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German Pages 93 Year 1959
ERIC VOEGELIN WISSENSCHAFT POLITIK UND
GNOSIS
KOSEL-VERLAG
MÜNCHEN
WISSENSCHAFT, UND
POLITIK
GNOSIS
© 1959 by Kösel-Verlag KG München. Printed in Germany. Herstellung: Graphische Werkstätten Kösel
INHALT
Vorwort
9 Wissenschaft, Politik und Gnosis 21
Der Gottesmord
63 Anmerkungen
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VORWORT
Moderne politische Denker und Bewegungen unter dem Titel der »Gnosis« behandelt zu sehen,
dürfte den Leser überraschen. Da der Stand der Wissenschaft in diesen Fragen der breiteren Öffentlichkeit noch wenig bekannt ist, wird eine einführende Erklärung nicht unwillkommen sein. Daß eine Hauptlinie der europäischen und im besonderen der deutschen Denkbewegung gnostischen Charakter habe, klingt heute ungewohnt, ist aber nicht eine neue Erkenntnis. Bis vor etwa hundert Jahren
war
der Sachverhalt
noch be-
kannt. Ferdinand Christian Baurs monumentales
Werk über Die christliche Gnosis, oder die Reli-
gionsphilosophie in ihrer geschichtlichen Entwick-
lung ist im Jahre 1835 erschienen. Im letzten Teil
dieses Werkes werden unter dem Titel »Die alte Gnosis und die neuere Religionsphilosophie« abgehandelt:
Die
(1) Die Bóhmesche Theosophie;
Schellingsche
Naturphilosophie;
Schleiermachersche Glaubenslehre;
(3)
(2)
Die
(4) Die He-
gelsche Religionsphilosophie. Die Spekulation des deutschen Idealismus wird richtig in ihren Zusammenhang der gnostischen Bewegung seit dem Altertum gestellt. Das Werk Baurs war ferner nicht eine isolierte Erscheinung — es stand selber schon am Ende einer hundertjährigen Befassung
mit der Ketzergeschichte, einem Wissenschafts-
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zweig, der nicht ohne Grund gleichzeitig mit der Aufklärung gewachsen ist. Ich nenne nur Mosheims enzyklopädischen Versuch einer unpartheiischen und gründlichen Ketzergeschichte, 2. Aufl., 1748, und zwei Werke über die alte Gnosis, die
in Baurs Zeit hineinreichen: Neanders Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme von 1818 und Matters Histoire critique
du Gnosticisme et de son influence sur les sectes
religieuses et philosophiques des six premiers siécles de l'ére chrétienne von 1828. Daß in der Aufklärung und im Idealismus die gnostische Bewegung sich zu massiver Sozialrelevanz erhob, war wohlverstanden. Der Stand des Wissens und des Selbstverständnisses der westlichen Kultur ist in dieser Frage, wie in so vielen anderen, erst in der liberalen Ära,
in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts verschüttet worden, in der Zeit der positi-
vistischen Geistes- und Gesellschaftswissenschaft. Die Verschüttung war so gründlich, daß die gnostische Bewegung, als sie ihre revolutionäre Pha-
se erreichte, in ihrem Wesen nicht mehr erkannt
werden konnte. Die Bewegungen, die an Marx und Bakunin anknüpften, der frühe Lenin, der Sorelsche Mythos der Gewalt, die Intellektuellenbewegung des neuen Positivismus, die kommunistischen, faschistischen und nationalsoziali-
stischen Revolutionen fielen in die Zeit eines heute IO
schon der Vergangenheit angehörenden Tiefstandes der Wissenschaft. Europa hatte keine Denkwerkzeuge, um das Furchtbare, das sich ereignete,
zu erfassen. Es gab eine Wissenschaft von den christlichen Kirchen und Sekten; es gab eineStaatslehre, die in den Kategorien des souveränen Nationalstaates und seiner Institutionen dachte; es
gab die Anfänge einer Soziologie der Macht und der Herrschaftsformen; aber es gab keine Wissen-
schaft von den nicht-christlichen, nicht-nationa-
len Geistes- und Massenbewegungen, in die das christliche, nationalstaatliche Europa im Begriffe war sich aufzulösen. Da das neue politische Phänomen in seiner Massivität nicht zu übersehen war, wurden zu seiner Erfassung eine Reihe von Verlegenheitsformeln geprägt. Es war die Rede von den neo-paganen Bewegungen, von neuen sozialen und politischen Mythen, oder von den mystiques politiques; auch ich habe mich in einer solchen Verlegenheitslósung versucht, als ich eine kleine Studie über die politischen Religionen schrieb. Die verworrene Lage der Wissenschaft und in deren Konsequenz die Unmöglichkeit, die politischen Ereignisse adáquat zu verstehen, dauerte bis in die nationalsozialistische Ára, ja bis in die Zeit des zweiten Weltkriegs; und für die breitere
Öffentlichkeit dauert dieser unbefriedigende Zustand noch heute an — sonst wäre dieses Vorwort
II
ja nicht nötig. Die Wissenschaftslage ist jedoch in einer Veränderung begriffen, deren Anfänge etwa zwei Generationen zurückreichen. Die säkular vorbereiteten Katastrophen, die über uns hereingebrochen sind, haben sie nicht aufgehalten, son-
dern beschleunigt; und angesichts der Breite der Veränderung und der schon vorliegenden Ergebnisse kann man heute sagen, daß wir an einer der großen Perioden westlicher Wissenschaftsentwicklung teilnehmen. Wenn die noch nicht ausgelebte Zersetzung nicht zu weiteren Katastrophen führt, die der freien Existenz der westlichen Gesellschaft ein Ende machen, werden künftige Historiker von dieser Blüte der Wissenschaft vielleicht die geistige und intellektuelle Regeneration Europas datieren. Aber hier ist nicht der Ort, diese faszinierende
Entwicklung in ihrem Zusammenhang und in ihren verzweigten Ergebnissen darzustellen. Nur ein kurzer Hinweis auf das neue Wissen um die Gnosis, die antike und die moderne politische, ist
erlaubt. Die Erforschung der antiken Gnosis hat eine mehr als zweihundertjährige, komplizierte
Geschichte. Über die innere Geschichte der Wis-
senschaft von der Gnosis informieren die histori-
schen Überblicke in Wilhelm Bousset, Die Haupt-
probleme der Gnosis (1907), und Hans Jonas, Gnosis und spätantiker Geist (2. Aufl. 1954).
Über die Probleme der Gnosis selbst unterrichten 12
die beiden genannten Werke und Hans Leisegangs Werk
Die
Gnosis
(1924;
4. Aufl. 1955).
Eine knappe Einführung, von einem der besten Kenner, ist Gilles Quispels Gnosis als Weltreli-
gion (1951). Unter dem Einfluß des vertieften
Wissens um die Gnosis, und ihre Beziehungen zu Judentum und Christentum, ist die neue Interpretation der europäischen Geistesgeschichte und der modernen Politik in Gang gekommen. Als repräsentatives Werk zum Verständnis der deutschen Geschichte seit dem achtzehnten Jahrhundert sei
Hans Urs von Balthasars Apokalypse der deut-
schen Seele (1937) genannt, dessen erster Band unter dem Titel Prometheus 1947 wiederaufge-
legt wurde. Das Parallelwerk für die französische Geschichte ist Albert Camus’ L'Homme Revolte
(1951). Die geistesgeschichtliche Konzeption, die meiner hier vorliegenden Vorlesung zugrunde liegt, ist ferner stark beeinflußt von Henri de Lubacs Drame del’
Humanisme Athee (2. Aufl. 1945).
Für die Wiederherstellung des Kontinuums von der Antike durch das Mittelalter bis in die moderne politische Gnosis 1st bedeutsam das Werk von Jakob 'Taubes, Abendländische Eschatologie
(1947). Zum Verstándnis des politischen Sektenwesens vom elften bis sechzehnten Jahrhundert
ist unentbehrlich die umfassende Ausbreitung des
Materials in Norman Cohns Tbe Pursuit of tbe Millenium (1957). Schließlich seien meine eige13
nen Studien zur modernen politischen Gnosis, in
der New Science of Politics (1952), genannt.
Und nun ein Wort über die Gnosis selbst — über ihren Ursprung und einige ihrer Wesensmerkmale.
Mit dem siebenten Jahrhundert vor Christus be-
ginnt für die kosmologischen Zivilisationen in
Mesopotamien, Syrien und Ägypten, sowie für die Völker des Mittelmeerbeckens,
die Zeit der
ökumenischen Reiche. Es folgen einander das Perserreich und die Eroberung Alexanders, die Diadochenreiche, die Expansion des Rómischen Rei-
ches und die Gründungen der Parther und Sassa-
niden. Der Fall der alten Reiche im Osten, der
Verlust der Unabhängigkeit für Israel, für die hellenischen und phónizischen Stadtstaaten, die Bevölkerungsverschiebungen, die Deportationen und Versklavungen, und die wechselseitige Durchdringung der Kulturen versetzten die Menschen, über deren Köpfe hinweg die Geschichte agiert wurde, in einen äußersten Zustand der Verloren-
heit im Weltgetriebe, der geistigen Desorientierung, der materiellen und seelischen Unsicherheit. Der Sinnverlust der Existenz durch den Zusammenbruch der Institutionen, der Kulturen und
der Volkszusammenhänge rief als Antwort die Versuche hervor, den Sinn des menschlichen Daseins neu zu verstehen, den Sinn der Existenz unter
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den gegebenen Bedingungen der Welt wiederzufinden. Zu diesen Versuchen, mit einer sehr groBen Variationsbreite an Tiefe der Einsicht und an Wahrheitsgehalt, gehören die stoische Umdeutung des Menschen, dem die Polis sinnlos geworden war, in den Polites des Kosmos; die Polybianische Vision von der schicksalhaften Schöp-
fung der pragmatischen Ökumene durch Rom;
die Mysterienreligionen; die heliopolitischen Sklavenkulte; die jüdische Apokalyptik; das Christentum; und der Manichäismus. Und in diese Reihe
gehört, als eine der großartigsten unter den neuen Sinnschöpfungen, die Gnosis. Aus dem Reichtum der gnostischen Erlebnisse und symbolischen Ausdrücke sei der eine Zug herausgehoben, der als der zentral wesenhafte dieser weitverzweigten Sinnschöpfung anzusehen ist: das Erlebnis der Welt als einer Fremde, in die
der Mensch sich verirrt hat und aus der er wieder heimfinden muß in die andere Welt seiner Herkunft. » Wer hat mich in das Leid der Welt geworfen?« fragt in gnostischen 'Texten das »große Le-
ben«, das zugleich das »erste, fremde Leben aus den Lichtwelten« ist. Es ist fremd in dieser Welt,
und diese Welt 1st ihm Fremde. »Diese Welt wur-
de nicht nach dem Wunsche des Lebens geschaffen«; und »nicht nach dem Willen des großen Lebens bist du hergekommen«. Darum die Frage: »Wer hat mich in die böse Finsternis versetzt?«;
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und die Bitte: »Erlöse uns aus der Finsternis dieser Welt, in die wir geworfen sind.« Die Welt ist nicht mehr die wohlgeordnete, der Kosmos, in dem der hellenische Mensch sich heimisch fühlt;
noch istsie die jüdisch-christliche Welt, die Gottgeschaffen und für gut befunden hat. Der gnostische Mensch hat nicht mehr den Willen, die wesenhafte
Ordnung des Kosmos bewundernd zu erkennen; die Welt ist ihm ein Gefängnis geworden, dem er zu entfliehen sucht: »Ohne Ausweg irrt die unselige Seele umher im Labyrinth voller Pein, in das sie geriet... Zu entfliehen sucht sie dem bitteren Chaos und weiß nicht, wie sie herauskom-
men soll.« Darum die verwirrte, klagende Frage an das große Leben: » Warum hast du diese Welt geschaffen, warum hast du die Stämme aus deiner Mitte hinbefohlen?« Aus dieser Haltung erwächst die Programmformel der Gnosis, die Clemens von Alexandrien überliefert hat: Die Gnosis ist »die Erkenntnis, wer wir waren, was wir wurden; wo wir waren und wohinein wir geworfen wurden,
wohin wir eilen, woraus wir erlóst werden; was
Geburt ist und was Wiedergeburt«. Um die Fra-
gen der Herkunft, des Geworfenseins, der Flucht
aus der Welt und der Mittel der Erlósung kreisen die großen, spekulativen Mythopoeme der Gnosis. In den zitierten Texten wird der Leser Hegels entfremdeten Geist und Heideggers Geworfen16
heit des Daseins wiedererkannt haben. Die Gleichartigkeit des Welterlebens motiviert die Verwandtschaft im symbolischen Ausdruck. Und diese Gleichartigkeit erstreckt sich, über das Welterleben hinaus, auf die Erlösung und das Menschenbild, mit denen die alten wie die modernen
Gnostiker auf die Situation der Geworfenheit in die fremde Welt antworten. Um den Menschen von der Welt zu erlösen, muß
vor allem die Erlösungsmöglichkeit in der Seinsordnung angelegt sein. In der Ontologie der alten Gnosis wird sie durch den Glauben an den »frem-
den«, den »verborgenen« Gott gesichert, der den
Menschen zu Hilfe kommt, ihnen seinen Abgesandten schickt, und ihnen den Weg
weist aus
dem Gefängnis des bösen Gottes dieser Welt (sei es Zeus oder Jahweh oder ein anderer der alten
Vatergötter). In der modernen Gnosis wird sie gesichert durch die Annahme eines absoluten Geistes, der in der dialektischen Entfaltung des Bewußtseins aus der Entfremdung zu sich selbst kommt;
oder eines dialektisch-materialistischen
Prozesses der Natur, der in seinem Gang über die Entfremdung durch Gott und Privateigentum zur Freiheit des voll-menschlichen Daseins führt; oder durch die Annahme eines Willens der Natur, der
den Menschen über sich selbst hinaus zum Über-
menschen wandelt. Innerhalb der ontischen Möglichkeit hat der gno17
stische Mensch das Werk der Erlösung selbst zu betreiben. Durch seine Psyche gehört er der Ordnung, dem Nomos
der Welt an; das, was in ihm
zur Erlösung drängt, ist das Pneuma. Das Werk der Erlösung hat darum die Weltkonstitution der Psyche aufzulösen und gleichzeitig die Kräfte des Pneuma zu sammeln und in Freiheit zu setzen. Wie immer in den verschiedenen Sekten und Systemen die Phasen der Erlösung vorgestellt werden - sie variieren von magischen Praktiken bis zu mystischer Ekstase, von Libertinismus über Indifferentismus zur Welt bis zu strengster Askese — es geht um die Vernichtung der alten und
den Übergang in die neue Welt. Das Instrument
der Erlösung ist die Gnosis selbst, das Wissen. Da die Verstrickung in die Welt nach der gnostischen Ontologie durch die Agnoia, die Unwissenheit, verursacht ist, kann die Seele sich aus der
Verstrickung wieder lösen durch das Wissen um ihr wahres Leben und ihren Zustand der Fremdheit in dieser Welt. Die Gnosis als das Wissen um die Verfallenheit an die Welt ist in einem das Mit-
tel, ihr zu entfliehen. Über die Bedeutung, welche
die Gnosis bei den Valentinianern hat, berichtet
Irenäus: »Die vollkommene Erlösung besteht in der Erkenntnis als solcher der Unaussprechlichen Größe. Denn da Sünde und Leid durch Unwissenheit (agnoia) entstanden sind, so wird durch das Wissen (gnosis) diese ganze aus der Unwis18
senheit entstandene Ordnung aufgelöst. Daher ist die Gnosis die Erlösung des inneren Menschen...
Die
Gnosis
erlöst den inneren, pneumatischen
Menschen - im Wissen um das Ganze hat er sein Genügen — und dies ist die wahre Erlösung.« Damit möge es der Erklärungen genug sein. Nur eine Warnung ist noch geboten. Die Selbsterlösung durch das Wissen hat ihren eigenen Zauber — und dieser Zauber ist nicht harmlos. Denn am
Gefüge der Seinsordnung ändert sich nichts, wenn
ich es schlecht finde und vor ihm davonlaufe. Der Versuch der Weltvernichtung vernichtet nicht die Welt, sondern steigert nur die Unordnung in der Gesellschaft. Die Flucht der Gnostiker aus einem wahrhaftig heillosen, verwirrenden und erdrükkenden Zustand der Welt ist verständlich. Aber die Ordnung der alten Welt wurde erneuert durch die Bewegung, die sich bemühte, das »ernste Spiel« (um Platons Formel zu gebrauchen) durch
liebendes Tun wieder in Gang zu bringen - durch das Christentum.
WISSENSCHAFT, UND
POLITIK
GNOSIS
I
Die politische Wissenschaft, die politike episteme,
istvon Platon und Aristoteles gegründet worden. In der geistigen Verwirrung der Zeit ging es um die Frage, ob ein Bild von der richtigen Seelenund Gesellschaftsordnung entworfen werden konnte: ein Paradigma, ein Modell, ein Leitbild für die Bürger der Polis, so wie in der homerischen Zeit der paränetische Mythos den Helden als Leitbild diente. Der Bilder gab es zwar genug im Athen des vierten Jahrhunderts — der Meinun-
gen über die richtige Lebensführung des Menschen und die richtige Ordnung der Gesellschaft. Aber war es möglich, aus dieser Vielzahl von skeptischen, hedonistischen,
utilitaristischen, macht-
rationalen und parteipolitischen doxai eine als die richtige zu erweisen? Oder, wenn keine der kritischen Prüfung standhielt, ein neues Bild der Ordnung zu formen, das nicht auch wieder den Charakter einer unverbindlichen, subjektiven Meinung hatte? Aus den Bemühungen um die Antwort auf diese Frage ist die politische als eine philosophische Wissenschaft entstanden. Die Gründung hat einen Kernbestand, der noch heute gültig 1st. Im folgenden werde er kurz umrissen nach den Richtungen des Gegenstandes, der
analytischen Methode und der anthropologischen Voraussetzung der Wissenschaft.
23
Versichern wir uns zunächst des Gegenstandes. Er liegt nicht fern von den 'agesfragen; er ist nicht esoterisch. Es geht um die Wahrheit über Dinge, von denen jedermann spricht. Was ist Glück? und wie soll der Mensch sein Leben führen, um glücklich zu sein? Was ist Tugend? und im besonderen die Tugend der Gerechtigkeit? Welche Größenordnung von Territorium und Bevölkerung ist für eine Gesellschaft die beste, welche Art von Erziehung und Berufen und welche Art von Herrschaftsordnung? Alle diese Fragen erwachsen aus den Bedingungen der Existenz des Menschen in der Gesellschaft. Und der Philosoph ist Mensch wie jeder andere; er hat, was die Ordnung der Gesellschaft betrifft, keine anderen Fragen zu stellen als seine Mitbürger. Sein Fragen führt jedoch zu einem Konflikt mit den Meinungen — zu einem Konflikt von anderer Art als dem der Meinungen untereinander; denn wenn auch die Fragen des Philosophen sich auf die gleichen Gegenstände richten, so ist doch die Art seiner Fragestellung eine radikal andere. Die Frage des Philosophen unterscheidet sich von der des Philodoxen -- das sind die Ausdrücke, die Pla-
ton für die Antagonisten eingeführt hat — dadurch, daß sie beim Versuch, zur Wahrheit jenseits der Meinungen vorzudringen, sich der Analyse im Sinne der Wissenschaftslogik bedient, wie Aristoteles sie in den Analytica Posteriora ent-
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wickelt hat. Und wenn das Instrument der Analyse angewendet wird, dann zerfallen die in einer Gesellschaft umlaufenden Aussagen über politische Dinge in die vor-analytischen Meinungen und in die wissenschaftlichen Sätze im strengen Sinne; und die Sprachsymbole in die vor-analytischen, unzureichend analysierten Ausdrücke und die analytischen Begriffe der politischen Wissenschaft. Die Meinungen und ihre Vertreter, die in
der Tagespolitik sich befehden, rücken dadurch
zusammen gegenüber ihrem gemeinsamen Gegner, dem Philosophen. Wenn wir von der Analyse im Sinne der Wissen-
schaftslogik sprechen, soll damit der Gegensatz
zur formalen Logik betont werden. Denn eine formal-logische Analyse kann zu nicht mehr führen als dem Nachweis, daß eine Meinung an einem inneren Widerspruch leidet, oder daß verschiedene Meinungen einander widersprechen, oder daß Schlüsse falsch gezogen wurden. Die Wissenschaftslogik dagegen ermöglicht ein Urteil über die Richtigkeit der Prämissen, die in einer Meinung enthalten sind. Zu dieser Leistung ist sie jedoch nur unter der Annahme befähigt, daß die Wahrheit über die Seinsordnung, auf die sich ja auch die Meinungen richten, objektiv feststellbar ist. Und die Platonisch-Aristotelische Analyse arbeitet in der Tat mit der Annahme einer der Wis-
senschaft jenseits der Meinungen zugänglichen
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Ordnung des Seins. Ihr Ziel ist die Erkenntnis der Seinsordnung, der Stufen der Seinshierarchie und ihres Verhältnisses zueinander, der Wesens-
gefüge der Seinsbereiche, und im besonderen des menschlichen Wesens und seiner Stellung im Ganzen des Seins. Die Analyse ist daher wissenschaftlich und führt zur Wissenschaft von der Ordnung, dadurch daß und insofern sie ontologisch gerichtet ist. Die Annahme allein, daß die Seinsordnung der Erkenntnis zugänglich, daß Ontologie möglich sei, genügt jedoch nicht zur Durchführung einer Analyse. Denn die Annahme könnte ja unbegründet sein. Es muß daher immer eine Erkenntnis betreffend einen Seinsverhalt schon real vorgegeben sein, nicht nur um die ersten Schritte im Un-
ternehmen der Analyse zu tun, sondern vor allem um die Idee der Analyse überhaupt zu fassen und zu entwerfen. Und die Platonisch-Aristotelische Analyse hat auch keineswegs mit Spekulationen über ihre Möglichkeiten begonnen, sondern mit der tatsächlichen Erkenntnis eines Seinsverhaltes,
die den Prozeß der Analyse motivierte. Das entscheidende Ereignis, das eigentlich philosophische, das die politike episteme begründete, war die Einsicht, daß die innerhalb der Welt unterscheidba-
ren Seinsstufen überhóht werden von einer jenseitigen Quelle des Seins und seiner Ordnung. Und die Einsicht wieder hatte ihre Wurzel in den 26
realen Bewegungen der menschlichen Geistseele auf das als jenseitig erlebte, göttliche Sein hin. In den Erlebnissen der Liebe zum welt-jenseitigen Ursprung des Seins, in der philia zum sophon, im eros zum agathon und kalon, wurde der Mensch zum Philosophen. Aus diesen Erlebnissen erwuchs das Bild von der Ordnung des Seins. Wenn die
Seele sich öffnet — das ist die Metapher, in der
Bergson von dem Ereignis spricht —, dann wird die Seinsordnung sichtbar bis zu ihrem Grund
und Ursprung im Jenseits, dem Platonischen epé-
keina, an dem die Seele teilnimmt, indem sie ihr
Öffnen erleidet und begeht.
Erst wenn die Seinsördnung im Ganzen, bis zu ihrem Ursprung im transzendenten Sein, im Blickfeld liegt, kann die Analyse mit Aussicht auf Erfolg unternommen werden. Denn erst jetzt ist es möglich, die Meinungen über rechte Ordnung, die in der Gesellschaft im Umlauf sind, daraufhin
zu prüfen, ob sie mit der Seinsordnung zusammenstimmen. Wenn der Starke und Erfolgreiche hochgewertet wird, so kann ihm der Mann entgegengestellt werden, der die Tugend der phronesis, der Weisheit, besitzt, der Mann, der sub
specie mortis lebt und der handelt im Blick auf das Letzte Gericht. Wenn die Staatsmänner gepriesen werden, die ihre Völker groß und mächtig gemacht haben, wie Themistokles und Perikles Athen, kann Platon ihnen den sittlichen Verfall 27
entgegenhalten, der die Folge ihrer Politik war. (Man denke dabei nicht nur an klassische Bei-
spiele, sondern vielleicht auch an das Wort Gladstones über Bismarck: daß er Deutschland groß und die Deutschen klein gemacht hat.) Und wieder: wenn feurige Jünglinge von der Vulgarität der Demokratie abgestoßen werden, kann Platon sie aufmerksam machen, daß Energie, Stolz und Herrschaftswille zwar das Gewaltregime einer geistig ungewaschenen Elite begründen können, nicht aber eine gerechte Herrschaft; wenn Demokraten von Gleichheit und Freiheit schwärmen und vergessen, daß Herrschaft geistige Zucht und intellektuelle Disziplin erfordert, kann er sie warnen, daß sie auf dem Wege zur Tyrannis sind. Das sind genug der Beispiele, um zu zeigen, daß es in der politischen Wissenschaft, über die Richtigkeit der Sátze hinaus, um
die Wahrheit
der
Existenz geht. Denn die Meinungen, um deren Klärung willen die Analyse unternommen wird, sind mehr als nur falsch, sie sind die Symptome geistiger Unordnung in den Menschen, die sie vertreten; und die Analyse wird in der Absicht geführt, zu überzeugen; sie will erreichen, daß
ihre Einsichten, wenn móglich, in der Sozialrealitit an die Stelle der Meinungen treten. In der Analyse geht es um die Therapie der Ordnung. Gegen das therapeutische Wirken der Wissenschaft leistet die Gesellschaft Widerstand. Weil 28
eben nicht nur die Richtigkeit der Meinungen in Frage steht, sondern die Wahrheit der menschlichen Haltungen, die sich in den Meinungen ausdrücken; weil das Bemühen um die Wahrheit sich
gegen die Unwahrheit der Existenz in konkreten Menschen richtet, steigert sich die intellektuelle Auseinandersetzung, über die Ebene von Analyse und Argument hinaus, zum existentiellen Kampf um und gegen die Wahrheit -- einem Kampf, der
auf allen Stufen des menschlichen Seins, von der
Geistigkeit der Überredung, der Peitho im Pla-
tonischen Sinne, über die psychologische Propaganda, bis hinunter zur physischen Attacke und Vernichtung geführt werden kann. Wir sind heu-
te, unter den Eindrücken totalitären Terrors, viel-
leicht geneigt, vor allem an die physischen Formen des Widerstandes zu denken. Aber sie sind nicht die erfolgreichsten. Radikal und gefährlich wird der Widerstand erst, wenn das philosophische Fragestellen selbst in Frage gestellt wird, wenn die Doxa philosophische Form annimmt, wenn sie den Titel der Wissenschaft für sich arrogiert und die Wissenschaft als Nicht-Wissenschaft verbietet. Erst wenn dieses Verbot sozialwirksam durchgesetzt werden kann, ist der Punkt erreicht, an dem die Ratio als Remedium der geistigen Unordnung nicht mehr wirken kann. In der hellenischen Kultur ist er nie erreicht worden -- Philosophieren konnte lebensgefährlich sein, aber die
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Philosophie, und im besonderen die politische
Wissenschaft, blühte. Nie ist ein Grieche auf den
Gedanken gekommen, das analytische Fragen als solches zu verbieten. Das Gesamtbild der politischen Wissenschaft hat sich in den mehr als zweitausend Jahren, die seit
ihrer Gründung vergangen sind, erheblich verändert. Die Erweiterung des zeitlichen und räumlichen Horizontes hat der vergleichenden Analyse gewaltige Materialmassen gebracht, die der Antike
unbekannt
waren;
und
der Eintritt des
Christentums in die Geschichte hat durch die Spannung zwischen Vernunft und Offenbarung die Problematik des Philosophierens tief affiziert. Das Platonisch-Aristotelische Paradigma der besten Polis gibt uns keine Antwort mehr auf die großen Fragen unserer Zeit — weder auf die Organisationsfragen der Industriegesellschaft, noch auf die geistigen Fragen des Kampfes zwischen Christentum und Ideologie. An der Situation der politischen Wissenschaft, die ich eben kurz um-
rissen habe, hat sich jedoch, bis auf einen Punkt, nichts geändert. Heute wie vor zweitausend Jahren befaßt sich die politike episteme mit den Fragen, die jedermann angehen und die jedermann stellt; und wenn auch heute andere Meinungen in der Gesellschaft im Umlauf sind, so haben sich
doch ihre Gegenstände nicht verändert. Ihre Methode ist noch immer die Analyse im Sinne 30
der Wissenschaftslogik; und die Voraussetzung
der Analyse ist noch immer die Erkenntnis der Seinsordnung bis zu ihrem Ursprung im tran-
szendenten Sein, und im besonderen die liebende
Offenheit der Seele zu ihrem jenseitigen Ordnungsgrund. Nur in einem Punkt hat sich, wie angedeutet, die Situation geändert. Ein Phänomen ist aufgetreten, das unsere modernen Gesellschaften so tief
durchdrungen hat, daß seine Allgegenwart uns kaum noch Distanz läßt, es überhaupt zu sehen, ein Phänomen,
das der Antike
unbekannt
war,
das Verbot der Fragestellung. Es handelt sich dabei nicht um den Widerstand gegen die Analyse (den hat es auch in der Antike gegeben); nicht um Meinungen, die traditional oder emotional zäh gehalten
werden;
nicht um
Meinungen,
deren
Vertreter sich im guten Glauben der Richtigkeit ihrer Position naiv auf Argumente einlassen und erst zur Offensive übergehen, wenn die Analyse sie erschüttert; es handelt sich um Meinungen, deren Vertreter wissen, daß und warum sie einer
kritischen Analyse nicht standhalten, und die darum das Verbot der Prüfung ihrer Prämissen zum Inhalt ihres Dogmas machen. Diese Haltung der bewußten und spekulativ sorgfältig durchgearbeiteten Verschließung gegen die Ratio ist das neue Phänomen.
I
Ich will nun versuchen, das Phänomen des Frageverbotes vorzuführen, und zwar inder
Form einer
Analyse von repräsentativen Meinungen. Der Versuch wird also nicht nur das Phänomen vor-
führen, sondern in einem damit die Praxis der
Analyse. Er soll zeigen, daß die geistige Unordnung der Zeit, die Kulturkrise, von der man so gern spricht, keineswegs als ein unabwendbares Schicksal hingenommen werden muß, sondern daß jedermann die Mittel zur Verfügung stehen, sie zu seinem Teil zu überwinden;
und er soll
nicht nur die Mittel zeigen, sondern auch die Methode ihrer Anwendung. Niemand ist verpflichtet, eine geistige Krise der Gesellschaft mitzumachen; im Gegenteil, jedermann ist verpflichtet, diesen Unfug zu unterlassen und in Ordnung zu leben. Die Vorführung des Phänomens wird es also gleichzeitig durch die therapeutische Analyse auflösen.
Als Ausgangspunkt möge das Frageverbot dienen, wie es in den Frühschriften von Karl Marx, im besonderen in dem Ms. über Nationalökonomie und Philosophie von 1844, auftritt.
Marx ist ein spekulativer Gnostiker. Er konstru33
iert die Seinsordnung als einen in sich geschlossenen Prozeß der Natur. Die Natur ist im Werden,
und im Laufe ihrer Entfaltung hat sie den Menschen hervorgebracht: »Der Mensch ist unmittelbar Naturwesen.«! Im Werden der Natur fällt nun dem Menschen eine besondere Rolle zu. Denn dieses Wesen, das Natur ist, steht der Na-
tur auch gegenüber und steht ihr in ihrem Wer-
den bei durch die menschliche Arbeit, in der höch-
sten Form durch die naturwissenschaftlich begründete Technik und Industrie. »Die in der menschlichen Geschichte... werdende Natur«, »die Natur, wie sie durch die Industrie... wird«,
ist »die wahre anthropologische Natur«.? Im Akt der Naturschópfung schafft jedoch gleichzeitig auch der Mensch sich selbst zur Fülle seines Wesens; und darum ist »die ganze sogenannte Weltgeschichte nichts anderes als die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit«.? Diese Spekulation hat den Zweck, den Seinsprozef gegen transzendentes Sein abzuschließen und den Menschen sich selbst erzeugen zu lassen; und sie erreicht ihre Absicht durch das Spiel mit den Aquivokationen, in denen die »Natur« einmal das umgreifende Sein ist, das andere Mal die Natur,
die dem tes Mal essentia. Spiel in 34
Menschen gegenübersteht, und ein dritdie Natur des Menschen im Sinne von Seinen Höhepunkt erreicht das äquivoke einem Satz, über den man leicht hinweg-
liest: »Ein Wesen, welches seine Naturnicht außer sich hat, ist kein natürliches Wesen, nimmt nicht
teil an dem Wesen der Natur.« ? Im Zusammenhang der Spekulation legt nun Marx sich selbst die Frage vor, welche Bedenken wohl »das einzelne Individuum« gegen die Theorie von der »generatio aequivoca« der Natur und des Menschen äußern werde. Denn »das Durchsichselbstsein der Natur und des Menschen ist ihm unbegreiflich, weil es allen Handgreiflich-
keiten des praktischen Lebens widerspricht«. Der einzelne Mensch wird auf der Suche nach seinem Ursprung, von Generation zu Generation rückwärtsschreitend, die Frage nach der Schöpfung des ersten Menschen erheben. Er wird das Argument des Regresses bringen, das in der ionischen
Philosophie zum Problem der arcbé geführt hat. Auf solche Fragen, die durch das »handgreifliche«
Erlebnis motiviert werden, daß der Mensch nicht aus sich selbst existiert, will Marx die Antwort
geben, daß sie »ein Produkt der Abstraktion« seien. » Wenn du nach der Schöpfung der Natur und des Menschen fragst, so abstrahierst du vom Menschen und der Natur.« Real seien nur die Natur und der Mensch, wie Marx sie in seiner
Spekulation konstruiert; wenn der andere die Möglichkeit ihres Nicht-Seins setze, so könne er (Marx) nicht ihr Sein beweisen.
An dieser Frage würde in der Tat die Konstruk35
tion zusammenbrechen. Und wie zieht sich Marx aus dem Dilemma? Indem er den Frager anweist: »Gib deine Abstraktion auf, so gibst du auch deine Frage auf.« Denn wäre der Frager konsequent, so müßte er sich selbst als nichtseiend denken, da
er doch eben im Akt des Fragens ist. Darum noch-
mals die Anweisung
»Denke
nicht, frage mich
nicht«. Der »individuelle Mensch« ist jedoch nicht verpflichtet, auf den Syllogismus von Marx hereinzufallen und sich selbst als nichtseiend zu
denken, wenn er sich bewußt ist, nicht durch sich
selbst zu sein. Und Marx gesteht ihm in der Tat noch dieses eine Gegenargument zu — ohne sich jedoch darauf einzulassen. An diesem Punkt bricht er die Debatte mit dem Dekret ab, »für den so-
zialistischen Menschen«, d. h. für den Menschen,
der seine Konstruktion des Seins- und Geschichtsprozesses akzeptiert hat, sei eine solche Frage »praktisch unmöglich geworden«. Die Fragen des »individuellen Menschen« werden durch den Ukas des Spekulateurs abgeschnitten, der sich seine Konstruktion nicht stóren lassen will. Wenn der »sozialistische Mensch« spricht, hat der Mensch zu schweigen.” Das wäre der Tatbestand, von dem wir auszu-
gehen haben. Aber bevor wir in die Analyse selbst eintreten, sei vorgreifend festgestellt, daf) das Marxische Frageverbot weder isoliert noch harmlos ist. Es ist nicht isoliert in seiner Zeit, 36
denn wir finden das gleiche Verbot bei Comte in der ı. Vorlesung seines Cours de Philosophie Positive. Auch Comte antizipiert Einwendungen gegen seine Konstruktion und lehnt sie rundweg als »müßige Fragen« ab; ihn interessiere nun einmal nichts anderes als die Gesetzlichkeit der Sozialphänomene. Wer Fragen nach Wesen, Beruf und Schicksal des Menschen stellt, werde vor-
läufig ignoriert; später, wenn sich das System des Positivismus sozial durchgesetzt habe, müsse er durch geeignete Maßnahmen zum Schweigen gebracht werden.? Und das Frageverbot ist nicht harmlos, denn es ist massiv eozialwirksam geworden in Menschen, die sich selbst das Verbot auf-
erlegen, in kritischen Situationen Fragen zu stellen. Man denke an die vor kurzem veróffentlichte Betrachtung von Rudolf Höß, dem Kommandanten des Vernichtungslagers in Auschwitz. Auf die Frage, warum er den Befehl zur Organisation der Vernichtung nicht abgelehnt habe, antwor-
tet er: »Ich stellte damals keine Überlegungen
an — ich hatte den Befehl bekommen - und hatte ihn durchzuführen... Ich glaube nicht, daß unter den Tausenden von SS-Führern auch nur einer einen solchen Gedanken in sich hätte aufkommen lassen kónnen. So etwas war einfach ganz unmóglich.«? Das ist fast im Wortlaut die Marxische Erklärung, daß für »den sozialistischen Menschen« eine solche Frage »praktisch unmöglich 37
geworden sei«. Wir sehen die drei großen 'Typen sich abzeichnen, für die ein menschliches Fragen praktisch unmöglich ist: den sozialistischen Menschen (im Marxischen Sinne), den positivistischen Menschen (im Comteschen Sinne) und den natio-
nalsozialistischen Menschen.
Und nun zu dem Marxischen Frageverbot. Es hat ein sehr kompliziertes geistiges Gefüge, wie wir sehen werden; und wir müssen eine der Komponenten nach der andern isolieren. Zuerst die »handgreiflichste«: Hier ist ein Denker, der weiß, daß seine Konstruktion zusammenbrechen wird,
wenn jemand die erste philosophische Frage stellt. Bewegt dieses Wissen ihn, die unhaltbare Konstruktion aufzugeben? Keineswegs. Es bewegt ihn nur, das Fragen zu verbieten. Aber dieses Frageverbot bewegt nun uns zu der Frage: War Marx ein intellektueller Schwindler? Eine solche Frage wird vielleicht Bedenken erregen. Kann man ernstlich erwägen, daß das Lebenswerk eines Denkers von erheblichem Rang auf einem intellektuellen Schwindel aufgebaut ist? Daß es Massengefolgschaft findet und zu einer politischen Weltmacht wird, wenn es sich auf einen Schwin-
del gründet? Aber wir sind heute abgehärtet gegen solche Bedenken: wir haben zu viel unwahrscheinliche und unglaubwürdige Dinge gesehen, die dennoch wirklich waren. Und wir zögern dar38
um nicht, die Frage, die sich angesichts des Tat-
bestandes aufdrängt, zu stellen — und zu beantworten: Ja, Marx war ein intellektueller Schwind-
ler. Damit ist über Marx gewiß nicht das letzte Wort gesprochen - ich habe schon auf die Komplexität des geistigen Gefüges in den zitierten Stellen hingewiesen. Aber es muß unerbittlich das erste Wort sein, wenn wir uns das Verstehen
des Frageverbotes nicht verbauen wollen. Aber wenn wir feststellen, daß Marx ein intellektueller Schwindler war, dann erhebt sich so-
fort die weitere Frage nach dem Warum. Was kann einen Mann bewegen, einen solchen Schwindel zu begehen? Hat diese Tat nicht etwas Krankhaftes? Wenden wir uns zur Antwort auf diese Frage an Nietzsche, der auch ein spekulativer Gnostiker war, aber ein sensitiverer Psychologe als Marx.
Nietzsche führt den Machtwillen, den Willen zur Herrschaft, die libido dominandi, als die Leidenschaft ein, die den Willen zur intellektuellen
Täuschung erklären soll. Betrachten wir den Weg,
auf dem diese Leidenschaft den gnostischen Den-
ker von Station zu Station treibt. In Jenseits von Gut und Böse, Aphorismus 230, spricht Nietzsche von einem »Grundwillen des
39
Geistes«, der sich als Herrn
fühlen will. Dem
Herrschaftswillen des Geistes dient fürs erste »ein plötzlich herausbrechender Entschluß zur Unwissenheit, zur willkürlichen Abschließung, ... eine Art Verteidigungs-Zustand gegen vieles Wißbare«. Ferner will der Geist gelegentlich sich täuschen lassen, »vielleicht mit einer mutwilligen
Ahnung davon, daß es so und so nicht steht, daß man es so und so eben nur gelten läßt... ein Selbstgenuß an der Willkürlichkeit aller dieser Machtäußerungen«. Und endlich gehört hierher »jene nicht unbedenkliche Bereitwilligkeit des Geistes, andere Geister zu täuschen und sich vor ihnen zu verstellen«, der Genuß
»der Masken-
Vielfältigkeit und Verschlagenheit«.!® Die libido dominandi hat jedoch eine Stärke und Grausamkeit, die über den Genuß der Maske und
der Täuschung des andern hinausführt. Sie wendet sich gegen den Denker selbst und entlarvt sein Denken als ein verschlagenes Machtwollen. »Eine Art Grausamkeit des intellektuellen Gewissens«, »eine ausschweifende Redlichkeit« löst
die Täuschung wieder auf, aber — und das ist der entscheidende Punkt -- nicht um zur Wahrheit jenseits der läuschung vorzudringen, sondern nur um eine neue an die Stelle der alten zu setzen. Das Maskenspiel geht weiter; und der andere bleibt getäuscht, wenn er sich täuschen läßt. In dieser »Grausamkeit des intellektuellen Gewis40
sens« erkennen wir die geistige Bewegung, die in der Gnosis Nietzsches funktionell der Platoni-
schen periagoge, der Umkehr und dem Öffnen
der Seele, entspricht. In der gnostischen Bewegung bleibt jedoch der Mensch gegen das transzendente Sein verschlossen; der Wille zur Macht
stößt an die Mauer des Seins, das zum Gefängnis geworden ist; er zwingt den Geist in den Rhythmus von Täuschung und Selbstzerfleischung.!! Der Zwang zur Täuschung steht nun weiter in Frage. Stößt der Geist wirklich an die Mauer des Seins? Oder will er nicht vielleicht an ihr Halt machen? Die Perspektive in die tiefere Tiefe des Machtwillens eróffnet der Aphorismus: »Herrschen - und nicht mehr Knecht eines Gottes sein: — dieses Mittel blieb zurück, den Menschen zu veredeln.« Herrschen heißt Gott sein; um Gott zu
sein, nimmt der gnostische Mensch die Leiden der Täuschung und Selbstzerfleischung auf sich.!? Noch ist die Bewegung nicht zu Ende. Noch weiter führt die Frage, ob der Denker wirklich Gott sein wolle. Ist die Versicherung dieses Willens nicht vielleicht auch noch eine "Täuschung? Im
Zaratbustra, im Nacbtlied, findet sich zu der Fra-
ge eine aufschlußreiche Konfession: »Nacht ist es nun: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden — Eine Begierde nach Liebe ist in mir...
(Aber) Licht bin ich: ach, daß ich Nacht wäre! ... dies ist meine Einsamkeit, daß ich von Licht 41
umgürtet bin... Ich kenne das Glück des Nehmenden nicht... Das ist meine Armut, daß meine
Hand niemals ausruht vom Schenken... Ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen, die ihr Wärme schafft aus Leuchtendem... Eis ist um mich,
meine Hand verbrennt sich an Eisigem!... Nacht ist es: ach, daß
ich Licht sein muß.«
In dieser
Konfession scheint die Stimme eines Spiritualen zu sprechen, der am Bewußtsein seiner dämoni-
schen Verschlossenheit leidet. Diemystische Nacht ist ihm versagt; er ist gefangen im eisigen Licht seiner Existenz; und aus dem Gefängnis steigt die Versicherung, halb Klage halb Gebet, und doch nicht frei vom 'Irotz des Rebellen: » Auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.« ? Niemand wird diese Klage eines Menschen, dem die Humilitas vor Gott nicht gegeben war, ohne Ergriffenheithóren. Wir stehen, jenseits einer Psychologie des Machtwillens, vor dem Unerforschlichen, daß Gnade gewährt oder versagt wird. Die Ergriffenheit darf uns jedoch nicht hindern, das Bedenkliche der Konfession zu sehen. Ich habe ihr die Frage vorangeschickt, ob der gnostische Denker wirklich Gott sein wolle, oder ob die Ver-
sicherung seines Willens nicht auch noch eine T3uschung sei. Das Nachtlied scheint die Tàuschung zu gestehen — er wil] nicht Gott sein, er muß es sein aus unerforschlichen Gründen. Ge-
genüber dieser zweiten, die erste aufhebenden 42
Versicherung drängt sich die Frage auf: Müssen
wir sie akzeptieren? Müssen wir das Spiel der Täuschungen als beendet ansehen? Ich glaube nicht. Setzen wir das Spiel fort und fragen wir, ob nicht auch das Nachtlied noch eine Maske ist. Bedenken wir, daß Nietzsche bekennt, um seine Verschlossenheit zu wissen und an ihr zu leiden;
kehren wir sein Bekenntnis gegen ihn und fragen wir: Muß ein Mensch aus der Not seines Zustandes, den er als gnadenlose Unordnung der Seele durchschaut, wirklich eine Tugend machen und ihn als übermenschliches Leitbild hinstellen? Berechtigt ihn sein Defekt, dionysische Tánze mit Masken aufzuführen? Fragen wir mit der Brutalität, zu der die Zeit uns zwingt, wenn wir nicht ihr Opfer werden wollen, ob er nicht vielmehr verpflichtet sei zu schweigen? Und wenn die Klage mehr als eine Maske, wenn sie echt wäre, wenn er an seinem Zustand litte, würde er dann nicht ver-
stummen? Aber Nietzsche verstummtkeineswegs; und seine Beredsamkeit ist der zwingende Beweis, daß die Klage nur im Bereiche seines nachfühlenden Verstehens lag, daß er sie aber nicht an den Kern seiner Existenz im Aufstand gegen Gott
rühren
ließ, daß
sie nicht echt war,
sondern Maske. Wie Marx sich das Spiel seiner
Äquivokationen
nicht stören läßt, so weigert
sich Nietzsche, das Spiel der Masken chen.
abzubre-
43
Das Phänomen des Frageverbots wird in seinen Umrissen deutlicher. Der gnostische Denker begeht in der Tat einen intellektuellen Schwindel — und er weiß, daß er es tut. Drei Stadien lassen
sich in der Bewegung des Geistes unterscheiden. An der Oberfläche liegt der Akt der "Täuschung selbst. Er könnte Selbsttäuschung sein; und sehr oft ist er es auch, wenn die Spekulation eines schöpferischen Denkers in der Form des Dogmas einer Massenbewegung zum abgesunkenen Kulturgut wird. Wo aber das Phänomen in seinem Ursprung zu fassen ist, wie bei Marx und Nietzsche, liegt tiefer als die Täuschung das Wissen um sie. Der Denker gibt sich nicht aus der Hand; die libido dominandi wendet sich gegen ihr eigenes Werk und will auch die Täuschung noch beherrschen. Diese gnostische Rückwendung gegen sich selbst entspricht geistig der philosophischen Umkehr, wie ich sagte, der periagoge im Platonischen Sinn. Aber die gnostische Bewegung des Geistes führt nicht zur erotischen Öffnung der Seele, sondern zu dem tiefsten Punkt des Beharrens in der Täuschung, an dem sich als ihr Motiv und Zweck die Revolte gegen Gott enthüllt. Mit Hilfe der drei Stadien in der geistigen Bewegung ist es nun möglich, auch die entsprechenden Tiefenschichten der Täuschung genauer zu unterscheiden: (1) Für den Oberflächenakt ist es zweckmäßig,
44
den Ausdruck »Täuschung«, den Nietzsche gebraucht hat, beizubehalten. Der Inhalt des Aktes
unterscheidet sich nicht notwendig von einem Fehlurteil aus einem anderen als dem gnostischen Motiv. Der Akt könnte auch ein »Irrtum« sein. Er empfängt seinen 'Täuschungscharakter erst vom Kontext der geistigen Bewegung. (2) Im zweiten Stadium wird der Denker sich der
Unwahrheit seiner Aussage oder Spekulation bewuft, beharrt aber in ihr trotz seinem Wissen.
Erst durch das Wissen um die Unwahrheit wird der Akt zur Tàuschung. Und durch das Beharren im Kommunizieren als falsch erkannter Argumente empfängt er den zusätzlichen Aktcharak-
ter des »intellektuellen Schwindels«.
(3) Im dritten Stadium wird als das Motiv des
Schwindels die Revolte gegen Gott enthüllt und bewußt. Durch die Fortsetzung des intellektuellen Schwindels im Wissen um das Motiv der Revolte empfängt die "Täuschung den weiteren Aktcharakter der »dämonischen Verlogenheit«.
3
Die Texte von Marx, die wir zitiert haben, lassen das erste und zweite der von Nietzsche beschriebenen Stadien erkennen. Wie steht es bei Marx
mit dem dritten Stadium der Bewegung, mit der 45
Enthüllung der Revolte gegen Gott als des Motivs der "Täuschung? Im Kontext der zitierten Stellen findet sich in der "Tat eine solche Enthüllung: »Ein Wesen gibt sich erst als selbständiges, sobald es auf eigenen Füßen steht; und es steht erst auf eigenen Füßen, sobald es sein Dasein sich selbst verdankt. Ein Mensch, der von der Gnade
eines anderen lebt, betrachtet sich als ein abhän-
giges Wesen. Ich aber lebe vollständig von der Gnade eines anderen, wenn ich ihm nicht nur die
Unterhaltung meines Lebens verdanke, sondern wenn er noch außerdem mein Leben geschaffen hat; wenn er der Ouell meines Lebens ist; und
mein Leben hat notwendig einen solchen Grund außer sich, wenn es nicht meine eigene Schöpfung ist.«14 Marx bestreitet nicht, daß die »Handgreiflichkeiten« für die Abhängigkeit des Menschen sprechen. Aber die Wirklichkeit muß zerstört werden -- das große Anliegen der Gnosis. An ihre Stelle tritt der Gnostiker, der die Unabhängigkeit seines Daseins durch die Spekulation erzeugt. Es dürfte wohl kaum eine andere Stelle in der gnostischen Literatur zu finden sein, in der die Spekulation so klar als der Versuch enthüllt wird, an die Stelle der Seinswirklichkeit eine »zweite Realität« zu setzen — wie Robert Musil dieses Unternehmen genannt hat. Noch tiefer in das Problem der Revolte hinein führt eine Stelle aus der Doktordissertation von 46
1840/41: »Die Philosophie verheimlicht es nicht. Das Bekenntnis des Prometheus: »In einem Wort,
ich hasse alle Götters, ist ihr eigenes Bekenntnis, ihr eigener Spruch gegen alle irdischen und himmlischen Götter, die das menschliche Selbstbewußt-
sein nicht als die oberste Gottheit anerkennen. Es soll Keiner neben ihm sein.« 15 In diesem Bekenntnis, in dem der junge Marx seine eigene Haltung unter das Symbol des Prometheus stellt, leuchtet die große Geschichte der Revolte auf, bis zurück zur hellenischen Schöpfung des Symbols. Stellen wir vor allem das Verhältnis des Marxi-
schen Textes zu dem zitierten Verse des Äschylos
klar. Prometheus ist an den Felsen am Meer geschmiedet. Unten am Uferstreifen steht Hermes und blickt zu ihm hinauf. Der Gefesselte läßt seiner Bitterkeit freien Lauf; Hermes besänftigt und mahnt zur Mäßigung. Prometheus preßt seine Ohnmacht und Auflehnung in den von Marx zitierten Vers:
»Mit einem Wort, ich hasse alle Göt-
ter.«!* Aber der Vers ist nicht Monolog; auf den Ausbruch des Hasses antwortet warnend die Stimme des Götterboten: »Mich dünkt, dich schlug kein kleiner Wahnsinn.« 17 Das Wort, das ich mit
Wahnsinn übersetze, ist das griechische 7:6s05;
synonym damit gebraucht Äschylos nösema.!® Es
bedeutet körperliche oder geistige Krankheit. Im Sinne einer Erkrankung des Geistes kann es den
47
Götterhaß
bedeuten,
oder
das
Beherrschtsein
durch Leidenschaft schlechthin. Platon spricht z. B. vom nösema tes adikias, von der Krankheit der
Ungerechtigkeit.!? Damit rühren wir an den schon früher angedeuteten krankhaften, den pneumopathischen Charakter der Revolte. Und was sagt Marx zu dieser Betrachtung des Götterboten? Er sagt nichts. Wer den »Gefesselten Prometheus« nicht kennt, muß
aus dem Bekenntnis schließen,
daß der zitierte Vers den Sinn der Tragödie zu-
sammenfaßt, nicht daß Aschylos den Götterhaß
als Wahnsinn darstellen wollte. An der Verkeh-
rung des Äschyleischen Sinns in sein Gegenteil
wird wieder das Phänomen des Frageverbotes in allen seinen Schichten deutlich: Von der Täuschung des Lesers durch die Isolierung des Zitates (das Bekenntnis findet sich in der Vorrede zu einer Doktordissertation) über das Wissen um den Schwindel (denn wir nehmen an, daß
Marx die 'Iragódie gelesen hat) bis zum dämonischen Beharren in der Revolte gegen das bessere Wissen. Die seelische Revolte gegen die Ordnung des Kosmos,
der Götterhaß,
der Titanenaufstand
sind
dem hellenischen Mythos nicht unbekannt — aber die Titanomachia endet mit dem Sieg der Jovischen Dike, und Prometheus wird gefesselt. Die revolutionäre Umkehrung des Symbols, die Ent48
thronung der Götter und der Sieg des Prometheus, liegt jenseits der klassischen Kultur; sie ist
das Werk der Gnosis. Erst in der gnostischen Re-
volte
der
römischen
Zeit
werden
Prometheus,
Kain, Eva und die Schlange zu den Symbolen der Befreiung des Menschen von der Herrschaft des tyrannischen Weltgottes. Das Marxische Bekenntnis wiederholt die Umdeutung des Prometheussymbols, die sich in einer Alchemistenschrift des dritten Jahrhunderts findet.
Im Traktat des Zosimos Über den Buchstaben ὦ
lesen wir: »Hermes und Zoroaster haben gesagt,
daß das Geschlecht der Philosophen über dem
Schicksal ist: sie erfreuen sich nicht am Glück, das
es gibt, denn sie beherrschen ihre Lust; noch wer-
den sie vom Übel getroffen, das es schickt, wenn
es wahr ist, daß sie auf das Ende aller ihrer Übel
hinblicken; noch nehmen sie die schönen Geschenke an, die von ihm kommen, denn sie verbringen
ihr Leben in der Immaterialität. - Darum auch stellt Hesiod Prometheus vor, wie er Epimetheus Ratschläge gibt: (Prometheus:) »Was ist in den Augen der Menschen das größte Glück? (Epimetheus:) »Eine schöne Frau und viel Geld.« Und er (Prometheus) erklärt: »Hüte dich, Ge-
schenke vom Olympischen weise sie weit von dir
Zeus
anzunehmen;
So lehrt er seinen Bruder, die Geschenke des Zeus, 49
d. ἢ. der Heimarméne, kraft der Philosophie zurückzuweisen.« ?? Der Text ist von besonderer Bedeutung für uns, weil er den Zusammenhang zwischen der Revolte gegen die Götter und der Proklamation der »Philosophie« als der neuen Ordnungsquelle und Autorität bestätigt. Nicht nur Prometheus wird zum Revolutionshelden — das Symbol der Philosophie erleidet die gleiche Verkehrung seines Sinnes. Denn die »Philosophie« des Zosimos ist nicht die Philosophie, die Platon begründet hat. Die Philosophen sind nicht im Sinne des Platonischen Mythos die Söhne des Zeus, die im Jenseits und Dies-
seits seiner
Führung folgen; noch sind sie die Prie-
ster und Helfer der Götter des Markus Aurelius;
ihr Bemühen geht nicht darum, die Menschen zur Ordnung des Zeus und der Dike zu bilden ; und Philosophieren ist nicht die Sokratische Praxis des Sterbens, damit der Mensch im Letzten Gericht
bestehe. Bei der »Philosophie« des Zosimos handeltes sich um etwas anderes, wenn auch der Text, soweit er zitiert wurde, nicht hinreichend erken-
nen läßt, worum. Sicher geht es um eine neue Askese, um den Versuch, sich aus der Welt und ihrer
Verstrickung herauszuhalten - das gnostische Motiv der Wirklichkeitsaufhebung. Die Wandlung der Pandora mit ihren Geschenken zur »schónen Frau und viel Geld« trägt Obertóne einer antibourgeoisen Kritik. Sicher geht es um einen Auf50
stand gegen die Vatergötter des klassischen Mythos, denn die Gleichsetzung der Geschenke des Zeus mit den Gaben der zur Zeit des Zosimos reichlich diskreditierten Heimarméne ist zweifellos herabsetzend gemeint. Sicher geht es um ein
opus der Erlósung des Menschen vom Übel der
Welt. Und sicher ist schließlich, daß die »Philo-
sophie« auf irgendeine Weise als Werkzeug der Erlösung und ihr Gebrauch als im Machtbereich des Menschen liegend bestimmt wird.?! Ob Marx diesen Text, unmittelbar oder durch Vermittlung, gekannt hat, wissen wir nicht — wahrscheinlich nicht; um so stärker würde die Par-
allele des symbolischen Ausdrucks die Gleichartigkeit der Haltungen und Motive in der antiken und modernen Gnosis bekräftigen.??
4
Wie steht es nun mit der neuen »Philosophie«? Wie hängt sie mit der prometheischen Revolte zusammen? und wie mit dem Frageverbot? Marx hat seine Idee von Wissenschaft und Philosophie an Hegel gebildet. Wenden wir uns an den größten der spekulativen Gnostiker um die Antwort auf diese Fragen. Hegel gibt die Antwort in einer grundsätzlichen Erklärung, in der » Vorrede« zur Phänomenologie 5I
von 1807: »Die wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existiert, kann allein das wissenschaft-
liche System derselben sein. Daran mitzuarbeiten, daß die Philosophie der Form der Wissenschaft näher
komme,
— dem
Ziele,
ihren Namen
der
Liebe zum Wissen ablegen zu können und wirkliches Wissen zu sein, -- ist es, was ich mir vorgesetzt.«?? In der angeführten Stelle sind die Ausdrücke »Liebe zum Wissen« und »wirkliches Wissen« von Hegel selbst unterstrichen. Übersetzen wir sie zurück ins Griechische, in » Philosophie« und »Gnosis«, dann haben wir das Programm vor uns, von der Philosophie zur Gnosis vorzuschreiten. In der programmatischen Formel Hegels sind die Verkehrungen der Symbole Wissenschaft und Philosophie impliziert. Unter Philosophie versteht Hegel ein Unternehmen
des Denkens,
das dem
wirklichen
Wissen
näherkommen und es schließlich erreichen kann. Das Philosophieren wird der Idee des Fortschritts im Sinne des achtzehnten Jahrhunderts
unter-
stellt. Erinnern wir uns, gegenüber dieser Fortschrittsidee der Philosophie, der Bemühungen Platons um die Klärung ihres Wesens. Im Phädros läßt er Sokrates die Züge des wahren Denkers zeichnen. Als Phädros dann fragt, wie man einen solchen Mann nennen solle, antwortet So-
krates in der Nachfolge Heraklits, daß der Titel sophos, der Wissende, zu hoch gegriffen sei — die52
ses Attribut komme
Gott allein zu -, aber man
dürfe ihn wohl philosophos nennen.?* Das »wirkliche Wissen« ist also Gott vorbehalten; der end-
liche Mensch kann nur der Liebende des Wissens
sein, nicht der Wissende selbst. Der Liebende des
Wissens, das nur dem wissenden Gott zusteht,
der philosophos, wird durch die Sinnverschränkungen der Stelle zum theophilos, zum Liebenden des Gottes. Wenn wir nun Hegels Idee des Philosophierens neben die Platonische halten, so müssen wir sagen, daß es zwar ein Fortschreiten in der Klarheit und Genauigkeit des Wissens von der Seinsordnung gibt, daß aber der Sprung aus den Schranken der Endlichkeit in die Vollkommenheit des wirklichen Wissens unmöglich ist. Wenn ein Denker ihn versucht, fórdert er nicht
die Philosophie, sondern verläßt sie und wird Gnostiker. Hegel verdeckt den Sprung dadurch, daf er Philosophie und Gnosis ins Deutsche übersetzt, um durch das Wortspiel mit dem Wissen von der einen in die andere zu gleiten. Es ist ein Wortspiel, verwandt in der Struktur mit dem Platonischen im Phädros. Aber das philosophische Wortspiel läßt den Gedanken aufleuchten, während das gnostische den Ungedanken verdecken muß. Der Punkt sei angemerkt, weil gerade die deutschen Gnostiker gerne mit Worten
spielen und durch das Spiel mit der Sprache den
Ungedanken verbergen.
53
In der Folge solcher Übergänge, die in der Tat
Sprünge sind, verkehren sich die Wortbedeutungen. Das gnostische Programm, das Hegel mit Erfolg durchführt, verbleibt unter dem Titel Philosophie; und das spekulative System, in dem der Gnostiker seinen Willen zur Beherrschung des Seins entfaltet, verbleibt unter dem Titel Wis-
senschaft.
Philosophie entspringt der Liebe zum Sein; sie ist das liebende Bemühen
des Menschen, die Ord-
nung des Seins zu erkennen und sich auf sie einzustimmen. Gnosis will Herrschaft über das Sein;
um sich des Seins zu bemächtigen, konstruiert der Gnostiker sein System. Das System ist eine gnostische Denkform, nicht eine philosophische. Der Denker kann sich des Seins jedoch nur dann durch das System bemächtigen, wenn das Sein wirklich in seinem Griff liegt. Solange der Ursprung des Seins jenseits des Welt-Seins liegt; solange ewiges Sein mit dem Werkzeug innerweltlicher, finiter Erkenntnis nicht vollständig durch-
drungen werden kann; solange über göttliches Sein nur in der Denkform der analogia entis gedacht werden kann, ist die Konstruktion einesSystems unmóglich. Um das Unternehmen überhaupt sinnvoll in Gang zu bringen, muß der Denker vor allem diese Stórungen ausschalten — er muß das Sein so auslegen, daß es grundsätzlich im 54
Griff der Konstruktion liegt. Lassen wir wieder Hegel zu der Frage sprechen: »Es kommt nach meiner Einsicht, welche sich nur durch die Dar-
stellung des Systems selbst rechtfertigen muß, al-
les darauf an, das Wahre nicht als Substanz, son-
dern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken.«?2° Wie bei einem mathematischen Problem werden die Bedingungen der Lösung formuliert. Wenn das Sein die Substanz und in einem das Subjekt ist, dann liegt die Wahrheit allerdings im Griff des zugreifenden Subjekts. Aber, so müssen wir fragen, sind das Subjekt und
die Substanz denn wirklich identisch? Hegel wird mit der Frage fertig, indem er die Wahrheit seiner Einsicht für erwiesen
erklärt, wenn
er sie
»durch die Darstellung des Systems rechtfertigen« kann. Wenn ich also ein System konstruie-
ren kann, dann ist damit die Wahrheit seiner Prä-
misse erwiesen; daf ich ein System auch auf Grund einer falschen Prämisse konstruieren kann, kommt
nicht in Frage. Das System rechtfertigt sich durch die Tatsache seiner Konstruktion; eine Instanz,
die das Konstruieren eines Systems als solches in Frage stellen könnte, wird nicht anerkannt. Daß die Wissenschaft Systemform habe, muß als fraglos vorausgesetzt werden. Wir stehen wieder vor dem Phänomen des Frageverbotes, wie bei Marx. Aber wir sehen jetzt klarer, daß zwischen dem Frageverbot und der Konstruktion des Systems 55
ein Wesenszusammenhang besteht. Wer das Sein ins System bringt, kann nicht Fragen zulassen, die das System als Denkform aufheben.?®
5
Der Wesenszusammenhang zwischen libido dominandi, System und Frageverbot ist, wenn auch keineswegs durchgearbeitet, so doch aus den Selbstzeugnissen der Gnostiker deutlich geworden. Kehren wir nun, zum letztenmal, zum Mar-
xischen Frageverbot zurück. Wir erinnern uns, daß Marx den Dialog mit seinem philosophischen Fragesteller auf unsokratische Weise durch einen Ukas abbricht. Aber wenn er sich auch weigert, auf die Argumente weiter einzugehen, so begründet er die Weigerung selbst doch sehr sorgfältig aus dem Systemdenken. Er weist den Fragesteller nicht einfach ab, sondern verweist ihn auf den Weg der Vernunft. Wenn der Mensch das Problem der arche aufwirft, er-
mahnt ihn Marx: »Frage dich, ob jener Progreß als solcher für ein vernünftiges Denken existiert!«?7 Der Mensch
soll zur Vernunft kommen,
dann
wird er sein Fragen aufgeben. Die Vernunft aber ist für Marx, wieder in der Verkehrung der Symbole, nicht die Vernunft des Menschen, sondern
der Standpunkt des Systems. Der Mensch soll 56
aufhören, Mensch zu sein, er soll sozialistischer
Mensch werden. Marx setzt also seine Konstruktion des Seinsprozesses, der auch den Geschichtsprozeß umschließt, als wirklich. Er überträgt die historische Entwicklung des Menschen zum sozialistischen Menschen, die zum Inhalt seiner Kon-
struktion gehört, aus dem System in die Wirklichkeit der Sozialbeziehung; er fordert den Menschen auf, in sein System einzutreten und die im System konstruierte Entwicklung zu vollziehen. Im Konflikt zwischen System und Wirklichkeit hat die Wirklichkeit dem System zu weichen. Der intellektuelle Schwindel wird gerechtfertigt durch den Machtanspruch der geschichtlichen Zukunft, die der gnostische Denker in seinem System spekulativ entworfen hat. Die Entscheidung des gnostischen Denkers leitet ihre Autorität von der Macht des Seins ab. Er ist der Fürsprecher des Seins, das er auslegt als aus der Zukunft auf uns zukommend. In der Spekulation von Marx und Nietzsche ist diese Auslegung des Seins zwar schon lebendig, aber noch nicht bis in ihre Konsequenz durchgearbeitet. Erst der geniale Gnostiker unserer Zeit, Heidegger, hat das Problem unter dem Titel der Fundamentalontologie durchdacht. Die folgenden Stellen zur Seinsspekulation sind seiner Einführung in die Metaphysik entnommen.
In der Spekulation Heideggers wird das Sein, ge-
57
stützt auf die griechische Grundbedeutung von parousia, als An-wesen ausgelegt.?? Das Sein ist nicht statisch als Substanz zu verstehen, sondern
aktiv als Anwesen im Sinne eines Herankommens zur Präsenz, als ein Auftreten oder Erschei-
nen — etwa wie ein Herrscher erscheint oder anwesend ist. Das Wesen des Seins als actio ist ein Walten, in dem das Sein sich eine Welt schafft;
und es schafft sich die Welt durch den Menschen.??
Der Mensch ist geschichtlich zu verstehen als ein Dasein,
das sich dem
Walten
des Seins öffnen,
aber auch verschließen kann. Im geschichtlichen
Prozeß kann es darum Zeiten des Abfalls vom
wesenhaften Sein in das Unwesen geben, aus denen das Dasein nur zurückfindet, wenn es sich der
Parusie des Seins wieder öffnet. In der Anwen-
dung dieser Möglichkeiten auf die Zeitgeschichte stellt Heidegger fest, ebenso wie Marx oder Nietzsche in ihrer gröberen Form, daß wir heute in der westlichen Welt in einer Zeit des Unwesens le-
ben. Die Zukunft des Abendlandes hänge davon
ab, daß wir uns der Wesensmacht des Seins wie-
der erschließen. Schwer von Schicksal fallen die
Formeln: »Es gilt, das geschichtliche Dasein des Menschen ... im Ganzen der uns bestimmten Ge-
schichte in die Macht des ursprünglich zu eröffnenden Seins zurückzuführen«; oder: das mitdem
Wort »Sein« Genannte birgt »das geistige Schicksal des Abendlandes«.9? 58
Die Spekulation Heideggers hat ihre bedeutsame Stellung in der Geschichte der westlichen Gnosis. Die Konstruktion des in sich geschlossenen Seinsprozesses; die Verschließung des immanenten Seins gegen das welt-jenseitige; die Weigerung, die von den hellenischen Philosophen beschriebenen und benannten Erlebnisse der philia, des eros,
der pistis und der elpis als die ontischen Ereig-
nisse anzuerkennen,
in denen die Seele an tran-
szendentem Sein teilhat und sich von ihm ordnen läßt; in einem damit die Weigerung, sie als die Ereignisse anzuerkennen, in denen das Philoso-
phieren, rm besondern das Platonische, seinen Ur-
sprung hat; und schließlich die Weigerung, durch diese Ereignisse den Sinn der Konstruktion des geschlossenen Seinsprozesses in Frage stellen zu lassen — das alles war in verschiedenen Klarheitsgraden schonbei den spekulativen Gnostikern des neunzehnten
Jahrhunderts
vorhanden.
Aber
Heidegger hat diesen Komplex auf sein Wesensgefüge reduziert und ihn von den zeitgebundenen Zukunftsbildern gereinigt. Verschwunden sind die skurrilen Bilder vom positivistischen,
vom sozialistischen und vom Über-Menschen. An
ihre Stelle kann Heidegger das von allem Inhalt entleerte Sein selbst setzen, in dessen auf uns zu-
kommende Macht wir uns zu fügen haben. Durch den Reinigungsprozeß ist das Wesen der gnosti-
schen Spekulation geklärt worden als der symbo-
59
lische Ausdruck einer Heilserwartung, in der die Seinsmacht an die Stelle der Gottesmacht tritt, und die Parusie des Seins an die Stelle der Paru-
sie Christi. 6
Die Analyse ist abgeschlossen. Es bleibt noch die Aufgabe, das Ergebnis durch Begriff und Namen festzulegen. Zu diesem Zweck übernehme ich von Heideggers Auslegung des Seins den Ausdruck »Parousie« und spreche von Parusismus als der Geisteshal-
tung, in der die Erlösung vom Übel der Zeit durch
die Ankunft,
den
Advent
des immanent
verstandenen Seins in seiner Fülle zu erwarten ist. Wir können
dann von den Männern,
die ihren
Parusismus in spekulativen Systemen ausdrükken, als parusitischen Denkern sprechen; von ihren Gedankengebäuden als parusitischen Spekulationen; von den Bewegungen, die sich an einige dieser Denker anschließen, als parusitischen Massenbewegungen; und von dem Zeitalter, in dem
diese Bewegungen sozial und politisch vorherrschen, als dem parusitischen Zeitalter. Wir gewinnen damit die Ausdrücke zur Bezeichnung einer Phase der westlichen Gnosis, für die uns
bisher der Begriff gefehlt hat. Durch ihre begriffliche Erfassung als parusitische wird es ferner 60
möglich, sie genauer als bisher von der ihr vorangehenden chiliastischen Phase des Mittelalters und der Renaissance zu unterscheiden, in der die gnostischen Bewegungen sich in den Denkformen der jüdisch-christlichen Apokalypse ausdrückten.?! Die große Geschichte der nachantiken, westlichen Gnosis wird damit in ihrem Zusammenhang sichtbar als die Geschichte der westlichen Sektiererbewegung. Im Mittelalter konnte die Bewegung noch unter der Revolutionsschwelle gehalten werden; heute ist sie, zwar nicht Seinsmacht, aber Weltmacht geworden. Diese Welt und den Zauber ihrer Macht wieder aufzulösen — jeder von uns in sich selbst —, das ist die große Aufgabe, an der wir alle zu arbeiten haben. Bei der Austreibung der Dämonen kann die Politische Wissenschaft helfen — in dem bescheidenen Maß von Wirksamkeit, das unsere
Gesellschaft der episteme und ihrer Therapie zugesteht.
DER
GOTTESMORD
Die Analyse der parusitischen Doxa ging von den Marxischen Texten aus, die das Frageverbot betreffen. Die Stellen wurden der Untersuchung zugrunde gelegt, weil sie in seltener Konzentration die Motive, die Symbole und die Denkformen der gnostischen Massenbewegungen unserer Zeit sichtbar werden lassen. Es dürfte schwer sein, ein zweites Dokument der modernen Gno-
sis zu finden, das an Kraft und Durchsichtigkeit der Sprache, an intellektueller Energie und genialer Entschlossenheit dem Manuskript des jungen Marx vergleichbar wäre. Die Wahl hat jedoch den Nachteil, daß eines der großen Motive der Spekulation nicht mit der Deutlichkeit hervortritt, die seiner tatsächlichen Stärke angemessen ist. Ich spreche von dem Motiv des Gottesmordes. In der parusitischen Gnosis geht es darum, die als unvollkommen und ungerecht erfahrene Seinsordnung zu zerstören und durch eine vollkommene und gerechte Ordnung aus menschlicher Schöpferkraft zu ersetzen. Wie immer nun die Seinsordnung ausgelegt wird — als eine von kos-
misch-góttlichen Kräften durchwaltete Welt in den Zivilisationen des Nahen und Fernen Ostens;
oder als die Schópfung eines welt-transzendenten Gottes in der jüdisch-christlichen Symbolik; oder als eine wesenhafte Ordnung des Seins in der phi-
losophischen Kontemplation -, so ist sie dem
65
Menschen vorgegeben und liegt nicht in seiner Verfügungsgewalt. Der Versuch, eine neue Welt zu schaffen, setzt also, wenn er sinnvoll unter-
nommen werden soll, voraus, daß der Charakter
der Seinsordnung als vorgegebener ausgelöscht, daß sie als wesensmäßig in der Verfügungsgewalt des Menschen stehend ausgelegt wird. Und die
Übernahme des Seins in die Verfügungsgewalt
des Menschen wieder erfordert, daß der transzen-
dente Ursprung des Seins ausgelöscht wird - sie erfordert die Dekapitation des Seins, den Gottesmord. Der Gottesmord wird spekulativ begangen durch die Auslegung göttlichen Seins als Menschenwerk. Lassen wir Nietzsches Zarathustra zu der Frage sprechen: » Ach, ihr Brüder, dieser Gott, den ich schuf, war Menschen-Werk und -Wahnsinn, gleich allen Góttern!«?? Die Schöpfung von Göttern solle der Mensch unterlassen, weil er dadurch sei-
nem Wollen und Handeln sinnwidrige Schranken
setze; und die Götter, die er schon geschaffen hat,
solle er zum Bewußtsein bringen als von ihm geschaffene. »Dies bedeute euch Wille zur Wahrheit, daß Alles verwandelt werde in MenschenDenkbares, Menschen-Sichtbares, Menschen-
Fühlbares.« Die Forderung erstreckt sich auch auf die Welt, die vordem als Gott-geschaffene ver-
standen wurde: »Was ihr Welt nanntet, das soll
erst von euch geschaffen werden: eure Vernunft, 66
euer Bild, euer Wille, eure Liebe soll es selber
werden!«°° »Gott ist eine Mutmaßung« — aber die Mutmaßungen des Menschen sollten nicht weiter reichen als sein schaffender Wille,?* und sie
sollten sich begrenzen »in der Denkbarkeit«. Es dürfe kein Sein und kein Seinsbild geben, das Wollen und Denken des Menschen als endlich erscheinen lasse. »Weder ins Unbegreifliche dürftet ihr eingeboren sein, noch ins Unvernünftige.« Um als unbeschränkter Herrscher des Seins zu erscheinen, muß der Mensch das Sein so einschränken, daß die Schranken nicht mehr sichtbar sind.
Und warum muß dieses Zauberspiel aufgeführt werden? Die Antwort: » Wenn es Götter gäbe, wie hielte ich’s aus, kein Gott zu sein! Also gibt es keine Götter.«® Es genügt also nicht, die alte Gotteswelt durch eine neue Menschenwelt zu ersetzen: schon die Gotteswelt muß Menschenwelt gewesen sein und Gott ein Menschenwerk, das auch wieder zerstört werden kann, wenn es den Menschen hindert, der
Herr der Seinsordnung zu sein. Der Gottesmord muß spekulativ rückwirkend gemacht werden. Darum istin der Marxischen Gnosis der Kardinalpunkt das »Durchsichselbstsein« des Menschen; und seine spekulative Stütze findet er in der Auslegung der Natur und Geschichte als des Prozes-
ses, in dem der Mensch sich selbst zu seiner vol-
len Statur schafft. Der Gottesmord gehört we-
67
sensnotwendig zur gnostischen der Seinsordnung.
Neuschöpfung
Der Gottesmord ist, ebenso wie der prometheische Götterhaß, eine generelle Möglichkeit menschlichen Verhaltens zu Gott. Er ist nicht an die parusitische Spekulation gebunden. Um das Phänomen
zu klären, werde ich es daher zuerst
in der verhältnismäßig einfachen Form beschreiben, in der es in der Kabbala auftritt, in den Go-
lemlegenden des zwölften und frühen dreizehnten Jahrhunderts. Die Legenden wurden vor einigen Jahren durch Gerschom Scholem in seiner Studie über Die Vorstellung vom Golem in ihren tellurischen und magischen Beziehungen zugänglich gemacht.* Im Kommentar des Pseudo-Saadia zum Buch Jezirah, vom Ende des zwölften Jahrhunderts, ist
die Golemlegende in folgender Form enthalten:
»So heißt es im Midrasch, daß Jeremia und Ben Sira einen Menschen durch das Buch Jezirah schufen, und auf seiner Stirn stand emeth, wie
der Name, den Er über das Geschópf als Vollendung seines 'Tuns gesprochen hatte. Aber jener Mensch radierte das alepb aus, um damit zu sagen, Gott allein ist die Wahrheit, und er mußte
sterben. «°? Das hebráische Wort
emeth
bedeutet
»Wahr-
heit«; wenn der erste der drei Konsonanten (im 68
Hebräischen emeth durch die das Wort übrig; meth fen den
wird der Anfangslaut des Wortes einen Konsonanten wiedergegeben), bilden, gestrichen wird, bleibt 7,241} bedeutet »tot«. Die Adepten schaf-
Menschen
»durch
das Buch
Jezirah«,
d. h. durch eine magische Operation mit den Buchstaben des hebräischen Alphabets. Es ist eine Operation von grundsätzlich der gleichen Art wie die Marxische Schöpfung des »sozialistischen Menschen« mit Hilfe der gnostischen Spekulation. Durch die Golemlegende nun fällt neues Licht auf deren Aktcharakter. Von der Wirklichkeit der Seinsordnung her, in der wir leben, mußte das Frageverbot als ein Versuch charakterisiert werden, den »intellektuellen Schwindel« der Spekulation gegen Auflösung durch die Vernunft zu decken; vom Standpunkt des Adepten Marx war der Schwindel die » Wahrheit«, die er durch seine
Spekulation schuf, und das Frageverbot hatte den Zweck, die Wahrheit des Systems gegen die Unvernunft des Menschen zu schützen. Die merkwürdige Spannung zwischen erster und zweiter Realität, erster und zweiter Wahrheit, auf deren
pneumopathischen Charakter wir hingewiesen haben, enthüllt sich nun als die Spannung zwischen Gottesordnung und Magie. Diese Spannung, die durch den Machtwillen der Magie entsteht, kann jedoch auch wieder aufgehoben werden. Denn was tut der Golem, der das Siegel der Wahrheit 69
auf der Stirn trägt, wie der Adam, der Mensch, den Gott geschaffen hat? Er radiert das aleph aus, um die Adepten zu warnen, daß die Wahrheit Gottes sei; die zweite Wahrheit ist der Tod.
Der Golem stirbt. Die Implikationen der Spannung und ihre Auflösung werden genauer ausgelegt in einer zweiten Fassung der Golemlegende. Sie findet sich in einem kabbalistischen 'Text, dem Juda ben Ba-
thyra zugeschrieben, aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts. Im ersten Teil sagt die Legende: »Der Prophet Jeremia beschäftigte sich allein mit
dem
Buch
Jezirah.
Da
erging
eine
himmlische Stimme und sprach: Erwirb dir einen Genossen. Er ging zu seinem Sohn Sira, und sie studierten das Buch drei Jahre lang. Danach gingen sie daran, die Alphabete nach den kabbalistischen Prinzipien der Kombination, Zusammenfassung und Wortbildung zu kombinieren, und es wurde ihnen ein Mensch geschaffen, auf dessen Stirne stand: JIHWH Elohim Emeth. Es war aber ein Messer in der Hand jenes neuerschaffenen Menschen, mit dem er das aleph von emeth auslöschte; da blieb meth. Da zerriß Jeremia seine
Kleider und sagte: Warum löschst du das aleph von emeth aus? «*? Sinngehalte der magischen Schöpfung, die in der ersten Legende nur impliziert waren, werden jetzt verdeutlicht. Der zweite Golem trägt auf 70
seiner Stirn das Siegel: Gott ist die Wahrheit. Durch das Auslöschen des aleph wird es zur Verkündigung: Gott ist tot. Nach dieser Handlung aber stirbt der zweite Golem nicht wie sein Vorgänger. Er steht da, in der Hand das Messer, mit
dem er den Mord begangen hat. Er lebt und trägt das neue Siegel auf der Stirn.
Jeremia zerreißt seine Kleider: in der rituellen
Geste des Entsetzens über die Blasphemie. Er fragt sein Geschöpf nach dem Sinn des 'Tuns und erhält die Antwort: »Ich will dir ein Gleichnis erzählen. Ein Architekt baute viele Häuser, Städte und Plätze, aber niemand konnte ihm seine Kunst abmerken und es
mit seinem Wissen
und
seiner Handfertigkeit
aufnehmen, bis ihn zwei Leute überredeten. Da
lehrte er sie das Geheimnis seiner Kunst, und sie
wußten nun alles auf die richtige Weise. Als sie sein Geheimnis und seine Fähigkeiten erlernt hatten, begannen sie ihn mit Worten zu ärgern, bis sie sich von ihm trennten und Architekten wie er wurden, nur daß sie alles, wofür er einen Taler nahm, für sechs Groschen machten. Als die Leute das merkten, hörten sie auf, den Künstler zu ehren, und kamen zu ihnen und ehrten sie und
gaben ihnen Aufträge, wenn sie einen Bau brauch-
ten. So hat euch Gott in seinem Bilde und seiner
Gestalt und Form geschaffen. Nun aber, wo ihr, wie Er, einen Menschen
erschaffen habt, wird 71
man sagen: Es ist kein Gott in der Welt außer diesen beiden!«?? Gerschom Scholem deutet die Legende: Eine gelungene Golemschópfung würde den » Tod Gottes« einleiten; die Hybris des Schópfers würde sich gegen Gott kehren. Der Adept Jeremia ist der gleichen Ansicht, und darum fragt er den Golem nach dem Ausweg aus der entsetzlichen Situation. Er empfängt von ihm das Rezept zur Zerstörung der magischen Kreatur, wendet es an, »und jener Mensch wurde vor ihren Augen zu Staub und Asche«. Jeremia fragt — und wenn er die Antwort bekommt, die ihn bewegen soll, sein Werk zu zerstóren, verbietet er nicht das
Fragen, sondern zerstórt sein Werk. Die Legende schließt mit einem Wort des Jeremia: » Wahrlich, man sollte diese Dinge nur studieren, um die Kraft und Allmacht des Schópfers dieser Welt zu erkennen, aber nicht, um sie wirk-
lich zu vollziehen. «^?
Der Gottesmord bei den parusitischen Gnostikern ist ein bekanntes und gut durchgearbeitetes Phänomen. Aber manches, das unter den Titeln »Dia-
lektik des Bewußtseins«, »Standpunkt der Immanenz«, »Wille zur reinen Diesseitigkeit« usw.
wohl verstanden ist, hórt sich anders an mit der
Golemlegende im Ohr. Wieder ist, in diesem Zu-
sammenhang, 72
nur
eine
exemplarische
Analyse
möglich; als doxisches Material möge ein Aphorismus von Nietzsche dienen, derberühmte Aphorismus 125 aus der Fröhlichen
Wissenschaft. Er
führt den Titel: »Der tolle Mensch«.*! Nietzsche hat den Aphorismus sorgfältig konstruiert, um die geistige Bewegung des Gottesmordes darzustellen. Ich gehe die Phasen der Bewegung durch. Der »tolle Mensch« läuft am hellen Vormittag mit der Laterne auf den Markt und schreit: »Ich suche Gott! Ich suche Gott!« Nietzsche beginnt mit einer Wandlung der Diogenes-Symbolik: der Philosoph, der den Menschen sucht, ist der tolle
Mensch geworden, der Gott sucht. Der Sinn der Wandlung ist nicht unmittelbar klar. Der philosophische Sucher mag auf dem Markt wohl Menschen finden; aber ist der Markt der Ort, an dem Gott zu finden ist? Wenn wir annehmen, daß Nietzsche sinnvoll konstruiert hat, müssen wir
fragen, ob der tolle Mensch denn wirklich Gott
suche; und wir werden aufmerksam auf den hin-
tergründigen Sinn der Symbolwandlung, der sich in der weiteren Bewegung des Aphorismus ent-
hüllt.
Auf dem Markt findet der Sucher, was man eben
auf dem Markt findet: Menschen. Aber sie sind
eine
besondere
Art,
diese
Menschen,
»welche
nicht an Gott glaubten«. Sie begegnen seiner Suche mit Lachen und Spott: »Ist er denn verloren gegangen«, fragen sie, »oder hält er sich ver73
steckt? Fürchtet er sich vor uns? Ist er zu Schiff
gegangen? ausgewandert?« Den Ungläubigen ruft der tolle Mensch zu: »Wohin ist Gott? ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet - ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder.« Und wie war eine solche Tat möglich? » Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? ... Was
taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne los-
ketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen! ... Irren
wir nicht wie
durch
ein unendliches
Nichts?«
Aber die Tàt ist getan. Der Gottesmord ist nicht rückgängig zu machen: »Gott ist tot! Gott bleibt
tot!«
Mit diesem Ausruf geht die Bewegung des Aphorismus über die Golemlegende hinaus. Der Gottesmord ist als solcher verstanden — aber der Mórder steht zu seiner Tat. Die neue Kreatur, die den
Mord vollzogen hat, erkennt in dem Akt nicht ihren eigenen Tod. Der Golem lebt. »Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unseren Messern verblutet.« lem steht da, mit dem Messer in der weiteren Taten bereit. Und was sucht er mit dem Messer? Den schon verblutet ist? Nein — er sucht »Wie
trösten
wir
uns,
die Mörder
Der GoHand, zu Gott, der »'Irost«:
aller Mör-
der?... Mit welchem Wasser kónnten wir uns
reinigen? ... Ist nicht die Größe dieser Tat zu 74
groß für uns?« Nietzsche wiederholt die Situation des Fragens in der Golemlegende -- aber die Weisung des Golem, den magischen Gottesmord wieder rückgängig zumachen, ist schon abgelehnt. Der »tolle Mensch« geht nicht rückwärts, sondern vorwärts: Wenn die Tat zu groß ist für den Menschen, muß der Mensch sich über sich selbst
erheben zur Größe der Tat. »Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Es gab nie eine größere Tat — und wer nur immer nach uns geboren wird, gehört
um dieser 'Iat willen in eine höhere Geschichte,
als alle Geschichte bisher war!« Wer Gott mordet, wird selbst zum Gott — die Warnung der Gleichnisrede in der zweiten Golemlegende. Die Gleichnisrede ist Warnung (und wird von den Adepten der Legende als solche verstanden), weil der Mensch nicht Gott werden kann. Wenn er es versucht, im Akt derSelbstvergótzung, dann wird er zum Dämon in Verschlossenheit gegen Gott. Nietzsche aber will eben diesen Weg weitergehen. Als der »tolle Mensch« seine Rede beendet hat, schweigen seine Zuhörer, die Ungläubigen, und blicken ihn befremdet an. Da wirft er seine Laterne zu Boden und spricht: »Ich komme zu früh, ich bin noch nicht an der Zeit. Dies un-
geheure Ereignis ist noch unterwegs und wan-
dert... Taten brauchen Zeit, auch nachdem sie
getan sind, um gesehen und gehört zu werden.
75
Diese Tat ist ihnen noch immer ferner als die fernsten Gestirne — und docb baben sie dieselbe getan!« Der hintergründige Sinn der Diogenes-Symbolik wird sichtbar. Der neue Diogenes sucht Gott-aber nicht den Gott, der tot ist, sondern den neuen Gott in den Menschen, die den alten ermordet haben —
er sucht den Übermenschen. Der »tolle Mensch«
sucht also den Menschen — aber nicht den Menschen des Philosophen, sondern das Wesen, das
der Magie des Gottesmordes entspringt. Diese
Symbolik mußten wir klarstellen. Denn in den gewissenhaften Bemühungen um die »philosophischen« Intentionen Nietzsches wird allzu oft vergessen, daß der Interpret eines magischen opus nicht auf die Magie hereinfallen darf -- um es
deutlich zu sagen. Es genügt nicht, das Über-
menschensymbol auf Grund der Texte zu untersuchen und seinen Sinn festzustellen, wie er von
Nietzsche, d. h. im Kontext der Magie, intendiert war: es muß auch festgestellt werden, was in der Seinsordnung wirklich vorgeht, wenn Magie getrieben wird. Ein Ding kann seine Natur nicht verändern;
wer
versucht,
seine Natur
zu
Ȋn-
dern«, zerstört das Ding. Der Mensch kann sich nicht zum Übermenschen wandeln; der Versuch, den Übermenschen zu schaffen, ist der Versuch,
den Menschen zu ermorden. Auf den Gottesmord folgt im geschichtlichen Prozeß nicht der 76
Übermensch, sondern der Menschenmord - auf
das deicidium der gnostischen "Theoretiker das homicidium der revolutionären Praktiker.
Das Dokument des Übergangs zur revolutionä-
ren Praxis sind die Sätze, mit denen Marx seine
Kritik
der Hegelschen
Rechtsphilosophie
von
1843 eröffnet. Das Argument wird so klar hin-
gesetzt, daß es kaum einen Kommentar erfordert. Wie bei Nietzsche ist der Gottesmord die Voraussetzung für das magische opus. »Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik.« Gott war nie etwas anderes als Menschenwerk. Die Kritik bringt diese Enthüllung und stellt dadurch die Vollnatur des Menschen wieder her. »Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erwor-
ben oder schon wieder verloren hat.« Ist dies Verhältnis
einmal
durchschaut,
dann
wird
die
Wirklichkeit des Menschen wieder sichtbar. »Der Mensch, der in der phantastischen Wirklichkeit
des Himmels, wo er einen Übermenschen suchte,
nur den Widerschein seiner selbst gefunden hat, wird nicht mehr geneigt sein, nur den Schein seiner selbst, nur den Unmenschen zu finden, wo 77
er seine wahre Wirklichkeit sucht und suchen muß.«*
Marx steht mit diesen Überlegungen Nietzsche sehr viel näher, als der Gebrauch des Symbols
»Übermensch« zur Bezeichnung Gottes aufs erste
Lesen hin vermuten läßt. Denn Gott existiert ja nicht.
»Gott«
ist, im Sinne
der Feuerbachschen
Religionspsychologie, die Projektion des Besten
im Menschen in eine Überwelt. Aber wenn auch
die Projektion in die Überwelt illusionär ist, so ist darum nicht der Inhalt der Projektion eine Illusion. Das Beste im Menschen ist real; es muß -
und damit geht Marx über die Projektionspsy-
chologie, welche die Religion als Illusion enthüllt,
hinaus -- in den Menschen zurückgeholt werden. Der Marxische homo novus ist nicht ein Mensch ohne religiöse Illusionen, sondern der Mensch, der ontisch Gott wieder in sich aufgenommen
hat. Der »Unmensch«, der Illusionen hat, wird zum Vollmenschen dadurch, daß er den »Über-
menschen« absorbiert. Der neue Mensch ist also in der Tat, wie Nietzsches Übermensch, Mensch, der sich selbst zum Gott macht.
der
die Forderung,
der
Wenn durch die Kritik der Religion der Mensch Gott wieder in sich aufgenommen hat und damit in den Vollbesitz seiner Kräfte getreten ist, beginnt die Kritik der Politik. »Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist 78
einen Zustand aufzugeben,
der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen
Heiligenschein die Religion ist.« »Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.«** Denn der wirkliche Mensch, »das ist die Welt des Menschen,
Staat, Sozietät«.** Nur
wenn
ist, produziert
die Welt
verkehrt
sie das
verkehrte Weltbewuftsein der Religion. »Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur,
das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist
geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.« Es ist darum die Aufgabe der Geschichte, »nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden
ist, die
Wahrheit
des Diesseits
zu etablie-
ren«.55 »Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Reli-
gion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik.«*®
Die verwandelte Kritik ist nicht mehr Theorie,
sondern Praxis. »Ihr Gegenstand ist ihr Feind, den sie nicht widerlegen, sondern vernichten will... Sie gibt sich nicht mehr als Selbstzweck, sondern nur noch als Mittel. Ihr wesentliches Pathos ist die Indignation, ihre wesentliche Arbeit ist die Denunziation.«* Hier spricht der Mordwille des gnostischen Magiers. Das Realitätsband ist zerrissen; der Nebenmensch ist nicht mehr Partner im Sein; die Kri79
tik ist nicht mehr Argument. Das Urteil ist gesprochen; es folgt die Exekution. Die kritischen Proklamationen von Marx verweisen auf Hegel zurück. Bedenken wir noch einmal die Phänomenologie, dieses magnum opus des Gottesmordes. Wir können es nicht mehr als reflektierend bedenken. Ein Durchdenken und Durchanalysieren ist in diesem Falle unmöglich, denn es ist ein streng konstruiertes System von fünfhundert Seiten Umfang. Der erste Satz setzt den Gegenstand der Spekulation und seine Schranken: »Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar unser Ge-
genstand ist, kann kein anderes sein als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen, Wissen des
Unmittelbaren oder Seienden ist.«*? Die Beschränkung der Seinsordnung wird darüber hinaus explizit gemacht: »Ich, dieser, bin dieser Sache nicht darum gewiß, weil Ich als Bewußtsein hiebei mich entwickelte und mannigfaltig den Gedanken be-
wegte. Auch nicht darum, weil die Sache, deren
ich gewiß bin, nach einer Menge unterschiedener Beschaffenheiten, eine reiche Beziehung an ihr selbst oder ein vielfaches Verhalten zu anderen wäre. Beides geht die Wahrheit der sinnlichen Gewißheit nichts an.« ** Der Charakter der Seinsordnung als vorgegebener, wie der Stellung des Menschen in ihr, wird ausgelöscht; das Sein von 80
Ich und Welt wird beschränkt auf das Wissen des Unmittelbaren oder Seienden; die Fragen des Kontextes der Seinsordnung, in dem dieses Wissen sich ereignet, werden als irrelevant erklärt; das Frageverbot wird formell zum Prinzip der Spekulation gemacht. Von diesem Anfang her wird der Inhalt der Seinsordnung, der dem Phi-
losophen vorgegeben ist, systematisch als die Reihe der Bewußtseinsphasen konstruiert, die sich in dialektischer Entfaltung aus dem Initialbewußtsein der sinnlichen Gewißheit ergeben. In ihrer Sprache ist die Phänomenologie philosophisch; in ihrer Substanz und Intention ist sie radikal anti-philosophisch. Sie muß als Werk der Magie erkannt, und als eines ihrer großen Werke anerkannt werden. Aus diesem Meisterwerk strengster, magischer Spekulation kann nichts herausgebrochen werden, ohne den Sinn des Ganzen zu zerstören. Ich
kann daher nur auf einige Stellen hinweisen, an denen der Gottesmord, der der Zweck des Un-
ternehmens ist, thematisch wird. Der Haupttext knüpft an den Tod Christi an: »Der Tod des Mittlers ist Tod nicht nur der natürlichen Seite desselben..., es stirbt nicht nur die vom Wesen abgezogene schon tote Hülle, sondern auch die Abstraktion des göttlichen Wesens... Der Tod dieser Vorstellung enthält also zugleich den Tod der Abstraktion des göttlichen Wesens, das nicht als 81
Selbst gesetzt ist. Er ist das schmerzliche Gefühl des unglücklichen Bewußtseins, daß Gott selbst gestorben ist.« Was sich hier als Aussage gibt, ist jedoch mehr als die einfache Feststellung eines Sachverhaltes. Denn Gott ist gestorben, weil er nicht mehr als eine Phase des Bewußtseins war,
die jetzt überholt ist; und sie ist überholt, weil das Bewußtsein in seiner dialektischen Aktion über sie hinausgegangen ist. Der Tod Gottes ist nicht ein Ereignis, sondern die Tat des Dialektikers. Der »harte Ausdruck«, daß Gott gestorben sei, bezeichnet
»die Rückkehr
des Bewußtseins
in die Tiefe der Nacht des Ich = Ich, die nichts
außer ihr mehr unterscheidet und weiß ... Dies Wissen also ist die Begeistung, wodurch die Substanz Subjekt, ihre Abstraktion und Leblosigkeit gestorben, sie also wirklich und einfaches und allgemeines Selbstbewußtsein geworden ist.« 9 Was auf derStufe der »Religion« noch Vorstellung von einem andern war, ist hier zum eignen »' Tun des Selbst« geworden. Diese letzte Gestalt des Geistes ist das absolute Wissen.*! Die Religion spricht zwar früher in der Zeit als die Wissenschaft es aus, was der Geist 1st; »aber diese ist allein sein
wahres Wissen von ihm selbst«.5?* Wenn der Geist dem Bewußtsein im Elemente des Begriffs erscheint, oder vielmehr vom Bewußtsein in diesem
Element hervorgebracht wird, dann ist er »die Wissenschaft«.5 Der Geist, der weiß, was er ist, 82
existiert erst, wenn er die Arbeit vollendet hat, »sich für sein Bewußtsein die Gestalt seines Wesens zu verschaffen, und auf diese Weise sein Selbstbewußtsein mit seinem Bewußtsein auszu-
gleichen«.5* Oder, einfacher und gerade herausgesagt: der Geist als System erfordert den Gottesmord; und umgekehrt: um den Gottesmord zu begehen, wird das System geschaffen. Die Phänomenologie endet mit einer Betrachtung über die Geschichte als die Zeit, in der der Geist
zu seinem Selbstbewußtsein kommt. »Dies Werden stellt eine träge Bewegung und Aufeinanderfolge von Geistern dar, eine Galerie von Bildern, deren jedes mit dem vollständigen Reichtume des Geistes ausgestattet, ebendarum sich so träge bewegt, weil das Selbst diesen ganzen Reichtum seiner Substanz zu durchdringen und zu verdauen hat.« 55 Ein Geisterreich entfaltet sich im zeitlichen Dasein der Geschichte, in dem jeder Geist das Reich der Welt vom vorangehenden übernimmt, bis die ganze entfaltete Geschichte zur »Er-Innerung« in der Endphase des Selbstbewußtseins geworden ist. Das Ziel, das absolute Wissen, wird
erreicht durch »die Erinnerung der Geister, wie sie an ihnen selbst sind und die Organisation ihres Reiches vollbringen«. Die Bewahrung dieser Geisterfolge nach der Zeitlichkeit ihres Daseins ist die Geschichte; ihre Bewahrung als begriffene Or83
ganisation ist die Wissenschaft des erscheinenden Wissens. Beide zusammen, als die begriffene Geschichte, »bilden die Erinnerung und die Schädel-
stätte des absoluten Geistes, die Wirklichkeit, Wahrheit und Gewißheit seines Thrones, ohne den er das leblose Einsame wäre: nur —
aus dem Kelche dieses Geisterreiches schäumt ihm seine Unendlichkeit«.59
Bei Gelegenheit der Analyse von Nietzsches Aphorismus bemerkten wir, daß der Interpret eines magischen opus nicht auf die Magie hereinfallen darf. 'Ireten wir darum aus dem opus heraus und zurück auf den Boden der Wirklichkeit. Fragen wir uns, was in der Seinsordnung vorgeht, wenn
Hegel auf der Schädelstätte des Geistes sein Werk abschließt. Wenn
wir versuchen, seine Zusam-
menfassung unsererseits zusammenzufassen, dann müssen wir sagen: Auf dem Grab des gemordeten Gottes begeht der Golem ein schauriges Ritual: eine Art Triumphtanz mit Gesang. Das Ziel ist erreicht. Die »Offenbarung der Tiefe« ist gelungen; aber die Tiefe ist nichts als »der absolute Begriff«; und »diese Offenbarung« ist darum das Aufheben der Tiefe. Eine andere Offenbarung aber gibt es nicht. Und dann ertónt der Gesang: aus dem Kelche dieses Geisterreiches scháumt ihm seine Unendlichkeit.
84
Diese letzten Zeilen des Werkes, die zwei als Verse
gesetzten Nicht-Verse, wandeln den Schluß von Schillers Lied an »Die Freundschaft«
ab:
Fand das höchste Wesen schon kein Gleiches,
Aus dem Kelch des ganzen Seelenreiches Schäumt ihm - die Unendlichkeit.
Das ist der abschließende Akt gnostischer Zerstörung der Realität. Für das Schicksal der Seinsordnung, wenn sie den Magiern in die Hände fällt,
hat Hegel das Symbol gefunden: die Schändung eines Gedichts.
ANMERKUNGEN
1 Karl Marx,
Nationalökonomie
und
Philosophie
(Karl
Marx, Der Historische Materialismus. Die Frühschriften, ed.
£2
D
Ὁ
o
o
Landshut und Mayer, Leipzig 1932), 333. ? A. a. O., 304. 3 A. a. O., 307. 3 A. a. O,, 333. 5 A. a. O., 306f. 6 A. a. O., 307. 7 A. a. O., 307.
8 Auguste (1830).
Comte,
Cours de Philosophie Positive, Vol.I
9 Zitiert nach den Auszügen aus Rudolf Höß, Kommandant in Auschwitz, in der Süddeutschen Zeitung vom 1. Ok-
tober 1958, Nr. 235, 3. 10 Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, Nr. 230 (Werke, VII), ı87£. 11 A. a. O., 189. 12 Nietzsche, Sprüche und Sentenzen (1882-1884), Nr. 250 (Werke, XII), 282.
13 Nietzsche, Also sprach Zaratbustra, Zweiter Teil, »Das Nadhtlied«.
14 Marx, 305 f. 15 Karl Heinrich Marx,
Differenz
der demokritischen
und
epikurischen Naturphilosophie nebst einem Anhang. (Geschrieben 1839-1841; Vorrede datiert: Berlin, im Mirz 1841.)
In: Karl Marx/Friedrich Engels, Historisch-Kritische Ge-
samtausgabe, Erste Abteilung, I/I, Frankfurt a. M. 1927, το.
16 Áschylos, Der Gefesselte Prometheus, 975.
U A. a. O., 977. 18 A. a. O., 978.
19 Platon, Gorgias, 480b.
20 Collection des Anciens Alcbemistes Grecs, ed. Berthelot, Paris 1888, III, griech. Text 228 ff.; Übersetzung 221 ff. Un-
sere Übersetzung folgt der von Festugiére, mit dessen Emendationen: Festugiére, La Révélation d'Hermés Trismägiste. 1. L'Astrologie et les Sciences Occultes, 2. Aufl., Paris 1950, 266. Die Antwort des Prometheus bei Hesiod, Erga, 85-87.
89
?! Zur Prometheus-Symbolik bei Zosimos vgl. Hans Jonas,
Gnosis und Spätantiker Geist. I. Die Mythologische Gnosis, 2. Aufl., Göttingen 1954, 218-220; zum revolutionären Element in der Gnosis den ganzen Abschnitt, 214-251.
?? Der Prometheus-Komplex
kann bei Marx
vollständig
nur im Zusammenhang des deutschen Idealismus verstanden werden. Für diese Hintergrundsgeschichte siehe das magistrale Werk von Hans Urs von Balthasar, Prometheus,
Studien zur Geschichte des deutschen Idealismus, 2. Aufl., Heidelberg 1947. Das Werk enthält leider keine Studie über Marx.
23 Hegel, Phänomenologie des Geistes, ed. Johannes Hoffmeister, Hamburg 1952, 12. 24 Platon, Phädros, 278d. 25 Hegel, Phänomenologie, 19. 2° Im Zusammenhang der Analyse habe ich das Hegelsche
Programm, von der Philosophie zur Gnosis fortzuschrei-
ten, sowie die Bedingungen für die Konstruktion des Sy-
stems, nur durch die Stellen aus der Phänomenologie, d. h.
auf der Ebene der »Philosophie selbst«, belegt. Die grundsätzlich gleichen Formeln wiederholen sich bei Hegel auf der Ebene der »Philosophie der Weltgeschichte«. Im folgenden
gebe ich die Parallelstellen nach dem »Zweiten Entwurf« der Philosophischen Weltgeschichte von 1830. (Hegel, Die Vernunft in der Geschichte, ed. Johannes
burg 1955.)
Hoffmeister,
Ham-
(1) Hegel unterscheidet zwischen der »Philosophie selbst« und der »Philosophie der Weltgeschichte«. Der Philosoph tritt an die Auslegung der Weltgeschichte mit der »Voraussetzung« heran, »daß die Vernunft die Welt beherrscht, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen ist«. »In der Philosophie selbst ist dies keine Voraussetzung; in ihr wird es durch die spekulative Erkenntnis erwiesen, daß die Vernunft -- bei diesem Ausdrucke können wir hier stehen bleiben, ohne die Beziehung und das Verhältnis zu Gott näher zu erörtern — die Substanz, wie die unendliche Macht, sich selbst der unendliche Stoff alles natürlichen und
geistigen Lebens, wie die unendliche Form, die Betätigung 90
dieses ihres Inhaltes ist.« (28) — Das Verhältnis der Vernunft zu Gott,
das in diesem Satz noch in Schwebe
bleibt, wird
im weiteren Verlaufe des »Zweiten Entwurfs« geklärt. Die
Vernunft ist unter dem Titel »Idee« das Absolute, das sich offenbart: »Daß nun solche Idee das Wahre, das Ewige, das
schlechthin Mächtige ist, daß sie sich in der Welt offenbart
und nichts in ihr sich offenbart als sie, ihre Herrlichkeit und
Ehre, dies ist es, was, wie gesagt, in der Philosophie bewiesen und hier so als bewiesen vorausgesetzt wird« (29). Die Intention der Attribute als göttliche und die Identifizierung Gottes mit der Vernunft, die sich in Spekulation und Geschichte entfaltet, wird in der folgenden Stelle klargestellt: »Der
Weltgeist
ist der
Geist
der Welt,
wie
er sich im
menschlichen Bewußtsein expliziert; die Menschen verhalten sich zu diesem
als Einzelne
zu dem
Ganzen,
das ihre
Substanz ist. Und dieser Weltgeist ist gemäß dem göttlichen Geiste, welcher der absolute Geist ist. Insofern Gott allgegenwáürtig ist, ist er bei jedem Menschen, erscheint im Bewußtsein eines jeden; und dies ist der Weltgeist.« (60) (2) Da die Idee identisch ist mit der sich offenbarenden
Gottheit, wird das Schema des Fortgangs von der Philosophie zur Gnosis aus der Sphäre der »Philosophie selbst« auf die »Philosophie der Weltgeschichte« übertragen. Es sei die Aufgabe des Philosophen, von der partiellen Offenbarung Gottes durch Christus zur vollkommenen Erkenntnis Gottes fortzuschreiten. Zu der Aufgabe sei er verpflichtet durch die »heilige Schrift«, nach der »der Geist es sei, der in die Wahrheit
einführe,
daß
er alle Dinge
erkenne,
selbst
die
Tiefen der Gottheit«. (40f) Die Aufgabe selbst wird in der folgenden Stelle formuliert: »In der christlichen Religion hat Gott sich geoffenbart, d. h. er hat dem Menschen zu erkennen gegeben, was er ist, so daß er nicht mehr
ein Ver-
schlossenes, Geheimes sei. Es ist mit dieser Möglichkeit, Gott zu erkennen, uns die Pflicht dazu auferlegt, und die Entwicklung des denkenden Geistes, welche aus dieser Grundlage, aus der Offenbarung des göttlichen Wesens, ausgegangen ist, muß dazu endlich gedeihen, das, was dem fühlenden und vorstellenden Geiste zunächst vorgelegt wor-
ΟἹ
den ist, auch mit dem Gedanken zu erfassen. Ob es an der Zeit ist zu erkennen, muß davon abhängen, ob das, was
Endzweck der Welt ist, endlich auf allgemeingültige, be-
wußte Weise in die Wirklichkeit getreten ist.« (45)
(3) Das Programm, die Tiefen der Gottheit durch ihre Entfaltung in der Weltgeschichte restlos zu durchdringen, ist an die Bedingung geknüpft, daß der Endzweck der Welt sich in der Weltgeschichte wirklich ausgefaltet hat und begreifbar geworden ist. So wie auf der Ebene der »Philosophie selbst«
die Wahrheit der Einsicht durch »die Darstellung des Systems« gerechtfertigt wird, so wird in der »Philosophie der Weltgeschichte« die Richtigkeit der These von der vollständigen Offenbarung durch die Exekution des Programms
bewiesen: »Es hat sich also erst und es wird sich aus der Betrachtung der Weltgeschichte selbst ergeben, daß es ver-
nünftig in ihr zugegangen, daß sie der vernünftige, notwendige Gang des Weltgeistes gewesen« (30) — man beachte das Perfektum. »Daß in den Begebenheiten der Völker ein
letzter Zweck das Herrschende, daß Vernunft in der Welt-
geschichte ist- nicht die Vernunft eines besonderen Subjekts, sondern die göttliche, absolute Vernunft —, ist eine Wahrheit, die wir voraussetzen; ihr Beweis ist die Abhandlung
der Weltgeschichte selbst: sie ist das Bild und die Tat der
Vernunft.« (29) 27 Marx, Nationalökonomie und Philosophie, 306. 28 Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 2. Aufl., Tübingen 1958, 46. ?9 A. a. O., 47. 30 A. a. O,, 52.
31 Zur Geschichte der chiliastischen Phase siehe das neue
Werk von Norman
Cohn,
The Pursuit of tbe Millennium,
Fairlawn, N. J., 1957. ?* Nietzsche, Also sprach Zarathustra (Werke, VI), 42. 33 A. a. O., 124. 94 A. a. O,, 123. 35 A. a. O., 124.
86 Eranos Jahrbuch 1953, Band XXII, Zürich 1954, 235—289. 9! A. a. Ο., 259f. 92
38 A. a. O., 261. 398 A. a. Ο., 261 f. 40 A. a. O., 262.
#1 Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (Werke, V), 163-4.
#2 Marx, Zur Kritik der Hegelschen Recbtspbilosopbie. Einleitung. (Karl Marx, Der Historische Materialismus. Die Frühschriften, ed. Landshut und Mayer, Leipzig 1932, 263.) 43 A. a. Ο., 264.
44 A. a. O., 263.
15 A. a. O., 264.
46 A. a. O., 265.
5! A. a. O., 266. 48 Hegel, Phänomenologie des Geistes, ed. Hoffmeister, 79.
2 90 51 52 53 $3 55 588
A. a. A. a. A. a. A. a. A. a. A.a. A. a. A. 3.
O,, O., O., O., O,, O,, O., O.,
79f. 546. 556. 559. 556. 557. 565. 564.
Diese Studie gibt im wesentlichen die Antrittsvorlesung wieder, die der
Verfasser am 26. 11.1958
an der Universität München gehalten hat.