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German Pages 112 [118] Year 1924
Wirtschaftsnot und Selbsthilfe der deutschen Studentenschaft von
Dr. Hans Gehrig ord. P r o f e s s o r der N a t i o n a l ö k o n o m i e in D r e s d e n
Berlin und Leipzig
Walter de Gruyter & Co. vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung G e o r g R e i m e r — Karl J . T r ü b n e r — Veit & C o m p .
1924
Druck von Waltsr de Gruyter & Co., Berlin W. 10.
Gründern und Mitarbeitern der
„ Dresdner
Hochschulwirtschaftsgenossenschaft* und der
„ Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft" ist diese Schrift gewidmet. Ihre Arbeit für die deutschen Hochschulen in dem Geiste des Arbeiterdichters: „Ein freier Deutscher kennt kein kaltes Müssen. Deutschland soll leben . . m ö g e allezeit Nachfolgeschaft finden! Dem zugleich diene diese von der Erfahrung, also auch von ihrem Wirken und Planen mitbeeinflußte Darstellung, die auch Kunde geben soll von ihrem Mühen, die wissenschaftliche Erziehung eines akademischen Nachwuchses uns möglich zu halten.
Inhaltsverzeichnis. Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen.
Seite
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Die stadentische soziale Frage ein Teil des Mittelstandaproblems Erhebungen über stadentische Einkommen and Lebenshaitang Einzelschicksale und Gesundheitszustand Wirtschaftselend und Hochschulreform
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Fürsorge, soziale Ethik und Sozialpolitik.
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Quäker, Europahilfe, ausländische Spenden Inlandsfürsorge und Sozialpolitik Akademische Selbstverwaltung und soziales Wirken Der Erlanger Studententag Die Tübinger Wirtschaftshilfe als Beispiel
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System der Maßnahmen. Einzel Unterstützung und Gruppenhilfe 53 Rechtsfähige Wirtschaftskörper, ihre Betätigung im einzelnen .. 67 Werkstudententum 72 Die Darlehnskasse der Deutschen Studentenschaft 97 Wirtschaftsarbeit und Kulturpflege 102
Akademischer Nachwuchs und Mittelstand.
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der Tiefstand unseres Elendes und der höchste Grad der deutschen Not keineswegs erreicht sind. Akademischer Nachwuchs und Mittelstand. Mehr noch als andere gesellschaftliche Gruppen ist bekanntlich der M i t t e l s t a n d durch die Kriegs- und Nachkriegszeit in Bedrängnis, zum Teil in drückende Not geraten. Und gerade aus ihm, insbesondere aus seinen festbesoldeten Angehörigen und den von kleinen Rentenbezügen ein bescheidenes, aber nm Kulturwerte sich mühendes Dasein führenden Kreisen stammten verhältnismäßig die meisten derer, die das Streben nach einer akademischen Berufsvorbereitung oder das Bemühen um Wissenschaft und wissenschaftlich fundierte Weltanschauung auf unsere Hochschulen führte. In einer vielseitig aus allen Schichten und allen Stämmen Deutschlands zusammengesetzten Studentenschaft wie der Münchener konnten 1922 von insgesamt 15000 Studenten rund drei Fünftel als aus dem Mittelstand kommend gelten x). Für einen etwas zurückliegenden, aber umfassenderen Zeitraum wies R i e n h a r d t in seiner Untersuchung über das Universitätsstudium der Württemberger 2 ) nach, daß in dem von ihm verfolgten Abschnitt 1871—1911 etwa 14% der württembergischen Studierenden den (aus dem Wirtschaftsleben) höhere Einkommen beziehenden Kreisen entstammen, dagegen bis zu l ) Hiervon kamen nach einer Veröffentlichung des Vereins „Studentenhaus e. V. München" a) aus den wirtschaftlich schwächsten Volkskreisen: an der Universität 25,2% an der Technischen Hochschule 29,0% an der Akademie der bildenden Künste 39,6% also durchschnittlich 30,2% b) aus höheren Beamten- und freien akademischen Berufen: an der Universität 28,4% an der Technischen Hochschule 20,3% an der Akademie der bildenden Künste 16,9% also durchschnittlich 29,4% aus a) und b) a!so 59,6% Weniger als das monatliche Existenzminimum (im Mai 1922 1000 M.) hatten damals mehr als 7500 Studierende. •) Die im folgenden mehrfach genannte Schrift von E u g e n Minzenmay, ..Der Werkstudent, ein Berufsproblem", Stuttgart 1922, hebt unter Benutzung der Rienhardtschen Berechnungen hervor: „Württemberg zeigt besonders klassisch den seit der Reichsgründung s t e i g e n d e n Z u s t r o m aus den nicht akademisch gebildeten Kreisen in die akademischen Berufe, während der Anteil der akademisch Gebildeten zurücktritt. Der sogenannte u n t e r e M i t t e l s t a n d ist der Träger des akademischen Nachwuchses." Die Bedeutung des Mittelstandes bestätigt auch die bekannte Conradsche Statistik für ganz Deutschland für eine frühere Zeit und meine obige Darstellung für die neueste.
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I- Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen
annähernd 57 % mittleren und unteren Beamten-, Lehrer-, Handwerker-, Bauern- und Arbeiterfamilien. Nach den für 1914 bis 1915 gültigen Feststellungen in der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamtes (25. Jahrgang 1919) gehörten über die Hälfte der Väter der Studierenden der bayerischen Universitäten, Lyzeen und der Technischen Hochschule minderbemittelten Bevölkerungsschichten, etwa ein Viertel denen mit größerem Besitz und Einkommen an. Und wenn bei dem Ergebnis, daß 6% der Studentenschaft Arbeiter- (oder ihnen gleich zu achtenden) Familien entstammten, berücksichtigt wird, daß für die bisherige zu geringe Inanspruchnahme der Lehr- und Kultureinrichtungen unserer Hochschulen seitens der Arbeiterschaft auch andere als Einkommensverhältnisse verantwortlich sind, zeigt sich nicht nur, daß diese demokratische Einrichtungen sind, die auch bisher allen Volksschichten zugänglich waren, sondern es ergibt sich wiederum: „Gegenüber der Masse der aus den sogenannten mittleren und unteren Gesellschaftskreisen stammenden" Studenten bilden die Studierenden, welche aus Kreisen stammen, die über ein höheres Einkommen oder Vermögen verfügen, eine „ständig abnehmende Minderheit". Für 1921 hebt dies Professor A l o y s F i s c h e r 1 ) hervor; so waren beispielsweise von den Eltern der offenkundig notleidenden Münchener Universitätsstudenten 12% Beamte, 20% pensionierte Beamte, 12% Beamtenwitwen, 10% Angehörige freier Berufe, 10% Kleinrentner, 18% Handarbeiter; die Eltern der notleidenden Technischen Hochschüler entstammten zu rund drei Vierteln den angeführten Gruppen. Erhebungen über Einkommen und Lebenshaltung. Alle diese Erhebungen zeigen das gleiche: die überragende Bedeutung des M i t t e l s t a n d e s für den N a c h w u c h s der Studierenden der d e u t s c h e n Hochschulen. So auch die Enquete, die im Zwischensemester 1920 durch den allgemeinen Studentenausschuß in Leipzig vorgenommen und die von Dr. W. Schöne bearbeitet wurde 2 ). -» Die Zahl der Studierenden im Zwischensemester betrug 2493, von denen 839 den Fragebogen ausfüllten; von diesen wurden als wirtschaftlich nicht selbständig die im Elternhause Lebenden ausgeschieden, so daß noch 607 verblieben. Bei einem Durchschnittswechsel von 300 M. hatten 68,3% ein Einkommen bis zu 600 M., aber 24% ein monatliches Höchsteinkommen von 200 M. Nur 35 aus dieser Zahl verfügten über Freitischo oder unentgeltliche Wohnung. Aus Familien akademisch gebildeter Beamter stammten 15%%, von anderen Beamten und von Lehrern 18 v. H.; werden dazu die Söhne von ') „Die wirtschaftliche Lage der Studentenschaft Münchens und die Bedeutung der Studentenfürsorge." München, Verlag Studentenhaus e. V. s ) Verlag Lorentz, Leipzig. Schöne hat auch die Leipziger Studentenwohnungen dargestellt. (V> E. Roinicko. Leipzig)
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I- Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen
annähernd 57 % mittleren und unteren Beamten-, Lehrer-, Handwerker-, Bauern- und Arbeiterfamilien. Nach den für 1914 bis 1915 gültigen Feststellungen in der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamtes (25. Jahrgang 1919) gehörten über die Hälfte der Väter der Studierenden der bayerischen Universitäten, Lyzeen und der Technischen Hochschule minderbemittelten Bevölkerungsschichten, etwa ein Viertel denen mit größerem Besitz und Einkommen an. Und wenn bei dem Ergebnis, daß 6% der Studentenschaft Arbeiter- (oder ihnen gleich zu achtenden) Familien entstammten, berücksichtigt wird, daß für die bisherige zu geringe Inanspruchnahme der Lehr- und Kultureinrichtungen unserer Hochschulen seitens der Arbeiterschaft auch andere als Einkommensverhältnisse verantwortlich sind, zeigt sich nicht nur, daß diese demokratische Einrichtungen sind, die auch bisher allen Volksschichten zugänglich waren, sondern es ergibt sich wiederum: „Gegenüber der Masse der aus den sogenannten mittleren und unteren Gesellschaftskreisen stammenden" Studenten bilden die Studierenden, welche aus Kreisen stammen, die über ein höheres Einkommen oder Vermögen verfügen, eine „ständig abnehmende Minderheit". Für 1921 hebt dies Professor A l o y s F i s c h e r 1 ) hervor; so waren beispielsweise von den Eltern der offenkundig notleidenden Münchener Universitätsstudenten 12% Beamte, 20% pensionierte Beamte, 12% Beamtenwitwen, 10% Angehörige freier Berufe, 10% Kleinrentner, 18% Handarbeiter; die Eltern der notleidenden Technischen Hochschüler entstammten zu rund drei Vierteln den angeführten Gruppen. Erhebungen über Einkommen und Lebenshaltung. Alle diese Erhebungen zeigen das gleiche: die überragende Bedeutung des M i t t e l s t a n d e s für den N a c h w u c h s der Studierenden der d e u t s c h e n Hochschulen. So auch die Enquete, die im Zwischensemester 1920 durch den allgemeinen Studentenausschuß in Leipzig vorgenommen und die von Dr. W. Schöne bearbeitet wurde 2 ). -» Die Zahl der Studierenden im Zwischensemester betrug 2493, von denen 839 den Fragebogen ausfüllten; von diesen wurden als wirtschaftlich nicht selbständig die im Elternhause Lebenden ausgeschieden, so daß noch 607 verblieben. Bei einem Durchschnittswechsel von 300 M. hatten 68,3% ein Einkommen bis zu 600 M., aber 24% ein monatliches Höchsteinkommen von 200 M. Nur 35 aus dieser Zahl verfügten über Freitischo oder unentgeltliche Wohnung. Aus Familien akademisch gebildeter Beamter stammten 15%%, von anderen Beamten und von Lehrern 18 v. H.; werden dazu die Söhne von ') „Die wirtschaftliche Lage der Studentenschaft Münchens und die Bedeutung der Studentenfürsorge." München, Verlag Studentenhaus e. V. s ) Verlag Lorentz, Leipzig. Schöne hat auch die Leipziger Studentenwohnungen dargestellt. (V> E. Roinicko. Leipzig)
Erhebungen über Einkommen und Lebenshaltung.
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Rentnern, Künstlern usw. gerechnet, so stammte über die Hälfte aus Gesellschaftsschichten mit damals unzureichenden Einnahmen. Während der durchs schnittliche Wochenverdienst eines ungelernten Arbeiters vom gleichen Alter in Leipzig damals 191 M. überstieg, hatte die Mehrzahl der Studenten nur die Hälfte, viele nur ein Drittel hiervon. Die Mehrzahl der Leipziger Studierenden hatte vor dem Kriege einen Monatswechsel bis zu 150 M.; im Zwischensemester betrug das häufigste Einkommen etwa das Doppelte, während die Kosten der Lebenshaltung auf das Zehn- bis Elffache gestiegen waren.
Ähnliche Mißverhältnisse ergibt, um der Universität die Technische Hochschule folgen zu lassen, die Erhebung, die im Mai 1920 „über die wirtschaftliche Lage der Studentenschaft der Technischen Hochschule D r e s d e n " diese selbständig durchführte und mit einer Darstellung von H e i n z K r ü g e r veröffentlichte. Wenn auch die zwei späteren Wiederholungen dieser statistischen Aufnahme eine stärkere Beteiligung aufwiesen, sei aus der ersten mitgeteilt: Von den Vätern der 1409 deutschen männlichen, bei der Enquete erfaßten Vollstudenten waren Selbständige im Wirtschaftsleben 524 (darunter 67 Handwerker), höhere Beamte und Offiziere 109, akademisch gebildete Juristen, Lehrer, Pastoren und in ähnlicher Stellung einschließlich der freien Berufe 233, Angestellte und mittlere Beamte 477, Arbeiter und Gleichgestellte 28. Obwohl im allgemeinen der Nachwuchs auf den Technischen Hochschulen sich auch aus im Erwerbsleben sich unmittelbar betätigenden und teilweise dort hohe Einkommen erzielenden Berufen rekrutiert, zeigt sich doch auch hier, daß die Mehrzahl der Studierenden Kreisen entstammte, die als „Mittelstand" zusammengefaßt werden können und deren Einkommen sich am wenigsten und meistens ganz u n z u r e i c h e n d der G e l d e n t w e r t u n g a n g e p a ß t hat. Dabei wurde t y p i s c h für uns die starke Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Beamten, aus deren Kreisen, besonders in Deutschland, viele Studierende stammen; sie setzen alles daran, um ihren Kindern, auch unter Entbehrungen, eine akademische Ausbildung zu ermöglichen. Ihre Einkommensverhältnisse haben sich im Vergleich zu den Lohnempfängern und absolut so ungünstig verschoben, daß die Erschwerung der Lebenshaltung oft deren Verkümmerung, ja Verelendung bedeutet, so daß sie z. B. nicht mehr Butter, sondern nur die als „Beamtenbutter" bezeichnete Margarine im Haushalt verwenden 1 ). 1 ) Über die treffliche Darstellung Krügers, erschienen Dresden 1921 im Selbstverlag der Studentenschaft, wird in S c h m o l l er s „Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft" berichtet. Sonstige Förderung studentischer sozialer Arbeit durch Professor H. Schumacher, der sich Inhaber des „vornehmsten" nationalökonomischen Lehrstuhles im Jahrbuch, 42. Jahrg., S. 770, nannte, sei es der Berliner — nach einer systematischen Zusammenfassung zwecks Erzielung eines höheren Wirkungsgrades verlangenden — oder der gesaintstudentischen Wirtschaftsarbeit ist nicht bekannt geworden. Auch hörte ich nichts davon in Besprechungen mit dem, den Selbsthilfegedanken begrüßenden und den Almosencharakter vieler Berliner Hilfsarbeit gleich mir
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I- Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen.
Auch mit den erhöhten Nominaleinkommen der letzten Monate können Beamtenfamilien, die wenigstens ein Kind auf die Hochschule zu senden pflegten und damit zur Wahrung der Kontinuität der geistigen Arbeit in Deutschland beitrugen und für eine Tradition der Geistiges schätzenden Lebensanschauungen bei uns zu einem wesentlichen Teile sorgten, sich nur noch ein Viertel, bestenfalls (bei den mittleren Beamten) ein Drittel der früheren Lebenshaltung leisten. Erst seit den Gehaltszahlungen von 1923 ist das etwas besser geworden; aber für Lebensnotwendigkeiten geht immer mehr vom Gesamteinkommen drauf, so daß für Kulturausgaben und damit auch für Erziehungskosten auch jetzt noch zu wenig bleibt. So können diese Schichten — und noch weniger die Rentner — eine wichtige, bisher von ihnen erfüllte gesellschaftliche Funktion kaum noch erfüllen, nämlich die, für die akademische Bildung der jüngeren Generation und damit für eine geistige Fortbildung des deutschen Gesamtlebens, auch für eine Durchgeistigung des öffentlichen Lebens zu sorgen. Sie tun es gleichwohl zum Teil noch, aber unter zunehmenden Einschränkungen. Da ist es unausbleiblich, daß der Monatswechsel der Studierenden nicht den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt sein kann, daß er vielfach nicht für die Lebensnotwendigkeiten während mehrerer, mindestens dreier, Studienjahre ausreicht. V i e l e S t u d e n t e n , zu manchen Zeiten die Mehrzahl der Studierenden, leben vielmehr u n t e r dem Existenzminimum. als unzulänglich bezeichnenden E r n s t T r o e l t s c h oder mit anderen tätigen Freunden der Studentenschaft, mochten das Kollegen, Wirtschaftsführer oder Ministerialbeamte wie Geheimrat Irrner, der Leiter des,,Deutschen Studentendienstes von 1914", oder der frühere Reichskanzler Exzellenz M i c h a e l i s sein. Die Lebenserinnerungen „Für Staat und Volk" des letztgenannten werden auch dem Idealismus der Studentenschaft gerecht. — Von vornherein fand die Arbeit der jüngeren Kommilitonen eine Unterstützung durch den Beitritt der Dresdener und Hannoverschen Dozenten zur „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft", der außerdem Von vornherein Tübinger Kollegen beitraten. Die Zurückhaltung der meisten anderen hatte zur Folge, daß das wichtige, weiter unten geschilderte Selbsthilfewerk derDarlehnskasse ohne den „Verband der Deutschen Hochschulen" zunächst durchgeführt werden zu sollen schien, obwohl dieser seine Sympathie den Arbeiten der Wirtschaftshilfe ausgesprochen und ihre Förderung empfohlen hatte; denn im zweiten Entwurf war von der Mitgliedschaft des Hochschulverbandes abgesehen. Nachdem ich dessen Beteiligung bzw. Aufnahme als Mitglied erreicht hatte, machte der Vorsitzende des Hochschulverbandes Pfingsten 1922 unmittelbar vor der Gründung der „Darlehnskasse" (siehe Kapitel III) den Versuch, die auch von der Industrie in Aussicht genommenen Mittel in anderer Weise für studentische Hilfsarbeit verwenden zu lassen. Außer Wirtschaftsführern, insbesondere Geheimrat D u i s burg, hielten demgegenüber der damalige und der jetzige Vorsitzende der „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft", Professor v. B l u m e Tübingen und Professor R i c h a r d Schmidt-Leipzig, natürlich an dem Plane der Wirtschaftshilfe fest, wie er auch aus der zwischen Herrn Geheimrat D u l s b e r g und mir in Leverkusen am 13. Mai 1922 vereinbarten Schlußfassung der Statuten sich ergab.
Erhebungen über Einkommen und Lebenshaltung.
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Das ergeben verschiedene Erhebungen, von denen aber nur die als wertvoll hier aufgeführt werden, die infolge ihrer Wiederholungen Vergleichsmöglichkeiten gestatten. Das sind in erster Linie die von den S t u d e n t e n s c h a f t e n in D r e s d e n , T ü b i n g e n und München durchgeführten. Auf diesen Hochschulen betätigte nach dem Kieg die idealistische Aktivität der Kommilitonen sich zuerst in Selbsthilfeeinrichtungen, wobei die „deutsche Art" dieser Studentenschaften sich auch in der Methode zeigte: Wirtschaftsarbeit auf objektiv festgestellten Tatsachen zu basieren (womit die erste Periode des Tastens ein Ende fand). Als Existenzminimum für einen Studierehden in D r e s d e n 1 ) wurden Mai 1920 monatlich 600—700 M. berechnet. Von 865 nicht zu Hause wohnenden Beziehern eines Monatszuschusses, von Eltern oder Verwandten, hatten 207 einen solchen „Wechsel" von weniger als 300 M. Einen Wechsel von weniger als 400 M. hatten 631, von weniger als 500 M. 699. Einen Wechsel von 600 M. hatten 80 und nur 86 einen solchen, der 600 M. überstieg. Nur 60 hatten ein Wechseleinkommen, das mit 700 M. und mehr über den Kosten des Existenzminimums lag. Von den Existenzminima (die damals mit 683,33 M. für Dresden, 639,42 M. für Berlin berechnet wurden) müssen die Beträge für Neuanschaffungen und Kolleggelder abgezogen werden. Wir kommen dann zu einem Betrag von etwa 450—500 M., den der Student im Monat haben muß — welchen Betrag lange nicht alle erreichten, denn die Statistik weist nur 166 männliche Studierende mit einem Monatswechsel von 600 M. und mehr nach, so daß Mittel zu Neuanschaffungen meistens vollkommen fehlten. Der Student hilft sich mit den Vorräten aus besserer Zeit hindurch und trägt seine Uniform auf. Beachtet man Naturalzuschüsse und Wohnungspreis und andere Umstände, die das Studium für manchen Studierenden noch etwas billiger gestalten, — so ist es vielleicht einigermaßen verständlich, wie es so viele Studenten fertig bringen, mit so außerordentlich minimalen Mitteln das Studium aufrecht zu erhalten. Gleichwohl wurden im Mai 1920 durchschnittlich nur 367 M. für Wohnung, Kost, Wäsche, Schuhausbesserung sowie l a u f e n d e n Studienbedarf ausgegeben, welche Summe auf 510 M. im Mai 1921 stieg (etwa um 38%), wenn der Student nicht bei seinen Eltern wohnte. Eine etwaige Erhöhung der Wechsel reichte lediglich dazu aus, mit dem Anziehen der Preise bestenfalls Schritt zu halten — keineswegs genügte sie für eine Verbesserung der Lebenshaltung —, die Eltern konnten in der Mehrzahl der Fälle nicht dementsprechend ihren Zuschuß erhöhen, denn die Beamten und andere festbesoldete Gesellschaftsschichten, denen mehr als die Hälfte der Dresdener Studierenden pntstammte, mußten die Erhöhung der Gehälter (um etwa 13%) zur Bestreitung der Lebenshaltung anderer Familienmitglieder hauptsächlich verwenden, zumal in manchen dieser Familien des Mittelstandes das Studium eines Sohnes mehr als ein Viertel der gesamten Monatseinnahme beansprucht. In T ü b i n g e n wurden die im Wintersemester 1920/21 ausgegebenen Fragebogen von 65% der Studentenschaft beantwortet; zu welchem Resultat die Mitarbeit der Korporationen und die von ihnen ausgeübte Disziplin auch hier beitrug. Wie überhaupt hervorzuheben ist, daß Verbindungen durch ihren Korporationsgeist nicht nur die Interessen des engeren Verbandes, sondern *) Vergleiche insbesondere den erwähnten Sonderdruck 1 der Studentenschaft der Technischen Hochschule Dresden 1921, Selbstverlag der Studentenschaft. Leider hat Geldmangel den Druck der späteren Erhebungen verhindert. Einiges daraus ist mitgeteilt in der von mir redigierten zweiten W i r t s c h a f t s S o n d e r n u m m e r des Nachrichtenblattes der Deutschen Studentenschaft, 3. Jahr, vom 19. Dezember 1921.
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I. Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen.
auch der Gesaintstudentenschaft wirkungsvoll fördern können und an den meisten Hochschulen auch beides gefördert haben. Es ergaben sich als Durchschnittswechsel für: Theologen 305, Mediziner 450, Zahnärzte 460, Philologen 360, Naturwissenschaftler 400, Chemiker 480, Staatswissenschaftler 410, Juristen 495 M. Der G e s a m t d u r c h s c h n i t t s w e c h s e l betrug 420 M., eine Summe, von der damals in Tübingen bei bescheidenen Ansprüchen ein auskömmliches Dasein möglich war. 6% der erfaßten Studenten l ) verfügten über Mittel von weniger als 200 M. monatlich, also weit unter dem Existenzminimum. In dem gleichen Winterhalbjahr 1920/21 wurde mittels eines mehr detaillierten (in der genannten Fischerschen Schrift abgedruckten) Fragebogens festgestellt, daß von 5214 Studierenden in München, die ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offen bekannt haben, sich beinahe ein Fünftel in „hoffnungsloser Lage" befanden. Dabei war auch hier typisch die Neigung, mit der Not so lang als möglich hinter dem Berg zu halten, welcher Stolz bei den Kriegsteilnehmern, die 4/5 der Gefährdeten ausmachten, besonders ausgeprägt war. Der rechnerisch ermittelte Durchschnittswechsel wird für damals auf 600 M. angegeben; unter diesem damaligen „Normalwechsel" blieben an der Universität 61%, an der Technischen Hochschule 72,1, an der Handelshochschule29%. — Nur an letzterer verfügte mehr als die Hälfte der Studierenden über den Normalwechsel. — Zur Ermittlung der Gefährdeten ging man von der Erwägung aus, daß bei einem Monatsbedarf von 500—600 M. (der in der lesenswerten Studie näher begründet ist) ein Student, der nur bis zu 300 M. monatliches Einkommen hat, als gefährdet bezeichnet werden muß. Das waren an der Universität 290, an der Technischen Hochschule 367. Für das Wintersemester 1921/22 liegen Tabellen vor: darnach hatten einen MonatsVon 4060 männl. Studierenden Von 420 Univerwechsel bis: an Universität Techn. Hochschule sitätsstudentinnen 400 M. 14,2 v. H. 16,6 7,9 400-800 „ 53,8 57,8 68,4 Nach der Münchener studentischen Wirtschaftsstatistik vom Sommersemester 1922 hatten von 11800 Studierenden der Universität, der Technischen Hochschule, der Handelshochschule und der Akademie der bildenden Künste, welche den Fragebogen ausgefüllt hatten, 51% ein Monatseinkommen unter dem Existenzminimum s ). x ) Sie waren also unbedingt auf Nebenerwerb oder Inanspruchnahme von Kredit angewiesen. Außer dem laufenden Monatswechsel gaben für Kolleggelder, Studienmittel usw. im Semester durchschnittlich aus: Theologen 340, Mediziner 450, Zahnärzte 580, Philologen 350, Naturwissenschaftler 390, Chemiker 550, Staatswissenschaftler 360, Juristen 400 M. Genaueres teilt der erste Arbeitsbericht der „Tübinger Studentenhilfe" mit über Kommilitonen, die Einzelunterstützung durch die Studentenhilfe in Anspruch nahmen. Insgesamt waren dies 500 Studierende, also etwa der sechste Teil der Studentenschaft. Von ihnen gehörte ein Drittel der theologischen, etwa ein Fünftel der philosophischen Fakultät an. Mehr als ein Drittel derselben hatte einen monatlichen Verbrauch unter 250 M. 2 ) Das für den Stichtag im Mai auf 1000 M. angegebene Existenzminimum berechnete man für Dezember 1922 auf 12 000 M., für Ende Juni 1923 auf 285000 M. Vergleiche „die Aufgaben der Münchener Studentenfürsorge im Winter 1922/23". Der Bericht begründet die Bitte um Unterstützung mit dem Hinweis: Nur wenn in allen Kreisen des Volkes die Einsicht wächst, daß es geboten ist, den aus den ärmeren Volksschichten stammenden, begabten Studierenden auch weiter das Hochschulstudium zu ermöglichen, kann verhindert werden, daß das Studium und die Anwartschaft auf die höheren Berufe ein Privileg des neuen Reichtums wird, was für die Zukunft des Staates, der Wirtschaft und der Kultur von verhängnisvollster Wirkung sein müßte. Illustrativ ist die folgende Gegenüberstellung der Kosten für München:
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Erhebungen über Einkommen und Lebenshaltung.
Eine Berechnung der „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft" gibt für April 1922 als durchschnittlich den Studenten zur Verfügung stehende Mittel für einen Monat 1130 M. ( = 3,9 Dollar oder 17 sh 7 d) an, die November 1922 sich auf 7000 M. erhöht hatten (aber damals nur 0,97 Dollar oder 4 sh 5 d gleichzusetzen waren!). Trotz Vermehrung der Mark-Unterhaltsmittel war die Kaufkraft des Monatswechsels immer mehr gesunken und sank ständig weiter — immer mehr unter die Summe, die nach Berechnungen des Statistischen Reichsamtes als Existenzminimum galt; das, was nach Aufstellungen des Hamburger Statistischen Amtes ein Arbeiter an wöchentlichem Ernährungsbedarf haben mußte, stand nur einem k l e i n e n und monatlich kleiner werdenden Prozentsatz den deutschen Studenten zur Verfügung 1 ): Jedenfalls die Mindestmenge für die Woche: von 2760 g Brot, 119 g Fleisch, 275 g Fett usw., für den Arbeiter nach Kalorienwert als Minimum berechnet, hatte die Mehrzahl unserer männlichen und weiblichen Studierenden nicht.
Das verhinderte schon die immer schneller sich vollziehende Angleichung der Inlands- an die Weltmarktpreise und schließlich E s k o s t e t e in M a r k (auch hier sind ältere Zahlen ihres t y p i s c h e n Wertes wegen mitgeteilt): 1914 1. 7.1922 1.2.1923 M o n a t s m i e t e einer einfachen Studentenbude mit Licht 22,600,-i 1 5 0 , - \ 22000,M o r g e n k a f f e e , monatlich 3,2,250,- J Beheizung (2 Zentner Kohle und Holz) . 0,80 65,M i t t a g e s s e n (Suppe, Fleisch, Gemüse)... 1000,A b e n d e s s e n (Käse oder Wurst mit Brot) 0,40 60,600,0,28 36,300,1 Liter Bier 0,10 12,300,1 Bismarckhering 0,25 30,560,1 Hemd waschen und plätten 0,06 100,1 Kragen desgl 4,*) Einzelerhebungen ergaben ein ähnliches Resultat. So errechnete für Frankfurt die dortige Wirtschaftshilfe: L e b e n s h a l t u n g s k o s t e n je M o n a t , gemessen am Stand vom 1. 1. 1914: 118,14 M.; am 1. 11. 1922: 17450,52 M.; am 1.1. bis 15.1.1923: 23508,- M.; vom 16. 1. bis 31.1.1923: 34587,- M. Für März 1923 ergab sich Ausgabenminimum für: M i t t a g e s s e n (24 Tage ä 300 M.) in der mensa académica . . . 7200,— M. Zweimal wöchentlich Fleisch (achtmal 1000 M.), ebenfalls dort 8000,— Abendbrot (20 Tage ä 300 M.), ebenfalls dort 6000,Zweimal wöchentlich Fleisch (achtmal 1000 M.) 8000,Essen an vier Samstagabenden (Gasthaus) 2000,— Essen an vier Sonntagen (Gasthaus), mittags und abends 6000,— 4 Brote... 2880,2 Pfund Margarine 6400,— 1 Pfund Aufstrich 2000,2 Pfund Marmelade 1800,Licht 2000,Seife 800,Viermal Baden 800,Elektrische Bahnfahrten (ermäßigt) 9600,Wohnung (6000-15000 M.) 10000,Heizung (verbilligte Kohlen) 3000,— Morgengetränk und Bedienung 3000,— 79480,- M. Hiermit war auszukommen, nur wenn der Student alle Einrichtungen der Wirtschaftsgenossenschaft der Universität in Anspruch nimmt. Zur gleichen Zeit betrag, gemessen an den Tarifen für Angestellte, das Existenzminimum für einen kaufmännischen Angestellten in der untersten Klasse 209000 M. Vom
G e h r i g, Wirteohiftsnot.
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I. Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen.
deren Überschreitung. Die Verminderung der Kaufkraft besagt z. B. — um nur an einem Beispiel zu veranschaulichen —, daß von dem durchschnittlichen Monatswechsel im April 1922 noch beinahe 19, im November aber nicht mehr 4 % kg Margarine zu kaufen waren. Und die Studierenden mit so geringen Realeinkommen, die oft mehr aus eigenem Verdienst als aus elterlichem Zuschuß herrühren, sind, wie es in einem nicht nur für München typischen Bericht heißt, eben „die Söhne von aktiven und pensionierten Beamten, von Handarbeitern und Kleinrentnern, Kleinbauern, von Beamten-, Kaufmanns-, Handarbeiterswitwen und Söhne, deren Väter in sogenannten freien akademischen Berufen leben. Aber aus den Kreisen der minderbemittelten Bevölkerung rekrutierten sich oft gerade die Begabtesten — ohne eine früh zutage tretende Begabung hätten ja die Beamten, erst recht nicht die kleinen Angestellten (Postboten, Schaffner, Landlehrer, Arbeiter, Kleinbauern, Gewerbetreibenden) ohnehin weder Mut noch Möglichkeit gefunden, ihre Kinder den höheren Schulen und damit den Studien zuzuführen". Daß diese Studierenden außer wissenschaftlichen Neigungen oder Begabungen auch Charakter haben, zeigt die Tatsache, daß sie, da die elterlichen oder verwandtschaftlichen Zuschüsse nicht ausreichen oder ausbleiben, sich selbst die Mittel zum Durchhalten des Studiums in den Ferien oder in diesen und während des Semesters durch Erwerbsarbeit zu verschaffen suchten. So waren in den Sommerferien 1922 von den deutschen Studenten mehr als die Hälfte (siehe Kapitel III) in Bergwerken, Fabriken, in der Landwirtschaft, in Bureaus und anderen Stellen als „ W e r k s t u d e n t e n " tätig, um sich die Mittel für das Studium im kommenden Wintersemester zu erarbeiten oder die in vorhergehenden Monaten aufgenommenen Darlehen zurückzuzahlen. 1. November 1920 bis 1. Februar 1923 stiegen die Gehälter und Löhne um 118 %. Die Einnahmen des Studenten aber stiegen im gleichen Zeitraum um höchstens 3 0 - 4 0 % ; blieben also auch relativ weit hinter dem Steigen der Einnahmen anderer Schichten und der Lebenshaltungskosten zurück. Nach dem „Tag" vom 9. August 1921 waren im Wintersemester 1920/21 in Frankfurt die Kosten des Existenzminimums zu berechnen bei Anwendung sehr bescheidener Mafistäbe auf monatlich 755 Mark. Von 3000 Studenten hatten jedoch mehr als zwei Drittel einen Wechsel, der eine Bestreitung dieses Mindestbetrages der Lebenshaltung nicht gestattete. Lehrreich ist auch ein Vergleich der Entwicklung der Löhne, inabesondere der u n g e l e r n t e n Arbeiter in Deutschland und des durchschnittlichen studentischen Einkommens. Nach dem Mitarbeiter der Wirtschaftshilfe E. M a s s u t e verfügte (auf Grund der Statistiken der Wirtschaftshilfe der deutschen Studentenschaft) der Student durchschnittlich vor dem Krieg über mehr als 3 /i des Monatseinkommens des gleichaltrigen ungelernten Arbeiters, dagegen im September 1922 nicht mehr über V«Für Ende des Sommersemesters 1923 dürfte, das Verhältnis sich weiter au seinen Ungunsten gestaltet haben und er im allgemeinen höchstens V . der Unterhaltsmittel des ungelernten Arbeiters gehabt haben.
Erhebungen über Einkommen und Lebenshaltung.
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Bei Annahme einer damals mögliehen durchschnittlich sieben Wochen dauernden Beschäftigung und einem Durchschnitts Stundenlohn von 50 Mark konnten die E r s p a r n i s s e a l l e r damaligen Werkstudenten auf eine halbe Milliarde Mark geschätzt werden, eine für den Sommer 1922 ansehnliche Ziffer, die bei Stabilität des Geldwertes vielen die Fortsetzung oder Vollendung des Studiums im kommenden Halbjahr gestattet haben würde. Aber bald wurde dieser Verdienst das Opfer einer beispiellosen Entwertung: Jene halbe Milliarde *), die im September beinähe noch 700000 Dollar wert war, galt im (Durchschnitt des) Oktober nur noch 314000, im November 1922 nur noch 139 000 Dollar; der Lebenshaltungsindex stieg vom ersten Monat des Wintersemesters bis zum zweiten (November) von 220,7 auf 446, um im letzten (März 1923) 2854 zu überschreiten! Auf weniger als ein Fünftel des Wertes zur Zeit der Erarbeitung war also bereits am Anfang des Studienhalbjahres, im Herbst 1922, die Werkstudentenersparnis zusammengeschmolzen". Während die Erfahrungen des Sommers zu der Hoffnung berechtigten, daß der Ferienverdienst zugleich für einige Monate des Semesters den Lebensunterhalt sichern würde, reichte er kaum für einen. Der Wechsel im Semester blieb weiter hinter den Anforderungen der Lebenshaltung zurück, deren Kosten sich vom Oktober bis März rund um das Zwölffache vermehrten. Eine an der Universität Halle durchgeführte statistische Erhebung ergibt für Monat Oktober einen Durchschnittswechsel von 5700 M., etwa das 70 fache des Friedenseinkommens, während damals die Inlandskaufkraft der Mark nicht mehr 1 / 2 Pfennig betrug. (Teuerungszahlen sind nur mit Einschränkung für eine Würdigung der studentischen Lebenshaltung verwendbar, da sie meistens für eine fünfköpfige Familie aufgestellt sind, die als Familie niedrigere Wohn- und andere Kosten hat, da sie ferner die Ausgaben für Kleidung, Wäsche, Schuhzeug nicht voll in die Erscheinung treten lassen, die bei dem einzelwohnenden Studierenden verhältnismäßig erheblichere Mehraufwendungen erfordern. Dazu kommt, daß beim Studenten trotz zwangsmäßiger Niedrighaltung der Hochschulgebühren Bildungsaufwendungen ins Gewicht fallen.) Und 1923 ist gekennzeichnet durch weiteres Sinken der Kaufkraft des Geldes, die wiederum die Angehörigen des Mittelstandes besonders hart getroffen hat. Für Februar 1923 schätzte die „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft" den Durchschnittswechsel auf 45000 M. ') Die Annahme, die obiger Schätzung zugrunde liegt, stimmt überein mit den Ergebnissen einer Dresdener Werkstudentenstatistik vom Mai 1922, nach der 54=% des Durchschnittsverdienstes für die Semestermonate erspart werden konnten. •2*
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I. Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen.
Eine statistische Erhebung der Dresdener Studentenschaft üiit eifriger Beteiligung ergab für Mai 1923 (in dem die Reichßteuerungszahl 3816 betrug) einen durchschnittlichen Monatswechsel von 158 000 M. Während damals das Durchschnittseinkommen der Studenten sich um rund das 1500 fache gegenüber 1914 vermehrt hatte, d. h. in einer der Teuerung gegenüber ganz unzureichenden Weise, hatte sich der (hinter den WerHohnverdiensten zurückbleibende) Durchschnittszeitlohn der Metallarbeiter, Holzarbeiter, Textilarbeiter und der in der deutschen Chemie- und Papierindustrie Beschäftigten wie der Staatsarbeiter (in Ortsklasse A) im April 1923 gegenüber 1914 um das 3200 bis 4600 fache vermehrt. Und bereits vor der Markkatastrophe des Sommers 1923 galt: während am Ende des Wintersemesters in Dresden wie in den anderen Hochschulstädten sehr viele Studierende einen ganzen Monat von einem Betrag leben mußten, der einem oder zwei Dollar gleichkam, stellte Ende des Sommersemesters 1923 ein Dollar eine Summe dar, die alle Ausgabenzweier Studenten für Lebensnotwendigkeiten in vielen Fällen weit überstieg. Dabei war der (für den einzeln wohnenden Studenten nach dem Gesagten nicht das Maß der Verteuerung richtig wiedergebende) Lebenshaltungskostenindex ungeheuer gestiegen, hatte die Angleichung der Mandpreise an den Dollarstand sich ungleich schneller als früher vollzogen (während sie früher erst Monate später der Steigerung der Devisenkurse gefolgt war). Die oben zur Veranschaulichung des Dahinschmelzens des Wertes des Werkstudenten Verdienstes mitgeteilte Summe: eine halbe Milliarde Mark war am Schluß des Sommersemesters (nämlich Anfang August 1923) noch rund — 100 Dollar wert x ). Einzelschicksale und Gesundheitszustand. Der Student, der im allgemeinen im Frieden mehr an Einkommen zu verbrauchen hatte, als für den Unterhalt unbedingt nötig war, hat jetzt durchschnittlich eine Lebenshaltung aufzuweisen, die unter dem Existenzminimum liegt. Im Frieden !) Die Teuerungsziffern für die letzten Semesterwochen des Sommers 192B, die dann sehr schnell überholt wurden, betrugen: 23. Juli 39 330 6. August 149 531 30. Juli 71 470 13. August 436935, was allein schon die Zunahme der Werkstudentenarbeit erklärt, von der im Kapitel III gehandelt wird. Über die Hauptposten der studentischen Lebenshaltung unterrichtet für die einzelnen Semester der von dem Leiter des Wohnungsamtes der Deutschen Studentenschaft, Stadtrechtsrat Koenen-Münster i. W. herausgegebene „Hochschulführer". Bei der Korrektur dieser Schrift sei hinzugefügt, daß im November 1923 die Reichsindexziffer 1% Billionen überschritten hatte! Eine halbe Milliarde Mark war — n i c h t s , beim Dollarstand von 4,2 Billionen Mark!
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I. Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen.
Eine statistische Erhebung der Dresdener Studentenschaft üiit eifriger Beteiligung ergab für Mai 1923 (in dem die Reichßteuerungszahl 3816 betrug) einen durchschnittlichen Monatswechsel von 158 000 M. Während damals das Durchschnittseinkommen der Studenten sich um rund das 1500 fache gegenüber 1914 vermehrt hatte, d. h. in einer der Teuerung gegenüber ganz unzureichenden Weise, hatte sich der (hinter den WerHohnverdiensten zurückbleibende) Durchschnittszeitlohn der Metallarbeiter, Holzarbeiter, Textilarbeiter und der in der deutschen Chemie- und Papierindustrie Beschäftigten wie der Staatsarbeiter (in Ortsklasse A) im April 1923 gegenüber 1914 um das 3200 bis 4600 fache vermehrt. Und bereits vor der Markkatastrophe des Sommers 1923 galt: während am Ende des Wintersemesters in Dresden wie in den anderen Hochschulstädten sehr viele Studierende einen ganzen Monat von einem Betrag leben mußten, der einem oder zwei Dollar gleichkam, stellte Ende des Sommersemesters 1923 ein Dollar eine Summe dar, die alle Ausgabenzweier Studenten für Lebensnotwendigkeiten in vielen Fällen weit überstieg. Dabei war der (für den einzeln wohnenden Studenten nach dem Gesagten nicht das Maß der Verteuerung richtig wiedergebende) Lebenshaltungskostenindex ungeheuer gestiegen, hatte die Angleichung der Mandpreise an den Dollarstand sich ungleich schneller als früher vollzogen (während sie früher erst Monate später der Steigerung der Devisenkurse gefolgt war). Die oben zur Veranschaulichung des Dahinschmelzens des Wertes des Werkstudenten Verdienstes mitgeteilte Summe: eine halbe Milliarde Mark war am Schluß des Sommersemesters (nämlich Anfang August 1923) noch rund — 100 Dollar wert x ). Einzelschicksale und Gesundheitszustand. Der Student, der im allgemeinen im Frieden mehr an Einkommen zu verbrauchen hatte, als für den Unterhalt unbedingt nötig war, hat jetzt durchschnittlich eine Lebenshaltung aufzuweisen, die unter dem Existenzminimum liegt. Im Frieden !) Die Teuerungsziffern für die letzten Semesterwochen des Sommers 192B, die dann sehr schnell überholt wurden, betrugen: 23. Juli 39 330 6. August 149 531 30. Juli 71 470 13. August 436935, was allein schon die Zunahme der Werkstudentenarbeit erklärt, von der im Kapitel III gehandelt wird. Über die Hauptposten der studentischen Lebenshaltung unterrichtet für die einzelnen Semester der von dem Leiter des Wohnungsamtes der Deutschen Studentenschaft, Stadtrechtsrat Koenen-Münster i. W. herausgegebene „Hochschulführer". Bei der Korrektur dieser Schrift sei hinzugefügt, daß im November 1923 die Reichsindexziffer 1% Billionen überschritten hatte! Eine halbe Milliarde Mark war — n i c h t s , beim Dollarstand von 4,2 Billionen Mark!
Einzelschicksale and Gesundheitszustand.
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bildeten für die Lebenskosten der studentische Monatswechsel und die deutsche Goldmark die sichere, sich wenig verschiebende Grundlage; Lebenskosten und Einnahmen und Valutaentwicklung bildeten im Frieden eine Grundlinie; die Linien für die drei Maßstäbe entfernten sich aber immer mehr voneinander; der Abstand zwischen diesen drei Maßstäben wird ständig größer. Deshalb heißt Entwicklung der Lebenshaltung des deutschen Studenten in der Tat nichts anderes als ständig wachsende Not. Diese ist, wie eine den Tatsachen Kechnung tragende Zeitbeobachtung lehrt, heute außerordentlich groß und eilt auf dem Weg, auf den die Wirtschaft Deutschlands 1923 geschleudert wurde, einem Punkte zu, wo der Bestand der deutschen Studentenschaft und damit die Erhaltung eines akademischen Nachwuchses, d. h. die Möglichkeit einer Fortentwicklung wissenschaftlicher Arbeit und geistigen Kulturlebens bedroht sind. Das Verhältnis zwischen Teuerung und studentischen Einnahmen weist eine Spannung auf, bei der eine für die Zukunft des deutschen Gesamtlebens, seiner geistigen wie wirtschaftlichen Entwicklung verhängnisvolle Verödung der deutschen Hochschulen einsetzt, denn auch hier hängt die Gesamtentwicklung von dem Status und der Vitalität des N a c h w u c h s e s (als Grundlage für dessen Leistungsfähigkeit) ab. Es drohen für viele Tausende Überanstrengung und Krankheit, Unterernährung und andere physische und geistige Entbehrungen, die auch die stärkste Energie der jugendlichen Kämpfer besiegen können. Eine große Anzahl von Gesuchen, in denen sich Lebensschicksale spiegeln, zeigen eindringlichst die Nähe dieser Gefahr und ihre Größe. Dafür nur einige typische Beweise: Ein einer Beamtenfamilie entstammender Student der Rechtswissenschaften muß, wie er berichtet und wie so viele Söhne des Mittelstandes, sein Studium durch eigene Arbeit verdienen. — „Da die Mutter mit ihrer geringen Witwenrente noch für zwei jüngere Brüder zu sorgen hat, konnte ich, als ich die Reifeprüfimg ablegte, nicht daran denken, bei dem Besuche einer Universität irgend eine Unterstützung von zu Hause zu erhalten. Ich entschloß mich daher, da ich auf das Studium nicht verzichten mochte, mir die nötigen Geldmittel zu erarbeiten. Zu diesem Zweck arbeitete ich für die Dauer der Ferien vor meinem ersten Studiensemester als Schlepper auf der Kohlenzeche Concordia, Oberhausen, und verdiente in 2 Monaten soviel, daß ich die Unversität zu Köln besuchen konnte. Auf dieselbe Art habe ich mir sodann auch für das Wintersemester 1921/22 die notwendigen Mittel zur Fortsetzung des Studiums verschafft. . . . Durch die schwere körperliche Arbeit im Bergwerk und der schlechten Ernährung während des Wintersemesters gesundheitlich ernstlich angegriffen, war es mir nicht möglich, während der letzten Semesterferien der Erwerbsaxbeit im Bergwerk wieder nachzugehen; dafür gelang es mir, auf dem Bureau einer Weseler Baggereigeseilschaft für diese Zeit als Hilfskraft eingestellt zu werden. Der Verdienst in dieser Stelle war dagegen gegenüber dem in dem Bergwerk bedeutend niedriger, so sehe ich schon mit Sorge, daß meine Ersparnisse für dieses Semester nicht ganz reichen werden."... Auch ein Student der Chemie berichtet: „Das von meinem Vater, der im Jahre 1908 starb, hinterlassene Vermögen war während der Kriegsjahre durch den Lebensunterhalt meiner Mutter und Schwestern aufgebraucht worden, ich war gezwungen, das zum Studium erforderliche Geld selbst zu verdienen.
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I. Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen.
Deshalb arbeitete ich in der Reparatur-Schlosserei der Chemischen Fabrik.... Ostern begann ich mein Studium in Hannover. Während der Herbstferien und des Zwischensemesters war ich wieder auf der genannten Fabrik als Hilfsarbeiter tätig. In den Herbstferien arbeitete ich dort im Grubenbetrieb (zuletzt als Lehrhäuer), weil dort die höchsten Löhne in meiner Heimat gezahlt wurden. Diese unterirdische Arbeit wurde mir sehr erschwert durch die im Kriege erlittene Kopfverletzung. Von dem Ferienverdienst in den letzten Ferien mußte ich mein Studium bestreiten und gleichzeitig noch teilweise meine Mutter unterstützen I" Typisch ist auch der Brief eines Breslauer Studenten, vom November 1922, dem sein früheres Vermögen die Gewähr zu bieten schien, ein Studium von 3 Jahren durchhalten zu können. — „Die maßlose Geldentwertung machte meinen Einteilungsplan völlig zunichte. — Es bestand für mich die Gefahr, daß mein Vermögen in kürzester Zeit völlig aufgebraucht würde, wenn nicht außerordentliche Einnahmequellen in baldiger Zeit mir zur Verfügung ständen. Ich ergriff die mir gebotene Gelegenheit der Ferienarbeit. Von dem ersten ersparten Gelde setzte ich meine Kleidung instand. Von Tag zu Tag steigerten sich meine Geldausgabeh durch die immer fortschreitende Geldentwertung. Ich verdiente im Monat August pro Tag 260 M., im September 500 M. und im Monat Oktober 630 M. pro Tag. Das Leben in der dortigen Gegend stellte sich so teuer, daß ich trotz größter Sparsamkeit nur 6000 M. als Überschuß in das Semester mitbrachte. Mein jetziger Wechsel beträgt 2000 M. pro Monat, ein Betrag, mit dem ich nie gerechnet hatte. Wie lange wird es mir dalier möglich sein, mit dem ersparten Gelde auszukommen? Brauchte ich doch allein 2000 M. zur Bezahlung der Kolleggelder. Bis Weihnachten komme ich bei allergrößter Sparsamkeit aus, dann ist mein Studium in Frage gestellt."...
Die mit solchen Wahrheitsberichten angedeuteten Einschränkungen der Lebenshaltung, die für viele ein monatelanges Leben unter dem Existenzminimum bedeuten, führen trotz jugendlicher Elastizität vielfach zu schweren Schädigungen. Es ist kein Zufall, daß an einigen Hochschulen mit lebhaftester aktiver wirtschaftlicher Betätigung außer statistischen Erhebungen über die Gesamtlage der Studentenschaft auch solche über deren G e s u n d h e i t s z u s t a n d vorgenommen wurden 1 ): Über die ärztliche Untersuchung der Tübinger Studentenschaft im Wintersemester 1922/23 berichtet Professor Wilhelm Weitz (in der Klinischen Wochenschrift, 2. Jahrgang, Nr. 18): Da von einer ins freie Belieben gestellten Untersuchung eine genügende Beteiligung nicht erwartet wurde, schuf hier eine Anordnung der akademischen Krankenkasse die rechtliche Grundlage für eine obligatorische Untersuchung. Erzwingbar freilich war diese nicht, da die Kasse das ihr zu Gebote !) Femer sei hingewiesen auf die bereits verwerteten Mitteilungen von Professor O. Müller und Professor Meißner (Nachrichtenblatt der Deutschen Studentenschaft 1921, S. 183, oder Minzenmay, „Der Werkstudent, ein Berufsproblem"); nach letzterem kamen in Breslau 1910—1912 erst 3 offene Tuberkulosefälle auf 472 Studenten, 1920 dagegen 14 auf 668; ersterer mußte eine besondere Tuberkulosestation für Studenten errichten: „Während 18 Jahren ist mir noch kein Fall zu Gesicht gekommen in dem sich jemand so wie der eingelieferte Student herumgeschleppt hat und dann, nachdem die Lunge so ziemlich vollständig zerstört war, im schwersten gesundheitlichen Zusammenbruch hereingekommen ist. So etwas habe ich vor 20 Jahren in den Axbeiterbezirken Berlin und Leipzigs gesehen, aber niemals auf einer Universität. Es muß deshalb nicht wundernehmen, daß auch die geistige Leistungsfähigkeit allmählich nachläßt."
Einzelschicksale und Gesundheitszustand.
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stehende Mittel, die Ablehnung der Hilfe im Erkrankungsfalle, nicht anwenden wollte. Gleichwohl wurde infolge der solidarischen Einwirkungsmaßnahmen der Korporationen und der „Tübinger Studentenhilfe" erreicht, daß etwa neun Zehntel aller reichsdeutschen in Tübingen anwesenden Studierenden zur Untersuchung kamen, die, von sieben Ärzten vorgenommen, Ergebnisse lieferte, die als zutreffendes Abbild des Gesaintzustandes anzusehen sind. Nur die über Gewicht seien hier hervorgehoben; die mittlere Körpergröße der Studenten überstieg mit 173,5 cm (bei den Studentinnen 163,06 cm) den allgemeinen Durchschnitt für Deutschland. Im Vergleich zu 1200 von B r u g s c h während des Krieges untersuchten 22 —28 jährigen zeigte sich, daß die Tübinger Studenten ein Untergewicht von 5 kg und mehr hatten. Zum weiteren Vergleich mögen Mitteilungen über die auf die Körpergröße bezogenem Gewichte von jungen Amerikanern dienen: auch da bleibt das Gewicht der deutschen Studierenden beträchtlich hinter dem der weit besser ernährten, weniger überanstrengten, weil unter keiner Wirtschaftskatastrophe seelisch und körperlich leidenden gleichaltrigen Amerikaner zurück: 39,9% der in Tübingen untersuchten jungen Männer blieben um mehr als 5 kg hinter dem Durchschnittsgewicht der amerikanischen wegen Eintritt in die Lebensversicherung Untersuchten zurück, die keineswegs ausgesuchtes Material darstellten. Obwohl einige, die ihr Studium während des Wintersemesters wegen Lungenerkrankung aussetzen mußten, nicht mitgezählt sind, wurde bei 31 von 1640 männlichen, bei 4 von 136 weiblichen Studierenden aktive Tuberkulose, bei 25, darunter 4 weiblichen, abgeheilte oder in Heilung begriffene Tuberkulose, bei 16 Tuberkuloseverdacht festgestellt. Vom Vorhandensein dieses Leidens oder auch anderer (wie Herzfehler) wußten viele gar nichts. — Gegenüber dieser Statistik sind die Ermittlungen relativ wenig umfangreich, die Ende des Sommersemesters und Anfang des Wintersemesters vor und nach der Betätigung als Werkstudent über gesundheitliche Einflüsse der Werkarbeit vorgenommen wurden. Doch lassen diese einen Schluß a u j deren vorwiegend durchaus günstige Wirkung z u : die durchschnittliche Gewichtszunahme betrug beinahe 2 kg. Von 7 Studenten, die 4 kg und mehr zugenommen hatten, hatten 4 in in einem Bergwerk — 13 Studenten waren von der Tübinger alma mater in die Teufe gefahren —, je einer in einer Spinnerei, in einem Maschinenund einem landwirtschaftlichen Betrieb gearbeitet; die Ernährung war während der praktischen Arbeit besser als während des Semesters, besonders hatten die Schwerarbeiter mehr zu „verzehren" als die Geistesarbeiter. Der Berichterstatter schließt seine (ihrem Inhalt nach hier nur angedeutete) Darstellung mit Hervorhebung des Wertes einer obligatorischen Untersuchung, deren regelmäßige Vornahme er mit Recht auch anderen Hochschulen empfiehlt. Ebenso überzeugend treten für die „Notwendigkeit der Gesundheitsüberwachung der deutschen Studentenschaft" Professor K u h n und Dr. F e t s c h e r ein, aus deren Darlegungen in der „Medizinischen Klinik" (Jahrg. 1923, Nr. 21) hier jedoch wiederum nur die Feststellungen über deren gesundheitliche Gefährdung erwähnt seien, zu denen die seit Sommersemester 1922 wieder aufgenommenen Dresdener Untersuchungen Veranlassung gaben. Bis Ende des Wintersemesters 1922/23 wurden 1528 Studierende untersucht; von denen mußten 42,6% zu den Unterernährten gerechnet werden, (welche Zahl etwa übereinstimmt mit der für die Greifswalder Studenten, die Friedberger 1920/21 untersuchte). Ausgezeichneten Gesundheits- und Ernährungszustand wiesen nur 13,6, guten 44,9, schwächliche Körperentwicklung, leichte Gesundheitsschäden, geringe Unterernährung 32,5, größere Unterernährung, Tuberkuloseverdacht oder Gefährdung 8,5, Tuberkulose und sonstige schwere Gesundheitsschäden 1,5 v. H. auf, so daß beinahe ein Zehntel der Studenten, die durchweg schwer unterernährt sind, ständig überwacht wurden. Die unterernährten Studenten haben im Vergleich zur Vorkriegszeit ein Untergewicht von 5—10 kg, obwohl die Größe im allgemeinen zugenommen hat.
I. Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen. Die Studentenschaft als solche zeigte auch hier für die Maßnahmen volles Verständnis; bei vielen einzelnen wurde die Erfahrung gemacht, „daß die Krankheitseinsicht zu wünschen ließ. Auch jetzt noch, nachdem die Einrichtung des Gesundheitsamtes allgemein bekannt ist, melden sich die Unterernährten nicht etwa freiwillig, sondern müssen bei den Massenuntersuchungen aufgefunden werden. Die Zahl jener, die ihren ganzen Ehrgeiz darein gesetzt haben, ohne äußere Hilfe auch in dürftigen Verhältnissen aus eigener Kraft ihr Ziel zu erreichen, ist groß. Sie wollen nicht entdeckt s e i n . " . . .
Und hungern lieber „für die Wissenschaft", wie der Manchester Guardian (6. Juli 1923) bezeichnenderweise es nannte in einem Aufsatz ,,the hunger for knowledge", der feststellte, that the students of Germany were in a terrible predicament and must be given a very large raeasure of help to save their magnificently organised self-help institutions from collapsing. Wenn so ausländische Freunde eine Unterstützung der Selbsthilfe fordern, die nach ihrem Urteil hervorragend organisiert ist und den Studentenschaften anderer Länder von ihnen wiederholt als Vorbild hingestellt wurde, die als Leistung der Jugend eines tiefgebeugten Volkes gewertet wurde, so darf sich solcher Anerkennung mühevoller Arbeit, solcher überstaatlichen unparteiischen Wertung der deutschen Gesinnung und Leistung diese Jugend freuen. Wirtschaftselend und Hochschulreform. Aber andererseits ist auch auf die bedenklichen Folgen dieser nur durch größte Energie und bei größten Entbehrungen möglichen Ausdauer hinzuweisen. Das geschieht hier absichtlich mit den Worten des Dresdener S t u d e n t e n K r ü g e r , der in seiner erwähnten Darstellung schreibt: „Sicher hat der Ernst der Zeit, besonders auch auf wirtschaftlichem Gebiet, die gute Folge gehabt, daß der Student sich seinem Studium von Anfang an mit großem Eifer zuwendet Ist der wirtschaftliche Druck, der auf dem Studenten lastet, zu groß — und bei dem überwiegenden Teil der Studentenschaft ist das heute der Fall —, dann muß das Studium und die Gesundheit der Studierenden leiden. Der Student wird sich einzig auf das Ziel des zu bestehenden Examens konzentrieren, ohne nach links oder rechts zu schauen. Die Bildung seiner Persönlichkeit und seine Gesundheit werden mehr denn je zu kurz kommen." Anschließend werden die Ziele einer von den Studierenden ersehnten Hochschulreform zusammengefaßt: „Erziehung des Studenten zum Selbstdenker und zum Selbstformer, zum wirklichen Akademiker, ist die nächste und vornehmste Aufgabe für die Technischen Hochschulen. Ist diese erste Aufgabe erfüllt, so gilt es weiter, dem so erzogenen Menschen eine Wissensmenge zu übermitteln.... Der Verwirklichung der ersten — die in einer Darmstädter Denkschrift (im Auftrage der Deutschen Studentenschaft) als die wichtigere der beiden Aufgaben bezeichnet wird — steht am
I. Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen. Die Studentenschaft als solche zeigte auch hier für die Maßnahmen volles Verständnis; bei vielen einzelnen wurde die Erfahrung gemacht, „daß die Krankheitseinsicht zu wünschen ließ. Auch jetzt noch, nachdem die Einrichtung des Gesundheitsamtes allgemein bekannt ist, melden sich die Unterernährten nicht etwa freiwillig, sondern müssen bei den Massenuntersuchungen aufgefunden werden. Die Zahl jener, die ihren ganzen Ehrgeiz darein gesetzt haben, ohne äußere Hilfe auch in dürftigen Verhältnissen aus eigener Kraft ihr Ziel zu erreichen, ist groß. Sie wollen nicht entdeckt s e i n . " . . .
Und hungern lieber „für die Wissenschaft", wie der Manchester Guardian (6. Juli 1923) bezeichnenderweise es nannte in einem Aufsatz ,,the hunger for knowledge", der feststellte, that the students of Germany were in a terrible predicament and must be given a very large raeasure of help to save their magnificently organised self-help institutions from collapsing. Wenn so ausländische Freunde eine Unterstützung der Selbsthilfe fordern, die nach ihrem Urteil hervorragend organisiert ist und den Studentenschaften anderer Länder von ihnen wiederholt als Vorbild hingestellt wurde, die als Leistung der Jugend eines tiefgebeugten Volkes gewertet wurde, so darf sich solcher Anerkennung mühevoller Arbeit, solcher überstaatlichen unparteiischen Wertung der deutschen Gesinnung und Leistung diese Jugend freuen. Wirtschaftselend und Hochschulreform. Aber andererseits ist auch auf die bedenklichen Folgen dieser nur durch größte Energie und bei größten Entbehrungen möglichen Ausdauer hinzuweisen. Das geschieht hier absichtlich mit den Worten des Dresdener S t u d e n t e n K r ü g e r , der in seiner erwähnten Darstellung schreibt: „Sicher hat der Ernst der Zeit, besonders auch auf wirtschaftlichem Gebiet, die gute Folge gehabt, daß der Student sich seinem Studium von Anfang an mit großem Eifer zuwendet Ist der wirtschaftliche Druck, der auf dem Studenten lastet, zu groß — und bei dem überwiegenden Teil der Studentenschaft ist das heute der Fall —, dann muß das Studium und die Gesundheit der Studierenden leiden. Der Student wird sich einzig auf das Ziel des zu bestehenden Examens konzentrieren, ohne nach links oder rechts zu schauen. Die Bildung seiner Persönlichkeit und seine Gesundheit werden mehr denn je zu kurz kommen." Anschließend werden die Ziele einer von den Studierenden ersehnten Hochschulreform zusammengefaßt: „Erziehung des Studenten zum Selbstdenker und zum Selbstformer, zum wirklichen Akademiker, ist die nächste und vornehmste Aufgabe für die Technischen Hochschulen. Ist diese erste Aufgabe erfüllt, so gilt es weiter, dem so erzogenen Menschen eine Wissensmenge zu übermitteln.... Der Verwirklichung der ersten — die in einer Darmstädter Denkschrift (im Auftrage der Deutschen Studentenschaft) als die wichtigere der beiden Aufgaben bezeichnet wird — steht am
Wirtschaftselend und Hochschulreform.
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meisten die wirtschaftliche Notlage der Studierenden entgegen Eine Reform wird sich erst voll auswirken können, wenn der Student Lebens- und Arbeitsbedingungen hat, wie sie sich heute zu verschaffen die überwiegende Mehrzahl nicht in der Lage ist. Solange die wirtschaftlichen Verhätnisse für den Studenten so außerordentlich drückend sind, wird sich auch durch die idealsten Stundenpläne und die wohlerwogendsten Examensforderungen wenig von den angestrebten Zielen verwirklichen lassen. Werden die Examensforderungen in die Höhe geschraubt, so wird um so mechanischer der vermehrte Lehrstoff aufgenommen; wird mit den Forderungen zurückgegangen, so wird das Studium um so schneller beendigt und der Gesundheit vielleicht etwas mehr Rechnung getragen. Die Erreichung des ersten Zieles, der Erziehung zum wirklichen Akademiker, wird fast ausschließlich davon abhängen, welches Verständnis der Student dieser Forderung entgegenbringt, und w i e g r o ß der w i r t s c h a f t l i c h e D r u c k i s t , der ihr entgegensteht. Die Geschicke unseres Volkes sind ein rauher Lehrmeister, der gerade den deutschen Ingenieur nachdrücklich auf diese Forderung und das darin Versäumte hinweist. Es wird nun alles daran zu setzen sein, daß sich dem erwachenden Verständnis kein allzugroßer wirtschaftlicher Druck entgegenstelle. Von dieser wirtschaftlichen Grundlage muß die Hochschulreform ausgehen." Es bleibt erstaunlich, wie sehr hinter dieser Erkenntnis der Studentenschaft die Einsicht in manchen Kreisen der Altakademiker, selbst vieler Lehrer an hohen und anderen Schulen zurückbleibt, und daß auch manche Organisationen es unterließen, aus diesen Tatsachen die Folgerung eines aktiven Eingreifens zu ziehen. Soweit solcfie Stellen eingriffen — weil eben „etwas getan werden sollte" —, war ein Verkennen der Psychologie der Nachkriegsstudenten bezeichnend, deren Art aber auch die jüngeren Studierenden geerbt haben. Leider ist die Anschauung: „alles gern für Studenten, aber nichts mit ihnen" noch heute anzutreffen — welche Mühe kostete es, solche Stimmen in den Hintergrund zu drängen, aus dem sie sich aber wieder auf Kongressen und bei anderen Gelegenheiten hervorwagten. Überschätzung einerseits der Heilkraft der „sich selbst überlassenen Entwicklung", andererseits der Wirkungskraft der f r ü h e r e n Zuständen angepaßten Hilfsmittel ist bei den akademischen Notständen der Jetztzeit vielfach anzutreffen. Eine nationalökonomische Dozentin zum Beispiel, welche „die Berufsaussichten der deutschen Akademikerinnen" nicht günstig beurteilt, hebt in der so betitelten Schrift hervor: „Es leuchtet ein, daß unter einer an sich so viel kleineren Schar überhaupt noch zum Studium Gelangender die absolute Zahl der Begabten sehr viel kleiner sein muß als früher; vermutlich wird sie aber,
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Tatsachen, Strömungen und Bestrebungen.
da der Kreis der Studierenden in der Hauptsache durch ihre finanzielle Leistungsfähigkeit bestimmt wird, auch prozentual geringer sein, denn es fehlen gerade viele der Elemente, die eine alte Familienkultur, eine generationenlange Tradition geistiger Arbeit mit auf die Universität bringen. Deshalb ist es notwendig, daß für die Begabten aus solchen Kreisen, die ihren Kindern die akademische Ausbildung aus eigenen Mitteln nicht erschließen können, reichliche Stipendienfonds zur Verfügung gestellt oder Freistellen geschaffen werden." Daß andere Mittel, eine Plutokratisierung unserer Hochschulen zu verhindern, gar nicht erwähnt werden, ist bezeichnend. Jedoch ist die zitierte Stelle eine der wenigen gedruckten Äußerungen von akademischen Volkswirten über das Problem 1 ). Aber mehrere — keineswegs ihre Mehrzahl, obwohl sie überwiegend Schüler der deutschen sozialreformatorischen Schule sind und die ihnen eigene methodologische Stellung ein aktiveres Verhalten gegenüber dieser sozialen Frage erwarten ließ, der gegenüber erst recht kein „laissez-faire" Standpunkt oder nur platonische Sympathiekundgebungen angebracht sind — also mehrere haben mit Kollegen aus anderen Fakultäten die studentische Ortsarbeit an den einzelnen Hochschulen geförderte Füf alle diesen „ ä l t e r e n Kommilitonen" war dabei auch die . Einsicht maßgebend, daß eine Milderung der N o t l a g e der d e u t s c h e n W i s s e n s c h a f t ohne Erleichterung des Daseinskampfes der j ü n g e r e n nicht möglich ist — wie denn Notlage der Studentenschaft und Krisis der Wissenschaft nur zwei Äußerungen des Elends des verarmten und deshalb auch in seiner Forschungsarbeit verkümmernden Deutschland sind. Daß gerade Professoren auch hier ihr Gemeinschaftsgefühl b e t ä t i g t e n , wird nach dem Urteil S c h r e i b e r s „ein Ruhmestitel für die deutschen Hochschulen in dieser wirtschaftlich schweren Zeit" bleiben. Sorgen, die auf den Lehrern lasten, weil sie die Zukunft der Hochschulen betreffen, haben sie mit den Hochschülern, die herbe Not in jungen Jahren durchzukämpfen haben, in einer akademischen Notgemeinschaft vereint. Aber die Tatkraft einiger hat diese zu einer Arbeitsgemeinschaft ausgebaut, in der neben den überkommenen Mitteln neue zur Erhaltung des Wissenschaftslebens gehandhabt wurden. Ein englischer Gelehrter hat richtig erkannt, daß für die deutschen Hochschulen charakteristisch das Verbundensein von Fuhrern und Geführten ist 2 ): „das Streben nach der Wahrheit und der *) Bei der 60. Versammlung des Vereins für Sozialpolitik in Eisenach, September 1922 (Schriften des Vereins Bd. 163), fielen verschiedene Äußerungen über das Werkstudententum. 2 ) Schreiber, Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter Leipzig 1923, führt S. 49 die oben zitierte Stelle aus Merz, „History of European thought in the nineteenth century" ausführlich an.
Wirtschaftselend und Hochschulreform.
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Erwerb von Kenntnissen um ihrer selbst willen als ein adelnder und würdiger Beruf i s t . . . in gleichem Maße das Lebenswerk von Professoren wie Studenten an den deutschen" Hochschulen gewesen. Das, was der ausländische Beobachter schon vor dem Krieg bei vielen fand: „die Selbstverleugnung und geistige Hoheit, die das wahre Kennzeichen jeder selbstlosen menschlichen Anstrengung sind", wurden in den Jahren der Not nach 1918 noch nötiger, aber auch häufiger: Die Werkgemeinschaft der Dozenten und Studenten und ihrer Freunde gesellt sich den vielfachen Anstrengungen zu, die durch Krieg, Wirtschaftskrieg, Versailler Diktat und Valutablockade herbeigeführte Krisis, die auf der Wissenschaft und ihren Arbeitern lastet und die Entwicklung, ja den Bestand der deutschen Kultur gefährdet, zu überwinden. Die Möglichkeiten zum Leben und zum Schaffen müssen auch für den Nachwuchs gesichert sein; sonst sind alle Einrichtungen, die opferwillig Rettung, Weiterbildung oder auch nur Erhaltung von Wissenschaft und Kunst erstreben und die deshalb von Reich, Wirtschaftsführern und Gelehrten geschaffen und gefördert wurden, zum Untergang verurteilt: ohne Geistesarbeiter keine Wissenschaft, ohne geistige Lehrlinge keine Geistesarbeit.
Quäker-, Weltbund- und andere Auslandshilfe.
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Quäker-, Weltbund- und andere Auslandshilfe. Daß diese ihr unvergleichliches Hilfswerk der Kriegszeit, das wirklich unzähligen von uns, besonders deutschen Kindern und Müttern zum Segen wurde, auch nach 1918 fortsetzten und sich als weltbürgerlich denkende Ethiker wie treffliche Organisatoren bewährten, wird ihnen unvergessen sein. Sie schenkten auch studentischen Speisungen Natural- wie Geldzuwendungen. Vielfach konnte nur durch diese die mensa a c a d é m i c a , die den Keim zum Ausbau anderer Wirtschafts-: einrichtungen enthielt, in den ersten Monaten nach Kriegsende, als eine große Masse von mehrere Semester umfassenden Kriegsund Nachkriegsstudenten die deutschen Hochschulen überfüllte, durchgehalten, zum Teil nur so ausgebaut werden. Die Hilfe der „Religiösen Gesellschaft der Freunde" war die erste umfassendere Auslandsaktion zur Bekämpfung der Studentennot, und es ist lehrreich, wie die deutsche Studentenschaft sich dazu stellte: Sie fühlte sich — nach dem offiziellen Nachrichtenblatt 1921, Nr. 9 — zu großem Dank den Quäkern (insbesondere Miss Tillard und Fry) verpflichtet „nicht nur wegen der materiellen Hilfe und der Festigung der Selbstverwaltung, die mittelbar aus der Notwendigkeit rationeller Betriebswirtschaft folgte, sondern wegen der vornehmen und weitherzigen Gesinnung, die ihr persönliches Auftreten und die Selbstverständlichkeit ihres Wohltuns kundtaten". In Form von Lebensmitteln erfolgten die Zuwendungen. Eine anfängliche Verschiedenheit der Ansichten über die Art der Unterstützung wurde bald ausgeglichen; die immer wieder gegebene Hilfe unterschied sich von mancher statutenmäßig festgelegten „Mildtätigkeit" von vornherein dadurch, daß sie peinlich Rücksicht auf die P s y c h o l o g i e der Beschenkten nahm. Ursprünglich wollten die Quäker, deren Mittel auch beschränkt waren, nur einige hundert unterernährte Studenten umsonst verpflegen. Ihnen wurde aber von der Studentenschaft die Schwierigkeit der Auslese und der relativ geringe Nutzen für die Gesamtheit der Studierenden bei diesem Vorgehen klar gemacht. Auf der anderen Seite nahm die Deutsche Studentenschaft eine große Verantwortlichkeit auf sich, wenn sie die Quäkerlebensmittel allen Hochschulen zuführte, weil in den Anfängen der Entwicklung die Gewähr eines rationellen Betriebes nur bei wenigen Speiseanstalten bestand. Sie war der ethischen Wirkung sich bewußt, welche die Züchtung eines Types studentischer Almosenempfänger enthielt 1 ), und stellte demnach die Bedingung, *) Die „Blätter des Deutschen Roten Kreuzes" z. B., 1922, S. 66, betonen die Notwendigkeit, die studentischen Selbsthilfebestrebungen zu unterstützen,
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II- Akademische Fürsorge, soziale Ethik und Sozialpolitik.
daß die Zuwendungen nicht ganz umsonst erfolgen dürften. Diese teilweise Bezahlung hatte weiterhin den Vorteil, daß die Mittel der Quäker dadurch gedehnt und eine Berücksichtigung der finanziell Bedürftigen durch Abstufung der Preise weitgehend möglich wurde. Die Verwaltung wurde durch dieses Verfahren freilich schwieriger, konnte aber doch bald zur Zufriedenheit beider Teile durchgeführt werden. Die Arbeit der Quäker, soweit sie deutschen Hochschulen zugute kam, übernahm im April 1921 die „Europäische Studentenhilfe des Christlichen Studentenweltbundes". Diese Organisation, im Jahre 1895 zunächst für 8 Länder gegründet, umfaßt die christlichen Studenten Vereinigungen von 32 Nationen. Ihre Kriegsgefangenenfürsorge sollte fortgesetzt werden; nur nach der Notwendigkeit der Hilfe, nicht nach Rasse, Geschlecht, Konfession fragend, wollte sie jedem helfen, der ordnungsmäßig an einer deutschen Hochschule immatrikuliert und unterstützungsbedürftig ist. Ferner gehörte es zu den Grundsätzen der „Europäischen Studentenhilfe", daß die Studenten an der Verwaltung der Hilfsmittel verantwortlich beteiligt sind (in den Mensaverwaltungen, Freitisch-Kommissionen usw.). Die Hilfe wird nicht an einzelne Studenten unmittelbar, sondern nur durch Vermittlung der örtlichen Wirtschaftskörper gewährt 1 ), welcher und bemerken dann: „Dabei ist vor allem zu beachten, daß die Arbeit für die Studentenschaft immer dem Geiste angepaßt sein muß, der glücklicherweise unsere Studenten noch beherrscht, der nicht Almosen erfleht, nicht vom Mitleid des In- und Auslandes abhängig sein mag, sondern der sich selbst helfen will. Ihm ist die moralische Unterstützung mindestens ebenso nötig und wertvoll als die materielle. Diesem Wunsche und den daraus entspringenden Forderungen der Studentenschaft muß in weitgehendstem Maße Rechnung getragen werden; für Gegenwart und Zukunft gaben sie auch die Grundlage für die Mitarbeit des Deutschen Roten Kreuzes an der Selbsthilfe der Studentenschaft." Für die Krankenfürsorge war 1922 bei der „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft" ein Ausschuß gebildet worden, dem außer dem Deutschen Roten Kreuz angehörten: das Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, der Deutsche Caritasverband, der Zentralausschuß für die Innere Mission, die Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden, das deutsche Fürsorgebureau Leipzig. *) So heißt es in einer programmatischen Erklärung über den Sinn und die Mittel der Arbeit, die von Genf aus zentral durch Herrn C o n r a d H o f f m a n n , für Deutschland zuerst von Berlin, dann von Dresden aus geleitet und besonders durch die Herren I s r a e l , H e r s e y , B o n s e y , R e i c h und viele andere gefördert wurde. Die Europahilfe hat anerkannt, daß die Selbsthilfeorganisationen der deutschen Studenten ihre Arbeit erleichtert und von ihr als Vorbild für andere Studentenschaften empfohlen wurde. Auch ausländische Zeitungen, wie die der Not der Studentenschaft oft Raum gewährenden Baseler Nachrichten (z. B. 26. 7. 1923) berichten hiervon. Ein anderes Beispiel ist der S. 24 erwähnte Bericht des „Manchester Guardian": „Besonders zeigt sich die Not in den Ländern, wo die Studenten früher verhältnismäßig gute Existenzmöglichkeit hatten, in Deutschland und den Staaten der ehemaligen Donau-Monarchie"; die deutsche soziale Arbeit für die Studentenschaft wird anschließend als der „aufrichtigen Bewunderung" wert bezeichnet. Diese aber
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Quäker-, Weltbund- und andere Auslandshilfe.
Grundsatz durchführbar war infolge der Schöpfungen, die innerhalb der deutschen Studentenschaft entstanden waren: Die sich selbst wehrende und schaffende Hand schlägt auch in die von ehemaligen Gegnern dargebotene Hand ein und dankt dafür, daß in deren Hilfe das Bewußtsein der Verantwortung für Menschen auch jenseits der eigenen Grenzpfähle zum Ausdruck kommt, daß einfach Hilfe geleistet wird, weil man den anderen in Not sieht und will, daß solches Bewußtsein die Grundlage der Beziehungen zwischen Völkern und Klassen werde. Die großen Mittel zur Verwirklichung dieser christlichen Ethik wurden durch Sammlungen besonders in valutastarken Ländern von den christlichen Studentenvereinigungen aufgebracht und den deutschen Hochschulen durch die „ E u r o p a h i l f e " zugeführt. Die als Speisungszuschüsse oder Freitischmittel, als Betriebskapitalien, für Kleidung, Ausrüstung von Werkstudenten, Erholungsaufenthalte und andere Zwecke verteilten Millionen stammen nicht von wenigen Reichen, sondern von vielen Einzelnen, meistens amerikanischen und anderen Studenten, die, vielfach selbst nicht in besonders guter Lage, oft ihre Gabe erst durch Handarbeit verdienen. „So bedeutet es, zumal bei der Stimmung, die heute noch in der Welt vorwiegend gegenüber Deutschland herrscht, viel für den guten Willen der Geber, wenn solche Sammlungen durchgeführt werden." Der Wunsch der Sammler ist, daß ihre Hilfe von den Studenten in Mitteleuropa als ein „Tatbeweis ihres solidarischen Bewußtseins mit den Studenten der notleidenden Länder aufgefaßt wird." Daneben bestehen in Nordamerika noch andere Hilfsstellen, z. B. ein besonderes New Yorker Hilfskomitee, das, im Rahmen allgemeiner Mittelstandshilfe, insbesondere Zuwendungen für Beschaffung der immer schwerer anzuschaffenden Bücher und anderer Lernmittel für Studenten gibt. Außer Amerika haben die „neutralen Länder" und England sich betätigt und erlahmen auch jetzt nicht in d