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German Pages [210] Year 2016
Kai-Ingo Voigt / Ulrike Settnik / Stefan Kayser / Klaus-Dieter Pruss (Hg.)
Wissenschaft als Beruf und Berufung Festschrift für Horst Albach
V& R unipress Bonn University Press
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-7370-0663-7 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Verçffentlichungen der Bonn University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. 2016, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Horst Albach
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Jan Peter Beckmann Das deutsche Universitätssystem im Aufbruch – wohin? Einige Beobachtungen und Überlegungen zur Frage seiner Zukunftsfähigkeit . .
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Klaus Brockhoff Horst Albach als Wissenschaftler – viel mehr als Max Weber vortrug! . .
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Helmut Bruse Wissenschaft als Beruf – Wissenschaft für den Beruf
. . . . . . . . . . .
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Santiago Garc&a Echevarr&a / Mar&a Teresa del Val Freundschaft als Schlüssel wissenschaftlicher Entwicklung. Zur gesellschaftlichen Dimension der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . .
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Thomas Ehrmann Wissenschaft als Beruf: Horst Albach?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ulrich Guntram Von prägendem Format
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Herbert Henzler Zu Horst Albachs 85stem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hedda im Brahm-Droege Horst Albach und das Management von Familienunternehmen – das Kunstkonzept der Droege Group AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Stefan Kayser Nachhaltigkeitseffekte in der akademischen Lehrer-Schüler-Beziehung
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Volkmar Liebig Mit Horst Albach im Diskurs: Ermittlung und Wirkung ganzheitlicher Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Joachim Reese Die Zukunft der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft . 105 Hermann Sabel Horst Albach, der Berufene
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Dieter Sadowski Betriebswirtschaftslehre als Beruf: Horst Albach – Wissenschaftler, Lehrer, Praktiker und väterlicher Freund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 August-Wilhelm Scheer Parallele wissenschaftliche Lebenswelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Rainer Schwarz Wissenschaft als Arbeit und Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Ulrike Settnik Wissenschaft als Beruf – auch für Frauen?
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Kai-Ingo Voigt Über die Bedeutung der Kreativität in der wissenschaftlichen Arbeit . . . 157 Theodor Weimer Ein Leonardo da Vinci der Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Axel Wieandt Horst Albach zum 85. Geburtstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Peter Witt Wissenschaft als Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Vorwort
Am 6. Juli 2016 vollendete Horst Albach sein fünfundachtzigstes Lebensjahr. Dies war den Vorstandsmitgliedern der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft e.V. Anlass, Ansporn und Motivation genug, die zahlreichen Weggefährten und Kollegen, Schüler und Freunde dieses großen deutschen Forschers und Lehrers der Betriebswirtschaftslehre um einen Beitrag zu der vorliegenden Festschrift zu bitten. Wir wollten jedoch keine »übliche Festschrift«, keine Ansammlung neuester Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre herausgeben – vielmehr hatten wir die Idee, den Autorinnen und Autoren ein Rahmenthema vorzugeben. Nichts erschien uns passender als »Wissenschaft als Beruf« – der Titel eines mittlerweile berühmten Vortrags, den der bekannte deutsche Soziologe und Ökonom Max Weber vor fast hundert Jahren, am 7. November 1917, auf Einladung »freier« Studenten im Rahmen einer Vortragsreihe zum Thema »Geistige Arbeit als Beruf« in München hielt. »Wissenschaft als Beruf« – das passt als Motto auch ganz hervorragend auf die bewundernswerte wissenschaftliche Laufbahn, auf die Horst Albach zurückblicken kann und die weiter voranzuschreiten ihm eine Herzensangelegenheit ist, so wie auch Max Weber das Thema seines Vortrages »selbst am Herzen« lag. Und weil die wissenschaftliche Laufbahn, zumindest wenn sie auf den Beruf der Professorin bzw. des Professors abzielt, bis heute mit einer »Berufung« (im doppelten Sinn des Wortes) verbunden ist, haben wir das Rahmenthema etwas erweitert zu: »Wissenschaft als Beruf und Berufung«. Die folgenden zwanzig Beiträge beleuchten dieses Thema aus ganz unterschiedlichen Blickrichtungen und gehen doch alle denselben beiden Fragen nach. Erstens: Was ist aus heutiger Sicht, rund hundert Jahre nach Max Webers ersten und doch weitsichtigen Überlegungen, zu diesem Thema zu sagen und wie werden sich für alle, die sich heute für »Wissenschaft als Beruf« entscheiden, die Rahmenbedingungen in Zukunft verändern? Und zweitens: Was kann man aus der beeindruckenden Vita Horst Albachs, aus seinen vielfältigen und nachhaltig wirkungsvollen Leistungen in Forschung und Lehre, in Wissenstransfer, Politik- und Unternehmensberatung lernen, was aus seinen erfolgrei-
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Vorwort
chen Aktivitäten als Gründer von Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen? In unserem Fach, der Betriebswirtschaftslehre, ist kaum eine Persönlichkeit zu finden, die für »Wissenschaft als Beruf und Berufung« ein treffenderes und (auch im wertenden Sinne) besseres Beispiel abgäbe als Horst Albach! Die folgenden zwanzig Beiträge wagen den »Drahtseilakt«, Reflektionen über Max Webers Thesen mit einer Würdigung der Persönlichkeit Horst Albachs als Forscher, Lehrer und Wegbegleiter zu verbinden – und meistern diese Herausforderung, jeder auf seine Weise. Jan Peter Beckmann analysiert die Zukunftsfähigkeit des deutschen Universitätssystems, Joachim Reese die der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. In weiteren Beiträgen werden zentrale Konstrukte der Weber’schen Rede thematisiert, so die über den Beruf hinausgehende Berufung (Hermann Sabel), die Prägung anderer Menschen, vor allem der akademischen Schüler (Ulrich Guntram, Stefan Kayser) und die Freundschaft und das Vertrauen als Grundlage aller wissenschaftlichen Kooperationen (Santiago Echevarr&a und Maria Teresa del Val). Weitere Beiträge beleuchten die Wissenschaft als »harte Arbeit« schlechthin (Rainer Schwarz), die Bedeutung der Kreativität (Kai-Ingo Voigt) und die Frage der Gleichstellung (Ulrike Settnik), die sich zu Webers Zeiten, anders als heute, noch gar nicht stellte. August-Wilhelm Scheer und Helmut Bruse beleuchten das Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und (beruflicher) Praxis, weitere Autoren sehen Horst Albach schlichtweg als »idealtypische« Personifikation der Weber’schen Thesen (Dieter Sadowski, Theodor Weimer, Thomas Ehrmann, Herbert Henzler, Axel Wieandt, Peter Witt) oder sogar noch darüber hinaus (Klaus Brockhoff). Hedda im Brahm-Droege zeigt, dass der Wissenschaftler auch zu konkreten unternehmerischen Aktivitäten ermutigen kann – auch solchen, die »Kunst« und »Management« auf neue Weise verbinden. Volkmar Liebig nutzt schließlich die Gelegenheit, die verbesserte Version eines Aufsatzes zum Thema »Nachhaltigkeit« vorzulegen, den Horst Albach – wie der Autor selbstkritisch bekennt – in einer früheren Version schlichtweg »unverständlich« gefunden habe. Allen genannten Beiträgen gelingt es in überzeugender Weise, intelligente Denkanstöße und scharfe Analysen der heutigen Universitätslandschaft mit ebenso dankbaren wie warmherzigen, zuweilen auch augenzwinkernd-kritischen Passagen zu verbinden, die Horst Albach als Wissenschaftler und akademischen Lehrer, den »Nachwuchs« stets fördernd und fordernd (auf den berühmt-berüchtigten Wanderungen auch bis an die Grenzen der physischen Leistungsfähigkeit und darüber hinaus), vorstellen. Jeder Beitrag fügt dem dreidimensionalen Bild dieser komplexen Persönlichkeit noch eine Facette hinzu, und am Ende dieses Buches runden sich die vielfältigen Eindrücke zu einem überzeugenden Beispiel, wie das Motto »Wissenschaft als Beruf und
Vorwort
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Berufung« im besten Sinne in die Tat umgesetzt und mit Leben erfüllt werden kann. Die Herausgeber dieser Festschrift danken allen Autorinnen und Autoren sehr herzlich dafür, dass sie dieses Buch mit ihren Beiträgen zu einer nur selten so geglückten Lektüre gemacht haben – intellektuell anregend und warmherzigpersönlich zugleich. Das Buch wäre nicht entstanden ohne die engagierte Unterstützung von Herrn Christian Arnold, M.Sc. bei der sorgfältigen Erstellung der Druckvorlage und des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht durch die freundliche Aufnahme der Festschrift in die Reihe »Bonn University Press«. Die Wissenschaften nähren die Jugend und erfreuen das Alter – mit diesem Zitat von Cicero wünschen wir dem Jubilar Horst Albach noch viele weitere Jahre, in denen er mit »Wissenschaft als Beruf und Berufung« seiner eigentlichen Bestimmung nachgehen und uns, den Weggefährten, Schülern und Freunden, weiter als ermutigendes Vorbild dienen und als Förderer und Ratgeber hilfreich zur Seite stehen möge. Köln, im Juli 2016
Kai-Ingo Voigt Ulrike Settnik Stefan Kayser Klaus-Dieter Pruss
Jan Peter Beckmann
Das deutsche Universitätssystem im Aufbruch – wohin? Einige Beobachtungen und Überlegungen zur Frage seiner Zukunftsfähigkeit
Herrn Professor Horst Albach, der sich als Forscher wie als akademischer Lehrer nachhaltig für die Verbesserung und Weiterentwicklung des deutschen wie des internationalen Hochschulsystems eingesetzt hat, in Dankbarkeit und mit allen guten Wünschen gewidmet.
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Ein Blick zurück
Im Jahre 1239 – die Universität und mit ihr das abendländische Universitätssystem waren gerade mal knapp vier Jahrzehnte alt – verbot der Bischof von Paris in seiner Eigenschaft als Magnus Cancellarius der Universität den Studierenden, die Libri naturales des Aristoteles zu lesen.1 Er wollte damit verhindern, dass sie mit einer philosophischen, d. h. rein vernunftbasierten Theorie der Weltentstehung bekannt gemacht würden, die mit dem Dogma bzw. der kirchlichen Lehre von der creatio ex nihilo nicht vereinbar erschien. Nun, das Verbot war kaum bekannt, als die ebenfalls noch junge Universität von Toulouse aus dem Süden des Landes verlauten ließ, dort würden die Studierenden ungehinderten Zugang zur Physik des Aristoteles erhalten… Zweierlei wird hier deutlich: erstens, dass die abendländischen Universitäten, kaum gegründet, schon früh durch dirigistische Eingriffe von außen in ihrer Freiheit bedroht wurden, und zweitens, dass ihr Wettbewerb untereinander für die Studierenden von Vorteil sein konnte. Die Konzeption der mittelalterlichen Universitäten hat sich als ungewöhnlich zukunftsfähig erwiesen: Im Unterschied zu den Dom- und Klosterschulen des 8.–12. Jahrhunderts, in denen Wissen vornehmlich tradiert wurde (Hl. Schrift, Werke der Kirchenväter, mit wenigen Ausnahmen auch Schriften antiker heidnischer Autoren), bestand das eigentlich Neue der Universitätsgründungen ab ca. 1200 darin, dass neues Wissen etabliert und gelehrt wurde. Hinzu kam, dass die stabilitas 1 Denifle, H. & Chatelain, E. (1889). Chartularium Universitatis Parisiensis, vol. I. Paris, S. 131.
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Jan Peter Beckmann
loci der Studenten und Professoren an den Dom- und Klosterschulen durch die Universitätsgründungen ab 1200 aufgehoben wurde: Dozenten wie Studenten wanderten von Hochschule zu Hochschule, mit der Folge, dass es zu einem bis dahin unbekannten Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden kam. Schon bald war es durchaus üblich, dass ein Dozent, wie etwa der schottische Philosoph und Franziskaner-Mönch Johannes Duns Scotus (ca. 1274–1308), in Oxford studierte, in Paris lehrte und dann einen Ruf nach Köln annahm. Und heute? Internationale wissenschaftliche Karrieren wie die des Duns Scotus sind immer noch nicht selbstverständlich, und von den deutschen Studierenden geht trotz des Erasmus-Programms nur einer von sieben für ein Jahr ins Ausland. Dabei sind in Deutschland bisher übliche Abschlüsse wie das Diplom inzwischen durch das international bekannte Bachelor-/Master-System ersetzt worden, doch vollzieht sich der Erneuerungsprozess eher administrativ und ökonomisch denn selbstbestimmt und wissenschaftlich strukturiert. Doch schauen wir näher hin.2
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Zur Situation
Die universitären Rahmenbedingungen haben sich in Deutschland in den vergangenen 50 Jahren nachhaltig verändert: Das deutsche Hochschulsystem, traditionell geprägt durch die Ideen der Freiheit der Universitätsangehörigen und der Einheit von Forschung und Lehre sowie durch die Sicherheit staatlicher Alimentation, befindet sich seit längerem in einem Umbruchprozess: – Es wird vorwiegend nach fachlicher Ausbildung gefragt, personale Bildung tritt in den Hintergrund. – Die Idee der Einheit von Forschung und Lehre gerät mehr und mehr unter Druck, viele Universitäten drohen zu reinen Lehreinrichtungen zu werden, während die Forschung vielfach in außeruniversitäre Einrichtungen abwandert bzw. zunehmend auf wenige »Exzellenz-Universitäten« konzentriert wird. – Wie die Universitäten als Ganze geraten auch die Dozenten zunehmend unter den Druck fremder Zwecksetzungen. Forschung wird hochgradig abhängig von nicht-öffentlichen Drittmitteln. Da die Forschung naturgemäß ständig 2 Das Folgende stellt eine überarbeitete Fassung eines Beitrags des Verfassers zum Mitteilungsorgan ›Information Philosophie‹ aus dem Jahre 2008 dar : Beckmann, J. (2008). Zur Zukunftsfähigkeit des deutschen Universitätssystems. Information Philosophie, 2008(4), S. 7–15.
Das deutsche Universitätssystem im Aufbruch – wohin?
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evaluiert werden muss, sehen sich viele Forscher gehalten, eher evaluierungsorientiert und drittmittelorientiert denn frei und unabhängig zu planen. – Infolge des Rückzugs der öffentlichen Hand drohen Forschung und Lehre zunehmend den Gegebenheiten des Marktes und dessen Bedürfnissen und Interessen ausgesetzt zu werden. – Das neue Studiensystem führt, zumindest auf der Bachelor-Ebene, in nicht unerheblichem Maße zur Standardisierung von Wissensinhalten und lässt der individuellen Ausgestaltung des Wissenserwerbs des Studierenden wenig Raum. – Hinzu kommt, dass die permanente Prüfungssituation der modularisierten Curricula den Studierenden kaum Zeit für eigene wissenschaftliche Wege in ihrem Studium lässt. Mit einem Wort: An die Stelle der Universität als staatlicher Institution mit Freiheitsspielraum bei gleichzeitiger Äquidistanz gegenüber Politik, Wirtschaft und Staat tritt die Universität als Ausbildungsbetrieb, dessen Wissensangebote sich – und das möglichst kurzfristig – »rentieren« müssen.
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Elitär statt egalitär?
Bisher waren die deutschen Universitäten in wesentlichen Merkmalen einander gleichgestellt bzw. miteinander vergleichbar : gleiche bzw. vergleichbare Qualifikation der Lehrenden, gleiche Zugangsvoraussetzungen für die Studierenden, gleiche Studiengänge und Examina, gleiche Abschlüsse. Im Vergleich mit ausländischen, insbesondere im Unterschied zu den hierzulande viel gepriesenen englischen und US-amerikanischen Top-Universitäten, war das deutsche Universitätssystem bisher nicht elitär, sondern egalitär. Das beginnt sich merklich zu ändern. Beispiel Forschung, seit Wilhelm von Humboldt bekanntlich konstitutives Merkmal des deutschen Universitätssystems. Schaut man sich z. B. zwei der in den vergangenen Jahren verliehenen Nobelpreise an, so fällt Dreierlei auf: 1. Beide Nobelpreisträger waren nicht Lehrstuhlinhaber an einer Universität; sie entstammten vielmehr renommierten außeruniversitären Forschungsinstitutionen: Der Chemie-Nobelpreisträger Prof. Gerhard Ertl war der ehemalige Leiter der Abteilung Physikalische Chemie des Fritz-Haber-Instituts in Berlin, der Physik-Nobelpreisträger Peter Grünberg arbeitete im Forschungszentrum Jülich in Nordrhein-Westfalen. 2. Beide Wissenschaftler haben den Nobelpreis jeweils für Grundlagenforschungen erhalten: Grünberg mit Arbeiten über das magnetische Verhalten von Eisen- und Chromoberflächen, Ertl mit Untersuchungen zum Mecha-
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nismus industrieller Ammoniaksynthese und zum Verständnis industrieller Katalysatoren. Auch wenn man heute weiß, dass die Grundlagenforschungen beider Forscher äußerst wichtige Anwendungsfelder gefunden haben, so schien dies doch zu Beginn alles andere als sicher. So haben sich Grünbergs Arbeiten – lange Zeit eher als eine mainstream-ferne Sonderforschung betrachtet – ganz plötzlich als zukunftsweisend für die gesamte Computerindustrie erwiesen, weil auf ihrer Grundlage auf immer kleineren Flächen immer mehr Daten gespeichert werden können. Das alles war nicht vorherzusehen und es war auch nicht vorgesehen worden. 3. Beide Forscher hätten weder unter dem heutigen universitären Lehr- und Administrationsverpflichtungsdruck noch unter der Erwartung, unmittelbar Anwendungsfähiges erforschen zu müssen, ihre grundlegenden Arbeiten durchführen können. Die Jagd nach schnell umsetzbarem Anwendungswissen übersieht die in der Geschichte der Wissenschaften immer wieder vorkommende Nichtvorhersehbarkeits- bzw. Überraschungssituation nahezu vollständig. Angesichts der Abwanderung der Spitzenforschung in außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Institute und des zu Lasten der Grundlagenforschung gehenden Drucks auf die anwendungsorientierte Forschung mit ihren erhofften schnell umsetzbaren Resultaten und der zunehmenden Abhängigkeit der Forschung von der Einwerbung von Stiftungsmittel gerät das Humboldt-Ideal der »Einheit von Forschung und Lehre« an den Universitäten zunehmend unter Druck. Der »Ausweg« scheint eine Elitisierung weniger Universitäten zu Lasten der übrigen Hochschulen zu sein.
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Remedur mit Hilfe sog. Exzellenz-Universitäten?
Weil Politik und Landesministerien die Universitäten in Deutschland durch die Bank nicht mehr finanziell angemessen ausstatten können oder wollen, versucht man es neuerdings mit so genannten Exzellenz- oder Elite-Universitäten / la Oxford und Cambridge, Harvard, Stanford und Yale. Da diese Universitäten bekanntlich über viel Geld verfügen, folgert man, ihre wissenschaftliche Exzellenz könne nur oder zumindest vornehmlich an diesem vielen Geld liegen, und zieht daraus wiederum den Schluss: Wenn man wenigstens einigen deutschen Universitäten sehr viel Geld gibt, dann werden sie umgehend zu deutschen Oxfords und Yales. Konvertierung von Geld in Forschungsexzellenz könnte man dies nennen. Übersehen wird, dass weder Oxford noch Yale (der Verfasser kennt beide aus eigener Lehrtätigkeit) gleichsam von heute auf morgen zu Elite-Universitäten geworden sind. Vielmehr kann man anhand ihrer jeweiligen Ge-
Das deutsche Universitätssystem im Aufbruch – wohin?
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schichte gut studieren, wie erst langsam und über längere Zeiträume hinweg Fakultät um Fakultät stetig immer besser geworden ist. Exzellenz stellt offenbar kein durch viel Geld kurzfristig erzielbares, sondern ein durch wissenschaftliche Anstrengung über lange Zeiträume gewachsenes Ergebnis dar. Auch gibt es in Deutschland bisher keine durchgehend ›schlechten‹ oder ›guten‹ Universitäten, wohl aber gibt es Universitäten mit jeweils sehr guten und zugleich weniger auffallenden Fakultäten. Das wird sich ändern: Universitäten mit hervorragenden Fakultäten, die aber nicht das Glück haben, zu den Exzellenz-Universitäten gezählt zu werden, werden es in Zukunft sehr viel schwerer haben angesichts der ihnen in immer geringerem Maße zufließenden Mittel. Der ›Preis‹ für die Konzentration der Fördergelder auf wenige Universitäten wird eine forschungsmäßige ›Ausblutung‹ der Mehrheit der übrigen Universitäten sein. Dabei könnte man wiederum von Amerika lernen: Der ›Preis‹ für die »Top Ten« sind die über 2.000 mehr oder weniger unbekannten Colleges und Kleinuniversitäten, von denen niemand spricht, die aber brav und zuverlässig den amerikanischen Bedarf an Akademikern sichern. Die USA – und ähnlich England – können sich die Spitzenuniversitäten nicht zuletzt deswegen leisten, weil die übrigen Hochschulen dafür sorgen, dass es genügend akademisch ausgebildete Fachleute gibt. Pointiert formuliert: Der Preis für die Exzellenzförderung einiger weniger Universitäten ist das drohende Mittelmaß der Mehrheit der übrigen.
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Standardisierung der Lehrinhalte
Das an manchen Universitäten bzw. Fakultäten im Rahmen des sog. BolognaProzesses in Deutschland nachgerade im Hauruckverfahren eingeführte Bachelor-/Master-System entspringt dem Gedanken, überschaubare, zeitlich geraffte und international vergleichbare Studienabschlüsse zu schaffen, so dass der Akademiker von morgen seinen Bachelor beispielsweise in München und seinen Master in Edinburgh erwerben kann. Doch um welchen Preis? Die Bachelor- und Master-Studiengänge haben in der Regel hoch standardisierte Studieninhalte zum Gegenstand. Insbesondere in manchen Bachelor-Studiengängen weiß über kurz oder lang jeder und jede ein und dasselbe. Individuelle Selbstständigkeit, persönliche Neugier, gar das Wagnis, eigene Wege zu gehen – das alles wird nicht honoriert bzw. muss auf der Strecke bleiben. Hinzu kommt die weitgehende Verschulung des Bachelor-Studiums mit seinem ständigen Noten- und Modulabschluss-Druck. Und wenn alle Studierenden dasselbe lernen, dann müssen auch alle Dozenten dasselbe unterrichten. Es gehört keine prophetische Gabe dazu vorauszusagen, dass dies zu einer Regression in die Mittelmäßigkeit führen wird. Schon jetzt ziehen sich die Institutsleiter und
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Lehrstuhlinhaber zunehmend aus dem Bereich der Pflichtveranstaltungen der Bachelor-Studiengänge zurück und überlassen das Feld jungen Nachwuchswissenschaftlern/innen, die sich ihrerseits infolge übermäßiger Belastung in der Lehre kaum oder nur mit Mühe durch eigene Forschungsleistungen für eine Professur qualifizieren können.
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De-Subjektivierung der Wissensträgerschaft
Die Universität als Ort des Ungeplanten, des Unzeitgemäßen und der intellektuellen Aufsässigkeit scheint zunehmend der Vergangenheit angehören. Dies hat mit einem vielfach übersehenen Prozess der Änderung der Wissensträgerschaft zu tun. Hieß es noch bei Aristoteles: »Der Mensch strebt von Natur aus nach Wissen«3, so war dies noch ganz dem Paradigma verpflichtet: Wissen hat einen Träger, das Individuum. Das hat sich seither folgenreich geändert. Heute übernehmen anonyme Kollektive die Wissensträgerschaft. Es sind immer weniger identifizierbare Individuen, die Träger wissenschaftlichen Wissens sind. Was sich seit Beginn der Neuzeit herausbildet hat, ist das Expertengremium. Verständlich ist der einzelne Experte nur den anderen Experten, und so bilden sich mit zunehmender Ausdifferenzierung der Wissenschaften in der Neuzeit Gruppen von Individuen, die über ein gemeinsames Expertenwissen verfügen, sog. Scientific Communities. Ziel: Etablierung der sog. Wissens- bzw. Wissenschaftsgesellschaft, welche die Stelle des einzelnen wissenwollenden Subjekts des Aristoteles – gleichsam als eine Art kollektives Subjekt – übernimmt. Folge: Der Einzelne sieht sich immer weniger einbezogen in den Wissensprozess und erfährt sich immer häufiger vor vollendete Tatsachen gestellt. Er erlebt die sog. Wissensgesellschaft hinsichtlich der Trägerschaft von Wissen zunehmend als anonym. Keine Frage: Hier hat die Universität eine zentrale Aufgabe: dem ständig erweiterten Wissen gleichsam das Subjekt zu sichern bzw. wieder zurückzugeben, und mehr noch: das wieder eingesetzte Wissenssubjekt in seiner Autonomie und Selbstbestimmung zu stärken. Doch ist dies mit reiner Wissensvermittlung zu leisten?
3 Aristoteles (1960). Metaphysik A.1; 980a21. Hg. u. übers. v. Fr. Bassenge. Berlin, S. 17.
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Reine Wissensvermittlung oder Anleitung zu selbständigem wissenschaftlichen Denken?
Deutsche Bildungspolitiker berufen sich gerne auf das anglo-amerikanische Universitätssystem als großes Vorbild; es lohnt sich daher, einen näheren Blick darauf zu werfen. In anspruchsvollen anglo-amerikanischen Bachelor-Studiengängen geht es darum, intellektuelle Disziplin zu fördern, nicht, zumindest nicht in erster Linie, auf eine spätere berufliche oder fachliche Karriere vorzubereiten. Ziel der BA-Studien z. B. an Englands führenden Universitäten ist nicht die Vermittlung breiten, möglichst alle Inhalte eines Faches umfassenden Wissens, sondern, wie es z. B. im Oxford University Handbook heißt, »to produce people who understand how to think like philosophers, politicians or economists rather than merely knowing about the subjects«4. Der Studierende soll, bevor er Arzt, Richter, Ingenieur oder Naturwissenschaftler wird, eine breite Palette von Wissensgegenständen kennen lernen und sich in verschiedene Methoden wissenschaftlichen Arbeitens einüben (»in order to ensure exposure to a variety of ideas and ways of thinking«).5 Dabei soll die Kombination mehrerer Disziplinen zur geistigen Beweglichkeit (»flexibility of mind«)6 beitragen. Auch an den »Elite-Universitäten« in den USA steht im Undergraduate-Bereich die formale Ausbildung im Vordergrund. Statt Wissensinhalte vorzuschreiben, wird der einzelne S tudent aufgefordert, sein Studienprogramm zunehmend selbst und damit selbstverantwortlich zu gestalten (»Yale College requires that each student design his own program of study«).7 Nicht praktisch verwertbares Wissen also, sondern »freies« Wissen und formale Bildung sollen vermittelt werden. Die Universität ist nicht einfach der Ort von Wissenschaft und Forschung, sondern der Bildung junger Menschen durch Wissenschaft und Forschung. Es geht um nachhaltige Professionalisierung anstelle kurzfristiger Berufsbezogenheit. Es ist nachgerade die Invarianz der Idee der Universität als einer Gemeinschaft diszipliniert Suchender gegenüber den wechselnden Bedürfnissen des Marktes, die die Universität so aktuell für den Markt macht. Auch der Markt nämlich würde sich selbst missverstehen, wollte er sich doktrinell verstetigen; auch er muss ganz im Gegenteil offen sein für zukünftige Entwicklungen. Statt nur Fakten gilt es, auch und vor allem Kompetenzen zu vermitteln.
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Oxford University Handbook. (1967). Oxford, S. 13. Ebenda. Ebenda. Yale College Programs of Study (1969/70). Bulletin of Yale University 65/11. New Haven, S. 3.
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Jan Peter Beckmann
Die Universität als permanente Selbst-Reform
Man hat zu allen Zeiten versucht, sich die Universität nach irgendwelchen externen »Bedürfnissen« zurechtzurichten und hat das häufig »Reform« genannt. Die Universität kann man nicht durch Beschränkungen von außen »reformieren«, ohne ihre Idee zu zerstören. Die Universität ist selbst ihre permanente Reform, ihr Wesen besteht darin, sich selbstkritisch Grenzen zu setzen. Von außen herangetragene Beschränkungen universitärer Freiheit sind ausnahmslos begründungspflichtig, sie bedeuten vielfach nicht Aufbruch, sondern Abbruch, nicht autonome Selbst-, sondern heteronome Fremdbestimmung. Nur wissenschaftliche Freiheit ermöglicht den Aufbruch ins Unbekannte. Experimentieren ist gleichsam das »Atmen« der Universität, dabei erforderliche Grenzziehungen durch kritische wissenschaftliche Selbstkontrolle sind ein Grundmerkmal derselben. Man kann nicht wissenschaftlich mit Grenzen experimentieren, ohne Grenzen einzuhalten. Nur : Die Grenzen, mit denen Wissenschaft experimentiert, von denjenigen zu unterscheiden, innerhalb derer sie experimentiert, bildet eine der schwierigsten Herausforderungen an die Wissenschaftlergemeinschaft. Sie muss sich ihr gleichwohl stellen. Die Zeiten, in denen man vom 6. bis zum 26. Lebensjahr lernt, um das Erlernte dann 40 Jahre beruflich anzuwenden, sind spätestens seit dem schnellen turn over des Wissens in vielen Disziplinen endgültig vorbei. Für die Zukunft ist weniger fachliche Ausbildung denn formale Bildung angesagt. Studierende müssen anhand der Analyse der Probleme von heute lernen, sich auf die Lösung der Probleme von morgen durch flexible Professionalisierung vorzubereiten. Man bereitet sich durch selbstbestimmtes paradigmatisches Lernen auf z. T. unerwartete künftige Herausforderungen und Aufgaben vor. Dauerhafte Professionalisierung statt kurzfristiger Berufsfeldbezogenheit könnte man dies nennen. Und die Zukunft? Diesbezüglich gilt das bekannte Wort Antoine de SaintExup8rys: »Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern sie möglich machen«.8
8 De Saint-Exup8ry, A. (1989). Die Stadt in der Wüste (La Citadelle). Düsseldorf: Rauch.
Klaus Brockhoff
Horst Albach als Wissenschaftler – viel mehr als Max Weber vortrug!
1. Als Max Weber vor »Kommilitonen und Kommilitoninnen« über »Wissenschaft als Beruf«1 auf deren Wunsch sprach, hat er dieses Thema auf die Zuhörer fokussiert. Deshalb stehen im Vordergrund Ausführungen zur Berufung zur Wissenschaft: den zufallsabhängigen Bedingungen sowohl für die Erreichung einer vollzeitlichen Berufsausübung als Wissenschaftler als auch der Gewinnung wesentlicher neuer Erkenntnisse2, der Charakteristika erfolgreicher Lehrer sowie den großen Themen der Werturteilsfreiheit und gesellschaftlichen Wirkung der Wissenschaft. Der Beitrag ist in vielerlei Hinsicht weitsichtig. Zwei Punkte möchte ich hervorheben: Erstens weist Max Weber darauf hin, dass »unser deutsches Universitätsleben (sich) amerikanisiert, wie unser Leben überhaupt…«. Er nennt das amerikanische Wissenschaftssystem ein »bürokratisches« System.3 Diese auf den Berufsweg eines Wissenschaftlers bezogene Aussage hat sich als viel zu eng erwiesen, wenn man an die Einführung neuer Studiengangsstrukturen, die Dominanz der englischen Sprache bei Veröffentlichungen oder die Binnenorganisation von Hochschulen denkt. Zweitens erkennt Max Weber, dass »die Wissenschaft in ein Stadium der Spezialisierung eingetreten ist, wie es früher unbekannt war, und daß dies in alle Zukunft so bleiben wird«.4 Tatsächlich ist die Spezialisierung nicht nur erhalten geblieben, sondern sogar weiter fortgeschritten. Hinsichtlich dieser beiden Aspekte ist es zunächst interessant, an herausragende Leistungen von Horst Albach zu erinnern. Dies auch, weil ich ihn aus 1 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. Abgedruckt in D. Kaesler (Hrsg.). (2002), Max Weber – Schriften 1894–1922 (S. 474–511). Stuttgart: Alfred Kröner. 2 Simonton, D.K. (2204). Creativity in Science. Chance, Logic, Genius, and Zeitgeist. Cambridge: Cambridge University Press; Smith, K.G. & Hitt, M.A. (2005). Great Minds in Management – The Process of Theory Development. New York, Oxford: Oxford University Press. 3 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. Abgedruckt in D. Kaesler (Hrsg.). (2002), Max Weber – Schriften 1894–1922 (S. 474–511). Stuttgart: Alfred Kröner. 4 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. Abgedruckt in D. Kaesler (Hrsg.). (2002), Max Weber – Schriften 1894–1922 (S. 474–511). Stuttgart: Alfred Kröner, S. 481.
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Klaus Brockhoff
Anlass seines 65. Geburtstages bereits als »die Personifizierung der Forderung nach lebenslangem Lernen« bezeichnet habe.5 2. Als Max Weber über akademische Lehre sprach, hatte er das damalige Ausbildungsmodell vor Augen. Formale Weiterbildung kam darin nicht vor. Früher als andere hat Horst Albach erkannt, dass die Weiterbildung von Führungskräften der Wirtschaft nicht auf einige ad hoc organisierte Tagesveranstaltungen innerhalb oder außerhalb von Unternehmen oder Gesprächskreise beschränkt bleiben sollte. Das hat zwei Gründe. Die Veränderungen in den Wissensanforderungen der Berufsausübung von Führungskräften der Unternehmen erfolgen schneller als in früheren Jahrzehnten und die Komplexität der zu steuernden Prozesse ist größer geworden. Kurz: Wissenschaftler müssen den Bedarf an lebenslangem Lernen zu befriedigen helfen. Auf die erste Erscheinung kann mit umfangreicheren Weiterbildungsangeboten reagiert werden. Das setzt voraus, dass sich »die Geisteshaltung in der Unternehmensführung von einer traditionalistischen zu einer wissenschaftlichen Einstellung gewandelt hat« und damit grundsätzlich unternehmerischer Erfolg nicht allein genetisch bedingt ist, sondern lehr- und lernbar wird.6 Weiterbildungsangebote hatte Horst Albach auch in den USA studiert, und er war von dem zehnwöchigen Programm der Harvard Business School besonders beeindruckt. Ähnliches sollte in Deutschland entstehen.7 Da dies auch bei einigen Wirtschaftsführern, an ihrer Spitze Ludwig Vaubel, so gesehen wurde, konnte die Idee vorbereitet und mit dem »Universitätsseminar der Wirtschaft« realisiert werden. Teile der Programmgestaltung wurden auf einer dreitägigen Wanderung über die Gipfel des Bayerischen Waldes, vor allem in langen Abenddiskussionen, behandelt. Zum Gepäck gehörten daher auch umfangreiche Planungsunterlagen. Auch einem besorgten Anbieter privater Weiterbildungsprogramme wurde Gelegenheit zur Aussprache während der Wanderung geboten, was diesem allerdings bei den üblichen Anforderungen etwas stark beanspruchte. Von 1968 bis 1971 war Horst Albach als geschäftsführender Vorstand des USW, sodann als stellvertretender Vorsitzender des Geschäfts5 Brockhoff, K. (1996). Betriebswirtschaftliche Theorie für die unternehmerische Praxis. Zum 65. Geburtstag von Horst Albach. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 48(7/8), 761–763. 6 Albach, H. (1969). Unternehmensführung im Wandel. Probleme und Aufgaben der Management-Fortbildung. In H. Albach, W Busse von Colbe, H. Sabel & L. Vaubel (Hrsg.), USWSchriften für Führungskräfte, Bd. 3 (S. 17–36). Wiesbaden: Gabler, S. 31. 7 Vaubel R., Einführung. In H. Albach, W Busse von Colbe, H. Sabel & L. Vaubel (Hrsg.), USWSchriften für Führungskräfte, Bd. 3 (S. 9–16). Wiesbaden: Gabler ; Vgl. auch: Albach, H. (1974). Reformpläne für die berufliche Aus- und Weiterbildung. In H. Albach, W Busse von Colbe & L. Vaubel (Hrsg.), USW-Schriften für Führungskräfte, Bd. 7 (S73–118). Wiesbaden: Gabler.
Horst Albach als Wissenschaftler – viel mehr als Max Weber vortrug!
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führenden Vorstands, ab 1974 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats und ab 1981 bis 1984 als dessen stellvertretender Vorsitzender verantwortlich. Natürlich hat er sich auch in der anspruchsvollen Lehre dieser Institution engagiert, wobei die Entwicklung und der Einsatz von Fallstudien eine in der Anfangszeit für Deutschland noch vielfach unbekannte Art der Gestaltung von Weiterbildungsangeboten war. Ein Ziel dabei war, die spezifische Umwelt deutscher oder europäischer Unternehmen in den Fällen abzubilden, um nicht auf völlig andere Kontexte zurückgreifen zu müssen. Die Dominanz amerikanischer Fälle zu dieser Zeit stellte auch einen Aspekt der von Max Weber angesprochenen Amerikanisierung dar. Auf die zweite Erscheinung, größere Komplexität unternehmerischer Entscheidungen, kann dadurch reagiert werden, dass fachspezifisch gut ausgebildeten Führungskräften ohne systematisch aufgebautes Management-Wissen die Möglichkeit zu berufsbegleitenden Programmen mit einem Abschluss geboten wird. Hier ist insbesondere an den Executive Master of Business Administration zu denken, ein Programmangebot, das keinen betriebswirtschaftlichen Bachelor-Abschluss als Eingangsbedingung voraussetzt, sondern erste Abschlüsse praktisch aller Disziplinen anerkennt. Die Teilnehmer sind etwa 35 Jahre alt, haben bereits Führungserfahrungen gesammelt und rekrutieren sich international. Gemeinsam mit seinem Freund Donald Jacobs, Dean der Kellogg School of Management, gelang es Horst Albach, ein solches Programm erstmals in Deutschland an der WHU – Otto Beisheim Hochschule – ab 1997 zu realisieren. Albachs Netzwerk international bekannter Professoren und herausragender Praktiker bildete die Grundlage für ein Programm, das vom Start weg sehr erfolgreich war – schon der erste Jahrgang hatte 43 Teilnehmer8 – und das schließlich auch international hervorragende Bewertungen erzielte. Auch in diesem Programm war Horst Albach nicht allein Ideengeber und verantwortlicher Leiter, sondern stand selbst im Hörsaal. In Erinnerung daran ist ihm heute dieser Raum als »Horst-Albach-Auditorium« gewidmet. 3. Als Max Weber hohe Spezialisierung als persistent beschrieb, konnte er noch keine Vorstellung davon haben, was heute an Hochschulen in Forschung und Lehre zur Regel geworden ist. Als Indizien genügen folgende Hinweise: Im Wintersemester 2015/2016 wurden in Deutschland 18.044 Studiengänge angeboten, davon 8.298 Bachelor- und 8.099 Master-Studiengänge.9 An vielen Fakultäten werden einzelne Spezielle Betriebswirtschaftslehren durch mehrere 8 Geschäftsbericht 1997/1998 der WHU, S. 11. 9 Hochschulrektorenkonferenz (Hrsg.). (2015). Statistische Daten zu Studienangeboten an Hochschulen in Deutschland. Studiengänge, Studierende, Absolventinnen und Absolventen. Wintersemester 2015/2016. Bonn, S. 9.
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Professoren vertreten, die ihre Spezialisierungen in die Studiengänge einbringen. Die Bildung von Spezialisierungen folgt nicht allein einem Prinzip, sondern mehreren.10 Es ist hier nicht der Platz darüber zu raisonnieren, wie die Koordination solch weitgehender Spezialisierungen bei der Beantwortung der komplexen Fragen der Gegenwart erfolgen kann oder soll. Horst Albach entspricht dem heutigen Spezialisierungsmuster jüngerer Betriebswirte nicht. Ich glaube, dass diese Eigenschaft eine wesentliche Begründung dafür ist, dass er – was Max Weber nicht angesprochen hat – aus seinem Beruf als Wissenschaftler heraus eine starke und innovative Wirkung als Berater von Regierungen, Gerichten und Unternehmen entwickeln konnte. In einem 1955 erschienen Portrait wurde Horst Albach daher als »Der Unternehmer« vorgestellt.11 Theoretisch und methodisch versiert kann er große Probleme ganzheitlich erfassen und Lösungen dafür entwickeln. Er baut dazu auf zwei Abschlüssen auf, dem des Diplom-Kaufmanns und dem des Diplom-Volkswirts. Nicht zuletzt durch die Berufung an die Universität Bonn, die ausschließlich Volkswirte in den Wirtschaftswissenschaften ausbildet, war er zunächst als einziger Fachvertreter gezwungen, ein breit angelegtes Lehrprogramm anzubieten. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter wurden angehalten, ebenfalls eine frühe Spezialisierung zu vermeiden. Promotions- und Habilitationsthemen waren grundsätzlich nicht demselben Themenfeld entnommen; in den meisten Habilitationsverfahren waren die Themen der Schrift, des Probevortrags und der öffentlichen Antrittsvorlesung unterschiedlichen Teilbereichen der Betriebswirtschaftslehre entnommen.12 Weitere Veröffentlichungen sollten durchaus auf Gebieten liegen, die mit keiner dieser Arbeiten zusammen hingen. Beispielsweise ließ die Weitsicht, dass es einmal zu einer Wiedervereinigung in Deutschland kommen könne, Horst Albach regelmäßig Seminare über die Führung von Betrieben in sozialistischen Systemen anbieten. Als mit der Vorbereitung betrauter Mitarbeiter habe ich russisch gelernt, um die abonnierten Zeitschriften lesen zu können, und Veröffentlichungen aus diesem Themenkreis vorgelegt, was unterschiedliche Reaktionen bei verschiedenen Gruppen in Hochschulen auslöste. Darüber hinaus entstanden weitere Forschungsarbeiten 10 Brockhoff, K. (2014). Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte (4. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler, S. 228ff. 11 Pieper N. (1995). Der Unternehmer, Die Zeit, 22. 9. 1995. Davon zeugen auch insbesondere die Praktikerbeiträge in: Sadowski, D. (Hrsg.). (2001). Entrepreneurial Spirits. Horst Albach zum 70. Geburtstag, Wiesbaden: Gabler. 12 Vgl. die von Karl Heinz Schauten zusammengestellten Schriften: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät. Universität Bonn. Drei Jahrzehnte Dekanat. 8. Mai 1958 bis 31. Juli 1989. Privatdruck Bonn 1989; Professor Dr. Dr. h. c. Horst Albach. Unter seiner Leitung abgeschlossene Habilitationen und Promomotionen zusammengestellt aus Anlaß seiner 25-jährigen Zugehörigkeit zur Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Privatdruck Bonn 1986.
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zu diesem für Betriebswirte wohl einzigartigen Themenbereich.13 Horst Albach konnte auf diesen Erkenntnissen aufbauen, als er von 1992 bis 1994, von der VolkswagenStiftung gefördert, Transformationsprozesse in Deutschland untersuchte und begleitete. Daraus entstand eine Vielzahl anregender und nachdenklicher Publikationen.14 Zu kaum einem Gebiet der modernen Betriebswirtschaftslehre fehlt ein Beitrag des Jubilars: Das Operations Research erlaubte die Entwicklung von Optimierungsmodellen in der Investitions- und Finanzplanung, der Produktionstheorie und der Organisationstheorie. In der Preistheorie wurden prozessrelevante Lösungen für dyopolistische Preisbildungen auf der Grundlage der doppelt geknickten Preis-Absatz-Funktion entwickelt. Die mikroökonomische Steuerbelastungs- und Steuerwirkungslehre hat wesentliche Impulse erfahren. Ebenso wurden Bewertungs- und Abschreibungsfragen behandelt und die Aktienrechtsreform von 1965 intensiv diskutiert. Früh mit der Teamtheorie vertraut, behandelte er Delegations- und Führungsprobleme bei divergierenden Zielen der Beteiligten. Viele Lösungsvorschläge zeichnen sich durch eine überraschende Eigenwilligkeit aus. Das hat zu teils heftigen Auseinandersetzungen geführt. Die Breite der Interessengebiete erstreckt sich über die Wirtschaftswissenschaften hinaus. Dafür seien nur zwei Beispiele gegeben. Die Gespräche mit seiner unvergessenen Frau, der Juristin Dr. Renate Albach, haben zu einer institutionenorientierten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre geführt.15 An Anschaulichkeit und gesättigter Erfahrung ist diese kaum zu übertreffen. Mit Marcus Lutter oder mit Ernst Benda entstanden gemeinsame Veröffentlichungen.16 In engem Austausch mit dem Architekten Oswald Mathias Ungers entstanden Überlegungen zur optimalen Wohngebietsplanung,17 die ergänzt wurden durch weitere Forschungsarbeiten.18 13 Dumas, L. (1969). Die Durchsetzung des technischen Fortschritts in sozialistischen Betrieben. Dissertation, Bonn; Maier-Bode, H. (1971). Die Führungskräfte der Wirtschaft in der zentralgeleiteten Planwirtschaft der Sowjetunion. Ihre Tätigkeit, Ausbildung Stellung in der Gesellschaft. Dissertation, Bonn; Buchholz, J. (1974). Selbstbestimmung der Arbeitnehmer im Sozialismus? Dissertation, Bonn. 14 Unter anderen: Albach, H. (1993). Zerrissene Netze. Berlin: Sigma; Albach, H. & Witt, P. (1993). Transformationsprozesse in ehemals Volkseigenen Betrieben, Stuttgart: SchäfferPoeschel; Albach, H. (1994). The Transformation of Firms and Markets. A Network Approach to Economic Transformation Processes in East Germany (Studia Oeconomicae Negotiorum). Uppsala: Acta Universitatis Upsaliensis. 15 Albach, H. & Albach, R. (1989). Das Unternehmen als Institution. Wiesbaden: Gabler. 16 Albach, H. et al. (1988). Deregulierung des Aktienrechts. Das Drei-Stufen-Modell. Gütersloh; Albach, H. et al. (1989). Berlin-Bremen-Hamburg: Zur Regierungsstruktur in den Stadtstaaten. Berlin. 17 Albach, H. & Ungers, O.M. (1969). Optimale Wohngebietsplanung, Bd. 1. Wiesbaden; Albach, H. & Kistner, K.P. (1968). Optimale Wohngebietsplanung, Bd. 2. Wiesbaden.
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Faszinieren kann Horst Albach auch auf Gebieten, die den Wirtschaftswissenschaften auf den ersten Blick sehr fern liegen. Mit viel Belesenheit, Akribie und Forschergeist spürt er beispielsweise in der Romanliteratur oder Erzählungen wirtschaftlichen Bezügen und den Fragen nach, woher die Autoren wohl ihre Kenntnisse und Erkenntnisse gewonnen haben könnten. Welches Unternehmerbild zeichnet Franz Kafka? Wurden seine Organisationsvorstellungen durch das Modell der bürokratischen Organisation von Max Weber beeinflusst, da Kafka bei Alfred Weber studiert hatte? In zwei reizvollen Beiträgen werden Antworten zu diesen Fragen gesucht.19 Prädestiniert war Horst Albach daher auch für eine ungewöhnliche Führungsaufgabe, nämlich der Präsidentschaft über die in West-Berlin neu begründete Akademie der Wissenschaften. Dass diese nach einem sehr engagiert betriebenen Start, organisiert nach einem für Akademien ungewöhnlichen Prinzip der Projektorganisation, dem politischen Konsenswunsch in der Folge der Wiedervereinigung zum Opfer fiel, ist in keiner Weise ihrem kämpferischen Präsidenten anzulasten.20 Vor diesem Hintergrund ist es geradezu zwingend, dass er eine Berufung in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften ablehnte. 4. Der spezielle Fokus auf das Publikum von Max Weber wird der Vielfalt wissenschaftlicher Betätigungen nicht gerecht, die sich aber aus der Tätigkeit des Jubilars erschließen. Sie werden hier nur kursorisch angesprochen. Erstens ist dies die Übernahme von Verantwortung in der Selbstverwaltung von Hochschulen. Ihr ist Horst Albach insbesondere seit seinem Dekanat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität in den Jahren 1963/1964 in einer Vielzahl von Ämtern nachgekommen. Zweitens ist die Führung von Institutionen zu nennen, die im nationalen oder im internationalen Rahmen der Sicherung und Entwicklung von Erkenntnissen nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten dienen, zum Beispiel der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft, die Erich Gutenberg Arbeitsgemeinschaft oder die Initiative zur Gründung der International Federation of Scolary Associations of Management – deren Präsident er 1990 war – oder einer Gesellschaft für Internationale Betriebswirtschaftslehre, in der vergeblich versucht wurde, den deutschen Beitrag zu einer global orientierten Doktorandenausbil18 Kistner, K.P. (1969). Faktorenanalyse und Wohnwert. Dissertation, Bonn; Viebering, K. (1969). Die Simulation als Instrument der Wohngebietsplanung. Dissertation, Bonn. 19 Albach, H. (1968). Zum Bild des Kaufmanns bei Kafka, Der Deutschunterricht, S. 52–60; Albach, H. (1969). Unternehmer und Organisation bei Franz Kafka, Mitteilungen aus der List Gesellschaft, Fasc. 7, S. 57–75. 20 Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1993). Jahrbuch/Yearbook 1990–1991., Berlin: de Gruyter, Berlin.
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dung institutionell zu sichern.21 Drittens hat sich Horst Albach ungewöhnlich intensiv der Förderung ausländischer Studierender und Doktoranden angenommen, wobei Ägypten, Afghanistan oder Griechenland hier deshalb zu nennen sind, weil Angehörige dieser Nationen nur selten in den Doktorandenverzeichnissen auftauchen. Viertens ist die Erstellung von Gutachten von sehr hoher Bedeutung. Durch diese Aufträge wurden einerseits neue, interessante Fragestellungen einer wissenschaftlichen Bearbeitung zugeführt. Andererseits konnten kontroverse Fragen mit wissenschaftlicher Methodik beantwortet werden. Die große Anzahl gutachterlicher Arbeiten des Jubilars würde allein ein reichhaltiges Untersuchungsfeld darstellen, in dem nach diesen wechselseitigen Beziehungen gesucht und deren Wert beurteilt werden kann. Fünftens ist das Wirken in Aufsichts- oder Beratungsgremien von Unternehmen in ähnlicher Weise interessant. Tief beeindruckt berichtete der Vorsitzende der Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens der Keramikindustrie, wie in die Aufsichtsratssitzung mit dem Thema der Produktionsprogrammplanung an einem der Firmenstandorte mehrere Assistenten mit vorher ausgearbeiteten Planungsprogrammen und – damals völlig neu – tragbaren Computern eingeführt wurden. Sie konnten vor Ort eine Bewertung von Alternativen aufgrund von Optimierungsrechnungen vornehmen. 5. Hätte Max Weber sich eine solche Ausweitung von Wissenschaft als Beruf vorstellen können? Hätte er es gutheißen können? Horst Albach hätte ihm überzeugend nicht nur die zeitgemäße Weiterentwicklung der Vorstellungen sondern auch die Vervielfältigung der Aufgaben einer Persönlichkeit vorstellen können, die in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Wissenschaft als Beruf gewählt hat. Mit bewundernswerte Effektivität und Effizienz hat er die Vorstellungen von Wissenschaft als Beruf in der moderneren Zeit geprägt.
21 Albach, H. (2012). Vierzig Jahre European Institute for Advanced Studies in Management. In: Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft, W. Burr & A. Wagenhofer (Hrsg.). Der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft. Geschichte des VHB und Geschichten zum VHB (S. 267–269). Wiesbaden: Gabler.
Helmut Bruse
Wissenschaft als Beruf – Wissenschaft für den Beruf
»Wissenschaft als Beruf« – wenn man diese Charakterisierung mit dem Jubilar verbindet, so wird man sicherlich sofort Zustimmung erhalten. Doch was bedeutet das eigentlich, Wissenschaft als Beruf ? Umfassend hat sich bereits Max Weber vor etwa 100 Jahren mit dieser Thematik auseinandergesetzt, ein Vortrag, der bezeichnenderweise in dem Werk »Geistige Arbeit als Beruf« erschienen ist.1 Geistige Arbeit als Beruf charakterisiert den Jubilar wohl noch besser. Insofern geht es bei der Betrachtung des Aspektes »Beruf« nicht um die Frage, wie sich der Beruf des Wissenschaftlers im eigentlichen Sinne des Wortes äußert, nicht um die äußeren Bedingungen des Gelehrtenberufes, sondern um die innere Berufung zur Wissenschaft. Und es geht um die »Wissenschaft«, genauer gesagt um das Ziel der Wissenschaft. Auch hier soll die Thematik eingegrenzt werden, entsprechend der Profession von Horst Albach primär auf die Betriebswirtschaft. Unter diesen Prämissen wird zunächst »Wissenschaft als Beruf und als Berufung« sowie »Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft« behandelt, dem folgen unter dem Blickwinkel der Wissenschaft für die Praxis darauf die Abschnitte »Wissenschaft für den Beruf« und abschließend ein Ausblick »Wissenschaft als Beruf heute«.
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Wissenschaft als Beruf und als Berufung
Zunächst zum Begriff der Wissenschaft. Die Wissenschaft ist eine (organisierte) Form der Erforschung, Sammlung und Auswertung von Kenntnissen und insofern heißt wissenschaftliches Arbeiten vor allem: »sich seine eigenen Gedanken zu machen«. Gegenstand wissenschaftlichen Arbeitens ist der Prozess, 1 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. In Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München und Leipzig: Duncker & Humblot; wenn hier im Folgenden auf diesen Bezug genommen wird, dann entsprechend der Fassung: Weber, M. (2000). Wissenschaft als Beruf. In: Politik und Gesellschaft (S. 1016–1040). Frankfurt a.M.
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mit dem die Ergebnisse erzielt werden. Sie ist der Inbegriff der Gesamtheit menschlichen Wissens, der Erkenntnisse und Erfahrungen einer Zeitepoche, welches systematisch gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird. In der Lehre tätige Wissenschaftler geben die Methoden der Forschung an Studenten weiter und vermitteln ihnen einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand, z. B. indem sie ihre Kenntnisse und Erkenntnisse schriftlich niederlegen oder den Stoff in unmittelbarem Kontakt mit den Studenten durch Vorlesungen, Seminare usw. vermitteln. Forschung in diesem Zusammenhang bedeutet im idealisierten Sinne die Suche nach Wahrheit, Forschung als Tätigkeit ist Suche nach neuen Erkenntnissen und entsteht aus einer stets durch Irrtum und Selbsttäuschung gefährdeten Verbindung von Systematik und Eingebung, Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und gegenüber anderen. Ehrlichkeit ist nicht nur selbstverständliche Grundregel professioneller wissenschaftlicher Arbeit, (»dass innerhalb der Räume des Hörsaals nun einmal keine andere Tugend gilt als eben: schlichte intellektuelle Rechtschaffenheit« wie Max Weber formuliert2), sie ist das Fundament der Wissenschaft als ein soziales System und gilt für Zeitgenossen nicht weniger als für Vor- und Nachfahren. Ein klassisches Ideal, zurückgehend auf Aristoteles, ist die völlige Neutralität der Forschung. Sie sollte autonom, rein, voraussetzungs- und wertefrei sein. Unlautere Methoden – anders als gutgläubiger Irrtum, der nach manchen wissenschaftstheoretischen Positionen essenziell zu dem Fortschritt der Erkenntnis gehört – zerstören die Wissenschaft. Insofern ist Ehrlichkeit eine Grundvoraussetzung für den Wissenschaftler. Die kritische Überprüfung des menschlichen Wissens steht im Zentrum der Wissenschaft. Sie ist eine Grundbedingung dafür, dass neue Erkenntnisse – als vorläufig gesicherte Ausgangsbasis – für weitere Fragen dienen und insofern ist die Wissenschaft darauf ausgerichtet, eine möglichst präzise und wertfreie Beschreibung des Analysierten zu liefern. Als besondere Werte gelten dabei: – Eindeutigkeit der verwendeten Begriffe mit möglichst exakter Definition, Vollständigkeit sowie Objektivität und Verlässlichkeit. – Nachvollziehbarkeit, Verständlichkeit, logische Argumentation. – Überprüfbarkeit, ein hoher Grad an Reliabilität und Validität. Nicht das Aufstellen von Vermutungen ist das Wesentliche der Wissenschaft, sondern deren Prüfung. Was verifiziert werden kann, gilt als vorläufig gesichert. Wissenschaftliche Theorien müssen an der Erfahrung scheitern können; was nicht falsifizierbar und keiner Kritik zugänglich ist, hat keine wissenschaftliche Relevanz.
2 Weber, M. (2000). Wissenschaft als Beruf. In: Politik und Gesellschaft (S. 1016–1040). Frankfurt a.M., S. 1040.
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– Neuigkeit, Originalität und Relevanz. Relevant ist, was zum wissenschaftlichen Fortschritt beiträgt; relevant sind Inhalte, die einen hohen Informationswert haben. Wichtig und belangvoll sind außerdem Untersuchungen, die helfen Praxisprobleme zu lösen – z. B. Wissenschaft als Basis für den Beruf. Das bedeutet insbesondere, Wissen zu verknüpfen und Folgenabschätzungen durchzuführen. Für die Wissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten im besten Sinne, dafür steht der Jubilar. Noch entscheidender aber, besser gesagt prägender, ist wohl Horst Albach als Lehrer. Von den Assistenten war ein Vortrag im Oberseminar »gefürchtet«. Immer wieder ging es um das Ringen nach Lösungen, um die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit. Es waren die bohrenden Fragen, die Diskussion um die zu behandelnden wissenschaftlichen Probleme, das Hinterfragen der angebotenen Lösungen. Wer nur dünne Bretter bohren wollte, der war sicherlich fehl am Platze. Immer wieder war es das Ziel, nicht nur das selbständige Denken anzuregen, sondern zum selbständigen Denken zu gelangen. Stellt man sich die Frage der Wissenschaft als Beruf, so gilt es in Wirklichkeit auch bzw. speziell von etwas anderem zu diskutieren, »von dem inneren Berufe zur Wissenschaft« wie Weber schreibt3. Man kann es »Erlebnis« der Wissenschaft nennen, dieses Nachdenken über die wissenschaftlichen Probleme, dieser Diskurs über Lösungsmöglichkeiten, dieses »Brennen« für Neuerungen und Fortschritt. »Denn nichts ist für den Menschen als Menschen etwas wert, was er nicht mit Leidenschaft tun kann«4. Gleichgültig welches Thema, gleichgültig bei welcher Gelegenheit – immer wurde mit Leidenschaft diskutiert, der Jubilar immer voran. Wissenschaft als Berufung muss auch die Frage stellen nach der Gelehrtenqualität, so Weber. Wird sie beantwortet mit der Anzahl der Studentinnen und Studenten (bei Weber noch durch die Frequenz, mit der ihn die »Herren« Studenten beehren)? Entscheiden die Hörerzahlen oder ist der Weg zum selbständigen Denken zu gelangen ausschlaggebend?5 Auch wenn man den ersten Teil als Kriterium zulässt: Die großen Hörsäle waren beim Jubilar immer bis auf den letzten Platz gefüllt mit interessierten Studentinnen und Studenten. Selbst ein Wahlfach wie Wirtschaftsprüfung, bei vielen als ein trockenes Gebiet betrachtet, um das man einen großen Bogen machte, erfreute sich bei ihm als Lehrer sehr großer Beliebtheit. Und die Anzahl der betreuten Diplomarbeiten, Doktoranden, Habilitanden sprechen eine überdeutliche Sprache. Schon vor 100 Jahren konstatierte Weber in seinem Beitrag, dass die Wis3 Ebenda, S. 1020. 4 Ebenda, S. 1021. 5 Ebenda, S. 1020.
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senschaft in ein Stadium der Spezialisierung eingetreten sei. Das gilt heute umso mehr. Nützliche Fragestellungen sind von verschiedenen Fachgesichtspunkten aus zu betrachten, Nachbargebiete übergreifend. Wichtig ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Austausch auf internationaler Ebene, der von Horst Albach gefördert wurde. »Ja, das ist doch klar«, wird jeder denken. So klar war das Ende der 1970er Jahre jedoch nicht. Seinerzeit in Bonn wurden nicht nur international anerkannte Forscher eingeladen oder hatten dort einen Gastaufenthalt, auch alle am Institut tätigen Forscher »durften« ihre Ergebnisse international präsentieren. Mit Fug und Recht kann man Horst Albach als Innovator auf dem Gebiet der Internationalisierung der betriebswirtschaftlichen Disziplin bezeichnen.
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Betriebswirtschaft als Wissenschaft
Die Fragenstellungen der Betriebswirtschaft stehen unter dem Spannungsfeld zwischen Bedarf einerseits und der Bedarfsdeckung andererseits. Motor der Wirtschaft sind die Bedürfnisse, also das Empfinden des Mangels eines Menschen, gleichgültig, ob dieser objektiv vorhanden ist oder nur subjektiv empfunden wird. Die naturgegebene Knappheit der Ressourcen zwingt die Menschen zu wirtschaften. Der Betriebswirtschaft fällt hierbei die Aufgabe zu, als anwendungsorientierte Wissenschaft betriebliche Entscheidungsprobleme zu analysieren und zu systematisieren. Letztlich geht es darum, den Entscheidungsträgern Handlungsempfehlungen zu geben. Unter diesem Aspekt kann man die betriebswirtschaftlichen Fragestellungen wie folgt charakterisieren: (1) Beschreiben was ist, d. h. Fakten und Sachverhalte beobachten und darstellen sowie Begriffe abgrenzen und Definitionen geben. (2) Erklären, warum etwas so ist, und zwar möglichst objektive Ermittlung von ursächlichen und funktionalen Zusammenhängen. (3) Bewerten, was gut und was schlecht ist. Dabei lautet die notwendige Voraussetzung: Ziele müssen vorhanden sein, an denen sich die Empfehlungen orientieren können. (4) Empfehlen, was man tun und was man lassen sollte, d. h. das Geben von praktischen Handlungsempfehlungen auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse. Die beiden ersten Punkte zielen auf die Darlegung von objektiven Gegebenheiten, die letzten beiden beinhalten subjektive Elemente und begründen vor allem den Tatbestand der Betriebswirtschaftslehre als angewandte Wissenschaft – und damit ist eine wichtige Basis für den Unternehmer und den Beruf des Managers gegeben.
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Der Umsatzprozess eines Unternehmens selbst bedarf einer Gestaltungs- und Steuerungsfunktion, damit er koordiniert und zielgerichtet abläuft (Management). Im Rahmen des strategischen Managements wird die Richtung vorgegeben, als operatives Management stehen speziell Führungsaufgaben im Vordergrund. Die Unternehmensführung ist hierbei von besonderer Bedeutung. Eine herkömmliche Betrachtungsweise des Gegenstandes der Unternehmensführung ist stark auf Innenbeziehungen des Unternehmens gerichtet. Die Erweiterung der Perspektive betrachtet ein Auseinanderfallen der Unternehmerfunktion in Eigentum und Verfügungsgewalt, eine zweite Erweiterung bezieht neben Anteilseigner- und Managerinteressen auch andere Gruppen mit ein (Stakeholder-Ansatz). Strategisches Management beschäftigt sich – vereinfacht gesagt – mit der Planung und Umsetzung von Strategien in Unternehmungen. Ein zentrales Ziel besteht in der Beantwortung der Frage, warum einige Unternehmungen in einer Branche erfolgreich sind und andere nicht. Es gilt die Frage zu beantworten, wie der Bestand und der Erfolg der Unternehmung dauerhaft gesichert werden können. Es geht speziell auch um die Unternehmensdynamik und die Firmenentwicklung.
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Das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre – die Firmenentwicklung
Das Unternehmen ist das zentrale Erkenntnisobjekt der strategischen Managementforschung. Es geht um die wissenschaftliche Analyse des Unternehmenswachstums. Warum wachsen Unternehmen, warum schrumpfen andere? Es geht um Geburt (Start-up) und Tod (Insolvenz). Was bestimmt das Wachstumstempo der Firmen? Es geht um Innovation und Imitation. Entsprechend der allgemeinen Gleichgewichtstheorie kann man die Firma als Produktionsfunktion betrachten, Theorie der Produktion – Theorie der Firma (theory of the firm). Insofern begründete Erich Gutenberg eine erste Theorie der Unternehmung.6 Im weiteren Schritt geht es um eine Theorie der Unternehmensdynamik, d. h. für die Firmenentwicklung entsprechend den betriebswirtschaftlichen Fragestellungen den Antrieb und Verlauf von Prozessen umfassend zu beschreiben und zu erklären, zu prognostizieren und zu gestalten. Auf dem Gebiet der Theorie der Unternehmensdynamik wurden von Horst Albach neue Impulse gegeben7. An 6 Gutenberg, E. (1951). Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Erster Band (Die Produktion). Berlin u. a.: Springer. 7 Albach, H. (1965). Zur Theorie des wachsenden Unternehmens. In W. Krelle (Hrsg.), Theorien des einzelwirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Wachstums, Schriften des Vereins für Socialpolitik, NF Bd. 34 (S. 9–97). Berlin: Duncker & Humblot.
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die Seite investitionstheoretisch orientierter Modelle des Unternehmenswachstums wird von ihm ein strategischer Ansatz gesetzt. Die neue Perspektive basiert auf Wachstumsschüben, der Gleichgewichtspfad wird verlassen und die Theorie wird auf die beobachtbare Realität übertragen. Es gibt innerbetriebliche Wachstumsgrenzen, aber auch Wachstumsimpulse durch das strategische Unternehmensverhalten. Er zeigt die Bedeutung der Produkteinführung für das Wachstum auf. Andererseits, ein Überschreiten des Koordinationsvermögens determiniert die Grenzen des Wachstums der Firma. Treiber des Wachstums sind Forschung und Entwicklung, die Geschwindigkeit der Produkteinführung (im modernen Sprachgebrauch »time to market«). Und speziell für mittelständische Unternehmen sind kritische Wachstumsschwellen zu beobachten und zu beachten. Von Bedeutung sind die gebündelten Eigenschaften der einzelnen oder verschiedenen Leistungserstellungsfaktoren, z. B. im Sinne eines ressourcenbasierten Ansatzes bzw. im modernen Sprachgebrauch auch den »capabilities«. Es geht um deren Werthaltigkeit bzw. den potenziellen Ressourcenwert, Eigenschaften wie Seltenheit sowie Nichtsubstituierbarkeit und Nichtimitierbarkeit, aus denen sich Renten abschöpfen lassen und die dann in Richtung einer Gewinnmaximierung führen. Vielfalt, Variation, Selektion – diese Komplexität führt zur Theorie der Firma als eine evolutorische Theorie. Eine Modellierung der Firma hat als offenes System zu erfolgen, ein System mit Rückkopplungsbeziehungen zwischen systeminternen und externen Variablen. Theoretisch führt dies zu einem ökonometrisch ausformulierten System – und zum Bonner Modell der Firmenentwicklung, wie es im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und in zahlreichen Dissertationen entwickelt wurde. Diese theoretischen Überlegungen wurden im Rahmen der Studien des Bonner Modells der Firmenentwicklung immer gepaart mit einer empirischen Überprüfung und in einen Gesamtkontext gestellt (exemplarisch seien hier lediglich die Ausführungen des Jubilars in einem 1988 erschienen Beitrag8 sowie das Buch von 19919 genannt). Dynamik und Theorie mit seinen komplexen Interdependenzen simultan zu erfassen, das beinhaltet die dynamische Theorie der Unternehmung. Für eine praktische Umsetzung bildet das Vorhalten von Managementkompetenz eine wichtige Voraussetzung. Zu beachten sind besonders die Nachfragebedingungen, die Industriestrukturen und Vorteile auf Branchenebene sowie 8 Albach, H. (1988). Management of Change in the Firm – Theoretical Analysis and Empirical Evidence. In K. Uraba, J. Child & T. Kagona (Hrsg.), Innovation and Management: International Comparisons (S. 197–224). Berlin u. a.: Walter de Gruyter. 9 Albach, H. (1991). Unternehmen im Wettbewerb: Investitions-, Wettbewerbs- und Wachstumstheorie als Einheit, Wiesbaden: Gabler.
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regulatorische Rahmenbedingungen, insgesamt Mechanismen auf der Makroebene der Gesellschaft. Blickt man über das enge Feld der Firma hinaus, so gelangt man sehr schnell in eine Diskussion um bestehenden Wettbewerb innerhalb einer Branche. Ist Größe allein schon wettbewerbsschädlich? Im Rahmen der Theorie der Wettbewerbspolitik geht es nicht nur um Wettbewerbsvorteile durch Größenmacht, sondern auch durch Diversifikation (und in diesem Zusammenhang zu einer Risikostreuung) oder durch Flexibilität. Auch diese theoretischen Ansätze hat der Jubilar erweitert, indem er die wettbewerbspolitische Bedeutung der Finanzkraft in die Theorie einbrachte und die Einsetzbarkeit bei der Beurteilung von konkreten Fusionsfällen aufzeigte.10 Der rechtliche Rahmen, in den die Unternehmen eingebunden sind, bestimmt ebenso vielfach das Handeln der Unternehmen. Das Zusammenleben von Unternehmen und Gesellschaft ist unter verschiedenen Aspekten zu beleuchten und für das Verständnis des Handelns der Unternehmen unabdingbar. Insofern ist es konsequent, sich ebenfalls mit dem institutionellen Rahmen auseinanderzusetzen, was dann auch Horst Albach mit seiner Frau Renate Albach zusammen durchgeführt hat.11
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Wissenschaft für den Beruf
Was leistet die Wissenschaft Positives für das praktische Leben? Weber beantwortet die Frage so: »Zunächst natürlich: Kenntnisse über die Technik, wie man das Leben, die äußeren Dinge sowie das Handeln der Menschen, durch Berechnung beherrscht. … Methoden des Denkens, das Handwerkszeug und die Schulung dazu. … Aber damit ist die Leistung der Wissenschaft glücklicherweise auch noch nicht zu Ende, sondern wir sind in der Lage, ihnen zum Dritten zu verhelfen: zur Klarheit. Vorausgesetzt natürlich, dass wir sie selbst besitzen«12. Klarheit ist es dann, die es im Beruf zu gewinnen gilt – zunächst für die Unternehmensziele. Die Unternehmensziele hängen unmittelbar mit dem Unternehmensleitbild zusammen, denn die dort formulierten Standards und Normen sind meist schon die Ziele, die ein Unternehmen erreichen möchte. Diese Unternehmensziele sind eine Art Orientierung für alle Mitarbeiter im Unternehmen, insbesondere der Unternehmensleitung, den Abteilungsleitern und sonstigen Führungspersonal. 10 Albach, H. (1981). Finanzkraft und Marktbeherrschung. Tübingen. 11 Albach, H. & Albach, R. (1989). Das Unternehmen als Institution – Rechtlicher und Gesellschaftlicher Rahmen. Eine Einführung. Wiesbaden: Gabler. 12 Weber, M. (2000). Wissenschaft als Beruf. In: Politik und Gesellschaft (S. 1016–1040). Frankfurt a.M., S. 1035.
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Um Unternehmensziele erreichen zu können, müssen sie klar ausformuliert und verbindlich festgelegt werden. Die SWOT-Analyse ist ein Instrument der Strategischen Planung; sie dient der Positionsbestimmung und der Strategieentwicklung von Unternehmen. Aus der Unternehmensanalyse (interne Analyse) ergeben sich die Stärken (Strengths) bzw. Schwächen (Weaknesses), sie beziehen sich auf das Unternehmen selbst. In der Umweltanalyse (externe Analyse) wird die Unternehmensumwelt untersucht. Chancen (Opportunities) bzw. Bedrohungen (Threats) kommen von außen, sie ergeben sich aus Veränderungen im Markt, in der technologischen, sozialen oder ökologischen Umwelt. Die Umweltbedingungen sind für das Unternehmen vorgegeben, d. h. die hier wirkenden Kräfte sind weitgehend exogen. Speziell Chancen sind Möglichkeiten, durch neue und/oder verbesserte Produkte und Dienstleistungen vorhandene und/oder neue Kunden zu gewinnen oder Stammkunden zu halten. Diese Chancen können durch (attraktive) Angebote von Wettbewerbern oder durch technologische und wirtschaftspolitische Veränderungen gefährdet sein (Risiken). Sobald die Risiken aus Sicht der Verantwortlichen zu groß werden, sind geeignete Maßnahmen einzuleiten. Die Auswahl der Aktionen richtet sich nach der Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen (im Vergleich zum Wettbewerb) durch die Entscheidungsträger. Um diese abzuleiten, ist Klarheit, eine möglichst präzise und wertefreie Beschreibung des Analysierten, unabdingbare Voraussetzung. Aus der Kombination der Analysen lassen sich dann verschiedene strategische Konsequenzen ableiten. Es wird versucht, den Nutzen aus Stärken und Chancen zu maximieren und die Verluste aus Schwächen und Gefahren zu minimieren. Hierzu wird gezielt nach Kombinationen gesucht, dann erst wird gefragt, welche Initiativen und Maßnahmen sich daraus ableiten lassen. Entscheidend für den Erfolg sind immer konkrete und am Ziel ausgerichtete Maßnahmen, die konsequent umgesetzt werden müssen. Ein häufiger Fehler in der Praxis ist, dass bei der SWOTAnalyse keine Priorisierung vorgenommen wird oder konkrete Maßnahmen weder beschlossen noch umgesetzt werden. Für eine Weiterentwicklung von Unternehmen ist in der Regel ein planmäßiges und gesundes Wachstum von Bedeutung, wobei es wichtig ist, die Vorhaben strategisch im Geschäftsmodell zu verankern. Ein nachhaltiges Unternehmenswachstum wird unterstützt durch eine passende Vertriebs- und Produktstrategie sowie eine Innovationskultur. Weiterhin gilt es, professionelle Strukturen, eine tragfähige Führungsorganisation sowie ein stabiles, hochmotiviertes Team aufzubauen. Hinzu kommen eine geeignete Finanzierung sowie unter dem Aspekt der Globalisierung eine Internationalisierung. Immer wieder geht es auch um knappe Ressourcen, um Priorisierung. Die Anwendung des ressourcenbasierten Ansatzes aus der Theorie bedeutet
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in der praktischen Umsetzung für die Unternehmensentwicklung Entscheidungen über Ressourcenallokation zu treffen, über den Einsatz knapper Ressourcen. Um dies zu erreichen ist eine Methode rationaler Entscheidungen für Investitionen zu schaffen. Immer geht es um eine Gegenüberstellung von Investitionsbedarf und Finanzierungsmöglichkeiten. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass basislegende Arbeiten zu Entscheidungen bei Unsicherheit und zur Investitionsrechnung von dem Jubilar stammen.13 Im Zuge der Unternehmensentwicklung gilt es: (1) die Leistungen zu standardisieren und zu zerlegen, (2) einen systematischen Know-how-Transfer, vor allem an konkreten Aufgaben, Prozessen und Projekten, zu vollbringen und (3) eine Persönlichkeitsentwicklung der Beteiligten mit den Themen Führungskompetenz und Selbstführung zu initiieren. Das strategische Management fragt nach dem ökonomischen Wert der Leistungserstellung, der Bestimmungsgröße der Wertschöpfung für den Unternehmenserfolg sowie der Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen. Die Frage nach dem »wie« der Generierung und Aneignung von ökonomischem Wert kann man zurückführen auf Innovation, den Humanfaktor, auf Skalenerträge und dem Zusammenspiel von Organisation und strategischen Aspekten. Wissen bildet das verbindende Element von Wertgenerierung und der Entwicklung der Firma. Ein wichtiges Element bildet die Arbeitsteilung und die Organisation von Wissen. Hinzu kommen die Nutzbarmachung externer Faktoren sowie die Ausrichtung an externe Normen als notwendige Bedingung. All dies beinhaltet Probleme der internen Koordination und letztlich der Mitarbeiterführung als ein praktisch besonders bedeutsames Gebiet. Hintergrund sind nicht nur organisatorische Bedingungen, es geht auch um Wertehaltungen und gesellschaftliche Einflüsse und letztlich um einen interdisziplinären Ansatz. Außerordentlich anschaulich und praxisorientiert werden Darstellungen, die die Problematik der Mitarbeiterführung mit Fällen und Fallstudien aus der Realität bereichern wie der Jubilar es in dem gleichnamigen Werk getan hat.14 Zu beachten ist, dass die Firma ein Handlungssystem ist, denn die Entität »Firma« wird nicht nur gebildet durch die handelnden Personen, sondern auch als Folge von deren Handlungen aus denen sie sich konstituiert. Die Grenzen sind gegeben durch Verhaltensregeln. »Heiligt« der Zweck die Mittel oder nicht? Und damit ergeben sich die aktuellen Diskussionspunkte um die Grundsätze der Unternehmensführung (Corporate Governance), den Ordnungsrahmen für die 13 Albach, H. (1959). Wirtschaftlichkeitsrechnung bei unsicheren Erwartungen. Köln, Opladen: Westdeutscher Verlag; Albach, H. (1962). Investition und Liquidität: Die Planung des optimalen Investitionsbudgets. Wiesbaden: Gabler. 14 Albach, H. & Gabelin, T. (1977). Mitarbeiterführung: Text und Fälle, Wiesbaden: Gabler.
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Leitung und Überwachung von Unternehmen. Dieser wird maßgeblich durch Gesetzgeber und Eigentümer bestimmt. Das unternehmensspezifische System besteht in diesem Zusammenhang aus der Gesamtheit relevanter Gesetze, der Richtlinien und Kodizes, dem Unternehmensleitbild und es umfasst u. a. das Einhalten von Gesetzen und Regelwerken (Compliance) sowie das Befolgen anerkannter Standards. Das sind die aktuellen Fragen der heutigen Managementpraxis, Wissenschaft für den Beruf heute. Was vermag in diesem Zusammenhang der Lehrer? Er kann die Schüler vor die Notwendigkeit dieser Wahl stellen, ob der Zweck die Mittel »heiligt«, mehr kann er nicht – solange er Lehrer bleiben will. »Rechenschaft zu geben über den letzten Sinn seines eigenen Tuns«, wie Weber es beschreibt.15 Auch im Sinne der Wissenschaft für den Beruf ist es die Aufgabe des Lehrers, im Dienst der Pflicht (so Weber) zu stehen, Klarheit und Verantwortungsgefühl zu schaffen.
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Wissenschaft als Beruf heute
Wissenschaftliche Ergebnisse gestalten sich im modernen Kontext heute immer mehr als marktgängige Produkte. Die Wissenschaftler untereinander konkurrieren nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern vermehrt auch um Geldgeber und die Generierung von Geldmitteln. Wissenschaftliche Institutionen treten heute oft doppelzüngig auf, denn die Fähigkeit zur Einsicht, der Darstellung der Fehlerhaftigkeit des eigenen Erkennens begünstigen nicht den (kurzfristigen) Erfolg bei der Konkurrenz um Posten und Fördermittel.16 Ziel – auch der Wissenschaft als Beruf heute – muss die Teilnahme an der generationenübergreifenden Wahrheitssuche bleiben. Als angewandte Wissenschaft gilt es zudem, Ideen und Ansätze für die Praxis zu generieren. Gerade die Verbindung von Theorie und Praxis in der Lehre war immer ein Anliegen des Jubilars. Hiervon zeugt nicht nur der Aufbau des Universitätsseminars der Wirtschaft (USW) mit seinen Managementseminaren, hiervon zeugen ebenso die USW-Schriften für Führungskräfte. Legendär ist das dort vom Jubilar initiierte Zehn-Wochen-Seminar im Rahmen der Managementausbildung und dem damit auch verbundenen Schaffen von Netzwerken; mit dem FIS (Führung im internationalen Unternehmen) wurden am USW bereits sehr früh und weit vor der Diskussion um Globalisierung die internationalen Aspekte der Unternehmensführung vermittelt. In Form von Unternehmens15 Weber, M. (2000). Wissenschaft als Beruf. In: Politik und Gesellschaft (S. 1016–1040). Frankfurt a.M., S. 1036. 16 Hampe, M. (2016). Warum lügen und betrügen Wissenschaftler? DIE ZEIT, Nr. 20, 4. Mai 2016.
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planspielen wurden wichtige Gegebenheiten der Unternehmensführung sichtbar gemacht und das Arbeiten mit Cases, mit dem Bearbeiten von Fällen, war ebenfalls extrem innovativ. Wissenschaft für die Praxis, dafür steht Horst Albach. Die Wissenschaft als Beruf heute vollzieht sich für angehende Betriebswirte auch in der Möglichkeit eines dualen praxisorientierten Studiums; in Anlehnung an das duale Ausbildungssystem ein Hochschulstudium mit fest integrierten Praxisblöcken in Unternehmen. Einen wichtigen Punkt stellen dabei auch die »Soft Skills«, die Bedeutung der Kompetenzentwicklung dar, Kompetenz durch stetige, individuelle Entwicklung. Fachliche Qualifikation ist nicht alles, gefördert werden die Bereiche von der Sozialkompetenz bis hin zur Methodenkompetenz, wobei der Praxis-Transfer dabei einen wichtigen Bestandteil des dualen Studiums beinhaltet. In Vorlesungen kann erlerntes Wissen unmittelbar in der beruflichen Praxis angewandt werden. Gleichzeitig füllen Berufserfahrungen die Vorlesung mit Leben. Durch den regelmäßigen Austausch schulen die Zuhörer ihre persönliche sowie die Kommunikationskompetenz und sie reflektieren ihre bisherigen Leistungen. Der Bezug zur Praxis ist damit weitaus höher, was nicht selten zu einem verständlicheren Lernen unter den Studenten führt und letztlich insgesamt zu besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings: Der Weg zum Erfolg ist vielleicht kurz, dafür aber steinig. Dem Absolventen wird ein Höchstmaß an Einsatz und Disziplin abgefordert, denn die Studienpläne auf dem dualen Weg sind sehr eng gefasst und erlauben oftmals keine Wiederholungssemester oder ein längeres Einarbeiten. Gleichgültig welchen Weg man wählt, Wissenschaft als Beruf heute legt für den Lehrenden in besonderem Maße auch Wert auf die Generierung von Soft Skills bei der Studentenschaft. Ein Aspekt besteht in den Möglichkeiten der Veränderung von Verhalten bzw. speziell der Verhaltensänderung als Lernen.17 Neben den allgemeinen Prinzipien der klassischen Konditionierung, des Lernens durch Verstärkung oder Anerkennung und Kritik unter dem Motivationsaspekt, sind speziell zwei weitere Faktoren nicht zu vernachlässigen: Änderung des Verhaltens durch Nachahmung und Lernen durch Einsicht.18 Immer wieder sind die Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, immer wieder gilt es die Sachverhalte zu hinterfragen, immer wieder ist es die Aufgabe, weiter zu lernen. Lebenslanges Lernen, so lautet der Titel eines der USW-Schriften, Lebenslanges Lernen, dies kennzeichnet auch den Jubilar und er ist darin ein Vorbild, 17 Albach, H. & Gabelin, T. (1977). Mitarbeiterführung: Text und Fälle, Wiesbaden: Gabler, S. 59ff. 18 Ebenda, S. 64.
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nicht nur für seine Schüler. Aber ihm geht es dabei auch immer um das Lehren, verbunden mit neuen Konsequenzen für die Praxis. Will man sein Tun auf eine prägnante Formel bringen, so lautet sie: Ein Leben für die Wissenschaft mit Leidenschaft. Für seine Schüler geht sein Einfluss sicherlich noch weit über das Wissenschaftliche hinaus. Das Lernen des Handwerkzeuges, das ist selbstverständlich; auch die Schulung des selbständigen Denkens. Man diskutiert nicht nur über Probleme, sondern man muss nach Lösungsmöglichkeiten suchen und ebenfalls die angebotenen Lösungsmöglichkeiten hinterfragen. Aufgeschlossenheit gegenüber dem Neuen, neugierig das Heute beobachtend, das hat den Jubilar stets angetrieben. Persönlich war meine Zeit mit Horst Albach beruflich aber auch privat sehr prägend. Privat insofern, dass ich meine Frau am Institut kennenlernte. Zur Verlobung bekamen wir einen Brief, in dem uns Horst Albach nicht nur herzlich gratulierte, sondern auch feststellte, dass wir beide die Entscheidungstheorie bei Unsicherheit gut gelernt hätten. Wissenschaft für die Praxis! Gemeinsame traditionelle Wanderungen waren und sind hervorragend geeignet, auch weiterhin einen regen Gedankenaustausch mit dem Lehrer und Wissenschaftler zu pflegen. Eine gute Basis zur Kommunikation, die wiederum zu fruchtbaren Ideen führt. Als Schüler vom Jubilar wurde man gefordert, es wurde gerungen und diskutiert (teilweise sehr heftig). Aber es war eine hervorragende Schule. Dafür ganz herzlichen Dank!
Santiago Garc&a Echevarr&a / Mar&a Teresa del Val
Freundschaft als Schlüssel wissenschaftlicher Entwicklung. Zur gesellschaftlichen Dimension der Wissenschaft
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Einführende Betrachtungen
Zwei Schlüsselgedanken liegen diesem kurzen Beitrag zur Festschrift für Prof. Horst Albach aus Anlass seines 85. Geburtstages zugrunde. Der erste bezieht sich auf die Rolle der Freundschaft im Fortgang der Wissenschaft und wird von ihm selbst folgendermaßen formuliert: »…friendship is an incentive much stronger than competition in the production of scientific output«1. Der zweite Gedanke liegt in seinem stetigen Verweis auf die gesellschaftliche Dimension menschlichen Handelns, insbesondere in seinem großartigen Beitrag zur Entwicklung der Interpretation der »firm in society«2 bei Erich Gutenberg: »The last chapter of the book deals with the national framework that limits the freedom of decision-making by the entrepreneur or by the firm. Usually and unfortunately readers skip this chapter«3. Das Problem besteht hier aber nicht nur darin, dass das letzte Kapitel von Gutenbergs Werk nicht gelesen wird, sondern dass die Spezialisierung sowohl in der Theorie als auch in der Praxis dazu führt, eine globale Perspektive für das Ganze zu verlieren. Zweifellos handelt es sich um einen fundamentalen Beitrag des deutschsprachigen Denkens im Feld der Betriebswirtschaft, und besonders treffend spiegelt sich das in Gutenbergs Werk wider4 : die gesellschaftliche Dimension der Wirtschaft. Dasselbe betrifft auch das Feld der Wissenschaft, wo für die persönliche 1 Albach, H. (2006). The Economics of Friendship among Scientists. International Seminar on »Economics, Entrepreneurship, Science and Society in the 21st Century«, University of Alcala, 3. November, Alcal#, S. 2. 2 Albach, H. (2015). Theory of the firm: Erich Gutenberg and Missunderstandings of his Theory. In H. Albach & T. Waragai (Hrsg.), Business Economics in Japan and Germany. ed. indicum, München, S. 241. 3 Ebenda, S. 242. 4 Gutenberg, E. (1951). Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 1 (Die Produktion). Berlin, Gotingen, & Heidelberg: Springer.
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Entwicklung defizitäre organisatorische und institutionelle Formen entstehen: »Today the Bologna process has introduced competition among colleges of one and the same university as allegedly effective driver of scientific output, we have already become witness to changes in the behavior of colleges: from peaceful behavior to opportunistic behavior with adverse effects on scientific output«5. Mit Blick auf Max Weber, den Horst Albach seinerzeit bereits häufig im Kontext der Betriebsführung6 analysiert hat und in dessen Bezugsrahmen sich auch die vorliegende Festschrift situiert, kann mit Aron festgehalten werden, dass Max Weber bestrebt war zu belegen, dass Wissenschaft sinnhaft ist und es wert ist, sich ihr zu widmen7. Max Weber selbst merkt dies in seinem Vortrag über »Wissenschaft als Beruf« (1919) an, wenn er hervorhebt, »…Persönlichkeit auf wissenschaftlichem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient«8. Es ist dies die Berufung Horst Albachs zum Forscher und Lehrer in der Tradition des deutschen Humanismus, verbunden mit einer Aufwertung der Verantwortung für die eigene Entwicklung auf Basis seines Beitrags zur Entwicklung der anderen und der Gesellschaft. Genau diese Ethik definiert die Funktion der aristotelisch-nikomachischen Nützlichkeit, wie die großartige Interpretation des Handelns bei Erich Gutenberg so präzise festhält: »Der Erfolg der Vorlesungen hatte aber wohl auch eine menschliche Dimension«9. In diesem Rahmen möchten wir den Festbeitrag für einen großen Lehrer und Freund verorten, der konstatiert, dass »friendship as a relationship between two persons cannot be interpreted as a relational contract. It is a pre-contractual relationship«10. Dies ist das »Wertsystem«, das die effiziente und menschliche »Kooperation« zwischen Personen ermöglicht und damit die integrale Entfaltung der Person garantiert.
5 Albach, H. (2006). The Economics of Friendship among Scientists. International Seminar on »Economics, Entrepreneurship, Science and Society in the 21st Century«, University of Alcala, 3. November, Alcal#, S. 2. 6 Albach, H. (1976). Fundamentos de la Direccijn Empresarial, ed. esic, Nfflm. 3, Madrid. S. 7ff. 7 Aron, R. (1959). »Introduccijn« a la obra de Max Weber. »El Pol&tico y el Cient&fico«, Alianza Editorial, Madrid, S. 21. 8 Weber, M. (1988). Wissenschaft als Beruf. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (5. Aufl., S. 582–613). Tübingen: J. C. B. Mohr, S. 191. 9 Albach, H. (1986). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre – Zum Gedenke Erich Gutenberg. ZfB, 56(7), 578–613, S. 596. 10 Albach, H. (2006). The Economics of Friendship among Scientists. International Seminar on »Economics, Entrepreneurship, Science and Society in the 21st Century«, University of Alcala, 3. November, Alcal#, S. 7.
Freundschaft als Schlüssel wissenschaftlicher Entwicklung
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Die Person als Schlüssel zur wissenschaftlichen Entwicklung
2.1
Gesellschaftliche »Ziele« von Wissenschaft
Max Webers Erörterung der »Werturteile«11 führt oftmals eine hochgradig irreführende Debatte mit sich, was die wissenschaftlichen Perspektivierungen und ihre methodologische Entwicklung ernsthaft erschwert. Vor diesem Hintergrund erläutert Albach diese Interpretationen sehr konzise, indem er darauf verweist, dass: »von Max Weber wurde gefordert, dass Wissenschaft wertfrei zu sein habe. Dieses Kriterium ist oft missverstanden worden. Wertfreiheit schließt eine explizite Orientierung an Konkreten ökonomischen und sozialen, von Unternehmung zu Unternehmung unterschiedlichen Zielen nicht aus. Aber die Ziele dürfen nicht vom Wissenschaftler postuliert sein, sondern müssen der Wirklichkeit entnommen werden. Sie sind Bestandteile des wissenschaftlich zu erforschenden Problems. Der Wissenschaftler selbst arbeitet wertfrei«12. Max Weber zeigt den Unterschied auf zwischen »technischen« Ansätzen und der Aufgabe des Wissenschaftlers. Erstere beziehen sich auf Ziele, denen gemäß ökonomischer, sozialer und anderer Kriterien die entsprechenden Mittel zugesprochen werden, während letztere die Ziele zu definieren haben, die sie verfolgen: »Nur dass für ihn eins, die Hauptsache, gegeben zu sein pflegt: der Zweck. Aber eben dies ist nun für uns, sobald es sich um wirklich »letzte« Probleme handelt, nicht der Fall»13. Die »letzten Ziele« der Wissenschaft bestehen zweifellos darin, zur integralen Entwicklung der Person beizutragen, da sie in der Gesellschaft zu finden sind, d. h. jenseits der Wissenschaft – z. B. in der Wirtschaft mitsamt ihren instrumentellen Zwecken, um das Management der knappen verfügbaren Mittel zu realisieren. Dies konstituiert jene »vorvertragliche« Dimension, die Übernahme von Werten, auf denen das Handeln der Person in der Wirtschaft beruht, das »Vertrauen«, »since trust is essential for friendship, love, and the organisation of families – not to mention economic exchange – this action of oxytocin may have profound consequences for human behavior«14. In der persönlichen Entwicklung als Forscher wird das »Kooperieren« mit 11 Recio, E. (1975). Los juicios de valor en las Ciencias Sociales. In S. Garc&a Echevarr&a (Hrsg.), Introduccijn a la Econom&a de la Empresa, Band 1, Confederacijn EspaÇola de las Cajas de Ahorro (S. 159–189). Madrid. 12 Albach, H. (1993). Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft – Entwicklungstendenzen der modernen Betriebswirtschaftslehre (Manuskript). S. 2. 13 Weber, M. (1988). Wissenschaft als Beruf. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (5. Aufl., S. 582–613). Tübingen: J. C. B. Mohr, S. 608. 14 Albach, H. (2015). Trust in the firm-Some remarks on the mathematical Economics of trust. In H. Albach & T. Waragai (Hrsg.), Business Economics in Japan and Germany, ed. indicum, München, S. 43.
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dem »Anderen« als ethische Dimension entdeckt: Er wird einbezogen, um einen wechselseitigen Beitrag zu gewährleisten, der zur Entwicklung des »Anderen« (Gemeinwohl) beiträgt und eine »effiziente« Nutzung seiner sowohl wissenschaftlichen als auch sozialen Kompetenzen nach sich ziehen soll: der Gewinn einer effizienten und auf Kooperationen basierenden Koordination. Nötig ist dafür das »Vertrauen«, das »Freundschaft« ermöglicht. Bei Albach: »Trust was a concept very unfamiliar to economic theorist during the time that they dealt with static models. When economists started to study dynamic models of the firm … they discovered trust as a concept for rational economic decision-making«15. Diese »vorvertragliche« Dimension, das »Wertesystem«, basiert auf den Werten, die »Vertrauen« – und damit auch »Freundschaft« – generieren, und sie ist es, die den Beitrag des Wissenschaftlers Horst Albach zur Gesellschaft konstituiert – zur Entwicklung seiner Person und wissenschaftlicher Institutionen, die er zu schaffen und zu leiten wusste.
2.2
Artikulation der Person in wissenschaftlichen Prozessen
Die Implikation und Integration der Person in wissenschaftliche Prozesse hat drei Voraussetzungen: – wissenschaftliche Kompetenzen der Person, – ihre Fähigkeit zur »Kooperation«, ihre »soziale Dimension« als Prämisse ihrer Bereitschaft zur »Kooperation« und – die Anordnung wissenschaftlicher Prozesse und ihrer organisatorischen Artikulation. Diese drei Aspekte versteht Albach als Weg, jene »Kooperation« zu etablieren, die die verfügbaren wissenschaftlichen Kapazitäten rund um die »Kompetenzen«, erzeugenden Anreize effizient zu »koordinieren«, erlaubt: »One of the myths in the economics of education is that competition among scientist improves scientific output. Another myth, closely related to the first one, is that monetary incentives are strong drives of scientific output. A third myth is that high monetary incentives like severance payments are needed to induce a scientist to exist the market for teaching and research«16. Daher kommt er zur Schlussfolgerung, dass »the production-theoretic ap-
15 Ebenda, S. 43. 16 Albach, H. (2006). The Economics of Friendship among Scientists. International Seminar on »Economics, Entrepreneurship, Science and Society in the 21st Century«, University of Alcala, 3. November, Alcal#, S. 1.
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proach has proven that friendship is an important factor of scientific production. Friendship improves scientific productivity«17. Die Anforderungen an die Prozesse »wissenschaftlicher Koordination« sind komplexer als im industriellen Bereich, im Ökonomischen oder z. B. im Finanzbereich – sowohl was die Charakteristika der Wissensdynamik betrifft als auch bezüglich ihres spezifischen Ausdrucks als hochgradig immaterielle Dimension. Die Erzeugung der »Koordinationskosten« im Wissenschaftsbereich sind nicht nur dessen stark ausgeprägter »immaterieller« Dimension geschuldet, sondern dem Faktor Zeit, d. h. der allgemeinen Langsamkeit wissenschaftlicher Koordinationsprozesse, wie z. B. im Feld der Kreativität und der Innovation. Auch diesbezüglich bezieht Albach auf entscheidende Weise Stellung: »Wenn die Anpassungsphasen von langer Dauer seien, würden auch die sozialen Kosten der Anpassung hoch sein. Hier könne der Staat eingreifen, um diese Kosten zu reduzieren«18. Die Zeiten der Koordination bestimmen die Flexibilität wissenschaftlicher Prozesse und ihre Kapazität, zur persönlichen Entwicklung beizutragen und dabei ihre Gesellschaftsverantwortung, verstanden als Basiskriterium wissenschaftlichen Handelns, anzunehmen. Die Analyse der »Koordinationskosten« in und zwischen den wissenschaftlichen Prozessen – einschließlich der für diese Koordinierungsprozesse aufgebrachten Zeit – ist zentral und erfordert von Seiten der Gesellschaft und ihrer Forschung einen Antrieb, der sich konkret anhand einer gründlichen Revision der Verständigung über diese Prozesse und Institutionen materialisieren muss. Die dominierenden Bürokratien erschweren eine Übernahme dieser Gesellschaftsverantwortung, die Prozessen der Forschung und ihres Managements eigen ist.
2.3
Anforderungen an die integrale Entwicklung der Person im wissenschaftlichen Bereich
Max Weber hat »die Berufung« des Wissenschaftlers konzise als Schlüssel zur eigenen Entwicklung und der diese Rolle übernehmenden »Persönlichkeit« aufgefasst: »Was bedeutet die Wissenschaft als Beruf für den, der sich ihr hingibt?«19. Sie entspricht der wissenschaftlichen Berufung Horst Albachs, die unbestritten das nötige »Vertrauen« ermöglicht, um »Freundschaft« zu garan17 Ebenda, S. 5. 18 Albach, H. (1993). El papel del factor tiempo en la competitividad. Rede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Wirtschaftsfakultät an der Paraninfo de la Universidad de Alcal#, 29–4–1993 zum Dr. Honoris Causa, S. 2. 19 Weber, M. (1988). Wissenschaft als Beruf. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (5. Aufl., S. 582–613). Tübingen: J. C. B. Mohr, S. 595.
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tieren. Auf entscheidende Weise wird so eine »Kooperation« ohne relevante »Koordinationskosten« generiert, wobei zugleich die langen Zeiträume reduziert werden, die für ihre Anpassung sonst nötig wären. Mit anderen Worten stellt sie eine Flexibilität sicher, die die in der Freundschaft aufgefundene Kooperation enorm erleichtert20. Weber betont dies, indem er feststellt, »dass Wissenschaft heute ein fachlich betriebener »Beruf« ist im Dienst der Selbstbesinnung und der Erkenntnis tatsächlicher Zusammenhänge…das freilich ist eine unentrinnbare Gegebenheit unserer historischen Situation, aus der wir, wenn wir uns selbst treu bleiben, nicht herauskommen können»21. In seiner ökonomischen Deutung integriert Albach »Freundschaft« als einen der bestimmenden Faktoren und stellt heraus, dass »we now added a fifth quasifix production factor : friendship«22. Damit wird eine betriebswirtschaftliche Theorie auf die aristotelische Nützlichkeit hin ausgerichtet: »My attempt to develop an economic theory of the firm with an Aristotle utility function has been motivated by friendship«23. Diese vorvertragliche Deutung von »Vertrauen« als erzeugende Kraft von »Freundschaft« erlaubt die Definition der »Ziele« der Wirtschaft als Wissenschaft und als Praxis auf völlig andere Weise, indem sie diese als letztes »Ziel« der Wirtschaft an der integralen Entwicklung der Person orientiert, d. h. an der Gesellschaftsdimension der Wirtschaft. Dies hat notwendigerweise zur Folge, dass die genannte Gesellschaftsdimension jenes höchste »Ziel« etabliert, das die Ökonomie belebt und die Artikulation ihrer Kenntnisse und Instrumente ermöglicht. Sie trägt dazu bei, Ziele zu fixieren, die Produktivität ermöglichen und auf diese Weise die ganzheitliche Entwicklung der Person fördern. An dieser Stelle trifft sie auch auf die aktuelle Debatte über die ökonomische Wirklichkeit, deren bedeutendste Barriere in der Unkenntnis über die Gründe des mangelnden Wachstums, der Problematik der Ungleichheit, in der wachsenden Unsicherheit und Dominanz eines opportunistischen menschlichen Verhaltens im ökonomischen Handeln besteht, das die Rolle des Unternehmens in der Gesellschaft ernsthaft behindert. Die Hauptforderung ist vor diesem Hintergrund jene nach der »Funktion der Nützlichkeit«, die Albach zufolge die Prozesse der zwischenmenschlichen »Ko20 Garc&a Echevarr&a, S. (2016). Der Einfluss der deutschen Betriebswirtschaftslehre in Spanien (Manuskript). 21 Weber, M. (1988). Wissenschaft als Beruf. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (5. Aufl., S. 582–613). Tübingen: J. C. B. Mohr, S. 595, 609. 22 Albach, H. (2006). The Economics of Friendship among Scientists. International Seminar on »Economics, Entrepreneurship, Science and Society in the 21st Century«, University of Alcala, 3. November, Alcal#, S. 1, 5. 23 Ebenda, S. 7.
Freundschaft als Schlüssel wissenschaftlicher Entwicklung
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operation« vermitteln soll. Die Wissenschaft ist keine simple »Koordination von Dingen«, sondern vor allem eine »Kooperation zwischen Personen«, was eine andere kooperative und organisatorische Ordnung erfordert, damit die Wissenschaft zur integralen Entwicklung der Personen beiträgt – zur Entwicklung der Gesellschaft.
3
Zur Gesellschaftsverantwortung der Wissenschaft
3.1
Die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaftsentwicklung
Der Beitrag der Wissenschaft zur Wissensentwicklung bildet den Schlüssel zur integralen Entwicklung der Person in der Gesellschaft, und zwar ausgehend von den unterschiedlichsten Beiträgen zu dieser Entwicklung. Ihre Wirkung ist weitreichend in einer modernen Gesellschaft, was zugleich eine große Verantwortung mit sich bringt. Einer dieser Bereiche entspricht dem ökonomischen Kontext der Gesellschaft, konkret dem Unternehmen als Erzeuger der für die persönliche Entwicklung notwendigen Produkte und Dienstleistungen. Als Beitrag der Entwicklung der person »in general, the firm is regarded as the institution in Society that is responsible for realising productivity gain«24. Damit zeigt gessellschafliche Verantwortung, dass »…this evidence of a lack of social responsiveness and social responsibility on the side of the managers is still today for many people, particularly among the Young, a source of distrust of entrepreneurs and management at large«25. Dies hängt von der »Funktion der Nützlichkeit« ab, auf der der ökonomische Ansatz und seine Analysen beruhen – für das Unternehmen, so hebt Albach richtig hervor, als Konsequenz der externen Effekte, die sowohl auf der Ebene des Forschers als auch auf jener der Institution generiert werden. Deshalb beinhaltet die Orientierung der Wissenschaft an dem »höchsten Ziel«, der integralen Entwicklung der Person, einen ebenso individuellen ethischen Anspruch wie auch die Erfordernis einer sozialen Ethik26, die auf dem (vorvertraglichen) Wertesystem aufbaut, in dem die Fundamente der Verständigung über die »Prozesse der Kooperation« zwischen den Wissenschaftlern analysiert werden – wobei sie die »Koordination der wissenschaftlichen Prozesse« ermöglicht, indem Kosten und Zeiten im wissenschaftlichen Bereich reduziert werden, da es not-
24 Albach, H. (1986). Management in a dual Society. Future Outlook on European Management Education. Rede in EFMD, Centro HEC-ISA, Jovy-en-Josas, Frankreich 17. Januar 1986, S. 4. 25 Ebenda, S. 6. 26 Utz, A. F. (1996). Ptica Econjmica. Unijn Editorial. Madrid, S. 24.
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wendig ist, »…to manage the interest as well as the external effects of their decisions in the long term interest of their companies and of society«27. Neben der Dimension der wissenschaftlichen Kompetenzen spielt die »soziale Dimension« der Person des Forschers sowie der gesellschaftlichen Dynamik der Forschungsinstitution eine entscheidende Rolle. Beide Dimensionen bilden die Gestalt der wissenschaftlichen Prozesse, die ebenso allgemein auf die wissenschaftliche Entwicklung eines Landes einwirken wie die Prozesse der Kreativität und Innovation jeglicher Institution und der Unternehmen. Die radikalen Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen, ökonomischen Ordnungen bringen in Abhängigkeit von den verfügbaren Ressourcen, aber auch konkret von den »Wertesystemen«, auf denen die Gliederung der Innovationsprozesse beruht, unterschiedliche »Koordinationskosten« mit sich. Der Innovationsgrad kann stark variieren als Konsequenz aus der im Land oder in den Institutionen geschaffenen Kultur, die die Rolle des Forschers und seinen organisatorischen Kontext – in dem sich seine Entwicklung vollzieht – umspannt. Es dürfen nicht nur die spezifischen Erträge der Wissenschaft berücksichtigt werden; vielmehr muss ihr Beitrag zur integralen Entwicklung der Person in der Gesellschaft in den Blick genommen werden.
3.2
Maßgebende Aspekte der Gesellschaftsverantwortung
Die Entwicklung der wissenschaftlichen Aktivität vollzieht sich im Rahmen der komplexen und auf lange Sicht angelegten »Koordinationsprozesse«, die Probleme in ihrer Verwaltung beinhalten, sodass bedeutende »Koordinationskosten« von schwieriger Bewältigung im gesellschaftlichen Kontext zu erwarten sind. Im betrieblichen Umfeld werden »Koordinationskosten« verursacht, die erzeugt werden: »Je mehr Motive der Menschen in einer Organisation voneinander und vom dem Gesamtzahl des Unternehmens abweichen, umso höher sind die Koordinationskosten. Die Untersuchung solcher Koordinationskosten bildet den Gegenstand einer neuen mikroökonomischen Theorie«28. Dies ist ein Hinweis, der auch im Bereich der Koordination wissenschaftlicher Prozesse bedacht werden sollte. Unbestritten ist diese Konstruktion der Koordinationsprozesse aufgrund ihrer stark ausgeprägten »immateriellen« Dimension komplexer, weshalb sie eines der wichtigsten Probleme für die im Bereich 27 Albach, H. (1986). Management in a dual Society. Future Outlook on European Management Education. Rede in EFMD, Centro HEC-ISA, Jovy-en-Josas, Frankreich 17. Januar 1986, S. 15. 28 Albach, H. (1985). 25 Jahren Betriebswirtschaftlicher Forschung. Vortrag Gehalten anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Graz an Prof. Dr. Horst Albach, 8. Mai 1985, S. 50.
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der Forschung und Entwicklung im besonderen Maße tätigen Unternehmen darstellt. In der Unternehmenswelt zu innovieren heißt, bedeutende Ressourcen miteinzubeziehen, die Schwierigkeiten bei ihrer Verwaltung innerhalb des Unternehmens und seiner Organisation aufwerfen – und dies nicht nur aufgrund des Risikos der Ergebnisse und der langen zeitlichen Dauer dieser Prozesse, sondern aufgrund ihrer »Koordinationskosten«. Dies ist eine Thematik, die Albach in ihren vielen Dimensionen berücksichtigt hat: »Die Theorie der Innovation hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit den Koordinationszeiten beschäftigt«29. Diese gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft und ihrer Prozesse sowie ihrer Institutionen beinhaltet nicht nur die den Ziel-Produkten inhärenten Risiken. Neben den »Koordinationskosten«, dem Wissenschaftsbereich selbst und seiner Beziehungen zu den internen (organisatorischen) und externen (Markt-Staat) Betriebsvorgängen wird auch die Problematik der externen Effekte bedacht, denn »it would be disastrous if again managers would forget, neglect or disrespect these externalities in their decisions«30. In diesem Bereich kann die Betriebswirtschaftslehre Wichtiges beitragen, da die Ansprüche an ein »change management« in der Wissenschaft eine zentrale Rolle spielen und stärkeren Einfluss ausüben als noch in der Industrie: »Change management is most successful if the manager mantains corporate identity and preserves corporate culture«31. Die Ansprüche an das Management der »wissenschaftlichen Koordinationsprozesse« bringen zugleich höhere Ansprüche an die Verantwortung im Produktionsbereich mit sich – auf individueller Ebene, den Wissenschaftler betreffend, auf institutioneller Ebene sowie was das Leistungsniveau im Verhalten von Führung und Institution angeht. Albachs Forschungsbereich erleichtert die Interpretation des Wissens der Betriebswirtschaft in seiner Anwendung auf die Wissenschaft und die Leitung ihrer Institutionen auf signifikante Weise32.
29 Albach, H. (1993). El papel del factor tiempo en la competitividad. Rede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Wirtschaftsfakultät an der Paraninfo de la Universidad de Alcal#, 29–4–1993 zum Dr. Honoris Causa, S. 10. 30 Albach, H. (1986). Management in a dual Society. Future Outlook on European Management Education. Rede in EFMD, Centro HEC-ISA, Jovy-en-Josas, Frankreich 17. Januar 1986, S. 15. 31 Ebenda, S. 20. 32 Ebenda, S. 20.
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Zur Gestaltung wissenschaftlicher Institutionen
4.1
Die unternehmerische und organisatorische Dimension der Wissenschaft. Gestaltungsfaktoren wissenschaftlicher Institutionen
Albach zufolge müssen folgende Bedingungen für eine als Grundlegung von Kreativität verstandene Wissensentwicklung gegeben sein, wie eine ausgezeichneter Aufsatz zum Thema der Kreativität im unternehmerischen Kontext ausführt in dem es heißt: »Voraussetzung für Kreativität ist Wissen und die Fähigkeit, Wissen aus verschiedenen Gebieten originell zu integrieren und zu nutzen. Die Kreativität ist umso grösser, je geringer die Barrieren sind«33. – Erstens verweist er auf die institutionelle Dimension, jedoch nicht nur auf den »institutionellen« Faktor als solchen in der Wissenserzeugung, sondern auch auf den für den Gebrauch dieses Wissens nötigen Faktor Zeit: »Wissen nützt nichts, wenn man nicht schnell auf Wissen zugreifen kann«34. – Zweitens benennt er den heterogenen Kontext, auf den das Management des Wissens einzuwirken hat, indem er das Problem der Koordinationskosten »des Wissens« anführt: »Management von Kreativität bedeutet nicht nur Management von Wissen, sondern auch Management der Integration des Wissen«35. – Drittens verweist der Autor auf den häufig einflussreichsten Aspekt, die niedrige Effizienz von Prozessen der Wissensentwicklung, die beinahe alle wissenschaftlichen Institutionen und Organisationen gravierend schädigt, indem er hervorhebt, dass »Kreativität sich nicht in einem Klima enger Kontrolle von Verhalten und Ergebnissen entfalten kann«36 – was es erlaubt, gegenwärtige korporative und organisatorische Formen von Universitäten und vieler Forschungszentren neu zu überdenken. Dies alles betrifft die korporative und organisatorische Gestaltung, die ergänzt wird durch Schlüsselaspekte in der Konzeption eines dynamischen Modells von Wissenschaftsmanagement, d. h. durch die Kriterien, auf denen die Gestaltungsprozesse der wissenschaftlichen Institution beruhen sollten: – Zunächst die Frage nach den Kriterien, auf denen Institutionen, organisatorische Prozesse und solche des Managements von Wissenschaft zu errichten sind: »Kreativitätsmanagement setzt also an den Elementen an: Wissen, In-
33 Albach, H. (1990). Das Management der Differenzierung: Ein Prozess aus Kreativität und Perfektion. ZfB, 60(8), 773–788, S. 777. 34 Ebenda, S. 778. 35 Ebenda, S. 778. 36 Ebenda, S. 779.
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tegration, Spielraum, Engagement«37. Diese Kriterien erlauben auch eine effiziente Analyse der aktuell vorherrschenden Konfiguration in den Forschungsinstitutionen und den z. B. im europäischen Kontext aufgeworfenen Problemen. – Das Schüsselprinzip des korporativen und organisatorischen Erfolgs von wissenschaftlichen Institutionen liegt in deren Orientierung an der Person; sowohl in ihrer eigenen Entfaltung als Wissenschaftler als auch in ihrer »Kooperation« mit anderen, was zu einem weniger opportunistisch und stärker ethisch ausgerichtetem Verhalten im Wissenschaftsbereich führt. Ihr »höchstes Ziel« ist die Entwicklung der Person: »Das A und O des Managements von Kreativität ist das Engagement der Mitarbeiter«38, und dies bleibt auch weiterhin ein beachtliches Problem. Die genannten Kriterien betreffen den Bereich der Wissensentwicklung mit Blick auf die Kreativität im Unternehmen und in den Wissenschaftsinstitutionen selbst, was eine Reflexion über die Art und Weise der Gestaltung wissenschaftlicher Institutionen und Organisationen zugunsten einer effizienten und die persönliche Entwicklung fördernden Kreativität erlaubt. Dies ist das Grundprinzip des ökonomisch-unternehmerischen und gesellschaftlichen Denkens Albachs, verortet im globalen Modell der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre.
4.2
Zur gesellschaftlich-ökonomischen Dimension wissenschaftlicher Institutionen
Wie gerade angeführt, trägt die »Person« zum »höchsten Ziel« wissenschaftlicher Tätigkeit bei, sodass die Suche nach einer ganzheitlichen Entwicklung der Person sowohl der institutionell-organisatorischen Dimension der Wissenschaft Form geben sollte als auch der eigenen ökonomischen Dimension. Die Orientierung des Wissenschaftlers findet sich in seiner Rolle in der Gesellschaft, aus der er seine Legitimation bezieht und für die es Institutionen und Organisationen braucht, die seine Entwicklung dank der »Kooperation« mit dem »Anderen« erlauben, um auf sachgerechte Weise zur integralen Entwicklung der Person beizutragen. Diese Vorstellung erfasst sein ethisches Verhalten ebenso wie das der Institution, die die »Koordinationsprozesse« des Wissens und der Wissenserzeugung sowie seine Einbindung in die organisatorischen, sozialen und ökonomischen Prozesse aufnimmt. Ohne diese Einbindung bzw. aufgrund 37 Ebenda, S. 777. 38 Ebenda, S. 780.
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der Langsamkeit dieses Vorgangs der Wissenseinbindung werden nicht nur »hohe« Koordinationskosten wissenschaftlicher Prozesse verursacht; vielmehr bleibt es auch bei einem nur geringen Beitrag zur Entwicklung der Person des Wissenschaftlers und des Empfängers seiner Leistungen. Jene sozialen Prozesse, die die Suche nach Lösungen mittels Subventionen und anderer Komponenten implizieren, die diese Prozesse und das Management wissenschaftlicher Institutionen noch mehr bürokratisieren, sollten vermieden oder in andere Formen überführt werden. Im Rahmen der Suche nach der »Nützlichkeitsfunktion« überdenkt Albach die Existenz der drei folgenden Mythen: – Die erste bezieht sich auf den »Wettbewerb« als Artikulation der Forschungstätigkeit; – die zweite bezieht sich auf die monetären Anreize, die Forschungsdynamiken hervorbringen; – die dritte geht davon aus, dass hohe Kompensationen nötig sind, um auf den Wissenschaftler Einfluss zu nehmen »to exist the market for teaching and research«39. Dies zieht die bereits erwähnte Konsequenz des Bologna-Effekts nach sich, sodass das Verhalten der Wissenschaftler modifiziert wird: »…from peaceful behavior to opportunistic behavior with adverse effects on scientific output«40– eine Folge wiederum der Deutung der Rolle der »Kooperationsprozesse« zwischen Wissenschaftlern zum Zweck der Erzielung effizienter wissenschaftlicher Koordinationsprozesse, und zwar sowohl in gesellschaftlicher als auch in ökonomischer Hinsicht. Der Bruch mit der »sozialen Dimension« des Wissenschaftlers in den auf Lehre und Forschung bezogenen Prozessen der »Kooperation« – d. h. die humanistische Dimension in der Entwicklung von Lehr- und Forschungsinstitutionen – stellt auf organisatorischer wie institutioneller Ebene einen schwerwiegenden Irrtum dar. Die bürokratische Ausrichtung der Organisationen und die fehlende Akzeptanz der auf dem »höchsten Ziel« der Wissenschaft basierenden »Nützlichkeitsfunktion« erschweren nicht nur auf gravierende Weise den wissenschaftlichen Fortschritt, sondern beeinträchtigen auch die ganzheitliche Entwicklung des Wissenschaftlers selbst und die Legitimierung der Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft – ihre gesellschaftliche, institutionelle und organisatorische Legitimation. Ohne »Kooperation« zwischen Wissenschaftlern münden Anstrengungen 39 Albach, H. (2006). The Economics of Friendship among Scientists. International Seminar on »Economics, Entrepreneurship, Science and Society in the 21st Century«, University of Alcala, 3. November, Alcal#, S. 1. 40 Ebenda, S. 2.
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und Ressourcen nicht in effizienten Ergebnissen, was – wie bereits erwähnt – zu anderen institutionellen Formen der Organisation »wissenschaftlicher Koordinationsprozesse« verpflichtet, die auf dem von der »Nützlichkeitsfunktion« geleiteten Verhalten der Wissenschaftler beruhen und auf die Persönlichkeitsentwicklung abzielen. Dabei erzeugen sie eine Freiheit und Verantwortung, die der Wissenschaftler mit Blick auf seine eigene persönliche Entwicklung herbeizuführen hat und die zudem das »Gemeinwohl« erwirkt, das eine humanere und sachgerechtere Gestaltung wissenschaftlicher Organisation erst ermöglicht. Ohne über einen Raum zu verfügen, in dem ein Wachstum der Person als Wissenschaftler und in seiner sozialen Dimension – in der Kooperation und nicht so sehr im »Wettbewerb« als solchem – möglich ist, wird die Erzeugung des »nötigen Vertrauens« und damit auch der »Freundschaft« als entscheidendem Faktor wissenschaftlicher Organisationen verwehrt: »The production-theoretic approach has proven that friendship is an important factor of scientific production. Friendship improves scientific productivity«41.
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Die große Leistung Horst Albachs: eine Schlussbemerkung
Im Rahmen der außerordentlichen Leistung Horst Albachs als Forscher und Lehrer auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene sowie dank seiner Arbeit im institutionellen Bereich – als Initiator von Institutionen der Wissenschaft und Lehre – möchten wir mit diesem im Zeichen der Dankbarkeit verfassten Aufsatz fünf der zahlreichen wichtigen Aspekte hervorheben, die Antrieb seiner akademischen Arbeit waren und sind: – Erstens die Freundschaft als Quelle weitreichender »Kooperation«, die die Entwicklung von Personen und Betriebswirtschaft veranlasst hat. – Zweitens seine klare Vision der Betriebswirtschaft, die als Motor der Integration betriebswirtschaftlichen Wissens wirkt. – Drittens der große Impuls, den er dem Werk Erich Gutenbergs verliehen hat, insbesondere aufgrund seiner brillanten Wahrnehmung der gesellschaftlichen Dimension des Unternehmens im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft. – Seine Fähigkeit, Wissen zu integrieren, seine Interdisziplinarität und Interkulturalität sowie die Einbindung von Personen dank der großzügigen Auffassung einer »Gemeinwohl« erzeugenden Kooperation, Basis seiner ökonomischen »Nützlichkeitsfunktion«. – Auf persönlicher Ebene seit dem Jahr 1960 seine Unterstützung bei der Einführung des deutschen betriebswirtschaftlichen Denkens in Spanien und sein
41 Ebenda, S. 5.
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Wirken in diversen iberoamerikanischen akademischen Bereichen. Dies wäre ohne seine »Kooperation« und »Großzügigkeit« nicht möglich gewesen. Die ethische Dimension der Betriebswirtschaft beinhaltet für Albach einen permanenten, individuellen wie institutionellen Anspruch, der sich auf die Entwicklung der Integrität und Vertrauenswürdigkeit des Führungspersonals und des Unternehmens richtet, seine Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Legitimation eingeschlossen. Albachs Beitrag zum theoretischen Wissen sowie sein Einfluss auf die unternehmerische Praxis mittels der großen Lehranstrengungen, die er im Führungsbereich unternommen hat, konsolidieren sowohl Gutenbergs Versuch, die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft im Wissenschaftsbereich zu festigen, als auch seine Deutung zugunsten der »Einheit« des betriebswirtschaftlichen Wissens. Auf diese Weise – die Auffassung einer Betriebstheorie stärkend, die wissenschaftliche Entwicklung ermöglicht – wird der wachsenden Spezialisierung begegnet. Seine große Begabung zur »Kooperation«, seine Überzeugung, Wissen trage zur Entwicklung der Wirtschaft bei und verleihe dem persönlichen Wachstum in einer sozialmarktwirtschaftlichen Ordnung Antrieb, macht die Wirklichkeit der »gesellschaftlichen Dimension« von Wirtschaft und Unternehmen erst möglich. Vielen Dank, Horst Albach, für Deinen Beitrag und Deine von vielen geteilte Freundschaft – unsere aufrichtigsten Glückwünsche!
Thomas Ehrmann
Wissenschaft als Beruf: Horst Albach?!
»Sapientia prima est stultitia caruisse« lautet der Schlusssatz in Wielands Geschichte der Abderiten. Er könnte auch als Motto über der wissenschaftlichen Arbeit Horst Albachs stehen, die ihm zugleich Berufung und Beruf ist. Finanz- und andere Krisen bringen es mit sich, dass Medien sich mit Wirtschaft beschäftigen. Laut und von den Medien nachgefragt werden seit einigen Jahren Stimmen, die sich aus wirtschaftsfremden Wissenschaften wie Philosophie, Medien- oder Kulturwissenschaften kommend zu wirtschaftlichen Themen äußern. Dabei spielen in diesen Stimmen grundsätzliche Kritik am Ungenügen der bisherigen Wirtschaftswissenschaft genauso eine Rolle wie das Hervorheben von (unternehmens)ethischen Themen und Ideen, die zukünftig in Wissenschaft und Praxis stärker Berücksichtigung finden sollten. Kurzum: Diese Wissenschaftler wollen uns mit »conceptual consumption« und Sinnsuche helfen, damit wir unsere »tranquillitas animae« (Seneca) finden. Konträr zu diesen Ansätzen steht Max Webers Verständnis von Predigen und Religiösem, die er in Abgrenzung zur Wissenschaft skizziert. Es wird anhand der Ethikreplik in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft der wissenschaftliche Ansatz von Horst Albach zur Geltung gebracht. Abschließend wird das Abstrakte in seiner konkreten Anwendung auf ein Unternehmen (in dessen Einbettung in die Gesellschaft) anhand der Deutschen Bahn kurz illustriert. Max Weber fragt, »Was leistet denn nun eigentlich die Wissenschaft positives für das praktische und persönliche Leben?« – »Zunächst natürlich: Kenntnis über die Technik, wie man das Leben, die äußeren Dinge sowohl für das Handeln der Menschen, durch Berechnung beherrscht. […] Aber damit ist die Leistung der Wissenschaft glücklicherweise auch noch nicht zu Ende, sondern wir sind in der Lage, ihnen [den Studierenden] zu einem Dritten zu verhelfen: zur Klarheit. Vorausgesetzt natürlich, dass wir sie selbst besitzen«1. Weber beschäftigt sich auch mit der Tolstoischen Frage: Wie sollen wir unser Leben einrichten? Hier spielt wieder die Möglichkeit der Theologie eine Rolle: 1 Weber, M. (2011). Wissenschaft als Beruf (11. Aufl.). Berlin: Duncker & Humblot, S. 15.
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Thomas Ehrmann
Weber charakterisiert diese als intellektuelle Rationalisierung religiösen Heilsbesitzes. In heutiger Diktion geht es den erwähnten Kulturwissenschaftlern, Medienexperten und Philosophen quasi in der Nachfolge der Theologie um den Ansatz, dem Chaos Sinn zu verleihen, moralischen Konsum zu ermöglichen und einen Markt für Seelenberuhigung zu bedienen, wo Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung von Unternehmen und Integrität (mithin schwer operationalisierbare Begriffe) wichtig sind. Man könnte nun sagen, dass es nichts Schlimmes ist für einen Auswärtigen, also vielleicht im besten Sinne: Dilettanten, sich zu wirtschaftlichen Themen äußern. Auch hierzu äußert sich Weber : »Den Dilettanten unterscheidet vom Fachmann, dass ihm die feste Sicherheit der Arbeitsmethode fehlt, und dass er daher den Einfall meist nicht in seiner Tragweite nachkontrollieren und abzuschätzen durchzuführen in der Lage ist. Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit«2. Die bei Weber vorsichtig geäußerten Themen, die den Dilettanten durchaus wichtige Aufgaben zuweisen, spielen auf genau das Thema »Arbeitsmethode« und die »mögliche sinnvolle Nutzung« von Einfällen an. Dies lässt sich an den gerade aus den Bereichen Medienwissenschaft und Philosophie kommenden Überlegungen zur Erweiterung der wirtschaftswissenschaftlichen Methodik erläutern. Sie kranken zumeist ganz grundsätzlich an Unkenntnis von wirtschaftswissenschaftlichen Methoden und Ergebnissen, sowie an der daraus resultierenden Behauptung, Wirtschaftswissenschaft würde sich mit psychologischen und sozialen Themen überhaupt nicht beschäftigen; sie übersteigern sich in einfachste Vorstellungen von dem angeblich immer noch einzig relevanten Homo Oeconomicus und bringen auf dieser Wissensbasis, die sich bestenfalls Popularisierungen verdankt, dann Verbesserungsvorschläge vor. Diese zeichnen sich im Wesentlichen durch nicht nur besagte Unkenntnis von Methoden, sondern eben auch Unkenntnis von basalen Zusammenhängen, wie sie zum Beispiel der Wirtschaftswissenschaftler in Bilanzen, Cashflow-Rechnungen, Mengen-Preis-Gerüsten, Bewertungen an Börsen und ähnlichem mehr findet. Damit ist die Bühne gesetzt, auf der Horst Albach agiert. Weibler und Thielemann formulieren in drei Einwandsthesen3 gegen Albach, dass weder das Wirtschaftlichkeitsprinzip noch das erwerbswirtschaftliche Prinzip noch der Kombinationsprozess ein eingebautes ethisches Gütesiegel besitzen. Ethische
2 Ebenda, S. 6. 3 Ulrich Thielemann; Jürgen Weibler (2007): Betriebswirtschaftslehre ohne Unternehmensethik? – Vom Scheitern einer Ethik ohne Moral, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 77, 179–194.
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Fragen lassen sich, so formulieren sie gegenüber Albach, nicht mit betriebswirtschaftlichem Instrumentarium lösen. Was Horst Albach daran stört, lässt sich an seiner darauffolgenden Erwiderung gut zeigen. Es ist im Wesentlichen eine in der Betriebswirtschaftslehre sich ausbreitende Vernachlässigung der eigenen wissenschaftlichen Grundlagen. Albach geht von der Beschäftigung der Wirtschaftswissenschaften mit der optimalen Allokation der Ressourcen aus, die auf die Mittelerzeugung und -verteilung zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen Antwort gibt. Mithilfe neuer Begriffe, die aus anderen Bereichen (s. o.) eingefügt werden, sollen angeblich neue Sachlagen in die Betriebswirtschaftslehre eingebracht und dort eben auch mit »neuem« Denken bearbeitet werden. Albach geht dagegen davon aus, dass auch in den neuen wirtschaftlichen Zeiten, die mit Schlagworten wie Digitalisierung etc. benannt werden, die alten Gesetzmäßigkeiten von Angebotsund Nachfragefunktionen gelten. Und dass die BWL, wenn sie diese Funktionen den neuen technologischen Bedingungen anpasst (Netzprodukte, geringe Grenzkosten, etc.), auch der Praxis Orientierungshilfe bieten kann.4 Hören wir Max Weber dazu indirekt noch einmal: »Nun kann man niemandem wissenschaftlich vordemonstrieren, was seine Pflicht als akademischer Lehrer sei. Verlangen kann man von ihm nur die intellektuelle Rechtschaffenheit: einzusehen, daß Tatsachenfeststellung, Feststellung mathematischer oder logischer Sachverhalte oder der inneren Struktur von Kulturgütern einerseits, und andererseits die Beantwortung der Frage nach dem Wert der Kultur und ihrer einzelnen Inhalte und danach: wie man innerhalb der Kulturgemeinschaft und der politischen Verbände handeln solle, – dass dies beides ganz und gar heterogene Probleme sind. Fragt er dann weiter, warum er nicht beide im Hörsaal behandeln solle, so ist darauf zu antworten: weil der Prophet und der Demagoge nicht auf das Katheder eines Hörsaals gehören«5.
In seiner »Betriebswirtschaftslehre ohne Unternehmensethik: Eine Erwiderung«6 geht Albach auf die schon oben sehr kurz angesprochenen Sinn suchenden und diskursethischen Erweiterungen der BWL ein, die für sich reklamieren, Unternehmen neue Wege zu weisen. Er benutzt dabei die Methode, die dem Fach eignet oder zumindest eignen sollte: Er geht von genau beschriebenen Axiomen aus und leitet dann weiteres daraus ab. So kann er zeigen, wie beliebig und dem Untersuchungsgegenstand fern z. B. 4 Albach, H. (2001). Die Betriebswirtschaftslehre als Orientierungs- und Entscheidungshilfe, FAZ, 12. 3. 2001, S. 32. 5 Weber, M. (2011). Wissenschaft als Beruf (11. Aufl.). Berlin: Duncker & Humblot. 6 Albach, H. (2007). Betriebswirtschaftslehre ohne Unternehmensethik – Eine Erwiderung. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 77, 195–206.
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die ihn – und damit eine bestimmte Art BWL zu treiben – kritisierenden Autoren Thielemann und Weibler argumentieren. Gerade die Herausstellung von systemindifferenten Tatbeständen, also dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit, dem Kombinationsprozess der Produktion sowie dem finanziellen Gleichgewicht erlaubt es ihm, auf von außen an die BWL herangetragene Kritik sachlich zu reagieren. Er zeigt: Eine Kritik, die sich bei den drei genannten Tatbeständen nur gegen den Kapitalismus richtet, muss mit gleicher Schärfe, gilt diese Systemindifferenz, auch gegen den Sozialismus sich wenden. Dies gibt der Kritik den eingeschränkten Stellenwert, den sie, sich selbst universalistisch sehend, hat. Albach macht es Spaß, diese Klarheit nun so auszubreiten, dass die beiden Kritiker sich zum Schluss dort wiederfinden, wo sie sich selbst kaum verorten würden: Dort, wo bestimmte Ökonomen anreizkompatible Verträge verlangen, dort möchten diese die Unterschrift unter Ethikcodizes verlangen. Allein: »In der Grundauffassung, dass die Unternehmen von Grund auf schlecht sind, besteht allerdings kein Unterschied«. Albach geht davon aus, dass die »Betriebswirtschaftslehre eine Entscheidungstheorie ist, die lehrt, wie man zwischen mehreren Interessen richtig abwägt. Das Denken in Trade-offs ist Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre. Die Unternehmensethik erscheinen mir darin weniger geübt zu sein«. Er argumentiert dagegen, dass die in der Betriebswirtschaftslehre vorhandenen Methoden und Ansätze deutlich ausreichen, um Praktikern bei ihren Problemen zu helfen. Die von Unternehmensethikern von außen an Unternehmen herangebrachten Probleme sieht Horst Albach gut aufgehoben in Institutionen, die mit betriebswirtschaftlichem Instrumentarium gut arbeiten. Einige der betriebswirtschaftlichen Fragen, mit denen sich Albach beschäftigt7,werden von den Kritikern der Unternehmensethik zugeordnet. So hat ihn ein evangelischer Pfarrer darauf hingewiesen, dass es mit christlichen Gewissen nicht zu vereinbaren sei, die Mitarbeiter der Olympiawerke in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Horst Albach sah das nicht so, weil die Olympia in »betriebswirtschaftlich unverantwortlicher (und natürlich auch moralisch unvertretbarer) Weise trotz hoher Verluste jahrelang aufrechterhalten worden« ist. Oder wenn es in den Führungsgrundsätzen eines Unternehmens heißt: »Weniger leistungsfähige oder in ihrer Leistungskraft nachlassende Mitarbeiter genießen den Schutz des Unternehmens«. Bedeutet dies, dass ein gesundheitlich nicht voll leistungsfähiger Mitarbeiter in einer Gruppe von sechs Mitarbeitern durchgeschleppt werden muss? Albachs Antwort an den betroffenen Gruppenleiter : »Nein – es sei denn, in ihrer Zielvereinbarung wäre berücksichtigt, dass Ihnen ein leistungsschwacher Mitarbeiter zu gewiesen worden ist und Sie hätten der Zielvorgabe zugestimmt«. 7 Siehe in: Ebenda.
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An diesen und weiteren Beispielen erläutert er, wie es in einem sinnvoll auf Interessensausgleich hin organisierten Unternehmen keiner externen ethischen Belehrungen bedarf, um wirtschaftlich sachgerechte, was auch immer einschließt: für die Unternehmensakteure richtige und belastbare, Unternehmensentscheidungen zu treffen. Hier könnte man beim gewöhnlichen Betriebswirt bzw. Vorträge haltenden Unternehmensethiker mit der Tätigkeitsanalyse aufhören. Albach hat sein eigenes »Wissenschaft als Beruf« immer so verstanden, dass er mit wissenschaftlichen Methoden Unternehmen geholfen hat. Für das Verständnis erfolgreicher Hilfe durch Wissenschaftler scheint eine Argumentationsfigur von Hartmut Kliemt hilfreich: die Bildung der »für die Praxis relevanten Theorien niederer Allgemeinheit«. Kliemt benennt zwei Voraussetzungen dafür, dass der Betriebswirt praxisrelevante Theorie niederer Allgemeinheitsstufe bilden kann: erstens »Kenntnis einer Vielzahl von Fällen, in denen er Erfahrungen machen und seine Urteilskraft schärfen kann« und zweitens »eine Kenntnis dessen, was methodologisch wissenschaftliches Vorgehen auszeichnet und von nicht wissenschaftlichen trennt«8. Es ist ein Bereich in dem sich die Meisterschaft von Horst Albach ausdrückt. Dabei geht es nicht darum, in irgendeiner Praxis als Pseudo-Praktiker zu exzellieren oder der Praxis einen rein wissenschaftlichen, aber problemabgewandten Spiegel vorzuhalten; es ist die vielmehr in der obigen Beschreibung gelingende Verbindung gefragt, die Horst Albach glänzend herstellt. Dies sei an einem Beispiel skizziert. Während unserer langjährigen gemeinsamen Tätigkeit im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Bahn AG hat er sich sehr intensiv mit der Fortführung der Bahnreform, in deren Kommission er einst wirkte, auseinandergesetzt. Im Zuge der (ex post abgebrochenen) Vorbereitung des Börsengangs hat er eine Expertengruppe maßgeblich geleitet, die die unterschiedlichen Varianten der materiellen Privatisierung eines integrierten Bahn-Konzerns analysierte. Dabei ging die Bewertung der unterschiedlichen Modelle anhand einer Wirkungsanalyse von vier Kriterien aus: Konformität mit den Zielen und rechtlichen Vorgaben der Bahnreform, Kapitalmarktfähigkeit, Strategieverträglichkeit und Organisationseffizienz. Diese Kriterien zeigen zum einen, dass wissenschaftliche Analyse direkt auf Praxis wirken kann. Ihre Wahl zeigt zum andern, dass wissenschaftliche Analyse die institutionellen Voraussetzungen und Restriktionen der Praxis an zentraler Stelle berücksichtigen muss. Diese Verbindung, die den Raum für eine Wirkungsanalyse aufspannt, fehlt bei vielen von außen an Unternehmen herangetragenen Analysen von Wissenschaftlern. Und dieses Fehlen macht solche 8 Weber, M. (2011). Wissenschaft als Beruf (11. Aufl.). Berlin: Duncker & Humblot, S. 16.
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Thomas Ehrmann
Analysen zum Teil unanwendbar. Die von Albach et al. vorgetragene Privatisierungsanalyse, die in einem Buch9 dokumentiert ist, bildet genau diese Theorie niederer Allgemeinheitsstufe, die Wissenschaft direkt für Unternehmen nützlich macht, ohne schlichtweg durch exogene Setzung oder Wegdefinieren des Untersuchungsgegenstandes sich dem tatsächlich zu analysierenden Problem zu entziehen. Ein Satz Albachs, der mir immer noch gut gefällt, lautet: »Ich werde Ihnen nicht empfehlen, Risiken einzugehen, die ich selbst nicht tragen würde«. Wissenschaft also als Beruf ? Horst Albach macht in seiner extremen Interessenvielfalt, von der Veröffentlichung in »Management Science« bis zur Beratung von Unternehmen, deutlich, worum es geht und wie es geht. Die Verbindung von wirtschaftswissenschaftlichen Methoden bei wirtschaftlichen und/ oder wirtschaftspolitischen Äußerungen tut heute mehr denn je Not.
9 Albach, H. (Hrsg.). (2006). Fortführung der Bahnreform. Heidelberg, Mainz: EisenbahnFachverlag.
Ulrich Guntram
Von prägendem Format
Gelehrter und Lehrer, schreibt Max Weber, »beides fällt ganz und gar nicht zusammen«1. Max Webers Zweifel an der natürlichen Verbindung beider Rollen mögen im heutigen Hochschulbetrieb durchaus angebracht sein. Hier die in der Forschung vertieften Wissenschaftler, für die die Sorge um den akademischen Nachwuchs manchmal eher als lästige Verpflichtung empfunden wird; dort die begabten Pädagogen, denen mangels eigener Forschungserkenntnisse die Wiedergabe von Bekanntem obliegt. Max Weber geht noch weiter : »Ob die Fähigkeiten dazu sich (aber) in einem Menschen zusammenfinden, ist absoluter Zufall«2. Keine Frage, Horst Albach vereint beide Eigenschaften auf vorzügliche Weise, ein großer Gelehrter und ein begnadeter Lehrer. Frühere Festschriften und seine eigenen Publikationen geben eindrucksvoll Zeugnis davon. Horst Albach – etwa ein Produkt des Zufalls? Sicher nicht. Im hiesigen Beitrag geht es um eine dritte Eigenschaft, die einen großen Hochschullehrer neben Forschung und Lehre ausmacht: Seine Befähigung und sein Wille, Institutionen und deren Mitglieder, insbesondere den akademischen Nachwuchs zu prägen.
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Führung
Es ist schwer, den Begriff der Führung im Zusammenhang mit Max Webers »Wissenschaft als Beruf« aufzugreifen, wo Max Weber doch mit großer Leidenschaft die Unvereinbarkeit von Gelehrtem und Führer betont: »Aber nur als Lehrer sind wir auf das Katheder gestellt«3. Wenn er von Führung spricht, 1 Weber, M. (1917). Wissenschaft als Beruf. Abgedruckt in Reclam Nr. 9388. (2005). Stuttgart: Reclam, S. 9. 2 Ebenda, S. 10. 3 Ebenda, S. 35.
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Ulrich Guntram
schwingt die Sorge um eine Ver-Führung mit. Fragen der Weltanschauung und der praktischen Lebensorientierung haben gemäß seines Plädoyers nichts im Wissenschaftsbetrieb zu tun. So weit, so gut. Aber, was bleibt vom großen Gelehrten außer Bedrucktem, wenn er nicht Eindruck hinterlässt bei denen, für die er an erster Stelle da sein sollte, dem akademischen Nachwuchs? Nur an einer Stelle vermerkt Max Weber : »Persönlichkeit auf wissenschaftlichem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient«4. Ich möchte ergänzen: und dem akademischen Nachwuchs. Es geht hier nicht um Führung im Sinne eines Machtanspruchs, der beabsichtigten Beeinflussung. Eher ist Führung gemeint, die sich durch Gefolgschaft definiert. Was meinen wir, wenn wir von einem ›Albach-Schüler‹ sprechen? Sicher nicht, dass jemand im Bonner Juridicum eingeschrieben war und auch Vorlesungen bei Professor Albach belegte. Er oder sie wurde geprägt durch vielfältige intellektuelle Interaktionen mit Horst Albach. Natürlich auch durch die vorherrschende Lehre von Erich Gutenberg, durch rigide Empirie anhand der Unternehmensdatenbank, hohe Anspruchsniveaus, Interdisziplinarität und den engen Bezug zu Politik und Wirtschaft. Mindestens so entscheidend wie die intellektuelle Auseinandersetzung waren die persönlichen Begegnungen mit Professor Albach. Diese waren eine Herausforderung besonderer Art, zunächst rein zeitlich. Bei einem Professor, der Zeit seines Lebens mehrere Vollzeitbeschäftigungen parallel verfolgte, galt unter Studenten eine viertelstündige Sprechzeit schon als Glückstreffer. Für die Albach-Schüler, die enger mit ihm als Assistent, Stipendiat oder Doktorand zusammenarbeiteten, waren die Begegnungen von einer seltenen Konzentration, die atmosphärisch entspannt und inhaltlich intensiv war. Er hielt uns in der Frühphase einer Dissertation nicht davon ab, Irrwege oder Sackgassen zu beschreiten. Er war selbst daran interessiert, was am Ende eines Weges herauskommen konnte, und er ließ uns unsere eigenen Erfahrungen machen. So waren die Gespräche immer inspirierend, wertschätzend, herausfordernd. In der Rückschau stellt man fest: Man folgte ihm gern und überzeugt, also muss es Führung gegeben haben. Die Angelsachsen würden dies heute als herausragendes Beispiel guter academic, inspirational oder exemplary leadership darstellen. Horst Albach war dieser Zeit voraus.
4 Ebenda, S. 15.
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Eco-System
Wo so eine intensive und dynamische Interaktion stattfindet, kann es sich nicht um ein gewöhnliches Hochschulinstitut handeln. Im heutigen Jargon könnte man diesen vibrierenden Micro-Kosmos der Wirtschaftswissenschaften ein ›Eco-System‹ nennen. Neu ist dieses Phänomen in der Welt der Wissenschaft nicht. Von wegweisenden Physikern der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, namentlich Werner Heisenberg und Carl-Friedrich von Weizsäcker, werden eindrucksvolle Anekdoten berichtet, wie sie mit Kollegen und Schülern bahnbrechende Fragen der Physik und Ethik in ähnlichen Zirkeln behandelt hatten. Es ist unklar, wer zu solch einem Eco-System dazu gehört und wer nicht. Es mag Kriterien geben, das Ergebnis eines Algorithmus ist die Zusammensetzung nicht. Es kann unscharfe Ränder haben und selbst seine pure Existenz mag fraglich sein. Letztlich bestimmt das ›Gravitationszentrum‹, in unserem Fall Horst Albach selbst, mit wem er mehr als notwendig seine extrem knappe Zeit verbringen und wem er seine besondere Aufmerksamkeit schenken will. Ich selbst war Quereinsteiger in dieses Eco-System. Horst Albach war Vertrauensdozent der Studienstiftung und er nahm mich in seine Gruppe auf, zunächst als Hospitant, später als Promotionsstipendiat. Horst Albach engagierte sich in ungewöhnlicher Weise für seine ca. zwanzig ihm anvertrauten Stipendiaten. Einmal im Monat luden er und seine liebenswürdige Frau Renate zu sich nach Hause in die Godesberger Waldstrasse ein. Alle verfügbaren Stühle und Hocker wurden im Wohnzimmer zusammengestellt, es gab Anti-Alkoholisches, einfachen Wein und ein Buffet. Im Mittelpunkt standen das Gespräch untereinander oder mit einem namhaften Ehrengast. Otto Graf Lambsdorff stand uns in privater Runde Rede und Antwort, oder ein Mitglied von Herrn Albachs Godesberger Rotary Club. Bei diesen Abenden entstanden neue Kontakte, Einsichten über das eigene Fach hinaus und Zukunftspläne. Selbst seinen 50. Geburtstag feierten Herr und Frau Albach mit uns in einem kleinen Poppelsdorfer Hotel bei Kaffee und Kuchen. Als Studenten empfanden wir das als eine besondere Wertschätzung. Was schenkt man seinem Doktorvater, einem Gipfelstürmer, zum Fünfzigsten? Ich suchte in Bonn nach einem Höhenmesser mit der weitest gehenden Skala, damals 4500 Höhenmeter. Die Überreichung umgarnte ich mit Anekdoten meines letzten Abenteuer-Urlaubs in Ladakh und wie mir auf 4500 Metern beim Klettern beinahe die Puste ausging. Horst Albach bedankte sich freundlich und ergänzte trocken: »Komisch, ich habe in dieser Höhe nichts gemerkt«. Der Markenkern des Albach’schen Eco-Systems waren – und sind bis heute! – die jährlichen Wanderungen. Nicht jeder war bemüht, unbedingt dabei zu sein, galt doch buchstäblich das Motto: »Soweit die Füße tragen«. Die Legende dieser Gewaltmärsche fing erst richtig an zu leben, als Horst Albach eine Tradition der
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Ulrich Guntram
US-Marines entdeckte: Walking fifty miles a day. Was ein Marine kann, so Albachs Losung, können wir auch. Man sagt, der letzte Weggefährte, Professor Brockhoff, sei bei Kilometer 53 ausgeschieden. Der Chef ging den Rest allein. Am Ziel heißt es, versorgte Renate Albach die blutigen Füße. Übersteigerter Ehrgeiz? Vielleicht. Aber auch ein Beispiel für unbändige Energie und Willenskraft – und wie wichtig eine gute Versorgung zu Hause ist. Natürlich ist das Leben im Eco-System vor allem im täglichen Forschungsund Lehrbetrieb spürbar. Jeder Hochschullehrer hat seine eigene Art der Seminargestaltung, die wohl intensivste Beschäftigung mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Unglücklicherweise lag unser Doktorandenseminar am frühen Montagabend, gerade dann, wenn die tägliche Leistungskurve ihren zweiten steilen Abfall hat. Unser bei der Dissertation am weitesten fortgeschrittener Assistent trug seine Ergebnisse zu einem Thema der Investitionstheorie vor. Alle waren um geflissentliche Aufmerksamkeit bemüht, mit Hunger und Müdigkeit ringend. Der Chef saß in der Mitte, die Augen geschlossen, das Kinn auf die Brust gesenkt, man hätte es als Haltung besonderer Konzentration werten können. Der Kommilitone legt die letzte Folie mit den Schlussfolgerungen und -formeln auf. Horst Albach reißt die Augen auf und unterbricht: »Das kann nicht sein«. Während peinliche Unruhe aufkommt, trägt der Referent für den Chef nochmals seine Argumentation im Schnelldurchlauf vor. Zu unser aller Überraschung, Horst Albach behält Recht, die Ableitung stimmt nicht. Man kennt das aus der Mathematik und Physik, die Macht eleganter Ableitungen und schlichter Formeln. Werner Heisenberg sprach in diesem Zusammenhang einmal von der Schönheit einer Formel5. Horst Albach hatte ein Gespür dafür.
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Prägung
Was bleibt von großen Hochschullehrern? Gewiss Be- und Geschriebenes, Festschriften, vielleicht Auszeichnungen und Ehrentitel, manchmal eine namentlich gewidmete Institution, selten ein nach ihm benanntes Phänomen oder Theorem. Horst Albach hat fast alles eindrucksvoll erreicht. In Koblenz-Valendar gibt es das Horst Albach Auditorium in der Hochschule für Wirtschaft & Management WHU. Man hätte auch die Hochschule nach ihm benennen können, der spiritus rector neben dem großzügigen Stifter. Mag sein, 5 von Heisenberg, W. (1971). Die Bedeutung des Schönen in der exakten Naturwissenschaft. Abgedruckt in Schritte über Grenzen. Gesammelte Reden und Aufsätze. (1983). München: Piper.
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dass sich gelegentlich einer der hoch talentierten Absolventen einmal bewusst wird, dass er seine besonders qualifizierte Ausbildung dem Weitblick dieser beiden Persönlichkeiten zu verdanken hat. In solch einem Augenblick beginnt das sonst statische Erbe zu leben. Bestimmt erinnert sich spontan jeder Albach-Schüler an eine ähnliche wegweisende Begebenheit in seiner eigenen Biographie. Mir selbst fallen verschiedene Bespiele ein, wo Horst Albach meinen Lebensweg nachhaltig geprägt hat. Als ich im Herbst 1982 kurzer Hand, wenngleich wohl überlegt meine Assistentenstelle im Sonderforschungsbereich ›Künstliche Intelligenz und Software Entwicklung‹ am Institut für Informatik der Universität Bonn kündigte, fragte ich vorsichtig bei Professor Albach an, ob er sich vorstellen könnte, dass ich – bar betriebswirtschaftlicher Kenntnisse – bei ihm promoviere. Zu meiner Überraschung ließ er sich darauf ein. Für mich bedeutete dies nicht nur eine herausfordernde Chance für eine fach-fremde Promotion; es war der Einstieg in die Wirtschaftswissenschaften und später in die Welt der Wirtschaft und des Managements. Immer wieder kreuzten sich unsere Wege, unter anderem auf Schloss Gracht, bei der ZfB, der Gutenberg-Gesellschaft. Solch erlebte Prägung währt ein Leben, sie hat kein Verfallsdatum. Es kann für einen Hochschullehrer kaum eine größere Erfüllung geben, als auf solche Art ein Teil der Biographien talentierter junger Menschen geworden zu sein. Nicht im Sinne einer intentionalen Steuerung, sondern indem er Türen öffnet und neue Perspektiven vermittelt, Anspruchshorizonte zeichnet und ermutigende Anreize vermittelt. Damit solche Impulse zwischen Lehrer und Schüler wirken, bedarf es der »sanften Führung« des Hochschullehrers und des persönlichen Zusammenspiels im Eco-System.
Herbert Henzler
Zu Horst Albachs 85stem
Über 50 Jahre begleitet mich Horst Albach. In meinen Studiensemestern an den Universitäten Saarbrücken und München galt er als einzigartig quantitativer Hochschullehrer. Er konnte in der Betriebswirtschaft das unternehmerische Wirken und in der Volkswirtschaft das gesamtwirtschaftliche Geschehen in Formeln fassen, was vor 50 Jahren ungewöhnlich war und für viele Studenten (und auch Professoren der Wirtschaftswissenschaft) neu und oft schwer verständlich. Andererseits waren seine Thesen zur unbedingten Notwendigkeit eines soliden theoretischen Fundaments für die Preispolitik bzw. die Marktformen allgemein akzeptiert und trugen beträchtlich zur Aufwertung des Ansehens der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft bei. In den sechziger Jahren schwappten die Erkenntnisse des Operations Research aus USA nach Deutschland und Horst Albach war einer der ersten, der diese nicht nur verstand, sondern auch praktisch in Beiträgen der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB) wiedergeben konnte. Ich erinnere mich noch gut, wie er die Simplexmethode auf ihre Tauglichkeit im mehrstufigen Produktionsprozess würdigte, und wie für mich früh haften blieb, dass eine Steuerung nach »Minimumsektoren« optimal war (Verbesserung der Kapazität des Produktionsengpasses um 20 % verbessert den Gesamtertrag um 80 %) und dass die linearen Programme enorm wirkungsvoll waren, wenn es um Produktselektion ging. Die amerikanischen Professoren in Berkeley, u. a. West Churchman und George Danzig, kannten die deutschen Kollegen kaum, mit der Ausnahme von Horst Albach, der schon Mitte der sechziger Jahre Berkeley und Stanford besuchte und überlegte, wie man den internationalen Austausch fördern könnte. So war es nicht verwunderlich, dass ich bei meinem Antritt bei McKinsey Düsseldorf im Juli 1970 schnell herausfand, dass David Herz (Verfasser der Risk Analysis) dort ein hochangesehener Senior Partner war und mit Horst Albach regen Austausch pflegte. Kam Harvey Wagner (Verfasser des legendären Stagecoach models) und angesehener McKinsey Advisor nach Deutschland, dann gehörten fachliche Austauschgespräche mit Horst Albach zum Programm. Mein verstorbener
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Herbert Henzler
Kollege Hasso von Falkenhausen, selbst ein überzeugter Operations Researcher, beharrte darauf, dass bei einem großen LP-Ansatz für einen Kunststoffbetrieb im Rheinland das fachliche Urteil von Horst Albach eingeholt wurde. Und so kam es zu einer fachlichen Begegnung des jungen Associates Herbert Henzler mit Professor Albach in Bonn. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein veritabler Bonner Professor sich so schnell in die Niederungen unseres komplexen Modells einarbeitete, dass er die kritischen Seiten unserer Empfehlungen sofort erkannte und mich mit dem Siegel des Wissenschaftlers nach zwei Stunden entließ. McKinsey sah es gerne, wenn junge Associates sich als »speaker« einen Namen machten, und so kam es, dass ich schon in meinen jungen Jahren in Gracht auftreten durfte. Es war ein exzellentes Management Training mit ca. 30 Führungskräften, das von Horst Albachs Präsenz und Inspiration lebte. Es war beeindruckend, wie er auch jungen McK Associates das Gefühl gab, ungemein wichtige Bindeglieder zwischen Wissenschaft und praktischer Anwendung zu sein. Das muss wohl das Fundament für meine Berufung in den Herausgeberrat der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB) gelegt haben. Insgesamt »diente« ich in diesem Herausgeberrat unter der Ägide von Horst Albach fünf Jahre und durfte dabei u. a. meine Erkenntnisse über die wissenschaftliche Begründung des Bernoulliprinzips vertiefen. Unvergessen die Sitzungen mit den Herausgebern Alfred Herrhausen, Karl Baumann und natürlich K.H. Forster (samstags in Frankfurt). Selten habe ich wieder eine solch dichte Anregung durch die wissenschaftlichen Würdigungen der neuen Theoreme erfahren. Als Horst Albach die Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung (WHU) entscheidend aus der Taufe zu heben verstand, war es Ehrensache, dass McKinsey ihm und dem Gründungsteam zur Seite stand. In regelmäßigen Vorlesungen durften wir die strategische Matrix auch im Gegensatz zur BCG Matrix darstellen und konnten so auch immer wieder Studierende vom Karrierepfad bei McKinsey überzeugen. Es war selbstverständlich, dass Horst Albach mich immer wieder mit pointierten Fragen (welche Organisationsform passt zu welchem Entwicklungsstand eines Unternehmens) forderte und den Besuchen in Bonn (Waldstrasse) tags darauf ein gemeinsames Joggen folgen ließ. Einer Runde im Schlosshotel Kronberg mit Bernd Voss (Dresdner Bank), Mark Wössner (Bertelsmann), Dieter Vogel (Thyssen) und Michael Jung (McKinsey) unter der Führung von Horst Albach sah ich immer mit besonderer Freude entgegen. Bis tief in die Nacht wurden Konzepte auf ihre praktische Tauglichkeit abgeklopft, und während die anderen noch schliefen, ging’s um 6:00 Uhr früh mit ihm zum Joggen in die Schlossgärten.
Zu Horst Albachs 85stem
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Ich könnte fortfahren und noch viele ad hoc-Begegnungen zitieren. Eine unter diesen aber blieb mir besonders im Gedächtnis haften. Nach der katastrophalen 100 Jahr Feier des Daimler Konzerns trafen wir uns kurz vor Mitternacht. Uns war allen nicht zum Feiern zumute, doch Horst Albach bestand darauf, dass man gerade in solch einer misslichen Stimmung feiern müsste. Es wurde noch sehr gesellig. Horst Albach war und ist ein herausragender Professor, der in seltener Form sein Wissen vermitteln, weiterentwickeln und kritisch hinterfragen kann. Seine Briefmarkensammlung lebte von der täglich neu justierten, internationalen Preis/-Absatzfunktion und seiner Einschätzung der praktischen Lebenssituationen (Wert des Kaiserpalastes in Tokio ist höher als der Wert der gesamten Bay Area in San Francisco). Sein ubiquitäteres Wissen hatte die Grenzen der Wirtschaftswissenschaft längst gesprengt. Als Ausbilder attrahierte er Spitzenpersonal, seine Assis wurden hochmögende Profs in der Republik und einige landeten auch bei McKinsey und zeigten dort, durch welch gute Schule sie gegangen waren. Vor einigen Jahren überreichte er mir in Köln den Gutenberg Praktiker Preis – und hielt eine launige Rede auf unsere gemeinsamen Austausche. Ohne Horst Albachs Fordern und Fördern hätte ich nicht den Weg gemacht, den ich gegangen bin. Ich danke ihm von Herzen und wünsche ihm noch viele Jahre des produktiven Schaffens.
Hedda im Brahm-Droege
Horst Albach und das Management von Familienunternehmen – das Kunstkonzept der Droege Group AG
Rückwirkend betrachtet fragt man sich oft, was prägend und zielführend war. Häufig sind das Kontakte zu Persönlichkeiten, denen man begegnen durfte und die den eigenen Lebensweg begleitet haben. Ich hatte das Glück und die Freude, in Horst Albach einer solchen Persönlichkeit schon früh während meines Studiums in Bonn begegnen zu dürfen, und war dankenswerterweise über die Jahre in der glücklichen Lage, diesen Kontakt aufrecht zu erhalten. Dies bildet für mich persönlich ein verlässliches Fundament. Während des Studiums lernten wir die Bedeutung der deutschen Familienunternehmen in ihrem volks- und betriebswirtschaftlichen Umfeld aus wissenschaftlicher Sicht für den Bestand und die Entwicklung kennen und setzten uns damit auseinander. Umgesetzt in die Praxis, stellt sich ein wesentliches Merkmal heraus: Wer an die Spitze kommen und dort bleiben will, braucht eine kraftvolle Differenzierung. Nachfolgend wollen wir verdeutlichen, wie dies mit Hilfe der Verbindung zwischen Unternehmensführung und Kunst, dargestellt am Beispiel der Droege Group, umgesetzt wurde. Die Gründung unserer Unternehmens-Gruppe geht auf das Jahr 1988 zurück. Bereits in den ersten Jahren des Aufbaus war es uns vor dem genannten Hintergrund außerordentlich wichtig, parallel zum damaligen Geschäftsmodell »Unternehmer-Beratung« mit dem Claim »Beratung ist Umsetzung« ein eigenständiges und innovatives Unternehmens-Konzept zu entwickeln und zu leben, um sowohl für unsere Mitarbeiter als auch für unsere Kunden attraktiv zu sein. Vorausblickend, im Lichte der dynamischen Marktveränderungen, haben wir in der letzten Dekade das Geschäftsmodell der Droege Group als ein unabhängiges Beratungs- und Investmenthaus weiter entwickelt. Die Beratungsaktivität (Wertsteigerungen im Unternehmen) wurde um die Kompetenz zur Durchführung von komplexen Direct Investments in »Special Situations« ergänzt. Ziel ist, diese Investments langfristig im Portfolio zu halten und über Buy & BuildStrategien weiterzuentwickeln. Im Mittelpunkt stehen Spin-Offs, Underperformer, Turnarounds sowie Unternehmer-Nachfolgen. Die Droege Group bietet neben diesen unmittelbaren Investments das gleiche
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Hedda im Brahm-Droege
unternehmerische Spektrum als Dienstleister und »Partner auf Zeit« im Rahmen von Mehrwertbeteiligungen. Der zentrale USP des Geschäftsmodells liegt in der Kompetenz-Bündelung von Operations-Teams, Deal-Teams und Portfolio-Management mit jeweils eigenen Spezialisten zu einem ganzheitlichen Leistungsangebot für Unternehmer : Know-how + Kapital + Management aus einer Hand. Als vollständig in Familienbesitz befindliches Unternehmen haben wir uns damit national und international erfolgreich im Markt positioniert. Mit ca. 120 Gesellschaften ist die Droege Group in über 30 Ländern operativ aktiv und erwirtschaftete im Jahr 2015 einen Umsatz von ca. 9,2 Mrd. Euro. Unser Entwicklungspfad ist in den letzten 25 Jahren durch eine zentrale Maxime getragen und geprägt: Nicht nur sagen, was zu tun ist, sondern zeigen, wie es geht. Wir sind Pionier dieser umsetzungsorientierten Philosophie, und unser allumfassender Anspruch nach innen (Mitarbeiter, Experten, Spezialisten) als auch nach außen (Kunden) drückt sich durch »110 % Qualitätsorientierung« aus. Qualität hat zwei Bedeutungen: Die Summe aller Eigenschaften, das WAS, und die Güte aller Eigenschaft, das WIE. Das WIE zu erfassen bedeutet – die Qualität (wörtlich: qualitas -> die »Wie-heit«) von Zusammenhängen und Prozessen zu analysieren, – die jeweils spezifische Struktur und Gesetzmäßigkeit einer Sache aktuell zu beobachten, – die Wahrnehmung zu vertiefen, indem der Blick für das WIE der Wahrnehmung selbst geöffnet ist. Dieser Qualitätsanspruch ist die Basis unseres Umsetzungs-Know-hows und eine ständige Herausforderung an uns selbst. Frei nach Joseph Beuys »Jeder Mensch ist ein Künstler« wurde daraus »Das WIE am WAS«. Der Claim unserer Unternehmensgruppe wurde in »Umsetzung nach allen Regeln der Kunst« erweitert. Das »Was«, nämlich das Beratungs- und Investmenthaus, sollte über das »Wie« nach den Regeln der Kunst differenziert werden. Für unsere Unternehmenskultur war dies der Grundgedanke jeglicher Differenzierung. Über die Jahre wurde die Qualitätsorientierung im Unternehmen gelebt und weiter entwickelt; »Das WIE am WAS« dient heute allen Mitarbeitern unserer Gruppe als eine gemeinsame Heimat und psychologische Haltestange, die ihnen Identität, Sinnstiftung und intellektuelle Herausforderung gibt. Unter diesem Blickwinkel wurde unser Unternehmenskonzept »Das WIE am WAS« in Zusammenarbeit mit dem viel zu früh verstorbenen Professor Michael Bockemühl, dem ehemaligen Inhaber des Lehrstuhls für Kunstwissenschaft, Ästhetik und Kunstvermittlung an der Universität Witten/Herdecke, entwickelt.
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Es reflektiert unsere Erfahrungen aus der täglichen Arbeitspraxis und wurde mit wissenschaftlicher Begleitung als »work in progress« immer weiter verfeinert. Als wir mit der Büro-Zentrale 1997 in das von uns erworbene David-Hansemann-Haus in Düsseldorf zogen, war dies der Startschuss für die Sichtbarmachung von »Das WIE am WAS«. Wir wollten unsere Regeln des Geschäfts mit den Augen der Künstler interpretieren und sichtbar werden lassen. Ziel war, die Eckpunkte des Geschäftsmodells an Kunstpositionen zu erklären (Fixwerke), aber auch die Regeln, die Änderungen unterliegen, zu verdeutlichen (Zeitwerke). Im Zeitwerk sollte der einzelne Mitarbeiter die Möglichkeit haben, falls er einen Beitrag zur Weiterentwicklung einer Regel des Geschäfts geleistet hat, diese auch sichtbar zu machen. In der Praxis bedeutete dies: Der Mitarbeiter erhielt die Finanzausstattung, um einen Künstler zu beauftragen, der »seine« Regel auf eine Wand malte und gleichzeitig eine bestehende Regel übermalte. Hierdurch wurde ein Höchstmaß an Mitarbeiter-Loyalität erzeugt. Dies war in Zeiten der Knappheit von Talenten der Erfolgsfaktor für Wachstum. »Was ich nicht sehe, kann ich nicht ändern«: Durch Schulungen zur Wahrnehmungsfähigkeit lernen unsere Mitarbeiter, wie die Phänomene der Kunst auf die Problemstellungen unserer Wertsteigerungsprojekte übertragen werden können. Kunst stiftet zum Sehen an: Dadurch entstehen vielfältige Anregungen, die wir in unsere Gestaltung von Unternehmensentwicklungen einfließen lassen. Kunst ist gestaltete Wahrnehmung. Sie ist damit eines der effizientesten Mittel, die Sinne am Sinnlichen bewusst zu üben. Das WIE zu sehen und zu begreifen ist aus unserer Sicht die beste Grundlage, die offenen und komplexen Regeln unseres Geschäfts zu erkennen und zu beherrschen. Außerdem dient uns Kunst – neben klassischen Präsentationen – als Medium, um unseren Kunden neue Ideen unkonventionell näher zu bringen. Die Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen im Unternehmen wurden für uns seither zu einer eigenständigen Plattform für die Auseinandersetzung und Weiterentwicklung unseres Geschäfts. Mittels der Kunst gelingt es uns, unsere Umsetzungspraxis zu kommunizieren und greifbar zu machen. Dabei betrachten wir unsere Arbeit selbst als Kunst und sehen in unserem Kunstkonzept – »Das WIE am WAS« – eine Chance zur Weiterentwicklung unseres umsetzungsorientierten Konzeptes. Das WIE der Kunst beinhaltet das entscheidende Erneuerungspotenzial für das WIE der Gestaltung von Management. Wie Andy Warhol durch seine Kunst seriell gefertigte Massenartikel zu Ikonen und »Marken« der Waren-Ästhetik (z. B. Converse Sneaker Extra special value) veredelte, steigert gelungene Beratungs-Dienstleistung die wirtschaftliche Performance auf ein höheres Niveau und schafft dadurch »Mehrwert« für unsere Kunden. Kunst hat Struktur, auch wenn das Erleben und Gestalten von Kunst oft als frei
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und intuitiv empfunden wird. Künstlerische Freiheit bedeutet, dass Regeln für einen Künstler niemals verbindlich sind, sondern dass er in deren Wahl völlig frei ist, teils gar eigene spezifische Regeln entwickelt. Ein starres und unveränderbares Regelwerk in Form einer Normierung existiert zumindest in der modernen und zeitgenössischen Kunst indes nicht. Die einmal gefundenen Gesetze werden nicht zum Axiom, sondern werden ständig neu erfunden und weiterentwickelt. Dies gilt in gleicher Form für die Gestaltung eines Kunstwerks als auch für dessen Rezeption durch den Betrachter. Auch unser Geschäft hat seine eigenen Regeln. Wir verstehen es, ebenso wie die Kunst, nicht als Regelvermittlung und -anwendung in Form unabänderlicher Abläufe oder starrer Tools, sondern vielmehr als ganzheitlichen, fließenden Prozess. Es eröffnete sich die Möglichkeit, Kunst und künstlerische Vorgehensweise für unsere Umsetzungspraxis fruchtbar zu machen. Wenn ein Mitarbeiter nachvollziehen kann, wie ein Künstler sein Werk plant, seine Ideen entwickelt, spezifische Regeln findet und umsetzt und sich und seine Kunst immer wieder neu erfindet, dann kann er diese Kenntnisse gewinnbringend in die eigene Umsetzungsarbeit einbringen. Um dies sowohl unseren Kollegen als auch außenstehenden Personen näher zu bringen, haben wir im Jahr 2015 mit der »Das WIE am WAS j film edition« begonnen. Hier gewähren ausgewählte Künstler Einblick in ihr Werk und ihre Arbeitsweise. Dies stellt einen weiteren Baustein in unserem gelebten Kunstkonzept dar – ebenso wie die neu entwickelten Begegnungen mit zeitgenössischen Künstlern an unserem Firmensitz, dem David-Hansemann-Haus in Düsseldorf. Entscheidend ist es, den Prozess der Regelfindung zu beherrschen. Die Regeln, welche für die Kunst gelten, erwiesen sich als identisch mit den Regeln der Umsetzungspraxis. Lösungen müssen stets auf das konkrete Problem und die Situation des Kunden zugeschnitten sein, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Vorgefertigte Lösungen können zu keinem angemessenen Ergebnis führen. Um die passgenauen Maßnahmen zu erkennen, müssen unsere Experten die Fähigkeit besitzen, die Situation des Kunden unabhängig von seinem Vorauswissen differenziert zu erfassen. Diese Wahrnehmungsfähigkeit kann mittels Impulsen aus der Kunst gezielt geschult und entwickelt werden. Qualität in unserer Arbeit heißt, die richtigen und passenden Maßnahmen zur richtigen Zeit zu entwickeln und anzuwenden und so für den Kunden ein bestmögliches Ergebnis zu erreichen. Dem Kunden wird zugleich durch Schärfung der eigenen Wahrnehmung und durch neue Blickwinkel auf das eigene Unternehmen ermöglicht, die eigene Problemstellung selbstständig zu erkennen und daraus eigene Lösungsansätze zu entwickeln. Als Regel gilt, um diesen Anspruch zu realisieren, »mehr zu liefern, als der Kunde erwartet – und zwar 110 % Qualität«. Wir haben einige »Regeln der Kunst« und der Umsetzung in unserem
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Kunstkonzept ausformuliert. Die Entwicklung von und der Umgang mit diesen Regeln gibt als »work in progress« Anstoß zu immer neuen Denkansätzen und Sehweisen. Im Folgenden werden Beispiele dieser Regeln gegenübergestellt.
Die Regeln der Kunst und die Regeln der Umsetzung – Kunst hat keine festen Regeln. Kunst findet sie. Auch die Umsetzung hat keine festen Regeln, sondern schafft neue Lösungen, indem sie neue Spielregeln entwickelt und dem Kreativ-, Gestaltungs- und Prozessmoment Vorzug gegenüber dem Verkauf von Standardlösungen gibt (kein Rezeptverkauf). – Kunst macht sichtbar. Kunst lehrt sehen. Indem der Blick gewechselt und Überblick sowie Transparenz geschaffen wird, bewirkt unsere Umsetzung eine neue Sicht und fördert die individuelle Ideenkompetenz des Unternehmers und des Managers. So gelingt es, Gestaltungsmöglichkeiten zu sehen und umzusetzen. – Kunst ist Qualität. Umsetzung ist Qualität. Es geht um das »Wie« der Umsetzung als Kultur, um das Erreichen von Potenzialen und ein angemessenes Umsetzungstempo. Die Qualität von Innovationen muss vollends ausgeschöpft werden. – In der Kunst sind Wahrnehmung und Gestaltung eins. Diese Regel entspricht unserem Umsetzungs-Anspruch von Anfang an. Bereits die Analyse ist Teil der Umsetzung. Grundlage ist eine wahrnehmungsgeleitete Strukturierung. Planung, Umbau und Ausbau sind somit als Einheit zu verstehen. – Kunst ist immer Prozess. Umsetzung ist ebenso immer Prozess. Verstehen und Verändern sind ein Wechselspiel. Wichtig sind ein Prozessmanagement mit Messpunkten und eine Barrierenbeseitigung im Fokus, Entwicklungskompetenz in fertigen und unfertigen Systemen.
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– Kunst entsteht aus dem richtigen Griff. Eine adäquate Umsetzungsleistung entsteht erst aus dem richtigen Ansatz. Fokussierung, d. h. das richtige Verhältnis zwischen Analyse und Aktion, ist entscheidend. Eine Aktion erfordert den Mut zum neuen Schritt oder gegebenenfalls zum Abschneiden alter Zöpfe. Handwerkliches Können in Perfektion ist dabei unabdingbar. – Kunst ist Kultur. Kunst braucht Umfeld. Umsetzung basiert auf einer Kultur der Leistung. Dies beinhaltet uneingeschränkte Kundenorientierung sowie eine Team-, Vertrauens- und Streitkultur. Das Unternehmen muss der alleinige Kontext für die Beratungsleistung sein. – Kunst ist Können mit Risiko. Kunst ist Übung. Beratung ist Unternehmer-Beratung. Die Entwicklung eines Höchstmaßes an Unternehmertum, Fähigkeitenmanagement, Lernkultur und Pragmatismus sind hierfür zwingend erforderlich und einzig zielführend. – Kunst macht Unmögliches möglich. Ebenso wie Kunst Lösungen und Möglichkeiten entwickelt, die vorher undenkbar erschienen, so findet auch unsere Umsetzung immer Möglichkeiten. Dies beinhaltet das Spiel mit allen Szenarien, auch mit dem Undenkbaren. Es darf keine heiligen Kühe geben, Limits müssen hinterfragt werden und der Weg muss offen sein für neue Durchbrüche. – Kunst erfordert Entscheidung. Kunst braucht ihre Zeit. Diese Regel ist ebenso für die Umsetzung gültig, denn diese braucht Mut und Timing. Der richtige Handgriff zur richtigen Zeit erfordert Überzeugungskraft, Willensstärke, Mut und Maß, Gefühl und eine Orientierung sowie Nachhaltigkeit.
Umsetzung nach allen Regeln der Kunst Ist man im Bereich der Kunst auf spezifische Prozesse und Regeln aufmerksam geworden, können auch Konzept und Strukturierungsfragen eines Unternehmens an ihr deutlich werden. Man kann Kunst auf sich wirken lassen, ohne jede
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Absicht zu verfolgen, man kann sie genießen oder ablehnen. Eine Verbindung mit Kunst, die das eigene Denken und Handeln berührt und weiter entwickelt, erfordert allerdings näheres Interesse und stetige Übung. Neben einem direkten Austausch mit den Künstlern, nun auch mit dem Mittel der film edition und Begegnungen mit den Künstlern im David-Hansemann-Haus, ist wichtiger Bestandteil unseres Kunstkonzepts, die Mitarbeiter über Workshops und Führungen durch Fachleute an die Kunst heranzuführen und ihnen so unabhängig von Vorkenntnissen und sozialem Hintergrund einen Zugang zu ermöglichen. Eine bewusst geübte künstlerische Erfahrung kann über den reinen Genuss der Kunst hinaus zu einem bewussteren Umgang mit der Gestaltung einer Unternehmenskultur führen. Es entsteht dabei die Möglichkeit, Wirtschaftskultur als einen persönlichen wie auch gesellschaftlichen Lebenswert zu entwickeln, der sich vom allgemeinen Kulturleben nicht ablöst, sondern zum fruchtbaren Bestandteil der allgemeinen Kultur wird. Umsetzungsorientierung bezieht sich wie die Kunst auf die Gestaltung von Prozessen. Entscheidend für ein Gelingen ist die konsequente Verbindung von Erfahrung, Können und fachlichem Wissen mit Wahrnehmungsfähigkeit, Kreativität und Gestaltungskraft. Ein Künstler weckt in seinem kreativen Prozess beim Betrachter den Sinn für neue Sehweisen und Erfahrungsbereiche. Diese sinnliche Erfahrung ist zugleich angelegt auf einen Reflektionsprozess, in dem das Wie des künstlerischen Prozesses bewusst wird und nicht mehr allein das Was, also das Dargestellte. Derjenige, der sich intensiv mit dem Kunstwerk beschäftigt, entdeckt die Qualität von Zusammenhängen und Prozessen, die Struktur und Gesetzmäßigkeit und vertieft die Wahrnehmung, indem er das Wie der Wahrnehmung erkennt. Die Fähigkeit, dieses Wie zu erfassen, wird an der Kunst geübt und bildet die Basis-Kompetenz für unsere Arbeit, die auf das Wie von Umsetzung zielt. Die Kunstwerke im David-Hansemann-Haus sind darauf ausgerichtet, Schlüsselerfahrungen für die Umsetzung zu eröffnen. Durch die Beschäftigung mit der Kunst können Probleme und Handlungsoptionen der Umsetzungspraxis wahrgenommen und vermittelt werden. Zugleich können die Muster und Methoden im künstlerischen Prozess dazu dienen, neuartige und kreative Lösungen zu finden. Mit den Kunstwerken wird das Wie der Beratung unmittelbar erlebbar und reflektierbar. Ein Begreifen des Wie der Umsetzungsarbeit, die realitätsnah durch konkrete Wahrnehmung geleitet wurde, ist die effizienteste Basis, die offenen und komplexen Regeln zu erkennen und zu begreifen. Diese Erfahrung versuchen wir exemplarisch zusammenzufassen und an der Installation des Richter-Spiegels darzustellen. Wir verfolgten das Ziel, den Eckpfeiler der Unternehmenskonzeption »110 % Qualitätsanspruch« sichtbar zu machen. Der zuvor erwähnte »Graue Spiegel« von Gerhard Richter soll Ihnen nach-
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folgend als praktisches Beispiel und Anregung dienen, wie sich Seh-Erfahrungen mit der Umsetzungspraxis verbinden lassen. In einem Beratungsprozess ist es hilfreich und zielführend, etwas aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und eine neue Perspektive einzunehmen. Die Installation »Grauer Spiegel« des zeitgenössischen Künstlers Gerhard Richter aus dem Jahr 1998 ist daher zentrales Werk für das Düsseldorfer Familienunternehmen. Zwei Spiegel sind nebeneinander angeordnet, ein schwarzer Spiegel auf der linken Seite, ein grauer Spiegel auf der rechten Seite. Anders als gewohnt, sind die Spiegelflächen nicht exakt senkrecht an der Wand angebracht. Der Linke der beiden Spiegel ist leicht zurückgelehnt, der rechte Spiegel neigt sich von oben dem Betrachter entgegen. Was macht dieses Spiegelpaar zu etwas Besonderen? Gerhard Richter sagte einmal selbst: »Das ist das perfekteste Bild, das stimmt immer, egal wer davor steht.« Ein Spiegelbild gibt tatsächlich immer nur das wieder, was sich vor den Glasflächen abspielt. Doch handelt es sich tatsächlich um ein unverfälschtes und genaues Abbild der Wirklichkeit? Der Betrachter, der in diesen Spiegel schaut, sieht die Spiegelung des Steinbodens im Foyer, den Widerschein der Deckenleuchten, eine breite Fensterbank mit Sitzkissen, das große Fenster, welches sich zu einem Innenhof hin öffnet und nicht zuletzt sieht er sich selbst. Es handelt sich jedoch um mehr als das exakte Ebenbild all desjenigen, was sich vor dem Spiegel befindet. Alle Richtungen werden vertauscht, was vorher links zu sehen war, zeigt sich im Spiegelbild nun auf der rechten Seite. Nicht nur die farbige Tönung der Spiegel, auch die Neigung verändert dieses Abbild und schafft neue Perspektiven und neue Blickwinkel. Die Welt vor dem linken, schwarzen Spiegel erscheint in kräftigen Kontrasten, das Abbild des rechten, grauen Spiegels wirkt lichter, transparenter und atmosphärischer. Auch wenn zuvor die genaue Farbigkeit der Spiegelflächen beschrieben wurde, kann der Betrachter trotz aller Mühen dennoch die eigentlichen Farben der beiden Spiegel nicht erkennen. Jeder Blick in den Spiegel führt unweigerlich zu einer Reflexion. Die Farben des Spiegels vermischen sich mit den Farben dessen, was sich vor dem Spiegel befindet. Die verschiedenen Neigungen der Spiegel sorgen zugleich für eine leichte Verschiebung der Perspektive. Das Bild, welches der rechte Spiegel zurückwirft, lässt den Boden und alles, was sich davor befindet, in einer Ebene leicht nach oben kippen. In umgekehrter Weise scheint sich die Ebene auf dem linken Spiegel nach unten zu neigen. Der Blick auf den Spiegel zeigt also zugleich zwei Seiten derselben Wirklichkeit. Genau diese zwei Seiten der Wirklichkeit zu sehen und andere Perspektiven und Blickwinkel einzunehmen, sind Grundsätze guter Umsetzungspraxis. Zugleich ist das Spiegelbild, das die beiden Spiegel zeigen viel mehr als ein perfektes Abbild. Es ist ein Inbegriff von höchster Vollendung
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und noch darüber hinaus. Für uns ist es Sinnbild von 110 % Qualität und dies ist der Anspruch, den wir an uns und unsere Arbeit stellen.
Fazit Rückblickend kann man sagen, dass »Das WIE am WAS« ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Droege Group geworden ist. Es ist kreativer Impulsgeber und Instrument zugleich. Das Kunstkonzept kann durch folgende Quintessenzen zusammengefasst werden. Die Qualität – ist Inhalt der Wahrnehmung, – ist Resultat der Wahrnehmung, – ist Frage des Könnens, nicht des Wissens, – zeigt, dass Können durch Üben entsteht, – beinhaltet, dass ihr Erfassen geübt werden muss. All dies setzt voraus, dass die Sinne am Sinnlichen üben und sich entwickeln, und zwar über das WIE, über die Kunst (Sehen, WAS und WIE). Dieses Sehen wird durch vielfältige Aktivitäten geschult und ausgebaut. Als Credo wurde, frei nach einem Zitat aus Goethes Faust »Das Was bedenke, aber mehr das Wie« erarbeitet. Das WAS kann man erfassen, das WIE bedeutet Regeln erkennen. Wir zogen die Folgerung, dass – wer Regeln kennt, bessere Chancen hat, – man in und durch die Kunst Regeln lernen kann, – mit der Kunst die Selbstkompetenz steigt. Es hat sich gezeigt, dass um die Kunst für die Unternehmung effektiv zu nutzen, auf keiner Seite spezifisches Wissen vonnöten ist. Es ist vielmehr mithilfe des Kunstkonzeptes möglich, die Inspiration und Anregungen, die die Kunst bietet zur Erweiterung der fachspezifischen Qualitäten und der Kompetenzen zu nutzen. Wie sich im Verlaufe der Zeit zeigte, entwickelte sich hieraus zudem ein intensiver Austausch mit den Künstlern. Darüber hinaus stellen wir fest, dass so wie Kunst zu einem Treiber der Entwicklung von Unternehmenskultur werden kann, sie gleichzeitig jedem Einzelnen eine echte Chance zur Erweiterung seiner Lebensqualität und somit seiner eigenen Entwicklung gibt. »Das WIE am WAS« ist für unsere Unternehmensgruppe, unsere Mitarbeiter und Kunden ein zentraler Orientierungspunkt der Unternehmensphilosophie und des Alltags geworden und es hat sich gezeigt, dass es nach außen eine beachtenswerte Kommunikationsbasis gestattet in vielfacher Form – eine ef-
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fektive und produktive Differenzierung sowie ein Bindeglied mit einem beachtenswerten Qualitäts-Pull. Also eine Differenzierung mit, über und durch die Kunst, die es wert ist, sich darauf einzulassen. Auf jeden, der bereit ist, sich auf die anschaulichen Qualitäten und die inneren Werte der Kunst einzulassen, kann der Funke der Begeisterung überspringen – eine Infektion im positiven Sinne, die das Leben durchdringt und oft auch das Lebensumfeld mit ansteckt. Und wer sich einmal mit dem Herzen auf die Kunst eingelassen hat, wird ihr zudem überall begegnen. Somit zeigt sich, dass ohne die Basis der Wissenschaft und die Bereitschaft der Lehre ein solches Konzept nicht denkbar wäre und hierin ein ausbaufähiges Fundament geschaffen wurde. Die wissenschaftliche Arbeitsweise und die vermittelten Werte waren wichtiges Rüstzeug. Darüber hinaus haben wir in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung am Institut von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Albach immer eine Verbindung zur Kunst und Kultur gelebt und wurden zu dieser Auseinandersetzung angehalten. Heute stellt das Kunstkonzept »Das WIE am WAS« für die Droege Group AG eine zentrale Aussage und Identifikation dar.
Stefan Kayser
Nachhaltigkeitseffekte in der akademischen Lehrer-Schüler-Beziehung
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Einleitung
Max Weber hat in seinem Vortrag vom 7. November 1917 über die Wissenschaft als Beruf referiert. In diesem Vortrag geht es in erster Linie um die Vor- und Nachteile einer Wissenschaftslaufbahn.1 Weber hebt darin auch auf den Zufall (Hazard) ab. Dabei kommt dem Zufall nach Weber eine große Rolle zu, wenn sich bei einem Menschen die Fähigkeit zu forschen mit der Fähigkeit zu lehren zusammenfinden.2 Weber bezeichnet die Gabe, wissenschaftliche Probleme so zu erläutern, dass selbst Laien sie verstehen und zum selbständigen Denken angeregt werden, als die »pädagogisch schwierigste Aufgabe von allen«3. Das führt zu seiner Interpretation, dass die Betrachtung der Wissenschaft als Beruf eng mit dem »inneren Berufe zur Wissenschaft«4 verbunden ist. Diese innere Berufung ist nach Weber mit Rausch und Leidenschaft verbunden, aber auch mit Eingebung, Ideen und harter Arbeit. Dazu kommt die Persönlichkeit auf wissenschaftlichem Gebiet, die sich dadurch auszeichnet, dass der Wissenschaftler »rein der Sache dient«5. Und selbst, wenn sich der Wissenschaftler der Tatsache bewusst ist, dass die Ergebnisse seiner Arbeit in wenigen Dekaden veraltet sein werden, so treibt ihn doch der Ehrgeiz, dass er bei Lösung einer wissenschaftlichen Fragestellung schon die nächste wissenschaftliche Herausforderung sucht, um weiteren Erkenntnisgewinn durch wissenschaftlichen Fortschritt zu erzielen.6 Überträgt man diese Ausführungen auf Horst Albach, so stellt man unweigerlich fest, dass alle diese Merkmale auf seine Person zutreffen. Und selbst, 1 Weber, M. (2002). Wissenschaft als Beruf. In D. Kaesler (Hrsg.), Max Weber Schriften 1984–1922 (S. 474–511). Stuttgart: Alfred Kröner Verlag. 2 Vgl. ebenda, S. 481. 3 Ebenda, S. 481. 4 Ebenda. 5 Ebenda, S. 485. 6 Vgl. ebenda, S. 487.
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wenn sich auch für Horst Albach die Forschung über die Jahre permanent weiter entwickelt, bleibt doch ein Lebenswerk, dass einerseits in Hunderten von Veröffentlichungen als Artikel und Bücher schriftlich dokumentiert ist. Andererseits erfährt das Lebenswerk durch die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen an Studierende, Doktoranden und Habilitanden gleichsam einen intertemporalen, Generationen übergreifenden Diffusionsprozess von wissenschaftlichen Erkenntnissen, methodischem Know-how und kritischem Denken. Hierin liegt ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit wissenschaftlicher Arbeit begründet. Dieser Essay soll daher die Weitergabe dieser Einsichten und Erfahrungen, aber auch von Grundeinstellungen vom akademischen Lehrer zum Schüler zum Gegenstand haben und sich mit der Frage befassen, worin der Nachhaltigkeitseffekt in der akademischen Lehrer-Schüler-Beziehung besteht. Diese Frage wird im Folgenden am Beispiel des akademischen Lehrers Horst Albach erörtert und beantwortet. Der Kern dieser Beziehung soll hierbei in der Rolle des wissenschaftlichen Mitarbeiters begründet liegen, der auf der einen Seite dem ihn »betreuenden« Professor wissenschaftlich zuarbeitet, auf der anderen Seite durch enge Zusammenarbeit in der Lehre und Forschung vom Know-how und von der Erfahrung des Lehrers profitiert. Der im Folgenden betrachtete wissenschaftliche Mitarbeiter erfährt in gewisser Weise einen akademischen Lebenszyklus, der oftmals nicht erst mit Antritt der Doktorandenstelle beginnt, sondern dessen Ursprünge schon vorher im Besuch von Vorlesungen und Seminaren eben bei demjenigen Professor zu suchen sind, der später der Doktorvater werden sollte.
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Der Lebenszyklus des wissenschaftlichen Mitarbeiters
2.1
Der Student und sein Professor
Der Autor erinnert sich gut und gern an die erste Begegnung mit Horst Albach. Sie ereignete sich im Rahmen einer Begrüßungsveranstaltung von ErstsemesterStudierenden des Studiums der Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn. Obgleich der Verfasser bewusst diese Fachrichtung gewählt hatte, erzählte der Ordinarius, Professor Horst Albach, den jungen Studierenden von der faszinierenden Welt der Betriebswirtschaftslehre und welche hervorragenden beruflichen Möglichkeiten die Absolventen dieses Studiums in den Unternehmen vorfinden würden. Es war der den Schilderungen inhärente, leidenschaftlich gehaltene Duktus von Horst Albach, der dem Autor nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Die nächste Erfahrung vollzog sich ein paar Semester später im Rahmen eines Seminars zu neuen Ansätzen der Organisationstheorie. Auf der Basis der Vor-
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lesungen des Grundstudiums wurde man in eine bisher unbekannte Welt betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre geführt, die mit der Behandlung des Werkes »Rank in Organizations«7 von Martin Beckmann anspruchsvolle Mathematik in der Betriebswirtschaftslehre mit sich brachte, aber auch neue Betrachtungen der Alltagsbeziehungen im Rahmen der Principal-Agent-Theorie offenbarte.8 Und wenn Horst Albach ins Seminar kam und die Studierenden bat, ad hoc eine Formel für die optimale Kontrollspane auf einer bestimmten Seite betriebswirtschaftlich zu interpretieren, war jedem klar, dass hinter dem Formelwerk das Geheimnis der modernen Führung von Unternehmen verborgen sein musste. Die Verbindung von mathematischer Theorie und den praktischen Implikationen in der Betriebswirtschaftslehre war für die Seminarteilnehmer eine faszinierende neue Erfahrung. Ähnliches hat der Autor dann in der Vorlesung zur Wachstumstheorie von Unternehmen erfahren. Die folgende Gleichung für die Anpassungsgeschwindigkeiten des Faktors Kapitals (C) und des Faktors Arbeit (L) in einer Produktionsfunktion mit quasi-fixen Produktionsfaktoren war nicht nur in der Vorlesung theoretisch und empirisch sehr interessant:9 ! ! ! l11 l12 C @ C= C_ ¼ (1) l21 l22 L @ L= L_ Sie wurde Gegenstand einer lehrreichen und gleichsam akademisch anspruchsvollen mündlichen Diplomprüfung und damit die Eingangspforte zum Erhalt der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters. Die Formel sollte den Verfasser auch in späteren Phasen nicht loslassen. Nach dieser Prüfungserfahrung durfte der Autor noch die Diplomarbeit bei Horst Albach schreiben. Im Vertrauen darauf, dass das Interesse am Erkenntnisgewinn überwiegt, schrieb der Autor über ein eigentlich entwicklungspolitisches Thema in Afrika. Durch den Bezug zu öffentlichen Unternehmen war aber die Neugier von Horst Albach, dieses Thema zu betreuen, geweckt. Hier zeigte sich die Freiheit der wissenschaftlichen Arbeit, gepaart mit dem Bestreben des Lehrers, seine Studenten mit Methodik und Thema »experimentieren« und damit im Forschungsprozess reifen zu lassen. Unvergessen sind die drei Telex-Zeilen vom betreuenden Professor, dass die Arbeit sich gern auch mit internen Arbeitsmärkten befassen 7 Vgl. Beckmann, M. J. (1978). Rank in Organizations. Lecture notes in economics and mathematical systems 161. Berlin, Heidelberg: Springer. 8 Vgl. Pratt, J. W. & Zeckhäuser, R. J. (Hrsg.). (1985). The Structure of Business. Boston: Harvard Business School Press. 9 Vgl. Albach, H. (1986). Empirische Theorie der Unternehmensentwicklung. Opladen: Westdeutscher Verlag, und Albach, H. (1988). Management of Change in the Firm. Theoretical Analysis and Empirical Evidence. In: K. Urabe, J. Child & T. Kagono (Hrsg.), Innovation and Management (S. 197–224). New York: de Gruyter.
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könne. Diese Zeilen wurden in vielerlei Hinsicht vom Autor wieder und wieder interpretiert und gedeutet, bis am Ende der Verfasser darauf vertraute, dass ein ordentliches Ergebnis herauskam, welches Horst Albachs Erwartungen entsprach. Diese Erfahrung ist dem Autor nachhaltig in Erinnerung geblieben und hat des Öfteren als Modell für die Betreuung von eigenen Bachelor- und MasterArbeiten an der Hochschule gedient. Der Begleitprozess von Horst Albach offenbarte die eingangs beschriebene ideale Kombination von Forschung und Lehre. Die Art und Weise, wie er Forschung über Management-Fragestellungen »lehrte«, regte bei vielen seiner Diplomanden das Interesse, sich in einer Doktorarbeit weiter mit der Betriebswirtschaftslehre zu befassen. Die wertvollen Erfahrungen, Verantwortung für die eigene Forschung zu übernehmen, und die Aussicht, für eine Zeit lang Wissenschaft als Beruf ausüben zu können und dabei mit dem Professor zu arbeiten, der dieses Credo verkörperte, trugen auch beim Autor zu der Entscheidung bei, als wissenschaftlicher Mitarbeiter den Wissenschaftsbetrieb von innen kennenzulernen.
2.2
Der Doktorand und sein akademischer Lehrer
Die Übertragung von Verantwortung gehörte auch zu den prägenden Erfahrungen in der Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Horst Albach hat seinen Mitarbeitern früh Aufgaben in der Lehre und in der Forschung übertragen. Er fühlte sich dazu berufen, seinen Studenten und Schülern das Streben nach Erkenntnisgewinn weiterzugeben. Dazu gehörte einerseits die Aufgabe, Vorlesungen und Seminare zu halten. Er hat dabei darauf vertraut, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter die Vorlesungen in seinem Sinne und mit seinem Verständnis der Themen halten. Die mündlichen Prüfungen, die Professor und wissenschaftlicher Mitarbeiter gemeinsam bestritten, wurden somit jedes Mal auch zum Test für die Assistenten, ob sie ihrer Aufgabe richtig nachgekommen waren. Horst Albach hat dabei die mündlichen Prüfungen nicht als Abfrage von Wissen betrachtet. Für ihn waren die mündlichen Prüfungen des Öfteren Gedankenspiele, um die Prüflinge selbständig verschiedene Themen der Wirtschaftswissenschaften zu durchdringen und miteinander verzahnen zu lassen. Auf diese Weise zogen sie (und häufig auch der wissenschaftliche Mitarbeiter) selbst aus der Prüfungssituation noch einen Erkenntnisgewinn. Insofern wird Horst Albach der Beschreibung eines akademischen Lehrers gerecht, der auch oder gerade in akademischen Prüfungen noch der Sache dienen wollte. Angesichts der wissenschaftlichen Vision und Mission betrachten Studierende ihren Professor oftmals eher als einen Führer und nicht als Lehrer, ein Umstand, der aus Webers Sicht ein Irrtum ist, da der Professor in erster Linie als
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Lehrer den Katheder betritt.10 Unvergessen ist der Moment der letzten Vorlesungsstunde, in der Executive MBA-Studierende auf die Stühle stiegen, um analog zum Film »Der Club der toten Dichter« ihrem Professor Horst Albach zuzurufen: »O captain, my captain!« Selbst wenn Weber dieses Verständnis des akademischen Lehrers nicht teilt, so zeigt es doch eindrucksvoll, welche nachhaltige Wirkung der Hochschullehrer Horst Albach auf seine Schüler hinterließ. Im anderen Kernbereich der wissenschaftlichen Tätigkeit, der Forschung, widerfuhr dem Autor eine ähnliche Gestaltungswirkung seines Lehrers. Horst Albach gab einen Impetus, der den Assistenten zum eifrigen Nachrecherchieren, Nachdenken und Diskutieren mit seinen Kolleginnen und Kollegen anregte. Sein Lehrer zeigte oftmals bei der Bearbeitung der Dissertation nur eine Lösungsskizze, einen Lösungsbereich, aber nicht unbedingt einen konkreten Weg auf. Horst Albach hat in diesem Zusammenhang einmal den Begriff der »wissenschaftlichen Kraft« verwendet und wollte damit wohl die Fähigkeit bezeichnen, aus eigenem Antrieb, mit Kreativität, analytischer Schärfe und Neugier einen Erkenntnisfortschritt zu erzielen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter profitierte dabei auch von der wissenschaftlichen Arbeit, die er im Rahmen der Lehrstuhlforschung durchführte. Hierbei lernte er die Gedankenketten von Horst Albach in seinen eigenen wissenschaftlichen Werken kennen, und hierbei lernte er auch, wissenschaftliche Sachverhalte kompakt, verständlich und häufig auch anwendungsorientiert darzustellen. Der Autor machte die Erfahrung der akademischen Weiterentwicklung anhand der schon oben genannten Theorie der Produktionsfunktion mit quasifixen Produktionsfaktoren, die schon Gegenstand der Diplomprüfung gewesen war. Nachdem das Modell zur Untersuchung des Transformationsprozesses von ehemals ost-europäischen Unternehmen um den Faktor Know-How erweitert wurde, gab Horst Albach den wichtigen Hinweis, dass die Corporate Governance eine wichtige Rolle spielen könnte. Für den Autor war das ein Fingerzeig, dem er mit der Vermutung folgte, dass aufgrund der wissenschaftlichen Erfahrung seines Lehrers hier ein Schlüssel zur Lösung des Problems liegen könnte. Letztendlich setzte Horst Albach so viel Vertrauen in seinen Doktoranden, dass für ihn die Ergebniserzielung fast eine Selbstverständlichkeit erschien. Da es sich um die Erweiterung des in Gleichung (1) gezeigten Modells handelt, lässt sich der wissenschaftliche Lernprozess und Erkenntnisgewinn anhand der folgenden Gleichung verdeutlichen, wobei K = Know-how-Stock, K*= optimaler Know-how-Stock, kii = Koeffizienten der Anpassungsmatrix. Die Variable D bezeichnet den Typ des dispositiven Faktors:11
10 Vgl. ebenda, S. 502. 11 Vgl. Kayser, S. (1999). Die Dynamik der Unternehmenstransformation in Osteuropa. Eine
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Stefan Kayser
0
1 0 l11 þ b1 D C_ B C B B L_ C ¼ @ l21 @ A l31 K_
l12
l13
l22 þ b2 D
l23
l32
l33 þ b3 D
10
C @ C=
1
CB C A@ L @ L= A
(2)
K @ K=
Der Leser erkennt leicht den wissenschaftlichen Fortschritt, der sich zwischen Gleichung (1) und Gleichung (2) vollzogen hat. Bei der empirischen Überprüfung des damit verbundenen Gleichungssystems spielte Vertrauen eine große Rolle, Vertrauen, das vom akademischen Lehrer gewährt wurde, und somit auch das Vertrauen in die eigenen Methoden und Erkenntnisse förderte. Andererseits gewährte Horst Albach den intellektuellen Freiraum, verschiedene Wege zu durchdenken und zu testen, aber auch wieder zu verwerfen und alternative Wege zu beschreiten. Die Anwendung der Theorie der Produktionsfunktion mit quasi-fixen Produktionsfaktoren auf den Privatisierungsprozess von ehemals staatseigenen Unternehmen in Osteuropa vermittelte dem Autor mehrere Einsichten. Erstens zeigte sie die Möglichkeit auf, wie auf wissenschaftlicher Basis anwendungsorientiere Ergebnisse erzielt werden konnten, die auch Empfehlungen für Unternehmen und ihre Manager mit sich brachten. Zweitens zeigte sie auf, wie einerseits die Entscheidung von Unternehmen in ihrer Gesamtheit volkswirtschaftliche Effekte auslösen und wie andererseits volkswirtschaftliche Parameter auf Unternehmen einwirken. Die Untersuchung des Transformationsprozesses in ostdeutschen und osteuropäischen Unternehmen war Horst Albach schon früh eine Herzensangelegenheit, da sich aus Unternehmensentscheidungen die Geschwindigkeit des Transformationsprozesses ergab, der wiederum das Wohl der Menschen in den Transformationsländern betraf.12 Umgekehrt beeinflusste die Wahl der Privatisierungsmethode die Entscheidungen über die betrieblichen Anpassungsprozesse. Die Relevanz von Forschung für Unternehmen sowie die Verbindung von Betriebswirtschaft und volkswirtschaftlichen Betrachtungen prägten viele von Horst Albachs Arbeiten. Bei allen wissenschaftlichen Ambitionen, durch die sich Horst Albach auszeichnet, war und ist es auch sein Bestreben, für Unternehmen und Organisationen relevante und anwendungsorientierte Ergebnisse zu erzielen. Dies zeigt sich in den vielen Beratungs- und Gutachtertätigkeiten, die er im Laufe seines Berufslebens durchgeführt hat. Vor diesem Hintergrund zeigt sich bei Horst Albach eine wichtige Komponente der Wissenschaft als theoretische und empirische Untersuchung des betrieblichen Transformationsprozesses. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag, S. 226. 12 Vgl. Albach, H. (1994). The Transformation of Firms and Markets. A Network Approach to Economic Transformation Processes in East Germany. Uppsala: Studia Oeconomiae Negotiorum 34.
Nachhaltigkeitseffekte in der akademischen Lehrer-Schüler-Beziehung
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Beruf. Er hat seinen Beruf stets so verstanden, dass der Erkenntnisgewinn keinem Selbstzweck diente, sondern für die Entwicklung der Forschung, aber auch für Unternehmen, ihren Teams und Mitarbeitern hilfreich war und die Beantwortung von Management-Fragen förderte. Anhand der oben dargestellten Gleichungen konnte der Autor im Laufe seiner akademischen Tätigkeit von Horst Albach die Verbindung von anspruchsvoller Theorie und Praxisrelevanz lernen. Dazu kommt die Art und Weise, wie Horst Albach die Lehre verstanden hat, wie er seinen Studenten die Fähigkeit mitgegeben hat, methodisch präzise und hinterfragend Themen zu bearbeiten und Lösungen herbeizuführen. Der Lernprozess vieler Schüler von Horst Albach hat sich vom Studium bis hin zur Fertigstellung der Doktorarbeit erstreckt, hinterließ aber auch im weiteren beruflichen Weg nachhaltige Spuren. Die Vorgehensweise, wie Fragestellungen verfolgt und gelöst werden, wurde auf Situationen in der Unternehmenspraxis übertragen. Nach Abschluss der Doktorarbeit setzt das nächste Kapitel des akademischen Lebenszyklus ein: die weitere wissenschaftliche Karriere oder die Tätigkeit als »Manager« in einem Unternehmen oder einer Organisation.
2.3
Der »Praktiker« und sein Doktorvater
Obwohl Horst Albach sich zur Wissenschaft berufen fühlte, stand er als Mentor seinen Schülern beim Einstieg in die Unternehmenspraxis beratend und bei Bedarf vermittelnd zur Seite. Es zeichnet den Wissenschaftler Horst Albach aus, dass er seinen Schülern, die sich gegen eine wissenschaftliche Karriere entschieden, auch Ratschläge gab, die für ihren Weg in die Praxis wichtig waren. Die Betrachtung der Wissenschaft als Beruf ist daher zunächst für Horst Albachs Schüler relevant, die nach der Doktorarbeit eine wissenschaftliche Laufbahn anstrebten. Darüber hinaus diente die Erfahrung, für und mit ihm wissenschaftlich gearbeitet zu haben, als wertvoller Prozess für die weitere Berufsfindung. Seine Schüler machten die oben beschriebenen Erfahrungen im Umgang mit akademischen Fragestellungen, die auch wegweisend für ihre Laufbahn in der Unternehmenspraxis waren. Viele wählten diesen Weg, vielleicht, weil sie auch feststellten, dass Horst Albach den Beruf als Wissenschaftler vollumfänglich verkörperte, und sie erkannten, dass sie der Art und Weise, wie dieser Beruf auszuführen und auszufüllen war, nicht entsprechen würden oder wollten. Die Ansprüche, die mit dem akademischen Lehrer als Vorbild verbunden waren, waren ohnehin sehr hoch. Aber diese Erkenntnis bedeutet auch die bewusste Entscheidung für die Karriere in der Unternehmenspraxis, und die Doktoranden konnten hierbei der Unterstützung durch ihren Lehrer sicher sein.
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Stefan Kayser
Horst Albach hatte dabei immer ein sicheres Gespür dafür, was für seine Schüler die richtige Entscheidung war, und seine Schüler hatten das Vertrauen in dieses Gespür. Hier zeigte sich seine eigene Erfahrung, was es bedeutet, die Wissenschaft zum Beruf zu machen, aber auch, was eine vertrauensvolle Beziehung zwischen akademischem Lehrer und seinem Schüler langfristig ausmacht. Viele seiner Schüler hielten über die Doktorandenzeit hinaus Kontakt mit Horst Albach. Sie nutzten gern sein Urteilsvermögen und holten Rat ein bei der Lösung von Management-Fragen, sie tauschten akademische Inhalte mit ihm aus, oder sie hielten zu ihrem Doktorvater einfach engen Kontakt, der über die Jahre private Begegnungen mit ihm und seiner Frau Renate mit sich brachte. Dem Autor selbst sind diese gemeinsam verbrachten Stunden nachhaltig in wertvoller Erinnerung, wie überhaupt die ganzen Erlebnisse, die er seit Beginn des Kontakts zu Horst Albach mit ihm geteilt hat.
3
Schluss
Der Lebenszyklus der wissenschaftlichen Tätigkeit für und mit Horst Albach setzte sich gemäß der oben dargestellten Berührungspunkte und nachhaltigen Effekten auch nach der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in mehrfacher Hinsicht fort, auch wenn ein Schüler nicht die Wissenschaft als Beruf wählte. Die zu Beginn dieses Essays aufgeworfene Frage, worin der Nachhaltigkeitseffekt in der akademischen Lehrer-Schüler-Beziehung besteht, lässt sich abschließend anhand des dargestellten akademischen Lebenszyklus und am Beispiel von Horst Albach beantworten. Zunächst wird der wissenschaftliche Mitarbeiter durch die analytisch scharfe Denkweise und Herangehensweise geprägt, mit der Horst Albach Themen und Probleme bearbeitet und erforscht. Ein zweites Element ist die Präzision, mit der Ergebnisse erarbeitet und danach dargestellt werden. Der dritte Aspekt ist die Relevanz der Forschung und Lehre für die Unternehmenspraxis. Er wird ergänzt um den vierten Aspekt des innovativen und kreativen Denkens. Alle diese Komponenten setzen sich im Wirken der wissenschaftlichen Mitarbeiter von Horst Albach in und außerhalb der Wissenschaft als Beruf fort. Eine grundlegende Komponente des Nachhaltigkeitseffekts, die sich durch alle Phasen des wissenschaftlichen Lebenszyklus zieht, ist aber Vertrauen: Vertrauen in ein gutes und produktives Lehrer-Schüler-Verhältnis, Vertrauen in die Selbstverantwortung und Selbständigkeit bei der Bearbeitung von Themen und Problemstellungen, aber auch Vertrauen in eine integre und loyale Beziehung, die nicht nur im Wissenschaftsbetrieb wichtig ist und die nachhaltige
Nachhaltigkeitseffekte in der akademischen Lehrer-Schüler-Beziehung
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Effekte erst möglich macht. Nachhaltigkeit entsteht hierbei auch durch Weitergabe des Vertrauens an andere. Horst Albach hat sich in den letzten Jahren vielfach mit dem Thema Vertrauen in den Wirtschaftswissenschaften befasst. Er zeigt durch seine Art der Ausübung des Berufes als Wissenschaftler, dass Vertrauen auch in der akademischen Lehrer-Schüler-Beziehung gleichsam als Nukleus den Grundstein für einen nachhaltigen Effekt im Wirken der Schüler legt. Dieser Grundstein lässt in vielerlei Hinsicht langfristig vertrauensvolle Beziehungen entstehen, die zusammen mit den anderen beschriebenen Nachhaltigkeitseffekten ein hohes Gut darstellen. An diesem Gut teilhaben zu können, gibt Anlass zu großer Dankbarkeit gegenüber Horst Albach.
Volkmar Liebig
Mit Horst Albach im Diskurs: Ermittlung und Wirkung ganzheitlicher Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen
1
Verstehen und Verständnis
Als Horst Albach sah, dass ich nach meiner Präsentation über eine Fuzzy SetsModellierung von Unternehmensgründungen unzufrieden war, nahm er mich zur Seite: »Volkmar, da kannst du nichts machen. Die Zuhörer haben das einfach nicht verstanden!« Ich fühlte mich schlagartig besser und wusste, das kann nur jemand sagen, der selbst Ähnliches erlebt hat. Beispielsweise während einer Diskussion über innerbetriebliche Verrechnungspreise. Nach langer kontroverser Diskussion über mögliche Ansätze der Verrechnungspreisberechnung kam der Diskussionsleiter Drenkard schließlich auf die Idee, den Referenten, der bis dato geschwiegen hatte, zu Wort kommen zu lassen. Horst Albachs legendäre Kommentierung der Debatte: »Was kann ich dazu sagen? Die Diskussion bewegt sich genau auf den Punkt, von dem ich sie wegbekommen wollte: Es werden alle möglichen Arten von Verrechnungspreisen diskutiert. Theoretisch ist das alles falsch. Wir können stundenlang darüber diskutieren, welche Arten von Fehlern man noch machen kann. Mehr ist dazu nicht zu sagen.«1 Nachdem ich ihm im Herbst letzten Jahres nach unserer traditionellen Wanderung einen Aufsatz über Nachhaltigkeit zugesandt hatte2, schrieb er mir am 8. November 2015 einen Brief mit der Aussage: »Offen gestanden: Ich habe den Aufsatz nicht verstanden.« Mit diesem Beitrag lege ich nach.
1 Albach, H. (1974). Innerbetriebliche Lenkungspreise als Instrument dezentraler Unternehmensführung. ZfbF NF 26, 216–242, hier: Podiumsdiskussion S. 252. 2 Liebig, V. (2015). Ganzheitliche Evaluation der Nachhaltigkeit von Finanzanlagen. AbsolutReport (14)1, 48–53.
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2
Volkmar Liebig
Nachhaltigkeit verstehen
Nachhaltigkeit (ebenso Sustainability) ist ein Allerweltswort. Eine einheitliche Definition für diesen Begriff hat sich bisher ebenso wenig herauskristallisiert wie ein Standard für die Beurteilung bzw. Messung der Nachhaltigkeit. Hier ist nicht der Platz, um auf die Historie oder die Bemühungen um eine konsensfähige Definition des Begriffs einzugehen.3 Häufig wird die Formulierung aus dem Brundtland-Bericht von 1987 verwendet: »Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.«4 Demnach ist eine Entwicklung dann dauerhaft und in diesem Sinne nachhaltig, wenn die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt werden, ohne dass in Kauf genommen wird, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können. Die Botschaft, aber auch die Limitation dieser Definition, ist offenbar : Wenn wir alle unsere Bedürfnisse gegenwärtig ohne jede Rücksicht befriedigen, würden wir nicht nur unsere eigenen Lebensgrundlagen gefährden, sondern auch auf Kosten der Bedürfnisbefriedigung späterer Generation leben. Welche Bedürfnisse künftige Generationen haben werden, können wir allerdings nicht wissen. Hier kann der »gesunde Menschenverstand« weiterhelfen. Selbst wenn dieser Ausdruck als Phrase verwendet und dadurch abgewertet wird, kann er als gedankliche Leitplanke im Sinne des angelsächsischen Common Sense für den Nachhaltigkeitsbegriff dienen. Für Immanuel Kant ist er »der gemeine Verstand, sofern er richtig urtheilt.« Diesen zu besitzen, sei ein Geschenk des Himmels und bestehe aus selbstständigem Denken an Stelle des Denken Anderer.5 Überlegt man, was »richtiges« Verhalten im Sinne von vernünftig, sinnvoll bzw. nachahmenswert ist, gelangt man zu acht Prinzipien (Verhaltensweisen, Maximen), die zusammen genommen als Referenzrahmen der Nachhaltigkeit dienen können:6 1. Suffizienz: Nicht auf Kosten anderer leben 2. Subsistenz: Mit dem Bestehenden so weit wie möglich auskommen 3. Effizienz: Nichts vergeuden 4. Konsistenz: Sein Tun in Kreisläufe einbinden 3 Einen Überblick gibt z. B.: Grober, U. (2010). Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs. München: Kunstmann. 4 Report of the World Commission on Environment and Development: Our Common Future. URL: http://www.un-documents.net/our-common-future.pdf (abgerufen am 19. Mai 2016). 5 Kant, I. (1788). Kritik der praktischen Vernunft. Kritik der Urtheilskraft. Akademieausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Band V, S. 294. URL: https://korpora.zim. uni-duisburg-essen.de/Kant/aa05/294.html (abgerufen am 19. Mai 2016). 6 Vgl. Liebig, V. (2015). Ganzheitliche Evaluation der Nachhaltigkeit von Finanzanlagen. AbsolutReport (14)1, 48–53, S. 51.
Mit Horst Albach im Diskurs
5. 6. 7. 8.
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Resilienz: Die Widerstandsfähigkeit erhöhen Obsoleszenz: Die Abnutzung generell vermindern Genetik: Wesentliche Informationen weitergeben Effektivität: In der Zielerreichung strikt sein
Nehmen wir einmal zwei Dinge an: Erstens, alle Menschen haben das gemeinsame Ziel, die Überlebensfähigkeit der Menschheit möglichst lange aufrecht zu erhalten. Zweitens, diese acht Prinzipien sind Maximen für diejenigen Verhaltensweisen, die dazu führen, dass das Anthropozän möglichst lange anhält. Was nachhaltig ist, lässt sich dann von dem Ziel ableiten, die Episode, während der Menschen auf dem Planeten Erde menschenwürdig leben, auszudehnen. Je umfassender wir die genannten acht Prinzipien in unserem Verhalten berücksichtigen, desto nachhaltiger ist der Einfluss auf die Anzahl an Generationen, die auf einer lebenswerten Erde existieren können. Das gilt für individuelles Verhalten ebenso wie für das Unternehmertum.
3
Nachhaltigkeit messen
3.1
Die Ausgangslage
Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen für die Finanzmärkte attraktiv sein. Institutionelle Investoren, aber auch private Anleger, suchen attraktive Kapitalanlagen. Ziele und Wünsche, Renditeerwartungen, Risikoeinschätzungen und Vertrauen auf das Unternehmertum sind wesentliche Parameter für die Lenkung von Investitionen. Lautet der Wunsch, Kapital nachhaltig anzulegen, reagiert die Finanzindustrie darauf. Deshalb gibt es »nachhaltige Finanzinstrumente«, häufig in Form von Fonds.7 Bei der Suche nach Assets dieser Provenienz stieß ich auf erstaunliche Tatsachen. Ist eine Investition allein deshalb nicht nachhaltig, weil in Unternehmen der Tabakindustrie investiert wird (verstanden als Ausschlusskriterium) oder ist sie stets nachhaltig, wenn in Solaranlagen investiert wird (Positivkriterium)? Es ist nicht logisch, wenn durch Ausschluss eines Kriteriums der verbleibende Rest des Anlageuniversums als nachhaltig deklariert wird. Und es ist nicht selbstredend nachhaltig, wenn normativ festgestellt wird, welche Investitionen als nachhaltig zu gelten haben. Diese Irritationen mindern sich nur marginal, wenn statt einzelner Kriterien große Mengen von Kriterien herangezogen, also sog. Kriteriologien benutzt
7 Einen Überblick über die Volumina des als nachhaltig deklarierten Anlagekapitals bietet: FNG e.V. (Hrsg.). (2016). Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2016. Berlin.
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Volkmar Liebig
werden.8 Eine Klassifizierung der Vorgehensweisen, wie Nachhaltigkeit für Direktinvestitionen bzw. Finanzinstrumente ermittelt wird, ergibt folgende drei Stufen der Nachhaltigkeit:9 – Nachhaltigkeit ersten Grades: Einfache Negativ- bzw. Positivkriterien – Nachhaltigkeit zweiten Grades: Kriteriologien, Checklisten, Best-in-Class – Nachhaltigkeit dritten Grades: Holistische Betrachtung Um Nachhaltigkeit vollumfänglich zu erfassen, ist eine ganzheitliche Betrachtung, ein 360-Grad-Blick, notwendig. Beispielsweise arbeitet das gängige Modell der Nachhaltigkeit aus den drei Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales mit Checklisten, hat die Frage der wechselseitigen Integration der drei Bereiche offen gelassen und gestattet, die Ressourcen gegenseitig aufzuwiegen.10 Die sog. CSR-Richtlinie, die eine Berichtspflicht ab 2017 für bestimmte kapitalmarktorientierte Unternehmen in den Mitgliedstaaten der EU einführt, sieht vor, über nichtfinanzielle Auswirkungen zu berichten, die durch die Geschäftstätigkeit entstehen und wesentlichen Einfluss auf die Wirtschafts- und Finanzlage des Unternehmens haben. Es geht um Informationen über das Geschäftsmodell, um Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.11 Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex als ein Werkzeug der Umsetzung der CSR-Richtlinie unterscheidet die vier Bereiche Strategie, Prozessmanagement, Umwelt und Gesellschaft mit insgesamt zwanzig Kriterien.12 International ist die GRI-Leitlinie verbreitet, deren aktuelle G4-Richtlinie etwa 120 Indikatoren umfasst.13
8 Der 1992/97 entwickelte Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden hat über 800 Kriterien bzgl. der Kultur-, Sozial- und Naturverträglichkeit. URL: http://www.ethisch-oekologisches-rating. org/veroeffentlichungen/frankfurt-hohenheimer-leitfaden (abgerufen am 19. Mai 2016). 9 Vgl. Liebig, V. (2015). Ganzheitliche Evaluation der Nachhaltigkeit von Finanzanlagen. AbsolutReport (14)1, 48–53, S. 50/51. 10 Abschlussbericht der Enquete-Kommission »Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung«. Deutscher Bundestag: Drucksache 13/11200 v. 26. Juni 1998. URL: http://dip21.bundestag.de/ dip21/ btd/13/112/1311200.pdf (abgerufen am 19. Mai 2016). 11 CSR = Corporate Social Responsibility ; Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates. URL: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX% 3A320 14L0095 (abgerufen am 19. Mai 2016). 12 Rat für Nachhaltige Entwicklung (Hrsg.). (2015). Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex. Maßstab für nachhaltiges Wirtschaften. Texte Nr. 47. Berlin. 13 Global Reporting Initiative (Hrsg.). (2015). Sustainability Reporting Guidelines 2015. URL: https://www.globalreporting.org/resourcelibrary/German-G4-Part-One.pdf (abgerufen am 19. Mai 2016).
Mit Horst Albach im Diskurs
3.2
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Das Konzept holistischer Nachhaltigkeit
Allen Ansätzen – die genannten sind nur eine Auswahl – zur Erfassung und Berichterstattung über Nachhaltigkeit ist gemein, dass stets bestimmte Aspekte herausgegriffen werden, auf Kriteriologien zurückgegriffen wird, Interdependenzen nicht wirklich berücksichtigt werden, und offen ist, ob über Wesentliches berichtet wird. Das geringe Vertrauen von Investoren, ob bei den praktizierten Vorgehensweisen zur Deklaration der Nachhaltigkeit ein Investment wirklich nachhaltig ist, hatte das Defizit offenbart, dass es kein belastbares Verfahren gab, um Nachhaltigkeit ganzheitlich zu erfassen und messbar zu machen. Dieser Umstand hat zur Entwicklung einer eigenen Methode und Gründung eines eigenen Unternehmens geführt.14 Das Verfahren wird nachfolgend skizziert und anschließend werden beispielhaft empirische Ergebnisse gezeigt.
Abbildung 1: Referenzrahmen, Aspekte und Fundamentalsicht der Ö2SE-Methode (Alle Abbildungen: Eigene Darstellungen)
Ausgehend vom dargelegten Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffs, der sich in dem Referenzrahmen mit den acht genannten Prinzipien niederschlägt, umfasst der Rundumblick auf die Nachhaltigkeit die Aspekte Ökonomie, Ökologie, So14 Entwicklung der Ö2SE-Methode (Akronym aus Ökonomie, Ökologie, Soziales und Ethik) und Gründung der Sustainability Intelligence Berlin. URL: http://www.sustainability-in telligence.de.
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Volkmar Liebig
ziales und Ethik. Diese Aspekte werden aus einer einheitlichen Fundamentalsicht betrachtet. Die Fundamentalsicht besteht aus zwei Perspektiven: Entropie und Pareto, wie Abbildung 1 zusammenfasst. Beide Begriffe müssen im vorliegenden Kontext kurz erläutert werden. Zu unseren Lebensgrundlagen gehören lebenswichtige natürliche und geschaffene Ressourcen und deren nutzbare Potenziale. Der Umgang mit ihnen ist eng verbunden mit dem Phänomen prinzipiell stattfindender, irreversibler Prozesse. Diese Prozesse haben den Charakter des Verbrauchs, der Vernichtung, der Verringerung von Potenzialen bzw. dem Brachliegen von Opportunitäten und damit die Eigenschaft der Entropie.15 In der Naturwissenschaft bezeichnet man Prozesse, bei denen Entropie zunimmt, als irreversibel. Ein Beispiel ist das Verbrennen von fossilen Rohstoffen. Dieser physikalische Begriff aus der Thermodynamik wird inzwischen auch auf andere Bereiche übertragen.16 Dabei geht es dann nicht um naturwissenschaftliche Phänomene, sondern etwa um Förderung, Erhalt bzw. Vernichtung von Potenzialen der Artenvielfalt im ökologischen Bereich, das Vorliegen von Bildungschancen im sozialen Bereich oder um Gesinnungsfreiheit im ethischen Bereich. Die prinzipiell auf der Erde stattfindende Entropie lässt sich anthropogen mehr oder weniger beschleunigen. Auf unserem Planeten existiert noch ein weiteres Phänomen. Wir beobachten unterschiedliche Verteilungen bzw. Zugangsmöglichkeiten zu relevanten Ressourcen. Völker bzw. Volkswirtschaften haben verschiedene Strategien für die Nutzung von Gemeinschaftsgütern und den Abgleich zwischen Eigennutz und Gemeinwohl entwickelt. Wir können sehen, dass Anspruchsgruppen in der Gesellschaft unterschiedlich für ihren Anteil an der Wertschöpfung berücksichtigt werden. Stakeholder haben unterschiedliche Rechte und können sie nicht gleichermaßen durchsetzen. Diesen skizzierten Beobachtungen ist gemein, dass die Verteilung und der Interessenausgleich durch die individuellen Verhaltensweisen und Entscheidungsverhalten nicht ohne weiteres gleich bzw. gerecht sind, sondern sie müssen durch Marktmechanismen, Gesetze, Instanzen bzw. Aushandlungen geregelt werden. Aus sozioökonomischer Sicht hat sich Vilfredo Pareto mit der Ressourcenallokation beschäftigt, der u. a. als Grenzwert einer »optimalen« Verteilung den Zustand in einer Gesellschaft annimmt, bei dem sich von einem gegebenen Zustand aus kein Individuum mehr besser 15 Der naturwiss. Begriff Entropie hat im Bereich der Umwelt- und Ressourcenökonomie bereits Eingang gefunden, u. a.: Boulding, K.E. (1966). The Economics of the Coming Spaceship Earth. In: H. Jarrett (Hrsg.), Environmental Quality in a growing Economy (S. 3–14). Baltimore & Washington; Georgescu-Roegen, N. (1976). The Entropy Law and the Economic Process (3. Aufl.). Cambridge, Mass.: Harvard University Press; Rifkin, J. & Howard, T. (1980). Entropy. A New World View. New York: Viking Press. 16 Zum Beispiel: Wöhlcke, M. (1996). Soziale Entropie. München: Dtv.
Mit Horst Albach im Diskurs
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stellen kann, ohne dass ein anderes schlechter gestellt wird.17 Wir verwenden den Begriff Pareto(-Optimum) für die Perspektive, mit der festgestellt werden kann, wie Verteilung bzw. der Interessenausgleich in einer bestimmten Situation geregelt und wie darüber berichtet wird. Falls die Verteilung als ungerecht empfunden wird, kommt es zu Auseinandersetzungen, die von Disput über Streik bis hin zur offenen Gewalt reichen kann. Zum Beispiel im Bereich der Ökologie, in dem sich durch anthropogenes Verhalten betroffene Ökosysteme (etwa die Bedrohung von Pflanzen- oder Tierarten) weder artikulieren noch wehren können, kann der Pareto-Gedanke angemessen berücksichtigt werden, indem die messbaren bzw. abschätzbaren Auswirkungen auf die betroffenen Ökosysteme in der Nachhaltigkeitsevaluation Berücksichtigung finden. Damit bekommen ökologische Auswirkungen eine »Stimme« in der ganzheitlichen Betrachtung. Entsprechendes gilt für den ethischen Aspekt, wenn es etwa um Compliance geht. Es ist klar, dass die hier so verwendeten Begriffe Entropie und Pareto und deren Verständnis herrlich Gelegenheiten bieten, Einwände zu haben und Widerspruch zu erheben. Dem muss ich mich stellen. Unabhängig davon lassen sich die mit diesen Begriffen verbundenen Phänomene und Perspektiven auf das gesamte Nachhaltigkeitskonstrukt als fundamentale Sichtweisen anwenden. Für die praktische Anwendung dienen sie der Identifikation, Würdigung und Bewertung wesentlicher Indikatoren. Durch die Fundamentalsicht wird der Willkürlichkeit und dem Normativen des Nachhaltigkeitsverständnisses entgegen getreten. Denn die Beliebigkeit, mit der Nachhaltigkeit bisher definiert und ermittelt wurde, hat dazu geführt, dass es bisher keinen Konsens bezüglich der Nachhaltigkeitsdefinition und -messung gibt. Zusammengefasst ergibt sich aus den beiden Blickwinkeln der Fundamentalsicht, den vier Aspekten Ökonomie, Ökologie, Soziales und Ethik sowie den acht Maximen des Referenzrahmens ein Gebäude der Nachhaltigkeit aus 64 Räumen.
3.3
Der Evaluationsprozess
Dieses Konzept wurde in einen Prozess überführt und zu Beginn bei KMU angewendet. Der erste evaluierte Unternehmenscluster bestand aus börsennotierten Hidden Champions der DACH-Region. Inzwischen ist die Nachhaltigkeitsevaluation auf die MDAX-, SDAX- und TecDAX-Unternehmen ausgeweitet worden. Die Konzentration auf mittelgroße Unternehmen hat praktische 17 Eine der zahlreichen Quellen beschreibt die Einschränkungen des Pareto-Optimums recht plausibel: Heine, M. & Herr, H. (2013). Volkswirtschaftslehre. Paradigmenorientierte Einführung in die Mikro- und Makrotheorie (4. Aufl.). München: Oldenbourg, S. 181.
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Volkmar Liebig
Gründe. Die KMU sind nicht im Fokus der großen Ratingagenturen, haben in der Regel ein Kerngeschäftsfeld, ein überschaubares Geschäftsmodell und sind für einen Teil der Klientel institutioneller Investoren interessant. Die Unternehmen werden ungefragt ausgewählt. Nach einem gemeinsamen Auftaktgespräch, in dem alle Analysten ihr bestehendes Wissen intern weitergeben, wird prinzipiell in Tandems, bestehend aus einem Experten und einem Partner, gearbeitet, die mit einem Senioranalysten ein Team bilden. Die Teams organisieren sich selbst in »überlappenden Gruppen.«18 Nach einer Prima VistaRecherche über das Unternehmen wird mit eigenen Worten das Geschäftsmodell beschrieben. Nach Verständnis des Geschäftsmodells werden unternehmensund branchenspezifisch die bezüglich der Nachhaltigkeit wesentlichen Themen herausgearbeitet, wobei das Know-how der Analysten eine große Rolle spielt.
Abbildung 2: Beispiele aus den Fragewolken beim explorativen Vorgehen
Durch die detaillierte Beschreibung des Geschäftsmodells wird die gesamte Wertschöpfungskette und deren Auswirkungspotenzial erkennbar : Rohstoffbasis, Lieferkette, Standorte, Produktion, Logistik, Management, Verantwortlichkeiten, Nutzungsphase und Service, Nachnutzungsphase, Recycling, Rücknahmesysteme, Compliance-Management, Risikomanagement, Rücklagenpolitik, Zertifizierungen, Stakeholder-Dialoge, Publizität, IR-Mitteilungen, Offenlegung unbequemer Vorfälle, Einhaltung von Kodizes, Wertschöpfungsrechnung, Jahresabschlüsse, Rechenschaftslegung, Nachhaltigkeitsberichte und andere nicht-finanzielle Tatsachen. Da Geschäftsmodelle den Charakter der Einzigartigkeit besitzen, wird nicht mit theorielosen Checklisten oder methodenarmen Kriteriologien gearbeitet, sondern mit Fragewolken, die sich aus dem Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell, den Geschäfts18 Diese Idee stammt von Likert, R. (1961). New Patterns of Management, New York, Toronto, London: McGraw-Hill.
Mit Horst Albach im Diskurs
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feldern und dem Unternehmensumfeld ergeben. Abbildung 2 zeigt exemplarisch Fragen aus den Fragewolken im Rahmen der Systematik des Verfahrens. Dieses explorative Vorgehen, durchaus investigativ und von Neugier getrieben, ist ambitioniert und setzt hoch motivierte und qualifizierte Analysten voraus. Nach Vorliegen eines vorläufigen Ratingergebnisses bespricht das Team die wesentlichen Erkenntnisse und offenen Fragen aus der Analyse. Anschließend wird das Unternehmen darüber informiert, dass es bezüglich seiner Nachhaltigkeitsleistung analysiert wird und dass noch Fragen offen geblieben sind, die wir dann dem Unternehmen zusenden. Es handelt sich dabei um keinen Standard-Fragenkatalog, sondern es sind die offenen Punkte, bei denen keine Informationen vorliegen oder Widersprüche im vorliegenden Material entdeckt wurden. Da auch das Evaluationsverfahren erläutert wird und die Fragen sehr individuell gestellt werden, wird in der Regel qualifiziert geantwortet.
Abbildung 3: Potenziale in den Nachhaltigkeitsbereichen der Rational AG
Aus der qualitativen Einschätzung entstehen quantitative Ausprägungen mit einer verbal verankerten Skala für die 64 Nachhaltigkeitsbereiche. Die Ausprägungen haben zehn Stufen, die aus der TQM-Systematik mit den Stufen: 0 = nicht, 1 = teilweise, 2 = überwiegend und 3 = vollständig vorhanden, abgeleitet sind. Die Stufen 1, 2 und 3 haben jeweils eine dreistufige Tönung, so dass eine Ausprägungsskala von Null bis neun entsteht. Abbildung 3 zeigt beispielhaft die Verbesserungspotenziale für die Rational AG. Die Höhe der Säulen visualisiert das Potenzial für die Handlungsfelder, in denen es seine Nachhaltigkeitsleistung verbessern kann. Wie alle Unternehmen
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Volkmar Liebig
hat die Rational AG eine eigene Persönlichkeit, die durch bestimmte Ausprägungen in mehreren Bereichen gleichzeitig deutlich wird: Die Rational AG ist extrem kundenorientiert, hat beispielsweise ein Küchenmeistersystem entwickelt, das durch Customer Empowerment die Kunden größtmöglich einbindet. Das schlägt sich in einer hoher Ausprägung im Bereich Ökonomie-Pareto Effektivität, aber auch im Bereich Soziales-Pareto Genetik und Effektivität nieder – in der Abbildung sichtbar durch geringe Verbesserungspotenziale. Das Unternehmen entwickelt langlebige Produkte, wodurch die Kunden profitieren und gleichzeitig ein gesellschaftlicher Mehrwert erzeugt wird. Die Kundenorientierung führt zu geringerer Beachtung anderer Stakeholder-Gruppen, was sich vor allem im Bereich Ethik-Pareto niederschlägt: Potenzial bei Genetik, weil kaum Informationen über nicht-finanzielle Aspekte vorliegen, und bei Resilienz, da keine Informationen z. B. über Fehlerkultur oder Diversität im Management vorliegen – sie sind für die Kunden auch nicht von unmittelbarem Interesse. Die Rational AG ist ein familiengeführtes Unternehmen, das kommunikativ verschlossen ist. Viele Themen werden in der Berichterstattung zwar angesprochen, aber nicht konkretisiert. Daher entstehen hohe Potenziale im Bereich Ökologie-Entropie (Genetik und Obsolesenz), auch bei Ethik-Entropie: Es gibt ein Compliance-System, aber eine Zielsetzung für die Reduktion von Vorfällen oder ein Konzept für den Umgang mit Fehlverhalten (Resilienz) sind nicht ersichtlich. Fehlende Informationen über Lieferanten schlagen sich ebenfalls nieder, denn es gibt zwar Audits sowie Auszeichnungen für Premium-Lieferanten, aber Informationen dazu gibt es nicht. Die einzelnen Ausprägungen werden im vorliegenden Verfahren über Zwischenportfolien und ein Ergebnisportfolio zusammengeführt, aus dem das Ratingergebnis abgeleitet wird. Die Ratingskala hat 16 Stufen von A+++ bis G und repräsentiert die Nachhaltigkeitsleistung der analysierten Unternehmen.19 Als nachhaltig gelten Unternehmen mit einer Nachhaltigkeitsleistung, die mit einem Rating von C oder besser bewertet wurden.
4
Erfahrungen und empirische Ergebnisse
Das Verfahren ist aufwendig. Für die Unternehmen ist der Ratingreport mit den aufgedeckten Handlungsfeldern ein wertvolles Spiegelbild, das die Außensicht zeigt. Er stellt zugleich eine Handlungsanweisung dar. Die Ratings sind für 19 Das Prozedere ist transparent und wird in den Ratingreports und in Präsentationen für die gerateten Unternehmen erläutert. Einen ersten Eindruck bei Liebig, V. (2015). Ganzheitliche Evaluation der Nachhaltigkeit von Finanzanlagen. AbsolutReport (14)1, 48–53; sowie Informationen unter der URL: http://www.sustainability-intelligence.de.
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private und institutionelle Investoren relevant, wenn sie nachhaltige Investments tätigen wollen. Aus der Datenbank der Sustainability Intelligence sind 128 Unternehmen ausgewählt worden, die bereits mehrfach auf Nachhaltigkeit evaluiert wurden. Abbildung 4 zeigt das Histogramm der Ratingergebnisse dieses Datensatzes. A- und G-Ratings sind im Datensatz nicht enthalten.
Abbildung 4: Histogramm der ermittelten Ratings, unterschieden in Quartile
Für Investoren ist selbstverständlich die Performance wichtig. Ein Impuls für die Entwicklung eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsratings war die Hypothese, dass wirklich nachhaltige Unternehmen langfristig anderen Unternehmen in der Performance überlegen sein müssen. Abbildung 5 zeigt das Ergebnis für den ausgewählten Datensatz. In der Gruppe mit einem B-Rating sind 19, mit einem C-Rating 54 und mit einem Rating schlechter als C 55 Unternehmen enthalten. Die Darstellung schließt bewusst in Form eines Backtests die Finanzkrise 2008 mit ein. Es ist bemerkenswert, aber nicht erstaunlich, wie der Rangunterschied im Ratingergebnis den Unterschied in der Performance deutlich werden lässt. Je höher die Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen, desto schneller erholen sie sich nach einem Abschwung und in einer Verlustphase ist der Abschwung umso kleiner. Diese Effekte sind erfahrungsgemäß die wesentlichen Treiber der Performance. Institutionelle Investoren können zufrieden sein: Ihre Performanceziele werden erreicht und sie haben Kunden gegenüber eine klare Antwort auf die immer häufiger gestellte Frage, ob bei der institutionellen Kapitalanlage auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden.
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Volkmar Liebig
Abbildung 5: Nachhaltigkeitsleistung und Performance
5
Zweifel
In dem eingangs erwähnten Brief erläutert Horst Albach auch, was er nicht verstanden hat. Er fragt sich, ob durch eine langfristige Investition, z. B. in eine ICE-Strecke, nachhaltig Geld verdient werde, und er meint, das solle man hoffen, sicher sei das aber nicht. Er stellt die Frage: »Und die Investition in VW-Aktien?« Die Investition in den Bau einer ICE-Strecke ist nach unserer Analyse grundsätzlich nachhaltig, verglichen mit den Opportunitäten. Die Züge müssten mit erneuerbarer Energie betrieben werden, gut belegt sein und es sollten Fahrgäste sein, die stattdessen Flugzeug oder Auto nicht benutzen. Und: Die ICE-Züge sollten nicht schneller als 300 km/h fahren, weil der Energieverbrauch exponentiell steigt. Es gibt keine einfachen Antworten. Das Thema VWmit den in den USA aufgedeckten Abgasmanipulationen bei Dieselmotoren ist aus meiner Sicht im Kern ein ethisches Problem, weil sich Mitarbeiter des Unternehmens vor ein Dilemma gestellt sahen – und allem Anschein nach von der Führung allein gelassen wurden. Die Reputation von VW hat durch die Art der Problembehandlung zusätzlich gelitten. Investoren müssen sich fragen, ob sie in ein solches Unternehmen investieren wollen. Horst Albach hat derartige Entscheidungen einmal vom »Maß der Skrupellosigkeit« abhängig gemacht. Dein Brief enthält noch einen Nachsatz: »Je älter ich werde, desto stärker treiben mich Zweifel. Nimm mich nicht ernst.« Zweifel sind ja stets angebracht. Die habe ich auch. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Mit Horst Albach im Diskurs
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Ich kann zeigen, dass es Interesse an der Methode gibt. Unternehmen und Investoren gehen davon aus, dass sie einen Nutzen durch die Evaluationsergebnisse haben. Aber bis wir nicht die Evidenz für das Vorgehen bewiesen haben, hege ich Zweifel. »Bleiben Sie skeptisch« ist zu einem geflügelten Satz in meinem beruflichen Umfeld geworden. Aber dich nicht ernst zu nehmen, dafür hat es für mich nie einen Anlass gegeben.
Joachim Reese
Die Zukunft der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft
1
Grundlegendes
Wissenschaft ist zeitgebunden, ihr Ziel allerdings zeitlos. Karl Jaspers hat es einmal als die Suche nach Wahrheit formuliert.1 Wer Wissenschaft zu seinem Lebensinhalt erhebt, muss sich dieser Herausforderung immer wieder aufs Neue stellen, auch wenn die Zeitumstände hierfür nicht immer in gleicher Weise geeignet sind. Sind die Ziele für Naturwissenschaftler im Allgemeinen noch klar strukturiert, so sind die Gesellschaftswissenschaftler auf ganz besondere Weise herausgefordert: Unsere Gesellschaft entwickelt sich in einem rasanten Tempo und mit einem erheblichen Maß an Unsicherheit. Die Herausforderungen an die Wissenschaft und die Wissenschaftler werden dementsprechend von Tag zu Tag größer und komplexer. Es ist nicht verwunderlich, dass manche Wissenschaft einen Weg eingeschlagen hat, bei dem das Ziel der Wahrheitsfindung gelegentlich nur noch umständlich erreicht werden kann oder sogar ganz aus dem Blickfeld gerät. Wenngleich die Konzentration im Folgenden der Betriebswirtschaftslehre gilt, so bedeutet dies keineswegs, dass nicht auch andere Gesellschaftswissenschaften vor ähnlichen Problemen stehen. Vielmehr sind es persönliche Gründe, warum diese Eingrenzung erfolgt. Zum einen sollen die eigenen Erfahrungen mit dieser Wissenschaftsdisziplin berücksichtigt werden; zum anderen sind die Ausführungen einem der bekanntesten Betriebswirte unserer Zeit gewidmet. Die nachfolgenden Überlegungen sollen mit einer zentralen These eingeleitet werden, an der die Suche nach Wahrheit in der Betriebswirtschaftslehre (BWL) sehr deutlich wird. Die Betriebswirtschaftslehre ist in den vergangenen einhundert Jahren von einer wenig beachteten Kunstlehre zu einer Wissenschaft gereift, die viel Anerkennung und Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Der Weg dorthin war jedoch nicht immer einfach. So gab es eine Reihe von Disputen zwischen Vertretern unterschiedlicher Auffassungen über die Entwicklung der 1 Jaspers, K. (1923). Die Idee der Universität. Berlin: Julius Springer.
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Joachim Reese
Betriebswirtschaftslehre2, die ausgetragen werden mussten, bevor ein weitgehender Konsens über Objekt und Methodik bei der Wahrheitssuche gefunden war. Dies hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Betriebswirtschaft zu einer ungewöhnlichen Blüte verholfen; Wissenschaftler haben in ihrem Beruf eng kooperiert und denselben Weg eingeschlagen. Die Rahmenbedingungen bzw. Institutionen – vor allem die Publikationsorgane, die Interessenvertretungen sowie die Studienordnungen – waren effektiv und haben die Aktivitäten der Wissenschaftler ausgezeichnet unterstützt. Lehrpläne an den Universitäten blieben, nachdem sie sich bewährt hatten, über einen längeren Zeitraum konstant und wurden lediglich mit der gebotenen Vorsicht und Zurückhaltung angepasst. Die Abstimmung zwischen den Systemeinheiten hatte ihr optimales Niveau erreicht.3 Stark vereinfacht lässt sich dieser Zustand mit der Existenz einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL) beschreiben, da dieser Begriff am besten wiedergibt, worin die Erfolgsfaktoren dieser Wissenschaft bestanden. Es war eine Struktur und Integration der Systemelemente gegeben, die der Ausübung des Berufs des Wissenschaftlers die höchstmögliche Produktivität erlaubte. Die Lehrbücher zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zeigten einen bemerkenswerten Konsens, auch wenn sie individuelle Vertiefungen aufwiesen.4 Aufgrund der vor allem in den letzten zwanzig Jahren beobachteten Entwicklungen in den Rahmenbedingungen der Wissenschaft – die Globalisierung vermag als Begriff lediglich eine Platzhalterfunktion für die Vielzahl gravierender Systemveränderungen einzunehmen – ist der beschriebene Zustand heute kaum noch zutreffend. Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre hat erheblich an Bedeutung eingebüßt5 ; an ihre Stelle sind inzwischen andere Formen der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft gerückt, die die beschriebenen Eigenschaften nicht mehr in demselben Umfang aufweisen, sondern erst wieder entwickeln müssen.6 Der Weg dorthin zeichnet sich ab.
2 Hierzu zählt – neben anderen Konflikten – der für die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft fundamentale Werturteilsstreit zwischen Erich Gutenberg und Konrad Mellerowicz. 3 Allerdings weist Gutenberg zu Recht darauf hin, dass die Betriebswirtschaftslehre kein geschlossenes System darstellt, so dass durch die Öffnung nach außen Veränderungen stets möglich und erwünscht sind: Gutenberg, E: (1958). Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden: Gabler. 4 Prominente Mitbegründer bzw. frühe Vertreter der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre wie insbesondere Erich Gutenberg und Günter Wöhe zeugen von der Kontinuität der Lehre in der damaligen Zeit. Ihre Bücher erlangten Auflagenzahlen, die später nie wieder erreicht wurden. 5 Dies gilt, obwohl der Begriff immer noch präsent ist und nach wie vor eine erhebliche Anzahl von Publikationen diesen Titel trägt. 6 Für diesen Auflösungsprozess, der bereits nach 1970 begonnen hat, wird vor allem die Forschung verantwortlich gemacht, die die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft durch ihren Drang zur Spezialisierung immer mehr in die Richtung einzelner »spezieller« Betriebswirtschaftslehren gelenkt hat: Schneider, D. (1999). Geschichte der Betriebswirtschaftslehre. In:
Die Zukunft der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft
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Daher kann die These formuliert werden, dass eine Allgemeine Betriebswirtschaftslehre in neuer Form wieder Bedeutung erlangen und die Disziplin zurück ins Zentrum der Universität führen wird. In den folgenden Kapiteln soll versucht werden, diese Behauptung zu begründen. Im Anschluss an einige grundlegende begriffliche Erörterungen wird zunächst genauer auf die Idee der Universität eingegangen und aufgezeigt, welche institutionellen Veränderungen stattgefunden haben bzw. wie diese Prozesse den Beruf des Wissenschaftlers beeinflussen. Insbesondere geht es dabei um die Problematik, in welchem Umfang der Wissenschaftler im Allgemeinen und der Betriebswirt im Besonderen beruflich noch selbstbestimmt sind und wie mit Versuchen der Einflussnahme über (ein-)enge(-nde) Regelsysteme auf den Beruf des Wissenschaftlers umzugehen ist. Auf dieser Grundlage ist zu überlegen, wie eine modifizierte, zeitgerechte Allgemeine Betriebswirtschaftslehre gestaltet sein muss, damit sie ähnlich erfolgreich wird wie ihre Vorgängerin aus dem 20. Jahrhundert. Schließlich soll gezeigt werden, welchen Beitrag Horst Albach in den vergangenen Jahrzehnten geleistet hat und wie dieses Werk vor dem Hintergrund der zukünftigen Herausforderungen an die BWL zu würdigen ist.
2
Begriffliches
Zwar ist die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaftsdisziplin schnell und umfassend adaptiert worden; jedoch hat die Auseinandersetzung mit der Bezeichnung nicht zu einem eindeutigen Begriffsverständnis geführt. So wird ihr einerseits eine Beschreibungs- und Erklärungsaufgabe zugeordnet, soweit die Problematik nicht betriebsindividuell beobachtbar ist, sondern grundsätzlich auf alle Betriebe zutrifft. Andererseits wird die Forderung erhoben, dass die angewandten Lösungsmethoden nicht problemspezifisch sein dürfen.7 Darüber hinaus wird die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre in Teilen sogar als betriebswirtschaftliche Theorie verstanden.8 Die Vielfalt der aufgeführten Kriterien darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass kein Zweifel daran bestand, betriebswirtschaftliche Sachverhalte – seien es Aufgaben bzw. Probleme, seien es Strukturen oder seien es Lösungsmethoden – im Verbund zu behandeln, sobald eine Vereinheitlichung erforderlich bzw. möglich war. Grundsätzlich herrschte auch Übereinstimmung darin, dass die BetriebswirtM. Lingenfelder (Hrsg.), 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland (S. 1–29). München: Vahlen. 7 Schneider, D. (1985). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (2. Aufl.). Oldenbourg, München, Wien. 8 Wöhe, G. (1960). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. München: Vahlen.
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Joachim Reese
schaftslehre zu einer Wissenschaft geworden war und sie deshalb deren Ansprüche erfüllen musste.9,10 Diese Entwicklung macht insbesondere auch deutlich, dass keine Notwendigkeit besteht, die in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts formulierten Kriterien heute zu ändern. Allerdings müssen sie neu, d. h. zeitgemäß interpretiert werden.
3
Ideelles: Die Idee der Universität
Die Universität ist eine Institution, die der objektiven Wahrheitsfindung verpflichtet ist.11 Sie erlässt Regeln, nach denen auch die Suche nach Lösungen gesellschaftlicher Probleme stattzufinden hat. Dabei stehen die Ziele der Wissenschaft im Vordergrund. Selbstverständlich müssen wirtschaftliche Rahmenbedingungen eingehalten werden. Natürlich sind diese Regeln auch für die Betriebswirtschaftslehre stetig anzupassen, zumal sich die Aufgaben und Anforderungen an diese Wissenschaft besonders schnell und nachhaltig ändern. Das Wirtschaftssystem ist in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr in den Brennpunkt unserer Gesellschaftsordnung gerückt und hat ihr ihren Stempel aufgedrückt. Die Ziele der Universität haben dadurch eine Richtung genommen, die zu der Zeit, als die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre entstanden ist, nicht vorhersehbar waren. Die Institution hat inzwischen Varianten erfahren, mit denen diese Ziele besser und effizienter verfolgt werden können. Hierfür mag an dieser Stelle der Hinweis auf die Gründung von Fachhochschulen, privaten Universitäten und Fernuniversitäten genügen. Die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen, die sowohl im Regelsystem als auch im Berufsbild des dort tätigen Wissenschaftlers ihren Ausdruck finden, sind hinreichend bekannt. Gleichwohl sind alle Formen von Institutionen nach wie vor durch die Suche nach Wahrheit eng miteinander verbunden.12
9 Vgl. auch: Gutenberg, E. (1967). Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. Krefeld: Scherpe. 10 Die Auseinandersetzung mit den Verfechtern einer Betriebswirtschaftslehre als Kunstlehre war nach kurzer Zeit zu Gunsten der Wissenschaft entschieden (Albach, H. (Hrsg.). (1989). Zur Theorie der Unternehmung. Berlin u. a.: Springer) und ist seitdem nie wieder in auffälliger Weise entbrannt. Auch dies spricht dafür, dass das vorgelegte Konzept der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre in besonderem Maße konsensfähig war. 11 Vgl. Jaspers, K. (1923). Die Idee der Universität. Berlin: Julius Springer., der sich dabei auf Wilhelm von Humboldt (1808) beruft. 12 Vgl. ausführlicher z. B. Reese, J. (2001). Die moderne Universität als Institution. In J. Heilmann & J. Simon (Hrsg.), Kompetenz und Kreativität (S. 39–53). Lüneburg: Unibuch.
Die Zukunft der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft
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Risiken der Fremdbestimmung
Das Regelsystem der modernen Universität hat nicht immer die Wahrheitssuche unmittelbar vor Augen. Verträge mit Wissenschaftlern enthalten heutzutage auch Elemente, die nur bedingt systemkonform sind. Hierzu zählen insbesondere Verpflichtungen zur Lehre in einer Fremdsprache, Publikationen gemäß einem verschlüsselten Punktesystem, die Orientierung der Publikationen an einem Ranking des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre, welches eine große Zahl von Fachzeitschriften bewertet (»Zwang zur Exzellenz« vs. »Zwang zur Spezialisierung«), die Einwerbung von Drittmitteln sowie umfangreiche Aufgaben in der Selbstverwaltung. Betrachtet man die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft aus dem Blickwinkel der Spezialisierung, die zu einer Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen – den Funktionenlehren sowie den Speziellen Betriebswirtschaftslehren – geführt hat, und wendet man darauf das von dieser Wissenschaft selbst formulierte und erprobte klassische Theoriegebäude an, so steht die Betriebswirtschaftslehre seit nahezu einem halben Jahrhundert ganz im Zeichen des Strebens nach einer möglichst hohen Produktivität. Exzellenz kann in Anbetracht der schwierigen wissenschaftlichen Aufgaben nach dieser Theorie nur dann erreicht werden, wenn zugleich eine erhebliche Konzentration des Aufgabenfeldes vorgenommen wird. Als Erich Gutenberg sich zu Beginn der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts mit den Funktionenlehren beschäftigt hat, hat er dabei allerdings die Verbindung der Funktionen nie aus den Augen verloren. Die Schnittstellen waren überschaubar, so dass die praktischen Probleme der Integration selten ungelöst blieben. Wenn man heute jedoch die Strukturen der betriebswirtschaftlichen Fakultäten deutscher Universitäten näher in Augenschein nimmt, bietet sich dem Betrachter ein ganz anderes Bild. Fachliche Kommunikation zwischen den Organisationseinheiten findet häufig kaum noch statt; die Spezialisierung hat Ausmaße angenommen, die das gegenseitige Verständnis von Aufgaben in Forschung und Lehre erheblich erschweren bzw. unmöglich machen. Die Kosten der Abstimmung bzw. Transaktion von Leistungen zwischen den Einheiten sind immens geworden. Eine Lösung praktischer betriebswirtschaftlicher Probleme kommt deswegen meistens nicht mehr in Betracht. Wenn dennoch abteilungsübergreifende und sogar interdisziplinäre Projekte wissenschaftlich bearbeitet werden, so geschieht dies oft entweder unter einer suboptimalen Organisationsstruktur13 oder
13 So werden diese Projekte vielfach von Teams betreut, deren Mitarbeiter großenteils zeitlich befristete Verträge erhalten und denen es damit in einem hohen Maß an wissenschaftlichen Kontakten fehlt.
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Joachim Reese
mit einem suboptimalen Ergebnis14. In Anbetracht der außerordentlich hohen Spezifität praktischer Probleme von heute – die Gründe reichen von Interaktionen in weltweit agierenden Netzwerken bis hin zu den komplexen Kundenbedürfnissen und kurzen Produktlebenszyklen – muss die Betriebswirtschaftslehre, sofern sie weiterhin als Wissenschaft mit Praxisbezug existieren will,15 die Integration der Organisationseinheiten an den Universitäten wieder viel stärker fördern, indem die Organisationsstruktur angepasst wird. Die Berufsrisiken des heutigen Wissenschaftlers hängen aber nicht nur von der Organisation der Universität ab, sondern resultieren ebenso aus seiner Berufsauffassung, d. h. aus der subjektiven Wahrnehmung seines Berufs. Sie basieren dabei weniger auf den Unwägbarkeiten der formalen Vertragsgestaltung, wie sie Max Weber besonders für junge Wissenschaftler herausgestellt hatte.16 Vielmehr müssen mindestens drei Typen von Wissenschaftlern unterschieden werden, die mit jeweils anderen Risiken behaftet sind: Der erste Typ interpretiert Wissenschaft als – grundsätzlich zeitlich befristeten – Job. Er übt seine wissenschaftliche Tätigkeit meistens parallel zu weiteren beruflichen Aktivitäten aus. Sein Vertragsverhältnis ist gewöhnlich das eines Lehrbeauftragten, dem ein außergewöhnlich hohes Maß an Spezialistentum zuerkannt wird. Sein Beitrag zur Wissenschaft ist allerdings durch das zeitliche Limit begrenzt, das ihm für Lehre und Forschung zur Verfügung steht. Für den zweiten Typ ist Wissenschaft ein Beruf, den er als vollbeschäftigtes Mitglied der Universität auf Dauer wahrnimmt. Dabei hat er das ihm auferlegte umfassende Regelwerk der Universität zu beachten. Vor allem in der Betriebswirtschaftslehre kommt es dabei zu einem hohen Maß an Spezialisierung dadurch, dass die Regeln sonst nicht eingehalten werden können.17 Der dritte Typ ist ein Wissenschaftler, für den die wissenschaftliche Auseinandersetzung eine Berufung darstellt. Dieser folgt bei der Suche nach der Wahrheit in erster Linie seinen intrinsischen Motiven und Überzeugungen. Auf diese Weise kommt es ihm nicht ausschließlich auf die Produktivität seiner Tätigkeit an; die fachliche, sachbezogene Ausein14 Die außerordentlich hohen Transaktionskosten erhöhen den Projektaufwand beträchtlich und lassen sich im Allgemeinen durch die geringeren Produktionskosten bei weitem nicht kompensieren. 15 Dies hatte bereits Max Weber in seinem epochalen Aufsatz »Wissenschaft als Beruf« ausdrücklich gefordert: Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. München, Leipzig: Duncker & Humblot. 16 Die Berufsrisiken des deutschen Wissenschaftlers waren nach Weber (Ebenda) um ein Vielfaches höher als die Risiken eines vergleichbaren amerikanischen Wissenschaftlers. Zwar war die Belastung des Wissenschaftlers mit Vorlesungen sehr viel geringer ; jedoch blieb ungewiss, ob und wann es zu einer regelmäßigen Bezahlung seiner Tätigkeit kommen würde. Diese Sorge um die wissenschaftliche Existenz hatte Weber ermutigt, für eine »Amerikanisierung« des deutschen Hochschulsystems zu plädieren, die zu seiner Zeit bereits in Ansätzen sichtbar wurde. 17 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Beginn von Kapitel 4.
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andersetzung mit den anderen Mitgliedern seiner Organisationseinheit und seines Faches – also insbesondere den betriebswirtschaftlichen Kollegen und Studenten – wird zu seinem hauptsächlichen Berufsziel. Für ihn ist das Fehlen einer zeitgerechten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre am deutlichsten spürbar. Zugleich liefert diese Einstellung zur Wissenschaft als Berufung einen deutlichen Hinweis auf die Entwicklung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Für die praktische Relevanz dieses Zusammenhangs ist entscheidend, dass es auch ein Jahrhundert nach Max Weber eine »Amerikanisierung« des Hochschulsystems gibt, die für die Betriebswirtschaftslehre vor allem zwei bedeutende Konsequenzen mit sich bringt. Die Hinwendung zu einer ganzheitlichen Sicht betriebswirtschaftlicher Probleme ist in der internationalen Betriebswirtschaftslehre nie in Vergessenheit geraten und auch heute noch sehr viel stärker präsent, als dies bei der funktionenorientierten deutschen Betriebswirtschaftslehre der Fall ist. Die Notwendigkeit, die Idee der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre wieder aufzugreifen und zu reformieren, ist lange Zeit vom nachhaltigen Erfolg des ursprünglichen Systems verdeckt worden. So sind vor allem auch die Impulse aus der Unternehmenspraxis, die durch die Entwicklung neuer, prozessorientierter Strukturen – Liefer- bzw. Wertschöpfungsketten, virtuelle Unternehmungen usw. – gegeben wurden, zu wenig beachtet worden. Dabei besteht kein Zweifel daran, dass die betriebswirtschaftlichen Probleme von heute in weitaus größerem Maße funktionenübergreifend sind, als dies bereits von Erich Gutenberg in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts wahrgenommen worden ist. Erst in jüngerer Zeit ist zu beobachten, dass dieser Entwicklung allmählich Rechnung getragen wird und eine neue Allgemeine Betriebswirtschaftslehre entsteht.18 Im Zuge der Reorganisation universitärer Forschung und Lehre nach amerikanischem Muster zeigt sich aber auch zugleich, dass eine realistische Chance besteht, die systemfremden Elemente des deutschen Hochschulsystems wieder zurückzudrängen. Mit einer zweckgerechten Arbeitsteilung – etwa der Etablierung eines hauptamtlichen Dekans – kann den beanstandeten Bedingungen der Wissenschaft entgegengewirkt werden. Institutionen, die diesen Prozess bereits bewältigt haben – etwa private Hochschulen –, bieten hierzu reichlich Anschauungsmaterial. Letztendlich ist es aber der Betriebswirt als Wissenschaftler, der seiner Berufung die Richtung geben muss, die ihm angemessen erscheint.19
18 Hierfür gibt es inzwischen eine Anzahl von Beispielen, an denen die Vernetzung der Funktionen deutlich wird. Vgl. etwa: Thonemann, U. (2015). Operations Management (3. Aufl.). Hallbergmoos: Pearson. u.v.a. 19 Dabei ist zu beachten, dass die Berufung nicht lediglich einen zeitpunktbezogenen Verwaltungsakt bezeichnet, sondern einen Prozess von unbefristeter Dauer darstellt, der dem Wissenschaftler umso mehr Verantwortung auferlegt, als er sich nicht an einem klassischen
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Joachim Reese
Persönliches
Horst Albach war nicht nur bei der Entwicklung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre während der letzten fünfzig Jahre federführend. Als Schwiegersohn von Erich Gutenberg hat er die Entstehung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre unmittelbar miterlebt. Seine Veranstaltungen an der Universität Bonn waren ein ausgezeichnetes frühes Beispiel für die Inhalte einer Wissenschaft, die eine Vielzahl von hochdekorierten Praktikern hervorgebracht hat. Die heute zum großen Zahl weiterhin bestehenden persönlichen Kontakte aus jener Zeit sind ein untrügliches Zeichen für die Vernetzung von betriebswirtschaftlichen Einzelproblemen, die Horst Albach stets ein besonderes Anliegen war. Horst Albach hat jedoch niemals gezögert, sich den Herausforderungen an eine Modernisierung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zu stellen. Er war wesentlich an der Gründung der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Koblenz beteiligt. Auf diese Weise hat er die neuen wissenschaftlichen Rahmenbedingungen – die durch eine private Hochschule geschaffen werden – mit entwickelt. Als Präsident der Akademie der Wissenschaften zu Berlin hat er außerdem an der breitflächigen Vernetzung der wissenschaftlichen Institutionen aktiv mitgearbeitet. In seinen Publikationen hat Horst Albach auch inhaltlich die veränderten Rahmenbedingungen der Betriebswirtschaftslehre immer wieder aufgegriffen und in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit eingearbeitet. So hat er als einer der ersten deutschen Betriebswirte Beiträge zur Bedeutung des Faktors Information geleistet, als die Informationstechnologie eine rapide Entwicklung nahm. Verhaltensauffälligkeiten der Manager hat er zum Anlass genommen, sich mit der Neuen Institutionenökonomik wissenschaftlich zu befassen. Als Herausgeber der Zeitschrift für Betriebswirtschaft konnte er über mehrere Jahrzehnte den Verlauf der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre aktiv mitgestalten.20 Sein Standardwerk zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, das 2000 erschienen ist21, fasst all seine Erfahrungen als Wissenschaftler zusammen. Ohne seine vielfältigen Aktivitäten in der Praxis wäre ein solcher Reichtum an vernetztem betriebswirtschaftlichen Problemdenken nicht möglich gewesen.22 Vertrag orientieren darf. So weist die Doppeldeutigkeit des Begriffs zugleich darauf hin, dass dieser Typ des Wissenschaftlers der Idee der Universität am ehesten entspricht. 20 Zur zeitgemäßen Bedeutung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, wie sie ursprünglich von Erich Gutenberg mit entwickelt worden war, vgl.: Reese, J. & Steven, M. (Hrsg.). (2008). Erich Gutenbergs Theorie der Unternehmung – Wirkungen auf die heutige Betriebswirtschaftslehre. Special Issue 5/2008. Wiesbaden: Gabler. 21 Albach, H. (2000). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Einführung. Wiesbaden: Gabler. 22 So kommt es in diesem Werk nicht zu der bereits kritisierten Spezialisierung. Vielmehr
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Eine Institution zur Pflege der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre stellt für Horst Albach die Erich Gutenberg Arbeitsgemeinschaft dar. In dieser Institution haben Betriebswirte die Gelegenheit, ihre Gedanken zur Entwicklung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre offen zu legen und mit anderen einschlägigen Wissenschaftlern sowie Praktikern zu diskutieren. So ist insbesondere auch ein Forum für junge Wissenschaftler entstanden, um auf dieser Grundlage aktuelle Beiträge zu leisten. Horst Albach hat diesen Diskurs über viele Jahre in verantwortlicher Position gelenkt und ist auch heute noch ein entscheidender Impulsgeber. Ohne ihn würde es dieses Forum längst nicht mehr geben. Die an mancher Universität vermissten Einrichtungen, die zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit betriebswirtschaftlichen Problemen sowie zur Erweiterung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre unverzichtbar sind, werden bei der Erich Gutenberg Arbeitsgemeinschaft behutsam gepflegt, sei es, dass unter den Mitgliedern lebhafte Diskurse zu praktischen Fragestellungen gang und gäbe sind, sei es, dass eine vertrauensvolle Atmosphäre die Sitzungen begleitet oder sei es, dass wissenschaftliche Bezüge hergestellt werden. Dass dies nur über ein gemeinsames betriebswirtschaftliches Verständnis erreicht werden kann, ist selbstverständlich.
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Fazit
Abschließend soll die eingangs gestellte Hypothese nach der Zukunft der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre wieder aufgegriffen und mit einer Antwort auf die Frage nach dem Beruf – bzw. der Berufung – des Wissenschaftlers verknüpft werden. Fasst man die Beobachtungen der Vergangenheit zusammen, ergibt sich ein neues Verständnis von der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft der Art, dass die Bemühungen um eine Integration betriebswirtschaftlicher Probleme und Methoden einer Spezialisierung gewichen sind, deren Ursachen sowohl systembedingt waren als auch von außen in das System hineingetragen wurden. So kam es einerseits zu einer nachvollziehbaren Reaktion auf die zunehmende Komplexität betriebswirtschaftlicher Fragestellungen; andererseits entstanden (Wettbewerbs-)Regeln, die der Wissenschaft im Allgemeinen und der Betriebswirtschaftslehre im Besonderen ihre Möglichkeiten zu einer freien Entfaltung nahmen oder zumindest einschränkten.23 Die Notwenwerden die Bezüge zwischen den verschiedenen Funktionen in dem Buch immer wieder systematisch hervorgehoben und mit praktischen Erfahrungen verbunden. Vgl. zur Würdigung dieser Zusammenführung von Wissenschaft und Praxis auch: Bilen, S. (2012). Bildung als Berufung. Harvard Business Manager, 34(11), 70–71. 23 Diese Erkenntnisse bleiben in Anbetracht einer nach wie vor unscharfen Begriffsabgrenzung auch vor dem Hintergrund gültig, dass immer noch eine erhebliche Anzahl von betriebs-
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digkeit einer stärkeren Hinwendung zu einer Form der integrierten Betriebswirtschaftslehre ist allerdings für die Zukunft mehr denn je gegeben, wenn sie als Wissenschaft ihre praktische Bedeutung bewahren will. Deshalb ist die Betriebswirtschaftslehre zweifach herausgefordert: Das System muss seine Strukturen entsprechend ausrichten und die Systemeinheiten – also die Wissenschaftler – müssen diese Strukturen bestmöglich nutzen. Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, welche Regeländerungen aussichtsreich sind und wie die Organisation des Wissenschaftsbetriebs wieder auf die Suche nach Wahrheit konzentriert werden kann. Der Betriebswirt als Wissenschaftler muss in diesem System allerdings die Aufgaben anstreben, die den heutigen praktischen Herausforderungen am ehesten gerecht werden. Er darf nicht allein auf extrinsische Anreize beschränkt werden, sondern muss nach seiner eigenen Überzeugung handeln. Dann ist zu erwarten, dass er einer zu engen Spezialisierung effektiv entgegentreten wird. Ein wichtiges Moment in dieser Kausalkette ist natürlich die Verständigung unter den Betriebswirten auf einen zeitgemäßen Begriff von der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Dass sich dieser Begriff an der Unternehmenspraxis orientieren muss, liegt auf der Hand.24 Die Integrationsbedürfnisse praktischer Probleme haben sich verlagert. Die Funktionensicht ist vielfach durch eine Prozesssicht abgelöst worden, so dass diese Perspektive einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre nicht außer Acht bleiben darf. Darüber hinaus bedarf es eines grundsätzlichen Wandels der Perspektive des einzelnen Wissenschaftlers, indem er sich auf objektive Forschungs- und Lehrziele konzentriert und diesbezüglich konsequent agiert statt zu reagieren. Horst Albach hat sich in den letzten Jahrzehnten als ein herausragender Vertreter einer solchen Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft gezeigt, indem er seine Aufgaben stets als Berufung verstanden und sie mit der unbedingten Überzeugung des »Allgemeinen Betriebswirts« verfolgt hat. Insofern wünscht man ihm möglichst viele Kollegen, die ihm auf diesem Weg folgen. wirtschaftlichen Publikationen – vor allem Lehrbücher – unter dem Titel »Allgemeine Betriebswirtschaftslehre« erscheint. Vgl. z. B.: Bea, F.X. & Schweitzer, M. (2009). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Bd. 1: Grundfragen (10. Aufl.). Stuttgart: Lucius & Lucius; Jung, H. (2010). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (12. Aufl.). Oldenburf, München: De Gruyter ; Thommen, J.-P. & Achleitner, A.-K. (2012). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (7. Aufl.). Wiesbaden: Gabler ; Straub, T. (2014). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (2. Aufl.). Hallbergmoos: Pearson; Hutzschenreuter, T. (2015). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (6. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler ; Schweitzer, M. & Baumeister, A. (Hrsg.). (2015). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (11. Aufl.). Berlin: Erich Schmidt. 24 Der Nobelpreisträger Robert Solow hat hierzu einmal bemerkt, dass praktische Ratgeber nach seiner Erfahrung stets auch hervorragende Theoretiker seien: Solow, R. (1988). Ökonomen dürfen sich nicht in die Mathematik verlieben. Interview in Die Welt vom 11. April 1988.
Hermann Sabel
Horst Albach, der Berufene
Horst Albach hat die Wissenschaft nicht zuerst zum Beruf gemacht, sondern sie gar nicht anders denken können denn als Berufung.
1.
Wie spürt man Berufung?
Es beginnt mit dem Elternhaus. Wenn der Vater Wirtschaftsredakteur ist, erfährt der Sohn bei den Gesprächen zu Hause das Spannende der Wirtschaft. Und so studiert er die Makro- und die Mikrosicht, Volks- und Betriebswirtschaftslehre, und das was dazu gehört, das Methodische der Mathematik und das Sachliche des Rechts. Und das an einer Universität, Köln, die in dieser Zeit für die Ökonomie die Spitze darstellt und ihn als Assistenten an den Lehrstuhl Gutenbergs beruft.
2.
Wie äußert sich Berufung?
Indem er die aktuellsten Themen der Zeit aufgreift. In seiner Dissertation behandelt er die Unsicherheit in den wichtigsten der Entscheidungsfragen, der Investitionen, und wenn die Lineare Programmierung sich ganz früh zeigt, wendet er die Methodik in seiner Habilitation auf den Zusammenhang zwischen Investition und Finanzierung an und zeigt, wie man die Interdependenzen von Bereichen erfassen kann, und überwindet damit das bisherige Paradigma der nur isolierten Betrachtung von Bereichen. Horst Albach selbst schreibt: »Die Gestaltung des Investitionsbudgets ist nicht nur für die Praxis von großer Wichtigkeit, sie ist auch für die betriebswirtschaftliche Investitionstheorie bedeutsam. Die besondere Struktur der Investitionsentscheidungen stellte die traditionelle Theorie vor erhebliche Schwierigkeiten. Erst die moderne Planungsrechnung hat Methoden aufgezeigt, die dem Wesen solcher Planungsaufgaben besser gerecht zu werden vermögen.
116
Hermann Sabel
Ich habe versucht, die Frage der Abhängigkeit zwischen Investitionsbedarf und Finanzierungsmöglichkeit herauszuarbeiten und nachzuweisen, daß die dabei auftretenden Probleme mit den modernen Methoden der Planungsrechnung gelöst werden können, ohne daß so wirklichkeitsfremde Annahmen, wie sie der traditionellen Investitionstheorie zugrunde liegen, oder so grobe Vereinfachungen, wie sie in der Praxis vielfach üblich sind, gemacht werden müssen.«1 Und als er dann auf den ersten Lehrstuhl berufen wird, und in der Folge noch auf viele weitere, explodieren die Themenbereiche und umfassen alle möglichen Mikro- und Makroaspekte der Ökonomie, weil er ja von einem soliden Fundament aus arbeitet und nur die modernsten Methoden anwendet und sich nur ebensolchen Themen widmet, deren Breite einfach beeindruckend ist.
3.
Wie wird Berufung zum Beruf ?
Wenn man so ausgewiesen ist in der relevanten wissenschaftlichen Welt, ist es nahezu zwangsläufig, dass aus der Berufung Beruf wird, indem es kaum eine Frage mehr gibt, die nicht von der Wissenschaft her betrachtet werden kann und wird. Und dass man auch berufen werden kann, vielen in der Wirtschaft und Gesellschaft zu helfen mit Gutachten und Beratung und vielem anderen mehr. Und so ist man dann ein »Multitalent als Forscher – einzeln, im Team, in internationalen Netzwerken –, Lehrer – an deutschen und ausländischen, staatlichen und privaten Hochschulen, bei kleinen Betrieben und großen Konzernen –, – Wissenschaftsmanager – als Forschungs-, Instituts-, Verbandsleiter –, Berater – als Universalberater, Beirat, Aufsichtsrat –, Beweger – als Universitäts-, Verbands-, Institutionengründer, Bewerter – als Gutachter, Schriftleiter, Herausgeber –, Gestalter – als Erbauer, Förderer, Helfer –, Integrator – in Wissenschaft, Wirtschaft, Welt –, Initiator – als Anreger, Antreiber, Arbeiter.«2 In allen diesen Berufen arbeitet er wirklich ohne Unterbrechung mit unglaublicher Intensität.
4.
Was leistet Berufung?
Horst Albach hat die Wissenschaft als Phänomen immer so verstanden, dass Relevanz für die Wirklichkeit nötig war. Horst Albach sagt: »Insoweit ist die Betriebswirtschaftslehre nichts anderes als die Medizin, Wissenschaft und
1 Albach, H. (1962). Investition und Liquidität. Wiesbaden, Vorwort. 2 Sabel, H. (2001). Horst Albach zum Siebzigsten. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 71, 743–748, hier S. 743.
Horst Albach, der Berufene
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Kunstlehre zugleich.«3 Und so hat er in vielfältiger Hinsicht der Wissenschaft und Wirklichkeit gedient. Zuerst hat er selbst die Wissenschaft weiter und weit voran gebracht. Und hat den Versuch unternommen, das Gesamtbild des Unternehmens in seiner »Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre« zusammenzufassen, und damit ein Werk vorgelegt, das den heutigen Stand einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre in hervorragender Weise wiedergibt, sich in die Reihe der Einführungen von Turgot über Schmalenbach und Gutenberg stellt und die Erweiterung in Folgendem sieht: »Die Erweiterung dieses Ansatzes um die Produktivität von Kundenbeziehungen, Lieferantenbeziehungen und Bankbeziehungen gestattet eine bruchlose Integration anderer theoretischer Ansätze zum Verständnis der Unternehmung in die produktivitätsorientierte Sicht der Unternehmung. Ein solcher Versuch wird hier unternommen. Das ist Ausdruck der Überzeugung, dass wissenschaftliches Arbeiten ein Newton-Prozess ist: Jede neue theoretische Entwicklung baut auf den Ergebnissen früherer Generationen von Forschern auf – Newton meinte von sich, er stehe auf den Schultern von Riesen – und sollte nicht als ein Schumpeter-Prozess der kreativen Zerstörung verstanden werden, wonach ein neues Paradigma das alte Paradigma zerstören muss, um sich als herrschende Lehre zu etablieren.«4 Und dann hat er die Wissenschaft auf sich selbst angewandt und wurde Gründer und Innovator in Forschung und Lehre. Er initiierte die erste private Hochschule der Ökonomie in Vallendar und gründete das Universitätsseminar der Wirtschaft als Weiterbildungsstätte für Führungskräfte in Schloss Gracht. Und er war auch in den Neuen Bundesländern in Forschung und Lehre treibende Kraft. Er half der Handelshochschule Leipzig zum Start und überführte unbelastete Professoren in ihr neues Amt. Für die Wirklichkeit kann auf die verschiedenen Berufe verwiesen werden, die Horst Albach eingenommen hat.
5.
Was bewirkt Berufung?
Ein so Berufener wird auch geehrt und ehrt. Große Ehre ist, wenn man als Mitglied in wissenschaftliche Akademien nationaler und internationaler Herkunft berufen wird. Und das ist Horst Albach in zehn Akademien widerfahren. Ehrungen erhielt er in Form von zahlreichen Preisen, und als Honorarprofessor 3 Albach, H. (1993). Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Entwicklungstendenzen in der modernen Betriebswirtschaftslehre. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Supplement 3, S. 7–26, hier S.18. 4 Albach, H. (2001). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Einführung (3. Aufl.). Wiesbaden, Vorwort.
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Hermann Sabel
wurde er von drei Hochschulen berufen. Und schließlich erhielt er Orden von Bund und Ländern und von Institutionen und zehn Ehrendoktorwürden zieren ihn. Aber nicht nur er wurde geehrt, er hat auch geehrt und zur Ehre von einem drei viertel Hundert Kollegen Beiträge geliefert, was nur von einem Berufenen erwartet werden kann, der in der wissenschaftlichen Gesellschaft einen solchen Rang begleitet.5
6.
Wie weit reicht Berufung?
Über alle Grenzen. Horst Albach hat nicht nur mit seinem Werk die Grenzen der Nation regional überschritten, sondern auch die Grenzen des Faches in sachlicher Hinsicht. Er publizierte in verschiedenen Sprachen und war Mitglied in vielfältigen internationalen Kommissionen und Akademien und hat damit die Globalität der Wissenschaft verkörpert. Er hat auch die Grenzen des Faches überschritten, indem er Mitglied im Orden pour le M8rite und dann sogar dessen Ordenskanzler war, und das für zwei Perioden.6
7.
Was geht über Berufung hinaus?
Freundschaft. Wer sie erlebt, kann nur dankbar sein.
5 Vgl. Prof. Dr. Horst Albach, private Seite, Internet. 6 Albach, H. (2009). Begrüßung. In: Orden pour le M8rite für Wissenschaft und Künste. Reden und Gedenkworte. 37. Band 2008–2009 (S. 13–15). Göttingen: Wallstein, S. 13.
Dieter Sadowski
Betriebswirtschaftslehre als Beruf: Horst Albach – Wissenschaftler, Lehrer, Praktiker und väterlicher Freund
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Treffpunkte
Kennen gelernt habe ich Horst Albach im Sommersemester 1969, meinem dritten Studiensemester und ersten Bonner Semester, und zwar in einer Vorlesung zur Organisationstheorie, in der ich erstmalig mit Max Webers Bürokratietheorie und der Rezeption seiner Arbeiten insbesondere durch amerikanische Soziologen – neben Taylor und Fayol – vertraut gemacht worden bin. Er hat damit ein Interesse geweckt, das bis heute nicht erloschen ist. In dieser – und in jeder späteren – Vorlesung waren Beispiele aus der Unternehmenspraxis ein gleichsam selbstverständliches Ingredienz, das mir, der ich zuvor Geschichte und Philosophie studiert hatte, besonders auffiel. 1972 hat mir Horst Albach die Finanzierung einer Forschungsassistentenstelle mittels DFG-Geldern gesichert. Damit begann eine akademische Schülerschaft, die 1980 mit einem Ruf auf eine Professur für Betriebswirtschaftslehre an die Universität Trier formell endete, faktisch aber noch immer anhält. Schon im Sommersemester 1969 war ich dem Bonner Vertrauensdozenten der Studienstiftung des Deutschen Volkes Horst Albach zugewiesen worden. Und so durfte ich früh Horst Albach als Gastgeber, Hausherrn und Familienvater schätzen lernen. Er und seine Frau Renate pflegten den Zusammenhalt und den Austausch mit ihren Studienstiftlern beinahe monatlich, stets mit schmackhaften und üppigen Speisen und oft mit prominenten Gästen aus Wissenschaft und Politik. Und natürlich hat auch diese Gruppe eine Tradition gemeinsamen Feierns und vor allem Wanderns entwickelt – ebenso wie dies mit den jeweiligen Assistenten und Hilfskräften des Instituts passierte und heute immer noch mit einigen Schülern Horst Albachs gepflegt wird. Weil Ehepartner stets dazu gehörten, hat sich hier früh auch ein Feld familiärer Vertrautheit entwickelt, von dem ich weder absehen möchte noch kann, wenn ich über mein Verhältnis zu meinem akademischen Lehrer Horst Albach nachdenke. Analytisch möchte ich der Einladung der Herausgeber folgen und mit Max Weber den Gelehrten und Forscher vom Lehrer unterscheiden und auch über-
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legen, wie sich die starken persönlichen und politischen Wertüberzeugungen Horst Albachs, die ihm zweifellos zu eigen sind, auf seinen Beruf als Wissenschaftler auswirken.
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Der Forscher
Ob die Betriebswirtschaftslehre ›wissenschaftlich eine so hoch entwickelte Kunstlehre wie die Medizin‹1 ist, muss hier nicht erörtert werden. Für Horst Albach ist in der Tradition Erich Gutenbergs die Mikroökonomie die grundlegende Disziplin, die nicht nur Marktgleichgewichte, sondern auch das Optimierungsverhalten einzelner Marktteilnehmer, insbesondere von Unternehmen, untersucht. Mathematische Modellierung einerseits, empirische Prüfung der Implikationen andererseits, darin gründet die Stichhaltigkeit eines theoretischen Arguments und darin gründet auch die Nützlichkeit für unternehmenspolitische oder wirtschaftspolitische Empfehlungen, gegeben explizit zu benennende, ihrerseits nicht wissenschaftlich zu bestimmende Zielfunktionen. Dies ist ein Wissenschaftsverständnis ganz und gar in Webers Sinne. Von einer Diplomarbeit zu Marschaks Teamtheorie hat er mir wegen des rein mathematischen Charakters der Ansätze abgeraten (und vielleicht zu recht auch dabei gedacht, dass mir die Kompetenz dazu fehlte). Wie sehr ihm ›unbequeme Tatsachen‹2 Ansporn sind, zeigt eine Frage an den – überraschten – Nobelpreisträger Debreu nach dessen Vortrag zur allgemeinen Gleichgewichtstheorie, was denn passieren würde, wenn man die Zahl der Marktteilnehmer nicht gegen unendlich, sondern auf kleine Zahlen, also real vielfach zu beobachtende Oligopole, hin laufen ließe. Natürlich sollten und wollten wir auch Popper folgen und nur falsifizierbare Hypothesen aufstellen – »aber die Falsifizierung sollen die andern machen«, fügte Horst Albach gerne verschmitzt hinzu. Horst Albach scheut Kontroversen nicht, er liebt sie wohl sogar. Er pflegt wissenschaftliche Netzwerke, ohne je eine Schule bilden zu wollen – aber wenn die mikroökonomische Wende zur kleinen Zahl in der Agency-Theorie grundsätzliches Misstrauen zum Verhaltensaxiom macht, dann müssen sich solche Vertragstheoretiker gut wappnen; wie ich aus eigener Erfahrung weiß, auch die eigenen Schüler. Dann führt Horst Albach nicht nur die seines Erachtens theoretische Unfruchtbarkeit des Ansatzes, sondern auch die wahrscheinlich sich selbst bestätigenden bösen Wirkungen solcher Theorien in der Unterneh-
1 Weber, M. (1967). Wissenschaft als Beruf (5. Aufl.). Berlin: Duncker & Humblot, S. 23. 2 Ebenda, S. 23.
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menspraxis an. Die ›Performativität‹ sozialwissenschaftlicher Theorien, wie dieses Phänomen heute heißt, war für Max Weber wohl noch kein Problem. Der Sache der Betriebswirtschaftslehre dient Horst Albach seit jeher ›rein‹ und ›mit Leidenschaft‹3 und mit einem unfassbaren Arbeitspensum, weshalb er weithin als große Forscher-›Persönlichkeit‹4 gerühmt wird. Gleichwohl hat er einen Rat Webers nie befolgt: ›in strengster Spezialisierung‹5 zu arbeiten – im Gegenteil, weshalb wir nicht wirklich überrascht, sondern stolz waren, als er als erster Betriebswirt in den Rat der Weisen berufen wurde. Seine enge Zusammenarbeit mit Wilhelm Krelle zeigt, dass er auch Volkswirt hätte werden können; seine Vorträge und Publikationen zu Franz Kafka und Adalbert Stifter zeigen germanistisches Potenzial. Der Wissenschaft dient man auch, indem man Zeitschriften herausgibt, Tagungen veranstaltet und in Wissenschaftsorganisationen aktiv ist. Die Prominenz Horst Albachs in maßgeblichen Netzwerken ist seinem Lebenslauf zu entnehmen. Sie war für uns Assistenten oft persönlich nützlich – so hat er mir umstandslos zu einem Arbeitsplatz am European Institute for Advanced Studies in Management – EIASM – verholfen; ihre Kehrseite, wenn man so will, war eine nennenswerte Hinwendung zu (und Qualifizierung für, zugegeben) organisatorischen Tätigkeiten. Sie hatte in jedem Fall den Vorteil, bei fälligen Fahrten zum Köln-Bonner-Flughafen 25 Minuten Gesprächszeit garantiert zu bekommen, weshalb es um die Fahrdienste immer eine gewisse Konkurrenz gab. Damit rückt in den Vordergrund:
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Der Lehrer
Max Weber weiß, dass gute Gelehrte nur zufällig gute Lehrer sind6. Da haben wir eben Glück gehabt. Nicht nur, dass die Vorlesungen klar, die Sprache parataktisch, die handgeschriebenen Folien lesbar und die Argumente voller Anschauungsmaterial waren, auch die Vorlesungen auf der Grundlage von Lehrbüchern – ich erinnere mich besonders gut an Band III der Grundlagen Gutenbergs, »Finanzierung«, der gerade 1968 erschienen war – bezogen sich auf aktuelle Forschung, oft auf Horst Albachs eigene Beiträge. Die von Weber befürchtete studentische Reaktion, ein ›hinterweltliches Reich künstlicher Abstraktionen hinter den Gedankengebilden guter Wissenschaft‹ zu sehen7, haben wir nie erlebt. 3 4 5 6 7
Ebenda, S. 12. Ebenda, S. 14. Ebenda, S. 11. Ebenda, S. 11. Ebenda, S. 19.
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Wir haben versucht, ihm nachzueifern, wenn wir zuerst als Versuchskaninchen und dann als Gruppenmoderatoren bei der Ausbildung von Managern mit Hilfe der Fallmethode mitwirken sollten, die Horst Albach für das dank seiner Initiative neu gegründete Universitätsseminar der Wirtschaft 1969 vorgesehen hatte. Für manche Herausforderungen, das musste ich damals lernen, reicht guter Wille eben nicht aus. Klare Prüfungsanforderungen zeichnen einen guten Lehrer aus. Umso bemerkenswerter war es, als Horst Albach die strenge Benotung der Diplomklausur meines Jahrgangs nach Eingaben der Studierenden, die Anforderungen seien partiell inkompatibel mit den Vorbereitungen gewesen, zu unseren Gunsten verbessert hat. Klare Anforderungen gab es auch an den methodischen Kern von Dissertationen. Als ich nach zweijähriger Forschung in dem fälligen Oberseminarvortrag zur Pensionierungspolitik von Unternehmen zwar die Bedeutung des Themas und vielerlei Einsichten aus Alterspsychologie und Alterssoziologie und Organisationstheorie präsentieren konnte, aber von einem Optimierungsmodell weit entfernt war – es war der Donnerstag der Weiberfastnacht 1975 –, sind wir alle zwar noch etwas feiern gegangen, auch wenn mir nicht danach zumute war, aber schon für den Tag danach hat sich Horst Albach spontan frei genommen, um mir in einer langen Sitzung mit einer vereinfachenden gedanklichen Strukturierung auf die Sprünge zu helfen. Das war ein befreiendes Erlebnis, meine Habilitationsschrift habe ich dann in zwei Jahren angefertigt. Ich habe mich an die Rettung aus diesem Tief immer erinnert, wenn meine eigenen Doktoranden den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen haben. Die Freiheit in der Themenwahl und die Rücksichtnahme auf persönliche Vorlieben galt und gilt nicht nur passiv. Horst Albach kannte und schätzte mein Interesse an genuin personal- und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen, er hat es stark gefördert, etwa indem er mich schon als unpromovierten Mitarbeiter in die Gründung des Bildungsökonomischen Ausschusses im Verein für Socialpolitik involvierte und mich auch an der Arbeitstagung des Vereins in Aachen 1975 beteiligte: »Die Bedeutung gesellschaftlicher Veränderungen für die Willensbildung im Unternehmen« – der letzten Arbeitstagung des Vereins, bei dem der verantwortliche Organisator alle Vorträge und Vortragenden selbst bestimmt hat, einer Arbeitstagung zudem, bei dem ich den Tagungsband mit herausgeben durfte, zu einem Thema zumal, das mich nicht mehr losgelassen hat.
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Der Lehrer außerhalb des Hörsaals
Max Webers Position in dem, was später der Werturteilsstreit geworden ist, lässt keinen Zweifel: Im Hörsaal sind Propheten und Demagogen fehl am Platze. Auch wenn Wilhelm Krelle und Horst Albach in einem Flugblatt in den heißen siebziger Jahren von linken Studenten einmal als »glorreiche Halunken« beschimpft worden sind, haben sie sicher nie demagogisch reagiert. Aber Horst Albach ist der Politisierung des Hörsaals auch nicht ausgewichen, sondern hat, wo es die Umgangsformen erlaubt haben, den oppositionellen Wortführern – ich denke an Hannes Heer, der später für die Reemtsma-Stiftung gearbeitet hat – auch das Wort erteilt und mit ihnen argumentiert, natürlich auch über Ziele und Werte und nicht nur Zweck-Mittel-Relationen. Auch außerhalb der anfänglich wilden siebziger Jahre ist Horst Albach politischen Fragen und Wertungen nie ausgewichen, sondern hat seine marktliberalen und protestantischen Überzeugungen immer vertreten und ist vor moralischen Urteilen, auch Verurteilungen, nicht zurückgeschreckt. Einer Bank, in der Habgier regiert, kündigte er umstandslos sein langjähriges Konto. In meiner Erinnerung ist leider nicht mehr deutlich, ob solche Diskussionen vor allem im Kreise der Schüler und Mitarbeiter geführt wurden oder auch im Hörsaal. Mitarbeiterbesprechungen, Oberseminare, Wanderungen, Studienstiftlerabende – all das fließt nach beinahe einem halben Jahrhundert so zusammen, dass mir zwar politische Standpunkte und Urteile klar vor Augen sind, aber nicht mehr der Ort der Äußerung. Sehr wohl bewusst ist mir auch, dass bei allem Autoritätsabstand Meinungsdifferenzen ausgesprochen werden konnten und ausgesprochen worden sind, zur Revolution im Iran, zur Steuerhebung im Zuge der Wiedervereinigung oder zum angemessenen Verlustrisiko aus griechischen Anleihen, um nur einige Beispiele zu nennen. Als ich einmal von einem USW-Seminar mit dem Satz des damaligen Personalchefs von BMW: »Wer sich scheiden lässt, zeigt, dass er nicht zur Führungskraft taugt«, dem Horst Albach zugestimmt hatte, nach Hause gekommen bin, hat meine Frau mir den Kopf gewaschen – und das habe ich rückgekoppelt. Auch die pointierte Rede Horst Albachs im Haupteingang der Bundesbank in Frankfurt, ›wo es keinen Geldwertschwund gebe, herrsche Moral‹, hat mich zum Widerspruch gereizt, der natürlich erörtert wurde. »Der Professor, der sich zum Berater der Jugend berufen fühlt und ihr Vertrauen genießt, möge im persönlichen Verkehr von Mensch zu Mensch seinen Mann stehen«8 – das gilt gegenüber Schülern, die inzwischen auch nicht jünger geworden sind, wohl noch viel stärker. Dieser Empfehlung ist Horst Albach im Umgang mit uns gewiss gerecht geworden. Die
8 Ebenda, S. 30.
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bunte Heterogenität in Meinungen und Lebensstilen der gegenwärtigen »Wandergruppe Albach« ist ein lebendiger Beweis von Liberalität. »Entre nous« war eine häufige Bemerkung, von der wir uns geadelt fühlten, denn wir haben wohl alle gerne das gemacht, was Weber als »einen Irrtum der Jugend« geißelte9, in Horst Albach nämlich nicht nur einen Lehrer, sondern ein Vorbild, ja einen »Führer in Angelegenheiten der Lebensführung« zu suchen10. Wenn mathematische Kompetenzen für wichtig gehalten wurden, haben wir zusätzlich ein Grundstudium der Mathematik begonnen. Wenn er Wanderungen so vorbereitete, dass in einer Generalprobe alle Wege abgegangen sein mussten, um an Wegkreuzungen souverän die Richtung weisen zu können, dann haben wir das als Organisatoren auch peinlich genau gemacht. Weil Aufgeben vor dem Tagessoll von 45 km schmachvoll war, haben wir uns mit offenen Füßen bis zum Ende geschleppt (einige jedenfalls). Und wir haben den Jüngeren gegenüber auch die vermutlichen Legenden weitergetragen, dass es früher in der Eifel 75 km-Märsche gegeben habe, mit Steinen im Gepäck. Besonders Tüchtige sind auch in den Hochgebirgen der Welt mit Horst Albach und Wilhelm Krelle geklettert – oder haben einen Marathonlauf von Godesberg nach Gracht durchgestanden – was wie die Besteigung einer Dreitausenders das Du eingebracht hat. Es ist eins, ein Vorbild zu haben, ein anderes, immer dahinter zurückzubleiben. Natürlich sind wir zunehmend um Stellungnahmen zu seinen Manuskripten gebeten worden, eine ehrenvolle Pflicht für uns. Aber keiner von uns hat das schiere Arbeitspensum und die Forschungsvielfalt Horst Albachs bewältigt, der nebenbei auch große Apfelernten einfährt, Briefmarken sammelt, seine Steuererklärung selbst macht und sich um seine 10 Enkel kümmert. Er hat das EIASM in Brüssel, die private Hochschule WHU in Vallendar und die Brandenburgische Akademie der Wissenschaften in Berlin mit aufgebaut, war Kanzler des Ordens pour le M8rite und wirkt heute an der Handelshochschule Leipzig an neuen Studiengängen zu Urban Economics and Management mit – ohne all die Aufsichtsratsmandate, Beratungsengagements und Rechtsgutachten auch noch hinzuzufügen. Wie er das schafft und geschafft hat, ist ein Geheimnis, das er nur selbst kennt – mit einer Ausnahme: Ohne seine Frau Renate, die vor einem Jahr verstorben ist, hätte er das nicht schaffen können. Sie war auch für uns Schüler stets ein Anker des Vertrauens in einer turbulenten akademischen Welt.
9 Ebenda, S. 29. 10 Ebenda.
August-Wilhelm Scheer
Parallele wissenschaftliche Lebenswelten
Was ist der Sinn des Lebens? Auf diese Frage gibt die Wissenschaft keine Antwort und Max Weber bestreitet, dass die Wissenschaft in diesem Zusammenhang selbst einen Sinn besitzt.1 Aber da wir als Menschen nun einmal existieren, kann man seinen individuellen Lebenssinn darin sehen, etwas zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen beizutragen (wenn dieses auch die Frage aufwirft, ob und wie eine »Verbesserung« gemessen werden kann). Dieses gilt dann auch für den Beruf des Wissenschaftlers. Gleichzeitig kann man einfach Gefallen daran finden zu erkunden, wozu das geistige und körperliche System, das man nun einmal ist, fähig ist. Besitzt man vielseitige Begabungen und Interessen, so ist das Abenteuer des Entdeckens, Ausprobierens, Weiterentwickelns und der Grenzerfahrungen umso reichhaltiger. Da man die Fähigkeiten nicht nacheinander ausschöpfen kann, also mehrere Leben nacheinander führen kann, muss man sie parallel erkunden, also in mehreren Lebenswelten parallel leben. Horst Albach ist m. E. ein treffendes Beispiel dieser Lebensform. So hat er nicht ein durchschnittliches Leben eines Wissenschaftlers als Universitätsprofessor geführt, sondern als forschender Wissenschaftler, Lehrer, Wissenschaftsmanager, Politikberater, Gründer wissenschaftlicher Einrichtungen usw. seine vielseitigen Begabungen und Fähigkeiten beeindruckend ausgelebt und auch durch seine Leidenschaft zum Bergsteigen seine körperlichen Fähigkeiten erprobt (z. T. unter großem Stöhnen seiner Assistenten, wenn sie von ihm auf einer Lehrstuhl-Bergtour herausgefordert wurden). Das private Leben, das natürlich eine weitere wichtige Lebenswelt ist, wird hier ausgespart. Die Autoren dieser Festschrift wurden aufgefordert, in ihren Beiträgen »anregende Reflexionen und Denkanstöße« zum Thema Wissenschaft als Beruf und im Zusammenhang mit dem Lebensweg von Horst Albach zu liefern. Von den drei Punkten, die Max Weber in seinem Vortrag behandelt hat, also die Laufbahn eines Wissenschaftlers, der inneren Berufung eines Wissenschaft1 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. München, Leipzig: Duncker & Humblot.
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lers und der historischen Bedeutung der Wissenschaft selbst, werden vor allem der erste und der zweite Punkt, also die Karrieremöglichkeiten sowie die Leidenschaft und der Arbeitseinsatz eines Wissenschaftlers angesprochen. Der erste Punkt wird durch die Tätigkeiten des Wissenschaftlers als Manager, Berater und Unternehmer auf neue Berufsformen erweitert. Der dritte Punkt wird nicht weiter behandelt, sondern durch die eingangs angeführten – sicher nicht befriedigenden – Aussagen abgetan. Immerhin gibt auch Weber keine Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Wissenschaft, sondern überlässt es dem Wissenschaftler »sich selbst Rechenschaft zu geben gegenüber dem letzten Sinn seines wissenschaftlichen Tuns«.2 Da sich auch der Verfasser bemüht, ein vielseitiges wissenschaftsorientiertes Leben zu führen, stellt er seine persönlichen Meinungen zu den Anforderungen an wissenschaftliche Politikberatung und wissenschaftliches Unternehmertum in den Vordergrund der Ausführungen. Den Beginn macht aber die erste Begegnung des Verfassers mit Horst Albach als Autor.
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Begegnung mit dem wissenschaftlichen Autor
Als Student der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg bei Prof. Herbert Jacob hatte ich mich mehr in dem gerade gegründeten Rechenzentrum aufgehalten als in den klassischen BWL-Vorlesungen. Wir waren damals eine kleine Gruppe interessierter Studenten aus allen Fakultäten, die Zugang zum Rechenraum hatten. Die Psychologen waren auf dem Statistiktrip und hatten als Modeverfahren die statistische Faktorenanalyse entdeckt. Diese interessierte mich auch und ich wählte als Thema meiner Diplomarbeit die erneute Auswertung der von Erich Gutenberg veröffentlichten empirischen Untersuchung zum Investitionsverhalten industrieller Unternehmen.3 Zusätzlich konnte ich Daten aus einer Untersuchung des Emnid-Marktforschungs-Institutes verwenden. Beide Datensätze wertete ich mit der Faktorenanalyse aus. In der quantitativen BWL wurde die Investitionsentscheidung weitgehend auf ein deterministisches Optimierungsproblem reduziert. So auch an meinem Lehrstuhl. Durch meinen Ansatz zum empirischen Investitionsverhalten musste ich aber das Thema weiter fassen und z. B. auch psychologische Tatbestände sowie die Datenunsicherheit einbeziehen. So stieß ich auf die als Buch veröffentlichte Dissertation von Horst Albach
2 Ebenda. 3 Gutenberg, E. (1959). Untersuchungen über die Investitionsentscheidungen industrieller Unternehmen. Köln, Opladen: Westdeutscher Verlag.
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»Wirtschaftlichkeitsrechnung bei unsicheren Erwartungen«.4 Auch hier wurde das Entscheidungsproblem weiter gefasst. Insbesondere wurde die aktuelle amerikanische Literatur zu Risiko- und Unsicherheit aufgearbeitet. (Fast zeitgleich erschien auch das Buch von Waldemar Wittmann »Unternehmung und unvollkommene Information«5). Das Albach-Buch faszinierte mich mehr und ich behandelte es als meine »Bibel«. Ich besitze es immer noch und die vielen Anmerkungen, Eselsohren und Zettel zeigen dessen Benutzung. Ich erweiterte meine Sicht auf Entscheidungsprobleme und benutzte es zur Hypothesenbildung für meine empirischen Analysen. Das Buch ist nach einer Google-Suche das drittmeist zitierte Buch von Albach. Dieser wissenschaftliche Einfluss ist für Dissertationen ungewöhnlich, da sie zumeist eher Fingerübungen für spätere wichtigere Arbeiten eines Wissenschaftlers sind. Eigentlich waren die Albach-Dissertation und die empirische GutenbergUntersuchung untypisch für den damaligen stark auf quantitative Optimierungsmodelle ausgerichteten Mainstream der Gutenberg-Richtung. Albach holte deshalb wohl auch die Modellschmiederei in seiner Habilitationsschrift »Investition und Liquidität«6 nach, die wir später ebenfalls am Institut für Unternehmensforschung intensiv diskutierten. Da ich für meine Diplomarbeit einen wissenschaftlichen Preis erhielt und sie als Buch »Die industrielle Investitionsentscheidung«7 veröffentlichen konnte, hatte ich in den späteren Berufungsverfahren immer eine Buchveröffentlichung mehr als meine Mitbewerber und eine gegenüber einem klassischen GutenbergSchüler erweiterte Thematik. Dieses kam mir bei meiner ersten Berufung in Saarbrücken zum Vorteil. Hier gab es zwei wissenschaftliche Lager unter den Betriebswirten, die sich strittige Diskussionen lieferten. Eine Professorengruppe (Hauschildt, Poensgen, Kroeber-Riel) vertrat eine empirische Richtung und die Gutenberg-Schüler Kilger und Dinkelbach die quantitative Richtung. Mit meinem Buch zum empirischen Investitionsverhalten und meiner OR-orientierten Dissertation und Habilitation wurde ich dann von beiden Gruppen akzeptiert. Soviel auch zu Zufälligkeiten bei dem Berufungsverfahren eines Wissenschaftlers.
4 Albach, H. (1959). Wirtschaftlichkeitsrechnung bei unsicheren Erwartungen. Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Band 7. Köln, Opladen: Westdeutscher Verlag. 5 Wittmann, W. (1959). Unternehmung und unvollkommene Information: unternehmerische Voraussicht, Ungewißheit und Planung. Köln, Opladen: Westdeutscher Verlag. 6 Albach, H. (1962). Investition und Liquidität: Die Planung des optimalen Investitionsbudgets. Wiesbaden: Gabler. 7 Scheer, A.-W. (1969). Die industrielle Investitionsentscheidung: Eine theoretische und empirische Untersuchung zum Investitionsverhalten in Industrieunternehmungen. Wiesbaden: Gabler.
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August-Wilhelm Scheer
Wissenschaftler und Unternehmer
In der von Dieter Sadowski 2001 herausgegebenen Festschrift zum 70. Geburtstag von Horst Albach wird mit dem Titel »Entrepreneurial Spirit« seine unternehmerische Seite beleuchtet.8 Zwar hat Albach vordergründig nicht als Unternehmer gearbeitet, aber Schüler und Studenten zu einem unternehmerischen Leben motiviert und sich auch selbst als Geburtshelfer von wissenschaftlichen Institutionen und als Berater unternehmerisch verhalten. Gleichzeitig zeigt diese Seite von Albach, welche weitreichenden Möglichkeiten heute für einen Wissenschaftler bestehen, sich über seine fachwissenschaftlichen Tätigkeiten hinaus als Manager, Politikberater und Unternehmer zu engagieren und damit den Beruf des Wissenschaftlers zu erweitern. In allen diesen Rollen werden die von Weber genannten Eigenschaften der inneren Berufung zu der Tätigkeit eines Wissenschaftlers wie Intuition, Hingabe an die Aufgabe (Leidenschaft) und Arbeitseinsatz verlangt. Da der Verfasser selbst ein paralleles Leben als Wissenschaftler und Unternehmer geführt hat (und auch immer noch führt), sollen persönliche Erfahrungen und Anmerkungen bei deren Vergleich im Vordergrund stehen. Mit der Doppelrolle Unternehmer und Wissenschaftler hat der Verfasser kein Problem gehabt. Der österreichisch-amerikanische Volkswirt Josef Schumpeter hat den Unternehmer als den »kreativen Zerstörer« bezeichnet, der durch seine Innovationen die Entwicklung neuer Produkte kreiert und dabei die vorhandenen vom Markt verdrängt, also »zerstört«.9 Auch ein Forscher sucht neue Problemlösungen und »zerstört« damit die vorhandenen schlechteren, unvollständigen oder falschen Ansätze. In beiden Rollen werden Kreativität und Umsetzung verlangt. Allerdings hat die wissenschaftliche Community die Doppelrolle des Verfassers in den 1980er Jahren, als er die IDS Scheer gründete, eher skeptisch gesehen. Zwar wurde er von seinen Universitätspräsidenten und den Ministerpräsidenten seines Landes unterstützt, weil er durch seine Öffentlichkeitswirkung ein positives Image für Universität und Land verstärkte, aber von Professorenkollegen wurde er auch angefeindet bis hin zur Ausgrenzung und zum Denunziationsversuch eines Kollegen bei dem zuständigen Minister. Es war eben ungewöhnlich, als Universitätsprofessor auch Unternehmer zu sein. Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg war durch die bitteren Erfahrungen des Dritten Reiches die Unabhängigkeit von Wissenschaft und Wirtschaft betont worden. Dieses wurde übertrieben, sodass sie zu Lasten eines durchgängigen Innovationsprozesses von Forschung und unternehmerischer Umsetzung in 8 Sadowski, D. (Hrsg.). (2001). Entrepreneurial Spirits. Wiesbaden: Gabler. 9 Schumpeter, J.A. (1942). Capitalism, socialism and democracy. New York, London: Harper.
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Deutschland ging. Jedenfalls hat Deutschland als Innovationsland keinen Spitzenplatz mehr. Die Politik hatte dies ab den 1990er Jahren erkannt und entwickelte Innovationsstrategien für Deutschland. So wurde der Verfasser Mitglied in den Innovationsgremien der Bundeskanzler Kohl und Merkel sowie des saarländischen Ministerpräsidenten Müller. Auch jetzt ist er noch gerne Politikberater. Heute wird die Doppelrolle Wissenschaftler und Unternehmer allgemein akzeptiert. Im Gegenteil – Universitäten bewerben sich um die Auszeichnung als »Gründeruni«, unterstützen Starterzentren und zeichnen erfolgreiche Gründer aus ihrer Universität mit Preisen aus. Insgesamt eröffnet die Doppelrolle das Blickfeld. Als Unternehmer erkennt man die praktischen Probleme und kann dadurch auch die Relevanz von Forschungsströmungen besser beurteilen. Als Wissenschaftler erkennt man früher neue technische oder methodische Entwicklungen und kann die Produktentwicklung darauf ausrichten oder seine eigenen Erfindungen einbringen. Allerdings gibt es auch Unterschiede der Lebenswelten. In der wissenschaftlichen Welt versucht ein Forscher seinen Forschungsgegenstand möglichst vollständig zu erfassen und strebt nachweisbar richtige Lösungen für sein Problem an. Das führt dazu, dass er seinen Forschungsgegenstand von allen Faktoren abstrahiert, die für sein Problem unwichtig sind. Er verkleinert damit den Ausschnitt der Realität nach seinem Interesse. Dabei will er aber nun alle möglichen Aspekte dieses Ausschnittes in seine Lösung einbeziehen. Bei Entscheidungsproblemen will er z. B. alle Entscheidungsalternativen erfassen und unter ihnen die beste Lösung bestimmen. Durch diese Abstraktion bearbeiten Forscher tendenziell kleinteilige Forschungsgegenstände und -fragestellungen, die sie aber dann akribisch in alle Varianten zerlegen. Damit sucht ein Forscher die Komplexität »im Kleinen«. In der Unternehmenswelt kann man aber nicht ein Problem von seinem Kontext befreien, sondern muss die Fragestellung eher weiter fassen als sie zu abstrahieren. Dies führt zu grundlegenden Verständnisschwierigkeiten. So hat der Verfasser Professorenkollegen erlebt, die sich ihr ganzes Forscherleben mit der Optimierung von Fertigungssteuerungsprozessen oder Umlageverfahren bei der Kostenstellenrechnung beschäftigt haben und trotz ihres Interesses an einer Zusammenarbeit mit der Praxis kein Softwarehaus für die Umsetzung gefunden haben. Es genügt eben nicht, lediglich ein Optimierungsmodell oder einen Lösungsalgorithmus für ein isoliertes Problem zu entwickeln, wenn es nicht in das organisatorische Unternehmensumfeld eingebracht werden kann. Dazu gehört nicht nur ein Algorithmus für ein Optimierungsproblem, sondern er muss auch für alle Alternativen des praktischen Problemfeldes geeignet sein. Damit muss der Abstraktionsgrad der Lösung überprüft werden. Hier
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scheitern schon viele theoretische Lösungen. Besonders wichtig ist auch, dass die Datenversorgung der Parameter systemtechnisch gesichert ist, die Lösungsergebnisse von geschulten Mitarbeitern verstanden und verarbeitet werden können und die Wartung des Systems organisatorisch sichergestellt wird. Dies führt dazu, dass sich die Komplexität in der Praxis von dem Lösungsalgorithmus weg auf die organisatorische Einbettung verlagert. Es kommt nicht mehr auf die theoretisch optimale Lösung an, sondern auf eine Lösung, die organisatorisch von der IT und den Menschen bewältigt werden kann. Die Komplexität verlagert sich damit von der isolierten Entscheidungskomplexität zu der Organisationskomplexität. Wie Sensitivitätsanalysen gezeigt haben, besitzen viele Entscheidungsprobleme ohnehin relativ flache Optima, sodass es wichtiger ist, eine praktikable, zulässige Lösung in der Nähe des Optimums zu finden, als das Optimum selbst mit zusätzlich hohem Aufwand anzustreben. So hat sich der Verfasser bei der unternehmerischen Umsetzung von Forschungsprototypen seines Instituts in Produkte auf die Einbettung der Forschungslösungen in die erforderliche IT-Umgebung und die organisatorische Handhabung konzentriert und eher bei dem wissenschaftlichen Anspruch an übertriebener theoretischer Exaktheit Abstriche gemacht. Die unterschiedlichen Gewichtungen von Entscheidungs- und Organisationskomplexität hat der Verfasser auch bei der Einführung von ERP-Systemen erfahren. So wurden von führenden Vertretern der deutschen Betriebswirtschaftslehre lange Zeit viele betriebswirtschaftliche Verfahren der SAP-Software eher kritisch betrachtet. Man kritisierte etwa deren heuristische Losgrößenverfahren, die Kapazitätsausgleichsalgorithmen oder Umlageverfahren in der Kostenrechnung. Aber kein Unternehmen hat bei der Entscheidung über ein ERP-System diese Punkte zu wichtigen Entscheidungskriterien gemacht. Vielmehr ging es ihnen darum, durch integrierte Software die Insellösungen mit ihren eigenen Datenverwaltungen abzulösen, durch die Einführung einer Standardsoftware die Geschäftsprozesse unternehmensweit zu standardisieren und durch den hohen Funktionsumfang möglichst viele organisatorische Varianten der Realität abzudecken. Die organisatorische Beherrschung des komplexen Systems Unternehmen war wichtiger als die »Optimierung« von Einzelaspekten. Da die betriebswirtschaftlichen Lehrstühle häufig nach betriebswirtschaftlichen Funktionen wie Rechnungswesen, Logistik, Produktion usw. gegliedert waren, sahen die Wissenschaftler durch ihre jeweiligen »Brillen« kritisch auf Einzelprobleme des Systems und es fehlte der Gesamtblick. Man sah praktisch den Wald vor lauter Bäumen nicht. Mit dem Erfolg der ERP-Systeme haben sich auch Forscher mehr und mehr für deren Konzeption interessiert und auch Verbesserungsvorschläge eingebracht, indem sie sich dem Lösungsumfeld besser annäherten. Heute gehört
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deshalb die Benutzung der SAP-Software zum Standard der Ausbildung in Wirtschaftsinformatik und anderen betriebswirtschaftlichen Fächern. Trotz der teilweise unterschiedlichen Sichtweisen sind die Lebenswelten als Wissenschaftler und Unternehmer von großem gegenseitigem Nutzen. Die Unternehmenswelt kann dem Wissenschaftler Anregungen für neue Forschungsfragen geben. Aber auch in Unternehmen wird geforscht. Die Ausgaben für Forschung betragen in der Regel ein Vielfaches des Forschungsetats eines Lehrstuhls. Häufig kennen Universitätsforscher nur verschwommen den Stand der industriellen Forschung. Allein wegen der unterschiedlichen Ressourcensituation können sich schon gravierende Unterschiede in Forschungsvorhaben und Vorgangsweisen ergeben. Ein Austausch ist trotz der notwendigen Geheimhaltungen für die Forschungsabteilungen interessant und kann zu Synergien führen. Gleichzeitig erfährt die akademische Forschung, welche Forschungsthemen in der Praxis relevant sind und kann sich daran orientieren. Die akademische Forschung ist freier. Sie kann den Ball weit nach vorne werfen. Damit kann sie auch Ansätze verfolgen, die für unternehmerische Ansätze noch zu weit in der Zukunft liegen. Dieses kann aber gerade unter Betrachtung des Effektes des »Innovator’s Dilemma« interessant für den Unternehmer sein.10 Dieser Effekt besagt, dass Unternehmen dazu neigen, eine noch erfolgreiche Produktpolitik zu lange gegen neue Technologien zu verteidigen und damit der Gefahr ausgesetzt sind, von neuen Unternehmen mit neuen Technologien verdrängt zu werden. Diese Gefahr ist in der von schnellen Innovationszyklen gekennzeichneten IT-Industrie besonders groß. Der Verfasser hat deshalb neben seinem Netzwerk von Unternehmen ein gemeinnütziges Forschungsinstitut (August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH) gegründet, um dort unabhängig von ökonomischen Betrachtungen zu forschen. Dieses kann zwar dem kritischen Einwand von Weber der Sinnlosigkeit des wissenschaftlichen und alles übrigen Arbeitens nicht standhalten, aber trotzdem zu einem individuellen abenteuerlichen und interessanten Leben führen.
10 Christensen, C.M. (1997). The innovator’s dilemma: when new technologies cause great firms to fail. Boston: Harvard Business School Press.
Rainer Schwarz
Wissenschaft als Arbeit und Beruf
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Prolog
Wissenschaft erscheint als großartiges Gebiet menschlicher Geisteskräfte. Sie hat, vor allem nach der Renaissance, unser Weltbild und unsere Lebensweise grundlegend verändert. Sie hat gezeigt, dass unsere Wahrnehmungen falsch sein können und die Schlussfolgerungen unseres Geistes ein genaueres Bild erzeugen können. Obwohl wir jeden Tag sehen, dass sich die Sonne bewegt und die Erde steht, erkennt die Wissenschaft, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Die Wissenschaft ist die Quelle vieler Dinge, die unser Leben grundlegend verändert haben: Dampfmaschine und Auto, elektrische Beleuchtung und Flugzeug, Laser und Computer, Internet. Sie hat neue Stoffe entwickelt, die unser Leben angenehmer machen und deutlich verlängern. Wir wissen besser über unsere Herkunft und unseren Stoffwechsel Bescheid. Sie hat aber auch neue Stoffe und Kräfte ins Leben gerufen, die tödlich sind. Durch ihre Leistungen scheint sie über dem gesunden Menschenverstand zu stehen. Ihre Sterne strahlen auf uns herab und weisen einfachere oder auch kompliziert verschlungene Wege: Archimedes und Galilei, Kopernikus und Einstein, Gauß und Darwin, Pasteur, Röntgen, Prochorow, Bassow und viele andere mehr. Der Blick auf diese Ruhmeshalle ist für junge Leute Anreiz, zu ihr aufzusteigen, ihr Leben der Wissenschaft zu widmen. Auf diesem Weg lauert die Gefahr, den Einstein-Komplex, wie ich ihn nenne, zu bekommen: die Gewissheit, dass sich der Abstand zum Leitstern nicht verringert. Manche, wie mein polnischer Freund, ein begnadeter Kernphysiker, scheiden aus dem Leben, andere werfen sich auf ein anderes Gebiet, die Politik etwa. Beim Blick nach oben bleibt der Weg dunkel, das Gebiet verschwommen, und das Ziel muss erst gefunden werden oder ist ein Zufallsfund auf dem Weg.
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Rainer Schwarz
Bemerkungen zur Wissenschaftstheorie
Was ist denn DIE Wissenschaft, als geschlossenes Gebiet wohlgemerkt, das mit dem Wort »Wissenschaft« bezeichnet wird? Was ist ihr Gegenstand, was ihr Begriff ? Man sucht in den einschlägigen Büchern zur Wissenschaftstheorie eine allgemein akzeptierte Antwort vergeblich. Laut der »Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie« ist Wissenschaft die »Bezeichnung für eine Lebensund Weltorientierung, die auf eine spezielle, meist berufsmäßig ausgeübte Begründungspraxis angewiesen ist…, ferner die Tätigkeit, die das wissenschaftliche Wissen produziert … auch jede aus der W. im genannten Sinne ausdifferenzierbare Teilpraxis, sofern diese durch einen bestimmten Phänomenen-oder Problembereich definiert ist.«1 Hier wird sie im ersten Teil schlicht unter die nächsthöhere Gattung subsumiert, zu der auch Lebensorientierungen anderer Art gehören, im zweiten wird Wissenschaft mithilfe des Wortes »wissenschaftlich« definiert (idem per idem), was an den Satz erinnert: Physik ist was der Physiker macht. Aus diesen beiden nichts sagenden Bestimmungen wird dann drittens etwas »ausdifferenziert«. Die renommierte Stanford Encyclopedia of Philosophy verzichtet pragmatischer Weise ganz auf den Eintrag »science«.2 Auch der Ausdruck »Logik der Forschung« erhellt den Weg nicht.3 Das letztere Wort unterstellt ebenso ein geschlossenes Gebiet wie »Wissenschaft«, es ist ein Sammelname für unterschiedliche Forschungsrichtungen. Allerdings gibt der Autor nicht kund, in welcher Forschungsrichtung er die Logik untersucht hat; man findet lediglich einzelne Beispiele aus der Physik, die seine Argumentation stützen sollen. Da kein einziger Kalkül der formalen Logik verwendet wird, kann man annehmen, dass es sich bei »Logik« um die Alltagslogik des gesunden oder des gelehrten Menschenverstandes handelt. Statt der in der zweiwertigen Logik verwendeten Wahrheitswerte »wahr« und »falsch« für Aussagen bevorzugt Popper die Worte Verifikation und Falsifikation für deren Überprüfung, die laut bekannten Logikern kein Gegenstand der Wissenschaft der Logik ist.4 Nun ist die Verifikation einer Aussage in der zweiwertigen Logik gleichzeitig stets die Falsifikation der gegenteiligen Aussage, und umgekehrt. Eine Asymmetrie zwischen beiden Begriffen wird aber für die Aussagen von Theorien behauptet. Diese kommt durch Anwendung des modus tollens und eine Wortveränderung zu Stande. Wird die Folgerung aus der 1 Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. (1996). Band 4: Sp–Z. J. Mittelstraß (Hrsg.). Stuttgart, Weimar : J.B. Metzler, S. 719. 2 Ruben (1976) hat andere Definitionsversuche kritisiert: Ruben, P. (1976). Wissenschaft als allgemeine Arbeit. Abgerufen unter : http://www.peter-ruben.de/doks/publications.html. 3 Popper, K.R. (1969). Logik der Forschung (3. Aufl.). Tübingen: J.C.B. Mohr. Originalwerk veröffentlicht 1934. 4 Siehe Fußnote 5.
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Theorie mit positivem Ergebnis überprüft, also verifiziert, so heißt es, die Theorie wäre nicht verifiziert, sondern nur bestätigt. Dann aber verbietet es der modus tollens von vornherein, das Konzept der Verifikation auf Theorien anzuwenden. In der Tat ist das Konzept der Wahrheitswerte »wahr« und »falsch« in der formalen Logik allein für Aussagen sinnvoll. Präziser noch: »Die Logik… stellt nicht die Wahrheitswerte dieser oder jener Aussagen fest…. Für die Logik ist es vollkommen gleichgültig, welche Bedeutung diese oder jene Termini und welchen Wahrheitswert diese oder jene Aussagen haben.«5 Eine weitere Spezialität ist die Interpretation von Allaussagen der formalen Logik in Bezug auf beobachtbare Dinge. Dabei fasst Popper »Allsatz« als »… eine Aussage über unbegrenzt viele Elemente« auf.6 Anders als in Logik und Mathematik handelt es sich jedoch nicht um unendliche Zahlenmengen, sondern explizit um Naturgegenstände: »… halten wir es für zweckmäßig, die Naturgesetze als… Allsätze aufzufassen, d. h. als (nicht verifizierbare) Sätze von der Form: ›Für alle Raum-Zeit-Punkte (oder alle Raum-Zeitgebiete) gilt …‹«7 Das ist eine beschränkte Verwendung des Begriffes Allaussage, der in der formalen Logik »in Bezug auf einen Gegenstandsbereich« oder auch Variabilitätsbereich definiert wird.8 Damit wird die Verwendung des Wortes »Verifikation« trivial und sinnlos. Wenn Allsätze von vornherein »als (nicht verifizierbare) Sätze« definiert sind, braucht man sie auch nicht mehr verifizieren. Poppers Allsätze haben mit Logik nicht das Geringste zu tun. Im Abschnitt »Wissenschaftslogik« halten Sinowjew und Wessel fest, daß »… in der Logik eine in der vormathematischen Logik gut bekannte Tatsache nicht beachtet wurde, nämlich die Abhängigkeit der Wahrheitswerte einer Reihe von Aussagen über empirische Gegenstände von Zeit, Ort und Bedingungen ihrer Verwendung (wir sagen, von den Koordinaten der Aussagen).«9 Eine Verifikation oder eine Falsifikation ist immer das Ergebnis eines Tests, einer Überprüfung. Eine Überprüfung ist immer zeitgebunden, sie kann sich über einen Zeitraum hinziehen, ist aber immer zu einem bestimmten Zeitpunkt 5 Sinowjew, A. & Wessel, H. (1975). Logische Sprachregeln. Eine Einführung in die Logik. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, S. 21, 23; Genauer noch ist »… der Anwendungsbereich der Wissenschaft der Logik die sichtbare und hörbare Sprache (insbesondere Wissenschaftssprache) und …ihr Anwendungsgebiet nicht die mit Hilfe von Termini und Aussagen einer Sprache fixierten Gegenstände … oder irgendwelche idealen Wesenheiten«, S. 39. 6 Popper, K.R. (1969). Logik der Forschung (3. Aufl.). Tübingen: J.C.B. Mohr, S. 34. Originalwerk veröffentlicht 1934. 7 Ebenda, S. 35. 8 Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. (1996). Band 1. J. Mittelstraß (Hrsg.). Stuttgart, Weimar : J.B. Metzler, S. 86. 9 Sinowjew, A. & Wessel, H. (1975). Logische Sprachregeln. Eine Einführung in die Logik. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, S. 493; Hervorhebung in Fettschreibung durch den Autor.
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abgeschlossen. Die Gültigkeit einer Verifikation oder einer Falsifikation ist daher immer zeitpunktbezogen. Weder die eine, noch die andere kann eine absolute Wahrheit liefern, oder – wie Popper unterstellt – »eine Aussage über unbegrenzt viele Elemente« zum Gegenstand haben. Wenn Zeit und Raum bei einer Allaussage als unbegrenzt vorausgesetzt werden, kann man selbstverständlich heute nicht überprüfen, was in 2.000 Jahren in dem der künftigen Technik zugängigen Raumgebiet zu beobachten sein wird. Es ist auch sinnlos, auf diese Weise wichtige Allaussagen wegzudefinieren, die sich auf endliche Raum-Zeitgebiete beziehen und klar »verifizierbar« sind. Alle Einwohner von Hiroschima wurden am 6. August 1945 verstrahlt. Übrigens: Alle beobachteten Schwäne waren damals weiß, als noch keine andersfarbigen Schwäne beobachtet wurden, und heute, am 20. Mai 2016 im Müggelsee. Die Grundregeln für die wissenschaftliche Arbeitsweise, die Newton in seiner Optik (Erstauflage 1704) formuliert hat, gelten auch heute: »Wie in der Mathematik so sollte auch in der Naturphilosophie bei der Erforschung schwieriger Dinge die analytische Methode der synthetischen vorausgehen. Diese Analyse besteht darin, Experimente und Beobachtungen zu machen, durch Induktion allgemeine Schlüsse aus ihnen zu ziehen und gegen sie nur solche Einwände zuzulassen, die vom Experiment kommen oder von anderen sicheren Wahrheiten. Obwohl das Folgern aus Experimenten und Beobachtungen durch Induktion kein Beweis für eine allgemeine Schlussfolgerung ist, so ist sie doch der beste Weg des Folgerns, den die Natur der Dinge zulässt…. Wenn bei den Erscheinungen keine Ausnahmen auftreten, kann die Schlussfolgerung als allgemein gelten. Wenn aber später eine Ausnahme von den Experimenten vorkommen sollte, kann von da an die Schlussfolgerung mit den vorkommenden Ausnahmen ausgesprochen werden. …Das ist die Methode der Analyse. Und die Synthese besteht darin, die entdeckten und als Prinzipien aufgestellten Ursachen vorauszusetzen und durch sie die Erscheinungen zu erklären, indem man von den Prinzipien ausgeht und die Erscheinungen prüft.«10 Hier ist kein Schwarz-Weiß-Denken von absolutem wahr/falsch zu vernehmen. Eine physikalische Theorie liefert relative, vorläufige Wahrheit auf Abruf. Die Falsifikation einer Schlussfolgerung ist Anlass, die Theorie zunächst anzupassen, gegebenenfalls ihre Prämissen zu ändern, ihren Geltungsbereich oder ihre mathematische Folgerungsstruktur. Daher ist Zweifel ein grundlegendes Merkmal der Wissenschaft, Selbstzweifel gehört zum Beruf des Wissenschaftlers, seinem Schicksal. 10 Newton, I. (1980). Optik oder Abhandlung von den Spiegelungen, Brechungen, Beugungen und den Farben des Lichtes. In Newton & Voltaire. Zur Begründung und Interpretation der klassischen Mechanik (S. 135–172). Herausgegeben von H-H. von Borzeszkowski & R. Wahsner. WTB Texte und Studien. Berlin: Akademie-Verlag, S. 171.
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Naturgesetze sind keineswegs Allsätze mit unbegrenztem Raum-Zeit-Bereich. Sofern man heute in den Naturwissenschaften das Wort »Gesetz« verwendet, bedeutet es einen funktionalen Zusammenhang zwischen Bedingungen und deren Folgen, der bei empirischen Gesetzen durch eine Größengleichung oder als Folgerung aus einer Theorie bestimmt ist. In beiden Fällen ist dieser Zusammenhang wiederholt empirisch überprüft worden (oder besitzt erst den Charakter einer theoretischen Hypothese, die noch zu überprüfen ist; man kann diese als theoretisches Gesetz bezeichnen). Insbesondere hat eine Theorie einen endlichen Geltungsbereich, das heißt ihre Folgerungen und Gesetze sind nur für einen bestimmten Bereich gültig. Der Gültigkeitsbereich der Newtonschen Theorie ist enger als jener der Relativitätstheorie. Ihre Gesetze gelten nur für schwache und zeitunabhängige Gravitationsfelder und kleine Geschwindigkeiten, die der speziellen Relativitätstheorie auch für große Geschwindigkeiten. In der Nähe von starken Gravitationsfeldern ist die spezielle Relativitätstheorie nur für kleine Distanzen gültig. Der Geltungsbereich der Allgemeinen Relativitätstheorie erstreckt sich auch auf starke Gravitationsfelder, nicht jedoch auf den Bereich des Urknalls. Das Bohrsche Atommodell gilt nur für Atome mit einem Elektron, das Ohmsche Gesetz nur für einige Stoffe. In der kinetischen Gastheorie gilt die thermische Zustandsgleichung idealer Gase nur bei Gasen mit geringer Teilchendichte und bei genügend hoher Temperatur, usw., usf. Die Newtonsche Theorie ist genauso wenig wahr oder falsch wie es die Einsteinsche ist. Letztere sagt die Planetenbewegungen nicht deutlich genauer voraus als Erstere. Sie ist erklärungsmächtiger, hat einen umfassenderen Geltungsbereich, allerdings sind ihre Gleichungen für alltägliche statische Berechnungen der Bauphysik komplizierter zu verstehen und anzuwenden als die der klassischen Mechanik. Die Beobachtungen der empirischen Wissenschaften beziehen sich durchweg auf endliche Raum-Zeit-Gebiete. Der bedeutende Logiker Carnap hat versucht, die Ergebnisse der formalen Logik für die Grundlegung der Physik zu nutzen. Er hat keinen Widerhall gefunden. Toulmin bemerkte über die logische Literatur : »…es ist einfach irrelevant: die Fragen, die da so einwandfrei und gründlich diskutiert werden, haben mit Physik nichts zu tun. Die Gedankengänge und Verfahrensweisen hingegen, die man bei Wissenschaftlern wirklich beobachten kann, kommen nur selten zur Sprache«.11 Zu diesen Verfahrensweisen gehören ausdrücklich Deduktionsregeln, die in den einzelnen Wissenschaften erarbeitet werden und ihnen spezifisch sind. Sinowjew und Wessel stellen fest: »In einem gewissen Maße hat also jede Wissenschaft eine der Logik ähnliche Funktion, nämlich, die Funktion, die Regeln zum Operieren mit sprachlichen Ausdrücken 11 Toulmin, S. (1953). Einführung in die Philosophie der Wissenschaft. Göttingen: Vandenhoeck und Rupprecht, S. 8.
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aufzustellen, die in den Gebrauch dieser Wissenschaft eingeführt werden.«12 Daher erscheint es ratsam, den Blick nach unten zu wenden, auf die Gefilde der wissenschaftlichen Arbeit, die zu den großartigen Produkten führen kann. Zuvor soll erinnert werden, dass die Philosophie der Wissenschaft (Wissenschaftstheorie) die wichtige Funktion der Klärung von Begriffen erfüllt, die in den verschiedenen Einzelwissenschaften gleichermaßen verwendet werden: wie Hypothese, Theorie, Modell, Definition, Erklärung. Der Unterschied zwischen einem Wort und einem Begriff, einer Variablen und einer Größe, einem Satz und einem Urteil, sowie elementare Grundlagen der Definitionslehre13, waren meinen Studenten der Betriebswirtschaftslehre zunächst nicht geläufig, von Schlussregeln der Logik ganz zu schweigen. Wir wollen nun unseren Blick auf die einzelnen Wissenschaften richten und für die Untersuchung ihrer gemeinsamen Merkmale einen Bezugsrahmen aus der Perspektive des Arbeitsprozesses vorschlagen.
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Wenn man wissenschaftliche Arbeit als besondere Art menschlicher Arbeit begreift, kann man aus den allgemeinen Merkmalen, Momenten oder Elementarfaktoren von Arbeit eine Struktur gewinnen, um einzelne Wissenschaften tiefer zu untersuchen und zu verstehen.14 Bestandteile oder Momente der Arbeit sind (in der Diktion von Marx): Arbeitsgegenstände, Arbeitsmittel und Produkte sowie der Arbeitsprozess, der sie miteinander verbindet. In ähnlicher Weise unterscheidet Gutenberg die Arbeitsleistungen, Betriebsmittel und Werkstoffe als Elementarfaktoren der Leistungserstellung oder Produktion.15 Der Arbeitsprozess besteht aus Arbeitsschritten, die nach einer bestimmten Logik, nach Regeln, miteinander verbunden werden und jeweils zu Zwischenprodukten führen, die ihrerseits Gegenstand nachfolgender Arbeitsschritte sind. Diese Abfolgeregelung (»Logik«) wird mit unterschiedlichen Worten bezeichnet: Technologie, Methode, Methodologie, Methodik, Regelwerk usw. Die Ar12 Sinowjew, A. & Wessel, H. (1975). Logische Sprachregeln. Eine Einführung in die Logik. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, S. 520. 13 Siehe Sinowjew, A. & Wessel, H. (1975). Logische Sprachregeln. Eine Einführung in die Logik. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, S. 392ff., 554, und die dort angegebene Literatur, insbesondere: Savigny, E.V. (1970). Grundkurs im wissenschaftlichen Definieren. München; Kutschera, F.V. (1967). Elementare Logik. Wien, New York. 14 Ruben (1976) hat Wissenschaft als allgemeine Arbeit definiert: Ruben, P. (1976). Wissenschaft als allgemeine Arbeit. Abgerufen unter : http://www.peter-ruben.de/doks/publica tions.html. 15 Gutenberg, E. (1970). Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Erster Band (Produktion). Berlin, Heidelberg, New York: Springer, S. 3.
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beitsmethoden tragen häufig speziellere Namen, in der Wissenschaft beispielsweise Klassifikation, Kalkül, mathematische Methode, Beobachtungsmethode, experimentelle Methode usw. Einzelne Methoden oder Teile von ihnen, also Arbeitsschritte, können als Arbeitsmittel vergegenständlicht werden, etwa in Form von wissenschaftlichen Geräten oder Computerprogrammen. Die Gesamtheit der Arbeitsgegenstände einer Wissenschaft besteht nicht nur aus den unmittelbaren Gegenständen, zum Beispiel von Naturgegenständen, sondern auch aus deren Eigenschaften, Bewegungen, Wechselwirkungen mit anderen Gegenständen und aus anderen Sachverhalten, die im Verlauf wissenschaftlicher Arbeit herausgearbeitet werden. Diese Gesamtheit macht den Gegenstandsbereich einer Wissenschaft aus, der im Laufe der Zeit verändert, meist erweitert wird. Die Gesamtheit aller Produkte einer Wissenschaft besteht vor allem aus den Aussagen, die sie über diesen Gegenstandsbereich macht. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Vernetzung verschiedener Aussagen zu einem Theoriegefüge oder zu mehreren Theorien für einzelne Teile des Gegenstandsbereiches. Eine zweite wichtige Klasse von Produkten umfasst neuartige Methoden und neuartige Arbeitsmittel, die aus der Vergegenständlichung dieser Methoden oder durch Erfindung neuer Versuchsanordnungen und Geräte im Forschungsprozess entstehen. In gewisser Weise gehört auch noch eine dritte Klasse zu diesen Produkten: die Entdeckung neuer Entitäten im Gegenstandsbereich der Wissenschaft selbst, beispielsweise die hypothetische Vorhersage und schließliche Entdeckung des Neutrinos und des Higgs-Teilchens in der Physik. In diese arbeitsbezogene Perspektive der Wissenschaften gehört ein »Elementarfaktor«, auf den ich durch Horst Albach – gewiss etwas spät – aufmerksam wurde: Die Vermarktung des wissenschaftlichen Produktes gehört neben einer spezifischen Arbeitsfähigkeit (präzise Beobachtungsgabe, handwerkliche Fähigkeiten, geeignete Folgerungstechniken, herausragende Urteilskraft usw.) zum wissenschaftlichen Erfolg. Nicht erst seit der Zeit unserer Massenmedien ist die Selbstvermarktung eines Wissenschaftlers ein entscheidender Faktor. Ein interessantes Beispiel dafür ist Alexander von Humboldt, dessen Vermarktungsstrategie von unserem Jubilar im Abschnitt »Der Medienmeister« ausführlich beschrieben wird. Er »warb für seine wissenschaftlichen Werke mit Sonderdrucken,«16 die er schon bei seinem ersten Werk an ihm persönlich unbekannte Wissenschaftler verschickte, hatte mit seinen Reisebeschreibungen und zahlreichen öffentlichen Vorträgen »großen Einfluss auf
16 Albach, H. (2011). Die Bedeutung Alexander von Humboldts für die Preußischen Sklavengesetze. In H. Albach & H. Neher (Hrsg.), Alexander von Humboldt und Charles Darwin. Zwei Revolutionäre wider Willen (S. 99–145). Göttingen: Wallstein, S. 108.
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Wissenschaftler und die breite Öffentlichkeit«17 und pflegte ein großes Netzwerk, über dessen Ausmaß seine Kartei mit »rund 25.000 Adressen« Auskunft gibt.18 Weitere Merkmale sind – die Gemeinschaft von Wissenschaftlern, deren Arbeit auf den besonderen Gegenstandsbereich gerichtet ist und die neue Erkenntnisse über diesen Gegenstandsbereich sowie neue Methoden und neue Geräte hervorbringt – die Sprachgemeinschaft dieser Wissenschaftler mit einer speziellen Terminologie, in der die Aussagen und Theorien der Wissenschaft formuliert sind – die Gesamtheit von Regeln zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes neuer wissenschaftlicher Aussagen und organisatorische Vorkehrungen zur Durchsetzung dieser Regeln. Hinsichtlich einzelner Merkmale unterscheiden sich die Wissenschaften, was Toulmin sehr anschaulich am Unterschied zwischen Physik und Kartographie dargestellt hat. Damit entstehen zugleich unterschiedliche Berufe, die man allein wegen der unterschiedlichen Beständigkeit ihrer Gegenstände nicht auf einen gleichartigen Grad von Mathematisierung bringen kann. Die skizzierten Merkmale sind zunächst nichts weiter als Elemente eines Bezugsrahmens, mit dem die einzelnen Wissenschaften empirisch erfaßt werden können. Das steht noch aus. Erst nach genauer Beobachtung wird man urteilen können, wo die sinnvollen Gemeinsamkeiten als allgemeine Norm anzustreben sind. Zu einigen der genannten Faktoren möchte ich noch einige Bemerkungen anschließen, zur Sprachgemeinschaft, zu den Regeln der Überprüfung wissenschaftlicher Aussagen und zur Gemeinschaft von Wissenschaftlern.
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Einige Bemerkungen zur Sprachgemeinschaft, zu Regeln der Überprüfung wissenschaftlicher Aussagen und zur Gemeinschaft von Wissenschaftlern
4.1
Sprachgemeinschaft und Beruf
Die Einzelwissenschaften haben neben allgemeinen Begriffen, logisch-mathematischen und statistischen Methoden jeweils ihre eigene Sprache, eigene Arbeitsmethoden und vielleicht spezifische Folgerungsregeln, die erlernt werden müssen. In den beobachtenden Wissenschaften betrifft das nicht nur Aussagen, 17 Ebenda, S. 110. 18 Ebenda, S. 111.
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die in Publikationen wiedergegeben werden, sondern auch Handlungswissen oder Arbeitswissen über die Entwicklung und Verwendung von Versuchsanordnungen, die Gewinnung von Beobachtungsmaterial usw. So enthielt mein Physiklehrbuch für das erste Semester Skizzen von Geräten und Versuchsanordnungen, mit denen die Wirkungszusammenhänge erzeugt werden konnten, die dann in mathematischen Gleichungen dargestellt wurden.19 Der Leiter des Labors für Festkörperphysik an der Universität Leningrad, Dr. Niedzwetzki, erklärte und zeigte mir, wie man die Elektro- und die Fotolumineszenz von A3B5-Halbleitern erzeugen konnte. Die Limnologin Dr. Cheremisinowa erläuterte mir, wo man am Baikal Beobachtungsmaterial finden könnte und auf welche Schichtungen man achten müsste. Dieser Teil der Sprache bildet eine beobachtende Wissenschaft in besonderer Weise zur Gemeinschaft und zum Beruf. In diesem ihrem handwerklichen Teil ähnelt sie dem Handwerk in der bekannten Stufung von Lehrling – Geselle – Meister. Manchmal gibt es auch eine direkte Beziehung. Die Experimentalphysiker schätzten sich glücklich, direkt in der Sektion Physik der Universität Leipzig einen äußerst geschickten Glasbläser zu Verfügung zu haben, der ihnen die Realisierung neuer Versuchsanordnungen ermöglichte. Die enge Zusammenarbeit im Labor, bei Ausgrabungen und den verschiedensten Projekten trägt dazu bei, einen wichtigen Wert von Gemeinschaft zu entwickeln und aufrecht zu erhalten: Solidarität.
4.2
Überprüfung durch Rezeption und Reproduktion (Replikation)
Rezeption und Reproduktion sind unverzichtbarer Teil der Überprüfung wissenschaftlicher Aussagen. Erst mit Rezeption ist man in der Lage, Fehler zu erkennen, die sich 30 Jahre lang durch die wissenschaftliche Literatur gezogen haben. Das ist unmöglich, wenn man gehalten ist, nur die Literatur der letzten vier Jahre zu verarbeiten. Eine gründliche Rezeption ist ein wirksames Mittel der Selbstüberprüfung und der Überwindung des Selbstzweifels beim Konzipieren neuer Denkrichtungen und Felder einer Wissenschaft. Für die Betriebswirtschaftslehre liefern Horst Albach20 und Dieter Schneider gute Vorbilder für 19 Frisch, S.E. & Timoreva, A.W. (1949). Kurs obschtschei Fisiki, Tom I. Fisitscheskije osnowy mechaniki. Molekularnaja fistka- Kolebanija i wolny, Gosudarstwennoje Isdatelstwo techniko-teoretitscheskoi Literatury, Leningrad, Moskwa. 20 Siehe zum Beispiel: Albach, H. (2001). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Einführung (3. Aufl.). Wiesbaden: Gabler ; Albach, H. (2011). Die Bedeutung Alexander von Humboldts für die Preußischen Sklavengesetze. In H. Albach & H. Neher (Hrsg.), Alexander von Humboldt und Charles Darwin. Zwei Revolutionäre wider Willen (S. 99–145). Göttingen: Wallstein.
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Rezeption. Schneiders21 Untersuchung der Gegenstandsbestimmung und Grenzziehung der Betriebswirtschaftslehre ist nach wie vor nachdenkenswert. Offenkundig kann die Betriebswirtschaftslehre nicht alles umfassen, was Gegenstand (Inhalt oder Voraussetzung des Erfolges) eines Unternehmens ist, etwa Arbeitsmedizin, technische und Naturwissenschaften. Reproduktion ist die sicherste Methode der Überprüfung, weil sie die erneute Produktion des gleichen wissenschaftlichen Ergebnisses mit gleichen Methoden unter den gleichen Voraussetzungen ist. Eine genaue Dokumentation der Versuchsanordnungen und der Annahmen, die zu einer wissenschaftlichen Aussage geführt haben, gehört zu den Grundregeln der Arbeitsweise in der Physik. Aus dieser Perspektive kann die Evolution der Physik als eine kontinuierliche Wiederholung, Verfeinerung und Modifikation von Experimenten gesehen werden, die Hand in Hand geht mit der Verfeinerung der Messverfahren, mathematischen Methoden, Modellen und Theorien, welche physikalische Systeme erklären und mit der Vorhersage von bisher unbekannten physikalischen Effekten. Durch die Wiederholung vieler Experimente und Beobachtungen in Physik, Chemie und Biologie an unzähligen Schulen werden die Aussagen dieser Wissenschaften immer sicherer. Schullehrer haben nicht selten eine Wissenschaft mit neuen Erkenntnissen bereichert. Reproduktion eignet sich daher als allgemeine Norm wissenschaftlicher Arbeit. (Diese Norm kann für jede einzelne Wissenschaft spezifische Grenzen haben.) Die Norm maximal möglicher Überprüfung wissenschaftlicher Aussagen hat jedoch in verschiedenen Wissenschaften bei weitem nicht die gebührende Anerkennung gefunden. Für die Wirtschaftswissenschaften ist dies am Zeitraum ersichtlich, in dem die Versuche wichtiger Repräsentanten von der wissenschaftlichen Gemeinschaft aufgegriffen wurden. Mit Bezug auf die Methodologie der Wirtschaftswissenschaften bemerkte Marshall, dass wissenschaftliche Aussagen einen vorläufigen Charakter haben und nur durch mannigfache intersubjektive Überprüfung in den Status einer relativen Wahrheit erhoben werden.22 Er hat die physikalische Vorgehensweise genau studiert: the »…physical sciences…aim at exactness. That is they all aim at precipitating the results of a multitude of observations into provisional statements, which are sufficiently definite to be brought under test by other observations of nature. These statements, when first put forth, seldom claim a 21 Schneider, D. (1995). Betriebswirtschaftslehre Band 1: Grundlagen (2. Aufl.). München, Wien: R. Oldenburg; Schneider, D. (1997). Betriebswirtschaftslehre Band 3: Theorie der Unternehmung. München, Wien: R. Oldenburg; Schneider, D. (2001). Betriebswirtschaftslehre. Band 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft. München, Wien: R. Oldenburg. 22 Marshall, A. (1938). Principles of Economics (8. Aufl.). London: Macmillan and Co., S. 30, 31.
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high authority. But after they have been tested by many independent observations and especially after they have been applied successfully in the prediction of coming events, or of results of new experiments, they graduate as laws… their progress depends on the multitudinous co-operation of armies of workers.«23 Frisch versuchte, die Zeitschrift Econometrica in diesem Sinne auszurichten: »In statistical and other numerical work presented in Econometrica the original raw data will, as a rule, be published, unless their volume is excessive. This is important in order to stimulate criticism, control, and further studies«.24 Die Forderung nach Reproduktion (Replikation) ist mittlerweile häufiger zu vernehmen; auch der Jubilar hat sich in diesem Sinne geäußert. Hubbard et al. urteilen scharf: »Unreplicated research findings, even those that are highly statistically significant, are only speculative in nature … and ›virtually meaningless and useless‹ in themselves (Lindsay and Ehrenberg, 1993: 219).«25 Die Situation in den Wirtschaftswissenschaften änderte sich langsam. 1982 wendete das Journal of Money, Credit and Banking eine klare replication policy an. Die Ergebnisse eines begleitenden Forschungsprojektes hinsichtlich der Veröffentlichungen in dieser Zeitschrift26 können wie folgt zusammengefasst werden: Von 154 empirischen Publikationen gaben nur 14 (9 %) die Möglichkeit einer Überprüfung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft, nur bei zwei Artikeln konnten die Resultate völlig reproduziert werden – bei einem fast vollständig und beim anderen ergaben sich qualitativ ähnliche Resultate. Unsere Untersuchung ermittelte in der Zeitschrift System Dynamics Review nur eine Arbeit, die eine Replikation unternahm. Dabei wurde das dynamische Modell einer anthropologisch-ökologischen Theorie nachgeprüft, wobei Kampman »serious technical errors«27 fand, die jedoch die Ergebnisse nicht veränderten. Die Theorie selbst war nicht Gegenstand der Überprüfung (Replikation).28 23 Hier und im Folgenden werden einige Passagen und Zitationen aus Schwarz & Maybaum (2009) verkürzt und überarbeitet verwendet: Schwarz, R. & Maybaum, P. (2009). On Reproduction, Replication, and Validation in Economic Sciences and System Dynamics. In A. Größler & J. Strohecker (Hrsg.), Strategisches und operatives Produktionsmanagement. Empirie und Simulation (S. 307–324). Wiesbaden: Gabler. 24 Frisch, R. (1933). Editorial. Econometrica, 8(1), 1–4, S. 3. 25 Hubbard, R., Vetter, D.E., & Eldon L.L. (1998). Replication in Strategic Management: Scientific Testing for Validity, Generalizability, and Usefulness. Strategic Management Journal, 19(3), 243–254, S. 244. 26 Dewald, W.G., Thursby, J.G., & Anderson, R.G. (1986). Replication in Empirical Economics: The Journal of Money, Credit and Banking Project. The American Economic Review, 76(4), 587–603, S. 593, 594. 27 Kampmann, C. (1991). Replication and revision of a classic system dynamics model : critique of »Population Control Mechanisms in a Primitive Agricultural Society«. System Dynamics Review, 7(2), 159–198. 28 Schwarz, R. & Maybaum, P. (2009). On Reproduction, Replication, and Validation in Economic Sciences and System Dynamics. In A. Größler & J. Strohecker (Hrsg.), Strategisches
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Die American Economic Association leitete mit der replication policy für ihre Zeitschriften seit den neunziger Jahren eine neue Periode ein: »It is the policy of the American Economic Review to publish papers only if the data used in the analysis are clearly and precisely documented and are readily available to any researcher for purposes of replication.«29 Es bleibt abzuwarten, wie viele Artikel in amerikanischen und deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschriften einen replikativen Inhalt haben. Bedacht scheint angebracht bei der Übernahme von Regeln einer Einzelwissenschaft in eine andere. Der Grad möglicher Reproduktion in einer Wissenschaft dürfte vom Grad der Beständigkeit ihres Gegenstandes abhängen. Die Wiederholung der Planetenbahnen ist die Voraussetzung der Wiederholung von Aussagen über sie; die gezielte Herstellung relativ starrer Versuchsanordnungen erleichtert die Ermittlung gleichartiger Versuchsergebnisse. Im sozial-ökonomischen Bereich trifft man auf eine beständige Beweglichkeit des Gegenstandes. Die Funde der Archäologie wiederum sind relativ unbeweglich und unveränderlich, es fragt sich, was wissenschaftliche Reproduktion hier bedeuten kann. Die Forderung nach Überprüfung von Forschungsergebnissen durch Reproduktion stößt zunehmend, auch durch die schiere Datenmenge, an ihre Grenzen. Beispielsweise sind in der Astrophysik die Daten sowohl in der Beobachtung, Simulation als auch Theorie so voluminös, das nur noch partiell Rohdaten publiziert werden können. Dennoch dürfte die Norm maximal möglicher Überprüfung und damit möglicher Garantie ihrer Produkte ein allgemeines Merkmal für Wissenschaft als Arbeit in all ihren Zweigen sein.
4.3
Über die Gemeinschaft von Wissenschaftlern
Wenn man an Gemeinschaft denkt, schwingt immer eine Bedeutung mit, die über eine Community von Konferenzteilnehmern, eine Zitiergemeinschaft oder eine Autorenliste hinausgeht. Das Wort umfaßt auch die Solidarität mit den Schwächeren der Gemeinschaft, hat einen Gleichklang mit dem Wort Familie, beinhaltet die Sorge um den Nachwuchs. Max Weber hat diese Sorge 1919 deutlich artikuliert.30 Jetzt, nach fast 100 und operatives Produktionsmanagement. Empirie und Simulation (S. 307–324). Wiesbaden: Gabler, S. 317. 29 Die AEA Webseite https://www.aeaweb.org/journals/policies/data-availability-policy kann leider nicht direkt aufgerufen werden, man muß sich bis zur data-availability-policy durchhangeln. 30 Weber, M. (1988). Wissenschaft als Beruf. In: J. Wickelmann (Hrsg.), Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (S. 583–613). Tübingen: J. C. B. Mohr.
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Jahren hat die deutsche Bürokratie seine Bezugnahme aufgegriffen. Wir werden sehen, inwieweit damit die prekäre Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses gelindert wird. In dieser Tradition solidarischer Haltung nimmt Horst Albach einen würdigen Platz mit den Aktivitäten ein, die er angesichts der prekären Lage entwickelte, in welche die Wissenschaftler der DDR infolge des völkerrechtlichen Vertrages zwischen beiden deutschen Staaten gerieten. Sehr verkürzt und damit fast geschönt waren wir in folgender Lage: Für den Hochschulbereich stellte Meyer fest: » Noch nie in der deutschen, ja europäischen Geistesgeschichte sind in so kurzer Zeit eine solche Menge von Wissenschaftlern von den Hochschulen verwiesen worden, 15–20.000, in der Mehrheit Mittelbau-Mitarbeiter, aber auch einige Tausend Professoren.«31 Betroffen waren weiter 22.000 Wissenschaftler der Akademie der Wissenschaften der DDR mit 59 Instituten und Einrichtungen,32 3.300 Wissenschaftler der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR, 2.900 Wissenschaftler aus Forschungseinrichtungen der Land-, Forstund Nahrungsgüterwirtschaft, 4.000 Mitarbeiter der Bauakademie der DDR, 700 wissenschaftliche Mitarbeiter der Akademie für pädagogische Wissenschaften, die ihren Beruf im wissenschaftlichen Bereich verloren.33 Einige Institute der ADW wurden in Trägerschaft anderer Organisationen neu gegründet, wodurch vermutlich ca. 7.000 Akademiker ihren Beruf fortführen konnten.34 Im Bereich der Wirtschaft wurde das F& E-Potenzial von 85.767 Menschen um 70.000 Menschen bis 1993 verringert.35 In einem von Horst Albach ange31 Meyer, H. (1993). Neugestaltung der Hochschulen in Ostdeutschland. In Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe Wissenschaftsstatistik des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, WZB Discussion Paper P 93–402. Berlin, S. 12. 32 Wikipedia. (2016). Akademie der Wissenschaften der DDR. Abgerufen unter : https://de. wikipedia.org/wiki/Akademie_der_Wissenschaften_der_DDR; Wolf nennt die Zahl 23.665 (vermutlich die gesamten Mitarbeiter): Wolf, H.-G. (1996). Organisationsschicksale im deutschen Vereinigungsprozeß: Die Entwicklungswege der Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR. Campus Verlag, S. 181. 33 Wikipedia. (2016). Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR. Abgerufen unter : https://de.wikipedia.org/wiki/Akademie_der_Landwirtschaftswissenschaften_der_ DDR; Archivportal Europa. (2016). Bauakademie der DDR. Abgerufen unter : https://www. archivesportaleurope.net/ead-display/-/ead/pl/aicode/DE-1958/type/fa/id/DH2PLAN-29637; Wikipedia. (2016). Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR. Abgerufen unter : https://de.wikipedia.org/wiki/Akademie_der_Pädagogischen_Wissenschaften_der_ DDR. 34 Wolf schätzt, »daß bis November 1991 der Beschäftigtenstand der Institute auf ungefähr 14 500 sank« (von 23.665). Er schätzt weiter einen »personellen Erhaltungsgrad von ca. 50 Prozent«, wovon ist nicht klar, vermutlich also ca, 7000 Akademiker, die ihren Beruf fortführen konnten: Wolf, H.-G. (1996). Organisationsschicksale im deutschen Vereinigungsprozeß: Die Entwicklungswege der Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR. Campus Verlag, S. 62. 35 Schwarz, R. (1994). Die einigungsbedingte Umstrukturierung von FuE-Kapazitäten in
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regten Projekt zur Entwicklung des Technologiepotenzials im Lande Brandenburg stellten wir 1992 eine Akademiker-Arbeitslosigkeit von 80 % fest.36 Ich erinnere einen Mathematiker, mit summa cum laude promoviert, Vater von vier Kindern, der sich auf eine Techniker-Stelle an meinem Lehrstuhl bewarb, weil das Rechenzentrum seines Kombinats geschlossen worden war. Während die Entlassungen im Wirtschaftsbereich über längere Zeit liefen, war im Einigungsvertrag zwischen beiden deutschen Staaten für den Akademiebereich ein Stichtag festgelegt, der 31. 12. 1991. Das Kündigungsrecht der DDR und das der Bundesrepublik war per Staatsvertrag für die Beschäftigten der Akademien völkerrechtlich außer Kraft gesetzt worden.37 So meldete ich mich am ersten Werktag des Jahres 1992 beim Arbeitsamt. Ohne Gespräch oder Verhandlung, wie bei Kafka. Staatsnah als pauschaler Anklagepunkt im Raum, für alle. So als ob Professoren nicht schon seit Kaiser Wilhelm staatsnah verbeamtet waren.38 Wir alle plötzlich mit dem Trost von Hölderlin’s Klage: Fremdling im eigenen Land. Das ganze Spektrum von Wissenschaft als Beruf kann man an folgendem Beispiel von oben bis unten ermessen. Prof. Dr. Fröhlich hatte in der DDR eine Datenbank aufgebaut, in der für jedes Kombinat ermittelt wurde, welche Aufwendungen in Mark der DDR für die Erwirtschaftung von einer DM betrieben werden mussten (der Durchschnitt war 4,4 M für 1 DM). Damit konnten die Kombinate nach ihrer Effektivität eingeordnet werden. Akerlof et al.39 nutzten diese Datenbank für ihre Studie zur Transformation der DDR-Wirtschaft. In
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Deutschland: Gegenwärtiger Stand und Entwicklungsperspektiven. In W. Fricke (Hrsg.), Jahrbuch Arbeit und Technik (S. 32–43). Bonn: J.H.W. Dietz Nachf., S. 32. Albach, H., Grünert, H., & Schwarz, R. (1992). Technologiepotential des Landes Brandenburg-Analyse und wirtschaftspolitische Empfehlungen. In discussion papers, FS IV 92–11. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Das Bundesverfassungsgerecht hat das bestätigt: »Die notwendigen personellen Maßnahmen hätten auf dem Wege über Einzelkündigungen nicht gleich wirksam durchgeführt werden können. …Da § 622 BGB und das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (RGBl. I S. 399, ber. S. 412; zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. April 1985 [BGBl. I S. 710]) nach Kapitel VIII Sachgebiet A Abschnitte I und III Nr. 1 der Anlage 1 zum Einigungsvertrag nicht anzuwenden sind, hätten nur die kürzeren Kündigungsfristen des Arbeitsgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik eingehalten zu werden brauchen.« BVerfGE 85, 360 – Akademie-Auflösung http://www.servat.unibe.ch/ dfr/bv085360.html; Däubler bemerkt: »Die Beseitigung des DDR-Rechts kennt kaum Parallelen…am ehesten in der pauschalen Ablösung des zaristischen Rechts nach der… Oktoberrevolution.«: Däubler bemerkt: »Die Beseitigung des DDR-Rechts kennt kaum Parallelen…am ehesten in der pauschalen Ablösung des zaristischen Rechts nach der… Oktoberrevolution.«: Däubler, W. (1992). Bundesdeutsches Arbeitsrecht in der ehemaligen DDR. KJ, 25(3), 259–281, S. 259. In der DDR gab es keine Beamten. Akerlof, G.A., Rose, A.K., Yellen, J.L., & Hessenius, H. (1991). East Germany in from the Cold: The Economic Aftermath of Currency Union. Brookings papers on economic activity, H. 1, 1–87.
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ihrem Begleitbrief bei Zusendung der Studie an Prof. Fröhlich schreiben Akerlof und Yellen: »We enclose a copy of our paper on the situation in East Germany. As you will see, we have relied extensively on your data in assessing the viability of East German industry. But we have not mentioned you by name, as we promised. We do want you to know how tremendously grateful we are to you for your help with this project. We could not have completed it without your assistance.«40 Akerlof erhielt später den Nobelpreis. Yellen steht derzeit der US-Notenbank vor. Das Institut von Fröhlich wurde am letzten Tag der DDR geschlossen. Er hat sich danach selbstständig gemacht, um seinen Lebensunterhalt als Bilanzbuchhalter zu verdienen. Die Studie entwickelt eine Alternative zur Deindustrialisierung der DDR. »Our paper contains a policy proposal which we believe could save many jobs in East Germany and would also save money for the German government.«41 Es wäre interessant zu wissen, ob die damit verbundenen Lohnsubventionen den Steuerzahler weniger belastet hätten als die tatsächlichen Sozialleistungen für die Entlassenen infolge der »alternativlosen« Alternative der Politik. Angesichts der erwähnten prekären Lage von DDR-Wissenschaftlern, die auch die meine war, nehme ich die Begegnung mit dem Jubilar als Glücksfall wahr. Bekanntlich hatte schon Gutenberg systemneutrale Elemente zwischen den markt- und planwirtschaftlichen Wirtschaften ausgemacht. Horst Albach hatte mit seinen Studenten Exkursionen in die DDR unternommen, um vor Ort ein Bild zu gewinnen und den Studenten seine wissenschaftliche Neugier weiterzugeben. Auch andere westdeutsche Kollegen haben sich anerkennend über den wissenschaftlichen Stand des Operations Research in der DDR geäußert. Als Vorsitzender des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft setzte sich Horst Albach schon kurz nach Öffnung der Mauer dafür ein, diesen Verband mit der »Gesellschaft für Betriebswirtschaft und Unternehmensführung in der DDR« zusammenzuführen, um »die Einheit der Wirtschaftswissenschaften, die Einheit der Betriebswirtschaftslehre wiederherzustellen«42 – und zwar ohne Querelen, die anderswo verbreitet waren. Auf dieser Tagung 40 Akerlof, G.A. & Yellen, J. (1991). Brief an Prof. Gerhard Fröhlich. 41 Ebenda. 42 Albach, H. (1991). Ansprache anläßlich der Eröffnung der 52. Wissenschaftlichen Jahrestagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft in der Universität Frankfurt am 6. Juni 1990. In D. Ordelheide, B. Rudolph & E. Büsselmann (Hrsg.), Betriebswirtschaftslehre und Ökonomische Theorie (S. 3–9). Stuttgart: C. E. Poeschel, S. 6; Siehe auch: Albach, H. (2012). Transformation, Vertrauensvorschüsse und interdependentes Lernen: 22 Jahre Zusammenarbeit mit Dieter Schönknecht. In H. Albach, D. Baier & M. Mißler-Behr (Hrsg.), Gründung, Innovation und Transformation: Wirtschaftswissenschaften an der BTU Cottbus. Ehrenkolloquien für Prof. Dr. habil. Prof. e. h. Dieter Schönknecht und Prof. Dr. Dr. Rainer Schwarz (S. 19–25). Lohmar–Köln.
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Rainer Schwarz
wurden 26 Professoren aus der DDR in den Verband aufgenommen, weitere folgten in den späteren Jahren. Es wurde beschlossen, für Nachwuchswissenschaftler aus der DDR Forschungsseminare in der Bundesrepublik durchzuführen und an den Universitäten der DDR Vortragszyklen von namhaften BWLProfessoren der Bundesrepublik zu organisieren. Ich erinnere mich an dieses Engagement an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU)43 ebenso gern wie an den Lernwillen der Studenten, die an den Wochenenden zu den Veranstaltungen von Busse von Colbe kamen. In dieser Zeit hat er Drittmittelprojekte beantragt, in denen jungen Nachwuchswissenschaftlern aus der DDR und Osteuropa die Arbeit an einer Dissertation zur Transformation der Planwirtschaft ermöglicht wurde. Für diese Projekte hat er Professoren aus der DDR, Polen, Russland und anderen osteuropäischen Ländern als Berater hinzugezogen. Auch gab er seinen Rat für die Transformation einiger Kombinate. Wenn ich heute in Berlin noch Leben in den Gebäuden der Lacufa (früher Kombinat Lacke und Farben) sehe, erinnere ich mich an diese Zeit und denke an ihn. An einigen der Projekte haben wir zusammengearbeitet. Auch die Regierung des Landes Brandenburg suchte seinen Rat in mehreren Gutachten.44 Dabei konnte man auch erleben, dass gut durchdachter wissenschaftlicher Rat manchmal an den Betonköpfen von OrdoIdeologen scheiterte. Der Widerspruch von Wissenschaft und Ideologie kam mir bekannt vor. Ein herausragendes Zeichen hat er mit der Gründung des wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der BTU Cottbus gesetzt. Drei der vier betriebswirtschaftlichen Lehrstühle hatten Professoren aus der DDR inne, darunter der erste Institutsdirektor, Prof. Dr. Dieter Schönknecht von der Technischen Hochschule in Merseburg. Er verschaffte uns (ost- und westdeutschen) Professoren das Erlebnis gelungener deutscher Einheit. Nach meiner Wahrnehmung ist es das einzige wirtschaftswissenschaftliche Institut an einer ostdeutschen Universität, auf welches das zutrifft.45 In der Gründung dieses Instituts verdichten sich Eigenschaften des Jubilars, die ich in den vergangenen 26 Jahren immer wieder kennen gelernt habe: menschliche Größe, Vertrauen und wissenschaftliche Neugier. Er unterstellte 43 Siehe die Namen der Beteiligten in: Schönknecht, D. (2012). Das Institut für Wirtschaftswissenschaften und seine Direktoren: Reminiszenzen und Ausblick. In H. Albach, D. Baier & M. Mißler-Behr (Hrsg.), Gründung, Innovation und Transformation: Wirtschaftswissenschaften an der BTU Cottbus. Ehrenkolloquien für Prof. Dr. habil. Prof. e. h. Dieter Schönknecht und Prof. Dr. Dr. Rainer Schwarz (S. 19–25). Lohmar–Köln, S. 6–7. 44 Siehe Fußnote 33. 45 Siehe die Urteile der Beteiligten in: H. Albach, D. Baier & M. Mißler-Behr (Hrsg.) (2012), Gründung, Innovation und Transformation: Wirtschaftswissenschaften an der BTU Cottbus. Ehrenkolloquien für Prof. Dr. habil. Prof. e. h. Dieter Schönknecht und Prof. Dr. Dr. Rainer Schwarz. Lohmar–Köln.
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seinen Kollegen aus der DDR Lernfähigkeit und schätzte es, von ihnen zu lernen. Mich beeindruckte die Gelassenheit, mit der er ernsten Widerspruch verarbeiten und gleichzeitig parieren konnte – ein spannendes und manchmal auch vergnügliches gegenseitiges Lernen.46 So entwickelte sich ein Verhältnis, das er »interdependentes Lernen« nannte. Vertrauen hat für den Jubilar eine herausragende Bedeutung, als Fundament der Wirtschaft, als Forschungsschwerpunkt der Betriebswirtschaftslehre und in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Er und seine Frau Renate haben uns »Fremdlingen« von Anfang an Vertrauen entgegengebracht, aus dem sich Freundschaften entwickeln konnten. Aufrechte Haltung, man sieht und spürt sie sofort, als Festigung eigener Orientierung, Unbestechlichkeit im eigenen Urteil, wenn es als Wahrheit erkannt wurde, gleichzeitig die Anerkennung begründeten Widerspruchs, Sensibilität im Schmerz, für Demütigungen, als Vertriebener, und das Bekenntnis gemeinsamer Werte: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
46 Vgl. Schwarz, R. (2012). Reminiszenzen meines wissenschaftlichen Lebens bis hin zum Lehrstuhl Controlling an der BTU Cottbus. In H. Albach, D. Baier & M. Mißler-Behr (Hrsg.), Gründung, Innovation und Transformation: Wirtschaftswissenschaften an der BTU Cottbus. Ehrenkolloquien für Prof. Dr. habil. Prof. e. h. Dieter Schönknecht und Prof. Dr. Dr. Rainer Schwarz. Lohmar–Köln, S. 58.
Ulrike Settnik
Wissenschaft als Beruf – auch für Frauen?
Der für das Selbstverständnis der Wissenschaft zentrale Vortrag »Wissenschaft als Beruf« mit der Doppelfrage nach dem Beruf zur Wissenschaft und dem Beruf der Wissenschaft1, den Max Weber (vermutlich) am 7. November 1917 in München gehalten hat, beinhaltet demgemäß zahlreiche Aussagen, die auch heute noch eine hohe Relevanz besitzen. So hängt die Universitätslaufbahn nach wie vor in hohem Maße von nicht steuerbaren Zufällen ab – Weber spricht hier wörtlich von »wildem Hasard« –, es kann aus seiner Sicht nur derjenige Wissenschaft erleben, der diese mit Leidenschaft lebt, und Persönlichkeit auf wissenschaftlichem Gebiet hat nach Weber nur der, der »rein der Sache« dient. Webers Ausführungen unterscheiden sich jedoch in einem wichtigen Punkt von der heutigen Hochschullandschaft: Sie konzentrierten sich ausschließlich auf junge Männer, die »sich der Wissenschaft als Beruf hingeben«. Zwar gab es bereits im 18. Jahrhundert vereinzelte Fälle, in denen weibliche Studierende an deutschen Universitäten einen Abschluss erwerben konnten, und die Publizistin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm forderte schon 1874 die gleichwertige Teilhabe von Frauen an allen Positionen im Wissenschaftsbetrieb2, aber erst zu Beginn der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts breitete sich das Frauenstudium aus und erreichte am Ende der Weimarer Republik einen ersten Höhepunkt mit einem Frauenanteil von knapp 19 % an der gesamten Studierendenschaft.3 Frauen hatten aber in dieser Zeit gerade zu Studienfächern, die später prestigeträchtige Berufe und Führungspositionen versprachen, keinen Zugang, sodass sich der Großteil von ihnen dem Lehramts- oder dem Medizinstudium 1 Mayer, K.U. (2002). Wissenschaft als Beruf oder Karriere? In W. Glatzer, R. Habich & K.U. Mayer (Hrsg.), Sozialer Wandel und gesellschaftliche Dauerbeobachtung (S. 421–438). Opladen: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 2 Gleichstellungsbeauftragte der Universität Bielefeld (Hrsg.). (2008). 20 Jahre unterwegs. Gleichstellungspolitik an der Universität Bielefeld von 1988–2008. Bielefeld. 3 Felschow, E.-M. (1998). Der lange Weg in die Universität – Zu Beginn des Frauenstudiums in Gießen. Gießen: Gießener Universitätsblätter.
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Ulrike Settnik
zuwandte, zwei Fächern, in denen sie zu Abschlussprüfungen zugelassen waren. Daher blieb der Frauenanteil unter den Akademikern gering, vor allem im Hochschulbereich. Bis auf wenige Ausnahmen gelang es Frauen nicht, im Laufe ihrer wissenschaftlichen Karriere ein Ordinariat zu bekommen, und dies, obwohl sich bis 1933 deutschlandweit 71 Wissenschaftlerinnen habilitiert bzw. eine Titularprofessur erhalten hatten. Dies lag u. a. an der damaligen Einstellung vieler Professoren, die wie der Marburger Altphilologe Ernst Maass hinsichtlich der Aufnahme von Dozentinnen in die Lehrkörper der Universitäten Folgendes äußerten: »Für mich ist der Gedanke undiskutierbar, eine Dame zur Amtskollegin aufzuziehen, wohl gar zu Dekanat, Rektorat usw.« In der Nachkriegszeit änderte sich an dieser Situation zunächst nichts Grundlegendes, die Hochschulen pflegten weiterhin die Tradition der Ordinarienuniversität der Weimarer Republik, in deren Personalstrukturen Wissenschaftlerinnen an einflussreichen Stellen nicht vorgesehen waren. Erst im Zuge der 68er-Bewegung und den damit verknüpften Reformen an den deutschen Universitäten wurde die (mangelnde) Präsenz von Frauen in der Wissenschaft vor dem Hintergrund der Gleichstellungsdebatte wieder zum Thema und ist es bis heute geblieben. Ein Blick auf die aktuelle Gleichstellungsdebatte zeigt, dass sie sich allgemein an zwei Kriterien orientiert4 : Als erstes Kriterium sind die Menschenrechte als humanitäre und demokratische Norm zu nennen. Diese gehen davon aus, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Beseitigung von Diskriminierung und der Ausschluss der Benachteiligung auf Grund des Geschlechts ein Grundrecht ist, das alle Staaten verwirklichen müssen. Das zweite Kriterium misst sich an der Erkenntnis, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern eine wichtige ökonomische Bedingung für die Entwicklung einzelner Staaten und der gesamten Weltbevölkerung darstellt. Für die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft sind Arbeit, Kreativität und Entscheidungsmacht von Frauen unverzichtbar. Gleichstellung bedeutet in vielfacher Hinsicht für Frauen und Männer eine höhere Lebensqualität, da sich dadurch insgesamt mehr Möglichkeiten für mehr Menschen ergeben und damit eine größere Entscheidungsfreiheit für die eigene Lebensgestaltung. In diesem Sinne bedeutet Gleichstellung, dass bei allen gesellschaftlichen Entwicklungen und Maßnahmen die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und selbstverständlich berücksichtigt werden, da es keine geschlechtsneutrale gesellschaftliche Wirklichkeit gibt. Mit der gesetzlichen Verpflichtung und der eben beschriebenen Erkenntnis 4 Schumacher-Grub, H. & Settnik, U. (2015). Auf dem Weg zur geschlechtergerechten Hochschule. In Beaugrand, A. (Hrsg.), Bildung anführen. Über Hochschulmanagement nach der Bologna-Reform (S. 264–277). Bielefeld: transcript.
Wissenschaft als Beruf – auch für Frauen?
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geht das Erfordernis gleicher Einbeziehung von Frauen und Männern in den öffentlichen Bereichen einher, um damit zu einer Verwirklichung der Demokratie sowie einer ausgewogenen gesellschaftlichen Entwicklung zu gelangen. Bezogen auf die Hochschule als öffentliche Institution und Wissenschaft als Organisation muss diese Anforderung als hochkomplex bezeichnet werden. Gerade die Hochschule – so die Ausgangsthese zahlreicher Forschungen – ist ungerecht, bezogen auf ihren Zugang und auf die Verteilung der Geschlechter auf die Fächer und die verschiedenen Status- und Hierarchiegruppen. Engler schwächt diese Annahme ab, sie kommt beispielsweise in ihrer viel diskutierten soziologischen Habilitationsschrift zu dem Schluss, dass Frauen zwar nicht von der Wissenschaft selbst, jedoch von den sozialen Spielen unter Männern und damit von den Konkurrenzkämpfen um die Zuschreibung von Anerkennung im wissenschaftlichen Feld ausgeschlossen seien.5 Darüber hinaus ist die Hochschule als Institution der Erzeugung, Verteilung und Steuerung von Wissen an der Reproduktion der (bestehenden ungleichen) Geschlechterordnung direkt beteiligt. Der Genderkomplex ist hier deshalb nur über ein Denken in Strukturen auf verschiedenen Ebenen, die zusammenwirken, zu erfassen und möglicherweise zu verändern. Darüber lassen sich Handlungsfelder bestimmen, in denen Bedingungen, Potenziale und Instrumente auszuloten sind. Einerseits haben Hochschulen also eine Beschreibung der »ordnenden« gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen für Wissenschaft als Beruf vorzunehmen, andererseits sollten sie als soziale Institutionen und damit Territorien durch Ergebnisse der Forschung zielgerichtet im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit auf die Gesellschaft einwirken, insbesondere durch die Praxis ihrer Fächerkulturen einschließlich deren Vermittlung über den Stellenwert innerhalb der Studiengänge. Wie gut haben die Hochschulen diese Herausforderungen bislang gemeistert, wenn man sie am zentralen Indikator im Prozess zu mehr Chancengleichheit für Frauen, den Frauenanteilen bei den Professuren, misst? Frauen erwerben mittlerweile gut 50 % aller Studienabschlüsse und 44,2 % aller Promotionen, so dass heute durchaus von der Überwindung der Geschlechterungleichheit im Zugang zu und beim Erwerb von Hochschulbildung im Allgemeinen gesprochen werden kann. Diese Beobachtung stützt die These von Engler, wenngleich weiterhin eine horizontale Segregation nach Studienfächern existiert (so stammen z. B. 75 % der Studienabschlüsse von Frauen aus den Sprach- und Kulturwissenschaften sowie der Veterinärmedizin, aber nur 41 % aus der Mathematik und den Naturwissenschaften und weniger als 23 % 5 Engler, S. (2001). In Einsamkeit und Freiheit. Zur Konstruktion der wissenschaftlichen Persönlichkeit auf dem Weg zur Professur. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.
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aus den Ingenieurwissenschaften, ein Resultat des eingangs beschriebenen späten und zugleich beschränkten Zugangs von Frauen zu Hochschulbildung und den verschiedenen Disziplinen).6 Bei den Habilitationen beträgt der Frauenanteil jedoch nur noch 27,4 %, bei den Professuren sinkt er weiter ab, und zwar auf 21,3 % (inklusive Juniorprofessuren).7 Innerhalb der Professorinnen- und Professorenschaft bekleiden Frauen zudem mit 17 % deutlich seltener die höher dotierten und besser ausgestatteten C4/W3-Professuren und liegen damit auch unter dem europäischen Durchschnitt dieser Stellen. Bezogen auf den Zeitraum zwischen 2001 und 2013, wo der Frauenanteil noch bei 11,2 % lag, ist dieser zwar mit einer durchschnittlichen jährlichen Änderungsrate von + 0,84 Prozentpunkten gestiegen, was aber sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft als zu niedrig kritisiert wird und daher künftig gesteigert werden müsste, wenn in absehbarer Zeit Geschlechterparität erreicht werden soll.8 Würde man die Steigerungsrate unverändert fortschreiben, läge der Frauenanteil bei den Professuren in 2023 erst bei unbefriedigenden 29,7 %. Ein Blick auf den akademischen Karriereweg von Frauen zeigt, dass von 2005–2013 der Frauenanteil bei den Ernennungen konstant höher war als bei den Habilitationen, ebenso ihr Anteil bei den Ernennungen im Vergleich zu den Bewerbungen: Jahr Frauenanteil bei Habilitationen (in %) 2005 23,0
Frauenanteil bei Bewerbungen (in %) 20,5
Frauenanteil bei Ernennungen (in %) 25,6
Differenz ErnennungenHabilitationen (%-Punkte) +2,6
Differenz ErnennungenBewerbungen (%-Punkte) +5,1
2006 22,2 2007 24,3
20,6 21,6
22,4 24,9
+0,2 +0,6
+1,8 +3,2
2008 23,4 2009 23,8
23,6 23,5
26,8 29,0
+3,4 +5,2
+3,2 +5,5
2010 24,9 2011 25,5
24,4 23,7
26,9 26,7
+2,0 +1,2
+2,6 +3,0
2012 27,0 2013 27,4
24,8 25,5
28,5 29,9
+1,5 +2,5
+3,7 +4,4
6 Rusconi, A. & Kunze, C. (Hrsg.). (2015). Geschlechterverhältnisse in der Wissenschaft. Beiträge zur Hochschulforschung, 37(3). München: Bayrisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung. 7 Brodesser, D. & Samjeske, K. (2016). Professorinnenanteile – Entwicklung und Szenarien für die Zukunft. CEWSJournal Nr. 102 vom 05. 04. 2016 (S. 59–67). 8 Rusconi, A. & Kunze, C. (Hrsg.). (2015). Geschlechterverhältnisse in der Wissenschaft. Beiträge zur Hochschulforschung, 37(3). München: Bayrisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung.
Wissenschaft als Beruf – auch für Frauen?
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Es kann somit gefolgert werden, dass der Verlust von Frauen nicht auf der Stufe der Berufungsverfahren, sondern vielmehr innerhalb der Postdoc-Phase geschieht. Diese Phase fällt häufig mit der Phase der Familiengründung zusammen, in der die wissenschaftliche Berufskultur des »Vollblut- und Vollzeitwissenschaftlers« tendenziell eher Männern als Frauen zugeschrieben wird, d. h. es existiert hier die Erwartungshaltung, dass Frauen – und nicht Männer – ihr berufliches Engagement zugunsten familiärer Verpflichtungen reduzieren, wenn nicht ganz aufgeben (müssen). Insofern sind die Hochschulen gefordert, die als unzureichend empfundene Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die im Übrigen zunehmend auch von Männern mit dem Wunsch nach aktiver Elternschaft als größtes Hemmnis einer wissenschaftlichen Karriere beurteilt wird, weiter zu verbessern. Die zugehörigen Maßnahmen reichen dabei von umfassenden, hochschulnahen Betreuungsangeboten über Berufungsordnungen, die Familienphasen in Berufsbiographien nicht nachteilig bewerten, bis hin zu Coaching- und Mentoringprogrammen zwecks zielgerichteter Unterstützung der Karriereplanung und einer Erhöhung der Planungssicherheit im Stellengefüge der Hochschulen. Wenn dieser Kulturwandel gelingt, werden auch Frauen, um mit Max Weber zu sprechen, Wissenschaft mit Leidenschaft leben und als Persönlichkeit der Sache dienen können, ohne auf eine Familie verzichten zu müssen. Dass der Zufall oder, wie Weber es bezeichnet, der »Hasard«, nach wie vor eine Rolle spielt auf dem Weg zur Professur, wird ebenfalls eine Tatsache bleiben; dies trifft aber auch auf viele Karrierewege außerhalb des Wissenschaftsbetriebs zu. Prof. Albach ist mir im Kontext der Geschlechtergerechtigkeit immer als ein Wissenschaftler begegnet, der Chancengleichheit lebt, was sich u. a. in der großen Anzahl der von ihm betreuter, von Frauen verfasster Abschlussarbeiten, Promotionen und Habilitationen niederschlägt. Auch im persönlichen Gespräch fühlt man sich als Wissenschaftlerin stets von ihm ernst genommen, so dass er hier – wie in der Betriebswirtschaftslehre als Disziplin insgesamt – Standards gesetzt hat und der erhoffte, sich positiv auf die gesellschaftliche Entwicklung auswirkende Kulturwandel mit Vorbildern wie ihm mit Sicherheit heute bereits weiter gediehen wäre. Darüber hinaus repräsentiert Prof. Albach aus meiner Sicht nach wie vor den Idealtypus des von Weber beschriebenen Hochschullehrers, indem er Wissenschaft wie kaum ein anderer/eine andere mit Leidenschaft lebt und als Persönlichkeit rein der Sache dient.
Kai-Ingo Voigt
Über die Bedeutung der Kreativität in der wissenschaftlichen Arbeit
In der vielbeachteten Rede »Wissenschaft als Beruf«, die Max Weber bereits im November 1917 in München auf Einladung von »freien«, also nicht in Corps organisierten Studenten hielt, findet sich ein Aspekt, der eine besondere Aufmerksamkeit verdient – nicht zuletzt deshalb, weil sich durch ihn gleichzeitig ein weiterer Ansatzpunkt ergibt, den Forscher und Lehrer Horst Albach zu würdigen. Aber zunächst erst einmal Max Weber : In seiner Rede »Wissenschaft als Beruf«, die sich in mancherlei Hinsicht noch heute als erstaunlich aktuell erweist, kommt er recht schnell auf die Bedeutung des »Einfalls« – also der Idee – für die wissenschaftliche Forschung zu sprechen: »Hier wie dort muss dem Menschen etwas – und zwar das Richtige – e i n f a l l e n, damit er irgendetwas Wertvolles leistet. Dieser Einfall aber lässt sich nicht erzwingen. Mit irgendwelchem kalten Rechnen hat er nichts zu tun«1. Nehmen wir zunächst den letztgenannten Aspekt – und der ist schon erstaunlich genug: Es scheint, als hätte Max Weber schon vor hundert Jahren vorausgeahnt, welche Bedeutung die empirische Forschung (auch und gerade in den Wirtschaftswissenschaften) einmal erlangen würde – und mit ihr die Bedeutung der Datenbasis einerseits und die der Methoden der statistischen Datenauswertung andererseits. Und in der Tat ist es beeindruckend, welche wissenschaftlichen Aussagen durch die sich stets erweiternden und verfeinernden Methoden der empirischen Sozialforschung heute möglich sind. Mit dem »Conjoint Measurement«2 lassen sich – um wenige Beispiele zu nennen – selbst diejenigen Präferenzen der Befragten im Hinblick auf bestimmte Produktkomponenten oder -eigenschaften aufhellen und quantifizieren, die die Befragten selbst nicht zu bestimmen und zu quantifizieren in der Lage sind; mit
1 Weber, M. (2011). Wissenschaft als Beruf (11. Aufl.). Berlin: Duncker & Humblot, S. 12. 2 Green, P. & Rao, V. (1971). Conjoint Measurement for Quantifying Judgmental Data. Journal of Marketing Research, 8(3), 355–363.
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Kai-Ingo Voigt
einem Strukturgleichungsmodell sind heute Aussagen hinsichtlich der Struktur latenter, also nicht direkt beobachtbarer Variablen möglich3 usw. Aber trotz dieser beeindruckenden methodischen Fortschritte wirkt die Aussage Max Webers fast wie ein Weckruf: »Es ist ja wohl heute in den Kreisen der Jugend die Vorstellung sehr verbreitet, die Wissenschaft sei ein Rechenexempel geworden«4. Und weiter : »Man versucht nicht ungestraft, das auf mechanische Hilfskräfte ganz und gar abzuwälzen, wenn man etwas herausbekommen will – und was schließlich herauskommt, ist oft blutwenig. Aber wenn ihm nicht doch etwas Bestimmtes über die Richtung seines Rechnens und, während des Rechnens, über die Tragweite der entstehenden Einzelresultate ›einfällt‹, dann kommt selbst dieses Blutwenige nicht heraus«5. Mahnende Worte, die aktueller sind denn je, wenn man einmal das Geschehen auf aktuellen wissenschaftlichen Konferenzen zum Vergleich heranzieht: Viel zu oft konzentriert sich die Fachdiskussion hier auf die Prüfung der Qualität der Datengrundlage und die Angemessenheit und Exaktheit der angewendeten statistischen Methoden, also fast nach dem Motto: »Daten und Methode sind in Ordnung, das gefundene Ergebnis ist nebensächlich«. Wie oft stellt sich nach der Lektüre eines mit großartiger Überschrift übertitelten wissenschaftlichen »Papers« schließlich Ernüchterung ein. Der Berg, der ewige Berg, hat wieder einmal gekreist und ein Mäuschen geboren. Aber davon soll hier nicht weiter die Rede sein, denn der eigentlich interessante Aspekt in dieser Passage ist ja die Bedeutung des »Einfalls« für die wissenschaftliche Arbeit, die Max Weber hier hervorhebt. Hierzu einige Überlegungen: Wissenschaftliche Forschung beginnt eigentlich stets mit »Einfällen«, mit mutigen Hypothesen, die dann aber mit der ganzen Strenge und Methodik des wissenschaftlichen Arbeitens geprüft und entweder in »gesichertes« Wissen überführt oder verworfen werden.6 Jedes »Paper« beginnt mit der »Herleitung von Hypothesen«, die theoriegeleitet zu sein haben, um die zugrundeliegende Theorie gegenüber einer Alternativerklärung zu verifizieren oder eben diesen alternativen Theorieansatz als den »besseren« zu identifizieren. Dies alles ist aber kein »mechanischer« Vorgang und erschöpft sich auch nicht in Verweisen auf die schon existente Literatur, sondern erfordert Einfallsreichtum und Kreativität. Bedeutende wissenschaftliche Fortschritte begannen schon immer mit mutigen Hypothesen und demnach mit »Ideen«, also gedanklichen Kon3 Ullman, J.B. & Bentler, P.M. (2003). Structural Equation Modeling. In J.A. Schinka & W.F. Velicer (Hrsg.), Handbook of Psychology (2. Aufl., S. 607–634). Hoboken, NJ: John Wiley & Sons. 4 Weber, M. (2011). Wissenschaft als Beruf (11. Aufl.). Berlin: Duncker & Humblot, S. 12. 5 Ebenda, S. 12. 6 Simonton, D.K. (2004). Creativity in science: Chance, logic, genius, and zeitgeist. Cambridge University Press.
Über die Bedeutung der Kreativität in der wissenschaftlichen Arbeit
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strukten, die »neu« sind und so, in dieser Form, noch von keinem zuvor gedacht und formuliert worden sind. Nehmen wir z. B. die Spezielle Relativitätstheorie, die Albert Einstein 1905 begründete7: Soweit der Autor dieser Zeilen es als »Fachfremder« beurteilen kann, geht diese Theorie von der kreativen Hypothese aus, dass Raum und Zeit relative Konstrukte seien – eine (inzwischen, wenn auch erst sehr viel später empirisch bestätigte) Annahme, die der »Alltagserfahrung« aber bis heute widerspricht. Wissenschaft bedeutet, mutig und kreativ zu denken und mit der ganzen Strenge und Sorgfalt der wissenschaftlichen (Alltags-)Arbeit danach zu streben, die Idee in »Wissen« zu überführen. Das Neue, die Innovation, ist also nicht nur in der wirtschaftlichen Entwicklung und in der unternehmerischen Wertschöpfung von Bedeutung, sondern auch und gerade im Bereich des wissenschaftlichen Fortschritts. Das Neue aber beginnt stets mit der Idee des Neuen, und die Fähigkeit, auf solche Ideen zu kommen, nennen wir »Kreativität«. Die Fähigkeit, neue Ideen zu generieren, ist dem Menschen eigen – und vielleicht nicht nur ihm, wenn wir im Tierreich kunstvolle Nester, eindrucksvolle Termitenbauten und ausgesprochen raffinierte Methoden, im Rudel zu jagen, beobachten. Bleiben wir aber beim Menschen, dann ist es keine Übertreibung zu behaupten, die Kreativität habe ihn allen Widrigkeiten selbst der lebensfeindlichsten Umweltbedingungen zum Trotz überleben lassen und zu dem gemacht, was er heute ist: der homo sapiens als homo ingeniosus! Seit Jahrtausenden wird versucht, den Menschen als Wesen zu begreifen, das zum logischen Denken und zur »rationalen« Erkenntnis fähig ist – sein Potential an Kreativität wird dagegen erst seit rund hundert Jahren »ernsthaft« wissenschaftlich untersucht.8 Das schon 1926 von Wallas vorgeschlagene Prozessmodell der Kreativität bzw. der Ideenentstehung hat im Grunde bis heute Gültigkeit und umfasst die vier Schritte 1. Präparation (also keine Idee ohne Vorbereitung und harte Arbeit), 2. Inkubation (die Idee muss »reifen«), 3. Illumination (der »Aha«- oder »Heureka«-Effekt der Ideenfindung) und 4. Verifikation (das Prüfen und Ausarbeiten der Idee).9 Max Weber ahnte also schon ganz richtig voraus, dass »… die Arbeit ihrerseits den Einfall nicht ersetzen oder erzwingen kann«10. Neueste neurobiologische Forschungen11 bestätigen und erklären das von 7 Einstein, A. (1905). Zur Elektrodynamik bewegter Körper. Annalen der Physik, 322(10), 891–921. 8 Vgl dazu z. B.: Sawyer, R.K. (2012). Explaining creativity : The science of human innovation (2. Aufl.). Oxford University Press. 9 Wallas, G. (1926). The art of thought. London: Cape. 10 Weber, M. (2011). Wissenschaft als Beruf (11. Aufl.). Berlin: Duncker & Humblot, S. 13. 11 Z. B.: Beeftink, F., van Eerde, W., & Rutte, C.G. (2008). The effect of interruptions and breaks on insight and impasses: Do you need a break right now? Creativity Research Journal, 20(4),
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Kai-Ingo Voigt
Max Weber genannte Phänomen, dass Ideen uns »… nicht während des Grübelns und Suchens am Schreibtisch« einfallen, sondern »… bei der Zigarre auf dem Kanapee, oder wie Helmholtz mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit für sich angibt: beim Spaziergang auf langsam steigender Straße«12. Unternehmen nutzen heute diese Erkenntnisse, um den kreativen »Output« ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhöhen – mit Tischtennisplatten im Büro und »kreativen«, also frei gestaltbaren, von Routineaufgaben befreiten Anteilen der wöchentlichen Arbeitszeit.13 Letzteres war seit jeher das Privileg des Wissenschaftlers und ist es bis heute – wohl auch als Indiz für die schon länger bekannte Einsicht, dass gute Ideen sich eben nicht »erzwingen« lassen. Das Thema »Kreativität in der Wissenschaft« kann mit diesen dürftigen Zeilen nicht einmal ansatzweise ausgelotet werden – der Leser nehme meine Miszellen als Anreiz zur eigenen Nachforschung und als Appell, diesem Thema noch eine größere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Lassen Sie mich als Ausgangspunkt festhalten: Große wissenschaftliche Fortschritte beruhen auf großen gedanklichen Leistungen, die dem Bereich des logischen Denkens und der rationalen Erkenntnis ebenso zuzuordnen sind wie dem der Kreativität. Dies gilt ganz sicher auch für die Betriebswirtschaftslehre, auch und insbesondere für Erich Gutenberg, der entscheidend dazu beitrug, die BWL »als Wissenschaft« zu konstituieren, indem er ihr eine mikroökonomisch-quantitative Grundlage gab und die BWL in neuer, stringent funktionaler Sichtweise – »Die Produktion«, »Der Absatz«, »Die Finanzen« – prägte. Mit Horst Albach, dem Schüler und Schwiegersohn Erich Gutenbergs, kam ich erst relativ spät persönlich in Kontakt. In meiner Zeit als Doktorand und Habilitand kannte ich ihn noch nicht persönlich – da war er für mich eher eine entfernte »Lichtgestalt«, strahlend und beeindruckend auf Konferenzen und der jährlichen VHB-Tagung – die Waldstraße 49 in Bonn erschien mir als »Machtzentrum der BWL in Deutschland« schlechthin – in der über die wissenschaftlichen Einreichungen für die ZfB (und irgendwie auch darüber hinaus) geurteilt wurde: gerade noch »gut genug«, bei weitem »nicht gut genug« oder sogar »richtig schlecht«. Erst nach Berufung zum Universitätsprofessor wagte ich es, Horst Albach zu einem Vortrag nach Nürnberg einzuladen – und bekam zu meiner Überraschung sofort eine Zusage. Ich erlebte nun einen Horst Albach, der so gar nicht meinem bisherigen Bild von ihm entsprach – denn er erwies sich als freundlich, zugänglich, interessiert, offen, im Vortrag dann aber wie erwartet brillant und 358–364; Sternberg, R.J. & Davidson, J.E. (Hrsg.). (1995). The nature of insight. Cambridge: MIT Press. 12 Weber, M. (2011). Wissenschaft als Beruf (11. Aufl.). Berlin: Duncker & Humblot, S. 13. 13 Martens, Y. (2011). Creative workplace: instrumental and symbolic support for creativity. Facilities, 29(1–2), 63–79.
Über die Bedeutung der Kreativität in der wissenschaftlichen Arbeit
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exakt, die Argumentation stringent aus der »Theorie der Unternehmung« heraus führend. Und ich entdeckte zudem viele Gemeinsamkeiten mit meinem leider viel zu früh verstorbenen akademischen Lehrer, dem Gutenberg-Schüler und Albach-Kollegen Herbert Jacob: die gleiche Leidenschaft für die BWL, der gleiche bedingungslose Einsatz für die Wissenschaft »rund um die Uhr«, die gleiche Begabung, selbst komplizierteste Zusammenhänge leicht verständlich zu erklären. Mit dem Thema »Kreativität« hat sich Horst Albach in einem Aufsatz zum »Management der Differenzierung« näher beschäftigt.14 Dabei definiert er Kreativität als »Ergebnis aus Sensibilität gegenüber Problemen sowie aus Flexibilität, Flüssigkeit und Originalität des Denkens (…). Voraussetzung für Kreativität ist Wissen und die Fähigkeit, Wissen aus verschiedenen Gebieten originell zu integrieren und zu nutzen. Die Kreativität ist um so größer, je geringer die Barrieren sind, die im Unternehmen gegen neue Ideen aufgerichtet werden, und je größer der Spielraum ist, den jeder Mitarbeiter hat. Kreativitätsbarrieren werden um so leichter überwunden, je größer das Engagement der Mitarbeiter ist. Kreativitätsmanagement setzt also an den Elementen – Wissen – Integration – Spielraum – Engagement an.«15 Dabei umreißt er – gewissermaßen im Vorbeigehen und doch mit bewundernswerter Klarheit und Dichte – sowohl ein gesamtes Forschungsprogramm als auch ein komplexes Handlungsfeld für die unternehmerische Praxis. Ich habe es Horst Albach und seiner lieben Gattin, der unvergessenen Frau Dr. Renate Albach, zu verdanken, dass ich für den Vorsitz der Erich-GutenbergArbeitsgemeinschaft vorgeschlagen wurde, und ich versuche, der Ehre und Verpflichtung dieser Aufgabe gerecht zu werden. Horst Albach ist und bleibt für mich ein Vorbild in jeder Hinsicht, allerdings nun nicht mehr fern und entrückt, sondern im Rahmen einer beglückend nahen, fast väterlich-freundschaftlichen Beziehung, die aber dennoch anspruchsvoll bleibt und weder allzu große Vertraulichkeiten noch Nachlässigkeiten in der Sache (insbesondere der BWL) zulässt. Gut so! Und weiter so! Ich wünsche dem Jubilar gute Gesundheit und viele weitere Jahre des Forschens und Schaffens! Aus einem Gespräch mit Horst Albach geht man immer mit großer Bereicherung heraus – mit Erkenntnissen und Sichtweisen, die dem Gesprächspartner neu 14 Albach, H. (1990). Das Management der Differenzierung. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60(8), 773–788. 15 Ebenda, S. 777.
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sind und seinen Horizont erweitern, denn so wie Horst Albach hatte man es noch nicht gesehen. Für das Thema »Kreativität in der Wissenschaft« ist Horst Albach also ein dankbares »Forschungsobjekt« – und ein großes Vorbild für uns alle!
Theodor Weimer
Ein Leonardo da Vinci der Ökonomie
Auf den Schultern eines Riesen sitzt unweigerlich jeder, der das Glück hatte, in jungen Jahren – tempus fugit – von jemanden wie Horst Albach inspiriert, gefordert und gefördert zu werden. Von jemandem, der Wissenschaft mit jeder Faser seines Seins verkörpert. »Wissenschaft als Beruf«, was für ein passendes Motto für eine Festschrift zu Ehren eines Wissenschaftlers, der auf seinem Gebiet Wegweisendes, ja Bleibendes geschaffen hat. Als Nichtwissenschaftler mit einer gehörigen Portion Sehnsucht an die gute, alte, unbeschwerte Bonner Doktorandenzeit ist man nun eingeladen, an dieser Festschrift mitzuwirken. Für Horst Albach – einem der ganz Großen der Wissenschaft, der Lehre und des Wissenschaftsmanagements. Dies ist Ehre und Anspruch zugleich. – Letzterem wird man (das ist klar) nicht gerecht werden können, aber es möge die Hochachtung, der Respekt, ja die Verehrung für diesen Doyen der Betriebswirtschaftslehre, der in würdiger Nachfolge von Erich Gutenberg steht, in und zwischen den Zeilen auch nach nunmehr 30 – dreißig in Worten – Jahren zum Ausdruck kommen. Horst Albach ist für mich mit der Breite und Tiefe, mit der Verinnerlichung seines globalen ökonomischen Wissens ein echter Leonardo da Vinci der Ökonomie. Also seien zunächst einige persönliche Episoden geschildert, die die Persönlichkeit dieses besonderen Menschen zum Ausdruck bringen. Abgerundet wird der Beitrag durch einige Gedanken zu »Daten als dem neuen Produktionsfaktor«.
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Eine große Persönlichkeit – Erfahrungen mit Horst Albach
Was liegt näher, als von unserem ersten Zusammentreffen zu berichten? Es hat mein Leben geprägt. Alles begann mit einem forschen Brief meinerseits (E-Mails gab es ja damals noch nicht, man kann es heute kaum glauben) mit folgendem Tenor :
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Theodor Weimer
»Lieber Herr Prof. Dr. Albach. Gerade habe ich an der ehrwürdigen Universität Tübingen als Jahrgangsbester im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen. Mir wurden verschiedene Doktorandenstellen an der Universität Tübingen angeboten. Allerdings ist es mein Wunsch, bei Ihnen, dem herausragendsten Professor für Betriebswirtschaftslehre, als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zu arbeiten und bei Ihnen zu promovieren. Sie müssen mich kennenlernen – sonst machen Sie einen Fehler. Mit vorzüglicher Hochachtung. Ihr Theodor Weimer«
Wenige Tage darauf erhielt ich einen Anruf von Dr. Erlfried Baatz (damals noch nicht promoviert), meinem später sehr wertgeschätzten Kollegen am Institut, der mir manchen wertvollen Tipp zum Umgang mit »dem Alten« vermittelte. Verabredet wurde ein alsbaldiges Treffen in Bonn an der Konrad-Adenauer-Allee. Ich war pünktlich und in Stoffhose mit Sakko erschienen und durfte im Sekretariat auf den verehrten Professor warten. Er kam mit gefühlten zwei Stunden Verspätung ins Büro gestürmt – mein erster Eindruck: ein gut aussehender Riese. Über der Schulter eine Tasche, zwei weitere schwere, abgegriffene Taschen in jeder Hand. Ein kurzes Hallo zu den Sekretärinnen – verschwunden war er in seinem kleinen Office mit der unvergessenen grünen, abgenutzten Couch. Mich hatte er gar nicht wahrgenommen. Es folgten Telefonate, wie ich mitbekam. – Ich saß immer noch auf meinem Stühlchen, eher cool tuend als es seiend. Endlich erscheint er, strahlt mich an: »Sie sind doch der freche Tübinger, oder?« Bevor ich antworten konnte: »Können Sie einen Ford Granada fahren?« Als Landwirtssohn mit allen Maschinen dieser Welt vertraut und quasi auf dem Traktor aufgewachsen, stellte das nun wirklich keine Herausforderung für mich dar. Also chauffierte ich den großen Meister nach Köln – zum Zahnarzt, wie sich später herausstellte. Er saß hinten rechts und diktierte – wie könnte es anders sein – Aktennotizen (sein bevorzugtes Kommunikationsmittel mit zwei Durchschlägen). Ich bekam kurze Anweisungen dazwischen, wie ich zu fahren hatte. Nachdem das silberne Ford-Granada-Schiff ohne Probleme seitwärts (ohne die heute allgegenwärtige akustische Parkhilfe) von mir lässig eingeparkt worden war, bekam ich das erste – nur sehr zart angedeutete – anerkennende Nicken. Aber natürlich kein Wort der Anerkennung (später lernte ich aus – wenn ich mich recht entsinne – seiner Festschrift für Reinhard Mohn zum »Lob der autoritären Führung«, dass man Top-Mitarbeiter nicht loben darf – man müsse auf die »Stehaufmännchen-Fähigkeit« der Besten setzen; etwas, was ich bis heute verinnerlicht habe). Es ging dann zum Zahnarzt. Mit mir wurde erst gesprochen, als die Behandlung begann. Nach dem Spülen, aber vor Durchsicht der Zähne begann das Interview, nein: die Prüfung. Horst Albach wusste aus dem Kopf (sein Elefantengedächtnis war bei uns gefürchtet und verehrt), dass ich neben Volkswirtschaftslehre auch Betriebswirtschaftslehre und dort unter anderem Industriebetriebslehre bei Marcell Schweitzer gehört hatte. Also prüfte er mich über
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»Lineare Programmierung« vom Zahnarztstuhl aus. Gott und Marcell Schweitzer seien Dank, dass ich den Simplex-Algorithmus drauf hatte, denn es wurde hart und tief – begleitet von einem Schmunzeln des Zahnarztes – von Albach »nachgebohrt«. Mit ein paar Schlagworten kam man bei ihm ja nie durch. Nach 45 Minuten waren Behandlung und Prüfung beendet. Sein Kommentar : »Sie können am Montag anfangen.« Und so war es dann auch. Eine wunderbare, eine lehrreiche Zeit begann. Ich möchte diese nicht missen. Legendär übrigens auch die Institutswanderungen. Meine erste sei hier kurz beschrieben. Die Anweisungen in der Aktennotiz waren eineindeutig: »Lieber Herr Weimer, Komma Absatz, wir führen ja in regelmäßigen Abständen die Institutswanderung durch. Der jüngste Lehrstuhlassistent hat die Ehre, die Wanderung generalstabsmäßig auszuarbeiten und vorzubereiten. Ich denke, wir sollten heuer in die Rhön fahren. Vielleicht bereiten Sie das bis nächste Woche vor, und wir besprechen das dann. Absatz. Ihr Horst Albach«.
Das erschien mir ja nun wirklich kein Problem zu sein. An den beiden Tagen je 10 bis 15 Kilometer lässig und unbeschwert wandern, dann eine zünftige Hütte mit ausgiebiger Brotzeit. Und abends werden dann ein paar Lieder gesungen. – Wo ist das Problem? Zugegebenermaßen: Das Wetter war meine größte Sorge. Es kam natürlich alles ganz anders. Meine älteren Lehrstuhlkollegen hatten mich ja schon gewarnt – ich das allerdings nicht geglaubt. Das Meeting mit ihm ließ Böses erahnen. Zunächst wurde ich – der auch Geographie studiert hatte – von ihm angepfiffen (»Meister«), weshalb ich für das Treffen keine Messtischblätter besorgt hätte. So könne man doch keine Route planen. … Also kam ich mit Messtischblättern zurück. Aus den 15 Kilometern am Tag wurden 50 am ersten und 40 am zweiten Tag. Mir schwante Übles. Aber es kam noch schlimmer. In die Messtischblätter wurden die Stundenzeiten – 6er Schritt – berechnet und vorab als Sollwerte eingetragen. Aber damit nicht genug: Es wurde eine »Probewanderung« durch ihn mit seinen Lehrstuhlassistenten verabredet. In aller Herrgottsfrühe liefen wir los, bitterkalt, taunasse Wiesen. Ich musste als Geograph unter seinen strengen Blicken Karte und Kompass »einnorden«. Dann ging es los in einem höllischen Tempo. Jeder mit leichtem Gepäck – nur einer (wer wohl?) mit riesigem Rucksack bis oben bepackt. Jede volle Stunde beim Gehen Abgleich mit den Sollwerten des Messtischblattes – wir waren natürlich schneller. Ein Kollege – vormals 400 MeterLeistungssportler am Bundesleistungszentrum der Bundeswehr in Warendorf – hatte keine Ersatzstrümpfe dabei und lief in Überschätzung seiner Fähigkeiten und Unterschätzung der Tücken eines nassen Untergrundes in Turnschuhen, was sich bitter rächen sollte. Um es kurz zu machen: Wir mussten ihn am Nachmittag mit einem Kollegen zurücklassen. Der lieferte ihn dann ins Krankenhaus ein. Die Haut der Fußsohlen stand einen halben Zentimeter vom Fleisch
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ab, der entsetzte Arzt fragte: »Wer hat Ihnen das denn angetan?« Der Rest der Truppe wanderte unter Qualen und in teuflischem Tempo weiter. Den letzten Kilometer am Nachmittag sind wir (wen wundert’s noch?) gerannt. Horst Albach lief in der Spitzengruppe in der Jugendherberge ein. Wir waren kollektiv am Ende, wollten nur noch etwas essen und ins Bett. Aber weit gefehlt. Horst Albach hatte zwei Bücher aus seinem Riesenrucksack gezaubert, die dann besprochen wurden. Es fließt mir aus der Feder. Zahlreiche Erinnerungen an ihn und seine von uns sehr geschätzte und verehrte Frau Renate kommen mir : Das Einhüten des Hauses in der Waldstraße. Die Gutachten, seine Brillanz, die unermessliche Breite und Tiefe seines Wissens und Könnens. Das Amerikanische, seine überragende Fähigkeit, das Wesentliche zu extrahieren, die Treffen mit Dr. Herrhausen, die Doktorandenseminare. Der Hochschultag der Betriebswirtschaftslehre in Bonn, die WHU, die Studienstiftung, das Institut für Mittelstandsforschung, die Akademie der Wissenschaften, der Sonderforschungsbereich. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kollegen, seine langjährige Tätigkeit als Mitglied des Sachverständigenrates, seine Arbeiten mit der »Bonner Stichprobe«, sein Heiligtum V-Akte, seine Fähigkeit, in einer Nacht zwei Vorträge und 30 Aktennotizen zu diktieren. Seine Leistungsorientierung, sein steter Wille zu gewinnen, egal wo. Sein Nichtzulassen von Müdigkeit. Aber auch seine Fürsorge für und gelegentlich sein Stolz auf uns, seine Schüler. Es war eine Ehre, für ihn arbeiten zu können. Auch wenn wir dazwischen manchmal geschimpft und geflucht haben. Im Rückblick leuchtet die Zeit mit ihm zugegebenermaßen immer mehr. Aber auf jeden Fall: Es waren große Jahre der Entwicklung für mich. Lernen pur. Nur sehr wenigen Menschen sind solche Fähigkeiten gegeben wie Horst Albach. Er hat Generationen von uns geprägt und es verstanden, fruchtbare Debatten weit über den universitären Bereich hinaus zu befeuern. Neue Wege in die Zukunft zu finden, innovative Erkenntnisprozesse zu gestalten und alte Fragen neu zu beantworten, ist eine Motivation, die gerade Horst Albach besonders wichtig war. Und hier steht die Wirtschaft – und mit ihr die Wirtschaftswissenschaften – derzeit vor einer besonders spannenden Aufgabe. Und damit sind wir bei dem Ansporn, wenigstens etwas Content dieser Festschrift hinzuzufügen.
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Daten – ein neuer Produktionsfaktor
Denn eine Erkenntnis greift Raum: Daten sind der neue Produktionsfaktor. Endlich tritt neben Boden, Arbeit und Kapital ein wirklich neuer Produktionsfaktor hinzu. Mit heute nur schemenhaft skizzierbaren, aber riesigen Mög-
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lichkeiten. Daten werden zukünftiges Wachstum und zukünftigen Wohlstand sichern. Daten sind eine neue und unerschöpfliche Ressource. Die Zukunft gehört denen, die Daten besitzen und die Fähigkeit haben, sie intelligent auszuwerten und einzusetzen. Seit Anbeginn der Menschheit wurde gelebt und erlebt. Es wurde gelernt und erfahren. Nur Weniges indes konnte weitergegeben werden. Die besten Ideen haben sich herausgemendelt und durchgesetzt. Sie wurden auf die nächsten Generationen übertragen. Evolution findet nicht nur biologisch statt, sondern auch in der Weitergabe von Erkenntnissen. Erkenntnisevolution – archiviert in Büchersammlungen und menschlichen Gedächtnissen. Angereichert mit Intuition, Unternehmertum, Genialität und dem Streben nach weiterer Erkenntnis durch die Wissenschaft. Jeder weiß: Das Datenvolumen schwillt unglaublich an. Das ist keine neue Erkenntnis. Neu ist, dass die Datenspeicherung fast nichts mehr kostet. Und wenn etwas nichts mehr kostet und technisch die Möglichkeiten gegeben sind, wird eben auch alles gespeichert: der herkömmliche Text, Nachrichten, das private Video, Mails, Telefonate, Fotos, Blogs etc. IBM geht davon aus, dass 80 Prozent aller Daten »dark data« – nutzlose Daten – sind. Sie von nützlichen Daten zu trennen, wird zur Herkulesaufgabe. Jeder kennt das Phänomen Informationsüberflutung. Multi Tasking wird zur Kunst erhoben. Immer mehr Menschen sind in der Lage, sich rasch einen Überblick zu verschaffen. Die Bewertung von Information, das Aussortieren von wichtigen und unwichtigen Daten, wird zur seltenen Gabe. Sie wird indes immer wichtiger. Es ist unstrittig, dass der Mensch allein nicht mehr in der Lage ist, das exponentiell wachsende Datenvolumen zu beherrschen. Der Mensch braucht kognitive – lernende – Intelligenz, der Mensch braucht IBMs Watson, braucht Googles DeepMind. Es geht nicht um Mensch gegen Maschine. Der Mensch braucht die lernende Maschine. Es ist die Zukunft. Sie hat nicht nur begonnen, sie ist weiter fortgeschritten, als viele wissen. Zur Erinnerung – das »Einmaleins der Ökonomie«: Produktionsfaktoren sind Einsatzgrößen, die intelligent kombiniert Output erbringen. Der Bauer (Arbeit) steckt Kartoffeln in seinen Acker (Boden). Macht er das mit Hilfe einer Maschine (Kapital), ist der Output höher. Hat er nun die intelligentesten Wetterdaten, die beste Analyse über die Bodenbeschaffenheit, über den optimalen Zeitpunkt der Berieselung etc. (Daten), steigen Output und Produktivität überproportional an – mehr, als wenn er noch leistungsfähigere Maschinen einsetzt. Datenproduktivität schlägt Kapitalproduktivität. Einige Betrachtungen zu den bislang herrschenden Produktionsfaktoren offenbaren Analogien und interessante Erkenntnisse: – Der Produktionsfaktor Boden besteht aus Sand, nutzlosem Geröll und Steinen. Aber dazwischen verbergen sich eben Bodenschätze. Auch Daten ge-
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nerieren – im übertragenden Sinne – nutzlose Steine, Sand, Geröll – »dark data« eben. Aber in der Kombination von Daten lassen sich »Datenschätze« – die neuen Bodenschätze – finden. Mit entscheidenden Vorteilen: Die Datenschätze wachsen immer weiter in der Menschheitsgeschichte. Bodenschätze sind dagegen eine natürlich begrenzte Ressource. – Auch der Produktionsfaktor Arbeit ist nur steigerbar über mehr Arbeitseinsatz (noch mehr Menschen auf einer begrenzten Erde) oder über eine höhere Produktivität. – Interessant ist der Produktionsfaktor Kapital, historisch oft mit Maschinen gleichgesetzt. Fluch und Segen der maschinellen Produktion prägen die Historie, sind oft besungen worden. Das Finanzkapital mit allen Chancen und Risiken dagegen wurde schon immer in Wissenschaft und Praxis dramatisch unterschätzt, weil weniger greifbar. Den Menschen, Unternehmern und Wissenschaftlern wird weniger vertraut – gerade in Deutschland. Erst mit der großen Finanzmarktkrise ab 2008 ist das Thema der Finanzmärkte und ihrer Akteure richtigerweise ins Zentrum gerückt. Die Diskussion wird allerdings verkürzt auf eine Suche nach Schuldigen, auf die Macht der Finanzmärkte und auf die Notwendigkeit einer Regulation. Letztere ist technokratisch geprägt, verirrt sich im Dickicht des regulatorischen Dschungels selbst und gaukelt eine Scheinsicherheit vor. Sie ist in sich so prozyklisch wie das Finanzsystem selbst. Tatsächlich ist es aber so, dass das Finanzkapital ein wichtiger Transmissionsriemen ist zwischen der realen Wirtschaft und den Kapitalmärkten. Und es wird oft vergessen, dass das Finanzkapital ein starker Innovationsturbo ist. Geld riecht zukünftige Profite. Das Finanzkapital begreift instinktiv, dass mit dem Thema »Daten« in der Zukunft unglaublich großes Geld verdient werden wird. Das ist der Grund für die exorbitanten Marktkapitalisierungen von Google, Facebook, Apple, Amazon und Co. Ein ökonomisch interessanter Aspekt wird übrigens nicht adressiert. Jahrzehntelang wurden Ökonomen darin geschult, Monopole zu verteufeln und Oligopole kritisch zu beäugen. Nur breiter Wettbewerb war ordnungspolitisch konsensfähig. Inzwischen schleicht sich eine Bewunderung ein für die oben genannten Giganten. Die öffentlich sagen, dass sie den Markt dominieren wollen. Die eine Kultur des »The winner takes it all« zelebrieren. Aber in der Tradition des biblischen Wortes stehen: »Denn wer da hat, dem wird gegeben«. Und nicht genug: Sie verstehen sich sogar als gesellschaftspolitische Missionare. Wo bleibt der Aufschrei? Nur ein Schelm, wer nochmals bei Karl Marx und Friedrich Engels nachliest. Was müssen wir konstatieren? Während wir in Biedermeier-Deutschland den Glauben an die Segnungen des Wachstums verloren haben, dem Datenschutz
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huldigen, Verschwörungstheorien die einzige dauerhafte Konjunktur darstellen, Überzeugungstäter der Regulatorik sind und gar nicht begreifen, dass das alles Spielfelder der internationalen Wettbewerbsarena sind, laufen uns andere davon. Es ist höchste Zeit, einige grundlegende Entscheidungen zu treffen, um an den Segnungen zukünftigen Wachstums – basierend auf dem intelligenten Einsatz von Daten – teilnehmen zu können. Wir stehen in der Wirtschaft vor einem Umbruch der Geschäftsmodelle. Jede Industrie ist betroffen von der Digitalisierung. Das ist Allgemeingut. Aber es fehlt die Sicht, dass die Digitalisierung nur ein kleiner (riesiger) Ausschnitt eines größeren neuen Produktionsfaktors »Daten« ist. Die intelligente Inbesitznahme und Verwertung von Daten setzt eine offene Geisteshaltung voraus, jenseits des Reflexes einer sofort und überall einsetzenden »Datenethik«. Wir diskutieren inhalts- und technologiefrei, ohne wirkliche Kenntnis über mögliche negative Auswirkungen. Wo werden hierzulande die Chancen und Notwendigkeiten ähnlich thematisiert? Wir brauchen eine »geistige Datenwende«. Wir brauchen Gesetze und Strukturen, die dem neuen Produktionsfaktor »Daten« Raum geben. Wir müssen uns in die Lage versetzen, an die Datenschätze selbst heranzukommen und diese nicht anderen zu überlassen. Die Historie zeigt: Wer einen Produktionsfaktor nicht einsetzt, verliert im ökonomischen Wettbewerb. Schnell. Brutal. Auf Dauer. Eine große Herausforderung also für die Wirtschaft und auch die Wissenschaft. Um Herausforderungen einer solchen Dimension erfolgreich zu bewältigen, bedarf es Menschen, die nicht nur ihren »Job«, wie es heute so schön neudeutsch heißt, machen, sondern im besten Wortsinn ihren Beruf ausüben. Die für ihren Tätigkeitbereich nicht nur eine äußere Zuständigkeit haben, sondern auch eine tiefe Verbundenheit zu dieser Tätigkeit verspüren und Verantwortung wahrnehmen. Horst Albach, so wie ich ihn in seiner Tätigkeit erlebt habe, hat seine »Berufung« nicht nur so verstanden. Er hat diese Berufsauffassung wie kaum ein Zweiter gelebt. Und er hat es durchaus als Privileg verstanden, dass bei ihm Beruf und Erwerbsarbeit in dieser perfekten Form zusammengefunden haben. Er kommt – um es in der Diktion von Max Weber auszudrücken – damit dem Idealtypus eines Wissenschaftlers sehr nahe. Und er hat diesen Glücksfall mehr als zu würdigen gewusst. Er hat sozusagen zurückgezahlt: durch herausragende, unverwechselbare Leistungen in Wissenschaft, Forschung und – das darf ich aus eigenem Erleben ganz besonders betonen – Lehre. Er wurde damit zu dem eingangs erwähnten »Riesen«, auf dessen Schultern seine zahlreichen Schüler ihren Beitrag zur Fortentwicklung der Wissenschaft und zum Erfolg unserer Wirtschaft leisten.
Axel Wieandt
Horst Albach zum 85. Geburtstag
Sehr geehrter, lieber Herr Professor Albach, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 85. Geburtstag, den Sie hoffentlich in guter Verfassung umgeben von Familie und Freunden verleben können. Es ist nun schon eine Weile her, seit wir uns begegnet sind. Das letzte Mal trafen wir uns am 16. Juni 2011 anlässlich der 73. Wissenschaftlichen Jahrestagung des Verbandes der Hochschullehrer für BWL e.V. – »Nachhaltigkeit – Unternehmerisches Handeln in globaler Verantwortung«. Ich durfte damals eines der Hauptreferate halten zum Thema »Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft«.1 Es ging um die Auswirkungen der globalen Finanzkrise und der Krise der Hypo Real Estate Holding AG, also über die Zeit, in der ich die Bank als Vorstandsvorsitzender durch ihre existentielle Krise geführt habe.2 Ich kann mich noch genau an die Diskussion zu dem Thema »too-big-to-fail« erinnern. Wir haben die Finanzkrise nicht kommen sehen. Wir waren uns aber einig über die politischen Verwerfungen, die aus einer Finanzkrise resultieren können. Und wir haben intensiv über die Frage der effektiven Regulierung von systemrelevanten Finanzinstituten diskutiert. Die Diskussion hat mich dann darin bestärkt, mich unter anderem mit Sebastian Mönninghoff, meinem damaligen Assistenten bei der Hypo Real Estate, dem Thema »too-big-to-fail« auch empirisch-wissenschaftlich zu nähern.3 Die Wiederherstellung des marktwirtschaftlichen Haftungsprinzips, das durch staatliche Rettungsaktionen und Bail-outs von Banken und Staaten außer Kraft
1 Wieandt, A. (2011). Nachhaltigkeit – Unternehmerisches Handeln in globaler Verantwortung. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 15/2011, 33–38. 2 Moenninghoff, S. & Wieandt, A. (2011). The Financial Crisis: Observations and Implica-tions, the Case of Hypo Real Estate (HRE). Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), 63, 508–531. 3 Monninghoff, S., Ongena, S., & Wieandt, A. (2015). The perennial challenge to counter TooBig-to-Fail in banking: Empirical evidence from the new international regulation dealing with Global Systemically Important Banks.Journal of Banking& Finance, 61, 221–236.
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gesetzt wurde, ist und bleibt meiner Ansicht nach der entscheidende Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit im Finanzwesen. Ich erinnere mich auch noch genau, wie Sie die Veranstalter darauf hingewiesen haben, dass ich Honorarprofessor an der WHU sei und insofern auch mit diesem Titel angekündigt werden sollte. Ihre wohlwollende Intervention hat mir einmal mehr gezeigt, wie stolz Sie auf Ihre akademischen Schüler und die von Ihnen mit ins Leben gerufenen Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) sind und welchen Corpsgeist Sie pflegen. Professor Voigt und seine Mitstreiter aus dem Vorstand der Erich-Gutenberg Arbeitsgemeinschaft haben den berühmten Vortrag von Max Weber, »Wissenschaft als Beruf« als Bezugsrahmen für diese Festschrift ausgewählt.4 Die Auswahl ist insofern treffend, als Ihr wissenschaftliches Lebenswerk auch gemessen an den vor über 100 Jahre von Max Weber aufgestellten Maximen als großartig und herausragend erscheint. Sie verkörpern in vielerlei Hinsicht und auf besondere Weise den professionellen Wissenschaftler. Max Weber hätte Sie sicherlich in seinem Aufsatz erwähnt, wenn er ihn heute noch einmal überarbeiten könnte. Ich möchte exemplarisch vier von Max Weber formulierte Anforderungen an einen Wissenschaftler herausgreifen, um diese Aussage zu untermauern. Max Weber weist auf das »Doppelgesicht« der Aufgabe des Gelehrten hin: »Jeder…, der sich zum Gelehrten berufen fühlt…muss sich vielmehr klarmachen, dass die Aufgabe, die ihn erwartet, ein Doppelgesicht hat. Er soll qualifiziert sein als Gelehrter nicht nur, sondern auch: als Lehrer. Und beides fällt ganz und gar nicht zusammen.«5 Sie sind beides, Herr Professor Albach, und zwar in hervorragender Weise, Forscher und Lehrer. Max Weber arbeitet auch heraus »daß die Wissenschaft in ein Stadium der Spezialisierung eingetreten ist, wie es früher unbekannt war, und daß dies in alle Zukunft so bleiben wird.«6 Und weiter : »Eine wirklich endgültige und tüchtige Leistung ist heute stets: eine spezialisierte Leistung.«7 Sie haben sich den Herausforderungen der zunehmenden Spezialisierung gestellt und zugleich stets versucht, die Betriebswirtschaftslehre als »Allgemeine Betriebswirtschaftslehre« zusammenzuhalten, ganz in der Tradition Ihres akademischen Vaters und Schwiegervaters Erich Gutenberg. Sie haben die Fähigkeit, sich »Scheuklappen anzuziehen«, ohne den Blick für das Ganze zu verlieren. Max Weber weiter : »Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit. Und die Arbeit ihrerseits kann den Einfall nicht ersetzen oder erzwingen, so wenig wie die Lei4 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. In Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München und Leipzig: Duncker & Humblot. 5 Ebenda, S.8. 6 Ebenda, S. 9–10. 7 Ebenda, S. 10.
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denschaft es tut. Beide – vor allem: beide zusammen – locken ihn.«8 Ich glaube, das kann jeder, der das Privileg hatte, in ihrem Umfeld zu studieren, glaubhaft belegen, dass Sie ein extremes Arbeitsethos vorlebten, wie ich es selten erlebt habe. Und Sie haben es sicherlich überwiegend »mit Leidenschaft« getan, sonst wären Sie nicht so lange so produktiv gewesen. Am Schluss ist das, was bleibt und überdauert, der Dienst an der Sache und die intellektuelle Rechtschaffenheit, oder wie Max Weber formuliert: »›Persönlichkeit‹ auf wissenschaftlichem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient.«9 Und weiter unten in seinem Aufsatz fügt er hinzu, dass innerhalb der Räume des Hörsaals nun einmal keine andere Tugend gilt als eben: schlichte intellektuelle Rechtschaffenheit.10 Ihre intellektuelle Fairness und Rechtschaffenheit ist, und hier spreche ich sicherlich nicht nur für mich, Ihr größtes Vermächtnis und bleibt Ansporn und Anspruch zugleich. Lieber Herr Professor Albach, ich möchte Ihren Geburtstag aber auch zum Anlass nehmen, Ihnen für die Dinge, die Sie mir für mein Leben mit auf den Weg gegeben haben, zu danken. Hierzu will ich versuchen, sozusagen in Anlehnung an Hans Jonas’ Rede »Wissenschaft als persönliches Erlebnis«, mich anhand ausgewählter »persönlichen Beobachtungen« der Frage zu nähern, wie Sie Ihren Beruf als Wissenschaftler in meiner sehr subjektiven und begrenzten Wahrnehmung ausgeübt haben.11 Meine Absicht ist also, aus meinen persönlichen Erfahrungen mit Ihnen Rückschlüsse auf Ihr Verständnis von Wissenschaft als Beruf zu ziehen. Auch wenn die Wissenschaft nicht zu meinem Beruf geworden ist, so ist sie doch – dank Ihnen, lieber Herr Professor Albach – steter Ansporn und ein Hobby geworden. Enthusiasmus für die Sache: Alle Kommilitoninnen und Kommilitonen des 3. Jahrgangs der WHU erinnern sich sicherlich immer noch an eine denkwürdige Vorlesung in »Allgemeine Betriebswirtschaftslehre« in der Grundschule in Koblenz-Karthause, in der die junge Hochschule behelfsweise untergekommen war, bevor sie auf die andere Rhein Seite in das Haus D’Ester in Vallendar zog.12 Bei der Herleitung der Gutenberg’schen Produktionsfunktion sprangen Sie plötzlich, völlig vertieft in die Sache, mit Ihrem Folienstift von der Overhead Folie auf die Leinwand und haben nicht nur dort einen bleibenden Eindruck 8 9 10 11
Ebenda, S. 11. Ebenda, S. 13. Ebenda, S. 37. Vgl. Jonas, H. (2011). Wissenschaft als persönliches Erlebnis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 12 Vgl. exemplarisch: Albach, H. (2001). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre – Einführung (3. Aufl.). Wiesbaden: Gabler.
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hinterlassen.13 Da war er zu spüren, der »seltsame, von jedem Draußenstehenden belächelte Rausch, diese Leidenschaft.« ohne die »einer den Beruf zur Wissenschaft nicht« hat.14 Persönlichkeitsentwicklung und Tabakkonsum: Sie haben auch versucht, Einfluss zu nehmen auf die Lebensweise der Studenten. Ich erinnere mich nur zu gut daran, wie Sie einmal in der Vorlesung gefragt haben, wer Raucher sei. Als sich mehrere Studenten gemeldet hatten, sahen Sie sich zu dem Hinweis genötigt, dass Rauchen nichts mit der Persönlichkeitsentwicklung zu tun habe. Dieser Hinweis war natürlich äußerst glaubwürdig, weil Sie das Rauchen, wie Sie bereitwillig bekannten, selber aufgegeben hatten. Es gibt also in ihrem Berufsverständnis eine Fürsorglichkeit, die weit über den Hörsaal hinausreicht; und eine besondere Form der Glaubwürdigkeit, die auf eigenen Erfahrungen fußt. Vermittlung von Hartnäckigkeit und Selbstbewusstsein: Von meinem Gymnasium in Ratingen-Lintorf war ich noch vor meiner Bundeswehrzeit und damit vor Beginn des Studiums an der WHU zur Aufnahme in die Studienstiftung des Deutschen Volkes e.V. vorgeschlagen worden. Die Aufnahmeprüfung verlief leider in einem Gespräch nicht glücklich und ich wurde abgelehnt. Als Sie über einen Kommilitonen und Freund von mir davon erfuhren, haben Sie mich zum Vordiplom erneut vorgeschlagen und ermutigt, das Auswahlverfahren noch einmal zu durchlaufen, diesmal mit mehr Erfolg. Interdisziplinärer Austausch und Neugierde: Sie und Ihre liebe Frau Renate Albach haben auch mit Ihrer Gastfreundschaft in Bad Godesberg den Geist der Studienstiftung geprägt. Alle Studienstiftler Ihrer Gruppen erinnern sich sicherlich gerne an die regelmäßigen Treffen in Ihrem Haus und den Austausch über Fachgrenzen und Disziplinen hinweg. Internationalisierung der Ausbildung: Ein besonderes Anliegen war Ihnen die internationale Ausrichtung des betriebswirtschaftlichen Studiums. So haben Sie sich persönlich um die Anbahnung vieler wichtiger Partnerschaften zwischen der WHU und ausländischen Hochschulen gekümmert. Eine besondere Stellung hat in diesem Zusammenhang sicherlich Ihre Freundschaft zu Donald P. Jacobs, vormals Dean der J.L. Kellogg Graduate School of Management an der Northwestern University in Evanston, Illinois. Von dieser Freundschaft habe ich mehrfach mit Dankbarkeit profitiert, zuerst direkt als Austauschstudent 1988, dann in Folge als DAAD Stipendiat und Master Student 1991/1992 und schließlich jüngst als Adjunct Professor of Finance während eines mehrmonatigen Sabbaticals in Evanston, IL. 13 Vgl. Gutenberg, E. (1970). Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Erster Band (Die Produktion) (17. Aufl.). Berlin u. a.: Springer, S. 314ff. (die einzige Auflage, die ich aktuell zur Hand habe). 14 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. In Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München und Leipzig: Duncker & Humblot.
Horst Albach zum 85. Geburtstag
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Öffnung des persönlichen Netzwerks: Sie haben jederzeit und bereitwillig Ihr persönliches Netzwerk geöffnet. So konnte ich meine Praxisarbeit im Betrieb der Brüder Scholten schreiben und einen kleinen Familienbetrieb am Rande des Bergischen Landes kennenlernen. Relevanz wettbewerbsrechtlicher Fragestellungen: Sie haben auch das Interesse für wirtschaftspolitische Fragestellungen geweckt, im besten Weber’schen Sinne der »wissenschaftlichen Analyse« wirtschaftspolitischer Fragestellungen. Konkret haben Sie mir in meiner Diplomarbeit die Frage aufgeben, inwieweit die Theorie der bestreitbaren Märkte ein Leitbild für die Wettbewerbspolitik sein kann.15 Es ging also für Sie schon immer darum, dass die Wissenschaft im Sinne der besten Lösung die Politik beeinflusst. Globalisierung der Fragestellungen: In meiner Doktorarbeit schließlich ging es um die Frage des globalen Wettbewerbs und die weltweite Werkzeugmaschinenindustrie, allgemeiner um die Entstehung, Entwicklung und Zerstörung von Märkten durch Innovationen. Für Sie war die Frage des globalen Wettbewerbs schon lange vor dem Erwachen des chinesischen Riesen eine Frage des Wettbewerbs der Nationen.16 Einforderung von Preis- und Gebührentransparenz: Zum Thema Banken hatten Sie immer ein gewisses Misstrauen. Ich erinnere mich noch an den Hinweis, dass Sie Ihre Bankgebühren immer über ein separates Konto abrechnen ließen, um stets volle Gebührentransparenz zu behalten. Wenn sich die Banken diese Transparenz schon früher zu eigen gemacht hätten, wäre der Branche mancher Vertrauensverlust im wahrsten Sinne des Wortes »erspart« geblieben. Weitsicht und Einsicht: In einer Vorlesung an der WHU haben Sie ohne (für uns Studierende damals unmittelbar erkennbaren) Zusammenhang einmal das Problem der »Pyramiden-Bildung« bei Finanzinstituten beschrieben und auf die Notwendigkeit der Begrenzung der Gesamtverschuldung in Finanzinstitutsgruppen hingewiesen. Erst Jahre später, als das M& A-Geschäft in der Finanzdienstleistungsbranche eine meiner Aufgaben geworden war, wurde ich wieder mit der Notwendigkeit (und den Tücken) der aufsichtsrechtlichen Konsolidierung konfrontiert. Auch trotzt entsprechender aufsichtsrechtlicher Regelungen (und vielleicht auch wegen Basel II) ließ sich die Verschuldung im Finanzsystem vor der Krise nicht wirksam genug begrenzen. Die Notwendigkeit zum Abbau der Verschuldung im Finanzsystem besteht heute unverändert.
15 Vgl. auch: Wiese, H. & Wieandt A. (1993). Contestable Markets – ein Leitbild für die Wettbewerbspolitik?, ORDO, 44, 185–202. 16 Wieandt, A. (1994). Die Entstehung, Entwicklung und Zerstörung von Märkten. Stuttgart: Schäfer-Poeschel.
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Axel Wieandt
Sehr geehrter, lieber Herr Professor Albach, »Wissenschaft als Beruf« bedeutet in erster Linie Vorbild zu sein. Sie sind ein großes Vorbild, ein Vorbild, das mit den Jahren und mit mehr Abstand größer wird. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Ihr Axel Wieandt
Peter Witt
Wissenschaft als Beruf
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Der Weg zum Beruf Wissenschaft
Wissenschaft ist für jeden einzelnen Wissenschaftler bzw. jede einzelne Wissenschaftlerin ein normaler Beruf, eine Berufung oder kann beides sein. Theoretisch kann es Menschen schon sehr früh in ihrem Leben klar werden, dass sie Wissenschaftler werden wollten. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass einer der Eltern oder ein anderes einflussreiches Familienmitglied Wissenschaftler ist. Oder es kann daran liegen, dass ein Mensch frühzeitig einen Wissenschaftler als Vorbild bzw. Idol entdeckt. Ich persönlich glaube jedoch, dass eine frühzeitige Entscheidung für den Beruf Wissenschaft eher die Ausnahme darstellt. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, dann wollten die meisten meiner Freunde Astronaut, Polizist oder Feuerwehrmann werden. Meine drei Töchter wollten als sehr kleine Mädchen Prinzessinnen werden. Als sich herausstellte, dass die Chancen dafür eher schlecht stehen, weil es so wenige Prinzen gibt, kamen altersgerechte, aber ähnlich unrealistische Berufswünsche auf, nämlich Supermodel oder Sängerin. Das war in einem Alter, in dem Jungs, die ich kennen gelernt habe, die Berufe Rockstar oder Fußballprofi favorisierten. Jedenfalls kann ich mich an absolut niemanden erinnern, der als Kind Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler werden wollte. Für viele spätere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entsteht der Berufswunsch erst im Laufe des Studiums, wenn Wissenschaft als »Konsument« erlebt wird, oder sogar erst während der Promotionszeit, wenn man zum »Produzenten« im Wissenschaftsbetrieb wird. Studium und Promotion bilden die Grundlage, Wissenschaft als Beruf zu erfahren und sich dann zu entscheiden, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben. Das geschieht typischerweise, indem eine Habilitation begonnen und/oder Artikel in angesehenen Fachzeitschriften publiziert werden. Im Sinne einer konkreten Berufstätigkeit ist die Entscheidung für Wissenschaft als Beruf fast immer damit verbunden, an einer Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder als Juniorprofessorin bzw. Juniorprofessor zu arbeiten. Das war schon zu Max Webers Zeiten so. Er befasst
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Peter Witt
sich gleich zu Beginn seiner berühmten Rede »Wissenschaft als Beruf« mit der wissenschaftlichen Laufbahn und sieht den Einstieg in den Beruf Wissenschaft mit der Habilitation bzw. der Erlangung der venia legendi.1 Mit der Entscheidung zur Habilitation bzw. Juniorprofessur ist allerdings noch keinesfalls gesichert, dass die betreffende Person auch tatsächlich auf Dauer in der Wissenschaft arbeiten kann. Es bestehen zwei Risiken. Das eine Risiko besteht darin, die Habilitation nicht zu schaffen bzw. in der Juniorprofessur nach drei Jahren nicht positiv evaluiert und dann entlassen zu werden. Dieses Risiko ist aus meiner Sicht noch überschaubar. Es gibt aber ein zweites, oftmals ungleich größeres Risiko. Es besteht darin, nach erfolgreicher Habilitation bzw. erfolgreich beendeter Juniorprofessur keine Daueranstellung als Universitätsprofessor bzw. Universitätsprofessorin zu bekommen. Auch dieses Risiko bestand schon zu Max Webers Zeiten. Er befasst sich ausführlich mit den Chancen eines Assistenten, »jemals in die Stelle eines vollen Ordinarius oder gar eines Institutsvorstands einzurücken« und bezeichnet sie dann als »Hazard« bzw. »Zufall«.2 Seine eigene Erstberufung in Heidelberg bezeichnet er als Ergebnis »absoluter Zufälligkeiten«.3 Max Weber hielt es insgesamt für »außerordentlich gewagt«, sich »überhaupt den Bedingungen der akademischen Laufbahn auszusetzen.«4 Diese Einschätzung Max Webers zu den Berufungschancen von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist für die heutige Zeit vielleicht zu pessimistisch. Es ist nicht reiner Zufall, wer eine Universitätsprofessur bekommt und wer nicht. Aber das Berufseinstiegsrisiko für Wissenschaftler muss trotzdem nach wie vor als hoch bezeichnet werden. Das zeigen die regelmäßigen Erhebungen des Verbands der Hochschullehrer zum Arbeitsmarkt für Wissenschaftler : Je nach Fachdisziplin kommen auf einen ausgeschriebenen Lehrstuhl sechs bis 20 habilitierte bzw. gleichwertig qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber. Der Wettbewerb ist also groß. Gleichzeitig bestehen beim wissenschaftlichen Nachwuchs oft falsche Vorstellungen über die konkreten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung. Viele meinen, es ginge nur um ein einziges Kriterium, nämlich den bisherigen Publikationserfolg. Das mag an manchen Fakultäten auch so sein. An vielen Fakultäten ist es aber anders. Denn wenn eine Fakultät eine neue Kollegin oder einen neuen Kollegen in eine Lebenszeitstelle beruft, dann hat sie (bzw. die Berufungskommission) dabei mehrere Kriterien im Blick. Man will zweifellos sehr gute Forscher gewinnen. Publikationen dienen als 1 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. Abgedruckt in D. Kaesler (Hrsg.). (2002), Max Weber – Schriften 1894–1922 (S. 474–511). Stuttgart: Alfred Kröner, S. 474. 2 Ebenda, S. 477. 3 Ebenda, S. 478. 4 Ebenda, S. 475.
Wissenschaft als Beruf
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Nachweis der forscherischen Qualifikation. Ich würde sie als notwendige Bedingung, um berufen zu werden, bezeichnen. Aber sie sind nicht hinreichend. Gute Forschung alleine reicht nicht. Das gilt vor allem in einem Arbeitsmarkt, in dem alle Bewerberinnen und Bewerber, die in die engere Auswahl kommen, gute Veröffentlichungen vorweisen können. Egal wie gut ein Nachwuchswissenschaftler ausgewiesen ist, immer wird es irgendeinen anderen Bewerber oder eine andere Bewerberin geben, die noch einen Top-Artikel mehr hat. Die Grenzerträge weiterer Publikationen für die Berufungschancen sind abnehmend. Bei einer sehr guten Publikationsliste gehen sie gegen null. Denn Fakultäten haben noch andere Wünsche bei der Auswahl neuer Kollegen. Sie haben beispielsweise ein Interesse daran, dass neu berufene Kolleginnen und Kollegen gute Lehre machen und damit einen Teil der bestehenden Studierendennachfrage abdecken. Angenehm ist es für ein Kollegium darüber hinaus, wenn der Neuzugang Bereitschaft erkennen lässt, sich an der akademischen Selbstverwaltung zu beteiligen. Idealerweise können Kandidatinnen und Kandidaten auch schon Erfolge bei der Einwerbung von Drittmitteln verzeichnen. Und dann kommt meiner persönlichen Erfahrung nach über alle diese fachlichen Kriterien hinaus noch ein weiteres Kriterium zur Anwendung. Ich möchte es als menschliche Passung bzw. soziale Integrierbarkeit bezeichnen. Fakultäten bestehen aus überschaubar vielen Professorinnen und Professoren. Jeder neue Kollege bzw. jede neue Kollegin prägt die Gruppe spürbar. Man muss als bestehendes Mitglied der Fakultät zudem damit rechnen, noch sehr lange mit dem Neuen oder der Neuen zusammen zu arbeiten, weil empirisch betrachtet die meisten Universitätsprofessoren am Ort ihrer Erstberufung bleiben und nicht mehr woanders hingehen. Das gilt selbst für diejenigen, die noch an eine andere Universität berufen werden. Ganz einfach ausgedrückt gilt die Regel: Wenn man als Fakultät einmal jemanden berufen hat, dann wird man ihn oder sie nicht mehr los. Folglich ist es bei einer Berufungsentscheidung immer auch wichtig, einen »netten« Kollegen bzw. eine »nette« Kollegin zu finden. Im Einzelnen gehen die Meinungen darüber, wer nett ist und wer nicht, natürlich auseinander. Nett heißt für Wissenschaftler auch nicht, dass sie nicht ein bisschen verhaltensauffällig sein dürfen. Aus meiner Erfahrung gilt eher das Gegenteil: Ein bisschen verhaltensauffällig zu sein, ist zwar keine Voraussetzung, um Wissenschaftler zu werden, aber es erleichtert die Sache doch deutlich. Aber die Verhaltensauffälligkeiten müssen sich in Grenzen halten. Auch die eindrucksvollsten Publikationen nützen nichts, wenn Bewerberinnen oder Bewerber von der Berufungskommission als »menschlich nicht passend« bzw. als »sozial nicht gut integrierbar« angesehen werden. Man kann es auch weniger akademisch ausdrücken: Sich beim Berufungsvortrag als »Besserwisser« zu präsentieren, hat schon vielen jungen Leuten den Weg in den dauerhaften Beruf Wissenschaft verbaut.
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Forschung als Bestandteil des Berufs Wissenschaft
Forschung ist zweifellos ein zentraler Bestandteil des Berufsbilds von Wissenschaftlern. Nirgendwo sind die Freiheit und die Unabhängigkeit der eigenen Berufstätigkeit so spürbar. Die Freiheit von Wissenschaftlern in der Forschung wird als ein hohes Gut angesehen und ist in Deutschland daher grundgesetzlich verankert. Zwar steht im Grundgesetz auch die Freiheit der Lehre, aber damit ist es in der Praxis nicht weit her. Diese Erkenntnis zählt zu den Erfahrungen, die jeder von uns zu Beginn seiner Tätigkeit als Universitätsprofessorin oder Universitätsprofessor gemacht hat: Man kann seine Veranstaltungen nicht frei wählen, weil die Studienordnungen diese mehr oder weniger rigide vorgeben. Man kann seine Vorlesungszeiten nicht frei wählen, weil der Stundenplan über eine Vielzahl von Studiengängen hinweg überschneidungsfrei geplant werden muss. Man kann höchstens noch die Inhalte, die sich hinter dem festgelegten Titel jeder Veranstaltung verbergen, ein wenig variieren. Aber auch da gibt es enge Grenzen. In der Forschung ist das anders. Hier kann ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin die Themen und die Methoden der eigenen Arbeit wirklich frei wählen. Es gibt aus meiner Sicht nur wenige Berufe, die eine ähnliche Unabhängigkeit bieten. Künstler sind ein Beispiel. Und nicht zufällig sehen sich viele Wissenschaftler selbst auch eher als Künstler denn als Arbeiter an. Wissenschaftler sind auch immer noch sehr frei in der Entscheidung, wen sie als Doktoranden annehmen und wen nicht. Wissenschaftler können sich ihre Kooperationspartner frei wählen. Sie können frei entscheiden, wann und wie sie die Ergebnisse ihrer Forschung publizieren. Sie können frei wählen, auf welche Konferenzen sie fahren, um ihre Forschungsergebnisse mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt zu diskutieren. Die einzige Voraussetzung besteht darin, auf dem Lehrstuhlkonto genug Reisebudget zu haben. Forschungsfreiheit bedeutet schließlich, dass Forschung nicht erzwungen werden kann. Wer als Universitätsprofessor nicht forscht oder wer seine Forschungsarbeit nicht in Publikationen umsetzen kann oder will, der kann deswegen nicht entlassen werden. Eine wichtige Frage zum Thema Wissenschaft als Beruf richtet sich auf die geeignete Messung des Forschungserfolgs. Inputmaße, z. B. die Anzahl der eingesetzten Stunden oder die Höhe der verausgabten Budgets, erscheinen offensichtlich ungeeignet. Es gibt verschiedene Outputmaße, von denen einige auch sehr weit verbreitet sind, aber keines von ihnen ist gänzlich unumstritten. Im einfachsten Fall wird die Anzahl der Seiten gezählt, die ein Wissenschaftler in einem Betrachtungszeitraum, z. B. einem Jahr, publiziert hat. Das hat den offensichtlichen Nachteil, dass nicht nach der Qualität der Publikationen differenziert wird. Ein dickes Buch erschiene beispielsweise als Beleg von mehr
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Forschungserfolg als einige Artikel in hoch angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften. Seiten zu zählen, wird auch den Unterschieden zwischen den Fachdisziplinen nicht gerecht. Ein Schulfreund von mir hat an der Universität Bonn eine Dissertation in Geschichtswissenschaften über Kinderkönige im Mittelalter geschrieben. Sie hat einen Umfang von über 900 Seiten und wird im Fach als eine bahnbrechende Leistung angesehen. Albert Einsteins Dissertation an der Universität Zürich hatte 17 Seiten, auch sie wird als eine bahnbrechende Leistung angesehen. Für die Qualitätsmessung von Forschungsoutput haben sich daher Verfahren eingebürgert, die die Qualität von Publikationen bewerten. Zeitschriften werden beispielsweise in eine Rangfolge gebracht, z. B. nach ihrer Reputation im Fach, nach Impact Scores oder nach Zitierhäufigkeit. Eine Publikation in einem AJournal ist dann mehr wert als eine Publikation in einem B-Journal. Aber auch hier bleiben viele Fragen offen: Ist ein Artikel mit vier Koautoren genauso viel wert wie ein Artikel in Einzelautorschaft? Wie viel mehr ist ein A-Artikel wert als beispielsweise ein B-Artikel? Wie sind viele Publikationen in ein und derselben Zeitschrift im Vergleich zu Publikationen in mehreren verschiedenen Zeitschriften zu bewerten? Was passiert, wenn eine Zeitschrift im Zeitablauf ihre Rangposition verändert, also besser oder schlechter als früher eingestuft wird? Wie geht man mit Fächern um, deren traditionelle Publikationsformen gar nicht Zeitschriften sind, sondern eher Monographien, Beiträge in Herausgeberbänden oder Gesetzeskommentare? Ich will auf diese schwierigen Fragen hier nicht näher eingehen. Stattdessen möchte ich Forschungserfolge anhand von zwei Beispielen illustrieren. Das erste Beispiel ist der bisher einzige deutsche Nobelpreisträger in Ökonomie, Reinhard Selten. Ich habe ihn selbst als Student an der Universität Bonn intensiv erlebt. Ich habe nicht nur seine Vorlesung Spieltheorie besucht, sondern noch zwei weitere Vorlesungen von ihm. Ich habe meine mündliche Diplomprüfung in Wirtschaftstheorie bei ihm abgelegt (mit nur mittelmäßigem Erfolg). Reinhard Selten hat nicht nur seine Vorlesungen alle selbst gehalten, sondern war auch bei jeder Übung zur Vorlesung persönlich anwesend. Das war gar nicht immer angenehm, vor allem nicht, wenn man weitgehend ratlos vor einer Übungsaufgabe saß und er einem dann unerwartet über die Schulter sah. Als Studierende wussten wir, dass Reinhard Selten ein guter Forscher ist und hohes Ansehen in seiner Fachdisziplin genießt. Es war aber auch klar, dass er nicht außergewöhnlich viel publiziert hatte, wenn man jedenfalls die Anzahl der Artikel zählte. Zudem waren nicht alle seine Artikel nach heutigen Maßstäben in AJournals erschienen. Trotzdem wurde ihm im Jahr 1994 der Nobelpreis verliehen. Das Beispiel zeigt, dass die heute so weit verbreitete Punktezählerei bei Veröffentlichungen kein vollständig überzeugendes Maß der Forschungsqualität ist.
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Mein anderes Beispiel ist Horst Albach. Bei ihm war einem schon als Student klar, dass er ganz außergewöhnlich viel veröffentlichte. Die Literaturlisten zur Vorlesung enthielten eine Fülle von Albach-Büchern und Albach-Artikeln. Als ich lernte, die Rankings von Zeitschriften richtig einzuschätzen, war das Ergebnis erneut beeindruckend. Horst Albach hatte schon als ganz junger Mann in Zeitschriften wie »Management Science« publiziert, die heute an deutschen betriebswirtschaftlichen Fakultäten als das Maß aller Dinge gelten.5 Er hat in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft, die lange Jahre in Deutschland als führende Fachzeitschrift galt und international immerhin als B-Journal eingestuft wurde, mehr Artikel verfasst als irgendein anderer Wissenschaftler. Das eigentlich Besondere an der Forschungsleistung von Horst Albach ist aus meiner Sicht aber etwas Anderes. Und es ist etwas, das in der heute üblichen Methode des Punktezählens vollkommen ignoriert wird: die Bandbreite der Themen. Viele Forscherinnen und Forscher konzentrieren sich sehr stark auf ein Thema oder eine Methode. Sie sind dann stolz, die Königin bzw. der König in ihrem Vorgarten zu sein, egal wie winzig klein dieser Vorgarten ist. Horst Albach ist aus meiner Sicht ganz anders vorgegangen. Er hat im Laufe seines langen Weges die unterschiedlichsten Themen angepackt. Man sieht das an seinen Veröffentlichungen, wenn man sich denn die Mühe macht, diese riesige Liste einmal ganz zu lesen. Die Ursprünge seiner Forschung liegen im Bereich der Investitionstheorie unter Unsicherheit und in Methoden der linearen Optimierung. Später kamen Themen wie Organisation, Steuern, Wettbewerbstheorie, Mittelstandsökonomie, Innovationsmanagement, Corporate Governance und viele andere hinzu. Methodisch hat sich Albach zum führenden Experten für dynamische Produktionsfunktionen und nicht-linearer Optimierung entwickelt. Insofern repräsentiert er für mich den perfekten Vertreter einer allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, einer »Theory of the Firm«, die in unserem Fach leider ein wenig aus der Mode gekommen ist. Horst Albach hat bewiesen, dass Wissenschaft als Beruf einen großen Vorteil hat: Man kann sich in seiner Forschung immer weiter entwickeln und sich immer neue Themen erschließen, wenn man denn nur genug Neugier mitbringt und genug Energie einsetzt.
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Lehre als Bestandteil des Berufs Wissenschaft
Es gibt zweifellos Wissenschaftler, die nicht lehren und auch sonst keinen Kontakt mit Studierenden haben, z. B. in Max Planck-Gesellschaften oder in Fraunhofer-Instituten. Für sie ist die Forschung der Hauptgegenstand ihrer 5 Albach, H. (1967). Long range planning in open-pit mining. Management Science, 13(10), 549–568.
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Berufstätigkeit. Ich will im Folgenden aber auf einen anderen Typus von Wissenschaftler eingehen, die an Universitäten beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Für sie ist, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen wie z. B. lehrbefreite Juniorprofessoren in Universitätsinstituten oder lehrbefreite Professoren in universitären Leitungsfunktionen, die Lehre ein fester Bestandteil der Berufstätigkeit. Manche Wissenschaftler sehen die Lehre als »lästiges Übel«, als etwas, das Zeit kostet und sie von der Forschung abhält. Ich habe Fakultäten angehört, in denen immer nur von »Lehrbelastung« gesprochen wurde, wenn es um die Interaktion mit Studierenden ging. Wer viele Studenten in einem Kurs hatte oder viele Abschlussarbeiten betreute, galt in dieser Welt als besonders belastet. Meine Anregungen, das Wort »Lehrbelastung« zu streichen und stattdessen die Worte »hohe Nachfrage« oder »Lehrvergnügen« zu verwenden, blieben selbstverständlich erfolglos. Aber es gibt auch eine andere Sicht. Lehre kann Forschung befruchten. Horst Albach hat auf die möglichen Synergien zwischen Forschung und Lehre hingewiesen und Wissenschaft in diesem Sinne als »Kuppelproduktion« bezeichnet.6 Er vertritt die Ansicht, dass Diskussionen mit Studierenden und Doktoranden in Seminaren die Forschung fördern. Dieses Verständnis von Synergien zwischen Forschung und Lehre entspricht der akademischen Tradition an Universitäten. Die Lehrverpflichtung der dort tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist im Arbeitsvertrag festgeschrieben. Selbst wenn sie als Last empfunden wird, kein Wissenschaftler entkommt der Lehre. Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren haben in Deutschland beispielsweise ein Deputat von neun Semesterwochenstunden. Die Lehrverpflichtung bzw. die Gelegenheit zur Lehre umfasst dann beispielweise zwei Vorlesungen, zwei Seminare und einen Doktorandenkurs pro Semester. Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Vollzeitstellen haben an öffentlichen Universitäten ein Deputat von vier Semesterwochenstunden, was beispielswiese das Abhalten einer Übung zu einer Vorlesung und das Angebot eines Seminars bedeuten könnte. Eine alte Frage zum Beruf Wissenschaft lautet: Sind gute Forscher automatisch auch gute Lehrer? Man kann auch umgekehrt fragen: Sind gute Lehrer immer auch gute Forscher? Aus meiner Erfahrung lautet die Antwort auf beide Fragen in dieser Form eindeutig: nein. Gute Forscher können schlechte Lehrer sein. Das war schon zu Zeiten von Max Weber so. In seiner Darstellung der Wissenschaft als Beruf schreibt er : »Es kann jemand ein ganz hervorragender
6 Albach, H. (1985). Lehre und Forschung als Kuppelproduktion. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 55, 862.
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Gelehrter und ein geradezu entsetzlich schlechter Lehrer sein.«7 Und es ist heute noch genauso. Jeder von uns hat als Studierender an der Universität früher oder später einmal schlechte Lehre erlebt. Und nicht selten waren es die hoch angesehenen Ordinarien, deren Vorlesungen entweder wegen ihrer Unverständlichkeit oder wegen des langweiligen Vortragsstils schwer zu ertragen waren. Einer der ganz großen Marketingforscher an einer führenden Business School in den USA war zeitlebens ein so schlechter Lehrer, dass die Universitätsleitung ihn in den MBA-Programmen immer nur eine halbe Stunde reden ließ. Danach übernahmen Assistenten oder weniger hoch dekorierte Kollegen den Kurs. Die Teilnehmer waren mit dieser Regelung sehr zufrieden. Sie hatten den großen Star einmal persönlich erlebt, mussten ihm aber nicht den ganzen Tag zuhören. In meinem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn hatten wir gleich zu Beginn des Grundstudiums eine Vorlesung in öffentlichem Recht, die von einem sehr angesehenen Professor gehalten wurde. Dieser hochkarätige Forscher nahm den Begriff »Vorlesung« noch wörtlich, er las aus seinem Manuskript vor, immer neunzig Minuten am Stück und in immer gleichem Tonfall. Das war kaum auszuhalten. Und in einer Vorlesung über Wettbewerbstheorie, diesmal im Hauptstudium, hatten wir es auch mit einem ganz herausragenden Forscher zu tun. Er war wirklich engagiert, liebte sein Fach und versuchte, uns dafür zu begeistern. Aber man konnte nur wenig verstehen, weil die Darstellung zu abstrakt und zu mathematisch war (für mich jedenfalls). In einer Stunde fragte ein verzweifelter Student: »Herr Professor, können Sie für dieses Theorem vielleicht ein praktisches Beispiel geben?« Diese Frage warf den großen Forscher völlig und nachhaltig aus der Bahn. Es rang minutenlang um Fassung und sagte dann: »Hier gibt es keine Beispiele. Dies ist ein Modell. Vorher wissen wir nichts. Nach Lösung des Modells wissen wir auch noch nichts, aber das dann auf höherem Niveau.« Dieses Erlebnis war für mich der Anlass, mich bei den Wahlfächern meines weiteren Studiums von der Volkswirtschaftslehre ab- und der Betriebswirtschaftslehre zuzuwenden. Dann gibt es gute Lehrer, die schlechte Forscher sind. Sie machen interessante Vorlesungen und Seminare, erhalten von den Studierenden gute Bewertungen, können aber keine oder nur wenige gute Publikationen vorweisen. Das kann verschiedene Ursachen haben. Jemand könnte gerne forschen, dabei aber erfolglos bleiben. Max Weber nimmt diesen Typus von Wissenschaftler ein wenig in Schutz, indem er ihn wie folgt beschreibt: »Es kann einer ein vorzüglicher Arbeiter sein und doch nie einen eigenen Einfall gehabt haben.«8 Ebenso gibt es 7 Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. Abgedruckt in D. Kaesler (Hrsg.). (2002), Max Weber – Schriften 1894–1922 (S. 474–511). Stuttgart: Alfred Kröner, S. 479. 8 Ebenda, S. 484.
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Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren berufliche Ziele sich im Laufe der Zeit verändern. In der Qualifikationsphase forschen sie viel, weil sie ohne Forschungserfolg nicht berufen werden können. Aber nach der Ernennung zum Lebenszeitbeamten, die an deutschen Universitäten ja immer noch den Regelfall darstellt, kommen möglicherweise andere Präferenzen auf. Manche Wissenschaftler wollen mit Nebentätigkeiten ihren Beamtensold aufbessern und betätigen sich als Berater, Trainer oder Autor. Je erfolgreicher sie das tun, desto weniger Zeit investieren sie in Forschung. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass die Lehre dieser Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser wird. Sie kommen mehr mit der Praxis in Berührung, gewöhnen sich an eine weniger wissenschaftliche Ausdrucksweise und können mehr anschauliche Beispiele erzählen. Man muss allerdings festhalten, dass dieser kausale Zusammenhang nicht zwingend ist. Manche Professoren machen so viele Nebentätigkeiten, dass sie weder für Forschung noch für ordentliche Lehre Zeit finden und beides schlecht machen. Es gibt aber zum Glück Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die beides gut können, die also hervorragende Forscher und hervorragende Lehrer zugleich sind. Horst Albach ist ein solcher Wissenschaftler. Als Student in Bonn habe ich nur eine einzige Veranstaltung von ihm besucht (Investition und Wachstum). Aber in meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der WHU und an der Humboldt-Universität habe ich ihn dann sehr oft und in sehr unterschiedlichen Studiengängen in der Rolle als Lehrer erlebt. Wenn es Vorlesungsevaluationen gab, was z. B. an der WHU immer der Fall war, dann erzielte Horst Albach meistens Spitzenbewertungen. Für uns wissenschaftliche Mitarbeiter, die auch schon eigenständige Lehrveranstaltungen abhielten, war er ein Vorbild und auch eine »Benchmark«. Es war nicht leicht, aber man konnte zumindest auf diesem einen Gebiet an Horst Albachs Leistungsniveau heran kommen. Wenn es keine Evaluationen gab, konnte man die Qualität der Lehre am Feedback der Studierenden und am »Image« eines Dozenten ablesen. Sein Image möchte ich zusammenfassen als: anspruchsvoll, theoriegeleitet und doch praxisnah. Der Respekt der Studierenden war immer spürbar. Da Horst Albach so vielfältig aktiv war, lohnte sich der Vorlesungsbesuch für uns als wissenschaftliche Mitarbeiter selbst dann, wenn man die Vorlesungsinhalte eigentlich schon kannte. Denn mit etwas Glück erzählte er inspiriert durch aktuelle Ereignisse oder eigene Erlebnisse etwas ganz Anderes als im Vorlesungsmanuskript stand. Das war interessant und wurde von den Studierenden durchaus positiv bewertet, sie mussten dann eben nur für die Klausur noch das eigentliche Skript durchlesen. Umgekehrt gab es Vorlesungen von Horst Albach mit ungeheuer tiefgehender technischer Analyse. Ich erinnere mich noch gut an einen Tag, an dem Horst Albach morgens ins Büro kam und beim Auspacken seiner Tasche feststellte, dass er das falsche Vorlesungsmanu-
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skript mitgebracht hatte. Vier Stunden Wachstumstheorie standen auf dem Programm, aber er hatte das Manuskript zu Wettbewerbstheorie eingepackt. Horst Albach ist dann ohne Manuskript in den Hörsaal gegangen. Wir machten uns ein bisschen Sorgen, wie er das jetzt hinkriegen würde. Denn Wachstumstheorie war eine sehr anspruchsvolle Vorlesung mit vielen Modellen und vielen mathematischen Formeln. Aber es schien gut zu gehen, denn der Meister kam erst nach vier Stunden zurück und war ganz vergnügt. Die Studenten erzählten uns anschließend: »Heute war er besonders gut vorbereitet, das haben wir gemerkt. Die Vorlesung war klar strukturiert und er hat in den ganzen vier Stunden nicht einmal ins Manuskript geguckt.« Fraglich ist natürlich, was gute Lehre ausmacht bzw. woran man gute Lehre messen kann. In der Universitätspraxis weit verbreitet sind mittlerweile die bereits erwähnten Lehrevaluationen. Darin bewerten die Studierenden am Ende einer Veranstaltung anhand mehrerer Kriterien ihre Zufriedenheit mit einer Veranstaltung. An manchen Universitäten werden die Ergebnisse publik gemacht oder sogar in ein Veranstaltungsranking überführt. An anderen Universitäten erhalten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur die Evaluationen ihrer eigenen Veranstaltungen, aber nicht die Ergebnisse der Kollegen. In diesen Fällen wird aber typischerweise noch eine Information über die Durchschnittsbewertung über alle Veranstaltungen eines Semesters hinweg mitgeliefert, so dass man seine eigenen Evaluationsergebnisse zumindest als unter- oder überdurchschnittlich einschätzen kann. Weit verbreitet sind mittlerweile auch Lehrpreise, die öffentlichkeitswirksam für die jeweils am besten bewerteten Lehrveranstaltungen einer Universität vergeben werden. Sie dienen primär der persönlichen Ehrung der jeweiligen Wissenschaftler, sind aber häufig auch mit Geldpreisen für das Institut bzw. den Lehrstuhl verbunden. Es ist viel darüber diskutiert worden, ob Vorlesungsevaluationen eine valide und reliable Messung guter Lehre darstellen. Ich will mich hier an dieser Diskussion nicht beteiligen. Fest steht, dass Vorlesungsevaluationen durch die Studierenden heute fester Bestandteil der universitären Lehre sind. Fest steht auch, dass es keine anderen, breit akzeptierten Verfahren der Lehrbewertung gibt. Eine starke Nachfrage der Studierenden im Fall von Wahlfächern kann ein Indikator guter Lehre sein. Starke Nachfrage kann aber auch einfach darauf zurück zu führen sein, dass es sich um ein Fach handelt, das als interessant gilt oder gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt verspricht. Im Fall von Pflichtfächern mag eine hohe Teilnehmerpräsenz über das ganze Semester hinweg als Indikator dafür dienen, dass die betreffende Vorlesung von den Studierenden als gut eingeschätzt wird. Was auch immer das Erfolgsmaß ist: Wer Wissenschaft als Beruf wählt, der tut sich leichter, wenn ihm oder ihr Lehre Spaß macht. Ein bisschen Extrovertiertheit, ein bisschen Spaß am Entertainment und die Lust am intellektuellen Diskurs mit jungen Leuten machen gute Lehrer aus.
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Transfer als Bestandteil des Berufs Wissenschaft
Ich hatte das Glück, als Mitarbeiter von Horst Albach auch die dritte Säule der Wissenschaft als Beruf intensiv kennen zu lernen, den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis. Horst Albachs außerordentliche Erfolge in der Forschung sind deutlich sichtbar. Ich will das hier nicht an der umfangreichen und eindrucksvollen Liste seiner Publikationen belegen, sondern an einem ganz anderen Indikator. Horst Albach hat in seiner langen Laufbahn als Wissenschaftler neun Ehrendoktorwürden aus dem Inland und Ausland erhalten (Stockholm 1973, Kauppakorkeakoulu 1976, Graz 1985, Kiel 1986, Bielefeld 1991, Alcal# de Henares 1993, Cottbus 1999, Bowdoin College Brunswick 1999, Waseda University Tokyo 2005, Akademie der Wissenschaften Moskau 2009). Das erreichen nur ganz wenige. Er hat sich auch stärker und erfolgreicher in der Lehre engagiert als die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen. Das sieht man vielleicht am besten am Indikator der betreuten Abschlussarbeiten. Horst Albach kann die Betreuung von über 1.000 Diplomarbeiten, 272 Doktorarbeiten und neun Habilitationen vorweisen. Das ist mehr als bei irgendeinem anderen Wissenschaftler, den ich kenne. Was viele aber vielleicht nicht so deutlich vor Augen haben, sind Horst Albachs Leistungen beim Transfer. Er war und ist der festen Überzeugung, dass Theorie die Realität gestaltet.9 Der Transfer von Erkenntnissen aus der Theorie in die Praxis findet auf verschiedenen Wegen statt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können beispielsweise Vorträge vor Praktikern halten. Sie können nebenberuflich als Berater tätig sein. Sie können Gründungen ihrer Studenten begleiten. Sie können auch in Aufsichts- und Beratungsgremien von Unternehmen berufen werden. Horst Albach hat das alles getan. Aber er hat es in einem Umfang und mit einer Wirkung getan, die ihresgleichen sucht. Ich will erneut versuchen, diese Aussage an nur einem, aus meiner Sicht besonders aussagekräftigen, Indikator zu belegen, das sind die Aufsichts- und Beiratsmandate. Als ich 1991 anfing, meine Diplomarbeit bei Horst Albach zu schreiben, war gerade seine Studie zu Aufsichtsratsverflechtungen in deutschen Unternehmen in der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift Forbes erschienen.10 Ich befasste mich in meiner Diplomarbeit mit Netzwerken in der Wissenschaft. Daher war die Methodik der empirischen Untersuchung von Netzwerken von Aufsichtsräten, die Albach vorgelegt hatte, für mich interessant. Es ging um die Bestimmung der Zentralität einzelner Personen in großen Netzwerken. Auch die 9 Albach, H. (1993). Non universitati sed vitae oeconomicus discimus. In F. Achtenhagen & E.G. John (Hrsg.), Mehrdimensionale Lehr-Lern-Arrangements. Wiesbaden: Gabler, S. 23. 10 Albach, H. (1991). Das Geflecht der Macht. FORBES, 7, 687–690.
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Ergebnisse dieser Studie waren interessant. Sie fanden ein breites Echo in der Presse, insbesondere die hohen Zentralitätswerte verschiedener Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank im Netzwerk der Aufsichtsräte. Für mich persönlich war aber der interessanteste Befund, dass Horst Albach selbst im Ranking der zentral positionierten Aufsichtsräte ganz weit vorne stand, nämlich auf Platz 52. Seine Einzelmandate (u. a. AEG, Dresdner Bank, Kugelfischer, Mercedes, RölfsPartner, Treuarbeit) und sein Rangplatz wären schon für einen hauptberuflichen Manager eindrucksvoll gewesen. Aber Albach war ja im Hauptberuf Wissenschaftler und kein Manager. Und es gab keinen anderen Wissenschaftler, der auch nur annähernd so hohe Zentralitätswerte erreichte. Spätestens nach der Lektüre dieser Studie war mir klar, dass Horst Albach irgendwie kein ganz normaler Professor sein konnte. Ich war noch Student und hatte daher keinen systematischen Überblick über die Lehr- und Forschungsleistungen meiner Professoren. Aber es war jetzt für mich sichtbar geworden, dass Horst Albach im Bereich des Transfers und der Praxisrelevanz, heute würde man vielleicht »practical impact« oder »relevance« sagen, eine herausragende Bedeutung hatte. Das war ein Schlüsselerlebnis. Denn nach einem langen VWL-Studium in Bonn hatte ich die Hoffnung weitgehend aufgegeben, dass es zwischen Theorie und Praxis irgendeine nennenswerte Verbindung geben könnte. Und jetzt stellte sich heraus, dass es durchaus Wissenschaftler gibt, denen die Praxis zuhört und die die Praxis in leitenden Funktionen mitgestalten. Es stellte sich auch heraus, dass die guten Manager tatsächlich nach einer theoretischen Durchdringung ihrer praktischen Aufgaben suchen.11 Dieser Aspekt des Berufs Wissenschaft hat mich außerordentlich fasziniert, mehr noch als der Spaß an der Lehre, mit der ich ja schon als studentischer Tutor am Lehrstuhl Albach begonnen hatte, und mehr auch als der Spaß an der eigenen Forschung als Diplomand. Also habe ich mein Glück versucht und mich Anfang 1992 bei Horst Albach als Wissenschaftlicher Mitarbeiter beworben. Ich bin es dann elf Jahre lang geblieben und habe mich im Laufe dieser Zeit selbst für den Beruf des Wissenschaftlers entschieden. Diese Entscheidung habe ich nie bereut. Ich wünsche meinem akademischen Lehrer Horst Albach alles Gute zum 85. Geburtstag und rufe ihm zu: »Ad multos annos!«
11 Albach, H. (1993). Non universitati sed vitae oeconomicus discimus. In F. Achtenhagen & E.G. John (Hrsg.), Mehrdimensionale Lehr-Lern-Arrangements. Wiesbaden: Gabler, S. 24.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Prof. em. Dr. phil. Dr. med. h.c. Jan P. Beckmann, geb. 1937, Studium der Philosophie, Literatur- u. Sprachwissenschaften an den Universitäten Bonn, München u. Stellenbosch/Südafrika (dort 1962 Master of Arts). Promotion in Philosophie (Bonn 1967). 1967–70 Max-Kade Postdoctoral Research Fellow, anschließend Assistant Professor am Dept. of Philosophy, Yale University. 1970 Habil.-Stipendium der DFG, Habilitation in Philosophie, Univ. Bonn. 1979 Ruf auf das erste Ordinariat für Philosophie, FernUniversität/Hagen, Aufbau des Faches Philosophie im Fernstudium, zusätzl. Entwicklung eines Weiterbildungsstudienangebots Medizinische Ethik. Mitgliedschaften: Fachgutachterausschuss der DFG (2000–2004), Zentrale Ethikkommission für Stammzellenforschung/Berlin (seit 2002), Ständige Kommission Organtransplantation der BÄK (2000–2004), Ethikkommission Universität Witten/Herdecke (seit 1995), Direktorien der Bonner Institute für Wissenschaft und Ethik & des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (1996–2010). Lehrauftrag für Medizinethik, Klinikum Universität Duisburg-Essen (1998–2010). Gastprofessuren: Oxford (1983), Münster (1993), Bonn (1993 u. 1995). Ruf an die Universität Bamberg (1986, abgelehnt). Ehrendoktorat der Medizin. Herrn Professor Albach als seinem ehemaligen Vertrauensdozenten verdankt Herr Beckmann seit seinem Studienstiftungs-Doktorandenstipendium (1964–67) ein über die Jahrzehnte hinweg bewahrtes freundschaftliches Interesse an seinen wissenschaftlichen Arbeiten in Lehre und Forschung.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Professor Dr. Dr. h. c. Klaus Brockhoff studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn sowie Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Köln und Münster. Beide Studiengänge schloss er mit dem Erwerb des Diploms ab. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter von Herrn Professor Dr. Dr. h. c. mult Horst Albach von 1962 bis 1967. Dieser betreute sowohl seine 1965 abgeschlossene Dissertation (Unternehmenswachstum durch Sortimentsänderungen) als auch die 1969 abgeschlossene Habilitation (Forschungsplanung im Unternehmen). An die Assistententätigkeit schlossen sich ein Forschungsaufenthalt an der University of California at Berkeley sowie eine Tätigkeit beim privaten Battelle Institut Frankfurt e. V. an. Es folgte 1970 die Berufung auf ein Ordinariat für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Kiel und 1999 zum Rektor der privaten Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar. Seit seiner Pensionierung 2004 gehört er der Stiftung WHU als stellvertretender Vorstandsvorsitzender an. Neben der Lehr- und Forschungstätigkeit engagierte er sich in der Selbstverwaltung von Hochschulen, dem Wissenschaftsmanagement, der Beratung und der Wahrnehmung von Aufsichts- und Beiratsfunktionen in Unternehmen und Stiftungen.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Prof. Dr. Helmut Bruse wurde 1949 in Holstein geboren, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Nach dem Studium der Mathematik und der Wirtschaftswissenschaften in Kiel und Heidelberg promovierte er an der Universität Bonn bei Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Albach auf dem Gebiet des Marketings. Umfassende Managementerfahrung sammelte er durch eine über 20-jährige Tätigkeit in Leitungsfunktionen des Finanzbereiches und als CFO weltweit operierender Unternehmensgruppen. Seit 2005 ist er freiberuflich als selbständiger Berater tätig; seine Kompetenz richtet sich auf die Gestaltung und Optimierung von Geschäftsprozessen bzw. die Restrukturierung mittelständischer (Familien-)Unternehmen. Seit 2007 lehrt er Internationales Management und Internationales Marketing an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach.
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Prof. Dr. Mar&a Teresa del Val promovierte unter der Betreuung von Professor Albach. Aktuell ist Mar&a Te resa del Val Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Alcal# de Henares, Spanien. Darüber hinaus ist sie Direktorin der Stiftung der Universität Alcal# und Direktorin des AlcalinguZentrums, das sich der spanischen Sprachausbildung sowie der Ausbildung von Spanischlehrern widmet. Mari# Teresa del Val hat in mehreren Forschungsprojekten der Europäischen Union im Bereich der Humanressourcen, der Wasserwirtschaft sowie der Telekommunikations- und Informationstechnologie mitgewirkt und darüber hinaus an einer Vielzahl an nationalen und internationalen Fachkonferenzen teilgenommen.
Prof. Dr. Santiago Garc&a Echevarr&a studied in Bilbao and at Cologne University, obtaining his Doctorate there in 1962. In 1968 he obtained a second Doctorate in the Complutense University of Madrid. He met Prof. Horst Albach in 1959 in the Erich Gutenberg Seminar at Cologne University and since then they have both enjoyed a fruitful academic cooperation as well as a deep, personal friendship. Thanks to Prof. Albach’s generous cooperation, the field of Business Economy was developed in Spain, the result of hundreds of interventions, conferences and publications. In 1993 the University of Alcal# recognised these efforts by awarding the academic distinction of Doctor honoris causa.
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Prof. Dr. Thomas Ehrmann, geb. 1958, studierte Volks- & Betriebswirtschaftslehre an der FU Berlin. Nach seinem Abschluss war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Finanzwirtschaft an der FU Berlin und Research Scholar an der LSE. Er promovierte 1988 zu einem Thema der Wohnungsbaufinanzierung. Als ausgewiesener Experte auf den Gebieten Netzwerkforschung und Regulierung ist Thomas Ehrmann zudem Autor und Herausgeber zahlreicher einschlägiger Publikationen und Mitglied in einschlägigen Fachgremien. Mit Herrn Professor Albach, den er bereits 1990, während seiner Zeit im BMWI in Bonn kennenlernte, verbinden ihn Dankbarkeit für die Betreuung seiner Habilitation, schöne gemeinsame Wandererfahrungen sowie eine langjährige sehr fruchtbare fachliche Zusammenarbeit im BahnBeirat.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Ulrich Guntram studierte Informatik und Mathematik an der TU Karlsruhe. 1984 promovierte er bei Herrn Prof. Dr. Horst Albach über »Eine betriebswirtschaftliche Diffusionstheorie«. Es folgten zehn Jahre als Berater und Partner bei McKinsey & Company in Deutschland und in den USA, wo er Mitglied im Leitungsteam der globalen »IT and Systems Practice« war. 1991 gründete er mit einem Kollegen die internationale Environmental Management Practice. Nach einem Sanierungsversuch des damals renommierten empirischen Forschungsinstituts infas Institut für Angewandte Sozialwissenschaften wechselte Herr Guntram 1996 zum AXA Konzern, wo er verschiedene Vorstands- und CEOMandate in internationalen Geschäftsfeldern innehatte. Unter anderem entwickelte er die auf Kunst spezialisierte AXA ART zu einem global führenden Anbieter. Zurzeit leitet er das kommerzielle Großkundengeschäft von AXA in Asien und Australien von Singapur aus. Herr Professor Albach war Vertrauensdozent von Herrn Guntram bei der Studienstiftung des Deutschen Volkes und sein Doktorvater. Bis heute verbindet beide eine persönliche Freundschaft und gemeinsame Mitgliedschaft im RotaryClub Bonn-Süd Bad Godesberg.
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Prof. Dr. Herbert A. Henzler, geb. 1941, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Siegen, an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und der University of California, Berkeley. 1970 promovierte er an der Universität München zum Dr. oec. publ. Im gleichen Jahr begann er als Unternehmensberater bei McKinsey & Company, wo er 1975 Partner wurde. 1978 wurde er zum Direktor gewählt und 1985 Leiter der deutschen Büros. 1999 wurde er »European Chairman« von McKinsey & Company, bevor er 2001 das Unternehmen in seiner operativen Funktion verließ. Seit 1992 ist Herbert Henzler Honorarprofessor für Strategie- und Organisationsberatung an der Universität München. Von 2004–2009 war er Vorsitzender des Wissenschaftlich-Technischen Beirats der Bayerischen Staatsregierung (WTB). Herbert Henzler ist des Weiteren in mehreren Aufsichtsräten tätig und war von 2002 bis 2012 Vorsitzender des Beirates der Credit Suisse Deutschland. Darüber hinaus fungierte er als Senior Advisor der Credit Suisse Group. Seit Ende 2012 ist er als Berater bei der Investmentbank Moelis & Company tätig. Mit Professor Albach kam Herbert Henzler bereits als junger Associate im Rahmen eines Management Trainings mit ca. 30 Führungskräften im Universitätsseminar der Wirtschaft (USW), Schloss Gracht in Kontakt. Er war von Horst Albachs Präsenz und Inspiration sofort stark beeindruckt. Auf Initiative von Horst Albach war Herbert Henzler über lange Jahre ein aktives Mitglied im Kreis der Herausgeber der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB).
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Dr. Hedda im Brahm-Droege, geb. 1954 in Oberhausen. Nach dem Abitur und verschiedenen Auslandsaufenthalten 1975 Beginn des VWL-Studiums an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seit 1977 Mitarbeiterin und Tutorin am Institut von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Albach wie auch Prof. Dr. Hermann Sabel. Nach dem Diplom und einem Arbeitsaufenthalt in Mexiko Doktorandenstudium im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts der FriedrichWilhelms-Universität Bonn (Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Albach) und der C#tedra de Pol&tica Econjmica de la Empresa, Alcal# de Henares, Spanien (Prof. Dr. Dr. h.c. Santiago Garcia Echevarria). Promotion 1983 zum Thema »Eine komparative Analyse der Führungsstrukturen spanischer und deutscher Unternehmen in Spanien«. Berufseinstieg in eine Unternehmensberatung. Seit 1988 selbstständige Unternehmerin und Mitgründerin der Droege International Group AG. Seit 2001 stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Droege International Group AG (www.droege-group.com). Das Familienunternehmen ist ein internationales Beratungs- und Investmenthaus, in ca. 30 Ländern operativ tätig. Droege Group tätigt Direct Investments in mittelständische Unternehmen, die sich in »Special Situations« befinden. Ziel ist, die Unternehmen im Bestand zu halten und weiterzuentwickeln (»Evergreen-Unternehmer«). Die Begegnungen und der Gedankenaustauch mit dem Ehepaar Albach mündeten in der Mitwirkung bei der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Prof. Dr. Stefan Kayser, geb. 1962, studierte Volkswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Nach seiner Promotion bei Herrn Professor Albach an der WHU – Otto Beisheim School of Management übernahm Stefan Kayser verschiedene Führungspositionen in der Industrie und im Hochschulmanagement. Er war als Regional Controller Latin America für die Schenker AG tätig und leitete später als Academic Director das Kellogg-WHU Executive MBA Programm. Danach war Stefan Kayser bei ThyssenKrupp Direktor der Management School für die Weiterbildung der Führungskräfte des Konzerns, bevor er 2010 an der Fachhochschule der Wirtschaft zum Professor berufen wurde und deren Standort in Bergisch Gladbach leitete. Seit Mai 2015 ist Stefan Kayser Managing Director der EBS Executive Education GmbH an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel und dort Honorarprofessor für International Business. Mit Herrn Professor Albach hat Stefan Kayser seit seiner Promotion in vielerlei Hinsicht engen Kontakt gehalten. Er schätzt die Begegnungen und den Austausch mit seinen Doktorvater als Mentor, Ratgeber und Wanderfreund sehr.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Prof. Volkmar Liebig, geb. 1946, studierte nach Fernmeldehandwerkerlehre und Tätigkeit als Hochfrequenztechniker Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre und Diplomarbeit bei Professor Albach an der Universität Bonn. Nach seinem Abschluss war er wiss. Mitarbeiter von Professor Albach am Universitätsseminar der Wirtschaft (USW) in Erftstadt bei Köln. Von 1978 bis 2000 sowie 2005 bis 2012 war er Professor für Betriebswirtschaft für Ingenieure und Unternehmensgründung an der Hochschule Ulm. Während dieser Zeit u. a. Leitung der Steinbeis-Transferzentren Technische und Betriebswirtschaftliche Beratung sowie Mikroelektronik, Mitglied des Lenkungsschusses für Hochschuldidaktik in Baden-Württemberg, Leiter der ersten Baden-Württembergischen Peer Group zur Hochschulevaluation, Entwicklung von Software unterstützter Gründungssimulation, Gründungsplanspielen und Existenzgründerselbsttests, Fuzzy Set-Modellen zur Entscheidungsunterstützung bei komplexen Produktionsprozessen sowie Konzepte zur sicheren Team-Maschine-Kommunikation an Hochrisikoarbeitsplätzen. Von 2000 bis 2005 war er vom Wissenschaftsminister beurlaubt für die Tätigkeit als Managing Director des Center for Entrepreneurship an der Otto Beisheim School of Management (WHU); Gründungsbegleitung des Center of Asset and Wealth Management an der WHU. Nach seiner Emeritierung war er Mitglied des Vorstands der avesco Financial Services AG und ist seit 2013 Managing Partner und Chief Scientific Officer der Sustainability Intelligence Berlin, einem Ratingunternehmen, dessen Geschäftsmodell auf der von ihm entwickelten Ö2SET-Methode zur holistischen Messung der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen beruht. Mit Herrn Professor Albach, den er bereits im zweiten Semester seines Studiums in Bonn kennenlernte, verbindet ihn eine langjährige, untrennbare Freundschaft und die Freude am Bergsteigen, die er mit seinem zweiten Mentor, Professor Wilhelm Krelle, teilte, sowie die zahlreichen, unvergesslichen gemeinsamen Erlebnisse im privaten, sportlichen und akademischen Bereich.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Klaus-Dieter Pruss studierte nach seiner Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann Volkswirtschaftslehre an der Rheinischen FriedrichWilhelms Universität. Nach Abschluss seines Studiums war er acht Jahre als kaufmännischer Leiter der Caritas-Jugendhilfe GmbH tätig, bevor er im Jahr 2001 die Pruss-Unternehmensberatung in Kaarst gründete, deren Inhaber er bis heute ist. Mit Professor Albach ist Klaus-Dieter Pruss seit seinem Studium verbunden. Klaus-Dieter Pruss ist seit 2015 Mitglied des Vorstands der Erich-GutenbergArbeitsgemeinschaft Köln e.V. und Mitherausgeber dieser Festschrift.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. Joachim Reese, geb. 1951, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bonn bei Herrn Professor Albach. Nach Studienabschluss wechselte er 1976 an die Fernuniversität Hagen. Dort promovierte er 1980 mit einer Arbeit zur Standort- und Belegungsplanung von Betriebsmitteln in Unternehmen. Für seine Habilitationsschrift zur Theorie der Organisationsbewertung wurde er 1989 auf Vorschlag von Herrn Professor Albach mit dem Erich Gutenberg-Preis ausgezeichnet. Joachim Reese übernahm Professuren an der Fernuniversität Hagen (1987–1988) und der Universität Bonn (1988–1992), bevor er an die Universität Lüneburg wechselte, wo er bis heute lehrt. Als Gutachter internationaler Studiengänge in Osteuropa und wissenschaftlicher Leiter eines deutschsprachigen Studiengangs an der Marmara Universität Istanbul war er von 1995–2010 für den Deutschen Akademischen Austausch Dienst tätig. Von 2001–2004 war er als Vizepräsident für die Entwicklung der Lehre in Lüneburg zuständig. Von 2005–2010 war er Vorsitzender der Erich Gutenberg Arbeitsgemeinschaft in Köln.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Prof. Dr. Hermann Sabel, geb. 1937, studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln und war Assistent bei Prof. Gutenberg. Er promovierte 1964 mit dem Thema »Die Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsrechnungen« in Köln und habilitierte sich in Regensburg 1968 mit dem Thema »Produktpolitik in absatzwirtschaftlicher Sicht«. Er hat eine ganze Reihe von Veröffentlichungen. Mit Herrn Kollegen Albach verbinden ihn neben vielem anderen insbesondere die Mitherausgeberschaft der Zeitschrift für Betriebswirtschaft, heute Journal of Business Economics, und die Zusammenarbeit im Universitätsseminar der Wirtschaft in Schloss Gracht.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. rer.pol. Dr. h.c. Dieter Sadowski, geb. 1946, studierte Wirtschaftswissenschaften, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Bochum, München, Dublin und Bonn, wo er 1976 mit einer Arbeit zur Pensionierungspolitik in Unternehmen promoviert wurde und sich 1979 für »Betriebswirtschaftlehre und Bildungsökonomie« mit einer Schrift über die berufliche Erstausbildung habilitierte. Von 1980–2011 war er Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Trier und von 1988–2011 Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Gemeinschaft. Er ist Ehrenprofessor der Ocean University Qingdao, VR China, und Ehrendoktor der Universität Lubumbashi, Kongo. Längere Gastaufenthalte haben ihn an die Universitäten Stanford und Florida, USA; Armidale, Australien; Wien; LEST Aix-en-Provence; das Wissenschaftskolleg Berlin, das Europäische Hochschulinstitut Florenz, das WZB und das CSO Paris geführt. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Ökonomische Theorie des Arbeitsrechts und die international vergleichende Personalökonomie und Arbeitspolitik. Prof. Albach hat seine Diplomarbeit, Dissertation und Habilitationsschrift betreut und war sein Vertrauensdozent in der Studienstiftung des Deutschen Volkes.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer, geb. 1941, ist emeritierter Ordinarius an der Universität des Saarlandes. Dort hatte er über 30 Jahre das von ihm gegründete Institut für Wirtschaftsinformatik geleitet. Seine Bücher sind Standardwerke der Wirtschaftsinformatik und in zehn Sprachen übersetzt. Die von ihm entwickelte Managementmethode ARIS zur Optimierung von Geschäftsprozessen wird in nahezu allen DAX-, vielen mittelständischen Unternehmen und auch international eingesetzt. Er ist Gründer erfolgreicher Software- und Beratungsunternehmen, die er aktiv begleitet. Zur Förderung der anwendungsorientierten Forschung hat er 2014 das »August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH« gegründet. Als Unternehmer und Protagonist von Zukunftsprojekten der Bundesregierung fördert er aktiv die Ausgestaltung der Digital Economy. Gemeinsam mit Bundesministerin Prof. Dr. Wanka ist er Vorsitzender der IT-Gipfel-Plattform »Digitalisierung in Bildung und Wissenschaft«. Mit Prof. Albach verbindet ihn die gemeinsame Gutenbergschule und die frühe Beschäftigung mit dessen Werken.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. phil. Dr. sc. oec. Rainer Schwarz, Dipl. Phys., geb. 1941 in Leipzig, studierte 1961 bis 1966 Molekularphysik und Wirtschaftskybernetik an der Universität Leningrad. Die Diplomarbeit galt der Elektro- und Fotolumineszenz des A3B5-Halbleiters GaP. Die Ausbildung stand unter der Führung von Professor Gross (Ioffe-Institut), der 1951 das Exziton empirisch nachwies und aus dessen Schule mehrere Nobelpreisträger hervorgingen. Danach war er Doktorand und Leiter der Gruppe Operations Research am Lehrstuhl für philosophische und methodologische Probleme der modernen Naturwissenschaften (Prof. Dr. Ley) an der Humboldt-Universität Berlin, wo er über methodologische Probleme der Allgemeinen Systemtheorie 1970 zum Dr. phil promoviert wurde. Anschließend arbeitete er bis 1989 am Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung in Berlin-Rahnsdorf auf den Gebieten Entscheidungstheorie und Decision Support Systems – Themen der Habilitationsschrift 1979 zum Dr. sc. oec., wozu er den ersten Personalcomputer der Welt, den HP 9830, programmieren konnte. Weitere Arbeiten galten dynamischen Nicht-Gleichgewichtsmodellen und der Innovationstheorie. Dort wurde er 1986 zum a.o Prof. berufen. Von 1989 bis Ende 1991 arbeitete er im Institut für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaften an der Akademie der Wissenschaften der DDR, wo er 1990 als Professor für Politische Ökonomie berufen wurde. 1991 bis 1994 war er im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt: »Marktprozess und Unternehmensentwicklung« (Direktor Prof. Dr. Dr .hc. mult. Horst Albach) wissenschaftlicher Mitarbeiter in einigen Projekten. Von 1994 bis 2007 hatte er den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere des Controlling, an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus inne, von 1999 bis 2002 die Nachfolge des Lehrstuhls von Prof. Dr. Kortan an der Business School Lodz (Polen). Gastvorlesungen führten ihn wiederholt an die Universitäten Paris-Dauphine, Bergen, Sunderland und Alcala de Henares. Mit dem Jubilar verbindet ihn seit 1991 eine fruchtbare Zusammenarbeit und daraus erwachsene Freundschaft.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Prof. Dr. Ulrike Settnik, geb. 1964, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld. Nach ihrem Abschluss zur Diplom-Kauffrau war sie dort wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation bei Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schüler und wurde 1994 zum Dr. rer. pol. promoviert. Von 1995 bis 2002 arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation bei Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schüler an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, wo sie sich 2006 habilitierte und ihr darauf hin die Venia Legendi für das Fach Betriebswirtschaftslehre verliehen wurde. Zwischen 2003 und 2008 war sie als wissenschaftliche Referentin bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn beschäftigt. Seit 2008 Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen, an der Fachhochschule Bielefeld; seit 2012 zugleich Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule. Ihr langjähriger Mentor Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schüler († 1998) war seinerseits Schüler von Prof. Albach, so dass sie frühzeitig mit seinem und dem Gedankengut von Erich Gutenberg vertraut wurde. Eine persönliche Verbindung besteht darüber hinaus durch ihre Tätigkeit als Schriftführerin in der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft Köln e. V., die sie seit 2011 ununterbrochen ausübt und für deren Ausgestaltung sie von Prof. Albach stets wertvolle Impulse erhält.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. Kai-Ingo Voigt, geb. 1960, studierte nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann und Betriebswirt (BA) bei der Drägerwerk AG in Lübeck Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. Nach seinem Abschluss als Diplom-Kaufmann begann er 1986 an der Universität Hamburg seine akademische Karriere als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Herbert Jacob, ebenfalls Schüler Erich Gutenbergs und Kollege von Professor Albach. 1991 wurde Kai-Ingo Voigt zum Dr. rer. pol. promoviert. Anschließend war er wissenschaftlicher Assistent am Institut für Industriebetriebslehre und Organisation der Universität Hamburg, wo er sich 1997 erfolgreich habilitierte. 1998 nahm Kai-Ingo Voigt den Ruf an den Lehrstuhl für Industriebetriebslehre (heute: Industrielles Management) an der Universität Erlangen-Nürnberg an, den er bis heute innehat. Auf Initiative von Horst Albach übernahm Kai-Ingo Voigt 2014 den Vorsitz der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft Köln e.V. Darüber hinaus verbinden ihn mit Horst Albach zahlreiche fruchtbare Begegnungen und Gespräche und eine freundschaftliche Beziehung, der er manchen guten Ratschlag und viele erhellende Einsichten verdankt.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Dr. Theodor Weimer, geb. 1959, studierte Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre und Geographie an der Universität Tübingen und der Hochschule St. Gallen/Schweiz. Nach seinem Abschluss an der Universität Tübingen 1984 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sonderforschungsbereichs »Informationsökonomie« am Institut für Betriebswirtschaftslehre von Prof. Dr. Horst Albach an der Universität Bonn. Theodor Weimer promovierte 1987 zum Dr .rer. pol. bei Professor Albach zum Thema »Das Substitutionsgesetz der Organisation: Eine mathematische Fundierung«. Von 1988 bis 1995 war er für McKinsey & Company, ab 1995 bis 2001 für Bain & Company als Seniorpartner und Mitglied des Global Management Committees tätig. Ab dem Jahr 2001 arbeitete Theodor Weimer als Managing Director bei Goldman Sachs; seit 2004 als Partner in der Investment Banking Division. Im Jahr 2007 wechselte Theodor Weimer zur Unicredit, wo er zunächst das Investment Banking leitete. Seit Januar 2009 ist er Sprecher des Vorstands der HypoVereinsbank – UniCredit Bank AG. Theodor Weimer ist zudem Mitglied des Executive Committees der Unicredit, Mailand. Horst Albach hat Theodor Weimer wissenschaftlich fundiert und in der Persönlichkeit stark geprägt. Noch heute »zehrt« er von Weltanschauungen, vom Herangehen an Themen, vom Gelernten und Abgeschauten von Professor Albach: eines Leonardo da Vinci der Ökonomie.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Dr. Axel Wieandt, geb. 1966, studierte nach dem Grundwehrdienst von 1986 bis 1990 Betriebswirtschaftslehre an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU), zunächst in Koblenz und später in Vallendar. Nach dem Studium an der WHU absolvierte er von 1991 bis 1992 als DAAD Stipendiat (Procter& Gamble Stipendium) einen Master Studiengang an der J.L. Kellogg Graduate School of Management, Northwestern University, Evanston, Illinois. Herr Professor Albach war sein Vertrauensdozent bei der Studienstiftung des Deutschen Volkes e.V. und Doktorvater an der WHU, wo Axel Wieandt 1993 zum Dr. rer. pol. promoviert wurde. Nach dem Studium begann Axel Wieandt seine berufliche Laufbahn als Unternehmensberater bei McKinsey & Company in Düsseldorf und Boston. Nach einer Zwischenstation im Investment Banking bei Morgan Stanley & Co. Ltd. in London wechselte er 1998 zur Deutschen Bank AG nach Frankfurt am Main, wo er bis 2008 tätig war, zuletzt als Global Head of Corporate Development / Corporate Investments. Im Herbst 2008 wurde er auf Bitten eines Konsortiums der deutschen Finanzwirtschaft zum Vorsitzenden des Vorstands der Hypo Real Estate Holding AG bestellt. Nach der Stabilisierung, Verstaatlichung und Restrukturierung wechselte er 2010 zurück zur Deutschen Bank AG und 2011 weiter als Managing Director zur Credit Suisse (Europe) Ltd. ins Investment Banking. Von 2012 bis 2015 war Axel Wieandt auf Bitte der Einlagensicherung der privaten Banken als Vorstandsvorsitzender der Valovis Bank AG in Essen für den geordneten Rückbau der Bank verantwortlich. Aktuell ist er als Lehrbeauftragter an der WHU in Vallendar, der Goethe Business School in Frankfurt am Main und der J.L. Kellogg Graduate School of Management in Evanston, Illinois tätig. Axel Wieandt ist Mitglied in einer Reihe von Beiräten, unter anderem bei dem Konsumentenkredit Marktplatz auxmoney GmbH in Düsseldorf. Außerdem ist er Mitglied des Kuratoriums der »Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer«.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Prof. Dr. Peter Witt, geb. 1966, studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn. Nach seinem Abschluss war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationales Management an der WHU. Dort wurde er 1992 zum Thema »Planung betrieblicher Transformationsprozesse« promoviert. Anschließend war Herr Witt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmenstheorie und –politik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort habilitierte er sich im Jahre 2002 mit einer Arbeit zum Thema »Wettbewerb von Corporate Governance-Systemen«. Herr Witt war Lehrstuhlinhaber an der WHU (von 1992 bis 1996) und an der TU Dortmund (von 2006 bis 2010). Seit 2010 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Innovations- und Technologiemanagement an der Bergischen Universität in Wuppertal. Herr Witt ist der jüngste der neun habilitierten Albach-Schüler. Er war elf Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter von Horst Albach, hatte aber auch schon vorher (von 1988 bis 1992) als Tutor und studentische Hilfskraft für ihn gearbeitet.