Der effiziente Mensch: Zur Dynamik von Raum und Zeit in mediatisierten Arbeitswelten [1. Aufl.] 9783839429143

How does the use of digital media influence the perception and treatment of time and space at work? To answer this quest

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German Pages 366 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Abbildungen
Tabellen
Danksagung
Einleitung
1. Begriffskonzeption Medien und Mediatisierung
1.1 Medien als Gestalter von Kommunikation
1.2 Der Metaprozess Mediatisierung
1.3 Zwischenresümee: Medien und Mediatisierung
2. Mediatisierung von Arbeit
2.1 Informatisierung und Virtualisierung
2.2 Flexibilität, Mobilität, Globale Kommunikation und Vernetzung
2.3 Subjektivierung, Standardisierung
2.4 Entgrenzung von Lebensbereichen
2.5 Eckpunkte zur Mediatisierung von Arbeit
2.6 Exkurs: Arbeit und Geschlechtsrollenstereotype im Aufbruch?
3. Raum, Zeit und Medien
3.1 Theoretische Konzeptualisierung von Raum
3.2 Theoretische Konzeptualisierung von Zeit
3.3 Eckpunkte zum Verhältnis von Medien, Raum und Zeit
4. Forschungsdesign und Forschungsmethoden
4.1 Triangulation
4.2 Grounded Theory
4.3 Forschungsmethoden
5. Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten
5.1 Raum im Kontext von Digicom-Arbeit
5.2 Zeit im Kontext von Digicom-Arbeit
5.3 Fazit: Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten
6. Chancen, Potenziale, Risiken und Gefahren
6.1 Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Potenziale
6.2 Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Herausforderungen
6.3 Fazit: Potenziale und Herausforderungen mediatisierter Arbeitswelten
7. Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Strategien und Kompetenzen
7.1 Effiziente Mediennutzung
7.2 Management von Raum und Zeit
7.3 Grenzmanagement und Entschleunigung
7.4 Reflexionskompetenz als Querschnittskompetenz
7.5 Fazit: Strategien und Kompetenzen in mediatisierten Arbeitswelten
8. Mediennutzungstypen
8.1 Die Mediennutzungstypen im Überblick
8.2 Die Geplagten
8.3 Die Medienprofis
8.4 Die SkeptikerInnen
8.5 Die OptimistInnen
8.6 Fazit: Mediennutzungstypen
9. Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit: Ergebnisse und kritische Reflexion
9.1 Beantwortung der Forschungsfragen
9.2 Der effiziente Mensch und die „Technologien des Selbst“
9.3 Schlussfolgerungen für die Medienund Kommunikationswissenschaft
Literatur
Zeitungsartikel, Radiobeiträge, Websites, Filme
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Der effiziente Mensch: Zur Dynamik von Raum und Zeit in mediatisierten Arbeitswelten [1. Aufl.]
 9783839429143

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Caroline Roth-Ebner Der effiziente Mensch

Edition Medienwissenschaft

2015-01-05 15-53-05 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0312386874826718|(S.

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4) TIT2914.p 386874826726

Für Gloria

Caroline Roth-Ebner (Mag. Dr. phil.) ist Assoziierte Professorin am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind digitale Medien, digitale Kommunikation sowie Medienaneignungsforschung.

2015-01-05 15-53-05 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0312386874826718|(S.

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4) TIT2914.p 386874826726

Caroline Roth-Ebner

Der effiziente Mensch Zur Dynamik von Raum und Zeit in mediatisierten Arbeitswelten

2015-01-05 15-53-05 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0312386874826718|(S.

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4) TIT2914.p 386874826726

Veröffentlicht mit Unterstützung des Forschungsrates der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt aus den Förderungsmitteln der Privatstiftung Kärntner Sparkasse sowie mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Rawpixel – Fotolia.com Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-2914-9 PDF-ISBN 978-3-8394-2914-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

2015-01-05 15-53-05 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0312386874826718|(S.

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4) TIT2914.p 386874826726

Inhalt

Abbildungen | 9 Tabellen | 11 Danksagung | 13 Einleitung | 15 1.

Begriffskonzeption Medien und Mediatisierung | 25

1.1 Medien als Gestalter von Kommunikation | 25 1.2 Der Metaprozess Mediatisierung | 30 1.3 Zwischenresümee: Medien und Mediatisierung | 39 Mediatisierung von Arbeit | 41 2.1 Informatisierung und Virtualisierung | 42 2.2 Flexibilität, Mobilität, Globale Kommunikation und Vernetzung | 50 2.3 Subjektivierung, Standardisierung | 61 2.4 Entgrenzung von Lebensbereichen | 68 2.5 Eckpunkte zur Mediatisierung von Arbeit | 73 2.6 Exkurs: Arbeit und Geschlechtsrollenstereotype im Aufbruch? | 75 2.

3.

Raum, Zeit und Medien | 83

3.1 Theoretische Konzeptualisierung von Raum | 84 3.2 Theoretische Konzeptualisierung von Zeit | 100 3.3 Eckpunkte zum Verhältnis von Medien, Raum und Zeit | 116

4.

Forschungsdesign und Forschungsmethoden | 119

4.1 Triangulation | 123 4.2 Grounded Theory | 126 4.3 Forschungsmethoden | 128 5.

Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten | 163

5.1 Raum im Kontext von Digicom-Arbeit | 164 5.2 Zeit im Kontext von Digicom-Arbeit | 186 5.3 Fazit: Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten | 207 6.

Chancen, Potenziale, Risiken und Gefahren | 211

6.1 Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Potenziale | 213 6.2 Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Herausforderungen | 226 6.3 Fazit: Potenziale und Herausforderungen mediatisierter Arbeitswelten | 243 7.

Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Strategien und Kompetenzen | 247

7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Effiziente Mediennutzung | 249 Management von Raum und Zeit | 256 Grenzmanagement und Entschleunigung | 264 Reflexionskompetenz als Querschnittskompetenz | 272 Fazit: Strategien und Kompetenzen in mediatisierten Arbeitswelten | 275

8.

Mediennutzungstypen | 279

8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6

Die Mediennutzungstypen im Überblick | 281 Die Geplagten | 285 Die Medienprofis | 289 Die SkeptikerInnen | 293 Die OptimistInnen | 296 Fazit: Mediennutzungstypen | 299

9.

Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit: Ergebnisse und kritische Reflexion | 303

9.1 Beantwortung der Forschungsfragen | 304 9.2 Der effiziente Mensch und die „Technologien des Selbst“ | 310 9.3 Schlussfolgerungen für die Medienund Kommunikationswissenschaft | 314 Literatur | 329

Zeitungsartikel, Radiobeiträge, Websites, Filme | 363

Abbildungen

Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23:

Geschlechtsspezifische Zuständigkeit für Kinderbetreuung | 78 Panorama Handy-Box in Wellnesshotel | 92 Wahrgenommene Verkleinerung der Welt | 95 Methodentriangulation | 124 Linearer versus zirkulärer Forschungsprozess | 127 Codierparadigma der Grounded Theory | 147 Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“ | 149 Das Smartphone als Büro | 170 „Multipräsenz“ in virtuellen Arbeitsräumen | 173 Verbunden im virtuellen Raum | 176 Räumliche Flexibilität durch IuK-Technologien | 177 Arbeitstag eines Digicom-Arbeiters | 192 Erreichbarkeit der Online-Stichprobe | 194 Sonstige Vorteile Neuer Medien, kategorisierte Freitextantworten aus der Online-Umfrage | 206 Flexibilität durch Digitale Medien | 220 „Kampf“ gegen Kommunikationsströme | 229 Vereinnahmung durch IuK-Technologien | 238 Prozentuale Verteilung der Mediennutzungstypen | 281 Einschätzung Mediennutzungstypen bei den Interviewten | 282 Die Geplagten | 285 Die gewandten Medienprofis | 289 Die vorsichtigen SkeptikerInnen | 293 Die OptimistInnen | 296

Tabellen

Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10:

Mediennutzung bei der Arbeit | 46 Anteil der Arbeit mit IuK-Technologien | 47 Unterscheidung place - space | 85 Interviewte nach Alter und Geschlecht | 135 Interviewte nach Art des Arbeitsverhältnisses und Geschlecht | 135 Soziodemografie der StudienteilnehmerInnen | 157 Angaben zur beruflichen Situation | 158 Ergebnis der Faktorenanalyse | 160 Clusterübersicht mit Faktorenmittelwerten | 283 Arbeit in der Dynamik von Medien(kommunikation), Raum und Zeit | 307

Danksagung

Große Wertschätzung spreche ich meiner langjährigen Lehrerin, Förderin und Mentorin Univ.-Prof.in DDr.in Christina Schachtner aus. Ohne Sie hätte ich wohl kaum eine wissenschaftliche Karriere eingeschlagen. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Äußerst hilfreich waren für meine Arbeit folgende Personen, die mir mit ihrer Fachexpertise und praktischen Hilfe zur Seite standen. Vielen Dank an Birgit Senft und Bernhard Meixner für ihre Expertise bezüglich der Online-Umfrage, an Eva Schwarz für die Transkription der Interviews, Moritz Marquardt für das Erstellen des Word-Formulares für die Tagebuchmethode, Birgit Writze für die Gestaltung von Grafiken, Laura Rosinger für das engagierte und genaue Lektorat sowie Stefanie Hanneken vom Transcript Verlag für die professionelle Betreuung des Publikationsprozesses. Diese Arbeit profitierte von zahlreichen Diskussionen und dem Erfahrungsaustausch mit MentorInnen, KollegInnen, FreundInnen sowie deren Hinweisen und Unterstützung. Ihnen sei an dieser Stelle mein herzlicher Dank ausgesprochen, vor allem Elisabeth Augustin, Nicole Duller, Bettina Duval, Hannes Ebner, Brigitte Hipfl, Angelika Höber, Birgit Hofstätter, Monika Kastner, Isabelle Katzjäger, Matthias Karmasin, Ramón Reichert, Alexander Roth, Philipp Roth, Heidrun Stückler, Anita Thaler, Franzisca Weder, Rainer Winter, Rebecca Wölfle und Danja Zerz. Ein spezieller Dank gilt allen InterviewpartnerInnen, die sich für mich und meine Studie Zeit genommen und mir wertvolle Einblicke in ihre Arbeit gewährt haben. Namentlich erwähnt sei Prof.in Dr.in Ille C. Gebeshuber von der Universiti Kebangsaan Malaysia. Tausend Dank! All jenen, die die Online-Umfrage verbreitet oder daran teilgenommen haben, sei an dieser

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Stelle herzlich gedankt, vor allem auch jenen, die mir im Zuge des Pretests wertvolles Feedback gaben. Eine groß angelegte empirische Studie kommt nicht ohne finanzielle Mittel aus. An dieser Stelle gilt ein großes Dankeschön meinen Fördergebern, dem Forschungsrat der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, der Privatstiftung der Kärntner Sparkasse, dem Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie dem Dekanat der kulturwissenschaftlichen Fakultät an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Für ihre wertvolle Unterstützung im Rahmen der Kinderbetreuung danke ich Emma Ebner, Sibylle und Alfred Jauernegger und Luise und Heinz Roth. Danke Hannes, du bist mein Fels in der Brandung! Danke Bettina für deine Freundschaft und dein Coaching! Gloria, du bist meine Inspiration! Allen, deren Geduld ich in letzter Zeit überstrapaziert habe, sage ich augenzwinkernd: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ (ÖDÖN VON HORVÁTH)

Einleitung

Technologien beeinflussen als Mit-Konstrukteure von gesellschaftlicher Wirklichkeit und individueller Lebenswelt unsere Auffassungen davon, wie die Welt gestaltet ist; sie formen Wahrnehmungsmuster von Raum und Zeit. Der deutsche Historiker und Publizist Wolfgang Schivelbusch (1977) thematisierte in den 1970er Jahren die Auswirkungen technologischer Entwicklungen auf die Wahrnehmung von Menschen am historischen Beispiel der Eisenbahn. So habe ihre Etablierung als Transportmittel im frühen 19. Jahrhundert in Europa und Nordamerika zu einer „Schrumpfung der natürlichen Welt“ (Schivelbusch 1977, S. 16) und zur „Vernichtung von Raum und Zeit“ (ebd., S. 35) geführt, da Entfernungen mit der Eisenbahn in wesentlich kürzerer Zeit überwunden werden konnten und die Räume zwischen zwei Orten zu verschwinden schienen (ebd., S. 39). Dolf Sternberger (1955, Orig. 1938) sprach nahezu vier Jahrzehnte zuvor in diesem Zusammenhang von einer „Panoramatisierung der Welt“. Die Welt erschloss sich den Reisenden durch die Fenster der Eisenbahn nicht mehr in der Tiefe, sondern wurde zu einer Panoramenwelt mit flächigen Bildern (vgl. ebd., S. 57). Allen Medientechnologien voran prägte in Europa die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts die Wahrnehmung von Raum und Zeit.1 Mehr und breiter gefächertes Wissen konnte 1

Der Einfluss, welchen Medien auf die Zeitwahrnehmung nehmen, ist z.B. auch am Wort „Druckerpresse“ abzulesen. „Die Presse ist, stellvertretend für alle Medien, nicht nur die Druckmaschine, sondern auch die Eile, mit der ihre Erzeugnisse entstehen. Man ist pressiert.“ (Nowotny 1994, S. 14).

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schneller und kostengünstiger in einem größeren Radius verbreitet werden. Immense gesellschaftliche und kulturelle Umwälzungen waren die Folge. Im 19. Jahrhundert veränderten technische Bildmedien wie die Fotografie die Möglichkeiten symbolischer Repräsentation von Raum und Zeit (vgl. Großklaus 1994, S. 36). Ganze Lebensläufe konnten nunmehr in Form von zeitlich gerafften Bild-Augenblicken sichtbar gemacht werden (vgl. ebd., S. 37). Im 20. Jahrhundert hoben elektronische Medien, vor allem das Phänomen des Fernsehens, die Koppelung von physischem und sozialem Ort auf (vgl. Meyrowitz 1987, S. 21), und zur Jahrtausendwende verändern Digitale Medien die Wahrnehmung von und den Umgang mit Raum und Zeit (vgl. Castells 1996, S. 375). Permanente Erreichbarkeit via Smartphone, zeitsouveräne Einkaufs- und Informationsmöglichkeiten im Internet und Echtzeitkommunikation über den gesamten Globus spiegeln diese Entwicklung in Bezug auf die Kategorie „Zeit“ wider. Punkto Raum erlangen wir mit der mobilen Mediennutzung zunehmend örtliche Unabhängigkeit; wir arbeiten am Badestrand oder machen einen (virtuellen) Einkaufsbummel in der U-Bahn. Im Cyberspace werden neue globale Räume konstruiert, welche geografisch nicht fassbar sind und dennoch hohe gesellschaftliche Relevanz besitzen, wie z.B. Online-Spielwelten (World of Warcraft) oder webbasierte soziale Netzwerke (Facebook). Die genannten Beispiele verweisen auf die Interdependenz von Technik, Subjekt und Gesellschaft und damit auf das dieser Studie zugrunde liegende Verständnis von Technik. Werner Rammert zufolge entsteht Technik als ein „Produkt sozialer Prozesse, in ihre Sachgestalt schreiben sich die Sozialstrukturen ein, und vom Umgang mit der Technik gehen wiederum Folgen für den sozialen Wandel aus“ (Rammert 1993, S. 3). Diese Folgen sind jedoch keinesfalls im Sinne einer deterministischen Sichtweise zu interpretieren, wonach eine bestimmte Ursache eine bestimmte Wirkung erziele. Sie sind vielmehr das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels unterschiedlicher Kontextbedingungen (Kultur, Gesellschaft, Subjektivität) und nicht generalisierbar. Auf Ebene der Kommunikationsmedien entspricht diesem Verständnis die Theorie der Mediatisierung. Diese geht von einer Wechselbeziehung zwischen medialem und sozialem Wandel aus und fokussiert auf die Veränderung sozialer Kommunikation durch die Etablierung und Verwendung Neuer Medien. Friedrich Krotz definiert Mediatisierung als einen gesellschaftlichen „Metaprozess“ – einen „Prozess[e] von Prozessen“ (Krotz

E INLEITUNG

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2012b, S. 20). Dieser wirkt sich auf alle Bereiche unseres Lebens aus und beeinflusst unsere Kommunikation, unser soziales Handeln und damit unsere Beziehungen, unsere Vorstellungen von Wirklichkeit und unsere Kultur (vgl. Krotz 2003, S. 173; 2007, S. 12).2 Problemaufriss Die Zusammenhänge zwischen der Nutzung medialer Kommunikationstechnologien und der Raum- und Zeitwahrnehmung bzw. -gestaltung, die Krotz zufolge Beispiele für Mediatisierungsprozesse sind (vgl. Krotz 2007, S. 39), werden in der gegenständlichen Studie anhand eines konkreten Phänomens zum Thema gemacht – anhand der „Mediatisierung von Arbeit“. Mediatisierung von Arbeit meint konkret das Zusammenspiel zwischen medial-kommunikativem Wandel und dem Wandel von Arbeit (vgl. Roth-Ebner/Waldher 2012, S. 2). Dem Lebensbereich der Arbeit wird in westlichen demokratischen Gesellschaften eine enorme Bedeutung beigemessen.3 Arbeit ist in der Moderne, wie der Soziologe Ulrich Beck 2007 resümierte, zur „einzigen relevanten Quelle und zum einzig gültigen Maßstab für die Wertschätzung des Menschen und seiner Tätigkeiten geworden“ (Beck 2007, S. 37). Beck spricht sogar von einem „Wertimperialismus der Arbeit“ (ebd., S. 98).4 Die Arbeitswelt ist gegenwärtig durch ökonomische und soziale Umstrukturierungen von Wandelprozessen auf unterschiedlichen Ebenen ge-

2

Siehe hierzu Kapitel 1 „Begriffskonzeption Medien und Mediatisierung“.

3

Die gegenständliche Studie zielt auf Erwerbsarbeit und Erwerbstätige. Der Begriff Arbeit steht deshalb immer für Erwerbsarbeit. Ehrenamtliches Engagement oder andere erwerbslose Arbeit und unbezahlte Reproduktionsarbeit werden nur peripher thematisiert und als solche explizit ausgewiesen.

4

Dabei ist diese hervorgehobene Bewertung von Arbeit historisch neu, wie Beck anhand eines geschichtlichen Abrisses des Wertewandels von Arbeit darstellt. So wurde etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, in der griechischen und römischen Antike Arbeit als Zeichen von Unfreiheit angesehen. Arbeitende Menschen waren, völlig konträr zu heute, nicht Teil der Gesellschaft. (Vgl. Beck 2007, S. 38; vgl. auch Hirschfelder 2004, S. 29). Vgl. zur historischen Bedeutung von Arbeit auch Georg Jochum (2010), der das Arbeitsverständnis von der Schöpfungsgeschichte bis zur Gegenwart nachzeichnet.

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prägt.5 Gleichzeitig ist sie von technischen bzw. medialen Entwicklungen beeinflusst und gestaltet diese mit (vgl. Pfeiffer 2003, S. 182). In der gegenständlichen Studie geht es mir darum festzustellen, wie Arbeit durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (kurz: IuKTechnologien) geprägt und verändert wird – eine Fragestellung, die bisher in der medien- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung wenig Beachtung fand. Aus der Perspektive dieses Fachs werde ich unter Rückgriff auf Theorien und empirische Studien anderer Disziplinen sowie mittels einer eigenen empirischen Untersuchung die Arbeitsbedingungen und individuellen Strategien der Arbeitenden6 unter dem Einfluss der Nutzung von IuK-Technologien beforschen. Die Studie ist primär auf der Ebene der Subjekte angelegt. Im Brennpunkt des Interesses stehen Fragen, die sich in Zusammenhang mit der Raum- und Zeitwahrnehmung der Arbeitenden bzw. deren Umgang mit Raum und Zeit stellen. Die Zielgruppe grenze ich insofern ein, als primär auf Personen fokussiert wird, welche für ihre berufliche Tätigkeit Digitale Medien intensiv nutzen.7 Diese nenne ich im Folgenden Digicom-Arbeiter-

5

Im Herbst 2008 etwa geriet die Arbeitswelt durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise massiv unter Druck. Aufgrund zahlreicher Firmenpleiten und restrukturierungen gingen Millionen von Arbeitsplätzen verloren. A-typische Beschäftigungsverhältnisse wurden zu einem Massenphänomen, v.a. in der Dienstleistungsbranche oder der Industrie. Zeitarbeit wurde in großem Ausmaß eingeführt, Lohnverzicht zu einer Maßnahme, um Arbeitsplätze zu retten. Für die Menschen bedeute(te)n diese Entwicklungen v.a. eine zunehmende Entsicherung ihrer Erwerbsexistenzen.

6

Um die Sichtbarkeit beider Geschlechter zu gewährleisten, verwende ich in dieser Studie eine geschlechtergerechte Schreibweise (Doppelnennung, geschlechterneutrale Ausdrücke, Binnen-I). Das Binnen-I verwende ich aus Gründen der besseren Lesbarkeit auch dort, wo es grammatikalisch nicht korrekt ist.

7

Den Begriff „Medien“ verwende ich für sämtliche technische Verbreitungsmittel von Information (also z.B. für Telefon, Computer, Internet, Fernsehen, Mobiltelefon). Wenn von Digitalen Medien die Rede ist, sind auf digitaler Technologie basierende Medien wie Mobiltelefon, Computer, MP3-Player, Smartphone, elektronisches Lesebuch und ihre Anwendungen (z.B. Software, Websites, Internet-Telefonie) gemeint. Ich verwende den Begriff synonym mit dem Begriff „IuK-Technologien“ (vgl. Schulz-Zander 2005, S. 125), zumal aufgrund

E INLEITUNG

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Innen. Es sind dies Personen, die in ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld hauptsächlich mit Aufgaben der Kommunikation und Information beschäftigt sind, welche vorwiegend mit Hilfe digitaler Technologie abgewickelt werden.8 Ihre Arbeitsplätze sind zum Teil virtuell organisiert, sodass sie prinzipiell unabhängig von Raum und Zeit agieren können. Digicom-ArbeiterInnen können unterschiedlichsten Berufsgruppen angehören, sind aber tendenziell eher den höher- bis hochqualifizierten Berufssegmenten zuzurechnen – sie sind beispielsweise ManagerInnen, Key Accounts oder KoordinatorInnen von internationalen Projekten. Mit Bezug auf Ingo Matuschek, Frank Kleemann und Günter Voß (2002) könnte ihr Tätigkeitsbereich als „medienvermittelte Arbeit“ bezeichnet werden. Darunter verstehen die Autoren „Tätigkeiten, bei denen Informationstechnologien direkt oder indirekt der Arbeitsgegenstand sind (etwa bei Web-Designern) oder die Organisation der Arbeit grundlegend prägen (etwa bei Telearbeitern), als auch solche, bei denen Informationstechnologien zwar nicht zentral sind, aber gleichwohl das Arbeitshandeln prägen (z.B. bei Außendienstlern, die Laptop und Modem als Arbeitsmittel verwenden)“ (Matuschek/Kleemann/Voß 2002, S. 221).

Auch der Begriff der „informatisierten Büroarbeit“, deren zentraler Gegenstand die „Bearbeitung von Informationen unter Einsatz von Informationstechnologien“ (Kleemann 2000, S. 1) ist, korrespondiert mit meiner Auffassung von Digicom-Arbeit, genauso wie der Begriff der „Wissensarbeit“. Diese erfordert besondere Fähigkeiten wie eine ausgeprägte Lernbereitschaft (vgl. Brinkmann 2003, S. 66) und Kompetenzen, die an Management-Aufgaben erinnern: „Problemorientierung und Projektinteresse, […] ein Höchstmaß an sozialer Kompetenz, Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit“ (ebd., S. 68) sowie die „Verknüpfung von Kreativität und Organisationstalent“ (ebd.). Es sind dies Kompetenzen, welche auch Digicom-

von Konvergenzprozessen die Unterscheidung zwischen Medien und Technologien nicht mehr eindeutig möglich ist. Darüber hinausgehend verstehe ich Medien auch als Modifikatoren unseres Handelns. Mehr dazu in Kapitel 1 „Begriffskonzeption Medien und Mediatisierung“. 8

Dezidiert nicht einbezogen werden Personen, welche mit computergesteuerten Maschinen, Automaten oder Anlagen arbeiten (etwa im Industriebereich).

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ArbeiterInnen benötigen, wie in gegenständlicher Studie noch gezeigt werden wird.9 Aus den bisherigen Überlegungen lässt sich folgende dreiteilige erkenntnisleitende Fragestellung ableiten: 1. Wie gestaltet sich unter dem Einfluss der Nutzung Digitaler Medien die

Wahrnehmung von und der Umgang mit Raum und Zeit bei der Arbeit? 2. Welche Potenziale und Herausforderungen entstehen für Digicom-Ar-

beiterInnen durch die neuen Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit, und welche Strategien und Kompetenzen entwickeln DigicomArbeiterInnen, um damit umzugehen?10 3. Inwiefern lassen sich die Erkenntnisse zu den Digicom-ArbeiterInnen verallgemeinern und auf eine breitere Zielgruppe mediatisierter Arbeit ausdehnen? Wie anhand der Forschungsfragen deutlich wird, folgt die Studie im Kern einer handlungstheoretischen Perspektive. Die konkreten Optionen, Aktivitäten und Probleme der handelnden Individuen werden in den Blick genommen.11 Für die theoretische Kontextualisierung der Studie und die kriti-

9

Auch wenn die vorgestellten Begriffe („medienvermittelte Arbeit“, „informatisierte Büroarbeit“ und „Wissensarbeit“) inhaltlich passend sind, betonen sie nicht den zentralen Stellenwert von IuK-Technologien und digitaler Kommunikation, wie es bei dem Begriff der „Digicom-Arbeit“ der Fall ist. Auch Ulrich Becks Begriffe „‚High-Tech-Nomaden‘“ oder „vernetzte[n] Arbeits-Nomaden“ (Beck 2007, S. 107) übernehme ich nicht. Der Nomaden-Begriff verweist zuallererst auf die örtliche Unabhängigkeit der Arbeitenden. Was mir wichtiger ist, ist die Art der digitalen Kommunikations- und Informationsarbeit, welche losgelöst von Raum und Zeit stattfinden kann, aber nicht zwangsläufig muss.

10 Als „Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit“ bezeichne ich die Wahrnehmungen von Raum und Zeit sowie den Umgang damit, welche sich als Antwort auf die erste Forschungsfrage herauskristallisieren. 11 Damit folge ich dem Plädoyer Andreas Hepps: „We have to analyse the moulding forces of the media always in their netting with human action, especially (but not exclusively) with communicative action.“ (Hepp 2011, S. 14).

E INLEITUNG

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sche Reflexion der Ergebnisse wird die Handlungsebene jedoch auch bewusst verlassen. Theoretische und empirische Zugänge Eine Untersuchung komplexer Zusammenhänge – des Zusammenspiels von individuellen Praktiken, Digitalen Medien, Raum und Zeit – erfordert eine breite, inter- bzw. transdisziplinär angelegte theoretische Auseinandersetzung, um die Phänomene angemessen zu beleuchten und damit die Basis für eine empirische Untersuchung zu bereiten. Ich habe mich deshalb in der Theorie (wie auch in der Empirie) für einen multiperspektivischen Zugang entschieden. Dabei treffen etwa medien-/kommunikationswissenschaftliche und mediensoziologische Ansätze (Castells, Hepp, Krotz, Neverla, Schachtner) auf Ansätze der Arbeits- und Organisationssoziologie/-psychologie (Andriessen, Böhle, Carstensen, Goll, Kleemann, Pongratz, Vartiainen, Voß, Winker). Des Weiteren herangezogen werden soziologische und philosophische Ansätze (Foucault, Löw, Sennett) sowie Theorien aus der Wirtschaftspädagogik (Geißler) und der Geographie (Soja, von Streit). Das Forschungsdesign der empirischen Untersuchung folgt der Strategie der Triangulation. Es werden Methoden mit unterschiedlichen Erkenntniszielen kombiniert (vgl. Kelle/Erzberger 2000, S. 300). Eine Fragestellung, die primär auf das subjektive Empfinden und Handeln von Individuen abzielt, verlangt nach einem überwiegend hermeneutisch-interpretativen Forschungsdesign. Die Grounded Theory (Glaser/Strauss 1967; Strauss/ Corbin 1996) ist als Forschungsprogramm, das bei den erhobenen Daten ansetzt und in zirkulären Prozessen eine Theorie entstehen lässt, dazu geeignet, die Phänomene nahe am Menschen zu untersuchen, weshalb ich mich an dieser Methodologie orientiere. Primäre Datenquellen sind 20 Leitfadeninterviews mit Frauen und Männern, welche in den Definitionsbereich von Digicom-ArbeiterInnen fallen. Ergänzt werden die qualitativen Methoden durch Tagebücher, in denen die StudienteilnehmerInnen im Vorfeld der Interviews ihr eigenes Mediennutzungsverhalten bei der Arbeit über eine bestimmte Zeitspanne hinweg protokollierten, sowie durch Visualisierungen, welche von den Befragten nach den Interviews zu einem vorgegebenen Impuls angefertigt wurden. Die so generierten Daten wurden angelehnt an die Methodologie der Grounded Theory ausgewertet, bevor die Ergebnisse mittels einer quantitativen Online-Umfrage mit einer größeren Stichprobe (N=445) kontrastiert wurden.

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Vorwegnehmend ist als zentrales Ergebnis der gegenständlichen Studie die Existenz des Idealtypus eines „effizienten Menschen“12 festzustellen. „Effizienz“ scheint Maßstab des eigenen wie auch fremden Handelns von Digicom-ArbeiterInnen zu sein; im qualitativen und quantitativen Datenmaterial war sie als bedeutendste Kategorie ausmachbar. Dabei verstehe ich Effizienz mit Rüdiger Wilhelmi „allgemein als möglichst günstiges Verhältnis von Aufwand und Ertrag“ (Wilhelmi 2012, S. 97; vgl. auch Hilty 2007, S. 189). Es ist damit nicht nur die marktwirtschaftliche Produktivität in einem ökonomischen Sinne gemeint (wie bei Lenger/Goldschmidt 2012, S. 54), sondern allgemein der Energieaufwand zur Erreichung eines Zieles in Relation zu den eingesetzten Ressourcen. Aufbau Um die oben angeführten Forschungsfragen zu beantworten, werde ich zunächst die theoretischen Grundlagen der Studie darlegen.13 Im ersten Kapitel werden die hier vertretene Auffassung und das Verständnis von Medien und Medienkommunikation dargelegt. Dabei greife ich vor allem auf den theoretischen Ansatz zur Mediatisierung als Metaprozess in der Konzeption von Friedrich Krotz zurück. Im zweiten Kapitel befasse ich mich mit der Mediatisierung von Arbeit. Dabei verknüpfe ich die zentralen Charakteristika des gegenwärtigen medialen Wandels mit dem aktuellen Wandel von Arbeit auf der Theorieebene. Dem Untersuchungsfokus Raum und Zeit lege ich in Kapitel drei eine theoretische Basis zugrunde, die auf die Konstruiertheit der beiden Dimensionen und auf neue Wahrnehmungsmuster, welche sich im Zuge der digitalen Kommunikation ausbilden, verweist. Nachdem der theoretische Rahmen aufgespannt ist, ist das vierte Kapitel dem Forschungsdesign der empirischen Studie und methodischen Überlegungen gewidmet. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in den Kapiteln fünf bis acht dargelegt. Das Kapitel neun beginnt mit einer zusammenfassenden Beantwortung der Forschungsfragen. Danach wird das Kernergebnis der Arbeit, der Idealtypus des effizienten Menschen, kritisch be-

12 In Anlehnung an Richard Sennetts „Flexiblen Menschen“ (Sennett 2006; engl. Orig.: The Corrosion of Character 1998). 13 Auch wenn Theorie und Empirie in getrennten Teilen abgehandelt werden, werden diese jeweils aufeinander bezogen. Dieses Vorgehen entspricht dem Forschungsstil der Grounded Theory (siehe Kapitel 4.2 „Grounded Theory“).

E INLEITUNG

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trachtet. Am Ende wird die Bedeutung der Studie für die Medien- und Kommunikationswissenschaft dargestellt, und es werden Vorschläge für weiterführende Untersuchungen unterbreitet.

1. Begriffskonzeption Medien und Mediatisierung

Aufgrund der Vielzahl an Definitionen und Betrachtungsweisen, was Medien sind, empfiehlt es sich, den Begriff für die jeweilige Fragestellung oder den Untersuchungsbereich zu definieren (vgl. Pietraß 2006, S. 41). Daher werden in diesem Kapitel die hier vertretene Auffassung von Medien und Medienkommunikation sowie deren Implikationen für Kultur und Gesellschaft dargelegt.

1.1 M EDIEN

ALS

G ESTALTER

VON

K OMMUNIKATION

Friedrich Krotz (2007) und Stig Hjarvard (2008) folgend, sind Medien für mich zunächst technische Kommunikationsinstrumente, das heißt technische Instrumente zur zwischenmenschlichen Kommunikation. Ä[The term ‚media‘] is used to designate technologies that allow people to communicate over space and/or time.“ (Hjarvard 2008, S. 114; vgl. auch Krotz 2007, S. 37). In zweiter Linie sind sie – und dies ist in Arbeitszusammenhängen hoch relevant – Instrumente zur Interaktion mit Computersystemen zur Bearbeitung von Informationen.1 Diese Auffassung entspricht der Definition,

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Dies ist etwa der Fall, wenn ich für eine Vorlesung eine PowerpointPräsentation gestalte und diese auf eine Lernplattform hochlade. Dabei kommuniziere ich nicht mit anderen Menschen, ich interagiere (kommuniziere) aber mit dem Computer, dem Internet und verschiedener Software zur Erledigung dieser Aufgabe.

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welche Leah Lievrouw und Sonia Livingstone für Neue Medien in ihrer Einleitung zum „Handbook of new media“ (2006) anführen. Neue Medien seien „infrastructures for communication and information“ (ebd., S. 9). Ich bezeichne darüber hinausgehend auch Dienste und Anwendungen als Medien, welche mittels technologischer Instrumente nutzbar gemacht werden.2 In Anlehnung an Krotz müssen diese drei genannten Aspekte immer mit der Eigenschaft verknüpft sein, „Kommunikation zu ermöglichen, zu modifizieren und zu gestalten“ (Krotz 2012c, S. 41). Dabei werden Medien in mehrfacher Perspektive wirksam: In situativer Hinsicht treten sie auf Ebene der Medienproduktion und -rezeption in Erscheinung (vgl. ebd., S. 42). Zum einen sind sie „Inszenierungsapparate“, als sie Kommunikate inszenieren, ästhetisch aufbereiten und vermitteln, zum anderen sind sie ein „Erlebnisraum“, in den RezipientInnen einbezogen werden und in dem individuelle Medienerlebnisse möglich sind (vgl. ebd., S. 43; 2003, S. 172). Diese Erlebnisräume können auch als Räume für Selbstkonstruktionen (z.B. im Falle von Selbstpräsentationen im Web 2.0) interpretiert werden (vgl. Schachtner 2013, S. 37-50). Im Web 2.0, wo Produktion und Rezeption keine getrennten Bereiche darstellen, verschmelzen auch die Ebenen der Inszenierung und des Erlebens miteinander. Strukturell gesehen sind Medien durch ihre Eigenschaft als „Technologie“ und „soziale Form“ bestimmt (vgl. Krotz 2012c, S. 42). Je nach Technologie kommen unterschiedliche Inszenierungsformen zum Einsatz und werden andere Nutzungspraktiken notwendig. Auch prägen die institutionelle Verankerung, die gesellschaftlichen Regeln und wirtschaftlichen Bedingungen den Charakter von Medien und die medial-kommunikativen Handlungsmöglichkeiten (soziale Form). Nur wenn diese vier Gestaltformen (Inszenierungsapparat, Erlebnisraum, Technologie, soziale Form) gegeben sind, ist Krotz zufolge von Medien zu sprechen. (Vgl. ebd., S. 43f; 2012b, S. 29f). Am Beispiel von E-Mails lassen sich diese vier Ebenen folgendermaßen erläutern: E-Mails sind Inszenierungsapparate, als sie den Rahmen für eine spezifische Form der Kommunikation vorgeben. Sie folgen einer bestimm-

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Dies ist einer pragmatischen Entscheidung geschuldet, um nicht ständig in Definitionszwang zu geraten, wenn es um die Mediennutzung von Arbeitenden geht. Beispielsweise wird das World Wide Web gemeinhin als Medium verstanden, technisch gesehen ist es jedoch eine Anwendung.

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ten Formatierung, haben eine vorgegebene Adress- und Betreffleiste, legen prägnante Formulierungen nahe und sind reduziert auf die Form der asynchronen (zeitversetzten) Kommunikation. Als Erlebnisraum stellen E-Mails den NutzerInnen einen Raum für Kommunikation bereit. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens, die nötigen Kompetenzen zur Nutzung der Technologie vorausgesetzt, steht den NutzerInnen die Gebrauchsweise frei. Die E-Mail kann eine Liebesbotschaft oder die Einmahnung eines Geldbetrages zum Inhalt haben, oder es werden die neuesten Familienfotos verschickt. EmpfängerIn kann eine einzige Person sein oder aber es sind Hunderte wie im Fall von Massenmails. Auf der technologischen Ebene ist u.a. relevant, dass die an der Kommunikation Beteiligten über die notwendige Infrastruktur verfügen. Bei Betrachtung des Mediums E-Mail als soziale Form stellt sich z.B. die Frage, welchen rechtlichen Regeln E-Mails in Hinblick auf Datenschutzaspekte unterliegen. Für den Kontext der gegenständlichen handlungstheoretischen Studie ist die Ebene des „Erlebnisraums“ von größter Bedeutung, da ich mich auf die Wahrnehmungen und Handlungen der MediennutzerInnen beziehe. Diese Ebene kann jedoch nicht unabhängig von den anderen Ebenen gedacht werden, da sie fest miteinander verknüpft sind. Wie einleitend vermerkt, verwende ich die Begriffe Digitale Medien und Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien), welche heute großteils auf digitaler Basis operieren, synonym.3 Mit Jürgen Hüther (2005, S. 346ff) können Digitale Medien anhand von vier Merkmalen (Globalität, Mobilität, Konvergenz, Interaktivität) charakterisiert und

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Der alltagssprachliche Begriff „Neue Medien“ wurde von mir im Rahmen des empirischen Forschens (Tagebuch, Interview, Visualisierungsimpulse, OnlineUmfrage) verwendet. Davon abgesehen vermeide ich diesen Terminus, da er relativ ist. Er bezieht sich immer wieder auf neue technologische Entwicklungen wie etwa auf das Radio und Fernsehen zu ihren Anfangszeiten in den 1920er bzw. 1950er Jahren. Später, in den 1970er Jahren, wurde der Begriff für Satelliten-TV, Bildschirmtext oder Bildplatten angewandt und seit den 1990er Jahren für auf digitaler Technologie basierende Medien (vgl. Hüther 2005, S. 346).

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von analogen Medien abgegrenzt werden.4 Diese vier Merkmale haben auch Einfluss auf die Wahrnehmung von Raum und Zeit: •





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„Digitalität, Vernetzung, Globalität“ (Hüther 2005, S. 347, Hv. i. O.) Die Übertragung von analogen Zeichen in ein binäres System vereinfacht Informations- und Kommunikationsprozesse und ermöglicht in den passenden Hochleistungs-Datennetzwerken die weltweite Verbreitung von Informationen in Echtzeit5 sowie die Vernetzung von Personen und Organisationen über territoriale Grenzen hinweg. „Mobilität“ (ebd., Hv. i. O.) Nicht nur der globale Datenverkehr rechtfertigt es, von gesteigerter Mobilität durch digitale Technologien zu sprechen, sondern auch die Mobilität von Menschen verändert sich dadurch. So sind mit der mobilen Internettechnologie6 grenzüberschreitendes Kommunizieren oder aber auch das computergestützte Arbeiten unabhängig von Zeit und Raum möglich geworden. Eine Folge dieser Mobilität ist das Eindringen von Medien in vormals nicht-mediale Bereiche wie z.B. das (evt. versteckte) Verwenden des Mobiltelefons während einer Sitzung.7 „Konvergenz“ (ebd., S. 348, Hv. i. O.) Als Medienkonvergenz wird das Verschmelzen und Überlappen von Medien und ihren Funktionen verstanden (vgl. Diehl et al. 2013, S. 353). So wird der Computer längst nicht mehr nur zum Recherchieren und Computerspielen verwendet, sondern auch zum Telefonieren, Einkaufen, Fernsehen, Radiohören usw. Ebenso verhält es sich mit dem

Diese Charakterisierung entspricht weitestgehend jener von Lievrouw und Livingstone in ihrer Einleitung zum „Handbook of new media“ (2006). Sie diskutieren das Neue an den Neuen Medien unter folgenden Begriffen: recombination, network metaphor, ubiquity, interactivity (vgl. Lievrouw/Livingstone 2006, S. 5ff).

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Echtzeitkommunikation schließt minimale Reaktionszeiten von Informationsund Kommunikationssystemen mit ein.

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Wenn in dieser Arbeit vom „Internet“ die Rede ist, so meine ich damit nicht nur die Netzinfrastruktur, sondern auch die Anwendungen des Internet, sprich den kommunikativen Raum.

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Zu „Vernetzung und Globalität“ sowie „Mobilität“ siehe mehr in Kapitel 2.2 „Flexibilität, Mobilität, Globale Kommunikation und Vernetzung“.

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Mobiltelefon und anderen internetfähigen Endgeräten. Konsequenz dieser Konvergenz ist, dass private und berufliche Nutzung zunehmend schwieriger zu trennen sind, z.B. wenn während des Sonnenliegens am Strand die E-Mails aus dem (virtuellen) Büro gecheckt werden, um auf dem aktuellen Stand zu sein. „Interaktivität“ (ebd., S. 348f, Hv. i. O.) Die digitale Technologie ermöglicht es den NutzerInnen in verstärktem Maße, an der Gestaltung von Medien zu partizipieren, z.B. einen Weblog zu erstellen und an Forenkommunikation teilzunehmen. Hüther (ebd., S. 349) sieht dieses Charakteristikum aus medienpädagogischer Perspektive mit Recht skeptisch, denn Interaktivität bedeutet nicht automatisch, dass wechselseitige Kommunikation oder ein sozialer Austausch stattfinden.8 Sehr oft beschränkt sich die Interaktivität auf eine Auswahl an Optionen, die man vorfindet und zwischen denen man sich entscheidet.

Mit Bezug auf die Medienpädagogin Isabel Zorn (2011, S. 176) sind als bedeutendes Charakteristikum noch die automatischen Rechenvorgänge hinzuzufügen, welche bei der Nutzung des Internet im Hintergrund ablaufen und welche das Medium zum Akteur machen. Dies ist etwa der Fall, wenn auf Shopping-Portalen Algorithmen persönliche, an individuelle Profile angepasste Kauftipps errechnen oder wenn Suchmaschinen durch Algorithmen berechnete auf die NutzerInnen abgestimmte Inhalte auswerfen. Zusammengefasst definiere ich für den Kontext der gegenständlichen Studie Medien als technische Instrumente, Dienste und Anwendungen zu Kommunikationszwecken, welche sowohl situativ als auch strukturell wirksam sind. Diese Definition erachte ich jedoch nicht als allgemeingültig. Ich halte es wie Friedrich Krotz mit dem Begriff der Kommunikation: „Der Versuch, Kommunikation [Medien; C. R.-E.] umfassend und abschließend für alle Zeiten zu definieren, ist vermutlich generell zum Scheitern verurteilt.“ (Krotz 2007, S. 61, Hv. i. O.). Mit der situativen und strukturellen Wirksamkeit von Medien ist das Wechselverhältnis zwischen Medien, Kommunikation, sozialem Handeln und

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Vgl. hierzu auch meine Argumente zur Relativierung des Web 2.0 als partizipatives Netz in Roth-Ebner 2011, S. 1f.

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Gesellschaft angesprochen, das der Theorie der „Mediatisierung“9 entspricht.

1.2 D ER M ETAPROZESS M EDIATISIERUNG Friedrich Krotz hat mit seinem Konzept der „Mediatisierung“ ein umfassendes Programm zur Beschreibung gesellschaftlicher, sozialer und kultureller Prozesse vorgelegt, in deren Mittelpunkt die Durchdringung des Alltagslebens mit Medien steht. „Mediatisierung meint, dass durch das Aufkommen und durch die Etablierung von neuen Medien für bestimmte Zwecke und die gleichzeitige Veränderung der Verwendungszwecke und Funktionen alter Medien sich die gesellschaftliche Kommunikation und deshalb auch die kommunikativ konstruierten Wirklichkeiten, also Kultur und Gesellschaft, Identität und Alltag der Menschen verändern.“ (Krotz 2003, S. 173).

Die Mediatisierungstheorie wurde nicht nur von Krotz geprägt, sondern auch von Andreas Hepp, Stig Hjarvard, Winfried Schulz und anderen. Die Ansätze weisen jedoch teilweise unterschiedliche Akzentuierungen auf. So bezieht sich etwa Schulz (2004) stark auf Massenkommunikation und Hjarvard (2008) fokussiert auf Medien als Institutionen und deren Beziehung zu Kultur und Gesellschaft (vgl. ebd., S. 110). Für den Kontext der gegenständlichen Studie orientiere ich mich vorwiegend an der Konzeption von Krotz, welche Mediatisierung in einem sozialkonstruktivistischen Sinn versteht (vgl. Hepp 2013, S. 2).

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Neben „Mediatisierung“ hat sich auch „Medialisierung“ als Begriff etabliert. Michael Meyen beschäftigt sich in seinem Aufsatz „Medialisierung“ (2009) mit den unterschiedlichen Begriffsauffassungen, ebenso Knut Lundby (2009a, S. 11ff) in der Einleitung zu seinem Sammelband „Mediatization“ oder Andreas Hepp (2013, S. 2) in seinem Aufsatz „Mediatisierung“. Da ich mich im Wesentlichen auf den Ansatz von Friedrich Krotz stütze, übernehme ich dessen Terminologie.

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1.2.1 Die Rolle von Kommunikation im Mediatisierungsprozess ÄMediatization takes place since people start to speak and to communicate.“10 Dieses Zitat aus einer Keynote von Friedrich Krotz aus dem Jahr 2011 zeigt, dass im Zentrum seiner Theorie der Mediatisierung Kommunikation steht. Medien sind für ihn durch Kommunikation erzeugte Phänomene, beinhalten technologische und kulturelle Aspekte, die durch Kommunikation verbunden werden. (Vgl. ebd.). Dabei betont Krotz aber nicht die technologische Seite des medialen Wandels, sondern fokussiert auf das soziale kommunikative Handeln zwischen den Menschen, das sich mit dem Gebrauch neuer Medien verändert. „Medien erweitern, verändern, gestalten, ermöglichen also Kommunikation […]“ (Krotz 2003, S. 171; vgl. auch Krotz 2012a, S. 27). Der Wandel von Kommunikation prägt und verändert wiederum Alltag, soziale Beziehungen, Identität, Kultur und Gesellschaft (vgl. Krotz 2007, S. 12). Seine Theorie der Mediatisierung basiert auf der Theorie des symbolischen Interaktionismus insofern, als „die Welt als kommunikativ konstruiert begriffen wird und […] am spezifisch Menschlichen der Menschen und der Gesellschaft, nämlich der Kommunikation als Form symbolischer Interaktion“ (ebd., S. 56, Hv. i. O.) angesetzt wird. Der Begriff „Symbolischer Interaktionismus“ geht zurück auf Herbert Blumer (1937). Blumer fasste dessen Grundlagen 1973 in drei zentralen Prämissen zusammen: 1. Menschen handeln auf Basis von Bedeutungen, die „Dinge“ (auch Men-

schen, Situationen, Institutionen etc.) für sie haben.11 2. Diese Bedeutungen entstehen in der sozialen Interaktion. 3. Diese Bedeutungen werden in interpretativen Prozessen in der Interaktion mit sich selbst bearbeitet oder verändert. (Vgl. Blumer 1973, S. 81).

10 Krotz, Friedrich: The Role of Media and Communication For a Theory of Mediatization, Keynote at the International Conference ÄMediatized Worlds: Culture and Society in a Media Age³, 14.04.2011, Bremen. 11 Blumer (1973, S. 90) unterscheidet physikalische Objekte wie einen Schreibtisch, soziale Objekte wie eine Mitarbeiterin und abstrakte Objekte wie Unternehmensregeln.

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Neben dem symbolischen Interaktionismus verweist Krotz auf die Theorietradition der Cultural Studies, welche auf der Ebene von Kultur und Gesellschaft ansetzt. Im Gegensatz zur subjektorientierten Perspektive des symbolischen Interaktionismus werden bei den Cultural Studies die Handlungen der Menschen stärker sozial und kulturell geprägt gesehen (vgl. Krotz 2007, S. 78ff). Die Verknüpfung beider Ansätze, welche Krotz als Anspruch formuliert, bedeutet, der Frage nachzugehen, „wie sozial positioniertes Subjekt und individuell konstituierte, situativ präsentierte Identität zusammenhängen“ (ebd., S. 83).12 Die Urform der Kommunikation, über die Bedeutungen hergestellt werden, ist die „natürlich gegebene[n], den Menschen definierende[n] Face-to-FaceKommunikation“ (ebd., S. 16). Sie bildet die Grundlage aller weiteren Kommunikationsformen, welche Krotz in drei Typen unterteilt: • • •

Kommunikation durch Medien mit anderen Menschen (medienvermittelte interpersonale Kommunikation), Kommunikation mit Medien bzw. deren Inhalten („allgemein adressierte Kommunikate“), interaktive Kommunikation mit „intelligenten Systemen“ (z.B. mit Robotern oder Online-Computerspielen) (vgl. ebd., S. 90).

Der dritte Typus unterscheidet sich vom zweiten Typus insofern, als die Kommunikationsinhalte nicht vorgegeben sind. Vielmehr werden diese erst im Zuge der Nutzung bestimmt bzw. konstruiert. Dennoch gibt der mediale Rahmen Grenzen vor, welche die interaktive Kommunikation strukturieren. (Vgl. ebd., S. 92f). Zum dritten Typus zähle ich kreative Arbeiten am Computer, welche in der Interaktion mit einer Software entstehen wie z.B. das Erstellen von Computergrafiken, aber auch die Interaktion mit Computerprogrammen, um vormals auf persönlichem Kontakt basierende Vorgänge zu organisieren (etwa Flug-, Hotelbuchungen oder Bankgeschäfte). Unter den aktuellen Bedingungen von Medienkonvergenz verschmelzen diese drei Typen immer mehr. So können bei der Arbeit am Computer alle drei Formen der

12 Siehe in diesem Sinne Kapitel 9.2 „Der effiziente Mensch und die ‚Technologien des Selbst‘“.

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Medienkommunikation zeitgleich stattfinden. Ich könnte mir einen Livestream einer Radiosendung anhören (Kommunikation mit Medien), während ich in einem Instant Messenger via Chat eine Studentin berate (Kommunikation durch Medien mit anderen Menschen). In den Gesprächspausen kann ich die Zeit nutzen, um mithilfe des Online-Buchungssystems eines Reiseveranstalters meinen nächsten Urlaub zu planen (interaktive Kommunikation mit „intelligenten Systemen“). 1.2.2 Mediatisierung als Metaprozess Inwiefern handelt es sich bei Mediatisierung um einen Metaprozess? Metaprozesse sind mit Krotz zu verstehen als „Konstrukte, die langfristig stattfindende Entwicklungen beschreiben und damit einzelne empirisch feststellbare Phänomene sozialen und kulturellen Wandels begrifflich zusammenbringen, um sie theoretisch und empirisch fassbar zu machen“ (Krotz 2006, S. 61; vgl. auch Krotz 2012b, S. 20).

Der Metaprozess der Mediatisierung darf folglich nicht als ein geschlossenes theoretisches Konzept medialen Wandels, sondern sollte vielmehr als ein offenes „Panorama“ gehandhabt werden, vor dessen Hintergrund die Zusammenhänge von medialem/kommunikativem Wandel und soziokulturellem Wandel untersucht werden (vgl. Hepp 2011, S. 7). Der Metaprozess der Mediatisierung verläuft dabei analog zu Prozessen wie Individualisierung, Globalisierung, Kommerzialisierung oder Ökonomisierung, welche den gegenwärtigen kulturübergreifenden Wandel von Gesellschaft und Kultur charakterisieren und eng mit jenem der Mediatisierung verknüpft sind (vgl. Krotz 2006, S. 61; 2009, S. 25; 2012a, S. 31). Krotz zufolge sind „Aufklärung, Industrialisierung oder Rationalisierung“ (Krotz 2006, S. 61) historische Metaprozesse. Aber auch Mediatisierung verortet er als historischen Prozess, der auftritt, seit Menschen kommunizieren (vgl. Krotz 2012b, S. 37; 2012c, S. 37). Andere AutorInnen sprechen von Mediatisierung erst seit der Erfindung der Druckerpresse mit beweglichen Lettern (vgl. Lundby 2009a, S. 10). Einigkeit besteht in Bezug auf die Tatsache, dass die Etablierung auf digitaler Technologie basierender Medien in den 1980er und 1990er Jahren einen neuerlichen „Mediatisie-

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rungsschub“ (Krotz 2003, S. 173) mit sich brachte, der konventionelle Kommunikationsweisen revolutionierte.13 Als wichtiges Charakteristikum dieses Mediatisierungsschubes nennt Krotz die „Entgrenzung und Vermischung der vorher vorhandenen Einzelmedien […], die von begrenzten und relativ erwartungsstabilen sozialen Zwecken und Nutzungsweisen entkoppelt werden“ (ebd., S. 174). Darüber hinaus komme es auch in sozialer Hinsicht zu medialen Entgrenzungsprozessen (vgl. Krotz 2001, S. 22), vor allem in Hinblick auf den „Einfluss der Medien auf die Raum- und Zeitgestaltung bzw. -wahrnehmung der Menschen“ (Krotz 2007, S. 39). „Insgesamt lässt sich sagen, dass immer mehr Angebote für alle Arten von Kommunikation ubiquitär und jederzeit zugänglich sind und dass sich darüber die Medienumgebungen, die sozialen und die Handlungsräume der Menschen radikal verändern. Dies hat ganz allgemein vielfältige Auswirkungen auf die Formen des menschlichen Zusammenlebens.“ (Krotz 2006, S. 62).

Andreas Hepp, ein weiterer wichtiger Vertreter der Mediatisierungstheorie, unterscheidet zwischen quantitativen und qualitativen Aspekten von Mediatisierung. Die quantitativen Aspekte beziehen sich ihm zufolge auf das „Mehr“ an Medien und Kommunikation, die Durchdringung aller Lebensbereiche durch Medien und die erweiternde Funktion von Medien in räumlicher, zeitlicher und sozialer Hinsicht.14 Die qualitativen Aspekte stehen Hepp zufolge in Zusammenhang mit der Frage, WIE Medien und Medienkommunikation mit dem sozialen und kulturellen Wandel im Wechselverhältnis stehen. (Vgl. Hepp 2010, S. 67ff). In der Praxis können diese quantitativen und qualitativen Ausprägungen nicht voneinander getrennt werden. So führt etwa eine zunehmende E-Mailkommunikation dazu, dass weniger Zeit für die Bearbeitung der einzelnen

13 Vgl. Hjarvard, Stig: Mediatization: The Challenge of New Media, Keynote at the International Conference ÄMediatized Worlds: Culture and Society in a Media Age“, 14.04.2011, Bremen. Stig Hjarvard erläutert frühere theoretische Positionen zum Wandel mit/durch Medien in seinem Aufsatz „The Mediatization of Society“ (vgl. Hjarvard 2008, S. 106ff). 14 Wie Krotz (2012b, S. 28) feststellt, ist dieses „Mehr“ nicht Voraussetzung für Mediatisierungsprozesse, dennoch kennzeichnet es die aktuellen Entwicklungen.

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Nachrichten zur Verfügung steht und diese daher oberflächlicher erfolgt, oder dass E-Mails auch in der Freizeit bearbeitet werden müssen und damit Mehrarbeit geleistet wird. Jede quantitative Veränderung zieht also unmittelbar qualitative Konsequenzen nach sich, die sich je nach Kontext und Situation unterschiedlich gestalten können. Hepp konzipiert Medien in ihrer institutionellen und technischen Erscheinung als Prägkräfte („moulding forces“) kommunikativen Handelns, die ein bestimmtes Handlungspotenzial („potentiality of action“) bereitstellen (vgl. Hepp 2010, S. 68f; 2011, S. 13). „Media as such exert a certain Ãpressureµ on the way we communicate.“ (Hepp 2011, S. 11). SMS, E-Mailund Chatkommunikation trugen beispielsweise bereits dazu bei, dass sich neue Gepflogenheiten in Grammatik und Rechtschreibung etablieren konnten, z.B. die durchgängige Kleinschreibung, oder dass neue, auf schriftlicher Kommunikation basierende Ausdrucksformen für Gefühle (Emoticons) entstanden. Diese Prägkräfte sind jedoch keinesfalls im Sinne kausaler Wirkungen zu verstehen, wie Hepp (2010, S. 65; S. 69) betont, sondern sie können sich in Abhängigkeit von einer Vielzahl an Kontextbedingungen (individuellen, sozialen oder kulturellen) unterschiedlich entfalten. So hat die Chatkommunikation für eine Jugendliche, die mit ihren Peers vor dem Zubettgehen via Skype „plaudert“, eine völlig andere Bedeutung als für eine Projektleiterin, die via Skype-Chat ein Meeting mit ihrem internationalen Team durchführt. Dementsprechend folgen die Konversationen auch unterschiedlichen Regeln. Als dritter Theoretiker sei in diesem Zusammenhang Winfried Schulz genannt. In seinem Ansatz zur Mediatisierung aus dem Jahr 2004 beschreibt er den medienbezogenen sozialen Wandel entlang von vier Prozessen: • • • •

„Extension“ (Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten, z.B. orts- und zeitunabhängige Kommunikation mittels mobilem Internet), „Substitution“ (Ersatz non-medialer Aktivitäten durch mediale, z.B. Online-Banking), „Amalgamation“ (Vermischung non-medialer und medialer Tätigkeiten, z.B. Lesen von E-Mails in der U-Bahn) und „Accomodation“ (Anpassung von Akteuren und Akteurinnen an mediale Veränderungen, z.B. Online-Wahlkämpfe) (vgl. Schulz 2004, S. 88ff).

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Mit Bezug auf Krotz (2012c, S. 36) ist an diesem Ansatz die Beschränkung auf diese vier Prozesse zu kritisieren. Diese seien nicht in der Lage, alle Mediatisierungsprozesse zu erfassen und zu erklären. Auch diskutiert Schulz Mediatisierung als ein auf Massenkommunikation hin ausgelegtes Konzept (vgl. Schulz 2004, S. 92; S. 98). Dem steht der Ansatz von Krotz gegenüber, der sämtliche Kommunikationsformen einbezieht, also auch interpersonale Kommunikation (vgl. Meyen 2009, S. 6). Dieser Auffassung schließe ich mich an, vor allem vor dem Hintergrund, dass in Zeiten von Smartphones und Web 2.0 die konventionelle Auffassung von Massenkommunikation und interpersonaler Kommunikation neu definiert werden muss.15 In der Auseinandersetzung mit der Theorie der Mediatisierung muss auch die Mediumstheorie Berücksichtigung finden, deren prominenteste Vertreter Marshall McLuhan, Harold Innis und Joshua Meyrowitz sind. Nach Klaus Beck liegt ihr Verdienst v.a. darin, „die Frage nach kulturellen und gesamtgesellschaftlichen Folgen von Medientechnologien gestellt zu haben“ (Beck 2003, S. 126). Stig Hjarvard erklärt die Gemeinsamkeiten der beiden Ansätze: ÄMediatization theory is thus consonant with medium theory with respect to taking note of the different media’s particular formatting of communication and the impacts on interpersonal relations it gives rise to.“ (Hjarvard 2008, S. 109). Hepp schließt sich der Mediumstheorie in dem Punkt an, „dass es bestimmte Spezifitäten von unterschiedlichen Medien gibt und dass wir diese fokussieren müssen, wenn wir uns mit Fragen des Wandels beschäftigen“ (Hepp 2010, S. 69). Während jedoch in der Mediumstheorie der Fokus auf

15 Krotz zufolge ist der Begriff „Massenkommunikation“ nicht mehr treffsicher (vgl. Krotz 2007, S. 213ff). Er schlägt vor, von der „Produktion und Rezeption standardisierter, allgemein adressierter Kommunikate“ (ebd., S. 214) zu sprechen. Dies entspricht der Beobachtung, dass etwa im Fall von Webpages eine „Masse“, welche diese Website rezipiert, schwer definierbar ist bzw. diese Angebote in vielen Fällen auch nicht von Massen genutzt werden, z.B. im Falle eines Weblogs (Online-Tagebuch) einer unbekannten Person. Umgekehrt verhält es sich mit der interpersonalen Kommunikation, die im Internet eine breite Masse erreichen kann, indem etwa eine Forumsdiskussion, in welcher sich Personen untereinander austauschen, öffentlich einsehbar ist.

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den technischen Eigenschaften der Technologien und ihrer inneren Logik (einer Medienlogik)16 liegt, zielt Mediatisierung auf größere Zusammenhänge zwischen Medien und Kultur und Medien und Gesellschaft ab, wobei diese als wechselseitig gesehen werden, wie Hjarvard am Beispiel der Zusammenhänge zwischen Medien und Globalisierung erklärt: Ä[…] on the one hand, globalization presumes the existence of the technical means to extend communication and interaction over long distances and, on the other hand, it propels the process of mediatization by institutionalizing mediated communication and interaction in many new contexts.“ (Hjarvard 2008, S. 113).

Es sind aber nicht die technischen Eigenschaften oder die Inhalte der Medien, welche kausale Zusammenhänge verursachen (wie in der Mediumstheorie angenommen), sondern die Kommunikation mit diesen Medien und ihr Einfluss auf die Wirklichkeit der Kommunizierenden (vgl. Krotz 2006, S. 62; 2009, S. 25; Höflich 2010, S. 98). Folgendes Zitat von Alan Felstead, Nick Jewson und Sally Walters verdeutlicht dies bezogen auf IuKTechnologien: ÄICT opens up a range of possibilities but it does not determine how they are realized.“ (Felstead/Jewson/Walters 2005, S. 9). Der Begriff „Medienlogik“ sei Krotz folgend auch deshalb nicht brauchbar für das Konzept der Mediatisierung, weil für die komplexen und konvergenten digitalen Medien keine einzige Medienlogik existiert, sondern je nach Kontext unterschiedliche Logiken wirksam werden (vgl. Krotz 2009, S. 26; Hepp 2011, S. 12; Lundby 2009b, S. 116f). ÄThe Ãmedia logicµ of TV today is not the same as of a decade ago, and the Ãmedia logicµ of a mobile phone is quite different for a 14-year-old girl as compared to a 55-year-old banker.³ (Krotz 2009, S. 26). Medienlogik ist eine Konzeption der Vergangenheit, des Zeitalters der Massenkommunikation, „when gatekeepers or editors did indeed control, frame, and format almost all media communication³ (Lundby 2009b, S. 117). Nicht aber die Wirkungen einer einheitlichen Medienlogik sind das Ergebnis von Mediatisierung, sondern die medial ge-

16 Der Begriff Medienlogik (media logic) geht zurück auf David Altheide und Robert Snow (1979). Sie verstehen media logic – in Zusammenhang mit Massenmedien – als eine Kommunikationsform, mit der Phänomene präsentiert (Angebotsseite) und interpretiert (Rezeption) werden (vgl. Altheide/Snow 1979, S. 10).

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prägten Wirklichkeitskonstruktionen der Menschen (vgl. Krotz 2012a, S. 12).17 In der Konzeption von Krotz, der ich mich hier anschließe, muss Mediatisierung also stets kontextuell betrachtet werden und erfordert empirische Belege in Bezug auf unterschiedliche Zielgruppen und Untersuchungsfelder (vgl. Hjarvard 2008, S. 109f; Hepp 2009, S. 154). Es ist „unmöglich, die Mediatisierung einer Kultur oder Gesellschaft insgesamt zu beschreiben“ (Hepp/Krotz 2012, S. 13). Empirisch untersuchbar und beschreibbar sind jedoch Phänomene, die in einzelnen „mediatisierten Welten“ (ebd.) stattfinden, also in Teilbereichen der Gesellschaft.18 Der Metaprozess der Mediatisierung findet auf allen Ebenen des menschlichen Lebens statt: Auf der Makroebene in gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen, auf der Mesoebene, wenn es um Organisationen und ihre Kommunikation geht, sowie auf der Mikroebene im sozialen und kommunikativen Handeln der Menschen (vgl. Krotz 2007, S. 38; Hepp 2011, S. 9). In der gegenständlichen Studie werden alle drei Ebenen berührt; der empirische Fokus liegt jedoch auf der Mikroebene, denn im Zentrum der Untersuchung stehen, wie bereits angeführt, die handelnden Subjekte, ihre Rahmenbedingungen, ihre Strategien und Kompetenzen.

17 Im Widerspruch zur Auffassung von Mediatisierung als kontextualisiertem Ansatz steht die frühe Position Nick Couldrys. Er attestierte der Theorie der Mediatisierung eine lineare Medienlogik, die eine einseitige Transformation von einer prä-medialen zu einer mediatisierten Gesellschaft beschreibe (vgl. Couldry 2008, S. 375). Seine Argumentation zog er aus den Arbeiten zur Mediatisierung von Schulz und Hjarvard (vgl. ebd., S. 376ff). Er selbst bevorzugte den Ansatz der „Mediation“, der seiner Meinung nach die heterogenen Bezüge von Medien zu sozialen Wandelprozessen stärker hervorhob (vgl. ebd., S. 375ff). Ein paar Jahre später verwarf er seine Position sowie auch den Terminus „Mediation“ zugunsten von „Mediatisierung“ (vgl. Couldry 2012, S. 134f; 2013, S. 3). 18 Die gegenständliche Untersuchung, welche sich auf die „mediatisierte Welt“ der Arbeit bezieht, soll als ein Beispiel für empirische Belege zur Mediatisierung dienen.

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1.3 Z WISCHENRESÜMEE : M EDIEN UND M EDIATISIERUNG Die erläuterten Definitionen, Konzepte und theoretischen Ansätze können in Hinblick auf ihre Relevanz für die gegenständliche Studie auf zehn prägnante Thesen zuspitzt werden: 1.

2.

3.

4. 5. 6.

7.

8. 9.

Mit Medien sind im Kontext der gegenständlichen Studie zunächst in einem instrumentell-technischen Sinn technische Instrumente, Dienste und Anwendungen zu Kommunikationszwecken gemeint. Medien sind situativ als Erlebnisraum und Inszenierungsapparate und strukturell als Technologien und Institutionen wirksam (vgl. Krotz 2012c, S. 42ff). Digitale Medien unterscheiden sich von analogen durch ihre Digitalität, durch eine erhöhte Mobilität von Kommunikation, durch die Konvergenz von Geräten, Diensten und Nutzungsweisen und durch ein gesteigertes Ausmaß an Interaktivität (vgl. Hüther 2005, S. 346ff). Zentral ist, dass Digitale Medien selbst zu Akteuren werden können, indem sie automatisierte Rechenprozesse durchführen und Medieninhalte verändern (vgl. Zorn 2011, S. 176). „Mediatisierung“ bezeichnet das Wechselverhältnis zwischen medialkommunikativem Wandel und soziokulturellem Wandel. Im Zentrum der Theorie der Mediatisierung steht Kommunikation als soziales Handeln zwischen Menschen (vgl. Krotz 2007, S. 12). Durch den Gebrauch von Medien verändern sich unser kommunikatives Verhalten und damit unser soziales Handeln und unsere sozial geprägten Wirklichkeiten (vgl. Krotz 2003, S. 171; 2012a, S. 27). „Mediatisierung“ ist ein langfristiger, kulturübergreifender, historischer Metaprozess (vgl. Krotz 2007, S. 27), der auf gleicher Stufe mit anderen Metaprozessen wie Individualisierung, Globalisierung und Kommerzialisierung steht (vgl. Krotz 2009, S. 25). Der Wandel von (medialer) Kommunikation findet auf räumlicher, zeitlicher und sozialer Ebene statt (vgl. Krotz 2001, S. 22). Der aktuelle Mediatisierungsschub in Zusammenhang mit der Ausdifferenzierung Digitaler Medien ist in Hinblick auf soziale Wandelprozesse besonders relevant.

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10. Mediatisierung ist stets kontextualisiert zu betrachten und ist empi-

risch anhand spezifischer Untersuchungsfelder und Untersuchungsgruppen zu erforschen (vgl. Hjarvard 2008, S. 109f; Hepp 2009, S. 154).

2. Mediatisierung von Arbeit

Wie alle Lebensbereiche ist auch jener der Erwerbsarbeit als mediatisiert, das heißt als vom Umgang mit Medien bzw. von medialer Kommunikation geprägt zu charakterisieren. Ohne IuK-Technologien wären viele Berufe heute nicht mehr vorstellbar bzw. würden viele Berufe erst gar nicht existieren. Dieses Kapitel knüpft an die theoretischen Ausführungen zum Medienverständnis in Kapitel 1 an und beschreibt auf theoretischer Ebene, wie sich Arbeit im Zusammenspiel mit der Etablierung und Nutzung Digitaler Medien darstellt und verändert. Dabei fokussiere ich, dem Zuschnitt der Untersuchung folgend, auf Büroarbeit, fasse diese jedoch so weit, dass unterschiedlichste Bürotätigkeiten vom Sales Management über Softwareentwicklung bis hin zu wissenschaftlicher Arbeit darin Platz finden. Vorweg ist klarzustellen, dass die beschriebenen Phänomene des Wandels von Arbeit mit der Nutzung von IuK-Technologien in Beziehung stehen.1 Sie sind aber weder klar abgrenzbar, noch besitzen sie Allgemeingültigkeit. Vielmehr handelt es sich um Tendenzen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sie nicht monokausal durch die Etablierung von IuK-Technologien verursacht wurden, sondern dass von einer Wechselbeziehung zwischen dem Wandel von Arbeit und medialer/technologischer Entwicklung ausgegangen werden 1

Weiterführende Themen (Stichwort Prekarisierung, Wandel von Organisationsstrukturen, Transformation des Arbeitsmarktes), welche in der Arbeits- und Industriesoziologie breite Aufmerksamkeit erfahren, werden hier nicht behandelt, weil sie nicht unmittelbar mit der Nutzung von IuK-Technologien verknüpft sind. Eine Ausnahme stellt der Exkurs „Arbeit und Geschlechtsrollenstereotype im Aufbruch?“ in Kapitel 2.6 dar.

42 | D ER EFFIZIENTE M ENSCH

muss. So stößt das Einfordern von flexiblem und mobilem Handeln seitens der Wirtschaft die Entwicklung und Verwendung mobiler Technologien an, gleichzeitig wird durch das Vorhandensein mobiler Kommunikationstechnologien flexibleres, mobiles Arbeiten ermöglicht und gefördert. Die Charakteristika der Mediatisierung von Arbeit werden in diesem Kapitel theoretisch sowie mit Bezugnahme auf existierende empirische Studien unter folgenden Punkten diskutiert:2 • • • •

Informatisierung und Virtualisierung, Flexibilität, Mobilität, Globale Kommunikation und Vernetzung, Subjektivierung, Standardisierung und Entgrenzung von Lebensbereichen.3

In die Auseinandersetzung mit den theoretischen Ausführungen werden Anekdoten und Ergebnisse aus der gegenständlichen empirischen Untersuchung eingebunden, um die theoretischen Ausführungen reflektierend zu stützen, zu relativieren bzw. zu diskutieren.

2.1 I NFORMATISIERUNG UND V IRTUALISIERUNG Mit dem Begriff der „Informatisierung von Arbeit“ ist die „Erzeugung und Nutzung von Informationssystemen“ (Baukrowitz/Boes/Schmiede 2001, S. 220) im Kontext von Arbeitsprozessen gemeint.4

2

Diese Merkmale überschneiden, bedingen und komplementieren sich. So erfordert z.B. die Entgrenzung von Lebensbereichen erhöhte Subjektivitätsleistungen (vgl. Schönberger/Springer 2003, S. 10; Voß 1998, S. 476). Genauso ist die Virtualisierung von Arbeit charakterisiert durch Flexibilität und Vernetzung, oder die Flexibilität von Arbeit könnte unter dem Stichwort „Entgrenzung“ diskutiert werden.

3

Die Ausführungen beziehen sich primär auf die hochentwickelten Industrieländer der OECD, auch wenn die skizzierten Phänomene global in unterschiedlicher Prägkraft wirksam sind.

4

Dass die Soziologin Sabine Pfeiffer Informatisierung als Überbegriff für die Tendenzen zur „Technologisierung der Arbeitsorganisation, Virtualisierung des Arbeitsvermögens und Mediatisierung der Arbeitskraft“ (Pfeiffer 2001, S. 239,

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Die historischen Anfänge der Informatisierung liegen Sabine Pfeiffer zufolge im 13. und 14. Jahrhundert, als im Kontext des ersten Auftretens von Handelskapital in den aufsteigenden europäischen Handelsstädten eine Buchführung notwendig wurde (vgl. Pfeiffer 2010, S. 249). Weitere markante Informatisierungsschritte sehen Andrea Baukrowitz, Andreas Boes und Rudi Schmiede (2001, S. 221) in der Herausbildung des Welthandels nach der Entdeckung Amerikas und dann später vor allem im 19. und 20. Jahrhundert in der Verwissenschaftlichung von Produktion (Taylorismus, Fordismus). Seit den 1920er Jahren wurde schließlich auch geistige Arbeit rationalisiert (Taylorisierung der Büroarbeit), ehe Ende des 20. Jahrhunderts mit Etablierung des Computers Informationssysteme als „Arbeitsgegenstände und -mittel der Kopfarbeit“ selbst in den Mittelpunkt rückten (vgl. ebd., S. 222). Dies führte, so das AutorInnenkollektiv weiter, zu einer „Rekapitalisierung des Kapitalismus“ (ebd., S. 224). Sämtliche Bereiche wurden einer intensiven Ökonomisierung unterworfen mit dem Ziel, Kapital zu schaffen. In diesem Zusammenhang sprechen Baukrowitz, Boes und Schmiede von einem „informatisierte[n], auf Wissensverarbeitung basierende[n] Kapitalismus“ (ebd., S. 224) bzw. vom „informationellen Kapitalismus“ (ebd., S. 225), dessen zentrale Antriebskräfte Profit und Wettbewerb sind, wie Manuel Castells schon 1996 in seiner Theorie des „informational capitalism“ betonte (vgl. Castells 1996, S. 81). Mit der Alltagsnutzung des Internet erfuhr die Informatisierung von Arbeit ab Mitte der 1990er Jahre einen wesentlichen Schub. Dieser Informatisierungsschritt ist für Boes und Pfeiffer (2006, S. 20f) in mehrfacher Hinsicht qualitativ bemerkenswert:

i. O. hvgh.) fasst und Virtualisierung auf eine Stufe mit Mediatisierung stellt, während ich umgekehrt Informatisierung und Virtualisierung unter Mediatisierung reihe, demonstriert die unterschiedlichen Begriffsauffassungen. Dennoch halte ich an der Konzeption fest, wonach Informatisierung und Virtualisierung der Mediatisierungstheorie untergeordnet werden, denn ich verstehe, wie im ersten Kapitel ausführlich erläutert, Mediatisierung als über die Bedeutung der Durchdringung unseres Alltags durch Medien hinausgehend. Für mich sind die kontextuell abhängigen sozialen und kulturellen Konsequenzen daraus von Interesse.

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1. Durch das Internet entstand ein neuer, sämtliche Lebensbereiche betref-

fender Handlungsraum, ein „Informationsraum“. 2. Die Informatisierung erzeugte neue Raum- und Zeitstrukturen. 3. Unternehmen, die in globale Marktstrukturen eingebunden waren, wurden zugleich zu Akteuren von Rationalisierungsprozessen als auch zu deren Objekten. 4. Das arbeitende Subjekt erwarb neue Kompetenzen, um die Herausforderungen der Informatisierung zu bewältigen.5 Mit dem Arbeitssoziologen Frank Kleemann (2000, S. 2) kann Informatisierung von Arbeit aus einem ahistorischen Blickwinkel auch als die „zunehmende Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien als Arbeitsmittel beziehungsweise als die Arbeit unterstützende Medien“ verstanden werden. In der gegenständlichen Studie wurde mittels einer standardisierten Online-Umfrage (N=445), die sich generell an Erwerbstätige richtete, welche IuK-Technologien für ihre Arbeit nutzen, unter anderem untersucht, wie sich die Durchdringung der Arbeitswelt mit Digitalen Medien im Sinne Kleemanns aktuell gestaltet. Konkret wurde gefragt, welche Technologien eingesetzt werden, um zu kommunizieren und Arbeiten zu erledigen, und wie hoch der geschätzte Anteil dieser medial gestützten Arbeit ist. Die Befragten stamm(t)en aus unterschiedlichsten Berufen, eine Repräsentativität war aber nicht gegeben.6 Die Ergebnisse deuten das heute unter allen Erwerbstätigen anzutreffende hohe Ausmaß der Informatisierung von Arbeit im Sinne der Definition Kleemanns an (siehe Tabelle 1).7 Als wichtigstes technologisches Arbeitsmittel erweist sich in dieser Stichprobe das Internet. Internetbasierte Tätigkeiten wie das Versenden und Lesen von E-Mails, Online-Recherchen

5

Siehe hierzu Kapitel 7 „Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Stra-

6

Ziel dieser Online-Umfrage war es, die zentralen Ergebnisse aus dem qualitativen Stu-

tegien und Kompetenzen“. dienteil zu den Digicom-ArbeiterInnen mit einer größeren Untersuchungsgruppe zu vergleichen. Die methodischen Hintergründe der Online-Umfrage werden in Kapitel 4 „Forschungsdesign und Forschungsmethoden“ erläutert. 7

Die qualitativen Aspekte der Online-Umfrage werden in den Kapiteln 5, 6 und 7 beschrieben.

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oder die computergestützte Kalenderverwaltung werden in hohem Ausmaß durchgeführt. Die Mehrheit der Befragten nutzt diese Möglichkeiten täglich bzw. mehrmals täglich. Telefonieren stellt die häufigste mediale Aktivität dar. Werden mobile und Festnetztelefonie zusammengezählt, telefonieren alle Befragten zumindest einmal täglich; dabei liegt die Mobilkommunikation in der Nutzungsintensität vor der Festnetztelefonie. Instant Messenger, Online-Netzwerke sowie Telefon-, Video- und Onlinekonferenzen spielen eine deutlich geringere Rolle in der Mediennutzung der online Befragten.8 Sie werden von der Mehrzahl der ProbandInnen nie benutzt.

8

Dies stellt sich bei den interviewten Digicom-ArbeiterInnen anders dar, wie später noch gezeigt werden wird.

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Tabelle 1: Mediennutzung bei der Arbeit

nie

seltener als einmal pro Woche

täglich

täglich mehrmals

Telefonieren (Festnetz)

11,5

8,5

7,2

14,8

10,1

47,9

Telefonieren (Mobilkommunikation)

13,0

8,5

5,8

10,6

11,5

50,6

SMS schreiben

32,4

20,7

9,4

14,8

8,5

14,2

E-Mails lesen/senden

1,8

1,8

0,2

3,1

5,4

87,7

Faxe senden

33,1

45,6

4,9

7,2

2,0

7,2

Instant Messaging (z. B. Skype, ICQ)

54,4

21,1

5,2

6,5

4,3

8,5

Pflege von Online-Netzwerken (z. B. Xing, Facebook, GULP)

52,8

13,5

4,9

9,9

9,9

9

Telefonkonferenz/Audiokonferenz (ohne Bild)

58,2

28,8

7,0

4,7

0,4

0,9

Videokonferenz/Onlinekonferenz/ Life Meeting (mit Bild)

71,5

21,4

4,9

1,1

0,7

0,4

Onlinekonferenz/Life Meeting (mit Bild und Präsentation, z. B. Power Point)

72,4

19,1

4,3

3,1

0,4

0,7

Computergestützte Kalenderverwaltung (z. B. Outlook-Kalender, Doodle)

20,2

12,1

4,5

10,1

10,6

42,5

Etwas online recherchieren

2,7

2,2

1,3

14,2

15,1

64,5

Online lehren oder lernen (z. B. mit E-Learning-Programmen oder OnlineSeminaren)

38,3

25,4

9,2

11,9

5,8

9,4

Inhaltliches computergestütztes Arbeiten (z. B. Tabellen, Präsentationen etc. anfertigen)

6,3

8,8

4,5

17,5

15,7

47,2

Mit Personen, die räumlich entfernt sind, zeitgleich online an demselben Projekt arbeiten

38,4

23,6

7,0

13

6,3

11,7

Mediennutzung bei der Arbeit (N=445; Angaben in %)

einmal mehrpro Wo- mals pro che Woche

Die Frage nach dem geschätzten Anteil der durch Digitale Medien gestützten Arbeit zeigt ebengleich, wie hoch die Bedeutung von IuK-Technologien im Arbeitsalltag aller befragten Erwerbstätigen (geworden) ist (siehe Tabel-

2. M EDIATISIERUNG

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le 2). Acht von zehn Befragten (85 Prozent) gaben in dieser Stichprobe an, zumindest 50 Prozent ihrer Arbeit über Neue Medien abzuwickeln.9 Tabelle 2: Anteil der Arbeit mit IuK-Technologien Anteil der mit Hilfe von Neuen Medien abgewickelten Arbeit 10 Prozent 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Prozent Total

Häufigkeit

Prozent

13 12 22 19 39 46 76 89 88 41 445

2,9 2,7 4,9 4,3 8,8 10,3 17,1 20,0 19,8 9,2 100

In einem engen Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Informatisierungsschritt von Arbeit steht die „Virtualisierung von Arbeit“, welche mit der Nutzung des „Informationsraumes“ Internet einhergeht. Damit ist die zunehmende Verlagerung des Arbeitshandelns in virtuelle Kontexte gemeint.10 Arbeit existiert dabei losgelöst von physischen Gegenständen (mit

9

Wie in Kapitel 1 erläutert, wurde in der empirischen Forschung der alltagssprachliche Begriff „Neue Medien“ für Digitale Medien verwendet, weshalb dieser Terminus in den Tabellen und Grafiken beibehalten wurde. Im Fragebogen wurden Neue Medien definiert als Technologien, „mit deren Hilfe kommuniziert wird und Informationen verarbeitet werden. Beispiele dafür sind die Geräte Computer, Laptop, Notebook, Tablet-PC, iPad, Mobiltelefon, Smartphone oder Navigationsgeräte. Auch Anwendungen wie Internet, E-Mail, Social Networks, Chat, Instant-Messenger, Telefonkonferenzen und Videokonferenzen zählen dazu.“ (Der Fragebogen befindet sich im elektronischen Anhang, welcher unter der URL http://www.transcript-verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1.pdf downloadbar ist).

10 Die eigentliche Bedeutung des Wortes „virtuell“ verweist auf etwas dem Anschein nach Existierendes. „,Virtuell‘ bedeutet, daß alle wesentlichen Merkmale

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Ausnahme der Netzwerke, Leitungen und Endgeräte) in Form von Informations- und Kommunikationsströmen, welche in Computernetzen (meist Internet und Intranet) verarbeitet und transportiert werden. Entgegen der verbreiteten Auffassung eines Gegensatzes von Virtualität und Realität ist virtuelle Arbeit durchaus real. Auch wenn die Arbeit lediglich in Form von Bits und Bytes, in Form eines binären Codes existiert, so ist sie dennoch konkret fassbar (sei es als eine Datenbank, als ein elektronischer Brief oder als ein Online-Verkaufsportal) und hat konkrete Konsequenzen für die Offline-Realität.11 Indem virtuelle Arbeit über mobile, internetfähige Endgeräte abrufbar ist, kann diese auch ortsunabhängig erfolgen (vgl. Schröter/ Scherer 2010, S. 97). Relevant für den in dieser Studie u.a. verfolgten Raumfokus ist neben dem Mobilitätsgewinn durch mobile IuK-Technologien, dass mit der Virtualisierung von Arbeit neue Arbeitsräume entstehen: virtuelle Arbeitsräume.12 Die Arbeitspsychologen Erik Andriessen und Matti Vartiainen definieren diese als ÄInternet-based or intranet-based electronic working environment, in which documents, messages and images and even representations of people, i.e. avatars, are stored, exchanged, retrieved and worked. Virtual spaces are used for communication and collaboration.³ (Andriessen/Vartiainen 2006, S. 7).

Virtuelle Arbeitsräume sind charakterisiert durch hohe Flexibilität und Mobilität, das heißt, sie können auf einen Klick entstehen und genauso schnell wieder geschlossen werden. Auch ein gleichzeitiges Aufhalten in mehreren virtuellen Arbeitsräumen ist möglich und durchaus gängige Praxis. Zudem diffundieren virtuelle Arbeitsräume stets mit den jeweiligen Räumen der physischen Präsenz. Aus den Ergebnissen der gegenständlichen Studie lassen sich unterschiedliche Formen von virtuellen Arbeitsräumen der befragten Digicom-ArbeiterInnen extrahieren, welche der oben angeführten Defi-

eines Objekts vorhanden sind, außer dem Objekt an sich […]“ (Klotz 1997, S. 122). 11 Mehr dazu in Kapitel 3.1.1 „Virtueller Raum“. 12 Mehr zum virtuellen Raum in Kapitel 3.1.1.

2. M EDIATISIERUNG

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nition entsprechen: virtuelle Büros, virtuelle Kooperationsräume bis hin zu virtuellen Informations- und Lernräumen.13 Ein auf der Virtualisierung von Arbeit basierendes Phänomen sind virtuelle Organisationen. Nach Arnold Picot und Rahild Neuburger entstehen virtuelle Organisationen „durch die entweder faktisch-spontane oder auf formalen Verträgen basierende Vernetzung standortverteilter, ggf. auch mobiler Unternehmen, Organisationseinheiten oder Arbeitskräfte, die an einem koordinierten arbeitsteiligen Wertschöpfungsprozess beteiligt sind“ (Picot/Neuburger 2008, S. 222f; vgl. auch Vartiainen 2006, S. 21).

Hauptsächlich wird die Arbeit in virtuellen Organisationen mithilfe von IuK-Technologien organisiert. Dabei sind die KollaborateurInnen durch ein gemeinsames Ziel verbunden, auf das sie ihre Arbeit ausrichten. (Vgl. Vartiainen 2006, S. 21; Picot/Neuburger 2008, S. 223f). Durch ihre projektund aufgabenorientierte Beschaffenheit sind virtuelle Organisationsformen in der Lage, schneller und flexibler auf den Markt zu reagieren (vgl. Picot/Neuburger 2008, S. 223; Klotz 1997, S. 121f). Picot und Neuburger zählen zu virtuellen Organisationen virtuelle MitarbeiterInnen, virtuelle Teams und virtuelle Unternehmen (vgl. Picot/Neuburger 2008, S. 223).14 Im Zuge der gegenständlichen Studie konnte ich ein Interview mit einer Koordinatorin eines virtuellen Teams führen. Sie arbeitet gemeinsam mit ihrem Team, das sich an unterschiedlichen Standorten in Europa befindet, an Softwarelösungen. Die Zusammenarbeit wird überwiegend mittels Digi-

13 Mehr dazu in Kapitel 5 „Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten“. 14 Der Begriff des virtuellen Unternehmens bezeichnet ein flexibles und loses Beziehungsgeflecht von Firmen und ProfessionalistInnen, das darauf ausgerichtet ist, auf Nachfrage zu produzieren (vgl. Klotz 1997, S. 121f). Ein Beispiel ist etwa die Zentrale Intelligenz Agentur (ZIA), die ein Netzwerk von freiberuflich Tätigen darstellt (vgl. Friebe/Lobo 2006, S. 13f; siehe http://www.zentraleintelligenz-agentur.de). Geht es nach Karsten Gareis, Stefan Lilischkis und Alexander Mentrup, ist diese Form des Unternehmens jedoch in seiner reinen Form selten anzufinden; vielmehr vermischen sich virtuelle mit traditionellen Arbeitsstrukturen (vgl. Gareis/Lilischkis/Mentrup 2006, S. 45).

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taler Medien organisiert. Zusätzlich seien jedoch Face-to-Face-Treffen notwendig, wie die Koordinatorin betont, denn eine rein virtuelle Zusammenarbeit sei menschlich schwierig15: „Mein Arbeitsalltag ist leichter und angenehmer, je besser ich die Leute kenne, mit denen ich zusammenarbeite. Wenn ich die eh nur alle paar Monate sehe, dann nütze ich da jede Gelegenheit, die ich bekommen kann.“ (IV 02, 0759).16

2.2 F LEXIBILITÄT , M OBILITÄT , G LOBALE K OMMUNIKATION UND V ERNETZUNG Wenn Arbeit hauptsächlich aus Information und Kommunikation besteht, wie es in der gegenwärtigen Informations- und Wissensgesellschaft der Fall ist, wird sie damit auch stets verfügbar – über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg. Damit verbunden sind neue Formen von zeitlicher und örtlicher Flexibilität bzw. von Mobilität sowie eine neue Form der globalen Vernetzung, welche gleichzeitig auch Ausdruck einer global vernetzten Wirtschaft im Kapitalismus sind. Flexibilität und Mobilität „Flexibilität“ und „Mobilität“ sind sowohl im Feuilleton als auch in der Wissenschaft zu regelrechten Zauberwörtern geworden, mit denen die Ansprüche an die ArbeitnehmerInnen der Gegenwart gefasst werden sollen.17 Ein Beispiel dafür ist die Flexibilität von Arbeitszeiten. Aus einer in österreichischen Unternehmen durchgeführten Studie geht hervor, dass flexible Arbeitszeitmodelle bereits in den meisten Firmen Realität sind (vgl. Deloitte Human Capital 2012, S. 8). Für rund 70 Prozent der Unternehmen spielen Gleitzeitmodelle mit Kernarbeitszeit eine sehr große oder große Rolle; All-in-Verträge, welche sämtliche Überstunden inkludieren oder

15 Zur Bedeutung persönlicher Treffen siehe auch den Abschnitt „Globale Vernetzung und Kommunikation“ in Kapitel 2.2. 16 Zitate aus den Interviews werden mit der Interviewnummer (01-20) sowie der Absatznummer aus der Interviewabschrift angegeben. 17 Bezüglich der Flexibilität von Arbeitsmärkten und Beschäftigungsformen, welche sich in steigenden Raten von (prekärer) Teilzeit- und Leiharbeitsbeschäftigung zeigt, sei auf Manuell Castells (1996, S. 264-272) verwiesen.

2. M EDIATISIERUNG

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Überstundenpauschalen vorsehen, haben für über 60 Prozent der Unternehmen eine große oder sehr große Bedeutung. (Vgl. ebd.). Eine auf Deutschland bezogene Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Zapf 2012) belegt zudem einen starken prozentualen Anstieg (von 25 Prozent im Jahr 1991 auf 51 Prozent im Jahr 2010) an Beschäftigten mit Arbeitszeitkonto (gemeint sind Gleitzeit- und Überstundenkonten sowie Ansparungsmodelle) im Zeitraum der zwei letzten Jahrzehnte. Auch räumlich flexibles Arbeiten ist der Studie von Deloitte Human Capital folgend für österreichische Unternehmen von Bedeutung, wenngleich in geringerem Ausmaß als die zeitliche Flexibilität. 2012 arbeiten in über 35 Prozent der Unternehmen MitarbeiterInnen in regelmäßigen Abständen von unterwegs bzw. in geografisch verstreuten virtuellen Teams (vgl. Deloitte Human Capital 2012, S. 12). Die Ergebnisse der gegenständlichen Studie „Mediatisierung von Arbeit“ untermauern diese Befunde. Rund drei Viertel der mittels OnlineUmfrage (N=445) befragten Erwerbstätigen arbeiten entweder nach einem Gleitzeitmodell mit Kernarbeitszeiten oder sogar ohne Kernarbeitszeiten.18 Ebenso zeigte sich in der Interviewstudie, dass die meisten der 20 interviewten Digicom-ArbeiterInnen über einen gewissen Freiraum in der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten verfügen. Zudem sind sie räumlich flexibel, sei es durch unterschiedliche Formen der Telearbeit, berufliche Reisetätigkeit oder frei wählbare Arbeitsorte. Bei den Befragten der Online-Umfrage spielt die räumliche Flexibilität eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.19 Zentral ist jedoch, dass sowohl zeitliche als auch räumliche Flexibilität durch die Nutzung von mobilen Medien gefördert wird. Die folgenden theoretischen Ausführungen fokussieren deshalb auf Flexibilisierung durch Digitale Medien in zeitlicher und räumlicher Hinsicht, konkret auf die Flexibilität von Arbeitszeiten und -orten.20

18 Siehe Tabelle 7 in Kapitel 4 „Forschungsdesign und Forschungsmethoden“. 19 Mehr dazu in Kapitel 5 „Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten“. 20 Die Ergebnisse aus der oben genannten Studie zu flexiblem Arbeiten in österreichischen Unternehmen untermauern diese Fokussierung. Demnach sind die wichtigsten Aspekte flexibler Arbeitsgestaltung die Arbeitszeiten und -orte (vgl. Deloitte Human Capital 2012, S. 4).

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Digitale Medien sind die „Enabler“, „Facilitator“ und „Supporter“ mobiler Arbeit (vgl. Gareis/Lilischkis/Mentrup 2006, S. 50f). Sie ermöglichen eine beschleunigte und effizientere Datenverarbeitung, Zeitersparnis21, Ortsunabhängigkeit, rasche Informationsgewinnung, Gewichtsreduktion (bezogen auf das Arbeitsmaterial) und eine Reduktion von Kosten (vgl. ebd.). Mobilität kann deshalb auch im Sinne einer „Electronic Mobility“ verstanden werden als die Mobilität von technischen Medien und ihre Bedeutung für die Arbeit (vgl. Rump/Eilers 2010, S. 56). Die Ergebnisse einer aktuellen BITKOM-Studie unterstreichen die Relevanz der „Electronic Mobility“.22 Demnach nutzen acht von zehn Erwerbstätigen mobile Geräte (Notebook, Tablet PC, Smartphone, Mobiltelefon) für ihre tägliche Arbeit (vgl. BITKOM 2013, S. 7). In Berufsgruppen mit hoher Reisetätigkeit bzw. ohne festem Arbeitsort (z.B. in Branchen mit hohem KundInnenkontakt, in der Medien- und IT-Branche) stellt mobile Arbeit sogar den Normalfall der Arbeit dar (vgl. Huber/Hirschfelder 2004, S. 11). Birgit Huber und Gunther Hirschfelder (2004, S. 11) sprechen in diesem Zusammenhang von „translokale[r] Arbeit“. Mobil Arbeitende entwickeln Strategien, um den Herausforderungen flexibler Arbeitszeiten und Arbeitsorte zu begegnen (vgl. Felstead/Jewson/ Walters 2005, S. 136-175; Kesselring/Vogl 2010). Dabei handelt es sich vor allem um sorgfältige Planungsarbeit. Reiserouten werden gut gewählt, Verspätungen einkalkuliert; welche Dokumente und Arbeitsmittel jeweils mitgenommen werden, wird pragmatisch abgewogen (vgl. Felstead/Jewson/ Walters 2005, S. 144; S. 146; S. 148). Da das Arbeiten unterwegs auch an öffentlichen Plätzen stattfindet (z.B. im Flugzeug oder am Bahnhof), werden Möglichkeiten gesucht, sich einen möglichst ungestörten Arbeitsplatz zu verschaffen (vgl. ebd., S. 149ff). Insgesamt wird Arbeit strategisch geplant nach dem Aspekt, welche Tätigkeiten für welche örtlichen Bedingungen geeignet sind. Alan Felstead, Nick Jewson und Sally Walters nennen dies treffend „placing work“ (ebd., S. 154). Strategisches und prag-

21 Gleichzeitig scheint die eingesparte Zeit sofort wieder verplant oder genützt zu werden. Mehr dazu in Kapitel 3.2.3 „Beschleunigung – Zeitnot – Multitasking“. 22 BITKOM steht für den „Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.“ mit Sitz in Berlin. Die Stichprobe umfasst 505 Erwerbstätige in Deutschland im Alter von 16 bis 65 Jahren (vgl. BITKOM 2013, S. 33).

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matisches, den wechselnden Umständen angepasstes sowie antizipierendes Handeln ist also in flexiblen Arbeitszusammenhängen von großer Bedeutung (vgl. ebd., S. 173).23 Auf die Herausforderungen und Risiken der erhöhten Mobilität von Menschen weist die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel hin, indem sie auf die zweifache Bedeutung des lateinischen Adjektivs „mobilis“ rekurriert. Es meint einerseits „beweglich“, andererseits „unbeständig“. Der Mensch benötige aber, so Meckel, Beständigkeit zur Orientierung und für die eigene Identität, was dem Gedanken der permanenten Mobilität widerspricht. (Vgl. Meckel 2007, S. 146; vgl. auch Sennett 2006, S. 36f).24 Eine weitere Herausforderung für flexible Arbeitsformen ist der erhöhte Bedarf an subjektiven Leistungen (Koordinationsaufwand, Selbstdisziplin und -verantwortung) auf Seiten der Arbeitenden.25 Zudem verursachen die Unbestimmtheiten in der Arbeitswelt beträchtliche Verunsicherungen bei den ArbeitnehmerInnen, die sich in psychosozialen Störungen wie Stress und Burnout oder in Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, des Magen-Darmtraktes oder des Bewegungsapparates niederschlagen. Die Schattenseiten der Flexibilisierung sind auch Thema in Richard Sennetts Fallstudien zum „flexiblen Menschen“ (Sennett 2006). Er verweist auf die frühere Bedeutung des Wortes „job“, das im England des 14. Jahrhunderts einen Klumpen bezeichnete, den man herumschieben konnte. „Die Menschen verrichten Arbeiten wie Klumpen, mal hier, mal da“ (ebd., S. 10), charakterisiert er die Arbeitsverhältnisse des flexiblen Kapitalismus. Unter der Prämisse des „Nichts Langfristigen“ (ebd., S. 25), wie es beispielsweise für internationale Management-Karrieren gilt, könne der Mensch keine durchhaltbare Lebenserzählung formen (vgl. ebd., S. 37). Dies gefährdet Sennett zufolge den Charakter, wie schon der Originalbuchtitel „Corrosion of Character“ (1998) suggeriert.

23 Diese Kompetenzen sind auch für die befragten Digicom-ArbeiterInnen relevant. Mehr dazu in Kapitel 7 „Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Strategien und Kompetenzen“. 24 Eng gekoppelt an die Electronic Mobility gilt es auch, den durch mobile Medien zumindest potenziell gegebenen, permanenten Zugriff auf die Person zu problematisieren. Mehr dazu in Kapitel 2.4 „Entgrenzung von Lebensbereichen“. 25 Siehe hierzu auch das Kapitel 2.3 „Subjektivierung, Standardisierung“.

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Herausforderungen birgt auch eine spezielle Form mobiler Arbeit, die Telearbeit. Diese wissenschaftlich hoch beachtete Form der Arbeit26 ist, Frank Kleemann folgend, zu verstehen als „informationstechnisch vermittelte Informationsarbeit in räumlicher Distanz zum Betrieb“ (Klemann 2000, S. 5; vgl. auch Büssing 2001, S. 89). Heimarbeit, so Kleemann (2004, S. 291), habe es schon in der Vormoderne gegeben. Teleheimarbeit27 sei insofern neu, als auch im Fall von vormals an Betriebe gebundener Arbeit ein Tätigsein von der Wohnstätte aus möglich ist. Voraussetzung ist die Verwendung von IuK-Technologien, welche den Kontakt zum Betrieb gewährleisten. (Vgl. ebd.). Wechselt der Arbeitsort zwischen Betrieb und außerbetrieblichen Orten, handelt es sich André Büssing zufolge um „alternierende[r] Telearbeit“ (Büssing 2001, S. 89, Hv. i. O.). Wie verbreitet diese Arbeitsform ist, zeigt die bereits erwähnte BITKOM-Studie, wonach in Deutschland fast jede/r zweite Erwerbstätige zumindest manchmal von zuhause aus arbeitet (vgl. BITKOM 2013, S. 9). Von den TeilnehmerInnen der Online-Umfrage zur gegenständlichen Studie „Mediatisierung von Arbeit“ geben knapp 40 Prozent an, sich zuhause ein Büro eingerichtet zu haben, von wo aus sie zumindest teilweise arbeiten.28 Die Interviews mit den Digicom-ArbeiterInnen ließen darüber hinaus ein weiteres häufig auftretendes Phänomen erkennen: Personen, die Vollzeit in einem Betrieb arbeiten, nehmen sich nach Dienstschluss noch Arbeit

26 „It is often jokingly remarked that there are more people researching the teleworking phenomenon than there are actual teleworkers.“ (Webster 2000, S. 133). 27 Kleemann spricht im Gegensatz zur Telearbeit von „Teleheimarbeit“ um zu betonen, dass es sich in dem von ihm untersuchten Konzept um Arbeiten handelt, „bei denen die Arbeitstätigkeit unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zumindest anteilig an einem Arbeitsplatz in der Privatwohnung der Erwerbstätigen verrichtet wird“ (Kleemann 2004, S. 290). 28 Herangezogen wurden jeweils die Ausprägungen 4 und 5 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu). Die detaillierten Umfrageergebnisse sind im elektronischen Anhang, downloadbar unter http://www.trans cript-verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1.pdf, dargestellt.

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mit nach Hause. Ich schlage für diese Art der Arbeit den Begriff „komplementäre Telearbeit“ vor.29 Die Herausforderungen der Telearbeit betreffen sowohl die Arbeitenden als auch die Unternehmen. Wolfgang Burr (1997, S. 148) gibt etwa zu bedenken, dass sich in Zusammenhang mit Telearbeit die traditionellen Anreiz- und Entlohnungssysteme am Arbeitsplatz ändern müssen. So könne die Präsenz am Arbeitsplatz, die „Face time“, nicht mehr als Gradmesser der Arbeitsleistung herangezogen werden. Vielmehr rücken die Arbeitsergebnisse in den Mittelpunkt (vgl. ebd., S. 149). Zielvereinbarungen („Management by objectives“) dienen der Kontrolle von Erreichtem (vgl. Büssing 2001, S. 91; Kleemann 2000, S. 6). Rigidere Formen der Kontrolle sind Datenzugriffe in Form des Scannens von E-Mails oder Tracking (Nachverfolgen von besuchten Internetseiten) (vgl. Pfeiffer 2001, S. 242). Transparente Arbeitsleistungen sind jedoch auch für die MitarbeiterInnen selbst von Interesse. So ist es in stark virtualisierten Arbeitszusammenhängen wichtig, über virtuell sichtbare Tools ein „being busy“ zu demonstrieren, wie Michaela Goll (2008, S. 230) in ihrer Studie zur Telearbeit herausfand (vgl. auch Gregg 2011, S. 42). Hierfür werden Arbeitsergebnisse via E-Mail oder in Diskussionslisten bzw. dem Intranet verbreitet. Auch tragen Gruppenkalender zur Transparenz des Workflows bei. (Vgl. ebd.). Die reduzierten persönlichen Kommunikationsmöglichkeiten bei Telearbeit können durch die Installation von Jour-fixe, also regelmäßig stattfindende Präsenztreffen, ausgeglichen werden (vgl. Kleemann 2000, S. 5f). Schwer zu ersetzen sei in Telearbeitszusammenhängen die sogenannte „halbformelle Kommunikation“ (ebd., S. 6). Kleemann meint damit informelle Gespräche, die auch relevante Informationen für das Gelingen und Funktionieren der (Zusammen-)Arbeit enthalten. Dies ist etwa der Fall, wenn sich KollegInnen bei einer Kaffeepause über ihre Urlaubsgestaltung unterhalten und dabei bemerken, dass die Vertretungsstrukturen noch nicht organisiert wurden.

29 Telearbeit ist v.a. hinsichtlich der Analysekategorie Gender diskussionswürdig, weshalb in Kapitel 2.6 „Exkurs: Arbeit und Geschlechtsrollenstereotype im Aufbruch?“ näher darauf eingegangen wird.

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Globale Vernetzung und Kommunikation Eng gekoppelt an die Nutzung von raum- und zeitüberwindenden IuKTechnologien ist die Entwicklung der globalen Vernetzung als Resultat und Ausdruck von globaler Kommunikation. Märkte haben sich weltweit vernetzt. Nicht nur die Vertriebswege sind international geworden, sondern auch die Produktion der Güter. Zusätzlich sind völlig neue Geschäftsmodelle entstanden, welche auf technologischer Vernetzung und der Leistungskraft des Kollektivs basieren, wie etwa Crowdsourcing oder -funding. Umgekehrt hat der aus zunehmender wirtschaftlicher Konkurrenz resultierende Bedarf nach vernetzten Organisationsarchitekturen die Verbreitung der Technologien befördert (vgl. Castells 1996, S. 170). Globalisierung und (Medien-)Kommunikation stehen in enger Reziprozität zueinander. Friedrich Krotz sieht Mediatisierung als „wichtige Voraussetzung für Globalisierung“ (Krotz 2006, S. 64), und Miriam Meckel diagnostiziert: „Globalisierung war und ist Kommunikation“ (Meckel 2001, S. 18). Sie bezeichnet Kommunikation als „Managementfunktion der internetbasierten Gesellschaft und ihrer [globalen, C. R.-E.] Wirtschaftsprozesse“ (ebd., S. 109).30 Für die gegenständliche Studie ist insbesondere das Verhältnis zwischen Globalisierung und Territorialität bzw. Lokalität relevant. Andreas Hepp bringt in diesem Zusammenhang das Konzept der „complex connectivity“ von John Tomlinson (1999, S. 1; zit. n. Hepp 2002, S. 868) ins Spiel. Demnach könne durch Konnektivität Nähe entstehen, dies sei jedoch nicht zwangsläufig der Fall (vgl. ebd.). Das so oft bemühte Bild des globalen Dorfes entspricht laut Hepp (2002, S. 869) der Globalisierung von Medienkommunikation nicht. Er bevorzuge das Bild eines Netzwerkes: Erstens löst sich das Lokale in der globalen Medienkommunikation nicht auf, sondern es verändert sich lediglich, indem Beziehungen zwischen Lokalitäten entstehen. Zweitens erfolgt keine kulturelle Homogenisierung, sondern Differenzen bleiben erhalten. Drittens ist die Globalisierung von Medienkommunikation durch Ungleichheiten gekennzeichnet. (Vgl. ebd., S. 870). Hepp schließt sich dem Konzept der Deterritorialisierung nach Néstor

30 Die Globalisierung begann in Ansätzen, wie Meckel ausführt, bereits mit dem Aufkommen des Kapitalismus im 16. Jahrhundert. Durch die Dampfmaschine und später die digitalen Technologien erfuhr diese Entwicklung bedeutende Beschleunigungsschübe. (Vgl. Meckel 2001, S. 16f).

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García Canclini (1995, S. 229; zit. n. ebd.) an und stellt für die globalisierte Medienkommunikation eine „kommunikative Deterritorialisierung“ fest (vgl. Hepp 2002, S. 871), die der Netzwerksymbolik entspricht. Räumliche Bezüge haben sich mit der Nutzung von IuK-Technologien demzufolge verändert, Grenzen zwischen Innen und Außen sich verschoben.31 Doch: „Medienkommunikation, auch wenn sie im globalen Kontext erfolgt, löst nicht einfach Lokalität in Virtualität auf, vielmehr schafft sie neue, translokale Kommunikationsbeziehungen.“ (Ebd., S. 874).32 Ebenfalls der Netzwerkmetapher bedient sich der Soziologe Manuel Castells, wenn er das Leitmodell der globalen Wirtschaft im Informationszeitalter als Netzwerkunternehmen („network enterprises“) beschreibt (vgl. Castells 1996, S. 171). Er versteht darunter „that specific form of enterprise whose system of means is constituted by the intersection of segments of autonomous systems of goals³ (ebd., i. O. hvgh.). Netzwerkunternehmen passen sich den flexiblen Strukturen der globalen Wirtschaft und des Marktes an, und sie produzieren Innovationen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen (vgl. ebd., S. 171f). Es handelt sich dabei jedoch weder um vernetzte Unternehmen noch um ein Netzwerk von Unternehmen, sondern „um ein schlankes Arrangement von Wirtschaftsaktivitäten, das um spezifische Unternehmensprojekte herum entsteht und von Netzwerken unterschiedlicher Zusammensetzung und Herkunft verwirklicht wird“ (Castells 2005, S. 78). Als Beispiel eines solchen Netzwerkunternehmens nennt Castells (ebd., S. 79f) die IT-Firma Cisco Systems, welche auf einem sowohl für LieferantInnen als auch für KundInnen offenen virtuellen Netzwerk basiert. IuK-Technologien sind wesentliche Voraussetzungen von Netzwerkunternehmen in der Definition Castells, aber auch in anderen vernetzten Unternehmensformen wie z.B. multinationalen oder globalen Unternehmenskonzernen. Sie „ermöglichen zu gleicher Zeit eine Dezentralisierung der

31 Mehr dazu in Kapitel 5.1 „Raum im Kontext von Digicom-Arbeit“. 32 Dass die Globalisierung von Kommunikation auch alternative Öffentlichkeiten hervorbringt, welche abseits des hegemonialen neoliberalen Diskurses entstehen oder diesem entgegenstehen, wird an Beispielen des politischen, „transnationalen Aktivismus“ (Winter 2013, S. 284) in digitalen Netzwerken erkennbar, wie etwa im Zuge der Arabischen Revolution (vgl. Schachtner 2012a; Winter 2012) oder am Beispiel von globalisierungskritischen Gruppierungen (z.B. „Attac“ oder „AVAAZ.org – Die Welt in Aktion“) (vgl. Klaus/Drüeke 2012, S. 64).

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Arbeitsaufgaben und deren Koordination in Interaktionsnetzwerken in Realzeit, sei es über Kontinente, sei es über Flure hinweg“ (Beck 2007, S. 89). Calvert Jones und Patricia Wallace unterstreichen vor allem die Bedeutung mobiler Kommunikationstechnologien für die Bildung von vernetzten Organisationen. Als „key features of the global communications infrastructure“ (Jones/Wallace 2007, S. 162) erleichtern sie Partizipation sowie den Austausch von Ressourcen und bieten niedrigschwellige Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation (vgl. ebd., S. 168). Voraussetzung dafür ist, dass Arbeit in der Informationsgesellschaft durch moderne Informationstechnologien zu virtueller Arbeit, zu Information wird, welche problemlos transportierbar und damit global verfügbar ist (vgl. Bernhardt/ Ruhmann 1997, S. 19f): „Dank der IT werden aus vielen Arbeiten Commodities, also Gebrauchsgüter, die auf dem Markt angeboten und nachgefragt werden können.“ (Ebd., S. 20). Dies ermöglicht die Auslagerung von Arbeiten (wie beispielsweise der Lohnverrechnung) oder Abteilungen, wie es oft bei IT-Abteilungen der Fall ist (vgl. ebd., S. 19).33 Arbeit in transnationalen Unternehmen und/oder Arbeitsbeziehungen stellt besondere Anforderungen an die Kommunikation. So müssen beispielsweise Sprachbarrieren überwunden werden. Die Verwendung von Englisch als Lingua Franca in globalen Wirtschaftszusammenhängen hilft, diese Barrieren zu minimieren (vgl. Meckel 2001, S. 21).34 Eine weitere Herausforderung bringt interkulturelle Kommunikation mit sich. Während

33 Damit verbunden ist ein globaler Wettbewerb, der nicht zuletzt auch von den Lohnkosten eines Landes abhängt und in die Auslagerung von Tätigkeiten bzw. Produktionssektoren in Billiglohnländer mündet (vgl. Bernhardt/Ruhmann 1997, S. 20). 34 Zwar bedeutet dies nicht, dass alle an der globalen Kommunikation Partizipierenden über flüssige Sprachkenntnisse in Englisch verfügen, dennoch ist eine Verständigung möglich. Mithilfe von Icons wie Smilies kann die Verständlichkeit der Botschaft auch bei unzureichenden Sprachkenntnissen erhöht werden, wie ein 41-jähriger Unternehmer im Interview zur gegenständlichen Studie darlegte (vgl. IV 04, 400). Zudem bestätigten mehrere InterviewpartnerInnen, die interkulturelle Kontakte pflegen, dass sie schriftliche Kommunikation (vorwiegend via E-Mail) der mündlichen vorziehen, da zum einen Verständigungsprobleme schriftlich besser kompensiert werden könnten, zum anderen aber auch um die Verbindlichkeit von Nachrichten zu erhöhen.

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schon innerhalb einer Kultur unterschiedlichste Regeln und Konventionen der Verständigung, auch im Bereich digitaler Kommunikation, existieren, kommen bei transnationaler Kommunikation interkulturelle Differenzen erschwerend hinzu.35 Kommunikation in diesen heterogenen Zusammenhängen erfordert auf der Subjektseite eine offene Haltung: heterologisches Denken, das ein Hineinversetzen in das Gegenüber ermöglicht, und transversales Denken, das andere Standpunkte zulässt (vgl. Schachtner 2012b, S. 91). Ein weiterer Aspekt ist jener der informellen Kommunikation (der kurze Plausch am Kopierer, die gemeinsame Mittagspause und andere Formen der Beziehungspflege). Diese Form des Austauschs ist für das Klima in Unternehmen und die Zusammenarbeit hoch relevant, entfällt aber bei ausschließlich digitaler Kommunikation weitestgehend (vgl. Goll 2004, S. 56). Die Arbeitssoziologin Michaela Goll untersuchte anhand einer Fallstudie zur beruflichen Kommunikation in einem vernetzten Unternehmen u.a., wie durch technisch vermittelte Kommunikation Beziehungen am Arbeitsplatz gepflegt werden (vgl. ebd.; 2008, S. 223).36 Ihre Ergebnisse zeigen, dass dem Austausch offline eine große Bedeutung in der Beziehungspflege zukommt:37 „Die MitarbeiterInnen […] verbindet nicht nur ein reger informeller Austausch über das elektronische Netzwerk, sondern über alle Kommunikationsmedien und -formen

35 Die Erzählung einer 25-jährigen Projektmanagerin im Interview zu gegenständlicher Studie beweist, dass sie über diese Kompetenzen verfügt: Bei Vereinbarungen mit internationalen VertragspartnerInnen berücksichtigt sie die Pünktlichkeitsnormen in unterschiedlichen Ländern, um zum richtigen Zeitpunkt das Gewünschte zu bekommen (vgl. IV 05, 556-560). 36 Goll hat mehr als ein Jahr lang selbst in dem Unternehmen (einer IT-Consultingfirma mit zwölf MitarbeiterInnen) mitgearbeitet und während dieser Zeit unterschiedlichste Daten gesammelt, von Logfiles aus dem Gruppenprogramm über Videoaufnahmen bis hin zu HTML-Seiten aus dem Intranet und Forschungsnotizen. Ihr methodisches Vorgehen orientierte sich dabei an den ethnographischen „studies of work“. (Vgl. Goll 2004, S. 56f). 37 Die in Kapitel 2.1 erwähnte Episode aus einem Interview mit einer Produktmanagerin korrespondiert mit diesem Befund. Darin ging es um ein virtuelles Team, das regelmäßig persönliche Zusammentreffen pflegt, um die Zusammenarbeit zu verbessern.

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hinweg.38 Eine Stärkung der sozialen Bande erfolgt dabei vor allem durch eine intensive Nutzung der wenigen Face-to-Face-Begegnungen. Auffällig ist dabei vor allem der gezielte und organisierte Rückgriff auf die klassische Form der geselligen Face-to-Face-Zusammenkunft.“ (Goll 2004, S. 83).39

Die Studienergebnisse von Martin Heidenreich, Brigitte Kirch und Jannika Mattes (2008) ähneln jenen von Goll. Sie führten zu einem internationalen Projekt im Bereich der Softwareerstellung 13 Leitfadeninterviews mit am Projekt Beteiligten und kamen zu dem Ergebnis, dass für den Aufbau von Vertrauen zunächst die persönliche Interaktion face-to-face wichtig ist (vgl. Heidenreich/Kirch/Mattes 2008, S. 212; vgl. auch Kesselring/Vogl 2010, S. 78; Picot/Neuburger 2008, S. 236; Will-Zocholl 2012, S. 46). Später könne auch über IuK-Technologien kommuniziert werden, denn dann könne man „auch über Entfernungen besser einschätzen, in welchem Kontext man die übermittelten Informationen interpretieren muss“ (Heidenreich/ Kirch/Mattes 2008, S. 212). Der persönliche Kontakt helfe so, Prozesse zu beschleunigen (vgl. ebd.).40 Wie aus den zitierten Studien hervorgeht und anknüpfend an Hepps Überlegungen zu „translokale[n] Kommunikationsbeziehungen“ (Hepp 2002, S. 874), hat das Lokale auch im Zeitalter der Globalisierung und grenzüberschreitenden Kommunikation in Echtzeit nichts an Bedeutung verloren.

38 Dazu gehören auch Scherz-Emails, die in ritualisierter Form meist von einem der Gesellschafter verschickt werden, um die MitarbeiterInnen zu belohnen und den Arbeitsalltag aufzulockern (vgl. Goll 2008, S. 242ff). 39 Goll meint mit „klassisch“ Zusammenkünfte bei gemeinsamen Mittagessen, bei Firmenmeetings, gesellige Rahmenaktivitäten bei gemeinsamen Workshops usw. 40 Siehe hierzu die Ergebnisse in Kapitel 6.2.1 „Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation“.

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2.3 S UBJEKTIVIERUNG , S TANDARDISIERUNG Der Wandel von Arbeit ist flankiert von Ambivalenzen und Paradoxien41 (vgl. Kratzer 2003, S. 16).42 Eine dieser Paradoxien betrifft im Prozess der Mediatisierung von Arbeit das „Gegensatzpaar“ Subjektivierung und Standardisierung, das in der Praxis jedoch gar keines ist. Fritz Böhle (2003) folgend, sind subjektivierende und objektivierende Ansprüche und Praktiken als miteinander verschränkt zu begreifen. Wenn Beschäftigte ihr subjektiviertes (selbstgesteuertes) Handeln entlang betrieblich-rationeller Bedingungen und Notwendigkeiten ausrichten, gehen Subjektivierung und Standardisierung43 Hand in Hand (vgl. ebd., S. 120): „Die Subjektivierung von Arbeit geht […] einher mit einer neuen Stufe der Rationalisierung, die auf eine ‚Objektivierungµ des arbeitsorganisatorisch freigesetzten Arbeitshandelns abzielt. Ins Zentrum rückt damit die autonome, eigenverantwortliche Selbststeuerung und -regulierung der Arbeitstätigkeit nach den Prinzipien rationalen Handelns.“ (Ebd., S. 128, i. O. hvgh.).

Speziell die Arbeit mit IuK-Technologien erfordert die Verbindung rationell-objektivierenden und subjektiven Handelns (vgl. ebd., S. 133; vgl. auch Kleemann/Matuschek/Voß 2002, S. 61). Beispiele für eine rationellobjektivierende Betriebslogik sind Wissensmanagementsysteme und Standardsoftwaresysteme wie SAP, die Arbeitsschritte nachvollziehbar und kontrollierbar machen. Sie besitzen eine vorgegebene Struktur, die bei Systemeingaben keine Abweichungen von der Formularstruktur erlaubt. Die Beschäftigten müssen über subjektive und interpretierende Fähigkeiten ver-

41 Mit dem Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin (2005, S. 32) können Paradoxien verstanden werden als Widersprüche, welche mit logischen Mitteln nicht aufzulösen sind. 42 Dass diese Ambivalenzen keineswegs nur für die Erwerbsarbeit gelten, sondern für die gesamte Bandbreite der Lebensführung zeigen etwa die Forschungsergebnisse der Projektgruppe „Alltägliche Lebensführung“ (vgl. Kudera 1995, S. 11). 43 Das von Fritz Böhle als „Objektivierung“ bezeichnete Phänomen bezeichne ich als Standardisierung, um mit der Vereinheitlichung von Prozessen jene Ausprägung des Phänomens zu betonen, welche insbesondere in Zusammenhang mit der Nutzung von IuK-Technologien auftritt.

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fügen, um ihre subjektiven Leistungen für derart standardisierte Systeme zu übersetzen (vgl. Böhle 2003, S. 135) und um neue Unbestimmtheiten auszugleichen (vgl. Hartmann-Mühlisch 2004, S. 147; Kleemann/Matuschek/ Voß 2002, S. 62). So sind Dateiverwaltung und -organisation auf Computern Tätigkeiten, die kaum gelernt oder beigebracht werden können, sondern sie erfordern individuelle Lösungen und Strategien. IuK-Technologien sind, indem sie Informationen in vereinheitlichten Prozessen verarbeiten, klare, unabweichliche Handlungsstrukturen vorgeben und rationelles Vorgehen sowie die Nachvollziehbarkeit von Arbeitsleistungen ermöglichen, folglich Medien der Standardisierung. Zugleich sind sie Medien der Subjektivierung aus folgenden Gründen: •



Erstens erfordern sie erhöhte subjektive Leistungen, um abstrakte Arbeit zu bewältigen (vgl. Kleemann 2000, S. 2), um mit Unvorhersehbarkeiten umzugehen und sich immer wieder auf technologische Neuerungen einzustellen. Zweitens handelt es sich dabei zumeist um persönliche Geräte mit personalisierten Einstellungen und Anwendungen, welche nicht ohne weiteres von anderen Personen genutzt werden können. PC, Smartphone und EMail sind weniger als Arbeitsinstrumente, denn als persönliche Assistenten zu verstehen.44

44 Ein Beispiel dazu liefert eine 40-jährige Projektmanagerin aus der Baubranche im Interview zu gegenständlicher Studie. Sie erzählte, dass sie auch in der Freizeit, z.B. im Urlaub für ihre Firma erreichbar ist. Wenn ihr Chef Pläne braucht, kontaktiert er sie, weil sie den alleinigen Überblick über die Dateistrukturen hat. Sie kann dann – wo immer sie sich auch befindet (Internetverbindung jedoch vorausgesetzt) – von ihrem Laptop aus auf ihren Firmen-PC und sämtliche Drucker via Remote Control zugreifen und ihm die Pläne ausdrucken. Ohne mobile Kommunikationstechnologie müssten die Arbeitsprozesse in der Firma anders organisiert werden, z.B. Vertretungsstrukturen eingerichtet werden, um das Alltagsgeschäft auch während ihrer Abwesenheit aufrechterhalten zu können. (Vgl. IV 15, 130). Remote Control ist ein softwarebasiertes Anwendungsprinzip ähnlich einer Fernsteuerung, das es erlaubt, mittels aufrechter Netzwerkverbindung von einem beliebigen Computerarbeitsplatz auf einen anderen (eingeschalteten) Computer zuzugreifen und diesen zu bedienen. Eine gebräuchliche Software ist z.B. TeamViewer.

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Drittens handelt es sich bei den digitalen Technologien vorwiegend um Technologien der Kommunikation, und da Kommunikation „immer uneindeutig“ sei, erfordere sie Erfahrungswissen und subjektive Interpretationen (vgl. Schönberger/Springer 2003, S. 11). „Information ohne Wissen bleibt Unsinn“, spitzen es Christian Schilcher und Janis Diekmann (2012, S. 30) treffend zu. Dies gilt vor allem für internetbasierte Informationen, die in Hypertextstruktur vorliegen und schon in ihrer besonderen, nicht-linearen Form der Anordnung subjektive Leistungen des „Lesens“ oder des Zusammenstellens des individuellen Informations-Mix erfordern (vgl. Meckel 2001, S. 139).

Subjektivierung von Arbeit ist mit Frank Kleemann, Ingo Matuschek und Günter Voß (2002, S. 53) als doppelseitiger Prozess zu verstehen, bei dem einerseits Individuen von sich aus vermehrt subjektive Leistungen erbringen (der eigenen Selbstentfaltung willen), sie andererseits von ihren ArbeitgeberInnen verstärkt in ihrer gesamten Leistungskraft gebunden werden (vgl. ebd., S. 58; Kleemann/Voß 2010, S. 434; Schönberger/Springer 2003, S. 11). Das Subjekt mit seinen Talenten, Ressourcen und Qualifikationen rückt also in den Vordergrund der Arbeitsprozesse.45 „Hierzu zählen beispielsweise Innovativität, Kreativität, Loyalität oder volle Einsatzbereitschaft; aber auch die implizite Expertise, die Arbeitskräfte über ihre [sic!] jeweiliges Aufgabengebiet besitzen.“ (Schönberger/Springer 2003, S. 11). Der Grad der Subjektivierung bzw. Standardisierung hängt, Kleemann, Matuschek und Voß (2002, S. 64) folgend, tendenziell von der Art der Tätigkeit ab. So seien gering- bis mittelqualifizierte Tätigkeiten eher von einer starken Strukturiertheit und Regelhaftigkeit bei der Nutzung von Computerprogrammen und Kommunikationsmedien begleitet, die auch Überwachungs-, Steuerungs- und Kontrollmechanismen einschließen. Dies ist etwa

45 Dies ist vor allem in Abgrenzung zur wissenschaftlichen Betriebsführung im Taylorismus zu interpretieren – als die „Rücknahme der Transformation von Arbeitskräften in ein ‚Objekt‘ betrieblicher Verfügung und ihre Anerkennung als ‚Subjekt‘“ (Böhle 2003, S. 118f; vgl. auch Schönberger/Springer 2003, S. 7). Während Subjektivität im Taylorismus als produktivitätshemmend wahrgenommen wurde, ist nun das Gegenteil der Fall (vgl. Michalitsch 2006, S. 96).

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bei der Call-Center-Arbeit der Fall.46 Mit Ingo Schulz-Schaeffer und Christiane Funken (2008, S. 38) gesprochen, hängen die MitarbeiterInnen in Strukturen starker informatisierter Steuerung und Kontrolle an der „‚elektronische[n] Leineµ“ (siehe auch Picot/Neuburger 2008, S. 233) oder, wie es Matthias Karmasin formuliert, an der „digitale[n] Nabelschnur“ (Karmasin 2005, S. 93).47 Mittelqualifizierte Tätigkeiten erfolgen zwar tendenziell ebenfalls nach Verfahrensregeln, jedoch bezieht sich die Kontrolle nicht auf einzelne Arbeitsschritte, sondern auf die Arbeitsergebnisse. Als Beispiel für diese Art der Tätigkeit nennen Kleemann, Matuschek und Voß (2002, S. 64) den Bereich qualifizierter Sachbearbeitung. Die Mitarbeitenden erbringen hier „kompensatorische“ subjektive Leistungen, indem sie ihre eigene Leistung an relativ starre betriebliche Vorgaben anpassen (vgl. ebd.; S. 84, Hv. i. O.). Personen in hoch- bzw. höherqualifizierten Tätigkeiten erbringen dagegen „aktiv strukturierende[n]“ subjektive Leistungen (vgl. ebd., S. 64, Hv. i. O.). Sie gestalten und koordinieren ihre Arbeitsprozesse unter Nutzung von IuK-Technologien weitgehend selbst (etwa im Fall von Projektarbeit). Die Kontrolle minimiert sich auf einen zwischen Betrieb und Arbeitenden stattfindenden Aushandlungsprozess. Die aktiv strukturierende Subjektivität bezieht sich über die eigenständige Arbeitsorganisation hinaus auch auf die Gestaltung der alltäglichen Lebensführung einschließlich des Lebenslaufmanagements (vgl. ebd., S. 84f; Thomas 2008, S. 222).48

46 Siehe hierzu die Untersuchungsergebnisse von Peter Richter und Frank Schulze aus ihren Pilotstudien zur Organisation von Call-Center-Arbeit aus dem Jahr 2001 (vgl. Richter/Schulze 2001, S. 133). Kleemann, Matuschek und Voß (2002, S. 65) sprechen in diesem Zusammenhang von „,Retaylorisierung‘ oder ‚Neo-Taylorismus‘“. 47 Alleine die Tatsache, dass digitale Spuren Tätigkeiten und Arbeitsleistung vollends nachvollziehbar machen, kann bei den Arbeitenden schon das Gefühl erzeugen, kontrolliert zu werden. Siehe dazu Kapitel 6.2.3 „Neue Kontrollen“. Dieser Gedanke schließt an Michel Foucaults Analysen zum Panoptismus in der Disziplinargesellschaft an, in der Disziplin von den Subjekten verinnerlicht und Macht subtil ausgeübt wird (vgl. Foucault 1976, S. 251-292). 48 Ein Beispiel für das Lebenslaufmanagement sind etwa die in höherqualifizierten Bereichen inzwischen vorausgesetzten hervorragenden Fremdsprachenkompetenzen, welche mit herkömmlicher Schulbildung oftmals nicht erworben werden können. Deshalb erweist es sich als sinnvoll, in die Lebens(lauf)planung einen

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Den unterschiedlichen Formen subjektiver Leistungen entsprechen unterschiedliche Wertvorstellungen der Beschäftigten. Der Wirtschaftssoziologe Sven Hauff (2008) kommt in seiner Studie zur Subjektivierung von Arbeit zu dem Ergebnis, dass vor allem niedrig Qualifizierte eine starke Orientierung an Gratifikationen und Sicherheiten am Arbeitsplatz zeigen. Dagegen sind für qualifizierte ArbeitnehmerInnen und jene in höheren Positionen die subjektiven Werte wie Selbstentfaltung wichtiger. (Vgl. ebd., S. 72).49 Die im Rahmen der gegenständlichen Studie interviewten „DigicomArbeiterInnen“ sind mehrheitlich dem höher- bzw. hochqualifizierten Segment zuzurechnen, weshalb sie vor allem aktiv strukturierende subjektive Leistungen erbringen. Es zeigte sich, dass sie ihre Arbeitsbereiche größtenteils eigenverantwortlich und selbstorganisiert gestalten und durchaus auch private Ressourcen (Arbeitsmittel, Freizeit) einsetzen, um ans Ziel zu gelangen. So erklärte mir ein Security Spezialist, dass er für seine Arbeit Festplatten selbst beisteuere, um Daten zu sichern. Der Bestellvorgang im Unternehmen sei zu umständlich und langwierig, und Probleme müssten oft ad hoc gelöst werden. (Vgl. IV 06, 298-302). Die Daten aus der OnlineUmfrage untermauern dies. So gaben sechs von zehn Befragten (59 Prozent) an, auch private Ressourcen (z.B. Computerausstattung, Mobiltelefon) für ihre Arbeit zu verwenden.50 Der Arbeitskraftunternehmer Das von den Soziologen Günter Voß und Hans Pongratz (1998) entwickelte Konzept des „Arbeitskraftunternehmers“ entspricht den obigen Ausführun-

längeren Auslandsaufenthalt zu integrieren, um sich diese Kompetenzen anzueignen. Gleichzeitig präsentiert man sich damit als flexible und offene Persönlichkeit, welche in den meisten hochqualifizierten Arbeitszusammenhängen sehr gefragt ist. 49 Hauff bezieht sich hier auf Daten aus der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (Allbus) in den Jahren 1982, 1991 und 2000 sowie auf Daten aus dem Forschungsprojekt „Arbeit und Gerechtigkeit“ der Universitäten Jena und Hannover (vgl. Hauff 2008, S. 62f). 50 Herangezogen wurden die Ausprägungen 4 und 5 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu) zur Aussage „Ich verwende auch private Ressourcen (z.B. Computerausstattung, Handy) für meine Arbeit.“

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gen zur Subjektivierung von Arbeit.51 Drei Merkmale zeichnen den Arbeitskraftunternehmer nach Voß aus: Selbst-Kontrolle, Selbst-Ökonomisierung und Selbst-Rationalisierung.52 Voß zufolge könnte er einen „neuen Leittypus der gesellschaftlichen Verfassung von Arbeitskraft in einer verstärkt marktorientierten und globalisierten Wirtschaft“ darstellen und den Typus des „,beruflichen Arbeitnehmersµ“53 verdrängen (Voß 1998, S. 478, Hv. i. O.)54, der durch eine systematische Ausbildung und Fachqualifikation gekennzeichnet ist (vgl. ebd.). Ein Konzept, das jenes des Arbeitskraftunternehmers ergänzen könnte, ist der von Manuel Castells für ArbeitnehmerInnen im e-Business formulierte Idealtypus der „selbst-programmierbare[n] Arbeitskraft“ (Castells 2005, S. 102). Diese Arbeitskräfte „müssen in der Lage sein, sich im Hinblick auf Fertigkeiten, Kenntnisse und Denken entsprechend wechselnder Aufgabenstellungen und eines sich entwickelnden wirtschaftlichen Umfeldes neu zu programmieren“ (ebd.), das heißt, sie müssen in der Lage sein, im Verlauf des gesamten Arbeitslebens zu lernen und ihr Wissen weiterzuentwickeln. Hierzu ist eine Art von Bildung erforderlich, die lehrt, wie gelernt wird und wie angeeignete Informationen zu spezifischen Fähigkeiten

51 Zur feministischen Kritik an dem Konzept des „Arbeitskraftunternehmers“ siehe Kapitel 2.6 „Exkurs: Arbeit und Geschlechtsrollenstereotype im Aufbruch?“. 52 „Selbst-Kontrolle“: neue Logik „der betrieblichen Steuerung und Nutzung von Arbeitsfähigkeiten“ (Selbstorganisation der Arbeitenden, Auslagerung von Produktionsabläufen); „Selbst-Ökonomisierung“: verändertes „Verhältnis der Arbeitsperson zur ökonomischen Verwertung ihrer Kompetenzen“ (Selbstmarketing); „Selbst-Rationalisierung“: neue Qualität des gesamten Lebenszusammenhangs der Arbeitspersonen, die sich auf die Anforderungen der Erwerbsarbeit ausrichtet (Verbetrieblichung der Lebensführung). (Vgl. Voß 1998, S. 477f). 53 2003 wandelten Pongratz und Voß den Begriff ab in „verberuflichter Arbeitnehmer“. 54 Wie Voß auch als Antwort auf Kritik an seinem Konzept hervorhebt, hat das theoretische Konzept den Charakter eines Idealtypus, der in seiner Gesamtheit an Merkmalen empirisch kaum vorkommt. Dennoch würden seine Eigenschaften (Selbst-Kontrolle, Selbst-Ökonomisierung und Selbst-Rationalisierung) in gegenwärtigen Arbeitswelten an Bedeutung gewinnen. (Vgl. Voß 2007, S. 99; Voß/Weiß 2005, S. 69f). Mehr zum Konzept des Idealtypus siehe Kapitel 4.3.4 „Theoriebildung nach den Prinzipien der Grounded Theory“.

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verarbeitet werden können (vgl. ebd., S. 103). Neben der selbst-programmierbaren Arbeitskraft existieren aber Castells zufolge nach wie vor Personen, die er zum Typus „generische Arbeitskraft“ (ebd. S. 106) zählt. Deren niedrig qualifizierte Stellen weisen keine besonderen Anforderungen auf; und sie selbst sind leicht ersetzbar. Als Beispiel hierfür nennt er den privaten Wachdienst (ebd., S. 106f). Im Rahmen einer Studie untersuchten Pongratz und Voß (2003) die aus der Theorie entwickelte These des Arbeitskraftunternehmers in ihrer empirischen Ausprägung. Dafür wählten sie bewusst ein Untersuchungsfeld aus, das nach wie vor dem Typ des „verberuflichten Arbeitnehmers“ zuzurechnen ist: die qualifizierte Industrie- und Dienstleistungsarbeit. Sie gingen der Frage nach, in welcher Form Merkmale des Arbeitskraftunternehmers in diesem Feld zu finden sind (vgl. Pongratz/Voß 2003, S. 10; S. 33).55 Ihre Antwort fällt uneindeutig aus, denn in der Empirie fanden sich sowohl Hinweise auf Transformationen der Arbeitenden in Richtung Arbeitskraftunternehmer als auch Zeichen von deren Beharren in fordistischen Erwerbsstrukturen (vgl. ebd., S. 191). Letzteres trat vor allem in Zusammenhang mit einer „Absicherungsmentalität“ auf; ersteres zeigte sich hauptsächlich in Form von hoher Leistungsorientierung (vgl. ebd.). Der Wandel von Erwerbsformen fand also zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch keineswegs in dem Ausmaß statt, wie es zeitgenössische Diagnosen glaubhaft machen wollten, vielmehr existierte ein Nebeneinander von unterschiedlichen Orientierungen. In höher- und hochqualifizierten Tätigkeitsbereichen (v.a. auch im Bereich der Digicom-Arbeit) konnte zu diesem Zeitpunkt jedoch schon von einer zunehmenden Relevanz von Arbeitsformen im Sinne des Arbeitskraftunternehmer-Konzeptes ausgegangen werden (vgl. Pongratz/Voß 2003, S. 30f; Kleemann/Matuschek/Voß 2002, S. 65). Wie später anhand von Untersuchungsergebnissen der gegenständlichen Studie zu zeigen sein wird, hat das Phänomen der Subjektivierung von Arbeit positive wie negative Implikationen für die Arbeitenden. Auf der positiven Seite stehen die Chancen für die Beschäftigten, durch die freie Gestal-

55 Dazu wurden 60 Leitfadeninterviews mit ArbeiterInnen und Angestellten unterhalb der Management-Ebene in sechs Betrieben aus unterschiedlichen Branchen geführt (vgl. Pongratz/Voß 2003, S. 52).

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tung der Arbeit ihr Bedürfnis nach Selbstentfaltung zu befriedigen; möglich ist auch ein Zugewinn an Macht im Unternehmen, wenn die Beschäftigten an sich als wertvolle „Humanressourcen“ begriffen werden (vgl. Schönberger/Springer 2003, S. 12; vgl. auch Lieber 2006, S. 93; Voß 1998, S. 477). Die Kehrseite ist der Zugriff auf die gesamte Arbeitskraft, was auch mit „einem Übergriff ökonomischer Interessen in die privaten Lebenssphären verbunden sein und zu einer neuen Qualität von Fremdbestimmung, einem neuen Diktat der Ökonomie führen“ kann (Schönberger/Springer 2003, S. 12; vgl. auch Castells 2005, S. 104). Auch können die Arbeitenden unter Orientierungslosigkeit leiden, wenn vorgegebene Strukturen und Regeln fehlen (vgl. Voß 1998, S. 476). Mascha Will-Zocholl (2012, S. 50) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Subjektivierungsdilemma“ zwischen [Fremd-]Verantwortung und Autonomie sowie Standardisierung und Kreativität, in welchem sich die Arbeitenden befinden. Im Rahmen dieses Subjektivierungsdilemmas müssen sie widersprüchliche Anforderungen erfüllen. Der Soziologe Alain Ehrenberg sprach schon zur Jahrtausendwende in seinem Essay „Das erschöpfte Selbst“ (2004; franz. Orig.: La Fatigue d’ètre soi 1998) von der (so der französische Buchtitel) „Überforderung, sich selbst zu sein“, von der Last, sich selbst zu verwalten, zu organisieren, zu entwerfen, für sich selbst verantwortlich zu sein, ohne dabei auf Bewährtes zurückgreifen zu können. Ehrenberg (2004, S. 273) führt den Anstieg an depressiven Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten auf diese Problematik zurück. Die Depression sei die Antwort auf die mit der Individualisierung des Handelns einhergehende Überforderung des Subjekts, indem sie handlungsunfähig macht (vgl. ebd., S. 220ff; S. 230).

2.4 E NTGRENZUNG VON L EBENSBEREICHEN Entgrenzung ist einer der Schlüsselbegriffe der Soziologie, wenn es darum geht, den Wandel von Arbeit zu beschreiben. „Entgrenzung kann dabei allgemein als sozialer Prozeß definiert werden, in dem unter bestimmten historischen Bedingungen entstandene Strukturen der regulierenden Begrenzung von sozialen Vorgängen ganz oder partiell erodieren bzw. bewußt aufgelöst werden.“ (Voß 1998, S. 474).

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Dabei wird oftmals die „neue“ Arbeitswelt der „alten“ (industrielle Massenfertigung; rationelle Betriebsführung im Taylorismus und Fordismus) gegenübergestellt (vgl. Mayer-Ahuja 2004, S. 269), und es wird die Erosion des „Normalarbeitsverhältnisses“ konstatiert. Es handelt sich dabei um „eine abhängige Beschäftigung, die im Idealfall von der Lehre bis zur Rente im selben Betrieb stattfindet. Der typische ‚Normalarbeiterµ ist vollzeitbeschäftigt und sozialversichert, verfügt über Rechtsansprüche aus Arbeitsrecht, Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, verbringt die Werktage mit regelmäßigen Arbeitszeiten an einem von der Wohnung getrennten Arbeitsplatz und ist in klare betriebliche Strukturen von Arbeitsteilung und Hierarchie eingebunden.“ (Ebd., S. 269).

Diesem Normalarbeitsverhältnis bescheinigt Nicole Mayer-Ahuja den Charakter eines „Ideal-Bildes“, das für Vergleiche mit der Ist-Situation herangezogen wird, um die Innovationskraft der neuen Arbeitsmodelle zu betonen. Die Realität hielte solchen Gegenüberstellungen nicht Stand. (Vgl. ebd., S. 270). Auch hat das „Normalarbeitsverhältnis“ nie Gültigkeit für die breite Masse beanspruchen können, selbst nicht in seiner „Blütephase in den späten 1960er Jahren“ (ebd.). Gültigkeit hatte es vorwiegend für höherqualifizierte männliche Arbeiter und Angestellte, kaum für Niedrigqualifizierte und Frauen (vgl. ebd.), weshalb Peter Richter und Frank Schulze (2001, S. 131; vgl. auch Jurczyk/Voß 2000, S. 154) das „Normalarbeitsverhältnis“ als männlich dominiert bezeichnen. Auch wenn „neue“ von „alten“ Arbeitsverhältnissen nicht trennscharf abzugrenzen sind, sieht Günter Voß (1998, S. 479) das Diffundieren der Trennlinien zwischen Arbeit und Heim als „erstaunliche historische Entwicklung“, nachdem im industriellen Zeitalter über einen langen Zeitraum hinweg eine strikte Trennung von Erwerbsarbeit und Privatleben dominant gewesen war (vgl. ebd.; vgl. auch Felstead/Jewson/Walters 2005, S. 3). Dieses Aufweichen der Grenzen macht sich in den Resultaten der gegenständlichen Studie stark bemerkbar.56 Entgrenzungsprozesse sind in gegenwärtigen Arbeitswelten stark verwoben mit der Nutzung von IuK-Technologien. Laut der bereits zitierten BITKOM-Studie sind sechs von zehn Beschäftigten außerhalb ihrer Arbeitszeiten per Mobiltelefon oder E-Mail erreichbar. Beinahe ein Drittel der

56 Siehe hierzu die Kapitel 5 bis 7.

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Befragten gibt an, jederzeit erreichbar zu sein, 16 Prozent in Ausnahmefällen, und nur 15 Prozent sind es nie. (Vgl. BITKOM 2013, S. 28). Diese auf Deutschland bezogenen Zahlen zeigen deutlich: ÄICTs have become central in mediating private and public worlds and in changing the boundaries between them.³ (Haddon/Silverstone 2000, S. 247). Der Zeitforscher Karlheinz Geißler (2004, S. 85) bezeichnet Medien deshalb als „Trendsetter der Entgrenzung“. Vor allem das Internet treibe diesen Prozess voran, da es zeit- und ortsunabhängig nutzbar ist (vgl. ebd., S. 98). Auf die hohe Bedeutung des Internet für Entgrenzungsprozesse weist auch die Studie „Webbasierte Erwerbsarbeit“ hin, in deren Rahmen die Soziologinnen Tanja Carstensen, Jana Ballenthien und Gabriele Winker (2013) die Herausforderungen von Internet-Arbeit untersuchen.57 Die Ergebnisse aus der Online-Umfrage zur gegenständlichen Studie „Mediatisierung von Arbeit“ untermauern den Zusammenhang zwischen Entgrenzung und Mediennutzung. Rund 42 Prozent der Befragten gaben an, aufgrund der permanenten Verfügbarkeit von Digitalen Medien immer wieder auch außerhalb der Arbeitszeit zu arbeiten. Rund ein Viertel der Befragten trennt kaum zwischen Arbeit und Freizeit58 – die beiden Bereiche fließen ineinander.59 Am bedeutendsten für die Entgrenzung von Lebensbereichen und damit für das Verschwimmen von Freizeit und Arbeit sind Medien, die sowohl zu Freizeitzwecken als auch für die Arbeit genutzt werden können (vgl. Schönberger 2004, S. 244). Dies gilt für den Computer, vor allem aber für mobile Geräte wie Notebooks, Mobiltelefone und Smartphones, welche auch zwischendurch (am Flughafen oder in der Warteschlange an der Kinokasse) zum Updaten beruflicher Informationen genutzt werden können (vgl. auch Jones/Wallace 2007, S. 168) und die Arbeitenden im „Standbymodus“ (Carstensen/Ballenthien/Winker 2013, S. 45) halten. Dabei fordert in den wenigsten Fällen die Unternehmensseite explizit zur Erreichbarkeit auf. Vielmehr werden hier subtilere Wege eingeschlagen. So impliziert oft

57 Dabei fokussierten sie auf junge Erwachsene, die „in ihrer Erwerbsarbeit das Internet in Inhalt oder Design mitgestalten“ (Carstensen/Ballenthien/Winker 2013, S. 37). Die Studie ist Teil des Projekts „Subjektkonstruktionen und digitale Kultur“ (vgl. Carstensen/Schachtner/Schelhowe/Beer 2013). 58 Unter „Freizeit“ verstehe ich für diese Studie die von Erwerbsarbeit freie Zeit. 59 Herangezogen wurden jeweils die Ausprägungen 4 und 5 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu).

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schon die Ausstattung von MitarbeiterInnen mit Status aufgeladenen Geräten wie dem iPhone oder iPad, dass diese selbstverständlich damit auch in der Freizeit erreichbar sind, wie gleich mehrere GesprächspartnerInnen (alle sind in internationalen Großkonzernen tätig) im Interview der gegenständlichen Studie bestätigten. Dabei wird das Zwischendurch-eben-malE-Mails-Checken von den Digicom-ArbeiterInnen meist nicht als wirkliche Arbeitsleistung wahrgenommen. Die Kulturwissenschaftlerin Melissa Gregg kommt in ihrer Interviewstudie zum Einfluss von IuK-Technologien auf den Alltag von Beschäftigten der Informations- und Kommunikationsbranche zu demselben Schluss (vgl. Gregg 2011, S. 47). Das zwischenzeitliche E-Mail-Checken, so Gregg (ebd.), ermöglicht es den Arbeitenden, den Arbeitstag im Büro unbelasteter zu starten, da sie dort nicht gleich mit einer Flut an neu eingegangenen Nachrichten konfrontiert sind. Dies verweist wiederum auf die Subjektivierung von Arbeit und auf die selbstverantwortliche Arbeitsorganisation – auch auf Kosten persönlicher Ressourcen. Betriebliche Regelungen im Umgang mit der Erreichbarkeitsthematik sind, so hat die gegenständliche Studie zur Digicom-Arbeit ergeben, die Ausnahme60 (vgl. auch BITKOM 2013, S. 27). Meist wird dies der subjektiven Einschätzung der Beteiligten und impliziten Erwartungen überlassen. Zwei prominente Ausnahmebeispiele sind VW und die Deutsche Telekom. VW kappt nach einer vom Betriebsrat durchgesetzten Betriebsvereinbarung die Umleitung betrieblicher E-Mails auf das Smartphone eine halbe Stunde nach Dienstschluss, und erst eine halbe Stunde vor Dienstbeginn werden Mails wieder weitergeleitet.61 Auch die Deutsche Telekom hat 2010 eine Richtlinie zum „Umgang mit mobilen Arbeitsmitteln“ beschlossen, in der festgelegt wird, dass MitarbeiterInnen außerhalb der Arbeitszeit nur in Notfällen erreichbar sein müssen.62

60 Siehe hierzu Kapitel 6 und 7. 61 Dies gilt jedoch nur für MitarbeiterInnen mit Tarifvertrag und nicht für ManagerInnen. Quelle: Die ZEIT: Volkswagen verringert Handy-Stress, Artikel vom 23.12.2011, online unter: http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-12/volkswagen -blackberry-mailsperre [22.09.2014]. 62 Quelle: FAZ online: Ackern bis zum Anschlag, 07.12.2010, online unter: http:// www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/arbeitszeit-ackern-bis-zum-anschlag1578931.html [22.09.2014].

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Die Entgrenzung der Lebensbereiche findet jedoch keineswegs einseitig statt und hat nicht nur nachteilige Effekte für die Privatsphäre, sondern unter Umständen auch für die Unternehmensseite. Klaus Schönberger (2004, S. 240) gibt zu bedenken, dass sich im Zuge von Entgrenzungstendenzen auch die Frage nach privaten Tätigkeiten während der Arbeit stellt. Vor allem die IuK-Technologien erweisen sich hier als attraktive Ablenkungsmöglichkeiten. „Das Internet wird zum Möglichkeitsmedium, mit dem im Büro-Alltag eine Schnittstelle zu einer wie auch immer gearteten Außenwelt gegeben ist.“ (Herlyn 2004, S. 285). Als Beispiel für die Nicht-Produktivität am Arbeitsplatz führt Schönberger das Online-Spiel „Moorhuhnjagd“ an, das Anfang 2000 inflationär in Büros gespielt wurde und zum „Volkssport“ (Schönberger 2004, S. 247) avancierte.63 Der Autor stellt fest, dass die negativen Auswirkungen dieses Phänomens hauptsächlich in Zusammenhang mit niedrig- und mittelqualifizierten Arbeitskräften gebracht werden, während solche Aktivitäten für hochqualifizierte ArbeitnehmerInnen eher als selbstverständlich und mitunter auch als für den Arbeitserfolg förderlich angesehen werden (vgl. ebd., S. 245).64 Unabhängig davon, wie sich Entgrenzung im Einzelfall auswirkt, hat sich Grenzmanagement, verstanden als der individuelle Umgang mit Grenzen zwischen privaten und beruflichen Lebensbereichen, zu einer wichtigen Fähigkeit von Digicom-ArbeiterInnen entwickelt, wie in gegenständlicher Studie noch zu zeigen sein wird.65 Meine Untersuchungsergebnisse korrespondieren in dieser Hinsicht mit jenen der Studie „Webbasierte Erwerbsarbeit“. Deren Autorinnen formulieren Grenzmanagement als „eine, wenn nicht die zentrale Kompetenz bzw. Anforderung an die Subjekte“ (Carstensen/Ballenthien 2012, S. 54; vgl. Carstensen/Ballenthien/Winker 2013, S. 40). Der Umgang mit den Entgrenzungserscheinungen ist dabei als individualisiert zu betrachten und reicht vom Genießen der Entgrenzung bis hin zu pragmati-

63 Ein aktuelleres Beispiel ist die private Facebook-Nutzung während der Arbeit. 64 Diese Ansicht scheint nicht in allen Betrieben geteilt zu werden. Schließlich werden derartige Ablenkungen von Seiten der Unternehmen unterbunden, indem Website-Sperren installiert werden. Diese können wiederum auf einfache Weise umgangen werden, indem entweder während der Arbeit auf private Geräte mit mobilem Internet zurückgegriffen wird oder die technische Sperre mittels einfacher Methoden (z.B. einem Proxy-Server) entsperrt oder umgangen wird. 65 Siehe hierzu Kapitel 7.3.1 „Grenzmanagement“.

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scher Abgrenzung. (Vgl. Carstensen/Ballenthien 2012, S. 46ff; Carstensen/ Ballenthien/Winker 2013, S. 42). Die Ergebnisse kommen dem nahe, was die Sozial- und Wirtschaftsgeografin Anne von Streit (2011) als Antwort auf die Frage nach den raum-zeitlichen Organisationsstrategien von Selbstständigen in der Internetbranche formuliert. Den Fokus richtet von Streit dabei auf unterschiedliche Formen der Entgrenzung zwischen privatem und beruflichem Leben. Auch sie stellt bei ihrer Untersuchungsgruppe (abhängig vom biografischen Kontext und vom subjektiven Wertesystem der handelnden Personen) individuelle Handlungsstrategien fest, um ihre Arbeit und ihren Alltag zu strukturieren und um Rückzugsmöglichkeiten von der Arbeit zu schaffen (vgl. ebd., S. 246). Dabei ortet von Streit in ihren Daten drei Grundformen der Alltagsbewältigung (vgl. ebd., S. 234ff): • • •

Vermischung (Arbeit als zentraler Lebensinhalt, Arbeit greift auf das Privatleben über), wechselnde Prioritäten (Arbeit und Familie sind zentrale Lebensinhalte, die Familie strukturiert die Arbeitszeiten), Separation (Balance zwischen Berufs- und Privatleben, möglichst strikte Trennung der beiden Bereiche).

Die Ergebnisse der individuellen Handlungsmuster von Arbeitenden in den beiden Studien lassen sich auch auf die Strategien von Digicom-ArbeiterInnen in mediatisierten Arbeitswelten übertragen, wie gegenständliche Untersuchung noch wird zeigen können.

2.5 E CKPUNKTE

ZUR

M EDIATISIERUNG VON ARBEIT

Die in den vorangegangenen Abschnitten geschilderten, durch IuK-Technologien geprägten Prozesse des Wandels von Arbeit werden nun in Form von zehn Kernaussagen als Thesen formuliert: 1. 2.

„Mediatisierung von Arbeit“ bezeichnet die Zusammenhänge zwischen medialem Wandel und dem Wandel von Arbeit. Die zunehmende Verwendung von IuK-Technologien als Arbeitsmittel wird als „Informatisierung“ von Arbeit verstanden (vgl. Kleemann

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2000, S. 2). Damit einhergehend findet Arbeitshandeln vermehrt in virtuellen Kontexten statt („Virtualisierung von Arbeit“). 3. Virtuelle Arbeitsräume sind hoch flexibel und mobil, und sie diffundieren stets mit den jeweiligen Räumen der physischen Präsenz. 4. In der Wissens- und Informationsgesellschaft besteht Arbeit zu einem großen Teil aus Information und Kommunikation. Mittels digitaler IuK-Technologien und mobiler Medien wird Arbeit ubiquitär verfügbar und damit flexibler und mobiler. Auf Seiten der Arbeitenden sind individuelle Strategien erforderlich, um ihr Handeln den wechselnden Umständen anzupassen. 5. Die über Digitale Medien vorangetriebene weltweite Vernetzung ist gleichzeitig Resultat und Ausdruck von globaler Kommunikation und globalen Märkten. 6. Interkulturelle und ausschließlich medial vermittelte Kommunikation stellen neue Herausforderungen an die Arbeitenden. Interpersonale Kontakte face-to-face haben für die Vertrauensbildung nach wie vor eine hohe Relevanz. 7. Mit dem Gebrauch von IuK-Technologien bei der Arbeit sind ambivalente Prozesse verbunden, wie Subjektivierung (erhöhter Einsatz subjektiver Leistungen/Ressourcen) und Standardisierung (Vereinheitlichung, Rationalisierung). Mit steigendem Qualifikationsgrad überwiegen subjektivierende gegenüber objektivierenden Ansprüchen an die Arbeitenden. 8. IuK-Technologien sind Medien der Subjektivierung, da sie persönliche Geräte mit individuellen Gebrauchsmustern sind, da ihr zentraler Gegenstand – Kommunikation – stets individueller Interpretationen bedarf und da ihr Gebrauch subjektive Leistungen erfordert, um mit Unvorhersehbarkeiten umzugehen. 9. IuK-Technologien sind Medien der Standardisierung insofern, als sie Informationen in vereinheitlichten Prozessen verarbeiten und rationelles Vorgehen fördern. 10. Digitale Medien tragen als „Trendsetter der Entgrenzung“ (Geißler 2004, S. 85) dazu bei, dass die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Privatleben aufweichen. Dies hat unterschiedliche Konsequenzen für die Arbeitenden und erfordert individuelle Strategien des Grenzmanagements.

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2.6 E XKURS : ARBEIT UND G ESCHLECHTSROLLENSTEREOTYPE IM AUFBRUCH ? Den Wandel von Arbeit theoretisch zu diskutieren, erfordert auch einen Blick auf stereotype Geschlechtsrollen, zumal diese tradierten bürgerlichen Konzepte ebengleich zu erodieren scheinen. Da die Ergebnisse gegenständlicher Studie zwar Gendereffekte aufweisen, jedoch kaum unmittelbare Zusammenhänge zwischen Geschlecht und der Mediatisierung von Arbeit erkennen ließen, wurde hierfür der Rahmen eines Exkurses gewählt.66 Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten die Bildungsniveaus der Geschlechter angeglichen haben und sich Frauen immer stärker am Erwerbsarbeitsmarkt beteiligen (vgl. Gottschall 2010, S. 689), hat sich an der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, wonach die (unbezahlte) familiäre Sorgearbeit vor allem von Frauen geleistet wird, wenig geändert (vgl. Becker-Schmidt 2007, S. 263; Kramer/Mischau 2005, S. 147f; Winker 2007, S. 42; Winker/Carstensen 2004, S. 180).67 Die scheinbar automatische Zuständigkeit der Frauen für die Familienarbeit, auch wenn sie arbeiten, ist das zentrale Ergebnis einer Untersuchung von Cornelia Behnke und Michael Meuser (2005). Sie erforschten die Alltagsstrategien in den entgrenzten Arbeitsbedingungen von Doppelkarriere66 Die Anforderungen mediatisierter Arbeit stellen sich Frauen und Männern gleichermaßen. Viel eher als Geschlechterdifferenzen zeigten sich individuelle Unterschiede in der Bewertung von Chancen und Herausforderungen mediatisierter Arbeit sowie den Umgangsweisen damit. Deutliche Unterschiede waren jedoch zwischen Digicom-ArbeiterInnen mit und ohne Kinderbetreuungspflichten feststellbar. In der Organisation ihrer Arbeitszeiten und -orte orientierten sich Männer wie Frauen mit Kindern verstärkt an den familiären Rahmenbedingungen und nicht so sehr an Effizienzmaßstäben (siehe dazu Kapitel 5.2.1 „Entgrenzung und Flexibilisierung von Zeitphasen“). Gendereffekte ergaben sich im Rahmen der Clusteranalyse, jedoch sind diese viel eher vor dem Hintergrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktsegregation zu interpretieren als in Zusammenhang mit der Mediennutzung bei der Arbeit (siehe Kapitel 8). 67 Gleichzeitig sind Männer immer noch überverhältnismäßig stärker in Führungspositionen und höherqualifizierten Tätigkeitsbereichen vertreten als Frauen (vgl. Statistik Austria 2012, o. S.).

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paaren. Auf Basis von 13 Paarinterviews mit Paaren aus unterschiedlichen Branchen (vgl. Behnke/Meuser 2005, S. 287) stellten sie fest, dass die (auch teilweise ihren Männern hinsichtlich des beruflichen Erfolges überlegenen) Karrierefrauen das Management zur Vereinbarung von Beruf und Familie übernehmen. Männer sind von diesen Aufgaben weitestgehend entbunden, und ihre berufliche Autonomie bleibt im Vergleich zu ihren Frauen überwiegend gewahrt. (Vgl. ebd., S. 289; S. 302). Gabriele Winker formulierte im Jahr 1998 die Hoffnung, dass individuelle Lebensentwürfe, welche auf flexibleren Arbeitsstrukturen basieren, künftig realistische Wege eröffnen würden können, die traditionelle geschlechtliche Arbeitsteilung zu überwinden. Folge könnte die verstärkte Verantwortungsübernahme von Männern für Familien- und Fürsorgearbeit sein (vgl. Winker 1998, S. 20ff). Konkreten Ausdruck findet die von Winker angesprochene Flexibilisierung von Arbeit in der Telearbeit. Eine Studie aus dem Jahr 2001 zeigte, dass diese vorwiegend von Frauen geleistet wurde, um Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können (vgl. Schmook 2001). Wenn Männer telearbeiteten, so geschah dies überwiegend alternierend bürozentriert und ging mit Überstunden einher (vgl. ebd., S. 124). Telearbeitende Männer kümmerten sich meist nicht selbst um Haushalt und Kinder – ganz im Gegensatz zu telearbeitenden Frauen (vgl. ebd., S. 123). „Insgesamt ist festzustellen, dass Telearbeit durchaus ein Mittel zur besseren Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie ist, ein Mittel jedoch, das zu diesem Zwecke gerade von Männern viel zu selten genutzt wird“, resümierte Renate Schmook (2001, S. 125). Auch Juliet Webster hatte ein Jahr zuvor festgestellt, dass Frauen und Männer aus unterschiedlichen Gründen telearbeiteten – Frauen, um die Kinderbetreuung mit der Arbeit zu kombinieren, Männer, um die Arbeitsleistung zu steigern oder weil sie sich im Zuge von Betriebsrestrukturierungen selbstständig gemacht hatten (Webster 2000, S. 134; vgl. auch Kleemann 2005, S. 73ff). Für Frauen sei Telearbeit, so Gabriele Winker und Tanja Carstensen im Jahr 2004, auch ein Weg, trotz Sorgepflichten beruflich den Anschluss nicht zu verlieren (vgl. Winker/Carstensen 2004, S. 178).68 Während aber

68 Dies ist in der gegenständlichen Studie bei einer meiner Interviewpartnerinnen, einer 45-jährigen Wissenschaftlerin, nahezu ein Jahrzehnt später (noch immer) der Fall. Ohne die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten (mithilfe von IuK-

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(hauptsächlich von Frauen geleistete) familienbezogene Teleheimarbeit mit einem fragmentierten Tagesablauf einhergeht, bleibt die Trennung von Arbeit und Privatleben bei leistungsbezogenen TeleheimarbeiterInnen (größtenteils Männer) weitestgehend aufrecht, und die Arbeit erfolgt im Wesentlichen ungestört (vgl. Kleemann 2005, S. 74; S. 77). Den Untersuchungsergebnissen von Winker und Bettina Maus69 zufolge deutete sich 2004 in Telearbeit-Arrangements eine Umverteilung der Haus- und Fürsorgearbeit in Richtung Geschlechtergerechtigkeit an (vgl. Winker/Carstensen 2004, S. 168). Die Soziologinnen befragten hierfür rund 200 TelearbeiterInnen in Baden-Württemberg anhand eines standardisierten Fragebogens (vgl. ebd., S. 176). Abgesehen von den Motiven, sich für Telearbeit zu entscheiden, welche bei Frauen und Männern weiterhin unterschiedlich waren (siehe oben), kümmerten sich telearbeitende Männer mehr um ihre Kinder als vor der Aufnahme ihrer Telearbeit (vgl. ebd., S. 180). 80 Prozent gaben an, gegenüber früher mehr Zeit mit der Betreuung von Kindern zu verbringen. Dem standen jedoch nur 60 Prozent gegenüber, die sich auch mehr um den Haushalt kümmerten. (Vgl. ebd.). Die Ergebnisse aus den Interviews zur gegenständlichen Studie „Mediatisierung von Arbeit“ zeigen, dass unabhängig davon, ob sie (alternierend) telearbeiten oder nicht, alle fünf (männlichen) Digicom-Arbeiter mit Kindern trotz hoher Arbeitsbelastung und Mehrarbeit versuchen, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, und dass sie – sofern möglich – ihre Arbeitszeiten so gestalten, dass dies möglich ist.70 Dennoch ist die familiäre Sorgearbeit bei den interviewten Digicom-ArbeiterInnen klar entlang traditioneller Stereotype verteilt. So ist es bei allen sieben Interviewten mit Kindern die Mutter, welche die Kinderbetreuung hauptverantwortlich leistet.71

Technologien), könnte sie aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen ihrer Erwerbsarbeit nicht nachgehen, wie sie selbst sagt (vgl. IV 20, 843). 69 Veröffentlicht wurden die Ergebnisse von Winker/Carstensen 2004. 70 Während die Digicom-Väter alle einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen bzw. selbstständig tätig sind und (bis auf eine Ausnahme) alle deutlich Mehrarbeit leisten, sind die beiden Digicom-Mütter Teilzeit (zu je 30 Stunden) beschäftigt. 71 In einem Fall ist die Mutter in Karenz, in vier Fällen gehen die Mütter einer Teilzeitbeschäftigung nach und in zwei Fällen sind die Mütter Vollzeit beschäftigt.

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Das Phänomen der stereotypen Zuständigkeitsverteilung ließ sich auch aus den Ergebnissen der Online-Umfrage gegenständlicher Studie ablesen. Rund 70 Prozent der befragten Frauen mit betreuungspflichtigen Kindern gaben an, mehr Zeit für die Erziehung und Sorge der Kinder aufzuwenden als ihr Partner. Demgegenüber sahen sich lediglich rund acht Prozent der befragten Männer als hauptverantwortlich für die Kinderbetreuung (siehe Abbildung 1).72 Abbildung 1: Geschlechtsspezifische Zuständigkeit für Kinderbetreuung

40,5

Ich verwende mehr Zeit für die Erziehung und Sorge der Kinder als mein Partner/meine Partnerin 49,2 (in %) 27,0

24,3

20,3

15,3

11,9 5,4

3,4 trifft nicht zu

2

männlich (N=36)

3 weiblich (N=59)

2,7 4

trifft vollständig zu

15 Jahre nachdem Winker die Hoffnung auf ein Überwinden der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung formulierte, kann diese vor dem Hintergrund des Erläuterten nicht als erfüllt betrachtet werden. ArbeitskraftmanagerIn In Kapitel 2.3 „Subjektivierung, Standardisierung“ habe ich das Konzept des Arbeitskraftunternehmers (hier bewusst männlich formuliert) erläutert. Die Soziologinnen Gabriele Winker und Tanja Carstensen (2007) kritisierten diese Auslegung, weil sie sich auf Erwerbsarbeit konzentriert und wichtige Fragen von Reproduktionsarbeit außer Acht lässt. Die Fürsorgearbeit

72 Die Stichprobe bezieht sich auf Personen mit betreuungspflichtigen Kindern im Alter von bis zu 14 Jahren.

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sei von denselben neoliberalen73 Merkmalen betroffen wie jene des Arbeitskraftunternehmers: Sie sei „flexibilisiert, verdichtet und von Individuen eigenständig zu organisieren“ (Winker/Carstensen 2007, S. 278).74 Dabei gingen die Autorinnen von steigenden subjektiven Leistungen im Bereich der Familienplanung und Kindererziehung sowie in der Pflegearbeit aus, sei es durch eine rationale Familienplanung, durch medial inspirierte und sorgfältig abgestimmte Erziehungsmaßnahmen, durch neoliberalen Ausbildungsdruck auf die Kinder oder durch selbst erbrachte Pflegeleistungen für Angehörige. Die Verantwortung über diese Bereiche, so der Befund aus dem Jahr 2007, liege meist noch bei den Frauen, die diese mit ihrer Erwerbsarbeit zu kombinieren hätten. (Vgl. ebd., S. 281f). Die Autorinnen formulierten daher in Erweiterung des Konzeptes von Günter Voß und Hans Pongratz (1998) ihr alternatives Konzept „ArbeitskraftmanagerIn“ (Winker/Carstensen 2007, S. 281ff). Die Charakteristika des Arbeitskraftunternehmers „Selbst-Kontrolle“, „Selbst-Ökonomisierung“ und „Selbst-Rationalisierung“ treffen diesem Konzept zufolge auch auf die Reproduktionsarbeit zu (vgl. ebd., S. 282). Als weiterer Kritikpunkt wurde (u.a. von Gottschall 1999, zit. nach Voß/Weiß 2005, S. 75) der Vorwurf der Geschlechterblindheit im Konzept des Arbeitskraftunternehmers formuliert. Darauf rekurrierend betonte Voß (2007, S. 108), dass dieser als theoretischer Idealtypus bewusst geschlechts-

73 Auch wenn in Österreich die soziale Marktwirtschaft herrscht, stellt der Neoliberalismus eine „dominante[n] gesellschaftliche[n] Deutungs- und Ordnungskonzeption“ (Michalitsch 2006, S. 48) dar. Dies zeigt sich in der Dominanz des Marktes in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (vgl. ebd., S. 49). Der frühere Slogan der Österreichischen Wirtschaftskammern illustriert die Charakteristik des neoliberalen Paradigmas anschaulich: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“ (Quelle: Wirtschaftskammer Österreich. Neue Kampagne der Wirtschaftskammern verdeutlicht Nutzen für alle, o. J., online unter: http:// portal.wko.at/wk/format_detail.wk?AngID=1&StID=360271&DstID=363 [17.04.2009]). 74 Regina Becker-Schmidt (2007, S. 256) konstatiert darüber hinaus, dass die Fürsorgearbeit von Frauen schon immer subjektiviert war, und kritisiert die weitestgehende Nicht-Beachtung von Reproduktionsarbeit in der Industrie- und Arbeitssoziologie (vgl. ebd., S. 257). Ähnlich moniert Brigitte Aulenbacher (2005, S. 55) die unzureichende Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Frauenund Geschlechterforschung in der Industriesoziologie.

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los konzipiert, in seiner empirischen Realität jedoch geschlechtsspezifisch geprägt sei. In einer exemplarischen empirischen Untersuchung aus dem Jahr 2003 stellten Pongratz und Voß (2003, S. 209) fest, dass weibliche Angestellte eher dem Typus Arbeitskraftunternehmer zuzuordnen waren als männliche. Besonders stark an den Merkmalen des Arbeitskraftunternehmers orientiert waren im Sample der Untersuchung die weiblichen Projektmitarbeiterinnen (vgl. ebd., S. 208). Sie wiesen insbesondere eine „reflexive Haltung“ auf, „mit der sie unterschiedliche und in vielerlei Hinsicht konfligierende Ansprüche an Projektarbeit in eine flexible Arbeitsstrategie umsetzen“ (Pongratz/Voß 2003, S. 212, Hv. i. O.). Ein entscheidender Befund der Untersuchung von Pongratz und Voß ist, so Voß und Cornelia Weiß rückblickend, dass vor allem die Frage, ob eine Frau Fürsorgepflichten hat oder nicht, die Trennlinie markierte (vgl. Voß/Weiß 2005, S. 66). Die Anforderungen der Flexibilität und Mobilität im Typus des Arbeitskraftunternehmers könnten demzufolge von Frauen mit Fürsorgepflichten kaum bewerkstelligt werden (vgl. ebd., S. 85f). Dies verleitete den Autor und die Autorin zu der zugespitzten These: „Der Arbeitskraftunternehmer ist vielleicht tatsächlich eher weiblich – aber er ist ganz sicher keine Mutter.“ (Voß/Weiß 2005, S. 84, i. O. hvgh.). „Unter entgrenzten Bedingungen ökonomisch effizient erwerbstätig zu sein und vielleicht sogar eine auf permanente Selbstvermarktung angewiesene Karriere zu machen, ist für Frauen durchaus möglich – und sie haben keine schlechten Karten. Aber sie schaffen dies trotz hoher fachlicher Qualifikation und ausgeprägten Selbstrationalisierungs- und Sebstkontroll-Kompetenzen anscheinend nur, wenn sie auf Kinder und einen perfekten Haushalt verzichten oder dies schon ‚hinter sichµ haben – wenn sie dann nicht schon zu alt sind.“ (Voß/Weiß 2005, S. 84).

Die Ergebnisse meiner Interviewstudie untermauern diese Schlussfolgerung insofern, als nur zwei von zehn interviewten Frauen Kinder haben (im Gegensatz zu fünf von zehn männlichen Interviewten). Jene zwei Frauen mit Kindern weisen zwar hohe Anteile an subjektivierter Arbeit auf. Sie arbeiten jedoch beide Teilzeit (30 Stunden), und zumindest in einem Fall liegt auch eine deutlich artikulierte Belastung hinsichtlich der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie vor.

2. M EDIATISIERUNG

VON

A RBEIT

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Fazit Frauen leisten (auch bei Vollzeiterwerbstätigkeit) immer noch den Großteil der Reproduktionsarbeit. Telearbeit erleichtert ihnen zwar den Zugang zur Erwerbstätigkeit, entbindet sie jedoch nicht von ihren Familienpflichten. Telearbeitende Männer kümmern sich tendenziell häufiger um den Nachwuchs, dennoch leisten sie immer noch deutlich weniger Hausarbeit als ihre Partnerinnen. Die Vereinbarkeitsthematik ist nach wie vor vorwiegend für Frauen relevant. Aufgrund der hohen subjektiven Fähigkeiten von berufstätigen Frauen mit Betreuungspflichten, die unterschiedlichsten Ansprüche an Haus-, Beziehungs-, Familien- und Erwerbsarbeit zu jonglieren, stellen sie den Prototyp moderner „ArbeitskraftmanagerInnen“ (Winker/Carstensen 2007, S. 282) dar. Auch wenn sich die Geschlechterrollen im Aufbruch befinden, ist hinsichtlich der Verteilung von Reproduktionsarbeit und damit einhergehend hinsichtlich der Karrierechancen die stereotype Geschlechtsrollenverteilung nicht überwunden.

3. Raum, Zeit und Medien

Christiane Funken und Martina Löw begreifen in ihrem Sammelband „Raum – Zeit – Medialität“ Raum und Zeit als „kommunikative Erzeugnisse“ (Funken/Löw 2003b, S. 7). Wird diese These weitergedacht, so prägt und verändert die Kommunikation mit Digitalen Medien auch die Wahrnehmung und Konzepte von Raum und Zeit. Diese Überlegung stellt den Kern der gegenständlichen Studie dar. Die Begriffe „Raum“ und „Zeit“ theoretisch zu fassen, ist für eine Studie, die sich für die Raum- und Zeitwahrnehmung sowie -gestaltung von Digicom-ArbeiterInnen interessiert, unerlässlich, jedoch nicht einfach. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen beschreiben die Begriffe keine konkreten, fassbaren Phänomene, sondern Relationen und Konstruktionen (vgl. ebd.). Zum anderen sind sie ubiquitäre Determinanten, d.h., sie betreffen, indem sie sich auf das Sein an sich beziehen, alle Bereiche und Ebenen der Daseinserfahrung. Sie sind „elementare Rahmenbedingungen unserer Weltinterpretation“ (Titzmann 1992, S. 234). Auch können Raum und Zeit aus unterschiedlichsten Blickwinkeln untersucht werden, so zum Beispiel aus der künstlerisch-ästhetischen Perspektive, der mathematischen oder der soziologischen Perspektive. Vor allem die Philosophie beschäftigt sich in langer, bis in die Antike zurückreichender Tradition mit Raum und Zeit (vgl. Hömberg/Schmolke 1992, S. 11). Die Konzeptualisierung von Raum in Kapitel 3.1 und Zeit in Kapitel 3.2 konzentriert sich vor allem auf jene theoretischen Ansätze, welche der forschungsleitenden Fragestellung dienlich sind. Ein exemplarischer Einblick in Forschungsarbeiten zum Verhältnis von Medien, Raum und/oder

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Zeit wird gegeben, um meine Studie im Kontext vorhandener empirischer Arbeiten zu verorten. Auch wenn die Unterkapitel „Raum“ und „Zeit“ eine Trennung evozieren, ist anzumerken, dass Raum und Zeit in ihrem Wirken, ihrer sozialen Erscheinungsweise und ihrer kulturellen, sozialen Konstruiertheit so wenig zu trennen sind wie Medien und Kommunikation. Es gibt „keine raumlose Zeit und keinen zeitlosen Raum“, formuliert Elisabeth Klaus (2012, S. 71) treffend. Schließlich ist die „Bewegung durch den Raum […] eine Funktion der Zeit, Entfernungen werden nach der Zeit gemessen, die man zu ihrer Überwindung benötigt“ (Bauman 1997, S. 142). In Anlehnung an Manuel Castells Vorgehen in seiner Studie zur Netzwerkgesellschaft wird gegenständlich „Raum“ vor „Zeit“ gereiht: „[…] unlike most classical social theories, that assume the domination of space by time, I propose the hypothesis that space organizes time in the network society.“ (Castells 1996, S. 376).1

3.1 T HEORETISCHE K ONZEPTUALISIERUNG

VON

R AUM

Auseinandersetzungen mit dem Raum werden schon seit Beginn philosophischen und naturwissenschaftlichen Denkens geführt (vgl. Doetsch 2004, S. 23). Seit einigen Jahren erfährt die Thematik besondere Aufmerksamkeit, weshalb in den Kulturwissenschaften von einem „topographical turn“ und in den Geisteswissenschaften vom „spatial turn“ die Rede ist (vgl. Dünne 2004, S. 9; Müller/Scholz 2012b, S. 9; S. 17).2 Was aber ist Raum? Kerstin Rothe und Anne-Katrin Schade (2009, S. 195) grenzen den Raum gegenüber dem Ort ab. Während der Ort sich auf „eindeutig bestimmbare,

1

Ein Beispiel zur Illustration dieser Entscheidung: Die Möglichkeit, mehrere virtuelle Arbeitsfenster auf dem Computerbildschirm geöffnet zu haben (Raum), ist Voraussetzung für das zeitnahe Bearbeiten unterschiedlicher Aufgaben bis hin zu quasi zeitgleichem Bearbeiten in Form von Multitasking (Zeit).

2

Der Begriff „topographical turn“ geht auf die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel (2002) zurück (vgl. Döring/Thielmann 2008b, S. 15). Urheber des Begriffes „spatial turn“ ist der Humangeograf Edward W. Soja (1989) (vgl. ebd., S. 7). Zu einer ausführlichen Diskussion der Gebrauchsweisen dieser Begriffe in unterschiedlichen Disziplinen siehe Döring/Thielmann 2008a.

3. R AUM, Z EIT

UND

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geographisch physische Plätze“ bezieht, ist der Raumbegriff weiter und umfasst neben Orten auch noch „Konstruktionen, die keinerlei konkreten Bezug zu messbaren Stellen haben“. Eine ähnliche Unterscheidung führt Anne von Streit (2011, S. 81) mit Rückgriff auf die Arbeiten von Yi-Fu Tuan und Peter J. Taylor für die Begriffe „place“ und „space“ an (siehe Tabelle 3). Die Charakterisierung von space als abstraktem, flexiblem, uneingeschränktem Raum korrespondiert mit der Auffassung von Raum, wie sie der gegenständlichen Studie zugrunde liegt. Tabelle 3: Unterscheidung place – space place

space

eher konkret

eher abstrakt

vermittelt Sicherheit

verbunden mit Freiheit

Innehalten/Stillstand

Bewegung

vertraut/entsteht durch alltägliche

unpersönlich

Routinen und Erfahrung bestimmter Ort

überall

Heim/Wohnung/Wohnort

Staat

Quelle: von Streit 2011, S. 81, geringfügig modifiziert

In den Kultur- und Sozialwissenschaften wird Raum als kulturell oder sozial konstituiert bzw. konstruiert verstanden (vgl. Dünne 2004, S. 9; 2006, S. 289; Löw 2001, S. 228; Klaus/Drüeke 2010, S. 113).3 Andreas Pott, Alexandra Budke und Detlef Kanwischer (2004, S. 14) bezeichnen in der Einleitung ihres Sammelbandes „Internetgeographien“ Räume explizit nicht als „Handlungsrahmen, in denen sich Soziales abspielt“, sondern als Ergebnis kommunikativen und sozialen Handelns (vgl. auch Beck 2003, S. 129). Durch kommunikative Akte entstehen Franz Ronneberger zufolge (neue) Räume bzw. werden diese gestaltet (vgl. Ronneberger 1992, S. 339). Be-

3

Diese Denkweise geht mit konstruktivistischen, postmodernen und poststrukturalistischen Theorien einher und löst eine lange Tradition essenzialistischer Vorstellungen von Raum ab (vgl. Klaus/Drüeke 2010, S. 114).

86 | D ER EFFIZIENTE M ENSCH

sonders deutlich wird dies meines Erachtens am Beispiel der digitalen Medienkommunikation, z.B. in Onlineforen. Diese verändern sich mit jedem Eintrag, es entstehen neue Themenstränge, die auch aufeinander verweisen können. Der derart gestaltete Kommunikationsraum hängt von den kommunikativen Prozessen im Forum ab. Die Soziologin Martina Löw geht von einem relationalen Raumbegriff aus, der sowohl die Raumstruktur „(An)Ordnung“ als auch das Raumhandeln („anordnen“) umfasst (vgl. Löw 2001, S. 131). Räume konstituieren sich nach Löw durch zweierlei gleichzeitig stattfindende Prozesse: Im „Spacing“ werden soziale Güter und Menschen in Relation zu anderen Platzierungen positioniert (vgl. ebd., S. 158). Mittels ihrer „Syntheseleistung“ stellen die Menschen Bezüge zwischen den angeordneten Gütern und Menschen her, wodurch diese zu Räumen zusammengefasst werden (vgl. ebd., S. 159). Diese Auffassung von Raum als etwas, das hergestellt, getan (im Sinne eines „doing space“) wird, korrespondiert mit der „Trialektik des Raumes“ des Humangeografen Edward Soja. Soja interpretiert Raum als Ergebnis von Wahrnehmungen („perceived spatiality“), Vorstellungen („conceived spatiality“) und Lebenspraktiken („lived spatiality“) (vgl. Soja 1999, S. 265ff).4 Für die hier zu untersuchenden Zusammenhänge zwischen Medien(kommunikation), Raum und Zeit sind diese konstruktivistischen Konzeptionen fruchtbar, um die subjektiven Wahrnehmungen und Umgangsweisen mit Raum und Zeit in Zusammenhang mit der Mediennutzung bei der Arbeit zu analysieren. Aufgrund der Tatsache, dass Digicom-Arbeit einen beträchtlichen Anteil an Arbeit im virtuellen Raum aufweist (wie in Kapitel 2.1 gezeigt wurde), wird der virtuelle Raum im Folgenden genauer erläutert. 3.1.1 Virtueller Raum Mit dem Medien- und Wissenssoziologen Sebastian Pranz definiere ich virtuellen Raum als „interaktive Topographie, die aus einem dichten ‚Rhizomµ von Zeichen und hypertextuellen Verweisen besteht“ (Pranz 2008, S. 320). Diese Zeichen und Verweise erschließen sich jedoch nur in ihrer Nutzung,

4

Soja entwickelte seine Argumentation basierend auf Henri Lefèbvres Werk „The Production of Space“ (1991).

3. R AUM, Z EIT

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und die Entwicklung der virtuellen Räume ist abhängig von den Gestaltungsfähigkeiten der NutzerInnen (vgl. ebd., S. 321). Christina Schachtner verwendet für den virtuellen Raum die Metapher einer Straße: „Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bilden die neuen immateriellen Straßen, die die Gesellschaft durchziehen und auf denen produziert und transportiert wird, was zu den Kernstücken gesellschaftlicher Entwicklung geworden ist: Information und Kommunikation.“ (Schachtner 2008, S. 103).

Ich stimme Schachtner uneingeschränkt zu, wenn sie den Cyberspace trotz der fehlenden Materialität als Raum betrachtet.5 Sie bezieht sich dabei auf Georg Simmels immateriellen Raumbegriff (1922) sowie auf das Lebenswelt-Konzept von Alfred Schütz und Thomas Luckmann aus dem Jahr 1975 (vgl. Schachtner 2004b, S. 280f). Ebenfalls einen immateriellen Raumbegriff legte der Soziologe Manuel Castells nahezu ein Jahrzehnt zuvor seiner Theorie der Netzwerkgesellschaft zugrunde. Er interpretiert deren Raumformationen als Ströme und ortet den „Raum der Ströme“ bzw. den „space of flows“ (Castells 1994; 1996, S. 376ff; 2005, S. 221). „Ströme“ definiert er als „absichtsvolle, repetitive, programmierbare Abfolgen des Austausches und der Wechselwirkung zwischen physisch abgetrennten Stellungen, die von sozialen Akteuren in der dominanten ökonomischen, politischen und symbolischen Struktur der Gesellschaft eingenommen werden“ (Castells 1994, S. 126).

Die Gesellschaft werde von solchen Strömen dominiert: „Ströme von Botschaften, Ströme von Vorstellungsbildern, Ströme von Klängen, Ströme von Kapital, Ströme von Informationen, Ströme von Anweisungen, Ströme von Technologien, Ströme von Waren, Ströme von Arbeit“ (ebd., S. 124). Dabei ist der virtuelle Raum genauso real wie der materielle Raum (vgl. Becker 2004, S. 110). „Für das Wahrnehmungssystem ist nicht die materielle Erscheinungsform von Räumen entscheidend, sondern erkennbare Muster, übertragbare Eigenschaften, Formen und sozial zugeschriebene

5

Dem ist hinzuzufügen, dass auch der immaterielle virtuelle Raum materielle Grundlagen braucht wie Server, Leitungen und Hardware (vgl. auch Schachtner 2013, S. 34f).

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Funktionen.“ (Ebd.). Dennoch gelten für den virtuellen Raum eigene Bedingungen, wie Schachtner betont: „[…] wir befinden uns im Netz auf einer besonderen Bühne.“ (Schachtner 2004a, S. 133). Korrespondierend entlarvt Pranz den virtuellen Raum als Ergebnis von Inszenierungen, „denn der Cyberspace ist in vielerlei Hinsicht ein ‚leerer Raumµ, in dem es nichts zu sehen gibt, das nicht für ein Publikum ausgewählt und sichtbar gemacht worden wäre“ (Pranz 2008, S. 323, Hv. i. O.). Die NutzerInnen sind wesentlicher Teil dieser Inszenierungen, da sie in ihrer Nutzung den Raum mitkonstruieren, indem sie auf Hyperlinks klicken, welche wieder neue Räume eröffnen, und somit ihre individuellen Pfade ins Netz zeichnen. Im Fall des Web 2.0 nimmt das Mitkonstruieren von Raum durch das Kreieren eigenen Contents noch konkretere Formen an, sodass das weltweite Netz zu einer kollektiven Inszenierung gigantischen Ausmaßes wird. Entgegen euphorischer Hoffnungen, das Internet biete gleichberechtigte Chancen für alle, kann mit den immer noch aktuellen Thesen der Soziologin Saskia Sassen (1997, S. 215) darauf hingewiesen werden, dass der elektronische Raum kein machtfreier Raum ist. So entstehen aufgrund der Kommerzialisierung digitaler Netzwerke und den darin eingeschriebenen Hierarchien Formen von „Cyber-Segmentierungen“ – „Momente der Dynamik von Ungleichheit und Macht“ (ebd., S. 218)6, und es existieren ungleiche Ressourcen hinsichtlich des Zugangs zum elektronischen Raum und dessen Nutzung (vgl. Sassen 1997, S. 215). Auch Manuel Castells macht auf den „Digital Divide“ aufmerksam, der in Zusammenhang mit der Konzentration von Informationsräumen entsteht und jene Menschen benachteiligt, die von den Datenströmen ausgeschlossen sind (vgl. Castells 2005, S. 255). Miriam Meckels Shakespeare‘sche Seins-Frage „to be connected or not to be“ (Meckel 2001, S. 64) stellt sich insbesondere in Hinblick auf den Arbeitsmarkt, denn der Digital Divide erschwert den Betroffenen auch den Zugang zur Erwerbsarbeit (vgl. Welsch 2006). Dabei ist nicht nur auf die beschränkten Zugangsmöglichkeiten zu verweisen, sondern auch auf die Fragen der technologischen und/oder Medienkompetenz, also die Fähigkei-

6

Speziell auf diesen Machtaspekt bezieht sich Thomas Steinmaurer (i. E.) in Zusammenhang mit dem Dispositiv der Dauervernetztheit. Er beschreibt die techno-ökonomischen Zwänge der Nutzung mobiler Kommunikationstechnologien (z.B. Tracing, Überwachung).

3. R AUM, Z EIT

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ten, Apparate und Maschinen zu bedienen und sinnvoll und verantwortungsvoll zu nutzen (vgl. Roth-Ebner 2011, S. 2; vgl. Theunert 2010, S. 9). Nach Johann Welsch (2006, S. 189ff) weisen Menschen, die vom Erwerbsleben ausgeschlossen sind, eine geringere Medien- und Technikkompetenz (Welsch spricht genau gesagt von „Internetpartizipation“) auf, was wiederum ihre Integrationsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt verschlechtert. 3.1.2 Transformationen im Offline: Hybride Räume Auch wenn Raum nicht zwangsläufig an Materielles gebunden ist, haben virtuelle Räume Auswirkungen auf den physischen Raum (vgl. Allon 2004, S. 257; Stegbauer 2002, S. 346).7 Den Thesen Castells folgend, haben wir es im Informationszeitalter mit einem „hybriden Raum“ zu tun, „der aus Orten und Strömen besteht“ (Castells 2005, S. 249). Castells nennt ihn einen „Raum vernetzter Orte“ (ebd.). Der Kunsthistoriker William J. Mitchell beschreibt 2005, wie allerorts verfügbare Medien Städte verändern und sie zu unterbrochenen Szenerien (im Sinne Castells) werden: ÄOpen a book, enter a movie theater, or dial up a track on your iPod and your attention is instantly shifted to another place or time. The dense embedding of these discrete media spaces in the urban fabric yields a city that, like a film with jump cuts and flashbacks, is experienced and understood as a sequence of spatially and temporally discontinuous scenes – some of them expressions of the current, local reality, and others ephemeral media constructions.³ (Mitchell 2005, S. 14).

Die von Mitchell beschriebene Entwicklung bezeichnet der Soziologe Andreas Metzner-Szigeth (2009, S. 59f) als „lebensweltliche Hybridisierung³. Er meint damit, dass sich physischer und elektronischer Raum im alltägli-

7

Andererseits schließt die Gestaltung des virtuellen Raumes an unsere alltäglichen Praktiken im Offline an. Wir legen Ordner an, öffnen Fenster, werfen etwas in den Papierkorb und räumen den Schreibtisch auf. (Vgl. Pranz 2008, S. 321; Schachtner 2004b, S. 282). Da die im virtuellen Raum aufgebauten Raumstrukturen an das Offline, an den physischen Raum, erinnern, finden wir uns online besser zurecht (vgl. Beck 2003, S. 119; Becker 2004, S. 112; Funken/ Löw 2003b, S. 12). Das Nicht-Fassbare wird damit fassbarer, das Nicht-Vorstellbare vorstellbar.

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chen Gebrauch von IuK-Technologien vermischen. Dies sei z.B. der Fall, wenn eine Passantin auf der Straße mit ihrem Mobiltelefon telefoniert. Sie befindet sich gleichzeitig in der physischen Umwelt und in einem künstlich erzeugten elektronischen Kommunikationsraum. In Zusammenhang mit mobiler Arbeit im öffentlichen Raum sprechen Alan Felstead, Nick Jewson und Sally Walters von temporären Blasen oder Kapseln, die dabei entstehen. Ä[…] working on the move entails generating a temporary bubble or capsule of functional, and possibly personalized, space within the context of anonymous public encounters.“ (Felstead/Jewson/Walters 2005, S. 8). Für das Raumverständnis der gegenständlichen Studie bedeutet dies, dass Raum nicht als abgegrenzt und isoliert verstanden wird, sondern dass sich Räume mit unterschiedlichen Raumqualitäten (elektronisch, physisch) auch überlappen. Die digitalen Medien erlauben es, sich gleichzeitig auf mehreren Bühnen zu bewegen, wie Stig Hjarvard (2008, S. 122f) mit Bezug auf Goffmans Bühnen-Metapher feststellt. Somit ist die gleichzeitige Präsenz in unterschiedlichen, teils physikalischen, teils virtuellen Räumen möglich. Mit Karlheinz Geißler (2004, S. 150) kann dies als „Multipräsenz“ bezeichnet werden.8 IuK-Technologien bezeichnet Mitchell (2005, S. 182) als „instruments of spatial displacement“, welche virtuellen und physischen Raum verbinden. ÄThese instruments link the new global infrastructure to particular places and human activities. They embed the virtual in the physical, and weave it seamlessly into daily urban life.³ (Ebd.). Er unterscheidet vier Formen von „instruments of displacements³: 1. Mini-Instrumente, welche als Erweiterung des menschlichen Körpers

fungieren (Mobiltelefone, Smartphones, iPads usw.), 2. Geräte, welche in der Aktentasche getragen werden wie Notebooks oder

Netbooks, 3. Infrastruktur, welche in die Architektur integriert ist (digitale CityLights, Werbe- und Infoscreens) und 4. immersive Technologien, die – nahe am Menschen – dessen Sinnempfinden in einer virtuellen Umgebung steuern (virtual or augmented rea-

8

Siehe hierzu das Kapitel 5.1.2 „Erweiterung von Raum und Distanzverminderung durch Virtualität“.

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lity, wie z.B. der in einen Brillenrahmen integrierte Mikrocomputer „Google Glass“).9 (Vgl. ebd., S. 182ff). Die Betrachtung von IuK-Technologien als Erweiterungen des menschlichen Körpers („extensions of man“) ist auf Marshall McLuhan (1964) zurückzuführen. Auch der Medienphilosoph Paul Virilio verwendete schon früh die Prothesenmetapher, jedoch versah er diese mit einem wesentlich pessimistischeren Etikett. Den Menschen im Informationszeitalter nennt Virilio „Terminal-Bürger[s] […], der schon bald mit interaktiven Prothesen überrüstet sein wird und dessen pathologisches Modell der ‚Gehbehinderteµ darstellt, der über entsprechende Hilfsmittel verfügt, um seine häusliche Lebenswelt zu kontrollieren, ohne sich physisch fortbewegen zu müssen“ (Virilio 1996, S. 34, Hv. i. O.).

Auch wenn technologisch die Voraussetzungen für die „TerminalbürgerInnen“ gegeben sein mögen, teile ich Virilios Befürchtung beinahe zwei Jahrzehnte später nicht. Vielmehr betrachte ich den Drang nach mehr Bewegung als eine Konsequenz der Arbeit mit IuK-Technologien.10 Die Hybridität von physikalischen, elektronischen und virtuellen Räumen hat Implikationen für die Gestaltung von physischen Räumen, denken wir nur an W-LAN-Anschlüsse in öffentlichen Gebäuden oder an das Verschwinden von Telefonzellen. An deren Stelle treten nun z.B. in WellnessHotels Telefonierinseln, welche bequeme und diskrete Alternativen für Mobiltelefonierende bieten (siehe Abbildung 2).11

9

Immersion beschreibt ein Eintauchen in mediale bzw. virtuelle Räume (vgl. Neitzel 2008, S. 146). Es geht darum, „die Grenze zwischen dem medialen Raum, in den man eintritt, und dem eigentlichen Rezeptionsraum im Bewusstsein der Rezipierenden partiell auszulöschen oder zumindest die Aufmerksamkeit von dieser Grenze abzuziehen“ (ebd., S. 146, Hv. i. O.).

10 Die für die gegenständliche Studie geführten Interviews stützen diese Argumentation. Immerhin geben 17 von 20 Personen an, (mehr oder weniger) regelmäßig Sport zu betreiben. 11 Die Zusammenhänge zwischen Mobiltelefonie und (öffentlichem) Raum stellen einen eigenen Forschungsbereich dar. Für den deutschsprachigen Raum siehe

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Abbildung 2: Panorama Handy-Box in Wellnesshotel

Quelle: Eigene Fotografien

Mitchell (2005, S. 102) stellte an seiner Institution, dem Massachusetts Institute of Technology, im Jahr 2005 einen abnehmenden Bedarf an fest installierten Arbeitsplätzen für Studierende fest. „The students are discovering that a laptop-friendly café table is the right sort of place for a brainstorming session over a sandwich, that a shady spot under a tree serves nicely as a quiet, private place to hack code on a sunny day, and that the couch by the large-format plotter is a convenient place to answer email while keeping an eye out for your poster in the print queue.“ (Ebd.).12 u.a. Höflich 2011. Mehr dazu in Kapitel 3.1.4 „Exemplarische Studien zum Verhältnis von Medien und Raum“. 12 Eine eigene Beobachtung betrifft die bevorzugten Sitzplätze in Hörsälen: Während zu meiner Studienzeit in den frühen 2000er Jahren je nach gewollter Aufmerksamkeit und Mitarbeit entweder die vorderen oder die hintersten Reihen begehrt waren, hat sich heute der Schwerpunkt der Studierenden auf die Randbereiche verlegt. Der Grund hierfür liegt in den Steckdosen, die in den meisten Unterrichtsräumen unserer Universität nur an den Wänden angebracht sind und die den Strom für die Notebooks liefern.

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Meckel (2007, S. 137) führt ergänzend die Flughafen-Lounge an, die designed ist, um Geschäftsreisenden während ihrer Wartezeiten das Arbeiten mithilfe von IuK-Technologien zu ermöglichen. Für die Fragestellung der gegenständlichen Studie ist dies hoch relevant: Dem allerorts und jederzeit möglichen Arbeiten scheint von Seiten der Architektur und Raumplanung zunehmend Rechnung getragen zu werden. 3.1.3 Die These von der Schrumpfung des Raumes Wenn, wie in Kapitel 2.2 beschrieben, im virtuellen Raum Kontinente zusammenrücken und Kommunikation in Echtzeit über den gesamten Globus im so genannten „globalen Dorf“ (McLuhan 1968, S. 47) oder „Global Village“ hinweg stattfinden kann, müssen die Dimensionen von Räumlichkeit neu ausgelotet werden.13 „Räumliche Distanzen schrumpfen auf die Zeiten der Datenübertragung, und diese werden dank fortschreitender Technologie dereinst die Schwelle der Wahrnehmbarkeit unterschreiten. Die Auflösung des Raumes in dimensionslose Zeit macht den Cyberspace zu einem ortlosen Ort zeitloser Bewegung – zu einem Nicht-Ort gewissermaßen, zum U-Topos. Die Kartographie des Cyberspace kennt keine nationalen oder territorialen Grenzen; seine Bewohner benötigen keinen Paß mehr, sondern nur noch ein Paßwort.“ (Münker/Roesler 1997, S. 9).

Im Gegensatz zu Stefan Münker und Alexander Roesler sehe ich den Cyberspace nicht als Nicht-Ort (U-Topos), sondern in Anlehnung an Michel Foucault (1992, Orig. 1967) als Heterotopie, als einen „anderen Raum“ (vgl. auch Funken/Löw 2003b, S. 13). Foucault konzipiert Heterotopien als „tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden

13 Ich hebe das Wort „kann“ hervor, um an den zuvor erörterten Digital Divide zu erinnern. Klaus Beck (2003, S. 125) stellt außerdem die Übertragung der Global-Village-Metapher auf das Internet in Frage. McLuhan habe sie im Kontext des Hörfunks formuliert. Die Sichtweise des global entgrenzten Kommunikationsraumes sei zu euphorisch und hielte empirischen Überprüfungen nicht stand (vgl. ebd.). Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Konnektivität in Kapitel 2.2.

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können“ (Foucault 1967/1992, S. 39). Der These des Cyberspace als grenzenloser Raum von Münker und Roesler ist zudem entgegenzuhalten, dass physische Grenzen im Internet durchaus relevant sind, z.B. wenn es um Zensur geht, wie Ricarda Drüeke in einem Vortrag zu Bedenken gibt.14 Zudem ist zu bemerken, dass wir durch mobile IuK-Technologien zwar ortsunabhängig kommunizieren, aber dennoch lokalisierbar sind. Denken wir nur an die IP-Adresse, welche unsere Spuren im Internet hinterlässt, oder an die Ortungsmöglichkeit von Mobiltelefonen.15 Ein Befund, den ich anhand meiner gegenständlich generierten Daten vorwegnehmend bestätigen kann, ist der einer wahrgenommenen Verkleinerung von Distanzen, welche mit der Nutzung von IuK-Technologien einhergeht. Martin Grentzer (1999, S. 17) veranschaulichte dies 1999 in seiner Dissertation anhand einer Skizze, welche die Größe der Erde, gemessen an der Schnelligkeit des Nachrichtentransfers, in unterschiedlichen Epochen abbildet und die wahrgenommene Verkleinerung des Erdraumes zeigt (siehe Abbildung 3).16

14 Drüeke, Ricarda: Das Internet als politischer Kommunikationsraum, Gastvortrag an der Alpen Adria-Universität Klagenfurt am 31.03.2011. 15 Hinsichtlich der Verortung von Medien bzw. „lokativer“ Medientechniken, z.B. durch GPS (Global Positioning System), digitale Karten oder Geoinformationssysteme hat sich ein neues, interdisziplinäres Forschungsfeld aufgetan. Hierzu sei auf den Sammelband „Locative Media“ (Buschauer/Willis 2013) verwiesen. 16 Auf die Studie von Martin Grentzer wird in Kapitel 3.1.4 „Exemplarische Studien zum Verhältnis von Medien und Raum“ noch genauer eingegangen.

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Abbildung 3: Wahrgenommene Verkleinerung der Welt

Quelle: Grentzer 1999, S. 17

Virilio sah diese Verkleinerung seiner technikpessimistischen Sichtweise entsprechend dramatisch. Neben der von ihm beklagten Verschmutzung der

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Umwelt sprach er von einer „dromosphärische[n] Verschmutzung“ (Virilio 1996, S. 53). Er meinte damit die Verzerrung der Entfernungen, des RaumZeit-Gefüges durch die digitalen Übertragungsmedien oder auch durch Überschall-Flugzeuge. Dies verursache „die Schädigung des Realitätsempfindens eines jeden von uns, den Sinnverlust einer nunmehr weniger GANZHEITLICHEN als vielmehr durch solche Technologien VERKLEINERTEN Welt“ (ebd., S. 87f, Hv. i. O.). Der These von der Schrumpfung bzw. Auflösung des Raumes schließe ich mich (beinahe zwei Jahrzehnte später) in dieser Dramatik nicht an. Eine wahrgenommene Verkleinerung von Distanzen halte ich mit Grentzer (1999) jedoch für plausibel, da Raumvorstellungen, wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, kulturell geprägt sind und die globale Kultur der Gegenwart diesbezüglich ihre Spuren hinterlässt.17 3.1.4 Exemplarische Studien zum Verhältnis von Medien und Raum Medien- und kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen, die ihren Fokus auf den Raum legen, sind aufgrund der bereits erwähnten Aktualität des Themas („spatial turn“) breit aufgestellt und beschäftigen sich beispielsweise mit digitalen Medien als Konstrukteure von Identitätsräumen (etwa der Sammelband von Hipfl/Klaus/Scheer 2004 oder die Arbeiten von Georgiou 2006; Klaus/Drüeke 2010; 2011; Morley/Robins 1995), mit Medien als politische Kommunikationsräume (z.B. Bode et al. 2013; Drüeke 2013) und mit Medien in transnationalen/transkulturellen Kontexten (etwa der Sammelband von Busch/Hipfl/Robins 2001 oder die Arbeiten von Hepp 2006; Schachtner 2010a; Winter 2013).18 Zur Frage nach dem Zusammenhang zwischen Raum und der Mediatisierung von Arbeit kann die medienwissenschaftliche Untersuchung „E-Network. Kommunikation und Gemeinschaftsbildung in virtuellen Frauen-Räumen“ wertvolle Hinweise ge-

17 Mehr dazu in Kapitel 5.1 „Raum im Kontext von Digicom-Arbeit“. 18 Zu interdisziplinären Perspektiven zu Medien und Raum siehe die Sammelbände von Bukow/Fromme/Jörissen 2012; Buschauer/Willis 2013; Couldry/McCarthy 2004; Funken/Löw 2003a; Müller/Scholz 2012a und Stockhammer 2005; oder aus der Perspektive der Geografie und Raumsoziologie Budke/Kanwischer/Pott 2004.

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ben. Im Rahmen dieser Untersuchung ging Christina Schachtner mit ihrem Team virtuellen Mädchen- und Frauennetzwerken auf die Spur. Ziel war es, die Motive, Strukturen, Bedingungen und Erfolgsfaktoren solcher Netzwerke zu erforschen. (Vgl. Schachtner/Winker 2005, S. 9).19 In virtuellen Mädchen- und Frauennetzwerken, so zeigen ihre Studienergebnisse, entstehen unterschiedliche Arten von Räumen: Wissens- und Informationsräume, Räume für Kommunikation, für Kooperation und Empowerment (vgl. ebd., S. 140). Der virtuelle Raum dient den Frauen und Mädchen auch als Experimentierraum, insofern als er das Ausprobieren neuer Denk- und Handlungsweisen ermöglicht (vgl. ebd.). Die Community, die sich in diesen Räumen verortet und sie gleichzeitig gestaltet, bildet den übergeordneten Raum, der die einzelnen Räume zusammenhält (vgl. ebd., S. 141). Darin finden die Akteurinnen Hilfe und Anregung für ihre berufliche Arbeit, sie erlangen Empowerment durch gleichgeschlechtliche Seilschaften. Gleichzeitig sind die virtuellen Mädchen- und Frauennetzwerke offen und wirken hinaus in die Offline-Welt. (Vgl. ebd., S. 142f). Aus den umfangreichen Ergebnissen möchte ich einen für meine Studie relevanten Aspekt hervorheben, jenen des virtuellen Arbeitsraumes, der im Kontext der Netzwerke entsteht. Bettina Duval (2005, S. 225) bezeichnet ihn mit den Worten einer ihrer Interviewpartnerinnen als virtuelles „,Großraumbüroµ“. Diese Interpretation trifft Duval zufolge vor allem auf die selbstständigen Netzakteurinnen zu, welche im Internet Aufträge akquirieren, sich über berufliche Belange austauschen oder Projektgemeinschaften im Netz bilden (vgl. ebd., S. 225f). Obwohl virtuelle Frauen- und Mädchennetze inzwischen an Bedeutung verloren haben, setzen sich, so meine Annahme, deren Funktionen beispielsweise in Social Networks wie XING oder Facebook fort.20 Die Studie von Schachtner veranschaulicht, welche

19 Untersuchungsgrundlage waren vier Business- und Bildungsnetze mit frauenpolitischem Anliegen sowie ein Mädchennetzwerk (vgl. Schachtner/Winker 2005, S. 14). Methodisch wurde mit dem eigens für diese Studie entwickelten Verfahren der fokussierten Netzanalyse sowie mit 33 thematisch strukturierten Interviews mit Netzakteurinnen gearbeitet. Zudem wurde die Methode des Visualisierens eingesetzt (vgl. Schachtner 2005, S. 132ff; zu dieser Methode siehe auch Kapitel 4.3.3). 20 XING ist ein berufliches soziales Netzwerk, das zur Pflege von professionellen Kontakten genutzt wird.

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Chancen unter bestimmten Bedingungen (z.B. Medienkompetenz) in virtuellen Räumen bestehen und wie diese Räume durch soziale Interaktion hergestellt werden. Damit lässt sich an die von mir skizzierten theoretischen Perspektiven anschließen, wonach Kommunikationsräume durch kommunikatives Handeln entstehen. Diese These kann auch mit Verweis auf die Studien Joachim Höflichs bestätigt werden. Der Kommunikationswissenschaftler beschäftigt sich bereits in langjähriger Forschung mit dem Medium Mobiltelefon. In seinem Buch „Mobile Kommunikation im Kontext“ trug Höflich (2011) Ergebnisse aus mehreren ethnographisch orientierten Forschungsprojekten im Zeitraum von 2003 bis 2010 zur Mobiltelefonnutzung im öffentlichen Raum zusammen (vgl. ebd., S. 59). Dabei zeigte er auf, wie die Nutzung der mobilen Telefone die Sozialität des öffentlichen Raumes verändert, welche Spannungsfelder zwischen Nähe und Distanz, Privatheit und Öffentlichkeit damit konstruiert werden und wie sich die Menschen dazu verhalten. So stellen Telefonate in der Öffentlichkeit Unterbrechungen von sozialen Arrangements dar. Die Telefonierenden befinden sich in einer Phase der „abwesenden Anwesenheit“ (Gergen 2002; zit. nach Höflich 2011, S. 105, Hv. b. Höflich), da sie sich zugleich an zwei Orten befinden, dem physischen Präsenzraum sowie dem virtuellen Kommunikationsraum des Telefonats.21 Dabei versuchen die Telefonierenden in der Regel, in Distanz zu ihrer physischen Umgebung zu treten, etwa indem Nischen aufgesucht werden oder man sich einem Schaufenster zuwendet (vgl. Höflich 2010, S. 103).22 Mit der abwesenden Anwesenheit verbunden ist eine geringere Aufmerksamkeit gegenüber der physischen Umgebung (vgl. ebd., S. 103ff). Insgesamt unterstreicht Höflich mit seinen Arbeiten, dass sich im Zuge der Etablierung Neuer Medien neue Nutzungsweisen und soziale Regeln bzw. Verhaltensweisen herausbilden.

21 Wie in Kapitel 3.1.2 argumentiert, handelt es sich dabei um hybride Raumsettings. 22 Ein Beispiel für diese „abwesende Anwesenheit“ konnte ich während einer Tagungsreise im Jahr 2010 an einem Bahnsteig des Salzburger Hauptbahnhofs beobachten, als ein Mann am Boden kniend telefonierte und dabei mit seinem nach vorne gebeugten Oberkörper eine Gesprächskuppel formte, die ihn von der physischen Umgebung abgrenzte.

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Bereits seit den 1980er Jahren beschäftigt sich die Geographie mit den Zusammenhängen von Raum und Kommunikation.23 Unter dem Label „Geographie der Kommunikation“ entstanden zahlreiche Forschungsarbeiten; eine davon ist die bereits erwähnte Dissertation von Martin Grentzer (1999). Er untersuchte die Auswirkungen von IuK-Technologien auf die Raumstrukturen von transnationalen Unternehmen anhand des Fallbeispiels der Siemens AG Speyer. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass „absolute räumliche Nähe – gemessen in Kilometern – gegenüber relativer räumlicher Nähe – gemessen in Zeiteinheiten – zunehmend an Bedeutung verliert“ (Grentzer 1999, S. 199). Mit Rückgriff auf Castells (1994) machte er in seinem Untersuchungsbeispiel einen „space of flows“ aus, der durch IuKTechnologien geschaffen werde (vgl. ebd., S. 203). In diesen elektronischen Netzwerken gäbe es „keinen für sich singulär existierenden Ort mehr, da die Positionen durch Ströme (‚Flowsµ) definiert werden“ (ebd.). Orte verschwinden nicht, sondern werden im Netz neu definiert (vgl. ebd.). „Aus fixen Standorten wird aufgrund der I&K-Technologien ein Bewegungsraum, in dem sich die räumliche Präsenz von Unternehmen äußert.“ (Ebd.). Solche Bewegungsräume zeigen sich auch im Sample der gegenständlichen Studie, etwa im Fall einer Produktmanagerin aus der Softwarebranche, die ein Team leitet, das sich in einem anderen Staat befindet. Die Teamarbeit erfolgt mittels Instant Messenger, kollaborativer Software24, EMail und Telefonkonferenzen und wird über kommunikative Ströme aufrechterhalten. Dennoch ist die zeitweise physische Präsenz im Rahmen von Face-to-Face-Treffen wichtig. (Vgl. IV 02). Die exemplarisch zusammengestellten Studien belegen die sozial-kommunikative Konstruktion von Räumen und die Entstehung neuer räumlicher Arrangements und Dimensionen durch Nutzung neuer Kommunikationstechnologien. Damit verbunden sind neue Nutzungsmuster, neue Chancen und Risiken, denen mittels spezieller Kompetenzen begegnet wird. Wie sich diese Zusammenhänge im Rahmen der Studie „Mediatisierung von Arbeit“ zeigten, wird Gegenstand der Kapitel 5 bis 8 sein.

23 Siehe etwa den Sammelband von Stanley D. Brunn und Thomas R. Leinbach „Collapsing space and time“ 1991. 24 Dabei handelt es sich um Software, welche zur virtuellen Zusammenarbeit von Teams genutzt wird, wie z.B. Lotus Notes.

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3.2 T HEORETISCHE K ONZEPTUALISIERUNG

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„Die Zeit ist voller Paradoxien. Sie läuft uns davon und bedrängt uns zugleich. Sie sitzt uns im Nacken, doch können wir sie nicht greifen. Zeit als ein von Menschen geschaffenes soziales Konstrukt hat sich in unserer Epoche dermaßen verselbständigt, daß wir sie kaum mehr beherrschen können. Wir leiden an ihr.“ (Neverla 1992a, S. 217).

Wie in diesem Zitat der Kommunikationswissenschaftlerin Irene Neverla anklingt, ist Zeit nicht nur objektiv als messbare Größe (ablesbar an der Uhrzeit) und geknüpft an natürliche Phänomene (wie die Jahreszeiten) zu verstehen, sondern gleichzeitig als etwas sozial Vereinbartes (Neverla 1992b, S. 34), etwas subjektiv Wahrgenommenes und Erlebtes (vgl. Klaus 2012, S. 65). Die Soziologin Helga Nowotny nennt diesen subjektiven Aspekt von Zeit die „Eigenzeit“ (Nowotny 1989, S. 42). Wie wir die Zeit wahrnehmen, hängt von vielen Faktoren ab, wie der nachgegangenen Tätigkeit, der individuellen Verfassung oder der Gesellschaft, in welcher wir uns gerade befinden. Bin ich z.B. „im Flow“, verliere ich das Gefühl für die Zeit (vgl. Csikszentmihalyi 2004, S. 187). Bezugnehmend auf den Soziologen Norbert Elias versteht Neverla Zeit in einem sozialwissenschaftlichen Sinn als ein soziales Konstrukt (vgl. Neverla 1994, S. 79; vgl. auch Beck 1994). „Sie ist ein von Menschen geschaffenes Koordinatensystem, das der Abstimmung unserer Interaktionen dient.“ (Neverla 1994, S. 79). Neverla spricht daher auch von der „aktive[n] Bearbeitung von Zeit“ als „,zeitenµ (to time)“25 und betont damit den konstruktiven Charakter von Zeit (vgl. auch Elias 1984, S. 8). Diese Auffassung entspricht der etymologischen Bedeutung des Wortes „Zeit“. Dessen Wurzeln in mehreren Sprachen bedeuten „,zerteilen, zerschneiden, zerpflügenµ“ (Bellebaum 1990, S. 68f; zit. nach Beck 1994, S. 82), womit auf den aktiven Charakter von Zeit verwiesen werden kann. „Denn es sind wir Menschen, die Zeit machen.“ (Nowotny 1989, S. 8).

25 Im Englischen bedeutet das Wort die Zeit messen, festlegen, den richtigen Zeitpunkt bestimmen.

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Zeitwahrnehmung ist vor allem aber auch kulturell geprägt26, wie der Psychologe Robert Levine (1998) anhand seiner Untersuchung zur Zeitwahrnehmung und dem Zeitumgang in unterschiedlichen Kulturen anschaulich vor Augen führte.27 Der Wirtschaftswissenschaftler Martin Held (2004, S. 331) spricht deshalb anstatt von „der Zeit“ von verschiedenen Zeiten, also von Zeitformen, welche sich in unterschiedlichen Zeiten und Kulturen entwickeln. 3.2.1 Historische Betrachtung von Zeit Je nachdem wie sich das Verhältnis von Mensch zur Natur verhält bzw. wie Gesellschaft gestaltet ist, konstituiert sich auch Zeit (vgl. Ahrens/Gerhard/ Hörning 1994, S. 171). Unter dem vielsagenden Buchtitel „Alles hat seine Zeit, nur ich hab keine“ erörtert der Zeitforscher Karlheinz Geißler (2012) drei (nicht trennscharfe) Epochen mit jeweils unterschiedlichen Zeitauffassungen und unterschiedlichem Zeithandeln28: Vormoderne, Moderne und Postmoderne. In der Vormoderne (Mittelalter) lebte der Mensch im Takt der Natur. Natürliche Abläufe bestimmten die Lebensrhythmen. Geißler spricht von der Epoche der „,organische[n] Zeitµ“ (Geißler 2012, S. 38). Arbeit und Freizeit waren nicht getrennt, Zeit wurde nicht linear wahrge-

26 So wird z.B. in Indien ein gänzlich anderer Umgang mit Zeit gepflegt als in Deutschland oder Österreich, was in internationalen, in Indien angesiedelten Konzernen zu massiven interkulturellen Verständigungsproblemen führt. Zeitliche Abmachungen gelten in Indien etwa als bloßer Orientierungswert ohne jegliche Verbindlichkeit. (Vgl. Gastvortrag von Niteen Gupte, Universität Pune/ Indien, zum Thema „Indische Arbeitswelt aus deutscher Sicht – ein Fallbeispiel für interkulturelle Verständigung“, 12.03.2010, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt). 27 Levine identifizierte als wichtigsten Faktor für das in einer Kultur vorherrschende Zeitempfinden die Wirtschaft. Orte mit einer gut entwickelten Wirtschaft seien tendenziell von einem höheren Tempo gekennzeichnet als wirtschaftlich unterentwickelte Orte. (Vgl. Levine 1998, S. 38f). 28 Ich verstehe „Zeithandeln“ mit Beck (1994, S. 115) als „den Umgang mit Zeit und die aktive Zeitgestaltung durch individuelle oder kollektive Akteure. Zeithandeln bringt – vor allem durch Habitualisiertung [sic!] und Institutionalisierung – gesellschaftliche Rhythmen und Zeitordnungen hervor […].“

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nommen, sondern zyklisch, da Abläufe immer wiederkehrten und nichts wesentlich Neues passierte. Als sozialer Zeitgeber fungierte die Kirche, welche mit ihren Ritualen und Bräuchen bestimmten Zeiten Bedeutung verlieh. (Vgl. ebd., S. 29ff). Die Moderne nennt Geißler die „Epoche des Uhrzeitimperialismus“ (ebd., S. 78). Die Uhr ist für ihn die folgenreichste Erfindung nach der Erfindung des Rades (vgl. ebd., S. 75). Ab dem 14. Jahrhundert waren Uhren im öffentlichen Raum präsent. Mit der Uhr befreite sich Geißler zufolge der Mensch vom Takt der Natur, Zeit wurde säkularisiert und vom Menschen gestaltbar. Ein lineares Zeitbewusstsein löste das zyklische ab. Uhr und Kalender fungierten als „Ordnungsmaschine[n]“ (Geißler 2012, S. 87; vgl. auch Krotz 2012d, S. 30). Zunächst nutzte der Handel, später die Industrialisierung das Potenzial der Uhr zur Ökonomisierung von Zeit.29 Die Erfindung der Stechuhr im 19. Jahrhundert ist dafür wohl das herausragendste Beispiel. Fortschrittsdenken, technologische Entwicklungen und Beschleunigung30 gingen Hand in Hand. Die Dampfmaschine (1769) bezeichnet Geißler (2012, S. 122) als „,Mutterµ aller Beschleunigungsmaschinen“; der Kommunikationswissenschaftler Klaus Beck nennt sie „,Zeitmaschineµ“ (Beck 1994, S. 135). Zusammen mit der Eisenbahn transformierte sie das Transportwesen im 18. und 19. Jahrhundert wesentlich. Wie Wolfgang Schivelbusch ausführt, wurde erst durch die Eisenbahn in England eine einheitliche Zeit eingeführt.31 Die „Beschleunigungsmaschinen“ bereiteten den Nährboden für den Kapitalismus und leisteten ihm Vorschub. Während der Industrialisierung entstand das Be-

29 „Erst mit dem aufkommenden Kapitalismus, als Zeit in Geld umgewandelt werden konnte, entstand die für Industriegesellschaften charakteristische Einstellung gegenüber der Zeit […].“ (Nowotny 1989, S. 38). 30 Wenn ich von „Beschleunigung“ spreche, dann meine ich damit keineswegs eine Beschleunigung objektiver Zeit, sondern es geht vielmehr – mit Beck (1994, S. 346) gesprochen – um eine „lebensweltliche Beschleunigungserfahrung“, welche der subjektiven Zeitwahrnehmung entspricht. 31 Die so genannte Eisenbahnzeit galt vorerst nur für den Eisenbahn-Fahrplan. Davor hatten Orte eigene Lokalzeiten, die sich voneinander unterschieden. 1880 schließlich wurde diese Eisenbahnzeit verallgemeinert und zur Standardzeit erklärt. (Vgl. Schivelbusch 1977, S. 43f). Dies war aufgrund der Industrialisierung in Zusammenhang mit der Etablierung von Fabriksarbeitszeiten und abgestimmten Transportzeiten notwendig geworden.

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wusstsein für die Teilbarkeit der Zeit und damit für Rationalisierungsvorgänge, die sich in der Taylorisierung zuspitzten (vgl. Hickethier 2002, S. 114). Aus medien- und kommunikationswissenschaftlicher Sicht ist zu ergänzen, dass sich in der Moderne und vor allem im Zuge der Industrialisierung auch das Publikationswesen von gedruckten Nachrichtenmedien beschleunigte; es entstanden immer mehr Printmedien, und diese erschienen immer öfter und regelmäßiger (vgl. Hömberg 1990, S. 9; Neverla 2010, S. 190). Hervorzuheben ist, dass in der Moderne erstmals auch die Zeitkrankheit (Neurasthenie) festgestellt wurde, welche in ihren Symptomen aktuellen Stress- und Burnout-Erkrankungen ähnelt (vgl. Ehrenberg 2004, S. 38ff; Geißler 2012, S. 73ff). Die Postmoderne bezeichnet Geißler (2012, S. 153ff) als Zeitalter der „Simultanten und Simultantinnen“. Sie „beschleunigen die Beschleunigung“ (ebd., S. 154) durch Vergleichzeitigung. Multitasking steht an der Tagesordnung und wird zur überlebenswichtigen Strategie in der postmodernen Arbeitswelt angesichts einer „episodischen Aufmerksamkeitserregungskultur“, wie Horst Niesyto (2012, S. 60) die fragmentierten Kommunikations- und Informationsprozesse treffend nennt. Aufgrund des raschen Hin- und Herspringens zwischen Geräten, Anwendungen, Tätigkeiten, ja selbst Orten, spricht Geißler vom „homo zappensis“ (Geißler 2012, S. 156, Hv. i. O.). „Simultanten lieben ihre Geräte und die Geräte lieben sie“, diagnostiziert er (ebd., S.170). Helga Nowotny definiert in Abgrenzung zu der über hundert Jahre andauernden Epoche der „,Maschinenzeitµ“ der Industrialisierung den „Einzug der ,Laborzeitµ in das Alltagsleben“ (Nowotny 1994, S. 23; vgl. auch 1989, S. 101). „Immer mehr technischen Objekten haftet etwas von der Laborzeit an. Was sie kennzeichnet, ist die kontinuierliche Präsenz der Objekte und ihre ständige zeitliche Verfügbarkeit. […] Technische Artefakte bieten Verfügbarkeit an, aber verlangen auch Verfügbarkeit von den Menschen, die sie bedienen oder denen sie zu Diensten sein sollen.“ (Ebd., S. 23).

Postmoderne Beispiele für Artefakte der Laborzeit sind Smartphones, die am Körper getragen die jederzeitige Verfügbarkeit der Nutzerin/des Nutzers sowie immerwährende Arbeitsbereitschaft signalisieren. Aus den Er-

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gebnissen meiner Studie lässt sich vorwegnehmend ergänzen, dass die InterviewpartnerInnen, deren berufliche Tätigkeit dem „Simultaneismus“ (Geißler 2012, S. 166) zugerechnet werden kann, diese Art zu leben und zu arbeiten durchaus auch kritisch sehen. So erklärt ein 41-jähriger Unternehmer im Interview, warum in seinem Betrieb kein Instant Messenger verwendet wird: „Wir haben uns bisher strikt geweigert, irgendwelche Instant-Messaging-Geschichten einzuführen, weil das finde ich sehr schwierig. Das ist ja auch ein ständiges Rausgerissenwerden. Es ist klar, da kann man dann auch die Stati einstellen, die man hat, aber es ist trotzdem, glaube ich, eine weitere Flut an Infos über eine weitere Ebene, die glaube ich nicht besonders förderlich ist.“ (IV 04, 119).

Das lineare Zeitbewusstsein und mit ihm die Uhr als Zeitmesser verlieren in der Postmoderne an Bedeutung zugunsten des neuen Paradigmas der Flexibilität (vgl. Geißler 2012, S. 196ff). Flextickets bei Reisen mit der Bahn oder dem Flugzeug, ungenaue Verabredungen und spontane Terminabsprachen mit dem Mobiltelefon sind Ausdruck dessen. Neverla spricht von einer „,polychrone[n] Zeitkulturµ“, in der es „zu einer Zuspitzung und Beschleunigung der abstrakt-linearen Zeit, aber zugleich auch zu einer Durchmischung, zur Individualisierung und Pluralisierung der Zeitmuster“ komme (Neverla 2010, S. 185). Polychrone Zeit sei zudem hoch ambivalent: „Sie offeriert Individualität und Emanzipation vom Regime der abstrakten Zeit und sie fordert den einzelnen Menschen Aufmerksamkeit und Planung, Zeit und Energie ab, um genau diese Individualität und Emanzipation zu erlangen und zu wahren.“ (Neverla 2007, S. 51).

IuK-Technologien sind Förderer dieser „Ausbildung und Ausgestaltung von Eigenzeiten“ (Ahrens/Gerhard/Hörning 1994, S. 174) – sie ermöglichen zeit- und ortsunabhängiges Handeln, Multitasking und flexibles Zeithandeln. Die polychrone Zeit, so Neverla (2007, S. 50), sei dem Internet inhärent: „Zeit ist hier kontinuierlich ohne Anfang und Ende, abstrakt ohne Bezug zu biologischen und sozialen Zeitgestalten, mathematisch bis in kleinste Einheiten berechenbar und bis gegen Null reduzierbar.“ (Ebd.). Castells (1996, S. 429ff) nennt die dominante Zeitform der Netzwerkgesell-

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schaft „timeless time“ (zeitlose Zeit), analog zum „space of flows“ als dominierende Raumform (vgl. ebd., S. 434). Biologische bzw. soziale Rhythmen verlieren an Bedeutung. Flexible Zeitmuster, entgrenzte Zeitphasen, die Unmittelbarkeit der Kommunikation sowie Zeitcollagen in Medien dominieren (vgl. ebd., S. 437-462): Ä[…] the mixing of times in the media, within the same channel of communication and at the choice of the viewer/interactor, creates a tamporal collage, where not only genres are mixed, but their timing becomes synchronous in a flat horizon, with no beginning, no end, no sequence.³ (Castells 1996, S. 462).

Vergangenheit und Zukunft könnten durch Simulationen vergegenwärtigt werden und sind somit gleichzeitig verfügbar (vgl. Funken/Löw 2003b, S. 8f). ÄTimeless time appears to be the result of the negation of time, past and future, in the networks of the space of flows.³ (Castells 1996, S. 476). Parallel zur Überlappung von Räumen kann also auch von einer Überlappung von Zeiten gesprochen werden. 3.2.2 Zeit und Virtualität Die Medienwissenschaftlerin Christina Schachtner schlägt für die Zeitwahrnehmung, welche mit der Nutzung Digitaler Medien und dem sich dadurch konstituierenden virtuellen Raum entsteht, einen vernetzten Zeitbegriff vor, der sich dem zyklischen Zeitbewusstsein annähert: „Das kommunikative Geschehen in den virtuellen Räumen wie Chats und Newsforen fließt nicht gleichmäßig dahin; es verdichtet sich, dünnt aus, bleibt aus oder wird neu entfacht. […] Die Wiederkehr des Immergleichen, das die zyklische Zeit kennzeichnet, ist hier die Wiederkehr des Bedürfnisses nach Kommunikation, nach Auseinandersetzung, nach Weltdeutung und Verstehen.“ (Schachtner 2004b, S. 283).

Daniela Ahrens argumentiert ähnlich, wenn sie auf die Gleichzeitigkeit von Bewegungen im virtuellen Raum hinweist: „Im Netz ist alles gleichzeitig präsent und wir ‚bewegenµ uns in Sprüngen, folgen keinen richtungweisenden Wegen, sondern intuitiven und assoziativen Verknüpfungen.“ (Ahrens 2004, S. 163, ähnlich auch Großklaus 2003, S. 34). Damit, so meine These, entstehen neue Zeiterfahrungsmuster, welche sich auf die Art der Wahr-

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nehmung (z.B. Texte, Bilder) auswirkt – vor allem im Sinne von zunehmender Oberflächlichkeit, aber auch von mehr Flexibilität. Analog zur These der Raumschrumpfung vertreten Marshall McLuhan, Paul Virilio, Wilhelm Flusser oder Peter Weibel die „Schrumpfung der raum-zeitlichen Verhältnisse“ aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven (vgl. Köster 2009, S. 40). So bescheinigte Virilio 1996 den Echtzeittechnologien: „Sie töten die ‚Gegenwartµ, indem sie sie von ihrem Hier und Jetzt isolieren zugunsten eines kommutativen Anderswo, das nichts mehr mit unserer ‚konkreten Gegenwartµ in der Welt, sondern nur noch etwas mit einer vollkommen rätselhaften ‚diskreten Telepräsenzµ zu tun hat.“ (Virilio 1996, S. 21).32

Mehr als eine Dekade später, im Zeitalter von Videokonferenzsystemen, virtuellen Spielewelten und Desktop Sharing33 ist die von Virilio als „rätselhaft“ bezeichnete Telepräsenz nichts Geheimnisvolles. Aus den für die gegenwärtige Studie geführten Interviews lässt sich schließen, dass immersive Technologien völlig pragmatisch als Mittel zu effizienter Kommunikation eingesetzt werden, wie in Kapitel 5.1.3 „Erweiterte Präsenzformen“ gezeigt werden wird. Mit Großklaus (2003, S. 35f) bin ich außerdem der Meinung, dass, wenn von einer Schrumpfung der Gegenwart die Rede ist, zugleich auch von der Ausdehnung derselben gesprochen werden muss. Im Sinne der „,polychrone[n] Zeitkulturµ“ (Neverla 2010, S. 185) oder der „timeless time“ (Castells 1996, S. 429ff) vermischen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der Gleichzeitigkeit. „[…] dialektisch gesehen müsste man sagen, dass die Verdichtung aller WeltzeitGegenwarten zur Gleichzeitigkeit einer (real-time)-Gegenwart umgekehrt erscheint als die Erweiterung einer (real-time)-Gegenwart zu allen Weltzeit-Gegenwarten.“ (Großklaus 2003, S. 35, Hv. i. O.).

32 Kritisch hierzu siehe Beck 2003, S. 124; Krotz 2001, S. 239; Sandbothe/ Zimmerli 1994b, S. VII. 33 Siehe hierzu Kapitel 5.1.3 „Erweiterte Präsenzformen“.

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Eine andere Auffassung von „Gegenwartsschrumpfung“ vertritt Hartmut Rosa in einem Radiointerview. Er versteht darunter, dass die Zeiträume, innerhalb derer stabile Verhältnisse bestehen, kürzer werden. Dies betrifft beispielsweise fragmentierte Berufslaufbahnen, Lebensabschnittspartnerschaften oder Moden. Rosa spricht in diesem Zusammenhang von einer „ständigen performativen Reorientierung“. 34 3.2.3 Beschleunigung – Zeitnot – Multitasking Wie in Kapitel 3.2.1 mit Bezugnahme auf Karlheinz Geißler (2012) erörtert, erfahren wir in westlich geprägten Gesellschaften einen Beschleunigungsprozess, der bereits im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert durch die technischen Errungenschaften dieser Zeit eingesetzt hat (vgl. Neverla 1992a, S. 23f) und sich mit der Nutzung moderner IuK-Technologien bis zur Vergleichzeitigung fortsetzt.35 Geißler folgend, werden Menschen, welche unter dem Postulat der Gleichzeitigkeit leben, „vom selbstverordneten Zwang zur Verdichtung des Alltags beherrscht“ (Geißler 2004, S. 21). Sie pflegen den „Kult der Vergleichzeitigung“ (ebd., S. 31). Der „homo telefonensis“ (ebd. S. 33) ist mittels Smartphone und Notebook bzw. Tablet PC stets online und verbunden. Helga Nowotny thematisierte bereits Ende der 1980er Jahre die damit verbundenen Herausforderungen: „Dem Druck der Gleichzeitigkeit ausgesetzt zu sein, wie dies angesichts des Entwicklungsschubes durch die modernen Telekommunikationstechnologien geschieht, bedeutet des Rechtes auf eigene Entwicklungsgeschwindigkeit verlustig zu gehen. Nicht mehr die ideologische Rechtfertigung zählt, sondern der zeitlich-technische Anschlußzwang.“ (Nowotny 1989, S. 35).

34 Vgl. Ö1 Da Capo: Hartmut Rosa im Gespräch mit Michael Kerbler, 24.05.2013, 16 Uhr. 35 Die Ergebnisse einer IMAS-Umfrage, an der ÖsterreicherInnen ab 16 Jahren teilnahmen, zeigen, dass mehr als drei Viertel der Befragten (77 Prozent) der Meinung sind, dass Digitale Medien das Tempo in der Gesellschaft eher erhöhen (vgl. IMAS 2013, S. 4).

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Mit elektronischer Erreichbarkeit verbunden ist die Erwartung, „an die Gesellschaft angeschlossen zu bleiben“ (Hickethier 2002, S. 127), in „Dauerkonnektivität“ (Steinmaurer i. E.) mit ihr zu stehen. In Zusammenhang mit der Beschleunigung steht das Gefühl der Zeitnot. Irene Neverla sah darin bereits in den 1990er Jahren das Resultat effizienter Zeitstrategien. „Je mehr Zeit wir gewinnen, umso effektiver müssen wir sie einsetzen. Zeitnot des Alltags ist also nicht das Ergebnis inkompetenten Umgangs mit Zeit, sondern im Gegenteil Ergebnis des rationellen Umgangs mit ihr.“ (Neverla 1992b, S. 34). Effizienz ist der neue Zeitwert (vgl. Beuthner 2002, S. 134; Jurczyk/Voß 2000, S. 191). Birgit Bachmayer und Peter Faulstich (2002; zit. nach Faulstich 2004, S. 295) untersuchten im Jahr 2002 Seminare der Erwachsenenbildung, welche sich mit dem Management von Zeit beschäftigten. Dabei identifizierten sie drei unterschiedliche Zielsetzungen der Kurse: Effizienzsteigerung (z.B. Zeitspartechniken), Kompensationsbemühungen (z.B. Prioritätsmanagement) und Entschleunigungsstrategien (vgl. Faulstich 2004, S. 296). Die Mehrzahl der Seminare fiel unter die Rubrik „Effizienzsteigerung“.36 Dies bestätigt Effizienz als neuen Zeitwert in der „culture of efficiency“ (Kleinman 2009; vgl. auch Beuthner 2002, S. 134; Jurczyk/Voß 2000, S. 191). Untermauert wird die Relevanz von Zeitrationalität auch durch die Resultate des Österreichischen IMAS Reports zum Thema „Zeitmangel als moderne Plage“ aus dem Jahr 2010 (IMAS 2010).37 38 Prozent der Befragten teilten sich zum Untersuchungszeitpunkt ihre Zeit sorgfältig ein, um den Tag möglichst gut zu nutzen. Bei Personen mit höherer Schulbildung (ab Matura/Abitur) waren es sogar

36 Werden Effizienzstrategien vermittelt, werden, wie Faulstich einwirft, Entfaltungsmöglichkeiten eher beschränkt denn gefördert (vgl. ebd.). Zudem trage strategische Zeitplanung erneut zur Beschleunigung bei, denn „gewonnene Zeit wird nicht zur erfüllten Zeit, sondern neu verplante“ (Faulstich 2004, S. 297; vgl. auch Wurm 2012, S. 113). Die Seminare haben außerdem den Effekt, den Umgang mit hoher Arbeitsbelastung und Zeitdruck auf individuelle Risiken zu reduzieren und ein Scheitern daran dem persönlichen Versagen der Arbeitenden zuzuschreiben (vgl. Gregg 2011, S. 5). In Summe verwiesen die Resultate aus der Studie von Bachmayer und Faulstich auf gegenwärtig stark neoliberale Wertorientierungen. 37 Der Studie liegt eine repräsentative Befragung von 1065 Personen ab 16 Jahren im Zeitraum zwischen 16. Juni und 7. Juli 2010 zugrunde.

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48 Prozent. 36 Prozent gaben an, der Tag sei zu kurz für die geplanten Vorhaben. Nur zehn Prozent berichteten von oft empfundener Langeweile. (Vgl. IMAS 2010, S. 1a). Gründe für die vorherrschende Zeitnot lieferte der Soziologe Hartmut Rosa in seiner Studie „Beschleunigung“ (2005). Rosa knüpft darin an die Annahme an, IuK-Technologien würden zeitsparende Nutzungseffekte versprechen. Tatsächlich führen Rosa zufolge die Erleichterungen durch den Einsatz von Technologien nicht zu einem realen Zeitgewinn, sondern Zeit erscheint ganz im Gegenteil als immer knapper (vgl. Rosa 2005, S. 43; 463; vgl. auch Beck 1994, S. 272; Levine 1998, S. 41; Meckel 2007, S. 142). Warum dies so sei, erklärt Rosa anhand des Missverhältnisses zwischen Steigerungsraten und Beschleunigung: Wenn die Steigerung von Produktion, Kommunikation, Tätigkeiten usw. größer sei als die [technische] Beschleunigung, komme es zur Verknappung von Zeitressourcen (vgl. Rosa 2005, S. 463). Die Theorie Rosas korrespondiert mit dem so genannten Rebound-Effekt. Demnach bedeutet eine Steigerung der Effizienz nicht zwangsläufig auch eine Verbesserung der Leistung oder eine Einsparung von Ressourcen, sondern kann auch das Gegenteil hervorrufen (vgl. Hilty 2007, S. 190). Als Beispiel nennt der Informatiker Lorenz Hilty (ebd.) die E-Mail-Korrespondenz. Zwar lässt sich die schriftliche Kommunikation durch die Übertragung via Internet erheblich beschleunigen und vereinfachen, schon alleine aufgrund des wegfallenden Postweges. Jedoch hat sich in der Praxis der Kommunikationsbedarf seit Einführung der E-Mail vervielfacht, was auch damit zusammenhängt, dass die Reziprozitätsschleifen durch die Sofortübertragung sehr kurz geworden sind. Jede Nachricht erzeugt auf der Seite des Empfangs einen Handlungsdruck. Anders als bei einem Brief kann die Antwort unmittelbar übermittelt werden, sodass beim Gegenüber wieder derselbe Handlungsdruck entsteht. Dieses Hin- und Her der reziproken Kommunikation kann im Laufe eines Tages mehrmals wiederholt werden, sodass ein Kommunikationsverlauf entsteht, der via Briefpost Tage bzw. Wochen erfordert hätte.38

38 Von einem extremen Beispiel berichtet der Psychologe Michael Csikszentmihalyi. So habe ein Briefwechsel im Jahr 1583 zwischen dem Jesuitenpater Matteo Ricci von seiner Missionsstation in China mit seinem Orden in Europa zwei Jahre gedauert (vgl. Csikszentmihalyi 2004, S. 184).

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Knut Hickethier (2002) macht auf einen weiteren Aspekt aufmerksam, warum IuK-Technologien nicht zu einem Mehr an Zeit führen: Durch die Nutzung Digitaler Medien werden zusätzliche Tätigkeiten nötig, z.B. das Beschaffen von Hard- und Software, das Warten der Geräte, das Aneignen von instrumentell-qualifikatorischen Kompetenzen, welche wiederum Zeit binden. „Ständig neue Anpassung an das Medium erfordert […] viel Zeit, die anderswo weggenommen werden muss.“ (Hickethier 2002, S. 116).39 Einen wesentlichen Anteil an der wahrgenommenen Beschleunigung haben die Lebensbedingungen in der als „Postmoderne“ bezeichneten Gegenwartsgesellschaft. Die „Explosion des Optionsraums“ (Franck 1991, S. 79) bzw. der „postmoderne[n] Möglichkeitsüberschuss[es]“ (Orthey/ Orthey 2004, S. 260) bringt uns ins Hetzen, stehen uns doch auf allen Bühnen des Lebens zahlreiche Szenarien zur Verfügung. „Wer das ganze Leben leben will, ertrinkt in Hetze“, bringt es Karlheinz Geißler in einem Zeitungsinterview auf den Punkt.40 Mit den Wahlfreiheiten sind also gleichzeitig auch Einschränkungen und Risiken verbunden, worauf insbesondere der Soziologe Richard Sennett in seiner Studie mit dem Titel „Der flexible Mensch“ (2006, engl. Orig.: The Corrosion of Character 1998) hinweist. Konträr zum neoliberalen Paradigma plädiert Sennett dafür, dass sich Menschen Zeit nehmen, um nachzudenken, um „ihre Charaktere zu durchhaltbaren Erzählungen zu formen“ (Sennett 2006, S. 37). Matthias Karmasin (2005, S. 173) plädiert für Entschleunigung und empfiehlt: „Dem Dringenden muss […] zuerst einmal Aufschub gewährt werden.“ Auch Miriam Meckel warnt davor, im ununterbrochenen Tun und Unterwegssein die Orientierung zu verlieren, und stellt die Frage, ob Darwins These des „Survival of the Fittest“ in Richtung „Survival of the Fastest“ umzudeuten ist (vgl. Meckel 2007, S. 132f). Sie spricht sich ebenfalls für Strategien der Entschleunigung aus, wie z.B. der „sporadische[n] Unerreichbarkeit“ (Me-

39 Dies drückt sich auch in den Ergebnissen der Fragebogenerhebung der gegenständlichen Studie aus. Die Befragten geben einerseits an, durch die Verwendung Digitaler Medien mehr Arbeit innerhalb kürzerer Zeit zu schaffen. Andererseits sei mit der Nutzung jedoch oft ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Digitale Medien werden sogar eher als Zeiträuber denn als Zeitsparer wahrgenommen. Mehr dazu in Kapitel 5.2.2 „Beschleunigung“. 40 Süddeutsche Zeitung: Interview mit Karlheinz Geißler, 17.05.2010, online unter: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/189/339035/text/ [22.09.2014].

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ckel 2007, S. 153), eine bewusste temporäre Auszeit von Kommunikationsmedien, die, so Meckel, nicht nur glücklich mache, sondern auch begehrt. Die Ubiquität von Medien und die permanente Erreichbarkeit leisten einen bedeutenden Beitrag zum Phänomen des Multitasking41 (vgl. Rosa 2005, S. 469). Doch Multitasking ist mit Geißler (2004, S. 152) genau gesehen eine „Illusion“. Was möglich sei, ist eine Haupttätigkeit und das Verfolgen von Nebenabläufen, wobei diese mit wesentlich weniger Aufmerksamkeit verfolgt werden als die Haupttätigkeit (vgl. ebd.; vgl. auch Pöppel 2000, S. 7). Dies bedeutet eine oberflächlichere Wahrnehmung. Mit gleicher Aufmerksamkeit und hoher Konzentration, so der Hirnforscher Ernst Pöppel, könnten Paralleltätigkeiten jedoch nicht verrichtet werden. Pöppel zufolge fördere das schnelle Switchen von Tätigkeiten das „,schizoide Denken‘“, also das zusammenhanglose Denken; ein „,vertieftes‘ Wissen“ könne so nicht aufgebaut werden (ebd.). Thomas Steinmaurer schließt daran an, wenn er in Zusammenhang mit den veränderten Aufmerksamkeitsphänomenen des Multitasking von „digitaler Nervosität“ spricht.42 Die Aussagen meiner InterviewpartnerInnen verweisen mehrheitlich auf eine kritische Einstellung zum Multitasking. Dennoch ist Multitasking eine Praxis, die in ihrem Arbeitsalltag häufig vorkommt (siehe Kapitel 5.2.2 „Beschleunigung“).43

41 Der Begriff stammt aus der Informatik, wo er die „Vervielfachung der Handlungsmöglichkeiten durch einen Mehrprozessbetrieb“ (Geißler 2012, S. 169) bezeichnet. Um Multitasking, also das gleichzeitige Erledigen unterschiedlicher Dinge, zu erleichtern, werden Arbeitsplätze zunehmend mit zwei Monitoren ausgestattet, damit noch mehr Aktivitätsfenster gleichzeitig und sprichwörtlich nebeneinander bearbeitet werden können. In den Leitfadeninterviews zur gegenständlichen Studie gaben zwölf von 20 Personen an, mit mehr als einem Monitor zu arbeiten. 42 Steinmaurer, Thomas: Kommunikative Dauervernetztheit als ein Dispositiv von Kommunikation, Vortrag bei den Kommunikationswissenschaftlichen Tagen 2013 der Ö. Ges. f. Komm.wiss., 19.10.2013, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (zit. 2013a). 43 Das Phänomen des Multitasking, welches hier auf der Handlungsebene beschrieben wurde, findet seine Entsprechung in einer Gleichzeitigkeit auf biografischer Ebene. So gibt es kaum noch Biografien, welche geradlinig von der

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3.2.4 Exemplarische Studien zum Verhältnis von Medien und Zeit Auseinandersetzungen zum Thema Medien und Zeit finden häufig auf theoretischer Ebene statt. Jutta Röser und Ursula Hüsig (2012, S. 37) orten deshalb eine Forschungslücke, was empirische Arbeiten zum zeitbezogenen Medienhandeln betrifft. Interdisziplinär widmen sich den Zusammenhängen zwischen Medien und Zeit etwa die Sammelbände von Gerhard Bukow, Johannes Fromme und Benjamin Jörissen (2012), Klaus-Dieter Felsmann (2008), Christiane Funken und Martina Löw (2003a), Mike Sandbothe und Walther Zimmerli (1994a). Aus medien- und kommunikationswissenschaftlicher Sicht bearbeiten das Thema beispielsweise Klaus Beck (1994), Peter Faulstich und Christian Steininger (2002) sowie KarinGratiana Wurm (2012). Friedrich Krotz (2012d) nimmt die „Zeit der Mediatisierung“ und die „Mediatisierung von Zeit“ aus der Perspektive des Medienwandels in den Blick. Die Kategorie Zeit im Journalismus analysieren etwa Margreth Lünenborg (2012) oder Walter Hömberg (1990; 1992; 2012). Empirische Studien zu Medien und Zeit haben vor allem im Bereich der Fernsehforschung Tradition. Die Untersuchung „Fernseh-Zeit“ der Kommunikationswissenschaftlerin Irene Neverla gilt als Klassiker der Kommunikationswissenschaft. In der 1992 zum ersten Mal veröffentlichten Explorativstudie erforschte Neverla den Zusammenhang zwischen Zeitnot und Fernsehnutzungsmustern (vgl. Neverla 1994, S. 80). Sie führte dabei mit 37 Personen wiederholt Interviews und ließ sie Tagebücher über ihren Tagesablauf, vor allem aber über ihre Fernsehnutzung führen (vgl. ebd.). Aus ihren Forschungsergebnissen extrahierte Neverla vier Zeitmuster-Typen in Verbindung mit TV-Nutzungsmustern (vgl. ebd., S. 82ff):

Kindheit über die Ausbildungszeit und späteren Berufszeit bis hin zum Ruhestand verlaufen. Diese Phasen finden teilweise gleichzeitig statt und sind nicht mehr so strikt zu trennen wie es noch für die jetzige Großelterngeneration der Fall war. Ebenso verlaufen die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit fließend, wie in den Ausführungen zur „Entgrenzung von Lebensbereichen“ in Kapitel 2.4 bereits erläutert wurde.

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1. „leere Zeit“: Fernsehen dient zur Beschäftigung, fungiert als Zeitgeber

und Interaktionspartner. „Fernsehnutzung ist die gelebte Eigenzeit.“ (Ebd., S. 82). Diese Form der Fernsehnutzung betraf zum Untersuchungszeitpunkt vor allem Personen im Ruhestand oder Arbeitslose. 2. „knappe Zeit“: Ferngesehen wird marginal und nebenbei, während gleichzeitig mehrere andere Dinge erledigt werden. Dieses Nutzungsmuster stellte zu dieser Zeit den Normalfall der Fernsehnutzung dar. Neverla fand es bei Erwerbstätigen mittleren Alters, vor allem aber bei berufstätigen Müttern. 3. „wohlstrukturierte Zeit“: Das Fernsehen wird als Ritual genutzt, Dauer und Häufigkeit der Nutzung sind wohl kalkuliert, die Haltung zum Fernseher ist durch Distanz gekennzeichnet. 4. „unstrukturierte Zeit“: Fernsehen hat die Bedeutung einer interimistischen Beschäftigung. Dieses Muster betraf vor allem Studierende oder freiberuflich Tätige. „Hier ist Fernsehnutzung gedacht als Übergangstätigkeit, die eine nicht genau vorhersehbare leere Zeitspanne des Tages oder Lebens ausfüllen und zugleich einen Rahmen für Muße schaffen soll.“ (Ebd., S. 85). Neverlas Arbeit beeinflusste mit ihrem innovativen ethnographischen Zugang die deutschsprachige medien- und kommunikationswissenschaftliche Forschungslandschaft. Sie belegte die strukturierende Funktion von Medien und wie unterschiedlich diese je nach biografischem Hintergrund in den Alltag der Menschen integriert werden. Für die gegenständliche Untersuchung „Mediatisierung von Arbeit“ war die Arbeit Neverlas u.a. auch in methodischer Hinsicht relevant, da beim Design des Mediennutzungstagebuches bei ihr Anleihen genommen wurden (genauer dazu siehe Kapitel 4.3.2 „Tagebuchmethode“).44 Neverlas Studie kann als frühes Beispiel der

44 Zeitliche Aspekte des Fernsehens sind auch in Zeiten der Digitalisierung aktuell, und Fragen danach neu zu stellen. An Neverlas Arbeiten anknüpfend, setzt sich etwa Elisabeth Klaus (2012) mit TV-Genres und ihrer Zeitgebundenheit auseinander. Auch Jutta Röser und Ursula Hüsig (2012) schließen an Neverlas Untersuchung an und arbeiten die Bedeutung des Fernsehens im digitalen Zeitalter heraus. Mit dem aktuellen Phänomen der Beschleunigung in der TV-Produktion und -Rezeption beschäftigt sich beispielsweise Andreas Ettenhuber (2010).

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Domestizierungsforschung interpretiert werden.45 Im Rahmen dieser wird Zeit als Kategorie häuslichen Medienhandelns in den Blick genommen (vgl. Röser/Hüsig 2012, S. 38). Eine beispielhafte Studie, die ihren Fokus aber nicht auf TV setzte, ist jene der Kommunikationswissenschaftlerin Valerie Frissen (2000). Die Forscherin beschäftigte sich mit „ICTs in the Rush Hour of Life“46 und fokussierte auf das alltagsbezogene Medienhandeln von berufstätigen Eltern mit kleinen Kindern in so genannten „Ãbusy households‘“ in den Niederlanden (ebd., S. 65). Die qualitative Studie orientierte sich an der Methodologie der Grounded Theory und inkludierte Tiefeninterviews, Beobachtungen, Mediennutzungstagebücher und visuelle Methoden (vgl. ebd., S. 66). Die von Frissen untersuchten Familien waren zum Zeitpunkt der Untersuchung durch einen starken Zeitdruck charakterisiert. Die vielfältigen Aufgaben und Beschäftigungen, welche aus der Berufstätigkeit, kombiniert mit Betreuungsaufgaben, resultierten, erforderten ein hohes Ausmaß an Organisation und Koordination – dies vor allem aufgrund des Verschwimmens beruflicher und privater Lebensbereiche und aufgrund des beruflichen Erfordernisses der Flexibilität. Wie Frissen anhand der Studienergebnisse zeigte, halfen IuK-Technologien, allen voran die Mobiltelefonie, den Familien bei flexiblen Absprachen, Terminverschiebungen, spontanen Absagen usw. Sie waren nötig, um Beruf, Haushaltshilfen, Babysitter/in, Partnerin/Partner und Freizeitaktivitäten unter flexiblen Bedingungen zu koordinieren. (Vgl. ebd., S. 69f). Obwohl die Technologien eine wichtige Funktion im Familienalltag einnahmen, wurden sie jedoch – so zeigte Frissen (ebd., S. 70), weniger als Hilfen denn als Zeiträuber wahrgenommen, da sie zum Informations- und Kommunikationsoverflow beitrugen. Auch wurde die Erreichbarkeit in der Freizeit für berufliche Belange von den befragten Eltern sehr kritisch gesehen. Frissens Studie zeigt innovativ, wie mithilfe eines auf häusliche Arrangements ausgerichteten Forschungsansatzes unter den Bedingungen der Entgrenzung von Arbeit und Freizeit Erkenntnisse über die Arbeitsorganisation der StudienteilnehmerInnen generiert werden können. Hinsichtlich der vielfältigen und flexiblen Aufgaben des Arbeits- und Alltagsmanagements der Familien decken sich Frissens Befunde mit jenen der gegenständ-

45 Zum Konzept der Domestizierung sei verwiesen auf Röser 2007. 46 ICTs = Information and Communication Technologies.

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lichen Studie „Mediatisierung von Arbeit“. Auch für die Digicom-ArbeiterInnen ist Zeit eine wertvolle Ressource, die u.a. mithilfe von IuK-Technologien sorgfältig geplant und effizient verwaltet wird – dies unabhängig von Betreuungspflichten. Hinsichtlich von Familien mit Kindern stimmen meine Ergebnisse mit Frissens Studie überein, wonach das alltägliche Zeit- und Grenzmanagement für diese Personen eine besondere Herausforderung bedeutet.47 Das Mobiltelefon als Arbeitswerkzeug steht im Fokus der Untersuchung der Politikwissenschaftlerin Beatrix Beneder aus dem Jahr 2008. Beneder zielte dabei auf Fragen der Zeitorganisation in Zusammenhang mit der Mobiltelefonnutzung ab. Auf Basis von qualitativen Interviews mit Beschäftigten aus der Baubranche und mit WissensarbeiterInnen (vgl. Beneder 2008, S. 66) kommt sie zu dem Ergebnis, dass das Mobiltelefon zur Entgrenzung von Raum und Zeit und von Berufs- und Privatleben beiträgt. Es wird häufig parallel mit anderen Tätigkeiten wie z.B. Auto fahren oder essen genutzt (Multitasking). Als Werkzeug zur Organisation von Terminen und Verabredungen ist das Mobiltelefon Beneder zufolge ambivalent zu betrachten. So kann es einerseits die Organisation erleichtern und damit Effizienz erhöhen, andererseits chaotische Strukturen fördern, indem ungenaue Termine vereinbart werden, die mit kurzfristigen Telefonaten fixiert oder abgesagt werden. In diesem Zusammenhang komme es zu einem veränderten Umgang mit der Ressource Zeit. Zeit wird flexibler wahrgenommen, und die Zeitdisziplin verliert an Bedeutung, z.B. indem Pünktlichkeitsnormen aufweichen („time softening“). Auch die gesamte Arbeitsorganisation verändere sich mit Nutzung des Mobiltelefons, da die permanente Möglichkeit, telefonisch nachzufragen, weniger Arbeitsvorbereitung erfordert. Die Effizienz solchen Vorgehens ist allerdings Beneders Fallbeispielen zufolge in Frage zu stellen. Die effiziente Verwendung des Mobiltelefons als Arbeitswerkzeug ist, so zeigen es ihre Ergebnisse, abhängig von der Nutzungskompetenz und der Diszipliniertheit im Umgang mit dem Gerät. Insgesamt beinhaltet das Mobiltelefon nach Beneder jedoch den Vorteil einer Zeitersparnis, da Aufträge einfacher koordiniert und Tätigkeitslücken durch gezielte Telefonate ausgefüllt werden können. (Vgl. Beneder 2008, S. 75ff).

47 Mehr dazu in Kapitel 6.2.2 „Entgrenzung zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen“.

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Beneders Untersuchung unterstreicht den veränderten Umgang mit der Zeit (Zeithandeln) als Folge der Nutzung von IuK-Technologien. Zudem korrespondieren ihre Ergebnisse mit den Ausführungen in Kapitel 3.2.3, wonach die Nutzung von IuK-Technologien nicht automatisch zu einem Zeitgewinn führt. Dass Kompetenzen eine Notwendigkeit für die effiziente Nutzung von IuK-Technologien darstellen, wird in der gegenständlichen Studie noch gezeigt werden. Allen genannten Untersuchungen ist in ihrer Unterschiedlichkeit gemein, dass ihre Ergebnisse die Präg- und Veränderungskraft von Medien und Technologien hinsichtlich sozialer und kultureller Praktiken und Verhältnisse unterstreichen. In dieser Hinsicht korrespondiert diese Zusammenschau mit der Theorie der Mediatisierung von Friedrich Krotz, wonach sich mit der Nutzung neuer Medien kommunikative Praktiken und damit auch gesellschaftliche Wirklichkeiten verändern (vgl. Krotz 2003, S. 173).

3.3 E CKPUNKTE ZUM V ERHÄLTNIS R AUM UND Z EIT

VON

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Die wesentlichen Erkenntnisse aus dem dritten Kapitel sind: 1. 2. 3.

4.

5. 6.

Raum und Zeit sind „elementare Rahmenbedingungen unserer Weltinterpretation“ (Titzmann 1992, S. 234). Raum und Zeit werden als soziale Konstruktionen verstanden. Virtuelle Räume basieren auf Informations- und Kommunikationsströmen (vgl. Castells 1994; 1996) und sind in permanenter Bewegung. Abgesehen von Leitungen und Servern handelt es sich dabei um immaterielle Räume. Der virtuelle Raum lässt sich vom „realen Raum“ nicht trennen. Er ist Teil der Realität, wird aus dem Offline gespeist und wirkt auch im Offline weiter. Off- und Online treffen in der „lebensweltlichen Hybridisierung“ (Metzner-Szigeth 2009, S. 59f) aufeinander und vermischen sich. Das Internet ist ein machtpolitischer Raum mit Einschluss- und Ausschlussmechanismen, die zu einer digitalen Spaltung beitragen. Zeit hat eine objektive sowie eine subjektive Dimension.

3. R AUM, Z EIT

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Abhängig von gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen konstituiert sich Zeit unterschiedlich. Während in der Vormoderne Zeit stark an natürliche Abläufe gebunden war, wurde sie mit der Industrialisierung dem Takt der Maschinen angepasst und beschleunigt. In der Postmoderne beschleunigt sich die Beschleunigung bis zur Vergleichzeitigung (vgl. Geißler 2012, S. 154) und ein flexibler, pluraler Zeitbegriff löst zunehmend starre, lineare Zeitvorstellungen ab. 8. Technologische Innovationen fördern eine wahrgenommene Beschleunigung des Alltags. Immer mehr wird in kürzerer Zeit erledigt, immer größere Distanzen werden in kürzerer Zeit zurückgelegt. Dies hat sowohl positive (Arbeitserleichterung, Steigerung der Produktivität) als auch negative (Stress, Zeitnot) Effekte für die NutzerInnen dieser Technologien. 9. Die parallele Nutzung von Medien und der Gebrauch von IuKTechnologien „nebenbei“ ermöglichen das nahezu gleichzeitige Ausführen unterschiedlicher Tätigkeiten (Multitasking). Damit verbunden ist das Risiko von Oberflächlichkeit, da den einzelnen Aktivitäten nicht mehr so viel Aufmerksamkeit gewidmet werden kann. Im virtuellen Raum erfordern die gleichzeitigen Aktivitäten in unterschiedlichen Räumen, Fenstern und Ansichten einen neuen Zeitbegriff, jenen der „Netzzeit“ (in Anlehnung an Schachtner 2004b, S. 283). 10. Anhand der interdisziplinären Zusammenschau bereits existierender Studien zum Verhältnis zwischen Medien und Raum bzw. Medien und Zeit lässt sich die Theorie der Mediatisierung veranschaulichen. Die These von der Prägkraft und Wirksamkeit von Medien auf die Wahrnehmungen und Konstruktionen von Raum und Zeit bilden die Grundlage für die gegenständliche Studie.

7.

4. Forschungsdesign und Forschungsmethoden

Die folgenden Abschnitte widmen sich dem Zuschnitt der empirischen Untersuchung und der „Verfahrensdokumentation“ (Mayring 1990, S. 104), um die methodischen Überlegungen und einzelnen Umsetzungsschritte transparent zu machen. Wie in der Einleitung erwähnt, liegt der Untersuchung folgende forschungsleitende Fragestellung zugrunde: Wie gestaltet sich unter dem Einfluss der Nutzung Digitaler Medien die Wahrnehmung von und der Umgang mit Raum und Zeit bei der Arbeit? Welche Potenziale und Herausforderungen entstehen für Digicom-ArbeiterInnen durch die neuen Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit, und welche Strategien und Kompetenzen entwickeln Digicom-ArbeiterInnen, um damit umzugehen? Inwiefern lassen sich die Erkenntnisse zu den Digicom-ArbeiterInnen verallgemeinern und auf eine breitere Zielgruppe mediatisierter Arbeit ausdehnen?

Eine Fragestellung, die auf Wahrnehmungen von Raum und Zeit und das Raum- und Zeithandeln von Menschen abzielt, verlangt nach beschreibendinterpretativen Zugängen, welche es der Forscherin ermöglichen, tiefer in die Konstruktionen der Beforschten einzutauchen, um ihre Wahrnehmungen, Relevanzstrukturen, ihre Erlebnisse und Handlungsorientierungen zu erfahren. Dies wäre alleine mittels standardisierter Verfahren nicht leistbar. Die Studie basiert deshalb auf einem vorwiegend interpretativen Forschungsdesign. Im Fokus des Forschungsinteresses stehen die subjektive Wahrnehmung und das Handeln der Digicom-ArbeiterInnen. Ihre Arbeitssituation soll möglichst dicht, auch unter Einbezug der Handlungskontexte,

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beschrieben werden können, um das Phänomen ihrer Arbeit in der Dynamik von Medien(kommunikation), Raum und Zeit angemessen zu beleuchten. Gleichzeitig sollen durch die konkreten Erfahrungen der arbeitenden Menschen Fallbeispiele generiert werden, die von einem Einblick in deren gesamte Lebenssituation (vgl. Schönberger 2003, S. 160) abgerundet werden. Diese Einblicke in die Erfahrungen der Digicom-ArbeiterInnen können jedoch immer nur eine von der Forscherin konstruierte Sicht auf die Dinge sein. Desgleichen ist die Wirklichkeit der Beforschten selbst als konstruiert zu verstehen (vgl. Flick 2002, S. 49). Alfred Schütz nennt letzteres „Konstruktionen erster Stufe, die Konstruktionen des Alltagsverstands“ (Schütz 1971, S. 72). Die Konstruktionen der Wissenschaften sind Konstruktionen zweiter Stufe, also „Konstruktionen von Konstruktionen jener Handelnden im Sozialfeld, deren Verhalten der Sozialwissenschaftler beobachten und erklären muß“ (ebd., S. 68). Deshalb kann das Ziel von Forschung nicht sein, die Wirklichkeit zu beschreiben, sondern wie sie von den Menschen gesehen wird (vgl. Flick 2000a, S. 60). Gütekriterien qualitativer Forschung Folgende Gütekriterien qualitativer Forschungen leiteten die gegenständliche empirische Untersuchung: 1. Intersubjektive Nachvollziehbarkeit (Steinke 2000, S. 324ff) Mittels einer lückenlosen Dokumentation des Forschungsprozesses soll gewährleistet werden, dass die Ergebnisse anhand der verwendeten Methoden und Fragestellungen nachvollziehbar sind. Die Anwendung kodifizierter Verfahren führt zu regelgeleitetem Vorgehen und erleichtert die Nachvollziehbarkeit. 2. Indikation des Forschungsprozesses (ebd., S. 326ff) Die Angemessenheit des Forschungsprozesses soll sich auf sämtliche Schritte von der Fragestellung über das Sampling bis hin zur Methodenauswahl beziehen. 3. Empirische Verankerung (ebd., S. 328f) Wissenschaftliche Erkenntnis sollte in den Daten verankert sein; die Vorannahmen der Forschenden sollten irritierbar sein.

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4. Limitation (ebd., S. 329f) Die Grenzen des Geltungsbereiches der wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen definiert werden. 5. Kohärenz (ebd., S. 330) Die generierte Theorie sollte in sich stimmig, lückenlos argumentiert und widerspruchsfrei sein. Ungelöste Widersprüche sind offenzulegen. 6. Relevanz der Fragestellung und des Themas (vgl. ebd., S. 330) 7. Reflektierte Subjektivität (ebd., S. 330f) Die eigenen Befindlichkeiten während des Forschungsprozesses (insbesondere bei der Arbeit im Feld), die Vorerfahrungen und Irritationen sind in die Theoriebildung einzubeziehen. Für die Arbeit mit der Grounded Theory kann diese Liste mit Bezugnahme auf Friedrich Krotz (2005, S. 291f) noch um folgende Punkte erweitert werden:1 8. Offenheit des Forschungsteams (ebd., S. 291) Die ForscherInnen sollten während des gesamten Forschungsprozesses offen für Lernprozesse sein, z.B. in Bezug auf die Vielfalt der eingesetzten Methoden oder die Bereitschaft, unterschiedliche Theorien miteinzubeziehen. 9. Permanentes Herstellen des Datenbezuges (ebd.) Die Theorie muss sich stets an den Daten orientieren und aus diesen abgeleitet werden. In der gegenständlichen Untersuchung wurde ein kodifiziertes Verfahren am Vorbild der Grounded Theory entwickelt2 (Intersubjektive Nachvollziehbarkeit). Das Vorgehen in dieser Studie, orientiert an der Grounded Theory, welche Theorien aus den Daten heraus entwickelt, sowie ausreichende Textbelege trugen maßgeblich zur empirischen Verankerung bei (Empirische Verankerung, permanentes Herstellen des Datenbezuges). Die Fallauswahl erfolgte nach den Kriterien theoretischen Samplings. Zusätz-

1

Die Auflistung bei Krotz (2005, S. 290f) bezieht sich auf theoriegenerierende Forschung im Allgemeinen und beinhaltet neben den genannten Punkten noch Publikationskriterien und die Dokumentation des Forschungsprozesses.

2

Mehr zum Forschungsprogramm der Grounded Theory siehe Kapitel 4.2.

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lich wurden mithilfe einer Online-Umfrage die qualitativ generierten Erkenntnisse mit einer breiteren, über die Personengruppe der DigicomArbeiterInnen hinausgehenden Population verglichen (Limitation). Das von der Grounded Theory vorgesehene selektive Codieren stellte der gegenständlichen Untersuchung das notwendige Instrumentarium zur Verfügung, um dem Anspruch einer in sich stimmigen, lückenlos argumentierten und widerspruchsfreien generierten Theorie gerecht zu werden (Kohärenz). Während der Feldphase wurde ein Forschungstagebuch geführt, in dem wichtige Wahrnehmungen und Beobachtungen aufgezeichnet wurden. Im weiteren Forschungsprozess erfüllten Memos diese Funktion. Diese Reflexionen wurden schließlich bei der Theoriebildung miteinbezogen (Reflektierte Subjektivität). Sowohl das methodische Vorgehen als auch die theoretischen Zugänge wurden laufend an die neu gewonnenen Erkenntnisse angepasst (Offenheit des Forschungsteams). Vorverständnis zum Untersuchungsgegenstand Zu der von Steinke geforderten reflektierten Subjektivität (Punkt 7) gehörte es auch, dass ich mein Interesse am Thema, meine eigene Haltung und meine Vorurteile reflektierte. Krotz hält dazu fest: „Irgendein Vorwissen braucht und hat man immer […]. Es muss, und das ist Teil der Vorbereitung des Forschungsprojekts und der Forschungsfrage, beschrieben und damit kritisierbar und reflektierbar gemacht werden – dann kann es im Forschungsprozess auch überwunden werden.“ (Krotz 2005, S. 168).

Die so verbliebene reflektierte Subjektivität wird als notwendig für den qualitativen Forschungsprozess betrachtet, da sie ein Potenzial an Kreativität beinhaltet, aus dem zu schöpfen, für die Erkenntnisbildung unabdingbar ist (vgl. Roth-Ebner 2008, S. 61). Mein Interesse am Thema war primär meiner eigenen Erfahrung geschuldet. Ich sehe mich selbst als Digicom-Arbeiterin, wenn auch nicht in extremer Ausprägung. Tagtäglich bin ich mit den Bedingungen und Anforderungen einer mediatisierten Arbeitswelt konfrontiert und beobachte, wie ich über „Fluch oder Segen“ der Technologien nachdenke. Auch begegnen mir in der informellen und formellen Arbeitskommunikation die unterschiedlichsten Einstellungen zu diesen Technologien wie auch die unterschiedlichsten individuellen Mediennutzungsmotive bzw. -muster. Es inte-

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

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ressierte mich, wie diese Muster – vor allem auch in medienvermittelten Interaktionen – funktionieren, welche latenten Abstimmungsprozesse damit verbunden sind, und was passiert, wenn diese scheitern. Raum und Zeit schienen mir geeignete Schwerpunkte, nicht nur, weil allerorts von raumund zeitunabhängiger Medienkommunikation die Rede ist, sondern auch, weil ich an mir selbst bemerkte, wie ich mit zunehmend besserer technologischer Ausstattung räumlich mobiler, flexibler und in meinen Arbeitsprozessen auch schneller wurde. Gleichzeitig verlor ich wieder Zeit durch Computerabstürze, Systemneujustierungen oder Software-Schulungen. Aus diesem auf persönlicher Erfahrung gewachsenen Interesse entstand nach reiflichen Überlegungen und Zurateziehen von MentorInnen, KollegInnen und wissenschaftlicher Lektüre die forschungsleitende Fragestellung. Gewiss war diese vor dem Eintauchen ins Feld flankiert von Vorurteilen. So war ich der Meinung, dass mediale Interaktion persönliche nicht gleichwertig ersetzen könne. Ich ging anfangs davon aus, dass die (telefonische) Erreichbarkeit von ArbeitnehmerInnen in ihrer Freizeit für berufliche Belange noch keineswegs selbstverständlich war. Auch dachte ich, dass es wohl den meisten so ginge wie mir, sich mit der täglich hereinprasselnden Informationsflut überfordert zu fühlen. Ich vermutete, dass die Beschleunigung, welche ich der Arbeitswelt attestierte, vor allem negativ wahrgenommen würde, Flexibilität jedoch positiv. Viele dieser Vermutungen stellten sich im Nachhinein als unhaltbar heraus oder mussten relativiert werden. Schnell wurde mir im Forschungsprozess klar, dass die Ergebnisse äußerst komplex ausfallen würden und ich nur schwer zu eindeutigen Aussagen kommen würde. Hilfreich dabei war ein Forschungsprogramm, dessen wesentlichster Auftrag es ist, Theorien aus den Daten heraus zu generieren, die Grounded Theory (Glaser/Strauss 1967). Um meine zentrale Forschungsfrage aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten, legte ich der Studie ein triangulatives Forschungsdesign zugrunde.

4.1 T RIANGULATION Der Begriff „Triangulation“ kommt ursprünglich aus dem Bereich der Landvermessung bzw. der Navigation und bedeutet die Bestimmung eines Ortes von zwei Punkten aus (vgl. Kelle/Erzberger 2000, S. 302). In der Wissenschaft wird unter „Triangulation“ die Strategie verstanden, Theorien

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und/oder Methoden sinnvoll miteinander zu kombinieren, um Phänomene aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und damit zu umfassenderen Ergebnissen zu kommen (vgl. ebd., S. 300). Die Grounded Theory legt diese Strategie nahe, „da es auch ihr um das möglichst genaue Erfassen empirischer Zusammenhänge geht“ (Schachtner 2005, S. 133). „[…] theory generated from just one kind of data never fits, or works as well, as theory generated from diverse slices of data on the same category.“ (Glaser/ Strauss 1967, S. 68). Abbildung 4: Methodentriangulation

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Roth-Ebner 2008, S. 58 Grafik: Mag.a Birgit Writze

Abgestimmt auf die erkenntnisleitende Fragestellung kam bei der gegenständlichen empirischen Untersuchung folgender Methodenmix zum Einsatz (siehe Abbildung 4): Die zentrale empirische Grundlage bildeten 20 qualitative Interviews mit Digicom-ArbeiterInnen aus unterschiedlichen Branchen und Beschäftigungsverhältnissen. Vor der Durchführung der Interviews wurde die Tagebuchmethode eingesetzt. Dabei protokollierten die InterviewpartnerInnen für den Zeitraum einer Woche ihre Mediennutzung

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

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bei der Arbeit. Dies war zum einen nötig, damit sich die Interviewerin besser auf die Interviewgespräche vorbereiten konnte. Zum anderen half die Protokollierung den InterviewpartnerInnen nach eigener Aussage, ihre Mediennutzung bewusst zu reflektieren. Dies führte nach Beobachtung der Interviewerin zu zuverlässigeren Angaben in den Interviewgesprächen bzw. förderte zusätzliche Aspekte zutage, welche in den Interviews besprochen werden konnten. Im Anschluss an die Interviews wurde die Methode des Visualisierens (vgl. etwa Schachtner 1993) eingesetzt. Diese Methode kann inhaltliche Ergänzungen hervorbringen bzw. das im Interview Gesagte unterstreichen oder kontrastieren. Bilder sind nach Helga Theunert in der Lage, den „symbolischen und sinnlichen Dimensionen des Medienerlebens und -handelns auch jenseits der Versprachlichung“ (Theunert 2008, S. 304) Ausdruck zu verleihen. In der gegenständlichen Untersuchung fertigten die InterviewpartnerInnen nach dem Gespräch auf freiwilliger Basis eine Zeichnung zu einem von der Interviewerin vorgegebenen Impuls an. Das entstandene Bild wurde danach gemeinsam besprochen. Die qualitativen Daten aus den 20 Interviews wurden anhand methodischer Empfehlungen der Grounded Theory ausgewertet.3 Aufbauend auf den Ergebnissen aus dem qualitativen Methodenteil wurde eine standardisierte Online-Umfrage (N=445) durchgeführt, um die Ergebnisse mit einer größeren Population, welche über die Personengruppe der Digicom-ArbeiterInnen hinausgehen sollte, zu vergleichen. Ziel war es auch, damit die Besonderheiten von Digicom-ArbeiterInnen herauszufinden. Gleichzeitig halfen die quantitativen Resultate aus der Online-Umfrage, den Blick auf die qualitativen Daten zu schärfen und trugen zur Festlegung der Schlüsselkategorie in der Grounded Theory bei.4 Uwe Flick unterscheidet drei Verwendungsweisen der Triangulation: „als Validierungsstrategie, als Ansatz zur Generalisierung der gefundenen Erkenntnisse und als Weg zu zusätzlicher Erkenntnis“ (Flick 2000b, S. 318). Im Forschungsdesign zur gegenständlichen Studie finden alle drei Formen Verwendung: Die Tagebuchmethode trug zu zuverlässigeren Aussagen im Interview bei (Validität); die Fragebogenerhebung diente der Ausweitung der Stichprobe auf eine größere Untersuchungsgruppe (was im

3

Die Schlüsselkategorie wurde jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgearbeitet, als die Ergebnisse der Online-Umfrage vorlagen.

4

Mehr dazu in Kapitel 4.3 „Forschungsmethoden“.

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weiteren Sinn zu einer Generalisierung der Ergebnisse führte); die Visualisierungen halfen, kontrastierende oder ergänzende inhaltliche Aspekte zutage zu bringen, und die Resultate aus der Online-Umfrage halfen bei der Festlegung einer Schlüsselkategorie in der Grounded Theory (zusätzliche Erkenntnis). Darüber hinausgehend wurden die Ergebnisse aus der quantitativen Typenbildung (Kapitel 8) anhand qualitativer Daten illustriert, welche im Vergleich zu den quantitativen Daten mehr Tiefe und damit mehr Beschreibungskraft besitzen.

4.2 G ROUNDED T HEORY Den methodologischen Rahmen des qualitativen Studienteils bildet die Grounded Theory. Sie wurde in den 1960er Jahren von den amerikanischen Soziologen Barney Glaser und Anselm Strauss gemeinsam entwickelt und erstmals 1967 publiziert (Glaser/Strauss 1967). Später haben sich die beiden Forscher in unterschiedliche Richtungen weiterentwickelt.5 Die gegenständliche empirische Untersuchung orientiert sich an der Weiterentwicklung der Grounded Theory durch Strauss in Zusammenarbeit mit Juliet Corbin. Die Methodologie der Grounded Theory ist theoretisch geprägt vom symbolischen Interaktionismus (vgl. Flick 2002, S. 270).6 Sie geht davon aus, dass die Forscherin/der Forscher den Gegenstand aus dem Blickwinkel der Subjekte betrachten muss. Demnach setzt die Grounded Theory nicht bei einer Hypothese an, die es im Feld zu überprüfen gilt, sondern direkt bei den Daten, von wo aus eine Theorie begründet werden soll (Gegenstandsbegründung). „Das wichtigste Kriterium für die Güte einer so hergestellten Theorie ist folglich, ob sie die erhobenen Fälle tatsächlich abdeckt bzw. sinnvoll und plausibel behandelt.“ (Krotz 2005, S. 163). Einer der wichtigsten Vertreter des symbolischen Interaktionismus, der bereits erwähnte Herbert Blumer, vergleicht das Forschen mit dem Lüften eines Schleiers, der den zu beforschenden Bereich verdeckt. Dies gelänge da-

5

Zu den Differenzen zwischen Glaser und Strauss siehe ausführlich Jörg Strübing

6

Siehe hierzu Kapitel 1.2.1 „Die Rolle von Kommunikation im Mediatisierungs-

2008, S. 65ff. prozess“.

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

| 127

durch, „dass man nahe an diesen Bereich herankommt und durch sorgfältige Forschung tief in ihn eindringt“ (Blumer 1973, S. 121). Das Forschungsprogramm der „Grounded Theory“ lässt sich auf die Schritte des theoretischen Samplings, des theoretischen Codierens und des Schreibens der Theorie zusammenfassen (vgl. Flick 2002, S. 70).7 Charakteristisch ist, dass sich Datenerhebung und -auswertung sowie Theoriebildung nicht voneinander abgrenzen lassen, sondern im Gegensatz zu linear verlaufenden Forschungsprozessen zirkulär verlaufen (siehe Abbildung 5). Abbildung 5: Linearer versus zirkulärer Forschungsprozess

Quelle: Flick 2002, S. 73

Uwe Flick (2002, S. 72) sieht die Zirkularität als qualitätssicherndes Merkmal, da sie die kontinuierliche Reflexion des Forschungsprozesses gewährleistet und Methoden gegebenenfalls sofort gewechselt oder modifiziert werden können. Dabei ist die Interpretation der Daten ausschlaggebend für das Hinzuziehen von weiteren Fällen oder das Umarbeiten der Forschungsinstrumente (vgl. ebd., S. 258).

7

Mehr zum Codieren und Schreiben der Theorie in Kapitel 4.3.4 „Theoriebildung nach den Prinzipien der Grounded Theory“.

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Theoretisches Sampling Im Rahmen des theoretischen Samplings8 sind Fälle kumulativ so auszuwählen, dass sie „eine bestätigte theoretische Relevanz für die sich entwickelnde Theorie besitzen“ (Strauss/Corbin 1996, S. 148). Es geht darum, eine Balance aus Varianz und Dichte herzustellen und möglichst verschiedene Fälle zu versammeln, welche in ihrer Gesamtheit den Forschungsgegenstand ausreichend beschreiben. Für die gegenständliche empirische Untersuchung wurden die InterviewpartnerInnen nach und nach kontaktiert und zwischen den Interviews Gedanken und Ideen zur Auswertung in Memos festgehalten. So konnten bei der Auswahl der InterviewpartnerInnen immer wieder neue Aspekte berücksichtigt werden. Grenzfälle, also Personen, welche den Merkmalen von Digicom-ArbeiterInnen nur teilweise entsprachen, wurden gewählt, um im Vergleich die Bedingungen feststellen zu können, welche zu bestimmten Verhaltensweisen und -mustern führen. Das theoretische Sampling bezieht sich jedoch über die Fallauswahl hinausgehend auf die Auswahl von Daten, Codes und Kategorien, die systematisch ausgearbeitet werden. In jeder Hinsicht wurde das Sampling durchgeführt, bis die theoretische Sättigung erreicht wurde, das heißt, dass die zentralen Kategorien in ihren Eigenschaften und Ausprägungen und die Beziehungen zwischen den Kategorien schlüssig erklärbar sind (vgl. Corbin/Strauss 2008, S. 143).

4.3 F ORSCHUNGSMETHODEN Im Folgenden werden die einzelnen Methoden vorgestellt. Dabei wird auch erklärt, wie die Methoden im Rahmen der Triangulation zueinander in Beziehung gesetzt wurden.

8

Der Abschnitt „Theoretisches Sampling“ bezieht sich auf die qualitativ erhobenen Daten. Die Samplingstrategie zur standardisierten Online-Umfrage wird eigens in Kapitel 4.3.5 „Online-Umfrage“ erläutert.

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

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4.3.1 Leitfadeninterviews Um die komplexen Zusammenhänge meiner forschungsleitenden Fragestellung auszuleuchten, entschied ich mich für die Methode des qualitativen Leitfadeninterviews. Geraten die InterviewpartnerInnen im Rahmen des Interviews ins Erzählen, kann in relativ kurzer Zeit eine große Menge an Daten gesammelt werden, welche tiefe Einblicke in die Lebenswelt der InterviewpartnerInnen ermöglichen. Insgesamt wurden 20 Leitfadeninterviews (je zehn mit Frauen, zehn mit Männern) in der Zeit von März bis Oktober 2010 durchgeführt.9 Sofern möglich, fanden die Gespräche am Arbeitsplatz der Digicom-ArbeiterInnen statt und wurden face-to-face geführt. Die Interviews wurden mithilfe eines digitalen und eines analogen Aufnahmegerätes (als backup) aufgezeichnet. Aus forschungspragmatischen Gründen wurden sechs Interviews, welche weite Reisen erfordert hätten, per Sykpe (Internet-Telefonie) durchgeführt – teilweise unterstützt durch Bildtelefonie (via Webcam).10 Die SkypeInterviews wurden mittels MP3 Skype Recorder, einer gratis downloadbaren Software, aufgenommen. Die aufgezeichneten Gespräche wurden danach transkribiert.11 Für die Niederschrift wählte ich die Variante der vollständigen Transkription in

9

Die meisten Gespräche wurden im Sommer geführt. Dies hatte den Vorteil, dass ich aufgrund der zeitlichen Nähe zur Urlaubszeit wertvolle und zuverlässige Informationen über die Mediennutzung der InterviewpartnerInnen während des Urlaubs erfuhr.

10 Waren die technischen Voraussetzungen gegeben (ausreichende Internetverbindung, Webcams auf beiden Seiten), so wurde Videotelefonie bevorzugt. In einigen Fällen war nur ich als Interviewerin im Bild, während das Gegenüber nur hörbar war. In anderen Fällen musste aufgrund einer schlechten Internetverbindung gänzlich auf die Bildübertragung verzichtet werden. 11 Die Transkription von 18 Interviews wurde von Mag.a Eva Schwarz, einer Absolventin des Studiums „Publizistik und Kommunikationswissenschaft“ und ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, vorgenommen. Zwei Gespräche wurden von mir abgetippt. Die Transkriptionsregeln sind im elektronischen Anhang einsehbar. Aussagen aus den Interviews werden in der gegenständlichen Studie nur mit der Berufsbezeichnung und dem Alter sowie dem Geschlecht der Interviewten wiedergegeben, um keine

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Schriftdeutsch. Lediglich wenig relevante Passagen wurden in eigenen Worten zusammengefasst. Die Interviewtranskripte wurden von mir zum Abschluss anhand der Tonbandaufzeichnungen kontrolliert und einer umfassenden Anonymisierung unterzogen, dies vor allem deshalb, weil sich einige InterviewpartnerInnen persönlich kannten.12 Skype-Interviews Der Durchführung von sechs Gesprächen als Skype-Interview stand ich sehr aufgeschlossen gegenüber. Ich musste aber feststellen, dass bei SkypeInterviews immer wieder Technikausfälle vorkommen und von vorneherein eingeplant werden müssen. Funktionierte die Videotelefonie nicht, stellte das Fehlen der körperlichen Komponente eine Erschwernis dar. Dies musste kompensiert werden, indem immer wieder Pausen gemacht wurden, um nachzuprüfen, ob das jeweilige Thema ausreichend besprochen worden war. Auch kam es oft vor, dass wir uns gegenseitig ins Wort fielen, da wir das Ende eines Sprechaktes nicht richtig wahrgenommen hatten. So verliefen jene Skype-Interviews, welche nicht visuell unterstützt worden waren, wesentlich stockender und schwieriger als bildunterstützte Skype-Interviews und die Face-to-Face-Gespräche. Zugleich waren die Skype-Interviews insofern ergiebig, als ich daraus theoretische Erkenntnisse ableiten konnte. So wurden zwei der vereinbarten Skype-Termine gleich mehrmals von meinen InterviewpartnerInnen verschoben bzw. wurde ich auch konkret „versetzt“, sodass zum vereinbarten Termin der Skype-Kontakt nicht zustande kam. Im Offline, z.B. in einem Café oder vor den Firmengebäuden der Digicom-ArbeiterInnen, wurde ich von meinen InterviewpartnerInnen nie „versetzt“.13 Die Skype-Interviews

Rückschlüsse auf konkrete Personen zu ermöglichen. Zusätzlich sind – wie bereits erläutert – die Interviewnummer (01-20) sowie die Absatznummer der zitierten Passage aus dem jeweiligen Transkript angegeben. 12 In diesen Fällen musste ich den Anspruch auf Anonymität vor das Erkenntnisinteresse reihen und die Personendaten noch stärker verschlüsseln. Daher werden einige Interviewte nicht mit ihrer konkreten Berufsbezeichnung und ihrem Alter angegeben, sondern mit allgemeinen Charakterisierungen wie „Digicom-Arbeiter“ bzw. „Interviewpartnerin“. 13 Ein Skype-Treffen, das zum Testen der Leitung vereinbart worden war, versäumte ich aus eigenem Verschulden. Obwohl jedes Mal triftige Gründe dafür

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

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waren aber auch insofern aufschlussreich, als durch die Art des Gespräches eine zusätzliche Reflexionsebene gegeben war. Dies veranlasste die Digicom-ArbeiterInnen nicht selten dazu, in Zusammenhang mit Erzählungen aus ihrem Arbeitsalltag auf das Interviewsetting zu rekurrieren oder umgekehrt. Interviewleitfaden Als Unterstützung für die Interviewführung entwarf ich im Vorfeld einen Leitfaden, der eine Reihe von Fragen enthielt, die auf das zentrale Forschungsinteresse abzielten. Die Fragen sollten möglichst offen strukturiert sein und so zum Erzählen anregen. Hierfür wählte ich auch Elemente des „episodischen Interviews“ nach Uwe Flick (2002, S. 158ff). Dazu zählen u.a. Aufforderungen zum Erzählen von Beispielen und zum genauen Beschreiben von Situationen sowie Einladungen zu Fantasien (vgl. ebd., S. 160f). „Das episodische Interview gibt Raum für kontextbezogene Darstellungen in Form von Erzählungen, da diese einerseits im Vergleich zu anderen Darstellungsformen Erfahrungen und ihren Entstehungskontext unmittelbarer enthalten. Andererseits verdeutlichen sie die Prozesse der Wirklichkeitskonstruktion bei den Befragten eher als andere Annäherungen, die auf abstrakte Begriffe und Antworten im engeren Sinn abzielen.“ (Ebd., S. 159).

Zu meiner Orientierung wurden die Fragen in sieben Themenblöcke gegliedert. Dies ermöglichte ein einfaches Navigieren im Leitfaden während des Interviews:14 1. 2. 3. 4. 5.

Arbeit und Medien allgemein Zeit Raum Konsequenzen Lebenszusammenhang

verantwortlich waren, wird hier der unverbindliche Charakter eines Treffens im Cyberspace deutlich (siehe dazu Kapitel 5.2.1). 14 Zwei weitere Blöcke deckten die komplementären Methoden „Tagebuchmethode“ und „Visualisierung“ ab.

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6. Visionen 7. Demografische Daten Der Leitfaden wurde in zwei Probeinterviews auf seine Durchführbarkeit und Verständlichkeit hin getestet. Beim ersten Probeinterview musste ich erkennen, dass der Leitfaden zu umfangreich war, denn das Interviewgespräch dauerte zweieinhalb Stunden. Diese Zeitdauer wäre den InterviewpartnerInnen nur schwer zumutbar gewesen. Deshalb unterzog ich den Leitfaden einer Straffung. Dem Offenheitsprinzip der Grounded Theory geschuldet, wurde der Leitfaden nicht nur zu Beginn, sondern auch im Verlauf der Forschung immer wieder ergänzt und überarbeitet, wie auch Strauss und Corbin empfehlen:15 „Während der Forschungsarbeit starr an ihnen [den Leitfäden, C. R-E.] festzuhalten, schließt der Situation innewohnende Datenmöglichkeiten aus; begrenzt die Menge und die Art der gewonnenen Daten; und hindert den Forscher daran, Dichte und Variation der Konzepte zu erreichen, die für das Entwickeln einer Grounded Theory unabdingbar sind.“ (Strauss/Corbin 1996, S. 152, i. O. tw. hvgh.).

Die im Durchschnitt eher ausführlichen Gespräche ließen erkennen, dass die Thematik nicht einfach „abgefragt“ werden kann. Vielmehr war es nötig, episodische Erzählungen zuzulassen, welche die Interviewten veranlassten zu reflektieren.16 Da sowohl die Fragen als auch die Leitfadendramaturgie offen gestaltet waren und so die Interviewten selbst Schwerpunkte setzen konnten, wurde es möglich, Erkenntnisse über deren subjektive Wertesysteme zu generieren.

15 Der letztgültige Interviewleitfaden ist dem elektronischen Anhang, online unter http://www.transcript-verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1.pdf, zu entnehmen. 16 Es kam auch vor, dass ich noch nach dem Interview von Einzelnen kontaktiert wurde, die über das Interview nachgedacht hatten und mir ihre neuen Erkenntnisse mitteilen wollten. Diese zusätzlichen Informationen flossen in die Datenauswertung mit ein.

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Zugang zum Feld Bei den „Digicom-ArbeiterInnen“ handelt es sich um Berufstätige, die in den meisten Fällen sehr knappe Zeitressourcen und einen vollen Terminkalender haben (vgl. auch Gregg 2011, S. 167). Der Zugang über Bekannte, die ich bat, mir geeignete Personen zu nennen und zu empfehlen bzw. gegebenenfalls auch zu vermitteln, stellte sich als hilfreich heraus, DigicomArbeiterInnen für die Teilnahme an der Studie zu gewinnen. In der Folge nutzte ich Schneeballeffekte: Von mir Interviewte machten mich auf weitere potenzielle InterviewpartnerInnen aufmerksam und stellten teilweise auch den Kontakt her. Zudem postete ich mein Anliegen in einer EMailingliste und recherchierte online auf dem Karriereportal XING nach Personen, auf die meine Zielgruppenbeschreibung potenziell zutraf. Diese wurden von mir per E-Mail kontaktiert und um ein Interview gebeten. Mit den InterviewpartnerInnen entstand schon vor den Gesprächen ein reger kommunikativer Austausch, da mehrere Kontakte nötig waren, um einerseits ein Vertrauensverhältnis zu schaffen und andererseits den Interviewtermin und v.a. die Protokollierungsphase für die Tagebuchmethode zu organisieren (siehe Kapitel 4.3.2). Für diesen Austausch bzw. diese Briefings nutzte ich je nach situativer Gegebenheit verschiedene Kommunikationskanäle, hauptsächlich E-Mails, aber auch Telefonate oder persönliche Treffen sowie Skype (Instant Messaging oder Internet-Telefonie). Die Kontaktanbahnung ermöglichte bereits erste Erkenntnisse: So gewährte mir die Art des Antwortverhaltens (z.B. die Schnelligkeit des Antwortens auf meine E-Mails) Einblick in die Kommunikationspraxis der InterviewpartnerInnen. Sieben Gespräche fanden an den Arbeitsplätzen der Digicom-ArbeiterInnen statt.17 Dieses Setting erlaubte es mir, die Arbeitsumgebung einschließlich der technologischen Geräte bzw. anderer Ausstattungsgegenstände der InterviewpartnerInnen kennenzulernen. Auf Wunsch wurden sieben Interviews an anderen Orten (in meinem Büro, im Haus von Verwandten der Interviewten, in einem Café) durchgeführt. Obwohl Störungen während der Interviewgespräche so gut wie möglich verhindert wurden, waren diese – sofern sie dennoch eintraten – Forschungsprogramm. So lieferte das Verhalten der Digicom-ArbeiterInnen während der Gespräche zusätzliche

17 Bei InterviewpartnerInnen mit mehreren Arbeitsplätzen wurde nach pragmatischen Gesichtspunkten einer dieser Orte für das Interview ausgewählt.

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Daten über deren Kommunikationspraktiken, z.B. wie lange ein Mobiltelefon ausgeschaltet sein kann/darf oder auf welche E-Mails oder andere Unterbrechungen sofort reagiert werden muss. Diese „Störungen“ wurden daher konsequent im Forschungstagebuch vermerkt und in die Auswertung miteinbezogen. Interview-Sample Entsprechend der Definition von Digicom-ArbeiterInnen stammen die Interviewten aus unterschiedlichen Branchen, Tätigkeitsfeldern und standen zum Zeitpunkt der Untersuchung in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen. Sie bezeichneten sich selbst als:18 Sales- und Marketingmanager, Produktmanagerin, Informatiker, UnternehmerInnen, Projektmanagerinnen, Security Spezialist, Grafikdesigner, Journalistin, ManagerInnen, Unternehmensberater, TV-Aufnahmeleiter, WissenschaftlerInnen, Juristinnen, Process Designer. Elf InterviewteilnehmerInnen lebten zum Untersuchungszeitpunkt in Österreich, fünf in Deutschland, einer hatte Wohnsitze in beiden Ländern. Weitere drei Personen lebten außerhalb Europas. Die meisten Personen arbeiteten in internationalen Unternehmen; bei vielen gehörten Reisen zum beruflichen Alltag. Eine detaillierte Samplebeschreibung kann aus Anonymitätsgründen nicht erfolgen, Tabelle 4 und Tabelle 5 liefern jedoch einen groben Überblick über die demografischen Daten der InterviewpartnerInnen und ihre Art des Arbeitsverhältnisses.

18 Hierzu ist anzumerken, dass es sich bei einigen Bezeichnungen nicht um klassische Berufsbezeichnungen handelt. Die Interviewten rätselten mitunter minutenlang, wie die eigene Tätigkeit passend tituliert werden könnte. Dies war auch der Fall, wenn eine Person mehrere Berufe in einer Anstellung ausübte, wie z. B eine Process Designerin, die auch telefonischen Support an der Hotline leistete. An dieser Stelle wurde die gegenwärtig stattfindende Erosion von Berufsidentitäten für mich deutlich erkennbar.

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

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Tabelle 4: Interviewte nach Alter und Geschlecht Alter

Anzahl m

w

20 – 30

3

2

31 – 40

3

4

41 – 50

4

4

Gesamt

10

10

Tabelle 5: Interviewte nach Art des Arbeitsverhältnisses und Geschlecht Art des Arbeitsverhältnisses

Anzahl m

w

Angestellt, Vollzeit

4

6

Angestellt, Teilzeit

-

2

Freiberuflich tätig

2

1

Selbstständig19

4

1

Gesamt

10

10

4.3.2 Tagebuchmethode In Vorbereitung auf die Leitfadeninterviews bat ich meine potenziellen GesprächspartnerInnen, in der Woche vor dem Interview ein Tagebuch über ihre Mediennutzung bei der Arbeit zu führen. Das Tagebuch war in Form von Mediennutzungsprotokollen gestaltet, wobei für jeden Tag ein eigener Protokollbogen (eine A4-Seite) auszufüllen war. Hauptbestandteile der Tagesprotokolle waren eine Uhrzeittabelle mit einer Stundenreihe von 1 bis 24 Uhr (horizontal) und Kategorien von Ortsangaben, Tätigkeiten und Me19 Ein Interviewter war zum Zeitpunkt der Untersuchung in unterschiedlichen Arbeitszusammenhängen und Firmen sowohl freiberuflich als auch selbstständig tätig. Ich zähle ihn zu den Selbstständigen.

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dien (vertikal). Auf der Zeitleiste war anzukreuzen bzw. mittels Klicken zu markieren, in welchen Stunden wo gearbeitet wurde (Büro, zuhause, unterwegs), welchen medienbezogenen Tätigkeiten nachgegangen wurde (telefonieren, E-Mails lesen etc.) und welche Medien verwendet wurden (z.B. Festnetztelefon, PC). Im untersten Bereich des Protokollbogens war die geschätzte Anzahl an Telefonaten, empfangenen und versandten SMS sowie empfangenen und versandten E-Mails pro Tag einzutragen. Ebenso war im Rahmen des „Stressometers“ anzugeben, wie hoch das Stressniveau an dem protokollierten Tag empfunden wurde.20 Zusätzlich war je ein freies Feld zum Eintrag von Reisetätigkeiten sowie für Anmerkungen zum Tag enthalten, welche optional ausgefüllt werden konnten.21 Bei der Tagebuchmethode handelt es sich um eine Variante der Selbstbeobachtung (vgl. Möhring/Schlütz 2003, S. 173). „Da es um Introspektion geht, ordnet man das Verfahren jedoch nicht bei Beobachtung, sondern bei der Befragungsmethode ein.“ (Ebd.). Tagebücher können Beobachtungen durch die Forscherin/den Forscher ersetzen, wenn diese nicht durchführbar sind (vgl. Alaszewski 2006, S. 43). Dies war in der vorliegenden empirischen Untersuchung der Fall.22 Folgende Gründe waren für die Verwendung des Tagebuches als Methode ausschlaggebend: 1. Viele InterviewpartnerInnen wurden sich erst durch das laufende Protokollieren ihrer Mediennutzung ihres Nutzungsverhaltens bewusst. Zugleich erhielten sie Aufschluss über ihre tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, was bei freiberuflich und selbstständig Arbeitenden sowie bei

20 Waren in der protokollierten Woche kein typischer Tag mit sehr großer Stressbelastung und kein typischer eher ruhiger Tag zu verzeichnen, waren zwei weitere Protokollbögen aus dem Gedächtnis auszufüllen. Dadurch bekam ich Aufschluss über die Charakteristika von sehr stressigen und eher ruhigen Tagen. 21 Ein Beispielprotokoll samt Instruktionen ist dem elektronischen Anhang unter der URL http://www.transcript-verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1.pdf zu entnehmen. 22 Es wäre v. a. aus forschungsökonomischen Gründen nicht möglich gewesen, die Digicom-ArbeiterInnen eine Woche lang bei ihrer Arbeit zu beobachten. Außerdem war die Bereitschaft der InterviewpartnerInnen, eine Woche lang von mir begleitet zu werden, von vorneherein als gering einzustufen, da ihr Arbeitsalltag von Terminen mit GeschäftspartnerInnen durchdrungen ist.

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

2.

3.

4.

5.

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Personen mit pauschaler Arbeitszeitabgeltung (All-in-Verträgen) nicht automatisch gegeben ist. Dadurch konnten die GesprächsteilnehmerInnen in den Interviews zuverlässigere Antworten geben, wodurch das Datenmaterial aussagekräftiger wurde. Die Tagebücher dienten den Digicom-ArbeiterInnen als Einstimmung auf die Interviewgespräche. Sie wussten in etwa, auf welche Medien und mediale Tätigkeiten in dem Gespräch eingegangen werden würde. Auch die Interviewerin konnte sich auf Basis der Tagebücher auf die Interviews vorbereiten. Die Protokolle wurden dazu gesichtet. Besonderheiten wurden markiert bzw. gesondert vermerkt. Zusätzlich wurden Unklarheiten notiert, welche im Interview nachbesprochen werden konnten. So konnten auch Falscheingaben im Nachhinein korrigiert werden. Die Tagebücher hatten außerdem den Vorteil, dass diese, wenn sie im Interview besprochen wurden, nochmals neue Aspekte zutage förderten, die im Gespräch noch nicht behandelt worden waren. Es handelte sich somit um eine komplementäre Methode, welche eng mit der Methode des Leitfadeninterviews verschränkt wurde. Diese „diary-interview-Methode“ wird als eine der zuverlässigsten Datenerhebungsmethoden gesehen (vgl. Corti 1993, o. S.), da sie die Schwachstellen der jeweiligen Einzelverfahren aufhebt. Durch die Organisation der Datenerhebung im Vorfeld der Interviews wurde bereits eine Beziehung zwischen den InterviewteilnehmerInnen und der Forscherin aufgebaut, was den Interviewsituationen dienlich war, da bereits ein gewisses Vertrauensverhältnis und eine Gesprächsbasis entstanden waren.

Mediennutzungsprotokolle Bei der Konstruktion des Tagebuches in Form von Mediennutzungsprotokollen orientierte ich mich unter anderem an Irene Neverlas Studie zu zeitlichen Aspekten der Fernsehnutzung (vgl. Neverla 1992a). Ich übernahm Neverlas Prüfung der Plausibilität der Tagebucheintragungen sowie ihre Interviewfrage nach der Genauigkeit der Eintragungen (vgl. ebd., S. 129). Im Gegensatz zu Neverla (ebd., S. 139) unterzog ich die Tagebuchprotokolle jedoch keiner statistischen Analyse, da dies für meine forschungsleitende Fragestellung nicht zielführend gewesen wäre. Vielmehr wurden die erho-

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benen Daten als Grundlage für die Leitfadeninterviews verwendet, weshalb ich die Tagebuchmethode auch zu meinem qualitativen Studienteil zähle.23 Entgegen den in der Medienforschung üblichen Viertelstundenintervallen (vgl. Möhring/Schlütz 2003, S. 173; Neverla 1992a, S. 105) entschied ich mich für Stundenintervalle. Die Tätigkeiten, welche im Tagebuch abgefragt werden, werden zumeist in sehr kleinen Zeiteinheiten durchgeführt. So dauert das Lesen einer E-Mail mitunter nur wenige Sekunden. Diese Art der Mediennutzung zuverlässig mit Tagebucheinträgen im Viertelstundentakt zu erfassen, wäre nahezu unmöglich gewesen. Die Befragten sollten folglich nur die Stunden markieren, in denen sie bestimmte Medien nutzen und bestimmte Tätigkeiten ausführen. Über das Ausmaß und die Intensität der Nutzung sollte das Interview im Anschluss an die Tagebucherhebung Aufschluss geben. Das geeignete Zeitintervall zu definieren, stellte allerdings nicht die einzige Herausforderung in Zusammenhang mit dieser Erhebungsmethode dar. Neverla zeigte in ihrer Untersuchung zur Fernsehnutzung die Schwierigkeiten der Zeitbudgetforschung auf, welche zum Teil auch auf die von mir konzipierten Tagebücher zutrafen (vgl. Neverla 1992a, S. 107f): 1. Tätigkeiten, denen sich die ProbandInnen ausschließlich widmen, stellen Neverla zufolge die Ausnahme dar. Meist werden mehrere Tätigkeiten vermischt bzw. gleichzeitig durchgeführt. (Vgl. ebd., S. 107). Gerade diesem Phänomen versuchte ich mit dem Beobachtungsprotokoll Rechnung zu tragen, indem auf der Zeitachse verschiedene Einträge gleichzeitig vorgenommen werden konnten. Die Art, WIE Dinge nahezu gleichzeitig erledigt werden, wurde in den Interviewgesprächen thematisiert und genauer besprochen. 2. Tätigkeiten können Neverla folgend nicht als trennscharfe Kategorien gedacht werden, sondern sie sind kontextabhängig interpretierbar. Jede Person weist einer Tätigkeit unterschiedliche Bedeutungen zu. (Vgl. ebd., S. 108). So differierte in der gegenständlichen Studie etwa die Auffassung, welche Computeranwendungen als Groupware verstanden werden können und welche nicht. Diese „Unschärfen“ konnten im In-

23 Die Protokolle wurden in der Phase der Interviewauswertung noch einmal gesichtet und für jede Person in den wesentlichen Eckdaten zusammengefasst. Die Ergebnisse flossen in die Theoriebildung mit ein.

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terview sichtbar gemacht werden, indem die Tagebücher nachbesprochen wurden. Neben Neverla stützte ich mich auf die Empfehlungen von Louise Corti (1993, o. S.). Ihr zufolge sollen dem Tagebuch genaue Instruktionen zum Ausfüllen beigelegt werden ebenso wie ein Musterprotokoll, das einen korrekten Eintrag demonstriert. Auch habe ich sämtliche vagen Begriffe erläutert, um sicherzustellen, dass unter den GesprächsteilnehmerInnen größtmögliche Übereinstimmung über die Bedeutung der Kategorien besteht. Am Ende jedes Tagesprotokolls fügte ich – den Vorgaben Cortis folgend – ein paar Zeilen ein, in welche die Digicom-ArbeiterInnen Besonderheiten des jeweiligen Tages eintragen sollten, um die Vergleichbarkeit von mehreren Tagen und unterschiedlichen GesprächsteilnehmerInnen zu verbessern. Bei Tagebüchern ist die Pilotierung besonders wichtig, um die Nutzungsfreundlichkeit und Verständlichkeit der Protokolle auszutesten. Deshalb habe ich die Mediennutzungsprotokolle nach mehrmaligen Probeläufen immer wieder überarbeitet, sodass ich möglichst alle Unklarheiten beseitigen konnte und die ausgefüllten Tagebücher der Arbeitsrealität der Digicom-ArbeiterInnen so gut wie möglich entsprachen.24 Die Tagebuchmethode in der Feldphase Entgegen den Empfehlungen in diversen Methodenbeschreibungen (vgl. etwa Alaszewski 2006, S. 74f; Corti 1993; Möhring/Schlütz 2003, S. 175) verteilte ich die Tagebuchprotokolle nicht im Rahmen persönlicher Briefings an die GesprächsteilnehmerInnen, sondern per E-Mail. Die nötigen Instruktionen wurden telefonisch oder im persönlichen Vorgespräch gegeben und fanden sich zusätzlich auf den Protokollen. Dieses Vorgehen war nötig, um den Aufwand für die Digicom-ArbeiterInnen so gering wie möglich zu halten. Es war schon eine Herausforderung gewesen, InterviewpartnerInnen zu finden, die Zeit für ein längeres Gespräch hatten und zusätzlich noch eine Woche lang die Protokolle ausfüllten. Außerdem hätte der gerin-

24 Beispielsweise sah die erste Tagebuchversion es vor, dass die Einträge zu den Tätigkeiten laufend gemacht werden. Nach den ersten beiden Interviews stellte sich jedoch heraus, dass dies für die GesprächspartnerInnen nicht machbar war. Die Tagebücher wurden überarbeitet und die Einträge waren künftig nur mehr einmal täglich zu tätigen.

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ge Erkenntniswert der Tagebuchprotokolle meines Erachtens nicht diesen höheren Aufwand gerechtfertigt, waren doch die Daten, welche damit generiert wurden, vorwiegend als Ausgangsposition für die Interviews relevant. Aus denselben Gründen entschied ich mich auch gegen Zwischenbriefings im Laufe der Tagebuchwoche, welche Fehlerquellen bei den Einträgen minimieren sollten (vgl. Alaszewski 2006, S. 75; Möhring/Schlütz 2003, S. 175). Um den InterviewpartnerInnen entgegenzukommen, ließ ich sie bestimmen, ob sie Papierprotokolle, die mit Bleistift oder Kugelschreiber auszufüllen waren, oder elektronische Formulare (Word-Datei), welche am Computer bearbeitet werden konnten (siehe elektronischer Anhang), verwenden wollten. Ich war erstaunt, dass alle den zusätzlichen Aufwand auf sich nahmen und die Protokollierung gewissenhaft durchführten.25 Möglicherweise war es mir im Vorfeld gelungen, den Erkenntnisgewinn durch die Methode schlüssig zu erläutern. Zum anderen meldeten mir die GesprächsteilnehmerInnen zurück, dass sie es spannend fanden, ihre Mediennutzung zu dokumentieren, um sie dabei auch reflektieren zu können. Dieses Feedback erhielt ich von einigen auch bezogen auf die Interviews selbst.

25 Bei einem Interviewpartner (IV 08) machte ich eine Ausnahme. Da schon das Interview eine große Zeitbelastung für ihn darstellte, sah ich von einem Tagebuch ab. Um dies zu kompensieren, versuchte ich im Interview seine Mediennutzung bei der Arbeit in möglichst vielen Details zu erfragen. Bei zwei weiteren GesprächsteilnehmerInnen (IV 06 und IV 13) konnte die Protokollierung nicht für eine konkrete Woche vor dem Interview durchgeführt werden: In einem Fall musste der Interviewtermin aufgrund von terminlichen Engpässen bereits sehr kurzfristig nach der Kontaktaufnahme angesetzt werden; der DigicomArbeiter füllte deshalb die Protokolle aus dem Gedächtnis aus, wobei er versuchte, die Vorwoche zu rekonstruieren. In dem anderen Fall war die Zeit zwischen der Kontaktaufnahme und dem Interview keine repräsentative Arbeitsphase. Die Interviewpartnerin rekonstruierte aus dem Gedächtnis eine typische Arbeitswoche.

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4.3.3 Visualisierungen In den Naturwissenschaften sind Bilder etablierte Darstellungsformen, um beispielsweise Prozesse abzubilden und Zusammenhänge aufzuzeigen. Auch die Ethnographie und die Kulturanthropologie besitzen eine lange Tradition der Arbeit mit visuellem Material, u.a. auch mit Filmen (vgl. Przyborski 2008, S. 81). In den Medien- und Kommunikationswissenschaften sind Bilder vor allem als Forschungsmaterial Gegenstand der Untersuchung (vgl. ebd.), wie es bei Filmanalysen oder Werbeanalysen der Fall ist. Das Bild als Methode ist hier ein noch relativ neuer Ansatz (vgl. Gauntlett 2007, S. 263). Christina Schachtner untersuchte im Jahr 1993 das Verhältnis zwischen Menschen und Maschine. Sie ließ SoftwaredesignerInnen Bilder anfertigen, die Antwort auf die Frage geben sollten, welche Teile ihrer Persönlichkeit oder ihres Körpers am Programmiervorgang beteiligt sind (vgl. Schachtner 1993). Schachtners für die Medien- und Technikforschung konzipierte Methode (vgl. auch Schachtner 1999; 2002) diente mir als Ausgangslage. Folgende Überlegungen waren für mich entscheidend, Visualisierungen in der gegenständlichen empirischen Untersuchung einzusetzen: 1. Das Bild ist in seiner Ausdrucksmöglichkeit freier als das Wort, da es weder syntaktischen noch grammatikalischen Regeln folgen muss (vgl. Roth-Ebner 2008, S. 67). In der Zeichnung ist es möglich, „schwer oder nicht Faßbares mitzuteilen, das angesichts des Bildes im anschließenden Kommentar vielleicht doch sagbar wird“ (Schachtner 1993, S. 23). 2. Beim Zeichnen werden andere Gehirnareale angesprochen als beim Sprechen (vgl. Gauntlett 2005, S. 4). Dadurch können neue, kontrastierende Aspekte zum Vorschein kommen. 3. Die Visualisierungen dienen auch der Illustration von Forschungsergebnissen. Bilder prägen sich ein und bleiben als symbolische Repräsentationen bzw. visuelle Anker von Gedanken, Ideen und Theorien besser in Erinnerung. Die Methode der Visualisierung in der Feldphase Die konkrete Anwendung der Methode gestaltete sich so, dass ich die InterviewpartnerInnen am Ende der Leitfadeninterviews bat, zu einer von mir vorgegebenen Frage/einem vorgegebenen Impuls eine Zeichnung bzw. eine

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Skizze mit Hand anzufertigen. Dazu stellte ich meinem Gesprächspartner/meiner Gesprächspartnerin ein weißes Blatt Papier (A4) sowie einen schwarzen Faserstift zur Verfügung. Die meisten InterviewpartnerInnen kamen dieser Bitte nach.26 Bei den ersten fünf Interviews wurden folgende Themen als Impulse gegeben: • • •

Mein Arbeitsraum. Das bin ich bei der Arbeit. Ein typischer Arbeitstag.

Da in den auf Grundlage dieser Impulse entstandenen Visualisierungen die (für meine Fragestellung relevante) Bedeutung Digitaler Medien nicht deutlich wurde, gab ich bei den weiteren Interviews folgende Fragestellungen/ Impulse zur Auswahl:27 • •

Was bedeuten Neue Medien für meine Arbeit?28 Das ist meine Mediennutzung bei der Arbeit.

Während des Zeichnens hielt ich mich etwas abseits und nutzte die Zeit, um Forschungsnotizen zu verfassen. Nachdem die Bilder fertig waren, bat ich die Zeichnenden, ihr Bild zu beschreiben. Durch Nachfragen versuchte ich, die Bedeutung, die das Bild für die GesprächsteilnehmerInnen besaß, bestmöglich zu erfassen. Diese Gespräche wurden, ebenso wie die zuvor getätigten Interviews, auf Band aufgenommen und transkribiert. Bei den Interviews, welche per Skype durchgeführt wurden, musste eine andere Form gefunden werden, da die Zeichnungen nicht sofort für mich einsehbar waren. So bat ich die GesprächsteilnehmerInnen, während des Zeichnens laut mitzudenken und mir auf diese Weise die Visualisierung gleich zu erklären.

26 Zwei Digicom-ArbeiterInnen (IV 11 und IV 15) lehnten es ab, eine Skizze anzufertigen. Eine Studienteilnehmerin (IV 13) zeichnete zwei Bilder, weshalb ich in Summe auf 19 Zeichnungen kam. 27 Konnte die Person mit den Aufgabestellungen nichts anfangen, stellte ich die oben genannten drei Impulse aus den ersten Interviews zur Auswahl. 28 Wie einleitend festgehalten, wurde in der empirischen Forschung der alltagssprachliche Begriff „Neue Medien“ für Digitale Medien verwendet.

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Diese Erläuterungen wurden ebenso wie das Skype-Interview aufgezeichnet und konnten damit später problemlos transkribiert werden. Nach den Interviews scannten die InterviewpartnerInnen ihre Zeichnungen ein und übermittelten sie mir per E-Mail.29 Interpretation der Visualisierungen Bilder sind polysem (vieldeutig). Visualisierungen „verbergen ein komplexes Gefüge aus Symbolen, Bedeutungen, Gedanken, Gefühlen, Werten, biographischen Informationen, Wünschen, Träumen und Fantasien“ (RothEbner 2008, S. 67). Die Gedanken und Bedeutungen, welche von der zeichnenden Person auf das Papier projiziert werden, müssen von dem Betrachter/der Betrachterin interpretiert werden. Diese Deutung kann jedoch immer nur unvollständig und eine Annäherung sein, denn „Bilder sind gerade deshalb nur begrenzt mit sprachlichen Mitteln zu beschreiben und zu analysieren, weil ihr Potential in dem Ausdruck des Unausdrückbaren liegt“ (Neuß 1999, S. 60f). Der Bildtheoretiker Gottfried Boehm verweist auf den „sinnerzeugende[n] Überschuss“ (Boehm 2010, S. 15) von Bildern, der sich niemals ganz in Sprache fassen lässt. „So sehr Bilder sprechen, so sehr schweigen sie auch.“ (Boehm 2010, S. 20, Hv. i. O.). Bei der gegenständlichen Studie ging es mir nicht darum, mit einer Interpretation der Visualisierungen einen in ihnen verborgenen normativen Sinn zu entdecken bzw. offenzulegen. Vielmehr wollte ich in Ergänzung zum weiteren Forschungsmaterial (Interviews, Tagebuchmethode) Sinnpotenzial aufzeigen. Dieses ist zwar argumentativ gestützt, hat aber keinen Anspruch auf eine feststehende Bedeutung. Um den Erkenntniswert der Bilder abzuschätzen, sichtete ich sie in einem ersten Durchgang unsystematisch und stellte sie zu meinen Forschungsfragen in Beziehung. Dabei las ich mir auch die bereits zuvor analysierten Interviews durch, um die Aussagen aus den Gesprächen in die Deutung der Zeichnungen einzubeziehen. Sieben Zeichnungen stellten sich dabei als wenig aufschlussreich für mein Erkenntnisinteresse heraus, da sie keine relevanten Informationen zur Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellung enthielten. Die anderen

29 Leider litt darunter die Qualität der Visualisierungen, und so musste ich bei einer Zeichnung (IV 04), bei der die Linienführung nur sehr schwach sichtbar war, die Linien mit einem Faserstift nachzeichnen. Die Visualisierung wurde damit aus Qualitätsgründen geringfügig überarbeitet.

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zwölf Visualisierungen unterzog ich einer detaillierten Analyse.30 Als Grundlage dafür diente das von mir an anderer Stelle konzipierte und für diese Studie geringfügig überarbeitete Deutungskonzept für interviewbezogene Visualisierungen (vgl. Roth-Ebner 2008, S. 68f). Es besteht aus sechs Interpretationsschritten: 1. Intuitive Interpretation (erste Ideen zum Erkenntniswert der Visualisie-

rung), 2. Bildbeschreibung (rein deskriptive Schilderung des Dargestellten), 3. „Kommunikative Reflexion“ (Neuß 1998, S. 20) (Einbezug der Erläute-

rungen der zeichnenden Person zum Bild), 4. Kontextuale Deutung (In-Beziehung-Setzen der Visualisierung zu ande-

ren Erkenntnisquellen und theoretischen Positionen), 5. Fazit (Ermitteln der zentralen Botschaft der Zeichnung), 6. Relevanz für das Forschungsinteresse (Antwort auf die Forschungsfra-

ge).31 Die im Zuge der Deutung entstandenen Texte waren in der gegenständlichen Studie neben den Interviewtexten die Basis für weitere Codier- bzw. Auswertungsverfahren. Das genaue Prozedere wird im folgenden Abschnitt beschrieben. 4.3.4 Theoriebildung nach den Prinzipien der Grounded Theory Das Auswerten des Datenmaterials gemäß den Prinzipien der Grounded Theory bedeutet mit Friedrich Krotz, dass die ForscherInnen „zunächst Konzepte [Codes, C. R-E.] und dann Kategorien entwickeln und deren Bedingungen und Konsequenzen sowie deren Beziehungen zueinander klären. Da-

30 Es wurden jedoch die verbalen Erklärungen aller Bilder in die Auswertung einbezogen, ungeachtet dessen, ob die Bilder von mir genauer interpretiert wurden oder nicht. 31 Das vollständige Deutungskonzept befindet sich im elektronischen Anhang, downloadbar unter http://www.transcript-verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1. pdf.

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durch werden die Interviewtexte bzw. die Protokolle neu strukturiert und in allgemeine Aussagen gefasst. Übergreifende Ideen werden dabei ebenso wie verbleibende Unklarheiten in Memos festgehalten.“ (Krotz 2005, S. 175, i. O. hvgh.).

Zentral sind die Schritte des offenen, axialen und selektiven Codierens. Codieren bedeutet das „Verschlüsseln oder Übersetzen“ (Böhm 2000, S. 476, i. O. hvgh.) bzw. das „Verdichten und Strukturieren“ (Krotz 2005, S. 172) des Datenmaterials mittels Codes. Codes werden wiederum auf einer abstrakteren Ebene in Kategorien zusammengefasst (vgl. ebd., S. 175). In der gegenständlichen empirischen Untersuchung wurde das Codieren mithilfe der Auswertungssoftware Atlas.ti durchgeführt. In einem ersten, offenen Codierdurchgang wurden das gesamte Interviewmaterial sowie die durch die Interpretation der Zeichnungen entstandenen Texte Zeile für Zeile codiert. Ebenfalls codiert wurden die auf Band aufgezeichnete Nachbesprechung des ausgefüllten Mediennutzungsprotokolls sowie die verbalen Erläuterungen der Interviewten zur Visualisierung. Auf diese Weise wurden möglichst viele Aspekte der empirischen Forschung in das Codierverfahren einbezogen, was zu einer höheren Datendichte führte. Zusätzlich zum Codieren wurde zu jedem Interview eine stichwortartige Kurzzusammenfassung verfasst, welche im elektronischen Auswertungsprogramm dem jeweiligen Interview als Etikett anhaftete. Dieses Vorgehen erleichterte das Navigieren in den Daten und diente der besseren Übersicht. Im Codiervorgang wurden permanent Vergleiche von Fällen angestellt, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszufinden (vgl. Corbin/ Strauss 2008, S. 73). Es wurde zwischen inhaltlichen Codes und strategischen Codes unterschieden. Während ein inhaltlicher Code Aussagen zum Forschungsgegenstand macht und anzeigt, was wie geschieht oder ist bzw. Bedeutungen aufdeckt, geben strategische Codes Aufschluss über den Charakter des Zitates oder dienen der Orientierung in der Datenfülle (z.B. „Widerspruch“, „Metapher“, „Bürobeschreibung“, „Tätigkeitsbeschreibung“ usw.). So half der strategische Code „tolles Zitat“ beim späteren Wiederfinden von besonders prägnanten Formulierungen. Zusätzlich wurden die für die Grounded Theory charakteristischen Memos erstellt, in welchen Gedanken zur Theoriebildung, aber auch Erklärungen zu Codes oder andere wichtige Notizen festgehalten wurden. Diese wurden beim späteren selektiven Codieren wieder aufgegriffen.

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Beim offenen Codieren ging es darum, die Daten aufzubrechen und die entdeckten Phänomene in ihren Eigenschaften zu dimensionalisieren (etwa am Beispiel des Codes „Erreichbarkeit“: „Erreichbarkeit fast immer“, „Erreichbarkeit fast nie“ usw.). Es entstanden mehr als 570 Codes. In weiteren Durchgängen wurden die wichtigsten inhaltlichen Codes identifiziert. Dabei erwies sich die Codeliste der Auswertungssoftware Atlas.ti als hilfreich, welche die Treffer pro Code anzeigte, also Aufschluss darüber gab, wie häufig ein Code im gesamten Datenmaterial vergeben wurde. Diese Codes wurden, soweit möglich, in Kategorien zusammengefasst und damit auf eine abstraktere Ebene gebracht. Die Kategorien wiederum wurden zueinander in Beziehung gesetzt, sodass Kategorienetzwerke mit unterschiedlichen Verbindungen entstanden, die Zusammenhänge und Hierarchien verdeutlichten. Die Auswertungssoftware Atlas.ti unterstützt dieses Vorgehen, indem Verbindungen zwischen Codes/Kategorien erstellt werden können, die unterschiedliche Charakteristika aufweisen. So kann es sich um eine hierarchische Verbindung handeln, z.B. wenn ein Phänomen Teil eines größeren Phänomens ist wie im Verhältnis von „räumlicher Flexibilität“ zu „Flexibilität“ allgemein. Oder es kann ein Widerspruch markiert werden wie im Fall der Codes „Erreichbarkeit fast immer“ und „Erreichbarkeit fast nie“. Liegt ein kausaler Zusammenhang vor, kann dieser ebenfalls mittels Verbindungen (Links) definiert werden. Für nicht näher bestimmte Verbindungen wird eine einfache Assoziation erstellt. Als axiales Codieren verstand ich das In-Beziehung-Setzen der Kategorien und Codes insofern, als Anselm Strauss und Juliet Corbin damit meinen, „Verbindungen zwischen einer Kategorie und ihren Subkategorien“ (Strauss/Corbin 1996, S. 76, i. O. hvgh.) zu ermitteln. Dies erfolgte zwar bereits während der ersten Codiervorgänge, aber auch bei späteren Durchgängen, als sich die Zusammenhänge zwischen den Daten verdichteten. Offenes und axiales Codieren gingen in der gegenständlichen empirischen Untersuchung also Hand in Hand (vgl. Corbin/Strauss 2008, S. 198). Im Gegensatz zu Strauss und Corbin arbeitete ich die Kategorien aber noch nicht entlang des „paradigmatischen Modelles“ aus, wobei zu jeder Kategorie (jedem Phänomen) Subkategorien aus den Ursachen, Kontextbedingungen, Strategien und Konsequenzen in Bezug gesetzt werden.32 Dies wäre

32 Modifikationen des Codierprozesses sind nach Strauss und Corbin (1996, S. 41) ausdrücklich erlaubt.

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bei der komplexen Forschungsfrage und der hohen Anzahl an relevanten Kategorien nicht zweckdienlich gewesen. Ich habe diesen Vorgang stattdessen für die Schlüsselkategorie durchgeführt. Abbildung 6 zeigt das paradigmatische Modell in einer Darstellung von Andreas Böhm, der es „Codierparadigma“ nennt. Abbildung 6: Codierparadigma der Grounded Theory

Quelle: Böhm 2000, S. 479

Die Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“ Als die Kategorien schlüssig erklärt und die Beziehungen zwischen ihnen definiert waren (theoretische Sättigung), konnte das selektive Codieren durchgeführt werden (vgl. Brüsemeister 2000, S. 214). Dabei wird eine Kern- bzw. Schlüsselkategorie entwickelt, „um die herum sich die anderen entwickelten Kategorien gruppieren lassen und durch die sie integriert werden“ (Flick 2002, S. 267). Je nach Auffassung können es auch mehrere Schlüsselkategorien sein (vgl. Krotz 2005, S. 184); es empfiehlt sich jedoch, mit sehr wenigen Schlüsselkategorien zu arbeiten (vgl. Corbin/ Strauss 2008, S. 105). Folgende von Corbin und Strauss angeführte Fragen können dabei helfen, die geeignete Schlüsselkategorie zu finden: „What is the main issue or problem that these people seem to be grappling with? What keeps striking me over and over when I read these interviews or observations, or watch the videos? What comes through in the data though it may not be said directly?“ (Ebd., S. 107).

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Nach ausführlicher Prüfung erwies sich für die gegenständliche Studie „Der effiziente Mensch“ als geeignete Schlüsselkategorie.33 Sie bildete die Schnittmenge aus allen anderen zentralen Kategorien. Der Versuch, andere Kategorien als Schlüsselkategorien zu etablieren wie etwa „Flexibilität“, scheiterte daran, dass nicht alle Kategorien darin integriert werden konnten. Die quantitativen Ergebnisse aus der Online-Umfrage erleichterten die Entscheidung für diese Schlüsselkategorie zusätzlich. „Effizienz“ war ein wichtiger Faktor in der Faktorenanalyse und ein häufiges Stichwort in den Antworten zu den offenen Fragekategorien der Umfrage gewesen. Auch in der Clusteranalyse erzielten die Faktoren „Effizienz durch Neue Medien“ und „Effiziente Mediennutzung“ die höchsten Relevanzwerte seitens der UmfrageteilnehmerInnen. Zusätzlich wurde die Kompetenz, „Neue Medien effizient [zu] nutzen“ als jene Fähigkeit angegeben, die in Trainings und Weiterbildungen am meisten als förderungswürdig erachtet wurde.34 Der Empfehlung von Corbin und Strauss (2008, S. 107) folgend, fertigte ich ein Diagramm an, um die zentralen Kategorien in die Schlüsselkategorie zu integrieren (siehe Abbildung 7). Dabei orientierte ich mich im Wesentlichen an dem paradigmatischen Modell von Strauss und Corbin (1996, S. 101) und ließ mich inhaltlich durch meine forschungsleitende Fragestellung leiten.

33 Wie erwähnt, orientiere ich mich bei der Terminologie an Sennetts Studie mit dem deutschen Titel „Der flexible Mensch“ (2006, engl. Orig.: The Corrosion of Character 1998). 34 Methodische Erläuterungen zur Online-Umfrage siehe Kapitel 4.3.5.

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Abbildung 7: Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“

Quelle: eigene Darstellung; Grafik: Mag.a Birgit Writze

Im Mittelpunkt des Diagramms steht die Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“. Es handelt sich dabei um einen empirisch verankerten, aus den Bedingungen, Motiven und Handlungen der Digicom-ArbeiterInnen ab-

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strahierten „Idealtypus“ im Sinne Max Webers (1988, S. 190ff). Er ist nicht als „ideal“ zu verstehen in Hinblick auf eine Anforderung oder einen nachgefragten Wert, sondern insofern, als er die Schnittmenge der Untersuchungsergebnisse bildet. Der Idealtypus nach Weber ist ein „Grenzbegriff“, an dem reales Geschehen gemessen wird, ein Mittel, um Wirklichkeit analytisch erfassen zu können (vgl. ebd., S. 194). Er „wird gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluß einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde“ (ebd., S. 191, Hv. C. R-E.).

Es handelt sich dabei mehr um eine „,Idee‘“ als um eine Wirklichkeitsbeschreibung (vgl. ebd., S. 190). Kritik an der Idealtypenbildung nimmt Weber schon vorweg: „[…] ob es sich um reines Gedankenspiel oder um eine wissenschaftlich fruchtbare Begriffsbildung handelt, kann a priori niemals entschieden werden; es gibt auch hier nur einen Maßstab: den des Erfolges für die Erkenntnis konkreter Kulturerscheinungen in ihrem Zusammenhang, ihrer ursächlichen Bedingtheit und ihrer Bedeutung. Nicht als Ziel, sondern als Mittel kommt mithin die Bildung abstrakter Idealtypen in Betracht.“ (Ebd., S. 193, Hv. C. R-E.).

Weber beruft sich dabei auf die von Kant abgeleitete Erkenntnistheorie, wonach „Begriffe […] gedankliche Mittel zum Zweck der geistigen Beherrschung des empirisch Gegebenen sind“ (ebd., S. 208). Die Bildung eines Idealtypus korrespondiert mit der Methodologie der Grounded Theory, da auch diese die Phänomene und Handlungen in ihren ursächlichen und kontextualen Bedeutungen und Zusammenhängen untersucht, wie es im Rahmen des Codierparadigmas vorgesehen ist. Zum anderen entspricht die Bildung eines Idealtypus dem in dieser Studie vertretenen Verständnis von Forschung als Konstruktion von Erkenntnis und Wirklichkeit. Die in dem ersten Zitat von Max Weber hervorgehobenen Begriffe sollen nicht den Eindruck erwecken, dass der Idealtypus des effizienten Menschen, wie er für die gegenständliche Studie entwickelt wurde, eine Einzel-

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erscheinung darstellt, die auf wenigen Gesichtspunkten aus der Empirie basiert. Er bildet vielmehr – wie bereits dargelegt – die Schnittmenge der Handlungen, Strategien, Kompetenzen, Motive und Kontextbedingungen aus dem Datenmaterial. Auch zeigt sich anhand der Ergebnisse aus der Online-Umfrage, dass der Idealtypus nicht nur für die Stichprobe der Interviews Relevanz besitzt, sondern auch für die allgemeinere Stichprobe der online Befragten (N=445). Den äußeren Rand des Diagramms bilden die ursächlichen Bedingungen. Nach Strauss und Corbin sind dies „Ereignisse, Vorfälle, Geschehnisse, die zum Auftreten oder der Entwicklung eines Phänomens führen“ (Strauss/Corbin 1996, S. 75). Ich verstehe diese für die gegenständliche Studie als die äußeren Rahmenbedingungen. Es sind das einerseits die Charakteristika der Mediatisierung von Arbeit, wie sie in Kapitel 2 dargelegt wurden, andererseits die Konstruiertheit und Wandelbarkeit von Raum und Zeit, welche in Kapitel 3 beschrieben wurden.35 Weitere Kontextfaktoren sind im inneren Bereich oberhalb der Schlüsselkategorie mit „Kontext und intervenierende Bedingungen“ beschrieben. Dies sind die Bedingungen, innerhalb derer die Handlungsstrategien des effizienten Menschen stattfinden und welche diese beeinflussen (vgl. ebd.).36 Im Fall der gegenständlichen Studie sind dies die konkreten Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten, welche in Kapitel 5 mit den Phänomenen „Flexible Arbeitsorte“, „Erweiterung von Raum und Distanzverminderung durch Virtualität“, „Erweiterte Präsenzformen“, „Entgrenzung und Flexibilisierung von Zeitphasen“, „Beschleunigung“ und „Ökonomisierung von Zeit“ erklärt wurden. Diese Phänomene eröffnen Handlungsspielräume, welche individuell wahrgenommen, genutzt und ausgestaltet werden (siehe Kapitel

35 Mit der Begriffswahl „ursächliche Bedingungen“ folge ich der Terminologie von Strauss und Corbin (1996, S. 79). Diese „Bedingungen“ sind jedoch keineswegs – wie es der Begriff implizieren könnte – monokausal zu verstehen. Vielmehr handelt es sich um Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft und Subjekt. So werden Arbeit, Raum und Zeit – wie in der gegenständlichen Studie gezeigt wird – von den Subjekten gestaltet; gleichzeitig konturieren gesellschaftliche Gegebenheiten auch das Handeln der Subjekte. 36 Strauss und Corbin behandeln Kontext und intervenierende Bedingungen als zwei getrennte Bestandteile des Codierparadigmas. Dem Vorschlag Böhms folgend, fasse ich diese jedoch zusammen (vgl. Böhm 2000, S. 479).

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6). Mit den unterhalb der Schlüsselkategorie angeführten Handlungsstrategien sind schließlich jene Strategien gemeint, „die gedacht sind, um ein Phänomen unter einem spezifischen Satz wahrgenommener Bedingungen zu bewältigen, damit umzugehen, es auszuführen oder darauf zu reagieren“ (Strauss/Corbin 1996, S. 75). Für den Idealtypus des effizienten Menschen sind dies die Kompetenzen und Strategien, die er/sie ausbildet und anwendet, um die Phänomene mediatisierter Arbeit im Kontext von spezifischen Raum- und Zeitphänomenen zu bewältigen. Diese werden in Kapitel 7 als „Effiziente Mediennutzung“, „Management von Raum und Zeit“, „Grenzmanagement und Entschleunigung“ sowie als „Reflexionskompetenz als Querschnittskompetenz“ beschrieben. Diese Handlungen führen wiederum zu bestimmten Ergebnissen und Konsequenzen (vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 85), die als Pfeil dargestellt, den Abschluss im obigen Diagramm bilden. Im Gegensatz zu Strauss und Corbin (ebd.) interpretiere ich die Konsequenzen jedoch nicht individualisiert, also als Ergebnis der Handlungsstrategien. Das ergibt für die gegenständliche Theoriebildung wenig Sinn, ist doch das von den Strategien abzuleitende (Wunsch-)Ergebnis das Zurechtkommen in mediatisierten Arbeitswelten und das Mitgestalten dieser. Vielmehr halte ich es für lohnend, über die Ebene des Subjekts hinausgehende Konsequenzen zu benennen, welche aus den Forschungsergebnissen zu ziehen sind. Diese münden für mich in einer Forderung nach medienpädagogischen Maßnahmen/Überlegungen/Bemühungen, welche den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen mediatisierter Arbeit Rechnung tragen – es ist die Forderung nach einer „Medien- und Technikbildung für die Arbeit“. In Kapitel 9.3.2 werden meine Überlegungen dazu festgehalten. Die Schlüsselkategorie wurde im Zuge des Schreibens zu einer Grounded Theory integriert (vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 94). Sie wurde mit prägnanten Beispielen aus dem Datenmaterial untermauert. Dabei wurden auch sämtliche im Datenerhebungs- und Auswertungsprozess erstellten Kategorienetzwerke sowie Memos und Notizen aus dem Forschungstagebuch berücksichtigt, welche oftmals konkrete Hinweise für die Theoriegenerierung enthielten. Sämtliche theoretischen Schlüsse wurden beim Schreiben wiederum an den Daten überprüft, denn eine gegenstandsbegründete Theorie entwickelt sich erst beim Schreiben zu Ende. „One way is to go back and compare the scheme against the raw data, doing a kind of high-level comparative analy-

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sis. The theoretical scheme should be able to explain most of the cases.“ (Corbin/Strauss 2008, S. 113). 4.3.5 Online-Umfrage Um die zentralen Ergebnisse aus dem qualitativen Studienteil mit einer größeren Untersuchungsgruppe zu kontrastieren, führte ich eine standardisierte Online-Umfrage durch.37 Insbesondere ging es mir darum zu untersuchen, ob und inwieweit die für die Digicom-ArbeiterInnen geltenden Ergebnisse auch für andere Personengruppen zutrafen, bzw. umgekehrt herauszufinden, ob und inwieweit Digicom-ArbeiterInnen sich von anderen Personengruppen unterscheiden. Dies stellte eine Herausforderung dar, da die Ergebnisse aus dem qualitativen Forschungsteil sehr komplex waren. Ein Fragebogen (vor allem wenn er online durchgeführt wird) erlaubt nur eine begrenzte Anzahl an Fragen. Anhand eines intensiven Studiums der qualitativen Ergebnisse konnte ich mein Erkenntnisinteresse für die OnlineUmfrage auf folgende Themenbereiche eingrenzen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Mediennutzung bei der Arbeit, Vorteile der beruflichen Nutzung Digitaler Medien, Herausforderungen der beruflichen Nutzung Digitaler Medien, Zusammenhang zwischen beruflicher Mediennutzung und Zeit, Zusammenhang zwischen beruflicher Mediennutzung und Raum und Strategien und Kompetenzen für die berufliche Mediennutzung.38

37 Der Vorteil gegenüber einem Fragebogen auf Papier, der händisch zu verteilen ist, lag zum einen darin, dass die Daten nach der Erhebung unmittelbar für die statistische Analyse digital weiterverwertbar waren. Zum anderen konnte online mit relativ wenig Aufwand eine größere Anzahl von Personen aus unterschiedlichen Branchen und Berufen erreicht werden. Die Akzeptanz der ProbandInnen gegenüber dieser Methode konnte als gegeben eingeschätzt werden, nachdem die Zielgruppe aus Personen bestand, welche Digitale Medien für ihre Arbeit verwenden und daher mit dem Internet vertraut sind. 38 Zum Themenbereich „Strategien und Kompetenzen“ wurden zusätzlich komplementäre Informationen eingeholt, welche in den Interviews noch nicht thematisiert wurden. Erst bei der Auswertung der Ergebnisse des qualitativen Studienteils hatten sich Fragen des Kompetenzerwerbs in Zusammenhang mit be-

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Zusätzlich zu den sechs Themenbereichen wurden zu Beginn des Fragebogens Angaben zur beruflichen Tätigkeit sowie am Ende die demografischen Daten erhoben. Die genannten Themenbereiche stellten die Gliederung des Fragebogens dar. Zur Gestaltung des Fragebogens orientierte ich mich an den Empfehlungen von Ellen Taylor-Powell (1998) sowie an den Richtlinien für Online-Fragebögen (Langner/Warblow 2009-2010). Die Umfrage enthielt geschlossene Fragen (mit Kurzantwort, mit Einfach- oder Mehrfachauswahl, teilweise mit Ergänzungsoption), Rating-Skalen und Rangordnungen sowie ergänzende offene Fragen. War die Übereinstimmung mit vordefinierten Einstellungen/Meinungen anzugeben, entschied ich mich bewusst für eine 5-stufige Antwortskala (von „trifft vollständig zu“ bis „trifft nicht zu“), wobei nur die Endpunkte verbalisiert wurden (vgl. Möhring/Schlütz 2003, S. 92). Zum einen konnte eine 5-stufige Beurteilung aufgrund der Parallele zum österreichischen Schulnotensystem als bekannt angesehen werden, zum anderen wollte ich damit die Möglichkeit einer neutralen Antwort (Kästchen mit Ziffer 3) gewährleisten.39 Durchgeführt wurde die Umfrage online mithilfe des Open-SourceTools LimeSurvey (http://www.limesurvey.org/). Um den Fragebogen hinsichtlich seiner Praktikabilität und Verständlichkeit sowie seiner Reliabilität vorab zu testen, wurde über die Dauer von 13 Tagen ein Pretest durchgeführt (N=22). Dabei wurde einerseits Feedback zum Fragebogen eingeholt. Andererseits wurden die damit generierten Ergebnisse auch bereits ausgewertet, um zu prüfen, ob die Items verständlich formuliert waren und ob eine zufriedenstellende Varianz in den Antworten erkennbar ist. Daraufhin wurden einzelne Fragen des Fragebogens überarbeitet und die eigentliche Umfrage erstellt. Die Umfrage war fünf Wochen lang online (von 9.1.2012 bis 17.2.2012). Die Rekrutierung der UmfrageteilnehmerInnen erfolgte sowohl aktiv als auch passiv (vgl. Langner/Warblow 2009-2010, S. 7). Was die ak-

ruflicher Mediennutzung ergeben. Auf diese Weise konnten quantitative und qualitative Zugänge sinnvoll miteinander verschränkt und die Vorteile der Methodentriangulation ausgenutzt werden. 39 Die 5-stufige Skala wird auch in den Richtlinien von Taylor-Powell (1998) als am passendsten erachtet, um Einstellungen zu messen (vgl. auch Möhring/ Schlütz 2003, S. 98).

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tive Rekrutierung anbelangt, wurden E-Mails mit der Einladung zur Teilnahme an der Umfrage sowie mit einer kurzen Erläuterung zur Studie gezielt an Unternehmen, diverse Organisationen und E-Mailinglisten versandt. Passiv wurde rekrutiert, indem die Umfrage auf diversen Websites sowie in Facebook-Profilen bekannt gemacht wurde. Stichprobe der Online-Umfrage Für die Online-Umfrage sollten nicht (nur) Personen befragt werden, welche nach meiner Definition als „Digicom-ArbeiterInnen“ bezeichnet werden können. Vielmehr wollte ich prinzipiell alle Erwerbstätigen erreichen, welche Digitale Medien für ihre Arbeit verwenden, unabhängig von der Intensität der Mediennutzung. Die Repräsentativität der Untersuchungsergebnisse war nicht Ziel der Umfrage. Aufgrund der großen Heterogenität der Berufsbilder und Arbeitsverhältnisse konnte nicht von einer klar definierbaren Grundgesamtheit an Personen ausgegangen werden, und durch die Selbstselektion der ProbandInnen war keine Zufallsstichprobe möglich (vgl. Döring 2003, S. 214). Zur Steigerung der Aussagekraft lud ich jedoch TeilnehmerInnen aus möglichst unterschiedlichen Branchen und Organisationsformen zur Umfrage ein. So verteilte ich den Link zum Fragebogen bei Interessensvertretungen, Organisationen des öffentlichen Dienstes, in wissenschaftlichen Institutionen, in privatwirtschaftlichen Unternehmen und konnte sowohl MitarbeiterInnen und Führungskräfte als auch UnternehmerInnen dafür gewinnen. Geografisch begrenzte ich den Radius auf den Raum Österreich, um sprachliche Definitionsprobleme zu vermeiden.40 Es entstand ein Schneeballeffekt, da einige der von mir kontaktierten Personen den Link zur Umfrage auf ihre Websites oder ihre Intranet-Portale stellten sowie über Social Networks (z.B. Facebook) oder via E-Mail an ihre Bekannten verteilten. Insgesamt wurden 575 Fragebögen online ausgefüllt. Nach einer Missing-Data-Analyse wurden alle Fälle ausgeschlossen, bei denen mehr als fünf Prozent fehlende Werte zu verzeichnen waren.

40 So müssten etwa die Antwortkategorien für die höchste absolvierte Ausbildung in Deutschland anders formuliert werden als in Österreich.

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445 Fälle verblieben in der Studie. Diese werden im Folgenden hinsichtlich ihrer soziodemografischen Daten beschrieben (siehe Tabelle 6).41 140 Männer und 301 Frauen nahmen an der Umfrage teil; vier Personen machten keine Angaben zum Geschlecht. Die Altersspanne der TeilnehmerInnen reicht von 20 Jahren bis zu 70 Jahren; das Durchschnittsalter beträgt 37,05 Jahre (SD = 10,39). Dabei zeigt sich ein kleiner geschlechterspezifischer Effekt: Die Frauen der Stichprobe (M = 36,41; SD=9,65) waren tendenziell jünger als die Männer (M = 38,47; SD = 11,75). Gut ein Drittel der Befragten hat Kinder. Mit 65 Prozent AkademikerInnenanteil ist das Bildungsniveau der Stichprobe sehr hoch.

41 Die statistischen Berechnungen wurden auf meinen Auftrag hin von Mag.a Dr.in Birgit Senft, M.Eval. vorgenommen, die insbesondere in quantitativen Forschungsmethoden über eine ausgewiesene Expertise verfügt. Die Operationalisierung des Forschungsdesigns (Erstellung des Fragebogens, Konzeption der Auswertungsschritte, inhaltliche Entscheidungen im Auswertungsprozess sowie Interpretation) wurde von mir selbst – teilweise in Absprache mit Birgit Senft – durchgeführt. Die Ergebnisse der Berechnungen sind – sofern sie nicht in den folgenden Kapiteln dargestellt sind – mitsamt den methodischen Erläuterungen im elektronischen Anhang, downloadbar unter http://www.transcript-verlag.de/ content/ts2914/ts2914_w1.pdf, einsehbar.

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Tabelle 6: Soziodemografie der StudienteilnehmerInnen42 Soziodemografische Daten

N=445

Geschlecht N (%) männlich

140 (31,5)

weiblich

301 (67,5)

keine Angabe

4 (1,0)

Alter M (SD)

37,05 (10,39)

Kinder N (%) Kinder ja

158 (35,5)

Kinder nein

282 (63,4)

keine Angabe

5 (1,1)

1 Kind bis 5 Jahre 2 Kinder bis 5 Jahre

27 (6,1) 11 (2,5)

3 Kinder bis 5 Jahre

1 (0,2)

1 Kind von 6 bis 14 Jahre

43 (9,7)

2 Kinder von 6 bis 14 Jahre

24 (5,4)

3 Kinder von 6 bis 14 Jahre

4 (0,9)

5 Kinder von 6 bis 14 Jahre

1 (0,2)

Höchste abgeschlossene Schulbildung N (%) Allgemeinbildende Höhere Schule (Gymnasium) Berufsbildende Höhere Schule mit Matura Berufsbildende Mittlere Schule ohne Matura Hochschule/Fachhochschule/Universität Lehrabschluss keine Angabe

43 (9,7) 76 (17,1) 19 (4,3) 291 (65,3) 12 (2,7) 4 (0,9)

Tabelle 7 gibt Aufschluss über die Berufstätigkeit der StudienteilnehmerInnen. Hier waren – außer bei der Frage nach der Position im Unternehmen – jeweils Mehrfachnennungen möglich, da davon ausgegangen wurde, dass die Befragten teilweise in mehreren Arbeitsverhältnissen tätig sind.43 Die meisten Personen (147) arbeiten in der Erziehungs- und Bildungsbranche, die wenigsten im Fremdenverkehr (7). Dies lässt keinerlei Schlüsse auf die Intensität der Mediennutzung in diesen Branchen zu – vielmehr ist die Branchenverteilung auf die Rekrutierungsweise zur Umfrage zurückzufüh-

42 M = Mittelwert; SD = Standardabweichung. 43 Aus diesem Grund ergeben die addierten Prozentwerte mehr als 100 Prozent.

158 | D ER EFFIZIENTE M ENSCH

ren, wobei der Umfrage-Link gezielt an Organisationen und Unternehmen versandt wurde. Bei der Mehrheit der Arbeitsverhältnisse handelt es sich um unselbstständige Vollzeiterwerbstätigkeit (236). 172 Personen arbeiten Teilzeit oder auf geringfügiger Basis; 97 sind selbstständig tätig. Rund 30 Prozent der Befragten sind in leitender Position tätig. Die Flexibilität bezüglich der Arbeitszeiten ist insgesamt als hoch einzuschätzen. So dominieren Arbeitsverhältnisse mit Gleitzeit (187) und völlig flexibler Zeiteinteilung (161) deutlich gegenüber jenen mit festen Arbeitszeiten (129). Tabelle 7: Angaben zur beruflichen Situation Angaben zur Berufstätigkeit

N=445

Branche N (%)

IT/Computer-Branche

49 (11)

Medien, Kunst, Kultur

64 (14,4)

Öffentliche Verwaltung

53 (11,9)

Erziehung, Bildung

147 (33)

Finanzwesen/Versicherungen

17 (3,8)

Industrie

23 (5,2)

Handel

34 (7,6)

Gewerbe

14 (3,1)

Dienstleistung

59 (13,3)

Fremdenverkehr

7 (1,6)

Gesundheits- und Sozialwesen

46 (10,3)

Sonstiges

51 (11,5)

Art der Berufstätigkeit N (%) selbstständig (z.B. freiberuflich, gewerbetreibend) unselbstständig tätig, Vollzeit

97 (21,8) 236 (53,0)

unselbstständig tätig, Teilzeit/geringfügig

172 (38,7)

Position im Unternehmen N (%)

in leitender Position

127 (28,5)

nicht in leitender Position

318 (71,5)

Arbeitszeitmodell N (%)

Fixe, genau festgelegte Arbeitszeiten

129 (29,0)

Gleitzeit (fixe Kernarbeitszeit sowie flexible Bereiche) Flexible Zeiteinteilung (keine Kernarbeitszeiten)

187 (42,0) 161 (36,2)

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

| 159

Statistische Auswertung44 Die aus der Online-Umfrage gewonnenen Daten wurden mittels der Statistiksoftwarepakete SPSS 14.0 und Excel ausgewertet. Im Zuge der Deskriptivstatistik wurden Angaben zu Häufigkeiten und prozentualen Anteilen nummerisch und in Form von Abbildungen dargestellt. Für metrische Daten wurden Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet. Zur Überprüfung der Reliabilität des Fragebogens wurden die interne Konsistenz bestimmt (Cronbach’s Alpha) und korrigierte Trennschärfen berechnet. Um Gruppen von Items und Typen von MediennutzerInnen aus dem Datenmaterial zu extrahieren, wurden eine Faktoren- und eine Clusteranalyse durchgeführt.45 Diese sollten Einblicke in unterschiedliche Umgangsweisen mit Digitalen Medien geben. Mithilfe der Faktorenanalyse konnte festgestellt werden, welche der insgesamt 65 Fragebogenitems mit gleicher Skalierung (von 1 bis 5) jeweils ein gemeinsames Konstrukt – und somit ein aus der Sicht der Befragten ähnliches Thema – erfassen.46 Die Faktorenanalyse brachte neun Faktoren mit insgesamt 41 Items hervor (siehe Tabelle 8).47

44 Die methodischen Erläuterungen in diesem Abschnitt stammen von Mag.a Dr.in Birgit Senft, M.Eval., welche die statistische Auswertung vorgenommen hat. Die Beschreibung der Faktoren stammt von mir. 45 Diese beiden Verfahren werden im elektronischen Anhang, downloadbar unter http://www.transcript-verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1.pdf, detailliert beschrieben. 46 Die Items der Frage 14 mit Aussagen zu Zeit mussten aus der Faktorenanalyse ausgeschlossen werden, da unter Hinzunahme dieser Items keine interpretierbare Faktorenlösung errechnet werden konnte. 47 Das detaillierte Ergebnis, einschließlich der Fragebogenitems, welche zu diesen Faktoren gebündelt wurden, ist im elektronischen Anhang dargestellt.

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Tabelle 8: Ergebnis der Faktorenanalyse Nummer

Faktorenname

Anzahl Items

Faktor 1

Entgrenzung Privat – Beruf

10

Faktor 2

Virtual Work

5

Faktor 3

Koordination und Ordnung

5

Faktor 4

Medienkompetenz

3

Faktor 5

Effizienz durch Neue Medien

4

Faktor 6

Communication Overflow

3

Faktor 7

Herausforderungen Neuer Medien

5

Faktor 8

Effiziente Mediennutzung

3

Faktor 9

Entschleunigung

3

Faktor 1 bezieht sich auf das Verschwimmen der Grenzen zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen sowie auf zeitlich und räumlich flexibles Arbeiten. Faktor 2 „Virtual Work“ beschreibt die Zusammenarbeit in virtuellen Räumen etwa mittels Konferenzlösungen, Instant Messaging oder kollaborativer Software. Das Potenzial Digitaler Medien, zur Koordination von Teams genutzt zu werden, sowie Ordnung durch Computerstrukturen und digitale Anwendungen zu halten, wird in Faktor 3 „Koordination und Ordnung“ erfasst. Faktor 4 „Medienkompetenz“ beschreibt die Fähigkeiten, Geräte und Anwendungen souverän und effizient zu verwenden.48 Die Effizienz, welche sich durch die Nutzung Digitaler Medien ergibt, z.B. durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit und schnelle Kommunikationswege, wird in Faktor 5 erfasst. Der „Communication Overflow“ in Faktor 6 meint die Überforderung, welche aus der intensiven Nutzung von IuK-Technologien und der ständigen Konfrontation mit kommunikativen Anforderungen resultiert. Weitere Herausforderungen der Verwendung Digitaler Medien für die Arbeit werden in Faktor 7 zusammengefasst (z.B. ineffiziente Mediennutzung, neue Kontrollen). Faktor 8 umfasst Strategien der effizienten Mediennutzung wie Medienauswahl oder E-Mailverwaltung. Um Strategien der Entschleunigung und des „Abschaltens“ geht es in Faktor 9. 48 Dies ist keine Definition von Medienkompetenz, wie ich sie vertreten würde, sondern der adäquateste Sammelbegriff für die durch die Faktorenanalyse generierten Fragebogenitems. Mehr zu Medienkompetenz siehe Kapitel 9.3.2.

4. F ORSCHUNGSDESIGN UND FORSCHUNGSMETHODEN

| 161

In einem nächsten Schritt wurde das Sample einer Clusteranalyse unterzogen, um aus der Gesamtgruppe von 445 Personen „Typen“ zu extrahieren, welche sich in ihrem Mediennutzungsverhalten unterscheiden und mit den Potenzialen und Herausforderungen mediatisierter Arbeit auf unterschiedliche Weisen umgehen. Aus der Clusteranalyse (basierend auf den Faktorwerten) gingen fünf Typen hervor, welche in Kapitel 8 vorgestellt werden.

5. Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten

Ziel der gegenständlichen Studie war es, wie eingangs erwähnt, Aussagen über Digicom-ArbeiterInnen und deren Wahrnehmung von Raum und Zeit respektive deren Raum- und Zeithandeln unter dem Einfluss der Nutzung von IuK-Technologien zu machen. In diesem Kapitel werden die zentralen Ergebnisse dazu vorgestellt. Es handelt sich dabei um die Beschreibung von raum- und zeit- bezogenen Phänomenen, welche im Kontext der intensiven beruflichen Nutzung von IuK-Technologien festgestellt wurden. Diese Phänomene stellen den Kontext und die intervenierenden Bedingungen, also die Rahmenbedingungen des „Idealtypus“ des effizienten Menschen dar, der in Kapitel 4.3.4 anhand des methodischen Instrumentariums der Grounded Theory aus den Daten entwickelt wurde (siehe Abbildung 7). Die Grundlage für dieses Kapitel bilden die Ergebnisse aus dem qualitativen Studienteil. Die Argumentation baut auf den theoretischen Überlegungen in den Kapiteln eins („Begriffskonzeption Medien und Mediatisierung“, zwei („Mediatisierung von Arbeit“) und drei („Raum, Zeit und Medien) auf. Diesen Überlegungen folgend, werden Medien als Präg- und Veränderungskräfte sozialen Handelns verstanden. Die medienbezogenen Modifikationen beziehen sich auch auf die Wahrnehmungen von Raum und Zeit und das Raum- und Zeithandeln. Mit neuen kommunikativen, sozialen und kulturellen Praktiken, welche in Zusammenhang mit der Nutzung neuer Technologien bei der Arbeit auftreten bzw. erforderlich sind, verändern sich die Bezüge und Bedeutungen sowie das handlungsleitende Potenzial der Kategorien Raum und Zeit. Zur Beschreibung dieser Zusammenhänge herangezogen werden konkrete Beispiele aus dem qualitativ erhobenen Da-

164 | D ER EFFIZIENTE M ENSCH

tenmaterial. Wo es sich anbietet, fließen auch bereits Resultate aus der Online-Umfrage mit der allgemeineren Stichprobe im Bereich mediatisierter Arbeit ein.1

5.1 R AUM

IM

K ONTEXT

VON

D IGICOM -ARBEIT

Raum ist im Kontext der gegenständlichen Untersuchung in zweierlei Hinsicht von Interesse: erstens als konkrete Orte, an denen Arbeit stattfindet. Diese können vor dem Hintergrund der Untersuchungsergebnisse als entgrenzt und flexibilisiert beschrieben werden, wie in Kapitel 5.1.1 argumentiert werden wird. Zweitens ist Raum als abstrakter „Raum der Ströme“ (Castells 1994; 1996, S. 376ff; 2005, S. 221, Hv. C. R.-E.) fassbar, welcher die Raumformationen der Informations- bzw. Netzwerkgesellschaft charakterisiert. Dieser Raum entspricht einem immateriellen Raumbegriff, welcher sich in virtuellen Arbeitszusammenhängen zeigt und durch diese konstituiert wird. Wie sich dieser im Rahmen mediatisierter Arbeit gestaltet, ist Gegenstand der Kapitel 5.1.2 und 5.1.3. In Summe finden sich in allen Unterkapiteln Belege für eine Entgrenzung von räumlichen Bezügen und Arrangements. 5.1.1 Flexible Arbeitsorte Die Arbeitsorte der Beschäftigten in der gegenständlichen empirischen Untersuchung stellen sich als flexibel und räumlich entgrenzt dar. Fest installierte Arbeitsplätze sind durch die Nutzung von raumüberwindenden Technologien und aufgrund der Tatsache, dass Arbeit heute vorwiegend aus Information und Kommunikation besteht, keine Notwendigkeit mehr. Alternativlösungen auf unterschiedlichen Flexibilitätsniveaus werden möglich. Die überwiegende Mehrheit der befragten Digicom-ArbeiterInnen ist nicht an bestimmte Arbeitsorte gebunden, sondern arbeitet örtlich flexibel,

1

Schwerpunktmäßig vorgestellt werden die Resultate des quantitativen Studienteils in Kapitel 8 „Mediennutzungstypen“. Die Ordnung der Unterkapitel betreffend sei vermerkt, dass diese nach logischen Gesichtspunkten erfolgte. Es darf daraus nicht auf eine höhere oder niedrigere Relevanz einzelner Phänomene rückgeschlossen werden.

5. R AUM-

UND

Z EITPHÄNOMENE

| 165

ob im Firmenbüro, im Home-Office oder unterwegs. Es sind dies die Führungskräfte, Selbstständigen bzw. freiberuflich Tätigen sowie die drei WissenschaftlerInnen der Untersuchungsgruppe. Örtlich überwiegend an das Firmengebäude gebunden sind vier der Interviewten (IV 02, 06, 14, 17), welche hochqualifizierten und verantwortungsvollen Tätigkeiten im Rahmen von Angestelltenverhältnissen nachgehen. Von diesen vier Personen arbeitet eine an einem fix vereinbarten Tag pro Woche zuhause (HomeOffice-Tag), die anderen drei arbeiten in Ausnahmefällen von zuhause aus bzw. bei Terminen auch unterwegs. Lediglich drei Digicom-ArbeiterInnen geben an, gänzlich an den Arbeitsort des Unternehmens gebunden zu sein (IV 05, 15, 19). Es sind dies die Angestellten in den unteren Hierarchieebenen. Die Ergebnisse zeigen also, dass örtliche Flexibilität zunimmt, je höher der/die Arbeitende in einem Unternehmen gestellt ist bzw. je ungebundener er/sie von Unternehmensstrukturen und -kulturen ist. Der Vergleich mit der Online-Umfrage ergibt, dass die Befragten aus der allgemeineren Stichprobe im Bereich mediatisierter Arbeit örtlich deutlich weniger flexibel sind als die interviewten Digicom-ArbeiterInnen. Die Mehrheit der Befragten (51 Prozent) gab an, weitestgehend an den Arbeitsort gebunden zu sein.2 Lediglich ein Drittel der online Befragten (33 Prozent) kann zumindest teilweise den Arbeitsort selbst bestimmen.3 Die Unterschiede der beiden Untersuchungsgruppen sind jedoch weniger auf die Art der Tätigkeit zurückzuführen als auf die Spezifika der Stichproben. Während in der Online-Stichprobe weniger als 30 Prozent der Befragten zum Zeitpunkt der Befragung eine leitende Position innehatten oder selbstständig tätig waren, traf dies bei den Digicom-ArbeiterInnen auf die überwiegende Mehrheit der Interviewten zu. Dies bestätigt, dass die Stellung innerhalb des Unternehmens bzw. die Bindung an das Unternehmen über das Ausmaß örtlicher Flexibilität bestimmt.

2

Herangezogen wurden die Ausprägungen 1 und 2 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu) zur Aussage „Ich kann mir selbst aussuchen, wo ich arbeite“.

3

Herangezogen wurden die Ausprägungen 4 und 5 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu) zur Aussage „Ich kann mir selbst aussuchen, wo ich arbeite.“

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Effizientes Arbeiten durch räumliche Flexibilität Die mehrheitlich räumlich ungebundenen Digicom-ArbeiterInnen arbeiten, so geht es aus den Mediennutzungsprotokollen und Interviews hervor, überall: im Büro, zuhause (hier sogar im Bett), im Garten/auf der Terrasse, unterwegs (Bahn, Flugzeug, Wartehallen, Auto …), im Hotel, im Café oder im Park. Ein 43-jähriger Unternehmensberater hat auch schon ein OnlineSeminar („Webinar“) am Badestrand veranstaltet (vgl. IV 11, 942-946). Für die Auswahl der Arbeitsorte sind vorwiegend strategische Überlegungen hinsichtlich der optimalen Auslastung der Produktivität ausschlaggebend. Ein 42-jähriger Universitätsprofessor z.B. versucht vormittags immer von zuhause aus zu arbeiten, weil er dort ungestört sei und so besser vorankomme (vgl. IV 18, 244). Ähnlich verhält es sich bei anderen Digicom-ArbeiterInnen, welche ebenfalls alternierend telearbeiten. Eine 45-jährige Wissenschaftlerin erklärt die Vorteile der Telearbeit wie folgt: „Und ich bin auch sehr viel leistungsfähiger, also produktiver, wenn ich zuhause arbeite, weil ich niemanden habe, der mich ablenkt. Ich schaffe an einem Freitag, wenn ich zuhause arbeite und die Kinder sind nicht da, und ich habe meinen Forschungstag, viel mehr, als wenn ich zwei Tage da [an der Arbeitsstätte, C. R.-E] bin.“ (IV 20, 638; vgl. auch IV 02, 0407; IV 17, 255).

Die räumlich gebundenen ArbeitnehmerInnen nehmen oftmals im Rahmen von Überstunden Arbeit mit nach Hause (komplementäre Telearbeit)4, um nicht Erledigtes abzuschließen oder um in Ruhe berufliche Informationen zu recherchieren, wie ein 33-jähriger Security Spezialist erklärt: „Weil in der Firma habe ich die Zeit nicht für so Grundlagendinge, wo ja auch niemand sagt, ich soll etwas verbessern, sondern wo ICH mir denke, das will ich jetzt besser aufbauen als es jetzt ist. Z.B. Passwortmanager, Ausfallserver, wie cluster ich das, welche Sachen gibt es, die frei sind. Failover Lösungen und so, da suche ich halt zuhause.“ (IV 06, 802).

Im Fall des Digicom-Arbeiters ist es effizienter, diese Recherchen zuhause zu erledigen als an der Arbeitsstätte, wo er die Ruhe nicht dazu hätte. Das

4

Zur Definition von Telearbeit (auch von komplementärer Telearbeit) siehe Kapitel 2.2 „Flexibilität, Mobilität, Globale Kommunikation und Vernetzung“.

5. R AUM-

UND

Z EITPHÄNOMENE

| 167

Zitat verweist zudem auf die in Kapitel 2.3 erörterte Subjektivierung von Arbeit, da sich der Digicom-Arbeiter aus Eigenmotivation in seiner Freizeit engagiert, um Arbeitsprozesse zu verbessern. Mitverantwortlich für diese Entgrenzung ist die Möglichkeit zur ortsunabhängigen Nutzung von IuKTechnologien. So nimmt auch eine festangestellte, Teilzeit arbeitende Digicom-Arbeiterin ihr Notebook jeden Nachmittag mit nach Hause für den Fall, dass sie in ihrer Freizeit berufliche Anfragen erreichen (vgl. IV 17, 021). „Dank“ des Laptops könne sie umgehend darauf reagieren, da sie damit Zugriff auf ihre Daten hat, und Aufgaben können auf diese Weise effizient (aus Sicht des Unternehmens) und ohne Umschweife erledigt werden.5 Neben dem Home-Office spielt das mobile Arbeiten, das „working on the move“ (Felstead/Jewson/Walters 2005, S. 136-175), bei der DigicomArbeit eine bedeutende Rolle. Übereinstimmend mit den in Kapitel 2.2 zitierten Studienergebnissen von Alan Felstead, Nick Jewson und Sally Walters (2005, S. 144ff) wird mobiles Arbeiten für die Digicom-ArbeiterInnen von strategischen Überlegungen flankiert. Sind Dienstreisen geplant, wird gleichzeitig auch die Arbeitsorganisation für die Reise erledigt, indem Papiere mitgenommen werden, die korrigiert werden müssen, oder indem die entsprechenden technologischen Arbeitsgeräte vom Smartphone über das iPad bis hin zum Notebook eingepackt werden. Ziel ist es, die Reisezeiten möglichst produktiv zu nutzen. Ein Gesprächsteilnehmer erklärte mir im Interview, dass er seine MitarbeiterInnen standardmäßig mit Notebooks ausstattet, damit sie ortsunabhängig arbeiten können. „Eine viertelstündige Autofahrt ist oft essenziell für die Erledigung von ein paar Anordnungen, PDFs anschauen, etwas rausschicken. Ist oft ein essenzieller Weg“ (IV 08, 131), erläuterte er seine Effizienzüberlegungen. Aus gleichen Gründen checkt die oben erwähnte 45-jährige Wissenschaftlerin während des zehnminütigen Fußweges vom Parkplatz zu ihrem Büro via Smartphone ihre EMails (vgl. IV 20, 022). Die Beispiele demonstrieren den Anspruch der Digicom-ArbeiterInnen, auch kurze Zeitlücken produktiv zu nutzen. Genauso werden private Zeitlücken zum Arbeiten genutzt, wie im Fall eines Digicom-Arbeiters, der im Mediennutzungsprotokoll an einem Tag vermerkte,

5

Wie in Kapitel 6.2.2 noch gezeigt werden wird, ist diese Vorgehensweise aus Sicht der Digicom-Arbeiterin jedoch weniger vorteilhaft, da sie dadurch aus ihren privaten Verpflichtungen und Erledigungen herausgerissen wird.

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dass er drei Stunden unterwegs gearbeitet hätte. Auf meine Nachfrage hin erklärte er mir, dass er zu dieser Zeit mit seiner Partnerin Modeeinkäufe getätigt hätte, und während sie Kleider anprobierte, bearbeitete er zwischendurch immer wieder seine E-Mails (vgl. IV 07, 818). IuK-Technologien als moderne Büros von heute Wie erwähnt, sind IuK-Technologien Voraussetzung für ortssouveränes Arbeiten. Notebook, Tablet PC, Smartphone und vor allem mobiles Internet, W-LAN sowie Remote Control sind die „Werkzeuge“ der Digicom-ArbeiterInnen und ihre transportable Arbeitsumgebung.6 „[…] das Büro, man hat es ja immer mit“ (IV 16, 0372), erklärt eine 33-jährige Unternehmerin, die ihr österreichisches Unternehmen von den USA aus leitet und beruflich auf der ganzen Welt unterwegs ist. Mit Notebook, Smartphone und Internet könne sie ihr Büro an unterschiedlichsten Orten einrichten; ihren MitarbeiterInnen sei es gleichgültig, wo sie sich gerade befindet (vgl. IV 16, 0372). Ein weiterer Digicom-Arbeiter bezeichnet sein Notebook als „Kampfsache“7 (IV 08, 588). Es sei alles, was er brauche, um unterwegs, z.B. in Amerika, seine Geschäfte abzuwickeln. „Wenn ich zwei, drei Tage unterwegs bin, bin ich nur mit dem [Notebook, C. R.-E] unterwegs, vielleicht Toilettenartikel und Wäsche nur. Flughafen, Starbucks [Kaf-

6

Vor allem das in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnene Cloud Computing erleichtert das mobile Arbeiten, da es außer einem Gerät mit Internetverbindung und Webbrowser, auf dem die Anwendungen verfügbar sind, keinerlei zusätzliche Software oder Hardware benötigt. Zudem ist der Zugriff auf die in der Cloud befindlichen Dateien und Dienste von unterschiedlichen Endgeräten aus (nicht nur den eigenen) möglich. Problematisch sind Cloudanwendungen aufgrund von ungeklärten Datenschutzfragen und der Abhängigkeit von der Funktionstüchtigkeit des jeweiligen Dienstes.

7

Die auffallende Wortwahl könnte zum einen auf eine stark neoliberale Wettbewerbsorientierung verweisen, wobei ihm die digitalen Technologien zum Sieg verhelfen sollen. Sie könnte zum anderen aber auch metaphorisch im Sinne eines „Kampfes“ im Umgang mit den Technologien und den vielfältigen Kommunikationsanforderungen interpretiert werden. Die weiteren Aussagen im Interview deuten jedoch darauf hin, dass die erste Interpretation eher zutreffen könnte als die zweite.

5. R AUM-

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Z EITPHÄNOMENE

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feehauskette, C. R.-E], Internet eine Stunde. Und du kannst damit wirklich total dein Informationstempo halten“ (IV 08, 588), erklärt der Digicom-Arbeiter im zeitsparenden Telegrammstil.

Die Botschaft der beiden GesprächsteilnehmerInnen ist trotz ihrer unterschiedlichen Rhetorik dieselbe und gilt exemplarisch für viele andere Digicom-ArbeiterInnen – auch für jene, die beruflich nicht global agieren: IuK-Technologien sind die modernen Büros von heute. Die Visualisierung, die ein 29-jähriger TV-Aufnahmeleiter zum Impuls „Das ist mein Arbeitsraum“ angefertigt hat, illustriert diese Metapher in prägnanter Weise (siehe Abbildung 8). Er erklärt, dass sein Smartphone die „reduzierteste Form von Kommunikation“ sei, die er für seine Arbeit benötige. „Und so gesehen ist es gleichzeitig eigentlich auch mein Arbeitsraum, weil das ja in dem Fall das gleiche ist, weil es keinen Arbeitsraum gibt. Die einzige Bedingung dafür ist, dass ich ein Handynetz habe.“ (IV 12, 688). Das von ihm gezeichnete Smartphone kann als Symbol für seine sowohl räumliche als auch zeitliche und tätigkeitsbezogene Flexibilität interpretiert werden. Der DigicomArbeiter ist in zwei unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen tätig (einmal Vollzeit, einmal Teilzeit) und baut nebenbei sein eigenes Unternehmen auf. Wie aus dem Interview hervorgeht, ist die Mobiltelefonie sein wichtigstes Arbeitsmittel. Er besitzt vier Mobiltelefone, mit deren Hilfe er auch seine unterschiedlichen Arbeitszusammenhänge organisiert. Dabei repräsentiert jedes Gerät ein (virtuelles) Büro.8 Die Mobiltelefone ermöglichen es ihm, die unterschiedlichen Tätigkeiten zu vereinbaren, indem er immer von überall aus erreichbar ist und flexibel reagieren kann, z.B. auch durch die Bearbeitung von E-Mails in der U-Bahn. (Vgl. IV 12).

8

Der Digicom-Arbeiter besitzt Firmenhandys von den zwei Firmen, für die er tätig ist. Zusätzlich hat er ein Mobiltelefon für seine eigene, im Aufbau befindliche Firma in Österreich und ein Wertkartentelefon für den Aufbau eines Firmenstandortes in Großbritannien.

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Abbildung 8: Das Smartphone als Büro

Quelle: Visualisierung eines 29-jährigen TV-Aufnahmeleiters

Auch wenn die online Befragten, wie im vorherigen Abschnitt erläutert, nicht in demselben Maße örtlich flexibel sind wie die Digicom-ArbeiterInnen, nutzen sie die Digitalen Medien, um zumindest einen Teil ihrer Arbeit ortssouverän zu verrichten. So gaben 44 Prozent der Befragten an, dass Neue Medien ihnen dabei helfen würden, ihren Arbeitsort flexibel zu gestalten. Zusammen mit dem Ergebnis, wonach knapp 40 Prozent auch immer wieder Arbeit mit nach Hause nehmen, könnte dies darauf hindeuten, dass sich die örtliche Souveränität vor allem auf den Aspekt der komplementären Telearbeit, also auf die Heimarbeit im Rahmen von Überstunden bezieht.9

9

Herangezogen wurden jeweils die Ausprägungen 4 und 5 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu).

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| 171

5.1.2 Erweiterung von Raum und Distanzverminderung durch Virtualität Neben der Flexibilität von Arbeitsorten kann virtuelle Arbeit als Zeichen der räumlichen Grenzverschiebung betrachtet werden.10 Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung deuten auf eine Erweiterung von Arbeitsräumen durch IuK-gestütztes Arbeiten hin.11 Mit dem Betreten von neuen Bühnen des Handelns, wie es bei virtueller Arbeit der Fall ist, werden neue Räume konstruiert, welche das Spektrum existierender Räume erweitern. Gleichzeitig können mit der Nutzung Digitaler Medien räumliche Grenzen überwunden werden, weshalb von einer Distanzverringerung gesprochen werden kann, wie in Kapitel 3.1.3 bereits auf theoretischer Basis diskutiert wurde. Erweiterung durch Vervielfältigung von Raum Die im Zuge der Nutzung Digitaler Medien konstruierten neuen Räume können im Kontext der gegenständlichen Studie als virtuelle Arbeitsräume bezeichnet werden. Voraussetzung für deren Entstehung ist die Nutzung (internetfähiger) Technologien wie Smartphones, Notebooks, PCs usw. Aus den Ergebnissen der Interviewstudie kristallisierte sich eine Vielzahl virtueller Arbeitsräume mit jeweils unterschiedlichen Merkmalen heraus: Virtuelle Kontakt- und Kommunikationsräume bieten die Möglichkeit, sich medial gestützt auszutauschen, sich kennenzulernen bzw. Kontakte aufrechtzuerhalten oder zu vertiefen. Diese Räume entstehen durch Nutzung unterschiedlichster Anwendungen. Instant Messenger, Online- bzw. Videokonferenzen und Social Networks sind die gebräuchlichsten Instrumente. Virtuelle Präsentationsräume dienen dazu, sich selbst oder das Unternehmen bzw. ein Produkt/Projekt oder eine Idee einem ausgewählten AdressatInnenkreis (von Einzelpersonen bis hin zur Internetöffentlichkeit) vorzustellen. Dies wird mittels Onlinekonferenzen, Social Networks, Websites, Weblogs oder dem Intranet realisiert. Wissens- und Kompetenzerweiterung sind das Ziel

10 Zur Definition virtueller Arbeit siehe Kapitel 2.1 „Informatisierung und Virtualisierung“. 11 Die theoretischen Grundlagen für diese Sichtweise wurden in Kapitel 3.1 erläutert. Demnach entstehen Räume als Produkt kommunikativen und sozialen Handelns.

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von virtuellen Informations- und Lernräumen. Diese konstituieren sich etwa auf E-Learning-Portalen, in Wissensmanagementsystemen oder Onlinekonferenzen. Auch virtuelle Archive, welche der Speicherung und dem Abrufen von kollektiv benötigten Informationen dienen, zählen dazu. In virtuellen Kooperationsräumen arbeiten räumlich entfernte Personen zusammen, schreiben gemeinsam an Dokumenten, programmieren Software, tauschen Informationen aus oder organisieren Projektabläufe. Diese Räume können auf unterschiedlichsten technologischen Lösungen beruhen, vom Instant Messenger über kollaborative Software (z.B. Lotus Notes oder Ticketing-Systeme12) bis hin zu Onlinekonferenzsystemen. Kommunikationsräume, so Klaus Beck, „existieren nicht nur nebeneinander, sondern können sich überlagern und stehen miteinander in Verbindung“ (Beck 2003, S. 121). Dies gilt insbesondere für die virtuellen Räume der Netzmedien. Aufgrund ihres immateriellen Charakters weisen sie ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität auf. Da beliebig viele Räume neu konstruiert werden können und diese nebeneinander und gleichzeitig existieren, spreche ich von einer Vervielfältigung von Raum. Rasches Wechseln innerhalb dieser Räume und „Multipräsenz“ (Geißler 2004, S. 150) im Sinne eines gleichzeitigen Aufenthalts in unterschiedlichen Räumen sind gebräuchlich. Ein abrupter Wechsel der Aufmerksamkeit zwischen unterschiedlichen Tätigkeiten ist zwar auch offline möglich. Online jedoch erhält dies eine andere Qualität, indem ich die jeweiligen Räume mit jeweils unterschiedlichen Qualitäten durch Anklicken betrete und verlasse und ich in den Räumen unterschiedliche Personen treffe, wobei ich mich physisch jedoch an ein und demselben Ort befinde.

12 Ein Ticketing-System oder Issue-Tracking-System ist eine Software zur Organisation von Anfragen durch KundInnen. Pro Anfrage wird ein so genanntes „Ticket“ erstellt und bearbeitet. Am Ende sind vom Eingang des Tickets über die Bearbeitung bis hin zur Lösung alle Arbeitsprozesse nachvollziehbar und kontrollierbar. Über ein Netzwerk verbunden, haben ganze Teams auf dasselbe System Zugriff.

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Abbildung 9: „Multipräsenz“ in virtuellen Arbeitsräumen

Quelle: Screenshot Computerarbeitsplatz einer 30-jährigen Produktmanagerin

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Abbildung 9 veranschaulicht die Multipräsenz in virtuellen Arbeitsräumen. Es handelt sich dabei um einen Screenshot, gespeichert von einer DigicomArbeiterin während der Computerarbeit, den sie mir für meine Forschung zur Verfügung gestellt hat. Anhand von Text und Pfeilen erläutert sie, auf welchen „Bühnen“ bzw. digitalen Schauplätzen sie sich zeitgleich bewegt: Geöffnet ist der Browser „Firefox“, wo gerade ein von ihrem Team entwickeltes Online-Tool dargestellt wird. Weitere drei Fenster sind – einander überlagernd – sichtbar: Eine online Teamkonferenz in Skype, ein privater Chat in Skype sowie die Übersicht ihrer Skype-Kontakte. In der Taskleiste werden weitere Programme angezeigt, welche ebenfalls gerade geöffnet sind, jedoch im Hintergrund laufen: ein E-Mailprogramm, ein online Task-Verwaltungsprogramm („Ticketing-System“) und eine Anwendung für den Zugriff auf die Datenbank. Im Interview erläutert die 30-jährige Produktmanagerin eine typische Arbeitssituation, welche der Abbildung entsprechen könnte: „[…] ich arbeite im Normalfall immer an mehreren Baustellen gleichzeitig. Die E-Mails, die ich bekomme, die kommen ja auf den ganzen Tag verteilt herein. Und im Regelfall versuche ich die sofort zu beantworten. Jetzt ist es so, ich bin gerade in irgendwas drinnen, mache z.B. einen Test [Testlauf eines entwickelten Web-Tools, C. R.-E]. Ein Test kann dauern zwischen einer Viertelstunde bis mehrere Stunden. Wenn ich in der Zeit eine E-Mail hereinbekomme, dann schaue ich mir die zumindest an. Vielleicht reagiere ich erst später darauf. Ich lese sie. Dann kann sein, dass ich noch gleichzeitig eine Anfrage per Messenger bekomme, also per Instant Messenger. Und dann ist es so, dass viele Tätigkeiten schon von sich aus Parallelaktionen erfordern. Z.B. ich habe ein Problem […] Dann muss ich nachschauen in unserer, wir haben eine eigene Applikation, das ist das Kernprodukt, wo so Daten erfasst werden. […] Also gehe ich einmal dort rein und schaue mir das da an, wie schaut das aus. Gleichzeitig verbinde ich mich mit einem eigenen Programm direkt auf die Datenbank um dann SQL-Abfragen zu machen.“13 (IV 02, 0573).14

13 SQL ist eine Datenbanksprache. 14 Das Zitat zeigt, dass die Multipräsenz in virtuellen Räumen mit Praktiken des Multitaskings einhergeht bzw. umgekehrt diese Praktiken Multipräsenz erfordern.

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Um die vielen gleichzeitig geöffneten Fenster besser darstellen zu können, ist der Arbeitsplatz der Produktmanagerin genauso wie bei der Mehrheit der Digicom-ArbeiterInnen mit zwei Bildschirmen ausgestattet. Dies kann als die Vergrößerung ihres virtuellen Büros interpretiert werden. Eine Digicom-Arbeiterin erläutert die Vorteile von zwei Monitoren wie folgt: „Weil wir einfach sehr viele Tools haben und sehr viel nachschauen müssen, von den Daten her, und wenn du nur einen Screen hast und immer dieses Fenster auf und zu klappen musst, dann verlierst du dich irgendwie.“ (IV 19, 0158). Der Vielzahl an parallel existierenden virtuellen Arbeitsräumen wird also mit einer Erweiterung von virtuellen Raumdarstellungsmöglichkeiten mittels Hardware entsprochen. Distanzverminderung durch Virtualität Wie in Kapitel 3 anhand theoretischer Überlegungen dargelegt wurde, kommt es durch die Aktivität in virtuellen Räumen zu einer wahrgenommenen Verringerung von Distanzen und damit zu neuen Formen von Konnektivität. Belege dafür finden sich in den Aussagen der meisten GesprächsteilnehmerInnen. So bezeichnet ein Digicom-Arbeiter das Fenster seines Instant Messengers, das seine Kontakte anzeigt, als „Tor in die Welt, weil aus dem Fenster raus kann ich die Leute anrufen, ich kann sie anchatten, ich kann sie antelefonieren. Das ist einen Mausklick weg.“ (IV 10, 271). In dem global agierenden Unternehmen, in dem er beschäftigt ist, sind alle Computerarbeitsplätze mit dieser Technologie ausgestattet, um die weltweite Kommunikation zu vereinfachen. Die Entfernung zu den internationalen Kontakten reduziert sich im virtuellen Kontakt- und Kommunikationsraum des Instant Messengers tatsächlich auf einen Klick. Für eine 41jährige Wissenschaftlerin sind Digitale Medien das probate Mittel, um ihre internationalen Kontakte zu pflegen. Als sie vor einigen Jahren den Entschluss fasste, eine Professur in Malaysien anzunehmen, sah sie die Gefahr der wissenschaftlichen Isolation gegeben: „[…] normalerweise ist das ein Weg in den Untergang. Und ich habe beschlossen, sehr aktiv dran zu arbeiten, dass es nicht ein Weg in den Untergang ist, sondern ein Weg in eine sehr positive Zukunft.“ (IV 13, 116). Gezielt nutzt die Universitätsprofessorin mit 350 Facebook-FreundInnen E-Mail, Social Networks und Instant Messenger, um weltweit neue Kontakte herzustellen und bereits bestehende zu erhalten. Dieses Beispiel verdeutlicht die Relevanz des Networkings als „Schlüsseltechnik des unternehmerischen Selbst“ (Reckwitz 2006, S. 619).

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Einerseits verweist Networking auf den Faktor der Verbundenheit, andererseits auf die gezielte, selbstorganisierte Praxis, um diese Verbundenheit herzustellen – im konkreten Fall über Digitale Medien. Wie die besagte Wissenschaftlerin sehen auch die anderen beiden Digicom-ArbeiterInnen (IV 15; IV 16), welche fernab von ihrer Heimat leben und arbeiten, Digitale Medien als Mittel, um Grenzen zu überwinden und den Bezug zur Heimat aufrechtzuerhalten, sei es in privater oder beruflicher Hinsicht. „Man hat eher das Gefühl, dass ich noch immer den Leuten nahe bin, obwohl ich tausende Kilometer weit weg bin“ (IV 15, 472), drückt es eine 40-jährige Projektmanagerin aus, die von einem mittelamerikanischen Inselstaat aus mittels Skype, Facebook, Twitter, einem Weblog und einer Website die Verbindung mit ihrer Heimat in Österreich aufrechterhält. Dieser Aspekt steht auch im Fokus der Zeichnung, die eine 33-jährige Unternehmerin – sie lebt in den USA und leitet ein Unternehmen in Europa – nach dem Interview angefertigt hat (siehe Abbildung 10). Abbildung 10: Verbunden im virtuellen Raum

Quelle: Visualisierung einer 33-jährigen Unternehmerin

Anhand der Metapher einer Brücke illustriert die Digicom-Arbeiterin, was Digitale Medien für ihre Arbeit bedeuten. „Es ist eine Brücke zu Freunden,

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es ist eine Brücke zur Familie, es ist aber eine Brücke auch zu Kunden, zu Lieferanten, zum Geschäft“ (IV 16, 1120), erklärt sie das von ihr gezeichnete Bild. Den in der Visualisierung dargestellten Graben zwischen sich und ihren Kontakten kann sie durch Nutzung von IuK-Technologien überwinden. Auch die Zeichnung eines 42-jährigen Universitätsprofessors ist als Antwort auf die Frage nach der Bedeutung Neuer Medien für seine Arbeit entstanden (siehe Abbildung 11). In der rechten Bildhälfte sind seine unterschiedlichen Arbeitsorte dargestellt,15 in der linken Bildhälfte sein Personal Computer samt Monitor sowie ein Telefon. Darunter befindet sich ein Kreis mit der Inschrift „Welt“. Dazu erklärt er: „Das soll eine Weltkugel sein, und da mache ich Pfeile von PC und Telefon zu dieser Kugel und zurück, weil mich so die Medien mit der ganzen Welt verbinden.“ (IV 18, 351). Abbildung 11: Räumliche Flexibilität durch IuK-Technologien

Quelle: Visualisierung eines 42-jährigen Universitätsprofessors

15 Aus Anonymitätsgründen werden die Arbeitsorte hier nicht genannt.

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Digitale Medien ermöglichen diesem Digicom-Arbeiter das ortsunabhängige Arbeiten und verbinden ihn mit seinen KooperationspartnerInnen auf der ganzen Welt, z.B. wenn er gemeinsam mit ihnen an Publikationen arbeitet. Dies realisiert der Wissenschaftler über das wechselseitige Zusenden von Word-Dokumenten per E-Mail, wobei Änderungen jeweils im Korrekturmodus gemacht werden, sodass diese für die/den jeweils andere/n nachvollziehbar sind (vgl. IV 18, 038). Wenn es Besprechungsbedarf gibt, werden Telefonkonferenzen durchgeführt. „[…] dann schicken wir uns meist vorher z.B. statistische Analysen per E-Mail zu, haben das dann am Rechner jeweils parallel offen und besprechen das ganze direkt“ (IV 18, 042), erläutert er die Zusammenarbeit über geografische Grenzen hinweg. Eine noch intensivere Form der Kollaboration via IuK-Technologien pflegt eine 30jährige Produktmanagerin, die gemeinsam mit ihrem virtuellen Team Software entwickelt. Während ihr Arbeitsort in Österreich ist, sitzen die SoftwareentwicklerInnen in Osteuropa. Täglich führt sie per Skype Telefonkonferenzen mit ihrem Team durch, um die Zusammenarbeit mit ihren MitarbeiterInnen zu managen. Zusätzlich ermöglicht ihr ein internetbasiertes Ticketing-System die Organisation der Projektarbeit unabhängig von geografischen Grenzen. (Vgl. IV 02). Wie diese Ergebnisse zeigen, kann durch die Nutzung von vernetzten Technologien eine (private sowie berufliche) Verbundenheit über weite Distanzen hinweg hergestellt und aufrechterhalten werden. Der Aspekt der Distanzverringerung durch die Nutzung von IuKTechnologien ist nicht nur für die Digicom-ArbeiterInnen von großer Bedeutung. Er spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Online-Umfrage wider. So stimmten fast 90 Prozent der online Befragten der Aussage zu, Neue Medien würden ihnen helfen, bei der Arbeit in Kontakt mit räumlich entfernten Menschen zu treten.16 5.1.3 Erweiterte Präsenzformen Die im Zuge der Nutzung Digitaler Medien neu entstandenen virtuellen Räume werden, wie im vorangegangenen Abschnitt argumentiert wurde, von den Beschäftigten als Mittel zur Distanzverringerung wahrgenommen.

16 Herangezogen wurden die Ausprägungen 4 und 5 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu).

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Gleichzeitig ergeben sich neue Formen der Präsenz in den durch mediale Kommunikation entstandenen Räumen. Mit Erika Linz und Katharine Willis (2011) spreche ich von medialer Kopräsenz, wenn Personen virtuell [in Echtzeit, C. R.-E.] miteinander kommunizieren. Sie befinden sich dann, wie in Kapitel 3.1.2 erörtert, in einem „hybriden Kommunikationsraum, der das parallele Agieren und Wahrnehmen in der körperlichen Umgebung und in dem medial generierten virtuellen Interaktionsraum einschließt“ (Linz/ Willis 2011, S. 149), und haben den Status einer „abwesenden Anwesenheit“ (Gergen 2002; zit. nach Höflich 2011, S. 105, Hv. b. Höflich). Mit Karin Knorr Cetina (2012) gesprochen, agieren diese KommunikationspartnerInnen in einer „synthetischen Situation“.17 Technologische Lösungen zur medialen Kopräsenz sind etwa Audio-, Video- oder Onlinekonferenzen.18 Je nachdem, wie avanciert die technologischen Lösungen sind und wie diese angewandt werden, kann damit auch die Illusion einer Face-to-Face-Kommunikation entstehen (Telepräsenz).19 Werden die Grenzen zwischen dem medialen Raum und dem physischen Präsenzraum (beinahe) nicht mehr wahrgenommen, kann mit Britta Neitzel

17 Knorr Cetina versteht darunter eine „durch gänzlich oder teilweise skopische Bestandteile bereicherte (und verzeitlichte) Umgebung – in der wir uns in der Reaktionspräsenz des jeweils Anderen und der skopischen Komponenten befinden, ohne die Notwendigkeit einer wechselseitigen physischen Anwesenheit zu haben“ (Knorr Cetina 2012, S. 90). 18 Die Konferenzlösungen können auf unterschiedlichsten Anwendungen und Tools beruhen, von Online-Konferenzsystemen über Instant Messenger bis hin zu Screensharing-Anwendungen (internetbasierte Übertragung des Bildschirminhaltes an entfernte Computer). Es ist auch möglich, dass ein einzelnes Tool unterschiedlichste Anwendungen beinhaltet, z.B. Audio- und Videoübertragung sowie Screensharing. Dies macht eine trennscharfe Unterscheidung von technologischen Lösungen und Anwendungen in diesem Bereich schwierig. Daher nehme ich davon Abstand und fokussiere auf die Nutzungsweisen und -motive der Digicom-ArbeiterInnen. 19 Der Begriff „Telepräsenz“ entstammt dem Bereich der Robotikforschung (vgl. Linz/Willis 2011, S. 148). Roboter, welche Telepräsenz erzeugen können, spielen bei der Digicom-Arbeit, wie sie hier untersucht wurde, (noch) keine Rolle und werden daher nicht behandelt.

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(2008, S. 146) von Immersion, von einem Eintauchen in den virtuellen Raum, gesprochen werden. Eine neue Form der Präsenz entsteht auch durch das Steuern eines Computerarbeitsplatzes von einem entfernten Ort aus mittels Remote Control bzw. Desktop Sharing (Teilen des Computerarbeitsplatzes). Den erwähnten Anwendungen ist gemein, dass sie zur Entgrenzung von räumlichen Bezügen beitragen, indem Grenzen aufgehoben bzw. durchbrochen werden und (teilweise) nicht mehr als Begrenzungen wahrgenommen werden. Konferenzlösungen Audio-, Video- oder Onlinekonferenzen sind gebräuchliche Tools der Digicom-ArbeiterInnen, die die meisten von ihnen zumindest manchmal benutzen. Die Nutzungsmotive sind vielfältig und reichen vom gemeinsamen Programmieren von zwei unterschiedlichen Standorten aus über Verhandlungen, die online geführt werden, bis hin zu Online-Seminaren oder MitarbeiterInnenschulungen. Geht es um Video- und Onlinekonferenzen, welche ein Zusammentreffen räumlich entfernter Personen in einem virtuellen Raum ermöglichen, verwenden die Digicom-ArbeiterInnen auffällig oft die Metapher des an einem „Tisch“ bzw. in einem „Raum“ Zusammensitzens (vgl. IV 03, 023; IV 06, 566; IV 10, 167; IV 20, 312). Dies gilt auch für Audiokonferenzen, welche eine 45-jährige Wissenschaftlerin veranstaltet, um Meetings mit ihrem Projektteam durchzuführen. „Geistig bin ich ... fast wie da am Tisch. […] Genau, wie an einem Besprechungstisch. Ich habe die Gesichter vor mir, wenn jemand etwas sagt. Ich weiß, wie der aussieht, und ich blende eigentlich alles rundherum aus. Es ist so, als würdest du am Tisch sitzen. Nur ist der Nebel rundherum, du siehst nicht so genau.“ (IV 20, 312-316).

Der Nebel kann als das Verschwimmen der räumlichen Grenzen interpretiert werden. In diesem Nebel sind die an der Konferenz Teilnehmenden medial kopräsent. Ebenfalls per Audiokonferenz „treffen“ sich ein 30-jähriger Informatiker und sein Geschäftspartner, welche gemeinsam Software programmieren. Dabei sind sie oft stundenlang via Skype verbunden und arbeiten – er

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in Österreich, sein Partner in Deutschland. (Vgl. IV 03, 023). In den beiden angeführten Beispielen kennen sich die TeilnehmerInnen der Audiokonferenzen gut. Sind die TeilnehmerInnen einander nicht gut bekannt, werden Konferenzen mit Bildübertragung bevorzugt, wie ein 33-jähriger Security Spezialist erklärt: „Denn so ist es ein bisschen unpersönlich, wenn man mit Leuten telefoniert, die man nicht kennt und nicht weiß, wie die ausschauen, nicht weiß, wer genau das gesagt hat, wenn man neu dabei ist, weil man die Stimmen nicht kennt.“ (IV 06, 562).

Wie eine Digicom-Arbeiterin im Interview anmerkte, seien Videokonferenzen besser dazu in der Lage, Emotionen zu vermitteln als Audiokonferenzen. Auf diese Weise könne sie beim Präsentieren einer Geschäftsidee die nonverbalen Reaktionen der KonferenzteilnehmerInnen sehen (vgl. IV 19, 0366), was bei Audiokonferenzen nicht möglich wäre. Ein Gesprächsteilnehmer erklärte, dass bei avancierteren Telepräsenzsystemen ein „relativ gutes Präsenzgefühl“ (IV 10, 119) aufkomme. Dies bedeutet, dass „man Gestik, Mimik wahrnimmt und keine Zeitverzögerung da ist“ (IV 10, 131). Entscheidend für das Präsenzgefühl sind neben der Bildschirmauflösung die Übertragungskapazitäten. Reichen diese nicht aus, kommt es zu Übertragungsverzögerungen, und das Bild wird nicht mehr in Echtzeit vermittelt. Bei einer guten Videokonferenz hingegen, „vergisst man, dass es eine Videokonferenz ist“ (IV 10, 131) – Immersion entsteht. Befinden sich die KonferenzteilnehmerInnen physisch in standardisierten Konferenzräumen, die an den unterschiedlichen Standorten einheitlich gestaltet sind (z.B. schwarze Wände, weiße Tische), verstärkt dies das Gefühl, sich tatsächlich in einem Raum zu befinden (vgl. IV 06, 554-558; IV 10, 167). Ein weiteres Beispiel für die Immersion in virtuelle Räume erwähnt ein 43-jähriger Unternehmensberater. Er verfügt über Konferenzerfahrung in der virtuellen Welt „Second Life“. Im Unterschied zu den oben beschriebenen Videokonferenzen werden die TeilnehmerInnen in Second Life von Avataren (elektronischen StellvertreterInnen) repräsentiert. Bei dieser Form des virtuellen Zusammentreffens bekäme er das Gefühl, sich tatsächlich in dieser Fantasiewelt zu befinden (vgl. IV 11, 812): „Weil man ja die Position der Menschen untereinander in diesem Raum sieht. Und in so einem flachen Online-Konferenz-System, ok. Da sitzen alle irgendwie neben-

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einander, aber so sieht man wer nebeneinander steht und wer gerade mit wem spricht und so. Und man bekommt dann irgendwie so ein komisches Gefühl. Darf ich mich jetzt dort neben diese Person setzen? […] Oder es ist einem unangenehm, wenn das Gegenüber jetzt in einem Gespräch die Distanz, die übliche, nicht wahrt?“ (IV 11, 844).

Er scheint in die Welt hinter dem Bildschirm einzutauchen und überträgt auch Konventionen aus dem Offline, wie das erwähnte Distanzverhalten, durch Immersion in die virtuelle Welt. Die Illusion einer Face-to-Face-Beziehung können jedoch nicht alle IuK-gestützten Kommunikationssituationen erzeugen. Die Digicom-ArbeiterInnen nennen als Nachteile spezifischer virtueller Kommunikationssituationen deren Unpersönlichkeit, wie in Kapitel 6.2.1 noch gezeigt werden wird. Fernzugriffsysteme Auch technologische Lösungen mittels derer aus räumlicher Entfernung auf Computer zugegriffen werden kann, stellen eine erweiterte Form von Präsenz dar. Primär dienen diese Lösungen der Überwindung von Distanzen: Eine 40-jährige Projektmanagerin z.B. lässt ihren Computer im Büro immer eingeschaltet. Wie in Kapitel 2.3 bereits dargelegt, ist sie auch in ihrer Freizeit für Anfragen vom Chef erreichbar. Wenn er etwas benötige, könne sie jederzeit und an jedem Ort mit Internetverbindung von ihrem Notebook aus mittels Remote Control auf den Computer in ihrem Büro zugreifen und diesen steuern.20 So kommt es vor, dass sie im Urlaub in Österreich den Befehl abschickt, dass ein Plan ausgedruckt wird und dieser dann im Büro 8000 km entfernt auf einer mittelamerikanischen Insel ausgedruckt wird. (Vgl. IV 15, 130). Auch ein 42-jähriger Universitätsprofessor nutzt die räumliche Ungebundenheit durch Remote Control, indem er von verschiedenen, teils mobilen, teils stationären Geräten aus auf seinen Rechner in seinem Büro zugreifen kann, z.B. wenn er mit Notebook ausgestattet bei einer Konferenz ist oder wenn er sich im Hörsaal befindet und die nötigen Statistikprogramme nicht auf dem dort befindlichen Computer installiert sind. (Vgl.

20 Das Beispiel ist gleichzeitig ein weiterer Beleg für den in Kapitel 3.2.3 erwähnten Imperativ der „Dauerkonnektivität“ (Steinmaurer i. E.), in diesem Fall mit dem Unternehmen.

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IV 18, 084). Auf diese Weise organisiert der Digicom-Arbeiter auch sein Pendeln zwischen den vielen unterschiedlichen Arbeitsorten, welche er in seiner Visualisierung dargestellt hat (siehe Abbildung 11 auf Seite 177). Er muss keine Daten hin- oder herspeichern, nichts synchron halten, sondern kann via Internet live seinen Computerarbeitsplatz im Büro steuern. „Das ist so, als würde ich in der Firma sitzen“ (IV 06, 060), beschreibt ein 33jähriger Security Spezialist die Funktion des Fernzugriffs. Seine Aussage kann dahingehend interpretiert werden, dass es auch bei Fernzugriffsystemen zu Immersion kommen kann. Zu den Fernzugriffsystemen zählt auch das Desktop Sharing. Damit ist das „Teilen“ von Computerarbeitsplätzen gemeint, sodass zwei oder mehrere Personen von unterschiedlichen Standorten aus denselben Desktop (Computerarbeitsplatz) vor sich haben und bearbeiten können. Personen können so in einen anderen Arbeitsplatz virtuell eindringen, sofern die dort arbeitende Person dem zustimmt. Das „Teilen“ von Computerarbeitsplätzen findet häufig im Bereich des IT-Supports Anwendung, wie es bei einer Digicom-Arbeiterin der Fall ist. Weiß ein User/eine Userin am Computer nicht weiter, kann er/sie sich mittels Desktop Sharing auf diesen räumlich entfernten Computer begeben, um dem Problem auf die Spur zu gehen (vgl. IV 19, 0250). Dass diese Präsenzform Aspekte von Immersion beinhalten kann, lässt folgendes Zitat der Digicom-Arbeiterin erkennen. Sie vergleicht darin den Bildschirm fremder Personen mit deren Wohnzimmer: „Es ist im Grunde das Wohnzimmer von der anderen Person, weil jeder richtet sich das anders ein. Manche haben auch private Sachen offen, die sie eigentlich gar nicht zeigen wollen, aber dann geht halt irgendwie der Explorer auf oder irgendein Communicatorfenster. Das bekommt man dann mit.“ (IV 19, 0274).

Virtuelles Ich Mit der Hypothese von erweiterten Präsenzformen korrespondieren auch Forschungsergebnisse, welche Belege für ein „virtuelles Ich“ liefern. Es handelt sich dabei um die eigene wahrgenommene mediale Kopräsenz bzw. Telepräsenz – im Sinne einer Erweiterung der menschlichen Sinne. Hierbei sei an die bereits erwähnte Betrachtungsweise McLuhans (1964) erinnert, welcher Medien als „extensions of man“ interpretiert. Für diese virtuelle Form der Präsenz gelten andere Regeln als im Offline. Sie kann mit wenigen Klicks ortsunabhängig hergestellt und wieder

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aufgelöst werden, sie kann gleichzeitig in unterschiedlichen Räumen existieren („Multipräsenz“). Besonders augenscheinlich wird die virtuelle Präsenz im Rahmen des Aufenthalts in virtuellen Welten wie etwa in Second Life mittels Avatar. Der oben erwähnte 43-jährige Unternehmensberater berichtete, dass er seine InteraktionspartnerInnen in den SecondLife-Online-Konferenzen nicht als elektronische StellvertreterInnen, sondern als konkrete Personen wahrnimmt (vgl. IV 11, 850-864), und unterstreicht damit die reale Relevanz der virtuellen Person in der „real virtuality“ (Castells 1996, S. 327). Während diese Form eines „virtuellen Ichs“ in der gegenständlichen Studie einzigartig ist, trifft ein weiteres Beispiel auf viele Digicom-ArbeiterInnen zu. Es handelt sich dabei um Präsenzinformationen im Instant Messenger, welche als Symbole für das virtuelle Ich dienen. So kann im Instant Messenger mithilfe von Icons gekennzeichnet werden, inwiefern man kontaktiert werden möchte: von „abwesend“ (also nicht am Arbeitsplatz) über „busy“ (beschäftigt) bis hin zu „online“ sind unterschiedlichste Abstufungen möglich, welche sich bei den unterschiedlichen Instant-MessagingDiensten geringfügig unterscheiden. Der Zweck ist aber jeweils derselbe: Dem virtuellen Gegenüber wird die Erreichbarkeit des eigenen virtuellen Ichs kommuniziert. Dies wird von einigen Digicom-ArbeiterInnen als pragmatisches Tool wahrgenommen, um die Kommunikation über diesen Kanal zu steuern. Wie in Kapitel 5.1.2 erläutert, sind in dem Unternehmen eines Digicom-Arbeiters alle Computerarbeitsplätze mit einem Instant-Messaging-Tool ausgestattet. Er erzählt: „Bei unserem Unternehmen, da habe ich erst gestern mit jemanden gesprochen, der hat gesagt, er ruft schon gar nicht mehr an, wenn das Gegenüber, mit dem er telefonieren will, nicht wenigstens grün ist.“ (IV 10, 243). „Grün“ bedeute „available“, erklärt er. Das heißt, die Person hat angegeben, erreichbar zu sein.21 Die Farbe signalisiert die Erreichbarkeit des virtuellen Ichs. Auffallend ist die Formulierung der (im Zitat zitierten) Person, in der sie das kommunikative Gegenüber mit dem farbigen Icon gleichsetzt und dadurch deren virtuelle Existenz betont. Dasselbe kann für eine 30-jährige Produktmanagerin gesagt werden, die den Umgang mit Präsenzinformationen in ihrem Unternehmen wie folgt

21 Im Gegensatz dazu hat sich mein Interviewpartner während des Interviews, wie er verrät, auf „do not disturb“ gestellt. „Das heißt, mich kann man jetzt zurzeit gar nicht anchatten, aber man weiß, dass ich da bin.“ (IV 10, 247).

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erklärt: „[...] ‚unsichtbar‘ ist man eigentlich nie bei uns, weil man eh den ganzen Tag online ist.“ (IV 02, 0087). Dass die virtuelle Präsenzanzeige nicht in jedem Fall mit der dahinter stehenden authentischen Person übereinstimmt, resultiert aus der einfachen Manipulierbarkeit dieser Funktion. Ein 33-jähriger Security Spezialist erzählt im Interview, dass er standardmäßig den Status „busy“ verwendet, denn sonst würden ihn die vielen Anfragen ständig bei der Arbeit unterbrechen. Zwar kommen dann immer noch Anfragen per Chat, aber es seien nicht so viele, als wenn er im Instant Messenger als „available“ gekennzeichnet sei (vgl. IV 06, 182-186). Ähnlich sieht dies ein 42-jähriger Universitätsprofessor, der als Status standardmäßig „offline“ angibt und den Instant Messenger nur zum gezielten Telefonieren verwendet (vgl. IV 18, 022). Die Zitate korrespondieren mit den bereits mehrfach erwähnten Uneindeutigkeiten in Zusammenhang mit mediatisierter Arbeit: Einerseits sind die Präsenzinformationen als Ausdruck neuer Transparenz bzw. Kontrollweisen zu verstehen; andererseits können durch Manipulation die Transparenz verfälscht und die Kontrollen auch unterwandert werden.22 Die Beispiele in diesem Unterkapitel haben gezeigt, dass durch Nutzung von IuK-Technologien unterschiedliche Formen der Präsenz in den hybriden Kommunikations- und Interaktionsräumen möglich sind. Ob es um Fernanwesenheit auf einem entfernten Computer geht, um ein Gefühl des Eintauchens in virtuelle Welten oder um Identifikation mit dem eigenen virtuellen Ich – in allen Fällen werden räumliche Grenzen aufgebrochen und wird die Präsenz auf den virtuellen Raum ausgedehnt. Für die Befragten der Online-Umfrage sind immersive Technologien und damit die neuen Präsenzformen deutlich weniger relevant als für die interviewten Digicom-ArbeiterInnen, wie die Ergebnisse zur Frage nach der Mediennutzung bei der Arbeit zeigen (siehe Tabelle 1 in Kapitel 2 „Mediatisierung von Arbeit“). Deshalb können die in diesem Unterkapitel erörterten Phänomene als ein Spezifikum der Digicom-Arbeit betrachtet werden.

22 Siehe die Kapitel 6.1.3 „Transparenz“ und 6.2.3 „Neue Kontrollen“.

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5.2 Z EIT

IM

K ONTEXT

VON

D IGICOM -ARBEIT

Die Studienergebnisse in Bezug auf die Zeitphänomene mediatisierter Arbeit zeigen, dass angestoßen durch die Nutzung von IuK-Technologien eine Entgrenzung und Flexibilisierung von Zeitphasen stattfindet. Gleichzeitig leistet die Nutzung von IuK-Technologien einer Beschleunigung von Zeit Vorschub. Damit verbunden spielen Digitale Medien bei Überlegungen in Hinblick auf Zeiteffizienz eine wichtige Rolle und tragen so zur Ökonomisierung von Zeit bei. Diese Phänomene werden im Folgenden beschrieben. 5.2.1 Entgrenzung und Flexibilisierung von Zeitphasen Mit der in Kapitel 5.1 beschriebenen räumlichen Entgrenzung korrespondiert eine Entgrenzung auf Ebene der Zeitwahrnehmung und -gestaltung. In der „,polychrone[n] Zeitkulturµ“ (Neverla 2010, S. 185) ist Zeit individuell gestaltbar und flexibel. Zeitphasen können parallel zueinander verlaufen; in Analogie zur Überlappung von Räumen kann auch von einer Überlappung von Zeitphasen gesprochen werden. Wenn etwa während der Arbeit mit Freunden gechattet wird, vermengen sich Elemente aus Arbeits- und Freizeit. Sehr häufig wird auch Mobilitätszeit, also die in Transiträumen zugebrachte Zeit (Flughafen, U-Bahn), im Sinne eines „working on the move“ (vgl. Felstead/Jewson/Walters 2005, S. 136-175) zum Arbeiten genutzt. IuK-Technologien unterstützen und fördern die Fluidisierung von zeitlichen Begrenzungen und die Gleichzeitigkeit von Verschiedenem, wie im Folgenden argumentiert wird. Flexibilisierte Arbeitszeitmodelle Analog zur bereits erörterten Flexibilität von Arbeitsorten ist DigicomArbeit ebenso geprägt von flexiblen Arbeitszeitmodellen. Die meisten interviewten Digicom-ArbeiterInnen verfügen über eine weitestgehend flexible Zeiteinteilung. Dies betrifft, genauso wie bei der oben beschriebenen örtlichen Flexibilität, v.a. die Führungskräfte sowie die freiberuflich oder selbstständig Tätigen. Einige Digicom-ArbeiterInnen arbeiten nach einem Gleitzeitmodell oder nach einem All-in-Vertrag mit Kernarbeitszeiten (IV 02, 06, 14, 17). Es sind dies die hochqualifizierten Angestellten in verantwortungsvollen Positionen. Lediglich drei der 20 InterviewpartnerInnen geben an, fix vereinbarte Arbeitszeiten zu haben (IV 05, 15, 19). Es sind die-

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selben Personen, welche auch örtlich völlig an das Unternehmen gebunden sind. Die Freiheit der Zeiteinteilung steigt tendenziell, so zeigen es die Ergebnisse, je höher der/die Arbeitende in einem Unternehmen gestellt ist bzw. je ungebundener er/sie von Unternehmensstrukturen und -kulturen ist. Dies deckt sich ebenfalls mit den Befunden in Bezug auf die örtliche Flexibilität. Dass aber flexible Arbeitszeiten nicht immer mit Flexibilität in der Auswahl der Arbeitsorte einhergehen, zeigen die Ergebnisse der OnlineUmfrage. Während die Befragten mehrheitlich über Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeiten verfügen23, sind sie örtlich wenig flexibel, wie in Kapitel 5.1.1 dargelegt wurde. Die Tatsache, dass die Digicom-ArbeiterInnen im Vergleich zu den Befragten der Online-Stichprobe zeitlich noch ungebundener sind, kann – wie schon am Beispiel der örtlichen Flexibilität gezeigt wurde – anhand der Spezifika der Stichproben erklärt werden. So befinden sich in der OnlineStichprobe weniger als 30 Prozent der Befragten in leitender Position oder sind selbstständig tätig, während dies bei den Digicom-ArbeiterInnen auf die überwiegende Mehrheit der Interviewten zutrifft. Ein weiteres Indiz für die Entgrenzung von Zeitphasen ist, dass vielen Interviewten die Antwort auf die Frage, wie viele Stunden sie pro Woche arbeiten, schwerfiel.24 Sie wussten es gar nicht, denn für sie hat es keine Relevanz – niemand verlangt eine Aufzeichnung von ihnen, und in ihrem Entgelt ist Mehrarbeit inkludiert bzw. sie sind ohnedies selbstständig. Arbeit und Nicht-Arbeit können so stark verschwimmen, dass die Grenzen kaum noch wahrgenommen werden. Ein 33-jähriger Security Spezialist erzählte mir im Interview, dass es vorkomme, dass er im Urlaub kleinere Arbeiten im Internet macht, wenn sein Kollege ausfällt. Auf meine Frage, ob er dies im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes mache, antwortete er: „Das

23 36 Prozent der Befragten waren zum Zeitpunkt der Befragung völlig frei in der Wahl ihrer Arbeitszeiten; 42 Prozent arbeiteten nach einem Gleitzeitmodell. Lediglich 29 Prozent gaben an, fixe, genau festgelegte Arbeitszeiten zu haben. Siehe Tabelle 7 „Angaben zur beruflichen Situation“ in Kapitel 4 „Forschungsdesign und Forschungsmethoden“. 24 Teilweise war diesbezüglich das Ausfüllen des Mediennutzungsprotokolls vor dem Gespräch aufschlussreich – sowohl für mich als auch für die DigicomArbeiterInnen. Es half, das Arbeitspensum einer Woche nachvollziehbar zu machen.

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ist ja keine Arbeit. Das ist am Abend maximal einmal [in die E-Mails, C. R.-E] reinschauen und etwas bestätigen.“ (IV 06, 088). Dieses Zitat ist exemplarisch für viele Digicom-ArbeiterInnen, die bereit sind, sich auch in ihrer Freizeit für die Arbeit zu engagieren. Den größten Stellenwert nimmt hierbei der E-Mail-Verkehr ein, der auch außerhalb der Arbeitszeit erledigt wird.25 Auch das Lesen von Fachliteratur, der Besuch von Abendveranstaltungen des Unternehmens oder das Beantworten telefonischer Anfragen zählen zu den Aktivitäten, die nicht von allen unmittelbar als Arbeit wahrgenommen werden. Ein Digicom-Arbeiter spricht in diesem Zusammenhang vom „Combining Business and Pleasure“ (IV 08, 218). Er versucht, seine Freizeitaktivitäten möglichst für sein Geschäft nutzbar zu machen, z.B. wenn er ins Fitnessstudio geht und dort Geschäftsanbahnungsgespräche führt (vgl. IV 08, 168) oder wenn er auf Urlaub fährt: „Das heißt, auch wenn ich im Ausland bin, in New York, habe ich nicht versucht dort nur als Tourist herumzugehen und Fotos zu machen, sondern Kontakt zu der Außenhandelsstelle, mit der Botschaft, mit dem Kulturforum, in Boston mit den Universitäten, in Washington mit diplomatischen Einrichtungen, in Brüssel etc. Ich war jetzt zwar schon ein paar Tage am Meer, das ist dann wirklich nur privat, jetzt im Sommer. Aber sonst fahre ich nicht einfach privat irgendwo hin, sondern versuche da auch eine Horizonterweiterung zu erreichen durch den Kontakt mit Dingen, die auch geschäftlich etwas bringen.“ (IV 08, 218).

Bei dem Interviewpartner stehen wirtschaftliche Überlegungen stark im Vordergrund. Dies hängt zwar nicht unmittelbar mit der Nutzung von IuK-Technologien zusammen, sondern mit seiner Selbstständigkeit, jedoch fördern Digitale Medien das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit, wie später noch gezeigt wird. Aber auch wenn Arbeit als solche erkannt wird, ist die Bereitschaft der Digicom-ArbeiterInnen groß, diese auch zu konventionell arbeitsfreien Zei-

25 Voraussetzung dafür ist die Verfügung über mobile Medien oder über IuKTechnologien zuhause, was die Rolle von Digitalen Medien für flexibles Arbeiten unterstreicht. Das orts- und zeitsouveräne Arbeiten mithilfe von IuK-Technologien ist jedoch nur ein Faktor, wenn es um die geleistete Mehrarbeit geht. Weitere Faktoren sind etwa die derzeit angespannte Arbeitsmarktsituation und Prozesse der Subjektivierung von Arbeit (siehe Kapitel 2.3).

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ten zu erbringen.26 Eine 25-jährige Projektmanagerin erzählt, dass es im Büro abends ab 20 Uhr ruhiger werde und sie die Zeit dann nutze, um konzentriert zu arbeiten: „Manchmal bleibe ich aber auch länger, weil ich dringend mal Rechnungen schreiben muss. So Kram, zu dem man einfach sonst nicht kommt. Weil die ganze Zeit, tagsüber, alles so schnell gehen muss und ein Termin den anderen jagt. Man muss ja auch irgendwann einmal Organisations- und Administrationskram machen. Das funktioniert abends, wenn man Ruhe hat ganz gut.“ (IV 05, 278; vgl. auch IV 10, 605).

Die Digicom-Arbeiterin hat fest vereinbarte Arbeitszeiten, ist aber dennoch bereit, ihre Freizeit für die Arbeit zu opfern, wenn dies dem Arbeitsergebnis zuträglich ist. Für Personen ohne fixe Arbeitszeiten sind für die Wahl der Arbeitszeit pragmatische Überlegungen ausschlaggebend. Eine 45-jährige Wissenschaftlerin erklärt dies wie folgt: „Ich bin auch teilweise abends im Dienst oder am Wochenende, weil ich meine Planungen so habe. Das heißt, für mich ist auch oft der Sonntagabend keine Freizeit, weil da erreicht man viele online. Wenn ich dann schaue, wer da im ICQ [Instant Messenger, C. R.-E.] sich befindet, oder wer gerade auf Facebook etwas tut, das ist durchaus auch zu solchen Zeiten wo andere sagen: ‚Das ist typischerweise meine Freizeit.‘ Das ist bei mir nicht so. Ich habe mit meinem Chef per ICQ um ein Uhr in der Früh auch schon kommuniziert. Das ist so.“ (IV 20, 050).

Die Digicom-Arbeiterin arbeitet dann, wann es für sie Sinn macht. Ihre kreativen Phasen seien am späten Vormittag und am Abend – da könne sie

26 Dies lässt sich anhand einer Interviewstudie zum Einfluss von Technologien auf Beschäftigte der „Knowledge Economy“ bestätigen. Melissa Gregg kommt darin zu dem Ergebnis, dass die freiwillige Bereitschaft zu Mehrarbeit und Erreichbarkeit außerhalb der formalen Arbeitszeiten ein weit verbreitetes Phänomen unter den Beschäftigten in der Informations- und Kommunikationsbranche ist. Die Beschäftigten sind bereit, für das Gefühl, ihre Arbeit ordentlich auszuführen, einiges zu investieren. Allzu oft geht dies auch zulasten von sozialen Beziehungen und der Familie. (Vgl. Gregg 2011, S. 122).

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ihre Leistungsfähigkeit optimal ausnutzen (vgl. IV 20, 638). Der Arbeitsort ist für die von ihr erwähnten Tätigkeiten egal; Voraussetzung ist lediglich der Zugang zum Internet. Diesen Vorteil der flexiblen Zeiteinteilung nutzt auch ein 30-jähriger Informatiker. Seit kurzem arbeitet er auf selbstständiger Basis und ist nun zeitlich unabhängig. So arbeitet er häufig auch sonntags, wenn er Lust dazu hat (vgl. IV 03, 141; vgl. auch IV 07, 565). Ermöglicht wird ihm dies ebenfalls durch die Nutzung von IuK-Technologien, in diesem Fall durch ein transportfähiges Notebook, mit dessen Hilfe er seine Arbeit orts- und zeitunabhängig verrichten kann (vgl. IV 03, 145). Im Gegensatz zu den beiden zitierten Fällen strebt die Mehrheit der Digicom-ArbeiterInnen „arbeitsfreie“ Wochenenden an. Nicht allen gelingt es in dem von ihnen gewünschten Maße. Bis auf sehr wenige Ausnahmen arbeiten alle InterviewpartnerInnen auch am Wochenende bzw. sind zumindest für Anfragen erreichbar oder checken E-Mails. Ein 41-jähriger Unternehmer gibt an, im Durchschnitt drei bis vier Stunden am Wochenende zu arbeiten, obwohl er versucht, sich die Samstage und Sonntage für seine Familie (er hat zwei Kinder im Grundschulalter) freizuhalten (vgl. IV 04, 440). Beim Ausfüllen des Mediennutzungsprotokolls hat er zum Samstag die Bemerkung „Ruhetag“ geschrieben. Dies lässt durchblicken, dass das Wochenende für ihn noch nicht automatisch Freizeit bedeutet, sondern, dass er dies gesondert kennzeichnen muss. Arbeit am Wochenende und im Urlaub sind nicht nur für selbstständige Digicom-ArbeiterInnen Realität, sondern auch für die festangestellten, wenngleich in geringerer Intensität. Auf meine Frage, ob sie denn manchmal auch Arbeit mit nach Hause nehme, entgegnet eine Angestellte: „Kommt vor, wird aber versucht, so gering wie möglich zu halten. […] wer morgens um sieben Uhr anfängt und abends um 20 Uhr wieder rausgeht, der sollte sich allein aus Selbstschutzgründen disziplinieren und das nicht noch am Wochenende mit nach Hause schleppen.“ (IV 14, 141).

Die Aussage unterstreicht die hohe Bedeutung von Mehrarbeit für die Digicom-ArbeiterInnen.27 Drei Personen arbeiten nach eigener Schätzung mehr

27 Auch wenn für einige Personen kein vertraglich geregeltes Stundenausmaß gilt, spreche ich bei einem Arbeitsausmaß von über 40 Wochenstunden von „Mehrarbeit“.

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als 61 Stunden pro Woche. Dies sind zwei UnternehmerInnen und ein angestellter Manager. Sieben Interviewte geben an, zwischen 51 und 60 Wochenstunden zu arbeiten, sechs schätzen ihre Wochenarbeitszeit auf zwischen 41 und 50 Stunden ein. In beiden Gruppen finden sich sowohl UnternehmerInnen als auch freiberuflich Tätige und Angestellte. Vier DigicomArbeiterInnen arbeiten weniger als 40 Stunden pro Woche. Es handelt sich dabei um die zwei Teilzeitbeschäftigten, einen hauptberuflichen Studenten, der nur nebenbei arbeitet, und um einen selbstständig tätigen Informatiker, der eine Ausnahme zu den restlichen Digicom-ArbeiterInnen darstellt (siehe Kapitel 5.2.3). Die am obigen Beispiel des 41-jährigen Unternehmers angedeutete Rücksichtnahme auf die Familie bei der Zeiteinteilung zeigt sich auch bei den anderen sieben Digicom-ArbeiterInnen, die Kinder haben. Je nach Rahmenbedingungen wird versucht, die Arbeitszeit möglichst so zu gestalten, dass noch Zeit für die Kinder bleibt. Dies gelingt z.B., indem Teilzeit gearbeitet wird (in diesem Sample nur für Frauen relevant) oder indem ein paar Nachmittagsstunden mit den Kindern verbracht werden und dafür am Abend weitergearbeitet wird.28 Das folgende Zitat eines 37-jährigen Salesund Marketingmanagers, der angibt, durchschnittlich 63 Stunden pro Woche zu arbeiten, veranschaulicht, wie Familien- und Arbeitszeit dadurch stärker integriert werden: „Und in der Früh hole ich meine Zahlen und schaue mir an, was die To-Do-Liste ist, dann bringe ich die Kinder in die Schule. Also, ich stehe früher auf, dann mache ich Frühstück, dann bringe ich die Kinder in die Schule, und dann fängt meine Arbeit an. Das ist eben genau um sechs, da mache ich kurz meine E-Mails, dann bin ich für die Familie da zwei Stunden oder 1,5. Dann fange ich zum Arbeiten an, und am Abend ist es auch so. Wenn die Kinder noch munter sind, wenn ich nach Hause komme, da tue ich nichts ..., bin nur für die Kinder da und dann arbeite ich wieder, wenn alle im Bett sind.“ (IV 01, 0671).29

28 Hinsichtlich des Genderaspektes der Vereinbarung von Berufs- und Familienleben siehe Kapitel 2.6 „Exkurs: Arbeit und Geschlechtsrollenstereotype im Aufbruch?“. 29 Auch er nimmt das morgendliche Checken der E-Mails nicht als Arbeit wahr, da er erst später, wie er sagt, zu arbeiten beginnt.

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Die Visualisierung des erwähnten 41-jährigen Unternehmers illustriert, wie die Bereiche Familie und Beruf von ihm miteinander verschränkt werden (siehe Abbildung 12). Er hat einen typischen Arbeitstag gezeichnet: vom Familienfrühstück (unten Mitte) über die Fahrt zur Arbeit, die Arbeit (Schreibtischarbeit, Meeting), das Mittagessen, wieder Arbeit, Fahrt nach Hause, Abendessen mit der Familie, dann nochmals Arbeit zuhause, bis hin zum Schlafengehen (vgl. IV 04, 655). Abbildung 12: Arbeitstag eines Digicom-Arbeiters

Quelle: Visualisierung eines 41-jährigen Unternehmers

Auch wenn sich der Digicom-Arbeiter inmitten seines Tagesablaufs lächelnd darstellt, drückt der Unternehmer im Interview deutlich sein Bedauern darüber aus, dass er in einem Sog von Anforderungen und Arbeit mitgerissen wird, dass sein Privatleben darunter leidet und er sich schwer dagegen wehren kann (vgl. IV 04, 260; 470).30

30 Mehr dazu siehe Kapitel 6.2.2 „Entgrenzung zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen“.

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Entgrenzung durch Erreichbarkeit Besonders deutlich wird die Entgrenzung von Arbeits- und Nicht-Arbeitszeiten bei der Frage nach der Erreichbarkeit für berufliche Belange in der Freizeit. Die Mehrheit der Interviewten (15 Personen) gibt an, ständig erreichbar zu sein, ob telefonisch oder durch regelmäßiges Checken (und Beantworten) von E-Mails. Kann ein Telefonat nicht sofort entgegengenommen werden, wird möglichst schnell zurückgerufen. Diese Personen pflegen mittels IuK-Technologien eine ständige Verbundenheit mit dem Unternehmen und präsentieren sich damit als „allzeit bereit“. Die anderen Digicom-ArbeiterInnen sehen das Erreichbarkeitsthema entspannter und schalten das Mobiltelefon auch einmal ganz aus bzw. gehen bewusst nicht ans Telefon. Die Ergebnisse der Online-Umfrage zeigen, dass die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit auch für die Befragten der allgemeineren Stichprobe in großem Ausmaß gegeben ist. Wie aus Abbildung 13 hervorgeht, sind lediglich fünf Prozent der Befragten überhaupt nicht in der Freizeit für ihre Unternehmen bzw. KundInnen erreichbar. Über die Hälfte der Befragten gab an, erreichbar zu sein, wobei unternehmensseitig darauf nur selten zurückgegriffen wird. Auffällig ist das Verhältnis zwischen der Angabe, auf freiwilliger Basis erreichbar zu sein, und der Angabe, aufgrund der Erwartungshaltung seitens des Unternehmens erreichbar zu sein. Über 40 Prozent gaben an, freiwillig erreichbar zu sein, im Gegensatz zu lediglich drei Prozent, von denen dies erwartet wird. Dieses Ergebnis verweist zum einen auf eine stark subjektivierte Haltung der Arbeitenden und zum anderen auf ein „Dispositiv einer ‚mediatisierten Konnektivität‘“ (Steinmaurer 2013b, S. 8).31 In Summe entspricht das Verhalten dem Foucault’ schen Regierungsbegriff, der Selbstregierung im neoliberalen Sinn.32

31 Thomas Steinmaurer (i. E.) versteht unter dem auf Foucault zurückgehenden Begriff „Dispositiv“ ein „System und Netz von Diskursen, Wissensordnungen oder auch technischen Konstellationen sowie Formationen von Handlungs-, Verhaltens- und Sprechweisen […], in deren Realisierung und Vollzug sich Konstellationen von Macht abbilden und sichtbar werden“. Mit der Verwendung des Dispositiv-Begriffs betont er den kritischen Blick auf den Imperativ zur Konnektivität und die darin eingeschriebenen Machtverhältnisse. 32 Siehe hierzu Kapitel 9.2 „Der effiziente Mensch und die ‚Technologien des Selbst‘“.

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Abbildung 13: Erreichbarkeit der Online-Stichprobe

Erreichbarkeit in der Freizeit (N=445; %) Ich bin prinzipiell erreichbar, aber meine ArbeitgeberInnen bzw. die KollegInnen nutzen die Möglichkeit nur selten.

54,8

Ich bin eigentlich immer erreichbar, aber auf freiwilliger Basis.

41,8

Man kann mich kontaktieren, ich reagiere aber nicht immer darauf.

36,4

Ich bin im Falle von Krankheit erreichbar.

34,8

Ich bin in Ausnahmefällen, die konkret vereinbart werden, erreichbar.

28,1

25,8

Ich bin am Wochenende erreichbar.

18,4

Ich bin im Urlaub erreichbar. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht sofort auf eine Anfrage außerhalb meiner Arbeitszeit reagiere. Ich bin überhaupt nicht erreichbar. Von mir wird permanente Erreichbarkeit verlangt und/oder erwartet.

11

5,2

3,4

Auch wenn die online Befragten wenig Druck seitens der Unternehmen verspüren, permanent für berufliche Anfragen erreichbar zu sein, lassen die

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Interviewaussagen an einigen wenigen Stellen die Interpretation zu, dass Unternehmen ihre Erwartungshaltung subtiler ausdrücken, sodass diese implizit übernommen, jedoch nicht hinterfragt wird. Ein Beispiel ist der Fall eines freiberuflichen Digicom-Arbeiters. Aufträge werden ihm oftmals sehr kurzfristig, z.B. am Abend vor dem Abgabetermin, mitgeteilt. Ist er gerade nicht erreichbar, wird der Auftrag an jemand anderen vergeben. (Vgl. IV 07, 162-166). Die nicht gegebene Erreichbarkeit wird in diesem Fall nachträglich sanktioniert – die Frage der Erreichbarkeit ist somit auf eigenes Risiko zu klären. Implizite Erwartungen, auch im Rahmen der Freizeit für das Unternehmen erreichbar zu sein, sind mit der unternehmensseitigen Ausstattung von MitarbeiterInnen mit mobilen Geräten verbunden, wie gleich mehrere InterviewpartnerInnen bestätigten. Eine Digicom-Arbeiterin entgegnet auf die Frage, ob sie auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar sei, etwa: „Ja, ja. Logisch! Dafür haben wir den BlackBerry!“ (IV 14, 237; vgl. auch IV 06, 170; IV 10, 433; IV 17, 181; IV 20, 034).33 Ob freiwillig oder nicht, die (Bereitschaft zur) Erreichbarkeit ist Ausdruck, Resultat und Ursache einer (Dauer-)Konnektivität mit dem Unternehmen, welche die hohe Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Arbeitenden und für die Gesellschaft widerspiegelt.34 Time Softening Die durch die Nutzung von IuK-Technologien geförderte Entgrenzung von Zeitphasen zeigt sich auch im so genannten „time softening“, dem Aufweichen von Pünktlichkeitsnormen, wie es Beatrix Beneder in ihrer Untersuchung betreffend der Verwendung des Mobiltelefons als Arbeitswerkzeug (2008) feststellte.35 Verabredungen können mithilfe von mobiler Kommunikation kurzfristig und spontan getroffen, verschoben oder abgesagt wer-

33 Wie Sharon Kleinman (2007, S. 231) anmerkt, wird im englischen Sprachraum in Zusammenhang von BlackBerrys auch von „CrackBerries“ gesprochen, um scherzhaft auf den Suchtfaktor der Smartphones zu verweisen. 34 Die Dauervernetztheit von Individuen ist mit der ubiquitären Nutzung mobiler Medien und Netztechnologien jedoch auch abseits von Erwerbsarbeit in großem Ausmaß gegeben und betrifft sämtliche Lebensbereiche, wie Thomas Steinmaurer (2013b; i. E.) zeigt. 35 Siehe hierzu Kapitel 3.2.4 „Exemplarische Studien zum Verhältnis von Medien und Zeit“.

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den. Ein Digicom-Arbeiter erklärt dies im Interview zur gegenständlichen Studie wie folgt: „Termine laufen einfach ... ab: Dass man sich einen groben Termin abmacht, den vielfach verschiebt. Dann kommen die SMS: ‚Du, ich bin gleich da!‘, ‚Warte!‘, ‚Nein, wir sind jetzt in dem anderen Café!‘ […] Auch durch die BlackBerry E-MailFunktion. Weil man ja davon ausgeht, dass diese Information noch ankommt.“ (IV 08, 266).

Ein Termin sei „nichts Heiliges“ (IV 08, 274) mehr, ergänzt der Gesprächsteilnehmer. Trotzdem geben die meisten InterviewpartnerInnen an, selbst sehr auf Pünktlichkeit bedacht zu sein, zum einen aus Höflichkeit, zum anderen aber aus Effizienzgründen. Wenn sie es nicht rechtzeitig zu einem Termin schaffen, geben sie zumindest Bescheid. Eine nicht eingehaltene Verabredung kann schließlich einen wirtschaftlichen Schaden und interpersonale Konflikte bedeuten, z.B. im Fall einer Video- oder Audiokonferenz. Wenn mehrere TeilnehmerInnen auf einen zu spät kommenden Kollegen bzw. eine Kollegin warten müssen, „stiehlt derjenige die Zeit der anderen“ (IV 01, 1531), wie es ein 37-jähriger Sales- und Marketingmanager im Interview ausdrückt. Resümierend kann sowohl für die Ergebnisse aus der Interviewstudie als auch der Online-Umfrage eine Flexibilisierung und Entgrenzung von Zeitphasen festgestellt werden. Ob es um die flexible Zeiteinteilung, die Verflüssigung der Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit (durch Mehrarbeit, Erreichbarkeit) oder das „time softening“ geht – bei allen Phänomenen spielen IuK-Technologien eine wichtige Rolle. 5.2.2 Beschleunigung Die in Kapitel 3.2.3 theoretisch konstatierte Beschleunigung, welche durch technologische Innovationen angetrieben und vom postmodernen Zeitgeist der Flexibilität und des „Nichts Langfristigen“ (Sennett 2006, S. 25) genährt wird, findet in meinen Studienergebnissen ihre Entsprechung.36 Besonders deutlich wird dies in jenen Interviews mit Digicom-ArbeiterInnen,

36 Gleichzeitig treibt die Beschleunigung von Wirtschaft und Gesellschaft die Entwicklung neuer IuK-Technologien voran.

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in denen die Zusammenhänge zwischen beschleunigten Arbeitsvorgängen und der Nutzung von IuK-Technologien stark hervorgehoben werden. Anschaulich erklärt eine Gesprächsteilnehmerin die Unterschiede zwischen der prä-digitalen und der digitalen Büroära. Während sie die prä-digitale Zeit mit dem Adjektiv „gemütlich“ in Verbindung bringt, spricht sie in Zusammenhang mit der digitalen Ära von einer „Beschleunigung“: „Früher hat man Unterlagen vom Kollegen in [nennt weiteren Firmenstandort] [bekommen, C. R.-E]. Er hat das gemütlich in seinen Postausgang gegeben, dann hat das Sekretariat das in einen Umschlag gesteckt, und zwei Tage später hat mein Sekretariat das wieder aufgemacht, mir in die Posteingangsmappe gelegt, und dann habe ich es zwei bis drei Tage später gelesen. Heutzutage schickt er mir eine E-Mail und ich antworte ihm eine Viertelstunde später oder vielleicht auch zwei Stunden später. Er kann mir sämtliche Dokumente, die ich brauche oder über die wir uns austauschen müssen, ‚ver-pdfen‘ und mir direkt zukommen lassen. Das ist eine extreme Art der Beschleunigung, die einen auch, also man muss sich immer disziplinieren, dass man sich davon nicht total unter Druck setzen lässt.“ (IV 14, 419, Hv. C. R.E.).37

Mit ihrem letzten Satz spricht die Digicom-Arbeiterin eine wichtige Kompetenz in mediatisierten Arbeitswelten an, auf welche in Kapitel 7.1.1 „EMaildisziplin“ näher eingegangen wird. Die Konvergenz von Medien spielt für beschleunigte Arbeitsprozesse eine wichtige Rolle, denn sie ermöglicht die Synchronisation von Informationen und die vereinfachte Datenorganisation und -verarbeitung sowie Kommunikation. So werden etwa Terminplanungen auf unterschiedlichen (teils mobilen) Medien, z.B. am Notebook sowie dem Smartphone, synchron gehalten und ermöglichen eine rasche und ortsunabhängige Reaktion auf Terminänderungen. Ein 41-jähriger Unternehmer erklärt dies anhand der Kalenderfunktion seines Smartphones: „Das ist schon mächtig, und ich zieh mir dann oft auch einfach eine E-Mail in einen Kalendertermin hinein, wo alle Informationen, jetzt z.B. unseren Termin. Da gehe ich in den Termin hinein und habe die gesamte Kommunikation, die wir da hatten

37 Mit „ver-pdfen“ meint die Interviewte, dass aus einem anderen Dateiformat ein pdf-Dokument erstellt wird.

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und deinen Anmeldenamen noch einmal drinnen, und dann ist es easy, dann habe ich da alles beieinander inklusive Dateien etc. Die sind dann alle da mit drinnen. Oder Flüge oder Reisen, dass man die Tickets oder die Agendas vom Kunden oder irgendwie sind halt alle in diesem Termin mit drinnen, und das ist dann halt auch am iPhone abrufbar und ist sehr handlich. Das ist schon eine große Hilfe, denke ich.“ (IV 04, 330).

Ohne diese Form der Informationsbündelung müsste er sich die Daten aus unterschiedlichen Ordnern oder E-Mails zusammensuchen, wofür er wesentlich mehr Zeit benötigen würde. Von einem anderen Beispiel berichtet eine 33-jährige Unternehmerin, die mittels Remote Control von überall aus mit Internetverbindung auf ihren Ordner „Auftragsdaten“ zugreifen kann. Egal wann eine Kundschaft etwas benötigt, könne sie umgehend darauf eingehen. (Vgl. IV 16, 0106). Müsste die Unternehmerin erst ins Büro fahren, um die nötigen Unterlagen zu besorgen oder sich die Unterlagen von MitarbeiterInnen schicken lassen, würde das für sie einen Mehraufwand bedeuten; für die Kundschaft würden Wartezeiten entstehen. Die durch IuK-Technologien beschleunigten Kommunikationswege wurden in den Interviews sehr stark betont, und auch die online Befragten stimmten mit großer Mehrheit (92 Prozent) der Aussage zu, dass Neue Medien dazu beitragen, die berufliche Kommunikation effizient zu gestalten. Gemeinsam mit der daraus resultierenden verkürzten Reziprozität von Nachrichten verdichten sich die Arbeitsvorgänge, und in weniger Zeit können bzw. müssen mehr Aufgaben erledigt werden. So gaben die TeilnehmerInnen der Online-Umfrage mehrheitlich (57 Prozent) an, durch die Nutzung Neuer Medien mehr Arbeit in kürzerer Zeit zu schaffen. Dies kann einerseits positiv als Steigerung der Produktivität interpretiert werden, andererseits aber ebenso negativ als erhöhte Anforderung an die Arbeitenden, wie die Digicom-Arbeiterin in obigem Zitat zur Unterscheidung der prädigitalen von der digitalen Büroära durchblicken ließ. Das Erledigen von mehr Aufgaben innerhalb kürzerer Zeit ist jedoch relativiert zu betrachten, denn knapp drei Viertel der online Befragten (72 Prozent) gaben an, dass mit der Nutzung Neuer Medien ein zusätzlicher Zeitaufwand bei der Arbeit verbunden ist.38 Die Medien werden also gleichzeitig als „Zeitsparer“ und

38 Herangezogen wurden jeweils die Ausprägungen 4 und 5 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu). Wenn im Folgenden bei der

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„Zeiträuber“ wahrgenommen. Dies kann als Beleg für den in Kapitel 3.2.3 konstatierten „Rebound-Effekt“ interpretiert werden, wonach eine Steigerung der Effizienz nicht zwangsläufig auch eine Verbesserung der Leistung oder eine Einsparung von Ressourcen, sondern auch das Gegenteil bedeuten kann (vgl. Hilty 2007, S. 190). In den Interviews mit Digicom-ArbeiterInnen wird dieses Phänomen indirekt angesprochen, wenn es um die langen Ladezeiten von Computern geht oder um System- und Hardwareausfälle, die Zeit kosten, sowie im Falle von zu viel oder überflüssiger Kommunikation, wie etwa E-Mails, die an einen zu großen Verteilerkreis geschickt werden und unnötige Zeitressourcen verbrauchen (siehe dazu Kapitel 6.2.1). Beispielhaft für die Vorteile der beschleunigten Kommunikation berichtet die oben erwähnte 33-jährige Unternehmerin von folgender Situation: Wenn sie gleichzeitig mit ihrem Kollegen bei jeweils unterschiedlichen Einkaufsverhandlungen sitzt, kann er sie per SMS über den Stand der Verhandlung informieren, und sie kann rasch darauf reagieren, obwohl sie sich selbst gerade in einer Verhandlung befindet (vgl. IV 16, 0705). Ein Digicom-Arbeiter erzählt von ähnlichen Erfahrungen, jedoch mittels Chat (vgl. IV 10, 389). Die Beispiele korrespondieren mit dem von Karlheinz Geißler (2004, S. 31) konstatierten „Kult der Vergleichzeitigung“, auf welchen zahlreiche Interviewpassagen verweisen. Ein im Rahmen der Studie interviewter 43-jähriger Unternehmensberater berichtet z.B. von den Online-Seminaren bzw. -Workshops, welche er abhält. In den so genannten „Webinaren“ treffen sich bis zu 30 Personen in einem durch ein Online-Konferenzsystem erzeugten virtuellen Raum. Darin verlaufen mehrere Kommunikationskanäle parallel zueinander: Video, Audio und Chat. „Man muss sehr schnell alles beobachten“, erläutert der Digicom-Arbeiter, „[…] das sind sehr interaktive und sehr schnelle ... da passiert einfach dann in einer Stunde viel mehr als in einem offline Raum passieren könnte.“ (IV 11, 034). Da das hohe Kommunikationstempo eine besondere Herausforderung für die Konzentration der TeilnehmerInnen bedeutet, werden Webinareinheiten zeitlich stark reduziert, denn spätestens nach eineinhalb Stunden ende die Konzentration (vgl. IV 11, 046).

Darstellung der Ergebnisse aus der Online-Umfrage nichts anderes angegeben ist, wurden die Ausprägungen 4 und 5 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu) herangezogen.

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Der beschleunigte Arbeitsalltag erfordert das rasche Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Aktivitäten. Multitasking ist demnach ein weit verbreiteter Arbeitsmodus unter den Digicom-ArbeiterInnen und auch bei der Stichprobe der Online-Umfrage. Knapp drei Viertel (72 Prozent) der Befragten gaben an, bei der Arbeit mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Digitale Medien kommen der Vergleichzeitigung entgegen, indem sie das (beinahe) zeitgleiche Agieren in unterschiedlichen Kanälen nahelegen. So sind auch über drei Viertel der Befragten aus der Online-Umfrage der Meinung, dass Neue Medien zu Multitasking verführen bzw. es begünstigen. Wie aus den Interviews mit Digicom-ArbeiterInnen hervorgeht, sind häufige Multitasking-Situationen die Kombinationen aus Chatten und nebenbei Telefonieren bzw. aus Chatten und inhaltlichem Arbeiten oder aus Telefonieren und dem Checken von E-Mails. Begünstigt wird dies durch den Gebrauch von Headsets, welche die Hände zum Tippen frei lassen. Automatisierte Benachrichtigungen am Smartphone bzw. am Notebook, die mittels akustischem Signal darüber informieren, wenn eine neue E-Mail eingelangt ist, tragen dazu bei, die Aufmerksamkeit während einer Aktivität blitzschnell auf eine andere zu lenken. Die Qualität der mittels Multitasking erzielten Arbeitsergebnisse wird in den Interviews häufig kritisch beurteilt, da dabei die Konzentration gestört ist. Das Zitat eines 33-jährigen Security Spezialisten gibt die Meinung vieler Digicom-ArbeiterInnen wieder: „Z.B. ich programmiere etwas, werde dann angerufen, muss schnell etwas erledigen, aha, dann kommt schon wieder eine E-Mail, dann noch ein Anruf, irgendwas wo ich schon vergessen habe, was ich vorher gemacht habe. Das führt halt manchmal dazu, dass ich denke, ich habe etwas schon gemacht, was ich aber noch gar nicht gemacht habe. Oder ich hatte es mir nur vorgenommen und komme dann drauf, wenn ich das nächste Mal angerufen werde, ‚Ach ja, das war ja …‘ Also, es bringt nicht so viel, das Multitasking.“ (IV 06, 644).

Entgegen der Mehrheit der Interviewten sieht der weiter oben zitierte Webinarveranstalter nichts Negatives an Multitasking, wenn man darin geübt sei (vgl. IV 11, 730; ähnlich auch IV 07, 275; IV 13, 660; IV 19, 0899). Er praktiziert es gezielt, um seine Produktivität zu erhöhen.39

39 So gibt er an, während des Skype-Interviews mit mir seinen Desktop zu „säubern“, also Dateien auf seinem Computer abzulegen oder zu löschen (vgl. IV 11,

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Zusammenfassend lassen sich sowohl in den qualitativen als auch in den quantitativen Daten Belege für eine wahrgenommene Beschleunigung finden. Die Nutzung von IuK-Technologien begünstigt beschleunigte Arbeitsvorgänge bzw. die Vergleichzeitigung von Tätigkeiten und treibt so die Beschleunigung voran. Die von Klaus Beck (1994, S. 135) für die Dampfmaschine bemühte Metapher „,Zeitmaschineµ“ wäre wohl auch ein treffendes Sinnbild für IuK-Technologien wie Smartphones und Co. 5.2.3 Ökonomisierung von Zeit Wie in Kapitel 3.2.1 erläutert, wird seit dem Aufkommen kapitalistischen Handels Zeit mit Geld gemessen. Die Rationalisierung der Produktion im Zeitalter der Industrialisierung hat die Ökonomisierung von Zeit weiter vorangetrieben. Auch heute, im Zeitalter der „Simultanten und Simultantinnen“ (Geißler 2012, S. 153ff), bleibt Franklins Zitat „Zeit ist Geld“ aktuell. Waren es im Industriezeitalter die Maschinen (z.B. Dampfmaschine), welche die Beschleunigung vorantrieben, übernehmen dies inzwischen handliche Geräte, welche problemlos am Körper mitgetragen werden können. Verarbeitet werden damit keine Rohstoffe, sondern Informationen, Daten, Kommunikationsströme. Die Ergebnisse der gegenständlichen Studie brachten deutlich zum Vorschein, dass das Kriterium der Effizienz dabei eine wesentliche Rolle spielt. Es geht nicht nur darum, möglichst schnell und ressourcensparend ein vorgegebenes Ziel zu erreichen, sondern auch um die Frage, welche Technologien wie eingesetzt werden können, um dorthin zu gelangen. Audio-, Video- und Onlinekonferenzen etwa sind bei DigicomArbeiterInnen weit verbreitete Tools zur Einsparung von Reisezeiten und -kosten.40 Ein Studienteilnehmer berichtete, dass an seinem Firmenstandort

730-738). Die Art seines Gesprächsverhaltens im Interview lässt erkennen, dass er in Multitasking geübt ist. Souverän schreibt er während des Gespräches Links in den Skype-Chat, zeigt mir seine Büroumgebung mit einer Webcam, lädt mich mittels Remote Control auf seinen Bildschirm ein und „besucht“ auch meinen nebenbei (Desktop Sharing). Währenddessen kann er dem Gespräch problemlos folgen. 40 Dennoch finden Dienstreisen nach wie vor statt. Wie aus der Studie hervorgeht, wird das persönliche Kennenlernen für Geschäftsbeziehungen als essenziell erachtet, und auch bei der Führung von MitarbeiterInnen kann auf die persönliche

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ein HD-Videokonferenz-System im Wert von 10.000 Euro installiert wurde. Seine Aussage veranschaulicht das ökonomische Kalkül hinter dieser Anschaffung: „Wenn ich vor allem Kosten-Nutzen anschaue, dann ist das ein sehr, sehr positives Verhältnis. Ich kann halt mit dem Medium Bildschirminhalte, visuelle Inhalte, ... transportieren, sehr viel Information. Und wenn man das dagegen nimmt, meinetwegen, ich muss jetzt in [deutsche Großstadt] im Sheraton einen Konferenzraum buchen, da muss ich 100 Kunden anreisen lassen für ein Briefing von zwei Stunden. Das machen wir nicht, weil es zuviel kostet. Das macht der Kunde auch nicht, weil er sagt: ‚Was soll ich nach [deutsche Großstadt] fahren für zwei Stunden und dann fahre ich wieder heim?‘ Es muss halt dem Zwecke angemessen sein.“ (IV 10, 357).

Wie der Digicom-Arbeiter mit seinem letzten Satz andeutet, ist es von der konkreten Situation abhängig, welches Medium als das passende empfunden wird. Die Interviewten stellen hierzu konkrete Überlegungen an, wobei stets das Kriterium „Effizienz“ als Maßstab genommen wird. So rechnet der eben zitierte Digicom-Arbeiter im Interview vor, was passiert, wenn er eine E-Mail an einen 100 Personen umfassenden Verteilerkreis sendet: „Ich kann halt einfach eine E-Mail an 100 Leute senden. Dass es aber bei 100 Leuten zumindest 30 Sekunden verursacht, die Mail in irgendeiner Form anzufassen ... Wenn ich das hochrechne habe ich eine Arbeitsstunde versaut!“ (IV 10, 814).

Übersteigt der Aufwand den eingeschätzten Nutzen der Medienkommunikation, wird darauf verzichtet. So kann auch einmal ein persönliches Zusammentreffen effizienter sein als die Kommunikation mittels Digitaler Medien. Dies bestätigt eine 45-jährige Wissenschaftlerin, die generell sehr auf die produktive Ausnutzung ihrer Zeit achtet. Sie sagt, es koste manchmal mehr Zeit, drei E-Mails zu schreiben, als sich kurz auf einen Kaffee zu treffen, um eine Angelegenheit zu besprechen (vgl. IV 20, 476). Vor allem in Social Networks sehen manche Digicom-ArbeiterInnen eine Zeitfalle, die sie veranlasst, diese Medien nicht oder nur sporadisch zu nutzen:

Präsenz nicht ganz verzichtet werden. Siehe dazu Kapitel 6.2.1 „Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation“.

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„Facebook z.B. Das sind alles Zeiträuber. Das brauche ich alles nicht. Da verstrickt man sich total schnell. Es ist auch XING z.B. wenn man es nicht richtig nutzt ein totaler Zeiträuber. Eine Stunde ist sofort weg ... die mir nichts bringt.“ (IV 01, 1425; vgl. auch IV 02, 1023; IV 10, 0709).41

Das Streben nach effizienter Arbeit spielt auch dann eine Rolle, wenn es um die Wahl des Arbeitsortes geht.42 Alternierende Teleheimarbeit wird als zeitsparend empfunden, denn der Weg von und zur Arbeit fällt weg und die störungsfreie (zumindest was Face-to-Face-Kontakte betrifft) Umgebung ermöglicht konzentrierteres Arbeiten (vgl. IV 13, 527; IV 17, 255; IV 18, 244; IV 20, 638). Voraussetzung für die Möglichkeit, teilweise auch von zuhause aus zu arbeiten, ist das Vorhandensein von technischer Infrastruktur. Mobile IuK-Technologien wie transportable Notebooks, aber auch Fernzugriffsysteme vereinfachen den Digicom-ArbeiterInnen das Disponieren ihrer Arbeitsorte. Unabhängig von den individuellen Regelungen zum Arbeitsort nutzen die Digicom-ArbeiterInnen Mobilitätszeiten oder Wartezeiten gezielt, um zu arbeiten oder zumindest während der U-Bahn-Fahrt zur Arbeit kurz via Smartphone die E-Mails zu checken. Die Zeit während einer Zugfahrt oder eines Fluges, das Warten in Flughafenlounges oder Bahnhofshallen werden als „verlorene Stunden“ (IV 16, 0130) empfunden, die durch die Arbeit zurückgewonnen werden können. Ein 43-jähriger Unternehmensberater und eine 45-jährige Wissenschaftlerin erzählen im Interview, dass sie bewusst

41 Das Zitat des 37-jährigen Sales- und Marketingmanagers spiegelt allerdings eine Minderheitenmeinung wider. Mehrheitlich sind die Digicom-ArbeiterInnen, entsprechend dem „Dispositiv einer ‚mediatisierten Konnektivität‘“ (Steinmaurer 2013b, S. 8), in sozialen Netzwerken in unterschiedlicher Intensität, privat wie beruflich, aktiv. Dabei spielen Mitgliedschaften in beruflichen Netzwerken wie XING, Linked-in oder GULP bei den Digicom-ArbeiterInnen eine größere Rolle als in privaten Netzwerken wie Facebook. Die meisten Digicom-ArbeiterInnen achten bewusst darauf, nicht zu viele (private) Informationen in Social Networks preiszugeben bzw. mittels ihrer Profileinstellungen den AdressatInnenkreis für bestimmte Informationen einzuschränken. 42 Effizienzüberlegungen hinsichtlich der Wahl des Arbeitsortes wurden bereits in Kapitel 5.1.1 besprochen. Hier finden jene Aspekte Erwähnung, welche sich auf deren zeitliche Aspekte beziehen.

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die Bahn als Transportmittel wählen, da sie dort in Ruhe arbeiten könnten (vgl. IV 11, 714; IV 20, 588). Im Auto wäre dies in dieser Form nicht möglich. Für andere Digicom-ArbeiterInnen ist wiederum das Auto der Ort, der bewusst genutzt wird, um Geschäftstelefonate zu tätigen. „Im Auto telefoniere ich gerne, weil da kann man eh nichts anderes machen“ (IV 01, 633), bringt dies ein 37-jähriger Sales- und Marketingmanager auf den Punkt. An diesen Beispielen wird deutlich, dass sich die Digicom-ArbeiterInnen Strukturen zurechtlegen, um ihre Zeit produktiv zu nutzen. Die durch Effizienz gewonnene Zeit wird in den meisten Fällen für die Erledigung neuer Aufgaben genutzt. Die Beschleunigungsspirale nimmt ihren Lauf. Doch es gibt auch vereinzelt Ausnahmen unter den Digicom-ArbeiterInnen, welche entgegen dem neoliberalen Mainstream die gewonnene Zeit für ihr Privatleben verwenden. Dies ist der Fall bei einem 30-jährigen selbstständig tätigen Informatiker. Zwar zielt er genauso wie die anderen Digicom-ArbeiterInnen auf Zeiteffizienz ab, die gewonnene Zeit verbucht er jedoch auf sein Freizeit-Konto. Warum er im Flugzeug auf Geschäftsreisen arbeitet, erklärt er wie folgt: „Ich bin jetzt hier eine Stunde und 20 und ich fliege einfach nur. Entweder ich sitze jetzt doof herum und gucke aus dem Fenster oder ich bin produktiv. Dann bin ich produktiv, weil ich weiß, wenn ich dann wieder unten bin, dann will ich lieber ein bisschen mehr Zeit für das Privatleben haben. Einfach nur z.B. mich mit einem Freund treffen usw. Dann kann ich die Zeit da oben gut nutzen im Flieger.“ (IV 03, 213).43

Die Ökonomisierung von Zeit spiegelt sich nicht nur in den Strategien der Digicom-ArbeiterInnen wider, sondern auch in unternehmensinternen Maß-

43 Der Freiberufler hebt sich in so mancher Hinsicht von den anderen Digicom-ArbeiterInnen ab. So ist er der einzige der Vollzeit-Berufstätigen, der angibt, täglich weniger als acht Stunden zu arbeiten. Auch betont er sehr stark, dass sein Privatleben stets Priorität vor dem Beruf hat (vgl. IV 03, 199). Dies muss jedoch vor dem Hintergrund seiner aktuellen Arbeitssituation und Lebensumstände interpretiert werden. Er hat sich vor kurzem gemeinsam mit einem Geschäftspartner selbstständig gemacht, genießt die neu gewonnene Freiheit und ist mit seinem aktuellen Auftrag dem Zeitplan voraus (vgl. IV 03, 177). Es ist anzunehmen, dass er unter Termindruck die Prioritäten anders verteilt.

5. R AUM-

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nahmen. Eine Digicom-Arbeiterin berichtet von Leistungskontrollen, wobei mittels eines Ticketing-Systems die „Performance“ von Abteilungen organisiert und evaluiert wird: „Da gibt es halt so diese drei bis vier Tage KPI nennt sich das, das heißt key performance indicator. Mit dem berechnet man eigentlich die Leistungen, die sollen zwischen drei und vier Arbeitstagen abgeschlossen sein, wo es dann heißt egal ob du eine Störung hast, egal ob du eine Bestellung abgibst, muss die in einem bestimmten Zeitraum erfüllt sein.“ (IV 19, 0174).

Wird die Leistung nicht wie vorgegeben erbracht, hat dies negative Auswirkungen auf die Prämien der ManagerInnen (vgl. IV 19, 0174-0178). Wie die Beispiele aus den Interviews zeigen, ist Effizienz „zugleich sowohl Wert als auch Methode“ (Beuthner 2002, S. 134) der DigicomArbeit. IuK-Technologien sind die passenden Werkzeuge dazu. Nach den Ergebnissen der Online-Umfrage beurteilt, ist Effizienz ein Wert, der für die Mediennutzung bei der Arbeit generell Gültigkeit besitzt und keinesfalls ein Spezifikum der Digicom-Arbeit darstellt. So hat die Clusteranalyse ergeben, dass im Vergleich mit den anderen Faktoren die beiden Faktoren „Effiziente Mediennutzung“ und „Effizienz durch Neue Medien“ jene mit den höchsten Mittelwerten sind.44 Das bedeutet, dass diese beiden Faktoren für die Befragten von hoher Relevanz sind. Ein weiterer Beleg für die hohe Bedeutung von Effizienz für die Stichprobe der Online-Umfrage ist das Ergebnis der Freitextantworten zur Frage nach den sonstigen Vorteilen Neuer Medien. Mit Abstand lassen sich die meisten (N=60) der dazu getätigten Aussagen unter die Kategorie „Effizienz“ einordnen (siehe Abbildung 14).

44 Die anderen Faktoren lauten „Entgrenzung Privat – Beruf“, „Virtual Work“, „Koordination und Ordnung“, „Medienkompetenz“, „Communication Overflow“, „Herausforderungen Neuer Medien“ und „Entschleunigung“. Siehe dazu die Ergebnisse der Clusteranalyse in Kapitel 8 „Mediennutzungstypen“, Tabelle 9.

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Abbildung 14: Sonstige Vorteile Neuer Medien, kategorisierte Freitextantworten aus der Online-Umfrage

Sonstige Vorteile Neuer Medien (N) Effizienz Zeit- und Ortsouveränität online Ressourcen Vernetzung/virtual teams Flexibilität Koordination und Ordnung Aktualität PR, Marketing Ökologie Beschleunigung Vereinnahmung durch Medien Kontrolle Technikherrschaft Barrierefreiheit Sicherheit Spielen mit der Technik Oberfl. Kommunikation/Comm. Overflow

60 25 19 17 10 10 6 6 4 3 2 2 1 1 1 1 1

Insgesamt weisen die Studienergebnisse deutlich darauf hin, dass die Beschäftigten Zeit unter ökonomischen Gesichtspunkten bewerten. Die ortsund zeitunabhängige Mediennutzung, das „working on the move“ und die Flexibilität in der Wahl des Arbeitsortes, welche durch mobile und internetbasierte Medien ermöglicht werden, offerieren zahlreiche Möglichkeiten, Zeit ökonomisch und möglichst effizient zu planen und zu nutzen.

5. R AUM-

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5.3 F AZIT : R AUM -

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An dieser Stelle werden die zentralen Ergebnisse des fünften Kapitels in zehn Kernthesen zusammengefasst. In der Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“ (siehe Abbildung 7) stellen die beschriebenen Raum- und Zeitphänomene den Kontext und die intervenierenden Bedingungen dar, welche das Handeln des effizienten Menschen prägen. 1.

2.

3.

4.

Raum stellt sich im Kontext von Digicom-Arbeit als entgrenzt dar. Dies äußert sich in mehrfacher Hinsicht: in flexiblen Arbeitsorten, in einer Erweiterung von Raum durch Vervielfältigung von Räumen in der Virtualität und einer gleichzeitigen Distanzverringerung durch Virtualität sowie in erweiterten Präsenzformen. IuK-Technologien sind die modernen Büros von heute. Sie werden als Werkzeuge verwendet, um räumliche Flexibilität in einem effizienten Sinn zu nutzen, z.B. indem bei der Fahrt zur Arbeit in der U-Bahn berufliche E-Mails bearbeitet werden oder indem für konzentriertes Arbeiten das Home-Office als Arbeitsort gewählt wird. Voraussetzung sind lediglich das Vorhandensein von mobilen Geräten (Notebook, Smartphone) sowie ein Internetzugang. Im Zuge der Nutzung Digitaler Medien entstehen virtuelle Arbeitsräume, welche als virtuelle Kontakt- und Kommunikationsräume, virtuelle Präsentationsräume, virtuelle Informations- und Lernräume sowie virtuelle Kooperationsräume beschrieben werden können. Virtuelle Arbeitsräume sind aufgrund ihres immateriellen Charakters hochflexibel und mobil, was sich im raschen Wechsel von Räumen und im gleichzeitigen Aufenthalt in unterschiedlichen, sich teilweise überlagernden Räumen („Multipräsenz“, Geißler 2004, S. 150) zeigt. Raum stellt sich im Kontext von Digicom-Arbeit als „space of flows“ im Sinne Manuel Castells dar. Orte werden durch die Nutzung von IuK-Technologien verknüpft (vgl. Castells 1994, S. 127). Weltweit können auf einfache Art und Weise Kontakte gepflegt oder neu geknüpft bzw. Projekte durchgeführt oder ganze Unternehmen aus geografischer Entfernung geleitet werden. Durch die grenzüberschreitende Kommunikation mit IuK-Technologien kommt es zu einer wahrgenommenen Verringerung von Distanzen.

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5.

6.

7.

8.

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Echtzeitkommunikation im Internet ermöglicht neue Formen der Präsenz. Bei der medialen Kopräsenz sind Personen in einem Hybrid aus physischem Präsenzraum und virtuellem Kommunikationsraum anwesend (vgl. Linz/Willis 2011, S. 149). Audio-, Video- und Onlinekonferenzen sind gebräuchliche Tools der Digicom-ArbeiterInnen, um ressourcensparend Meetings durchzuführen bzw. Zusammenarbeit über geografische Distanzen hinweg zu ermöglichen. Werden mediale Grenzen nicht mehr als Begrenzungen wahrgenommen, kann von „Immersion“, dem Eintauchen in virtuelle Welten, gesprochen werden. Dies kann bei Telepräsenzlösungen der Fall sein, wenn es zur Illusion einer Face-to-Face-Kommunikation kommt. Durch virtuelle StellvertreterInnen bzw. Statusanzeiger wird die eigene Präsenz im virtuellen Raum in Form eines virtuellen Ichs sichtbar. Zeit zeigt sich im Kontext von Digicom-Arbeit als beschleunigt, entgrenzt und flexibilisiert sowie einem ökonomischen Kalkül unterworfen. Hinsichtlich der Entgrenzung und Flexibilisierung entsprechen die Zeitphänomene der von Castells für die Netzwerkgesellschaft konstatierten „timeless time“ (Castells 1996, S. 429ff). Flexible Arbeitszeitmodelle sind für die Mehrheit der Digicom-ArbeiterInnen Realität. Auch Digicom-ArbeiterInnen mit fix vereinbarten Arbeitszeiten weisen eine große Bereitschaft auf, Mehrarbeit zu leisten bzw. auch außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit für berufliche Belange erreichbar zu sein, was zu einer Entgrenzung von Arbeitsund Nichtarbeitszeiten beiträgt. Sind Arbeitszeiten selbst wählbar, spielen in den meisten Fällen Effizienzüberlegungen eine Rolle, um die Leistungsfähigkeit optimal auszunutzen. Digicom-ArbeiterInnen mit Kindern organisieren ihren Tagesablauf jedoch sofern möglich mit Rücksicht auf die Familie, z.B. indem abends ein paar Stunden für die Kinder eingeplant werden, um nachts weiterzuarbeiten. Die verkürzten Kommunikationswege durch Verwendung von E-Mail und Smartphones sowie die (durch die Nutzung von IuK-Technologien nahegelegte) Arbeitsweise des Multitaskings tragen zur Beschleunigung von Arbeitsprozessen bei, welche einer Vergleichzeitigung von Tätigkeiten bzw. der Gleichzeitigkeit von Verschiedenem entspricht. Zeiteffizienz ist ein wichtiger Maßstab im Arbeitsalltag von DigicomArbeiterInnen. IuK-Technologien sind die Werkzeuge des effizienten

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Menschen. Sie werden einem ökonomischen Kalkül, einer KostenNutzen-Kalkulation unterzogen und je nach Effizienzversprechen eingesetzt. 10. Die Ergebnisse aus der Interviewstudie finden sich großteils in der Online-Umfrage bestätigt: Das Überwinden von zeitlichen und räumlichen Begrenzungen durch die Nutzung Digitaler Medien ist auch für die Befragten der allgemeineren Stichprobe im Bereich mediatisierter Arbeit relevant. Ebenso ist Effizienz ein wichtiger Maßstab und Wert für die online Befragten. Lediglich die Nutzung immersiver Technologien ist für die Online-Stichprobe von geringerer Bedeutung als für die Digicom-ArbeiterInnen. Daraus kann geschlossen werden, dass immersive Technologien vor allem in Tätigkeitsfeldern mit hohem virtuellem Arbeitsanteil Verwendung finden, wie es bei den DigicomArbeiterInnen der Fall ist.

6. Chancen, Potenziale, Risiken und Gefahren

Mediatisierte Arbeit ist stark von Ambivalenzen geprägt, wie in den theoretischen Ausführungen bereits gezeigt wurde. Ausschlaggebend für die Wahrnehmung der „,riskanten Chancen‘“ (Lohr/Nickel 2005, S. 211) der Nutzung Digitaler Medien im Sinne von Potenzialen oder Herausforderungen sind neben den Rahmenbedingungen der handelnden Subjekte und deren individuellen Aneignungsweisen die konkreten Situationen (vgl. Theunert 2008, S. 302). Zum Beispiel wickelt eine 30-jährige Produktmanagerin, die ein virtuelles Team leitet, den Großteil der Teamkommunikation über Instant Messenger ab und sieht diese Technologie als unverzichtbares Tool. In Situationen, in denen sie konzentriert an etwas arbeitet, stört es sie jedoch, wenn sie Anfragen über den Instant Messenger aus der Arbeit herausreißen. (Vgl. IV 02, 0099; 0113). Wichtig ist, dass in Zusammenhang mit der Nutzung von Medien nicht von (eindeutigen) Wirkungen gesprochen werden kann. Vielmehr stellen Medien, korrespondierend zum Ansatz der Mediatisierung, Potenziale bzw. einen Möglichkeitsraum bereit, welcher unterschiedlich gestaltbar ist. Freilich ist das handelnde Subjekt dabei nicht frei von Einflüssen, Begrenzungen oder Ressourcenfragen, sondern es handelt im Rahmen eines existierenden Kontextes.1 Dieser Kontext wird für das Beispiel der Digicom-Arbeit stark von unternehmerischen und neoliberalen Strukturen geprägt, aber auch der biografische Hintergrund der Digicom-ArbeiterInnen spielt eine Rolle, wie noch gezeigt werden wird.

1

Siehe Kapitel 1.2 „Der Metaprozess Mediatisierung“.

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Im Folgenden werden die Potenziale und Herausforderungen mediatisierter Arbeitswelten aufgezeigt, wobei – entsprechend der zentralen Fragestellung der Studie – wiederum auf die Phänomene Raum und Zeit fokussiert wird. Dabei wird vorrangig auf die Ergebnisse des qualitativen Studienteils zurückgegriffen. Kontrastierend werden die Resultate der OnlineUmfrage dazu in Beziehung gesetzt. In der Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“ ist das Kapitel 6 dem Bereich „Kontext und intervenierende Bedingungen“ zuordenbar.2 Es sind dies die Effekte der Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten, welche „entweder fördernd oder einengend auf die Handlungs- und interaktionalen Strategien“ (Strauss/Corbin 1996, S. 82) des effizienten Menschen wirken.3 Die Gegenüberstellung von Potenzialen und Herausforderungen, gereiht nach ihrer empirischen Relevanz4, zeigt, dass den größten Chancen die gleichen Phänomene mediatisierter Arbeit zugrunde liegen wie den größten Risiken. So stellte sich einerseits effiziente Kommunikation und Organisation als wesentlicher Vorteil der Digitalen Medien heraus, gleichzeitig bedeutet der effiziente Umgang mit der Komplexität von Kommunikation die größte Herausforderung. Diese Ambivalenz betrifft auch die weiteren Potenziale und Herausforderungen, was die widersprüchliche Situation im Umgang mit IuK-Technologien und deren Bedeutung unterstreicht. Andererseits ist dies ein Beleg dafür, dass weniger die konkreten Chancen und Risiken von theoretischer Relevanz sind – denn diese changieren wie erwähnt je nach Anlass, Person und Kontext –, sondern vielmehr die Phänomene an sich, welche sich unterschiedlich entfalten können.

2

In der Grafik zur Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“ (siehe Abbildung 7) wurden die Potenziale und Herausforderungen mediatisierter Arbeit aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht berücksichtigt. Diese können jedoch als den Raumund Zeitphänomenen mediatisierter Arbeitswelten inhärent angesehen werden.

3

Dabei ist erneut zu betonen, dass diese Effekte keine monokausalen Zusammenhänge beschreiben, sondern sich in der Empirie kontextabhängig sehr unterschiedlich darstellen.

4

Die Reihenfolge der Unterkapitel wurde in den Kapiteln 6.1 und 6.2 anhand der empirischen Relevanz der Phänomene nach abnehmender Bedeutung festgelegt. Als Maßstab dafür wurden sowohl die Ergebnisse der Interviewstudie als auch jene der Online-Umfrage herangezogen.

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6.1 R AUM - UND Z EITPHÄNOMENE MEDIATISIERTER ARBEITSWELTEN : P OTENZIALE Sowohl die qualitativen als auch die quantitativen Studienergebnisse deuten darauf hin, dass von den StudienteilnehmerInnen stärker die Chancen als die Risiken der Nutzung Digitaler Medien wahrgenommen werden. Dies ist nicht überraschend. Sowohl die Mehrzahl der Digicom-ArbeiterInnen (alle bis auf zwei) als auch die Mehrheit der online Befragten (94 Prozent) gaben an, dass IuK-Technologien für ihre Arbeit unverzichtbar seien. Folgende Aussage einer 30-jährigen Produktmanagerin belegt dies auf anschauliche Weise: „Also ich kann nicht leben ohne Instant Messaging, E-Mails, diese Tools und Browser, weil darin lebt meine Applikation, mein Produkt.“ (IV 02, 0179). Den Relevanzstrukturen der GesprächsteilnehmerInnen folgend, werden zuerst die Potenziale der Mediennutzung besprochen. Diese lassen sich mit Fokus auf die oben erörterten Raum- und Zeitphänomene in drei Thesen zusammenfassen: 1. IuK-Technologien leisten mit ihrer beschleunigenden und rationalisierenden Funktion einen Beitrag zu effizienter Arbeitskommunikation und -organisation. 2. Digitale Medien fördern die Unabhängigkeit in Bezug auf Raum und Zeit. 3. IuK-Technologien werden genutzt, um Arbeitsabläufe transparenter zu gestalten. 6.1.1 Effiziente Kommunikation und Organisation Die Auswahl der Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“ spiegelt die hohe Bedeutung wider, die die Digicom-ArbeiterInnen ebenso wie die online Befragten dem Wert „Effizienz“ beimessen. Korrespondierend dazu und untermauert durch die Resultate aus Online-Umfrage und Interviewstudie sind die effiziente Kommunikation und Organisation als wichtigste Chancen der Nutzung von IuK-Technologien zu betrachten.

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„Kommunikationsökonomie“ Eine der meist vergebenen und damit bedeutendsten Kategorien in der Auswertung der qualitativen Interviews war jene der „schnellen Kommunikationswege“. Die Digicom-ArbeiterInnen streben nach einem möglichst raschen Austausch von Informationen. Dazu ist es nötig, für die jeweiligen Kommunikationssituationen die passenden Kanäle bzw. Technologien auszuwählen. Ein 41-jähriger Unternehmer hatte sich zum Zeitpunkt der Interviewführung gerade ein iPad zugelegt und war damit im Juli 2010 einer der ersten in Deutschland, der darüber verfügte.5 „[…] du machst es an und bist sofort drinnen. Du klickst dann auf E-Mails, und der aktualisiert sich sofort, und du kannst sofort arbeiten, sofort checken. Das ist noch viel schneller als ein Mobiltelefon“ (IV 04, 244), erläutert er den Zeitgewinn durch die Verwendung des Geräts. Für einen 37-jährigen Sales- und Marketingmanager ist das Smartphone das bevorzugte Tool, mit dem er Kommunikationsvorgänge effizient gestalten kann. Er hat sein Team instruiert, ihm klar strukturierte E-Mails zu schicken, welche er ganz knapp, am besten nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann. Dies kann er von überall aus nebenbei mit seinem Smartphone erledigen (vgl. IV 01, 0043). „Das ist einfach, dass ich das nur mit dem BlackBerry, mit einem ‚Ok‘ auch während dem Autofahren bestätigen kann, damit wir viel schnellere Entscheidungswege haben, damit wir keinen Zeitverlust haben in der Administration“ (IV 01, 0051), schildert er den Nutzen der von ihm eingeführten Kommunikationsstruktur. Ein weiterer Gesprächspartner erklärt an einem anderen Beispiel, wie anhand des Smartphones durch die schnellen Reaktionsmöglichkeiten Zeit und Geld gespart werden kann: „Und anderseits, dadurch, dass wir eben [nennt Geschäftszweig] betreiben, die weltweit relevant ist, kann es passieren, dass in der Nacht etwas schief geht und dann ist es halt blöd, wenn der [Techniker, C. R.-E.] erst einmal seinen Rechner anmachen muss, damit er Mails lesen kann. Wenn der einen Störfall behebt, der vielleicht in die 100.000 Euro Schaden gehen kann, was soll das, dass ich ihm dann für 100 Euro

5

Verkaufsstart in Deutschland: 28.05.2010 (Quelle: MacLife: „28. Mai 2010: iPad-Verkaufsstart in Deutschland und der Schweiz“, Artikel vom 28.05.2010, online unter: http://www.maclife.de/iphone-ipod/ipad/28-mai-2010-ipad-ver kaufsstart-deutschland-und-der-schweiz [22.09.2014]).

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ein iPhone spendiere. Das rechnet sich mit einem Schadensfall, den der behebt auf Jahre.“ (IV 10, 437).

Die Zitate belegen exemplarisch die kommunikationsökonomischen Überlegungen, welche dem Einsatz von Technologien in diesen Kontexten zugrunde liegen. Ein weiteres Beispiel für effiziente Kommunikation ist der Einsatz von Konferenzlösungen – sei es, um Reisekosten einzusparen (vgl. IV 04, 380; IV 20, 276) oder auch um im selben Gebäude zeitökonomisch zu kommunizieren. So berichtet ein 42-jähriger Universitätsprofessor von Telefonkonferenzen, die er in seinem Team durchführt, um gemeinsame Termine zeitsparend vereinbaren zu können (vgl. IV 18, 046). Auch das Erledigen von zeitaufwändigeren Telefonaten während längerer Autofahrten ist, wie in Kapitel 5.2.3 bereits erläutert, Effizienzüberlegungen geschuldet. Im Büro zu telefonieren, sei ineffizient, drückt es der 37-jährige Sales- und Marketingmanager aus. Beim Autofahren hätte er ohnedies „nichts Besseres zu tun“ (IV 01, 327; ähnlich auch IV 10, 633; IV 16, 1064). Zur effizienzsteigernden Infrastruktur von Unternehmen gehören die bereits erwähnten Ticketing-Systeme, welche genutzt werden, um die Abläufe im Team zu standardisieren und damit zu beschleunigen. „Wenn alles richtig funktionieren soll, dann sollst du nicht persönlich herumkommunizieren mit den Leuten“ (IV 06, 212), beschreibt ein 33-jähriger Security Spezialist den Effizienzgewinn, welchen das in seinem Unternehmen verwendete Ticketing-System bringe. Alltägliche Prozesse persönlich zu besprechen, würde einen erheblichen Mehraufwand bedeuten. Häufige Verwendung findet vor allem in globalen Unternehmen und virtuellen Teams die Chat-Funktion von Instant Messengern. Diese bietet nicht nur unkomplizierte, rasche Kommunikationsmöglichkeiten, sondern lässt es auch zu, sich während des Chattens Links oder Dokumente zu schicken, um diese dann unverzüglich zu besprechen (vgl. IV 07, 106). Der Chat ist, wie es ein Interviewpartner ausdrückt, ein „nicht flüchtiger Informationsträger“ (IV 10, 385). Das heißt, dass Chat-TeilnehmerInnen, die in eine laufende Kommunikation einsteigen, sich anhand des Chatprotokolls sofort einen Überblick über den Kommunikationsstrang verschaffen können. Zudem kann das Chatprotokoll kopiert und beliebig weiterverwertet, beispielsweise in Form eines E-Mails weiterversendet werden, wie ein Digicom-Arbeiter erklärt. Aus diesem Grunde wäre der Chat besonders gut geeignet für Störungsbehebungen im IT-Support-Bereich. (Vgl. IV 10, 385;

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ähnlich auch IV 02, 0479; IV 07, 106; IV 11, 026). Eine Digicom-Arbeiterin berichtet, dass das Chat-Programm in ihrem Unternehmen auch zur privaten Kommunikation – zum so genannten „Büroplausch“ – genutzt werde. Da sie in einem Großraumbüro sitzt und von einer Koje umgeben ist, wäre dies die einfachste Variante, mit ihren KollegInnen in Kontakt zu treten. Würde sie ein Gespräch face-to-face führen wollen, müsste sie aufstehen und zu dem anderen Arbeitsplatz gehen. So kann sie sich unterhalten, ohne ihren Arbeitsplatz zu verlassen (vgl. IV 19, 0222-0226; 0318). Ohne den Chat könnte die junge Frau nicht so einfach zwischendurch „plaudern“, weshalb die Interpretation naheliegt, dass der Chat in ihrem Fall die Pflege von persönlichen Beziehungen am Arbeitsplatz begünstigt. Die hohe Bedeutung effizienter Kommunikation für die Digicom-ArbeiterInnen wurde in der Online-Umfrage durch die allgemeinere Stichprobe von Berufstätigen, welche für ihre Arbeit Digitale Medien (in nicht vordefinierter Intensität) verwenden, bestätigt. Neun von zehn Befragten stimmten der Aussage „Mittels Neuer Medien kann ich meine berufliche Kommunikation effizient gestalten, z.B. durch schnelle Kommunikationswege“ vollständig bzw. teilweise zu. Damit erwies sich die effiziente Kommunikation bei der Online-Stichprobe als bedeutendster Vorteil der Nutzung von Digitalen Medien. Koordination und Ordnung IuK-Technologien ermöglichen nicht nur schnelle Informations- und Kommunikationswege, sondern schaffen durch ihre vereinheitlichenden Strukturen auch Überblick und helfen, komplexe Teamarbeiten in geografisch zerstreuten Arbeitsgruppen zu koordinieren und auf diese Weise die Effizienz der Arbeit zu erhöhen. Die oben erwähnten Ticketing-Systeme sind Beispiele für Tools, welche dies leisten können. Auch Knowledge-Management-Systeme, Agenturverwaltungs-, Versionsverwaltungssysteme und das Intranet werden von den Digicom-ArbeiterInnen als Werkzeuge genannt, welche zur Organisation von Arbeit herangezogen werden. Je nach Kontext und Bedarf werden unterschiedliche technologische Lösungen und Kommunikationskanäle eingesetzt. Ein Digicom-Arbeiter verwendet für die virtuelle Zusammenarbeit mit seinem Team so genannte kollaborative Software. Er erklärt deren Funktionsweise wie folgt:

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„Wenn ich ein Teammitglied berechtige, dass der editieren darf, dann kann der in meinem digitalen Projektraum mitarbeiten. Ich kann dann noch an so einen digitalen Projektraum einen Kalender anhängen, Task-Listen, Info-Channel. Ich habe mit meiner Assistenz einen gemeinsamen Raum, da pflegt sie meine Reisekosten drinnen und so, hängt mir da noch Links ein, wenn ich welche brauche, macht Announcements, was ich ganz witzig gefunden habe, z.B. hat sie mir reingeschrieben, ab wann ich wo wohne.“ (IV 10, 729).

Der Gesprächsteilnehmer – er bezeichnet sich als besonders ordnungsliebend – findet in diesem „Raum“, dem virtuellen Kooperationsraum, sämtliche Informationen, die er zu einem bestimmten Projekt benötigt, und kann ortsunabhängig darauf zugreifen, genauso wie die von ihm eingeladenen Teammitglieder. IuK-Technologien kommen seinem Bedürfnis nach Struktur und Ordnung entgegen, wie er am Beispiel des von ihm angestrebten papierlosen Büros erläutert: „Ich versuche schon mein Arbeitsuniversum in meinem Notebook abzubilden. Zwangsneurosen, was Ordnung anbelangt, die finden sich auch da wieder“ (IV 10, 661), so der Digicom-Arbeiter. Papier belaste, formuliert es ein 43-jähriger Unternehmensberater beispielhaft für viele andere Interviewte, denn es könne schnell verloren gehen. Digitale Informationen ließen sich viel einfacher auffinden (vgl. IV 11, 662). Zudem könnten diese beliebig weiterverwertet werden, indem sie z.B. per E-Mail jemandem als Aufgabe delegiert werden bzw. indem sie in Ordner abgelegt oder als Notiz abgespeichert werden, wie ein 41-jähriger Unternehmer ergänzt (vgl. IV 04, 342). Er hat alle Führungskräfte in seinem Unternehmen mit einer MindMap-Software ausgestattet, damit sie Ideensammlungen und Konzepte digital erstellen können (vgl. IV 04, 350352), und auf Papier weitestgehend verzichtet werden kann. Die Koordination in Teams wird durch die Verwendung von digitalen Gruppenkalendern, auf die ganze Arbeitsbereiche, teilweise auch das ganze Unternehmen, zugreifen können, zusätzlich erleichtert. Diese Tools werden mit einer Ausnahme (IV 02) in allen größeren Unternehmen der InterviewStichprobe verwendet. Sie erlauben es, Einladungen zu Terminen auszuschicken bzw. sich gegenseitig Termine in den Kalender einzutragen, sofern der Termin nicht bereits blockiert ist. Eine 25-jährige Projektmanagerin erklärt, wie die Kalenderverwaltung in ihrem Unternehmen funktioniert:

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„Da kannst du so ein Fenster öffnen, da kannst du dann einen Termin eintragen, und du kannst bestimmen: ‚xyz soll noch dabei sein‘. Das kannst du dann hinzufügen. Vorher kannst du schon Leute anzeigen, die zu dem Termin Zeit haben, den du haben möchtest, trägst den Termin ein mit den Leuten, die dabei sein sollen und den Raum. Dann erinnert dich das Programm auch zehn Minuten bevor der Termin stattfindet, dass du in zehn Minuten einen Termin hast, wo der ist und mit wem. Und dann kann man eben diese Termine, wenn andere Leute einem einen Termin eintragen, kann man sagen, man nimmt daran teil, oder man weiß es noch nicht oder man hat keine Zeit. Also man kann auch absagen.“ (IV 05, 068).

Würden Termine per E-Mail oder telefonisch vereinbart werden, würde schon die Vereinbarung – je nachdem wie viele Personen an den Treffen teilnehmen sollen – einen erheblichen Mehraufwand bedeuten (vgl. IV 05, 100). Die Terminverwaltungssoftware, welche auch mit dem Smartphone synchronisierbar ist und damit mobil genutzt werden kann, hilft so, die Kommunikation und Koordination im Unternehmen effizient zu gestalten (vgl. ebd.). Einen wichtigen Stellenwert in der Arbeitsorganisation von Digicom-ArbeiterInnen nimmt die Verwaltung von E-Mails ein. Der Posteingang hat für viele die Funktion einer Task-Liste, implizieren doch die meisten E-Mails ein „To-do“ (vgl. IV 04, 338; IV 12, 343; IV 13, 601). Zahlreiche Digicom-ArbeiterInnen lassen sich vom E-Mailprogramm bzw. anderer Terminverwaltungssoftware an anstehende Aufgaben und Termine erinnern und benutzen die Software als interaktive To-do-Liste (vgl. u.a. IV 01, 1695). Für einen Digicom-Arbeiter ist sein E-Mailprogramm gleichbedeutend mit einem externen Gedächtnis. „,Aus dem Outlook, aus dem Sinn‘ – bei mir ist ‚Aus dem Posteingang, aus dem Sinn‘“ (IV 08, 558), so der Gesprächsteilnehmer. Das Zitat ruft McLuhans These von Medien als Erweiterung des Menschen ins Gedächtnis. Auch bezüglich der Möglichkeit, IuK-Technologien in Hinblick auf Koordination und Ordnung zu nutzen, stimmen die Ergebnisse aus den Interviews mit jenen der Online-Umfrage überein. So erwies sich bei der Online-Stichprobe das Ordnung halten durch Neue Medien als zweitwichtigster Vorteil nach der effizienten Kommunikation. Knapp drei Viertel der Befragten gaben an, dass die Nutzung Neuer Medien ihnen hilft, bei der Arbeit Ordnung zu halten, und mehr als jede zweite Person (54 Prozent) ist der Meinung, Neue Medien würden durch die Nutzung von online Grup-

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penkalendern, automatische Kalendererinnerungen usw. die Zeitplanung erleichtern. 6.1.2 Orts- und Zeitsouveränität „Der Grund, solche Medien zu verwenden, ist für mich, überhaupt flexibel zu sein. Sowohl in Bezug auf Ort und Zeit, weil ich zwei Kinder habe und Teilzeit beschäftigt bin, aber trotzdem in [nennt ihr Fachgebiet, C. R.-E.] immer am Ball bleiben musste, auch damals, als die Kinder noch sehr klein waren.“ (IV 20, 020).

Die 45-jährige Wissenschaftlerin hat diese Aussage gleich zu Beginn des Interviews getätigt, als ich sie nach ihrer Mediennutzung bei der Arbeit fragte. Das Zitat steht exemplarisch für örtlich und zeitlich ungebundenes Arbeiten, welches durch die Nutzung von IuK-Technologien gefördert wird. Die Wissenschaftlerin widmete auch ihre am Ende des Interviews angefertigte Visualisierung (zur Frage „Was bedeuten Neue Medien für meine Arbeit?“) diesem Aspekt, was die Bedeutung Digitaler Medien für ihre Flexibilität noch unterstreicht (siehe Abbildung 15). IuK-Technologien verhelfen der Digicom-Arbeiterin dazu, sich ortsund zeitsouverän in privaten und beruflichen Lebensbereichen aufzuhalten, wie sie in der Erklärung zu ihrem Bild erläutert: „[…] ich muss mich nicht unbedingt zur Uni begeben um zu arbeiten, und ich muss auch teilweise nicht nach Hause fahren um zu wissen, was dort passiert, weil auch meine Kinder mich natürlich über E-Mail erreichen oder über SMS oder sonst irgendwie.“ (IV 20, 799).

Diese Flexibilität ist in ihrer Zeichnung durch die beiden einander überlappenden Kreise „Uni-Arbeit“ und „Familie“ symbolisiert. Die Schnittfläche bilden für sie die Digitalen Medien, welche die Integration der beiden Lebenssphären ermöglichen (vgl. IV 20, 795).

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Abbildung 15: Flexibilität durch Digitale Medien

Quelle: Visualisierung einer 45-jährigen Wissenschaftlerin

Ein weiteres Beispiel dafür, wie der Gebrauch von IuK-Technologien die Handlungsmöglichkeiten der Digicom-ArbeiterInnen erweitert, ist die Möglichkeit zur Zusammenarbeit im virtuellen Raum. Dabei werden Reisekosten gespart, und auch der Zeitaufwand für die Organisation von Meetings und die Reiseplanung fällt weg. „Heute kann man sagen: ‚Pass auf! Ich schick es dir rüber. Lies es dir in Ruhe durch! Wir hören uns in zwei Stunden am Telefon.‘ Das ist der übliche Gang eigentlich von irgendwelchen Abmachungen, wo man früher über die Sekretariate Termine vereinbart hätte“ (IV 14, 627), erläutert eine Digicom-Arbeiterin den Vorteil von raumüberwindenden Technologien. Teams, ja ganze Unternehmen, können von unterschiedlichen Standorten aus zusammenarbeiten bzw. geleitet wer-

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den.6 Auf diese Weise entstehen virtuelle Bürogemeinschaften. „[…] ich gehe da nie ganz weg von den Kommunikationsmitteln“, sagt eine 30-jährige Produktmanagerin, die von Österreich aus ein virtuelles Team in Osteuropa leitet, „[…] das wäre jetzt so, als wenn ich nicht im Büro wäre, wenn ich dann auf einmal nicht mehr greifbar wäre“ (IV 02, 0095). Die Aussage verweist auf die Existenz eines virtuellen Kooperationsraumes, den sie sich mit ihren MitarbeiterInnen teilt. Ohne IuK-Technologien wäre es ihr nicht möglich, aus geografischer Entfernung das Team zu leiten – das Unternehmen müsste örtlich völlig neu strukturiert werden. Trotz der funktionierenden virtuellen Zusammenarbeit reist sie in regelmäßigen Abständen von ein paar Monaten nach Osteuropa zu ihrem Team, um persönlich nach dem Rechten zu sehen (vgl. IV 02, 0745; 0757). Ihr wichtigstes Werkzeug auf diesen Reisen ist das Notebook, das gewährleistet, dass sie ihr „Büro“ mit hat. „[…] wenn ich den nicht mithabe, dann habe ich nichts“ (IV 02, 0387), betont sie die essenzielle Bedeutung des Gerätes für das mobile Arbeiten (vgl. auch IV 07, 022). Ein weiteres Beispiel für erweiterte Handlungsmöglichkeiten liefert ein 43-jähriger Unternehmensberater, der seine Seminare im Internet abhält. Er ist dadurch nicht darauf angewiesen, dass die Seminarorte geografisch gut erreichbar sind, und kann seinen Aktionsradius erweitern (vgl. IV 11, 896). Die raumüberwindende Funktion der IuK-Technologien zeigt sich auch im Bereich der beruflichen oder privaten Vernetzung und Kontaktpflege. Auf unkomplizierte Weise können via Social Networks, E-Mail und Videochat Kontakte weltweit hergestellt bzw. aufrechterhalten werden, sei es zu GeschäftspartnerInnen oder zur „alten“ Heimat, wie in Kapitel 5.1.2 geschildert wurde. Für eine 33-jährige Unternehmerin, die ihr österreichisches Unternehmen von den USA aus leitet, sind Digitale Medien „so ein Stück weit Freiheit“ (IV 16, 1120), da sie mit deren Hilfe ihren bevorzugten Wohnort genauso wie ihr Unternehmen behalten kann und sich nicht zwischen den beiden Fixpunkten entscheiden muss. Während sie als Unternehmerin viel reist, um die virtuellen Kontakte durch Face-to-Face-

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Timo Saari, Niklas Ravaja und Jari Laarni (2005) sehen IuK-Technologien als Brücken zur Überwindung von räumlichen und zeitlichen Begrenzungen. Analog zu dieser Sichtweise bezeichnen sie die Menschen, welche mithilfe von Digitalen Medien raum- und zeitüberwindende Erfahrungen machen, „time-space travelers“ (ebd., S. 13).

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Begegnungen zu ergänzen, streben andere Digicom-ArbeiterInnen danach, Reisetätigkeiten so gut wie möglich zu vermeiden. Durch die Nutzung von E-Mail, Konferenzlösungen und kollaborativer Software ist die Möglichkeit dazu gegeben (vgl. IV 14, 623). Digitale Medien erweisen sich aber auch im familiären Umfeld als vorteilhaft, um sowohl Arbeitsort als auch -zeit souverän bestimmen zu können. Wie in Kapitel 5.2.1 gezeigt wurde, gestalten Digicom-ArbeiterInnen mit Kindern im betreuungspflichtigen Alter ihre Arbeitszeit – sofern diese gestaltbar ist – mit Rücksicht auf ihre Familie. IuK-Technologien sind die „Enabler“ dieser örtlichen und zeitlichen Flexibilität. Sie ermöglichen es, mit den Worten einer Wissenschaftlerin mit zwei schulpflichtigen Kindern, „eben dann arbeiten zu können, wann ich gerade am besten kann. Wie es am besten in den Rest meines Lebens hineinpasst“ (IV 20, 680). Dies trifft auch auf einen 33-jährigen Security Spezialisten zu. Er versucht, abends früher zuhause zu sein, um seine zwei Kinder noch für ein paar Stunden zu sehen (vgl. IV 06, 108). „Ja, und dann, wenn noch etwas zu tun ist, steige ich ein auf den Firmenlaptop und kann arbeiten, als wäre ich in der Firma“ (IV 06, 116), so der Digicom-Arbeiter. Ohne entsprechende Technologien müsste er seine Arbeit im Firmengebäude fertig machen und könnte erst später zuhause bei seinen Kindern sein (vgl. auch IV 01, 0671; IV 04, 183; IV 17, 323). Ein weiterer Vorteil der Orts- und Zeitsouveränität ist, dass so gearbeitet werden kann, wie es dem Biorhythmus entspricht. Dadurch nutzen die Digicom-ArbeiterInnen ihre Produktivität effizient aus. Das gilt auch für die generelle Wahl des Arbeitstages. So kann mithilfe von Notebook und mobilem Internet die Arbeit etwa auch am Wochenende spontan von zuhause aus erledigt werden (vgl. IV 20, 638). Einige der Interviewten sehen es positiv, dass sie durch Smartphone und Laptop auch in der Freizeit ihre beruflichen E-Mails abrufen können – vor allem betrifft dies diejenigen mit freier Orts- und Zeiteinteilung, wie etwa einen männlichen Digicom-Arbeiter. Abends muss er noch E-Mails abarbeiten, denn es erreichen ihn noch viele Nachrichten zwischen 17 und 19 Uhr. Dies könne er bequem von zuhause aus tun und müsse deshalb nicht den ganzen Abend im Büro bleiben (vgl. IV 08, 172). Auch eine weitere Digicom-Arbeiterin sieht es positiv, dass sie via Smartphone während des Urlaubes ihre E-Mails checken kann. Zum einen bleibt sie so über wichtige Vorgänge informiert, zum anderen erspart sie sich die Situation,

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„dass man, wenn man aus dem Urlaub wiederkommt, […] erstmal 300 E-Mails zur Seite räumen muss“ (IV 14, 281; vgl. IV 04, 075).7 In der Online-Umfrage lag die durch IuK-Technologien geförderte örtliche und zeitliche Flexibilität an dritter Stelle der Vorteile Neuer Medien nach jenen der effizienten Kommunikation (Rang 1) und Organisation (Rang 2). Mehr als 70 Prozent gaben an, durch die Nutzung der Technologien flexibler in Bezug auf Arbeitsort und/oder -zeit zu sein, was den hohen Stellenwert Digitaler Medien für flexibles Arbeiten hervorhebt. 6.1.3 Transparenz Wie in Kapitel 2.2 erörtert, erfordert Arbeit im virtuellen Raum neue Formen der Sichtbarkeit und Präsenz. Mit der Nutzung spezieller Software, Anwendungen und Tools kann die Transparenz von Arbeitsleistungen bzw. von An- und Abwesenheiten digital hergestellt werden. Dies ist vor allem in virtuellen oder geografisch verstreuten Teams, aber auch in großen Unternehmen relevant, wo Kontaktmöglichkeiten face-to-face fehlen oder die Vielzahl an MitarbeiterInnen den Überblick erschwert. Mittels Digitaler Medien kann diese Sichtbarkeit im virtuellen Raum simuliert und ein „being busy“ (Goll 2008, S. 230) demonstriert werden. Die folgenden Beispiele zeigen, dass die diesbezüglichen Nutzungsweisen vor allem der Steigerung von Effizienz dienen. In Kapitel 5.1.3 „Erweiterte Präsenzformen“ wurde bereits auf die Bedeutung von Präsenzinformationen im Instant Messenger als Repräsentanten eines virtuellen Ichs hingewiesen. Sie zeigen an, ob sich jemand an seinem Arbeitsplatz befindet, für Anfragen erreichbar ist oder nicht gestört werden darf, und sorgen damit für die Transparenz von An- und Abwesenheiten bzw. von Erreichbarkeiten. Im (internationalen) Unternehmen einer Digicom-Arbeiterin ist der Instant Messenger mit dem E-Mailprogramm so gekoppelt, dass der Präsenzstatus aus dem Instant Messenger auch bei den E-Mails der AdressatInnen und AbsenderInnen aus demselben Unternehmen sichtbar ist. Sie findet dies sehr hilfreich, „weil man auch ein bisschen nachvollziehen kann, ist der in [Name einer Großstadt] da, oder ist der jetzt gerade online, also sitzt er im Büro, ist der vielleicht gerade auf Kaffee-

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Diese Vermischung von Lebensbereichen wird jedoch gleichzeitig als Herausforderung wahrgenommen, wie in Kapitel 6.2.2 noch gezeigt werden wird.

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pause, auf der Toilette oder in einem Meeting.“ (IV 19, 0198). Ähnlich wie sie gibt ein 33-jähriger Security Spezialist an, dass in seinem Unternehmen der virtuelle Kalender im E-Mailprogramm mit dem Instant Messenger verknüpft sei, sodass der Instant Messenger automatisch die Präsenzinformationen „busy“ oder „out of office“ anzeigen würde, sobald man einen Termin eingetragen hat (vgl. IV 06, 190). Die Präsenzinformation erübrigt es, in einem Büro vorbeizuschauen, ob jemand gerade da ist, bzw. KollegInnen zu fragen, wo sich die Person befinde oder wann sie zurückkäme. Ein Digicom-Arbeiter formuliert die Vorteile von Instant Messengern wie folgt: „So ein Chat ist halt schon einfach dezent. Man sieht: Kann der überhaupt? Oder das Ding zeigt auch an ‚In a callµ, also man sieht auch ob jemand telefoniert. Man kann schon abschätzen, stört man jetzt gerade oder nicht? Wie schnell kommt eine Antwort?“ (IV 10, 397).

Das Zitat liefert einen erneuten Hinweis auf das Streben nach Kommunikationsökonomie. Angesichts des Erfordernisses, effizient und schnell zu kommunizieren, ist es hilfreich zu wissen, ob und wann vom Gegenüber eine Antwort zu erwarten ist (vgl. auch IV 19, 0206). Einen Extremfall für virtuelle Transparenz stellt das Beispiel einer Digicom-Arbeiterin dar, die an einer Hotline arbeitet. Dazu sitzt sie mit mehreren KollegInnen in einem Großraumbüro und blickt – genauso wie ihre KollegInnen – auf eine Beamerwand. Auf diese ist das Statusprotokoll der Telefonanlage projiziert, sodass alle MitarbeiterInnen ständig den Überblick darüber haben, „wer telefoniert momentan, wer ist gerade verfügbar, wer ist gerade in diesem Work-Modus, zur Nachbearbeitung z.B., und wer ist gerade nicht verfügbar“ (IV 19, 0104). Damit kann z.B. verhindert werden, dass zu viele Leitungen unbesetzt bleiben, wenn sich mehrere Personen zeitgleich vom Arbeitsplatz entfernen, sei es um zu einem Meeting zu gehen oder um eine Pause zu machen (vgl. IV 19, 0156). Müsste sich die Digicom-Arbeiterin persönlich mit ihren KollegInnen abstimmen, müsste sie von ihrem Arbeitsplatz (einer Großraumkoje) aufstehen, zu den anderen gehen und mit ihnen Einzelgespräche führen. Wären die KollegInnen gerade in Telefonate verwickelt, müsste sie warten, bis sie diese beenden, bevor

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sie mit ihnen sprechen könnte. Mit einem kurzen Blick auf die Beamerwand kann dieser Mehraufwand verhindert werden.8 Ein weiteres Beispiel für die Herstellung von Transparenz mittels IuKTechnologien ist die Nutzung von Kalenderverwaltungssoftware. Virtuelle Kalender können die Verfügbarkeit von Mitgliedern eines Teams anzeigen und ermöglichen es so, unkompliziert und rasch Termine in Teams zu vereinbaren bzw. festzulegen. Sie dienen auch dem Überblick über An- und Abwesenheiten, wie eine 25-jährige Projektmanagerin erklärt: „Im Kalender trägt man auch immer ein, man ist von neun bis 13 Uhr mit der Bahn unterwegs, von 13 bis 15 Uhr ist der Termin, und dann ist man wieder auf der Rückfahrt. Und dann wissen die Kollegen ja auch, von neun bis 13 Uhr kann man anrufen und ab 15 Uhr wieder oder so was.“ (IV 05, 482).

Durch die Kalenderführung sorgt die Digicom-Arbeiterin für die Nachvollziehbarkeit ihrer Präsenz – in einem Unternehmen mit 800 MitarbeiterInnen, verteilt über ganz Europa, erleichtert dies die Kommunikation. Ein 41-jähriger Unternehmer bezeichnet seinen virtuellen Kalender, den er teilweise mit MitarbeiterInnen teilt, als „DAS ideale Instrument“ bzw. „Basisinstrument“, mit dem er es schafft, einen Überblick über seine Termine zu behalten und seine wichtigsten MitarbeiterInnen informiert zu halten (vgl. IV 04, 318). „Und den pflege ich eigentlich wie meinen Augapfel“ (IV 04, 318), unterstreicht er die für ihn zentrale Bedeutung dieses Tools (vgl. auch IV 10, 053). Eine gleichaltrige Universitätsprofessorin, die aus beruflichen Gründen von Europa nach Malaysia übersiedelt ist, stellt ihren Kalender im Internet öffentlich zur Verfügung, sodass ihre über die Welt verstreuten Bekannten, MitarbeiterInnen und KooperationspartnerInnen jederzeit wissen, wo sie sich wann aufhält (vgl. IV 13, 617). „Dass wenn mich wer einladen will, dass die gleich schauen können, wann bin ich in der Nähe, wann habe ich ein Zeitfenster. Oder auch wenn sie mich besuchen kommen wollen […]“ (IV 13, 601), erläutert sie die Vorteile der virtuellen Transparenz. Verabredungen können so einfacher getroffen werden. Vor allem ist es der Digicom-Arbeiterin wichtig, virtuelle Präsenz zu zeigen, erreichbar zu sein, um den Anschluss zur Scientific Community zu erhalten, wie sie an anderer Stel-

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Auf die Schattenseiten dieser Technologie und der Transparenz im virtuellen Raum wird in Kapitel 6.2.3 „Neue Kontrollen“ eingegangen.

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le im Interview erklärte (vgl. IV 13, 116). In dieser Hinsicht dienen die Kommunikationsmedien der Herstellung oder Demonstration einer „,sozialen Präsenz‘“ bzw. „,connectedness‘“ (Linz/Willis 2011, S. 149). Was die Online-Umfrage anbelangt, so liegt die durch IuK-Technologien geförderte Transparenz im Vergleich zu den anderen positiven Aspekten mediatisierter Arbeit an letzter Stelle. Nur rund 40 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, durch die Nutzung Neuer Medien eher über die Termine von ArbeitskollegInnen bzw. MitarbeiterInnen Bescheid zu wissen. Noch weniger (37 Prozent) gaben an, durch die Nutzung Neuer Medien eher darüber Bescheid zu wissen, was ihre ArbeitskollegInnen bzw. MitarbeiterInnen gerade machen. Bei beiden Aussagen zeigt sich ein auffälliger Unterschied innerhalb der Stichprobe. Führungspersonen stimmten den Aussagen signifikant häufiger zu als Personen, die zum Untersuchungszeitpunkt nicht in leitender Position tätig waren. Dieses Ergebnis überrascht wenig, sind doch die Kontrolle und der Überblick über die Aktivitäten der eigenen MitarbeiterInnen ein inhärenter Aspekt von Führungsaufgaben.

6.2 R AUM - UND Z EITPHÄNOMENE MEDIATISIERTER ARBEITSWELTEN : H ERAUSFORDERUNGEN Die in diesem Kapitel erörterten Herausforderungen der Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten sind als Kehrseite der soeben diskutierten Potenziale und Chancen zu interpretieren. Die wesentlichen Herausforderungen werden im Folgenden anhand von drei Themen diskutiert: 1. anhand der zunehmenden Quantität und der Frage nach der Qualität von Kommunikation, 2. anhand des Verschwimmens zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen und 3. anhand von neuen Kontrollmöglichkeiten durch Nutzung digitaler Technologien.9

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Für die Herausforderungen in Bezug auf die Quantität und Qualität von Kommunikation finden sich in den empirischen Daten im Vergleich zu den anderen Herausforderungen (Entgrenzung zwischen beruflichen und privaten Lebensbe-

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Auf Basis der Studienergebnisse lassen sich noch weitere Herausforderungen mediatisierter Arbeit formulieren, wie etwa die Kostenintensität der Technologien oder körperliche Beschwerden in Zusammenhang mit stundenlangem Sitzen vor dem Computer bzw. dem Starren in den Bildschirm. Ich beschränke mich entsprechend der Zielsetzung der Studie jedoch auf jene Herausforderungen, welche sich auf die Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten beziehen. 6.2.1 Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation Als Ergebnis der Beschleunigung von Kommunikation und Arbeit(sschritten) ist eine Vervielfältigung von Information und Kommunikation festzustellen. Damit stellen sich erstens Fragen des Umgangs mit dieser Flut an Daten, Gesprächen und Kontakten. Im Folgenden wird dieses Phänomen unter dem Schlagwort „Communication Overflow“ diskutiert. Herausfordernd sind zweitens die ineffiziente Nutzung von Medien bzw. die Fehleranfälligkeit von technischen Systemen. Ich erfasse diese Erscheinungen unter dem Begriff „Effizienzstörungen“, weil sie Arbeitsabläufe und Kommunikationsvorgänge erschweren bzw. behindern und von den Digicom-ArbeiterInnen als Störfaktoren wahrgenommen werden. Digitale Kommunikation birgt drittens die Herausforderung der Kanalreduktion, welche sich in der gegenständlichen Studie darin zuspitzt, dass digitale Kommunikation als oberflächlicher und damit unverbindlicher wahrgenommen wird. Communication Overflow Das von den Interviewten beschriebene permanente Konfrontiertsein mit kommunikativen Anforderungen über verschiedene Kanäle, z.B. Telefon, E-Mail, Chat, stellt ein häufig auftretendes Phänomen der Digicom-Arbeit dar. Ich nenne es „Communication Overflow“.10 Den Umgang mit der Ver-

reichen, neue Kontrollen) die meisten Belege, was mit der zentralen Bedeutung, die der Effizienz in dieser Studie eingeräumt wird, übereinstimmt. 10 Der Begriff der Informationsüberflutung oder -überlastung (Orig.: „information overload“) wurde vom Zukunftsforscher Alvin Toffler bereits in seinem Buch „Future Shock“ (1970) geprägt (vgl. Meckel 2008, S. 116). Für eine ausführliche Begriffsbestimmung zum Konzept des „information overloads“ empfehle ich die umfangreiche Literaturanalyse von Martin Eppler und Jeanne Mengis

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vielfältigung von Kommunikation, welcher aus deren Beschleunigung resultiert, vergleicht Miriam Meckel (2008, S. 115) mit der Arbeit des Sisyphos. Wie Sisyphos kämpfen wir jeden Tag aufs Neue mit einer unbewältigbaren Flut an Informationen. Dazu kommt, dass Daten immer schneller transportiert werden und uns immer weniger Zeit für die Bearbeitung von Informationen bleibt (vgl. ebd., S. 116). Dies führt nach Meckels Argumentation zu einer „Kommunikationsfalle“. „Wer immer auf Empfang ist, versteht bald gar nichts mehr.“ (Ebd.). Menschen, die immer weniger Zeit haben, die Informationen zu bewältigen und daher überlastet sind, während sie gleichzeitig weniger Erholungsphasen haben, leiden, so Meckel unter dem „Sisyphos-Syndrom“, dem „Krankheitsbild des modernen, vernetzten und mobilen Menschen“ (ebd.).11 So negativ wie Meckel dies beschreibt, sehen die interviewten Digicom-ArbeiterInnen das Phänomen des Communication Overflow in der gegenständlichen empirischen Untersuchung nicht. Dennoch stellt der Umgang mit den kommunikativen Anforderungen eines mediatisierten Arbeitsalltages für sie eine Herausforderung dar. Ein Gesprächsteilnehmer, den täglich laut eigenen Angaben bis zu 100 E-Mails erreichen, verwendete für die Erklärung seiner Visualisierung wie Meckel eine Metapher: Don Quijotes Kampf gegen Windmühlen (siehe Abbildung 16). Im Gegensatz zu Sisyphos, auf den er sich ebenfalls bezieht, betont er jedoch seine optimistische Sichtweise, denn Don Quijote, so der Digicom-Arbeiter, erfülle seinen Lebenstraum, während Sisyphos scheitern muss (vgl. IV 10, 933). Die Mühlräder in der Zeichnung symbolisieren die eingehende Kommunikation aus den unterschiedlichen Kommunikationskanälen (Telefon, Chat, E-Mail …). Er selbst sieht sich als Don Quijote. Seine Aufgabe sei es, aus der eingehenden Kommunikation fertige Informationspakete für seinen Vorgesetzten oder die MitarbeiterInnen zu schnüren. Das Pferd sei die „ganze Kommunikationsinfrastruktur, die man so reitet“ und die Lanze seine Mediennutzungskompetenz. (Vgl. IV 10, 941-973).

2008. Ich verwende den Begriff des „Communication Overflow“, um zu betonen, dass vor allem die Vielzahl an unterschiedlichen Kommunikationskanälen und kommunikativen Anforderungen eine Belastung darstellt. 11 Die „Informationsermüdung“ wurde inzwischen auch als psychische/physische Störung erkannt, verweist Meckel (2008, S. 125) auf den Begriff des „information fatigue syndrome“, den der Britische Psychologe David Lewis geprägt hat.

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Abbildung 16: „Kampf“ gegen Kommunikationsströme

Quelle: Visualisierung eines Digicom-Arbeiters

In der Literatur erscheinen Don Quijote die Windmühlen als Riesen. Dies könnte darauf verweisen, dass der Digicom-Arbeiter die umfangreichen Kommunikationsanforderungen als belastend wahrnimmt. Belege für diese Interpretation finden sich im Interview: So nannte er als störenden Aspekt der Nutzung Digitaler Medien, dass ihn die Vielzahl an unterschiedlichen Kommunikationskanälen in den Zustand permanenter Reaktionsbereitschaft zwingen würden (vgl. IV 10, 814). Auch würden ihm die häufigen Wechsel zwischen unterschiedlichen medialen Kontexten die Konzentration erschweren, wie er an anderer Stelle im Interview erklärte (vgl. IV 10, 605). Sein erster Impuls, bevor er zu zeichnen begann, sei gewesen, wie er sagt, eine „medienfreie“ Palmeninsel zu zeichnen – als Symbol für sein Bedürfnis nach Ruhe (vgl. IV 10, 929). Auch dies unterstützt die Interpretation, dass er mit dem Communication Overflow zu kämpfen hat. Belege für eine Belastung durch den Communication Overflow liefern auch die Antworten auf die Interviewfrage, wann ein Tag von den Digicom-ArbeiterInnen als stressig empfunden werde. Sie klingen häufig so: „Dann klingelt ständig das Telefon, ich bekomme 30 oder 40 E-Mails an dem Tag und habe selber noch Sachen, wo ich weiß, das ist jetzt eilig, ich muss das fertig bekommen.“ (IV 17, 440; vgl. auch IV 04, 448; IV 11, 922;

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IV 12, 451; IV 18, 347; IV 19, 0795). Ein konzentriertes, zusammenhängendes Arbeiten ist unter diesen Bedingungen nur schwer möglich, weshalb Arbeiten in die Abendstunden bzw. in die Freizeit verlegt werden müssen (vgl. IV 05, 278; IV 10, 605; IV 20, 066). In Zusammenhang mit E-Mails ist es vor allem der Druck, möglichst rasch auf eingegangene Nachrichten zu antworten, der Stress erzeugt (vgl. IV 06, 182; IV 11, 922; IV 18, 264). Diesen Druck kennt eine 30-jährige Produktmanagerin auch in Form von Chatnachrichten im Instant Messenger. Sie erzählt: „Blinkende, leuchtende Skype-Fenster verursachen furchtbaren körperlichen Stress. Man ist gezwungen, sofort zu reagieren. Ich bekomme richtig Herzklopfen, eine Enge in der Brust.“ (IV 02, 0561). Würde sie einer/eine ihrer BürokollegInnen face-to-face mit einer Anfrage stressen, würde er/sie es aufgrund ihrer nonverbalen Reaktion merken und darauf Rücksicht nehmen (vgl. IV 02, 0565). Im Chat jedoch fehlt diese Form der Sensibilität. „Das Blinken geht nicht weg trotz meiner körperlichen Reaktion“ (IV 02, 0565), erläutert sie den Unterschied zwischen den beiden Kommunikationsformen. Wie in Kapitel 5.2.2 „Beschleunigung“ ausgeführt, begünstigen Digitale Medien die „Vergleichzeitigung“ von Aktivitäten. Mehrheitlich wird Multitasking von den Digicom-ArbeiterInnen als belastend wahrgenommen, vor allem, wenn auf mehreren Kanälen gleichzeitig kommuniziert wird und zwischendurch inhaltlich gearbeitet werden soll. Man käme nicht so richtig in den Flow, drückt es eine 25-jährige Projektmanagerin in einer Werbeagentur aus (vgl. IV 05, 602; vgl. auch IV 06, 644). Ein stressiger Tag sei einer, „an dem ich mich NICHT auf etwas konzentrieren kann, wo ich immer drei Sachen gleichzeitig mache“ (IV 02, 0533), verdeutlicht die oben erwähnte Produktmanagerin im Interview die Belastung durch Multitasking (vgl. auch IV 12, 451). Die Untersuchungsergebnisse verweisen jedoch darauf, dass die Einstellung zu Multitasking und die Qualität der Arbeitsergebnisse auch von der Art der Tätigkeit abhängen. Wenn etwa juristische Verträge ausgearbeitet werden oder an wissenschaftlichen Publikationen geschrieben wird, ist ein anderes Aufmerksamkeitsniveau vonnöten als bei Ablagearbeiten oder beim Checken des alltäglichen E-Mailverkehrs. Der Communication Overflow führt bei manchen Digicom-ArbeiterInnen dazu, dass sie außerhalb der Arbeit den Computer privat nicht nutzen oder nicht mehr telefonieren möchten (vgl. IV 01, 0813; IV 02, 0783; IV 05, 388; IV 17, 472). Ein 37-jähriger Sales- und Marketingmanager, der

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beruflich viel auf Reisen ist, erzählt, wie es ihm nach einem intensiven Arbeitstag geht: „Und das ist oft schlimm, wenn ich im Hotel übernachte und man sagt: ‚Jetzt rufe ich noch zuhause an‘, wegen den Kindern, und eigentlich denkst du dir: ‚Ich will überhaupt nicht mehr telefonieren.‘ Obwohl ich mich sehr freue, dass ich sie [seine Ehefrau, C. R.-E] höre, aber es ist sehr unangenehm für dein Gegenüber“ (IV 01, 0969), denn seine Partnerin würde merken, dass er eigentlich keine Lust mehr hat, mit ihr den Tag zu besprechen (vgl. IV 01, 0977).

Das Phänomen des Communication Overflow stellt auch für die Befragten der allgemeineren Stichprobe der Online-Umfrage eine Belastung dar, vor allem was die Informationsflut anbelangt. Sieben von zehn Befragten fühlen sich manchmal mit Informationen überflutet. Dem gegenüber gab lediglich ein Viertel der online Befragten (28 Prozent) an, sich manchmal bei der Arbeit mit kommunikativen Aufgaben überfordert zu fühlen. Die Überforderung in Bezug auf kommunikative Aufgaben scheint für die Digicom-ArbeiterInnen, welche per definitionem viel beruflich kommunizieren, charakteristisch zu sein. Effizienzstörungen Nachdem Effizienz einen bedeutenden Wert in mediatisierten Arbeitszusammenhängen ausmacht, stellen Störungen derselben eine große Herausforderung dar. In Kapitel 5.2.2 „Beschleunigung“ wurde erläutert, dass Digitale Medien sowohl als Zeitsparer als auch als „Zeiträuber“ wahrgenommen werden, je nach Anlass, konkreter Nutzung und weiteren Kontextbedingungen. Eine dieser Kontextbedingungen stellt die Medienkompetenz der Beteiligten dar. Damit ist im Verständnis der InterviewpartnerInnen gemeint, wie effizient die Möglichkeiten der Digitalen Medien genutzt werden.12 Dazu gehört es, den richtigen Kommunikationskanal für den jeweiligen Anlass zu wählen. Ein Digicom-Arbeiter erklärt, dass oftmals unmittelbar auf eine E-Mail ein Anruf folge mit der Nachfrage, ob die E-Mail angekommen sei (vgl. IV 10, 457). Das in seinen Augen adäquate Medium für diesen Anlass wäre der

12 Zu meiner Auffassung von Medienkompetenz siehe Kapitel 9.3 „Schlussfolgerungen für die Medien- und Kommunikationswissenschaft“.

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Instant Messenger (vgl. IV 10, 814), welcher eine synchrone Kommunikation mit umgehender Reziprozität ermöglicht und das „Ping-PongGemaile“ (IV 10, 814) ersetzt. Von einem weiteren Beispiel berichtet eine 33-jährige Unternehmerin, die sich über die vielen unnötigen E-Mails, welche tagtäglich versandt werden, ärgert: „[…] gestern habe ich so einen Fall gehabt, da hat einer von meinen Außendienstlern gerade mit meinem Marketingassistenten, der hat irgendeine Ausschreibung angefordert. Und zuerst war der eine im Urlaub, dann war der andere im Urlaub, und dann haben alle irgendwie über E-Mail kommuniziert. Der eine hat geschrieben: ‚Bitte besorge mir das!‘, der andere hat geschrieben: ‚Ja, klar‘, das ist schon einmal eine E-Mail, die komplett umsonst ist […] Dann ist der eine auf Urlaub gegangen, dann hat der andere geschrieben: ‚Hast du es jetzt endlich?‘, der andere hat dazwischen wieder irgendeine E-Mail geschrieben: ‚Wir haben die Ausschreibung!‘ Das hat der eine nicht gelesen, weil er in seinem Urlaub so viele E-Mails bekommen hat, und dann hat der andere geschrieben: ‚Ja, klar habe ich das E-Mail, habe ich dir schon lange gesagt, dass ich dir das geschickt habe!‘, dann hat der andere wieder zurückgeschickt: ‚Könntest du mir das bitte früher sagen?‘ So ein Blödsinn! Kompletter Stumpfsinn!“ (IV 16, 0146).

Als Chefin wurde sie bei all diesen E-Mails in cc13 gesetzt, um über die Angelegenheiten informiert zu werden, was auf ihrer Seite einen enormen Beitrag zu ihrer E-Mailflut leistete (vgl. IV 16, 0485), denn selbst das Ignorieren einer Nachricht erfordert Aufmerksamkeit (vgl. Ahrens/Gerhard/ Hörning 1994, S. 175). Wie obiges Beispiel zeigt und wie zahlreiche Digicom-ArbeiterInnen beklagen, begünstigt das Medium E-Mail durch seine geringe Hemmschwelle den Versand von unnötigen Informationen. Ein häufiges belastendes Phänomen ist auch ein zu groß gewählter Verteilerkreis, das ein Gesprächsteilnehmer sehr treffend als „Schrotflintenprinzip“ bezeichnet (IV 10, 329; ähnlich auch IV 06, 428; IV 12, 319; IV 16, 0485; IV 19, 1007).14

13 „Cc“ steht für „carbon copy“ und bedeutet, dass der Empfänger/die Empfängerin lediglich eine Kopie einer E-Mail erhält, die primär an jemand anderen gerichtet ist. 14 Ineffizientes E-Mailverhalten stellte sich auch in der Studie von Melissa Gregg (2011, S. 77) als zentraler Kritikpunkt der Beschäftigten heraus.

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Als effizienzstörend wird des Weiteren eine schlechte oder nicht funktionierende IT-Infrastruktur wahrgenommen. Die InterviewpartnerInnen beklagen beispielsweise eine unzureichende Verbindung zum mobilen Internet (vgl. IV 05, 490; IV 07, 034) oder zum Mobilfunknetz (vgl. IV 12, 026). Auch Videokonferenzen sind bei langsamer Internetverbindung oft nur fehlerhaft oder gar nicht zu realisieren (vgl. IV 06, 574; IV 17, 296).15 Als störend empfunden werden auch lange Ladezeiten von Programmen oder Wartezeiten beim Hochfahren von Notebooks (vgl. IV 01, 1899; IV 02, 0595; IV 04, 244; IV 06, 204; IV 17, 147). Eine Digicom-Arbeiterin erklärt dies als Antwort auf die Frage, was sie an den Neuen Medien stört: „Ja, dass sie manchmal langsam sind. Die Ladezeit macht mich verrückt. Da gibt es sogar Statistiken dazu, dass zu lange Wartezeiten, wenn ein Programm z.B. ladet oder so, dass das krank macht, weil man halt nervös wird dabei. Das ist etwas, weil ich eben den ganzen Tag am Computer arbeite, ist das das Schlimmste, wenn ich ein Programm starte und irgendetwas eingebe und dann lädt das. Auch wenn es nur 20 Sekunden sind, ist das ziemlich lange für das Gefühl, finde ich.“ (IV 19, 0989).

Ihre Aussage unterstreicht nicht nur die hohen Erwartungen an schnelles Arbeiten, sondern belegt darüber hinaus das subjektive Zeitempfinden, da einige Sekunden Wartezeit bei der Computerarbeit von ihr als lange empfunden werden. Systemausfälle, Serverabstürze und Stromausfälle können ganze Unternehmensbereiche lahmlegen (vgl. IV 04, 576; IV 08, 584; IV 14, 759; IV 17, 632). Ein Gesprächsteilnehmer erzählte, es sei wie in der „Steinzeit“ (IV 10, 949) gewesen, als einmal die Netzwerkverbindung im Gebäude ausgefallen war. Der weltweit kommunizierende Service-Desk sei für 20 Minuten offline gewesen. Eine 30-jährige Produktmanagerin spricht davon, „verloren zu sein“ (IV 02, 1114), wenn ihr Headset (das sie zum Telefonieren benötigt) einmal nicht funktioniert, und unterstreicht damit die Abhängigkeit von den IuK-Technologien.

15 Dies zeigte sich u.a. in der empirischen Erhebung dieser Studie, als bei den Skype-Interviews immer wieder die Verbindung zusammenbrach und das Gespräch wieder neu gestartet werden musste. Auch wenn die InterviewpartnerInnen mit diesen Situationen sehr souverän umgingen, ging dadurch viel Zeit verloren.

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Kontrastierend zum Communication Overflow, der für die online Befragten weniger relevant war, sind die erwähnten Effizienzstörungen auch für die Befragten aus der Online-Umfrage herausfordernd. Mehr als die Hälfte ärgert sich über die ineffiziente Mediennutzung anderer (56 Prozent) oder beklagt die Fehleranfälligkeit der technischen Infrastruktur (52 Prozent). Kanalreduktion Die Theorie der Kanalreduktion beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf die Kommunikationsqualität, wenn es bei der Kommunikation über IuKTechnologien zu einer Verminderung von Sinneseindrücken kommt (vgl. hierzu Döring 2003, S. 149-154). Dies ist etwa der Fall, wenn rein auf schriftlicher Basis kommuniziert wird und die nonverbalen Botschaften über die Körpersprache nicht vermittelt werden können. Von den online Befragten ist gut die Hälfte (54 Prozent) der Meinung, dass Online-Kommunikation oberflächlicher verlaufe als jene face-to-face. Die Digicom-ArbeiterInnen orten darin verstärkt eine Herausforderung, insbesondere in Zusammenhang mit der Textkommunikation via E-Mail, SMS oder Instant Messaging. Durch das Fehlen der körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten sei die Gefahr von Missverständnissen gegeben (vgl. IV 04, 400). Ein 29-jähriger TV-Aufnahmeleiter, der das Telefonieren dem Versenden von SMS vorzieht, erklärt warum: „Weil ja auch beim getippten Kommunizieren die Sprache nicht dabei ist und der Unterton verloren geht. Und über den kommuniziert man ja auch viel mehr als über den Inhalt, wie wir wissen. Das ist dann bei Schrift viel mühsamer. Darum habe ich das eigentlich nicht so gerne.“ (IV 12, 305).

Das Beispiel verweist bereits auf die Ausweichstrategien der Digicom-ArbeiterInnen. Durch die bewusste Wahl des Kommunikationskanals können Schwächen einzelner Medien umgangen oder ausgeglichen bzw. die entsprechenden Stärken genutzt werden. Dazu gehört es, bei der Nutzung von Instant Messengern zur Chatkommunikation Emoticons gezielt zu verwenden, um zumindest Teile der emotionalen Subbotschaften ausdrücken zu können (vgl. IV 02, 0055; IV 4, 400; IV 10, 365). „Manchmal meint man das ja überhaupt nicht emotional, wenn du irgendeinen Satz schreibst, aber wenn ein Smiley dabei ist, dann weißt du, ok., das ist jetzt lustig gemeint

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und der meint das jetzt nicht ernst, sondern führt eher ein bisschen Schmäh oder es ist mit Ironie gemeint“ (IV 19, 0302), erläutert eine Digicom-Arbeiterin den Nutzen der Emoticons. Ohne diese Möglichkeit könnte sie den Instant Messenger nicht so intensiv nutzen, weil die Gefahr von Missverständnissen zu groß wäre (vgl. ebd.). Ein weiterer Beleg für den kreativen Umgang mit dem Phänomen der Kanalreduktion ist, dass die meisten InterviewpartnerInnen gezielt Face-toFace-Gespräche zu organisieren versuchen, um das Verstehen zu erleichtern und Verbindlichkeit herzustellen.16 Ein 33-jähriger Security Spezialist erklärt, warum dies wichtig ist: „[…] die persönlichen Treffen sind wichtig, dass etwas weitergeht. Wo die Verantwortlichen zusammenkommen und etwas besprechen. Nur über Mail geht das nicht. E-Mails werden einfach oft liegen gelassen. Da wird kein Druck ausgeübt, ja.“ (IV 06, 424; vgl. IV 05, 560).

Eine E-Mail wird als unpersönlich empfunden und kann daher leichter ignoriert werden als der direkte Face-to-Face-Kontakt. Im persönlichen Zusammentreffen können Beziehungen aufgebaut werden, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ermöglichen. Ein Digicom-Arbeiter lässt seine MitarbeiterInnen eigens nach Asien reisen, um sich dort mit den Personen persönlich zu treffen, mit denen sie später virtuell zusammenarbeiten werden. „Damit, wenn ihr wieder zurückkommt, tatsächlich ein Kommunikationskanal offen ist, dass euch die Leute persönlich anrufen und nicht gleich zu einer Eskalationsmail greifen“ (IV 10, 219), erläutert er seinem Team seine Überlegungen dazu. Auch ein 41-jähriger Unternehmer nutzt Face-toFace-Zusammenkünfte, um die Vertrauensbasis im Betrieb herzustellen: „Wenn man sich einmal gesehen hat, einmal zusammen Essen war, einen Kaffee zusammen getrunken hat, ein paar persönliche Worte ausgetauscht und sich in die Augen geschaut hat, dann ist das eine ganz andere Basis.“ (IV 04, 400). Die meisten InterviewpartnerInnen sehen die zentrale Bedeutung des persönlichen Kontaktes ähnlich wie die zitierten Digicom-Ar-

16 An dieser Stelle stimmen meine Untersuchungsergebnisse mit jenen von Michaela Goll (2004, S. 83) und Martin Heidenreich, Brigitte Kirch und Jannika Mattes (2008, S. 212) überein, welche in Kapitel 2.2 „Flexibilität, Mobilität, Globale Kommunikation und Vernetzung“ erörtert wurden.

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beiter, vor allem auch, wenn es um Geschäftsabschlüsse geht. Eine 25-jährige Projektmanagerin etwa zieht persönliche Vertragsverhandlungen einer Videokonferenz vor, auch wenn sie durch die Reisetätigkeit Zeit verliert. Im persönlichen Kontakt hätte sie ein besseres Gespür für ihr Gegenüber – dafür, ob die präsentierte Idee der Kundschaft gefällt oder nicht. „Und bevor er die dann abschießt, weil er sie nicht mag, dann kann man noch ein bisschen das Ruder herumreißen, wenn man vor Ort ist, finde ich“ (IV 05, 234), verdeutlicht sie die Vorteile des persönlichen Treffens (ähnlich auch IV 14, 081; IV 16, 0314; IV 19, 0366). Zwei Digicom-Arbeiter betonen die Bedeutung des Face-to-Face gerade in Zeiten der zunehmenden digitalen Kommunikation. Durch die Reizüberflutung aus digitalen Kommunikationskanälen und die beschleunigte Kommunikation sei es der persönliche, entschleunigte Kontakt, womit man sich profilieren könne (vgl. IV 01, 2025; IV 08, 192-200). Richard Sennett sah im Jahr 2005 durch die Kommunikation über IuK-Technologien die „Kunst der Kommunikation“ (Sennett 2005, S. 136) in Gefahr. Die gegenständlichen Studienergebnisse, nahezu ein Jahrzehnt später, unterstützen diese betont negative Auslegung der Kanalreduktion nicht, sondern sie verweisen auf eine von den Befragten wahrgenommene Herausforderung, die die Kanalreduktion mit sich bringt, der jedoch mittels alternativer Strategien begegnet werden kann. 6.2.2 Entgrenzung zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen Das räumlich und zeitlich flexible Arbeiten, das in Kapitel 6.1.2 unter der Überschrift „Orts- und Zeitsouveränität“ als Chance beschrieben wurde, birgt gleichzeitig die Herausforderung in sich, dass private und berufliche Lebensbereiche verschwimmen. So wird die erwartete bzw. selbst auferlegte Erreichbarkeit in der Freizeit für berufliche Belange als belastend empfunden, und vor allem Personen mit familiären Betreuungspflichten kämpfen mit der „Balance“ zwischen privaten und beruflichen Anforderungen, wenn die Grenzen nicht klar gezogen werden können. Verglichen mit der Herausforderung des Communication Overflow und den Herausforderungen, die Effizienzstörungen mit sich bringen, wird die Entgrenzung von Lebensbereichen jedoch in den Interviews nicht so deutlich als Belastung oder Störfaktor formuliert. Die Digicom-ArbeiterInnen haben sich schein-

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bar mehrheitlich mit diesen Herausforderungen arrangiert17 bzw. abgefunden oder sehen eher die Vorteile der Entgrenzung. Dies entspricht der Haltung des unternehmerischen Selbst, das seine Arbeit nicht als abgegrenzt von seinen anderen Lebensbereichen sieht, sondern bereit ist, seine gesamte Persönlichkeit in den Arbeitsprozess einzubringen, wie Günter Voß und Hans Pongratz (1998) dies für den „Arbeitskraftunternehmer“ schon 1998 postulierten.18 Sowohl die Mehrheit der interviewten Digicom-ArbeiterInnen als auch mehr als die Hälfte der online Befragten gaben an, ständig erreichbar zu sein, wie in Kapitel 5.2.1 dargestellt wurde. Das rasche Reagieren auf Anfragen wird von den Digicom-ArbeiterInnen in mediatisierten und beschleunigten Arbeitszusammenhängen zumeist als notwendig erachtet, um auf dem Laufenden zu bleiben und Arbeitsprozesse (auch anderer) nicht zu blockieren (vgl. IV 04, 051; IV 06, 064; IV 14, 281; IV 15, 130; IV 17, 159). Manchmal und in einzelnen Fällen wird die ständige Erreichbarkeit aber auch als „Fluch“ (IV 04, 278) wahrgenommen. „Das ist schon nervig ab und zu. Wenn dich immer jemand anrufen kann und immer jemand etwas von dir haben kann oder will“ (IV 07,698), formuliert dies ein Digicom-Arbeiter. Für einige wenige stellen nicht vorhandene Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben eine belastende Situation dar. Ohne diese Grenzen, erzählt ein 42-jähriger Universitätsprofessor im Interview, könne man sich im Privaten nicht richtig entspannen (vgl. IV 18, 280), deshalb versucht er die beiden Lebensbereiche so weit wie möglich zu trennen, sonst „hat man das Gefühl in der Arbeit, man würde jetzt gerne etwas Privates machen, und im Privaten, ich müsste jetzt eigentlich arbeiten“ (IV 18, 280), erläutert er seine Motive. Besonders herausfordernd kann die Entgrenzung von beruflichen und privaten Lebensbereichen für Personen mit betreuungspflichtigen Kindern sein. Eine Digicom-Arbeiterin berichtet von der belastenden Situation, Teilzeit zu arbeiten und auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten für ihr Unternehmen erreichbar zu sein, sowohl via Mobiltelefon als auch per E-Mail. Da sie ein Kleinkind hat, ist dies oftmals schwer handzuhaben, so etwa in Situationen, wenn sie ein berufliches Tele-

17 Siehe hierzu die Strategien der Grenzziehung in Kapitel 7.3.1 „Grenzmanagement“. 18 Siehe hierzu die theoretischen Ausführungen in Kapitel 2.3 „Subjektivierung, Standardisierung“.

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fonat führt und währenddessen ihr Kind zu schreien beginnt (vgl. IV 17, 460). Sie empfindet es als unbefriedigend, einerseits ihre Freizeit nicht unbeschwert mit ihrem Kind verbringen zu können, andererseits die beruflichen Anfragen nicht in Ruhe erledigen zu können (vgl. IV 17, 464). Da sie Teilzeit arbeitet, habe sie das Gefühl, beweisen zu müssen, dass sie trotzdem für das Unternehmen da ist, indem sie in ihrer Freizeit erreichbar ist (vgl. IV 17, 199).19 Die im Interview verbalisierte Belastung findet sich in ihrer Visualisierung wieder, welche sie auf die Frage „Was bedeuten Neue Medien für meine Arbeit?“ angefertigt hat (siehe Abbildung 17). Abbildung 17: Vereinnahmung durch IuK-Technologien

Quelle: Visualisierung einer Teilzeit arbeitenden Digicom-Arbeiterin mit Kleinkind

In der Erklärung zum Bild sagt sie, der Kreis stehe für „das Einnehmende“ der Medien – in ihrem Fall Internet, Mobiltelefon, Festnetztelefon und

19 In ihrer Studie zum Einfluss von Technologien auf den Alltag von Beschäftigten in der Informations- und Kommunikationsbranche sieht Melissa Gregg dies als generelles Phänomen von Teilzeitarbeitenden. Es geht ihnen vor allem darum, den Anschluss nicht zu verlieren und die Kommunikation mit ihren Vollzeit-KollegInnen aufrechtzuerhalten. (Vgl. Gregg 2011, S. 51f).

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Notebook. Mit der Zeichnung möchte sie zeigen, „dass ich auf alles auch zugreifen kann oder muss letztendlich für meine Arbeit“ (IV 17, 644-648). Gleichzeitig spricht die Angestellte in Zusammenhang mit der Zeichnung aber auch von dem Gefühl des „Darin-Gefangen-Seins“ (IV 17, 632). Die Tatsache, dass sie um ihre Person in der Mitte der Visualisierung einen Kreis gezeichnet hat, könnte darauf verweisen, dass sie die Grenze zwischen sich und der Erreichbarkeit über die Medien zu ziehen versucht, was sie im Interview auch immer wieder andeutet. Es scheint ihr jedoch nicht so zu gelingen, wie sie es sich wünscht, da sie selbst an sich den Anspruch formuliert, für das Unternehmen da zu sein (vgl. IV 17, 199). Auch ein 37-jähriger Sales- und Marketingmanager kennt die Situation, zwischen Kindern und Beruf hin- und hergerissen zu sein, z.B. wenn er nachmittags von zuhause aus arbeitet und die Kinder seine Aufmerksamkeit einfordern. Er erzählt: „Und weil ich eben viel daheim arbeite, ist das für die Kinder nicht immer leicht. […] Also gerade um drei rufen sehr viele Leute an, das heißt, ich bin zwar oben im Wohnzimmer und ich bin bei ihnen, aber da ruft alle fünf Minuten jemand an. Das ist für sie ganz, ganz schwer. Aber das sage ich auch immer vorher, wenn ich nach Hause komme: ‚Ich bin noch nicht ganz da, ich muss noch die nächsten 1,5 Stunden ganz viel telefonieren, aber dann schalte ich mein Handy aus, dann haben wir eine gemeinsame Zeit.‘“ (IV 01, 1025).

Das „Ich bin noch nicht ganz da“ verweist auf die entgrenzten Bereiche. Er befindet sich weder in der Arbeit noch zuhause, sondern irgendwo dazwischen, und muss mit dieser Herausforderung umgehen. Die Beispiele unterscheiden sich von dem in Kapitel 6.1.2 geschilderten Fall der 45-jährigen Wissenschaftlerin, welche das orts- und zeitsouveräne Arbeiten als Voraussetzung formuliert, Beruf und Familie überhaupt miteinander kombinieren zu können (vgl. IV 20). Dies demonstriert wiederum, wie ein und dasselbe Phänomen unter unterschiedlichen Bedingungen anders und auch völlig konträr wahrgenommen werden kann. In den Untersuchungsergebnissen finden sich Hinweise darauf, dass die Entgrenzung von Seiten der Unternehmen gefördert wird, indem z.B. flexible Arbeitszeitmodelle angeboten werden. Aber auch die unternehmensseitige Ausstattung mit Smartphones und Tablet PCs trägt dazu bei, die Erreichbarkeit für berufliche Belange auch in der Freizeit zu gewährleisten.

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Weitere Beispiele erwähnt eine 25-jährige Projektmanagerin. In ihrem Unternehmen wird morgens ein kostenloses Frühstück angeboten, und wenn Beschäftigte erst nach 21 Uhr das Büro verlassen, übernimmt das Unternehmen die Kosten für die Taxifahrt (vgl. IV 05, 356; 426). Den ArbeitnehmerInnen wird somit ein ganzer Tag im Unternehmen „schmackhaft“ gemacht – ihr Arbeitsplatz wird zum Lebensraum. Der Vergleich zwischen den interviewten Digicom-ArbeiterInnen und den Befragten der allgemeineren Online-Stichprobe zeigt, dass die Herausforderungen der Entgrenzung auch für die breiter definierte Gruppe der ArbeitnehmerInnen, welche Medien in nicht vordefinierter Intensität für ihre Arbeit benutzen, eine Rolle spielen, wenn auch eine im Vergleich zu den anderen Herausforderungen geringe. Weniger als ein Drittel (29 Prozent) der online Befragten stimmten der Aussage zu, einen Druck zu verspüren, auch in der Freizeit für die Arbeit erreichbar zu sein. Die meisten der UmfrageteilnehmerInnen waren aber zum Untersuchungszeitpunkt in ihrer Freizeit für die Arbeit erreichbar (siehe Abbildung 13 auf Seite 194), und jede dritte Person gab an, E-Mails zumindest teilweise vor dem Schlafengehen und nach dem Aufstehen zu checken. Dies ist ein bemerkenswertes Resultat, das auf die scheinbar freiwillig geleistete Erreichbarkeit hinweist.20 Gleichzeitig gaben knapp die Hälfte der online Befragten sowie einige Digicom-ArbeiterInnen an, während der Arbeit auch Privates zu erledigen, z.B. private E-Mails zu erledigen, Facebook-Einträge zu verfassen/lesen oder Online-Shopping zu betreiben. Einzelne Textstellen in den Interviews deuten darauf hin, dass die Beschäftigten sich einen Ausgleich zur Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit auf diese oder ähnliche Weise selbst schaffen und die Entgrenzung deshalb nicht so negativ wahrnehmen. So entgegnet eine 40-jährige Projektmanagerin auf meine Frage, ob sie die Vermischung von privaten und beruflichen Lebensbereichen störe: „Vorteil ist, wenn ich sage: ‚Ok., ich gehe auf Lunch wann immer ich will, teile mir meine Arbeit ein, verschwende Zeit an Skype, auf Skype wenn meine Schwester online ist.‘ Nachteile natürlich, wenn der Chef im Urlaub anruft und sagt: ‚Ich brauche den und den Plan.‘ Oder am Wochenende. Es hält sich die Waage. Es stört mich

20 Dies wurde bereits in Kapitel 5.2.1 „Entgrenzung und Flexibilisierung von Zeitphasen“ kritisch diskutiert.

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nicht wirklich, wie gesagt. Ich habe Vorteile und Nachteile.“ (IV 15, 682; vgl. IV 02, 0779; IV 05, 500).

Als eine weitere Herausforderung der mobilen Arbeit mittels IuK-Technologien werden sehr vereinzelt (von zwei Interviewten) gesundheitliche Bedenken in Bezug auf W-LAN-Strahlung geäußert.21 In diesen Fällen wird das kabellose Internet nur eingeschaltet, wenn es auch gerade genutzt wird, um die Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten (vgl. IV 04, 248) bzw. es wird die Nutzung zuhause so gut es geht vermieden (vgl. IV 20, 086). 6.2.3 Neue Kontrollen Die Kehrseite der in Kapitel 6.1.3 beschriebenen Transparenz durch Digitale Medien sind neue Formen der Kontrolle. IuK-Technologien ermöglichen die Nachvollziehbarkeit der Präsenz von Arbeitenden und deren Aktivitäten. Ganze Tätigkeitsprofile können nachgezeichnet werden. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der virtuellen Zusammenarbeit von Bedeutung, bei der konventionelle Kontrollmöglichkeiten wie die Sichtbarkeit am Arbeitsplatz („Face time“) fehlen (vgl. Burr 1997, S. 148). Die interviewten Digicom-ArbeiterInnen sprechen diese Kontrollen kaum direkt an; Hinweise darauf lassen sich vielmehr zwischen den Zeilen finden. So betonen die GesprächsteilnehmerInnen zwar stark die positiven Effekte des Einsatzes von Instant Messengern und virtuellen Kalendern (siehe Kapitel 6.1.3), damit ist jedoch auch die Tatsache verbunden, dass die MitarbeiterInnen kontrolliert werden könnten. Ein Digicom-Arbeiter erklärt, wie der Instant Messenger automatisch den Anwesenheitsstatus der Arbeitenden ändert. Loggt sich eine Person aus dem Netzwerk aus, wechselt die Statusanzeige auf „away“, sodass erkennbar ist, dass diese Person zurzeit nicht am Computer arbeitet. Das Gleiche passiert, wenn ein Computer fünf Minuten lang keine Aktivität verzeichnet. Das bedeutet, dass dieses System auch nicht manipulierbar ist, denn mindestens alle vier Minuten

21 Auch im Online-Fragebogen wurde in den Freitextantworten zu den sonstigen Herausforderungen Neuer Medien von zwei Personen die Belastung durch Elektrosmog oder Strahlung angegeben.

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und 59 Sekunden müsste eine Taste gedrückt werden, um den Eindruck zu erwecken, am Computer aktiv zu sein. (Vgl. IV 10, 255). Die Tatsache, dass die E-Mail-Kommunikation der MitarbeiterInnen grundsätzlich einsehbar ist, eröffnet weitere Kontrollmöglichkeiten. Ein 41jähriger Unternehmer erzählt im Interview, dass er seine MitarbeiterInnen darauf aufmerksam macht, dass ihre E-Mails prinzipiell von ihm gelesen werden könnten (vgl. IV 04, 171). Er betont, dass er dies zwar nicht tue, sieht dies aber als einen Weg der Kontrolle, um im Ernstfall festzustellen, „wann hat derjenige eine private E-Mail geschrieben, wann gingen die Informationen an die Konkurrenz oder sonst irgendwo hin“ (IV 04, 171). Sich dieser Tatsache auch in ihrem Unternehmen bewusst seiend, achtet eine 30jährige Produktmanagerin besonders darauf, nichts Persönliches in E-Mails von ihrem Firmen-Account aus zu schreiben (vgl. IV 02, 1039). Das expliziteste Beispiel für die neuen Kontrollmöglichkeiten über IuKTechnologien ist die bereits erläuterte Telefonanlage, an der eine DigicomArbeiterin ihren Dienst verrichtet. Die Telefonanlage zeichnet die Daten über sämtliche Telefonate auf (z.B. wie lange es läutete, bis jemand abhob, oder wann jemand auflegte, weil sich an der Hotline niemand meldete) und liefert Auswertungen darüber. Diese werden für die Berechnung der Gehälter des Managements herangezogen. (Vgl. IV 19, 0166). Über TicketingSysteme werden in diesem Unternehmen zudem die Leistungen von ganzen Abteilungen eruiert, z.B. wie schnell Störungen behoben werden konnten. Ist das Ergebnis unbefriedigend, wirkt sich dies ebenfalls auf die Gehälter der ManagerInnen aus. (Vgl. IV 19, 0174). Der Arbeitsbereich dieser Digicom-Arbeiterin könnte als neo-tayloristisches Setting interpretiert werden, da Arbeit komplett überwachbar und kontrollierbar ist. Das Ziel ist die Steigerung von Effizienz, indem Prozesse optimiert werden. Dabei spielt vor allem der zeitliche Aspekt eine Rolle; Aufgaben müssen innerhalb kürzest möglicher Zeit erledigt werden.22

22 Von einem weiteren Beispiel für Kontrollen im Call-Center-Bereich erzählte mir eine Studentin, die als Telefonistin arbeitete. Während ihrer Arbeit griff plötzlich jemand (physisch Abwesender) über Desktop Sharing auf ihren Computer zu und „schaute sich auf ihrem Computer um“. Zwar musste sie diesen Vorgang im Vorhinein durch Eingabe eines Codes autorisieren. Sie wusste jedoch nicht, zu welchem Zweck dies geschah, und war überrascht, als ihr Cursor plötzlich ferngesteuert wurde.

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In der Online-Umfrage gaben 43 Prozent der Befragten an, durch die Nutzung Neuer Medien bei der Arbeit stärker kontrolliert werden zu können. Es sind in dieser Stichprobe vor allem die Personen, welche nicht in leitender Position tätig sind, auf die diese Wahrnehmung zutrifft. Sie stimmten der Aussage signifikant häufiger zu als Führungspersonen. In Summe scheint der Aspekt der Kontrolle für die allgemeinere Stichprobe eine größere Rolle zu spielen als für die Digicom-ArbeiterInnen. Eine Erklärung dafür könnte die unterschiedliche Stichprobencharakteristik sein. Während die Mehrheit der Online-Stichprobe (72 Prozent) Personen sind, die nicht in leitender Position sind, ist es bei der Stichprobe zur Interviewstudie umgekehrt. Hier sind 60 Prozent leitend tätig. Für sie hat der Aspekt, bei der Arbeit von anderen kontrolliert zu werden, deutlich weniger Relevanz.

6.3 F AZIT : P OTENZIALE UND H ERAUSFORDERUNGEN MEDIATISIERTER ARBEITSWELTEN Die Potenziale und Herausforderungen in Bezug auf die Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit werden im Folgenden in zehn Punkten zusammengefasst: 1.

2.

3.

Mediatisierte Arbeit birgt „,riskante[n] Chancen‘“ (Lohr/Nickel 2005, S. 211). Ein und dieselben Phänomene mediatisierter Arbeitswelten beinhalten für die Beschäftigten sowohl Potenziale als auch Herausforderungen, welche sich je nach Kontext unterschiedlich entfalten. Die Studienergebnisse offenbaren, dass die Potenziale (Chancen) der Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit stärker wahrgenommen werden als die Herausforderungen (Risiken). Digitale Medien sind für die meisten in den Interviews bzw. online Befragten unverzichtbare Arbeitsmittel bzw. der Arbeitsgegenstand an sich, was diese überwiegend positive Betrachtungsweise erklären mag. Die größten Chancen bieten Digitale Medien aus der Sicht der Befragten in Hinblick auf effiziente Arbeitskommunikation und -organisation. Mobil abrufbare E-Mails, Konferenzlösungen, Ticketing-Systeme und Instant Messenger ermöglichen schnelle Kommunikationswege und werden gemäß kommunikationsökonomischer Überlegun-

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4.

5.

6.

7.

8.

gen je nach Situation ausgewählt. Kollaborative Software und Terminverwaltungssoftware vereinfachen die virtuelle Zusammenarbeit über geografische Grenzen hinweg bzw. die Koordination von komplexen Teams. Das durch IuK-Technologien ermöglichte orts- und zeitsouveräne Arbeiten eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten und -räume. So kann Arbeit auch von zuhause aus oder mobil erledigt werden und ist zeitlich flexibel gestaltbar, etwa in Abstimmung mit der Familie oder nach dem eigenen Biorhythmus. Virtuelle Kontakt- oder Kooperationsräume erweitern die Möglichkeiten der Vernetzung und der Kontaktpflege bzw. der Zusammenarbeit für entfernt lebende Personen. Durch Nutzung Digitaler Medien kann eine Transparenz von Arbeitsleistungen bzw. von An- und Abwesenheiten digital hergestellt werden. Präsenzinformationen in Instant Messengern und digitale Gruppenkalender dienen in geografisch zerstreuten Teams und großen Organisationen als Repräsentanten eines virtuellen Ichs. Die größten Herausforderungen Digitaler Medien beziehen sich auf die Beschleunigung und Vervielfältigung von Kommunikation. Der „Communication Overflow“ bezeichnet die Schwierigkeit, mit permanenten und teilweise zeitgleichen medialen und kommunikativen Anforderungen über unterschiedliche Kanäle konfrontiert zu sein. Ein bedeutender Hemmfaktor für den effizienten Menschen sind Effizienzstörungen. Inkompetente Mediennutzung wird als ebenso belastend wahrgenommen wie schlecht oder nicht funktionierende IT-Infrastruktur. Auch Missverständnisse aufgrund verknappter schriftlicher Kommunikation über Digitale Medien werden als Herausforderung gesehen, welcher aber durch Alternativen (z.B. Face-to-Face-Kommunikation) begegnet wird. Die Entgrenzung zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen stellt einen Belastungsfaktor dar, z.B. was die ständige Erreichbarkeit durch mobile Medien anbelangt, die teilweise erwartet, mehrheitlich aber freiwillig erbracht wird. Vor allem Berufstätige mit betreuungspflichtigen Kindern klagen über nicht vorhandene Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben. Mehrheitlich arrangieren sich die Befragten aber mit der Entgrenzung bzw. ziehen auch ihre Vorteile daraus.

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Die Studienergebnisse offenbaren neue Kontrollmöglichkeiten durch die Nutzung Digitaler Medien, z.B. durch Gruppenkalender oder Statusanzeiger in virtuellen Kommunikationsräumen. 10. Größtenteils decken sich die Ergebnisse aus den qualitativen Interviews mit jenen der Online-Umfrage. Die wenigen Unterschiede lassen sich durch die unterschiedliche Zusammensetzung der Stichproben erklären. So betrifft das Phänomen des Communication Overflow die Digicom-ArbeiterInnen stärker als die online Befragten, denn der Arbeitsinhalt von Digicom-ArbeiterInnen ist per se von intensiver Kommunikation geprägt. Neue Kontrollmöglichkeiten durch IuK-Technologien werden hingegen von den online Befragten deutlicher thematisiert als von den interviewten Digicom-ArbeiterInnen, die sich mehrheitlich in Führungspositionen befinden.

7. Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeitswelten: Strategien und Kompetenzen

Im Fazit des vorangegangenen Kapitels ist bereits angedeutet, dass die Akteure und Akteurinnen mediatisierter Arbeit Strategien und Kompetenzen entwickeln, um den Herausforderungen, die die Nutzung Digitaler Medien mit sich bringen, zu begegnen und mögliche Nachteile zu kompensieren. Ebengleich verfügen sie über Strategien und Kompetenzen, um die Potenziale und Chancen Digitaler Medien für sich nutzbar zu machen. Dabei sind diese Strategien und Kompetenzen weniger als gezielt angeeignet bzw. erworben zu verstehen; vielmehr resultieren sie aus den vorhandenen Fähigkeiten der Arbeitenden bzw. aus deren individuellen Erfahrungen und informellen Lernprozessen. In der Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“ stellen die Strategien und Kompetenzen die Handlungsstrategien des effizienten Menschen dar (siehe Abbildung 7), welche dieser zur Bewältigung der Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit einsetzt. Diese können Michel de Certeau (1988, S. 23f) folgend sowohl Strategien im Sinne von geplanten, ermächtigenden Handlungen sein als auch Taktiken, welche kurzfristig eingesetzt werden, um bestimmte Ziele zu erreichen. In der Regel vereinen die Handlungsstrategien beide Aspekte. Auch Kompetenzen wie die Fähigkeit zu effizienter Mediennutzung oder Reflexionskompetenz werden insofern als Handlungsstrategien verstanden, als sie wesentliche Voraussetzungen dafür sind, um den Raum- und Zeitphänomenen mediatisierter Arbeit zu begegnen, und sie damit strategischen Charakter besitzen.

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Folgende Strategien und Kompetenzen lassen sich aus dem Datenmaterial (Interviews und Online-Umfrage) extrahieren: • • • •

Effiziente Mediennutzung, Management von Raum und Zeit, Grenzmanagement und Entschleunigung und Reflexionskompetenz.1

Diese Strategien und Kompetenzen sind entsprechend dem Zuschnitt der gegenständlichen Studie auf der Handlungsebene der Subjekte angelegt. Dies soll aber nicht den Eindruck erwecken, die Herausforderungen mediatisierter Arbeit seien ausschließlich individualisiert zu betrachten.2 Es sind Strukturen und Rahmenbedingungen nötig, welche einerseits die individuellen Lösungen ermöglichen, unterstützen und fördern, andererseits die Individuen auch entlasten. So verlangen neue Arbeitsformen auf Seiten der Unternehmen nach neuen Formen der Führung, wie unter dem Schlagwort „Leadership 2.0“ diskutiert wird (vgl. etwa Lehky 2011). Auch Unternehmensvertretungen, Gewerkschaften und politische EntscheidungsträgerInnen sind gefordert, die sich verändernden Rahmenbedingungen zu gestalten, z.B. durch neue Regelungen der Erreichbarkeit außerhalb der regulären

1

Die Reihenfolge ist so gestaltet, dass sie der Reihung der Chancen und Herausforderungen in Kapitel 6 bestmöglich entspricht. So ist die effiziente Mediennutzung als Antwort auf die Beschleunigung und Vervielfältigung von Kommunikation zu sehen. Raum- und Zeitmanagement sind als Strategien zum Phänomen der Flexibilisierung und Mobilisierung von Arbeit und Grenzmanagement und Entschleunigung als Antwort auf die Entgrenzung zwischen Lebensbereichen zu verstehen. Reflexionskompetenz wird als Querschnittskompetenz für die genannten Kompetenzbereiche formuliert, da diese als Voraussetzung für die Entwicklung der Strategien bzw. Kompetenzen und für konkrete Entscheidungen in diesen Kompetenzbereichen gesehen wird.

2

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Arbeitenden in ihrem Handeln nicht völlig frei sind. Die Strategien und Kompetenzen können nur innerhalb bestehender Rahmenbedingungen entwickelt und angewandt werden. So erfordern etwa Strategien des Raum- und Zeitmanagements flexible Arbeitsstrukturen bzw. den Zugriff auf entsprechende kommunikationstechnologische Infrastruktur – Bedingungen, welche nicht für alle Arbeitenden gleichermaßen gegeben sind.

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Arbeitszeit oder aktuelle Datenschutzrichtlinien.3 Aufgabe von Politik sind zudem neue, an mediatisierte Arbeitswelten angepasste Bildungskonzepte, neue Gesundheitskonzepte, neue Förderprogramme z.B. von Bürogemeinschaften (Coworking Spaces) und eine kritische Reflexion neoliberaler Herrschaftslogik sowie die Starkmachung für humanitäre Werte. Friedrich Krotz fordert in Zusammenhang mit der digitalen Spaltung eine Medienkompetenz von Staat und Gesellschaft, anstatt die Kompetenzfrage auf die Individuen abzuwälzen (vgl. Krotz 2012a, S. 30). Diese Forderung kann und muss auch für die Herausforderungen mediatisierter Arbeit formuliert werden.

7.1 E FFIZIENTE M EDIENNUTZUNG Überwiegend lässt sich das vorhandene Datenmaterial aus der Interviewstudie zu den Strategien und Kompetenzen im Umgang mit mediatisierter Arbeit in die Kategorie „Effiziente Mediennutzung“ einordnen. Auch den quantitativen Untersuchungsergebnissen folgend, stellen Strategien der effizienten Mediennutzung aus Sicht der Befragten die wichtigsten Kompetenzen im Umgang mit Digitalen Medien dar.4 Um Digitale Medien in einem effizienten Sinn zu nutzen, sind zunächst instrumentell-qualifikatorische Kompetenzen zur Bedienung der Technologien und Anwendungen erforderlich. Ein 41-jähriger Unternehmer erklärt dies im Interview am Beispiel von Online-Konferenzen:

3

Eine vielversprechende Initiative in Deutschland stellt die „SozialCharta Virtuelle Arbeit“ dar. Die vom Forum Soziale Technikgestaltung gestartete Initiative arbeitet zusammen mit BetriebsrätInnen und Gewerkschaften an der Ausgestaltung „neuer Onlinearbeitswelten“. Online unter: www.forum-soziale-technikge staltung.de/cms/index.php?id=19 [22.09.2014]; vgl. auch Schröter 2010.

4

So schätzten etwa die Befragten die Notwendigkeit von Weiterbildungen bzw. Trainings in Hinblick auf effiziente Mediennutzung (gegenüber anderen Bereichen wie dem Wissen über rechtliche oder ethische Fragen zu Neuen Medien oder der Einschätzung von Potenzialen und Risiken Neuer Medien) am wichtigsten ein (siehe elektronischer Anhang, Tabelle 17, online unter: http://www. transcript-verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1.pdf).

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„Das macht unser Verkaufsleiter normalerweise. Da muss man auch wirklich gut drinnen sein, muss ich sagen, also das muss man schon gut können. Auch mit der Technik gut umgehen, wen schalte ich wie frei, gebe ich mal kurz den Chat frei, dass alle tippen können oder mache ich Screensharing […] oder muss ich jetzt die Präsentation hochladen? Also all diese Themen. Das musst du dann schon beherrschen.“ (IV 04, 380; vgl. IV 20, 268; 284).

Auch der souveräne Umgang mit technischen Ausfällen und Fehlern sowie das Vorbeugen dieser durch Ausfallserver, mehrfache Sicherungskopien und die Synchronisation von Daten auf mehreren Geräten sind wichtige Arbeitsschritte und erfordern dementsprechende Fähigkeiten. Fällt eine Anwendung oder eine Technologie aus, kann ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand entstehen. Ein nicht funktionierendes E-Mailprogramm sei eine „Katastrophe“, so ein Digicom-Arbeiter (IV 08, 584). Er behilft sich in solchen Fällen aber mit der E-Mailfunktion seines Smartphones, welche mit dem E-Mailprogramm am Computer synchronisiert ist, und schafft es auf diese Weise, arbeitsfähig und erreichbar zu bleiben. Gerade in Situationen virtueller Zusammenarbeit ist die Fähigkeit zur Gestaltung von Kommunikationsprozessen wesentlich. Eine Online- oder Telefonkonferenz etwa muss gut vorbereitet und kompetent moderiert werden, um ein zufriedenstellendes Kommunikationsergebnis zu erhalten. Eine 45-jährige Wissenschaftlerin ordnet z.B. die Redebeiträge in den OnlineKonferenzen mit ihren Studierenden so: Möchte jemand etwas sagen, postet er/sie ein Rufzeichen in einem kleinen für alle sichtbaren Chatfenster und bekommt von der Moderatorin/dem Moderator bei nächster Gelegenheit das Wort erteilt (vgl. IV 20, 288). Am bedeutungsvollsten für eine effiziente Mediennutzung sind – den Aussagen aus den Interviews zufolge – ein disziplinierter Umgang mit EMails und die Kompetenz zur Auswahl des jeweils geeigneten Mediums. 7.1.1 E-Maildisziplin E-Mails nehmen im Medienmenü der StudienteilnehmerInnen (der Digicom-ArbeiterInnen und der online Befragten) einen zentralen Stellenwert ein. 93 Prozent der online Befragten nutzen das Medium E-Mail mindes-

7. S TRATEGIEN UND K OMPETENZEN

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tens einmal täglich.5 Dieses niedrigschwellige Medium lädt scheinbar gerade dazu ein, Informationen und oftmals irrelevante bzw. redundante Nachrichten an große Verteilerkreise zu versenden. Von den EmpfängerInnen wird das als Effizienzstörung wahrgenommen, wie in Kapitel 6.2.1 gezeigt wurde. Die Kompetenz, das Medium E-Mail effizient zu nutzen, wird von den Digicom-ArbeiterInnen dementsprechend stark betont, wie etwa von einem 42-jährigen Universitätsprofessor: „Das Zentrale ist meines Erachtens, dass man sinnvoll damit umgeht. Das kann, ich habe das schon erlebt, extremen Stress verursachen, wenn man meint, man muss immer extrem schnell antworten, man muss immer alles sofort beantworten. Und man muss aufpassen, dass man nicht wegen jeder Kleinigkeit E-Mails schreibt.“ (IV 18, 264; vgl. IV 05, 114).

Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass es Disziplin bedarf, um sich vom Medium E-Mail nicht vereinnahmen zu lassen. Eine Digicom-Arbeiterin spricht dies dezidiert an. In dem rasch hin- und herwechselnden E-Mailverkehr müsse man „sich immer disziplinieren, dass man sich davon nicht total unter Druck setzen lässt“ (IV 14, 419). Der oben zitierte Universitätsprofessor diszipliniert sich selbst, indem er Zeiten festlegt, zu denen er seine EMails checkt und bearbeitet: morgens, mittags und abends (vgl. auch IV 16, 0497). Wenn er aus Neugierde zwischendurch in die Mailbox sieht, ärgert er sich darüber, da ihn dies aus der sonstigen Tätigkeit herausreißt (vgl. IV 18, 168). Mit dieser Strategie stellt er jedoch eine Ausnahme dar. Die Mehrheit der Interviewten hat ihren Posteingang quasi ständig im Blick und antwortet zwischendurch, auch von unterwegs, z.B. während des Wartens auf ein Flugzeug. Ein 37-jähriger Sales- und Marketingmanager erklärt die Vorteile dieser Vorgehensweise: „Also ich müsste jeden Tag am Abend sicher eine Stunde, 1,5 Stunden länger sitzen, wenn ich die ganzen E-Mails, die ich am Tag nebenbei mache, am Abend machen müsste.“ (IV 01, 1907). Unabhängig von der Bearbeitungsfrequenz wird es als besonders effizient empfunden, E-Mails nur einmal zu öffnen und dann sofort zu bearbeiten, wenn es die Umstände erlauben. Das Ziel ist es, nicht durch mehrmaliges Lesen einer E-Mail Zeit zu verlieren (vgl. IV 10, 861). Eine weitere Möglichkeit, E-Mails zeiteffizient zu verwalten, ist es, Ordnung und Struktur zu

5

Siehe Tabelle 1 in Kapitel 2 „Mediatisierung von Arbeit“.

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schaffen. Gebräuchlich ist es, die bereits geöffneten E-Mails im Posteingang zu belassen, aber als „ungelesen“ zu markieren, um sie als „noch zu bearbeitend“ zu kennzeichnen (vgl. IV 05, 114; IV 11, 674). Die DigicomArbeiterInnen trachten mehrheitlich danach, im Posteingangsfeld nur die zu erledigenden Aufgaben aufscheinen zu lassen. Diese Liste soll nach deren Empfinden eine Bildschirmseite nicht übersteigen, um die Übersicht zu behalten. Alles andere wird in Ordner abgelegt. Keineswegs alle eingelangten E-Mails werden aber auch gelesen. Anhand der Absender- und Betreffzeile lasse sich gut erkennen, wenn eine EMail getrost ignoriert bzw. noch vor dem Öffnen gelöscht werden könne (vgl. IV 01, 0371; IV 06, 726; IV 20, 684), um Zeit zu sparen. Angst davor, etwas zu versäumen, haben die Digicom-ArbeiterInnen nicht. „[…] das kommt eh alles doppelt. Sachen, die sehr wichtig sind, bekommt man eh immer wieder“ (IV 01, 0375), formuliert es der oben erwähnte Sales- und Marketingmanager.6 Ein anderer Digicom-Arbeiter hält sich durch KollegInnen beim Mittagessen am Laufenden, so könne es „gar nicht passieren, dass man etwas nicht mitbekommt“ (IV 06, 734).7 Um gar nicht erst in die Situation zu kommen, Unmengen an überflüssigen Nachrichten in den Posteingang zu bekommen, richten einige Digicom-ArbeiterInnen E-Mailregeln und Filter ein. Es sind dies vor allem die besonders medienaffinen unter ihnen. Ein Interviewteilnehmer erklärt seine Strategie wie folgt: „Das ist so etwas, wo ich wirklich Hirnschmalz reinstecke. Ich habe schon einmal Posteingangsregeln. […] Ich kann zumindest sagen, wenn es ein Workflow ist, sprich irgendjemand will etwas bestellen oder es ist eine Fehlerbehebung, die halt irgendeine automatische Mail generiert, dann wirf das in den Ordner ‚Workflows‘.

6

An dem Beispiel wird erkennbar, dass die Qualität des Abarbeitens der E-Mails kaum relevant zu sein scheint, wohingegen das Streben danach, diese so zeiteffizient wie möglich abzuhandeln, zentral ist.

7

Von einem Extremfall berichtet eine 41-jährige Universitätsprofessorin. Bereits vier Mal in ihrem Leben hat sie ihre komplette E-Maileingangsliste gelöscht. Sie macht dies, wenn ihr „alles zu viel wird, […] wenn die ‚gestern hätte ich schon erledigen sollen E-Mails‘ zu viele werden“ (IV 13, 066). Auch sie hat keine Sorge, etwas dadurch zu versäumen. Wenn jemand etwas von ihr brauche, würde er/sie sich schon erneut melden (vgl. ebd.).

7. S TRATEGIEN UND K OMPETENZEN

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Wenn das eine Massenmail ist, ich habe ja so Infokanäle abonniert, […] dann schieb die in den Ordner ‚Spam‘.“ (IV 10, 473).

Zusätzlich hat er einen News-Ordner angelegt, in welchen automatisch Newsletter einsortiert werden, und einen Ordner, in welchem E-Mails gesammelt werden, die ihn nicht direkt betreffen, da er sie in „cc“ erhält (vgl. IV 10, 477; ähnlich auch IV 04, 075; IV 06, 718; IV 11, 770; IV 19, 1011).8 Auf diese Weise hat der Digicom-Arbeiter einen besseren Überblick über die vielen E-Mails und kann diese rascher bearbeiten. Außerdem spart er sich den Prozess des händischen „Ablegens“ von E-Mails in Themenordnern, wie es eine Gesprächsteilnehmerin zwei- bis dreimal pro Woche macht. E-Mails auf diese Weise zu strukturieren und zu verwalten, erfordert Disziplin, wie sie betont (vgl. IV 14, 415). Die Mühe, E-Mails zu ordnen und zu strukturieren, so die Digicom-Arbeiterin, schlage im Endeffekt aber als Zeitgewinn zu Buche, da Informationen rasch aufgefunden werden könnten (vgl. IV 14, 463). Zur E-Maildisziplin gehört es auch, E-Mails prägnant zu formulieren, sodass sie alle Informationen enthalten und so wenige Nachfragen wie möglich erfordern. Ein 41-jähriger Unternehmer formuliert dazu folgende Tipps: „Deswegen glaube ich, ist es sehr wichtig, dass man die [E-Mail, C. R.-E.] gut strukturiert, vielleicht gerade wenn es ins Ausland geht nummeriert, Aufzählungszeichen verwendet, dass man sie vielleicht auch so bezeichnet: ‚Bitte beantworten Sie folgende Punkte: 1., 2., 3., 4. Herzlichen Dank! ...‘ Und dann kann er [der Empfänger, C. R.-E.] da vielleicht hineinschreiben.“ (IV 04, 412; vgl. IV 12, 561; IV 16, 0146).

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In einem Gespräch einige Wochen nach dem Interview erzählte mir der Digicom-Arbeiter, dass er inzwischen seine E-Mailstrategie geändert habe. Er bearbeite nun jede E-Mail beim ersten Anklicken. Auch verwende er jetzt nur mehr zwei Ordner, einen Archivordner für E-Mails, welche keinen Arbeitsauftrag enthalten, und einen „Act“-Ordner, in welchen er E-Mails ablegt, die später bearbeitet werden. Diese sind mit einem Termin versehen, der als Deadline für die Bearbeitung gilt. Dadurch sei eine große Zeitersparnis entstanden.

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Diese und andere Richtlinien gibt der Unternehmer in regelmäßigen Kommunikationsschulungen auch an seine MitarbeiterInnen weiter, um die Effizienz des Arbeitens zu erhöhen (vgl. auch IV 16, 0186). Deutliche Hinweise auf einen disziplinierten Umgang mit E-Mails (oder zumindest das Streben danach) finden sich auch in den Resultaten der Online-Umfrage. Für fast alle Befragten (96 Prozent) spielen Überlegungen eine Rolle, welchem Verteilerkreis welche Informationen per E-Mail zugesandt werden. Rund drei Viertel (74 Prozent) gaben an, ihre E-Mails in Ordnern bzw. mittels E-Mailregeln zu strukturieren, um diese effizient verwalten zu können. 7.1.2 Selektionskompetenz Menschen, die sich IuK-Technologien nutzbar machen wollen, müssen das „Spielen auf der medialen Klaviatur“ beherrschen, das heißt, den „medialen Eigensinn kennen und beherrschen“, formulierte Ruedi Alexander Müller-Beyeler 2011 in einer Keynote.9 Es braucht eine mediale oder kommunikative Sensibilität, um die Eigenheiten der Medien zu erkennen und für den jeweiligen Anlass das passende Medium mit der adäquaten Sprache zu verwenden. Die Kriterien, welche medialen Kanäle in welchen Situationen und für welche Probleme herangezogen werden, sind mannigfaltig. Nicola Döring (vgl. 2003, S. 131) unterscheidet hierbei rationale Entscheidungskriterien, soziale Normen und interpersonale Abstimmungskriterien. All diese Formen der Medienwahl spielen in den Untersuchungsergebnissen zur gegenständlichen Studie eine Rolle, wobei diese auch kombiniert werden. Ungeachtet der Kriterien kommt dem Streben nach Effizienz dabei jeweils eine große Bedeutung zu. Die Einschätzung, welches Medium bzw. welche Kommunikationsstrategie in welchen Situationen effizient ist, differiert. Für die einen DigicomArbeiterInnen ist es das Telefon, das zu schnellen Absprachen und kurzen Nachfragen taugt; für die anderen ist es der Instant Messenger oder die EMail; andere bevorzugen hierfür das Face-to-Face-Meeting. Auch wenn die Lösungen sehr unterschiedlich sein können, gibt es klare Tendenzen: So

9

Müller-Beyeler, Ruedi Alexander: Multimediale Rhetorik – Konvergenz und TV-News, Keynote bei der SGKM-Jahrestagung 2011 „Bild – Kommunikation – Medien“, 08.04.2011, Basel.

7. S TRATEGIEN UND K OMPETENZEN

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wird das Telefon (Festnetz- oder Mobiltelefon) für dringende Absprachen oder technische Probleme verwendet, die unmittelbar zu lösen sind. Um das Gegenüber an etwas zu erinnern oder nachzuhaken, wird gerne auf eine EMail zurückgegriffen. Auch für formelle Anfragen und verbindliche Mitteilungen werden aufgrund der besseren Dokumentierbarkeit E-Mails bevorzugt. Über Instant Messaging wird vor allem die interne Kommunikation in internationalen Unternehmen abgewickelt. Dabei sind die Präsenzinformationen der Instant Messaging Tools hilfreich, um festzustellen, ob die gewünschten KommunikationspartnerInnen gerade an ihren Arbeitsplätzen sitzen. Ist dies nicht der Fall, ist eine Kontaktaufnahme per Instant Messenger sinnlos, und es wird ein anderer Weg gewählt. Ein 29-jähriger TV-Aufnahmeleiter erzählt im Interview, dass er einmal einen Kollegen erreichen musste, der gerade in Thailand auf Urlaub war. Per Instant Messenger, telefonisch und per E-Mail war eine Kontaktaufnahme nicht möglich, aber über das Social Network Facebook hat er ihn schließlich erreicht (vgl. IV 12, 291). Wie dieses Beispiel beweist, zeigen sich die Digicom-ArbeiterInnen bei der Medienwahl durchaus kreativ.10 Das beliebteste Kommunikationsmedium für internationale Kontakte ist die E-Mail, da die schriftliche Kommunikation den Umgang mit der Fremdsprache erleichtert (sowohl auf SenderInnen- als auch auf EmpfängerInnenseite). Ein anschauliches Beispiel für die teilweise komplexen Überlegungen, welche der Medienwahl vorausgehen, ist die Kommunikationsstrategie einer 25-jährigen Projektmanagerin, wenn sie mit schwedischen KooperationspartnerInnen kommuniziert: „[…] bei den Schweden sind wir jetzt dazu übergegangen täglich anzurufen, weil man denen täglich auf den Fuß treten muss. Wenn ich denen E-Mails schreibe kann es ja sein, dass die das einfach ignorieren, aber wenn ich anrufe, dann können sie mich ja nicht mehr ignorieren.“ (IV 05, 560).

Nach dem Telefonat verschickt die Digicom-Arbeiterin per E-Mail eine Telefonnotiz, um das Besprochene zusammenzufassen. Wenn sie eine Rückbestätigung auf diese E-Mail erhält, gilt die Angelegenheit als fixiert und

10 Die Kreativität in der Medienwahl verweist auf die hohe Bedeutung subjektiver Leistungen im Rahmen von mediatisierter Arbeit, wie sie in Kapitel 2.3 „Subjektivierung, Standardisierung“ erörtert wurden.

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hat verbindlichen Charakter (vgl. ebd.). Dieses Beispiel steht exemplarisch für die „,soziale Integration von Kommunikationsmedienµ“ (Stegbauer 1995, S. 13). Ihr zufolge gleichen AnwenderInnen von Kommunikationsmedien die Schwächen eines Mediums durch die Ergänzung anderer Medien aus (vgl. ebd.). Abseits von generellen Präferenzen und pragmatischen Entscheidungen wird das kommunikative Gegenüber in die Auswahlüberlegungen einbezogen, wie das folgende Zitat einer 45-jährigen Wissenschaftlerin veranschaulicht: „[…] es gibt einfach Situationen, wo ich mir überlege, ist es jetzt besser, bei der Person, ich schreibe eine E-Mail oder ich rufe an, oder was mache ich da am besten? Ich glaube da muss man so abschätzen die Situation. Was will ich mitteilen? Dem einen kann ich das per E-Mail schicken. Wenn ich das beim anderen tue, dann weiß ich genau, das tu ich lieber nicht so. Da gehe ich lieber persönlich hin oder mache einen Termin aus und bespreche es dann.“ (IV 20, 464).

Das Zitat verweist neben der Selektionskompetenz auf die komplexen sozialen Kompetenzen (wie Empathiefähigkeit, Antizipation von Verhaltensweisen), die vor allem im Bereich hochqualifizierter Arbeit gefordert sind. Die hohe Bedeutung der Selektionskompetenz wird durch die Ergebnisse der Online-Umfrage auch für die allgemeinere Stichprobe im Bereich mediatisierter Arbeit bestätigt. 89 Prozent der Befragten gaben an, bei der Wahl der Kommunikationsmittel darauf zu achten, welcher Anlass welche Art der Kommunikation erfordere.

7.2 M ANAGEMENT

VON

R AUM

UND

Z EIT

Wie in den Kapiteln 5 und 6 an verschiedenen Stellen dargelegt, ist die Mehrheit der befragten Digicom-ArbeiterInnen in Bezug auf ihren Arbeitsort und/oder ihre Arbeitszeit flexibel. Strategien des „timing“ und „placing work“ (Felstead/Jewson/Walters 2005, S. 154), also die Planung respektive das Management, wann und wo eine Tätigkeit vollzogen wird, gehören für sie zum Alltagsgeschäft. Maßstab für diese Überlegungen und Pläne ist überwiegend die Effizienz, nach welcher die Digicom-ArbeiterInnen ihr Tun ausrichten. Mit der Verwendung des Begriffs „Management“

7. S TRATEGIEN UND K OMPETENZEN

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soll die Rationalität der Strategien betont sowie auf das unternehmerische Verhalten der befragten Digicom-ArbeiterInnen verwiesen werden. „Sich selbst zu managen verlangt nicht nur die gleichen Tugenden wie die Führung eines Unternehmens, sondern besteht vor allem in der Fähigkeit, sich selbst als Unternehmen zu begreifen und entsprechend zu führen.“ (Bröckling 2000, S. 154). Zudem verwenden die Digicom-ArbeiterInnen den Ausdruck „managen“ selbst häufig für ihre Alltagsstrategien (z.B. „Client Management“, „Kalendermanagement“, „Kindermanagement“).11 Im Folgenden werden die Handlungsstrategien „placing work“ und „timing work“ erläutert. 7.2.1 „Placing Work“ „Placing work“ nennen Felstead, Jewson und Walters (2005, S. 154) das strategische Zuordnen bestimmter Tätigkeiten zu passenden Orten und Rahmenbedingungen im Arbeitsalltag von mobil Tätigen, wie in Kapitel 2.2 bereits erläutert wurde. Die Planung bzw. das Management des Arbeitsortes ist für die meisten gegenständlich befragten Digicom-ArbeiterInnen eine wichtige Handlungsstrategie, um die Anforderungen des Arbeitsalltages zu bewältigen. So wird die Möglichkeit, den Arbeitsraum bzw. -ort bewusst zu wechseln, um Inspiration zu erlangen, zur Ruhe zu kommen oder neue Energie zu schöpfen, als Vorteil gesehen und auch genutzt. Ein 41-jähriger Unternehmer erzählt im Interview: „Wir ziehen uns auch ab und zu ganz bewusst auch in Meetings, in strategischen Meetings in irgendein Kaffee zurück und versuchen die räumliche Gestaltung da zu verändern. Also gehen in andere Räume, in andere Bereiche hinein, um eben eine Veränderung des Umfeldes zu bekommen, weil das schon sehr inspirierend sein kann und sicher nicht nur kann, sondern sicher auch ist. Und das hilft. Da ist man ... deutlich produktiver, nicht produktiver, sondern innovativer und inspirierter glaube ich.“ (IV 04, 492; vgl. IV 12, 485).

Der „Tapetenwechsel“ (IV 11, 372) sorgt für frische Energie, ob im FastFood-Restaurant an der Ecke, in der Hängematte auf der Terrasse oder

11 Wissenschaftlich diskutiert wird die Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche durch das Management beispielsweise von Ulrich Bröckling (2000, S. 131f).

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schlicht im eigenen Home-Office. Aber auch Bewegung im Raum ist den Digicom-ArbeiterInnen wichtig: So wird bei KollegInnen zwischendurch auf einen Smalltalk vorbeigeschaut (vgl. IV 14, 747) oder während des Telefonierens im Haus umhergegangen (vgl. IV 16, 0258). Eine angenehme Art zu arbeiten, sind auch „Zielspaziergänge“, bei denen man „ein Problem im Hinterkopf hat und auf dem Weg über das Problem nachdenkt, das Problem bespricht, mit diesem Problem sich die Sachen anschaut und versucht Inspiration zu bekommen aus der Natur, aus anderen Menschen und derartigem“ (IV 13, 160), erklärt eine 41-jährige Universitätsprofessorin. Bei allen Varianten ist das Verändern der räumlichen Umgebung zentral. Ein häufiges Motiv für den Wechsel des Arbeitsortes ist der Wunsch nach ungestörtem und damit effizientem Arbeiten. Die Bedingungen dafür werden vor allem im eigenen Heim vorgefunden, weshalb sich die Digicom-ArbeiterInnen gerne dorthin für konzentriertes Arbeiten zurückziehen: „Es ist einfach ruhiger. Es ist kein Telefon, es redet niemand. Ich glaube, dass es im Endeffekt in erster Linie auch darum geht, dass niemand herkommt und mich etwas fragt. Und ich werde auch von Kollegen […] dann weniger angeschrieben über Messenger. Eigentlich überhaupt nicht. Dann bekomme ich wirklich nur wichtige Anfragen herein. Das ist so ein Filter“ (IV 02, 0419),

erläutert eine 30-jährige Produktmanagerin die Vorteile des Home-Office (vgl. auch IV 16, 0246).12 Zudem spare man sich beim Home-Office die Zeit für die Fahrt zur und von der Arbeit (vgl. IV 02, 0419; IV 13, 527; IV 17, 255; IV 20, 658). Nur von zuhause aus zu arbeiten, wird jedoch von den meisten Digicom-ArbeiterInnen auch nicht als befriedigend empfunden, denn Kontakte mit KollegInnen face-to-face werden als überaus wichtig eingestuft. Die Interviewten nutzen, wie bereits erörtert, Wartezeiten und Transferzeiten für berufliche Tätigkeiten. Gezielt wird, wie erwähnt, anstelle des Autos von manchen Digicom-ArbeiterInnen die Bahn bevorzugt, um während der Fahrt in Ruhe und konzentriert arbeiten zu können (vgl. IV 03, 153; IV 11, 714; IV 20, 588). Ein weiteres Beispiel liefert das Vorgehen einer 33-jährigen Unternehmerin. Sie hat es sich zur Gewohnheit gemacht,

12 Manchmal kann aber das Büro der ungestörtere Ort sein, wenn etwa zuhause die Kinder sind (vgl. IV 11, 376).

7. S TRATEGIEN UND K OMPETENZEN

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während der Flüge zwischen den USA und Europa ihre E-Mails und Dateien zu ordnen, um die Flugzeit produktiv zu nutzen (vgl. IV 16, 0134). Strategisches Raumhandeln kann auch für den virtuellen Raum festgestellt werden. Dazu zählen einerseits Überlegungen, in welchen virtuellen Räumen man sich aufhält, z.B. bei welchem Social Network man Mitglied ist oder welche Tools bzw. Software für Online-Konferenzen verwendet werden, da diese Entscheidungen die Qualität des Zusammentreffens im virtuellen Raum beeinflussen. Zum anderen gilt es, diese Räume zu gestalten (z.B. Profile anzulegen) und Regeln und Konventionen im Team für diese Räume zu etablieren, wie etwa für die Verwendung von Präsenzinformationen in Instant Messengern, welche die Verfügbarkeit des Teams anzeigen. Auch das gezielte Anordnen der Fenster am Computermonitor für die unterschiedlichen virtuellen Arbeitsräume kann als „placing work“ interpretiert werden. Wie erwähnt, verfügen die meisten Digicom-ArbeiterInnen über zwei Monitore, welche gleichzeitig verwendet werden, um den virtuellen Arbeitsraum zu vergrößern. Das „placing work“ bedarf kommunikationstechnologischer Infrastruktur. Mobile Geräte und Dienste wie Notebook, Smartphone und Tablet PC, mobiles Internet, W-LAN und Remote Control sind die Werkzeuge, die dies ermöglichen. In der Online-Umfrage stimmten 44 Prozent der Befragten der Aussage zu, Neue Medien würden ihnen helfen, ihren Arbeitsort flexibel zu gestalten. Ebenso viele (43 Prozent) stimmten der Aussage nicht zu.13 Das bedeutet, dass die Strategie des „placing work“ für die OnlineStichprobe keine so große Rolle spielt wie für die TeilnehmerInnen der Interviewstudie. Dies ist damit zu erklären, dass die online Befragten örtlich wesentlich gebundener arbeiten als die Interviewten, welche mehrheitlich flexible Arbeitsbedingungen und damit mehr Möglichkeiten zum strategischen Raumhandeln haben. 7.2.2 „Timing Work“ Auf die Arbeit bezogene Zeitstrategien bezeichne ich in Analogie zu dem von Felstead, Jewson und Walters eingeführten Begriff des „placing work“ (2005, S. 154) als „timing work“. Karin Jurczyk und Günter Voß kamen

13 Herangezogen wurden die Ausprägungen 1 und 2 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu).

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schon 2000 in ihrer Untersuchung zu den „Zeiten des Arbeitskraftunternehmers“ zu dem Ergebnis, dass vor dem Hintergrund der Erosion gesellschaftlicher Zeitstrukturen Zeit zunehmend „aktiv und reflexiv kontrollierend gestaltet“ werden muss, was eine „drastisch steigende Anforderung an ein aktives Zeithandeln“ bedeutet (Jurczyk/Voß 2000, S. 153, Hv. i. O.). Dieser (heute immer noch aktuelle) Befund betrifft die gesamte Alltagszeit, jedoch im Speziellen die Zeit, welche für die Arbeit aufgewendet wird, da sie am deutlichsten rationellen Handlungslogiken unterworfen ist. Wie die Ergebnisse der gegenständlichen Studie zeigen, stellen die Digicom-ArbeiterInnen konkrete Überlegungen zu ihren Zeitstrategien an. Ein Beispiel sind festgelegte E-Mailzeiten, z.B. drei Mal am Tag, an denen die Mailbox bearbeitet wird, um ein Herausgerissenwerden aus der Arbeit in der restlichen Zeit zu vermeiden (vgl. IV 16, 0497; IV 18, 168). Auch für die Nutzung von Social Networks werden Zeitlimits festgelegt, z.B. einmal pro Tag 15 Minuten oder maximal zwei Mal pro Woche, um ein Abdriften in die Virtualität zu vermeiden (vgl. IV 01, 1237; IV 04, 127). Für VieltelefoniererInnen ist das Festsetzen von bestimmten Telefonzeiten hilfreich, indem z.B. vorwiegend während des Autofahrens (mit Freisprechanlage) oder nur zu gewissen Zeiten telefoniert wird (vgl. IV 01, 0291; IV 16, 0258; IV 18, 022). Eine 33-jährige Unternehmerin macht sich den Zeitunterschied zwischen ihrem Wohnort in den USA und dem Firmensitz in Europa zunutze, da dieser die Zeitspanne, in welcher Telefonate erledigt werden können, automatisch reduziert. Zwischen sechs Uhr früh bis zwölf Uhr mittags erreichen sie die meisten Anrufe aus Europa: „Und recht effizient. Zack, zack, zack. Das sind eben diese paar Stunden, und dann habe ich noch ein paar Stunden zum Abarbeiten, und dann bleibt noch ein Teil vom Tag einfach für strategische Sachen übrig.“ (IV 16, 0250). Ihre Wortwahl verdeutlicht den Effizienzgewinn, den sie aus diesem Umstand zieht. Ähnlich profitiert ein 42-jähriger Universitätsprofessor von dem Zeitunterschied zwischen Europa und den USA sowie Kanada. Wenn er abends ein Dokument an seine KooperationspartnerInnen per E-Mail wegschicke, bekäme er es am nächsten Morgen bereits überarbeitet wieder retour, was ihm ein sofortiges Weiterarbeiten ermöglicht (vgl. IV 18, 038). Die meisten Digicom-ArbeiterInnen verwenden Arbeitspläne, um ihre komplexen Aufgaben einzuteilen und zu ordnen. Eine Gesprächsteilnehmerin hat für ihre Aufgabenplanung ein ausgeklügeltes System entwickelt. Ih-

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re To-do-Liste ist in vier Abschnitte mit unterschiedlichen Dringlichkeitsstufen gegliedert: „Das was in Eins stehen sollte, das sollte am selben Tag noch weg sein. Das was in Zwei steht, hat in der Regel Fristen, sprich da hat man gewisse Termine und kann sich auch daran halten. […] Dann gibt es Drei und Vier, die Zeit haben oder längerer Recherchen bedürfen. Also Drei ist eher so ein Ding, das länger Zeit hat oder grundsätzlicher Recherchen bedarf. Die Abteilung vier überleben wir auch, wenn wir es nicht gelöst haben.“ (IV 14, 435).

Die Liste führt sie digital in einem Textdokument auf ihrem Smartphone. Die Mehrheit der Digicom-ArbeiterInnen verwendet jedoch bemerkenswerterweise Bücher, Notizblöcke oder einzelne Blätter als To-do-Listen. Sie werden als flexibler angesehen als die digitalen Listen, weil sie geräteunabhängig funktionieren und auch einfach zu handhaben sind (vgl. IV 01, 1895; IV 05, 084; IV 07, 537; IV 12, 459). Daneben wird aber auch der digitale Kalender gerne als Aufgabenkalender genutzt, in dem anstehende Aufgaben zu den entsprechenden Tagen vermerkt werden (vgl. IV 11, 654; IV 14, 509; IV 18, 308). Wie der oben erwähnte Universitätsprofessor erläutert, können diese Termine und Aufgaben flexibel verschoben werden, wenn sie nicht eingehalten werden: „Ich schau mir dann meistens am Morgen an, was alles ansteht, und wenn ich das Gefühl habe, das schaffe ich nicht, dann schiebe ich Termine nach hinten, auf einen anderen Tag, schiebe die einfach rüber. Das mache ich meistens am Anfang der Woche, sodass ich mir die ganze Woche anschaue. […] So verliere ich keine Termine und habe immer den Überblick, was es alles zu tun gibt und ob die Tätigkeiten auch kompatibel mit meinen Terminen an diesem Tag sind.“ (IV 18, 308).

Digitale Gruppenkalender spielen, wie in Kapitel 6.1 erörtert, eine zentrale Rolle für das „timing work“ der Digicom-ArbeiterInnen, vor allem für jene, die in Teams arbeiten. Wie ein 33-jähriger Security Spezialist erläutert, müssen Termine nicht abgesprochen werden, sondern können einfach von einer Person, z.B. der Führungskraft, für ein ganzes Team in den Gruppenkalender eingetragen werden und genauso schnell wieder abgesagt bzw. verschoben werden, ohne dass einzelne Personen kontaktiert werden müssen (vgl. IV 06, 584-592). Diese Form der Kommunikation ist zwar äußerst

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reduziert, aber effizient und im Falle der Synchronisation mit mobilen Endgeräten wie Smartphone und iPad ortsunabhängig möglich. Wie erwähnt, ist produktives Arbeiten insbesondere unter ungestörten Bedingungen möglich. Die Digicom-ArbeiterInnen teilen sich dementsprechend ihre Arbeit häufig in zeitlichen Blöcken ein, innerhalb derer sie sich auf einzelne Aufgaben konzentrieren können (vgl. IV 01, 1671; IV 10, 511; IV 20, 650). Die Zweiteilung des Arbeitstages im Team des 42-jährigen Universitätsprofessors ist dafür ein gutes Beispiel: Die Vormittage verlaufen weitestgehend störungsfrei (keine Termine, wenige Telefonate); Sitzungen, Lehrveranstaltungen usw. werden bewusst auf die Nachmittage verlegt (vgl. IV 18, 058). Andere Digicom-ArbeiterInnen blockieren kurzfristig gewisse Zeiten für wichtige Aufgaben, indem sie einen Termin in den digitalen Gruppenkalender eingeben und in dieser Zeit auch nicht erreichbar sind (vgl. IV 01, 0347; IV 06, 592; IV 10, 503). Die Gruppenfunktion des Kalenders ist dabei behilflich, das eigene „Untertauchen“ transparent zu machen und auch tatsächlich nicht gestört zu werden, da das Team über die Nicht-Verfügbarkeit der Person informiert ist. Mit Jurczyk und Voß gehört ein „,flexibles Zeitgeschickµ“ zu den wesentlichen Kompetenzen der selbstorganisierten Arbeitskraft in Zeiten der Entgrenzung (Jurczyk/Voß 2000, S. 172, Hv. i. O.). Exemplarisch für diese Fähigkeit ist in der gegenständlichen Studie das Vorgehen eines 37-jährigen Sales- und Marketingmanagers. Wenn er nicht beruflich unterwegs ist, arbeitet er im Home-Office im Keller seines Hauses. Die Gestaltung der Arbeitsphasen verhandelt er spontan mit seiner Ehefrau. Er fragt sie etwa: „,Du, wie machen wir das? Ist es dir Recht, wenn ich sage – wenn ich jetzt am Freitagnachmittag arbeite, z.B. – du wir trinken jetzt den Kaffee, ich schalte 1,5 Stunden das Handy aus, du weißt, ich bin für heute noch nicht fertig. Ich muss dann noch zwei Stunden erreichbar sein. Da werden dann viele Telefonate hereinkommen, vielleicht muss ich in den Keller gehen und ein paar E-Mails schreiben, aber dann bin ich wieder ganz da.‘“ (IV 01, 1053; vgl. auch IV 04, 478).

Dieses Timing koordiniert der Digicom-Arbeiter schließlich auch mit seinem Team, indem er seine MitarbeiterInnen darüber informiert, wann er wieder erreichbar ist (vgl. IV 01, 1061). Das Changieren zwischen Beruf und Familie einer 45-jährigen Wissenschaftlerin (siehe Abbildung 15 auf Seite 220) zeugt ebenfalls von deren „flexiblen Zeitgeschick“.

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Wie im Falle der effizienten Mediennutzung ist auch in Bezug auf das Zeithandeln die Disziplinierung des eigenen Verhaltens eine wichtige Strategie von Digicom-ArbeiterInnen. Das Streben nach Pünktlichkeit in Bezug auf Meetings, das bereits angesprochen wurde, ist dafür ein treffendes Beispiel. „Pünktlichkeit ist oberste Meeting-Disziplin“ (IV 05, 454), bringt dies eine 25-jährige Projektmanagerin auf den Punkt. Disziplin kann sich aber auch auf die Strukturierung des gesamten Alltags beziehen. Die oben erwähnte 45-jährige Wissenschaftlerin mit zwei betreuungspflichtigen Kindern plus Hund beschreibt sich selbst als sehr diszipliniert und effizient. Im Interview gibt sie die Überlegungen zu ihrem Zeitmanagement preis: „Soviel habe ich Zeit, z.B. zwei Stunden, und dann muss ich das erreichen, und dann wird das gemacht. Da ist links und rechts nichts. […] Und dann am Nachmittag habe ich zwei Stunden Zeit oder drei Stunden, wo ich sage: ‚Ok, jetzt gehe ich mit den Kindern, mache mit denen etwas‘, und dann muss man natürlich auch die Konsequenz haben, am Abend zu sagen: ‚Ich bin zwar schon ko., aber das ist egal. Das ist jetzt noch heute zu erledigen.‘ Und das wird dann heute auch gemacht. Zu 90 Prozent schaffe ich das. Ganz immer schaffe ich das nicht. So ehrlich muss ich sein. Aber meistens.“ (IV 20, 342).

Dieses Zitat verweist nicht nur auf die Selbstdisziplin der Digicom-Arbeiterin, sondern veranschaulicht zudem, wie die freie Zeiteinteilung eine Vereinbarung von familiären und beruflichen Pflichten erleichtern kann. Es zeigt aber auch, dass dies nicht ohne „Blessuren“ verläuft, denn die Wissenschaftlerin muss abends trotz Erschöpfung weiterarbeiten, um ihr Arbeitspensum zu schaffen.14

14 Den sonst in solchen Zusammenhängen bemühten Begriff „Work-Life-Balance“ umgehe ich bewusst, weil er Arbeit und Leben einander gegenüberstellt. Ich vertrete die Auffassung, dass Arbeit ein essenzieller Bestandteil des Lebens ist. (Vgl. auch Hoff et al. 2005, S. 196). Gabriele Winker und Tanja Carstensen (2004, S. 173) ergänzen diese Kritik um den Aspekt, dass diese Gegenüberstellung Arbeit mit Erwerbsarbeit gleichsetzt und Reproduktionsarbeit damit nicht als Arbeit kennzeichnet. Des Weiteren ist der Begriff „Balance“ stark normativ geprägt und meines Erachtens eher ein Mythos als ein erreichbarer Idealzustand. Wie Gudrun Axeli Knapp (2012, S. 11) zu Recht bemerkt, zielt er zudem auf die (zwischen den Geschlechtern ungleich verteilte) individuelle Verantwortung der

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Die Digicom-Arbeiterin betont im Interview stark die Rolle von Digitalen Medien bei der Gestaltung ihres flexiblen Arbeitstages. Wie sie sind 54 Prozent der online befragten MediennutzerInnen der Meinung, dass IuKTechnologien dabei helfen, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Ebenso viele stimmen der Aussage zu, Neue Medien würden die Zeiteinteilung erleichtern. Die Bedeutung von Digitalen Medien für das strategische Zeithandeln von Beschäftigten kann also für die allgemeinere Online-Stichprobe bestätigt werden, allerdings nicht in der hohen Intensität wie für die Digicom-ArbeiterInnen, welche zeitlich noch ungebundener arbeiten.

7.3 G RENZMANAGEMENT

UND

E NTSCHLEUNIGUNG

Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits erörtert, stellt die Entgrenzung zwischen privaten und beruflichen Lebensbereichen eine Herausforderung mediatisierter Arbeit dar. Ständige Erreichbarkeit, Multitasking und beschleunigte Kommunikation stellen hohe Anforderungen an die Arbeitenden. Unter den Rahmenbedingungen subjektivierter Arbeit müssen sie die Grenzen für sich selbst ziehen und sich gezielt Auszeiten nehmen. Die Strategien dazu werden im Folgenden unter den Überbegriffen „Grenzmanagement“15 und „Bewusste Entschleunigung“ vorgestellt. Anhand der Zwischentöne in den Interviews offenbart sich, dass diese Strategien nicht einfach zu realisieren sind und es oftmals bei Vorhaben und Wünschen bleibt. Schließlich sind es nicht die Digicom-ArbeiterInnen alleine, die ihre Arbeitsrealität konstruieren, sondern sie sind mit komplexen Anforderungen der Unternehmen, des ökonomischen Wettbewerbs, der Gesellschaft usw. konfrontiert, welche die Möglichkeiten des selbstbestimmten strategischen Handelns limitieren.16

Subjekte für ihre „Balance“ ab und blendet aus, dass es sich dabei um ein gesellschaftliches Problem handelt. 15 Eine besondere Schlüsselrolle kommt dem Grenzmanagement zu, wenn es sich um Internet-Arbeit handelt, wie Tanja Carstensen, Jana Ballenthien und Gabriele Winker (2013, S. 40) in ihrer Studie „Webbasierte Erwerbsarbeit“ aufzeigen. 16 Siehe dazu die kritischen Bemerkungen in Kapitel 9.2 „Der effiziente Mensch und die ‚Technologien des Selbst‘“.

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7.3.1 Grenzmanagement Wie die Ergebnisse der Interviewstudie zeigen, arbeiten Digicom-ArbeiterInnen mehrheitlich räumlich und zeitlich entgrenzt. Dies ist nicht zuletzt daran festzumachen, dass ihnen die Definition von Arbeit und Freizeit schwerfällt (vgl. IV 01, 0695; IV 11, 352; IV 17, 610). Die Bereiche fließen oft völlig ineinander. Während dies einige wenige besonders schätzen und sie aus dieser Entgrenzung kreatives Potenzial schöpfen, versuchen die meisten der Digicom-ArbeiterInnen zumindest eine Trennung von privaten und beruflichen Lebensbereichen – auch wenn dies nicht immer gelingt (vgl. IV 04, 470; IV 05, 356; IV 17, 193). Die Grenzlinie zwischen dem Privaten und dem Beruflichen wird – sofern möglich – vor allem anhand räumlicher Kriterien gezogen. Exemplarisch formuliert dies eine 30-jährige Produktmanagerin so: „Wenn ich da rausgehe, dann bin ich in der Freizeit. Sobald ich die Tür von dem Büro zumache, ist das hinter mir. In der Früh fängt es an, wenn ich da bin.“ (IV 02, 0917). Als Antwort auf die Frage, wie sie es empfinde, wenn sie von zuhause aus arbeite, sagt sie, dass dies eher zur Freizeit zähle, weil zuhause ihr privater Ort sei (vgl. IV 02, 0921; IV 06, 616; IV 14, 533; IV 17, 037). Es wird also eine Grenze gezogen – diese hat jedoch eher emotionale Bedeutung, denn die Arbeit greift auf ihren privaten Bereich über, auch wenn sie das nicht so wahrnimmt. Dies ist auch der Grund, warum eine Digicom-Arbeiterin am Wochenende zum Arbeiten extra ins (unweit entfernte) Büro fährt und bewusst nicht zuhause arbeitet (vgl. IV 14, 261). So bleibt das Private frei von Arbeit. Ein 30-jähriger Informatiker, der auf selbstständiger Basis an Projekten arbeitet, verfügt über kein Büro, das von seinem Wohnort getrennt wäre. Dennoch nutzt er in seiner Privatwohnung ausschließlich das Arbeitszimmer zum Arbeiten, um den Rest der Wohnung „privat“ zu halten (vgl. IV 03, 211). Für die Zukunft wünscht er sich eine Arbeitsplatzsituation, die ihm ein Arbeiten außer Haus ermöglicht (vgl. IV 03, 614). Diesen Wunsch teilen auch andere freiberuflich Arbeitende, welche von zuhause aus arbeiten. Ein Gesprächsteilnehmer erklärt seine Gründe dafür: „Es gibt wirklich so Tage, wo man einfach nichts weiterbringt. Vor allem wenn man wirklich daheim im eigenen Zimmer sitzt und man weiß, daneben sind die Computerspiele oder daneben ist die Freundin oder sonst was. Dann hat man irgendwie kei-

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nen Geist mehr zum Arbeiten. In einem Büro ist das anders. Du weißt, ‚Ok. Ich arbeite bis fünf und danach ist der Rest‘. Und da teilt man sich das ein.“ (IV 07, 295; vgl. auch IV 12, 533; 541).

Während in obigem Zitat die privaten Ablenkungen betont werden, sieht ein anderer Digicom-Arbeiter, der selbst eine Zeit lang ausschließlich im Home-Office gearbeitet hat, eher die Gefahr des permanenten Arbeitens gegeben (vgl. IV 08, 163). Die Digicom-ArbeiterInnen wünschen sich also Orte, an denen sie rein privat sein können, und Orte, die der Arbeit vorbehalten sind. Diese Trennung funktioniert, wie die Studienergebnisse zeigen, bei Personen, die von zuhause aus arbeiten besser, wenn sie sich ein Büro im Keller eingerichtet haben. Der Etagenunterschied stellt eine Distanz her, welche die Abgrenzung erleichtert (vgl. IV 01, 1053; IV 11, 380), und unterstreicht die Relevanz von physikalischen Raum-Settings in Arbeitszusammenhängen. Eine weitere Form der Grenzziehung bezieht sich auf die kommunikationstechnologische Infrastruktur. Getrennte E-Mail-Accounts für berufliche und private Belange sind eine gängige Maßnahme von Digicom-ArbeiterInnen. Teilweise werden diese auch mittels unterschiedlicher Geräte verwaltet und genutzt (vgl. IV 01, 2197; IV 02, 0387; IV 03, 582). Dies ermöglicht die Konzentration auf rein private oder rein berufliche Nachrichten und Aufgaben, je nachdem, in welcher Sphäre man sich gerade bewegt. Gebündelt gehen private und berufliche Mitteilungen jedoch auf den Smartphones der Digicom-ArbeiterInnen ein. Sie ermöglichen ihnen jederzeit den mobilen Zugriff auf ihre E-Mails. Zwar, so betonen jene, die ihre E-Mails via Smartphone abrufen, sei an der Anzeige erkennbar, ob es sich um berufliche oder private E-Mails handle (vgl. IV 05, 642; IV 14, 684). In der Regel werden die beruflichen E-Mails via Smartphone aber auch in der Freizeit abgerufen. Außerdem kann schon die alleinige Anzeige, man hätte eine berufliche E-Mail erhalten, sowie die Sichtbarkeit der Absenderin/des Absenders und des Betreffs eine Belastung darstellen. Aus diesem Grund entscheidet sich ein Digicom-Arbeiter in seiner „reinen Freizeit“ für eine Smartphone-Abstinenz: „Das ist so, erfahrungsgemäß, ich muss den BlackBerry in der reinen Freizeit auch wegtun, weil der reißt dich immer Vollgas zurück in den Arbeitsalltag. Du be-

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kommst E-Mails, du bekommst SMS, Facebook mobile. Da kommst du nicht weg emotional.“ (IV 08, 226).

Sein Statement relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, dass er angibt, 85 Stunden pro Woche zu arbeiten, und die Phasen der „reinen Freizeit“ demnach sehr knapp bemessen sind. Zusammengefasst stellt das Smartphone ein Entgrenzungsmedium par excellence dar. Grenzmanagement via Smartphone ist jedoch möglich, wenn es entweder rein privat oder rein beruflich genutzt wird, berufliche Nachrichten nicht auf das private Gerät weitergeleitet werden oder es einfach ausgeschaltet wird.17 Erreichbarkeitsmanagement Wie in Kapitel 5.2.1 dargelegt, gaben 15 von 20 Digicom-ArbeiterInnen im Interview an, ständig erreichbar zu sein, ob telefonisch oder durch regelmäßiges Checken von E-Mails. Auch die Mehrheit der online Befragten ist außerhalb der Arbeitszeit für berufliche Belange erreichbar, auch wenn nicht immer von Seiten der Unternehmen darauf zurückgegriffen wird. Dennoch setzen einzelne Digicom-ArbeiterInnen bewusst Grenzen, was ihren beruflichen Einsatz außerhalb der Arbeitszeit betrifft. Dies passiert häufig in Zusammenhang mit individuellen Überlegungen, welche teils strategischen Charakter haben, teils aber dem spontanen Empfinden Rechnung tragen. Ein Beispiel für ersteres liefert ein 29-jähriger TV-Aufnahmeleiter, der prinzipiell bereit ist, auch in der Freizeit für sein Unternehmen ansprechbar zu sein, aber bewusst Ausnahmen setzt: „[…] exzessiv soll es natürlich auch nicht sein, sonst gewöhnen sich die Leute daran. Also das ist auch eine Erziehungsmaßnahme oder der Gedanke einer Erziehungsmaßnahme dahinter, dass ich dann eben nicht immer abnehme. Weil sonst gewöhnen sich die Leute daran, dass man eh immer erreichbar ist und sich immer um alles kümmert.“ (IV 12, 150).

17 Erreichbarkeits-Apps für das Smartphone gab es zur Zeit der Interviewerhebung noch nicht. Es handelt sich dabei um Miniprogramme, welche die Erreichbarkeit individuell steuern. So kann etwa eingestellt werden, dass ab 18 Uhr keine Anrufe mehr durchgestellt werden von Personen, die als Firmenkontakte abgespeichert sind.

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Die Haltung des Digicom-Arbeiters ist exemplarisch für viele andere, welche für sich selbst einen Kompromiss zwischen dem Verfügbarsein für das Unternehmen und dem Achten auf das eigene Wohlbefinden finden. Dies trifft auch auf einen 33-jährigen Security Spezialisten zu, der sich dabei aber spontan leiten lässt, indem er nur an das Telefon geht, wenn er gerade Lust dazu hat (vgl. IV 06, 624). Häufig werden Anrufbeantworter und Mailboxen als Filter genutzt. Die darauf deponierten Nachrichten können zeitsouverän abgehört werden und gegebenenfalls kann zeitverzögert darauf reagiert werden. Diese Strategie wird nicht nur für die Freizeit angewandt, sondern durchaus auch während der Arbeit, um ungestört an einer Aufgabe arbeiten zu können (vgl. IV 05, 088; ähnlich IV 10, 295; IV 18, 112). In Unternehmen, die zur internen Kommunikation Instant Messenger verwenden, kann über den Präsenzstatus die Nicht-Erreichbarkeit signalisiert werden, wie ein DigicomArbeiter im Interview erklärt: „Es gibt schon Kollegen, die erwarten, wenn sie jemanden anchatten, dass dann sofort eine Antwort kommt. Das kann man auch über diesen Status dosieren, dass man sagt, ganz klare Ansage: ‚do not disturb‘ heißt ‚do not disturb‘. Wenn ich dieses busy nehme, dann ist das auch von mir aus ein Signal: ‚Auch wenn du mich jetzt anchattest, brauchst du jetzt nicht glauben, dass du sofort eine Antwort bekommst!‘“ (IV 10, 417).

Es handelt sich hierbei um eine Form der nonverbalen Kommunikation vergleichbar mit dem Öffnen oder Schließen einer Bürotür, je nachdem, ob man für Besuche offen ist oder nicht. Eine weitere Strategie wenden vor allem Führungskräfte an, indem sie das Sekretariat eingehende Telefonate oder E-Mails vorsortieren lassen (vgl. IV 04, 083; IV 18, 022). Überwiegend, so lassen die Untersuchungsergebnisse erkennen, wird jedoch Kommunikation von den Führungskräften selbst erledigt. E-Mails und vor allem Instant Messages sind hochpersonalisierte Formen von Kommunikation, welche schwer oder nicht deligierbar sind. Die Thematik des Grenzmanagements ist, wie bereits angedeutet, eine individuelle Angelegenheit und hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt auch von der eigenen Persönlichkeit, wie das folgende Zitat einer Digicom-Arbeiterin illustriert. Sie fühlt sich durch die vielen Anfragen ihres

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Unternehmens in ihrer Freizeit gestört und schreibt dies zum Teil ihrer eigenen Gutmütigkeit zu: „Obwohl, ich muss dazusagen, ich bin jetzt nicht jemand, der so konsequent sagt: ‚Ihr dürft mich jetzt nicht anrufen!‘ Ich bin da auch immer relativ gutmütig. Das ist wahrscheinlich auch, sage ich einmal, so ein bisschen meine eigene Schuld. Das merken die Leute bei mir auch. Das liegt immer, denke ich mir, auf beiden Seiten.“ (IV 17, 193).

Die Ergebnisse aus der Online-Umfrage bestätigen den individualisierten Umgang mit der Erreichbarkeit. Lediglich ein Drittel der Befragten (33 Prozent) gab an, es gäbe dazu klare Regeln im Team bzw. im KollegInnenkreis.18 7.3.2 Bewusste Entschleunigung In den hochgradig subjektivierten und entgrenzten Arbeitswelten der Digicom-ArbeiterInnen ist die „,Rückzugskompetenz‘“ (Geißler 2004, S. 186), wie Karlheinz Geißler schon 2004 erkannte, eine bedeutende Fähigkeit. Unter Rahmenbedingungen, wonach einen die Arbeit überall hin verfolgt (vgl. IV 10, 816), ist es mitunter nötig, selbst den Ausschaltknopf des Smartphones zu bedienen, das Notebook zuzuklappen und sich bewusst und ausschließlich anderen Dingen als der Arbeit zuzuwenden. „Das mit dem: ‚Am siebenten Tage sollst du ruhen‘, das hat schon alles seinen Sinn“ (IV 08, 514), meint ein Digicom-Arbeiter, der versucht, zumindest ein Minimum an Entschleunigung zu leben, indem er am Wochenende so wenig wie möglich arbeitet. Einige Digicom-ArbeiterInnen schaffen sich in ihrer Freizeit bewusst medienfreie Zonen bzw. Zeiten, um einen Kontrast zum Arbeitsalltag herzustellen. Ein 37-jähriger Sales- und Marketingmanager, der beruflich vieles via Smartphone abwickelt, möchte privat gar nicht mehr telefonieren, und auch den Computer nutzt er am Wochenende nicht (vgl. IV 01, 0813; 1539; ähnlich auch IV 02, 0783; IV 05, 388; IV 17, 472). Ähnliches gilt für eine 33-jährige Unternehmerin, die privat lieber Briefe und Karten schreibt

18 Herangezogen wurden die Ausprägungen 1 und 2 auf der 5-stufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft vollständig zu).

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als E-Mails und die im Privatleben so wenig Termine wie möglich vereinbart (vgl. IV 16, 0685; 0825). Die Aussage einer 45-jährigen Wissenschaftlerin, welche die viele Bildschirmarbeit kompensiert, indem sie privat nicht fernsieht, steht exemplarisch für mehrere Digicom-ArbeiterInnen: „[…] weil dadurch, dass ich beruflich so viel am Rechner sitze, bin ich froh, wenn ich nirgends mehr reinschauen muss“ (IV 20, 224). Entspannung und Entschleunigung finden Digicom-ArbeiterInnen auf unterschiedlichste Weise, vom Musikhören über Lesen bis hin zu Ausflügen in die Natur. Die größte Rolle für den Ausgleich zum Beruf spielt jedoch der Sport. Ein 37-jähriger Sales- und Marketingmanager erklärt, wie er dabei in den Flow kommt und was ihm dies bringt: „Das ist so die ersten ... wenn es richtig gut läuft beim Sport, dann so die ersten fünf, zehn Minuten bis der Körper warm wird, und dann weiß ich oft nicht, an was ich gedacht habe während der ganzen Dreiviertelstunde. Da bin ich eigentlich ... da sortiert sich alles. Was ich schon ... also ich denke da viel über mich nach, es kommt aber dabei nichts Konkretes heraus. Ich weiß nur, dass es sehr bereinigend ist für den Kopf. Und ich bin auch danach wieder sehr bereit für kreative Sachen.“ (IV 01, 1165).

Auffallend an der zitierten Passage ist, dass sie, obwohl es um Freizeitaktivitäten geht, einen Hinweis auf den effizienten Menschen enthält, indem der Digicom-Arbeiter nach der sportlichen Aktivität wieder fit ist für neue (berufliche) Anforderungen. Die Wortwahl des Interviewten, wonach er sich „für kreative Sachen“ bereit macht, verweist zudem auf den Subjektentwurf des „konsumtorischen Kreativsubjekts“ (Reckwitz 2006, S. 441ff), das in der Gegenwartsgesellschaft die erfolgsversprechende Subjektform darstellt und ästhetisch-expressive Werte mit ökonomischem Denken und Handeln verknüpft.19

19 In seiner historisch angelegten Analyse der Subjektgenese benennt Andreas Reckwitz (2006) weitere dominante Subjektkulturen: für die bürgerliche Moderne im 18. und 19. Jahrhundert das „moralisch-souveräne Subjekt“ und für die organisierte Moderne ab Beginn des 20. Jahrhunderts das „nach-bürgerliche Angestelltensubjekt“. Zentral an seiner Analyse ist die Durchlässigkeit und Brüchigkeit dieser Konzeption, die keinesfalls von eindeutigen, homogenen Sub-

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In Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten spielen gesundheitliche Überlegungen eine Rolle. So wird bewusst ein Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit am Computer gesucht (vgl. IV 07, 275). Aber auch andere gesundheitsfördernde Maßnahmen werden bedacht, wie z.B. die Reduktion von Strahlung durch die limitierte Verwendung von W-LAN (vgl. IV 04, 248; IV 20, 086) oder der Versuch, ein gewisses Ausmaß von Schlaf nicht zu unterschreiten (vgl. IV 04, 454; IV 08, 318; IV 16, 0062; IV 17, 456). Auch während der Arbeit versuchen die Digicom-ArbeiterInnen, Pausen einzulegen, sich bewusst vom Arbeitsplatz wegzubewegen, um einen Kaffee zu holen oder ein paar Schritte an der frischen Luft zu gehen (vgl. IV 01, 2259; IV 05, 426; IV 09, 336; IV 12, 435; IV 14, 545; IV 20, 654). Ein 29-jähriger TV-Aufnahmeleiter erzählt von einem inneren Konflikt, den er erlebt, wenn es um die Frage geht, eine Pause zu machen oder nicht. Einerseits hat er Hunger und ist erschöpft, andererseits lässt es die knappe Zeit nicht zu, dass er von der Arbeit pausiert. Wenn er sich dann doch zu einer Pause zwingt, bemerkt er, dass er dadurch an Kraft gewinnt und mit mehr Energie weiterarbeiten kann (vgl. IV 12, 435). Ähnlich wie beim oben zitierten sportlich aktiven Sales- und Marketingmanager wird die Pause auch bei ihm durch die Produktivitätssteigerung legitimiert. Anhand der Zwischentöne in den Interviews lässt sich jedoch erkennen, dass sich die Entschleunigungsbestrebungen der Digicom-ArbeiterInnen nicht so einfach in die Tat umsetzen lassen. So antwortet eine 25-jährige Projektmanagerin, gefragt nach ihren Ausgleichsaktivitäten: „Es ist jetzt aber nicht so, dass ich zum Kickboxen gehen müsste oder so etwas um mich voll auszupowern, weil ich bin eigentlich schon immer ziemlich müde. Ich würde gerne manchmal ein bisschen mehr Sport machen, aber ich schaffe es einfach nicht, weil ich total ausgelaugt bin.“ (IV 05, 646).

Ihre Aussage verweist, auch in Zusammenhang mit anderen Interviewpassagen, auf einen Erschöpfungszustand, den auch eine 30-jährige Produktmanagerin gut kennt: „Gerade wenn man dann einen Ausgleich am meisten brauchen würde, dann tut man halt nichts mehr“ (IV 02, 0833), erklärt sie das Dilemma.

jektformen ausgeht, sondern jeweils durch Widersprüche und kulturelle Hybridität markiert ist (vgl. Reckwitz 2006, S. 632).

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Die Resultate aus der Interviewstudie stimmen in Bezug auf Entschleunigungsstrategien mit jenen der Online-Umfrage überein. Knapp 60 Prozent der Befragten gaben an, die Arbeit am Computer regelmäßig mit Pausen zu unterbrechen. Knapp 40 Prozent leiden aufgrund von intensiver Bildschirmarbeit unter körperlichen Beschwerden wie Augen- oder Rückenproblemen. Gut 62 Prozent achten (deshalb) auf Ausgleich zu ihrer Arbeit durch Sport oder Hobbys. Auf mehr als ein Drittel (36 Prozent) trifft zu, was oben unter medienfreien Zonen bzw. Zeiten erörtert wurde, nämlich, dass sie sich in der Freizeit bewusst weniger mit Digitalen Medien beschäftigen.

7.4 R EFLEXIONSKOMPETENZ ALS Q UERSCHNITTSKOMPETENZ Die Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion ist ein zentrales Element jeglicher Berufshandlungskompetenz (vgl. Preckel/Häubi 2007, S. 36) und gewinnt in zunehmend subjektivierten Arbeitszusammenhängen immer mehr an Bedeutung, da Entscheidungen immer stärker individualisiert werden. Horst Niesyto (2012, S. 48) hat die etymologischen Wurzeln des Wortes „Reflexion“ recherchiert, welche auf die Bedeutung „biegen, drehen, wenden“ zurückgehen. Dementsprechend bedeutet zu reflektieren, „einen Gedanken, eine Position hin- und herzuwenden (reflektieren), sich in einen Gedankengang zu vertiefen, sich in eine andere Position hineinzuversetzen, eine Situation aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten“ (ebd.). Für mediatisierte Arbeit bedeutet Reflexion vor allem, Distanz zu den Technologien und Praktiken einzunehmen, sie in ihren Chancen und Risiken zu hinterfragen und gegebenenfalls das eigene Verhalten zu verändern. Diese Kompetenz wird als Querschnittskompetenz zu den bereits diskutierten Kompetenzbereichen „Effiziente Mediennutzung“, „Management von Raum und Zeit“ sowie „Grenzmanagement und Entschleunigung“ definiert, da sie in allen Bereichen eine zentrale Rolle spielt und Voraussetzung für das Entwickeln von Strategien bzw. Kompetenzen und für autonomes Handeln ist. Sie ist eher als eine Grundhaltung denn als erworbene Fähigkeit zu verstehen. In Zeiten raschen gesellschaftlichen und technologischen Wandels, welche die Prognose erschweren, welche Kompetenzen am Arbeitsmarkt in

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Zukunft gefragt sein werden, stellt Reflexionskompetenz eine Konstante dar, die stets gefordert sein wird. Die Ergebnisse aus der Interviewstudie zeigen, dass die Digicom-ArbeiterInnen mehrheitlich über diese Fähigkeit verfügen und sie zumindest einzelne Aspekte der Arbeit mit Digitalen Medien kritisch hinterfragen. Einige dieser kritischen Äußerungen beziehen sich auf den Zwang zur permanenten Erreichbarkeit und die Rund-um-die-Uhr-Mentalität, wie auch folgendes Zitat einer 47-jährigen Online-Journalistin illustriert: „Es wird ein bisschen versucht, in Medien so einen ein Hype ums iPad und andere Dinge – also den Leuten so hineinzutheatern, dass sie ständig verfügbar sein und ständig alles kommentieren müssen. Das finde ich nicht richtig. Sondern ich denke, dass es letztlich auf Gespräche ankommt und darauf, etwas zu erleben.“ (IV 09, 232).

Die Digicom-Arbeiterin kritisiert die von den Individuen erwartete digitale Verfügbarkeit über mobile Medien20 und die verknappte digitale Kommunikation, wie sie sie etwa im Fall des „Kommentierens“ von Beiträgen, Bildern usw. in Social Networks beobachtet hat. Das persönliche Zusammentreffen von Menschen und Gespräche face-to-face haben ihr zufolge eine andere Qualität und Tiefe. Weitere kritische Überlegungen bestehen in Zusammenhang mit der Datenschutzproblematik im Internet, welche einige Digicom-ArbeiterInnen zu einem vorsichtigen Umgang mit ihren Daten veranlasst. Eine 30-jährige Produktmanagerin erzählt davon, dass sie in einer Phase der Krankheit auf Facebook kein Posting verfasst hat. Den Grund dafür erläutert sie wie folgt: „[…] weil ich Bedenken gehabt habe, dass die Firma […], wenn sie das sehen sollte, den Eindruck haben könnte, wenn ich [im Internet, C. R.-E.] surfen kann, dann kann ich ja arbeiten auch“ (IV 02, 1023). Andere Maßnahmen der Digicom-ArbeiterInnen sind es, vertrauliche Informationen nicht via E-Mail oder Skype auszutauschen und auch den firmeninternen E-Mailaccount nicht für Privates zu verwenden, da sie befürchten, diese Nachrichten könnten von Seiten des Unternehmens gelesen werden (vgl. IV 02,

20 Wie in Kapitel 7.3 gezeigt wurde, versuchen die Digicom-ArbeiterInnen zum Teil auch, diesem Druck zu widerstehen und sich medienfreie Zonen zu schaffen.

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1035; ähnlich auch IV 07, 237; IV 20, 634). Vor allem private soziale Netzwerke wie Facebook werden von den meisten Digicom-ArbeiterInnen absichtlich gemieden oder auf berufliche Aspekte reduziert. Kritisch reflektiert werden auch die virtuellen Kontakte bzw. „Freundschaften“ in sozialen Netzwerken, welche für die Interviewten eine deutlich andere Qualität haben als Kontakte, welche im Offline gepflegt werden (vgl. IV 03, 450; IV 19, 0566; IV 20, 326). Reflexionsfähigkeit ist für Digicom-ArbeiterInnen nicht nur hinsichtlich medialer Herausforderungen relevant, sondern sie ist auch nötig, um die oftmals hohe Arbeitsbelastung zu meistern. Ein 29-jähriger TV-Aufnahmeleiter erzählt im Interview von einer Gelassenheit, die er im Laufe der Zeit gewonnen habe. Es gehe bei seinem Job „nicht um Leben und Tod“. Wenn er dies in hektischen Phasen vergisst, helfe ihm eine kurze Pause, um die „Gedanken wieder ins Verhältnis zu rücken, dass man eigentlich Fernsehunterhaltung macht“ und dass nichts so schlimm sein könne (vgl. IV 12, 437). Anderen hilft der Gedanke an die Familie oder die Gesundheit, um „die wichtigen Elemente dann wieder in den Vordergrund“ zu rücken (IV 16, 0949; ähnlich IV 01, 1013; IV 04, 528). Da reflexive Prozesse, wie Niesyto (2012, S. 48) feststellt, Zeit erfordern, ist erneut die wichtige Kompetenz zur Entschleunigung zu betonen, denn erst ein Innehalten ermöglicht ein Nachdenken. Die Ergebnisse aus der Online-Umfrage sind mit jenen der Interviewstudie in Hinblick auf die Reflexionskompetenz nicht vergleichbar, da es sich dabei um eine Fähigkeit handelt, welche schwer abfrag- und quantifizierbar ist. Jedoch verweisen die Angaben zur Einschätzung der eigenen Fähigkeiten darauf, dass auch die Befragten der allgemeineren Stichprobe im Bereich mediatisierter Arbeit über Kompetenzen verfügen, Potenziale und Risiken Digitaler Medien einzuschätzen, und sie über rechtliche bzw. ethische Fragen (z.B. Erreichbarkeit, Datensicherheit) zumindest teilweise Bescheid wissen. Durchschnittlich gaben sich die Befragten selbst die Schulnote 2,1 für ihre Kompetenzen, Potenziale und Risiken einzuschätzen, und die Note 2,5 für ihr Wissen über rechtliche/ethische Fragen zu Neuen Medien. Verglichen mit der Bestnote von 1,6, welche sich die gleichen ProbandInnen im Durchschnitt für ihre Fähigkeiten in effizienter Mediennut-

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zung gaben, besteht in den eher reflexiven Kompetenzbereichen durchaus noch Verbesserungsbedarf.21

7.5 F AZIT : S TRATEGIEN UND K OMPETENZEN IN MEDIATISIERTEN ARBEITSWELTEN Die Strategien und Kompetenzen, welche für die Bewältigung der Herausforderungen (Risiken) der Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit und für die Nutzung der damit verbundenen Chancen (Potenziale) nötig sind, werden nun in zehn Kernaussagen zusammengefasst. Diese stellen in der Schlüsselkategorie des effizienten Menschen dessen Handlungsstrategien und Kompetenzen dar (siehe Abbildung 7). 1.

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Als Antwort auf die Beschleunigung und Vervielfältigung von Kommunikation sind Strategien der effizienten Mediennutzung von großer Bedeutung. Aufgrund des hohen E-Mailaufkommens ist vor allem ein disziplinierter Umgang mit E-Mails vonnöten. Dies betrifft sowohl die Sorgfalt und Prägnanz im Verfassen von Nachrichten und die Auswahl des Verteilerkreises als auch den Umgang mit eingehenden Nachrichten, welche gefiltert, geordnet und strukturiert werden. Das sofortige Bearbeiten bei erstmaligem Anklicken wird als besonders effizient empfunden. Auch „Selektionskompetenz“ stellt eine wichtige Fähigkeit effizienter Mediennutzung dar. Es geht darum, für den jeweiligen Kommunikationsanlass das passende Medium auszuwählen. Die Einschätzung, welcher Kanal für welche Situation geeignet ist, variiert je nach Person und Anlass. Tendenziell wird das Telefon als effizient für schnelle Absprachen gesehen, die E-Mail für Verbindliches, Formelles und für interkulturelle Kontakte und Instant Messaging vor allem für die interne Kommunikation in internationalen Unternehmen oder virtuellen Teams. Unter örtlich flexiblen Arbeitsbedingungen bedarf es eines strategischen Raummanagements, um Arbeit dort zu verrichten, wo es am

21 Der Einschätzung liegt eine Schulnotenskala von 1 (sehr gut) bis 5 (nicht genügend) zugrunde (siehe elektronischer Anhang, Tabelle 17).

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sinnvollsten ist. Strategien des „placing work“ reichen vom Raumwechsel, um frische Energie zu tanken, über die gezielt störungsfreie Arbeit im eigenen Heim bis hin zum Ausnutzen von Wegzeiten für Arbeitszwecke. Auch der virtuelle Raum unterliegt strategischem Handeln, indem Profile angelegt werden, Netzwerke und Tools ausgewählt werden und für diese Konventionen und Regeln festgelegt werden. „Timing work“ ist die Antwort auf die zeitliche Flexibilität mediatisierter Arbeit. Aktives Zeithandeln zeigt sich in Form von Zeitlimits, welche bestimmten Tätigkeiten zugedacht sind, in Arbeits- und Zeitplänen, welche teilweise im gesamten Team transparent sind, und im Festlegen von Blockzeiten für konzentriertes Arbeiten. Die Entgrenzung von beruflichen und privaten Lebensbereichen erfordert darüber hinaus ein „flexibles Zeitgeschick“ (Jurczyk/Voß 2000, S. 172, Hv. i. O.), um die Anforderungen beider Bereiche auszutarieren. Sowohl „placing“ als auch „timing work“ bedürfen einer kommunikationstechnologischen Infrastruktur, welche das flexible mediengestützte Arbeiten ermöglicht. Dazu zählen mobile Geräte und Dienste wie Notebook, Smartphone, Tablet PC, mobiles Internet, W-LAN und Remote Control. Grenzmanagement ist eine Strategie, um unter subjektivierten und entgrenzten Arbeitsbedingungen eine (zumindest teilweise) Trennung von beruflichen und privaten Lebensbereichen zu vollziehen. Dies geschieht zum einen über räumliche Kriterien, indem zwischen Räumen für Arbeit und Privatleben unterschieden wird. Zum anderen werden die Bereiche über die kommunikationstechnologische Infrastruktur getrennt, indem private und berufliche Kommunikation über getrennte Kanäle abgewickelt werden. Eine spezifische Form des Grenzmanagements ist das „Erreichbarkeitsmanagement“. Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, welche die Erreichbarkeit für berufliche Belange in der Freizeit regeln. Dabei handelt es sich um vorwiegend individuelle Überlegungen und Strategien – so werden Anrufbeantworter und Mailboxen als Filter genutzt. Auch wenn unter den interviewten Digicom-ArbeiterInnen sowie den online Befragten ein breiter Konsens besteht, für ihr Unternehmen erreichbar sein zu wollen, werden Kompromisse angestrebt, sodass das eigene Wohlbefinden nicht unter der Erreichbarkeit leidet.

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Pausieren und buchstäbliches „Abschalten“ sind nötige Strategien in einer Kultur der permanenten Erreichbarkeit und angesichts der hohen Belastung subjektivierter Arbeit. Die (mittels Interview und online) Befragten streben dies an, indem sie sich gezielt medienfreie Zeiten bzw. Zonen schaffen und indem sie mit Hobbys und vor allem sportlichen Aktivitäten einen Ausgleich zur Arbeit herstellen. Dies gelingt jedoch nicht immer in zufriedenstellendem Ausmaß. 9. Eine grundlegende Kompetenz in mediatisierten Arbeitswelten (und wohl auch darüber hinaus) ist die Fähigkeit zur Reflexion, welche als Querschnittskompetenz zu den anderen Kompetenzbereichen definiert wurde. Es bedarf der Distanz zu den Technologien und Praktiken, um diese zu hinterfragen, gegebenenfalls auch zu kritisieren und alternative Wege einzuschlagen. Bei den Digicom-ArbeiterInnen ist kritisches Potenzial vor allem in Hinblick auf die Datenschutzproblematik, den Druck, erreichbar zu sein, und in Hinblick auf die hohe Arbeitsbelastung vorhanden. 10. Die Ergebnisse aus dem qualitativen Studienteil decken sich bezüglich der Strategien und Kompetenzen weitestgehend mit jenen aus dem quantitativen Studienteil. Lediglich was die Strategien des „timing“ und „placing work“ anbelangt, sind diese für die online Befragten weniger relevant als für die TeilnehmerInnen der Interviewstudie. Dies lässt sich damit erklären, dass die Arbeitsbedingungen der online Befragten räumlich und zeitlich weniger flexibel sind als jene der Digicom-ArbeiterInnen und daher die Möglichkeiten des strategischen Raum- und Zeithandelns auch weniger gegeben sind.

8. Mediennutzungstypen

Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln schwerpunktmäßig die Ergebnisse des qualitativen Studienteils erörtert wurden, widmet sich Kapitel acht nun stärker den Resultaten der (quantitativen) Online-Umfrage, indem die daraus hervorgegangenen Mediennutzungstypen beschrieben werden. Die in Kapitel 4.3.5 erläuterte Clusteranalyse, welche auf Grundlage der Ergebnisse der Online-Umfrage (N=445) und der daraus resultierenden Faktoren durchgeführt wurde, ergab fünf Typen, die ein unterschiedliches Mediennutzungsverhalten aufweisen und mit den Potenzialen und Herausforderungen mediatisierter Arbeit anders umgehen. Es handelt sich dabei nicht um Typen von Digicom-ArbeiterInnen. Für die quantitative Erhebung wurde eine größere Stichprobe gewählt mit Personen, welche Digitale Medien in nicht vordefinierter Intensität für ihre Arbeit nutzen. Diese Stichprobe enthält zwar auch Personen, welche der Definition von Digicom-Arbeit entsprechen würden, aber darüber hinaus Personen, welche weniger intensiv mit IuK-Technologien arbeiten oder deren Arbeitsalltag sich als wenig entgrenzt darstellt. In Summe ist die Bedeutung Digitaler Medien für die Arbeit der Befragten jedoch als hoch einzuschätzen.1 Ein Typus konnte klar als jener der Wenig-NutzerInnen definiert werden. Personen dieses Typus verwenden, wie die Frage zu den medienbezogenen Tätigkeiten im Fragebogen ergab, im Vergleich zu den anderen Typen Digitale Medien signifikant weniger häufig (p < .001).2 Da Wenig-Nut1

So gab die Mehrheit der ProbandInnen an, zwischen 70 und 90 Prozent ihrer

2

Siehe elektronischer Anhang, Tabelle 8, online unter: http://www.transcript-

Arbeit mithilfe von Neuen Medien abzuwickeln (siehe Tabelle 2 auf Seite 47). verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1.pdf.

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zerInnen für die Charakterisierung von Mediennutzungstypen selbstredend wenig relevant sind, wird dieser Typus zwar im Typenüberblick angeführt, jedoch nicht detaillierter beschrieben. Die anderen vier Typen nützen Digitale Medien deutlich öfter. Sie unterscheiden sich in der Art ihrer Mediennutzung und in ihrer Einstellung zu Digitalen Medien und werden entsprechend ihrer unterschiedlichen Charakteristika als „Geplagte“, „Medienprofis“, „SkeptikerInnen“ und „OptimistInnen“ bezeichnet. Nachfolgend werden diese vier Typen beschrieben. Dabei beschränkt sich die Darstellung nicht auf die quantitative Erhebung, sondern wird im Sinne der Triangulation durch Ergebnisse aus der qualitativen Forschung ergänzt. Das heißt, zu jedem Typus wird ein Digicom-Arbeiter/eine Digicom-Arbeiterin exemplarisch porträtiert.3 Dies ermöglicht eine tiefergehende Typenbeschreibung. Konkrete Beispiele und exemplarische Aussagen aus den Interviews können zur Illustration der Charakteristika herangezogen werden. Zusätzlich verhelfen die Porträts den statistisch generierten Typen zu mehr „Lebendigkeit“. Diese Typisierung liefert per se keine neue Antwort auf die in der Einleitung aufgeworfene forschungsleitende Fragestellung. Sie • • • •

3

stellt jedoch eine Verdichtung der Ergebnisse dar, zumal die Typenbildung auf einer Datenreduktion durch die Clusteranalyse basiert, veranschaulicht die jeweils unterschiedlichen Herangehensweisen an die Problemfelder mediatisierter Arbeit auf pointierte Weise, macht die in den Kapiteln 5, 6 und 7 entwickelte Theorie anhand konkreter Arbeitsbiografien greifbar und ermöglicht in Kapitel 8.1 erstmals einen prägnanten Vergleich der beiden Untersuchungsgruppen (interviewte Digicom-ArbeiterInnen, online Befragte), da nicht einzelne Aspekte miteinander kontrastiert werden (wie in den vorangegangenen Kapiteln), sondern gebündelte Merkmale und Eigenschaften.

Dazu wurde im Vorfeld jede interviewte Person anhand konkreter Aussagen und Merkmale hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Typen geprüft. Da die Typen keine empirisch genuin auftretenden Phänomene sind, sondern aus einer Reduktion von statistischen Variablen entstanden, waren meist Mischtypen das Ergebnis. Die Personen ließen sich aber tendenziell verstärkt einem Typus zuordnen.

8. M EDIENNUTZUNGSTYPEN

8.1 D IE M EDIENNUTZUNGSTYPEN

IM

| 281

Ü BERBLICK

Abbildung 18 zeigt die prozentuale Verteilung der Typen in der Stichprobe der Online-Umfrage. Demnach zählt die Mehrheit (28 Prozent, N=123) der Befragten zu den Geplagten. Die zweitgrößte Gruppe stellt mit 23 Prozent (N=102) jene der Medienprofis, gefolgt von den SkeptikerInnen mit einem Anteil von 20 Prozent (N=91) an der Gesamtstichprobe. Die OptimistInnen bilden mit 17 Prozent (N=77) die viertgrößte Gruppe, und 12 Prozent (N=52) der Befragten sind dem Typus der Wenig-NutzerInnen zuzurechnen. Abbildung 18: Prozentuale Verteilung der Mediennutzungstypen

WenigNutzerInnen 12% SkeptikerInnen 20%

OptimistInnen 17%

Geplagte 28% Mediennutzungstypologie (N=445)

Medienprofis 23%

Auf der Suche nach Entsprechungen für diese Typen unter den TeilnehmerInnen der Interviewstudie, also den Digicom-ArbeiterInnen, ergibt sich ein anderes Bild (siehe Abbildung 19). Die Hälfte der Digicom-ArbeiterInnen (N=10) ist dem Typus der Medienprofis zuzurechnen, 30 Prozent (N=6) lassen sich vorwiegend als OptimistInnen charakterisieren. Mit jeweils zehn Prozent nur wenig vertreten sind in der qualitativen Stichprobe die Geplagten (N=2) und die SkeptikerInnen (N=2). Per definitionem gibt es unter den Digicom-ArbeiterInnen keine Wenig-NutzerInnen.

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Abbildung 19: Einschätzung Mediennutzungstypen bei den Interviewten

SkeptikerInnen 10%

WenigNutzerInnen 0%

Geplagte 10% Mediennutzungstypologie (N=20)

OptimistInnen 30% Medienprofis 50%

Im Vergleich zwischen der auf qualitativen und quantitativen Daten beruhenden Typenverteilung zeigt sich, dass unter den interviewten DigicomArbeiterInnen deutlich weniger Geplagte, dafür aber mehr Medienprofis und OptimistInnen zu finden sind. Das bedeutet, dass die interviewten Digicom-ArbeiterInnen in Summe eine positivere Einstellung zu IuK-Technologien aufweisen als die online Befragten und Digitale Medien mehrheitlich hoch professionell nutzen. Die obige Typenverteilung bei dem Interviewsample dient lediglich Vergleichszwecken und ist für die weitere Typenbeschreibung nicht relevant. Die Beschreibung der Typen basiert auf den Ergebnissen der OnlineUmfrage (N=445). Einen Überblick über die Typencharakteristika liefert die Faktorenanalyse je Cluster (Typ). Tabelle 9 gibt Aufschluss über die Faktorenmittelwerte auf der Skala von 1 bis 5 (1=trifft nicht zu; 5=trifft vollständig zu).4

4

Welche Fragebogenitems die jeweiligen Faktoren bilden, ist im elektronischen Anhang (Tabellen 2 und 3) dargestellt. Im Zuge der statistischen Auswertung wurde die Skalierung der Fragebogenitems von „1=trifft vollständig zu“ bis „5=trifft nicht zu“ umgepolt, sodass eine hohe Zustimmung auch durch einen hohen Wert ausgedrückt wurde. Dies erleichtert die Nachvollziehbarkeit der Interpretation.

8. M EDIENNUTZUNGSTYPEN

| 283

Faktor 3: Koordination und Ordnung

Faktor 4: Medienkompetenz

Faktor 5: Effizienz durch Neue Medien

Faktor 6: Communication Overflow

Faktor 7: Herausforderungen Neuer Medien

Faktor 8: Effiziente Mediennutzung

2,26

0,35

1,97

3,90

3,72

2,02

2,61

3,67

1,81

3,50

0,69

2,91

3,70

4,28

3,71

3,25

4,19

2,94

1,92

0,60

3,22

4,09

4,21

3,82

3,85

4,56

3,28

1,96

0,58

3,53

4,25

4,27

2,40

3,05

4,48

3,23

3,74

1,65

4,26

4,54

4,64

2,97

3,12

4,68

3,32

Faktor 9: Entschleunigung

Faktor 2: Virtual Work

Cluster 1 WenigNutzerInnen (N=52) Cluster 2 Geplagte (N=123) Cluster 3 SkeptikerInnen (N=91) Cluster 4 OptimistInnen (N=77) Cluster 5 Medienprofis (N=102)

Faktor 1: Entgrenzung Privat – Beruf

Tabelle 9: Clusterübersicht mit Faktorenmittelwerten

Wie aus der Tabelle hervorgeht, sind die Mittelwerte bei den Medienprofis im Vergleich zu den anderen Typen mit Ausnahme der Herausforderungen Digitaler Medien (Faktor 6 und 7) fast durchgängig am höchsten. So ist die Arbeitsweise der Medienprofis als hoch entgrenzt und hoch effizient zu bezeichnen. Sie verfügen über die ausgeprägtesten Kompetenzen in der Mediennutzung, auch was die Effizienz der Mediennutzung anbelangt, und schaffen es, sich die Vorteile Digitaler Medien am meisten nutzbar zu machen (Faktor 3 und 5). Am wenigsten von der Nutzung Digitaler Medien profitieren erwartungsgemäß die Wenig-NutzerInnen – sie weisen bei den Faktoren 3 und 5, welche die Potenziale der IuK-Technologien fassen, die niedrigsten Werte von allen Typen auf. Gleichzeitig nehmen sie am wenigsten die Herausforderungen Digitaler Medien wahr (Faktor 6 und 7), was aber durch die geringe Intensität der Mediennutzung erklärbar ist. Die

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Geplagten sind durch eine hohe Entgrenzung zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen gekennzeichnet. Sie verfügen über die am wenigsten ausgeprägten Medienkompetenzen von allen Typen. Die Herausforderungen Digitaler Medien (Faktor 6 und 7) nehmen sie, verglichen mit den anderen Typen, deutlicher wahr. Am meisten relevant sind die Herausforderungen Digitaler Medien für die SkeptikerInnen, obwohl sie am wenigsten entgrenzt arbeiten. Die OptimistInnen trennen ebenfalls stark zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen, allerdings betonen sie stärker die Vorteile der Mediennutzung als deren Herausforderungen. Gemein sind allen Typen niedrige Werte bei virtueller Arbeit (Zusammenarbeit face-to-face ist immer noch wesentlich bedeutender) und relativ hohe Werte bei den Faktoren Medienkompetenz, effiziente Mediennutzung und Effizienz durch Medien. Dies verweist auf die hohe Bedeutung von kompetenter Mediennutzung und von Effizienz sowohl als Maßstab von Entscheidungen und Handlungen als auch als Resultat der Nutzung Digitaler Medien. Im folgenden Unterkapitel wird detaillierter auf die einzelnen Typen (mit Ausnahme der Wenig-NutzerInnen) eingegangen. Die Grundlage für die Beschreibung bildet die statistische Auswertung ausgewählter Fragebogenitems nach Clustern. Wie erwähnt, werden die Beschreibungen durch Porträts von interviewten Digicom-ArbeiterInnen ergänzt. Zur Illustration wird jeder Typus durch eine Grafik repräsentiert.5 Die Reihenfolge der Typencharakteristika entspricht der Häufigkeit des Vorkommens der Typen im Datenmaterial der Online-Umfrage, beginnend mit der größten Gruppe der Geplagten.

5

Grafische Umsetzung: Mag.a Birgit Writze.

8. M EDIENNUTZUNGSTYPEN

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8.2 D IE G EPLAGTEN Abbildung 20: Die Geplagten Die Arbeitsrealität der Geplagten ist vor allem durch Flexibilität geprägt, sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch bezüglich der Arbeitsorte. Private und berufliche Lebensbereiche verschwimmen bei diesem Typus stark. Viele Geplagte haben sich zuhause ein Büro eingerichtet, von wo aus sie zumindest teilweise arbeiten; daneben arbeiten sie aber auch unterwegs, z.B. im Flugzeug oder in der Bahn. Die meisten von ihnen sind der Meinung, Neue Medien würden die flexible Gestaltung von Arbeitszeiten und -orten erleichtern. Geplagte nutzen wie alle Gruppen stark das Internet, aber auch intensiv das Mobiltelefon. Wie der Clustername schon verrät und wie Abbildung 20 illustriert, leiden die Geplagten in vielerlei Hinsicht unter den Herausforderungen der Mediennutzung, v.a. unter dem Communication Overflow, unter körperlichen Beschwerden in Zusammenhang mit der Nutzung Digitaler Medien und unter dem Druck, erreichbar zu sein.6 Personen dieses Typus checken häufig ihre beruflichen E-Mails vor dem Schlafengehen und/oder nach dem Aufstehen und sind (meist auf „freiwilliger Basis“) auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar, also teilweise auch an Wochenenden, im Urlaub oder im Krankenstand.7 Von allen Typen sind sie diejenigen, die am ehesten ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn sie nicht sofort auf eine berufliche Anfrage außerhalb der Arbeitszeit reagieren (17 Prozent der Geplagten haben dies angegeben). 6

Auch wenn von den Geplagten (wie auch den SkeptikerInnen) die Herausforderungen Digitaler Medien im Vergleich zu den anderen Typen deutlicher artikuliert wurden, hat auch für sie der in Kapitel 6 für die Gesamtstichprobe formulierte Befund Gültigkeit, wonach die Chancen mediatisierter Arbeit gegenüber den Risiken (etwas) stärker wahrgenommen werden.

7

Siehe dazu die kritischen Bemerkungen in Kapitel 5.2.1 „Entgrenzung und Flexibilisierung von Zeitphasen“.

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Überhaupt arbeiten Geplagte vielfach auch in ihrer Freizeit, wozu die Ubiquität von Digitalen Medien Vorschub leistet. Gleichzeitig geben sie an, sich in der arbeitsfreien Zeit bewusst weniger mit Medien zu beschäftigen. Sehr oft bringen sie auch private Ressourcen (Computerausstattung, Mobiltelefon usw.) in die Arbeit ein. Sie scheinen einem großen Druck ausgesetzt zu sein, ihre Arbeit jederzeit und an jedem Ort im Griff zu haben. Bei der Arbeit verspüren sie oft Zeitdruck bzw. -not. Insgesamt haben sie ein unentspanntes Verhältnis zu Zeit und auch am wenigsten Ausgleich zur Arbeit von allen Typen. Dies alles führt zu einer schlechten „Balance“ zwischen Arbeit und Privatleben, der schlechtesten im Vergleich mit den anderen Typen.8 Von den Vorteilen Digitaler Medien profitieren die Geplagten vergleichsweise weniger.9 Vor allem die strukturierende Funktion der Medien (Terminverwaltung, Dateiverwaltung usw.) ist für sie mit Ausnahme der Wenig-NutzerInnen am wenigsten von allen Typen relevant. Eine Besonderheit stellt der Vorteil dar, Medien hinsichtlich flexibler Arbeitszeiten und -orte nutzbar zu machen. Dieser ist für die Geplagten hoch relevant. Punkto Medienkompetenz verfügen sie nach den Wenig-NutzerInnen über die am wenigsten ausgeprägten Fähigkeiten. Dies ist bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass die Geplagten das höchste Bildungsniveau von allen Typen besitzen. (82 Prozent haben einen Hochschulabschluss im Vergleich zum Durchschnitt der Gesamtstichprobe von 65 Prozent).10 Dies bedeutet, dass von einem höheren Bildungsniveau in dieser Stichprobe nicht automatisch auf ein kompetenteres Medienhandeln rückgeschlossen werden kann.11

8

Auch wenn sich bei weitestgehend entgrenzten Arbeitsbedingungen die Frage nach der „Balance“ zwischen Arbeit und Privatleben anders stellt als bei einem Nine-to-five-Job, der im Büro erledigt wird, verwende ich die Formulierung, da sie auch im Fragebogen so verwendet wurde. Nicht zuletzt ist gerade bei entgrenzt arbeitenden Menschen diese Frage ein Gradmesser, wie belastend sie ihren entgrenzten Alltag empfinden.

9

Bei den Freitextantworten, mit denen im Fragebogen sonstige Vorteile erfragt wurden, wurden von den Geplagten auffallend oft Nachteile genannt. Dies unterstreicht die betont pessimistische Wahrnehmung der Mediennutzung.

10 Die Clustercharakteristik ist im elektronischen Anhang einsehbar. 11 Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass für den Erwerb von Medienkompetenz formale Bildung eine wesentlich geringere Rolle spielt als informelle Bil-

8. M EDIENNUTZUNGSTYPEN

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Weitere demografische Charakteristika sind, dass in der Branche Erziehung/Bildung der Anteil an Geplagten am höchsten ist. Wenig überraschend finden sich unter den Geplagten die meisten Selbstständigen von allen Typen. Das Geschlechterverhältnis entspricht dem Durchschnitt der Gesamtstichprobe. Im Typus der Geplagten ist der Anteil an Personen mit Kindern am höchsten. Hinsichtlich des Alters sind die Geplagten mit durchschnittlich 41 Jahren signifikant älter als die anderen Typen. Porträt eines „Geplagten“ Der 41-jährige Björn Techet12 ist Wirtschaftsingenieur und führt einen mittelständischen Produktionsbetrieb mit ca. 250 MitarbeiterInnen. Er ist verheiratet (seine Ehefrau arbeitet Teilzeit im Betrieb mit) und hat zwei Kinder im Grundschulalter. Sein Unternehmen ist in vier Standorte in drei verschiedenen europäischen Ländern gegliedert. Björn Techet ist nicht eindeutig dem Typus der Geplagten zuordenbar, sondern wie die meisten Digicom-ArbeiterInnen ein Mischtypus. In seinem Fall könnte er auch zu den Medienprofis gezählt werden. Björn Techet nutzt Digitale Medien intensiv, vor allem Notebook, Smartphone und iPad, die ihm orts- und zeitunabhängiges Arbeiten, auch bei seinen vielen Geschäftsreisen, ermöglichen. Er arbeitet mindestens 60 Stunden pro Woche, teilweise auch an Wochenenden. Seinen Arbeitstag strukturiert er so gut wie möglich in Abstimmung mit seiner Familie. Das

dungsprozesse. Dies ergab die Online-Umfrage auch sehr klar, als es um die Frage ging, wie medienbezogene Kompetenzen von den Befragten angeeignet werden. Selbstlernprozesse, so zeigte sich, spielen mit Abstand die größte Rolle beim Aneignen von Medienkompetenz. An zweiter Stelle liegt das informelle Lernen von KollegInnen und Vorgesetzten, an dritter Stelle das Lernen im Familien- bzw. Bekanntenkreis. Die formale Bildung in Bildungseinrichtungen sowie am Arbeitsplatz nimmt prozentual einen untergeordneten Stellenwert ein. Diese Resultate überraschen wenig, denn informelle Lernprozesse (durch KollegInnen oder selbstgesteuert) hatten in betrieblichen Kontexten immer schon eine große Bedeutung (vgl. Egloff 2005, S. 42) und haben durch den neuen Lernort Internet weiterhin an Relevanz gewonnen (vgl. Carstensen/Ballenthien/ Winker 2013, S. 42). 12 Die Namen der InterviewpartnerInnen wurden aus Anonymitätsgründen verfälscht. Ich verwende sie, um die Porträts lebendiger zu gestalten.

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heißt, er versucht abends noch etwas Zeit mit den Kindern zu verbringen und im Arbeitszimmer zuhause weiterzuarbeiten, wenn sie zu Bett gegangen sind (vgl. IV 04, 187). Digitale Medien unterstützen ihn bei dieser Flexibilität. Auch stellen IuK-Technologien für ihn durch die Möglichkeiten effizienter Organisation eine Erleichterung von Arbeitsschritten dar, was mehr dem Typus des Medienprofis entspricht. Dennoch leidet er unter dem Druck, auch außerhalb der Geschäftszeiten erreichbar zu sein und ein hohes Ausmaß an Kommunikation bewältigen zu müssen, wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Wenn man dann schon sieht 40 neue E-Mails, das ist echt eine starke Belastung finde ich.“ (IV 04, 448). So kommt es, dass er manchmal frühmorgens nach dem Aufstehen schon seine E-Mails checkt oder dass er seinen letzten Urlaubstag gewöhnlicher Weise damit verbringt, die angestauten E-Mails und Briefe zu bearbeiten, um nicht am ersten Arbeitstag nach dem Urlaub einer Flut an eingegangenen Nachrichten gegenüberzustehen (vgl. IV 04, 051; IV 04, 187). Ein Bedauern darüber, dass er in einem Sog von Anforderungen und Arbeit mitgerissen wird und sich schwer dagegen wehren kann, schwingt in seinen Aussagen immer wieder mit, wie seine Antwort auf meine Frage, ob er souverän über seine Zeit verfügen könne, belegt: „Ja, ich kann sie mir aktiv gestalten, das ist glaube ich ein großer Vorteil. […] Das Problem ist, dass das was ich da unter Umständen verschiebe sich nicht erledigt. Das ist wie E-Mails in dem Moment. Ich verschiebe es halt einfach nur. Es kommt dann halt einfach in den nächsten Tagen geballter. Insofern fühle ich mich nicht hundertprozentig wie mein eigener Herr unbedingt. Man wird schon stark auch getrieben von dem Ganzen. Man versucht zwar da freizuschwimmen, aber es gelingt einem nicht immer.“ (IV 04, 478).

Björn Techets „Balance“ zwischen Beruf und Familie/Freizeit geht zulasten seines Privatlebens. „Schlussendlich habe ich auch noch eine Frau zuhause, also irgendwie muss ich mit der ja auch manchmal reden, das kommt dann auch oft zu kurz“ (IV 04, 207), bringt er das Ungleichgewicht auf den Punkt. Der Digicom-Arbeiter scheint die Bedeutung der Digitalen Medien und seinen stressigen Alltag gut zu reflektieren und versucht auch, damit zurechtzukommen. Im Gegensatz zu typischen Geplagten ist er sehr medienkompetent und dahingehend eher als Medienprofi zu sehen. Dennoch fühlt er sich immer wieder überfordert oder gestresst.

8. M EDIENNUTZUNGSTYPEN

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8.3 D IE M EDIENPROFIS Abbildung 21: Die gewandten Medienprofis Hochflexibel und entgrenzt ist auch die Arbeitsweise von Medienprofis. Sie unterscheiden am wenigsten von allen Gruppen zwischen privaten und beruflichen Lebensbereichen. Sie haben die flexibelsten Arbeitszeiten (nur vier Prozent von ihnen haben genau festgelegte Arbeitszeiten) und sind auch räumlich/örtlich am unabhängigsten. Es sind die Digitalen Medien, welche ihnen zu dieser Flexibilität verhelfen. Von allen Gruppen ist dieser Aspekt bei den Medienprofis am stärksten ausgeprägt. Medienprofis arbeiten immer und überall und leisten von allen Typen am meisten Mehrarbeit. Das Gefühl von Zeitdruck bzw. -not bei der Arbeit ist ihnen sehr vertraut. Dementsprechend haben sie eine schlechte (nach den Geplagten die zweitschlechteste) „Balance“ zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen. Trotzdem geben sie (am meisten von allen Gruppen) an, dass ihnen Neue Medien helfen, Beruf und Privates miteinander zu vereinbaren. Diese Ambivalenz erklärt sich durch die Tatsache, dass Medienprofis besonders medienaffin sind. Hinsichtlich der Intensität der Mediennutzung weisen sie signifikant höhere Werte auf als die anderen Mediennutzungstypen (p < .001). Die Medienprofis bedienen sich – nicht nur bei der Arbeit, sondern auch privat – eines großen Repertoires an Kommunikationsmedien wie Mobilkommunikation, Instant Messaging, Online-Netzwerke, Webmeetings oder digitaler Kalender. Diese Medien nutzen sie auch oft im Multitasking-Modus und mit hohem Anspruch an Effizienz (an sich selbst und an andere). Medienprofis arbeiten auch in virtuellen Teams und nutzen dazu Digitale Medien wie Audio-, Video- oder Onlinekonferenzen, Instant Messenger oder E-Learning-Tools. „Alte“ Medien wie Festnetztelefon und Faxgerät spielen für sie eine untergeordnete Rolle. Von allen Typen verfügen die Medienprofis über die ausgeprägtesten Kompetenzen in Mediennutzung (effiziente Mediennutzung, Selektionskompetenz, E-Maildisziplin) und machen sich die Vorteile Digitaler Medien, v.a. die

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Möglichkeiten zu effizienter Kommunikation und Organisation, mit Abstand am meisten nutzbar von allen Typen. Auch achten sie sehr auf Arbeitspausen und Ausgleich zur Arbeit. Die Herausforderungen Digitaler Medien sehen sie im Vergleich zu den Geplagten und zu den SkeptikerInnen durchaus entspannter. Herausfordernd ist aber dennoch die Entgrenzungsthematik, also auch in der „Freizeit“ für die Arbeit erreichbar zu sein. Am häufigsten von allen Typen geben Medienprofis an, ihre E-Mails vor dem Schlafengehen oder bereits nach dem Aufstehen zu checken, und sie sind auch am meisten von allen in der arbeitsfreien Zeit für berufliche Anfragen erreichbar, z.B. am Wochenende, im Krankenstand oder im Urlaub. Oft verwenden sie auch private Ressourcen für die Arbeit. Aber auch die Ablenkung durch private Medientätigkeiten (z.B. Online-Shopping) während der Arbeit und die Herausforderungen einer ineffizienten Mediennutzung durch andere sind für sie relevant. Eine Freitextantwort aus dem Fragebogen, welche eine Probandin/ein Proband zur Frage nach den sonstigen Herausforderungen Neuer Medien formuliert hat, bringt die Einstellung von Medienprofis gut auf den Punkt: „Störend finde ich gar nichts, es ist toll, wenn man andauernd mobil ist und die Medienvielfalt nutzen kann, man muss jedoch wissen, wie und wann … 24 Stunden brauche ich Medien auch nicht.“ Im Typus der Medienprofis sind überdurchschnittlich viele Männer und Beschäftigte aus der IT-Branche vertreten.13 Es finden sich auffällig viele Führungspersonen und überdurchschnittlich viele Selbstständige in dieser Gruppe. Fast die Hälfte der Medienprofis gibt an, in leitender Position tätig zu sein (bei der Gesamtstichprobe sind es 29 Prozent). Der Anteil an AkademikerInnen liegt mit 69 Prozent nahe am Durchschnitt der Gesamtstichprobe, ebenso entspricht ihr durchschnittliches Alter von 37 Jahren im Mittel der Gesamtstichprobe. Personen mit Kindern sind in diesem Typus unterdurchschnittlich vertreten. Die Medienprofis ähneln den Geplagten in mancherlei Hinsicht. Die Unterschiede liegen u.a. in der Mediennutzung. So nutzen die Medienprofis mehr Kanäle und arbeiten auch virtuell im Internet mit anderen zusammen, und dies mit einer besonderen Leichtigkeit,

13 Die Geschlechtereffekte in der Zusammensetzung der Cluster sind statistisch jedoch nicht signifikant.

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wie in Abbildung 21 dargestellt.14 Der Communication Overflow spielt für die Medienprofis im Vergleich zu den Geplagten eine deutlich geringere Rolle. Auch profitieren die Medienprofis wesentlich mehr von koordinierenden Medienfunktionen wie Ordnung halten und Zeiteinteilung mittels Digitaler Medien sowie von der Transparenzfunktion (über Termine/Tätigkeiten des Teams/von KollegInnen Bescheid zu wissen). Porträt eines „Medienprofis“ Der 43-jährige Emil Schnabl (Mag.) ist selbstständig tätig als Unternehmensberater, Erwachsenenbildner (Schwerpunkt Digitale Medien) und Medienjournalist. Im Rahmen dieser Tätigkeiten ist er viel auf Reisen (v.a. im deutschsprachigen Raum). Er lebt in einem Haushalt mit seiner teilzeitarbeitenden Partnerin und zwei Kindern im Alter von neun Monaten und vier Jahren. Der Digicom-Arbeiter arbeitet wann und wo er möchte bzw. es für ihn Sinn macht. Sein Arbeitspensum beträgt bis zu 50 Stunden pro Woche, wobei es ihm schwerfällt, das Arbeitsausmaß überhaupt zu quantifizieren, da Arbeit und Privatleben weitestgehend entgrenzt sind. Nach strategischen Gesichtspunkten wechselt er zwischen dem Kellerbüro zuhause und dem Firmensitz. Er arbeitet aber grundsätzlich an allen möglichen Orten, z.B. im Park, am Badestrand oder im Bett, wo er E-Mails checkt. Die Grundlage für diese Flexibilität sind IuK-Technologien. Er bezeichnet sein Notebook mit mobilem Internetzugang als „Büro“, das alles beinhaltet, was er zum Arbeiten benötigt (vgl. IV 11, 364). Der Digicom-Arbeiter ist überaus me-

14 Die im Vergleich mit den anderen Typen hohe Relevanz des Faktors „Virtual Work“ bei den männlich dominierten Medienprofis korrespondiert mit dem Ergebnis aus der geschlechterdifferenzierten Faktorenanalyse, wonach virtuelle Zusammenarbeit (über kollaborative Software, Instant Messaging und Konferenzlösungen) signifikant bedeutsamer für Männer ist als für Frauen. Dies scheint jedoch weniger mit männlichen und/oder weiblichen Nutzungsmustern zusammenzuhängen als mit der Tatsache, dass bei den Medienprofis signifikant mehr Personen aus der IT-Branche vertreten sind – einer Branche, in welcher virtuelle Zusammenarbeit keine Besonderheit darstellt. Untermauert wird diese Schlussfolgerung durch die Tatsache, dass in der Interviewstichprobe hinsichtlich virtueller Zusammenarbeit keine Geschlechterunterschiede festzustellen sind.

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dienaffin und stets auf dem neuesten Stand der technologischen Entwicklung. IuK-Technologien spielen bei seiner Arbeit eine zentrale Rolle, zumal er hauptsächlich virtuell kommuniziert. Smartphone und Notebook sind seine wichtigsten Arbeitsgeräte. Die souveräne Nutzung von E-Mail, Instant Messaging, Mobilkommunikation, Onlinekonferenzen, online Kalendern sowie E-Learning-Plattformen und Social Networks gehört zu seiner Alltagsroutine. Dabei verfährt er gekonnt im Multitasking-Modus.15 Er selbst ist virtuell stark präsent, verfügt über mehrere Weblogs und Webseiten und ist in Social Networks (z.B. Twitter, XING, Facebook) sehr aktiv. Diese nutzt er gezielt auch zur Kontaktpflege und zum Selbstmarketing. Für Emil Schnabl bedeuten Digitale Medien v.a. eine Arbeitserleichterung. Sie ermöglichen es ihm auch, berufliche und private Lebensbereiche miteinander zu verbinden, wie er im Interview erklärt: „Wenn die Kinder dann da sind, wird weniger gearbeitet und sich mehr mit den Kindern beschäftigt. Wobei ich dann auch immer mal, wenn es irgendwie geht, dann schaue ich runter ins Büro, E-Mails beantworten oder ich habe immer das Smartphone bei mir, und dann kann ich auch schauen, gibt es neue E-Mails …“ (IV 11, 388).

Anders als die meisten Zugehörigen zum Typus der Medienprofis belastet ihn die Entgrenzung von Privatleben und Beruf nicht. Als störend empfindet er an Digitalen Medien überhaupt wenig, mit Ausnahme von Technikfehlern und -ausfällen, die spontane Alternativen erfordern.

15 Dies zeigte sich u.a. auch im Interview, als er sich immer wieder während des Gesprächs anderweitig betätigte, z.B. Dateien von seinem Desktop löschte oder E-Mails las.

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8.4 D IE S KEPTIKER I NNEN Abbildung 22: Die vorsichtigen SkeptikerInnen SkeptikerInnen sind von allen Typen räumlich am meisten an den Arbeitsort gebunden und zeitlich am wenigsten flexibel. Wie Abbildung 22 zeigt, trennen sie stark (am meisten von allen) zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen und nehmen auch selten Arbeit mit nach Hause. Ebenso selten kommt es vor, dass sie unterwegs oder auf Reisen arbeiten. Hinsichtlich der Mediennutzung sind SkeptikerInnen als konservativ zu bezeichnen. Sie nutzen intensiv das Festnetztelefon und auch noch das Faxgerät, dagegen aber nur selten das Mobiltelefon zur beruflichen Kommunikation. Computer und Internet werden (wie von allen Typen) zum E-Mailen, Recherchieren und inhaltlichen Arbeiten verwendet. Die Pflege von Social Networks oder die Nutzung von Instant Messengern, Audio-, Video- bzw. Onlinekonferenzen spielen für sie jedoch kaum eine Rolle. SkeptikerInnen haben eine kritische Einstellung zu Digitalen Medien. Als besonders herausfordernd sehen sie die Informationsflut, die ineffiziente Mediennutzung anderer, die Fehleranfälligkeit von Technik und die Möglichkeit, über Digitale Medien bei der Arbeit stärker kontrolliert zu werden. Außerdem machen sie sich um die Datenschutzproblematik sowie um körperliche Risiken der Mediennutzung Gedanken. Die Erreichbarkeitsproblematik (in der Freizeit) stellt sich ihnen jedoch (im Unterschied zu den Geplagten) kaum. SkeptikerInnen geben mit 40 Prozent im Vergleich zu den anderen Typen oft an, dass es konkret vereinbarte Ausnahmefälle sind, zu denen sie erreichbar sind. Vergleichbar wenig erreichbar sind sie am Wochenende, im Urlaub oder im Krankenstand. Personen des Typus „SkeptikerInnen“ kennen das Gefühl von Zeitdruck/-not bei der Arbeit gut. Digitale Medien geben ihnen dabei aber wenig Hilfestellung, denn sie werden von ihnen viel eher als Zeitfresser, denn als Mittel zum Zeitsparen wahrgenommen. SkeptikerInnen profitieren im Vergleich zu den anderen Typen eher weniger von den Vorteilen Digitaler

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Medien.16 Sie verfügen über die zweithöchsten Kompetenzen in Mediennutzung (effiziente Mediennutzung, Selektionskompetenz, E-Maildisziplin). Zusätzlich haben sie ein gutes Erreichbarkeitsmanagement und am meisten Ausgleich zur Arbeit. In ihrer Freizeit beschäftigen sie sich bewusst weniger mit Digitalen Medien. Von allen Typen nehmen sie (nach den Wenig-NutzerInnen) am ehesten eine distanzierte Haltung zu Digitalen Medien ein. Ihre „Balance“ zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen ist im mittleren Bereich, aber verglichen mit den Geplagten oder Medienprofis als gut einzuschätzen. SkeptikerInnen haben im Vergleich mit den anderen Gruppen den geringsten Anteil an AkademikerInnen und das zweitniedrigste Bildungsniveau (nach den Wenig-NutzerInnen).17 Sie sind nur selten in leitender Position tätig. Auch finden sich kaum Selbstständige unter den SkeptikerInnen. Der Frauenanteil ist in diesem Typus am höchsten. Im Alter (durchschnittlich 35 Jahre) entsprechen sie in etwa dem Durchschnitt der Gesamtstichprobe von 37 Jahren, ebenso was die Anzahl an Personen mit Kindern betrifft (bei den SkeptikerInnen 34 Prozent). Porträt einer „Skeptikerin“ Beate Innerdorfer (Mag.a) ist 30 Jahre alt und in einer internationalen Softwareentwicklungsfirma mit 180 MitarbeiterInnen als Produktmanagerin beschäftigt. Sie leitet ein (virtuelles) Team von drei SoftwareentwicklerInnen, welche an einem anderen Standort in einem osteuropäischen Land leben und arbeiten und hat die Schnittstellenfunktion zwischen den EntwicklerInnen und den KundInnen inne. Sie lebt in einer Lebensgemeinschaft mit einem Studenten und hat keine Kinder. Beate Innerdorfer ist nicht eindeutig dem Typus der SkeptikerInnen zuzuordnen, sondern ist ein Mischtypus aus Skeptikerin und Medienprofi. Im Gegensatz zu den ersten beiden Porträtierten ist die Arbeitsweise von Beate Innerdorfer wesentlich stärker an den Betrieb gebunden, was mit

16 Bei den Freitextantworten, mit denen im Fragebogen die sonstigen Vorteile erfragt wurden, wurden von den SkeptikerInnen immer wieder auch Nachteile genannt, wodurch diese besonders betont wurden. 17 Da die SkeptikerInnen über ausgeprägte Kompetenzen verfügen, wiederholt sich das Ergebnis, wonach eine höhere formale Bildung nicht automatisch zu mehr medienbezogenen Kompetenzen führt.

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dem Typus der SkeptikerInnen korrespondiert. Zwar könnte sie prinzipiell nach Absprache mit der Geschäftsführung auch zwischendurch von zuhause aus arbeiten, wenn ihre Arbeit ein besonders hohes Konzentrationsniveau erfordert. Diese Möglichkeit nimmt sie allerdings nicht öfter als einmal im Jahr in Anspruch. Regelmäßig – im Abstand von wenigen Monaten – reist die Digicom-Arbeiterin aber zu ihrem Team, um den Kontakt mit den MitarbeiterInnen auch persönlich zu pflegen. Dies ist ihr sehr wichtig, einerseits da dies die Zusammenarbeit erleichtert, andererseits aber um die Teammitglieder auch privat kennenzulernen (vgl. IV 02, 0757). Untypisch für die Gruppe der SkeptikerInnen nutzt sie Digitale Medien intensiv zur virtuellen Kommunikation, das heißt, ihre Mediennutzung entspricht jener der Medienprofis. Ihr wichtigstes Instrument ist der Instant Messenger, der die Funktion einer „Standleitung“ zu ihrem Team hat und worüber sie auch täglich (auf Audiobasis) Teamkonferenzen durchführt. Daneben spielen auch E-Mails und kollaborative Software (zur gemeinsamen virtuellen Projektarbeit) eine große Rolle, das Festnetztelefon jedoch kaum. Sie verfügt über keinen stationären Computer, sondern über ein Notebook, das sie mit zusätzlichen Monitoren und Tastatur stationär verwendet, aber auch auf ihren Reisen mitnimmt, wodurch sie ortsunabhängig arbeitsfähig ist. Im Gegensatz zu den Medienprofis hat sie jedoch kein berufliches Mobiltelefon. Es kommt auch kaum vor, dass sie in ihrer Freizeit von der Arbeitsstätte aus angerufen wird. Multitasking mit unterschiedlichen medialen Kanälen ist bei der Digicom-Arbeiterin an der Tagesordnung, jedoch nimmt sie es als stressig wahr, wenn z.B. ein Skype-Fenster blinkt, das anzeigt, dass jemand auf Antwort wartet (vgl. IV 02, 0561). Weitere Herausforderungen Digitaler Medien sieht sie in Effizienzstörungen wie z.B. langen Ladezeiten oder der Datenschutzproblematik, wie folgendes Zitat veranschaulicht: „Wirklich vertrauliche Informationen würde ich über Skype nicht austauschen. Ich würde auch kein privates Gespräch da führen. Ich schreibe auch von meinem Firmen-E-Mail-Account keine wirklich persönlichen E-Mails. Wobei ganz Persönliches schreibe ich überhaupt nicht per E-Mail, nicht leicht. Da telefoniere ich dann eher, wenn es schon so etwas sein muss.“ (IV 02, 1035).

Beate Innerdorfer arbeitet durchschnittlich ca. 42 Stunden pro Woche, wobei sie sich ihre Arbeitszeit innerhalb eines Gleitzeitrahmens mit Kernarbeitszeiten selbst einteilen kann. Sie versucht aber möglichst regelmäßige

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Arbeitszeiten einzuhalten (von acht/neun Uhr früh bis fünf/sechs Uhr abends). Überhaupt gelingt ihr die (von ihr angestrebte) Trennung zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen sehr gut. Die Grenzlinie ist bei ihr eindeutig das (physische) Büro; mit Öffnen und Schließen der Bürotür wechselt sie von einer Sphäre in die andere (vgl. IV 02, 0917). Ihre Freizeit verbringt sie gezielt weitestgehend medienfrei, um einen Ausgleich zum medienlastigen Arbeitsalltag herzustellen. Die Digicom-Arbeiterin zeigt sich sehr kompetent im Umgang mit Medien, wählt die passenden Kanäle für die jeweilige Kommunikationssituation und achtet in der Kommunikation auf eine Balance aus Effizienz und persönlichem Kontakt. Im Interview reflektiert sie stark ihre eigene Mediennutzung und ihre gegenwärtige Arbeitsrealität.

8.5 D IE O PTIMIST I NNEN Abbildung 23: Die OptimistInnen OptimistInnen ähneln hinsichtlich der Separation von beruflichen und privaten Lebenssphären stark den SkeptikerInnen. Sie sind im Wesentlichen an Arbeitsorte und -zeiten gebunden und müssen in ihrer Freizeit eher nicht für den Betrieb erreichbar sein. Wie die SkeptikerInnen nutzen auch die OptimistInnen noch stark die konventionellen Medien wie Festnetztelefon und Faxgerät, jedoch greifen sie durchaus auch auf die Mobilkommunikation zurück. Das Medium E-Mail wird auch von ihnen intensiv verwendet. Virtuelle Zusammenarbeit über IuK-Technologien spielt für die OptimistInnen jedoch kaum eine Rolle, mit Ausnahme von computergestützter Kalenderverwaltung, welche von ihnen zum Teil auch in Teams genutzt wird. OptimistInnen nutzen Digitale Medien sehr pragmatisch und verfügen über hohe Kompetenzen im Umgang mit mediatisierter Arbeit, v.a. in effizienter Mediennutzung und Grenzmanagement. Wie Abbildung 23 zeigt, sind OptimistInnen – konträr zu den SkeptikerInnen –

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durch eine positive Einstellung zu Digitalen Medien charakterisiert und betonen demnach auch stärker die Vorteile als die Nachteile der Mediennutzung. Die Vorteile liegen für sie vor allem in der effizienten Kommunikation und Organisation. OptimistInnen sind die einzigen Befragten, welche in der beruflichen Nutzung Digitaler Medien eher einen Zeitgewinn als -aufwand sehen. Den Communication Overflow und die Frage der Erreichbarkeit nehmen sie als wenig problematisch wahr; immerhin ist bei ihnen die Erreichbarkeit in der Freizeit für berufliche Belange von allen Typen am wenigsten relevant. Herausforderungen Neuer Medien sehen Personen dieses Typs vor allem in Effizienzstörungen. OptimistInnen haben ein entspanntes Verhältnis zur Zeit: Sie verspüren (mit Ausnahme der Wenig-NutzerInnen) den geringsten Zeitdruck bei der Arbeit. Selten nehmen sie Arbeit mit nach Hause. Auch ihnen gelingt – ähnlich wie den SkeptikerInnen – die Trennung von beruflichen und privaten Lebensbereichen gut. Da sie eine positive Einstellung zu Digitalen Medien haben, verzichten sie in der Freizeit weniger auf Medienaktivitäten als die SkeptikerInnen. OptimistInnen haben von allen Typen die beste „Balance“ zwischen Arbeit und Privatleben.18 Die meisten OptimistInnen (27 Prozent) sind in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt. In diesem Cluster finden sich die wenigsten Personen aus der Branche Erziehung/Bildung. Überwiegend sind OptimistInnen festangestellt und in keiner leitenden Position. Von allen Typen findet sich in dieser Gruppe der höchste Anteil an unselbstständig Erwerbstätigen. Das Bildungsniveau der OptimistInnen liegt unter dem Durchschnitt der Gesamtstichprobe.19 Mit 45 Prozent ist in diesem Typus die Teilzeitquote (mit Ausnahme der Wenig-NutzerInnen) am größten. Im durchschnittlichen Alter von 36 Jahren entsprechen sie in etwa dem Mittelmaß der Gesamtstichprobe. Überdurchschnittlich häufig sind in diesem Cluster Frauen vertreten.

18 Aus den Untersuchungsergebnissen kann abgeleitet werden, dass medienbezogene Faktoren alleine nicht ausschlaggebend sind für die „Balance“ zwischen Arbeit und Privatleben, sondern dass auch andere Faktoren wie der Familienstatus (mit oder ohne Kinder) oder die Beschäftigungsform (selbstständig ja oder nein, Teilzeit ja oder nein) eine Rolle spielen. 19 Auch dies ist ein weiterer Hinweis auf die bereits formulierte Hypothese, wonach das formale Bildungsniveau nicht mit medienbezogenen Kompetenzen korreliert.

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Der Anteil an Personen mit Kindern liegt jedoch unter dem Durchschnitt und ist von allen Typen bei den OptimistInnen am niedrigsten.20 Porträt eines „Optimisten“ Der 33-jährige Werner Schratt (Dr.) ist Security Spezialist in einem globalen Unternehmen mit weltweit 40 000 MitarbeiterInnen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von drei Monaten und zweieinhalb Jahren. Seine Ehefrau ist ausgebildete Krankenschwester, befindet sich aber derzeit in Babykarenz. Wie die anderen porträtierten Digicom-ArbeiterInnen entspricht Werner Schratt in mancherlei Hinsicht auch noch dem Typus der Medienprofis.21 Die Arbeitsweise von Werner Schratt ist – untypisch für OptimistInnen – als entgrenzt zu bezeichnen. So arbeitet er auch außerhalb der Arbeitszeit von zuhause aus, wird zwischendurch in der Freizeit angerufen und checkt seine E-Mails mittels Smartphone auf der Fahrt von und zur Arbeit. Jedoch nimmt er dies (im Gegensatz zu Personen des Typus der Geplagten) nicht als Arbeit wahr. Er zieht die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit an der Bürotür: „Wenn ich nicht in der Firma bin, ist Freizeit.“ (IV 06, 616). Werner Schratt verfügt über etwas Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeiten. Die Kernarbeitszeit liegt zwischen neun und 15 Uhr, die restliche Zeit ist flexibel einteilbar. Der Digicom-Arbeiter versucht abends zeitig nach Hause zu kommen, um noch Zeit mit seinen Kindern verbringen zu können. Sollte dann noch etwas für die Arbeit zu tun sein, kann er das auch (via

20 Auffallend sind die Zusammenhänge zwischen den Faktoren Kinder sowie Selbstständigkeit und der Vereinbarkeits-Thematik. Die schlechteste „Balance“ zwischen Arbeit und Privatleben besteht in dem Cluster mit dem höchsten Anteil an Personen mit Kindern und an Selbstständigen (Geplagte). Die beste bei dem Typus, der am wenigsten Personen mit Kindern und am meisten unselbstständig Erwerbstätige beinhaltet. Daraus lässt sich ableiten: Je mehr Personen mit Kindern und je mehr Selbstständige in einem Cluster vertreten sind, umso schlechter ist auch die „Balance“ zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen und umgekehrt. 21 Die Tatsache, dass alle porträtierten Digicom-ArbeiterInnen deutliche Züge des Typus „Medienprofis“ haben, ist durch die Stichprobenauswahl zu erklären, da dezidiert Personen für die Interviewstudie gesucht wurden, für die der intensive Umgang mit Digitalen Medien alltäglich ist.

8. M EDIENNUTZUNGSTYPEN

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Remote Control) von daheim aus erledigen. Seine Mediennutzung vereint Aspekte von OptimistInnen und von Medienprofis. Neben dem Festnetztelefon und dem Firmensmartphone nutzt er den Instant Messenger. In seltenen Fällen ist er auch an Telefonkonferenzen beteiligt. Sein wichtigstes Arbeitsgerät ist das Notebook, das er stationär (mit Dockingstation22) oder mobil nutzt, wenn er zu Besprechungen im Hause geht. Zur Terminplanung und zur Koordination von Prozessen werden in seinem Unternehmen digitale Tools verwendet. Korrespondierend zum Typus der OptimistInnen hat Werner Schratt eine grundsätzlich positive Einstellung zu Digitalen Medien und beschäftigt sich auch in der Freizeit gerne mit technologischen Neuerungen. Effizienz ist dem Digicom-Arbeiter bei der Arbeit sehr wichtig. Gezielt setzt er Technologien so ein, dass er diesem Anspruch genügt. Dementsprechend nimmt er auch Effizienzstörungen (z.B. langsame Arbeitsabläufe, lange Ladezeiten am Computer) als belastend wahr. Für Herausforderungen wie den Communication Overflow oder die Erreichbarkeitsproblematik hat er sich Strategien zurechtgelegt, um sich nicht von den medial-kommunikativen Anforderungen vereinnahmen zu lassen: Mobiltelefon leise stellen oder nicht abheben, E-Mails filtern/ignorieren oder den Status im Instant Messenger auf „busy“ stellen, damit er seltener kontaktiert wird. Typisch für OptimistInnen verfügt Werner Schratt neben guten Fähigkeiten in effizienter Mediennutzung auch über ausgeprägte Kompetenzen in Grenzmanagement.

8.6 F AZIT : M EDIENNUTZUNGSTYPEN Die auf den Ergebnissen der Online-Umfrage basierende Clusteranalyse ergab fünf Typen, welche sich in ihrem Mediennutzungsverhalten und ihrer Einstellung zur Mediatisierung von Arbeit sowie in ihren Bewältigungsstrategien unterscheiden. Die meisten Befragten (28 Prozent) sind dem Typus der „Geplagten“ zuzurechnen. Diese arbeiten zeitlich und örtlich entgrenzt, sodass Arbeit und Privates weitgehend miteinander verschwimmen. Dies stellt für sie eine Belastung dar, da sie den Druck verspüren, ihre Arbeit im-

22 Eine Dockingstation ist eine Schnittstelle, welche das Notebook mit dem Netzteil sowie anderen Geräten wie Monitor, Maus, Drucker, Tastatur usw. verbindet, ohne jedes Gerät einzeln anschließen zu müssen.

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mer und überall im Griff zu haben. Der zahlenmäßig zweitwichtigste Typus ist jener der „Medienprofis“ (23 Prozent der Befragten). Sie ähneln den Geplagten in vielerlei Hinsicht, sind aber positiver eingestellt zu Digitalen Medien und verwenden diese auch in ihrer gesamten Bandbreite. „SkeptikerInnen“ stellen mit 20 Prozent der Befragten die drittgrößte Gruppe. Anders als die beiden erstgenannten Typen sind sie örtlich und zeitlich eher unflexibel und trennen auch erfolgreich zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen. Sie haben eine kritische Einstellung zu Digitalen Medien und betonen deshalb vergleichsweise stark die Herausforderungen der Mediennutzung. Mit 17 Prozent der Befragten liegen die OptimistInnen an vierter Stelle. Ähnlich wie die SkeptikerInnen trennen sie zwischen Arbeit und Privatleben. Sie sind allerdings durch eine weitaus positivere Einstellung zu Digitalen Medien charakterisiert und nutzen diese gerne und effizient. Zwölf Prozent der Befragten sind so genannte „Wenig-NutzerInnen“. Sie verwenden Digitale Medien in geringer Intensität, weshalb sie nicht detailliert charakterisiert wurden. Im Vergleich der Typenverteilung zwischen den beiden Stichproben (Interviewte und online Befragte) zeigt sich, dass von den online Befragten die Herausforderungen mediatisierter Arbeit deutlicher wahrgenommen werden als von den Interviewten. Nicht alle online Befragten verfügen auch über ausreichende Kompetenzen, mit diesen Risiken umzugehen; knapp ein Drittel sieht sich deutlichen Belastungen gegenüber. Der Vergleich der Typen lässt zudem erkennen: Je entgrenzter die Arbeitsrealität ist, umso mobiler und vielfältiger ist die Mediennutzung. Digitale Medien können auf Basis dieser Ergebnisse als „Enabler“, „Facilitator“ und „Supporter“ mobiler Arbeit (Gareis/Lilischkis/Mentrup 2006, S. 50f) bestätigt werden. Das zentrale Thema der Effizienz hat sich sowohl als Gradmesser für das eigene und fremde Handeln als auch als Konsequenz der Nutzung Digitaler Medien bestätigt. Die Clusteranalyse brachte auch demografische Unterschiede innerhalb der Online-Stichprobe zutage. So sind Personen des Typus der Geplagten deutlich älter als die anderen und haben am meisten/am ehesten Kinder. Am niedrigsten ist der Anteil an Personen mit Kindern bei den OptimistInnen. Dies könnte auf einen Zusammenhang zwischen dem Familienstatus (mit oder ohne Kind) und der Mediennutzung auf der einen Seite sowie auf einen Zusammenhang zwischen dem Familienstatus und dem subjektiven Wohlbefinden bei der Arbeit auf der anderen Seite hinweisen. Um dazu

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konkrete Aussagen machen zu können, wären jedoch weitere Untersuchungen erforderlich. Zudem ist in der Typisierung ein Gendereffekt bemerkbar. Typen mit einem hohen Anteil an Personen in Leitungsfunktionen (Medienprofis) verzeichnen einen überdurchschnittlichen Männeranteil, wogegen es bei Typen mit niedrigem Führungspersonenanteil (SkeptikerInnen, OptimistInnen) umgekehrt ist und diese stärker weiblich dominiert sind. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der bestehenden geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktsegregation, wonach Männer überproportional stärker in Führungspositionen und generell in höherqualifizierten Tätigkeitsbereichen vertreten sind als Frauen (vgl. Statistik Austria 2012, o. S.).

9. Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit: Ergebnisse und kritische Reflexion

Die gegenständliche Studie konnte zeigen, dass das berufsbezogene Handeln der interviewten Digicom-ArbeiterInnen und online Befragten durch die Nutzung von Digitalen Medien beeinflusst ist. Der Argumentation zugrunde gelegt wurde die Theorie der Mediatisierung. Derzufolge gestalten Medien die Kommunikation und hat Kommunikation mit Medien Konsequenzen für die Gesellschaft und all ihre Bereiche (u.a. die Arbeit). Umgekehrt resultieren aus neuen gesellschaftlichen Bedarfen und Entwicklungen mediale Entwicklungen. Der Untersuchungsfokus wurde auf die Phänomene Raum und Zeit gesetzt, da diese Dimensionen aktuell eine zunehmende Entgrenzung erfahren und Mediatisierung vor allem in dieser Hinsicht relevant ist (vgl. Krotz 2007, S. 39). Einer subjekt- und handlungsorientierten Perspektive folgend, wurde ein Untersuchungsdesign entwickelt, das an den Alltagserfahrungen der Arbeitenden, der so genannten Digicom-ArbeiterInnen ansetzt. Es sind das Personen, die in ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld hauptsächlich mit Aufgaben der Kommunikation und Information beschäftigt sind und dabei vorwiegend auf digitale Technologien zurückgreifen. Qualitativ-interpretative Ansätze mit kleinerer Stichprobe (Leitfadeninterviews mit vorgeschalteter Tagebuchmethode, Visualisierungen) wurden mit einem auf eine größere Stichprobe abzielenden standardisierten Verfahren (Online-Umfrage) kombiniert, um die Aussagekraft der Daten zu steigern.

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In diesem Kapitel werden die zentralen Ergebnisse aus der Studie rekapituliert und einer kritischen Betrachtung unterzogen. Danach wird die Bedeutung der Studie für das Fach Medien- und Kommunikationswissenschaft erläutert, indem theoretische sowie praktische Konsequenzen aus den Studienergebnissen gezogen werden.

9.1 B EANTWORTUNG

DER

F ORSCHUNGSFRAGEN

In diesem Abschnitt werden die in der Einleitung aufgeworfenen forschungsleitenden Fragen resümierend beantwortet: Wie gestaltet sich unter dem Einfluss der Nutzung Digitaler Medien die Wahrnehmung von und der Umgang mit Raum und Zeit bei der Arbeit? Raum und Zeit sind im Rahmen mediatisierter Arbeit als flexibel und entgrenzt zu bezeichnen. Charakteristisch dafür sind flexible Arbeitszeiten und -orte und das Verschwimmen von privaten und beruflichen Lebensbereichen. Ermöglicht bzw. forciert werden diese Flexibilisierung und Entgrenzung durch die Nutzung mobiler Medien und durch virtuell verfügbare Arbeitsinhalte. Entgegen theoretischer Befürchtungen kommt es nicht zu einem Verschwinden von Raum, sondern zu einer Vervielfältigung und Erweiterung. Verantwortlich dafür sind die sich überlagernde Räumlichkeit und die Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten in der Virtualität sowie das Nebenund Ineinander von physischen und virtuellen Räumen. Neue virtuelle Arbeitsräume sind entstanden/entstehen, in denen kommuniziert (z.B. via Instant Messenger), archiviert (z.B. mittels Wissensmanagementsystemen), organisiert und kooperiert (z.B. mittels Projektverwaltungssoftware) sowie gelernt wird (z.B. auf E-Learning-Plattformen). Meist lassen sich diese Räume aber keinen spezifischen Tätigkeiten zuordnen, sondern sind multifunktional einsetzbar. Diese Erweiterung und Vervielfältigung von Raum geht Hand in Hand mit einer wahrgenommenen Distanzverringerung durch virtuelle Kommunikation. Diese ermöglicht neue Formen der Präsenz, z.B. eine mediale Kopräsenz, die in einem Hybrid aus physischem Präsenzraum und virtuellem Kommunikationsraum entsteht. Avancierte Konferenzlösungen, die auf Au-

9. E RGEBNISSE UND KRITISCHE R EFLEXION

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dio und Video basieren, ermöglichen Immersion, ein Eintauchen in virtuelle Welten, das den Eindruck von Face-to-Face-Kontakten vermitteln kann. Eine Beschleunigung, ermöglicht durch digitale Kommunikation, zeigt sich in verkürzten und schnelleren Kommunikationswegen und im Multitasking. Letzteres wird insbesondere durch die Überlagerung und Vergleichzeitigung von Räumen in der Virtualität begünstigt bzw. gefördert. Effizienzstrategien werden eingesetzt, um die Ressource Zeit ökonomisch zu organisieren. Aufwand und Ertrag von Tätigkeiten/Systemen/Prozessen werden genau abgewogen. Alle diese Phänomene werden in der gegenständlichen Arbeit als Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit gefasst. Welche Potenziale und Herausforderungen entstehen für DigicomArbeiterInnen durch die neuen Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit, und welche Strategien und Kompetenzen entwickeln Digicom-ArbeiterInnen, um damit umzugehen? Wie die empirische Untersuchung zeigen konnte, sind IuK-Technologien unverzichtbare Hilfsmittel für die Digicom-Arbeit. Sie eröffnen einen breiten Rahmen an Möglichkeiten, der von den arbeitenden Individuen unterschiedlich genutzt wird. Die Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit haben widersprüchliche Implikationen für die Digicom-ArbeiterInnen. Ein und dasselbe Phänomen kann sich je nach Biografie, Unternehmenskultur, aber auch nach Situation verschieden darstellen. So kann die Nutzung Digitaler Medien eine effiziente Kommunikation und Organisation von Arbeit ermöglichen und gleichermaßen neue Ineffizienzen nach sich ziehen. Der positiv wahrgenommenen räumlichen und zeitlichen Flexibilität stehen die Herausforderungen einer Entgrenzung von Lebensbereichen gegenüber, und die durch virtuelle Zusammenarbeit entstehende Transparenz beinhaltet Aspekte von Kontrolle. Insgesamt werden von den Digicom-ArbeiterInnen die positiven Aspekte mediatisierter Arbeit stärker wahrgenommen bzw. verbalisiert als die negativen. Die Strategien und Kompetenzen, mit denen die Digicom-ArbeiterInnen den Potenzialen und Herausforderungen mediatisierter Arbeit zu begegnen versuchen, sind als individualisiert zu betrachten. Sie sind das Ergebnis von gezielten Überlegungen, Versuchen und von Erfahrung. Als bedeutende

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Kompetenz hat sich jene der effizienten Mediennutzung herausgestellt. Darunter sind individuelle Überlegungen und Strategien zu verstehen, die ein positives Verhältnis von Aufwand und (kommunikativem) Ertrag versprechen und eine Antwort auf die Beschleunigung und Vervielfältigung von Kommunikation darstellen. Weitere Strategien sind ein Raum- und Zeitmanagement, um Tätigkeiten passenden Zeiten und Orten bzw. Räumen zuzuordnen. Den Entgrenzungsphänomenen mediatisierter Arbeit begegnen die Digicom-ArbeiterInnen mittels Grenzmanagement und Entschleunigung – Strategien, die in der Realität jedoch nicht in der gewünschten Konsequenz umgesetzt werden können. Als Querschnittskompetenz zu allen Kompetenzbereichen ist die Reflexionskompetenz zu nennen, welche die DigicomArbeiterInnen dazu befähigt, Technologien, Arbeitsbedingungen und -praktiken zu bewerten und zu hinterfragen. Tabelle 10 fasst die Untersuchungsergebnisse aus den Kapiteln 5, 6 und 7 zusammen. Sie lässt erkennen, durch welche Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit welche Potenziale und Herausforderungen entstehen und mittels welcher Strategien bzw. Kompetenzen diesen durch die Digicom-ArbeiterInnen begegnet wird. Anhand der Tabelle wird nachvollziehbar, dass das Thema Effizienz sowohl als Potenzial (effiziente Kommunikation und Organisation), Herausforderung (Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation) als auch als Strategie (effiziente Mediennutzung) am häufigsten vorkommt.1 Dies unterstreicht die hohe Relevanz von Effizienz, weshalb als Schlüsselkategorie für die gegenständliche Studie der Idealtypus des „Effizienten Menschen“ entwickelt wurde. Dieser Idealtypus beschreibt einen Menschen, der nach einer effizienten Gestaltung seiner Arbeit strebt, um ein Maximum an Aufgaben bewältigen zu können. Er/sie richtet seine/ihre Beurteilungsmaßstäbe sowie sein/ihr komplexes berufliches Handeln an dem Maßstab der Effizienz aus. Digitale Medien sind seine/ihre Werkzeuge, um Arbeit effizient zu planen, zu koordinieren bzw. zu organisieren, zu erledigen, zu evaluieren und zu archivieren. Gleichzeitig entstehen mit der Nutzung der Technologien Ineffizienzen. Diese Effizienzstörungen empfindet der effiziente Mensch als belastend, weshalb er/sie Strategien entwickelt, um diese zu beseitigen.

1

Auch in allen anderen Kategorien, in denen der Kategoriename nicht explizit auf das Thema Effizienz verweist, ist Effizienz als zentraler Wert inhärent.

9. E RGEBNISSE UND KRITISCHE R EFLEXION

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Tabelle 10: Arbeit in der Dynamik von Medien(kommunikation), Raum und Zeit Raum- und Zeitphänomene mediatisierter Arbeit Flexible Arbeitsorte

Potenziale

Herausforderungen

Strategien

Effiziente Kommunikation und Organisation

Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation

Effiziente Mediennutzung

Orts- und Zeitsouveränität

Entgrenzung

Management von Raum und Zeit

Erweiterung von Raum/Distanzverminderung durch Virtualität

Erweiterte Präsenzformen

Entgrenzung und Flexibilisierung von Zeitphasen

Zeit

Beschleunigung

Ökonomisierung von Zeit

Effiziente Kommunikation und Organisation

Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation

Effiziente Mediennutzung

Orts- und Zeitsouveränität

Entgrenzung

Management von Raum und Zeit

Transparenz

Neue Kontrollen

Grenzmanagement und Entschleunigung

Effiziente Kommunikation und Organisation

Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation

Effiziente Mediennutzung

Orts- und Zeitsouveränität

Entgrenzung

Management von Raum und Zeit

Transparenz

Neue Kontrollen

Grenzmanagement und Entschleunigung

Effiziente Kommunikation und Organisation

Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation

Effiziente Mediennutzung

Orts- und Zeitsouveränität

Entgrenzung

Management von Raum und Zeit

Effiziente Kommunikation und Organisation

Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation

Effiziente Mediennutzung

Entgrenzung

Grenzmanagement und Entschleunigung

Quantität und Qualität der digitalen Kommunikation

Effiziente Mediennutzung

Effiziente Kommunikation und Organisation

Grenzmanagement und Entschleunigung

Reflexionskompetenz

Raum

Grenzmanagement und Entschleunigung

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Inwiefern lassen sich die Erkenntnisse zu den Digicom-ArbeiterInnen verallgemeinern und auf eine breitere Zielgruppe mediatisierter Arbeit ausdehnen? Digicom-ArbeiterInnen sind durch eine intensive Nutzung Digitaler Medien charakterisiert bzw. sind in Tätigkeitsfeldern von Medien und/oder IT beschäftigt. Sehr häufig arbeiten sie unter räumlich und zeitlich entgrenzten Bedingungen. Sie sind also mehrheitlich flexibel in der Wahl ihrer Arbeitsorte und -zeiten und trennen wenig zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen. Der Vergleich zwischen Digicom-ArbeiterInnen und den Befragten der Stichprobe der Online-Umfrage, bei der vorab keine Selektion hinsichtlich der Mediennutzungsintensität bzw. der Flexibilität der Arbeitsbedingungen getroffen wurde, ergab wenige Differenzen. Das bedeutet, dass die Untersuchungsergebnisse aus der Interviewstudie mit wenigen Einschränkungen auch für eine größere Population Gültigkeit besitzen. Die wichtigste Übereinstimmung ist, dass sich das Thema der Effizienz auch in der quantitativen Stichprobe als zentral erwiesen hat. Wo es Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen gab, sind diese auf die Zusammensetzung der Stichproben zurückzuführen. So sind die TeilnehmerInnen der Online-Umfrage, die sich mehrheitlich nicht in Leitungspositionen befinden, örtlich deutlich weniger flexibel als die interviewten Digicom-ArbeiterInnen, die einen hohen Anteil an Führungspersonen oder Selbstständigen aufweisen. Dem entsprechend spielen auch Strategien des „placing work“ für die allgemeine Stichprobe keine so große Rolle wie für die interviewten Digicom-ArbeiterInnen. Punkto Flexibilität von Arbeitszeiten unterscheiden sich die beiden Untersuchungsgruppen weniger. Flexible Arbeitszeitmodelle haben sich auf breiter Basis durchgesetzt, wenn auch die Digicom-ArbeiterInnen im Vergleich zu den Befragten der Online-Stichprobe zeitlich noch ungebundener sind. Korrespondierend dazu sind bei den interviewten Digicom-ArbeiterInnen Strategien des „timing work“ vergleichsweise stärker ausgeprägt als bei den online Befragten. Was die Entgrenzungsfunktion von Digitalen Medien anbelangt, so ist diese auch für die Befragten der allgemeinen Stichprobe relevant, z.B. sind sie mehrheitlich in ihrer Freizeit für Belange des Unternehmens erreichbar. Auch ist Multitasking ein weit verbreiteter Arbeitsmodus. Unterschiede sind bezüglich der Nutzung immersiver Technologien festzustellen, welche für die online Befragten von geringerer Bedeutung sind als für die Digi-

9. E RGEBNISSE UND KRITISCHE R EFLEXION

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com-ArbeiterInnen. Dies verweist auf einen höheren Anteil virtueller Arbeit bei den Digicom-ArbeiterInnen. Effizienz ist für die online Befragten genauso ein zentraler Maßstab und Wert wie für die Digicom-ArbeiterInnen und stellt damit kein Spezifikum der Digicom-Arbeit dar. Effizienzstörungen werden von beiden Gruppen gleichermaßen beklagt. Jedoch leiden die online Befragten weniger unter Überforderung in Bezug auf kommunikative Aufgaben (Communication Overflow). Diese scheint für die Digicom-ArbeiterInnen, welche per definitionem viel digital kommunizieren, charakteristisch zu sein. Ein weiterer Unterschied zeigte sich hinsichtlich der Wahrnehmung, durch Digitale Medien bei der Arbeit kontrolliert zu werden. Diese wurde von den online Befragten deutlicher artikuliert als von den Digicom-ArbeiterInnen. Erklärbar ist dies anhand der unterschiedlichen Stichprobencharakteristik, wonach im Interviewsample deutlich mehr Personen in leitender Position tätig sind, die eher selbst kontrollieren als kontrolliert zu werden. Weitere Differenzen hat die Clusteranalyse zu Tage gebracht. Dabei wurden aus den Daten der Online-Umfrage folgende vier Mediennutzungstypen extrahiert und beschrieben: die Geplagten, die Medienprofis, die SkeptikerInnen und die OptimistInnen. Die interviewten Digicom-ArbeiterInnen wurden zu Vergleichszwecken entlang der entstandenen Typologie eingeordnet. Der Vergleich offenbart, dass unter den Digicom-ArbeiterInnen deutlich weniger Geplagte und SkeptikerInnen, dafür aber mehr Medienprofis und OptimistInnen zu finden sind. Das bedeutet, dass die interviewten Digicom-ArbeiterInnen in Summe eine positivere Einstellung zu IuK-Technologien aufweisen als die online Befragten. Letztere nehmen zwar auch die Vorteile der Nutzung Digitaler Medien stärker wahr als die Herausforderungen, jedoch betonen sie im Vergleich zu den DigicomArbeiterInnen die Herausforderungen deutlicher. Auch dieses Ergebnis lässt sich mit der Stichprobenzusammensetzung erklären. So ist die Tätigkeit der Digicom-ArbeiterInnen stärker durch die Nutzung von IuK-Technologien geprägt und ist virtuelle Arbeit für sie wesentlich bedeutender als für die online Befragten. Digicom-ArbeiterInnen verfügen über ausgeprägte Kompetenzen im Umgang mit Digitalen Medien und sind wohl auch deshalb eher dazu in der Lage, mit deren Herausforderungen zurechtzukommen.

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9.2 D ER EFFIZIENTE M ENSCH UND DIE „T ECHNOLOGIEN DES S ELBST “ Im Lichte der Untersuchungsergebnisse erscheint es mir nötig, die Thesen zum effizienten Menschen kritisch zu reflektieren. Um das situative Handeln der Subjekte zu verstehen, ist ein Blick auf jene Mechanismen geboten, die dieses Handeln strukturieren. Die Resultate gegenständlicher Studie verweisen auf die idealtypische Existenz eines „Effizienten Menschen“, der aufgerufen ist, seine Werte, sein Handeln und Tun nach dem Imperativ einer „ökonomischen Verwertungslogik“ (Döbler 2012, S. 46) auszurichten. Er korrespondiert mit dem Idealtypus des Menschen im Neoliberalismus: dem Unternehmer seiner Selbst/der Unternehmerin ihrer Selbst. Grundlegend dabei ist das Verständnis von unternehmerischem Handeln als „Handeln im Hinblick auf Markterfolg“ (Bröckling 2007, S. 76).2 Die individuellen Strategien und Kompetenzen der gegenständlichen StudienteilnehmerInnen lassen sich als Anforderungsmatrix des neoliberalen Modellmenschen interpretieren, der sich selbst zu verwalten hat. Die Antwort einer Digicom-Arbeiterin auf die Frage, welche Bedeutung Zeit für sie habe, illustriert, wie verinnerlicht dieser Anspruch ist: „Man muss sich nur richtig organisieren, oder ich muss mich richtig organisieren, und ich bin vor allem selber dafür verantwortlich wie ich sie nutze.“ (IV 14, 497). Um sich den Mechanismen, wie die Subjekte die neoliberalen Werte verinnerlichen und ihr Streben und Verhalten danach ausrichten, anzunähern, können Michel Foucaults Konzept der Gouvernementalität und die darauf basierenden Governmentality-Studies dienlich sein. Zentral ist dabei Foucaults Verständnis von Regierung, das er als die „Gesamtheit der Institutionen und Praktiken, mittels deren man die Menschen lenkt, von der Verwaltung bis zur Erziehung“ (Foucault 1996, S. 118) beschreibt. Regierung umfasst dabei sowohl Techniken der Fremdführung (Herrschaftstech-

2

Was Bröckling für das unternehmerische Selbst feststellt, nämlich: „Ein unternehmerisches Selbst ist man nicht, man soll es werden“ (Bröckling 2007, S. 47), kann auch für den effizienten Menschen gesagt werden. Erreicht werden kann diese Anforderung wohl nie, aber zentral ist das Streben danach.

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niken) als auch Formen der Selbstführung („Technologien des Selbst“).3 Es geht Foucault um das Verhältnis zwischen diesen beiden Techniken und damit um das Verhältnis zwischen Macht und Subjektivität. (Vgl. Lemke/ Krasmann/Bröckling 2000, S. 8; vgl. auch Thomas 2007, S. 58). Wie Ulrich Bröckling betont, sind Prozesse des Regierens und Selbstregierens nicht im Sinne eines Reiz-Reaktions-Modells zu verstehen, sondern sie „erzeugen einen Sog, der bestimmte Verhaltensweisen wahrscheinlicher machen soll als andere“ (Bröckling 2007, S. 38). Dieser Sog zeigt sich darin, dass Menschen das gesellschaftliche Programm/die Leitwerte als ideologischen Imperativ übernehmen und diesen unter dem Zeichen von Eigenverantwortlichkeit und individualisiertem Risiko im Sinne einer „Selbstregierung“ erfüllen. Angestoßen wird die Verinnerlichung ökonomischer Werte beispielsweise durch Managementkonzepte, welche ein „Wissensregime der unternehmerischen Subjektivierung entwickelt [haben], dessen Macht darin besteht, Menschen im Rahmen ökonomischer Klugheitslehren in den Technizismus effizienter und effektiver Selbstdarstellung, Lebensführung, Zeitplanung und Arbeitsorganisation einzuüben“ (Reichert 2007, S. 218). Die Ergebnisse gegenständlicher Studie demonstrieren exemplarisch diese Form der Subjektivierung und zeigen, wie die beforschten Digicom-ArbeiterInnen diesen Ansprüchen gerecht werden bzw. danach streben. Sie zeigen auch, dass und wie IuK-Technologien eingesetzt werden, um den neoliberalen Anforderungen (der Selbstverwaltung und -disziplinierung, aber vor allem dem Anspruch an Effizienz) gerecht zu werden. Wesentlich für die Subjekte des Neoliberalismus scheint deren proklamierte Freiheit, welche sich bei genauerem Hinsehen jedoch als eine Mogelpackung erweist. Einerseits bedeutet die Freiheit zur Wahl auch einen Zwang zur Wahl (vgl. Bröckling 2007, S. 12), denn auf Stabiles, Vorhersehbares können sich die Menschen im flexiblen Kapitalismus nicht mehr stützen. Andererseits ist die Wahlfreiheit in Bezug auf erfolgsversprechende Modelle durchaus eingeschränkt und mit Risiken verbunden, sodass systemkonforme Entscheidungen eher belohnt werden. Implizite Lenkungsund Steuerungsmechanismen führen beispielsweise dazu, dass sich die Ar-

3

Barbara Becker beschreibt Technologien des Selbst als die Art, „Identität zu gestalten und mögliche Formen von Subjekt-Sein zu explorieren“ (Becker 2000, S. 19). Ich stimme Barbara Becker zu, wenn sie die aktuell wirksamen „Technologien des Selbst“ vor allem durch Medien geprägt sieht (vgl. ebd.).

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beitenden „freiwillig“ in ihrer Freizeit für die Belange des Unternehmens engagieren und unbezahlte Mehrarbeit leisten, wie in der gegenständlichen Studie gezeigt werden konnte. Ein weiteres Beispiel aus der Untersuchung sind freiberuflich Tätige, die spontan und flexibel arbeiten, um ihre zukünftige Auftragslage nicht zu gefährden. „Wir brauchen niemanden mehr, der uns ausbeutet, wir erledigen das gleich selbst“, formuliert dies der Autor und Mediencoach Gerald Groß (2008, S. 36) zugespitzt. Anzeichen für eine „Erschöpfung des Selbst“ im Sinne Alain Ehrenbergs (2004)4 finden sich in den Interviews zur gegenständlichen Studie, z.B. wenn die Digicom-ArbeiterInnen den hohen Stressfaktor, die hohe Arbeitsbelastung und die fehlende Freizeit beklagen und der Interviewerin – und wohl auch sich selbst gegenüber – eingestehen oder vielmehr einflüstern, in Zukunft beruflich leiser treten zu wollen (vgl. IV 01, 2025; IV 04, 564; IV 05, 368; IV 12, 624). Das folgende Zitat eines Interviewteilnehmers ist beispielhaft dafür, wie diese Belastungen – im konkreten Fall die fehlende Freizeit – in den Interviews artikuliert werden: „Wenn ich so an Radlern, Joggern, Surfern [im Auto, C. R.-E] vorbeifahre, dann denke ich mir: Wie schaffen die das bloß? Ich bin letztens über einen Berg nachhause gefahren, und da waren zwei Radler, die da rauf radeln, und da denke ich mir: ‚Wie machen die das? Ich möchte das auch gerne einmal, einen Tag durch den Wald rennen, zwei, drei Hütten abklappern!‘ Und es geht nicht! Ich bekomme es nicht auf die Reihe.“ (IV 10, 685).

Die kritischen Betrachtungen zum effizienten Menschen sind in zweierlei Hinsicht zu schärfen. Erstens ist der Wert der Effizienz an sich nicht negativ. Effizienz hat durchaus positive Seiten, da sie notwendig ist, um die Komplexität in mediatisierten Arbeitswelten zu meistern. Riskant ist es jedoch, wenn andere soziale Werte damit in den Hintergrund treten, wie es im Neoliberalismus der Fall ist – es sind dies Werte wie etwa Solidarität, Vertrauen, Reflexion oder Beständigkeit. Zweitens unterstreichen die Forschungsergebnisse die aktive Rolle des medienhandelnden Subjektes. Obwohl beeinflusst von biografischen, unternehmerischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gestalten die Digicom-ArbeiterInnen sowohl die räumlichen als auch die zeitlichen Dimensionen von Arbeit wie auch die

4

Siehe hierzu Kapitel 2.3 „Subjektivierung, Standardisierung“.

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Nutzung Digitaler Medien selbst (ähnlich auch Krotz 2012d, S. 33).5 Dies bedeutet für mich nicht, den Individuen die alleinige Verantwortung für ihr arbeits- und medienbezogenes Handeln aufzuerlegen, wozu das neoliberale Paradigma auffordert. Dies würde über Strukturen hinweg täuschen, die ungleiche Voraussetzungen schaffen. So sind soziale Herkunft und Bildungsniveau immer noch gewichtige Faktoren bei der Antwort auf die Frage, welche Chancen einem Menschen im Leben offenstehen (vgl. Theunert 2010, S. 7). Die Betonung der Handlungsfähigkeit der Subjekte bedeutet für mich viel eher die Möglichkeit, durch Änderung der äußeren Kontextbedingungen (Gesetze, Ressourcen, Unternehmensregeln …) die Gestaltungsmöglichkeiten der Subjekte zu verbessern. Damit verbunden ist die Forderung nach politischen Maßnahmen zur Setzung von entsprechenden Rahmenbedingungen, welche mit Krotz (2012a, S. 30) auch als Medienkompetenz von Staat und Gesellschaft verstanden werden könnten. Die Autonomie des denkenden und handelnden Subjektes und die Widerstandskraft der Zivilgesellschaft betont auch Ulrich Bröckling (2007, S. 285; S. 288ff), indem er den Blick auf mögliche Formen des Widerstands, auf das dem „Regime der Subjektivierung“ Entsagen richtet. Als Gegenströmungen führt er die Depression (des „erschöpfte[n] Selbst“)6, Ironisierung (z.B. die Dilbert-Cartoons von Scott Adams) und passive Resistenz (etwa in der Bewegung „Die Glücklichen Arbeitslosen“) an (vgl. Bröckling 2007, S. 288ff). Holm Friebe und Sascha Lobo sehen ihr Konzept der digitalen Bohème, das eine weitgehende Selbstbestimmung der Arbeit charakterisiert, als Gegenentwurf zur neoliberalen Arbeitsgesellschaft. Zwar sei in den lockeren freiberuflichen Arbeitsbeziehungen Eigenverantwortung und Einsatz nötig, dies erfolge jedoch nicht im Einzelkämpfertum, sondern als gemeinschaftliches Projekt (vgl. Friebe/ Lobo 2006 S , 17) . 7 .

5

Der Aspekt des aktiven Handelns kommt auch bei Foucault vor, indem er die Technologien des Selbst so versteht, dass sie „es dem Einzelnen ermöglichen, aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer eine Reihe von Operationen an seinem Körper oder seiner Seele, seinem Denken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen […]“ (Foucault 1993, S. 26).

6

Bröckling bezieht sich hier auf Alain Ehrenberg (2004).

7

Siehe hierzu auch die von Friederike Habermann (2009) zusammengestellten Konzepte alternativen Lebens und Arbeitens abseits des Kapitalismus.

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Anzeichen widerständigen Potenzials lassen sich auch bei den DigicomArbeiterInnen erkennen, indem sie sich selbst einen Ausgleich zum hohen Anforderungsprofil und Workload schaffen. Sie tun dies, indem sie ihre Arbeitszeit teilweise für private Erledigungen oder private Kommunikation (häufig über Social Networks) nutzen (vgl. IV 02, 0779; IV 14, 581; IV 15, 414), indem die Arbeitszeiten etwas freizügiger interpretiert werden (vgl. IV 06, 104; IV 15, 806) oder indem sie auf berufliche Anfragen in der Freizeit auch einmal nicht reagieren (vgl. IV 06, 636; IV 12, 150; IV 18, 112). Einen Sonderfall stellt ein 30-jähriger Informatiker dar, der auf selbstständiger Basis arbeitet und angibt, seine Arbeit dem Privatleben völlig unterzuordnen sowie das Zusammensein mit FreundInnen und Familie der Arbeit vorzuziehen (vgl. IV 03, 183-187) und sich damit von vorneherein dem neoliberalen Diktat entzieht.

9.3 S CHLUSSFOLGERUNGEN FÜR DIE M EDIEN UND K OMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT Um die gegenständliche Studie in ihrer Bedeutung für das Fach der Medien- und Kommunikationswissenschaft einzuordnen, werden im Folgenden theoretische und forschungspraktische Schlussfolgerungen sowie Konsequenzen für die Praxis erläutert.8 Neue Forschungsfragen, welche aus der Studie resultieren, bilden den Abschluss des Kapitels. 9.3.1 Theoretische und forschungspraktische Schlussfolgerungen Die theoretischen und forschungspraktischen Konsequenzen aus der Studie können in drei wesentlichen Punkten zusammengefasst werden:

8

Diese Unterscheidung ist systematischen Gesichtspunkten geschuldet und bedeutet nicht, dass Theorie und Praxis völlig unterschiedliche, voneinander unabhängige Bereiche darstellen. Vielmehr verstehe ich diese als miteinander eng verknüpft und aufeinander bezogen.

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1. Beitrag zur Metatheorie der Mediatisierung Die Mediatisierung von Arbeit und deren Implikationen für die Arbeitenden (deren Raum- und Zeitkonstruktionen, deren Kompetenzen und Strategien) sind Teil des Metaprozesses der Mediatisierung. Mit Andreas Hepp (2011, S. 8) gesprochen, können die Ergebnisse der gegenständlichen empirischen Untersuchung als Baustein („module“) zur Metatheorie der Mediatisierung betrachtet werden.9 Mit dem Fokus „Arbeit“ wurde ein Untersuchungsfeld gewählt, das gegenwärtig einen zentralen Stellenwert in der Gesellschaft und bei den Individuen einnimmt. Die Untersuchungsergebnisse gehen daher über den Fokus mediatisierter Arbeit hinaus und geben Aufschluss über die Positionierung des Subjektes in einer mediatisierten Gesellschaft. Da die Studie einer subjektorientierten Perspektive folgt, sind insbesondere die Konsequenzen gesellschaftlichen und technologischen Wandels für Individuen deutlich geworden. Durch die Etablierung Digitaler Medien haben sich die Handlungsmöglichkeiten der Arbeitenden erweitert, vor allem was das raum- und zeitunabhängige Kommunizieren und Arbeiten anbelangt. Medien sind in ihrer Rolle als Gestalter sowie als Veränderungs- und Prägkräfte von Kommunikation und damit sozialem Handeln vor dem Hintergrund der gegenständlichen Untersuchungsergebnisse zu bestätigen. Damit verbunden sind Potenziale mediengestützter Arbeit, die je nach Rahmenbedingungen und Kompetenzen sowie strategischen Überlegungen individuell und intraindividuell genutzt werden.10 Gleichzeitig sehen sich die Arbeitenden neuen Herausforderungen gegenüber, denen teilweise mit Kompetenzen und gezielten Handlungsstrategien begegnet wird. Teilweise werden diese aber auch nicht bewältigt und bleiben als negative Implikationen mediatisierter Arbeit stehen. Dies ist zum Beispiel bei Fragen des Umgangs mit der Entgrenzung von Arbeit, der permanenten Erreichbarkeit und bei der damit einhergehenden Überforde-

9

Metatheorien sind in ihrer Komplexität nicht vollständig empirisch überprüfbar, aber sie stellen ein Referenzmuster („pattern of reference“) dar, in welchem konkrete empirische Forschungsprojekte realisiert werden können (vgl. Hepp 2011, S. 8).

10 Einer singulären Medienlogik ist aufgrund der Multikontextualität des Handelns eine deutliche Absage zu erteilen.

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rung der Arbeitenden der Fall. Nur bei den Subjekten anzusetzen, greift deshalb zu kurz, womit die Forderung nach strukturellen Maßnahmen verknüpft ist, um die Rahmenbedingungen mediatisierter Arbeit zu gestalten.11 2. Erkenntnisse zum Zusammenhang von Medien(kommunikation), Raum und Zeit Das Zusammenspiel zwischen Mediennutzung und der Raum- und Zeitwahrnehmung sowie dem Raum- und Zeithandeln der Menschen kann anhand der Forschungsergebnisse bestätigt werden.12 Technikpessimistische Thesen des Verschwindens von Raum oder Zeit durch virtuelle Kommunikationsmöglichkeiten sind vor dem Hintergrund der gegenständlichen Studie zurückzuweisen. Raum und Zeit sind als zentrale Kategorien menschlicher Wahrnehmung nach wie vor präsent. Vielmehr ist von einer Ausdifferenzierung, Flexibilisierung und Entgrenzung von Raum- und Zeitkonstruktionen zu sprechen. Besonders deutlich wurde in den Studienergebnissen die Ausdehnung von Raum durch virtuelle Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten bei gleichzeitig wahrgenommener Distanzverringerung. Auch wurde eine Beschleunigung von Zeit, verbunden mit einer gleichzeitigen Ökonomisierung von Zeit, manifest. Bei den erwähnten Raum- und Zeitphänomenen mediatisierter Arbeit handelt es sich um breite Entwicklungen, die sich quer durch die Studienergebnisse abbilden. Nichtsdestotrotz ist der individualisierte Umgang damit augenscheinlich, was die subjektive Dimension von Raum und Zeit in Zusammenhang mit individuellen Mediennutzungsweisen hervorhebt.

11 Beispielhaft soll der im folgenden Kapitel entwickelte Vorschlag einer Medienund Technikbildung für die Arbeit diesem Desideratum Rechnung tragen. 12 Indem die Untersuchungsergebnisse auch Aufschluss über konkrete Gestaltungspotenziale, Hindernisse sowie Strategien im Kontext mediatisierter Arbeit geben, geht die Studie über die bereits hinlänglich festgestellte These hinaus, dass Medien die Wahrnehmung von Raum und Zeit verändern.

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3. Erprobung eines triangulativen Forschungsdesigns Die Dichte der Untersuchungsergebnisse und der Beschreibungsmöglichkeiten ist das Resultat einer multimethodischen Forschungsstrategie. Vor allem bei Forschungsansätzen, die primär auf Narrationen von StudienteilnehmerInnen basieren, ist es sinnvoll, diese durch kontrastierende Ansätze zu ergänzen. Die Tagebuchmethode im Vorfeld der Interviews hat sich als wirksames Instrument erwiesen, um bei den Befragten eine Sensibilität für das eigene Mediennutzungsverhalten entstehen zu lassen. Die Visualisierungen, welche am Ende der Interviews erhoben wurden, eigneten sich für Zuspitzungen und Fokussierungen einzelner Aspekte aus den Interviews sowie zur prägnanten Illustration von Forschungsergebnissen. Die Online-Umfrage, welche auf Basis der ausgewerteten Ergebnisse aus den qualitativen Daten erstellt wurde, erlaubte eine Ausdehnung der Stichprobe, um allgemeingültigere Aussagen treffen zu können sowie um eine Mediennutzungstypologie zu erstellen. Ein integrativer Zugang wurde gewählt, indem auch die quantitativen Daten in die Formulierung einer Grounded Theory einflossen und damit die Dichte der Ergebnisse erhöht werden konnte. In Summe verweist die Studie auf die hohe Relevanz multimethodischer und vor allem verschränkter Forschungszugänge und -strategien. Triangulation fand bei der gegenständlichen Studie auch auf Ebene der Theorie Anwendung, indem Ansätze und Konzepte aus benachbarten Disziplinen miteinbezogen wurden. 9.3.2 Konsequenzen für die Praxis: Forderung einer Medien- und Technikbildung für die Arbeit Vor dem Hintergrund der mannigfaltigen und widersprüchlichen Herausforderungen mediatisierter Arbeit soll der Blick auf die Kompetenzen des effizienten Menschen gelenkt werden – und hier vor allem auf seine/ihre Reflexionskompetenz, die nötig ist, um die Technologien und Praktiken mediatisierter Arbeit in ihren Chancen und Risiken zu hinterfragen und gegebenenfalls das eigene Verhalten zu verändern. Die Ergebnisse aus der Online-Umfrage zu gegenständlicher Studie konnten zeigen, dass die Reflexionskompetenz und konkrete Strategien, diese in der alltäglichen Praxis umzusetzen, im Vergleich zu den instrumentell-technischen und anwendungsbezogenen Kompetenzen der Befragten weniger ausgeprägt sind (sie-

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he Kapitel 7.4). Diese Fähigkeiten zu stärken, bedeutet meines Erachtens eine Investition in die (unsichere und kaum prognostizierbare) Zukunft. Um die Arbeitenden bei ihren individuellen Strategien zu unterstützen, plädiere ich für vermehrte Anstrengungen hinsichtlich einer Medien- und Technikbildung für die Arbeit. Ansätze in diese Richtung sind bis dato kaum vorhanden. Während Medienbildung für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen ein zentrales Thema der Medienpädagogik ist, wurde Medienbildung im Kontext der Erwachsenenbildung noch wenig diskutiert (vgl. Stang 2003, S. 13; 2006, S. 126, S. 128). Existierende Angebote im Bereich der Erwachsenenbildung konzentrieren sich überwiegend auf technische Aspekte der Mediennutzung, wie z.B. EDV-Schulungen, oder sie zielen auf bestimmte Zielgruppen wie z.B. SeniorInnen ab (vgl. Stang 2006, S. 127; S. 132). Darüber hinaus besteht kaum ein Bewusstsein für den Bedarf an Medien- und Technikbildung auf der Seite der Unternehmen, wie exemplarische Recherchen im Rahmen der Lehrveranstaltung „Medienpädagogik für Unternehmen“ zeigten.13 Die für die gegenständliche Studie geführten Interviews ließen erkennen, dass diesbezügliche Bemühungen in einigen wenigen Unternehmen der Digicom-ArbeiterInnen zwar vorhanden sind. Dabei geht es jedoch hauptsächlich um Kompetenzvermittlung für einen disziplinierteren und effizienteren Gebrauch von E-Mails (vgl. IV 04, 424; IV 16, 0186). Dies ist nicht ausreichend, wenn man sich die zahlreichen und schwerwiegenden Herausforderungen mediatisierter Arbeit, wie sie in Kapitel 6.2 beschrieben wurden, vor Augen führt. Der folgende Abschnitt versteht sich zwar nicht als konkretes Konzept, aber als Anstoß für weiterführende Forschung bzw. konkrete Konzeptüberlegungen zu einer Medien- und Technikbildung für die Arbeit.14 In der

13 Die Lehrveranstaltung fand im Wintersemester 2012/2013 unter meiner Leitung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt statt. 14 Meine Forderung nach einer Medien- und Technikbildung für die Arbeit lässt sich anhand des Reports „Future Work Skills 2020” des „Institute for the Future“ (IFTF) in Californien untermauern. Darin werden die zehn wichtigsten berufsübergreifenden Kompetenzen für die Arbeit in den nächsten zehn Jahren skizziert (vgl. IFTF 2011), wovon sich mehrere Skills auf IuK-Technologien beziehen: Das „computational thinking“ bezeichnet etwa die Fähigkeit, große Datenmengen in abstrakte Konzepte zu übersetzen und die Grenzen der Datenver-

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Schlüsselkategorie des effizienten Menschen (siehe Abbildung 7) ist diese Forderung als Konsequenz aus den Forschungsergebnissen repräsentiert. Zum Begriff „Medien- und Technikkompetenz“ Den Überlegungen zu einer Medien- und Technikbildung für die Arbeit wird zunächst der Begriff der Medienkompetenz zugrunde gelegt. Er umfasst „Kenntnisse, Fähigkeiten und Bereitschaften bzw. Wissen, Können und Einstellungen (einschließlich von Wertorientierungen), die als Dispositionen für selbstständiges Urteilen und Handeln in Medienzusammenhängen gelten“ (Tulodziecki 2011, S. 23). Bedeutend in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ist die vierdimensionale Begriffskonzeption von Dieter Baacke (1996, S. 8)15, auf der zahlreiche weitere Definitionen aufbauen: • • • •

Medien-Kritik (analytisch, reflexiv, ethisch), Medien-Kunde (informativ, instrumentell-qualifikatorisch), Medien-Nutzung (rezeptiv, interaktiv) und Medien-Gestaltung (innovativ, kreativ).

Diese Dimensionen lassen sich je nach Blickwinkel noch ergänzen durch konkrete Fähigkeiten, welche zwar in diese Punkte eingeordnet werden können, aber hier hervorgehoben werden, um deren Bedeutung für zeitgemäßes Medienhandeln zu betonen: Die Unübersichtlichkeit des medialen Angebots und die bereits erwähnte Flut an (teils fragwürdiger bzw. redundanter) Information und Kommunikation verlangen nach Orientierungskompetenz. Bernd Schorb versteht Orientierung in Medienzusammenhängen als die Fähigkeit, „auf der Basis historischer, ethischer und politischer Einsichten und Kenntnisse die materiellen und geistigen Produkte der Informations- und Kommunikationstechnolo-

arbeitung einschätzen zu können. Medienkritische und mediengestalterische Kompetenzen werden unter dem Begriff „new-media literacy“ erfasst. Das „cognitive load management“ beschreibt die Fähigkeit, komplexe Informationen zu filtern und zu erfassen. Die Eignung zur Zusammenarbeit über geografische Grenzen hinweg mithilfe von IuK-Technologien („virtual collaboration“) gewinnt ebenfalls an Bedeutung. (Vgl. ebd., S. 8ff). 15 Den Grundstein dazu legte er bereits 1973 in seiner Habilitationsschrift.

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gie bewerten, annehmen, ablehnen, transformieren, selektieren usw. zu können“ (Schorb 2011, S. 91).

Ähnlich argumentieren auch Winfried Marotzki und Benjamin Jörissen, wenn sie die „Herstellung von Orientierungswissen“ (Marotzki/Jörissen 2010, S. 19, Hv. i. O.) als zentrales Ziel von Bildung sehen. Gerade in Zeiten des raschen sozialen, aber auch medialen und technologischen Wandels muss das kontextualisierende Wissen im Gegensatz zum Sachwissen im Vordergrund stehen. Karlheinz Geißler (2004, S. 166) betont des Weiteren die Notwendigkeit einer „kreativen Ignoranz“, einer Fähigkeit, die vor dem Hintergrund des Information und Communication Overflow von Bedeutung ist. Mit Christina Schachtner (2010b, S. 6) sind angesichts der großen Bedeutung des Web 2.0 und der globalen Kommunikation über digitale Netze hinweg besonders kommunikative, kooperative und transkulturale Kompetenzen hervorzuheben.16 Als Ergebnis der gegenständlichen Studie lässt sich ferner eine Forderung nach Selbstreflexion als Teil von Medien- und Technikkompetenz ableiten. Die StudienteilnehmerInnen, sowohl jene aus den Interviews als auch die TeilnehmerInnen an der Online-Umfrage meldeten mir zurück, dass das Beantworten meiner Fragen geholfen habe, ihren eigenen Medienumgang bei der Arbeit zu reflektieren. Es sei ihnen vieles bewusster geworden, und sie hätten dadurch das eigene Verhalten kritisch hinterfragt. Ich spreche in diesem Kapitel von „Medien- und Technikkompetenz“, um zu betonen, dass Digitale Medien nicht unabhängig von Technologien gedacht werden können, und daher auch ein kompetenter Umgang mit der Technik notwendig ist, um Digitale Medien einschätzen und anwenden zu können.17 Dazu zählt erstens die rein instrumentelle Techniknutzung, zweitens aber auch das Wissen, mit Fehlfunktionen umzugehen. Das bedeutet etwa, dass ich nach einem Systemabsturz meine Daten wieder herstellen kann,

16 Die Auflistung von Kompetenzen ließe sich, auch mit Bezug zu existierenden Entwürfen (etwa von Geißler 2004, S. 166ff zu neuen Kompetenzen im Zeitalter der Gleichzeitigkeit) noch erheblich verlängern. Für diese grundlegenden Überlegungen möchte ich mich jedoch auf das Wesentliche beschränken. 17 Die hier vertretene Auffassung von Technikkompetenz bezieht sich auf IuKTechnologien und geht keineswegs darüber hinaus.

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das neueste Virenprogramm installieren kann bzw. in schwerwiegenderen Fällen weiß, wo ich Hilfe bekomme. Drittens beinhaltet meine Auffassung von Technikkompetenz – mit Bezugnahme auf die Medienpädagogin Isabel Zorn (2011) – das Wissen um die Rechenprozesse von Digitalen Medien, vor allem was die Generierung von Inhalten bei der Mediennutzung anbelangt. In der Nutzung wird das Medium zum Akteur (vgl. ebd., S. 201). Beispielsweise werden im Hintergrund NutzerInnenprofile erstellt, welche automatisch auf die Nutzerin/den Nutzer abgestimmte Inhalte erzeugen (etwa Werbe-Pop-Ups).18 In Zusammenhang mit virtuellen Arbeitswelten, die sich zum Teil in sozialen Netzwerken, Online-Shopping- bzw. -Buchungsportalen und den großen Suchmaschinen abspielen, ist gerade dieser Aspekt von Technikkompetenz nicht zu unterschätzen. Zum Begriff „Medien- und Technikbildung“ Medien- und Technikbildung verstehe ich als einen Prozess, in dem Maßnahmen zur Entwicklung und Förderung von Medien- und Technikkompetenz gesetzt werden. Medien- und Technikkompetenz sind dann das Ziel der Bildungsbemühungen.19 Dieses Ziel ist jedoch ein nie abgeschlossenes, denn wie bereits erläutert, werden mit dem Einsatz neuer Technologien und Anwendungen immer wieder neue Handlungsweisen, Chancen und Herausforderungen verbunden sein. Zu den zentralen Aufgaben einer Medien- und Technikbildung zählt folglich, das Lernen zu lernen – eine Fähigkeit, die Castells (2005, S. 102) für den Idealtypus der „selbst-programmierbare[n] Arbeitskraft“ formulierte.20 Ich bevorzuge den Begriff der „Bildung“ gegenüber jenem der Pädagogik, da ich auf berufliche Zusammenhänge abstelle. Damit soll die herkömmliche Konnotation von Pädagogik als auf Kinder und Jugendliche be-

18 Ein bekanntes Beispiel ist das Marketing von Amazon, wo nach einem Einkauf bei erneutem Aufsuchen der Website ähnliche Produkte zum Kauf vorgeschlagen werden. Dies unterscheidet Digitale Medien deutlich von traditionellen Medien, deren Inhalte von Redaktionen und nicht vom Computer erzeugt werden (vgl. Zorn 2011, S. 182). 19 Mit der Verwendung des Bildungsbegriffs für den Bildungsprozess und des Kompetenzbegriffs für das Ziel folge ich der Empfehlung Gerhard Tulodzieckis (2011, S. 32f; vgl. auch Marotzki/Jörissen 2010, S. 19). 20 Siehe dazu Kapitel 2.3 „Subjektivierung, Standardisierung“.

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zogene Maßnahmen umgangen werden.21 Zudem sind vor allem im Bereich der Aneignung von Medienkompetenz informelle Lernwege außerhalb von pädagogischen Räumen bedeutend, wie die Ergebnisse aus der Fragebogenerhebung zur gegenständlichen Studie gezeigt haben (siehe Kapitel 8). Diese informellen Lernwege werden durch den Begriff der „Medienbildung“ ebenfalls repräsentiert (vgl. Baacke 1996, S. 8f). Impulse für eine Medien- und Technikbildung für die Arbeit Zentrales Ziel einer Medien- und Technikbildung für die Arbeit muss es sein, Medien- und Technikkompetenzen, wie sie oben skizziert wurden, zu fördern. Vor dem Hintergrund der qualitativen Forschungsergebnisse dieser Studie sind jedoch noch weitere Aspekte, welche nicht unmittelbar in Zusammenhang mit Medien stehen, von pädagogischem Belang, so z.B. das Grenzmanagement oder das Management von Raum und Zeit in den entgrenzten und immer flexibler werdenden Arbeitszusammenhängen. Hinsichtlich des bedeutenden Stellenwerts neoliberaler Werte, vor allem von Effizienz, der aus der vorliegenden Studie hervorgegangenen ist, müssen Konzepte einer Medien- und Technikbildung auch die kritische Reflexion der „Anrufungen der Ökonomie in Hinblick auf die optimale Verwertbarkeit für den Arbeitsmarkt“ (Roth-Ebner 2013, S. 37) beinhalten. Dieser Aspekt lässt sich meines Erachtens gut mit dem Thema „Grenzmanagement“ verknüpfen. Wie kann eine Medien- und Technikbildung für die Arbeit gestaltet sein? Lehren können aus einer der wenigen Studien gezogen werden, die sich mit Medienpädagogik für Erwachsene befasst. Die Pädagogin Aiga von Hippel (2010) hat Angebote der medienpädagogischen Erwachsenenbildung in sechs Institutionen in Deutschland analysiert. Anhand von Programmanalysen stellte sie fest, dass die Förderung der instrumentellqualifikatorischen Dimension stark an Angebote der Mediengestaltung geknüpft ist. Medienkritische Ansätze werden eher in Programmen vertreten, welche Wissen um Medien vermitteln. Von Hippel plädiert jedoch dafür, diese Ansätze zu kombinieren und kritisch-reflexive Kompetenzen in medi-

21 Zur genauen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Begriffen wie „Medienbildung“, „Medienpädagogik“, „Medienerziehung“ usw. siehe Tulodziecki 2011 bzw. den gesamten Band „Medienbildung und Medienkompetenz“ von Johannes Moser, Petra Grell und Horst Niesyto 2011.

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engestalterische Angebote zu integrieren. (Vgl. Hippel 2010, S. 353). Diese Kombination könne „potenziell den pädagogischen Anspruch einlösen, durch das Selbsttun auch anders zu rezipieren […]“ (ebd.). An diesen Gedanken anschließend, verstehe ich Maßnahmen der Medienbildung nicht im Sinne des Trichtermodelles, bei dem Informationen an Lernende vermittelt werden, sondern im Wesentlichen als Bildungsbegleitung, die vorhandene Fähigkeiten aufgreift und das Ausbilden zusätzlicher Kompetenzen und das Fördern dieser unterstützt. Optimal passiert dieses Lernen durch intrinsische Motivation, welche durch ein konkretes Projekt/ eine konkrete Aufgabe und den aktiven Umgang mit Medien geweckt wird. Geeignete Maßnahmen für Unternehmen könnten mit Bezug auf Überlegungen des Berufspädagogen Peter Dehnbostel etwa „Lerninseln“ sein. Es handelt sich dabei um mit Lernausstattungen angereicherte Arbeitsplätze, an denen (in Gruppen) reale Arbeitsaufträge selbstständig, jedoch unter professioneller Prozessbegleitung bearbeitet werden (vgl. Dehnbostel 2007, S. 74ff). Hier wird ein Orientierungsrahmen bereitgestellt, der Selbstbildungsprozesse ermöglicht. Weitere Möglichkeiten zur Medien- und Technikbildung sind etwa Coaching- oder Mentoringstrategien, die der Idee des informellen Lernens wie auch des Lernens von Peers gerecht werden. Je nach Arbeitsklima wären auch Diskussionsgruppen in Unternehmen zum Erfahrungsaustausch eine denkbare Alternative zu Coaching- oder Mentoringstrategien. Bei den hier vorgeschlagenen Maßnahmen handelt es sich um individuelle Lernsettings, welche den individuellen Bedürfnissen und Strategien der Arbeitenden entsprechen. Damit gebe ich Horst Niesyto Recht, wenn er konstatiert: „Konzepte zur Medienkompetenzförderung sollten stärker berücksichtigen, wie die Menschen Medien im konkreten Kontext ihrer Lebenslagen und Lebensbedürfnisse nutzen und welche pragmatischen Medienkompetenzen sie hierfür ausbilden.“ (Niesyto 2012, S. 63, Hv. i. O.).

Unabhängig davon, wie Konzepte zur Medien- und Technikbildung für die Arbeit ausgestaltet sind – sie müssen langfristig angelegt werden, denn Prozesse der Medien- und Technikbildung erfordern Zeit (vgl. ebd., S. 62): Zeit, um Erfahrungen zu machen, diese zu überdenken, Neues auszuprobieren, darüber zu diskutieren, zu neuen Einsichten zu gelangen usw. Dass

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dies nicht in zweitägigen Seminaren „gelernt“ werden kann, hoffe ich, in diesem Kapitel gezeigt zu haben. Auf die Frage, wer für die Umsetzung einer Medien- und Technikbildung verantwortlich sein soll, ist keine einziggültige Antwort möglich, da multiple Anstrengungen von verschiedensten Seiten notwendig sind, um nachhaltige Effekte zu erzielen. Dennoch müssten meines Erachtens die Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen. Medien- und Technikkompetenz gänzlich der Selbstverantwortung und -organisation der MitarbeiterInnen zu überlassen, kann zwar funktionieren, wie es die gegenständliche Studie gezeigt hat. Aber sowohl die Arbeitenden als auch die Unternehmen profitieren von einem professionelleren und vor allem verantwortungsvolleren Umgang mit Medien. Die soeben formulierte Forderung einer Medien- und Technikbildung für die Arbeit bezieht sich vorwiegend auf unternehmerische Kontexte. Darüber hinaus sind jedoch in allen Gesellschaftsbereichen Maßnahmen zur Stärkung von Basiskompetenzen nötig, die helfen, es mit den immer komplexer werdenden Herausforderungen aufzunehmen, wie Elke Gruber schon 2001 schrieb: „Der richtige Umgang mit Komplexität setzt […] voraus, dass ich überlege, welches Wissen ich mir wofür aneignen muss; es erfordert nicht raschere Reaktionen – sozusagen ‚um der Reaktion willenµ –, sondern überlegtes Handeln; es erfordert aktives Streben nach Veränderung, statt zielloser Flexibilität. […] Es geht um den Erwerb von Problemlösungskompetenz, von Reflexionsfähigkeit und von kritischer Distanz – das gilt vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung.“ (Gruber 2001, S. 278).

Die Verantwortung für die Stärkung solcher Basiskompetenzen muss, so meine Forderung, von der Politik wahrgenommen werden und muss zentrales Ziel sämtlicher Bildungsprogramme sein.22

22 Auch Kunst und Kultur können ein wichtiger Motor sein. Ein hervorragendes Beispiel, dass dies schon in Teilen gelingt, ist der aus öffentlichen Geldern mitfinanzierte Dokumentarfilm „Work Hard, Play Hard“ (2011) der deutschen Filmemacherin Carmen Losmann. Der Film zeigt Porträts von Arbeitenden, welche sich in neoliberalen Bedingungen von Entgrenzung und Selbstausbeutung zurechtfinden müssen. Ein weiteres Beispiel für die kulturelle Reflexion von Arbeit findet sich in Form des ebenfalls aus öffentlichen Geldern finanzierten Mu-

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9.3.3 Forschungsdesiderate Gemäß den Worten Walter Hömbergs (2008, S. 40), „Wissenschaft bedeutet […] immer auch gewusstes Nichtwissen“, gilt es im Folgenden, Desiderate für die medien- und kommunikationswissenschaftliche Forschung aus der gegenständlichen Studie abzuleiten: 1. Das Zusammenspiel subjektiver Handlungen mit gesellschaftlichen und politischen Strukturen konnte aufgrund der Zielsetzung der Studie, welche primär auf der Ebene des Subjekts angelegt war, nicht dezidiert behandelt werden. Hierzu wären weitere Forschungsanstrengungen nötig, um die latenten Mechanismen der neoliberalen Ökonomie und die Verknüpfung von Herrschafts- und Selbsttechnologien am Beispiel der Mediatisierung von Arbeit zu analysieren. 2. Auch die Mesoebene konnte in der Studie nur gestreift werden. Da Unternehmen als ArbeitgeberInnen eine zentrale Rolle in mediatisierten Arbeitswelten spielen, wäre es lohnend, die Herausforderungen der Mediatisierung von Arbeit für Unternehmen zu untersuchen und z.B. folgende Fragen zu stellen: Welche Bedarfe für Bildungsmaßnahmen oder Rahmenbedingungen für die Mediennutzung der MitarbeiterInnen werden von Seiten der Unternehmen gesehen? Wie kann eine Medien- und Technikbildung für Unternehmen gestaltet sein, und in welchem Rahmen könnte diese umgesetzt werden? Aber auch: Wie können Unternehmen eine Balance zwischen neoliberalem Wettbewerb und humanitärem Anspruch herstellen? 3. Vor dem Hintergrund, dass zahlreiche Interviewte im Gespräch andeuteten, künftig beruflich leiser treten zu wollen, bietet sich eine Langzeitstudie zu den Arbeitsbiografien von Digicom-ArbeiterInnen an: Wie ändern sich Anforderungen und Einstellungen im Laufe der Erwerbsbi-

seums Arbeitswelt in der oberösterreichischen Automobilstadt Steyr. Unter anderem mit Arbeiten von Valie Export trägt die Dauerausstellung dem Wandel von Arbeit von der Industrialisierung bis zu aktuellen Transformationen der Globalisierung und des Neoliberalismus und deren gesellschaftlichen und sozialen Implikationen mit kritischem Blick Rechnung (http://www.museum-steyr. at).

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ografie? Inwiefern ändert sich die Bedeutung Digitaler Medien bzw. der Umgang damit für die Arbeitenden in der Langzeitperspektive?23 4. In der Stichprobe der gegenständlichen Untersuchung waren wenige Personen mit Kindern vertreten. Dennoch konnten Tendenzen festgestellt werden, wonach die Anforderungen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Umgang damit geschlechtsspezifisch geprägt sind. Unter dieser Prämisse wäre eine Untersuchung lohnend, welche den Fokus auf die Kategorie Geschlecht legt und in Familien mit Kindern durchgeführt wird, um die Zusammenhänge zwischen Mediennutzung, Geschlecht und dem Spannungsverhältnis zwischen Beruf und Familie zu beleuchten. 5. Die Studie hat mit der Schlüsselkategorie „Der effiziente Mensch“ ein pointiertes Ergebnis gebracht, das auf die hohe gesellschaftliche und subjektive Bedeutung des Wertes „Effizienz“ hinweist. In den Interviews gibt es Anzeichen dafür, dass dieser Wert auch für andere Lebensbereiche als für die Arbeit gilt, z.B. für die Gestaltung des Familienalltags. Dazu bietet sich eine Untersuchung an, die danach fragt, inwiefern der effiziente Mensch als Idealtypus auch in anderen Lebensbereichen relevant ist, z.B. im Bereich der Freizeit oder jenem der Familien- und Sorgearbeit. Auch für benachbarte Disziplinen sind Anschlussmöglichkeiten gegeben, so z.B. für die Technikfolgenabschätzung. Gesundheitliche und ökologische Aspekte werden vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und den Herausforderungen für die Umwelt weiter an Bedeutung gewinnen. Auch dahingehend werden Forschungsanstrengungen, welche auf die diesbezüglichen Konsequenzen der Mediatisierung abzielen, als lohnend erachtet. Des Weiteren könnte die Disziplin der Informatik bei den Studienergebnissen ansetzen und darauf basierend Untersuchungen lancie-

23 Auch abgesehen von der Möglichkeit einer Langzeitstudie mit den konkreten InterviewpartnerInnen stellt die Studie ein Zeitdokument dar, das Fakten und Daten zur Mediennutzung sowie zu aktuellen Arbeitsphänomenen festhält, welche sich unter den Bedingungen des raschen sozialen Wandels und der fortschreitenden technologischen Entwicklung schnell ändern. Ein Zugriff auf die Daten der Studie zu einem historisch späteren Zeitpunkt könnte in dieser Hinsicht aufschlussreich sein.

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ren, um Implikationen der subjektiven Handlungen und Befindlichkeiten der Beforschten für die Software- und Technologieentwicklung abzuleiten. Am Ende könnten – etwa im Rahmen konstruktivistisch-partizipativer Technikgestaltung (vgl. Schachtner/Roth-Ebner 2009) – Produkte und Lösungen entwickelt werden, welche den Bedürfnissen der Arbeitenden entgegenkommen und dazu beitragen, die technisch implizierten Herausforderungen der Arbeit zu reduzieren. Schlussendlich sind auch Anschlussmöglichkeiten für die Bildungsforschung gegeben, wenn es darum geht, ganzheitliche Bildungskonzepte zu entwickeln, die auf Basiskompetenzen abzielen und ein Zurechtkommen in mediatisierten Arbeitswelten und die Kompetenz, diese mitzugestalten, fördern. Skizzenhafte Anregungen dazu habe ich in Kapitel 9.3.2 entwickelt. Diese Vorschläge für weiterführende Forschungen bilden den Abschluss der gegenständlichen Studie verbunden mit der Hoffnung, dass die eine oder andere Idee in Zukunft umgesetzt wird. Folgendes Zitat von Friedrich Schiller soll am Ende dazu anregen, über den effizienten Menschen nachzudenken: „Lebe mit Deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf; leiste Deinen Zeitgenossen, aber was sie bedürfen, nicht was sie loben.“ (FRIEDRICH SCHILLER)

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Winker, Gabriele/Carstensen, Tanja: Eigenverantwortung in Beruf und Familie – vom Arbeitskraftunternehmer zur ArbeitskraftmanagerIn, in: Feministische Studien, H. 2, 2007, S. 277-288 Winter, Rainer: Politischer Aktivismus, digitale Medien und die Konstitution einer transnationalen Öffentlichkeit, in: Lutz, Klaus/Rösch, Eike/ Seitz, Daniel (Hrsg./in): Partizipation und Engagement im Netz. Neue Chancen für Demokratie und Medienpädagogik, München: KoPaed, 2012, S. 43-51 Winter, Rainer: Kosmopolitische Perspektiven im Netz. Globalisierung, politischer Aktivismus und digitale Medien, in: Banse, Gerhard/Hauser, Robert/Machleidt, Petr/Parodi, Oliver (Hrsg.): Von der Informationszur Wissensgesellschaft. e-Society – e-Partizipation – e-Identität, Berlin: Trafo, 2013, S. 275-289 Wurm, Karin-Gratiana: Phänomen Zeit – Medien als Zeittreiber. Medieninduzierte Moralvorstellungen und Erwartungshaltungen im Bezug auf die Zeit, in: Bukow, Gerhard Chr./Fromme, Johannes/Jörissen, Benjamin (Hrsg.): Raum, Zeit, Medienbildung. Untersuchungen zu medialen Veränderungen unseres Verhältnisses zu Raum und Zeit, Wiesbaden: Springer VS, 2012, S. 101-116 Zapf, Ines: Flexibilität am Arbeitsmarkt durch Überstunden und Arbeitszeitkonten. Messkonzepte, Datenquellen und Ergebnisse im Kontext der IAB-Arbeitszeitrechnung, IAB-Forschungsbericht 3, 2012, Nuremberg, online unter: http://doku.iab.de/forschungsbericht/2012/fb0312.pdf [22.09.2014] Zorn, Isabel: Medienkompetenz und Medienbildung mit Fokus auf Digitale Medien, in: Moser, Heinz/Grell, Petra/Niesyto, Horst (Hrsg./in): Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik, München: KoPaed, 2011, S. 175-209

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Z EITUNGSARTIKEL , R ADIOBEITRÄGE , W EBSITES , F ILME Die ZEIT: Volkswagen verringert Handy-Stress, Artikel vom 23.12.2011, online unter: http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-12/volkswagenblackberry-mailsperre [22.09.2014] FAZ online: Ackern bis zum Anschlag, 07.12.2010, online unter: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/arbeitszeit-ackernbis-zum-anschlag-1578931.html [22.09.2014] Forum Soziale Technikgestaltung, online unter: www.forum-sozialetechnikgestaltung.de/cms/index.php?id=19 [22.09.2014] LimeSurvey Fragebogentool, online unter: http://www.limesurvey.org/ [22.09.2014] MacLife: „28. Mai 2010: iPad-Verkaufsstart in Deutschland und der Schweiz“, Artikel vom 28.05.2010, online unter: http://www.maclife. de/iphone-ipod/ipad/28-mai-2010-ipad-verkaufsstart-deutschland-undder-schweiz [22.09.2014] Museum Arbeitswelt Steyr, online unter: http://www.museum-steyr.at [22.09.2014] Ö1 Da Capo: Hartmut Rosa im Gespräch mit Michael Kerbler, Radiosendung am 24.05.2013, 16 Uhr Süddeutsche Zeitung: Interview mit Karlheinz Geißler, 17.05.2010, online unter: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/189/339035/text/ [22.09.2014] Wirtschaftskammer Österreich: Geht´s der Wirtschaft gut, geht´s uns allen gut. Neue Kampagne der Wirtschaftskammern verdeutlicht Nutzen für alle, o. J., online unter: http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk? AngID=1&StID=360271&DstID=363 [17.04.2009] „Work Hard, Play Hard“, Dokumentarfilm von Carmen Losmann (2011) Zentrale Intelligenz Agentur (ZIA), online unter: http://www.zentraleintelligenz-agentur.de [22.09.2014]

Elektronischer Anhang Der elektronische Anhang ist online downloadbar unter der folgenden URL: http://www.transcript-verlag.de/content/ts2914/ts2914_w1.pdf.

Edition Medienwissenschaft Gundolf S. Freyermuth Games | Game Design | Game Studies Eine Einführung März 2015, ca. 160 Seiten, kart., ca. 14,99 €, ISBN 978-3-8376-2982-8

Vincent Fröhlich Der Cliffhanger und die serielle Narration Analyse einer transmedialen Erzähltechnik März 2015, ca. 420 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-2976-7

Sven Grampp, Jens Ruchatz Die Fernsehserie Eine medienwissenschaftliche Einführung Oktober 2015, ca. 200 Seiten, kart., ca. 16,99 €, ISBN 978-3-8376-1755-9

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

2015-01-05 11-39-20 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 03e3386859601022|(S.

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3) ANZ2914.p 386859601030

Edition Medienwissenschaft Stefan Greif, Nils Lehnert, Anna-Carina Meywirth (Hg.) Popkultur und Fernsehen Historische und ästhetische Berührungspunkte Juli 2015, ca. 280 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2903-3

Ramón Reichert Die Macht der Vielen Über den neuen Kult der digitalen Vernetzung 2013, 216 Seiten, kart., 24,99 €, ISBN 978-3-8376-2127-3

Anne Ulrich, Joachim Knape Medienrhetorik des Fernsehens Begriffe und Konzepte Dezember 2014, 286 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2587-5

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

2015-01-05 11-39-20 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 03e3386859601022|(S.

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3) ANZ2914.p 386859601030

Edition Medienwissenschaft Martin Eckert Werbung mit Behinderung Eine umstrittene Kommunikationsstrategie zwischen Provokation und Desensibilisierung März 2014, 356 Seiten, kart., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2537-0

Bernd Kracke, Marc Ries (Hg.) Expanded Narration. Das Neue Erzählen 2013, 800 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2652-0

Stefan Meier Visuelle Stile Zur Sozialsemiotik visueller Medienkultur und konvergenter Design-Praxis

Thomas Waitz Bilder des Verkehrs Repräsentationspolitiken der Gegenwart März 2014, 244 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2599-8

Sonja Yeh Anything goes? Postmoderne Medientheorien im Vergleich Die großen (Medien-)Erzählungen von McLuhan, Baudrillard, Virilio, Kittler und Flusser 2013, 448 Seiten, kart., 45,99 €, ISBN 978-3-8376-2439-7

November 2014, 312 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2698-8

Stefan Meier Superman transmedial Eine Pop-Ikone im Spannungsfeld von Medienwandel und Serialität Januar 2015, 202 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2968-2

Christina L. Steinmann Medien und psychische Prozesse Wie sich Traumata und Wünsche in Medien ausdrücken und deren Entwicklung antreiben 2013, 260 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2506-6

Nadja Urbani Medienkonkurrenzen um 2000 Affekte, Finanzkrisen und Geschlechtermythen in Roman, Film und Theater April 2015, ca. 500 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3047-3

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

2015-01-05 11-39-20 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 03e3386859601022|(S.

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3) ANZ2914.p 386859601030