tempi und Rhythmen in ihren Innovationsaktivitäten geprägt, die an unterschiedlichen Orten, gleichzeitig, aber auch Zeit versetzt mit ihrer eigenen Logik entstehen (Rammert 1997; ebd. 2002). Innovationsprozesse werden als sozial konstruierte und situierte, verteilte Prozesse aufgefasst, die von den Interpretationen und Interaktionen der Akteure abhängig sind. Besonders in der Auffassung von Rammert handelt es sich bei Prozessen der Technikentwicklung um reflexive Prozesse, die durch Ambivalenz, Unsicherheit, heterogene Verteiltheit und zeitlich-räumliche Verdichtung gekennzeichnet sind (Rammert 1997: 407).
Zentrales Erkenntnisinteresse der Arbeiten zur sozialen Gestaltung Mit der Perspektive auf die Technologieentwicklung als einem sozialen, kontingenten Prozess konzentrieren sich Arbeiten aus dem Bereich der sozialen Gestaltung von Technologien auf zwei hauptsächliche Ziele: Zum einen wollen diese Arbeiten beschreiben und analysieren, wie soziale Akteure auf Grundlage der spezifischen sozialen Bedingungen Innovationsprozesse gestaltet haben und gestalten, wie also die Technologieentwicklung auf Basis sozialer Faktoren zustande kommt. Zum anderen sollen auf Basis dieser Analysen der sozialen Gestaltung und der Beschreibung der Entwicklungspfade, Empfehlungen zur effektiveren Gestaltung von politischen Maßnahmen zur Unterstützung der Entwicklung neuer Technologien abgeleitet werden. In Arbeiten zur sozialen Gestaltung wird also sowohl die Gestalt von Innovationsprozessen als auch die Gestaltung dieser Prozesse durch die heterogenen Akteure näher untersucht. So wird vielfach die Frage untersucht, »wie« die Entwicklung von Technologien konkret von sozialen Faktoren abhängt, um daraus schließen zu können, wie sich die Orientierung und Koordination der Akteure auf Basis institutionell-sozialer Regelungen durch Innovationspolitik verbessern lässt (Russell/Williams 2002: 38, 56).
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Kritische Würdigung von Arbeiten zur sozialen Gestaltung von Technologien Die Arbeiten mit Perspektive auf die soziale Gestaltung von Technologien ermöglichen, die unterschiedlichen Impulse in Innovationsprozessen, d.h. ihre auf mehrere Akteure verteilte Entstehung und deren Bedingungen, zu rekonstruieren und die Herausforderungen an die Koordination der unterschiedlich geprägten Aktivitäten der Akteure zu erfassen. Sie tragen vor allem zum Verständnis des Einsatzes und der Auswirkungen der Nutzung von Zeit bei. Sie verdeutlichen, dass Zeit und die zeitliche Bestimmung in der Temporalisierung von Zukunftsentwürfen eine Koordinations- und Synchronisationsfunktion erfüllt (vgl. Bender 1996). Basierend auf der Betrachtung von Prozessen in Arbeiten zur Pfadstrukturierung ist auch anzunehmen, dass die heterogenen Akteure durch die Nutzung von Zeit Pfade beeinflussen, ja sogar selbst Pfade strukturieren können (vgl. Garud/Karnoe 2001). Die Lücke in der Betrachtung im Rahmen der Arbeiten zur Pfadstrukturierung besteht aber darin, dass die einzelnen Akteure und ihr spezifischer Umgang mit Zeit nicht untersucht werden. Infolge dessen scheint es erforderlich, die unterschiedlichen Akteure, deren soziale Wissensbestände in Bezug auf soziale Zeit und deren Umgang mit Zeit genauer zu betrachten und herauszuarbeiten, wie sie auf Basis ihrer Wissensbestände in unterschiedlicher Form die Pfade in Innovationsprozessen durch ihren spezifischen Umgang mit Zeit prägen. Auf Basis von neueren konzeptionellen sozialwissenschaftlichen Arbeiten, die Innovationsprozesse als verteilte, von interpretativen Handlungen der Akteure abhängende Prozesse sehen (Rammert 1997, 2000), kann man erfassen, wie sich unterschiedliche, verteilte Impulse und Handlungen heterogener Akteure auf Prozesse auswirken. Man kann annehmen, dass verschiedene Akteure durch ihre institutionellen Umfelder und Sphären spezifisch in ihrer Nutzung von Zeit in Innovationsprozessen geprägt werden. Man kann annehmen, dass sich Rhythmen und Tempi von Akteuren in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik unterscheiden. Obwohl mit diesen konzeptionellen Überlegungen viel dazu beigetragen wurde, die Bedeutung von Zeit für die Entstehung von Innovationen (Bender 1996; Garud/Karnoe 2001) und das Phänomen der Synchronisation betrachten zu können (Rammert 2000), wurde noch nicht verdeutlicht, wie sich der Umgang heterogener Akteure mit Zeit auf die Entstehung von Innovationen auswirkt.
2.3 Zeit und Innovation – Synopse ökonomischer und sozialwissenschaf tlicher Innovationsforschung Um die Perspektive auf Zeit in den verschiedenen wissenschaftlichen, hier diskutierten Ansätzen genauer charakterisieren und unterscheiden zu können, wird auf die von Geertz eingeführte Unterscheidung von verschiedenen Modellen zurückgegriffen. Geertz arbeitet heraus, dass dem Begriff »Modell« zwei
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Bedeutungen zukommen: Zum einen die Bedeutung des »Modells von etwas« und zum anderen des »Modells für etwas«: Bei der Begriffsbedeutung des »Modells von etwas« – wird etwas – ein bestimmter beobachtbarer Prozess – durch eine Menge von Symbolen abgebildet. Die Funktion dieser »Modelle von etwas« ist, Prozesse darzustellen, ihre Struktur in einem anderen Medium auszudrücken (Geertz 1987: 52-53). Bei der zweiten Begriffsbedeutung, den »Modellen für etwas« liegt dagegen die Betonung auf der Manipulation nichtsymbolischer Systeme nach Maßgabe der Beziehungen, die in den symbolischen Systemen zum Ausdruck kommen: »Modelle für etwas« liefern Informationen auf deren Basis Prozesse gestaltet werden. Sie sind mit Bauplänen oder Blaupausen zu vergleichen, da sie als Modelle für eine beabsichtigte Wirklichkeit stehen. Sie verleihen als Vorstellungen in objektivierter Form der sozialen und psychologischen Wirklichkeit Bedeutung, indem sie sich auf die Wirklichkeit ausrichten und zugleich die Wirklichkeit auf sich ausrichten (Geertz 1987: 53). Auf Grundlage dieser Differenzierung lassen sich in der theoretischen Aufarbeitung und Gegenüberstellung zwei Hauptlinien in der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Zeit und Innovation ausmachen: Eine Gruppe von Arbeiten beschreibt die Gestalt, d.h. das Ergebnis der Interaktionen von heterogenen Akteuren und die Entstehung und Diffusion bestimmter Technologien in Forschungs- und Anwendergemeinschaften: Sie beschreiben mit Hilfe von Zeit den Verlauf von Innovationsprozessen. Stellvertretend für diese Ansätze sind Begriffe wie beispielsweise Wellen und Zyklen der technischen Entwicklung und die oft aufgegriffenen Forschungsergebnisse zu Produktlebenszyklen zu nennen. Eine andere Gruppe von Arbeiten kümmert sich eher um die Gestaltung von Innovationsprozessen mit Hilfe von Zeit. In der mikroökonomischen sowie in der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung wird Zeit vornehmlich als Gestaltungsmittel von Akteuren in Innovationsprozessen wahrgenommen. Stellvertretend für diese Ansätze sind Begriffe wie Zeitmanagement, Timing, Zeitziele, Temporalisierung und Synchronisation zu nennen.
2.3.1 Gestaltorientier te Ansät ze zu Zeit und Innovation In makroökonomisch historisch-systematischen, in systemisch-institutionalistischen sowie in empirisch-orientierten mikroökonomischen Arbeiten aus der Innovationsforschung, wird Zeit als eine objektive Größe zur Beschreibung der Gestalt von Innovationsprozessen verwendet. Innovationsprozesse werden mit Hilfe von objektiven, zeitlichen Symbolen in ihrem Verlauf beschrieben. Bei dieser Erarbeitung von Verlaufsmodellen von Innovationsprozessen spielt Zeit sowohl als Merkmal für die Beschreibung der Verlaufsmuster von technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen wie auch als analytisches Instrument zur Untersuchung der Gründe für die Verläufe dieser Entwicklungsprozesse in bestimmten Wirtschaftsystemen eine herausragende Rolle. Zeit dient als ein methodisches Hilfsmittel, um Entwicklungen von Artefakten oder Aggregaten über die Zeit hinweg zu betrachten, um historisch orien-
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tiert, chronologische Verläufe von Innovationsprozessen, deren Phasen (vgl. Utterback 1994), Geschwindigkeiten (vgl. Narula 2002), Zyklen und wichtige Zäsuren und Epochen und Phänomene der De-Synchronisation (vgl. Freeman/ Louca 1999) zu identifizieren und zu beschreiben. Auch in systemisch-institutionalistischen Arbeiten wird Zeit als methodisches Hilfsmittel zur Beschreibung von Prozessen verwendet, um dadurch Zeitfenster (vgl. Lundvall/Borras 2005) und die Trägheit (vgl. Narula 2002) zu erfassen. Auch in mikroökonomisch empirisch orientierten Arbeiten, die sich mit Produktlebenszyklen auseinandersetzen, wird Zeit zur Abbildung von Innovationsprozessen genutzt. Sie bilden ähnlich wie die makroökonomischen und die systemisch-institutionalistischen Analysen mit Hilfe von Zeit Entwicklungslinien ab und erarbeiten daraus bestimmte Muster, wie Produktlebenszyklen oder Epochen. In eine ähnliche Richtung hat auch Rammert mit seiner sozialwissenschaftlichen Perspektive Zeit als methodisches Mittel benutzt, um Verlaufsmuster von Innovationsprozessen zu charakterisieren. Um Formen der Koordination und vor allem deren Auswirkungen zu beschreiben, ist er konzeptionell-analytisch und theoretisch fundiert mit seiner innovativen rhythmischen Charakterisierung von Innovationsprozessen über die Beschreibung von Phasen hinausgegangen. So liefert er wichtige Hinweise auf die Auswirkungen unterschiedlicher institutioneller und zeitlicher Prägungen in Innovationsprozessen durch Begriffe wie »Polyrhythmizität«. Er hat verdeutlicht, dass Innovationsprozesse zunehmend zeitlich verteilt sind, da verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Tempi und Rhythmen agieren. Dies führt wiederum zu einer erhöhten Synchronisationsanforderung: Verschieden zeitlich getaktete Akteure, die miteinander zusammenarbeiten, sollten zeitnah und beschleunigt koordiniert werden.
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Tabelle 1: Übersicht gestaltorientierter Innovationsforschung zum Zusammenhang von Zeit und Innovation Makroökonomisch historischsystematische Innovationsforschung
Systemisch-institutionalistische Innovationsforschung
Empirische, mikro-ökonomische Innovationsforschung
Sozialwissenschaftlich konzeptionell orientierte Innovationsforschung
Leitfragen
Welche Phasen von Innovativität und wirtschaftlichem Wachstum gibt es über die Zeit hinweg?
Wie schnell verlaufen Innovationsprozesse auf Basis institutioneller Rahmenbedingungen in Innovationssystemen? Wie sollten innovationspolitische Maßnahmen zeitlich strukturiert werden?
Wie verlaufen Innovationsprozesse (in zeitlicher Hinsicht)? Welche Phasen sind besonders wichtig?
Wie entwickeln sich Technologien auf Grundlage Formen sozialer Koordination? Welche zeitlichen Muster weisen Innovationsprozesse als Resultat Formen sozialer Koordination auf?
Begriffe
• Zyklen, Wellen, • Trägheit (Narula 2002) Epochen (Freeman/Lou- • Zeitfenster (Lundvall/Borca 2001) ras 2005) • De-Synchro• Zeitfallen nisation (Leifer 2003) (Freeman/Louca 2001)
• Produktlebens- • Polyrhythmizität und Synzyklen chronisationen (Utterback (Rammert 1997; 1994; Argawal/ ebd. 2000) Bayus 2002; • »Ritardando« Kessler/Bierly und »Accele2002) rando« • Phasen (Rammert 2000) (Van de Ven et al. 1999)
Diese gestaltorientierten Begriffe fußen auf einer ähnlichen Charakterisierung von Innovationsprozessen in makroökonomisch, historisch-systematischen, in systemisch-institutionalistischen und in sozialwissenschaftlich konzeptionellorientierten Arbeiten aus der Innovationsforschung. Innovationsprozesse werden als komplexe, historische, kollektive, interaktive und institutionell geprägte, in Innovationssysteme eingebettete Prozesse aufgefasst, die aus einer Ko-Evolution von Entwicklungen zustande kommen. Die Gestalt dieser Prozesse steht im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses, wobei Zeit als Mittel zur Darstellung und Analyse dient.
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2.3.2 Gestaltungsorientier te Ansät ze zu Zeit und Innovation Im Unterschied zu gestaltorientierten Arbeiten aus der makroökonomisch, historisch-systematischen, der systemisch-institutionalistischen und der empirisch-mikroökonomischen Forschung, gibt es in der konzeptionellen und in der instrumentell-managementorientierten mikroökonomischen Forschung wie auch in der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung einige Arbeiten, die Zeit als Gestaltungsmittel von Akteuren in Innovationsprozessen wahrnehmen. Im Gegensatz zu den gerade diskutierten Arbeiten, in denen Zeit meistens kein Strukturierungspotenzial für die Handlungen der Akteure beigemessen wird, haben vor allem konzeptionell und instrumentell-managementorientierte sowie auch empirische Arbeiten aus der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung verdeutlicht, dass Zeit eines der wichtigsten Mittel zur Gestaltung von Aktivitäten in Innovationsprozessen ist. Diese Arbeiten gehen damit auf Zeit in ihrer subjektiven und sozialen Dimension ein: Zeitangaben und Zeit zur Strukturierung von Zukunftsentwürfen haben demnach eine hohe Bedeutung für die jeweiligen Akteure und die sozialen Zusammenhänge. Im Unterschied zu objektiven Zeitkonzeptionen haben die einzelnen Zeitabschnitte in der subjektiven Zeit unterschiedliche Bedeutungsgehalte und Wertigkeiten für Akteure. Subjektive und soziale Zeit fließt unregelmäßig, sie verläuft in Rhythmen. Sie weist Zäsuren und auch Verdichtungen im Erleben von Personen sowie in der Wahrnehmung von sozialen Gruppen auf (vgl. Bitzer 1992). Zeit ist als subjektive und soziale Größe dazu fähig, zur Orientierung, Strukturierung und Synchronisation von unterschiedlichen Akteuren und damit auch zur Strukturierung von Pfaden beizutragen. Zeit wirkt sich auf Verläufe und Pfade von Innovationsprozessen aus. Dabei haben sich sowohl konzeptionell-managementorientierte und instrumentell-managementorientierte wie auch sozialwissenschaftliche Arbeiten näher mit der situativen und kontinuierlichen Nutzung von subjektiven und sozialen zeitlichen Symbolen auseinandergesetzt, die zur Strukturierung von Aktivitäten durch Akteure (in der mikroökonomischen Innovationsforschung hauptsächlich Unternehmen) und zur Gestaltung von Innovationsprozessen eingesetzt werden. Diese Perspektive erlaubt es, die situative Gestaltung von Aktivitäten in Innovationsprozessen mit Hilfe von Zeit – wie durch die Nutzung von Kalendern und Zeitplänen – durch heterogene Akteure näher zu betrachten. Zeit ist dabei nicht mehr nur eine objektive Größe zur Beschreibung bestimmter Eigenschaften und Muster von Innovationsprozessen. Vielmehr wird Zeit zu einer subjektiven und sozialen Größe, die für die Betrachtung der Interaktionen der Akteure und deren Koordination wichtig ist. Das Strukturierungspotenzial von subjektiven und sozialen zeitlichen Symbolen zum Management, der situativen und kontinuierlichen Gestaltung von Akteuren in Innovationsprozessen, wird berücksichtigt. So haben vor allem die instrumentell-managementorientierten Arbeiten aus der mikroökonomischen Innovationsforschung, mit Hinweisen auf Methoden wie Roadmaps oder »simultaneous engineering« (Denner 1998),
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die Relevanz von Zeitzielen beim Technologiemanagement von Unternehmen unterstrichen. Diese Arbeiten sind vorrangig auf den effizienzorientierten Umgang mit Zeit eingegangen. Sie verdeutlichen, dass subjektive, zeitliche Symbole verschiedene Funktionen erfüllen. Zeitliche Symbole werden zur Regulierung und Strukturierung, zur Messung, Darstellung und Abbildung von Aktivitäten und damit zur Orientierung eingesetzt. Ihre Ergebnisse zeigen den instrumentellen Charakter von Zeit. Sie stellen dabei fest, dass Zeit als Erfolgsfaktor in Innovationsprozessen gemanagt werden sollte, um mit Zeitdruck zurechtzukommen, Orientierung zu gewinnen und schneller als der Wettbewerb zu sein (vgl. Gemünden et al. 2003). Sie verdeutlichen auch, dass Zeit zur Messung und zur Interpretation und zur Antizipation von Entwicklungen, d.h. zur Einschätzung der Zukunft wie auch zur Darbietung und damit auch zur Koordination eingesetzt werden kann, wenn man Instrumente wie Roadmaps benutzt (vgl. Voigt/Weber 2005). Konzeptionell orientierte Arbeiten wiederum betonen die Relevanz des vermeintlich richtigen Umgangs mit Zeit (vgl. Brown/Eisenhardt 1999; Tushman 2002) und die Koordinationsfunktionen von Zeit. Sie arbeiten heraus, dass der strategische und taktische Umgang mit Zeit von Unternehmen, d.h. das Timing, von herausragender Bedeutung in Unternehmensstrategien ist, da Zeit eine strategische Ressource ist, mit deren Nutzung Zeitvorsprünge im Zeitwettbewerb erarbeitet werden können (vgl. Billerbeck 2003; Fischer 2000; Nerger 2004; Voigt 1998: 161). Unternehmen sollten dynamische Fähigkeiten ausbilden (Ancona et al. 2001: 656). Zielgrößen, wie Zeithorizonte und Amortisationsfristen, sollten überlegt, bestimmt (vgl. von Braun 1994) und Technologiezyklen bewusst gestaltet werden, um sich als Unternehmen in Innovationsströme eingliedern zu können und so von Umfeldentwicklungen zu profitieren (vgl. Tushman 2002). Damit haben diese Arbeiten darauf hingewiesen, dass durch einen reflexiveren Umgang mit Zeit eine bessere Integration – eine Form der Synchronisation – verschiedener Akteure und deren Impulse im Rahmen der Entwicklung neuer Technologien ermöglicht wird. In ähnlicher Richtung haben auch Garud und Karnoe mit ihrem Beitrag zur Pfadstrukturierung auf die Relevanz von Zeit und des bewussten Umgangs mit Zeit in Produktentwicklungsprozessen hingewiesen. Auch sie unterstellen, dass Zeit eine strategische Ressource ist, die von Akteuren als Mittel genutzt werden kann, um den Verlauf von Innovationsprozessen zu gestalten. Sie liefern den Hinweis, dass auf Basis eines strategischen Umgangs mit Zeit, Akteure dazu fähig sind, Technologiepfade in ihrem Sinne zu gestalten. Einen der umfassendsten Beiträge, der wertvolle, konzeptionelle und empirische Hinweise zur Relevanz von Zeit in Innovationsprozessen liefert, hat Bender mit seiner Forschungsarbeit zur sozialen Gestaltung durch Standardisierungsaktivitäten bei der Hervorbringung neuer Mobilfunktechnologien geliefert. Er hat sich explizit mit der Entstehung, den Funktionen und den Auswirkungen sozialer Zeit und vor allem mit deren koordinierenden Wirkung auf das Handeln von Akteuren beschäftigt. Zeit wird von ihm als Mittel zur Gestaltung von Innovationsprozessen betrachtet, das von Akteuren zu ihrer eigenen
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Orientierung, zur Regulierung und auch zur Synchronisation von heterogenen Akteuren mittels Zeitplänen eingesetzt werden kann. Zeit ist ein Mittel, um Unsicherheit zu begrenzen, Schließungen hervorzubringen und damit neue Möglichkeiten für die Technikentwicklung durch gleichzeitig auftretende und wirksame Impulse zu schaffen. Diese gestaltungsorientierten Begriffe fußen auf einer ähnlichen Charakterisierung von Innovationsprozessen in konzeptionell-managementorientierten und instrumentell-managementorientierten, mikroökonomischen Arbeiten und in empirisch sozialwissenschaftlichen Innovationsforschungsarbeiten: Innovationsprozesse werden als unsichere, dynamische, ergebnisoffene und verteilte Prozesse aufgefasst, die von den Interpretationen und Interaktionen der Akteure auf Basis der institutionellen Rahmenbedingungen abhängen. Diese Prozesse entstehen aus unterschiedlichen, verteilten Handlungen und Impulsen heterogener Akteure als relativ unbestimmbare, unsichere Ereignis- und Aktivitätsfolgen. Sie sind in ihrem Verlauf durch die heterogenen Akteure und deren Aktivitäten gestaltbar und haben oft den Charakter von Entdeckungsreisen. Folglich wird Zeit als Gestaltungsmittel ein hoher Stellenwert beigemessen. Denn gerade in, für die aktive Gestaltung von Akteuren, offenen Prozessen kommt das Strukturierungspotenzial von subjektiven und sozialen zeitlichen Symbolen zum Management dieser Prozesse zum Tragen. Die zentralen Erkenntnissinteressen von konzeptionell und instrumentell orientierten Arbeiten wie auch einiger sozialwissenschaftlichen Arbeiten liegen recht nahe beieinander. Beide Forschungsrichtungen interessieren sich für die Akteure und deren Gestaltung von Prozessen mit Hilfe von Zeit. Der hauptsächliche Unterschied liegt darin, dass sich mikroökonomischen Arbeiten hauptsächlich für die effiziente Gestaltung von Technikentwicklungsprozessen von Unternehmen zur Profitmaximierung bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Technologien und Produkte im Wettbewerb mit anderen Akteuren interessieren. Sozialwissenschaftliche Ansätze interessieren sich eher allgemein für Gestaltungsaktivitäten – Interpretationen, Handlungen und Interaktionen von heterogenen Akteuren – für die Formen sozialer Koordination verschiedener Akteure mit Hilfe von Zeit sowie deren Auswirkungen auf die Technologieentwicklung.
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Tabelle 2: Übersicht gestaltungsorientierter Innovationsforschung für den Zusammenhang von Zeit und Innovation Mikroökonomische Innovationsforschung
Sozialwissenschaftlich empirisch-orientierte Innovationsforschung
Konzeptionell-
Instrumentell-
managementorientierte
managementorientierte
Innovationsforschung
Arbeiten
Leit-
Wie, mit welchen Stra-
Wie, mit welchen
Wie gestalten Akteure
fragen
tegien und Konzepten
Instrumenten und For-
mit Hilfe von Zeit durch
können Unternehmen
men der Zeitplanung,
ihre Interpretationen,
das Management von
Zeitmessung und
sozialen Interaktionen
Aktivitäten in Innova-
Zeitkontrolle können
und Formen sozialer Ko-
tionsprozessen mit Hilfe
Unternehmen Ent-
ordination Innovations-
von Zeit mit höherer
wicklungsaktivitäten
prozesse? Wie wirkt sich
Effizienz gestalten, um
effizienter managen, um
diese Gestaltung auf
erfolgreicher zu sein?
erfolgreicher zu sein?
Innovationspfade aus?
• Zeitvorsprünge und
• Timing und Zeitziele
• Zeitkapazitäten und
rechtzeitige Integra-
zur ex-ante Koordina-
Zeitperspektiven
tion von Aktivitäten
tion
(Garud/Karnoe 2001)
(Argaval/Bayus 1999;
(Bitzer 1992; Schulte
Chakravorti 2003;
1996).
Begriffe
Tushman 2002) • Pionier- und Nachzüg-
• Zeitplanung (Billerbeck 2003;
lerstrategien
Fischer 2000; Gemün-
(Billerbeck 2003;
den 1993)
Wettengl 1999)
• Optimale Zeitziele
• Zeitkapazitäten
(Gemünden/Salomo et
(Krüger 1999)
al. 2003; Kessler/Bierly
• Zeitwettbewerb (Billerbeck 2003; Fischer 2000; Voigt 1998) • Strategische, zeitliche Sequenzierung (Brown/Eisenhardt 1999) • Zeitmanagement (Fischer 2000) • Optimales Timing
2002) • Zeitdisziplin (Billing 2002; Gemünden/Salomo et al. 2003) • Zeitcontrolling (Krüger 1998) • Zeitkapazitäten (Voigt 1998) • Roadmaps (Behrens 2003; Bron-
(Billerbeck 2003,
ner 2001; de Laat
Bitzer 1992; Fischer
2004; Lisazo/Reger
2000, Nippa/Labriola
2004; Möhrle 2001;
2005)
Voigt/Weber 2005)
• Temporalisierung und Synchronisation (Bender 1996) • Zeitkapazitäten (Garud/Karnoe 2001) • Zeitperspektiven (Garud/Karnoe 2001) • Temporalisierung (Bender 1996) • Prospektive Antizipation (Bender 1996): • Termine und zeitliche Schemata (Bender 1996) • Zeit als Mittel zur sozialen Synchronisation (Bender 1996)
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2.4 Kritische Würdigung der Innovationsforschung zu Zeit und Innovation Bei der vergleichenden Systematisierung und kritischen Würdigung der bisherigen Innovationsforschung fällt auf, dass bisher kein umfassendes Konzept dazu besteht, • wie heterogene Akteure unterschiedlich mit Zeit umgehen; • welche Funktionen Zeit für Akteure in Innovationsprozessen hat • wie Formen sozialer Zeit in Innovationsprozessen durch die Handlungen heterogener Akteure entstehen, und schließlich • welche Auswirkungen dies auf Innovationsprozesse, beispielsweise in Form der Entstehung von Synchronitäten auf Basis von Formen der sozialen zeitlichen Koordination von heterogenen Akteuren und deren Aktivitäten, hat. Obwohl empirische Hinweise bestehen, dass wissenschaftliche Akteure in Forschungsinstituten von Universitäten eine andere Zeitwahrnehmung haben und einen anderen Umgang mit Zeit als Akteure in Unternehmen pflegen, 13 wird in den meisten bisherigen Innovationsforschungsarbeiten weder konzeptionell noch empirisch betrachtet, in welcher Weise sich die vielen, an Innovationsprozessen beteiligten Akteure in ihrem Umgang mit Zeit unterscheiden. Weder die Verteiltheit und Vielfalt der unterschiedlichen Aktivitäten, Impulse und Interaktionen heterogener Akteure in Innovationsnetzwerken (Gemünden/Heydebreck 1995; OECD 2001), noch die Formen, wie Akteure wechselseitig auf Aktivitäten und strategische Impulse anderer Akteure reagieren, werden eingehend in die Betrachtung einbezogen. Vielmehr wird in den meisten mikroökonomischen Arbeiten vorausgesetzt, dass Akteure profit- und effizienzorientiert mit ihrer Zeitplanung umgehen (Voigt 1998). Dass es auch anders geprägte Formen des Umgangs mit Zeit geben könnte, die nicht auf einen effizienzorientierten, zeitlich stark disziplinierenden Umgang mit Zeit abzielen, wird nicht näher analysiert. Außerdem bleibt in den meisten Forschungsarbeiten – wie in den bisherigen mikroökonomischen Auseinandersetzungen – offen, wie sich die Formen der zeitlichen Strukturierung auf die jeweiligen Akteure und deren Interaktionszusammenhänge auswirken. Die Frage, wie sich zeitliche Strukturierungen von Aktivitäten im Rahmen von Plänen, Programmen, Roadmaps sowie die Einforderung von Zeitdisziplin auf das soziale Handeln von Akteuren in bestimmten Zusammenhängen auswirken, wurde bisher nicht ausführlich beleuchtet. Zwar setzen sich einige Arbeiten mit der wettbewerbsorientierten Sequenzierung von Aktivitäten (›Pacing‹) auseinander. Jedoch wird dabei die soziale Auswirkung von zeitlichen Strukturierungen, wie die Ausbildung von bestimmten Geschwindigkeiten und Regeln in Märkten, nicht ausreichend betrachtet. Es wird 13 | Billing hebt in seiner empirischen Untersuchung hervor, dass Forscher von Universitäten bei der Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschern in Innovationsprojekten oft in einem »zeitlosen Raum arbeiten« (Billing 2003: 221).
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weitgehend ignoriert, welche institutionellen Auswirkungen die Nutzung von Zeit durch Akteure in Innovationsprozessen hat. In der ökonomischen Innovationsforschung wurde bisher weder konzeptionell noch empirisch analysiert, dass sich zeitliche Regime und Regeln in den institutionell geprägten sozialen Interaktionszusammenhängen wie der Wirtschaft, von denen in Wissenschaft und dem politisch-administrativen System unterscheiden. Auch die Frage, wie unterschiedliche Geschwindigkeiten und Rhythmen sowie Technologiezyklen durch die verteilten, fortgesetzten Interaktionen von heterogenen Akteuren in unterschiedlichen sozialen Handlungszusammenhängen zustande kommen, wurde bisher nicht näher untersucht. Trotz der eingehenden Betrachtung der Technologieintegrationsherausforderungen und der Notwendigkeit des synchronisierenden Umgangs mit Zeit zur Abstimmung mit Innovationsdynamiken wurde bisher nicht genau geklärt, wie Innovationsströme und Zeitfenster entstehen. Es wurde nicht näher geklärt, wie die Synchronisation mit anders getakteten Akteuren in Innovationsnetzwerken, wie also die Koordination mit anderen Akteuren in zeitlicher Hinsicht, für die bessere Entstehung von Innovationen vor sich geht. Auch sozialwissenschaftliche Arbeiten weisen noch blinde Flecken auf. Zwar haben sie durch ihre Perspektive auf die Gestaltung der Akteure durch interpretative Handlungen die Bedeutung der Zeit zur Gestaltung von Prozessen durch Akteure und damit auch auf die Bedeutung von Zeit für die Entstehung von Innovationen hingewiesen. Auch haben einige Autoren auf die »Temporalisierung« und »Synchronisation« und damit auf die Bedeutung von Zeit als Mittel für die Gestaltung von Prozessen und zum Umgang mit Unsicherheit in Innovationsprozessen hingewiesen (Bender 1996). Bei einer näheren Betrachtung der bisherigen Ansätze der sozialen Gestaltung wird jedoch deutlich, dass auch in diesen Ansätzen die Frage noch nicht hinreichend betrachtet wurde, wie einzelne Akteure unterschiedlich mit Zeit umgehen und wie sich dies auf die Entstehung von Innovationen auswirkt. So fehlen bisher Beschreibungen, Kategorien und Begriffe dafür, wie einzelne Akteure spezifisch und unterschiedlich mit Zeit umgehen. Ebenso fehlen Konzepte und Begriffe zur Charakterisierungen der Auswirkungen des unterschiedlichen Umgangs heterogener Akteure mit Zeit in Innovationsprozessen. Zudem ist bisher auch weder konzeptionell noch empirisch untersucht, wie Geschwindigkeiten und verschiedene Rhythmen in Innovationsprozessen entstehen. Zwar weist Rammert auf die in Innovationsprozessen vorherrschende Verteiltheit und Vielfalt von Rhythmen in Innovationsprozessen hin und liefert damit wertvolle Hinweise auf Polyrhythmizität und Synchronisation (vgl. Rammert 1997; Rammert 2000). Allerdings wurden bis auf diesen konzeptionellen und empirisch-phänomenologischen Vorstoß die unterschiedlichen Rhythmen und deren Auswirkungen in Innovationsprozessen noch nicht näher betrachtet. Im Hinblick auf die Wahrnehmung der Synchronisation in Innovationsprozessen wird deutlich, dass zwar verschiedene Arbeiten – wie mikroökonomische Arbeiten (vgl. Brown/Eisenhardt 1999; Chakravorti 2003; Tushman 2002)
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und einige sozialwissenschaftliche Arbeiten (vgl. Bender 1996; Rammert 2000) – auf die Bedeutung von Synchronisation in Innovationsprozessen hinweisen. Allerdings wurde noch nicht eingehender konzeptionell betrachtet, wie der Umgang mit entstehenden und entstandenen Formen von sozialer und subjektiver Zeit mit der Synchronisation von Aktivitäten unterschiedlicher Akteure zusammenhängt. Es wurde nicht eindeutig geklärt, auf welcher Grundlage Synchronitäten, d.h. Zustände der Gleichzeitigkeit der Impulse (Handlungen und Handlungswirkungen) der Akteure, entstehen. Der Vergleich der verschiedenen Ansätze zeigt auch, dass vor allem die Begriffe für die zeitlichen Strukturierungshandlungen und deren Auswirkungen für Innovationsprozesse fehlen. So zeigt die Systematisierung der bisher in der Forschung erarbeiteten Begriffe, dass vor allem der Begriffsbildung zur Abbildung der Gestalt von Prozessen anhand von objektiver Zeit in makroökonomisch, historisch-systematischen, in systemisch-institutionalistischen und auch in Arbeiten aus der sozialen Gestaltung viel Aufmerksamkeit beigemessen wurde. Man kann auf Basis der Systematisierung auch feststellen, dass andere Arbeiten viel dazu beitragen, Zeit als Mittel zur Gestaltung von Innovationsprozessen zu verstehen. Dabei steht der strategische Umgang mit Zeit, Auswirkungen von Zeitplanungen auf Pfade und die Wettbewerbsbedingungen in Innovationsprozessen im Vordergrund. Im Gegensatz dazu, wurde der Begriffsbildung für die Abbildung und Analyse von Prozessen auf Basis von spezifischen subjektiven und sozialen Zeitvorstellungen und Zeitwahrnehmungen scheinbar bisher weniger Aufmerksamkeit beigemessen. Einige Arbeiten aus der mikroökonomischen, managementorientierten Innovationsforschung wie auch der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung haben zwar sehr viel zum Verständnis der Bedeutung von Zeit für die Entstehung von Innovationen beigetragen. Man kann wohl auf dieser Basis begrifflich erfassen, dass der strategische Umgang mit Zeit, Auswirkungen auf den Pfad und die Wettbewerbsbedingungen in Innovationsprozessen hat. Allerdings haben sich diese Arbeiten nicht eingehend genug mit den Mechanismen und den Auswirkungen strategischen Timings heterogener Akteure auseinandergesetzt. So zeigen sich vor allem noch einige unberücksichtigte Aspekte im Hinblick auf die Auswirkungen des Umgangs mit Zeit auf die Entstehung von Innovationen: So wird in sozialwissenschaftlichen Arbeiten die Entstehung unterschiedlicher Tempi und Rhythmen – bis auf Hinweise von Arbeiten zur Pfadstrukturation (vgl. Garud/Karnoe 2001; Windeler 2003) – nicht auf den unterschiedlichen Umgang mit Zeit zur Erstellung von Zukunftsentwürfen und zeitlich strukturierten Erwartungen in der strategischen Antizipation und Planung der Akteure zurückgeführt. Es wird konzeptionell nicht verdeutlicht, wie unterschiedliche Tempi entstehen und wie Synchronisation funktioniert, die die Entstehung von Innovationen scheinbar befördert. Ebenso wenig wird in der mikroökonomischen Innovationsforschung – trotz der eingehenden Betrachtung von Formen des strategischen Timings – bisher nachvollzogen, dass heterogene Akteure bei der Strukturierung ihrer Aktivi-
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täten unterschiedlich mit Zeit umgehen, dass verschiedene Zeitperspektiven vorherrschen. Trotz der eingehenden Betrachtung der Technologieintegrationsherausforderungen und der Notwendigkeit des synchronisierenden Umgangs mit Zeit zur Abstimmung mit Innovationsdynamiken wurde bisher nicht genau geklärt, wie Innovationsströme und Zeitfenster entstehen. Es wurde nicht geklärt, wie die Synchronisation mit anders getakteten Akteuren in Innovationsnetzwerken, wie also die Koordination mit anderen Akteuren in zeitlicher Hinsicht für die bessere Entstehung von Innovationen vor sich geht. Bislang fehlen in der Forschung also sowohl ein umfassendes Konzept als auch trennscharfe, kontrollierte Begriffe für die Beschreibung des unterschiedlichen Umgangs der heterogenen Akteure mit Zeit und deren Auswirkungen auf die Entstehung von Innovationen. Vor dem Hintergrund dieser noch offenen konzeptionellen Aspekte in der Auseinandersetzung mit Zeit und der Entstehung von Innovationen scheint es notwendig, die Perspektive auf Zeit und Innovation etwas zu erweitern. Dazu erscheint vor allem ein Blick auf die Praktiken und Interaktionen heterogener Akteure auf Basis von institutionellen Regelungen und sozialen Zusammenhängen in Innovationsprozessen notwendig. Es geht vor allem darum, die Formen, Ausprägungen und Auswirkungen des unterschiedlichen Umgangs von Akteuren mit Zeit zur Gestaltung von Aktivitäten in Innovationsprozessen zu beschreiben. Um konzeptionelle Anregungen und Begriffe für die Erörterung der Frage zu erhalten, wie sich der unterschiedliche Umgang von Akteuren mit Zeit auf die Entstehung von Innovationen auswirkt, wird im nächsten Kapitel auf die soziologische Zeitforschung zurückgegriffen. Denn sie setzt sich eingehend mit sozialer Zeit, deren Entstehung, deren Funktionen und dem Umgang von Akteuren mit Zeit sowie den Auswirkungen von sozialer Zeit auseinander.
3. Soziologisch basier tes Konzept zur Untersuchung von Zeit und Innovation
Wie die Systematisierung und kritische Würdigung zeigt, weisen zwar verschiedene Ansätze in der bisherigen Innovationsforschung auf einen engen Zusammenhang von Zeit und Innovation hin. Allerdings fehlen bisher noch Konzepte und trennscharfe Begriffe, um zu verstehen, zu beschreiben und zu analysieren, wie Zeit und Innovation zusammenhängen. Deswegen wurde ein soziologisch basiertes Konzept mit Rückgriff auf ausgewählte Erkenntnisse aus den Sozialwissenschaften – vor allem der Soziologie – in Bezug auf die Ausprägungen und die Auswirkungen »sozialer Zeit« erarbeitet. Es wurden Hypothesen zum Zusammenhang von Zeit und Innovation formuliert sowie ein umfassendes soziologisch inspiriertes Konzept zur Betrachtung des Zusammenhangs von Zeit und Innovation erarbeitet. Dabei dienten sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu Charakteristika, Funktionen und Auswirkungen sozialer Zeit dazu, Begriffe trennschärfer zu definieren (vgl. Exkurs: Kompilation von Begriffen für soziale Zeit), auf dieser Basis eine Perspektive auf soziale Zeit in Innovationsprozessen, Hypothesen sowie Untersuchungskategorien zu erarbeiten. Nach Sicherung der Begriffe und der Erarbeitung einer Perspektive auf Innovationsprozesse und von Kategorien, wurde dieses soziologisch inspirierte Konzept empirisch operationalisiert, um die dadurch generierten Hypothesen in einer Fallstudie einer Technologieentwicklung empirisch zu fundieren.
3.1 Soziologische Begrif fe und Theorien: Zeit als Mittel zur Handlungsstruk turierung Die soziologische Zeitforschung setzt sich eingehend mit dem Phänomen sozialer Zeit auseinander und bietet so wichtige Begriffe und Konzepte für das Verständnis von Zeit. Die soziologische Zeitforschung hat sich sowohl mit dem Umgang von Akteuren mit Zeit, als auch mit deren Auswirkungen, wie vorherrschenden Zeitkulturen in Gesellschaften, beschäftigt. Im Folgenden wird eine
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selektive Sondierung der bisherigen soziologischen Zeitforschung vorgenommen.1 Diese selektive Sondierung wird anhand der Fragen: • Was ist soziale Zeit und wie entsteht sie?; • Welche Funktionen erfüllt soziale Zeit?; • Welche Auswirkungen hat Zeit in sozialen Kontexten? vorgenommen:2 Diese selektive Sondierung ergibt, dass die soziologische Zeitforschung umfassende Begriffe, Konzepte zu den Charakteristika, den Funktionen, der Entstehung wie auch zu den Auswirkungen sozialer Zeit bietet, die auch zum besseren konzeptionellen Verständnis von Zeit und Innovation beitragen.
3.1.1 Charak teristika sozialer Zeit Die soziologische Zeitforschung nimmt sich der Betrachtung von Zeit als einer sozialen Kategorie an und beschreibt ihre Ausprägungen. Dabei wird hervorgehoben, dass sich soziale Zeit gegenüber anderen Zeitkonstruktionen dadurch auszeichnet, dass sie besondere Qualitäten, eine »Gestalt« hat: Sie ist diskontinuierlich, inhomogen und hat einen konkreten Handlungsbezug (Beck 1994: 120). Zeit wird in der Soziologie als ein Produkt der sozialen Konstruktion sozialer Akteure gesehen. Sie ist ein Produkt sozialer Handlungen, das vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Normen und sozialer Anforderungen entsteht (Beck 1994: 89 & 152). Einige Vertreter der soziologischen Zeitforschung setzen sich detaillierter mit den Ausprägungen sozialer Zeit auseinander, wie die Ausdehnung, Kohärenz, Dichte, Gerichtetheit, qualitative Tönung und Bedeutung von Zeitperspektiven (Bergmann: 1981: 467). Durch diese Forschungsarbeiten wird deutlich, dass diese Ausprägungen sozialer Zeit hohe Bedeutung für die Akteure haben.
1 | Hier wird ein Beitrag zur soziologisch orientierten Innovationsforschung und nicht zur soziologischen Zeitforschung geliefert. Deshalb wird bei dieser Sondierung kein Überblick über das heterogene Feld der bisherigen sozialwissenschaftlichen Zeitforschung gegeben wie durch andere Autoren (vgl. Beck 1994; Bergmann 1981; Nowotny 1992; Rosa 2003; Rosa 2005). 2 | Als Ergebnis dieser fragegeleiteten selektiven Sondierung werden Ansätze, wie die aus der Physik (Davies 1998; Ehlers 1997) oder philosophisch orientierte Ansätze (Ruhnau 1997; Sandbothe 1997; Zimmerli 1993), Arbeiten zur Zeitwahrnehmung (Gendolla 1992; Husserl 1966; Kasten 2001), Arbeiten zu Zeitkulturen (vgl. Aveni 1991; Brockmeier 1995; Dohrn 1992; Galison 2003, Levine 1999; Konersmann 2002; Luckmann 1986; Lübbe 1998) Arbeiten zur Zeitpsychologie (Csikszentmihalyi 2000; Fraisse 1985; Heintel 2001; Pöppel 1997), Arbeiten zur Zeitökologie (Held 1993) und Arbeiten zur Zeitgeographie (vgl. May/Thrift 2001) hier nicht ausführlich betrachtet.
S OZIOLOGISCH
BASIERTE S
K ONZEP T
DER
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Zeit felder In eine ähnliche Richtung gehen die Bahn brechenden Beiträge von Barbara Adam zur soziologischen Zeitforschung, die zeitliche Komplexität in Gesellschaften – die Vielzahl von Zeitlichkeiten, Rhythmen und Zeitnormen in entwickelten Industrieländern – durch Zeitfelder (»timescapes«) zu analysieren (Adam 1995: 124; Adam 2002). Sie hat darauf hingewiesen, dass in Gesellschaften verschiedene Zeitfelder bestehen, in denen sich Akteure mit ihren Handlungen wieder finden und orientieren. Für diese Arbeit ist besonders relevant, dass Adam mehrere Dimensionen zur Beschreibung und Analyse von Zeitfeldern vorschlägt: Die Dauern, die Geschwindigkeiten, und die Intensität von Aktivitäten. Die Betrachtung der Zeitrahmen in einer Analyse von Zeitfeldern legt das Augenmerk auf die Erfassung des Timings und der Zeitpunkte von Ereignissen, der Sequenzialität, der Simultaneität von Ereignissen, der Wiederholungen, der Rhythmen, der Takte, dem plötzlichen Auftreten von Ereignissen (»instantaneity«), wie auch der zeitversetzten Ursache-Wirkungszusammenhänge (Adam/Whipp/Sabelis 2002: 24-25).3
Beschreibungskategorien für soziale Zeit (Dauer, temporale Lokalisation, Sequenz, Rhy thmus) Daneben haben vor allem empirisch orientierte sozialwissenschaftliche Studien (Beck 1994; Lee/Liebenau 2002) in ihrer Auseinandersetzung mit Zeit durch Analysekriterien zur Beschreibung der vorherrschenden Zeitpraktiken beigetragen. 4 So schlagen Lee und Liebenau zur Untersuchung zeitlicher Eigenschaften von Prozessen die folgenden zeitlichen Kategorien vor: Die Dauer, die temporale Lokalisation, Sequenz, bestimmte Termine und Fristen, Zyklen und Rhythmen: Lee und Liebenau haben zeitliche Dimensionen entwickelt, um Veränderungen in den Zeitlichkeiten von Geschäftsprozessen in Organisationen zu beschreiben, die sich durch den Einsatz von Informationstechnologien ergeben. Mit Dauer wird der Umfang von Zeit bezeichnet, der nötig ist, um eine Aufgabe zu erfüllen. Mit temporaler Lokalisation wird die zeitliche Verortung von Aktivitäten und Aufgaben in einem Zeitkontinuum bezeichnet. Mit Sequenz wird die Ordnung und Abfolge bezeichnet, in der Aktivitäten und Aufgaben stattfinden. Mit Terminen und Fristen wird die festgelegte Zeit bezeichnet, zu der eine Aufgabe erledigt werden muss. Mit Rhythmen werden Veränderungen 3 | Auf andere Dimensionen einer Zeitfeldanalyse (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und die damit verbundenen Aktivitäten des Gegenwartshorizonts, der Antizipation und der Projektion) wird hier nicht näher eingegangen, da dies den Rahmen sprengen würde. 4 | Auch Hörning (Hörning 1997) setzte sich eingehend mit Zeitpraktiken im individuellen, alltagspraktischen Umgang mit Technik auseinander. Er stellt fest, dass Zeit aus den Praktiken und der wechselseitigen Bezugnahme von Individuen auf ihre umgebende Welt entsteht und von ihnen strukturiert wird (Hörning/Ahrens/Gerhard 1999: 3). Diese Ansätze werden hier nicht näher betrachtet.
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in der Intensität der Beschäftigung mit einer Aufgabe bezeichnet (Lee/Liebenau 2002: 134). Beck hat im Rahmen einer Untersuchung der Mediennutzung von Individuen die Dauer, die Geschwindigkeit, die Ereignis- und Aktivitätsdichte und das Timing von Aktivitäten als Analysedimensionen für soziale Zeit vorgeschlagen (Beck 1994). Wie diese kurze Darstellung zeigt, bietet die sozialwissenschaftliche Zeitforschung einige wichtige Kategorien und Begriffe zur Beschreibung sozialer Zeit. Auf diese wurde bei der Kompilation und Sicherung trennschärferer Begriffe und bei der Ableitung von Kategorien für die empirische Untersuchung zurückgegriffen (vgl. Kapitel 3.1.4 und 3.3.3)
Zeit in Organisationen: Zeitliche Marker, Zeitper spek tiven, Zeitrahmen Neben empirisch orientierten Ansätzen, die sich mit der konkreten Ausprägung von sozialer Zeit beschäftigen, haben sich vor allem organisationsforschungsorientierte und sozialpsychologisch orientierte Arbeiten mit den Charakteristika sozialer Zeit beschäftigt. Diese Arbeiten haben sich mit unterschiedlichen Formen sozialer Zeit auseinandergesetzt und herausgearbeitet, dass in Organisationen zeitliche Orientierungspunkte, zeitliche Marker und Zeitrahmen hohe Bedeutung haben (Boden 1997). Vor allem in der Organisationsforschung wird herausgearbeitet, dass sich in Organisationen durch die spezifische Strukturierung von Handlungen spezifische zeitliche Agenden, Zeitperspektiven, dominante Zeitkonzeptionen, Zeitrahmen und Eigenzeiten als Teil der Organisationskultur entwickeln, die die Handlungen und Interaktionen von Individuen prägen (Adam/Whipp/Sabelis 2002; Blount/Janicik 2001: 569-570; Butler 1995, Weber 2001). Organisationstheoretische Arbeiten haben vor allem festgestellt, dass durch die Nutzung von Zeit in Organisationen spezifische Zeitschemata wie organisatorische Eigenzeiten und Zeitperspektiven entstehen (Noss 1997; Noss 2002; Weber 2001: 124). Diese Zeitperspektiven sind zentral für die Orientierung von Organisationsmitgliedern, da sie deren Handlungen und Interaktionen beeinflussen. In Zeitperspektiven werden »temporale Marker« gesetzt, zeitliche Referenzpunkte vorgegeben und stabilisiert,5 mit denen Entwicklungen im Organisationsumfeld wahrgenommen und interpretiert werden (Blount/Janicik 2001: 567). Die dominante Zeitperspektive einer Organisation wirkt dabei als ein Rah5 | Blount und Janicik unterstreichen, dass Individuen bedeutsame Ereignisse und zeitliche Konventionen als zeitliche Referenzpunkte einsetzen. Individuen verwenden Fiskaljahre, etablierte Geschäftszeiten oder Termine als zeitliche Indikatoren und Referenzpunkte, um ihre Zeitverwendung zu organisieren und in geeignete Intervalle einzuteilen (Blount/Janicik 2001: 6). Auch Sabelis stellt fest, dass viele unterschiedliche zeitliche Referenzpunkte in Organisationen bestehen, die sich auf die Handlungen und Interaktionen von Organisationsmitgliedern auswirken (Sabelis 2001).
S OZIOLOGISCH
BASIERTE S
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men für die Wahrnehmung und Strukturierung von Realität der Organisationsmitglieder (Weber 2001: 129). Sie definiert die temporalen Grenzen von Realitätsausschnitten, die Organisationen und ihre Mitglieder im Rahmen ihrer Entscheidungs- und Handlungsprozesse einbeziehen (Weber 2001: 124).
Zeitnormen Einige andere Arbeiten machen deutlich (Lawrence 2001; Whipp 1994), dass durch die zeitlich strukturierte Interaktion der Organisationsmitglieder auf Dauer sowohl implizite als auch explizite Zeitnormen entstehen. Diese Zeitnormen, die entweder durch die gemeinsame Erfahrung implizit stabilisiert werden oder auch explizit durch formal erstellte Zeitpläne und Kalender zustande kommen, sind für die Mitglieder von Organisationen Bedeutungsträger. Zeitnormen, denen Bedeutung durch soziale Interaktionen verliehen wird, üben als gemeinsam erwartete Muster von Aktivitäten großen Einfluss auf Akteure besonders in Organisationen aus (Lawrence et al. 2001: 648). Sie beeinflussen den Rhythmus vieler Aktivitäten in Organisationen als eine Form der gemeinsam erwarteten zeitlichen Muster (Lawrence 2001: 651). Mit der Betrachtung von Zeit in Organisationen und den Hinweisen auf Zeitagenden und Zeitnormen (vgl. Adam/Whipp/Sabelis 2002; Blount/Janicik 2001; Girard/Stark 2001), liefern organisationstheoretische Arbeiten ein begriffliches Fundament, das in der Auseinandersetzung mit Zeit und Innovation genutzt werden kann. Sie stellen fest, dass in Organisationen spezifische Zeitkonzeptionen und Zeitkulturen bestehen (vgl. Adam/Whipp/Sabelis 2002; Ancona et al. 2001; Blount/Janicik 2001). Sie verdeutlichen darüber hinaus, dass sich Zeitnormen, Zeitagenden, Zeitperspektiven, zeitliche Marker sowie zeitliche Repertoires auf Organisationen und deren Mitglieder auswirken (vgl. Ancona et al. 2001; Blount/Janicik 2001; Lawrence 2001; Noss 2002; Whipp 1994). Diese Zeitperspektiven in Organisationen strukturieren die Handlungen und Interaktionen der Organisationsmitglieder, da sie als Grundlage zur Beobachtung, Interpretation und Beurteilung der Entwicklungen, Dynamiken und Ereignisse in der Unternehmensumwelt dienen.
Zeitlogiken Andere Arbeiten aus der Organisationsforschung unterstreichen, dass es in Organisationen unterschiedliche zeitliche Logiken der Handlung geben kann, falls diese Organisationen erfolgreich sein wollen. Hierauf weisen insbesondere Girard und Stark (2001) auf Basis einer Untersuchung von Unternehmen im Bereich des Webdesigns hin, und sie behaupten darüber hinaus, dass es unterschiedliche Handlungslogiken geben muss, da beispielsweise die Entwickler in der Programmierung von Webseiten mit ganz anderen Zyklen und zeitlichen Orientierungen arbeiten, als diejenigen, die bspw. im Marketing tätig sind (Girard/Stark 2001: 4). Diese Arbeiten leisten mit der Feststellung, dass es bestimmte zeitlich strukturierte »Logiken« im Umgang mit Zeit in Organisationen gibt, auch einen Beitrag für die Betrachtung von Zeit und der Entstehung von Innovationen
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Zeitkulturen Vor allem die organisationssoziologische Forschung hat zur Charakterisierung verschiedener Zeitkulturen in Organisationen und Gesellschaften beigetragen und zwei hauptsächliche Zeitkulturen nach der Form des Umgangs mit Zeit unterschieden (Clark 1997; Blount/Janicik 2001: 8): Uhrzeitorientierte und ereigniszeitorientierte Zeitkulturen: In gesellschaftlichen Zusammenhängen können zum einen uhrzeitorientierte, lineare Zeitkulturen vorherrschen (›Clock time‹). Dabei legen Individuen in Kalendern eine gleichförmige Zeitlichkeit zugrunde, die meist mit Uhren und anderen Zeitmessern in gleich bleibenden Abständen gemessen und abgebildet wird. Das wichtigste Merkmal dieser uhrzeitorientierten Zeitkultur ist, dass die Abfolge von Ereignissen entlang eines hoch abstrahierten Maßstabes, nämlich der Uhrzeit, gemessen wird. Ereignisse folgen in linearen, klar definierten, gleich langen Zeitabschnitten aufeinander. Folgerichtig zeichnen sich uhrzeitorientierte Zeitkulturen durch klar definierte, gesellschaftlich prägende Referenzpunkte und -raster, z.B. Zeitpläne aus. In uhrzeitorientierten Zeitkulturen wird Wert auf Pünktlichkeit gelegt, Termine müssen eingehalten werden(Blount/Janicik 2001: 9). Zum anderen gibt es ereigniszeitorientierte Zeitkulturen (›Event time‹) (Blount/Janicik 2001: 8; Clark 1997). In dieser Zeitkultur werden soziale Ereignisse in den Mittelpunkt der Zeitrechnung und der Abbildung von Ereignisfolgen gestellt: Zeit ist eine Aneinanderreihung von wichtigen sozialen Ereignissen, wie z.B. Feiertagen. Ereignisse sind nur aus ihrer eigenständigen sozialen Bedeutung verständlich und entwickeln eine eigene Qualität. Da Ereignisse stark von gesellschaftlichen Entwicklungen abhängig sind, kann die chronometrische Dauer, d.h. der Abstand zwischen zwei Ereignissen, nur schwer eingeschätzt werden. Oft liegen unterschiedlich große zeitliche Abstände zwischen zwei Ereignissen; Zeitpläne sind folglich eher unbeständig. Ereignisse dauern so lange, wie sie eben einmal dauern. Folgerichtig wird in Ereigniszeitkulturen mit Timingfragestellungen hauptsächlich auf Basis von schon gemachten Erfahrungen umgegangen. Die Referenzpunkte, an denen sich Zeiten orientieren, sind eher unbeständig und richten sich nach der sozialen Bedeutung der jeweiligen Ereignisse, wie der Dauer von Festen oder Riten (Blount/Janicik 2001: 9). Auf Basis dieser Einteilung in uhrzeit- und ereigniszeitorientierte Zeitkulturen lässt sich schließen, dass sich der Umgang mit sozialer Zeit und infolge dessen auch wirkungsmächtige Formen sozialer Zeit grundständig unterscheiden.
3.1.2 Funk tionen und Ent stehung sozialer Zeit: Sozialwissenschaf tliche Ansät ze Andere soziologische und politikwissenschaftliche Arbeiten gehen der Frage nach, welche Funktionen Zeit als kollektives und soziales Konstrukt in Gesellschaften spielt. Sie haben zum Ziel, die sozialen Funktionen von Zeit näher zu untersuchen und konnten bisher folgende soziale Funktionen von Zeit identifizieren: Die Orientierungs-, Kommunikations-, Regulierungs- wie auch die Synchronisationsfunktion von sozialer Zeit (Beck 1994: 106). Im Folgenden gebe
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ich einen kurzen Überblick zu den ersten beiden Funktionen, und diskutiere dann insbesondere die Regulierungs- und Synchronisationsfunktion ausführlicher am Beispiel der Arbeiten von Luhmann und Elias.
3.1.2.1 Orientierungs- und Kommunikationsfunk tion von Zeit: Ein Überblick Im Zusammenhang mit der Orientierungsfunktion von Zeit wird Zeit in der Soziologie als eine soziale Kategorie aufgefasst: Im Unterschied zur psychologischen Zeitforschung, die sich meist mit dem Individuum, seiner Zeitwahrnehmung und dem Erlebnis kurzer Zeitspannen auseinandersetzt (vgl. Csikszentmihalyi 2000; Fraisse 1985; Jungermann/Pfister 1998) wird in der Soziologie betrachtet, wie sich Individuen in sozialen Zusammenhängen mit Zeit und anderen sozialen Symbolen orientieren und dann auf dieser Basis mit anderen Akteuren interagieren.
Zeit fenster In der Soziologie wird von vielen Arbeiten die Orientierungsfunktion von Zeit dahingehend betrachtet, als dass sich viele Arbeiten aus der soziologischen Zeitforschung damit auseinandersetzen, wie Individuen und Akteure Zeit verwenden, um Ereignisse und Abläufe zu ordnen, um sich dadurch orientieren zu können (Bergmann: 1981: 467). In einer ähnlichen Richtung setzen sich auch politikwissenschaftliche Arbeiten mit Zeit auseinander und konstatieren, dass Zeit in Form von Zeithorizonten oder auch in zur Bestimmung von Zeitfenstern für das interessengeleitete, politische Handeln der Akteure und deren Orientierung hohe Bedeutung hat. Politikwissenschaftler haben sich mit Zeit auseinandergesetzt, da in der Politik die strategische und taktische Nutzung von Zeit an der Tagesordnung ist (Böhret 1989: 22). Zeit wird genutzt, um bestimmte Ziele zu erreichen, Entscheidungen und Maßnahmen werden verzögert oder beschleunigt (Böhret 1989: 21). Fragen des politischen Timings sind für Politikwissenschaftler relevant, da Entscheidungen über die zeitliche Lage von Entscheidungen, Initiativen und Maßnahmen, wie deren Startpunkt, Dauer, Geschwindigkeit und Reihenfolge, Auswirkungen auf den Handlungsspielraum und die Möglichkeiten der politischen Akteure haben (Eberling 1996; Hiller 1993; Zahariadis 1999: 83). Im Zusammenhang mit dem politischen Timing sind auch Zeitfenster wichtig. Zeitfenster signalisieren, zu welchen Zeitpunkten und in welchen Zeiträumen potentiell Durchsetzungschancen für politische Maßnahmen bestehen. Zeitfenster geben günstige Momente, die meist kurzen Zeitspannen, für politische Interventionen in Innovationsprozessen an. Zeitfenster zeigen an, wann die Zeit für politische Akteure »reif« ist und wie lange es Akteuren möglich ist, durch bestimmte politische Maßnahmen auf Entwicklungslinien oder auf Akteure einzuwirken. Zeitfenster sind ein konzeptionelles Hilfsmittel für Entscheidungsträger Zeiträume zu erkennen, in denen Aktivitäten opportun sind,
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um auf dieser Basis politische Maßnahmen initiieren zu können (Zahariadis 1999: 82; Schneider 1991: 29).
Zeithorizonte Neben den Zeitfenstern spielt in der politikwissenschaftlichen Forschung der Begriff des »Zeithorizonts« eine wichtige Rolle. Zeithorizonte beziehen sich auf die subjektive zeitliche Perspektive einer bestimmten Person, Gruppe oder Organisation (Nies 2001: 56). Vor allem Böhret hat die Wichtigkeit von Zeithorizonten hervorgehoben und verdeutlicht, dass Politiker ein besonderes Zeitverständnis und relativ kurze Zeithorizonte haben (Böhret 1989: 16): Vor allem in Entscheidungssituationen haben Politiker eine hohe Gegenwartspräferenz, eine »Jetzt-Zeitorientierung«: Sie bevorzugen die Entscheidungen, politische Maßnahmen und Vorhaben, deren Folgen schnell realisier- und spürbar werden und die weniger Konflikt beladen sind, und sie treffen die Entscheidungen, die schnell zur Legitimation und damit zum Machterhalt beitragen (Böhret 1989: 20).
Zeitnut zung und Zeitbudget s Im Rahmen der Betrachtung von Zeit zur Orientierung von Individuen beschäftigen sich einige soziologische Forschungsarbeiten im Rahmen von Zeitbudgetanalysen mit der vorherrschenden Zeitgestaltung und Zeitverwendung von Individuen in Gesellschaften. Diese empirisch orientierten sozialwissenschaftlichen Forschungsansätze beschreiben anhand der Zeitnutzung von Individuen die Lebensstile der Menschen in Gesellschaften: Es geht darum die zeitlichen Eigenschaften von Praktiken, die faktische zeitliche Dauer, die Allokation und die Nutzung von Zeit von Akteuren für bestimmte Aktivitäten anhand deren Zeitbudgets abzubilden (Bergmann: 1981: 471). Diese Arbeiten untersuchen, wie viel Zeit Individuen für eine bestimmte Tätigkeit innerhalb eines festgelegten Zeitraums (Tage, Werktage, Wochen, Monate oder Jahre) verwenden (Eurostat 2003). Auf dieser Basis werden dann auch Vergleiche unterschiedlicher Gesellschaften möglich (Garhammer 1998; Levine 1999). Wie die sozialwissenschaftliche Zeitforschung zu Zeitbudgets zeigt, gibt es spezifische zeitliche Muster im Alltag, die sich prägend auf die Handlungen der Individuen auswirken und ihnen Orientierung ermöglichen (Dollase/Hammerich/Tokarski 2000: 25). Einige Autoren aus der sozialwissenschaftlichen Zeitforschung unterstreichen dabei, dass sich soziale Akteure an realen zeitlichen Mustern, aber auch an latenten, idealen zeitlichen Mustern in ihrem jeweiligen sozialen Umfeld orientieren (Dollase et al. 2000: 13). Die Akteure orientieren sich an temporalen Mustern, um ihre Aktivitäten zeitlich zu strukturieren, die Reihenfolge ihrer Aktivitäten festzulegen und ihre Handlungen mit den Handlungen anderer Individuen zeitlich zu koordinieren (Hammerich 2000: 329). Dabei hat die temporale Musterforschung auch nachgewiesen, dass die latenten und idealen Muster durch Zeitstrukturgeber, wie Organisationen und Institutionen, formuliert werden. Die tatsächlich realisierten temporalen Muster sind das Ergebnis von
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Aushandlungsprozessen zwischen inkompatiblen idealen Mustern, bei denen sich bestimmte temporale Muster als adäquater Kompromiss zwischen Trägern solcher Zeitvorstellungen erweisen (vgl. Dollase et al. 2000). Im Zusammenhang mit der Orientierungsfunktion und der Fähigkeit von Individuen, ihre Handlungen anhand von zeitlichen Mustern mit anderen Individuen zeitlich zu koordinieren, haben mehrere soziologische Arbeiten auch festgestellt, dass soziale Zeit eine kommunikative Funktion hat. Vor allem wissenssoziologische Arbeiten unterstreichen, dass Zeit ein soziales Symbolsystem ist. Zeit ermöglicht Kommunikation in Gesellschaften (vgl. Elias 1988; Luhmann 1990). Zeit ist demnach eines der wichtigsten Kommunikationsmedien in Gesellschaften, da die Mitglieder von Gesellschaften mit dem Begriff »Zeit« einen bestimmten sozialen Sinn verbinden. Auf dieser Grundlage eines gemeinsamen sozialen Sinns und zeitlichen Symbolen können die Individuen dann miteinander kommunizieren.
3.1.2.2 Regulierungs- und Synchronisationsfunk tion von Zeit Neben der Orientierungs- und der Kommunikationsfunktion von Zeit wird in einigen sozialwissenschaftlichen Arbeiten die Regulierungsfunktion von Zeit in Gesellschaften betrachtet.
Zeitordnungen – Uhren, Kalender und Zeitnormen Es wird analysiert, wie sich Zeit als Norm, als Form der sozialen Ordnung auf die Handlungen und Interaktionen von Akteuren auswirkt (Bergmann 1981: 476). Nach Bergmann drückt sich die zeitliche Ordnung in Zeitplänen aus, die gesellschaftliches Handeln durch die Vorgabe des Tempos, der Sequenz, der Dauer etc. zeitlich normieren (Bergmann: 1981: 476). Die bedeutendsten Zeitordnungen sind die »objektiven« Zeitordnungen des Kalenders und der Uhr (Beck 1994: 117). Kalender geben Handlungsanweisungen und sie erweitern die Möglichkeiten von Individuen miteinander zusammenarbeiten, da diese auf der Grundlage von zeitlichen Ordnungen miteinander kommunizieren und sich so auch zeitlich koordinieren können (Beck 1994: 119). In diesen Untersuchungen zeigt sich auch, dass verschiedene Zeitnormen in Gesellschaften bestehen, die die Aktivitäten von Akteuren bestimmen (vgl. Garhammer 1998). Für diese Arbeit und die genauere Analyse des Umgangs mit Zeit von Akteuren in Innovationsprozessen ist besonders relevant, dass die sozialwissenschaftliche Zeitforschung im Zusammenhang mit der Regulierungsfunktion speziell die Synchronisationsfunktion von Zeit betrachtet. Dabei wird in der Soziologie analysiert, wie Akteure und soziale Systeme in Gesellschaften mit Hilfe von Zeit ihre Interaktionen so organisieren und regeln können, dass sie zeitlich in ihrem Verlauf aufeinander abgestimmt werden können. Hier zeigt sich, dass gesellschaftliche Akteure Zeit als Instrument benutzen, um ihre Handlungen und Interaktionen zeitlich zu koordinieren.6 6 | Obwohl sich einige Ansätze theoretisch mit dem Problem der Synchronisation
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Vor allem Ansätze aus der Wissenssoziologie haben dazu beigetragen, die Orientierungs- und Regulierungsfunktion von sozialer Zeit besser verstehen zu können. Dazu haben sie Erklärungsansätze entwickelt, wie Zeitvorstellungen und Formen sozialer Zeit in Gesellschaften zustande kommen. In wissenssoziologischen Ansätzen wird Zeit als ein gesellschaftliches Symbol, als eine Form des sozialen Wissens aufgefasst. Zeit wird als explizites und implizites Handlungs- und Orientierungswissen zur Strukturierung ihrer Aktivitäten eingesetzt. Dieses soziale Wissen, bestimmte sozial stabilisierte Schemata und Heuristiken, wird nach Auffassung der Wissenssoziologie in hoch entwickelten Gesellschaften als soziales Koordinationsmedium auch eingesetzt, um die Aktivitäten relativ eigenständiger Akteure zu koordinieren. Um genauer zu erfassen, welche Funktion Zeit als Form des sozialen Wissens spielt, sind aus der Wissenssoziologie für diese Arbeit vor allem die Beiträge von Luhmann und Elias wichtig (Elias 1988; Luhmann 1990). Beide Autoren argumentieren, dass die gesellschaftliche Weiterentwicklung zu immer komplexeren gesellschaftlichen Verhältnissen führt. Sie vertreten die These, dass in der weiteren Entwicklung und Differenzierung von Gesellschaften sich auch die Formen sozialen Wissens weiterentwickeln: Es findet eine Weiterentwicklung von sozialen Symbolen und Koordinationsmedien, vor allem eine Weiterentwicklung von Formen sozialer Zeit statt, da sonst die soziale Koordination und Synchronisation von stark voneinander abhängigen Gesellschaftsteilen und Aktivitäten nicht möglich wäre. Sie argumentieren, dass je differenzierter und auch größer Gesellschaften sind, auch das Erfordernis ansteigt, Aktivitäten von Akteuren in ihren unterschiedlichen Handlungszusammenhängen miteinander zu koordinieren: »Je differenzierter Gesellschaften sind, desto exaktere und unveränderlichere Zeitregulierungen brauchen sie« (Elias 1988: 184). Trotz aller Gemeinsamkeiten unterscheiden sich diese Ansätze grundsätzlich in ihrer Bezugsbasis zur Erklärung von Zeit: Luhmann wählt als Bezugsbasis für Zeit die sozialen Systeme und bezieht Individuen nicht in seine Betrachtung mit ein. Elias hingegen betrachtet Individuen als die Hauptakteure im Zusammenhang mit sozialer Zeit. Insoweit scheint es sinnvoll Luhmann und Elias getrennt voneinander darzustellen, da weder Luhmann noch Elias in ihrer Arbeit gegenseitig aufeinander Bezug genommen haben (Rosemann 2003: 24). Einerseits erscheint zu einem besseren Verständnis von Zeit die Sichtweise von Luhmann wichtig (vgl. Luhmann 1978; Luhmann 1990). Luhmann öffnet mit seinen Begriffen von Synchronisation und sozialer Zeit den Horizont dafür, welche Funktionen Zeit als Form des sozialen Wissens erfüllt und wie sie entsteht. Darüber hinaus hilft Luhmanns Perspektive zu erkennen; wie die Schaffung von Zeit mit den antizipativen und synchronisierenden Tätigkeiten in sozialen Systemen zusammenhängt: Der Kern seiner Argumentation ist, dass in sozialen Systemen zeitliche Ordnungen und Bezugspunkte, wie Kalender, auseinandersetzen (vgl. Luhmann 1990), wurde bisher nur wenig empirisch betrachtet, wie Synchronisation auf Basis sozialer Zeit stattfindet.
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geschaffen werden müssen, um mit der Komplexität von Entwicklungen umgehen zu können. Andererseits ist innerhalb wissenssoziologischer Ansätze die Arbeit von Elias wichtig. Elias fasst Zeit als soziale Symbole, Formen des impliziten Wissens auf. Soziale Symbole repräsentieren nach Elias in einer Gesellschaft ein bestimmtes Wissen (Rosemann 2003: 128). Nach Elias ist jedes Symbol, das einer Gesellschaft zur Kommunikation dient, ein gesellschaftliches Symbol. Gesellschaftliche Symbole sind nach Elias Definition informierend oder regulierend in den Kommunikationskreislauf menschlicher Gesellschaften eingeschaltet (Elias 1988: XXII). Im Zusammenhang mit dem impliziten Wissen unterstreicht Elias, dass Menschen meist erst lernen müssen, mit Zeit umzugehen (Elias 1988: 121). Sie müssen lernen, das komplizierte Symbolsystem der Uhren und Kalender exakt zu lesen, zu verstehen sowie ihr eigenes Fühlen und Verhalten entsprechend zu regulieren. Wenn Menschen einmal gelernt haben, ihre Aktivitäten zeitlich strukturieren, dann scheint es den Menschen so, als ob sie es nie hätten lernen müssen – das Wissen und der Umgang mit Zeit wird zu implizitem Wissen. Die Individuen reflektieren Zeit und die Verwendung von Zeit zur Orientierung und Strukturierung von Aktivitäten nach dem Diktat der Uhr oder des Kalenders nicht mehr (Elias 1988: 120, nach Schlote 1996: 125). In den folgenden Abschnitten werden die Beiträge beider Autoren ausführlich diskutiert.
Zeitliche Ordnungen zur Synchronisation sozialer Systeme bei Luhmann Zeitliche Ordnungen dienen nach Luhmann dazu, Orientierung in sozialen Systemen zu ermöglichen. Sie dienen auch dazu, noch nicht entfaltete Ereignisse zeitlich abzuschätzen und so Handlungen und Ereignisse, die in unterschiedlichen Sozialsystemen entstehen, zu synchronisieren. Luhmann geht in diesem Zusammenhang mit dem Begriff der »Synchronisation« auf antizipative Aktivitäten in sozialen Systemen ein. In diesem Verständnis nutzen soziale Systeme Zeit und führen Synchronisationen herbei, um günstige Konstellationen und so auch Möglichkeiten zu schaffen.7 Soziale Systeme nutzen Zeit, um Handlungsspielräume zu erweitern, indem beispielsweise bestimmte Entscheidungen und Handlungen antizipiert, herbeigeführt oder auch vertagt werden. Um synchronisieren zu können, benötigen Sozialsysteme ein konstantes, kulturell spezifisch geformtes Medium. Dieses Medium ist nach Luhmann Zeit. Zeit ist für Luhmann also ein Instrument sozialer Systeme, um mit Komplexität 7 | Nach Luhmann ist Synchronisation eine Tätigkeit, mit deren Hilfe es möglich wird, Chancen und Risiken, die sowohl in der Gegenwart, wie auch in der Zukunft liegen, wahrzunehmen (Luhmann 1990: 118, 125): »Bei der Synchronisation geht es um die Herstellung günstiger Konstellationen, und nicht um die bloße Herstellung von Konstellationen der Gleichzeitigkeit, da diese ohnehin schon bestehen« (Luhmann 1990: 117). »Die gedankliche Operation der Synchronisation benutzt Zeit und bindet das Medium Zeit zu Formen und versucht, günstige Formen zu finden« (Luhmann 1990: 118).
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umgehen zu können. Zeit dient dabei zur Synchronisation sowohl in als auch unterhalb verschiedener sozialer Systeme. Wenn Zeit erst einmal in sozialen Systemen geschaffen und beispielsweise Kalender erstellt wurden, steht Zeit als Schema für Synchronisation zur Verfügung: Zeit kann als Medium eingesetzt werden, um Formen und Handlungen zu koppeln oder zu entkoppeln (Luhmann 1990: 116-125). Zeit entsteht nach Luhmann als ein Schema für Synchronisationen durch spezifische Formen der »Temporalisierung« in sozialen Systemen. Danach entsteht Zeit, indem eine reflexive Modalisierung, d.h. eine doppelte Unterscheidung von Ereignissen in Handlungen, in sozialen Systemen stattfindet. Dabei werden Handlungen in sozialen Systemen an Zeit gebunden, d.h. sie werden zeitlich näher bestimmt: Ereignisse und Handlungen werden zum einen danach unterschieden, ob sie Vorher oder Nachher stattfinden (Luhmann 1990: 110). Auf Basis dieser elementaren Unterscheidung zwischen Vorher und Nachher findet nach Luhmann die eigentliche Temporalisierung, die Erarbeitung einer Zeitsemantik statt: Soziale Systeme unterscheiden Ereignisse und Handlungen weiter und differenzieren, ob Ereignisse aktuell und inaktuell sind, d.h. ob sie in der Zukunft oder in der Vergangenheit liegen. Diese Einteilung von inaktuellen Ereignissen und Handlungen und deren Zeitbindung erfolgt, damit soziale Systeme einordnen können, ob noch Einflussmöglichkeiten bestehen oder nicht (Luhmann 1990: 116). Ereignisse werden in eine zeitliche Ordnung gebracht mit einem zeitlichen Index und Datum versehen, was Luhmann mit dem Begriff der »Zeitbindung« bezeichnet. Durch diese Bindung von Ereignissen an Daten ist es möglich, Ereignisse zeitlich zu verorten, sie in eine chronologische Ordnung zu bringen und beispielsweise in Kalendern abzutragen. Es ist sozialen Systemen so auch möglich, Strukturen zu generieren und Erwartungen zu kanalisieren (Esposito 2002: 360). Mit dem Begriff der Temporalisierung – durch die Bindung von Ereignissen und Handlungen an bestimmte soziale Zeitsymbole und Zeitpunkte werden diese auch mit Bedeutung versehen. Bestimmte Daten in Kalendern werden beispielsweise zu Feiertagen und damit gesellschaftlich verbindlich und bedeutsam gemacht: Es entstehen nach Luhmann Formen sozialer Zeit, bestimmte zeitlich-soziale Ordnungen. Luhmann stellt dabei fest, dass jedes soziale System eine spezifische Form der Temporalisierung vornimmt, weswegen bei ihm jedes soziale System eine spezifische Zeitbindung aufweist. Mit anderen Worten orientiert sich jedes soziale System an jeweils spezifischen zeitlichen Mustern und chronologischen Ordnungen (Kalender), um Ereignisse und Entwicklungen zu antizipieren und ihre Handlungen zu strukturieren. Wie diese Darstellung zeigt, sind Zeit und Mechanismen der Temporalisierung sowie die Synchronisation für Luhmann nichts weiter als gedankliche, epistemische Operationen. Durch diese werden geeignete Formen der zeitlichen Ordnung geschaffen. Diese Formen der zeitlichen Ordnungen ermöglichen es den sozialen Systemen, Ereignisse zu antizipieren, Handlungsabläufe zu strukturieren und ihre Handlungen mit Entwicklungen in ihren Umfeldern zu synchronisieren.
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Obwohl Luhmanns Perspektive einen guten konzeptionellen Ansatzpunkt zum Verständnis von Zeit in sozialen Systemen und der Synchronisationsfunktion sozialer Zeit liefert, stellt sich bei seiner Auffassung ein grundsätzliches Problem: Luhmann bezieht sich mit seiner systemtheoretischen Perspektive fast ausschließlich auf soziale Systeme und deren Handlungen und nicht auf einzelne soziale Akteure (Schlote 1996: 98). Folglich ist es mit Luhmanns systemtheoretischer Perspektive nur eingeschränkt möglich, Handlungen und Impulse von einzelnen sozialen Akteuren sowie deren Auswirkungen nachzuvollziehen. Somit enthalten die Begriffe und vor allem das Konzept, das Luhmann für Zeit entwickelt, zwar Ansatzpunkte für eine erweiterte Betrachtung von sozialer Zeit und Synchronisationen in Innovationsprozessen. Jedoch kann anhand von Luhmanns Perspektive der Umgang von einzelnen Akteuren mit Zeit und deren Beitrag zu Synchronisationen in Innovationsprozessen nur schwer analysiert werden. Da Innovationsprozesse komplexe, soziale und offene Prozesse sind, die durch einzelne soziale Akteure, wie Unternehmen und deren strategischen Handlungen und Interaktionen mit anderen Akteuren gestaltet und auch bestimmt werden, erscheint es notwendig, auch andere theoretische Anregungen einzubeziehen. Insbesondere Elias hat den aktiven Umgang von Akteuren mit Zeit in den Blick genommen. Elias Beitrag wurde zwar bisher meist nur selektiv in Soziologien der Zeit (vgl. Nowotny 1992) eingearbeitet (Rosemann 2003: 14). In dieser Arbeit wird auf Elias zurückgegriffen, da er eine temporal- und prozessorientierte Terminologie bietet (Rosemann 2003: 15) und im Gegensatz zu Luhmann nicht soziale Systeme, sondern Individuen die Basis seiner Betrachtung von sozialer Zeit sind.
Zeit als epistemisches Instrument für Ak teure bei Elias Elias entwickelt eine besondere Perspektive auf Zeit: Er fasst Zeit als eine akteursbezogene, subjektive, wenngleich ontologisch soziale Kategorie auf. Er vertritt die Auffassung, dass Zeit eine mit dem Menschen verbundene Kategorie ist.8 Zeit stellt sich bei Elias in den von Menschen erschaffenen Symbolen dar, die durch Uhren oder Kalender abgebildet werden. Zeit hat nach Elias, ähnlich wie bei Luhmann, als Symbol eine instrumentelle Funktion: Demnach nutzen Individuen Zeit als ein generalisiertes, hoch abstraktes Instrument. Sie nutzen den Charakter von Zeit als einer sozialen Einrichtung, eines Regulators sozialer Ereignisse und eines Modus menschlichen Erlebens (Elias 1988: 93), um Ereignisse zu verknüpfen und in Beziehung zu setzen (Rosemann 2003: 63). Zeitliche Symbole dienen bei Elias als Bezugsrahmen von Menschen. Zeit dient dazu, ihre Handlungen zu orientieren und sich zeitlich zu koordinieren (Elias 1988: 19). Das Besondere an Elias Perspektive ist dabei, dass er sich – im Unterschied 8 | Ontologisch hat Zeit bei Elias den Status einer Relation, einer eigenständigen, ontologischen Kategorie (Rosemann 2003: 134), da es sich bei Zeit um das Ergebnis einer Synthesetätigkeit, einer Beziehungsstiftung handelt, die sich höher zunehmend entwickelt (Rosemann 2003: 62).
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zu Luhmann – intensiv damit auseinandersetzt, wie Zeit und zeitliche Bezugssysteme auf Basis der Handlungen einzelner Akteure zustande kommen, und welche Funktionen Zeit dann in sozialen Zusammenhängen und Prozessen hat. Elias beschäftigt sich eingehend damit, wie Individuen Zeit schaffen. Dies bezeichnet er mit dem Begriff des »Zeitbestimmens«. Elias argumentiert, dass Zeit dadurch entsteht, dass die Akteure selbst aktiv und passiv Zeit bestimmen:9 Nach Elias bestimmen Menschen Zeit, indem sie »Wann-Fragen« stellen (Elias 1988: 15-23). Wann-Fragen zielen nach Elias darauf ab, Ereignisse innerhalb eines kontinuierlichen Flusses von Ereignissen festzulegen, Meilensteine zu fixieren, die relative Anfänge und relative Enden innerhalb des Flusses anzeigen, eine bestimmte Spanne von einer anderen abzuheben oder beide in Bezug auf ihre Länge durch das, was wir ihre »Dauer«, zu vergleichen. Dies alles sind Spielarten des Zeitbestimmens (Elias 1988: 41). Die Fähigkeit von Individuen, Wann-Fragen zu stellen und dadurch Zeit zu begründen, basiert auf der Fähigkeit sich vorzustellen, dass es ein Früher oder später gibt. (Elias 1988: 45). Diese Fähigkeit zum Zeitbestimmen muss nach Elias erlernt werden (Elias 1988: 121), denn sie stellt eine epistemische Operation, eine gedankliche Synthese dar. Soziale Akteure nehmen nach Elias diese gedankliche Synthese zwischen realen Ereignissen und abstrakten Symbolen, wie Daten vor, indem sie bestimmen, wann Ereignisse stattfinden. Sie setzen mehrere Geschehensabläufe und Sequenzen von Ereignissen miteinander in Beziehung. Bei Elias schaffen einzelne Menschen und Akteure soziale zeitliche Muster und Ordnungen. Sie nehmen subjektiv eine bestimmte Ereignisfolge als Maßstab und setzen diese Ereignisfolge dann als einen gesellschaftlichen Standard. Anhand dieses gesellschaftlich akzeptierten und vermittelten zeitlichen Maßstabs, der zum Beispiel in Kalendern niedergelegt ist, sind die Individuen dazu fähig, sich zu orientieren. Auch können die Individuen temporale Positionen von Ereignissen bestimmen und sie mit Bedeutung aufwerten. Darüber hinaus sind sie anhand dieser zeitlichen Formen in Kalendern neben ihrer eigenen Orientierung auch dazu fähig, dafür zu sorgen, dass sich andere soziale Akteure an diesen zeitlichen Maßstäben orientieren (Elias 1988: 42 & 115). Zeit ist also eine Form expliziten und impliziten Handlungs- und Orientierungswissens. Obwohl Elias erklärt, wie subjektive und auch soziale Zeit als soziales Wissen zustande kommt, ist er nur wenig darauf eingegangen, welche Auswirkungen die Schaffung und Nutzung von sozialer Zeit hat. Insoweit erscheint es sinnvoll, über die Erkenntnisse zur sozialen Zeit aus der Wissenssoziologie hinaus, andere Anregungen, wie die aus der emanzipatorischen, soziologischen Zeitforschung heranzuziehen, um genauer zu verstehen, wie sich die Nutzung von Zeit zur Strukturierung von Handlungen auswirkt.
9 | Elias geht darauf ein, dass Zeitbestimmen sowohl bewusst als auch unbewusst vor sich geht. Er unterscheidet zwischen passivem Zeitbestimmen, das keine Entscheidung verlangt, und aktivem Zeitbestimmen, das aktive Zeitbestimmen Entscheidungen verlangt (Elias 1984: 18).
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3.1.3 Auswirkungen sozialer Zeit Neben den Funktionen sozialer Zeit untersuchen Soziologen auch, wie sich Zeit als Symbolsystem in Gesellschaften auswirkt. In diesem Zusammenhang hat die soziologische Zeitforschung gezeigt, dass die vorherrschenden Zeitkulturen und Zeitvorstellungen von Zeit in Gesellschaften als Normensysteme wirken (Garhammer 1998: 28). Die Zeitkultur, d.h. der vorherrschende subjektive und soziale Umgang mit Zeit, bestimmt die Lebenswelt und den Lebensverlauf der Mitglieder von Gesellschaften.10 Die allgemeinen gesellschaftlichen Leitvorstellungen, d.h. die mit Zeit in Gesellschaften verbundenen Werte und Bedeutungen, wirken als Maßstäbe für das Handeln in konkreten Situationen und Rollenkontexten (Garhammer 1998: 28). Zeitnormen – so auch Ergebnisse aus der Organisationsforschung – beeinflussen die Aktivitäten von Akteuren, da sie eine Form der gemeinsam erwarteten Aktivitäten darstellen, an denen sich die Akteure orientieren. Als eine der Auswirkungen sozialer Zeit kann also festgehalten werden, dass soziale Zeit als Norm und Maßstab für die zeitliche Beschaffenheit und Abfolge von Handlungen, d.h. beispielsweise deren Dauer und Geschwindigkeit, wirken kann. Einige andere jüngere zeitsoziologische Beiträge stellen fest, dass es verschiedene sich überlappende Zeitmodi gibt. So hat Nowotny unterstellt, dass in differenzierten Gesellschaften als Folge der spezifischen Nutzung von Zeit unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure Eigenzeiten entstehen (Nowotny 1992: 484). Auch Sassen (1999: 1) differenziert die von anderen Soziologen vertretene These einer übergreifenden gesellschaftlichen Beschleunigung (vgl. Rosa 2005). Sassen weist darauf hin, dass es nicht um die übergreifende gesellschaftliche Beschleunigung, sondern vielmehr um unterschiedlich beschleunigte Aktivitäten von Akteuren, eine Vielzahl von jeweils geschaffenen und zeitlich gestalteten Ordnungsmuster, um unterschiedliche Beschleunigungen beim globalisierten Zeitmodus geht (vgl. Sassen 1999). Neben der Feststellung, dass Zeit normativ auf Interaktionen von Akteuren wirkt, weisen Arbeiten aus der emanzipatorischen, sozialwissenschaftlichen Zeitforschung darauf hin, dass innerhalb von Gesellschaften verschiedene Zeitnormen und Zeitorientierungen existieren (Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik 2004; Geissler 2002; Geissler 2004). Diese Wahrnehmung der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der in Gesellschaften bestehenden Zeiten ist notwendig, da dadurch die Redundanz, die Elastizität und die Stabilität von Geschäften erhöht werden kann (Geissler 2002: 138). Auch Knorr-Cetina bestätigt die Existenz verschiedener Zeitlichkeiten. Sie hat sich mit einer speziellen Form der Eigenzeiten, der Zeit in wissenschaftlichen Gemeinschaften beschäftigt (Knorr-Cetina 1988:89) und spricht von einer ›Konkurrenzzeit‹, »einer Zeitlichkeit, die von den 10 | Ein Beispiel für die Beschreibung der Auswirkungen von zeitlichen Konzepten auf Individuen bietet der Beitrag von Southerton, der sich mit der Entstehung und den Auswirkungen des Zeitdrucks auf mikrosozialer Ebene auseinandersetzt (Southerton 2003). Diese Ansätze werden hier nicht näher betrachtet.
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Fortschritten und Vorhaben der Konkurrenz bestimmt ist und für die Arbeit der Einheit bestimmend ist« (Knorr-Cetina 1988: 89). Als eines der Hauptergebnisse der soziologischen Zeitforschung zu den Auswirkungen der Nutzung sozialer Zeit lässt sich festhalten, dass es nicht nur in verschiedenen Gesellschaften kulturell spezifische zeitliche Ordnungen gibt. 11 Vielmehr gibt es auch innerhalb von Gesellschaften unterschiedliche Zeitfelder und Zeitregime, die sich auf Handlungen der Akteure auswirken und zu einer Vielzahl von unterschiedlichen Zeitlichkeiten in Gesellschaften führen. Adam zeigt, dass Akteure, die in diesen Zeitfeldern agieren, sich an den jeweiligen zeitlichen Normen in den Zeitfeldern orientieren, wodurch völlig unterschiedliche Handlungslogiken der Akteure und unterschiedlich strukturierte Prozesse entstehen (Adam 1995; Adam 2002; Adam 2005: 66). Für diese Arbeit ist diese Feststellung von herausragender Bedeutung, da dadurch klar wird, dass als eine Auswirkung sozialer Zeit, Prozesse unterschiedlich getaktet werden und deswegen unterschiedliche Rhythmen aufweisen.
3.1.4 Zusammenfassung zu Erkenntnissen der soziologischen Zeit for schung Im Hinblick auf die Charakteristika und die Entstehung sozialer Zeit kann im Rückgriff auf die Wissenssoziologie (Luhmann und Elias) soziale Zeit als eine besondere Form des Handlungs- und Orientierungswissens von Akteuren und sozialen Systemen aufgefasst werden. Dieses Handlungs- und Orientierungswissens entsteht durch das »Zeitbestimmen« von Akteuren, d.h. dadurch, dass sich Akteure mit der zeitlichen Abfolge, der Reihenfolge von Ereignissen beschäftigen, Wann-Fragen stellen und auf dieser Basis zeitliche Referenzpunkte entwickeln. Diese können dann als soziale zeitliche Symbole in Kalendern verwendet werden (»Temporalisierung«).
Funk tionen sozialer Zeit Für die Funktionen sozialer Zeit kann festgehalten werden, dass die durch Temporalisierung geschaffene, soziale Zeit Akteuren als ein Instrument dient, um ihre eigenen Handlungen zu strukturieren und diese mit den Handlungen anderer Individuen zu synchronisieren. Soziale Zeit ist ein Schema, das als Instrument dient, um günstigere Situationen zu schaffen, Entwicklungen zu antizipieren, Komplexität zu reduzieren und Aktivitäten im Vorhinein zu synchronisieren. Die sozialwissenschaftliche Forschung zur sozialen Zeit verdeutlicht, dass Individuen und soziale Systeme Zeit als Form des sozialen Wissens, zur Orien11 | Ein anderer wichtiger Zweig sozialwissenschaftlicher Zeitforschung setzt sich dezidiert mit Unterschieden in der soziokulturellen Bezugnahme und dem Umgang mit Zeit in verschiedenen Gesellschaften auseinander (Adam 1995; Gell 1992; Hassard 1990; Zerubavel 1987). Auf diese interkulturell vergleichenden Ansätze wird hier nicht näher eingegangen.
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tierung, zur Kommunikation, zur Regulierung und vor allem zur Synchronisation benötigen. Als soziale Zeit kann man eine Menge von sozialen Symbolen und bestimmte kollektive Wissensbestände verstehen, die Kommunikation in Gesellschaften ermöglichen. Soziale Akteure, so die Ergebnisse der Zeitbudgetforschung, orientieren sich an zeitlichen, realen – aber auch latenten, idealen – temporalen Mustern, die sich als adäquater Kompromiss verschiedener Muster von unterschiedlichen Zeitstrukturgebern erweisen (Dollase et al. 2000). Diese Orientierung dient den Akteuren dazu, ihre Aktivitäten zeitlich zu strukturieren, die Reihenfolge ihrer Aktivitäten festzulegen und sich mit anderen Akteuren zeitlich zu koordinieren (Hammerich 2000:329). Die Individuen können auf Basis von gesellschaftlich standardisierten zeitlichen Ordnungen, wie Kalendern, miteinander kommunizieren. Durch diese Verfügung über soziale Zeit und durch die Schaffung von zeitlichen Ordnungen sind – wie Elias und Luhmann zeigen – Individuen und auch soziale Systeme dazu fähig, ihre Handlungen mit denen anderer Individuen bzw. anderen Sozialsystemen zeitlich zu koordinieren, also zu synchronisieren.
Auswirkungen von Zeit Die Sondierung der sozialwissenschaftlichen und soziologischen Forschung hat gezeigt, dass soziale Akteure für sich eine spezifische Zeit bestimmen (Garhammer 1998), woraus Eigenzeiten, z.B. Konkurrenzzeiten (Nowotny 1993), Zeitregime und auch Zeitfelder (Adam 1995; ebd. 2002) entstehen. Als wichtiges Ergebnis der soziologischen Zeitforschung muss festgehalten werden, dass in Gesellschaften und sozialen Prozessen als Auswirkung des verschiedenen Umgangs mit Zeit verschiedene Zeitfelder, verschiedene Zeitnormen und Zeitregime sowie eine Vielzahl von unterschiedlichen Zeitmodi bestehen, welche die Handlungen von Akteuren in den jeweiligen sozialen Umfeldern regulieren und strukturieren. Die darin befindlichen und gefestigten zeitlichen Ordnungen wirken in gesellschaftlichen Kontexten als Normen, sie strukturieren die Handlungen der Akteure. Um die Erkenntnisse aus der sozialwissenschaftlichen Zeitforschung für die genauere Betrachtung von Zeit und Innovation nutzbar zu machen, wurden verschiedene Begriffe in ihrer Bedeutung in der nun folgenden Kompilation gesichert.
E xkur s: Kompilation von Begrif fen für soziale Zeit Zeitfelder (»Timescapes«): Zeitfelder sind ein Konzept zur Beschreibung der Komplexität zeitlicher Muster und Strukturierungen in Gesellschaften (vgl. Adam 1995; Adam 2005). Sie werden durch die Handlungen und Interaktionen der Akteure, durch Zeitperspektiven und die daraus folgenden Formen der zeitlichen Strukturierung geprägt. Zeitformen/Zeitgestalten: Mit dem Begriff Zeitformen werden die verschiedenen alltäglich gelebten Formen und Ausprägungen der Nutzung sozialer Zeit, wie Schnellig-
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keit, Langsamkeit, Warten und Wiederholungen bezeichnet (Geissler 2004: 169). In dieser Arbeit wird der Begriff der Zeitformen eher in Anlehnung an Nowotny benutzt, um spezifische Typen sozialer Zeit, die »Zeitgestalten«, wie die »Konkurrenzzeit« zu beschreiben, die als spezifische, soziale zeitliche Strukturen von heterogenen Akteuren gestaltet werden (vgl. Nowotny 1992). Zeitrahmen: Bei Zeitrahmen handelt es sich in Anlehnung an Goffman um eine Menge von kollektiv geteilten Bedeutungsstrukturen und Deutungsmustern (Interpretationsschemata), mit denen intersubjektiv sowohl individuelle als auch institutionelle Erfahrungen gerahmt werden können (Boden 1997: 8). Diese helfen sozialen Akteuren durch zeitlich strukturierte Handlungs- und Bedeutungsrahmen, die sozial-kulturelle Komplexität zu reduzieren und ihre jeweiligen Handlungszusammenhänge so wahrzunehmen, zu interpretieren und darin zu handeln, dass sie damit von ihnen gewünschte Effekte erzielen können. Zeitrahmen bilden sich durch Kommunikation, durch ständigen Bezug auf Geschäftszyklen, Budgetplanungen, akademische Kalender, Jahresberichte und andere routinehafte Muster des Organisationslebens in alltäglichen Kommunikationen und Interaktionen. Zeitrahmen werden durch die vorgenannten Aktivitäten verfestigt und dadurch auch wirkungsmächtig (Boden 1997: 9). Zeitrahmen ermöglichen soziale Interaktion, da sie als geteilte Bedeutungsstrukturen die Einbindung und Teilnahme von sozialen Akteuren an sozialen Interaktionen ermöglichen (Boden 1997: 28). Zeitnormen/Zeitinstitutionen: Bei Zeitnormen handelt es sich um gefestigte, sozial objektivierte Zeitkategorien, die die Handlungskoordination erleichtern (Schulte 1996: 62). Zeitnormen stecken als soziale Handlungsregeln Handlungsmöglichkeiten ab. Zeitnormen legen auch die gesellschaftliche Bewertung der Bedeutung von Zeitabschnitten fest. Zeitnormen sind Maßstäbe für das Handeln in konkreten Situationen und Rollenkontexten (Garhammer 1998). Zeitnormen und Zeitinstitutionen sind gespeicherte Verhaltenserwartungen, die Individuen von Rechtfertigungsdruck befreien und dadurch eine gesellschaftliche Mindeststabilität sichern (Held 1993). Zeitnormen wird durch soziale Interaktionen erst Bedeutung verliehen (Lawrence 2001: 649). Zeitordnung/Zeitregime/Zeitstruktur: In der temporalen Musterforschung (vgl. Dollase et al. 2000) ist der Begriff der Zeitordnung (Zeitregimes) meist gleichbedeutend mit dem Begriff der Zeitstruktur. Mit Zeitordnung bzw. Zeitregime wird eine Menge von Zeitnormen, d.h. eine Ordnung beschrieben, die auf Grundlage der Durchsetzung einer bestimmten zeitlichen Ordnung von Ereignissen und einer bestimmten Zeitpolitik zustande kommt (Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik 2004). So sind z.B. die gesetzlich vorgeschriebenen Öffnungszeiten im Einzelhandel Zeitnormen, die durch Zeitpolitik vorgegeben werden. Zeitpläne: Eine spezielle Form der Zeitordnungen sind Zeitpläne. In Zeitplänen werden mit einer bestimmten Zeitperspektive und einem bestimmten Zeithorizont verschiedene Zeitmuster (wie Dauern, Tempi, Sequenzen usw.) festgeschrieben. Bei der Betrachtung der sozialen Konstruktion von Zeitplänen wird in der Soziologie einer-
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seits zwischen den strukturellen, statischen Aspekt mit Begriffen »timetables, timetabling« und andererseits den dynamischen Aspekten des Zustandekommens von Zeitplänen unterschieden, was mit dem Begriff des »scheduling« bezeichnet wird. Der englische Begriff »scheduling« beschreibt die Aushandlung, Formulierung und Veränderung von Zeitplänen. Beim »timetabling« hingegen wird eher betrachtet, wie bestehende Zeitpläne (»timetables«) handlungsrelevant werden (Bergmann: 1981: 479) Zeitmuster: Der Begriff Zeitmuster wird in Anlehnung an Geissler und anderseits an die temporale Musterforschung verwendet (Geissler (2004: 169; Dollase et al. 2000). Der Begriff Zeitmuster beschreibt die Gesamtheit der chronometrischen Muster, der Rhythmen und Takte. In der sozialwissenschaftlichen Zeitforschung wird mit dem Begriff ›temporales Muster‹ das Muster von Tätigkeiten, Ereignissen oder Erlebnissen bezeichnet, die in einem definierten Makrozeitabschnitt (z.B. Tag, Woche, Monat oder Jahr) zeitlich lokalisiert werden können (Dollase et al. 2000: 25). Temporale Muster können sich nach Länge und Körnigkeit, mit der temporale Einheiten (Sekunden, Minuten, Tage) betrachtet werden, unterscheiden (Dollase et al. 2000: 14). In Anlehnung an verschiedene Autoren werden hier Zeitmuster mit folgenden Kategorien beschrieben: Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen, Rhythmen und temporale Lokalisationen, d.h. die zeitliche Verortung von Aktivitäten und Ereignissen das »Timing« (vgl. Adam 1995; Adam/Whipp/Sabelis 2002; Beck 1994; Bergmann 1981; Lee/Liebenau 2000; Zerubavel 1987). Zeitlogik: Die Logik bzw. die Handlungsrationalität, die der zeitlichen Strukturierung von Aktivitäten in Organisationen zugrunde liegt (Girard/Stark 2001). Diese Logik richtet sich nach einer Mischung von allgemeinen Handlungsrationalitäten (wie Profitmaximierung) und bestimmten in Umfeldern sozial stabilisierten zeitlichen Mustern. Diese zeitlichen Muster können von außen gegeben Referenzereignisrahmen wie der Geschwindigkeit von Konkurrenten oder umfassenden Technologieroadmaps für ein Technologiefeld vorgegeben werden. Mit Zeitlogik wird dabei nicht wie normalerweise in der Mathematik und Informatik das System modaler Operatoren und modaler Logik bezeichnet, obwohl für die Abbildungen von Zeitlogiken und Synchronisationsbedingungen ohne Weiteres modale Operatoren eingesetzt werden könnten (Galton 1999). Zeitrepertoires: Zeitliche Repertoires umfassen die Menge an verfügbarem Wissen um die zeitliche Strukturierung, die Gesamtheit der Strategeme, Handlungsanweisungen und Heuristiken in Hinblick auf den Umgang mit Zeit in Organisationen (vgl. Whipp 1994). Kalender und Uhren: Kalender und Uhren zählen zu den bedeutendsten Zeitordnungen und sozialen Referenzsysteme in Gesellschaften (Borst 1990; Beck 1994: 117; Adam 2005; Geissler 2004). Mit Hilfe von Uhren und Kalendern können Ereignisse zeitlich gemessen, bestimmt und verortet sowie in eine chronologische Ordnung gebracht werden (Beck 1994, Geissler 2004): So wurden bei-
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spielsweise in früheren Gesellschaften sozial bedeutsame Ereignisse, wie Jagderfolg, Hungerperioden oder heute bestimmte Erfolgsmeldungen durch Kalender abgebildet und zeitlich bestimmt. Durch diese Schaffung von chronologischen Ordnungen werden Uhren und Kalender zu Zeitindikatoren und Zeitreferenten und wirken sich auf Handlungen von Akteuren aus (Adam 2005; Beck 1994: 118). Kalender und Uhren werden folglich als die hauptsächlichen Zeitgeber und soziale Rhythmusgeber gesehen (vgl. Geissler 2004, Adam 2005; Borst 1990; Zerubavel 1987) Kalender sind Verzeichnis der Tage, Wochen und Monate. In ihnen werden Ereignisse in chronologischer Folge abgebildet. Der Ausdruck Kalender leitet sich vom lateinischen Verb »calare« (ausrufen) und dem Substantiv »calendae« (dem ersten Tag des Monats, an dem Zinsen bezahlt werden müssen) ab. Kalender sind stabilisierte Zeitkonzepte und Zeitorientierungen: Kalender gehen aus dem vorherrschenden Umgang mit Zeit in Gesellschaften hervor. Sie erweitern die Möglichkeiten sozialer Akteure zur Kooperation und Koordination, da auf dieser Basis soziale Akteure ihre Handlungen zeitlich koordinieren und über Zeitpunkte sowie bestimmte zeitliche Abläufe kommunizieren können (Beck 1994: 119). Uhren sind ein integraler Teil einer Gesellschaftsordnung. Ohne Uhren funktionieren die meisten Gesellschaftsordnungen nicht, da Menschen Uhren als Maßstab zur Gliederung und Koordination ihrer eigenen Tätigkeiten verwenden (Elias 1988: 42, 93). Zeitstrukturgeber/Zeitinstanz: Mit dem Begriff des »Zeitgebers« wird darauf hingewiesen, dass Gesellschaften und andere soziale Entitäten wie Gruppen oder Gemeinschaften ihre spezifische zeitliche Strukturierung durch »Zeitgeber« erhalten. Hier wird auf den Begriff des »Zeitstrukturgebers« zurückgegriffen, der innerhalb der temporalen Musterforschung entstanden ist (vgl. Dollase et al. 2000). Neben Uhren und Kalendern als »Zeitgeber« werden soziale Akteure als »Zeitstrukturgeber« bezeichnet: Bestimmte soziale Akteure verfügen über eine Machtstellung im Hinblick auf die Konstruktion sozialer Zeitlichkeiten. Durch Verfügung über materielle oder ideelle Ressourcen sind sie fähig, eine bestimmte Zeitstruktur sozial verbindlich zu machen, d.h. verschiedene Zeitmuster zu Zeitnormen wie Kalendern zu machen. Bestimmte soziale Akteure können bestimmte Zeitrahmen für andere soziale Akteure in bestimmten sozialen Kontexten zu vordringlichen Handlungs- und Bedeutungsrahmen machen. Durch die Bezeichnung als Zeitstrukturgeber werden soziale Akteure näher in ihrer sozialen Stellung und in ihrer Bedeutung für soziale Prozesse charakterisiert. Zeitstrukturgeber handeln mit Rückgriff auf den organisationssoziologischen Begriff der Instanz als »Zeitinstanzen«. Zeitorientierung: Nach Lauer handelt es sich bei der zeitlichen Orientierung um den Prozess, in dem Menschen Ereignisse zeitlich einordnen. Menschen nehmen diese Einordnung nach der grundsätzlichen Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor (Lauer 1981: 35). Daran anschließend wird hier mit Zeitorientierung die relative Gewichtung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bezeichnet, die Individuen und soziale Akteure vornehmen. Zeitorientierung bezieht sich sowohl auf individuelle, akteursspezifisch vorgenommene Einteilungen von Ereignisfolgen
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in vergangene, gegenwärtige und zukünftige Ereignisse als auch den Stellenwert von zeitlichen Strukturierungen wie auch auf sozialsystemspezifische Zeitperspektiven. Mit dem Begriff Zeitorientierung wird folglich auch erfasst, wie soziale Akteure mit Zeit umgehen und welches Verhältnis sie zu sozialen, zeitlichen Symbolen haben. Mit dem Begriff Zeitorientierung wird hier sowohl die Intensität der Nutzung von zeitlichen Symbolen, wie auch das Maß der Reflexivität beschrieben, mit dem Akteure mit zeitlichen Symbolen umgehen: Mit Zeitorientierung wird beschrieben, ob und inwieweit zeitliche Symbole ein wichtiges Element der Strukturierung der Handlungen und Interaktionen von einzelnen Personen, Individuen oder auch Organisationen und Sozialsystemen sind. Mit Zeitorientierung wird auch beschrieben, wie stark sich soziale Akteure auf Zeit und Zeitnormen (Kalender) beziehen, wie klar sich soziale Akteure über diese Strukturierung sind sowie mit welcher Disziplin sie Zeitplänen folgen (»Zeitdisziplin«, vgl. Gemünden 1993). Soziale Akteure unterscheiden sich in ihrer Zeitorientierung: So gibt es soziale Akteure, die reflexiv mit Zeit umgehen. Andere soziale Akteure hingegen, machen sich nicht bewusst, welchen Einfluss zeitliche Strukturierungen auf ihr Handeln haben. Zeitperspektive: Die Zeitperspektive von sozialen Akteuren ergibt sich aus der Zeitorientierung von Akteuren und damit aus der sozialen Akteurskonstruktion von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Zeitperspektive kann somit auch als dominante und handlungsmächtige Zeitkonzeption, d.h. das Verständnis der jeweiligen sozialen Akteure von Zeit, verstanden werden (Weber 2001). Die Zeitperspektive umfasst die gesamte zeitliche Orientierung, die Perspektive auf in der Umwelt von sozialen Akteuren liegende Ereignisse. Zeithorizont: Zeithorizonte sind eine Form subjektiver und sozialer Zeit. Zeithorizonte beziehen sich auf Annahmen und Erwartungen hinsichtlich der Zukunft. In Zeithorizonten wird durch Personen, Gruppen oder Organisationen die Dauer, d.h. die zeitliche Erstreckung von Ereignissen, Phasen, Zyklen in ihren Antizipationen definiert. Zeithorizonte entsprechen damit der gegenwärtigen, subjektiven zeitlichen Perspektive einer bestimmten Person oder Gruppe (Nies 2001: 56). Gemeinhin wird mit Zeithorizonten die Reichweite und Fristigkeit des Denkens von sozialen Akteuren beschrieben. In dieser Arbeit wird mit dem Begriff Zeithorizont die Zeitspanne beschrieben, die soziale Akteure bei ihrer Planung und in ihrer Antizipation einbeziehen und die Dauern von Ereignissen, Handlungen, Interaktionen, Abschnitten von Pfaden und Entwicklungen definiert. Im Zusammenhang mit Zeithorizonten wird zwischen echtzeitorientierten (mit Millisekunden im Bereich moderner Informationssysteme), kurzfristigen (mit Zeithorizonten von einem Monat bis zu zwei Jahren), mittelfristigen (von 2 Jahren bis zu 5 Jahren) und langfristigen Zeithorizonten (mit Zeithorizonten über 5 Jahre) unterschieden. Zeithorizonte sind unvermeidlich konstitutiv für alle Handlungsorientierungen und Selbstverhältnisse (Rosa 2003: 19). Zeithorizonte definieren für soziale Akteure Bedeutungsgrenzen. Sie unterscheiden die vorhersehbare, noch zu erfassende Zukunft, von der fernen, für soziale Akteure in einer bestimmten Situation nicht mehr zu erfassenden Zukunft (Luhmann 1985: 254; Schneider 1991: 27).
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Zeitkonzepte: Neben den Zeitperspektiven, die sich hauptsächlich auf die Basisunterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beziehen, ist der Begriff der »Zeitkonzepte« verschiedener Autoren zu unterscheiden (vgl. Geissler 2002; 2004). So weisen Zerubavel und Clark darauf hin, dass Gesellschaften ein spezielles Vokabular für Zeit, bestimmte kulturell stabilisierte Grundlagenschemata und Vorstellungen von Zeit entwickeln (Zerubavel 1987; Clark 1997). Dabei werden zwei grundsätzliche verschiedene Zeitkonzepte – ereignis- und uhrzeitorientierte Zeitkonzepte – unterschieden (»event time« und »even time«) unterschieden. Adam spricht im Zusammenhang mit Zeitkonzepten auch vom Zeitmodus einer Gesellschaft (Adam 2005: 57-67). Zeitgeist: Vom Zeitkonzept ist begrifflich der Begriff Zeitgeist zu unterscheiden. Dieser Begriff bezeichnet die für einen bestimmten Zeitraum charakteristische Gesinnung, die zeitraumbezogene geistige Haltung. Zeitkultur: Zeitkultur ist die Gesamtheit der materiellen Bedingungen der Zeitgestaltung, der Zeitvorstellungen, der Zeitwerte und der Zeitnormen einer Gesellschaft (Garhammer 1998: 26ff.). Synchronisation: Bei Synchronisation handelt es sich um eine epistemische Operation in der Gegenwart, durch die erkannt werden kann, wann etwas getan werden sollte. Nach Luhmann erbringen bei der Synchronisation soziale Systeme eine Syntheseleistung. Sie stellen Beziehungen zwischen Symbolen und Bedeutungen her, um so eine Abbildung der Abfolge von Ereignissen und Handlungen zu ermöglichen. Synchronisation wird durchgeführt, um Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zu schaffen. Durch Synchronisation können sich soziale Systeme miteinander zeitlich koordinieren und Aktivitäten anderer Systeme für sich nutzen. Durch Synchronisation findet eine Begrenzung von Handlungsmöglichkeiten durch zeitliche Vorstrukturierung statt. Erst durch diese Begrenzung von Möglichkeiten werden Gelegenheiten geschaffen (Luhmann 1990: 116-125).
3.1.5 Kritische Würdigung der soziologischen Zeit for schung Obwohl die sozialwissenschaftliche Forschung mit ihren Erkenntnissen wertvolle Anregungen zur Betrachtung der Entstehung, der Nutzung und den Auswirkungen von sozialer Zeit gibt, zeigt sich bei ihrer kritischen Würdigung auch, dass noch einige blinde Flecken bestehen. Bei der Würdigung bisheriger Arbeiten zu sozialer Zeit zeigt sich, dass die Vielfalt des Umgangs von Zeit unterschiedlicher Akteure in sozialen Prozessen großteilig noch nicht empirisch erfasst ist. Obwohl einige Autoren Analysedimensionen hierfür entwickelt haben (Adam/Whipp/Sabelis 2002; Beck 1994; Lee/Liebenau 2000), ist eine umfassende Beschreibung des Umgangs und der Ausprägungen sozialer Zeit mit Taxonomien und Typologien noch nicht geleistet. Die Zeitforschung hat die »Pluritemporalität« (vgl. Adam 1995, 2002 – die
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Vielzahl unterschiedlicher Zeitnormen, Zeitregime, Eigenzeiten und Zeitfelder – in Gesellschaften bisher nicht detailliert erfasst. Bei der Sondierung wird auch deutlich, dass bis auf die theoretisch- konzeptionelle Erfassung bei Luhmann, die Funktionen sozialer Zeit und Synchronisation als eigenständiges Phänomen bisher kaum betrachtet wurden. Einige neuere Forschungsarbeiten weisen zwar auf die Bedeutung von Gleichzeitigkeit und Nicht-Gleichzeitigkeit hin (vgl. Brose 2004), erklären dies aber nicht näher. Auch die Auswirkungen des spezifischen Umgangs von Akteuren und Sozialsystemen mit Zeit, wie die Entstehung einer Vielfalt von Eigenzeiten, wurden bisher noch nicht eingehend konzeptionell erfasst und empirisch betrachtet. Bis auf Arbeiten zur Zeitbudgetforschung werden weder der Umgang mit Zeit von sozialen Akteuren noch die Auswirkungen dieser Verwendung von Zeit auf den Verlauf von Prozessen näher analysiert. Die soziologische Zeitforschung ist zwar theoretisch auf die Entstehung von Zeit in sozialen Systemen eingegangen, wenn insbesondere Luhmann postuliert, dass sich durch die Ausdifferenzierung von Systemen innerhalb der gesellschaftlichen Weiterentwicklung mehrere systemspezifische Zeitlichkeiten ausbilden (Luhmann 1990). Bisher steht aber eine genaue konzeptionelle und empirische Betrachtung der Entstehung von Formen sozialer Zeit in komplexen Interaktionsprozessen noch aus. Das situative Entstehen von zeitlichen Mustern sowie die konkrete Nutzung von Zeit, wurden bisher noch nicht eingehend betrachtet. Bislang stehen Forschungsarbeiten zu der Frage weitgehend aus, auf welcher Grundlage eigentlich soziale Zeiten durch die Interaktionen der Akteure entstehen. Auch wurde bislang noch nicht abgebildet, wie Menschen gemeinsam Zeitnormen schaffen und wahrnehmen und welchen Einfluss etablierte Zeitnormen auf soziale Akteure haben (Lawrence 2001: 649). Zwar hat Elias ausgeführt, wie Individuen Zeit bestimmen und Luhmann hat dies für soziale Systeme mit dem Begriff der Temporalisierung beschrieben. Doch bisher ist nicht ausreichend konzeptionell geklärt, wie Zeit in sozialen Zusammenhängen – oft auch situativ, beispielsweise durch Aktivitäten der Akteure – entsteht oder auch verändert wird. Es wurde bisher noch nicht geklärt, wie soziale Zeit durch die konkrete Nutzung von Zeit und Kalendern, z.B. neuen Technologiekalendern entsteht. Auch scheinen die Fragen noch offen, auf welcher Basis z.B. erhöhte Geschwindigkeiten in der Entwicklung von Technologien zustande kommen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es noch ein Rätsel ist, wie und unter welchen Bedingungen bestimmte Formen sozialer Zeit entstehen, wie soziale Zeit als handlungsrelevantes Element von sozialen Zusammenhängen zustande kommt und weiter Bestand hat. Dieses Rätsel um die Entstehung und Stabilisierung sozialer Zeit erschwert die Untersuchung ihrer Ausprägungen, ihrer Entstehung und ihrer Auswirkungen. Es gibt schlicht noch zu wenige Hypothesen darüber, wie soziale Zeit als handlungsrelevante Größe entsteht, und durch soziale Akteure unter welchen Bedingungen stabilisiert wird. Rätselhaft ist vor allem, dass sich soziale Zeit einerseits auf Handlungen der Akteure auswirkt, doch zugleich auch von Handlungen und Interaktionen der Akteure
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abhängt, da sie aus diesen entsteht und durch sie erst wirkungsmächtig wird. Vor diesem Hintergrund wird nun zuerst geklärt wie soziale Zeit entsteht, um dann auf dieser Basis ein Konzept mit einer soziologischen Perspektive zur Betrachtung von sozialer Zeit in Innovationsprozessen zu entwickeln.
3.2 Soziologisch inspirier tes Konzept zur Betrachtung von sozialer Zeit und Synchronisationen in Innovationsprozessen 3.2.1 Vor stellung von sozialer Zeit in Innovationsprozessen Um eine genauere konzeptionelle, theoretisch fundierte Vorstellung zu erarbeiten, wie heterogene Akteure mit Zeit umgehen und wie sich dies auf Innovationsprozesse auswirkt, muss zuerst eine soziologisch fundierte erklärende Hypothese für die Entstehung und die Auswirkungen von sozialer Zeit in Innovationsprozessen auf Basis der Handlungen und Interaktionen von heterogenen Akteuren erarbeitet werden.
3.2.1.1 Ent stehung sozialer Zeit – Anleihen an Giddens Struk turationstheorie Um das genannte Rätsel konzeptionell zu lösen und Hypothesen zur Entstehung von sozialer Zeit und zum Zusammenhang von Zeit und Innovation aufzustellen, scheint die Theorie der Strukturierung von Giddens (1984) hilfreich. 12 Denn die vorher beschriebene Eigenart sozialer Zeit – dass sie einerseits von sozialen Handlungen abhängt, durch diese konstituiert wird, zugleich aber auch durch diese Handlungen geprägt wird – erinnert stark an die von Giddens beschriebene Dualität von Handlung und Struktur. Deswegen werden auf Grundlage der Theorie der Strukturierung Hypothesen darüber aufgestellt, wie Akteure soziale Zeit schaffen und nutzen.13 So wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass Akteure Zeit als soziale Struktur schaffen, jedoch gleichzeitig durch bestimmte zeitliche Strukturen geprägt sind. Im Anschluss an Giddens wird eine Dualität von Struktur und Handlung in Bezug auf soziale Zeit unterstellt: Giddens geht davon aus, dass die Handlungen der Akteure und die dauerhaften sozialen Strukturen -Regeln in sozialen Zusammenhängen – ursächlich und untrennbar miteinander ver12 | Nowotny hat nahe gelegt, dass die Entstehung von bestimmten zeitlichen Ordnungen »anhand der Begriffe Strukturierung und Strukturation zu erfassen sind« (Nowotny 1993: 60). 13 | Hier wurde also, wie von Giddens selbst vorgeschlagen, die Strukturationstheorie als sensibilisierendes Behelfsmittel genutzt um Hypothesen zu generieren und weitere empirische wie auch theoretische Forschung an sozialen Phänomenen zu ermöglichen (Schulz-Schaeffer 2000: 147).
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bunden sind: Strukturen sind Mittel und Folgen sozialen Handelns zugleich (Schlote 1996: 117). Akteure beziehen sich auf die strukturellen Momente übergreifender sozialer Systeme, wobei sie diese aber zugleich reproduzieren (Schulz-Schaeffer 2000: 152). Darüber hinaus lässt sich vor dem Hintergrund der Strukturationstheorie betrachten, welche Folgen der Umgang mit sozialer Zeit in komplexen sozialen Prozessen, die durch viele Interaktionen heterogener Akteure geprägt sind, hat: 14 In der Übertragung auf Innovationsprozesse kann mit Giddens Auffassung von Handlungen und Strukturen die Hypothese aufgestellt werden, dass sich die zeitlich strukturierenden Handlungen und Interaktionen der Akteure auf Innovationsprozesse auswirken: Die Handlungen und Interaktionen der Akteure begründen und reproduzieren bestimmte soziale Strukturen. Sie schaffen damit die Bedingungen für das weitere Handeln von Akteuren in Form von dauerhaften sozialen Strukturen, d.h. Regeln, in Innovationsprozessen. Diese sozialen Handlungsregeln wirken sich dann wiederum auf die Handlungen der Akteure in Innovationsprozessen aus, da sie die Handlungen der Akteure prägen, gewisse Handlungen ermöglichen und andere verhindern (Schulz-Schaeffer 2000: 154). Wenn man dieses Konzept speziell auf die zeitliche Strukturierung der Akteure überträgt, lässt sich folgern, dass durch die zeitlich strukturierten Handlungen bestimmter Akteure dauerhafte soziale Orientierungsraster und Normen sowie zeitliche Bezugspunkte – wie Kalender – entstehen. Diese zeitlichen Normen wirken sich dann wieder auf die Handlungen und Interaktionen der Akteure und die Innovationsprozesse aus. Die Strukturationstheorie ermöglicht auch, zu verstehen, wie und warum Akteure unterschiedlich mit sozialer Zeit umgehen. So wird im Anschluss an die Strukturationstheorie Giddens für diese Arbeit gefolgert, dass Akteure unterschiedlich mit Zeit umgehen: Einige Akteure, die sich der Wirkung von Zeit bewusst sind, gehen bewusster mit Zeit um, als andere Akteure in Innovationsprozessen. Reflexive Akteure können aktiv zeitliche Normen nutzen, um Einfluss auf andere soziale Akteure und Entwicklungen in Interaktionen auszuüben. Giddens nimmt an, dass bestimmte Akteure, die über kritische, allokative und autoritative Ressourcen verfügen, 15 soziale Strukturmomente nutzen können, durch ihr Handeln soziale Strukturen und Regeln verändern können (Schulz-Schaeffer 2000: 163). Bestimmte soziale Akteure sind durch Nutzung sozialer Strukturmomente bis zu einem gewissen Grad fähig, Einfluss auf an14 | Die folgende Darstellung muss notgedrungen selektiv ausfallen. Für eine ausführliche Diskussion von Giddens Theorie der Strukturierung vgl. Schulz-Schaeffer 2000 sowie Windeler 2001. 15 | Giddens unterscheidet allokative und autoritative Ressourcen. Bei allokativen Ressourcen handelt es sich um Fähigkeiten und Formen des Vermögens zur Umgestaltung auf Basis von Objekten, Gütern oder materiellen Phänomenen. Bei autoritativen Ressourcen handelt es sich um Typen des Vermögens zur Umgestaltung, die auf der Herrschaft über Personen oder Akteuren basieren. Giddens sieht die Strukturierung mit Zeit als eine autoritative Ressource (Schulz-Schaeffer 2000: 163).
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dere Akteure ausüben. Dabei ist nach Auffassung von Giddens jedes soziale Strukturmoment – jede sozial gewährleistete, formulierte und stabilisierte Regel – eine potenzielle Ressource für Akteure. Um diese Regeln zu nutzen oder sie überhaupt erst in sozialen Zusammenhängen zu schaffen, können Akteure nach Giddens drei verschiedene Strukturierungsmodalitäten nutzen (Schulz-Schaeffer 2000: 175ff): Sie können einerseits durch Signifikation Bedeutungsstrukturen etablieren. Sie können interpretative Schemata, d.h. bestimmte Wissensbestände etablieren, anhand derer Akteure Situationen bewerten und einschätzen können. Zweitens können sie Legitimationsstrukturen schaffen. So können Akteure sozial strukturierend wirken, indem sie bestimmte Handlungsweisen legitimieren, d.h. diese als besonders effizient, hilfreich oder erstrebenswert darstellen und dadurch Werte und Legitimationsstrukturen schaffen (Schulz-Schaeffer 2000: 175ff.). Zum Dritten können soziale Akteure auch soziale Zusammenhänge strukturieren, indem sie Normen etablieren (Domination). Dies geschieht zum Beispiel, wenn Akteure über ihre Auftragsvergabe bestimmte Geschwindigkeiten vorgeben. In diesem Fall nutzen Akteure ihre Ressourcen dominierend und sanktionieren bestimmte Handlungen positiv oder negativ (Schulz-Schaeffer 2000: 175ff.). Daran anknüpfend, wird für diese Arbeit gefolgert, dass manche Akteure sehr wohl wissen, dass sie mit Hilfe ihrer Ressourcen in Verbindung mit sozialer Zeit, Einfluss auf andere Akteure ausüben können. Sie wissen, dass sie durch ihre reflexiv zeitlich strukturierten Handlungen in gewissem Ausmaß Innovationsprozesse besser beeinflussen können als Akteure, die sich dessen nicht bewusst sind oder die nicht über diese Ressourcen verfügen. Für das hier zu entwickelnde soziologische Konzept wird gefolgert, dass Akteure über ihre zeitliche Strukturierung Einfluss auf andere Akteure und deren Handlungen dadurch ausüben können, dass sie soziale zeitliche Strukturen und Regeln setzen: Reflexiv handelnde, sozial kompetente Akteure können – a) per Signifikation, d.h. durch die Zuschreibung von Bedeutung zu bestimmten Zeitpunkten und zeitlichen Mustern; b) per Legitimation, d.h. durch die Standardisierung bestimmter Muster; und c) per Domination, d.h. durch die autoritative Setzung von Zeitzielen in Verträgen – soziale zeitliche Regeln etablieren. Diese Regeln wirken sich vermittelt über soziale Strukturen auch auf die Handlungen der anderen Akteure aus. Nach Auffassung der Strukturationstheorie können Akteure durch die zeitliche Bestimmung ihrer Handlungen soziale Prozesse strukturieren und bestimmte Anforderungen an deren Geschwindigkeit setzen: Wenn ein Unternehmen beispielsweise schneller Produkte entwickelt und diese im Markt platziert, wird es für Wettbewerber notwendig, ihre Produkte auch schneller zu entwickeln. Einzelne soziale Akteure haben also durch die zeitliche Strukturierung ihrer Aktivitäten für andere Akteure Regeln geschaffen.
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3.2.1.2 Soziale Zeit zum Ver ständnis von Innovation Charakteristika sozialer Zeit: Im Anschluss an die Wissenssoziologie wird hier Zeit als ein Epistem aufgefasst. Zeit ist eine Form des sozialen – impliziten, wie expliziten – Handlungs- und Orientierungswissens, das von Akteuren eingesetzt werden kann, um Entwicklungen erkennen, bewerten, einschätzen und antizipieren zu können, Ziele genauer zu bestimmen und damit ihre eigenen Aktivitäten strukturieren zu können. Dieses Handlungs- und Orientierungswissen entsteht durch das »Zeitbestimmen« von Akteuren. Soziale Zeit entsteht dadurch, dass Akteure eine Syntheseleistung – die »Temporalisierung« – erbringen: Sie wird dadurch konstruiert, dass Akteure sich mit der zeitlichen Abfolge von Ereignissen beschäftigen, Wann-Fragen stellen und auf dieser Basis bestimmte zeitliche Referenzpunkte und Schemata, 16 d.h. eine Menge von gemeinsam geteilten Annahmen, Erwartungen und Formen des Wissens wie Kalender entwickeln und diese dann sozial strukturierend einsetzen. Funktionen sozialer Zeit: Die zeitlichen Schemata werden von Akteuren geschaffen, da soziale Zeit einen »zeitlichen Hintergrund« zur Verfügung stellt, vor dem Akteure handeln und vor dem die Aktivitäten verschiedener Akteure synchronisiert werden können (Beck 1994: 112). Akteure nutzen soziale Zeit zu ihrer Orientierung, zur Kommunikation mit anderen Akteuren, zur Regulierung und Normung ihrer eigenen Handlungen und denen anderer Akteure. Schließlich wird soziale Zeit als sozial stabilisiertes Schema von sozialen Akteuren auch verwendet, um ihre Handlungen mit denen von anderen innovativen Akteuren zeitlich zu koordinieren, ihre Interaktionen zu synchronisieren. Soziale Zeit zur Orientierung der Akteure: Zum einen verwenden Akteure soziale Zeit, um sich bei der Entwicklung von Technologien zu orientieren. Sie dient den Akteuren dazu, mit der Unsicherheit in Innovationsprozessen umgehen zu können. Sie benutzen die Temporalisierung und ihre Bindung an eine bestimmte, soziale Zeit, um dadurch ihre Aktivitäten besser planen zu können. So »temporalisieren« sie, um bspw. die Aktivitäten anderer Akteure, wie auch wahrscheinliche technologische Weiterentwicklungen in Innovationsprozessen antizipieren zu können. Sie orientieren sich somit an und durch Zeit. Mit Hilfe von Kalendern können sie eine Form der individuellen und kollektiven Sinnkonstitution vornehmen, um auf dieser Basis innovativ zu sein. Soziale Zeit zur Kommunikation der Akteure mit anderen Akteuren: Auf Basis der individuellen und kollektiven Sinnkonstitution durch die Temporalisierung, durch Definition von zeitlichen Abfolgen und die genauere zeitliche Bestimmung von Entwicklungsschritten in Technologiekalendern und Roadmaps, können soziale Akteure auch mit anderen Akteuren kommunizieren. Die Schaffung von Roadmaps und Technologiekalendern befähigt die Akteure mit anderen Akteuren über den Zeitpunkt der Fertigstellung bestimmter Technolo16 | Bei interpretativen Schemata handelt es sich um Typisierungsweisen, die in den Wissensbeständen der Akteure enthalten sind und zur Aufrechterhaltung der Kommunikation reflexiv angewandt werden können (Schulz-Schaeffer 2000: 175).
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giebauteile zu reden. Sie können sich mit anderen Akteuren in Arenen darüber austauschen, wann, welche Technologien zur Verfügung stehen. Dies wiederum erleichtert ihre eigene Orientierung und die Strukturierung ihrer Aktivitäten in Innovationsprozessen. Soziale Zeit zur Regulierung der Handlungen von Akteuren und zur Synchronisation mit anderen Akteuren: Akteure können Zeit auch als soziales Koordinationsmedium nutzen, d.h. um ihre Aktivitäten und Interaktionen mit denen anderer Akteure zu koordinieren. Im Anschluss an sozialwissenschaftliche Innovationsforschungsarbeiten und Erkenntnisse aus der Wissenssoziologie ist hier Zeit konzeptionell ein Instrument zur sozialen Gestaltung, das die Synchronisation mit anderen Akteuren in Innovationsprozessen ermöglicht. Zeitliche Symbole, die bis zu einem gewissen Grad sozial stabilisiert sind, werden dabei von Akteuren zur genaueren Bestimmung von Zielen (Zeitzielen) und zur Antizipation benutzt. Durch die zeitliche Bestimmung von Ereignisfolgen ist es für Akteure auch eher möglich, Visionen mit Realisierungszeitpunkten genauer zu formulieren. Die Akteure können auf Basis dieser zeitlichen Ziele besser nachvollziehen, wann welche Technologie verfügbar sein wird, was sie wiederum benötigen, um dies in ihre Planungen einzubeziehen und ihre Aktivitäten in Innovationsprozessen zeitlich zu strukturieren.
3.2.2 Thesen und Hypothesen zu Zeit und Innovation Mit einer strukturationstheoretischen Perspektive auf Handlungen von Akteuren in Innovationsprozessen ist es einerseits möglich zu erfassen, wie soziale Zeit und vor allem soziale Zeitnormen durch die Handlungen von Akteuren zustande kommen und sich zu Formen sozialer Zeit verfestigen. So hilft diese Theorie, Thesen und Hypothesen über Ausprägungen und Auswirkungen sozialer Zeit in Innovationsprozessen zu generieren: Die Hauptthesen zum Zusammenhang von Zeit und Innovation lauten: • Die unterschiedlichen Akteure in Innovationsprozessen, wie Unternehmen, Wissenschaftler und forschungspolitische Verantwortliche, haben einen spezifischen und damit unterschiedlichen Umgang mit Zeit. Auf dieser Basis strukturieren sie ihre Interaktionen zeitlich spezifisch. • Durch ihre spezifischen, zeitlich geprägten (strukturierten) und prägenden (strukturierenden) Handlungen und Interaktionen beeinflussen soziale Akteure bewusst und unbewusst den Verlauf sowie die zeitlichen Eigenschaften, d.h. die Dauer, Geschwindigkeit und Rhythmen von Innovationsprozessen. • Der unterschiedliche Umgang von heterogenen Akteuren mit sozialer Zeit wirkt sich auf Innovationsprozesse aus. Diese Hauptthesen beziehen sich sowohl auf die unterschiedlichen Formen des Umgangs von heterogenen Akteuren mit Zeit, als auch auf deren Auswirkun-
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gen. Darstellung 2 fasst die im Folgenden ausgeführten konkreten Hypothesen entsprechend dieser beiden Kategorien zusammen. Darstellung 2: Überblick über Hypothesen im soziologischen Konzept Hypothesen zum Umgang der Akteure mit Zeit/Ausprägungen sozialer Zeit • Akteure schaffen soziale Zeit • Formen des Umgangs mit Zeit sind heterogen • Zeit erfüllt verschiedene Funktionen: Zeit dient zur Orientierung, zur Kommunikation, zur Regulierung und Synchronisation Hypothesen zu den Auswirkungen des Umgangs mit sozialer Zeit • Zeit ist eine soziale Norm – Aktivitäten sind bis zu einem gewissen Grad zeitlich vorstrukturiert • Akteure können über die zeitliche Strukturierung Einfluss auf andere Akteure und deren Handlungen ausüben • Es bestehen viele unterschiedliche zeitliche Regeln und Zeitregime • Vielzahl unterschiedlicher zeitlicher Strukturen macht Synchronisation notwendig
3.2.2.1 Hypothesen zum Umgang der Ak teure mit Zeit Ak teure schaf fen ständig – bewusst und unbewusst – Formen von sozialer Zeit. Diese Hypothese wurde auf Basis der theoretisch abgeleiteten Erkenntnisse aus der Wissenssoziologie (vgl. Elias 1988; Luhmann 1990) entwickelt. Dort wird dargestellt, dass Akteure eine Syntheseleistung vollbringen und Zeit schaffen, um sich gedanklich ein Bild über die Entwicklungen in ihrem Umfeld zu machen. Soziale Akteure benutzen also Zeit, um Komplexität zu reduzieren und Entwicklungen für sich begreif bar zu machen. Dabei kann man auf Basis der Ergebnisse aus der temporalen Musterforschung davon ausgehen, dass heterogene Akteure unterschiedliche Formen sozialer Zeit schaffen. Auf Basis der soziologischen Zeitforschung (vgl. Hammerich 2000), wird für diese Untersuchung gefolgert: Hypothese: Es gibt mehrere, unterschiedliche – oft konkurrierende – Zeitstrukturgeber (Zeitinstanzen) in komplexen sozialen Prozessen, wie Innovationsprozessen.
Die Formen des Umgangs mit Zeit der Ak teure sind unter schiedlich. In Rezeption der Erkenntnisse von Luhmann (1990) und Elias (1988) lässt sich folgern, dass einzelne soziale Akteure eine jeweils spezifische soziale Zeit schaffen, und auch in sozialen Systemen eine jeweils spezifische Zeitbindung vorherrscht. Auch für Innovationsprozesse kann davon ausgegangen werden, dass Akteure sehr unterschiedlich ausgerichtet sind und deshalb auch unter-
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schiedlich mit Zeit umgehen. Auf Basis von Handlungsrationalitäten schaffen Akteure eigene Zeitvorstellungen und nutzen Zeit in unterschiedlicher Art und Weise.
Zeit er füllt ver schiedene Funk tionen Aus den Erkenntnissen verschiedener Beiträge zur soziologischen Zeitforschung wird geschlossen, dass die Akteure in Innovationsprozessen Zeit nutzen, da diese verschiedene Funktionen erfüllt.
Zeit dient zur Orientierung Zum einen nutzen Akteure Zeit als Form des sozialen Wissens, um sich zu orientieren und ihre Handlungen auszurichten. Sie nutzen Zeit, um ihre Wahrnehmungen, Handlungen und Interaktionen zu strukturieren. Akteure setzen zur Strukturierung ihrer Aktivitäten Zeit als Form des konzeptuellen Wissens ein (sei es nun bewusst oder unbewusst – implizit oder explizit), um Unsicherheit zu reduzieren und um Orientierung zu erlangen. Durch den Einsatz von konzeptionellem, schematischem Wissen konstruieren und rekonstruieren die Akteure in Innovationsprozessen eigene Handlungsrahmen. Diese sind jeweils durch spezifische Vorstellungen von Technologien und Anwendungen, wie auch durch spezifische zeitliche Strukturierungen von Handlungen und Interaktionen geprägt. Hypothese: Akteure orientieren sich an latenten, idealen aber auch manifesten, realen, zeitlichen und temporalen Mustern, wenn sie planen und die Reihenfolge ihrer Aktivitäten festlegen.
Zeit dient zur Kommunikation Zeit dient den Akteuren jedoch nicht nur zur Orientierung, sondern auch zur Kommunikation mit anderen Akteuren in sozialen Kontexten, wie in Arenen, oder in wissenschaftlichen Gemeinschaften. Hypothese: Akteure können durch die Nutzung von zeitlichen Referenzpunkten, wie Kalendern, mit anderen beteiligten Akteuren über die Entwicklungen in Innovationsprozessen kommunizieren.
Zeit dient zur Regulierung /Synchronisation Wie die soziologische Zeitforschung zeigt, dient soziale Zeit als ein Instrument, um günstigere Situationen zu schaffen, Entwicklungen zu antizipieren, Komplexität zu reduzieren und Aktivitäten im Vorhinein zu synchronisieren (vgl. Elias 1988; Luhmann 1990; Luhmann 1995). Zeit ist das Mittel zur zeitlichen Koordination von Aktivitäten heterogener Akteure in Innovationsprozessen, wobei die Akteure dieses Mittel unterschiedlich bewusst nutzen. Hypothese: Akteure nutzen Zeit in Innovationsprozessen, um ihre Handlungen mit denen anderer Akteure zeitlich zu koordinieren bzw. zu synchronisieren.
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3.2.2.2 Hypothesen zu den Auswirkungen des Umgangs mit sozialer Zeit Hypothese: Zeit ist eine soziale Norm – Ak tivitäten sind bis zu einem gewissen Grad zeitlich vor struk turier t Durch die Verwendung bestimmter zeitlicher Schemata, also durch spezifische Zeitbindungen, entstehen dauerhaft latente, ideale, temporale Muster und Normen, die sich auf die Handlungen und Interaktionen auswirken. Es wird davon ausgegangen, dass Handlungen und Interaktionen in gewissem Ausmaß sozial zeitlich strukturiert also zeitgebunden sind. Wie die soziologische Zeitforschung zeigt, entstehen durch den Umgang mit Zeit soziale zeitliche Strukturen d.h. eine Form von Regeln. Diese Formen sozialer Zeit wirken als Norm und Maßstab in konkreten Situationen und Rollenkontexten, sie bestimmen beispielsweise die Dauer und Geschwindigkeit von Handlungen (Garhammer 1998: 28).
Hypothese: Ak teure können über zeitliche Struk turierung Einfluss auf andere Ak teure ausüben Auf Basis der Strukturationstheorie und Erkenntnissen aus der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung wird hier die Hypothese aufgestellt, dass Akteure die Handlungen und Interaktionen anderer Akteure bis zu einem gewissen Grad strukturieren können, indem sie soziale zeitliche Strukturen etablieren, die sich dann auf das Handeln der anderen Akteure auswirken.17 Im Rückgriff auf die Strukturationstheorie wird ebenfalls davon ausgegangen, dass die heterogenen Akteure unterschiedlich stark ausgeprägte Kompetenzen im Umgang mit Zeit haben. Es wird daher angenommen, dass die heterogenen Akteure im Innovationsgeschehen unterschiedliche Grade der Reflexivität in Bezug auf den Umgang mit Zeit haben. Sie gehen unterschiedlich kompetent mit ihrer Zeitplanung und den damit verbundenen Wissenstechniken, wie bspw. Szenariotechnik, um. Einzelne Akteure können allerdings die Handlungen und Interaktionen der anderen Akteure immer nur bis zu einem gewissen Grad prägen.
17 | Neben Ergebnissen aus der Zeitforschung haben auch sozialwissenschaftliche Innovationsforschungsarbeiten gezeigt, dass Akteure durch die Strukturierung von Antizipationen, Zukunftsvisionen und Leitbildern dazu fähig sind, Einfluss auf andere Akteure auszuüben (vgl. Bender 1996). Wenn Akteure also beispielsweise in einer schnelleren Geschwindigkeit Produkte entwickeln und dies mit Roadmaps und Ankündigungen kommunizieren, übt dies unter bestimmten Voraussetzungen auch Einfluss auf andere Akteure aus, ihre Produkte auch schneller zu entwickeln.
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Hypothese: Es bestehen viele unter schiedliche zeitliche Regeln und Zeitregime In Gesellschaften und sozialen Prozessen bestehen verschiedene Zeitnormen und verschiedene Formen sozialer Zeit, die die Handlungen von Akteuren in den jeweiligen sozialen Umfeldern regulieren und strukturieren. Verschiedene soziale Systeme sind also durch jeweils spezifische zeitliche Ordnungen (Kalender) charakterisiert. Hier wird also angenommen, dass es in den verschiedenen sozialen Arenen und Sozialsystemen, aus denen die Impulse für Innovationsprozesse hervorgehen, eine Vielzahl von unterschiedlichen, sozial prägenden Zeitvorstellungen gibt, die sich auf die Impulse der Akteure und damit auch auf die Prozesse auswirken.
Hypothese: Die Vielzahl unter schiedlicher zeitlicher Ordnungen macht Synchronisation not wendig Als eine abschließende Hypothese zu den Auswirkungen sozialer Zeit in Innovationsprozessen ist für die empirische Betrachtung wichtig, dass in komplexen Prozessen, wie der Entwicklung von Technologien, die durch die Zusammenarbeit vieler verschiedener Akteure entstehen, Synchronisation notwendig wird. Mit dieser Hypothese kann empirisch untersucht werden, ob und wenn ja Synchronisationen für die jeweiligen Akteure wichtig sind. Ferner kann untersucht werden, inwieweit die Akteure in der Strukturierung ihrer Aktivitäten auf die Synchronisation mit anderen Akteuren abgezielt haben. Zusammengenommen ergeben sich aus der Sichtung der soziologischen Zeitforschung und der Theorie der Strukturierung wichtige Bausteine für das konzeptionelle Verständnis sozialer Zeit und Thesen sowie Hypothesen zum Zusammenhang von Zeit und Innovation: Wenn man Vorstellungen aus der Strukturationstheorie zur Entstehung sozialer Zeit mit Erkenntnissen zu den Funktionen zur sozialer Zeit verbindet, liefert dies die Basis für ein soziologisch inspiriertes Konzept zur Betrachtung des Zusammenhangs von sozialer Zeit und Innovation.
3.2.3 Soziologisches Konzept zur Betrachtung sozialer Zeit in Innovationsprozessen Im Folgenden wird das, in den vorangehenden Abschnitten erarbeitete, soziologisch inspirierte Konzept zur Betrachtung von Zeit in Innovationsprozessen zusammengefasst. Das Konzept zielt darauf ab, die Lücken in den bisherigen Betrachtungen aus der Innovationsforschung zu schließen und die Perspektive der Ansätze zur sozialen Gestaltung von Technologien zu erweitern. Dabei soll vor allem geklärt werden, wie Zeit in Innovationsprozessen durch Handlungen von heterogenen Akteuren entsteht, wie unterschiedlich sie mit Zeit umgehen, und wie sich dieser unterschiedliche Umgang auf Innovationsprozesse auswirkt.
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3.2.3.1 Charak terisierung von Innovationsprozessen In Anlehnung an Erkenntnisse aus Arbeiten aus der soziologischen Innovationsforschung und der Strukturationstheorie von Giddens, werden hier Innovationsprozesse als verteilte, sozial strukturierte, mit Unsicherheit behaftete Prozesse verstanden. Diese Prozesse kommen durch unterschiedlich strukturierte und strukturierende, unkoordinierte und koordinierte Handlungen und Interaktionen – Impulse und Dynamiken – heterogener Akteuren in Innovationsnetzwerken18 zustande. Heterogene Akteure tragen durch ihre Handlungen (Impulse) und Interaktionen dazu bei, dass soziale Strukturen, d.h. Regeln und Dynamiken in Innovationsprozessen entstehen oder fortgeführt werden. In Innovationsprozessen bestehen also soziale Regeln, an denen sich Akteure orientieren, und die sie durch ihre Handlungen und Interaktionen schaffen, stabilisieren oder auch verändern. Dadurch herrscht einerseits eine Form der »sozialen Pfaddependenz« in diesen Prozessen vor, die sich auf weitere Handlungen der Akteure auswirkt. Aufgrund des Zusammenspiels vieler verschiedener sozialer Akteure sind diese Prozesse aber andererseits auch in hohem Maß mit Unsicherheit behaftet. So werden Innovationsprozesse zwar durch soziale Akteure willentlich geprägt und sozial strukturiert, doch sie sind als soziale Prozesse in ihrem Verlauf offen. Sie sind durch nicht vollendete, nicht abgeschlossene, offene Handlungen, Handlungsabfolgen und Interaktionen, Nebenfolgen und damit einem nur schwer vorhersagbaren Verlauf gekennzeichnet. Da Unsicherheit und Strukturierungschancen bestehen, müssen Akteure Zukunft antizipieren und auf Basis dieser Erwartungen handeln. Zeit spielt deswegen in Innovationsprozessen eine herausragende Rolle, da Zeit eines der hauptsächlichen Instrumente zur Orientierung und Antizipation sowie zur Synchronisation von Akteuren ist. Um zu einem kontinuierlichen Verlauf von kontingenten, sozial strukturierten Innovationsprozessen beizutragen, müssen Akteure ihre Handlungsabläufe zeitlich synchronisieren. Sie müssen Zeit nutzen, um die Zukunft zu antizipieren, ihre Erwartungen zu strukturieren und auf dieser Basis zu handeln. Nur so können heterogene Akteure zeitlich kohärent handeln und folglich zu Zuständen der 18 | Innovationsnetzwerke werden im Rückgriff auf Rammert als »zeitlich begrenzte, locker durch Interaktion gekoppelte soziale Gebilde« bezeichnet, »die sich rund um eine Technologie über Verhandlungs- und Vertrauensbeziehungen zwischen verschiedenen Akteuren aus Forschung, Industrie und Politik herausbilden, um die wachsenden Unsicherheiten zu reduzieren« (vgl. Rammert 1997). Mit dieser Definition von Innovationsnetzwerken ist es – entgegen anderer Definitionen (vgl. Koschatzky 2001; OECD 2001) – möglich, abzubilden, dass heterogene Akteure durch ihre Zusammenarbeit Innovationsprozesse gestalten. In diesem Verständnis sind Innovationsnetzwerke mit heterogenen Akteuren, die in unterschiedlichen Arenen miteinander interagieren, das sozial strukturelle Gegenstück zum Innovationsprozess. Innovationsprozesse sind durch die situativen Impulsen von Akteuren sowie aus den durch Interaktionen von Akteuren zustande kommenden Dynamiken zu verstehen.
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Gleichzeitigkeit und zur Entstehung von Möglichkeiten in Innovationsprozessen (Gelegenheitsfenstern) beitragen.
3.2.3.2 Erkenntnisinteressen und For schungsfragen Mit dem hier entwickelten Konzept soll erfasst werden, wie eine bestimmte Technik durch die zeitlich strukturierten Orientierungen, Handlungen und Interaktionen und die strukturierte Zusammenarbeit von sozialen Akteuren in unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen zustande kommt. Dieses Konzept ergänzt das Verständnis der Technikgenese: Es wird hinterfragt, wie Technologien durch Akteure und deren zeitliche Orientierungen gestaltet werden. Es wird näher erfasst, welchen Einfluss die akteursspezifische, unterschiedliche Nutzung von Zeit heterogener sozialer Akteure in wissenschaftlichen Gemeinschaften, in forschungspolitischen Arenen, in Unternehmen und wirtschaftlichen Arenen hat. Es wird also betrachtet, welcher Zusammenhang zwischen Zeit und Innovation besteht, wie Innovationen durch die zeitlich unterschiedliche Gestaltung von sozialen Akteuren zustande kommen. Dabei steht im Vordergrund zu rekonstruieren, wie heterogene Akteure, die an der Entwicklung von Technologien beteiligt sind, mit ihrem spezifischen Umgang mit Formen sozialer Zeit, mit ihrer Zeitplanung, Zeitmustern, Zeitperspektiven und Zeitkonzepten zur Weiterentwicklung von Technologien beitragen. Da es sowohl um die Betrachtung der unterschiedlichen Nutzung von Zeit durch heterogene Akteure als auch deren Auswirkungen in Innovationsprozessen geht, stehen zwei Fragekomplexe im Vordergrund: Fragekomplexe im soziologisch inspirierten Konzept 1. Fragekomplex: Formen des Umgangs von Akteuren mit sozialer Zeit • Welche Formen des Umgangs mit sozialer Zeit bestehen bei Akteuren in den jeweiligen Arenen? • Wie gehen die Akteure mit Zeit um? • Welche Bedeutung haben soziale Zeitlichkeiten, Zeitziele und Zeithorizonte für Akteure? 2. Fragekomplex: Auswirkungen des Umgangs von Akteuren mit sozialer Zeit • Wie wirkt sich der unterschiedliche Umgang heterogener Akteure mit Zeit in Innovationsprozessen aus? • Wie kommen zeitliche Muster von Prozessen (Dauer, Geschwindigkeit, Sequenzen und Rhythmen von Prozessen) und Synchronitätszustände auf Basis zeitlich strukturierter und strukturierender Aktivitäten zustande? Mit dem ersten Fragenkomplex wird betrachtet, wie heterogene Akteure in Innovationsprozessen Zeit nutzen, ob diese Nutzung unterschiedlich ist, und wie
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sich diese Nutzung auf Innovationsprozesse auswirkt. Es wird beleuchtet, ob und wenn ja, welche unterschiedlichen Formen des Umgangs mit Zeit – Zeithorizonte oder auch Zeitziele – heterogene Akteure haben, um beispielsweise auf technologische oder Marktentwicklungen zu reagieren. Mit dem zweiten Fragenkomplex werden Auswirkungen des Umgangs von Akteuren mit sozialer Zeit und der strukturierenden Aktivitäten und Interaktionen der Akteure betrachtet. Es wird analysiert, wie sich unterschiedliche, zeitliche Orientierungen, Strukturierungen und Vorgehensweisen heterogener Akteure auf den Verlauf von Innovationsprozessen auswirken. Dabei wird beispielsweise betrachtet, wie aus dem spezifischen Umgang mit Zeit in Innovationsprozessen latente, ideale, temporale Muster als vorherrschende Form der zeitlichen Strukturierung von Aktivitäten in Innovationsprozessen entstehen.
3.2.3.3 Betrachtete Unter suchungsgegenstände im soziologischen Konzept In der hier entwickelten Perspektive stehen die heterogenen Akteure, die Zeitstrukturgeber und ihre strukturierten und strukturierenden Handlungen, ihre Praktiken und deren Strukturierung im Zentrum des Interesses. Es wird explorativ und empirisch untersucht, wie Akteure mit Zeit in Innovationsprozessen umgehen, wie sie ihre Aktivitäten zeitlich strukturieren und organisieren. Es wird genauer ergründet, welche spezifischen Formen der Zeitplanung Akteure nutzen, um ihre Handlungen und ihre Beziehungen zu anderen Akteuren in sozialen Zusammenhängen zu gestalten. Dabei steht die Heterogenität von zeitlich orientierten Praktiken im Vordergrund. So werden vor allem die unterschiedlichen Ausrichtungen und spezifischen Logiken der heterogenen Akteure konzeptionell und empirisch analysiert, mit denen sie Handlungen strukturieren und sich infolge dessen auch spezifisch und unterschiedlich verhalten. Es wird auf Basis der Vorstellung von sozialer Zeit auch genauer betrachtet, mit welchen zeitlichen und gedanklichen Ressourcen, mit welchen Zeithorizonten und Zeitkapazitäten die Akteure Innovationsprozesse gestalten. Neben den Formen des Umgangs mit sozialer Zeit werden auch Auswirkungen der Aktivitäten von Akteuren und hier vor allem die Auswirkungen der Nutzung von sozialer Zeit durch Akteure betrachtet. Es wird analysiert, wie sich die Formen des Umgangs mit sozialer Zeit von Akteuren auf Entwicklungen in Innovationsprozessen auswirken. Dabei geht es insbesondere um die Entstehung von sozialen Ordnungen durch Zeitpraktiken. Es ist auch wesentlich, wie durch unterschiedliche Formen des Zeitmanagements heterogener Akteure bestimmte soziale Ordnungen in Innovationsprozessen entstehen. Es geht in der Analyse auch darum, wie sich die Antizipationen und Interpretationen, die zeitliche Strukturierung und die spezifischen Handlungslogiken verschiedener Akteure in Interaktionsfolgen mit anderen Akteuren auf prozessuale, zeitliche Muster von Innovationsprozessen (Dauer, Geschwindigkeit, Sequenzen, Rhythmen) auswirken. So wird beispielsweise betrachtet, wie durch die Strukturierung von Erwartungen, vor allem durch die Setzung und Verfol-
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gung von Zeitzielen, die Bereitstellung von Zeitkapazitäten oder auch die Verwendung von Kalendern und Roadmaps, Interaktionen von Akteuren innerhalb von Innovationsprozessen strukturiert werden. Wichtig ist dabei, wie soziale Zeit von sozialen Akteuren in Innovationsprozessen subjektiv und spezifisch eingesetzt wird, um Innovationsprozesse zu gestalten. Es geht darum, wie Akteure Zeit einsetzen, um ihre eigenen Handlungen und ihre Interaktionen in der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren zeitlich zu koordinieren, sprich zu synchronisieren. Es geht also nicht vorrangig darum, mit sozialer Zeit komplette Innovationsprozesse in ihrem Verlauf, also bspw. deren Geschwindigkeit, abzubilden. Vielmehr geht es darum zu verstehen, wie und mit welchen Konzepten und mit Hilfe von welchen subjektiven und sozialen zeitlichen Symbolen und dem Umgang mit ihnen die heterogenen Akteure Innovationsprozesse gestalten. Erst im Anschluss daran wird betrachtet, wie sich die spezifische Nutzung von Zeit, sowie die einzelnen zeitlich strukturierten Handlungen und Interaktionen auf die gesamten Innovationsprozesse und deren zeitlichen Eigenschaften auswirken.
3.2.3.4 Tabellarische Zusammenfassung des Konzept s Nach der Beschreibung der wichtigen Hypothesen, zeigt die folgende Tabelle zusammengefasst das für die Betrachtung des unterschiedlichen Umgangs von heterogenen Akteuren mit sozialer Zeit und dessen Auswirkungen entwickelte Konzept: Tabelle 3: Methodische Grundlagen des soziologischen Konzepts Betrachtete Untersuchungsgegenstände
Heterogene soziale Akteure, deren Zeitpraktiken, zeitlich strukturierte Handlungen und Interaktionen in unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen sowie deren Auswirkungen in Innovationsprozessen
Charakterisierung von Innovationsprozessen in dem jeweiligen Ansatz als…
offene, mit Unsicherheit behaftete, sozial strukturierte und verteilte Prozesse, die in ihrem Verlauf von sozial strukturierenden und strukturierten Handlungen heterogener Akteure abhängen.
Zentrale Erkenntnisinteressen
• Erforschen und erklären, welche Rolle soziale Zeit für Akteure bei der Gestaltung von Innovationsprozessen spielt und wie sich dies auf Innovationsprozesse auswirkt. • Darstellen, erforschen und erklären, wie zeitliche Verteiltheit in Innovationsprozessen zustande kommt, wie sie ausgeprägt ist, d.h. wie die Akteure unterschiedlich mit Zeit umgehen und schließlich welche Auswirkungen dies hat.
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Leitfragen
1. Welche Formen des Umgangs mit sozialer Zeit, welche Zeitbindungen mit welchen Ausprägungen bestehen in Innovationsprozessen? 2.Welche Auswirkungen hat der unterschiedliche Umgang mit Zeit in Innovationsprozessen?
Perspektive auf Zeit in Innovationsprozessen
Zeit als Form sozialen, impliziten und expliziten Handlungs- und Orientierungswissens von Akteuren zur Orientierung, Kommunikation, Regulierung und Synchronisation.
3.3 Empirische Operationalisierung Im Anschluss an die Skizzierung des soziologischen Konzepts zur Erfassung der Entstehung, Ausprägung und Auswirkung sozialer Zeit in Innovationsprozessen wird nun dargestellt, wie dieses Konzept empirisch operationalisiert wurde.
3.3.1 Ziele der empirischen Unter suchung Im empirischen Teil dieser Arbeit wurde explorativ untersucht, welche unterschiedlichen Formen des Umgangs mit sozialer Zeit zur Entwicklung von VRAnwendungssystemen bei den verschiedenen an diesem Entwicklungsprozess beteiligten Akteuren in verschiedenen Arenen bestanden haben. Es wurde auch untersucht, wie sich diese Formen des Umgangs mit Zeit heterogener Akteure auf den Entwicklungsprozess von virtualitätsgenerierenden Instrumenten ausgewirkt haben.19 Insbesondere wurde rekonstruiert, wie sich die Akteure wechselseitig in ihren zeitlich strukturierenden Handlungen aufeinander bezogen haben und wie sie in Reaktion auf andere Akteure beispielsweise mit Zeitplanungen umgegangen sind. Das Ziel bestand darin, durch qualitative Untersuchung und Interpretation die Formen und Auswirkungen des Umgangs mit Zeit heterogener Akteure in unterschiedlichen Arenen in einem spezifischen Innovationsprozess aufzuzeigen, zu beschreiben, zu vergleichen und zu typologisieren. Damit sollten neue, qualitative Beschreibungen und heuristische Typologien für den unterschiedlichen Umgang heterogener Akteure mit Zeit und Thesen für den Zusammenhang von Zeit und Innovation durch eine interpretative Rekonstruktion geliefert werden. Auf Basis der theoretischen, konzeptionellen und begrifflichen Anregungen aus der Innovationsforschung und der soziologischen Zeitforschung sollten theoretisch, konzeptionell und empirisch fundierte Hypothesen darüber
19 | Zur genaueren Einordnung und Definition von Technologien rund um Virtuelle Realität (VR) siehe Kapitel 4.1.1 und 4.1.2 dieser Arbeit.
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aufgestellt werden, wie Zeit und Innovation in einer spezifischen Technikentwicklung zusammenhängen. Da der diskursive Austausch über Zeit bisher noch unterentwickelt ist (vgl. Adam 1995: 35ff.; Adam 2005: 13; Nowotny 1993:7) und bislang nur wenige Begriffe allgemeingültig und trennscharf definiert sind, die den Umgang mit Zeit betreffen, versuchte die vorliegende Untersuchung, durch sozialwissenschaftlich orientierte Forschung das Vokabular zu erweitern und zu stabilisieren, um so zu Diskursen und der Erarbeitung eines besseren Verständnisses des Verhältnisses von Zeit und Innovation beizutragen. Sie soll dazu beitragen, der Forderung Nowotnys nachzukommen, »…die Zeitraster bzw. Rhythmen des gesellschaftlichen Hintergrunds, wie auch die Regeln, denen das Timing in einer Gesellschaft und – in diesem speziellen Fall in der Entwicklung von Technologien – unterliegt…,« (Nowotny 1993: 15) besser verstehen zu lernen. Darüber hinaus sollen Vorschläge für eine soziologisch inspirierte Reflexion zweiter Ordnung (vgl. Baert 2000: 217) zur Rolle sozialer Zeit bei der sozialen Gestaltung von Innovationsprozessen durch heterogene Akteure und der damit verbundenen gesellschaftlichen Problemstellungen gemacht werden. Mit der Orientierung auf den erhöhten Bedarf an sozialer zeitlicher Koordination vor dem Hintergrund der zeitlichen Verteiltheit und den daraus folgenden Ungleichzeitigkeiten in Innovationsprozessen handelt es sich bei dieser Untersuchung um problemorientierte Forschung (vgl. Bechman/Fredrichs 1996). Diese Untersuchung will in soziologischer Tradition dazu beitragen, empirische Rätsel und gesellschaftliche Probleme genauer zu erfassen (vgl. Schimank 2000). Schlussendlich zielt diese Arbeit auch darauf ab, durch eine empirisch-explorative Untersuchung der unterschiedlichen Formen des Umgang von heterogenen Akteuren mit Zeit auch Hypothesen zur Entstehung von Synchronitäten auf Basis von Formen der sozialen Synchronisation von heterogenen Akteuren in Innovationsprozessen zu liefern.
3.3.2 Objek te in der empirischen Unter suchung In der empirischen Untersuchung wurde betrachtet, wie heterogene Akteure, die in unterschiedlichen sozialen Arenen eng miteinander zusammenarbeiten, mit Zeit umgegangen sind. Die empirische Untersuchung bezieht sich auf die Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Instrumente, die Entwicklung von VR-Technologien – einer speziellen Klasse von technischen Anwendungen im Zeitverlauf. Dabei wurde besonders die soziale Gestaltung heterogener Akteure, deren Zeitorientierungen, deren Formen der zeitlichen Strukturen und Zeitnormen (wie Kalender), deren Zeitmuster (gesetzte Zeitpunkte (Dauern), Geschwindigkeiten (Meilensteine), Sequenzen (Prozesse) und Rhythmen (Akzente), deren Zeitstrukturgeber, deren Einsatz von Zeitplanungsinstrumenten und deren Koordination mit Hilfe von Zeit Strukturen sowie die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Formen der zeitlichen basierten Koordination untersucht. Insbesondere wurden einzelne entscheidende Personen stellvertretend für
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soziale Akteure in ihrem Umgang mit Zeit bzw. der zeitlichen Strukturierung ihrer Handlungspraktiken genauer betrachtet. Es wurden selektiv sowohl die verschiedenen Formen des Umgangs mit Zeit, d.h. die Zeitformen sowie die Zeitpraktiken der Akteure, als auch die Zeitmuster in Innovationsprozessen heterogener Akteure (Wissenschaftlern, Industrieforschern und Forschungspolitikern) untersucht. Dabei wurde keine eingehende Betrachtung von Zeitlichkeiten – Zeitformen und Zeitmustern – in einzelnen Organisationen wie Unternehmen, Forschungsinstituten oder Ministerien – in Form einer dazu notwendigen organisationssoziologischen Analyse vorgenommen (wie z.B. bei Clark 1997 oder Sabelis 2001), da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde.
3.3.3 Kategorien für die empirische Unter suchung Um die aufgeworfenen Forschungsfragen operationalisieren zu können, wird auf die erarbeitete Kompilation der Begriffe zur sozialen Zeit zurückgegriffen, um damit genauere Kategorien für die empirische Untersuchung zu erarbeiten, die Rahmenthemen für den Leitfaden vorgeben. Im Besonderen werden hier die Begriffe Zeitorientierung, Zeitstrukturgeber und Zeitmuster berücksichtigt, um Kategorien und Dimensionen zur Ausprägung von Zeit zu erarbeiten. In Anlehnung an verschiedene Autoren (Adam/ Whipp/Sabelis 2002; Beck 1994; Bergmann 1981; Lee/Liebenau 2000; Zerubavel 1987) werden in der empirischen Untersuchung folgende Analysekategorien für Zeitmuster in Innovationsprozessen verwendet: • Dauern: Innerhalb der Kategorie »Dauern« wird die zeitliche Ausdehnung sozialer Ereignisse und Handlungen und Zeithorizonte betrachtet. Bei der Analyse von Zeitmustern wird mit der Kategorie Dauer, die zeitliche Erstreckung, d.h. die chronometrische Distanz auf einem Zeitstrahl betrachtet, der nötig ist, um eine Aufgabe zu erfüllen bzw. den ein Ereignis oder eine Entwicklung hat. Wenn Akteure Dauern von Entwicklungen antizipierten strukturieren und definieren sie damit auch ihre Zeithorizonte. Die Betrachtung der Dauern lässt deswegen Rückschlüsse auf die Zeithorizonte der jeweiligen Akteure zu. • Geschwindigkeiten: Mit Geschwindigkeiten werden die Abfolgen der Ereignisse und der Takt von Prozessen näher betrachtet. Bei einer Betrachtung von Geschwindigkeiten werden nicht nur Dauern betrachtet; vielmehr wird die Ereignis- und Aktivitätsdichte in sozialen Kontexten erfasst. So wird im Zusammenhang mit Geschwindigkeiten die Intensität von Aktivitäten in bestimmten Zeiträumen betrachtet. Folglich finden mehr Ereignisse in der gleichen Zeit statt oder die Ereignisse haben kürzere Dauern, wenn die Geschwindigkeit steigt. • Sequenzen: Mit Sequenzen werden die Reihenfolge und die Ordnung von Ereignissen und Aktivitäten betrachtet. Sequenzen können lineare und zyklische Anordnungen haben. Eine der wichtigsten Dimensionen von Sequenzialität ist die Simultanität, d.h. die Gleichzeitigkeit von Ereignissen und der Ausführung von Aktivitäten. Andere Dimensionen bestehen in Wieder-
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holungen oder beispielsweise dem plötzlichen Auftreten von Ereignissen (»instantaneity« Adam 1995). Rhythmen: Mit den Rhythmen werden die Veränderungen in der Intensität der Beschäftigung mit einer Aufgabe bezeichnet (Lee/Liebenau 2002: 134). Eine besondere Ausprägung von Rhythmen sind Zyklen, da es sich bei Zyklen um mit einer periodischen Regelmässigkeit wiederkehrende Aktivitäten und Ereignisse handelt. Temporale Lokalisationen: Diese Kategorie bezieht sich auf die Einordnung von Aktivitäten und Ereignissen in einem Zeitkontinuum. Diese Kategorie erfasst das »Timing«, d.h. die Entscheidung darüber, an welchen Zeitpunkten bestimmte Ereignisse stattfinden und Aktivitäten durchgeführt werden sollten. Folgerichtig werden innerhalb dieser Kategorie auch Termine und Fristen, also festgelegte Zeitpunkte und Zeiträume erfasst, zu denen eine Aufgabe erledigt wird und ein Ereignis stattfinden muss. Aus dem Timing gehen wiederum Zeitmuster hervor.
Eine Zusammenfassung der Untersuchungskategorien und darauf basierende Fragen in der empirischen Untersuchung findet sich im Anhang.
3.3.4 Arenen als Ebenen in der empirisch-explorativen Rekonstruk tion Um die empirische Untersuchung durchführen zu können, wurden subjektiv durch den Autor auf Basis einer Vorsondierung zentrale Akteure in Innovationsnetzwerken virtualitätsgenerierender Instrumente, identifziert. Da Innovationsnetzwerke sehr umfassend sind, wurden in der empirischen Untersuchung Arenen vorausgesetzt und Akteure in diesen untersucht.
E xkur s: Arenen als heuristisches Hilfsmit tel von Ak teuren in Innovationsprozessen In dieser Untersuchung wird auf das Arenenkonzept Bezug genommen, um die empirische Komplexität handhabbar zu machen (Jorgensen/Sorensen 1999): Jorgensen und Sorensen haben dieses heuristische Konzept entwickelt, um zu untersuchen, wie verschiedene Akteure miteinander interagieren und sich in ihrer sozialen Interaktion koordinieren sowie um die Herausforderungen durch Technologien, Märkte und Kunden zu meistern. Die Vorteile der Einteilung in Entwicklungsarenen bestehen darin, dass die Beziehungen und Bezugnahmen der Akteure zueinander untersucht werden können sowie darin, dass Prozesse über die Grenzen einer Organisation untersucht werden können. Innerhalb dieser empirischen Untersuchung werden Arenen als soziale Kontexte aufgefasst, in denen heterogene Akteure auf Basis von sozial stabilisierten Regeln und Deutungsstrukturen interagieren. Diese Arenen sind durch bestimmte Regelsysteme geprägt. Eine Entwicklungsarena umfasst die Beziehungen und vorgeprägten sozialen Strukturen (»set-
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tings«), die das Umfeld für die Entwicklung von Produkten oder Prozessen bilden. Jorgensen und Sorensen weisen im Besonderen darauf hin, dass die Entwicklungsarena an bestimmte Objekte, Artefakte oder Situationen und kognitive Konzepte gebunden ist, die den Rahmen für die Interaktionen von Akteuren bilden (Jorgensen/Sorensen 1999: 410-411) In dieser Arbeit wurden als Entwicklungsarenen sämtliche soziale Umfelder aufgefasst, die sich durch die strukturierten Interaktionen der Akteure auf Basis von Entwicklungskonzepten für Komponenten, Anwendungen und Instrumenten im Bereich der Virtuelle Realität-Technologien ergeben. Die Akteure wurden, auf Basis einer subjektiven Einschätzung, mehreren Entwicklungsarenen mit ihren Beiträgen zur sozialen zeitlichen Strukturierung zugeordnet.
Auf Basis des Arenenkonzepts kann angenommen werden, dass die Akteure in der Entwicklung durch Arenenkontexte unterschiedlich geprägt gewesen sind. Dabei wurde – um die Vielfalt der Zeitorientierungen und Zeitlogiken von heterogenen sozialen Akteure erfassen, diese miteinander vergleichen und systematisieren zu können – angenommen, dass durch die Strukturierung der Regeln in Arenen bestimmte Akteure relative stabile Handlungsrationalitäten in ihrer Interaktion mit anderen Akteuren aufwiesen. So wurden in der empirischen Untersuchung drei Arenen betrachtet: Die forschungspolitische, wissenschaftliche und die durch Wettbewerb geprägte wirtschaftliche Arena. Für jede dieser Arenen wurden exemplarisch mehrere Akteure, wie Unternehmen für die marktlich geprägte Entwicklungsarena, oder verantwortliche Stellen in der Forschungsadministration für die forschungspolitische Arena, untersucht. Darstellung 3: Überblick über die empirisch betrachteten Arenen Wirtschaftliche Arena
Forschungspolitische Arena
Wissenschaftliche Arena
Legende: Wirtschaftsakteure
Forschungspolitische Akteure
Wissenschaftsakteure
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Wissenschaf tliche Arena Die wissenschaftlich ausgerichtete Entwicklungsarena ist durch forschungsintensive Unternehmen, Universitäten, Forschungsinstitute, Entwicklungsdienstleister, wie bspw. Spin-Offs von Fraunhofer-Instituten und durch unterschiedliche Gemeinschaften20 geprägt. Dabei haben diese wissenschaftlich orientierten Akteure starken Einfluss auf die Technikentwicklung, da sie mit Forschung, durch die Hervorbringung neuer Ideen (Leitbilder, Designs, Erfindungen, Konzepte) und der Standardisierung von Wissen, zu dieser Entwicklung beitragen. Innerhalb der Betrachtung der Akteure in der wissenschaftlichen Arena wurden vor allem die zeitlichen Strukturierungen in den Forschungsprogrammen wichtiger Forschungsinstitute21 anhand von Dokumentationen und Berichten über den Verlauf von Forschungsprojekten untersucht.
Wir t schaf tliche Arena Die durch Wettbewerb geprägte, wirtschaftliche Entwicklungsarena ist durch Unternehmen, Lieferanten komplementärer Technologien und durch Forschungsinstitute wie auch Entwicklungsdienstleister, geprägt. Diese Arena umfasst sowohl privatwirtschaftliche Akteure als auch Unternehmen in profit-orientierten Netzwerken. In dieser Untersuchung wurden zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes hauptsächlich Marktarenen in der Automobilindustrie betrachtet. Dabei wird vor allem ein exemplarisches Anwenderunternehmen dieses Industriezweiges (DaimlerChrysler) im Hinblick auf den Umgang mit Zeit bei der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten untersucht. Das genannte Unternehmen aus der Automobilindustrie wurde deshalb ausgewählt, weil vor allem die Anwenderunternehmen aus der Automobilindustrie die Weiterentwicklung von Anwendungen zur Generierung virtueller Umgebungen stimuliert und selbst Pionierarbeit geleistet haben: Sie haben ständig neue, leistungsfähigere VR-Systemanwendungen und damit Systemtechnologien selbst entwickelt. In diesem Zusammenhang ist zu unterstreichen, dass Industrieunternehmen aus der Automobilindustrie bis jetzt als Innovationsführer hauptsächlich an dem Design von VR-Anwendungen beteiligt gewesen sind: Speziell DaimlerChrysler hat über weite Strecken des bisherigen Entwicklungsprozesses wichtige Impulse für die Weiterentwicklung von virtualitätsgenerierende Ins20 | Diese Gemeinschaften reichen von rein wissenschaftlich orientierten Gemeinschaften (vgl. Computer Society) bis hin zu Entwicklergemeinschaften, die eher anwendungsorientiert sind. Einen Überblick über wichtige Gemeinschaften zu liefern, war nicht das hauptsächliche Erkenntnissinteresse und wird folglich auch nicht geleistet. 21 | Dabei wurden vor allem Institute der Fraunhofer Gesellschaft betrachtet. In erster Linie wurden die Vorgehensweisen des Fraunhofer Instituts für Arbeit und Organisation (IAO) und des Fraunhofer Instituts für graphische Datenverarbeitung (IGD) untersucht. Diese beiden Institute hatten neben dem Institut für Produktion und Automation (IPA) und anderen über lange Strecken zur Technikentwicklung, mit neuem Wissen und Konzepten sowie mit der Ausbildung von Forschern und Experten beigetragen.
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trumenten gesetzt und diese Technologien als Prozessinnovationen in der Produktion von Autos als Anwender genutzt. Neben Industrieunternehmen, die virtualitätsgenerierende Instrumente als Prozessinnovationen weiterentwickelt haben, wurden ebenfalls Unternehmen betrachtet, die als ihr Hauptprodukt Visualisierungssysteme und Anwendungen entwickeln. Hier wird vor allem SGI (Silicon Graphics Incorporated) (vgl. Iansiti/Stein 1997) als einer der wichtigsten Anbieter von VR-Anwendungssystemen und dessen Vorgehensweise in der Entwicklung von VR-Technologien näher untersucht. 22 Neben den Anwenderunternehmen und Herstellern dieser Anwendungssysteme wurden auch Entwicklungsdienstleister in die Analyse einbezogen. Bei der Betrachtung des Umgangs mit Zeit von Akteuren in der wirtschaftlichen Arena standen hauptsächlich die Forschungsprogramme sowie die zeitliche Strukturierung der Forschungsstrategien, Technologiekalender und Technologieroadmaps der jeweiligen Akteure im Vordergrund.
For schungspolitische Arena Die forschungspolitische Arena ist durch Akteure des politisch-administrativen Systems, durch in der Forschung und Entwicklung aktive Unternehmen sowie durch einzelne Wissenschaftler und wissenschaftliche Gemeinschaften geprägt. In dieser Untersuchung wurden die öffentlichen, politisch-administrativen Akteure – vor allem die Ministerien – als zentrale Akteure für die forschungspolitische Arena betrachtet, da diese per Gesetz und Funktionszuschreibung mit der Definition und Umsetzung von Forschungspolitik und Forschungsförderung in Bezug auf VR-Technologien betraut waren. In dieser Untersuchung wurden im Zusammenhang mit der Identifikation von Zeitformen und Zeitmustern Vertreter der für Forschungspolitik zuständigen staatlichen Stellen näher befragt. Dabei wurden sowohl Gespräche mit Vertretern von nationalen als auch supranationalen für Forschungspolitik im Feld der virtualitätsgenerierenden Instrumente zuständigen Institutionen geführt und deren Forschungs- bzw. Förderungsprogramme betrachtet. Die regionalen Forschungspolitiker, wie aus den deutschen Landesforschungsministerien wurden aus Gründen der Forschungskapazität nicht näher befragt und betrachtet. Für diese Arbeit ist die forschungspolitische Agenda insofern wichtig, als dass in ihr Forschungsförderer zum einen über die Allokation von Kapital für Forschungsprojekte entscheiden und zum anderen auch eine regulative Funktion einnehmen und damit implizit zeitliche Ziele strukturieren. So entscheiden die politisch-administrativen Akteure mit über Technologiestandards oder die Vermarktungsfähigkeit von Technologien. Bei der Betrachtung der zeitlich strukturierenden Handlungen von Akteuren in der forschungspolitischen Arena wurden in dieser Untersuchung vor allem die 22 | Neben SGI wurden bei der Sondierung der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumente – nach den Hinweisen von mehreren Gesprächspartnern – auch andere Unternehmen, wie ATI und Nvidia für die Entwicklung von Grafikchips; Immersion technologies, Logitech und Barco für den Bereich der Peripheriegeräte betrachtet.
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Zeitvorgaben und zeitlichen Strukturierungen innerhalb von Forschungsprojekten und Forschungsrahmenprogrammen betrachtet. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Form der Projektorganisation sowie die darin verwendeten Steuerungsgrößen wie Meilensteine und Fristen gelegt. Daneben wurden auch die zeitlichen Strukturierungen in bestehenden Gesetzen, Regeln und Standards betrachtet, um die vorherrschende Form des Umgangs mit Zeit zu erfassen.
3.4 Vorgehensweise in der empirischen Betrachtung In der empirischen Betrachtung wurde eine Fallstudie durchgeführt, da diese Form der Untersuchung dazu geeignet ist, eine Fülle von Dokumenten und bestehenden Analysen zu nutzen und neu zu interpretieren (Yin 1988: 20). Da die Fallstudie als Vorstufe für die Theoriebildung dient und Zusammenhänge verdeutlichen soll (Hasse 1996: 184), wurde eine explorativ orientierte, eingebettete Fallstudienbetrachtung vorgenommen (Scholz 2002). Diese Form der Fallstudienbetrachtung war dazu geeignet, neues Wissen aus anderen Quellen zu nutzen, um den unterschiedlichen Umgang heterogener Akteure mit Zeit und dessen Folgen besser beschreiben zu können. Innerhalb der Fallstudienbetrachtung wurde eingehend betrachtet, ob und wie die Akteure in ihren Handlungen aufeinander Bezug nahmen und wie sie zueinander in Beziehung standen. Das Vorgehen wird als eine »eingebettete« Fallstudie bezeichnet, da in dieser Fallstudie den Subuntersuchungseinheiten, d.h. den – an der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten beteiligten – Akteuren in den im Entwicklungsprozess entstehenden Arenen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde (vgl. Yin 1988:49): Es ging darum, genauer zu betrachten, wie sich Zeit auf die Handlungen der Akteure und damit auf den Prozess der Technikentwicklung auswirkt. In diesem Zusammenhang wurde also eine strukturationsorientierte Analyse von fokalen Akteuren in einem bestimmten Innovationsprozess vorgenommen.
3.4.1 Historisch-sequenzielle Analyse in der Fallstudie Um den Entwicklungsprozess der virtualitätsgenerierenden Instrumente explorativ rekonstruieren zu können, wurde eine partiell historisch-sequenzielle Untersuchung durchgeführt, d.h. ein bestimmter Zeitraum der Entwicklung von Anwendungen zur Generierung von virtuellen Umgebungen wurde betrachtet (von 1995 bis 2005). Diese Festlegung ist erfolgt, um die empirische Betrachtung einzugrenzen. Zur Einschränkung des Zeitraums wurde die Sondierung des Entwicklungsprozesses von virtualitätsgenerierenden Instrumenten Mitte der 1990er Jahre begonnen. Das Jahr 1995 wurde als Startzeitpunkt für die genauere Betrachtung gewählt, da – nach Hinweisen mehrerer Gesprächspartner – in diesem Jahr die Entwicklung der VR-Technologien wichtige Fortschritte in der Anwendung bei Industrieunternehmen gemacht hat. Für dieses Jahr und die darauf folgenden
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Jahre sind einige Quellen, wie Konferenzberichte zugänglich, die eine genauere Analyse und damit das Verständnis der Orientierung der Akteure in der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten zulassen.23 Darüber hinaus wurde sowohl in den Gesprächen, als auch in der Quellenrecherche darauf geachtet, ebenfalls weiter vor 1995 zurückreichende, historische Quellen und Materialien in die Betrachtung einzubeziehen, sofern dies für die Erfassung der Beziehungen der Akteure im eigentlichen Untersuchungszeitraum wichtig erschien. Als Endpunkt der Untersuchung wurde das Jahr 2005 gewählt, da sich in diesem Jahr die Anwendung von VR-Technologien durch deren weitere Verbesserung auf weitere Branchen ausweitete. Um den Untersuchungsgegenstand, d.h. die Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten, das Verhalten heterogener Akteure und deren Strukturierungen nachzuvollziehen, wurde die Sondierung mit einer Kombination von Informationssuche, Dateninterpretation und Auswertung von Quellenmaterial sowie Gesprächen mit Experten vorgenommen. In sequenzieller Kombination wurden verschiedene schriftliche Quellen erschlossen, Konferenzen besucht und Tiefeninterviews gemacht. Dies wurde so gemacht, um eine Auseinandersetzung mit dem notwendigen Vokabular und dem Fachwissen über VR, und damit den Selbstbeschreibungen der Forschenden und der Anwender im Feld zu ermöglichen, die Kategorien zur Untersuchung und Fragen in Tiefeninterviews an den veränderten Wissensstand anzupassen und gleichzeitig einen Überblick über die Forschung sowie die weiteren Förderungen und Anwendungsgebiete zu erhalten. Ein Grossteil der explorativen Sondierungsarbeit hat darin bestanden, Fachwissen aufzubauen und zu sondieren, welche Akteure, Technologien (Komponenten) und Dienstleistungen in der Entwicklung von VR-Technologien wichtig gewesen sind. Ein Überblick über die Experten und die empirische Sondierung findet sich im Anhang (vgl. Kapitel 6.3).
3.4.2 Ausgewähltes Unter suchungs- und Datenmaterial Um die Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Technologien nachvollziehen zu können, wurden viele unterschiedliche Quellen und Materialien erschlossen. 23 | Mehrere Experten haben in Gesprächen darauf hingewiesen, dass Mitte der neunziger Jahre eine wichtige Phase für die Weiterentwicklung von Anwendungen zur Generierung virtueller Umgebungen gewesen ist. So ist in den Vereinigten Staaten im Jahr 1995 ein wichtiger Bericht zum Stand der Entwicklung von Virtual Reality Technologien vorgelegt worden, auf den sich viele Gesprächspartner als einer der wichtigsten Meilensteine für die Entwicklung bezogen haben (vgl. Durlach/Mavor 1995). Außerdem hat in Deutschland eine wichtige Konferenz, die »Virtual Reality World 1995«, stattgefunden, die mehr Aufmerksamkeit für die Entwicklung der VR-Technologien geschaffen hatte und Berichterstattung nach sich zog. Dies bot die Möglichkeit, mehr über die damaligen Akteure zu erfahren. Außerdem hat sich das Jahr 1995 als Beginn des Untersuchungszeitraums angeboten, da ab diesem Jahr auch die Entwicklung von VR innerhalb von Industrieunternehmen (vor allem der Automobilindustrie) mit mehr Nachdruck betrieben wurde.
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Die größte methodische Herausforderung bestand in der Fülle des empirischen Materials. Die Auswahl des Materials erfolgte auf Basis eines zentralen Kriteriums: Lässt eine Quelle oder ein Gespräch mit einem Experten Rückschlüsse auf die konkrete Zeitplanung und den Umgang mit Zeit der heterogenen Akteure innerhalb der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten zu? So wurden für die qualitative Analyse vor allem solche Materialien (Projekte, Programme, Forschungskonferenzen etc.) herangezogen, in denen wichtige Weichenstellungen für die Weiterentwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten zu erkennen gewesen sind. Es wurde außerdem betrachtet, welche Kalender von den jeweiligen Akteuren benutzt werden. Weiterhin wurde untersucht, an welchen Zeitspannen (Dauern), an welchen Geschwindigkeiten, an welcher Einteilung von Wertschöpfungsketten und Produktlebenszyklen (Sequenzen) und an welchen kritischen Zeitpunkten und Akzenten (Rhythmen) sich die jeweiligen Akteure orientiert haben. Es wurde betrachtet, in welcher Form sie mit diesen strategischen zeitlichen Dimensionen in ihrer Planung und Strukturierung umgegangen sind. Es wurde beispielsweise betrachtet, welche Zeitziele wie Projektlaufzeiten und Meilensteine gesetzt wurden. Es wurde auch betrachtet, welche zeitlichen Strukturierungen von verschiedenen Akteuren in der Planung ihrer Aktivitäten, bei übergreifenden Programmen und bspw. innerhalb der Budgetierung und der Festlegung der Dauern von Verträgen vorgenommen wurde. Ebenso wurden lediglich Gesprächspartner angesprochen, die im Zeitraum der Untersuchung aktiv – bspw. aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Industrieforscher – zur Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Instrumente beigetragen haben und über die technische Entwicklung im Bilde waren. Ein Hauptaugenmerk der Untersuchung lag auf der qualitativen Analyse von Planungsdokumenten und Berichten über Forschungsprogramme und -projekte, sowie Innovationskalendern und Berichten zur Technikbewertung. Diese Dokumente und die Gespräche wurden auf die zeitlich orientierten Strukturierungen und Strukturen hin untersucht. So wurde z.B. betrachtet, welche Kalender von den jeweiligen Akteuren benutzt werden. Um Lücken in der historischen Erfassung der Entwicklung von VR-Technologien zu schließen, die trotz des vielen Materials bestanden, wurden verschiedene Gesprächspartner befragt. Ein Problem, das sich dabei ergab war, dass sich einige Gesprächspartner aus dem Bereich der Forschungsförderung oder aus Unternehmen weigerten, Zugang zu schon aufgearbeiteten Planungsunterlagen aus Vertraulichkeitsgründen zu geben. Da es sich bei Zeitplänen, Technologiekalendern und Projektdokumentationen meist um strategisch relevante Informationen handelt, bestanden Probleme beim Zugang zu Untersuchungsmaterial. Diesem Umstand wurde dadurch versucht zu begegnen, indem bei den Interviewpartnern in den Gesprächen nachgefragt wurde, ob Dokumente und Informationen zugänglich wären, welche die Aussagen in den entsprechenden Zusammenhang setzen könnten. Wo dies nicht möglich gewesen ist, da Dokumente zur Kontextualisierung entweder nicht bestehen oder die Form der Zeitplanung als auch Entscheidungen im Hinblick auf diese nicht dokumentiert wurden, wurden verschiedene Akteure in anderen Arenen befragt.
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Insbesondere in der wirtschaftlichen und der forschungspolitischen Arena war der Zugang zu Informationen und Quellen häufig problematisch, da es sich um sensible Unternehmensdaten oder um Daten innerhalb der Verwaltung handelte. Um trotzdem aussagekräftige Einblicke zu erhalten und eine qualitative Rekonstruktion der Technikentwicklung leisten zu können, wurden sehr unterschiedliche Formen empirischen Materials zur Technologieentwicklung genutzt (vgl. Kapitel 6.2). So wurden z.B. Sekundärliteratur (Swann/Stone 2002 oder Stanney 2002), graue Literatur (Vortragsmanuskripte, Firmenmaterial etc), halb-öffentliche Berichte über Expertentagungen in Spezialpublikationen, Fachzeitschriften und dergleichen sowie Berichterstattungen aus der aktuellen Wirtschaftspresse recherchiert und ausgewertet. Darüber hinaus wurden gezielt solche Forschungskonferenzen besucht, bei denen interessante Gesprächspartner angesprochen werden konnten.
3.4.3 Methoden in der empirischen Unter suchung Methodisch wurde vor allem auf die Instrumente des halbstrukturierten, leitfadengestützten Expertengesprächs, der Dokumentenanalyse und der Beobachtung zurückgegriffen: Die Expertengespräche wurden mit einzelnen, relevanten Personen in den jeweiligen Arenen geführt. In den Gesprächen wurden Rahmenthemen entlang vorher definierter hypothesen- und damit theoriegestützten Kategorien erhoben. So konnte der Forschungsgegenstand genauer strukturiert werden, um mehr darüber zu erfahren, welche spezifische Zeitorientierung die jeweiligen Akteure haben. Als kritische Einordnung bleibt festzuhalten, dass der Rückgriff auf Erkenntnisse und Theorien in der sozialwissenschaftlichen Zeitforschung nur selektiv ausfällt und daher eklektisch erscheinen mag. Dieser selektive Rückbezug ist aber sowohl für die Konzepterarbeitung als auch für die empirische Untersuchung notwendig, um eine Beschreibung im Hinblick auf den Charakter, die Funktionen, die Ausprägung, die Entstehung und die Auswirkungen sozialer Zeit zu leisten. Durch die Re-Definition und Kompilation der Begriffe werden die Begriffe kontrolliert. Um dem Problem vorzubeugen, sich nur auf eine Einschätzung eines Akteurs verlassen zu müssen, wurden Gesprächspartner zu ihrer Einschätzung der Vorgehensweise anderer Akteure befragt. Diese wechselseitige Bezugnahme der Akteure aufeinander und die Einschätzung der Akteure übereinander, ermöglichte, die Aussagen der jeweiligen Experten zu kontextualisieren. Ein Kritikpunkt betrifft die Durchführung der Analyse: Da die meisten Gespräche aufgrund der Geheimhaltungsverpflichtungen und der mangelnden Bereitschaft der Gesprächspartner nicht aufgezeichnet werden konnten, mussten handschriftliche Notizen und Gedächtnisprotokolle angefertigt und im Nachhinein transkribiert werden. Diese Vorgehensweise ist zwar methodisch kritisch zu bewerten (vgl. Glässer/Laudel 1999; Bohnsack 2003), war allerdings nicht zu umgehen. Darüber hinaus fällt dieser Umstand im vorliegenden Untersuchungsdesign nicht so stark ins Gewicht. Denn durch die explorative Aus-
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richtung dieser Untersuchung ging es nicht um genaue Analysen der Form der Zeitplanung, was sicher noch weiteren Forschungsbedarf darstellt. Vielmehr ging es eher darum zu erfassen, inwieweit Zeit überhaupt eine Rolle für die Akteure gespielt hatte.
3.4.4 Gründe für die Auswahl des Innovationsprozesses Die Auswahl der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten als Fallstudie hat vor allem aufgrund folgender Gründe stattgefunden:
Inhaltlich-methodische Gründe für die Wahl des Innovationsfeldes Die Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Instrumente wurde exemplarisch als technischer Entwicklungsprozess hauptsächlich deswegen ausgewählt, da in der Entwicklung dieser komplexen technischen Systeme Zeit und Geschwindigkeit kritische Faktoren gewesen sind. In diesem speziellen Fall handelt es sich um systemische, komplexe Anwendungen, die mit hoher Geschwindigkeit entwickelt werden müssen, da sie als Prozessinnovationen bspw. in der Automobilindustrie dienen. Außerdem handelt es sich um einen zeitlich hoch verteilten Prozess: Bei der Weiterentwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten haben viele verschiedene Akteure in unterschiedlichen, sozialen Handlungszusammenhängen mit ihren Zeitvorgaben und mit verschiedenen zeitlichen Strukturierungen zusammengearbeitet. Die Weiterentwicklung solcher systemischer Anwendungstechnologien basiert auf der rechtzeitigen Integration von Technologien, also der zeitkritischen und zeitlich kohärenten Zusammenarbeit heterogener Akteure. Darüber hinaus lässt sich anhand der Entwicklung dieser komplexen anwendungsorientierten Systemtechnologie zeigen, inwieweit die Unterschiedlichkeit des Umgangs mit Zeit von heterogenen Akteuren kritisch für die Weiterentwicklung solcher Technologien ist: Aufgrund des Charakters der virtualitätsgenerierenden Systeme wird deutlich, dass diese komplexen, technischen Systeme auf Basis der rechtzeitigen Kombination und Integration verschiedener Komponententechnologien, die von unterschiedlichen Akteuren hervorgebracht werden, entstehen. Zur Weiterentwicklung dieser komplexen Systeme müssen viele verschiedene Akteure und deren unterschiedlich (zeitlich) getakteten Impulse, in längeren Zeiträumen mit hohem Risiko integriert werden, denn die Anwendungen werden von Industrieunternehmen möglichst schnell benötigt. Dieser Fall wurde nicht zuletzt auch auf Grund der hohen Dynamik des Technologiefeldes ausgewählt. Die Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Instrumente fand unter Zeitdruck statt. Dies hatte den Vorteil, dass man keine zu langen Zeiträume der Technikentwicklung betrachten muss, um Auswirkungen bestimmter Formen der sozialen Gestaltung durch Akteure darzustel-
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len.24 Aufgrund der hohen Erwartungen und der vielen Impulse verschiedener Akteure (hohe Investitionen staatlicher Akteure und von Industrieunternehmen aus – vor allem – der Automobilindustrie) sind empirisch viele Entwicklungen zu verzeichnen. Schließlich wurde das Feld virtualitätsgenerierender Instrumente auch deshalb ausgewählt, weil diese komplexe Systemtechnologie25 mit breitem Anwendungsspektrum trotz der auf Kooperation basierenden Entwicklung bisher lediglich in einer überschaubaren Anzahl von Branchen weiterentwickelt wurde. Diese Entwicklung bot sich also für eine Fallstudienbetrachtung an, da man die Entwicklung auf einige relevante Arenen und Akteure zurückführen kann. So spielten bspw. die Endkunden bisher eine untergeordnete Rolle in der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten. VR-Technologien wurden in ihrer Entwicklung bisher fast durchgängig durch die Zusammenarbeit von professionellen Anwendern bzw. Entwicklern in Unternehmen, oder von im wissensintensiven Bereich tätigen Akteuren wie Entwicklungsdienstleistern und wissenschaftlichen Instituten geprägt. Trotz der beschränkten Anwendung, hatten VR-Anwendungen aber in einigen Branchen (z.B. der Automobilindustrie) schon einen gewissen Reifegrad erreicht. Im Gegensatz zu anderen Technologien26 reicht die Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Instrumente schon eine gewisse Zeit zurück. Darüber hinaus befand sich das Feld ab Mitte der neunziger Jahre bis zur Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts und jetzt noch immer in einer kritischen Phase: Aufgrund der Reife der Technologie, der sinkenden Preise für systemische Anwendungen, der Zunahme der Referenzanwender in verschiedenen Branchen sowie den dokumentierten Erfolgen im Einsatz, wurden und werden diese Technologien ständig in neuen Anwendungsfeldern weiterentwickelt, wodurch andere Akteure hinzutreten. Dadurch ändern sich auch die zeitlichen 24 | Kelly und Mc Grath weisen in ihrem Beitrag zu methodischen Fragen, die mit der Erfassung von Zeit bzw. von komplexen Prozessen zusammenhängen, darauf hin, dass eine Betrachtung von Prozessen bzw. Ursache-Wirkungszusammenhängen besser möglich ist, je kürzer das Zeitintervall bzw. der zeitliche Abstand zwischen Ursache und Auswirkung ist (Kelly/Mc Grath 1988: 16). 25 | VR-Technologien bzw. virtualitätsgenerierende Instrumente werden im Rückgriff auf Wettengl (1999) als Systemtechnologien bzw. als Systeminnovationen aufgefasst. 26 | Die Auswahl erfolgte auf Basis einer eingehenden und weit reichenden Sondierung verschiedener neuer Systemtechnologien und Technologiefelder. So wurde unter geprüft, ob Teilbereiche der Biotechnologie (Pharmagenomik und Bioinformatik), der Materialwissenschaft (Mikrosystemtechnik bzw. Nanotechnologien) und neue Antriebstechnologien, wie die Brennstoffzelle sich für die empirische Betrachtung eigneten. Diese Prüfung ergab, dass die meisten der angesprochenen Innovationsfelder in ihrer Entwicklung nicht weit genug gediehen schienen oder – noch viel wichtiger –der Zugang zu Gesprächspartnern und Materialien über Zeitplanungen aufgrund der strategischen Bedeutung dieser Technologien nicht gegeben war.
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Strukturierungen – wie Roadmaps – für diese Technologien. Es gibt empirische Veränderungen, die man erfassen kann, weswegen sich eine Analyse der VR-Technologien und ihrer bisherigen Entwicklungsmuster gerade in diesem Zeitraum anbietet.
For schungsprak tische Gründe für die Wahl des Innovationsfeldes Auch forschungspraktische Gründe sprachen für eine Auswahl von virtualitätsgenerierenden Instrumenten: So verfügte der Autor dieser Untersuchung als ehemaliger Mitarbeiter einer Abteilung in der Konzernforschung eines Automobilherstellers zumindest über Grundkenntnisse im Hinblick auf technologische Entwicklungen, Marktlogiken, Anbieter und deren Technologieroadmaps. Er hatte auch direkten Zugang zu wichtigen Forschern im Feld: Die Gesprächspartner innerhalb des Automobilunternehmens sind meistens auch Mitglieder von wissenschaftlich orientierten Entwicklergemeinschaften und forschungspolitischen Gremien. Sie pflegen einen staken Austausch mit anderen Forschern, Wissenschaftlern und Praktikern, wie auch Forschungspolitikern. Durch diesen direkten Zugang zu Experten war es möglich, Vorgespräche über die Entwicklung im Bereich von Virtuellen Realitätstechnologien in der Fahrzeugentwicklung zu führen. Diese Vorgespräche haben zur Qualitätssteigerung der Befragung beigetragen. Ein weiterer forschungspraktischer Grund war, dass im Zeitraum der Untersuchung zufällig wichtige Schritte in der Weiterentwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten, besonders in Deutschland und im europäischen Ausland stattfanden. So haben mehrere wichtige Treffen von Experten und Forschern im Feld der VR-Technologien wie bspw. eine »Statustagung Virtual Reality/Augmented Reality« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung oder ein Anwendergipfel von SGI in Paris stattgefunden. Dies bot die Möglichkeit, Hintergrundgespräche zu führen und so die empirische Basis der Fallstudienbetrachtung zu verbessern. Darüber hinaus wird VR-Technologien im Gegensatz zu anderen Technologien wie der Brennstoffzelle keine so hohe strategische Relevanz zugeschrieben. Dadurch sind relativ wenige Probleme beim Zugang zu Experten und im Gespräch mit diesen entstanden: Die Experten waren trotz der strategischen Relevanz von Fragen der Zeitplanung relativ auskunftsbereit.
3.5 Möglicher Erkenntnisgewinn und Erklärungsanspruch der Untersuchung Bei qualitativ-explorativen Fallanalysen werden Fragen der Generalisierbarkeit ausgeklammert, wodurch der Erklärungsanspruch solcher Fallstudien beschränkt ist. Allerdings können mit der Methode der analytischen und interpretativen Generalisierung (vgl. Yin 1988: 44 und Walsham 1995) neue qualitative
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Begriffe und auf Basis dieser Begriffe auch neue Hypothesen und Erklärungskonzepte erarbeitet werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger leistet diese Arbeit im Hinblick auf die Entstehung, die Weiterentwicklung und die Auswirkungen sozialer Zeit. Die bestehenden und neu aufgeworfenen Hypothesen können dabei jedoch weder verifiziert noch nachgewiesen werden, da nur verhältnismäßig wenige Gesprächspartner auf der Basis von Beobachtung und Aufarbeitung der Literatur definierter Arenen befragt worden sind.27 Trotz dessen können zumindest die theoretisch aufgestellten Hypothesen empirisch fundiert werden, da es in der Entwicklung der VR-Technologien in verschiedenen Technologiekomponentenfeldern schlicht nur eine überschaubare Anzahl für die Entwicklung dieser Technologien relevanter Akteure gibt: Viele Entwicklungen lassen sich auf wenige Personen bzw. Entwickler- und Forschergemeinschaften, Unternehmen und Innovationsnetzwerke zurückführen, da diese die wichtigsten Impulse zur richtigen Zeit für das Feld gegeben hatten. Eine eingehende empirische Überprüfung der hier aufgeworfenen Hypothesen muss zwangsläufig Gegenstand weiterer Forschung bleiben.28
3.6 Zusammenfassung zur Vorgehensweise der empirischen Untersuchung Die folgende Übersicht fasst die Operationalisierung des soziologisch inspirierten Konzepts zur Betrachtung unterschiedlicher Formen des Umgangs mit sozialer Zeit heterogener Akteure zusammen: Durch die Sondierung des Feldes, die Recherche sowie die ausgeweitete Sekundäranalyse grauer Literatur und Zeitberichte, durch Vor- und Nachbereitung und der Interpretation von Gesprächen konnten Aussagen der Interviewpartner in den Zusammenhang gesetzt, eingeordnet und bewertet werden. Trotzdem 27 | Obwohl die Verwendung des Arenenkonzepts hilft, die empirische Komplexität zu verringern, ergeben sich durch diese Heuristik methodische Schwierigkeiten. So hat die Vorsondierung der Entwicklung von VR-Anwendungssystemen ergeben, dass sich in dieser Technikentwicklung mehrere Arenen überlagert haben: Die Akteure lassen sich mit ihren Beiträgen zum Entwicklungsprozess der Technologien oft nicht eindeutig einer Arena zuordnen. Beispielsweise sind »Industrieforscher«, d.h. Mitarbeiter von forschungsintensiven Industrieunternehmen auch Mitglieder von wissenschaftlich orientierten Gemeinschaften gewesen. 28 | Zur weiteren Einschränkung sei auch nur erwähnt, dass in dieser Untersuchung keine umfassende Betrachtung der Zeitwahrnehmung und der Zeitorientierung einzelner Individuen wie Entscheidern in Organisationen, keine Betrachtung der kulturellen Unterschiede im Umgang mit Zeit und Flow-Erlebnisse (Csikszentmihalyi 2000) stattgefunden hat. Dies hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt. Als weitere Eingrenzung ist festzuhalten, dass – ungleich der Analysen in der ökonomischen Innovationsforschung – keine Effizienzfragen hinsichtlich der zeitlichen Koordination von Akteuren betrachtet wurden.
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bleibt die Aussagekraft dieser Untersuchung und der Beitrag zur Forschung darauf beschränkt, Hypothesen über bestimmte soziale Phänomene aufzustellen. Es können qualitativ und kategoriengestützt die unterschiedlichen Formen des Umgang mit Zeit heterogener Akteure näher beschrieben, mit anderen Formen des Umgangs mit Zeit verglichen sowie mögliche Auswirkungen aufgezeigt werden, um so weitere empirische Forschungen zu informieren. Nachdem die Operationalisierung des soziologischen Konzeptes und die Reichweite der Ergebnisse der empirisch-explorativen Untersuchung dargestellt wurden, wird im nächsten Kapitel die Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente detaillierter beschrieben. Darstellung 4: Operationalisierung des soziologischen Konzepts Vorgehensweise
Explorative qualitative Untersuchung anhand einer eingebetteten Fallstudienbetrachtung mit einer historisch-sequenziellen Sondierung und strukturationsorientierten Betrachtung der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumenten.
Untersuchungsgegenstand
Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Instrumente: Dabei vor allem die zeitlich strukturierenden Handlungspraktiken heterogener Akteure in wirtschaftlich geprägten, forschungspolitischen und wissenschaftlich orientierten Arenen sowie die sozialen, zeitlichen Strukturen, die den Aktivitäten der Akteure in verschiedenen Arenen zugrunde liegen
Betrachtete Kategorien
•Zeitorientierung: Ausmaß der Orientierung an zeitlichen Mustern und die Reflexivität der Akteure im Umgang mit Zeit •Zeitstrukturgeber: Wichtige Akteure, die zeitliche Maßstäbe gesetzt haben •Zeitnormen und Zeitordnungen: Kalender •Zeitmuster: Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen, Rhythmen, Temporale Lokalisationen (Timing)
Methoden
•Halbstrukturierte, leitfadengestützte Recherchegespräche mit ausgewählten Experten •Dokumentenanalysen •Beobachtungen im Rahmen von Forschungskonferenzen
Erkenntnis- und Erklärungsanspruch der Untersuchung
•Begriffe und Kategorien zur Beschreibung und Vergleich von verschiedenen Formen des Umgangs mit Zeit heterogener Akteuren in Arenen während eines Innovationsprozesses •Herleitung und Verfeinerung von Hypothesen in Bezug auf die Charakteristika, die Entstehung, die Funktionen und die Auswirkungen sozialer Zeit in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente
4. Zeitlogiken und Synchronisationen in der Entstehung von Technologien zur Erzeugung vir tueller Realitäten
Um den Zusammenhang von Zeit und Innovation auch empirisch betrachten zu können, wird nun die Entwicklung von VR-Technologien anhand von ausgewählten feldspezifischen Praktikerbeschreibungen, Sekundäranalysen und Forschungsarbeiten detailliert rekonstruiert (vgl. Encarnação et al. 2001; Lenoir 1999; Swann 1999; Swann/Stone 2002; Swann/Watts 2002; Swann/Watts 2003). Dieser Rückgriff auf bisherige Arbeiten dient dazu, die Entwicklung von VR-Anwendungen und – Systemen besser zu verstehen und die schon bisher aufgearbeiteten Erkenntnisse und Hypothesen im Hinblick auf die unterschiedlichen Formen und Auswirkungen des Umgangs der heterogenen Akteure mit Zeit und der Synchronisation dieser Akteure in der Weiterentwicklung dieser Technologien gebührend wahrzunehmen. Als Basis der Rekonstruktion der VR-Technologien werden grundlegende Begriffe rund um Virtuelle Realitäten diskutiert und näher definiert, der generelle Auf bau und die hauptsächlichen technischen Komponenten von VR-Systemen näher charakterisiert. Auf Basis dieser synchronisationsorientierten Charakterisierung von VRTechnologien wird gezeigt, welche Akteure, in welchen Arenen wichtige Impulse zu der Entwicklung von Komponenten der Präsenz erzeugenden technischen Instrumente gegeben haben. Dabei wird herausgearbeitet, wie wichtige Akteure in verschiedenen Arenen mit ihrem spezifischen Umgang mit Zeit zur Entwicklung von VR-Technologien beigetragen haben: Die verschiedenen zeitlichen Orientierungen und die vorherrschenden Formen des Umgangs mit Zeit in verschiedenen (Entwicklungs-)Arenen und gesellschaftlichen Sphären, die die Akteure prägen, werden typologisierend beschrieben. Auf dieser Basis werden empirisch validierte Hypothesen darüber aufgestellt, welche Auswirkungen der unterschiedliche Umgang mit Zeit von heterogenen Akteuren in unterschiedlichen Entwicklungsarenen auf die Entwicklung von VR-Technologien hatte.
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4.1 Was sind VR-Technologien? 4.1.1 Definitionen und Begrif fe rund um Vir tuelle Realitäten Von jeher ist es ein Menschheitstraum gewesen, völlig neue Umgebungen zu schaffen sowie das Gefühl der Präsenz des Menschen zu erweitern, indem bspw. die ›realen‹ Umgebungen durch eigens geschaffene virtuelle Objekte ergänzt werden. Dieser Menschheitstraum hatte auch schon vor der dezidierten Entwicklung von technischen Systemen zur Erzeugung virtueller Umgebungen, seinen Niederschlag in vielen verschiedenen Formen des künstlerischen Ausdrucks gefunden (vgl. Grau 2003). Seit Mitte der 60er Jahre haben vor allem in den USA einige Forscher, wie vor allem Ivan Sutherland – einer der Gründerväter der VR-Technologien – dazu beigetragen, dass verschiedene technische Systeme und Anwendungen entwickelt wurden, die Menschen mit neuen Möglichkeiten ausstatten, mit Maschinen und Umgebungen zu interagieren. Stanislaw Lem hat bereits 1964 im Zusammenhang mit diesen neuen Formen der Interaktion prognostiziert, dass es in Zukunft eine Wissenschaft von der Erstellung künstlicher Realitäten – die Phantomatik – geben werde, die sich mit der Erforschung der Methode beschäftigt, dank derer die Sinne des Menschen an den Computer angeschlossen werden können. Lem beschrieb, dass Computer mit Peripheriegeräten es vollbringen würden, den Sinnesorganen Reize zuzuführen, die in vollkommener Weise jene Reize imitieren, die uns in der Regel die normale ›reale‹ Umgebung bietet. Dadurch bekäme der Anwender den unwiderstehlichen Eindruck, an einem Ort zu sein, an dem er sich in Wahrheit gar nicht befindet oder auch etwas zu erleben, was bloß in seiner Einbildung passiert (Lem 1992: 311-340). Auch andere Science-Fiction-Autoren haben in jüngerer Zeit Beschreibungen davon geliefert, wie wir in Zukunft auf Basis von besseren Schnittstellentechnologien völlig neue Erlebniswelten schaffen werden (vgl. Stephenson 2000). Wenn diese Fantastereien aus der Science-Fiction-Literatur im Jahr 1964 und manchmal auch noch heute als unrealistisch erscheinen, wird bei einem Blick auf die über 40-jährige Entwicklung der VR-Technologien deutlich, dass im Jahr 2005 eben diese Forschungsrichtung auf die Lem hingedeutet hat – die Phantomatik – besteht. Diese Forschungsrichtung hat mit ihren Ergebnissen zwar noch nicht den Stand von Schnittstellentechnologien zur Erzeugung von virtuellen Realitäten hervorgebracht, den Lem beschrieben hat. So sind bspw. Fortschritte bezüglich des Geruchsinns – den olfaktorischen Reizen – zur Vermittlung der Präsenz in virtuellen Umgebungen noch zaghaft (Stanney/Zyda: 2002: 2). Trotzdem besteht diese Wissenschaft. Zwar nicht als eine einheitliche Disziplin unter der Bezeichnung Phantomatik, sondern vielmehr als ein multi-disziplinäres, stark anwendungsorientiertes, noch nicht zusammengeführtes Forschungsprogramm. Dieses multidisziplinäre Forschungsprogramm setzt sich mit eben jenen Inhalten auseinander, die Lem Mitte der 60er Jahre prognostiziert hatte: Die Wissenschaftler und Praktiker erforschen Grundlagen, Technologien und
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Anwendungen, wie Menschen ein Gefühl der Präsenz in virtuellen und computergenerierten Umgebungen vermittelt werden kann. Die darin stattfindenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten haben schon heute dazu geführt, dass durch VR-Technologien bspw. beim Design von neuen Automobilen ein Grad an Präsenz für den Nutzer in virtuellen und erweiterten Umgebungen geschaffen werden kann, der Mitte der 1960er Jahre noch für unvorstellbar gehalten worden war. Da dieses Forschungsprogramm über so viele Disziplinen verteilt ist und eine Vielzahl von Begriffen und Definitionen bestehen, werden als Teil der Rekonstruktion der Entwicklung dieser Technologien einige Begriffe kompiliert, um das Verständnis dieser technischen Systeme und ihrer Funktionen zu erleichtern.
E xkur s: Grundlegende Begrif fe und Definitionen zu Vir tuellen Welten Im Zusammenhang mit VR-Technologien, d.h. Technologien, die zur Erzeugung von virtuellen Realitäten entwickelt und verwendet werden, werden normalerweise folgende Schlagwörter zur Funktionsbeschreibung verwendet: Visualisierung, Simulation, Interaktion, Immersion und Präsenz. Diese Begriffe werden verwendet, da die technischen Systeme dem Benutzer neben der Darstellung und der Simulation von Umgebungen auch eine andere Form der Interaktion mit Daten und virtuellen Objekten erlauben. Sie erlauben dem Nutzer, in Szenen aktiv einzugreifen und sie in Echtzeit zu beeinflussen (Interaktivität). In den meisten Praktikerbeiträgen wird zum Verständnis und zur Einordnung verschiedener VR-Technologien auf Milgrams Kontinuum zur Beschreibung des Zusammenhangs von Realität und Virtualität, der Unterscheidung von Virtualitätsgraden und erweiterten Realitäten (»Mixed Reality«-Kontinuum) zurückgegriffen. Auf Basis dieses Virtualitätskontinuums wird heute die Konvergenz verschiedener Komponenten und Technologien verdeutlicht: Darstellung 5: Milgrams Mixed-Reality Kontinuum Realität
Augmented Reality
Augmented Virtuality
Virtuality
Quelle: Eigene Darstellung nach Milgram/Kishino 1994 Dieses Kontinuum ordnet Technologien und die durch sie geschaffenen Umgebungen nach dem Grad ihrer Artifizialität. Es beschreibt, wie viel reale Umgebung und Objekte noch jeweils in den Umgebungen stecken. Am einen Ende des Kontinuums findet sich die reale Umgebung, die nicht rechnergestützte beeinflusste Umgebung, die auch folglich nicht durch virtuelle Objekte erweitert ist. Am anderen Ende finden sich komplett virtuell, artifiziell geschaffene, fiktive, rechnergestützt erschaffene Umgebungen.
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Zwischen diesen beiden Extrempunkten gibt es verschiedene Zwischenstufen: Eine Umgebung, in der eine Kombination von Realität und Virtualität vorliegt, und deswegen als ›Erweiterte Realität‹ (›Augmented Reality‹) bezeichnet wird (Baas 2003:2): Die reale Umgebung ist durch einzelne virtuelle Objekte und Umgebungsausschnitte überlagert, die Interaktion der Benutzer geht in Echtzeit vor sich, da durch technische Instrumente die Registrierung virtueller und realer Objekte sichergestellt wird. Ist aber beispielsweise ein reales Objekt in eine virtuelle, artifiziell gestaltete Umgebung eingebunden, handelt es sich um erweiterte Virtualität ›Augmented Virtuality‹ (Milgram/Kishino 1994). Diese Unterscheidung ist für die Charakterisierung von technischen Systemen wichtig, da der Grad der Komplexität der benötigten technischen Systeme und die Zahl der in diesen Systemen integrierten Komponenten von der realen bis hin zur komplett virtuellen Umgebung ständig zunehmen. Folgerichtig werden bspw. technische Systeme, mit denen Informationen in das reale Sichtfeld eines Betrachters eingeblendet und mit realen Bildern in Deckung gebracht werden, als Anwendungen zur erweiterten Realität bezeichnet. Mit Hilfe dieser technischen Systeme, werden reale Umgebungen mit erklärenden Informationen überlagert, was Anwendungsperspektiven gerade für Reparaturen von komplexen Produkten sowie im Bereich Ausund Weiterbildung bietet (Encarnação et al. 2001: 143-145). Virtuelle Umgebung: Dieser wenig differenzierte Sammelbegriff umfasst das gesamte Virtualitätskontinuum von Milgram, sowohl rein virtuelle Realitäten und Umgebungen als auch so genannte erweiterte Realitäten. »Virtuelle Umgebungen« bezeichnet die Gesamtheit der dreidimensionalen, computergenerierten Objekte sowie ihre zeitliche Dynamik, die dem Nutzer über einen oder mehrere Sinneskanäle vermittelt werden (Hofmann 2002: 3). Der Begriff ›Virtuelle Umgebungen‹ hat sich beinahe in allen Forschungs-, Entwickler- und Expertengemeinschaften, die sich mit der Erzeugung von künstlichen rechnergestützten Umgebungen beschäftigen, durchgesetzt. Dieser Begriff löst immer mehr den von Lanier geprägten Begriff der »Virtual Reality« ab.1 Bei der virtuellen Umgebung handelt es sich technisch um einen Datensatz aus dreidimensionalen Daten, die eine Umgebung beschreiben, die auf realweltlichen oder abstrakten Objekten und Daten beruht (Blade/Padgett 2002: 26). Visualisierung: Mit Visualisierung wird die grafische Darstellung von Objekten und Szenen beschrieben. Dabei beschreibt das grafische Modell das Aussehen der Szene, d.h. die Geometrie, Transformation und Farbe sowie 1 | »Virtual Reality (VR) is understood as an extension of the well-known man-machine-interaction: VR addresses the »multidimensional« human senses and has to extend today’s human-computer-interaction with sensitive perception: to see: three-dimensional, photorealistic output in stereo; to hear: noise, speech, music; to feel, to touch: physio-motoric input devices, physical feedback; to smell; psychical stimuli e.g. to stimulate ambition or to express aggression in games« (Blade/Padgett 2002).
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Texturen und Beleuchtung von Objekten. Die Visualisierung kann entweder online, d.h. zur Laufzeit der Simulation, oder offline – nach abgeschlossener Simulation – stattfinden (Animation) (Dai 1997: 18ff). Simulation: Bei der Simulation bildet man die Dynamik einer Szene nach: Man bildet Vorgänge und Prozesse wirklichkeitsgetreu über eine bestimmte Zeitspanne hinweg ab. Simulationen lassen Rückschlüsse auf die Realität und die Vorberechnung von Ereignissen zu. Simulationen haben sich im 20. Jahrhundert aufgrund von Verbesserungen von Algorithmen und der Leistungsfähigkeit von Rechnern zu einem interdisziplinären Forschungsfeld weiterentwickelt, in dem Erkenntnisse aus Mathematik, Informatik wie auch Ingenieurwissenschaften zusammenfließen, um Methoden zu generieren (Dai 1997: 136ff; Feldmann/Mühlfeld 2005). Präsenz: Unter Präsenz wird der Eindruck des Nutzers eines VR-Systems verstanden, sich physisch in der von diesem System erzeugten virtuellen Umgebung zu befinden (ISPR 2005). Präsenz ist ein kognitiver Zustand von Menschen. Sie ist keine Eigenschaft, die Technologien zugeschrieben werden sollte, da sie auch entstehen kann, wenn Individuen mit entfernten, realen Umgebungen oder mit Freunden interagieren (Hofmann 2002: 6). Immersion: Im Unterschied zu Präsenz bezeichnet Immersion die möglichst umfassende sensorische, (inter-)aktive Einbindung eines Nutzers durch Ein- und Ausgabegeräte (›Peripheriegeräte‹) in computergenerierte Umgebungen. Ein höherer Immersionsgrad trägt potenziell zur Erhöhung des Präsenzgefühls bei (Hofmann 2002). Visualisierung + Simulation + Interaktion –▹ Präsenz: Allgemein lassen sich VR-Technologien als Virtualität und Präsenz erzeugende Instrumente bezeichnen. Wenn sowohl eine gute Visualisierung, eine zeitnahe Simulation und die Interaktion des Nutzers gewährleistet ist – wenn dieser immersiv durch verschiedene sensorische Reize in virtuelle und erweiterte Umgebungen eingebunden ist –, kann man durch Anwendungen auch einen höheren Grad an Präsenz erreichen. So hat ein Fahrer eines virtuell generierten Fahrzeugs in einer virtuellen Umgebung dann mehr Präsenzerfahrung, wenn er durch seine Aktionen zeitnah mit der Umgebung und Objekten interagieren kann.
4.1.2 Funk tionsorientier te Beschreibung der VR-Technologien Da sich die Beschreibungen für VR in der Entwicklung dieser Technologien ständig verändert haben und sich noch weiter verändern, 2 hilft eine funktionsorientierte Definition von VR-Technologien, die Entwicklung von verschiedenen Komponenten und ganzer Systemtechnologien im Bereich VR zu erfassen. Hier werden deswegen VR-Technologien als Virtualität generierende technische Sy2 | »The terminology used to characterize VR is still evolving« (Blade/Padgett 2002: 15-26).
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steme, als generische Instrumente zur Visualisierung, Simulation und zur Interaktionsauf bereitung aufgefasst, und damit im Endeffekt als Präsenz erzeugende technische Systeme:3 Diese Schnittstellentechnologien werden entwikkelt, um für Nutzer bessere Möglichkeiten zur Interaktion zwischen Mensch und Maschine (dem Rechner oder auch anderen technischen Artefakten) zu schaffen, die der menschlichen Wahrnehmung und dem menschlichen Sinnesapparat besser entsprechen (Foresight UK 1999; Hofmann 2002: 4). Zusammengefasst sind virtualitätsgenerierende Instrumente Kombinationen von Technologien, die es Menschen ermöglichen, reale Objekte, Umgebungen und Prozesse mittels der Abbildung in komplexen Daten grafisch zu verarbeiten und zu visualisieren, durch Simulation Prozesse abbilden zu können und zu manipulieren sowie mit ihnen über verschiedene Interfaces zu interagieren. Diese technischen Systeme und die ihnen zugrunde liegenden Wissensbestände werden eingesetzt, um Anwendern die Möglichkeit zu geben, besser mit aufwändig verarbeiteten Daten und Szenen, die in virtuellen Umgebungen münden, zu interagieren und ein Gefühl der Präsenz zu erfahren. Es handelt sich um komplexe technische Anwendungssysteme, die sich aus einer Vielzahl von technischen Modulen und Komponenten zusammensetzen. Diese sind auf Basis einer bestimmten Architektur entstanden und stellen jeweils spezifische Konfigurationen in einem bestimmten Anwendungszusammenhang dar.
4.1.3 Aufbau und technische Komponenten von VR-Systemen Um Nutzern diese Möglichkeiten zu bieten, benötigt man ein »Virtual Reality System«. Damit sind VR-Technologien Systemtechnologien: In jedem VR-System wird eine neue Systemarchitektur und eine neue Funktionsstruktur für die Art und die Verknüpfungen der Teilfunktionen geschaffen, die sich zu einer übergeordneten Systemfunktion ergänzen (vgl. Wettengl 1999: 26), in diesem Fall die Abbildung und Integration realer oder virtueller Objekte oder Szenen und die Schaffung von virtuellen Umgebungen. Diese Systeme bestehen aus verschiedenen meist informationstechnologischen 4 Komponenten, einem Rechnersystem und den Schnittstellentechno3 | »Virtual reality refers to a set of techniques for creating synthetic, computer-generated environments in which human operators can become immersed« (Lenoir 1999: 227). 4 | Die verschiedenen Komponenten von VR-Systemen gehören nach üblichen Klassifikationssystemen zur Informationstechnologie (EITO 2003: 64ff.). Nach dem NAICS (North American Industry Classification System) zählen verschiedene Produktgruppen zu »VR-Technologien«: Von technischen Komponenten (Kategorie Server bzw. Hardwaresysteme, Computerperipherie und Endgeräte) bis hin zu dazugehörigen Software- und Integrationsdienstleistungen. Hier sei nur erwähnt, dass keine einheitliche Erfassung von VR-Technologien möglich ist, da sich die NACIS- Klassifikationen aus den USA von den europäischen Klassifikationen unterscheiden und diese darüber hinaus aufgrund der Innovationsdynamik der letzten Jahren Veränderungen unterworfen waren.
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logien (Hofmann 2002: 3). Jedes VR-System ist eine anwendungsspezifische Kombination, d.h. Konfiguration von Hardware und Software. Insoweit kann die Darstellung des Auf baus dieser technischen Systeme auch nur eine Annäherung an die meistens verwendeten Systeme sein. Denn die konkreten Systemkonfigurationen können stark abweichen, da nicht alle aufgeführten Komponenten vorhanden sein müssen (Rollwagen 1994: 11). Der jeweilige Auf bau ist abhängig von der, von Nutzern geforderten Präsenzerfahrung, d.h. der Genauigkeit der Darstellung und der Reaktionsgeschwindigkeit (Latenz) des technischen Systems und der virtuellen Objekte/Umgebung. Man unterscheidet zwischen »High-End«-Anwendungen mit speziellen Ausrüstungsgegenständen, Systemen mit vielen spezialisierten Komponenten, die einen hohen Grad an Präsenz in Echtzeit erzeugen, und Low-End Systemen. Darstellung 6: Technische Komponenten eines VR-Systems • Zentraleinheit bzw. Rechnersystem • Software (Betriebssystem, sowie spezielle VR-Softwareapplikationen) • Peripheriegeräte: • Eingabe (›Trackingsysteme‹) • Ausgabegeräte (Sichtgeräte bzw. ›Displays‹) Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Dai 1997; Hofmann 2002; Rollwagen 1994) Für die Generierung virtueller Umgebungen und die Interaktionssteuerung benötigt man schnelle Rechner und große Datenspeicher, hohe Bandbreiten in der Übertragung und schnell reagierende Peripheriegeräte, d.h. Interaktions- und Wahrnehmungsinstrumente (Stanney/Zyda 2002: 6). Ein VR-System besteht meist aus Hardware, wie der Zentraleinheit – also den Rechnersystemen und den Grafikrechensystemen. Der Zentraleinheit kommt die Aufgabe zu, neben der Verarbeitung der Eingabedaten von den Positionsverfolgungsgeräten und den Eingabegeräten, die synthetische/virtuelle Umgebung zu verwalten sowie die Benutzeraktionen mit den internen Abläufen zu synchronisieren. Dabei ist die Zuteilung von Rechenzeit für die einzelnen Prozesse von hoher Wichtigkeit. Hierfür sorgt das Betriebssystem, das spezielle Prioritäten an die Prozesse vergibt (Rollwagen 1994). Neben der Hardware sind vor allem fortgeschrittene Computerprogramme und spezialisierte Software, ganze Betriebsysteme und auch Softwarewerkzeuge zur Grafikerstellung (›Rendering‹), ein integraler Bestandteil von VR-Systemen. Es müssen große Datenmengen verarbeitet werden, um virtuelle Umgebungen zu erzeugen. Innerhalb der sehr weit fortgeschrittenen Software sind dabei die Basis-Software, welche die Basisfunktionalität einer VR-Anlage liefern, wie Covise©, die speziellen Betriebssysteme (wie IRIX©, Solaris, HP-UX, AIX), aber auch Windows und seit neuestem Linux und OpenGL©, DirectX©) sowie spezielle VR-Softwareapplikationen zu unterscheiden. In der weiteren Entwick-
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lung der Computergrafik und der VR-Systeme wurden VR-Applikationen und Modellierungswerkzeuge entwickelt, die über normale Funktionen hinaus anwendungsspezifische Funktionalitäten bieten. Zu den weit fortgeschrittenen VR-Applikationen gehören auch ausgereifte Programme oder ›Bibliotheken‹. In Bibliotheken werden verschiedene virtuelle Objekte gespeichert sind, die dann zur Erstellung von virtuellen Umgebungen und für die geometrische und funktionelle Modellierung (›Rendering‹) verwendet werden können.5 Diese Programme sind Gegenstand von eigenständigen Entwicklungstätigkeiten und bauen auf so genannten Programmierungsinterfaces (»application programming interfaces« (API)) oder so genannten Szenegraphen (wie Java 3d© und OpenSG©) auf, welche die Visualisierung und Simulation von Objekten und Szenen ermöglichen. Besonders im Bereich der Grafikrechensysteme und der Grafikchips hat sich durch Innovationen einiges verändert. So wurden vor allem Grafikkarten verbessert. Heute sind Grafikkarten eigenständige systemische Komponenten. Komplette Grafikanwendungen können heute genutzt werden, wodurch komplexere und aufwändigere Algorithmen zum Rendering verwendet werden können.6 Neben der hohen Grafikrechenleistung sind für VR-Systeme vor allem Peripheriegeräte wichtig. Peripheriegeräte ermöglichen die sinnliche Umschließung und Integration des Nutzers und stellen die Schnittstellen zur Informationsübertragung vom Menschen an das technische System und von Maschine zu Menschen (Hofmann 2002: 4, 209): Dabei sind zur Übertragung der Informationen über die Position und die Aktivitäten des Nutzers zum einen Peripheriegeräte notwendig, die etwaige Veränderungen der Position des Nutzers verfolgen (»tracken«) und die Eingabe von Befehlen ermöglichen, wie normale Eingabegeräte Tastatur oder Mäuse. Zu diesen Eingabegeräten gehören aber auch Sensorsysteme – verschiedene elektromechanische und elektromagnetische, akustische sowie optische Geräte – zur Positionsverfolgung des Nutzers (»Trackingsysteme«),7 wie VRHandschuhe, welche die Informationen über den Nutzer und dessen Position an den Rechner weitergeben. So wird durch leichte Stoff handschuhe – so genannte Datenhandschuhe – die virtuelle Umgebung erst »greif bar«. Durch sie werden Bewegungen der Hand – die Interaktionsanforderung – an den Rechner übertragen, der dann die Daten der realen Bewegung in die virtuelle Darstel5 | »The development of virtual reality has produced knowledge for computing textures, lights and shadows. This innovation leads us, from formal geometric structures to an imitation of reality – a structured reality, which introduces this technology in the new imaginary world« (Pignon 1999: 7) 6 | »The fast development of commodity graphics hardware towards complex and fully programmable graphics processing units (GPU) allows the implementation of more and more sophisticated rendering algorithms directly on the GPU« (Schulze Döbold 2003: 26). 7 | Für einen Überblick über im Jahr 2005 verfügbare Tracking-Systeme siehe Vince 2004: 155.
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lung übersetzt. Mit diesen Informationen über die Position des Nutzers ist das technische System fähig, jeden Wechsel der Blickrichtung oder der Position des Anwenders im dreidimensionalen Raum und jede Interaktionsanforderung zu verfolgen. Darauf hin errechnet der Computer in Echtzeit die entsprechenden, perspektivisch veränderten Bilder. Das Rechensystem gleicht die Körperposition mit den gespeicherten Daten der virtuellen Umgebung ab und passt die Darstellung der virtuellen Umgebung entsprechend an. Erfolgt die technische Informationsverarbeitung und Weiterleitung ausreichend schnell, wird dem menschlichen Wahrnehmungssystem suggeriert, der Mensch befände sich in der dreidimensionalen, computergenerierten Umgebung. Um die computergenerierten, virtuellen und erweiterten Umgebungen oder einzelne Objekte dem Nutzer darstellen zu können, werden spezielle Ausgabemedien und Sichtgeräte wie Projektionssysteme und VR-Helme8 benötigt. So werden in der Automobilindustrie Caves9 und akustische Ausgabegeräte, wie Lautsprechersysteme, verwendet und im Raumklangverfahren parallel und synthetisch generierte Geräusche etwa von quietschenden Reifen in einer Kurve eingespielt. Dies führt dazu, dass der Anwender tief in die virtuelle Welt eintauchen kann. Daneben sind heute vor allem haptische Ausgabegeräte im Einsatz. Diese Geräte beziehen die Bewegungen des Körpers oder des Kopfes ein, um die Navigation in virtuellen Umgebungen zu erleichtern. In Zukunft ist auch die Nutzung kinästhetischer sowie auf den Geruchssinn ausgelegter Ausgabegeräte denkbar.
4.1.4 Dif ferenzier te Charak terisierung von VR-Technologien Virtualitätsgenerierende Instrumente sind, wie gezeigt, komplexe, technische Systeme, die aus verschiedenen Komponenten und Wissensbeständen bestehen, die in vielen Anwendungsbereichen eingesetzt werden können. Es handelt sich um generische Technologien. Diese »All-Zweck-Technologien« (»general-purpose technologies«) (Shinn 2003) werden als Instrumente – vergleichbar mit Lasern oder Rasterelektronenmikroskopen – eingesetzt, um in vielen verschiedenen Anwendungsbereichen als Werkzeuge zu dienen und Probleme zu lösen. VR-Technologien werden hier aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit 8 | VR-Helme (»Head Mounted Displays«) sind ein wichtiges Hilfsmittel zur Immersion in virtuelle Umgebungen. Es handelt sich um helmartige Geräte, die über den Kopf gezogen werden, damit Augen und Ohren während der Aktivitäten in virtuellen Umgebungen bedeckt sind. In einem HMD ist ein kleiner Bildschirm vor jedem Auge angebracht und Kopf hörer an jedem Ohr. Ein Sensor, der ein Magnetfeld nutzt, um die Position und die Ausrichtung des HMD zu messen, sorgt dafür, dass der Nutzer jederzeit in seiner Bewegung erfasst wird und dass Daten über Bewegungen des Kopfes zum Rechner gelangen. Für einen Überblick vgl. Vince 2004: 154. 9 | Aufwendige Projektionssysteme werden CAVEs (»Cave Automatic virtual environment«) genannt. Es handelt sich um begehbare Räume, bei denen halbdurchlässige Seitenwände sowie Boden und Decke als Projektionsflächen genutzt werden.
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und ihrer Entstehungslogiken im Rückgriff auf Erkenntnisse aus dem Bereich der sozialen Gestaltung von Technologien als spezifische technologische Konfigurationen aufgefasst. Die jeweiligen technischen Systemidentitäten und Konfigurationen der Komponenten, die benutzt werden, um virtuelle Umgebungen zu generieren, entstehen aus den Anforderungen der Nutzer und deren Interaktionen in dem entsprechenden Anwendungskontext (Peine 2006: 110ff.): So werden zur Konfiguration von Visualisierungssystemen unterschiedliche Komponenten von verschiedenen Herstellern durch die Anwender, wie Daimler in der Automobilindustrie, integriert und dann als Produktionstechnologie spezifisch kombiniert. Um die Entwicklung dieser generischen Technologien und der Komponenten beschreiben zu können und auf den Zusammenhang von Zeit und Innovation schließen zu können, wird auf eine Charakterisierung von Technologien zur Beschreibung von Technikentwicklungen nach Stankiewicz zurückgegriffen (Stankiewicz 1990). Stankiewicz unterscheidet zwischen den bestehenden gerade in Benutzung befindlichen Systemen (›technical-systems-in-use‹) und den technologischen Wissensbeständen, die mit den bestehenden technischen Systemen verbunden sind und die diesen zugrunde liegen. Um Technikentwicklungsprozesse detailliert beschreiben zu können, betrachtet Stankiewicz vor allem die Entwicklung von Wissen differenziert. Er führt aus, dass sowohl die Entwicklung von Grundlagenwissen als auch anwendungsorientiertem Wissen neben der Entwicklung von technologischen Artefakten betrachtet werden sollte. Denn seiner Meinung nach, gehen die jeweiligen technischen Anwendungssysteme aus dem Wissen hervor (Stankiewicz 1990: 15). Bei der Betrachtung des für die Entwicklung benötigten Wissens unterscheidet er weiter zwischen Erkenntnissen über die funktionellen Anforderungen von verschiedenen technischen Systemen, dem Wissen über die (Anwendungs-)Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen natürlichen Prozesse und Strukturen, wie auch Entwurfskonzepten (›Know-how‹) (Stankiewicz 1990: 15). Im Zusammenhang mit den in Benutzung befindlichen Systemen schlägt er vor, diese zum einen anhand ihrer Funktionen zu beschreiben, für die sie entwickelt werden. Darüber hinaus soll man die technischen Systeme anhand ihrer Subsysteme und Komponenten sowie anhand der Entwurfskonzepte, die die Subsysteme zu einem funktionierenden Ganzen machen, beschreiben (Stankiewicz 1990: 15). Gerade bei VR-Technologie ist es angebracht, zwischen Wissen und den technischen Artefakten zu unterscheiden. Denn das Wissen um die grundsätzlichen Anforderungen und um die Praktiken, wie man diese benutzt, hat großen Einfluss auf ihre Verbreitung. VR-Technologien stellen sich in differenzierter Perspektive folgendermaßen dar:
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Darstellung 7: Synchronisationsorientierte Charakterisierung von VR-Technologien 1.
In Benutzung befindliche Systeme: Die jeweiligen Konfigurationen von VR-Systemen, wie bspw. ein SGIVisualisierungssystem
1.1 Funktionen der Systeme: Visualisierung, Simulation, Ermöglichung von Interaktion für Nutzer in virtuellen Umgebungen. 1.2 Komponenten bzw. Subsysteme eines VR-Systems: Die technische Hardware, wie Zentraleinheiten (Rechner) und Peripheriegeräte (Eingabegeräte, Sensoren, Displays) 1.3 Entwurfskonzepte, die Komponenten zu einem funktionierende Ganzen machen: Rechnerarchitekturen, Systemkonfigurationen, Betriebssysteme, VRBetriebssysteme wie Covise. 2.
Wissensbestände in Verbindung mit VR: Sämtliches Grundlagen- und Anwendungswissen, was diesen Systemen zugrunde liegt
2.1 Erkenntnisse über die funktionellen Anforderungen von technischen Systemen: Erkenntnisse über Prinzipien der grafischen Datenverarbeitung (Rendering und Shading); Erkenntnisse über Rechenzeiten und Latenz von Systemen für die Berechnung bestimmter Umgebungen. 2.2 Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen der natürlichen Prozesse und Strukturen, die in technischen Anwendungen genutzt werden können: Erkenntnisse über die Validität von Algorithmen und Rechenoperationen, die Visualisierungen und Simulationen zugrunde liegen; Erkenntnisse über die Kompression komplexer Daten; Wissen, welche Faktoren zu mehr Präsenz beitragen. 2.3 Wissen über Entwurfskonzepte: Wissen, wie man VR-Systeme und deren Komponenten effizient integriert; Wissen, wie man mit Visualisierungssystemen arbeitet; Erkenntnisse, wie man Architekturen entwirft, um fähig zu sein, einzelne Rechensysteme in Netzwerke einzubinden; Wissen, wie verschiedene Komponenten über Software mit wenig Zeitverzug angesteuert werden.
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4.2 Die Ent wicklung von VR Um die rasante Entwicklung in Wissens- und Technologiefeldern rund um Visualisierung, Simulation und Präsenzerzeugung genauer verstehen und für eine Fallanalyse des Zusammenhangs von Zeit und Innovation in der Entwicklung von VR-Technologien rekonstruieren zu können, wird auf Ergebnisse von bisher vorliegenden Forschungsarbeiten zurückgegriffen. 10 Um Hinweise auf die Entstehung in Hinblick auf das Zustandekommen von virtualitätsgenerierenden Instrumenten, deren Komponenten sowie die tragenden Akteure mit deren strategisch-zeitlichen Orientierungen zu erhalten wird selektiv sowohl auf Zeitdokumente und Expertendarstellungen der Entwicklung (Encarnação et al. 2001; Stanney/Zyda 2002; Stone 2002) als auch auf Sekundäranalysen (Lenoir 1999; Swann/Stone 2002; Swann/Watts 2003) zurückgegriffen.
4.2.1 Ver teilter Ent stehungsprozess von VR-Technologien Auf Basis dieser Quellen ergibt sich, dass virtualitätsgenerierende Instrumente verteilt entstanden sind: Sowohl Wissensbestände als auch Komponenten sowie die komplexen technischen Systemkonfigurationen sind aus der mehr oder weniger strukturierten Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Akteure – Wissenschaftlern, Unternehmern und Forschungspolitikern zustande gekommen (Lenoir 1999). Gerade Lenoir zeigt, dass es sich bei virtualitätsgenerierenden Instrumenten um generische Technologien handelt, deren Weiterentwicklung von verschiedenen Wissens-, Anwendungs- und institutionellen Bereichen und sozialen Subsystemen abhängt (Lenoir 1999). Obwohl er es versäumt, zu erfassen, welche Akteure und Komponenten besonders wichtig für die Weiterentwicklung von VR gewesen sind, zeigt er, dass verschiedene Akteure in unterschiedlich geprägten Arenen und in vielen Anwendungsbereichen mit ihren Impulsen zur Weiterentwicklung verschiedener Komponenten und Wissensbestände von virtualitätsgenerierenden Instrumenten beigetragen haben. Er weist darauf hin, dass die Zusammenarbeit von verschiedenen öffentlichen und privaten Akteuren – Regierungsagenturen, Universitäten und Unternehmen aus verschiedenen Branchen – für die Entwicklung von VR-Technologien wichtig gewesen ist (Lenoir 1999: 226, 247). So zeigt Lenoir, dass die Entwicklung der VR-Technologien durch die öffentliche Forschungsförderung ermöglicht wurde. Durch die Förderung der Forschung und Ausbildung im Bereich VR und der Computergrafik sowie der Finanzierung der Entwicklung von Anwendungen und patentierten technischen Lösungen, wurden Wissenschaftlerpersönlichkeiten unterstützt. Die Forschungsförderung hat eine Inf10 | In den USA (vgl. National Research Council 1999), in Großbritannien (vgl. Foresight UK 1999; Woolgar 2002) und in Deutschland (vgl. Glitz 1994) sind aufgrund intensiver Förder- und Forschungsbemühungen verschiedene Studien (vgl. Durlach/Mavor 1995) zur Frühauf klärung der Potenziale von VR und Informations- und Kommunikationstechnologien entstanden.
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rastruktur zur Grundlagen- und Anwendungsforschung und Ausbildung für das Feld der Computergrafik und VR geschaffen. Dadurch, dass kontinuierlich Wissenschaftler ausgebildet wurden, haben sich auch wissenschaftliche Anwendungsgemeinschaften gebildet, in denen Lösungen, Pilotanwendungen, Instrumente und Methoden entwickelt wurden. Auf dieser Basis haben einige Wissenschaftler das notwendige Grundlagen- und Anwendungswissen aufgebaut und wurden schließlich zu führenden Unternehmern und Experten im Feld der VR-Technologien. Auf Basis öffentlicher Förderung und relativ geringen Investitionen sind also neue vermarktbare technische Anwendungen, neue Unternehmen und dann auch neue Märkte für VR-Technologien entstanden (Lenoir 1999: 228ff.). Lenoir unterstreicht, dass die Entwicklung der VR-Technologien von der Wissenschaftsarena ausging. In der wissenschaftlichen Arena haben Forscher und Experten aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsfeldern wie der Computergrafik, der Bildverarbeitung, des computergestützten Designs, des User-Interfacedesigns, der Psychologie, der Robotik, der Haptik, der Informatik, wie auch der Telekommunikationstechnik zusammengearbeitet, um VR-Systeme zu entwickeln (Lenoir 1999: 226). Lenoir sieht die wissenschaftlichen und anwendungsorientierten Netzwerke sowie die Entwicklungsgemeinschaften als Quelle der Innovation im Bereich von VR-Instrumenten: Gemeinschaften, die sich rund um die ab 1974 jährlich stattfindenden Konferenzen der Interessengruppe Grafik (›SIGGRAPH: Special Interest Group on Graphics‹) der Vereinigung von Computerherstellern (›ACM: Association for Computing Machinery‹) gebildet haben, haben zufolge Lenoir großen Einfluss auf die Technologieentwicklung. Vor allem die jährliche Konferenz SIGGRAPH, hat als Plattform für Forscher und Praktiker aus verschiedenen Bereichen gedient. Diese Konferenz ermöglicht es Forschern und Praktikern bis heute sich über neue Ideen, Forschungsergebnisse und Pilotanwendungen auszutauschen, sich gegenseitig zu motivieren und so die Basis für eine Zusammenarbeit zu schaffen, die dann zu wichtigen Impulsen für die Weiterentwicklung von VR-Technologien geführt hat und bis heute führt (Lenoir 1999: 230). Durch diese Zusammenarbeit der Wissenschaftler werden Anwendungspotenziale von Technologien deutlich, weiteres anwendungsrelevantes Wissen wird produziert, funktionierende Anwendungen werden entwickelt. Diese Impulse aus der Wissenschaft haben auch viele Unternehmen dazu gebracht, ihre Zurückhaltung aufzugeben – in VR-Technologien zu investieren und diese selbst weiterzuentwickeln (Lenoir 1999: 235, 247). Lenoir verdeutlicht auch, dass Fortschritte im Bereich der Datenverarbeitung und der Weiterentwicklung von Informationstechnologien nur selten vorhersehbar und stetig verlaufen sind: Die Entwicklung von VR-Technologien wurde dadurch befördert, dass zu verschiedenen Zeitpunkten – begünstigt durch rechtzeitige Entwicklungen von Komponententechnologien – Konvergenzen von technologischen Entwicklungen und Lösungen stattgefunden haben: Vor allem Mitte der 1990er Jahr haben sich Entwicklungen verschiedener Bestandteile von VR-Systemen – Entwicklungen im Bereich High-End-Rechnerarchi-
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tekturen, der grafischen Datenverarbeitung und der Software – ergänzt. Durch diese Konvergenzen von Technologien kam es zu Veränderungen der Architektur von Systemen, wie auch zur Veränderung von einzelnen Komponenten: Während noch vor wenigen Jahren spezielle Hochleistungsrechner dazu nötig gewesen sind, reichen heute oftmals gängige Personalcomputer und einfache Bedienungs- und Empfangsgeräte in Kombination mit besserer Software zum rendering und zur Rechnersteuerung aus, um »Künstliche Realität« zu simulieren. Durch diese Konvergenzen unterschiedlicher, komponentenspezifischer Entwicklungen wurde eine Weiterentwicklung von VR ermöglicht, die Möglichkeiten zur Kombination bestehender Komponenten und die Entwicklung neuer Anwendungen, ganz neue Marktpotenziale wurden geschaffen (Lenoir 1999: 244).
4.2.2 Massive Ausweitung der Anwendung von VR-Technologien Diese Ausweitung von Möglichkeiten zur Kombination und Entwicklung neuer VR-Anwendungen in den letzten Jahrzehnten führt dazu, dass heute VR-Systeme und virtualitätsgenerierende Instrumente in verschiedensten Konfigurationen teils auch sehr kostengünstig in verschiedenen Anwendungsfeldern eingesetzt werden. VR-Systeme wurden ab Ende der 1990er Jahre billiger und leistungsfähiger. Es hat eine massive Ausweitung der Anwendungsbereiche und auch der Potenziale von VR-Technologien stattgefunden. Und diese Entwicklung schreitet durch die innovativen Impulse verschiedener Akteure voran: Sowohl die Forschungsförderer mit ihrer Finanzierung von oft grundlagenorientierter, teils auch pilotorientierter Forschung, als auch Wissenschaftler durch ihre anwendungs- und grundlagenorientierte Forschung, und vor allem Unternehmen, tragen durch Investitionen und ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zur Weiterentwicklung von VR-Systemen bei: Sind früher VR-Anwendungen auf einige Bereiche, wie die militärischen und forschungsorientierten Anwendungen beschränkt gewesen, haben, ab Anfang der neunziger Jahre, einige große Unternehmen in den USA mehr Anwendungen zur Visualisierung und Simulation nachgefragt. Dies hat dazu beigetragen, dass sich weltweit an verschiedenen Standorten und verschiedenen Branchen eine große Nachfrage nach fortgeschrittenen VR-Anwendungen herausgebildet hat, wodurch technologierorientierte Unternehmen in diesem Bereich hohe Umsätze mit diesen Anwendungen und Komponenten erzielen. So zeigen verschiedene Studien, dass heute VR-Technologien in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Die Simulations- und Visualisierungstechnologien haben zwar immer noch den Status von zukünftigen, sich gerade entwickelnden Technologien. Aber, wie die Entwicklung der Marktvolumina von Präsenz erzeugenden Instrumenten zeigt, gewinnen die virtualitätsgenerierenden Instrumente und Anwendungen, die technischen Lösungen und Dienstleistungen als Marktsegment an Bedeutung. Die weltweiten Umsätze mit VR und damit zusammenhängenden technischen Lösungen
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und Dienstleistungen sind von 22 Mrd. $ im Jahr 2001 auf über mehr als 43 Mrd. $ im Jahr 2004 angestiegen (CyberEdge Information Services 2001- 2003) und werden auch in Zukunft noch weiter ansteigen. Im Jahr 2004 sind etwa 75 verschiedene Hauptanwendungen von VR-Technologien in verschiedenen Bereichen bekannt (vgl. Baratoff 2004; Blade/Padgett 2002; Dai 1998; Encarnação et al. 2002; Stanney/Zyda 2002; Stone 2002; Vince 2004). Anwendungen werden einerseits – wie von jeher – im militärischen und quasi-militärischen Bereich im Zusammenhang mit Kampfsimulationen, Terrorbekämpfung und Katastrophenschutz eingesetzt. Daneben gewinnen Präsenz generierende Anwendungen als Instrumente zur wissenschaftlich orientierten Visualisierung in verschiedensten Bereichen, vor allem der medizinischen und der biotechnologischen Forschung an Bedeutung (vgl. Feldman 2005). So wurden in den Anwendungsbereichen Medizin und Biotechnologie mit VR-Technologien und dazugehörigen Dienstleistungen im Jahr 2003 weltweit Umsätze von ca. 8.7 Mrd. US$ gemacht (CyberEdge Information Services 2004). Andere wichtige Bereiche der Anwendung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten liegen vor allem in der verarbeitenden Industrie (vgl. Gausemeier/Grafe 2004; Grebner 1995; Ong 2004). Wie verschiedene Studien zeigen, bestehen gerade in der verarbeitenden Industrie noch große Potenziale für die Anwendung von VRTechnologien in der Planung und in der Prozess begleitenden Verbesserung von Fertigungsprozessen – nur 10 % der bisher entwickelten Lösungen sind für den Einsatz in der verarbeitenden Industrie evaluiert (Ong/Nee 2004; Shewchuk/ Chung/Williges 2002: 1119). Vor allem in der Automobilindustrie wurden VR-Technologien im Vergleich zu anderen Branchen sehr früh in der Produktentwicklung – zum Erschaffen von virtuellen Prototypen und zur Visualisierung und Evaluation von Designentwürfen – eingesetzt. Heute wird VR in der Automobilindustrie zum Innendesign, Prototyping, Motorendesign, Produktion, Kollisionsdetektion, Herstellbarkeitsuntersuchungen, Styling und zum Marketing eingesetzt (vgl. Dai 1996; Frampton 2003; Ovtcharova 2004; Scharm 1999; Stone 2002; Vision 2004). Besonders in der Automobilindustrie wurden VR-Werkzeuge, Wissensbestände und Software entwickelt und erweitert sowie Komponenten und VR-Systeme verbessert, um Prozessinnovationen zu realisieren: So werden virtualitätsgenerierende Instrumente primär eingesetzt, um die Zusammenarbeit der Entwickler zu verbessern, dadurch Produktentwicklungszeiten zu verkürzen, Kosten für reale Prototypen zu senken, Fehlerquoten und Produkte zu verbessern und auch bessere Dienstleistungen anbieten zu können (vgl. Dai 1996; Grebner 2002; Intelligent Systems Report 2002; Ovtcharova 2004; Scharm/Breining 1999; Scharm/Breining 2001). Auch in der chemischen Industrie werden Systeme, Komponenten und Wissensbestände rund um die Virtualitätsgenerierung und Simulation, z.B. zur Visualisierung von Geschäftsdaten angewendet (vgl. Stone 2002). Auch im Energiesektor werden VR-Werkzeuge vermehrt angewendet bspw. zur Exploration von Lagerstätten von Energievorkommen sowie zur Planung von Energieerzeugungsanlagen. Daneben werden auch in der Unterhaltungsbranche, in Vi-
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deospielen oder für Museen, verstärkt VR-Technologien und Dienstleistungen eingesetzt (vgl. Badiqué 2002; Roussou 2000). So konnten verschiedene Anbieter weltweit Umsätze von ca. 16 Mrd. $ im Jahr 2003 im Unterhaltungs- und Bildungsbereich generieren. Gerade in der Unterhaltungs-, Spiele-, Medienund Lernindustrie sind in den nächsten Jahrzehnten noch viele spannende Entwicklungen zu erwarten, da durch neue Sichtgeräte (»Displays«) und durch besser auf Nutzer zugeschnittene Rechnersysteme sowie durch mobil nutzbare Anwendungen neue Einsatzmöglichkeiten von VR–Technologien geschaffen werden (Badiqué 2002: 1144ff.).
4.2.3 VR-Systemgenerationen abhängig von Kompatibilitäten und Konvergenzen von Komponententechnologien Nicht nur Lenoir auch Encarnação und Kollegen weisen als Forscher und Praktiker mit der Beschreibung von verschiedenen VR-Systemgenerationen darauf hin, dass sich VR durch Kompatibilitäten 11 und Konvergenzen von Komponententechnologien extrem weiterentwickelt hat. Encarnação et al. ziehen eine Bilanz Forschung und Entwicklung im Bereich der Virtuellen und erweiterten Realität für den Zeitraum von 1990 bis 2000. Sie weisen darauf hin, dass sich in dieser Zeit die im Einsatz befindlichen technischen VR-Systeme und deren Komponenten (Systemplattformen, Wissenskomponenten (wie bspw. Datensätze), Datenanbindungen, Tracking- und Interaktionssysteme stetig weiterentwickelt haben, wobei sie verschiedene Generationen der Entwicklung von VR-Technologien identifizieren (Encarnação/Müller/Stork 2001). Sie gehen zwar nur partiell darauf ein, dass bestimmte Wissensbestände auch Teil der Entwicklung von VR-Technologien sind, trotzdem ist ihre Beschreibung für die Rekonstruktion der VR-Entwicklung relevant. Nach ihrer Meinung ist der Zeitraum von 1990 bis 1995 als die erste Generation, die Pionierzeit in der Entwicklung von VR-Technologien, einzuschätzen, weil es viele Visionen ohne wirklichen Anwendungszusammenhang gegeben hat. In dieser Pionierzeit wurde viel experimentiert und nach Lösungen gesucht. Die Datenverarbeitungskapazitäten wurden auf Basis neuer Grafikhardware verbessert und in Verbindung mit neuen Ein- und Ausgabegeräten wurden Forscher in die Lage versetzt, komplexe Datenmengen darzustellen und neue Mensch-Maschine-Schnittstellen zu entwerfen. Dadurch sind auch erste
11 | In diesem Zusammenhang werden – wie Wettengl verdeutlicht – mit dem Begriff Kompatibilität zwei Sachverhalte beschrieben. Zum einen verweist Kompatibilität auf den dynamischen Wirkzusammenhang, in dem die Weiterentwicklung von Technologien von vorher erfolgten Entwicklungsimpulsen anderer Akteure abhängt. Zum anderen verweist Kompatibilität, im ursprünglichen Sinn, auf den statischen Konstruktionsund Bauzusammenhang der technischen Teilsysteme eines Produktes oder Verfahrens. Hier bezieht sich Kompatibilität darauf, dass die Komponenten miteinander in Funktion gebracht, integriert werden können (vgl. Wettengl 1999: 24).
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Anwendungsprototypen für die Bereiche Architektur, Medizin und Marketing entstanden (Encarnação et al. 2001: 145). Diese Anwendungsprototypen und das aufgebaute Wissen um Visualisierung wurden in der zweiten Generation der Entwicklung von VR-Technologien (1995-2000) in einen Anwendungszusammenhang gestellt. Vor allem große Automobilhersteller haben mit ihren Anforderungen die weiteren Entwicklungspfade von VR mit gestaltet und VR-Anwendungen rasant weiterentwickelt, um durch Einsatz von VR Produktentwicklungskosten reduzieren zu können (Encarnação et al. 2001: 143): In der zweiten Generation der Entwicklung von VR wurden die technologischen Visionen besser an technologische Machbarkeiten und vor allem an die Anforderungen der Nutzer angepasst (»Tool instead of toy«). Dabei wurde die Weiterentwicklung von VR-Werkzeugen im Automobilbau dadurch begünstigt, dass ergonomisch bessere Alternativen im Bereich der so genannten immersiven Projektionstechnologien, wie Stereoleinwände (›CAVE‹), für die mit großen Akzeptanzproblemen behafteten Datenhelme und Datenhandschuhe gefunden worden waren. Insoweit hat also die Weiterentwicklung von Komponenten, vor allem der Display- und Projektionstechnologien, den Einsatz von ersten VR-Produkten im Automobilbau ermöglicht, wo sich diese bald als wichtigstes Werkzeug im Kontext der digitalen Produktentwicklung etabliert haben (Encarnação et al. 2001: 143-145). Nach Encarnação et al. haben verschiedene Konvergenzen und dadurch entstehende Kompatibilitäten ab dem Jahr 2000 zur Entstehung der dritten Generation von VR-Anwendungen – der Generation von Mixed-Reality-Systemen – geführt (Encarnação et al. 2001: 147). Das mehr oder weniger zufällige Zusammenfallen von Entwicklungen – vor allem der Steigerung der Leistungsfähigkeit von Grafikchips bei sinkenden Kosten, die Entwicklung neuer Displaytechnologien, wie auch die Entwicklung von mobilen IuK-Technologien –, ermöglichte es Entwicklern nun, umfassende Mensch-Maschine-Systeme zu entwickeln. Diese Systeme ermöglichen auf Basis von Sprache, Gestik und Haptik und von intuitiven und physikalisch-basierten Interaktionsmetaphern, eine kontextabhängige Informationsbereitstellung und die intelligente Benutzerführung in gemischten und erweiterten Umgebungen. Für die Rekonstruktion der Entwicklung von VR-Technologien ist nach Encarnação et al. festzuhalten, dass es sich um eine systemisch vernetzte Entwicklung handelt: VR-Systeme sind als integrierte Anwendungssysteme Systeminnovationen. Deren Entwicklung ist von der gleichzeitigen Entwicklung und der Kompatibilität von Komponententechnologien und von Konvergenzen abhängig. So wurde die Weiterentwicklung von VR vor allem durch zeitlich kohärente Entwicklungen in verschiedenen Wissens- und Technologiefeldern – der Zunahme der Leistungsfähigkeit und die Senkung der Kosten für Komponententechnologien begünstigt. Die Entwicklung der heute in Benutzung befindlichen, Präsenz erzeugenden Techniksysteme – der VR-Technologien – ist keine singuläre Innovation. Vielmehr sind diese Instrumente aus mehreren autonomen, mit spezifischen Logiken verlaufenden, teils komplementären Entwicklungsprozessen von technologischem Wissen und Artefakten, wie auch Dienstleistungen,
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die durch unterschiedlich orientierte Forscher und Entwickler mit multi-disziplinärem Hintergrund vorangetrieben wurden, entstanden. Die heutigen VR-Technologien sind aufgrund eines multidisziplinären, grundlagen- und anwendungsorientierten ›knowledge-pushs‹ und der angewandeten Entwicklung von Unternehmen vor allem der Automobilunternehmen als ›Lead-User-Producer‹ entstanden. Durch den Realitätsabgleich der Experimente mit Anforderungen in der industriellen Fertigung, wurden aus technischen VR-Spielereien ernst zunehmende Prozesstechnologien, die ständig weiterentwickelt werden und dadurch auch für andere Branchen interessant werden. Die komplexen Produkte, Dienstleistungen und Systemtechnologien im Bereich VR sind dadurch zustande gekommen, dass die wissensbasierten und technischen Impulse verschiedener Akteure, die mit eigenen Entwicklungslogiken in ihrem Bereich, Wissensinhalte und Komponenten produziert haben, durch Konvergenzen und entstehende Kompatibilitäten zur Entstehung von neuen, leistungsfähigeren technischen Konfigurationen beitragen. So hat die gleichzeitig stattfindende, rasante Verbesserung der Rechenkapazitäten – der Fähigkeit, große Datenmengen mit Software rechnergestützt schnell zu verarbeiten, der Zuwachs und die Reifung von universellen Netzwerken, und das bessere Wissen um verteilte Rechnerarchitekturen und deren Steuerung – zusammen mit der Weiterentwicklung von Peripheriegeräten im Anwendungszusammenhang Kombinationen von Technologien ermöglicht. Konvergenzen unterschiedlicher technischer Entwicklungslinien haben zum einen zu einem Preisverfall für Rechenkapazitäten geführt. Schnellere Standardprozessoren und der Rückgriff auf leistungsfähige, kostengünstige PC-Hardware in Grids (Rechnernetzwerken), haben dazu geführt, dass die Kosten für ein leistungsfähiges Grafikrechensystem, die in den 90er Jahren noch bei ca. 500.000 Deutschen Mark für einen SGI-Rechner lagen, für einige Anwendungen heute bei noch ein paar Zehntausend Dollar liegen. Doch nicht nur die Hardware und Rechenkapazitäten haben sich weiter entwickelt. Zeitgleich wurden teils von den gleichen, teils von anderen Entwicklern Algorithmen stark optimiert. Es gab Fortschritte im Bereich der Computergrafik und Simulation. Wissensbestände wie die Beschreibungs- und Programmiersprachen für VR haben sich wie die Entwicklungen verschiedener Versionen der Virtual Reality Modeling Language (VRML) und auch in Form von Grafikbibliotheken zeigen, stetig weiterentwickelt. Es standen nun mehr Algorithmen (Rendering und Shadingverfahren), virtuell generierte Objekte und Szenen zur Verfügung, auf die Entwickler zurückgreifen können. Gleichzeitig haben sich auch CAVEs und andere Projektionstechnologien weiterentwickelt. Dieser Preisverfall zusammen mit der stetigen Verbesserung der Software und der Projektionstechnologien und Peripheriegeräte, haben dazu geführt, dass sich die heutige Generation der VR-Systeme entwickelt hat. Mit anderen Worten verdeutlicht die Rekonstruktion: Die Entwicklung der generischen VR-Technologien wurde dadurch begünstigt, dass durch relativ autonome Entwicklungen kostspielige Komponenten durch kostengünstigere ersetzt und neue leistungsfähigere Komponenten hinzugefügt werden konn-
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ten, dass verschiedene neue leistungsfähigere und kostengünstige Lösungen kombiniert werden konnten, wodurch dann neues Wissen, neue Architekturen und Konfigurationskonzepte – im Endeffekt neue bessere und komplexere Anwendungssysteme entwickeln ließen:
4.2.4 Über zogene Er war tungen und Ver zögerungen der VR-Ent wicklung Swann geht noch über die Feststellung der Kompatibilitätsanforderungen und Konvergenzen hinaus. Er hat sich mit Kollegen in zwei Untersuchungen (Swann/Stone 2002; Swann/Watts 2002) eingehend mit der Geschwindigkeit der Entwicklung von VR-Systemen auseinandergesetzt. Er hat zusammen mit Watts die Erwartungen an VR-Technologien untersucht und festgestellt, dass zu wenig Koordination der Akteure stattgefunden hat, weswegen diese Entwicklung langsamer verlaufen ist, als anfangs von vielen Experten und Praktikern erwartet wurde (Swann/Watts 2002): Nach Auffassung von Swann und Watts haben sich VR-Technologien – gerade die vermarktbaren technischen Systeme – deswegen langsamer entwickelt, da sie sich zu lange in einem »vorparadigmatischen Zustand« befanden. Die Fülle an Anwendungsmöglichkeiten, Ideen, Paradigmen, Standards und Traditionen bezüglich VR aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, anwendungsorientierten Gemeinschaften und auch Branchen ist zu groß gewesen. Es hat ein zu breites Spektrum von Bedeutungen und Einschätzungen hinsichtlich des Potenzials und nur wenig aussagekräftige Nutzerprofile von VR-Technologien gegeben. Dies hat nach Meinung von Swann und Watts den Verkauf dieser Anwendungen schwieriger gemacht (Swann/Watts 2002: 51, 58, 59). (Swann/Watts 2002: 59). Swann und Watts implizite These ist, dass sich Technologien dann schneller entwickeln, wenn ein einheitliches Paradigma besteht: Technologien können dann schnell weiterentwickelt und vor allem vermarktet werden, wenn gefestigte begriffliche Standards und vor allem gemeinsame Vorstellungen der Kunden und Hersteller über die Leistungs- und Einsatzfähigkeit der Technologien bestehen (Swann/Watts 2002: 42). Swann und Watts zeigen, dass die VR-Technologien der so genannten ›Paradoxie der Ubiquität‹ zum Opfer gefallen sind. Anfangs haben Impulse verschiedener Akteure und zufällig entstehende Kompatibilitäten zu Kombinationen verschiedener Technologien beigetragen, mehr VR-Anwendungen haben sich schneller entwickelt als erwartet haben. Dann allerdings wurden die Erwartungen an Weiterentwicklungspotenziale von VR-Anwendungen auf Basis der bisherigen Erfahrungen und der vollmundigen Versprechungen von Anbietern und Entwickler höher. Große Erwartungen (›Hype‹) wurden aufgebaut, es wurde mehr in die Entwicklung von VR investiert. Die Börsenkurse der Produzenten von VR-Technologien sind in dieser ›Hype‹-Phase steil angestiegen. Dann allerdings haben sich die Erwartungen nicht so schnell realisiert. Viele Anwendungen konnten nicht so schnell entwickelt werden, wie anfangs gedacht. Die technische Entwicklung verlief einfach langsamer. Viele Investoren wurden
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abgeschreckt, die Börsenkurse und auch die Finanzierungsmöglichkeiten von Technologieanbietern verschlechterten sich, es gab einen generellen Vertrauensverlust auf Seite der Abnehmer dieser Technologien. Dies wiederum führte dazu, dass weniger investiert wurde. Dies führte dann auch dazu, dass viele Entwicklungsunternehmen die VR-Entwicklung nicht mehr weiterführten oder mit weniger Nachdruck weiterführten, wodurch im Endeffekt die Entwicklung noch langsamer verlief. Um diese Entwicklung genauer zu untermauern, setzt sich Swann zusammen mit Stone in einem anderen Beitrag damit auseinander, wie Technologiedienstleister, meist kleine Unternehmen, beim Angebot und Verkauf von VR-Technologien vorgegangen sind (Swann/Stone 2002). Swann und Stone betrachten, wie sie die Erwartungen ihrer Kunden strukturiert und dabei auch zeitliche Zielvorgaben gemacht haben. Swann und Stone unterstellen dabei, dass besonders die Technologiedienstleister im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Zunahme von Leistungs- und Einsatzfähigkeit von VR in industriellen Anwendungen zu vollmundige Ankündigungen gemacht haben. Durch das Schüren von überzogenen Erwartungen haben die Akteure selbst dafür gesorgt, dass diese Technologien nicht kontinuierlich weiterentwickelt wurden. Sie haben nach einer vorausgegangenen Phase des aufkeimenden, großen Interesses von Seiten der Industrieunternehmen weitere Entwicklungen durch überzogene Erwartungen überfrachtet. So stellen Swann und Stone die Hypothese auf, dass die Verkaufspraktiken, vor allem die Angabe von zu ambitionierten Zeiträumen der Anwendungs- und Marktreife von VR, signifikante Effekte auf das Marktpotenzial hatten: Sie unterstreichen, dass einige Hersteller durch ihre wenig adäquaten Verkaufspraktiken und dem Auf bau von Erwartungshaltungen die Entwicklung verlangsamt haben.
4.3 Ak teure und Arenen in der Ent wicklung von VR Auf Basis der synchronisationsorientierten Charakterisierung der VR-Technologien wird es möglich, die wichtigen Akteure und deren strukturierte Beiträge zur Technologieentwicklung zu rekonstruieren. Hintergrundgespräche mit Experten im Feld ergeben, dass viele verschiedene Forscher, Ingenieure und Entwickler in verschiedenen sozialen Zusammenhängen durch ihre verschiedenen Formen des Wissen und ihre Routinen, durch die jeweils eigenen Vorgaben und Anforderungen mit spezifischen Konfigurationen von Komponenten sowie Anwendungstechnologien schaffen. Damit haben sie die Gesamtentwicklung der VR-Technologien beeinflusst. Dabei haben Forscher mit verschiedenen disziplinären Hintergründen in der wissenschaftlichen Arena, als auch Forschungspolitiker in Interaktion mit anderen Akteuren in der forschungspolitischen Arena sowie seit 1995 verstärkt auch Unternehmen in der durch Wettbewerb geprägten wirtschaftlichen Arena mit ihren jeweiligen Beiträgen die Entwicklung der VR-Technologien häufig unabhängig, verteilt mitgestaltet.
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4.3.1 Beiträge aus der wissenschaf tlichen Arena zur Ent wicklung von VR Wie verschiedene Gesprächspartner verdeutlicht haben, sind anwendungsorientierte Netzwerke und Gemeinschaften als Quelle und Wiege der Innovation im Bereich VR zu sehen, da sie durch die Weiterentwicklung der Wissensbasis im Hinblick auf die Grundlagen und Möglichkeiten der Simulation, Visualisierung, Immersion und Interaktion zur Entwicklung von Präsenz erzeugenden Instrumenten beitragen. Durch die Hervorbringung neuer Ideen, Leitbilder, Designs, Erfindungen und Konzepte haben sie die Entwicklung neuer Konfigurationen und Anwendungen vorangetrieben. Darüber hinaus haben sie zur Standardisierung des Wissens beigetragen: So wurden durch Fortschritte in der grafischen Datenverarbeitung (Informatik, Mathematik) immer realistischere Visualisierungen von Objekten und Umgebungen möglich. So wurden umfassende Grafikbibliotheken mit virtuellen Objekten angelegt und Beschreibungssprachen entwickelt, auf die nun Forscher und Entwickler zurückgreifen können. Auch durch Wissensfortschritte in der Ergonomie wurde eine immer bessere Immersion des Nutzers auf Grundlage neuer Präsenz erzeugender Instrumente ermöglicht. Die Wissenschaftler haben dabei nicht immer nur durch Wissen die Voraussetzungen für neue leistungsfähige Konfigurationen von VR-Systemen geschaffen. Vielmehr haben sie selbst mit einem hohen Grad an Anwendungsorientierung auch eigene Prototypen entwickelt. So haben vor allem Forscher an Fraunhofer Instituten unterschiedliche VR-Softwareplattformen, wie Virtual Design 2 vom IGD oder Lightning vom Fraunhofer-Institut IAO, entwickelt, die sich im industriellen Einsatz bewähren haben. Sie haben anwendungsorientiert zusammen mit anderen Forschern und Entwicklern in der Industrie und in wissenschaftlichen und anwendungsorientierten Gemeinschaften VR-Technologien weiterentwickelt und Impulse für die Entwicklung gesetzt. Eine Besonderheit bei der Entwicklung von VR-Technologien besteht darin, dass viele der Forscher und Wissenschaftler hybride Karrieren haben. Die Wissenschaftler und Entwickler von VR-Technologien wechseln oft den Arbeitgeber. Manche arbeiten in der Wissenschaft, andere in Industrieunternehmen als Industrieforscher: Sie alle – das haben Gespräche gezeigt – sind unabhängig von ihrem Arbeitgeber in ihrem Selbstverständnis in erster Linie Forscher. Sie arbeiten, um ihre Forschung machen zu können, teils eben auch angestellt als Entwickler in Unternehmen. Sie bleiben selbst als Mitglied von Unternehmen den wissenschaftlichen, anwendungsorientierten Gemeinschaften weiter verbunden. Aufgrund dessen gab es in der wissenschaftlichen Arena rund um VR auch keine bestimmende Forschungsdisziplin, wie dies bei anderen Technologien der Fall ist, die durch eine Disziplin und deren Paradigmen, dominante Designs und Wissenschaftsroadmaps geprägt werden. Im Fall der Weiterentwicklung von VR haben in Entwicklungs- und Forschungsgemeinschaften und in strategischen Projekten Forscher aus verschiedenen Disziplinen multidisziplinär zusammengearbeitet. Zu den impulsgebenden wissenschaftlichen Diszi-
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plinen gehören bspw. die Psychologie, die Ergonomie, die Kognitionsforschung, die Kommunikationswissenschaften und die Computerwissenschaften. Vor allem die Informatik, die Mathematik – hier hauptsächlich der neue Bereich der grafischen Datenverarbeitung und der Computergrafik – und nicht zuletzt die Ingenieurwissenschaften, haben zur Entwicklung der Präsenz erzeugenden Anwendungen beigetragen. Ein Gros der Impulse kam von Forschern an Fraunhofer-Instituten und Mitarbeitern der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Unternehmen, die vornehmlich anwendungsorientiert nach Lösungen für Probleme gesucht und es weiterentwickelt haben: Wissenschaftler haben sich bspw. daran gemessen, welche technischen Lösungen sie mit welcher Leistungsfähigkeit – wie im Bereich Computergrafik die Schnelligkeit des Rendering – erschaffen haben. Diese Anwendungsorientierung und die ständige Entstehung von neuen systemischen Anwendungen hat auch dazu beigetragen, dass sich bis heute kein eindeutiges Paradigma im Bereich der Präsenz erzeugenden Instrumente herausgebildet hat. Zwar finden begriffliche Standardisierungen statt; diese können aber meist nicht mit der Entwicklungsgeschwindigkeit der Anwendungen und den ständigen Systeminnovationen12 Schritt halten. Es gibt nur wenig stabil gehaltene Begriffe, weswegen sich auch Zeitplanungen ständig ändern, da sich Zeitplanungen immer auch auf Paradigmen und bestimmte Komponentenund Systemarchitekturen beziehen: Mit den technologischen Begriffen ändern sich auch wieder Zeitvorstellungen und Zeitplanungen. Wie Gespräche mit Experten ergeben, haben vor allem strategische Projekte von einzelnen Instituten im Verbund der Fraunhofer-Gesellschaft und der ehemaligen Gesellschaft für mathematische Datenverarbeitung (GMD/FIT, IMK, SCAI) einen beachtlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der VR-Technologien geleistet. So bestand in Deutschland seit 1991 ein Demonstrationszentrum Virtuelle Realität, welches von vier Fraunhofer-Instituten gegründet wurde. Durch die kontinuierliche, anwendungsorientierte Forschung der verschiedenen Fraunhofer-Institute, durch die Zuschneidung auf Leitthemen und der Spezifizierung von Anwendungen, durch Vorgaben im Hinblick auf die Finanzierungsstruktur und die Projektierung durch die Leitung der Fraunhofer-Gesellschaft konnten einzelne Forscher und Forschungsgruppen etablieren. Diese haben dann wiederum durch ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zur Weiterentwicklung der Präsenzgenerierenden Instrumente und des Wissens über diese Sachverhalte beigetragen. Neben der Entwicklung von Anwendungen haben die Forscher an Fraunhofer-Instituten zur Technikentwicklung mit neuem Wissen und Konzepten, wie auch mit der Ausbildung und Unterstützung von Forschern und jungen Nachwuchswissenschaftlern beigetragen. So haben beispielsweise das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) alle Aspekte von Virtual Reality als immersive Umgebungen sowie ergonomische Aspekte untersucht: Das Fraunhofer-Institut für Grafische Datenverarbeitung (IGD) hat sich mit Computergrafik und Visualisierungstech12 | Zum Begriff der Systeminnovationen vgl. Wettengl 1999: 16, 31.
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nologien sowie komplexen Renderingverfahren beschäftigt. Das Institut für Produktionstechnik und Automatisation (IPA) hat den Nutzen von VR-Anwendungen für die Bereiche Robotik, Anlagenbau, Medizin und Produktionstechnik untersucht. Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) beschäftigte sich mit der Forschung zu virtuellen Umgebungen und Grafikkarten (Fraunhofer Gesellschaft 2001).
4.3.2 Beiträge aus der wir t schaf tlichen Arena zur Ent wicklung von VR Neben den Forschern und Entwicklern in wissenschaftlichen Gemeinschaften kamen vor allem ab Ende der 1990er Jahre Impulse durch die Entwicklungszusammenarbeit von Anwenderunternehmen, Technologiedienstleistern und Instituten für die Entwicklung von VR zustande. Vor allem Unternehmen aus der Automobilindustrie, die selbst Präsenz erzeugende Instrumente als Prozesstechnologien zusammen mit in diesem Bereich spezialisierten Technologieunternehmen wie Silicon Graphics Inc. (SGI) entwickelt haben, haben zur technologischen Weiterentwicklung beigetragen. Diese Anwenderunternehmen sind als Auftraggeber für die Technologieunternehmen aufgetreten, die sich darauf spezialisiert hatten, komplexe Visualisierungslösungen sowohl als neue systemische Konfigurationen in Form neuer Visualisierungssysteme als auch neue Komponenten für diese Technologien zu entwickeln. Dabei wurde die wirtschaftliche Arena, durch Unternehmen, Lieferanten komplementärer Technologien und durch Forschungsinstitute, wie auch Entwicklungsdienstleister in Form von profit-orientierten Netzwerken geprägt. Anwenderunternehmen in ihrer Entwicklungstätigkeit in Kooperation mit den wichtigsten Anbietern von Visualisierungssystemen wie SGI hatten großen Einfluss auf die Richtung und die Geschwindigkeit dieser Entwicklung.
Anwenderunternehmen mit eigener Ent wicklung von VR-(User-producer) Vor allem Industrieunternehmen haben weit reichende Impulse für die Forschung und Weiterentwicklung von VR gesetzt. Im Unterschied zu Forschern in wissenschaftlichen Gemeinschaften und öffentlich geförderten Projekten sind dabei die Anforderungen an Industrieforscher und Wissenschaftler, die mit Unternehmen zusammenarbeiteten, sehr viel höher gewesen. Der Zeitdruck auf Projekte und der Grad an zeitlicher und inhaltlicher Strukturierung sind für Forscher und Entwickler bei der Entwicklung von Prozesstechnologien sehr viel stärker spürbar als bei rein wissenschaftlich orientierten Entwicklern. Sie müssen sich auch sehr viel stärker an den Anforderungen und Wünschen der Kunden orientieren. Mehrere Gespräche mit Experten und Praktikern in Unternehmen haben ergeben, dass viele Industrieunternehmen sich deswegen aktiv an der Weiterentwicklung von VR-Technologien beteiligen, da die Initiative der Unternehmen
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von großen Kunden nachgefragt wurde. Diese Artikulation und die Wahrnehmung der Kundenwünsche führten dann auch zu dauerhaft hoher Aufmerksamkeit des Managements von Industrienunternehmen. Infolgedessen haben diese Finanzmittel bereitgestellt, so dass die Entwicklung von VR-Anwendungen, aber auch von vielen anderen umliegenden Wissensbeständen, beschleunigt wurde. Vor allem Industrieunternehmen aus der Automobilindustrie sind bis jetzt die wichtigsten Anwender von virtualitätsgenerierenden Instrumenten. Sie sind als Innovationsführer und »Lead-Users« hauptsächlich an dem Design der Anwendungen beteiligt. Die großen Unternehmen aus der Automobilindustrie haben Entwicklungspfade geprägt, da sie VR-Technologien als Prozesstechnologien für ihren internen Gebrauch weiterentwickelt haben. So haben diese Unternehmen über längere Zeit Kapital in die Weiterentwicklung von Visualisierungstechnologien investiert, Nachfrage nach Anwendungen generiert und damit Impulse für deren weitere Entwicklung durch Anbieter von Visualisierungstechnologien gesetzt. Durch ihre eigenständige Weiterentwicklung und Nutzung von VR-Anwendungen in ihren Produktionsprozessen, und durch die daraus entstehenden Wettbewerbsvorteile tragen diese Unternehmen mit der Pionierarbeit ihrer Entwicklungsabteilungen auch dazu bei, dass andere Akteure in ihrer Branche sich für diese Technologien interessieren und so für einen Zuwachs der Nachfrage nach diesen Instrumenten sorgen. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Vergabe von Patenten im Bereich der VR-Werkzeuge betrachtet: Anhand der vergebenen Patente kann man nachvollziehen, dass die meisten Patente – neben den direkt in diesem Feld tätigen Unternehmen, wie von SGI – von Anwenderunternehmen aus verschiedenen Anwendungsbereichen wie Philips oder auch der DaimlerChrysler AG stammen.13 In dieser Hinsicht sind die Anwenderunternehmen von herausragender Bedeutung für die weitere Entwicklung der VR-Technologien, da diese durch eingetragene Patente auch die weitere Entwicklung durch lizenzpolitische Maßnahmen bestimmen können. So hat sich in Gesprächen auch ergeben, dass nicht nur für Hersteller von VR-Werkzeugen, wie SGI, Patente im Bereich der Präsenz generierenden Instrumente sehr relevant sind. Vielmehr war auch für andere Industrieunternehmen, wie Automobilherstellern, die Verfügung von Patenten über relevante VR-Prozesstechnologien wichtig. Die Bedeutung dieser Patente auf Präsenz generierende Instrumente, technische Komponenten und Wissensbestände wird in Zukunft noch steigen, da Unternehmen mit effizient eingesetzten VR-Anwendungen prozessbasierte, zeitliche Wettbewerbsvorteile erzielen können. Exemplarisch für die Weiterentwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten in Industrieunternehmen ist DaimlerChrysler. Obwohl auch andere deutsche Automobilhersteller wie Volkswagen und BMW VR-Technologien wei13 | Eine Analyse eingereichter und bestehender Patente und Patentfamilien erfolgt hier nicht.
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terentwickelt haben, wird darauf hier aus Kapazitätsgründen nicht näher eingegangen. Innerhalb des Daimlerkonzerns wurden seit 1985 am Forschungsstandort Berlin-Marienfelde auf Basis eines Fahrsimulators erste Untersuchungen im Bereich Virtual Reality gemacht. Seit 1993 untersuchte DaimlerChrysler als eines der ersten Unternehmen in Europa Virtual-Reality-Techniken als Ergänzung zu Simulationswerkzeugen auf ihre Einsatzmöglichkeiten in der Automobil- und Luftfahrtindustrie. Im Jahr 1996 gründete DaimlerChrysler das Virtual Reality Competence Center (VRCC), um das Wissen zu VR-Technologien im Konzern zu bündeln, Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Welt in unterschiedliche Konzernbereiche hinein zu tragen, Praxiserfahrungen aus dem Konzern zu koordinieren, maßgeschneiderte Virtual Reality Konzepte für verschiedene Geschäftsbereiche zu entwickeln und kontinuierlich die technische Entwicklung zu beobachten. Seit 1998 gab es eine enge Zusammenarbeit im Themenbereich Virtual Reality zwischen den deutschen und amerikanischen Entwicklerteams. Im Mai 2000 schließlich nahm ein konzernweites Virtual Reality Center in Sindelfingen seinen Betrieb auf, wo ab dato nahezu alle Abteilungen auf ein integriertes Softwaresystem zugreifen (hier CATIA©) konnten, in denen alle Fahrzeugdaten vom Konzept und Design bis zur Produktion hinterlegt sind. Im VRCC wird sowohl eine Powerwall eingesetzt, um erste Designentwürfe zu diskutieren als auch eine Cave betrieben, in der Entwickler experimentieren, wie im Fahrzeug verschiedene Komponenten und Teile so angeordnet werden können, dass Reparaturkräfte am besten Zugang haben. Außerdem werden ergonomische Tests durchgeführt. Schließlich werden auf Basis des Hochleistungsvisualisierungssystems Silicon Graphics® Onyx2® InfiniteReality2™ auch VR-Projektionen erarbeitet. Im Jahr 2002 gab es eine umfassende Modernisierung des DaimlerChrysler Virtual Reality Center durch Silicon Graphics, Inc. mit einem neuen Visualisierungssystem von SGI sowie Abschluss eines Dienstleistungsvertrag mit SGI Professional Services. Wie dieser kurze Diskurs zeigt, wurden von Industrieforschern innerhalb von DaimlerChrysler und anderen Unternehmen, wie General Motors, Volkswagen, Audi und BMW und Siemens und vielen anderen Unternehmen nach einer Phase der Zurückhaltung – ab etwa Mitte der 90er Jahre – kontinuierlich Impulse für die Weiterentwicklung von VR-Technologien gegeben. Einerseits haben die Forscher und Entwickler aus der Industrie über weite Strecken des Entwicklungsprozesses durch Forschungskooperationen mit wissenschaftlichen Instituten und anderen Unternehmen auch in der wissenschaftlichen Arena wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Wissens, Komponenten und Systemen rund um Präsenz gesetzt. Andererseits haben die Forscher und Entwickler in Industrieunternehmen als Anwender ständig neue VR-Anwendungen entwickelt, neue Anwendungsmöglichkeiten definiert, Nachfrage für diese Anwendungen geschaffen und diese auch weiter vermarktet (vgl. Grebner 2002).
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Anbieterunternehmen von VR Neben der herausragenden Stellung einiger Industrieunternehmen haben vor allem technologieorientierte Unternehmen, die selbst Visualisierungssysteme und Anwendungen als ihr Hauptprodukt entwickeln, zur Entwicklung von VR-Technologien beigetragen. Vor allem SGI hat langfristig zur Entwicklung sowohl der einzelnen in Benutzung befindlichen technischen Systemkonfigurationen und technischen Artefakte, als auch der zugrunde liegenden Wissensbasis beigetragen (Iansiti/Stein 1997). Dieses Unternehmen hat über lange Jahre bis zu 16 % seiner Umsätze jährlich dauerhaft in Forschung und Entwicklung investiert. SGI und ähnliche technologieorientierte Anbieter, die Visualisierungslösungen oder Komponenten herstellen, erarbeiten dabei meist anwendungsorientiertes Wissen, d.h. Know-how, wohingegen grundlagenorientiertes Wissen hauptsächlich durch wissenschaftlich orientierte Akteure geleistet wurde. Mehrere Gesprächspartner und eine Auswertung der Aktienkursentwicklung zeigen, dass SGI und andere technologieorientierte Unternehmen, die früher einen Löwenanteil ihrer Wertschöpfung durch den Verkauf von neuen technischen Konfigurationen erzielt haben, auf Basis ihrer Wissensproduktion stärker zu technologieorientierten Dienstleistern wurden. Sie verkauften zwar immer noch neue technischen Konfigurationen und Artefakte. Attraktiv für ihre Kunden –Anwenderunternehmen aus verschiedenen Branchen – wurden diese Unternehmen aber immer stärker dadurch, dass sie ihr Wissen um Präsenz, ihr Wissen um die Integration verschiedener Anwendungen und damit die Konfiguration von Systemen, ihr Wissen um den Einsatz dieser Systeme in konkreten Anwendungszusammenhängen als wissensintensive Dienstleistung anboten. Gerade SGI setzte als Unternehmen strategisch weiter stark auf neue Technologien. SGI musste jedoch feststellen, dass Kunden eher daran interessiert waren, Wissen um Visualisierung und Simulation sowie die Konfiguration technischer Systeme – so genannte Unterstützungsdienstleistungen (›Support‹) – einzukaufen. Viele Industrieunternehmen waren weit weniger daran interessiert, immer neue, noch leistungsfähigere und auch teurere, eigenständige, neue Rechnersysteme und Server einzukaufen. Dies hatte SGI allerdings strategisch zu spät umgesetzt, weswegen dieses Unternehmen in den letzten Jahren weniger erfolgreich war. Neben Anwenderunternehmen und Anbietern von virtualitätsgenerierenden Anwendungssystemen haben viele kleine und mittlere Unternehmen und technologieorientierte Dienstleister viel zur Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente beigetragen. Viele kleine und meist junge technologieorientierte Unternehmen, die meist auch »Spin-offs« von Forschungsinstituten sind, haben als Entwicklungsdienstleister auf Basis von Industriebeauftragungen Impulse für die Entwicklung von VR-Technologien gesetzt. Auch Komponentenhersteller, wie ATI und Nvidia, im Bereich Grafikchips, Barco als Hersteller von Projektionslösungen und anderen Ausgabegeräten, sowie Logitech und Immersion technologies, Inc. als Hersteller von wichtigen Pe-
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ripheriegeräten (Tracking- und Displaysysteme) haben durch Beschleunigungsimpulse zur Entwicklung von VR-Technologien beigetragen. So hat bspw. Nvidia im Bereich der Grafikprozessoren mit kürzeren Entwicklungszeiten und einer erhöhten Taktzahl der Herstellung von Grafikkarten und Grafikchips mit dazu beigetragen, dass auch Visualisierungssysteme leistungsfähiger und vor allem kostengünstiger wurden. Auch aus diesem Grund sind nun keine aufwendigen spezialisierten Rechnersysteme mehr für Visualisierungssysteme notwendig. Für viele Anwendungssituationen reichen heute oftmals schon handelsübliche, adäquat vernetzte Rechner mit normalen Grafikrechensystemen aus. Lieferanten von wichtigen Komponenten haben also zur Innovationsdynamik im Bereich von Komponenten und zur Innovationsdynamik der virtualitätsgenerierenden Instrumente beigetragen. Mit dem Blick auf den gesamten Entwicklungsprozess kann festgestellt werden, dass dieser durch viele verteilte Logiken verschiedener profitorientierter Akteure – Unternehmen und Institute – geprägt ist, die sich mit ihren Impulsen in der Entwicklung Virtualität erzeugenden Systeme und ihrer Wissens- und Technologiekomponenten überlagerten.
4.3.3 Beiträge aus der for schungspolitischen Arena zur Ent wicklung von VR Wie die synchronisationsorientierte Betrachtung der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten zeigt, wären viele Impulse vornehmlich aus der wissenschaftlichen Arena aber auch von Seiten der Unternehmen und Technologiedienstleistern zur Weiterentwicklung nicht möglich gewesen, wenn nicht von Anfang an durch öffentliche Forschungsförderung Finanzierungsund Entwicklungsimpulse für die Weiterentwicklung von Wissen und Anwendungen rund um die Virtualität gegeben worden wären. Die Betrachtung der Akteure, die durch Forschungsförderung zur Finanzierung von Projekten beigetragen haben, ist für eine Rekonstruktion der Entwicklungen von Präsenz erzeugenden Instrumenten deswegen unerlässlich. Bei dieser Rekonstruktion ergibt sich, dass in der forschungspolitischen Arena verschiedene Akteure auch mit Rückwirkungen auf andere Arenen interagierten: In forschungspolitischen Diskursen und Entscheidungen haben sowohl Unternehmen als auch Wissenschaftler mit den für Forschungspolitik und Forschungsförderung zuständigen Stellen zusammengearbeitet. Die Betrachtung der forschungspolitischen Impulse und Akteure ist wichtig, da vor allem Wissenschaftler und Forscher und ganze Gemeinschaften in ihrer Arbeit und Weiterentwicklung von der Förderung staatlicher Stellen abhängen, um neues Wissen schaffen zu können. So wurde – wie in den USA – auch in Deutschland durch staatliche Forschungsförderungen der Grundstein dafür gelegt, dass neue, vermarktbare Anwendungen, neues Wissen oder neue Prozesse zur Visualisierung, Simulation und Generierung von Präsenz entstanden sind. Die Impulse aus der forschungspolitischen Arena haben, meist mit Zeitverzug, auch in Deutschland zu Gründungen von Unternehmen und der Verbreitung von Wissen und Werkzeugen
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rund um die Generierung virtueller Umgebungen geführt. Der Einsatz dieses Wissens und der Werkzeuge als Prozessinnovationen wiederum, hat dann die Wettbewerbsfähigkeit von bspw. großen Automobilunternehmen erhöht. Doch aus der forschungspolitischen Arena kamen nicht nur Impulse zur Schaffung neuer Märkte für Technologien. Die staatlichen Agenturen und die politisch-administrativen Akteure aus der Verwaltung haben auch regulative Funktionen wahrgenommen: Wie Gespräche ergeben, entscheiden staatliche Stellen durch Regulationen über die Verwendungsmöglichkeiten und die Verwendungsgrenzen bestimmter Anwendungen und spielen auch in der Standardisierung und der Verwertung geistiger Eigentumsrechte über Patentgesetze eine herausragende Rolle. Staatliche Stellen können Industrieforscher oder eigenständige Entwickler bei Standardisierungsaktivitäten in internationalen Gremien unterstützen oder eben auch nicht. Sie können durch Formulierung von Sicherheitsvorschriften und ihre Technikbewertung auch über die Vermarktungsfähigkeit von VR-Technologien entscheiden und haben dies in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente in Deutschland auch getan. Gerade über Regulierungsvorschriften, das Patentrecht und die Unterstützung von Standardisierungsprozessen haben die forschungspolitischen Akteure auf die Geschwindigkeit der Entstehung von Märkten und damit auf die Weiterentwicklung von VR-Technologien Einfluss ausgeübt. In der forschungspolitischen Arena waren in erster Linie Akteure des politisch-administrativen Systems, wie verschiedene Landesministerien, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) sowie in zweiter Linie einige Unternehmen, einzelne Wissenschaftler und wissenschaftliche Gemeinschaften relevant: Durch Projekte und Programme der Ministerien und deren Agenturen wurde die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern sowie Praktikern definiert. Zielstellungen und Kriterien für die Förderung der Programme und Projekte, sowie für deren Planung und Umsetzung, die durch Agenturen (Projektträger des BMBF) überprüft wurden, wirkten sich sowohl auf Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von anwendungsorientierten, wissenschaftlichen Gemeinschaften als auch auf die im Hinblick auf VR-Anwendungen aktiven Unternehmen aus. Die Forschung zum Gebiet der Virtuellen/Erweiterten Realität und zur Informationstechnik wurde in Deutschland durch verschiedene Fördermaßnahmen und Leitprojekte der Bundesregierung vorangetrieben. Zur Weiterentwicklung von Virtual Reality und Augmented Reality durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von Unternehmen, Universitäten und Forschern, zur Erschließung neuer Anwendungsfelder und der Umsetzung neuer Ideen in Verfahren, Produkte und Dienstleistungen sowie zum Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Schaffung von High-Tech-Arbeitsplätzen wurden um die 32 Mio. Euro von staatlichen Forschungsförderern im Zeitraum von 2002 bis 2004 in insgesamt 15 Projekte mit 76 Partnern investiert. Diese Investitionen haben wissenschaftliche Ergebnisse in Form von 139 Veröffentlichungen und auch wirtschaftliche Ergebnisse in Form von 35 Patentanmeldungen und zwei Spin-off-Produkten erzielt.
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Allgemein haben Förderungsaktivitäten zur Entwicklung neuer VR-Anwendungen in verschiedensten Anwendungsbereichen – von der industriellen Nutzung im Leitprojekt ARVIKA, über Anwendungen im Bereich Tourismus und der Unterhaltungsindustrie, bis hin zu medizinischen Anwendungen – beigetragen. Die kontinuierliche Förderung gepaart mit Zusammenkünften und Statustagungen von Wissenschaftlern und Entwicklern haben dazu beigetragen, dass sich Wissenschaftler mit Praktikern und interessierten Gruppen austauschen konnten, weitere Entwicklungspotenziale deutlich wurden und neue Umsetzungsimpulse entstanden. Nicht nur die Bundesregierung und die Landesministerien, auch die Europäische Union hat mit ihrer Forschungsförderung zur Entwicklung von VR beigetragen. Unter der Förderungsinitiative für Technologien der Informationsgesellschaft, wurden Programme für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration innerhalb des vierten, des fünften und des sechsten Rahmenprogramms aufgelegt. Für den Zeitraum von 1995 bis 2005 hat dabei das vierte Forschungsrahmenprogramm und danach das zweite Arbeitsprogramm mit der Leitaktion IV.4 im Rahmen des Fünften FTE-Rahmenprogramms mit Impulsen zur Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente beigetragen. Innerhalb der Forschungsrahmen- und Arbeitsprogramme erfolgten dabei pro Kalenderjahr jeweils Aufforderungen an Forscher und Praktiker zur Einreichung von Vorschlägen. Diese konnten dann noch im selben Kalenderjahr gefördert werden, wodurch Gelegenheiten für Wissenschaftler und auch Unternehmen entstanden. Wie die Rekonstruktion ergibt, haben die Förderungsimpulse durch die Europäische Union eine Basis für den innereuropäischen und internationalen Austausch wissenschaftlicher Institute geboten. Durch Fördermöglichkeiten wurden so teilweise Aufenthalte von Gastwissenschaftlern finanziert sowie Mittel für grundlagenorientierte Forschung zu Präsenz bereitgestellt und einige Standardisierungsbemühungen auf europäischer Basis finanziert, die anderweitig schwierig zu finanzieren gewesen wären. Ohne auf den Beitrag der europäischen Förderungsimpulse zur Technologieentwicklung näher einzugehen sei hier nur erwähnt, dass sich zwar Beamte der EU-Kommission, der Bundesministerien und Landesministerien in der Ausrichtung ihrer Forschungsprogramme aneinander auch auf Basis der durch den EU-Vertrag vorgeschriebenen Notifizierung orientierten. So fanden teilweise erfolgreiche Vorgehensweisen, innovative Ideen und Leitbilder durch die Förderungsimpulse verschiedener politischer Ebenen Verbreitung. In Allgemeinen fand aber keine weiter reichende inhaltliche und zeitliche Koordination der Förderungsaktivitäten statt, was Impulse zur Technikentwicklung teils weniger synchron gemacht, ja teils die Entwicklung nicht beschleunigt hat.
4.3.4 Zusammenfassung zur Ent wicklung von VR Wie diese Rekonstruktion zeigt, haben Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, durch eigene Impulse auf Basis ihrer Rationalitäten, verteilt – mehr oder weniger koordiniert – zur Entwicklung von Virtualität generierenden Sys-
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temen beigetragen. Sie haben durch Weiterentwicklung, Validierung und Anwendung von Wissensbeständen wie auch zum Design, zur Konfiguration und zur Produktion von neuen Komponenten und technischen Systemen mehrerer Technologiegenerationen beigetragen. Dabei haben mehr oder weniger zufällige Konvergenzen zwischen Komponententechnologienentwicklungen stattgefunden. Die Entstehung von Kompatibilitätspotenzialen spielte eine große Rolle, da sich dadurch die Anwendungsbereiche für wissensintensive Instrumente zur Visualisierung, Simulation und Erzeugung von Virtualität massiv ausgeweitet haben: Dadurch wurde das Wissen um Konfiguration, Anwendung und Handhabung, das ›VR-Know-how‹ teils zu einer eigenständigen, wissensintensiven, marktgängigen Dienstleistung. Aufgrund von zu vielen unterschiedlichen Vorstellungen, wozu VR-Technologien eigentlich anzuwenden und in welche Richtung sie weiterzuentwickeln sind und durch überzogene Erwartungen im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit von VR-Anwendungen, haben sich Märkte für VR-Technologien langsamer entwickelt, als erwartet. Vor allem die, auf Basis schlechter Verkaufspraktiken entstandenen, hohen Erwartungen führten zu Enttäuschungen von Investoren. Sie produzierten negative Effekte für die Weiterentwicklung des Wissens und der technologischen Komponenten, Architekturen und Systeme rund um Visualisierung, Simulation und Immersion und Präsenz.
4.4 Zeitlogiken und Synchronisationen in der Ent wicklung vir tualitätsgenerierender Instrumente Die Betrachtung der Zeitmuster in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente ergibt, dass verschiedene Akteure – entsprechend ihrer Rationalitäten und ihrer institutionellen Prägungen – in unterschiedlichen Arenen, unterschiedlich mit Zeit umgegangen sind. Wissenschaftlich orientierte Akteure, wie beispielsweise Forschunsginstitute, Forschungsabteilungen in Unternehmen und Entwicklungsdienstleister und auch forschungspolitisch Verantwortliche haben Innovationsaktivitäten mit einer spezifischen, zeitlichen Logik strukturiert. Auf dieser Basis haben sie mit anderen Akteuren in unterschiedlichen Arenen interagiert und so zur weiteren Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten beigetragen. Dieses Kapitel stellt dar, dass die verschiedenen Akteure in ihren Arenen unterschiedlich mit Zeit umgegingen. Dabei wird aufgezeigt, wie sich die verschiedenen arenenspezifischen Zeitlogiken voneinander unterschieden. Die arenenspezifischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und forschungspolitischen Zeitmuster (Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen, Rhythmen) und Zeitlogiken werden herausgearbeitet und gesamthaft betrachtet. Dabei wird dann auch für das nächste Kapitel gefolgert, welche Auswirkungen sich durch diese Vielfalt von Zeitmustern und Zeitlogiken für die Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente ergaben.
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4.4.1 Zeitliche Struk turierungen in der wissenschaf tlichen Arena Zeitorientierung in der wissenschaf tlichen Arena Bei der empirischen Rekonstruktion ist festzustellen, dass wissenschaftlich interessierte Akteure, bei der Entwicklung neuen Wissens oder neuer Anwendungen Zeit eher ereignisorientiert wahrnahmen. Die Akteure in der wissenschaftlichen Arena suchen nach neuen Erkenntnissen und Feldern. Traten neue Ereignisse und Entwicklungen in wissenschaftlichen Gemeinschaften auf, nahmen wissenschaftliche Akteure diese vorrangig als zeitliche Bezugspunkte wahr. Dabei gingen sie mit diesen Bezugspunkten eher unpräzise und flexibel um. Wissenschaftliche Akteure setzten zeitliche Bezugspunkte in Relation zu anderen Ereignissen. Daraus entstand im Laufe der Zeit eine ereigniszeitliche Orientierung. Wenn ein Wissenschaftler etwas entwickelte, forschten andere Wissenschaftler daran meist weiter, da sie durch dessen Impulse und Ergebnisse ermutigt wurden. Eine Aktion zog also eine andere Aktion nach sich, was sich wiederum in der Zeitorientierung der Wissenschaftler niederschlug: In der ereigniszeitlich orientierten Strukturierung, welche die wissenschaftliche Arena kennzeichnet, dauerten Ereignisse so lange, wie sie dauerten. Wissenschaftler gingen eher wenig Zeit strukturiert um. Sie agierten, bis zu einem gewissen Grad, innerhalb ihrer Forschungsanstrengungen zeitvergessen, richteten ihre Zeitplanungen oft nach Flow-Zuständen und Erfolgserlebnissen in Forschung und Entwicklung neuen Wissens und neuer Anwendungen. Wissenschaftliche Zeitpläne sind als fluide zu begreifen. Die zeitliche Strukturierung wurde im Hinblick auf die Qualität der Erlebnisse vorgenommen. Gespräche zeigen, dass die Art und Weise wie namhafte Forscher die Entwicklung von Forschungsfeldern, beschrieben, die Zeitperspektive anderer Wissenschaftler sowie deren Handlungs- und Bedeutungsrahmen geprägt haben. Wissenschaftler orientierten sich aufgrund dieser ereigniszeitlichen Orientierung in der eigenen ›Community‹. Sie orientierten sich eigentlich relativ wenig an Vorgaben von Zeitsetzungen und -zielen. Wissenschaftler gingen mit Zeit je nach individueller Neugier und Intensität ihrer Auseinandersetzung in der Forschung um. Dies brachte es mit sich, dass Zeitziele und Zeitgestalten hoch ephemer waren. Zeitziele, Zeitnormen und Zeitgestalten galten in wissenschaftlichen Arenen meist nur für kurze Zeitabstände. Sie änderten sich relativ schnell, je nach Fortschritt der Wissensproduktion und der Impulse für die forscherische Auseinandersetzung mit Rätseln rund um Virtualität und Präsenz. Die unbedingte Einhaltung von vormals definierten Zeitzielen und Terminen hatte eigentlich wenig Bedeutung für die Handlungsorientierung der Wissenschaftler. Wissenschaftler fanden Zeitziele deswegen nicht so wichtig, da sie wussten, dass die Produktion von Wissen ein mit Unsicherheit behafteter und kreativer Prozess ist. Dieser Prozess entzieht sich oft einer auf Zeitdisziplin abzielenden, zeitlichen Strukturierung auf Basis objektiv orientierter Formen von Zeit. Um ein Beispiel zu geben: Wenn beispielsweise Wissenschaftler wussten, dass andere Forschungseinrichtungen zu einem bestimmten Zeitpunkt be-
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stimmte Ergebnisse liefern würden, war dies oft relevanter, als eine vorher, in einem Zeitplan festgelegte, Frist. Anzunehmen, dass Wissenschaftler nicht überlegt mit Zeit umgingen, wäre allerdings fehl am Platz. Vielmehr zeigen Gespräche, dass Wissenschaftler und forschende Entwickler in Unternehmen, die in wissenschaftlichen Gemeinschaften zusammenarbeiten, oft sehr reflexiv mit Zeit umgingen: Sie passten ihre Zeitplanungen an Entwicklungen in Forschungsumfeldern an. Wissenschaftler nutzten Zeit zur eigenen Orientierung in Forschungsfeldern und zur Kommunikation mit anderen Akteuren. Vor allem in den letzten Jahren nutzten Wissenschaftler Zeit auch, um eigene Forschungsprioritäten anhand von Forschungsroadmaps zu definieren und sie zu vermitteln. Dabei wurden Technologie- und Wissensentwicklung immer öfter in den größeren historischen Kontext gestellt und Generationen von Anwendungen formuliert. Zeit bildete dabei die Basis für eine chronologisch-inhaltliche, vermittlungsorientierte Einordnung von Forschungsfortschritten, die beispielsweise in der Grundlagenund Anwendungsforschung erzielt wurden. Aufgrund dieser chronologisch-inhaltlichen Forschungspriorisierungen herrschte in den meisten anwendungsorientierten Gemeinschaften rund um Visualisierung, Simulation und Präsenz eine kontextbezogene und wenig detaillierte, wandelbare Form der Zeitplanung vor. In der Forschung wurden vorrangig Kalender zur zeitlichen Strukturierung von Forschungsbemühungen verwendet. Dabei veränderten sich bestehende Kalender und wichtige Daten und Meilensteine in ihnen inhaltlich, je nach Entwicklungen in Wissens- und Technologieumfeldern. Wissenschaftler haben in ihren Zeitplanungen ständig auf neue Entwicklung von VR-Anwendungen, neue Begriffe und Paradigmen reagiert: Vorherige, wissenschaftliche Roadmaps und Forschungsagenden wurden dabei durch neue ersetzt. So hatten auch einstmals gesetzte Dauern von Verträgen nicht lange Bestand. In der wissenschaftlichen Arena hat meist ein extrem hohes Maß an Reflexivität in Bezug auf Zeitplanungen vorgeherrscht: Verträge für Wissenschaftler wurden verlängert, da manchmal Forschungen mehr Zeit beanspruchten, als ursprünglich erwartet. Oft wurden kreative Lösungen gefunden, um Projekte, trotz ihrer mangelnden Entsprechung mit Zeitplänen, doch noch zum Erfolg zu führen. Diese zeitliche Flexibilität der Wissenschaftler ging so weit, dass mehrere Forscher davon berichtet haben, über Jahre hinweg nicht dazu gekommen zu sein, ihren zustehenden Urlaub als solchen zu verleben. Nach eigener Aussage befanden sich einige Wissenschaftler gerade in einem Flow, konnten konzentriert arbeiten und weiter forschen, weswegen sie auch ihre Urlaubszeitplanungen daran anpassten.
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Ver wendete Instrumente zum Zeitmanagement in der wissenschaf tlichen Arena Um reflexiv mit Zeit umgehen zu können, zeigen die Gespräche, dass Wissenschaftler viele verschiedene Instrumente zur Zeitplanung einsetzten. Sie passten sich teilweise an ihre Umfelder an und übernahmen die Zeitplanungsinstrumente und Zeitplanungstechniken, etwa von beauftragenden Unternehmen oder von Forschungsförderern. Sie nutzten verschiedene Programm- und Projektmanagementverfahren, um ihre Zeit und den Einsatz von Kapazitäten zu strukturieren. Im Zuge veränderter rechtlicher Grundlagen und der Förderung bzw. Verordnung von Patentierungstätigkeiten durch Forschungsförderer waren Wissenschaftler in höherem Maß dazu aufgefordert, Patentmanagementverfahren zu benutzen. Dies wirkte auch auf Zeitplanungen von Forschern zurück. Viele Wissenschaftler konnten Forschungsergebnisse oft nicht mehr so schnell – ohne weit reichende Überlegungen und Konsultationen ihrer Patentverwertungsagenturen – präsentieren. Durch diese Einflüsse wurde und wird auch heute die zeitliche Strukturierung der Wissenschaftler komplexer. Dabei nahm und nimmt noch heute die Bedeutung der Setzung von Akzenten und Meilensteinen in Forschungsprojekten zu.
Zeitnormen in der wissenschaf tlichen Arena Obwohl die Bedeutung von Meilensteinen steigt, haben Wissenschaftler Meilensteine und andere Formen von Zeitnormen, wie Kalender oft situativ, nur unter Vorbehalt geschaffen. Oft war es, aufgrund der sich bewegenden Forschungsziele und der dynamischen Entwicklungen in Wissens- und Anwendungsgebieten, bis auf finanzielle Rahmendaten nur schwer möglich, verbindliche, überdauernde Kalender in der Planung wissenschaftlicher Arbeiten zu schaffen. Falls Wissenschaftler Kalendrierungen vornahmen, diente dies hauptsächlich zur inhaltlichen Verortung eigener und von Forschungsaktivitäten von Kollegen. Kalender waren in der wissenschaftlichen Arena meist Ansammlungen sozialer Ereignisse, wie Konferenzen, wichtiger antizipierter Aktivitäten oder auch von Durchbrüchen anderer Wissenschaftler. Wissenschaftler nahmen nicht nur Kalendrierungen vor, um sich selbst zu orientieren. Zeitlich strukturierte Forschungskalender und Agenden dienten auch dazu mit Forscherkollegen im Umfeld zu kommunizieren oder um ihre Forschungsergebnisse und künftigen Forschungslinien zu repräsentieren. Mit Hilfe von zeitlich strukturierten Agenden versuchten Wissenschaftler häufig Reputationsgewinne – einen intellektuellen und ideellen Führungsanspruch in Wissens- und Anwendungsfeldern oder auch zukünftige Zuwendungen von Forschungsförderern – für sich oder ihre Forschungseinrichtung zu sichern. Da viele Wissenschaftler reputationsorientiert vorgingen, bestanden in den jeweiligen wissenschaftlichen Gemeinschaften oder bei einzelnen Wissenschaftlern viele unterschiedliche Kalender mit spezifischen, technologischen, zeitlichen und inhaltlichen Reichweiten. Es bestanden Kalender für einzelne Forschungsgruppen bis hin zu Kalendern, Roadmaps oder Agenden, die zeitlich strukturierte Pfade
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und Entwicklungslinien in verschiedenen Wissens- und Anwendungsfeldern umfassten.
Zeit struk turgeber in der wissenschaf tlichen Arena Wissenschaftler waren in ihren Zeitplänen und in ihrer Wahrnehmung von Entwicklungszyklen, wie beschrieben, eher durch soziale Kontexte geprägt. Ihre zeitlichen Orientierungen entstanden oft situativ. Zeitliche Orientierungen und auch die Zeitstrukturen entstanden aus der sozialen Interaktion mit Forschern bei Forschungskonferenzen und auf Basis gemeinsamer Projektarbeit oder durch neue Förderungsmöglichkeiten. Allgemein waren für Wissenschaftler bei der Zeitplanung die Fragen entscheidend, welches Wissen, welche Forscher, zu welchen Zeitpunkten hervorbringen. Dabei versuchten Wissenschaftler eigene zeitliche Vorgaben auf Basis ihrer Erfahrung und Sachkenntnis zu machen. Die zeitliche Strukturierung ihrer eigenen Forschungsarbeiten erachteten Wissenschaftler meist nicht als zwingend notwendig. Deswegen nahmen sie diese auch wenig aktiv vor. Vielmehr ergaben sich zeitliche Strukturierungen meist aus den Interaktionen in wissenschaftlichen Gemeinschaften und auf Basis von Fortschritten in jeweiligen Technologie- und Wissensfeldern. Obwohl besonders anwendungsorientierte Institute, wie die Institute der Fraunhofer Gesellschaft, begonnen haben, umfassende Zeitplanungen zu etablieren, lässt sich feststellen, dass Wissenschaftler meist nicht alleiniger Herr über ihre Zeit waren. Wissenschaftler mussten sich – ähnlich wie ihre Entwicklerkollegen in der Industrie – in ihren Zeitplanungen an Geldgebern orientieren. Sie mussten zeitliche Strukturierungen in Forschungsprojektvorschlägen vornehmen, um Förderungen von staatlicher Seite oder Entwicklungsaufträge von Unternehmen zu erhalten. Die empirische Rekonstruktion zeigt, dass in der wissenschaftlichen Arena, insbesondere die entwicklungstragenden Fraunhofer-Institute, stark von zeitlich strukturierten Finanzierungen durch Forschungsförderer abhingen. Im Kontext neuer VR-Anwendungen, mussten wissenschaftlich orientierte Akteure aufgrund von Förderkriterien staatlicher und privater Förderer oder aufgrund von Vorgaben der Leitung der Fraunhofer Gesellschaft äußerst strukturiert mit Zeit umgehen. Die Wissenschaftler mussten Kalender, Roadmaps und Zeitpläne entwickeln, um ihre Arbeiten zu planen, vor allem ihren Geldgebern zu vermitteln und umzusetzen.
Zeitmuster und Zeithorizonte in der wissenschaf tlichen Arena In punkto des Timings, der Schaffung von Zeitmustern, hatten Wissenschaftler meist langfristige Zeithorizonte. Allerdings standen diese langfristigen Zeithorizonte häufig im Gegensatz zu kurzfristigen individuellen Vertragsgestaltungen für Wissenschaftler und Forscher. So arbeiteten Wissenschaftler oft in Projekten, die oft nur einige Monate dauerten. Ganze Forschungsrichtungen und Paradigmen mit zugehörigen Einrichtungen wurden zwar schnell begründet, aber teils ebenso schnell wieder fallengelassen. Trotz dieser Kurz-
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fristigkeit waren Wissenschaftler durch ihre wissenschaftliche Arbeit teils aber auch in langfristig orientierte Forschungsprogramme mit Zeithorizonten von fünf bis zu 15 Jahren eingebunden. Diese langfristigen Zeithorizonte für die grundlagenorientierte Wissensproduktion bezogen sich allerdings meist auf Institute und einzelne verbeamtete (›tenured‹) Forscher. Diese Situation der Überlagerung von individuell- und institutionell unterschiedlichen Zeithorizonten und zeitlicher Strukturierungen von Gelegenheiten führte vor allem für junge Wissenschaftler, die in zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen standen zu Zeitkonflikten, teils sogar zu existenziellen Problemen.
Geschwindigkeiten in der wissenschaf tlichen Arena Die Geschwindigkeit der Wissensproduktion richtete sich nach dem Flow der wissenschaftlichen Forschung. Be- und Entschleunigungen von Forschungsaktivitäten spielten keine herausragende Rolle. Gespräche zeigen jedoch auch, dass diese langfristige zeitliche Strukturierung der Aktivitäten in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Systeme zusehends unter Druck geriet. Begünstigt dadurch, dass mehrere Forschungsinstitute und eine Vielzahl von Forschern und Entwicklern in verschiedenen Gemeinschaften aktiv waren, hatten sich auch die Förderungsdauern und Zeithorizonte für die Wissensproduktion verkürzt. Zudem wurden Programm- und Projektlaufzeiten von grundlegenden Forschungsprojekten kürzer. Die Geschwindigkeit der Wissensproduktion wurde in der Entwicklung der VR-Technologien ständig erhöht. Zwar war bei Forschungsförderern allgemein verbreitet, dass die Beschäftigung mit komplexen Wissensinhalten in der grundlagen- und anwendungsorientierten Wissensproduktion rund um Visualisierung, Simulation und Präsenz eine zeitliche Strukturierung mit langen Zeithorizonten erfordert. Dennoch haben wissenschaftliche Institute, Forschungsförderer und Unternehmen mehr Beschleunigungsdruck auf Forscher bei ihrer Wissensproduktion ausgeübt.
Sequenzierungen in der wissenschaf tlichen Arena Im Hinblick auf die Abfolge der Aktivitäten bevorzugten Wissenschaftler und wissenschaftliche Institute in ihren Prozess- und Zeitplanungen, bis auf einzelne Interaktionen von Forschern und Entwicklern in newsgroups, meist sequenzielle Vorgehensweisen bei der Produktion neuen Wissens. Begünstigt durch Fortschritte von Datenübertragung und Informationsinfrastrukturen und neue Möglichkeiten der Telekooperationen, begannen Forscher und Entwickler aber auch zusehends parallel verschiedene Aktivitätsfolgen in Abstimmung mit anderen Forschergruppen zu bearbeiten. Besonders in der grundlagenorientierten Wissensproduktion war dieser Trend mit parallelen und simultanen Wissensproduktionsformen zu experimentieren – begünstigt durch Exzellenznetzwerke und andere Formen der Kooperation – noch stärker ausgeprägt. Beispiele dafür waren neue zeitliche Strukturierungen innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft bei der Gründung neuer Forschungsverbünde für Visualisierung, Simulation, Immersion- und Präsenzgenerierung.
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Rhy thmen und Ak zente in der wissenschaf tlichen Arena Gespräche machen deutlich, dass zeitliche Planungen dann relevant waren, wenn es um die Planung von Forschungskonferenzen, die Veröffentlichung neuer Forschungsvorhaben und -ergebnisse, die Etablierung neuer Forschungsrichtungen und Paradigmen sowie um die Vorstellung von Anwendungen ging. Die reputationsorientierte Setzung von erkenntnisorientierten Akzenten spielte eine herausragende Rolle. Es ging Wissenschaftlern in erster Linie darum, sich als Erste mit einem dementsprechenden Forschungsprogramm in einem neuen, wissenschaftlich zu bearbeitendem Anwendungsfeld mit viel versprechenden weiteren Forschungsvorhaben zu etablieren. Deswegen setzten sie viele erkenntnis- und reputationsorientierte Akzente. An diesen Akzenten richteten sich entsprechend auch die Rhythmen in der Arbeit von Forschern und Entwicklern in Instituten und wissenschaftlichen Gemeinschaften. Gespräche zeigen, dass im Vorfeld wichtiger Konferenzen, wie der SIGGRAPH oder anderen Tagungen, die Intensität der Arbeit von Forschern und Entwicklern anstieg, um zu dementsprechenden Terminen einen Abstract, ein Paper oder ein Poster mit neuen Ergebnissen liefern zu können. Für die hier betrachteten anwendungsorientierten technischen Systeme zeigt sich dabei interessanterweise, dass die Veröffentlichung von Artikeln oder Büchern – falls diese nicht über das Internet oder wissenschaftliche Gemeinschaften und deren Newsgroups zeitnah erfolgt sind – als Akzente nur wenig Bedeutung entwickelten. Aufgrund der hohen Innovationsdynamik im Feld waren die meisten wissenschaftlichen Beiträge in Buchform überholt, wenn sie das Publikationsprocedere durchlaufen hatten.
Charak terisierung der Zeitlogik in der wissenschaf tlichen Arena Insgesamt stellt sich die Logik des Umgangs mit Zeit in der wissenschaftlichen Arena als experimentierend, neugiergeleitet, flow-orientiert, reputationsorientiert, ressourcenorientiert und reflexiv orientierte zeitliche Strukturierung dar. Der Umgang mit Zeit ist in der wissenschaftlichen Arena auch experimentierend, da mit unterschiedlichen Kalendern und Roadmaps viele Aktivitäten zeitlich strukturiert werden, die sich ständig an neue Entwicklungen anpassen und ändern. Der Umgang mit Zeit ist deswegen auch neugiergeleitet und floworientiert, da Wissenschaftler und Forscher an neuen Themen und Erkenntnissen orientiert sind. Sie passen ihre Zeitpläne schnell diesen Interessen an. Zeitdisziplin ist in der Wissenschaft zwar wichtig gegenüber Auftraggebern, wenn jedoch ein Flow innerhalb der Forschung entsteht und die Wissenschaftler durch Interesse gefesselt sind, werden Zeitpläne schnell Makulatur. Die Logik der zeitlichen Strukturierung von Wissenschaftlern ist reputationsorientiert, da durch Reputation Erfolg im Wissenschaftssystem gebildet wird, der sich nach ideellem Führungsanspruch und Innovationen richtet. Deswegen werden Kalender und Zeitmuster auch in der Wissenschaft geprägt, um möglichst schnell und umfassend Impulse für die Weiterentwicklung von Wissen und Anwendungen für die eigene Forschergruppe oder auch ein Institut zu requirieren.
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Zeitliche Strukturierungen werden zur eigenen Orientierung und dann zur Kommunikation genutzt. Sie werden besonders zur Repräsentation der eigenen Entwicklungen vorgenommen, um so wissenschaftliche Meriten zu erhalten. Zeitplanungen werden ressourcenorientiert vorgenommen, da die Wissenschaftler ihre Zeitpläne stark an verschiedenen Auftraggebern, wie Unternehmen und vor allem staatliche Forschungsförderer und deren zur Verfügung gestellten Ressourcen ausrichten. Der Umgang mit Zeit ist reflexiv, da Zeitpläne und zeitliche Kriterien an sich verändernde Anforderungen und Erkenntnisinteressen und durch andere Wissenschaftler, Entwicklungen in den Wissensund Anwendungsumfeldern sowie Vorgaben durch Geldgeber (Unternehmen, Forschungsförderer) angepasst werden.
4.4.2 Zeit und Innovationen für VR in der wir t schaf tlichen Arena Zeitorientierung in der wir t schaf tlichen Arena In der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten war Zeit für Unternehmen eine der wichtigsten Planungsvariablen. Zeit wurde ständig implizit in Technologiekalendern, Bewertungen, Geschäftsberichten und Berichterstattungen an Analysten verwendet. In Unternehmen herrschte – im Gegensatz zur wissenschaftlichen Arena – ein ausgeprägter, strukturierter Umgang mit Zeit mit der Wahrnehmung von unterschiedlichen zeitlichen Bezugspunkten vor. Unternehmen nutzten Zeit vor allem zur Orientierung im Wettbewerb, wie auch in Wissens-, Technologie- und Anwendungsfeldern. Dabei herrschte eher eine uhrzeitorientierte Wahrnehmung von Zeit vor: Zeitziele, Termine und Fristen hatten extrem hohe Bedeutung, da die meisten Unternehmen unter Zeitdruck standen. Zeitplanungen wurden vorgenommen, um Gelegenheit zu schaffen oder sich bietende Gelegenheiten zur Entwicklung und zum Verkauf neuen Wissens oder neuer Anwendungen wahrzunehmen. Da in der wirtschaftlichen Arena beinahe alle Unternehmen daran interessiert waren neue Gelegenheiten schnell zu schaffen, herrschte zeitbasierter Wettbewerb. Zeit wurde deswegen in Unternehmen minutiös geplant: Sämtliche Unternehmen, ob nun Anbieter oder Anwender von VR-Technologien, gingen in Reaktion auf den, in Märkten herrschenden, Zeitdruck sehr strukturiert mit Zeit um. Sie strukturierten ihre Handlungen stark, um die technische Entwicklung schnell voranzutreiben. So führten technologieorientierte Unternehmen wie SGI aber auch große Anwenderunternehmen aus der Automobilindustrie intensives Technologiemonitoring der Entwicklungen im Bereich VR durch. Sie erfassten, bewerteten und managten (mit) Zeit, um ihre eigenen Entwicklungsaktivitäten und das künftige Unternehmensgeschehen zeitlich durch die Bestimmung von Zeitzielen und die Erstellung von Kalendern zu gestalten. Konkret trafen sie Entscheidungen darüber, wo die beabsichtigten Maßnahmen im Zeitkontinuum zu positionieren waren: Sie definierten Roadmaps sowie Start- und Endtermine
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von Entwicklungsprojekten. Unternehmen machten zudem – wie im Fall von SGI – zeitlich strukturierte Zusagen im Hinblick auf die Fertigstellung von Visualisierungssystemen. Diese Termine waren rechtlich verbindlich. Konnten diese Termine nicht eingehalten werden, erfolgten empfindliche Konventionalstrafen. Deswegen mussten Unternehmen extrem reflexiv mit Zeit umgehen und auf Zeitdisziplin in der Entwicklung der VR-Technologien achten. Auch Anbieter von Komponententechnologien von leistungsfähigen VRKonfigurationen, wie zum Beispiel Grafikkarten, mussten Zeit als knappe Ressource und entsprechend diszipliniert nutzen. Dies war deshalb nötig, damit sich diese Anbieter selbst in der Entwicklung der VR-Technologien orientieren, Erwartungen von Investoren und ihrer Kunden schaffen und erfüllen konnten. Dabei ging es den Anbietern auch darum, den Boden für ihren Absatz zu bereiten und mit ihren Zulieferern auf Basis von kurz-, mittel- und langfristigen Zeitplänen eine gemeinsame Arbeitsbasis zu erarbeiten. Dies zeigt, dass VRSystemanbieter und Komponentenhersteller Zeit auch intensiv zur Orientierung sowie zur Kommunikation mit Akteuren in ihrem unternehmerischen Umfeld nutzten. Im Unterschied zu dieser Zeitorientierung nutzten Industrieunternehmen Zeit eher zur Synchronisation und zur Regulierung interner Entwicklungsabläufe. Sie nutzten Zeit nicht so intensiv zur Orientierung sowie zur Kommunikation mit Akteuren im Umfeld, wie VR-Systemanbieter und Komponentenhersteller. Der Bezugspunkt der zeitlichen Organisation und Planung bezüglich VR war bei Automobilunternehmen vielmehr ein Endprodukt: Beispielsweise Fahrzeuge und deren Entwicklungsprozesse standen im Mittelpunkt des Interesses und nicht die Weiterentwicklung von VR. Infolgedessen wurde Zeit hauptsächlich dazu verwendet, um interne Abläufe zu strukturieren und die Investitionen in neue VR-Technologien und VR-Anwendungen intern zu legitimieren. In Gesprächen wird auch deutlich, dass viele Unternehmen Zeit nicht nur nutzten, um ihre Aktivitäten zu strukturieren und sich zu orientieren. Vielmehr nutzten Unternehmen – wie Nvidia als Hersteller von Grafikkarten, aber auch SGI als Systemanbieter von VR-Technologien – Kalender und Roadmaps, um strategisch ihre Entwicklungsgeschwindigkeiten von VR-Systemen und Komponententechnologien zu kommunizieren. Sie präsentierten und vermittelten ihre Technologieroadmaps sowohl ihren Kunden wie auch einer breiteren Öffentlichkeit von relevanten Analysten, ihren Kunden und auch Wettbewerbern, um damit deren Erwartungen zeitlich zu strukturieren. Unterschiede im Umgang mit Zeit in der wirtschaftlichen Arena zeigen sich vor allem zwischen Anbietern von VR-Anwendungen – wie SGI – und Anwenderunternehmen von VR: Die industriellen Abnehmer von VR wollten VR als Produktionstechnologie weiterentwickeln, um deren Beschleunigungseffekte in der Produktion zu nutzen, und so schneller Produkte hervorzubringen. Sie verlangten folgerichtig, schnell klar definierte Komponenten oder technische Systeme. SGI hingegen war als Hersteller, Systemintegrator und auch als Generalunternehmer für den VR-Studio-Auf bau darauf angewiesen, sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig zu denken, um die Entwicklung von VR-Technolo-
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gien und die Schaffung von Märkten für diese Technologien mitzugestalten. Da SGI nicht nur einzelne Komponenten liefert, sondern sich auf das Angebot von kompletten VR-Systemen inklusive verschiedener Komponententechnologien, wie Servern, Projektionsanlagen, Software und deren Konfiguration spezialisierte, gaben die Verantwortlichen von SGI einen Planungszyklus von drei Jahren für die Entwicklung neuer Visualisierungssysteme vor. SGI war dabei geradezu darauf angewiesen, ständig Roadmaps und Technologiekalender zu erarbeiten, um potentiellen Kunden aufzuzeigen, mit welchen Qualitätssprüngen von VR-Technologien, die Kunden, zu welchen Zeitpunkten rechnen konnten. SGI musste Zeitpläne aufstellen und diese im Wissensproduktionsumfeld sowie dem Hersteller- und dem Marktumfeld kommunizieren. Sie mussten intensiv kommunizieren, um so attraktive Kooperationspartner oder Zulieferer von wichtigen Systemkomponenten zu identifizieren und dann deren Aktivitäten zu orchestrieren, was sehr gut funktioniert hat (dazu auch: Iansiti/Stein 1997:9). Instrumente und Verfahren zur Zeitplanung in der wirtschaftlichen Arena Wie das Beispiel von SGI oder auch der Anwenderunternehmen zeigt, setzten Unternehmen intensiv verschiedene, ausgefeilte Verfahren zur Zeitplanung ein. Dazu gehörten Projektmanagementtechniken, Meilensteinanalysen und Roadmapping, um Zeitziele zu definieren. Da ein hoher Zeitdruck herrschte, wurden auch Just-in-Time/Just-in-Sequence Verfahren zur genaueren zeitlichen Strukturierung der Abläufe eingesetzt. Neben dieser operativen zeitlichen Strukturierung wurden als Basis für Roadmaps auch Umfeldszenarien als Methode eingesetzt. Besonders Patentmanagementtechniken und Standardisierungsaktivitäten sorgten seit Ende der 1990er Jahre auch in Europa dafür, dass Unternehmen seither umfassendere zeitliche Strukturierungen vornahmen. Unternehmen planten beispielsweise aufgrund strategischer Patentierungen, die die Veröffentlichung von Fortschritten noch viel stärker zeitlich bestimmen, als dies vorher der Fall war, und veröffentlichen erst dann etwas, wenn sie sich dies hatten schützen lassen. Neben differenzierten Zeitplanungsinstrumenten wird in Gesprächen auch deutlich, dass organisatorische Lösungen extrem hohe Bedeutung für die zeitliche Strukturierung von Unternehmen hatten. So wurden besonders in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Automobilunternehmen einzelne Personen aufgrund ihrer ausgeprägten Forschungsinteressen, als ›Forscher‹ auch organisatorisch als Promotoren von VR-Technologien gegenüber dem Topmanagement und der ganzen Organisation benannt. In dieser Rolle sollten sie sich auch dafür einsetzen, finanzielle Mittel für die Weiterentwicklung von VR zu erkämpfen. Um ihr Topmanagement von der Investitionsnotwendigkeit zu überzeugen, mussten diese ›Promotoren‹ Zeitpläne und Roadmaps aufstellen, um die Möglichkeiten der VR-Technologien in Einklang mit den zeitlichen Anforderungen der Automobilunternehmen für das Topmanagement zu bringen. Das heißt: Industrieforscher mussten Zeit nutzen, um Entwicklungslinien in anwendungsorientierten Gemeinschaften beobachten und interpretieren zu können. Auf dieser Basis mussten sie ihrem Topmanagement verdeutlichen,
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dass es Sinn macht, in die Entwicklung und Konfiguration spezifischer VR-Systeme (weiter) zu investieren.
Zeitnormen in der wir t schaf tlichen Arena Die Erstellung von Technologiekalendern gehörte in Unternehmen faktisch zu Standardoperationen. Sie war Routine, um das jeweilige Unternehmen in der Technologieentwicklung zu verorten, Muster von Entwicklungen zu identifizieren und sich strategisch danach auszurichten. Objektive, präzise Zeitangaben in Tagen, Monaten und Jahren hatten herausragende Bedeutung für Unternehmen und alle Akteure in der wirtschaftlichen Arena, da aufgrund der Effizienzorientierung Kapazitäten für die Markteinführung von Produkten und die Umstellung von Produktionsprozessen zeitlich genau geplant und vorstrukturiert werden mussten. Es herrschte in Unternehmen ein ausgeprägter Einsatz von Kalendrierungstechniken vor, was zur Entstehung einer Vielzahl von Kalendern und Roadmaps führte. Kalendrierungen waren dabei zur Vorstrukturierung von Interaktionen, zur Ergebniskontrolle und Fortschrittsverfolgung, wie auch zur Koordination der Akteure wichtig. Anhand von Kalendern wurden zum Beispiel gemeinsame Standards im Bereich der VR-Beschreibungssprachen oder auch im Hinblick auf VR-Betriebssysteme geprägt und die Entwicklungstätigkeiten unterschiedlicher Akteure vorstrukturiert. Unternehmen setzten auf Basis eigener Zeitund Kapazitätsplanungen auch Zeitnormen. So definierten sie beispielsweise Fristen für die Beiträge verschiedener Akteure. Auch schrieben Unternehmen ihren Auftragnehmern meist genau vor, mit welcher Geschwindigkeit, in welcher Abfolge (Sequenzen), zu welchen speziellen Terminen (Rhythmen) und über welchen Zeitraum hinweg (Dauern) neue Virtualitätslösungen zu liefern waren.
Zeit struk turgeber in der wir t schaf tlichen Arena Viele Unternehmen richteten sich bei ihrer Zeitplanung und der Aufstellung von Kalendern an externen Zeitstrukturgebern, wie etwa ihren Wettbewerbern, ihren Kunden und vor allem an Finanzmärkten aus. Vor allem aktiennotierte Unternehmen gingen sehr diszipliniert mit Zeit um. Sie waren auf Basis verschiedener Kodizes und Regeln für die Rechnungslegung (US-GAAP) dazu verpflichtet, bestimmte Kalender vorzulegen und Zeitangaben im Hinblick auf zukünftige Profiterwartungen zu liefern. Aktiennotierte Unternehmen richteten sich dabei vor allem nach den Erfordernissen der Analysten im Finanzmarkt. Sie investierten viel Zeit in die Quartalsberichterstattung. Sie waren darauf erpicht, ihre Zeitplanung so zu strukturieren, dass schnell Ergebnisse kommuniziert werden konnten. Denn Aktienanalysten mussten selbst, aufgrund der Finanzmarktregularien, meist schnell ihre Bewertungen von Unternehmen anpassen, wenn klar wurde, dass die Unternehmen ihre zeitlichen Zusagen nicht einhielten. Dies wirkte sich wiederum sofort auf den Aktienkurs eines Unternehmens aus, wie die Betrachtung der Aktienkursentwicklung von SGI zeigt.
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Akteure, wie Nvidia, SGI aber auch Siemens – als Hersteller-Anwender von VR-Technologien –, stellten dabei unter Beweis, dass sie aus der Not heraus, Finanzmarktakteuren detaillierte Zeitplanungen bezüglich ihrer Technologieund Profitplanungen kommunizieren zu müssen, eine Tugend machten. Sie kommunizierten aktiv mit ihren Kunden und mit Finanzmarktakteuren und schafften es dadurch zum Teil deren Erwartungen zu strukturieren. So wird beispielsweise für Nvidia deutlich, dass dieses Unternehmen auch im Hinblick auf die Zeitplanung in Kundengemeinschaften mit einer seiner Hauptzielgruppen – den Entwicklern von Computerspielen – intensiv interagierte. Unternehmen, wie Nvidia richteten sich nach Kundenerwartungen, um dann dementsprechend ihre Zeitplanungen zur Verbesserung der Leistung von Grafikchips zu strukturieren. Große Anwenderunternehmen wie Siemens oder auch General Motors orientierten sich in ihren Zeitplanungen für die VR-Anwendungsentwicklung ebenfalls an ihren Kunden. So stiegen einige große Anwender – nach Aussagen von Gesprächspartnern – in die Entwicklung von VR-Technologien ein, da wichtige Kunden den Einsatz von bestimmten VR-Technologien nachfragten, um damit ihre eigenen Prozesse beschleunigen zu können. Dabei wurde durch Entwicklungsingenieure von VR-Anwenderunternehmen versucht, die Erwartungen wichtiger Kunden in die Erfordernisse von Produktionsabteilungen und in die Technologieentwicklung zu integrieren. Nach deren Erfordernissen richtete sich auch die Setzung und Orientierung an der Setzung von Meilensteinen. Auf Basis der zeitlichen Kundenerfordernisse wurden auch Meilensteine eingeführt, um technologische Entwicklungen zu steuern und die jeweiligen Entwickler in den Unternehmen zu koordinieren. Dabei fanden sich die zeitlichen Kundenerfordernisse meistens in Lastenheften und Technologiekalendern, die dazu dienten die Anforderungen in Organisationen verbindlich zu machen. Neben der Orientierung an Zeitstrukturgebern, wie Finanzmarktanalysten und Kunden, schienen für Unternehmen vor allem ihre direkten und indirekten Wettbewerber und zeitliche Muster in ihren jeweiligen Branchen und Märkten relevant zu sein. So wird in Gesprächen mit den für Technologieplanung und Geschäftsfeldentwicklung verantwortlichen Personen in Unternehmen in Bezug auf die Entwicklung der VR-Technologien deutlich, dass die ›Marktzyklen‹ sehr relevant für die zeitliche Orientierung der Akteure waren: Die vorherrschende Geschwindigkeit, in der Wettbewerber ihre Produkte entwickelten und an den Markt brachten, waren für die meisten Akteure eine Orientierungsgröße ihrer eigenen strategischen Ausrichtung. Sie bestimmten danach ihre Technologiekalender und die in Prozessen vorgegebenen Zeitanforderungen. Wie Gespräche zeigen, wurden die für das Innovationsmanagement erarbeiteten Termine und Kalender von Unternehmen meist auf Basis der Orientierung der Unternehmen an den eigenen Umfeldern erarbeitet.
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Zeitmuster und Zeithorizonte in der wir t schaf tlichen Arena Für Unternehmen war die Definition von strategischen Zeithorizonten und der Dauer von Projekten sehr wichtig, um Unsicherheiten zu reduzieren und mit der Zeitknappheit im Wettbewerb umgehen zu können. Zeithorizonte waren für Unternehmen oft die Basis, um zeitkritisch und schnell Anwendungen entwickeln zu können und Verluste zu vermeiden. Dabei bestimmten Unternehmen strategische Zeithorizonte meist auf Basis von Monitoringaktivitäten, um so eine Bezugsgröße für ihre strategische Planung zu erhalten. In dieser strategischen Orientierung wurden oft längerfristige, strategische Zeithorizonte mit operativ wichtigen, extrem kurzen Zeithorizonten kombiniert. Dabei wurden in der Zeitplanung strategische von operativen Zeithorizonten, unterschieden, damit Unternehmen flexibel auf den Wettbewerb in ihrer Zeitplanung reagieren konnten. Besonders technologieorientierte Unternehmen, die Systemhersteller von VR wie SGI, hatten neben mittel- und langfristigen Zeithorizonten bis zu 5 Jahren zur strategischen Entwicklung von Technologien und zur Orchestrierung anderer Akteure, auch operative, extrem kurzfristige Zeithorizonte mit nur wenigen Monaten Dauer: Dies war notwendig, da die Komponenten- und Systemhersteller verschiedene Zeithorizonte kombinieren mussten, da sie unter hohem Zeitdruck standen, die Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen.
Geschwindigkeiten in der wir t schaf tlichen Arena In sämtlichen Unternehmen hatten Entwicklungsgeschwindigkeiten und Prozessdurchlaufzeiten extrem hohe Bedeutung. Unternehmen neigten dabei dazu, Geschwindigkeiten der Entwicklungsprozesse zu verkürzen. Damit reagierten sie aktiv auf die Handlungen ihrer Wettbewerbern oder Anforderungen ihrer Kunden. Da viele Unternehmen zeitwettbewerbsstrategisch vorgingen, war die Beschleunigung von Aktivitäten eine der Prioritäten in der strategischen Planung von Anbietern und Anwendern von VR-Konfigurationen.
Sequenzierungen in der wir t schaf tlichen Arena In Unternehmen wurde viel Zeit darauf verwendet, auf Basis von Kalendern und Netzplänen zu entscheiden, wie Handlungen zeitlich optimal zu verteilen waren. Um möglichst schnell zu sein, wurden Sequenzen von Handlungs- und Interaktionsschritten definiert, differenzierte Prozess- und Projektplanungen festgelegt. Um mit der Zeitknappheit in der Entwicklung von VR- Komponententechnologien umzugehen, wurden auch Handlungen parallel ausgeführt. Dabei wurden kurzschrittige, aufeinander folgende und simultane, parallele Abläufe je nach Geschwindigkeitsanforderungen der Kunden im Marktumfeld stabilisiert.
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Rhy thmen und Ak zente in der wir t schaf tlichen Arena Gespräche zeigen, dass Unternehmen Akzente, wie Veröffentlichungen von Roadmaps oder auch Ankündigungen der Markteinführung eines neuen Produktes als strategische Mittel im Wettbewerb nutzten. Damit zielten Unternehmen darauf ab, Konkurrenten zu überraschen, Kunden zu überzeugen oder sie auf neue Produkte vorzubereiten. Zudem ging es für sie und für einige Industrieforscher auch darum, Analysten, Kunden und teils das eigene Management zu überzeugen. Diese Akzente, die Unternehmen setzten, schafften wiederum umfassende Rhythmen in Märkten für Technologien. Denn die Wettbewerber, potenziellen Auftragnehmer sowie Wissenschaftler und Analysten orientierten sich an diesen Akzenten einzelner Unternehmen. Das heißt, Unternehmen setzten Akzente strategisch ein, um ihr Umfeld mit zu gestalten, Orientierungen zu geben. Sie setzten Akzente, um mit ihren wichtigen, korrespondierenden Akteuren im Umfeld zu kommunizieren und die eigenen Aktivitäten, wie auch die Aktivitäten der anderen relevanten Akteure zu regulieren.
Charak terisierung der Zeitlogik in der wir t schaf tlichen Arena Insgesamt stellt sich die Logik des Umgangs mit Zeit in der wirtschaftlichen Arena als eine an Opportunitäten orientierte, ereignisorientierte, reflexive Form der zeitlichen Strukturierung dar. Diese Form des Umgangs mit Zeit ist auf die Wahrnehmung von Gelegenheiten orientiert. Unternehmen strukturieren mit Hilfe von Zeit ihre Aktivitäten, um unmittelbar neue Geschäftsmöglichkeiten zu entwickeln oder nutzen zu können, um so im Endeffekt ihren Wert zu steigern. Die Wahrnehmung von neuen Geschäftsmöglichkeiten, die Kombination von neuen Technologien zu neuartigen, absetzbaren technologischen Anwendungssystemen scheint dabei das Primat der Zeitplanung in Unternehmen zu sein. Dies gilt für Industrieunternehmen, die als Anwender von VR daran interessiert waren, möglichst schnell Anwendungen zu entwickeln und in ihren Produktionsprozesse einsetzen zu können, um möglichst schnell Zeitgewinne in Produktionsprozessen auszunutzen. Dies gilt umso mehr für die Hersteller und Anbieter von VR-Systemen, wie SGI, oder die Hersteller von Komponenten, wie Nvidia, die ihre Zeitpläne ständig an neue Möglichkeiten angepasst und ihre Aktivitäten beschleunigt haben. Diese Form des Umgangs mit Zeit ist daher auch ereignisorientiert, da sich die Unternehmen auf Basis von Technologiemonitoring, der Beobachtung von Wettbewerberben und deren strategischen Vorgehensweisen in ihrer Zeitplanung angepassten. So zeigt vor allem Nvidia als Unternehmen, dass es zuerst nur auf die beschleunigte Entwicklung seiner Konkurrenten reagiert hatte, um dann selbst zum zeitlichen Trendsetter – einem der wichtigsten Zeitstrukturgeber – im Hinblick auf Grafikrechensysteme zu werden. Diese Form des Umgangs mit Zeit ist auch reflexiv, da Unternehmen Entwicklungen in Technologiefeldern und Märkten verfolgen und auf Ereignisse im Umfeld mit ihrem eigenem Timing unmittelbar reagieren. Unternehmen passen ihre Zeitstrukturierungen insgesamt an Erwartungen, Bewertungen
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von Finanzmarktanalysten, ihren Wettbewerbern, an technologische Entwicklungslinien und der Entstehung neuer Kompatibilitäten sowie ihren Kunden an.
4.4.3 Zeitliche Struk turierungen in der for schungspolitischen Arena Zeitorientierung in der for schungspolitischen Arena Politisch-administrative Akteure in der Forschungsverwaltung und Politiker in der forschungspolitischen Arena hatten meist, ähnlich wie Unternehmen eine eher uhrzeitorientierte, formalistische Wahrnehmung von Zeit. Allerdings waren die Zeitziele hier eher an Terminen und Fristen von Verfahren der Projektförderung und der institutionellen Förderung orientiert. Die Einhaltung dieser Termine und Fristen, die Zeitdisziplin verschiedener Akteure war in der forschungspolitischen Arena sehr wichtig. Im Gegensatz zur wirtschaftlichen Arena gingen die forschungspolitisch Verantwortlichen durch ihre starke Bindung an institutionelle und regulative Verfahren nicht sehr reflexiv mit Zeit um. Forschungspolitiker und Mitarbeiter in der Forschungsverwaltung etablierten durch Kriterien der Entscheidung zur Förderung in ihren Vergabeverfahren eigene, meist autonome Kalender und Zeitnormen. Dies wirkte sich vor allem auf Wissenschaftler im Feld der Präsenz erzeugenden Instrumente aus. Denn Zeit wurde in der forschungspolitischen Arena hauptsächlich zur Regulation der Förderungsempfänger, d.h. vor allem von Wissenschaftlern, eingesetzt. Bisher wurden Zeitpläne – wie etwa Roadmaps – selten dazu eingesetzt, verschiedenen anderen Akteuren – Unternehmen und Wissenschaftlern – eine bessere Orientierung über die Entwicklungen in ihrer Planung zu ermöglichen und Entwicklungen zu moderieren bzw. zu orchestrieren. Die Gespräche zeigen, dass sich die Zeitorientierung der Forschungsförderer veränderte. Da die Effektivität der Forschungsförderung und ihre Verwaltung in den letzten Jahren im öffentlichen Interesse an Bedeutung gewannen, wurden wissenschaftliche Projekte nun nicht mehr nur um ihrer selbst willen gefördert. Vielmehr wurde Forschungsförderung zunehmend auf direkt anwendbares Wissen und Technologien ausgerichtet: Forschungsförderer mussten ihre zeitlichen Planungsroutinen anpassen. Auf Betreiben einzelner Forschungsverwaltungsbeamten und Expertenrunden veränderten sich spätestens seit 1997 in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente die Zeitplanungsroutinen: Kürzere Projektlaufzeiten und die Einführung von Elementen der formativen Evaluation mit zwischenzeitlichen Statusaktualisierungen (Statustagungen) sowie komplett modifizierte zeitliche Strukturierungen wurden zum integralen Bestandteil von Forschungsprojekten. Im Zuge dieser Entwicklung wurden vormals gesetzte Fristen und Dauern für die politisch-administrativ und institutionell orientierte Programm- und Projektförderung in Reaktion auf die Lernerfahrungen angepasst. Um die anwendungsorientierte Entwicklung von VR-Technologien und der dazugehörigen Wissensbestände zu unterstützen, wurden ab Ende der Neunziger Jahre und
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spätestens seit 2001 zunehmend in wissenschaftlich, forschungsorientierten Anwendungsbereichen Programmplanungen eingesetzt. Kürzere Zeithorizonte wurden für Projekte vorgeschrieben, um Industrieunternehmen möglichst früh einbinden zu können und so auf Basis der Forschungsförderung schneller neue anwendungsreife VR-Anwendungen entwickeln zu können. Außerdem wurden mehr Meilensteine in Projekten zeitlich definiert. Die zeitliche Restrukturierung der Förderungsplanung zeigt sich am deutlichsten in den Förderkriterien, zum Beispiel hat das BMBF von Antragsstellern auf Förderung eine zeitliche Projektstrukturierung verlangt. Im Bereich der langfristig orientierten Grundlagenforschung mussten Antragssteller zunehmend detailliertere Zeitplanungen in Projekten vornehmen. Dabei mussten Szenarien mit der Definition von Anwendungspotenzialen, neben einem sorgfältig strukturierten und straffen Projektmanagement, geliefert werden. Im Zusammenhang mit der Veränderung der Förderkriterien ergibt sich bei der Rekonstruktion der Entwicklung von VR-Technologien im Hinblick auf die Zeitstrukturgeber auch, dass sich forschungspolitische Akteure stärker an der Wirtschaft, an Marktlogiken und den vorherrschenden zeitlichen Mustern in Märkten orientierten: Die Förderungszeiträume und die Meilensteine der Forschungsvorhaben wurden als Kernstück der zeitlichen Restrukturierung ab 2000 schrittweise an die in der IT-Industrie vorherrschenden Zeitzyklen und an die Dynamik des Marktes für Informationstechnologien angepasst. Diese IT-Zeitzyklen lagen nach Einschätzungen der Mitarbeiter des BMBF im Bereich VR bei zwei bis vier Jahren für neue Anwendungen. Auch die Förderdauern für interdisziplinäre Leitprojekte rückten mit einer verkürzten Förderungsdauer von vier bis acht Jahren näher an zeitliche Entwicklungsmuster in Märkten. Damit lässt sich feststellen, dass sich die Zeitlogik in der forschungspolitischen Arena durch intensivere Zusammenarbeit von Akteuren veränderte.
Ver wendete Instrumente im Zeitmanagement in for schungspolitischer Arena Politisch-administrative und öffentliche Forschungsförderer setzten vor allem Verwaltungsverfahren ein. Dabei mussten sie sich an gesetzlichen Normen in ihrer zeitlichen Strukturierung orientieren. Diese Verfahrensvorschriften mit relativ rigiden Terminstrukturen wirkten sich besonders im Programmund Projektmanagement aus. Durch die gestiegene Bedeutung von Patentmanagementtechniken wurde auch der Formalisierungsgrad der Zeitplanung erhöht. Hier fällt auf, dass ein zeitlich orientiertes Patentmanagement oft durch öffentliche Akteure noch nicht stattfand.
Zeitnormen in der for schungspolitischen Arena Forschungsförderer hatten meist starre Zeitordnungen und strukturierte Verwaltungskalender mit klaren Ausschlussdaten, die sich auch nach politischen Kalendern und Fristen, wie Legislaturperioden, richteten und aufgrund der Einflussnahme von Forschungspolitikern und deren Legitimationserfordernisse etabliert wurden. Diese nach Kalenderjahren und Verfahrensordnungen
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strukturierten Zeitordnungen dienten auch als Vorgabe für die zumeist geförderten Akteure.
Zeit struk turgeber in der for schungspolitischen Arena Die Forschungsförderungsinstitutionen waren vor allem Mitte der neunziger Jahre in ihrer zeitlichen Strukturierung stark auf sich selbst und ihre Verwaltungsverfahren stabilisierten Zeitmuster orientiert. Forschungspolitiker etablierten neue Zeitmuster und Zeitnormen meist auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen bei der Förderung, das heißt vorrangig nach »gesetzlichen« und verwaltungsrechtlichen Bestimmungen, aufgrund von Legitimationserfordernissen. Besonders in der Pionierzeit von VR in Deutschland richteten sich die öffentlichen Forschungsförderer meist nicht an der Dynamik neuer Forschungsergebnisse und der Entwicklungen in Forschungsgemeinschaften und Technologiefeldern, wie auch in den noch jungen Märkten aus. Forschungspolitiker nutzten die zeitliche Strukturierung ihrer Förderungsaktivitäten meist weniger rezeptiv und reflexiv dazu, um Dauern und Geschwindigkeiten der Wissensproduktion in wissenschaftlichen Feldern zu regulieren. Erst ab Ende der neunziger Jahre änderte sich dies grundlegend mit der Orientierung an Marktzyklen der IT-Industrie. Hinsichtlich der Reflexivität zeigen die Gespräche, dass die verschiedenen Forschungsförderer meist aufgrund mangelnder Analysekapazitäten selbst wenige Auswertungen und Bewertungen ihrer Förderungsstrategien machten. Ebenso wenig erfassten sie umfassend, inwieweit Zeitpläne und Formen der Zeitdisziplin in Verfahren zu positiven Effekten auf die Wissensproduktion oder die Entwicklung neuer Anwendungen im Markt führten. Demnach wurde bisher nur wenig evaluiert, ob Fristen in Verfahren sich positiv auf die Produktion von Wissen und neue VR-Anwendungen sowie die Entstehung von Kompatibilitätszeitfenstern auswirkten. Vielmehr wurden eher einmal vorstrukturierte zeitliche Ordnungen beibehalten. Es wird deutlich, dass im politisch-administrativen Bereich die Orientierung an Verfahren vorherrschte, wie beispielsweise grundsätzliche Zeitpläne mit zweijähriger Förderdauer für Vorhaben, ohne dass diese Art von verfahrensbestimmten, zeitlichen Strukturierungen mit Wissenschaftlern oder anderen Interessenträgern abgestimmt wurde. Obwohl die meisten Forschungspolitiker zwar die Entwicklung in den Märkten wahrnahmen, wurden die verschiedenen Akteure, die in den Märkten agieren, wenig an der Zeitplanung der Forschungspolitik beteiligt. Gravierend gering stimmten die Forschungsförderer ihre Zeitplanung reflexiv auf die Umfelder der Märkte und Akteure im VR Bereich ab. Dies zeigt sich darin, dass die Marktzykleneinschätzungen der meisten Forschungsförderer von einzelnen Unternehmen oder Wissenschaftlern – und nicht aus der eigenen Analyse der Forschungsförderer stammten. In diesem Zusammenhang wird eine eigene Logik der politisch-administrativen Arena in Bezug auf die eigene Zeitstrukturierung deutlich. Waren Verfahren etabliert, wurden diese schnell institutionalisiert und Zeitpläne wurden in Verfahrensfristen übersetzt. Von Empfängern von Forschungsgeldern wurde dann ausgeprägte Zeitdisziplin gefordert. In den
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politisch-administrativ bestimmten Förderungsverfahren wurden Zeitpunkte definiert, worauf hin auch Prototypen oder neue Forschungsergebnisse vorgestellt werden mussten. Diese Zeitpunkte waren – auch dann, wenn neue Entwicklungen im Feld auftreten – nicht zu verändern.
Zeitmuster und Zeithorizonte in der forschungspolitischen Arena Die Setzung von Dauern zur Regulierung und Vorstrukturierung der Geschwindigkeit und der Zeitpunkte der Wissensproduktion, durch die Festschreibung von Förderdauern hatte für forschungspolitische Akteure höchste Bedeutung. Die Zeithorizonte in Programmen und Projekten richteten sich nach vorgegebenen, institutionell stabilisierten Laufzeiten in Verfahren. Förderzeiträume und die jeweiligen Arbeitspakete richteten sich nach den Laufzeiten von Forschungsrahmenprogrammen. Jeweilige Arbeitspakete mussten zum Ablauf und zum Beginn des Kalenderjahres beantragt werden. Durch die Unterscheidung von Forschungsinstrumenten und Förderdauern wurden verschiedene Zeithorizonte etabliert. Für grundlagenorientierte Förderaktivitäten und für Förderschwerpunkte wurden fünf bis zehn Jahre durch die forschungspolitischen Akteure gewährt. Programme hingegen, die Unterstützung für Entwicklungen virtualitätsgenerierender Instrumente gewährten, wiesen eine Laufzeit von vier bis acht Jahren auf. Für die kurzfristigere Förderung wurde das Instrument der Projektförderung eingesetzt, wobei Projekte in Programme integriert und die Rahmensetzung durch länger angelegte Programme geliefert wurden. Durchschnittliche Projektlaufzeiten waren auf fünf Jahre für Leitprojekte und auf eins bis zu fünf Jahren für Projekte festgesetzt. Der durchschnittliche Förderungszeitraum lag bei drei Jahren. Besondere Bedeutung in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente hatte die Definition von Zeithorizonten für jüngere Forscher und Wissenschaftler. Die Förderdauer wurde für Doktoranden von öffentlicher Förderseite meist auf zwei bis drei Jahre festgeschrieben. Dies stellte Doktoranden in den Endphasen der Förderung oft vor Zeitkonflikte, da sich der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt nicht immer eindeutig zeitlich bestimmen lies.
Geschwindigkeiten in der for schungspolitischen Arena Auf Geschwindigkeit und die Frequenz der Interaktionen wurde bisher weniger Wert in der politisch-administrativen Arena gelegt, obwohl der Druck zur Beschleunigung auf Wissenschaftler im Zuge der höheren Anwendungsorientierung zunahm.
Sequenzierungen in der for schungspolitischen Arena In der forschungspolitischen Arena herrschten durch die Orientierung an Verfahrensvorschriften meist rigide Sequenzierungen der Aktivitäten vor. Zwar fanden in der Verabschiedung von neuen Förderungsprogrammen relativ viele inhaltliche förderungspolitische Auseinandersetzungen statt. Auf eine reflexive Strukturierung der Abfolge von Aktivitäten in und durch Verfahren wurde jedoch weniger geachtet. So war nicht zu erkennen, dass parallele Handlungsaus-
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führungen und verschiedene Verfahrensordnungen miteinander in Einklang gebracht wurden. Forschungsprojekte waren eher durch scheinbar irreversible Verwaltungsverfahren straff, rigide und sequenziell definiert.
Rhy thmen und Ak zente in der for schungspolitischen Arena Besonders seit der Umorientierung der Förderungspolitik Mitte der neunziger Jahre stellten die forschungspolitischen Akteure ihr Programm- und Projektmanagement um und setzten durch Statustagungen Akzente. So veranstaltete das BMBF – wie im Bereich der Virtuellen und Erweiterten Realität in ein bis zwei-jährigen Abständen –Statustagungen für wichtige Forschungsschwerpunkte. Bei diesen Statustagungen konnten geförderte Projekte ihre Forschungsergebnisse vorstellen und erste prototypische Szenarien demonstrieren. Diese Vorgehensweise half, Projekte frühzeitiger im internationalen Rahmen präsentieren, bewerten und einschätzen zu können. Auch eröffneten diese Statustagungen für die Wissenschaftler die Möglichkeit, Anregungen für die weitere Gestaltung der Projekte zu gewinnen. Diese Statustagungen wirkten somit auch als Akzente und wurden ebenso zur öffentlichkeitswirksamen Legitimation der Forschungsförderungsaktivitäten genutzt. Durch diese Tagungen konnten die politisch-administrativen Akteure zeigen, wie aktiv und zum Teil erfolgreich, sie als Forschungsförderer die Entwicklungen neuen Wissens und neuer Anwendungen mit Förderungsimpulsen und Forschungsprojekten unterstützten. Damit setzen sie Akzente. Die Forschungskonferenzen dienten auch zur Evaluation bisheriger Förderungen. Gleichsam dienten sie zur Koordination der Akteure, weil die Akteure sich bei Konferenzen darüber informieren konnten, was andere Institute auf Basis der Förderung schafften. Besonders in großen Förderprojekten dienten die Statustagungen auch als Meilensteine zur Dokumentation des Fortgangs von Projekten. Diese Akzente trugen in Projekten, wie ARVIKA, dazu bei, die Zielstellung von Entwicklungen anzupassen. Auch konnte so besser auf die Bedürfnisse der industriellen Projektpartner reagiert werden und besser zugeschnittene Anwendungen auf Basis öffentlicher Förderung präsentiert werden. Damit wurde auch in der forschungspolitischen Arena eine zeitlich sensitivere Strukturierung vorgenommen.
Charak terisierung der Zeitlogik in der for schungspolitischen Arena Insgesamt stellt sich die Logik des Umgangs mit Zeit in der wissenschaftlichen Arena als legitimationsorientierte, rigide, auf die Regulierung anderer Akteure ausgerichtete, wenig reflexiv und verfahrens-orientierte, zeitliche Strukturierung dar. Diese Form des Umgangs mit Zeit ist legitimationsorientiert, da die meisten wichtigen Termine und zeitlichen Akzente, Forschungsprojekte und -programme in ihrer zeitlichen Ausdehnung bestimmt werden, um rechtzeitig für Politiker oder Beamte in der Verwaltung gute Nachrichten oder Erfolge durch die Förderung von Forschung hervorzubringen. Die jeweilig Verantwortlichen
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in Verwaltung und Politik waren darauf orientiert, sich durch forschungspolitische Impulse für die Entwicklung der VR-Technologien, d.h. durch die Unterstützung der Entstehung von Märkten für VR-Systeme und damit von neuen Wertschöpfungsmöglichkeiten für Wissenschaftler, zu legitimieren. Eine solche Zeitplanung ist auf die Regulierung anderer Akteure ausgerichtet. Mit den zeitlichen Setzungen wird beabsichtigt, verschiedene Forschungsinstitute und Unternehmen zu regulieren und deren Impulse bestenfalls zusammenzuführen. Diese Form der Zeitstrukturierung ist, trotz der Umorientierung der Förderung, noch relativ rigide, wenig reflexiv und verfahrensorientiert. Denn es zeigt sich, dass bis auf jüngste Entwicklungen, die Forschungsförderer relativ lange an vorher definierten Zeitplänen, Programmen und Projekten festgehalten haben. Zudem erscheinen Veränderungen in der zeitlichen Strukturierung von Förderverfahren aufwändig, da Verfahren eine immanent hohe Trägheit haben.
4.5 Zusammenfassung zu arenenspezifischen zeitlichen Struk turierungen in der Ent wicklung vir tualitätsgenerierender Instrumente Zur Frage, wie heterogene Akteure mit Zeit bei der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente umgehen, lässt sich festhalten, dass die Akteure unterschiedliche Zeitorientierungen hatten. Akteure nutzten die verschiedenen Funktionen sozialer Zeit spezifisch. Dabei diente ihnen Zeit zur Orientierung, Kommunikation und Regulierung. Zeit zur Orientierung: Akteure schafften und nutzten soziale Zeit, um Kalender und zeitliche Wahrnehmungen zu etablieren, mit denen sie Entwicklungen in technologischen, wissenschaftlichen und Wettbewerbsumfeldern abbilden. Sie nutzten Zeit, um die Entwicklung von Komponenten, von neuem Wissen oder auch die Aktivitäten anderer Wettbewerber abzubilden. Und sie nutzten Zeit, um sich zu orientieren, die Entwicklungen in ihren Umfeldern zu rekonstruieren und zu antizipieren. Das beste Beispiel für die Orientierungsfunktion von Zeit sind die vielen, unterschiedlichen Technologie-, Markt-, Wissenschaftsund Politik-Roadmaps, die sich auf Entwicklungen virtualitätsgenerierender Instrumente beziehen. Durch diese Nutzung von Zeit wurde es den Akteuren ermöglicht, Meilensteine in Entwicklungsprojekten festzulegen. Sie konnten ihre Zeithorizonte durch die Bestimmung von Dauern näher definieren, Geschwindigkeiten setzen, mit aufeinander folgenden oder parallelen Sequenzen zur zeitkritischen Erarbeitung neuer Entwicklungen experimentieren. Sie konnten auch Akzente definieren, um so Rhythmen zu verfestigen. Vor allem Akteure in der wirtschaftlichen Arena setzten Zeit auf Basis von weit reichenden Monitoringaktivitäten ein, um Gelegenheiten zu identifizieren und diese dann auch zu nutzen. Zeit zur Kommunikation: Zeitliche Orientierungspunkte in Kalendern hatten eine hohe Bedeutung für Akteure und ihre Handlungen in Innovationspro-
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zessen, da diese Zeitpunkte den Akteuren auch zur Kommunikation in sozialen Kontexten dienen. Vor allem Unternehmen nutzten Zeit nicht allein, um sich zu orientieren. Zeit bildete auch die Basis für Roadmaps und andere Kalender, anhand derer, die verschiedenen Akteure strategisch mit anderen Akteuren und Interessenträgern im jeweiligen Umfeld kommunizierten. Unternehmen verwendeten Zeitstrukturierungen in Kalendern und Roadmaps, um Fortschritte und eigene Erwartungen zu strukturieren und diese Finanzmarktakteuren, politischen Akteuren oder dem eigenen Topmanagement zu vermitteln. Auch Wissenschaftler begannen damit, auf Basis von zeitlich strukturierten Plänen über Entwicklungsimpulse und ihre Schaffung neuen Wissens oder neuer Anwendungen zu kommunizieren. Dem gegenüber setzten Forschungsförderer Zeit weniger zur Orientierung anderer Akteure in anderen Arenen ein. Zeit zur Regulierung und zur Synchronisation: Neben Orientierung und Kommunikation diente Zeit für verschiedene Akteure zur Regulierung und Synchronisation: Durch die Festlegung von Dauern, Geschwindigkeiten und Sequenzen von Aktivitäten sowie durch Akzentuierung bestimmter Ereignisse und Zeitpunkte konnten Akteure ihre Aktivitäten und die anderer Akteure regulieren. Beispielsweise hat DaimlerChrysler Zeit in seiner Planung genutzt, um Aktivitäten der eigenen Entwicklungs- und Forschungsabteilung mit Aktivitäten beauftragter Unternehmen zeitkritisch zu synchronisieren. Besonders SGI hat zur systemischen Integration verschiedener VR-Komponenten Zeit eingesetzt, um verschiedene wissenschaftliche Institute, Subkomponentenhersteller, Kunden sowie – indirekt über die Teilnahme in wissenschaftlichen Gemeinschaften – auch Forschungsförderer zu synchronisieren. Forschungsförderer setzten zwar Zeit zur Regulierung ein, indem sie Förderzeiträume festschreiben. Jedoch haben sie erst in jüngerer Zeit begonnen, Zeit reflexiv im Hinblick auf die Regulation wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure und der Entwicklungen in Wissens-, und Technologiefeldern zu nutzen.
Unter schiedliche Zeitorientierungen Bei der empirisch-explorativen Rekonstruktion zeigt sich, dass Akteure in verschiedenen Arenen unterschiedliche zeitliche Orientierung in der Entwicklung von Technologien zur Generierung virtueller Realitäten hatten. Gespräche zeigen, dass Zeitpläne für die meisten Wissenschaftler und Forscher nicht von herausragender Bedeutung gewesen sind. Wissenschaftler hatten eine eher ereignisorientierte Wahrnehmung von Zeit. Dies verhält sich ganz anders bei Unternehmen und Forschungsförderern. Forschungsförderer hatte eine eher uhrzeitorientierte Zeitkultur auf Basis von Verfahren. Unternehmen sind auch eher auf Basis einer uhrzeitorientierten Zeitkultur mit Zeit umgegangen. Dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse und die Weiterentwicklung von Wissen schwer zeitlich einschätzen und planen lassen, erscheint als ein wesentlicher Grund dafür, dass wissenschaftlich orientierte Akteure sich weniger stark an Zeitangaben orientierten und entsprechend weniger Wert auf Zeitdisziplin legten, als Unternehmen und Forschungsförderer. Im Gegensatz zu Forschungsförderern herrschte in der wissenschaftlichen Arena eine inhaltsbezogene, so-
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zial orientierte Strukturierung mit Hilfe von Zeit vor. Um die Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten zu beschleunigen, haben Akteure in der wirtschaftlichen Arena Zeit im Vergleich mit Akteuren in anderen Arenen sehr intensiv und reflexiv genutzt.
Unter schiedliche Instrumente zum Umgang mit Zeit Aufgrund dieser unterschiedlichen Zeitorientierungen haben verschiedene Akteure unterschiedliche Instrumente zur Zeitplanung eingesetzt. Hierbei fällt auf, dass Unternehmen viele und ausgefeilte Instrumente einsetzten, die in ihren zeitlichen Strukturierungen die Interaktionen der Unternehmen und ihrer Mitglieder klar determinierten und gleichzeitig von den Akteuren ein hohes Maß an Zeitdisziplin verlangten. Wissenschaftler setzten zwar auch verschiedene Instrumente zur Zeitplanung ein. Allerdings waren die meisten Wissenschaftler gerade in Fragen der zeitlichen Strukturierung von Wissensproduktionsprozessen zurückhaltend, da Wissensfortschritte eben nicht so klar planbar sind. Gespräche deuten auch darauf hin, dass die Forschungspolitik die koordinierende Funktion von Zeit mit Hilfe von Roadmaps noch nicht so stark für sich erschlossen hatte, wie dies vor allem Unternehmen oder einige wissenschaftliche Institute haben. Bei Forschungsförderern war die reflexive – auf andere Unternehmen und Entwicklungen im Umfeld ausgerichtete zeitliche Strukturierung – und auch die Entwicklung von partizipativ erstellten Roadmaps – lange Zeit noch nicht so stark ausgeprägt, wie bei Unternehmen oder auch wissenschaftlichen Akteuren. Dies führte dazu, dass in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente eine Vielzahl eigenständiger Roadmaps bei Unternehmen oder bei einzelnen Wissenschaftlern sowie auch von Seiten der Forschungsförderer Bestand hatten und folglich die zeitliche Verteiltheit recht hoch war. Es erfolgte also wenig zeitliche Koordination.
Unter schiedliche Zeitnormen und Kalender Durch die Verwendung anderer Instrumente haben die verschiedenen Akteure auch unterschiedliche Kalender und Zeitnormen etabliert. So herrschte in der wirtschaftlichen Arena aufgrund zeitwettbewerbsstrategischer Vorgehensweisen einiger Unternehmen vor allem die Norm der Beschleunigung von Aktivitäten vor. Unternehmen setzten intensiv Kalender zur Ergebniskontrolle und eine Vielzahl von Roadmaps zur Koordination von Akteuren ein. Forschungsförderer waren stark an Zeitnormen orientiert, wobei vor allem rigide Verfahrenskalender vorgeherrscht haben, die aber in jüngerer Zeit auch mehr durch Roadmaps zur besseren Orientierung und Koordination ergänzt wurden. Bei Wissenschaftlern hingegen spielten Kalender nicht die Rolle von Zeitnormen. Kalender dienten Wissenschaftlern hauptsächlich zur inhaltlichen Verortung eigener Forschung und der Entwicklungen in Wissens- und Forschungsfeldern, wobei unterschiedliche, situative Kalender als Ansammlung sozialer Ereignisse bestanden.
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Arenenspezifische Zeit struk turgeber In der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten gab es unterschiedliche Zeitstrukturgeber: Unternehmen in der wirtschaftlichen Arena, die Forschungsverwaltung in der forschungspolitischen Arena und Geldgeber sowie Fraunhofer-Institute in der wissenschaftlichen Arena. Diese einzelnen Akteure, vor allem Systemanbieter von VR-Technologien, Anwenderunternehmen, Fraunhofer-Institute und Netzwerke von Forschern, wie auch Ministerien, setzten jeweils in einer spezifischen Form zeitlich Impulse und orientierten sich in ihren Arenen an unterschiedlichen Zeitstrukturgebern. Unternehmen waren sehr rezeptiv gegenüber anderen Zeitstrukturgebern und orientierten sich an den Notwendigkeiten der eigenen Organisation, ihren Wettbewerbern und ihren Kunden. Forschungsförderer hingegen waren eher auf sich selbst bezogen. Sie orientierten sich an ihren Routinen, ihren Verfahren, gesetzlichen- und Verwaltungsvorschriften, wie auch an politischen Zielen einzelner Entscheidungsträger. Wissenschaftler orientierten sich am intensivsten an anderen Akteuren. Neben ihre eigenen Forschungsagenden und -vorhaben orientierten sie sich an anderen, wichtigen Wissenschaftlern und den Fortschritten in Wissens- und Forschungsfeldern. Aufgrund ihrer Abhängigkeit von Förderung und Unterstützung durch Geldgeber, orientierten sie sich auch an Forschungsförderern und Unternehmen.
Arenenspezifische Zeitmuster und Zeithorizonte (Formen des Timings) Neben den Zeitorientierungen sind die Zeitmuster (Dauern [Zeithorizonte], Tempi, Sequenzen, Rhythmen), die verschiedene Akteure in den Arenen geprägt haben, unterschiedlich. In der wirtschaftlichen Arena waren strategische Zeithorizonte sehr wichtig: Kurze Zeithorizonte wurden mit längerfristigen kombiniert, Dauern wurden reaktiv auf Entwicklungen in Umfeldern angepasst. Vor allem Systemhersteller von VR hatten ein breites Spektrum an Zeithorizonten: Neben kurzfristigen operativen Zeithorizonten, waren auch mittel- und langfristige Zeithorizonte mit bis zu fünf Jahren wichtig. Wissenschaftler hingegen hatten sehr langfristige Zeithorizonte, die allerdings aufgrund der individuellen Vertragsgestaltung für Wissenschaftler und Forscher mit kurzfristigeren Zeithorizonten kombiniert waren. Aufgrund der Verfahrensorientierung hatten Forschungsförderer klar in Förderzeiträumen definierte Zeithorizonte, die von über zehn Jahren bei der institutionellen Förderung; bei fünf bis zehn Jahren im Fall von Förderschwerpunkten, bei Programme bei vier bis acht Jahren; bei Forschungsprojekten von einem bis zu fünf Jahren reichten. Die meisten Unternehmen waren durch Beschleunigungen, durch Veränderungen ihrer Sequenzen hin zu parallelen und simultanen Sequenzierungen, ständig bemüht ihre Geschwindigkeiten zu erhöhen. Bei Wissenschaftlern spielten Geschwindigkeiten eigentlich keine heraus-
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ragende Rolle, da eher Flow-Zustände in der Forschung wichtig waren. Sie entwickeln meist sequenziell neues Wissen, wobei vor allem in jüngerer Zeit durch viele, verteilte Wissensbeiträge und Forschritte in der Telekooperation nun auch in der Wissensproduktion parallele Formen der Wissensproduktion zu beobachten waren. Forschungsförderer maßen im Vergleich zu Unternehmen der Beschleunigung nur wenig Bedeutung zu. Sie gingen meist strikt sequenziell auf Basis ihrer in Verfahren definierten Sequenzen vor. Erst in jüngerer Zeit begannen sie diese Sequenzierungen an Entwicklungen in Wissens- und Marktumfeldern anzupassen. Hinsichtlich der Rhythmen zeigt sich, dass Unternehmen viele Akzente als strategisches Mittel im Wettbewerb setzten, um Konkurrenten zu überraschen, Kunden, Analysten und das Management zu überzeugen. Dadurch etablierten sie ausgeprägte Rhythmen. Auch Wissenschaftler setzten aktiv viele erkenntnisorientierte Akzente zur Etablierung von Forschungsrichtungen und Paradigmen. Für Wissenschaftler hatten vor allem Forschungskonferenzen hohe Bedeutung für die rhythmische Strukturierung ihrer Aktivitäten. Forschungsförderer setzten vor allem in Reaktion auf die ausgeprägten Akzentuierungen und Rhythmen von Unternehmen und Wissenschaftlern auch ab Anfang 2000 Akzente durch Statustagungen. Sie etablierten durch Konferenzen als strategisches Mittel zur Legitimation zur Evaluation und zur Koordination auch neue Rhythmen in ihrer Förderungsaktivität.
Arenenspezifische Zeitlogiken In der Zusammenschau der verschiedenen Zeitorientierungen, Zeitplanungsinstrumente, Zeitstrukturgeber und Zeitmuster lassen sich verschiedene arenenspezifische Logiken des Umgangs mit Zeit unterscheiden: Tabelle 4: Arenenspezifischen Zeitlogiken
Charakterisierung der Zeitlogik
Wirtschaftliche Arena
Wissenschaftliche Arena
Forschungspolitische Arena
Gelegenheits- und ereignisorientierte, reflexive zeitliche Strukturierung
Experimentierende, flow-und Neugierorientierte, reputations- und ressourcenorientierte, reflexive zeitliche Strukturierung
Legitimationsorientierte, auf Regulierung anderer Akteure orientierte, rigide, verfahrensorientierte, zeitliche Strukturierung
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4.6 Auswirkungen von Zeit auf die Ent wicklung vir tualitätsgenerierender Instrumente Da die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und forschungspolitisch-administrativen Akteure in unterschiedlicher Art und Weise mit Zeit umgingen, beeinflussten sie somit auch die Entwicklung von neuem Wissen und technischer VR-Systemanwendungen.
4.6.1 Ent stehung von Zeitnormen Durch die zeitliche Strukturierung und Regulierung der Aktivitäten, die Festlegung von Dauern und Sequenzen auf Basis verschiedener Technologiekalender, konnten einige Unternehmen in der Marktarena zur Entstehung und Institutionalisierung von Zeitnormen beitragen. Einzelne Akteure, wie Nvidia oder SGI prägten durch ihre zeitlich strukturierten und strukturierenden Handlungen sowie Interaktionen in den jeweiligen Arenen Zeitnormen. Diese Zeitnormen waren dabei dynamisch und wurden ständig neu hervorgebracht, so dass sie als soziale Struktur stabilisiert wurden. Beispielsweise hat SGI seine Kunden über die Geschwindigkeiten der Entwicklung von Grafiksystemen informiert. Dieses Unternehmen vermittelte seinem Umfeld, dass bestimmte Dauern, Sequenzen, Rhythmen und Zeithorizonte zur Entwicklung von komplexen Konfigurationen zur Visualisierung, Simulation und zur Generierung von Präsenz notwendig seien. Durch diese Art der Kommunikation wurden bestimmte Zeitmuster als effizient, Ziel führend dargestellt und so mit Bedeutung versehen. Diese Kommunikation wirkte auf andere Akteure: Entwickler in Unternehmen, Wissenschaftler und Forschungsförderer haben sich mit Rückgriff auf diese Zeitmuster dann selbst in ihren Handlungen legitimiert. Beispielsweise haben Forschungsförderer, die Zeitstrukturierung in ihren Förderkriterien und Verfahren im Rückgriff auf diese, in der Informationstechnologie vorherrschenden Marktzyklen gerechtfertigt. Auch Anwenderunternehmen (z.B. DaimlerChrysler) konnten so Zeitnormen setzen. Dies erreichten sie, indem sie Fristen in Verträgen für Technologiedienstleister festschrieben. Durch diese Festschreibung von Fristen, Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen verordneten sie bestimmte Zeitmuster in der Entwicklung von VR-Komponenten und VR-Konfigurationen. Dadurch, dass viele andere Akteure auf diese Verordnungen reagierten und diese Fristen in ihren zeitlichen Strukturierungen übernahmen, wurden Zeitnormen in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente sozial stabilisiert. In dieser Hinsicht geben Gespräche auch Hinweise darauf, dass bestimmte Zeitmuster, wie Marktzyklen als so genannte ›rules of the game‹ wirkten. Sie wirkten als Regeln und institutionelle Arrangement, wobei diese ›rules of the game‹ die Zeitplanungen vieler Akteure in verschiedenen Arenen beeinflussten: Verschiedene Akteure beriefen sich in ihrer Zeitplanung auf diese ›rules of the game‹, diese Zeitmuster. Dadurch stabilisierten sich diese Zeitmuster in der Entwicklung von VR-Technologien noch weiter sozial; Zeitmuster wurden
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also zu Zeitnormen. Diese Zeitnormen beeinflussten die technische Weiterentwicklung. Sie wirkten sich vor allem auf die Wahrnehmung von Potenzialen bestimmter Technologien sowie die Wahrnehmung von Handlungsoptionen von Akteuren aus. Die Gespräche zeigen, dass einerseits Zeitnormen die Handlungen und Interaktionen von Akteuren ermöglichten, andererseits aber auch Handlungen und Interaktionen einschränkten. So wurde von Zeitnormen, auf Basis von ›Daumenregeln und Erfahrungswerten‹ durch Akteure abgeschätzt, wie viel Zeit für die Entwicklung neuer Komponententechnologien nötig war. Auf dieser Basis wurde dann die Planung der Investitionspolitik von Unternehmen und von Forschungsförderern, einschließlich des Einsatzes von Forschungskapazitäten abhängig gemacht. In manchen Fällen führte das dazu, dass mehr Wissenschaftler und Entwickler an Grafikrechensystemen forschten, wodurch sich diese rasant weiterentwickelten. In anderen Fällen führten die Abschätzungen und Zeitnormen dazu, dass einige Komponenten, wie Displaytechnologien aufgrund wenig optimistischer Erwartungen im Hinblick auf schnell vermarktbare Anwendungen später bzw. teils gar nicht weiterentwickelt wurden, da nur zurückhaltend in dieses Feld investiert wurde. Vor allem Unternehmen haben durch ihre zeitliche Strukturierung und durch die Etablierung und Verbreitung von Kalendern strategisch Akzente gesetzt und Zeitnormen etabliert, um den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu strukturieren. Unternehmen, wie SGI und Nvidia, erhöhten durch die beschleunigte Entwicklung von Komponenten den Zeitdruck auf die Entwicklung von VR-Systemen und Komponenten. Diese Unternehmen haben ihre temporalen Kapazitäten genutzt. Sie haben Akzente gesetzt und begründeten so einen Zeitwettbewerb in bestimmten Technologiebereichen. Dabei gilt zu beachten, dass Unternehmen, wie SGI oder Nvidia, einen Zeitwettbewerb etablieren konnten, da sie intensiv zeitlich orientierte Instrumente zum Management ihrer Innovationsaktivitäten, wie Roadmapping- und Meilensteinanalysen eingesetzt haben. Sie sequenzierten ihre Aktivitäten anders. Außerdem betrieben die Unternehmen strategisches Patentmanagement. Sie setzten durch die Definition kritischer Zeitpunkte in Netzplänen und Roadmaps derartig wirksame Akzente in der Entwicklung der VR-Technologien, dass sie auch die Rhythmen des Handelns anderer Akteure beeinflussen konnten. Der dadurch entstehende Zeitwettbewerb führte vor allem bei Anbietern von Grafikkarten zu Marktbereinigungen und zur Veränderung der Zeitlogiken. Einerseits konnten mehrere Hersteller von Grafikkarten im Zeitwettbewerb nicht Schritt halten. Sie sind schließlich Übernahmen zum Opfer gefallen oder haben sich auf andere Komponenten spezialisiert. Als Folge dieser Marktbereinigungen teilten im Jahr 2005, gemessen an Marktanteilen, zwei Unternehmen – ATI Technologies und Nvidia – den Markt für Grafikkarten unter sich auf. Diese Unternehmen beherrschten seither den Markt, da sie durch ihre zeitorientierte Innovationsorganisation mit paralleler Sequenzierung der Entwicklungstätigkeiten dazu fähig waren, schneller als andere Wettbewerber, neue Grafikkarten zu entwickeln. So führte beispielsweise die Parallelisierung von Entwicklungs-
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tätigkeiten bei Nvidia zu einer Absenkung der Entwicklungszeiten für neue Grafikkarten von über einem Jahr bis auf drei Monate. Durch diese Beschleunigung konnten diese Unternehmen ihre eigenen hochgesteckten, zeitlichen Ziele erreichen. Dagegen sind die anderen Mitbewerber – Mitte der 1990er Jahre hatte es noch über 30 Herstellerunternehmen gegeben –, die es nicht vermocht haben, mit dieser Taktung mitzuhalten, nicht mehr im Markt. Andererseits veränderten sich nicht nur das Marktumfeld, sondern auch die Zeitlogiken – vor allem die Form der Sequenzierung von Aktivitäten – für die Herstellung von Grafikkarten. Nvidia setzte mit der schnelleren Einführung von neuen Prozessorengenerationen (in 6 Monaten), mit der Beschleunigung des Produktlebenszyklus für Grafikkarten (auf 18 Monate) für alle Lebenszyklusphasen (»Plan-Build-Run-Lifecycle-Death«) neue Maßstäbe. Als Ergebnis herrschen heute zur Entwicklung von Grafikchips/-systemen in VR-Systemen – fast ausschließlich parallele Sequenzierungen vor. Diese werden auf Basis von ›simultaneous engineering‹ und Planungstechniken, wie Netzplanverfahren, strukturiert. Dies hatte Nvidia, als einer der größten Hersteller von Grafikchips, zuerst gemacht. Nvidia setzte den Trend, indem verschiedene Phasen – das Planen (plan), das Entwickeln (Build), die ersten Stress- und Praxistests (Run) – simultan und parallel durchgeführt wurden. Auf Basis bestehender Netzwerke – wie beispielsweise in den Gemeinschaften von Spiel-Entwicklern – führten sie die neuen, schneller entwickelten Produkte auch schneller ein. Dadurch schaffte es Nvidia, Mitbewerber mit Zeitwettbewerb aus dem Markt zu verdrängen. Wie Gespräche ergeben, ging der Einfluss von Zeitnormen auch so weit, dass sich viele Mitwettbewerber schon an diesen Zeitnormen in ihren beabsichtigten Schritten orientiert haben. Beispielsweise kündigte Nvidia oft früher, als es angenommen wurde, dauernd neue Generationen von Speicherchips an und lieferte auch. Das hat wiederum den Wettbewerber ATI Technologies dazu gebracht, seinerseits neue Grafikchips früher anzubieten. So haben sich Zeitnormen sozial weiter verfestigt. Auch Systemanbieter von VR-Technologien – wie SGI und DaimlerChrysler, als Anwenderunternehmen von VR und die Forschungsförderer – haben zum Teil Zeitnormen für das ganze Feld der VR-Technologien etabliert. Sie waren dazu fähig, da sie die Entwicklung von systemischen VR-Anwendungen und einzelnen Komponenten finanzierten. Neben diesen Unternehmen etablierten vor allem Aktienanalysten Zeitnormen. Die Analysten verlangten über die aktienrechtlich vorgeschriebenen Ankündigungen im Rahmen der Quartalsberichterstattung hinaus, immer öfter neue Unternehmensnachrichten. Unternehmen mussten in immer kürzeren Abständen neue Informationen über Fortschritte der Unternehmen herausbringen, da einige Aktienanalysten ihre Bewertungspraxis auf Basis schnellerer Informationen von Wettbewerbern angepasst hatten. Dies hat die Entwicklung der VR-Systeme beschleunigt, da die Analysten auch in Geschäftsentwicklungsplänen kürzere Amortisationsdauern und eine höhere Geschwindigkeit von Entwicklungsschritten verlangten. Diese Einflussnahme der Analysten ging so weit, dass sich allgemein im Feld als angemessen verstandene Zeitspannen
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für die Geschäftsfeldentwicklung verkürzten: Die Rhythmen der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente veränderten sich; der Zeitdruck auf die Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Instrumente erhöhte sich stark. Um diesen Zeitnormen und dem erhöhten Zeitdruck zu begegnen, lässt sich in der Entwicklung von VR-Komponenten auch nachvollziehen, dass Beschleunigung zu einer Norm wurde. Unternehmen sahen sich geradezu gezwungen, strukturiert mit Zeit umzugehen und ihre Entwicklungszeiten zu verkürzen. Andernfalls hätten sie die eingeforderte Geschwindigkeit nicht liefern können. Dieser Zeitdruck hat auch dazu geführt, dass weniger lange Experimentierräume für neue Anwendungen entstanden sind. Dieser Zeitdruck führte auch dazu, dass bestimmte Komponenten, die für ihre Entwicklung längerer Zeit bedurft hätten, wie beispielsweise olfaktorisch basierte Peripheriegeräte oder neue Trackingsysteme und die Weiterentwicklung verschiedener Wissensbasen von Unternehmen, nachrangig behandelt wurden. Insofern öffneten sich Zeitfallen – der Zeitraum zwischen Erfindung und Vermarktung –, den Unternehmen für eine Anwendungsentwicklung und die Investition in diese Entwicklung akzeptierten, wurde verkürzt. Das führte auch zum Abbruch mancher Technologiepfade im Bereich VR-Peripheriegeräte. Durch die zeitbasierten, strategischen Vorgehensweisen einiger Unternehmen und Analysten stieg aber nicht nur der Zeitdruck für Unternehmen. Vielmehr stieg auch der Zeitdruck für Wissenschaftler und für Forschungspolitiker. Immer mehr Akteure sahen sich genötigt, ihrerseits auch ihre Aktivitäten stärker zeitlich zu strukturieren. Beispielsweise passten sich die Forschungsförderer in der zeitlichen Strukturierung ihrer Projekte, wie oben erwähnt, an. Sie zielten fortan auf eine schnellere Entwicklung von Anwendungen ab. Sie forderten von ihren zu fördernden Wissenschaftlern eine straffe, vor allem zeitlich orientierte Projektplanung ein. Zudem führten sie kurzfristigere Zwischenevaluationsschritte ein. Kurzum: Die zeitliche Dimension in der Strukturierung der Aktivitäten wurde stärker betont.
4.6.2 Ent stehung vieler ver schiedener Zeitnormen Die Rekonstruktion der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente zeigt auch, dass dadurch, dass mehr Akteure Zeit strategisch einsetzten und ihre Handlungen stärker zeitlich strukturierten, viele unterschiedliche Zeitnormen in Arenen etabliert wurden. Durch die zunehmenden zeitlichen Strukturierungsaktivitäten der Akteure erhöhten sich die Anzahl und die Unterschiedlichkeit der Zeitnormen. Unterschiedlichere Dauern, Zeithorizonte, Tempi, Sequenzen und Rhythmen entstanden in Arenen und wurden weiter sozial stabilisiert. Unterschiedlichere Logiken der zeitlichen Strukturierung vieler heterogener Akteure in den Arenen verfestigten sich in unterschiedlichen, institutionalisierten Bedeutungs- und Handlungsrahmen, zu Schemata und Eigenzeiten in bestimmten sozialen Zusammenhängen.
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4.6.3 Höhere Geschwindigkeit der technischen Ent wicklung Die Rekonstruktion der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente zeigt in diesem Zusammenhang auch, dass wenn Akteure diese Zeitschemata, Zeitnormen und Logiken der Strukturierung erkannten und wenn sie sich des Umgangs mit Zeit bewusst waren, sie auf diese Zeitschemata bei der Strukturierung ihrer Aktivitäten zurückgreifen konnten, um die Pfade in der Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten zu beeinflussen. Anbieter von VR-Systemen wie beispielsweise Nvidia trugen durch die zeitliche Strukturierung ihrer Tätigkeiten, nicht nur zu einer Beschleunigung ihrer Entwicklungsaktivitäten und der anderer Unternehmen bei. Sie beschleunigten auch die gesamte Entwicklung virtualitätsgenerierender Systeme. Sie setzten ihre Kompetenzen und Ressourcen wie Finanzmittel, Beziehungen, Patente und Wissen über das Design von VR-Systemen in Verbindung mit einer minutiösen Zeitplanung ein, um so die Entwicklung der virtualitätsgenerierender Instrumente zu beschleunigen. Nvidia und SGI konnten durch strategische Nutzung von Zeit – durch Zeitziele, Zeitpläne und Roadmaps und die Strukturierung ihrer Investitionen und Forschungsförderung, wie auch durch ihre eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten – sowohl die Richtung, als auch die Geschwindigkeiten der Entwicklung von Komponenten- und Systemtechnologien, im VR-Bereich beeinflussen. Sie legitimierten durch eine bestimmte Nutzung von Zeit, also durch Festlegung und Antizipation bestimmter Zeitpunkte andere Entwicklungspfade. Sie veränderten die ursprünglich, als relevant und aussichtsreich, wahrgenommenen Entwicklungspfade. So forschte auf Basis von Beauftragungen durch Industrieunternehmen schneller an umfassenden Anwendungen wie VR-Zentren. Gleichzeitig veranstaltete SGI mehrere Forschungskonferenzen und Anwendergipfel um diese Forschungsagenda und zeitlich nahe liegenden Anwendungspotenziale zu vermitteln. So vermittelte SGI der Entwicklerszene eine zeitlang, dass diese Entwicklung ein viel versprechender Weg sei. Dies führte wiederum dazu, dass sich nun mehr Forscher und Entwickler mit dem Auf bau von VR-Zentren, der Anbindung von Rechnern mittels Software, dem Design und der Konstruktion großer, integrierter Anwendungslösungen und -systeme beschäftigten. So wurde mehr Wissen über VR-Zentren erarbeitet. Dies half dann SGI beim Angebot neuer wissensintensiver Beratungsdienstleistungen und beförderte dann auch die technische Entwicklung. Durch mehr Integrationstätigkeiten generierte SGI neue Funktionalitätsszenarien für VRZentren, was die Investitionstätigkeit von Anwenderunternehmen anregte. Als Kehrseite dieser Entwicklung forschten nicht mehr so viele Wissenschaftler an neuen Peripheriegeräten, die mehr Präsenz versprächen, da mehr Wissenschaftler an der Integration von Komponenten Interesse vermittelt bekommen hatten.
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4.6.4 Anforderungen an reflexiven Umgang mit Zeit und Synchronisationen steigen Die Rekonstruktion der Entwicklung von VR-Technologien ergibt, dass durch die unterschiedlicheren Formen der Zeitplanung von Unternehmen, Forschungsinstituten und der unterschiedlich getakteten Entwicklungen von Wissensbeständen, Komponenten und ganzen VR-Konfigurationen, technologieorientierte Systemintegratoren und Hersteller von VR-Systemen und auch Forschungspolitiker und Wissenschaftler sich gezwungen sahen, durch ihre Zeitplanung Synchronitätszustände und Kompatibilitäten von Entwicklungen zu befördern. Vor allem technologieorientierte Unternehmen, wie SGI und andere Technologiedienstleister mussten stärker darauf achten, aus den durch viele Impulse entstehenden Kompatibilitäten rechtzeitig neue Märkte, d.h. neue Nachfrage für diese Technologien zu schaffen. Denn es ging bei diesen Unternehmen darum, sich durch Nachfrageschaffung refinanzieren zu können. Dazu mussten Systemintegratoren wie SGI insgesamt reflexiver mit Zeit umgehen. Denn es ging für sie darum, durch die Kombination kompatibler Komponententechnologien neue Wertschöpfungsmöglichkeiten zu generieren. Diese Unternehmen achteten zudem stärker auf unterschiedliche zeitliche Orientierungen und Zeitlogiken in den Interaktionen mit Instituten sowie anderen Unternehmen. Denn die anderen Akteure waren mit ihren Technologieimpulsen entscheidend für eine wettbewerbsadäquate und kostengünstige Entwicklung neuer VR-Systeme und virtualitätsgenerierender Instrumente. Aufgrund des Zeitdrucks und der kostenorientierten Bewertung der Angebote von SGI durch potentielle Kunden, wie Anwenderunternehmen, haben diese Technologiedienstleister dann auch entsprechend stärker auf die Rechtzeitigkeit und Kompatibilität der Entwicklungen von verschiedenen Komponententechnologien virtualitätsgenerierender Systeme geachtet. Doch auch für Hersteller von komplexeren Endprodukten, wie Automobilhersteller, die sich mit ihren Produkten (Fahrzeugen) auch im Zeitwettbewerb befanden, wurde es wichtiger, andere Unternehmen mit ihren Beiträgen zeitkritisch in die Planung eigener Entwicklungsprozesse zu integrieren. So zeigen Gespräche mit Verantwortlichen, dass auch Industrieunternehmen die Entstehung von Gelegenheiten durch kompatible Entwicklungen ausgenutzt haben. Sie förderten die Entstehung von Kompatibilitäten, um so möglichst schnell VRAnwendungen als Prozessinnovationen entwickeln und einsetzen zu können. Auch einzelne Forschungspolitiker und Verwaltungsbeamte im Bundesministerium erkannten mit der Zeit, dass die Innovationsdynamik angestiegen war. Ihnen wurde deutlich, dass Unternehmen schneller anwendbares Wissen und Konzepte für Prototypen sowie anwendungsnahe Umsetzungsideen verlangten. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass sich auch forschungspolitische Akteure an ›Marktzyklen‹ gesamter Branchen orientierten. Einzelne Forschungspolitiker und Verwaltungsbeamte stellten ihre Zeitplanung in ihren Verfahren um. Sie wurden sich zunehmend darüber klar, dass Zeit wichtig ist.
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Schließlich mussten sich besonders Wissenschaftler stärker an technologischen Entwicklungen und Zeitplanungen ihrer Auftraggeber aus Industrie und Forschungspolitik orientieren. Auch Wissenschaftler waren nun gefordert, zeitlich hoch strukturierte Projektpläne und Roadmaps zu erstellen. Diese neue Entwicklung diente Akteuren in der wissenschaftlichen Arena in zweierlei Hinsicht: Einerseits konnten sich Wissenschaftler durch diese neuen Anforderungen an ihr Arbeiten besser selbst in der Entwicklungsdynamik orientieren. Andererseits konnten die Wissenschaftler dadurch, dass sie zeitlich strukturierte Projektpläne und Roadmaps erstellen mussten, auch ihren (potenziellen) Geldgebern besser vermitteln, warum eine Investition von Forschungsmitteln an verschiedenen Stellen der Technologie- und Wissensentwicklung notwendig erschien.
4.6.5 Weiterent wicklungen von vir tualität sgenerierenden Instrumenten durch Synchronisationen Die empirisch-explorative Rekonstruktion der Entwicklung von VR ergibt Hinweise, dass sich verschiedene Komponenten und Wissensbestände virtualitätsgenerierender Instrumente, unterschiedlich schnell weiterentwickelt haben. Dies erfolgte, obwohl bzw. gerade weil verschiedene Akteure unterschiedlich mit Zeit umgingen: Beschleunigungen trafen in bestimmten Feldern mit Entschleunigungen in anderen Feldern zeitlich zusammen. Die Wirkungen von Be- und Entschleunigungen entstanden aufgrund der Interaktionen der Akteure. Insgesamt entstanden dadurch Kompatibilitäten in der Weiterentwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente. Synchronisationen ermöglichten Weiterentwicklungen, wie es vor allem im Hinblick auf Basiskomponenten von VR-Systemen beobachtet werden konnte: Die für VR-Systeme benötigten Rechnersysteme und die Datenverarbeitungskapazitäten entwickelten sich aufgrund der beschleunigten Innovationsdynamik im Bereich der IT-Industrie synchron und schneller. Rechenkapazitäten verbesserten sich, da zeitgleich Rechnerarchitekturen verbessert-, Fortschritte im vernetzten Rechnen, im Clustern von Rechnern-, wie auch Fortschritte in der Software gemacht wurden. Die Fähigkeit, große Datenmengen zu verarbeiten, besserte sich rasant, auch weil Hersteller von Grafikprozessoren (Nvidia, 3dfx oder ATI) im zeitlich orientierten Wettbewerb agierten. Auch Wissenschaftler und Forschungsförderer nahmen diese Dynamik auf und setzten eigene Impulse zur Unterstützung dieser Beschleunigungsdynamik. Dadurch wurden Fortschritte im Wissen rund um Visualisierung gemacht. Neue Algorithmen wurden entwickelt, neue Grafikchips und ganze, integrierte Grafikrechensysteme wurden entwickelt. Dies beschleunigte zusätzlich die Weiterentwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente. Durch diese kohärente Beschleunigung unterschiedlicher Akteure verlief die gesamte Entwicklung von Komponenten und Systemen insgesamt schneller.
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Synchronisation durch zeitliche Ko-Orientierung Im Hinblick auf die Synchronisation unterschiedlicher Entwicklungsdynamiken liefert die Rekonstruktion auch Hinweise darauf, dass sich virtualitätsgenerierende Instrumente dadurch kontinuierlich und schnell weiterentwickelten, dass sich verschiedene Akteure aneinander in ihrer zeitlichen Strukturierung ihrer innovativen Aktivitäten ausrichteten. Dies war besonders dann der Fall, wenn Akteure ihre Aktivitäten zeitlich reflexiver und aufeinander abgestimmt strukturierten. Dadurch, dass sich die Akteure in verschiedenen Arenen koorientierten, verlief die Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente schneller. Ko-Orientierung bedeutet dabei, dass Akteure die Zeitorientierungen, Zeitnormen, Zeitmuster und die Zeitlogiken anderer Akteure wahrnahmen, um darauf in ihrer eigenen zeitlichen Strukturierung reagierten.
Ko-Orientierung durch Veränderungen der Zeitorientierungen In der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente fanden scheinbar verschiedene Ko-Orientierungen im Sinne der Anpassung von Zeitorientierungen statt. Wissenschaftler nahmen verstärkt wahr, dass Unternehmen, auch aufgrund der Anforderungen der Finanzmärkte, unter Zeitdruck gerieten und mehr Zeitdisziplin verlangten. Wissenschaftler nahmen ebenso wahr, dass Forschungsförderer stärker daran gelegen war, schneller reife Anwendungen hervorzubringen. Als Reaktion darauf gingen Wissenschaftler an Fraunhofer-Instituten detaillierter mit Zeit in ihren Planungen um. Sie legten mehr Zeitdisziplin an den Tag. Sie richteten sich bei der Zeitplanung für die Entwicklung von Wissen stärker an anderen Akteuren, wie Unternehmen und Forschungsförderern, aus. Währenddessen Wissenschaftler beispielsweise eine Standardlösung für bestimmte Dateiformate programmierten, berücksichtigten sie frühzeitig, dass ihre industriellen Partner, die Unternehmen Ergebnisse in möglichst kurzer Zeit benötigten. Denn auch für Wissenschaftler ging es darum, zukünftig weitere Forschungsaufträge von der Industrie erhalten zu können. Aus diesem Grund passten verantwortliche Wissenschaftler in Fraunhofer-Instituten die Zeitspanne für die Erarbeitung von Wissen in Projekten behutsam und reflexiv an: Aus einer Zeitdauer von drei Jahren für die Entwicklung bestimmter Komponenten sowie der Software wurden zeitlich relativ flexible Entwicklungs- und Forschungsprojekte. Denn andernfalls wären die Zeitmuster in Forschungsprojekten gegenüber dem Management von beauftragenden Unternehmen und industriellen Partnern nicht mehr zu vermitteln gewesen. Nicht nur verschiedene Wissenschaftler, auch Forschungsförderer richteten sich stärker an anderen Akteuren und deren Entwicklungslogiken aus. Sie stellten ab 1996 ihre Zeitplanungen um und setzten Akzente durch Meilensteine. Forschungsförderer etablierten zudem zeitlich klarer definierte Anschlusspunkte. Sie veranstalteten Statustagungen, regten frühzeitige Ergebnispräsentationen und Tagungen an, bei denen sich Wissenschaftler mit Entwicklern aus Industrie und auch mit Politikern abstimmten. Durch die Umorientierung der Forschungsförderer entstanden früher Zeitpunkte zur Evaluation bisher ge-
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leisteter Forschungsarbeiten. Bisherige Zeitpläne in Projekten wurden auf den Prüfstand gestellt. Dies veranlasste industrielle Partner und Wissenschaftler beispielsweise im Forschungsprojekt ARIVKA dazu, Zeitplanungen anzupassen und sich zeitlich zu koordinieren. Dadurch wurde dann der Transfer neuer Forschungsergebnisse in zu entwickelnde Anwendungen gestärkt. Kurz, es fanden Formen der Synchronisation statt.
Ko-Orientierung durch Veränderung der Zeitnormen Die Rekonstruktion liefert auch Hinweise darauf, dass Synchronisationen dadurch entstanden sind, dass verschiedene Akteure stärker Zeitnormen und Kalender anderer Akteure wahrnahmen. Verschiedene Gesprächspartner wiesen darauf hin, dass sie als Teil ihrer Zeitplanungsaktivitäten Entwicklungs-, Markt-, Innovations- und Technologiezyklen, Rhythmen in der technischen und der Wissensentwicklung, wahrnahmen- und in unterschiedlich weit reichender Form umsetzten. Die Analyse unterschiedlicher Entwicklungslinien mit Roadmaps und die Erstellung gemeinsamer Technologieroadmaps wurden für Mitarbeiter in Unternehmen, Wissenschaftler in Instituten, wie auch für Forschungsförderer ab 1998 wichtiger. Außerdem verstärkten einige Unternehmen und Wissenschaftler ihre Kommunikationsaktivitäten über technische Entwicklungslinien, was auch zu Synchronisation beitrug.
Ko-Orientierung durch Orientierung an anderen Zeit struk turgebern Die Rekonstruktion ergibt auch Hinweise darauf, dass Synchronisationen dadurch ermöglicht wurden, dass Akteure Zeitstrukturgeber in anderen Arenen bei der Gestaltung ihrer Zeitnormen einbezogen. Wissenschaftler orientierten sich an anderen Akteuren in ihrer Zeitplanung. Dem gegenüber orientierten sich Unternehmen hauptsächlich an ihren Wettbewerbern, in Einzelfällen auch an Entwicklungen und Einzelpersönlichkeiten in wissenschaftlichen Gemeinschaften und von Forschungseinrichtungen, mit denen sie beispielsweise Personal austauschten. Vor allem der Fall von Nvidia zeigt, dass durch die stärkere Orientierung der eigenen Zeitplanung auf Bedürfnisse von Spiele-Entwicklern, Synchronisationen entstanden, die wiederum den Unternehmenserfolg steigerten: Durch regelmäßige Interaktionen mit Entwicklern von Computerspielen und durch das Monitoring von Entwicklungslinien in Entwicklergemeinschaften fand Nvidia heraus, in welcher Geschwindigkeit sich Entwickler leistungsfähigere Grafikrechensysteme wünschten. Auf dieser Basis konnten sie ihre Entwicklungszeiten anpassen und erfolgreicher ihre Produkte absetzen. Auch SGI nahm über lange Strecken hinweg Zeitplanungen auf Basis der Interaktion in verschiedenen Entwicklergemeinschaften vor. SGI arbeitete mit Zulieferern, Kunden und Forschungsförderern zusammen. So vermochte es SGI leistungsfähigere Rechner und umfassende, neue VR-Systeme hervorzubringen und diese auch abzusetzen. Außerdem entwickelten sich für SGI weitere Geschäftsmöglichkeiten, da sie auf Basis ihrer Zusammenarbeit mit anderen
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Akteuren durch rechtzeitige Innovationen auch die Entstehung von Kompatibilitäten beförderten.
Ko-Orientierung durch reflexiven Umgang mit Zeitinstrumenten Die Rekonstruktion legt auch die Hypothese nahe, dass Synchronisationen dadurch entstanden, dass Akteure bedacht, überlegt und flexibel mit Zeitplanungsinstrumenten umgingen und zudem mit Zeitplanungsmethoden anderer Akteure experimentierten. Vor allem die Durchsetzung von Projektmanagementtechniken und den darin enthaltenen Roadmappingverfahren und Meilensteinanalysen beförderten, ausgehend von Unternehmen zu Wissenschaftlern und Forschungsförderern innerhalb der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente weitere Synchronisationen. Durch detaillierte, relative reflexive Zeitplanungen konnten in Projekten, wie ARVIKA, offene, kontextsensitive Zeitplanungen entstehen, die auch für Wissenschafts- und Politikbereiche adaptiert werden konnten. Dies gilt auch für Projektmanagementverfahren und Umstellungen von Programmplanungen bei Fraunhofer-Instituten und beim BMBF. Insgesamt orientierten sich besonders Wissenschaftler an Unternehmen und an den Forschungsförderern. Der auf dieser Basis intensivierte Einsatz von Projektorganisationsformen und eine stärkere zeitliche Strukturierung in wissenschaftlichen Gemeinschaften ermöglichten ebenso Ko-Orientierung zwischen verschiedenen Disziplinen und Interessens- bzw. Forschungsgebieten. Dies trug zur gegenseitigen Befruchtung und zur frühzeitigeren Erkennung von Kombinationsmöglichkeiten von Wissensbeständen und Komponenten bei. Diese Effekte belegen die Fortschritte in der grafischen Datenverarbeitung – vor allem des Rendering und Shading – und Fortschritte bei Betriebssystemen für VR-Systeme.
Synchronisationsfördernde Instrumente und Vorgehensweisen Die Rekonstruktion legt auch nahe, dass Synchronisationen der Aktivitäten heterogener Akteure dadurch ermöglicht wurden, dass Wissenschaftler und Entwickler aus Unternehmen über längere Zeit in Netzwerken interagierten. Vor allem die, durch Forscher und Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, etablierten Netzwerke trugen zur Synchronisation unterschiedlicher Forschungs- und Entwicklungsimpulse bei. In den Netzwerken und einzelnen Gemeinschaften arbeiteten Wissenschaftler und Entwickler aus Unternehmen eng zusammen. Diese Zusammenarbeit beförderte zeitgleiche Veränderungen der Architektur von VR-Systemen und einzelner Komponenten. Insbesondere Impulse aus dem Bereich der Computergrafik und Simulation, wie optimierte Algorithmen, trugen in Verbindung mit besseren Rechnern und einer verbesserten Latenz in Rechnerclustern, zur Weiterentwicklung der parallelen Visualisierung bei. Auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung von Wissensbeständen führte die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Entwicklern zu zeitlich kohärenten Entwicklungen. Weiterentwicklungen von Beschreibungs- und Programmiersprachen für VR, wie die verschiedenen Versionen der Virtual Reality
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Modelling Language (VRML) und die weitere Arbeit an Grafikbibliotheken wurden so zeitlich kontextuell koordiniert. Dies führte dazu, dass Entwickler auf vordefinierte Entwicklungsumgebungen, auf mehr virtuell generierte Objekte und Szenen zurückgreifen konnten. Das erlaubte schnellere, bessere Visualisierungen und Simulationen. Dies wiederum erhöhte die Attraktivität der Anwendung virtualitätsgenerierender Instrumente für Unternehmen in verschiedenen Branchen und regt bis heute die Technikentwicklung an. Die Rekonstruktion zeigt auch, dass Akteure Zeitmuster anderer Akteure besser wahrnahmen. Mehr Synchronitätszustände entstanden dadurch, dass heterogene Akteure sich regelmäßig über künftige technische Entwicklungslinien austauschten, dadurch dass sie gemeinsam an Zukunftsentwürfen zu Technologien oder an Forschungsprogrammen und an Begrifflichkeiten für Technologien arbeiteten. Besonders durch die Arbeit an Standards konnten Akteure mögliche Entwicklungsschritte und Kompatibilitätszeiträume erkennen. Dauern der Aktivitäten und Zeithorizonte anderer Akteure, mögliche Geschwindigkeiten von Neuentwicklungen konnten besser eingeschätzt- und Zeitpläne in Projekten konnten realistischer definiert werden. Sie konnten Interoperabilitäten und Kompatibilitäten verschiedener Komponenten definieren und Transparenz – und damit Erwartungssicherheit – herstellen, wann, welche Anwendungen zur Verfügung stehen würden. Diese Stabilisierung von Erwartungen trug zur Strukturierung von Zeithorizonten bei. Ebenso schuf die Stabilisierung von Erwartungen eine Grundlage zur Anpassung von Zeitplänen, wobei Akteure Dauern und Sequenzen ihrer Aktivitäten änderten. Das förderte die Synchronisation verschiedener Entwicklungsimpulse. Dies stärkte auch die Weiterentwicklung von Wissensbeständen, beispielsweise zur Standardisierung oder neue Beschreibungs- und Programmiersprachen für Virtualität und Präsenz. Für die Synchronisation von Aktivitäten heterogener Akteure waren Forschungskonferenzen, wie die SIGGRAPH (Special Interest Group on GRAPHics and Interactive Techniques vgl. wikipedia.org) wichtig. In ähnlicher Richtung waren auch Anwendergipfel, informelle Expertentreffen sowie Statustagungen wichtig. Denn so konnten sich Wissenschaftler und Entwickler aus Unternehmen über Entwicklungen und Kompatibilitätszeiträume informieren. Der Austausch auf Konferenzen und in Gemeinschaften ermöglichte realistischere Einschätzungen über Potenziale und Effekte von Technologien. Akteuren wurde es so ermöglicht, Andere in ihrer Vorgehensweise besser kennen zu lernen und neue Ideen zu erhalten. Hersteller- und Anwenderunternehmen waren durch diesen Austausch fähig, sich mit Kunden abzustimmen. Sie konnten mehr von Kunden erfahren und sich an deren Bedürfnissen orientieren.
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Einzelne Per sonen als Medien der Synchronisation Gespräche zeigen, dass auch einzelne Personen in Organisationen den Austausch über Zeit, Erkenntnisse und notwendige Schritte umsetzten und so Synchronisationen beförderten. In Unternehmen hatten Individuen als so genannte ›temporale Promotoren‹ (zu Promotoren vgl. Hauschildt/Gemünden 1999) mit ihrer Nutzung von Zeit zur Orientierung ihres Managements einen wichtigen Anteil daran, dass einige Unternehmen überhaupt bereit waren, an bestimmten Stellen in VR-Prozesstechnologien (weiter) zu investieren. Einzelne Vertreter des Topmanagements von Anwenderunternehmen investierten oft dann in VR (weiter), wenn aus Roadmaps oder Technologiekalendern deutlich wurde, dass VR-Systeme in absehbarer Zeit zu Kosteneinsparungen beitragen würden. Folglich erarbeiteten Entwickler auf Basis ihrer Kenntnisse Entscheidungsvorlagen mit detaillierten Zeitplänen. In diesen Entwürfen und Entscheidungsvorlagen standen nicht VR-Technologien im Vordergrund, sondern Produktentwicklungszeiten. Gespräche zeigen ferner, dass VR-Technologien nur dann als relevant galten, wenn man sich von ihrem Einsatz versprach, zeitraubende Zwischenentwicklungsschritte zu umgehen. Beispielsweise ging es in der Automobilindustrie darum, die Produktentwicklungszeit für ein Fahrzeug zu verkürzen, was sich auch bewahrheitete. Diese Formen der Einflussnahme von Promotoren und die engere Zusammenarbeit von Topmanagement und Entwickler in Unternehmen sicherten kontinuierliche Investitionen in die Weiterentwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente. Gespräche mit Technologieentwicklern in Unternehmen machen dabei deutlich, dass Synchronisationsaufgaben für einzelne Personen oft anstrengend waren. Oft standen einer Synchronisation Sachziele und vor allem das Primat der Kurzfristigkeit in wirtschaftlichen Arenen sowie der dabei charakteristische disziplinierte Umgang mit Zeit auf Basis von Zeitzielen entgegen. Meist mussten Einzelne erst viel Überzeugungsarbeit leisten, bevor man in den Unternehmen wahrnahm- und akzeptierte, dass beispielsweise Wissenschaftler eigene Formen der zeitlichen Strukturierung haben. Die meisten Unternehmen setzten Mitte der 1990er Jahre eher auf die pünktliche Erreichung bestimmter Zeitziele. Unternehmen berücksichtigten dabei weniger Diskontinuitäten und Kontingenzen in der Wissensproduktion. Durch die inhaltliche und zeitliche Strukturierungsarbeit einiger Promotoren, durch die gemeinsame Erarbeitung von Roadmaps verschiedener Experten und deren Diskussionen änderte sich dies allmählich. Unternehmen machten seit Anfang 2000 umfassendes Technologiemonitoring, um in ihrer Zeitplanung reflexiver die Zeitmuster in der Wissensproduktion – also die Zeitmuster von Wissenschaftlern und deren Beiträge – besser bei der Entwicklung von VR-Anwendungen zu berücksichtigen. Gespräche lassen außerdem darauf schließen, dass einzelne Promotoren in Unternehmen durch ihre Nutzung von Zeit Einfluss auf Synchronisationen in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente hatten. In fast allen großen Anwenderunternehmen wurden Entwicklungsaktivitäten zeitlich stark durch Projektmanagement, Roadmaps und andere Technologiekalender vor-
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strukturiert. Auf Basis dieser Vorstrukturierungen machten einzelne Praktiker und Ingenieure in Anwenderunternehmen den Systemanbietern, wie SGI oder den Herstellerfirmen von Projektionssystemen, wie Barco, zeitlich reflexiv gestaltete Vorgaben. Auch die Entwicklungsaktivitäten der Entwicklungs- und Forschungsabteilungen von Anwenderunternehmen konnten auf Basis von Technologiekalendern mit Aktivitäten der beauftragten Systemanbieter, wie SGI oder anderen Komponentenanbietern von Projektionssystemen, wie Barco, zeitlich kohärenter gemacht werden. Dies trug wiederum zur Synchronisation von Aktivitäten unterschiedlicher Akteure bei und stärkte die Entwicklung für Visualisierungslösungen und -systeme. Dadurch, dass SGI beispielsweise auf Vorgaben einzelner Entwickler aus Anwenderunternehmen reagierte und dann klarere Zeitziele für die Entwicklung von VR-Systemen und deren Komponenten kommunizierte, wurden verschiedene Anbieter von VR-Systemkomponenten in ihrer Zusammenarbeit besser synchronisiert. Durch die Vorgaben gingen sie strukturierter mit Zeit um, da ihnen daran gelegen war, Anwendungen und Komponenten in den gleichen Zeiträumen zur Integration in Produktentwicklungsprozesse verlässlich zur Verfügung zu stellen. Weiterentwicklungen auf der Architekturund Komponentenebene wurden so miteinander synchronisiert. Komponentenlieferanten und Wissenschaftler, orientierten sich an Vorgaben von SGI, was neue Kompatibilitäts- und Entwicklungspotenziale bot.
Roadmaps und Leitbilder synchronisationsfördernd In Expertengesprächen zeigt sich auch, dass Zukunftsentwürfe wie Roadmaps, Leitbilder, oder detaillierte Technologiekalender starke Auswirkungen auf Handlungs- und Bedeutungsrahmen verschiedener Akteure hatten. Unternehmen trugen auch zur Identifikation bester Praktiken und mit Formen der offenen Koordinierung auf Basis bester Praktiken im Umgang mit Zeit zur Synchronisation bei. Dadurch, dass mit Hilfe von zeitlichen Indikatoren Fortschritte von Akteuren überprüft- sowie Entwicklungs- und Forschungszeiten verglichen wurden, wurde für viele Unternehmen eine Orientierung an anderen Akteuren möglich. Dies half Systemanbietern, ihre Beiträge anders zeitlich zu strukturieren. So wurden Roadmaps von Akteuren, wie Nvidia und SGI genutzt, um in der Diskussion mit Kunden herauszufinden, wann und in welcher Qualität Grafikkarten zur Verfügung stehen sollten. Anhand dieser Erkenntnisse wurden Zeitplanungen angepasst. Auch durch Zukunftsentwürfe wurden Zeitlogiken und Zeitnormen etabliert, an denen sich verschiedene Akteure orientierten. Die Etablierung dieser zeitlichen Orientierungspunkte in Zukunftsentwürfen ermöglichte verschiedenen Akteuren, ihre zeitliche Planung reflexiv anzupassen. Diese reflexive Anpassung von Zeitplanungen beförderte dann die Entstehung von Synchronitätszuständen. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass vor allem strukturierte Kommunikationsprozesse, wie partizipativ konstruierte Szenarioprozesse, Synchronisationen ermöglichten. Vor allem durch moderierte Zukunftsprozesse mit den daraus resultierenden, gemeinsam geteilten und erarbeiteten
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Zukunftsentwürfen wurden Synchronitätszustände der Akteursaktivitäten geschaffen. Besonders hilfreich für Synchronisationen sind Zukunftsentwürfe gewesen, wenn darin verschiedene zeitliche Logiken der Akteure und deren Vorstellungen zum Ausdruck kamen. Ebenso entscheidend war, dass in diesen Entwürfen auch unterschiedliche Pfade der Entwicklung diskutiert wurden. Denn dadurch schufen verschiedene Akteure Transparenz über Vorgehensweisen anderer Akteure. Gleichzeitig wurde Transparenz über wahrscheinliche Ausprägungen von Technologiepfaden geschaffen. Auch Diskussionen bei Konferenzen oder Statustagungen, die zur Formulierung von Zukunftsentwürfen führten, ermöglichten – wenn sie gut moderiert wurden –, mehr wechselseitige Orientierungen von Akteuren. Als Ergebnis der Rekonstruktion sind Bedingungen für die Synchronisation festzuhalten: Synchronisation fand vor allem dadurch statt, dass sich Akteure aneinander orientierten und dann reflexiver mit ihrer Zeit umgegangen sind. Synchronisationen fanden auch dadurch statt, dass sich Akteure auf Basis von Netzwerkinteraktionen beobachteten, sich über ihre zukünftigen Handlungen austauschten und dadurch Möglichkeiten schufen, die Handlungen anderer Akteure und deren Auswirkungen auf mögliche Kompatibilitätszeiträume und Zustände, in denen Synchronität von Entwicklungsständen entsteht, zu antizipieren.
Ko-Orientierung durch Anpassung der Zeitmuster Die Rekonstruktion der Entwicklung der VR-Technologien ergibt, dass die verstärkte Zusammenarbeit von Akteuren in Netzwerken und die auf dieser Basis stattfindende Anpassung von Zeitmustern (Dauern [Zeithorizonte], Tempi, Sequenzen, Rhythmen) verschiedener Akteure Kompatibilitäten und Konvergenzen von Komponententechnologien beförderte. Durch reflexiven Umgang mit Zeit entstanden Synchronisationen von Akteuren und ganzen Entwicklungslinien. Das förderte die Entstehung kompatibler Komponententechnologien und die Weiterentwicklung der VR-Technologien. Unternehmen, Wissenschaftler und Forschungsförderer stellten sich in ihrer Zeitplanung darauf ein, dass technologische Werkzeuge zur Visualisierung und Simulation sowie zur Interaktion mit virtuellen Objekten in immer kürzeren Zeitabständen zur Verfügung stehen mussten. Sie sprachen gemeinsam über künftige Entwicklungen. Dabei passten sie ihre Zeitplanungen vor dem Hintergrund des Wissens über Entwicklungen bei anderen Akteuren reflexiv an. Beispielsweise ging Nvidia synchronisationsorientiert vor und veränderte folgerichtig auch seine Zeitmuster: Die Entwicklungsabteilungen von Nvidia begannen Ende der 1990er Jahre sich ständig an Kunden, wie Spieleentwicklern, zu orientieren. Nvidia arbeitete mit Kunden intensiver zusammen, um so mehr über deren Bedürfnisstrukturen zu erfahren. Nachdem die Entwickler dann die Entwicklung der Nachfrage analysiert und festgestellt hatten, dass Spieleentwickler schneller mehr Rechenpower brauchen, beschleunigte Nvidia durch die Einführung einer simultanen, parallelen Sequenzierung der Entwicklungstätigkeiten die Entwicklung von Grafikschips. Nvidia orientierte
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diese Beschleunigung und die Zeitgewinne strategisch an den Bedürfnissen seiner Kunden. Nvidia agierte mit Kunden in Gemeinschaften und kommunizierte auch die Zeitgewinne an sie. Dieser ständige Austausch ermöglichte Nvidia, die Erwartungen der Spieleentwickler – hauptsächlich günstige Lösungen mit einer gewissen Leistungsfähigkeit und nicht um jeden Preis – zu erfüllen. Nvidias Entwicklungsabteilungen waren durch die Vermittlung von Roadmaps und die reflexive Reaktion auf Rückmeldungen wichtiger Kunden dazu fähig, rechtzeitig neue Produkte auf Märkte zu bringen. Nvidia erarbeitete sich durch diese synchronisierte Vorgehensweise gegenüber Mitwettbewerbern im Zeitwettbewerb einen Vorteil und setzte neue Produkte profitabel ab. Auch SGI war durch eine synchronisationsorientierte Vorgehensweise, durch eine reflexivere Nutzung von Zeit zur Planung und zur Strukturierung von Aktivitäten teilweise dazu fähig, absichtlich Zustände der Synchronität, d.h. Zeiträume, in denen verschiedene Komponenten kompatibel sind, herbeizuführen. SGI orientierte sich besonders Mitte der 1990er Jahre eng an Kunden und den Zeitmustern anderer Akteure und koordinierte seine Forschungs- und Entwicklungaktivitäten mit diesen. Dadurch entstanden neue VR-Systemanwendungen. SGI zielte aber nicht darauf ab, mit der gleichen Geschwindigkeit und mit gleichen Zeithorizonten Weiterentwicklungen zu machen – also im herkömmlichen Sinne synchron vorzugehen. Vielmehr machte SGI eigene Zeitplanungen und beschleunigte einige Entwicklungen, um schneller zu sein, als andere Zulieferer. Da SGI auf Basis von Technologie- und Technologiefeldmonitoring wusste, dass bestimmte Wissensbestände und Komponenten nicht von Zulieferern oder Wettbewerbern rechtzeitig zu bekommen gewesen wären, war SGI dabei darauf angewiesen, beispielsweise Steuerungssoftware für VRSysteme selbst schnell weiterzuentwickeln. Durch diese reflexive Zeitplanung führten SGI, wie auch DaimlerChrysler oder Forschungsförderer insgesamt Kompatibilitätszeitfenster in der Technologieentwicklung herbei.
Ko-Orientierung durch Wahrnehmung der Zeitlogiken Die Rekonstruktion liefert auch konkrete Hinweise darauf, dass sich virtualitätsgenerierende Instrumente, deren Komponenten und Wissensbestände vor allem dadurch kontinuierlich und schnell weiterentwickelten, dass Entwickler aus Unternehmen, Wissenschaftler und Forschungspolitiker wechselseitig Zeitplanungen und Rationalitäten, also Zeitlogiken anderer Akteure bei ihrer eigenen Vorgehensweise in Betracht zogen: So waren wichtige Durchbrüche und die Hervorbringung neuer VR-Systeme davon begleitet, dass Wissenschaftler mit ihrer forschenden, eher zeitvergessenen Herangehensweise mit Unternehmen zeitlich enger zusammenarbeiteten. Dabei war auch bedeutsam, dass Unternehmen auf die wissenschaftliche Herangehensweise an Zeitplanung in ihrer Projektplanung reagierten und folglich weniger rigide Fristen und Termine mit flexiblen zeitlichen Lösungen für auftretende Unwägbarkeiten vorsahen. Nicht zuletzt hatten Forschungsförderer ihren Anteil daran, da sie sich in der Zeitplanung ihrer Förderungen mehr an Wissenschaftlern und an Erfordernis-
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sen von Unternehmen orientierten. Dadurch wurden Impulse zu Zeitpunkten, wo es notwendig war, gesetzt. Synchronitätszustände entstanden dadurch, dass sämtliche Akteure die Möglichkeit erhielten, sich genauere Vorstellungen über zukünftige Handlungen anderer Akteure zu machen, Erkenntnisse über deren Form der zeitlichen Strukturierung zu erhalten und nicht zuletzt auch Kompetenzen im Umgang mit Zeit hatten. Synchronitätszustände und Kompatibilitäten wurden durch intensive Interaktion und zeitliche Ko-Orientierung der Akteure befördert. Dies bedeutete auch für einige Unternehmen, dass sie Informationen über ihre Zeitplanung und ihren Entwicklungsfortschritt anderen Akteuren frühzeitig – trotz patentrechtlicher Bedenken – preisgaben und somit auf Basis gemeinsamer Roadmaps Transparenz für beteiligte Akteure über technologische und wettbewerbliche Entwicklungen schufen. Im Zusammenhang mit stattgefundenen Synchronisationen, wie im Fall der parallelen Visualisierung, ist auf Basis der empirischen Untersuchung und der Gespräche auch hervorzuheben, dass Synchronisationen nicht, wie meist von anderen Autoren angenommen (Bender 1996: 174; Disco/van der Meulen 1998: 334), davon abhängen, dass alle Akteure gleiche Kalender, Zeitmuster und Zeitlogiken haben. Die eingehende Betrachtung legt vielmehr den Schluss nahe, dass Synchronitätszustände gerade dadurch entstanden, dass unterschiedliche Zeitlogiken und Zeitorientierungen vorherrschten. Akteure können demnach spezifische Zeithorizonte haben. Akteure können auch eigene Dauern für Aktivitäten bestimmen, Beschleunigungen durchführen, eigene Sequenzen in ihren Handlungen haben und spezifische Akzente setzen und im eigenen Rhythmus in der Entwicklung technischer Systeme und deren Komponenten vorgehen. Um Synchronisationen zustande zu bringen, d.h. die Aktivitäten autonom handelnder Akteure zu koordinieren, sollten sie allerdings dafür Sorge tragen, dass sie bei ihren zeitlichen Strukturierungsaktivitäten Kalender und Zeitmuster anderer Akteure wahrnehmen. Die Rekonstruktion legt nahe, dass Synchronisationen eher von der zeitlichen Ko-Orientierung der Akteure, also von der Wahrnehmung und Verarbeitung der Zeitlogiken und Zeitmuster anderer Akteure sowie von der reflexiven, situativen Anpassung von zeitlichen Strukturierungen abhängen. Diese reflexive Ko-Orientierung der Akteure kann in Spezialfällen durchaus dazu führen, dass ein dominantes Zeitmuster oder sogar ein übergreifender Technologiekalender entsteht. Diese Ko-Orientierung der Akteure kann aber auch dazu führen – und dies war meistens der Fall –, dass einzelne Zeitpunkte von verschiedenen Akteuren als wichtig erachtet wurden, d.h. dass die gleichen Akzente für die verschiedenen Akteure wichtig waren. Dadurch stellten sich zwar Ähnlichkeiten in den Rhythmen der Akteure ein. Jedoch fand keine vollständige Angleichung der zeitlichen Strukturierungen statt. Vielmehr begünstigte die Orientierung auf gleiche Akzente und Meilensteine, trotz weiterer, unterschiedlicher, zeitlicher Strukturierungen, eine zeitliche Kohärenz der Impulse, Handlungen und Interaktionen.
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4.6.6 Verlangsamung der Technikent wicklung durch De-Synchronisationen Doch in der Entwicklung der virtualitätsgenerierenden Instrumente haben nicht nur Synchronisationen stattgefunden. Aufgrund der stärkeren zeitlichen Strukturierung und der verschiedenen zeitwettbewerbsbedingten Beschleunigungen wurden nicht allein beabsichtigte Folgen, wie die Erhöhung der Innovationsdynamik und Geschwindigkeit der Weiterentwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten erzielt. Die Rekonstruktion legt vielmehr nahe, dass es durch einseitige Beschleunigungen, durch erhöhte Markt- und Innovationsdynamik, die zu schnelleren Entwicklungen einzelner Komponenten führte, auch Rückschläge im Hinblick auf die Weiterentwicklung von VR-Systemen gab.
De-Synchronisation durch mangelnde wechselseitige Zeitorientierungen Auch im Hinblick auf die unbeabsichtigten Nebenfolgen des Umgangs mit Zeit liefert die Rekonstruktion der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente Hinweise darauf, dass dadurch, dass Akteure nicht kontextsensitiv mit Zeit umgingen, De-Synchronitätszustände entstanden. Einige Unternehmen trugen durch ständige Beschleunigung ihrer Entwicklungsaktivitäten und durch Erhöhung des Zeitdrucks zu Diskontinuitäten bei. Durch Forderung von mehr Zeitdisziplin bezüglich vorher vereinbarter Fristen in Forschungs- und Entwicklungsprojekten wurden Forschungsprojekte frühzeitig abgebrochen. Mehrere Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Entwicklungsfristen für neues Wissen und neue Anwendungen ständig verkürzt wurden, ohne dass jedoch dabei grundlegende Erfordernisse der Wissensproduktion in Betracht gezogen wurden. Da Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten nur bis zu einem bestimmten Grad zu beschleunigen sind, haben viele Forschungsprojekte nicht rechtzeitig zu den ursprünglich anvisierten Ergebnissen geführt: Forschungsprojekte wurden abgebrochen, erarbeitete Wissensinhalte und Fortschritte nur teilweise ausgewertet. Dies führte dazu, dass einige Forschungsrichtungen in einem frühen Stadium unterrepräsentiert wurden, was dann die Entwicklungsdynamik hemmte. Einige Gespräche lassen auch den Schluss zu, dass bei einer nicht ausreichenden Orientierung an anderen Zeitstrukturgebern oder bei überzogenen Reaktionen einzelner Akteure, die nicht im Einklang zu Zeitlogiken anderer Akteure stehen, zeitlich inkohärente Abfolgen entstehen können. Waren Impulse der Akteure in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente zu unterschiedlich schnell getaktet, führte dies beispielsweise zu Abstimmungsproblemen der Akteure und daraus resultierend zu Inkompatibilitäten. In diesem Zusammenhang wiesen einzelne Gesprächspartner darauf hin, dass in der Entwicklung der VR-Technologien Mitte und Ende der 1990er Jahre StaccatoPhänomene entstanden. Diese beschreiben das Phänomen, dass in kürzester Zeit zwar viele Impulse zur Entwicklung von VR-Systemen und deren Komponenten erfolgten. Dabei verbesserte sich die Leistungsfähigkeit der Daten-
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verarbeitungs- und Grafikmodule rasant, was auch auf die Beschleunigungen von Nvidia und die Technologiewettläufe der Grafikkartenhersteller zurückzuführen ist. Allerdings wurden trotz dieser Fortschritte andere Komponenten im Bereich der Peripherie- und Ausgabegeräte gerade deswegen nicht ausreichend schnell weiterentwickelt. Die Wissenschaftler entwickelten, aufgrund des Zeitdrucks nicht intensiv und kontinuierlich genug grundlegendes Wissen um Präsenz und Haptik. Zwar investierten viele Unternehmen in der Hype-Phase Ende der 1990er Jahre in eine Verbesserung der Datenverarbeitungskapazitäten. Jedoch haben sie nur spärlich in die Weiterentwicklung der Kraftrückkopplung und damit von haptischen Systemen und der zusammenhängenden Wissensbestände investiert. Deswegen konnte selbst eine anfangs umfangreiche öffentliche Förderung zur Produktion verschiedener Wissensinhalte im Bereich der Haptik nur wenig Auswirkungen zeitigen.14 Es erfolgten relativ wenig Impulse zur Verbesserung der heute teilweise noch unbequemen, unhandlichen Sichtgerätsysteme (Displays). Ein Grund für diese Entwicklung war, dass dieses Forschungsfeld für viele Wissenschaftler als wenig aussichtsreich erschien. Die wenig ausreichenden Entwicklungsgeschwindigkeiten in diesem Bereich behinderten die Entwicklung und Durchsetzung von virtualitätsgenerierenden Systemen am Markt und behindern sich auch heute noch. Ständige Beschleunigungen im Grafikbereich durch Nvidia führten zwar zu höheren Erwartungen der Kunden im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit von VR-Anwendungen. Diese waren jedoch durch die nicht vorhandenen Komponenten nicht in ausreichendem Maß für Kunden durch integrierte Anwendungssysteme zu realisieren. Überzogene Kundenerwartungen entstanden und wurden enttäuscht. Die überzogenen Erwartungen wirkten sich im Endeffekt entschleunigend auf die Entwicklung von Technologien aus. So wurde beispielsweise aufgrund der hohen Beschleunigung die Entwicklung kommerzieller Systeme schnell und unerwartet abgebrochen. Auch wurden Applikationen nicht weiterentwickelt (zum Beispiel Open Inventor/Cosmo/Optimizer/Fahrenheit), da Abnehmer den Herstellern verbesserte Grafikrechensysteme nicht abkauften.
14 | »Some aspects of technology have improved substantially since the early times off VR, such as greater visual resolution, spatialized audio and haptic interaction (e.g. the net force and torque feedback used in tool usage) while others have yet to make any significant strides. Especially the olfactory technologies (scent), the generation of tactile sensations remain elusive. (Stanney/Zyda: 2)«; »Ein und Ausgabemechanismen im Umgang mit dem Computer haben sich in den letzten Jahren nur sehr eingeschränkt verändert. Tatsächlich wurden die ersten WIMP (Windows, Icons, Menus, Pointer) vor ca. 20 Jahren eingeführt und bleiben heute noch bestimmend.« (Encarnação et al. 2001: 144). »Virtual Environment users are still impeded by cumbersome devices and binding tethers.« (Stanney/Zyda: 2).
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De-Synchronisation durch mangelnde Orientierung an Zeit struk turgebern Eine besonders interessante Hypothese im Hinblick auf die Auswirkungen nicht adäquater Formen des Umgangs mit Zeit ergibt die Betrachtung der Forschungs-, Entwicklungs- und Marketingstrategien von SGI. Auf Basis der Rekonstruktion lässt sich die Hypothese formulieren, dass SGI sich zu wenig zeitlich und inhaltlich an den direkten Kunden bei der Gestaltung des Geschäftsmodells orientierte. Obwohl SGI viele Entwicklerkonferenzen und Anwendergipfel veranstaltete, waren sie in ihrer Zeitplanung aufgrund ihrer Firmengeschichte und ihrem paradigmatischen Hintergrund immer eher an der Entwicklung neuer, noch leistungsfähigerer High-End-Grafik- und VR-Rechnersysteme orientiert. SGI zielte eher nicht darauf ab, Integrationsdienstleistungen rund um Virtualität und Präsenz als Kerngeschäft anzusehen. Obwohl SGI ab Mitte der 1990er Jahre Umsätze auf Basis von ›Professional Services‹, d.h. mit wissensintensiven Dienstleistungen steigerte, setzte SGI bei der strategischen Planung und Zeitplanung scheinbar nicht stark genug auf den Ausbau von Wissenskapazitäten und Beratungs- bzw. Dienstleistungskompetenz. Obwohl sich die Nachfrage von Anwenderunternehmen nach neuen, teuren High-End-Rechnersystemen tendenziell aufgrund der Verbesserung der Rechenkapazitäten sowie auf Basis der Fortschritte in Clustern von bestehenden Rechnern (und Rechnernetzwerken) änderte, hielt SGI weiterhin an seinem Kurs – noch leistungsfähigere High-End-Rechner anzubieten –, fest. Die Kunden aber, waren nicht mehr so schnell bereit, viel Geld in neue High-End-Rechner zu investieren. Vielmehr waren die Kunden daran interessiert, das Wissen von SGI um die Integration verschiedener Komponenten zum Auf bau von VR-Zentren als Unterstützung ihrer Anwendungsentwicklung einzukaufen. Infolgedessen brachen die Umsätze und Gewinne von SGI ein. Auf Basis der Rekonstruktion verschiedener Gespräche lässt sich also die Hypothese aufstellen, dass im Fall von SGI durch deren mangelnde Orientierung an Kundenwünschen und aufgrund der mangelnden Berücksichtigung der zeitlichen Erfordernisse der Kunden, umfangreiche Investitionen in neue Rechner- und Serversysteme nicht zu weiteren technologischen Durchbrüchen und vor allem nicht zur Stabilisierung der Umsatzzahlen beitrugen. Dies führte letztlich im Jahr 2007 dazu, dass SGI in existenzielle, wirtschaftliche Probleme geriet, was – wie auch die ersten Rückschläge – die Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente verlangsamte.
De-Synchronisation durch wenig reflexiven Einsat z von Zeitplanungsinstrumenten Ein hauptsächlicher Grund für Verlangsamungen der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente ist der wenig reflexive Einsatz von Zeitplanungsinstrumenten. Zwar erstellten Unternehmen viele Roadmaps und setzten Zeitplanungstechniken intensiv ein. Die meisten Unternehmen gingen aber oft nur auf einzelne Komponenten in ihrer Zeitplanung ein. Aufgrund dieser hohen
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technologischen Fokussierung war meist kein Überblick über die Entwicklung anderer wichtiger Komponenten und der Wissensbestände möglich. Vor allem die Entwicklung der Wissensbestände wie die Entwicklung neuer Algorithmen, neuer Software und auch von Grundlagenwissen rund um Präsenz wurde nicht dezidiert in Roadmaps verfolgt. Auch die Verwertung von Grundlagen- und Anwendungswissen durch Anmeldung intellektueller Eigentumsrechte steckte Mitte der 1990er Jahre noch in Kinderschuhen. In Verbindung mit verstärkten strategischen Patentierungsaktivitäten für vermarktbare VR-Anwendungen und Komponenten führten diese Faktoren zu De-Synchronisationen der Aktivitäten heterogener Akteure. Unternehmen waren meist daran interessiert, Anwendungen und neue Produkte schnell hervorzubringen und diese zu vermarkten. Folglich haben sie viel Geld investiert. Sie waren darauf bedacht, Entwicklungen frühzeitig und umfassend patentrechtlich zu schützen. Jedoch gingen die meisten Unternehmen wenig strategisch mit der Sicherung intellektueller Eigentumsrechte im Hinblick auf die Wissensentwicklung von neu entwickeltem Grundlagen- und Anwendungswissen um u.a. weil in diesen Bereichen noch Verbesserungsbedarf der Schutzmöglichkeiten besteht. Da also teils nur die Entwicklung singulärer, schnell anwendungsreifer Komponenten durch Unternehmen beschleunigt wurde, die Beschleunigung der Entwicklung von Wissensbeständen aber stiefmütterlich behandelt wurde; da auch Forschungsförderer sich auf schnell anwendbare Entwicklungen konzentrierten und folglich auch Wissenschaftler in ihrer Forschung eher auf Anwendungen ausgerichtet waren, entstanden wenig Impulse zur Entwicklung neuen Wissens rund um Haptik und Präsenz. Dies verlangsamte wiederum die Wissensentwicklung. Fehlendes Integrationswissen verlangsamte also schließlich die Gesamtentwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente. Die Rekonstruktion zeigt auch, dass sich seit Anfang 2002, aufgrund stärker ausgeprägter Geheimhaltungspraktiken von Unternehmen, neu produziertes Wissen nicht mehr so schnell durchsetzte. Aufgrund einiger strategischer Patentierungsaktivitäten entstanden potenziell mehr De-Synchronitätszustände. Da Patente auch in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Systeme höhere Bedeutung erhielten, verpflichteten Unternehmen ihre Entwickler zunehmend dazu, nicht frühzeitig und nicht ohne ausreichenden Schutz von Patenten über relevante technische Entwicklungen zu berichten. Aufgrund dieser verstärkten Geheimhaltung konnten sich Akteure nicht mehr gut aneinander orientieren. Sie konnten sich nicht mehr offen und frühzeitig über wahrscheinliche Entwicklungslinien austauschen. Es war ihnen nicht mehr umfassend möglich, ihre zeitliche Strukturierung reflexiv anzupassen. Die Rekonstruktion legt in diesem Zusammenhang also nahe, dass durch Geheimhaltungen weniger Transparenz über Zeitlogiken, technologische Entwicklungen und Kompatibilitäts- sowie Konvergenzpotenziale bestimmter Anwendungen und Wissensinhalte hergestellt werden konnte. Dies trug insgesamt zur Entstehung von Inkompatibilitäten bei. Ein anderer Hinweis auf Auswirkungen des zu wenig reflexiven Umgangs
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mit Zeitplanungsinstrumenten zeigt sich bei näherer Betrachtung einiger Strategeme von Nvidia. Durch strategisch kommunikative Nutzung von Roadmaps entstanden teilweise Technologie- und Innovationsrennen (zu Technologierennen vgl. Khanna 1995). Verschiedene Unternehmen wie 3dfx, ATI und Nvidia verwendeten viele Kapazitäten darauf, einzelne Komponenten und Anwendungen schneller hervorzubringen, ohne jedoch auf Kompatibilitäten zu anderen Komponenten und Systemen zu achten. Außerdem fanden innerhalb dieser Technologierennen weniger Standardisierungsaktivitäten von Basiswissensinhalten statt. Einige Unternehmen änderten zwar ihre Zeitmuster, verkürzten ihre Dauern von Aktivitäten und Zeithorizonte, beschleunigten ihre Entwicklungsaktivitäten, entwickelten mehr parallel statt sequenziell und setzten ständig neue Akzente, was zur Veränderung von Entwicklungsrhythmen von Grafikkomponenten von VR-Systemen führte. Da aber weniger Wissen produziert wurde und Schnittstellen nicht in Standards geklärt waren, wurden unterschiedliche Komponenten mit immer unterschiedlicheren Zeitmustern entwickelt. Im Endeffekt führte das zu vielen, partiellen Beschleunigungen von Komponentenentwicklungen. Im Hinblick auf anwendungsreife VR-Systeme wurde die Entwicklung aber verlangsamt. Da die Integration verschiedener Komponenten, Wissensbestände und technologischer Subsysteme zu leistungsfähigen Systemen erschwert wurde, waren einige neu entwickelte Systeme nicht leistungsfähig genug. Darauf hin entschieden potenzielle Anwender von VR-Technologien, nicht weiter in VR-Technologien zu investieren. Ihre ursprünglich auf Basis der Zeitplanungen und Roadmaps der Akteure etablierten Erfahrungen waren enttäuscht. Dies verlangsamte die Entwicklung von virtualitätsgenerierenden Systemen.
De-Synchronisation durch wenig wechselseitige Anpassung von Zeitlogiken Die Rekonstruktion ergibt auch, dass eine zu rigide, starre Logik im Umgang mit Zeit in der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichen Akteuren potenziell zur Entstehung von De-Synchronitätszuständen beiträgt. Vor allem zeitlich rigide strukturierte und aufwändige Verwaltungsverfahren der Forschungsförderer trugen zeitweise dazu bei, dass weniger wechselseitige Befruchtung der Entwicklungstätigkeiten von Unternehmen und Wissenschaftlern stattfanden. Da sich Wissenschaftler in ihrer Forschung am Anfang der 1990er Jahre hauptsächlich nach den Forschungsförderern richten mussten, da viele Unternehmen noch nicht bereit waren grundlagenorientiert in die Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente zu investieren, wurden die Zeitmuster in der Wissensentwicklung hauptsächlich durch Forschungsförderer mitgestaltet. Aufgrund anfangs wenig moderierender Impulse (zum Begriff der Politikmoderation vgl. Kuhlmann 1998) der Forschungsförderer, aufgrund von zu autopoeitisch strukturierten Verfahren am Anfang der Entwicklung von VR, blieben Wissenschaftler einer zeitlichen Entwicklungslogik von Wissen und Technologien verhaftet. Diese war weniger auf die Schaffung neuer
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Entwicklungs- und Vermarktungsmöglichkeiten von Technologien ausgerichtet. Wissenschaftler waren vor allem Mitte der 1990er Jahre nicht genug darauf ausgerichtet, Zeitlogiken und Rhythmen, mit denen Innovationsimpulse in der wirtschaftlichen Arena entstanden sind, wahrzunehmen und diese reflexiv in ihre Zeitplanung einzubeziehen. Da die relevanten Zeitstrukturgeber – die Forschungsförderer – diese zuerst ebenfalls nicht einbezogen und wenig aktiv moderierend und kontextsensitiv eingriffen, wurden Aktivitäten zeitlich stärker verteilt wirksam. Da Forschungsförderer – vor ihren Lernerfahrungen – lange an routinehaften, nach Kalenderjahren strukturierten Verfahrensordnungen bei der zeitlichen Strukturierung ihrer Förderimpulse festgehalten hatten, sind verschiedene Entwicklungen durch Wissenschaftler und Entwickler über lange Zeit hinweg zeitlich so gestaltet gewesen, dass sie weder den Zeitmustern der Wissensproduktion in wissenschaftlichen Gemeinschaften, noch den Zeitmustern von Unternehmen in ihrer vermarktungsorientierten Entwicklung neuer Komponenten entsprachen. Das VR-Systemen zugrunde liegende Wissen hat sich aufgrund des eher explorativ, neugiergeleiteten Umgangs mit Zeit in der wissenschaftlichen Arena und der fehlenden Moderationsimpulse durch Forschungsförderer lange Zeit nicht so schnell entwickelt, wie es von Unternehmen benötigt worden wäre, um schnell neue technische anwendungsreife Systeme hervorzubringen. Auch viele andere Komponenten sowie einige in Benutzung befindliche Systeme wurden dadurch, dass Unternehmen ohne Moderation durch Regulationsund Förderimpulse ihre Aktivitäten stetig beschleunigten, wenig kohärent und kontinuierlich entwickelt. Aufgrund der Verbindung einer reputationsorientierten Zeitlogik vieler Forschungspolitiker und der zeitwettbewerbs- und opportunitätenorientierten Zeitlogik vieler Unternehmen (»always catch the low hanging fruit«) wurde der Druck und auch die Erwartungshaltungen im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Entwicklung neuer, anwendungsreifer Lösungen ständig erhöht. Auf Basis der opportunitätenorientierten und reflexiven Form der zeitlichen Strukturierung von Anwender- und Herstellerunternehmen wurde viel in anwendungsnahe Entwicklungen investiert. So wurden in singulären Komponentenbereichen relativ große Fortschritte erzielt. Aufgrund der zeitlichen Einschätzung der Vermarktungsfähigkeit und der Zeitplanung der Unternehmen wurden aber anwendungsnahe Komponenten von VR-Systemen schneller entwickelt, als Komponenten und Wissensbestände rund um Präsenz. Wie mehrere Gesprächspartner unterstreichen, wurden Wissensbestände und Komponenten, die in den Augen der meisten Beobachter – auf Basis der sozial stabilisierten Erwartungen und Antizipationen – eher längere Zeitdauern beanspruchten, bis sie zur Anwendungsreife gebracht hätten werden können, weniger intensiv weiterentwickelt. Aufgrund der Tatsache, dass viele grundlegenden Wissensbestände zu Präsenzgenerierung und Interaktionsparadigmen noch fehlten und deren Erarbeitung meist nicht klar zeitlich zu bestimmen gewesen ist, wurden sensorisch basierte und hoch wissensintensive, voraussetzungsreiche Peripheriegeräte nicht mit viel Verve und entsprechendem Einsatz von Kapazitäten weiterentwickelt. Trotz dessen erhöhten sich die Erwartungen
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vieler Finanzmarktakteure und Anwender, die allein Fortschritte in anderen, attraktiveren Komponentenbereichen vermittelten. Hinzu kamen zeitwettbewerbsorientierte Unternehmen und legitimationsorientierte Forschungspolitiker. Hinzu kam auch, dass aufgrund der eher neugiergeleiteten, und flow-orientierten Zeitlogik, mit der Wissenschaftler ihre Entwicklungstätigkeiten strukturierten, zwar ständig neue grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse zu Präsenz und Interaktionsparadigmen entstanden. Aufgrund der wenig umfassenden Planung und der Orientierung an inhaltlich-zeitlichen Akzenten von Unternehmen und aufgrund der zu starken Orientierung an wissenschaftlicher Reputation von Wissenschaftlern und der hohen Anwendungsorientierung der Forschungsförderung wurden allerdings relativ wenig Erkenntnisse weiter durchdacht. Standards wurden kaum verabredet oder Erkenntnisse aus Prototypen neuer Displaytechnologien und Interaktionsinstrumenten wurden nicht umgesetzt. Dadurch fehlten im Endeffekt Wissensbestände und Komponenten, um neue VR-Systeme hervorzubringen. Erwartungen von Anwendern und auch Analysten konnten nicht eingehalten werden, weswegen sich das Investitionsklima eintrübte. Dies verlangsamte letztlich den ganzen VR-Bereich. Aufgrund der Zeitlogiken verschiedener Akteure in unterschiedlichen Arenen und von zu wenig Moderation und reflexiver Anpassung der Zeitlogiken folgten Impulse zur Weiterentwicklung von Wissen und Technologien in zu kurzer Zeit aufeinander. Diese Impulse wurden wenig stabilisiert und konnten deshalb nicht gegenseitig unterstützend wirken, sondern hoben sich gegenseitig eher auf oder verpufften einfach, bevor sie ihre Wirkung entfalten konnten. Kurzum: Es gab zwar viele Impulse. Viel Innovationsdynamik entstand. Jedoch ergaben zeitlich zu unterschiedlich getaktete Interaktionen von Akteuren und deren Impulse kaum Möglichkeiten, so dass auch wenig Kompatibilitäten entstanden. Erwartungen wurden nicht erfüllt. Die Technikentwicklung wurde verlangsamt.
4.7 Zeit- und Synchronisationsformen in der Ent wicklung von vir tualitätsgenerierenden Instrumenten (Zusammenfassung) Zusammengefasst lässt sich anhand der empirisch-explorativen Rekonstruktion der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente feststellen, dass viele verschiedene Akteure aus wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und forschungspolitischen Arenen, neues Wissen rund um Präsenz und neue Komponenten sowie Systemkonfiguration zur Erzeugung virtueller und erweiterter Realitäten hervorbrachten. Dabei hatten die Akteure jeweils ihre eigenen Logiken im Umgang mit Zeit. Sie strukturierten ihre Innovationsaktivitäten zeitlich sehr unterschiedlich. Die Akteure setzten unterschiedliche Zeitplanungsinstrumente unterschiedlich umfassend, kompetent und souverän zur Orientierung, zur Kommunikation, zur Regulierung und auch teils zur Synchronisation ein.
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Wissenschaftler schufen neues Wissen und neue Anwendungsprototypen auf Basis einer experimentierenden, flow- und neugier- sowie reputations- und ressourcenorientierten, reflexiven Zeitlogik zur Weiterentwicklung von VR. Anbieterunternehmen von Produkten und Dienstleistungen rund um die Erzeugung von Virtualität und Präsenz sowie Anwenderunternehmen aus verschiedenen Branchen (vor allem der Automobilindustrie) trugen mit einer auf Gelegenheiten, neue Entwicklungen (›Ereignisse‹) abzielenden und sehr reflexiven Zeitlogik schnell, mit vielen Impulsen – durch die Entwicklung, Anpassung und Vermarktung neuer Technologien und Anwendungen – zur Weiterentwicklung von VR bei. Forschungspolitiker, verschiedene staatliche und quasi-staatliche Agenturen wiederum, trugen mit einer insgesamt auf Reputation und Legitimation bedachten und auf die Regulierung anderer Akteure abzielenden teils rigiden, verfahrensorientierten, zeitlichen Strukturierung, ab dem Jahr 2000 auch mit moderierenden Förderungsimpulsen, zur Entwicklung von VR bei. Sie ermöglichten es durch finanzielle und inhaltliche Impulse Wissenschaftlern und Unternehmen, neue Wissensbestände und Anwendungen zu erarbeiten. Da virtualitätsgenerierende Instrumente und spezielle systemische Konfigurationen, wie VR-Zentren stark von Kompatibilitäten und Konvergenzen von Komponententechnologien abhängig sind, lässt sich, auf Basis der Rekonstruktion, die Hypothese formulieren, dass die Weiterentwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente stark von einem reflexiven Umgang der verschiedenen Akteure mit Zeit abhängt. Auf Basis der Rekonstruktion lässt sich – empirisch begründet – vermuten, dass sich viele Komponenten und das zugrunde liegende Wissen – VR-Technologien insgesamt – deswegen gut weiterentwickelten, weil Synchronisationen stattfanden. Diese Synchronisationen trugen dazu bei, dass virtualitätsgenerierende Instrumente und Wissen rund um Visualisierung, Simulation und Präsenz heute in vielen verschiedenen Branchen eingesetzt werden. Diese massive Ausweitung der Anwendung konnte stattfinden, da sich Wissenschaftler, Unternehmen und Forschungspolitiker in ihren Interaktionen stärker aneinander in ihrer Zeitplanung ausrichteten. Da verschiedene Impulsträger in Projekten, Netzwerken und Gemeinschaften intensiv miteinander zusammenarbeiteten, da einzelne Personen zum gegenseitigen Verständnis spezifischer Entwicklungslogiken beigetragen haben, da mehr Standardisierungsaktivitäten mit der Erstellung von umfassenden Roadmaps stattfanden, konnten sich die verschiedenen Akteure besser an Zeitorientierungen, Zeitnormen, Zeitstrukturgebern, Zeitmustern und Zeitlogiken anderer Akteure orientieren. Dadurch wurden Aktivitäten und deren Auswirkungen zeitlich kohärenter. Kompatibilitäten entstanden unmittelbarer und schneller. Die technische Entwicklung verlief insgesamt kontinuierlicher, da die Akteure auf Basis der KoOrientierung an anderen Akteuren reflexiver mit Zeitinstrumenten umgehen konnten. Sie konnten ihre Zeithorizonte, Geschwindigkeit, Abfolgen und ihre Rhythmen ihrer Entwicklungstätigkeiten an das technologische Umfeld und
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das Marktumfeld anpassen. Davon profitierten SGI oder Nvidia, Anwenderunternehmen von VR, wie auch verschiedene Institute der Fraunhofer-Gesellschaft innerhalb der Weiterentwicklung von VR-Technologien. Die Rekonstruktion legt auch die Vermutung nahe, dass Unternehmen, Wissenschaftler und Forschungspolitiker durch wenig zeitliche Ko-Orientierung an anderen Akteuren De-Synchronisationen in der Weiterentwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten provozierten. Diese De-Synchronisationen verlangsamten den Entwicklungsprozess. Dadurch, dass beispielsweise Unternehmen ihre Aktivitäten zu stark beschleunigten, Forschungsförderer zu wenig auf andere Akteure bei ihren Förderverfahren achteten und Wissenschaftler zu zeitvergessen forschten, ohne die für Unternehmen überlebenswichtige Zeitdisziplin zu berücksichtigen, entstanden überzogene Erwartungen im Hinblick auf die Entwicklung von VR-Technologien. Ebenso wurden Verzögerungen der Technikentwicklung dadurch provoziert, dass es an wechselseitigen Zeitorientierungen mangelte, die Akteure sich zu wenig an anderen Zeitstrukturgebern und Zeitnormen ausrichteten, dass Akteure ihre Zeitlogiken zu wenig wechselseitig anpassten, und dass Akteure Zeitplanungsinstrumenten zu wenig reflexiv einsetzten, verlief die Weiterentwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente zeitlich zu verteilt: Inkompatibilitäten, Abbrüche von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, Investitionszurückhaltungen bei Investoren und gescheiterte technologieorientierte Unternehmen waren die Folgen. Abschließend ist festzuhalten, dass die Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente von Kompatibilitäten verschiedener Komponenten, den ›richtigen und ›rechtzeitigen‹ Impulsen von Akteuren abhängig ist. Wenn Akteure adäquat mit Zeit umgehen und rechtzeitig mit Impulsen zur Entwicklung beitragen, können Komponentenentwicklungen für virtualitätsgenerierende Instrumente dann zu Kombinationsmöglichkeiten von Technologien auf Basis von Kompatibilitäten führen. Die Entwicklung der heute in Benutzung befindlichen, konfigurativen, Präsenz erzeugenden Techniksysteme der VR- Technologien ist auf mehrere, autonome, mit spezifischen Logiken verlaufende, teils komplementäre Entwicklungsprozesse von technologischem Wissen und Artefakten, wie auch Dienstleistungen zurückzuführen. Die komplexen Produkte, Dienstleistungen und Systemtechnologien im Bereich VR kamen zustande, weil verschiedene Akteure verteilt und relativ autonom, Komponenten und Wissensinhalte produzierten, die dann zu neuen leistungsfähigeren technischen Konfigurationen beitrugen. Voraussetzung dafür war, dass sich verschiedene Akteure in der zeitlichen Strukturierung ihrer Aktivitäten aneinander, an Zeitnormen wie Kalendern, Zeitmustern und an Zeitlogiken Anderer orientierten, diese wechselseitige Orientierung in ihre Zeitplanung einbezogen, wodurch Entwicklungsimpulse zeitlich kohärenter wurden. Die Rekonstruktion zeigt also zusammengefasst, dass eine kontinuierliche Technikentwicklung davon abhängt, ob heterogene Akteure miteinander klären, zu welchen Zeitpunkten und in welchen Zeiträumen verschiedene Komponenten miteinander kombinierbar sind.
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Die empirisch-explorative Rekonstruktion legt nahe, dass der aufmerksame, überlegte und reaktive Umgang mit Zeit für Unternehmen, Forschungspolitiker und Wissenschaftler in der Entwicklung virtualitätsgenerierender Instrumente wichtiger wurde. Durch den Zeitdruck und da mehr Akteure hoch strukturiert mit Zeit umgingen – und umgehen –, zählt die Frage, wie Zeit und Innovation miteinander verbunden werden. Ebenso zählt die Frage, wie durch diese Verbindungen Synchronisationen entstehen, wenn es darum geht neues Wissen und neue Technologien hervorzubringen.
5. Innovation – die Bedeutung von Zeit und der Synchronisation von Wir tschaf t, Wissenschaf t und Politik
Zusammenfassend lässt sich als Ergebnis dieser Arbeit festhalten, dass Innovationen vom adäquaten Umgang mit Zeit und der Synchronisation von Zeitlogiken durch heterogene Akteure in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik abhängen. Dieses Ergebnis ergibt sich nach den theoretischen und konzeptionellen Aufarbeitungen und der empirischen Sondierung. Diese erschienen notwendig, da die Würdigung der bisherigen Forschung zeigt, dass sich zwar verschiedene Arbeiten aus der ökonomischen- und sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung mit Zeit in Innovationsprozessen auseinandergesetzt haben. Bisher hat aber keine eingehende, konzeptionelle und empirische Betrachtung und Diskussion der unterschiedlichen Formen des Umgangs mit Zeit und deren Auswirkungen in Innovationsprozessen stattgefunden. Die Zusammenschau der ökonomischen und sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeiten zu Zeit und Innovation zeigt auch, dass die bestehenden Begriffe zur Erfassung sozialer Zeit nicht ausreichen, um den Zusammenhang von Zeit und Innovation hinlänglich konzeptionell und empirisch erfassen zu können. Insbesondere fehlen trennscharfe, konzeptionell geklärte Begriffe, welche die Entstehung und die Formen von Zeit abbilden. Ebenso fehlen Begriffe, um den Umgang mit Zeit und die Auswirkungen von Zeit und in Innovationsprozessen zu erfassen. Innerhalb bisheriger Forschungsarbeiten fehlen außerdem, auf Kategorien basierte, empirische Beschreibungen des spezifischen Umgangs heterogener Akteure mit Zeit und deren Auswirkungen anhand einer exemplarischen Technologieentwicklung. Die in diesem Buch vorgenommene Auseinandersetzung mit der bisherigen Innovationsforschung, die Ableitung eines soziologisch inspirierten Konzepts zur Betrachtung von Zeit in Innovationsprozessen und die explorative, qualitativ-empirische Rekonstruktion zur Entwicklung von VR-Technologien in Deutschland im Zeitraum von 1995 bis 2005 setzt an diesen Fehlstellen an. Insgesamt lässt die, in diesem Buch erstellte Analyse, den Rückschluss zu,
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dass Zeit und Innovation eng zusammenhängen. Es zeigt sich, dass im Fall der Entstehung von Virtuelle Realität-Technologien verschiedene Akteure Zeit zur Orientierung, zur Kommunikation, zur Regulierung und schließlich zur Synchronisation nutzten. Zeit und Innovation sind untrennbar verbunden, weil sich im Innovationsmanagement, speziell in Zeitplanungen von Wissenschaftlern, Unternehmen und Forschungspolitikern vorgegebene Zeitmuster (d.h. Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen) und Zeitlogiken auf die Handlungen und Interaktionen heterogener Akteure auswirken. Ebenso wirken sich spezifische Zeitplanungen, -horizonte und -logiken der verschiedenen Akteure auf das Impulsgefüge und damit auf die Dynamiken der Entwicklung von neuem Wissen und Technologien aus. Zeit ist fundamental entscheidend für Innovationsprozesse.
5.1 Soziologisch inspirier tes Verständnis von Innovationsprozessen und Zeit Um das Verhältnis von Zeit und Innovation und die Herausforderungen an Synchronisation erfassen zu können, wurden in dieser Arbeit aufgrund der konzeptionellen Fehlstellen in der bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung ausgewählte Erkenntnisse aus der ökonomischen und sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung sowie aus der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit sozialer Zeit theoretisch aufgearbeitet. Auf dieser Basis wurde ein erweitertes soziologisch inspiriertes Konzept für die Untersuchung des Zusammenhangs von Zeit und Innovation erarbeitet. In Anlehnung an Arbeiten aus der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung und der Strukturationstheorie werden darin Innovationsprozesse als verteilte, sozial strukturierte und mit Unsicherheit behaftete Prozesse verstanden. Diese Prozesse kommen durch unterschiedlich strukturierte und strukturierende, unkoordinierte und koordinierte Handlungen sowie Interaktionen heterogener Akteure in Innovationsnetzwerken zustande. Heterogene Akteure tragen durch ihre Handlungen und Interaktionen dazu bei, dass Impulse und Dynamiken entstehen oder fortgeführt werden. In Innovationsprozessen entstehen dabei spezifische, soziale Strukturen, d.h. Regeln, an denen sich Akteure orientieren und die sie durch Handlungen und Interaktionen stabilisieren, verändern oder auch neu schaffen können. Innovationsprozesse werden in dieser Vorstellung zwar durch soziale Akteure willentlich geprägt und sozial strukturiert. Aber sie sind als soziale Prozesse in ihrem Verlauf offen. Sie sind durch nicht vollendete und damit ergebnisoffene Handlungen, Handlungsabfolgen und Interaktionen, Haupt- und Nebenfolgen gekennzeichnet. Es ist deshalb schwer den Verlauf von Innovationsprozessen vorher zu sagen. Trotz – und teils gerade wegen – dieser Unsicherheitspotenziale bestehen für Akteure Strukturierungschancen in Innovationsprozessen. Um mit Unsi-
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cherheit umgehen zu können, um unsichere Situationen zu gestalten und (vor) zu strukturieren ist es für Akteure in Innovationsprozessen ratsam, Zeit zu nutzen, um die Zukunft zu antizipieren, ihre Handlungen zeitlich zu strukturieren und auf Basis dieser Erwartungen zu handeln. Dieses Verständnis von Innovationsprozessen, als sozial strukturierten und unsicheren Prozessen, ist notwendig, um Zeit in ihrer Bedeutung für Innovationen besser als eine Form sozialen Deutungs- und Handlungswissens von Akteuren zu erfassen. Zeit und der Einsatz von Zeitplanungsinstrumenten spielt in Innovationsprozessen deswegen eine herausragende Rolle, da Zeit eines der hauptsächlichen Instrumente zur Orientierung und Antizipation sowie zur Synchronisation von Akteuren ist: Um zu einem kontinuierlichen Verlauf von offenen, sozial strukturierten Innovationsprozessen beizutragen, sollten Akteure ihre Handlungsabläufe zeitlich synchronisieren. Dabei können sie Zeit benutzen, um die Zukunft zu antizipieren, ihre Erwartungen mit Hilfe von Kalendern, Roadmaps, Szenarien und Visionen zu strukturieren und auf dieser Basis strategisch zu handeln. Die verschiedenen, an Innovationsprozessen beteiligten Akteure können Zeit darüber hinaus auch dazu benutzen, um mit anderen Akteuren im jeweiligen Umfeld – z.B. mit Unternehmen, Wissenschaftlern, Politikern und Kunden – zu kommunizieren. Sie können mit Hilfe von Zeit bestimmte Botschaften und Signale setzen. Außerdem können Akteure Zeit dazu verwenden, um die eigenen Aktivitäten und die Aktivitäten anderer Akteure anhand von Zeitzielen, Technologiekalendern zu strukturieren und zu regulieren. Verschiedenste Akteure managen, planen und führen daher ihre innovativen Aktivitäten auf Basis zeitlicher Strukturierungen durch. Eine weitere Bedeutung der Zeitnutzung liegt darin, dass Akteure Zeit verwenden, um sich mit anderen Akteuren zu synchronisieren. Nur mit der Verwendung von Zeit als Form von sozialem Wissen können heterogene Akteure ihre Aktivitäten mit denen anderer Akteure zeitlich koordinieren. Sie können zeitlich so kohärent handeln, dass dadurch Impulse zeitlich zusammenfallen, Ereignisse und auch Zustände der Gleichzeitigkeit, technischer Kompatibilitäten erzeugt werden, wodurch dann wiederum Möglichkeiten (bzw. so genannte ›Gelegenheitsfenster‹) in Innovationsprozessen entstehen.
5.2 Formen des Umgangs mit Zeit in Innovationsprozessen Zur Frage, wie Akteure mit Zeit umgehen, belegen die theoretische Aufarbeitung und die empirische Sondierung in dieser Arbeit, dass heterogene Akteure unterschiedlich mit sozialer Zeit in den jeweiligen Arenen umgehen. Die verschiedenen Akteure folgen dabei sehr unterschiedlichen Logiken im Umgang mit Zeit. Sie strukturieren ihre Aktivitäten spezifisch mit Hilfe von Zeit. Diese unterschiedlichen Zeitlogiken reichen von erkenntnisorientierten-explorativen Logiken in wissenschaftlichen Arenen, über gelegenheits- und profitorientierte Logiken in wirtschaftlichen Arenen, bis hin zu legitimations- und verfahrens-
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orientierten Zeitlogiken in forschungspolitischen Arenen. Zeitmuster, d.h. die Dauern (Zeithorizonte), die Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen von wissenschaftlichen Instituten, Unternehmen und der Forschungsverwaltung (Forschungspolitik) unterscheiden sich stark.
5.3 Auswirkungen des Umgangs mit Zeit auf Innovationsprozesse Zur zweiten, dieser Arbeit zugrunde liegenden Frage, ob und wie sich unterschiedliche zeitliche Strukturierungen heterogener Akteure auf die Entstehung und den Verlauf von Innovationsprozessen auswirken, zeigt die theoretische und empirische Betrachtung des Umgangs mit Zeit von Akteuren in Innovationsprozessen, dass die dargestellten unterschiedlichen Logiken, nach denen Akteure ihre Aktivitäten zeitlich strukturieren, eine entscheidende Rolle in Innovationsprozessen spielen. Da Akteure entsprechend ihrer Zeitlogiken ihre Handlungen takten und ihre Interaktionen mit anderen Akteuren strukturieren, entstehen verschiedene Zeitmuster in Innovationsprozessen. Durch die zeitlich strukturierenden und strukturierten Aktivitäten – durch Signifikationen, Dominationen und Legitimationen der Akteure – auf Basis ihrer sozialen Ressourcen (Geld, Wissen, Beziehungen) und ihrer temporalen Kapazitäten, ihrem Wissen sowie ihrer Repertoires zur zeitlichen Strukturierung ändern sich Dauern (Zeithorizonte), Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen in den Aktivitäten der heterogenen Akteure. Durch diese Veränderungen der zeitlichen Aktivitäts- und Interaktionsmuster verändert sich auch die prozessuale Gestalt von Innovationsprozessen: Durch die unterschiedlichen Zeitlogiken werden Impulse als Ereignisse zu anderen Zeitpunkten realisiert; das Ausmass zeitlicher Verteiltheit in Innovationsprozessen steigt. Die zeitlichen Strukturierungen können also dazu führen, dass Impulse und Ereignisse nicht mehr so zeitnah zusammenfallen (Synchronität), sondern sich potenziell zeitlich weiter voneinander entfernen (De-Synchronität). In diesem Fall werden Kontinuitäten in Technikentwicklungen und die Entstehung von Kompatibilitäten behindert. Neben Hinweisen auf Formen der Synchronisation und De-Synchronisation, ist ein besonders interessantes Ergebnis der theoretischen Aufarbeitung und der explorativen, empirischen Sondierung in dieser Arbeit, dass durch Interaktionen der Akteure Zeitlogiken auch zu Zeitnormen werden und somit sozial institutionalisiert werden. Bestimmte Zeitlogiken können insofern als Regeln auf verschiedene Akteure einwirken. Das strategische Timing einiger Akteure kann zur Entstehung von bestimmten sozialen Strukturen und zu bestimmten organisationalen Zeitlichkeiten führen. Diese sozialen Strukturen und Zeitlichkeiten in Organisationen, können dann als kulturell stabilisierte Institutionen jeweils spezifisch auf die Handlungen unterschiedlicher Akteure einwirken. Sie werden zu Zeitnormen. Diese Zeitnormen haben Auswirkungen auf Wettbewerbsbedingungen sowie auf die Tempi und Rhythmen (in) der Entstehung von Innovationen. So kann durch bestimmte Zeitnormen eine Beschleunigung
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stattfinden. Ebenso kann stärkerer Zeitwettbewerb entstehen, was dann für alle an Innovationsprozessen beteiligten Akteure relevant ist. Der strategische Umgang mit Zeit hat also unter bestimmten Bedingungen Auswirkungen auf Technologiepfade. So legt die empirische Rekonstruktion dieser Arbeit die Vermutung nahe, dass, dadurch, dass Akteure Zeit (Zeitkapazitäten und Zeitnormen) richtig nutzen, sie in bestimmtem Ausmaß dazu fähig sind, Entwicklungsrichtungen und vor allem die Geschwindigkeit der Entwicklung von Technologien, die Pfade zu gestalten. Schließlich kann ein kollektiver Lerneffekt eintreten, nämlich dadurch, dass mehr Akteure strategisch mit Zeit umgehen, wodurch wiederum viele unterschiedliche Zeitnormen entstehen. Da diese Zeitlogiken und Zeitnormen große Auswirkungen auf die Handlungen und Interaktionsfolgen von Akteuren haben, scheint es für die Genese von Technologien für verschiedene Akteure notwendig zu sein, möglichst zu Synchronisationen beizutragen. Entsprechend ist die Entstehung von Innovationen in neuerer Zeit auch zu einer Frage der zeitlichen Koordination unterschiedlich ›tickender‹ Akteure geworden. Innovationsplanung ist auch eine Frage der Anpassung von Zeitlogiken. Innovationsplanungen sind von einem reflexiven Umgang mit Zeitplanungsinstrumenten abhängig. Auf Basis der theoretischen Aufarbeitung und der empirischen Rekonstruktion kann geschlossen werden, dass wenn Akteure adäquat mit Zeit umgehen, dies zu Weiterentwicklungen von Technologien durch Synchronisationen beiträgt. Ebenso kann gefolgert werden, dass ohne einen adäquaten Umgang der Akteure mit Zeit, ohne die Wahrnehmung der Zeitlogiken anderer Akteure Technikentwicklungen verlangsamt werden können, weil so De-Synchronisationen entstehen können. Gehen Akteure zu unterschiedlich mit Zeit um, fördert dies Synchronisationsprobleme und führt zur Entstehung von De-Synchronitätszuständen, die wiederum Verzögerungen in Technikpfaden nach sich ziehen und die Entstehung von Synchronitäten behindern. Gehen allerdings Akteure mit Zeit reflexiv um, koordinieren sie sich zeitlich mit anderen Akteuren, indem sie sich an deren Zeitorientierungen, Zeitnormen, Zeitmustern und Zeitlogiken und Kalendern ko-orientieren, führt dies potenziell zur Entstehung von Synchronitätszuständen. Das wiederum schafft Potenziale für Kompatibilitäten. Die empirische Rekonstruktion legt nahe, dass vor allem dann Synchronisationen von wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Akteuren befördert wurden, was zur höheren Geschwindigkeit der Entwicklung von systemischen Konfigurationen beigetragen hat, • wenn sich Akteure aneinander in ihrer zeitlichen Strukturierung ausgerichtet haben • wenn eine zeitliche Ko-Orientierung vorherrschte • wenn Akteure auch andere Akteure als potenzielle Zeitstrukturgeber wahrgenommen und Ernst genommen haben • wenn sie ihre Zeitorientierungen, vor allem ihre Anforderungen an Zeitdisziplin, wechselseitig anpassten
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wenn sie auf Basis der Orientierung an anderen Akteuren und deren Kalender ihre Zeitnormen veränderten wenn sie reflexiver mit Zeitinstrumenten umgingen wenn sie in Projekten, Netzwerken oder Gemeinschaften intensiv und über längere Zeit miteinander interagierten wenn sie ständig mit anderen Akteuren im Austausch über zukünftige technische Entwicklungslinien und die wahrscheinliche, zukünftige Entwicklung von Technologien (beispielsweise bei Standardisierungsprozessen) gestanden haben und diese zeitlich genauer bestimmten wenn sie gemeinsam an Zukunftsentwürfen, wie Roadmaps sowie an Paradigmen, Begriffen und Visionen für Technologien gearbeitet haben wenn in den jeweiligen Organisationen (Forschungsförderungsverwaltungen, Unternehmen und wissenschaftlichen Instituten) einzelne Personen als temporale Promotoren auftraten, die den zeitlichen Erfordernissen, Zeitorientierungen und Zeitplanungen anderer Akteure, Gehör und Geltung verschaffen konnten und dafür sorgten, dass diese temporalen Erfordernisse anderer Akteure gebührend bei Zeitplanungen berücksichtigt wurden wenn auf der Basis dieser Ko-Orientierung die Zeitmuster (Dauern (Zeithorizonte), Geschwindigkeiten, Sequenzen, Rhythmen) die temporalen Lokalisationen (das Timing) wechselseitig angepasst wurden und wenn auch Zeitlogiken reformuliert und in Handlungen übersetzt wurden
5.4 Synchronisation von Wir tschaf t, Wissenschaf t und Politik, aber wie? – Prak tische Implikationen der Ergebnisse Die Arbeit macht deutlich, dass verschiedene, an Innovationen beteiligte Akteure in Innovationsnetzwerken aufmerksamer und reflexiver mit Zeit umgehen sollten. Der umfassend reflexiven Gestaltung von Zeit, der Synchronisation von Unternehmen, wissenschaftlichen Partnern und politischen Partnern, mit Technologiezyklen, dem Wettbewerb und auch der Gesellschaft mit ihren verschiedenen Bedürfnisgruppen wird in Zukunft zur Hervorbringung von Innovationen eine höhere Bedeutung zukommen. Dabei zählt mehr als nur Beschleunigung. Vielmehr wird die Identifikation von Zeitfenstern relevant, in denen Akteure in Abstimmung mit anderen Akteuren aktiv werden können, um Produkte zu entwickeln und auf Märkten zu platzieren und um Innovationen möglichst ohne Rückschläge weiterentwickeln zu können. Zur Frage, wie man – mit welcher Logik – als Akteur mit Zeit in der eigenen Planung umgehen sollte, um Innovationen möglichst friktionsfrei, durch die zeitliche Koordination verschiedener Aktivitäten heterogener Akteure, entstehen zu lassen, lässt sich auf Basis der empirischen Rekonstruktion und der theoretischen Aufarbeitung ebenfalls schließen, dass sämtliche Akteure dem Umgang mit Zeit höhere Priorität in der Planung zumessen sollten.
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Akteure sollten die unterschiedlich intensive, zeitliche Strukturierung der Aktivitäten durch andere Akteure besser auf Basis reflexiverer (partizipativerer) Zeitplanungsinstrumente erfassen. Unternehmen, Wissenschaftler und vor allem die – ad functionem – zur Moderation verschiedener Akteure angehaltenen Forschungsförderer sollten lernen, Zeitmuster (Dauern (Zeithorizonte), Geschwindigkeiten, Sequenzen, Rhythmen) in Arenen und Technologiefeldern besser zu erkennen und zu nutzen. Ebenso sollten die Akteure, vor allem Forschungsförderer, lernen die Zeitnormen im Innovationswettbewerb (Marktzyklen) besser wahr zu nehmen. Sie sollten sich intensiver mit den Zeitplanungen und Zeitlogiken anderer Akteure auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung mit Zeit sollten die Akteure als Teil eines Monitoring in ihre Zeitplanung so einbeziehen, dass neue Technologien, neues Wissen ohne größere Verzögerungen entstehen können. Unternehmen müssen sich dabei nicht nur – wie gemeinhin angenommen – auf ihr eigenes Unternehmen orientieren. Für Unternehmen besteht bei einem nichtreflexiven, starren Umgang mit Zeit, der nicht die Vorgehensweisen der anderen Akteure, wie Wissenschaftler und vor allem Kunden einbezieht, die Gefahr, dass ihre neu entwickelten Produkte nicht nachgefragt werden. Doch nicht nur Unternehmen, nein sämtliche Akteure sollten sich, bei aller Verschiedenheit der eigenen Strategien, stärker zeitlich untereinander koordinieren. Dabei sollten sie ihre eigenen zeitlichen Strukturierungen anpassen. Wenn sie bei der Strukturierung ihrer eigenen Zeitmuster, Dauern, Zeithorizonte, Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen auch auf die Zeitmuster und Kalender anderer Akteure achten und sich bemühen Synchronitäten in ihren Aktivitäten zu ermöglichen, wenn sie frühzeitig mit Akteuren die Setzung von Zeitzielen diskutieren und sie nicht allein auf Basis eigner Handlungsroutinen verordnen, erhöht dies die Chance zum Erfolg von Innovationsprojekten. Ebenso kann die Ko-Orientierung bei der Setzung von Zeitzielen auch dazu führen, dass Missverständnisse und Verzögerungen weniger oft entstehen bzw. leichter auszuräumen sind. Dies unterstützt insgesamt die kontinuierliche Weiterentwicklung von Technologien. Akteuren ist dabei angeraten, ihre Zeithorizonte und Roadmaps gemeinsam mit anderen Akteuren, auf Basis intensiver Zusammenarbeit zu formulieren. Besonders über Dauern von Aktivitäten und Zeithorizonte wird heute vielmals zu wenig intensiv in Projekt- und Planungsprozessen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gesprochen. Würden Zeithorizonte und Zeitplanungen intensiver diskutiert, würde dies auch die Setzung von weniger adäquaten Zeitnormen vermeiden. Es zeigt sich, dass verschiedene Beschleunigungsforderungen durch Unternehmen von Wissenschaftlern – auf Basis ihrer Kapazitäten und ihrer Arbeitsorganisation, wie auch aufgrund des wenig planbaren Prozesses der Wissensproduktion per se, nur schwer erfüllt werden können. Wie beim karibischen Tanz Limbo, geht es beim ›temporalen Limbo‹ nicht um die Frage, wie tief der Partner in die Knie gehen kann, sondern viel mehr darum, wie schnell die jeweiligen Partner eigentlich handeln und reagieren können. Die temporalen Kapazitäten verschiedener Akteure sollten berücksichtigt
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werden, da wenig realistische Zusagen einer Zielerreichung, die dann nicht eingehalten werden können, im Endeffekt für alle Beteiligten nachteilig sind. In diesem Zusammenhang sollte auf die Forderung und Wahrnehmung von Zeitdisziplin ebenso geachtet werden, wie auf die Konstruktion von Zeitplänen. Zeitpläne sollten flexibler angelegt werden und zeitliche Spielräume vorgesehen werden, um so Akteure Raum zum Manövrieren zu geben. Zeitdisziplin sollte zwar hochgehalten werden. Doch sie sollte so aufgefasst werden, dass sich darunter sowohl opportunitätenorientierte, als auch neugier- und reputationsorientierte Zeitlogiken der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und forschungspolitischen Akteure fassen lassen. Es hilft, wenn Unternehmen bestimmte wissenschaftliche Institute als Zeitstrukturgeber oder umgekehrt, wenn Institute, Unternehmen als legitime Rollenmodelle für mögliche Geschwindigkeiten und gesamte Zeitmuster in Technologiefeldern und Märkten akzeptieren. Die Wahrnehmung anderer Akteure als legitime Zeitstrukturgeber scheint vor allem für die moderierenden Forschungsförderer wichtig. Erfassen und analysieren Forschungsförderer Zeitmuster und deren Entstehung durch einzelne Akteure, können sie dadurch mehr Erkenntnisse darüber erhalten, welche Formen des Timings angemessen sein könnten. Ebenso könnten dadurch Forschungsförderer mehr Erkenntnis darüber erhalten, welche Zeitmuster (Dauern (Zeithorizonte), Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen) in der Förderung von Forschungsprojekten oder gar bei der Erstellung von Forschungsprogrammen adäquat wären. Um sich aneinander besser ausrichten zu können, sollten vor allem Forschungspolitiker als Moderatoren agieren. Zudem sollten Wissenschaftler und Unternehmen ihre Zeitplanungsinstrumente weiter entwickeln und dafür sensitiver machen, andere Zeitstrukturgeber und andere Zeitmuster integrativ abzubilden. Es geht darum, auf dieser Basis bessere (Prozess-)modelle und Blaupausen für Innovationsprozesse zu schaffen. Speziell am Umgang mit Zeitplanungsinstrumenten sollte weitergearbeitet werden, da viele der Instrumente, wie Roadmaps eigentlich schon Potenziale zur Ko-Orientierung und damit zur Synchronisation unterschiedlich getakteter Akteure bieten. Sie werden bisher durch verschiedene Akteure jedoch wenig reflexiv genutzt. Unternehmer, Wissenschaftler und Forschungspolitiker sind gut beraten, zur besseren Zeitplanung in Projekten, Netzwerken oder Gemeinschaften intensiv und über längere Zeit miteinander zusammenzuarbeiten und sich dabei über wahrscheinliche, zukünftige Entwicklungslinien und Pfade von Technologien auszutauschen. Forschungsförderer und Unternehmen sollten mögliche Nebenfolgen der Verwendung von umfassenden Patentierungsstrategien bedenken. Beispielsweise können defensive Patentierungsstrategien zum Erlahmen der Innovationsaktivitäten anderer Akteure führen. Das kann dann auch verlangsamend auf notwendige Technikentwicklungen wirken. Beim zeitlich reflexiveren Umgang ist es vorteilhaft, neben defensiver Patentierung auch intelligente Standardisierungsstrategien zu verfolgen und die Wertschöpfung – ähnlich Open Source/General Public License (GNU-)Modellen – auf nachgelagerte Dienstleis-
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tungen zu verlegen. So werden zunächst mit Anderen die Grundlagen entwickelt, Kompatibilitätspotenziale entstehen. Forschungspolitisch Verantwortliche sollten im Hinblick auf Patentierungsfragen noch intensiver über technologiefeld- und marktspezifische, zeitliche Begrenzungen von intellektuellen Eigentumsrechten und Patenten und Förderkriterien nachdenken (›Verfallsdaten‹). Dies kann in einem Fall bedeuten, dass schnell Wissen in die Wissensallmende überführt werden. Im anderen Fall sind längere Zeitspannen vorzusehen. Um dies für Standardisierungs- und Patentierungsprozesse zeitlich genauer bestimmen zu können, sind vor allem Forschungspolitiker aufgerufen, Zeitmuster und Zeitlogiken in verschiedenen Arenen und Technologiefeldern vergleichend zu analysieren. Da der intelligente Umgang mit Zeit die Herausforderung zu sein scheint, um zeitliche Koordination von unterschiedlichen Akteuren zu gewährleisten, kommt Entscheidungsträgern in Unternehmen, in wissenschaftlichen Instituten und Politikern eine entscheidende Aufgabe zu. Sie sollten Zeit viel ernster nehmen und dynamische zeitliche Führungsqualitäten (»temporal leadership«) entwickeln, um Innovationen in ihrer Entstehung zu befördern. Sie sollten ihre Zeitorientierung ihrer Organisationen verbessern. Sie sollten darauf achten, unterschiedliche Geschwindigkeiten und Zeitlogiken in verschiedenen Organisationsbereichen aufrechtzuerhalten. Für Unternehmen, für Forschungsförderungsorganisationen und für Wissenschaftsorganisationen ist gleichsam bedeutsam, bei Organisationsteilen, die eng mit anderen Organisationen in anderen Arenen auf der Basis unterschiedlicher Zeitlogiken zusammenarbeiten, auch Möglichkeiten für deren Synchronisation mit den Kooperationspartnern zu schaffen. Das kann bedeuten, dass beispielsweise weniger zeitlich starre Verfahren in Organisationen geschaffen werden. Temporale Vielfalt mit einer Vielzahl von Zeitmustern in Organisationsteilen zählt für alle Organisationen. Temporale Vielfalt in Organisationen ernst zu nehmen bedeutet auch, dass Zeitplanung darauf hin geprüft werden sollte, welche Zeitorientierung (uhrzeitoder ereignisorientiert, wenig oder ausgeprägte Zeitdisziplin) und welche Zeitmuster im Umfeld bzw. in Organisationen vorherrschen. Besonders sollten sich Entscheidungsträger darüber im Klaren sein, an welchen Zeitstrukturgebern sie sich orientieren (sollten), ob und wie sie sich ein Bild von Technologie- und Marktzyklen machen und ob sie und ihre Mitarbeiter dies entsprechend reflexiv in ihren Zeitplanungen beachten. Entscheidungsträger sollten den Überblick haben, ob eigentlich Wissenschaftler, Unternehmen und Forschungspolitik in der Gesamtheit ihrer Impulse strategisch wahrgenommen werden. Erst auf Basis einer umfassenden Analyse und der Beobachtung von Zeitmustern sollte darüber entschieden werden, wie schnell eine Organisation handelt und mit welchen externen Technologiezyklen sie sich in ihren Aktivitäten synchronisiert, um so direkt das Timing von Technologiezyklen zu gestalten. Vernachlässigen Entscheidungsträger die zeitliche Dimension und die Notwendigkeit der zeitlichen Koordination in Planung und Umsetzung, sind die Auswirkungen weit reichend. Komponenten von Systemen werden verschieden schnell entwickelt, Architekturinnovationen und Umsetzungserfolge von Wis-
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sen und neuen technologischen Komponenten werden weniger wahrscheinlich. Dagegen werden Inkompatibilitäten unterschiedlicher Komponenten und Wissensbestände wahrscheinlicher. Die Integration verschiedener Komponenten zu funktionierenden technischen Systemen wird aufwändiger. Auch die Wissensproduktion wird nachteilig beeinflusst. Zeitfallen mehren sich und werden bedeutender. Erwartungen von Kunden werden schwieriger zu erfüllen. Langfristig führt dies zu negativen Rückwirkungen auf die Technologieentwicklung, wobei weniger Innovationen entstehen.
5.5 Ausblick: Weiterer Forschungsbedar f Da Zeit in Innovationsprozessen von herausragender Bedeutung ist, bietet diese Untersuchung erste theoretische Annäherungen und empirisch basierte Hypothesen zum Verhältnis von Zeit und Innovation. Sie schafft zunächst ein besseres Verständnis des Phänomens und der Bedeutung von Synchronisationen in Innovationsprozessen. Dennoch sind weitere theoretische und empirische Untersuchungen notwendig, um die Rolle und Bedeutung von Zeit in Innovationsprozessen noch besser zu ergründen. Dabei sollten in zukünftigen Forschungsarbeiten Aspekte rund um reflexivere Formen des Umgangs mit Zeit in Innovationsprozessen geklärt werden. Mit weiteren empirischen und konzeptionellen Erkenntnissen wäre es möglich, die praktische Gestaltung von Innovationsprozessen durch Maßnahmen von forschungspolitischen, politisch-administrativen und wissenschaftlichen Akteuren oder auch durch Unternehmen zu verbessern. Schließlich geht es darum, mehr Synchronisationen von Impulsen und Dynamiken und so der, am Innovationsprozess beteiligten, Akteure ermöglichen.
For schungsbedar f: Temporale Kausalität sschlüsse Zukünftige Arbeiten könnten sich mit der systematischen Verwendung mit Zeit und mit Kausalitätsschlüssen auseinandersetzen. Gerade zu Formen temporaler Kausalitätsschlüsse (›temporal reasoning‹) besteht weit reichender Forschungsbedarf (vgl. Kelly/McGrath 1988: 15ff.). Normalerweise wird auf Basis von vorherrschenden zeitphilosophischen Traditionen angenommen, dass Ereignisse, die zeitlich weiter von einem anderen auslösenden Ereignis entfernt sind, eine schwächere kausale Verbindung aufweisen. Dies scheint gerade in Innovationsprozessen, die als hoch verteilte Prozesse mit vielen Nebenfolgen zu charakterisieren sind, nicht ohne weiteres gültig. Hier sind Zeitverzögerungen kein Sonderfall. Reflektionen von Ursache-Wirkungsschemata sollten stattfinden, um Fehlschlüsse zu vermeiden, die sich vor allem im falschen Wahrnehmen von Kausalitäten, in übereiltem Handeln oder verfrühter Bewertung zeigen. Diese Forschungsarbeiten und die Reflexion über Chronologien, Ereignisfolgen und deren kausale Zusammenhänge könnten zu Verbesserungen zeitbasierter Wettbewerbsstrategien und vor allem der Wissenschafts- und Forschungsförderung beitragen (vgl. Mitchell/James 2001).
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Dabei sollte auch überlegt werden, wie das System modaler Logik (Zeitlogik), aus der Mathematik und Informatik (Galton 1999) verwendet werden könnte, um Netzplantechniken und Roadmaps für die Auswirkungen unterschiedlicher Zeitlogiken und die Erfassung von Synchronisationsbedingungen, Zeitfenstern, wie auch die Herbeiführung von Kompatibilitätszeiträumen sensitiver zu gestalten. Dabei scheint vor allem die Verwendung des modalen Operators ›Bis‹ (Until)‹ für Innovationsprozesse wichtig. Dadurch könnte klargemacht werden, dass bestimmte Entwicklungen nicht beschleunigt werden sollten, und zwar so lange nicht, bis nicht bestimmte Entwicklungen von Wissensbeständen oder begleitenden Technologien oder Komponenten stattgefunden haben.
For schungsbedar f: »Richtige« Zeithorizonte und Zeitmuster bei Design und Bewer tung von Innovationspolitik Weitere Forschungsarbeiten sollten sich näher mit der Entstehung und Beschaffenheit von Zeitfenstern auseinander setzen. Dabei geht es auch um die Frage, welche Zeithorizonte und Zeitlogiken für die Förderung von neuem Wissen und neuen Technologien angebracht sein können. Im Anschluss an neuere Beiträge aus der systemisch-institutionalistischen Innovationsforschung (vgl. (Lundvall/Borrás 2005: 618, 625) sollte die Betrachtung der Gelegenheitsstrukturen und Zeitfenstern zu einem Kriterium für das Design und die Bewertung von Innovationspolitiken werden, um innovationspolitische Maßnahmen erfolgreicher zu gestalten. Bewertungen von Maßnahmen sollten rechtzeitig stattfinden. Sie sollten nicht verfrüht stattfinden, wie dies heute bei Innovationsprojekten teils der Fall ist.
For schungsbedar f: Realisierung von Zeitplanungen Damit Unternehmer, Forschungspolitiker und Wissenschaftler in Zukunft reflexiver mit Zeit umgehen können, sollte anhand von empirischen Analysen in Zukunft geklärt werden, welche Auswirkungen Zeitplanungen eigentlich hatten. Dabei sollte neben der eingehenden Betrachtung des Erfolgs zeitwettbewerbsstrategischer Vorgehensweisen vor allem betrachtet werden, inwieweit sich Zeitplanungen und Formen der zeitlichen Strukturierung, wie Roadmaps tatsächlich realisiert haben. Die theoretische Aufarbeitung zeigt, dass bis auf einige empirisch-mikroökonomische Arbeiten, Zeitmuster noch nicht eingehend empirisch betrachtet worden sind. Wenn in zukünftigen Arbeiten Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen in technologischen Entwicklungen und Innovationsprozessen betrachtet werden, könnte dadurch auch geklärt werden, wie antizipierte und geplante Gestaltungsimpulse heterogener Akteure zu realisierten temporalen Mustern in Innovationsprozessen werden. Es könnte geklärt werden, inwieweit und unter welchen Bedingungen sich in Zeitplanungen definierte, ideale, latente Zeitmuster als Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen in Innovationsprozessen realisieren lassen. Es könnte geklärt werden, welche Zeitplanungen unter welchen Bedingungen realistisch sind. Dabei scheint es vor allem wichtig an bestehende Forschungsarbeiten zur Zeitdiszi-
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plin in Innovationsprozessen (vgl. Gemünden et al. 2003) anzuschließen. Auf dieser Basis wäre zu klären, in welchen Situation Zeitdisziplin – die Einhaltung von Zeitzielen – adäquat und in welchen Situationen eben ein willentliches Abweichen von Zeitzielen und eine laxerer Umgang mit Zeitzielen – weniger Zeitdisziplin – angebracht ist. Diese Erkenntnisse sind für Innovationspolitik und für das Innovationsmanagement, vor allem aber für die jeweiligen, von innovationspolitischen und innovationsmanagementgetriebenen Zeitzielen, betroffenen Akteure wichtig. Hier besteht noch weit reichender Forschungsbedarf, da bisher – trotz aller Betonung der Bedeutung des Zeitwettbewerbs – noch nicht eingehend empirisch untersucht wurde, wie tatsächlich realisierte Entwicklungen von Technologien – die Pfade (›tracks‹) auf Basis geplanter Aktivitäten – Trajektorien (›trajectories‹) – verlaufen sind.1 Es wurde anders gesagt nicht hinlänglich genug gezeigt, ob sich Zeitplanungen wirklich realisieren lassen und ob Zeitwettbewerb und Beschleunigungen wirklich in allen Situationen Erfolg versprechen. Dabei könnte auch betrachtet werden, welche Zeitlogiken und Zeitmuster, d.h. welche Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen und Rhythmen eigentlich unter spezifischen Bedingungen in Innovationsprozessen die höchste Effizienz im Hinblick auf den Einsatz von Mitteln und die Absetzbarkeit von Produkten in Märkten zur Folge haben. In diesem Zusammenhang könnte auch betrachtet werden, welche Auswirkungen die taktische und strategische Nutzung von Zeit zur Strukturierung von Förderungsaktivitäten in Innovationsprozessen hat. Da auf Basis der Strukturationstheorie gefolgert werden kann, dass soziale Akteure mit der Nutzung von Zeit nur bis zu einem gewissen Grad Einfluss auf andere Akteure und Pfade nehmen können, wären vor allem die Nebenfolgen von Interesse. Dabei zeigt schon die empirische Rekonstruktion in dieser Arbeit, dass Beschleunigungsimpulse, d.h. das wenig reflexive Setzen auf Zeitwettbewerb auch kontraproduktiv wirken- und zu Verzögerungen führen können.
For schungsbedar f: Orchestrieren mit Hilfe von Zeitplanung Im Zusammenhang mit der reflexiven Nutzung von Zeit, um Synchronisationen hervorzubringen, sollte intensiv betrachtet werden, mit welchen Instrumenten und Mechanismen die soziale Orchestrierung in Innovationsprozessen erfolgen kann (Nowotny 1993: 32). Es sollte geklärt werden, wie sich die Instrumente in ihrer reflexiven Kapazität, also in ihrer Fähigkeit zur Synchronisation unterscheiden. Hier liefern verschiedene, theoretische Arbeiten und auch die empirisch-explorative Rekonstruktion einer Technologieentwicklung erste Hinweise, dass einige Formen der sozialen Koordination, wie die auf der Basis von Netzwerken, höheres Potenzial haben, um Synchronisationen zu fördern (vgl. Rammert 1997; Rammert 2000).
1 | »Trajectory refers to a forthcoming or planned path of movement, whereas track refers to a path already accomplished« (White 2001: 274).
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For schungsbedar f: Zeitreper toires Um die heterogenen Akteure bei ihrem Zeitmanagement und dem Orchestrieren zu unterstützen, um mehr Synchronisationen zu ermöglichen, sollte in zukünftigen Forschungsarbeiten genauer analysiert werden, über welche Zeitrepertoires Akteure in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik verfügen. Ein Überblick über die Zeitrepertoires – die Gesamtheit der Zeitlogiken verschiedener Akteure – könnte Unternehmern, Forschern und Politikern Lernchancen bieten, mehr zeitliche Ko-Orientierung ermöglichen und so potenziell Synchronisationen herbeiführen.
For schungsbedar f: Reflexivere Zeitinstrumente Um das Orchestrieren heterogener Aktivitäten zu ermöglichen, werden wahrscheinlich auch differenziertere, weiter entwickelte Instrumente zur Zeitplanung benötigt. Dabei könnte ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, wie eigentlich Zeitschätzungen und die Erstellung von Kalendern mit welchen Instrumenten und mit welcher Methodik in Bezug auf Innovationsprojekte in einer bestimmten Branche durchgeführt werden. In zukünftigen Forschungsarbeiten sollten verschiedene, zeitlich orientierte Planungstechniken, wie Roadmapping oder Szenarioplanung, wie auch eine Überprüfung der zeitlich bestimmten Kausalitäten in diesen- und in anderen Planungstechniken analysiert werden. Die genaue Betrachtung der zeitlichen Strukturierungs- und Analysetechniken scheint notwendig, denn die wissenssoziologische Zeitforschung dazu verdeutlicht, dass, wenn Zeit als Sozialtechnik dauernd eingesetzt wird, die zeitliche Strukturierung meist nicht mehr hinterfragt wird. Man verlässt sich in seiner Handlung auf erfahrene und vermittelte zeitliche Muster und verfährt weiter, unreflektiert, wie man es immer getan hat. Dieser unreflektierte Umgang mit Zeit – der hypostatische Gebrauch von Zeitschätzungen (vgl. Elias 1984: 38) – kann dann zur Ausbildung von logischen Fehlschlüssen im Umgang mit Zeit bei der Erkennung von Mustern und Pfaden in Innovationsprozessen und dem Management von Innovationsprozessen beitragen. Um aktiv zur besseren Gestaltung von Innovationsprozessen beizutragen, sollten zeitliche Strukturierungstechniken zur Organisation von Innovationsaktivitäten reflexiver gemacht werden. Dabei sollten Zeitplanungstechniken und vor allem das Roadmapping weiter entwickelt werden, um unterschiedliche Zeitmuster in verschiedenen Technologiefeldern und Technologieentwicklungen gleichzeitig abbilden, analysieren und planen zu können (vgl. Powell/Moris 2002). Diese Forschung zu branchen- und arenenübergreifenden Roadmaps kann auch das Orchestrieren heterogener Akteure für die Hervorbringung von Systeminnovationen und der kollektiven Wissensproduktion erleichtern.
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For schungsbedar f: Arenenspezifische, wissensproduk tionsadäquate Zeitlogiken Um auf der Basis eines reflexiveren Umgangs mit Zeit orchestrieren zu können, sollten künftige Forschungsarbeiten die verschiedenen arenen- und akteursspezifischen Zeitorientierungen, Zeitmuster und Zeitlogiken empirisch betrachten. Da die Wissensproduktion im Zuge zunehmend wissensbasierter Wertschöpfung wichtiger wird und Prozesse der Wissensgenerierung oft durch Diskontinuitäten, Rückschläge und Enttäuschungen, wie auch durch Flow-Zustände mit schnell aufeinander folgenden Entwicklungsschritten gekennzeichnet sind (vgl. Mainemelis 2001: 562), sollte speziell der Umgang mit Zeit von Wissenschaftlern und Forschern genauer analysiert werden. Da Prozesse der Wissensproduktion in ihren Zeitmustern – Dauern, Geschwindigkeiten, Sequenzen und vor allem Rhythmen – komplex und schwer bestimmbar sind, sollten diese Zeitlogiken intensiv betrachtet werden.2 Einige Expertengespräche legen auch die Vermutung nahe, dass erfolgreiche Prozesse der Wissensgenerierung in ihrer Entstehung von einem sehr reflexiven Umgang mit Zeit abhängen. Dabei darf scheinbar keine zeitlich rigide Strukturierung vorgenommen werden. Vielmehr müsste eine gewisse, ausgewogene »Zeitvergessenheit« vorherrschen, um in Wissensgenerierungsprozessen die Entstehung von Flow-Zuständen zu befördern. Bei Zeitplanungen für die Schaffung neuen Wissens geht es scheinbar auch darum, Wissenschaftlern und Entwicklern, das Gefühl zu vermitteln und zeitliche Spielräume zu lassen, so dass sie sich intensiv mit einer Sache beschäftigen können. Denn gerade aus Flow-Zuständen entstehen meist innovative Ideen.3 Da diese Darstellung explorativen Charakter hat, sollten zukünftige, empirisch orientierten Forschungsarbeiten die hier empirisch identifizierten Hypothesen über Zeitlogiken, Zeitnormen und Zeitperspektiven validieren.
For schungsbedar f: Zeitmuster der Dif fusion von Innovationen, Zeitlogiken von Kunden Um die Aktivitäten in Innovationsprozessen besser orchestrieren zu können, sollte in künftigen Arbeiten vor allem empirisch zu Zeitmustern und Zeitlogiken von Nutzern, den Endkunden und den Abnehmern geforscht werden. Dabei wäre zu klären, wie schnell, in welcher Abfolge, in welchen Rhythmen Kunden technische Innovationen nachfragen. Dabei geht es auch darum, welche Zeitmuster in der Diffusion von Technologien bestehen, welche Zeitlogiken Endkunden im Konsum aufweisen und mit welchen Zeitmustern sich Bedürfnisse von Kunden weiterentwickeln. Auf dieser Basis könnte dann geklärt werden, ob 2 | Nowotny verdeutlicht, dass: »Die Wege, die der Neugier offen stehen, sind viele oder sogar zu viele, sie sind nie geradlinig und nicht vorhersehbar, und es braucht unterschiedliche schwer vorhersehbare Zeiten, um sie zu gehen« (Nowotny 2005: 82). 3 | Mainemelis verweist mit Rückgriff auf Erfindungen von Edison darauf, dass die Entfaltung von Kreativität scheinbar mit Zeitvergessenheit bzw. der Absenz von intensiven Zeitplanungen einhergeht (Mainemelis 2001: 549).
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und wenn ja, welche synchronisierenden Formen der Innovationsorganisation von Unternehmen, Politikern und Wissenschaftlern die Bereitschaft der Kunden Innovationen nachzufragen, steigern.
For schungsbedar f: Kairische Struk turierung von Ak tivitäten Durch Forschungsarbeiten zu reflexiveren Zeitinstrumenten und durch Erkenntnisse über Zeitmuster in der Diffusion von Innovationen und Zeitmustern des Konsums wäre zudem möglich, »kairische« Formen der zeitlichen Strukturierung von Aktivitäten hervorzubringen. Dadurch kann die »Gunst der Stunde« genutzt werden (vgl. Hedda/Törnroos 2002: 32ff.). Kairische zeitliche Strukturierungen zielen auf die Nutzung von günstigen Augenblicken, Situationen und Zeitspannen ab. Es geht um die rechtzeitige Hervorbringung von Aktivitäten, wobei Aktivitäten nicht mehr chronologisch strukturiert werden sollten. Vielmehr sollten Akteure wichtige Ereignisse in einem so genannten »Akteur-Ereignisnetzwerk« abbilden, um dadurch befähigt zu werden, die Gunst des Augenblicks zu erkennen und zu nutzen.
For schungsbedar f: Zeitlich sensitivere Verkaufsstrategien Mit weiteren Erkenntnissen über die Zeitmuster von Konsumenten und Abnehmern könnte auch genau geklärt werden, wie zeitlich sensitive Verkaufsstrategien aussehen können. Swann und Stone (Swann/Stone 2000:556) wiesen darauf hin, dass bei der Vermarktung von Technologien (und um Verhinderung Hypes zu verhindern) zeitlich realistische Einschätzungen hinsichtlich der Anwendungspotenziale von Technologien bedeutsam sind, um Technologien nachhaltig absetzen zu können. Mit diesen Forschungen können realistischere Einschätzungen gemacht werden. Im Endeffekt geht es darum, Kunden zufriedener zu machen. Kunden sollten so von Potenzialen und Effekten von Technologien überzeugt werden. Das hilft, ein langfristiges gutes Markt- und Absatzpotenzial für Technologien zu entwickeln und damit Innovationsimpulse aufrecht zu erhalten
For schungsbedar f: Kulturelle Unter schiede im Umgang mit Zeit Schlussendlich besteht weiterer Forschungsbedarf im Hinblick auf landeskulturelle Unterschiede im Umgang mit Zeit. Da Innovationsprozesse heute oft auf Basis von global umfassenden Innovationsnetzwerken zustande kommen, sollte eingehender betrachtet werden, wie Politiker, Forscher und Unternehmer vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Landeskultur und ihres Kulturkreises mit Zeit in der Zeitplanung und der zeitlichen Strukturierung von Innovationsaktivitäten umgehen. Die kulturspezifischen Zeitperspektiven und Zeitorientierungen sind zu erfassen. Die empirische Rekonstruktion und vor allem Gespräche mit japanischen, US-amerikanischen, französischen und britischen Forschern, Unternehmensvertretern und forschungspolitisch Verantwortlichen lassen darauf schließen, dass der Umgang mit Zeit kulturell geprägt ist. Insoweit sollte in künftigen Forschungsarbeiten international vergleichend betrachtet werden, wie sich der Umgang mit Zeit in der Strukturierung von Technik-
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entwicklungsprojekten und in Roadmaps in verschiedenen Ländern und Kulturkreisen unterscheidet. Gerade bei internationalen Technologieentwicklungsund Innovationsprojekten ist dies bedeutsam, um eine bessere Orchestrierung von Aktivitäten heterogener Akteure in internationalen Kontexten und Formen internationaler Zusammenarbeit zu gewährleisten.
5.6 Schlusswor t Der Fluß der Zeit ist ein Fluß, der seine Ufer mitführt. Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften
Die Herstellung von Synchronität wird für die Entstehung von Innovationen vor dem Hintergrund der fortgeschrittenen Formen der Zeitplanung und des Einsatzes von Roadmaps in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sowie der gesellschaftlichen Beschleunigung wichtiger. Alle Innovationspartner in Unternehmen, Wissenschaftler und Politiker sollten reflexiver mit Zeit umgehen, um damit ein höheres Maß an Koordination zu ermöglichen (Nowotny 1993: 66, 70, Rammert 1997). Durch einen reflexiven Umgang mit Zeit können im Endeffekt komplexe Produkte und integrierte, technische Systeme rechtzeitiger hervorgebracht werden, die den Erfordernissen von Kunden besser entsprechen. Systeminnovationen können dann erfolgreich und ohne Verzögerungen, Umwege und Abbrüche entstehen, wenn zu den jeweils richtigen Zeitpunkten verschiedene Impulse unterschiedlicher Akteure zusammentreffen. Bleibt zu hoffen, dass alle an Innovationsprozessen Beteiligte den Fluss der Zeit stärker nutzen, um die Zukunft zu verändern. Innovationspartner sollten reflexiven Umgang mit Zeit umgehen, auf das richtige »Timing« achten, um rechtzeitig technische Kompatibilitäten und Synchronitätszustände zu befördern. Und sie sollten im reflexiven Umgang mit Zeit die Gesellschaft nicht außer Acht lassen, um nicht nur bei technischen Innovationen Synchronisationen herbei zu führen. Gerade im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Herausforderung Systeminnovationen hervorzubringen, gerade bei der Herausforderung der Entwicklung neuer Energietechnologien, neuer Mobilitätstechnologien und Mobilitätssysteme, die lange Zeit in Anspruch nehmen, mit vielen Unsicherheiten behaftet und nicht unumstritten sind, scheint es wichtig, die Zeitlogiken unterschiedlicher Akteure wahrzunehmen, in Planungen einzubeziehen, Impulse zu moderieren, Dynamiken zu befördern und Synchronisationen herbeizuführen. Bleibt zu hoffen, dass in Zukunft mehr Innovationssinfonien im Konzert von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik stattfinden, ohne ›Staccato‹- und ›Ritardando‹-Phänomene im Kontext gesellschaftlich wichtiger Systeminnovation. Die Partituren mit Hinweisen auf einen adäquaten Umgang mit Zeit für diese
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Systeminnovationen, die ein polyphones Zusammenwirken von Wissenschaftlern, Unternehmen und Forschungspolitikern gewährleisten, müssen – so wie diese Arbeit zeigt – wohl noch erarbeitet werden; die sich harmonisch ergänzenden Takte und Rhythmen heterogener Akteure müssen durch Lernprozesse wohl noch gefunden werden.
6. Anhang
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6.3 Materialien zur empirischen Untersuchung 6.3.1 Über sicht über E xper tengespräche für die empirische Unter suchung Obwohl diese Gespräche hauptsächlich mit deutschen Partnern geführt worden sind, ist es trotz Beschränkung der Forschungskapazitäten und der Probleme beim Zugang zu Quellenmaterial möglich gewesen, viele verschiedene Gesprächspartner einzubeziehen. Exemplarisch für die forschungspolitische Arena sind mehrere Gespräche mit Beamten der Europäischen Kommission, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geführt worden. Andererseits sind auch Mitglieder von Expertengremien, die forschungspolitisch hohe Bedeutung haben, befragt worden. Für die wissenschaftliche Arena sind zur exemplarischen Exploration des Umgangs mit Zeit von wissenschaftlichen Akteuren mit Mitarbeitern des IGD Darmstadt, mit (ehemaligen) Mitarbeitern des Fraunhofer Instituts IAO, mit Mitarbeitern des Forschungszentrums Karlsruhe (für den Bereich der Medizintechnik) Gespräche geführt worden. Zur exemplarischen Rekonstruktion des Umgangs mit Zeit in der wirtschaftlichen Arena sind die meisten Gespräche mit Mitarbeitern von forschungsaktiven Unternehmen geführt worden (DaimlerChrysler AG, General Motors, Audi AG, Siemens AG, Canon Inc.). Daneben fanden auch Gespräche mit Entwicklungsdienstleistern und Mitarbeitern der Hersteller von Visualisierungssystemen SGI Deutschland statt.
6.3.2 Untersuchungskategorien und darauf basierende Fragen Zusammengefasst sind folgende Kategorien für die Strukturierung der Leitfadengespräche benutzt worden:
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Tabelle 5: Zusammenfassung der Untersuchungskategorien und darauf basierende Fragen in der empirischen Untersuchung Kategorien zu sozialer Zeit
Dimensionen und Fragen für die empirische Untersuchung
Zeitorientierung
• Ausmaß der Orientierung an zeitlichen Mustern: Wie stark orientieren sich unterschiedliche Akteure an zeitlichen Mustern? Welche Bedeutung hat Zeit für die jeweiligen Akteure? • Reflexivität des Umgangs mit Zeit: In welchem Maß wurde der Umgang mit Zeit zur Strukturierung von Akteuren reflektiert?
Zeitstrukturgeber
• Welche Akteure (Universitäten, Unternehmen, politisch-administrative Akteure) hatten Einfluss auf die Richtung und Geschwindigkeit der Weiterentwicklung von virtualitätsgenerierenden Instrumenten? • Von welchen Akteuren waren wichtige Zeitpunkte und Kalender abhängig, wer hatte Akzente gesetzt? 1 Durch welche Ressourcen waren sie fähig zu Zeitstrukturgebern zu werden? • Ist es für den jeweiligen Akteur wichtig gewesen, sich an Zeitplanungen anderer Akteure zu orientieren?
Zeitmuster • Dauern • Geschwindigkeit • Sequenz • Rhythmus • Temporale Lokalisation (Timing)
• Zeitmuster: Wie kamen zeitliche Muster von Prozessen (Dauern, Geschwindigkeit, Sequenzen, Rhythmen, das Timing) und Zeitnormen (Kalender) zustande? • Dauern: Welche Dauern (Projektlaufzeiten) waren wichtig? • Geschwindigkeit: Welche Entwicklungsgeschwindigkeiten von Produkten/Komponenten waren wichtig? • Sequenz: In welcher Sequenz wurden Aktivitäten abgearbeitet? • Temporale Lokalisation/Timing: Welche neuralgischen Zeitziele, Zeitpunkte, Zeiträume und Ereignisse gab es in der Entwicklung der Simulations- und Visualisierungstechnologien? Auf welche zeitlichen Referenzpunkte (Meilensteine) haben sich Akteure bezogen?
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1 | Bei der Klärung dieser Frage mit den Gesprächspartnern wurde nicht nur erfragt, wer die wichtigen Akteure und Zeitstrukturgeber waren. Vielmehr ist auch geklärt worden, in welcher Weise die Gesprächspartner sich selbst auf Zeit als entscheidenden Faktor in ihrer Planung bezogen haben. Da der Interviewer nicht direkt nach der Relevanz des bewussten Umgang mit Zeit fragen konnte, da dies Interviewereffekte nach sich gezogen hätte, wird mit der Frage nach der Zeitplanung anderer Akteure, die Relevanz
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UND I NNOVATION
6.3.3 Leit faden für die Gespräche mit E xper ten 1. Phasen und kritische Ereignisse innerhalb der Entwicklung von Simulations- und Visualisierungstechnologien • Welche Phasen gibt es Ihres Erachtens nach in der Entwicklung der Simulations- und Visualisierungstechnologien? • Was waren kritische Ereignisse, Zeitpunkte und Zeiträume in der Weiterentwicklung der Simulations- und Visualisierungstechnologien? 2. Leitbilder und Hauptanwendungsbereiche in der technischen Entwicklung • Was waren Hauptanwendungspunkte, wichtige technische Weiterentwicklungen und Leitbilder im Bereich der Simulations- und Visualisierungstechnologien? Welche Entwicklungsmuster lassen sich erkennen? • Welche Akteure aus welchen Bereichen (Universitäten, Industrie, Politisch-administrative Akteure) hatten Einfluss auf die Richtung der technischen und wirtschaftlichen Weiterentwicklung der Simulations- und Visualisierungstechnologien? 3. Referenzzeiten innerhalb der Entwicklung von Simulations- und Visualisierungstechnologien • Welche Akteure waren für das Tempo der Entwicklung, für wichtige Zeitpunkte und Kalender in der Weiterentwicklung von VR-Technologien wichtig? • Wer hatte Akzente gesetzt? 4. Rolle von Standards und geistigen Eigentumsrechten in der technischen Entwicklung • Welche Rolle spielten und spielen Projekte, Standards und geistige Eigentumsrechte für die technologische Entwicklung und die Geschwindigkeit bzw. für die Strategie in der Weiterentwicklung von Simulationsund Visualisierungstechnologien?
zeitlicher Planung für die Akteure befragt. Wenn die Akteure antworten, wie wichtig sie die Zeitplanungen in ihrer Bedeutung für andere Akteure einschätzen, geben sie damit auch wie die Vorsondierungen (»Pre-Tests«) gezeigt haben, Aufschluss darüber, welche Bedeutung die Zeitplanung für sie selbst hatte.
Technik – Körper – Gesellschaft Ingo Rollwagen Zeit und Innovation Zur Synchronisation von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bei der Genese der Virtual-Reality-Technologien Juni 2008, 248 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-899-5
Regula Valérie Burri Doing Images Zur Praxis medizinischer Bilder April 2008, 344 Seiten, kart., 23,80 €, ISBN: 978-3-89942-887-2
Paul Ferdinand Siegert Die Geschichte der E-Mail Erfolg und Krise eines Massenmediums März 2008, 360 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN: 978-3-89942-896-4
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de
2008-05-27 12-26-20 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02a8179786122216|(S.
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) T00_02 seite 2 - 746.p 179786122240