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German Pages [416] Year 1999
V&R
STEFAN FELBER
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift Eine Untersuchung zum Christuszeugnis des Alten Testaments
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Reinhard Slenczka und Gunther Wen ζ Band 89
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Felber, Stefan: Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift: eine Untersuchung zum Christuszeugnis des Alten Testaments / Stefan Felber. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1999 (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie; Bd. 89) ISBN 3-525-56296-9
© 1999 Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Satzspiegel, Nörten-Hardenberg Druck- und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen
Hier
ist
Immanuel!" τ ·
Also ist nun die ganze Schrift, wie gesagt, alles eitel Christus, Gottes und Marien Sohn, alles ist's zu tun um denselben Sohn, daß wir ihn unterschiedlich erkennen, und also den Vater und den Heiligen Geist, Einen Gott, ewiglich sehen können. Wer den Sohn hat, dem stehet die Schrift offen, und je größer und größer sein Glaube an Christum wird, je heller die Schrift ihm scheinet. Martin Luther
Es ist wahr, daß die Gläubigen unter dem Gesetz ihre Hoffnung auf Gott nicht aufrechterhalten konnten, wenn sie ihre Augen und Gedanken nicht auf Christus richteten. Insofern die Verheißungen Gottes Ja und Amen sind in Christus, konnte nur eine Vision, in der Christus mitten unter ihnen erschien, die Väter in der Hoffnung des Heils bestärken. Johannes Calvin
Es gibt nur eine Wahrheit für alles, was im Alten Testament ist, und das ist Jesus Christus. Wilhelm Vischer
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im August 1997 bei der Theologischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertationsschrift eingereicht. Sie wurde für den Druck geringfügig verbessert. Viele haben dazu beigetragen, daß die Arbeit entstehen konnte. Allen voran danke ich meiner Frau Ulrike für die Freistellung und die ungezählten Ermutigungen, die ich durch sie erfahren habe. Dem Betreuer, Professor Dr. Reinhard Slenczka, schulde ich durch vielfache Anregung großen Dank. Den Prüfern im Rigorosum, Herrn Professor Dr. Hans-Christoph Schmitt, der auch das Zweitgutachten erstellt hat, und Frau Professor Dr. Oda Wischmeyer, danke ich für eine Reihe hilfreicher Gespräche. Für Kritik und Ermunterung in Wort und Schrift, für das Korrekturlesen sowie für ihr fürbittendes Gebet danke ich Pfr. i. R. Gerhard Hägel, Bobengrün, Dr. Manfred Dreytza, Krelingen, Dr. Peter Siemens, Leer, Pfr. Wolfram Lehmann, Affalterthal, Herrn Pfr. Dr. Bernhard Rothen, Basel, sowie Schwester Maria Gräf, Neuendettelsau; am meisten aber meinem treuen Freund Herrn Pfr. ζ. A. Till Roth. Das Literaturverzeichnis bietet (erstmals) eine Bibliographie Vischers, die Vollständigkeit erstrebt. Für die Hilfe bei der Auffindung zahlreicher Titel schulde ich großen Dank Herrn Dr. Wolfgang Amadeus Vischer, Basel, dem Sohn Wilhelm Vischers, ferner Vischers treuem Freund, Pastor i.R Heinrich Bödeker, Detmold, der Bibliothek der Theologischen Fakultät Montpellier, der Vischer seine Bibliothek hinterlassen hat und die mir Zugang zum Magazin sogar außerhalb der Öffnungszeiten gewährt hat (Mme Griffon, Doyen Professeur Hubert Bost, Professeur E. Cuvillier) sowie der Bibliothek der Katholisch-Theologischen Fakultät Bamberg, die bereitwillig eine große Zahl schwieriger Fernleihen bearbeitet hat. Frau Tamara Schwing danke ich für die Hilfe beim Auswerten der Predigten Vischers. Herrn Wolfgang Amadeus Vischer danke ich außerdem für die herzliche und offene Atmosphäre unserer Gespräche in Basel, ebenso Herrn Professor Oscar Cullmann und Pfr. i.R Heinrich Kühner, ebenfalls Basel; sowie Frau Sonja Chazel, geb. Vischer und ihrem Gatten in Montpellier. Meinen Eltern, der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Arbeitskreis für evangelikale Theologie danke ich dafür, mich finanziell freigestellt zu haben, den letzteren auch für wertvolle Seminare. Für die Unterbringung
8
Vorwort
meines Büros in ihrem Haus geht ein besonderer Dank an Frau Elly Tuchscherer. Für Zuschüsse zu den Druckkosten danke ich vor allem dem erwähnten Herrn Dr. Vischer; er hat den weitaus größten Anteil an den Kosten übernommen. Ferner danke ich der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern und der Zantner-Busch-Stiftung, Erlangen, für die Übernahme eines Druckkostenanteils. Stefan Felber
Inhalt
Einleitung
13
1 Biographie und theologischer Weg
17
1.1 Elternhaus und Jugend
17
1.2 Studium
21
1.3 Pfarramt
25
1.3.1 Rupperswil, Zürich und Tenniken
25
1.3.2 Die Palästinareise
30
1.4 Theologische Studien und Berufung nach Bethel
33
1.5 Der „Fall Vischer"
59
1.6 Das Betheler Bekenntnis
77
1.7 Lugano
91
1.8 Basel
100
1.9 Montpellier
139
2 Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
147
2.1 Vischers Hauptthesen zur Auslegung der Heiligen Schrift . .
147
2.2 Zur Frage einer theologischen Entwicklung Vischers
. . . .
152
2.3 Das Christuszeugnis des Alten Testaments: seine Grundlagen und seine Bedeutung für den christlichen Glauben
157
2.4 Heilige Schrift - Methode - Theologie
168
2.4.1 Historische Kritik und Christusgegenwart
168
2.4.2 Das Erwachsen des Christuszeugnisses
194
2.4.3 Das Problem der Sinnverdopplung
204
2.5 Theologische Abgrenzungen und Konfrontationen 2.5.1 Vischer und Johannes Calvin: das Verhältnis der Testamente und die Christusbegegnung im Wort 2.5.2 Vischer und J. C. K. v. Hofmann: die Frage der weissagenden Geschichte 2.5.3 Vischer und Franz Delitzsch: Fortschritt der Offenbarung und der Heilserkenntnis?
214 215 224 235
10
Inhalt
2.5.4 Vischer und Gerhard von Rad: Doketismus und Geschichtlichkeit Personal- oder Realpräsenz Jesu im Alten Testament? . . . . 250 2.5.5 Vischer und Walther Eichrodt: Christuszeugnis oder Theologie des Alten Testaments? 260 2.5.6 Reaktionen auf Vischers Theologie 264 2.5.7 Vischer und Brevard S. Childs: Christuszeugnis und Biblische Theologie 292 3 Zusammenfassung und Beurteilung
305
3.1 Zum Geschichtsverständnis der Kritik an Vischer
306
3.2 Würdigung und Kritik
313
3.2.1 Christus und die Heilige Schrift 3.2.2 Die Diskontinuität der Testamente in der Erkenntnis des Erlösers und in der Gewißheit der Erlösung 3.3 Die Fragen Wilhelm Vischers an die wissenschaftliche Exegese des Alten Testaments 3.3.1 Prinzipien-Denken. Zum distanzierenden Effekt historischer Kritik 3.3.2 Die Verbindlichkeit und Vorbildlichkeit des Schriftgebrauchs und der Christologie des Neuen Testaments für unsere Auslegung des Alten Testaments 3.3.3 Zusammenfassung Literatur- und Quellenverzeichnis
313 323 340 340
346 348 356
1
Abkürzungen
2
Vischer-Bibliographie
357
2.1 Schriften von unbekannter Datierung 2.2 Bis 1928 2.3 1928-1934 (Bethel) 2.4 1934-1936 (Lugano) 2.5 1936-1947 (Basel) 2.6 1947-1965 (Prof., Montpellier) 2.7 1965-1988 (im Ruhestand) 2.8 Ubersetzungen 2.9 Predigten und Predigtmeditationen (nach Bibelstellen geordnet) . 2.10 Rezensionen 2.11 Briefe
358 358 358 361 361 363 366 369 369 375 376
3
356
Ü b e r Wilhelm Vischer
376
3.1 Besprechungen und Rezensionen 3.2 Berichte in Zeitungen 3.3 Weitere
376 377 379
Inhalt
11
4
Biographische Angaben
382
5
Kirchen- und theologiegeschichtliche Arbeiten
383
6
Sonstiges
387
Register 1 2
Bibelstellen Personen
399 399 407
Einleitung Seit Jahren ist eine Monographie über Wilhelm Vischer (1895-1988) ein Desiderat.1 Es existiert bislang keine Untersuchung über seine Schriftauslegung, die die Breite seiner Veröffentlichungen auswertet. Auch in der Dissertation von Brigitte Schroven wird entsprechend der im Untertitel („Christologische Auslegung zwischen den Weltkriegen") angegebenen breiteren Themenstellung nur eine Auswahl von Vischers Schriften berücksichtigt: Wichtige Arbeiten wie der zweite Band des Christuszeugnisses (1942) werden nicht referiert oder bleiben selbst bibliographisch ungenannt, unter anderem Vischers Vortrag „Der Antisemitismus im Lichte der Bibel" von 1940.2 Das Ziel dieser Arbeit liegt nicht in der Herausarbeitung theologiegeschichtlicher Verbindungen. Dafür verweise ich auf die profunden Darstellungen unter anderem von Nicolaisen, Kraus, Reventlow, Oeming, Childs und Schroven. Es geht vielmehr darum, anhand der aus den Quellen erarbeiteten Auseinandersetzungen um Wilhelm Vischers „Christuszeugnis des Alten Testaments" zentrale Fragestellungen der Beziehung des christlichen Glaubens zum Alten Testament herauszuarbeiten. Indem die Theologiegeschichte zwar eigenständig betrieben wird, aber nicht Selbstzweck ist, sondern als Fragensammlung für Besinnung und Urteil der systematischen Theologie dient, erfüllt sie ihre eigentliche Bestimmung. Dementsprechend wollen die dogmatischen Urteile dieser Arbeit theologiegeschichtliche bzw. temporale Kriterien vermeiden. Das heißt, daß man hier keinen Satz finden wird, der etwa dem von Nicolaisen vergleichbar ist, wenn dieser sagt, es sei „Ergebnis und Ertrag des Kirchenkampfes", daß Äußerungen wie die von Harnacks über das Alte Testament „theologisch unmöglich geworden sind"3. Er bezieht sich dabei auf das berühmte Wort von Harnacks in seinem Marcion-Buch, das mit der Rassentheorie verbunden wurde: „Die These, die im folgenden begründet werden soll, lautet: Das Alte Testament im 2. Jahrhundert zu verwerfen, war ein Fehler, den die große Kirche mit Recht abgelehnt hat; es im 16. Jahrhundert beizubehalten, war ein Schicksal, dem sich die Reformation noch nicht zu entziehen vermochte; es aber seit dem 19. Jahrhundert
1
BÄCHU, A T in K D ,
43
SCHROVEN (Christologische Auslegung) hat sich auf die Zeit zwischen 1918 und 1939 beschränkt. 3 NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 199 (Hervorh. S. F.). 2
14
Einleitung
als kanonische Urkunde im Protestantismus noch zu konservieren, ist die Folge einer religiösen und kirchlichen Lähmung,"4
Solche Äußerungen waren und sind von vornherein, also aus dogmatischen Gründen und nicht erst wegen der historischen oder politisch unangenehmen Konsequenzen (die auch ganz anders hätten sein können!) unwahr und schädlich. Denn sonst wäre der kirchliche Kampf gegen das deutschchristliche Geschichtsverständnis vergeblich gewesen: Zu behaupten, erst der geschichtliche Zusammenbruch Deutschlands hätte die Unchristlichkeit des Deutschchristentums gezeigt, hieße sich selbst widersprechen. Denn nicht geschichtliche Ereignisse oder die Entwicklung des allgemeinen religiösen Bewußtseins können und müssen zeigen, wo Wahrheit und Lüge liegen, sondern das Wort Gottes. Vischer ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Mit Brevard Springs Childs meine ich, daß die Debatte um eine Biblische Theologie von einer Besinnung auf seine Schriftauslegung wesentlich befruchtet werden könnte. „The recent publication of a new journal Jahrbuch für Biblische Theologie is a sign of the continuing seriousness of the theological concern over Scripture. Unfortunately, the basic assumption of modernity which first evoked the crisis in the 20s that theological exegesis must rest directly on the prior results of the historical critical method continues unchallenged in Germany up to the present hour, and this fact calls seriously into question whether a genuinely theological understanding of the church's Scriptures can ever be obtained until this fatal assumption is radically re-examined. Whatever the weakness were in the debate of the 20s and 30s, it remains the enduring contribution of Barth, Vischer, and Hellbardt, among many others, rightly to have insisted that the living, unfettered voice of God in Scripture cannot be held captive to the norms of human rationality."5
4 VON HARNACK, Marcion, 217 (Hervorh. orig.). VON HARNACK fährt einige Seiten später mit Bezug auf SCHLEIERMACHER fort: „Marcion hat recht bekommen, wenn auch teilweise mit anderer Begründung. Seit einem Jahrhundert wissen das die evangelischen Kirchen und haben nach ihren Prinzipien die Pflicht, dem Folge zu geben, d.h. das A T zwar an die Spitze der Bücher zu stellen, die ,die gut und nützlich zu lesen sind' und die Kenntnis der wirklich erbaulichen Abschnitte in Kraft zu erhalten, aber den Gemeinden keinen Zweifel darüber zu lassen, daß das A T k e i n kanonisches Buch ist Aber diese Kirchen sind gelähmt, haben sich kein Organ schaffen können, durch welches sie sich von veralteten Traditionen zu befreien vermögen, und finden auch nicht die Kraft und den Mut, der Wahrheit die Ehre zu geben; sie fürchten sich vor den Folgen eines Bruchs mit der Tradition, während sie die viel verhängnisvolleren Folgen nicht sehen oder mißachten, die fort und fort aus der Aufrechterhaltung des Alten Testaments als heiliger und daher untrüglicher Schrift entstehen" (a. a. O. 222). E r schließt mit dem Wunsch, „daß sich in dem wirren Chor der Gottsuchenden heute wieder auch Marcioniten fänden" ( a . a . O . 235). 5
CHILDS, O T in Germany, 245 f. (Hervorh. orig.).
Einleitung
15
Zur Gliederung: Einer der Schwerpunkte von Teil 1 (Biographie und theologischer Weg) liegt, nicht nur den drängenden Fragen der aktuellen Diskussion, sondern - einem Grunddatum von Vischers Glauben und Denken folgend - , auf seinen theologischen und biographischen Verbindungen zu den Juden. Teil 2 fragt zurück nach den exegetischen und dogmatischen Grundlagen dieser Theologie. Sie liegen im Christuszeugnis der für Juden und Christen gemeinsamen Schrift des Alten Testaments. Dieses Christuszeugnis wird von beiden in unüberbietbar gegensätzlicher Weise gehört: es führt die einen zum Glauben an Jesus als den Messias Israels und die anderen von ihm weg. Worin wurzelt der Gegensatz? Das Studium von Vischers Theologie läßt diese wie alle Antworten auf Fragen des Glaubens und Lebens bei Jesus Christus selbst suchen und an dem Ort finden, den er seinen Schülern zuweist: vor seinem Wort, „place devant la Bible"6 (Teil 3). Zur Zitierweise: Die Hinweise auf Vischers Schriften erfolgen ohne Angabe des Autors mit vollständigem Titel und Erscheinungsjahr. Die genaue Quelle kann dann leicht in der entsprechenden Rubrik im Literaturverzeichnis nachgeschlagen werden. Seine Predigten werden genauer zitiert. Schriften anderer Autoren werden angeführt mit Autor und Kurztitel; die Kurztitel werden im Literaturverzeichnis erklärt. Man kann darüber streiten, ob die langen Vischer-Zitate im biographischen Teil nicht erheblich zu kürzen wären, damit keine „Werkschau" entsteht, die den Leser überfordert. Dem interessierten Leser wollte ich aber die Möglichkeit geben, schwer zugängliches (und zugleich wertvolles) Material aus Briefen, Zeitungsberichten oder Archivquellen selbst beurteilen zu können. Dem eiligen Leser sei es freigestellt, Kleingedrucktes in diesem Teil gelegentlich zu überschlagen. Leider habe ich die Arbeit von Hermann Kocher, Rationierte Menschlichkeit (1996, 687 S.), zu spät einsehen können. Er kann manches ergänzen über Art und Ausmaß von Vischers Teilnahme an der Schweizer Flüchtlingsarbeit samt der begleitenden theologischen Diskussionen.
6 A propos de la conference de R. Rendtorff, 1982, 73; vgl. bes. WENZ, Wort Gottes, 258 ff.: „Das Bleiben vor dem Text".
Vischer im Mai 1975 auf dem Pic St. Loup bei Montpellier.
1 Biographie
und theologischer
Weg
Bislang gibt es, von Gottfried Michaelis' „Der Fall Vischer" und einigen kürzeren Artikeln abgesehen, keinen Versuch einer Biographie Vischers. Dies rechtfertigt es, daß sie hier ausführlicher behandelt wird, als das Thema vermuten läßt. An zahlreichen Stellen werde ich auf Schnittpunkte von Biographie und Theologie hinweisen. Im übrigen birgt das Literaturund Quellenverzeichnis im Anhang noch genügend Material für weitere Studien, auch unter anderen thematischen Schwerpunkten. Die Darstellung folgt den verfügbaren Quellen (siehe Literaturverzeichnis). Dadurch ist bedingt, daß die Etappen unterschiedlich gewürdigt wurden. Zum Beispiel lagen mir für die Zeit Vischers in Frankreich nur wenig Informationen vor. Diese Quellenlage ist so zu verstehen und zu erklären, daß die für Vischer und seine Theologie prägenden Abschnitte vor 1945 lagen. Die Quellenlage bedingt außerdem, daß der dargestellte Lebenslauf nicht immer einen organischen Zusammenhang erkennen läßt. Leider fehlen im Nachlaß außerdem jegliche Vorlesungsmanuskripte; Vischer hat sie wahrscheinlich selbst vernichtet. Umso mehr möchte ich mich auf die Wiedergabe einiger wichtiger Vorträge Vischers konzentrieren, um die theologischen Fragen deutlich hervortreten zu lassen. Das betrifft, wie gesagt, hier im Teil 1 in erster Linie seine Israeltheologie, während im Teil 2 die Grundlagen seines Christuszeugnisses des Alten Testaments zu analysieren sind.
1.1 Elternhaus und Jugend Wilhelm Vischer war eine Frohnatur. Es fiel nicht schwer, auf ihn zuzugehen. Wann immer er ein ehrliches Interesse bemerkte, war er freundlich und bemüht um sein Gegenüber im Gespräch. Ein ungewöhnlicher kultureller Fundus und eine umfassende Allgemeinbildung kamen dann an den Tag. Vieles aus Schillers und Goethes Werken hatte er im Kopf. Ein Büchlein mit Schillerversen lernte er auswendig, wenn er in jungen Jahren im Park auf seine Braut wartete. Um ihn herum herrschte eine Atmosphäre der Freiheit und Freizügigkeit; Kleinlichkeit war ihm fremd. 1 Er war künst1 Br. von BöDEKER vom 24.9.1995 an mich. Vgl. über die Glaubwürdigkeit des Christen die Predigt über Lk 7,36-50 am 13.8.1944, im Nachschriftenband Nr. 60 = Basler Predigten 8, Nr. 6 / O k t . 1944, 3-12.
18
Biographie und theologischer Weg
lerisch in verschiedener Hinsicht hochbegabt, brachte Psalmen in Verse und gab brillante Interpretationen auf seiner Querflöte, bes. von Mozart und Carl Maria von Weber. Bis ins hohe und höchste Alter blieb ihm die von vielen Freunden und Gegnern gerühmte geistige Präsenz erhalten, was die Hörer freier Reden oft erstaunte. Wurde er gelobt, wie dies der Betheler Anstaltsleiter Johannes Busch 1984 nach einer langen freien Rede von Vischer tat, wischte Vischer dies weg. Davon wollte er nichts hören; nicht Menschen gebührte Lob. Umgekehrt war er nach den Betheler Auseinandersetzungen um 1933 nicht mit persönlicher Kritik nachtragend. Das schloß nicht aus, daß er dann und wann aufbrausen konnte, wenn man ihn nicht verstand. Die akademische Tradition seiner Vorfahren mag dazu beigetragen haben, daß er eine schnelle Auffassungsgabe auch bei seinen Gesprächspartnern erwartete. Die väterlichen Vorfahren waren aus Glaubensgründen am Beginn des Dreißigjährigen Krieges aus dem Elsaß ausgewandert.2 Vischer kam aus dem sogenannten „Basler Teig": Sein Urgroßvater, Wilhelm Vischer-Bilfinger3, war Professor für klassische Philologie in Basel; sein Großvater, Wilhelm Vischer-Heussler4 lehrte Geschichte am gleichen Ort. Sein Vater Daniel Eberhard Vischer-Koechlin5 wirkte seit 1. Oktober 1890 als Pfarrer in Arosa (zum Teil auch in Langwies).6 Die ersten beiden Söhne wurden dort geboren.7 E. Vischer wechselte am 1.Juli 1893 als Dekan nach Davos8, wo Wilhelm Eduard am 30. April 1895 zur Welt kam. D e r V a t e r hatte bei v o n H a r n a c k in G i e ß e n studiert u n d mit einer Arbeit p r o moviert, n a c h d e r die A p o k a l y p s e als christliche A u s g a b e einer jüdischen Schrift z u verstehen sei. V o n H a r n a c k lehnte die T h e s e z u n ä c h s t ab, stimmte ihr aber n a c h einigen T a g e n d o c h zu: „ H e r r Vischer, Sie h a b e n einen g r o ß e n V o g e l gefangen." 9 A u c h W i l h e l m V i s c h e r hielt die T h e s e seines Vaters sein Leben lang for richtig.10
2
Erinnerungsheft für Eberhard Vischer, 20. 30.5.1808-5.7.1874; aus Stuttgart. Über ihn: EDUARD VISCHER, Wilhelm Vischer. Gelehrter und Ratsherr. 3
4
4 . 8 . 1 8 3 3 - 3 0 . 3 . 1 8 8 6 ; verheiratet mit KATHARINA SOPHIA HEUSSLER. Er hatte FRIEDRICH
NIETZSCHE an die Basler Universität geholt. Über ihren ältesten Sohn KARL WILHELM VISCHER (24.2.1861-26.1.1928), ein Onkel unseres Wilhelm Eduard Vischer-Stähelins: EBERHARD VISCHER, Wilhelm Vischer, Basler Jahrbuch 1929, 1-12. 5 Rufname EBERHARD; 28.5.1865-2.2.1946. 6 Dort steht an der Stelle der inzwischen abgebrannten „Villa Vischer" nun das „Chalet Tschuggenweg". 7 a) WILHELM EBERHARD, Jurist, 8.7.1891-8.9.1929 Göschenen (im Gebirge abgestürzt). V e r h e i r a t e t m i t GEORGINE ELISABETH ALIOTH, g e b . 7 . 9 . 1 8 9 2 in A r l e s h e i m ; b ) ALFRED LUCIUS,
Farmer in Francesville/Indiana, 8.12.1892-9.6.1990. 8 Nicht in Basel, wie es bisweilen heißt: Umschlag von L'Ecriture et la Parole (1985) und L'Illustre Protestant Dec. 1965. ' Erinnerungsheft für Eberhard Vischer, 9.
Elternhaus und Jugend
19
Als im Frühjahr 1895 beim Vater eine alte und schon für geheilt gehaltene Tuberkulose wieder ausbrach, riet ihm sein Arzt, das Pfarramt aufzugeben, nach Basel zurückzukehren und den ursprünglichen Plan, sich zu habilitieren, wieder aufzunehmen. So bezog die Familie im Herbst das Haus Sevogelstraße 70 in Basel, wo die akademische Laufbahn vorbereitet wurde.11 Im Frühjahr 1898 wurde der Vater Privatdozent für Kirchengeschichte in Basel12, wo die Töchter Margaretha Amelie, Valerie Elisabeth, Anna Katherina und Emma Dorothea geboren wurden.13 Der neue Anfang ohne feste Stellung fiel dem Vater nicht leicht. Als im Sommer 1902 Wilhelm Bornemann (1858-1946) einem Ruf nach Frankfurt folgte, erhielt Eberhard Vischer die Professur, die für seinen Vorgänger Franz Overbeck geschaffen worden war, mit dem Auftrag, über Kirchengeschichte des Altertums und des Mittelalters zu lesen.14 Zunächst scheint der Sohn Wilhelm Schwierigkeiten gehabt zu haben, seinen Weg zu finden. Da hatte er eine eindrückliche Begegnung, aufgrund derer er den Einfluß seiner Mutter Valerie geb. Koechlin15 für wichtiger veranschlagt als den des Vaters. Die Mutter suchte immer wieder neue Kraft bei Christoph Blumhardt (d.J. 1842-1919), dem sein Vater eher skeptisch gegenüberstand, weil er seine Äußerungen in großer Kühnheit im Namen Gottes tat16. Vischers Mutter weilte in Bad Boll für mehrere Monate im Frühjahr 1897.17 Auf Blumhardts späteren Rat hin wurde der kleine Wilhelm, wohl weil er ein schwieriges Kind war und wegen eines Nervenzusammenbruchs seiner Mutter18, aus der ersten Schulklasse in ei10 Interview vom 10.8.1984, 2 f. - E. VISCHER, Die Offenbarung Johannis, eine jüdische Apokalypse in christlicher Bearbeitung, Leipzig 1886, 2 1895. 11 Erinnerungsheft für Eberhard Vischer, 13. 12 A.a.O. 15. 13
MARGARETHA (stud.jur.): 2 6 . 1 1 . 1 8 9 7 - 2 2 . 9 . 1 9 2 7 ,
VALERIE: 7 . 7 . 1 9 0 1 - 2 . 1 0 . 1 9 1 8 ,
ANNA:
14.11.1906-6.4.1933, EMMA: 5.9.1913-24.12.1997. - In seiner Abschiedsvorlesung kam Vischer auf sein akademisches Geschlecht zu sprechen: „On est toujours ce qu'on est par sa naissance. Mes ancetres paternels etaient des historiens. Mon arriere-grand-pere etait archeologue et historien de la Grece, professeur a Bäle. Mon grand-pere etait specialiste de l'histoire de la Suisse, tout d'abord professeur ä Göttingen et apres ä Bäle. Mon pere, lui etait specialiste du Nouveau Testament et de l'histoire de l'Eglise. A vingt ans, il fut etudiant chez Harnack ä Berlin. II a fait sensation par une these, ou il a defendu l'idee que l'Apocalypse de St. Jean etait une edition chretienne d'une apocalypse juive. Plus tard, il est devenu professeur ä Bäle, et c'est Cullmann qui occupe maintenant la chaire qu'avait autrefois mon pere. Α cöte de ma mere, l'influence est plus importante ..." (La Legon Derniere, 1967, 10). 14
Erinnerungsheft für Eberhard Vischer, 15 f. Sein Nachfolger war OSCAR CULLMANN (a. a. Ο. 22). 15 Basel 1868 - Basel 1956. 16 Erinnerungsheft für Eberhard Vischer, 15. 17 Ebd. 1 8 B ö D E K E R im Interview am 6.10.1995.
20
Biographie und theologischer Weg
nem Kinderheim untergebracht, das die Schwestern Lotzky in Blumhardts Privathaus in Jebenhausen leiteten. Dort gab es auch Raum zur Begegnung mit Blumhardt. Vischer, obwohl erst sieben Jahre alt, wurde von diesem tief beeindruckt und geprägt: Denn dieser lebte, wie Vischer für sich festhielt, Tag und Nacht in der Erwartung des Reiches Gottes. Vischer zog eine Parallele zwischen dem Anfang und dem Ende seines Lebens: daß er nämlich am Ende analog zur Erwartung Blumhardts erkennen konnte, wie die Armen in Nicaragua mit Ernesto Cardenal die Revolution der Liebe Gottes entdecken können.19 Nach anderthalb Jahren kehrte er ins Elternhaus zurück. Sein Leben lang hat Vischer den prägenden Einfluß Blumhardts hervorgehoben, von dem er die aktive Arbeit am Reich Gottes und die Nähe zum religiösen Sozialismus übernommen habe.20 Vischer fühlte sich deren Kreis zugehörig und las die „Neuen Wege"21, erklärte aber, Kutter und Ragaz nicht sehr nahe gestanden zu haben.22 Vischer hat zweifach von Blumhardt Anregungen erfahren: direkt und, über Barth und Thurneysen vermittelt, indirekt.23 „In der Schule hatte ich eine ständige Angst und stieg nur mühsam von einer Klasse in die höhere. Umso wohler war es mir im Freien bei Spiel und Kampf. Da ich besondere Mühe hatte, etwas schriftlich zu fixieren, verdarb ich mir den Konfirmandenunterricht bei meinem Onkel Karl Geizer dadurch, dass ich mich freiwillig verpflichtete, nach jeder Stunde das Mitgeteilte aufzuzeichnen."24 Als Konfirmationsspruch erhielt er das Wort: „Der Herr gibt Weisheit, und aus seinem Munde kommt Erkenntnis und Verstand. Er läßt es den Aufrichtigen gelingen und beschirmt die Frommen" (Prv 2,6 f.). „In den oberen Klassen des humanistischen Gymnasiums bekam ich Lust, aus Büchern zu lernen, besonders die griechische Sprache, ihre klassische Literatur und auch das Neue Testament. Noch anregender als die Schule war die Pädagogia, wo wir unter Freunden unsere begeisternden Entdeckungen auf vielen Gebieten des Lebens, der Wissenschaft, der Dichtung und der Kunst austauschten."25 Besonders begeistert äußerte er sich
19 BURKI/PRIEUR, Le royaume de Dieu aujourd'hui. Une interview du professeur Wilhelm Vischer, in: Le Cep Juin, 1987, 20. 20 Vgl. Wilhelm Vischer, Blumhardt, in: Baselbieter Kirchenbote Teil I: 16, 8/1924, 58-60; Teil II: ebd. Nr.9/1924, 66-69. Auch KARL BARTH hatte in seinem Tübinger Semester (Winter 1907/08) mehrfach BLUMHARDT besucht, „ohne schon eine rechte Einsicht von diesem merkwürdigen Gottesmann zu gewinnen"; so KuPISCH, Barth, 23. 21 Die 1906 von RAGAZ gegründete Zeitschrift des neuen Kreises der Religiös-Sozialen (RGG 3 VI, 184). 22 Interview vom 10.8.1984, 2. 23 Vgl. unten S. 36 ff. 24 Lebenslauf (aufgesetzt vom Verstorbenen), in: Erinnerungsheft, 3. 25 Ebd.
Studium
21
über Homer, Plato und Sophokles. Mit Hingabe erarbeitete er einen Aufsatz über die Lyrik Eduard Mörikes. Als von ihm bevorzugte Maler nannte er Michelangelo, Dürer und Hodler; in der Musik bewunderte er neben Bach und Beethoven „in erster Linie Mozart und Reger".26 Seine Kindheit und Jugend verbrachte Vischer in Basel, wo er das Gymnasium besuchte. Darin nahm er an einem kleinen Kreis teil, in dem das Neue Testament kritisch gelesen wurde. Gleichzeitig begann er bei Bernhard Duhm Hebräisch zu lernen, bis er mit dem Studium anfing.27 Bereits in den letzten Schuljahren machte sich ein Einfluß von Hermann Kutter und Leonhard Ragaz bemerkbar: Der Vater drängte zur Theologie; er selbst aber wäre lieber Schriftsetzer geworden, denn „c'etait le syndicat le plus evolue, et moi, je voulais militer pour la justice des hommes."28 Unterdrückung Schwacher war ihm unerträglich.29 Mit Fritz Lieb hat er angeblich an sozialistischen Demonstrationen teilgenommen.30 Sein Vater war zwar auch offen für den Sozialismus, aber sagte schlicht: „Anstatt zu drucken, was andere geschrieben haben, kannst du selber publizieren." Nachdem er am 1. April 1913, kurz vor dem 18. Geburtstag, das Maturitätszeugnis erhalten hatte, folgte er dem Wunsch seines Vaters, Theologie zu studieren, „überzeugt, dass die Wendung aller Dinge durch das Evangelium geschieht."31
1.2
Studium
Zuerst sollte er sich im Pfarrhaus St. Saphorin am Genfer See, wo er schon mehrere Sommerferien verbracht hatte, erholen, im Französischen vervollkommnen und mit der Tätigkeit eines Seelsorgers vertraut machen. Er folgte auch einigen Vorlesungen in Lausanne und arbeitete die Genesis anhand Gunkels Kommentar durch. „Das war eine ausgezeichnete Einfüh-
26
Aus dem von seinem Sohn abgetippten handschriftlichen Lebenslauf (S. 2 d e r Abschrift). La Lefon Derniere, 1967, 11. 28 Ebd. Vgl. B A R T H : „In Safenwil hat mich am Sozialismus v. a. das Problem der Gewerkschaftsbewegung interessiert. Ich habe es jahrelang studiert und habe auch mitgeholfen, d a ß in Safenwil (wo es solches vorher nicht gegeben hat) drei blühende Gewerkschaften auf dem Plan blieben, als ich von d o r t wegging. Das war meine bescheidene Beschäftigung mit der Arbeiterfrage und mein sehr beschränktes, nämlich in der Hauptsache nur praktisches Interesse am Sozialismus. Natürlich habe ich da auch noch andere Sachen mitgemacht. Aber das Prinzipielle, das Ideologische lag f ü r mich immer am Rande" (Busch, Barths Lebenslauf, 27
116). 29 30 31
Br. von BöDEKER vom 24.9.1995 an mich. B o u t t i e r , Invitation, 9. Lebenslauf (aufgesetzt vom Verstorbenen), in: Erinnerungsheft, 4.
22
Biographie und theologischer Weg
rung in die Arbeit am A.T.; auf sie richtete sich in den ersten Semestern mein Hauptinteresse."32 Gleichzeitig an den beiden Fakultäten ,nationale' und ,libre' begann Vischer im Sommersemester 1913 das Studium. Von dem Hebraisten Henri Vuilleumier wurde er in Hebräisch und Exegese eingeführt.33 An der erstgenannten Fakultät fesselten ihn vor allem die Vorlesungen über Philosophiegeschichte bei Philippe Bridel. Als er im Wintersemester mehr Vorlesungen besuchen wollte, war er genötigt, in Lausanne eine Wohnung zu mieten. Nach nur zwei Lausanner Semestern blieb er vier Semester in Basel. Dort erlebte er eine fruchtbare Zeit bei Albrecht Alt, jedoch nur ein Semester, weil Alt wegen seiner Sprachkenntnisse 1914 zur deutschen Wehrmacht nach Palästina einberufen wurde. Alt hat Vischer öfter zu sich eingeladen: Man unterhielt sich freundschaftlich bei einer Zigarre, und Alt führte ihn in die geographisch-historischen Methoden ein. Vischer machte sich mit dem Einfluß des Charakters eines Landes auf seine Bewohner vertraut.34 „Bei Ausbruch des Krieges wurde ich stark in Anspruch genommen durch Arbeiten für den Zofingerverein. Als dem Vertreter der in den Militärdienst einberufenen Mitglieder des Centrai-Ausschusses fiel mir die Aufgabe zu, den allein zurückgebliebenen Präsidenten zu unterstützen. In erster Linie hatte ich die Redaktion des Centraiblattes zu besorgen, ab und zu auch eine Festrede zu halten. In welchem Sinne wir unser Amt zu führen hatten, war uns klar. Der Nationalismus, der damals aufflackerte, war unser Feind. Es galt, bei der Studentenschaft das patriotische' Geschwätz durch ein gründliches Studium der sozialen und politischen Grundlagen unseres Gemeinschaftslebens zu ersetzen. Der Idealismus war auf unsere Fahne geschrieben und der Glaube an die Macht des guten Willens beseelte mich. Ob unsere Forderungen zu radikal und unsere Hoffnungen utopisch sind, wird die Zukunft lehren. Eines steht fest: ,Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.' Der Zweifel der Christenheit in den Sieg der unsichtbaren Wirklichkeit über die greifbaren Realitäten ist die Schuld, die durch die gegenwärtige Katastrophe gesühnt wird."35
Im vierten Basler Semester war Vischer vom Besuch der Vorlesungen dispensiert, wahrscheinlich wegen Wehrübungen. 32 Aus dem von Vischers Sohn WOLFGANG abgetippten handschrifdichen Lebenslauf (S. 3 der Abschrift). 33 Vischer zitiert ihn m. W. nur in „Calvin, exegete de l'Ancien Testament", 1965, 213. 220 (positiv). 34 Im Nachlaß Vischers befinden sich Kolleghefte aus Vorlesungen auch von STADE und DUHM (mit unbekannter Datierung). 35 Aus dem von seinem Sohn abgetippten handschriftlichen Lebenslauf (S. 4 der Abschrift). 1935 erschien in der Zeitschrift des Zofingervereins Vischers Aufsatz „Die unteilbare Ganzheit der Bibel".
Studium
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Nach dem propädeutischen Examen (15. März 1916) ging er zum Sommersemester 1916 für insgesamt drei Semester nach Marburg. An der liberalsten Fakultät seiner Zeit studierte er Neues Testament - wie Barth, der Marburg „mein Zion" nannte36. Vor allem hörte er bei Wilhelm Heitmüller, bei dem er nach Ausweis seines Testatbüchleins37 vier Vorlesungen und zwei Seminare besucht hat, soviel wie bei keinem anderen. Heitmüller bot spannende Seminare und Diskussionen mit Wilhelm Bousset und anderen an. Fast täglich sah er den Privatdozenten Rudolf Bultmann, dessen Vorlesung er besuchte und mit dem zusammen er bei Witwe Pott verköstigt wurde.38 Altes Testament wurde hier von Karl Budde, in Gießen von Hermann Gunkel vertreten, von dem sich Vischer in einem Cafe die formgeschichtliche Methode erläutern ließ.39 Er hörte Vorlesungen der Neukantianer Hermann Cohen und Paul Natorp.40 Mehrfach mußte er seine Studien unterbrechen, weil er als Soldat an die Schweizer Grenze einberufen wurde. 1915 wurde er zur Füsilierkompanie 11/54 eingezogen und kam zunächst an die Luzerner Rekrutenschule. Bis 1917 verbrachte er nach Ausweis seines Militärheftes unregelmäßig insgesamt 245 Tage beim Militär - nach anfänglichen Gewissensbissen von der Notwendigkeit der Landesverteidigung überzeugt.41 Sein Militärdienst dürfte der Grund auch für die zweite Beurlaubung im Wintersemester 1916/17 gewesen sein. Auf die Frage, ob Vischer auch Wilhelm Herrmann in Marburg gehört habe, der für den dort 1908 studierenden Barth als Stern der Marburger Zunft galt, antwortete er beim Betheler Interview am 10.8.1984 etwas undeutlich: „Nein, das war nicht mehr. Ich war n o c h in Vorlesungen, aber er war schon g a n z starr. Ich habe also nicht mit d e m lebendigen Herrmann z u tun gehabt. Es war alles ganz starr. Für mich war das nicht mehr. D a war Heitmüller. Heitmüller war Neutestamentier. Jülicher aber auch noch." 4 2 (Bei Herrmann hörte Vischer Ethik und D o g m a t i k I im Sommersemester 1916, sonst nichts mehr.)
36
BUSCH, Barths Lebenslauf, 56. BARTH war von April 1908 bis August 1909 in Marburg, auch drei Semester: a. a. O. 56-63. 37 Das Heft, in dem die Professoren den Besuch ihrer Veranstaltungen bestätigen (testieren). Ein solches liegt nur für die Marburger Studienzeit vor. 38 Uber die Theologie BULTMANNS hat Vischer später sehr kritisch geurteilt (Vortrag in Gaildorf, 1960; Everywhere the Scripture is about Christ alone, 1963; hierzu unten S. 289 f.). 39 Das Alte Testament war ein deutlicher Schwerpunkt seiner Studien: BOUTTIER, Invitation, 9; vgl. unten Anm. 174 f., S. 56 f. sowie das Zitat aus seiner Ordinationspredigt vom 5.5.1918 unten S. 27 f. 40 Bei letzterem drei Veranstaltungen. - BOUTTIER (Invitation, 8) betont den Wert der religionsgeschichtlichen Ausbildung Vischers: „Vischer n'aurait pas eu sous les pieds le terrain ou s'arc-bouter pour mesurer la distance qui separe la pensee biblique de ces grands traditions. II n'aurait pu operer le retournement vers le tout-Autre et se trouver associe, a sa maniere, a la conversion vers l'existentiel ..." 41 BURKI/PRIEUR, Le royaume de Dieu aujourd'hui. Une interview du professeur Wilhelm Vischer, in: Le Cep Juin, 1987, 20. 42 Interview vom 10.8.1984, 1.
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Biographie und theologischer Weg
Im Sommer 1917 belegte er bei Martin Rade, dessen Assistent Karl Barth gewesen war, ein systematisches Seminar und eine Vorlesung über die 95 Thesen Luthers. Das Wintersemester 1917/18 verbrachte Vischer wieder in Basel, wo er an systematischen Übungen zur Theologie der Reformation teilnahm und Zwingli näher kennenlernte, besonders dessen praktischen Maßnahmen. Beides lernte er bei Paul Wernle. Am 3. Mai 1918 legte er das theologische Konkordatsexamen ab.43 In diesem Jahr notierte er: „In verschiedener Hinsicht habe ich den Eindruck, jetzt an einem Einschnitt meines Lebens zu stehen. Der Welt gegenüber habe ich eine sichere positive Stellung gefunden; der Zukunft sehe ich getrost entgegen, mag sie noch so hart werden und mir alles nehmen, was ich hoffe und habe. Eines muss sie mir unerschüttert lassen: die Gewissheit der göttlichen Liebe. Denn ,alles Vergängliche ist mir ein Gleichnis', aber bei Gott ,ist die Quelle des Lebens, und in seinem Lichte sehen wir das Licht.'"44 Sein Vater und Heitmüller drängten zur Promotion. Vischer konnte sich nicht dazu durchringen, weil seines Erachtens Heitmüller und andere bereits so gute Arbeit geleistet hätten, daß er hier nichts mehr hinzuzufügen habe. Vor allem empfand Vischer die europäische Situation wegen der Revolution in Rußland und der Suche nach einer Nachkriegsordnung als derart kritisch, daß er „nicht den freien Geist hatte, akademische Studien zu betreiben. Das Evangelium mußte jetzt verkündigt werden."45 Kam für Barth, der Vischer ebenfalls zur Promotion und Habilitation riet46, der Plan einer Marburger Promotion aus „inneren und äußeren Hemmungen nicht zur Ausführung"47, so für Vischer vor allem aus inneren. Vischer sah am Ende seines liberal geführten Studiums wohl wie Barth den „religiösen Individualismus" und den „historischen Relativismus" als den „Inhalt des Schulsacks" an, „den der Schüler der,modernen' Theologie aus dem systematischen und geschichtlichen Kolleg mit ins Leben, das heißt a b e r . . . in die religiöse Arbeit an den Anderen hinein mitbekommt."48 43 Das Konkordatsexamen ist das für die deutsch-schweizerischen kirchlichen Gebiete mit Ausnahme von Bern und Graubünden gültige und die Wählbarkeit als Pfarrer verleihende Examen am Ende des Theologiestudiums. Vischers Vater war seit 1902 Vertreter der Basler Kirche in der Konkordatsprüfungsbehörde und 1913-43 ihr Präsident (vgl. Erinnerungsheft für Eberhard Vischer, 39). 44 So der Schluß des von seinem Sohn abgetippten handschriftlichen Lebenslaufs (S.5 f. der Abschrift). 45 La Le?on Derniere, 1967, 12. Unrichtig ist die Angabe von H. O. KÜHNER in der Neuen Züricher Zeitung vom 29.4.1985, Vischer habe „beim Altmeister Bernhard Duhm promoviert". 46 Br. an Vischer vom 29.2.1928. 47 KuPISCH a. a. O. 29. Eine innere Hemmung bildete für BARTH, daß ihm der „Betrieb der wissenschaftlichen Theologie , irgendwie' fremd und rätselhaft zu werden" begann (BUSCH, Barths Lebenslauf, 69).
Pfarramt
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Der handgeschriebene Lebenslauf, der bis zur Marburger Studienzeit führt, zeigt ihn ganz in diesen Bahnen. Über Paul Natorp und Wilhelm Heitmüller schrieb er: „Diesen beiden hervorragenden Gelehrten, denen ich auch persönlich näher treten durfte, und denen meine ganze Verehrung gilt, verdanke ich die Bestimmung meiner philosophischen und theologischen Geistesrichtung."49 Und über Luther: „Eine Quelle, aus der ich gierig trank, waren Luthers Schriften. Denn aus ihnen strömten weder leere Begriffe noch mystische Schwüle, sondern menschliche Frömmigkeit" !50 Später hat er immer wieder eine Theologie bekämpft, nach der die Schrift Informationen über die menschliche Frömmigkeit biete; es gehe in ihr vielmehr um die Frömmigkeit Gottes. Die Phase, in der sich dieser Subjektwechsel vom Menschen hin zu Gott in Vischers Theologie vollzog, muß in seiner Zeit als Pfarrer von Tenniken liegen.
1.3 Pfanamt 1.3.1 Rupperswil, Zünch und Tenniken Da es damals keine Lehrvikariate gab, wurde Vischer unmittelbar nach seinem Studium Gemeindepfarrer: von Mitte Mai bis 21. Juli 1918 in Rupperswil zur Vertretung eines verwandten Pfarrers, dann vom 22. Juli bis 3. September 1918 am Großmünster in Zürich. Mit großen Erwartungen an Lenin verfolgte er, darin mit Fritz Lieb51 verbunden, die russische Revolution. Lieb war seit 1920 Mitglied in der von der schweizerischen Sozialistischen Partei (Mitgliedschaft 1915) abgespaltenen Kommunistischen Partei.52 Wohl aufgrund seiner politischen Haltung wurden er und Vischer von einer konservativer gesinnten Tante (mütterlicherseits) enterbt.53 Vischer und Lieb waren allgemein als „links" bekannt. In seiner Abschiedsvorlesung erzählt Vischer:
48
Zitiert nach KUPISCH a. a. O. 28. Aus dem von seinem Sohn abgetippten handschriftlichen Lebenslauf (S. 5 der Abschrift). 50 A. a. O. 6. 51 1892-1970. Extraordinarius für Systematische Theologie und Theologiegeschichte in Basel 1924, Bonn 1930-33; Emigrant 1934-36 Paris, außerordendicher Prof. Basel 1936, ordentlicher Gast-Prof. Berlin 1946/47, ordentlicher Prof. Basel 1958, emeritiert 1962 (s. ROHKRÄMER, Lieb). - LIEB heiratete 1923 die Schwester RUTH von Vischers Frau, MARIA LYDIA STAHELIN und wurde Pate von Vischers erstem Sohn. 52 Nach BARTHS Bericht als einer ihrer trotzigsten (BUSCH, Barths Lebenslauf, 120)! Vgl. LIEB, Marxismus; ROHKRÄMER, Lieb, 191-193 (Lit.). 53 Seine Kinder haben dies später rückgängig machen können. 49
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Biographie und theologischer Weg
, E s w a r damals z i e m l i c h s c h w e r , eine Pfarrstelle z u finden. Schließlich w a r im Baselland e t w a s frei, als gerade Bauern in d e r Stadt w a r e n , sozialistische U m triebe z u b e k ä m p f e n . Ich war Leninist u n d überzeugt, d a ß die H e r r s c h a f t d e s M a m m o n s gestürzt w e r d e n m ü ß t e , w e n n E u r o p a n e u gebaut w e r d e n sollte. Z u r gleichen Zeit grassierte eine G r i p p e e p i d e m i e , s o d a ß ich viele b e e r d i g e n m u ß t e - w e n i g Zeit für Studien. N a c h einigen Jahren aber hatte ich die Zeit, v o r allem im S o m m e r , w e n n auf d e m L a n d n i e m a n d krank w i r d , stirbt o d e r für einen B e s u c h Zeit hat.' 5 4 Es verwundert,
d a ß s i c h V i s c h e r als L e n i n i s t b e z e i c h n e t . 5 5 D e n n
zum
e i n e n e n t s c h i e d e n sich die S c h w e i z e r R e l i g i ö s - S o z i a l e n in d e r R e g e l g e g e n die russische F o r m des Sozialismus; auch in D e u t s c h l a n d f a n d e n nur w e n i g e Vertreter des Religiösen Sozialismus z u m Kommunismus.56 M i t den Relig i ö s - S o z i a l e n einte V i s c h e r die stets w i e d e r h o l t e A b l e h n u n g jeder V e r e i n n a h m u n g Gottes für nationale Anliegen.57 Z u m anderen darf m a n die damalige politische Links-Rechts-Begrifflichkeit nicht mit heutigen Schemata verwechseln. Für Vischer bedeutete sein politischer Standort je länger, d e s t o m e h r eine d i a k o n i s c h e H a l t u n g in t h e o l o g i s c h e r , n i c h t a b e r in
autonom-
humanistischer Verantwortung. D a r ü b e r hinaus m u ß t e Vischer bis späte-
54 La Ι,εςοη Derniere, 1967, 12 f. (Hervorh. S. F.); zit. auch von BOUTOER, Invitation, 9. 1933/34 sprach Vischer bzgl. Lev 25,23.42 (Christuszeugnis I, 265) unbefangen vom „israelitischen Sozialismus, der darin begründet ist, d a ß die Kinder Israel die Eidgenossen Gottes sind", und vom irdischen C h a r a k t e r von Jahwes Gerichts- und Gnadenhandeln. 1937 (Unsere nächsten Beziehungen, 162): „Ich erinnere mich an eine Rede von Lenin, die er in d e r Zeit der Blüte der russischen Revolution gehalten hat, als die große Begeisterung in den Massen war. Damals rief er ihnen zu: ,Das ist nichts, dem Nächsten helfen, den Nächsten lieben; den Fernsten lieben, das ist die rechte Liebe.' W i r haben es seither erlebt, in Rußland, und nicht nur in Rußland, wie gefährlich es werden kann, wenn man auf das Fernste aus ist und das N a h e übersieht. Es m u ß die Liebe zum Fernsten ausgehen von der Liebe zum Nächsten. W i r erkennen an den Worten Lenins, wie nahe sich Materialismus und Idealismus darin kommen, d a ß sie den Menschen über seine Grenzen hinaus in ferne Weiten treiben." 1946 (Die evangelische Gemeindeordnung, 93): Es ist „zu schließen, d a ß alle Versuche, das Wirtschaftsleben dadurch in O r d n u n g zu bringen, d a ß man von den Gütern und dem Geld ausgeht, das Heil nicht bringen können f ü r die soziale N o t . " A. a. O. S. 120 (Hervorh. orig.): Jesus „klagt niemanden an, erklärt auch nicht, wie es dazu gekommen i s t E r sagt einfach: Ihr wißt, d a ß es so ist U n d ebenso einfach fährt er fort: Nicht so wird es hei euch sein. Die Gemeinde hat also weder über die politische N o t Klagereden zu halten oder Anklagen in die Welt hinauszuschleudern, noch eine revolutionäre oder reaktionäre Theologie des Staates zu entwickeln. Sie h a t einfach selbst anders zu sein. . . . politische O r d n u n g umgekehrt . . . " S. 121: „Sie darf ihre Verfassung nicht nach dem Muster der Völker und Staaten gestalten, weder monarchisch noch oligarchisch noch demokratisch. Sie hat ihre eigene Verfassung, und diese ist dadurch bestimmt, d a ß über sie und in ihr überhaupt kein Mensch h e r r s c h t " 1953 schrieb Vischer mit gleicher Intention (Der neue Staat Israel und der Wille Gottes, 39): „Marx h a t die Wirklichkeit unzureichend e r f a ß t " 55 56 57
Vgl. u. S. 65. SCHREY, Sozialismus, 185. Bes. RAGAZ: KUPISCH, B a r t h , 34.
Pfarramt
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stens 1923 tiefergehende marxistische Neigungen theologisch verarbeitet und entscheidend relativiert haben, denn aus diesem Jahr stammt sein lesenswerter Artikel „Evangelium und Politik" im Baselbieter Kirchenboten58. Darin werden, ausgehend vom Traum Nebukadnezars in Daniel 2, folgende Thesen vertreten: 1. Gottes Anspruch zielt beschlagnahmend auf unsere gesamte konkrete Wirklichkeit. Jeder, ob religiös-sozial, konservativ oder scheinbar apolitisch, treibt irgendwie Politik. Die brennende Frage, an der wir mit jedem Blutstropfen beteiligt sind, ist, ob Gott bei uns ist als der Lebendige inmitten dieser Todeswelt - Jesus Christus ist darauf die Antwort. 2. Eine Verquickung von Evangelium und Politik macht Gottes Wort zur Parteiparole und Gott zum Nationalgötzen (ob deutsch [1923!], französisch oder schweizerisch)59. Vorbildlich habe sich Pestalozzi geäußert: eine chrisdiche Verwaltung ist undenkbar; Calvins Staat in Genf hatte unheimliche (!) Ähnlichkeit mit Lenins Regime (!). Gott wirft den Stein (Dan 2), nicht wir; es ist sein fremdes Werk, das er treibt, ζ. B. durch eine atheistische Sozialdemokratie eine Empörung gegen den die abendländische Christenheit beherrschenden Mammonismus zu entfachen. 3. Dieser Politik Gottes gegenüber ist Buße und Glaube angebracht und nicht, nun selbst Steine zu werfen oder sich aus der Politik zurückzuziehen, sondern an dem schwachen Punkte Stellung zu nehmen, wo der Stein einschlägt: unter den Erniedrigten und Beleidigten. Die sich in sozialistischer oder sozialdemokratischer Gesinnung artikulierende Weltzugewandtheit begünstigte Vischers Interesse am Prediger Salomo, dem er seine erste exegetische Veröffentlichung widmete (siehe unten 1-4). Am 5. Mai 1918 wurde Vischer im Basler Münster ordiniert, sehr wahrscheinlich von Antistes Arnold von Salis60. Vischer predigte dabei über das Gleichnis von der köstlichen Perle. Die Liebe ist nach dieser Predigt die Einheit in der Vielfalt der irdischen Erscheinungen; sie erklärt, warum und wozu Gott Welt und Mensch erschaffen hat. „Darum ist das Ergreifen des Himmelreichs in erster Linie weder Kampf um dies und das, noch Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode, sondern ein Finden und dann ein freudiges, mutiges Fahrenlassen auch des bisher Wertvollsten für das Eine Köstliche ..., das ewige Gut: Gott. Denn Gott ist Liebe, und die Liebe, die wir hier erleben, ist dieselbe in Ewigkeit, sie verbindet Diesseits und Jenseits, wer hier nicht findet, wird sie dort vergeblich suchen. . . . Wo Menschen um die
58
Baselbieter Kirchenbote 15, Nr. 10/Juli 1923, 73-76. Vgl. Volk und Gott in der Bibel, 1934, 45 f.; Das Heil kommt von den Juden. Memorandum, 1938, 47 (2. Aufl.: 8). 60 Am Münster zu Basel 1891-1920, ab 1911 zugleich Kirchenratspräsident. w
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Biographie und theologischer Weg
Liebe, aus Liebe freudig alles fahren lassen ..., da ist das Reich Gottes angekommen auf der Erde ..,"61 1918-28" bekleidete er das Amt des Pfarrers der Kirchengemeinde Tenniken-Zunzgen (Baselland). Er war mit 101 Stimmen einstimmig gewählt worden. In Zunzgen regte er den Bau einer kleinen Badeanstalt an, was wohl sogar von ihm finanziert worden ist.63 Am 8. Oktober 1918, kurz nach dem Tod seiner Schwester Valerie am 2.10. (seine Braut wollte die Hochzeit nicht verschieben), heiratete er die zwei Jahre jüngere Maria Lydia Stähelin64. Zu gleicher Zeit begannen für ihn so Ehe und Pfarramt.65 In Tenniken wurden die ersten drei Kinder geboren: Wolfgang Amadeus *1921 (der Name spiegelt die mit Barth gemeinsame Begeisterung für Mozart); Sonja *1923 (nach der Sonja aus Dostojewskis „Schuld und Sühne"); Eva *1928 (als biblischer Name gewählt). In Bethel wurde 1930 der Sohn Eberhard geboren (mit diesem Namen sollte an Vischers Bruder erinnert werden, der im Jahr zuvor im Gotthardgebiet tödlich abgestürzt war66). Auf die Frage, warum keines der Kinder die theologische Laufbahn eingeschlagen hat, antwortete Wolfgang Amadeus Vischer, es habe vielleicht an der Härte der theologischen Auseinandersetzungen (ζ. B. mit Eichrodt, über den Vischer grimmig geredet haben soll67) gelegen. Mit seinen Kindern hat Vischer über theologische Fragen nur wenig gesprochen. Er hat auch nicht bedauert, daß keines der Kinder in die Theologie gelangte. Zu Hause wurde eher gesungen und musiziert als theologisiert: Die Kinder und die Mutter spielten Cello, Geige und Klavier, der Vater Flöte. Theologisch interessant und überzeugend waren für die Familie vor allem seine Predigten. In Tenniken gab es einige Chrischonabrüder, die morgens bei Vischer zum Gottesdienst und abends in ihre „Stunde" gingen. Das Verhältnis war freundschaftlich; nur konnte es Vischer nicht leiden, wenn man, wie er sich ausdrückte68, „mit Vorliebe in den Fischkörben" fischte, das heißt in der Kirchengemeinde unter Christen statt außerhalb evangelisierte. 61
Herr W. A. Vischer hat das handschrifdiche Manuskript Vischers abgetippt; zitiert wurde von der letzten Seite 4 (Schluß). 62 Gemäß Gästebuch etwa vom 24.11.1918 bis Anfang Okt. 1928. 63
STUMPF, Marienkirche, 84.
64
8 . 4 . 1 8 9 7 B a s e l - 2 2 . 2 . 1 9 7 5 M o n t p e l l i e r . I h r e E l t e r n : JOHANNES E R N S T STAEHELIN u n d
BERTHA SIBYLLA MERIAN (eine begabte Malerin und Nachfahrin der Insektenforscherin und g r o ß e n R e i s e n d e n MARIA SIBYLLA MERIAN, 1 6 4 7 - 1 7 1 7 ; ü b e r d i e s e n e u e r d i n g s : BUBENIK-BAU-
ER, Frauen). 65 Erinnerungsheft, 5. 66 A.a.O. 6f. 67 Allerdings gab es nach dem von mir in Montpellier gefundenen Material auch einen sachlichen bis freundschaftlichen Austausch zwischen den beiden. 68
Bericht von BÖDEKER (Br. v o m 2 0 . 1 0 . 1 9 9 5 an mich).
Pfarramt
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Gab es tiefergehende Auseinandersetzungen zur liberalen Seite hin? Darauf führt eine Bemerkung von 1930: „Friede, Friede!" „meinen sie, sei der Ton, auf den eine rechte Predigt gestimmt sein muß. Ich war einmal dabei, wie in meiner Heimatkirche ein Pfarrer in sein Amt eingesetzt wurde. Es war in der Nachkriegszeit, wo es bei uns vorkam, daß auch in der Kirche etwa Stimmen laut wurden, die von Gottes Wort her die bestehenden Ordnungen und Gesinnungen angriffen. Da wies der Kirchendirektor in seiner Rede darauf hin, daß das Amt, in das der Pfarrer eingeführt werde, das Amt sei, das die Versöhnung predigt; es sei darum ein Mißbrauch, wenn in diesem Amte der Riß, der durch die Menschen unserer Zeit gehe, noch tiefer aufgerissen werde. Der Amtsbruder stimmte dem bei und führte in seiner Predigt aus, wie die Kirche der friedliche Ort sei, zu dem man sich flüchte aus den Stürmen und Aengsten. Wer möchte nicht, daß es so wäre? Was aber, wenn gerade an diesem Orte aus dem Worte Gottes sich der schärfste Angriff gegen den Menschen erhebt? Wir versichern uns gegen alle Gefahren, gegen Feuer und Wasser, Hagel und Viehseuche, Einbruch und Diebstahl, Unfall und Krankheit, Invalidität und Todesfall - und am sichersten sind wir in der Kirche für Zeit und Ewigkeit gegen das Unheil gesichert. Aber nun bricht gerade von Gott her der Angriff aus. Wem wäre das nicht ein Aergernis! Und doch geht es in diesem Angriff um die Versöhnung. Es geht in dieser Beunruhigung durch Gott um die Ruhe der Seele in Gott. Aber so wahr Gott Gott ist und nicht ein Götze, geht es um Ruhe in der Wahrheit und nicht in der Lüge."69 Die Gemeinde von Tenniken hat Vischer sehr dankbar gehört. Bei seinem Abschied konnte man in der Zeitung ein schönes Zeugnis lesen, das die eben zitierte Bemerkung bestätigt: „Herr Pfarrer Vischer war nicht ein Kanzelredner nach des Wortes gewöhnlichem Brauch. Man verließ jeweils den Gottesdienst nicht mit dem Bewußtsein, eine schöne Stunde und viel Erbauung erlebt zu haben. Man kam oft nach Hause mit zerschlagenem Herzen: Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes. Herr Pfarrer Vischer war nicht ein Schönredner, der seinen Zuhörern imponieren wollte mit einer formvollendeten Rede, oder der seine Zuhörer einlullen wollte mit schönen Naturmalereien und mit dreimal hin- und hergedrechselten Phrasen. Was uns Herr Vischer mit Hilfe Gottes erkennen lassen wollte, das war Gott in seiner Majestät und Allmacht, in seiner Tiefe und in seinem Zorn und in seiner allesumfassenden Liebe und Barmherzigkeit. Wir Menschen können nichts tun, ob wir tief oder vielleicht etwas höher stehen, wenn nicht Gott der Erhabene, Gott vor welchem wir nur Dreck und Schmutz sind, etwas tut, nämlich uns heraus holt aus unserem Sumpf und uns zuruft: Ich lebe und ihr sollt auch leben. . . . Von dieser hohen Warte der Gotteserkenntnis aus wurden alle menschlichen Fragen durchleuchtet, die Frage des Krieges und des Militarismus wie auch die soziale Frage. Herr Pfarrer Vischer hat nie ge" „Friede! Friede!" und ist doch nicht Friede. Jeremia 6, in: Beth-El 22, 7 / 1 9 3 0 , 169-172, hier 171 f.
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Biographie und theologischer Weg
hetzt, wie ihm etwa vorgeworfen worden ist Im Auftrage seines Gottes mußte er oft zu uns reden, ob es in unseren menschlichen Kram paßte oder nicht. Er hatte nur eine Aufgabe: Gott zu verherrlichen und in uns das Reich Gottes aufzubauen. .. ,"70
1.3.2 Die
Palästinareise
Von Juli bis November 1924 unternahm Vischer eine Orientreise mit dem Ziel Palästina. Er war der erste Theologe, der dafür den für Pfarrer auf den ersten Pfarrstellen vorgesehenen Studienurlaub bekam. Die Kantonsregierung stellte einen Diplomatenpaß aus.71 Vischer hat über diese Reise im Baselbieter Kirchenboten, dessen Redakteur er selbst war, 1924-27 in Form von Briefen an seine Heimat berichtet. Dieser Bericht sei in Kürze wiedergegeben. Per Schiff ging es über Albanien, Athen und Konstantinopel. In Smyrna wollte die türkische Gesundheitspolizei am 26. Juli beinahe fünf Tage Quarantäne durchsetzen. Am 27. ging es überraschend weiter, aber nur bis Klazomene, wo die Quarantäne angetreten werden mußte. Am 1. August schreibt er dann, bei der Station Adalia: „Von den Reisen des Apostels Paulus bekomme ich jetzt einen etwas besseren Begriff: Es sind ganz andere Distanzen, als man nach dem Kärtlein in der Bibel denkt. Mit was für Strapazen muß er gereist sein .. ."72 In Larnaka auf Zypern ging man zwei Stunden an Land, einen Tag in Mersina, wo einige Stunden landeinwärts Tarsus liegt. Zur Desinfektion schwefelten die Türken das Schiff aus. Weiter ging es nach Alexandrette, die scharfe Kontrolle in Beirut glücklich passierend und mit dem Auto weiter nach Ghazir; „die arabischen Chauffeure sind wirklich.. .das Kühnste, was der Automobilismus hervorgebracht hat." In Ghazir wurde der einarmige Jakob Künzler (von Walzenhausen) 73 besucht, „ein wie mit vier Armen tätiger Vater" von 19 Häusern mit über 1000 armenischen Waisenmädchen und einigen blinden Waisenknaben. Vischer hielt später noch Kontakt: 1925-28 bekleidete er das Amt eines Präses und Aktuars (Schriftführers) der „Schweizerhilfe für die blinden Armenierwaisen am Libanon". In diesem Verein wurden Geldsammlungen und Patenschaften organisiert, um die vor den Türken nach dem Libanon geflohenen Armenier zu unterstützen.
70 Zu diesem Blatt aus Vischers Nachlaß habe ich keine bibliographische Angabe; als Autor ist „E.J." festgehalten. 71 STUMPF, Marienkirche, 85. 72 Dritter Br., S. 45. 73 Auf dem Libanon seit 1923, geb. wohl 1871, Missionar in Urfa, von ihm: Abhandlungen über den Orient; über ihn: Briefe vom 2. und 10.8.1924.
Pfarramt
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In Dschebeil und Sidon interessierte sich Vischer weniger für die Ausgrabungen von Königsgräbern mit den bis dahin ältesten bekannten Inschriften als für das um ihn herum pulsierende Leben. Über tausend armenische Waisenknaben hatten sich hier angesiedelt; vor Beirut lagerten über 15.000 armenische Flüchtlinge. Abstecher und weitere Aufenthalte führten nach Sarepta und Tyrus. Bei einer Tour kam er auf den Sannin, dem höchsten Berg des Libanon, nach Baalbek und Rebk. In Damaskus blieben sie einige Tage im Hause eines dänischen Arztes, der zur dänischen Islam-Mission gehörte. Der erste Brief aus Jerusalem ist vom 19. August datiert. Von dort aus wurden (z.T. berittene) Exkursionen unter anderem nach Basan, Derat, ins Jarmuktal, den See Genezareth, Haifa, Bethlehem und Hebron unternommen. Ab Mitte August nahm Vischer an einem von Albrecht Alt74 geleiteten Kurs des „Deutschen Evangelischen Institutes für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes zu Jerusalem" teil. Es war der erste Kurs, der nach dem Weltkrieg durchgeführt wurde.75 Alt hatte als kriegsteilnehmender Offizier in Palästina mit seinen Forschungen unter Führung von Gustav Dalman begonnen. Alt leitete diese Kurse von 1924 bis 1931; ab 1925 war er der Vorsitzende des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas, Leipzig".76 Unterstützt wurde er dabei von Hans Wilhelm Hertzberg, damals noch Propst der deutschen evangelischen Gemeinde in Jerusalem. Zum Kursprogramm gehörte auch Unterricht im Arabischen.77 Manche Orte scheinen mehrmals angestrebt worden zu sein. Der längste Ausritt erstreckte sich über 17 Tage. Einmal zog Vischer auf eigene Faust per Esel los78. 74 ALT wird in den Briefen von einer Palästinareise zum erstenmal erst am 28.9.1924 (Abschnitt 16) erwähnt: „Wir entdeckten und entzifferten eine griechische Inschrift über dem Eingang zu einem Heiligtum, das dem Elia geweiht ist". Weitere Erwähnungen von ALT: Abschnitte 19 (8.10.), 21 und auf der letzten Seite: „Man darf eine Religion nicht nach ihrem Kultus, nicht nach ihren gottesdienstlichen Bräuchen in der Kirche beurteilen." Über ALT hat sich Vischer sehr zufrieden geäußert, wie mir W. A. VISCHER im Interview am 5.8.1994 mitteilte. 75
W. V., Erste Eindrücke von Jerusalem und seiner Umgebung, 1966, 350. RGG 3 I, 247. - Vischer war Mitglied des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas" IL Mitgliederverzeichnis in ZDPV 53, 1930, 334-344, Vischer S. 340; sein Beitritt: Z D P V 4 8 , 1925, 200. Bei dem a.a.O. 194 und in ZDPV 51, 1928, 317 genannten „Pfarrer E. STAEHLIN" handelt es sich wohl um Vischers Schwager. Von den Exkursionen, an denen Vischer teilnahm, wird in ZDPV nichts gemeldet 77 Abschnitt 15, S. 67, datiert Jerusalem, den 27.9.1924. - Auch Ägypten wurde nicht ausgelassen; aus Luxor schrieb Vischer am 3.10. eine Postkarte an KARL BARTH: „Auf der Heimreise aus dem armen Gebirge Juda schwelge ich in den Schätzen Ägyptens." Vgl. HERTZBERG, Israelproblem, 137: „Ich habe es in den zwanziger Jahren miterlebt, wie stark die Gegensätze zwischen den verschieden denkenden Bestandteilen der palästinischen Judenschaft waren." 78 Abschnitt 21, S. 83, datiert Jerusalem, den 11.10.1924. 76
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Biographie und theologischer Weg
„ F ü r ein G e m ü t , d a s die W e i t e liebt u n d ein A u g e , d a s f ü r F a r b e n e m p f i n d l i c h ist, k a n n es nicht b a l d einen g r ö ß e r e n G e n u ß g e b e n , als d u r c h diese L a n d s c h a f t z u reiten." 7 9 U n t e r den „Genießern" w a r e n auch Professor A a g e Bentzen mit seiner Frau aus K o p e n h a g e n , ferner die P r o f e s s o r e n W a l t h e r Eichrodt80 und O t t o Eissfeldt.81 Bentzen, später A u t o r einer Josia-Studie, v o n K o m m e n t a r e n z u Jesaja u n d D a n i e l , einer Einleitung ins A l t e T e s t a m e n t s o w i e „ S k i z z e n z u m T h e m a W e i s s a g u n g u n d Erfüllung"82, hatte V i s c h e r v o n A n f a n g der Reise begleitet. Vischers „Briefe v o n einer Palästinareise" schließen mit einem Blick auf die morgenländischen Glaubensbrüden „ U n d w e n n ich bedenke, mit welc h e r H i n g a b e sie i m t ä g l i c h e n L e b e n d i e s e n , v e r n ü n f t i g e n
Gottesdienst'
üben, s o m u ß ich m i c h unserer protestantischen V e r w e l t l i c h u n g tief schämen."83 Später führt V i s c h e r mitunter Erkenntnisse an, die er in Palästina gew o n n e n hat. 8 4 A b e r n i c h t in e i n i g e n E i n z e l h e i t e n b e s t e h t d i e
Bedeutung
dieser Reise für Vischers Leben und D e n k e n . Vielmehr empfängt er hier d e n e n t s c h e i d e n d e n A n s t o ß für seine selbständige Arbeit, w i e er fast z w e i J a h r z e h n t e später schreibt: „Auf m a n c h e n Seiten dieses Buches f i n d e n sich S ä t z e aus d e n S c h r i f t e n meines v e r e h r t e n L e h r e r s A l b r e c h t Alt. D u r c h d e n v o n i h m geleiteten L e h r k u r s a m d e u t s c h e n evangelischen Institut f ü r A l t e r t u m s w i s s e n s c h a f t des heiligen L a n d e s z u J e r u s a l e m im S o m m e r 1924 e m p f i n g ich d e n A n t r i e b z u d e r A r b e i t a m Alten Testament."85
" A b s c h n i t t 8, S. 87, datiert Jerusalem, den 27.8.1924. 80 EICHRODT war übrigens wie Vischer Lehrer in Bethel gewesen, allerdings nicht für Hebräisch, sondern als Assistent für Griechisch (T. SCHLATTER, Theologische Schule, 78). 81 Vischer, Erste Eindrücke . . . , FS T. C. VRIEZEN, 1966, 350-355, hier 350. 82 BENTZEN, Messias (80 S.). Darin S. 35 Anm. 8 zu Vischer (gesperrt orig.): „Kein Theologe meint ja heute, dass Ps. 110 eine Vorausverkündigung von Jesus und seiner Herrschaft am Ende der Zeiten ist. Mit der Predigt V i s c h e r s in seinem Buche Psalmen ausgelegt für die Gemeinde (1944), muss es sich anders verhalten: Das ist ja eben eine Predigt, leider ganz ohne Erklärung des geschichdichen Tatbestandes. So einfach liegen die Dinge nicht mehr." W a r der Freund, bei dessen Erzählung nach S. 10 für BENTZEN die Situation des lukanischen Abendmahlsberichts so gegenwärtig wurde, als wäre er selbst dabei, Vischer? 83 Br. vom 19.10.1924. 84 Christuszeugnis II, 159 f.; vgl. Prophetie, 1930, 2; ausdrücklich auch in der Beschreibung der Ebene Jesreel in Debora, 1926, 12 („Auf meinen Ritten durch das gelobte Land hat mir die Ebene Jesreel einen besonders starken Eindruck gemacht ..."). 85 Christuszeugnis II, 20, Anm. Im Zusammenhang hebt Vischer die Bedeutung der von ALT entwickelten territorialgeschichtlichen Methode für die alttestamentliche Forschung hervor und empfiehlt ALTS Schriften zur eigenen Lektüre. Von den Folgerungen, die Vischer aus ALTS Ergebnissen zieht, möchte Vischer ALT unbelastet wissen: eine Anspielung auf die von Vischer weiter als bei ALT gezogenen theologischen Konsequenzen bzw. christologischen Auslegungen.
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Theologische Studien und Berufung nach Bethel
Im Jahr 1928 gab es in der reformierten Kirchgemeinde Liestal und Seltisberg einen Streit um die Besetzung der beiden Pfarrstellen. Zahllose Zeitungsartikel spiegeln das Ringen darum, ob die erste Pfarrstelle von Wilhelm Vischer (Vorschlag der Kirchenpflege) oder Pfarrer Urner (Vorschlag des politischen Gemeinderates) eingenommen wird.86 Man sah hierin die exemplarische Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche - von Bedeutung für den ganzen Kanton. Vischer schrieb am 22.2.1928 an Barth: „Es interessiert Sie vielleicht, dass die freiwillige Kirchenpflege in Liestal mich als Nachfolger von Pfr. Gauss . . . vorschlägt, aber eine Mehrheit des Kirchgemeinderates (der in unserer Staatskirche mit dem politischen Gemeinderat identisch ist) mich ablehnt und als Gegenvorschlag den seit 2 Jahren als Vikar in Liestal wirkenden Hch. Urner portiert Ich würde zurücktreten (da ich die Schwierigkeit der Lage erkenne), wenn nicht Urner noch unmöglicher als ich für diese Stelle wäre. Aber es spitzt sich die Wahl zu auf die Entscheidung, ob unser Hauptstädtchen einen Pfarrer oder einen Maitre de plaisir will. Am kommenden Sonntag muss ich mich sehr wahrscheinlich den Wählern durch eine Predigt vorstellen. Es graut mir. Und doch darf ich mich der Pflicht nicht entziehen, da die Wähler wissen müssen, wen sie wählen. Die Entscheidung soll erst Ende März fallen. Sonst geht es mir gut, und ich freue mich vor allem der Nähe Ed[uard]. Th[urneysen].s."
Im Ergebnis wurde Vischer an die erste, Urner an die zweite Pfarrstelle berufen. Urner erkannte die überlegene Qualifikation Vischers an. Die Pfarrstelle in Liestal hat Vischer dann doch nicht angetreten: es warteten andere Aufgaben auf ihn.
1.4 Theologische Studien und Berufung nach Bethel Genauere biblische Studien hatte er mit dem Prediger Salomo begonnen, „et ce petit livre est devenu pour moi l'entree et la premiere galerie de Sexploitation des mines de l'Ancien Testament".87 Ein ganzes Jahr lang predigte er, alles sei „vanite", und nur Gott könne in seiner großen Freiheit das Herz des Menschen mit Freude füllen. 1926 gab er ein kleines Büchlein heraus, mit dem er seine Arbeit am Predigerbuch der Öffentlichkeit übergab: „Der Prediger Salomo. Übersetzt mit einem Nachwort und Anmerkungen" (Kaiser Verlag). Den Anstoß zu dieser Arbeit habe ihm Karl Barths Tambacher Rede „Der Christ in der Gesellschaft" vom September 191988 gegeben, in der Barth die große Bedeutung des „alttestamentlichen 86 87 88
Vgl. Landschäftler. Tagblatt der Landschaft Basel, 1 0 . 3 . 1 9 2 8 u.ö. La Lefon Derniere, 1 9 6 7 , 1 3 , zitiert auch von B O U T T I E R , Invitation, B U S C H , Barths Lebenslauf, 122.
9.
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Biographie und theologischer Weg
Gesellschaftsphilosophen" für das christliche Denken gezeigt habe, wie Vischer am Ende schreibt.89 Seine Thesen waren: Freude ist der Sinn des Lebens; Gott aber muß sie schenken. Die Gerechtigkeit Gottes beweist sich gerade darin, daß sie verborgen ist, als Gottes Gerechtigkeit.90 Christus schämt sich nicht, diesen „Davidssohn" (Koh 1,1) seinen Bruder zu nennen; auch ihn will er nicht auflösen, sondern erfüllen. Daß Juden den Prediger ablehnten (der klassische Widerspruch liegt in der „Weisheit Salomos" vor), ist verständlicher als bei Christen. „Denn wenn der Prediger nicht Recht hat, daß alles eitel ist und es nichts Neues gibt unter der Sonne, daß es den Menschen nicht möglich ist, die Gerechtigkeit weder zu erkennen noch zu erschaffen, daß schließlich der Tod das einzig Gewisse ist; wenn es, zwar nicht von Athen oder Rom, wohl aber von Jerusalem aus eine positivere Lösung der Welträtsel gibt, warum ist dann Christus vom ewigen Thron Gottes über der Sonne herabgekommen und vor den Toren Jerusalems am Kreuze gestorben zur Erlösung der ganzen Welt?"91
Ein alttestamentliches Christuszeugnis findet sich hier erst am Ende und recht verhalten.92 Doch es erregte Aufmerksamkeit und erbrachte die Einladung zum Vortrag vor der Zürcher Theologenschaft. Am 17. Mai 1927 ging es dort um „Das alte Testament als Gottes Wort". Vischer präzisierte gleich anfangs seine Leitthese, daß Jesus Christus das Wort Gottes ist, und wenn Jesus nicht das lebendige Wort in den Texten des Alten Testaments ist, dann enthalten diese Bücher der Heiligen Schrift auch nicht das Wort Gottes. Dies ergab sich ihm aus Rom 10,4: Christus als Telos, als Ende und Sinn des Gesetzes, damit „der Schlüssel der Schrift, weil er ihr Skopus ist".93 Während der Pfarramtszeit wurde die Bekanntschaft mit Barth, die in der Marburger Zeit bei Treffen der Religiös-Sozialen hatte fortgesetzt werden können, zur Freundschaft.94 Die Bekanntschaft hatte in Safenwil
89
Der Prediger Salomo, 1926, 70 Anm. 30. Vgl. La Lepon Derniere, 1967, 59; La reponse de Jesus ä nos questions dernieres, 1979/1985, 192. 91 Der Prediger Salomo, 1926, 64 (vgl. BARTH, K D 1/2, 76: Koh stehe an der Grenze zum Epikuräismus, stelle aber den schärfsten Ausdruck eines von der Gegenwart Gottes wirklich erschütterten Zeit- und Lebensbewußtseins dar). 92 Vgl. SCHROVEN, Christologische Auslegung, 187. 93 Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 382. - NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 150: „Dieser Aufsatz muß als der erste Beitrag eines Alttestamentiers gelten, über die Religionswissenschaft hinaus zur Schrifttheologie durchzustoßen." - Der anwesende EMIL BRUNNER widersprach, Vischer aber war nicht erschüttert - so dessen resümierender Bericht in der Abschiedsvorlesung 1965 (La Lefon Demiere, 1967, 59). Mehr ist mir hiervon leider nicht bekannt. 94 BUSCH, Barths Lebenslauf, 117. 282. Belege für eine starke innere Abhängigkeit von BARTH sind Vischers Briefe vom 21.5.1930, 22.7.1930, 4.5.1955 („was hätte ich ohne dich 90
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begonnen. Am 30. Mai 1921 schrieb Barth an Thurneysen wohl über die erste nähere Begegnung: „Gestern Sonntag traf Wilhelm Vischer hier ein, eine gute Gestalt, wo das Rütteln an allem, was etwa noch niet- und nagelfest sein könnte, . . . besonders lockend und lohnend ist. Er bleibt noch bis heute Mittag hier .. ."95 Freundschaft wuchs außerdem zu dem Angeschriebenen, der als Pfarrer im Aargau (bis 192796) nicht weit entfernt war. Zu Treffen gaben unter anderem die jährlichen Aarau-Konferenzen Gelegenheit. Bei der berühmten Konferenz von 1920 sprachen von Harnack und Barth am 17. April nacheinander. Vischer erzählt: „Das waren schwere Auseinandersetzungen, auch gegen meinen Vater. Harnack kam nachher zu meinem Vater und hat sich dann ausgesprochen. Der war ja gar nicht einverstanden mit Barth: die verstanden sich gar nicht. Ich war so dazwischen" - also theologisch auf Barths Seite, verwandtschafdich an seinen Vater und dadurch auch mit von Harnack verbunden. Vischer erinnerte sich ungefähr an den Ablauf der Tagung und sein Schlußwort: „... man redete natürlich, wie die Gotteserkenntnis sich bestimmt. Und da war ein Naturwissenschaftler zunächst, und dann kam ein Historiker, um immer wieder weiterzusehen, wie man Gott erkennen kann und schließlich kam Barth. Dann habe ich zum Schluß gesagt, es sei so gewesen, wie eine große Blase, die immer weiter aufgeblasen wurde und schließlich habe Barth sie durchstochen."97 Von Harnack war von Barths Ausführungen schockiert. Barth erinnerte sich „sehr deutlich des Entsetzens, mit dem er sich in der Diskussion nach meinem Vortrag äußerte: seit Kierkegaard . . . sei die Sache nicht mehr so schlimm gemacht worden, wie jetzt eben! - aber auch der großen Vornehmheit, in der er dem so viel Jüngeren und unbekannten Landpfarrer gegenüber Stellung nahm." Barth schrieb am 20. April an Thurneysen: „Am Nachmittag ging ich beherzten Schrittes zu Eberhard Vischer und fragte nach Harnack. Ich platzte dort mitten in eine große Einladung, . . . wo sie mich (wie ich später auf Umwegen hörte), eben verhandelt hätten. Harnack thronte auf einem Kanapee, wurde ,Exzällänz* genannt und teilte den Damen Bonmots aus (zwei Dinge seien international: das Geld und der Geist und ähnliches!). Nachher gab's eine einstündige Entrevue mit ihm [Harnack] und Eberhard Vischer." „Die beiden Herren" meinten, „ich (Barth) solle meine Auffassung von G o t t . . . doch lieber für mich behalten, keinen gemacht?") und bes. 11.1.1931: „Ich muss Dir vielmehr noch einmal direkt versichern, was ich Deinen beiden Boten gesagt habe, dass ich nichts weiss von der Einheit des A T und N T , das Du nicht vorher und besser gewusst hast. Das werden Dir gleich die Thesen bestätigen" (Barth-Archiv; vgl. unten Anm. 102, S. 37). 95
96
BARTH, G e s . W . V , 1, 4 9 3 .
Danach war THURNEYSEN Pfarrer am Basler Münster (dort einer der Nachfolger von RAGAZ) und ab 1930 dort auch Professor für Praktische Theologie. 97 Interview vom 10.8.1984, 3.
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Exportartikel daraus machen. Zuletzt wurde ich als Calvinist und Intellektualist beschimpft und mit der Weissagung, daß ich nach allen Erfahrungen der Kirchengeschichte eine Sekte gründen und Inspirationen empfangen werde, entlassen."98 An der literarischen und persönlichen Begegnung mit Barth lag es wohl, daß Vischer, der noch ganz in der liberalen Schule studiert hatte und der auch sein Vater als Harnackschüler angehörte", zur dialektischen Theologie fand. Sein Vater meinte 1935/36 im Basler Alumneum über das Ende der liberalen Familientradition bzw. im Blick auf Vischers Christuszeugnis: „Ich weiß gar nicht, woher er das hat. Er muß wohl eine fromme Großmutter gehabt haben!"100 Vischer war gerade ein Jahr alt gewesen, als sein Vater im Kirchenblatt für die reformierte Schweiz zu Fragen Stellung genommen hatte, die in Deutschland erst mit dem Aufkommen der Dialektischen Theologie aktuell geworden waren und in Vischer ihren Katalysator fanden. In zwei kurzen Aufsätzen im August und Oktober 1896 vertrat Eberhard Vischer (wie später auch) die religionsgeschichtliche Position, die das Verhältnis der Testamente als geistesgeschichtlichen Zusammenhang interpretierte. „Was von der Geschichte im allgemeinen gilt, von allen ihren Linien, auf denen sich überhaupt geistiges Leben abspielt, das gilt im höchsten Sinne von der Religion, die das tiefste Thema der Geschichte ist."101 Barth und Blumhardt wurden wichtige Quellen von Vischers frühester
98 BARTH, Ges. W. V, 1, 379 (dort auch das vorige Zitat). - Vgl. BUSCH, Barths Lebenslauf, 127 f.; BARTH 1927: „Indem ich die Subjektivität nicht für die Wahrheit halten kann, habe ich mich von Kierkegaard nach kurzer Berührung wieder entfernen müssen" (a.a.O. 187). - Vgl. Br. von Barth an Vischer vom 27.10.1935: „Es kann dich insbes. interessieren, dass ich mich mit deinem Vater jetzt aus der Nähe eigentlich sehr gut zurechtfinde, schon weil auch ich mich lebhaft für den alten Samuel Werenfels interessiere." 99 Vgl. die Kritik BARTHS im Vorwort zur zweiten Auflage des Römerbriefs (S. VII), weil E. VISCHER sich nicht um ein von OVERBECK gestellte Rätsel bemüht habe - obwohl gerade E. VISCHER 1941 eine Ausgabe von OVERBECKS Selbstbekenntnissen veranstaltete. Und BARTH S. VIII: „Ganz überflüssig [E.] Vischers triumphierende Feststellung, daß ich selber ein Theologe sei! Ich habe nie etwas anderes zu treiben gemeint als eben Theologie. Die Ansicht, daß es heute vor allem darauf ankomme, die Theologie von sich abzuschütteln und irgend etwas jedermann Verständliches . . . zu schreiben, halte ich für eine durchaus hysterische und unbesonnene Ansicht" BARTH nannte EBERHARD VISCHER „eine gediegene Verkörperung des besonderen wissenschaftlichen Geistes des ausgehenden 19. Jahrhunderts" (Erinnerungsheft für Eberhard Vischer, 29 = BUSCH, Barths Lebenslauf, 281). BUSCH zitiert (a. a. O. 55) einen Br. von BARTH an A. GRAF (1955): „Eines der besten Mittel gegen die liberale und sonstwie üble Theologie besteht darin, sie eimerweise zu sich zu nehmen. Wogegen alle Versuche, sie dem Menschen künstlich oder zwangsweise vorzuenthalten, ihn nur veranlassen können, ihr in einer Art Verfolgungswahn erst recht zu verfallen." 100
Br. v o n BÖDEKER v o m 2 4 . 9 . 1 9 9 5 a n m i c h u n d A u s k u n f t v o n W . A . VISCHER.
101
E. VISCHER, Kampf, 170; vgl. ders., Jesus, 142 f.
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(literarisch fixierter) Theologie.102 Es gibt meines Wissens keine Schrift Vischers, die ihn noch ganz in liberalen Bahnen zeigt. Eine bei Vasko berichtete Bemerkung von Ragaz ist dafür m. E. kein Indiz: Ragaz wunderte sich 1939 brieflich gegenüber Ben-Chorin, „daß Vischer die Auffassung vertrat, das Evangelium sei im Alten Testament vollständig enthalten und Jesus sei, als Christus, bloß seine Erfüllung. ,Irre ich mich daran? Oder hat er sich gewandelt? Oder unterscheidet er so stark zwischen dem 102 Auch für BARTH war BLUMHARDT eine Hilfe, aus dem „liberalen Teich" herauszukommen (BUSCH, Barths Lebenslauf, 55. 96 ff.); BARTH hielt sich in Bad Boll vom 10.-15.4.1915 auf (a. a. O., 97). Als Hinweis darauf, wie BARTHS Theologie Vischers Denken befruchtete, sei ein Brief zitiert, den Vischer am 22. Februar 1928 an BARTH schrieb: „Sehr geehrter H e r r Professor, f ü r Ihre beiden Zusendungen sage ich Ihnen den besten D a n k . Die Anerkennung meiner Übersetzung des Predigers durch H e r r m a n n ist mir eine Ermunterung. U n d Ihre Betrachtung des Wunders d e r Weihnacht fiel als gutes Samenkorn bei mir in einen gelockerten Boden. D e n n schon länger, aber ganz unausweichlich in der letzten Adventszeit lag mir das natus ex Maria virgine im Weg. So wagte ich es, über Matth. 1 zu predigen. Eins war mir klar, dass auf keinen Fall d e r Sinn der Jungfrauengeburt sein könne, Jesus Christus sei Halbgott gewesen. Das ist aber d e r Fall, wenn er nur Halbmensch, nicht ganzer Mensch geworden ist. Die Jungfrauengeburt ist ein Glaubenssatz, also keinesfalls, um es grob zu sagen, durch die H e b a m m e , wie es im Protevangelium Jacobi geschieht, zu beweisen. N u r wenn Jesus Christus ganz G o t t ist, ist er auch ganz Mensch, und nur wenn er ganz Mensch ist, ist er ganz Gott. G o t t sein und Menschsein schliesst sich vollständig aus. Dass das sich absolut Ausschliessende Eins wird, das ist das W u n d e r des Christus Jesus. D a s Matth.ev. stellt darum die beiden sich gegenseitig ausschliessenden Tatsachen: den Stammbaum und die conceptio de spir.sancto neben einander, und sagt damit zweimal den gleichen Satz: G o t t ist Mensch geworden, nur zuerst mit der Betonung: G o t t ist M e n s c h geworden und das zweite Mal mit der Betonung: G o t t ist Mensch geworden. D e r Stammbaum h a t offenbar nur einen Sinn, wenn Jesus nach dem Fleisch aus diesem Stamm ist, als das Reis aus der Wurzel Jesse. D e n n wirklich Mensch sein heisst: nicht aus dem Himmel herabgefallen sein, als Neuanfang, sondern in Blutsverwandtschaft stehen mit den andern Menschen, fremdes Blut in sich haben, belastet sein mit der Schuld des Menschseins von Adam her. Das muss alles gelten f ü r Jesus, den Menschensohn, wenn auch sofort zu sagen ist, dass bei ihm die Kette des Sündenfluches durchbrochen wird. Er nimmt das peccatum originale auf sich oder den Fluch des peccatum or., durch seine Menschwerdung, vollbringt aber nicht, wie wir es mit der Selbstverständlichkeit unserer Existenz tun, die Erbsünde. D a s sagt das Natus ex virgine.
D u r c h das Lesen Ihres Zeitungsartikels und der Prolegomena ist mir das alles viel klarer geworden, und sie können sich denken, wie wertvoll mir das geworden ist, was sie vor allem auf den Seiten 275 ff. und dann 281 über ek in M a t t h . 1 = apo schreiben. Ü b e r h a u p t habe ich die Prolegomena von d e r ersten bis zur letzten Seite mit stärkster Anteilnahme durchgearbeitet. Am entscheidendsten wurde f ü r mich in meiner Lage alles was seine Lichtquelle in der Einsicht hat, dass nicht theologia patriae, sondern theologia viatorum unser Teil ist, dass wir vom Worte Gottes als h o m o viator angeredet werden - in diese Richtung hatte mich auch meine Palästina-Reise gewiesen - und dass Sie ihres Weges auf d e r Erde weitergegangen sind. Diese Einsicht bedeutet mir jetzt die gleiche Erleuchtung wie vor Jahren die Erkenntnis: nicht theologia gloriae sondern crucis. Ich kann Ihnen nicht genug danken. U n d mir ist, nun sollten alle theologisch Arbeitenden, wenn sie die Prol.lesen, befreit aufatmen oder - doch zum mindesten die H a n d auf den M u n d legen." Vgl. oben Anm. 94.
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Alten Testament und dem Judentum?'"103 Wenn Ragaz sich so spät über Vischers Haltung wundert, sagt das eher etwas über Ragaz als über Vischer aus: daß jener dessen Schriften schon seit spätestens 1926 nicht mehr zur Kenntnis genommen hatte! Man würde indessen zu kurz greifen, wollte man Vischer einfach von Barth und Blumhardt her begreifen. Aus theologiegeschichtlichen Beziehungen allein ist Vischer nicht verstehbar. Es war entscheidend die persönliche und ausgiebige Begegnung mit konkreten Texten der Heiligen Schrift, die Vischers theologischen Weg leitete und ihn befähigte, viele Studenten ebenfalls in den mit der Schrift gegebenen weiten Raum zu setzen. Für Vischer lag in der Schrift die Erkenntnisgrundlage für seine Verkündigung - die theologische Produktion (Schriften, Lehrtätigkeit) eingeschlossen: „Une fois place devant la Bible, je n'ai plus eu besoin de me referer ä Barth pour y constater l'unite des deux Testaments"104. - Es ist bemerkenswert, daß gerade der Prediger Salomo die Initialzündung für seine besondere Weise gab, Theologie biblisch, das heißt für Vischer: christozentrisch zu treiben. Zur Berufung nach Bethel durch Pastor von Bodelschwingh d.J. führten Vischers erwähnte Schriften: die mit einem Nachwort versehene Übersetzung des Buches Kohelet und die Veröffentlichung seines erwähnten, am 17. Mai 1927 vor der theologischen Fachschaft der Universität Zürich gehaltenen Vortrages über „Das alte Testament als Gottes Wort"105. Von Bodelschwingh schrieb Vischer über die Pläne, ihn als Alttestamentier anzustellen, und reiste einmal selbst nach Tenniken - zu (un)günstiger Gelegenheit: Eine Konfirmandin hatte sich gerade vergiftet. So konnte von Bodelschwingh Vischer als Seelsorger erleben. Die Prüfung der möglichen Dozenten und ihrer Gattinnen auf ihre Eignung war für von Bodelschwingh und die Betheler Anstalten von größter Bedeutung.106 Die Glieder des Lehrkörpers sollten sich völlig in das Betheler familiäre Leben integrieren, entsprechend der Ausrichtung der aus Angehörigen unterschiedlichster Stände, Klassen und Schichten, aus Kranken und Gesunden bestehenden „Bethelgemeinde" in der gemeinsamen geistlichen Perspektive des Reiches Gottes.107 Der Aufbau nicht nur der Krankenanstalten sollte einer Fami103 VASKO, Dritte Position, 125. - Vischer wunderte sich 1942 über eine analoge Äußerung RAGAZ", nach der BARTH eine Wendung vollzogen habe (Br. an BARTH vom 11.8.1942). 104 A propos de la conference de R. Rendtorff, 1982, 73. 105 Veröffentlicht in Zwischen den Zeiten 1927. 106 Bis in die 1970er Jahre mußten auch die Bräute der Diakone angemeldet werden. 107 BENAD, Geschichte Bethels, 18. - Im Tagesdurchschnitt standen 1933 etwa 6.000 Personen in der Pflege und etwa 1000 Obdachlose in der Obhut Bethels (Kirchlich-positive Blätter 48, 1935, 7); die Durchschnittszahl der Pflegebefohlenen erhöhte sich bis 1938 auf 7.000; durch die Betheler Anstalten gingen in diesem Jahr fast 28.000 Personen in über 2 Mio. Pflegetagen (DtPfrBl 43, 26/1939, 567).
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lie gleichen: es gab Hausväter und -mütter, die Patienten galten als ,Kinder'.108 „ D a s gesamte Klima war tolerant. Hier wurde man hineingenommen in die Aufgaben, die der Christenheit durch die N o t der Kranken und der sozial Bedrängten gestellt wurden, durch ihre Verpflichtung gegenüber denen ,draußen', den jungen Gemeinden in Ostafrika, dem Syrischen Waisenhaus oder den Deutschen in der Fremdenlegion. J e d e n Donnerstag nachmittag trafen sich die Pfarrer mit ihren Frauen abwechselnd in den Familien. D e r Hausvater exegesierte den Text für den kommenden Sonntag, die G ä s t e trugen aus ihrer Kenntnis und Erkenntnis bei, was sie beizutragen hatten, dann trank man eine T a s s e K a f f e e , und schließlich berichtete Bodelschwingh über die , L a g e der Gemeinde', wobei er eine wunderbare G a b e hatte, das, was das biblische Zeugnis sagte, als ein Licht leuchten zu lassen in die Tiefe einer zunächst ganz partikulär erscheinenden N o t . An solcher Vergegenwärtigung mußte man teilnehmen, sonst blieb man hier fremd. D e r Einzige von uns, der keinen Anschluß suchte und bei den Donnerstagssitzungen oft fehlte, weil er zu stark in seinen akademischen Interessen und Neigungen lebte, war auch der einzige, der sich am Anfang der Kirchenkampfes von uns trennte und fortging. Wir andern aber lebten gern, j a eigentlich mit Begeisterung und H i n g a b e unter Bodelschwingh." 1 0 9
Die Dozenten waren Seelsorger für je ein Studentenhaus 110 ; Vischer für das Haus Libanon. Sie hielten Bibelstunden, Andachten und Predigten und 108 Dem Artikel „Ich und meine Beamten haben die Ehre gehabt, unter Herrn von Bodelschwingh zu dienen" (ein Wort des Regierungspräsidenten von Minden; in: Sonntagsgruß für alle in Stadt und Land 40, 23/7.6.1931, 91 f.) ist zu entnehmen, daß Vischer beim Erleben des Gotteslobs gerade der Kranken zu entschiedener Ablehnung aller der „Euthanasie" nahestehenden Gedanken geführt wurde. „So ist Bethel zu einem Zeugnis geworden von der evangelischen Umwertung des Menschenlebens. Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihrer. Es ist der große Irrtum, zu meinen, das, was dem Leben des Menschen Wert gibt, sei Stärke, Ehre, Geld. Dieser Irrtum ist die Sünde, und ihre Opfer sind die Kranken, die Gescheiterten, auf die Straße und ins Laster Getriebenen . . . Während ich dies schreibe, zieht vor meinem Haus eine Schar epileptischer Frauen vorüber, mit frohem Gesang. Es ist etwas eigenartig Ergreifendes, dieses frohe Singen der Kranken . . . " (92). Hintergrund der engen Verbindung von Gemeinde, Diakonie und theologischer Lehre in Bethel war die Mindenravensbergische Erweckung ab ca. 1820, die bis 1840 die Pfarrerschaft Nordost-Westfalens weithin erfaßt hatte. Sie führte zu der für Deutschland einmaligen Konzentration diakonischer Aktivitäten. Zur Betheler Sozialstruktur und ihrer Geschichte: BENAD, Frömmigkeit. 109 MERZ, Theologische Schule, 324. Die nicht namentliche Anspielung bezieht sich auf H.W. SCHMIDT, dessen hier beschriebene Trennung von geistigem und geistlichem Leben sich seit den 50er und 60er Jahren in der Betheler Dozentenschaft durchsetzte. 110 Leider war dies seit 1970 der Studentenschaft nicht mehr willkommen (RUHBACH, Überlegungen, 126). - Das Haus Vischers war sehr gastfrei. Studenten kamen und gingen nicht nur zum Essen und zur Beratung in Studien- und Lebensfragen, sondern auch zum Musizieren: der Flügel durfte zum Musizieren benutzt werden. Als im Assaphäum ein Fagottist ein Konzert gab, gehörte Vischer mit zu den Interpreten: er spielte als Flötist im Trio für Flöte, Fagott und Klavier von C. M. v. WEBER mit (Interview mit Pfr. H. O. KÜHNER in Basel am 5.8.1995).
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Biographie und theologischer Weg
wurden häufig in der Umgebung zu Vortragen eingeladen. Auch Vischer erreichten mehrfach Anfragen zu Vorträgen aus dem Umland. 1 1 1 Summa: „Indem Lehrer und Schüler in das Ganze einer dienenden, leidenden Gemeinde eingefügt sind, fühlen sie die lebendige Begrenzung, die den Gedanken gesetzt ist."112 Vischer berichtete Barth brieflich am 25.6.1928 von der Betheler Anfrage und bat ihn um seinen Rat: Er sei w o h l geneigt für die neue Aufgabe, doch ist er tauglich und geeignet? 113 D i e beiden unterhielten sich darüber ausführlich. V o m 3. auf den 4. Juli war Vischer offensichtlich bei Barth zu Gast und fuhr dann unmittelbar nach Bethel, um sich vorzustellen. 114 Er berichtete darüber am 9.7.1928 aus Tenniken an Barth, als er noch nicht wußte, ob er genommen würde: „... Bodelschwingh fragte mich unter anderem, was denn Sie mir geraten hätten, und war dann sichtlich erfreut durch die Antwort, Sie hätten mir zugeraten. Er hat mir eine lange Audienz gewährt und mir von allen, mit denen ich dort zusammengekommen bin, den stärksten, einen wirklich bedeutenden Eindruck gemacht. Er Hess mich hineinblicken in die Schwierigkeit, dass das grosse Werk von der zweiten Generation weitergeführt werden soll. Auf die (von Herrmann mir mitgegebene) Frage sagte er deudich, die theol.Schule solle keine Fakultät sein und in keiner Weise mit den Fakultäten konkurrieren, sondern den Studenten helfen, die Bibel nicht nur historisch-phil. (das gewiss auch!), sondern als Gottes Wort zu lesen. Dass ich aus der Praxis komme und die „Wissenschaft" lediglich als Vorbereitung zur Predigt getrieben habe, hielt er für eine Empfehlung. Mit den Lehrern der Schule unterredete ich mich einzeln (ausser mit Schlatter, weil mir die Zeit nicht reichte) und dann in einem allgemeinen Colloquium, und war erstaunt, wie gar nicht versteift sie sich zeigten. Nichts von jener selbstbewussten Borniertheit, auf die man auf Schritt und Tritt in der Schweiz stösst. Ich hatte mir die Betheler nicht so harmlos und einem neuen Wort so offen vorgestellt.
111 In Lemgo ζ. B. hielt er den im Dritten Reich umstrittenen Vortrag „Zur Judenfrage" (siehe unten S. 61 f.). LA ADAM, Ziel und Weg, 109. 113 „Da Sie und andere mich angespornt haben, mich für die Lehrtätigkeit auf dem Gebiet der atl.Wissenschaft vorzubereiten, bin ich geneigt, einem Ruf nach Bethel zu folgen. Ich habe eigentlich nur ein ernsthaftes Bedenken, und das betrifft meine Tauglichkeit... Gewisse Bedenken wegen des pietistischen Geistes, der möglicherweise in Bethel regieren könnte, sind ziemlich zerstreut worden durch allerlei Druckschriften, die über den Sinn und Geist der Schule Auskunft geben. Und ich sage mir auch, wenn sie denn wirklich mich wollen, so wollen sie offenbar keinen Pietisten. Denn ich habe weder durch das gedruckte noch durch das gesprochene Wort jemals mir auch nur den Anschein eines Pietisten gegeben. Und dass ich das auch ihnen zuliebe nicht tun werde, will ich ihnen deutlich sagen. . . . wäre ich ihnen sehr dankbar, wenn Sie, der Sie die Verhältnisse in Deutschland von Nahem kennen, mir raten wollten. Ich wäre bereit, mich ins Gefecht zu stürzen, aber ich möchte nicht aufs falsche Pferd setzen" (Wechseln bei der Groß- und Kleinschreibung der Anrede orig.). Vischer schlägt dann vor, vor seiner Betheler Vorstellung mit BARTH zusammenzutreffen. 114
A u s d e m z i t i e r t e n B r i e f a n KARL BARTH v o m
25.6.1928.
Theologische Studien und Berufung nach Bethel
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Ich hatte das Gefühl, unter ihnen wirklich alles sagen zu dürfen. Nachträglich allerdings frage ich mich, ob das vielleicht Diplomatie von ihrer Seite war. Jedenfalls habe ich durch ihre gutmütige Art gelockt nicht nur tolmeroteros apo merus geredet, sondern mich auch unvorsichtig als Freund ihrer Feinde hingestellt, ζ. B. ostentativ Kränze auf die Gräber Heitmüllers und Gressmanns gelegt. Auch war es wohl nicht unbedingt notwendig, Michaelis zu erklären, ich schätze Liebknecht mehr als Wilhelm den Zweiten oder Bismarck. Er hatte mich übrigens gereizt, indem er mich nicht losliess mit der Frage, ob ich meine, die Spannungen zwischen ihm und mir werden erträglich sein. Es genügte ihm nicht, dass ich sagte, ich lehne eben jede Verantwortung für das, was er öffendich oder im Geheimen vertrete ab, habe aber auch soviel Ehrfurcht vor dem Alter, dass ich nicht nach Bethel käme, um ihn zu bekehren. Als er dann immer noch darauf beharrte, ich solle ihn ausfragen, um zu erkennen, ob ich ihn ertragen könne, sagte ich ihm schliesslich, ich glaube ihn ertragen zu können, wenn ich mich mit ihm nicht solidarisieren müsse, und die Frage scheine mir nun nur, ob er mich ertragen könne, denn ich denke in manchem anders als er ζ. B. in der Beurteilung Liebknechts, der ,Welt', der ,Gemeinde der Heiligen' . . . Hoffentlich kommt bald ein guter Bericht. Ich danke Ihnen und Frau Professor herzlich für die schöne Nacht, die ich bei Ihnen verbringen durfte. Alles, was Sie mir über Bethel und zur Ethik sagten, hat mir viel geholfen. Ich kann nicht sagen, wie ich es geniessen würde, wenn ich hie und da von Bethel zu Ihnen kommen dürfte . . . P.S. Mein Vater ist übrigens auch ganz für den Plan. .. ."115
Am 10. Juli 1928 konnte von Bodelschwingh an Wilhelm Lütgert, dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Theologischen Schule Bethel, schreiben, er habe über Vischer von Gottlob Schrenk Auskunft erhalten, die nach der wissenschaftlichen „Seite eine fast bedingungslose Empfehlung" bedeutete . . . „Auch in der Verbundenheit mit Barth sah Schrenk bei Vischers innerer Selbständigkeit kein Bedenken. Und im Blick auf die Theologische Schule hielt er es für durchaus möglich und erwünscht, auch einmal einen tüchtigen Mann aus dieser Gruppe in unsern Kreis eintreten zu sehen. Er erwog dabei, ob nicht Vischers Stellung in der Kanonfrage ζ. B. im Vergleich mit Oestreicher eher als orthodox empfunden würde. Schrencks [sie] Bedenken lagen mehr auf der persönlichen Seite. Er meinte, Vischer habe noch etwas Unausgeglichenes, daß [sie] er sich aus seiner komplizierten Auseinandersetzung mit Familienvergangenheit und Elternhaus erkläre. Das würde sich hier in Bethel in einer scharfen und kritischen Auseinandersetzung, insbesondere auch mit den Schwächen des Anstaltslebens im allgemeinen, geltend machen, und das Verhältnis zu den älteren Kollegen könne leicht schwierig werden. Zu meiner Überraschung hat nun Vischers Besuch hier dahin geführt, daß das Kollegium, das bisher bei keinem einzigen Kandidaten für die alttestamendiche Dozentur zu einem einheidichen Votum kommen konnte, sich einstimmig mit 115
Hervorh. orig.; von mir orthographisch verbessert
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Vischers Berufung einverstanden erklärt hat. Die Besprechung mit ihm im Dozentenkreis hat zu einer außerordentlich lebhaften Erörterung wissenschaftlicher Fragen geführt. Wenn dabei auch die Meinungen in den Einzelfragen weit auseinandergingen, hatten doch alle Brüder stark den Eindruck einer innersten Einheit, vor allem in der Erfassung der zentralen Stellung des Kreuzes. Obwohl es allen klar war, daß der Eintritt eines solchen eigenartig geprägten Mannes ein Wagnis sei, und obwohl bei Michaelis und naturgemäß stärker bei Lie. Schmidt ernsthafte Sorgen blieben, ließen doch auch diese beiden zuletzt ihre Bedenken zurücktreten. Ich selbst habe in einem längeren Zusammensein mit Vischer von ihm einen sehr guten Eindruck gewonnen. Ich würde keinen Augenblick zögern, ihn nach der persönlichen Seite hin Herzberg [sie] vorzuziehen. Mir scheint, daß Vischer viel mehr als Herzberg wirklicher Theologe ist und mit einem tiefen Ernst die Fragen der Schrift in großen Zusammenhängen zu sehen sucht. Er sprach es mir aus, daß sein ganzes Streben dahin gehen würde, in den Studenten eine wirkliche Freude an der Schrift zu erwecken. Bei seiner frischen und lebendigen Art wird er sicher auf Studenten eine nicht geringe Wirkung ausüben können. Daß seine Herkunft von den Religiös-Sozialen und von Barth gewisse Spannungen in sich schließt, ist klar. Ebenso wird seine Schweizer Eigenart sich nicht ganz leicht hier akklimatisieren. Aber ich glaube, daß er sich deudich von dem Typus der jüngeren Barthschüler, denen man hier begegnet, unterscheidet, weil er viel selbständiger von Blumhardt aus auf diese Wege geführt ist. Und es ist gewiß bemerkenswert, was Schrenk in diesem Zusammenhange schrieb: ,Muß ich es hier doch erleben, daß Gott gerade die Barth'sche Theologie in der Schweiz benutzt zu Entwicklungen, die zur Schrift und zu den Reformatoren führen, aber wahrhaftig nicht mehr zu Ragaz, von dem diese Leute alle abrücken. Superintendent Simon machte Sie wohl schon aufmerksam auf den Aufsatz von Vischer in Heft 5, Jahrgang 1927 ,Zwischen den Zeiten' (Kaiser-Verlag, München): ,Das Alte Testament als Gottes Wort.' Ich nehme an, daß Ihnen dieses Heft dort zur Verfügung steht. Vischers Schrift über den Prediger Salomo füge ich bei. ..."' Von Bodelschwingh bittet das Kuratorium um eine baldige Entscheidung, damit die Vakanz des alttestamentlichen Lehrstuhls schnell beendet werden kann.116 Am 11. Juli konnte Vischer Barth dann schreiben, das Dozentenkollegium habe einstimmig seine Berufung vorgeschlagen - „Ich bin voll Freude". Die Berufung hatte noch einen Schönheitsfehler: Es fehlte die „akademische Weihe". Sie stellte sich aber alsbald ein: Am 2. November 1928 erhielt Vischer das „Ehrenlizenziat" der Universität Basel. Er hat wie Karl Barth weder eine gesonderte Dissertation noch Habilitation geschrieben. Er konnte auf seine Arbeit Jahwe, der Gott Kains" (1929 veröffentlicht) verweisen: „Damals glaubte ich noch an den Jahwe, den Gott Kains . . . D a war Eichrodt, Duhm war gestorben, als ich das gemacht hatte . . . Und 116
Br. von F.VON BODELSCHWINGH an Prof. LüTGERT, 10.7.1928, Signatur im Hauptarchiv der v.B.A.: l / C - 1 2 3 B.
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Eichrodt hat gesagt: ,Herr Vischer, ich kann nicht dazu stehen, was Sie da haben.' Ich sagte: ,Das brauchen Sie auch nicht. Sie sollen es nur sehen, ob das irgendwie klar ist oder ob Fehler drin sind. Sie brauchen das ja nicht anzunehmen, was ich sage.' Kurz und gut, es gab dann Schwierigkeiten und schließlich hat die Fakultät die Lösung gefunden, mir den Lizentiaten zu schenken . . . Also kam ich mit dem geschenkten Lizentiaten nach Bethel."117 Offenbar hatte Vischer mit der genannten Arbeit bei Bernhard Duhm den Lizentiatentitel erwerben wollen; dieser war aber 1928 gestorben118, und Eichrodt wollte den Titel für diese Arbeit offenbar nicht vergeben. Die lateinisch abgefaßte Urkunde für den Titel des Lie. theol. h. c. nennt als Verdienste Vischers, daß er die jungen Menschen in geschickter Weise geprüft habe und daß er das Alte Testament als Quelle des göttlichen Willens erschloß; besonders aber wird seine kommentierte Übersetzung des Predigers Salomo als Forschungsbeitrag gewürdigt. Barth begrüßte den Einstieg Vischers in die Lehrtätigkeit, galt er doch für Barth als „unsere Hoffnung auf dem Gebiet des Alten Testamentes"119. Außerdem zog mit Vischer ein Freund in Barths Nähe.120 Gleich zu Anfang in Bethel hatte Vischer eine interessante Begegnung: mit Adolf Schlatter, der damals bereits 76 Jahre alt war: „Ich vergesse nie die erste theologische Woche in Bethel, als ich als ganz junger Dozent hinkam. 10 Jahre war ich Landpfarrer gewesen und wußte nicht, wie mir geschah, als ich dann auf einmal dozieren mußte über Altes Testament Und nun kam die Theologische Woche, Adolf Schlatter, der Verehrte, war da und ich trug ihm das vor, was ich heute sage: Jesus Christus im Alten Testament. Da schrie Schlatter auf: Ja, Christus im Alten Testament, aber nicht Jesus.' Und ich armer Kerl sagte: ,Wer ist das, der Christus, der nicht Jesus ist, gibt es da zwei?' An dieser Frage entscheidet sich alles."121 „... Eine Christus-Idee wäre das dann gewesen, wo doch alles daran liegt, daß Gott sich in Jesus persönlich offenbart, nicht in einer Christus-Idee. Daß der Mensch Jesus uns lehrt, wie der Mensch Gott kennen kann. - Da war ich ganz erschrocken. Aber das blieb dann dabei. Ich habe dann später Schlatter vielmehr geschätzt mit seinen Kommentaren, wo er ja immer das Griechische zurück ins
117
Interview vom 10.8.1984, 8. So erklärt sich die Bemerkung von H. O. KÜHNER in den Basler Nachrichten vom 29.4.1975, Vischer habe mit Jahwe, der Gott Kains" den Lizenziatentitel bei BERNHARD DUHM erworben. 118
119
Br. v o m 1 2 . 3 . 1 9 2 8 , in: KARL BARTH - EDUARD THURNEYSEN, B r i e f w e c h s e l II, 5 6 4 . D a ß
BARTH Vischer zur Lehrtätigkeit ermuntert hatte, geht auch aus dem Br. Vischers an BARTH vom 25.6.1928 hervor (SCHROVEN, Christologische Auslegung, 176 Anm. 15, zitiert diesen fälschlicherweise als vom 28.6.). 120 BUSCH, Barths Lebenslauf, 209: BARTH freute sich sehr über Vischers Berufung nach Bethel. 121 Wie predigen wir über das Alte Testament heute?, 1960, 11.
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Aramäische zurückübersetzt [sie]. Da ist er Meister. Aber eben dann mit seiner Christologie, das ist ja unerhört . . ,"122 Leider ist mir über den hier nur angeschnittenen Disput nichts weiter bekannt. 123 Aber es stellt sich selbst aus diesem kurzen Bericht die Frage, ob sich die beiden richtig verstanden haben. D e n n Schlatter wollte nicht die Präexistenz Jesu bestreiten 124 ; in dem Gespräch lag ihm vielmehr daran, zwischen dem faktischen und dem noch erwarteten Gesalbten zu unterscheiden - ein Problem, das uns später noch beschäftigen muß (vgl. Abschnitt 2.4.3). Im ersten Semester durfte Vischer dem Betrieb ohne Lehrverpflichtung zusehen und sich vorbereiten. Erst am 10. Februar 1929 wurde er von von Bodelschwingh feierlich in der Sarepta-Kapelle in sein Amt als Lehrer und Forscher eingeführt. Dieser erinnerte, an das zuvor gesprochene Glaubensbekenntnis anschließend, an Stellung und Aufgabe der Betheler Theologen im Sinne seines Vaters, der „hoffte, daß beides sich hier zu einer untrennbaren Einheit verbinden würde: Das Forschen in Christi Lebenswort und das Dienen in Christi Liebeskraft. Er ist nicht müde geworden, uns die Herrlichkeit einer Arbeit zu preisen, in der Alte mit den Jungen, lehrend und lernend verbunden, mit Freuden Wasser schöpften aus den Brunnen des Heils. Er dachte sich die Dozenten der Theologischen Schule immer zuerst als Lehrer der Heiligen Schrift; und zwar der ganzen Schrift alten und neuen Testamentes. Er wußte, daß man beides nicht auseinanderreißen kann. . . . wir vergessen nicht, daß Jesus den größten Tag der Weltgeschichte, den Tag seiner Auferstehung zu einem großen Teile ausgefüllt hat mit einem gründlichen Unterricht im alten Testament. . . . Darum befindest Du Dich, lieber Bruder Vischer, in der allervornehmsten Gesellschaft, wenn wir Dich zum Lehrer für Altes Testament berufen haben. Wir wünschen Dir, daß Gottes Geist Dir selber immer tiefer das Verständnis jener wunderbaren Zusammenhänge erschließt, in denen Seine Heiligkeit und Gnade sich durch die Menschheit Bahn gebrochen hat, bis die Zeit erfüllet war und Er ihr Seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an Ihn glauben, nicht verloren gehen sollten. Dann wirst Du bei Deinem Unterricht nicht nur bei der Sprache stehen bleiben, so gründlich sie gelehrt werden soll; nicht bloß bei der Geschichte, so ernsthaft sie immer wieder zur großen Lehrmeisterin werden muß; nicht bloß bei dem äußeren Gewände der Heiligen Schrift, das in seinen tausend Rissen und Sprüngen das irdene Gefäß ist für den goldenen Schatz. . . . Als die an dem Wort Sterbenden werdet Ihr leben; als die durch das Wort ganz arm Gewordenen werdet Ihr viele reich machen können.
m
Interview vom 10.08.1984, 9 mit Bezug auf die gleiche Begegnung. Auch die große SCHLATTER-Biographie von WERNER NEUER (Schlatter) schweigt darüber; vgl. aber seine Darstellung der Begegnung SCHLATTERS mit der Dialektischen Theologie ( a . a . O . 637-661). m Vgl. SCHLATTER, Christus, 9 ff. bes. 19 f.; ders., Apostel, 336-340. 123
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Dieser, euer Dienst der Theologischen Schule soll aber nicht in der Einsamkeit geschehen, sondern in einer möglichst engen Verbundenheit mit unserer ganzen Gemeinde. Darum freuen wir uns, daß wir heute nicht nur den Lehrer der Heiligen Schrift grüßen, der an die Stelle unseres lieben D.Oestreicher getreten ist, sondern den Mitarbeiter in der Verkündigung und in der Seelsorge dieser Gemeinde der Kranken und der Gesunden. Wir wollen dir gerne Stille geben zum Forschen und Lehren unter deinen Studenten. Aber du weißt aus deiner lOjähr.Gemeindearbeit, wie sehr die Theologie immer wieder der Befruchtung bedarf durch die Berührung mit dem Leben der Gegenwart, ihren Fragen und Kämpfen. Darum dürfen wir dich bitten: Stelle deine Kräfte Leibes und der Seele tapfer mit unter die Lasten, die auf uns liegen, unter die Last des Leidens und unter die Last der Schuld, die diese Gemeinde zu tragen hat. Für dich und die deinen war es ein weiter Weg aus der schönen und geliebten Schweizer Heimat hierher in den rauheren Norden. Aber ob Deutschland oder die Schweiz, ob Basel oder Bethel wir stehen überall unter Gottes Sonne und gehören miteinander zu Christi Königreich. Er, unser Heiland und Herr, segne deinen Weg zu uns. Er mache dir die Fremde zur Heimat. Er fülle deine Hände, daß du geben kannst. Er tue deine Augen auf, daß du immer besser sehen lernst die Wunder an Seinem Gesetz und an Seinem Evangelium. Er öffne deinen Mund, daß du auch unter uns ein ernster und froher Zeuge werden kannst von Seiner Herrlichkeit und Gnade!"125 Danach predigte Vischer über die Frage nach der Sünde bzw. dem Sünder angesichts eines Blindgeborenen Qoh 9,1-3) - für die vielen Kranken von großer Bedeutung: „Gott öffnet uns die Augen, daß wir in jedem Leiden eines Menschenbruders unsere Sünde erkennen. Es ist eine eiserne Kette, die uns in Verantwortung und Schuld unlöslich alle aneinander kettet und mit eiserner Gerechtigkeit in die Hölle schleift. . . . Jetzt aber kommt Jesus Christus . . . und faßt diese eiserne Kette mit allem Leben, das durch sie der Hölle verkettet ist, und reißt sie empor in das Heil. . . . An den Werken der Schuld sollen die Werke Gottes offenbar werden. Je höllischer die Wirkungen der Sünde sind, umso herrlicher das Wirken der Gnade an die [sie] von der Sünde Verstümmelten . . . Gleichwie am Anfang das Chaos der Gegenstand und Stoff des Schöpfungswerkes war, so soll jetzt die von der Sünde verheerte Menschenwelt der Gegenstand des Erlösungswerkes sein. Und wie Gott in das Wüste und Leere gerufen hat: Es werde Licht! So ruft er in Jesus Christus in der Nacht der Sünde: Es werde Licht! Vergebung! Unser Abfall von Gott . . . muß durch das Wunder seiner Barmherzigkeit dazu dienen, ihn zu verklären. . . . Darum wird das Ende der Werke Gottes herrlicher sein als ihr Anfang .. ."126 Die Wünsche und das Gebet von Bodelschwinghs sind an Vischer in Erfüllung gegangen: Vischer hat sich in seiner Betheler Zeit intensiv um 125 Hauptarchiv der v.B.A., l / C - 1 2 3 B, S. 2 - 4 (insgesamt fünf Seiten) und Betheler Sonntagsblatt vom 24.2.1929. 126 Betheler Sonntagsblatt vom 24.2.1929.
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Biographie und theologischer Weg
die Frage des Verhältnisses der Testamente gemüht. Er wurde wirklich in der Anstaltsgemeinde heimisch und ein ernster, froher und so wirksamer Christuszeuge - bis der Norden sein rauhes Gesicht zeigte. In den ersten Jahren gab es weder akademische noch persönliche oder gar politische Spannungen. Von Bodelschwingh d.J. (1877-1946), aufgewachsen als Sohn eines Duzfreundes des „ewigen" Kronprinzen Friedrich III.127, teilte als Freund der königlichen Familie sicher nicht die politischen Ansichten Vischers. Zudem unterrichtete Vischer „Altes Testament im Sinne der Theologie Karl Barths"128, der sich mit von Bodelschwingh kirchenpolitisch nicht einigen konnte. Vischers Vermittlungsversuche in dieser Richtung schlugen fehl.129 Die Zusammenarbeit an der kirchlichen Hochschule verlief jedoch völlig reibungslos und in großer persönlicher Harmonie. Bödeker, ein „damaliger Student": „Pastor Fritz hatte gegen Professor Vischer nicht die mindesten Vorbehalte, im Gegenteil. Er schätzte ihn außerordendich. Auch die Studentenschaft. Darf ich sagen, er war mit Abstand der beliebteste Dozent, den es gab. Wir haben ihn nicht angehimmelt... wie kleine Mädchen ihre Lehrerin . . . Aber . . . es war einfach hinreißend, wenn er das Alte Testament einem erklärte. Auch im hebräischen Sprachunterricht Ich weiß noch, in jeder Stunde . . . bei der Erklärung irgendeines hebräischen Satzes kamen immer noch seine Erläuterungen. Dann ging mir ein Licht nach dem anderen auf. Das war hinreißend, kann ich nur sagen, diese Stunden bei ihm. Pastor Fritz wußte, was er an Wilhelm Vischer hatte. Da war nichts zwischen ihnen."130 Vischer hatte vorgesorgt, denn bereits zu Anfang machte er in Bethel klar: „,Wenn Sie mich wollen, dann recht, aber erwarten Sie nicht von mir, daß ich deutsch-national werde.' Das war von Anfang an klar. Das wollte auch Bodelschwingh keineswegs. Da habe ich nicht die geringste Schwierigkeit gehabt."131
Vischer enthielt sich jeder politischen Aktivität, wie ehemalige Betheler Studenten in Tübingen nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Vischer attestierten.132 (Der Bericht Hermann Brauns in seiner Würdigung am
127
MICHAELIS, Fall V i s c h e r , 19; BÖDEKER im I n t e r v i e w a m 6 . 1 0 . 1 9 9 5 ; vgl. PERGANDE,
Bodelschwingh, 40 ff. 128 Bethel Heft 30, 1985, 79. m
Br. v o n W i l h e l m V i s c h e r an G . RUHBACH v o m 3 0 . 8 . 1 9 8 3 .
130
Interview vom 10.8.1984, 6. - Die Beliebtheit Vischers mag dazu beigetragen haben, daß die Studentenzahlen in Bethel anstiegen; sie erreichten ihr Maximum im Sommersemester 1932 (238); diese Zahl wurde erst nach dem Krieg wieder erreicht und überschritten (Statistik: G . RUHBACH [ H g . ] , K i r c h l i c h e H o c h s c h u l e B e t h e l 1 9 0 5 - 1 9 8 0 , 2 4 6 - 2 4 8 ) . 131
Interview a. a. O. 7. Br. von MAX BROCK (Name unsicher, weil unleserlich) vom 1.6.1933 an Vischer mit öffentlicher Unterstützungserklärung der Tübinger Alt-Betheler (Hervorh. orig.): „Als frühere Studenten der Theologischen Schule in Bethel erklären wir hiermit: Daß wir dankbar der großen Bereicherung gedenken, die wir während unserer Betheler Studienzeit durch die Lehrtätigkeit Lie. V i s c h e r s empfangen haben. Wir verehren ihn als Lehrer, dessen ganzes Wollen auf den ihm aufgetragenen Dienst an Theologie und Kirche gerichtet ist, und sind 1,2
Theologische Studien und Berufung nach Bethel
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6.12.1988 paßt schlecht in dieses Bild: Vischer habe mit Betheler Studenten die Marxschen Frühschriften und das Kommunistische Manifest durchgesprochen. 133 ) D i e Nationalsozialisten aber waren sehr aktiv. Sie warfen Vischer eine Neigung zum religiösen Sozialismus 134 und kommunistische Umtriebe vor, ζ. B. weil er zusammen mit Frau Julia von Bodelschwingh, die mehr Interesse für Politik hatte als ihr Mann, im Eggetal arbeitslose Männer betreute. Unter diesen gab es manche kommunistische Gedanken - aus dem verständlichen Bedürfnis nach Arbeit. Julia von Bodelschwingh gab den Männern Schnitzarbeiten, und Vischer redete zu ihnen 135 : „Mit Aufzählung der Themen, die bei Vischers Männerabenden behandelt wurden, ist das Außerordentliche und Ereignishafte dieser Stunden gar nicht zu erfassen. Ob es um die Schöpfungsgeschichte, das Leben Jesu, die Lutherzeit, den Dreißigjährigen Krieg ging, immer war alles funkelnd neu und von hinreißend anschaulicher Sprachgewalt. Hier wurden nicht mühsam auf modern frisierte Puppen aus einem frommen Wachsfigurenkabinett vorgeführt, sondern man hatte den unmittelbaren Eindruck, einem Entdeckungsreisenden zuzuhören, der seine neuesten und noch nirgends zu lesenden Forschungsergebnisse vorlegt: Älteste Nachrichten der Bibel waren geladen mit der Hochspannung der Ewigkeit. Sie zündeten wie ein Blitz in das Heute hinein, erhellten und trafen das Herz und das Gewissen der Zuhörer, und zwar gerade in ihrer besonderen Situation und handgreiflichen Not. Das war Speise nach dem Geschmack von Frau Julia. Hier gingen ihre Männer wirklich mit. Ja, es kamen in diesen Kreis auch noch andere Menschen von außerhalb Bethels, die alles andere als arm und arbeitslos waren: Sie fühlten sich angezogen, weil sie ebenfalls mit der üblichen Kirchenpredigt nicht zurechtkamen." 136
ihm in besonderer Weise dafür dankbar, daß er uns das Alte Testament mit ernster Eindringlichkeit als Buch der Kirche und Zeugnis der Offenbarung in Jesus Christus erschlossen hat Wir bekunden ihm unser volles Vertrauen in der Uberzeugung, daß er sein Amt nie für politische Nebenabsichten gebraucht hat noch mißbrauchen wird, sondern daß er in allem, was er in Ausübung dieses Amtes zu Fragen unserer Zeit sagt, dem Auftrag eben dieses Amtes gehorsam sein will. Wir hoffen und wünschen, daß ihm auch weiterhin die Gelegenheit bleibt, dieses Amt im Interesse unserer Kirche und unserer Kommilitonen in Bethel auszuüben." 133 BRAUN: S. 3 des Manuskripts; hierzu Br. von BÖDEKER 24.9.1995 an mich. 134 H. KUTTER in seiner aufsehenerregenden Schrift „Sie müssen" (1903): „Was die Kirche tun sollte, tun die Sozialdemokraten." Zit. nach KUPISCH, Barth, 32. Das „Müssen" bezieht sich auf das Tun der Sozialdemokraten, deren Tun trotz ihres Atheismus, der sich zu Recht gegen Kirche und Christentum wendet, notwendig aus dem lebendigen Gott fließe. 135 Interview vom 10.8.1984, 6; BRANDT, Gestalter, 215; STOEVESANDT/BODELSCHWINGH, Julia von Bodelschwingh, 91. 136 Ebd. Der Männerkreis wurde nach Vischers Weggang noch bis zur Schließung der Schule fortgeführt.
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Biographie und theologischer Weg
Die Männerabende fanden das Mißfallen der NS-Geneigten in Bethel, obwohl das Bemühen um die Arbeiterschaft in Bethel schon Tradition hatte: 1907 schuf die Theologische Schule einen Bibelkurs für Evangelische Arbeiterführer. Bald schlossen sich volkswirtschaftliche Kurse für künftige Arbeiterführer an, woraus 1912 die Evangelisch-soziale Schule in Bethel erwuchs, die 1921 nach Spandau verlegt wurde, aber in enger Verbindung mit Bethel blieb.137 Vischer wurde vorgeworfen, ein bolschewistischer Verführer zu sein. Den Studenten erzählte er zunächst nichts von diesen Problemen; wenigstens erfuhr sein Schüler und späterer Freund Bödeker erst viel später davon.138 Unter Vischers Vorgängern139 in Bethel finden sich für Altes Testament Samuel Jaeger (gest. 1927), vormals Inspektor am Tholuck-Konvikt in Halle und daher für Betheler Verhältnisse bestens geeignet. Seit 1907 lehrte Theodor Oestreicher, der 1927 in den Dienst der badischen Kirche zurückkehrte; dessen Nachfolge übernahm im WS 1928/29 Wilhelm Vischer.140 Unter seinen Kollegen finden sich bekannte Personen wie Wilhelm Brandt, Robert Frick, Georg Merz (seit Herbst 1930 in Bethel).141 Die Wirkung Vischers auf seine Studenten ist kaum zu überschätzen. Die Schrift öffnete sich neu142 - nicht mit Hilfe eines abstrakten Schriftprinzips, sondern so, daß die Studenten den Herrn selbst aus seinem Wort neu oder gar erstmalig kennenlernten. Denn das Wort der Heiligen Schrift ist das Wort, das von Christus kommt und zu ihm führt, wie es später in Vischers Katechismus heißt.143 Vielen Studenten ging eine, ja die Welt 137 Der Leiter der Schule in ihren ersten 20 Jahren, D. JAEGER, war stark von der Frage bewegt, wie das Evangelium der Arbeiterschaft nahegebracht werden könnte (T. SCHLATTER, Theologische Schule, 85). Er prägte die Schule noch lange über seine Amtszeit hinaus (ADAM, Ziel und Weg, 106). 138 BÖDEKER im Interview am 6.10.1995. 139 JThB 1, 1930, 45 f. D o r t auch der folgende Bericht über die Verhältnisse und die
E n t w i c k l u n g d e s n e u t e s t a m e n t l i c h e n L e h r s t u h l s : WALTHER KAHLER - GOTTFRIED SIMON
1910-15 - GOTTLOB SCHRENK, Sohn von ELIAS SCHRENK bis 1923 (dann nach Zürich) während des Krieges zeitweise D. WARNECK - THEODOR SCHLATTER, Sohn von ADOLF SCHLATTER; ferner S. 46 ff. über die anderen Fächer und S. 48 ff. über die Studentenschaft (in den ersten 25 J. ca. 2000 Studenten, von denen ca. 1100 mit der Schule verbunden blieben). Zahlen z. Zt. Wilhelm Vischers: Wintersemester 1928/29 153, Sommersemester 1929 196, Wintersemester 1929/30 156, Sommersemester 1930 212. Seit 1927 war die Zahl der Abweisungen so groß oder noch größer als die Zahl der Zulassungen. Korporationen waren wegen ihres sich abschließenden Charakters verboten; die Studentenschaft sollte als Ganzheit zu einer festverbundenen Gemeinschaft zusammenwachsen. Ab Sommersemester 1927 war eine wöchendiche Turnstunde Pflicht (S. 52). 140
T. SCHLATTER, Theologische Schule, 76. JThB 1, 1930, 131. 142 „II a ouvert la Bible. II nous a livres ä eile et, par eile, au Dieu vivant" MLCHEL BOUTTIER, in: Reforme 14.1.1989 ( = Erinnerungsheft S. 29). 143 Christenlehre, 1947, 7; vgl. Esther, 1937, 13. M1
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überhaupt auf; einem sagte seine Verlobte: „Ich erkannte dich nicht wieder!" Heinrich Bödeker, dem das Wort galt, erzählt über den Beginn seines Studiums: „Als ich kam, 1932, da war diese Crew da zusammen: Wilhelm Vischer, Georg Merz, Wilhelm Brandt, Robert Frick. Das war großartig . . . ich habe hier angefangen und zuerst Hebräisch gelernt. . . . Das hatte mein Direktor eingefädelt. Als der mir sagte, ich müßte Theologie studieren, da sagte ich: ,Das geht überhaupt nicht, ich glaube ja nichts.' Da sagte er: ,Das meinen Sie nur.' Er schätzte mich sehr . . . ich hatte gar nicht ernsthaft vor, Pfarrer zu werden. Ich wollte eigentlich Studienrat werden. Aber als ich dann bei Wilhelm Vischer Hebräisch lernte, . . . war alles andere vergessen."144 Georg Merz berichtet: „Unter den Dozenten stand der Jugendbewegung am nächsten Wilhelm Vischer, der 1928 aus Basel gekommen war und nicht nur bei den Studenten, auch in der Gemeinde, der Kranken fast noch mehr als der Gesunden, eine Beliebtheit errang, die bei denen, die ihn erlebten, bis heute anhält. Theologe, Musiker, Menschenfreund und alles drei aus Leidenschaft, verschaffte er dem Alten Testament den Platz an der Schule, den der Gründer gewünscht hatte, und erhob die Bibelkunde, die an vielen Orten als trockenes Fach gilt, zum Rang einer interessanten Vorlesung. Aber er war auch Freund unter Freunden, im geselligen Austausch und in der gemeinsamen Arbeit, frei von aller Pose und jeder Regel und gerade dadurch wirksam. Aus seinen Predigten und seinen Beiträgen bei den Donnerstaggesprächen [s. o.] wird wohl jeder Teilnehmer Unvergeßliches mitgenommen haben. . . . Ich selber war stolz, durch , Zwischen den Zeiten' Vischer die Bahn nach Bethel bereitet zu haben und freute mich, Menschen zu begegnen, die in den Schülerund Studentenjahren dem gleichen Geiste sich zugewandt hatten. So war es ein wunderschönes gemeinsames Lernen und Lehren, ein herrliches Sichaneinanderfreuen." 145 Das Verhältnis zu den Kollegen war unterschiedlich: freundschaftlich war Vischer mit Wilhelm Brandt und von Bodelschwingh, den er verehrte, verbunden. Die Kontakte zu dem alten Missionswissenschaftler Simon sollen eher spärlich gewesen sein. Keine Ubereinstimmung gab es mit dem Systematiker Hans Wilhelm Schmidt (1903-91), der 1933 bzw. 1934 Mitglied von N S D A P und D C wurde und etwa im Sommer 1933 die Leitung der Betheler Ortsgruppe der D C übernahm.146 So mußte man sich im Dozentenkollegium hüten, Vertrauliches zu äußern. „Es bestand Grund, zu fürchten, der junge Kollege werde den Kreisleiter informieren."147 Von Georg Merz trennte bis zur Arbeit am Betheler Bekenntnis kaum mehr als landsmannschaftliche Eigenart; Vischer hatte sich über Merz sogar über-
144 145 146
147
Interview vom 10.8.1984, 4. MERZ, Theologische Schule, 326. M I C H A E L I S , Fall Vischer, 1 4 9 f. 1 5 3 . A.a.O. 155.
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Biographie und theologischer Weg
schwenglich gefreut148. Das Verhältnis war gut bis zur Trennung von Merz und Barth.149 Gute Freundschaft gab auch es mit dem gegenüber wohnenden Pfr. Wilm. Noch wichtiger war freilich die Verbindung nach Bonn, nämlich mit Barth und Lieb, die beide ebenfalls das „Reich" verlassen mußten, Barth nach150, Fritz Lieb noch vor Vischer. Vischer und Barth trafen sich regelmäßig in Münster151, daneben gab es einen regen Briefwechsel und Austausch ihrer Schriften. Die Freundschaft war literarisch fruchtbar: Vischer, Lieb sowie der Bochumer Pfarrer Hans Fischer baten Barth am 13. Juni 1933 in seiner Wohnung, sich einmal „kirchenpolitisch" zu äußern. Dies war „der letzte Anstoß" für die Abfassung des Heftes „Theologische Existenz heute!", des ersten Heftes der gleichnamigen Reihe. An einem der folgenden Tage, vielleicht am 14. Juni, begann Barth die Niederschrift, zunächst unter dem Titel: „Von der Kirchenpolitik zur Kirche!"152 A m 14. Juni schrieb Vischer an Barth: „Ich danke D i r von H e r z e n für die Stunden, die ich bei D i r sein durfte, und bin überzeugt, dass D u manchen einen grossen Dienst tust, w e n n D u in der gegenwärtigen Lage, w o die Kirche fast ganz in der Kirchenpolitik aufgeht, das sagst, w a s D u mir gesagt hast."
Nach Münster war Vischer auch im Mai 1930 zum Vortrag über „Das Alte Testament und die Verkündigung" geladen. Auf Barth153 fußend vertrat er dort die These, es gehe in der Heiligen Schrift nicht um menschliche Frömmigkeit, weder von Juden noch von Heiden noch von Christen. Das Thema
der Bibel
sei die Frömmigkeit
Gottes.
E s sei d i e A n e r k e n n u n g
der
„Identität der beiden Testamente", die die Bibel vor diesem Mißverständnis schützen könnte.154 Hieraus ergab sich ihm auch seine Sicht der Exegese 148 Br. an BARTH vom 22.7.1930: „Wenn jetzt Merz zu uns kommt, dann werden wir hoffentlich alle einen grossen Aufschwung nehmen. Du kannst Dir denken, wie ich mich freue. Für mich fängt ein neues Leben an." 149 Br. an BARTH vom 24.11.1933: „Merz sehe ich kaum mehr. Zufällig traf ich ihn gestern wieder einmal. Aber er lässt sich auf kein Gespräch mit mir ein. Seitdem er sich von Dir gelöst hat, schiesst seine bekannte Art, die Dinge zu sehen und zu erleben, ganz ins Kraut. Er ist nur ein Glück, dass er ,ZdZ' aufgegeben hat." 150 Hierzu: PROLINGHEUER, Fall Barth, 1977. 151 Vischer spricht im Br. an W. L. DEKKER, 11.7.1973 von wöchentlichen Zusammenkünften - dies gilt nur für die Zeit ca. Mitte 1929 bis zum Wechsel BARTHS nach Bonn; vgl. u. a. Postkarte an BARTH vom 3.4.1929 und Br. an BARTH vom 21.5.1930. Nach den Briefen von BARTH an Vischer vom 29.3.1928 und von Vischer an BARTH vom 7.6.1929 kam auch Frau BARTH gelegentlich alleine nach Bethel zu Besuch. Die Anrede per Du beginnt in den Briefen im Mai 1930 („Lieber Freund! ..."). 152 Einleitung von H. STOEVESANDT, München 1984, 20; SCHOLDER, Illusionen, 553; vgl. unten S. 67 f. 153 Das Wort Gottes und die Theologie, 29; Prolegomena, 244; Bericht über die ablehnende Reaktion im Brief an BARTH vom 21.5.1930. 154 Das Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 3. 7.
Theologische Studien und Berufung nach Bethel
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als Wissenschaft: Die Selbständigkeit der alttestamentlichen Forschung als einer Wissenschaft sei erst dann gegeben, wenn die alttestamentlichen Texte im Bewußtsein ihrer Zugehörigkeit zur Heiligen Schrift der Kirche, das heißt aber als Zeugnis des Herrn der Kirche, von Jesus Christus gelesen werden. Dessen ewige Gegenwart sei das eine von Propheten und Aposteln bezeugte Faktum. Dies bedeutet, daß es vor Christi Menschwerdung echtes Christentum gegeben hat, nicht aber, daß der Unterschied der Testamente aufgehoben sei. Dafür beruft sich Vischer auf Luther, Wider die himmlischen Propheten (1525): „Wenn man aber die Austeilung der Vergebung ansieht, so ist keine Zeit da, sondern ist von Anfang der Welt geschehen, wie auch Johannes in Apok. 13,8 sagt, daß das Lamm Gottes sei von der Welt Anfang getötet."155 Darauf Vischer: „Wird damit jeder Unterschied zwischen dem Alten Testament und dem Neuen aufgehoben? Durchaus nicht, aber es wird ernst gemacht mit der Erkenntnis, daß der von den Aposteln verkündigte Jesus wirklich der Christus Israels ist, ,daß also der selige und glückliche Stand der Kirche immer in der Person Christi begründet war' (Calvin [Inst. II, 6, 2]). Die Wüstengeneration hatte ihre Lebensgemeinschaft nur durch die Selbstmitteilung Gottes, die er durch die Menschwerdung und Kreuzigung seines Sohnes geoffenbart hat."156 „Echte Geschichte ist unwiederholbar. . . . Deshalb verlangt die Verkündigung, die ans AT gebunden ist, nicht, daß wir die israelitisch-jüdische Geschichte heute wiederholen. Wohl aber ruft sie uns zu, daß wir uns durch das, was die Bibel vom Volk des Alten Bundes berichtet, vor denselben gebietenden und verheißenden Herrn stellen lassen und heute, heute, wo wir seine Stimme hören werden, unsere Herzen nicht verstocken (Hebr 4,7). Damit wir heute Hörige desselben Gebieters werden, sollen wir um unserer ewigen Seligkeit willen Mose und die Propheten hören (Luk 16,29 ff.)."157 Diese Position hat Vischer in den restlichen knapp sechs Jahrzehnten seines Lebens nicht verlassen. Es ging ihm zentral um die ewige Gegenwart Jesu Christi in der ganzen Heilsgeschichte. Dabei betonte er immer, daß Gottes Wort durch menschliche Zeugen ergeht. Doch wenn wir ihre Botschaft hören, stehen wir nicht vor Mose oder Habakuk etc., sondern hören seine, Gottes Stimme.158 Diese Grundthese mußte in ungezählten Vorträgen und Diskussionen mit Vertretern der religionsgeschichtlichen Exegese bewährt werden. Zum Beispiel gab es in Bonn am 17. Januar 1931 unter Leitung von Karl Barth eine Diskussion zwischen Vischer und Gustav Hölscher (1877-1955) über „Die Einheit von Altem und Neuem Testa-
155
A . a . O . 8; Vischer zitiert, sprachlich angeglichen, aus WA 18, 205, 12-15. Vgl. Anm. 626, S. 273 f. 156 Christuszeugnis I, 226 f. CALVINS Inst. II, 6, 2 wird auch S. 24, 267 und 308 zitiert. 157 Das Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 8. 158 A. a. O. 9. - Vischer führte dann in einem kurzen Durchgang aus, was dies für jeden Teil des alttestamentlichen Kanons bedeute.
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Biographie und theologischer Weg
ment".159 W o h l ebenfalls 1931 hielt V i s c h e r bei d e r T a g u n g d e s evangelischen Schulvereins H o m b e r g (Niederrhein) eine „Biblische Ansprache" mit d e m schlichten Titel „Isaak".160 D a s w i c h t i g s t e in Isaaks Leben ist schlicht sein G e b o r e n w e r d e n . Alle Begriffe v o n E r z e u g e n und G e b ä r e n w e r d e n hier auf d e n K o p f gestellt, s o d a ß m a n „lachen" muß. Z u lernen ist an Isaak: „Alle, die G o t t e s K i n d e r w e r d e n , sind nicht v o n d e m G e b l ü t , n o c h v o n d e m Willen d e s Fleisches, s o n d e r n v o n G o t t g e b o r e n (Joh. l , 1 2 [ f . ] ) . D e s z u m Z e i c h e n w u r d e A b r a h a m unmittelbar v o r d e r E r z e u g u n g Isaaks an seinem Fleisch beschnitten. W o ,Gläubige' das v e r g e s s e n und ihre Z u g e h ö r i g k e i t z u m V o l k G o t t e s für eine ererbte und vererbbare o d e r s o n s t w i e v o n M e n s c h e n auf M e n s c h e n übertragbare E i g e n s c h a f t halten, d a m ü s sen sie das W o r t hören: , D e n k t nur nicht, d a ß ihr bei e u c h w o l l t sagen: w i r h a b e n A b r a h a m z u m Vater. Ich s a g e euch: G o t t v e r m a g d e m A b r a h a m aus diesen Steinen K i n d e r z u erwecken' ( M t . 3,9)." 1 6 1 In Bethel hatte V i s c h e r ein g r o ß e s P e n s u m z u leisten: E r m u ß t e bis z u 16 W o c h e n s t u n d e n unterrichten.162 Z u d e m sah er sich schlecht vorbereitet, H e b r ä i s c h u n d E x e g e s e z u lehren. E s fehlte die Zeit, die reiche Bibliothek der Schule a u s z u s c h ö p f e n u n d viele B i b e l k o m m e n t a r e z u lesen; so „klammerte" er sich an die Bibeltexte u n d „machte eine E n t d e c k u n g n a c h
der
anderen."163 D i e theologische Grundlage w a r damit gelegt. 1932 schrieb er gegen die z u n e h m e n d e n rassisch motivierten Angriffe auf das Alte T e s t a m e n t : „ A n d e r n w i r die Heilige Schrift, dann w e r d e n w i r auch eine andere Kirche. D e s h a l b müssen wir mit g a n z e m E m s t überlegen, ob das Alte Testament weiterhin
159
Davon habe ich nur durch das Titelblatt Kenntnis, das von Vischers Thesen in seinem Nachlaß in Montpellier übriggeblieben ist. 160 Abgedruckt in Z Z 9, 1931, 1 - 3 . 161 A. a. O. 3. 162 Die Lehrveranstaltungen Vischers sind ab 1930 (JThB 1) dokumentiert: SS 1930: Jeremia 4 Std., Sprüche Salomes in kursorischer Lektüre 2 Std., Hebräischkurs 6 Std.; WS 1930/31: Auslegung der Bücher Samuel 4 Std., Übung: Textkritische Übungen am A T 2 Std., H e bräischkurs 6 Std.; SS 1931: Auslegung des 1. und 2. Buches der Könige 4 Std., Hiobl Std., Ü b u n g zu Arnos 2 Std., Hebräischkurs 6 Std.; W S 1931/32: Bibelkunde des A T 4Std., Jes 1 - 3 9 4 Std., Seminar: Uebungen zur alttestamendichen Psychologie 2 Std., Hebräischkurs 6 Std.; SS 1932: Hesekiel 4 Std., Spuren der alttestamentlichen Geschichte auf dem Boden Palästinas 1 Std., Alttestamentliches Seminar H o s e a 2 Std., Hebräischkurs 6 Std.; W S 1932/33: Jes 40-66 4Std., Seminar Micha und Zephanja 2Std., Sprachkurs Hebräisch 6 Std. (RUHBACH [Hg.], Kirchliche Hochschule Bethel 1905-1980, 216 f.); SS 1933: Ausgewählte Psalmen 4 Std., Daniel 1 Std., Seminar Sacharja 2 Std., Sprachkurs Hebräisch 6 Std. („dann NOCKEMANN"). „ D e r alttestamentliche Unterricht konnte nicht durchgeführt werden, da lie. Vischer am 20. Mai beurlaubt werden mußte" (JThB 4, 1933, 254 f.; RUHBACH [Hg.], Kirchliche Hochschule Bethel 1905-1980, 219 f.). 163 La Le^on Derniere, 1967, 13, zit. auch von BOUTTIER, Invitation, 10 (ohne Quellenangabe).
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zur Bibel gehört oder nicht. Für die Antwort ist grundlegend die Erkenntnis: Wenn wir das Alte T e s t a m e n t ablehnen, k ö n n e n wir das N e u e T e s t a m e n t a u c h n i c h t m e h r als H e i l i g e Schrift b e h a l t e n . Wenn wir es trotzdem noch behalten, dann hat es durch die Loslösung v o m Alten Testament einen anderen Sinn bekommen. D a s Hauptwort des Neuen Testaments, nämlich Jesus Christus', sagt dann nicht mehr das Gleiche wie vorher." 164 Gerade dies gab die nötige Kraft zu einer frühzeitigen 165 Unterscheidung der Geister; 1931 trug er vor: „Weite Kreise des deutschen Volkes, auch der deutschen Christen, sind gegenwärtig im Begriff, den lebendigen Gott zu verlassen und dem völkischen deutschen Gott zuzufallen. Darum ist es dringend nötig, daß das Zeugnis der Heiligen Schrift, der ganzen, Alten und Neuen Testaments, rein und lauter und mit Vollmacht verkündigt werde, das Wort des Herrn, der allein Gott ist und seine Ehre nicht den Götzen läßt. . . . Wer behauptet, das Alte Testament verkündige einen jüdischen Nationalgott, beweist damit nur, daß er selbst in seinem Denken noch ärger verjudet ist als die Juden und vor seinen Augen eine dickere Decke hat als die Juden, wenn sie Moses lesen. Zwar zeugen manche Worte der Schrift von jüdischer Nationalreligion. Aber es ist doch wahrhaftig deutlich genug, daß diese völkische Vergötzung des heiligen Gottes Israels Sünde ist; daß der Allmächtige Israel aus den Nationen heraus gewählt hat, damit durch das, was er in Gericht und Gnade an Israel tun würde, allen Völkern offenbar würde, daß er nicht ein Volksgott ist Um was soll es denn sonst gehen bei dem großen Ringen der Propheten, wenn nicht eben darum? Wenn vielleicht den Schriften des Alten Bundes in dieser Hinsicht noch eine Zweideutigkeit anhaften möchte, solange sie für sich allein sprechen, so wird es ganz eindeutig durch ihre Verbindung mit dem neutestamentlichen Zeugnis: wenn Israel den von Gott gesandten Messias kreuzigt, so ist damit die israelitische Nationalreligion gerichtet. Das aber mußte geschehen, sagt das Neue Testament, auf daß erfüllet würde, was im Alten Testament geschrieben steht. Das G e r i c h t über eine jüdische 164 Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen?, 1932, 93 (Hervorh. orig.). S.94 f.: Die Säuberung des Neuen Testaments durch die Vertreter der „Deutschkirche" sei ärger als die völlige Ablehnung des Alten Testaments durch den Tannenbergbund. - Es handelt sich um einen Vortrag Vischers im Lengericher Vereinshaus am Sonntag, den 25.10.1931; Berichte hiervon geben: Der Landbote 25.10.1931; Lengericher Zeitung vom 27.10.1931 (Titel: „Gehört das Alte Testament noch in die Bibel des deutschen Christen? Scharfe Ablehnung des Tannenbergbundes in Lengerich"). Das gleiche Thema behandelte Vischer im März 1932 in Danzig, wohin er zu einen Lehrgang gerufen worden war (hierüber: Aryser Zeitung vom 10.3.1932 [wenn ich die bibliographische Angabe richtig entziffere]). - Die Qualität mancher Zeitungsberichte aus dieser bewegten Zeit ist überraschend gut! 165
W. V., Br. an M. Hellmann vom 27.2.1984 (von mir orthographisch verbessert): „Vom Antritt meines Amtes an [seil, in Bethel] habe ich, nicht nur an der Theologischen Schule, sondern in Vorträgen im Land herum und in mancherlei Schriften erklärt, dass und weshalb das Alte Testament zusammen mit dem Neuen (ebenfalls .jüdischen') die heilige Schrift für die Christen in allen Völkern, auch in Deutschland ist, und dass Hitlers Plan, Israel, das Zeugenvolk Gottes inmitten der Menschheit auszurotten, der Kampf gegen Gott ist."
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Biographie und theologischer Weg
Nationalreligion ist in der Heiligen Schrift bezeugt, nicht ihr Triumph. Alles, was gegen die Juden z u sagen ist, ist in der Bibel gesagt. N u r wer das n o c h nicht gemerkt hat, kann meinen, judenfeindliche Anwürfe träfen die Bibel. Es ist deshalb nicht gut, w e n n neuerdings scharfe Worte, die Luther seinerzeit gegen die Juden geschrieben hat, wieder verbreitet werden." 1 6 6
Der Schweizer H. O. Kühner berichtete, wie er, einer der für Vischer schwärmenden Studenten in Bethel im Sommersemester 1931, sich über den Nationalsozialismus lustig gemacht habe, daß es aber im besonderen Vischer war, der half, diesen sachlich zu beurteilen. Ab dem Sommersemester 1931 versuchten Betheler NS-Parteigenossen, ihre Leute bei den Wahlen zum Vorstand der Studentenschaft durchzubringen, jedoch ohne Erfolg. Bödeker, obwohl erklärter Feind des Nationalsozialismus, gewann am Ende des WS 1932/33 gegen einen nationalsozialistischen Kandidaten die Wahlen zum Senior des Studentenkapitels. Dieses Kapitel setzte sich aus den 10-12 Senioren der Studentenheime zusammen. Von den 220 Studenten gehörten 18 der SA an - also nicht einmal 10% der Studentenschaft.167 In der Auseinandersetzung mit dem zunehmenden Nationalismus kam Vischer seine in Bethel vertiefte Kenntnis der Schrift zu statten. Als er seine Existenz als Christ und Theologe mehr in Frage gestellt sah als je zuvor, suchte er desto fester und in der Abgrenzung gegen den Rassenwahn die „glänzende Wahrheit" zu bezeugen, daß die Juden - und nicht das Volk der Deutschen, wie man etwa bei Julius Leutheuser, einem der Autoren der DC, lesen konnte168 - das von Gott zu dem Ziel auserwählte Zeugenvolk seien, alle menschliche Ideologie zu stürzen. Desolidarisiere man sich mit den Juden, könne man nicht mehr Kirche sein. Nach Vischers Erinnerung hielt er die letzte Vorlesung seiner Betheler Zeit über das Estherbuch, um diese Solidarität durch die These zu bekräftigen, daß Jesus ein Jude war und daß es Gott ist, der die Judenfrage stellt und löst.169 Das 166
Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen?, 1932, 97 f. BÖDEKER, Kirchenkampf, 131; Interview vom 10.8.1984, 5. Die Hausmutter im Studentenheim KüHNERs war Nationalsozialistin, weshalb die der völkischen Bewegung Zugeneigten bei der Essensvergabe bevorzugt wurden, sie bekamen ζ. B. Butter statt Margarine (Interview mit Pfr. H . O. KÜHNER in Basel am 5.8.1995). 168 „Der Herr der Völker hat sich unser Volk aus Erde, Blut und Schicksal zusammengezimmert, daß es reif werde, Volk der Offenbarung des Sieges seines Reiches über die Welt zu werden" (zit. nach HOHLWEIN, Bewegung, 1429; Hervorh. S. F.). Von J. LEUTHEUSER: Der Weg zur christiichen Nationalkirche, 1932, 5 1936. Speziell gegen eine nationalistische Rassen- und Volkslehre richtete sich Vischers Aufsatz „Volk und Gott in der Bibel" (1934). 169 Nach seiner Antwort auf die Vorwürfe war es eine Stunde Bibelkunde, in der er zu zeigen hatte, daß das Buch Esther bezeuge, daß die Judenfrage sozusagen die offene Wunde nicht nur am Leibe der Menschheit, sondern auch am Herzen Gottes sei (Bethel H e f t 30, 1985, 74). Heiden und Juden versuchen die Judenfrage immer wieder in gegenseitiger Ausrottung zu lösen; aber Gott gibt Christus als ihre Lösung. - Uber Vischers Ablehnung von 167
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Buch Esther beschäftigte ihn auch später: 1937 ging er in seiner Basler Antrittsvorlesung von ihm aus.170 In einem Siegener Vortrag, sicher nach 1933 und vielleicht mit der vermuteten letzten Esther-Vorlesung der Betheler Zeit identisch, behandelte Vischer ebenfalls das Buch Esther. „Es war in Siegen, als die Gestapo wünschte, daß ich mein Manuskript zeigen sollte und ich hatte wie immer keins. Und dann heißt es: Also gut, so reden Sie ohne Manuskript. Dann habe ich ihnen das Buch Esther ausgelegt, grade das Buch Esther, das vor uns steht wie etwas ganz Unmögliches. Wie kann das uns das Evangelium Jesu Christi verkündigen? Auf einmal kam gerade daraus das ganze Evangelium, daß wir neu verstehen, was es jetzt heißt, heute, unter diesen Umständen an den Jesus Christus zu glauben, der Jude geworden ist."171 Barth ermunterte ihn, „einmal eine grössere Arbeit der Öffentlichkeit vorzulegen". Vischer zögerte, behielt aber das Vorhaben im Auge.172 Nicht erst die „Machtergreifung" Hitlers war es, die Vischer veranlaßte, über die Judenfrage" Klarheit zu gewinnen. „Lange vor dem Aufbruch des Nationalsozialismus habe ich durch die Erforschung der Bibel Klarheit gesucht über die Bedeutung des Alten Testaments für den christlichen Glauben, sowie über das Verhältnis von Judentum und Christentum. Darum habe ich auch, bevor die Nationalsozialisten zur Macht kamen und ich noch in Deutschland reden und schreiben konnte, mich öffentlich zur Judenfrage geäussert, ζ. B. in einem , Religionsgespräch' mit Geheimrat Gerstenmeier, dem Bundesgrossmeister des , Deutschbund', das am 12. Jan. 1932 in Bielefeld stattgefunden hat; ,W-m', d. h. der Vater von Präses Ernst Wilm, hat darüber im .Aufwärts' (Bethel, 17.Jan.1932) berichtet."173 Nicht einmal von Bonhoeffer konnte Vischer hier viel gewinnen: „Insbesondere für die Judenfrage habe ich nicht gerade Anregungen von ihm erhalten. Denn damit hatte ich mich seit dem Beginn meines Studiums der Theologie, sodann als Pfarrer und schliesslich seit der Berufung als Dozent für Altes Testament an der Theologischen Schule in Bethel im Jahr 1927 in Auseinandersetzung mit den Zeitströmungen in Deutschland intensiv
BEN-CHORINS Vorschlag, das Estherbuch aus dem Kanon zu nehmen siehe VASKO, Dritte Position, 79 f. 170 Veröffentlicht: T E H H e f t 48, München 1937, 29 S., dann: T E H 48, Zollikon/Zürich: '1938, 2 1947. - Als einziges alttestamentliches Buch wird in BARTHS K D übrigens das Buch Esther gar nicht zitiert (BÄCHLI, A T in K D , 97), auch CALVIN zitiert es nie (Vischer, Calvin, exegete de l'Ancien Testament, 1965, 217 Lit.), LUTHER 48 mal (MAIER, Esther, 30 Lit.). 171 Wie predigen wir über das Alte Testament heute?, 1960, 8 f.; vgl. das Vischer-Zitat unten S. 320. 172 Br. BARTHS an Vischer vom 29.2.1928; Br. Vischers an BARTH vom 4.12.1931. 173 Br. Vischers an WOLFGANG GERLACH vom 7.12.1968. Vischer meint wohl nicht „GERSTENMEIER", sondern „GERSTENHAUER" (siehe unten S. 57 f.), Verfasser von „Was ist Deutsch-Christentum?", 1930 ( R G G 3 VI, Sp. 1431). Vgl. oben Anm. 165.
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Biographie und theologischer Weg
beschäftigt und schriftlich oft geäussert. Einige Formulierungen in dem Entwurf des Betheler Artikels mögen von Bonhoeffer beeinflußt sein .. ,"174 Oder: „Wenn Sie etwas wissen von meiner theologischen Arbeit, so werden Sie verstehen, warum ich besser als andere gerüstet war, der Judenverfolgung zu widerstehen, war doch die Grundlage meiner Bibelforschung die Erkenntnis der unzertrennlichen Einheit vom Altem und Neuem Testament und als deren Folge die unzertrennliche Verbundenheit der Christen mit den Juden. Ich habe deshalb schon in den Jahren bevor die Nationalsozialisten zur Macht kamen diese Gedanken in kirchlichen und öffentlichen Versammlungen vertreten .. ."175
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Br. Vischers an CHRISTINE-RUTH MÜLLER vom 30.8.1984, über die Kontinuität seiner
F r a g e r i c h t u n g e b e n s o a n W . SCHERFFIG a m 1 7 . 3 . 1 9 8 4 , S. 3 u n d a n W . L. DEKKER, 1 1 . 7 . 1 9 7 3 ,
S. 2. - Laut MÜLLER (Kampf, 67) gibt es noch einen weiteren Br. Vischers in dieser Sache vom 9.10.1984, der mir aber nicht vorliegt. MÜLLER korrigiert Vischers Erinnerung: Er sei nicht nur an der Abfassung des einen Artikels, sondern eines nicht näher genannten Abschnittes beteiligt gewesen. - Stellt MÜLLER BONHOEFFER in das Licht, in das für die geschichtliche Priorität der Fragestellung des Problems Judentum und Christentum nicht vielmehr Vischer gehört? Vischer sagte 1984: „Aber ich dachte immer schon, es sei ein Unterschied gewesen zwischen mir und Bonhoeffer in dieser Sache, daß ihm eigentlich fast nur daran lag, wie behandelt die Kirche die Juden, die zur Kirche gehören, daß ihn aber weniger bewegte die Frage, warum gibt es überhaupt noch Israel in der Weltgeschichte, offenbar in Gottes Hand neben der Kirche, das glaube ich, hat ihn nicht so interessiert" (Interview vom 14.8.1984, 7). Nach MÜLLER (Bekenntnis, 11) wäre BONHOEFFER 1933 der einzige, dem mit der Frage des kirchlichen Arierparagraphen der status confessionis gegeben war. A. a. O. 27-30 berichtet sie über Vischers Beitrag zum Betheler Bekenntnis: Man dürfe die Judenchristen zwar nicht aus der Kirche ausschließen; sie seien aber „Rassefremde"; das Verhalten des Staates zu seinen „rassefremden Gastvölkern" sei rechtens - verhindert wurde ein Ernstnehmen der zunehmenden Diskriminierung von Juden und Judenchristen. Von VON BODELSCHWINGH seien keine Äußerungen zur Judenfrage zur Zeit seiner Nominierung bekannt, weshalb der Anstoß, Vischer zur Abfassung dieses Artikels zu bewegen, von Vischer ausgegangen sei; noch eher aber habe BONHOEFFER VON BODELSCHWINGH um einen entsprechenden Artikel gebeten. Dafür spreche 1., daß VON BODELSCHWINGH über die erste Besprechung mit MERZ und BONHOEFFER berichtete, es sollten die „heutigen" Fragen mitbehandelt werden, 2. hatten die BONHOEFFER nahestehenden Studentenkreise, die sich an VON BODELSCHWINGH mit der Bitte um die Abfassung eines Bekenntnisses gewandt hatten, ähnliche Formulierungen gebraucht Einige Wochen zuvor in seinem Aufsatz „Zur Judenfrage" (siehe unten S. 61 f.) ginge Vischer viel stärker als im Betheler Bekenntnis von der Substitutionsthese aus (29). „Auch die Betrachtung des Alten Testaments als ausschließlichem Zeugnis der Offenbarung Gottes in Jesus Christus und die Vorstellung von den Juden als einem , Pfahl im deutschen Volkskörper' können aus heutiger Sicht nicht gerade als Haltung gewertet werden, die frei war von judenfeindlichen Momenten. Die Behauptung, daß das , ( . . . ) dritte Reich den Krieg gegen Alljuda eröffnet hat (...)' und die kommentarlose Erwähnung der Kulturpolitik' des neuen deutschen Reiches oder der Verbrennung ,jüdischer Literatur bei dem geplanten Berliner Autodafe (...)' rücken Vischers Aussagen sogar in die Nähe antisemitischer Äußerungen" (a. a. O. 30). - MÜLLERS Thesen sind jüngst von LLCHTENFELD (Merz) und von BÜSCH (Bogen, 51 f. 54 f. 68. 125 ff. u. ö.) hinreichend abgebaut worden. 175
Br. Vischers an HARTMUT LUDWIG vom 29.9.1973. Vischer hat diese „unzertrennliche
Theologische Studien und Berufung nach Bethel
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Von dem oben von Vischer erwähnten „Religionsgespräch" zum Thema „Volkstum und Religion" (Bielefeld, Altstädter Gemeindehaus, 12.1.1932) mit dem Bundesgroßmeister des Deutschbundes, M. R Gerstenhauer liegen mir aus dem Nachlaß Vischers, der in der Bibliothek der theologischen Fakultät Montpellier zugänglich ist, zwei ausführliche Zeitungsberichte sowie ein Konzept von Vischers Leitsätzen (getippt, mit zahlreichen, oft unleserlichen handschriftlichen Einträgen) vor. Dennoch bekam zunächst Geheimrat Gerstenhauer das Wort. Seine „Deutschkirche" wolle, wie die Westfälische Zeitung vom 13.1.1932 berichtet, „keine neue Theologie, sondern nur eine neue deutsche Frömmigkeit". Denn „dem deutschen Wesen entspricht ein idealistischer, metaphysischer Gottesbegriff. Den Vorwurf des Pantheismus muß die Deutschkirche zurückweisen. Ihr Weltbild ist ein neuer organischer Theismus, der nicht identisch ist mit dem jüdischen Gottesbegriff", den sie für materialistisch hält. „Sie sieht in der Rasse den von Gott gegebenen Wesenskern. Es ist das Göttliche in uns. So wird Rasse selbst Geist."176 Jedes Volk könne nur auf seine Weise Gott dienen, weshalb Religion und Volkstum miteinander vermählt werden müsse.177 „Die Religion unserer Vorfahren war dem wahren deutschen Christentum nahe. Diese Religion des ,Gott in uns' ist keine Vergottung des Ich. Christus selbst war ein Kämpfer von durchaus arischem Wesen und mit ihm fühlen sich verbunden alle ,die arisch sind'!"178 „Wir haben Person und Lehre Jesu beibehalten, halten aber die Lehre, daß alle Menschen von Natur böse seien, für einen verderblichen Zusatz zum Christentum. Wir glauben an die Vervollkommnung des Menschen"!179
Daraufhin war es Vischer ein leichtes, an der Losung des Deutschbundes „Im deutschen Namen Heil!" deren schneidenden Gegensatz zur biblischen Offenbarung aufzuweisen: „Die Lehre der Deutschkirche führt in die Irre, weil sie, statt vom Worte Gottes, ,νοη gewissen Kräften, Fähigkeiten, Bedürfnissen der menschlichen Seele' ausgeht. Das tun alle Religionen (der , Heiden', wie die Bibel sagt), auch das Christentum, sofern es ,Religion' geworden ist.180 Damit wird, bewusst oder unbeVerbundenheit der Christen mit den Juden" biographisch und theologisch eindrucksvoll bewährt In Teil 2 dieser Arbeit wird der Fokus auf den ersten Pol, die Einheit der Testamente in Christus gerichtet. Ganz am Ende werde ich noch einmal auf Vischers Folgerung hinweisen (3.3.3); vgl. auch These 4 in 2.1 bzw. Anm. 7 auf S. 148. 176 Westfälische Zeitung, 13.1.1932. 177 Aufwärts. Christliches Tagblatt, 17.1.1932. 178 Westfälische Zeitung, 13.1.1932. 179 Aufwärts. Chrisdiches Tagblatt, 17.1.1932. - GERSTENHAUERS Gewährsmänner waren PAUL DE LAGARDE, IMMANUEL KANT, FRIEDRICH DELITZSCH, JOHANN W . VON GOETHE u n d JOHANN GOTTLIEB FICHTE. 180 Vischer erinnerte am Ende auch an die Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts über diesen Punkt.
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Biographie und theologischer Weg
wusst, das Verhältnis von Gott und Mensch umgekehrt: die Seele bildet ihren Gott. Religion ist dann ,der höchste Ausdruck des Wesens eines Volkes'. Was man ,Gott' nennt, ist die Idee oder das Ideal des Menschen, bezw. des Volkes. . . . Das ist genau das, was die Bibel als die Sünde aufdeckt. Es zeigt sich auch, dass die Frömmigkeit, die heute als ,deutsch' beschrieben wird . . . , im Grunde nah verwandt ist mit den alten orientalischen und heutigen fremdvölkischen Religionen, eine Spielart der Religion der Schlange: ihr werdet sein wie Gott, wissen Gut und Böse (vergl. auch Turmbau zu Babel). ,Dass der Mensch die Idee der Vervollkommnung denken kann, dass er gut und böse unterscheiden kann, das ist eben das Göttliche im Menschen .. .'181 . . . Ebenso deutlich ist, dass das, was als Streben der deutschen Seele, das Christentum zu verdeutschen, ausgegeben wird, mutatis mutandis dem Streben der jüdischen Seele entspricht, die Offenbarung zu verjuden. Die Bibel sagt, dass das Streben der jüdischen Seele dahin geht, die freie Erwählung Gottes, die Israel verkündet ist, in ein nationales Erbgut und Vorrecht zu verkehren. . . . Die Juden haben Jesus gekreuzigt, weil er ihrem Messiasideal nicht entsprach. Die Deutschkirche tilgt alle Stücke des neutestamentlichen Zeugnisses von Jesus Christus, die der deutschen Seele nicht passen, und gestaltet so ein Jesusbild nach dem eigenen Herzen. Das ist dann allerdings nicht mehr Christus der Herr, in dem uns der unbedingte Herrschaftsanspruch Gottes entgegentritt. Er ist dann nicht mehr der einzige, der uns retten kann, indem er uns richtet. Wir brauchen nicht mehr in seinen Tod getauft zu werden, sondern er verklärt und weiht unser Leben, ermutigt uns in unserm Vollkommenheitsstreben. .. ,"182 Im Wintersemester vor dem Sturm gegen Vischer gab es in seiner Familie Aufregung. Maria Lydia mußte wegen einer schweren Lungenentzündung in Bad Godesberg in die Klinik gebracht werden. Sie war nicht ansprechbar, weder von Ärzten noch von ihrem Mann. D a kam Julia von Bodelschwingh und sang ihr tagelang Choräle vor, und T h e o d o r Schlatter rief die Studenten zur Fürbitte auf. Maria Vischer wurde wieder gesund und konnte mit Frau von Bodelschwingh nach Bethel zurückkehren.
181 182
Weiteres Zitat, wohl von „Buber-Chassidim" leider unleserlich (Hervorh. orig.). Zitiert aus dem Manuskript (Ziffer 2 bis 4).
Der „Fall Vischer"
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Vischer in Bethel, etwa 1932
1.5 Der „Fall Vischer'™ Den Nationalsozialisten war Vischer, wenn eine entsprechende Bemerkung im Mitteilungsblatt der NSDAP nicht nur ein fingierter Beleg für den „Langmut" der Kreisleitung ist, angeblich schon seit 1931 aufgefallen.184 Für die „Erweckung" Deutschlands sei Vischer in seiner „persönlich gebundenen abstrakten theologischen Betrachtungsart... trotz besten Wollens gar nicht in der Lage, die uns Deutschen jetzt innerlich aufrüttelnden Ereignisse zu verstehen oder mitzufühlen. Diese prinzipiell verschiedene Auffassung von den uns heiligen vaterländischen Begriffen, die mit den Dingen des Reiches Gottes primär nicht das Geringste zu tun haben, wird sich bei Ihnen, sehr geehrter Herr Pastor, auch nicht nach einigen Monaten weiteren Urlaubs zu ändern vermögen." 185 Vischers Geg-
183
Über die Vertreibung Vischers von seinem Lehrstuhl berichten: BÖDEKER, Kir-
c h e n k a m p f ; DIETER K O C H , E i n s i c h t e n ; b e s . MICHAELIS, Fall V i s c h e r , w o b e s . VON BODEL-
SCHWINGHS Rolle bei Vischers Weggang beleuchtet bzw. dessen Verhalten gerechtfertigt wird. - Wir rekapitulieren kurz das Geschehen, das in manchen Einzelheiten dem „Fall Dehn" gleicht (BÖDEKER a. a. O. 133), vgl. die Schilderungen von E. Bizer, in: FS für Günther Dehn, Neukirchen 1957; G. DEHN, Die alte Zeit, die vorigen Jahre, München 2 1964, 247 ff. Ein detaillierteres Bild könnte eine Durchsicht der Akten der NS-Parteileitung im Detmolder Staatsarchiv ergeben. Nach WOLF KÄTZNER gibt es dort Dokumente, aus denen hervorgeht, daß die Reichsleitung Sonderbeauftragte hatte, die die Kreisleiter an solchen Brennpunkten wie in Bethel kontrollierten, ob sie die ihnen zugewiesenen strategischen Aufgaben lösten. LÖHR sei es nicht gelungen, zwischen der sog. Machtergreifung und dem Frühjahr 1933 Bethel gleichzuschalten. Lohr wurde später Professor in Kiel, ohne wieder ein wichtiges Parteiamt bekleiden zu können. 184
Mitteilungsblatt aus der Ortsgruppe Bethel-Gadderbaum der NSDAP, Juni 1934, S. 3. Br. LÖHRS an Vischer am 6.10.1933, zit. nach Mitteilungsblatt aus der Ortsgruppe Bethel-Gadderbaum der NSDAP, Juni 1934, S. 5 (dort auch das Wort von der „Erweckung Deutschlands"). 185
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Biographie und theologischer Weg
ner zeigen die einander bekämpfenden Kräfte auf: Hier stehen letztlich Glaube gegen Glaube, Dogma gegen Dogma, Heiligkeit gegen Heiligkeit, Gott gegen Gott. Vischer selbst hatte den Gegensatz im Jahrgang 1932 von „Beth-El. Blicke aus Gottes Haus in Gottes Welt" schneidend dargestellt. Die volkstümliche Religion sei als internationales Phänomen religionsgeschichtlich zu relativieren und dogmatisch als in der Wurzel heidnische Götzenproduktion zu beurteilen. „Weite Kreise des deutschen Volkes, auch der deutschen Christen, sind gegenwärtig im Begriff, den lebendigen Gott zu verlassen und dem völkischen deutschen Gott zuzufallen. Darum ist es dringend nötig, daß das Zeugnis der Heiligen Schrift, der ganzen, Alten und Neuen Testaments, rein und lauter und mit Vollmacht verkündigt werde, das Wort des Herrn, der allein Gott ist und seine Ehre nicht den Götzen läßt."186 Gründe für die Gegnerschaft der Nationalsozialisten waren vorgeblich politisch links klingende Äußerungen {„rein politische Bemerkungen des Lie.Vischer"187). Solche Bemerkungen wären wohl für die theologische Schule bzw. für Vischers Stellung (wenigstens zunächst) folgenlos geblieben, hätte er nicht gerade aus NS-Parteikreisen einen Feind gegen sich gehabt, der ihn aus persönlichen wie ideologischen Gründen loswerden wollte: Dr. Hanns Lohr, Kreisleiter der NSDAP in Bethel und Chefarzt der inneren Abteilung des Betheler Allgemein-Krankenhauses. Er war „vor allem darin das Gegenteil von Vischer, daß er durch seine Raserei in die Sklaverei des Fanatismus geriet, während Vischer der Enthusiasmus nicht hemmte, frei und unbefangen einherzugehen. Bei ihm konnte es vorkommen, daß er einem begeistert von Liebknecht oder Rosa Luxemburg berichtete und bald hernach aus den klassischen Brautbriefen von Moltke vorlas. Der Kreisleiter war geneigt, jeden für einen Schädling des Volkes zu halten, der keine Hitlerversammlung besuchte."188 Vischer berichtete über sein Verhältnis zu Lohr im Interview vom 14. August 1984, er habe in Lohr den ehrlich überzeugten Hitler-Anhänger gesehen189, der die an186
Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen?, 1932, 97. Mitteilungsblatt aus der Ortsgruppe Bethel-Gadderbaum der NSDAP, Juni 1934, 4 (Hervorh. orig). Eine derartige Bemerkung stammt auch von H A N N S L Ö H R : „Darf ein solcher Mann, dessen persönliche Lauterkeit wir, nebenbei bemerkt, niemals in Zweifel gezogen haben, bei seiner verbohrten politischen Einstellung, die nichts anders als die Konsequenz eines internationalen christlichen Pazifismus mit rein marxistischer Prägung darstellt, weiterhin Lehrer an einer deutschen Schule sein?" (zit. nach M I C H A E L I S , Fall Vischer, 5 0 ; zu L Ö H R S berufliche Stellung in Bethel: a. a. O. 2 3 ) . Zum „Pazifismus" Vischers muß man wissen, daß er in Basel mit K A R L B A R T H , F R I T Z L I E B u. a. Mitglied der Basler Abteilung einer „Geheimorganisation für die innere Abwehr im Fall einer Invasion" wurde; Waffengebrauch war hier m. W. nicht ausgeschlossen. Man konnte nur beitreten, wenn man, dazu aufgefordert, ein Gelübde unterschrieb ( B U S C H , Barths Lebenslauf, 3 2 1 ) . 188 MERZ, Theologische Schule, 325. 189 Was hat L Ö H R von Hitler überzeugt? Vischer: L O H R S Eindruck von Hitler, zum er187
Der „Fall Vischer"
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fangs gute Beziehung190 zu ihm zu opfern bereit war - Vischer war regelmäßiger Besucher von Lohrs musikalischem „Bachkreis"191 um sich als Nationalsozialist zu bewähren. Vischer hatte den Eindruck, Lohr halte ihn für durchaus bereit, Bethel zu verlassen.192 Vischer war sich nicht sicher, ob ohne Lohrs Agieren der Aufruhr gegen ihn überhaupt losgegangen wäre. „Ich wüßte nicht, wer [sonst] das hätte veranlassen wollen." Bödeker: „Es war eigentlich ein Schandbube, durch den die ganze Sache angezettelt wurde." Vischer: „Sicher auch ohne Lohr wäre das irgendwie gekommen, aber das hat ja keinen Wert, darüber nachzudenken."193 Scheinbar schwankte Vischers Erinnerung über Lohrs Bedeutung zur Sache. Lohr habe auf eigene Initiative die Hetze gegen ihn betrieben - doch habe diese auch ohne Lohr beginnen können. Lohrs Losung an die NS-Gruppe der Studenten lautete: „In diesem Semester fällt Lie. Vischer! Wie ihr das macht, ist eure Sache.Das Wort hat Bödeker von Günther Neske195 erfahren, der zu dieser Zeitpunkt noch Glied der NS-Gruppe war, sich aber bald von ihnen getrennt hat. Die Feindschaft der Nationalsozialisten gegen Vischer hatte auch rassenideologische Motive. Denn bei seiner Sicht des Verhältnisses von Altem und Neuem Bund war er offensichtlich ein Gegner des Antisemitismus. An seinem 38. Geburtstag, dem 30. April 1933, vier Wochen nach dem „Boykott der jüdischen Geschäftswelt", zu dem die Kirchenleitungen (von vielen einzelnen Christen abgesehen) beider Konfessionen weithin schwiegen196, und drei Wochen nach Verkündung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", das den Arierparagraphen enthielt, referierte Vischer auf der Brüderkonferenz in Lemgo „Zur Judenfrage"197. Seine drei Thesen bekräftigten 1. die vom Neuen Testament gezeigte Notwendigkeit eines biblischen Kanons, der das Alte Testament enthalte, für den christlichen Glauben; 2., daß dieser doppelte Kanon dem Glauben des geistlichen
stenmal einem Glauben begegnet zu sein, der Berge versetzt - Interview vom 14.8.1984, 32 f. und Video-Interview 1988. 1.0 Video-Interview 1988. 1.1 Interview vom 14.8.1984, 19. BÖDEKER vermutet, daß LöHR auf Vischers musikalische Begabung als Flötenspieler und MOZART-Interpret neidisch war. m Interview vom 14.8.1984, 32 f. 1.3 Interview vom 14.8.1984, 20. Hier werden Artikel von LöHR im „Ring" über die Brüder MARTIN und WILHELM NIEMÖLLER angesprochen, die mir n o c h nicht vorliegen. 1.4
BÖDEKER, Kirchenkampf, 131.
195
NESKE starb a m
1%
H i e r z u SCHOLDER, Illusionen, 3 2 2 - 3 5 4 , bes. 3 3 4 ff.
1,7
12.7.1997.
Zur Judenfrage. Eine kurze biblische Erörterung . . . (von SCHOLDER nicht erwähnt). K. L. SCHMIDT betonte die Aktualität der Ausführungen Vischers (ThBl 12, 1933, Sp. 187, zit. nach SCHROVEN, Christologische Auslegung, 208 Anm. 204). - Gegen den Arier-Paragraphen auch „Die biblische Begründung unseres Amtes" (1934/35, vgl. 81).
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Biographie und theologischer Weg
Israels (= der Kirche198) die Erkenntnisgrundlage für den Willen ihres Herrn ist und 3., daß derselbe für die Lebensordnung von Völkern und Staaten richtunggebend ist. Die Judenfrage sei eine Frage Gottes an uns: erkennen wir die heilsgeschichtliche Aufgabe, die Israel mit seiner Erwählung auferlegt bekommt? Erkennen wir, daß die Wurzel des heidnischen Hasses gegen Israel in seiner Erwählung liegt und damit tiefer als in allen Rassenunterschieden? Erkennen wir, daß Gott nur eine Lösung der Frage nach dem schwierigen Verhältnis von Juden und Heiden gegeben hat: daß sie sich unter die gleiche Schuld beugen und in der gleichen Vergebung durch das Kreuz Christi Jesu zusammenfinden? Eine Lösung unter dem Paradigma der „Rassen" (Assimilation, Trennung oder Ausrottung!) scheidet damit aus (vgl. unten 1.6). Für die evangelische wie für die katholische Kirche waren das ungewohnte Gedanken. Der Mitherausgeber der Zeitschrift, in der die Thesen erschienen, Leonhard Fendt, distanzierte sich; Robert Frick mußte die alleinige Verantwortung übernehmen.199 Neben Dietrich Bonhoeffer und Alfred de Quervain gehörte Wilhelm Vischer damit zu den ersten, die die Dringlichkeit der ,Judenfrage" ins Bewußtsein riefen.200 Die Feindschaft gegen Vischer trat offen zutage, als die NS-Gruppe der Studenten die Teilnahme an den Vorlesungen und Andachten Vischers ablehnte; voran Kurt Körber, ein Balte, der erst im Sommersemester 1933 an die Hochschule gekommen war und aufgrund seines Dienstgrades Truppführer der Führer der NS-Gruppe wurde. Er hatte Vischer bis dahin weder gesehen noch gehört.201 Im Mai 1933, zu Beginn des Sommersemesters, meldete sich im Anschluß an ein Mittagessen im Remter bei Senior Bödeker ein ihm unbekannter Student Brasche, der am Tisch der SA-Leute saß: Er habe etwas anzusagen. Bödeker erlaubte es ihm. Der SA-Mann warnte im Namen der nationalsozialistischen Studentengruppe vor dem Lizentiaten Vischer, der als Ausländer nicht in der Lage sei, die neue Bewegung zu verstehen. Deshalb wolle er die Studentenschaft auffordern, seine Vorlesungen nicht mehr zu besuchen. Die ganze Gesellschaft scharrte
1,8 „Wir Christen sind das wahre, das echte Israel und darin geschieden von den Juden, die bestreiten, dass Jesus der Christus Israels ist" (Wir Christen und die Juden, 1942, 1 f.). m Auf S. 208, also am Ende des Heftes M P T h 5 / 6 / 1 9 3 3 ( = Bethel H e f t 30, 1985, 62-69, aber dort leider nicht wiedergegeben) heißt es: „Notiz. Für die Aufnahme des Artikels von Lie. Vischer lehnt der Mitherausgeber, Pfarrer D. Fendt, ausdrücklich seine Einwilligung ab. Pfarrer Lie. Frick trägt allein die Verantwortung dafür." 200
SCHERFFIG, J u n g e T h e o l o g e n I, 4 6 , vgl. z u O . BAUMGARTEN a. a. O . 5 4 , z u VON SODEN
und BULTMANN 149 f. - Über weitere verdiente Kirchenmänner in dieser Frage: SCHOLDER, Illusionen, 338 ff. 201
W ü r d i g u n g v o n HERMANN BRAUN a m 6 . 1 2 . 1 9 8 8 , S. 3. - BÖDEKER, S o m m e r s e m e s t e r ,
91 (B. nennt aber den Namen KÖRBER nicht, weshalb sich diese Angabe auch auf BRASCHE beziehen könnte).
Der „Fall Vischer"
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unwillig wegen solcher Flegelei. Bödeker reagierte scharf: „Offenbar kennen Sie Pastor Vischer überhaupt nicht. Sie haben ihn nicht gesehen und erlauben sich hier solche Töne. Was fällt Ihnen eigentlich ein?" und machte den Redner „unter dem Beifall der Studenten lächerlich"202. Der SA-Mann schlich sich wieder an seinen Tisch davon. Am nächsten Tag kam er jedoch rachelüstern mit einem großen Blatt Papier wieder und sagte, es hätte sich ergeben, daß offenbar die Studentenschaft gar nicht wüßte, wer dieser Pastor Vischer sei. Darum wolle er das jetzt etwas deutlicher sagen; er verlas eine Reihe von Punkten, mit denen Vischer belastet werden sollte. Unter anderem wurde noch einmal das Unverständnis eines Ausländers für die deutsche Volksbewegung angeführt, sein angebliches Eingefärbtsein mit jüdisch-bolschewistischen Ideen, besonders ein Wort über den „Führer" als Balkanesen und eine zu große Nähe zu Martin Buber, von dem sich Vischer nur (!) durch den Glauben an Jesus Christus als den Messias unterscheide.203 Bödeker schrie dazwischen: „Gibt es noch einen größeren Unterschied?" und entriß dem Redner sein Papier.204 Damit ging Bödeker205 zum Leiter der Schule, Wilhelm Brandt. Das Kuratorium der Schule beraumte für den 18. Mai 1933 eine Studentenversammlung unter dem Vorsitz von Pastor Fritz von Bodelschwingh an, der sich dort zu Vischer bekannte: „In Dankbarkeit und Liebe denke ich an die bisherige Zusammenarbeit mit ihm"206. Auf Anfrage von Bödeker erklärte sich Vischer am bezeichneten Abend gern bereit, zu den Vorwürfen, die die Nationalsozialistische Studentengruppe erhoben hatte, Stellung zu nehmen. Es war die ganze Studentenschaft, das vollständige Dozentenkollegium, das Kuratorium sowie als Vertreter der NSDAP Wilhelm Niemöller, Gründer der Bielefelder DC-Ortsgruppe, anwesend. Nachdem von Bodelschwingh die Versammlung eröffnet und alle begrüßt hatte, sprach Vischer. Seine Rede hat er schriftlich ausgeführt am 21. Mai Pastor von Bodelschwingh übergeben207.
202
B r . v o n BÖDEKER a n G . RUHBACH v o m
28.6.1989.
203
BÖDEKER, Sommersemester, 92: „Das Pamphlet gipfelte in der Feststellung: wenn man Vischers Ansichten höre, könne man auf die Vermutung kommen, er sei am Ende jüdischer Abstammung, was damals als besonders schändlich gelten sollte." 204
E s w a r , s o d i e W ü r d i g u n g v o n H E R M A N N BRAUN a m 6 . 1 2 . 1 9 8 8 , S. 4 , v o n 3 1 S t u d e n t e n
unterschrieben gewesen. 205 Es war also wohl so, daß BÖDEKER nur übergab, was von vorneherein für die Leitung der Schule bestimmt war. Mir liegt eine Kopie eines Briefes mit den erwähnten Vorwürfen vor, unterschrieben nur von BRASCHE und direkt an die Leitung der Theologischen Schule adressiert. 206 Würdigung von HERMANN BRAUN am 6.12.1988, S. 6. - Vischer betonte später immer, daß man VON BODELSCHWINGH keinen Vorwurf machen konnte. Dieser habe an dem betreffenden Abend gesagt, er stehe zu Vischer in allem, was er gesagt hatte (BÖDEKER, Sommersemester, 95-97). 207
Sie ist wieder abgedruckt in Bethel H e f t 30, 1985, 70-78.
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Darin nahm er kein Wort zurück, sondern parierte glänzend, ohne auf Konfrontation auszugehen. Er betonte die Verantwortung des Verkündigers vor Gott und bat um Korrektur, wo sich bei ihm persönliche Eigenart in die Predigt gemischt habe. Sich mit der Bezeugung von Gottes Wort in Gefahr zu bringen, schrecke ihn nicht. 208 Vielmehr verwahrte er sich davor, „daß das Wort der Zeit das Wort Gottes an uns sei"209. Die NS-Studentengruppe habe darin „eine Kampfansage und Diffamierung ihrer Bestrebungen" gesehen. Vischer erklärte hierzu (was verwundert), daß er bisher in der Bindung an Gottes Wort keinen Gegensatz zum Nationalsozialismus gesehen habe, seien doch viele Amtsbrüder, die die gleiche Verkündigung ausrichteten, Mitglieder der NSDAP. 210 Zu den Vorwürfen im einzelnen 211 erklärte Vischer: 1) Die Nähe zu Buber wird bestätigt, weil dieser die innere Linie des Alten Testaments wie Vischer sieht, nur nicht den alttestamentlichen Christus mit Jesus identifiziert. 2) Man hatte Vischer vorgehalten, er habe gesagt, bei Begegnungen mit Juden auf der Straße zu denken: „Ach, auch ein Auserwählter des Herrn!" Vischer führte dies kurz auf eine Verballhornung eines Hamann-Zitats zurück, ohne den Vorwurf zurückzuweisen. 212 3) Aus einer bibelkundlichen Veranstaltung wird herangezogen, Vischer habe gesagt, daß es den Nichtjuden bei unfreundlicher Behandlung der Juden so gehen könne wie den Juden. Auch hier scheint der Eindruck der Hörer korrekt gewesen zu sein. Vischer erläutert: „Die Lösung der Judenfrage werde bald dadurch versucht, daß die Nichtjuden die Juden aus der Mitte ausrotten wollen, bald dadurch, daß die Juden die Nichtjuden vernichten wollen. Die Kreuzigung Jesu Christi, der eben deshalb von seinem Volk verworfen wird, weil er sich nicht an die Spitze einer gewaltsamen Freiheitsbewegung des jüdischen Volkes stellen will, und der eben für die dem Volke Israel gegebene Verheißung in den Tod geht, zeigt, welches die Antwort Gottes auf die Judenfrage ist."213 4) Die Behauptung, nach Vischer könne in einer deutschen Reichskirche Gott nicht wohnen, wird als unzutreffend zurückgewiesen. Doch steht auch hier der richtige Eindruck von Vischers konsequenter Ablehnung jedes2U
208
A . a . O . 71: „Deshalb schreckt mich der Gedanke, ich könnte mich in Gefahr bringen, nicht im geringsten. Wozu eine schöne Stellung, wenn ich nicht tue, was in dieser Stellung meines Amtes ist? Wozu letztlich dieses Leben, wenn ich damit Gott dem Herrn meines Lebens nicht dienen will, wie er es mir befiehlt?". 209 Ebd. 210 A. a. O. 72. 211 Eine Liste der Vorwürfe aus NS-Sicht findet sich in: Evangelium im Dritten Reich. Sonntagsblatt der Deutschen Christen 11.6.1933. 212 Bethel H e f t 30, 1985, 73. 213 A. a. O. 74. 214 Vgl. Volk und Gott in der Bibel, 1934; Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen?, 1932: Heute laute der religiöse Ruf: „Suche Gott in deinem Volkstum!" Dies aber sei nicht spezifisch deutsch; „sondern eine internationale Religion". Uberall wolle man das A T ausscheiden und das N T umgestalten, „so daß dann an Stelle des Christus aus dem Stamm Juda ein deutscher oder indischer oder chinesischer oder afrikanischer Jesus steht" (97). Hier stehe man mitten im Heidentum, wo ein Volksgott von der Volksseele, Gott als Idealbild des Volkstum geschaffen wird - ein (National-)Götze, gestaltet nach menschlichen Bildern und Vorstellungen. „Weite Kreise des deutschen Volkes,
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religiös verklärten Nationalismus dahinter. 5) Den Vorwurf, Hitler als Balkanesen diffamiert zu haben, widerlegte er damit, er selbst habe Freunde auf dem Balkan, die er ebensowenig herabsetzen wollte; außerdem habe er in diesem in einem privaten (!) Gespräch geäußerten - Satz Hider nicht herabsetzen, sondern nur sein Erstaunen darüber ausdrücken wollen, daß ein eher südosteuropäisch aussehender Mann so vehement eine am nordischen Ideal orientierte Rassenlehre durchsetzen wolle. 6) Daß nach Vischer die erste Rundfunkrede des Reichskanzlers eine Gemeinheit gewesen sei, wird zurückgewiesen; höchstens könne er in einem privaten Gespräch sich ähnlich über einen Teil daraus geäußert haben.215 Hart getroffen zeigte er sich von dem Satz aus der ersten Erklärung der neuen Regierung, Gott habe seit 1918 dem deutschen Volk den Segen entzogen.216 Zu seiner Stellung zum deutschvölkischen Aufbruch im ganzen sagte Vischer, er sei, wenn auch als Schweizer, so doch mit seiner Familie völlig dabei: „Wir erleben die deutsche Geschichte mit ganzer Teilnahme."217 Also mit dem Wissen, daß er mitverantwortlich ist „für das, was jetzt geschieht, mitverantwortlich dafür, daß wir jetzt wirklich den Willen Gottes hören und ihm gehorchen".218 Daher schmerze es ihn, müßte er jetzt Deutschland verlassen. Der Schluß: „Ich bin niemals parteipolitisch gebunden gewesen, habe also auch nicht einer marxistischen Partei angehört und bin überhaupt weder jetzt noch früher Marxist gewesen.219 Ich kenne von Karl Marx nur die kleinen Schriften, die in den Reclambändchen gesammelt sind, und gestehe gern, daß ich wünsche, es hätten die vielen, die gegen und für Marx reden, wenigstens diese kleinen Schriften gelesen. Auch sehe ich keinen Grund zu verhehlen, daß ich das Kommunistische Manifest für einen gewaltigen Ausdruck einer tiefen Einsicht in die damalige Weldage halte. Hätten doch die Menschen, die um die Liebe Christi wußten, damals die Lage so durchschaut! An die marxistische Dogmatik und daran, daß ihre Umsetzung in die Praxis den Völkern der Erde das Heil bringe, glaube ich jedoch nicht. Man frage doch den Kreis der Arbeiter, mit denen ich in den vergangenen Wintern oft zusammengesessen habe, ob ich sie jemals irgendwie politisch beeinflußt habe. Ich habe weder politische Reden gehalten noch poli-
auch der deutschen Christen, sind gegenwärtig im Begriff, den lebendigen Gott zu verlassen und dem völkischen deutschen Gott zuzufallen. Darum ist es dringend nötig, daß das Zeugnis der Heiligen Schrift, der ganzen, Alten und Neuen Testaments, rein und lauter und mit Vollmacht verkündigt werde, das Wort des Herrn, der allein Gott ist und seine Ehre nicht den Götzen läßt" (97). 215 Bethel Heft 30, 1985, 75 f. 216 A. a. O. 78 (vgl. Anm. 508, S. 125). Vgl. BÖDEKER, Sommersemester, 94, u. a.: „... Ich habe nämlich auch dem schweizerischen Nationalismus gegenüber, bei aller Liebe zu meiner Heimat, ein gewisses Fremdbleiben erfahren. Und diese Fremdlingschaft . . . stammt nicht aus einer unglücklichen persönlichen Veranlagung, sondern aus dem Hören der biblischen Botschaft, die dem Glaubenden das Bürgerrecht im Reiche Gottes verleiht." Genauso: EICHRODT, Das Alte Testament und der chrisdiche Glaube, 29 u. ö. 217 Bethel Heft 30, 1985, 77. 218 Ebd. 219 Vgl. oben S. 26 f.
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tische Taten getan. Aber es war mir immer selbstverständlich, daß ein Jünger Jesu bei den Armen und Entrechteten, bei den Verstoßenen und Beladenen zu stehen hat."220 Vischer hinterließ großen Eindruck; Pastor von Bodelschwingh bat die Gegenseite um eine Stellungnahme. Dazu war diese nicht fähig; Brasche stand auf und sagte: „Unsere Stellung zu Lie. Vischer ist durch diesen Abend nur noch klarer geworden. Wir verlassen den Saal." Dann ging er, von der nationalsozialistischen Gruppe gefolgt, hinaus, Niemöller hinterher. Sie gingen ins Jägerstift, wo sie eine weitere Sitzung hielten; Niemöller soll dabei gesagt haben: „Beruhigt euch, Vischer kommt weg, das kann ich Euch versprechen."221 Die Folge des Abends war, daß die Nationalsozialisten nicht nur die Vorlesungen von Vischer boykottierten, sondern auch die Andachten. Deren Besuch wurde freigestellt; der Besuch der Vorlesungen war ohnehin freiwillig. Bevor Vischer jedoch wieder mit einer Andacht an der Reihe war, wurde Vischer von der Kreisleitung jede weitere Lehrtätigkeit untersagt. Die Bemühungen Wilhelm Brandts um eine Fortführung von Vischers Lehrtätigkeit, gegen diesen staatlichen Eingriff in die Hoheit der Kirchlichen Hochschule, waren vergeblich. Vischer wurde von der NS-Kreisleitung (Lohr) bereits am 19.222 oder 20.223 Mai suspendiert, die Kontakte zwischen ihm und Studenten für strafbar erklärt. Sie hörten aber nicht einfach auf. Jeder Dozent hatte noch eine Bibelstunde bei sich zu Hause, deren Besuch freiwillig war. Vischers Bibelstunde wurde weiterhin gehalten, und zwar mit neutestamentlichen Texten, wie er vorschlug, gerade weil er Altes Testament doziere. Bödeker besuchte Vischer auch sonst; einmal wurde er anschließend angehalten und gefragt: „Ist der Bödeker schon wieder im Hause Vischer gewesen?" Das Aufrechterhalten des Kontaktes zu Vischer kostete Bödeker das Amt des Seniors der Studenten; ihm wurde angedroht, in ganz Deutschland nicht mehr studieren zu dürfen.224 Vischer war so eine weitgehend isolierte und passive Rolle zugewiesen. Er nahm noch eine Weile an den Dozentensitzungen teil, bis der Regierungspräsident auch dies am 14. August verbot; in derselben Verfügung wurden Vischers Bibelstunden untersagt.225 Einschränkungen trafen nicht Vischer allein, sondern auch seine Familie. Nach der Erinnerung 220
Bethel Heft 30, 1985, 78. Dieser Bericht folgt den Äußerungen BÖDEKERS vom 10.8.1984 in Bethel beim Interview mit Wilhelm Vischer (S. 10 ff.) und seinem Aufsatz „Kirchenkampf auf eigene Rechnung" (1965), den Vischer im Br. an B Ö D E K E R vom 26.4.1965 als „in jeder Hinsicht gut gemacht" lobt; ebenso Br. an den gleichen Adressaten am 12.12.1980. 222 So BÖDEKER, Kirchenkampf, 133 = Bethel Heft 30, 1985, 95. 223 RUHBACH (Hg.), Kirchliche Hochschule Bethel 1905-1980, 219 und SCHUTT, Examensarbeit, 4. 221
224
BÖDEKER, S o m m e r s e m e s t e r ,
225
MICHAELIS, Fall Vischer, 60.
95.
Der „Fall Vischer"
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seines ältesten Sohnes gab es in Bethel einen Bibelkreis bzw. einen Zusammenschluß von Bibelkreisen („BK"), dem ein Großteil der Betheler Jugend angehörte. Im gleichen Jahr wurde dieser aufgelöst; alle mußten vor dem Gymnasium an- und zur Hitlerjugend übertreten. Dabei machte sich Vischers Sohn zusammen mit zwei anderen aus dem Staub und war dann in der Jugend isoliert. Einmal im Jahr gab es an der Schule ein Sommerfest in der Senne, das „Sennefest". Als es 1933 abgehalten wurde, trat am Vormittag ein durchgefallener Kandidat aus Pommern (oder Mecklenburg) auf und verschaffte sich Gehör, ohne sich vorher bei Bödeker anzumelden. Coram publico fragte er Bödeker, ob es zuträfe, daß er am Vortag wieder bei Vischer gewesen sei. Bödeker bejahte. Darauf der Redner: „Wenn das zutrifft, habe ich Ihnen im Namen der Studentenschaft zu erklären, daß Sie nicht in der Lage sind, weiterhin Senior einer nationalsozialistischen Studentenschaft sein zu können. Sie sind hiermit abgesetzt, Ihre Geschäfte werden kommissarisch weitergeführt", und zwar durch ihn. Er wollte bereits als selbsternannter Senior seine Antrittsrede halten, da schrien die Studenten: „Wohl verrückt geworden, was?" Einer ergriff einen Stuhl, und es wäre beinahe eine Saalschlacht geworden, hätte nicht der einzige SS-Mann unter den Studenten, Jochen Weigelt aus Breslau, seine Trillerpfeife genommen und kommandiert: „Wehrsportgruppe der Theologischen Schule, heraustreten zum Marsch in die Senne"! Bödeker verzichtete resignierend auf sein Amt. Weigelt wurde Senior im letzten Drittel des Semesters. Wilhelm Brandt wäre deswegen schon beinahe zurücktreten. Er und Bödeker hatten die Rauferei satt.226 Trotz des schweren Sommersemesters blieb das Vertrauensverhältnis zwischen Vischer und von Bodelschwingh offenbar unbelastet227; von Bodelschwingh bat Vischer um Mitarbeit beim Betheler Bekenntnis (siehe unten S. 77 ff.). Allerdings hatte der „Fall Vischer" für von Bodelschwingh eine pikante Note. Die jungreformatorische Bewegung forderte nur fünf Tage vor dem offenen Beginn der Auseinandersetzungen um Vischer in Bethel, nämlich am 13. Mai, die Ernennung von Bodelschwinghs zum Reichsbischof. Dafür setzten sich alle Betheler Dozenten ein (bis auf Schmidt)228; Vischer, Fritz Lieb und ein junger Bochumer Pfarrer versuchten, von Karl Barth eine offene Stellungnahme für von Bodelschwingh zu
226
Interview vom 10.8.1984, 15. Man wird aber nicht übersehen dürfen, daß Vischer mutiger und schärfer den Antisemitismus kritisieren wollte bzw. konnte als VON BODELSCHWINGH. Vischer empfand diesen Unterschied durchaus distanzierend, wie er am 23.8.1933 an seinen Freund THURNEYSEN schrieb. Den Br. gibt MICHAELIS a. a. O. S. 53 wieder und begründet damit das Ausscheiden Vischers und BONHOEFFERS aus dem Redaktionskreis für das Betheler Bekenntnis. 228 MERZ, Theologische Schule, 327. 227
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Biographie und theologischer Weg
gewinnen. Barth aber wollte sich den Götzen Politik oder Kirchenpolitik nicht unterwerfen. Die Bitte Vischers, Liebs u. a. bildet die Vorgeschichte zu Barths „Theologische Existenz heute!", seinem ersten Beitrag zum Kirchenstreit. Denn Barths Freunde drängten, daß gerade das einmal laut und offen gesagt werden müsse.229 Barth rief den deutschen Theologen zu, was er schon immer gesagt hatte: Im Eifer für eine vermeintlich gute Sache dürfe man keinesfalls seine kirchlich-theologische Berufung verlieren; nicht ein kirchenpolitisches Widerstandszentrum gelte es zu bilden, sondern ein geistliches, das einem kirchenpolitischen erst Sinn und Substanz geben würde. Von Bodelschwingh wurde dann von dem für die kirchliche Reform berufenen Dreimännerkollegium230 zum Reichsbischof ausersehen und erlangte am 27. Mai trotz der NS-Gegenpropaganda, die auf von Bodelschwinghs Zustimmung zu Vischers Kommen und Bleiben in Bethel hinweisen konnte231, die Zustimmung der großen Mehrheit der Bevollmächtigten der Landeskirchen. Am 29. Mai trat er sein Amt an. Hitler bestätigte ihn nicht. Die DC waren seit 17. Mai in einer stürmischen Agitation für den bis dahin ganz unbekannten und unbedeutenden Wehrkreispfarrer Ludwig Müller (1883-1946) eingetreten. Es entstand große Verwirrung über die rechtlichen Fragen. Nach nur einem Monat trat von Bodelschwingh am 26. Juni zurück. Einer der Hauptgegner der Kandidatur von Bodelschwinghs war Karl Fezer232 gewesen. Ausgerechnet diesen entsandte Kultusministerialdirektor Friedrich Trendelenburg als Vertrauensmann nach Bethel, um einer von von Bodelschwingh bereits am 20. Mai 1933 geäußerten Bitte233 um Untersuchung des Falles Vischer zu entsprechen. Aus unbekannten Gründen wartete Fezer monatelang, um am 5. Oktober endlich für einen halben Tag in Bethel zu erscheinen.234 Dort führte er wahrscheinlich vier Gespräche: mit Vischer, Bödeker, Brandt und wohl auch mit Lohr235. Das Gespräch 229
Vgl. SCHOLDER, Illusionen, 553; vgl. oben S. 50.
230
H E R M A N N KAPLER, A U G U S T MARAHRENS, H E R M A N N ALBERT HESSE.
231
Evangelium im Dritten Reich. Sonntagsblatt der Deutschen Christen, 11.6.1933, S. 219; gegen den hier erhobenen Vorwurf Betheler Illoyalität wehrt sich das Blatt „Aufwärts. Christliches Tagblatt" (Bielefeld-Bethel, 15.6.1933), allerdings ohne die Vorwürfe gegen Vischer zu erwähnen. 232 Prof. für Praktische Theologie, Ephorus des Tübinger Stifts, Parteimitglied (SCHERFFIG, Junge Theologen II, 155). 233 MICHAELIS, Fall Vischer, 82 f. zeigt, wie sinnvoll diese Bitte gegenüber der gefährlichen Entsendung eines von LÖHR mit Beschlagnahmungen beauftragten Kommissars war. 234 MICHAELIS, Fall Vischer, 83. - Schon am 21.8.1933 hatte Vischer BARTO mitgeteilt: „Ende Juli habe ich dem Kultusminister geschrieben und eine Entscheidung in meiner Sache erbeten. Gestern erhielt ich die Antwort, im Verlaufe der nächsten beiden Wochen werde Fezer die Untersuchung zu Ende führen." 235
MICHAELIS a. a. O . 5 6 f .
Der „Fall VIscher"
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mit Bödeker hatte nach dessen Erinnerung eher inquisitorischen Charakter, das mit Vischer und Brandt einen eher kollegialen.236 Fezers Auftrag bestand offenbar darin, Vischer zum Gehen zu bewegen. Vischer sah nicht ein, warum er Deutschland verlassen sollte, weil nicht Lohr, sondern von Bodelschwingh bzw. das Kuratorium ihn berufen hatte und damit die alleinige Kompetenz zur Abberufung innehabe. Entsprechend teilte er von Bodelschwingh bzw. dem Kuratorium der Schule seine Bereitschaft mit, Bethel zu verlassen, falls diese es wollten. Fezer fragte Vischer, was er von den DC halte. Dieser antwortete, was er an diesen berechtigt und was er als falsch ansehe. Nach Vischers Erinnerung schien Fezer zunächst mit der Antwort einverstanden, er erklärte dann aber, warum Vischer trotzdem jetzt besser Bethel verlasse: Es sei eine Entlastung für Bethel und für Vischer, der dann in der Heimat Ruhe habe, seine wichtige Arbeit am Alten Testament wissenschaftlich zu begründen. Vischer antwortete: „Für mich ist die Bibel nicht ein Gegenstand für akademische Untersuchung, sondern die aktuelle Wahrheit, die gerade in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen in Deutschland entdeckt werden muß." Gerade deshalb müsse er bleiben, weil dies nicht im Studierzimmer entschieden werden könne.237 Darauf habe Fezer gesagt, er verstehe jetzt, warum Vischer bleiben wolle238, ja erklärte am Ende des Gesprächs, er sei überzeugt, daß Vischer „bleiben müsse und werde das seinen Auftraggebern mitteilen. Das ehrt ihn, war jedoch selbstverständlich wirkungslos."239 Fezer berichtete ans Kultusministerium, es bestünden wegen Vischers Einstellung zum neuen Staat bei seiner wissenschaftlichen Leistung keine Bedenken, ihn künftig in Bethel dozieren zu lassen. Es sei nur empfehlenswert, die Beurlaubung während des WS 1933/34 noch währen zu lassen, und am Ende des Semesters eine neue Untersuchung vorzunehmen.240 Die Aufforderung, Bethel und von Bodelschwingh durch seinen Fortgang zu entlasten, kam nicht nur von Lohr, der längst mit Vischers Abschied rechnete und ihn (wohl sogar mehrfach241) dazu aufforderte, sondern auch von nahestehenden Personen und Kollegen. Georg Merz erschien nach Vischers Erinnerung mehrfach und sagte unter Tränen: J e t z t gib doch mal nach! Geh doch, geh doch!" Von Bodelschwingh aber hoffte noch, Vischer durch seinen weitgespannten Einfluß halten zu können. Es 234
Ebd. Interview vom 10.8.1984, 18. 238 Diese Informationen schrieb Vischer am 27.2.1984 an MANFRED HELLMANN, Bethel. Genaueres über die Rolle FEZERS in Bethel siehe MICHAELIS, Fall Vischer, 56 f. 239 Vischer im Br. an BÖDEKER vom 26.4.1965. 240 FEZERS Bericht ans Ministerium ist noch nicht aufgetaucht; was er dem Ministerium meldete, ist aus einem späteren Gespräch Geheimrat LÜTGERTS im Ministerium und den Auskünften, die Vischer selbst dort erhielt, erschlossen. 241 Interview vom 14.8.1984, 19. 237
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ist nach den Forschungen von Michaelis unangebracht, bei von Bodelschwingh und dem Kuratorium der Schule Versäumnisschuld zu sehen. Speziell der Einsatz von Bodelschwinghs und des Berliner Geheimrates Lütgert, der auch Kuratoriumsmitglied war (nach Bödekers Notiz der Vorsitzende), kann kaum überschätzt werden.242 Doch nicht nur von Bodelschwinghs, sondern auch Vischers eigene Bemühungen waren vergeblich. Vischer begab sich nach Berlin, wohl ins Preußische Kultusministerium und/oder ins Außenamt. Dort kam heraus, daß er für Deutschland insgesamt unerwünscht geworden war: „Ich muß Herrn Lizentiaten bemerken, das, was ein Kxeisleiter bestimmt, das gilt für ganz Deutschland."243 Damit war eine Verwendung Vischers an einem anderen Platz im „Reich" praktisch ausgeschlossen. Als die Reformierte Kirche ihn 1935 als Dozent nach Elberfeld244 holen wollte, war es nur möglich, daß Vischer Ende 1935 Gastvorlesungen über die Bücher Micha (in einem Kolleg) und Esther (in einem Seminar) hielt. Ferner hielt er sich etwa eine Woche in Bethel auf. Am 19. Januar 1936 berichtete Wolfgang Scherffig über die „anstrengende Woche" mit Vischer, am eindrucksvollsten sei bei Alfred de Quervain245 ein offener Abend mit Vischer gewesen, an dem über die Kritik des Jenaer Alttestamentlers Gerhard von Rad246 an Vischers „Christuszeugnis" diskutiert wurde. Scherffig gab in seinem damaligen Brief auch ein Abschiedswort Vischers wieder: „Er habe seit seinem Weggang aus Deutschland 242
Br. BÖDEKERS a n G . RUHBACH v o m 2 8 . 6 . 1 9 8 9 , S . 2 ; T e n o r v o n MICHAELIS, D e r Fall
Vischer, 1994. 243
I n t e r v i e w v o m 10.8.1984, 17.
244
Uber die ζ. T. turbulenten Gehversuche der neuzugründenden kirchlichen Hochschulen in Elberfeld und Berlin siehe SCHERFFIG, Junge Theologen I, 1989, 190-220 und II, 38-51 (S. 150: Schließung der Schule Elberfeld Ende 1936); VAN NORDEN, Hochschule (zu Vischer 284 f.); vgl. PROLINGHEUER, Fall Barth, 224: Vischer wurde durch den Bruderrat der altpreußischen Union und den Reformierten Bund, die die Kirchlichen Hochschulen in Berlin und Elberfeld zum 1.November 1935 errichten wollten, Ende September berufen. Die für Elberfeld berufenen Dozenten waren H. GRAFFMANN, K. HESSE, A. DE QUERVAIN, H. OBENDIEK, P. SCHEMPP, H . SCHLIER und Vischer. Die Berufung Vischers zerschlug sich. WLSCHNATH hat in der Literatur keine Gründe gefunden (Baselfahrt, 145). Wenn ich eine Postkarte Vischers an BARTH vom 16.7.1934 richtig entziffere, gab es schon Mitte 1934 einen „einmütigen" Beschluß, Vischer zu berufen. Am 27.7.1934 informierte Vischer BARTH darüber, warum er von sich aus ablehnte. Der Verwaltungsrat der Schule gab Anlaß zur Vermutung, „nicht die volle Verantwortlichkeit für meine Berufung und alle Folgen, die sich daraus ergeben, auf sich nehmen" zu wollen. Nach den schlechten Betheler Erfahrungen wollte er sich offenbar von vornherein gegen eine ähnliche Kampagne absichern. „Du glaubst nicht, wie gern ich auf diesem Kampfplatz in Deiner Nähe geblieben wäre. Aber unter diesen Umständen kann ich mich nicht auf den Elberfelder Posten stellen lassen. Darin stimmst D u mir gewiss bei." Statt Vischer wurde dann HELLBARDT für Altes Testament berufen (SCHERFFIG, Junge Theologen I, 203 f.). 245 Pastor der freien niederländisch-reformierten Gemeinde Elberfeld, zugleich Privatdozent an der Universität Basel. 246 Siehe unten Abschnitt 2.5.4.
Der „Fall Vischer"
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nichts mehr schreiben können vor innerer Unfruchtbarkeit. Hier in Deutschland merke man sofort, wie alle Fragen mit einer ganz anderen Dringlichkeit gestellt seien und wie deshalb das Geben und Empfangen viel stärker sei als etwa in der Schweiz."247 D. Wilhelm Brandt, dessen Frau die Patin von Vischers jüngstem Sohn Eberhard war, war als Leiter der Betheler Schule (bis 1936, dann von Georg Merz abgelöst) einer der Hauptbeteiligten im „Fall Vischer". Wie sein Vorgänger suchte er nicht in öffentlichen Protesten, sondern durch zähes Verhandeln, Vischer zu halten. Durch mehrere Einladungen in sein Haus hat er das Prinzip der Kollegialität sowohl gegenüber Vischer als auch gegenüber dem DC-Theologen der Schule, H. W. Schmidt (gemeinsames Schachspiel), gewahrt.248 In Schweizer Zeitungen249 gab es Vorschläge, für den Fall der Ausweisung Vischers einen deutschen Professor aus der Schweiz auszuweisen oder daß man für Bethel nicht mehr Spenden sammeln sollte. Vischer und Thurneysen wandten sich dagegen; solche Artikel waren für Vischers Situation nur kontraproduktiv.250 Sein Verfahren blieb im Schwebezustand. Schließlich zog er die Konsequenzen. Am 19.5.1934 schrieb er an das Kuratorium der Theologischen Schule Bethel: „In diesen Tagen rundet sich das Jahr, in dem ich das Lehramt an der Theol. Schule und das Predigtamt in Bethel nicht mehr verwalten durfte. Das Kuratorium hat in dieser Zeit getan, was es konnte, um den Widerstand gegen meine
247 248
SCHERFFIG, Junge Theologen II, 1990, 38 f. A. a. O. 107; Interview vom 14.8.1984, 20. Vgl. aber das Bild von BRANDT in der Wür-
d i g u n g v o n H E R M A N N BRAUN a m 6 . 1 2 . 1 9 8 8 , S. 6. 249 Vgl. N Z Z (Morgenausgaben) vom 15. (auch Abendausgabe), 17. und 22.5.1934; Der Bund, Bern, 20. Mai 1934, S. 3. In den Basler Nachrichten vom 22.5.1934 verteidigt Vischer selbst die Leitung der theologischen Schule gegen den Vorwurf (Basler Nachrichten 14.5.1934 und N Z Z 15.5. Abendausg.), ihn suspendieren zu wollen; der Angriff ginge von den Nationalsozialisten aus. Er habe seine umstrittenen Äußerungen schriftlich präzisiert und „Bodelschwingh zuhanden der staatlichen Behörden übergeben mit der Bitte, diese möchten entscheiden, ob ich als theologischer Lehrer im Dritten Reiche noch tragbar sei oder nicht. Auf diese Frage habe ich nie eine Antwort erhalten. Auch die schweizerische Gesandtschaft konnte über das deutsche Auswärtige Amt nicht mehr erreichen, als daß die staatlichen Behörden in Berlin Gewehr bei Fuß standen. Das Kuratorium der Theologischen Schule hat sich, kräftig unterstützt vom Dozentenkollegium (dem nur ein einziger Deutscher Christ angehört), ein J a h r lang unablässig um die Aufhebung meiner Suspension bemüht. Die Deutschen Christen - und nicht nur sie - haben in ihrer Presse und ihren Versammlungen Bodelschwingh einen schweren Vorwurf daraus gemacht, daß er einen Mann wie mich in seinem engsten Mitarbeiterkreise dulde. Er hat sich allzeit ritterlich vor mich gestellt und sich durch nichts bewegen lassen, mich preiszugeben. Aber es war bei den staatlichen Behörden nicht zu erreichen, daß ich in Bethel wieder predigen und lehren durfte." 250
Interview vom 14.8.1984, 20.
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Tätigkeit zu überwinden. Es hat mich trotz dem gegnerischen Druck nicht entlassen, konnte mich aber auch mein Amt nicht wieder ausüben lassen. Als ich am Ende des letzten Monats selbst mit der Schweizerischen Gesandtschaft, dem Auswärtigen Amt des Deutschen Reiches und dem Preussischen Kultusministerium die Angelegenheit in Berlin besprach, wurde mir deutlich gesagt, daß das Kultusministerium keine Veranlassung sehe einzugreifen, weder um mir die Lehrbefugnis wieder zu verleihen, noch um sie mir endgültig zu entziehen. Das zwingt mich, dem Kuratorium meinen Lehrauftrag an der Theol. Schule zurückzugeben. Ich tue dies in tiefer und unauslöschlicher Dankbarkeit für das, was ich in Bethel empfangen habe. Insbesondere danke ich an dieser Stelle dem Kuratorium für das Vertrauen, in dem es mich als Mitarbeiter zu berufen und bis heute, trotz allen [sie] Angriffen zu halten wagte. Da ich sehr wahrscheinlich im Herbst eine Pfarrstelle in der Schweiz antreten kann, bitte ich das Kuratorium, es möge den Anstaltsvorstand ersuchen zu beraten, ob und unter welchen Bedingungen ich den Sommer über noch in Bethel bleiben darf, (gez.:) Wilhelm Vischer"251.
Die Familie konnte noch bis zur Ubersiedlung in die Schweiz in ihrem Hause wohnen. Was tat Vischer in den Monaten ohne Lehrauftrag? Er „kaufte die Zeit aus, um in Gesprächen und Vortragen das christliche Bekenntnis zu den Juden möglichst weitherum abzulegen, was verboten war und auch in der Bekennenden Kirche auf Widerstand stieß. Das tat ich unter anderem durch die Auslegung des Buches Esther .. ,"252 Ferner hat er sich dem biblischen Buch zugewandt, das ihn in die Weite der Schrift gefühlt hatte: der Prediger Salomo, „um sich selber mit der Auslegung biblischer Weisheit gegen die Hitler-Barbarei zu stärken"253. Das Ergebnis war eine Arbeit mit dem Titel „Der Prediger Salomo im Spiegel des Michel de Montaigne", es war eine Art Betheler Vermächtnis, das noch im Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel 1933 erschien, Fritz Lieb gewidmet.254 1 981 brachte der Verlag Günther Neske die Arbeit (183 S.) mit einem neuen Nachwort Vischers separat heraus. Montaigne war eine der Lieblingsgestalten Vischers. Ihn faszinierte, wie dieser „Weise" an der „Schwelle der neuen Zeit steht, wie er die Renaissance der heidnischen Antike, die Reformation des christlichen Glaubens, die Umkehrung des Verhältnisses von Erde und Sonne durch Kopernikus, die Umdrehung der Prinzipien der Heilkunde durch Paracelsus, die Erfindung der Buchdrukkerkunst und die Entdeckung der Neuen Welt beobachtet und feststellt, daß doch alles - beim alten und der Mensch immer der gleiche bleibt."255 Vischer entdeckte in Montaignes Essais den „Prediger Salomo" bzw. den
251
Wiedergabe nach MICHAELIS, Fall Vischer, 59 f.
252
B r . V i s c h e r s a n H . LUDWIG, 2 9 . 9 . 1 9 7 3 ,
253
GÜNTHER NESKE im V o r w o r t des Breviers v o n 1 9 8 1 , S. 9.
254
JThB 4, 1933, 27-124. Aus der Einleitung, Ausgabe 1981, S. 11.
255
S.4.
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jüdischen Denker des 4. oder 3.Jahrhunderts vor Christus, von dessen Weisheit Montaigne gelebt habe. Bis Vischer 1934 Deutschland verließ, arbeitete er ferner ungebunden, ausgehalten durch das Vermögen seiner Frau (Vischer verzichtete auf sein Gehalt ab Herbst 1933), am ersten Band des „Christuszeugnis des Alten Testaments", der wenige Wochen nach Vischers Abschied aus Deutschland erschien. „Ich selbst führe ein ganz zurückgezogenes Leben und arbeite gegenwärtig an der Genesis. Es gibt sonst genug Menschen, die es für die gebotene Haltung ansehen, dass sie sich in den Herbststürmen, die jetzt über Deutschland gehen, als bunte Blätter herumwirbeln lassen. Wenn jetzt aber der Baum nicht in der Stille die Kraft zusammenzieht, dann erlebt er keinen Frühling mehr."256
Vieles aus den bisherigen Arbeiten und aus den Vorlesungen über alttestamentliche Bibelkunde konnte in dem Werk zusammengezogen werden. Über die theologischen Reaktionen wird unten (2.5.6) zu berichten sein. In der Stille seiner Zurückgezogenheit entstanden auch Vorträge: Ostern 1934 hielt er auf der Westfälischen Jungmannschaftstagung einen Vortrag über den dritten Glaubensartikel; ein Stenogramm davon wurde auszugsweise in zwei Heften des „Schwertkreuz", dem „Blatt der Führer und Jungmannen im Bund Deutscher Bibelkreise" veröffentlicht257. In bemerkenswerter Frontstellung wird den jungen Leuten das Filioque eingeschärft: „Das ganze Reden vom Geist, der durch die Schöpfung zu uns käme als Geist Gottes, geht nicht, sobald man das Filioque ernst nimmt. Er geht aus vom Vater und dem Sohne, u n d z w a r v o m g e k r e u z i g t e n S o h n e G o t t e s . " Weil also der Heilige Geist die Kirche bestimmt und nicht Natur-, Blut- und Boden- oder Geschichtsmächte, ist der „Arierparagraph . . . ganz unmöglich in der Kirche."258 Diese ist wie Israel „ausgesondert . . . nur zum Dienst Gottes an der Welt für die Welt".259 „Dann dienen wir dem Volk am besten, wenn wir nicht blind seinen Willen, sondern den Willen des Herrn tun. Das ist schwer, aber das ist der heilige Dienst. Tun wir den nicht, dann sind wir allerdings ein Verein, der gleichzuschalten sein mag."260 In Loga bei Leer hielt er Ende August/Anfang September eine Rüstzeit für ostfriesische Theologen, an der auch Landessuperintendent Hohlweg teilnahm.261
256 Br. an E. THURNEYSEN vom 14.11.1933. - BARTH schrieb Vischer am 29.7.1934: „Sieh nur zu, dass dein Pentateuchkommentar [!] bald unter Dach kommt. Ein solcher ist in Lugano sicher noch nie geschrieben worden." 257 Heft 2/1934, 36-40 und 3, 49-53. 258 A.a.O. 36f. 259 A. a. O. 38. 260 A. a. O. 39 f. - gilt unverändert! Gegen die Übernahme staatlicher Aufgaben durch die Kirche wandte sich u. a. die Barmer Theologische Erklärung (Art. V). 261
P o s t k a r t e V i s c h e r s a n BARTH v o m 3 . 9 . 1 9 3 4 .
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War die Vertreibung Vischers ein Sieg des Nationalsozialismus? Um dies beurteilen zu können, muß man bedenken, was mit dem „Fall Vischer" eigentlich bezweckt war - nämlich letztlich die Gleichschaltung Bethels, die Bloß- und Kaltstellung von Bodelschwinghs und die Vernichtung freier theologischer Arbeit. Lohr hatte von der obersten Parteileitung die Anweisung erhalten, 1. Bethel gleichzuschalten und 2. hierzu den „Fall Vischer" zum Anlaß zu nehmen.262 Vischer ging zwar schließlich zurück in die Schweiz (viel später als die Kreisleitung erhofft hatte), aber die übrigen Ziele wurden nicht erreicht. Im Gegenteil wurde die Theologische Schule - nach dem Fortgang des ,braunen' Systematikers H.W. Schmidt 1934 (bald nachdem Vischer seinen Weggang erklärt hatte263) - „eine zuverlässige Bastion der Bekennenden Kirche"264, noch etwa sechs Jahre lang bis zur Schließung am 23.3.1939265. Der Vorfall führte eher zur Solidarisierung als zur Spaltung der Hochschule und ihrer Angehörigen.266 Die Studentenschaft ließ sich nicht radikalisieren, sondern wandte sich „nach kurzem Zwischenspiel, wo man glaubte, als Glied der Deutschen Studentenschaft den offiziellen Forderungen Genüge zu leisten und doch in der Betheltradition bleiben zu können, . . . entschlossen der Bekennenden Kirche zu . . . Die Studentenschaft hielt sich fortan in ihren Übungen und Sitten an die Weisungen des Bruderrates. Es konnte darum vorkommen, daß ein Student, der erst spät vom Studium der Geschichte zur Theologie gekommen war, bat, wieder austreten zu dürfen, weil er das tägliche Fürbittengebet für Martin Niemöller nicht billigen könne."267 Daß das Kuratorium am 18. September 1933 beschloß, „Studentenheime in Kameradschaftshäuser nach sinngemäßer Anwendung des Führergedankens umzuwandeln", „den Wehrsport unter Führung der SA einzurichten"268 und Gegenwartsfragen in der wissenschaftlichen Arbeit stärker zu berücksich-
262 Vgl. SCHROVEN, Christologische Auslegung, 178 (Hervorh. S. F.): „In noch nicht einmal zwei Wochen hatte die nationalsozialistische Studentengruppe ihr Ziel erreicht", Vischers Lehrtätigkeit zu unterbinden. - Dies war allerdings nur ein Etappenziel! 263 MICHAELIS, Fall Vischer, 155. 264
265
Br. v o n MICHAELIS a n RUHBACH, 3 0 . 5 . 1 9 8 9 , S . 2 F .
Der Ring 35, Okt. 1995, 10; wieder eröffnet am 15.10.1945. - In den Kriegsjahren hatte es nur noch wenig Studenten gegeben. 266 RUHBACH, Überlegungen, 114. 267 MERZ, Theologische Schule, 327. - Im Vorwort zum Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel hatte THEODOR SCHLATTER seiner Freude über den völkischen Aufbruch Ausdruck verliehen: „War doch Bethels Dienst allezeit auf das Volk in seiner Gesamtheit ausgerichtet und war es doch von jeher ein Ziel der Theologischen Schule, in ihrer Studentenschaft das Wissen um gliedhaftes Verbundensein und Verantwortlichsein zu wecken" (JThB 4, 1933, 5). - RUHBACH, Überlegungen, 114: Mit dem WS 1934/35 war die Phase der Unsicherheit „endgültig vorbei". 268 Nach dem Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel 1, 1930, 52, war bereits ab SS 1927 eine wöchentliche Turnstunde Pflicht.
Der „Fall Vischer"
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tigen, widerspricht dem nicht. Nach allen Zeitzeugen (Michaelis, Bödeker) gab es keine Wahl. An anderen Orten (ζ. B. in Erlangen) wurde die Studentenschaft zwangsweise der SA eingegliedert.269 Wie sehr Bethel von der Gleichschaltung, von der Beschlagnahmung allen Archivmaterials und von weiterer direkter Überwachung bedroht war, zeigen zwei Briefe Lohrs vom 28.6.1933, auf die Michaelis verweist.270 Ein Staatskomissar in der Leitung hätte die sichere „Euthanasie" für 2000 Menschen in Bethel bedeutet.271 Im Gegenteil blieb das Studium an der Hochschule behördlich und kirchlich anerkannt.272 Damit erweist sich die Bewertung von Hermann Braun, die Betheler Verantwortlichen hätten „zuviel an der Ideologie der Nationalsozialisten" aufgenommen, als unrichtig. Denn der Angriff gegen Vischer wurde als Angriff nicht gegen eine Einzelperson, sondern auf Pfarrerschaft und Gemeinde, auf die Verkündigung und damit gegen die Hauptaufgabe der Kirche insgesamt erkannt.273 Die Verkündigung aber wurde schriftgebunden fortgesetzt; die Freiheit von Lehre und Forschung blieb auf der Grundlage der Bindung an die ganze Heilige Schrift erhalten. Gerade die Schließung der Schule 1939 zeigt, daß diese Freiheit erhalten geblieben war, bzw. daß man die Einfügung in den totalen Staat nicht mit der Vertreibung einzelner Dozenten erreichen konnte. 1937 trat die Betheler Studentengemeinde aus dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund aus und löste sich damit von der Deutschen Studentenschaft.274 Die „Schließung der Theologischen Schule . . . muß als Bestätigung des Weges der Schule angesehen werden."275 Sie bedeutete auch nicht die Entlassung, sondern nur die Beurlaubung der Dozenten, die nach dem Krieg bis auf Herntrich wieder zur Verfügung standen.276 So kann nur im Blick auf die Person Vischers von einem Teilsieg der Nationalsozialisten in Bethel 1933 gesprochen werden, zumal weder die Solidarität von Bodelschwinghs277 noch Vischers persönliches Bleiben in Deutschland und nicht einmal seine Mitarbeit am Betheler Bekenntnis ge-
269 270 271
Br. von BÖDEKER 24.9.1995 an mich. MICHAELIS, Fall Vischer, 82. Ebd.
272
RUHBACH, Ü b e r l e g u n g e n ,
273
Br. v o n P a s t o r EDUARD WOERMANN an F. VON BODELSCHWINGH, 1 9 . 5 . 1 9 3 3 ; S i g n a t u r
114.
im Hauptarchiv der v.B.A.: L/C-123 B. 274 FRICK, Bethel-Jahre, 99. 275 ADAM, Ziel und Weg, 110. 276 Überdies hätte der Krieg wohl auch ohne vorherige Schließung eine Unterbrechung oder wesentliche Minderung des Studienbetriebes gebracht: RUHBACH, Überlegungen, 111 f. - In den Augen des Anstaltsleiters bedeutete die Schließung „nur eine Pause, auf die ein neuer Anfang folgen werde" (a.a.O. 115). 277 LICHTENFELD, Merz, 25 (Lit.).
76
Biographie und theologischer Weg
fährdet waren. Im Blick auf die Theologische Schule ist festzustellen, daß die Gesinnung der nach Vischer neu berufenen Dozenten (V. Herntrich, G. Bornkamm, Schlink) sowie das Ausscheiden von H. W. Schmidt einen Segen für die Schule bis 1939 bedeutete. Zum Abschluß sei noch einmal der Hauptbetroffene selbst zitiert: „Du weisst, dass ich nicht immer mit der Haltung B.s [Bodelschwinghs] im Kirchenstreit einverstanden gewesen bin. Das hindert mich aber nicht, mit fester Überzeugung zu sagen: in meiner Sache hat er den besten Willen gehabt und durch die Tat bewiesen. Vielleicht hätte er gleich am Anfang (wie ich ihm damals geraten habe) dem Befehl, mich zu suspendieren, nicht nachgeben, sondern es darauf ankommen lassen sollen, ob man mich verhafte. Aber kann man ihm einen Vorwurf daraus machen, dass er diesen Krach vermied, solange er die Hoffnung hatte, durch Appelle an das Kultusministerium die Sache wieder in Ordnung zu bringen? Als er sich in dieser Hoffnung getäuscht sah und es sich zeigte, dass die Parteimacht immer noch die Staatsgewalt ist, hätte er mir gegen den Befehl des Regierungspräsidenten den Auftrag geben können, wieder zu predigen und zu lehren. Aber das hätte höchstwahrscheinlich dazu geführt, dass man mich sofort in Schutzhaft genommen und der Anstalt einen staadichen Kommissar auf die Nase gesetzt hätte. Konnte man von B. verlangen, dass er das provozierte? Weil ich fest davon überzeugt bin, dass B. und das Kuratorium der Schule den guten Willen hatten und getan haben, was sie konnten, war es mir ein Bedürfnis, selbst die von Dir gestellte Frage öffentlich zu beantworten."278 Die Frage nach einer möglichen Wiederberufung Vischers nach Bethel nach 1945 stellte sich, kann man G. Michaelis279 folgen, nicht: (1) Vischer besaß in der Schweiz eine gesicherte Stellung280, weshalb man ihn nicht ins unsichere Bethel (der Anstaltsleiter: „ein schwankendes Schiff") wegholen wollte; (2) in Bethel fehlte es an Wohnraum für die Familie Vischers (Bombenschäden, Flüchtlingswelle); (3) die deutsche Währung war nicht konvertibel, um etwa in der Schweiz verbliebene Angehörige zu unterhalten; (4) Pastor von Bodelschwingh habe von den künftigen Dozenten eigene Kriegserfahrungen erwartet. Die von Michaelis aufgezählten insgesamt sechs Gründe scheinen mir etwas gesucht (er nennt sogar noch das Fehlen einer Postverbindung nach der Schweiz). Michaelis führte zusätzlich an, daß von Bodelschwingh zur Zeit der Vorbereitung der Wiedereröffnung (am Reformationstag 1945) ein todkranker Mann war (er starb am 4.Januar 1946), der nicht mehr alle Alternativen verfolgen konnte.281 Robert Frick sah es zu Recht als Versäumnis und Versagen an, daß Vischer nicht mehr, wie Brandt, Born278
Br. an BARTH vom 22.5.1934.
279
MICHAELIS, F a l l V i s c h e r ,
280
MICHAELIS fügt hinzu (a. a. O. 69): „und Aussicht auf eine akademische Berufung".
281
B r . v o n MICHAELIS a n R U H B A C H , 3 0 . 5 . 1 9 8 9 , S . 3 .
69-71.
77
Das Betheler Bekenntnis
kämm282 und Schlink283 neu berufen wurde. Von Bodelschwinghs Auftrag an die alten Dozenten lautete 1939, sich in Wartestellung zu halten, bis die Schule wieder eröffnet werden könne. Warum von Bodelschwingh dies für Vischer nicht realisierte, blieb für Frick dunkel, zumal wegen der Hochschätzung Vischers durch von Bodelschwingh. Für Michaelis aber stellte sich die Frage gar nicht mehr.284 Und Vischer selbst wäre, wie Bödeker und Vischers Sohn erklärten, 1945 keinesfalls nach Bethel zurückgekehrt - vielleicht hatte von Bodelschwingh hiervon Kenntnis.285 Man kann mit Bewunderung auf Vischers Haltung in der Betheler Sache zurückblicken: Ohne Gram konnte er gehen, mit der Anstalt und ihrer Leitung im gleichen Glauben verbunden, in dem er gekommen war. Frick: „Vischer ist über diesem unserem Versagen nicht bitter geworden. Er ist Bethel nach wie vor verbunden, und wir bleiben einander in Freundschaft zugetan."286 Bödeker schreibt, „daß Vischer in all den Jahren seit seinem unfreiwilligen Abschied von Bethel ohne Bitterkeit und heiteren Herzens an seine Wirksamkeit in Bethel zurückgedacht hat."287 1.6 Das Betheler
Bekenntnis288
Als die Kirchenwahlen vom 23. Juli 1933 mit einem überwältigenden Erfolg der Deutschen Christen (über 70 %) endeten, schien die kirchliche Machtfrage entschieden. Die Berliner Jungreformatoren wollten die kirchenpolitische Szene aber nun nicht resignierend den Deutschen Christen überlassen, sondern diesen die Bekenntnisfrage stellen (Martin Niemöller).289 Deshalb 282 283 284 285
Dozent für Neues Testament in Bethel 1937-39. Dozent für Systematische Theologie in Bethel 1935-39. Fall Vischer, 70. Br. v o n MICHAELIS a n RUHBACH, 3 0 . 5 . 1 9 8 9 , S. 4; vgl. u n t e n A n m . 5 6 1 , S. 1 3 7 .
286
FRICK, Fall Vischer, 101. Vischers Sohn hat mir diese Haltung brieflich bestätigt (Br. vom 6.4.1998). 287
Br. an G . R u H B A C H v o m 2 8 . 6 . 1 9 8 9 ,
S. 2; vgl. Br. v o n MICHAELIS a n RUHBACH v o m
30.5.1989, S.2. 288 MÜLLER, Kampf, 64-71; dies., Bekenntnis; BETHGE, D. BONHOEFFER, Gesammelte S c h r i f t e n II, 8 0 - 8 9 ; CARTER, C o n f e s s i o n ; n e u e r d i n g s b e s . LLCHTENFELD, M e r z . - MÜLLER,
Kampf, 70 f. über die Bedeutung des Bekenntnisses: „Aus der Rückschau betrachtet, nimmt das Betheler Bekenntnis unter den zahlreichen kirchlichen Stellungnahmen des Jahres 1933 eine ganz besondere Stellung ein. . . . Als einziges kirchliches Dokument dieser Art nach der Machtergreifung brachte es, anders als ζ. B. die . . . , Barmer Theologische Erklärung', nicht nur eine kirchliche Stellungnahme in eigener Sache, sondern es durchbrach auch das sonst fast durchweg übliche Schweigen hinsichtlich des nationalsozialistischen Unrechtes gegenüber den jüdischen Mitbürgern", womit es den bedeutendsten lutherischen Versuch darstelle, auf bedrängende Fragen der Gegenwart zu antworten. Im Wege hätten aber die lutherische „Volkstumstheologie"
(im
Gutachten
A.
SCHLATTERS)
und
gestanden. 289
V g l . MÜLLER, B e k e n n t n i s , 11; LlCHTENFELD, M e r z ,
10.
LUTHERS J u d e n f e i n d s c h a f t
78
Biographie und theologischer Weg
richteten Berliner Studenten von Bonhoeffer290 an von Bodelschwingh in zwei parallelen Anfragen die Bitte um ein öffentliches Wort: ein den bekenntnisbewußten Protestantismus gegenüber der deutschchristlichen Häresie einigendes Bekenntnis sollte unter Leitung einer Person erstellt und veröffentlicht werden, die überall Anerkennung genoß. Dafür kam nur von Bodelschwingh in Frage. Dieser stellte sich der Aufgabe und bildete einen Stab von Mitarbeitern (Bonhoeffer und Sasse), die einen Vorentwurf zu den folgenden Themen erstellten: Heilige Schrift, Schöpfung und Sünde, Jesus Christus, Heiliger Geist, Rechtfertigung und Glaube, Kirche. Im August wurden Georg Merz, Gerhard Stratenwerth und Vischer hinzugezogen - dieser für den Entwurf des Artikels über „Die Kirche und die Juden".291 Wer gab den Anstoß, daß dieses Thema in das Bekenntnis Eingang fand? Von von Bodelschwingh kam die Anfrage - von wem aber die Idee? Müller nimmt an, daß sie von Bonhoeffer stammt292; die Indizien sprechen jedoch eher für von Bodelschwingh293. Daß Vischer überhaupt zugezogen wurde, ist aber die interessantere Tatsache. „Der Grund dafür wird der sein, daß Vischer wie kein anderer der dafür auch in den Augen von Bonhoeffer in Frage Kommenden seit Jahren schon in die Israel-Kirche-Problematik eingearbeitet war und sich eben dazu wieder in seinem Aufsatz ,Zur Judenfrage' geäußert hatte."294 Dem Entwurf gingen Beratungen Vischers unter anderem mit Bonhoeffer voraus.295 Im vorletzten Abschnitt glaubt Vischer (in der Erinnerung des
2.0
MÜLLER, B e k e n n t n i s ,
2.1
I n t e r v i e w v o m 1 4 . 8 . 1 9 8 4 , 2 9 ; MOLLER, B e k e n n t n i s ,
16-18. 15.
2.2
Ein Ubersetzungsfehler und eine Übertreibung kommen hier hinzu: Man vergleiche Vischer (Temoignage d'un contemporain, 119): „je crois meme reconnaitre, dans X'avantdernier paragraphe de mon article, l'influence de son style" und MÜLLER, die sich auf diese Stelle beruft (Bekenntnis, 29): Vischer „erinnerte sich, einige von Bonhoeffers Gedanken verarbeitet zu haben: insbesondere der SchlußsaXz und damit auch die Schlußfolgerung des ganzen Abschnittes stamme von Bonhoeffer" (Hervorh. jeweils S. F.). Auf S. 43 (Anm. 138) räumt die Vf.in ein, daß die Aussage Vischers wie zitiert korrigiert werden müsse; eine Begründung dafür liegt offenbar nur im Vorverständnis der Autorin, daß judenfreundliche Aussagen BONHOEFFER (vgl. 76), neutrale (vgl. 41) oder judenfeindliche Aussagen aber anderen Theologen zugerechnet werden müssen. Auf S. 50.62.68 (,eher sich selbst der Verfolgung aussetzen'), 55 (,Rassegesetz vor dem Eingang zur Kirche') und 64 (Beispiel der französischen Gemeinden) werden Sätze aus VISCHERS Artikel schließlich einfach zu ,Bonhoeffers Wort' oder ,Bonhoeffers Gedanken'. - Neben der Mitarbeit VlSCHERs wird besonders die von MERZ heruntergespielt (vor allem hierzu LLCHTENFELD, Merz). 2.3
Mit LICHTENFELD, Merz, 25 f.; gegen MÜLLER, Bekenntnis, 37. BUSCH, Bogen, 50. 2.5 Darüber in einem Brief an JELLE VAN DER K o o i vom 21.3.1984: „In den Tagen, da Bonhoeffer in Bethel war, war ich glücklich, die Gedanken mit ihm auszutauschen, zu Hause und auf Spaziergängen, jedenfalls auch über das Bekenntnis, doch, soweit ich mich erinnere, nicht eingehend über seine Beiträge. Am besten ist mir in Erinnerung geblieben, was er mir begeistert von den Gottesdiensten der schwarzen Christen in USA erzählt hat. . . . Später 2.4
Das Betheler Bekenntnis
79
89jährigen), dessen Handschrift wahrnehmen zu können.296 Vischer entwarf die Thesen auf die Anfrage hin für das Betheler Bekenntnis neu297; sachlich konnte er an seinen Vortrag in Lemgo vom April anknüpfen, und manche Formulierungen wurden übernommen.298 Der verwickelten Vorund Redaktionsgeschichte (es können fünf Stadien unterschieden werden) braucht im Rahmen der Frage nach Vischers Weg und Theologie nicht näher nachgegangen zu werden. Vischer selbst hat sich enttäuscht von der Mitarbeit zurückgezogen. Diese Enttäuschung resultiert, wie Lichtenfeld glaubhaft darstellt, zu einem nicht geringen Teil aus den Folgen der (späten) Hinzuziehung von Adolf Schlatter als Mitarbeiter299. Durch die aufwendige Zuziehung weiterer Gutachter verschob sich die Veröffentlichung, wodurch er viel Öffentlichkeit und Wirkung einbüßte: er konnte weder der Generalsynode der APU (5./6. September) noch der Nationalsynode am 27. September 1933 vorgelegt werden. Die den ersten Entwurf beratende Tagung, zu der von Bodelschwingh eingeladen hatte, fand vom 15. bis zum 25. August 1933 statt. Die ständigen Teilnehmer waren: Dietrich Bonhoeffer, Hermann Sasse, Georg Merz und als Sekretär Pastor Gerhard Strathenwerth; Vischer nahm, wenn überhaupt300, so höchstens für den Abschnitt „Die Kirche und die Juden" an den Beratungen teil. Er hatte seine Gesprächsvorlage am 21. August Barth zuge-
bin ich wieder mit ihm zusammen gewesen, einige Tage in Finkenwalde und noch später, als er mich in Basel besuchte. Doch haben wir nie mehr über das Beth.Bek. gesprochen. Gewiss habe ich die Fragen betreffend die .Kirche und die Juden' mit Bonhoeffer besprochen. Was im ,Entwurf steht, stimmt mit dem überein, was ich vorher oft schon gesagt und geschrieben hatte; ich kann darin weder einen Zusatz noch eine Korrektur finden. An einigen Stellen, will mir scheinen, sei die Ausdrucksweise vielleicht durch seinen Gedankengang beeinflusst Dass er am Kapitel über die Juden selbst noch gearbeitet habe, ist zuviel gesagt." 2.6 Vgl. Anm. 292 bzw. Bethel H e f t 30, 1985, 81 sowie die vorige Anm. - Beide verstanden sich glänzend, wie sich BÖDEKER mit Gewißheit erinnert. Es sei völlig unangebracht, sie in Gegensatz zu bringen oder einem der beiden eine Priorität zuzuschreiben (BÖDEKER brieflich am 15.8.1995). - Zur Unterscheidung beider Verhältnisbestimmung von Juden und Kirche hinsichdich des theologischen Ausgangspunktes sei jedoch auf BUSCH, Bogen, 52-56 verwiesen (Vischer: Erwählung Israels; BONHOEFFER: im Verhältnis von Kirche und Staat). 2.7 Interview vom 14.8.1984, 7. M LICHTENFELD, Merz, 25. BUSCH, Bogen, 51 f. nennt dazu neben Vischers früheren Aufsätzen ferner die „72 Leitsätze zur judenchrisdichen Frage" des Judenchristen HANS EHRENBERG, BARTHS „Theologische Existenz heute!" vom Juni 1933, „sowie wohl beide Texte BONHOEFFERS zum Thema, der Vortrag ,Die Kirche vor der Judenfrage' vom April und das Flugblatt ,Der Arierparagraph in der Kirche' vom August 1933". m A. a. O. 46 f.; MÜLLER, Bekenntnis, 76 f. 300 Brief an JELLE VAN DER K o o i vom 21.3.1984: „Die allgemeine Annahme, ich hätte an Sitzungen der Klausurtagung im August teilgenommen, ist ein Irrtum. Ich war nie dabei und habe mich nie um andere Themen als die Judenfrage gekümmert." Vischer verneinte ebenso die Frage, ob er an anderen Sitzungen oder Umarbeitungen des „Entwurfs" teil- oder Kenntnis genommen habe.
80
Biographie und theologischer Weg
schickt, weil G e o r g M e r z behauptete, dieser hätte Vischers T h e s e n nicht zugestimmt.301 A m 24. A u g u s t k a m v o m „Bergli" freudige Z u s t i m m u n g ( w a s a u c h f ü r I n t e r p r e t a t i o n u n d B e u r t e i l u n g d e r T h e o l o g i e B a r t h s r e l e v a n t ist 3 0 2 ): „Lieber Freund! Ich habe D e i n e T h e s e n gelesen und wieder gelesen, und ich wüßte nicht nur nicht, w o ich D i r widersprechen sollte, sondern bin D i r dankbar dafür, d a ß D u mich diese mir sehr lehrreiche Übersicht über das Problem lesen l i e ß e s t Sage den Dortigen, d a ß ich mit jedem W o r t einverstanden sei, und d a ß ich w o h l wünschte, sie würden es auch sein." 303 D a S a s s e , Frick 3 0 4 u n d B o n h o e f f e r 3 0 5 f ü r V i s c h e r s V o r l a g e
eingetreten
waren, sind unter den „Dortigen" w o h l M e r z und v o n Bodelschwingh zu verstehen. Vischer meldet z w i s c h e n sich u n d diesen Meinungsverschiedenheiten an Barth u n d Thurneysen.306 Laut M i c h a e l i s s c h i e d e n „daraufhin" B o n h o e f f e r u n d V i s c h e r a u s d e m G r e m i u m aus 3 0 7 ; V i s c h e r h a t a l l e r d i n g s n o c h d e m Gutachten v o n Pastor W o e r m a n n einige (überaus spärliche) A n merkungen beigegeben (mehr Einsatz lohnte offenbar schon damals nicht m e h r ) ; V i s c h e r g a b s e i n E x e m p l a r a m 8. S e p t e m b e r z u r ü c k . 3 0 8 A u ß e r d e m ist B o n h o e f f e r m i t g r o ß e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t n o c h e i n m a l in B e t h e l e r schienen, u m die eingegangenen Gutachten durchzusehen.309 Vischers Art i k e l w u r d e d e m B e k e n n t n i s e n t w u r f a l s o in d e r A u g u s t - F a s s u n g S t a d i u m ) b e i g e g e b e n , d e r a b d e m 2 5 . 8 . als G r u n d l a g e f ü r d i e
(zweites
Einholung
v o n ca. 2 0 G u t a c h t e n d i e n t e . D i e s e m T e i l h a t t e s i c h B o n h o e f f e r v o r b e h a l t -
301 Br. an BARTH vom 21.8.1933: „Die Leute um Bodelschwingh haben von mir Sätze über die Stellung der Kirche zu den Juden verlangt. Ich wies sie zuerst hin auf den 6.Satz, den Du in der ,Theol.Exist.' gegen die Deutschen Christen geschrieben hast. Sie wollten es jedoch ausführlicher haben, sowie Sätze über die ungetauften Juden. Ich habe nun zusammengestellt, was, soweit ich höre, die Bibel dazu sagt. Ich wundere mich nicht darüber, dass die Leute, die sie wünschten (mit Ausnahme Bonhöffers [sie]) meinen Sätzen nicht zustimmen. Hingegen wundere ich mich darüber, dass Merz behauptet, Du würdest mir sicher auch nicht beistimmen. Das kann ich nicht glauben. Deshalb bin ich so frei und schicke Dir meine Sätze, und bitte Dich, mir kurz zu schreiben, was daran falsch ist." 302 BUSCH, Bogen, 59-61. 303 Auch zitiert in Bethel H e f t 30, 1985, 85. - BARTH empfahl Vischer in diesem Brief auch, sich auf die erste freiwerdende Landpfarrstelle zu bewerben und dort das Weitere abzuwarten, jedenfalls „den dortigen [Betheler] Staub von den Füßen zu schütteln". Vischer erwähnt seine Luganer Probepredigt als am 3.6.1934 im Brief an BARTH [oder THURNEYSEN?] vom 22.5.1934. 304 MICHAELIS, Fall Vischer, 61 Anm. 29. 305 LICHTENFELD, Merz, 25 ff. 306 A. a. O. 27; MICHAELIS, Fall Vischer, 53 Anm. 27. 307 MICHAELIS, Fall Vischer, 53 (ungenau und nicht datiert). 301 Übertragung des handschriftlichen Exemplars im Betheler Hauptarchiv: 2/39-209,11. - Er konnte sich später kaum noch daran erinnern; allerdings hob er seine Ubereinstimmung
m i t WOERMANN h e r v o r ( B r i e f a n JELLE VAN DER K O O I v o m 2 1 . 3 . 1 9 8 4 ) . V g l . LICHTENFELD,
Merz, 33; MÜLLER, Bekenntnis, 194. 309
M i t LICHTENFELD, M e r z , 4 0 - 4 2 ( L i t . ) g e g e n MÜLLER, B e k e n n t n i s ,
70-72.
Das Betheler Bekenntnis
81
los angeschlossen und in seinem Freundeskreis eine nur unwesentlich veränderte Berliner Abschrift verbreitet, die Bethge 1959 unter der fälschlichen Bezeichnung „Erstform" veröffentlichte.310 Für Bonhoeffer wie für Vischer war mit dem kirchlichen Arierparagraphen der status confessionis eingetreten.311 Unsere Synopse zeigt, an welchen Stellen die Vorlage Vischers abgeschwächt wurde; die Abweichungen sind kursiv hervorgehoben. Die Numerierung der eckigen Klammem folgt dem Exemplar, das Vischer an Barth sandte. August-Fassung3'2
Veröffentlichte Fassung312*
Die Kirche und die Juden 313
[1.] Die Kirche lehrt, daß Gott unter allen Völkern der Erde Israel erwählt314 hat zu seinem Volke. Allein in der Kraft seines Wortes und um seiner Barmherzigkeit willen, keinesfalls aufgrund eines natürlichen Vorzugs
Die Kirche und die Juden Die Kirche lehrt, daß Gott unter allen Völkern der Erde Israel erwählt hat zu seinem Volke. Allein in der Kraft Seines Wortes und um Seiner Barmherzigkeit willen, keinesfalls aufgrund eines natürlichen Vorzugs (2. Mose
(2. M o s e 19,5-6; 5. M o s e 7,7-11). [2.] D e r 19,5-6; 5. Mose 7,7-11). D e r H o h e Rat und
Hohe Rat und das Volk der Juden haben den durch das Gesetz und die Propheten verheißenen Christus Jesus verworfen nach der Schrift. Sie wollten einen nationalen Messias, der sie politisch befreien und ihnen die Weltherrschaft bringen sollte. Das war und tat der Christus Jesus nicht, er starb durch sie und für sie. [3.] Durch die Kreuzigung und Auferweckung des Christus Jesus ist der Zaun zwischen den Juden und Heiden abgebrochen (Eph. 2). An die Stelle des alttestamentlichen Bundesvolkes tritt nicht eine andere Nation, sondern die christliche Kirche aus und in allen Völkern.
das Volk der Juden haben den durch das Gesetz und die Propheten verheißenen Christus Jesus verworfen nach der Schrift. Sie wollten einen nationalen Messias, der sie politisch befreien und ihnen die Weltherrschaft bringen sollte. Das war und tat der Christus Jesus nicht, er starb durch sie und für sie. Durch die Kreuzigung und Auferweckung des Christus Jesus ist der Zaun zwischen den Juden und Heiden abgebrochen (Eph. 2). An die Stelle des alttestamentlichen Bundesvolkes tritt nicht eine andere Nation, sondern die durch die in allen Völkern verkündigte Botschaft von Jesus Christus aus allen Völkern gesammelte christliche Kirche.
310
LICHTENFELD, Merz, 7 f. BONHOEFFER, Judenfrage; ders., Arierparagraph; LICHTENFELD, Merz, 26; Vischer, Ich glaube an Heiligen Geist, Schwertkreuz 2/1934, 37 u. ö. 312 MOLLER, Bekenntnis, 112-117 und Bethel Heft 30, 1985, 82-84 = als „Erstform" abgedruckt in Bonhoeffer, Ges. Sehr. II, 1959, 115-117. - MICHAELIS, Fall Vischer, 61: „Der Inhalt der Vorlage Vischers ist bisher nicht veröffentlicht" Dagegen sprach MÜLLER (Kampf, 66) von einem inzwischen eindeutig als Erstvorlage identifizierten 20seitigen Manuskript Abzuwarten bleibt die Untersuchung von JELLE VAN DER Kooi über die Redaktionsgeschichte. - Vischer sandte den Entwurf seines Artikels an BARTH; dieser findet sich noch im Karl Barth-Archiv Basel; in den Fußnoten wird auf Text-Abweichungen hingewiesen. 311
312a
Bethel H e f t 25, 1983, 55 f. = MÜLLER, Bekenntnis, 190. Von WOLF KÄTZNER und
der Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte ist eine synoptische Ausgabe der noch vorhandenen Texte geplant (weitere Vermutungen zur Textgeschichte: Interview vom 10.8.1984, 2 3 - 2 8 ) .
82
Biographie und theologischer Weg
August-Fassung
Veröffentlichte Fassung
[5.] Gott preist seine Treue dadurch überschwenglich, daß er Israel nach dem Fleisch, aus welchem Christus nach dem Fleisch geboren ist, trotz aller Untreue auch nach der Kreuzigung die Treue hält.
Gott preist Seine Treue dadurch überschwenglich, daß Er Israel nach dem Fleisch, aus welchem Christus nach dem Fleisch geboren ist, trotz aller Untreue auch nach der Kreuzigung des Christus nicht verwirft
Er will die Erlösung der Welt, die er mit dem Herausruf15 Israels angefangen hat, mit den Juden auch vollenden (Rom. 9-11). Darum bewahrt er von Israel nach dem Fleisch einen „heiligen Rest", der weder durch Emanzipation und Assimilation in einer anderen Nation aufgehen noch durch zionistische oder ähnliche Bestrebungen eine Nation unter anderen werden, noch durch pharaonische Maßnahmen ausgerottet werden kann. Dieser heilige Rest trägt den character indelebilis des auserwählten Volkes.5,6 [6.] Die Kirche hat von ihrem Herrn den Auftrag empfangen, die Juden zur Umkehr zu rufen und die Glaubenden auf den Namen Jesu Christi zu taufen zur Vergebung der Sünden (Matth. 10,5f.; Act. 2,38ff; 3,19-26). Eine Judenmission, die aus kulturellen oder politischen Erwägungen317 sich weigert, überhaupt noch Judentaufen zu vollziehen, verweigert ihrem Herrn den Gehorsam.
Die Kirche hat von ihrem Herrn den Auftrag empfangen, die Juden zur Umkehr zu rufen und die Glaubenden auf den Namen Jesu Christi zu taufen zur Vergebung der Sünden.
[7.] Der gekreuzigte Christus ist den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit (l.Kor. 1,22ff). „Der Gekreuzigte"318 entspricht dem religiösen Ideal der jüdischen Seele ebensowenig wie dem religiösen Ideal der Seele irgendeines anderen Volkes. Auch einem Juden kann nicht Fleisch und Blut den Glauben an ihn geben, sondern allein der Vater im Himmel durch seinen Geist (Matth. 16,17).
Auch einem Juden kann nicht Fleisch und Blut den Glauben an / h n geben, sondern allein der Vater im Himmel durch seinen Geist (Matth. 16,17).
313
314
Entwurf, den Vischer an BARTH sandte, setzt bis hierhin: „Wir glauben und bekennen, dass
Ebd.: „auserwählt". Ebd.: „Herausrufe»". 316 Ebd. ergänzt: „ . . . Volkes, der nicht zu verwechseln ist mit ,dem gelben Fleck auf dem schwarzen Grund', durch den die Völkischen die Juden brandmarken wollen". - Vgl. Zur Judenfrage, 1933, 63 (Nation unter Nationen). 67 (pharaonische Maßnahmen). 68 (charakter indelebilis). 317 Entwurf, den Vischer an BARTH sandte: „... oder unter politischem Drucke sich weigert..." 315
Das Betheler Bekenntnis
August-Fassung
83
Veröffentlichte Fassung
[8.] Die Gemeinschaft der zur Kirche Gehörigen wird nicht durch das Blut und also auch nicht durch die Rasse, sondern durch den heiligen Geist und die Taufe bestimmt.1" Wir verwerfen jeden Versuch, die geschichtliche Sendung irgendeines Volkes mit dem heilsgeschichtlichen Auftrag Israels zu vergleichen oder zu verwechseln?20 [4.] Es kann nie und nimmer Auftrag eines Volkes sein, an den Juden den Mord von Golgatha zu rächen?2' „Mein ist die Rache, spricht der Herr" (JS. Mose 32,35; Hehr. 10,30)?n Wir verwerfen jeden Versuch, das Wunder der besonderen Treue Gottes gegenüber Israel nach dem Fleisch als einen Beweis für die religiöse Bedeutung des jüdischen oder eines anderen Volkstums zu mißbrauchen?21 Wir wenden uns gegen die Behauptung, der Glaube des Judenchristen sei im Unterschied von dem des Heidenchristen blutgebunden als judaistische Schwärmerei.
318
Darum ist die Behauptung der Glaube des Judenchristen sei im Unterschied von dem des Heidenchristen blutgebunden, judaistische Schwärmerei.
Ebd. setzt nur „Er". Ebd. setzt diesen Satz hinter den Satz „Wir wenden uns gegen . . . judaistische Schwärmerei." Er liest weiter: „Die Gemeinschaft der zur Kirche Gehörigen wird nicht durch das Blut und also auch nicht durch die Rasse, sondern durch den Heiligen Geist und die Taufe bestimmt. Wenn die deutsche evangelische Kirche die Judenchristen ausschliessen oder als Christen zweiter Klasse behalndeln [sie] würde, würde sie aufgehört haben, christliche Kirche zu sein (Barth)." Vischer wies seinen Freund mit der Klammer darauf hin, daß er die Formulierung von diesem hatte, vgl. Theologische Existenz heute!, [1984], S. 59 f. 320 Der Entwurf, den Vischer an BARTH sandte, liest diesen Satz vor [4.] (also nach „die christliche Kirche aus und in allen Völkern") und lautet: „Wir verwerfen jeden Versuch, in irgendeinem Sinne die Sendung des deutschen oder eines andern Volkes mit dem heilsgeschichtlichen Auftrag Israels zu vergleichen oder zu verwechseln." 321 CARTER kritisiert zu Unrecht, daß Vischer zwar das „Rachen" verwirft, nicht aber den Vorwurf gegen die Juden, Christusmörder zu sein (Confession, 257). 322 Die letzten beiden Sätze stehen in dem Entwurf, den Vischer an BARTH sandte, hinter dem Satz „An die Stelle des alttestamendichen Bundesvolkes . . . die chrisdiche Kirche aus und in allen Nationen". 323 Der Entwurf, den Vischer an BARTH sandte, brachte diesen Satz nach dem Satz „ . . . durch den die Völkischen die Juden brandmarken wollen" (siehe Anm. 316, S. 82) und vor dem Satz „Die Kirche hat von ihrem Herrn den Auftrag . . . " 319
84
Biographie und theologischer Weg
August-Fassung
Veröffentlichte Fassung
Wir wenden uns gegen das Unternehmen, die deutsche evangelische Kirche durch den Versuch, sie umzuwandeln in eine Reichskirche der Christen arischer Rasse, ihrer Verheißung zu berauben. Denn damit würde ein Rassegesetz vor dem Eingang zur Kirche aufgerichtet und wäre eine solche Kirche selbst zur judenchristlich gesetzlichen Gemeinde geworden. Wir lehnen darum die Bildung judenchristlicher Gemeinden ab, denn die falsche Voraussetzung dafür ist, daß das Besondere der Judenchristen auf der gleichen Ebene liegt wie die geschichtlich bedingte Besonderheit der französischen Refugiantengemeindeni2A in Deutschland oder daß die Christen aus dem Judentum ein ihrer Art gemäßes Christentum entwickeln müßten. Das Besondere des Judenchristen ist nicht in seiner Rasse oder Art oder Geschichte begründet, sondern allein in der besonderen Treue Gottes gegenüber Israel nach dem Fleisch. Dadurch, daß der Judenchrist gerade nicht in irgendeiner gesetzlichen Weise besonders gestellt wird in der Kirche, ist er in ihr ein lebendiges Denkmal der Treue Gottes und ein Zeichen dafür, daß der Zaun zwischen Juden und Heiden niedergelegt ist und der Christusglaube nicht in der Richtung auf eine Nationalreligion oder auf ein artgemäßes Christentum verfälscht werden darf. Die aus der Heidenwelt stammenden Christen müssen eher sich selbst der Verfolgung aussetzen als die durch Wort und Sakrament gestiftete kirchliche Bruderschaft mit dem Judenchristen freiwillig oder gezwungen auch nur in einer einzigen Beziehung preiszugeben™
Darum ist die Behauptung, der Glaube des Judenchristen sei im Unterschied von dem des Heidenchristen blutgebunden, judaistische Schwärmerei. Von der Pflicht, Israel zur Buße und zur Taufe zu rufen, kann sich die Kirche durch keine kulturellen oder politischen Erwägungen befreien lassen. Ebensowenig können sich die Heidenchristen von den Christen aus dem Volke Israel trennen. Ihre Gemeinschaft in Wort und Sakrament ist das Zeichen dafür, daß die Kirche Jesu Christi die Erbin der Verheißung Abrahams ist. Durch seine Taufe geht der Jude in das eigentliche Israel ein. Indem er Jesum von Nazareth als seinen Messias erkennt, erkennt er den König seines Volkes und scheidet sich von seinem ungläubigen Volke. Darum muß sich die Kirche gegen jede Verweltlichung der Judenmission wenden, die in der Aufnahme in die christliche Kirche nur das Zeichen der Aufnahme der Juden in die abendländische Zivilisation sieht. Ebenso sieht sie in jeder jüdischen und außerjüdischen Lehre, die im Judentum entweder nur eine ,Konfession' sieht (Moses Mendelssohn, humanitärer Liberalismus) oder das Judentum nur als ein ,Volk unter Völkern' anerkennt (Zionismus, Nationalismus), eine dem Geiste der Bibel fremde Irrlehre. Israel ist immer als Volk zugleich Kirche, sei es gläubige oder widerstrebende. Wo das eine oder andere vergessen wird, wird das Wort der Schrift nicht gehört. Zum Zeichen dafür, daß der getaufte Jude heimkehrt zu seiner Bestimmung, in Jesus, dem Sohne Abrahams, dem Sohne Davids (Matth. 1,1) den Messias und den Sohn Gottes zu erkennen, gewährt ihm die christliche Gemeinde alle Rechte, die sie als Gemeinde Jesu Christi auch dem Heidenchristen gewährt.
D i e Punkte 9 und 10 lauten in dem Entwurf, den Vischer an Barth sandte: „9. Wir lehnen die Bildung judenchristlicher Gemeinden ab. Denn die falsche Voraussetzung dafür ist, entweder dass die ,deutsche Reichskirche die Kirche der Christen arischer Rasse sei'; oder dass das Besondere der Judenchristen auf 324
Vgl. Zur Judenfrage, 1933, 67: „So ist das Verhältnis der Weltvölker zu den Juden etwas grundsätzlich anderes als zum Beispiel das Verhältnis der weißen Amerikaner zu den Negern." 325 Ähnlich BONHOEFFER, Arierparagraph, 68: „ . . . sich selbst lieber den Brüdern minderen Rechts zur Seite stellen als in der Kirche von Privilegien Gebrauch machen."
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der gleichen Ebene liege wie ζ. B. die geschichdich bedingte Besonderheit der französischen Refugiantengemeinden in Deutschland oder dass die Christen aus dem Judentum ein ihrer Art gemäßes Christentum entwickeln müssten. Das Besondere des Judenchristen ist nicht in seiner Rasse oder Art oder Geschichte begründet, sondern allein in der Treue Gottes gegenüber Israel nach dem Fleisch (auf die in Th.5 hingewiesen ist). Dadurch, dass der Judenchrist gerade nicht in irgendeiner gesetzlichen Weise besonders gestellt wird in der Kirche, ist er in ihr ein lebendiges Denkmal der Treue Gottes und ein Zeichen dafür, dass der Zaun zwischen Juden und Heiden niedergelegt ist, und der Christusglaube nicht in der Richtung auf eine Nationalreligion verfälscht werden darf. Die aus dem deutschen Volkstum stammenden Christen müssen eher sich selbst der Verfolgung aussetzen, als die durch Wort und Sakrament gestiftete Bruderschaft mit dem Judenchristen freiwillig oder gezwungen auch nur in einer einzige [sie] Beziehung preisgeben [sie]. Die Judenchristen müssen zu allen Aemtern der Kirche den gleichen Zutritt haben wie die andern. Wenn das Studentenrecht oder irgendein der Kirche fremdes Recht den Judenchristen das theologische Studium unmöglich macht, dann muss die Kirche dagegen protestieren und den Judenchristen einen andern Weg zum Pfarramt auftun. 10. Gott, der die Welt gemacht hat, hat von Einem Blut alle Völker abstammen und sie auf dem ganzen Erdboden wohnen lassen, und hat zum voraus die Zeiten und die Grenzen ihres Wohnens bestimmt, damit sie den Herrn suchen sollten, ob sie doch ihn fühlen und finden möchten. Jetzt aber stellt er durch die Botschaft des Evangeliums jedes Volk und jeden Einzelnen in das Gericht vor den Einen Mann, durch den er beschlossen hat, den ganzen Erdkreis zu richten (Ap.Gesch. 17). Dem deutschen Volke das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen, zum Gericht und zur Rettung durch den Einen Mann, ist die Aufgabe der evangelischen Kirche in Deutschland; nicht aber ein artgemässes deutsches Christentum auszubilden." Durch die Einarbeitung der zahlreichen Gutachten in den Artikel über „Die Kirche und die Juden" wurde besonders die Schärfe des biblischen Gedankens vom Rest-Israel eliminiert: dem Rest hält Gott noch nach der Kreuzigung Jesu die Treue. Mit diesem Rest habe Gott nach wie vor heilsgeschichtlich Entscheidendes vor.326 Das heißt aber: auch der nichtchristliche Teil des Judentums stehe unter dem besonderen Zuspruch und Anspruch Gottes. Gerade deshalb dürfe ihm die Kirche nicht das Zeugnis vom rettenden Messias verweigern oder gar judenchristliche Glieder aussondern; denn diese seien ein lebendiges Zeugnis für die Treue Gottes, durch die auch die Heidenchristen gerettet werden. Die veröffentlichte Fassung minderte vor allem auch die grundsätzliche Schärfe, mit der Vischer die Heilsnotwendigkeit des Festhaltens an der Judenmission327 wie die Unmöglichkeit des kirchlichen Arierparagraphen 326 327
Gleiches Ergebnis bei BUSCH, Bogen, 56 f. Vgl. H a t denn Gott sein Volk verstoßen? Festpredigt in der Basler Leonhardskirche
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darlegte. Dieser ist zwar mit dem letzten Satz des Artikels in der veröffentlichten Fassung noch abgelehnt, aber viel schwächer als durch Vischers Formulierung. Man wird also nicht wie Müller und Carter sagen können, der kirchliche Arierparagraph werde legitimiert: „In light of the way in which the church struggle had developed around the Aryan Paragraph in spring and summer of 1933, the readers of the pamphlet, ,The Confession of the Fathers' in January of 1934 must have been astonished at what the fathers confessed in this section. Even in its original form, Vischels statement misses the mark of the larger Jewish question' to which Barth pointed by quite a lot. But in the revised form, this section becomes almost an apology for the German-Christian proposal of a racist church." 328 Es „bleibt auch in der Letztform des,Betheler Bekenntnisses' das Verhältnis zwischen Kirche und weltlichen Größen von der alleinigen Bindung der Kirche an das Wort bestimmt."329 Damit hängt ein interessanter Gedanke zusammen, den man außer bei Bonhoeffer 330 kaum anderswo findet, der Vischer aber immer wieder beschäftigt hat: Das nationale Mißverständnis des Glaubens sei auf deutschchristlicher wie auf jüdischer Seite zu finden - es war eine wesentliche Ursache für das Strafgericht des Exils, das über Israel verhängt wurde!331 Die Aufrichtung eines Rassengesetzes als Schranke vor dem Eingang zur Kirche führe die Kirche unter die Knechtschaft eines Gesetzes zurück, aus dem Christus sie bereits befreit hatte. Und dies nationale oder rassische Mißverständnis wird nur überwunden, wenn das Besondere des Juden wie des Judenchristen „allein in der besonderen Treue Gottes gegenüber Israel nach dem Fleisch" erkannt wird. Vischers Artikel enthielt seine IsraelTheologie in nuce. Alles, was er seither über das Gottesvolk schrieb, kann
am 28. Juni 1937 (die mir vorliegende Kopie war wohl ein Sonderdruck des Vereins der Freunde Israels; der Reinerlös des Verkaufs war für die Missionsarbeit bestimmt; vgl. unten Anm. 452, S. 112). 328 CARTER, Confession, 262; ähnlich überzogene Einschätzung bei MÜLLER, Bekenntnis, 68, zur Ergänzung 77: „Hier, im Abschnitt ,Die Ordnungen', kommt der inhaltliche Unterschied zwischen der Erst- und der Letztform voll zum Tragen, woraus sich auch Bonhoeffers Motive für die Ablehnung der dann veröffentlichten Version ergeben. Die Letztform lieferte eine biblische ,Begründung' für die Rassenlehre, die Erstform widersprach dem Rassebegriff wegen der fehlenden biblischen Grundlage." 3M WENZ, Wort Gottes, 113 (Lit.). 330 Die Kirche vor der Judenfrage, 51 f.; Der Arierparagraph in der Kirche. Flugblatt August 1933, in: a. a. O. 62-69, hier 63: „Durch Aufrichtung des Rassengesetzes am Eingang zur kirchlichen Gemeinschaft aber tut die Kirche genau das, was die juden-chrisdiche Kirche vor und gegen Paulus tat, nämlich, daß sie das Jude-sein forderte, bevor kirchliche Gemeinschaft möglich wurde. Eine Kirche, die heute die Juden-Christen ausschließt, ist selbst zur juden-chrisdichen Kirche geworden und damit vom Evangelium zum Gesetz abgefallen." 331 Schon vorher war es ebenso die Ursache für die Verwerfung Sauls (Christuszeugnis II, 38).
Das Betheler Bekenntnis
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als Entfaltung seines Artikels für das Betheler Bekenntnis verstanden werden, auch sein Streitgespräch mit Schalom Ben-Chorin basiert hierauf. Von daher ist es konsequent, wenn er die Kürzungen und Abschwächungen seiner Thesen nicht mehr mittragen konnte, weil er „erkannt hatte, daß es ein Versuch war, den christlichen Glauben mit dem nationalsozialistischen Heidentum zu verbinden. Das hielt ich 1933 für nicht mehr erlaubt."332 Im September brach Vischer seine Mitarbeit ab. Er erzählte 1984: „Wissen Sie, mit all diesen anderen Artikeln, das lag mir schon gar nicht, und ich hatte gar nicht Lust, da etwas dazu zu sagen, weil ich den Eindruck hatte, darauf kommt es gar nicht an. Ich bin auch wahrscheinlich viel zu wenig kirchlich eingestellt, ζ. B. in dieser Weise Kirchenrecht und Kirchenordnungen, es lag mir gar nicht, ich bin viel zu sehr einfach biblisch eingestellt." Darauf v.d. Kooi: „Aber dasjenige, was in diesem Paragraph über die Heilige Schrift stand, hat das Sie nicht zu Kommentierung gereizt?" Vischer: „Ich kann mich gar nicht erinnern, daß ich das gelesen hätte" Vischer hatte hier eine Erinnerungslücke, denn er muß sich damit beschäftigt haben, weil er gemeinsam mit E. Woermann eines der Gutachten bearbeitet hat334. Seine Aussage zeigt immerhin, daß er sich ab September 1933 an der Diskussion über den Bekenntnistext (nicht an den Sachfragen selbst!) nicht mehr beteiligt hatte. Seine Aufmerksamkeit galt jetzt dem ersten Band seines „Christuszeugnisses". Auch seine spätere Erinnerung enthielt nicht mehr viel über die Vorgänge um das Betheler Bekenntnis. Zu den Forschungen Kätzners sagte er deshalb 1984: „Das ist mir sehr wertvoll gewesen, weil ich gar nichts behalten habe von all dem. Es war mir offenbar so zuwider das Ganze, weil ich gemerkt habe, daß das ganze Betheler Bekenntnis nur ein Kompromiß sein sollte. Da habe ich alles weggeworfen . . . Ich habe wirklich gar nichts, nicht einmal meinen eigenen Entwurf. Ich hatte nichts mehr; mit dem will ich nichts mehr zu tun haben; ich bin nie dabei gewesen bei dem Betheler Bekenntnis."' Ähnlich urteilte Bonhoeffer, mit dem Vischer im August, als auch Sasse in Bethel weilte, viel zusammensaß. Bonhoeffer distanzierte sich brieflich von London aus. Selbst beim Interview am 10.8.1984 in Bethel hatte man Mühe, Vischer zu interessieren: „Da werden Sie bei mir nichts erfahren, weil ich es nicht mitgemacht habe . . . Das steht ja alles bei Bethge."335 Im Unter332
Interview vom 14.8.1984, 10 f. Die Kritik Vischers richtete sich vor allem gegen Ansichten von GEORG MERZ, (siehe LICHTENFELD, Merz, 54 f. über die Motive von MERZ' Zurückhaltung). 333 A . a . O . 22. Ebenso im Br. an H. LUDWIG vom 29.9.1973, S. 4: „Die verantwortlichen Herausgeber des Bekenntnisses lehnten meinen Text ab; ich habe nie gesehen, durch was sie ihn ersetzt haben." 334 LICHTENFELD, Merz, 33; MOLLER, Bekenntnis, 194. 335 Interview vom 14.8.1984, 26 f. 29 (Hervorh. S. F.). D a ß er nichts aufbewahrt habe,
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schied zu von Bodelschwingh (der aber nie äußerte, es ginge ihm etwas zu weit336) wollte Vischer eine Aussage nicht nur über die Juden in der Kirche treffen, sondern auch über das weitere Vorhandensein von Juden außerhalb der Kirche; ja, daß Gott mit den Juden innerhalb und außerhalb der christlichen Kirche seine Politik weitertreibt, daß es neben der Kirche noch ein Israel gibt.337 Doch diese grundsätzliche Äußerung war für das Betheler Bekenntnis nicht gefragt. „Mir ist wichtig, daß ich eigentlich das nicht einbringen konnte, was Gott überhaupt mit Israel vorhat."338 Der Bruch zwischen dem Entwurf Vischers und der veröffentlichten Fassung ereignete sich nach Kätzner zwischen der im August diskutierten und der dritten Fassung, die irgendwann im Oktober, spätestens Anfang November vorgelegen haben muß.339 Nach Lichtenfeld liegen in den in unserem Abschnitt vollzogenen Abschwächungen die einschneidendsten Änderungen für das Bekenntnis überhaupt.340 Schon Schlatters Sohn Theodor hatte die Rede vom „heiligen Rest" Israels als „schwerlich richtig" und sowohl das Recht des Arierparagraphen in der Kirche als auch die Notwendigkeit eigener judenchristlicher Gemeinden zu begründen versucht. Sein Vater habe dies fortgesetzt, indem er behauptete, durch die Einführung der Ariergesetzgebung beraube sich die Kirche keineswegs der göttlichen Verheißung. „Auch die Verwerfung der Lehre vom , artgemäßen Christentum' lehnte A. Schlatter ab, und besonders empört wandte er sich gegen die im herausragenden Schlußsatz geforderte Solidarisierung mit den Judenchristen: ,Hier erscheint plötzlich die christliche Bruderschaft! Die Gemeinschaft mit den Volksgenossen ist in dieser Stunde wichtiger als die Gemeinschaft mit den Judenchristen.' Während schließlich auf der einen Seite Barth in seiner Stellungnahme von Mitte Oktober eine explizite Verurteilung des mittlerweile eingeführten kirchlichen Arierparagraphen ver-
s c h r i e b e r a u c h W . L. DEKKER a m 1 1 . 7 . 1 9 7 3 u n d W . SCHERFFIG a m 1 7 . 3 . 1 9 8 4 , S. 2. V g l .
SCHROVEN, Christologische Auslegung, 218, Anm. 265. 336 Interview vom 14.8.1984, 29. Vischer zitiert BETHGE: „... daß Bodelschwingh dann doch sich nicht zu sehr exponieren wollte. Mir gegenüber hat er nie irgendwie gesagt, das ginge ihm zu weit oder so. Ich kann mich auch nicht erinnern, daß er sich ausgesprochen hätte zu meinem Artikel. Ich kann mich nur erinnern . . . , daß er mir nachher sagte, er sei mit allem einverstanden. . . . Aber daran kann ich mich nicht erinnern, daß er mir sagte, er sei mit meinem Artikel zufrieden oder nicht" - Manche Äußerungen Vischers waren im Interview nicht sehr klar! Treffen zwischen BONHOEFFER und Vischer gab es noch in Finkenwalde und in Basel. Die erste Begegnung war die in Bethel (Interview vom 10.8.1984, 30). 357 A . a . O . 28 (vgl. Anm. 174, S. 56). CARTER, Confession, 255. 338 Interview vom 14.8.1984, 28. Damit wird BETHGE korrigiert, der in Bd. II der Gesammelten Schriften BONHOEFFERS, S. 88 schreibt: „Bonhoeffer litt schon damals viel zu sehr an dem Schweigen nicht nur für die Juden-Christen, sondern für die Juden insgesamt." 339 Vgl. LICHTENFELD, Merz, 38. 340 A. a. O. 46.
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langte, und auch Sasse sowie die Niederlausitzer Pfarrer dafür eintraten, die Sätze aufgrund der schwerwiegenden Ereignisse des Herbstes nochmals zu überprüfen, brachte auf der anderen Seite der westfälische Lutheraner K. Leutiger in seinem Gutachten mit einem Satz auf den Punkt, was wohl einige andere insgeheim dachten: ,[...] ist es nötig, aus dieser Frage einen articulus stantis et cadentis ecclesiae zu machen?'"341 Das beinahe völlige Fehlen einer Wirkungsgeschichte des Bekenntnisses342 - es wurde alsbald von Barmen (Januar und Mai) eingeholt - kann nicht mehr überraschen. „Zu Unrecht wurde . . . jedoch . . . weithin vergessen, daß ,Barmen' kaum denkbar gewesen wäre ohne ,Bethel' und die maßgeblichen Anstöße zur Bekenntnisbildung, die von hier ausgingen. Dies wird allein daraus ersichtlich, daß die meisten der am Entstehungsprozeß Beteiligten auch in Barmen wieder in erster Reihe standen."343 Vischer und Bonhoeffer waren nicht dabei; und einen Bekenntnis-Artikel zum Thema Antisemitismus gab es in Deutschland bis 1945 nicht mehr. Dies verlieh dem Betheler Bekenntnis sein einzigartiges, aber verkanntes Gewicht im „Dritten Reich": „Zum ersten Mal (wurde) auf dem Wege zur Bekennenden Kirche eine umfassende damnatio ausgesprochen, die ebenso die Volksnomoslehre Stapels wie die Uroffenbarungslehre Althaus' im Auge hat, ebenso die deutschkirchlichen Verwerfungen wie die deutsch-christlichen Einschränkungen des AT trifft und allen nur religionswissenschaftlichen wie religionsphilosophischen Deutungen des AT das Zeugnis der heilsgeschichtlichen Einheit beider Testamente entgegenstellt."344 Am 3. und 4. Januar 1934 konnte Vischer an der Freien Reformierten Synode in Barmen teilnehmen, deren von Karl Barth formulierte Erklärung nicht nur von den 167 vertretenen reformierten Gemeinden, sondern auch vom Reformierten Bund am nächsten Tage anläßlich seiner Hauptversammlung angenommen wurde. Mit der „Erklärung über das rechte Verständnis der reformatorischen Bekenntnisse in der Deutschen Evangeli341
A. a. O. 47. - Leider hat VON BODELSCHWINGH die Grundsätzlichkeit von BONHOEFFERS
und damit wohl auch Vischers Ablehnung nicht verstanden: er scheint die Unterschiede auf differierende Denkart und Sprache zurückgeführt und haben (a. a. O. 48). 342 Für Gründe hierfür siehe a. a. O. 52. 343 A. a. O. 55 (NICOLAISEN zeichnet dagegen den „Weg nach Bannen" ohne das Betheler Bekenntnis). - Das verschafft der theologischen Interpretation der Barmer Theologischen Erklärung durch BUSCH (Bogen, bes. 204-236) auch historische Plausibilität. 344 NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 103. N. untersucht eine ganze Reihe von Bekenntnissen der BK auf Aussagen über das Alte Testament. - Auf eine spezielles Problem sei noch am Rande hingewiesen: Kann man, wie MÜLLER versucht (Bekenntnis, 38-41), von Vischers Vortrag im April 1933 hin zu seinem Artikel im Betheler Bekenntnis eine „Tendenzverschiebung" feststellen? Vor allem unter BONHOEFFERS Einfluß würde die notwendige Solidarität mit den Juden in Deutschland stärker herausgestellt. Dieser These kann ich nicht zustimmen; die genannten Formulierungsunterschiede sind m. E. dogmatisch zu unbedeutend und rein durch die verschiedenen Anlässe bedingt.
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sehen Kirche der Gegenwart" (aus der Feder Karl Barths)345, die u. a. den Arierparagraphen (V.3) und die Gleichschaltung der Kirche (V. 2 und 4) verwarf, war Vischer völlig einverstanden.346 Ein Teil davon könnte von seiner Hand stammen: Der Begriff „Geschichte der menschlichen Frömmigkeit" kehrt bei Vischer zur Abgrenzung immer wieder. Nicht sie ist es, die man in der Schrift hören und bejahen soll, sondern das Zeugnis des Heiligen Geistes über den Messias. Dessen Weg mit den Sündern im Alten wie im Neuen Testament bezeugt Gottes Gericht und Gnade über die Geschichte der menschlichen Frömmigkeit. „Sünder" par excellence sind zunächst die Juden, deren Sünde und Abgötterei aber stellvertretend die Sünde aller, auch der wohlmeinendsten Menschen bloßlegt.347 Als Nichtdelegiertem war Vischer die Teilnahme an der Barmer Bekenntnis-Synode (29.-31.5.1934) verwehrt.348 Daß er aber trotz Rede- und Lehrverbot nicht untätig blieb, zeigt ein Blick ins Literaturverzeichnis. Neben den erwähnten Aufsätzen und Vorträgen sind aus der Zeit 1932 bis 1934 u.a. hervorzuheben: Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen? 1932; Dreieinigkeit (zu l.Kor 8,4), 1934; Der noachitische Bund. l.Mose 6-11, 1933; Die biblische Begründung unseres Amtes. Vortrag 1934 in einer Pfarrer-Versammlung349. Vischers Blick ist gerade in den Auseinandersetzungen geschärft worden. U b e r die Dreieinigkeit schrieb er im Betheler Sonntagsblatt: „Wir erfahren in unseren Tagen, in welchem Maße auch unsere Zeitgenossen fähig sind, das, was um sie herum und an ihnen geschieht, religiös zu erleben, und wie tief sie ihr religiöses Bedürfnis in dieser Weise befriedigen. Manche hören wir sagen: J e t z t erleben wir Gottes Wirken, das wir bisher aus den kirchlichen Predigten nur vom Hörensagen kannten.' D a s ist fromm geredet;
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Greifbar in: N L E S E L , Bekenntnisschriften, 5 2 - 5 7 . Bethel Heft 30, 1985, 80. In der Einleitung zu „Die biblische Begründung unseres Amtes" ( 1 9 3 4 ) weist er auf die Erklärung hin. 347 „,Wir haben ein Gesetz', sagen die Juden dem römischen Richter, ,und nach diesem Gesetz muss er sterben; denn er hat sich selber zu Gottes Sohn gemacht' (Joh. 19). In religiösem Eifer stossen sie Jesus aus. Ohne es zu merken, sprechen sie damit ihrer Frömmigkeit und damit letzten Endes jeder Religion das Urteil. Die Verurteilung Jesu durch die Frömmsten bringt es an den Tag, dass der Mensch, der sich durch sein frommes Streben rechtfertigen will, Gott von sich stösst. Indem aber Gott seinen lieben Sohn den Tod des Verfluchten erleiden lässt, nimmt er die ganze Schuld auf sich und offenbart er, dass seine freie Gnade einzig und ganz die Möglichkeit bietet, die Menschen zu retten und damit die Hoffnung Israels in ihrem ganzen Umfang zu erfüllen" (Die Hoffnung der Juden und die Kirche, 1 9 4 2 / 1 9 5 9 , 1 9 ) . Vgl. B A R T H , Wort Gottes, 4 3 : „Es ist nicht das richtige menschliche Denken über Gott, das den Inhalt der Bibel formt, sondern das rechte göttliche Denken über den Menschen." 348 Bethel Heft 30, 1985, 80. 349 Noch in JThB 5, 1934, 152 angezeigt. 346
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aber es fragt sich, ob es christlich ist. Denn Jesus Christus ist nicht Mensch geworden und am Kreuz gestorben, um die Religionen der Menschen zu bestätigen, sondern um die ,Mächte und Gewalten auszuziehen' (Kol. 2,15), sie ihrer göttlichen Hoheit zu entkleiden. Darum sind wir, wenn wir heute durch Jesus Christus an Gott glauben wollen, gefragt, ob wir in der Art, wie wir heute die ,götdiche' Gewalt der Natur und des Schicksals erleben, wirklich in Furcht und Vertrauen die väterliche Gewalt, mit der uns der Eine Gott durch Jesus zu sich ziehen will, an uns wirken lassen; oder ob wir vielleicht im Gegenteil eben die Herrschaften religiös verklären, die der eine rechtmäßige Herr als widergöttlich zur Schau getragen hat, dadurch daß Er sich von ihnen und durch ihre Gesetzmäßigkeit hinrichten ließ. Die Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit zeigt, daß die Macht Gottes in Jesus im schärfsten Widerspruch steht zu den Mächten, die in unserer Welt einen ,göttlichen' Anspruch behaupten. . . . Und nicht in irgendeiner Begeisterung oder ergriffen vom Zeitgeist können wir bekennen, daß Jesus sei der Herr, sondern nur im Heiligen Geist ( l . K o r . 12,3)" 350 . Die modernen religiösen Surrogate werden als tnnitätstheologisches Defizit entlarvt: „Diese Sätze, die von der Dreieinigkeit stammeln, sind dem Vereinfachungsbedürfnis unserer Zeit zuwider. Weg mit diesen komplizierten Dogmen! ruft man heute und merkt nicht, daß man damit aufhört, christlich an den lebendigen Gott zu glauben. Man scheint nicht zu merken, daß man einfach die Natur und das Naturgegebene vergötzt, wenn man einen Schöpfergott anbetet, der anders als im gekreuzigten Christus durch den heiligen Geist erkennbar ist. Wenn man einen Christus verehrt, der nicht mit dem Vater in Einheit wahrer Gott ist, dann vergötzt man einen religiösen Menschen oder eine religiöse Idee. Ist man begeistert durch einen ,heiligen' Geist, der nicht Gott selbst ist, dann vergötzt man die kreatürlichen Lebensmächte. Diese Vergötzungen sind nicht zu vermeiden, wenn wir von der Trinitätslehre abweichen und nicht mehr daran festhalten, daß keiner von den drei Artikeln des apostolischen Glaubensbekenntnisses ohne die beiden andern erkannt werden kann." 351
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D a ß Vischers Position in ganz Deutschland schwierig geworden war, zeigt ein Vorfall in Vahlhausen bei Detmold: D o r t sollte der bereits abgesetzte Vischer am Erntedankfest predigen. D e m kam der Pressewart der D C zuvor. Im Lippischen Kurier erschien ein Artikel eines Herrn Waldecker: „Wer ist Lie. Vischer? Ein Verleumder unseres Führers, ein Freund der Juden, darf er in Lippe sprechen?" 352 Daraufhin wurde Vischer tatsächlich 350
Titelseite der Nr. 21, 27.5.1934. Ebenfalls im Betheler Sonntagsblatt, weiter hinten, ohne Seitenangabe. 352 Beiblatt zum Lippischen Kurier, 4. August 1933; hierin findet sich in wörtlicher Übereinstimmung die gleiche Liste der Vorwürfe wie beschrieben in: „Evangelium im Dritten Reich. Sonntagsblatt der Deutschen Christen", 11.6.1933. 351
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die Predigt in Vahlhausen untersagt; der dortige Pastor hatte nachgegeben. Anders lief es beim Brüdertag in Schloß Wendlinghausen, wo der mutige Herr von Reden öffentlich die Widerstände gegen Vischer als Redner im Vorfeld der Tagung bekanntgab.353 Zunächst versuchte Vischer, in Zürich an die Universität zu kommen, was aber nicht gelang. Vielleicht haben politische Gründe (zu große Nähe zur Sozialdemokratie) eine Rolle gespielt354; entscheidend dürfte aber seine menschliche und theologische Nähe zu Karl Barth gewesen sein, was ihm die Ablehnung besonders von Emil Brunner eintrug. Vischer schrieb an Barth: „Nun bin ich sehr gespannt, ob es Basel gelingt, Dich zu gewinnen. Wenn dann gar noch Karl Ludwig [Schmidt] und Fritzli [Lieb] dorthin kämen! Einen Augenblick meinte ich, die Zürcher möchten Eichrodt berufen und mir damit in Basel einen Platz freimachen. Jetzt haben sie scheinbar im Sinn, mich in Zürich auf die Liste zu setzen. Es wird sich bald weisen. Zunächst fahre ich am Ufer des Ceresio von Weihnachtsfest zu Weihnachtsfest und grüsse .. ."355 „Noch lieber als eine Pfarrstelle wäre mir, wenn ich Eichrodts Stelle bekäme. Aber ich weiss, dass da wenig Hoffnung besteht. Hoffentlich wird KL Schmidt nach Basel berufen.... Wenn doch nur Köberle einen Ruf nach draussen bekäme und die frommen Leute in Basel den Mut fänden, an seine Stelle Fritz L.fieb] zu berufen!.. ."356
Nach dem Bericht von G. Michaelis357 gab es auch Versuche, in Deutschland eine Stelle zu finden; sie waren jedoch erfolglos.358 Von 1934359 bis Ostern 1936 war Vischer Pfarrer der dt.ev. Gemeinde Lugano. Der Basler Kirchenratspräsident Koechlin hätte dies verhindert, wenn sich nicht Vischers Vater als Präses des Protestantischen Kirchlichen Hilfsvereins, der die Diasporagemeinden betreut, dafür eingesetzt hätte. Vischer wurde in Lugano Nachfolger des etwas umstrittenen Pfr. Gsell, einem Missionar der Basler Mission. 1935-36 war er Mentor des bereits erwähnten Betheler Studenten Heinrich Kühner. Mit diesem wurde jeder Tag damit begonnen, eine Stunde aus dem Alten oder Neuen Testament zu übersetzen, unter gelegentlicher Verwendung von Arnold Ehrlichs Randglossen zur hebräischen Bibel. Damit setzte Vischer eine Tradition der Betheler Hochschule fort, wo von den Anfängen der Schule ab beide 353 354 355
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Interview vom 14.8.1984, 20-23. So die Darstellung der CHAZELS. Br. a n BARTH v o m 2 2 . 1 2 . 1 9 3 4 .
Br. an THURNEYSEN vom 21.5.1935. Fall Vischer, 61. 358 Vgl. Anm. 244, S. 70. 359 Im Gästebuch Vischers ist der letzte Betheler Eintrag auf den 14.8.1934 datiert; der erste in Lugano vom 13.10.34, der letzte dort vom 31.3.1936. Am 30.9.1934 war Vischers Einführung in Lugano (Br. an BARTH vom 11.9.1934, geschrieben in Bethel). 357
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Testamente morgens je eine Stunde in den Ursprachen gelesen wurden.360 Dann wurde der Vikar losgeschickt, ζ. B. Besuche zu machen - in einer sozial überaus inhomogenen Gemeinde mit sieben Predigtstellen361. Der Vikar Vischers beobachtete dessen Predigtvorbereitung: stundenlange Textmeditation, häufig ohne Notizen. Diese intensive Form ermöglichte es Vischer, ζ. B. ad hoc den Plan aufzugeben, eine am Vormittag gehaltene Predigt am Nachmittag zu wiederholen, wenn er die gleichen Zuhörer wiedererkannte. Er hielt aus dem Stand eine völlig neue Predigt.362 So leicht aber der mündliche Vortrag fiel, so schwer dessen schriftliche Reproduktion. Als er einmal von einem Vortrag (wohl über Jesaja) vor einer Berner theologischen Arbeitsgemeinschaft zurückkam, verhielt er sich tagelang „wie ein brütendes Huhn" (Kühner), immer wiederholend: „Was soll ich noch schreiben? Was soll ich noch schreiben?" Denn er hatte den Hörern versprochen, sein zweistündiges freies Referat, in dem er das Alte Testament hebräisch und Kommentare zitiert hatte, schriftlich nachzureichen. Nun wußte er nach wenigen Seiten nicht weiter. Zu Vischers Predigthörern gehörte auch Prinz Adalbert von Hohenzollern. Seine Kinder sollten von Vischer konfirmiert werden, aber der Prinz fürchtete die Standesungemäßheit. So wurde eine eigene Feier mit dem Hofprediger K. Kessler gehalten. Die Vischers wurden dazu eingeladen, aber im öffentlichen Bericht über die geladenen Gäste als einzige nicht namentlich erwähnt. Die Situation in Lugano war insofern erschwert, als es neben Vischer in der Gemeinde einen freisinnigen Pfarrer Bauen (über Vischer: „verdammt gebildet") gab. Vor Vischers Installation hatte sich ein Teil der Gemeinde abgespalten und Bauen bestellt. Nach dem Bericht von Kühner hatte man aber in der Gemeinde kaum eine Ahnung, was „freisinnige Theologie" sei.363 Die Gemeinde fand später wieder zusammen. Kamen damals aber neue deutschsprachige Evangelische nach Lugano, gab es je einen unwürdigen Wettlauf darum, die Zugezogenen für die eigene Gemeinde zu gewinnen. Manche Geschäftsleute waren in beiden Gemeinden Mitglied, um nicht wirtschaftliche Einbußen hinnehmen zu müssen. Beide Gemeinden benutzten die gleiche Kirche und hatten zur Verwaltung eine gemeinsame Behörde. Vischer vermißte in Lugano die früheren Studienmöglichkeiten; die Gemeinde war verstreut, was ihn mehr Zeit kostete.364 Dennoch wäre er (anders als seine Frau) gern in Lugano geblieben. T. SCHLATTER, Theologische Schule, 68. Lugano, Chiasso-San Simone, Melide, Novaggio (Militärsanatorium; ursprünglich Waldenser Kirche), Tesserete (in einem Hotelsaal), Ponte Tresa, Cademario (Naturheilsanatorium, „Marios Haus"). 362 Interview mit Pfr. H. O. KÜHNER in Basel im Interview am 5.8.1995. 363 Vgl. Wie die Kirche „gesäubert" werden soll, 1945, 233. 364 La Lefon Derniere, 1967, 14. 3(10 361
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In Lugano hat Vischer den Blick für die deutschen Verhältnisse nicht verloren; wie Barth365 bemühte er sich, das schweizerische Kirchenvolk für die deutschen Vorgänge zu interessieren. Am 22. Februar 1935 hielt er in der Stadtkirche zu Aarau einen Vortrag über „Die Bedeutung des Kirchenkampfes in Deutschland"366, der überarbeitet 1936 in den Schweizer Monatsheften unter dem Titel „Der Sinn des deutschen Kirchenkampfes" erschien367. 1936 brachte Vischer einen zweiten Aufsatz zum Thema heraus: „Die heutige Lage der evangelischen Kirche in Deutschland"368. Der Vortrag von 1935 sei hier, einer Nachschrift folgend, etwas ausführlicher wiedergegeben, weil er schwer zugänglich ist. Der deutsche Kirchenkampf, so die erste These, geht um die Frage, ob das Christentum durch eine andere Religion ersetzbar ist, und stellt so jeden grundsätzlich und neu vor die Frage, ob er weiß, was Christentum ist oder nicht; stellt er sich dieser Frage nicht, nimmt er nicht am Kirchenkampf teil. Der Kirchenkampf entbrannte aus zwei Gründen: Zum einen das Empfinden der Mangelhaftigkeit des Christentums, zum anderen das Empfinden großer Wünsche nach der Demütigung infolge des Ersten Weltkrieges. Deutschland sei ein großes Reich, das sich nach weiterer Vergrößerung und nach viel Eroberung in der Welt sehnt (!). Der Nationalsozialismus konnte zwar nicht alle in seine Bewegung hinein mitnehmen, mußte viele ausscheiden, „aber ich will auch nicht leugnen, dass nun durch alle ein gesunder, hoher Idealismus geht"369 - Großindustrielle gaben Arbeitern die Hand, gemeinsam wollte man die Aufgaben des deutschen Daseins anpacken. Man einigte sich ehrlich über große Gegensätze. Von dort her wollte man auch Kirche und Christentum erneuern; das weniger schmackhafte Wort dafür lautete: „Gleichschaltung". Jede Art von Christentum in Deutschland ist davon ergriffen.370 Das Ziel lautete: ein Volk, ein gemeinsames Christentum. Freisinnige und positive, ja sogar Dialektische Theologie bis hin zu ihrer Spaltung nahm am Aufbruch Anteil.371 In verschiedener Weise verkündete man: Aus dem deutschen Herzen und Blut heraus kommt die große Offenbarung, die Kraft, die Erneuerung. Dies konnte auf sehr religiöse Weise verkündigt werden (ζ. B. Prof. J. W. Hauer372), oder anstößiger, philosophisch, heidnisch mit neuen alten germanischen Göttern.373 Gut war, daß die Gegensätze sich so zuspitzten. Man versuchte immer wieder, sich zu einigen, teilweise sehr
BUSCH, Barths Lebenslauf, 288 f. Mir liegt die Kopie eines getippten Manuskriptes vor (19 S.), wohl eine Nachschrift. 367 Schweizer Monatshefte X V , 1936, 15-22. 348 A. a. O. 556-564. 369 Manuskript S. 4. 370 A. a. O. 5. 371 A. a. O. 6. 372 Führer der „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung"; bezeichnete die nationale Erhebung als „neuen Glauben" in: Kommende Gemeinde Juli 1933 (FRITZ FELDGES, Deutsche Glaubensbewegung, in: MPTh Feb./März 1934, 82); zu HAUER femer: RGG 3 II, 1 0 9 f. 373 S. 8 des Manuskripts. 365
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roh. Bei der Berliner Sportpalastveranstaltung gingen vielen die Augen auf: Das Gefährlichste war die Kompromißpartei der Deutschen Christen, die die ganze Macht der Partei hinter sich hatten. Unverkennbar sei, so Vischer, „dass eben tatsächlich dieses deutsche Christentum, oder noch besser dieser deutsche Gottesglaube mit der Offenbarung von Blut und Boden die eigentliche Religion des Nationalsozialismus ist." 374 Angesichts der immer deutlicher hervortretenden Spaltung zwischen dem in Christus offenbaren Gott und dem Gott, der die Macht ist in dieser Bewegung, geschah es, daß sich immer mehr Menschen fanden, die den Gehorsam gegenüber Christus über den Gehorsam gegenüber anderen Botschaften stellten. Das gesamte öffentliche Leben wurde in die nationalsozialistische Bewegung hineingezogen, weshalb manche Kirchenferne aufhorchten, daß nun doch eine Reihe von Christen am alten Glauben festhielten.375 Um widerstehen zu können, wurde für die christliche Kirche allerdings eine völlige Umkehr nötig. Man erlebte tatsächlich die erfreuende Nähe des Herrn im Leiden für ihn.376 Als Hauptergebnisse der neuen kirchlichen Besinnung stellt Vischer heraus, daß es 1. „eben kein Christentum gibt, das irgendwie sich gelöst hat von der heiligen Schrift" 377 - nach dem Vorbild Christi, der sich gegen den Teufel an die heilige Schrift hielt. „Christliche Erkenntnis durch den Geist ohne die heilige Schrift gibt es nicht. Sie läßt sich nicht lösen vom neuen und alten Testament, das wurde immer deutlicher. Christus heißt der Messias der Israeliten nach dem alten Testament und im Augenblick, wo man irgendwie sagt, dass das alte Testament für uns Christen weniger Bedeutung hat als das neue, in dem Augenblick wurde immer deutlicher als erster und wichtigster Satz: , Christus-Erkenntnis gibt es nur in der Bindung an die heilige Schrift im alten und neuen Testament.'"378 2. Es entstand die Nötigung zum Bekenntnis; man hatte nicht zuviel, sondern zuwenig Dogmatik. Es mußte klar herauskommen wie bei der Erklärung der freien Synode in Barmen, daß es nur eine Offenbarung Gottes gibt, nämlich in Jesus Christus. „Ein Bischof sagt, dass der Ursatz der deutschen Christen sei: ,Das Wort der Zeit ist Gottes Wort', und hier wird deutlich: ,Bekennen
A. a. O. 9. Thema der Sportpalastveranstaltung: „Die völkische Sendung Luthers". A . a . O . 10. 376 A . a . O . 11. 377 A . a . O . 12. 378 A . a . O . 13. Vgl. Punkt II der Erklärung über das rechte Verständnis der Reformatorischen Bekenntnisse in der Deutschen Evangelischen Kirche in der Gegenwart: „Die Kirche hört das ein für allemal gesprochene Wort Gottes durch die freie Gnade des Heiligen Geistes in dem doppelten, aber einheitlichen und sich gegenseitig bedingenden Zeugnis des Alten und des Neuen Testaments, das heißt in dem Zeugnis des Mose und der Propheten von dem kommenden, und in dem Zeugnis der Evangelisten und Apostel von dem gekommenen Jesus Christus. Damit ist abgelehnt die Ansicht: Die biblischen Schriften seien zu verstehen als Zeugnisse aus der Geschichte menschlicher Frömmigkeit; maßgebend für die christliche Frömmigkeit sei aber vorwiegend oder ausschließlich das Neue Testament; es könne oder müsse darum das Alte Testament zugunsten des Neuen abgewertet, zurückgedrängt oder gar ausgeschieden werden." 374
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muß gebunden sein und muß sich ausweisen können über die Verbindung mit früheren Bekenntnissen der chrisdichen Kirche."379 Nur in der Einseitigkeit, daß sich Gott nur in Jesus Christus offenbart, wird wirklich erkannt, was Gott will. Die Geister schieden sich an der Hoffnung: Christen hoffen nicht auf einen Ausbau dieser Welt, sondern rechnen mit seinem völligen Abbruch. Die Frage der deutschen Christen lautete: „Es kann doch nicht Gottes Wille sein, das [sie] euer Gott, wenn er so etwas Grosses schafft, morgen kommt und allem ein Ende macht."380 Das Große: Eine Volksbewegung, ein Gemeinschaftserlebnis (wie in der S.A.) mit gemeinsamer und großer Opferbereitschaft. Doch diese Volksgemeinschaft galt nicht für alle; von einigen hieß es, sie brauchten nicht zu leben; christliche Allerweltsliebe habe das deutsche Volk verdorben; die Sentimentalität für die Krüppel und Schmarotzer solle nun aufhören; der Unterschied zwischen der chrisdichen und der Volksliebe trat zutage. Friedrich von Bodelschwingh: „Ich bin nicht Reichsbischof, aber will gerne Reichsdiakon sein, denn erst wenn wir dem Christentum dienen, sind wir richtige Christen." „Es zeigte sich sofort, dass es mit dieser unvergleichlich reinen Liebe nicht ging, und dass mit dieser Liebe, die ein Bodelschwingh verkörperte, auch manches in den Tod hineingegeben werden mußte. Bodelschwingh mußte viel härter werden. Er war bereit, jedem die Hand zu geben, wer es auch war. Es musste deutlich werden, dass seine Gestalt und Haltung die chrisdiche Liebe ausdrückte, welche um der Liebe Christi willen sagt: Wir gehen einen anderen Weg als die Volksliebe. Es musste deutlich werden, dass die Liebe Christi die Botschaft ist . . . von der Liebe Gottes, und dass im Augenblick, wo diese Botschaft etwas geschmälert wird (wenn ζ. B. der Arier eine Vorzugsstellung beansprucht und keiner Pfarrer werden darf, der Jude war) so wird die Botschaft von der Liebe Gottes angegriffen, denn das ist das Wesen der Liebe Gottes, dass Gott die Menschen liebt, nicht weil sie gut sind oder schlecht ..." - sie ist unbedingte Liebe381; unsere Werke sind nichts gegenüber dem einen der „Botschaft der Liebe in Jesus Christus, die wirklich nur im strengsten Gegensatz steht zu all diesen modernen Lehren, dass die Einheit des Volkes kommen wird durch diese Bludiebe."382 So wurde deutlich, daß der Kirchenkampf von Gott geschickt war, um die Menschen in eine tiefere Besinnung und Gewißheit in allen Zweifeln hineinzutreiben. Die Fiktion der Einheit von Staat und Kirche produzierte in Kirchenkreisen mancherlei seltsame Gestalten, die gegen Mt 23,8 selbst Kirchenführer sein wollten. Nach allem könne, so Vischer, „nur eines unser großer Wunsch sein, dass wir möchten auch etwas davon erfahren dürfen und nicht, wie wir vielleicht schon gelegentlich dachten, sagen: Ach dass wir verschont werden! Nein, sondern dass es immer mehr kommen und uns auch erfassen möchte und wir jetzt schon aus dem, was uns begegnete, hineingetrieben würden in diese tiefere Besinnung, die ja nur stattfinden kann, wenn Einsatz des Lebens
379 380 381 382
S. 14 des Manuskripts. A . a . O . 15f. A.a.O. 17 f. A.a.O. 18.
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dabei i s t Wir werden ganz sicher nicht davon verschont, aber w o h l uns, w e n n wir uns rechtzeitig vorbereiten aus dem W o r t der heiligen Schrift!" 383
Bemerkenswert ist an diesem Vortrag die Freiheit und die Gestaltungskraft, die die Kirche hat, wenn sie an die Schrift gebunden bleibt, sowie der vorausschauende Blick VIschers auf die kommende Vernichtung der „Volksschädlinge". Die Bedeutung des Kirchenkampfes in Deutschland besteht in seiner an jeden, gerade den zur Bekenntnislosigkeit tendierenden Schweizer Christen gerichteten Frage nach dem rechten und so nach seinem persönlichen Glauben, Hoffen und Lieben. Der sich mittels religionsgeschichtlicher Bibelexegese legitimierende religiöse Individualismus wird auch durch einen kurzen Aufsatz in dem völlig unbekannten „Centraiblatt des Schweizer Zofingervereins" verabschiedet (im gleichen Jahr erschienen): „Die unteilbare Ganzheit der Bibel": Die Linien der religiösen Entwicklung enden, so Vischer, am Kreuz. „Die mancherlei Versuche, die Einheit der Bibel aufzulösen, sind im Grunde lauter Versuche, die Linien der Religiösen Entwicklung' so zu ziehen, daß sie nicht mit der Kreuzigung des Christus enden."384 Das Fehlen alttestamentlicher Bodenständigkeit verflüchtige Jesus zur Christusidee385, anstatt ihn konkret als Prophet, Priester und König des auserwählten Volkes anzubeten. Interessant ist der Anfang des Artikels: „Die Bibel ist, geschichtlich betrachtet, eine Auswahlsammlung verschiedenartiger Literaturdenkmäler des Vorderen Orients. Eben diese Auswahlsammlung ist, beglaubigt durch den heiligen Geist, das einheitliche und ganze Zeugnis der einzigen und ganzen Selbstoffenbarung Gottes in Christus Jesus. Das ist ein Glaubenssatz der Kirche. Darum ist er nicht zu beweisen, wohl aber muß seine Notwendigkeit im Zusammenhang der chrisdichen Erkenntnis nachzuweisen sein." Die Theologie beweist nicht die christliche Wahrheit, aber zeigt die Stringenz der Einzelaussagen im Zusammenhang des ganzen Glaubens. Ein unauflöslicher Zusammenhang bestehe auch zwischen den biblischen Zeugen, die trotz ihrer menschlichen Verschiedenartigkeit nur in der gemeinsamen Verbindung mit dem Bezeugten gesehen werden dürfe. Sonst entstünden lauter verschiedene Religionen und es entbrenne von neuem der religiöse Wettkampf, den das Kreuz doch schon beendet hat. Vischer schließt: „Es zeigt sich also, daß der Glaubenssatz von der Einheit und unteilbaren Ganzheit der heiligen Schrift ein
383 A. a. O. 19. Der Schluß in den Schweizer Monatsheften (S. 22) läßt zwar nicht den Ruf zur Besinnung und Gehorsam gegen Gottes Wort und Beteiligung am Kirchenkampf, aber den zum Studium der Heiligen Schrift vermissen. 384 Centralblatt des Schweizerischen Zofingervereins 76, 2/Weihnachten 1935, 117-120, hier 119. Über den Aufsatz siehe auch Anm.61 (S. 158) und 198 (S. 185 f.). 385 Ebenso BARTH, K D 1/2, 541. Nach BARTH war das Christentum nur dann eine lebendige Religion, „wenn es sich nicht schämte, in der Tat allen Ernstes eine Buchreligion zu sein" (S. 548, vgl. 556).
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notwendiges Glied der Kette ist: Ein G o t t - Ein Mittler zwischen Gott und Menschen - Ein Geist - Eine Kirche mit Einem Glauben, Einer Liebe und Einer Hoffnung." 3 8 6 In dem erwähnten Aufsatz von 1936 über „Die heutige Lage der evangelischen Kirche in Deutschland" verfolgt Vischer eingangs einen sachlich berichtenden Stil. D i e alsbald folgende Beurteilung ist freilich dieselbe: D i e Verbindung von Nationalsozialismus und Christentum ist der Versuch eines Synkretismus, der den wahren Gott mit den Abgöttern verbinden will. „Wer heute meint, den echten Nationalsozialismus mit dem wahren Christentum verbinden zu können, nimmt entweder den einen oder das andere, oder beide nicht ernst." 387 Der Nationalsozialismus ist nach seinem Selbstverständnis nicht nur eine politische Lehre, sondern ein fanatischer Gottesglaube, der keinen anderen neben sich duldet. Die Entscheidungsfrage dabei ist, ob der angerufene „Allmächtige" der Vater Jesu Christi ist oder nicht. Er gleicht nach Vischer eher dem „Fürsten dieser Welt, dessen grausame Rüstung groß Macht und viel List ist"; Abraham, Isaak und Jakob sind nicht die Glaubensväter der Nationalsozialisten, die den „ungeheuerlichen Glauben" besitzen zu dem „gigantischen" Unternehmen, das ewige Dritte Reich zu schaffen. Der Kult der Kräfte des Bodens hat auffallende Ähnlichkeit mit der Verehrung der Baale, der „göttlichen" Besitzer des Landes Kanaan. 388 Der Artikel 24 des NS-Programms (Glaube als positives Christentum), an den sich immer noch so viele klammern, und Kerrls Erklärung, er sehe sich als evangelischer Christ, darf hier nicht stutzig machen. Kerrl 389 bekennt weiter, daß ihm die wahre Lehre Christi erst im nationalsozialistischen Kampf aufgegangen ist, denn da habe er „erlebt, was es heißt: Der Glaube kann Berge versetzen. Das Wesen des Nationalsozialismus ist Glaube, seine Tat ist Liebe. So ist Nationalsozialismus positives Christentum." Besagter Artikel selbst bekennt sich zur religiösen Freiheit nur, soweit durch diese nicht der Bestand des Staates gefährdet oder das Sittlichkeitsgefühl der germanischen Rasse verletzt wird. Vischer zitiert Rosenberg, der im „Mythos des 20. Jahrhunderts" (S. 215) schreibt: „Wir erkennen heute, daß die zentralen Höchstwerte der römischen und protestantischen Kirche als negatives Christentum unserer Seele nicht entsprechen, daß sie den organischen Kräften der nordisch-rassischen Völker im Wege stehen, ihnen Platz zu machen haben, sich im Sinne eines germanischen Christentums umwerten lassen müssen." 390 Vischer führt ferner die Art der Umwertung, wie sie sich Rosenberg S. 604 vorstellt, an: ,Jesus erscheint uns heute als selbstbewußter Herr im besten und höchsten Sinne des Wortes. Sein Leben ist es, das für germanische Menschen Bedeutung hat, nicht sein qualvolles Sterben, dem er seinen Erfolg bei den alpinen und Mittel386
Centralblatt des Schweizerischen Zofingervereins 76, 2/Weihnachten 1935, 117-120, hier 120. 387 Schweizer Monatshefte XV, 11/Feb. 1936, 558. 388 A. a. O. 559 und Festpredigt (f. d. Verein der Freunde Israels) über Rom 11,1-7.11-15, Basel 28.6.1937, 4. 389 Gest 14.12.1941, danach wurde sein Amt nicht mehr mit einem Minister besetzt. 3,0 Vischer a. a. O. 560.
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meervölkern verdankte. Der gewaltige Prediger und der Zürnende im Tempel, der Mann, der mitriß und dem ,sie alle' folgten, nicht das Opferlamm der jüdischen Prophetie, nicht der Gekreuzigte ist heute das bildende Ideal, das uns aus den Evangelien hervorleuchtet."391 Weitere eindrucksvolle Zitate von Hitler, Julius Streicher, dem Vorkämpfer gegen die Juden und gegen den „jüdischen" Geist der Bibel, Robert Wagner, Reichsstatthalter von Baden, und von Gauleiter Rube sowie der sanfte und alsbald gewalttätige Umgang Kerrls mit dem widerstrebenden preußischen Bruderrat der Bekenntniskirche belegen den totalitären, absolutistischen und dem Christentum grundfeindlichen Charakter des Nationalsozialismus.392 Kerrl verglich die wissenschaftliche Bedeutung des Nationalsozialismus mit der neuzeitlichen Veränderung des Weltbildes; „gottlos" ist nun jeder, der nicht an den Nationalsozialismus, genauer gesagt, an die Göttlichkeit der Idee Adolf Hitlers glaubt. Es ist klar, schließt Vischer, daß es sich in der nun folgenden weiter wachsenden Bedrohung der deutschen evangelischen Kirche zeigen muß, wer den Mut haben wird, dem entgegenzutreten. Wer dies tut, wird die Verheißung des Herrn haben, daß auch die Pforten der Hölle seine Gemeinde nicht überwinden werden. Am 11. Juni 1936 erhielt Vischer Redeverbot für das ganze Reichsgebiet393, ohne jedoch die Kontakte zu den deutschen Brüdern abreißen zu lassen: Er war Referent der KiHo Berlin bei einem großen Ferienkurs vom 1.-30. September 1936394; Anfang 1937 referierte er bei der Tagung der „Unständigen" (Hilfsprediger) in Schmie (bei Blaubeuren, eines der vier württembergischen Seminare) über christologische Exegese des Alten Testaments395; im Juni 1937 kam es in Doorn, Holland, zu einer theologischen Konferenz, an der E. Wolf (Halle) und Vischer für die BK und von holländischer Seite H. Berkhof, R Bijlsma, te Hellendoorn, H.J. Drost und andere teilnahmen.396
3,1
Ebd. A . a . O . 561-563. 3.3 BÖDEKER, Sommersemester, 97. - KARL BARTH erhielt Redeverbot am 1.3.1935, das Verbot, die „ T E H " herauszugeben, erging am 10. Oktober 1936; 1937 wurde ihm die Zusammenarbeit mit dem Münchener Kaiser-Verlag untersagt; im Oktober 1938 wurde der Verkauf der Schriften BARTHS in Deutschland untersagt (BUSCH, Barths Lebenslauf, 243. 273. 298. 303). 392
3.4
N e b e n V . HERNTRICH, E . OSTERLOH, H . ASMUSSEN, F. DELEKAT u n d ERNST W O L F
(SCHERFFIG, Junge Theologen II, 114). 395 Im Nachlaß in Montpellier fand sich ein Bericht über die Tagung vom 20. Mai mit einer Nachschrift von Vischers Vortrag; auf diesen wird in dieser Arbeit noch zurückzukommen sein. Erwähnt wird u. a. die Teilnahme eines „Niemöller" (wenn es Martin N. war: dieser wurde am 1.7. verhaftet). Zu Vischers Vortrag vgl. unten S. 282 f. 3% Seit dieser Zeit bestand ein reger Kontakt zwischen BK-Pastoren und einigen niederländischen Predigern (BOYENS, Kirchenkampf, 216). Siehe a. a. O. über weitere Hintergründe und Folgen; diese scheinen Vischer nicht zu betreffen. - Zum Tübinger Vortrag siehe unten S. 106 f., zum Detmolder Vortrag S. 109.
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1.8 Basel Vischer beendete sein Luganer Pfarramt bereits nach eineinhalb Jahren nicht ohne Gewissensbisse: „Was haben wir dort [in Lugano] nicht alles erlebt! W a r es recht, daß ich schon nach anderthalb Jahren diese Gemeinde verließ und d e m Ruf der St.Jakobsgemeinde in Basel folgte? Ich wurde dadurch Pfarrer in d e m Gebiet meiner V a terstadt, in d e m ich aufgewachsen war. D i e s in den Spannungen vor und in d e m Zweiten Weltkrieg." 3 9 7
Das neue Pfarramt trat er Ostern 1936 an.398 In Basel fand er nahestehende Brüder: Eduard Thurneysen war Amtsbruder am Münster, Karl Barth wohnte nur einige Häuser entfernt im StAlbanring (also in Vischers Gemeindesprengel, dort 1935-46) und hörte Vischer gerne in der alten Stjakobskirche predigen399. Auch Vischers Vater kam trotz seiner ganz anders geprägten Theologie fast jeden Sonntag den langen Weg nach St.Jakob, um seinen Sohn zu hören. Vischer ging mit Barth an Freitagen400 regelmäßig reiten: „auf dem Braunen und auf dem Schimmel über die Fluren von Muttenz und Pratteln oder in unübertrefflichem Bogengalopp durch die Waldungen der Hard sprengten [wir], von den apokalyptischen Reitern so wenigstens die Hälfte darstellend".401 Einmal, in einem Sonntagsgottesdienst, wurde Barth von der Kanzel herab mit dem Gruß aus dem wohlvertrauten Lied überrascht: „Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd! . . . " (Schiller, Wallenstein).402 Mit beiden, bes. mit Thurneysen führte er oft lange Telefongespräche zur Predigtvorbereitung.403 Auf einer Postkarte an Barth heißt es am 19.9.1939: „Ich vermisse es in diesen Tagen, dass ich mich nicht täglich mit dir austauschen 3,7 Erinnerungsheft, 6 (eigenhändig aufgesetzter Lebenslauf). Im Br. an Thurneysen vom 21.5.1935 hieß es: „Wohl habe ich der hiesigen Gemeinde versprochen, sie nicht vor fünf Jahren zu verlassen, es sei denn dass sich mir die Möglichkeit zu akademischer Tätigkeit biete. Aber Du hast recht: von St. J[akob], aus könnte ich mich habilitieren. Mein jetziger Kirchenrat würde das auch verstehen." m Wohnung in dem von der Münstergemeinde gemieteten Haus in der Hardstraße, Nr. 123 (heute ein Heim für geistig Behinderte). M BUSCH, Barths Lebenslauf, 282. 400 Nach BARTHS offenem Br. zu Vischers 60. Geb. waren es Samstage (BARTH, Offene Briefe, 360). 401 Br. BARTHS an Vischer vom 29.2.1948; BUSCH a. a. O. 284 weist auch auf einen gewagten kleingedruckten Satz BARTHS in seiner Dogmatik hin, daß „ein wirklich guter Reiter gar kein wirklich Gotdoser sein" könne (KD III/4, 400). 402 Die Ritte gaben in beider Erinnerung immer wieder Anlaß zur Sehnsucht zurück: u. a. BR. BARTHS an Vischer vom 18.3.1955; BUSCH a. a. O. - Hierüber länger in einem frz. Brief von BÖDEKER anläßl. des 90. Geburtstages Vischers (datiert 30.4.1985, Adressat n.b.). 403
N a c h d e m B e r i c h t v o n WOLFGANG AMADEUS VISCHER.
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kann." Barth am 20. vom „Bergli": „ . . . die Zeit ist ja nicht ferne, w o das des oefteren wieder geschehen kann und wird wenn es dir erlaubt wäre, du Kühner, in der Tat am Liebsten ,täglich'. Aber damit hast du über deine Befugnisse bestimmt weit hinaus gegriffen. . . . Für den Augenblick bin ich noch beschäftigt durch die Korrektur von 11,1 (Vom Eise schon wieder befreit ...!). Es wird auch wieder ein ziemlich dickes Buch und wer das rebus sie stantibus404 nun eigendich lesen soll, ist mir wie so manches Andere nicht einsichtig. Rückblickend sehe ich erst so deudich, wie viel ich in diesen Jahren von dir gelernt habe. Wenn die alttestamendichen Bezüge sich in der Weise vermehrt und verbessert haben, wie es der Fall ist, dann ist dies in erster Linie der Nähe deiner Existenz zu verdanken."
Das Verhältnis war hervorragend, und zwar auch theologisch. Deshalb darf man eine Äußerung Barths nicht absolut sehen, wie sie im Brief an Baumgartner vom 12.7.1941 vorliegt: „Hoffentlich macht Vischer in der Fortsetzung seines Buches . . . seine Sache nicht so genialisch, daß seine Bemühung um das, was dasteht, nicht wieder so verdunkelt wird, wie es in seinem ersten Bande weithin der Fall ist." Gleichzeitig (eine Woche später) lobte Barth Vischer ins Credo hinein405; 1955 heißt es unverändert: „Natürlich will ich deine Arbeit für die TheoLStudien haben. Dass ich sie - sofort, wie es sich für ein Werk von dir gehört - gelesen habe, magst du an den angebrachten Bleistiftstrichen sehen. Ich wage nicht, zu entscheiden, ob du mit deiner Deutung recht hast. Einiges hat mir mehr, Anderes weniger eingeleuchtet. Aber ich habe, was dich betrifft, schon vor Jahrzehnten das Dogma verkündigt: Helmi hat recht, auch wenn er nicht recht hat, und dabei bleibe ich."406 Vischer war in Basel der Prediger mit der größten Hörerschaft, noch vor Thurneysen und Lüthi: Die Straßenbahnverwaltung mußte eigens Züge einsetzen, um den sonntäglichen Zustrom nach Stjakob bewältigen zu können.407 Weniger leicht hatte es Vischer im Konfirmandenunterricht.408 Einmal ergab sich eine Probe für die Freundschaft zwischen Vischer und Barth: Vischer wollte eine behutsame Reform des Gottesdienstes durchführen. Es wurde nur wenig Liturgie und ein Glaubensbekenntnis eingeführt, doch in der Gemeinde regte sich Widerstand. Cullmann hörte 404
Der zweite Weltkrieg hatte gerade begonnen! Br. an Vischer vom 21.7.1941. 406 Br. an Vischer vom 18.3.1955. 407 Nach dem Bericht von O. CULLMANN im Interview am 6.1.1995. - Über dem Eingang der Kirche liest der Besucher: „Ultima latet. Unsere Seelen Gott - unsere Leiber den Feinden" (1444 war an dieser Stelle eine Schlacht gewesen, bei der die Eidgenossen gegen die Truppen des französischen Dauphin 1600 Mann verloren hatten). Die letzten Besitzungen der Habsburger in der Schweiz gingen damit verloren. Vgl. Predigt über Mt 10,28-34.38-39 am 405
27.8.1944 (Nachschriftenband Nr. 61). 408 Wie sein Sohn, den Vischer selbst konfirmierte, berichtete, wurde hier endlos Unsinn getrieben (die Konfirmanden ließen Gummi auf dem Ofen stinken etc.).
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einen sagen: „Solange der Helmi dieses Theater macht, gehe ich nicht mehr hin." Auch Barth war wütend - der Freundschaft aber scheint es nicht geschadet zu haben, auch wenn belastend hinzutrat, daß Barths Wunsch, Vischer solle Zuarbeit für die Kirchliche Dogmatik leisten, sich nicht erfüllte.409 Vischers Predigten aber fanden den Beifall Barths: „Während Thurneysen in großer Grundsätzlichkeit ,bei jedem Text Alles . . . zu sagen' suchte, wollte Vischer - ,in einem engeren Sinn als Thurneysen - in seinen Predigten die Schrift auslegen, also je das Besondere sagen, was er nun eben aus diesem und diesem Text gehört und in sich aufgenommen hat. Er war der geborene Nach-Dichter . . . mit einer erstaunlichen Fähigkeit, sich einen solchen Text sozusagen zu assimilieren, sich bis in die Stimmung und Tongebung hinein in seiner zufälligen Kontur, wie sie nun einmal ist, auf seiner Kanzel zu Wort kommen zu lassen'."410 Also kein monotones Christuszeugnis! War Vischers Stärke nach Barth vor allem die originalgetreue Aufnahme und Wiedergabe eines Predigttextes, so lag die Stärke des neben Thurneysen und Vischer dritten damals hervorragenden Basler Predigers, Walter Lüthi, speziell im „Anwenden", und zwar in „exemplarischer Gestalt guter schweizerisch-reformierter Theologie". So wünschte Barth, der bisweilen Thurneysen oder Vischer vertrat, man könnte Vischer und Lüthi in Personalunion haben.411 Thurneysen war nach dem Eindruck von Vischers Tochter Sonja der viel ernstere, mit dem nicht so gut Kirschen essen war wie mit Barth, der immer wieder einen Witz auf Lager hatte. War Barth ein Mann der Universität, so sei Vischer viel eher ein Mann der Gemeinde, nicht mit vier Wänden und vielen Büchern, sondern mit Liebe zu Predigt und Poesie, Gemeindearbeit, Natur und zum Gespräch im kleinen Seminar. Wären diese Bedingungen nicht in Montpellier erfüllt gewesen, so wäre er sicher nicht dorthin gewechselt. Der Blick in die umfangreiche Bibliographie aber bestätigt eher die Darstellung seines ältesten Sohnes, daß sein Vater selten anderswo als im Studierzimmer anzutreffen war. Oft bat man ihn um schriftliche Fassungen seiner freien Predigten, die sich Vischer im nachhinein nur mühsam abrang. Eine Gemeindehelferin sah diese Not und begann mit Predigtmitschriften. Maschinenschriftlich liegen mir zwei Bände mit Predigtnachschriften aus der Zeit von Februar 1942 bis August 1945 vor; ferner finden sich im Nachlaß stapelweise handschriftliche Predigtentwürfe. Eine Auswahl von Predigten aus dem Kirchenjahr 1942/43 ist veröffentlicht als „Psalmen ausgelegt für die Gemeinde" (Basel 1944), wobei Vischer im Vorwort betont, sie seien weder für den Druck bestimmt noch für diesen Zweck überarbeitet worden. Laut 409 410 411
So B ö D E K E R im Interview am 6.10.1995. BUSCH, Barths Lebenslauf, 282. A . a . O . 282f.
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Vorwort folgt dieser Druck den Aufzeichnungen von Fräulein Clara Barth412. Uberhaupt fiel Vischer das Schreiben schwerer als das Predigen und das Diskutieren im Seminar, weshalb insgesamt vor allem kurze Aufsätze und nur wenige Bücher entstanden (s. Literaturverzeichnis). Immerhin schrieb er in Basel sein längstes Buch: den Band II des „Christuszeugnisses des Alten Testaments", 1942, 570 S. Als Vischer in die deutsche Schweiz zurückkehrte, hatten gerade die Arbeiten am neuen Schweizer Gesangbuch begonnen. Vischer nahm die Aufforderung der Kirchenleitung ernst und forschte in der Geschichte des evangelischen Kirchenliedes. Bei der Ubersetzung von Psalmen in Verse bewies er hohe künstlerische Befähigung, weshalb fünf seiner Lieder 1952 in das neue Schweizerische Gesangbuch aufgenommen wurden. Seine Arbeit an Psalmen ist homiletisch zusammengefaßt in dem kleinen Predigtband „Psalmen ausgelegt für die Gemeinde", Basel 1944, 201 S., musikalisch in der 1944-46 erfolgten Ausgabe „Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder der Christenheit". 413 In Basel war er eine Zeitlang Mitglied im Kirchenmusikensemble der Schola Cantorum Basiliensis (Dir. Paul Sacher), wo viel Gregorianik gesungen wurde. 414 Im Rahmen dieses „Lehrund Forschungsinstitutes für alte Musik" hielt er Ende Oktober 1946 mit Ina Lohr, Holländerin und Mitbegründerin der Schola, ein Wochenende über „Luthers Katechismuslieder in verschiedenen Sätzen" ab. Am 2.12.1946 hielt er in der Basler Münstergemeinde einen Vortrag über „Die Psalmen Israels als Lieder der Kirche".415 Neben der Gemeindetätigkeit war Vischer Privatdozent der Universität Basel. Sein Auftritt bei der Antrittsvorlesung am 27. Januar 1937 war fulminant; er behandelte - wieder das Buch Esther. Der Augen- und Ohrenzeuge Scherffig berichtet: „Abgesehen davon, daß solche großen Antritts- oder Habilitationsvorlesungen einen Treffpunkt für die Baseler gebildete Welt darstellen, war es in diesem Falle auch ein gewisses Bekenntnis zu dem, was Vischer innerhalb der alttesta-
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11.4.1907-20.12.1994. Der Urgroßvater von CLARA BARTH war gleichzeitig der Groß-
v a t e r v o n KARL BARTH ( A u s k u n f t v o n W . A . VISCHER i m B r . v o m 2 2 . 4 . 1 9 9 5 a n m i c h ) . 413 Genau: Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder der Christenheit, neu bearbeitet von Wilhelm Vischer, mehrstimmig gesetzt von Ina Lohr, Trudi Sutter und Lili Wieruszowski. Acht Hefte von Advent 1944 bis Sommer 1946, Zwingli-Verlag Zürich; KOCH, Einsichten, 266. 414 Vgl. BONHOEFFER: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen" (zit. nach KOCH a. a. O.). 415 Vischer schickte BARTH die Einladungskarte am 27.11.1946. Mir ist leider kein Manuskript bekannt. - Am 30. April 1995 wurde aus Anlaß des 100. Geburtstages Vischers in Basel-St. Paulus ein Erinnerungsgottesdienst gefeiert, in dem seine Lieddichtungen im Mittelpunkt standen (Br. von W. A. VISCHER vom 2.6.1995 an mich).
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mentlichen Welt leistet, wenn man erschien und sich von ihm etwas über die Christusbeziehung des Buches Esther erzählen ließ. Die Vorlesung war, das werden selbst seine Gegner zugeben müssen, ein Genuß, was Vortrag und Darstellung angeht. Im Inhaltlichen hat er es verstanden, in aller Kürze zu zeigen, wie in diesem so vielgeschmähten Buch ganz Entscheidendes gesagt wird über Fragen, die gerade uns heute stark bewegen. Der Vortrag erscheint in der ,Theologischen Existenz heute' in den nächsten Tagen. Du mußt ihn unbedingt einmal lesen; ich werde ihn nach Marburg mitbringen."416 Der Vortrag erschien als Heft 48 dieser Schriftenreihe unter dem schlichten Titel: Wilhelm VIscher, Esther. Die Brisanz des Heftes blieb der Gestapo verborgen, es konnte in Deutschland ungehindert ausgeliefert werden.417 Das Schlußwort, in dem er den politischen Charakter der Judenfrage hervorhob, „war wie eine Prophetie auf künftige Ereignisse"418: „Die Geschichte der Juden ist der rote Faden der Weltgeschichte. Das dürfte einem Rückblick auf die nunmehr bald zwei Jahrtausende chrisdicher Weltgeschichte nicht ganz verborgen bleiben. Völker sind hochgekommen und wieder untergegangen, die Juden aber sind geblieben. Und mehr als einmal, wenn es in einer Epoche ums Letzte ging, dann ist das Buch Esther aktuell geworden. Die verschiedenen, mit größter Leidenschaft unternommenen Versuche, die Juden auszutilgen, haben noch immer das Gegenteil bewirkt, nämlich daß die Juden, die sich an die Welt verloren hatten, nun sich selber wiederfanden. . . . So oft auch Gott das untreue Volk seiner Wahl den Völkern preisgab, es zu schänden, so geschah doch immer wieder das Wunder, daß er sich einen Rest bewahrte. Es wurde immer wieder etwas sichtbar von dem Geheimnis, das nach dem letzten Lied des Mose (5. Mose 32,34 ff.) Gott bei sich selbst aufgespeichert und in seinen Schatzkammern versiegelt hat: ,Mein ist die Rache. Ich vergelte.' ,Es wird der Herr sein Volk verwalten und über seine Knechte sich erbarmen.' Die Kirche Christi, die um dieses Geheimnis weiß, muß es auch bekennen und in Buße und Glauben die große Möglichkeit zur Lösung der Judenfrage ergreifen, daß nämlich die Fülle der Heiden in den Christusbund eingehen darf und dadurch das auserwählte Volk eifersüchtig gemacht wird. Wie soll die Judenschaft eifersüchtig werden auf eine Christenheit, die gar nicht christlich ist? So ist die Judenfrage die Christenfrage, so gewiß wie Jesus Christus der Erfüller der Verheißung des Buches Esther ist."419
416
SCHERFFIG, Junge Theologen II, 138 (Selbstzitat aus einem Brief). Ebd. und Br. v. W. SCHERFFIG an mich vom 20.5.1996. 418 SCHERFFIG, Junge Theologen II, 139. U m eine andere „prophetische Stimme" (bereits aus dem Jahr 1931) zu erwähnen, sei auf KARWEHL, Politisches Messiastum, 536 verwiesen: „Das jüdische Volk ist das Volk unter dem Feuer Gottes, ist der brennende Dombusch. Wer den anfaßt, wird sich die Finger zerreißen und verbrennen. . . . Gott läßt sich nicht spotten. Jeder Versuch, den Dornbusch auszureißen, muß zur Katastrophe führen. . . . Die Lösung der Judenfrage kann nur darin bestehen, daß beide, der Jude und der Arier, zur Kirche Jesu Christi erwachen." 419 Esther, 1937, 28 f. (Hervorh. örig.). 417
Basel
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Die Vorlesung war provozierend, denn Vischer behauptete, das Estherbuch enthalte ein „heilsnotwendiges Christuszeugnis": „Es ist doch einfach so, daß im Prozeß Jesu die Juden mit letzter Leidenschaft das Gleiche durchsetzen wie die Juden im Estherbuch, und der Statthalter des römischen Kaisers so, daß es die Juden zu spät merken, eben das Ziel erreicht, das dem Judenfeind am Hofe des Perserkönigs vorschwebte. Der fanatische Selbsterhaltungswille der Juden, der die Esthererzählung beseelt, feiert im Prozeß gegen Jesus seinen Triumph und läuft eben damit dem Vertreter der Weltmacht in die Schlinge. Das ist der vollendete Gegensatz zu dem im Leben und Sterben Jesu geoffenbarten Willen Gottes. Wenn das so ist, müssen wir dann nicht sagen, daß das Estherbuch und das Evangelium in unvereinbarem Gegensatz stehen? Ja, und trotzdem ergibt sich die Erkenntnis der unauflöslichen Beziehung der beiden zueinander. Der Heilige Geist hat das Evangelium dadurch unauflöslich mit dem Estherbuche verbunden, daß er zeigt, wie Gott seinen Sohn als den Heiland der Welt dadurch legitimiert, daß er ihn durch die Juden für die Juden und durch die Heiden für die Heiden sterben läßt."420 „In diesem einander Entsprechen und voneinander Unterschiedensein der Geschehnisse und Worte des Estherbuches und der Geschehnisse und Worte des Evangeliums erkennen wir die Eigenart der Beziehung des Alten zum Neuen Testament, der Beziehung von Verheißung und Erfüllung. In dieser Weise bietet das Estherbuch als Teil der kirchlichen Bibel ein heilsnotwendiges Christuszeugnis dar. Es sagt aus: der nach Gottesratschluß [sie] durch die Juden gemeinsam mit den Heiden gekreuzigte Christus Jesus ist Gottes Lösung der Judenfrage als der Frage, die er mit der Auserwählung Israels gestellt hat und nur er selbst beantworten kann."421 Der Sieg Jesu in der Auferstehung hat seine Vorzeichen in den von Gott gegebenen Siegen Israels. Doch „müssen wir bedenken, daß diese ganze Siegeslinie des Alten Testaments durch den Tod Jesu gebrochen ist und daß alle Verwirklichungen und Wünsche, die im Alten Testament auf dieser Siegeslinie liegen, mit Jesus begraben sind. Aber ebenso gewiß ist, daß die Auferstehung Jesu die herrliche Erfüllung aller Siegesverheißungen verbürgt. Diese Erfüllung geht weit über den Rahmen von Israel-Juda hinaus. Seit Pfingsten wird das heilige Volk des Höchsten aus allen Völkern aufgerufen und gesammelt. Wenn jetzt die großen Reichsverheißungen des Alten Testaments auf die Christusgläubigen aus den Völkern übertragen werden, so liegt die Auffassung nahe, jede Besonderheit und Auszeichnung von Israel-Juda sei damit hinfällig geworden. . . . Dem entsprechen aber die neutestamendichen Aussagen keineswegs."422 Wohl haben die Juden jeden Rechtsanspruch, „weiterhin das auserwählte Gottesvolk zu sein, restlos verloren". Aber Gott erhält sich in seiner Gnade 420 421 422
A . a . O . 21. A . a . O . 23f. A. a. O. 25.
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Biographie und theologischer Weg
einen Rest, „der weder durch Emanzipation noch durch Assimilation in den Völkern aufgehen, noch durch pharaonische oder hamanische Maßnahmen ausgerottet werden kann. Darum ist die Judenfrage eine offene Wunde am Leibe der Menschheit und für Gottes Herz, die sich erst dann ganz schließt, wenn die Juden in völliger Umkehr glauben und bekennen, daß Gott Jesus, den sie den Heiden zur Kreuzigung übergeben haben, zum Christus und Herrn gemacht hat. Dann kommen die Zeiten der Erquickung vom Angesicht des Herrn, wo Gott den zuerst und zuletzt Israel bestimmten Christus Jesus in Herrlichkeit wiedersenden wird .. ,"423 Diese Einsichten stießen jenseits der Bekennenden Kirche an verschlossene Türen; aber selbst in ihr gab es wenig Resonanz. Weithin wurde es dem Nihilisten Hitler überlassen „zu sagen, daß die Judenfrage der Schlüssel zur Weltgeschichte sei. Wäre es nicht eine vollmächtige Antwort auf die Lüge des , Dritten Reichs' gewesen, wenn wir Hitler diesen Schlüssel mit dem Evangelium und gerade mit diesem , seltsamen' Buch Esther entwunden hätten?"424 Immerhin nannte Barth Vischer auf den Vortrag hin einen Mann von einer „außerordentlichen Gnade".425 Viel Resonanz hatten Vischer und Barth in Tübingen, wo es eine größere Anzahl von Studenten der Bekennenden Kirche gab, die weder theologisch noch kirchlich den Konflikt mit der Fakultät scheuten. Sie brachten u. a. mit ihren Vortragsabenden Bewegung in die ruhige Tübinger Atmosphäre. Im Wintersemester 1936/37 waren neben anderen Helmut Gollwitzer, Martin Fischer und Hans Asmussen eingeladen. Letzterer referierte am 23. Januar 1937 über „Die verpflichtende Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung". Durch diesen Vortrag wurde zum einen die im Kirchenkampf ständig strittige Frage der natürlichen Gotteserkenntnis beleuchtet; zum anderen, so Asmussen, sei von Barmen her über „die Auslegung des Alten Testaments zu reden, da hier in unserer Zeit Entscheidungen gefordert sind". Das veranlaßte die BK-Obleute, kompetente Redner zu diesen Fragen einzuladen: Heinrich Schlier und Wilhelm Vischer. Letzterer konnte trotz seines Redeverbots426 bereits am 4. Februar ungehindert erscheinen und sprach über „sein" Thema: „Das Christuszeugnis des Alten Testaments". Eigentlich war wohl nur ein Vortrag ohne Diskussion geplant. Prof. Karl Fezer, dem Vischer schon in Bethel begegnet war, organisierte aber ein großes Forum für eine Diskussion, in der er die wissenschaftliche Unhaltbarkeit von Vischers Thesen beweisen wollte: eine Sondersitzung des homiletischen Proseminars. Wegen der zu erwartenden
423
A . a . O . 26. Vischer verweist auf Apg 3,19 ff.; M t 23,38 f. SCHERFFIG a . a . O . 139; vgl. Vischer, Der Judenstaat „Israel", Predigt über Apg 3 und Rom 11,15, in: Basler Predigten 13, N r . 2 / J u n i 1949, 9. 424
425
B r . a n K . IMMER v o m 2 7 . 2 . 1 9 3 7 ( B a r t h - A r c h i v ) .
426
Siehe oben S. 99. WLSCHNATH, Baselfahrt, 148.
107
Basel
g r o ß e n T e i l n e h m e r z a h l f a n d sie i m S a a l d e s D C S V - H a u s e s ( d e m h e u t i g e n S c h l a t t e r - H a u s ) statt. D e n V o r t r a g V i s c h e r s h ö r t e f a s t d i e g e s a m t e T h e o logiestudentenschaft: etwa 450 Studenten427; an der folgenden über dreis t ü n d i g e n A u s s p r a c h e n a h m e n ca.
150-200
Studenten und
Professoren
teil. 4 2 8 V i s c h e r h a t t e G e l e g e n h e i t , s e i n e G r u n d g e d a n k e n a u s f ü h r l i c h v o r z u t r a g e n u n d S c h l o ß m i t d e m S p i t z e n s a t z : „Jesus alttestamentlichen sondern
Schriften.
derpnmäre
Sinn.
Nicht
ein Sinn,
Christus
ist der
Sinn
den wir erst hineinzulegen
der hätten,
D e r E i n w a n d der Kritiker, d a w e r d e allegorisiert
u n d e i n g e l e g t , sei u n b e g r ü n d e t , i m G e g e n t e i l : Was man heute Jur die
allein
erlaubte
Lesen
mehr,
wissenschaftliche sondern
Historisieren Zeit
ein
Exegese
Zerreißen
. . . und schließlich
des Α Τ hält,
und
Zerschneiden
ein
Verstehen
das ist kein nach
allen
wirkliches Richtungen,
des Α Τ aus dem
Geist
ein unserer
heraus."™
In d e r A u s s p r a c h e m e l d e t e sich F e z e r w i e d e r h o l t u n d b e t o n t e , für die Predigtvorbereitung
sei b e i
einem
alttestamentlichen
Text
die
genaue
Kenntnis der historischen Situation entscheidend, nur so k ö n n e m a n d e n T e x t a u c h zeitnah
v e r k ü n d i g e n . E s sei n i c h t m ö g l i c h z u s a g e n , A r n o s h a b e
Christus bezeugt.430 Vischer ging umgekehrt den W e g v o m neutestamentlichen Z e u g n i s aus b z w . v o m Bekenntnis d e s Petrus: „ D u bist Christus, des lebendigen G o t t e s Sohn". Vischer: „ N u r mit d e m H i n w e i s auf das Alte T e s t a m e n t ist e s m ö g l i c h , z u v e r k ü n d i g e n , J e s u s sei d e r C h r i s t u s . C h r i s t u s
427
A . a . O . 146. So der Bericht von HEINRICH LÜCKE, wiedergegeben bei SCHERFFIG, Junge Theologen II, 273. 429 WlSCHNATH, Baselfahrt, 146 (der kursive Text ist Zitat aus einer Nachschrift ohne Autorangabe). WlSCHNATH gibt dokumentarisch einen Bericht von WILHELM EPTING wieder ( a . a . O . 181-185, hier S. 184): „Am Donnerstag war Vischer da zu einer Aussprache mit Fezer. Unser großer Saal war übervoll. Bis nachts gegen 1 Uhr ging die Diskussion. Vischer konnte, dafür bin ich besonders dankbar, wirklich seine Sache entwickeln, und er hat in seiner menschlich vornehmen und schlichten Art, aber auch in seiner guten Wissenschaftlichkeit, Viele für die gute Sache gewonnen und zumindest nachdenklich gemacht Er hat zuerst einiges Grundsätzliche gesagt und dann von 3 vorgelegten Schriftstellen Arnos 5 ausgelegt Wenn er auch gar nichts wesentlich dazu zu sagen hätte, meinte Vischer, sei uns doch die Frage von der Bibel selbst aufgegeben. An der Fezerschen Betonung , Hasset das Böse und liebet das Gute' und dem ,Ulai iachanan' Vischers (Johannes der Täufer ist Arnos noch einmal), aber auch an der Frage des expliziten Christuszeugnisses oder wegen der 760 Jahre des nur impliziten trat der Unterschied hervor, der schließlich auf einen, wie ich annehmen würde, nicht unerheblichen christologischen Zwiespalt weisen würde, wie ich es verstehe, ob das Hauptziel der Bibel das Tun und Christus der Motor dazu ist, oder aber ob Christus und sein Werk der zuerst einmal gelten zu lassende, zwecklose Inhalt der Schrift ist Vischer hat schließlich fragend Nicäa aufgeworfen. Ich bin dankbar, daß auch ein Vischer sich hier nicht zurechtfindet und eher betrübt ist. Es war ein feiner Abend. Am Freitag wollen Fezer und Heim sich über , Gottes Gerechtigkeit' aussprechen, am Samstag hoffen wir auf Schlier. Wenn nur ein paar Seelen aus der bürgerlichen Ruhe und Erhabenheit über alle .dogmatischen Theorien' aufgeschreckt werden, ist viel gewonnen." 428
430
WlSCHNATH, Baselfahrt, 147, vgl. Dokumentation S. 186 f.
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Biographie und theologischer Weg
ist ja nicht irgendein Wort, dem man einen beliebigen Sinn geben könnte. Christus ist eben das Haupt, der Haupt-Mann des alttestamentlichen Bundesvolkes, der von Gott selber Gesalbte, der, in dem all die Geschichten, die da erzählt werden, wahr sind, der Anfänger und Vollender, der König, der Priester und der Prophet. Es ist alles ein Volk ohne Kopf, wenn er nicht da ist." Gab es einen Sieger des Disputs? Mag sich Fezer als solchen gefühlt haben, so war das eine Fehleinschätzung. Fezers Position, so empfanden es viele Teilnehmer, wurde durch seine robusten, ja unfairen Angriffe eher geschwächt. Heinrich Lücke resümierte in seinem Semesterbericht: „Zu einem eigentlichen Ergebnis kam man in der dreieinhalbstündigen Debatte nicht, aber das Anliegen Vischers war klarer geworden. Es war ein bedeutendes Erlebnis und für viele eine Befreiung vom Druck der vielen Vorwürfe, die in den Seminaren über alle Andersdenkenden herunterprasselten."431 „Noch heute rechnen damalige Teilnehmer diesen Abend zu den ganz großen Erlebnissen ihrer Studienzeit."432 Gestellt war die theologische Frage des Alten Testaments, der, so Vischers Vorwurf, historisch-kritisch arbeitende Forscher immer wieder auszuweichen suchten. Stellt man die doppelseitige Bindung zwischen Neuem und Altem Testament in Frage, so wird die Verbindlichkeit der (spez. alttestamentlichen) Texte für den christlichen Glauben bezweifelt; das Alte Testament „wird nur noch interpretiert als Beispiel für die Geschichte eines Volkes mit seinem Gott. Damit aber ist Tor und Tür geöffnet, daß andere Völker an diesem , Beispiel' die Interpretation ihrer eigenen Geschichte, ihres von Gott gegebenen ,Volksnomos', entdecken konnten.433 Diese Versuchung war damals größer und folgenreicher als die glatte Verwerfung des Alten Testaments durch die radikalen DC, weil es das Bekenntnis zu Jesus aus der gesamten Heilsgeschichte Gottes herauslöste. Das praktische Ergebnis dieser heißen Diskussion . . . war eine Einladung Vischers an die Studenten, im Anschluß an das Semester nach Basel zu kommen."434 Er besorgte auch die Privatquatiere; von Tübingen aus wurde die Fahrt von vier oder fünf Studenten organisiert. Die Fahrt wurde von 36 BK-Studenten realisiert (vom 22.-26. Februar 1937). Sie reisten aus Vorsicht nicht gemeinsam und vermieden tunlichst politische und kirchenpolitische Gespräche. Noch am Anreisetag besuchten sie die Vorlesung Barths; dann gab es unter anderem offene Abende bei Karl Ludwig Schmidt, Eduard Thur431
A . a . O . 148; auch bei SCHERFFIG, Junge Theologen II, 273.
432
W I S C H N A T H a . a. O .
433
148.
Man denke etwa an die Parallelen, die die D.C. aus dem Buch Nehemia auf Volk und Führer zogen (NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 80 f.)! 434 SCHERFFIG a. a. O. 273 f. Eine Woche später hielt H. SCHLIER seinen Vortrag „Über die Erkenntnis Gottes bei den Heiden", der schon 1935 in der „Evangelischen Theologie" (2, 1935, 9 ff.) erschienen war.
Basel
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neysen, Karl Barth und am letzten Abend (25.2.) bei Wilhelm Vischer. Hier ging es in Barths Anwesenheit wieder um Grundfragen seiner christologischen Auslegung des Alten Testaments.435 „An allen Abenden ging es um das große Thema des zurückliegenden Semesters, um die Chnstusoffenbarung in aller Theologie."436
Die Basel-Fahrer mußten in Deutschland ein übles Nachspiel erleben: man warf ihnen die „nationale Instinktlosigkeit" vor, zu einem Staatsfeind (Karl Barth) gefahren zu sein. Sie wurden mehrfach vernommen, kamen aber schließlich, wenn auch nunmehr aktenkundig, nach Verhören relativ glimpflich davon.437 Vischers Thema und Thesen ließ Studenten und Dozenten nicht mehr los. Damit die Impulse Vischers verarbeitet werden konnten, hielt Karl Heim im folgenden Sommersemester ein systematisches Hauptseminar über „Das Verhältnis von Altem und Neuem Testament". Nach Ausweis der Protokolle wurden in erster Linie die Ansätze von Vischer und Hirsch diskutiert438: „Die Diskussion über Vischers Buch ,Das Christuszeugnis des A T wurde auf die eine Frage hinausgeführt: Kann man die Einheit der beiden Testamente historisch ermitteln, oder ist dies nur dem Glauben durch den heiligen Geist möglich? Noch schärfer: Haben die at.lichen Schriftsteller und die geschilderten Personen gewußt, daß ihr Reden und Handeln sich auf Christus beziehe? Wenn Vischer ζ. B. den Engel, der mit Jakob ringt, auf Christus deutet, würde die Frage lauten: wußte das Jakob?"439 Solchen Fragen ist unten in den Teilen 2 und 3 nachzugehen. Wieder unter Mißachtung seines Redeverbots konnte man Vischer noch im Juni 1939 bei Vorträgen im Diakonissenmutterhaus Detmold antreffen. Unverändert heiter und der Kirche Jesu Christi auch im verfinsterten Deutschland zugetan trat er dort auf; auch nach dem Krieg kannte er kein Gefühl der Verletzung gegenüber Bethel oder von Bodelschwingh.440 435
WLSCHNATH, Baselfahrt, 151.
436
A . a . O . 150 (der kursive Text ist Zitat aus einem Brief von GERHARD FLIEDNER vom
6.7.1989). 437
Hierüber vor allem WISCHNATH, Baselfahrt, 154-173. - Vielleicht bildet dies den Zusammenhang für folg. Brief von W. GRIMBEL (?) an Vischer (datiert Nagold, den 21. März 1939): „Wie uns, so wird es auch gewiß Sie erheitern, vom folgenden Schreiben des Herrn Landrates in Calw Kenntnis zu nehmen: ,Auf Ihre Anfrage habe ich Ihnen mitzuteilen, daß bei der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Stuttgart, ein Pfarrer Vischer weder gesucht noch bekannt ist.' In herzlicher Verbundenheit gedenke ich Ihres Dienstes, den der Herr Frucht schaffen lasse." 438 Mir liegen die Protokolle vor (kopiert aus dem Nachlaß in Montpellier). 439 A. a. O. 8. 440 BÖDEKER a .a .Ο. 134 = Bethel Heft 30, 1985, 98; ebenso Br. von MICHAELIS „An den Lehrkörper der Kirchlichen Hochschule in Bethel", z.Hd. G. RUHBACH vom 30.5.1989, S. 2 ( g e g e n H . BRAUN) u n d Br. v o n BÖDEKER v o m 2 8 . 6 . 1 9 8 9 an G . RUHBACH u n d v o m 2 4 . 9 . 1 9 9 5
an mich.
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Biographie und theologischer Weg
Das Verbot der Betheler Lehrtätigkeit und des Redeverbots Vischers setzte sich in der allgemeinen Einschränkung der theologischen Aktivitäten der Bekennenden Kirche fort. Für den Nationalsozialismus war allein die Existenz einer freien Theologischen Schule in Bethel eine zu große Herausforderung. Sie wurde am 23. März 1939 geschlossen441 und mußte es den Studenten überlassen, wie sie die Abschiedsbitte von Georg Merz, nicht aufzugeben, verwirklichen sollte.442 Die Auslegung des Alten Testaments hörte bei aller Gemeindearbeit nicht auf; Vischer arbeitete als Privatdozent kontinuierlich daran weiter. Die erste Vorlesung hielt er im Sommer über das „Christuszeugnis der Propheten"443, die letzte im Sommer 1946 über das Hohelied. Wegen der Arbeit am Gesangbuch und starker Beanspruchung durch die Gemeinde war Vischer im Sommer 1941 und im Winter 1942/43 beurlaubt.444 Angesichts der Größe seiner Gemeinde (ca. 4000 Glieder) fiel es auch in Basel nicht leicht, intensiv theologisch zu arbeiten. Allerdings ist die Menge der Veröffentlichungen, Vorträge und gedruckten Predigten beachtlich (siehe Literaturverzeichnis). Die an der Fakultät behandelten Themen445 wurden weitaus nicht alle veröffentlicht; leider sind mir keine erhaltenen Manuskripte oder Nachschriften bekannt. Diese wären bes. zu Hesekiel und zu einigen kleineren Propheten, zu denen Vischer sonst nichts publiziert hat, 441 RUHBACH, Herausforderung, 13 (auch über den dehnbaren Artikel 24 des Parteiprogramms der NSDAP). - Ab 1942 wurde die Liquidierung der gesamten Anstalten nach dem „Endsieg" vorbereitet (BENAD, Geschichte Bethels, 5). - Vgl. briefl.Dokumente von 1939 zur Auflösung der Theologischen Schule in: RUHBACH (Hg.), Kirchliche Hochschule Bethel
1905-1980, 442
196-199.
SCHERFFIG, Junge Theologen II, 1990, 247. 443 Das gleiche Thema hat Vischer an einer „Bibelschule Basel", also wohl von der Basler Mission, unterrichtet, sicherlich im gleichen Jahr; mir liegt davon ein Manuskript (wohl einer Nachschrift) vor. 444 Br. von W . A . VISCHER vom 30.9.1994. Vgl. MICHAELIS, Fall Vischer, 61; BOUTHER, Invitation, 11. 445 Die Basler Vorlesungsverzeichnisse der betreffenden Jahre weisen folgende Lehrveranstaltungen Vischers in Basel aus: Sommersemester 1937: Das Christuszeugnis der Propheten, 2.Teil, 2st; Wintersemester 1937/38 und Sommersemester 1938: Exegese der Königsbücher, 2sL; Wintersemester 1937/38: Ausgewählte Kapitel aus Jesaja I, 2st.; SS 1939: Erklärung von Jesaja 40-55, 2st.; Wintersemester 1939/40: Erklärung von Jesaja II (Fortsetzung) und III, 2st.; Sommersemester 1940: Erklärung des Propheten Jeremia, 3st; Wintersemester 1940/41: Erklärung des Propheten Hesekiel, 2st.; Wintersemester 1941/42: Auslegung von Haggai und Sacharja, 2sL; Sommersemester 1942: Erklärung von Nahum, Habakuk, Zephanja, 2st.; Sommersemester 1943: Exegese von Joel, Obadja, Jona, Maleachi, 2 s t sowie Exegese du prophete Ezechiel, 2st. (nach persönlicher Anmeldung und gratis); Wintersemester 1943/44: Exegese von Hosea, Arnos und Micha, 2 s t ; Sommersemester 1944: Exegese von Jes 40-55, 2st.; Wintersemester 1944/45: Erklärung des Propheten Hesekiel, 2st; Sommersemester 1945: Erklärung des Prediger Salomo 2st; Wintersemester 1945/46 und Sommersemester 1946: Erklärung des Hohenliedes, 2 s t Für das Wintersemester 1946/47 findet sich der Eintrag „Wird nicht lesen".
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von Interesse. Es besteht kein Zweifel, daß Vischer aufgrund der Vorarbeiten - die Arbeit über Tora und Deuterojesaja war praktisch beendet in der Lage gewesen wäre, den dritten Band des Christuszeugnisses über die Hinteren Propheten zu schreiben. Er sah aber hier nicht mehr seine Aufgabe, trotz des ihm unangenehmen Drängens vieler Freunde. Er mochte das von ihm Gedruckte nicht gern lesen und verwarf es schnell wieder. So ist die Vermutung von W. A. Vischer realistisch, daß er seinen Ansatz zum , Christuszeugnis Jesajas' nach Ablehnung durch einen Verlag 1959 im Papierkorb beerdigte. Auszuschließen ist dagegen meines Erachtens die Annahme, ein dritter Band sei deshalb nicht mehr erschienen, weil sich Vischer des Christuszeugnisses des Alten Testaments nicht mehr gewiß gewesen sei. In seinem theologischen Weg ist insgesamt große Konstanz festzustellen (vgl. unten 2.2). Ein Grund für das Ausbleiben des dritten Bandes liegt sicher auch darin, daß die akademische Resonanz fast durchgehend negativ war (vgl. unten 2.5.6).446 Seine Vorlesungen waren bei den Studenten sehr beliebt. Vischer suchte die Diskussion mit ihnen. In seinem Haus wohnten unter anderem, gleich zu Beginn seiner Basler Zeit, die beiden deutschen Stipendiaten des „Schweizerischen Hilfswerkes für die Bekennende Kirche in Deutschland"447, cand.theol. Ochsenkopf und Wolfgang Scherffig.448 Bes. die deutschen Studenten diskutierten mit größerer Leidenschaft als ihre Kommilitonen aus der Schweiz, Ungarn oder anderswoher.449 Weniger freundlich war die Aufnahme dagegen bei seinen Fachkollegen vom Alten Testament (zur Diskussion vgl. unten Teil 2.5.6): Baumgartner, ein Schüler Gunkels und Freund Bultmanns, und Eichrodt, der 1928 bis 1937 dem Komitee des „Vereins der Freunde Israels" angehörte450, waren mit dem „Christuszeugnis" gar nicht einverstanden.451 446 Als Vischer von H. O. KÜHNER freudig darauf angesprochen wurde, daß auch G. v. RAD einen Beitrag zur Festschrift für Vischer leisten wollte, sagte er ihm: „Ach, weißt du, meine Kollegen, die Alttestamentler, halten mich im Grunde für einen Hofnarren." 447 Entstanden durch Initiative des Appenzeller Pfarrer PAUL VOGT in Gemeinschaft mit KARL BARTH, Vischer u.a., konstituiert am 5.1.1938; Ziel war, durch Vorträge (Wipkinger Tagungen) und Schriften in Schweizer Gemeinden für die Bedeutung des deutschen Kirchenkampfes Verständnis zu wecken. Während des Krieges kämpfte der Kreis für die Aufnahme von Juden (SCHERFFIG, Junge Theologen III, 64 Anm. 125 mit Lit.). 448 SCHERFFIG, Junge Theologen II, 119. 449 A.a.O. 135. SCHERFFIG in einem Br. vom 4.11.1936: „Beim Fakultätseröffnungsabend haben wir mit ihm selbst über die sog. ,christologische Auslegung' des AT diskutiert. Er fühlt sich von seinen Gegnern völlig mißverstanden; wieweit das stimmt, darüber bin ich mir noch nicht im klaren. .Leichtfertig' [ein Vorwurf Bultmanns] ist Vischers Buch bestimmt nicht. Vischer weiß sehr gut, was er will. Nur hätte er statt eines solchen Buches, das die Dinge nur in großen Zügen behandelt, einmal einen streng wissenschaftlichen Kommentar schreiben sollen" (ebd.). 450
WILLI, Geschichte, 45.
451
Zur Charakteristik der Dozentenschaft siehe BUSCH, Barths Lebenslauf, 281 f.
112
Biographie und theologischer Weg
Das praktische und nicht nur theoretische Interesse Vischers am Judentum und seiner Erhaltung dokumentiert sich darin, daß er 1936 Komiteemitglied und ab 1937 Präsident des Vereins der Freunde Israels452 in Basel wurde. Die karitative Tätigkeit dieses Vereins mußte am 6. Januar 1938 für das ganze Reichsgebiet wegen Verbots vom 24. November 1937 eingestellt werden453, weil er sich an der Judenmission beteiligte454. Auch Vischers Mitarbeit fand kein organisches Ende: Der Verein hatte den Plan, sein 107. Jahresfest im Zusammenhang des Festes der Basler Mission durchzuführen, wohl um gerade deren deutsche Gäste auf die aktuellen Aufgaben des Vereins aufmerksam zu machen.455 Im Protokoll des Vereins vom 16.Juni 1938 heißt es: „Das Basler Heidenmissionskomitee ist bestürzt durch die Nachricht, daß Herr Prof. Barth unser Festredner sein soll; dadurch könnte die ganze Missionsarbeit gefährdet, resp.unmöglich gemacht werden, die deutschen Festgäste kämen in Verlegenheit... Selbstverständlich sei es keine persönliche Geringschätzung oder eine persönliche Note gegen Herrn Prof. Barth . . . Es wird beschlossen (sc. auf Drängen des damals in Basel lehrenden Prof. A. Köberle), dem Wunsch der Basler Mission entgegenzukommen und Herrn Prof. D. Barth zu bitten, zurückzutreten als Festredner." Die Jahresfeier des Vereins wurde am 28. Juni 1938 ohne jene Rede durchgeführt. Die Basler Mission, in der württembergische „Missionsfreunde" und deutsch-national gesinnte Basler großen Einfluß besaßen456, hatte also beim Missionsfest die traditionelle Veranstaltung über die Verkündigung des Evangeliums unter den Juden ausfallen lassen, um Deutschen das Kommen zu erleichtern, die so hinterher keine Repressalien fürchten müßten. Das Komitee der Freunde Israels hatte diese Bedenken verstanden und einmütig entschieden, seine Veranstaltung im Programm zu streichen, obwohl in diesem Jahr eine Predigt Karl Barths vorgesehen war und obwohl der Vorsitzende - Wilhelm Vischer - aus Protest dagegen zurücktrat.457 Er 452 Der Zweck des Vereins bestand in der Herstellung von Kontakten zwischen Christen und Juden unter bewußtem Einschluß der Möglichkeit missionarischen Zeugnisses. Inzwischen scheint der Verein diese Möglichkeit nicht mehr sehen zu wollen; entsprechend nennt er sich heute „Stiftung für Kirche und Judentum, vormals Verein der Freunde Israels". 453 WILLI, Geschichte, 51. 454 ROHM/THIERFELDER, Juden II, 147 (zit. nach SCHROVEN, Christologische Auslegung,
208). 455
BUSCH, Bogen, 321 Anm. 20. Hieraus stammt auch das folgende Zitat (Hervorh. orig.). So S. MÜHLEMANN in einer Predigt zum lOO.Geb. Vischers am 30.4.1995 in Basel, St.Paulus (Blatt 4). 457 Zeugnis eines Zeitgenossen, 1985, 81; WILLI, Geschichte, 45. - BUSCH a. a.O. berichtet: A. KOECHLIN schrieb am 8.7.1938 dazu an G. BELL: „In der ganzen Schweiz erhob sich ein großer Sturm, daß wir, um dem Dritten Reich zu gefallen, Karl Barth herausgeworfen hätten." Nach einem Bericht von K. HARTENSTEIN sei die Ausladung namentlich von HARTENSTEIN ausgegangen. 456
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hielt es für verfehlt, dem N S - D r u c k nachzugeben, demzufolge die Teilnahme von Christen jüdischer Herkunft am Gottesdienst, insbesondere am Abendmahl, Strafmaßnahmen für sämtliche Beteiligten zur Folge haben konnte. An das „Comite des Vereins der Freunde Israels in Basel" schrieb er am 15.8.1938: „Die Verhandlungen unserer letzten Sitzung vor dem Jahresfest veranlassten mich, Ihnen mündlich mitzuteilen, dass ich das Präsidium niederlege und aus unserem Comite austrete. Es bleibt mir noch die Pflicht, Ihnen meinen Entschluß schriftlich zu bestätigen und zu begründen. Als die Leitung der Basler Mission uns unmittelbar vor dem Jahresfest sagte, es sei für sie eine Belastung, die diesjährige Festwoche in Gemeinschaft mit dem Verein der Freunde Israels durchzuführen, nachdem dieser Verein in Deutschland verboten worden sei, sie wolle aber diese Belastung tragen, hingegen sei es für sie untragbar, dass Herr Prof. Karl Barth die Predigt an der Jahresfeier der Freunde Israels halte, da war es Ihnen allen selbstverständlich, dass unser Comite auf die Predigt von Herrn Prof. Barth verzichte, Sie erwogen sogar, ob unser Verein inskünftig durch Teilnahme an der Festwoche die Basler Mission belasten dürfe. Im Gegensatz zu Ihnen war und bin ich gewiss, dass die Judenmission und die Verkündigung Karl Barths für die Basler Mission eine ebenso notwendige und heilsame Belastung sind wie der Bleikiel für ein Segelschiff im Sturm. Die Judenmission und die Verkündigung Karl Barths machen es heute deudich, dass die Kirche und ihre Mission dem wahren Evangelium Jesu Christi treu bleiben wollen. Die Gefahr, in welche die Basler Mission und die Festgäste allenfalls durch die Predigt Karl Barths gekommen wären, hätte die Verheissung des Herrn gehabt. Darum hätte unser Comite nicht die Hand bieten dürfen zu der gewünschten , Erleichterung'. Nachdem dies geschehen und durch alle Ihre Voten offenbar geworden ist, dass unser Comite den Auftrag, der nach meiner Uberzeugung dem Verein der Freunde Israels heute gegeben ist, nicht anerkennt, so kann ich eine weitere Beteiligung nicht verantworten. Es grüsst Sie freundlich «458
Vischer war hier kompromißlos - aus theologischen Gründen.
458 Wiedergegeben nach meiner K o p i e d e s Originals; zit. ζ. T . auch in der A n s p r a c h e von THOMAS WILLI, in: Erinnerungsheft, 18 = in: WILLI, Geschichte, 51. Im Kirchenblatt f ü r die reformierte Schweiz w a r b Vischer 1944 ( K B R S 100, 1944, 255) um die Unterstützung von G e m e i n d e n f ü r d a s wohl kleinste M i s s o n s w e r k der Schweiz, die „Schweizer J u d e n m i s s i o n in Palästina". Gleichzeitig bedauerte er, d a ß diese M i s s i o n sich noch nicht mit d e m Verein der Freunde verschmolzen hat. Wie lange er der Schweizer J u d e n m i s s i o n angehörte, ist mir nicht bekannt; vielleicht hat er in besagter N a c h r i c h t auch nur seinen N a m e n für die Sache eingesetzt. 1941 schrieb er im Blatt dieser Gesellschaft: „ . . . aus welchen Christus h e r k o m m t nach d e m Fleisch" (s. Literaturverzeichnis) - ein leider nicht mehr a u f f i n d b a r e r A u f s a t z .
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Die Theologie des Verhältnisses von Judentum und Christentum beschäftigte ihn in diesen Jahren unablässig, um so mehr, als sich die Nachrichten von der jüdischen Situation in Deutschland verschlechterten.459 Im Januar 1938 hielt sich Paul Vogt460 in Berlin auf und berichtete, es werde die Beschlagnahmung des jüdischen Besitzes vorbereitet, was eine erneute Flucht von Nichtariern erwarten ließ. Das Eintreten des Befürchteten wurde durch die Weltflüchtlingskonferenz von Evian im Juli beschleunigt461, bei der die nichtdeutschen Delegationen ein weitgehendes Desinteresse an der Aufnahme von jüdischen Flüchtlingen zeigten. Einen Monat später ergriff auch die Schweiz abschottende Maßnahmen.462 Das Hilfswerk beschloß daraufhin die Bildung der „Subkommission zur Hilfe für nichtarische Christen", die sich unter Vischers Vorsitz am 5. September 1938 konstituierte.463 Im Oktober, noch vor der „Reichskristallnacht", wandte es sich mit dem Memorandum „Das Heil kommt von den Juden" an die Öffentlichkeit. Vischer, der Autor464, brachte hier seine theologischen Ak-
459 D a ß die Verbindung mit der deutschen Bekennenden Kirche auch in persönlicher Hinsicht nie abriß, zeigt u. a. eine Predigt vom 7. Februar 1943 (zu Ps 91), wo Vischer berichtet, zwei Todesanzeigen von Freunden erhalten zu haben, die vor Stalingrad gefallen seien (Psalmen, ausgelegt für die Gemeinde, 1944, 79). 460 Gründer des Flüchtlings- und Sozialhilfeheims „Sonneblick" in Walzenhausen (Appenzell) und Mitarbeiter des Vereins der Freunde Israels (WILLI, Geschichte, 55; SCHERFFIG, Junge Theologen III, 64 Anm. 125 und 243 Anm.428). 461 Am 13. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein. In der Nacht nach der Annexion organisierte die Gestapo eine überfallartige Plünderungskampagne gegen jüdische Wohnungen. Die brutalen Ubergriffe in Wien alarmierten die Weltöffentlichkeit, die bis dahin weithin glaubte, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Deutschen Reiches einmischen zu müssen. Zwölf Tage nach der Besetzung Österreichs informierte der amerikanische Präsident ROOSEVELT die Welt über seinen Plan einer internationalen Flüchtlingskonferenz. Dies weckte zunächst Hoffnungen. Doch vertraulich ließ er die Regierungen der möglichen Konferenzteilnehmer wissen, man erwarte von ihnen keine besonderen Anstrengungen. Damit aber war ein negatives Ergebnis der Konferenz im voraus absehbar (LUSTIGER, Evian, I). Beim Münchner Abkommen vom 29.September 1938 sollten die Briten, so die dringende Bitte RooSEVELTs an den englischen Ministerpräsidenten CHAMBERLAIN, die Flüchdingsfrage aufnehmen. Die Briten lehnten dies strikt ab (a. a. Ο. II). 462 Gerade am 9./10.11.1938 wurde dann eine Vereinbarung mit der deutschen Regierung zur Kennzeichnung von jüdischen Pässen mit einem J-Stempel veröffentlicht (Verordnung vom 5.10.1938; vgl. LUSTIGER, Evian, I). Im Januar 1939 wurde ein Visumzwang für die Einreise erlassen (BUSCH, Bogen, 334. 336; weiteres und statistisches Material über jüdische Flüchdinge in der Schweiz bietet KÄSER-LEISIBACH, Stimmen, 103-112. 124-128). 463 BUSCH, Bogen, 322. 464 BARTH mag den Text redigiert haben (BUSCH, Bogen, 321 Anm. 21); Autor war Wilhelm Vischer „ohne Mitarbeit anderer", wie er in den Briefen an WOLFGANG GERLACH vom
7 . 1 2 . 1 9 6 8 , a n HARTMUT LUDWIG ( 2 9 . 9 . 1 9 7 3 , S. 2 f f . ) u n d a n W . SCHERFFIG v o m 1 7 . 3 . 1 9 8 4
bestätigt (SCHERFFIG, Junge Theologen III, 118 Anm.212); „nur Frl. Apolant, eine aus Deutschland gerettete Christin jüdischer Abstammung, hat bestimmte Tatsachen über die Lage der Juden in Deutschland beigetragen" (an SCHERFFIG, ebenso an W. L. DEKKER am 11.7.1973); KARL BARTH bestätigte die Autorschaft Vischers im Br. an GERLACH vom
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zente gegen den Antisemitismus auf einen besonders prägnanten Ausdruck465. Bereits der Titel widerspricht der NS-Losung „Die Juden sind unser Unglück".466 Zusammenfassung des Memorandums (Hervorh. orig.): a) Maßnahmen gegen Juden: Juden werden bes. in Deutschland, wo sie scheinbar völlig eliminiert werden sollen, daneben in Italien, Libyen, Ägäis, Polen, Ungarn, Rumänien und von den sich ihrerseits von Juden bedroht fühlenden Arabern in Palästina bedrängt. Dabei gelte der Grundsatz: „Die Religion spielt keine Rolle. Jude bleibt Jude, die Taufe ändert nicht das geringste daran. Blut ist mehr als Wasser." b) Die Fremdheit der Juden ist durch Gottes Erwählung bedingt467, was die heilige Schrift aufdeckt. Auch nach der Verwerfung des Messias dienen sie, gewollt oder ungewollt, als Zeugen von Gottes Gericht und Gnade, die Gott nicht verschwinden läßt, weil alle, die zum Glauben berufen sind, an ihnen sehen sollen, wie heilig Gottes Gnade ist und was es heißt, die Gnade zu verachten und nicht in Gnaden zu sein. c) Wer meint, man müßte ,„den Mord von Golgatha' an den Juden rächen," hat „nicht gehört, daß Jesu Blut besser redet denn das Blut Abels (Hebr. 12,24), indem es nämlich nicht nach Rache schreit, sondern um Vergebung für die Mörder fleht." „Kein Mensch hat aber teil an der Vergebung Jesu Christi, der sich nicht in Solidarität mit den Juden schuldig bekennt am Tode Jesu. Das ist der Friede, den Gott zwischen den Juden und den Nichtjuden gestiftet hat, daß sie nun solidarisch sind in der Schuld und aus der gleichen Vergebung leben. Das ist die Lösung der Judenfrage, die er gegeben hat. Wer sie annimmt, kann die Juden nicht mehr verurteilen, hassen und verfolgen. Die Welt will aber diese Lösung nicht. Der natürliche Mensch fühlt sich in seiner Selbstbehauptung ebensosehr durch die Gottheit des gekreuzigten Königs der Juden wie durch seine Menschheit angegriffen. Daher die elementare Erregung gegen jeden Juden. . . . Die vom Wahn der Naturgötter Besessenen lehnen sich gegen den Gott der Gnade auf."468 Durch alle Gerichte hindurch werden die Juden immer neu ge2.12.1968 (GERLACH, Zeugen, 184 Anm. 87). - Eine zweite, ebenfalls aus Vischers Feder stammende Erklärung veröffentlichte das Schweizerische Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland Ende April 1939: „Ein Leib und Ein Geist, Ein Volk und Ein Herr", formuliert im Gegensatz zum Bekenntnis des völkischen Aberglaubens: „Ein Volk, Ein Blut, Ein Staat, Ein Gott". Sie umfaßt nur eine Seite und richtet sich bes. gegen den Ausschluß von christusgläubigen Juden aus der Kirche. 465
U n t e r z e i c h n e r : P f r . ERNST HURTER, P r o f . KARL BARTH, P f r . D r . OSKAR FARNER, P f r .
GOTTFRIED LUDWIG und Wilhelm Vischer als Präsident der Subkommission für nichtarische Flüchtlinge aus der Bekennenden Kirche. Abgedruckt in: Schweizerisches Hilfswerk für die BK in Deutschland (Hg.), Juden-Christen-Judenchristen, Zollikon 1939, 39-47. Zu den Gliederungen des Hilfswerkes s. BUSCH, Bogen, 318-320 (vgl. KOCH, Lösung, 7). 446
467
BUSCH a. a. O . 3 2 2 .
So auch u.a. in Die Judenfrage bis zur Auferstehung Jesu Christi hin, 1960, 13, mit dem Zusatz: „Die Voraussetzung dieser Erwählung ist, daß die Menschheit auf einem Irrweg ist" Vgl. KOCH, Lösung, 5 f. - Vgl. unten 2.1, These 9.
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sammelt; von ihrer Bekehrung hängt nach Mt 23,39; Apg 3 und Rom 9-11 das Ende der Wege Gottes mit der Menschheit, die Wiederkunft Christi ab. Weil das Heil von den Juden kommt, ist jeder Jude und erst recht jeder Judenchrist eo ipso ein Zeuge der Heiligkeit und Treue Gottes. An der Stellung zu ihnen entscheidet sich die Echtheit des christlichen Glaubens. d) Deshalb kann die Kirche nicht auf Judenmission und Solidarität mit ihnen in konkreter Hilfe verzichten (die erste heidenchristliche Kollekte ging nach Jerusalem, 2. Kor 8,9; Apg 11). Nach Gottes Wort kommt die umfassende Bekehrung Israels erst dann, wenn die Fülle der Heiden Christus Untertan geworden ist und dadurch das auserwählte Volk eifersüchtig gemacht wird (Rom 11,25). Dies kann aber nur durch eine Christenheit geschehen, die wirklich chrisdich ist. So ist die Judenfrage die Christenfrage. Die Unerlöstheit der Juden, ihre Blindheit und ihr Leiden rufen die Christen zur Buße.w e) Es ist nach alledem unmöglich, judenchrisdiche Gemeinden zu fordern gemäß der Götzenreligion unserer Zeit; auch in Palästina geht das nicht („Volk des heiligen Blutes auf dem heiligen Lande"); die unvergleichliche ökumenische Bedeutung des Judenchristentums wäre aufgegeben.470
Auf verschiedenen Kanälen gelangte der brisante Text nach Deutschland und wurde dort schnell verbreitet471. Dabei wurde allerdings der erste Abschnitt weggelassen, in dem die aktuelle Verfolgung der Juden beschrieben wurde, ebenso die Anrede an die Schweizer Pfarrer und die Namen der Herausgeber. „Was übrig blieb, w a r ein theologisches Memorandum.
Doch
gerade daran lag der Kommission des Hilfswerkes. Es sollte nicht nur ein humanitärer Aufruf sein."472 Die deutschen Gemeinden sollten sich endlich klar werden, daß es eine unauflösliche Verbindung zwischen Christen und Juden gebe, und zwar einschließlich der ungetauften! Für viele in der Bekennenden Kirche war es eine harte Rede. Man hatte dem kirchlichen Arierparagraphen widerstanden, aber die Widerstandskraft war durch den Kampf um das eigene Bestehen aufgebraucht und reichte nicht mehr, um sich dem herannahenden Holocaust entgegenzustemmen. „Wer hatte verstanden, daß in dieser Frage das Zentrum des Widerstandes sein mußte gegen den Ungeist des Regimes, das in der moralischen und physischen Vernichtung des jüdischen Volkes seine Weltmission sah?"473 Den Unter-
Ebenso: Wir Christen und die Juden, 1939, 28 f.; Festpredigt (Verein der Freunde Israels) über Rom 11,1-7.11-15, Basel 28.6.1937, 8. 470 Es verwundert, daß sich GERLACH, Zeugen, 184 f. jedes Kommentars im Anschluß an sein Referat des Memorandums enthält. Zur Zusammenfassung und Würdigung (u. a. zur Aufnahme der ersten Barmer These) siehe BUSCH, Bogen, 321-326. 471 Nach einem Geheimbericht der SS vom 1.2.1939 verbreitete die württembergische „kirchlich-theologische Sozietät, der extremste Flügel der BK" als Protest gegen die Kristallnacht diesen „grenzenlos prosemitischen Text", für den man den „berüchtigten" KARL BARTH verantwortlich machte (BUSCH, Bogen, 321 Anm. 21 [Lit.]). 472 SCHERFFIG, Junge Theologen III, 119 (Hervorh. orig.). 473 A . a . O . 120 (Hervorh. orig.).
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Zeichnern, voran Autor Vischer, gebührt das unauslöschliche Verdienst, den Finger auf diese Stelle gelegt zu haben. Widerspruch kam von - jüdischer Seite: An das Memorandum schloß sich ein kurzer Dialog mit Schalom Ben-Chorin in den „Neuen Wegen" 1939-40 an. Ben-Chorin schrieb Vischer in der „Stunde gemeinsamer Bedrängnis" einen offenen Brief. Vischer kannte Ben-Chorin noch nicht und fragte Ragaz als Hauptredakteur, ob es recht sei, in der gleichen Zeitschrift eine Antwort zu veröffentlichen. Ragaz bejahte und schickte Vischer BenChorins Buch .Jenseits Orthodoxie und Liberalismus" zur Orientierung zu474; Vischer konnte noch 1939 seine Antwort veröffentlichen. Ben-Chorin hat auf Vischers Antwort noch einmal eine Replik gegeben; dann kam der Dialog wieder zum Stillstand: die entscheidenden Differenzen waren benannt und beiderseits als unüberbrückbar gewertet.475 Ben-Chorin schrieb Vischer Notwendigkeit „gemeinsamer sich vor allem auf Vischers bezog. Er kritisierte Vischers
am 5. August 1939 in der „Stunde" und aus der Bedrängnis" einen Brief aus Jerusalem, in dem er Äußerungen in „Wir Christen und die Juden" 476 Zusammenschau von Antisemitismus und jüdischem
474
VASKO belegt, daß BEN-CHORIN hier aktiv eine Möglichkeit zum jüdisch-christlichen Dialog suchte (Dritte Position, 125 f.). 475
476
In: N e u e W e g e 1940, 2 8 - 3 2 ; vgl. VASKO a . a . O . 1 3 9 f . 3 1 8 f .
In: Schweizerisches Evangelisches Hilfswerk (Hg.), Juden - Christen - Judenchristen, 1939, 13-29 (vgl. VASKO, Dritte Position, 125). Das jüdische Spezifikum ist nach Vischer weder rassisch noch moralisch, sondern von Gott her als Berufensein und als Untreue gegenüber dieser Berufung zu bestimmen (Wir Christen und die Juden, 1939, 15-18). Insofern komme es darauf an, daß Israel Zeuge ist auch für den Zerbruch einer Frömmigkeit, die jeder Mensch ausprägt: das Streben nach Erhaltung und Erhöhung seiner eigenen Natur, damit er nicht auf Gottes freie Gnade angewiesen sei. „Gerade in ihrer Verstocktheit sind also die Juden für uns und alle Welt Zeugen der freien Gnade Gottes. Wir können nichts Verkehrteres tun, als wenn wir die Juden wegen ihrer Verstocktheit hassen und verfolgen, statt daß wir in Furcht und Zittern die Gnade ergreifen" (a. a. O. 27). BEN-CHORIN konnte nicht verstehen, daß für Vischer durchaus ein Unterschied zwischen „alttestamentlich" und „jüdisch" besteht, bzw. inwiefern das Alten Testament jüdisches Wesen schärfster Kritik unterzieht. Die Frage der Verwerfung Christi durch die Juden gerade aufgrund deren subjektiv bester Frömmigkeit wird von BEN-CHORIN nicht angeschnitten; der Gegensatz wäre gerade da deutlich geworden, wo man die jüdische und mit ihr die bestgemeinte menschliche Frömmigkeit in der Verwerfung Jesu gipfeln sieht: das heißt in der Ablehnung der Gottesherrschaft, in der Ablehnung des Herrseins des Herrn, in der Verwerfung des Lebens allein aus der Gnade, die Israel herausruft, im Sein-Wollen wie alle Heiden. Das Alte Testament ist nach Vischer Zeugnis gegen die religiöse Selbstbehauptung; es bezeugt die Erniedrigung Gottes, das heißt Gottes Wille, mit dem Menschen eine Gemeinschaft zu haben, derart, daß er es nicht zuläßt, daß sich der Mensch selbst erhöht. Das Schema Jisrael kann ein Jude mit Ernst im Munde führen - aber ist es nicht durch Kreuz und Auferstehung Christi hindurch gegangen, wird es ihn nur verklagen als Typus des Menschen, dessen Religiosität eine selbsterwählte ist und der Selbstbestätigung und letztlich der Selbstvergottung dient (vgl. a . a . O . 19 f.).
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Denken (beide wären gesetzlich und strebten danach, gut zu sein ohne Gott) 477 . Das Judentum könne ferner nicht einfach als uneinheidich bezeichnet werden; es konvergiere vielmehr - als Ton in der Hand des Töpfers (Jer 18,6) - trotz all seiner Pluralität im Bekenntnis des Schema Jisrael. 478 Weil hier der jüdische Minimalkonsens liege, könne keine Rede davon sein, die modernen Judenfeinde seien voll jüdischen Geistes. Vischer gerate gar in die Nähe der marcionitischen Häresie, wenn er „im Übereifer des Glaubens" die Bekenner des wahren Gottes mit den „Anbetern der Blut- und Boden-Baalim" gleichstelle. In seiner Antwort 479 entschuldigte sich Vischer für die Form seiner Ausführung; er habe Judenfeinde - nicht Juden - gerade an ihrer empfindlichsten Stelle ansprechen und treffen wollen: an ihrer Judenfeindschaft, die selbst „jüdisch" sei. Im Grundsatz aber könne er nichts zurücknehmen. Pilatus und Herodes wurden durch die gemeinsame Ablehnung Jesu Freunde (vgl. Lk 23,12). „Was Sie als allen Juden gemeinsam bezeichnen, lasse ich gern als Charakteristik gelten. Aber an Jesus Christus und an der Stellung zu ihm entscheidet es sich, ob diese Frömmigkeit echt ist Wobei das Wort Jesu zu bedenken ist: ,Ihr sollt nicht meinen, daß ich euch vor dem Vater verklagen werde. Es ist einer, der euch verklagt, der Mose, auf welchen ihr hoffet. Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir, denn er hat von mir geschrieben. So ihr aber seinen Schriften nicht glaubet, wie werdet ihr mir glauben?"' (Joh 5,45-47). 480 Vischer bleibt bei seiner These, nun nach einer Seite mehr hin abgegrenzt: „Mußten die Antisemiten darauf aufmerksam gemacht werden, daß sie Jüdisch' reden, so jetzt Sie, daß Sie ,heidnisch' reden und denken. Und das kommt insofern auf das Gleiche heraus, als Israel dadurch ,jüdisch' wird, daß es ,wie die Heiden' sein will." Denn auch Ben-Chorin begehe den Fehler, Israel als „sakralen Blutsverband" zu bezeichnen. Damit gelinge die Abgrenzung von den „Anbetern der Blut- und Boden-Baalim" nicht mehr. Ganz in dieser Richtung liege es, daß Ben-Chorin in Jerusalem wieder ein Synhedrium einberufen wollte, das sich mit der Revision des Kanons (Ausscheidung des Estherbuches wegen dessen „penetrant unethischen Charakters"?!) und des Prozesses Jesu befassen sollte, um der Kirche Rede und Antwort stehen zu können. 481 „Sehen Sie wirklich nicht, daß ein Judentum, das diese beiden Revisionen vorgenommen hat, im besten Fall mit den Menschen verhandeln könnte, die den Christusglauben damit radikal verleugnen, daß sie ,den Mord von Golgatha an den Juden rächen' wollen und ihrerseits die Heilige Schrift von allem gereinigt haben, was sie mit der Schuld an der Kreuzigung Jesu belasten könnte? 477
478
Vgl. VASKO a . a . O . 129.
Vgl. aber a. a. O. 225: BEN-CHORIN war 1941 der Ansicht, daß ein Gespräch zwischen (protestantischer) Ekklesia und Synagoge unmöglich geworden sei, weil sich beide in einem Zustand der Atomisierung befänden, der nur noch die Begegnung Einzelner erlaube. 479 Antwort an Schalom Ben-Chorin, in: Neue Wege. Blätter für religiöse Arbeit 33, 12/Dez. 1939, 566-571. 480 A.a.O. 568. 481 Vischer bezieht sich auf BEN-CHORINS Bücher Jenseits von Orthodoxie und Liberalismus", Tel Aviv '1939, Frankfurt/M. 2 1964 und „Kritik des Estherbuches. Eine theologische Streitschrift", Jerusalem 1938.
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Hier müßten Ihnen doch die Augen dafür aufgehen, wie gleichgesinnt Sie und die Judenfeinde sind, wie ,heidnisch' Sie und wie ,jüdisch' jene denken, und wie das aufs gleiche herauskommt. Beide wollen auf keinen Fall, daß das Blut jenes Gerechten über sie komme, damit sie auf keinen Fall das Leben allein von seiner Gnade empfangen. Damit verleugnen sie beide die Wahrheit." 482 Ben-Chorins Replik 483 erfolgte in drei Punkten. Zunächst wandte er sich - nun gegen seine ursprüngliche Absicht von der Peripherie des christlichen Glaubens auf dessen Zentrum zu sprechen kommend - exegetisch gegen die christologische Interpretation des Alten Testaments und wies empirisch auf die Unerlöstheit der Welt. Er stimmte Vischer darin zu, daß jede Art des Judeseins notwendig ein Verharren in der Negation des Evangeliums impliziere. Deshalb seien manche jüdischen Teilnehmer des jüdisch-christlichen Dialogs zu kritisieren, die die Vergebung der Sünden durch Christi Blut für die Heiden, nicht aber für Juden akzeptieren wollten (wie manche auf christlicher Seite). Zu Vischers Frage, wie es um Ben-Chorins Anliegen einer innerjüdischen Revision des Prozesses Jesu bestellt sei, stellt er fest: Das Judentum (für Ben-Chorin = „Israel") habe noch nicht auf die entscheidende Frage seiner Geschichte, nämlich Jesus Christus, „seinem echtesten Sohne", geantwortet. Würde das heutige Judentum auf Jesus Christus ebenso reagieren wie das damalige? Wenn hier eine innerjüdische Klärung erfolgt ist, könne das Gespräch in eine neue Phase treten, auch dann, wenn das Synhedrion über Jesus genauso entscheide wie damals 484 . Im zweiten Schritt geht Ben-Chorin noch einmal vom Christuszeugnis des Alten Testaments aus. Dessen werde man, von ihm nicht nachvollziehbar, nur in einer pneumatischen Exegese485 ansichtig, das heißt im chrisdichen Glauben und vom Neuen Testament geführt An dessen Stelle steht aber für den Juden der Talmud (genau dafür wird ausgerechnet Vischer selbst herangezogen: Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 41). Nur im christlichen Glauben werde das Alte Testament als unvollständig empfunden; für den Juden sei es zureichend. Daher schien ihm die Gleichstellung der Juden, die sich nur auf das Alte Testament berufen, mit Christen, die sich nur auf das Neue Testament berufen wollen, irrig. „Der Jude kann das Alte Testament aus diesem selbst verstehen." 486 Für Vischers Vorwurf, heidnisch zu denken, hat Ben-Chorin soweit Verständnis, als es in der Tat nicht leicht ist, als jüdischer sakraler Blutsverband von denen unterschieden zu werden, die ihr eigenes Blut vergötzen. Israel aber wolle als Blutsverband nicht werden wie die Heiden, da es ja weiß, daß die Sakralität dieses Blutes kein Bessersein gegenüber anderen Völkern bedeutet. Abraham empfing die Verheißung, weil er glaubte, nicht aufgrund einer biologischen Qualität. Die Erwählung zum Bundesvolk sei im Judentum nie anders verstanden worden als im Sinne von Arnos 3,2!
482
Vischer a. a. O . 570. In: Neue Wege 1940, 28-32. Bei VASKO, Dritte Position, 136-142. 484 Neue Wege 1940, 29F.; VASKO a . a . O . 137 und 151. 485 Diese lehnten aber Vischer, BARTH und HELLBARDT ab (vgl. SCHROVEN, Christologische Auslegung, 249. 253; VASKO a . a . O . 139 Anm. 19). 483
486
Neue Wege 1940, 31; VASKO, Dritte Position, 138 f.
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Wenn schließlich Vischer dennoch die jüdische Rede heidnisch und die heidnische als jüdisch verstehe, so nach Vischer deshalb, weil beide nicht wollten, daß das Blut des einen Gerechten über sie komme, damit sie auf keinen Fall das Leben allein von seiner Gnade empfingen. An dieser Stelle aber werde alles, was Ben-Chorin noch zu sagen habe, für Vischer letztlich unwesendich. An der Christusfrage beginne und ende - und dies habe hier zwischen den beiden zu geschehen - immer wieder der Dialog zwischen Israel und Kirche, „weil hier nicht mehr, wie ich in meinem ersten Brief sagte, das Menschenwort gilt, sondern einzig und allein das richtende und rettende Wort Gottes"; tröstlich sei dabei nach Mal 4,6 (bzw. 3,24), daß Gott noch vor der letzten Entscheidung seinen Propheten sende, der die entfremdeten Herzen einander wieder zuwenden werde.487 Auch Vischer hielt es für richtig, den Dialog an dieser Stelle zu beenden, weil der in Mal 4,5 f. (bzw. 3,23 f.) verheißene Prophet nach Jesu Wort schon gekommen sei (Brief an Ragaz vom 23.1.1940).488 Das Sola gratia kann ohne das Solus Jesus Christus nicht festgehalten werden. Die scheidende Frage bleibt „Wer ist der Messias?" 489 Juden und Christen können auf der Grundlage des gemeinsamen Alten Testaments gemeinsam nur überlegen: Was oder wie ist der Messias? Aber wie weit kommen sie damit? Für Christen ist ja der Messias bereits gekommen; indem wir seiner gewahr werden, wissen wir letztgültig, welches Wesen er hat und verstehen von hier aus die Schriften der Propheten. Vischer hat richtig gesehen, daß der Heilige Geist den Glauben schenken und den Schriftbeweis aus dem Alten Testaments hin zum Glauben im Neuen Bund führen muß (siehe unten Teil 2.3).49C 487
VASKO a . a . O . 139. Vischer teilte VASKO am 9.7.1982 brieflich mit, er habe „vorher und nachher . . . oft teilgenommen an der Verständigung zwischen Juden und Christen, aber nie wieder im Gespräch mit Ben-Chorin" (VASKO, Dritte Position, 140 Anm. 23). Siehe a . a . O . 140-142 über den weiteren Briefwechsel zwischen RAGAZ, BEN-CHOR]N und den die Sachlage vereinfachenden Artikel eines anonymen „ H o m o sociusque" in den Neuen Wegen 1940, 80-85. 489 Christuszeugnis, I, 7. 4,0 Christenlehre, 1947, 21 f.; Christuszeugnis I, 39 f.: „Ein Jude muß eben - und damit stehen wir wieder vor der entscheidenden Tatsache - , wenn er Jude bleiben will bei aller Achtung vor der Gestalt Jesu, wenn er das Alte Testament messianisch ernst nimmt, den Messiasanspruch Jesu ablehnen. Harmlos einordnen, wie es die moderne protestantische Wissenschaft versucht, kann er diesen Jesus nicht Für ihn gibt es da nur ein Entweder-Oder. Würde er den Messiasanspruch Jesu anerkennen, dann wäre er bekenntnismäßig Christ geworden. Dazu kann ihn aber auch der schlüssigste Schriftbeweis nicht nötigen, wie das Neue Testament deutlich genug zeigt. Dazu gehört für jeden Menschen, den Juden wie den Heiden, die Metanoia, die Umsinnung und der Glaube. Also kann doch nicht aus der Schrift bewiesen werden, daß Jesus der Christus ist? Nein, diesen Beweis führt allein der heilige Geist. Die Wahrheitsfrage des Christentums wird nur durch die Gnadenwahl und den Glauben entschieden. Aber der Schriftbeweis führt in diese Entscheidung." Ahnlich in: Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 20. - Vgl. VOGEL, Wie predigen wir, 352 („Selbstbeweis"). 488
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Noch bevor Vischer den Brief Ben-Chorins erhalten haben konnte, referierte er vor der Minoritäten-Kommission des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen in Genf am 8. August 1939 über das Thema „Der Antisemitismus im Licht der Bibel"m. Einige Ausschnitte (Numerierung S.F.): 1. Antisemitismus ist tödlicher Haß gegen Israel, das kraft göttlicher Setzung die Minderheit par excellence ist, indem Gott aus der Gesamtheit der Völker Israel zur Offenbarung seiner Gottheit erwählt hat. Antisemitismus ist so vom Glauben beseelt, daß sich mit dem Schicksal der ca. 15 Mio. Juden Heil oder Untergang der Menschheit entscheide. 2. Der Begriff „Antisemitismus" ist irreführend; biblisch muß vom Kampf gegen Israel gesprochen werden. Denn die Söhne Abrahams sind die „Semiten"; sie sind die eigentlichen Träger des Gottesnamens, der durch die erwählten „Söhne Sems" bekannt gemacht werden soll. Nach der Heiligen Schrift sind alle Dinge durch Gottes Wort ins Dasein gerufen und also hörbare Worte Gottes - das Wort in allen diesen Worten ist der Eigenname Gottes. Der Schöpfer will also nicht irgendetwas, sondern sich selbst mitteilen. „Wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde" (Ps 8).492 Diesen in Kindesfreude zu preisen, ist der Mensch berufen. Er aber will sich selbst einen Namen machen: Gen 6,4; 11,4: „Wir wollen uns einen Namen machen!" „Das ist der Antisemitismus." Nun aber ruft Gott einen einzelnen heraus - Abraham, der nicht seinen, sondern den Namen des Herrn verkündigt (12,8; Hebr 11,10; Ex 3,14). Israel hat nicht ein Bild oder eine Idee von Gott, sondern den Namen des Herrn, der im Tempel wohnt (1. Kön 8,29). 3. „Können gebürtige Juden dem Volke Christi angehören? . . . Wer so fragt, hat nichts vom Evangelium verstanden" (Apg 3,26: „euch zuvörderst..."). „Kein Mensch hat Teil am Heil in Christus, der sich nicht in Solidarität mit den Juden schuldig bekennt am Tode Christi. Insofern der geborene Jude vor allen anderen belastet ist mit der Schuld am Tode Jesu, insofern ist er gerade der kräftigste Zeuge für den Sieg der Gnade und Treue Gottes. Die jüdische Minderheit in der Kirche ist das sicherste Zeichen der wahren Kirche, das Kennzeichen ihres echten Ursprungs und das Unterpfand ihres Ziels." Darin liegt auch die unvergleichliche ökumenische Bedeutung der Judenchristen. „Das, was man heute die ,Entjudung' der Kirche preist, ist die radikale Entchristlichung der Kirche."493 4. Die meisten Juden lehnen Christus ab. Ihr eigenartiges Wesen: sie tragen Gottes Namen, verwerfen ihn aber öffentlich. Dennoch erhält Gott sie.494 Sie folgen der Kirche wie ihr Schatten. In diesem Rätsel erkennt Paulus das göttliche Geheimnis (Rom 11,25). „Gerade in ihrer Verstocktheit muß die besondere Minderheit der Juden der übrigen Menschheit den Ernst und die Freiheit
4.1 In: In Extremis 1, 1940, 10-14. - Differenzen über den Gegenstand von Vischers Referat deutet ein handschriftl. Br. an BARTH vom 11.8.1942 an. 4.2 A . a . O . 10. 493 A . a . O . 13. 4,4 Ebd.
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der Gnade bezeugen. Die Welt versteht das nicht. Ihr sind die Juden . . . die gegebenen Sündenböcke, die sie schlachtet, um sich selbst zu rechtfertigen. Dadurch wird sie immer gnadenloser."495 An den Juden ist deutlich: alles hängt an Gottes Gnade (Rom 9,15 f.; 11,39). „So offenbart Gott das ganze Geheimnis seines Namens vom Anfang bis zum Ende an Israel. An unserer Stellung zu den Juden muß es sich darum zeigen, ob wir den Namen Gottes recht erkennen und bekennen und ob wir in Wahrheit aus dem Glauben an die Gnade leben."496 Den Antisemitismus können wir überwinden, indem wir gerade jetzt den Juden die Barmherzigkeit Gottes durch Wort und Tat bezeugen, auf daß alle aus einem Munde den heiligen Namen Gottes preisen.497
Vischer hatte sich zwar der Aufgabe des Vereinsvorsitzenden, nicht aber der Sache des Vereins entzogen. Was ihm spätestens bereits 1933 Judenfrage' gewesen war, behandelte er am 22. Januar 1939 in der Göschenenkapelle auf Initiative von Lotti König von der Stadtmission als ,unser Thema': „Wir Christen und die Juden", am 12. April 1942 am selben Ort als ,Die Judenfrage eine entscheidende Frage für die Kirche'.498 Dabei gab es Probleme - vordergründig wegen der Ortlichkeit. Frau König berichtet: „Ich besuchte damals die Zusammenkünfte der Judenmission, Vischer war oft dabei, somit bat ich ihn im Jahr 39 um den ersten Vortrag in der Göschenen. Wohl etwa Anfang 41 sagte bei einer solchen Zusammenkunft der Präsident der Judenmission, Herr Meier-Gemp, es müsse wieder einmal etwas geben, ob nicht Pfarrer Vischer wieder einmal einen Vortrag in der Göschenen halten könnte. Ich antwortete, es sei schade, Pfarrer Vischer immer nur in die kleine Kapelle einzuladen, er müsste in die grosse Pauluskirche, seine Botschaft müssten viele hören. Meine erste Anfrage wurde in unserer Gemeinde nicht abgelehnt. Ich teilte es Herrn Meier hocherfreut mit, es werde etwas mit der Pauluskirche." Im weiteren wurde das Vorhaben aber immer weiter hinausgezögert, ohne Frau König eine direkte Ablehnung mitzuteilen. ,„Es sei wohl schwierig, einen solchen Vortrag heute zu veranstalten, die Juden würden sich gar zu arg aufführen und ein solcher Vortrag könnte dann bei unseren Geschäftsleuten Anstoss erregen', wurde mir einmal gesagt. ,Pfarrer Vischer vergöttert die Juden', lautete ein anderer Ausspruch." 10 Monate nach der ersten Anfrage lautete der Bescheid endgültig ablehnend: „der Vortrag werde nicht kommen, es sei jetzt überhaupt riskiert [sie], einen solchen Vortrag zu halten, und mit Pfarrer Vischer seien sie theolo-
495
A . a . O . 14. Ebd. 4,7 Ebd. - Sehr wahrscheinlich bezieht sich auf die Situation dieses Referates eine Bemerkung Vischers über SIMON SCHULZE, der (neben anderen) widersprochen habe: die New Yorker Juden und das Israel der Bibel hätten nichts miteinander zu tun (Die Judenfrage bis zur Auferstehung Jesu Christi hin, 1960, 12). Konkreteres ist mir dazu leider nicht bekannt. 498 Veröffentlicht wurde davon eine Nachschrift in der Ev. Buchhandlung Basel, o. J. (wohl 1942), 16 S. 4%
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gisch gar nicht einig." So mußte wieder die kleine Kapelle als Vortragsort bestimmt werden. Sie war denn auch „zum Bersten voll . . . Leute standen draussen und alle schimpften: ,Warum macht man denn einen solchen Vortrag nicht in der Pauluskirche?' Ich erinnere mich, dass auch Rabbiner Weil unter den Zuhörern sass." An der Predigtstätte von Walter Lüthi (Oekolampad-Kirche) wurde der Vortrag vier Wochen später wiederholt (Muttertag 1942); der große Kirchensaal war wieder voll. 499 Was war es, was hier als nicht mehr zeitgemäß abgelehnt wurde? Warum ist die Judenfrage nach Vischer eine entscheidende Frage fiir die Kirche? Die ganze Geschichte Israels sei zugespitzt auf die eine Frage: wer ist unser Christus? .Jedes Wort, jede Tat Jesu barg in sich diese Aussage: Ich bin's. . . . Und das ist es, was uns mit den Juden verbindet. Denn sie sind und bleiben das Volk, das die Verheißungen empfangen hat, mit dem Gott die Bündnisse geschlossen, aus dem die Väter kamen und aus dem unser Herr Christus nach dem Fleisch geboren wurde. Dieses unser Bekenntnis trennt uns aber auch von den Juden." 500 Denn so Verschiedenes Juden als Beschreibung ihrer Identität angeben, es enthält doch immer die Ablehnung Jesu als ihren Messias. Sie ertragen in ihren Reihen durchaus Atheisten, aber nicht solche, die Jesus als ihren Messias bekennen. „Ein Jude hört auf Jude zu sein, wenn er den Christus Jesus bekennt. . . . Hier ist ein heiliger Gegensatz, der durch keinen Kompromiß geschlichtet werden kann. Nun wird allerdings heute Friede angeboten von Juden und von Christen. Juden sagen uns: Wir wollen euch wohl entgegenkommen und . . . zugeben, daß Jesus von Nazareth einer der Größten gewesen ist, die unser Volk je gehabt hat. Ja wir wollen so weit gehen, zu sagen: er war der größte jüdische Prophet. Wir wollen noch weiter gehen . . . , wir wollen zugeben, daß er für euch Nichtjuden mehr ist als nur ein Prophet, daß er für euch der Gottgesandte ist, der euch die Gemeinschaft mit Gott vermittelt. . . . Wir brauchen das nicht als Juden. Wir sind als die Auserwählten Gottes unmittelbar zu unserm Herrn und Gott." 501 Manche würden so weit gehen, den Prozeß Jesu zu revidieren und Jesus frei zu sprechen aufgrund der Erkenntnis, Gott habe ihn zu den Heiden gesandt. Dieser Kompromiß ist jedoch inakzeptabel, weil Joh 14,6 zunächst gerade Juden gesagt ist.502 Wäre aber auf jüdischer Seite nicht schon viel gewonnen, wenn sie Jesus wenigstens für einen großen Propheten hielten? „Nein, es wäre nichts gewonnen, es wäre vielmehr alles verloren. Denn Jesus Christus selbst hat gesagt: Ich muß sterben . . . , weil ich der Christus bin, weil ich mein Leben zum Opfer bringe für Israel und für die Sünde der ganzen Welt. So lange wir als Christen dieses ,Muß' nicht verstehen, so verstehen wir das eigentliche Geheimnis Jesu Christi nicht, das Geheimnis der Gnade. Solange wir das nicht verstehen, verstehen wir
499 Zitate und Bericht aus dem Br. von L. KÖNIG an S.MÜHLEMANN, Himmelfahrt 1995 (Hervorh. S. F.). 500 Die Judenfrage, eine entscheidende Frage für die Kirche, 1942, 5. Trennung und Verbindung mit dem Judentum in derselben Frage kann heute B. KLAPPERT mit gleichen Worten, doch ganz anderer Intention formulieren (Mose, 620). 501 Vischer a. a. O. 6. 502 A. a. O. 7.
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nicht, daß wir ebenso schuldig sind an seinem Tode wie die Juden, die . . . geschrien haben: Sein Blut komme über uns! Wir können nicht Christen sein, ohne daß wir wissen: Sein Blut, das wir vergossen haben, ist über uns gekommen, und sein Blut allein erlöst uns zum Leben. Denn durch sein Sterben ist er für uns eingetreten und hat er die Schuld unseres Lebens weggenommen. Darum ist für uns die Judenfrage die entscheidende Frage, weil mit der Judenfrage sich Gottes Frage an uns zuspitzt als die Christusfrage: Erkennt ihr Jesus als den Christus, oder meint ihr vielleicht doch, er sei nur irgend ein Prophet? Erkennt ihr ihn wirklich als den von den Propheten Versprochenen? Erkennt ihr ihn als den hingerichteten und auferstandenen König Israels? Erkennt ihr, wie nun in den Juden die Gnadenfrage euch gestellt ist? Wird es euch deudich, daß Jesus Christus der Bote, der Erfüller der Gnade Gottes ist? Die Gnade und nicht die Natur, das Geschenk und nicht unser Verdienst, Gottes unbegreifliches Eintreten für uns und nicht unser frommes Streben erlösen uns. Nicht irgend eine Religion, nicht irgend eine Moral, sondern Gottes Tun, Gottes Opfer für uns alle, ist die Erlösung in Jesus Christus."503 Was die Juden daran nicht wollen, ist die Gnade Jesu Christi. Aber damit gerade stehen sie nicht allein: „Sollte es nicht den Juden zu denken geben, daß ihre erbittertsten Verfolger die Gnade Gottes in Jesus Christus mit der gleichen Begründung wie sie ablehnen? . . . So stehen Juden und Heiden einander gegenüber als die erbittertsten Feinde, mit der gleichen Losung, mit dem gleichen Feldgeschrei: Wir brauchen diesen geopferten Mittler nicht, wir tragen den Willen Gottes im eigenen Blut. Wir brauchen diesen Hohenpriester nicht Wir brauchen keinen, der sich für uns opfert. Wir bringen selbst, wenn es sein muß, mit unserm heiligen Blut das Opfer. . . . So stehen sie einander gegenüber, Heiden und Juden, und in ihrer Mitte hängt der Hingerichtete als der, der sein Leben gibt zu ihrer Erlösung, um Frieden zu schaffen zwischen ihnen in diesem unheimlichen Wettkampf der Selbstrechtfertigung der Menschen, die sich rechtfertigen wollen vor Gott durch die eigene Leistung ihres Lebens. Er, der Eine, der Hingerichtete, hängt zwischen ihnen als ihr Friede, der beide entwaffnet, weil er die Schuld beider trägt und beiden das Leben schenkt."504 Warum aber wollen die Juden nicht hören? Sie sehen nichts vom Sieg der Gnade. Das liegt aber gerade an ihrem Unglauben! Erst wenn die Juden glauben, so Vischer, wird letztlich offenbar, daß der Herr Christus der Sieger ist. „Es hängt an unser aller Glauben, auch an dem Glauben von uns, die wir aus dem Heidentum kommen. Aber es hängt in einem besonderen Sinn am Glauben, an der Umkehr der Juden. Weshalb? Weil Gott sie auserwählt hat, sichtbar, leiblich, fleischlich, inmitten der anderen Menschen, um die Welt umzudrehen und den Fürsten der Welt zu entmächtigen. Das ist die klare Linie der Geschichte Israels."505 „Wenn sie glauben, an den Jesus Christus glauben, dann wird er kommen. Vorher nicht."506 Das heidenchristliche Christuszeugnis an Juden ist also unabdingbar!507 503 504 505 506 507
A.a.O. 8f. A.a.O. 10f. A.a.O. 13. A.a.O. 15. So öfter, siehe Anm.549 (S. 134). Die Judenfrage, eine entscheidende Frage für die Kirche, 1942, 16.
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Vischer verband seine theologischen Überlegungen über Israel immer mit sozialen, wie an einem Thema deutlich wird, über das er am 26. Februar 1940 referierte: „Was erwartet unsere Kirche von unserm Volk?" Die Antwort fand er zusammenfassend darin, daß sich das Volk durch das Evangelium rufen, richten und befreien lassen solle. .Jesus Christus ist die Wahrheit, niemand und nichts ausser ihm". Die Kirche „erwartet von unserem Volk, daß es sich nicht ein Bild Jesu Christi nach den Wünschen seines Herzens mache, sondern sich an die heilige Schrift des Neuen und des Alten T e s t a m e n t s halte. Nur als der Christus Israels ist Jesus der wahre
Herr
der Kirche. Sie erwartet, dass unser Volk erkenne, wie der Antisemitismus der Kampf gegen den Christus Israels ist, und dass es deshalb unter keinen Umständen antisemitisch sein werde."508 Nur als der Christus Israels! Das heißt, daß Jesus den Christen nicht nur die Augen für die Heilige Schrift des Alten Testaments öffnet, sondern daß das Christussein Jesu aus dem Alten Testament zu verstehen ist. Wird das Alte Testament ausgeschieden, beginnt man automatisch damit, ihn von anderen Quellen her zu verstehen: damals etwa als Arier oder in neueren Versuchen als Sozialrevolutionär, als Feministen etc. Die Erwählung Israels wird analog durch die Erwählung eines anderen Volkes (damals des deutschen) oder einer bestimmten Gruppe (die sozial Einflußlosen, die Armen, die Frauen etc.) ersetzt. Daß Jesus dann auch nicht mehr „Christus", König Israels, genannt werden kann, wird dabei sehr häufig ausgeblendet. Der Basler Rabbiner Dr. Arthur Weil urteilt am 2. Januar 1943: „Eine solche Sprache haben wir Juden vonseiten der Vertreter der Kirche seit 1900 Jahren nicht gehört".509 So hat Vischer wesentlichen Anteil an der Öffnung der Kirche in Richtung auf den Dialog zwischen Juden und Christen.510 Johannes Staehelin hat recht: „Wilhelm Vischer hat als einer der 508 S. 7 des mir vorliegenden zehnseitigen Manuskripts (Hervorh. S. F.). Interessant mag aus dem Vortrag noch Vischers Kommentar zu einer Bemerkung Hitlers in seiner ersten Regierungserklärung vom 2.2.1933 sein, in der dieser sagte, seit 1918 habe der Allmächtige dem deutschen Volk den Segen entzogen: „Wenn es noch eine Kirche gab, die nicht ein Leichnam, sondern der Leib Christi war, dann musste sie dieser Satz im Innersten verletzten. Es musste ihr klar sein: wer so etwas sagt, meint mit dem Allmächtigen nicht Jesus Christus, sondern seinen Gegenspieler. Jesus Christus hat Deutschland in den Jahren der Erniedrigung gesegnet. Er segnet im Leiden und nicht damit, dass er die Machtträume eines Volkes erfüllt. Das Evangelium sagt deutlich genug, wer dieser sogenannte ,Allmächtige' ist, der Fürst dieser Welt" (6; vgl. oben S. 65). Aufgabe der Kirche sei es, das Volk zu lehren, diesen Fürsten klar von Gott unterscheiden zu lernen (7). 509 Zit. in der Predigt von S. MÜHLEMANN zum 100. Geb. Vischers am 30.4.1995 in Basel, St.Paulus (Blatt 4 = ebenso WILLI im Einnerungsheft S. 19). 510 WILLI ebd.; S. 21 RUDOLF BRÄNDLE: „Er hat damit die Tür aufgestoßen zu einer neuen Besinnung auf die Bedeutung des Alten Testaments für uns Christen. Damit eng verbunden war sein Nachdenken über das Gottesvolk Israel und die Beziehungen zwischen Christen und Juden. Seine biblischen Erörterungen von 1933 zu diesem Thema gehören zu den wenigen Texten aus jener Zeit, die wir heute noch lesen können."
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Frühesten in den dreissiger Jahren warnend seine Stimme erhoben und sich für die Verbundenheit mit den Juden eingesetzt."511 Sprechen derartige Reaktionen auf Vischers Theologie nicht eine eindeutige Sprache? Wie kommt man aber dazu, ihm antijudaistische Tendenzen zu unterstellen512? Wiederholt sich hier die Blindheit, die bereits Vischer entgegenschlug: temporale Kriterien (Zeitgemäßheit) verdecken die eigentliche Sachauseinandersetzung (um die Schriftgemäßheit)? Wo man meint, man könne heutesn - dies Wort war Vischer verdächtig, weil es in der Vergangenheit für die unterschiedlichsten Zwecke angeführt wurde („das Gebot der Stunde" im Nationalsozialismus oder das ethisch normierende Geschichtsverständnis des Marxismus) - nicht mehr anders, bleibt für eine geistliche Sachdiskussion und die biblische Unterscheidung und Zuordnung von Gesetz und Evangelium kein Platz mehr; zu unterscheiden ist dann vielmehr das Zeitgemäße vom Unzeitgemäßen. Auch bei Vischer wurde nach dunklen Stellen gesucht. Doch dieser Versuch schlägt fehl. Vischer war Juden gegenüber ein absolut integerer Mann, der es nicht an praktischer Solidarität fehlen ließ. Neben seiner Arbeit im Hilfswerk und ihrer Subkommission beherbergte er in seinem Haus monatelang die Berliner jüdische Auswanderin Lisa Honroth, eine Kinderbuchautorin.514 Vielfach wurden die Vischers von dem deutschen Juden Dr. Johannes Fuchs besucht515, 1939 einmal von Hans Ehrenberg516. Im schweizerischen Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland sowie dem Schweizerischen evangelischen Hilfskomitee für evangelische Flüchtlinge
511
Erinnerungsheft S. 24. Rettung, 9 0 - 9 3 ; E . S T E G E M A N N , Sinn, 3 6 f.; S C H R O V E N , Christologische Auslegung, 2 1 3 - 2 1 5 . 2 3 3 f.; G E R L A C H , Zeugen, 4 2 5 (in logisch unnachvollziehbarer Argumentation); K Ä S E R - L E I S I B A C H , Stimmen, 1 1 2 ff. unter der Überschrift: „Mit dogmatischem Antijudaismus in den Kampf gegen den nationalsozialistischen Antisemitismus" (die Unterscheidung von kirchlichem Antijudaismus und NS-Antisemitismus wird nicht durchgehalten, vgl. S. 1 1 6 . 1 4 0 . 1 6 3 . 1 6 5 : „dogmatischer Antisemitismus"); M Ü L L E R , Bekenntnis, 3 0 und 3 9 zu Vischer, 2 3 zu M E R Z , 2 6 f. zu S A S S E ; hierzu vgl. L L C H T E N F E L D , Merz, 2 4 . 513 Vgl. die Bezeichnung von Vischers Theologie als „außerordentlich anachronistisch" bei E . S T E G E M A N N , Sinn, 3 7 . 514 Nach dem Gästebuch u.a. 1 3 . 1 1 . 1 9 3 9 - 3 . 7 . 1 9 4 0 . Am Ende schrieb sie Verse ins Gästebuch: „Ich kam für eine Nacht, so hatte ich geglaubt, / die Gastlichkeit des Hauses zu erbitten. / Da hat das Leben alles mir geraubt, / das Band von einst zu jetzt jäh mir zerschnitten. / So gab mir - und es wurden Monde aus den Tagen - / Schutz, Trost und Hilfe dieses güt'ge Haus. / Und nun, da ich ins Ungewisse geh hinaus, / find ich die Worte nicht, um Dank zu sagen. / Es mögen dieser Zeiten dunkele Dämonen / dies Haus nie finden! Möge Gott beschirmen / die Eltern und die Kinder treu vor allen Stürmen / dass Glaube, Friede, Freude stets hier wohnen." 515 Inhaber eines chirurgischen Patents (das Catgut-Rezept für einen selbstauflösenden Faden). 516 Vischers Br. an B A R T H vom 1 5 . 8 . 1 9 3 9 : „Hans Ehrenberg hat sich auf nächsten Sonntag bei mir angesagt ...", (vgl. Br. vom 1 8 . 8 . 1 9 4 1 ; 3 . 9 . 1 9 4 1 ) . 512
RENDTORFF,
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kamen viele jüdische Emigranten unter. 517 Vischers Integrität ist auch auf politischem Gebiet zu konstatieren. Sein „Christuszeugnis" rief den entschiedensten Widerspruch gerade nicht in der Bekennenden Kirche hervor. 518 D a s gegen ihn und nicht gegen seine theologischen Gegner erlassene Redeverbot belegt die Absurdität einer Ansicht, die F. V. Filson für viele formuliert hat: „But it would seem that the political situation was a contributing factor; if the Old Testament spoke of Christ, and did not direct attention to the Jews, it could perhaps more nearly fit into the Nazi setting." 519 N i c h t nur als 1942 520 einige 1000 Juden in die Schweiz flüchteten, rief Vischer in Predigten ( z . B . über Ps 24 zum l . A d v . ) dazu auf, diesen die Türen weit und die Tore hoch zu machen. 521 Für die Nationalzeitung schrieb er am 23. August 1942 (abgedruckt in Nr. 319, 25.8.1942): „Der Bundesrat muss es wissen, dass er mit dem Aussperren und Ausliefern jüdischer Flüchdinge die christliche Wurzel der Eidgenossenschaft verletzt. Mit nichts lässt die verhängnisvolle Tat sich rechtfertigen. Wären die Menschen, die jetzt schutzflehend an und über unsere Grenze kommen, geflohene Kriegsgefangene oder Deserteure oder politische Flüchdinge, dann würden und könnten sie aufgenommen werden. Nun sie aber aus keinem andern Grund vor den Henkern bei uns Zuflucht suchen als weil sie Juden sind, denen das Lebensrecht in der , neuen Ordnung Europas' abgesprochen ist, soll die Schweiz keinen Rechtsgrund und keine Möglichkeit haben, ihnen Schutz zu bieten. Das ist nicht wahr. Denn erstens ist der Jude der politische Flüchtling par excellence im heutigen Europa. Und zweitens ist gerade seine völlige Wehr- und Rechtlosigkeit der zwingende Grund dafür, dass die Schweiz an ihm ihre vielgerühmte Mission erfülle. Gott befiehlt es uns und gibt uns auch die Möglichkeit dazu. Wenn wir uns dessen weigern, belasten wir die Schweiz mit schwerer Schuld. Die Sorge um unsere eigene Ernährung und die Angst vor den Machthabern dieser Zeit dürfen uns nicht dahin drängen, dass wir die Gottesfurcht wegwerfen. Jetzt müssen 517 Siehe den Jahresbericht 1944, Entwurf datiert vom 9. März 1945 (Vischer S. 10); Vischers Br. an H. LUDWIG vom 29.9.1973, S. 4 f., wo Vischer betont, daß ihr damaliges Denken und Handeln alle Juden einschloß. 518 Vgl. Br. v. W. SCHERFFIG an mich vom 20.5.1996: Vischer fand „zuerst einmal den Widerstand von uns jungen Theologen der BK! . . . Wir waren ja alle, vor allem wir Marburger, streng historisch-kritisch erzogen. Wir haben aber bald gemerkt, daß Vischer uns den Mut gab, über Texte des A T zu predigen, und dies nicht im bisherigen Stil des aus dem AT herausgeschnittenen Lieblingstextes. Die Theologie hat nach dem Krieg diesen verheißungsvollen Weg abgebrochen und ist zu den alten Vorurteilen zurückgekehrt . . . " 519 FILSON, Unity, 141. 520 Uber dieses kritische Jahr und die Vervielfachung der Zahl jüdischer Flüchtlinge siehe BUSCH, Bogen, 353-358. 521 Psalmen, ausgelegt für die Gemeinde, 1944, 19 f.
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und können wir mit der Tat den Dank an Gott beweisen, der so oft in Reden ausgesprochen worden ist, den Dank dafür, dass er durch seine Gnade unser Vaterland wunderbar erhalten hat. Wir leben doch von Tag zu Tag einzig und allein von dem Erbarmen Jesu Christi. Wie können wir da zugleich die ärmsten seiner Brüder erbarmungslos von uns stossen?"522 Mit Schmerz gedachte er später der mangelnden Hilfsbereitschaft, gerade unter seinen Pfarrkollegen, die alle gegen ihn gestanden hätten; es war nach seinem Urteil eine Verleugnung des Herrn.523 Im September 1942 predigte Vischer über Arnos 1-2 und 4,12 so, als ob die Schweizer mit Amos' Gerichtsworten gemeint wären: „Wir - das sind wir Christen in der Schweiz. Da liegt das eigentliche Ziel der Worte dieses Propheten. Sie schlagen ein beim Volk Gottes, bei denen, die sein Wort haben. Uns trifft es, uns Christen in der Schweiz."524 Die Nachschrift verzeichnet, wie sich nach Vischer die bei Arnos genannten Greuel in Europa wiederholen; er mahnt deshalb eindringlich zur Buße: „Wir sehen immer nur das, was den andern widerfährt, zittern einen Augenblick und denken: uns kann es ja doch nicht treffen. Wir lesen und wir haben uns ja schon daran gewöhnt, tagtäglich zu lesen von all den Greueln, von all den Leiden der andern Völker, von all dem, was wir da von Tyrus und den Philistern und Edomitern hören: dass ganze Dörfer weggeschleppt werden, in Sklaverei verkauft oder vernichtet, dass das Schwert frisst ohne Erbarmen, dass die Schwangeren aufgeschlitzt werden, damit man Gebiete erweitere. Dass die Gebeine zu Kalk verbrannt werden, dass man Leichen braucht, um gewisse Rohstoffe zu haben. All die Greuel, all das Grauen in Griechenland, in Serbien, in der Tschechoslowakei, in Polen, in Norwegen, in Belgien, in Frankreich, in Luxemburg, rings um uns herum. All das Grauenhafte, das ich euch jetzt nicht alles aufzählen muss, das ihr täglich in den Zeitungen lest - wir kennen es, und wir spüren wohl etwas davon: Ich nehme es nicht zurück; wegen all dieser Frevel kommt das Gericht. Das ist ja das Furchtbarste, dass mit all dem die Schuld immer grösser wird. Wir schreien wohl gelegentlich auf: das kann Gott nicht mehr zulassen! das muss Gott strafen! Und wir sehen doch jetzt schon, wie furchtbar begründet das Gericht ist, wenn wir nur an eines denken: ζ. B. an Polen. Wenn jetzt die Polen die Welt aufrufen, etwas zu tun gegen ihre Ausrottung, so erinnert man sich daran, dass im Jahre 1936 der polnische Aussenminister Oberst Beck gesagt hat: es sind in Polen eine Million zu viele Juden. Jetzt sind so und so viele Polen 522 Gleicher Tenor mit großer Eindringlichkeit in dem erwähnten Vortrag „Was erwartet unsere Kirche von unserm Volk?", 8-10. 523 In Kriegspredigten kritisierte Vischer die Gleichgültigkeit von Schweizern gegenüber den stärker beteiligten Deutschen, vgl. u.a.: Predigt über Mt 3,1-3 am Bettag, 17.9.1944, im Nachschriftenband Nr. 63, S. 3 f.: „Erkennen wir es immer noch nicht, warum gerade das jüdische Volk so geschlachtet wird?" 524 Predigt über Am 1 f.; 4,12 am 20.9.1942 (Bettag), 4.
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zu viel in Polen. Alle Schuld rächt sich so furchtbar. Und es ist kein Trost, dass wir sagen: alle diese Frevel müssen noch einmal ihre Strafe finden. Unabwendbar ist das Gericht, und was kann das anderes heissen, als dass alles, alles verloren ist? Und wir? Wir nehmen es doch immer wieder nicht ganz ernst, dass wir die gleiche Schuld tragen".525 An die Predigt schließt die Nachschrift ein langes Gebet an: dem Bekenntnis der eigenen Schuld, der Bitte um Vergebung folgt nicht nur die Fürbitte um geistliche Erneuerung in der Schweiz, sondern auch, vor dem Vaterunser: „Errette die Juden, die verlorenen Schafe deiner Herde, aus den Händen ihrer Schlächter."526 Im Dez. 1942 erging ein „Weihnachtsbrief an unsere Juden", von Vischer aufgesetzt, unterzeichnet von Barth u. a.527: „Liebe Juden in der Schweiz, Wir feiern Weihnacht, den Geburtstag des Heilandes, des Königs aus dem Hause Davids. Wir können nicht mehr anders, wir müssen Ihnen endlich sagen, was uns Ihretwegen schon lange bewegt. Die namenlose Not Ihrer Brüder und Schwestern lastet auf unserer Seele. Es ist Ihnen vielleicht eine Stärkung, wenn Sie hören, dass evangelische Christen an Sie denken, zu Ihnen stehen und für Sie beten. Die Drangsale, die unzählige Ihrer Brüder zu erleiden haben, greifen uns nicht nur aus Gründen der Menschlichkeit ans Herz. Wir sind uns darüber völlig im klaren, dass die Gewalten, die heute zum vernichtenden Schlage gegen das Judentum ausholen, es mit nicht geringerem Grimme auch auf das Christentum abgesehen haben. Mit der Verhöhnung der alttestamendichen Botschaft wird die Axt auch an die Wurzel der neutestamentlichen Gemeinde gelegt; mit der Zerstörung der Synagoge soll eine erste Bresche geschlagen sein, um dann auch zur Vergewaltigung der christlichen Kirche die Bahn frei zu bekommen. Wehe der Christenheit, wenn sie sich vom heidnischen Denken ins Schlepptau des Antisemitismus einfangen Hesse! Wehe der Judenschaft, wenn sie sich jetzt im Widerstand gegen Christus versteifen würde! Beide rebellierten dann wider den Heilsplan der Erlösung, der beide umfasst. Sie wissen, in welcher Weise wir bisher zu Ihnen gestanden sind und wie wir versuchen, die Not Ihrer Brüder, die in Todesangst über unsere Grenzen geflüchtet sind, zu lindern. Wir bitten auch um die Kraft, im Gehorsam gegen Gottes Wort treu für Sie einzustehen, wenn Sie je einmal in unserem Vaterland bedroht werden sollten. Es betrübt und erschreckt uns, dass das Judenvolk Jesus nicht als den im Alten Testament angekündigten Messias erkennt und als seinen Erlöser annimmt Aber 525 526 527
A. a. O. 3. A. a. O. 6. E . BRUNNER, A . a. O . FARNER, A . FREY, W . LÜTHI, A . DE QUERVAIN, E . THURNEYSEN,
P. VOGT U. a. Insgesamt 37 Unterzeichner, allesamt Theologen und ein „Fürsorger". Über die erschütternd ablehnende Reaktion eines Mitredaktors der katholischen Kirchenzeitung, ALOIS SCHENKER, S. KÄSER-LEISIBACH, S t i m m e n , 1 3 6 f.
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es ist zuerst an uns, Busse zu tun, für alles, was von unserer Seite an den Juden gesündigt wurde. Die christlichen Völker haben durch die Jahrhunderte hindurch das alte Bundesvolk Israel nicht in der Geduld Christi ertragen und darum haben sie es auch in erschütterndem Masse daran fehlen lassen, ihm durch Taten der Gerechtigkeit und Menschlichkeit wirklich glaubhaft zu bezeugen, dass der von den Juden verworfene Jesus aus Nazareth der wahrhaftige Sohn Gottes ist, der grosse Erbarmer und einzige Seligmacher auch für sein eigenes Volk. So ist unsere Schuld noch grösser als die Schuld der Juden. Denn uns war die Binde von den Augen genommen: ,Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit' - und wir haben uns doch stets wieder als Blinde und an Liebe Arme erwiesen. Das ist uns von Herzen leid. Wir denken mit Schamröte daran, was seit je in christlichen' Völkern an Israel verbrochen wurde. Seien Sie versichert, liebe jüdische Brüder und Schwestern, wir beten für Sie, dass der treue Gott Sie heute durch alle Ihre Drangsal hindurchtrage und seine herrlichen Verheissungen an Ihnen wahr mache. Wir grüssen Sie im Glauben an das Wort, das in Ihrer und in unserer Bibel steht: ,Das zerstossene Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Er wird das Recht wahrhaftig halten lehren.'" Dieser Brief ist wahrscheinlich auch in einem kirchlichen Blatt abgedruckt worden. Vischer hatte den Brief mit einer Vorbemerkung dazu aufbewahrt, die sich an die Leser eines „Blättchens" richtet (leider ohne bibliographische Angabe). Hierin ist von der „jüdischen Gefahr" die Rede. Sie besteht, wenn man einem jüdischen Flüchtling begegnet und ihn nicht aufnimmt. „Denn sie hat Gott unter allen entrechteten und erniedrigten Heimatlosen auserwählt, um an ihnen allen Menschen zu zeigen, dass er allein allmächtig ist und sich mit seiner ganzen Allmacht herabbeugt zu den Wehrlosen. Weh darum dem Pharao, der mit seiner Macht die Israeliten quält und vernichten will. Und weh erst recht den Juden, wenn sie selber mächtig sein und nicht allein von Gottes Gnade leben wollen! Das macht die Juden in ihrem namenlosen Elend für uns Christen so wichtig, dass Gott uns an ihnen am deutlichsten den ganzen Ernst seiner Gnade zeigt. Durch die Frage: ,Wie stellt ihr euch zu diesen Juden?' richtet Gott jetzt die Schicksalsfrage an alle chrisdichen Völker. . . . " Als vorbildhaft werden Christen in Dänemark, den Niederlanden und in Frankreich vor Augen geführt: „Die Franzosen waren selbst arm. Aber sie nahmen die noch ärmeren auf und durften erfahren, dass mit den Deportierten Jesus Christus zu ihnen kam. Jetzt tritt mit den Flüchtlingen die Schicksalsfrage an uns Schweizer heran. Wie nehmen wir diese Juden auf? Daran wird es sich erweisen, ob es ernst gemeint ist, wenn wir immer wieder sagen, es sei reine Gnade Gottes, dass unser Vaterland bis jetzt von Krieg und Hungersnot verschont geblieben ist. Diese Verantwortung trieb die Absender des Briefes dazu, sich nicht nur tätig für die Flüchtlinge einzusetzen, auch nicht nur, wie es bereits geschehen ist, ein
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öffentliches Wort über die Juden zu sagen, sondern ihnen die Treue und Gnade Jesu Christi unmittelbar zu bezeugen. Der Brief wurde an alle Rabbiner in der Schweiz geschickt. Er wurde auch in einigen Flüchtlingslagern vorgelesen und in Blättern und Zeitungen veröffendicht. Mancherlei Antworten kamen den Absendern zu. Der Satz ,Es betrübt und erschreckt uns, dass das Judenvolk Jesus nicht als den im Alten Testament angekündigten Messias erkennt und als seinen Erlöser annimmt' erregte bei manchen Juden und Nichtjuden Anstoss. Sie fanden, der Brief wäre ,christlicher' gewesen ohne diesen Satz. Aber wie könnten Christen Juden trösten, wenn sie ihnen verschweigen, dass Jesus Christus der einzige Trost im Leben und im Sterben ist?"528
Die seit Jahren von engagierten Vertretern des jüdisch-christlichen Dialoges aufgestellte Forderung eines christlichen „Besitzverzichts" auf die Tora oder den Messiastitel Jesu 529 bzw. einer Anerkennung des religiösen Selbstverständnisses des Judentums 530 mit dem Ziel, eine diakonische Haltung gegenüber dem Judentum zu gewinnen, wäre Vischer bei der Einheit, in der bei ihm biblisch-theologische Christologie und praktische Solidarität mit den Juden zueinander stehen, mehr als überflüssig erschienen. Während der 3. Wipkinger Tagung (in Zürich-Wipkingen) am 8./9. Dezember 1940 wurde kontrovers beurteilt, ob das Heil (nach Joh 4,22) von den Juden kommt, oder nur, d a ß es von den Juden gekommen ist?531 Für Vischer blieb im präsentischen Sinn „jeder Jude eo ipso ein Zeuge der Heiligkeit und Treue Gottes" 532 . D e r gleiche Punkt brachte im Jahr darauf einen noch härteren Zusammenstoß: Im November 1941 (4. Wipkinger Tagung) ließ es Barth beinahe zum Bruch mit dem „Hilfswerk" kommen, nachdem Walther Zimmerli, Emil Brunner und mit ihnen die Majorität der Versammlung vom 17. November im Anschluß an einen Vortrag von Visser't H o o f t das präsentische Verständnis des Satzes „Das Heil kommt von den Juden" bestritten hatten. 533 Brunner hatte die Versammlung mit einer entsprechenden „Motion" an den Schweizer Kirchenbund überrascht, er möge angesichts der gegenwärtigen Judendeportationen noch einmal also über die von Vischer verfaßten Stellungnahmen hinaus - öffentlich Stellung beziehen. Dies Vorhaben wurde einstimmig angenommen; Barth, Thurneysen und Vischer hielten hingegen seine Begründung für „grund528
Aus dem N a c h l a ß in Montpellier (Hervorh. orig.). Zunächst bei VON DER OSTEN-SACKEN, Grundzüge. 530 RENDTORFF, Wege, 435 f. 439. 443. 531 BARTH, Ges. W. V, 4, 422 (zu BARTHS Adventspredigt 1933 über u . a . J o h 4,22 siehe BUSCH, Bogen, 170). 532 D a s Heil kommt von den Juden. M e m o r a n d u m , 1938, 45 f. (2. Aufl.: 7). 533 Ausführlicher Bericht und Literatur bei BUSCH, Bogen, 372-399. - BARTH blieb auf Bitten von PAUL VOGT (siehe Anm. 460, S. 114) beim Hilfswerk, allerdings unter der Bedingung, d a ß es sich künftighin auf karitative Arbeit beschränke und auf theologische Arbeit verzichte (BUSCH, Barths Lebenslauf, 327). 529
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Biographie und theologischer Weg
falsch" (diese fand eine Mehrheit von nur einer Stimme), weil die Verbundenheit von Kirche und Judentum viel zu schwach ausgedrückt und begründet werde. Die drei Genannten distanzierten sich in einem Brief an die Schweizer Kirchenbundsleitung ausdrücklich nicht von dem Begehren, „zu der Judenfrage Stellung zu nehmen", aber davon, es „in der verkehrten Weise der Wipkinger Erklärung" zu tun, statt in der rechten Weise, wie es der Basler Kirchenrat im November 1938 getan hatte. Die drei bemerkten dazu: „Wir freuten uns, daß er (sc. Brunner) den Anstoß gab, baten ihn jedoch die drei Sätze so abzuändern, daß sie sagen, was die Kirche aufgrund der heiligen Schrift in der Judenfrage zu bekennen hat. Konnte man zuerst noch hoffen, die Sätze seien nur verkehrt abgefaßt, aber gutgemeint, so zeigte die Erläuterung, die der Verfasser gab, daß sie grundfalsch sind. Leider gelang es uns nicht, die Versammlung davon zu überzeugen, daß durch diese Sätze Jesus Christus verleugnet wird und die Menschen verführt werden."534 In monatelangem Streit bekämpften sich ein Zürcher und ein Basler Lager mit verschiedenen Israellehren. Zimmerli wurde Sprecher der Zürcher Seite und unterzog 1942 in zwei Aufsätzen im Kirchenblatt für die reformierte Schweiz und in der Schweizerischen Reformierten Monatsschrift die Position der anderen Seite strenger Kritik. ,Joh 4,22 bedeute in Wahrheit: ,Das Heil kommt allein durch Jesus Christus.'"535 Bei den Baslern sah er eine „Uber-Christologisierung der Judenfrage", die das „solus Christus" gefährde. Das Nein zu den Judenverfolgungen sei mit der Samariterliebe bereits ausreichend begründet. Daß er im übrigen ein bleibendes Erwähltsein der nichtchristlichen Juden und damit die nach der Kreuzigung ihres Christus bestehen bleibende Hoffnung auf Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen bestritt, evozierte den Protest der Basler: Auf der Wochenendtagung des Schweizerischen Reformierten Pfarrvereins vom 28.-30. September 1942 in Liestal (Baselland) reagierten Lukas Christ536 und Vischer. Dieser wies, ausgehend von Apg 26,6 (und mit für Vischer unüblich vielen Stellenangaben), das Verbundensein von Juden und Kirche anhand der Identität ihrer Hoffnung auf. „Indem die Kirche glaubt, dass Jesus der Christus Israels ist, so ist für sie die Hoffnung Israels in ihm eifiillt. Die Juden aber halten Jesus fur den falschen Messias, der Israel um 534 Bei BUSCH, Bogen, 377. Für BRUNNER konnte das .natürliche', ungläubige Israel den Christen nur durch schöpfungsmäßige und historische Bande nahestehen; was er nicht sagen konnte und „woran für Vischer und Barth gerade alles lag, war die Aussage, daß dieses Israel ,uns' im Glauben an Jesus Christus eo ipso mitgesetzt und daß darum die Verbindung mit ihm eine ,unlösliche' ist" (a. a. O. 379; zur Ablehnung Barmens durch BRUNNER siehe BUSCH a.a.O. 380). Von daher wird die scharfe Ablehnung BRUNNERS durch BARTH und Vischer verständlich (a.a.O. 379f.). 535
BUSCH a. a. O . 3 8 7 .
536
A. a. O. 388 f. CHRIST war Präsident des Schweizer Reformierten Pfarrvereins.
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seine Hoffnung betrügt. Warum? Weil er in Niedrigkeit und Armut gekommen ist. Die Juden meinen, damit sei das Versprechen Gottes zuschanden gemacht."537 „Erst als er auferstanden war und ihnen seinen Geist gab, gingen ihnen die heiligen Schriften auf, so dass sie erkannten, wie der Christus von den Seinen getötet werden musste, damit Gottes Wort erfüllt würde."538 „Indem die Juden den Christus Jesus ablehnen, schliessen sie sich von der Hoffnung Israels aus. Sie versuchen durch ihr Streben die Königsherrschaft Gottes herbeizuführen. Anstelle des in das Fleisch gekommenen und für die Sünder geopferten Retters, der allen, die an ihn glauben, das ewige Heil schenkt, erwarten sie einen Weltrichter, der Lohn und Strafe nach dem Verdienst der Werke austeilen werde."539 Deshalb wird im Neuen Testament eine scharfe Auseinandersetzung mit den Juden geführt, bis dahin, daß der Teufel als ihr Vater bezeichnet wird (Joh 8,44)540 und ihre Hoffnung, weil auf die eigenen Werke gegründet, zum schlimmsten Wahn verkommt.541 Diese scharfen Urteile des Neuen Testaments über die Juden seien nun weder abzuschwächen noch auszuscheiden, sondern müßten als bleibendes Korrektiv zVmerkirchlich präsent bleiben. „Die eigentliche , jüdische Gefahr' ist der Judaismus innerhalb der Gemeinde", also eine religiöse Haltung, die „ihre Hoffnung nicht ganz und allein auf die Gnade setzt".542 Aber eben weil die Güte Gottes so groß ist und den „totalen Sieg der Gnade"543 will, verliert die Kirche ihrerseits ihre Hoffnung, wenn sie die Hoffnung für die Juden aufgibt: „Denn an dem verstockten Israel bewähren sich die Treue und Geduld Gottes. Darum müssen sich ihm gegenüber der Glaube und die Hoffnung der Kirche bewähren. Das anstössige Rätsel der Existenz der Juden ist das Wunderzeichen für das Geheimnis der Gnade. An ihnen wird es offiziell und endgültig offenbar, dass das Evangelium die ebenso ausschließliche wie allumfassende Möglichkeit Gottes ist, jeden zu retten, der glaubt: allein aus Gnade und so alle."544 Nur die Gläubigen oder wirklich alle, auch die, die zu Lebzeiten in Auflehnung gegen Gott und seinen Christus verharrt haben? Alle! „Als Knecht des guten Hirten, der die 99 Schafe in der Hürde stehen lässt, um dem einen verlorenen nachzugehen, bis er's gefunden hat, kann er sich nicht dabei beruhigen, dass eben doch nur die gerettet werden, die sich rufen lassen. Denn damit würde schliesslich doch zugestanden, dass die Möglichkeit des Menschen, nicht zu glauben, die Möglichkeit 537 538 539 540 541 542 543 544
Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 17 (Hervorh. orig.). A . a . O . 18f. A. a. O. 24. A . a . O . 25. A. a. O. 26. Ebd. A . a . O . 27. A . a . O . 26f.
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Biographie und theologischer Weg
Gottes, jeden zu retten, unmöglich machen könne, dass der freie Wille des Menschen stärker sei als der freie Wille Gottes und die Absage des Menschen Macht habe, die Zusage Gottes Lügen zu strafen." 545 Diese Universalität der Wirksamkeit der Gnade werde theologisch entscheidend durch Rom 9-11 gesichert. Das πάς 'Ισραήλ von Rom 11,26 schließe das ganze fleischliche Israel ein.546 Und die strittige Stelle Joh 4,22 besage nichts weniger als die Heilsnotwendigkeit der Tatsache, daß Jesus ein Jude war. J o h a n n e s hält es für ebenso heilsnotwendig, dass der Messias als Jude kommt, wie dass er von den Juden verworfen wird" (Joh 1,11).547 Das έστίν von 4,22 habe, weil im ganzen Johannes-Evangelium die Entscheidung des Heils sich im Glauben und Unglauben der Juden vollzieht, nur den Sinn: „es war so und ist so und wird so sein, dass das Heil von den Juden kommt. Und zwar deshalb, weil das Heil allein aus Gnade geschenkt wird, und weil die siegreiche Durchführung dieses freien Ratschlusses ein für allemal an die Juden gebunden ist"548 und selbst die sichtbare Wiederkehr Jesu erst geschieht, wenn sich die Juden bekehrt haben.549 „Das sakramentale Zeichen dieser Verheißung ist das sichtbare Israel."550 Ausdrücklich an die Adresse von Zimmerli gerichtet warnt Vischer davor551, die Unbedingtheit der Gnade irgendwie in Frage zu stellen. „Dass die göttliche Souveränität völlig frei ist und die Gnade unbedingt bedingungslos gewährt wird, eben das muss und wird seine letzte und krönende Offenbarung erhalten durch das Wunder, das die Gnadentreue durch das verstockte und an dem verstockten Israel vollbringt."552 Worin besteht nun heute unsere Aufgabe? „ . . . den Juden gegenüber so völlig Christen zu werden, dass die Juden es nicht mehr länger aushalten, Juden zu bleiben, und so die Hoffnung Gottes bald ganz erfüllt wird. An
545
A. a. O. 27. A. a. O. 28 f. 547 A. a. O. 30. 548 A.a.O. 31. 549 A.a.O. 31 f. u. ö., u.a.: Eine auf die Bibel gegründete Stellungnahme zum neuen Staat Israel, 1970, 356 (Bezug auf Apg 3,19-21); Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Festpredigt 1937, S. 8; Himmelfahrt (Es ist vollbracht. Ostern 1945, 35); Wir Christen und die Juden, 1939, 28; Der Judenstaat Israel. Predigt über Apg 3 und Römer 11,15, Juni 1949, 8: „Wann sie, denen es am schwersten wird, umkehren und erkennen werden, daß da, wo sie die Schuld vollgemacht haben, die Gnade übergeströmt ist, und daß Jesus die Not der Menschheit damit gewendet hat, daß er sein Leben für die Schuld der Juden und aller Menschen gegeben hat, dann und erst dann wird Jesus das Reich Gottes in sichtbarer Herrlichkeit aufrichten. Dann wird es zu der großen Wendung vom Glauben zum Schauen kommen." Zur Kritik siehe unten Anm. 155, S. 358. 550 Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 32. 551 Gegen ZlMMERLI wenden sich zwei Seiten des ganzen Vortrags; dieser ist also nicht vom Gegensatz zu ZlMMERLI dominiert, wie BuSCH (Bogen, 389) den Anschein gibt. 552 Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 33. 544
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unserer Einstellung zu den Juden, die heute erbarmungsloser denn je als Schlachtschafe geachtet sind, erweist es sich, ob wir dem König der Gnade angehören, der sich um unserer Sünde willen wie ein Schaf zur Schlachtbank führen Hess. Stossen wir die Juden von uns, so verleugnen wir den leidenden Christus. Wenn wir aber die Last, die er mit den Juden unserm Glauben und unserer Liebe auferlegt, annehmen, dann stärkt er uns auch durch seine besondere Verheissung für sie in der Hoffnung des völligen Sieges seiner Gnade."553 Vischer 1973: „Weil auch mir alles daran liegt, heute die Jüd.-Chr. Solidarität' zu praktizieren, mag ich mich nicht weiter abgeben mit denen, die nachträglich über das Schlachtfeld von damals Nebel ausbreiten. Doch ist ein kritisches Nachdenken über das, was damals gedacht und getan wurde, von Nutzen für die richtige Stellungnahme in der heutigen Situation. Und insofern ist die Auseinandersetzung mit denen, die jetzt Barth wegen seiner Haltung damals Vorwürfe machen, wichtig. Denn es hängt heute wie damals viel davon ab, ob die jüd.-ehr. Solidarität,humanitär' oder spezifisch biblisch gegründet ist."554
Barth sagte 1942 ähnlich wie Vischer, er glaube, „daß die Judenfrage heute sozus. die christliche Bekenntnisfrage ist", weshalb es ihn umso mehr erschütterte, daß die Berner Regierung den Flüchtlingsstrom von der Schweiz fernzuhalten suchte.555 Die Arbeit im Hilfswerk geschah zwischen Vischer und Barth in völliger Ubereinstimmung. Nach Vischer war Barth „mit allem einverstanden, und alles war in seinem Sinn und seiner Mitverantwortung getan. Wir teilten uns bis zu einem Grad in [sie] die Aufgabe; so kam es, dass ich vielleicht mehr als er direkt zur Judenfrage gesagt habe."556 Vischer mühte sich in seinen Predigten, den vom Nationalsozialismus entfesselten Krieg geistlich verstehen zu lehren: „Das eigentliche Kriegsziel der unheimlichen Macht, die unsere ,alte Christenheit' in diesen Krieg gestürzt hat, ist deutlich: der Name des gekreuzigten Königs der Juden soll von niemandem mehr als Heilandsname verkündigt und angerufen werden. Darum steht jetzt wirklich alles auf dem Spiel. Darum muß jetzt jeder von uns bereit sein, alles einzusetzen. Darum entscheidet sich aber auch alles an dem Namen Jesu."557 In der Predigt am Tag Christi
553 554 555 556
557
A. a. O. 34 (Schluß). Br. an H. LUDWIG vom 24.10.1973, S.2 (Hervorh. S. F.). BUSCH, Barths Lebenslauf, 331 f. V i s c h e r s Br. a n H . LUDWIG v o m 2 9 . 9 . 1 9 7 3 , S . 5 .
Darum hänge das aktuelle Kriegsgeschehen auch mit Joel 2 + 4 eng zusammen: Predigt zu Apg 2,1-42, in: Kriegszeit und Gotteswort Nr. 11, o.J., S. 10; Predigt über Mt 10,28-34.38-39 am 27.8.1944, S. 4 (Nr. 61 im Nachschriftenband); Predigt über Mt 3,1-3 am 17.9.1944 (Nr. 63 im Nachschriftenband), passim. - Für BARTHS Haltung ist das gleiche wie von Vischer zu sagen. BUSCH summiert: BARTH kam „zu dem konkreten politischen
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Himmelfahrt, dem 10. Mai 1945, also unmittelbar nach Ende des Krieges in Europa, legte Vischer Jes 14,3-20 zur Lesung von Eph 4,8-10 aus: „Es trifft sich, dass wir am Fest der Himmelfahrt zugleich die Höllenfahrt des Königs von Babel feiern. Wir haben es miterlebt, was der Prophet Jesaja geschaut hat. Wir haben diesen Aufstieg über alles hinauf miterlebt. Haben wir es wirklich erkannt, dass dieser Aufstieg das unheimliche Gegenbild war zu dem, was Jesus Christus getan hat, indem er herunterkam auf die Erde und Mensch wurde? Haben wir es gesehen, deutlich gesehen, dass eigendich alles, was geschah in diesen 12 Jahren, gegen Jesus Christus getan war? Nicht ohne Grund ist in jeder Rede des nun zu Boden und in die Hölle Geschmetterten etwas von den Juden gekommen als dem eigentlichen Gegner, und er hat es genug ausgesprochen, dass dieser Jesus und seine Herrschaft zu Ende sei. Es war seine feste Überzeugung, dass diese chrisdiche Welt reif sei, wieder heidnisch zu werden, dass das ganze Christentum nur ein Firnis sei, ein sehr oberflächlicher, dass im Grunde genommen alle doch nicht wirklich glauben an diesen hingerichteten Jesus. . . . Es war die feste Uberzeugung dieses Mannes, dass Europa, ja, dass die ganze Völkerwelt reif sei für diese völlige Wendung der Geschichte, dass jetzt das tausendjährige Reich aufgerichtet werden könnte, in dem nicht etwa, wie es in der Bibel steht, der Satan gebunden ist, sondern in dem er dann frei wird und die Botschaft des Gekreuzigten geknebelt wird und endlich das Volk der Heiligen ausgerottet wird."558
Jede Rede Hitlers gegen die Juden war für Vischer, der sich Hitlers Reden aufbewahrte, unmittelbar ein Angriff auf den gekreuzigten König der Juden! Geistliches Verständnis der eigenen geschichtlichen Situation bedeutete: Erkenntnis und Bekenntnis von Gottes Ja und Nein, damit aber entweder Teilhabe an Jesus, dem „Erben der Welt" oder nicht - Erkenntnis und Bekenntnis von Gottes Urteil über unser Leben, einschließlich unserer Politik. Das geschieht aber nicht anders als in konkreter und immer neuer Auslegung der Heiligen Schrift. Jesu erste Tat je als Zwölfjähriger im Tempel und dann nach seiner Auferstehung war - Öffnung unserer tauben Ohren und unserer blinden Augen für die Heilige Schrift. Wie konnte Jesus dies als Zwölfjähriger? „Ich denke, die Antwort, die er seinen Eltern gegeben hat, ist auch dafür die rechte Antwort: Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist? Seines Vaters ist ja nun nicht nur der Tempel, sondern seines Vaters ist ebenso sehr die Heilige Schrift. Durch alles hindurch will ja der Vater reden. Was ist es denn mit all diesen Menschen da von Adam her? Sie sind als Beispiele herausgegriffen, um zu zeigen: Ich bin euer Vater. Und sie sind darum alle Brüder und Schwestern eben des Einen, der in erster Linie der Sohn des Vaters ist, und alle ihre
Fazit: Hitler ist der Antichrist, weil er der Antisemit ist" (Bogen, 330, auch 348 u. ö.; mit Bezug auf Vischer 360-362). 558 Nr. 86 im Nachschriftenband, S. 3.
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Lebensgeschichten, die in der Bibel erzählt sind, haben den einen Zielpunkt: dass sie nämlich zum Leben des Sohnes Gottes gehören dürfen. Das ist das eigentliche Geheimnis all dieser Lebensgeschichten, und das ist das Rätsel der ganzen Geschichte Israels, dieser merkwürdigen Geschichte, dass der Eine da drin ist als der Herr und Bruder, als der König und der Knecht; dass seine Lebensgeschichte da sich ausbreitet, dass Menschen Teil haben an seinem Leben. Wenn er nun da ist, dann wird darum so vieles klar und einfach an dem, was man da liest im Alten Testament."559 Vischers Vater starb am 2. Februar 1946. Ausgerechnet Karl Barth hatte in Vertretung des erkrankten Oscar Cullmann im Namen von Universität und Fakultät die "Würdigung des „letzten Harnackiden" (Barth560) bei der von Pfarrer Karl Buxtorf gehaltenen Beerdigung vorzutragen. Am 21. März 1947 wurde Vischer der Titel eines Dr. h. c. der Universität Basel verliehen. Nach Auskunft von Professor Rudolf Brändle (Theologische Fakultät Basel) sei das Ehrenlizenziat von Karl Barth beantragt, aber im ersten Anlauf von den damaligen Alttestamentlem abgelehnt worden, da der Antrag von Barth kam und Vischer nicht die konventionelle alttestamentliche Ausbildung hatte. Beim zweiten Anlauf sei der Antrag dann aber durchgegangen. Die lateinische Urkunde für die Verleihung des Titels eines Dr. h. c. begründet die Verleihung damit, daß Vischer auf sorgfältigste untersuchte, wie die göttliche Offenbarung, die im Alten und Neuen Testament erscheint, zusammenhängt, und daß er „in seinen ergiebigen Büchern in einem mutigen Verhältnis nicht nur die Interessen der Theologen, sondern die aller Gläubigen" berücksichtigte. Vischer habe sein über zehn Jahre hin bestens ausgeübtes „königliches Lehramt" niedergelegt, um in Montpellier das Amt eines Professors zu beginnen. Offensichtlich hat Vischer seine beiden akademischen Titel bei seinen Berufungen nach Bethel resp. Montpellier erhalten.561 559
Predigt vom 16. Januar 1944 über Lukas 2,40-52, S. 4 der Nachschrift. Zit. nach BUSCH, Barths Lebenslauf, 343. 561 Br. von W. A. VISCHER vom 30. September 1994. Ohne daß mir die näheren Umstände dafür bekannt sind, schrieb Vischer BARTH am 3.3.1947: „Ob die umgefallenen Brüder noch einmal nach der andern Seite umfallen werden, weiss ich nicht, da ich nicht ahne, zu was solche Charaktere fähig sind. Da Dir mein Hochmut bekannt ist, kann ich Dir verraten, dass ich es für die grössere Ehre halte, wenn diese Fakultät mir den Ehrendoktor nicht gibt, als wenn sie mir ihn gibt . . . PS. Gerwigs Brief erhielt ich, als ich gerade in Bethel angefangen hatte. Ich antwortete, dass ich auf längere Sicht in Bethel bleiben werde, und empfahl Mowinckel. Als dieser dann absagte und die Frage noch einmal an mich herantrat, empfahl ich Baumgartner. Sollte jetzt wieder ein Lehrstuhl für einen Alttestamentler in Basel frei werden, so wäre es für mich ein ebenso unvollziehbarer Gedanke, heute Montpellier wieder abzusagen, wie seinerzeit Bethel. Das wird Dir so selbstverständlich sein, wie es für die Charaktermasken unglaubhaft sein wird." Hat Vischer nach 1945 aus Bethel doch eine Anfrage erhalten, aber abgesagt? 560
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Cullmann, der beim ersten Anlauf Dekan war, berichtete genaueres über den fehlgeschlagenen Versuch: Barth sah es als Schönheitsfehler an, daß Vischer nicht Doktor war. So stellte er den ersten Antrag auf Verleihung des Titels eines Dr. h. c. an Wilhelm Vischer. Die dafür notwendigen Beurteilungen der beiden Fachkollegen (Eichrodt und Baumgartner) fielen ablehnend aus; sie sprachen Vischer die Wissenschaftlichkeit ab. Es handele sich bloß um Allegorien, die Vischer in seiner Auslegung des Alten Testaments vorbringe; zum Beispiel sei es nicht möglich, die Perikope von der Amalekiterschlacht (Ex 17,8-16), in der Mose die Arme zum Gebet hebt, mit dem Kreuz Jesu in Verbindung zu bringen. In der Fakultätssitzung, die über die Verleihung des Dr. h. c. entscheiden sollte, waren als Verwandte E. Vischer (Vater) sowie der Reformationsgeschichtler und zweimalige Rektor der Universität Ernst Stähelin (Schwager) Vischers nicht abstimmungsberechtigt. Karl Barth konnte aus anderen Gründen nicht teilnehmen, so daß die für Verleihung zählenden Stimmen (Cullmann, Thurneysen) in der Abstimmung geringer vertreten waren als die der Gegner. Mit seiner Argumentation, daß der Dr. h. c. sonst nicht nur für akademische, sondern auch für besondere Verdienste im Gemeindedienst vergeben werde, und daß das Prädikat „wissenschaftlich" nicht auf eine bestimmte Art der Exegese einzugrenzen sei, konnte sich Cullmann nicht durchsetzen.562 Barth erfuhr telefonisch über Thurneysen vom Mißerfolg und rief daraufhin wütend Cullmann an, ja er schrie ins Telefon: ,Thurneysen hat mir alles e r z ä h l t . . . jetzt ist es aus mit dem Frieden in der F a k u l t ä t . . . du als Dekan hättest das doch durchdrücken können' etc. Später kam Barth bei einer Flasche Bordeaux wieder auf das Ereignis zurück und entschuldigte sich („gell, du bist mir nicht mehr böse wegen dem Telefon ..."). Trotz seines Einsatzes für Vischer äußerte Barth aber Bedauern und Verstimmung diesem gegenüber wegen des Ausbleibens des dritten Bandes des „Christuszeugnisses". Er schrieb ihm 1948 ungeduldig: „Ist dein Band III schon im Schuss? Mach nicht dein vornehmes Gesicht (mit dem du aussehen kannst wie vielleicht einer deiner Vorfahren als Zunftmeister oder Rat zur Zeit des ,1699er Wesens') wenn ich dir zuseufze, wie.sehr ich hoffe, dass er die Verheissung von I etwas konkreter erfüllen möchte als II. Ich muss mich ja in der Dogmatik so viel mit alttestamentlichen Fragen herumschlagen und fauste dann wohl manchmal vor mich hin wegen der Tatsache, dass man bei dir wohl tiefste Anregung, aber nicht die präzise Information bekommt, nach der eine Seele, deren Hebräischkunde längst in die Welt der Schatten gegangen ist . . . verlangen muss. Wenn es in meiner Dogmatik zu alttestamentlichen Irrgängen kommen sollte - Eichrodt hat ζ. B. meine Auslegung von Gen. 1-2 unter das Verdikt gestellt, dass sie voll unzulässiger Erotik sei! - so mach dir klar, dass du eine grosse Mitverantwortlichkeit daran trägst indem ich da 562
Vgl. BOUTTIER, Invitation, 11.
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wie Goethes berühmtes Maultier im Nebel meinen Weg suchen muss, weil du mich nicht genügend kräftig am Zügel geführt hast."563 Studenten, die von Montpellier nach Basel kamen, erzählten später mehr von Vischers Person als von seiner Theologie; so meinte Barth erst recht, Vischer ruhe sich offenbar nunmehr im sonnigen Süden aus.564 Als Vischer nach Montpellier berufen wurde, gaben die Alttestamentler ihre Opposition auf; der zweite Antrag ging glatt durch, wie sich Cullmann erinnerte.
1.9
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1947 folgte Vischer dem im Jahr zuvor ergangenen Ruf an die reformierte Fakultät Montpellier, wo erst im Frühjahr ein theologisches Kriegsgefangenenseminar mit vielen deutschen Studenten aufgelöst worden war565. An der theologischen Fakultät in Montpellier reizte ihn die familiäre Atmosphäre, denn im persönlichen Umgang konnte er Menschen mehr begeistern als durch Schriften: war Barth eher ein Vielschreiber, so Vischer ein Mann der mündlichen Rede; Barth ein Mann der Universität, Vischer ein Poet; Barth der Professor, Vischer der Pfarrer 566 - alles dies, ohne etwas über die wissenschaftliche Befähigung aussagen zu wollen. Nach seiner Vertreibung aus Bethel sagte Vischer einmal zu Bödeker: „Das Schlimmste ist, daß mir nichts mehr einfällt, wenn ich keine Studenten mehr vor mir habe, mit denen ich diskutieren kann. Erst im Gespräch kommen mir die Gedanken." 567 Trotzdem erschienen laufend Aufsätze! Bereits vorher war er, bes. durch den Pariser Theologieprofessor Pierre Maury568 mit dem französischen Protestantismus bekannt geworden. Bei der Suche nach einem Dozenten wurde die Fakultät in Montpellier durch einen Hinweis von Oscar Cullmann569 auf Wilhelm Vischer aufmerk563 564
Br. an Vischer vom 29.2.1948. Bericht von O. CULLMANN im Interview am 6.1.1995.
565
Münchner Sonntagsblatt, Ausgabe Oberfranken Nr. 33 vom 13.8.1995, 13. - Vischer blieb bis Ostern 1947 in Basel (Br. an HARTMUT LUDWIG, 24.10.1973). Die formelle Entlassung aus dem Pfarramt erfolgte zum 1.5.1947. 546 So der Eindruck von Chazels und W. A. VLSCHER. 567
568
Br. v o n BÖDEKER v o m 15.8.1995 a n m i c h .
27.11.1890-13.1.1956; Erinnerungsheft, 6. Er hatte die Theologie KARL BARTHS mittels der Zeitschrift Voi et Vie in Frankreich verbreitet. Zum theologiegeschichtlichen Zusammenhang: RGG311,1049; VI,445. Nach CULLMANNS Bericht fragte MAURY in Basel sehr drängend nach Nachschriften von BARTHS Vorlesungen; einmal war er sogar mit einer alten und überholten Nachschrift einverstanden, von der BARTH gesagt hatte, man solle sie wegwerfen, denn er beginne das Kapitel von neuem; MAURY: „Barth ist immer Barth." 569 CULLMANN war selbst durch Vermittlung des Vaters von Wilhelm Vischer (EBERHARD VISCHER) nach Basel gelangt.
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Biographie und theologischer Weg
sam. Nach dem Krieg war in Montpellier die Alttestamentlerstelle vakant. Als Maury Dekan war, reiste er nach Basel und kam zu Cullmann mit der Frage, ob er nicht einen Doktoranden wisse, der für die Aufgabe geeignet und frei wäre. Das war zwar nicht der Fall, aber Cullmann konnte auf Vischer hinweisen, von dem er wußte, daß Vischer mit seiner Familie seit längerem wünschte, Professor zu werden. Außerdem war Vischer in Frankreich bereits bekannt und beliebt. Maury meinte zunächst, ersteres sei nicht ernst gemeint, zumal er glaubte, Vischer sei längst Ordinarius. Doch war er hocherfreut; Cullmann solle gleich Vischer fragen; man würde ihn sofort übernehmen. Cullmann rief Vischer an, er solle kommen. Vischer war begeistert - seine Frau aber kündigte Widerstand an. Auf einem dann extra einberufenen Familienrat sollte ihr Cullmann Montpellier schmackhaft machen, etwa gegenüber Vorurteilen, es gebe dort kein WC, oder Argumenten wie der Mutter Vischers: ,wegen dem Eichrodt muß der Helmi sich jetzt eine Stelle suchen ...'; und Sonja Vischer werde dort keinen Mann finden. Cullmann sagte richtig voraus, daß Sonja dort bald einen Mann finden werde: nach einem Jahr in Frankreich war sie verlobt. Am 1. September 1947 siedelten Vischers über. In den ersten Wochen waren sie privat bei Leenhardts, der Familie des Dekans untergebracht, bis das Haus in der Avenue de Lodeve gefunden war.570 Vischers Frau Maria Lydia war nur ungern mitgezogen. Sie willigte schließlich ein, als sich Sonja bereit erklärte, ihren Beruf als Heilgymnastin aufzugeben und mitzukommen, um dort im Haushalt zu helfen.571 Aus Vischers Zeit in Frankreich (1947-1988) wäre vor allem über seine angewachsenen literarischen Aktivitäten zu berichten. Aber die entscheidenden Stationen seines Lebens lagen hinter ihm - in Frankreich kam Vischer zur Reife und zur Ruhe. Das Haus der Vischers trug zunächst den übernommenen Namen „Les Glycines" und wurde dann nach dem hebräischen Wort für „Mandelzweig" umbenannt, was als Titel „maqqel shäqedh" (nach Jer 1,11) der 1960 vom Kollegen Jean Cadier (Dogmatik) herausgegebenen Festschrift bekannt wurde.572 Die bekanntesten Autoren der 26 Beiträge waren Samuel Amsler, Edmond Jacob, Paul Humbert, Gerhard von Rad und Walther Zimmerli. Von Rad schrieb über „Les idees sur le temps et l'histoire en Israel et l'eschatologie des prophetes", ohne irgendeine Reflexion Vischers anzu-
570
571
A u s k u n f t v o n SONJA CHAZEL.
So der Bericht von SONJA CHAZEL; MICHAELIS schreibt jedoch, der Umzug nach Montpellier habe für das Ehepaar Vischer eine Trennung von allen vier Kindern bedeutet (Fall Vischer, 61). 572 In der Nachbarschaft war es kein Sonderfall, sein Haus mit einem eigenen Namen zu zieren. Ein Nachbarhaus hieß etwa La Lezardiere (lezard = Eidechse - Bild für ein ruhiges Sonnenbad).
Montpellier
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führen, etwa über „Geschichte" im Alten Testament.573 Ebenfalls 1960 las man im Vorwort des zweiten Bandes der von Radschen Theologie des Alten Testaments - allerdings nur in Klammern: „Aber auch die Mahnrufe von W.VIscher, die weithin wirksam geworden sind, sollen nicht vergessen werden."574 Diese Wirksamkeit ist auch in den späteren theoretischen Darlegungen von Rads zur alttestamentlichen Hermeneutik spürbar575; in der praktischen Durchführung aber findet sich nirgends ein „Christuszeugnis" in der Unmittelbarkeit der Präexistenz Christi und mit Christus als Subjekt, wie es Vischer darlegte. Daß es ein „Christuszeugnis des Alten Testaments" geben kann, wird durch von Rad nicht kategorisch bestritten. Er betonte aber, wie unscheinbar es in die Geschichte eingefurcht sei. In einer veröffentlichten Predigt über Ruth 1 stellte er die Verborgenheit heraus, mit der unser Leben mit Christus verbunden und in Gott geborgen ist (Kol 3 , 3).576 Beide scheinen aber mit dem Austausch von Aufsätzen in ihren Festschriften einen menschlichen Weg aufeinander zu versucht zu haben. Auch Zimmerli nützte die Gelegenheit nicht, in seinem Vergleich alttestamentlicher Redeweisen vom neuen Exodus (in Ez 20,32-44 und Jes 40-55) auf Vischers cantus firmus vom Zweck der Erwählung Israels einzugehen: Zeugenvolk an die Weltvölker zu sein. Gerade bei Ez 20,41 hätte dies nahegelegen: „Ich werde mich an euch als der Heilige erweisen vor den Augen der Heiden." Aus der Vorgeschichte der Festschrift berichtet Daniel Lys eine interessante Einzelheit: Vorgesehen war eine große Breite von Autoren: a) Nicht-französischsprechende: Gerhard von Rad, Bright, Zimmerli; b) Franzosen: Andre Neher als Jude, Edouard Dhorme für die „Independants". Ferner war ein katholischer Theologe vorgesehen. Die Vereinbarung war bereits perfekt, doch im letzten Moment erteilte der Papst (Johannes XXIII.) sein Veto.577 Im Languedoc-Roussillon hatte Vischer großen Einfluß auf die Pfarrerschaft. Er predigte zwar nicht mehr oft, hielt aber zahlreiche Pastoralkollegs für aktive Pfarrer. Allgemein kann man sagen, daß er in Frankreich genauso beliebt und ein gefragter Prediger und Referent wurde wie in der Schweiz und in Deutschland. Eine besondere Beziehung hatte er zu der Evangelischen Communite von Pomeyrol in der Provence. Die dortigen 573 Das Alte Testament und die Geschichte, 1932; zur Festschrift vgl. BARR, Vischer and Allegory, 40 f. 574 München 'I960; '1987, 6. 575 SCHWARZWÄLLER, Verhältnis, 293: auf Vischers Linie stehe VON RAD etwa mit seinem Verzicht auf Systematik in seiner Theologie des Alten Testaments; 299: Wenn sich die Theologie in metaphysischer Weise des Alten Testaments bemächtige, gehe verloren, was Vischer erstreiten wollte und von Rad erstritt. 576 EvTh 12, 1952/53, 1-6. 577
Br. v o n D . LYS v o m 9 . 3 . 1 9 9 6 an WOLFGANG Α . VISCHER. LYS teilte nicht mit, welcher.
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Biographie und theologischer Weg
Schwestern holten ihn mehrfach zu Vorträgen und biblischem Unterricht. Einige nahmen sogar am Hebräischunterricht bei ihm teil. Nach Angaben von Daniel Lys hatte Vischer 1958-59 eine „annee sabbatique", während der er den dritten Band zum Christuszeugnis schreiben wollte, aber schließlich nur (auf Deutsch) über Jesaja 1-39 geschrieben oder begonnen habe. Bis jetzt wurde dieses Manuskript nicht aufgefunden. W. A. Vischer vermutet, daß es evtl. von einem Verlag abgelehnt worden ist und es Vischer dann vernichtet hat. Eine Nachfrage beim Verlag „Labor et Fides" in Genf habe jedoch in dieser Richtung nur ein negatives Ergebnis gezeitigt.578 Im Nachlaß Vischers, der von der Bibliothek in Montpellier verwaltet wird, habe .ich kein Manuskript gefunden. Im September 1995 tauchte aber bei Heinrich Bödeker eine 17seitige Tonbandnachschrift eines Vortrags bei einer Detmolder Pfarrkonferenz am 22. Oktober 1958 über Jesaja auf; hierin sind sicher manche Früchte seines Sabbatjahres verarbeitet. In Anlehnung an Joh 12,37-41 bringt er die δόξα Jesu in Verbindung mit der Paradoxie des Verstockungsauftrags. Sein Schluß: „Denn das ist ja die Hoheit Jesu, die der Prophet Jesaja sah: daß eben da, wo die Sünde überfließt, dann die Gnade überströmt, daß da, wo der Unglaube sich bis zum letzten geltend macht und Gott nichts mehr ist, daß da Gott seinen Glauben an dieser Welt, an dieser Menschheit zum Siege führt - dadurch, daß er Jesus Christus gibt. Das ist die Hoheit, die doxa Jesu, die der Prophet Jesaja sah".579 Nach Lys hat Vischer wohl deshalb auf die Fortsetzung des Christuszeugnisses verzichtet, weil er das Wesentliche über die alttestamentlichen Propheten und „Schriften" in verschiedenen Aufsätzen und Artikeln bereits gesagt habe.580 Die Verbindung zur Schweizer Heimat riß nie ab: Regelmäßig fuhr man im Dezember zu den Verwandten nach Basel und verbrachte den Heiligen Abend im Familienkreis; an Neujahr wurden weitere Angehörige aufgesucht.
578
W . A . VISCHER, Br. an m i c h v o m 3 0 . 9 . 1 9 9 4 ; D . LYS, Br. a n m i c h v o m
579
25.10.1995.
Zeichensetzung verbessert. - Vgl. Vischers Predigt über Jes 6,1-7 vom 23.6.1946 (Nr. 111 im Nachschriftenband): „Nun ist die grosse Frage für uns: Wir haben immer wieder dieses Wort. Das ist es, was alle Worte der Propheten und der Apostel uns sagen, dass Gott in dieser Weise mitten unter uns ist. Sie zeigen alle auf diese Mitte. Der Evangelist Johannes sagt, Jesaja sah die Herrlichkeit Jesu Christi. Und in der Tat, das ist diese Mitte, diese heilige Gegenwart Gottes, des lebendigen Gottes, mitten in unserer Wirklichkeit. Gott in Jesus Christus. Da ist der Heilige unter uns, und da wird es ganz deutlich, dass alles gesprengt ist, was wir uns zurecht machen, dass das eigentlich gar nichts zu tun hat mit unsern religiösen Gefühlen, mit unserm Streben, dass da einfach Gott, er selber, mitten hinein tritt in unser Leben als der Heilige, und damit als der, der unser Leben ganz für sich haben will. Und nun also die Frage: Hören wir eigendich dieses Wort? Hören wir es, wenn wir hier zusammenkommen, oder hören wir doch immer wieder nur unsere Gedanken über Gott? Und was ist unser Gottesdienst, was tun wir? Ist es mit uns geschehen und geschieht es immer wieder, dass wir es einfach nicht mehr aushalten vor Gott? ..." 580
Br. vom 25.10.1995 an mich. Vgl. oben S. 110.
Montpellier
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In seinem Haus wohnten für ca. zwei Jahre der Schüler und spätere Nachfolger auf dem Lehrstuhl, Daniel Lys, für kürzere Zeit auch Robert Martin-Achard als Student, der später in Neuchätel und Genf Professor für Altes Testament wurde. Theologiestudenten wohnten kontinuierlich im Haus, wobei Vischer Ehepaare mit Kindern bevorzugte. Mitunter wurden Studenten aus Kamerun beherbergt. 1965 wurde er im Alter von 70 Jahren emeritiert. Bis zuletzt wohnte er in seinem Haus in Montpellier. Noch lange hielt er Bibelstunden, Hebräischkurse und Predigten, bis ins Alter von 90 Jahren, bis das Nachlassen des Gehörs die Kommunikation zu sehr erschwerte. Vischers nächste Nachfolger waren: Daniel Lys, dann Michel Bourguet. Am 26. Oktober 1988 hielt Lys seine Abschiedsvorlesung, an der Vischer noch teilnehmen konnte. 581 Bourguet selbst kehrte im WS 1994/95 ins Pfarramt zurück. Im Winter 1974/75 erkrankte Vischers Frau in Basel an einer Bronchitis und erholte sich in Montpellier nur langsam. Dann verstarb sie plötzlich in der Nacht vom 21. auf den 22. Februar 1975. Gerne verwendete Vischer nun mehr Zeit für seine Imkerei582 und sein Haus. Bis zuletzt blieb er selbständig, nur am Ende von einer Studentin im Haus unterstützt. Die politischen Vorgänge in Nicaragua und der Sowjetunion (Gorbatschow) zogen sein Interesse auf sich: Uber Nicaragua sammelte er viel Material; auf Gorbatschow setzte er große Hoffnungen, wie ein Interview vom Juni 19 8 7583 und ein Brief vom 16. Juli 1987 an Kriegsveteranen zeigt.584 Bemerkenswert ist eine Reise nach Israel und zum Sinai, die ihm seine Kinder zum 80. Geburtstag schenkten. Als er den Moseberg auf dem Sinai in aller Frühe bestiegen hatte, traf er dort auf ein jüngeres Ehepaar, das ihm wegen seines Alters große Bewunderung für die Strapazen zollte. Da antwortete er heiter, wie er meist war: „Nun, mich dünkt, hier habe schon
581
Nach dem Br. von W.A. VISCHER vom 30.9.1994 an mich handelte es sich evtl. nicht um die Abschiedsvorlesung von LYS, sondern um eine Semesteranfangsvorlesung. Nach dem Bericht des Midi Libre vom 28.10.1988 aber war es eine Abschiedsvorlesung („sa lefon derniere ,23 minutes pour un testament'", und zwar „hier soir", also am 27.10.1988). 582 BOUTTIER, Invitation, 8. - Vischer hatte nur ein Bienenvolk; dieses aber war mit einer regelmäßigen Ausbeute von mindestens 20 kg sehr fruchtbar. 583 BURKI/PRIEUR, Le royaume de Dieu aujourd'hui. Une interview du professeur Wilhelm Vischer, in: Le Cep Juin, 1987, 20, über GORBATSCHOW, der das Wettrüsten beenden wolle: „Pour moi, c'est la voix claire de la raison et de la verite. . . . II se presente une nouvelle possibilite pour les Eglises et les religions. On veut organiser un grand concile sur la paix, soit de toutes les Eglises, soit meme de toutes les religions. C'est tres clair: les chretiens doivent tout simplement se mettre ensemble pour dire: Nous ne faisons plus la guerre, et nous luttons dans nos pays pour que f a cesse." 584 Liebe ehemalige kriegsgefangene deutsche Studenten, liebe Brüder im Amt oder im Ruhestand! (wo abgedruckt, ist mir nicht bekannt); Erinnerungsheft, 8.
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Biographie und theologischer Weg
einmal einer gestanden, der ebenfalls 80 Jahre alt w a r . . ." 585 Als 90jähriger, im Mai 1985, bestieg er in Begleitung von zwei Urenkeln den 600 m hohen Pic St. Loup bei Montpellier. Das Radfahren mußte er erst als knapp 91 jähriger aufgeben, weil im Feb. 1986 nach einer anstrengenden Fahrt ein Herzversagen auftrat, das ihn für zwei Wochen ans Bett fesselte. Seine geistige und körperliche Kraft war nur wenig geschwächt, als er am 18. Oktober 1988 Besuch von einer deutschen Gruppe unter der Leitung von Pfr. Eduard Hesse bekam, die ein Video-Interview mit ihm aufnahm. Seine letzten theologischen Reflexionen bezogen sich auf eine Arbeit von Bob Ekblad 586 über Jesaja, die Vischer sehr lobte. Am 8. November kam er wegen zunehmender Herzinsuffizienz ins Spital in Montpellier, wo sich sein Zustand schnell verschlechterte. Die letzten vier Tage konnte er noch in seinem Haus verbringen, wo er am Nachmittag des 27. November 1988, dem ersten Sonntag im Advent, friedlich entschlief.587 Die Asche des Kremierten wurde nach Basel überführt. Als Text der Todesanzeige war Ps 126,1 bestimmt worden588; über dem Familiengrab ist zu lesen: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände" (Lk 23,46). Am 8. Dezember 1988 wurde in der Basler Leonhardskirche eine Trauerfeier gehalten - mit Nachwirkungen: Von der Kirchlichen Hochschule Bethel wurde Dr. Christoph Hardmeier entsandt, der in seiner Ansprache nicht nur Betheler Nationalsozialisten die Verantwortung für die Entlassung Vischers 1933 zuschrieb, sondern auch die Leitung der Schule belastete: „Heute erkennen wir, dass Wilhelm Vischer nicht nur auf Betreiben der nationalsozialistischen Studentengruppe und der Kreisleitung der NSDAP Bethel verlassen mußte." Mit Berufung auf Frank Crüsemann macht er die „so vorsichtige und ängstlich-taktierende Art, in der Kollegium und Kuratorium auf die völlig haltlosen Vorwürfe und die massiven Eingriffe von außen reagierten"589 dafür namhaft, daß sich Vischer nicht auf seinem Lehrstuhl halten konnte. Diesen Vorwürfen (sowie u. a. der Frage der Wiederberufung Vischers 1945/46) widmeten sich dann ein großer Teil des 1994 erschienen Buches von G. Michaelis590 sowie Briefe der Zeitzeugen H. Bödeker und G. Michaelis an das Dozentenkollegium der Kirchlichen Hochschule. Oben (S. 74-76) wurde mit der Beantwortung der Frage, ob der „Fall" Vischer einen Sieg des Nationalsozialismus darBr. von BöDEKER vom 24.9.1995 an mich. EKBLAD war durch Prof. J . ELLUL (gest. am 19.5.1994, DtPfBl 2 / 9 5 , 65) auf Ä s c h e r hingewiesen worden (so SONJA/Fam.). 587 Erinnerungsheft, 9. 588 Gegen den Widerspruch von HEINEN (jetzt Franzose, früher Schweizer). 589 Erinnerungsheft, 11. 590 Der Fall Vischer. Ein Kapitel des Kirchenkampfes, Bielefeld 1994; hier nach der Bemerkung S. 16. Zu den Fragen hat auch W. BRANDT in den Jahrbüchern Bethel 1933, 245 ff.; 1934, 117 f.; 1936, 163 ff. Stellung genommen. 585
586
Montpellier
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stellte, ebenfalls einen Kommentar dazu versucht. Vischers W e g und T h e o logie blieb über seinen T o d hinaus umstritten. D i e theologische Arbeit Wilhelm Vischers erstreckte sich über mehr als ein halbes Jahrhundert, von 1922 bis 1986. Sie ist für diese Länge von einer erstaunlichen Kontinuität (vgl. unten Teil 2.2). O f t wurde sein Lehren so empfunden, daß man sich ihrer intensiven Ausstrahlungskraft kaum entziehen konnte. Dazu sagt Heinrich Bödeker, mit dem Vischer von 1933 bis zu seinem Tod eng befreundet war: „Die theologische und seelsorgerliche Wirkung von Wilhelm Vischer kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wie er auf junge Studenten wirkte, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Die meisten von uns kamen aus höheren Schulen, in denen der Religionsunterricht meist dazu angetan war, den Primanern den chrisdichen Glauben gründlich auszutreiben. Wenn man dann zu W. V. kam, staunte man nur darüber, was die Bibel wirklich sagte. Das ist das Verdienst Vischers, daß er uns die Bibel nicht nur vertraut und lieb gemacht hat, sondern daß er uns Mut und Zuversicht einflößte, auch unter Einsatz des Lebens und der Existenz in dem dreimal verfluchten 3. Reich mit Freuden Pfarrer zu sein. Mit welcher Freude ich von 1936 bis 1941 hier in der Heimat und dann 1944 (Invasion) bis 1945 als Lagerpfarrer das Evangelium im Sinne von W. V. verkündigt habe, kann ich kaum beschreiben. Vor allem aber habe ich die Erfahrung gemacht (und zwar bis zum Ende meiner Dienstzeit 1976), daß die Vischersche Art der Bibelauslegung bei den Gemeindegliedern , ankam' und dankbar angenommen wurde. - Daß in Frankreich die Wirkung Vischers auf die jungen Studenten genauso war, wie s. Zt. in Deutschland, das habe ich bei meinen vielen Besuchen in Montpellier immer wieder erfahren können. Ich habe viele seiner Schüler kennengelernt, und alle waren voll Dank und Freude, einen solchen Lehrer gehabt zu haben." 5 " Wolfgang Scherffig pflichtet bei: „Vischers Buch ,Das Christuszeugnis des Alten Testaments' . . . , das von den Fachtheologen hart angegriffen wurde, hat damals auf uns junge Theologen großen Einfluß gehabt. Es hat uns neuen Mut gegeben, über das Alte Testament zu predigen!" 592 An den Reaktionen aus dem akademischen Bereich wird deutlich werden, daß Vischers Beliebtheit bei Studenten und Pfarrern keine wissenschaftliche Fortsetzung fand. War das „Christuszeugnis" zu sehr mit seiner Person verbunden und mit ihr vergänglich? Diese Frage wird uns immer wieder beschäftigen.
5.1 5.2
Br. vom 15.8.1995 an mich. SCHERFFIG, Junge Theologen I, 46, vgl. 121 (Wirkung in Bezirkskonventen).
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Biographie und theologischer Weg
Vischer in seinem Arbeitszimmer, Montpellier, 1982
2 Wilhelm
Vischer als Ausleger der Heiligen
Schrift
Die Hauptgedanken der Theologie Wilhelm Vischers werden in zehn Thesen knapp zusammengefaßt (2.1). Im Anschluß ist nach Vischers Treue ihnen gegenüber zu fragen (2.2) und sie sodann zu entfalten (2.3 und 2.4). Das Kapitel 2.5 dient der Vertiefung und wird Gelegenheit bieten, die exegetischen Beispiele zu vermehren.
2.1 Vischers Hauptthesen zur Auslegung der Heiligen Schrift Dieser Abschnitt will durch eine Zusammenfassung in die Grundlagen einführen, die Vischers Theologie insgesamt bestimmten und auf die er, wie die Anmerkungen belegen wollen, immer wieder zurückgekommen ist. Die Thesen beginnen nicht mit der Lehre von der Heiligen Schrift, sondern, Vischers Ansicht des Erkenntnisweges folgend, mit dem einzigen Fenster, das uns seines Erachtens zu Gott hin geöffnet ist: Jesus Christus. Von ihm aus ist dann etwas zu sagen über die Schrift, die ihren Charakter von Christus erhält, und ihre Auslegung. Der Leitsatz entspricht der ersten These der Theologischen Erklärung der Barmer Bekenntnissynode vom Mai 1934; Vischers Arbeit als Ausleger der Heiligen Schrift war nichts anderes als eine Anwendung dieser These in der alttestamentlichen Exegese.1 Leitsatz: Jesus Christus ist „Gottes eines und ganzes Wort an uns"2. l.Jede Gottesoffenbarung ist Offenbarung durch Jesus Christus. 3 1 Vischers Hermeneutik fand einen besonders prägnanten Ausdruck in dem gedruckten Vortrag „Der Inhalt der Verkündigung" von 1941. Zur einführenden Vischer-Lektüre sei dieser Vortrag und die von ihm im Anschluß gegebene Antwort auf einige Gegenreden empfohlen. 2 Formulierung aus: Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 25; Inhalt: passim (z.B. La Leipon Derniere, 1967, 15; Eine auf die Bibel gegründete Stellungnahme zum neuen Staat Israel, 1970, 356). 3 Die Dreieinigkeit Gottes, 1934 (Titelblatt); Wir Christen und die Juden, 1939, 14; Calvin, exegete de l'Ancien Testament, 1965, 229 („axiome"); Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 379 f.; Erinnerungsheft, 5; BOUTTIER, Invitation, 7.9 (eindeutig). In dem von Vischer vor seinem Tode aufgesetzten Lebenslauf heißt es: „Mein Suchen war geleitet durch das Axiom: Jesus Christus ist das lebendige, das einzige und vollständige Wort Gottes. Die Bibel Alten und Neuen Testaments ist die authentische Sammlung der Beispiele, die zeigen, in welcher Fülle und Vielfalt Gott sich selbst den Menschen mitteilt durch den Menschen
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
2. Außerhalb der von Christus durch Kreuz und Auferstehung gestifteten Beziehung zwischen Gott und Mensch ist alle Religion falsche Gottesverehrung und ein gottloser Versuch, sich des Heiligen zu bemächtigen.4 3. Der Begriff „Christuszeugnis" ist sowohl als sachlicher Genitivus objectivus (das vorausschauende Zeugnis über Jesus Christus) als auch als personaler Genitivus subjectivus (der sich bezeugende und gegenwärtige Jesus Christus) zu verstehen. 4. Wo nach der Heiligen Schrift das „Christuszeugnis" an die Menschen ergeht, findet Heilsgeschichte statt, das heißt im Weg des erwählten Volkes.5 „Gottesvolk" heißt „Zeugenvolk" für Gott: Der Weg Israels im Angesicht Gottes ist Offenbarung, sofern dieser Weg in allen Jahrhunderten - willig oder widerwillig, und unter dem Gericht und unter der die Sünde überfließenden Gnade Gottes stehend6 - das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi bezeugen muß.7
Jesus" (Erinnerungsheft, 5). - (Vgl. zur Konformität mit LUTHER: BORNKAMM, Luther und AT,
1 6 9 - 1 7 6 ; m i t CALVIN: W O L F , E i n h e i t d e s B u n d e s , 6 7 f.; NIESEL, T h e o l o g i e
Calvins,
ff. 1 0 2 ff.) 4 Vgl. Rom 4,25-5,2. - Die Bedeutung des Kirchenkampfes in Deutschland, 1935, 7 f., entspr. Der Sinn des deutschen Kirchenkampfes, 1936, 17 (eine falsche Beziehung zu Gott ist z.B. der Glaube, die deutsche Seele sei gottunmittelbar); Predigt über Joh 1,16f. am 26.12.1948, in: Basler Predigten 12, Nr. 10/Feb. 1949, 5; Wie predigen wir über das Alte Testament heute?, 1960, 1.3; S. 4: „Es gibt nur eine Wahrheit für alles, was im Alten Testament ist, und das ist Jesus Christus." - Christenlehre, 1947, 14: „,Der Christus' ist der israelitische Titel des Einen, den Gott selbst in das dreifache Amt eingesetzt hat: 1. in ihm ist begründet und wahr alles, was wir von Gott wissen sollen; 2. er nimmt die Schuld weg, die uns von Gott scheidet; 3. durch ihn regiert Gott. ,Christen' heißen die Menschen, die bekennen, daß Jesus dieser Christus ist. Wer Jesus für etwas anderes hält, ist entweder ein Jude oder ein Heide." - Everywhere the Scripture is about Christ alone, 1963, 90. - Les modeles de notre ministere pastoral, 1965, 253: „Car en lui, en tout temps, se realise la rencontre de Dieu et de l'homme, par laquelle ce qui est refoit sa signification." 23
5 Zum Begriff Heilsgeschichte: Vgl. unten, Ende von Abschnitt 2.5.2. Zum Begriff Israel: Die neutestamentliche Gemeinde ist häufig eingeschlossen (ζ. B. Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 20 ff. 29). - „Gott wollte in seinem Volk der Menschheit in ganzer Fülle seine Güte zeigen" (Jesaja, 1958, 4). 6 Christuszeugnis I, 274. Rom 5,20 klingt oft an, ζ. B. in: Volk und Gott in der Bibel, 1934, 47; Reformationspredigt 1940 zu Ps 51, in: Psalmen, ausgelegt für die Gemeinde, 1944, 192 f.; Christenlehre, 1947, 11; Das Kerygma des Alten Testaments, 1955, 11 (eben die Wahrheit von Rom 5,20 wolle Gott durch seinen Knecht zeigen). 23; Jerusalem, du hast deine Schwestern gerechtfertigt durch alle deine Greuel, die du getan hast, 1957, 37 (ein Hauptgedanke); Jesaja-Auslegung, 1958, 17 (Schluß); Predigt „Perhaps the Lord will be Gracious" (Amos 5), 1959, 289; Die Judenfrage nach der Auferstehung Jesu Christi, 1960, 23 (aller Widerstand könne Gottes Liebe nicht töten); Das Christuszeugnis des Propheten Jeremia, 1985, 17f.20.34; Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 19. Vgl. Celui qui vient, in: L'Ecriture et la parole, 1985, 150: Gott wolle die Menschen nicht mit Gewalt zu sich holen; er liebe sie trotz allem, „et encore plus dans leur misere". 7
Der noachitische Bund, 1933, 30 f.; vgl. La methode de l'exegese biblique, 1960, 114.
Vischers Hauptthesen zur Auslegung der Heiligen Schrift
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5. Das „Christuszeugnis" ist der Inhalt der Heiligen Schrift. Die Schrift bildet eine „unteilbare Ganzheit"8, weil in Christus Jesus die Einheit und Wahrheit beider Testamente liegt. Seine Gegenwart in ihr ist der Grund dafür, daß die Heilige Schrift beider Testamente als ganzes Gottes Wort und als ganzes Menschenwort ist.9 Daher empfängt jedes einzelne Schriftwort seine Autorität und Wirksamkeit von Jesus Christus.10 6. Die wahre Beziehung zwischen Gott und Mensch wird nicht erkannt, wenn ein Teil der Bibel oder eines der Testamente gegenüber dem anderen abgewertet wird. Das Alte Testament ist zur Christuserkenntnis unentbehrlich, „wesentlich"11. So gibt es keine wahre Erkenntnis Jesu, wenn er nicht als der Christus Israels erkannt wird. - Der Gedanke, daß Israel als Repräsentant der Menschheit unter Gottes Urteil und als Repräsentant Gottes unter den Heiden (doppelte Stellvertretung) zu verstehen ist, bzw. daß am Beispiel Israels alle Völker ihre eigene Sünde und die Erde als Eigentum Gottes erkennen sollen (Eine auf die Bibel gegründete Stellungnahme zum neuen Staat Israel, 1970, 357 f.) wiederholt sich in fast jeder Schrift Vischers. Zu diesem Thema ist eine eigene Untersuchung und Dokumentation geplant. 8 Die unteilbare Ganzheit der Bibel, 1935. - Predigt zu Ps 104 (Pfingsten 1943): „Sein Wort und sein Geist gehören zusammen. Wir müssen nicht Gottes Geist suchen, ohne daß wir sein Wort hören wollen. Was weiß ich vom Geist eines Menschen, solange er nicht mit mir s p r i c h t ? . . . So erkennen wir Gottes Geist erst, wenn er zu uns spricht in Jesus Christus, seinem ewigen Wort" (Psalmen, ausgelegt für die Gemeinde, 1944, 155). 9 Das Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 4 f. 10 „Universa scriptura de solo Christo est ubique. Wer das Anerkennen des Kanons mit der Häresie des ,Fundamentalismus' verwechselt, irrt, und er täuscht sich selbst erst recht, wenn er nach eigenem Gutdünken eine Auswahl der biblischen Texte trifft, in denen die Erkenntnis Gottes richtig ausgedrückt sei, oder wenn er mit irgendeiner Norm oder einem Prinzip unterscheiden will, was im Alten Testament noch Wert hat, und was verjährt ist. Ein solches Verfahren versucht zu fixieren, was frei bleiben muß. Das ,Sola scriptura' ist mißverstanden, wenn man meint, es verlange eine Harmonisierung oder Nivellierung der Texte, eine Anstrengung, die eine oder andere Schrift im Kanon für christliche Erkenntnis und Glauben zu , retten'. Das ,Sola scriptura' stellt uns im Gegenteil vor eine große Vielfalt von Texten, die sich gegenseitig begrenzen und ergänzen, wohl auch einander widersprechen. Damit nötigt es uns, immer wieder neu zu fragen, was wir heute in unserer Lage zu empfangen haben. So bewahrt es uns davor, aus einem Text einen Götzen zu machen und durch ihn das lebendige Wort Gottes, Jesus, zu ersetzen. So wie der Kanon uns gegeben ist, stellt er uns nicht nur vor die Aufgabe, festzustellen ,Was geschrieben steht'. Er fordert uns vielmehr unweigerlich, daß wir entscheiden, was wir hier und jetzt im Glauben empfangen können und sollen. Auf diese Weise führt das Studium der Heiligen Schrift den Exegeten in die Entscheidung des Glaubens vor der Offenbarung Gottes in Jesus Christus, zur Erkenntnis Seiner wirklichen Gnade und meiner wirklichen Sünde, Seiner Wahrheit und meiner Lüge. Es besteht eine dynamische und unauflösliche Verbindung von Sola gratia, sola fide
- Sola scriptura, tota scriptura - Solus Christus Jesus, totus Christus Jesus" (Das Problem der Hermeneutik, 1964, 112; analog in: Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 22. Vischer als Gegner des Fundamentalismus: BOUTTIER, Invitation, 17; vgl. D. LYS, Vingt-trois minutes, 171). Zur Wertung dieser Sätze: 3.2.1. 11 Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 395; Everywhere the Scripture is about Christ alone, 1963, 99.101; Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
7. Weil nur Jesus Christus die einzig wahre Beziehung von Gott und Mensch stiftet12, ist nur von ihm her das Wort Gottes zu erkennen. Weil er der Autor ist, ist Christus der wahre Exeget des Alten Testaments.13 Deshalb ist das Neue Testament, das zeigt, wer der Christus ist, zum Verständnis des Alten unentbehrlich.14 Es gibt wiederum keine wahre Erkenntnis des Messias, wenn nicht erkannt wird, daß er Jesus von Nazareth ist.15 8. Die Christusbezogenheit des Alten Testaments, für die Jesus seinen Jüngern die Augen öffnet, ist nicht Resultat „ehrlicher philologischer Exegese"16, sondern ihre Voraussetzung und allein rechtes Motiv theologischen Interesses am Alten Testament.17 Allegorese und Typologie werden als Methoden der Schriftauslegung strikt abgelehnt, weil bei ihnen die Christusbezogenheit der Schrift erst als Endergebnis und wie etwas Hinzugefügtes erscheint, statt daß sie als Voraussetzung der Exegese feststeht.18 Die Heilige Schrift hat nur einen Sinn: Der Literalsinn ist der christologische und umgekehrt.19 Christen?, 1932, 93: status confessionis; Predigt über Lk 16,16 f. am 8.7.1945 (Nr. 90 im Nachschriftenband), 1 f.; Zur Judenfrage, 1933, 62: „Das Alte Testament gibt zusammen mit dem Neuen Testament, in der Kraft des heiligen Geistes, dem Glauben die Richtung, Jesus als den Christus zu erkennen, und macht ihn eben dadurch zum christlichen Glauben" (1. These des Vortrags). 12 Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 23. 13 „Autor": Christuszeugnis I, 309. - J e s u s Christus ist der Inhalt des Evangeliums, indem er der Sinn und Inhalt aller Worte des A.T. ist" (These 3 von: Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 14). 14 Indem uns das Evangelium den Namen Jesu anstelle des vergessenen Jahwe-Namens nennt, „vokalisiert es alle Wörter des A.T." - der Name Jesu aber könne nur mit jenen Konsonanten recht ausgesprochen werden (Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 14)! 15 Christuszeugnis I, 7 (was/wer-Formel). 12. Ob dies anerkannt wird, sei das „wahre Problem der Hermeneutik". 16 Christuszeugnis I, 33, zur Diskussion dieses Ausdrucks s.u. S. 191 f. 17 „Nur im Glauben an Christus können wir glauben an die Wahrheit der Sprüche Salomos": Das Alte Testament als Gottes Wort, 1927, 395. 18 La Le?on Derniere, 1967, 15-17; Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 386 f.: „Gerade als historisch bedingte Ereignisse und in ganz konkreten Lagen gesprochene und geschriebene Worte zielt das den Vätern Widerfahrene auf den Christus-Menschensohn"; S. 393 gegen Allegorese des Hld. - Ferner: Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 21 f.; Zum Problem der Hermeneutik, 1964, 111; Everywhere the Scripture is about Christ alone, 1963, 101; Calvin, exegete de l'Ancien Testament, 1965, 231. Zur Ablehnung der Allegorese vgl. Teil 2.4.3.; bes. BARR, Vischer and Allegory, 41-44. 19 La methode de l'exegese biblique, 1960, 119 f.: „Dieu prononce son Nom seulement et entierement par le nom de Jesus. Cela veut dire: Dieu revele sa personne uniquement en la personne de Jesus. Toutes les donnees de l'Ancien et du Nouveau Testament n'ont que ce seul sens qui est de communiquer ce Nom de Dieu. L'exegese qui cherche dans chaque texte ce en quoi il contribue ä la communication de Dieu en Jesus-Christ est la seul exegese qui corresponde a la l'intention dans laquelle les textes de la Bible sont ecrits et transmis. Sa methode n'est ni l'allegorese ni la typologie."
Vischers Hauptthesen zur Auslegung der Heiligen Schrift
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Es gibt nicht „messianische" neben nichtmessianischen Stellen, weil das ganze Alte Testament (auf je verschiedene Weise) auf Christus bezogen ist.20 9. Der Knechtsgestalt des sich herablassenden Gottes entspricht die Knechtsgestalt der schriftlichen Zeugnisse seiner Herablassung. 21 In der Menschlichkeit der biblischen Sprache, bes. in den Anthropomorphismen (ärgerlich, weil das Trachten unseres Herzens nach Apotheose des religiösen Menschen steht), spiegelt sich das anstößige Wunder der Menschwerdung und Erniedrigung Gottes. 22 Argerlich ist, daß auch wir uns angesichts der schonungslos konkreten Aufdeckung der Schande der biblischen Heiligen recht schämen müssen. Doch erst in dieser Scham können wir die Gnade der Gemeinschaft des heiligen Gottes mit uns Sündern ermessen. 10. Deswegen ist es, um unseres Heiles willen, falsch, die Texte der Heiligen Schrift anders aufzufassen als in ihrer von ihnen selbst aufgezeigten geschichtlichen Konkretheit 23 , und damit unsere Pflicht und unser Recht, Exegese historisch-kritisch zu betreiben. In dieser Denkweise wird die Bibel allerdings sorgfältig seziert, „als wäre sie eine Leiche". Das Recht zur Erfüllung dieser Pflicht wird verwirkt, wenn Exegese nicht zur Erkenntnis dessen dient, wie das Haupt des Leibes jede seiner Zellen belebt (vgl. Thesen 2, 6, 7).24 Als Beleg für den Leitsatz noch einige wörtliche Zitate. Die 5. Frage aus Vischers Katechismus lautet: „Wie lernst du den HERRN Jesus Christus kennen? Aus der heiligen Schrift des Alten und des Neuen Testaments." Hierzu ist zu lernen: Joh 5,39 und 2. Tim 3,15-17; darauf wird die Reihenfolge der biblischen Bücher mit Hilfe eines Merkspruches gelernt. Die 7. Frage: „Was sagt uns Gott durch die heilige Schrift? Er sagt uns zuerst, daß er die ganze Welt und auch mich aus der Liebe erschaffen hat, mit der er seinen Sohn liebt." 19. Frage: „Wie w i r k t der Heilige Geist in Dir? Durch die Verkündigung der heiligen Schrift macht er mich dazu f r e i und f ä h i g , Gott in seiner Gemeinde mit allem, was ich tue und lasse, zu danken und als sein Kind zu ihm zu b e t e η , in der gewissen Zuversicht, daß er das Werk seiner Erlösung an mir und der ganzen Welt vollenden wird. . . . Weil die B i b e l das Zeugnis ist der Offenbarung Gottes in Jesus Christus, so sind der Geist und die Schrift miteinander unlösbar verbunden. Der Heilige Geist bewirkt, daß das, was wir in der Bibel lesen und in der biblischen Verkündigung hören, uns sagt: ,Du bist der Mann!' Ohne das Wirken des Geistes redet Gott nicht mit uns durch das, was geschrie20
Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 32; Christuszeugnis I, 199. 203. 289. Das Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 3 (mit Berufung auf HAMANN). 22 Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 22; Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 2 f. u.ö.; Words and the Word, 1949. 23 Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 21 f. 24 Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 27. 21
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ben ist. Ohne den Geist sagt uns die Bibel nichts oder nur menschliche Meinungen. Ein ,Geist' aber, der dem, was geschrieben ist, widerspricht oder uns davon abführt, ist ein Lügengeist."25 ,Jesus ist der Inhalt aller Offenbarung Gottes. Er ist eben der Inhalt der ganzen Schöpfung Gottes. Weil Gott ihn liebt und weil er ihn so überströmend liebt, darum schafft er diese Welt und in ihr diese Wesen, die teilhaben sollen an dieser Liebe, die er zum Sohne hat. Darum ist Jesus der Inhalt aller Offenbarung, die besonders dem Volk Israel gegeben ist. Viele Propheten und Könige durften etwas davon verkündigen, durften regieren in der Gewissheit, dass sie es im Namen des Sohnes Gottes und des Sohnes Davids taten, und wie sehnten sie sich, ihn zu sehen, den Einen. Alles in der biblischen Geschichte strebt, wie der Bogen eines Gewölbes, nach diesem Schlusstein, nach dem Christus."26
2.2 Zur Frage einer theologischen Entwicklung
Vischers
Wie die Belege zeigen, sind die Grundgedanken Vischers in den 30er Jahren weitgehend fertig formuliert. Blieb er seinen Hauptgedanken treu? M. Bouttier27 und D. L. Baker28 attestieren Vischer zu Recht, sich exegetisch treu geblieben zu sein. Dies gelte auch für sein Interesse an sozialen und politischen Fragen, weshalb er sich, Impulsen von Blumhardt folgend, im hohen Alter mit großem Interesse und Begeisterung den Schriften von Ernesto Cardenal zuwandte.29 Wir wollen dennoch der verschiedentlich vertretenen Meinung nachgehen, Vischer sei mit dem Christuszeugnis des Alten Testaments in späteren Arbeiten zurückhaltend geworden.30 Hierzu sollen exemplarisch einige frühere und spätere Arbeiten verglichen werden: Wie 1934 im „Christuszeugnis", wo Vischer bisherige Ergebnisse zusammenfaßte31 und seine methodischen Überlegungen am Pentateuch anwandte, so findet sich noch in der „Bibelstudie" von 1957 Christus als „Mann" von Gen 32,23-33, dessen Name verborgen bleibt.32 25 Christenlehre, 1947, 7 f. und 21 f. (Hervorh. orig.). Das „Du bist der Mann!" auch in Christuszeugnis I, 37. 26 Predigt über Lk 10,21-24 am 8.10.1944 (Nr. 64 des Nachschriftenbandes), 3. 27 L'Ecriture et la Parole, Invitation, 1985, 19. 28
BAKER, TWO Testaments, 220.
29
Youdas Iskarioth, in: L'Ecriture et la Parole, 1985, 182; BURKI/PRIEUR, Le royaume de Dieu aujourd'hui. Une interview du professeur Wilhelm Vischer, in: Le Cep Juin 1987, 20. 30
Vgl. PREUSS, Verkündigung, 128. Wörtliche Übernahmen im „Christuszeugnis I" ζ. B. aus „Das Alte Testament und die Geschichte". Weitere Beispiele bietet SCHROVEN, Christologische Auslegung, 181 Anm. 38, S. 191 Anm. 100 sowie S. 209. 32 Christuszeugnis I, 189; Die Versöhnung von Jakob und Esau, in: Versöhnung zwischen Ost und West, 1957 (TEH 56), 3-15, hier 14 f. - Auch LUTHER ging in seiner Genesis-Vor31
Zur Frage einer theologischen Entwicklung Vischers
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Vischers Arbeit über Hiob als Zeugen Jesu Christi (1934) wird noch einmal 1961 in der Zeitschrift „Interpretation" veröffentlicht, und zwar gekürzt und von D. G. Miller ins Englische übertragen. Hat Vischer die Kürzung selbst verantwortet, so verwundert, daß gerade die Abschnitte über das Christuszeugnis des Hiobbuches verkleinert wurden. Jedoch blieb die Aussage stehen, das Wort Jesu am Kreuz „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" sei die neutestamentliche Aufnahme der Hiob frage; gleiches gilt für das Wellhausen-Zitat („Das Kreuz Christi ist nur eine Potenzierung des Rätsels" 33 ). Gestrichen wurde a) die Wiederherstellung des Lebens Hiobs als Abschattung und Vorbild der Auferstehung Christi, b) die Erwähnung des LXX-Zusatzes („Es ist aber geschrieben, daß er wieder mit denen auferstehen wird, die der Herr auferstehen läßt"), c) besonders inwiefern das Buch Hiob über sich hinausweist: nämlich indem die Grundfrage, ob es wenigstens einen Menschen gebe, der dem guten Willen des Schöpfers völlig entspricht und sein Schöpfungswerk rechtfertigt, an Gott zurückgegeben wird, weil sie durch die Hiobreden nicht beantwortet wird; diese Grundfrage sei, so 1934, ein Schrei, ein Gebet, ein Zeugnis und eine Verheißung, daß der Eine komme, der Gott die Antwort gibt für alle. Statt dessen erfährt man 1961 etwas vom literarischen und historischen Charakter des Buches und reflektiert die Analogie zu Goethes Faust. In dem Aufsatz über Nehemia in der Festschrift für Gerhard von Rad (1971) findet sich überhaupt kein „Christuszeugnis" nach gewohnterWeise. Vielmehr heißt es nach einer Schilderung der Vorgänge um Nehemia am Ende: „Seine Denkschrift läßt nichts verspüren von einer messianischen Hochspannung, jedoch eine klare und starke Uberzeugung des Glaubens, daß es mit dem Wiederaufbau des Tempels nicht getan ist; Gottes Königtum hat eine starke politische Komponente, die durch die Befestigung der heiligen Stadt handgreiflich und weithin leuchtend zum Ausdruck kommen muß. Er war Realpolitiker und nicht zugleich Dichter wie Solon. Wäre er Tempelsänger gewesen - doch der Chronist hat nicht versucht, aus ihm, wie aus dem König David, einen solchen zu machen - , dann hätte er wohl Psalmen angestimmt in der Art und Weise der Korachiten oder der Königspsalmen. . . . Die η^α rsnri (Num 232t) ließ sich nie ganz ersticken, bis Jesus mit höchster Gewalt verkündigte: ,Die Königsherrschaft steht vor der Tür!' Wie er unter dem Jubelruf der Menge: ,Heil dem König!' in die heilige Stadt einzieht, weint er über sie, weil er voraussieht, daß ihre Feinde
lesung von A n f a n g an davon aus, d a ß es sich um J e s u s h a n d e l t Diese Voraussetzung ist bei LUTHER die G r u n d l a g e für die eminente paränetische Schlagkraft des ganzen Abschnitts (W 2 II, 800, N r . 189). AUGUSTINS Folgerung, J a k o b stehe für seine N a c h k o m m e n , d a s Besiegen für die Kreuzigung, empfindet LUTHER aber als allzu gezwungene Allegorie (a. a. O . 810 f.). 33 D a s alte T e s t a m e n t als Gottes Wort, 1927, 392; H i o b , ein Zeuge J e s u Christi, 1934, 35.
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. . . keinen Stein auf dem anderen lassen werden. Immerhin ist das nicht Gottes letzter Beschluß gewesen. . . . Vor allem ist Jerusalem bis auf den heutigen Tag ein Brennpunkt des Königreichs Gottes auf der Erde geblieben." 34 Vischer weiß, daß es einen Zusammenhang des Nehemia-Buches mit dem Neuen Bund geben muß - aber er erblickt ihn hier nicht wie in der Jona-Studie von I960 35 in Form einer Präfiguration eines Teils vom Wirken des Menschgewordenen, sondern im weiter ausgreifenden Begriff der Gerechtigkeit Gottes: „Das Jerusalem, das Nehemia wieder aufrichtet, kann nicht die Königsstadt Gottes und damit der Herd der göttlichen Revolution sein, wenn in ihr nicht die Gerechtigkeit Gottes unter allen Bürgern herrscht. Alle Teile der Bibel sind voll von Zeugnissen, daß Gott eben damit verkehrte Ordnung umkehrt, daß er sich der Armen annimmt und nicht zuläßt, d a ß sie ausgebeutet und erniedrigt werden." 36 Ferner ist zu prüfen, ob in der vor allem historisch ausgerichteten Arbeit „La prophetie d'Emmanuel et la fete royale de Sion" (1954) 37 ein Verzicht auf die 1934 und sonst geübte christologische Unmittelbarkeit vorliegt. D e r Immanuel von Jes 7,14 ist nach Vischer nicht einfach mit Jesus identisch wie der feindliche Mann am Jabbok, sondern ein Zeitgenosse von Ahas und Jesaja. 38 „Eine Exegese, die die Texte nicht vergewaltigt, beachtet, was Immanuel von Jesus unterscheidet. Eben damit wird sie Immanuel als das von Gott gegebene Zeichen und seine echte Beziehung zu Jesus erfassen. Das Geheimnis der Geburt und der Adoption, das Immanuel von den andern Söhnen Davids unterscheidet, ist ein Hinweis auf Jesus. Das Evangelium beantwortet f ü r Jesus die Fragen, die für Immanuel ohne Antwort bleiben. Nach dem Evangelium ist Jesus der ewige Sohn Gottes, der immer bei dem Vater ist und ohne den der Vater nie etwas gemacht hat. Durch ihn ist Gott mit uns (,immanu'el), das heißt mit allen Menschen, die seit der Erschaffung von Adam und Eva bis in Ewigkeit als Gottes Kinder gelebt haben, leben und leben werden." Der Unterschied wird folgendermaßen erfaßt: Bei der Inkarnation des Gottessohnes ist Joseph der Adoptierende; Gott pfropft von oben seinen Sohn in den Stammbaum Davids ein. „Damit geschah das Umgekehrte des alten Ritus, durch den ein leiblicher Nachkomme Davids von Gott adoptiert wurde"; dies nenne M t
34
N e h e m i a , 1971, 6 0 9 f. (Schluß). Jonas, 1960, 56 ff. 36 N e h e m i a , 1971, 607 (Hervorh. orig.). Auch HELLBARDT konnte über der historischen Exegese bis auf den letzten Satz das christologische Ziel seiner Arbeit verhüllen, siehe: „ D i e Blutschuld von Jesreel" (1937). In d e m Aufsatz „Israel und die Mächte" ist keine direkte christologische Interpretation erkennbar (SCHROVEN, Christologische Auslegung, 269 Anm. 221). 35
37 In: E T R 29, 3 / 1 9 5 4 , 5 5 - 9 7 ; deutsch: Immanuelbotschaft, 1955 (Zitate aus deutscher Ausgabe). 38 A. a. O. 52.
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1,22-23 „Erfüllung" und sage damit, daß die Immanuel-Botschaft ein Versprechen mit dem Ziel auf Jesus hin war.39 Dieses Versprechen bestehe nicht nur in Worten, sondern auch in lebendigen Menschen und geschichtlichen Ereignissen. Der „Immanuel" ist ein „Vorzeichen", daß Jesus als Sohn Davids geboren werden wird, und der „Zeuge dafür, daß Jesus schon im achten Jahrhundert gegenwärtig ist. Die lebendige Gegenwart des Zeugen Immanuel bezeugt die wirkliche und tatsächliche, wenn auch noch verborgene Gegenwart Jesu. Immanuel ist das Zeichen, das anzeigt, daß durch die Gegenwart des Christus Jesus die Treue Gottes in der großen Krisis des achten Jahrhunderts ante Christum natum gesiegt hat." 40 So endet diese Schrift Vischers; die zuvor erfolgenden literarkritischen und historischen Überlegungen ließen im Vergleich zu Aufsätzen früherer Jahre lange auf diese Äußerungen über Christus warten. Vischer hat demnach in späteren Arbeiten die Gegenwart Christi nicht immer mit derselben Direktheit wie früher ausgesprochen. Es wäre aber falsch, daraus schließen zu wollen, daß sich Vischers theologische Schwerpunkte verlagert hätten. Dieser Befund kann anhand seines französischen Aufsatzbandes „L'Ecriture et la Parole" (1985) bestätigt werden. Ein Bruch mit der Theologie der 30er Jahre ist nicht zu erkennen. Allerdings hat Vischer die Mahnungen der Rezensenten zu methodisch nachvollziehbarer Exegese, zumal angesichts der von ihm selbst schon immer hervorgehobenen Menschlichkeit und Geschichtlichkeit der Texte sehr ernst genommen. Eine Annäherung an von Rad und anderen Kritikern (siehe unten) gab es demnach in historischen Einzelfragen - nicht aber in der Grundfrage, wie weit sich die alttestamentliche Exegese von dem neutestamentlichen bzw. dogmatischen Grundsatz der Präexistenz Christi beherrschen lassen dürfe. H . Graf Reventlow stellte 1979 die Frage, wie Vischer in späteren Jahren theologisch geurteilt habe, nachdem im „Christuszeugnis" eine „Blütenlese allegorischer Interpretation" 41 stattgefunden hatte: „Problemgeladen wie seine frühen Diskussionsbeiträge zur alttestamentlichen Hermeneutik sind diese meist kleineren, teilweise auch populär gehaltenen Schriften nicht, und meist wiederholen sie seine bekannten Auffassungen. In der Schrift ,Die Bedeutung des Alten Testaments für das christliche Leben' . . . ist der christozentrische Standpunkt beibehalten, allerdings unter Verzicht auf die allegorische Methode des , Christuszeugnisses'. Statt der Gegenwart des Präexistenten ist es vielmehr die Erwartung des Kommenden, die den Schlüssel zum Alten Testament liefert."42 Reventlow täuscht sich an diesem Punkt. 43 Vischer ging auch hier von der Gegenwart des Präexistenten aus: 39 40 41 42
A. a. O. 53. A. a. O. 54. REVENTLOW, Konflikt, 117. A.a.O. 119f.
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Jesus sei das Haupt des Leibes, auch des alttestamentlichen Gottesvolkes44; die religiöse Disharmonie im Alten Testament bezeuge das Scheitern am „Fels Israels"45, der kein anderer war und ist als Jesus, der Christus. Die theoretischen Schriften Vischers zur Hermeneutik (1960, 1964), die erwähnte Jona-Studie oder seine Jesaja-Auslegung im Detmolder Vortrag 1958 zeigen, daß Vischer weder im einzelnen noch im grundsätzlichen mit seinen früheren Auslegungen gebrochen hat. In Detmold stellte er gleich an den Anfang, Jesaja habe die δόξα Jesu gesehen46, und zeichnete dann das geschichtliche Bild des 8. Jahrhunderts vor Christus. In kleineren Beiträgen für die Göttinger Predigtmeditationen knüpfte Vischer direkt an den ersten Band seines Christuszeugnisses an: 1957/58 zu Gen 4 und Ez 34; 1959/60 zu Gen 3. Die von vielen für verwegen gehaltene Vermutung über die Kreuzesform des Kainszeichens hat er nicht wiederholt, ebensowenig den Verweis auf Ez 9 und Offb 7 bzw. 9,4. Eine Abschwächung? Man muß berücksichtigen, daß das theologische Gewicht 1934 wie 1957/58 darauf lag, daß alle Menschen „das Zeichen des unter den persönlichen Schutz Gottes gestellten Brudermörders" tragen, indem der Mensch gewordene Gottessohn am Kreuz für seine Mörder stirbt. Die Form des Zeichens war gegenüber diesem, auch in Mt 23,35 und Hebr 12,24 angesprochenen Sachverhalt unerheblich, vielmehr: „Wer schuldig ist am Tode Christi, über den kommt auch das Blut des gerechten Habel. Wer aber nicht schuldig ist am Tode Christi, der hat auch nicht Teil an der Versöhnung durch sein Blut, das da besser redet als Habels Blut."47 Schon 1934 bezeichnete Vischer seine Ansicht über die Form des Kainszeichens als reine „Vermutung", die sich möglicherweise als unhaltbar herausstellen könnte. Davon werde aber die Einsicht nicht erschüttert, „daß das Zeichen des Kreuzes Christi den Symbolgehalt des Kainszeichens im tiefsten Sinn erneuert und bestätigt hat. Denn das Kainszeichen trägt in sich die Verheißung der Versöhnung des der Kainssünde schuldigen Menschen, der sich vor Gott als der Mörder seines Bruders bekennen muß. Die Kainssünde ..., sie und nichts anderes meint die Bibel, wenn sie von Sünde redet" (vgl. Mt 23,35).48 Analoges liest man in knappster Form 1957/58: „An Jesus Christus glauben heißt, sich als Brudermörder erkennen. Wer das tut, bricht vor Gott zusammen."49 Vischer blieb der eigentümlichen Verbindung der Schwerpunkte seines Ähnlich irrtümlich verglich PREUSS einige Schriften Vischers (Predigt, 86 f.). Die Bedeutung des Alten Testaments für das christliche Leben, 193 8/ 2 1947, 4 f. 45 A.a.O. 10. 46 Nach Joh 12,41; vgl. SCHULZ, N T D 4, 170. 47 Christuszeugnis I, 95. Ebenso, z.T. in gleichen Formulierungen in Jahwe, der Gott Kains", 1929. 48 Christuszeugnis I, 94 f. 49 GPM 12, 1957/58, 221-224, hier 224. Offen bleibt, warum Vischer in beiden Auslegungen nicht auf Mt 5,22 hinweist. 43
44
Das Christuszeugnis des Alten Testaments
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Denkens treu: die Christuspräsenz im geschichtlichen Weg des alttestamentlichen Gottesvolkes, und, daraus folgend, das Verständnis der Erwählung Israels als Offenbarung an alle Völker. Das Heil, das Gott schenkt, bedeutet eine lebendige Teilhabe am Leben Jesu, zu allen Zeiten und an allen Orten. 50 „Es hat Gott Wohlgefallen, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte" (Kol 1,19). Gott gibt alles in Jesus und nur in Jesus.51 Das Reich Gottes auf Erden beginnt mit der Erwählung Israels, und das eine an alle gegebene Wort „Höre Israel!" bedeutet für Vischer: Höret, alle Völker, auf Jesus Christus.52 Die Kontinuität von Vischers Denken wird 1982 schlagend deutlich, als er Rendtorffs kritische Darstellung der Einleitung Vischers zum ersten Band des Christuszeugnisses mit dem Hinweis zurückwies, er habe das nicht erfunden, sondern das stehe eben so im Neuen Testament. 53 Damit stehen wir im Zentrum von Vischers Hauptthesen.
2.3 Das Christuszeugnis des Alten Testaments: seine Grundlagen und seine Bedeutung für den christlichen Glauben In diesem Abschnitt möchte ich versuchen, die theologischen Grundlagen, also die Voraussetzungen und die Relevanz des Christuszeugnisses des Alten Testaments für den christlichen Glauben in eigenen Worten nachzuvollziehen. (Würdigung und Kritik bleiben im wesentlichen dem Teil 3.2 vorbehalten.) Dabei ist mit der Unterscheidung ontologischer und noetischer Aspekte des Problems einzusetzen: Was heißt „Christuszeugnis des Alten Testaments" an und für sich, und wie ist es zu erkennen? Um diese beiden Pole und ihren Zusammenhang soll es hier gehen. Die Voraussetzungen für das Christuszeugnis54 des Alten Testaments liegen ontologisch in der ewigen Existenz Christi vor seiner Menschwerdung und in seiner Wirksamkeit als Mitschöpfer 55 , sich selbst an- und verkündigender König Israels56 und Licht der Heiden 57 ; noetisch in einem Offen50
Predigt vom 16. Januar 1944 über Lukas 2,40-52 (im Nachschriftenband Nr. 43), 4 . Passim, u.a.: Predigt über Joh 1,16f. am 26.12.1948, in: Basler Predigten 12, Nr. 10/Feb. 1949, 5. 52 Antwort an Schalom Ben-Chorin, 1939, 568 f.: „Gott gibt nur ein Wort (höre Israel!) an uns alle, und das heißt Jesus Christus" (Hervorh. orig.). 53 A propos de la conference de RRendtorff, 1982, 73 f. mit Bezug auf RENDTORFF, Jüdische Bibel, 105; vgl. ders., Rettung, 93, Anm. 39. 54 Wie oben laut These 3 im Doppelsinn des objektiven und subjektiven Genitivs. 55 Vgl. Joh 1,3; l.Kor 8,6; Kol 1,16 f.; Hebr 1,2. 56 Vgl. Zeph 3,15-17; Sach 9,9. 57 Vgl. Jes 42,6; 49,6; vgl. auch 60,3; Joh 8,12; vgl. CHILDS, Theologie II, 161. 51
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barungshandeln Gottes: darin, daß er mich erwählt und mir sein Wort als an mich gerichtetes, zugleich das Neue Testament als Leitfaden für die rechte Erkenntnis des Alten Testaments als dem Wort Gottes zu erkennen gibt. Untrennbar verbunden werden damit das Verstehen der Schrift und ihre Wirkung auf den Hörer. Wenn Vischer das Christuszeugnis des Alten Testaments darstellt, zielt er nicht nur auf den Aufweis, daß bestimmte messianische Weissagungen auf Jesus von Nazareth hinauslaufen, sondern darauf, daß in dem Wort der Schrift als Wort der Glaubensgerechtigkeit Christus präsent ist als derjenige, der dieses Wort spricht.58 Für Vischer folgt daraus zum einen, daß die Autorität der Schrift nicht 59 oder wenigstens nicht in erster Linie auf ihrer Inspiriertheit basiert, sondern darauf, daß sie das von Gott autorisierte Zeugnis der Offenbarung Jesu Christi ist60 - deswegen begann unsere Reihe der zehn Thesen mit Jesus Christus und nicht mit der Heiligen Schrift. Die Begegnung mit ihm, in dem alle Weisheit und Erkenntnis verborgen liegen (Kol 2,3), ist der Anfang theologischer Erkenntnis. Die Schrift ist dabei das Instrument des Heiligen Geistes, göttliche Geheimnisse zu enthüllen; einen anderen Zweck hat sie nicht. Vischer: „Die Bibel ist nur insofern heilige Schrift, als sie den Christus Jesus, die Menschwerdung des Sohnes Gottes bezeugt. Das kann sie nur, wenn ihre Schriften aus echten Menschenworten bestehen. Es ist das bleibende Verdienst der historisch-kritischen Forschung des 19. Jahrhunderts, den Irrtum der Inspirationslehre des 17. Jahrhunderts aufgedeckt und das GeschichtlichMenschliche der heiligen Schrift gezeigt zu haben." 61 Vischer kann sogar von „Versuchung" sprechen, der Bibel eine Qualität analog der des Korans oder der Veden zuzuordnen. 62 Damit ist allerdings nur die mechanische Variante der Inspirationslehre ausgeschlossen, nicht Inj/nVation an sich: „l'auteur de la Bible est le Saint-Esprit." 63 Doch nicht um Schriftwerdung 58
Vgl. HANSON, Jesus in OT, 176. Vgl. Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 36 f. 60 Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 22.42 u. ö. 61 Christuszeugnis I, 16 ( = D a s Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 4). Es folgt bei Vischer LUTHERS Wort aus der Vorrede auf das Alte Testament (Christus in den Windeln). Die unteilbare Ganzheit der Bibel, 1935, 117: „Die Bibel ist, geschichdich betrachtet, eine Auswahlsammlung verschiedenartiger Literaturdenkmäler des Vorderen Orients. Eben diese Auswahlsammlung ist, beglaubigt durch den heiligen Geist, das einheitliche und ganze Zeugnis der einzigen und ganzen Selbstoffenbarung Gottes in Christus Jesus. Das ist ein Glaubenssatz der Kirche. Darum ist er nicht zu beweisen, wohl aber muß seine Notwendigkeit im Zusammenhang der christlichen Erkenntnis nachzuweisen sein." 59
62
La methode de l'exegese biblique, 1960, 110. A . a . O . 121 = Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 22. Dort weiter: „Ist der Heilige Geist der Autor, sollte dann nicht die rechte Methode der Exegese p n e u matisch' oder ,pneumatologisch' sein? Nein. Der Heilige - Geist läßt sich niemals als Methode handhaben. Er ist Gottes Freiheit. Seine Freiheit, sich zu erkennen zu geben oder sich zu 63
D a s Christuszeugnis des Alten Testaments
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des Wortes Gottes macht sich Vischer Gedanken, sondern - um seine Menschwerdung. Nicht ein Buch falle vom Himmel, sondern Gott komme als Mensch zu uns - dieses Wunder sei viel größer! 64 Eine zweite Folgerung betrifft das Verhältnis der Testamente. Die Person des Täufers 65 zeigt, daß es vom Alten Testament noetisch nicht schwellenlos ins Neue übergeht. Johannes sammelt einen Jüngerkreis in feuriger Erwartung; das Volk fragte, ob er vielleicht selbst der Messias sei (vgl. Lk 3,15). Dann kommt, der kommen soll - und Johannes läßt nachfragen, ob Jesus der Messias ist. Johannes war angesichts des konkreten Erscheinens Jesu verunsichert: seine Messiaserwartung stimmte offensichtlich nicht einfach mit dem überein, was er von Jesus erfuhr. Die Antwort Jesu zeigt, daß Johannes gewarnt werden muß, Anstoß zu nehmen: „Selig, wer sich nicht an mir ärgert" (Mt 11,6 par.); das heißt: Messiaserwartungen müssen sich an ihm brechen, korrigiert oder bestätigt werden. Trotz dieser Warnung gab es auch später noch Johannesgemeinden, in denen Johannes als Messias verehrt wurde. 66 Deutlich ist, daß Jesus nicht einfach die Verwirklichung dessen ist, was man damals innerhalb der herkömmlichen Propheteninterpretation erwartet hatte. Jesus ist der Messias Israels; die zeitgenössischen Messiasvorstellungen aber, die ihre Vertreter auch im Jüngerkreis haben, werden gerichtet. Dieser Prozeß des Gerichts über die menschlichen Vorstellungen vom Erlöser ist nicht abgeschlossen, sondern setzt sich fort, bis er in Herrlichkeit kommt. Die Einheit der Testamente in Christus wird also nur erkannt, wenn sich durch Gottes Gnade je und dann der Schleier lüftet und die Decke weggenommen wird, wie das an Pfingsten geschah (Apg 2-3 )67: die Schrift tat sich auf; und mit diesem geschenkten Schriftverständnis wurde den Menschen gegeben, sich untereinander über Sprachgrenzen hinweg zu verständigen. Der Inhalt pfingstlichen Glaubens ist nach Joh 2,22 bestimmt durch die Einheit der Schrift (des Alten Testaments) mit Wort Jesu.68 Fehlt letzteres, ist also das Neue Testament nicht Maßstab der alttestamentlichen
verbergen. Gottes Freiheit, sich finden zu lassen von denen, die ihn suchen. Er, er allein kann Ereignis werden lassen, was auch die beste Exegese nicht bewirken kann, daß nämlich der Zuschauer ein Mitspieler in dem großen Drama wird. D a s geschieht in dem Augenblick, w o ein Mensch, der in der Bibel forscht und sinnt, hört, wie Gott ihn bei seinem N a m e n ruft: dich meine ich." 64
Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen?, 1932, 95.
65
V g l . ZIMMERLI, A u s l e g u n g , 1 4 6 f.
66
Vgl. Apg 1 8 , 2 4 - 1 9 , 7 ; Clem.Rec.I, 54.60. Apg 2 und 2. Kor 3 bei Vischer: D i e Bedeutung des Alten Testaments für das christliche Leben, 1938/ 2 1947, 19. Vgl. zu diesen Stellen EICHRODT: unten S. 263 (Anm.562). 68 Vgl. W. KRAUS, Johannes, 19: „Nach der Auferstehung fallen Schrift und Wort Jesu zusammen." 67
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
Hermeneutik69, wird das exegetische Bemühen um Verstehen reduziert auf Texte70 nach der Maßgabe historischer Gleich- und Vorzeitigkeit. „Wer . . . das AT nur als Schrift, hinter der kein von Zeugen weiterbezeugter göttlicher Anspruch laut wird, liest, der liest das AT nicht sachgemäß."71 Das Alte Testament wird dann nicht recht verstanden, weil das Band zwischen Geist und Buchstabe aufgelöst ist. Jesus Christus wird nunmehr, wenn überhaupt, nur als Objekt, nicht aber zugleich als Subjekt der alttestamentlichen Rede erkannt; das Christuszeugnis des Alten Testaments bzw. das Selbstzeugnis Christi in menschlichen Worten degeneriert zum menschlichen Zeugnis - ein Zeugnis nicht mehr von ihm, sondern von Menschen und handelnd von menschlicher Frömmigkeit. In der Konsequenz wird das Christuszeugnis nicht nur im Sinne der überzeitlichen Christuspräsenz, sondern auch im Sinne der messianischen Weissagungen fraglich. Denn die Schriften des Alten Testaments zielen auf Ereignisse, die nicht nur in, sondern auch weit nach ihrer Abfassungszeit liegen; sie wollen nicht nur die Gegenwart des unsichtbaren Herrn verkündigen, sondern auch sein Kommen in sichtbarer Niedrigkeit und Herrlichkeit ankündigen. Dies konnte nur in der Vollmacht des Heiligen Geistes geschehen. Hätten die alttestamentlichen Verfasser ohne Leitung des Heiligen Geistes spekuliert, so stimmte ihr Zeugnis nicht mit der neutestamentlichen Erfüllung überein. Indem jedoch Gott sich ihnen in Wort und Tat offenbart, bekommt ihr Zeugnis die Orientierung auf den schon damals Gegenwärtigen und später kommenden Messias Jesus: οσαι γάρ έπαγγελίαι θεού, έν αύτφ τό Ναί - διό και δι αύτοϋ τό 'Αμήν τφ θεώ προς δόξαν δι ήμών (2. Kor 1,2072). Indem sich ihr weissagendes Zeugnis dem Glauben als mit der Erfüllung übereinstimmend zeigt, erweist sie sich als Rede Gottes.73 Stellt die Schrift Weissagung und Erfüllung vor uns hin und uns entgegen, erzielt es die pneumatische Wirkung von Gesetz und Evangelium. Der dreifache Gebrauch des Gesetzes kann daher nicht um einen vierten (einen usus propheticus) ergänzt werden. Denn dieser wird von den anderen usus zum einen vorausgesetzt und wäre als von den anderen getrennter usus legis nur intellektuelles Spiel, was dem Wesen der Wirkung des Wortes Gottes widersprechen würde. Auch ein Verständnis des Gesetzes als Weissagung muß sich, um nicht zu einem Gedankenexperiment ohne den Ernst der Glaubensentscheidung zu verwildern, den drei klassischen usus legis
69
Vgl. unten S. 333 f. HERNTRICH, Christus der Herr, 75 f. 71 ZIMMERLI, Auslegung, 148 (Satz sie). 72 Vgl. Der Prophet Habakuk, 1958, 37 (CALVIN-Zitat, das ich eingangs als Motto verwendet habe). 73 Vgl. das Prophetengesetz Dtn 18,20-22. 70
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einordnen. Belegt werden kann dies etwa an Römer 3,21; 10,6-8: im Mosegesetz ist nicht nur von der Gesetzesgerechtigkeit zu lesen, sondern auch bereits von der Glaubensgerechtigkeit in Christus. In 2. Kor 1,20 wird ferner gesagt, daß sich die Konstatierung einer Erfüllung immer auf Christus richten soll. Vischers zentrale Frage lautete entsprechend: „Ist das Neue Testament die authentische Exegese des Alten? Noch genauer: Ist Jesus, in seiner Person, seinem Leben, Sterben und Auferstehen, der Exeget, der einzige authentische Exeget des Alten Testaments, weil er seine Wahrheit und seine Krisis ist? Das ist das wahre Problem der Hermeneutik, um das die vielen Diskussionsredner heute wie Katzen um den heißen Brei schleichen."74 Die Frage, ob das in den Texten Berichtete wahr ist, könne der Exeget nicht an die Dogmatik abschieben, denn alle Schriften des Alten Testaments sind Glaubensurkunden. „Was ist denn das für eine Exegese, die sich mjt der Glaubensfrage nicht befassen will und sie andern zuweist mit der Erklärung, die Exegese sei dafür nicht zuständig?"75 Die Frage, ob und wie es ein Christuszeugnis eines auszulegenden alttestamentlichen Textes gibt oder nicht, kann für den christlichen Glauben eine heilsentscheidende Relevanz haben; daher darf sie von der Exegese nicht übergangen werden. Andernfalls wird solche Exegese für den christlichen Glauben im entscheidenden irrelevant.76 Wenn sie nicht davon ausgeht, daß Jesus die „Fülle"77 und in seiner Menschwerdung die Erfüllung des Alten Testaments ist, läuft man Gefahr, die in Jesus konkrete Selbigkeit Gottes als Subjekt beider Testamente aufzuheben und durch eine marcionitische Variante zu ersetzen.78 Angewandt auf die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium heißt das: Wenn „Christus" (etwa aus antinomistischen Motiven) mit „Evangelium" identifiziert wird, ohne zu sehen, daß auch das alttestamentliche Gesetz von ihm stammt und er es auslegt (Bergpredigt), wird ungewollt auch sein opus proprium, das Evangelium entleert, seines entscheidenden Bezugspunktes beraubt. Der Evangelist Johannes bindet beide Testamente zusammen mit dem Satz ,,ό λόγος σαρξ έγένετο". „Logos" bezeichnet nach dem Kontext zunächst den Schöpfungsmittler. Der Begriff „Logos" führt aber weiter zur Wortoffenbarung des Alten Testaments (Joh 5,46), die nun als in Person und Werk Jesu von Nazareth als dem Christus (Joh 20,30 f.) verankert sichtbar wird.79 Die 74
Das Problem der Hermeneutik, 1964, 110; ebenso Christuszeugnis I, 36. Das Problem der Hermeneutik, 1964, 110. 76 Vgl. Blaser, Typos. Vgl. Gunneweg: „Es ist keine Übertreibung, wenn man das hermeneutische Problem des Alten Testaments nicht bloß als ein, sondern als das Problem chrisdicher Theologie betrachtet, von dessen Lösung so oder so alle anderen theologischen Fragen berührt werden" (Vom Verstehen, 7, Hervorh. orig.). 77 Vgl. Kol 1 , 1 9 ; 2 , 9 . 78 Vgl. H e l l b a r d t , Telos, 342. 79 „Der Evangelist bezeugt, daß das Wort, das die Welt zum Sein brachte (Gen 1,1), 75
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Fleischwerdung des Wortes Gottes ist nach Vischer der Zielpunkt des Alten Testaments, weshalb Gesetz und Evangelium zwar heilsgeschichtlichnoetisch, nicht aber ontologisch auf Mose und Jesus von Nazareth verteilt werden dürfen. Die in den Johannesprolog eingebauten Sätze über das Zeugnis Johannes des Täufers laufen auf dieses Bekenntnis hinaus; das erste wörtliche Zitat des Täufers lautet: „Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich." Der Evangelist schließt an: „Denn von seiner Fülle haben wir alle empfangen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden" (Joh 1,15.16 f.). Der letzte Satz darf nicht als starrer Gegensatz aufgefaßt werden, wie Joh 5,39.45 f.; 7,38 zeigt 80 Johannes bezeugt im Prolog seines Evangeliums, daß durch die Menschwerdung Jesu Christi Gottes Wort und Wirklichkeit in seiner Person zusammenfallen, so daß er nun anschaulich (έθεασάμεθα) den Grund aller Dinge, die Quelle allen Lebens und aller Wahrheit verkörpert. Das Wort Gottes wurde in Jesus von Nazareth anschaulich. Es wurde Mensch und entäußerte sich selbst bis zum Tode am Kreuz. Die neue Anschaulichkeit jedoch führte als solche niemanden zum Glauben. Leitete und begleitete das Wort Gottes in der Person Jesu bisher unsichtbar die Geschichte Israels, so wurde es nun von dieser, sich Gottes Leitung stets widersetzenden Geschichte 81 sichtbar in den Tod getrieben. „In Christus ist aber auch das abschließende Heilswort . . . so geschehen, daß nicht mehr der Prophet neben dem Heilsgeschehen steht, sondern beides eins geworden ist. Das Wort Gottes ist Fleisch geworden, Wort ist Tat geworden. In Jesus Christus ist die Mitte erschienen, die auch alles at.liche Heilsgeschehen erfüllt. So wird der atliche Ausleger in der christlichen Kirche den at.lichen Text . . . sachgemäß erklären können, indem er sich dem aus dem Text an ihn ergehenden Ansprüche beugt, sich vom at.lichen Worte verhaften läßt und Gott die Ehre gibt, die der Text für Gott beansprucht. Auslegung wird, wo sie bis zu diesem letzten Ziele sachgemäß geschehen ist, zum Gehorsam werden müs-
genau dieselbe Manifestierung von Weisheit war, die von Anfang an mit Gott zusammen war (Prov 8,22 ff.). So werden Gesetz und Weisheit in der Fleischwerdung Jesu vereint" (CHILDS, T h e o l o g i e I, 337). 80 Vgl. JONES, Opposition. ELERT hat an einem zentralen Punkt Unrecht, wenn er mit Bezug auf Joh 1,17 gegenüberstellt, Jesus verhalte sich zum Gesetz nicht als Geber, sondern als Empfänger (Glaube, 174). 81 Vgl. Apg 7,51-53; zum Verhältnis von Apg 7 zum Präexistenzgedanken vgl. HANSON, Jesus in OT, 83-103. 82
ZIMMERLI, Auslegung, 150.
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Wenn es sich beim Alten Testament nur um ferne Historie handelte, ginge es uns nur soviel an, wie man es zuläßt.83 Die sachgemäße Auslegung wird solange verfehlt, „solange es nicht in diesen Texten durch die fremde Hülle hindurch zur Begegnung mit dem Christus kommt, in dem das Gericht, von dem der Text zeugt, göttliche Wirklichkeit über uns ist."84 Nach Vischer gibt es kein Recht, die „fremde Hülle", die „Windeln" wegzuwerfen - das Kind, das darin liegt, ginge mit verloren, weil es nicht ohne die Windeln zu bekommen ist, wie der Geist nicht ohne den Buchstaben. Die Verfasser des Neuen Testaments erkannten in der „fremden Hülle" den Herrn ihrer Kirche wieder. Ihr Verständnis von Heiliger Schrift war bestimmt durch Christus; als γραφή θεόπνευστος και ωφέλιμος (2. Tim 3,16) gelten konnte nur, was als Christuszeugnis erfahren wurde.85 Wäre das Alte Testament nicht Christuszeugnis, so wäre es nicht christlicher Kanon geworden86, und es hätte weder Suffizienz noch Autorität. Autorität aber hat es ausschließlich als neutestamentlich erschlossenes Christuszeugnis.87 Das Christuszeugnis des Alten Testaments war aber nach Vischer nicht nur ein historischer Grund für den alttestamentlichen Kanon; es ist auch die gegenwärtige Voraussetzung für die rechte Unterscheidung und Zuordnung von Gesetz und Evangelium bzw. für die Erkenntnis, daß die „Teilung der Schrift in Gesetz und Evangelium quer durch die ganze Schrift hindurchgeht und nicht etwa mit AT und N T zu identifizieren ist."88 Denn das alttestamentliche Gesetz war und ist einst und heute, und beim alten wie beim neuen Menschen „Zuchtmeister" auf Christus.89
83
V g l . BULTMANN, B e d e u t u n g .
84
ZIMMERLI a.a.O.
85
151 f.
Hierzu vgl. v. a. die Studie von HANSON, Jesus in OT. Vgl. FILSON, Unity, 139: „It was only on this basis that the Canon was formed." - Darin liegt die Antwort auf seine Frage: „Is the Canon not only historically but theologically warranted?" (a.a.O. 150). 86 Das gilt unabhängig davon, ob die alttestamentliche Kanonsentwicklung vor- oder nachchristlich abgeschlossen wurde. Vieles im Neuen Testament spricht allerdings für ersteres. 87 Vgl. WENZ, Wort Gottes, 228. 88 WOLF, Verhältnis, 70. „Die Zeit ante Christum scheint der Zeit post Christum hinsichtlich der realen Wirkung der Inkarnation voll zu entsprechen" (a. a. O. 72). Im „Bereich des alten Bundes . . . gibt es volle Rechtfertigung propter Christum venturum genauso wie im Bereich des neuen Bundes ,um des gekommenen Christus willen'. Auf der Bezeugung und Zueignung des einen Christus gründet die Einheit der Testamente" (a.a.O. 73). „Die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium in dem bisher besprochenen Sinn ist also eine Unterscheidung im Worte Gottes, die die Einheit der Testamente, wie wir sie bisher festgestellt haben, keinesfalls in Frage stellen kann.... Wenn zum recht verstandenen Evangelium die Freiheit vom Gesetz gehört, so bedeutet das nicht Freiheit vom A T ' (75). 89 Das Christuszeugnis des Alten Testaments verbürgt, was die Apologie der Confessio Augustana über den Rechtfertigungsartikel der Confessio Augustana sagt: „Universa scriptura in hos duos locos praecipuos distribui debet: in legem et promissiones. Alias enim legem tradit, alias tradit promissionem de Christo, videlicet cum aut promittit Christum venturum esse, et pollicetur propter eum remissionem peccatorum, iustificationem
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Ohne ein Christuszeugnis des Alten Testaments schließlich wären wir blind für das trinitarische Wesen der Treue Gottes durch die Zeiten. Das Christuszeugnis des Alten Testaments ist eine große und notwendige Vergewisserung des Glaubens: Der Gott, den Jesus von Nazareth verkündigt hat und an den die christliche Gemeinde heute glaubt, ist als Schöpfer, Erhalter und Erlöser heute derselbe wie als Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, und was er zusagt, das hält er gewiß, weil er derselbe bleibt (Ps 33,4; Hebr 13,8; Apg 2-3). Paradigma der noetischen Voraussetzung zur Erkenntnis des Christuszeugnisses des Alten Testaments ist das Pfingstgeschehen. Die Pfingstpredigt des Petrus (Apg 2,14-36) war von Anfang bis Ende Predigt des „Christuszeugnisses des Alten Testaments", nicht nur als sich selbst rechtfertigender Nachweis, daß die vom Heiligen Geist erfüllten Jünger nicht betrunken seien, sondern mit dem Ziel, zum Glauben an Jesus als den Christus zu führen. Der Aufweis, dies sei die alttestamentliche Botschaft, blieb nicht dabei stehen, distanziert über einen weissagungsmäßigen Zusammenhang von Altem und Neuem Bund zu staunen90: Es ging den H ö rern durchs Herz. Das griechische Verb an dieser Stelle bezeichnet das, wozu Messer und Schwert gebraucht werden können: zerstechen - ein philologischer Hinweis 91 darauf, daß der Aufweis des Christuszeugnisses des
et vitam aeternam, aut in Evangelio Christus, postquam apparuit, promittit remissionem peccatorum, iustificationem et vitam aeternam" (Apol. IV, 5, BSLK S. 159). Die „Patriarchen haben gewußt, auch geglaubt, daß Gott durch den benedeieten Samen, durch Christum, wollt Segen, Gnade, Heil und Trost geben. Darum so sie verstunden, daß Christus sollt der Schatz sein, dadurch unser Sunde bezahlt werden, haben sie gewußt, daß unsere Werke ein solche große Schuld nicht bezahlen könnten. Darum haben sie Vergebung der Sunde, Gnade und Heil ohne alle Verdienst empfangen und durch den Glauben an die götdiche Verheißung, an das Evangelium von Christo selig worden als wohl als wir oder die Heiligen im neuen Testament" („Sed patres norant promissionem de Christo, quod Deus propter Christum vellet remittere peccata. Igitur cum intelligerent Christum fore pretium pro nostris peccatis, sciebant opera nostra non esse pretium rei tantae. Ideo gratuitam misericordiam et remissionem peccatorum fide accipiebant, sicut sancti in novo testamento"; Apol. IV, 57, BSLK S. 171, ebenso XXIV, 55, S. 365; vgl. XXIV, 35-36, S. 360 f. über die einzelnen zukünftigen Bedeutungen der Zeremonien: wären sie mehr als bloße Schatten des Zukünftigen, so hätte recht, wer in ihnen verdienstliche Werke oder opera operata sieht). Sprechen Habakuk 2,4; Jesaja 53,11 von der Glaubensgerechtigkeit, so ist es selbstverständlich, daß Glaube an Jesus Christus gemeint ist und nicht ein spezifisch alttestamentlicher; Rom 1,17 oder ein anderer neutestamentlicher Beleg müssen hier nicht mehr angeführt werden (Apol. IV, 100). „Sed plena est scriptura talibus testimoniis, quia alibi legem, alibi promissionem de Christo et de remissione peccatorum et de gratuita acceptatione propter Christum tradit" (Apol. IV, 102, BSLK S. 102). Die Verheißung der Gnade durch Christus wird durch die ganze Schrift hindurch wiederholt - von Adam an (Apol. XII, 53, BSLK S.261). 90 So ein Vorwurf gegen Vischer: KÖHLER, Christus, 253; in ähnlicher Form bei BULTMANN, Weissagung, 167 f.; ders., Bedeutung, 335. 91 Das Lexikon von WALTER BAUER gibt in dem Artikel κατανύσσομαι zu Apg 2,37
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Alten Testaments gepredigtes Wort Gottes, Schwert des Geistes ist und nicht intellektuelle Spielerei92. „Eine schlagende Exegese, die alles erklärt und die schönsten Beziehungen aufweist, beweist noch lange nicht, daß ich wirklich Gottes Wort höre. Ich bleibe vielleicht dabei ganz unangefochten der alte Mensch. Erst wenn ich ein Wort der Bibel so höre, daß es mich tötet und lebendig macht, kann ich sagen, daß ich es als Gottes Wort höre."93
An Pfingsten führte der Heilige Geist nicht in ein allegorisches System und nicht weg von der Schrift, sondern gerade in sie hinein und so zum Glauben an Christus.94 Nach Paulus soll ein christlicher Prediger nicht sich selbst, sondern Christus als den Herrn verkündigen (2. Kor 4,5). Darum ist an biblische Hermeneutik die Frage zu richten: Ist Christus im Vollzug der Exegese in allem theologischen Ernst der Geber und Ausleger der Schrift und nicht eine Hermeneutik95? Geschieht die Auslegung nicht in der Erwartung, daß das heutige Handeln Gottes dem im Bibeltext bezeugten entspricht, bzw. werden die Autorität und die Gegenwart Christi im
(κατενύγησαν την καρδίαν; vgl. 5,33; 7,54) wieder: „sie empfanden quälenden Schmerz im Herzen" ( 5 1971, Sp. 821). 92 Vgl. Hebr 4,12; Eph 6,17. Vgl. unten S. 334 93 Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 27. 94 Die Hoffnung der Kirche und der Juden, 1942/1959, 18 f. - Von hier aus ist GUNNEWEGS Entgegensetzung nicht nachvollziehbar: „Der christliche Glaube ist ja, trotz aller ererbten Schriftgläubigkeit, nicht zuerst Glaube an die Schrift, erwächst nicht aus der Schrift, sondern ist Glaube an Christus, der sich im Zeugnis chrisdicher Verkündigung selbst verkündigt" (GüNNEWEG, Vom Verstehen, 23. G. hat hier wohl in erster Linie die fides qua im Blick. Für die fides quae ist sein Satz unmöglich.). Vielmehr gilt: J e s u s Christus wird als Christus, das heißt als Ergebnis jener Heilsgeschichte Gottes erkannt nur im Anerkennen dieser Geschichte des göttlichen Selbsterweises, wie sie das Alte Testament verkündigt, und im Unterstellen unter sie. Denn sie ist es ja, die auf den führt, der sie deutet und abschließt, indem er sie vollendet, überbietet und in sich aufnimmt, wie es die Kategorie des Ergebnisses heraushebt. Das bedeutet dann weiter: Das Bekenntnis zu Jesus Christus als Herrn und Gott führt auch unter das Wort des Alten Testaments; und es hat darin sein Kriterium, daß man sich unter dieses Wort führen läßt" (SCHWARZWÄLLER, A T in Christus, 55 f.). SCHWARZWÄ LLER erläutert: „.. .und das impliziert: das historisch-kritische Erforschen des Alten Testaments (ist) davon befreit, nach den Bezügen zum Neuen Testament suchen zu müssen; vielmehr vermag innerhalb der damit gegebenen Klammer, daß Jesus Christus das Ergebnis der den zu ihm führenden Erweisgang bildenden im Alten Testament bezeugten Geschichte des götdichen Selbsterweises ist, das Alte Testament gerade an ihm selbst erfaßt und reflektiert zu werden" ( a . a . O . 56 [Satz sie]). 95 Vgl. MARQUARD, Frage nach der Frage. - Vgl. die Kritik BOHRENS an PREUSS: „Der Exeget erscheint sozusagen als Therapeut und der Text als Klient: ,Wie kann ich sinnvolle Fragen an den Text richten Der Text bleibt umnachtet, bis ihn der Exeget erhellt; verhüllt, bis ihn der Ausleger enthüllt. Er ist ein Passivum. Wie immer man's dreht und wendet: Das ,Ich' des Exegeten meistert letzten Endes den Text, der sich dann der Fragestellung des Auslegers ergeben muß. Daraus folgerichtig verblaßt dann in der Predigt das, was Gott tut, hinter dem, was der Mensch sein kann" (Deismus, 168 f.).
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Vorgang der Auslegung in Frage gestellt, so wird in der Konsequenz seine wirksame Gegenwart auch für die Zeit vor der Inkarnation in Frage gestellt. Die Frage des Umgangs mit der Postexistenz Christi - also seiner heutigen Gegenwart - und so mit seiner Präexistenz ist fiir Vischers Arbeit am Alten Testament und seiner Predigt die Schlüsse Ifrage.^ „Am Ernstnehmen oder Nichternstnehmen der Gegenwart Gottes entscheidet sich Macht und Ohnmacht der Predigt. Erkennt man erst einmal die enge Verklammerung des herrschenden Predigtelends mit dem der exegetischen Methodik, muß man das herkömmliche Verfahren in Frage stellen, und es hilft niemandem, wenn man dem Fragesteller mit den Schlagworten begegnet, die man aus der Mottenkiste der Kritiker von Barths , Römerbrief' hervorholt. Das Hauptproblem eines Programms Biblischer Theologie bleibt nach wie vor, ob es ihr gelingt, die Aporien der historisch-kritischen Methode zu überwinden."97 Diese Aporien sind jedoch nicht so neu wie „die" „historischkritische Methode", sondern stellen sich immer ein, wenn der Vollmachtsanspruch Christi gepredigt wird: Stellen sich die Hörer unter den lebendigen Herrn, oder versuchen sie, sich zu distanzieren? Die Distanzierung gegenüber dem Anspruch und Zuspruch Jesu ist ein gleichbleibendes Reaktionsmuster, wenn der Vollmachtsanspruch Jesu auf den eigengesetzlich leben wollenden Menschen trifft. „Car le trait commun a toutes les interpretations juives - les savantes comme les simples, les mystiques comme les profanes - est qu'elles lisent l'Ancien Te-
stament en absence de Jesus."98
Bereits bei seiner ersten Predigt in Nazareth scheint Jesus die Hörer damit zu konfrontieren, es sei ein Verkündigen seines eigenen Vollmachtsanspruches, wenn er Jes 61,1 f. vorlese. Als er die Schrift las und auslegte,
% Est-ce que nous interpretons l'Ancien Testament comme les Juifs?, 1953, 2 mit Bezug auf 2. Kor 3,15 f.: „Quand le message que le Christ Jesus est mort par les siens et pour les siens, et qu'il est ressuscite pour eux, perce notre coeur, alors ce voile est öte" (Hervorh. orig.); Jesaja-Auslegung 1958, Schluß (Hervorh. orig.): Jesaja sah die doxa Jesu (Joh 12,41), das heißt nicht nur: er sah sie voraus (und wir sehen darauf zurück). Sondern wesentlich sei, „daß wir das immer neu wieder sehen lernen, daß dies Ereignis Jesus Christus, der Geopferte, der Auferstandene, Sohn Gottes ist, auch Sohn Davids, daß dies Ereignis die Mitte ist und daß zu diesem Ereignis gehört, wesentlich gehört, was der Prophet Jesaja erlebt hat: jener ganze Kampf im 8. Jahrhundert, und daß darum auch der Kampf im 20.Jahrhundert dazugehört, daß die Schuld und jene Schuld und daß das Gericht und dieses Gericht drin ist in dem einen Gericht Jesu Christi. Darum der Sieg." Dies sei wichtig zu sehen, damit man nicht von unserer Wirklichkeit, von unserer Schuld und unserer Begnadigung abstrahiere. - Vgl. Hiob 28,28; 32,6-9; Prv 1,7; 9,10; 28,5; Joh 8,47; 18,37c; l.Joh 4,6; MACHOLZ, Heimliche Deutung, 6 und bes. 14. 97
98
BOHREN, D e i s m u s ,
170.
Est-ce que nous interpretons l'Ancien Testament comme les Juifs?, 1953, 1 (Hervorh. orig.).
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waren alle Sinne auf ihn gerichtet: „Aller Augen in der Synagoge sahen auf ihn. Und er fing an, zu ihnen zu reden: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren - Σήμερον πεπλήρωται ή γραφή αϋτη έν τοις ώσίν ύμών" (Lk 4,21)" - mit dem Kommen Jesu beginnt das „Gnadenjahr des Herrn" (V. 19 mit Verweis auf Lev 25100, was darauf hinweist, daß Jesus das Gesetz im doppelten Sinn erfüllt). Das Schriftwort ist als Wort des lebendigen Gottes lebendig und wirkt schärfer als ein zweischneidiges Schwert (Hebr 4,12). Die Hörer spüren die Gefährdung ihrer bisherigen Existenz und versuchen, sich von der Behauptung Jesu zu distanzieren, indem sie sagen, der Sohn Josefs, den sie als Nachbarn kennen, dürfe nicht behaupten, er sei der von der Schrift bezeichnete gesalbte Prophet (V. 24) bzw. die Schrift sei durch seine Sendung in actu erfüllt (V. 21). Die Predigt Jesu suchen sie durch die Einordnung des Zeugen in die allgemeine Geschichte zu relativieren; nicht um ihm näherzukommen, sondern um sich seinem Anspruch nicht stellen zu müssen.101 „Aber man muß, ja, man muß mehr glauben. Er hat mehr gesagt, als dass er ein Prophet sei. Wenn er sagte, er sei der, den Gott gesalbt hat, dann ist er der Christus, der Einmalige, und das nehmen sie ihm nicht ab . . ."102
Diese Distanzierung wird Jesus das Leben kosten: „Ihr werdet freilich dies Sprichwort sagen: Arzt, hilf dir selber!" (V. 23). Damit spielt er an auf das dreimalige „Hilf dir selbst!", das Lukas als Worte der Oberen des Volkes, der Soldaten und eines mitgekreuzigten Übeltäters überliefert (23,35.37.39). Mit der Bejahung der autoritativen Gegenwart samt der präinkarnatorischen Existenz Christi ist die Frage Filsons entschieden: „Is the unity to be sought primarily in human ideas and action, or in the dominance of one consistent working of God to further a clear divine purpose?" 103 Nach Vischer ist die Möglichkeit, dem Christuszeugnis des Alten Testaments zu begegnen, in erster Linie keine Frage der richtigen Methode, sondern die Frage nach dem Schriftverständnis bzw. dem geistlichen Standort des Auslegers (vgl. Mt 16,17).
99 100 101 102 103
Vgl. z. St. Christuszeugnis I, 309. Vgl. Christuszeugnis I, 268. Vgl. unten S. 340 ff. Predigt zu Lk 4,14-30 am 16.4.1944, Nr. 51 im Nachschriftenband (S.4). Unity, 151.
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2.4 Heilige Schrift - Methode 2.4.1 Historische Kritik
und
-
Theologie
Christusgegenwart
Die historisch-kritische Betrachtungsweise ist nach der bekannten Beschreibung von Ernst Troeltsch ein Sauerteig, der alles durchsäuert, was unter ihre Herrschaft gelangt. Wer der historischen Denkweise den kleinen Finger gebe, dem nehme sie die ganze Hand. 104 Bei Vischer erscheint der historische Immanentismus jedoch dieses „durchsäuernden" Charakters beraubt, gefangen geführt - um mit Mt 12,29 zu sprechen - durch einen Stärkeren. Dieser ist Gott selbst, der sich in Christus offenbart. Der Stärkere läßt einen Subjektwechsel vollziehen: Vischer schiebt die profanen Methoden, die die Schrift als Wort von Menschen in konkretem Raum und konkreter Zeit begreifen lassen, nicht beiseite, sondern macht sie im Vertrauen auf die Wirkung des Geistes, der durch den Buchstaben der Schrift vermittelt wird, zum Werkzeug.105 Entstehen und Verstehen der heiligen Schriften sind so, wo immer sie eine Bedeutung im Leben der Kirche haben, eine Wirkung des göttlichen, nicht des menschlichen Geistes. Für die theologischen Gegner Vischers war offenkundig, daß der kritische Denkrahmen dadurch seiner sachkritischen Energie beraubt war. „Bibelkritik" zu üben hieß für Vischer nicht mehr, biblische Aussagen von einem neutralen oder mit höherer Erkenntnis ausgestatteten Standpunkt aus einzurahmen und zu relativieren, sondern in erster Linie ein der Heiligen Schrift gegenüber offenes, allen externen Einreden gegenüber kritisches Bemühen um den historischen, engeren philologischen und weiteren gesamtbiblischen Kontext eines auszulegenden Teils der Bibel. „Kontext" ist zugleich in einem weiteren Sinn zu verstehen: Wissenschaft ist für Vischer eine „Funktion der Kirche"106. Damit ist ausgeschlossen, daß die Auslegung von der Tatsache absieht, daß die Heilige Schrift im Gottesdienst der Gemeinde an einer beliebigen Stelle aufgeschlagen auf dem Altar liegt. Das ist deshalb möglich, weil alle Teile der Bibel durch ihren Ursprung in Gott autorisiert und untereinander verbunden sind. Ihre Einheit ist in der göttlichen Subjektivität und Autorschaft begründet und nicht mittels einer systematischen Methode herstellbar, sondern „vom Kanon
IM
TROELTSCH, Methode, 734, vgl. 730 f. NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 155. 106 A. a. O. 154. - Vgl. SCHLATTER: „Ich heiße Wissenschaft die Beobachtung des Vorhandenen, nicht den Versuch, sich vorzustellen, was nicht sichtbar ist" „Für mich schieden sich . . . die beiden Betätigungen - der Glaube und die Kritik - nie in einen Gegensatz, daß ich das eine Mal bibelgläubig, das andere Mal kritisch gedacht hätte, sondern ich dachte deshalb kritisch, weil ich an die Bibel gläubig war, und war deshalb an sie gläubig, weil ich sie kritisch las" (zit. nach MLCHEL, Schlatter, 234). 105
Heilige Schrift - Methode - Theologie
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selbst in einer wechselseitigen Verifikation von Altem und Neuem Testament zu erwarten"107. Nun stellt aber Vischer innerhalb der Bibel eine Menge von historischen und philologischen Unstimmigkeiten fest. Widersprechen diese nicht der Behauptung einer kanonischen Einheit der Schrift? Genau genommen widersprechen sie der Ansicht, nach der die Bibel eine von Menschen geschaffene und ihr Inhalt eine von anderen Menschen ohne besondere Erleuchtung erkennbare einheitliche Größe darstelle. Sie widersprechen aber nicht unmittelbar der Ansicht, daß die Bibel Gottes Wort ist, also ihre Einheit in dem findet, der sich durch sie bezeugt. „Einheit" ist also von Gott her zu denken hinsichtlich sowohl des Ursprungs als auch des Zieles, mit dem die Schrift in unsere Hände gelegt wurde: sie kommt von und führt zu Christus. Die Widersprüche bezeugen nach Vischer die echte Menschlichkeit der Schrift: ihre Verfasser waren Sünder; doch gerade darin bezeugen sie: Jesus setzte sich zu Sündern an den Tisch.108 Darüber hinaus ist für Vischer das Aufweisen innerbiblischer Widersprüche an sich ein sehr relativer Vorgang. Die Relativität der Ergebnisse der historischen Forschung zeigt sich durch ihre Widersprüchlichkeit untereinander und vor allem durch die Schrift selbst, die in allen Teilen auf den Einen weist (auch wenn man es nicht an jeder Stelle merkt!). Penetrant theologisch verstehen heißt hier: die Wirkung der Schrift ist durchdringend theologisch zu begreifen. Sie will das Nein des Herzens zum Herrn der Kirche mit dem Schwert des Geistes durchstoßen109 oder unser Ja zu ihm bekräftigen, indem sie zum Festhalten unseres Anteils an Christus ermutigen110. Auslegungsmethoden müssen sich dem unterordnen, wenn nicht diese Wirkung verloren gehen soll, oder, schlimmer: die Schrift sich dem menschlichen Bemächtigungswillen entzieht, oder, noch schlimmer: durchaus eine Wirkung der Schrift, aber nicht die erhoffte heilvolle, sondern die vermeintlich vermiedene verstockende Wirkung eintritt.111 Gottes Wort tut, wozu auch immer es ausgesandt wird (Jes 55,11); es gibt keine Nichtwirkung.
107
WENZ, Wort Gottes, 263 f. Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 36-38. 109 Mit Bezug auf Hebr 4,12 schärfte Vischer seinen Pfarrkollegen die Selbstdurchsetzungsmacht des Wortes Gottes ein und mahnte, nicht wie Jona wegzulaufen, sondern den Auftrag zu predigen mit erneuerter Freude zu erfüllen (Predigt über Jona 1-4 und Mt 12,38-40, in: Verhandlungen des Schweizerischen Reformierten Pfarrvereins vom 23.-25.9.1946, 1947, 79 f.). 110 Vgl. Hebr 3,14; 4,15; 10,23. 111 Für dies letztere liegt mir kein Vischer-Beleg vor, es liegt aber auf seiner Linie, wenn er (im Anschluß an Röm 11,25) von der Erwählung und Verstockung (angesichts der Niedrigkeit des Messias) Israels spricht, worin das Geheimnis der Heilsgeschichte beschlossen läge (z.B. Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 25. 29. 33). 108
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
a) Schriftauslegung als Glaubensentscheidung Das bedeutet zunächst sehr schlicht, daß die beiden Bände „Das Christuszeugnis des Alten Testaments" nach der kanonischen Folge der biblischen Bücher aufgebaut sind.112 Bei der Auslegung der Einzeltexte treten analog literar- und quellenkritische Überlegungen zugunsten des kanonischen Kontextes zurück. Vischer fragt nach dem Sinn eines Textes im jetzigen Zusammenhang des Buches und in der ganzen BibelU}. Auch wenn Literarkritik und Quellenscheidung helfen könnten, genau hinzusehen (man spreche zu Recht von „Deutero- und Tritojesaja"), sei das zu Verstehende ζ. B. „das ganze Jesajabuch als ein Stück der Bibel".114 112
Der Umfang der Behandlung ist im ersten Band sehr unterschiedlich; siehe unten. Zur Frage der kanonischen Interpretation siehe unten die Diskussionen mit VON RAD (2.5.4) und CHILDS (2.5.7). 113 Ein Text sei zu lesen, wie er dasteht - der Heilige Geist habe ihn an seine Stelle gestellt (Wie predigen wir über das Alte Testament heute?, 1960, 17); Der Gottesknecht, 1930, 60. In Jahwe der Gott Kains, 1929, 39 wendet sich Vischer hart gegen STADE (ZAW 1894), der meinte, man könne den Text über das Kainszeichen nicht verstehen, wenn man ihn mit dem Kontext verknüpfe. - Christuszeugnis II, 292: „Die Entscheidung, welche der beiden Frauen die rechte Mutter . . . ist, wird als einziges Beispiel für die Weisheit Salomos mitgeteilt. Wir haben allen Grund, darüber nachzudenken, was gerade dieses eine Urteil an dieser Stelle der heiligen Schrift sagen will . . . " Vgl. a. a. O. 25 f., wo es nach dem Referat des Standes der alttestamentlichen Wissenschaft bzgl. des Josua-Buches heißt: „Das ist es etwa, was sich beim heutigen Stand der Wissenschaft als der historische Kern der Überlieferung von Josua erkennen läßt. Diese Ansicht haben allerdings nicht alle Forscher, und die Gelehrten, die heute von der Richtigkeit dieses historischen Befundes überzeugt sind, werden voraussichtlich in den nächsten Jahren teilweise zu anderen Ergebnissen kommen. Von ,sichern' historischen Ergebnissen reden und andere unbedingt zu ihrer Anerkennung verpflichten zu wollen, wäre unwissenschaftlich. Derartige Erkenntnisse sind immer nur relativ. Das darf uns jedoch nicht von der Verpflichtung entbinden, sie in ihrer Relativität, soweit sie uns heute überzeugen, ernst zu nehmen und dem biblischen Bericht gegenüberzustellen. Der biblische Text ist und bleibt allerdings auch eine historische Tatsache. Der Bericht, den er gibt, ist jedenfalls, ganz gleich, ob er mit dem, was die Wissenschaft als hinter ihm liegenden historischen Tatbestand vermutet, übereinstimmt oder nicht, eine unbestreitbare Gegebenheit. Im Vergleich mit den ständig in Bewegung begriffenen historischen Ansichten steht der biblische Bericht als solcher fest. Wird das Bewegte auf das Feststehende bezogen, dann entsteht zwischen beiden eine Spannung, die uns helfen kann, die Art und den Sinn des biblischen Zeugnisses besser zu verstehen" (der Text, wie er in der Bibel steht, wird als „Tatsache" auch in Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 39 bezeichnet). Hier werden zwei Geschichtsbilder ähnlich später im ersten Band von G. VON RADS Theologie des Alten Testaments gegenübergestellt. Anders als bei VON RAD kommt dem kerygmatischen Geschichtsbild der Bibel gegenüber dem der historischen Rekonstruktion auch für die historische Exegese das größere Vorrecht zu. 114 Der Gottesknecht, 1930, 61; ebenso in Jahwe der Gott Kains, 1929, 39 f. für Gen 4 und in Das Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 5 über die Genesis-Exegese: „Ihre e i g e n t l i c h e wissenschaftliche Aufgabe jedoch ist die Auslegung der Genesis in ihrer G e g e b e n h e i t , d.h. aber als das erste Stück des Buches, dessen letztes die Offenbarung Johannes und dessen Inhalt das Evangelium Jesu Christi ist." Dies schließt ein, die von den Tradenten der Schrift vorgenommene Auswahl zu akzeptieren: Prophetisch und priesterlich
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D a s führte zur Kritik, Neutestamentliches werde ins Alte Testament hineingelesen. 115 Vischer aber wollte nicht Eis-, sondern Exegese treiben; für ihn war Christus der Exeget der Schrift (vgl. J o h 1,18). 116 Dies betrifft zwei Vorgänge: zum einen den der Auslegung, zum andern den der Entstehung des Auszulegenden - den erstgenannten Vorgang begründend! Vischer wollte die Präexistenz Jesu 1 1 7 exegetisch ernstnehmen. So ist es ihm als Schriftausleger, der dem wissenschaftlichen Kriterium der Gegenstandsgemäßheit verpflichtet war, selbstverständlich, die Gegenwart Christi in allen Geschichten, die sich unter der Gottesordnung des Alten Bundes ereigneten, vorauszusetzen, sie zu suchen und nach göttlicher Gabe je und dann zu finden. D a ß Vischer nicht an jeder Stelle einen christologischen „Fund" vorweisen konnte, ja keine Nötigung zu solchen Funden sah 118 , kann die Abhängigkeit von Gott im Vorgang der Auslegung nur bestätigen: zahlreiche Stellen, die sonst allegorisch gedeutet wurden oder werden, werden bei Vischer übergangen oder stärker am sensus literalis orientiert aufgefaßt.
sei die israelitische Geschichtsschreibung u. a. insofern, als sie in Auswahl von Priestern und Propheten aufgezeichnet wurde. GUNKEL sollte das nicht beklagen (Christuszeugnis II, 359), sondern an der „ H a u p t a u f g a b e ' mitarbeiten, die darin bestehe, „zu erfassen, was die bestimmte Auswahl der biblischen Berichte bezweckt Das große Geschichtswerk, das von der Schöpfung bis zur babylonischen Gefangenschaft führt, will etwas Bestimmtes lehren. Ihm ist in besonderem Sinn historia magistra vitae . . . Der vornehmste Anlaß für seine geschichtliche Besinnung war der Untergang Israels und Judas. Es will zeigen, was der Felsen ist, an dem das auserwählte Volk gescheitert ist und - daß es an eben diesem Felsen wieder auferstehen soll. Dieser Felsen ist das Königtum des Herrn, das auf der Erde in dem messianischen Hause Davids begründet ist" (359 f.). BAKER, TWO Testaments, 224: „The context is for him the whole Bible." A. a. O. 225 mit Literaturbelegen. Christuszeugnis I, 34 Anm. 51. S. 66. CHILDS, Theologie I, 359 (ohne Beleg): .Jakobus [!] versteht das gesamte Alte Testament aus christlicher Perspektive mit Christus als seinem wahren Ausleger." 117 Vgl. Joh 1,1-18; 8,56.58; 17,5.24; Eph 1,3 ff.; Phil 2,6; Kol 1,15-20; Hebr 1,1 ff.; 13,8; Offb 1,17 f.; 22,13.16. 118 Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 26: „Weil wir alle in vielen Worten des Α. T. nichts von Jesus Christus hören, ist begreiflicherweise die Frage gestellt worden, ob nicht das ,alle' in der 3. These einzuschränken sei. (Jesus Christus ist der Sinn und Inhalt aller Worte des A.T.') Darauf muß zuerst mit der Gegenfrage geantwortet werden: Wie wollen wir abgrenzen, welche Worte des A.T. Gott brauchen darf, um zu uns zu reden? Daß dieses oder jenes Wort, das ich lese, mir nichts sagt, gibt mir kein Recht, es zu streichen. Vielleicht ist es meine Sünde . . . , daß ich Gott nicht höre. . . . Was haben wir denn für einen Maßstab, um zu bestimmen, was im Α. T. Gottes Wort ist und was nicht? . . . Ist nicht umgekehrt die heilige Schrift der Maßstab, nach dem jede Lehre in der Kirche zu beurteilen ist? Wir müssen uns entscheiden, ob wir den Kanon gelten lassen oder nicht Das ist eine Entscheidung des Glaubens." - Vgl. ORIGENES, De principiis IV, 1 , 7 : die Göttlichkeit der Schrift büßt nichts ein, wenn unsre Schwachheit nicht bei jedem Ausdruck an den verborgenen Glanz der Lehren herankommen kann. 115
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Nach David Jaffin ist das Anfertigen von Fellen zum Schutz der Menschen (Gen 3,21) durch Gott „Vordeutung" aller Opfer bis hin zum Kreuz Jesu.119 Vischer spricht zurückhaltender nicht direkt vom Kreuz, sondern von einem Gnadenerweis Gottes, daß er den Menschen bedeckt. Auch nach Vischer setzt diese Bedeckung das Opfer voraus, aber von sühnendem Charakter ist nicht die Rede.120 Das „auf beider Schultern" in Gen 9,23 weist nach Jaffin auf die beiden Bünde: mit dem alten und mit dem neuen Israel. Das Kleid bezeichne Jesus Christus als Kleid der Gerechtigkeit.121 Nach Vischer war der Noahbund in Christus geschlossen, aber das Kleid Noahs wird nicht allegorisch gedeutet.122 Hippolyt allegorisierte die Erzählung vom Betrug Jakobs an Esau wie folgt: Isaak = Gott Vater, Rebekka = Hl.Geist, Jakob = Christus, Esau = das jüdische Volk, Isaaks Greisenalter = Fülle der Zeit, Isaaks Blindheit = geisdiche Finsternis der Welt, die Böcklein = bekehrte Sünder123. Für Vischer hat dies alles keinerlei Relevanz; der Schwerpunkt seiner kurzen Bemerkungen zur Jakoberzählung liegt - von Rom 9,10-13 ausgehend - darauf, daß Gott allein das Schicksal lenkt, menschliche Ratschlüsse durchkreuzt, gerade indem er die Ränke der Protagonisten benutzt.124 Daß „weder die natürliche Veranlagung, noch die Werke, sondern der Berufende den Ausschlag gibt, hat Geltung bei der Unterscheidung, wer zum Volk der Verheißung gehören soll und wer nicht Das verkünden die Jakobgeschichten vom ersten bis zum letzten Wort."125 Vischers Auslegung bes. der Bücher Exodus bis Deuteronomium in Christuszeugnis I verfährt weithin nur summarisch.126 Die Auslegung der Kapitel Num 26-36 beschränkt sich auf nur 3 Seiten.127 Ein explizites Christuszeugnis findet sich hier nicht (vgl. aber die Rede vom „Kirchenjahr" über den israelitischen Festkalender in Num 28 f.). Die Auslegung des Richterbuches schließt mit einer methodologischen Überlegung, die - und zwar hier an einziger Stelle in der Auslegung des Richterbuches - in einen Hinweis auf Jesus Christus übergeht: „Das entscheidende Problem in der Verfassung Israels und der Widerspruch zwischen dem Königtum des HERRN und einem sichtbaren König in Israel sind keineswegs damit gelöst, daß man das Richterbuch in zwei Bücher, ein königfeindliches und ein königfreundliches zerlegt, und dann den gleichen Kunstgriff noch einmal beim ersten Buch Samuel anwendet. Der Wille des HERRN trägt und löst den Widerspruch. Dem auserwählten Volke, das einen König begehrt, weil es ihm zu hoch ist, unter dem himmlischen König verfaßt zu sein, gibt er seinen selbsteigenen Ge119
JAFFIN, Urgeschichte, 18-20, vgl. 24. Christuszeugnis I, 82. M JAFFIN, Urgeschichte, 111. m Christuszeugnis I, 124-129. 123 Aus: VON HOFMANN, Biblische Hermeneutik, 186 f. m Christuszeugnis I, 184. 125 A.a.O. 182. m Kritisiert bei BAUMGARTNER, Auslegung, 191: „Es werden doch immer nur die Rosinen herausgeholt"! m Christuszeugnis I, 291-293. 120
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salbten, den , Messias'. David ist der Mann nach seinem Herzen. Mit ihm schließt er den messianischen Bund. Als die Vorläufer des Königs David sind die zwölf Richter die vorlaufenden Zeugen des Messias. Der Geist des HERRN hat sie in der vorköniglichen Zeit erweckt als die Befreier Israels. Sie sind die Zeugen der Verfassung des Volkes Gottes. Sie bezeugen den Israeliten, daß der HERR in eigener Person ihr königliches Haupt ist. Sie sind die Kronzeugen des Einzigen, der von Gottes Gnaden König auf Erden ist, und seiner Platzhalter aus dem Hause Davids. Den zwölf Richtern, die dem Gesalbten des Herrn vorausgehen, entsprechen die zwölf Apostel, die der gekreuzigte König der Juden und auferstandene Christus Israels beruft, daß sie ihm nachfolgen und die Kronzeugen seines Königtums sein sollten. ,Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet in der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels' (Matth. 19,28)."128 „Christus"-Zeugnis kann nach Vischer, nimmt man den Titel seines Werkes ernst, auch ein schlichtes vorlaufendes Zeugen für einen Gesalbten im Alten Bund bedeuten! Ein „Christuszeugnis", das nicht Saul oder David, sondern Jesus als den Gesalbten des Herrn betrifft, findet Vischer lediglich am Schluß seiner Betrachtung des Richterbuches. Dabei geht es nicht um messianische Stellen, sondern um das messianische Zeugnis des Buches als Ganzheit. Vischer verzichtet auch bei Jos 5,13-15 auf eine christologische Deutung, wie sie sich analog zu Gen 32,23-33 angeboten hätte. Vielleicht vermißte er als Anregung und Stütze einen reformatorischen Beleg. Auf Dan 3,25 kommt Vischer m. W. nie zu sprechen. Außer ein paar Nennungen von Dan 7129 und des Glaubensmutes der Männer in Dan 3130 ist mir keine Auslegung Vischers zu Daniel bekannt.131 Aus diesem kurzen Vergleich mit antiken und modernen allegorischen Auslegungen haben wir gesehen, daß sich Vischer auf die ihm deutlichen Hinweise auf die Christusgegenwart beschränken und Spekulationen vermeiden wollte.132 Das gilt besonders für Vermutungen über Zusammenhänge, die ihm nicht offensichtlich in Jesus Christus begründet sind. Kanonbezogene Auslegung bedeutet, daß das Neue Testament dem christlichen Ausleger des Alten Testaments die Aufgabe vorgibt, was er aus dem Alten
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A.a.O. 144. A.a.O. 199; Christuszeugnis II, 411. 423. ι» p rec Jigt vom 26.3.1944 über Lukas 4,9-13, S. 4 des Manuskripts. 131 In der Basler Bibelschule erwähnt Vischer von Daniel lediglich die Datierung im 2. Jh. v.Chr. (Das Wort der Propheten [Bibelschule Basel 2.Jg.], 2 und 18). 132 Vgl. BRUPPACHER, Rez., 340; BARR, Vischer and Allegory, 52-54: Wäre Vischer wirklich ein Allegoriker gewesen, hätte er viel mehr Material auswerten können. m
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Testament bzw. der Geschichte des sündigen Volkes zu lernen hat - nämlich was der „Christus" und was das sündige Wesen des Menschen ist: D i e „erste Frage, um die es zunächst geht, lautet, ob das Alte Testament, wie es überliefert ist, in seinen einzelnen Schriften und als Ganzes mit dem N e u e n korrespondiere. U m auf diese Frage eine Antwort zu finden, müssen wir das, was im Alten Testament steht, so lesen, wie es dasteht, im besten Sinne naiv, d. h. nicht als solche, die zum vornherein wissen, was herauskommen wird. Es ist eben doch gerade nicht so, daß wir wüßten, was mit der Bezeichnung C h r i stus' gemeint ist. Wenn das N e u e Testament verkündet, Jesus sei der Christus, dann weist es uns damit an das Alte: Lernt aus ihm, was das bedeutet:, Christus'. Zu diesem Zweck hat die Urgemeinde das Alte Testament als heilige Schrift behalten." 133 Bei den Erzählungen ζ. B. von Melchisedek oder der Patriarchen wird konsequent die Auslegung des Hebräerbriefes einbezogen. 1 3 4
Die Frage, mit der an die Schrift heranzugehen ist, ist streng christologisch: Es geht Vischer darum, Jesus so kennenzulernen, wie das Alte Testament den Christus beschreibt. Es geht ihm dabei nicht um allegorische Auslegung, die unkontrollierbar Beziehungen zwischen innerbiblischen Versen herstellt, die sachlich nichts miteinander zu tun haben.135 So begreift die nur elf Seiten umfassende Auslegung des Buches Leviticus das Christuszeugnis streng als Hinweis auf die Wirksamkeit der vielen Opfer in dem einen Opfer am Kreuz Jesu. Hier hätte Vischer aufgrund seiner Voraussetzungen oder zum Beispiel anhand des Hebräerbriefes viel ausführlicher werden können. Als „sehr beachtenswert für die Methode der Auslegung des Alten Testaments" fügt Vischer zu Num 21,4-9 ein Luther-Zitat bei: „Der Herr zeigt uns damit (mit dieser Exegese) den rechten Griff, Mosen und alle Propheten auszulegen, daß Moses mit allen seinen Bildern auf Ihn deute, nämlich daß Christus sei der Punkt im Zirkel, da der ganze Zirkel ausgezogen ist und auf ihn sieht, und wer sich nach ihm richtet, gehört auch drein."136 In dieser dichten Formulierung wird nicht nur eine Methodenfrage, sondern - der neutestamentlichen Anwendung (1. Kor 10,6 ff.) entsprechend - zugleich die Wirkung der Schrift reflektiert: der Ausleger steht selbst mit drin im Kreis; es ist „das Verstehen der Schrift unmittelbar mit dem Offenbarungsgeschehen in der Schrift und durch sie verbunden."137
133
Christuszeugnis I, 36. Z.B. Segnung Ephraims und Manasses: Hebr 11, 21 (Christuszeugnis I, 195). 135 Vgl. BARR: „The term ,Christology' is used to imply relations exclusively between the text and Christ himself (Vischer and Allegory, 42). 136 Christuszeugnis I, 277 (zitiert wird aus Luthers Evangelien-Auslegung, zusammenge134
stellt v o n C h r . G . EBERLE, 4 3 3 ) . 137
SLENCZKA, Entscheidung, 264. - Vischer: „Das machte LUTHER zum Reformator der Kirche, daß er alle Worte der Heiligen Schrift als Zeugnisse dieses einen Wunders las" (das
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Auf den wichtigen Seiten 288-290 in Christuszeugnis I wird das Christuszeugnis des Alten Testaments aber nicht als Kreis, sondern als „einheitliche und gerade Linie des messianischen Zeugnisses" beschrieben, die den Segen Jakobs, das Lied Hannas, 1. Sam 15 (bes. V. 8 f.), 2. Sam 7. 23, Jes 11 und Micha 5 mit der Christusbotschaft des Evangeliums verbindet. „Es ist keine Luftlinie; an den einzelnen Punkten wird die Zeitgeschichte berührt, jedes Zeugnis ist zeitgeschichtlich bedingt und weist auf ein Ereignis der Gegenwart oder der nächsten Zukunft hin. Zugleich weist jedes darüber hinaus auf das ,Ende'. Das gehört gewissermaßen zu ihrem Stil und entspricht der Sache, insofern als eben der Siegeskönig der Endzeit schon vorher in allen entscheidenden Augenblicken dem Volke Gottes gegenwärtig ist und es in die ,letzte' Entscheidung führt." 138 Er führt durch die Schrift in die Entscheidung über das ewige Heil - auch den heutigen Leser und Ausleger. Ob nun im Bild des Kreises oder der Linie gesprochen wird - immer sind nach Vischer Hörer und Leser der Schrift in die gleiche Glaubensentscheidung, das heißt vor Christus Jesus gestellt wie die biblischen Gestalten und in diesem Sinne mit ihnen gleichzeitig.139 Die alt- wie die neutestamentliche Gemeinde ist als Gebrauchs- und Wirkungsort - sei es im Gottesdienst oder der privaten Lektüre der Heiligen Schrift - der weite Kontext, der in der Auslegung geistlich präsent sein muß. Nur in der Gemeinde, deren Haupt Jesus ist, wird die Schrift recht verstanden.140 Wenige Seiten später, bei seiner Auslegung des 5. Buches Mose, zieht Vischer deshalb die Konsequenzen, indem er die deuteronomische Lehre von der Gleichzeitigkeit der Glieder des Gottesvolkes hermeneutisch umsetzt. Es führe „die Frage, ob der , historische' Mose die Reden dieses Buches gehalten habe oder ob sie in einem späteren Jahrhundert verfaßt worden seien, am Grundgedanken des Buches" vorbei: „Sein Grundgedan-
Wunder von 2. Kor 5,21): Predigt am Reformationstag 1940 über Ps 51, in: Psalmen, ausgelegt für die Gemeinde, 1944, 193. 138 Christuszeugnis I, 289 (Hervorh. S. F.). (Evtl. hat Vischer hiermit eine Formulierung von R . P . C. HANSON beeinflußt, die A.T. HANSON, Jesus in OT, 85 wiedergibt.) 139 A. a. O. 24 f.: „So stark die Lehre von der Einheit der Bibel die echte Geschichtlichkeit, die zeitlich-räumliche Einmaligkeit der Menschwerdung sichert, so stark sichert sie die Erkenntnis, daß die Geschichte, die Christus Jesus als zeitliche Geschichte geschieht, ewige Gegenwart ist: Jesus Christus, gestern und heute derselbe und in Ewigkeit'. ,Was von wahren Christen in jeder Generation lebt, ist mit Christus gleichzeitig. Jeder Mensch kann nur gleichzeitig werden mit der Zeit, in der er lebt, und dann noch mit Einem: mit Christi Leben auf Erden. Sein Leben auf Erden geht mit dem Menschengeschlecht, und geht als die ewige Geschichte mit jedem Geschlecht im besonderen; sein Leben auf Erden hat die ewige Gleichzeitigkeit.'" (Vischer zitiert leicht verändert, wohl auswendig aus KIERKEGAARD, Einübung im Christentum, 63 f.). 140 Vgl. BAYER, Autorität, 7: „Die hermeneutischen und wissenschaftstheoretischen Fragen sind wesendich pneumatologisch-ekklesiologischer Art; allein vom Gottesdienst her ergibt sich ein angemessener Begriff von ,Theologie'."
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ke ist doch eben, daß der Versuch, den Gottesbund mit Israel, Mose und das Gesetz ,historisch' zu verstehen, auf einem Mißverständnis beruht und an dem echten Verständnis vorbeiführt. Mose predigt, und wer auf ihn hören will, muß seine Predigt hören und ihn nicht ,nach dem Fleisch kennen' (2. Kor 5,16) wollen. Mag sein, daß die deuteronomischen Reden erst bei der Restauration des Königs Josia im Jahr 622 (2. Kön 22 und 23) veröffentlicht worden sind, worauf einige Anzeichen hindeuten; mag sein, daß es zu einer andern Zeit war. Jedenfalls sagen sie uns, daß einmal in Israel die Predigt des Mose und des Gesetzes wieder gehört worden ist. Und damit bezeugen sie uns, daß dann und dort ,Israel' ist, wo immer Mose als Prediger der Verheißungen und Gebote Gottes zu Worte kommt und gehört wird. ,Einen Propheten wie mich wird der Herr dein Gott dir erwecken aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, den sollt ihr hören' (18,15). Ohne dieses Versprechen wäre das Vermächtnis des Mose tot, wären die Tafeln der Tora ein steinernes Denkmal und kein Zeugnis. Durch die Erfüllung dieses Versprechens kommt es in jeder Generation, wo und wann Gott will, auf Grund des Gesetzes zum Verkündigen und Hören des Wortes Gottes."141 „Historisch verstehen" würde dagegen bedeuten, exegetische Bemühungen auf das Bewußtsein der Autoren zu konzentrieren bzw. zu reduzieren und methodisch auf die Gleichzeitigkeit mit der von ihnen bezeugten Wirklichkeit zu verzichten. „Gedanke" und Wirklichkeit der Gleichzeitigkeit Jesu Christi mit den Glaubensvätern des Alten Bundes war für die Auslegung in Vischers Christuszeugnis immer bestimmend.142 Jesus Christus ist den Gläubigen aller Zeiten und bei allen in der Schrift berichteten Ereignissen, auch mit denen des Alten Bundes als Gegenüber des Glaubens oder des Unglaubens präsent.143 Christus ist der in den Murrgeschichten Versuch141
Christuszeugnis I, 295 f. (zur josianischen Reform vgl. Notes sur le culte de l'Ancien Alliance, 1963, 290 f.). - Der Skopus der Kapitel 12-26 wird darin gesehen, daß Israel weder von den Heiden religiöse Vorstellungen übernehmen noch sich selbst etwas Frommes ausdenken soll (a. a. O. 299). Heute steht das Volk in einer ewigen Entscheidung. - Moses Lied (Dtn 32) verkündet, sich an die Himmel wendend, das Geheimnis der Weltgeschichte. Wichtig ist hier der Rahmen: Die individuell geprägten Stämme sind verbunden durch ihren (unsichtbaren himmlischen) König, wie die Einleitung des Segens bezeugt. - Vischer stellt in Christuszeugnis II, 58-26 das „Heute" des göttlichen Rufes mit Bezug auf Hebr 3,7-19/Ps 95,7-11 als uns „noch viel dringlicher als den Genossen des alten Bundes" (a.a.O. 58) heraus. 142 Christuszeugnis I, 85 f. 215 (Passa). 267 (das Christusopfer hat rück- wie vorauswirkende Kraft). 295 f. 143 LUTHER konnte sagen: der Glaube Adams war der gleiche Glaube wie unserer, „Denn die zeit macht keine Unterscheid des glaubens, Der glaube ist eynerlei von anfang der weit bis ans ende, Darümb hat er eben das empfangen durch seinen glauben, das ich empfangen habe, Christum hat er nicht mit äugen gesehen wie auch wir, Er hat yhn aber ym wort gehabt, so haben wir yhn auch ym wort. Das ist allein die unterscheid ynn dem, das es da solt geschehen, ytzt aber ist es geschehen" (WA 24, 100, 3 ff. bzw. deutsch 22 ff.).
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te.144 So sieht sich Vischer mit den biblischen Zeugen kongenial: nicht im Sinne eines religiösen Apriori, sondern im Sinne der Tatsache, daß er neben ihnen vor Gott bzw. unter seinem gleichen Wort steht, das heißt unter dem gleichen Gesetz und Evangelium ein und desselben Gottes. Er sieht sich mit ihnen teilhaben an der gleichen Sünde, am gleichen Gericht und an der gleichen Gnade durch das Wort desselben Mittlers: „Das Alte Testament zeigt Glieder des Leibes, der von ihm und durch ihn lebt. Der ganze Leib mit allen seinen Gliedern, das ganze Volk des Alten Bundes, ist tot, wenn nicht Jesus als der Christus sein Haupt ist. Alle Lebensregungen aller dieser Menschen sind Teile seiner Lebensgeschichte. Darum sind sie mit so auffallend wenig biographischem Interesse für die einzelnen Persönlichkeiten geschrieben. Was von ihnen geschrieben ist, das ist eigentlich alles von dem Einen, durch den und auf den hin sie leben, als Stück seiner Biographie geschrieben."145 Christi Leben und Leiden sei stets wirksam: „Seine Geburt, sein Leben, sein Sterben und sein Auferstehen sind das eine Geschehen, die eine Tat, durch die Gott die sündige Welt des Todes am Leben erhält bis zum letzten Sieg. Jesus ist der Siegesheld im Kampf gegen den alt bösen Feind; er ist in jeder Stunde siegreich leidend und kämpfend gegenwärtig vom Abfall Adams bis zur völligen Vertilgung der alten Schlange, die da heißt der Verleumder und der Satan (Off.Joh. 12 und 20,2)."146 Vischer intendiert mit der Aussage der Gegenwart Christi nicht die Wiedereinführung einer allegorischen Methode. Die Christusgegenwart im Alten Bund hat ihren ,Sitz im Leben' nicht im Kopf von assoziativ begabten Theologen, ist also kein bloß „gedanklicher" Vollzug (bei dem der Mensch Subjekt wäre), sondern ein geistlicher, ja heilsnotwendiger (hier ist Gott Subjekt), das heißt aber: ein Vollzug extra nos pro nobis. Dies zeigt Vischer an der Heilsmittlerschaft Jesu: Abraham hatte mit Gott Gemeinschaft, weil Christus unter Pilatus seine Sünde getragen hat. Durch alle Jahrhunderte hindurch ist die Gottesgemeinde ein und desselben Heils kraft desselben Mittlers teilhaftig.147
144 Christuszeugnis I, 275, vgl. l . K o r 10,9. Vgl. ZIMMEREI, Auslegung, 151: „Im Tod der Murrenden zeugt der alttestamentliche Glaube, ohne es zu wissen, vom Tod, den Jesus Christus als Sold unserer Sünde erlitten hat." 145 Die Bedeutung des Alten Testaments für das christliche Leben, 1938/ 2 1947, 5. - Auch LUTHER macht die „Gleichartigkeit der menschlichen Lage vor Gott deutlich: in Glauben und Unglauben sind die Menschen gleichzeitig miteinander" (BORNKAMM, Luther und AT, 138). 146 Christuszeugnis I, 85; Kontext: Protevangelium. BOUTTIER: „... une croix aussi presente dans l'histoire de Dieu et des hommes avant qu'apres l'execution du Golgatha aux annees 30" (Invitation, 14). 147 Christuszeugnis I, 24 f.; Psalmen, ausgelegt für die Gemeinde, 1944, 142 f. (Predigt an Himmelfahrt 1943 über Ps 110).
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b)
Methodenfragen
U n t e r diese massiven inhaltlichen V o r g a b e n reiht sich die Forderung n a c h e i n e r s p e z i e l l e n b i b l i s c h e n H e r m e n e u t i k n i c h t ein. W i e B a r t h 1 4 8 l e h n t e V i s c h e r d i e s e F o r d e r u n g ab. B i b l i s c h e E x e g e s e h a b e s i c h alle M e t h o d e n dienstbar
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nicht
alles b e n u t z t ,
was
das Verständnis
eines Textes
erhellt.
„Grundsätzlich hat die E x e g e s e der Bibel die gleiche M e t h o d e a n z u w e n d e n w i e die E x e g e s e anderer T e x t e , die uns v o n d e n M e n s c h e n aus d e m A l t e r t u m ü b e r l i e f e r t sind." 1 4 9 E i n e d i e s e r M e t h o d e n ist d i e L i t e r a r k r i t i k . M i t i h r e r H i l f e d e c k t V i s c h e r u n b e f a n g e n innerbiblische W i d e r s p r ü c h e auf. Unterschiede von deuteronomistischem und chronistischem Geschichtswerk 1 5 0 ; N a m e n der Kainiten aus G e n 4 kehren in der Stammtafel der Sethiten leicht verändert wieder 1 5 1 ; Abraham glaubte an Jahwe, d o c h kannte er seinen N a m e n ? Ε und P: nein, L und J: ja 152 ; das Deborah-Lied sei das älteste Stück der hebräischen Literatur. 153 Theologische Widersprüche: Jeremia hat N a h u m w o h l den falschen ,Heils-'Propheten zugerechnet. 1 5 4 ( 1 ) V i s c h e r g e h t in v e r s c h i e d e n e r W e i s e m i t innerbiblischen
Widersprüchen
um. a ) Sie w e r d e n v o n i h r e r m e n s c h l i c h e n B e d i n g t h e i t h e r erklärt 1 5 5
oder
t h e o l o g i s c h ( d o g m a t i s c h , h e i l s g e s c h i c h t l i c h ) reflektiert 1 5 6 : D a s I n - u n d N e -
148
K D 1 / 2 , 5 1 5 . 5 1 8 . 5 2 1 f . 5 4 6 f., BÄCHLI, A T in K D , 7 7 f.; ROTHEN, K l a r h e i t I I , 7 9 ,
vgl. a b e r K D 1 / 2 , 5 2 3 . 8 0 7 . 8 1 0 - 8 1 5 . 149 Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 2. - Auch VOGEL, Wie predigen wir, 353 für die historisch-kritische Methode wegen der Menschlichkeit der Schrift, die der Heilige Geist als Erniedrigung des göttlichen Wortes anerkennen lehrt 150 Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 36. 151 Christuszeugnis I, 109. 152 Jahwe der Gott Kains, 1929, 36. 153 Deborah, 1926, 15. 154 Christuszeugnis II, 527. 155 Zu l . S a m 12,12: „Es stimmt nicht mit den übrigen Berichten überein, wenn er [seil. Samuel] sagt, die ammonitische Gefahr habe den Ruf nach einem König hervorgetrieben . . . " (Christuszeugnis II, 181). Zu 2 . K ö n 21: Daß sich Manasse in Babel bekehrt habe, widerspreche dem Bericht der Königebücher; „er wird nach der Maßregelung erst recht durch die Anbetung der assyrischen Götter seine Willfährigkeit unter Beweis gestellt haben" ( a . a . O . 515). 156 Ζ. B. die verschiedenen Quellen zur Entstehung des Königtums (Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 33); Der Gottesknecht 1930; Christuszeugnis I, 109; II, 178 f. u. ö. - Der Gottesknecht, 1930, 61: Literarkritische Analyse könne beitragen, deutlicher hinzusehen (man spricht zu Recht von Dt-/Trjes), werde aber immer nur abstrakte Gebilde herausstellen, die so nicht oder nicht mehr existieren. Das zu Verstehende sei das ganze Jesajabuch als Stück der Bibel.
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b e n e i n a n d e r e t w a d e r Q u e l l e n z u r E n t s t e h u n g d e s K ö n i g t u m s stellt s c h a r f d a s Z w e i d e u t i g e d e r E r s c h e i n u n g des K ö n i g s heraus.157 „Aber eben, daß es da verschiedene Uberlieferungen gibt, ist beachtenswert. U n d überdies ist nicht nur die Überlieferung, sondern die Wirklichkeit im Fluß, die Völkerschaften und Sippen sind alle in Bewegung und schieben sich ständig durcheinander." 1 5 8 Bisweilen w e r d e n interessante Synthesen gebildet: es g e h ö r e n etwa die verschiedenen Deutungen des Menschensohntitels159 oder menschliche und göttliche Liebe im H o h e n l i e d 1 6 0
zusammen.
b ) S i e w e r d e n als t h e o l o g i s c h i r r e l e v a n t a d a c t a g e l e g t . 1 6 1 V i s c h e r w i l l d i e T e x t e s o n e h m e n , „ w i e sie n u n e i n m a l sind" 1 6 2 . Zu den „Dubletten" von der Gefährdung (Vischer: „Verleugnung") der Ahnfrau liest man, daß sie „jedesmal im Zusammenhang des G a n z e n ihren bestimmten Sinn" haben. J e d e s m a l steht viel mehr auf d e m Spiel als der gute Ruf des Patriarchen, nämlich die Verheißung, das Heilswerk Gottes." 1 6 3
157 „So wertvoll es für die Auslegung ist, die beiden Überlieferungsreihen zu unterscheiden, so wichtig ist es zu erkennen, daß ihre widersprechende Beurteilung des Königtums in Israel und der Gestalt im Wesen der Sache begründet ist. Wir werden der Sache nicht gerecht, wenn wir meinen, es sei uns freigestellt, das Königtum in Israel so oder so zu beurteilen. Dazu ist die Sache grundsätzlich und in ihren Folgen viel zu schwerwiegend. Wir werden sehen, daß allein der Spruch des H E R R N den Widerspruch lösen kann und löst, daß das, was nicht sein darf, trotzdem sein muß" (Christuszeugnis II, 165, vgl. 144; wie das Zitat in der folg. Anm.!). - „Die Exegeten, die diese Verse [seil. l.Sam 13,4.7b-14] als späteren Einschub erkannten, bewiesen damit gutes Beobachtungsvermögen. Statt aber dieses Stück einfach als Fremdkörper auszuscheiden, hätten sie besser daran getan, zu überlegen, in welcher Beziehung es zu Jonathans Heldentat steht. Dann wäre der Sinn der beiden Kapitel nicht so allgemein verkannt worden" ( a . a . O . S. 189). - Vgl. Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 33: das Ziel der Schrift, die Davids Aufstieg darstellt, sei 2. Sam 5,12; Rest in Kap. 5 und 8 sei Nachtrag; die Thronnachfolgeerzählung bestehe aus 2. Sam 7.9-22 und l . K ö n 1 f.; sek. eingefügt seien 2. Sam 21-24). In der Bewertung schließt sich Vischer ALT an; L. ROST wird erst S. 258 zu 2. Sam 7 erwähnt. 158 Christuszeugnis I, 133. - Zum Vergleich HELLBARDT, König, 51 zu Hos 12,3: „Dies ist eine der Stellen, an denen sicherlich Juda eingesetzt ist für ein ehemals dastehendes Ephraim. Mit dieser Einsetzung will aber die Schrift deutlich machen, daß Juda in dem Augenblick nicht besser ist als sein Erzvater Jakob, sofern es nach dem Fleisch Ephraim gleichgestaltet ist. Kirche muß sich das gleiche sagen lassen, wie die Irrkirche, weil sie nach dem Fleisch mit der Irrkirche den gleichen Vater hat. Darum zieht mit Recht der Blick auf Ephraim das Gerichtswort über Juda nach sich, weil Juda das Volk der Gnade ist, nicht durch sich selbst oder seinen Glauben, sondern allein durch Gottes Erbarmen." 159 Die evangelische Gemeindeordnung, 1946, 9 f. 160 U n seul amour. Cantique des cantiques . . . , in: L'Ecriture et la Parole, 1985, 143 f. 161 Vgl. Zitat oben S. 172 f. 162 „Ob diese . . . literarkritische Meinung richtig ist, lassen wir dahingestellt, weil wir die biblischen Berichte so nehmen wollen, wie sie nun einmal sind . . . " (Christuszeugnis I, 154). 163 A . a . O . 157.
180
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
c) Sie werden entschieden bzw. aufgelöst, z . T . ohne weitere
Begrün-
dung.164 d ) E i n Bibeltext w i r d f ü r die Interpretation irrelevant.165 e) E s m u ß eine T e x t ä n d e r u n g v o r g e n o m m e n werden.166 (2) Z u Vischers
Umgang
mit
Texten
von
zweifelhafter
Historizität
notiere
ich z u n ä c h s t einige Beispiele. a ) In d e r Genesis finden sich Sagen und Mythen, aber keine Rückprojektionen; sie wollen die vorägyptischen U r s p r ü n g e Israels aufhellen. Sie wollen berichten, was vor der historischen Zeit liegt 1 6 7 , sind also nicht als historische D o k u m e n t e zu werten. 1 6 8 b ) N a c h einer Betrachtung über d a s Wesen der hebräischen Sprache folgert Vischer: „ G e w i s s e Unterscheidungen, die uns wichtig sind, verlieren bei dieser A u f f a s s u n g an Gewicht, s o auch die Frage, die der wissenschaftlich D e n k e n d e von heute meint an die Erzvätergeschichten stellen zu müssen, nämlich ob hier persönliche Erlebnisse der drei M ä n n e r erzählt werden o d e r o b es sich um eine sagenhafte Darstellung der Geschichte Israels handle. Wir fragen so, weil wir historisch sauber denken wollen; aber wir fragen so eigendich ungeschichdich, nämlich nicht im Sinne des biblischen Verfassers. E r würde unsere F r a g e g a r nicht verstehen. D e n n f ü r ihn sind A b r a h a m und die S ö h n e A b r a h a m s , und ebenso J a k o b und Israel, J a k o b d e r M a n n und J a k o b d a s Volk, s o gänzlich eine
164 „Der Widerspruch von Ri 1,8 und 1,21 ist jedenfalls zugunsten von 1,21 aufzulösen" (Christuszeugnis II, 137 Anm. 62). 165 Z.B. zu 1. Sam 14: V. 47 „wird einmal der Abschluß der einen Uberlieferungsreihe gewesen sein. Im jetzigen Zusammenhang kann dieser Uberblick die Zukunft Sauls und seiner Familie nicht mehr erhellen" (Christuszeugnis II, 190). Zu 1. Sam 15, nach einem Hinweis auf HIERONYMUS' Übersetzung: „Neuere Ausleger nehmen an, der 29. Vers sei ein Zusatz aus einem der Bileam-Sprüche (4. M. 23,19), den ein Späterer hier einfügte, weil ihm der Gedanke anstößig war, der H E R R habe bereut, Saul zum Könige gemacht zu haben. Das mag sein. Doch ist gerade an dieser Stelle die kräftige Aussage, daß der H E R R seinen Ratschluß unbeirrbar durchführt, wohl am Platze, in doppelter Hinsicht. Es bleibt bei Sauls Verwerfung, aber ebenso gewiß wird der H E R R das, was er mit der Krönung Sauls beabsichtigte, zum Ziele führen" (a.a.O. 194).
l . K ö n 12,20 müsse es statt J u d a " „Benjamin" heißen (Christuszeugnis II, 348). Vgl. ELERT, Ethos, 47-51 mit seiner weisen Zuordnung von Geschichtlichkeit und Sterblichkeit, die erst nach dem Sündenfall zu finden sind. Das erste Wort habe den Menschen ins Leben und in den paradiesischen Zustand gerufen, das zweite wirft ihn hinaus und tötet ihn. „Es macht ihn zum geschichtlichen Menschen, denn Geschichtlichkeit heißt Sterblichkeit" (S. 49). Bereits 1931 heißt es bei Vischer: „Wäre der Sündenfall nicht geschehen, gäbe es das, was wir ,Geschichte' nennen, überhaupt nicht" (Der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, 1931, 286). - Vgl. dagegen CHILDS, Theologie I, 136 (Beginn von Welt und Geschichte fallen zusammen). - JAFFIN (Urgeschichte, 67) entspricht ELERT. 168 So Vischer in: Jahwe der Gott Kains, 1929, 29-32; die Grenze zwischen historischer und vorhistorischer Zeit ist hier also nicht Gen 3 wie bei ELERT (siehe die vorige Anm.), sondern der Exodus, so daß auch etwa Gen 4 zum „ur- und vorgeschichtlichen Fundament" gerechnet wird (Vischer S. 58; La science des pretres . . . , 1959, 6). 166
167
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Einheit, daß sie nicht geschieden werden können. Einer von den Kindern Israels oder mehrere, - es ist nicht wichtig, wer gerade der Erzähler ist, weil er ja nicht persönliche Ansichten oder private Forschungen vertritt - erzählen der Gemeinde, was durch die Uberlieferung und im lebendigen Gedächtnis der Nachkommen aufbewahrt ist von den eigenen Ursprüngen. Sie berichten dem gegenwärtig lebenden Geschlecht des auserwählten Volkes nicht die Lebensgeschichte fremder Menschen, sondern der eigenen Väter und damit eben die eigene Lebensgeschichte; nicht etwas Vergangenes, sondern das Lebendige, das mit ihnen geht, das sie vom Gestern zum Heute gebracht hat und vom Heute in das Morgen führen wird." 169 c) In der Auslegung des Richterbuches stellt Vischer die Gleichförmigkeit des Aufbaus dar und bemerkt dazu: „Man empfindet das Schematische. Gewiß, es ist ein Rahmen. Aber man sollte deswegen nicht gleich sagen, es sei ein falscher Rahmen, der den Geschichten aufgezwängt ist. Der Rahmen ist hölzern und es fehlt ihm die lebhafte Farbe des Bildes. Aber gerade so sammelt er die Bewegung der Linien und die Fülle der Farben im Gemälde zu geschlossener Wirkung. Martin Buber hat recht: ,Man versuche, die Ahnung einer Gegenseitigkeitsdynamik, die sich in aller Begebenheit birgt, aus der Geschichtserfahrung und Geschichtserzählung Israels zu lösen, - man wird keine organische Geschichtssubstanz übrig behalten.'" 170 d) Die biblische Chronologie (3 x 480 Jahre: Abraham - Bau der Stifthütte Bau des Tempels - Bau des neuen Tempels nach dem Exil) hat die „wirklichen Verhältnisse möglichst berücksichtigt. Sollten dabei Irrtümer unterlaufen sein, so wäre darin ein Hinweis auf die Menschlichkeit und geschichtiiche Bedingtheit dieser Dokumente zu erkennen. Etwas anderes ist es mit den Zahlen für die vor- und urzeitlichen Epochen; sie sind von vornherein mehr zeichenhaft gemeint. Wenn sich also für jene Zeiten . . . Differenzen zwischen den biblischen und den von der heutigen Wissenschaft errechneten Zahlen ergeben, so darf das kein Gegenstand der Apologetik werden. Es gibt vielmehr Anlaß zu bedenken, daß diese biblischen Zahlen zeichenhafte Chiffren sind, die ihre Bedeutung trotz allen Differenzen mit den Chronologien der heutigen Wissenschaft behalten." 171 e) Zur Jonaerzählung nimmt Vischer an, daß Gott grundsätzlich den Fisch beauftragen kann, so zu verfahren. Diese Erzählung sei aber wohl ein Lehrstück. 172 Dem Einwand, Jesus habe die Erzählung für historisch gehalten, müsse entgegengehalten werden, daß Jesus die Erzählung nur auf seine Weise benutzte, nämlich wie die zwei Brüder in der Geschichte vom verlorenen Sohn. Die Wahrheit der Erzählung liege in der Pointe, die ihnen Jesus gibt, nicht in ihrer Historizität. 173
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Christuszeugnis I, 148 f. ° Christuszeugnis II, 115. m Christuszeugnis I, 108 und 222. Merkwürdig sei jedenfalls, daß die Erscheinung Jesu Christi „nahezu in das Jahr 4000 seit Erschaffung der Welt fällt, also tatsächlich die von der biblischen Chronologie veranschlagte Zeit erfüllt" (108). 172 Jonas, 1960, 48. 51. 173 A. a. O. 54. v
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
Vischer hat demnach keine Bedenken, Berichte biblischer Texte als mit der historischen Wirklichkeit nicht übereinstimmend zu bezeichnen. Diese Differenz hat aber zum einen in der Regel selbst theologische Relevanz. Sie kann zum anderen nicht als „Fälschung" im Sinne von „Lüge" bezeichnet werden, sondern ist vom inspirierenden Geist zugelassen, ja gewollt. Die Differenz lehrt, neben der historisch verifizierten "Wirklichkeit eine Wirklichkeit des Glaubens zu sehen, die dem Auge des Historikers verborgen bleibt.174 Bei Vischer und vielen seiner Gegnern liegen somit ähnliche oder gleiche historische Methoden vor. Er entscheidet mit den einen historisch-kritischen Exegeten - Gewährsmänner sind unter anderem A. Alt, S. Mowinckel, E. Meyer, G. von Rad175, J. Pedersen176 - gegen andere: etwa mit Alt gegen H. Greßmann177. Vischer kann zustimmen, wenn von Ditlef Nielsen für die altisraelitische Religion Elemente des Mondkultes postuliert werden.178 Oder er fragt, ob das unter Josia aufgefundene Gesetzbuch wirklich von Mose stamme - doch sei dies „weniger wichtig als die Tatsache, dass von dem Moment ab das, was die Propheten mit ihrer Botschaft erstrebt hatten, jetzt gesetzlich geregelt wird".179 Mit seinen Gewährsleuten grenzt er sich von der sogenannten pneumatischen Exegese ab, die die Theologie zur Theosophie und das Lesen der Schrift zur Pneumatologie werden lasse; der Heilige Geist sei keine menschliche Möglichkeit; er ist Mittler, nicht Mittel, ein Weg, keine Methode.180 Dennoch gelangen Vi-
174 Signifikant dafür scheint mir auch die Reflexion Vischers über die Landnahmeberichte im Josuabuch zu sein (Christuszeugnis II, 19 ff.); a . a . O . 26 f.: „So erkennen wir nun, daß das Buch Josua nicht, wie es unsere historische Wissenschaft versteht, den ,historischen Kern', sondern vielmehr den ganzen Baum, zu dem sich der Kern auswächst, prophetisch darstellt. Die Einnahme des gelobten Landes wird hier als einheitliche und ganzheitliche Eroberung Ganz-Israels aller Generationen unter der Anführung Josuas dargestellt. Das ist biblische Geschichtsschreibung! Da gilt: pars pro toto. Im Teil ist das Ganze gegenwärtig, im Anfang ist die Vollendung beschlossen. Die Eroberung geschieht als eine gemeinsame Geschichte, ab der alle zusammen unter der Anführung des Einen beteiligt sind. Wie an einem lebendigen Leibe kein Glied sich rühren kann, ohne daß es eine Regung des ganzen Leibes wäre, und wie bei einem Menschenleben auf allen Altersstufen der eine und selbe Mensch ganz beteiligt ist, so ist die Geschichte des Volkes Gottes aller Zeiten ein unteilbares Erlebnis . . . Mit Erstaunen, vielleicht gar mit Befremden sehen wir, wie stark die verschiedensten Zeiten und besonders jene traurige Zeit, da Israel wieder völlig aus dem heiligen Lande vertrieben war, in die Berichte von der Landnahme unter Josua hineinspielen." 175 Das judäische Königsritual, bei Vischer in: Die Immanuelbotschaft im Rahmen des königlichen Zionsfestes, 1955, 26. 35. 176 Christuszeugnis I, 35. 177 A. a. O. 244. 178 Christuszeugnis I, 139. 179 Das Wort der Propheten (Bibelschule Basel 2.Jg.), 10. 180 Christuszeugnis I, 36 f.; La methode de l'exegese biblique, 1960, 123. - Vgl. BARTH, K D 1/2, 823: „ . . . das rechte Nachdenken des Schriftwortes als des Wortes Gottes [ist]
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scher und etwa Gerhard von Rad zu entgegengesetzten Ergebnissen.181 Bei der Deutung des feindlichen Mannes am Jabbok ist der Unterschied kraß: Nach von Rad handelte es sich ursprünglich um einen Flußdämon182, nach Vischer (mit Luther) um Jesus Christus183. Es müssen also unterschiedliche dogmatische Voraussetzungen vorliegen, die sich gegenüber der literarischen Arbeitsmethodik spröde verhalten, aber die Richtung der für wesentlich angesehenen Fragestellungen bestimmen: Beiden lag eine durchsichtige wissenschaftliche Vorgehensweise am Herzen; dabei betonte aber von Rad die Notwendigkeit des langen Hinhörens, möglichst ohne dogmatisches Vorwissen, und den Verzicht auf (lange) Zitate vorkritischer Theologen184, Vischer hingegen das Vernehmen des Christuszeugnisses des Alten Testaments bei „ehrlicher Exegese"185. Nach Vischer muß man über die geschichtliche Situation eines alttestamentlichen Textes hinausgehen, um seiner Bewegungsrichtung zu entsprechen. Für von Rad kann dies passieren - dann komme es in der Freiheit des Geistes zur Typologie.186 Die Literarkritik ist für beide notwendig - aber sie ist nach Vischer betont nur ein Teil der Exegese. Denn die moderne Geschichtsforschung
überhaupt nicht unter eine von Menschen zu definierende Denkregel zu stellen, weil die Erwählung einer bestimmen Denkweise zur Dienlichkeit bei diesem Nachdenken Sache der Gnade ist und also nicht unsere Sache sein kann. Gerade vor den am eifrigsten gemachten Angeboten, gerade vor den scheinbar lockenden Möglichkeiten wird man sich in dieser Hinsicht am sorgfältigsten in acht zu nehmen haben." 181 Vgl. unten Abschnitt 2.5.4. 182 Entspr. der heutigen Mehrheitsmeinung (UTZSCHNEIDER, Problem). 183 Christuszeugnis I, 189; LUTHERS Genesisvorlesung: Walch 2 II, 800. 184 G. VON RAD, Fragen. Daß die Auslegungen früherer Generationen ein ungenügender Ersatz für eigene theologische Arbeit ist, hatte Vischer schon 1927 (Das Alte Testament als Wort Gottes, 382) betont: Gott wolle zu uns sprechen. So entdecke sich nach Maßgabe des Heiligen Geistes der Sinn der Heiligen Schrift immer neu. In Christuszeugnis I wird allerdings ein reicher Gebrauch der Schriften von LUTHER und CALVIN gemacht, der bisweilen eigene Überlegungen zurücktreten läßt. Im zweiten Band sind Zitate der Reformatoren weitgehend verschwunden. 185 Christuszeugnis I, 33; Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 40; zit. bei BARR, Vischer and Allegory, hier 50. 186 G. VON RAD, Typologische Auslegung. Vischer: „Denn es gehört zum Wesen der alttestamentlichen Geschichtsschreibung, daß sie über sich hinausweist auf ein Ereignis der Geschichte, das für die alttestamentlichen Geschichtsschreiber noch nicht geschehen und doch der Grund und das Ziel aller Geschichten ist, die sie erzählen" (Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 36). Vischer verhandelt schwerpunktmäßig die res der Schrift, VON RAD schwerpunktmäßig die Meinungen der biblischen Schriftsteller (daneben auch die Selbsterkenntnis des Menschen im biblischen Wort). Nach Vischer erfüllt J a h u " sein Versprechen (Immanuelbotschaft, 1955, 40). VON RAD war als Exeget mit solchen Aussagen aus dem persönlichen Nachvollzug heraus viel zurückhaltender. Vgl. seine Predigt über Ruth 1, wo er über das Alte Testament insofern hinausgeht, als unser Leben ähnlich dem Ruths hinsichtlich seiner Unscheinbarkeit mit dem Leben Christi verbunden ist.
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wende ihren Blick wie Lots Frau nach rückwärts, während alle Zeugnisse des Alten Testaments wie Abraham nach vorne sehen. 187 Dies ist zu entfalten. Die Schrift ist eine Ganzheit; sie ist klar. Dies meint bei Vischer nicht eine historisch oder systematisch aufweisbare Geschlossenheit, sondern eine Ubereinstimmung hinsichtlich des Zeugnisses von Christus. Diese Einheit der Schrift ist die Grundlage der Kirche, mit der sie steht und fällt. 188 Centrum scHpturae ist Christus, im Alten wie im Neuen Testament: Er ist telos der tora, nebiim, ketubim, Ziel von Gesetz, Geschichtsschreibung, Psalmen und Weisheit des Alten Testaments. 189 In der Mitte des geschichtlichen Geschehens steht der Davidsbund, wie sowohl im Rückblick auf den Pentateuch und die Geschichtsbücher bis 2.Kön 190 als auch in den auslegenden Abschnitten bemerkt wird. „Der Psalm der Hanna visiert mit schärfster Präzision gleich zu Beginn der Samuel- und Königebücher das Ziel aller folgenden Geschichten: den messianischen Thron im Hause D a vids."191 Wilhelm Vischer hält es für die Hauptthese der apostolischen Verkündigung, daß Jesus der Christus des Alten Testaments ist.192 Jesus ist Christus' bedeutet: er ist der König Israels. „Christen", die an Christus glauben, sind (das neue) „Israel": das aus Juden und Heiden gesammelte Gottesvolk. „Alles und jedes, was im Alten Testament geschrieben steht, ist nur wahr, weil Jesus mit seinem Leben dafür eingestanden ist. Sonst wären die Aussagen des Alten Testaments Deutungen des Lebens, wie die Angst und die Sehnsucht des menschlichen Herzens sie hervorbringen. Nun aber sind sie durch den Tod Jesu
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Die rechte Methode der Exegese der Bibel, 1961, 19; Christuszeugnis I, 35. Vgl. WOLFF, Hermeneutik, 357 f. (ohne Bezug auf Vischer): Es sei ein „offenbarer Fehlweg . . . , die Texte ausschließlich nach rückwärts und seitwärts zu interpretieren." - Die Testamente stehen sich nach Vischer wie Chöre im Halbkreis gegenüber und wiesen auf den in der Mitte stehenden Immanuel als geschichtliche Erscheinung, „dessen Lebensgeschichte das Ereignis der Weltgeschichte ist, durch das wie durch Einen Punkt alle Linien der Verbindung Gottes mit irgendeinem Menschen irgendeines Ortes und irgendeiner Zeit laufen" (Christuszeugnis I, 29 mit Berufung auf Apg 4,12; vgl. CHILDS, Theologie II, 447). Vgl. BARTH: „Indem das Alte und das Neue Testament sich gegenseitig bezeugen, bezeugen sie miteinander den einen Jesus Christus. Wir haben nicht das Faktum, wir haben nur den Modus dieser gegenseitigen Bezeugung aufzuzeigen. Wir haben das Geheimnis zu respektieren, das für sich selbst sprechen will" (KD 1/2, 114). 188
Christuszeugnis I, 30.32. Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, bes. 27 ff. 1.0 Christuszeugnis II, 18.554 f. 1.1 A . a . O . 151. 1.2 Christuszeugnis I, 32 u. ö. Wir Christen und die Juden, 1939, 13: „Was ist ein Christ? Ganz einfach ein Mensch, der glaubt, daß Jesus von Nazareth der Christus Israels ist Ungehindert durch seine Herkunft und Art tritt also jeder Mensch durch den christlichen Glauben in die allerengste Beziehung zu Israel." 189
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Christi beglaubigt als Gottes Wort und zeigen zugleich die Notwendigkeit und die Fruchtbarkeit seines Todes . . ."193 „Wenn das wahr ist, wenn wirklich Jesus der Messias ist, dann gehört das A T denen, die an ihn glauben, d. h. der Kirche"194.
Die apostolische Hauptthese besagt für Vischers Exegese: a) Wer wissen will, was der „Christus" ist, wird vom Neuen Testament auf das Alte verwiesen.195 Wer wissen will, wer er ist, wird vom Alten auf das Neue Testament verwiesen. Wer das Alte Testament liest, muß beachten: „Die Exegese, die jeden Text darnach [sie] fragt, was er zu dieser Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus beitrage, ist die einzige Exegese, die der Absicht entspricht, in der die Texte geschrieben und weitergegeben sind." 196 b) Die apostolische Hauptthese muß nicht erst am Alten Testament exegetisch verifiziert werden; ihre autoritative Gültigkeit bestimmt von vorneherein Ansatz und Weg der Auslegung des Alten Testaments. 197 c) Daraus folgt Vischers Urteil über eine auf weltimmanente Religionsgeschichte reduzierte Auslegung des Alten Testaments, die die Einheit der Schrift in Christus durch eine erst zu konstruierende Einheit in der Entwicklung der menschlichen Frömmigkeit ersetzt: „Wem nicht die Botschaft von Gottes Handeln im Sterben und Auferstehen Jesu die Decke vom Alten Testament nimmt, der liest es als Urkunde menschlicher Frömmigkeit. Der Tod Jesu deckt den Bruch des Alten Bundes auf, so daß die Illusion einer religionsgeschichtlichen Deutung des Alten Testaments zerstört wird durch die Erkenntnis, daß alle menschliche Religiosität abgetan ist durch die Heiligkeit Gottes. Ebenso deutlich besiegelt die Auferstehung Jesu, d a ß das Alte Testament wahrhaftig Gottes Wort ist, von dem nicht ein einziges Jota oder Strichlein vergeht, bis alles geschehen ist."198
1.3
Die Bedeutung des Alten Testaments für das christliche Leben, 1938/21947, 18. Christuszeugnis I, 32. 195 A.a.O. 7. 36; Nicolaisen, Auseinandersetzungen, 155. Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 21. 1,7 Ihre Bestreitung trägt antichrisdiche Züge: l.Joh 2,22 (vgl. 5,1; Mk 8,29p; Apg 2,36; 9,22; 17,3; 18,28): „Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, daß Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet" 1W Die Bedeutung des Alten Testaments für das christliche Leben, 1938/21947, 19, ebenso Christuszeugnis I, 20 f. vgl. 229 mit Kontext 225 ff.; Predigt „Perhaps the Lord will be Gracious" (Amos 5), 1959, 292. Vgl. Zimmerli, Auslegung, 151: Wer in „uninteressierter Haltung nachzuzeichnen sucht, so daß er etwa eine Höherentwicklung des sittlichen Empfindens ... erkennt, ... der schaut gerade am Entscheidenden vorbei." Solcher Ausleger ist „unsachlich", „da er den ihn im Namen Jahwes verhaftenden Anspruch des prophetischen Textes nicht zu seinem Recht kommen läßt. ... Ich sehe auch hier keine andere Möglichkeit wirklich sachlicher Auslegung, als von der Botschaft des NT her. ... Der Wirklichkeit des götdichen Gerichts sind wir nirgends so radikal gegenübergestellt wie im Angesicht des Kreuzes Christi. ... So wird auch das at-liche Gerichtswort zum Christuszeugnis im allerrealsten Sinn, so daß wir in all dem at.lichen Gerichtsgeschehen und Gerichtswort verhüllt 1.4
186
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,Jesus hat die Schrift dadurch erfüllt, daß er sich von den Menschen als der König der Juden hinrichten ließ und von Gott als der Christus unter fremder Maske das letzte, entscheidende Gericht sich ankünden sehen, das dann am Kreuz geschieht" Die unteilbare Ganzheit der Bibel, 1935, 117 f. mit Berufung auf Joh 1: J e s u s ist Christus" „besagt etwas ganz anderes, als er sei [sie] der Höhepunkt der israelitisch-jüdischen Religionsgeschichte", es besagt auch nicht, er sei die Verkörperung einer Christusidee. „Als so etwas kann und muß man ihn mißverstehen, wenn man die Einheit von Altem und Neuem Testament auflöst. Läßt man sie aber als Einheit gelten, dann ist der Logos Jesus weder ein Mythos noch eine Idee, sondern das eine Wort, durch das Gott seine Geschöpfe aus dem Nichts ins Dasein und die zum Tode verdammten Sünder ins Leben ruft. Alles, was an irgendeiner Stelle der Bibel steht, ist eine Mitteilung dieses einen Wortes, Selbstaussage Gottes." Als Zeugen sind die Zeugen nicht aus ihrer Verbindung mit Christus lösbar, als Sünder sind sie Vertreter verschiedener Religionen, eben nach Selbstbehauptung strebende Menschen; S. 118-120: „So wird der Tod Jesu Christi zum Gericht über ihre Weltanschauungen und Gottesideen. Alle sind sie an dieser einen Tat beteiligt, jeder mit seiner eigensten A r t Was nützt es dem einen, daß er auf einer höheren Stufe der Religion steht als der andere, wenn er gerade damit Gott die Ehre raubt? Und eben das ist's, was die Bibel in ihrer Einheit offenbart: die vielen tausend Wege, die die Menschen gehen, laufen alle zusammen am Kreuz des Christus Jesus. Hier enden alle. Und eben hier begegnet ihnen allen Gott auf seinem Wege . . . Nur als der Gekreuzigte und Auferstandene ist Jesus der wahre Messias Israels, der Erfüller des Alten Testaments, und eben damit der Abschluß aller Religionsgeschichte und zugleich die Eröffnung der einen Möglichkeit Gottes, durch seine Gnade jeden zu retten, der glaubt. [Absatz] Die mancherlei Versuche, die Einheit der Bibel aufzulösen, sind im Grunde lauter Versuche, die Linien der ,religiösen Entwicklung' so zu ziehen, daß sie nicht mit der Kreuzigung des Christus enden. Damit wird aber der Glaube an die eine unteilbar ganzheitliche (katholike) Kirche aufgegeben. Ist sie doch das mit dem Gekreuzigten getötete und mit dem Auferstandenen auferweckte Volk des Christus Jesus, also das Gegenteil einer Vereinigung religiös verwandter geistiger Persönlichkeiten. Der heilige Geist, der vom Vater und vom Sohn ausgeht, ist es allein, der sie beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus im rechten einigen Glauben erhält. Ein Leib und ein Geist. Die eine Gemeinde, in der, trotz den Unterschieden der Zeit und der persönlichen Veranlagung, alle gleichen Anteil haben an dem einen Heil, weil sie alle ohne Unterschied, von Adam bis zur Generation des jüngsten Tages, durch den Einen für sie gekreuzigten und auferstandenen Mittler versöhnt sind mit Gott. Wird die Einheit und Ganzheit der Bibel, so wird damit die Kirche des heiligen Geistes aufgelöst in viele Geister, Individuen und Gemeinschaften, die durch ihren ungleichwertigen religiösen Besitz wesentlich von einander verschieden und getrennt sind. Dann entbrennt wieder auf der ganzen Linie der religiöse Wettkampf, der durch das Evangelium vom gekreuzigten und auferstandenen Christus Jesus abgeblasen ist. [Absatz] Es zeigt sich also, daß der Glaubenssatz von der Einheit und unteilbaren Ganzheit der heiligen Schrift ein notwendiges Glied der Kette ist: Ein Gott Ein Mitder zwischen Gott und Menschen - Ein Geist - Eine Kirche mit Einem Glauben, Einer Liebe und Einer Hoffnung" (Ende des Aufsatzes). Jesus ist nach Vischer also nicht „Höhepunkt der Religionsgeschichte" - VASKO (Dritte Position, 233 f.) versteht einen entsprechenden Satz in Anführungszeichen aus Christuszeugnis I, 20 verkürzend als Meinung Vischers. Gegen die Ergründung der Herzenstiefe des Jeremia als Skopus der Auslegung auch schon: Prophetie, 1930, 1-4, hier 3. Als Gegensatz zu Vischer in neuerer Zeit sei auf GUNNEWEG verwiesen, der die Testamente „als schriftlichen Niederschlag von Lebensäußerungen und Daseinshaltungen zu verstehen versucht" (Vom Verstehen, 11, Hervorh. orig.). Ist dem so, dann ent-deckt tatsächlich erst eine allegorische Methode, nicht der Heilige Geist einen verborgenen Sinn ( a . a . O . 93).
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Israels auferweckt wurde. Wir entleeren das Kreuz Christi und verleugnen die Kraft seiner Auferstehung, wenn wir die heilige Schrift als eine Sammlung von Zeugnissen menschlicher Frömmigkeit lesen und verkündigen." 199 H i e r wird nicht, wie es prima facie aussieht, ein Sprung der Ebenen vollzogen, sondern vorausgesetzt, daß religionsgeschichtliche Deutung des Alten Testaments nicht nur menschliche Frömmigkeitsstile historisch erhebt, sondern diese dann auch nom-alisiert, sei es positiv als Vorbild oder negativ als abschreckendes Beispiel. D i e jüdische Frömmigkeit in der spezifischen Weise ihrer Schriftgebundenheit (die Suche nach einem System von Lebensregeln) führte, so Vischer, notwendig zur Kreuzigung des Sohnes Gottes: „,Er hat Gott gelästert', konstatiert der Hohepriester. Um Gott einen Dienst zu tun, haben ihn die frommen Juden hinrichten lassen. Damit hat sich aber diese Frömmigkeit selbst gerichtet. Und mit diesem Strich durch die jüdische Frömmigkeit ist zugleich alle menschliche Frömmigkeit durchgestrichen. Denn die jüdische Frömmigkeit ist geradezu der Inbegriff der menschlichen Frömmigkeit. Durch das fromme Streben will sich der Mensch rechtfertigen vor Gott. Das Ideal ist der gute Mensch, der um so besser ist, je weniger er schuldig bleibt. In diesem Streben nach Gerechtigkeit zeichnet sich der Jude aus. Wer nur den unmoralischen Juden kennt, wer den frommen, den,guten Juden', der sich mit letzter Kraft vor Gott behaupten will, noch nicht kennt, der kennt den Juden überhaupt nicht. Und wem die Augen noch nicht so weit aufgegangen sind, daß er gerade in seinem besten Streben seine Verwandtschaft mit dem Juden erkennt, der sieht noch nicht, welche Katastrophe der Tod Jesu Christi ist fur alle Versuche des Menschen, sich als gut zu behaupten. Das Alte Testament zeigt uns tatsächlich von den ersten Seiten an, wie der Mensch, der nach Gottes Bild geschaffen ist, sein ganzes Streben darauf richtet, gut zu sein ohne Gott, und wie er sich zu diesem Zweck ein Ideal nach seinem eigenen Bilde schafft. Sofern das Alte Testament das Zeugnis dieses menschlichen Strebens ist, wird es durch die Kreuzigung Christi zerrissen. Zugleich bezeugt aber das Alte Testament von den ersten Seiten an, daß der heilige und lebendige Gott hinabsteigt zu dem Menschen, der sich von ihm losgemacht hat, und er ihm aus lauter Gnade die Gemeinschaft hält. Daß das wahr ist, daß Gott selbst die Schuld und den Fluch trägt, die uns Menschen von ihm scheiden, das beweist das Sterben und die Auferstehung Jesu Christi. So wird das Alte Testament gerade durch den Tod und die Auferstehung Christi, erfüllt' und als das Zeugnis der Gnade Gottes in Kraft gesetzt. ,Ihr wollt mich töten, aber ich liebe euch und schenke euch das Leben.' Das Nein der Juden gegen Gott und das Ja Gottes für die Menschen gehören zusammen, untrennbar zusammen. Und so gewiß wir Christen einzig und allein von dem Ja
m
Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 15. - Vgl. Der Gottesknecht, 1930, 62 f.: Es möge ärgern, daß in Jes 14 nicht Jesaja, sondern Dtjes in nuce zu hören ist, aber es weise darauf hin, daß der zu hören ist, der gestern und heute und in Ewigkeit derselbe ist „und dessen Wort in jeder Zeit, wenn es überhaupt da ist, als Ganzes da ist. Denn Gott ist selber gegenwärtig in diesem seinem Wort, auch wenn es, der geschichtlichen Lage entsprechend, ein noch so einseitiges ist" (63, Hervorh. S. F.).
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
der Gnade leben, so gewiß können wir die Juden nicht verurteilen, weil sie in ihrem Streben nach eigener Gerechtigkeit das Nein gegen Gott vollgemacht haben durch die Kreuzigung des Christus. Nur als Mitschuldige der Juden können wir teilhaben an der Gnade Gottes."20° „Die Anstöße der Bibel sind heilsam, weil sie kräftig darauf hinweisen, daß in diesem Buche nicht Menschentugenden gepriesen und eine religiös-moralische Elite der Menschheit gesammelt werden soll. Die Menschenart, die hier auserwählt wird, ist nicht um ihrer sitdichen Vorzüge willen auserwählt, sondern allein durch den Willen des Herrn, der seine Gnade an den Sündern verherrlichen will. , Heilig' ist dieses Volk nur darum, weil der allein Heilige es zu seinem Eigentum berufen hat, daß sie verkündigen sollen die Tugenden dessen, der sie von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat (l.Pt. 2,9)."201 M a n darf von diesen dogmatisch-pneumatischen Z u s a m m e n h ä n g e n , in denen sich Vischers Schriftauslegung bewegt, nicht absehen, w e n n m a n Vischer verstehen will. Brigitte Schroven gerät in diese G e f a h r : Ihres E r achtens wird die Schriftauslegung Vischers von seiner Frömmigkeit geleitet; sie vermißt, Vischers Kritikern folgend, wissenschaftliche Akribie. 202 Schroven hat insofern recht, als Vischers Exegese nicht von seiner „Frömmigkeit" abgelöst verstanden werden kann. 2 0 3 D a s heißt insbesondere: D e r G l a u b e an Jesus als den Christus ist ihm die unabdingbare Voraussetzung f ü r die rechte Auslegung des Alten Testaments. In d e r alttestamentlichen Exegese Vischers geht es allerdings nicht um Allegorien o d e r Typologien, die z u r privaten H e r z e n s e r b a u u n g dienen, sondern u m das Ansichtigwerden d e r geschichtlichen W i r k u n g e n des gegenwärtigen Christus Jesus zu allen Zeiten, von denen die Schrift berichtet. 204 Hierin liegt nach Vischer die einzige und kräftige Sicherung der Exegese vor f r o m m e m Subjektivismus, nicht in d e r Beschränkung auf religionsgeschichtliche Verifikationsmuster. Die Gleichzeitigkeit bzw. „Gegenwart des Herrn der Geschichte"205 kann nur dann erkannt und die davon bestimmten Berichte recht ausgelegt werden, wenn sich der Ausleger selbst in ihr geborgen und von ihr auf-gehoben weiß. Schriftauslegung, die davon absehen will, m u ß sich auf historisierende D a r stellungen auf d e r G r u n d l a g e individueller W e r t u n g e n beschränken. Die
200
Wir Christen und die Juden, 1939, 20 f. (Hervorh. S. F.). Christuszeugnis I, 128. Vgl. Sens de l'Ancien Testament, 1939, 55: „II est done evident qu'on ne comprend absolument rien ä l'Ancien Testament si on le considere seulement comme le temoignage d'une piete humaine. Bien plutöt il faut y entendre le temoignage de la piete de Dieu qui aime tant les impies qu'Il donne Son Fils Bien-aime ä ses enfants rebelies jusqu'ä le faire mourir pour eux." Nach a. a. O. 56 haben alle Worte und Personen des A T haben nur ein Ziel, nämlich uns zu zeigen, was Leben als Glied des Leibes Christi heißt 202 SCHROVEN, Christologische Auslegung, 226. 203 Vgl. a.a.O. 174. 192. 201
204
V g l . BORNKAMM, L u t h e r u n d A T ,
205
Christuszeugnis I, 20.
172.
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res scripturae (die göttliche Trinität), die an jeder206 Stelle der Heiligen Schrift gegenwärtig ist, wird jedoch dann dem Leser und Hörer nicht vor Augen gestellt - vor Augen bleibt die Gestalt der bloßen Texte, ihres Gehaltes beraubt; einzelne Bäume und Blätter, kein ganzer Wald. Vischer ließ nicht zu, daß ein eifersüchtiger Begriff von moderner Wissenschaftlichkeit die christlichen Glaubensinhalte in den Bereich von nicht mitteilbarer Subjektivität und pluralistischer Gleichgültigkeit verwies. Denn nach ihm ist das exegetische Methodenproblem im Grunde ein christologisches Problem bzw. eine Frage von Glaube oder Unglaube gegenüber dem Schriftzeugnis. Die erste Frage alttestamentlicher Schriftauslegung ist also nicht, ob sich exegetisch ein alttestamentliches Zeugnis für Jesus von Nazareth ergeben könnte. Die Frage „Sagt das Alte Testament etwas über Jesus von Nazareth?" ist schon bejaht, wenn wir in Christus sind, das heißt auf dem Boden der Propheten und Apostel zu stehen kommen. Die oben angeführten Sätze aus dem Memorandum207 zitiert Schroven nicht, sondern kritisiert, daß Vischer von der heilsgeschichtlichen Notwendigkeit des Kreuzes ausging, das heißt, daß die Juden „gerade mit ihrem Nein alle Worte wahrgemacht haben, die ihnen Gott gegeben hat, die mit ihrem Dasein verbunden sind"208. Wenn Vischer das Verhalten der Juden als eine Frömmigkeit beschreibe, die nicht anders kann, als die unverdiente Gnade Gottes abzulehnen, so spiegele sich darin „die typische antisemitische Charakterisierung des Juden wider, wenn er die jüdische Frömmigkeit als menschliche und damit als selbstgerechte Frömmigkeit beschreibt. Die nahezu klassischen Vorurteile werden zur Begründung der theologischen Aussage herangezogen, daß Gott an den Juden, weil sie seine Gnade verachten, ,ein ganz eigenartiges und beispielhaftes Gericht (vollzieht)'".209 Was den Vergleichspunkt für „typisch" und „klassisch" bildet, wird nicht gesagt. Wie aber kann Vischers Theologie als „christliche Variante des Antisemitismus" und als „außerordentlich anachronistisch"210 bezeichnet werden, wenn er die jüdische Frömmigkeit und das Handeln Gottes an Israel in Gericht und Gnade als paradigmatisch für das Verhalten aller Menschen ansieht? Offenbar stehen ungenannte philosemitische Maßstäbe im Hintergrund: etwa die Ansicht, Juden trügen am Kreuzestod Jesu keine Mitschuld bzw. die Meinung, man müsse sie davon freisprechen, um eine politisch-soziale Versöhnung mit ihnen zu erleichtern.211 206 „Ein Wörtlein kann ihn fällen": dem Teufel ist jedes Wort der Schrift zuwider, weil jedes ein Christusträger ist. 207 Siehe oben S. 114 ff. 208 Wir Christen und die Juden, 1939, 19; Wir Christen und die Juden, 1942, 5. 209 S C H R O V E N , Christologische Auslegung, 2 1 3 , wohl in Anlehnung an E . S T E G E M A N N , Sinn, 37. 210 E . S T E G E M A N N a . a . O . ; K Ä S E R - L E I S I B A C H , Stimmen, 1 1 3 . 1 1 6 . 211 Populär: W. S T E G E M A N N , Justizirrtum. - Die Motivation beim chrisdichen Verständnis
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
Schroven trennt d e n V o r g a n g des Verstehens d e r Schrift v o n ihrer geistlichen
Wirkung,
das
heißt
die
Verstehensbemühung
richtet
sich
( m e n s c h l i c h e ) B u c h s t a b e n u n d T e x t e statt a u f G o t t als R i c h t e r u n d
auf Sub-
j e k t 2 1 2 , s o w i e a u f d e n E x e g e t e n - u n d m i t i h m alle M e n s c h e n , d i e J u d e n eingeschlossen
-
als G e r i c h t e t e u n d O b j e k t . V e r f ä h r t m a n s o , fällt
E i n h e i t d e r Schrift in i h r e m g ö t t l i c h e n S u b j e k t d a h i n ; w e c h s e l n d e logumena werden
d a n n als „ M i t t e " ,
die
Theo-
a n d e r e als „ R a n d " d e r S c h r i f t
be-
s t i m m t . D a s V e r h ä l t n i s d e r T e s t a m e n t e w i r d d a n n als h o c h k o m p l e x e s V e r hältnis z w e i e r T e x t s a m m l u n g e n betrachtet, w a s die theologische R e f l e x i o n dieses Verhältnisses i m m e r w i e d e r in d a s Raster geistesgeschichtlicher B e stimmungen drängt213 o d e r eine Sachkritik a m Alten T e s t a m e n t religionsgeschichtlich damit begründen kann, d a ß das Alte T e s t a m e n t nicht nur ein Christuszeugnis, sondern auch die Stimme des Verräters Judas vernehmbar m a c h e u n d insofern eine G e f a h r für d i e christliche K i r c h e darstelle.214 Luther d a g e g e n k o n n t e v o n d e n T e s t a m e n t e n s o sprechen, d a ß mitunter die Zeitfolge der beiden Bücher g a n z a u f g e h o b e n war. D i e T e s t a m e n t e standen ihm nicht als T e x t k o r p o r a , sondern als Repräsentanten des Alten und N e u e n B u n d e s v o r Augen. V o n A n f a n g der W e l t w a r ihm das N e u e T e s t a m e n t verheißen und in Christus gänzlich erfüllt. M o s e w a r für Luther Abbild des testamentum aeternum. 2 1 5 Luther g i n g sogar s o weit, d a ß er an d e n Stellen, w o keine Person der G o t t h e i t v o n einer anderen unterschieden w e r d e n kann, zunächst Jesus Christus a n z u n e h m e n forderte. 2 1 6 Eine derart w e i t g e h e n d e Bestimmung hätte Vischer z w a r w o h l nicht formuliert und geteilt, aber in der G r u n d l a g e , d a ß die altte-
des Judentums liegt heute im Bedürfnis nach einer theologischen Verarbeitung bzw. Kompensation des Holocaust. Dieser gewinnt dabei zunehmend heilsgeschichtliche Bedeutung (auch auf jüdischer Seite, vgl. EUE WIESEL [THOMA, Theologische Beziehungen, 78 f.]). Einer derartigen geschichtsphilosophischen Spekulation wäre Vischer mit dem Hinweis auf Eph 2 begegnet: Die Versöhnung von Christen und Juden ist Gottes Werk in Christus nicht unseres. Christen gehen als mit Gott Versöhnte auf Juden zu und laden zu diesem Frieden ein (2. Kor 5,20). Hierin könnte man viel von Vischer lernen, wenn man sich nicht mit der Kritik an seiner Sprache oder an Sätzen aufhalten würde, die ebenso in Römer 11 zu finden sind (SCHROVEN a. a. O. 212 f.). Vgl.: Eine auf die Bibel gegründete Stellungnahme zum neuen Staat Israel, 1970, 355: „So falsch es ist, sie (die Juden, S. F.) als ,Gottesmörder' allein mit der Schuld am T o d Jesu belasten zu wollen, so falsch ist es, sie entlasten zu wollen. Das ist eine begreifliche, aber allzu menschliche Liebe zu den Juden. W e r dies tut, entleert das Kreuz Christi und entzieht den Juden das Heil, das ihnen und uns im T o d e Jesu geschenkt ist." 212
Begriff bei Vischer: D e r Inhalt der Verkündigung, 1941, 12. Vgl. EICHRODT, Theologie des Alten Testaments I, 1933, 4. 214 ALTHAUS, Wahrheit I, '1947: 241 f./ 4 1958: 202 f.; HESSE, Gegenwärtige Dogmatik, 15. 215 BORNKAMM, Luther und AT, 69. 216 Von den letzten Worten Davids, in: WA 54, 86, 20 ff.: ein Beispiel sei Jes 50,1.5 f., wo Christus nicht nur nach seiner Gottheit, sondern auch nach seiner Menschheit spreche (mit Berufung auf LYRA). - Auf die Aussagen der götdichen Personen sei zu achten, die sie von einander zu unterscheiden lehren. 213
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stamentliche Geschichte eine Geschichte der Erwartung und der Gegenwart des Messias Jesus ist, stimmten beide völlig überein. Mit der Bestimmung der Einheit und Mitte der Schrift in ihrem göttlichen Subjekt ergibt sich nach Vischer ihre Suffizienz: Die Heilige Schrift ist heilsgenügsam, weil uns alle ihre Teile zu Gott führen. Es genügt, sich an sie zu halten, ohne zu spekulieren 217 . Wenn aber alle Schriften beider Testamente die gleiche Botschaft vom einen Heiland künden 218 , ist zu fragen, warum die Schrift so viele und so verschiedenartige Texte enthält. Sprechen nicht die Vielzahl und die räumliche wie zeitliche Entfernung der biblischen Autoren voneinander gegen die Einheit ihrer Botschaft? Vischers Zielrichtung war der Nachweis, daß das ganze Alte Testament zur Christuserkenntnis notwendig ist.219 Dies konkretisiert er mit seiner summarischen Formel vom „Was" und „Wer" des Christus als Hauptaussagen der Testamente: „Das Alte Testament sagt, was der Christus ist, das Neue wer er ist, und zwar so, daß deutlich wird: nur der kennt Jesus, der ihn als den Christus erkennt, und nur der weiß, was der Christus ist, der weiß, daß er Jesus ist So deuten die beiden Testamente, von Einem Geiste durchhaucht, gegenseitig aufeinander, ,und ist kein Wort im Neuen Testament, das nicht hinter sich sähe in das Alte, darinnen es zuvor verkündigt ist', wie auch alle Worte des Alten Testaments über sich selbst hinausweisen in das Neue auf den Einen hin, in dem allein sie wahr sind."220 Vischer setzte dies alles axiomatisch voraus und ging weiter zur Ausführung: Er meinte beweisen zu können, daß eine „ehrliche philologische Exegese" des Alten Testaments „irgendwie" auf Christus stoßen müsse 221 . 217
Esther 1937, 27 f. KARL BARTH, K D 1/2, 807 f.: „Die Bibel sagt wohl vielerlei; sie sagt aber in allem Vielerlei nur Eines, eben dieses Eine: den Namen Jesus Christus, verhüllt unter dem Namen Israel im Alten, enthüllt als sein eigener Name im Neuen Testament, das darum nur als Kommentar zum Alten Testament so verstanden werden kann, wie es sich selbst verstanden hat. Die Bibel wird da klar, wo es klar wird, daß sie dieses Eine sagt: daß sie den Namen Jesus Christus verkündigt und damit Gott in seinem Reichtum und seiner Milde, den Menschen aber in seiner Bedürftigkeit und Hilflosigkeit, lebend von dem, was Gottes Milde ihm geschenkt hat und schenken will. Die Bibel bleibt uns da dunkel, wo wir jenen beherrschenden Namen in ihr nicht hören, wo wir also Gott und den Menschen in einem anderen Verhältnis als in dem in diesem Namen ein für allemal geordneten wahrzunehmen meinen." 218
219 Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 395. Das „ganze Alte Testament" meinte Vischer im Sinne des masoretischen Kanons (Der Prediger Salomo, 1926, 63; Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 22). 220 Christuszeugnis I, 7 f. (Vischer zitiert WA 10, I, 1, 181 f.); vgl. Zur Judenfrage, 1933,
62. 221 Christuszeugnis I, 33/Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 40 f.; vgl. BORNKAMM, Luther und AT, 82. 89; LUTHER, Von den letzten Worten Davids, in: WA 54, 85, 1 ff.: „Wir aber haben Mosen, daß seine wort ungezwungen, natürlicher art der sprachen,
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
„Ehrlich und philologisch" hieß dabei, was mehrfach mißverstanden wurde, nicht: mit der Vernunft des natürlichen Menschen (in Abgrenzung zur „pneumatischen Exegese"), sondern Bibelwissenschaft unter biblischen Vorgaben.222 „Kann geschichtliche Betrachtung anerkennen, daß Christus das Telos des alten Testaments ist? Muß sie nicht bewußt absehen von Christus, und das alte Testament zunächst einmal ganz ,profan' wie irgendeine andere Urkunde aus sich selber zu verstehen suchen? - Wir antworten: Als Christen können wir, auch wenn wir Geschichtsforschung treiben, auf keinen Fall von Christus absehen. Denn für uns ist Christus der feste Punkt in der Geschichte."223 Der Schriftbeweis sei demnach nur für Christen evident und stelle den Nichtchristen in die Entscheidung des Glaubens. Das Neue Testament zeige immer wieder, daß der von Jesus und den Aposteln geführte Schriftbeweis Ungläubige nicht rational von der messianischen Identität Jesu überzeugt; zur metanoia brauche jeder den Heiligen Geist.224 An dieser Stelle kann abschließend eine kritische Frage an Vischer gerichtet werden, ohne die in 3.2.2 erfolgende Kritik vorwegzunehmen. D. L. Baker urteilt über Vischers Begriff der Gleichzeitigkeit mit Christus225:
so hertzlich und lieblich fein stimmen mit dem newen Testament. Und ob er wol mus das halstarrige böse Volck seiner zeit regiren im alten Testament, So weissagt er doch daneben gewaltiglich von Jesu Christo, unserm HErrn, das er ein warhafftiger Mensch und mit dem Vater und Heiligem geist in unterschiedlich person ein Einiger warhafftiger Gott sey, der alles thut, was der H E R R t h u t Wolan, gleube ein jder fur sich, was er will: Ich gleube und weis fur war, das ich und alle Christen Mosen fur uns haben, und daß er ein rechter Christen, ja ein Lerer der Christen ist. Schadet nicht, daß er dazumal noch in der Kappen steckt, und im alten Testament gekleidet daher gehet, als sey er nicht ein Christ, gleichwie ein fromer Münch . . . daher gehet, Aber doch in seinem glauben ein rechter ernstlicher Christen ist, der nicht auff sein Kappen noch Orden wie der andere Hauffe bawet, pochet und trotzet, Sonder allein auf die gnade Jhesu Christi, wie er selbs offt zeuget." 222 Vgl. NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 154; SCHWARZWÄLLER, Verhältnis, 282, vgl. 284. - Vgl. BARTH, K D 1/2,79: „Wir können also zur Begründung des Satzes, daß im Alten Testament Offenbarung stattfinde, letztlich und grundsätzlich auf keine andere Instanz verweisen als auf die Offenbarung selbst, d. h. aber auf Jesus Christus selber. Sein Kreuzestod beweist, daß jener Satz wahr ist, und er beweist es durch die Kraft seiner Auferstehung. Ist der Satz wahr, so ist er es darum, weil Jesus Christus als der Erwartete tatsächlich auch im Alten Testament offenbar ist Alle Versuche zu zeigen, inwiefern er es ist, können nur Erklärungen dieses in sich begründeten, weil sich selbst begründenden Faktums sein wollen. Sie werden aber, gerade wenn sie wirklich theologische Erklärungen sind, keine Begründungen, keine selbständigen Beweise sein wollen." 223 Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 383. Vischer hätte als historischen Beleg das Fehlen jeder christlichen Redaktionstätigkeit (abgesehen von der Anordnung der Bücher) am Alten Testament anführen können (vgl. CHILDS, Theologie I, 98 f.). 224 A propos de la conference de RRendtorff, 1982, 77. 225 Der Begriff kehrt bei anderen Theologen in verschiedenen Nuancen wieder; zur Gleichzeitigkeit bei KARL BARTH vgl. K D 1/2, 795: „Jeder Vers in der Bibel ist virtuell ein konkretes Glaubensereignis meines eigenen Lebens." A. a. O. 826: „Aneignung heißt, weil das Wort Gottes
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„Vischer is in danger of obscuring the dynamic nature of divine revelation in the biblical documents by abstracting it into timelessness."226 Dies gelte ζ. Β., wenn Vischer (mit den Reformatoren) behaupte, das Heil sei im Alten Bund dasselbe wie im Neuen. Vischer übersehe hier den fundamen-
uns in der Gestalt des Schriftwortes begegnet: Gleichzeitigkeit und Kongenialität und indirekte Identifikation des Lesers und Hörers der Schrift mit dem Zeugen der Offenbarung. Aneignung heißt: Übernahme des Zeugnisses in eigene Verantwortung" (S. 830 fast identisch; vgl. K D 1/1, 153). Vgl. MLSKOTTE, Götter schweigen, 141 f.; MILDENBERGER, Randbemerkungen: „Solche Geschichte spiegelt aber zugleich die Betroffenheit dessen wider, der sie erzählt. Die Geschichte, in der sich die Bibel für meine Auffassung als Einheit organisiert, ist meine Geschichte, unsere Geschichte" (a.a.O. 31). Dann, nach (erneutem) Hinweis auf VON HOFMANN: „Wir lassen uns vielmehr dazu ermuntern, in der Biblischen Geschichte unsere Geschichte zu finden. Daß hier unsere Sache verhandelt wird, das ist der tröstliche Zuspruch des Evangeliums. Es soll aber als solcher Zuspruch zugleich unsere Erfahrung werden. Dazu kann an die lutherische Tradition erinnert werden, die Heilserfahrung durch Gesetz und Evangelium, die Uberführung des Menschen von seiner Sündhaftigkeit und den Trost des Evangeliums von der Rechtfertigung des Sünders bestimmt" (a.a.O. 31). „Die gespannte Zuordnung von Altem und Neuem Testament läßt sich gerade so in der Bestimmtheit des uns von Gott her Widerfahrenden als Gericht und Gnade auch in unserer Erfahrung festmachen" (32). Vgl. DOERNE, Predigt, 20: „Sondern der große Weg der Heilsgeschichte, den Gott von Mose über die Propheten zu Jesus Christus hin gegangen ist, er wiederholt und individualisiert sich immer neu in der Geschichte der Kirche und der Einzelnen. Die Christenheit ,ist' nicht mehr unter Mose - aber sie muß immer wieder durch Mose hindurch." Ganz anders BULTMANN (Bedeutung; hier nach BAUMGARTNER, Auslegung, 203): „Der wesenhafte Zusammenhang des Alten Testaments liegt weder in der messianischen Hoffnung, die wesendich politischer Natur ist, noch in der israelitischen Heilsgeschichte, die doch eben nicht unsere ist, sondern darin, dass das ,Selbstverständnis' des Menschen in seiner Zeitlichkeit, die Erfassung des menschlichen Daseins vor Gottes Angesicht, die Erkenntnis der eigenen Kreatürlichkeit (Jes. 6) und Sünde, wie wiederum der göttlichen Gnade (Ps. 51) der Auffassung des Neuen Testaments nahekommt, vereinzelt auch ihre Höhe erreicht. - Damit dürfte bei Bultmann ebenso wie bei v. Rad dem Berechtigten an der Klage über den ,Historismus' der kritischen Exegese Rechnung getragen sein." BAUMGARTNER spielt auf BULTMANN, Bedeutung, 333 an: „ . . . für den chrisdichen Glauben ist das Alte Testament nicht mehr Offenbarung, wie es das für die Juden war und ist. Wer in der Kirche steht, für den ist Geschichte Israels vergangen und abgetan. Die christliche Verkündigung kann und darf die Hörer nicht daran erinnern, daß Gott ihre Väter aus Ägyptenland geführt hat, daß er das Volk einst in die Gefangenschaft führte und wieder zurückbrachte in das Land der Verheißung, daß er Jerusalem und den Tempel neu erbaute usw. Israels Geschichte ist nicht unsere Geschichte, und sofern Gott in jener Geschichte gnädig gewaltet hat, gilt diese Gnade nicht uns. Gerade deshalb ist es ja auch möglich, das Alte Testament vom christlichen Blickpunkt aus als Gesetz zu bezeichnen; von seinem eigenen Blickpunkt aus ist es ebensogut Gesetz und Evangelium." - BULTMANNS Sicht vom Alten Testament hatte sich auch in seinem Kommentar zum Johannes-Evangelium ausgedehnt; bei dessen Gestaltung habe es keine große Rolle gespielt. Dies war einer der umstrittensten Kennzeichen seines Kommentars. 226 Two Testaments, 227, mit weiterer Literatur. Obwohl von ganz anderem Punkt ausgegangen, sei Vischer hier BULTMANN verwandt. - Vgl. Eine auf die Bibel gegründete Stellungnahme zum neuen Staat Israel, 1970, 356: „Erstens ist Gott frei, etwas zu verwirklichen, was er nicht vorhergesagt hat; und zum andern ereignet sich die biblische Geschichte zu jeder Zeit in der menschlichen und irdischen Wirklichkeit."
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
talen Unterschied, „that in the New Testament Jesus has come and brought blessings, including eternal life, unknown or unexpected in the Old Testament .. ,"227 Hat Baker recht? Vischer sieht den Unterschied der Testamente im Anschluß an Calvin: Zu verschiedenen Zeiten mußte das Wort Gottes verschieden ausgerichtet werden; seine Wirkung war aber immer die gleiche, denn jedes der Zeugnisse wies über sich hinaus auf den einen Mittler. Insofern spricht Vischer von der Identität des Glaubens. In Hebr 11 werden Gläubige gerade vom Anfang der Heilsgeschichte als Prototypen unseres Glaubens dargestellt.228 Der Hebräerbrief zeigt: wohl wurde der Glaube im Alten Bund auf andere, nämlich vergängliche Weise („Schatten") vermittelt als im Neuen Bund. Doch der Glaube ist der gleiche, weil auf den gleichen, den dreieinigen Gott gerichtet. Der Reichtum, auf den das Gottesvolk auch des Alten Bundes ausgerichtet war bzw. werden sollte, war - die Schmach Christi.229 Nach dem Hebräerbrief liegt also in beiden Testamenten die gleiche Hoffnung \or (vgl. Hebr 11,13-16). Das Neue Testament hebt die alttestamentliche Hoffnung nicht auf, ja sie schwächt sie nicht einmal ab.230 Aus der Identität von Glaube und Hoffnung (vgl. l.Petr 1,25) folgt im Sinne Vischers nicht, daß auch die gebotene Gestalt der Liebe die gleiche war: zwar ist die Liebe des Gesetzes Erfüllung, was im Neuen Testament mit Berufung auf das Alte bezeugt wird (Rom 13,10; Mt 22,34-40 par; Joh 13,33 f.). Aber das neutestamentliche Gottesvolk hat nicht mehr den Auftrag, mit der Gewalt irdischer Waffen ein irdisches Reich gegen die Feinde durchzusetzen, sondern diese mit geistgeschenkter Feindesliebe zu gewinnen (Mt 5,43-48; Rom 12,17-21).
2.4.2 Das Erwachsen des
Christuszeugnisses
Viele Arbeiten Vischers zeigen einen vergleichbaren Aufbau. Am Beginn steht eine z.T. trockene philologische Exegese und/oder historische und geographische231 Arbeit. Der Ubergang zum „Christuszeugnis" vollzieht sich bisweilen schleichend, aber nicht unorganisch.232 Damit wird nicht die 227
BAKER a. a. O .
228
V g l . RAYBURN, C o n t r a s t , 5 0 2 .
229
V g l . H e b r 1 1 , 2 6 ; z u r Stelle HANSON, J e s u s in O T ,
230
72-75.
Vgl. Rom 8,24; Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 19. 231 Bes. in Christuszeugnis II; auch in Die evangelische Gemeindeordnung, 1946, 7-9; Notes sur le culte de l'Ancienne Alliance, 1963, 289-297, das Christuszeugnis dann S. 297 f. 232 Vgl. das Urteil von WESTERMANN, EdF 7, 46: Vischer „setzt wie die meisten Exegeten voraus, daß die Gleichsetzung Kains mit den Kenitern erwiesen sei; er setzt dieser kollektiven Deutung einen massiven theologischen Uberbau auf, in dem er von der Erzählungslehre [sie] her zu der rabbinischen Erklärung von dem Frevler Kain und dem gottgefälligen Abel zurückkehrt, der nach den Reformatoren sola fide geopfert hat."
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hermeneutische Einleitung von „Christuszeugnis I" widerlegt, sondern die Konsequenz aus dem Satz gezogen, daß eine „ehrliche Exegese" auf Christus im Alten Testament stoßen muß233. In Esther (1937) beginnt er mit dem durch Gunkel repräsentierten Stand der Exegese (Ungeschichtlichkeit der Esthererzählung), ohne kritisch darauf zurückzukommen. Vielmehr wird nach dem Christuszeugnis des Estherbuches gefragt und dieses aus der Anstößigkeit der Juden für die Welt expliziert.234 Vischer kann auch mit einer theologischen Besinnung beginnen. So geht er in „Das Alte Testament und die Geschichte" von der Parallele zwischen der Geschichtlichkeit des Alten Testaments und der Fleischwerdung des Wortes hinsichtlich deren Anstößigkeit aus. Der erste Band des „Christuszeugnisses" beginnt mit einer Auslegung des Doppelnamens Jesus Christus . Die Bände von Vischers Christuszeugnis bilden keinen fortlaufenden Kommentar 235 , sondern bieten in der Regel eine Nacherzählung mit Hinweisen auf Besonderheiten. Vischer versucht nicht, das „Christuszeugnis" aus einzelnen Versen236 zu erheben, die diesen Sinn auch abgesehen von ihrem Kontext erhielten.237 Vielmehr erwächst das „ Christuszeugnis" aus der Nacherzählung der Berichte selbst.m Die Nacherzählung wird so gestaltet, daß der biblische Geschehensbericht zunehmend transparent, „durchsichtig" wird auf Christus hin, in dem das Alte Testament seine Einheit hat. Die derartige Transparenz trennt Vischer von anderen Versuchen einer „Nacherzählung" in der alttestamentlichen Theologie: Bei von Rad239 wird die Nacherzählung als Methode der alttestamentlichen Theologie damit 233 Christuszeugnis I, 33 ( = Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 40). Vgl. Calvin, exegete de l'Ancien Testament, 1965, 229. 234 „Schon eine schöne Erkenntnis eigentlich, die uns da vermittelt wird durch die Literarkritik: drei Berichte über den Bund. Wir können es nicht lassen, sofort an den Neuen Bund zu denken, wo diese drei Elemente wieder beisammen sind . . . " (Wie predigen wir über das Alte Testament heute?, 1960, 17). 235
Zu BARTHS Bedauern: Br. vom 29.2.1948 an Vischer.
236
Notes sur le culte de l'Ancienne Alliance, 1963: Vischer bezieht nicht Einzelheiten des alttestamendichen Tempelkultes auf Christus, sondern fragt nach „le sens du culte" im ganzen: Dieser ziele auf die Vergebung Gottes, die die Gemeinschaft zwischen Gott und Volk und innerhalb des Volkes wiederherstellt und erhält. Der Kult bewirke dies nicht selbst; er sei „Symbole" (a. a. O. 292. 297) oder „signe" (293) der Vergebung, die Gott allein bewirkt - durch Jesus Christus (298). Wir lernen aus dem alttestamentlichen Kult, wie teuer Gott die Gnade ist (ebd.). 237
238
Christuszeugnis I, 199; BRUPPACHER, Rez., 339.
Dies entspricht BARTHS Auffassung (BÄCHLI, AT in KD, 180 Anm. 23: Der Gesamtablauf der Geschichte Israel ziele auf Jesus Christus), ebenso den lutherischen Bekenntnisschriften (WOLF, Verhältnis, 85) sowie der Methode von HELLBARDT (König), nicht aber dem Begriff der Nacherzählung bei GERHARD VON RAD. - Ein Beispiel für eine ausführliche Nacherzählung liegt auch in Esther, 1937, 3-10 vor. 239 Vgl. unten Teil 2.5.4.
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begründet, daß dies allein der Vielfalt des Alten Testaments gerecht würde, die nicht in dogmatische Kategorien eingeteilt werden könne.240 Bei Rendtorff wird ebenfalls nacherzählt241, aber zur Transparenz im organischen Erwachsen des Christuszeugnisses wie bei Vischer darf es nicht kommen, weil dann die Legitimität der Doppelheit der Nachgeschichte des Alten Testaments nicht mehr gewahrt wäre.242 Werden in Überschriften einzelne Verse angegeben („2.M. 3,13.14; 4,24-26" etc.243), so ist dies als Hinweis auf den Skopus einzelner Geschichten zu sehen, nicht darauf, daß speziell in diesen Versen ein Christuszeugnis liege, in den anderen Versen dagegen ein nur historisch zeitbezogener bzw. einmaliger Sinn. Angesichts der Kürze der Behandlung etwa der Bücher Ex bis Dtn im ersten Band könnte jedoch der umgekehrte Eindruck entstehen. Vischer hat bei der Abfassung in Bethel - in der unruhigen Zeit der Angriffe gegen seine Person und Theologie - entweder nicht mehr genug Muße gehabt244 oder er fürchtete die Länge des Buches, wenn er so weiterfahren würde wie bis dahin. Er ging offenbar davon aus, in der Exegese der Urgeschichte seine Methode genügend exemplifiziert zu haben und sich dann kürzer fassen zu können. Eine Rolle spielte wohl auch, daß zu den biblischen Büchern ab Exodus kein Äquivalent zu Luthers Genesis-Vorlesung mehr zur Verfügung stand. (Gerade deshalb aber ist seine Kürze hierzu zu bedauern!245) Als Beispiel für das Erwachsen des Christuszeugnisses aus dem Nachbedenken des Textgewebes möchte ich die Auslegung des ersten Schöpfungsberichts wiedergeben; dann reflektiere ich noch ein Beispiel aus dem zweiten Band des „Christuszeugnisses". Zu Vischers kurzen einleitenden Bemerkungen über Gen 1-2 gehören zwei Seiten über die Pentateuchquellen246 und vier über die Frage von Geschichte und Mythus. Der Begriff Mythus schließe die Geschichtlichkeit nicht notwendig aus; im Sinne Rankes könne er auch durch „Mär" ersetzt werden. Die Einzelauslegung reflektiert zunächst die Zweiheit von Gott und Welt und den Charakter des göttlichen Schaffens ex nihilo247 bzw. durchs Wort248. Das göttliche Sprechen „ist der stärkste Ausdruck dafür, daß er 240 241 242 243 244
VON RAD, Theologie I, 134 f. RENDTORFF, Hermeneutik. Vgl. RENDTORFF, Wege, 435 f. 439. 443; ders., Rettung, 93. Christuszeugnis I, 208. 210. Ein Zeitproblem hat er wohl nicht gehabt, weil er von seinem Lehrauftrag entbunden
war. 245 246 247 248
Vgl. oben zur annee sabbatique S. 142. Christuszeugnis I, 45 f. A. a. O. 52. A. a. O. 53.
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nicht allein sein will", denn er will von jemand gehört werden.249 Durch das Wort „Es werde Licht!" entsteht die Wirklichkeit, die sogleich als eine gute, gottgewollte erkennbar wird. „Licht ist das lebendige Leben. Aber dies alles vor Gott, als Augenblick seiner Liebe und im Anschauen seiner Herrlichkeit, von ihm und durch ihn und zu ihm: ,Herr, bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht' (Ps. 36,10)." Der Begriff „Liebe" wird im priesterlichen Bericht nicht benutzt; der Bau der Welt wird als Tempel gezeichnet, weshalb das „Es werde Licht!" nicht heißt: „,Seht das Licht und seid eine kleine Weile fröhlich in ihm!', sondern: ,Seht mich!'"250 Das Licht ist demnach, gerade in Absicherung „gegen jede Art spekulativer Umdeutung . . . ,die Klarheit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi' (2. Kor. 4,6). Himmel und Erde sind der Schauplatz dieser Klarheit, ,des Glanzes seiner Herrlichkeit' (Hebr. 1,3) . . . Doch gewiß immer so, daß das Licht, durch das er sich offenbart, zugleich der Mantel ist, in den er sich hüllt (Ps. 104,2)... Nur ,durch den Glauben', und das heißt nach neutestamentlichen Sprachgebrauch durch den Glauben an Jesus Christus, merken wir, daß die Welt durch Gottes Wort fertig ist (Hebr. 11,3), und nur durch den Glauben an Jesus Christus kann ,Gottes unsichtbares Wesen (und das eben ist seine ewige Kraft und Gottheit!) von der Erschaffung der Welt her an seinen Werken einsichtig geschaut werden' (Rom 1,20)."251 Auch in den folgenden Teilen sucht Vischer nicht sofort mit dem Ergebnis eines schon fertigen Christuszeugnis in den Text zu springen: Die Reflexion der Struktur der Schöpfungstage führt auf den Sabbat als Ziel aller Werke; in ihm haben alle Geschöpfe die ihnen je zugeteilte Rolle auszuführen. An der Spitze der Hierarchie steht der Mensch252, der als Auge am Gesamtkörper der Schöpfung fungiert (mit Verweis auf Mt 6,22 f.): „In dem ,Es werde Licht!' ist der Sinn der Schöpfung ausgesprochen: ,Seht mich!' Das Licht ist nichts ohne ein Auge, und ein Auge ist nichts ohne das Licht."253 Dabei bleibt die „Kraft des Schauens wirklich Gottes eigene Kraft" und Eigentum und wird nicht zu einer Eigenschaft von uns. Analog verfügen wir nicht über die Gottebenbildlichkeit, diese ist „eine im strengsten Sinn immer erst ,zukommende', nämlich im Ereignis der Offenbarung ihm zukommende, nicht als Erfüllung, sondern als Verheißung" (!).254 Der Sinn der Schöpfung ist die Gotteskindschaft. 255 24
' A. a. O. A.a.O. 251 A. a. O. 252 A.a.O. 253 A. a. Ο. 250
54. 55. 56. 59f. 60; vgl. La science des pretres et la science des sages, 1959, 3 f. (auch zu Gen
1). 254 255
Christuszeugnis I, 61 mit Berufung auf BARTH. A. a. O. 62.
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Eine Beziehung auf Jesus Christus würde sich bereits hier anbieten; sie wird aber erst im folgenden Gedankengang, vermittelt über die Frage des Weltbildes (also der geschichtlichen Bedingtheit des Berichts), hergestellt: in den „Windeln" der menschlich beschränkten Worte dieses Textes liege Christus. 256 Man müsse das erste Kapitel der Bibel trotz heute anderem Weltbild „ernstnehmen . . . als Grundriß der von Gott gesetzten Ordnung . . . Was in dieser Urkunde mitgeteilt wird . . . als die Gottesdienstordnung, zu der das gesamte heilige Heer des Himmels und der Erde bestellt ist . . . , daran darf nicht gerüttelt werden, wenn nicht die ganze biblische Botschaft in ihren Grundfesten erschüttert werden soll. Denn alles, was in diesem Kapitel
steht, ist Christusverkündigung.
, H i e r in M o s e h a b e n w i r die
recht güldene Fundgrube, daraus genommen ist alles, was im Neuen Testament von der Gottheit Christi geschrieben ist'" (Luther).257 Jesus Christus sei in Bezug auf Gen 1 bzw. auf die Schöpfung nicht eine Frucht, sondern ihre Wurzel, ihr Sinn, ihre Wahrheit: „Er ist das Wort, das im Anfang war, das bei Gott und von Art Gott war. . . . Das in Ewigkeit geführte Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn ist der Grund und Sinn der Schöpfung." 258 An Joh 1,14.18; Mt 11,27 erinnernd schließt die Auslegung von Gen 1: „In ihm allein gibt es für uns die Erkenntnis und den Glauben an Gott den Vater, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde. In ihm, aber auch nur in ihm ist wahr, was im ersten Kapitel der Bibel geschrieben steht."259 Vischer exerziert, wie das Neue Testament als Grundlage alttestamentlicher Exegese fungiert. Dies wird dort besonders interessant, wo sich im Nachzeichnen zwischentestamentlicher Strukturähnlichkeiten Unterschiede ergeben. Als Beispiel dazu sei ein Abschnitt aus dem zweiten Band, die Auslegung des salomonischen Urteils ( l . K ö n 3,16-28) referiert 260 : Nur dieses eine Urteil legitimiere Salomo als den König, dem Gott die Gottesweisheit verliehen hat, und habe daher für ihn die gleiche Bedeutung wie der Schilfmeerdurchzug für Mose oder die Jordanüberquerung für Josua.261 Angesichts der großen Zahl von 22 religionsgeschichtlichen Parallelen stelle sich aber die Frage, ob die Erzählung überhaupt historisch ist. Doch weil diese Erzählung das einzige biblische Beispiel für die Weisheit Salomos gebe, sei erst recht „nachzudenken, was gerade dieses Urteil an dieser Stelle der heiligen Schrift sagen will."262 Die Frage nach der 256
A . a . O . 63. A . a . O . 64 (Hervorh. S. F.; Zitat aus Kirchenpostille 1522, WA 10, I, 1, 185, 7 - 9 [bei Vischer falsche Angabe]; vgl. Kontext). 258 A . a . O . 65, folgt Zitat von H e b r 1,1 f.; Kol 1,15-17; 2. Kor 4,4-6. 259 A. a. O. 66. 260 Christuszeugnis II, 290-298. 261 A. a. O. 291 f. 262 A. a. O. 292. 257
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Historizität könne unbeantwortet bleiben; wichtig sei, daß klar dasteht, was böse und gut ist; offen lasse der Text zunächst, wer es ist. Salomo wende für sein Gottesurteil folgenden Grundsatz an: „An der Mütterlichkeit gibt sich die wahre Mutter zu erkennen, und die Mütterlichkeit wird dadurch eindeutig ans Licht gebracht, daß das Kind ans Schwert geliefert wird." 263 „Wenn die Entscheidung dieses Falles das Beispiel d a f ü r ist, wie der Sohn Davids das Volk des Herrn richtet, wenn darum auf Grund dieses einen Urteils ganz Israel sich fürchtet vor dem Angesicht des Königs, so ist diesem Beispiel zu entnehmen, daß das Gericht des Davidssohnes ans Licht bringt, wer im Verborgenen das wahre Israel ist und wer im Verborgenen das falsche Israel ist. Salomo ist auf dem T h r o n e Davids der Repräsentant des Regnum Gloriae . . . Seine Regierung kann allerdings nur den Schatten zeigen, den dieses Reich vorauswirft auf die Erde. D i e ganze Darstellung des salomonischen Reiches im ersten Buch der K ö n i g e ist also nicht mehr aber auch nicht weniger als der Schattenriß des Reiches der Herrlichkeit." 2 6 4
Die Entscheidung, wer das rechte Israel ist, falle in der alttestamentlichen Geschichte noch nicht. Aber sie sei von Hoffnung darauf geprägt: „So ist die ganze Geschichte Israels nichts anderes als ein Leib, der guter Hoffnung ist und der Geburt des einen Sohnes, dem alle Verheißungen gelten, entgegenharrt. Wenn er geboren wird, dann ist Israels Stunde gekommen. Dann aber wird offenbar, wer das wahre Israel ist"265 - aber auf ganz andere Weise, als nach dem salomonischen Beispiel zu erwarten wäre: „Der Richter . . . macht wohl den Versuch, das mütterliche Erbarmen Israels zu erregen. Aber soviele Herzen da sind, - es schallt ihm nur eine Stimme entgegen: ,Weder mein noch dein soll er sein. Zerhaut ihn! Kreuzige! Kreuzige!' Daraufhin geschieht, was im salomonischen Urteil nicht geschah und was auch an dem Kinde, gegen das Salomo das Schwert ziehen ließ, so wenig geschehen sollte wie an Isaak, es geschieht das, wodurch das Neue Testament sich vom Alten als das Erfüllende unterscheidet: das Schwert des Richters schlägt den Sohn." 266 „Die wahren Israeliten sind daran zu erkennen, daß ihnen die Botschaft: , Diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, hat Gott zum H E R R N und Christus gemacht', durch das Herz geht (Apg. 2,37). Sie lassen das Todesurteil gelten, das damit über sie ausgesprochen ist. Sie erkennen sich als die Mutter, die das Kind erdrückt hat, und geben es auf, sich durch Lüge zu rechtfertigen. Sie glauben, daß Gott es wieder zum Leben auferweckt hat und wollen nun nicht mehr ihr eigenes, sondern sein Leben. Und eben dieses Israel, 263 264 265 266
A. a. O. 293. A. a. O. 294. A.a.O. 295 (ohne Beziehung auf Joh 19,25-27). Ebd.
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das auf sein Mutterrecht verzichtet, damit das Kind am Leben bleibe, vernimmt das Urteil des Richters: ,Sie ist die Mutter.'"267 Jesus geht den Weg Salomos umgekehrt: „Er legt den Reichtum seiner Herrlichkeit ab und verkleidet sich als der Sohn Davids in unser armes Fleisch und Blut, auf daß wir durch seine Armut reich würden. Und die Stunde, in welcher der Vater den Sohn und der Sohn den Vater verklärt, ist die Stunde, in der er stirbt. Die zukünftige Welt, von der Salomos Reich den Kindern Israel einen Vorgeschmack geben sollte, ist die Königsherrschaft des hingerichteten und auferstandenen Christus. Darum spricht er: , Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. Selig seid ihr, die ihr hier hungert; denn ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr hier weinet, denn ihr werdet lachen.'"268 Das exegetische Referat kann an dieser Stelle enden; weitere Beispiele werden dann im direkten Vergleich mit anderen Exegeten im Teil 2.5 folgen. Hier sind abschließend einige Grundsätze von Vischers Schriftauslegung zu notieren. 1. Nach Vischers Verständnis wird mit dem vor Augen geführten „Christuszeugnis" christologische, nicht aber allegorische Exegese geübt. „ H e meant that the incident was an actual historical manifestation of the presence of Jesus in Solomon's time. "What Vischer meant was that there was, as it were, a Christomorphic substance in the actual life and history of Israel, and this threw up verbal manifestations from time to time"269. „Solomon's decision about dividing the child in two was not a literal event to which one might add the allegorical interpretation of the difference between church and synagogue - his decision was that same difference." 270 2. D a ß das Christuszeugnis aus einer Nacherzählung der Berichte „erwachsen" kann, setzt voraus, daß Christus nicht nur durch einzelne auf ihn hin beziehbare Stellen angezeigt 271 wird - während dies bei anderen 267
A . a . O . 296 mit Hinweis auf BARTH, K D I I / l , 487ff. A. a. O. 310. Der Kontext handelte von der Armut des Volkes unter Salomos Fron. Der Begriff „Vorgeschmack" findet sich auch S. 309. Im „Vorgeschmack" der zukünftigen Welt, den Israel unter Salomo bekommen sollte, sieht Vischer den Sinn der salomonischen Herrschaft (309), was dem Anliegen CALVINS (Inst. II, 10) entspricht; nach CALVIN hatte alttestamendiche Hoffnung nur Sinn als Hoffnung auf das künftige ewige Leben. 269 BARR, Vischer and Allegory, 43 (Hervorh. S. F.). 270 A. a. O. 49. Die gleiche Einschätzung gibt BARR zu Recht für die Auslegung Vischers von Gen 32,23-33: „The operation is not allegorical, but belongs to the naiv realistic historicism of the Reformation" (a. a. O. 50); vgl. Anm. 127 (S. 331). Vischer überhaupt als Allegoriker anzusprechen, ist „no more than the result of momentary superficial judgement" 268
(BARR a . a . O . 271
58)
Wie bei LUTHER: BORNKAMM, Luther und AT, 7; S. 103: Von „diesen Quellen (prophetische Stellen) aus durchtränkt nun für Luther das Evangelium das ganze alttestamentliche Land." Die „ununterbrochene Kette von Aussagen prophetischer Vorschau durch das ganze Alte Testament" (a. a. O. 87) könnte ebenso von Vischer sein: nach Christuszeugnis I, 289 führt eine „einheitliche und gerade Linie des messianischen Zeugnisses" auf die Christus-
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Stellen nicht der Fall wäre sondern durch das Alte Testament in seiner Gesamtheit bzw. durch die ganze alttestamentliche Geschichte272. Prophetisch ist die Geschichte Israels als Ganzes, wie das Alte Testament als ein Ganzes Christuszeugnis ist, nicht bloß in einzelnen, egal wie vielen oder wenigen „messianischen Stellen".273 „,Der Christus' ist eben nicht ein beliebig deutbarer Titel. D e r Christus ist der von Gott selbst gesalbte Priesterkönig des auserwählten Volkes, dessen Ankunft alle Worte des Alten Testaments ankündigen . . . Wir würden uns täuschen, wenn wir meinten, es handle sich dabei um vereinzelte Zitate besonderer ,messianischer' Stellen. Für die neutestamentlichen Schriftsteller ist die heilige Schrift ein Ganzes. Wenn man sie an irgendeiner Stelle berührt, so klingt sie überall an, wie bei einem lebendigen Körper die Berührung an einer Stelle durch das Nervensystem am ganzen Körper spürbar wird. Diese christologische Auslegung des Alten Testaments durch das Evangelium ist keineswegs eine nachträgliche U m deutung jener alten Schriftstücke. Sie allein entspricht vielmehr ihrem ursprünglichen und eigensten Sinn." 274 Im „Hebräerbrief ist die Geschichte des Gottes-
botschaft des Evangeliums; der „Siegeskönig der Endzeit" ist „schon vorher in allen entscheidenden Augenblicken dem Volke Gottes gegenwärtig". 272 Vgl. viele Studien zu einzelnen Stellen (häufig tritt dabei im Titel ein Plural auf): ζ. B. KÖNIG, Weissagungen; HEINISCH (kath.), Erlöser; ders., Weissagungen; SCHENK, Christuszeugnisse; BUSCH, Spuren (Stellen von Gen 3,21 - ohne Protevangelium! - bis Hebr 11,28); vgl. ferner die um die Jahrhundertwende in den USA bekannte „Rainbow-Bible", in der bestimmte alttestamentliche Bezüge zu Jesus Christus farbig gekennzeichnet waren. 273 Christuszeugnis I, 199; Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 32; Est-ce que nous interpretons l'Ancien Testament comme les Juifs?, 1953, 1. Vgl. LUTHER, Von den letzten Worten Davids, in: WA 54, 77, 39 - 78, 7 zu Joh 5,46: „Freilich geschrieben, durch sein ganzes Buch, wo er von Gott redet und von Messia. Item, das wort Joh. 8 [V. 56]: ,Abraham, ewer Vater, ward fro, das er meinen Tag sehen solt, Und er sähe jn und frewet sich.' Wo sah er jnen? In diesem Spruch, da er höret, wie sein Same solle Gott und Mensch sein, der alle Heiden segenen, von Sünden und Tod erlösen, ewiglich, Lebendig, Heilig und selig machen solt", gleich wie droben David l.Paral. 17 [l.Chron. 17 V. 16ff]. Eben die selbige Freude hatte, da jm der selbe Son auch verheissen ward." Auch nach HELLBARDT erschöpft sich das Christuszeugnis des Alten Testaments in den Weissagungen nicht, sondern es ist als Ganzes Verheißung und darum als heilige Schrift zu lesen (Die Auslegung des Alten Testaments als theologische Disziplin, 142; vgl. W. KRAUS, Johannes, 7). 274 Die Bedeutung des Alten Testaments für das chrisdiche Leben, 1938/ 2 1947, 5; WILLI, Erinnerungsheft, 7. „Umdeutung" lehnt Vischer auch G P M 12, 1957/58, 119-123 (zu Ez 34), hier 123 ab. MLSKOTTE, Götter schweigen, 151: „Eine christologische ,Deutung' in dem Sinne von frommer Umdeutung ist unstatthaft; eine Auslegung, die davon ausgeht, daß auch im Alten Testament alles indirekt von Christus, von der Offenbarung, vom Reich Gottes, vom Messias, von dem höchsten Propheten, dem einigen Priester und ewigen König und von seinen Widersachern, von dem zu vollendenden Kultus und dem zu erfüllenden Gebot spricht, ist für den chrisdichen Glauben einfach geboten und kann auch in vieler Hinsicht für jeden Teilnehmer an der Forschung das Wesen der Dinge an den Tag bringen" (mit Berufung auf von Rad). - Vgl. BECKER (kath.), Grundzüge, 127: „Christologische Deutung legt nicht einen Sinn in den Text hinein, sondern legt einen Sinn frei, der als Mysterium im Text beschlossen liegt und nur dem Glauben zugänglich ist."
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volkes dargestellt als ein großer Staffellauf, der von Geschlecht zu Geschlecht durch die Jahrhunderte gelaufen wird. . . . Den Sieg erlangt keiner für sich allein - das ist das Eigentümliche und die Erlebnissteigerung im Staffellauf aber alle siegen miteinander und haben gleichen Anteil am Siege, wenn der Letzte durch das Ziel geht Jesus, er verbürgt, daß dieser ganze Lauf kein Narrenlauf ist. Er ist der Vollender, der ihn zum Ziele führt" (mit Zitat von Hebr 13,7-8). 275 Nach einer längeren Aufzählung messianischer Stellen durch das ganze Alte Testament heißt es: „Die messianische Weissagung ist durchaus nicht auf die sogenannten messianischen Stellen beschränkt. Das Aufrichten des messianischen Thrones im Hause Davidsa ist auch der Blickpunkt des großen Geschiehtswerks, das die Bücher Mose, Josua, Richter, Samuel und Könige umfaßt." 276 Den Grund nannte Vischer schon 1927: Das ganze Alte Testament, nicht nur ein Teil von ihm, ist Gottes Wort; und was Wort Gottes ist, ist Christus bzw. Werkzeug seiner Offenbarung. 277 „ . . . so gewiss liegt in allem, was im Alten Testament aufgezeichnet ist, die Notwendigkeit beschlossen, dass der Christus leiden muss um zu seiner Herrlichkeit einzugehen. Es kommt hier nicht auf einzelne Stellen an: alles im Alten Testament bezeugt dieses Müssen, wie umgekehrt die Decke über dem ganzen Alten Testamente liegt, solange nicht erkannt wird, dass der Christus zum Tode verdammt werden musste. Nur er selbst, der Gekreuzigte und Auferstandene und der heilige Geist, den der Vater auf seine Bitte hin sendet, können die Decke entfernen und die Schrift so öffnen, wie es jene beiden Jünger erfahren haben. Darum sollen wir bitten." 278 3. Sind alle Teile des Alten Testaments Christuszeugnis, so tun sie dies wegen ihrer Verschiedenartigkeit in sehr verschiedener Weise. D e m n a c h legen sich die Testamente wechselseitig aus; und jeder Teil des Alten Testaments ist unverzichtbar. 279 Jeder Stelle kommt ihr spezifisches Gewicht zu; jedes Geschehen im Alten Testament bekommt dadurch seinen besonderen Ernst, weil es danach beurteilt wird, wie es sich zu dem gegenwärtigen und angekündigten Messias verhält bzw. war dieser hier sagt und tut. Das theologisch leitende Interesse Vischers liegt in der Gegenwart Jesu und seinem Angekündigtwerden, nicht auf der Auffindung einzelner alttestamentlicher Präfigurationen bestimmter Züge seines Lebens.
275
Christuszeugnis I, 203, vgl. die „Linie" von S. 289. Bild vom Staffettenlauf auch in: Ich glaube an den Heiligen Geist (Teil II), in: Schwertkreuz Heft 3/1934, 50; Der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, 1931, 296. 276 Christuszeugnis I, 199 (Hervorh. S. F.); Die Judenfrage nach der Auferstehung Jesu Christi, 1960, 24. - Eine Aufzählung von Parallelen zwischen Jes 40 ff. und Mt in: Die evangelische Gemeindeordnung, 1946, 123 f. 277 Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 386: Kein Glied der Raupe darf weggeschnitten werden, sonst werde das Weggeschnittene nicht zu Christus und in die Erlösung geführt. Entspr. BARTH: BÄCHLI, AT in KD, 180 Anm. 23 (siehe oben Anm. 238, S. 195). 278 Abschiedspredigt über Lk 24 in Pura und Lugano am 13.4.1936, S. 5. 279 Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 386; Sens de l'Ancien Testament, 1939, 52.
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Die Passionsberichte „sont les plus etendus car s'est par ses souffrances et par sa mort qu'il scelle tout ce que contient PAncien Testament. II est done evident qu'on ne comprend absolument rien ä PAncien Testament si on le considere seulement comme le temoignage d'une piete humaine. Bien plutot il faut y entendre le temoignage de la piete de Dieu qui aime tant les impies qu'U donne Son Fils Bien-aime ä ses enfants rebelies jusqu'ä le faire mourir pour eux."280 4. D e r historische Sinn der heiligen Texte ist der „sensus literalis propheticus" 281 , die dem Geist der Propheten und Apostel (vgl. Offb 19,10) entsprechende Deutung, die die Gegenwart Jesu Christi im Auszulegenden und bei der Auslegung berücksichtigt. Hier konvergiert Vischers Schriftauslegung mit der Luthers. Denn wie Luther strebt Vischer an, in der Wendung zu Christus jeder exegetischen Methode M a ß und Recht zu geben. D a s heißt: von der Christologie bzw. von der Begegnung mit Christus her werden Schriftverständnis und Hermeneutik bestimmt. Die Reihenfolge ist unumkehrbar, denn nicht aus der Anwendung einer Methode ergibt sich das Verständnis eines Bibeltextes als Wort Gottes, sondern aus der (methodisch nicht kontrollierbaren) Gottes- bzw. Christusbegegnung, die der Text vermittelt. 282 Uber Luthers Schriftauslegung schreibt H.Bornkamm analog: „Was zunächst als Ausfluß einer exegetischen Methode, der christologisch-prophetischen Auslegung, erscheinen kann, ist in Wirklichkeit Ausdruck der vor aller exegetischen Arbeit Luthers liegenden Uberzeugung, daß sein Gott der Gott der ganzen Schrift ist. Es handelt sich nicht um eine uneigentliche, typologische Vorwegnahme einer späteren, höheren Stufe der Heilsgeschichte, sondern um die Aufdeckung der zunächst verborgenen, aber dem Blick des Glaubens sichtbaren Wirklichkeit des ganzen, und das heißt dreieinigen, Gottes im Alten Testament. Der exegetische Nachweis begründet diese Uberzeugung nicht, sondern er setzt sie voraus und macht sie, wie Luther gewiß ist, mit sprachlichen und logischen Argumenten für jeden nicht wie die Juden befangenen Ausleger einleuchtend."283 Auch das exegetische Ziel geht mit Luther konform: „Christus als Inhalt der Schrift dem einzelnen zu Gericht und Gnade gegenwärtig zu machen". 284 Damit ist wieder der Raum angesprochen, in den uns die Schrift stellt, wenn wir sie lesen oder hören: es werden nicht nur Texte gedeutet oder gar umgedeutet; die Schrift zielt auf das geistliche Geschehen, daß wir, als Einzelne, als Gemeinde, Kirche und Gesellschaft gedeutet und 280
Sens de l'Ancien Testament, 1939, 55.
281
V g l . BORNKAMM, L u t h e r u n d A T , 2 1 2 .
282
Zur Kritik vgl. unten Teil 3.2.1
283
BORNKAMM, L u t h e r u n d A T ,
284
169.
A. a. O. 75. - LUTHER freut sich über den Vorteil gegenüber den jüdischen Lesern der Schrift (siehe oben Anm. 221, S. 191 f.). - Die richtige Auslegung führt zu Christus hin als Überzeugung der alten Kirche: Barn 12,7; Justin, Dial. 42,2; Irenaus, Adv.haer. IV,32; Augustin, D e civ. XVI,2 (zitiert nach FASCHER, Art. Typologie, 1096).
204
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
beurteilt werden. Unsere Stellung und Bewertung coram Deo wird von der Schrift eröffnet, wenn sie etwa die alttestamentlichen Personen bewertet (die Könige im deuteronomistischen Geschichtswerk) oder diese vor Gott ihr Herz ausschütten (Psalmen). Das Alte Testament ist nicht nur die „Urkunde des alten Menschen", der täglich neu vom Evangelium überführt und zurechtgebracht werden muß285, sondern auch die Urkunde des neuen Menschen. Es ist ein Begleiter, der unser Scheitern, Neuanfangen und Wachsen sowohl im persönlichen Bereich als auch in der christlichen Gemeinde286 deutet, offenlegt, ja bewirkt. Das Problem des „sensus literalis propheticus" führt zur Frage, wie sich der historische und der christologische Sinn eines Textes zueinander verhalten bzw. zur Frage, wie Vischer mit dem Problem der Sinnverdopplung umgegangen ist.
2.4.3 Das Problem der
Sinnverdopplung
(1) Gesucht wird wirkliche Geschichte und darin Christus. Dieser für lutherische Theologie zentrale Punkt trifft voll Vischers Intention.287 Wie ist es zu verstehen, daß Vischer einerseits den Finger auf den „Literalsinn" legt und andererseits diesen überschreitet? Einerseits lesen wir: „Exegetisches Vergeistigen der Bibel ist der vollkommene Widersinn. Je buchstäblicher wir die Heilige Schrift verstehen, um so besser treffen wir den Sinn des Heiligen Geistes. ,A Spiritu Sancto unicus solum intenditur ubivis sensus, literalis'."288 Andererseits: Die „alttestamentlichen Geschichten (haben) ihren Sinn nicht in sich selbst, alle Ereignisse sind nicht,erfüllt', sondern Weissagungen auf das eine Ereignis: die menschliche Geburt, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi."289 „L'histoire d'Israel, selon L'Ancien Testament, et toutes les biographies particulieres des hommes de L'Ancienne Alliance, n'ont absolument aucun sens en elles-memes et pour elles-memes. II faut que quelque chose de totalement autre se produise."290 285
GUNNEWEG, Vom Verstehen, 11. Vgl. MAIER, Hohelied, S.144 f.: in Hld 6,4.10 finde sich das Bild der ecclesia militans, „die die Waffenrüstung von Eph 6,10 ff. trägt". 287 Vgl. BARR, Vischer and Allegory, 50. - BORNKAMM, Luther und AT, 212 (Zusammenfassung): „Für Luther haben alle Stellen des Alten Testaments, auch die von ihm christologisch gedeuteten, nur einen Sinn", vgl. 74-80. 169-176. bes. 219. - Von den letzten Worten Davids, in: WA 54, 84, 10 ff. zu Ex 33 f.: „Mercke aber, wie der Text klar gibt, daß der HERR, so mit Mose redet, ist Jhesus Christus, der künfftige Prediger des newen Testaments." 288 Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 22 (das lateinische Zitat ohne Quellenangabe). 289 Christuszeugnis I, 227. 2,0 Sens de l'Ancien Testament, 1939, 53. 286
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Je nachdem, wie die Frage nach verschiedenen Sinndimensionen der Schrift entschieden wird, ergibt sich eine Entscheidung über die Verwendung allegorischer/typologischer oder nur historischer Methoden. Von der letzteren Entscheidung aus können Rückschlüsse auf die erstere gezogen werden; beide sind miteinander verknüpft. Wie wir sahen, lehnte Vischer es ab, Sondermethoden irgendwelcher Art zu benutzen, um das „quelque chose de totalement autre" herauszubekommen. „Biblische Worte als Gottes Wort hören . . . heißt auf keinen Fall, durch eine gerissene Methode Christus herauszudividieren."291 Er hat sich unmißverständlich für alle historisch-kritischen Methoden und nur für diese ausgesprochen.292 Doch hat er ihnen Bedingungen gestellt bzw. einen Bezugsrahmen gegeben. Diesen Bezugsrahmen bzw. das Woraufhin der Auslegung formulierte er einmal so: „Wir werden alles nur dann recht brauchen, wenn wir damit das besondere und schlechthin einmalige Sosein des Textes besser erfassen, nicht aber, wenn wir umgekehrt das eigentümlich Bestimmte und eben in dieser eigentümlichen Bestimmtheit Sprechende in Allgemeinheiten auflösen. Denn nicht Allgemeinheiten, sondern die einmalig bestimmten Aussagen sind wirklich und sagen die Wahrheit." 293 Das konkrete geschichtliche Sosein jedes Bibeltextes dürfe nicht in Ideen oder Prinzipien transferiert werden.294 Sonst werde aus ,Christus', der für uns durch den geschichtlich einmaligen Jesus bestimmt ist, ein allgemeines Christusprinzip oder eine Christusidee - für Vischer ein Schreckgespenst seit der Begegnung mit Schlatter zu Beginn seiner Lehrtätigkeit in Bethel.295 Um zu erkennen, was Gott uns in der Schrift sage, dürfe man ihr keinen zwei- oder dreifachen Sinn unterstellen und nicht „chercher un sens spirituel au dela du sens litteral."296 Denn: Das Wort ward Fleisch! Wer mit einem mehrfachen Schriftsinn operiere, gehe der wirklichen Gegenwart der göttlichen Majestät im menschlichen Elend verlustig.297 Den Vorwurf der Allegorese gab Vischer zurück: „Was ich gesagt habe, indem ich das Alte Testament auslegte, war alles Evangelium. Wenn das nicht herausgekommen ist, dann habe ich es falsch gemacht. Es war, ohne dass der Name Jesu Christi genannt war, ohne Abendmahlserwähnung, ohne 2. Kor 3 das ganze Evangelium - oder es war falsch. Und umgekehrt: wenn das, was wir vorhin zu hören und zu sagen hatten, nicht drin ist im Abendmahl, bei Paulus usw., dann ist in unserer Auslegung dieser Texte
2,1 292 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 26; vgl. La Legon Derniere, 1967, 15. Das Problem der Hermeneutik, 1964, 100. Christuszeugnis II, 94 f. Anm. 33. Vgl. unten Abschnitt 3.3.1. Siehe oben S. 43 f. Misere et majeste de la bible, 1950, 9. Ebd. - Vgl. SCHILDENBERGER, Art. Schriftsinne.
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etwas Spekulatives, wir spekulieren und allegorisieren. Nichts macht mich so böse, als wenn mir einer sagt, diese Art auszulegen sei Allegorie. Wir entgehen der Allegone nur dadurch, dass wir den Text christologisch auslegen, d. h. davon ausgehen, dass die Person Jesu Christi die einzige Person ist, in der Gott persönlich gegenwärtig ist. So kommen wir an allen anderen Deutungen vorbei, so ist alles real im Augenblick. Alles andere ist Allegone .'Wenn ich sage: historisch verhält sich das zwar so, aber es ist ein tiefes Daseinsverständnis darin in diesem Text und deshalb rede ich jetzt über dieses Daseinsverständnis, so ist das Allegorie. Wenn ich sage: hier erkenne ich eine tiefe moralische Weisheit im Texte und deshalb will ich jetzt über diese predigen, ich löse sie zu diesem Zweck aus ihrem historischen Zusammenhang - so ist das Allegorie. So hat es Philo gemacht und so haben es alle gemacht, die allegorisiert haben bis auf unsere heutige Zeit. Ich behaupte - das gilt für das Alte Testament wie für das Neue Testament überall, wo nicht christologisch exegesiert wird, ist Allegorese."298
298 Wie predigen wir über das Alte Testament heute?, 1960, 23 f. (Hervorh. S. F.) = Schluß der Predigtmeditation zu Ex 34,4b-10; Vgl. Christuszeugnis II, 50-57 über Möglichkeit und Faktum einer gottgewollten Verbindung von König Saul und Apostel Paulus. D a ß der Verworfene nach 2. Kor 3,14-16 der Schlüssel zur Schrift ist, schreibt Vischer schon 1927 in Das alte Testament als Gottes Wort, 381. - „Was historisch-kritische Exegese und allegorische Schriftauslegung miteinander verbindet, ist die Suche nach einem Text hinter dem Text. An die Stelle des vorfindlichen Textes tritt ein fiktiver, sei es derjenige eines sensus allegoricus oder derjenige einer postulierten literarischen oder gar vorliterarischen Quelle oder Urfassung" (KöRTNER, Vierfacher Schriftsinn?, 260, vgl. 263, je im Anschluß an OVERBECK). KöRTNER hat recht, sofern mit „Allegorese" eine Methode gemeint ist, die wir als Werkzeug flihren und dabei König und Richter bleiben, anstatt dieses Amt dem Heiligen Geist zu überlassen.
Einige Beispiele, die Vischer bei seiner Kritik im Auge gehabt haben könnte: Noahs Fluch und Segen über seine Söhne (Gen 9,18-27) wird verstanden als nachträgliche Legitimierung eines späteren Zustands: „Am wahrscheinlichsten ist die spätere Königszeit unter Salomo." Spätestens unter ihm seien die kanaanäischen Stadtstaaten ihrer Selbständigkeit beraubt und den Reichen Israel und Juda eingegliedert worden (a. a. O. 54 [Lit.]). - In Gen 16.22 drücke sich der Glaube Späterer aus, weshalb für G. VON RAD die Frage berechtigt war: „Handelt in diesen Texten Israel nicht weithin von sich selbst, von der Not und dem Trost des eigenen Gottesverhältnisses?" (Grundprobleme, 229). - Die Schlacht Moses und Josuas gegen die Amalekiter (Ex 17,8-16) gehe auf Auseinandersetzungen Davids mit den Amalekitern zurück; diese würden wohl in mosaische Zeit „rückprojiziert" (DONNER, Geschichte I, 105 [Lit.]). - Richter 19-21 ist nach WELLHAUSEN und der neueren Exegese ein (unhistorischer) Bericht, der für die Notwendigkeit des Königtums als Ordnungsfaktor plädieren will (nach NOTH Niederschlag eines Amphiktyonenkrieges; a . a . O . 166f. [Lit.]). - Recht deutlich tritt m . E . die Abweichung vom semantischen Eigenanspruch der Texte in einer Zusammenfassung hervor, die WESTERMANN aus ALTS berühmtem Werk „Der Gott der Väter" (1929) gibt: „Alt geht von Ex 3 und 6 aus, wo der ,Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs' ausdrücklich mit Jahwe gleichgesetzt wird. Das gerade läßt auf ursprüngliche Verschiedenheit schließen" (WESTERMANN, E d F 4 8 , 1 0 0 ) . -
PANNENBERG summiert: „Die , Sache' der Schrift, die Luther im Sinne hatte, nämlich Person und Geschichte Jesu, ist für unser historisches Bewußtsein nicht mehr in den Texten selbst zu finden, sondern muß hinter ihnen erschlossen werden" (Krise, 15). - WENZ, Wort
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„Weil die Allegorese blind macht für das Ärgernis, es aber nicht überwindet, darum ist sie als Methode abzulehnen. . . . Wir werden also, wie das schon Goethe gefordert hat, versuchen müssen, den eigenen, besonderen, unmittelbar individuellen Bezug, den jedes Wort des alten Testaments nach gewissen Umständen, nach Zeit- und Ortsverhältnissen gehabt hat, zu fassen. Aber wir werden uns nicht einbilden, damit das alte Testament zu verstehen. Verstehen heißt: Aus den historischen Worten Gottes aktuelles Wort hören und ihm gehorchen. . . . Es handelt sich also beim sachlichen Lesen weder um ein Mißachten der historisch-kritischen Forschung noch um einen erbaulichen Anhang an sie, sondern darum, in, mit und unter den historisch bedingten Menschenworten Gottes Wort zu vernehmen."299 Die dogmatische Priorität, das heißt die von der Exegese zu erzielende normative Wirkung einer Auslegung soll also dem einfachen Textsinn, nicht historischen Rekonstruktionen eignen300 - aber welcher ist der einfache Sinn der Schrift? Hier bleiben bei Vischer Gegensätze offen: Es sollen
Gottes, 143 notiert (zu Recht) als Konsequenz u.a. die Gefahr, daß dadurch allein der des Hinter-fragens der Texte kundige Theologe einen Zugang zur Sache finden kann. 2,9 Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 386 f. (Hervorh. orig.). - Vgl. Br. an BARTH vom 19.3.1931 mit Bezug auf seine Bonner Diskussion mit GUSTAV HÖLSCHER ( = H.): „Will man einen Text geschichdich erfassen, dann muss man historisch-kritisch in das Denken des Verfassers eingehen. Dazu ist H . offenbar nicht mehr imstande, weil er zu doktrinär gebunden ist durch gewisse Dogmen der Intelligenz des 19.Jahr[hunderts]. Ich bestreite nicht, dass meine Exegese dogmatisch gebunden ist; aber ich behaupte, dass er es nicht minder ist, und dass der Unterschied zwischen uns nur der ist, dass meine Dogmatik mir sagt, ich müsse die Geschichten dort, wo und so wie sie stehen, stehen lassen, während seine Dogmatik verlangt, dass man den Texten erst Kopf und Schwanz abschneide, bevor man sie interpretiert. . . . Das ist mir überhaupt das Rätselhafte an H.s Wissenschaft, dass er meint, irgend eine Begebenheit oder ein Dokument einer Begebenheit erfassen und bestimmen zu können, ohne ein bestimmtes Bewusstsein um Ursprung und Ziel aller Geschichte. Das ist ein böser Selbstbetrug; denn H . und alle seinesgleichen haben natürlich eine Meinung über Anfang und Ende, die massgebend ist für ihr Bestimmen der geschichtlichen Ereignisse; nur ist es nicht die Meinung der Bibel. Darum müssen sie alle biblischen Berichte umdeuten, und schlagen sie die Hände über dem Kopf zusammen, wenn man sie nimmt wie sie dastehen." 300
Christuszeugnis I, 214: „Mögen sich Passahfeier und das Mazzenessen auch als Naturfeste von Hirten und von Bauern deuten lassen, - unsere Kapitel begründen sie rein geschichtlich als Erinnerung der Heilstat, wodurch Gott Israel frei gemacht hat für den heiligen Dienst." In manchen Formulierungen können auch die Ergebnisse der eigenen historischen Wissenschaft zugunsten des Schriftsinns rückgängig gemacht werden, ζ. B. Mose als Autor des Dtn ( a . a . O . 299). Oder Christuszeugnis II, 490 zur Frage, wie das Auftreten von Löwen im Nordreich nach der Deportation (2. Kön 17,25 f.) zu erklären sei: „Die heutigen Geschichtsschreiber erklären das als eine Folge der Verwüstung des Landes, es hätten wohl auch noch Leichen herumgelegen, und es sei nicht verwunderlich, daß in einer solchen Zeit die Raubtiere aus den Bergschluchten und der Steppe kamen und bis in die Wohnsitze der Menschen drangen. Der biblische Bericht sagt aber, der H E R R habe die Löwen gesandt, weil die neuen Bewohner ihn in der ersten Zeit nicht verehrt hatten. So faßt es auch Sargon a u f (Hervorh. S. F.).
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erstens keine anderen als die historisch-kritischen Methoden angewandt werden - dennoch seien sie nur ein, nämlich der nichttheologische Teil der Exegese 301 . Dem entspricht eine zweite Unausgeglichenheit: Es gebe (so Vischers Theorie) keinen anderen Sinn als den christologischen - dennoch referiert Vischer in seinen Auslegungen immer wieder eine Mehrsinnigkeit der alttestamentlichen Texte: erst Nacherzählung, dann zwischentestamentlicher u n d / o d e r christologischer Bezug. Vischers Rede vom einfachen Schriftsinn wird verständlicher, wenn man ihn vor folgendem Hintergrund begreift: Bei jedem Vers geht es auch um die Schrift als Ganzheit. 302 An vielen Stellen, ja in ganzen Büchern der Schrift hat der Buchstabe keinen historischen Inhalt (hier greift die Regel littera gesta docet nicht); aber die Schrift als ganze bezieht sich auf das Leben des inkarnierten Jesus Christus: sein Leben war und bleibt die Quelle alles Lebens der Menschen von der Schöpfung bis zur Vollendung. Deshalb ist der Buchstabe, der diese Quelle bezeugt, nicht religionsgeschichtlich vom Geist des Menschen her zu begreifen, sondern in Demut als vom Geist Gottes stammend und mit ihm verbunden anzunehmen. 303 Die Frage der Sinnverdopplung stellt sich bereits bei vielen im Neuen Testament vorliegenden Auslegungen alttestamentlicher Texte. So kann im Neuen Testament von mehrfachen Erfüllungen derselben Prophetien gesprochen werden, z.B. ist Jer 31,15 zunächst eine Aussage über die Trauer bei der Exilierung Judas und dann über die Trauer beim Jerusalemer Kindermord (Mt 2,16-18); vgl. Hab 1,5/Apg 13,40 f.304 Eine Aussage über Israel (Hos 11,1) wird Mt 2,15 als Aussage über Christus und als in diesem „erfüllt" aufgefaßt.305
301 La methode de l'exegese biblique, 1961, 115; Das Problem der Hermeneutik, 1964, 109. Vgl. unten S.216. 302 Vgl. Der Prophet Habakuk, 1958, 15: „Aber hier wie an vielen anderen Stellen geht der Sinn der Gottesworte über das hinaus, was wir geschichdich feststellen können. Das ist ein deutlicher Hinweis auf die Wahrheit, daß Gottes Werk, das er durch sein Wort in der Geschichte des auserwählten Volkes offenbart, ein das Ganze der Weltgeschichte umfassendes Tun ist und daß die Menschen je an ihrem Ort und in ihrer Zeit durch ihren Glauben und ihren Unglauben, als Gerichtete und als Begnadigte, an diesem einen Werk Gottes entscheidend beteiligt sind. Der, nicht erst seit 50 Jahren, aber in diesen 50 Jahren mit großem Nachdruck unternommene Versuch, die Bibel zeitgeschichtlich auszulegen, stößt auch wenn es die Gelehrten heute nicht zugeben wollen - auf den überzeitlichen Sinn mancher Gottesworte. Nur dürfen wir den Begriff ,überzeitlich' nicht als unzeitlich verstehen, sondern im Gegenteil als das, was die einzelnen Augenblicke der Zeit übergreifend umfaßt und je konkret bestimmt. Weil Gottes Worte diesen Sinn haben, waren sie nicht nur damals und dort gültig, wo sie zuerst mitgeteilt werden sind, sondern können sie in neuer Lage ebenso aktuell sein." - Vgl. LUBAC, Geistiger Sinn, 26.
Vgl. MACHOLZ, Heimliche Deutung, 6 f. 14. Vgl. eine dreifache Erfüllung der 70-Jahrwochen-Weissagung Daniels bei MAIER, Daniel, Fazit S. 353 f.; Beispiele für einfach, doppelt, dreifach und vierfach erfüllte Weissagungen bei SAUER, Gott, 163 ff.; ders., Morgenrot, 164. 305 Nach Vischer ist Jesus Christus die Anakephalaiosis der Geschichte Israels (Der Inhalt 303
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D a s P r o b l e m d e r M e h r s i n n i g k e i t a l t t e s t a m e n t l i c h e r T e x t e tritt g e r a d e a m z e n t r a l e n P u n k t d e s M e s s i a s - B e g r i f f s auf: g e m e i n t sein k a n n e b e n s o der amtierende Jerusalemer K ö n i g wie der eschatologische, „messianische" „Messias" 3 0 6 . F ü r d i e I m m a n u e l - W e i s s a g u n g ist e i n e D o p p e l e r f ü l l u n g o f f e n s i c h t l i c h . 3 0 7 D i e Frage stellt s i c h a u c h b e i m G o t t e s k n e c h t in J e s 4 0 - 5 5 : w e r ist er? N a c h V i s c h e r ist es e b e n s o d e r s i c h e r n i e d r i g e n d e G o t t w i e d e r u n b e k a n n t e P r o p h e t , d e r g a n z h i n t e r d e m v o n i h m B e z e u g t e n zurücktritt. 3 0 8 V i s c h e r selbst spricht ausdrücklich v o n e i n e m „Doppelsinn", nämlich: „ D e r K n e c h t ist e i n E i n z e l n e r , d e r a b e r m i t s e i n e m L e b e n u n d S t e r b e n s o v ö l l i g für das V o l k einsteht, d a ß er geradezu mit d e m V o l k identifiziert w e r d e n m u ß " , e r ist d a s V o l k u n d d o c h w i e d e r n i c h t - d i e s e s P a r a d o x o n m ü s s e anerkannt werden.309 Gleiches stellt Vischer beim alttestamentlichen Opfer fest: „Keine priesterliche Opferhandlung hat die Kraft und den Wert in sich selbst. Es sind alles gleichsam Wechsel, ausgestellt auf das Vermögen eines reichen Herrn; wertlose Papierfetzen, ja ein Schwindel, wenn sie sich nicht rechtmäßig auf ein Kapital beziehen, das wirklich vorhanden ist. Sie weisen alle hin auf das eine Opfer, das Gott selbst bringt. So wurde das Volk des Alten Bundes durch die Opfergesetzgebung ,öffentlich und offen gelehrt, das Heil nirgendwo anders zu suchen als in der Sühnung, die allein in Christus vollzogen ist' (Calvin). Ohne dieses einmalige Opfer wäre der ganze Opferkult Israels ein großer Betrug. . . . (2. Kor. 5,18.19). Dieses Wort von der Versöhnung wurde im Alten Bunde durch die Opfergesetze verkündigt. Jesus Christus hat durch sein Leben und seinen T o d die Opfer des alten Testamentes ,gedeckt'." 310 V i s c h e r s A n l i e g e n b e s t a n d darin, d a ß w i r d e m v o r l i e g e n d e n T e x t in s e i n e m k a n o n i s c h e n K o n t e x t n i c h t e i n e n v o n u n s b e s t i m m t e n Sinn u n t e r -
der Verkündigung, 1941, 28, mit Bezug auf Mt 2,15: S. 38 und Christuszeugnis I, 215); am Beispiel der 40 Tage Jesu in der Wüste: Christuszeugnis II, 383 (Bezug auf Elias Marsch von 40 Tagen und Israels Marsch von 40 Jahren). - Beispiele für Mehrfacherfüllungen bei VON HOFMANN: Jeremia's Weissagung erfüllte sich zum zweiten Male, nachdem sich die erste Erfüllung dadurch als vorläufig erwiesen hatte, daß Jerusalem wiederhergestellt wurde, ohne daß sich des Propheten Verheißung von Israel's Herrlichkeit verwirklichte" (Weissagung und Erfüllung I, 127). „Als Habakuk diese Drohung aussprach, stand die chaldäische Kriegsdrangsal bevor, auf sie verwies er zunächst. Die Drangsal ging vorüber, es folgte Heil, doch nicht das schlüßliche: die Menge des Volks blieb, wie zuvor, ein unbußfertiges, halsstarriges Geschlecht. Sonach bleibt jene Drohung noch in Kraft, und die Römer haben das ihrige gethan, sie zu vollziehen. Daß aber auch diese ihrem Geschlechte des apostolischen Zeitalters zunächst bevorstehende Heimsuchung noch nicht die letzte seyn werde, konnten die Apostel nicht wissen" (Weissagung und Erfüllung II, 219) 306
Vgl. WASCHKE, Messias. Vgl. Psalmen, ausgelegt für die Gemeinde, 1944, 8. 308 Das Kerygma des Alten Testaments, 1955, 20-23. Dieses Zurücktreten sei der Grund dafür, daß der Eigenname Deuterojesajas nicht erhalten sei. 309 Der Gottesknecht, 1930, 102. 3,0 Christuszeugnis I, 267. 307
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legen: Denn nur im vorliegenden einfachen Schriftsinn manifestiere sich konkret die Herablassung Gottes. Wird aber das Alte Testament ohne Zuhilfenahme des Neuen Testaments ausgelegt, so werde vom kanonischen Kontext und damit von der biblischen Bezeugung der göttlichen Herablassung, also der konkreten Gegenwart Jesu abstrahiert bzw. diese durch philosophische Eintragungen ersetzt. Eben diese Abstraktion, so Vischers Bedenken, ist bei Typologie und Allegorese der Fall. O h n e Vischer zu erwähnen, trifft Α. T. H a n s o n Vischers Intention, w e n n er schreibt: „If we use the w o r d typology, we are importing misleading suggestions, such as the idea that Christ was less really present in O T situations than in his incarnate life, or even that certain incidents in O T history t o o k place primarily in order to point forward to N T times - both of which ideas are quite absent from Paul's thought, though not from the thought of the Fathers." 311
Auch wenn sich Vischer leider nirgends von Auslegern abgrenzt, die diese Methoden benutzen, lehnt er sie eindeutig ab.312 Wäre Vischers Schrifttheologie nicht konsequenter gewesen, hätte er sich zu bestimmten, eingeschränkten Formen der Typologie und vielleicht sogar der Allegorese bekannt? Ist nicht der Hagiograph durch seinen Glauben implizit313 auf das in Christus gegenwärtige und zugleich kommende Heil ausgerichtet (Hebr 11; 1. Petr 1,10-12)? Vischer selbst konnte, wie erwähnt, von einem „Doppelsinn" sprechen, einem wörtlichen und einem darüber hinausgehenden (wie auch immer zu benennenden) Sinn. Insofern hätte er im Rahmen seiner Theologie durchaus die Möglichkeit gehabt, eine spezifische Form von Typologese oder sogar Allegorese zu definieren, anstatt die Begriffe zu verwerfen.314 An einer Stelle differenzierte er allerdings. Zitiert sei die wichtige Bemerkung anläßlich einer Diskussion unter Dozenten der Theologie 1941: 311
HANSON, Jesus in OT, 162. La Le^on Derniere, 1967, 16; Das Problem der Hermeneutik, 1964, 111. 313 Es ist nicht erforderlich, daß dem Hagiographen die Fülle seiner Aussage explizit bewußt war. Vgl. CALVIN: „Wenn auch jenes Wort des Paulus noch nicht geschrieben war, daß alle Verheißungen Gottes in Christus Ja und Amen sind, so war es dennoch im Herzen Abrahams geschrieben" (CR 23,313, zit. nach WOLF, Verhältnis, 32 f.). - Auf philosophischer Ebene steht dem parallel, wie neuere Literaturtheorien über die Unabhängigkeit von Texten und unseres Verstehens von deren Autoren und historischen Situationen belehren („new criticism" seit den 50er Jahren). Vischer hat m. W. darauf nicht reagiert. 314 MACHOLZ forderte 1936 in einem instruktiven Aufsatz (Heimliche Deutung) die offene Rückkehr zur „uneigentlichen Deutung", wie sie von LUTHER geübt wurde (Parallele zur Zwei-Reiche-Lehre: S. 16!). Es gehe LUTHER aber nicht um das Verstehen gewisser Sinne der Schrift, denn das hieße Einordnung in den Bereich der uns zugänglichen Wahrheiten (18). „Das Wort der Schrift ist Mitteilung der Tatsache, daß Gott Richter ist; aber nicht diese Mitteilung ist sein Sinn, sein Besonderes ist vielmehr, daß Gott in dieser Mitteilung sein Gericht über die Menschen vollzieht." Das Schriftwort komme immer erst dann zu seinem „eigentlichen" Sinn, wo es verkündigt wird und geschieht. So allein werde sein Sinn 312
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„Es kann nur eine richtige Methode für die Auslegung des A.T. geben, nämlich diejenige, die Texte so zu lesen, wie sie gemeint sind. Dafür ist, wie gesagt, wenigstens für wissenschaftlich denkende Menschen, die historisch-kritische Forschung unentbehrlich. Wir sollen nur nicht meinen, wenn wir mit dieser Forschung das ganze Gebäude des A.T. abgebrochen haben, so daß kein Stein mehr auf dem andern bleibt, und wir dann an seiner Stelle ,nach dem neuesten Stand der Forschung' etwas völlig anderes konstruiert haben, so hätten wir damit die Texte , ausgelegt'. Was die Typologie anbelangt, so sagt Paulus: das und das widerfuhr jenen ,typikos'. Recht geübte typologische Auslegung mag also weithin den Texten gerecht werden. Wir müssen nur aufpassen, daß wir nicht gerade damit, daß wir eine ,typologische Methode' als Methode handhaben, die Texte wieder vergewaltigen. Vorsichtig sollten wir auf alle Fälle mit der allegorischen Methode umgehen. Wohl übt sie Paulus an einer Stelle ausdrücklich (Gal 4,24). Sie kann also richtig geübt werden. Sie ist aber gefährlich, weil sie grundsätzlich einen doppelten Sinn der Texte annimmt. Da die moderne Bibelerklärung den einen und ursprünglichen Sinn der Texte, nämlich ihr Christuszeugnis, nicht annehmen will, treibt sie seit 100 Jahren eine ebenso grobe wie falsche Allegorese: sie konstruiert zuerst einen ,historischen' Sinn und macht dann eine ,moralische' Wahrheit daraus."315
„ausgelegt", das heißt aber bezeugt. Schriftauslegung könne es nur in der Gemeinde geben, denn nur hier könne sie verstanden werden. „Der einzige Sinn der Schrift ist Jesus Christus der Herr, der Sinn der Schrift ist da verstanden, wo der Mensch von diesem Herrn ergriffen in seinem Gehorsam ihm antwortet" (19). - Nach HELLBARDT war nicht Allegorese, auch nicht anekdotische Exegese, sondern allein die Typologie wissenschaftlich erlaubt, da neutestamentlich legitimiert (SCHROVEN, Christologische Auslegung, 268). SCHROVENs Abgrenzung von Vischer und HELLBARDT gerät übrigens zu unscharf (a. a. O. 275 ff., über den Kontakt beider 243. 275 Anm. 259), wenn sie schreibt: „Hellbardt geht über Vischer hinaus, indem er nicht wie dieser Christus im Alten Testament entdecken will, sondern das Alte Testament als direktes Zeugnis von Christus qualifiziert, das des Beweises nicht mehr bedarf"; die Einheit der Testamente werde bei HELLBARDT zur Identität ( a . a . O . 276). Auch Vischer kann von der Identität der Testamente sprechen, wie SCHROVEN selbst bemerkt ( a . a . O . 182). Die Frage, wieweit beide „den geschichdichen Aspekt [Singular! - S. F.] der biblischen Erzählung" (a. a. O. 276) ausschließen, betrifft meines Erachtens nur graduelle Unterschiede. 315 Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 35 (Hervorh. S. F.); vgl. Wie predigen wir über das Alte Testament heute?, 1960, 12. - Bereits im ersten Band des „Christuszeugnisses" konnte er in einer Fußnote ein LUTHER-Zitat (zu Gen 49) unkommentiert, also wohl zustimmend wiedergeben, in dem der Begriff „Allegorie" positiv verwendet wird: „Dies ist ein kurzer Segen, und der sehr fein von dem Apostel Paulus verstanden wird, aber nach der Allegorie oder heimlichen Deutung, wiewohl es beinahe ein Verstand ist nach dem Buchstaben. Denn er hat den heiligen Stephanus verschlungen wie ein Wolf; darnach hat er den Raub ausgeteilt über die ganze Welt, da er das Apostel- und Kirchenamt geführt und verwaltet und also die Lehre des Evangeliums hin und her ausgebreitet hat" (Christuszeugnis I, 196).
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Dies scheint mir an Vischers Auffassung zum Problem der Sinnverdopplung wesentlich: Typologie und Allegorese sind nicht α priori falsch; sie werden es aber, sobald wir sie als Methoden in unsere Gewalt bringen. Mit einer Auslegung, die typologische und/oder allegorische Züge aufweist, kann uns Gott je und dann erreichen und in seine Gewalt bringen, aber nicht wir ihn.316 Die Gnosiskritik des Paulus (vgl. 1. Kor 8,1-3) ist demnach auch in der Beschreibung dessen anzuwenden, was in der Schriftauslegung geschieht: Nicht wir haben Methoden oder die Schrift im Griff, sondern Gott greift durch die Schrift nach uns.317 (2) Dürfen wir theologisch dem - sagen wir es einmal, auch wenn es Vischer nicht liebt - , geistlichen' Sinn einer Schriftstelle das Evangelium, dem ,wörtlichen' Verständnis das Gesetz zuordnen? Der bloße Buchstabe, sagt Paulus, tötet, aber der Geist macht lebendig. Ohne Glauben liest man die Schrift immer gesetzlich, das heißt man wird der Sünde überführt und des Gerichts für schuldig befunden. 318 Der Buchstabe kann aber auch lebendig machen, wenn er das Evangelium predigt und den seiner Sünde innegewordenen Hörer zum Glauben führt.319 Was heißt das für die Hermeneutik? Es gilt bei jedem Wort aufzupassen: Wir haben nichts hineinzulegen, wenn wir das Evangelium im Alten Testament hören wollen; es muß sich alles von selbst auslegen. Das Evangelium 316 Ebenso ist BARTHS Aufnahme des Alten Testaments in die K D (vgl. die Statistik von BÄCHLI, A T in K D , 97 f.) keiner bestimmten Methode verpflichtet. Daher habe ich auf eine Gegenüberstellung von methodischen Schritten bei Vischer und BARTH verzichtet. 317 Vgl. BAYER, Autorität, 6. - Es wäre also eine gehörige Portion mehr Vorsicht angebracht, wenn man Vischer, wie weithin üblich, anspricht als „klassisches Beispiel für Typologie im 20. Jh." (KöRTNER, Legitimität, 9; ders., Vierfacher Schriftsinn?, 253; RAMLOT, Une figure de proue; JACOB, A propos, 78 nach Vischers Selbstverständnis) oder als Vertreter der Allegorese: EICHRODT, Rez., 124; REVENTLOW, Alttestamendiche Theologie, 28; HERNTRICH, Theologische Auslegung?, 21 f.; STEPHAN, Geschichte, 306 f.; ELLIGER, Christuszeugnis, 379; DE VAUX, Rez., 284 (Vischer ähnele den neueren katholischen Autoren); BRUPPACHER, Rez., 341; WÜRTHWEIN (siehe SCHROVEN, Christologische Auslegung, 206); Jacob, Α propos, 79 (de facto: „rouvrir la porte aux fantasies de l'exegese allegorique"); vgl. BAKER, Two Testaments, 223. Selbst bei ORIGENES zielte die Unterscheidung verschiedener Schriftsinne nicht auf eine Methode und damit nicht darauf, bei jeder Bibelstelle drei Deutungen herauszubekommen (vgl. oben Anm. 118, S. 171). ORIGENES Interesse am geistlichen Schriftsinn intendierte „keine Technik zur Problemlösung . . . , sondern einen Vorgang, um das Geheimnis der Schrift wahrzunehmen" (CHILDS, Theologie I, 55; Lit.). 318
319
V g l . JOEST, G e s e t z , 2 7 - 3 2 ü b e r s a p i e n t i a D e i u n d lex r a t i o n a l i s .
„Wenn LUTHER dem Buchstaben den Geist gegenüberstellt, dann kehrt er nicht zur Allegorie zurück, sondern kontrastiert statt dessen zwei unterschiedliche Existenzformen, die anderswo mit dem Leben unter dem Gesetz oder dem Evangelium gleichgestellt werden. Es ist die Kraft des lebendigen Christus, die T o d in Leben umkehrt. Für Luther ist die Bedeutung des Evangeliums für den gegenwärtigen Leser keine zusätzliche Bedeutungsebene, sondern ein vollständiger Teil des einen verwandelnden Wortes des Evangeliums" (CHILDS, Theologie I, 68).
Heilige Schrift - Methode - Theologie
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des Alten Testaments ergibt sich nicht zwingend. Wir haben es zu erwarten, es aber nicht herbeizudrängen. Vischers Insistieren ist ein kräftiger Hinweis darauf, daß der Heilige Geist Subjekt der Exegese, Subjekt von Entstehen und Verstehen der Heiligen Schrift sein will. Evangelium und Gesetz können in der Schrift nicht sauber getrennt werden. „Evangelium" ist Zusage des Heils sola gratia, hat also verheißenden Charakter. Gesetz und Evangelium fallen im Buchstaben der beiden Testamente in eins, sofern das Neue Testament das Gesetz als durch Christus erfüllte Verheißung darbietet. Das Gesetz wird doppelt erfüllt, als Gebot und als Verheißung: in der äußeren Biographie Jesu von Nazareth320 und in seinem Sühnetod am Kreuz (vgl. Joh 19,7: l.Kor 15,3 f.); seine Sendung und sein Gehorsam umgreifen diesen Doppelbegriff der Erfüllung (vgl. Mt 5,17 f.).321 Das Problem der Sinnverdopplung des Gesetzes als Gebot und Verheißung stellte sich der reformatorischen Theologie (und nicht erst ihr) von Anfang an: Ein und dieselbe Stelle kann bei Luther sowohl als Evangelium als auch als Gesetz aufgefaßt werden, so besonders das erste Gebot.322 Hier liegt aber eine notwendige Doppelung vor. Wäre dem anders, könnte Paulus nicht sagen, Christus sei τέλος νόμου; oder Christus: er sei nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.323 Die Tatsache, daß es das Gesetz ist, das von Christus bzw. vom Evangelium erfüllt wird, legt bereits die Mehrsinnigkeit, genauer: eine mehrfache Aufgabe des Gesetzes nahe. Scharf tritt sie dann in der paulinischen Formulierung Rom 3,21-22 (vgl. 1,2) heraus: Νυνί δέ χωρίς νόμου δικαιοσύνη θεού πεφανέρωται, μαρτυρουμένη ύπό τοΰ νόμου και τών προφητών, δικαιοσύνη δέ θεού δια πίστεως 'Ιησού Χριστού, εις πάντας τούς πιστεύοντας.324 Wenn nach Paulus eine Stelle der Tora als Gesetz wie als Verheißung zur Geltung kommen kann, kann man nicht sagen, die Eindeutigkeit des alttestamentlichen Textsinnes würde unzulässig verletzt. Es handelt sich bei „Gesetz" und „Evangelium" ja nicht um intellektuell zu „verstehende" Textsinne und nicht um hermeneutische Prinzipien, sondern um die Wirkungen der Heiligen Schrift im menschlichen Gewissen. In der Auslegung sind diese Wirkungen weder verfügbar noch dürfen sie um einer scheinbaren Neutralität willen ausgeschlossen werden. Im getroffenen Gewissen 320
Hierauf zielen v. a. die sogenannten „Reflexionszitate" bei Matthäus. Christuszeugnis I, 310 zitiert BLUMHARDT D.J.: „Er nimmt jedes Gebot als eine Verheißung" und gibt Beispiele aus den Geboten über die Ehescheidung, Vergeltung bei Körperverletzung und Bruderhaß. 322 BORNKAMM, Luther und AT, 139 ff., bes. 147: opus proprium und opus alienum desselben Gebotes. 323 Würde sich das Verhältnis von Gesetz und Evangelium im reinen Gegensatz erschöpfen (vgl. W. ELERT), gäbe es das Verhältnis von Weissagung und Erfüllung nicht. 324 Vgl. AUGUSTIN: „Das geistig verstandene Gesetz ist das Evangelium" (zit. nach LUBAC, Geistiger Sinn, 53 f.). 321
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wird freilich in einem Augenblick nur eine dieser beiden Wirkungen erfolgen. „Denn jeder Buchstabe des Gesetzes bezeugt die totale Beschlagnahmung des Menschen durch die Liebe Gottes, die im Christus Jesus geschieht. Die Seligpreisungen wären klingende Schellen, wenn sie nicht verkündeten: ,Ihr sollt vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.' Mit dem ,Ich aber sage euch' nimmt Jesus denen, die ihm zuhören, die Möglichkeit, das was den Alten gesagt ist, historisch oder moralisch zu verstehen und sagt es ihnen so, daß sie dadurch heute in die Entscheidung der Ewigkeit gestellt sind. Jesus fügt zu dem, was gesagt ist, nicht dies oder das hinzu, sondern er greift das längst Gesagte auf und spricht es neu aus in der Vollmacht des Autors. Da kann das Gesetz nicht mehr aufgefaßt werden als eine Sammlung religiöser Ideale oder sittlicher Normen; das ,Ich sage' zwingt dazu, die alten Worte als die lebendige Stimme des ,Ich bin' zu hören."325
Spiegeln nicht auch die theologischen Konfrontationen, denen Vischer ausgesetzt war, etwas von dem Gewicht, von der Härte und von der Freude des Ewigkeitsbezuges der Schriftauslegung?
2.5 Theologische Abgrenzungen und
Konfrontationen
Die über Vischers Schriftauslegung gewonnenen Erkenntnisse sind nun nach verschiedenen Seiten abzugrenzen und zu ergänzen, um Vischers Spezifika noch stärker hervortreten zu lassen. Dies soll anhand von Gegenüberstellungen mit einigen ausgewählten Theologen geschehen: zunächst werden anhand des Genfer Reformators sehr grundsätzliche Fragen in den Blick genommen. Anhand der Theologen von Hofmann und Delitzsch ist Vischers Exegese mit heilsgeschichtlichen Ansätzen des 19. Jahrhunderts zu konfrontieren. Deren Werke geben noch einmal Gelegenheit, Auslegungen einzelner Schrifttexte zu vergleichen. Anhand der Auseinandersetzungen von Vischer gerade mit Vertretern gemäßigter historischer Bibelkritik (von Rad und Eichrodt) reflektieren wir weitere geschichtstheologische Abgrenzungen. Denn hier, aber auch an einigen unmittelbaren Reaktionen auf Vischers Theologie (2.5.6) wird der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Vischers und anderen historischkritischen Grundauffassungen vom Alten Testament deutlich. Dabei geht es nicht um theologiegeschichtliche Vollständigkeit, sondern um einen repräsentativen Querschnitt der Diskussion, weshalb den bedeutendsten Gesprächspartnern (F. Baumgärtel, E. Hirsch, E. Haenchen) vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. 325
Christuszeugnis I, 309.
Theologische Abgrenzungen und Konfrontationen
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Abgeschlossen wird dieser Teil mit einem fiktiven Gespräch zwischen Vischer und einem neueren Versuch „Biblischer Theologie"326, nämlich dem von Brevard Springs Childs. 2.5.1 Vischer und Johannes Calvin: das Verhältnis der und die Christusbegegnung im Wort
Testamente
Vischer fußt auf Calvin, wenn er das Wort Gottes als Transportmittel des sich zu uns herabbeugenden Gottes, das heißt aber Christi, erfaßt. Dem entspricht die gemeinsame Auffassung von der Einheit aller biblischen Bünde in dem einen einzigen in Christus zwischen Gott und Mensch geschlossenen Bund. Vischer zitiert dazu Calvins Zentralsatz aus Institutio II, 10, 2: „Patrum omnium foedus adeo substantia et re ipsa nihil a nostro differt, ut unum prorsus atque idem sit. Administratio tarnen variat."327 Auf dem Weg des Gottesvolkes durch alle Zeiten bleiben substantia und res des Bundes unverändert; alle Bünde stellen nur Aktualisierungen des einen Bundes dar. Calvin unterscheidet allerdings Epochen (vor allem im Genesis-Kommentar), ja sogar Stufen der Offenbarung (so zu Gen 25,14); die Hinweise auf die Menschwerdung Christi sieht er zunehmend klarer werden. Das Zunehmen der Klarheit aber ist umgriffen von dem einen Bund, der in Christus (und damit antizipatorisch auf Kreuz und Auferstehung) gründet und auf die Teilhabe an ihm zielt328; dem entspricht, daß Calvin keine gleichmäßige Steigerung feststellen kann, denn etwa in Gen 32 finde sich bereits ein großes Maß an Klarheit.329 Heilsgeschichtliches Handeln Gottes kann immer nur heißen: Gott schenkt Teilhabe an sich.330 Schenkt aber Gott von Anfang an Teilhabe an sich, dann kann es substantia et re keine Steigerung geben. Offenbarung Gottes ist keine andere als Offenbarung in Jesus Christus - ohne Christus gibt es keine Offenbarung (Calvin weist auf Hebr 13,8)331. Christus ist substantia und res aller Bünde, die nur den einen Bund bzw. den einen Versöhnungsweg zwischen Gott und Mensch im einen Mittler rekapitulieren. So reduziert sich für Calvin die Differenz der Testamente auf den Unterschied: Alter Bund: sub typis adumbravit / Neuer Bund: digito monstrare.
326 Eine Übersicht über neuere Positionen Biblischer Theologie bieten DOHMEN/SÖDING, Testamente; REVENTLOW, Biblische Theologie; OEMING, Gegenwart; KRAFTCHICK, Biblical Theology. 327 Christuszeugnis I, 24. - Zu CALVIN: WOLF, Einheit des Bundes. 328 Vgl. Gen 15,1 („ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn"); Num 18,20; Ps 16,5 („der Herr ist mein Gut und mein Teil", vgl. 73,26; 142,6); Klgl 3,24 („der Herr ist mein Teil") etc. 329 WOLF, Einheit des Bundes, 70 f. 330 A. a. O. 64-66. Vischer würde formulieren: am Leben Jesu Christi. 331 A. a. O. 67-69.
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
Hierin besteht eine weitreichende gemeinsame Grundlage. Vischer bekennt sich zu Calvins Bundesbegriff und damit zur Grundlage von dessen Schriftauslegung.332 Er geht jedoch darüber hinaus, sofern er Calvins Auffassung von der Zusammengehörigkeit von Wort und Wörtern, Geist und Buchstaben der Schrift durch „modernere" Überlegungen ergänzen will. Calvin „nous oblige ä pratiquer cette methode encore plus rigoureusement avec les moyens dont nous disponsons aujourd'hui."333 Weil das göttliche Wort als Wort der Zeugen Menschenwort wurde, erhält die Geschichtlichkeit der Schrift bei Vischer einen für Calvin unbekannten Stellenwert als Gegenstand theologischer Reflexion. Gerade bei Vischer ist deutlich festzustellen, wie sich die historisch-kritische Denkweise gegenüber dem genannten reformatorischen Erbe als sperrig erweist. Um dies zu erläutern, betrachten wir zwei Aufsätze Vischers in „Zwischen den Zeiten" von 1927 und 1932. Im Mai 1927 referierte Vischer in Zürich über „Das alte Testament als Gottes Wort", wo er unsere Frage direkt aufgreift: „Unser Thema spitzt sich infolgedessen zu auf die Frage: Lassen sich historisch-kritische Forschung und sachlich-christliches Lesen des alten Testaments vereinigen? . . . Kann geschichtliche Betrachtung anerkennen, daß Christus das Telos des alten Testaments ist? Muß sie nicht bewußt absehen von Christus, und das alte Testament zunächst einmal ganz ,profan' wie irgendeine andere Urkunde aus sich selber zu verstehen suchen? - Wir antworten: Als Christen können wir, auch wenn wir Geschichtsforschung treiben, auf keinen Fall von Christus absehen. Denn für uns ist Christus der feste Punkt im Chaos der Geschichte."334 Es sei „bare Unmöglichkeit, geschichtliche Betrachtung zu üben, als ob Christus nie die Geschichte geschnitten hätte und als ob wir nichts von ihm wüßten. Unser Auge ist bestimmt durch ihn. In s e i n e m L i c h t e sehen wir das Licht."335 In Abgrenzung von von Harnack summiert Vischer: „Es handelt sich also beim sachlich-christlichen Lesen weder um ein Mißachten der historisch-kritischen Forschung noch um einen erbaulichen Anhang an sie, sondern darum, in, mit und unter den historisch bedingten Menschenworten Gottes Wort zu vernehmen."336 Wie für Calvin sei also der christologische Sinn alttestamentlicher Texte kein vom Exegeten hinzugefügter, son-
332 Calvin, exegete de l'Ancien Testament, 1965, 228 ff.: Die Differenz CALVINS zur modernen Exegese sei in der Verschiedenheit der Axiome begründet (229, auch in: Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 380 als BARTH-Zitat). Wie WOLF (Einheit des Bundes, 34 f.) distanziert er sich von CALVIN insofern, als dieser die alttestamendichen Verheißungen irdischer Heilsgüter auf unvergängliche Heilsgüter bezieht, wie sie das Neue Testament offenbart („peu conforme aux textes", 230)! 333 Ebd. 334 Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 382 f. 335 A. a. O. 383 f. (Hervorh. orig.). 336 A . a . O . 387.
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dem der ihm ursprünglich eigene. Gerade deshalb sei das genaue Hinsehen auf alle individuellen Züge sämtlicher Texte so lohnend und Allegorese abzulehnen.337 „Sämtlicher Texte" bedeutet für Vischer: Werde irgendeinem Text die Berechtigung abgesprochen, Teil der Heiligen Schrift zu sein, so werde der diesem Text entsprechende Teil der Wirklichkeit von der Erlösung durch Christus ausgeschlossen. „So ist jede Streichung, die man am alten Testament vornimmt, immer auch eine Verkürzung der neutestamentlichen Botschaft. Sage mir, was du am alten Testamente streichst, und ich sage dir, was der Defekt deiner christlichen Erkenntnis ist."338 Mit „Alle individuellen Züge" meint er: „Für uns heutige Theologen ist das konkrete Wissen um den historischen Charakter des alttestamentlichen Wortes die Voraussetzung für sachliches Lesen. Verschließen wir die Ohren vor den geschichtlichen Worten, so werden wir schwerlich Gottes Wort vernehmen."339 Selbst der religionsgeschichtlichen Schule entwachsen, stand Vischer deren konkrete Arbeit und theologische Dürftigkeit vor Augen. Inwiefern folgt Vischers Schriftauslegung trotz aller Zitate Calvin nicht? Die Arbeit der religionsgeschichtlichen Schule trennt zum einen als historische Denkweise Wort und Glaube. Ihre Exegese richtet sich auf die littera der Schrift, nicht auf ihre res bzw. nicht auf Christus, der sich in ihren Geschichten - im Doppelsinn als Geschehnis und Bericht - offenbart. Den Glauben, daß die Schrift geschichtliche Offenbarung des Dreieinigen Gottes ist, kann historisch-kritische Exegese nicht voraussetzen: Sie trennt sachlich, was Calvin theologisch unterschieden340 hatte: das Wort von Christus, die Schrift vom Heiligen Geist und so vom Glauben. Sie intendiert Worterkenntnis, nicht Gotteserkenntnis. Wer Gotteserkenntnis will, überschreitet die Grenzen der historischen Arbeit am Text. Hier stellt sich die Frage nach der Gegenstandsgemäßheit so verstandener historischer Arbeit am Text der Heiligen Schrift: Den Charakter der heiligen Texte als Verkündigung des göttlichen Wirkens hat man als Gattung formgeschichtlich erkannt; nimmt man sie aber auch inhaltlich mit ihrem Anspruch ernst, an, für wahr?Religionsgeschichtliche Arbeit trennt zum anderen als kritische Denkweise Wort und Geschichte. Das Wort der Schrift könnte, so lautet das permanente methodische Zweifelsmoment, einer anderen Geschichte entsprungen sein, als es selbst vorgibt, bzw.: es könnten die von ihr berichteten Ereignisse in anderer Weise341 oder gar nicht stattgefunden haben. Ist diese Trennung 337 338 339
340
A. a. O. 386 f. A. a. O. 386. A . a. O . 3 8 3 ( m i t B e r u f u n g a u f BARTO).
NlESEL, Theologie Calvins, 35. Vgl. die Hieronymus-Studie von HAGEMANN, Wort als Begegnung mit Christus. 341 Ζ. B. könnten innere statt äußere Erfahrungen wiedergegeben sein.
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einmal vorgenommen, hat das Schriftwort seine Autorität verloren, uns in die von ihr berichtete göttliche Aeneis342 hineinzustellen, damit wir ihres Ertrags teilhaftig werden. Die Wissenschaftlichkeit, das heißt Sachgemäßheit der exegetischen Arbeit, war für Vischer durch ruhiges, philologisch geführtes Lauschen auf die individuellen Züge der Texte gesichert, nicht durch eine Kritik, die die Texte aus ihrer Stellung im kanonischen Kontext löst. „Ad verbum est veniendum!"Mi Die Texte selbst! Sie, und nicht unsere De- oder Konstruktionen beherbergen den Mittler. Aus diesem Grund begegnete Vischer der historischen und sachlichen Kritik344 an der Bibel mit Zurückhaltung. Die Texte sind unter dem Gesichtspunkt zu lesen, den sie selbst angeben. Das Neue Testament sagt uns, daß für das Alte Testament Christus als Telos anzunehmen ist.345 Vischer faßt dies nicht nur im Sinne von Rom 10,4 als Hinweis auf die Rechtfertigung auf, sondern auch als Leseanweisung im Sinne von Rom 4,23-25; 15,4. In dem zweiten Aufsatz „Das Alte Testament und die Geschichte" (1932)346 sucht Vischer die Geschichtlichkeit der Schrift noch schärfer zu fassen. Weil das Alte Testament geschichtlichen Charakter trägt, unterliege es der historischen Kritik.347 Die Trennung zwischen biblischem Wort und Geschichte wird ausdrücklich als notwendig bezeichnet.348 Wie könne es dann aber noch unbedingte Gültigkeit haben? „Wir haben es ja erfahren, daß die historisch-kritische Forschung, die konservative nicht weniger als die freisinnige, den eigentlichen kanonischen Anspruch der alttestamentlichen Urkunden aufgegeben hat. . . . Kanonische Autorität des Alten Testaments besagt: diese Schriften sind zusammen mit denen des Neuen Testaments für die Glaubenden aller Zeiten das eine maßgebende Zeugnis der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus." 349 Vischer möchte die Spannung zwischen Kanonizität und Geschichtlichkeit im Sinne Barths auflösen: „Das Ärgernis der Geschichtlichkeit des Alten Testaments entspricht genau dem Ärgernis der Fleischwerdung des Wortes in Jesus Chri-
342 So nennt LUTHER die Bibel auf seinem letzten Zettel (WA T R 5,168,18-169,7; Nr. 5468). 343 CALVIN, Inst. I, 6, 3; OS 3, 63, 25, zit. nach NIESEI. a. a. O. 35. 344 Beides ist verknüpft; EßELING, Bedeutung, 27: Die historisch-kritische Methode „ist nicht nur dort, wo sie etwa ihre legitimen Grenzen überschreitet, sondern wesenhaft verbunden mit Sachkritik." WANKE, Notwendigkeit, 14 (vgl. 162): „Ziel der Auslegung ist als erstes immer Verstehen. Verstehen aber in der Weise des engagierten Nachvollziehens schließt immer Kritik ein." 345 Vgl. Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 382. 346 Veröffentlicht in Z Z 10, 1932, 22-42. 347 A. a. O. 24. 348 A. a. O. 25. 349 A. a. O. 22.
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stus, die es bezeugt."350 Von daher müßten die Ergebnisse der Geschichtsforschung ernst genommen werden. Zu beachten sei, daß die Relativität der Geschichte nicht nur die biblische Geschichtsschreibung, sondern auch unsere Geschichtsforschung umschließt. Vischers Aufsatz widmet sich der Aufgabe, die Eigenart der alttestamentlichen Geschichtsschreibung besser zu erfassen. Dabei läßt der Vergleich zwischen dem biblischen und dem modernen Begriff von Geschichte ein Defizit erblicken: „Die bisherige Kritik hat wichtige Arbeit zur Lösung dieser Aufgabe geleistet. Nur war sie zum Teil nicht kritisch genug gegen sich selbst, zu sehr gebunden durch die Dogmen einer modernen Wissenschaftslehre. Die modernen Historiker haben zu schnell die alten Geschichtsschreiber aufgrund fremder Begriffe und Gesetze verurteilt, statt sie ganz zu hören und die maßgebenden Grundsätze der alttestamentlichen Geschichtsschreibung zu erkunden." 351 Ich halte diesen Aufsatz für nicht stringent. 1. Vischers Sätze, die zur radikalen historischen Kritik ermuntern, wurden von den Vertretern und Nachfolgern der religionsgeschichtlichen Schule zwar wohlwollend aufgenommen, sind aber nicht in letzter Konsequenz ernst gemeint. Denn nach Vischer sind Geschichte und Geschichtsverständnis der Bibel die Norm für unser eigenes Geschichtsverständnis. Er zeigt dies praktisch 352 , hält es aber in der Schwebe, wenn er sagt: „So muß auch die Unzuverlässigkeit der biblischen Schreiber die Treue Gottes als die
350
Ebd. und öfter, vgl. Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen?, 1932, 95 f. (vgl. Christuszeugnis I, 17). - Die Einheit von Schrift und Wort Gottes bzw. von Wort, Christus und Glauben teilt Vischer mit LUTHER, aber die Frage einer dogmatischen Analogie zwischen Schriftlehre und Christologie unterscheidet beide, vgl. BUCHHOLZ, Schrift, 112; vgl. S. 248: „Zwischen Luther und aller historisch-kritischen Theologie besteht tatsächlich ein unüberbrückbarer Widerspruch hinsichtlich des Schriftverständnisses und der Schriftauslegung." Vgl. PANAGOPOULOS, Christologie, 54: Die Heilige Schrift entspricht vollkommen der Person und Geschichte Jesu Christi. Die unteilbare Ganzheit der Bibel, 1935, 118: Die „menschlich zeitliche Bedingtheit aller dieser Mitteilungen" „entspricht . . . genau dem, was mitgeteilt wird, daß nämlich der Menschensohn Jesus das ewige Wort des Vaters ist Daß er ihr Bruder ist, ohne sich ihrer zu schämen, wie sich sein Vater im Himmel nicht schämt, ihr Gott zu heißen, das ist es, was wir an den Menschen der Bibel sehen sollen. Sie leben alle von seiner Geburt, das ist es, was ihre Lebensgeschichten zu Berichten der Offenbarung Gottes macht. So sind sie alle, unbeschadet ihrer persönlichen Unterschiede, Zeugen des Einen, der sich an ihnen und durch sie bezeugt. Wer sie nicht als seine Zeugen hört, mißdeutet sie. Das tut aber jeder, der die Einheit der Bibel auflöst; denn er löst damit die Verbindung der Zeugen mit dem Bezeugten auf und macht so aus den Zeugen Jesu Christi Vertreter verschiedener Weltanschauungen und Religionen" (Hervorh. S. F.). - Zu BARTH: KRAUS, Neue Begegnung, 436. 351
Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 27. Die „maßgebenden Grundsätze der alttestamendichen Geschichtsschreibung" (ebd.): 1. Geschichte ist Wort Gottes (27-29), 2. alle Zeit ist Gnadenfrist (29-31), 3. der MessiasChristus, „die Erscheinung des Gotteskönigs in Menschengestalt, (ist) der eigentliche Fixpunkt, das Telos, das Ziel, Erfüllung und Ende der Geschichte" (32; 32-36). 352
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einzig zuverlässige bezeugen und von den Menschen weg allein auf Gott hinweisen."353 Die Menschlichkeit der Zeugen soll die Menschlichkeit und Herablassung Gottes bezeugen. Das Problem besteht hier nicht darin, daß die beiden Größen im Wesen deckungs ungleich sind; ein Kleineres kann durchaus als Hinweis auf ein Größeres bzw. einen Größeren fungieren („wer euch hört, der hört mich", Lk 10,16). Doch wie kann die Unzuverlässigkeit der menschlichen Zeugen als solche die Zuverlässigkeit und Treue Gottes bezeugen? Dieser Schluß ist logisch nicht nachvollziehbar. Paulus weist auf die Konsequenz hin: „Wenn aber die Wahrheit Gottes durch meine Lüge herrlicher wird zu seiner Ehre, warum sollte ich dann noch als Sünder gerichtet werden? Ist es etwa so, wie wir verlästert werden und einige behaupten, daß wir sagen: Laßt uns Böses tun, damit Gutes daraus komme? Deren Verdammnis ist ganz recht" (Rom 3,7 f.).354 2. In Analogie dazu bleibt unklar, inwiefern eine spezifische Entsprechung zwischen der Geschichtlichkeit der Bibel und der Jesu Christi besteht. Geschichtlich sind ja alle anderen, nichtbiblischen Menschenworte auch! Warum liegt in der Entdeckung der Geschichtlichkeit der Schrift, ihrer Widersprüche etc., ein theologisches Ärgernis, das im Sinne von 1. Kor 1,18-25 auf das Kreuz weist?355
353
Vischer a . a . O . 37f. Vgl. Christuszeugnis I, 16: Altes und Neues Testament „sind die von der Kirche genehmigte und durch den heiligen Geist beglaubigte Auswahl der ,echten' Dokumente, die mit ihren , toten' Buchstaben das geschichüiche Ereignis des , Christus Jesus', der durch seinen Tod historisch geworden ist, authentisch bestimmen." Und Betheler Sonntagsblatt vom 24.2.1929: „Unser Abfall von Gott . . . muß durch das Wunder seiner Barmherzigkeit dazu dienen, ihn zu verklären. . . . Darum wird das Ende der Werke Gottes herrlicher sein als ihr Anfang . . . " (Kontext: oben S. 45). 354 Vgl. unten Teil 3.2.1! 355 Zum Ärgernischarakter des Schrift gehört nach Vischer für unsere Zeit wie für das 19. Jh., daß man an der mangelnden sittlichen H ö h e der biblischen Gestalten Anstoß nehme. Gott habe keinen Anstoß daran genommen, sich etwa der Erzväter zu erbarmen (Hebr 11,16; 2,11): „Es kann auch nichts schaden, wenn Webers Bemerkungen uns hindern, die Patriarchen als moralische Helden zu verehren. Je früher und öfter wir spüren müssen, daß die Bibel ein ärgerliches Buch ist, das nicht zuletzt dem moralischen Menschen anstößig sein muß, desto besser ist es. Das Reich Gottes, um das es in der Berufung und in den Erdenwanderungen Abrahams geht, ist ganz gewiß nicht das, was man heute das Reich der heldischen Frommen oder der religiös-sittlichen Werte und Persönlichkeiten nennt. Der biblische Bericht stellt den Erzvater rücksichtslos bloß. Abram soll offenbar nicht aufgefaßt werden als Vater der unanstößigen Persönlichkeiten, sondern als der Vater derer, die fallen und wieder aufgerichtet werden durch Den, dessen Kraft mächtig ist in den Schwachen" (Christuszeugnis I, 155; ebenso: Der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, 1931, 289). Unter dem „skandalon" versteht Vischer (dogmatisch i. S. der quaestio iuris) auch Gottes unverfügbare Prädestination (vgl. die Andacht J a k o b habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasset", 1933, bes. 138; Jahwe der Gott Kains, 1929, 61-63), die Geschichdicheit der Schrift (Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 22 = Christuszeugnis I, 16-20, bes. mit HAMANN und BARTH S. 17; Das Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 5; Zum Problem der Hermeneutik, 1964, 111; EICHRODT, Zur Frage, 82:
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Welchen Erkenntnisfortschritt intendiert die dogmatische Parallelisierung von Schriftlehre und Christologie? Bringt diese Parallele die Lösung, die Vischer ansteuert: eine bestimmte Auswahl zufälliger Geschichtswahrheiten sei das autorisierte Zeugnis dafür, daß Eine Geschichtswahrheit, Jesus, die zeitübergreifende Wahrheit ist?356 Daß lauter relative Dinge gesammelt wurden, läßt sie noch nicht dazu autorisiert sein, auch kann eine bloße Summierung relativer Dinge nicht den Sprung zum Absoluten schaffen! Die Anspielung auf Lessing, die Vischer im ersten Band des Christuszeugnisses wiederholt357, hat ihre Grenze: Richtig sagt Vischer, daß der Inhalt des Glaubens nicht in notwendigen Vernunftwahrheiten besteht, sondern in der Torheit Gottes (nach 1. Kor 1-2), die im Glauben über der eigenen Vernunft richtend zu stehen kommt. Welche Stelle aber nimmt die Schrift im Vorgang der Erkenntnis dieses Inhalts ein? Wie erhalte ich die verbindliche Antwort auf die alles entscheidende Anfrage des Täufers, wenn die Schrift, die allein diese Frage beantworten kann und tatsächlich beantwortet, nur aus unverbindlichen Zufälligkeiten besteht? Lessing hat richtig gesehen, daß unter dieser Voraussetzung keine verbindliche Antwort zu erhalten ist. Wenn Vischer Lessing zurückgibt: Die Frage ist falsch gestellt, denn das bzw. der zu Erkennende, κύριον Ίησοϋν, ist gar keine notwendige Vernunftwahrheit, sondern die Wahrheit Gottes, durch die jede Geschichtswahrheit aller Zeiten vor Gott steht und fällt, dann ist damit Lessings Glaubenshindernis nicht ausgeräumt, weil dem Menschen, wenn er glauben will, der Wagnisschritt des Glaubens vom Relativen zum Absoluten nicht erspart werden kann und auch von Vischer nicht erspart werden will. Vischer: „Nicht dem Beweis notwendiger Vernunftswahrheiten, sondern
„Aergernis der irdisch-zeitlichen Gebundenheit des Wortes"; vgl. oben Anm. 10, S. 149) und i. S. der quaestio facti die mangelnde sitdiche Höhe alttestamendicher Gestalten (Christuszeugnis I, 155; Der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, 1931, 289). VOGEL (Wie predigen wir, 352) und BARR (Revelation, 202) bezweifelten mit Recht entschieden, daß „Geschichte" als Kategorie und Verstehensbezugsrahmen in der Theologie im Rang als „absolutely supreme milieu" der Offenbarung dienen kann und darf (vgl. unten 3.1). Als das „skandalon" auszugeben, daß Gott sich durch Geschichte offenbare, sei ein großer Bluff. Paulus spricht in Gal 5,11 vom Kreuz bzw. in l . K o r 1,18 vom „ Wort vom Kreuz" als dem Skandalon, das heißt aber von einer bestimmten Behauptung über das Kreuz, nämlich seiner Heilsbedeutung („Gotteskraft"). Sofern die ganze Schrift als „Wort vom Kreuz" verstanden wird, ist auch sie skandalon; aber Vischer formulierte, wie gesagt, nicht dieses Zeugnis der Schrift als ihr skandalon. Der wahre Anstoß liegt, wenn ich Paulus recht verstehe, in der Heilsbedeutung des Kreuzes, nicht in der menschlichen Gestalt seiner Verkündiger. Diese Gestalt, die Heilige Schrift eingeschlossen, kann nur dann und insofern echten Anstoß erregen, als sie in einer Gott Raum gebenden menschlichen Schwachheit eben das widerspiegelt, was in ihr beschlossen liegt. 356 357
1777.
A. a. O. 23. Christuszeugnis I, 18 f.; G. E. LESSING, Über den Beweis des Geistes und der Kraft,
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dem Zeugnis, daß Jesus der Christus ist, will das Alte Testament dienen."358 Das Relative, nämlich die geschichtlich bedingten Texte des Alten Testaments haben also einen über alles Relative hinausgehenden absoluten Zweck, der ihnen von Gott gesetzt ist: Gott will sich durch sie offenbaren. Vischer hat insofern recht, als es nicht darum geht, notwendige Vernunftwahrheiten zu erkennen, sondern die unverfügbare Weisheit Gottes, Christus. Geistgewirkte Glaubenserkenntnis bleibt an die geschichtlich-kontingenten heiligen Schriften der Apostel und Propheten gebunden; durch sie wird Glaube zu etwas nicht vernunftgemäßen, sondern göttlichen Geschenk - Vischers schönes Calvin-Zitat an dieser Stelle: „Est enim Satanae spiritus qui divellitur a Verbo, es ist der Geist des Satans, der sich losreißt vom Wort, welchem Gottes Geist immer verbunden bleibt."359 Durch das Hören des Wortes Gottes erhalten wir etwas Unverfügbares, Göttliches, ja Absolutes, das wir uns nicht selbst geben können: den rettenden Glauben. Daß es um den Uberschritt zu diesem Glauben geht, darf gegenüber Lessing und seinen geistigen Nachfahren nicht heruntergespielt werden. Hat die Schrift aber als Zweckbestimmung diesen Uberschritt, so müßte theologisch anders von ihr gesprochen werden als von einer zufälligen Auswahlsammlung altorientalischer Literatur. In der Rückschau des Neuen Testaments waltete hier nicht blinder Zufall, sondern das Erwählen und Verwerfen des Dreieinigen Gottes. Weil auch Vischer dem zugestimmt hat360, hätte meines Erachtens sein Urteil über den folgenden Satz Hempels
358
Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 23. Christuszeugnis I, 20 (Calvin, Kommentar zu Jes 59,21), vgl. 30. 360 Er formulierte bei der von KARL BARTH geleiteten Bonner Diskussion mit GUSTAV HÖLSCHER (17.1.1931) als erste These: „Die Bibel ist eine Sammlung israelitisch-jüdischer und jüdisch-hellenistischer Literatur und als solche Gegenstand der Geschichtswissenschaft. Eben diese Sammlung ist aber, und zwar nur unter Anerkennung der qualitativen Einheit ihrer beiden Teile, für die Kirche zugleich das geltende normative Zeugnis der Offenbarung Gottes im Christus Jesus. Als dieses Faktum sind die Schriften des A T und N T Gegenstand der Theologie." (Hervorh. orig.) Zweite These: „Weil dieser Satz von der qualitativen Einheit des A T und N T ein Glaubenssatz der Kirche ist, hat ihn die Theologie nicht zu beweisen. Wohl aber ist es ihre Aufgabe, nachzuweisen: a) daß dieser Satz den Aussagen des A T und N T entspricht, indem das N T nichts anderes als die Erfüllung des im AT Verheißenen verkündigt und das A T in jedem Wort das vom N T Verkündete weissagt; daß also nur unter der Voraussetzung dieser Einheit die Schriften des Α Τ wie des NT ohne Vergewaltigung verstanden werden können-, während alle Versuche, sie von unkirchlichen (jüdischen oder heidnischen) Voraussetzungen zu verstehen, nachweisbar das, was dasteht, unter fremden Gesichtspunkten betrachten und umdeuten . . . " (Hervorh. orig.). Die biblische Begründung unseres Amtes, 1934, 78 f.: „,Darum soll dies das feste Axiom sein: Nichts anderes ist für Gottes Wort, dem in der Kirche Raum gegeben werden soll, zu halten als was zuerst in dem Gesetz und den Propheten, sodann in den apostolischen Schriften enthalten ist; auch kann mit Fug auf keine andere Weise in der Kirche gelehrt werden als nach der Vorschrift und Richtschnur seines [des biblischen!] Wortes' (Calvin). An diesem ,Axiom' scheiden sich heute wie zu allen Zeiten, aber heute besonders auffällig die Geister, nicht etwa zur Unter359
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nicht positiv ausfallen dürfen: „Die zeitgeschichtliche, die literarkritische, die religionsgeschichtliche Erklärung des A.T., kurz, die historisch-kritische Arbeit in allen ihren Zweigen steht nicht im Gegensatz gegen die theologische Erfassung des A.T. als einer Urkunde der Offenbarung; sie bildet vielmehr ihre notwendige und unerläßliche Vorbedingung, wenn anders es im A.T. wirklich um die Offenbarung Gottes in der Zeit, im einmaligen geschichtlichen Handeln geht."361 Mit dem Begriff „Vorbedingung" führt Vischer im Grunde das wieder ein, was sein Christuszeugnis des Alten Testaments verbietet: die oben genannten Trennungen. Offenbarung Gottes erfolgt in der Zeit - aber bleibt Gottes Offenbarung. 362 Wie aber kann nach Vischer eine Denkweise, die die Schrift unter dezidiert unkirchlichen Voraussetzungen nur mißverstehen und „umdeuten" kann 363 , „notwendige und unerläßliche Vorbedingung" theologischer Arbeit werden? Sieht er doch nicht, daß historisch-kritische Exegese nach seinem eigenen Vorwurf auf die von ihm abgelehnten Sinnverdopplungen und Allegoresen hinausläuft, etwa wenn die Erzählung vom Abfall am Horeb als Rückprojektion angesehen wird, die sich intentional gegen die von Jerobeam I. aufgerichteten „Goldenen Kälber" richtet364? Es ist ein Rätsel, wie Vischer und Barth diese Spannung übersehen konnten. Vielleicht liegt hier ein Grund dafür, warum die Exegese der Barth-Schule keinen bleibenden Einfluß auf die akademische Schriftauslegung in Deutschland ausüben konnte365. Eine konsequente historisch-kritische Arbeit wird meines Erachtens kein Christuszeugnis des Alten Testaments im Sinne der Präexistenzvorstellung des Neuen Testaments herausbringen können und wollen. So bleibt es im Nebel, was Vischer fordert, wenn er sagt, daß „die historisch-kritische Wissenschaft wirklich zu ihrem Recht kommen soll".366
Scheidung der Calvinisten von den Lutheranern, sondern zur Prüfung der Geister, ob sie sich zu dem ,in das Fleisch gekommenen Christus' bekennen und durch seine Zeugen verkündigen läßt, oder ob sie ein Christus-Ideal, ein im eigenen Gemüt zurechtgemachtes Heiland-Bild verehren (l.Joh. 4,1-3!)" (eckige Klammern orig.). M Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 24, zit. aus: J. H., A.T. und Geschichte, Gütersloh 1930, S. 80. 362
Vgl. BARTH, K D -2, 64.
363
C h r i s t u s z e u g n i s I, 34 A n m . 51 ( g e g e n PAUL VOLZ).
344
DONNER, Geschichte I, 104 (Lit.); Geschichte II, 242 f. Anm. 39. CHILDS, Introduction, 16. Christologische Exegese des Alten Testaments, 1937, 5. - Vgl. unten 3.2.
365 366
224
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
2.5.2 Vischer und J. C. K. v. Hoßnann: die Frage der weissagenden Geschichte167 Johann Christian Konrad von Hofmann (1810-77) stellte sich die Aufgabe, einen eigenen theologischen Wissenschaftsbegriff zu erarbeiten368, um die Theologie als eigenständige Wissenschaft zu erweisen.369 Sein Denken ist dabei durch eine besondere Polstruktur gekennzeichnet, nämlich durch ein Gegenüber von erleuchtetem Ich und Heiliger Schrift. Die Erleuchtung des Ichs geschehe durch die Wiedergeburt, die die Gemeinde vermittelt. Was Gott bei der Erleuchtung als Erkenntnis schenkt, sei das „Lehrganze" oder das „System", das dem Gläubigen vollständig und in sich geschlossen durch den Heiligen Geist gegeben wird. Die Besonderheit liegt im theologischen Verfahren: der Inhalt kann allein aus dem Ich des Gläubigen entfaltet werden. Er wird vergewissert durch den Aufweis, daß sich das im Inneren des Gläubigen erwachsene Lehrganze und das Schriftganze der Bibel decken; „die aus der persönlichen Erfahrung des Christen entnommenen wollen bewiesen sein durch die schriftlich verzeichneten" „Thatsachen"370. Dieser Aufweis, wenn er sich über das gesamte System erstreckt, ist der „Schriftbeweis"371 und mithin „der wissenschaftliche Beweis für den Tatbestand des Christentums"372. Die Deckungsgleichheit der beiden Pole Schriftganzes und Lehrganzes zu zeigen, war von Hofmanns Lebensaufgabe. Damit wirklich zwei „Ganzheiten" vergleichsfähig nebeneinander zu stehen kommen, wandte von Hofmann große Arbeit auf: Die Erfahrung der Wiedergeburt ließ ihn ein ganzes Netzwerk innerhalb der Schrift auffinden; er suchte es in seinem umfangreichen Werk „Weissagung und Erfüllung" (Band I: 1841, II: 1844, zusammen 750 Seiten) als möglichst engmaschig zu beschreiben. Wodurch? Die Einheit der Schrift ließ sich ihm nicht als Geschichte von Weissagungen darstellen, sondern nur als „weissagende
Ge-
367 Vischer hat von Hofmann nie zitiert. (Allerdings wird von Hofmanns Römerbriefauslegung in der Literaturliste zu Le mystere d'Israel genannt: Foi et Vie 1965, 428.) Ein systematischer Vergleich ist mithin von Vermutungen über ein etwaiges Abhängigkeitsverhältnis weitgehend enthoben. 348 RGG 3 3, 420-422, hier 421. Auf die theologiegeschichtlich nicht eindeutige Einordnung VON HOFMANNS kann hier nicht eingegangen werden; vgl. CHILDS, Theologie I, 36: „hegelianischer Beigeschmack"; MILDENBERGER, Hofmann, 478. 369 Ebd. 370 Der Schriftbeweis, Band I, Nördlingen 1852, 28. - Weissagung und Erfüllung I, 33: „Das Zeugnis des heiligen Geistes, dessen wir Christen uns rühmen, was ist es anders als eine Gottesoffenbarung, welche das Endergebnis aller Geschichte in einem vorläufigen Abschlüsse derselben kund thut?" 371 Das hat BAUMGÄRTEL (Verheißung, 89) offensichtlich nicht verstanden, wohl wegen mangelnder Lektüre VON HOFMANNS. 372
MILDENBERGER, H o f m a n n , 478.
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schichte"m. In ihr halten Weissagungen in Wort und Tat gleichen Schritt.374 Die einzelnen alttestamentlichen Tatsachen sind immer nur in ihrem Zusammenhang zu verstehen „und sodann in dieser Vermitteltheit typisch", um zu vermeiden, wie die Alten die Schrift zu „quälen".375 Das impliziert nicht nur, daß mit der Frage nach eschatologischen Bezügen des Alten Testaments sein eigentlicher Kern angesprochen wird. Das Alte Testament ruht also nicht in sich und ist auch nicht aus sich selbst heraus verständlich, vielmehr kann ein kontinuierlicher (von Hofmann betont: ein langer376) Pfad vom alttestamentlichen zum neutestamentlichen Geschehen beschritten werden. 377 Vischers und Hofmanns Wege trennen sich, weil für von Hofmann aus der Kontinuität des Pfades vom Alten zum Neuen Bund die hermeneutische Trennung von Weissagung (Band I) und Erfüllung (Band II) folgt. 378 Die Weissagung wird weithin abgesehen von der Erfüllung behandelt - für Vischer undenkbar.379 Vischer hat von vornherein bewußt die apostolische Brille auf der Nase und liest durch sie die vorderen und hinteren Propheten - als christlicher Theologe (das heißt besser: als christologischer Exeget) kann er nicht so tun, als läge ihm das κάλυμμα noch über dem Gesicht. Von Hofmann: „ M e h r f a c h e n S i n n . . . müßte mir eine Stelle von selbst bieten, wenn ich ihn anerkennen sollte: darnach zu suchen habe ich nicht vor, so oft auch eine neutestamentliche Beziehung auf alttestament-
373
„Sonach haben wir an der Selbstdarstellung Christi in der Welt zugleich Geschichte und Weissagung: Geschichte, nämlich immer bestimmtere Hinweisung auf die endliche Gestalt der Gemeinschaft von Gott und Mensch. Mit dieser weissagenden Geschichte und mit der Geisteswirkung, durch welche sie geschieht und sich ins Wort faßt, haben wir es zu thun": Weissagung und Erfüllung, I, 40. vgl. 52. 62; II, 245 f.; Biblische Hermeneutik, 185 f. - BULTMANN, Weissagung, 168: „Vielmehr ist Weissagung die Geschichte selbst, sofern diese eine Bewegung ist, die auf ein Ziel hinführt und dieses Ziel ständig als Weissagung oder Verheißung in sich trägt. Das ist natürlich etwas ganz anderes, als wenn nach der traditionellen Auffassung die Weissagung von der Erfüllung her verständlich wird, indem plötzlich ein geheimer Sinn von Worten zutage tritt, die ursprünglich in ihrem Zusammenhang etwas ganz anderes bedeutet hatten." 374
MILDENBERGER, Hofmann, 477. Als Beispiel wird HIPPOLYTS Auslegung der Erzählung von Jakobs Betrug angeführt, siehe oben S. 172 (Biblische Hermeneutik, 186); zur Ablehnung der Allegorie siehe 175. 180 und Willkür (154). - Selbstanzeige 4 (bei REVENTLOW, Alttestamentliche Theologie, 102). 376 Biblische Hermeneutik, 155. 377 Vgl. Vischer: Der „Christus Jesus des Neuen Testaments steht tatsächlich im Fluchtpunkt der alttestamendichen Perspektive" (Christuszeugnis I, 33). Vgl. oben S. 175 und VON HOFMANN, Biblische Hermeneutik, 153 f. 378 Damit entspricht VON HOFMANN der seit J. Ph. GABLER üblichen Aufgabenteilung zwischen alttestamentlicher und neutestamentlicher Theologie. 379 Natürlich trennen sich die Wege bereits bei der Frage der Aufgabe des Schriftbeweises, der Vergewisserung. Vischer ist dogmatisch kein „Erlanger", sondern „Barthianer". Wir konzentrieren den Vergleich auf Grundfragen der Schriftauslegung. 375
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
liches dazu verleiten könnte. Ich werde mich überhaupt in der Auffassung alttestamentlicher Stellen nicht durch den Buchstaben neutestamentlicher irren lassen, wohl aber hoffe ich zu Gott, daß der Geist des neutestamentlichen Worts mich leiten wird, daß ich kein alttestamentliches verabsäume oder willkürlich verkürze. Daß darum den neutestamentlichen Nachweisen, wie alttestamentliches zur Erfüllung gekommen sey oder kommen werde, die gebührende Anerkenntniß nicht verweigert zu werden braucht, soll sich, so Gott mir Leben, Gesundheit und Muße schenkt, in der zweiten Hälfte meines Buches darthun."380
380 Weissagung und Erfüllung I, 63 f. (Hervorh. S. F., um anzuzeigen, daß in problematischer Weise Geist und Buchstabe auseinandertreten). Beispiel: „Wir haben nicht etwa jenen Melchisedek etwa um deswillen, was Hebr. 7 von ihm gesagt ist, dann aber auf Grund einer Mißdeutung dieser Stelle selbst für eine Erscheinung des λόγος erklärt oder für den Engel Jehovas und dergleichen, sondern wir haben ihn als das belassen, als was ihn die Erzählung gibt, als einen dem Abraham zeitgenössischen König einer canaanitischen Stadt" (Biblische Hermeneutik, 185 f.). Theologiegeschichtlich und dogmatisch erhellend hierzu scheint mir BÖHLS Standortbe-
s t i m m u n g z w i s c h e n HENGSTENBERG u n d VON HOFMANN ( C h r i s t o l o g i e , 4 0 f.): HENGSTEN-
BERGs Hauptmangel sei das Fehlen eines festen Ausgangspunktes, des Protevangeliums. „Und somit kommt er in ein Schwanken und jagt vielfach ruhelos dem Gegenstande nach; die Person des Messias zerfliesst ihm unter den Händen und stellt sich ihm erst im Neuen Testamente." Auch fehle der Blick für die Anknüpfungen an die Zeitgeschichte, wie schon VON HOFMANN kritisierte; die Weissagungen gehören ja durch Ursprung und Bestimmung ihrer Zeit an! Bzgl. der geschichtlichen Auslegung verdiene also VON HOFMANN den Vorzug, auch wenn er die persönlich-messianische Erklärung darüber aus den Augen verliert: „Zwar trägt nunmehr die ganze Geschichte des Alten Testaments Vorandeutungen auf Christus, aber diese sind stumm für die Zeitgenossen; sie reden nicht von dem persönlich gegenwärtigen Christo selber zu den damals Lebenden. Ueberall finden sich Vorausdarstellungen und Anbahnungen Christi, aber die Geschichte hütet sich wohl, zu viel zu verrathen; und das sich über die Geschichte äussernde Prophetenwort bleibt, statt seine Richtung himmelwärts zu nehmen, am Boden der Zeitgeschichte haften und ist den Schlingpflanzen zu vergleichen, nicht der hohen festen Eiche. U m geschichdich zu bleiben, engt nämlich v.Hofmann die Wortweissagung streng auf den Horizont der Gegenwart ein. Die Wortweissagung ist der getreue Exponent der weissagenden Geschichte, und soviel, als man von dieser Geschichte begriff, soviel begreift und versteht man auch von der Wortweissagung. Ueber den geschichtlichen Horizont hat kein alttestamentlicher Frommer hinausgeblickt, und so hat denn Keiner den Sohn Gottes gesehen. Ueberall wird der persönliche Christus zurückgedrängt oder völlig verdrängt, um ihn erst dann in eine Beziehung zu diesen Vorausdarstellungen seiner selbst zu restituieren, wenn er in den Horizont der Geschichte selbst eingetreten sein wird. Der mit Pomp und grossem Aufwand an Gelehrsamkeit aus dem alttestamendichen Bewusstsein exilierte Christus wird im Neuen Testamente dann doch wieder in Beziehung zu den Weissagungen des ATs gesetzt. Letztere - das gibt v. Hofmann zu - stellten zwar Christum im Voraus dar, aber es bleibt vorerst ein ungelöstes Räthsel, was diese Weissagungen eigentlich wollen. Was sie gleichsam als einen ersten Entwurf des Geistes Gottes enthalten, das ist erst im Neuen Testamente zur Ausführung und Darstellung im Leben gelangt. Spielarten der Erlösung Gottes in Christo sind jene alttestamentlichen Weissagungen; erste Entwürfe, gefertigt aus geringerem Material; Christus, das Original, kommt erst im Neuen Testament zur Geltung. Kurz, die allertraurigste Auffassung der weissagenden Geschichte hat eine triste
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Was heißt das zum Beispiel für den alttestamentlichen Gottesknecht? Von Hofmanns Teil I über „Die alttestamentliche Weissagung" identifiziert Knecht, Prophet und Israel. Der Gedanke eines stellvertretenden Strafleidens wird vermieden, ja von von Hofmann überhaupt abgelehnt381; zur Gerechtigkeit dient der Knecht jenen, die sein Wesen erkennen.382 Von der „neutestamentlichen Erfüllung" handelt erst Teil II (1844) im Abschnitt über Jesu Passion und schließt hier an: Der Abäd des Jesajabuches ist „weder . . . ein einzelner, noch sein Leiden ein stellvertretendes; sondern Israel dem Propheten widerfährt ein Geschick gleich der Verurtheilung und Hinrichtung eines Mannes, damit die sonst dem Verderben anheimfallende Welt zur Erkenntnis ihres Heils gelangt. Erfüllt sich nun Israel's Beruf so schlüßlich in dem einen Jesus, so wird sich auch jene Weissagung so an ihm erfüllen, daß ihm recht eigentlich widerfährt, was von Israel dem Propheten uneigentlich gesagt war."383 Apg 8,26 ff.; Lk 22,37; 1. Petr 2,21-25 oder andere Anspielungen (Überlieferungen der Einsetzungsworte) auf Jes 53 im Neuen Testament bleiben ungenannt!384 Vergleichen wir dies mit Vischers Erkenntnissen über den Gottesknecht. Für Vischer liegt hier der Kulminationspunkt des Alten Testaments!385 Wir
und beschränkte Auffassung des Weissagungswortes im Gefolge. Solcher Auffassung v. H o f mann's gegenüber ist diejenige Hengstenberg's sehr zu preisen, wenn dieselbe auch der Geschichte, als dem Mutterschosse der Weissagung, nicht genügend Rechnung trägt." 381
MlLDENBERGER, H o f m a n n , 4 7 8 .
382
Weissagung und Erfüllung I: „Den Knecht Gottes für das erkennen, was er ist, darin besteht die Gerechtigkeit, welche Gott von den Heiden fordert. Israel in seinem prophetischen Beruf hat solches zu erfahren und zu leisten, zum Besten der Heidenwelt, welche so zu Jehova und zu ihrem Heile kommt" (275). Die den Boten Jehovas erkennen, denen gereicht der Leidende mit seinem Leiden zum Heil. „Erst eine so bittere Erfahrung, als dem einzelnen schmählicher T o d ist, kann dem Volke in seiner prophetischen Berufsthätigkeit Uebergang zur Verherrlichung vor aller Welt und zum Genüsse der Früchte seines Leidens werden. Die schlüßliche Entwicklung der Geschicke, die schlüßliche Erfüllung des Berufs Israel's des Propheten sehen wir sonach in diesen vom prophetischen Knechte Jehova's handelnden Stellen vorgezeichnet, nicht aber Geschick und Thätigkeit eines einzelnen, o-pn θ"!?®: TDxifa ι « ! 'ι*!?? so nennt sich einmal Jehova Jes. 44,26, und giebt damit zu erkennen, daß seines Volkes Beruf - denn zu seinem Volke hatte er kurz vorher V. 21 gesagt !>(Π®-ι Πξΐκ-~τ3? - der prophetische sey, und daß sich dieser Beruf seines Volks in einer Vielheit von Propheten, von 0"3k!>d, erfülle, zu der auch Jesaja an seinem Theile gehört" (275 f.). 383
Weissagung und Erfüllung II, 158. In der „Biblischen Hermeneutik" (posthum 1880) führte VON HOFMANN typologische Auslegung mit mehr Unbefangenheit durch; einzelne Weissagungen und ihre Erfüllung können nebeneinander stehen: „Die ganze alttestamentliche Geschichte sehen wir uns darauf an, wie sie in ihren wesentlichen Grundzügen typisch ist. . . . Die typische Bedeutung des Ganzen einer Thatsache will vor Allem erkannt sein und dann werden ihre einzelnen Züge immer nur in ihrem Verhältniß zum Ganzen der Thatsache ihre typische Deutung finden; nicht wird Einzelnes einzeln gedeutet" (Hermeneutik, 163). 385 Video-Interview 1988; Das Kerygma des Alten Testaments, 1955, 5 ff.; speziell zu Jes 53: Jonas, in: Le Semeur, Avril 1960, 53: „le centre du tout l'Ancien Testament". 384
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beziehen uns dabei auf die ausführlichste Abhandlung Vischers darüber von 1930.386 Einsatzpunkt ist sofort die „alte Frage" von Apg 8,34 (gegen Ende kommt er auf diese Stelle zurück).387 Das historische Bemühen um den alttestamentlichen Text wird damit aber nicht aufgehoben. In mehreren Anläufen sucht sich Vischer dem Knecht zu nähern. In Anregung durch Franz Delitzsch und nach einer Auseinandersetzung mit Greßmann und Mowinckel schreibt Vischer über das „Was" des Knechtes: „Der Knecht ist ein Einzelner, der aber mit seinem Leben und Sterben so völlig für das Volk einsteht, daß er geradezu mit dem Volk identifiziert werden muß. Er ist durchaus verschieden von der Gesamtheit des Volkes: er der aktive, das Volk der passive Knecht; er der gehorsame, das Volk der treulose, er der reine, das Volk der sündige. Aber das Geheimnis seines Lebens ist, daß er ganz und gar nicht als der Einzelne geschieden sein will vom sündigen Volk; daß er in völliger Solidarität, in Gemeinschaft mit den Sündern lebt und leidet und stirbt - und darum aufersteht zum Heil der Vielen. Sobald man das erkannt hat, versteht man den eigentümlichen Doppelsinn, den alle Ebedlieder in ihrer jetzigen Fassung, in der sie in den Gedankengang des Buches eingeflochten sind, haben. Sie verkünden das Knechtsein eines Einzelnen, aber so, daß er sein Knechtsein nicht für sich allein, sondern in Gemeinschaft mit der Gesamtheit des Gottesvolkes übt. . . . Wir müssen beides sehen, daß er durchaus nicht das Volk ist, und daß er dennoch ganz und gar das Volk ist. . . . Das Paradoxon ist die ,unio mystica capitis et corporis'."388
Und wer ist der Gottesknecht? Ist er Gott oder ein Mensch? Mit dieser Frage steht es wie oben: Der Text nötige zu beidem. Daß er ein Gott ist, ergebe sich aus der Redeweise der Texte: sie sprechen vom Knecht in den altorientalischen Vorstellungen vom sterbenden und auferstehenden Gott (nach Greßmann). So haben wir das gleiche unerhörte Geschehen wie das von Phil 2 vor uns. „Die Lieder verkündigen den Messias."389 „Die Lieder reden im Blick auf einen Zeugen des Messias vom Messias selbst."390 Damit ist, wie es scheint, der Knecht bereits mit Jesus Christus identifiziert. Doch Vischer sucht die Lösung in der gleichen , Richtung' wie Sellin, der den
386 Der Gottesknecht, 1930: „Kulminationspunkt" S. 111, auch in: Das Kerygma des Alten Testaments, 1955, 5 ff. Vgl. Vischers Äußerung in einem Vortrag von 1934 („Ich glaube an den Heiligen Geist...", 39) über den Gottesknecht im zweiten Teil des Buches Jesaja: „Wenn man diese Stellen auslegt, braucht man nicht nur an Christus zu denken, es sind mitgemeint alle die Knechte des Volkes Gottes von Abraham bis auf unsere Tage; alle die vielen, für die Paulus einmal sagt: Wir sind geachtet wie Schlachtschafe." 387 Der Gottesknecht, 1930, 59. 110. 388 A.a.O. 102 f. (Hervorh. S. F.). Vischer stand bei jedem Satz vor Augen, was das für ein rechtes Verstehen der Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn bedeutet: Durch die irdische Geschichte Israels offenbart Gott sein Herrsein (a. a. O. 80). 389 A.a.O. 104. 3,0 A.a.O. 106.
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Knecht für Deuterojesaja selbst hielt.391 Den Liedern vom Gottesknecht „liegt eine historische Gestalt zugrunde, ein namenloser und insofern für uns unbekannter Mann, der typische Bedeutung hat; sozusagen der Soldat, der im Grabe des unbekannten Soldaten ruht. Die Lieder entsprechen also dem Denkmal des unbekannten Soldaten; sie sind das prophetische Denkmal des unbekannten Märtyrers, des namenlosen μάρτυς Χριστού."392 Aber - und auf diesem Grund ruht das Gewicht von Jes 53: „Entchristlicht, d. h. gelöst aus der strengen Bezogenheit auf den Christus, sind diese Lehren falsch.... Der Messias allein kann in seiner Menschwerdung durch sein Leben diese Sühne und Bürgschaft leisten; und er hat es in seinem geschichtlichen Leben ein für allemal getan. Aber so falsch diese Lehren sind, wenn sie entchristlicht sind, so bedeutsam sind sie für die Beantwortung der Ebed-Jahwe-Frage, wenn sie streng auf Christus bezogen werden. Dann können sie uns darauf hinweisen, daß die lebendige Gegenwart des Einen, von dessen Opfer die Gemeinde Gottes auf der Erde lebt, zusammenhängt mit dem Dasein von Menschen, die als Glieder der Gemeinde seine Zeugen sind. Es gibt solche, die mit ihrem Leben Zeugen des Christus sind, der Welt unbekannt und vielleicht auch der Gemeinde unbekannt, Gott aber wohl bekannt. In jedem Zeitalter hängt die Gegenwart des Christus innerhalb seiner Gemeinde in besonderer Weise mit ihnen zusammen. Hinweisend auf einen solchen uns unbekannten und von seinen Zeitgenossen für nichts geachteten Zeugen verkündigen die Ebed-Jahwe-Lieder den Christus. Und zwar den Christus Jesus. Hierin liegt das tiefste Geheimnis des Ebed beschlossen."393
So erkennt Vischer bei Deuterojesaja die „ewige Gleichzeitigkeit, den gleichzeitigen Christus" (Kierkegaard), die „Christusewigkeit" (Blumhardt).394 Schon vor dem Sterben Jesu hatte er seine Blutzeugen; viele von ihnen kennen wir nicht. Selbst Christus war in seinem Leiden den Menschen verborgen. Vischer sieht hier eine Analogie zu unserer Unwissenheit bzgl. der Person des „Deuterojesaja". Es sei Gottes Gnade, für den Leib Christi leiden zu dürfen.395 Die Gestalt des Knechtes Jahwes ist für Vischer die „weissagende Geschichte": weissagend, weil Christus zu sich selbst, das heißt zu dem durch Kreuz und Auferstehung ein für allemal - also auch für die Vergangenheit - erworbenen Heil einlädt. Damit sagt Dtjes das
3.1 In den Auflagen seiner Einleitung hatte SELLIN verschiedene Deutungen gegeben; Vischer bezieht sich auf die 5. Aufl. von 1929. In der dritten Aufl. des Jesaja-Kommentars war es ein für uns Unbekannter, der aber dem Propheten bekannt war (S. 378). Zur Auslegungsgeschichte s. HAAG, Gottesknecht. 3.2 Gottesknecht, 1930, 108. 3.3 A . a . O . 109. 3.4 A.a.O. 112 (KIERKEGAARD und BLUMHARDT nebeneinander auch Christuszeugnis I, 25). 3.5 Mit BARTH nach Kol 1,24-26; Phil 2,7.
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Höchste und Letzte; Trjes hat dem nichts neues hinzuzufügen; er betont vielmehr, daß die Botschaft Dtjes' weitergetragen werden soll durch das Dunkel der kommenden Jahrhunderte. 396 Was bei von Hofmann „weissagende Geschichte" bedeutet, wird durch den regelrecht penetranten 397 Gegensatz zu Hengstenberg erhellt, dem er Gleichgültigkeit gegenüber dem geschichtlichen Umfeld der Weissagungen vorwirft. Für Hengstenberg sei jede Weissagung für sich betrachtet und gerade in ihrer Vereinzelung ein Zeugnis ihres göttlichen Urhebers. Vischer teilte diese Gleichgültigkeit nicht. Ihm kam es darauf an, für jede Station den Zusammenhang nicht nur in die Vergangenheit, nach hinten, sondern im besonderen nach vorne, in die Zukunft aufzuzeigen. Geschichte und Geschichtsschreibung sind für Vischer Weissagung; denn Gottes geschichtsschöpferisches Wort hat prophetischen Charakter. 398 Viel direkter aber spricht Vischer von der Gegenwart Christi in jeder geschichtlichen Situation vor der Inkarnation. Für ihn - und erst mit diesem Gedanken schlägt die theologische Differenz von Quantität in Qualität um - waren die alttestamentlichen Stationen nicht Stufen, deren Abfolge eine Steigerung darstellen mußte, weil keine Stufe das ganze Heil enthielte. Steht bei von Hofmann die fortschreitende Geschichte selbst als weissagende im Mittelpunkt des Interesses, so bei Vischer die geschichtlich veranschaulichte Präexistenz Christi. Der Heilsgeschichtsbegriff Vischers enthält konsequenterweise keinen Fortschrittsgedanken, weil auf jeder Stufe der ganze Christus mit seinem ganzen Heil präsent ist. Das Fortschreiten der Offenbarung ergibt keine substantiell neuen Erkenntnisse. 399 Es ist immer die Gnade Gottes in Jesus Christus, auf die der sündige Mensch angewiesen ist, um leben zu können. Daraus ergibt sich die Gleichartigkeit der Stellung des Menschen vor dem heiligen Gott - nach der Inkarnation ebenso wie vorher. 400 Hier liegt ein wesentlicher Gegensatz Vischers zu heilsgeschichtlichen „Versuchen" (von Hofmanns Untertitel) des 19. Jahrhunderts ebenso wie zu einem Konzept, das Offenbarung im Fortgang der Traditionsgeschichte finden will.401 Nun ist allerdings auch für von Hofmann Jesus Schluß und Mitte
396
A. a. O. 64. Vgl. u.a.: Weissagung und Erfüllung, I, 3-5. 75. 114 f. 127-131. 172. 181. 188 f. 202-206. 214. 217 f. 221. 229. 232. 242 f. 245. 258. 268. 273. 360; II, 128 u. ö. Vgl. Biblische Hermeneutik, 23 f. 185 (nicht namentlich). 187. 3.8 Christuszeugnis II, 7 f.; Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 25 ff. 32 f. (HAMANN-Zitat). 36. 399 Vgl. 2.5.1. - Offenbarung schafft Geschichte und nimmt diese als Akzidenz an, steht aber nicht sich selbst verändernd innerhalb der Geschichte. 400 Er beruft sich Christuszeugnis I, 24 (vgl. 226. 267. 308) auf CALVINS oben S. 215 zitiertes Wort aus Inst. II, 10, 2. 401 Hierzu hat sich Vischer meines Wissens nicht mehr geäußert. - Gern wird behauptet, historisch-kritische Verfahrensweisen brächten den Erkenntnisgewinn historischer Tiefe. Zu 3.7
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der Geschichte; seine Erscheinung im Fleisch ist Anfang vom Ende der Zeit, Erfüllung und neue Weissagung. Für die neutestamentliche Erkenntnis sei das göttliche Walten im Alten Testament das Walten des Vaters wie des Sohnes. Christi Selbstdarstellung sei der wesentliche Inhalt aller Geschichte, nämlich 1. Vorausdarstellung im Leben unserer Natur, 2. seine Erscheinung im Fleische und Verklärung desselben, 3. Darstellung seiner verklärten Natur im persönlichen Leben des Christen. 402 Die Erfüllung aber liegt für von Hofmann im vollkommenen Sohnesverhältnis Jesu zum Vater.m Er sagt in der Einleitung vor der Entfaltung der alttestamentlichen Weissagung in Band I des „theologischen Versuchs" „Weissagung und Erfüllung": „Und nun werden wir uns nicht mehr begnügen, das Verhältnis des alten und des neuen Testaments in den Unterschied von Beschränkung und Entschränkung, von einstweiliger und schlüßlicher Offenbarung zu setzen, sondern das Wort der Inspiration zeigt uns das eine mal den Menschen in seiner Bestimmung, Gottes Kind zu werden, und das andere Mal in seiner Kindschaft s e l b s t . . . Das immer gleiche Bewußtsein der alttestamentlichen Persönlichkeit ist das der Sünde und des Todes, nur immer einzelne Heilswirkungen nimmt sie mittelst ihrer Natur wahr. Das immer gleiche Bewußtsein der neutestamentlichen Persönlichkeit ist das der Gerechtigkeit und des Lebens, nur immer einzelne Wirkungen des Argen nimmt sie mittelst ihrer Natur wahr [Rom 8,2], Von der Natur erwartet der Mensch des alten Testaments das Heil seiner Persönlichkeit; der des neuen hat in seiner Persönlichkeit das Heil für seine Natur: denn zwischen beiden steht Gottes That der Zeugung Jesu, dessen menschliche Natur heilig ist durch seine götdiche Persönlichkeit." 404
Für Vischer wären das unmögliche Sätze gewesen, denn fur ihn verbürgte die Gegenwart Christi die volle Zueignung der Gabe der Gottesgemeinschaft. Jesus in Person eignete im Alten Bund durch das Wort der Verheißung das Heil zu, das er έφάπαξ durch Kreuz und Auferstehung erworben hat.
bedenken ist aber, daß dieser Erkenntnisgewinn nur in der ständigen Gefahr erkauft werden kann, auf der Ebene der einzelnen rekonstruierten „Schichten" oder „Redaktionsstufen" geistige und geistliche Flachheit und damit einen Verlust an Heilsfülle annehmen zu müssen. Die nach dem Fall bzw. seit der Urverheißung (Gen 3,15) präsente Möglichkeit der Gottesgemeinschaft wird faktisch immer wieder negiert und ein primitiveres Gottesbild postuliert. Weil Vischer diese Gefahr sehr deutlich sah, betonte er ihr gegenüber die Präsenz Jesu mit der Fülle seiner Heilsmitteilung zu jeder Zeit der Heilsgeschichte (vgl. CHILDS, Theologie II, 15. 18). 402 Weissagung und Erfüllung I, 40. 403 A. a. O. 58 f. 404 A. a. O. 60 f. (Hervorh. S. F.). - D a das traditionelle Denkmodell von den „messianischen Weissagungen" „in der ,ernsthaften wissenschaftlichen Diskussion ihr Ende gefunden'" hat (REVENTLOW, Biblische Theologie, 52), hat EICHRODT das Verhältnis der Testamente auf die wahrhafte Gemeinschaft von Gott und Mensch konzentriert (Theologie des Alten Testaments III, Schlußabschnitt), was an VON HOFMANNS Sätze erinnert.
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Was heißt für Vischer „Heilsgeschichte", was „Erfüllung"? Heilsgeschichte heißt: Jesus Christus ist unsichtbar, aber in Gericht und Gnade wirksam gegenwärtig; Erfüllung besagt, daß aus der angesagten und noch unsichtbaren Zukunft sichtbare Gegenwart wird; aus dem „Er wird kommen" wird ein „Er ist jetzt da" - πεπλήρωται ό καιρός (Mk 1,15; vgl. Gal 4,4-6; Eph 1,10). Von dem „es wird sein" berichtet das Alte Testament in Worten (nicht nur Weissagungen im engeren Sinn), in der Sprache405, in geschichtlichen Personen und Ereignissen (Israels Erwählung406). Den Gestalten braucht ihr vorausweisender Charakter nicht mit neutestamentlicher Klarheit bewußt zu sein407; immer ist es der lebendige Christus Jesus, der durch diese Gestalten, Institutionen, Ereignisse und Worte408 vorausweist, und zwar auf die Zeit seines inkarnierten Erdenlebens. Diese alttestamentlichen Dinge werden durch ihren Charakter als Mittler und Mittel des Vorausweisens in ihrem Eigenwert nicht gemindert, vielmehr erhöht sich dieser Wert durch die Präsenz des einen Mittlers zwischen Gott und den Menschen.409 „Erfüllung" ist das heilswirksame Geschehen in Leben, Sterben und Auferstehen Jesu von der Inkarnation Jesu bis Pfingsten samt der pfingstlichnoetischen Wirkungen (vgl. Lk 10,24). Zu den Wirkungen des Heiligen Geistes an und seit Pfingsten410 gehört in der Glaubenserkenntnis der
405
Die Ursprache der Bibel, 1949, 496. Das Geheimnis Israels, 1950, 90: Die einzigartige Existenz Israels war ein Versprechen, erfüllt durch die Inkarnation Christi - wieder die eigentümliche Verbindung von Geschichte des Gottesvolkes-Christus-Inkarnation! - Konkret: der Satz „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein" sei eine Erfüllung der Verheißung des Kainszeichens: Jahwe der Gott Kains, 1929, 51. „Wenn so in Jesus Christus der Messias Israels sich als den Kyrios der Heiden offenbart, dann erfüllt sich die Verheißung: Jahwe, der Gott Kains" (a. a. O. 63). 407 „Der Prophet sagt viel mehr, als er im Moment begreifen kann. Des Rätsels Lösung kommt erst im N T , wo einer G E L E B T hat, auf den ALLES zutrifft" (Das Wort der Propheten [Bibelschule Basel 2.Jg.], 15; vgl. Das Kerygma des Alten Testaments, 1955, Ende des Aufsatzes). Vgl. HELLBARDT, König, 45: „Aber in dieser vollständigen Aussichtslosigkeit jedweden menschlichen Opfers tut sich die Hoffnung der Ewigkeit auf, daß Gott Israel liebt, Israel gnädig ist um eines Opfers willen, das er annimmt. Im Hoseabuche steht davon gewiß kein Wort, aber das ganze Buch ist ohne dieses Opfer ein Nonsens." Der Bund Gottes mit seinem Volk werde nicht ohne das garantierende Opfer - ein einmaliges, das Gott selber darbringt - ratifiziert. 408 Nach Mt 1,22 f. sei die Immanuelbotschaft ein Versprechen gewesen, das durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes erfüllt wurde. Das Versprechen bestand jedoch nicht nur in Worten: in der Geschichte Israels verspricht Gott durch lebendige Menschen und durch geschichdiche Ereignisse. Das Zeichen Immanuel sei ein Vorzeichen, das voraussagt, daß Jesus als der Sohn Davids geboren wird. Immanuel sei in erster Linie Zeuge, daß Jesus schon im 8 . J h . v . C h r . gegenwärtig war und in diesem die Treue Gottes in der großen Krisis dieser Zeit siegte (Immanuelbotschaft, 1955, 53 f.). 405 Die theologische Reflexion über die Bibel funktioniert also, das wird hier wieder deutlich, nicht nur in der Richtung vom Alten hin zum Neuen Testament (vgl. CHILDS, Theologie I, 37. 112). 410 Vgl. oben S. 165. 406
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christlichen Gemeinde die Aufdeckung der letzten Bestimmung und Bestimmtheit des Alten Bundes und seines Kultus: Der Jerusalemer Kult hatte nach Gottes Befehl unter der Decke verhüllt genau diejenige Versöhnung ausgeteilt, die Christus am Kreuz ein für allemal erworben hat. „Erfüllung" meint im negativen Sinne, daß die Decke abgetan ist, nicht aber das Alte Testament, das fur unsere Augen durch die Decke verborgen gewesen war. Die Decke hatte ja nichts anderes bedeckt bzw. verhindert als die Erkenntnis, daß die Versöhnung von Gott und Mensch auch im Alten Bund in Kreuz und Auferstehung des Sohnes Gottes gründet. Deshalb bleibt das Alte Testament im Gebrauch als Predigtgrundlage in der christlichen Gemeinde! Angesprochen ist in beiden Testamenten das eine Gottesvolk durch den gleichen Sprecher: den Dreieinigen. Besonders gilt dies für ein den Glauben Alten und Neuen Testaments verbindendes Element: das Hoffen auf den (Wieder-)Kommenden. Im ersten Band des Christuszeugnisses stellt Vischer dies mit provozierender Schärfe heraus.411 In einer Predigtmeditation stellte Vischer 1956 die Frage, wie seine exegetischen Erkenntnisse zu Jes 8,23-9,6 helfen, Gottes Wort zu vernehmen. Unter anderem antwortete er, es ergebe sich ein vertieftes Verständnis davon, was das Neue Testament meine, wenn es von Erfüllung spreche: „Die Hinweise des Evangeliums auf bestimmte Stellen des Alten Testaments wollen uns nämlich zeigen, wie Gott Menschen, die nicht als Zeitgenossen Jesu von Nazareth leben, an dem Siege Christi teilnehmen läßt", und zwar ganz real und nicht nur „gleichsam"412. Klar müsse sein, „daß die Geburt Jesu Christi ein einmaliges, zeitlich bestimmtes Ereignis ist, das auf keine Weise ,wiederholt' wird. Nicht weniger klar muß dann aber auch sein, daß die Geburt Jesu sich eben dadurch als die Wundertat Gottes erweist, daß Menschen vor und nachher durch sie das Leben empfangen. Das ist das Wunder des einmaligen Geschenks, das Gott durch die Menschwerdung seines Sohnes ,dem Volk, das im Lande und Schatten des Todes sitzt', gemacht hat, daß zu den verschiedensten Zeiten und an immer wieder andern Orten in Ihm das Licht über ihnen aufgeht, so daß die verzweifelt Traurigen in Jubel ausbrechen".413 Nach dem Evangelium ist der Tempel abgebrochen und soll nicht wieder als Opferstätte aufgebaut werden, weil Gott selbst das eine Opfer ein für alle mal gebracht und so Gesetz und Propheten erfüllt hat.414 Wozu also noch das Alte Testament nach seiner Erfüllung? Es bleibt nach Vischer,
411 Jesus erfülle alle Geschichte durch sein ,Ein für allemal', das Kreuz (Christuszeugnis I, 10 und 15). Erfüllung heiße aber nicht Erledigung des Alten Testaments. Denn auch nach Pfingsten seien die Jünger Glaubende und Hoffende, nicht Schauende (a. a. O. 26-29; vgl. unten Teil 3.2.2). 412 Vischer kritisiert hier eine Formel BLUMHARDTS d.J. 413 Predigtmeditation über Jes 8,23-9,6, 1956/57, 33 f. 414 Der neue Staat „Israel" und der Wille Gottes, 1953, 60.
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
was es im Neuen Testament war und wirkte: Christuszeugnis, wirksam als Gesetz und Evangelium415, indem es uns, die wir zum Volk desselben Gottes gerechnet werden, hinführt zum Erlöser und in seine Versöhnung. Wilhelm Vischer sprach von „Erfüllung" nicht nur im Hinblick auf die neutestamentliche Geschichte. Es gibt auch „Erfüllung" vor der „Erfüllung": innerhalb des Alten Testaments. So schließe Gott den abrahamitischen und den sinaitischen Bund zum Zwecke der Erfüllung des noachitischen Bundes.416 Damit ist nicht außer Kraft gesetzt, was wir von Vischer bisher über „Erfüllung" gehört haben. Denn für diese „kleinen" Erfüllungen innerhalb des Alten Testaments gilt eben das, was für das übrige Alte Testament gilt: Sie sind als „kleine" Erfüllungen gleichzeitig Fingerzeige auf die „große Erfüllung", auf den, der da kommen soll. Sind nicht alle Weissagungen des Alten Testaments auch Erfüllungen, indem sie selbst Weissagungen hinter und die Erfüllung vor sich haben? Vischer hat dies nicht eigens herausgearbeitet - an jeder Stelle ist ja der ganze Christus geschichtlich konkret in Gericht und Gnade präsent (auch wenn seine Auslegung es nicht für jede Stelle aufzeigen kann). Damit ist zugleich eine dritte Bedeutung von „Er-füllung" markiert: Jesus Christus als Inhalt, als Lebenswasser des Alten Testaments (vgl. Joh 7,38). Die mühsame Erarbeitung eines „Schriftganzen", das erst durch den subtilen Aufweis des Fortschreitens von der Weissagung zur Erfüllung zusammengehalten wird, wurde damit ebenso überflüssig wie die Vorstellung von Jesus von Nazareth als einem - mathematisch gesprochen - „relativen Maximum" der Religionsgeschichte.417 Auf einen wichtigen Punkt machte Paul Leo aufmerksam mit seiner Frage an von Hofmann und Vischer, woher die einzelnen Stadien der Heilsgeschichte ihre Bedeutung erhalten: Bei von Hofmann erhielten sie „ihr Gewicht als geschichtliche Entwicklungsphasen, während - und darin hat Vischer recht - jede einzelne Geschichte und Aussage des A.T.s nicht ihren Wert hat als geschichtliche Stufe, abgesehen von der Erfüllung in Jesus Christus, sondern in ihrem Hinweis auf ihn."418 Das Interesse Vischers an genauer historischer Arbeit
415
Vgl. oben S.212. Der noachitische Bund, 1933, 31. Weitere Beispiele aus der Fülle der Belege findet man u.a. in Christuszeugnis I, 166. 178. 222f. 247; Christuszeugnis II, 213. 352. 356. 383. 525. Das Kerygma des Alten Testaments, 1955, 9; Jonas, 1960, 50 Anm. 2; The Vocation of the Prophet of the Nations, 1955, 312. 417 Die unteilbare Ganzheit der Bibel, 1935, 117. - In der „Biblischen Hermeneutik" (hg. 1880) hat VON HOFMANN wohl in größerer Nähe zu Vischer die Identität des in beiden Testamenten bezeugten Heils betont (KRAUS, Geschichte, 227 f.; KRAUS zitiert allerdings nur die „Biblische Hermeneutik"!). 418 LEO, Theologische Exegese, 80: „v. Hofmann steht mit seiner heilsgeschichtlichen Entwicklung näher bei Gunkel mit seiner religionsgeschichtlichen Entwicklung, als er selbst ahnt" (vgl. REVENTLOW, Alttestamentliche Theologie, 100). 416
Theologische Abgrenzungen und Konfrontationen
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hat eine christologische Wurzel, und diese Arbeit erhält von hier aus wiederum ihre theologische Relevanz. Vischer und Barth waren von den älteren Vertretern heilsgeschichtlicher Konzeptionen durch ihre große Skepsis gegenüber der Religionsgeschichtlichen Schule geschieden.419 Wie konnten „Heilsgeschichte" und „Religionsgeschichte" getrennt bleiben, wenn noch gewisse Stufen der Heilserkenntnis unterschieden werden? Für Barth und Vischer war die Heils- oder Bundesgeschichte Gottes die Geschichte, die alle andere umfaßte 420 , weshalb die Spuren Christi auch überall aufweisbar sein mußten, selbst in der profanen Geschichte.421 Für die älteren Vertreter der „Heilsgeschichte" war jene dagegen nur einer, und zwar der von der Bibel berichtete heilsrelevante Teil der Universalgeschichte. Die Suche nach den Fußstapfen Christi konnte sich deshalb auf die Schrift beschränken und gewann von hier aus Grund und Weite. Die Geschichte Israels hat nach Vischer einen Zweck, der sich niemals änderte: „L'histoire d'Israel, du debut jusqu'ä la fin, est l'exemple qui montre que Dieu veut que les hommes vivent sur la terre par la foi en sa parole; mais eile est aussi l'exemple qui montre combien il est difficile, pour ne pas dire impossible, pour un peuple de vivre par cette foi au milieu des puissances de ce monde."422 2.5.3
Vischer und Franz Delitzsch: Fortschritt der Offenbarung der Heilserkenntnis?
und
Ein schon wegen des ähnlichen Titels interessantes Werk zum Vergleich mit Vischers Christuszeugnis sind die „Messianischen Weissagungen in geschichtlicher Folge" von Franz Delitzsch aus dem Jahr 1890 - Delitzschs theologisches Vermächtnis423. Wegen seiner Kürze können wir ganz an ihm entlanggehen und Gemeinsamkeiten und Differenzen zu Vischer aufzeigen. Delitzsch untersucht nicht in kanonischer, sondern chronologischer Ordnung Zeugnisse des Alten Testaments auf ihren vorausweisenden Charakter hin. Es geht ihm primär um die eschatologisch-christologischen Zeugnisse. Darin liegt eine Beschränkung: Die Behandlung der alttestamentlichen Christuszeugnisse umfaßte bei Delitzsch 160 Seiten, bei Vischer sind es nur für die Bücher Genesis bis Könige - 311 und 556 Seiten, seine methodischen Reflexionen eingeschlossen.424 Vischer nimmt also viel mehr 419
Vgl. unten S. 339; vgl. KRAUS, Neue Begegnung, 432. K D I I I / l , 64; vgl. KRAUS, Neue Begegnung, 440. 421 Vgl. Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 20. 422 Celui qui vient. Magnificat. Le cantique de Marie Luc 1/46-55, 1985, 148. 423 KRAUS, Geschichte, 236: nirgendwo dränge DELITZSCH seine theologische Erkenntnis des Alten Testaments in so dichter und bezeichnender Weise zusammen wie hier. 424 Warum hat Vischer nicht wie DELITZSCH zusätzlich Kommentare geschrieben, um die 420
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
Stellen als Delitzsch auf: Aus den Büchern Josua und Richter etwa berichtet Delitzsch nichts; für Vischer sind die zwölf Richter als Vorläufer des Königs David „die vorlaufenden Zeugen des Messias" 425 . Bei Delitzsch liest man von Elia und Elisa: „Alles, was diese Propheten leisten und sagen, ist kein Anlaß zu einem Zeugnis messianischen Inhalts . . . D e r Beruf dieser geht darin auf, das Heidentum zu bekämpfen . . . Aber ein Fehlschluß e silentio wäre es, wenn wir die messianische H o f f n u n g diesen allen absprechen wollten." 426 Vischer geht über Delitzschs Vorsicht weit hinaus, wenn er die Elisageschichten für ein nahes Vorbild der Jesusgeschichten (Jüngerberufungen) hält427: Jesus lasse sich auf die Ebene des Elisa herab. „Das Verhältnis von Elia und Elisa wiederholt sich auffallend im Verhältnis des Täufers Johannes und Jesus." Im Jordan stehen sie „nicht weit von der Stelle, an der Elia und Elisa auf ihrem letzten Gang vor der Ablösung den Grenzfluß durchschritten haben. Nur daß jetzt bezeichnenderweise der Kamelhaarmantel des Johannes nicht einen trockenen Weg schlägt Der Täufer steht im Wasser, und Jesus wird wie zum Ertränken untergetaucht. Johannes . . . wird ganz nach dem Vorbild des Elia gezeichnet."428 Zum Rangverhältnis zwischen beiden: „Diese Umkehrung des Verhältnisses ist eben das, was geschehen muß, damit alle Gerechtigkeit und damit das ganze Alte Testament erfüllt werde (Mt. 3)."429 Der wichtigste Unterschied zwischen Jesus und Elisa liege darin, daß alle Wunder Jesu ihr Recht und ihre Kraft, darum auch ihren Sinn von seinem eigenen Sterben und Auferstehen empfangen. Die Kranken, die er heilt, werden durch seine Wunden geheilt. Er trägt ihre Krankheit und lädt ihre Schmerzen auf sich . . . (Jes. 53). Von Sünde und Vergebung ist aber bei Elisa kaum die Rede! Erst durch die klare Erkenntnis des Zusammenhangs von Sünde, Krankheit, Not und Tod einerseits und von Gnade und Heilung andererseits verlieren die Wundertaten, wie immer sie sich ereigneten, den magischen Beigeschmack.430 Vischer stellt die Unterschiede zwischen den verglichenen Berichten heraus und versteht die neutestamentlichen Spezifika als Uberbietung der alt-
Arbeit an den messianischen Weissagungen breiter abzustützen? Wir werden unten eine Antwort versuchen. - Aufgabe eines exegetischen Kommentars wäre es zum Beispiel, die Intentionen abweichender Uberlieferungen und Textvarianten herauszuarbeiten. Bei der wichtigen Abweichung der Septuaginta zu Dtn 32,8 (αγγέλων θεού für !>ίΠ®- -:s) übersetzt er ohne Begründung nach dem masoretischen Text; im Widerspruch dazu stimmt er mit der Interpretation VON RADS überein, nach der es sich um eine Ätiologie handelt: Erklärt werde, warum Israel direkt von Jahwe regiert wird, während die anderen Völker je einen Engel (!) über sich haben; a.a.O. 303; VON RAD, Dtn, 140 f. 425 Christuszeugnis II, 144. 426 DELITZSCH, Weissagungen, 76. 427 Christuszeugnis II, 386 f. (Hervorh. S. F.). 428 A. a. O. 443, vgl. 386 zum Mantel. 429 A. a. O. 444. 430 A. a. O. 447.
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testamentlichen. Soweit er geschichtliche Texte des Alten Testaments nacherzählt (ohne Vers-für-Vers-Exegese im Stile eines Kommentars), bekommt der Leser den Eindruck eines durchgehenden alttestamentlichen Christuszeugnisses, nicht den der exemplarischen Behandlung einzelner Stellen.431 Unter dem Titel „Christuszeugnis"432 läuft alles, „was Christum treibet", was neutestamentliche Geschehnisse vorbereitet oder ankündigt, nicht nur begrifflich „messianische" Stellen - letztlich das ganze Alte Testament.433 Delitzsch und Vischer sind sich einig, daß die Vorbereitung des Neuen Testaments im Alten nicht lediglich in der eigentlichen messianischen Weissagung zu suchen ist.434 Auf diese jedoch konzentriert sich Delitzsch in seinem letzten Buch vor allem; er hat sein Staunen über die am „Eingang der heiligen Geschichte" lagernde „Sphinx" des „Protevangeliums" und die sich nach diesem gestaltende Heilsgeschichte435 in klar gegliederte Gedankenfolgen gegossen, indem er an den Weissagungen entlangging. Gen 3,15: Delitzsch betont nicht, daß Christus hier schon gegenwärtig wäre, sondern daß er hier verheißen werde. Besteht Luthers Anliegen an dieser Stelle darin, daß Adam ein Christ war und mit uns einerlei Glauben hatte, so reflektiert Delitzsch die Frage, warum der Sinn des Protevangeliums so spät erkannt wurde.436 Für Vischer (hier näher bei Luther) ereignet 431
Siehe oben Kap. 2.4.2, S. 194 ff. Wieder im Doppelsinn des Genitivs! 433 Von diesen meint etwa FOHRER im Alten Testament nur elf finden zu können (GESE, Hermeneutik, 74-79). Vgl. die Skepsis von HESSE, T h W N T IX, 1973, 494: „Keine der Messias-Stellen des Alten Testaments kann messianisch gedeutet werden. Sicher aber ist in manchen dieser Aussagen das sogenannte messianische Verständnis angelegt; deutlicher tritt dies allerdings an Stellen zutage, an denen der Terminus rr»n nicht gebraucht wird." E.-J. WASCHKE im Erlanger Vortrag 12.2.1996/Messias, 321 f.: Mit der Frage nach dem Messias komme man nach gegenwärtigem Stand der Forschung nicht ins Zentrum der alttestamentlichen Theologie. 432
434
DELITZSCH, Weissagungen, 72, vgl. die Differenzierung der messianischen Weissagungen im engeren und weiteren Sinne S. 11-15; BEYSCHLAG, Erlanger Theologie, 88. 435 „Die ganze Heilsgeschichte und Heilsordnung liegt in diesem Protevangelium eingewikkelt" (a. a. O. 27). 436 „ . . . d a ß er das Werk der Erlösung durch einen Menschen vollführen würde, dem er inwohnt, wie dem Engel der mosaischen Erlösung, das war eine Erkenntnis, welche nur allmählich sich entwickelte und in voller Klarheit dem Glauben erst im Angesicht Jesu Christi aufging" (mit Berufung auf BENGEL; a . a . O . 27f.). - Vgl. seine Bemerkung zu Ps 22: „Der ratschlußmäßige Inhalt des asah wird nur nach und nach im A.T. erschlossen. Dieses Eine Wort, so sinnvoll wie 52,11. 37,5. Jes. 44,23 die Hinausführung des Heilswerks besagend, welches präfigurativ sich an David anschließt, faßt alles in sich. Es vergleicht sich dem laasoth Gen. 2,3 . . . Es ist das letzte W o r t Davids des von Saul Verfolgten, wie tetelestai das letzte Wort des Gekreuzigten. D a ß Gott hinausführt, was er vorhatte, als er den Sohn Isai's und den Sohn Davids zum Mittler seines Heilswerkes salbte, daß er es hinausgeführt, indem er jenen durch Leiden zum Throne führte und für diesen das Kreuz zur Stiege gen Himmel machte: das ist der Inhalt des vor- und erfüllungsgeschichtlichen Evangeliums, der von Geschlecht zu Geschlecht gehenden göttlichen Predigt" (DELITZSCH, Psalmen, 220).
238
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
sich hier geradezu eine vorweggenommene Inkarnation; mit den „christlichen Auslegern" meint er, „daß in diesen Worten Christus vom Himmel steigt und hilft". „Christus ist in jeder Stunde siegreich leidend und kämpfend gegenwärtig vom Abfall Adams bis zur völligen Vertilgung der alten Schlange, die da heißt der Verleumder und der Satan".437 Dabei geht Vischer auf Gen 3,15 nicht gleich im klassischen Sinne ein, sondern erst in einem theologischen Exkurs zwischen den Kapiteln Gen 3 und 4. Zunächst berichtet er nur, daß sich menschliches Leben seither im Widerstreit zwischen Gut und Böse befindet. Darin liege die Gnade Gottes, die er zu Gen 3,14-17 stark herausstellt438, daß ein vom Weibe Geborener den Sieg über den Bösen herbeiführen wird. Er schließt sich dann mit einem längeren unkommentierten Zitat der Deutung Luthers an.439 Was Delitzsch bereits über Evas Haltung (zu 4,1) als „Wirkung und Bewährung der Urverheißung" sagte, bringt Vischer erst bei 5,28 f.: Lamech hält den Nachkommen (hier Noah) für den verheißenen Samen, der die ganze Welt wieder zurechtbringen werde. Der Kommentar Vischers zu 5,28 f. besteht bis auf drei kurze Sätze allerdings nur aus einem Luther-Zitat! Indem sich Vischer der reformatorischen Exegese anschließt, die die Glaubensäußerungen der urgeschichtlichen Personen von Gen 3,15 her versteht, stimmte er auch mit Delitzsch überein. Dieser aber wagte es nicht, vom Herabsteigen Christi in Begriffen der neutestamentlichen Inkarnation zu reden. Gen 9,24-27\ Nach Vischer wurde der Noahbund in Jesus geschlossen, „der alle Offenbarungskreise aus sich erzeugt und nicht etwa nur ihr Ergebnis ist"440. Delitzsch verbindet die Verse mit Gen 12,1-3 und betont die Funktion Israels als „Segensmittlervolk".441 Vischer hebt die überzeitliche Präsenz Christi hervor, Delitzsch den Charakter der Stelle als messianische Weissagung auf den Einen, in dem die „Segensmittlerschaft des Volkes Abrahams zu gipfelhaften Vollzuge", „jedoch ohne daß sie dann ein Ende hat, der von dem Einen erwirkte und ausgehende Segen hat sich ja nicht ohne Mitwirkung Israels (der Apostel aus Israel) über die Völkerwelt ergossen."442 In Gen 49,10 ist nach Delitzsch der Ortsname „Silo" zu lesen: „bis daß er nach Silo kommt". Der messianische Sinn ist damit nicht aufgegeben (Hebr 7,14; Offb 5,5); ja es ist ein Fortschritt der Offenbarung festzustellen: Am Anfang stand die Verheißung des Sieges über das Böse, auf der zweiten 437 Christuszeugnis I, 85, ebenso in den BSLK: WOLF, Verhältnis, 72. Zur zitierten Stelle siehe auch oben S. 176 f. 438 „Ist der Fluch nicht dreimal bis zum Rande gefüllt mit Segen?" (Christuszeugnis I, 80). 439 Solche unkommentierten Zitate, deren Verwendung durch Vischers in Christuszeugnis I kritisiert wurde (vgl. unten zur Diskussion mit VON RAD, S. 183), gibt es bei DELITZSCH nicht. 440 Christuszeugnis I, 127. 441
DELITZSCH, W e i s s a g u n g e n ,
442
A. a. O. 32 f.
31-33.
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Stufe kam der Segen der Völker hinzu und nun die Nationalisierung, die mit dem Segensspruch über Juda beginnt, wenn auch schon durch die Verheißung vom Völkersegen im Patriarchensamen vorbereitet.443 Vischer übersetzt „bis daß sein Herrscher kommt"; auf das Ubersetzungsproblem (nV&) wird leider nicht eingegangen444. Daß wirklich der von Gott gesalbte Heilskönig gemeint ist, erkennt er mit Hinweis auf Greßmann 1. an der eschatologischen Zeitgrenze von Vers 1 (der sich hauptsächlich auf V. 8-12 beziehe!), 2. am weltweiten Umfang des Reiches, 3. an der paradiesischen Fruchtbarkeit (unter anderem das Waschen der Kleider in Wein). Für Vischer scheint es einen Fortschritt der Offenbarung nicht in der Sache, aber doch in der Deudichkeit zu geben: „Einer aufmerksamen Betrachtung kann diese messianische Spitze schon in den Worten, die Gott in dem gnadenvollen Fluch nach dem Sündenfall sprach, und nachher in den Worten vom , Samen' Abrahams nicht ganz verborgen bleiben. In den Worten des sterbenden Jakob aber wird sie ganz deutlich. Im letzten der Bileamsprüche blitzt sie dann wieder auf in dem Wort vom , Stern aus Jakob' und später (um nur die hervorstechendsten Stellen zu erwähnen) im Danklied der Hanna 1. Sam 2 ..." etc.445. Was folgt, ist eine Aufzählung ,messianischer Weissagungen in geschichtlicher' Folge. Vischer bindet alle genannten und ungenannten Stellen zusammen: „Die messianische Weissagung ist durchaus nicht auf die sogenannten messianischen Stellen beschränkt. Das Aufrichten des messianischen Thrones im Hause Davids ist auch der Blickpunkt des großen Geschichtswerkes, das die Bücher Mose, Josua, Richter, Samuel und Könige umfaßt", und nicht nur diese, sondern auch Psalmen und Propheten.446 Für Gen 49 wie für die anderen Stellen gilt: „Der Messias Jesus ist nach dem Neuen Testament der Erfüller dessen, was Jakob sterbend geschaut und im Judaspruch angekündigt hat. Er . . . ist der Siegesheld, der durch sein Leben und - was in Jakobs Worten nicht ausgesprochen ist - durch seinen Tod den Heilssieg Gottes errungen hat. Er ist gemeint in den Worten, die Johannes in der Offenbarung (5) gehört hat .. ."447 Delitzsch ist wählerischer als Vischer in Bezug auf die Frage, was als „messianische Weissagung" gelten könne. Es wäre für Delitzsch kein Schade, nur wenig „messianische Weissagungen" im engeren Sinn zu finden.448 Mehr noch: Jesus wäre auch ohne jede messianische Weissagung „schon 443
A. a. O. 40 f. Dann aber a.a.O. 288 Schilo, der „Glänzende"; Gen 49,10 ziele wie Num 24,15-19 zunächst auf David, „wenn auch noch nicht noch bestimmt, wie es die beiden letzten Bileamsprüche tun durch die Erwähnung des Sieges ...". 445 Christuszeugnis I, 198. 446 A.a.O. 199. 447 A. a. O. 200. 448 Aus dem Jeremiabuch werden die „mittelbar messianischen" von den „unmittelbar messianischen" Stellen getrennt charakterisiert: DELITZSCH a.a.O. 122-130. 444
240
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
deshalb Ziel, Erfüllung und Abschluß des A.T., weil durch ihn die neutestamentlichen Ideen des A.T. nicht bloß im Bewußtsein, sondern auch weltgeschichdich zu entschiedener Herrschaft gelangt sind."449 Von der „Schilo-Weissagung" springt Delitzsch hinüber zur „ Verheißung eines Propheten nach und gleich Mose"; Dtn 18,15-18 schließe sich an 5,28
an (Mose als Mittler am Sinai). Die Pointe dieser Verheißung sieht Delitzsch wegen des ·?'η| (V. 15) und des ηΐΏ3 (V. 18) darin, daß nicht eine Sukzession von Propheten450, sondern ein bestimmter einzelner visiert wird, der eine künftige Gottesoffenbarung verkünden wird, die der sinaitischen gleich und deren Mittler der geweissagte Prophet sei.451 Vischer faßt sich zum 5. Buch Mose sehr kurz: Wegen der „Lehre von der Gleichzeitigkeit", die „die eigenste Meinung aller Berichte ist"452, greife die historische Frage ins Leere. „Verstehen" könne die Schrift nur, wer sich mit ihren Zeugen am Sinai oder den anderen Offenbarungsstätten vor Gott stehend weiß. Die Verheißung von Dtn 18,15 sichert eben dies: „Durch die Erfüllung dieses Versprechens kommt es in jeder Generation, wo und wann Gott will, auf Grund des Gesetzes zum Verkündigen und Hören des Wortes Gottes". Hier liegt in der Tat ungenügende Exegese vor, denn Vischer diskutiert nicht die für die Auslegung entscheidende Frage, ob die Stelle individuell oder kollektiv aufzufassen ist. So scheint Vischer ohne die erforderliche Reflexion ins kollektive Verständnis zu gleiten: „... alle Lebenstage Israels . . . haben teil an der Erschütterung jenes ersten furchtbaren Tages .. ,"453, oder: „Der Donner vom Sinai muß durch alle Worte der Propheten rollen"454. Aber es fällt keine Entscheidung. Kann Dtn 18,15 ff. hier überhaupt als „ausgelegt" gelten? Die Stelle steht ja nur neben vielen anderen zitierten Versen. Die Gedanken Vischers über das Dtn im ersten Band von Vischers Christuszeugnis können kaum als „Auslegung", noch weniger als „Exegese" gelten. Sie geben vielmehr eine wesentliche Voraussetzung der Auslegung an: Eben die Gleichzeitigkeit, das heißt Direktheit, mit der der Ausleger vor dem in den Texten berichteten Offenbarungsgeschehen steht und dort von seiner Erwählung erfährt bzw. in die Entscheidung gestellt ist.455 Damit gleicht er Israel, das durch Gottes Wort im Gesetz ganz anders als die Heiden „in jedem Augenblick seines Daseins (heute!) in die ewige Entscheidung gestellt" ist456.
M
450
DELITZSCH, W e i s s a g u n g e n ,
88.
Sonst fehle die christologische Bedeutung; so aber eine ganze Reihe anderer Ausleger. 451 A. a. O. 42-44. - VON RAD, Dtn, 88 f.: Dtr. rechne mit einer einmaligen Erfüllung; das Prophetenbild ähnele dem Bild des leidenden Gottesknechtes bei Deuterojesaja. 452 Christuszeugnis I, 295. 453 A. a. O. 296. 454 A. a. O. 297. 455 A . a . O . 295. 298. 456 A. a. O. 301; vgl. oben Teil 2.3.
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In der Weissagung Bileams von dem Stern und Szepter aus Israel wird für Delitzsch zum ersten Mal der Gegenstand alttestamentlicher Hoffnung personifiziert: Vor dem geistigen Auge steht ein zu erwartender König, siegreich über Moab und Edom. Was sich davon auf die neutestamentliche Erfüllung beziehe, sei der herauszuschälende Kern: „daß der Messias die Welt durch die Macht des Geistes unterwerfen und die Widerstrebenden züchtigend niederzwingen wird"457. Vischer erblickt in Kap. 24 das hellste Wort des 4. Buches Mose und wird, nun umgekehrt, viel ausführlicher als Delitzsch und behandelt die Bileamsprüche in ihrem Zusammenhang: Bileam ist ein Nachkomme Esaus. Wird sich dessen Schrei nach Vergeltung noch einmal erheben? Nein, denn Gott wendet den Fluch um in Segen, obwohl Israel den Segen schon lOOfach verwirkt hat. Bileam muß das Wort Gottes an Abraham wörtlich wiederholen: „Gesegnet, wer dich segnet..." Die größte Schärfe haben die letzten beiden Weissagungen (24,15-19). Vischer schließt sich Mowinckels Ansicht an, daß die Sprüche zunächst auf David „zielen" bzw. diesen „visieren"458, geht aber weiter in der Annahme, daß der Fernblick durch David hindurch auf den Messias „Davids Sohn" zielte, „durch dessen Erscheinung das Königtum Gottes in Israel und die Unterwerfung der Welt unter Gottes Reich verwirklicht wird"459. Vischer folgt dem prophetischen Fernblick noch ein Stück und nennt Belege einer „einheitlichen und geraden Linie des messianischen Zeugnisses auf die Christusbotschaft des Evangeliums. Es ist keine Luftlinie; an einzelnen Punkten wird die Zeitgeschichte berührt, jedes Ereignis ist zeitgeschichtlich bedingt und weist auf ein Ereignis der Gegenwart oder der nächsten Zukunft hin. Zugleich weist jedes darüber hinaus auf das ,Ende'. Das . . . entspricht der Sache, insofern als eben der Siegeskönig schon vorher in allen entscheidenden Augenblicken dem Volke Gottes gegenwärtig ist und es in die ,letzte' Entscheidung führt."460 Diese bereits zitierte Stelle ist relevant für Vischers Schnftverständnis: Wie bei Luther steht hier die Beobachtung eines „Doppelsinns"461 - also eine Bedeutung für die Gegenwart oder für die nähere Zukunft und „zugleich" ein Sinn für die fernere Zukunft - in Spannung zu der von Vischer und Luther gemeinsam vertretenen Grundlage jeder Auslegung des Alten Testaments, nämlich der geschichtlich wirksamen Präsenz Jesu Christi. Beide suchen wirkliche Geschichte im Alten Testament, „Gottes- und Glaubensgeschichte, d. h. aber universale Christusgeschichte. Sie muß ihren spürbaren Niederschlag in Zeugnissen
457
DELITZSCH, Weissagungen, 48. In der Frage der Datierung kann sich Vischer nicht MOWINCKEL anschließen, weil er die Sprüche so „verstehen" will, „wie sie uns überliefert sind" (Christuszeugnis I, 288). 459 Ebd. 440 Christuszeugnis I, 289. 441 BORNKAMM, Luther und AT, 212 (vgl. oben S.209). 458
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
des Alten Testaments selbst haben .. ,"462 Für beide gilt, was Bornkamm nur von Luther sagt: „Ihm liegt nichts an schattenhafter Vorwegnähme des Kommenden. Es ist für ihn da, noch verhüllt, aber wirklich. Christus ist durch sein Wort für die Propheten des alten Bundes schon real da und wird im Glauben empfangen. Er wird nicht durch einen Typos abgebildet, der nach der Definition Theodors von Mopsuestia durch eine μίμησις seines Urbildes gekennzeichnet ist; sondern er ist wirklich gegenwärtig. Während die Allegorie die Geschichtlichkeit der alttestamentlichen Vorgänge auslöscht, hebt die Typologie die geschichtliche Gegenwart des Christus im Alten Testament auf. Sie kann geradezu auf einen Doppelsinn führen, den die typologischen Stellen für den Augenblick und für die Zukunft haben; Ephräm der Syrer spricht ihn ganz unverhohlen aus. Für Luther haben alle Stellen des Alten Testaments, auch die von ihm christologisch gedeuteten, nur einen Sinn. Darum zielt er sowohl der Allegorie wie der Typologie gegenüber auf etwas anderes: nicht nur darauf, die Schatten des Neuen Testaments im Alten zu finden; sondern auf die unmittelbare Bezeugung, ja das Handeln des Christus schon im Alten Testament. Darum richtet er seine Aufmerksamkeit auf ganz andere Dinge im Alten Testament, nicht auf kultische oder geschichtliche Zustände und Personen, sondern auf die Stellen, wo er Christus real zu finden glaubt. Daraus erklärt sich auch, daß Theodor, der strengste der Antiochener, direkte Weissagungen auf Jesus wenig, Hindeutungen auf seine Gottessohnschaft und die Trinität überhaupt nicht im Alten Testament findet, während Luther gerade daraus die stärksten Argumente für seine christologische Deutung gewinnt."463 Darum lehnt Vischer Allegorese und die typologische Methode 464 ab; „die allegorische Methode" 465 anzuwenden, hat er weit von sich gewiesen466! Warum aber behauptet Vischer, das Alte Testament habe nur einen Sinn?467 Offensichtlich meint er den einen einzigen für uns relevanten und zu suchenden Sinn. Denn wahr und christlich legitim ist nach Vischer nur eine auf Jesus zielende Auslegung des Alten 462
A . a . O . 212 f. A . a . O . 212. 464 Wo er dennoch von Typen spricht (Adam als Typus Christi: Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 389; vom Gottesknecht: Der Gottesknecht, 1930, 108), meint Vischer dies offensichtlich nicht im Sinne einer methodisch handhabbaren Typologie (siehe oben S. 210 f.). 463
465 466
Reventlow, Konflikt, 119 f.
Belege: oben S. 150, Anm. 18. Nach Sens de l'Ancien Testament, 1939, 56 haben alle Worte und Personen des AT haben nur ein Ziel (but), nämlich uns zu zeigen, was Leben als Glied des Leibes Christi heißt. In verwandter Formulierung schreibt DaNIELOU: „Ainsi le texte n'a qu'un seul sens, le sens litteral, celui qu'a voulu l'ecrivain. Les realites de leur cöte ont une signification figurative qui est l'objet de la typologie" (in: Dieu vivant Nr. 16, 151, zit. nach AMSLER, Typologie, 78). 467
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Testaments. Hier scheint auch der letzte Grund zu liegen, warum Vischer keinen alttestamentlichen Kommentar geschrieben hat. Der Kommentar zum Alten Testament, genauer: die seines Erachtens dem Schrifttext gemäße Wiedergabe und Aneignung der Schrift war für ihn das bzw. sein „Christuszeugnis des Alten Testaments". Gegen historische und philologische Genauigkeit hatte er nichts einzuwenden; er forderte sie um der Geschichtlichkeit und Knechtsgestalt der Heiligen Schrift willen. Über dieser Arbeit, die seines Erachtens von Exegeten wie Alt und N o t h hervorragend geleistet wurde, durfte nach Vischer aber das eigentliche Abzielen des Alten Testaments nicht aus dem Blick geraten. Von daher, erst recht im Hinblick auf die Bedrohung der Geltungskraft des Alten Testaments in der christlichen Gemeinde durch relativierende religionsgeschichtliche Exegese einerseits, durch die rassistische Propaganda andererseits, mußte Vischer in den Schriften der 30er und 40er Jahre dem einen Sinn des Alten Testaments die absolute Priorität einräumen. Delitzsch geht weiter zu den beiden pentateuchischen Cantica. Moses testamentarisches Lied sei wie „eine Karte der Wege Gottes, ein Grundriß der Stationen der Heilsgeschichte, in welchem die späteren Aufschlüsse über die menschliche Vermittelung des Heils eingetragen werden" 468 . Dies wird nicht im einzelnen dargelegt, aber der Grundsatz festgehalten, daß die Geschichte Israels darauf hinausläuft, „daß Gottes Volk, gesichtet und gesühnt, wieder sein Vaterland bewohnt und alle Völker mit ihm in den Lobpreis des durch Gericht und Gnade offenbar gewordenen Gottes einstimmen" (vgl. Dtn 32,43). 469 Nach Vischer wird im Lied des Mose die Wahrheit verkündet, „daß die Treue des Herrn der Fels ist, der Israel geboren hat, an dem es scheitert und wieder aufersteht". 470 Erwählungs-, Segens- und Gerichtshandeln Gottes an Israel solle letztlich dazu dienen,
468
Auch hier die Annahme eines substantiellen Zuwachses an Erkenntnis durch die Offenbarung? DELITZSCH, Weissagungen, 49-51.52, hier 49. Zum Vergleich: JAFFIN, Urgeschichte, 15 zum Urevangelium: „,Und sie sollen erkennen, daß ich der Herr bin' - ist eine zentrale und oft wiederholte Aussage im Alten Testament. Deswegen dieses erste Glied in der Kette seiner messianischen Verheißungen, ohne das Wer, Wann und Wie des messianischen Werkes zu beschreiben. Schritt für Schritt wird Gottes Heilsplan immer klarer und deutlicher offenbart." JAFFINS Auslegungen sind von noch größerer Freiheit gegenüber denen Vischers gekennzeichnet; unbefangen bildet JAFFIN gesamtbiblische Parallelen (Wasser, Kleid etc.) und bildet „Vordeutungen". Viele seiner Aussagen sind aber m. E. unklar formuliert (vgl. JAFFIN, Warum AT?), weshalb ich auf einen Vergleich in derselben Ausführlichkeit wie mit DELITZSCH verzichte. In ζ. T. problematischer Weise werden in alttestamentliche Texte neutestamentliche Aussagen hineingelesen, deren Relevanz für den christlichen Glauben zweifelhaft ist, etwa wenn die Tatsache, daß die Arche in der Mitte ihrer Seite eine Tür besaß (Gen 6,16), mit dem Wasser zu tun habe, das beim Lanzenstich aus der Seite des Gekreuzigten fließe (Urgeschichte, 79 f.). Das Wie, Warum und Wozu dieser Beziehung bleibt offen. 469
DELITZSCH, W e i s s a g u n g e n ,
470
Christuszeugnis I, 302.
50.
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daß an diesem Volk pars pro toto Gottes Wesen und Herrschaft offenbart werde. Vischer betont noch den Zusammenhang des Liedes Moses mit dem folgenden Segen (Dtn 33, und so mit Gen 49), aber beschreibt wie Delitzsch kein eschatologisches Christuszeugnis. Das heißt: Aus dem Text treten uns nach beider Interpretationen Grundzüge von Gottes heilsgeschichtlichem Handeln entgegen, nicht eine spezielle Verkündigung vom gesalbten König Israels. Die Texte stehen für beide in einer Kette von Weissagungen, die alle auf das Wirken des Einen weisen, jedoch nicht alle den gleichen Fokus oder Radius dieses göttlichen Wirkens in den Blick nehmen. Dtn 32 wies den beiden Alttestamentlern einen größeren Radius auf als die umgebenden Kapitel, weshalb sie es besonderer Erwähnung würdig befanden. Der Sprung Delitzschs zum Lied Hannas überrascht, weil, wie gesagt, die Bücher Josua und Richter unerwähnt bleiben471. Im Vergleich zu Vischer eine völlig andere Aufteilung: Band II des Christuszeugnisses Vischers kommt erst S. 147 auf 1. Samuel zu sprechen, und zwar mit ungleich größerer Tiefe und Ausführlichkeit. Delitzsch widmet dem ganzen 2. Kapitel des 1. Samuelbuches 4 1/2 Seiten, auf denen es vor allem um historisch-kritische Fragen geht. Die Christusbeziehung des Hannaliedes bestehe in der Aufrichtung des Reiches Gottes durch den Christus in der Niederwerfung aller Feinde; die Drohweissagung über das Haus Elis weise auf einen Priester und einen König nach dem Herzen Gottes bzw. ein ununterbrochenes einmütiges Zusammenwirken beider, was beweise, „daß die Hoffnung der Gläubigen gegen 471 Vischer zum Josuabuck. Das Gesetz brauchte noch eine Einschärfung, bevor der Marschbefehl ins gelobte Land ergehen konnte. Dieser Marschbefehl wird in den Büchern Josua (Kap. 1) und Apg (1,1-12), die parallel stehen, ausgeführt. „Das Vorbild der Verteilung des heiligen Landes unter die zwölf Stämme durch das Los ist wirksam, wenn Petrus in einer Versammlung von 10 mal 12 Brüdern vor allem weiteren den zwölften Apostel als Ersatz für Judas durch das Los bestimmen läßt (1,13-26). Was er bei dieser Gelegenheit erzählt, daß nämlich Judas aus dem Lohn der Ungerechtigkeit ein Landstück im heiligsten Bezirk erworben habe und darauf mitten entzweigebrochen sei, hebt anstößig hervor, daß für die Entscheidung des jüdischen Messianismus (auch Judas trägt seinen Namen nicht umsonst) gegen den Christus Jesus die falsche Auffassung dessen, was messianisches Land ist, eine ebenso verhängnisvolle Rolle spielt wie die Beschränkung des messianischen Volkes auf die Juden. Der Hakeldama, der ,Blutacker', zeigt an, was von dem Messianismus des heiligen Blutes und des heiligen Bodens zu halten ist. Der heilige Geist überwindet ihn" (Eph 2; Christuszeugnis II, 44 f.).
Zum Richterbuch: Das hebräische „Richten" ist ein anderes als die uns gewohnte Tätigkeit eines Richters. Im Richterbuch sieht man, daß die Richter die Aufgabe hatten, die Versehrte Bundestreue der Stämme wieder herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten. „Und eben dieses Tun . . . bezeichnet die Bibel als ,richten'. . . . Nach dem Bericht des Matthäus . . . wird Jesus selbst richten . . . Je nachdem Menschen ihn in seiner Gestalt angenommen oder abgelehnt haben, wird er sie zu der ewigen Freude eingehen lassen oder stößt er sie in die ewige Pein hinaus" (die evangelische Gemeindeordnung, 1946, 101 f.).
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Ende der Richterzeit auf einen die theokratische Idee verwirklichenden König, auf einen Messias (Χριστός) Gottes gerichtet war"472. Vischers Auslegung bringt das Hannalied in seinem Kontext; 1. Sam 1-2 werden auf rund 10 Seiten ausgelegt, und zwar in einer Mischung von Nacherzählung und Einzelbeobachtung. Zu den Objekten letzterer zählt der Leitbegriff „Samuel tritt sein Leben sozusagen im Namen Sauls an." Hanna stimmt einen „messianischen Psalm" an, in den die Mutter des Messias Jesus einstimmen kann. „Die Saiten auf Hannas Harfe spannen sich gewissermaßen über den gewaltigen Bogen von Mose bis zu Maria. Denn zusammen mit den Klängen des Magnificat schlägt sie die Grundtöne von Moses Lied an (5. M. 32)" und singt „im Blick auf den Gesalbten, der seinem Volke die Gottesfreiheit schafft"473. Das „Keiner ist Fels wie unser Gott" nimmt Vischer auf: „An diesem Felsen wird Israel scheitern und auf ihm wieder auferstehen, wie schon das Lied des Mose sagt."474 Wenn es hier heißt „Der Herr tötet und macht lebendig, er stößt in die Unterwelt und führt herauf, so verkündet das Lied des Mose das gleiche in Bezug auf Israel, an dessen Tod und Wiederauferstehen sich der Herr als der Tötende und wieder lebendig Machende erweist.475 Hanna hofft dieses alles im Blick auf den Gesalbten (V. 10). Denn Gott stellt seinen Thron auf die niedrigste Stelle der Erde und läßt seinen „Christus" als den Niedrigsten töten und macht ihn wieder lebendig. Die Auskunft, die Budde mit der Mehrheitsmeinung über das Lied Hannas gibt, bezeichnet Vischer als dürftig: Das Lied sei wegen des Bezugs auf die Unfruchtbarkeit hier eingeschoben, passe aber ansonsten wenig. „Die modernen Erklärer, die das in der Bibel, was nicht in ihre Gedanken paßt, gedankenlos finden, können sicher sein, daß sogar die ,Interpolatoren' der Bibel immer noch tiefere Gedanken haben als sie. Der fragliche Interpolator und Lukas haben auf alle Fälle besser gewußt, was in den Mund, zwar nicht irgendeines Weibes, wohl aber der Mutter Samuels, der die ersten Könige in Israel salbt, und in den Mund der Mutter des Messias Jesus paßt. Der Psalm der Hanna visiert mit schärfster Präzision gleich zu Beginn der Samuel- und Königsbücher das Ziel aller folgenden Geschichten: den messianischen Thron im Hause Davids."476 1. Sam 2,27-36 (V. 35!) findet wenig spezifische Berücksichtigung.
472
DELITZSCH, Weissagungen, 56. Christuszeugnis II, 148 f. Eine indirekte Rechtfertigung von DELITZSCHS Auswahl? DELITZSCH wird in Christuszeugnis II nur kritisch erwähnt (S. 257). 474 A. a. O. 149. 475 A . a . O . 150. 476 Christuszeugnis II, 151. Zum Hannapsalm auch: Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 33. 473
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Im weiteren wird nochmals deutlich, daß Delitzsch die Folge der messianischen Weissagungen als realen „Heilserkenntnisfortschritt"477 der jeweiligen Zeugen begreift: Ps 110 und 2. Sam 23,1-7 werden Zeugnisse dafür, wie David schon zu Lebzeiten begann, das Messiasbild von seiner eigenen Person abzulösen.478 Ps 72 ist die Hoffnung und das Ideal Salomos; seine Wünsche erinnern an vorige Weissagungen (etwa 2. Sam 23,4; Num 24,19; 477 DELITZSCH, Weissagungen, 80, vgl. 112: „Die Elemente des Fortschritts in Micha's messianischer Verkündigung". LUTHER verstoße mit HIERONYMUS gegen den „Entwikkelungsgang der messianischen Verkündigung" (84). Eine andere Frage wäre freilich, ob DELITZSCH den „Heilserkenntnisfortschritt" konsequent aufweisen kann, vgl. S. 116. 130. Im Psalmenkommentar DELITZSCHS heißt es (52 f.): „Der Psalmenausleger kann sich entweder auf den Standpunkt des Dichters oder auf den Standpunkt der alttestamentlichen Gemeinde, oder auf den Standpunkt der Kirche stellen - eine Grundbedingung des Auslegungsfortschritts ist die Auseinanderhaltung dieser drei Standpunkte und demgemäß die Unterscheidung der zwei Testamente und überhaupt der verschiedenen Heilsoffenbarungs- und Heilserkenntnisstufen. Denn wie das Heil selbst, so hat auch dessen Offenbarung und Erkenntnis eine fortschreitende Geschichte, welche vom Paradies durch die Zeitlichkeit hindurch bis in die Ewigkeit hineinreicht Das Heil verwirklicht sich in einem System von Thatsachen, in welchen sich der göttliche Liebesratschluß der Erlösung der sündigen Menschheit entfaltet, und diesem stufengängigen Geschehen eilt die Heilsoffenbarung voraus, um dessen Göttlichkeit zu verbürgen und das Verständnis zu vermitteln. In den Psalmen liegt ein halbes Jahrtausend und darüber dieser fortschreitendenden Verwirklichung, Enthüllung und Erkenntnis des Heils aufgedeckt vor uns." - S. 55: „Der messianische Inhalt der Ps. ist aber nicht beschränkt auf den der eig. Weissagung, welcher das Zukünftige gegenständlich wird. Wie das Naturleben eine Stufenfolge darstellt, in welcher die niedere Daseinsstufe präformativ auf die nächstfolgende höhere und mittelbar auf die höchste hinausweist, so daß ζ. B. in der Kugelgestalt des Tropfens das Streben nach dem Organismus wie im einfachsten flüchtigen Umriß sich ankündigt: so ist auch der Fortgang der Geschichte und vorzugsweise der Heilsgeschichte ein typischer, und nicht allein im Großen und Ganzen, sondern auch aufs überraschendste in einzelnen Zügen ist Davids Leben ein vaticinium reale auf das Leben dessen, welchen die Prophetie als den gleichsam in verklärter Gestalt wiedererstandenen David geradezu τ π - n y Ez. 34,23 f. 37,24 f. und 0D(>a τ π Hos. 3,5. Jer. 30,9 nennt." - S. 277 f.: „Die göttliche Liebesthat der Erlösung war damals noch nicht vollzogen, vor der Ewigkeit, vor Himmel und Hölle hing damals noch ein Vorhang, so daß Verwünschungen, wie 69,20 von dem Angesprochenen selbst in ihrer unendlichen Tiefe nicht verstanden wurden. Nachdem dieser Vorhang aufgerollt, schaudert der neutestamentliche Glaube vor" dem Wunsch des ewigen Verderbens zurück. „Um Gebetsausdruck des neutest. Glaubens zu werden," „bedürfen" die Psalmen „der Vertiefung und Zurechtstellung". „Denn was Julius Africanus von dem A.T. sagt: ούδέπω δέδοτο έλπίς αναστάσεως σαφής, gilt wenigstens von der vorjesajanischen Zeit" (a. a. O. 60; zur Frage des ewigen Lebens im Alten Testament vgl. besonders S. 362). „Dennoch kommt im N.T. nichts zum Durchbruch, was nicht bereits in den Ps. sich regte" ( a . a . O . 61). Daher kann DELITZSCH mitunter auch von der Präexistenz Jesu im aktivischen Sinne sprechen (Jesus bezeuge sich selbst als den Durchbohrten, a . a . O . 215). Das ganze Menschengeschlecht sei „ein Kreis, und Jesus Christus ist das im Laufe der Heilsgeschichte immer mehr herausgearbeitete Zentrum dieses Kreises" (zit. nach SAUER, Morgenrot, 53). - EMIL BRUNNER hat den Gedanken eines Fortschritts der Offenbarung, die sich dem natürlichen Entwicklungsprozeß des Menschen anschließe, stark ausgearbeitet, siehe HESSE, Gegenwärtige Dogmatik, 25-30. 478
DELITZSCH, W e i s s a g u n g e n , 6 3 - 6 9 .
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Gen 12,3). „Der Psalm ist nicht direkt, sondern nur indirekt weissagend, indem gewünscht wird, daß in Salomo sich erfülle, was vom Messias geweissagt ist und erhofft wird. Diese Wünsche sind auch alle gewissermaßen an Salomo in Erfüllung gegangen, so jedoch, daß die messianische Idee auch der Herrlichkeit Salomo's gegenüber ihre Ueberschwenglichkeit behauptete, damit offenbar werde, ihre rechte Erfüllung liege im Bereich der Zukunft." 479 Das Entwicklungsdenken geht bei Delitzsch so weit, daß als einer von zwei Hauptgründen zur Begründung der Teilung desjesajabuches angeführt wird: „Der gottgeordnete pädagogische Fortschritt der Heilserkenntnis und Heilsverkündigung fordert die Entstehung dieser Reden unter den durch das Exil gegebenen Impulsen; Zefanja, Habakkuk, Jeremia, Ezechiel würden einen unbegreiflichen Rückschritt darstellen, wenn der Verfasser von Jes. c. 40-66 nicht jünger als Jeremia, jünger auch als Ezechiel wäre und das letzte Drittel des Exils zu seinem zeitgeschichtlichen Standort hätte." 480 „Die fortschreitende Erkenntnis Gottes des Erlösers ist eine ebenso wichtige Seite der Vorbereitung [seil, des Neuen Testaments] als die fortschreitende Erkenntnis des weltbeherrschenden anderen David; diese letztere muß sich sogar . . . im Alten Testament selbst eine radikale Umschmelzung gefallen lassen, um sich mit der Erkenntnis des Erlösers in einer dem göttlichen Ratschluß, der sich im N.T. vollzieht, entsprechenden Weise zu verschmelzen."481 Die Entwicklung umfaßt beide Testamente: Die deuterojesajanische Weissagung sei „die Werkstatt, in welcher das neutestamentliche Messiasideal zur Ausgestaltung kommt - die Gußform für ein neues geistlicheres Messiasbild, welches alle unveräußerlichen Bestandteile des bisherigen in sich vereinigt."482 Ein Gegensatz zu Vischer entsteht auch angesichts des 45. Psalms, in dessen vom Neuen Bund ausgehenden Betrachtung sich „alle sinnlichen Züge in Uebersinnliches umsetzen" wird. Dieser Psalm wird „erst durch den Sinn, welchen die Gemeinde damit verbindet, den von Hermann Schultz in seiner Alttestamentlichen Theologie sogenannten , zweiten Schriftsinn', zu einem eschatologisch messianischen."483 Besonders im Buche Hiob, das Delitzsch in salomonische Zeit datiert, würden diese Erkenntnisse gefördert. Zum einen blitze die „Grundidee des neutestamentlichen Evangeliums von der Versöhnung" auf (vgl. Hiob 17,3 mit 2. Kor 5,19!), zum m A. a. O. 70. Ein direkt prophetischer Psalm lasse sich von Salomo nicht erwarten warum nicht? DELITZSCH sagt es nicht. 480 A. a. O. 138 f. Darauf fußt wiederum die Deuterosacharja-Hypothese: S. 149, vgl. 155. 481 A. a. O. 72. 482 A . a . O . 143. 483 A . a . O . 81. Vgl. DELITZSCH, Psalmen, S. 349 zu Ps 47: „Darum hat dieser Psalm im Verlauf der Geschichte einen über seinen nächsten Anlaß [seil, der Sieg Joschafats, 2. Chr 20] hinausragenden prophetischen Sinn gewonnen, welchen erst die Himmelfahrt Christi enträtselt hat."
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anderen komme zum ersten Mal seit Gen 48,16 in Hiob 33,23 f. (erste Elihu-Rede) „die Erkenntnis zum Vorschein, daß die Erlösung des Menschen nur durch ein übermenschliches Wesen vermittelt sein kann; der angelus Internuntius ist eine Präformation des aus dem Bereiche der Gottheit hervorgehenden Erlösers . . . Der τπηπ ηχ^η der Prophetie ist die Realität des von der Chokma postulierten p-bn i«!>n."484 Vischer hat die Vorstellung Delitzschs von einem heilsgeschichtlichen Erkenntnisfortschritt nicht geteilt. Die Offenbarung bewirkt nach Vischer wohl Geschichte, aber sie selbst ist nicht Geschichte, das heißt: sie ist nicht wachsend bzw. veränderlich. Zu jeder Zeit des Alten Testaments war den Gläubigen offenbart, was ihnen zur Erkenntnis des Heilsmittlers und damit ihres Heils zu wissen notwendig war. Liegt hier ein konfessioneller Unterschied vor? Man kann mit dem reformierten Dogmatiker Eduard Böhl eine intensive und eine extensive Suffizienz der Offenbarung unterscheiden. Die intensive bezieht sich (nach Böhl) auf den heilsnotwendigen, gleichbleibenden Glaubensgehalt des Gottesvolkes („das Substantielle der Offenbarung") zu allen Zeiten von Adam an. Die extensive Suffizienz, also der ganze Inhalt des in der Schrift Geoffenbarten, trete erst im Gesamtumfang der kanonischen Schriften zutage.485 Vischer betont erstere, Delitzsch letztere; auf die konfessionelle Frage läßt sich der Unterschied indessen nicht reduzieren. Denn auch Delitzsch weiß um die konkrete Gegenwart Jesu im alten Israel, wenngleich nicht einfach als Präsenz, sondern als Präsenz im Kommen gefaßt: „Das Christentum ist im Alten Testament im Werden. Mit gleichem Recht könnte man sagen: Christus ist durch das Alte Testament im Kommen begriffen. Zwar der Mensch Jesus hat einen zeitlichen Anfang, über welchen seine Existenz als Mensch nicht hinausreicht. Aber darin, daß er in der Fülle der Zeiten erschien, vollzog sich Gottes Ratschluß, und da Jesus jedenfalls derjenige Mensch ist, welcher vor allen andern Gott in sich wohnen hatte, so ist das Nahen des Gottes, der durch ihn sich offenbaren und das Werk des Heils vollbringen will, zugleich Nahen Jesu. Sein Kommen im Alten Testament ist also doch mehr als bloß ein ideelles."486
Vischers Hiob-Auslegung487 nun verzichtet bei aller Kürze nicht auf einen Durchgang durch das ganze Buch. Die Hiobfrage ist nach ihm nicht die Theodizeefrage, sondern zielt darauf ab, ob es einen gerechten Menschen gäbe. „Gibt es einen wahrhaft frommen Menschen", der Gott umsonst fürchtet? Gott lasse es darauf ankommen; und Hiob rechtfertigt zunächst dieses Vertrauen. In den Dialogen wird herausgearbeitet, daß wahre FrömWiederaufnahme in Mal 3,1; DELITZSCH, Weissagungen, 74. 485
BÖHL, D o g m a t i k ,
486
DELITZSCH a. a. O . 2 , zit. n a c h KRAUS, G e s c h i c h t e ,
487
Wir beziehen uns hier auf die Langfassung, nicht die gekürzte englische.
358. 237.
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migkeit nicht ein rechnender, sondern frei gehorsamer Glaube ist, also Gott nicht um Lohn, sondern um seiner selbst willen („umsonst") liebt. Hiob sehe sein Verhältnis zu Gott zutreffenderweise nicht in der richtenden Gerechtigkeit, sondern in der unverdienten Güte Gottes begründet, aber er gebe nicht die Antwort, die aus der Menschheit kommen muß, um Gottes Versprechen zu rechtfertigen. „Wohl aber sind sie ein Schrei, ein Gebet, ein Zeugnis und eine Verheißung, daß der Eine komme, der Gott die Antwort gibt für alle." Gottes Antwort besteht aus lauter Fragen. Seine freie Güte ist Sinn und Grund der Welt, nicht Zwecke, nicht Nutzen; ganz „umsonst" (n:n) ist seine Gerechtigkeit, jenseits (!) von Gesetz und Strafe. Damit weise das Hiobbuch über sich hinaus auf das Evangelium von Jesus Christus, der treu war bis in den Tod, um Gott vollkommen zu rechtfertigen, was Hiob nur unvollkommen bezeugen konnte. Er spricht die Hiobfrage aus letzter Tiefe aus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"488 Der Immanuel von Jes 7,14ff.kann Delitzsch zufolge unmöglich ein erst sich nach sieben Jahrhunderten verwirklichendes Zeichen (im) sein, sondern „ist im Sinne des Propheten eine nächstkünftige Thatsache". Aber „Diejenigen, welche meinen, daß Immanuel, weil er als Kind der assyrischen Gerichtszeit erscheint, nicht der Messias sein könne, verkennen das Gesetz der perspektivischen Verkürzung, welchem alle Prophetie, auch die Jesu Christi selber in den Evangelien, unterstellt ist . . . Auch noch nicht leibhaftig hervorgetreten führt der Künftige ein ideales [!] Leben in der alttestamentlichen Geschichte, und als er in der Fülle der Zeiten erschien, da befand sich das Land zwar nicht unter der Fremdherrschaft Assurs, aber Roms in einem Zustande, welcher auf Ahaz' untheokratische Politik zurückging."489 Denn Fernsicht und Kurzsicht in Jesajas Weissagung lägen ineinander, „sie ist göttlich in menschlicher Schranke."490 Zu Vischer gibt es in der Auslegung von Jes 7 keinen grundsätzlichen Unterschied: der Immanuel war Ahas' Zeitgenosse und ist Hinweis auf Jesus Christus.491 Sagt aber Delitzsch: „Die Incarnation ist . . . ein im A.T unenthülltes Geheimnis, aber die Hülle ist doch nicht so dicht, daß sie nicht Strahlen durchließe"492, so ist an die oben beschriebene Differenz zu erinnern. In seiner Schrift über „Die Immanuel-Botschaft" hat Vischer von dieser Differenz aber nichts mehr spüren lassen; im Gegenteil, hier wird wie bei Delitzsch von der Neuheit des Evangeliums gesprochen: „Als die Zeit erfüllt 488
Hiob, 1952, Titelseite; Hiob, ein Zeuge Jesu Christi, 1934, 32-36.
489
DELITZSCH, Weissagungen, 99. DELITZSCH, Jesaja, 124.
4,0
491 Immanuelbotschaft, 1955, 52-54; Predigt über Jes 8,9 f. am 1.1.1945, S. 1; Predigtmeditation über Jes 8,23-9,6, 1956/57, 33. 492
DELITZSCH, Jesaja, 117.
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war . . . Hier brechen die Fragen, die sich bei Immanuel stellten, neu und mit letzter Schärfe auf. Das Rätsel des Immanuel wird zu dem Geheimnis Jesu, des Sohnes Davids. Das Evangelium gibt genaue Auskunft darüber: Der Vater hat von oben seinen Sohn in den Stammbaum Davids gepfropft; Maria empfing das Kind . . . vom Heiligen Geist; Joseph . . . mußte das Kind . . . für das Haus und Geschlecht Davids adoptieren." Wie Delitzsch gelangt Vischer erst am Ende der Studie zum neutestamentlichen Bezug (Mt 1,22 f.) und zur Aussage, daß Jesus „schon im achten Jahrhundert gegenwärtig ist. Die lebendige Gegenwart des Zeugen Immanuel bezeugt die wirkliche und tatsächliche, wenn auch noch verborgene Gegenwart Jesu. Immanuel ist das Zeichen, daß durch die Gegenwart des Christus Jesus die Treue Gottes in der großen Krisis des achten Jahrhunderts ante Christum natum siegte."493 Von dieser Gegenwart alle Schriftauslegung bestimmen zu lassen, weil die ganze Schrift von ihr erfüllt ist, hat Vischer offensichtlich weniger Hemmungen als Delitzsch. Delitzschs Anliegen ist die Herausarbeitung eines realen Fortschritts der alttestamentlichen Messiaserkenntnis. Vischer konzentriert sich auf die zeitunabhängige (nicht: von der Geschichte gelöste) Gegenwart und Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Zielte Delitzsch auf die Verwendung des Alten Testaments in der Judenmission („unseren Missionaren ein Vademecum"494), so Vischer auf die Beibehaltung und den rechten Gebrauch des Alten Testaments in der christlichen Kirche. H.-J.Kraus schrieb über Delitzsch: „Sieht der Ausleger des Alten Testaments auch nur einen Augenblick ab von der konkreten Gegenwart Jesu Christi in Israel, dann betreibt er jüdische Exegese. In dieser Zuspitzung ist kein Theologe des 19. Jahrhunderts der historisch-kritischen Forschung mit ihren ideologischen Erklärungskategorien entgegengetreten."495 In dieser Frontstellung konvergieren sie. 2.5.4
Vischer und Gerhard von Rad: Doketismus und Geschichtlichkeit - Personal- oder Realpräsenz Jesu im Alten Testament?
Gerhard von Rad sah die Bedeutung des Alten Testaments einmal summarisch in einer Geschichte von Mose abgebildet: Mose bat darum, die Herrlichkeit Gottes sehen zu dürfen. Von Rad: „Da ist auch das ganze Alte Testament abgebildet! Die Herrlichkeit Gottes schauen wir nicht im Alten Testament, aber wir hören das Wort von der Gnade Gottes, und wenn wir in ihm lesen, dann können wir Gott nachschauen auf dem ein4.3 4.4 495
Immanuelbotschaft, 1955, 53 f. DELITZSCH, Weissagungen, Vorwort. KRAUS, Geschichte, 237 (Hervorh. orig).
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zigartigen Weg, den er mit dem Volk Israel durch die Geschichte gegangen ist."496 Wie eine Rezension von Rads zu Vischers Christuszeugnis Band I aus dem Jahr 1935 zeigt, verbirgt sich in diesen Worten nicht eine Ubereinstimmung, sondern ein scharfer Gegensatz zu Vischer. Es handelt sich um eine der ersten Rezensionen und zugleich wohl die vernichtendste 497 , die viele andere Besprechungen beeinflußt hat. Von Rad wendet sich gegen die Ansicht, eine theologische Auslegung könne die literarisch gewachsene Komplexität des Textes außer acht lassen.498 Dies sei nur möglich, wenn der redaktionelle Zusammenschluß der Quellen nicht nur literargeschichtlich, sondern auch theologisch ein Glaubenszeugnis enthält, das die Aktualität des Glaubenszeugnisses der Quellen überbietet - diesen Beweis sei Vischer schuldig geblieben. In der unförmigen Jetztgestalt des Pentateuch sei nur eine entstellende Redaktoren-Arbeit zu erkennen. „Gerade weil wir glauben, daß Christus schon in der Geschichte des Alten Bundes zu finden ist - (aber eben wirklich in der Geschichte!) - müssen wir unter allen Umständen den Glauben, die wirkliche Meinung der jeweiligen alttestamentlichen Zeugen zu ermitteln trachten." 499 Vischer habe sich der exegetischen Pflicht entzogen, geduldig in die Texte hineinzuhorchen, so daß er sich der „Verheißung" begab, „den in die Geschichte hineingegebenen Christus zu finden." Diese theologische Kritik von Rads hat einen doppelten Hintergrund. Zum einen spricht er für die Tradition seines Faches500. Vischer habe in einer „theologischen Verzweiflungstat" einen entmutigenden „Abbruch wissenschaftlicher Verpflichtungen" evoziert, vor dem zu warnen sei, weil auf der fortschreitenden geschichtlichen Arbeit viel „Verheißung" liege.501 Bei Vischer gehe man also neben der theologischen einer wissenschaftlichen „Verheißung" verlustig. Ferner, und darauf aufbauend, will von Rad Vischer auf dessen eigenem Gebiet schlagen: Der Chor der Zeugen, seil, der Christuszeugen im Alten Testament, sei reicher, als Vischer es gezeigt habe. 496
Führung, 71 (Schlußwort). G. VON RAD, Auseinandersetzung. - Das Schloß nicht aus, daß VON RAD von Vischer durchaus theologische Anregungen empfing; spürbarer nach 1945: Interview vom 14.8.1984, 1; ferner VON RADS Vorwort zu Theologie II (S. 6), wo - in Klammern - folgender Satz erscheint: „Aber auch die Mahnrufe von W. Vischer, die weithin wirksam geworden sind, sollen nicht vergessen werden." 4n Sehr engagiert verfocht diesen Punkt auch HERMANN SCHUSTER in ZThK 1937 (bes. S. 357. 372 f.). SCHUSTER schloß sich sonst im wesentlichen BAUMGÄRTEL an (Substanz des Alten Testaments in den Propheten; nur bei ihnen ist das uns bindende Gesetz zu finden, S. 372). - Vgl. zu den Pentateuchfäden W. Vischer: Christuszeugnis I, 45 f., und zur Frage des geschichdichen Charakters von Texten der Genesis: 47-50. 497
M
V O N RAD a . A . O . 2 5 1 .
500 Yg| VON RAD, Sensus, 33: „Man möge es uns doch glauben, es geht uns nicht um Zunftstolz; darum, einen Unbequemen zu erledigen!" 501 VON RAD, Auseinandersetzung, 254.
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In eklektischem Biblizismus habe Vischer die großen Textzusammenhänge (von Rad meint die Zusammenhänge der Pentateuch-Quellen) zerschlagen (das heißt: zusammengelegt) und so ein monotones Christuszeugnis hervorgebracht.502 Von Rad befürchtet bei der Vischerschen Behauptung der Normativität der Letztgestalt der Texte also zum einen eine Vereinerleiung des Christuszeugnisses, zum anderen sieht er die Gefahr einer doketischen Christologie, sofern ein Zeugnis von einem Christus gefunden wird, der nicht „in die Geschichte hineingegeben" ist.503 Unterstellt die Verkoppelung beider Aussagen, daß nur derjenige ein Teilhaber des ökumenischen Glaubens (Chalcedonense) ist, der den kanonischen Gehalt der Schrift in dem durch Literar- und Formkritik eruierten bzw. definierten Raum sucht?504 Fritz Feldges, ein Schweizer Pfarrer, nahm Vischer gegen von Rad in Schutz.505 Vischer habe im Gehorsam gegen das Wort Gottes, das heißt im „Gehorsam der Gleichzeitigkeit", auf den Purismus historischer Betrachtung verzichtet. Die Einheit der Offenbarung im Alten und Neuen Testament sei nicht eine dogmatisch-kirchliche Forderung, sondern das Selbstverständnis der Schrift selbst506, womit exegetisch die Erkenntnis gesetzt sei, daß das Alte Testament von Christus zeugt. Der grundsätzlichen Verurteilung Vischers sei also entschieden zu widersprechen. Daß Vischer mehr auf die Besonderheiten der Quellen hätte eingehen können, ließ Feldges dahingestellt; im übrigen verwies er darauf, daß Vischer dies an anderer Stelle auch getan habe (Jahwe der Gott Kains", 1929). Endlich gebe es wieder ein exegetisches Buch in reformatorischen Spuren!507 So sei auch der Doketismus-Vorwurf im Hinblick auf Vischers Einleitung zurückzuweisen; der Glaube an die Existenz Christi vor seiner Inkarnation sei noch nicht Doketismus.508 Lob wird Vischer auch hinsichtlich seiner die Auslegung befruchtenden Kenntnis jüdischer Ausleger gezollt. Die Frage nach Jesu Messiasanspruch werde, wenn man hier anknüpfe, im Unterschied zur modernen protestantischen Wissenschaft erst richtig ernst genommen.
502
A. a. O. 252. A.a.O. 251. Anders CHILDS: „Yet it is highly significant that von Rad did not really debate Vischer theologically" (OT in Germany, 241). - KARL BARTH über VON RADS Rezension: „eine fruchtbare Kritik Vischers würde erst der liefern, der dieselbe Aufgabe besser zu lösen imstande wäre!" (KD 1/2, 87; Hervorh. orig.). 504 Vgl. die Diskussion um den „canonical approach" (CHILDS, BREUKELMAN U. a.): REVENTLOW, Biblische Theologie, 125-137. 505 FELDGES, Zum Angriff. - FELDGES besuchte Vischer am 12.2.1940 in Basel (laut Gästebuch). 506 Vgl. oben S.216f. 503
507
508
FELDGES a. a. O . 2 9 .
Christuszeugnis I, 12; REVENTLOW gab hinsichtlich des Doketismus-Vorwurfs VON RAD recht (Konflikt, 118)!
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So erhebe sich die Frage, ob von Rad Vischer überhaupt verstanden habe oder auf der Seite von Harnacks stehe, der das Alte Testament (nach dem bekannten Zitat in seinem Marcion-Buch 509 ) nicht als heilige Schrift akzeptieren konnte. Mit der Bitte um den Heiligen Geist und im aufrichtigen Verfolgen des biblischen Gedankengangs sei in der alttestamentlichen Wissenschaft das Gespräch aufzunehmen. 510 Darauf gab von Rad in der gleichen Zeitschrift eine Duplik. 511 Die Gegenüberstellung von theologischer Exegese und religionsgeschichtlicher Wissenschaft sei zu grob. Wenn er gefordert habe, das Selbstverständnis der Zeugen (Quellen) herauszuarbeiten, lasse er sich damit nicht auf die religionsgeschichtliche Seite drängen. Denn auch er hoffe, daß in der aufrichtigen Begegnung mit dem Text dieser sich, nach einem Wort von Heinrich Vogel, als das zur Christusverkündigung fordernde und zeugende Wort erweist; auch er will (angemessene) theologische Exegese. „Die Entscheidung für oder gegen Vischer fällt nicht auf dem Plan der systematisch-theologischen Besinnung, sondern allein auf dem Gebiet der Exegese."512 Doch sei zu fragen, wie intensiv geschichtlich gearbeitet wird, bis man dahin kommt. Wenn Bonhoeffer 513 David das Wissen um die Aufer-
509
VON HARNACK, Marcion, 217, vgl. 222 (siehe oben Einleitung). - Die Neuauflage 1996 (WBG) belegt die anhaltende Wirksamkeit von VON HARNACKS Thesen. 510
FELDGES a . a . O . 3 0 .
511
G. VON RAD, Sensus. 512 A. a. O. 31 - dagegen HELLBARDT richtig: auf dem Gebiet des vorentscheidenden Schriftverständnisses bzw. der Hermeneutik (Neuerscheinungen, 244)! Auch für VON RAD hätte klar sein müssen: man kann sich nicht in „Exegese" stürzen, um erst dann zu sehen, wie diese am besten vonstatten geht Richtig ist, daß exegetische Übung ein Gewinn für die Schriftauslegung und ihre Theorie ist und sich diese im Lauf längerer Begegnung mit der Schrift verbessert. Falsch ist aber, mit dieser Erkenntnis die Frage nach der Inspiration, nach dem Charakter der Schrift als einem gottgegebenen „Heiligtum" (LUTHER) und erst recht die Frage abzubrechen, wer den Ausleger inspiriert. Keine der beiden Fragen darf ausgelassen werden: Wer inspiriert die Schrift, Gott oder Mensch? Und: Wer inspiriert den Ausleger? Eine anthropozentrische Methode oder derselbe Geist, der die Schrift eingegeben hat? Unter welchem Paradigma werden Entstehen und Verstehen der Schrift verbunden? 513
Dieser hat evtl. von Gesprächen mit Vischer oder von dessen Aufsatz über den noachitischen Bund profitiert: Nach VAN DER K o o i kamen einige Punkte daraus in BONHOEFFERS Gutachten zum Betheler Bekenntnis vor (Vischer konnte sich freilich 1984 nicht mehr an ein Gespräch direkt über den noachitischen Bund erinnern: „es kann gut sein"; Interview vom 14.8.1984, 5). BAUMGÄRTEL wies in seiner Rez. des ersten Bandes des Christuszeugnisses Vischers auf BONHOEFFER (König David. Drei Stunden Bibelarbeit, in: Junge Kirche, 1936, Hefte 2, 4 und 5 sowie ders., Der Wiederaufbau Jerusalems nach Esra und Nehemia, a. a. O. H e f t 14) als Aufnahme und Umsetzung der Gedanken von BARTH und Vischer. Mit MARTIN KUSKES Dissertation (Bonhoeffers Wertung) über die Auffassung BONHOEFFERS vom Alten Testament können wir dies bestätigen. Die Hauptpunkte sind: beide Testamente wollen uns den gleichen Gott verkünden, nicht menschliche Frömmigkeit. Das Alte Testament tut dies, weil sich die seine Geschichte in echter Christusgegenwart vollzieht („Christus im Alten Testament"). BONHOEFFER betont, daß Christus als der Menschgewordene sowohl im Wort
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stehung zuschreibt, dann sage er damit etwas, was die Texte offenbar nicht sagen wollen. 514 N u r das Neue Testament kenne den Fleischgewordenen; im Alten Testament sei er nicht zu suchen, sondern nur der λόγος άσαρκος!515 Der Unterschied der Testamente müsse stärker zur Geltung kommen. „Es geht um die rechte Einführung der Kategorie der Geschichte in die theologische Deutung des ATs . . . Es kommt freilich dann alles darauf an, daß wir diese Betrachtungsweise nicht wieder zu einer immanenten Entwicklung der , Religion Israels' werden lassen. Wenn wir uns gegenwärtig halten, daß die Geschichte dieses Glaubens ständig von Offenbarungsmittlern begleitet und getragen war, so könnten wir davor bewahrt sein."516 Später stellte von Rad noch mehrfach seine Position dar. In einem Erlanger Vortrag fand er 1938 zur Aussage, das Alte Testament sei Buch Christi und bezeuge auf und ab (!) Kreuz und Auferstehung. 517 Weit riß er in diesem Vortrag den Graben zwischen der religionsgeschichtlichen und der theologischen, das heißt christologischen alttestamentlichen Exegese auf. Von der Notwendigkeit einer Brücke über diesen Graben, die von links (Religionsgeschichte) nach rechts (Christologie) führt, ist er nach wie vor überzeugt. Dabei stehe die Kanonizität des Alten Testaments im Grundsatz nicht in Frage, weil Jahwe der Vater Jesu Christi ist.518 Eine immanente Exegese des Alten Testaments, die auf Christus führe, kennt von Rad nicht, womit er auf eine unglückliche Formulierung Vischers 519 anspielt. Als Vischers hermeneutische Voraussetzung zum alttestamentlichen Christuszeugnis nennt er die „Personalpräsenz" Christi, also die Gegenwart Jesu in den alttestamentlichen Gestalten 520 . Diese Voraussetzung kann von Rad nicht teilen; er stellt ihr seine eigene Auffassung von der Realpräsenz des nicht inkarnierten Logos entgegen, die Gegenwart Jesu als das Zeugnis der alttestamentlichen Gestalten. In keinem der alttestament-
wie in den Personen des Alten Testaments gegenwärtig ist (KUSKE, Bonhoeffers Wertung, 40. 54 ff.). Im Vergleich können Vischer und BONHOEFFER als „engste Bundesgenossen" bezeichnet werden (a. a. O. 20. 55. 67.); sie wurden in den 30er Jahren in einer Reihe mit HELLBARDT wahrgenommen (BEGRICH, Predigt, 8 f.). 514 Vgl. Apg 2,25-31. 515 VON RAD a. a. O. 32. Offen bleibt, wie VON RAD weitere neutestamentliche Aussagen versteht, nach denen die Verfasser des Alten Testaments durchaus vom Fleischgewordenen wußten, vor allem von seiner Passion (vgl. l.Petr 1,11; Apg 3,18; 10,43). 516 A. a. O. 33. 517 VON RAD, Fragen, hier aus dem Vorwort; aber wieder viel verhaltener in: Grundprobleme (1943, 232 f.). 518 A.a.O. 12. 519 Christuszeugnis I, 33; vgl. oben S. 191 f. 520 Nur in den Gestalten? Das würde eine typologische Schriftauslegung bei Vischer suggerieren. „Personalpräsenz" Christi findet sich nach Vischer in der ganzen alttestamentlichen Geschichte, in allen alttestamentlichen Gestalten, Ereignissen und Worten - mal mehr, mal weniger verhüllt.
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liehen Zeugnisse kann daher der ganze Christus liegen: „Die Erfüllung ist eines, die Verheißung ein Vielfältiges" (Hebr 1,1 )521; das neutestamentliche πληρούν bedeute nicht ein Kopieren, sondern ein Vollmachen, Auffüllen. 522 Die alttestamentlichen Verheißungen deuten also erst insgesamt, nicht schon mit ihren Einzelheiten auf den Kommenden, und zwar tief, bis zur Unkenntlichkeit eingegraben in die Geschichte Israels. Mit dieser wachse ihre Deutlichkeit. Zwei Arten von Ungehorsam sieht von Rad in der alttestamentlichen Wissenschaft: Zum einen Teil starre man auf die Menschlichkeit der Schrift und meint, Gott könne hier nicht reden. Zum anderen Teil übersehe man die Knechtsgestalt der Schrift und meint, es nur mit dem Pneuma zu tun zu haben, was in doketische Christologie führe. Zwischen diesen Polen könne es ein einfaches Zurück zu Luther nicht geben (worin von Rad ein strenges Gericht Gottes erkennen zu müssen meint!). An dieser Stelle ist eine erste kurze Besinnung auf die Verwendung des Begriffs „Doketismus" angebracht; unter 3.1 ist dies zu vertiefen. Der Begriff wird häufig (nicht nur bei von Rad) sehr weit gefaßt; offenbar gerät bereits eine Exegese, die die neutestamentliche Christologie voraussetzt und damit der Gefahr der Deifizierung der Geschichte entgehen will, in den Verdacht, doketisch zu sein. Dieser weite Begriff doketischer Häresie ist sehr problematisch. Die Zielrichtung solcher Wertung besteht darin, den Eigenwert geschichtlicher Berichte anzuerkennen. Dieser Eigenwert gründet in der Einmaligkeit der geschichtlichen Situation des Verfassers, seinem an seinen geschichtlichen Standort gebundenen und von diesem geprägten und begrenzten Erkenntnishorizont. „Historische" Exegese sieht in der Beschreibung des Erkenntnishorizonts eines antiken Autors ihre Aufgabe und ihre Grenze - darin besteht ihre „Geschichtlichkeit". Nun konstatiert das Neue Testament in der Interpretation alttestamentlicher Texte und Ereignisse durchaus auch deren Einmaligkeit - das geschieht jedoch theologisch: Zum einen wird im Blick auf die alttestamentlichen Menschen (im positiven wie im negativen Vorbild in der neutestamentlichen Paränese) deren geschichtlich-konkrete Einmaligkeit vorausgesetzt. Zum anderen wird die Einmaligkeit alttestamentlicher Ereignisse insofern vorausgesetzt, als der alte Bund Gottes seine Zeit gehabt hat und verheißungsgemäß durch einen neuen ersetzt worden ist. Die besondere Einsicht der Apostel liegt dabei in der Pointe, daß die von einmaligen Geschehnissen berichtenden alttestamentlichen Texte eine solche Bedeutungsfülle in sich tragen, daß sie in der Kirche zur Verkündigung auch des sich heilsnotwendig immer wieder-
521 VON RAD a . a . O . 15. Hebr 1,1 wird in der Diskussion öfter angeführt, vgl. ZLMMERLI, Auslegung, 147. 153. 522 Grundprobleme, 232.
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holenden Geschehens zwischen Gott und Mensch in Christus dienen müssen.523 Angesichts dieser Tiefe erweist sich ein trivialisierter, das heißt bis auf die Knochen der bruta facta skelettierter Geschichtsbegriff selbst als eine gewisse Art „Doketismus": Zum einen werden die Verfasser des Alten Testaments lediglich aus ihrem historischen Umfeld heraus interpretiert bzw. aus dem, was wir über dieses herausfinden können.524 Zum anderen wird der Kontakt zwischen Geschichte und Christus, nämlich daß er geschichtlich bezeugt wird und dieses Geschichtszeugnis selbst bewirkt, entscheidend gelockert.525 Eine Aussage wie „προϊδοϋσα δέ ή γραφή" ist dann grundsätzlich nicht möglich. Diese Selbstbeschränkung der Exegese hatte sicherlich den Effekt, zu einem interkonfessionellen Konsens von Bibelwissenschaftlern über einen (historischen bzw. literaturwissenschaftlichen) Denkrahmen geführt zu haben, der innerhalb der akademischen Exegese kaum noch in Frage gestellt wird. Freilich werden die Einzelwerkzeuge dieses Instrumentariums sehr verschieden gewichtet. Hier gibt es keinen Konsens; auch sind die Ergebnisse etwa innerhalb der Literarkritik im einzelnen sehr unterschiedlich. Analog dazu stellt sich die Frage, ob ein mit dieser Selbstbeschränkung gestecktes Ziel faktisch erreicht werden kann: die Vermeidung allegorischer Spekulation. Denn tatsächlich kehren Spekulation und Allegorie in den einander ablösenden Neukonstruktionen und Versuchen, tiefere Intentionen alttestamentlicher Schriftsteller zu eruieren bzw. „über die biblischen Texte hinaus zu den irgendwo h i n t e r den Texten stehenden Tatsachen vorzustoßen"526, wieder. Zu kritisieren ist nicht, daß sich die Exegeten zu wenig auf gemeinsame Detailauslegungen einigen könnten - das war ohnehin nie anders. Vielmehr meine ich, daß das Ausmaß, in dem sich die (historische!) Interpretation vom Literalsinn der Schrift entfernt hat, längst zu einer selbstkritischeren Besinnung geführt haben müßte. Die Ursache dieser Entfernung besteht meines Erachtens in der Fehleinschätzung, daß die Schrift nicht göttlicher Offenbarung, sondern menschlichen Denken entsprungen ist. Damit kehren wir wieder zu von Rad zurück. Von Rads Problem liegt letztlich in einer bestimmten Sicht des biblisch bezeugten Glaubens: statt Empfänger der Offenbarung zu sein, erhält der Glaube hier die Funktion 523
Nach 2. Kor 3 etwa endet zwar die Herrlichkeit des Alten Bundes, aber in Christus sind die Texte dieses alten Bundes als Verkündigung des Neuen zu verstehen und anzunehmen. Vgl. die Verwendung des Alten Testaments in Rom 10,5-13; Gal 3,8 (προϊδοϋσα δέ ή γραφή). Vgl. die Studie von STANLEY (New Covenant Hermeneutic) zur Verwendung des Alten Testaments in Hebr 8-10. 524
V g l . HANSON, J e s u s in O T , 1 7 7 f.
525
Das kann ontologisch oder noetisch (bzw. agnostisch) gemeint sein. Liegt hier nicht das größere Recht, von Doketismus zu sprechen? 526
BARTH, K D 1 / 2 , 5 4 5 f. ( H e r v o r h . orig.); vgl. LEGARTH, T y p o l o g y , 1 4 8 f.
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des Schöpfers neuer Interpretationen - und zwar im Rang von Offenbarungen für ihre jeweilige Zeit. Wenn dem so ist, dann ist solche Theologie tatsächlich geschichtslos, insofern sie in der Konsequenz über das Wirken Gottes in der Geschichte keine Aussagen treffen kann, statt dessen nur noch über das Wirken der menschlichen Frömmigkeit. Wird damit von Rad gegen den Strich gebürstet? Sagt er nicht selbst (wie oben zitiert), daß er nicht „in das Schema eines immanenten Entwicklungsgedankens zurückfallen" will? Nennt er nicht als „Ziel: eine Darstellung der alttestamentlichen Heilsgeschichte ohne Anleihen bei irgendwelchen geschichtsphilosophischen Doktrinen"527? Und können nicht bei von Rad auch Sätze wie die folgenden gelesen werden: „Wir sehen vielmehr in der von Gottes Wort gewirkten Geschichte, und zwar gleicherweise in den Gerichten wie in den Heilstaten, allenthalben schon das neutestamentliche Christusgeschehen präfiguriert. Das ist - um auf das anfangs gestellte Analogieproblem zurückzukommen - die einzige Analogie, die sich für eine theologische Deutung dieser Texte anbietet. Dieses Wiedererkennen von Typen im A.T. ist keine Geheimniskrämerei, kein Ausgraben von Mirakeln, sondern entspricht schlicht dem Glauben, daß derselbe Gott, der sich in Christus geoffenbart hat, auch in die Geschichte des alttestamentlichen Bundesvolkes seine Spuren eingegraben hat, daß wir es mit einem Reden Gottes zu tun haben, hier mit den Vätern durch die Propheten, dort zu uns durch Christus (Hebr. 1,1)."528 Uberwindet von Rad mit Hilfe der Typologie nicht die Einlinigkeit der kritischen Exegese? Er hat zwar den Aufsatz, dem diese Sätze entnommen sind, später als Torheit angesehen529 und gesagt, die typologische Auslegung lasse sich nicht mehr erneuern530. Dennoch hat er daran festgehalten, daß das Alte Testament selbst einer Betrachtungsweise den Boden entzieht, die nach Frömmigkeitstypen und übergeschichtlichem Wahrheitsgehalt einer Religion fragt: als Heilige Schrift stellt uns das Alte Testament vor ein gottgewirktes Geschehen. Man muß aber näher zusehen, was das bei von Rad bedeutet: Das Alte Testament zeichne eine von Gott bewegte Geschichte, die nach dem Neuen Testament in Jesus Christus ihr Ziel findet.531 Das bedeutet: Jesus steht erst am Ende der Wegstrecke. Nach Paulus jedoch übte das Gesetz seine Funktion als Zuchtmeister auf Jesus Christus nicht erst seit der Inkarnation des Logos aus, sondern es war Zweck und Ziel des Gesetzes von der Sinaioffenbarung an. Das setzt die 527
Grundprobleme, 229; vgl. „Methodische Vorerwägungen" in Theologie I, 117-135. Typologische Auslegung, 1952, 31 (Hervorh. orig.). Hierüber und zum Diskussionszusammenhang: KRAUS, Geschichte, 499 f.; REVENTLOW, Biblische Theologie, 11 ff., bes. 24 ff. 529 SMEND, Deutsche Alttestamentier, 249. 530 Theologie II, 390. 531 A. a. O. 392. 528
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Gegenwart und Wirksamkeit des Mittlers Jesus vor seiner Inkarnation voraus.532 Kann von Rads Theologie des Alten Testaments diese Voraussetzung mittragen? Insofern ja, als er (im entscheidenden Schlußteil des zweiten Bandes) von der Selbigkeit Gottes im Alten wie im Neuen Bund ausgeht.533 Zwischen beiden Testamenten bestehe ein Entsprechungsverhältnis, und zwar „nicht im religiös-Begrifflichen, sondern im Heilsgeschichtlichen, denn in Jesus Christus stoßen wir wieder . . . auf das aus dem Alten Testament so gut bekannte Ineinander von göttlichem Wort und geschichtlichen Fakten"534 („Strukturanalogie"535). „... Würde das aber nicht bedeuten, daß alle die Zeugnisse, von denen wir oben sprachen, die die Welt und den Menschen unmythisch als Schöpfung vor Gott verstehen lehren, letztlich auf das Kommen Jesu Christi hin zu lesen und . . . zu verstehen sind?"536 Trotz der einschränkenden Redeweise (nur unmythische Zeugnisse wiesen auf Christus) ist von Rad hierin m. E. einen Schritt auf Vischers Position zugegangen. In der Einleitung zum zweiten Band schrieb von Rad im Jahr des 65. Geburtstages Vischers, dessen Mahnrufe sollten unvergessen bleiben.537 Der theologische Bruch zwischen beiden blieb indes ungekittet. Denn der Gesichtspunkt, innerhalb dessen sich die ganze Darstellung von Rads über das Verhältnis der Testamente bewegt, ist ausdrücklich allein der überlieferungsgeschichtliche.538 Dies führt dazu, daß die zuletzt zitierte Frage von Rads ebenso offen bleibt (oder, was auf das gleiche hinausläuft: verneint wird) wie die vorher gestellte „Frage: ob sich diese religionswissenschaftliche Abstraktion des Alten Testaments als eines Gegenstands, der ohne das Neue Testament zureichend erklärt werden könne, vom Standpunkt des christlichen Glaubens nicht als eine Fiktion erweist."539 Der überlieferungsgeschichtliche Weg vom Alten zum Neuen Testament, der den Rahmen für das Konzept bildet, nach dem sich inneralttestamentliche Vorgänge beim Ubergang zum Neuen Testament wiederholen, ist meines Erachtens eine deutliche Absage an Vischers Impulse540; der Graben 532
Vgl. Gal 3; zu Paulus' Begriff der Präexistenz Christi: HANSON, Jesus in O T , 10-47. Theologie II, 387 f. 534 A. a. O. 407. 535 A. a. O. 378. 536 Ebd. 537 A. a. O. 6. 538 A. a. O. 342. - Vgl. KRAUS, Überlieferungsbegriff; REVENTLOW, Alttestamentliche T h e o logie, 65-71. 539 VON RAD a . a . O . 341. 540 Das gilt sogar f ü r den Aufsatz VON RADS in der Festschrift zu Vischers 65. Geburtstag (VON RAD nimmt darin auf Arbeiten Vischers auch keinerlei Bezug). - Eine Reihe von Beiträgen zu der umfangreichen Diskussion, die VON RADS Theologie des Alten Testaments ausgelöst hatte, bestätigt unsere Sicht von der Verhaftung VON RADS im religionsgeschichtlichen Paradigma: CoNZELMANN, Fragen, 116 f.; SCHMIDT, Einheit (Vorwurf des Doketismus von VON RAD auch gegen BAUMGÄRTEL erhoben, S. 130!), DE VAUX, Peut-on ecrire, 65 und 533
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zwischen deskriptiver Darstellungsform und Bekenntnisgehalt 541 sowie analog zwischen Real- und Personalpräsenz Christi blieb unüberbrückt. D e n n für Vischer ist die Unterscheidung zwischen Real- und Personalpräsenz aufgehoben; diese schließt jene ein. So bezeugt das Alte Testament die „Möglichkeit und Wirklichkeit des christlichen Lebens dadurch, daß es von Menschen berichtet, die auserwählt waren, ganz und gar von der Erwartung des kommenden Christus zu leben, während das Neue Testament verkündet, daß er jetzt in Niedrigkeit gekommen und gekreuzigt worden, am dritten Tage aber auferstanden ist und bald in Herrlichkeit wiederkommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten. Hierin unterscheiden sich die beiden Testamente bei ihrem einheitlichen und gemeinsamen Zeugnis. Der Unterschied wäre falsch bezeichnet, wenn wir sagen wollten, sie seien eins in der Sache, in den religiösen Grundbegriffen, unterschieden sich aber durch die Person Jesu. Denn eben darin besteht das Wesentliche ihrer Einheit, daß sie bezeugen: Die Sache ist ganz und gar die Person. Die persönliche Gegenwart des Helfers ist die Hilfe. Gott stiftet durch die Person des Mittlers die Lebensgemeinschaft zwischen sich und den Seinen. Der Christus Jesus ist selbst das Leben und die Wahrheit und der Weg. Irgendein alttestamentlicher Christusbegriff, dessen Inhalt nicht der lebendige Jesus ist, wäre nichts oder die Verkehrung der Wahrheit in Lüge. Eine alttestamentliche Religion für sich oder als Vorstufe einer christlichen Religion wäre nichts oder die Leugnung der alleinigen Offenbarung des lebendigen Gottes in Jesus Christus." 542 D i e s führt unmittelbar zu Eichrodt.
ders.: Rez., in RB L X X , 1963, 291-293; BAUMGÄRTEL, in: T h L Z 86, 1961, 804. 812 f. Z u r Diskussion siehe auch: HONECKER, Verständnis. HESSE wiederum versteht VON RADS Offenhalten der Schere zwischen dem alttestamentlichen und dem historisch-kritisch eruierten Geschichtsbild als sacrificium intellectus (Kerygma, 26). N a c h obigem Vergleich und schon aus Schriften VON RADS ist die verharmlosende These (SCHMIDT, Einheit, 132; so schon VON RAD selbst, vgl. das Zitat oben S. 253) zu revidieren, die Differenz VON RAD-BAUMGÄRTEL sei dogmatisch und kaum exegetisch, die Differenz VON RAD-Vischer (WOLFF, Hermeneutik, 342) dagegen in erster Linie oder gar ausschließlich exegetisch begründet. VON RAD schrieb zwar 1938 in diese Richtung weisend, dem widerspricht aber bereits seine Unterscheidung von Real- und Personalpräsenz. „All this debate lay entirely on the plane of theology, and indeed on that of the relation of the Old Testament to Christ" (BARR, Vischer and Allegory, 55-85). 541 „Im Grunde ist v. Rads Buch keine Theologie, sondern eine Einleitung." Das Verfahren vermeide, die Wahrheitsfrage zu stellen, „ohne - und das ist das Originelle, Verfuhrerische - theologisch belanglos zu werden" (KELLER, Rez., 308). 542 Die Bedeutung des Alten Testaments f ü r das christliche Leben, 1938/ 2 1947, 20. Auch BARTH hat Offenbarung und Jesus Christus identifiziert: K D 1/2, 131. 535; daher gibt es auch nur einen Bund: den in Jesus Christus geschlossenen Bund der G n a d e (a. a. O. 61. 85). K D 1/2, 535: „Die Folgerung . . . kann . . . also gerade nicht etwa dahin lauten, d a ß wir ein verborgenes geschichtliches oder begriffliches System, eine Heilsökonomie oder eine christliche Weltanschauung aus der Bibel zu erheben hätten. Eine biblische Theologie in diesem Sinn kann es nicht geben: weder eine solche des Alten noch eine solche des Neuen Testaments, noch eine solche der ganzen Bibel."
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2.5.5 Vischer und Walther Eichrodt: Christuszeugnis oder Theologie des Alten Testaments ? Nicht im Ton, aber in der Sache stand Vischers Basler Kollege, Walther Eichrodt, der Kritik von Rads an Vischer in nichts nach. Eichrodt lobt Vischers farbenreiche Sprache und Aufgeschlossenheit für das Wunder der göttlichen Offenbarung; allein „der radikale Gegenschlag gegen jene rein historische Erklärung des Alten Testaments" gehe zu weit. Auch wenn vieles, was in Vischers „Einleitung über die Zusammengehörigkeit von Altem und Neuem Testament gesagt wird und was man dann später über die Gottesoffenbarung im Heidentum, über den Gottesnamen Jahve', über den Sinn des Bundes und die Bedeutung der zehn Gebote und des Bundesbuches liest, durch treffende Formulierungen und geistvolle Linienführung unmittelbar" anspreche, habe Vischer seine Aufgabe kaum befriedigend gelöst.543 Der für Eichrodt aufzudeckende Widerspruch lag darin, daß Vischer einerseits mit „ehrlicher philologischer Exegese"544 - Vischer meine hier: ohne die Voraussetzung des christlichen Glaubens - Christus im Alten Testament aufzufinden beabsichtige, andererseits aber solche Voraussetzungen als unabdingbar für dieses Finden bezeichne. Diese Unklarheit setze sich in der Methode fort. „Denn allerdings wird uns nun doch sehr viel anderes geboten als eine philologische Exegese, nämlich Allegorie und Typologie in weitestem Umfang, wie man sie sich in einer modernen Exegese nicht mehr hätte träumen lassen. . . . Man mag sich dafür auf manche Zitate des Alten Testaments bei Paulus und im Hebräerbrief und auf das Beispiel der Reformatoren berufen; aber damit ist die Frage nicht beantwortet, ob es uns von unserer heutigen Geschichtserkenntnis aus noch erlaubt ist, in so unbekümmerter Weise überall direkte Beziehungen auf Christus herzustellen."545 Schließlich wird Einspruch gegen Vischers Verständnis der neutestamentlichen Erfüllung erhoben: diese zu verstehen als nur „bekräftigte Verheißung, aber beileibe nicht wirkliche Erscheinung des Verheißenen, scheint uns mit der neutestamentlichen Auffassung von Erfüllung schlechterdings nicht zusammenzureimen. Damit aber wird auch eine Nivellierung der beiden Testamente, als ob sie wirklich schlechtweg den gleichen Inhalt hätten, unmöglich. Und die Erscheinung des präexistenten Christus in menschlicher Gestalt stellt die Einmaligkeit und unüberbietbare Bedeutung der Menschwerdung Christi . . . in Frage."546 Soweit die Kurzbesprechung Eichrodts. 543 544 545 546
ThG 29, 1935, 123. Vgl. oben S. 191 f. EICHRODT a.a.O. 124 (Hervorh. S. F.); ebenso: Typologische Exegese?, 646. A.a.O. 125; vgl. Vischer, Christuszeugnis I, 187-190 zu Gen 32.
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Wie ist das Verhältnis der Eichrodtschen „ Theologie des Alten Testaments", deren Zentrum im Gedanken des Bundes liegt, zu Vischers „ Chnstuszeugnis des Alten Testaments" Gemeinsam wollen sie die „Alleinherrschaft des Historismus" brechen; gemeinsam sehen sie sich vor die Aufgabe gestellt, „die alttestamentliche Glaubenswelt in ihrer strukturellen Einheit zu begreifen und unter Berücksichtigung ihrer religiösen Umwelt einerseits, ihres Wesenszusammenhangs mit dem Neuen Testament andererseits in ihrem tiefsten Sinngehalt zu deuten."548 Aber worin besteht der Wesenszusammenhang? Eichrodt nennt die christliche Dogmatik einen „ganz anderen Boden" als den des Alten Testaments549, wenn auch in der Erscheinung Christi „die edelsten Teile des Alten Testaments zur Vollendung gelangen . . . Diese Affinität zum Neuen Testament erschöpft sich aber nicht in einer historischen Beziehung, die den Gegenstand geschichtlicher Untersuchungen zu bilden hat, sondern stellt eine grundlegende Wesenseigentümlichkeit dar, ohne deren Beachtung das Alte Testament nicht verstanden werden kann."550 Wir wissen, worin Vischer diese Wesenseigentümlichkeit fand: die alttestamentliche Geschichte ist wesentlich Wirkung des in ihr gegenwärtigen Christus. Bei allem Gegensatz gibt es bei Eichrodt Ähnliches zu lesen! Jesaja etwa habe wirklich die Herrlichkeit Jesu gesehen, weil in Gott „die ganze Fülle der Christuswirklichkeit beschlossen liege und schon wirksam sei. Nicht um den gespenstisch vorausgeworfenen Schatten der Gestalt und Person Jesu gehe es dabei, sondern um die Herrlichkeit seines Amtes, die doxa täs diakonias" (2. Kor 3,7 ff.). „Hier tut sich die innerste Einheit der alt- und neutestamentlichen Offenbarung auf, ohne daß wir deshalb zu der mythologischen Vorstellung einer Vorausverkörperung Christi oder dergl. greifen müßten. Es ist der I η h a 11 d e s H e i l s u n d d i e H e i l s m i t t e i l u n g , in der sich der eine Gott des Alten und Neuen Testamentes als der allein in Christus offenbare erweist."551 „In der Begegnung mit dem Christus der Evangelien tut sich eine gewaltige Lebenswirklichkeit auf, die ebenso untrennbar mit der alttestamentlichen Vergangenheit verbunden ist, wie sie in die Zukunft hinausdeutet: Εs i s t d e r E i n b r u c h u n d d i e D u r c h s e t z u n g d e r K ö n i g s h e r r s c h a f t G o t t e s in d i e s e r W e l t , d i e d i e b e i d e n , ä u ß e r l i c h so v e r s c h i e d e n e n W e l t e n d e s Alten und des Neuen T e s t a m e n t s u n l ö s b a r z u s a m m e n 547 Vischer selbst hat in seinem Aufsatz „Volk und Gott in der Bibel" eingangs (1934, 24) auf den ersten Band der ElCHRODTschen Theologie hingewiesen als „gründliche Bearbeitung des Themas". Umgekehrt wird auf Vischer in allen drei Bänden von E I C H R O D T S Theologie des Alten Testaments kein Bezug genommen. Vischer konnte ihm entgegengesetzte Positionen erstaunlich gut assimilieren. 548 E I C H R O D T , Theologie des Alten Testaments I , 5 . 549 Ebd. 550 A . a . O . 1. 551 Zur Frage, 86 (Hervorh. orig.; hierher auch das vorige Zitat).
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
s c h l i e ß t , weil sie ruht auf dem Tun des einen Gottes, der in Verheißung und Forderung, in Evangelium und Gesetz ein und dasselbe große Ziel verfolgt, den Bau seines Reiches."552 Eben dem dient das foedus iniquum des Sinaibundes, durch den ein Herrschaftsgebiet mit Oberherrn und Untertanen entstand.553 Die Zitate markieren Ferne und Nähe der beiden Basler Theologen. Christus wirkt nach Eichrodt nicht einfach als der Präexistente alles alttestamentliche Geschehen. Nicht erlaubt sei es, die alttestamentliche Bezeugung Christi „in die Anschaulichkeit der Geschichte umzusetzen." Sonst werde nach Eichrodt das göttliche Geheimnis verletzt! Einige „spärliche" Stellen des Neuen Testaments nur wiesen scheinbar in die Richtung der Vischerschen Interpretation, die alttestamentliche Geschichte sei Schauplatz des Wirkens Christi: Joh 1,3; 8,58; 12,41; Kol 1,16; Hebr 1,2. Jesu Rede über Manna und wahres Lebensbrot wie das Gleichnis von den bösen Weingärtnern machten demgegenüber deutlich, daß das Neue Testament „das entscheidende Minus des alttestamentlichen Heilsgeschehens darauf zurückführt, daß dort der Sohn nicht da war, während er jetzt gekommen ist! Hier liege die durchgängige Anschauung des Neuen Testaments, die uns kein Recht gebe, „einige anders klingende Äußerungen in dem Sinn auszubeuten und zu verwerten, als ob das alttestamentliche Geschehen überall durch den gleichsam in einer Maske gegenwärtigen Jesus Christus gewirkt und geleitet worden sei."554 Mit einer solchen Vorstellung wäre der einfache Schriftsinn zugunsten willkürlicher Allegorese aufgegeben.555 Die Testamente konvergieren nach Eichrodt im Inhalt des Heils, in der Heilsmitteilung und der Durchsetzung der Königsherrschaft Gottes in dieser Welt. Als mythologisch abgelehnt wird die Vorstellung der Präexistenz Christi, wie sie Vischer ja mit Berufung auf Luther und Calvin vertreten hat. Man könnte vereinfachend den Unterschied zwischen Vischer und Eichrodt auf die Formel bringen, daß dieser den Begriff des alttestamentlichen „Christuszeugnisses" im Sinne des genitivus objectivus, nicht subjectivus auffaßte, während jener an beiden Möglichkeiten festhielt. Damit ist Eichrodt wiederum gemeinsam mit Vischer weit geschieden von einer Betrachtung des Alten Testaments als religiösem Erbauungs- und Lehrbuch und von einer nur geschichtlichen Bestimmung des Verhältnisses der Testamente556 - eine solche würde die unzerreißbare Klammer nicht berücksichtigen, die im dreieinigen Gott um das Zeugnis der Testamente gelegt
552 553 554 555 556
Theologie des Alten Testaments I, 1 (Hervorh. orig.). A. a. O. 8. EICHRODT, Einheit, 13 (Hervorh. S. F.). A . a . O . 13f. A. a. O. 8 f.
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ist: „Wenn etwas das Alte Testament in seinen so verschiedenartigen Teilen zusammenhält, dann ist es die Gewißheit: der lebendige, heilige Gott ist da und handelt mit uns .. ."557. Das Alte Testament ist ihm wie Vischer als Ganzes Weissagung (Eichrodts Beispiel: der Opferdienst), wobei er sich darin wieder von Vischer und bes. von Hellbardt abgrenzt, daß die neutestamentliche Erfüllung dieser Weissagung keine mechanische Entsprechung, sondern freie Neuschöpfung Gottes verkörpere 558 , die das Geschehen unter dem Alten Bund umfaßt: „die alttestamentliche Geschichte ist keine vergangene und damit abgetane Größe, sondern sie ist in Christus lebendige Gegenwart, weil sie auf ihn hinweist und seine große Erlösungstat erst ganz verständlich macht." 559 Die personale Christusgegenwart im Alten Bund macht nach Vischer die immensen Anstrengungen um eine „Theologie des Alten Testaments" im Grunde überflüssig, ja theologisch illegitim: Weil „Theologie" nicht in Religionsgeschichte und Polytheismus (wegen des Plurals „Theologien") aufgelöst werden darf, gibt es nur eine Theologie, nämlich die der einen Bibel, die Christus seinen Schülern immer neu bei gläubiger und betender Lektüre der Heiligen Schrift erschließt.560 Die Erforschung der spezifischen Botschaft der einzelnen Verfasser der Schrift ist damit nicht ausgeschlossen, „a condition qu'aucun de ces objets ne soit considere comme autonome".561 Innerhalb der biblischen Theologie wird das Verhältnis von deskriptiver und normativer Arbeit562 ständig reflektiert werden müssen; vor allem sind beide Tätigkeiten nicht in verschiedenen Disziplinen und von verschiedenen Personen, sondern von ein und denselben auszuführen. 563
557
Das Alte Testament und der christliche Glaube, 1936, 18 f. (Hervorh. orig.). Einheit, 11; Glaube, 10 f. Die Möglichkeit, daß Gott auch das tut, was er nicht verheißen hat, gehört auch für Vischer zur Freiheit Gottes (Eine auf die Bibel gegründete Stellungnahme zum neuen Staat Israel, 1970, 356; vgl. dtA. a. O. 1971, 9). 559 Glaube, 11. 560 Nie aber als umfassendes System (das wäre Philosophie); hierzu vor allem BAYER, Autorität (passim). 561 DE VAUX, Peut-on ecrire, 70. „Le theologien, acceptant l'Ancien Testament comme la parole de Dieu, y recherche ce que Dieu lui-meme a voulu, par l'histoire, enseigner ä Israel et ä nous-memes" ( a . a . O . 68, ebenso 66). - Vgl. zur aktuellen Diskussion JBTh 10, 1995 zum Thema „Religionsgeschichte und Theologie". 562 Vgl. EICHRODT: „Unser durch die historische Kritik bestimmtes modernes Geschichtsverständnis" hindert uns, „das Alte Testament einfach so zu lesen, wie es Jesus und die neutestamentlichen Zeugen gelesen haben. Die alttestamentliche Geschichte hat für uns in wesentlichen Punkten einen anderen Aspekt gewonnen, als ihn ein von der historischen Arbeit der letzten zwei Jahrhunderte unberührtes Geschlecht haben konnte" (Sp. 646). Daher seien Auslegungen wie in Apg 2,25 ff.; M k 12,35 ff.; Gal 4,24 ff. abzulehnen (ebd.). 563 Nach Vischer ist jeder biblisch-historische Sachverhalt für die Kirche „ipso facto" ein dogmatischer und also eine Frage jedes Christen (Jahwe der Gott Kains, 1929, 3). 558
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
2.5.6 Reaktionen
aufVischers
Theologie
Die Aufnahme von Vischers theologiegeschichtlich entscheidendem Werk, des ersten Bandes des Christuszeugnisses erstreckt sich von enthusiastischer Zustimmung564 bis zu entschiedener Verwerfung. In England wurde versucht, das Buch nicht bekannt werden zu lassen: „Professors put pressure on publishers not to publish an English translation of his main work (in fact only one volume appeared in English), librarians were told on no account to buy this book; if they did buy it they doubtless concealed it from students, keeping it under counter as if it were Lolita or Lady Chatterley's Lover."565 Es gab auch schwerwiegende Mißverständnisse: D. L.Bakernahm fälschlich an, Vischer habe nicht gelehrt, „that . . . Christ was present in Old Testament times and may be found and expounded directly in the texts of the Old Testament" 566 , weil Vischer ζ. B. den Immanuel oder den Gottesknecht als historische zeitgenössische Personen angesehen hatte - das schließt aber die konkrete Präsenz Christi im Alten Testament nicht aus. Gunneweg und Baumgärtel meinten, Vischer habe das Schema Weissagung-Erfüllung fallengelassen, aber die Typologie neu belebt.567 Übersicht über die Reaktionen auf das „Christuszeugnis" Vischers (1935-1950) In den ersten drei Jahren nach dem Erscheinen des ersten Bandes (1934) gab es die meisten Veröffentlichungen zu Vischers Lebensthema, viele mit gleichem oder ähnlichem Titel wie das „Christuszeugnis". In diesen ist die nun viel stärkere Wirkung von Vischers „Das Christuszeugnis des Alten Testaments" erstaunlich, wenn man sieht, daß es sich in erster Linie um einen Unterschied nur zwischen Buch- und Aufsatzform im Vergleich zu seinen früheren Arbeiten handelt: Grundsätzliches und Einzelnes wird in „Christuszeugnis I" aus früheren Arbeiten übernommen.568 Dabei wurde die alttestamentliche Wissenschaft von Vischer immer wieder zu einer umfassenden Uberprüfung ihres Ansatzes aufgefordert - anhand der Frage: Was ist ihre Aufgabe als theologische, als kirchliche Wissenschaft, die der Verkündigung durch ihre Exegese dienen soll?569 Wie steht sie zum Anspruch des kirchlichen Bekenntnisses und der Heiligen Schrift als Wort 564 Vgl. DIETRICH, Wiederentdeckung, 181: Vischer habe „bahnbrechend gewirkt", wenngleich sich lebhafter Widerspruch erhoben habe. 565 BARR, Vischer and Allegory, 39. 566 Two Testaments, 225 (vgl. die dort angegebene Lit.). 567
GUNNEWEG, V o m V e r s t e h e n , 1 7 6 ; BAUMGÄRTEL, V e r h e i ß u n g , 1 3 8 ; z u T . VASKOS M i ß -
verständnis siehe Anm. 198, S. 186. 568 Vgl. oben Anm. 31, S. 152. 569 Christuszeugnis I, 34 Anm. 51.
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Gottes? 570 Vor den Konsequenzen der Forderungen Vischers scheute man aber in der Mehrheit zurück. Wo es Ubereinstimmung im Grundsätzlichen gab, wird vielfach Kritik an der Auslegung einzelner Stellen geübt.571 Unser chronologisches Literaturreferat erstrebt, wie gesagt, nicht Vollständigkeit, sondern einen repräsentativen Querschnitt der Diskussion. 572 Es wird auch erkennbar, wie stark die Gegenkräfte selbst innerhalb der Bekennenden Kirche waren. An einigen ausgewählten Stellen werde ich im Sinne Vischers eine Antwort versuchen, weil Vischer seinen Kritikern in der Regel nicht literarisch geantwortet hat. Dabei will ich Vischer nicht nachträglich vor seinen Kritikern rechtfertigen, sondern versuchen, an einigen Stellen eine echte Diskussion entstehen zu lassen. Würdigung und Kritik meinerseits bleiben im wesentlichen Teil 3.2 vorbehalten. Eine Kurzbesprechung stammt aus der Feder von Edouard Hermann 573 : Nicht alle Auslegungen Vischers seien ihm einleuchtend. „Mais surtout ce livre a l'incontestable merite d'attaquer de front le probleme theologique de 1Ά.Τ. sans meconnaitre les recherches de la critique et de l'histoire et en evitant la trop fameuse methode allegorique et ses echappatoires."574 In den Reaktionen war dies einer der seltenen Fälle, in denen der Vorwurf der Allegorese nicht erhoben wurde. Dem Rezensenten stellte sich sogar die Frage, ob hier „une ere nouvelle dans l'etude de 1Ά.Τ." beginne.575 Erwin Reisner, der mit seinen Grundgedanken selbst zwischen allen Stühlen saß576, zeigte 1935 Vischers Buch für rumänische Kreise an577: In der jüngsten alttestamentlichen Wissenschaft sei Vischer als führender Kopf anzusehen. Ihm eigne philosophische Tiefe 578 . Dabei bleibe die Bibel Maßstab der Wissenschaftlichkeit; Vischer habe sich nicht an profane Wissenschaft angebiedert. Zur christologischen Auslegung sagt Reisner: „Vischer gibt diesen ,Vorbildern' die Uberzeugungskraft wieder, aus seinem Buch wird klar, daß der Sinn aller dieser Erzählungen gar kein anderer sein kann, daß das A.T. ohne das Neue einfach unverstanden bleiben muß und 570
NICOLAISEN, A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n ,
571
Vgl. SCHROVEN, Christologische Auslegung, 195.
572
BÄCHU ( A T in K D , 4 3 f . ) u n d SCHROVEN (a. a. O . 1 9 4 - 2 0 7 ) r e f e r i e r e n in K ü r z e w e i t e r e
173.
Stellungnahmen von ERNST SELLIN (Vischer beachte die Stufen der Offenbarung nicht; fehlende Resultate der Einleitungswissenschaft), ALTHAUS („Irrlehre"!), H. SCHUSTER („sektierisch-jüdische Auslegung des Alten Testaments"!). 573 RHPhR 15, 1935, 382-384. 574 A.a.O. 384. 575 Ebd. 576 Vgl. das Referat der höchst eigenwilligen Exegese REISNERS (Der Baum des Lebens) b e i HAENCHEN, A u s l e g u n g , 3 6 0 ff. 577 578
Kirchliche Blätter aus der Ev. Landeskirche Augsb.Bek. in Rumänien 27, 1935, 40-42. A . a . O . 41.
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
umgekehrt."579 Der Hauptgewinn bestehe in der Freude über die Offenbarung selbst, nicht allein in wissenschaftlicher Arbeitsleistung. Es kann der „Sinn aller dieser Erzählungen gar kein anderer sein"580! Reisner teilt also Vischers Hauptanliegen, daß alle Geschichte des Gottesvolkes vor der Inkarnation Jesu wahre Christusgeschichte ist, auch da, wo wir es nicht anschaulich erkennen. Vischers Nachfolger in Bethel, Volkmar Herntrich, stand Vischers Buch zunächst positiv gegenüber. Er erfaßte eindeutig Vischers zentrale Anliegen und pries den ersten Band des Christuszeugnisses als kirchliche Arbeit auf dem Boden des Neuen Testaments und der Reformatoren.581 Hoffnungen auf eine Fortsetzung bisheriger Apologetik würden nicht erfüllt, vielmehr würden Vischers Thesen selbst zur Frage an diese.582 Herntrich Schloß dabei nicht aus, daß sich wegen Einzelauslegung und Grundrichtung von Vischers Buch mancherlei Fragen erheben würden.583 So kritisierte Herntrich selbst ein Jahr später, Vischer reduziere das Neue Testament zu sehr auf eine auslegende Funktion gegenüber dem Alten.584 Aus Weihnachten drohe dann Advent zu werden,585 Die Einheit der Testamente bezeuge man erst dann recht, wenn aus ihr keine Identität gemacht werde.586 Herntrich fragt, ob nicht der biblische GeschichtsbegHff durchbrochen wird, wenn alle Bünde gleichsam als Offenbarungskreise verschiedener Weite um einen Mittelpunkt herum verstanden werden587. Man könne die Offenbarungsgeschichte nicht im Bilde eines Kreises588 579
A. a. O. 42. Ebd. 581 HERNTRICH, Christuszeugnis, 72.70. 582 A. a. O. 67. 583 A. a. O. 72. In dem Kölner Vortrag „Das Glaubenszeugnis des Alten Testaments und das Bekenntnis zu Jesus Christus" (1935) kam HERNTRICH nicht auf andere Auffassungen zu sprechen, sondern entfaltete positiv seine Sicht, die von der Vischers nicht nennenswert abwich. 584 HERNTRICH, Theologische Auslegung?, 23 (vgl. SCHROVEN, Christologische Auslegung, 200-202); H.-V. HERNTRICH (Hg.), Herntrich 1908-1958, 24 f. 580
585
586
V . HERNTRICH a. a. O . 2 0 f .
A. a. O. 22. 587 Vischer, Christuszeugnis I, 127; HERNTRICH, Theologische Auslegung?, 23: Man könne die Offenbarungsgeschichte nicht im Bilde eines Kreises wiedergeben, um das Anstößige des Alten Testaments, die Heilsgeschichte in der Wirklichkeit der Geschichte zu erleichtern. „Wird aber die Heilsgeschichte doketisch aufgelöst, dann muß auch das Christus-Zeugnis doketisch aufgelöst werden" (ebd.). 588 Vgl. Christuszeugnis I, 254 f.: „Und in der Mitte des Chores der Propheten und Apostel steht der Eine, auf den sie von beiden Seiten zeigen, der eine ewige Mittler zwischen Gott und den Menschen, der auch von Anfang an der Mittler zwischen dem HERRN und seinem auserwählten Volk ist: der Messias Jesus. Von Israel verworfen hängt er am Kreuz als der Bürge der Treue Gottes. Sein Tod enthüllt den endgültigen Bruch des sinaitischen Bundes und zugleich seine ewige Unverbrüchlichkeit."
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wiedergeben, um das Anstößige des Alten Testaments, die Heilsgeschichte in der Wirklichkeit der Geschichte, zu erleichtern. Die Geschichtlichkeit der Offenbarung wird, das sei Vischers Gefahr, nicht mehr ernst genommen. „Wird aber die Heilsgeschichte doketisch aufgelöst, dann muß auch das Christus-Zeugnis doketisch aufgelöst werden." Nach Joh 1,14 habe sich das Wort wirklich in die Geschichte hineingegeben589; wir können es nur geschichtlich verhüllt hören. Die Geschichte ernst nehmen ist eine Forderung, die Adjektive „alt" und „neu" für die Testamente nicht zu verwischen. Vischer antworte auf die Frage nach dem Fortschreiten der Heilsgeschichte nicht klar, weshalb auch die historischen Fragen unklar blieben.590 Orientiert sich Herntrichs Kritik bis hierhin eher an gängigen Schlagworten, so wiegt meines Erachtens schwerer, was folgt: In der Auslegung von Gen 14 und ähnlich bei Num 19 würden einfach neutestamentliche Verse danebengestellt, ohne nach dem Sinn der alttestamentlichen Worte an ihrem Ort zu fragen.591 So fehle das, was einzig die Frage nach dem Christuszeugnis des Alten Testaments beantworten könnte: Exegese des Alten Testaments selbst. Erst in dieser könne der neutestamentliche Text mit der Frage der Korrespondenz dazukommen. Indem Vischer Texte aus beiden Testamenten einfach nebeneinanderstellt, entstehe eher eine Unmittelbarkeit zu den neutestamentlichen als zu alttestamentlichen Texten. Herntrich ruft wie von Rad zu geduldigem Horchen auf und insistiert auf der Frage nach dem heilsgeschichtlichen Ort eines Textes592, wie er auf Gottes anfängliches Gnadenwort und auf den Einen Erfüller weist dieses Hören aber sei besser trinitarische als christologische Auslegung zu nennen; die ganze Bibel sei Offenbarung des Dreieinigen593, das Alte Testament „nicht ein Judenbuch, sondern Zeugnis von der Offenbarung des lebendigen Gottes"594. „Vor dem Anspruch des Alten Testaments stehen wir nicht vor der Entscheidung:, Semitismus oder Antisemitismus', sondern vor der Entscheidung des Kreuzes von Golgatha."595
589 5.0
Vgl. oben Abschnitt 2.5.4 zu G. VON RAD. A. a. O. 24 (Vorwurf des Doketismus auch von SCHROVEN, Christologische Auslegung,
230). 5.1
5.2
HERNTRICH a. a. O . 28 ff.
Vgl. ders., Christuszeugnis, 71, wo er den Einwand nicht gelten ließ, es bedeute „eine Zurückschraubung der Heilsgeschichte, wenn wir nun noch hineinsehen in die Zeit, in der die Offenbarung, die ,Enthüllung' noch nicht geschehen war". 5.3 HERNTRICH, Theologische Auslegung?, 31 f.; vgl. ders., Glaubenszeugnis, 40 f.; Christus der Herr, 75; NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 168. 5.4 HERNTRICH, Christus der Herr, 84, vgl. 90: Das Alte Testament ist Waffenarsenal des Antisemitismus; „diese Züge werden deshalb so offen geschildert, weil es eben in diesem Buche nicht um die Vorzüge und den Ruhm der Menschen und eines menschlichen Volkes geht, sondern um das Zeugnis von Gottes Gericht und Gnade." 595 A. a. O. 93.
268
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
Eine Diskussion zwischen den beiden scheint es leider nicht gegeben zu haben.596 Ernst Würthwein wies Vischers Lösung mit größerer Entschiedenheit zurück: nämlich als weder für die christliche Gemeinde (deren Theologen heute eine andere Aufgabe hätten als im Urchristentum) noch für den aufrichtigen Menschen des 20. Jahrhunderts akzeptabel.597 „Hier soll Vischer nur die Frage gestellt werden, ob seine Beseiteschiebung der historischen Probleme nicht schließlich zu einer Leugnung der Geschichtlichkeit der Offenbarung führen muß. Diese aber wird heute kaum von irgendeiner ernsthaften [!] Seite bestritten werden. Damit wird es uns zur Pflicht, die literarhistorischen und historischen Probleme nicht weniger ernst zu nehmen als die theologischen Fragen. Sonst wird aus der theologischen Exegese im Handumdrehen Dogmatik. Und der Text wird nicht oder nur halb ausgeschöpft."598 Einen Zugang zur Offenbarung habe die Theologie nur in der kritisch und methodisch erschlossenen geschichtlichen Schrift. Vischer gehe nun absurderweise, statt vom Alten Testament selbst, vielmehr vom Präexistenzdogma aus, mit dem man Christus im Alten Testament sogar noch öfter finden könnte als dieser. „Methodische Exegese ... wird sich niemals auf solche Spekulationen einlassen dürfen."™ So wenig wie Glaube dabei methodisches Hilfsmittel werden darf, stehe der Gedanke der Heilsgeschichte dafür parat.600 Mithin fehle eine klare Verhältnisbestimmung der Testamente durch Vischer. Eine Differenz beider Testamente sei bei Vischer schwer auszumachen. Für Würthwein hätte die „Klarheit" in der Verhältnisbestimmung die Beschränkung auf einen rein innergeschichtlichen Zusammenhang bedeutet. Für Vischer wäre es ein contradictio in adjecto zu sagen: „Der Schriftbeweis des Neuen Testaments darf fallen, wenn nur der Glaube an den in Christus offenbaren Gott bleibt".601 „Was Vischer tut, kann höchstens zur Rechtgläubigkeit (im Sinne der Orthodoxie) führen, nicht aber zu einem Glauben, dem Christus die völlig neue Wirklichkeit innerhalb des biblischen Verständnisses des Gott-Mensch-Verhältnisses bedeutet."602 Die Präexistenz Jesu scheint in Würthweins Denken ausgeschlossen zu sein.
5.6
Interview vom 14.8.1984, 2. WÜRTHWEIN, Bemerkungen, 1936, 272 f. ™ A. a. O. 267. 5,9 A. a. O. 269 (Hervorh. S. F.). 600 A . a . O . 271. 601 Ebd. (Auch BAUMGÄRTEL und BULTMANN gaben den Weissagungsbeweis auf: er habe, so BAUMGÄRTEL, seine Zeit in der ersten Christenheit gehabt; für BULTMANN ist er theologisch illegitim, weil er den Wagnischarakter der vom Kerygma geforderten Entscheidung verdecke: L. SCHMIDT, TRE 15, 138.) 602 A . a . O . 272. Ähnlich KÖHLER, siehe unten; vgl. das VON HOFMANN-Zitat oben S. 231. 5.7
Theologische Abgrenzungen und Konfrontationen
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Mildert sich die Schärfe des Gegensatzes, wenn wir einen zweiten Aufsatz von Würthwein aus dem Vorjahr (1935) berücksichtigen: „Vom Verstehen des Alten Testaments"? Hier bekräftigte er Recht und Pflicht zur historisch-kritischen Exegese; aber sein Anliegen bestand darüber hinaus, daß die durch diese Exegese geschaffene Distanz zum Gegenstand überbrückt wird. Dies geschehe durch das Hören des Anspruchs, der Botschaft des Alten Testaments, das heißt aber bei Würthwein: durch eine bestimmte Form von Existenztheologie. „Vordringen zum inneren Anliegen des Textes heißt: ,zu der Existenzform, die sich in ihm ausspricht'."603 Die Stellung des Menschen vor Gott bleibe durch die zeitbedingt verschiedenen Situationen des Menschen hindurch gleich. Eine so vorgehende Betrachtung sucht, auf anthropologischem, statt, wie bei Vischer, auf christologischem "Weg eine Gleichzeitigkeit mit den Gläubigen des Alten Bundes herzustellen. Christus erscheint bei Würthwein nicht als Heilsmittler des Alten Bundes. Friedrich Baumgärtel rezensierte 1936 den ersten Band in „Wort und Tat", und zwar unter erweiterter Bezugnahme auf Vischers Aufsätze in „Zwischen den Zeiten"604. In dem von Vischer herausgestellten Bekenntnis der Apostel, daß Jesus der Christus sei, sei man sich völlig einig; anders als unter dieser Voraussetzung könne man die Schrift nicht lesen. Baumgärtel bestritt, daß man mit diesem „Fundamentalsatz" „in der Theorie" gebrochen habe. Es wird jedoch zugestanden, daß es eine theologische Vergeßlichkeit der „historisch-kritischen Periode" der alttestamentlichen Wissenschaft gegeben habe. Wenn sich Vischer in dieser Situation die Aufgabe stelle, besagten Fundamentalsatz mit den Mitteln des Verstandes nachzuprüfen, „so hieße das nichts Anderes und nichts Geringeres, als daß sie [seil. Kirche und Theologie] die Berechtigung ihrer Existenz einer Nachprüfung mit den Mitteln des Verstandes für bedürftig und nötig erachteten"605. Dachte Vischer bei „Verstandesmitteln" etwa an eine gott- und glaubenslose Vernunft? Baumgärtel versteht ihn zunächst so, erweist aber dann selbst, daß der von Vischer intendierte, mit den Mitteln „ehrlicher philologischer Exegese"606 zu führende Schriftbeweis doch kein unkirchliches Verfahren ist, denn sonst hätte Buber als Jude zustimmen können, weil es diesem nicht an Intellekt mangele.607 Baumgärtel faßt Vischers Theologie als kräftigen Hinweis auf den Fundamentalsatz auf; meinte aber, 603
Zit. nach R e v e n t l o w , Alttestamentliche Theologie, 44 f. Das alte Testament als Gottes Wort, 1927; Das Alte Testament und die Geschichte, 1932. Vgl. ergänzend: NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 52-55. Zu den genannten Aufsätzen vgl. oben Abschnitt 2.5.1. 604
605
606
BAUMGÄRTEL, R e z . ,
310.
Christuszeugnis I, 33. 607 Vischer hat „ehrliche philologische Exegese" in der Tat nicht abgetrennt von pfingstlicher Erleuchtung verstanden (siehe oben S. 191 f.).
270
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von der Ausführung, der Auslegung des Alten Testaments von jenem Satze aus, nichts finden zu können. 608 Baumgärtel reflektiert die Stellung der Einheit der Schrift in unserem Denkweg. Dabei konstatiert er wieder einen Gegensatz, der bei Vischer nicht existiert: Weil die Einheit der beiden Testamente nicht erst (durch einen Schriftbeweis bzw. durch die alttestamentliche Wissenschaft) herzustellen sei, sondern „von vornherein fest" stehe, habe die alttestamentliche Exegese „den Glaubenssatz: Jesus von Nazareth ist der Christus! den Glaubenden aus den alttestamentlichen Schriften heraus zu entfalten. . . . Verkennt die Exegese diese ihre Aufgabe und will sie es genug sein lassen mit dem bloßen Nachweis: Es handelt sich im Alten Testament nicht um eine Messiasidee, sondern man stößt im Alten Testament wirklich auf Jesus von Nazareth als auf den Christus, so sagt sie dem Glaubenden damit nur: wenn du deinen Verstand anstrengst, wirst du im Alten Testament entdekken, d a ß der Messiasanspruch Jesu richtig ist. Das bringt niemanden zum Glauben und sagt dem, der Glauben hat, nichts." Vischer behaupte nur: „in diesem Teil der Schrift ist wirklich eine Quelle lebendigen Wassers. Was nützt dem Suchen des Glaubens, wenn ihm der Weg zu der Quelle nicht aufgezeigt wird? U n d den zeigt Vischer nicht." 609 Auf die Behauptung Vischers hin (Baumgärtel spricht immerhin auch von „Nachweis"!), „daß der präexistente Logos im Alten Testament auffindbar sei, kann niemand in der N o t seiner Seele zurückgreifen. . . . Diese ,Auslegung' bleibt dem suchenden Glauben allerdings ,weithin fremd'. Sie ist keine Exegese, d. h. sie macht nicht deutlich, wie er den Heiland im Alten Testament in der N o t des Sichverlorenwissens vor Gott finden kann." 610 Vischer hat auf diese wie auf die anderen Rezensionen nicht reagiert, auch nicht mit einem neuen Vorwort in einer der Neuauflagen. Baumgärtel wäre meines Erachtens im Sinne Vischers wie folgt zu antworten. Zeigen uns die Verfasser des Neuen Testaments an den Stellen, an denen sie, um den Glauben an Christus zu wecken und zu stärken, auf alttestamentliche Weissagungen (so auf die Einheit der Schrift) verweisen oder diese aufdecken, immer, auf welchen Denkwegen sie dahin kommen? Sie weisen zum einen nie auf eine Methode, vielmehr auf die Wirkung des Heiligen Geistes, der ihnen das Alte Testament zur Verkündigung des Gekreuzigten und Auferstandenen werden läßt."1 Die Frage nach dem Weg zur Quelle ist
608
BAUMGÄRTEL, R e z . , 3 1 0 f.
609
A.a.O. 312.
610
Ebd. (Hervorh. orig.). Vgl. Apg 2 f.; 10,43 f.; 2. Kor 3; Hebr 10,15. Es liegt auf dieser Linie, daß für BAUMGÄRTEL das Neue Testament nicht die Norm seiner Hermeneutik sein kann, denn dies würde für ihn die Anerkennung der Verbalinspirationslehre voraussetzen (BAUMGÄRTEL, Rez., 315, Punkt IV.). 611
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zum anderen mit einem methodischen Hinweis zu beantworten: Vischer hat die alttestamentliche Wissenschaft mit Lots Frau verglichen, die zur Salzsäule erstarrte, weil bzw. insofern ihr Blick nach hinten gerichtet war.612 Solche Blickrichtung unterstellt den alttestamentlichen Texten einen zeitgeschichtlichen oder rückwärtsgewandten Charakter, so daß solches Verfahren niemals bestätigen, sondern es immer nur in Frage stellen könne, daß diese Texte den kommenden Jesus als den Messias bezeugen.613 Der Weg zur Quelle wird also durch solche Exegese verstellt. Überdies führt Christus den Weg zur Quelle des Lebens, und er ist zugleich die Quelle selbst.614 Dies hätte Baumgärtel nicht in Gegensatz bringen dürfen. Indem Vischer Jesus als den Christus des Alten Testaments aufweist, ist der uns heute wie damals gegenwärtige Christus Jesus zugleich als Wegführer zur Quelle und als Quelle lebendigen Wassers gezeigt.615 Sieht Baumgärtel die Schrift etwa im entscheidenden als dunkel an, wenn er nach dem Weg zur Quelle fragt, statt sich von der Schrift zur Quelle führen zu lassen? In Punkt III und IV befragt Baumgärtel Vischers Formel vom „Was" und „Wer" Christi in den Testamenten: Sie sei fragwürdig, denn nicht ein Schriftbeweis stelle uns in die Entscheidung des Glaubens, sondern Jesus selber, der sagt, er sei der Christus. Wieder ein falscher Gegensatz! Ganz einig mit Vischer616 (aber ohne es zu sagen), schreibt Baumgärtel von den neutestamentlichen Zeugen: „Mit diesem Bekennen, das sie nicht anders als durch den Schriftbeweis zum Ausdruck bringen können (wie auch Jesus seine Selbstaussage nicht anders zum Ausdruck bringen konnte als so: ich bin der Christus), schaffen sie die Bibel, die ganze Bibel als das eine Zeugnis von Jesus Christus. Und wir heute stehen vor der ganzen, unteilbaren Bibel. Sie ist wirklich unteilbar für uns, es sei denn, wir wollten den Jesus' vom ,Christus' trennen!"617 Wolle man den Schriftbeweis prüfen, so hieße das 612
Siehe oben zu Anm. 187, S. 183 f. Christuszeugnis I, 3 5 f. Vgl. Zur Frage der (zeitlichen) Interpretationsrichtung wie Vischer: WOLFF, Hermeneutik, 357 f. 614 Vgl. Ps 36,10; Joh 14,6. 615 Vgl. Joh 4,14; 6,35 ff.; 7,37-39. 616 Vgl. u.a.: Die unteilbare Ganzheit der Bibel, 1935 (gleiches Jahr!); Christologische Exegese des Alten Testaments, 1937. 617 BAUMGÄRTEL a . a . O . 313. - BAUMGÄRTEL hat zwei Jahre vorher ähnlich geschrieben: In seinem Aufsatz „Das Alte Testament" in dem Band „Die Nation vor Gott" (Hg. W. KÜNNETH und H. SCHREINER, 1934) ist noch die Rede von der alttestamentlichen, in der ganzen Geistesgeschichte erstmaligen „Entmaterialisierung" des völkischen Glaubens (109). „Christus nimmt den prophetischen Gottesbegriff a u f (102), und „nicht die politische Geschichte, sondern das geistig-religiöse Geführtwerden dieses Volkes - ist für ihn das Handeln Gottes auf ihn hin als den Ziel- und Endpunkt der Offenbarung Gottes. Die Seele des Volkes, aus dem er erstand, hat Gott angerührt; im Herzen dieses Volkes hat Gott den Boden gelockert und bereitet. So konnte in diesem Volk Gott Fleisch werden!" (112 f., Hervorh. S. F.) Vischer vertrat strikt die Auffassung, daß das ganze Alte Testament Wort 613
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nichts anderes, als die eine Bibel aufzuspalten und mit den neutestamentlichen Autoren wieder zusammenzusetzen - eine apologetisch notwendige Arbeit, aber keine Exegese! Exegese solle dem suchenden Vertrauen helfen, in der ganzen Bibel Gott zu finden, Hindernisse für den Blick aufs Kreuz aus dem Weg räumen und Kreuz und Auferstehung aus der ganzen Schrift begreifen und verdeutlichen.618 Unmöglich ist es für Baumgärtel, 1. anhand eines religionsgeschichtlichen Vergleichs „Unterchristliches" auszuscheiden - denn in der ganzen Geschichte offenbare sich Gott; 2. historisch eine Religionsgeschichte Israels zu erstellen und diese nachträglich als „Heilsgeschichte" deuten - denn der Glaube könne sich nicht von der historischen Wissenschaft vorschreiben lassen, was er zu deuten hat; 3. die im Neuen Testament geübte „Methode" anzuwenden - denn sie sei die Methode ihrer Zeit, basierend auf einer Inspirationstheorie, für die die einzelnen Wörter das Wort Gottes sind. Das der Verbalinspirationstheorie zuzuordnende Schema von Weissagung und Erfüllung verkenne nach Baumgärtel, daß es unerfüllte Weissagungen im Alten Testament gibt und daß auch das Neue Testament Verheißung ist.
Wieder resultieren aus stark enggeführten Begriffen („Inspiration" als rein mechanisches Diktat oder „Weissagung und Erfüllung" als starre Aufteilung auf die Testamente) falsche Gegensätze! Der Klarheit der ganzen Diskussion war dies sehr abträglich, und man versteht, warum Vischer sich hierzu nicht äußerte. Um die Diskussion des Verhältnisses von Vischer und Baumgärtel abschließen zu können, muß noch auf Baumgärtels Buch „Verheißung"619 Gottes ist, das heißt daß nicht nur das Geistliche, sondern auch das Weltliche - Lehre und Geschichte, Priester und Könige, Propheten und Spruchweise, Psalmen u n d Liebeslieder, Hiob u n d Prediger, Ruth u n d Esther führen alle auf Christus und werden von ihm geführt. Jedes Glied, das man der Raupe wegschneidet, fehlt dem Schmetterling. . . . So ist jede Streichung, die man am alten Testament vornimmt, auch eine Verkürzung der neutestamendichen Botschaft. Sage mir, was du am Alten Testament streichst, und ich sage dir, was der Defekt deiner chrisdichen Erkenntnis ist" (Das alte Testament als Gottes Wort, 1 9 2 7 , 3 8 6 ) . - Noch 1 9 2 5 konnte für BAUMGÄRTEL Jahwe nicht ohne weiteres mit dem Gott Jesu Christi gleichgesetzt werden; stark stellte er die rächenden Züge mit Hinweis auf Jes 63 heraus (Die Bedeutung des Alten Testaments für den Christen, 1925, 14, bes. 20). Es müsse eine Auswahl getroffen werden: Jesus knüpft an an die P r o p h e t e n . I h r e n Gottesgedanken nimmt er auf, ihr sittliches Ideal macht er zu dem seinigen. Also werden auch wir für unser Glaubensleben die Anknüpfung suchen bei den Propheten. Die Propheten bedeuten den Höhepunkt der alttestamentlichen Religion" (34, Hervorh. orig.; vgl. ders., Verheißung, 60.62). 618
BAUMGÄRTEL, R e z . , 3 1 3 .
Ich halte es für z.T. verworren (unbeschadet seiner Wirkung; zu ELERT vgl. Gegenwärtige Dogmatik, 7 Anm. 8 ) ; etwa S. 9 1 : „Die Heilswirkung beider Testamente ist an uns immer gleich mächtig. Der Unterschied ist nur der, daß wir unter dem Evangelium immer wieder uns zurückgeworfen erfahren unter die Grundverheißung des Alten Testaments ,Ich bin der Herr dein Gott' und - unter der Grundverheißung immer wieder 619
1952.
HESSE,
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eingegangen werden, weil er hier sein Verständnis vom Verhältnis der Testamente ausführlich entwickelt. Es wurzelt in der begrifflichen Untersuchung und Unterscheidung von (nur alttestamentlicher) Weissagung und (in beiden Testamenten vorhandener Grund-) Verheißung, dem „hermeneutischen Prinzip" zur Erfassung der Relevanz des alttestamentlichen Wortes620. Dem kann nicht ausführlich nachgegangen werden; wichtig ist für uns, wie an dieser Unterscheidung Vischer und andere gemessen werden. - Mit den besagten Begriffen ist Baumgärtels Grundverständnis des Alten Testaments charakterisiert: die Grundverheißung ist der Satz „Ich bin der Herr, dein Gott"; diese wird erst im Neuen Testament „faktisch". Die alttestamentlichen Weissagungen seien insofern für den Christen irrelevant geworden, als sie im wesentlichen auf die physische Erhaltung des Volkes Israel zielten; dies könne dem Christen nicht Glaubensgegenstand sein. Baumgärtel zitiert Vischers Calvin-Zitat (ohne es als von Calvin kommend zu benennen)621 und sagt, diese Verhältnisbestimmung sei anfechtbar, weil das Verheißungsgut am alttestamentlichen Menschen nicht faktisch geworden sei622: Das Alte Testament kenne zwar Sündenvergebung, aber nicht im Sinne der evangelischen Rechtfertigung; ewiges Leben kenne es gar nicht.623 Ausdrücklich bestreitet Baumgärtel, daß die überzeitliche Gegenwart Jesu Christi auch auf die Austeilung des von der Grundverheißung versprochenen Heils zu beziehen sei: Hebr 13,8 bedeute nicht, daß das Heilsgut auch schon im Alten Testament faktisch geworden ist624. Christus war da625, auch schon ab initio occisus est626, und „der von Vischer zitierte Satz getröstet - aus dieser Not immer wieder Zuflucht finden unter dem Evangelium." Widersprüchlich ist auch Aufnahme und Abgrenzung von LUTHER, vgl. S. 95, wo an Vischer kritisiert wird, was mit LUTHERS „einzigem exegetischem Ziel" festzuhalten sei: „Christus als Inhalt der Schrift dem einzelnen zu Gericht und Gnade gegenwärtig machen" (ein BORNKAMM-Zitat); durch das „Dazwischenkommen des historischen Verständnisses des Alten Testaments" werde aber die christologische Auslegung „der alttestamentlichen Aussage ein für allemal unmöglich gemacht", 128 f. - Zur Auseinandersetzung BAUMGÄRTELS mit VON RAD ist instruktiv SCHMIDT, Einheit. 620
A . a . O . 143. 154. Dieses Prinzip sei nicht aus dem Alten, sondern aus dem Neuen Testament zu erheben (129 u. ö.). 621 Siehe oben S.215. 622 Vgl. J. C. K. v. HOFMANN, oben S. 231. 623 BAUMGÄRTEL, Verheißung, 91. 04 Ebd. 625 A . a . O . 15 aber: „Denn faktisch ist die Verheißung erst in Jesus Christus, den das Alte Testament nicht kennt" Die „neutestamentliche Sache ,Verheißung' (die ja .Verheißung in Christus' ist)" ist „im Alten Testament, besser: in seinem Selbstverständnis überhaupt nicht vorhanden" (15). 626 Vgl. Offb 13,8: „... τοϋ άρνίου του έσφαγμένου άπό καταβολής κόσμου"; vgl. Eph 1,4. 9 f. Auch wenn, wie LUTHER (siehe oben S. 51) annahm, άπό καταβολής κόσμου auf έσφαγμένου zu beziehen ist, steht Offb 13,8 nicht im Gegensatz zum Hebräerbrief, wenn
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Christoph Blumhardts ,Seit der ältesten Zeit gibt es Menschen, die heißen die Meinen' ist freilich wahr. Von Gott her gesehen hatten die Menschen des alten Bundes gewiß die Lebensgemeinschaft mit ihm, aber sie selbst konnten sie nicht erfahren als wahr geworden im Sinn der Verheißung in Christus, weil das Heilsgut des Neuen Testaments für sie also noch nicht gegenwärtig war. D a ß sie es nicht erfahren konnten, das macht sie zu alttestarnentlichen Menschen." 627 Man wird im Sinne Vischers fragen müssen, welche Qualität eine Christuspräsenz und Gottesgemeinschaft hatte, in der nicht die volle Vergebung, erworben ein für allemal am Kreuz, zuteil wird. Ohne die Vergebung und Stellvertretung Jesu Christi gibt es biblisch nur eine grausige und tötende Gottesgemeinschaft! 628 Deswegen müssen nach Vischer alle Opfer direkt auf das Kreuzesopfer weisen und können kein materialistisches Mißverständnis sein (ganz abgesehen davon, daß das Heil auch am Kreuz nicht geschichtslos und vergeistigt, sondern in nicht steigerbarer Geschichtlichkeit durch den Tod des gottmenschlichen Mittlers erworben wird)! Gleiches ist für die Land- und Nachkommensverheißung 629 geltend zu machen. Sie sind Ausdruck des göttlichen Willens, sich ein irdisches Volk zu seinem geschichtlichen und zugleich ewigen Eigentum zuzubereiten, und zwar vor den Augen aller Heiden. Die Erwählung Israels hatte damit ein geistliches Ziel, das Baumgärtel übersieht, wenn er erklärt: „Die Vorschattung hat keine heiligende Mächtigkeit am israelitischen Menschen, da er ja die Vorschattung überhaupt nicht kennt." 630 Wenn Baumgärtel die physischen „Weissagungen" für Israel als für den christlichen Glauben abgetan
dieser die Einmaligkeit des Todes Jesu herausstellt, denn dieser G e d a n k e kann d o r t neben dem Satz stehen, d a ß dem Kreuz Jesu „durch den ewigen Geist" eine überzeitliche Wirksamkeit eignet (vgl. H e b r 9,24-28; 10,10-14 mit 9,14 f.; 10,4; vgl. HANSON, Jesus in O T , 48-82). - Wegen O f f b 17,8 scheint mir eine Beziehung auf γέγραπται wahrscheinlicher, wie auch die meisten Kommentare annehmen. 627 A. a. O. 92. W e n n Christus selbst präsent war, fragt es sich, wie BAUMGÄRTEL sagen kann, d a ß das Alte Testament eine Religion außerhalb des Evangeliums ist. Vgl. seinen Aufsatz „Das hermeneutische Problem des Alten Testaments" (1954), Sp. 211: „Die heutige Problematik um das Alte Testament hat ihre ganze Schwere durch die Tatsache, d a ß die mit unserem heutigen Geschichtsdenken gegebene historisch-kritische Forschung das Alte Testament mit aller Schärfe erkannt hat als das Zeugnis aus einer Religion außerhalb des Evangeliums." - Vgl. unter 3.2.2 meine zwischen Vischer und BAUMGÄRTEL angesiedelte Beurteilung. 628
Vgl. Ex 24,17; D t n 4,24; M t 10,28; H e b r 10,27.30 f.; 12,29. BAUMGÄRTEL würde von Weissagung sprechen; es ist m. E. aber auch hier besser beim Begriff Verheißung zu bleiben, um das G n a d e n h a f t e der Zusage deutlich zu machen. 630 A. a. Ο. 142 - Ist ein bestimmtes Bewußtsein also die Voraussetzung f ü r ein bestimmtes Sein? S. 138: „ D e r Nachweis, d a ß Ereignisse des Neuen Testaments im Alten Testament vorgeschattet sind, trifft mich nicht in meiner Existenz, vielmehr: er drängt mich in die Rolle des intellektuellen Zuschauers" (ähnlich S. 90 f.; gleicher Vorwurf bei KÖHLER und WüRTH629
WEIN).
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erklärt, zeigt sich, daß er offensichtlich den unlösbaren Zusammenhang der „physischen" Weissagungen mit der Erwählung Israels nicht gesehen hat. Die Erwählung des Volkes Israel und eines bestimmten Landes als Werkzeug der Offenbarung spielt bei Baumgärtel im Gegensatz zu Vischer praktisch keine (heilsgeschichtliche) Rolle.631 Von Hans Wilhelm Hertzberg liegt uns wieder eine weitgehend zustimmende Rezension vor. Er würdigte, daß überhaupt der Versuch einer theologischen und nicht bloß einer wenig aussichtsreichen religionsgeschichtlichen Verteidigung des Alten Testaments gegen die völkische Bewegung unternommen wird.632 Es sei sogar vollkommen korrekt, wenn Vischer davon ausgeht, daß uns das Alte Testament über das Was, das Neue über das Wer des Messias orientiert.633 Nach dem historisch-kritischen Zeitalter sei es heute schwerer als etwa für Hengstenberg, eine Christologie des Alten Testaments zu schreiben - „dennoch muß es möglich sein; und wenn der Ansatz richtig ist - und er ist hier richtig! - dann kann es auch möglich sein."634 Aber hat Vischer diese Schwierigkeit gut bewältigt? Er hat, bedauert Hertzberg, zuviel ins Alte Testament hineingelesen, was dort nicht zu finden ist. So sei es unstatthaft, (mit Luther) in Bezug auf die Jabbokgeschichte (Gen 32,23-33) zu formulieren: Jesus Christus ist der verschwiegene Name jenes Mannes', der in der fraglichen Nacht eine , Larve' angelegt habe; allerdings heiße es bei Vischer in der Fortsetzung korrekt: ,Alle Geschichten und Worte der Bibel bezeugen . . . das eine Wunder ..., daß Gott in Jesus Christus als Mann auf der Erde erscheint, um mit den Menschen zu ringen und sich von ihnen überwinden zu lassen'635. Auf der gleichen Linie liegt Hertzbergs Bedenken, daß Vischer die negative Seite des Christuszeugnisses zu wenig berücksichtigt habe, denn auch das Uberaltertsein des Gesetzes sei ein Stück seines Christuszeugnisses. Früher habe man davon bei Vischer mehr lesen können; Hertzberg weist auf Anmerkungen Vischers zu Kohelet.636 Und wenn Vischer sich vom alten 631
Daß Vischers Auslegung neben alledem die „heute" (a. a. O. passim) völlig unannehmbaren Methoden der Allegorese und Typologese vorgeworfen wird, ist bereits selbst „typisch" und braucht wohl nicht weiter erwähnt zu werden (93.95). Daß Vischer das Schema Weissagung· Erfüllung stillschweigend fallengelassen hat, muß als wohlwollendes Mißverständnis gedeutet werden (138, vgl. 154.158). - Bei allen Anklängen (etwa die Lehre von den zwei Reichen betreffend) darf die Distanz BAUMGÄRTELS ZU HIRSCH (S.U.) nicht übersehen werden. Mit seiner Lehre von der Grundverheißung zielt BAUMGÄRTEL auf den Zusammenhalt der Testamente, HIRSCH auf eine viel deutlichere Trennung (vgl. BAUMGÄRTEL a. a. O. 144-148). 632
HERTZBERG, Rez.; ebenso: Christusproblem, 1962, 155. HERTZBERG, Rez., 436 f.; zurückhaltender in: Christusproblem, 156 (die Formel sei gut, aber zu schnell hingeworfen). 633
634
HERTZBERG, R e z . , 4 3 7 .
635
Ebd. A. a. O. 437 f. Auf der negativ-christologischen Seite basiert auch HERTZBERGS Kritik
636
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Inspirationsverständnis abgrenzt, sollte er mit Zitaten seiner Vertreter (Luther, Calvin) sparsamer umgehen637 - so hatte es auch, und mit größerer Vehemenz, von Rad gesagt.638 Ludwig Köhler veröffentlichte 1935/36 einen Literaturbericht zur alttestamentlichen Theologie.639 Für ihn, der als einer von wenigen Alttestamentlern gegen von Harnack protestiert hatte, rechtfertigte sich die Anwendung des Alten Testaments wie für Vischer aus der Christologie. Diesem wird Literaturkenntnis und die Kunst feinsinniger Beziehung attestiert, doch „was im Alten Testament steht, verliert alles Eigengewicht und jeglichen Eigenwert."640 Köhler meint, Vischer mache „aus dem ganzen Alten Testament eine fortlaufende Weissagung auf Christus hin". „Das ist folgerichtig, und es ist bequem. Denn wer im ganzen Alten Testament nichts als immer wieder die Weissagung auf Christus behauptet, der braucht zur einzelnen Stelle gar nichts zu tun, um zu zeigen, daß auch hier Weissagung vorliege. Die generelle Behauptung erspart alle Mühe."641 So sei Vischers Verfahren „unannehmbar". Man müsse Vischers „Spürsinn" und „Umsetzungsgabe" besitzen, „diese totalitäre Weissagung zu erkennen", was zum einen der kirchlichen Lehre von der perspicuitas der Schrift und zum anderen dem Alten Testament selber widerspreche, dessen „Inhalte eine merkwürdige (fast möchte man sagen unwürdige) Auflösung erleiden."642 Hiergegen sträube sich die historisch-kritische Methode wie das Alte Testament selbst.643 Köhler erinnert eindringlich daran, daß mit der Auffindung eines in: Christusproblem 158 f.; hätte Vischer diese stärker berücksichtigt, wäre seine Arbeit nicht von Abseitigkeiten der Einzelauslegungen diskreditiert worden. 637
HERTZBERG, R e z . , 4 3 7 .
638
Siehe oben 2.5.4. - Zum Vergleich noch ein Blick in den Hiob-Kommentar HERTZBERGS (Stuttgart 1949) mit Anspielung auf Vischer: „Aber über dem Buche Hiob steht auch schon dieses Kreuz, in seinem Schatten wird der Hiobskampf gekämpft, mit der abgrundtiefen N o t auf der einen und dem überwindenden Sieg auf der anderen Seite. Es ist gewiß nicht richtig, Hiob einen Zeugen Jesu Christi zu nennen, wie es ein neuerer Erklärer tut. Uber seinem Kampf steht wohl das ,Eli Eli lama asabthani!' der Kreuzesnot; aber es wird dann in ihm auch wieder der Mensch sichtbar, der gegen den Gekreuzigten steht. Es mischt sich in ihm auf seltsame Weise der Pharisäer und Zöllner, der Mensch über Gott und der Mensch unter G o t t . . . Die hier vorliegende Erklärung sucht das Buch Hiob als ein Ganzes zu sehen und zu erklären" (S. 9). Der Kommentar von HELMUT LAMPARTER dagegen nennt Vischers Hiob-Studie ausdrücklich als grundlegend für das Verständnis des „Nervs" des ganzen Hiobbuches (Anfechtung, 8.12 f.l7.20.260; vgl. aber die Kritik S. 15: Vischer verharmlose den Satan; und: weniger die Ehre und Macht Gottes stehe auf dem Spiel, als seine erlösende Wirksamkeit auf den Menschen). Nach Vischers Vorbild ist der mit Bibelversen erzählende E p i l o g LAMPARTERS g e s t a l t e t ( 2 5 7 - 1 6 1 ) . 639
KÖHLER, Literaturbericht.
640
A . a . O . 1935, 261. Ebd., vgl. zu BAUMGÄRTEL oben S.271. A. a. O. 261 f. (Hervorh. S. F.). A. a. O. 262.
641 642 643
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wie auch immer gearteten Zusammenhangs zwischen den Testamenten, der über eine geistesgeschichtliche Verbindung hinausgeht, die exegetische Arbeit erst richtig beginnt. Zwei Jahrzehnte später hielt Köhler einen Vortrag über das Thema „Christus im Alten und im Neuen Testament"644. Was Vischer betrifft, lobte er wieder den Glanz edler Sprache, den Reichtum eines erstaunlichen Beziehungsvermögens und einer klaren Theologie. Das Mittel, das uns die Schuppen von den Augen wische, sei die Typologie. Wer Vischer rasch kennenlernen wolle, lese dessen Schrift über Esther (1937): „Er wird nach den ersten Sätzen von der Darlegung gepackt sein; er wird mit Spannung Seite um Seite, Zug um Zug in sich aufnehmen; er wird innewerden, daß er erst jetzt das Buch Esther erfaßt; er wird von Vischers Kunst so übernommen werden, daß er kaum Zeit findet, die Schönheit seiner Sprache, die Vornehmheit seiner Gedankenführung, die Geistesfülle seiner Gedankenfäden zu bewundern: und dann?... Es gibt, wenn einer diese Schrift gelesen hat, nur einen einzigen, aber dringenden Rat: nämlich den, in der Bibel das Buch Esther aufzuschlagen und es ruhig und besonnen Stück um Stück zu lesen. Steht da wirklich, was Vischer in ihm zu lesen gemeint hat?"645 Köhler faßt seine Einwände gegen Vischers „Typologie" griffig zusammen: a) Dem Alten Testament werde der Eigenwert geraubt, b) Was man bisher als Zuspruch, Mahnung etc. im Alten Testament fand, wird alles verschlungen in den einzigen Zweck der Andeutung eines andern, das man schon kennen muß, um es erkennen zu können, c) Vischer wende sich an den Verstand, kaum ans Gewissen; typologische Andeutungen seien eine Verstandesangelegenheit (vgl. zu Würthwein und Baumgärtel)646. Gegen Jesu Wort werde Schulung und Bildung zur Voraussetzung evangelischer Erkenntnis. d) Die Frage der geschichtlichen Wirklichkeit sei auf die Seite geschoben. Die Frage, ob etwas wahr bzw. geschichtlich ist oder nicht, werde verdrängt durch die Abwägung, ob wirkungsvoll oder nicht.647 Was im Sinne Vischers zu antworten wäre, ist klar: a) Die neutestamentliche Verkündigung ist, wo immer sie sich auf das Alte Testament bezieht, nicht Umdeutung, sondern Wiedergabe ihres originalen Sinnes, b) und c) Aus Vischers Predigten ist deutlich, daß für ihn das Christuszeugnis des Alten Testaments wirkt wie in der Apostelgeschichte beschrieben: Es
644
KÖHLER, Christus. A . a . O . 251-253. 646 A. a. O. 253. Er zitiert auf S. 257 BAUMGÄRTEL, Verheißung, 81: „Der Weissagungsbeweis appelliert an das Erkennen, an die Einsicht" (vgl. 69). 647 SCHMIDT wies in einem Aufsatz über den Streit zwischen BAUMGÄRTEL und VON RAD darauf hin, daß Glaube und Wissen um ein vergangenes Gotteshandeln, existentielles Betroffensein und verstandesmäßiges Erfassen nicht entgegengesetzt werden kann, so auch im AT nicht (Einheit, 132 f.). 645
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durchdringt das Herz (2,37; 5,33), es führt zur Buße und auch immer wieder zur sozialen Kritik. Vielleicht kam dies aber im „Christuszeugnis" nicht immer deutlich genug ans Licht. Nach Vischer führt der Heilige Geist den Beweis, der in die Glaubensentscheidung führt; jedoch solle, wenn diese Entscheidung einmal positiv ausgefallen ist, der Schriftbeweis mit den Mitteln des Verstandes nachvollziehbar sein: Zur Anerkennung des Messiasanspruches Jesu „kann ihn aber auch der schlüssigste Schriftbeweis nicht nötigen, wie das Neue Testament deutlich genug zeigt. Also kann doch nicht aus der Schrift bewiesen werden, daß Jesus der Christus ist? Nein, diesen Beweis führt allein der heilige Geist. Die Wahrheitsfrage des Christentums wird nur durch die Gnadenwahl und den Glauben entschieden. Aber der Schriftbeweis führt in diese Entscheidung. Vom Hörer oder Leser wird nicht mehr verlangt, als daß er es mache wie die Leute in der Judenschule zu Beröa .. ,"648 d) die Frage der geschichtlichen Wirklichkeit wird nicht auf die Seite geschoben, sondern, wie gezeigt, immer wieder gestellt. Von dieser Frage aber ließ sich Vischer nicht von der Frage nach der theologischen Relevanz der Schrift ablenken; er wollte einen Beitrag dazu leisten, daß die notwendige historisch-kritische Arbeit die theologische Wahrheitsfrage nicht unendlich vertagt. Otto Procksch 649 hatte Vischers Christuszeugnis sofort gelesen und gegenüber Bödeker geäußert, das Buch sei sehr feinsinnig, nur müsse man aufpassen, ob es Vischers Feinsinnigkeit sei oder etwas anderes.650 Die Rezension651 von Procksch äußerte sich insgesamt sehr dankbar: in seiner Christozentrik habe das Buch wirklich theologische Kraft. Procksch stimmte der Geschichtstheologie Vischers zu; auch die zentrale Frage der alttestamentlichen Theologie, die der Christusgegenwart im Alten Testament, werde hier endlich ihrer Bedeutung entsprechend verhandelt. Demgegenüber müsse aber der eschatologische Charakter des Alten Testaments als Weissagung auf den Kommenden zurücktreten. Der Doppelsinn des „Christuszeugnisses" hätte stärker auseinandergehalten werden können, „etwa so, dass der protologische Christusgedanke, wonach Christus der Grund aller Dinge ist, in ein polares Verhältnis zum eschatologischen gesetzt wäre, wonach Christus das Ziel aller Dinge ist."652 Ein zweiter Ein-
648
Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 20 (Apg 17,11); Christuszeugnis I, 40, vgl. 56 (zitiert bei VASKO, Dritte Position, 90 f. 168. 225 f.); Everywhere the Scripture is about Christ alone, 1963, 97 gegen BULTMANN; Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 40: Schriftbeweis kann Glauben wecken und setzt ihn nicht nur voraus. 649 Vgl. BEYSCHLAG, Erlanger Theologie, 147-149 u.a. zum theologischen Verhältnis zu VON H O F M A N N . 650 651 652
Interview vom 14.8.1984, 1 f. ThLBl 56, 1935, 326-328. A. a. O. Sp. 327.
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wand zielt auf eine „exegetische, ins Wort eindringende Behandlung", vor allem von wichtigen Begriffen wie άγγελος του κυρίου oder das Wort vom Menschen als είκών του θεοΰ. „Die typische Bedeutung Melchisedeks ist richtig hervorgehoben (S. 158 ff.), aber die typische Bedeutung des Propheten (Dtn 18,15 ff.) allzu flüchtig gestreift. Auch im Opferdienst wird der Versöhnungsgedanke als die Pfahlwurzel richtig betont (S. 26 Iff.); doch wünschte man auch hier eine exegetische Darlegung der alttestamentlichen Gedanken, ehe in Christus das vollkommene Opfer aufgezeigt wird. Die mit so grossem Recht vertretene Theologie der Geschichte hätte noch fester an die geschichtlichen Gestalten gebunden sein müssen. Das spezifische Gewicht der Geschichte ist sonst in Gefahr, verloren zu gehen, die Geschichte in Gefahr, zum Symbol zu werden." 653 Emanuel Hirsch würde hier nicht nur von einer Gefahr, sondern von vollendeter Tatsache sprechen. Neben anderen Äußerungen wandte er sich 1936 in „Das Alte Testament und die Predigt des Evangeliums" zwar nicht direkt gegen Vischer, distanzierte sich aber von den „von Karl Barth bestimmten Theologen", die mit „schlimmer theologischer Leichtfertigkeit . . . über sichere Ergebnisse und unentrinnbare Fragen unserer heutigen Erkenntnis vom Alten Testament hinweggegangen sind"654. Was das Verhältnis der Testamente betrifft, liegt die entscheidende Differenz zwischen Vischer und Hirsch in der Auffassung über den israelitischen Nationalismus bzw. dessen Herkunft. Stellt für Vischer eine nationale und werkgerechte Auffassung der Religion Israels ein jüdisches Mißverständnis dar, so liegt in solcher für Hirsch der Kern der „alttestamentlichjüdischen" Religion.655 Die sich in allen Teilen des Alten Testaments findenden Verknüpfungen des Volksgottes Jahwe mit Israels Schicksal, von Bundes- und Staatsvolk bzw. Gemeinde und Nation, von Frömmigkeit und gottgeschenktem äußerlichem Wohlergehen, also die Religion des nationalen oder persönlichen Egoismus, werden nach Hirsch durch das Kreuz Jesu zerrissen. Das Alte Testament kenne die Zwei-Reiche-Lehre nicht. Wenn überhaupt noch von einer Erfüllung des Alten im Neuen Testament ge-
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Ebd. HIRSCH, Predigt, 1. 10. 14. Vischer wird nicht namentlich erwähnt. - Weitere Literatur von HIRSCH: NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 211. In der hier besprochenen Schrift komme die Position am klarsten und ausführlichsten zum Ausdruck. 655 In diese Richtung ging auch die von ZIMMERLI geübte Kritik (Verkündigung, 80). Vgl. ein Flugblatt der sächsischen BK im Vorfeld der Kirchenwahlen im Feb. 1937: „Die ganze Bibel - nicht die halbe! . . . Wer das A T kennt, weiß, daß es kein Judenbuch ist, sondern Gottes Wort an und über die Juden. Das AT verherrlicht nicht die jüdische Art und Unart, sondern es sagt, wie Gott über diese Art und Unart denkt und urteilt. Das AT zeigt den Maßstab, mit dem Gott die Völker mißt . . . Wer das AT preisgibt, macht auch vor dem N T nicht halt!" (zit. nach NICOLAISEN a . a . O . 110). 654
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sprochen werden kann, dann im Sinne von Aufhebung.656 „Ein christlicher Brauch der Propheten ist nur so möglich, daß man ihre Aussagen dem Scheidewasser der evangelischen Lehre von den beiden Reichen aussetzt und zusieht, wie sich die Möglichkeiten dabei für uns gestalten. . . . jeder christliche Brauch des Alten Testaments ist auch ein Brauch gegen das prophetische Wort des Alten Testaments."657 Hirsch widerspricht ausdrücklich Luther, dem Hebräerbrief und anderen Stellen des Neuen Testaments. Hirsch bestreitet Luther und dem Neuen Testament das Recht, uns „heute" die von ihnen verfolgten hermeneutischen Leitlinien zum Verständnis des Alten Testaments zu diktieren.658 Denn hier werde verkannt, daß das Alte Testament gegenüber dem Heidentum keine qualitativ höhere Stufe darstellt.659 „Damit ist das Verhältnis von Altem und Neuem Testament zugleich das Urbild alles Verhältnisses von humaner und christlicher Religion."660 Dennoch sucht Hirsch anders als Marcion die Selbigkeit Gottes von Testament zu Testament festzuhalten. Nur begegnet im Alten Testament Gott so völlig anders als im Neuen, daß er nur vom christlichen Standpunkt aus als derselbe identifizierbar wird. Gott begegnet im Alten Testament ausschließlich als der „erd- und geschichtsmächtige deus absconditus".661 Zerbrochen und völlig ausgeschlossen ist für Hirsch die Auslegung von Gen 32,23 ff. in Luthers Genesis-Vorlesung, Jesus Christus, der deus revelatus, sei Jakob am Jabbok begegnet. Die Einheit der Testamente ist einem radikalen Gegensatz gewichen, nur die Klammer der Gotteslehre hält sie zusammen, aber doch brüchig: der Zusammenhalt ist nur graduell stärker als etwa das neutestamentliche Zeugnis mit der griechischen Reli656 HIRSCH, Predigt, 83 f. „Das Kreuz Jesu Christi hat diese Volksreligion ebenso unter das göttliche Nein gestellt wie alle anderen Nationalreligionen. Die neutestamentliche Vorstellung vom Gottesreich und vom Erlöser hebt die alttestamendich-jüdische radikal auf. Dadurch treten christlich Volk und Gemeinde, Volksgesetz und heilbringender Gotteswille auseinander, die Dialektik von Gottesreich und Weltreich gewinnt einen andern, alttestamendich-jüdisch vollkommen unerhörten Sinn, und zugleich stellt sich das Verhältnis des einzelnen zu Gott nunmehr rein auf den persönlich empfangenen Glauben. Diese Scheidelinie, die uns ganz vom Alten Testamente trennt, ist von solcher Tiefe, daß keine wichtige Aussage des Alten Testaments christlich richtig ist. Als einfachstes Beispiel mag die Scheidung von Volk und Gemeinde dienen" (74), ferner sind seine Heilsgüter irdisch, ein ewiges Leben kennt das Alte Testament nicht (75). 657
A . a . O . 13. So hat etwa „Luther . . . von seinem Standpunkt aus mit Recht, aber für uns unmöglich, Hebr 1117-19 zum Schlüssel der Erzählung l.Mos. 22 gemacht" (23). „Er legt, das sehen wir heut klar, eine christlich umgedichtete Geschichte aus, die überhaupt nicht im Alten Testamente steht" (24). 658 A . a . O . 25f. 61. 62. 68. 71. m A . a . O . 2. 12f. 2 6 f . (entspr. dem Motto nach KIERKEGAARD). 36. 52-56. 60. 70. 80. 82.
« A . a . O . 12. 661 A. a. O. 28 ff. 45, Zitat S. 30.
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gion zusammenzusehen ist: Die spezifisch menschliche Gesetzesreligion erhalte im Alten Testament einen besonders klaren Ausdruck. „Wie bei Schleiermacher geht es auch bei Hirsch nicht um die Offenbarung Gottes, sondern um die Analyse des frommen Gottesbewußtseins. Dieses Gottesbewußtsein sieht Hirsch im Evangelium des N T gegeben; das AT ist ihm als Gesetz für dieses Gottesbewußtsein die notwendige frömmigkeitsgeschichtliche Vorstufe - damit geht er allerdings über Schleiermacher hinaus, für den das AT lediglich eine der vielen möglichen Vorstufen des Christentums und seines besonderen Gottesbewußtseins ist. Doch treffen sich Schleiermacher und Hirsch wieder, indem sie beide nur mit dem menschlichen ,Gottesbewußtsein' arbeiten; auch die Offenbarung Gottes ist für sie , Religion', in der Altes und Neues Testament die Urkunden für religiöse Ideengebilde verschiedenen Inhalts sind."662 Damit bekommt man den Gegensatz zwischen Vischer und Hirsch beim Offenbarungs- und Schriftverständnis zu fassen. Wenn Hirsch alttestamentliche Texte exegesiert, sieht er Menschen mit ihrer Frömmigkeitsgeschichte vor sich und nichts als diese.663 Aus der historischen Relativierung „ergab sich fast zwangsläufig die Relativierung des in der Schrift zu vernehmenden Wortes Gottes als Offenbarung, und von der Relativierung bis zur Annullierung war es nur noch ein kleiner Schritt", auch wenn diesen 662
NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 96 (Hervorh. orig.); vgl. REVENTLOW, Alttestamentliche Theologie, 44: „Eigentümlich ist bei HIRSCH und BULTMANN, wie ein existentialer Ansatz, der nach einer unmittelbaren Relevanz des Alten Testaments für den christlichen Glauben verlangt, und eine religionsphänomenologische Sicht im Sinne der liberalen Schule miteinander konkurrieren, wobei letztere den Sieg davonträgt. Die Verbindlichkeit des Alten Testaments für den christlichen Glauben wird auf diesem Wege nicht sichtbar." Ebenso äußerte sich PROCKSCH, Marcion redivivus, 222: „Man fragt sich freilich, welchen Wert es dann noch hat, das Alte Testament in der Bibel stehen zu lassen; denn als Musterbeispiel einer außerchristlichen Religion zur Veranschaulichung des christlichen Gegensatzes hat es doch noch kein Recht, in der Bibel Aufnahme zu finden, deren Sonderstellung in der Weltliteratur auf dem Anspruch beruht, Gottes Wort zu sein. Das Wesen von Gottes Wort wird nicht daran erkannt, daß man es mit einer Religionsurkunde antithetisch vergleicht, der man den Charakter der Gottesoffenbarung abspricht. Sondern Gottes Wort beweist sich in seiner Glaubenswirkung am einzelnen Menschen, der davon ins Herz getroffen wird." 663 „Es ist klar, die Geschichte von Jona ist ein Erzeugnis menschlichen Fabulierens" (HIRSCH a . a . O . 49f.). - „Gegenstand chrisdicher Besinnung und Prüfung kann wesentlich nur die e r s t e , die religiöse Fassung der David-Goliath-Geschichte sein, und für sie bringt das bisher einleitend Gesagte lediglich den Gewinn, daß wir sie nicht als Geschichtstatsache, sondern als Spiegelung eines bestimmten Glaubens in frommer Legende zu behandeln haben" (36). Der sich in l . S a m 17,47 findende „Wahn" der „Gleichsetzung von Volks- und Religionsgemeinde" (40) und die „Gleichung zwischen Gott und irdischem Machterweis . . . wird zerrissen" (42. 45). „Wo immer über eine alttestamentliche Stelle chrisdich richtig gepredigt wird, erfährt diese Stelle die Aufhebung des unmittelbar in ihr gemeinten Sinns vom Kreuze Jesu Christi her" (ebd.). Dogmatisch normativ ist für HIRSCH im Alten Testament kein allegorischer Sinn, sondern der Literalsinn - allerdings in seiner Negation. Damit werde unser Leben und unsere Gotteserkenntnis befreit (45).
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nicht alle DC-Vertreter in letzter Konsequenz vollzogen 664 . Vischer sieht in der Schrift ebenfalls echte Menschenworte. Mit und in ihnen aber begegnet ihm der wahre und sich selbst bezeugende dreieinige Gott. Das Ja zur kritischen Exegese hat Vischer die Tür zur res saipturae nicht verschlossen: „Es gehört zur Heiligkeit der Heiligen Schrift, daß Gott selbst sie so auslegen muß, daß der Leser in ihr nicht nür von fremden Menschen und ihren Gedanken über Gott liest, sondern Gottes Gedanken über ihn, den Leser selbst, vernimmt . . . Wo das geschieht, da hört der Leser im Glauben das, was er sich selbst nicht sagen kann, was nur als Wunder wahr ist, wenn es Gott jetzt und hier zu ihm sagt. Dann hört er das Wort Gottes nicht nur als das Wort der Zeugen, sondern als die Stimme des bezeugten Herrn, die ihn ganz und gar beansprucht; als das Wort, das ihn in die Verantwortung stellt, Gott Antwort zu geben. Wer in dieser Verantwortung Gott hört und ihm antwortet, der tut es im Vertrauen und Gehorsam des Glaubens an den Christus Jesus, welcher Gottes Wort an den Menschen und des Menschen Antwort an Gott ist."665 D a ß das Alte Testament die Lehre von den zwei Regimenten nicht predige, war Vischer so wenig wie Luther und Paulus eine Hürde, die Thora als Zeugnis für das Evangelium anzunehmen 666 : Gott hat Israel als Volk erwählt, um an diesem Volk sich herrlich zu erweisen und zu zeigen, wie der Mensch aus Gottes H a n d zu leben hat! Wird dies nicht akzeptiert, sondern als Ausdruck eines von Menschen erdachten und religiös legitimierten Nationalismus innerhalb des Alten Testaments verdächtigt, fällt ein Grundpfeiler seiner Wahrheit dahin und mit diesem wenn nicht die ontologische Selbigkeit Gottes für beide Testamente, so doch die Selbigkeit dessen, als was und wer Gott sich zu erkennen gibt. Hirsch hat die Grundüberzeugung Luthers von der in Gottes Erwählung wurzelnden unvergleichlichen Besonderheit des alttestamentlichen Gottesvolkes 667 aufgegeben; auch die Erfahrungen mit den Juden ihrer Zeit waren Luther und Vischer keinerlei Anstoß für ihre Liebe zum Alten Testament. 668 Vischer selbst hat sich, soweit ich sehe, nur an einer einzigen Stelle über Hirschs Angriffe geäußert, und zwar mündlich 1937 in Schmie bei der Tagung der „Unständigen". Der mir vorliegende Bericht über den Vortrag beschränkt sich auf folgende Sätze: „Hirsch bringt den Gedanken: das AT ist darum für uns so wichtig, weil es zeigt, was menschliche Religion ist, und weil diese gerichtet ist durch Christus. Gut! Er meint dann, das N T sei eine neue Religion daneben, die christliche neben der menschlichen. Aber so ist es nicht. Sondern durch
664 665 6(16 667 668
NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 117. Christuszeugnis I, 37. Vgl. Rom 1,2; 3,21; 4; 10,5-8. BORNKAMM, Luther und AT, 5. A. a. O. 6.
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Christus ist die menschliche Religion gerichtet in ihrer höchsten Höhe und tiefsten Tiefe. Wir können das AT nicht wegwerfen, denn nur indem man selbst zerschlagen wird durch das AT, ergreift man die Gnade, die den Sünder rechtfertigt."669 Also: nicht das Alte Testament wird zerschlagen, sondern sein Christuszeugnis zerschlägt die menschlichen Versuche der Selbstrechtfertigung!670 Rudolf Abramowski nahm 1937 zum Streit um das Alte Testament und um Vischer eine hin- und herschwankende Stellung ein. Abramowski urteilt zwar, Gerhard von Rad habe in all (!) seinen Bedenken recht gehabt, und überraschend vieles sei in Vischers Buch kurzschlüssig. Auch Herntrichs Fragen wegen der Heilsgeschichte, der Bedeutung der Erfüllung und der anderen Auslegung der alttestamentlichen Geschichten durch das Neue Testament als bei Vischer seien berechtigt und unerledigt. Dann aber lesen wir: „Trotz allem! Vischers Buch ist das alttestamentliche Buch unserer Tage geworden, weil es notwendig und richtig ist. Notwendig darum, weil die theologische und politische Lage ein christliches Zeugnis vom AT. her erforderte und nicht nur eine Meinung über das AT. Mit diesem Zeugnis konnte nicht gewartet werden, bis die alttestamentliche Wissenschaft sich soweit arrangiert hatte, was auch nach von Rad noch lange dauern kann; sondern es muß jetzt gesagt werden, sowohl um des Angriffs auf das AT. willen, als auch um der alttestamentlichen Situation unserer Zeit willen. Richtig ist Vischers Arbeit darum, weil N T . und Reformatoren uns uno tenore erklären, daß Christus durch das AT. bezeugt ist. Nun mag man das fast schon berüchtigte , Christus treiben' verstehen, wie man will; humanistisches Wahrheitsverständnis mit einigen ästhetischen und religiösen Verbrämungen wird ihn nicht finden, sondern, wie sich gezeigt hat, nur Wertungen vornehmen, die belanglos bleiben. Richtig ist es auch darum, weil der Angriff gegen das AT. heute bis zu Jesus Christus selbst vorgetragen ist. So gilt es, von Jesus Christus und für ihn [sie] das AT. zu halten. So ist Vischer zu danken, daß er starr und konsequent seine These aufgestellt hat." 671 Wiederum: Mit Berufung auf l . K o r 14,8 („Wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zum Kampf rüsten?") will Abramowski nicht mitstreiten, weil „die von Vischer aufgeworfene Frage mit dem Spaten und nicht mit dem Gewehr ausgetragen werden muß." 672 Stär-
"" S. 4 meiner Kopie. 670 Seine bes. Aktualität für die deutsche alttestamentliche Wissenschaft erhält der theologische Gegensatz von Vischer und HIRSCH angesichts der anhaltend hohen Wertschätzung H l R S C H s und ausdrücklich seiner referierten Schrift (vgl. G ü N N E W E G , Vom Verstehen, 131 f.). HIRSCHS Aufsatz wurde erst 1986 neu aufgelegt (hg. von HANS-MARTIN MÜLLER im Katzmann-Verlag, Tübingen/Verlag A. Thuhoff, Goslar). 671 A. a. O. 91 f. (Hervorh. orig.). 672 A. a. O. 93.
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ker herauszuarbeiten sei besonders die Differenz der Testamente. Glaubwürdige Rede vom Christuszeugnis des Alten Testaments geschehe nur dort, wo auch die Ungleichheit zum Neuen Testament dargelegt wird.673 Karl Elliger hielt 1937 seine Tübinger Antrittsvorlesung über das Thema „Das Christuszeugnis des Alten Testaments"674. Sehr schön stellte er seinen Gegensatz zu Vischer und Hellbardt als einen dogmatischen675 heraus; es verbinden sich die Forderungen der historisch-kritischen Denkweise mit bestimmten Ansichten über das Verhältnis der Testamente. Es trifft den Nerv der Theologie Vischers, wenn Elliger die Grundthese der dialektischen Theologie angreift, nach der Gottesoffenbarung immer Offenbarung in Christus ist - „Gottes Offenbarung ist umfangreicher"!676 Dies gilt gerade für das Alte Testament; schon von daher kann er der Behauptung der Identität der Testamente in Christus nicht zustimmen.677 Doch belehrt uns nicht das Neue Testament gerade in diesem Sinne? Hier sei zu unterscheiden: die Form des neutestamentlichen Weissagungsbeweises hat an der geschichtlichen Vergänglichkeit des Bekenntnisses teil; dieses Beweisverfahren ist obsolet, nicht aber die Grundauffassung vom Alten Testament. „Das Bekenntnis der Kirche seit dem N T kann nicht - denn es ist gegen die Wahrheit neuerer historischer Erkenntnisse - und will auch nicht von seinen ureigensten Voraussetzungen aus seine Auslegungsmethode und deren Einzelergebnisse . . . ,theologisch verbindlich' machen." Wer das tut, enthebe sich aller Not und des Segens der historischen Exegese.678 Elliger referiert, daß Vischer und Hellbardt diesen Segen sehen und nicht aufgeben wollen. Doch sie kämen in praxi ohne ihn aus.679 Schon theoretisch gelänge es ihnen nicht, historische und theologische Arbeit ins rechte Verhältnis zu bringen.680 673
A. a. O. 92. ELLIGER, Christuszeugnis. 675 Vgl. oben Anm. 540, S. 258 f. 676 ELLIGER a . A . O . 3 9 2 . Vgl. Vischer, Das Geheimnis Israels, 1 9 5 0 , 8 9 und den Leitsatz oben S. 147. 677 Vgl. E L L I G E R im Jahr zuvor: Warum, 7 7 7 : „Auch die Formel, daß das Alte Testament sagt, was der Christus ist, das Neue Testament, wer er ist, sieht an der Tatsache vorbei, daß uns der Christus offenbar geworden ist nur durch die Fleischwerdung in Jesus. Nur in Jesus Christus wissen wir streng genommen, was der Christus ist, was er für uns zu bedeuten h a t Es läuft auf eine Entleerung der Offenbarung Gottes in Jesus Christus hinaus, wenn man diesen Christus - und es gibt nur den einen - schon im Alten Testament bezeugt findet Nur in Jesus kennen wir Christus; also wirkliches, vollgültiges Christuszeugnis gibt es nur im NT" (Hervorh. S. F.). 678 E L L I G E R , Christuszeugnis, 382-385, Zitat von S. 384 f. 679 Ebenso B E G R I C H , Predigt, 8 Anm. 4 . - H E M P E L , Chronik (ZAW 1 9 3 1 ) , 1 5 1 : Entweder werde sich das theologische Recht der historisch-kritischen Exegese durchsetzen, oder sie werde schließlich ganz preisgegeben. 674
680
ELLIGER a . a . O .
385.
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Man darf das Berechtigte an dieser Kritik nicht auf die leichte Schulter nehmen. Vischer und Hellbardt haben sich in der Tat für eine klare Priorität des „Theologischen" in ihrer Exegese entschieden, aber gerade von hier aus, nicht von einer Analyse unseres geistesgeschichtlichen Standorts aus681, die Notwendigkeit philologischer und historischer Forschung begründet. Für Elliger aber bildeten eben diese Gegebenheiten die Basis, Bibel und Bekenntnis neu zu interpretieren bzw. Kern und Schale, Grundauffassung und konkretes Beweisverfahren zu scheiden sowie die Zusammengehörigkeit der Testamente zu begründen.682 Gibt es für Elliger überhaupt ein Christuszeugnis des Alten Testaments? Ja, aber es sei die „historisch-kritische Methode, die das Selbstverständnis der Texte nicht vergewaltigt", und die „für uns heute das einzig Gegebene" ist, „der einzig mögliche Weg, auf dem wir heute das Christuszeugnis des Alten Testaments erheben können, wenn anders, wie wir doch glauben, solches Zeugnis dort überhaupt zu finden ist".683 Helmut Schreiners Auffassung vom Alten Testament684 basiert auf der neutestamentlichen Verkündigung: diese sei ernst und wahr zu nehmen. Als „Christuszeugnis" können alttestamentliche Texte allerdings auch in der negativen Weise gelten, daß sie nicht zur Grundlage christlicher Glaubenslehre werden: Das Neue Testament bestätige das Alte nicht nur, sondern könne es auch verwerfen.685 Es gebe tatsächlich Texte des Alten Testaments, über die wir nicht predigen können: Gen 19,30-38 (Lots Töchter), 2. Chr 4 (Tempelbeschreibung), Neh 7 (Hüter der Stadt und Volkszählung)686. Daß dem so ist, darf auch nicht mit Hilfe der Allegorese abgeändert werden, die als Methode der Auslegung keinen Platz haben darf - höchstens als einfache Redefigur zur Anregung der Phantasie. Direkt an Vischers Adresse gerichtet sagt Schreiner, Vischer habe den theologischen Mangel der historisch-kritischen Methode richtig erkannt und auch Calvin korrekt wiedergegeben, dem zuzustimmen sei. Aber Vischer habe die Lehre Calvins vom Unterschiede der Testamente hinsichtlich der „administratio" des Heils faktisch nicht beachtet, denn vom Gestaltunterschied sei auch die Botschaft betroffen. Das Neue des Neuen Testaments komme nicht zur Geltung.687 Das Alte Testament werde nicht nur bestätigt, sondern auch 681
Vgl. unten Teil 3.1. Ders., Warum gehören Altes und Neues Testament zusammen? - Antwort auf die Themafrage war: weil das Alte Testament „Urkunde der Heilsgeschichte" ist (777), Zeugnis von der Geschichte der Offenbarung Gottes bis dicht vor ihren Abschluß, gehört also zum Neuen Testament hinzu wie der „Anfang einer Kette zu ihrem Ende" (778). 683 ELLIGER, Christuszeugnis, 384. 684 Das Alte Testament in der Verkündigung, 1937. 685 Vgl. oben S. 275. 682
686
SCHREINER a . a . O . 3 4 . 5 5 .
687
A . a . O . 31-39. 57 f.
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gerichtet, ja teilweise verworfen und zurechtgebracht.688 Satzungen und Kultus seien abgetan; wo die Gebote nicht den Gehorsam Christi gestalten können, sind sie verworfen.689 „Vor allem aber: Warum deutet und erläutert Vischer die Anwendung des christologischen Verständnisses durch den Satz, daß die Einheit der Heiligen Schrift in der Gleichheit ihrer Botschaft bestehe? Gerade durch ihn wird alles schief. Der Satz von der Einheit der Offenbarung gibt unter keinen Umständen das Recht, die Verschiedenheit ihrer Mittel zu übersehen. Zutiefst liegt der Fehler eben darin, daß das christologische Verständnis des Alten Testaments nicht klar und entschlossen von dem trinitarischen Glauben her bestimmt wird."690 Gravierend sei, daß häufig in Predigten und wohl auch bei Vischer vernachlässigt werde: a) die Unterscheidung der drei möglichen Standpunkte, die sich vom trinitarischen Glauben aus ergeben: deus supra nos/pro nobis/in nobis691; b) für jeden alttestamentlichen Text die Beantwortung der drei Fragen nach Bestätigung, Verwerfung oder Zurechtbringung durch das Neue Testament.692 Ernst Haenchen prüfte für die „Deutsche Theologie"693, ob die „neue Auslegung", für die Vischer einen Bann gebrochen habe, dem Evangelium gemäß sei. Dazu nahm er unter anderem Vischers „Esther" (1937) regelrecht auseinander. Vischer sah ein heilsnotwendiges (!) Christuszeugnis darin, daß dieses Buch anstößig die Judenfrage aufwirft. Gefragt wird diesseitig, und diesseitig wird geantwortet: entweder der Jude oder sein Feind muß sterben. Haenchen: „Wenn das Estherbuch dieser Frage diese Lösung gibt, dann kennt es offenbar keine tiefere."694 Die Zusätze der Septuaginta zeigen, daß eine religiöse Begründung des Ganzen vermißt und - wie nach Vischers Wunsch! - ergänzt wurde. Aber die irdische Lösung bleibe irdisch - nicht aus Absicht, wie Vischer unterstelle, sondern aus Unvermögen: gerade wo es die Judenfrage als Gottesfrage stellt, beantwortet es sie so, daß es sich durchsetzt.695 Nicht das Volk Israel bringe die Offenbarung der alleinigen Gottheit Gottes696, sondern Christus, vor dem das Gottesvolk wie die Hei-
688
A . a . O . 3 6 f . ; vgl. Ps 1 0 9 , 6 - 1 3 ; Jes 11,1 ff. u . a . A. a. O. 37 f. Vgl. meine Kritik dieses Punktes in 3.2.2. 690 A. a. O. 39 mit Berufung auf HERNTRICH (1936). 691 SCHREINER gibt Beispiele alttestamentlicher Texte für die einzelnen Glaubensartikel an, will die Zuordnung aber nicht statisch verstanden wissen. 6,2 A . a . O . 40-51. 693 HAENCHEN, Auslegung (über Vischer: 3 4 5 - 3 5 1 ) . - Zur (ablehnenden) Stellung HAEN689
C H E N s z u r S p o r t p a l a s t r e d e R E I N H O L D KRAUSES S. NICOLAISEN, A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n , 694
H A E N C H E N a. a. O .
695
A. a. O. 347 f. Vischer, Esther, 1937, 14.
696
346.
7 4 f.
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den als Sünder dasteht. Haenchen: „Das Volk Israel, wie es in seinem Kanon zu Wort kommt, kann nicht das lösende Wort sprechen, sondern muß selber, wie die Heiden, losgesprochen werden." 697 Damit sei deudich die Kluft zwischen alttestamentlicher und neutestamentlicher Botschaft markiert: der jüdische Fromme erhoffe zuletzt den irdischen Sieg. „Hamans Galgen läßt insofern schon die Ablehnung des Christus durch das Judenvolk vorausahnen: er ist der Bild gewordene Widerspruch zu der christlichen Lösung."698 Für Vischer genüge es, daß das Estherbuch im Kanon steht699 und die Judenfrage anstößig stellt700, damit es als Zeugnis dafür gelten kann, daß Christus diese Frage gelöst hat701. Haenchen: „Auf diese Weise ist freilich jede menschliche Sünde, sobald sie im Kanon auftaucht, ein heilsnotwendiges Christuszeugnis, und der Teufel ist der beste Christuszeuge." 702 Ist die Bereitschaft Esthers - einer Romanheldin! - , für ihr Volk zu sterben703 - ein Christuszeugnis? Dann müsse man jedem solchen Einsatz die gleiche Ehre gönnen. „Wozu . . . dieses Spiel der Phantasie?" 704 Vischer und die Juden deuteten religiös um, was die Lage verschlimmere: Esthers Bereitschaft zu sterben705 führe zu Hamans Galgen, und dieser sei das Gegenteil zu Christi Kreuz. Daran denke Vischer nicht, sondern daran, daß Esther nicht sterben mußte; und gerade darin (in dieser Vorläufigkeit) finde Vischer ein Christuszeugnis - doch dann müsse jeder davongekommene Soldat ein Christuszeuge sein. Hier würde, so Haenchen, Vischer sagen: nur die alttestamentlichen Soldaten. Menschliche Sünde werde von Vischer als Hinweis auf den interpretiert, der alle Sünde trägt.706 Haenchen bleibt dabei, trotz Vischers Beschränkung auf den Kanon bzw. Israel: „Aber wenn wir diesen Schrei ein notwendiges Christuszeugnis nennen wollten, dann wäre kein Fleck auf Erden, der nicht ein Christuszeugnis wäre."707 Ist Hamans Galgen das Gegenteil von Christi Kreuz? Hat das Estherbuch eine Beziehung zu Jesus Christus? Entspricht das Geschehen hier einem Geschehen dort? Hinsichtlich des jüdischen Selbsterhaltungswil-
6,7
HAENCHEN a. a. O . 3 4 8 .
698
Ebd. Vgl. Vischer a. a. O. 12 f. 16. 700 Vgl. a.a.O. 3. 14: „Wer das Buch Esther aus der Bibel streicht, erklärt damit: die Judenfrage und ihre Lösung habe nichts zu tun mit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus." 701 A.a.O. 16. 702 HAENCHEN a. a. O. (vgl. HAMANN über Pilatus: bei Vischer Christuszeugnis I, 11). 703 Vischer a. a. O. 23. 699
704
HAENCHEN a. a. O . 3 4 9 .
705
Vischer a. a. O. 23. ™ Vgl. oben S. 219 f. 707
HAENCHEN a. a. O . 3 5 0 .
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lens708 sagt Haenchen selbst, daß kein Unterschied besteht. Hinsichtlich des göttlichen Planes kommt es wiederum darauf an, für welche Zeit man nach der irdischen Verwirklichung des Reiches Gottes fragt: Für die Zeit der Gemeinde nach Pfingsten gilt freilich: Wir leben im Glauben und nicht im Schauen. Doch diese Zeit findet einmal ihr Ende; Christus - nicht die Christen! - wird einmal ein sichtbares Regiment aufbauen, aufgrund dessen alle Bedrängnis des Gottesvolkes sein Ende findet; weit mehr: die alttestamentliche Hoffnung auf die Weltherrschaft des Gottesvolkes709 wird in Erfüllung gehen. Das wird Gott durchsetzen, nicht Heer oder Kraft von Menschen. Man kann also nicht, wie Haenchen schrieb, dem Estherbuch einen „rein politisch-völkischen Sinn" unterstellen.710 Wenn das nicht geht, fällt auch die Konsequenzenmacherei dahin, jeder davongekommene Kämpfer für sein beliebiges Volk wäre ein Christuszeuge. Es geht um das Verhältnis des erwählten Volkes zu den Nichterwählten: wie werden sie zueinander finden? Im Estherbuch kann man nicht von einer „Lösung" sprechen, es sei denn im Sinne einer „Endlösung" durch den Tod einer der beiden Parteien.711 In Christus offenbarte Gott die letztgültige Lösung: zwar auch durch Tod, nicht aber durch die Vernichtung einer der beiden Parteien, sondern durch seine Selbsthingabe, ausgeführt durch die Hand beider, durch Juden und Heiden, zu beider Heil. „Denn nun ist offenbar, daß beide eins sind in der Versündigung an ihm, und daß beide allein von der Gnade leben, die ihnen angeboten wird in der Botschaft, daß Gott diesen einen zum Fluch gemacht und herrlich auferweckt hat, weil er sich aller erbarmt. Diese Lösung ist das Gericht Gottes über beide, vornehmlich die Juden und auch die Heiden. Und diese Lösung ist die Möglichkeit Gottes zur Erlösung aller, die daran glauben, der Juden vornehmlich und auch der Heiden."712 „Der Heilige Geist hat das Evangelium dadurch unauflöslich mit dem Estherbuche verbunden, daß er zeigt, wie Gott seinen Sohn als den Heiland der Welt dadurch legitimiert, daß er ihn durch die Juden für die Juden und durch die Heiden für die Heiden sterben läßt."713 Ist das Geschehen, auf das die Juden das Purimfest zurückführen, also ein
708 Vischer a.a.O. 21: „Es ist doch einfach so, daß im Prozeß Jesu die Juden mit letzter Leidenschaft das Gleiche durchsetzen wie die Juden im Estherbuch, und der Statthalter des römischen Kaisers so, daß die Juden es zu spät merken, eben das Ziel erreicht, das dem Judenfeind am Hofe des Perserkönigs vorschwebte. Der fanatische Selbsterhaltungswille der Juden, der die Esthererzählung beseelt, feiert im Prozeß gegen Jesus seinen Triumph und läuft eben damit dem Vertreter der Weltmacht in die Schlinge." ™ Vgl. Ps 72; 149. 710
HAENCHEN a. a. O . 3 4 9 .
711
Vischer a. a. O. 20. A.a.O. 22; vgl. Das Heil kommt von den Juden. Memorandum, 1938, 43 f. (2. Aufl.:
712
5)· 713
Esther, 1937, 21.
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v o n G o t t absichtsvoll auf K r e u z u n d A u f e r s t e h u n g hin geführtes G e s c h e hen? N a c h V i s c h e r mit E n t s c h i e d e n h e i t : ja, n a c h H a e n c h e n mit E n t s c h i e denheit: nein. D i e D i f f e r e n z z w i s c h e n b e i d e n g e h t darauf zurück, o b m a n ein biblis c h e s B u c h t h e o l o g i s c h als H l . Schrift v o n d e n anderen Z e u g n i s s e n desselben G o t t e s her versteht o d e r versucht, es allein aus sich selbst b z w . seiner m u t m a ß l i c h e n Zeitgeschichte heraus z u verstehen. 7 1 4 V i s c h e r suchte b e i d e s z u verbinden; d e s w e g e n durfte in seiner Estherschrift w e d e r eine N a c h e r z ä h l u n g mit historischen B e z ü g e n n o c h eine R e f l e x i o n über d i e (mit G u n k e l negativ z u beurteilende) H i s t o r i z i t ä t d e s B u c h e s fehlen. D a s f ü r V i s c h e r t h e o l o g i s c h g r u n d l e g e n d e D a t u m w a r d i e E r w ä h l u n g Israels durch d e n s o u v e r ä n e n u n d freien G o t t . D e s h a l b k o n n t e es für ihn kein jüdisches G e s c h e h e n g e b e n , das sich auf neutralem, „rein p o l i t i s c h - v ö l k i s c h e n " B o d e n verstehen ließe, selbst d a n n nicht, w e n n v o n d e m e r w ä h l e n d e n G o t t keine R e d e ist. 715 Ä h n l i c h e A r g u m e n t e w u r d e n 1 9 6 4 v o n V i s c h e r in e i n e m A u f s a t z z u B u l t m a n n s Sicht d e s A l t e n Testaments 7 1 6 benutzt: „ E v e r y w h e r e the Scrip-
714 Vischers Estherauslegung wurde aufgenommen u. a. von ANDERSON (laut CHILDS, Introduction, 606), MAIER (Esther, 27), vorsichtig von CHILDS (a. a. O.); abgelehnt von u. a. E. J. BICKERMAN (sah in Esther nicht die jüdische Frage gestellt; CHILDS a. a. O.) und PREUSS, auf HAENCHEN (a. a. O.) fußend (Predigt, 87: „theologisch unzureichend", „Einzelallegorese ist so gezwungen wie überflüssig" [ohne Beleg], „Trotzdem war es durch den Zeitbezug aktuell und traf insofern die Sache" [!]). 715 Das betraf dann auch den Holocaust und die Ereignisse in Palästina im 20. Jahrhundert, vgl. dazu u. a.: Der neue Staat Israel und der Wille Gottes, 1953; Eine auf die Bibel gegründete Stellungnahme zum neuen Staat Israel, 1970; Un theologien reforme devant Israel, 1973. - „Eine ungebrochene Verklärung der israelitischen Volksgeschichte zu der herrlichen Heilsgeschichte, die Erwartung eines Christus, der ihr Streben siegreich krönen würde, das war die große Täuschung Israels, die ,trügerische Vision ihres Herzens', der ,Lügengeist'; während ,der Geist Christi, der in den (wahren) Propheten war, zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit darnach' (l.Petr. 1,11) . . . Aber er kann seine Herde nicht anders retten als durch das große Ärgernis, daß er die Zerstreuung vollständig m a c h t . . . (Sach 13,7; Mt 26,31) . . . Die ganze Gottesentscheidung geschieht durch den einen einzigen, den wahren Christus" (Christuszeugnis II, 404, zu l.Kön 22). Es gibt Rückbewegungen, die geschichtliche Fehlentwicklungen symbolisch zurückschrauben, um die falsche Verklärung der Geschichte Israels als nationale Größe („Natur", Orientierung an Stammesgrenzen - gegen die Erwählung aus Gnade Dtn 7.9) aufzuheben: Elia geht über Jericho trockenen Fußes durch den Jordan zum Horeb zurück (Christuszeugnis II, 416); David geht über den Jordan (a.a.O. 271. 347); die Exilierung erfolgt dorthin, von wo die Erzväter ausgegangen waren (a. a. O. 527) etc. 716
Nach dieser kann als echt geschichtliche Fragestellung dem Alten Testament gegenüber nur lauten, „welche Grundmöglichkeit menschlichen Daseinsverständnisses in ihm ihren Ausdruck finde" (BULTMANN, Bedeutung, 318). Dies ist das radikal verstandene Sein unter dem Gesetz, das im Alten Testament einen besonders klaren Ausdruck finde. Allerdings müsse es nicht das Alte Testament sein, das dieses Verständnis verkörpert; das vom Evangelium vorausgesetzte (Sein unter dem) Gesetz begegne „überall da, wo sich ein Mensch gebunden
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ture is about Christ alone" (1963; der Titel nach Luthers Römerbriefvorlesung: „Universa scriptura de solo Christo est ubique"). Ebenso wie Gott es war, der Israel erwählt hat (nicht umgekehrt!), sei er es auch, der Recht und Gesetz in Israel gesetzt habe. Das Bundesrecht entspringe demnach weder der historischen Situation eines Volkes und noch finde es sein Ende darin, daß sich diese Situation geändert hat: „... these cultic demands are not,obsolete' because of a cultural development, but because Jesus Christ has fulfilled them once for all through the sacrifice of his life for the sake of all mankind."717 Vischer deckt auf, daß Bultmanns Immanenzdenken zu einem völlig veränderten Verständnis des Kreuzes führt; der Tod Jesu sei nicht ein Gegensatz zum Alten Testament, sondern Konsequenz aus ihm.718 Daraus ergibt sich weiter, daß - was Bultmann gerade ablehnt - auch das Alte Testament Gottes Wort für die Gläubigen des Neuen Bundes darstellt: „... by pondering these cultic demands the Christian believer realizes what it means to live by God's grace in Jesus Christ."719 Eben dies war nach Vischer der letzte Zweck der Offenbarung Gottes an Israel. Edmond Jacob, Vischers Vorgänger in Montpellier, glaubte 1945 in Vischers Christuszeugnis die Wiederholung von Hengstenbergs Versuch zu erkennen, das ganze AT christologisch zu erklären.720 Gewürdigt wird die Präsenz der aktuellen kritischen Forschung, die Vischer nicht für baufällig erkläre. Auch werde nicht versucht, die Einleitungen zu ersetzen, sondern diese zu verlängern. Dennoch komme die Arbeit an den Einleitungsfragen zu kurz. Vischer finde die Einheit des Alten Testaments in seinem Christuszeugnis. Dies sei heute zwar beliebt, vor allem bei Predigern; zu beachten ist aber, daß die Typologie nicht immer angewandt werden kann.721 „M. Vischer entend faire de la typologie et non de l'allegorie."722 Aber er finde mehr typologische Beziehungen als erlaubt, wenn er neutestamentliche Worte auf alttestamentliche Ereignisse und Gestalten anwendet: „C'est, ä notre avis, rouvrir la porte aux fantaisies de l'exegese allegorique."723 So finde besonders bei Vischers Schülern in und begrenzt weiß durch die konkreten oder die allgemeinen sittlichen Forderungen, die aus seinem Miteinander erwachsen, und die er im Gewissen anerkennen muß" (321). 717 Everywhere the Scripture is about Christ alone, 1963, 92. 718 Rom 10,4: Jesus, the end of the Old Testament, is also its goal" (a. a. O. 99). Christus als Telos i. S. von Erfüllung und Ende auch in: Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 32 und HELLBARDT, Telos, bes. 338. - Interessanterweise hatten die hermeneutischen Erwägungen BULTMANNS auf seine Predigtpraxis (siehe Marburger Predigten, 1956) keinen Einfluß (PREUSS, Predigt, 75). 719 Everywhere . . 9 2 . 720
JACOB, A p r o p o s .
721
A. a. O. 77. A.a.O. 78. A.a.O. 79 (zu Vischer, Christuszeugnis II, 339).
722 723
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Predigten Mißbrauch statt. „La methode elle-meme part d'un α ρήοή dogmatique, c'est que dans toute l'ecriture c'est le Christ eternel qui parle." Wozu war die Inkarnation eigentlich notwendig, wenn alles schon klar auf allen Seiten des A T steht?724 Die Geschichte bekomme hier nur noch sekundäres Gewicht; sie unterliege einer „minimisation". Die Gefahr der Schule, die deswegen die Historizität Jesu bestritt, entstehe erneut! „M.Vischer meconnait en somme la grande nouveaute de l'Evangile et semble oublier le caractere necessairement inferieur et fragmentaire de la revelation de l'A.T.", wie besonders in den Prologen zum Johannesevangelium und zum Hebräerbrief ausgesprochen. Die französischen Theologen scheinen damit, so Jacob, von Vischer nicht gewonnen zu werden. Ganz anders als Vischer etwa lehre Pierre Ducros, ein „defenseur de la methode strictement historique" 725 , ein Konzept fortschreitender Offenbarung 726 , mithin die Uneinheitlichkeit des Alten Testaments in sich und der Testamente. Liegt die Einheit der Heiligen Schrift in menschlicher (Messias-)Hoffnung oder im Dreieinigen? Von ihm her bekommt die Geschichte als Raum der Heilsgeschichte ihr legitimes Gewicht und ihr letztes Urteil. Jean Danielou meldete sich 1950 in einer Rezension zur französischen Ausgabe des ersten Bandes von Vischers Christuszeugnis zu Wort. 727 Das Bemühen um zwischentestamentliche Beziehungen stellte er als Ähnlichkeit zwischen Vischers und der patristischen Exegese fest. „ . . . une tentative d'un ordre tout a fait unique dans la litterature exegetique contemporaine. C'est un retour, non par voie d'imitation servile, mais par un ressourcement de leur inspiration, ä l'exegese patristique . . ."728
Allerdings sei auch der Unterschied signifikant: Für Vischer gebe es nur den sens litteral729, was diesen mit einer Bedeutungsfülle belaste, die er vorher nie gehabt habe. Danielou wehrte sich gegen die Nichtunterscheidung einer kritischen und einer typologischen Exegese, die beide gleichberechtigt seien. Die Folgen der Nichtunterscheidung seien eine Überhöhung des Alten und eine Minimierung des Neuen Testaments. Indem das Neue auf das Alte Testament reduziert werde, stellten sich bittere theologische Konsequenzen ein. So beschreibe Vischer Gen 3, als wäre es immer noch aktuelles Geschehen und nicht durch die Taufe ausgelöscht. Ist nicht die Furcht ausgeschlossen? Bei Vischer bleibe sie, worin er von Barth ab724
A. a. O. 79 f. A. a. O. 80 f. 726 Auch JACOB, der damit aber ausdrücklich nicht in eine evolutionistische Philosophie abgleiten will (a. a. O. 80). 727 In: Dieu vivant Heft 15, 1950, 139-141. 728 A . a . O . 139. 729 Siehe oben Abschnitt 2.4.3, S. 204 ff. 725
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Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
hänge. Die Was/Wer-Formel am Anfang von Christuszeugnis I könne man richtig verstehen; bei Vischer aber werde sie einseitig für das Was des Christus ausgewertet. „Son dessein nous parait excellent; mais la fafon dont il l'accomplit est faussee par des vues dogmatiques. Elle est faussee aussi par la preoccupation de reduire a l'unite l'exegese litterale et l'exegese typologique."730
Roland de Vaux rezensierte die französischen Ausgaben der beiden Bände des Christuszeugnisses.731 Er anerkannte 1950 „un profond esprit religieux", sah aber zwei Gefahren: a) Dem Alten Testament werde der historische Sinn genommen, b) Werde im Alten das Neue Testament gefunden, so gehe der Unterschied der Testamente verloren, „inutile" würden Inkarnation und Kreuz Christi! Der gleiche Vorwurf sei gegenüber der Allegorese in der gegenwärtigen katholischen Exegese zu erheben. Christus sei im Alten Testament nicht einfach präsent, sondern zunächst verborgen, vorbereitet, angekündigt. Am zweiten Band bemängelte de Vaux 1952 Vischers Absehen von dem zeitlichen Charakter des Geschehens, in dem sich Gott mitteilt; die Ergebnisse einer Exegese, die wegen dieses zeitlichen Charakters historisch-kritisch arbeitet, akzeptiere Vischer zwar, versuche aber, selbst aus ihr zu „echapper". Damit werde der Reichtum des Alten Testaments, der in seinem Literal- und im historischen Sinn beschlossen liege, reduziert. Die Frage, wie die reichen Schätze des Alten Testaments angemessen zu heben, also sowohl darzustellen als auch für den christlichen Glauben fruchtbar zu machen sei, hat die Diskussion seither immer wieder bestimmt. Wir können sie nicht neu aufrollen732, sondern versuchen, Vischers Theologiekritik durch die Gegenüberstellung mit B. S. Childs für die jüngeren Überlegungen zur „Biblischen Theologie" fruchtbar zu machen. 2.5.7
Vischer und Brevard S. Childs: Christuszeugnis und Biblische Theologie
Brevard Springs Childs, Professor in Yale, hat 1992 eine Zusammenfassung seiner jahrzehntelangen exegetischen und theologiegeschichtlichen Studien vorgelegt: „Biblical Theology of the Old and New Testament. Theological Reflections on the Christian Bible". 1994 und 1996 wurden die beiden Bände in deutscher Übersetzung zugänglich gemacht, und zwar unter dem Titel „Die Theologie der einen Bibel"733 mit den Untertiteln „Grundstruk730
A.a.O. 141. In: Revue Biblique LVII, 1950, 284 f. (zu Band I); LIX, 1952, 282 f. (zu Band II). 732 Vgl. die Darstellungen von KRAUS (Geschichte, §§ 102. 104. 105) und REVENTLOW (Alttestamendiche Theologie; Biblische Theologie) zur Diskussion seit den 1950er Jahren. 733 Zur Begründung der deutschen Titelformulierung siehe das Geleitwort von MANFRED 731
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turen" (Band 1) bzw. „Hauptthemen" (Band 2). Es kann hier nicht darum gehen, die Entwicklung der zahlreichen Bücher von Childs bis hin zu dieser Summe nachzuzeichnen, ebensowenig darum, den Ort von Childs in der Diskussion um die Biblische Theologie zu lokalisieren; hierzu kann ich verweisen auf Oeming734, Reventlow, der die Diskussion bis 1982 erfaßt735, und auf das jeweils aktuelle Jahrbuch für Biblische Theologie". Vielmehr sollen Childs' letzte Überlegungen zur „Biblischen Theologie" (flankiert durch einige Aufsätze) als exemplarisches Beispiel für die neuere und neueste Diskussion um eine Biblische Theologie dienen (Abschnitt a), freilich nicht als Selbstzweck, sondern um die dogmatischen Voraussetzungen von Vischer und Childs zu vergleichen und einige der hinteren Teile der exegetischen Bühne nach vorne ins Rampenlicht zu holen (Abschnitt b). a) Childs' „Biblische Theologie" Der erste Band beginnt mit einer Ubersicht über die Geschichte der „Disziplin , Biblische Theologie'". Childs geht nicht chronologisch vor, sondern stellt erst die neuere Entwicklung seit Gabler und dann „Klassische Zugänge zur Biblischen Theologie" dar. Das zweite Kapitel innerhalb des ersten Bandes stellt Childs' eigene Hermeneutik vor; er spricht von einem „kanonischen Zugang zu beiden Testamenten". Was darunter zu verstehen ist, ist gleich zu entfalten. Das dritte und vierte Kapitel unterscheidet sich meist nur wenig von dem, was man bisher als historisch-kritische „Einleitung" in die Bibel zu lesen gewohnt war, nur tritt die Frage nach den theologischen Aspekten der einzelnen biblischen Schriften stärker hervor; die Titel lauten „Das Glaubenszeugnis des für sich allein genommenen Alten bzw. Neuen Testaments". Zwei exegetische Beispiele, die besser an den Schluß des zweiten Bandes gepaßt hätten, beschließen den ersten Band. Der zweite Band reflektiert, immer in grundsätzlicher Weise auf die Fragen von Schriftverständnis und -auslegung zielend, biblische „Hauptthemen" jeweils für beide Testamente: Gottes Identität, Versöhnung, Gesetz und Evangelium, alter und neuer Mensch, Glaube, Gottes Königsherrschaft, und, besonders lobenswert, den Zusammenhang der Biblischen Theologie mit dem gehorsamen Leben. Was ist Biblische Theologie? Welche Aufgaben hat sie? Childs unternimmt viele Anläufe, diese Frage zu beantworten. „Biblische Theologie" kann, so die erste Beschreibung des Begriffes, einerseits eine Theologie bezeichnen, die in der Bibel enthalten ist, andererseits eine Theologie, die OEMING (I, 13). - In diesem Abschnitt werden die beiden Bände einfach mit I und II bezeichnet 731 Gegenwart, 186 ff. 735 Biblische Theologie, 138-172; vgl. ders., Theologie und Hermeneutik.
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mit der Bibel übereinstimmt; im ersten Fall sei das Verfahren historisch und deskriptiv, im zweiten Fall konstruktiv theologisch, also normativ. Es handelt sich also, wie zuerst gesagt werden müßte, um eine Disziplin der Theologie. 736 Das von Childs durchgeführte oder zumindest angestrebte Verfahren enthält stets beide Aspekte; analog kann die Bedeutung von „Theologie" in Verbindung mit „Biblische" sich einmal auf den deskriptiven Aspekt beziehen 737 , ohne diese Verbindung auch auf den normativen Aspekt („Theologie" im Sinne von „Dogmatik") 738 . Die deskriptive Arbeit ist so notwendig wie begrenzt: „die Rede von den historischen Wurzeln des biblischen Glaubens dient eigentlich nur dazu, das Problem zur Sprache zu bringen, nicht es zu lösen."739 „Es bleibt . . . eine dringende Aufgabe der Biblischen Theologie, einen Weg aufzuzeigen, der zwischen der historischkritischen Bibelwissenschaft und der dogmatischen Theologie vermittelt."740 Die „Hauptfunktion der Biblischen Theologie" besteht „darin, einen ZweiWege-Verkehr zwischen biblischer Exegese und systematisch-theologischer Reflexion über den eigentlichen Hauptinhalt zu begründen. Biblische Theologie hat also sowohl eine negative wie auch eine positive Rolle in Bezug auf die ständige Aufgabe der Kirche, im Lichte des Evangeliums eine kritische Dauerreflexion über ihre Verkündigung zu leisten."741 Insgesamt enthält „Biblische Theologie" also eine Fülle von Aufgaben; tangiert werden alle theologischen Disziplinen, einschließlich der Homiletik. 742 Dogmatische und biblische Reflexion werden bei Childs zwar in einem Buch zusammengeführt, aber gleichwohl säuberlich bei jedem der oben genannten Hauptthemen auseinandergehalten. Die Darstellung gliedert jedes Hauptthema in vier Teile: ein alttestamentliches und ein neutestamentliches Zeugnis, eine biblisch-theologische Reflexion und dann erst dogmatische Aussagen. Es ist zum Beispiel bedauerlich, wenn die Reflexion über die Ebenbildlichkeit des Menschen nach Gen 1,26 f. abbrechen muß 743 , um nicht vorschnell ins Neue Testament oder gar auf das Gebiet der Dogmatik zu schreiten. Sagte Paulus
736
I, 22. Gleiche Definition bei WREDE und EBELING, siehe HAACKER, Fragestellung, 12 f. (Lit.). - Nach CHILDS ist es keine neue Disziplin; zur Geschichte verweist er auf die gängigen Darstellungen der Forschungsgeschichten beider Testamente. 737 „Biblische Theologen" sind in erster Linie Exegeten (Ζ. B. VON RAD, GESE etc.): I, 100 f. 738 Kap. 6. X. 4: „Biblische Theologie und Ethik"; Kap. 6. X. 5: „Theologie und Ethik" (je Band II). 739 II, 444. 740 II, 339. 741 II, 166. 742 Als begriffliches Problem ist zu notieren, daß „Biblische Theologie" sowohl für einzelne Schritte (siehe Inhaltsverzeichnis zu II.) der „Denkbewegung" (zum Begriff siehe unten) als auch für das ganze Projekt (II, 447) fungieren kann. 743 II, 267 f.
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(Apg 26,22 f.): „Ich sage nichts, als was geschrieben steht", so suggeriert die Trennung von Dogmatik und Exegese mitunter: Dies ist die Aussage der Schrift, ein anderes aber ist Ergebnis unserer Reflexion. Mag dies um der methodischen Nachvollziehbarkeit zu begrüßen sein, so ist es doch eine Zielverfehlung, wenn der Exeget nicht organisch zur Aussage weiterschreiten darf, worin nun im Sinne der ganzen Heiligen Schrift beider Testamente die Ebenbildlichkeit des Menschen besteht. Umgekehrt ist mitunter in den „dogmatischen" Teilen das Gespräch mit der Schrift durch das Gespräch mit systematischen Theologien nicht nur ergänzt, sondern auch ersetzt. Childs fordert etwa eine „massive theologische Neubesinnung auf die Funktion des Gesetzes als Ausdruck des einen Willens Gottes" 744 , aber bei ihm selbst fehlt sie faktisch. Indes w ä r e es ein M i ß v e r s t ä n d n i s , aus d e r T r e n n u n g von d o g m a t i s c h e r u n d biblischer T h e o l o g i e schließen z u wollen, C h i l d s eigne ein Schriftverständnis, das eine rein historische Exegese e r f o r d e r t u n d n o r m a t i v e Aussagen erst im Z u s a m m e n h a n g einer Reflexion d e r E n t w i c k l u n g des m o d e r n e n religiösen Bewußtseins ermöglicht. Sein K o n z e p t steht, wie an d e n H a u p t t h e m e n a u s g e f ü h r t w i r d , „in O p p o s i t i o n z u r a n t h r o p o z e n t r i s c h e n T r a d i t i o n liberaler T h e o l o g i e " , weil „ d e r biblische T e x t u n d seine t h e o l o gische F u n k t i o n als autoritative F o r m u n t r e n n b a r z u s a m m e n g e h ö r e n . " 7 4 5 Ein biblischer T e x t ist nicht n u r „Quelle", s o n d e r n auch „ G l a u b e n s z e u g nis"; dies u n z u r e i c h e n d unterschieden z u h a b e n , ist ein ständiger V o r w u r f an exegetische Kollegen. 7 4 6 „Das Objekt der historischen Untersuchung ist Israels eigenes Glaubenszeugnis von Gottes Heilshandeln. In Israels heiligen Traditionen haben wir sein besonderes theologisches Glaubenszeugnis von solchen Ereignissen, die sein Leben vor Gott ausmachen. Sofort lassen sich etliche hermeneutische Folgerungen aus dieser Formulierung herleiten. Erstens hat Israels Stimme einen privilegierten Status, der das Unternehmen vom vermeintlich neutralen Standpunkt vergleichender Religionswissenschaft absetzt. Zweitens basiert der vorgeschlagene Ansatz darauf, den biblischen Text viel mehr als , Glaubenszeugnis' zu betrachten denn als ,Quelle' und diese Unterscheidung durchzuhalten. Wenn man den Text als Glaubenszeugnis hört, beinhaltet dies eine Identifikation mit Israels theologischer Intention, Zeugnis von einer göttlichen Realität, die in Zeit und Raum hineingekommen ist, abzu744
II, 263.
745
I, 95.
746
I, 133. 311; a . a . O . 178 (mit anschließender Abgrenzung gegen GERHARD VON RAD und ALBRECHT ALT): „Wenn man den Text als Quelle behandelt, wird die Gefahr akut, daß man das Glaubenszeugnis des biblischen Texts von Gottes Handeln um Israels willen durch eine kritische Rekonstruktion substituiert. Mit anderen Worten, die Kraft hinter der Vielschichtigkeit des biblischen Textes ist ihrem Wesen nach theologisch und kann durch bloß kulturelle oder historische Terminologie nicht korrekt interpretiert werden"; vgl. II, 363 g e g e n H A N S - J O A C H I M KRAUS.
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legen. Umgekehrt heißt, den Text als Quelle zu hören, ihn als bloß kulturbedingtes Ausdrucksmedium anzusehen, das durch kritische Analyse brauchbare phänomenologische Daten über Israels gesellschaftliches Leben liefert. Drittens bedeutet das, die Geschichte Israels als ,kanonische' Geschichte zu studieren, d. h. als Geschichte, wie sie von Israels Tradenten als autoritativ angesehen wurde. Von einer , inneren' Geschichte zu sprechen, bedeutet nicht, ihre Internalisierung zu beschreiben, sondern eher einen Standpunkt. Die Perspektive, aus der diese Ereignisse gesehen werden, ist vielmehr diejenige Israels selbst als die einer objektiven, kritisch begründeten Rekonstruktion."747
Kritische Rekonstruktion von historischen Entwicklungen gibt es bei Childs nach wie vor; wichtig ist ihm aber, die biblischen Traditionen nicht als Quellen, sondern als Glaubenszeugnis wachsen zu sehen.748 Ein „Glaubenszeugnis wachsen zu sehen" heißt 1., den Charakter der biblischen Texte als mannigfach verschiedenartige Hinweise auf die dahinter stehende göttliche Realität, als menschliche Antwort auf die Offenbarung theologisch akzeptieren; 2. akzeptieren, daß in beiden Testamenten das Glaubenszeugnis historisch nachvollziehbare Entwicklungslinien durchmacht. 749 Mehrfach werden Gründe aufgezählt, die die Aufdeckung einer historischen Tiefendimension als vorteilhaft erscheinen lassen: 1. Eine Symphonie könne besser gehört und geschätzt werden, wenn der Beitrag der einzelnen Musikinstrumente erkannt wird.750 2. Die inneren Querverbindungen zwischen den unterschiedlichen Glaubenszeugnissen können oft besser verstanden werden, wenn die Weite des Glaubens Israels zu einer bestimmten Zeit aufgespannt wird.751 3. Es sei theologisch bedeutsam (offen aber: inwiefern) zu sehen, „bis zu welchem Umfang frühe Stadien der Tradition für besondere Gruppen normativ wurden"752. 4. Biblische Texte aus verschiedenen Zeiten spiegeln auch in ihrer kanonischen Gestalt eine bestimmte Qualität ihres ursprünglichen Lebens. Die Endgestalt des Kanons fordere somit selbst zu einer diachronen Leseweise auf, nicht aber dazu, innerkanonische Dissonanzen aufzuwerten, indem sie als glaubenstrennend interpretiert würden.753 Dies setzt eine Neudefinition voraus: Der Begriffsinhalt von „Kanon" wird 1. ausdrücklich ausgedehnt auf den ganzen „Prozeß" 754 747
I, 124 f. I, 134. bes. 310 f. (unten zitiert). 749 Ζ. B. bei Paulus: I, 340. 750 CHILDS nennt in Exegetical Significance, 69, als Beispiel die Unterscheidung der Pentateuch-Quellen, die zu neuer Präzision der Interpretation verhelfe; doch nur im Zusammenklang der Quellen übten sie ihre Autorität in der Glaubensgemeinschaft aus. 751 I, 133 f. 752 I, 134. 753 Ebd. - Analog für das Neue Testament: I, 256 f. 309-313; II, 354; für das Alte noch einmal in II, 90. 227 f. 754 I, 93-97; II, 385-387; Exegetical Significance, 66, vgl. 67: „Although it is possible to distinguish different phases within the canonical process - the term ,canonization' should 748
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von der Entstehung eines Textes bis zu seinem im engeren (statischen) Sinne „kanonischen" Platz, motiviert durch die „besondere Haltung der Tradenten gegenüber der Autorität der Schrift"755, 2. den kirchlichen Akt der „Kanonisierung" (im bisherigen engeren Sinne); 3. berührt „die kanonische Form der Literatur . . . auch die Frage, wie der moderne Leser das biblische Material versteht, besonders das Ausmaß, in dem er oder sie sich mit dem Glauben der Gemeinschaft der ursprünglichen Tradenten identifiziert"756. Kurz: „Kanon" ist ein Begriff über die Entstehung und Abgrenzung der heiligen Schriften sowie eine Leseanweisung.757 b) Für den Vergleich mit Wilhelm Vischer erscheint mir vor allem der letzte Aspekt des Kanonbegriffs relevant. Deshalb ist noch einmal zu prüfen, was „Kanon" für Childs Biblische Theologie bedeutet und was nicht. „Kanonisch" ist ja der zugleich bekannteste und umstrittenste Ausdruck für Childs „Zugangsweise" zur Schrift („canonical approach"758). Anders als in der Form- und Redaktionskritik liegt bei Childs das Augenmerk in erster Linie „on the effect which the different layers have had on the final form of the text, rather than using the text as a source for other information obtained by means of an oblique reading, such as the editor's self-understanding. A major warrant for this is ...": „The tradents have consistently sought to hide their own footprints in order to focus attention on the canonical text itself rather than the process."759 Form- und Redaktionskritik sind Methoden, die etsi deus non daretur funktionieren; sie lassen die notwendige Unterscheidung von „Quelle" und „Glaubenszeugnis" vermissen. Childs bestreitet, daß „Geschichte und Offenbarung historisch-kritisch ohne Einbeziehung des Glaubens in Übereinstimmung gebracht werden können. Solch eine Bewegung hätte eine Metamorphose zur Folge. Vielmehr ist es die grundlegende Funktion der vierfachen Form der kanonischen Evangelien, all solchen Versuchen eines historisch-kritischen Reduktionismus zu widerstehen, der die verschiedenen Glaubenszeugnisse zu einem Bild vereinigen möchte. Ich halte es weder für historisch möglich noch für theologisch legitim, die Lehren des irdischen Jesus aus den frühesten Schichten jedes Evangeliums herauspräparieren zu wollen, die dann am Ende ein Bild von Jesus ergäben, das von seiner Rezeption durch den Glauben der Kirche unabhängig wäre. . . . Insgesamt besteht das hermeneutische Problem . . . nicht in einem Kontrast zwi-
be reserved for the final fixing of the limits of qualitatively different from the later ones." 755 Kanon, 13. 756 I, 94; Exegetical Significance, 78. 757 II, 409. 439. - Hier liegt ein begriffliches Theologie" angezeigten vor. 758 Vgl. u. a. CHILDS, Kanon; ders., Exegetical 759 Exegetical Significance, 68. Zum Vergleich:
Scripture - the earlier decisions were not
Problem analog dem oben zu „Biblische Significance. DONNER, Redaktor.
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sehen einer , statischen' Lesart, die den Text in seiner Endgestalt analysiert, und einem historisch-kritischen Ansatz, der nach einer historischen Tiefendimension sucht. Die Frage richtet sich vielmehr auf die Eigenart der rekonstruierten Entwicklungslinie. Die Suche nach einer Tiefendimension von Wachstum und Veränderung im Glaubenszeugnis ist hermeneutisch gesehen von ganz anderem Rang als die weitverbreitete historisch-kritische Praxis der Rekonstruktion, die jede theologische Trennung zwischen Glaubenszeugnis und Quelle verwirft. Die ganze Bedeutung des christlichen Kanons ist die Beibehaltung einer solchen Unterscheidung und ineins damit auch der Erkenntnis der speziellen Autorität der Heiligen Schrift." 760
Warum ist aber die Letztgestalt theologisch höher zu werten als frühere Stufen?761 Childs antwortet: „The reason for laying such emphasis on the canonical form of Scripture lies in the peculiar relation between text and community which is constitutive of canon. The shape of the biblical canon reflects a history of encounter between God and Israel. Canon serves to describe this peculiar relationship and to define the scope of this history by establishing a beginning and an end to the process."762 Die Schriften seien Glaubenszeugnis auf allen Stufen ihres kanonischen Prozesses, nicht bloß - vor allem in den früheren Schichten - Informationsquelle über die Religion vergangener Zeit. Durch ihren kontinuierlich vorhandenen Ort im Leben einer Glaubensgemeinschaft unterscheide sie sich grundlegend von anderen Urkunden der Vergangenheit, die ζ. B. der Wüstensand freigeben hat.763 Eine nur als Informationsquelle verstandene Urkunde habe keine göttliche Dimension. Biblische Theologie aber werde erst durch „das basale christliche Bekenntnis" zur Theologie, daß beide Testamente die eine und gleiche göttliche Wirklichkeit bezeugen.764 Vischer hätte dem dankbar zustimmen können. Die Folgerungen, die er und Childs daraus ziehen, sind jedoch charakteristisch verschieden. Zu untersuchen ist daher (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) 1. das Verständnis der (alttestamentlichen) Offenbarung als Christuszeugnis; 2. von da ausgehend die Bewertung der neutestamentlichen Interpretation alttestamentlicher Schriftstellen; 3. das Verständnis von theologischer Arbeit überhaupt. Zu 1.: Vischer identifizierte die im Alten Testament offenbarte göttliche Realität mit Jesus Christus. Es gibt nur eine göttliche Realität in der Schrift, nämlich die des dreieinigen Gottes, der sich in Jesus Christus offenbart. Auch für Childs liegt im Alten Testament grundsätzlich Offenbarung Got-
760 761 762 763 764
I, 310 f. Dies durchzuhalten fiel auch CHILDS nicht leicht Vgl. oben zum Vergleich Vischer-VON RAD S. 251. Exegetical Significance, 69. A . a . O . 78. II, 324.
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Theologische Abgrenzungen und Konfrontationen
tes vor, aber es bleibt unklar, o b die T e s t a m e n t e eine o d e r z w e i göttliche Wirklichkeiten (eine neu- und eine alttestamentliche) repräsentieren: „ D i e Aufgabe einer biblischen T h e o l o g i e ist es nun, die Wirklichkeit Gottes, die im Alten Testament bezeugt ist, an der Realität Jesu Christi zu überprüfen. U m g e k e h r t versucht man, das neutestamentliche Zeugnis von Jesus Christus im Licht des Alten Testaments, das v o m im konkreten Leben Israels handelnden G o t t zeugt, z u verstehen." 765 „Es ist keineswegs so, daß das Alte Testament schlicht durch das N e u e Testament ,korrigiert' würde, als ob das Alte Testament grundsätzlich unterchristlich sei und die höhere Ebene des N e u e n Testaments bräuchte. Vielmehr ist die Realität Jesu Christi, wie sie in beiden Testamenten bezeugt wird, das letzte Kriterium des Willens Gottes und die N o r m , an der beide Testamente theologisch gemessen werden." 7 6 6 J e s u s C h r i s t u s w i r d a l s o n a c h C h i l d s in b e i d e n T e s t a m e n t e n
bezeugt
( C h r i s t u s z e u g n i s als g e n i t i v u s o b j e c t i v u s ) ; „ s e i n N a m e v e r e i n i g t d a s N e u e T e s t a m e n t mit d e m Alten unauflöslich"767. Biblische T h e o l o g i e h ö r t
die
b e i d e n Z e u g n i s s e j e g e t r e n n t 7 6 8 u n d s e t z t sie d a n n e r s t m i t e i n a n d e r i n B e ziehung769. Für Vischer w a r ein getrenntes H ö r e n ausgeschlossen. E r w ü r d e n a c h d e r o n t o l o g i s c h e n E i n h e i t d e r S c h r i f t f r a g e n : W a s ist e i n a l t t e s t a mentliches Christuszeugnis, das mit Jesus v o n N a z a r e t h nichts z u tun hätte? W a s ist e i n C h r i s t u s , d e r i m A l t e n T e s t a m e n t n i c h t w i r k s a m g e g e n w ä r t i g ist ( C h r i s t u s z e u g n i s als g e n i t i v u s s u b j e c t i v u s 7 7 0 ) ? - s o a b e r s c h e i n b a r C h i l d s , w e n n e r d i e n e u t e s t a m e n t l i c h e E r l ö s u n g als „ e r s t a u n l i c h n e u " b e z e i c h n e t 7 7 1 u n d m i t scharfen W o r t e n b e t o n t , Jesus d ü r f e nicht ins Alte
Testament
765
II, 429, ebenso 294. II, 430 (Hervorh. orig.); beide Zitate aus dem Abschnitt „Biblische Theologie und Ethik"; vgl. II, 162. 767 II, 140. - II, 451 (Hervorh. orig.): „Es ist ein grundlegendes christliches Bekenntnis, daß die ganze Schrift Zeugnis von Jesus Christus ablegt. In diesem Sinne gibt es nur eine einzige, einheitliche Stimme in der Bibel." 768 I, 102: „Beide Testamente legen je auf ihre Weise ein Glaubenszeugnis von Jesus Christus ab, das zunächst getrennt voneinander gehört werden muß und dann im Konzert vereinigt." Vgl. oben 2.5.2. 766
769
770
I,
130.
Wenn CHILDS sagt, es sei forschungsgeschichtlich überholt, „das theologische Interesse an Christi Präexistenz als griechische Spekulation zu behandeln" (I, 272 [Lit.]), bezieht sich das offenbar nur deskriptiv auf die jüdische Tradition, auf die die Verfasser des Neuen Testaments zurückgreifen konnten. CHILDS eigene Meinung bleibt offen, selbst auf den zwei Seiten unter der Überschrift „Präexistenz, Geburt und Inkarnation" (II, 151-153). Die Präexistenz wird tendenziell zur Meinung von Johannes und Paulus degradiert (Subjektwechsel!). In den Geburtsgeschichten werde der Präexistente nicht vorausgesetzt; „die Jungfrauengeburt hat keinerlei metaphysische Verbindung" (153). 771 I, 260. 266; II, 151. - I, 103: „Etwas total Neues ist mit dem Evangelium in die Welt gekommen." Dagegen aber I, 33 (gegen BARR).
300
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
„hineingelesen" werden772. Das Neue Testament bezeugt zwar nach Childs „nicht eine neue Lehre, sondern macht vom Blickwinkel der Auferstehung Christi die ontologische Basis einer Realität klar, die schon immer vorhanden gewesen ist".773 Dies darf aber nicht im Sinne Vischers aufgenommen werden: „Wie kann das Alte Testament Glaubenszeugnis von der Person und den Werken Jesu Christi sein? Der traditionelle Verweis auf Zeichen in Israels Geschichte, die, unabhängig von der Inkarnation Jesu Christi, auf die Aktivität der zweiten Person der Trinität verweisen, auf einen logos asarkos, ist nicht hilfreich gewesen. Ein christologisches Zeugnis findet sich nicht in irgendeiner mythischen Figur, die mit Jakob am Jabbok kämpft oder die auf mysteriöse Weise Daniels Freunde in den Feuerofen begleitet."774 Zu 2.: Die ersten Christen benutzten das Alte Testament nicht nur, so Childs gegen Barnabas Lindars, um ihr Christsein zu legitimieren, oder dazu, bei jüdischen Hörern verständlich zu sein (gegen von Harnack). Vielmehr: „Die jüdischen Schriften lieferten den einzigen autoritativen Kontext, durch den die wunderbaren, und doch so verwirrenden Ostereignisse verstanden werden konnten und aus dessen Perspektive auch das irdische Leben Jesu erfaßt werden konnte." 775 Childs liegt im Abschnitt „Die Rolle des Alten Testaments in der frühen Verkündigung" daran, die Verfasser des Neuen Testaments vom Vorwurf freizusprechen, sie hätten „die eigene Stimme des Alten Testaments komplett erstickt". Denn die ererbten jüdischen „exegetischen Techniken" wurden „durch die Substanz des alttestamentlichen Glaubenszeugnisses unter Kontrolle gehalten und begrenzt". 776 „In der Tat machte die Bezeichnung Jesu als ,der Christus' nur Sinn, wenn man annahm, daß sein königliches Amt schon lange vorher von den Propheten angekündigt worden ist."777 Dennoch wiederholt Childs sehr reflektiert, daß dem neutestamentlichen Gebrauch des Alten Testaments keine Vorbildfunktion für die moderne Hermeneutik des Alten Testaments zuerkannt werden könne 778 , denn „wir sind weder Propheten noch Apostel. Die Funktion des Kanons liegt darin, an diese Trennung zu erinnern" 779 ! Der christliche Ausleger dürfe die ,Rea-
772 773 774 775
II, 47 f. II, 69. II, 162 (Hervorh. orig.). I, 2 6 8 .
776
I, 267.
777
I, 2 6 8 .
778 I, 89. 100 (CHILDS selbst dachte früher anders). 102. bes. 110 f. 114. 287 f. 390; bes. II, 429 (vielleicht um sich vom Vorwurf GUNNFWEGS [Vom Verstehen, 227 f.] zu entlasten, nach CHILDS „müßte man konsequenterweise . . . pharisäisch-rabbinische Voraussetzungen übernehmen"). 779 II, 49.
Theologische Abgrenzungen und Konfrontationen
301
lität' - auch dieser Begriff schillert leider780 - Jesu Christi nicht auf das Alte Testament zurückprojizieren und „das biblische Glaubenszeugnis nicht mit der Wirklichkeit verwechseln"781. „Wenn man die alttestamentliche Gattung der Erzählung als eine Form eines Glaubenszeugnisses ernst nimmt und dennoch in die Erzählungen im nachhinein die Person Jesu Christi hineinläse oder die verschiedenen Theophanien als Offenbarung der zweiten Person der Dreieinigkeit auslegte, so bedeutete das eine Verzerrung des Glaubenszeugnisses und das Ersticken der dem Alten Testament eigentümlichen Stimme."782 Entsprechende „Unterstellungen" (!) der Reformatoren kommen nicht mehr in Frage.783 Es wäre ein „Umwandeln"784: Paulus habe zum Beispiel hinsichtlich des Gesetzesbegriffes mit dem Alten Testament gebrochen785 und den Messiasbegriff von seiner Begegnung mit Christus her „christianisiert"; der ursprüngliche alttestamentlich-jüdische Kontext sei für das Verständnis des paulinischen Messiasbegriffs „niemals notwendig".786 Demgegenüber könne es nicht das Ziel der Biblischen Theologie sein, „das Alte Testament zu christianisieren und so seine eigene Stimme zu ersticken. Vielmehr ist die Zugangsweise, die eine Biblische Theologie verlangt, die eines hermeneutischen Zirkels, in welchem man ab einem bestimmten Punkt der Reflexion das Alte Testament als Vorabschattung der vollen Realität Gottes in Jesus Christus liest, die sein Glaubenszeugnis bewirkte. Gewiß ist das, was einer solchen Denkbewegung zugrunde liegt, das basale christliche Bekenntnis, daß beide Testamente - ,viele Male und auf vielerlei Weise' (Hebr 1 , 1 ) - wahrhaftig von der einen und gleichen göttlichen Realität Zeugnis ablegen."787 Wilhelm Vischer ging weiter als Childs: Er hat die im Neuen Testament geübte Exegese generell nicht als „Hineinlesen" und umdeutendes „Sekundärverstehen"788, sondern als Primär- oder Originärverstehen des Alten Te-
780 II, 324: Die Schrift legt Zeugnis aber von der „göttlichen Realität"; II, 325: das Alte Testament berufe sich „auf eine Realität, die Glauben genannt wird" (Hervorh. S. F.). 781 II, 47. Unklar ist CHILDS' Bemerkung zu Hebr 11,26 in II, 326: Der Verfasser „kämpft auf einer ontologischen Ebene mit dem christologischen Problem, welche Rolle Jesus Christus als der ewige Mitder von Gottes Heilswillen in der Geschichte Israels und der Welt spielt." Der Verfasser ringt hier keineswegs mit einem denkerischen Problem, sondern treibt zum Zweck der Paränese assertorisch Theologie! 782 II, 47 f. 783 II, 262. 433 f. 784 Kanon, 25. 785 II, 242. 786 II, 138. 787 II, 324. „Biblische Theologie sucht jedes Testament getreu seiner eigenen Stimme zu hören, jedoch als Schrift der christlichen Kirche" (II, 325). - Worin besteht der „bestimmte Punkt" der Reflexion? Wäre nicht das Bild der Spirale viel angemessener? Worin besteht der Ausgangspunkt der Reflexion? 788 BAUMGARTNER, Auslegung, 187 (über Rom 4; Jak 2,25 ff.; Hebr 11,31): „Dieses christ-
302
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
staments bewertet. , Canonical approach' wäre bei Vischer ein aktuell-hermeneutischer Ausgangspunkt: Das Alte Testament ist erst bei gläubiger Annahme des neutestamentlichen Zeugnisses in seinem originären Sinn zu verstehen. Bei Childs ist es ein historisch-hermeneutischer Weg: der Nachvollzug
der inneralttestamentlichen, zwischentestamentlichen und innerneutestamentlichen Entwicklungen.789 Das klingt so anspruchsvoll wie anstrengend - Vischers alttestamentliche Hermeneutik ist, obwohl er auf historisch-kritische Arbeit nicht verzichtet hat, entschieden einfacher.790 Gleichzeitig muß anerkannt werden, daß bei Childs die historisch-kritische Arbeit eine schlüssigere Integration ins Gesamtkonzept erfahren hat als bei Vischer.791 Zu 3.: Welches Gesamtverständnis von Theologie steckt hinter den beiden Theologien? Childs nennt den genannten Nachvollzug oft „Denkbewegung"792. Gemeint ist eine „Denkbewegung von der Bibel als Glaubenszeugnis hin zum Hauptinhalt ihres Glaubenszeugnisses"793 und umgekehrt, also ein Doppelpfeil von der res scripturae hin zum Glaubenszeugnis und wieder zurück.794 Childs illustriert: „Die alttestamentliche Stimme von Jes 53 kann nicht richtig gehört werden, wenn dieses Zeugnis direkt mit der Passion Jesu identifiziert wird. Dieser kanonische Text spricht die leidende Gemeinde des historischen Israels im Kontext des alten Bundes an, verkündet die Botschaft der Errettung durch das stellvertretende Leiden eines göttlich gesalbten Knechtes. Jedoch um den Willen Gottes in Jesus Christus zu wissen, das eröffnet einen grundlegend neuen Blick auf dieses prophetische Zeugnis von Gott, der ,auf ihn (den Knecht) die Sünde von uns allen legte, . . . dessen Wille es war, ihn zu kränken und zu Grunde zu richten' [Satz sie]. Für jene, die die Herrschaft Jesu Christi bezeugen, ist dies eine unmittelbare Übereinstimmung. Entscheidend für diese Leseweise ist die Einsicht, daß das völlige Begreifen von Gottes Wirklichkeit, das der christliche Ausleger an den biblischen Text heranträgt, keine Ansammlung von richtigen Lehren oder moralischen Ideen ist, sondern eine Antwort auf den lebendigen Gott, der gnädig sich selbst bekanntgemacht hat. Ein Großteil des Erfolgs solch einer Exegese beruht darauf, wie
liehe Verstehen ist ein Sekundärverstehen, ein Verstehen aus einer späteren und mit dem neuen christlichen Standpunkt entscheidend veränderten Z e i t . . . . So wird nicht ein ursprünglicher Sinn derselben aufgedeckt, sondern ihr aus dem christlichen Glaubensbesitz ein neuer Sinn abgewonnen: es ist also überhaupt nicht Exegese im strengen Sinne des Wortes." 789 CHILDS, Exegetical Significance, 66 ff. Analog sei von den Verfassern des Neuen Testaments das Leben des Inkarnierten als die Fortsetzung der Offenbarung Gottes in der Geschichte Israels verstanden worden (I, 267 f.). 790 Ähnliches war bereits beim Vergleich mit VON HOFMANN und EICHRODT festgestellt worden. 791 Vgl. unten S. 334 f. 792 I, 103; II, 49 f. 165. 254-256. 324-326. 356. 396. 410. 428. 7.3 I, 103. 7.4 II, 49 und 50.
Theologische Abgrenzungen und Konfrontationen
303
angemessen Gottes Gegenwart verstanden worden ist Es gibt nämlich kein objektives Kriterium, durch das dieses Wissen überprüft werden könnte, gleichsam jenseits des Kriteriums von Gottes Wirklichkeit selber. Wenn die Kirche bekennt, daß es der Geist Gottes ist, der den Text zur Erkenntnis seiner wahren Wirklichkeit erschließt, dann läßt sich daraus ebenso folgern, daß der Geist auch die Wirklichkeit Gottes in ihrer Vollkommenheit zum Verstehen des Textes anwendet. Diese beiden Denkbewegungen können nicht getrennt werden. Am Ende steht die These, daß echte biblische Exegese im Kontext der Kirche einen Zugang zum Text auf mehreren Ebenen fordert. Die Funktion des Kanons als abgeschlossener Sammlung besteht darin sicherzustellen, daß dieses Korpus des prophetischen und apostolischen Zeugnisses nicht ersetzt werden kann, sondern das notwendige Medium für je neue Offenbarung Gottes bleibt. Gleichzeitig wirkt die Wirklichkeit Gottes, wie sie in der Bibel bezeugt und durch Gottes Geist je und je von neuem erfahren wurde, auf einer tieferen Ebene dahingehend, daß sie den Leser der Heiligen Schrift auf ein Verständnis von Gott hin instruiert, das aus Glauben zum Glauben führt Auf Grund einer reiferen Erkenntnis von Gottes Wirklichkeit, die durch das Lesen des gesamten Korpus der Schrift offenbar wurde, hallt in den biblischen Texten eine besondere chrisdiche Verstehensform wider, die durch die liturgische Erfahrung der Kirche zweifellos gestützt wird." 795 Im ersten Abschnitt s a g t C h i l d s , d a ß J e s 53 nicht direkt, s o n d e r n erst im christlichen G l a u b e n mit d e r P a s s i o n J e s u identifiziert werden kann. D i e s e r G l a u b e aber, s o der zweite Abschnitt, ist keine Initiative des M e n schen, s o n d e r n A n t w o r t auf G o t t e s Initiative. D i e s e ist, s o d e r dritte A b schnitt, aus d e m H ö r e n von G o t t e s geschriebenem W o r t heraus i m m e r neu e r f a h r b a r e Wirklichkeit. D e r E i n d r u c k d e r ersten Lektüre, d a ß die „ D e n k b e w e g u n g " ein rein intellektueller V o r g a n g w ä r e , wie m a n c h e Formulierungen nahelegen 7 9 6 , bestätigt sich im G a n z e n nicht. C h i l d s reflektiert a m E n d e ausdrücklich den Z u s a m m e n h a n g v o n „Biblischer T h e o l o g i e " u n d g e h o r s a m e m L e b e n in Christus. 7 9 7 E r schließt:
795 II, 50-51 (ungekürzt). CHILDS zitiert im Anschluß ein Gebet von JOHN DONNE, das so endet: „Oh, welche Worte außer deinen können die unausdrückbare Struktur ausdrücken und die Komposition deines Wortes?" (51; Hervorh. orig.). 7 , 6 II, 254-256 unter der Unterüberschrift: „Die theologische Denkbewegung vom Zeugnis zur eigentlichen Substanz". Recht unangenehm nach Wissenschaftspelagianismus schmeckt die Formulierung: „Wenn aber unsere Reflexion zur eigentlichen Substanz des Zeugnisses vorgedrungen ist und sich ein Profil des christlichen Lebens im Verhältnis zum Gesetz gebildet hat, wird ein neuer Ausblick auf das Alte Testament eröffnet" (II, 255 f.; vgl. auch II, 263). Sehr fraglich scheint mir auch, ob man die Verbindung zwischen impliziter und expliziter Christologie als „Denkbewegung" bezeichnen kann (II, 356), ohne damit in ein religionsgeschichtliches Muster (Jesus der Botschafter wird erst in der Predigt der frühen Christen selbst zur Botschaft) zu fallen; kann ein subjektiv gedachter Jesus in objektiver Wahrheit Sohn Gottes sein (oder erst werden)? Solche Fragen tauchen immer wieder auf, wenn Dogmatik und Exegese nicht organisch zusammenkommen. 797
II, 372-441.
304
Wilhelm Vischer als Ausleger der Heiligen Schrift
„Wir lesen und hören auf die Heilige Schrift, um durch die Verheißung des Evangeliums verwandelt zu werden. D i e Gefahren des Ver-Hörens sind immer gegenwärtig: das Evangelium zum G e s e t z zu verkehren, Gottes Wort zu einer Form menschlicher Ideologie zu machen, über das Götdiche mehr zu sprechen als G o t t zu begegnen. Die gute Nachricht ist, daß die christliche Bibel in ihrem zweifachen Zeugnis eines Alten und Neuen Testaments Gottes Geschenk an die Kirche und die Welt bleibt, eine unerschöpfliche Quelle des Lebens für die Gegenwart und eine durch nichts zu erschütternde Verheißung für die Zukunft." 7 9 8
Wilhelm Vischer hätte hier keinen Einspruch erhoben. Auch für ihn durfte die Wirkung der Schrift im Gewissen („Du bist der Mann!" „Ich habe gesündigt gegen den Herrn!" „So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen, du wirst nicht sterben!") nicht durch distanzierende Kritik aus der wissenschaftlichen Schriftauslegung gedrängt werden. Zwischen Vischer und Childs gibt es einen weitreichenden Konsens in dem Bestreben, die unbefriedigende, weil unverbundene Nebeneinanderstellung einer neu- und einer alttestamentlichen Theologie zu überwinden.799 Nur ist mit Vischer zu bedauern, daß auch einer der wichtigsten neueren Ansätze zur Biblischen Theologie zum Erreichen dieses Zieles nicht die ,schneidende' 800 Schärfe der neutestamentlichen Auslegung des Alten Testaments weitergibt und hier den Ansatz gefunden hätte, das Nebeneinander der Testamente als Miteinander zweier Halbchöre 801 zu hören.
7,8 799 800 801
II, 452. Vgl. oben S. 14. Vgl. oben Anm. 91, S. 164 f. Christuszeugnis I, 29.
3 Zusammenfassung
und
Beurteilung
Die hier erfolgende Zusammenfassung muß in äußerster Konzentration noch einmal die wesentlichen Punkte herausheben. Im Rückblick auf die Kritik an Vischer wollen wir dies anhand der Frage nach dem theologisch leitenden Geschichtsverständnis durchführen (3.1). Um Vischers Verdienst zu würdigen, werden unter anderem einige Stimmen über seine Wirkung angeführt. Der Schluß ist zum einen den kritischen Fragen gewidmet, die ich an Vischer vom Neuen Testament her stellen möchte, wieder in der Konzentration auf zwei zentrale Aspekte (3.2). Zum anderen sind die kritischen Fragen zu formulieren, die von einer Besinnung auf Vischers Auslegungen her an die wissenschaftliche Exegese des Alten Testaments zu stellen sind (3.3). Die Fragen könnten in beiden Richtungen vermehrt werden. Eine kritische Reflexion der Leitthese Vischers hinsichtlich der Frage nach einer Uroffenbarung kann hier unterbleiben, weil damit nicht ein spezifisches Problem Vischers, sondern ein Problem der dialektischen Theologie insgesamt vorliegt. Hinsichtlich Vischers Eschatologie etwa kann ich im Rahmen der Themenstellung ein Problem nur andeuten.1 Was das Problem der Rachepsalmen oder das Problem der Unterschiedlichkeit der neutestamentlichen Benutzung des Alten Testaments betrifft, wäre zu fragen, warum Vischer diese Probleme umgangen hat. Interessant wäre eine eingehende Untersuchung des (analog zum Neuen Testament) schillernden Israelbegriffs. Schon Walther Zimmerli hatte angemahnt, die Frage „Wer ist Israel?" ohne alle Zweideutigkeit zu beantworten, sonst werde das Alte Testament, das sich an Israel richtet, in der Kirche doch als Verlegenheit empfunden.2 Ich möchte mich jedoch hier auf die hermeneutischen Fragen und auf das Christuszeugnis des Alten Testaments konzentrieren. Hinsichtlich der Fragen, die uns Vischer stellt, darf zur Ergänzung noch einmal auf die theologischen Abgrenzungen von Teil 2.5 zurückverwiesen werden.
1
Siehe unten Anm. 155, S. 338; vgl. die Zitate über die Errettung aller Juden oben S. 133 f. Vgl. die Kritik ZlMMERLIs, die im Berichtsband über die 83. Versammlung des Schweizer Reformierten Pfarrvereins (Liestal 1942), 118-120 wiedergegeben ist. 1
306
Zusammenfassung und Beurteilung
3.1 Zum Geschichtsverständnis
der Kritik an Vischer
Vischer hat im akademischen Bereich mehr durch den Widerspruch gewirkt, den er evoziert hat, als durch die Bildung einer Schule.3 Nach der Einschätzung Nicolaisens richteten sich die Anfragen an Vischer weniger gegen sein grundsätzliches Anliegen als gegen die exegetische Art der Durchführung.4 Wie die Ubersicht5 der Gravamina zeigt, wird man dem nicht zustimmen können. Leitsatz und Hauptthesen in Vischers Schriftauslegung6 werden bestritten, und zwar hinsichtlich ihrer dogmatischen Berechtigung und ihrer exegetischen Anwendung. Das Sturmientrum der Auseinandersetzungen um Vischers Christuszeugnis lag nicht im Bereich von Methodenfragen. Die kritischen Anfragen liefen auf christologische Themen hinaus. In der Tat waren für Vischer von der Christologie, genauer: vom Glauben an Jesus als den Messias des alten und des neuen Israels her die Verhältnisse von Geschichte und Theologie (in allen ihren Erkenntnisvollzügen; vgl. These 7) und von Altem und Neuem Testament unverrückbar bestimmt. Dieser Glaube - nach Joh 6,29 zu verstehen als Gottes Werk - ließ das göttliche Bleiben durch die Zeiten erkennen, mithin die Kontinuität der von Gott mit dem Menschen geschlossenen Bünde7. Die Kritik hieran lautete: „Das Neue des Christusgeschehens kann bei Vischer nicht zur Geltung kommen, weil er bei seiner statischen Christologie nicht beachtet, daß sich Gottes Offenbarung in der Geschichte ereignet . . . Dadurch werden hier die Unterschiede zwischen den Testamenten eingeebnet."8 3
V g l . WILLI, E r i n n e r u n g s h e f t ,
4
NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 163.
5
A b s c h n i t t e 2 . 5 . 4 - 2 . 5 . 6 u n d h i e r ; f e r n e r SCHROVEN, C h r i s t o l o g i s c h e A u s l e g u n g ,
19. 194-207.
6
Siehe oben Teil 2.1. 7 Diese können recht verschieden aussehen, etwa hinsichtlich der Zahl der Bundespartner Gottes (alle: Noahbund; einer: Bund mit Abraham, auf den Bund mit vielen - Israel zielend, wieder alle Menschen: Zeit der weltweiten Gemeinde des Neuen Bundes; vgl. SAUER, Morgenrot, 223 f. über den Stufencharakter des Heilsplans, dass, für LUTHER [Patriarchenkirche - Volkskirche - Prophetenkirche]: BORNKAMM, Luther und AT, 178. 182. 184); allein das Ziel aller Wege Gottes ist Vischer dasselbe: Verherrlichung der Gottheit und Versöhnung der Menschheit. Sind zwar alle Zeiten der Bibel durch Bünde verschieden bestimmt, so ist der Sinn der biblischen Chronologie doch einer: Alle Zeit ist Gnadenfrist (Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 29 f.; La methode de l'exegese biblique, 1961, 119). - Ein von Gott erlassener „Bund" stiftet im Alten wie Neuen Testament Gemeinschaft mit Gott. Diese gründet zu allen Zeiten auf der Vergebung, die Jesus Christus ein für allemal gestiftet hat. Hierin gibt es keinen Fortschritt in der Heilsgeschichte; sie ist insgesamt auf diese Stiftung bezogen. 8
SCHMIDT, T R E
15,
1 3 9 ( H e r v o r h . S . F . ) ; v g l . BARR, V i s c h e r a n d A l l e g o r y ,
57;
DA-
NIELOU, Rez., 141. - Vgl. Vischer, Notes sur le culte de l'Ancien Alliance, 1963, 289: Der Kult werde im Neuen Testament deutlich für beendet erklärt und seine Fortführung verboten, weil Jesus ihn ein für allemal erfüllt habe. Damit helfe das Studium dieses Kultus, den
Zum Geschichtsverständnis der Kritik an Vischer
307
Dogmatische Kritik erfolgt also von der Kategorie der „Geschichte" aus. Der sich damit öffnende Komplex muß von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Zum einen ist noch einmal ein Blick auf die Phänomenologie der Hochschätzung von „Geschichte" in der Theologie zu werfen. Zum anderen steht diese Hochschätzung in einem geistesgeschichtlichen Zusammenhang. Zum dritten soll anhand der Auseinandersetzungen um Wilhelm Vischers Sicht des Christuszeugnisses des Alten Testaments sowohl ein Autoritätenkonflikt konstatiert als auch in einem vierten Schritt eine dogmatische Entscheidung und Beurteilung versucht werden. a) Die Hochschätzung von Geschichte kommt häufig darin zum Ausdruck, daß das skandalon, also nach l.Kor 1-2 das Zentrum des christlichen Glaubens, mit der Geschichtlichkeit, das heißt menschlichen Bedingtheit seiner grundlegenden Zeugnisse identifiziert wird.9 Wer die Geschichtlicheit der Schrift als anstößig bezeichnet, will zeigen, daß ihr besondere Aufmerksamkeit zu schenken und theologische Dignität zuzuerkennen ist. Diese Sicht und Wertung von „Geschichtlichkeit" wird in aller Regel weder theologisch, das heißt mit dem Hinweis auf Schriftworte begründet, noch „Geschichte" definiert oder inhaltlich umgrenzt. Das verführt dazu, „Geschichte" (in der Regel unbewußt) aus philosophischen Quellen zu bestimmen, mithin sehr umfassend einzuschätzen: Offenbarung ergehe nicht nur in menschlich-geschichtlicher Zeit, sie sei selbst geschichtlich bzw. Geschichte; beide Größen können sogar verschmelzen.10 Die Verbindung bewirkt, daß eines das andere bedingt. Wenn man nicht weiß, was „Ge-
Priesterdienst Jesu besser zu verstehen. - KRAUS befragte BARTHS Präexistenzchristologie (Neue Begegnung, 437): „Wird mit dem Pathos: Ein Christus, eine Bibel nicht die Realität der Inkarnation aufgelöst und mit der Einheitsforderung nun eben doch in eine Christusidee kontrahiert und abstrahiert?" KRAUS gibt selbst keine Antwort. Man muß eben m. E. beides zusammenhalten: einerseits begegnet uns die Offenbarung in einer großen Fülle und in einem Reichtum an geschichtlichen Phänomenen - und andererseits findet diese Fülle in Jesus Christus Einheit, Grund, Weg und Ziel (Kol 1,19; vgl. Vischers Predigt über Joh 1,16.17, gedruckt 1949; ferner: Jerusalem, du hast deine Schwestern gerechtfertigt durch alle deine Greuel, die du getan hast, 1957, 36 f.). Die Kritik an einer Einebnung der Unterschiede der Testamente wird meist verbunden mit einer Kritik an der Nichtbeachtung der Geschichtlichkeit der Offenbarung; beides wird christologisch begründet (vgl. HERMANN, Bibel und Hermeneutik, 59 mit Christuszeugnis I, 31). ' Vgl. oben Anm. 355, S. 220 f.! 10 Vgl. bes. PANNENBERG, Offenbarung, 97 f. - Als Beispiel dafür, daß Offenbarung nicht nur von Geschichte her verstanden wird (statt umgekehrt), sondern daß diese den Platz von jener einnehmen kann, mag HEINZ ZAHRNT dienen (ASMUSSEN/ZAHRNT, Briefwechsel, 17 f.). Sofern die Geschichte den Platz von Gottes Geist einnimmt und Gott fern jeder Geschichte thront, liegen Monismus und Deismus in friedlicher Koexistenz beieinander. In solchem Monismus ist Christus freilich nicht Herr, sondern Teil der Zeit.
308
Zusammenfassung und Beurteilung
schichte" ist und was nicht, bleibt letztlich unerkannt, was aus „Offenbarung" wird, die eng an sie gekoppelt wird. Muß man erst einen (bestimmten? richtigen?) Geschichtsbegriff gefunden haben, um von der Schrift reden zu können?11 Haben wir nicht vielmehr umgekehrt aus der Schrift zu lernen, was Geschichte ist? So ist vom Leitsatz Barths auszugehen, daß Offenbarung kein Prädikat der Geschichte, sondern Geschichte ein Prädikat der Offenbarung ist12, das heißt jene von dieser her bestimmt wird.13 b) Die Wissenschaftlichkeit vor allem der kirchengeschichtlichen und exegetischen Disziplinen wird in der Regel durch Anlehnung der Methoden dieser Disziplinen an diejenigen der Geschichtswissenschaften im „neuzeitlichen" Verständnis legitimiert und verstanden. Denn „seit die Aufklärung jede Art gesellschaftlicher und politischer Ordnung und jede Interpretation der Wirklichkeit dem Zwang zur rationalen Begründung unterworfen hat, historisierte sich das Denken in einer Weise, daß alles Bestehende auf die Gründe seiner Entstehung zurückgeführt werden mußte. Diese Aufgabe übernahm vorrangig die Geschichtswissenschaft."14 Diese aber zeitigte keinen kontinuierlichen Forschungsfortschritt, sondern durchaus wechselnde und gegensätzliche und so immer nur vorläufige Ergebnisse.15 So war jene Anlehnung die Ursache für eine starke Zunahme der Unsicherheit bei dogmatischen Aussagen. „Geschichte" ist seit der Entwicklung des Kollektivsingulars im 1 S.Jahrhundert und dem Deutschen Idealismus ein moderner „LeitbegrifP, also zu einem alle Lebensgebiete erfassenden „regulativen Prinzip aller Erfahrung und möglicher Erwartung"16 geworden. „Geschichte" rückte „auf zu einer letzten Instanz"17 und „hatte einen in sich geschlossenen Totalitätsanspruch gewonnen, der konkurrierende Erklärungsmodelle ausschloß"18. Seit der Zeit der französischen Revolution „war der Begriff , Geschichte' So GOGARTEN 1922 gegenüber BARTH (BUSCH, Barths Lebenslauf, 148). K D 1 / 2 , 64 (vgl. BUSCH, Barths Lebenslauf, 247; bei CHILDS, Theologie II, 445 wird dieser Satz als die prägnanteste Formulierung des hermeneutischen Problems überhaupt bezeichnet). Vgl. K D 1 / 1 , 424, wo die Frage des Geschichtsverständnisses gerade am Falle von Ebionitismus und Doketismus akut wird; diese Häresien haben dort sowohl Wurzeln als auch Wirkungen. 11
12
13 14 15 16 v
Vgl. ROTHEN, Klarheit I, 18. HARDTWIG, Geschichtskultur, 7. Vgl. KUHN, Struktur. GÜNTHER/KOSELLECK, A r t Geschichte, 678. A. a. O. bes. 646 ff., Zitat von S. 650.
18 A. a. O. 690. Noch GUNNEWEG (Theologie, 4 3 ) spricht von „dem ein für allemal erwachten historischen Bewußtsein". - Für dieses Bewußtsein gibt es wohl keinen Gegenstand, der nicht geschichtlicher Veränderbarkeit unterworfen wäre, nur es selbst ist scheinbar von diesem Schicksal ausgenommen.
Zum Geschichtsverständnis der Kritik an Vischer
309
fähig, jenseits aller wissenschaftlichen Methodik den Raum ehedem kirchlicher Religion auszufüllen."19 „So versammelte, durch die Lager hindurch, die ,Geschichte' ehedem göttliche Epitheta auf sich. Sie wurde allmächtig, allgerecht, allweise, schließlich wurde man vor ihr verantwortlich. Quasi ein Säkularist, wurden der Geschichte religiöse Bedeutungen zugemutet, die aus dem Begriff selber kaum ableitbar waren."20 Nach dem Untergang des übernationalen heiligen römischen Reiches werden ein Volk und seine Geschichte zum gedachten Subjekt, das Recht und Legitimation vergibt; was in einem Volk oder für ein Land als begründet gelten soll, muß aus dessen Geschichte ableitbar sein. Die Hochschätzung von Blut und Boden im deutschen Nationalsozialismus ist weder ein Phänomen erst des 20. Jahrhunderts noch auf Deutschland beschränkt; hier aber kam sie mit totalitärer und in den Genozid führender Radikalität zur Entfaltung. c) Wird nun solch ein Leitbegriff hinterfragt, kommt es zu einem Autoritätenkonflikt.21 Die Spannung von Geschichte in dieser Rolle und Theologie erwies sich trotz aller Versöhnungsversuche in jeder Hinsicht als unaufhebbar. Der Konflikt tritt ein, wenn der Absolutheitsanspruch des beschriebenen Geschichtsbegriffes auf den Absolutheitsanspruch Jesu Christi bzw. auf eine von Joh 1,1-18; l.Kor 8,6; Phil 2,6f.; Hebr 13,8; Offb l,17f. ausgehenden Christologie trifft: es streitet die Vorstellung einer ewigen „Geschichte" und ihres Kausalitätsgesetzes mit der Ewigkeit und Präsenz des Herrn aller Zeiten und Räume. Ein dogmengeschichtliches Paradebeispiel, das seine Aktualität nicht verloren hat, wenn man sich etwa die populären Bücher über das Leben Jesu vergegenwärtigt, bietet David Friedrich Straussß: „Strauß ersetzte . . . die Absolutheit des dogmatischen Anspruchs durch die Absolutheit historischer Relativität."22
° GÜNTHER/KOSELLECK, Art Geschichte, 673. A . a . O . 711. 21 Vgl. FINDEISEN, Geschichte, 32. Auch Begriffe wie Wahrheit, Wirklichkeit oder Erkenntnis gehören zu einer Gruppe von bestimmenden „Großworten". - Vgl. BARR, Revelation; JOEST, Fundamentaltheologie, 71: „Redete der Gott, der in Jesus Christus spricht, vor-laufend schon zu Israel, so werden wir aber nicht sagen können, daß das Alte Testament als Ganzes und in allen seinen Elementen Ausdruck eines vor-laufenden Glaubens an diesen Gott (geschweige denn ,Christuszeugnis') ist. Wer das behaupten . . . will, gerät in die Alternative, entweder viele alttestamentliche Texte u n g e s c h i c h t l i c h auf das Neue Testament hin überinterpretieren zu müssen, oder christliche Theologie als biblizistisches Gesamtsystem konstruieren zu müssen, in dem alles mit allem vermittelt wird und die klaren Konturen des Evangeliums verloren gehen" (kursive Hervorh. orig., gesperrt S. F.). 20
22 BEYSCHLAG, Grundriß I, 29. - Die begriffliche Unterscheidung von Dogmatik dort und Historie hier wird in der Formulierung dieses Satzes implizit als irreführend und das Problem offenhaltend entlarvt: in beiden Fällen liegt eine Bindung des Bewußtseins und eine Vorentscheidung für jegliche Werturteile vor, womit das Wesen des „Dogmatischen" bereits zureichend beschrieben ist (vgl. SLENCZKA, Entscheidung, 272-280 [Lit.]).
310
Zusammenfassung und Beurteilung
d) Der derzeitige Entwicklungsstand des Leitbegriffes „Geschichte" ist vorwiegend in den Endphasen der Faszination zu orten, indem sowohl „die anwachsende Frustration über die Unlösbarkeit der Probleme historiographischer Methodologie"23, die Beliebigkeit der inhaltlichen Füllung des Begriffes24 wie auch der einsetzende Sinnverlust des Menschseins mit neuen Licht- und Geisteinbrüchen eines „neuen Zeitalters"25, neuer Pluralisierung von Geschichte26 und damit mit der Aufhebung ihrer normativen Funktion27 in Erscheinung tritt. In der referierten Kritik an Vischer war die Faszination allerdings noch vielfach ungebremst wirksam28, so daß der Kampf der Autoritäten mit voller Schärfe tobte.29 Bis in die gegenwärtige Theologie trifft dies speziell auf den Gedanken zu, nicht nur die Autoren der Schrift, sondern auch wir selbst befänden uns mit unserem Denken, Fühlen und unserer Theologie in einer von unserer Verfügung unabhängigen geistesgeschichtlichen oder biographischen Bedingtheit (man könne nicht anders30). Entstehen und Verstehen der 23 CHILDS, Theologie I, 244. CHILDS übersieht leider das skizzierte Problem der Vergötzung von Geschichte ( a . a . O . , Exkurs S.234-248)! 24 „Nun gehört es freilich zum neuzeitlichen Begriff der Geschichte, daß er von Anfang an ideologieanfällig und damit ideologiekritisch in Frage zu stellen war. Diese Ambivalenz, die in den bisher dargestellten Mehrdeutigkeiten enthalten war, teilt der Begriff mit den übrigen Leitbegriffen der Moderne" (GÜNTHER/KOSELLECK, Art. Geschichte, 706). Ebd. das Zitat von CAJUS GRAF REVENTLOW: „Die Geschichte wird wohl als Schiedsrichter angerufen, aber doch nur scheinbar; denn in Wahrheit gebraucht jeder die historischen Tatsachen nur als Mittel, um seine bereits vorhandene unumstößliche Meinung in rabulistischer Weise zu begründen und zu rechtfertigen." Vgl. a. a. O. 709. 25
FINDEISEN, Geschichte, 32.
26
GÜNTHER/KOSELLECK, A r t G e s c h i c h t e , 7 1 6 ; SPECK, V e r s t r i c k t .
27
KOLAKOWSKI, Historischer Mensch, 22: Der „historische Mensch" ist verkommen, sein Abkömmling, der Relativismus, lebt und gedeiht. 28 Noch 1975 bemerkt KOSELLECK (GÜNTHER/KoSELLECK, Art. Geschichte, 715 f.), „eine Enthistorisierung des allgemeinen Bewußtseins oder gar der Wissenschaften" habe bisher keinen „wirklich durchgreifenden Erfolg gehabt"; nirgendwo werde ernsthaft auf den Begriff verzichtet. Vgl. SLOTERDIJK, Geschichte, 270-273. 29 Er tobte auch innerhalb Vischers Theologie, siehe unten 3.2.1. 30 Vgl. oben Anm. 562, S. 263; KAISER, Einleitung, 343 f.: „Daß die historisch-kritische Erforschung .. für uns Schicksal ist, vor dem es keinen Rückzug in die Naivität gibt, ist hier ebenso festzuhalten wie das andere, daß der nur distanzierte Leser ihrem Eigendichsten nicht beikommen kann." CHILDS, Kanon, 23 f. widersprüchlich: „Der moderne christliche Theologe nimmt am Unternehmen Biblische Theologie von einem Lebenszusammenhang aus teil, der sich von dem der Urkirche grundlegend unterscheidet. Er hat nicht nur . . . an einer durch die Aufklärung geprägten Perspektive auf die Bibel teil; der entscheidende Unterschied besteht vielmehr darin, daß er eine christliche Bibel besitzt, die aus zwei normativen Elementen besteht. Im Gegensatz dazu hatte die Urkirche kein Neues Testament . . . Der moderne Christ liest das Alte Testament genau wie die Urkirche als Hinweis auf Jesus Christus" (vgl. Theologie I, 41 f., wo sich CHILDS im Namen der quaestio facti gegen GEORGE LINDBECKS Darstellung der quaestio iuris wendet). Unverständlich ist auch, wie CHILDS behaupten kann, das Alte Testament habe in der frühen (!) und mittelalterlichen Kirche
Zum Geschichtsverständnis der Kritik an Vischer
311
Schrift werden hier also nicht unter dem Vorzeichen des göttlichen, sondern des menschlichen und geschichtsbedingten Handelns gesehen. Diese Axiomatik habe Vischer nicht beachtet, wenn er den Schriftbeweis der Urgemeinde unkritisch wiederhole und zwischen der vom Neuen Testament verwendeten Methodik und seiner eigenen nicht oder zu wenig unterscheide. Unter den Oberbegriff mangelnder Differenzierung historischer Situationen und Erkenntnishorizonte fällt der Vorwurf, „unhistorisch" auszulegen, mit anderen Worten: Spezifisch alttestamentliche Aussagen würden durch neutestamentliche oder gar außerbiblische Aussagen absorbiert, somit die notwendige (bisweilen „theologisch" genannte31) Exegese versäumt bzw. die Frage nach der geschichtlichen Wirklichkeit beiseite geschoben32. Als Erkenntnisgegenstand wissenschaftlicher Exegese des Alten Testaments wird hier das religiöse Selbstverständnis der alttestamentlichen Autoren angesehen.33 Dieses Selbstverständnis aber könne und müsse historisch-kritisch* erfaßt werden. Der theologischen Aufgabe der alttestamentlichen Wissenschaft entspreche keine spezifisch theologische Methode. Wer das Alte Testament christologisch auslege wie Vischer, gehe also an der eigentlichen theologischen (!) Aufgabe der alttestamentlichen Wissenschaft vorbei und betreibe „Eisegese".35 Ein Vorbeigehen an der theologischen, speziell homiletischen Aufgabe der Exegese wird auch kritisiert, wenn behauptet wird: Indem die alttestamentliche Geschichte als Weg mit Jesus und die Botschaft des Alten
„nur" dazu gedient, „verschiedene traditionelle theologische Systeme zu stützen" (Theologie I, 21). 31 Am Rande sei notiert, daß „Ungeschichtlichkeit" nach wie vor mit christologischen Defizienzen gleichgesetzt wird: „Durch die Ausschaltung historischer Erkenntnisse über die Entstehung der biblischen Schriften, die eine lange exegetische Praxis gewonnen hat, ist seine Lösung als ganze wissenschaftlich unannehmbar. . . Dogmatisch gesprochen: D a ß die Inkarnation des Wortes letztlich nicht ernstgenommen wird, ist der Geburtsfehler einer solchen Hermeneutik" (REVENTLOW, Theologie und Hermeneutik [1996], 143). 32 KÖHLER, Christus, 253; vgl. STEPHAN, Geschichte, 306 f. über Vischer: „praktisch eine Abdichtung des A.T.s gegenüber der historischen Betrachtung und ein Rückfall in dogmatisch-allegorische Auslegung". 33 Vgl. CHILDS, Theologie II, 407. 34 WANKE, Notwendigkeit, 12: „Auslegung ist also, sofern sie das Alte Testament in seiner Eigenart ernst nimmt, historische Wissenschaft. Und sie ist, sofern sie die Forderung nach Intersubjektivität akzeptiert, kritische Wissenschaft. .. So betriebene Auslegung des Alten Testaments . . . ist . . . jedenfalls Voraussetzung jeden Verstehens des Alten Testaments, das nicht von vornherein den auszulegenden Texten bestimmte Aussagen unterschieben will." A . a . O . 13: Das erzielte Verstehen sucht „überhaupt eine Distanzierung zum untersuchten Gegenstand zu erreichen und mit ihm in einen Dialog eintreten zu können." Vischer hat das Prädikat „historisch-kritisch" immer für sich in Anspruch genommen; die in 2.5 referierte Kritik belegt aber insgesamt, daß er diese Methoden gefangen halten möchte durch einen Stärkeren (siehe oben S. 168). 35 WEISER, Aufgabe, 314-316.
312
Zusammenfassung und Beurteilung
Testaments als Weissagung auf den Christus Jesus hin interpretiert werden, gehe ihr homiletischer Wert, ihre Wirkung als Zuspruch und Mahnung verloren.36 Dies verwundert, lag doch für Vischer gerade im Christusbezug der Texte die Grundlage ihrer Wirksamkeit.37 Wie können Christusbezug und Wirksamkeit der Texte getrennt werden? Können die Glieder der Gemeinde eine Paränese annehmen, wenn sie nicht von dem einen Haupt des Leibes der alt- und neutestamentlichen Gemeinde (Eph 1,22 f.; Kol 1,18), sondern von anderen Stimmen ausgeht? Stellt mich ein alttestamentlicher Text bzw. eine Auslegung vor den κύριος Ίησοϋς, so liegt allemal Zuspruch und Mahnung vor. Liegt aber echte Ermahnung und Aufweis von Sünde vor, wie sollte ich es ertragen, wäre es nicht der damals und jetzt gegenwärtige und für mich Gekreuzigte und Auferstandene selbst, der meine Sünde aufzeigt und vergibt?38 Vischer betont zu Recht, daß als Wirkung der Schriftauslegung nicht irgendetwas Beliebiges geschehe, sondern das: „Du bist der Mann!" und das „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!"39 Eine konsequent historisch-kritische Betrachtungsweise - Vischer wollte es vermeiden, wie gezeigt - drängt den Ausleger, wie man bei aller dieser Kritik sieht, auf bestimmte dogmatische Inhalte. Historische Kritik ist dogmatisch nicht neutral40, sondern führt zu einer eindeutigen Präferenz für eine Bestimmung des Verhältnisses der Testamente in Analogie zu sonstiger Geistesgeschichte.41 Sie hat ein Gefälle dorthin, woher sie selbst entstammte: zu Deismus und Historismus.42 Die überzeitliche Christusgegenwart wird dabei entweder geleugnet oder als nicht erkennbar angesehen; sie wird nicht mehr in der Zeit je und dann anschaulich - wie es den Emmausjüngem anschaulich wurde, als ihnen Jesus am Tag seiner Auferstehung die Decke von den Augen zog43 - sondern unanschaulich und abstrakt; die nackte, historisch-kritisch eruierte Geschichtlichkeit bleibt zurück, und die Abgrenzung von Historismus und Relativismus wirkt
36
37
KÖHLER, C h r i s t u s , 2 5 3 ; vgl. z u BAUMGÄRTEL o b e n S. 2 6 9 f.
Siehe oben 2.3 und 2.4.3 (bes. S. 212 f.). Insbesondere Vischers Predigten haben auf mich in diesem Sinne gewirkt. 39 Das Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 12. 40 Vgl. oben S. 168 und ROTHEN, Klarheit I, 251 f.! 41 Vgl. WASCHKE, Wurzeln, 177 ( = Schluß): Man werde U. KELLERMANN recht geben, daß es „,keinen direkten Zugang von den Messiasvorstellungen des Alten Testaments und ihrer Nachgeschichte zur neutestamentlichen Anschauung der Messianität Jesu (gibt)' [Zitat von Kellermann]. Aber insoweit die nd. Christologie durch die ,Gottessohnschaft' und ,Davidssohnschaft' Jesu bestimmt wird, bringt das Neue Testament das grundlegende Kontinuum des alttestamentlichen Messianismus in seiner geschichtlichen und eschatologischen Dimension neu zur Geltung und zur Erfüllung." 42 Vgl. BOHREN, Deismus, bes. 170. 43 Lk 24; 2. Kor 3,4-18. 38
Würdigung und Kritik
313
kraftlos. 44 In das entstandene theologische Vakuum strömen andere Subjektivismen, die man zunächst ausschalten wollte, zum Beispiel bibliodramatische, sozialgeschichtlich-materialistische, feministische oder tiefenpsychologische Auslegung. Weil das Verhältnis der Testamente ein Grundproblem der ganzen christlichen Theologie ist45, wirkt es verheerend, wenn die Lösung gerade dieses Grundproblems aufgrund der Fixierung auf unsere geistesgeschichtlichen Voraussetzungen in der falschen (eben geistesgeschichtlichen) Richtung gesucht wird.
3.2 3.2.1
Würdigung
Christus und die Heilige
und
Kritik16
Schrift
Vischer übernimmt mit seiner Exegese eine Aufgabe, die Barth als Aufgabe der Dogmatik definiert hatte: die Prüfung der kirchlichen Verkündigung hinsichtlich ihrer Ubereinstimmung mit der Heiligen Schrift. 47 „Prüfung" meint jedoch nicht einen verbissenen Vorgang, in dem der Theologe sich auf die Suche nach Fehlern in den Predigten und Bibelkommentaren seiner Kollegen begibt. Ganz im Gegenteil bekamen die an Vischers Bekenntnis zur Christusgegenwart geschulten Pfarrer neue Frische und die Geistesgegenwart, die Christusfülle der Texte für heute anzusagen. Historisches Feststellen und normierendes Weitersagen konnten nicht mehr getrennt werden. Seine praktische Bedeutung besteht darin, mehr als einer ganzen Generation M u t und Freude zur Begegnung, Auslegung und in die Entscheidung stellende Predigt des Alten Testaments und damit der ganzen Heiligen Schrift gemacht zu haben. Dies ist das übereinstimmende Zeugnis seiner Studenten. 48 „Nur wissenschaftliche Starrköpfigkeit kann an der Tatsache vorbeisehen, daß der Alarmruf Wilhelm Vischers in doppelter Hinsicht von unschätzbarer Bedeutung für die protestantische Kirche geworden ist. Einmal verdanken unzählige Pfarrer dem , Christuszeugnis des Alten Testaments' den Mut zu einer neuen alttestamendichen Predigt Was das bedeutet, wird allein derjenige zu ermessen imstande sein, der sich einmal Gedanken darüber macht, welche ermutigenden und hilfreichen Wirkungen wohl im 19. Jahrhundert und im beginnenden 44
Etwa bei ELLIGER, Warum, 778; EICHRODT, Theologie des Alten Testaments I, 1933, §
45
GUNNEWEG, V o m Verstehen, 7; KRAELING, O l d Testament, 8.
1. 46
Vgl. Schroven, Christologische Auslegung, 191-194. - Wir beschränken uns hier auf die in dieser Arbeit genannten Hauptaspekte von Vischers Theologie, weshalb Fragen an seine Israeltheologie der in Anm. 7 (S. 149) angekündigten Arbeit vorbehalten bleiben sollen. 47 K D 1/1, § 7, S. 261. 48 Vgl. oben Anm. 518 (S. 127) und S. 145.
314
Zusammenfassung und Beurteilung
20. Jahrhundert von der zünftigen alttestamentlichen Wissenschaft auf die Predigt der Kirche ausgegangen sind. Zum anderen ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß im Kirchenkampf (1933-1945) das theologische Rüstzeug, das durch die reformatorische Neubesinnung durch Karl Barth und durch Wilhelm Vischer in den Fragen des Alten Testaments ausgegeben wurde, eine wirksame Waffe im Kampf gegen die nationalsozialistische und deutschchristliche Weltanschauung war. Bestritten wird diese Tatsache weithin nur von denjenigen, die in diesem Kampf eine zurückhaltende Neutralität gewahrt haben - oder von denen, die sich auf die Seite des Feindes geschlagen haben." 49 „In der Theologie und Kirche schieden sich die Geister. Auf der einen Seite sah man die Stunde als gekommen an, sich endlich des Ballastes des Alten Testaments zu entledigen. Auf der anderen Seite aber wurden Theologie und Kirche zu neuer Besinnung wachgerüttelt. Nie sollte es die alttestamentliche Wissenschaft vergessen, daß die nationalsozialistischen und deutsch-chrisdichen Herolde einer neuen völkischen Religion den Kampf gegen das ,alttestamentliche Fremdelement' mit Waffen geführt haben, die ihrem eigenen Forschungsarsenal entnommen worden waren. Eine unvergleichliche Schande bleibt außerdem die Tatsache, daß alttestamentliche Theologen in dem Lager derer gestanden haben, die sich nicht genug tun konnten, das Buch des Alten Bundes mit Hohn und Spott zu übergießen. Hier ist ein Geschwür aufgebrochen. Die unzähligen Fremdstoffe, die die alttestamentliche Wissenschaft als , Lebenselement' in ihren Körper aufgenommen hatte, traten wieder hervor. Doch zugleich leuchteten in dieser Entscheidungszeit die Zeichen einer wirklichen Erneuerung auf. Was von der reformatorischen Botschaft ergriffene Professoren, was Karl Barth und Wilhelm Vischer gelehrt hatten, fand sein Echo auf den Kanzeln. Die Kirche entdeckte das Alte Testament neu als das Buch des wandernden Gottesvolkes, das durch Götzendienst und Gerichte unterwegs ist - aber auf seinem Weg immer neu die Stimme diese lebendigen Gottes hören und aufnehmen darf. Unvergeßlich sind die alttestamentlichen Predigten von Walter Lüthi, die im Kirchenkampf in Deutschland eine große Bedeutung erlangten. Die hörende Gemeinde erlebte in der Zeit der Anfechtung die Kraft des alttestamentlichen Wortes. Dieses Ereignis ist der eigentliche Höhepunkt der theologischen Besinnung auf die Bedeutung des Alten Testaments. Und es besteht für die alttestamentliche Wissenschaft wie ja überhaupt für die gesamte evangelische Kirche - die entscheidende Frage, ob sie aus diesem reformatorischen Ereignis heraus ihren Weg sucht oder ob sie restaurativ die alten Ideen und Grundsätze als Voraussetzungen ihres Forschens weiterhin wirksam sein läßt." 50
Es war also wesentlich unter anderem Vischers, auch Hellbardts Beitrag, der Bekennenden Kirche ein biblisch-exegetisches Rückgrat zu geben, das ihr Festhalten am Alten Testament und am Wort Gottes als einer „unteilbaren Ganzheit" stützte.51 Der Grund dafür liegt nirgends anders als in 49
KRAUS, Geschichte, 428 f., vgl. CHILDS, O T in Germany, 235. KRAUS a. a. O. 432 f. 51 BÖDEKER, Kirchenkampf, 129; SCHERFFIG, Junge T h e o l o g e n I, 46 (vgl. II, 3 8 - 4 1 . 135); WLSCHNATH, Baselfahrt, 144; vgl. RENDTORPF, Rettung, 8 2 - 8 4 ; NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 173 (Lit.); vgl. THURNEYSEN, Bedeutung. 50
Würdigung und Kritik
315
ihrer bzw. Vischers theologischer Bedeutung: daß er im Wort der Schrift heute dem Christus von damals begegnete, daß er das Wort der Apostel und Propheten nicht als von Menschen, sondern als von Gott gegeben annehmen konnte (l.Thess 2,13). Insofern kann Vischers Christuszeugnis des Alten Testaments als „Markstein" in der Geschichte der alttestamentlichen Theologie gelten52 - nicht als Neugründung, sondern als Rückbesinnung auf die Wurzeln der evangelischen Theologie in der Reformation. Luther rechnete in ähnlicher Weise wie Vischer mit der Gegenwart Jesu im Alten Bund53 und las das Christuszeugnis des Alten Testaments als Wort über und von Jesus54. Der Einfluß von Vischers Theologie kann an literarischen Zeugnissen dokumentiert werden. Schon das Betheler Bekenntnis spricht im Doppelsinn des Genitivs vom Christuszeugnis des Alten Testaments55; die erste
52
53
V g l . ABRAMOWSKI, V o m S t r e i t , 9 0 .
Ζ. B. wenn er den Plural im alttestamentlichen Gottesnamen Elohim trinitarisch zu verstehen forderte und nicht als Pluralis maiestatis: „Iudaei varie cavillantur Mosen: Sed nobis d a r u m est, voluisse eum Trinitatem seu personarum pluralitatem in una divina natura tecte ostendere." „Explodenda igitur Iudaeorum frigida cavillatio, quod reverentiae causa plurali numero sit unus" (WA 42, 10, Z. 17 f. und 23 f., vgl. Kontext und S. 37, Z. 25 ff.). 54 Siehe unten Anm. 129 f. (S. 332). „Zwar wir selbs würdens auch nicht sehen, wo wir nicht durchs newe Testament erleuchtet, dem Alten recht unter die äugen (gerade ins Gesicht) sehen kundten. Denn on das newe Testament ist das Alte verdeckt (2. Kor 4 [,3; vgl. 3,14'])" (Von den letzten Worten Davids, in: WA 54, 45, 12-15; dort die beigefügten Bibelstellen). „Mit den Augen des von Christus Erlösten liest er (seil. LUTHER) die erloschene Grundschrift, sieht er die heimliche Spannung auf das Evangelium hin, die unter dem gesamten Alten Testament verborgen ist" (BORNKAMM, Luther und AT, 104). 55 „Vollgültiges Verstehen dieser Geschichte gibt es erst vom Neuen Testament her, in dem die Vollendung des göttlichen Heilsplans in der Menschwerdung, in den Worten und Taten (Luk. 24,19), in Tod und Auferstehung Jesu Christi und in der Stiftung der Kirche bezeugt wird. Das Alte Testament ist Gottes Wort, weil in ihm der lebendige Gott sich bezeugt, der Israel zu seinem Volk macht, seinen Unglauben richtet und die aus ihm Berufenen zu Trägern seines Wortes für die Menschheit macht. Die heilige Schrift ist ein Ganzes. Ihre Einheit ist Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene. Er redet durch die ganze Schrift. Nicht wir sind Richter über Gottes Wort in der Bibel, sondern die Bibel ist uns dazu gegeben, daß wir uns von ihr durch Christus richten lassen. Allein durch den Heiligen Geist hören wir das Wort Gottes aus der Bibel; aber dieser Geist kommt allein durch das Wort der ganzen heiligen Schrift zu uns. Wer es unternimmt, Wort und Geist zu scheiden, verfällt der Schwärmerei und verliert die dem Wort gegebene Verheißung. . . . Wir verwerfen die Irrlehre, daß die heilige Schrift nicht mehr als die Urkunde einer vergangenen Geschichte sei. Gott, der sich in der durch die Schrift bezeugten Geschichte einmal offenbart hat, redet und wirkt in dieser Geschichte heute und alle Tage. Dadurch hat die heilige Schrift für uns Bedeutung; nicht weil in ihr allgemeine religiöse Wahrheiten ausgesprochen und religiössittliche Werte enthalten wären, die durch die berichteten Tatsachen beispielhaft veranschaulicht werden. Darum kann auch nicht aus der Gottgegebenheit des mosaischen Gesetzes auf die Gottgegebenheit aller völkischen Gesetze überhaupt geschlossen werden. Die biblischen Heilstaten Gottes sind nicht Beispiele oder Symbole, die gedeutet werden könnten, sondern Offenbarung, die verkündigt werden soll. . . . Wir verwerfen die Irrlehre, die die Einheit der
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Zusammenfassung und Beurteilung
Barmer Erklärung vom 3./4. Januar 1934 bekannte die Einheit der Testamente ausdrücklich nicht im Sinne einer Frömmigkeitsgeschichte56; die Leitsätze des Pfarremotbundes vom Februar 1934 bekannten Gottes Offenbarung in beiden Testamenten als Richtschnur evangelischen Glaubens und Lebens. Das Zeugnis des Alten Testaments werde erkannt „als das unaufgebbare Zeugnis der Offenbarung Gottes, die auf Christus weist. Ohne das AT kann das Neue nicht mehr als das Zeugnis von Jesus als dem Christus verstanden werden. Wer deshalb das AT ablehnt, verläßt die Grundlage der Kirche."57 Gleiches gilt auch für die Ansprache „Wahrheit wider Irrlehre" von Pastor Paul Humburg auf dem Rheinisch-Westfälischen Gemeindetag „Unter dem Wort" am 18. März 193458 sowie für zahlreiche Worte der Bekennenden Kirche bis zur 12. Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union am 16./17. Oktober 1943 in Breslau, der es widerstreite, „wenn die Kirche in Beugung unter den Rasseglauben unserer Zeit meint, den Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament ganz oder teilweise preisgeben zu können." Darum seien alle eigenmächtigen Änderungen des Textes der Heiligen Schrift und alle Verbannungen von Kirchenliedern, in denen alttestamentliche Namen und Begriffe enthalten seien, zu verwerfen.59 „Die BK scheint gewußt zu haben, was das geringste Nachgeben in dieser Frage bedeutet haben würde: gibt man die Einheit der Schrift preis, so gibt man auch die ganze Schrift als Grundlage und Richtschnur des Glaubens preis."60 Sie hatte dies mit Hilfe Karl Barths dogmatisch und mit Hilfe Wilhelm Vischers exegetisch als reformatorisches Zeugnis wiederentdeckt und sich froh zu eigen gemacht.61
heiligen Schrift zerreißt, indem sie das Alte Testament verwirft oder gar durch nichtchristliche Urkunden aus der heidnischen Frühzeit eines anderen Volkes ersetzt. Die heilige Schrift ist eine unteilbare Einheit, weil sie in ihrer Gesamtheit ein Zeugnis von und über Christus ist" (Betheler Bekenntnis II. Von der heiligen Schrift, zit. nach Bethel Heft 25, 1983, 30-32, Hervorh. orig.). 56 Siehe oben S. 89 f. 57 Zit. nach NICOLAISEN, Auseinandersetzungen, 106 f. Vgl. Vischers Christuszeugnis I, u. a. 13 f. 36. „Es ist doch eben gerade nicht so, daß wir wußten, was mit der Bezeichnung ,Christus' gemeint ist. Wenn das Neue Testament verkündet, Jesus sei der Christus, dann weist es uns damit an das Alte: Lernt aus ihm, was das bedeutet: .Christus'. Zu diesem Zweck hat die Urgemeinde das Alte Testament als heilige Schrift behalten." 58
59
NICOLAISEN a . a . O .
107f.
A. a. Ο. 115 f. - Beides ist wieder aktuell in den Diskussionen über die Revisionen von Bibelübersetzungen und über liturgische Reformen. » A . a . O . 116. 61 Die Präexistenz Jesu wesentlich etwa für VOGEL, der „nachdrücklich" auf Vischer verweist (Wie predigen wir, 346.354).
Würdigung und Kritik
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Für die geschenkte Rückbesinnung haben sich Vischer und Barth große Verdienste erworben - so scharf auch immer die folgende Kritik lauten mag. Oben wurde festgestellt, bei Vischer seien die historisch-kritischen Verfahrensweisen ihres „durchsäuernden" Charakters beraubt 62 , so daß man bei ihm das ihr immanente Drängen auf bestimmte dogmatische Inhalte nicht konstatieren könne. Sieht man aber genauer zu, muß diese Beobachtung eingeschränkt werden. Rothen hat in seiner Barthkritik 63 gezeigt, wie der Theologie Barths ein dialektisch-schwebender Zug anhaftet. Hiervon kann Barths Streitgenosse und Freund Vischer nicht ausgenommen werden, weil bei ihm Sätze zu lesen sind, die an dem Ast sägen, auf dem er sitzt: Das Alte Testament sei nicht gegeben, um uns menschliche Frömmigkeit und Religionsgeschichte zu lehren - so Vischer unermüdlich gegenüber den Deutschen Christen und allen, die Anstoß an der Sittlichkeit des Alten Testaments nehmen. Es zeige vielmehr, wie diese Frömmigkeit unter dem Gericht Gottes stehe. Nun fänden sich aber gewisse Spuren des Unverstandes, des nationalen Dünkels und der Wundersucht ihrer Verfasser.64 „Bezeugen sie nicht gerade damit, daß Gott seine Hütte unter einem Volk von unreinen Lippen aufgeschlagen hat? ,Den Juden sind die Worte Gottes anvertraut' (Rom 3,2). Wenn nun aber die Schreiber einen Lügengriffel führen? (Jer 8,8). Was dann? ,Sollte ihre Untreue Gottes Treue aufheben? Das sei ferne! Es bleibe vielmehr also, daß Gott sei wahrhaftig, und alle Menschen Lügner; wie geschrieben stehet: Auf daß du gerecht seiest in deinen Worten, und siegest, wenn du kritisiert wirst' (Rom 3,3 f.). So muß auch die UnZuverlässigkeit der biblischen Schreiber die Treue Gottes als die einzig zuverlässige bezeugen und von den Menschen weg allein auf Gott hinweisen."65 „Sofern das Alte Testament das Zeugnis dieses menschlichen Strebens ist, wird es durch die Kreuzigung Christi zerrissen. Zugleich bezeugt aber das Alte Testament von den ersten Seiten an, daß der heilige und lebendige Gott hinabsteigt zu dem Menschen, der sich von ihm losgemacht hat, und er ihm aus lauter Gnade die Gemeinschaft hält. Daß das wahr ist, daß Gott selbst die Schuld
62
Vgl. oben Abschnitt 2.4.1. ROTHEN, Klarheit II. 64 Vgl. Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen?, 1932, 93. 97 f. Der Tenor ist hier: die Schrift gibt solche Gedanken als sündige und von Gott gerichtete Gedanken wieder, also nicht affirmativ. Dennoch heißt es: „Wenn vielleicht den Schriften des Alten Bundes in dieser Hinsicht noch eine Zweideutigkeit anhaften möchte, solange sie fiir sich allein sprechen, so wird es ganz eindeutig durch ihre Verbindung mit dem neutestamentlichen Zeugnis: wenn Israel den von Gott gesandten Messias kreuzigt, so ist damit die israelitische Nationalreligion gerichtet. . . . Das G e r i c h t über eine jüdische Nationalreligion ist in der Heiligen Schrift bezeugt, nicht ihr Triumph" (kursive Hervorh. S. F., gesperrt orig.). 65 Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 37 f. (zitiert oben S. 219 f.); vgl. Christuszeugnis I, 308. 63
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Zusammenfassung und Beurteilung
u n d den Fluch trägt, die uns M e n s c h e n v o n ihm scheiden, d a s beweist d a s S t e r b e n u n d die A u f e r s t e h u n g J e s u Christi. S o wird d a s A l t e T e s t a m e n t g e r a d e d u r c h d e n T o d u n d die A u f e r s t e h u n g C h r i s t i ,erfüllt' u n d als d a s Z e u g n i s d e r G n a d e G o t t e s in K r a f t g e s e t z t . " 6 6
Es gibt im Alten Testament also nicht nur das Gericht über ein verlogenes menschliches Denken, etwa den jüdischen Nationalismus, wie Vischer sonst schreibt, sondern dieses Denken wird bei ihren Verfassern mitunter vertreten67! Ist mit einem Federstrich der qualitative Gegensatz etwa zu Hirsch zu einem quantitativen zusammengeschrumpft? Der Selbstwiderspruch Vischers ist deutlich: Um beurteilen zu können, an welchen Stellen die biblischen Verfasser recht von Gott sprechen, müßte Vischer schon vorher die Treue Gottes kennen. Nicht die Worte der Schrift stehen hier am Anfang des theologischen Erkenntniswegs, sondern ein Begriff 68 von Gottes Treue und so vom Wort Gottes, somit von Christus.69 Bleibt bei Vischer damit der methodische Zweifel der historischen Kritik doch ungebrochen in Kraft? Denn für Vischer läßt die Tatsache, daß „das biblische Protokoll der Verhandlungen Gottes mit seinen auserwählten Partnern . . . in allen Teilen von Menschen redigiert" wurde, daß wir also das Wort Gottes „nirgends in der Bibel unmittelbar" ausgesagt vor uns haben und daß wir das, „was Gott gesagt hat, nur so erfahren, wie Menschen es verstanden haben", die „schwere Frage" entstehen: „Haben sie Gott recht verstanden? Hat Gott überhaupt zu ihnen gesprochen?" 70 „Was hat Jesus wirklich gesagt? Und alle die Menschen des Alten Testaments, haben sie richtig verstanden, was Gott zu ihnen sprach? . . . ist es wirklich Gott, der zu ihnen gesprochen hat, oder handelt es sich um ihre Gedanken über Gott ...?" 7 1 Damit aber sei der Exeget vor die Entscheidung des Glaubens gestellt.72 Aber er dürfe „nicht versuchen, die Offenbarung zu ,reinigen', indem er das menschlich Unsaubere von ihr entfernt . . . Es besteht hier eine Verbindung, die nicht aufgelöst werden darf, wenn nicht das Wesentliche verloren gehen soll": die Gemeinschaft Gottes mit Sündern. „Gott aber bleibt Gott, der Heilige Israels. Und die Offenbarung seiner
Wir Christen und die Juden, 1939, 20 f. Vgl. Vischers Interpretation des Buches Kohelet (Der Prediger Salomo im Spiegel des Michel de Montaigne, 1981, 175). 68 Vgl. ROTHEN, Klarheit II, 67. 69 Vgl. meine Kritik in Abschnitt 2.5.1. 70 D a s Problem der Hermeneutik, 1964, 101 (einmal mit veränderter Satzstellung). Vischer kann sich kritisch auch über neutestamentliche Texte äußern, etwa das Apostelkonzil Apg 15: „gefährlicher Kompromiß", „sogar mit dem Heiligen Geist begründet", „zweierlei Christen", „daß doch nicht die Gnade allein alles ist" (Die Judenfrage nach der Auferstehung Jesu Christi, 1960, 28). 71 D a s Problem der Hermeneutik, 1964, 103. 72 A . a . O . 110. 112. 66 67
Würdigung und Kritik
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Heiligkeit vollendet der Heilige Israels in der Katastrophe Israels. Das Kerygma des Alten Testaments verkündigt zugleich das totale Gericht und die totale Vergebung: die von Gott Verurteilten sind die von ihm Begnadigten. Aus allen seinen Texten strömt zugleich der Geruch des Todes und der Atem der Auferstehung."73 Vischer verneinte Sachkritik an der Schrift, weil Christus in den Texten wohne wie das Kind in den Windeln. Auf Luthers bekannte Einleitung zum Alten Testament ist er immer wieder zurückgekommen; er interpretiert: „Damit will Luther sagen, daß wir Christus nur finden, wenn wir ihn in diesen Windeln und dieser Krippe suchen, und daß wir Christus verwerfen, wenn wir seine Windeln und seine Krippe wegwerfen. U η i v e r s a S c r i p t u r a d e s o l o C h r i s t o e s t u b i q u e . " 7 4 Wegen dieses Christusbezuges werde ein guter Exeget keine Auswahl biblischer Texte treffen, in denen nach seinem Vorverständnis die Gotteserkenntnis recht ausgedrückt sei, „oder . . . mit irgendeiner [!] Norm oder einem Prinzip unterscheiden" wollen, „was im Alten Testament noch Wert hat, und was verjährt ist. Ein solches Verfahren versucht zu fixieren, was frei bleiben muß."75 Doch Vischer zeigt noch eine andere Seite, wenn er fortfährt: „Das ,sola scriptura' ist mißverstanden, wenn man meint, es verlange eine Harmonisierung oder Nivellierung der Texte, eine Anstrengung, Schriften des Kanons für christliche Erkenntnis und Glauben zu ,retten'. Das ,sola scriptura' stellt uns vielmehr vor eine große Vielfalt von Texten, die sich gegenseitig
73
A. a. O. 109 f. Die Antwort auf die „schwere Frage" lautet bei BARTH analog: „Uns ist wirklich nicht aufgetragen, alles, was in der Bibel, in globo für wahr zu halten, sondern uns ist aufgetragen, ihr Zeugnis da zu hören, wo wir es eben tatsächlich hören" (KD 1/2, 72). 74 Das Problem der Hermeneutik, 1964, 112 (Hervorh. orig.); vgl. WA 12, 418, 12-30. Vgl. WENZ, Wort Gottes, 232 (Lit.), vgl. 140. 286; 318 „für das neutestamendiche Christuszeugnis": „Hier wird nicht ein jesuanischer, apostolischer oder gemeindetheologischer Bewußtseinsbildungsprozeß bezeugt - der kann allenfalls hinter den Texten konstruiert werden - , sondern von unterschiedlichen Menschen die Zeitenwende verkündet, welche sich darin vollzieht, daß in dem Menschen Jesus von Nazareth der eine Gott und Schöpfer der Welt selbst kommt (Hervorh. orig.). 75 Ebd. - Dialektisch vermittelt Vischer in der Vortragsfassung von „Wir Christen und die Juden" (1942, 6) die beiden Pole: „Und durch diese Frömmigkeit der Juden und der Nicht-Juden hat die Kreuzigung Jesu Christi einen Strich gezogen. Als Dokument dieser Frömmigkeit hat das Alte Testament keine Geltung, aber - und gerade in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi ist das Ja ausgesprochen über jedes Wort im Alten Testament - es gilt als Offenbarung der Tat Gottes, seines heiligen Handelns am Menschen." Vgl. ROTHEN, Klarheit I, 74: „Die Windeln und die Krippe sind aber nicht eine beliebig austauschbare Hülle, sondern sie sind das besondere Zeichen, das die Engel den Hirten geben, das unverwechselbare Erkennungsmerkmal also, ohne das Christus nicht zu finden ist und aus dem er auch nicht irgendwie ,herausgeschält' werden muß - nicht ein nacktes, ,abstraktes', raumund zeitloses Kind sollen die Hirten finden und anbeten, sondern eben das Kind ,in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen'".
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Zusammenfassung und Beurteilung
begrenzen und ergänzen, wohl auch einander widersprechen. Damit nötigt es uns, immer wieder neu zu fragen, was wir heute in unserer Lage zu empfangen haben. So bewahrt es uns davor, aus einem Text einen Götzen zu machen und durch ihn das lebendige Wort Gottes, Jesus, zu ersetzen. So wie der Kanon uns gegeben ist, stellt er uns nicht nur vor die Aufgabe, festzustellen ,Was geschrieben steht', vielmehr, daß wir entscheiden, was wir hier und jetzt im Glauben empfangen können und sollen."76 Es gibt nach diesen Abschnitten Vischers also keine prinzipielle Sachkritik oder Auswahl ein für allemal, sondern die Frage danach, was wir zu empfangen haben, stelle sich dem Ausleger immer neu. Wäre Vischer Dogmatiker oder Praktischer Theologe gewesen, wäre die kritische Seite wohl noch stärker hervorgetreten. Weil er als Exeget ständig mit den Texten der Schrift zu tun hatte, schlug er sich in seiner Auslegungstätigkeit auf die Seite der „Windeln". Die hermeneutisch-kritische Entscheidung, „was wir hier und jetzt im Glauben empfangen können und sollen", tritt in seinen Auslegungen völlig zurück bzw. wird mit dem schlichten Hinweis auf das Christuszeugnis des Alten Testaments beantwortet: Christus bzw. sein Heil sollen wir empfangen, denn er ist unser Friede (Eph 2,14). In diesem Sinne schließt er den Aufsatz mit den anschließenden Sätzen: „Auf diese Weise führt das Studium der Heiligen Schrift den Exegeten in die Entscheidung des Glaubens vor der Offenbarung Gottes in Jesus Christus, zur Erkenntnis Seiner wirklichen Gnade und meiner wirklichen Sünde, Seiner Wahrheit und meiner Lüge. Es besteht eine dynamische und unauflösliche Verbindung von Sola gratia, sola fide Sola scriptura, tota scriptura Solus Christus Jesus, totus Christus Jesus."
Gehen Vischers Auslegungen mitunter doch zu schnell zur überzeitlichen Gegenwart des Offenbarers über? Dieser Gefahr ist Vischer meines Erachtens als Ausleger in der Regel77 entgangen. Aber erlegen ist er dieser Gefahr, wo er in theoretischer Reflexion die Gemeinschaft bzw. den Bund Gottes mit fehlbaren Sündern parallelisiert mit einem Bund zwischen dem Geist und dem Buchstaben.78 Hier wird nicht, wie sonst bei Vischer, eine 76
Vischer a. a. O. (Hervorh. S. F.); vgl. oben S. 55. Problematisch ist hingegen zum Beispiel eine Formulierung zu Joh 1,11 („er kam in sein Eigentum"): „Das gilt zunächst für die Gegenwart des Logos in der alttestamentlichen Zeit, aber nicht weniger auch für sein Dasein im Fleisch" (Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 30, Hervorh. S. F.). Wird hier nicht der Begriff der einmaligen Menschwerdung (Kontext des Johannes-Prologs!) verbreitert zu einem ständigen Gegenwärtigsein? 78 Das Problem der Hermeneutik, 1964, 107 (Hervorh. S. F.): „Der Transzendente begegnet den Immanenten, der Unendliche wird gegenwärtig im Raum, der Ewige in der Zeit. Geistiges vereinigt sich mit Stofflichem. Das Leben wird körperlich gelebt. Nichts ist abstrakt, 77
Würdigung und Kritik
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christologische Aussage wie die „Knechtsgestalt" oder die Zwei-NaturenLehre in der Schrifdehre angewandt, sondern eine anthropologische Aussage: Formuliert Vischer: „Gottes Bund mit seinem Volk schließt einen Bund zwischen dem Geist und den Buchstaben", dann heißt das doch: Gott und Geist stehen im Bund dem Volk und dem Buchstaben gegenüber. Wenn aber der Buchstabe der Schrift auf der Seite der Sünder und des Volkes - statt ihm gegenüber - steht, wird dann nicht der Buchstabe nur noch eine zu überwindende Stufe auf dem Weg zu Christus, dessen Vorhandensein ja immer schon bekannt ist?79 Bei einem zu hastigen Ubergang steht die besondere Ermahnung, der spezifische Zuspruch eines Textes in Frage. Vischers Schriften über das Christuszeugnis des Alten Testaments dürfen nicht dazu mißbraucht werden, die kurvenreiche Strecke der Betrachtung der Schriftwörter (im einzelnen und in ihrem kanonischen Kontext) auf einer Luftlinie abzukürzen; vielmehr dient Christus uns (und wir ihm) auf eben diesen Kurven, auch wenn sein Name nicht bei jedem Schritt fällt. Es wäre auch nicht im Sinne Vischers, wollte man für die Vorbereitung der Dienste auf Kanzel und Katheder zu seinem Christuszeugnis greifen und sich die philologische und historische Reflexion der einzelnen Texte ersparen.80 Von daher dürfte die erste These einer Thesenreihe über theologische Erkenntnis nicht lauten: ,Jede Gottesoffenbarung ist Christusoffenbarung", sondern - bei der äußerlich vorhandenen Schrift und nicht bei einer inneren Erkenntnis ansetzend - so wie etwa die erste der Schlußreden der Berner Reformation: „Die heilig christenlich kilch, deren einig haupt Christus, ist us dem wort gots geboren; im selben blibt si, und hört nit die stimme eines frömden." 81 Werden in der Barthschen Theologie die einzelnen Schriftworte tendenziell von Christus aufgesaugt - es geht ja immer um ihn! so läßt die Schlußrede beides nebeneinander stehen. Es wird nicht getrennt: das Wort Gottes macht uns unseres Friedens mit Gott gewiß82, alles konkret Gottes Bund mit seinem Volk schließt einen Bund zwischen dem Geist und den Buchstaben." n Der Geist muß die Worte der Schrift nicht erst durchwehen (so aber Vischer, Christuszeugnis I, 19 f.), sondern steht mit ihnen in viel engerer Beziehung als sonst der menschliche Geist des Schreibenden mit den Buchstaben (vgl. HERMANN a. a. O. 53, HERNTRICH, Theologische Auslegung?, 20 f. 32). Das Wort bleibt (Jes 40,8), was nur dadurch möglich ist, daß wir mit dem Buchstaben immer schon dem Heiligen Geist gegenüberstehen. Dieses Gegenüberstehen muß nicht erst „Ereignis" werden! Tot ist nicht der Buchstabe, sonst könnte er nicht töten. Tot sind wir selbst in Übertretungen und Sünden (Eph 2,1), getötet vom Buchstaben des Gesetzes. Zwar wird von ihm, dem Buchstaben, gesagt, daß er tötet, und nicht vom Geist; gerade damit wird aber die Wirksamkeit Gottes durch das Instrument des Buchstabens unterstrichen. 80 Vgl. oben S. 243. 81 Zit. nach ROTHEN, Klarheit II, 65. 82 LUTHER, Wider die himmlischen Propheten (1525), in: WA 18, 203,39-204,8: „Will
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Zusammenfassung und Beurteilung
und unser Friede mit Gott ist Christus. Aber es wird unterschieden. Person und Botschaft des fleischgewordenen Wortes können bei Christus noch weniger getrennt werden als beim alttestamentlichen Propheten; doch gerade er als Person begegnet zunächst worthaft, also mitteilbar in äußeren menschlichen Worten. Mithin bleibt an Vischer die Frage: Ist sein Christuszeugnis Entfaltung und Mitteilung einer inneren, letztlich nicht mitteilbaren Klarheit? War der Grund für seine vielfache Ablehnung bis heute, daß eine unnachvollziehbare Christusbegegnung als Voraussetzung der Schriftauslegung postuliert wurde 83 ? Wird der notwendige hermeneutische Zirkel zwischen Christus und den einzelnen Worten der Schrift aufgelöst? Oder entfaltet sein Christuszeugnis des Alten Testaments nachvollziehbar die äußere Klarheit der Schrift? Die meisten Auslegungen Vischers kann ich mitvollziehen. Dennoch kann die Frage meines Erachtens nicht allgemein bejaht oder verneint werden. Diese Fragen muß sich jeder Ausleger immer neu stellen; ebenso ist die Frage bei Vischers Auslegungen jeweils neu aufzuwerfen. Man wird sich bewußt machen müssen, daß unserem geistigen Klima ein gegenüber der Reformation engerer Begriff von Literalsinn und äußerer Klarheit entspricht, weshalb sich je nach Bekenntnisbindung 84 eine gewisse Schwankungsbreite in der Auffassung über den Umfang des notwendigen Christuszeugnisses des Alten Testaments ergibt.85 Im Grundsatz liegt die Aufgabe theologischer Arbeit nicht darin, unser geistiges Klimas und unsere Christuserfahrung, sondern den Christus der Schrift zu suchen, zu erfassen und zu predigen. Denn der Christus in uns bleibt uns noch vermischt mit dem alten Adam (simul) gegenwärtig; allein der Christus der äußeren Schrift ist klar und kräftig. 86 Deshalb sagt Paulus, obwohl Christus in ihm lebt und nicht mehr er selbst (Gal 2,20): „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, daß er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen" (2. Kor 4,5). Und die Quelle der Predigt bleibt, nicht trotz, sondern gerade wegen der Christuspräsenz, die Schrift, was auch gegen
ich nu meyne sunde vergeben haben, so mus ich nicht zum creutze lauffen, denn da finde ich sie noch nicht ausgeteylet, Ich mus mich auch nicht zum gedechtnis und erkentnis hallten des leydens Christi, wie Carlstadt allfentzt [gaukelt], denn da finde ich sie auch nicht, sondern zum Sacrament odder Euangelio, da finde ich das wort, das mir solche erworbene vergebunge am creutz, austeilet, schenckt, darbeut und gibt." 83 Vgl. oben S.203! 84 Vgl. oben Anm.89, S . 1 6 3 f . 85 Vgl. CHILDS, Theologie II, 449 f. sowie die in Anm. 141 (S. 335) genannte Diskussion v o n CHILDS u n d BARR. 86 „Der Glaubende erfaßt das Wort, die Botschaft des Evangeliums, nicht sein Erfassen, und er beschäftigt sich mit dieser Botschaft, nicht mit seinem Empfinden und Erleben der Botschaft gegenüber", denn in diesem mischt sich noch „Fleisch" und „Geist" (ROTHEN, Klarheit I, 86). - Vischers Esther-Auslegung etwa hat deshalb meines Erachtens als mögliche, nicht aber als zwingend notwendige oder gar heilsnotwendige Auslegung zu gelten.
Würdigung und Kritik
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die Hofmannsche Zweipoligkeit einzuwenden ist, sofern mit dieser die Theologie zwei Quellen erhält: „Aber Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge bei groß und klein u n d sage nichts, als was die Propheten
und Mose vorausgesagt
haben:
daß Christus müsse leiden und als erster auferstehen von den Toten und verkündigen das Licht seinem Volk und den Heiden" (Apg 26,22 f.). Gleiches gilt für den Hebräerbrief: „Das dem Verfasser anvertraute Wort wird nicht auf eine besondere Begabung oder Berufung zurückgeführt, sondern auf eine exegetische Erkenntnis der Schrift, die gleichzeitig seelsorgerliche Aufgaben erfüllt (Amt des ηγούμενος)." 87
3.2.2
Die Diskontinuität der Testamente in der Erkenntnis des Erlösers und in der Gewißheit der Erlösung
Mit der Frage, ob und wie Vischer der Tatsache gerecht wurde, daß das Neue Testament neu und letztgültig, das Alte Testament demgegenüber in bestimmter Hinsicht veraltet und abgetan ist, wird eine ganze Reihe von Aspekten angesprochen.88 Um dies zu klären, möchte ich mich - nach einer Erinnerung an das christologische Capax-Problem - anhand des Hebräerbriefs auf die Frage nach der Erlösungsgewißheit im Gewissen nach Altem und Neuem Testament konzentrieren. Dies wird dann den Blick auf die Wege alttestamentlicher Schriftauslegung zurücklenken. Die Verfasser des Neuen Testaments betonen in starken Worten, wie durch die Erscheinung Jesu Christi die Gottesbeziehung des Menschen erneuert und vertieft worden ist. Im Erdendasein Jesu sind das Verheißene und der Verheißene unüberbietbar und sichtbar erschienen, was vorher nicht der Fall war (Joh 1,14; Lk 10,23 f.; l.Petr 1,10-12); die Zeit ist erfüllt (Gal 4,4-6), und Christus eignet den Christen den άρραβών der Erlösung zu (Eph 1,14). Die Ausgießung des Heiligen Geistes ist Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie über den Neuen Bund (Jer 31,31-34; Joel 3/Apg 2; 3,18-26; Hebr 8) bzw. das neue Herz (Ez 11,19 f.; 36,26 f.). Vischer bleibt hinter dem Zeugnis des Neuen Testaments vom Unterschied der Zeiten (vor und nach dem Erdenleben Jesu) zurück89, wenn er sagt, „Erfüllung" besage nicht ein Aufhören und Ersetzen der Verheißung durch das Verheißene, sondern die Erfüllung mache die Verheißung erst ^vollständig, unzweideutig und damit kräftig. Wenn irgendwo, so ist gerade im Lichte der Erscheinung Christi der Glaube Adventsglaube, ein Warten auf künftige Offenbarung geworden.'... Der Glaube an den Chri87
MICHEL, Hebr, 547 (Hervorh. orig.), vgl. 279. Vgl. hierüber den Sammelband von JOHN S. FEINBERG (Hg.), Continuity and Discontinuity (1988), besonders Teil IV; vgl. BECKWITH, Covenants. 89 Vgl. u. a. oben S. 231 ff. 88
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Zusammenfassung und Beurteilung
stus Jesus ist zu jeder Zeit der Glaube an den, der da war und der da kommt, und nur so der Glaube an den, der da ist."90 Denn: Der Herr ist in Knechtsgestalt, nicht in Herrlichkeit erschienen. „Seine Herrlichkeit blieb vollständig verdeckt durch das Kreuz. . . . Erst wenn Jesus in Herrlichkeit erscheint, ist das Ziel aller Wege, die die Menschen des Alten Bundes gegangen sind, erreicht. Bis dahin wandern wir mit ihnen als Genossen Einer Verheißung, im Glauben, noch nicht im Schauen. Alle Gestalten und Worte des Alten Testaments leiten und begleiten uns als die Wolke der Zeugen unterwegs der Zukunft Jesu Christi entgegen" (Hebr 12,l).91
So recht Vischer hier hat, so ist doch in diesen Worten die Wahrheit des Verhältnisses von altem und neuem Bund unzureichend erfaßt. Das „ Schon jetzt" kommt gegenüber dem „Noch nicht" zu kurz. Bereits Herntrich
hatte zu Recht kritisiert, man dürfe nicht aus Weihnachten Advent machen.92 Und Vischer sagt selbst, daß die Juden Jesus kreuzigen mußten, um die Schrift zu erfüllen.93 Der Begriff des Wartens hat also in Bezug auf die Menschwerdung und das Leiden des Messias keinen Platz mehr (vgl. Lk 1,29-31). Richtig ist, daß im Alten Testament stets Christus als Subjekt des Geschehens und Sprecher in den Zeugen präsent ist; falsch aber wäre es, würde der Satz des Predigers, es gäbe nichts Neues unter der Sonne (Koh 1,9 f.), auch auf die Inkarnation Christi bezogen - Vischer vermeidet es ausdrücklich.94 Daß Gott Mensch wird, ist nicht das Natürlichste „unter der Sonne"95 (wenn auch Jahrhunderte vorher angekündigt), sondern der besondere Erweis von Gottes Gnade und Gericht über die Sünde (Rom 1) und eine echte Erfüllung alttestamentlicher Verheißungen: Sah man bisher die Schatten, so jetzt das helle Licht der Welt in Person. Steht hinter Vischers futurisch-eschatologischem Begriff von Erfüllung die gegen die lutherische Abendmahlsauffassung formulierte reformierte Lehre vom finitum non capax infiniti96, und zwar in der Fassung Karl 90 Christuszeugnis I, 25-29, hier 28 (BARTH-Zitat; Hervorh. orig.); Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 19 (Hoffnung im Neuen Testament unabgeschwacht). Ebenso HELLBARDT, Das Alte Testament und das Evangelium, 21 (zit nach SCHROVEN, Christologische Auslegung, 254). Auch VOGEL, Wie predigen wir, 356 betont den „Verheißungscharakter dieser ,Erfüllung'". 91 Christuszeugnis I, 29. 92 HERNTRICH, Theologische Auslegung?, 20 f. (zur Diskussion Vischer-HERNTRICH siehe oben S. 266 f.). 93 Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 31 u. ö.; ebenso BARTH, K D 1 / 2 ,
101 f.; v g l . A p g 3 , 1 8 ; 94
13,27-29.
Der noachitische Bund, 1933, 30. 95 Der Prediger Salomo, 1926, 63 f. 96 Das „Extra calvinisticum" besagt: Die endliche Menschheit Christi ist stets bei der unendlichen Gottheit, nicht umgekehrt. Hierzu: Heidelberger Katechismus, Frage 47-48;
Würdigung und Kritik
325
Barths? So wurde in der Kritik an Vischer in einem Tübinger Seminar von Karl Heim im Sommer 1937 argumentiert.97 In der Tat fehlt in Barths Christologie eine wirkliche communicatio der Naturen Christi.98 Wenn Barth das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit so begreift, daß die Ewigkeit die geschichtliche Zeit nur streift wie die Tangente den Kreis und nicht in sie eingeht, ist deutlich, daß unter Erfüllung nur ein gesteigertes Warten verstanden werden kann. Wenn diese Lehre in Vischers Exegese wirksam wäre, dann hätte sie, nicht aber die Auffindung alttestamentlicher Selbstbezeugungen Jesu, als legitimen Ansatzpunkt für den gegen Vischer oft erhobenen Vorwurf des Doketismus zu gelten. In diese Überlegungen ist auch die Frage einzubeziehen, ob das Capax-Problem den Hintergrund für das Schwanken Vischers in der Frage nach dem Verhältnis von Geist und Buchstaben bildet: „Zeichen, Kennzeichen des im Stalle geborenen Gottessohnes sind für alle, die ihn suchen, die alttestamentlichen so gut wie die neutestamentlichen Schriften; Krippe und Windeln, nicht das Kind selbst; Zeugnisse in toten Buchstaben, nicht der lebendige Christus. Der heilige Geist muß die Buchstaben durchwehen, sonst bleiben sie tot. Der heilige Geist aber ist nach der Verheißung der Schrift und der kirchlichen Lehre nicht zu trennen von den Worten der Schrift, wie schwärmerische Menschen meinen, die das geschriebene Wort verachten und sich auf den ,Geist' berufen. . . . Gleichwie der Vater im Himmel sich zu dem vom Weibe geborenen und am Kreuz getöteten Menschensohn bekennt, so verspricht der heilige Geist, die toten Buchstaben der Schrift durchhauchend so zu beglaubigen, daß wer sie hört, die Stimme des lebendigen Gottes vernimmt."99
Die Bindung des Geistes an den Buchstaben ist nach Vischer kein Dauerzustand, sondern ein Versprechen, das Gott in seiner Freiheit einlösen kann, wo und wann er will.100 Das wäre in der Tat richtig, wäre der Buchstabe des Alten Testaments tot. Doch das Gesetz des Alten Testaments CALVIN, Institutio II, 13, 4 (Ausgabe von O. WEBER S. 297 f.). Belege zum lutherischen finitum capax infiniti bietet BEYSCHLAG, Erlanger Theologie, 157 Anm. 304; ders., Grundriß I I / l , 74 Anm. 134 (Lit.). 97 Siehe oben S. 109. 98 Hierzu vgl. ROTHEN, Klarheit II, 58 f. 99 Christuszeugnis I, 19 f. (Hervorh. S. F.), ebenso 16; vgl. Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 380; Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen?, 1932, 96: das Wunder des Geistes, daß Gott in diese alten Menschenworte auf einmal den lebendigen Odem haucht. „Wo dieses Wunder nicht geschieht, bleibt die ganze Bibel stumm. . . . Wo das geschieht, da lesen wir nicht mehr nur von David oder von Abraham: da heißt es vielmehr: Du bist der Mann. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein." 100 Vischer rührt damit an die Position von HERMANN RAHTMANN, dem Auslöser des nach ihm benannten Streits (1621-28): die Bibel sei wohl unfehlbar inspiriert, aber in sich selbst ohne lebenzeugende Kraft; erst der zusätzlich geschenkte Geist Gottes lasse das gehörte Wort heilsam wirksam werden (LAU, Rahtmann).
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Zusammenfassung und Beurteilung
ist für die Verfasser des Neuen Testaments von tötender, also in sich durchaus lebendiger Wirksamkeit (Hebr 4,12; 2. Kor 3,6, vgl. Rom 7,6)!101 Die Lehre vom finitum non capax infiniti ist Indiz eines christologischen Defizits, sofern gelehrt wird, nicht näv τό πλήρωμα της θεότητος wohne σωματικώς (Kol 2,9) in dem Menschen Jesus. Ist Vischer nun dieses Defizit anzulasten? Wenn man sich die schwerwiegende Bedeutung vor Augen hält, die Vischer den geschichtlichen concreta der Schrift zumaß, um gerade in ihnen Christus zu finden und nicht in abstrakten Prinzipien (vgl. den folgenden Abschnitt), kann die Frage nur verneint werden. Vischer hatte keine doketische Chnstologie. Er stellt uns umgekehrt vor die Frage, ob die vielfach blutleeren überlieferungsgeschichtlichen Rekonstruktionen noch Christus in der alttestamentlichen Geschichte erkennen lassen, oder ob Christus sich aus den Rekonstruktionen zurückgezogen hat, so daß der Kontakt zwischen Geschichte und Christus verloren gegangen ist. Wäre das nicht viel eher als „doketisch" zu bezeichnen? Wenn man Vischers eschatologischen Begriff von Erfüllung recht verstehen und beurteilen will, darf auch nicht vergessen werden, mit welcher Intention bzw. aus welchem Blickwinkel Vischer das Verhältnis der Testamente bestimmte: Er wollte jede theologische Abwertung des Alten Testaments vermeiden. Der Begriff eines gänzlichen Erfülltseins des Alten Testaments kam für ihn im Blick auf seine deutschchristlichen Gegner nicht in Frage; das hätte für ihn ein Überholtsein und letztlich die Preisgabe des Alten Testaments impliziert.102 Das Alte Testament wird, sofern es als Gesetz die Sünde aufdeckt und als Evangelium die Vergebung verheißt, durch die Erfüllung in Christus nicht zum Schweigen gebracht. Vischer möchte das Alte Testament aufwerten - aber wird damit das Neue Testament herabgesetzt?103 Diese Gefahr besteht, wo das Neue, das bei der Stiftung des Neuen Bundes geschenkt wird, in die „ewige Gleichzeitigkeit" aufgelöst wird. 104 a) Die Selbigkeit Gottes und das Abgetansein des Mosegesetzes „Auf der Erde ist Jeremia Gottes Mund. Gottes Wort ist im Himmel, Gottes Wort, wie es in der Ewigkeit bei ihm ist, geht uns auf Erden nichts an.105 Nur 101 Unstrittig war für Vischer hingegen wegen Rom 1,17; 3,21, daß das Alte Testament, insofern es (auch in Legalpartien!) Verheißung und Evangelium ist, lebendig machen kann. - Gerade lutherisch-konfessionelle Theologie hatte ein hermeneutisches Defizit darin, im Gesetz das Evangelium zu entdecken. Wird das „lex semper accusat" verabsolutiert (vgl. ELERT, Ethos, § 10), so kann ein recht verstandener usus propheticus legis verdeckt werden. 102 Vgl. Prophetie, 1930, 2. 103
104
Vgl. die Kritik v o n DANIELOU, Rez. 140 f.
Siehe oben Anm. 77 (S. 320). Vgl. dagegen Dtn 30,11-15; Rom 10,6-8! Gott kennen wir nur auf Erden nur in seinem Wort; und „Wort" Gottes kennen wir nur auf Erden. Wenn wir einst den Status der visio 105
Würdigung und Kritik
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wenn es in die Zeit eingeht, wenn es , Fleisch wird', trifft es uns in unserem Dasein. Nur wenn es geschichtliches Wort wird, begegnet es uns wirklich. In Jeremia ist das ewige Wort geschichtlich geworden, indem es sich als den verborgenen Sinn seines Daseins und als das verborgene Gericht und die verborgene Gnade der damaligen Zeitgeschichte offenbarte. Mit seiner ganzen Existenz ist der Prophet der Mund des Herrn, ein Zeuge der Fleischwerdung des Wortes. Ein Zeuge der Fleischwerdung des Wortes, das ihn ins Dasein gerufen . . . hatte . . . So sind die Erlebnisse des Jeremia von Anathoth in den Jahren 626-585 vor Christi Geburt und die Geschichte seiner Zeit im Lichte seiner Reden Bezeugung der Fleischwerdung des Wortes in den Jahren 1-30. Sie fordern den Leser auf, Gott zu glauben und zu bekennen als den in der Geschichte sich offenbarenden. Daß sich wirkliche, zeitliche Geschichte ereignet hat, unwiederholbare Geschehnisse in jenen bestimmten Jahren, sagt eindeutig jede Seite des Buches Jeremia. Aber weil es Offenbarungsgeschichte ist, weil die Reden Jeremias Zeugnis davon sind, daß Gott sich in der Wirklichkeit des Menschen offenbart, können die Worte Jeremias, wie sie uns überliefert sind, direkt Rede Gottes an uns . . . werden. Wenn Gott es gewesen ist, der zu Jeremia gesagt hat: , Heute dieses Tages ...', dann kann dieses ,Heute' auch das Heute unseres Tages sein."106
Vischer begründet hier die Möglichkeit, daß ein Wort im Jeremiabuch uns Nachgeborenen zur Anrede werden kann, nur mit der Selbigkeit Gottes.107 Diese Begründung ist unzureichend und offensichtlich nicht auf alle Texte des Alten Testaments anwendbar, denn ohne die Erkenntnis unserer durch Kreuz und Auferstehung Jesu Christi veränderten Stellung zur Thora wäre uns ein sachgerechter, das heißt heilsgeschichtlich reflektierter Umgang mit ihnen verstellt: „Gottes Wort hin, Gottes Wort her, ich muß wissen und achthaben, zu wem das Wort Gottes geredet werde .. ."1C8 Kultund Judizialgesetze gelten definitiv nicht mehr als unmittelbares Gesetz für Christen, sondern nur noch als Weissagung und als Bericht über den Alten Bund. In diesem Sinne kann zwar auch Vischer sagen, daß in Christus alttestamentliche Worte definitiv abgetan sind, ζ. B. in der „Evangelischen Gemeindeordnung" zur Frage von Tempel und Tempelgroschen (Mt 17,24-27) 109 . Das Neue in der Offenbarung des Neuen Bundes wird von Vischer aber gegenüber der Identität aller Bünde in Christus insgesamt
beatifica erreicht haben werden (Offb 21,22 f.; 22,3-5), ist keine Schrift mehr notwendig; wir werden ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist (l.Joh 3,2). 106 Prophetie, 1930, 2 (Hervorh. orig.). 107 Vgl. Christuszeugnis II, 131: Simsons Gott sei der neutestamentliche Gott. 108 LUTHER, Eine Unterrichtung, wie sich Christen in Mosen sollen schicken, in: WA 16, 384, 13 ff. (zit. nach BORNKAMM, Luther und AT, 106). 109 Die evangelische Gemeindeordnung, 1946, 55: „... daß das Aufrichten und Ausbauen einer nationalen Heimstätte der Juden in Palästina ganz sicher nicht das Ziel der Wege Gottes mit Israel ist, und daß ein Christ nie und nimmer einen Beitrag an einen allfälligen Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem und an eine Wiederaufnahme des dortigen Tempelkultes leisten dürfte."
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Zusammenfassung und Beurteilung
zurückgestellt, was viel Kritik provozieren mußte.110 Dies ist neutestamentlich zu konkretisieren. b) Die Neuheit der καινή διαχήκη nach dem Hebräerbrief Die ausführlichste Abhandlung des Neuen Testaments zur Frage, worin das wirklich „Neue" am Neuen Bund besteht, bietet der Hebräerbrief ein paränetisches Lehrbuch über das Heilshandeln Gottes durch die Äonen. Dazu wäre es sinnvoll, den ganzen Brief durchzugehen; wir müssen uns aber auf einzelne Abschnitte (Kap. 1 und 7-10) beschränken. Der Hebräerbrief erläutert das Wesen des Neuen Bundes durch den Gegensatz, die Steigerung, aber auch durch die Kontinuität zum Alten Bund. Dies setzt schon mit dem ersten Abschnitt (1,1-4) ein, wo Kontinuität und Diskontinuität nebeneinandergestellt werden. Der Verfasser beginnt mit der Diskontinuität (V. l-2a): 'Πολυμερώς και πολυτρόπως πάλαι ό θεός λαλήσας τοις πατράσιν έν τοις προφήταις 2έπ' εσχάτου των ήμερων τούτων έλάλησεν ήμϊν έν υίω,
Das frühere, vielfache und verschiedene Reden Gottes durch die Propheten zu den Vätern steht dem einen Reden in den letzten Tagen durch den Sohn zu uns gegenüber. Konstatiert wird also eine Diskontinuität in der Weise, wie sich Gott offenbart. Sofort muß aber der andere Satz folgen, daß eine ontologische Kontinuität in Gott besteht: Denn durch den Sohn, der das Ebenbild des Vaters ist, hat Gott die Welt geschaffen und sie ihm als dem Erben übereignet (V. 2b-3a): ni öv εθηκεν κληρονόμον πάντων, δι ού και έποίησεν τούς αιώνας· μα της δόξης και χαρακτηρ της υποστάσεως αύτού, . . .
3
ος ών απαύγασ-
Mehr noch: die Christologie hat nicht nur protologische bzw. kreatorische Relevanz, sondern auch gubernatorische, denn das Wort des Sohnes bestimmt (durativ) Raum und Zeit (V. 3b): φέρων τε τά πάντα τω ρηματι της δυνάμεως αύτού . . .
- und vom ihm hängt die Erlösung ab, die ein für allemal erwirkt wurde (V.3c): καθαρισμόν των άμαρτιών ποιησάμενος . . .
110 Merkwürdig überspielt wird etwa die Tatsache, daß die Propheten des Alten Bundes das zweimalige Kommen des Messias als einmaliges geschaut haben (Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 19). Das Konstatieren eines Gegensatzes in der Eschatologie hätte seiner Was-/Wer-Formel (Christuszeugnis I, 7) widersprochen. 111
V g l . LANG, E r w ä g u n g e n ,
532.
Würdigung und Kritik
329
Daß Christus sich zur Rechten des Vaters gesetzt hat und von dort die Welt regiert, weist wieder zurück auf seine gubernatio (V. 3d-4): έκάθισεν έν δεξιά της μεγαλωσύνης έν ύψηλοϊς, 4 τοσούτω κρείττων γενόμενος τών αγγέλων οσφ διαφορώτερον παρ' αύτούς κεκληρονόμηκεν ονομα.
Die drei Amter Christi sind bereits in diesem Eingangsabschnitt präsent: das munus propheticum, das munus regium und das munus sacerdotale. Alles Geschehen der Welt und alle Versöhnung hängt, so die Botschaft von 1,1-4, von dem göttlichen Sohn ab. Das frühere Reden Gottes durch die Propheten zu den Vätern kann also nicht abgelöst vom Sohn Gottes verstanden werden. Der Verfasser konzentriert seinen Vergleich von Altem und Neuem Bund dann, nach dem eher ermahnend gehaltenen Teil von Kap. 3-6, in den Kapiteln 7-10 auf die Themen Priestertum und Heilsaneignung. Kap. 7 ist bestens vorbereitet; mit Spannung erwartet man die in 6,1 angekündigte „Vollkommenheitslehre". „Kap. 7 ist nicht nur Kernstück des Hebr, sondern a u c h E n t h ü l l u n g v o n G e h e i m n i s s e n . " 1 1 2 Zunächst zum Gedanken des Priestertums Christi. Christus ist „Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks"113, nicht nach der Ordnung Aarons. Das besagt: Sein Priestertum ist ewig und nicht vergänglich wie das Priestertum Aarons. Allerdings übernimmt Christus als melchisedekischer Priester die Funktion des aaronitischen Priestertums, Sühne zu wirken (9,15). Mehr noch: Erst Christus bringt das aaronitische Priestertum dahin, diese Aufgabe zu erfüllen, die es nicht erfüllen konnte.114 „Das Gesetz konnte nichts zur Vollendung bringen und eingeführt wird eine bessere Hoffnung, durch die wir uns zu Gott nahen" (7,19). Mit diesem Punkt scheint mir die Grenze überschritten, jenseits derer man nicht mehr auf dem Acker steht, von dem sich Vischers Theologie speist. Κρείττων, sagt der Hebr, ist die Eigenart des neutestamentlichen Bundes, des eschatologischen Ereignisses.115 Der Alte Bund konnte nicht vollkommen machen, würde Vischer bestätigen, aber mit dem Hinweis auf 9,15 hinzusetzen, daß Christus dies vorwegnehmend geschenkt hat. Der Hebr aber sagt in den Kapiteln 7-10, daß die Gewissen der alttestamentlichen Gläubigen unvollkommen blieben.Ub Vischer verfehlt dies Moment der Steigerung und 112 MLCHEL, Hebr, 255 (Hervorh. orig.). Vgl. den Versuch, Melchisedek mit Christus zu identifizieren, bei HANSON, Jesus in OT, 65-72. 113 Hebr 5,10; dann mit dem Zusatz „in Ewigkeit" gesteigert in 6,20; 7,17. 1,4 MICHEL, Hebr, 308 zu Hebr 9,9. A.a.O. 283 zu 7,27; 326 zu 9,25 f.; 332 f. zu 10,2: jede Wiederholung beweist die Nutzlosigkeit der Tieropfer an und für sich, d. h. getrennt vom neutestamentlichen Heilsgeschehen. 115 Hebr 1,4; 7 , 1 9 ff.; 8 , 6 ; 9 , 2 3 ; 1 0 , 3 4 ; 1 1 , 3 5 ; vgl. 1 1 , 4 0 ; 1 2 , 2 4 ; vgl. MlCHEL, Hebr, 2 6 7 . 116 Hebr 7,19; 8,10.12; bes. 9,9.14; 10,1-4. - Ich vermisse diesen Gedanken bei HANSON, Jesus in OT (vgl. 169 f.).
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Zusammenfassung und Beurteilung
der ,Neuheit'1'7, von dem die Prophetie gewußt hatte (vgl. 1. Petr 1,10-12): „Nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern Schloß an dem Tage, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen. Denn sie sind nicht geblieben in meinem Bund ..." (Hebr 8,9, zit. aus Jer 31,31-34 LXX). Der Neue Bund muß nach Gottes Willen zur Vollkommenheit des Menschen führen, was der „schwache" erste Bund nicht konnte; darum ist der Neue Bund ein ewiger und der letztmögliche, der durch keinen weiteren überboten werden kann: Die Gottesoffenbarung in dem Sohn ist die der letzten Tage (1,2); durch ihn wird ein wirkliches Nahen zu Gott eingeführt, das vorher nur dem Hohenpriester und auch diesem nur am jährlichen Jom Kippur (9,7-9) möglich war. Das „Einführen" dieser Möglichkeit, sich dem Vater zu nahen,118 hat einen heilsgeschichtlich-ingressiven Aspekt, der von Vischer unterschlagen wird. Daß im Sinne von Hebr 8,8-13; 10,14-18 das Gesetz im erneuerten inneren Menschen kraft des Heiligen Geistes tatsächlich zur Erfüllung kommt, kann auch wegen Rom 8,2-4 nicht in die Zeit des Alten Testaments zurückgelesen werden.119 Gott selbst sorgt im Menschen unter dem Neuen Bund für die Einhaltung der Gebote, weshalb dem Neuen Bund die am Alten vermißte Unverbrüchlichkeit eignet. Neu ist also die Tatsache, daß die Gewissen und Herzen der Christen dauerhaft bzw. durch wiederholte Buße immer neu, aber völlig und ohne neue blutige Opfer (Hebr 10,4) gereinigt werden können, weil das Opfer Jesu Christi ein für allemal zureichend ist (vgl. V.2 f. 10-22) - darin besteht die Vollkommenheit, das Vollendetsein des Neuen Bundes.120 Der Gläubige des Alten Bundes konnte dies nicht erfahren, weil die ihm „bis zur Zeit einer besseren Ordnung auferlegten" Satzungen (δικαιώματα σαρκός 9,10; vgl. 7,16; αγιάζει προς την της σαρκός καθαρότητα 9,13; vgl. 10,1-4) „immer nur auf das Fleisch bezogene und durch das Fleisch begrenzte" waren.121 „,Fleisch' ist aber der Mensch in seiner natürlichen Beschaffenheit, die sich G o t t im letzten entziehen kann Gegensatz z u m Fleisch ist das ,Gewissen', das d e m W o r t und G e b o t Gottes ausgesetzt ist." 122
Der neutestamentliche Gläubige έν Χριστφ hat den Heiligen Geist also in einer Weise, wie er vor Pfingsten auch dem Beter von Ps 51 oder einem 117
έπεισαγωγή steht im Neuen Testament nur hier (Hebr 7,19). προσέρχεσθαι τφ θεώ: Hebr 4,16; 7,25; 10,22; 11,6; έγγίζομεν: 7,19; vgl. Gal 4,4-6; Rom 5,1-11; 8,15 f.; l . P e t r 2,4; vgl. MlCHEL, Hebr, 272 f. 119 Von daher ist vielleicht auch Jesu Wort über Johannes den Täufer zu verstehen, nachdem dieser, der Größte der von Frauen Geborenen, der kleinste im Himmelreich sein soll (Mt 11,11 = Lk 7,28). 120 Vgl. Kol 2,16 f.; vgl. MlCHEL, Hebr, 272, zum Vollkommenheitsbegriff auch u. a. 285 f. m A. a. O. 308 z. St. m A. a. O. 308 f. 118
Würdigung und Kritik
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Gerechtfertigten (Gen 15,6) im Alten Bund nicht gegeben war. Im Sinne von Hebr 8,7-13 sind die Verheißungen, auf denen der Neue Bund beruht, „besser", „weil sie sich durch Jesus Christus in der Gegenwart erfüllen. Sie weisen nicht auf etwas hin, was erst durch ein anderes Gotteswort verwirklicht werden kann, sondern auf etwas, was sich durch Jesus Christus schon gegenwärtig vollzieht."123 Hebr 9,11-14 bezeichnet diese Wirklichkeit als Reinigung der Gewissen von den toten Werken124 und als Dienst für den lebendigen Gott (καθαριεϊ τήν συνείδησιν ήμών άπό νεκρών έργων εις τό λατρεύειν θεφ ζώντι). Wenn Paulus sagt: „τέλος γαρ νόμου Χριστός εις δικαιοσύνην παντΐ τφ πιστεύοντι" (Rom 10,4), so ist der Spielraum, den der Begriff τέλος dem Übersetzer läßt, weit auszuschöpfen: a) Christus ist wirklich - im zeitlichen Sinn - Ende der wörtlichen Gültigkeit der Zeremonial- und Judizialpartien des Gesetzes. Die heilsgeschichtliche Epoche, die unter dem Paradigma des Gesetzes steht, ist έγγύς αφανισμού (Hebr 8,13). b) Er ist Ende des Fluches125, den das Gesetz über dem Sünder ausspricht, denn er übernimmt den Fluch an sein Kreuz (Gal 3,13). c) Er ist zudem der Sinn des Gesetzes, weil es die Aufgabe hat, die Menschen auf ihn hin zu treiben (Gal 3,24) und so den Mißbrauch des Gesetzes als Heilsweg zu beenden.126 Bei Vischer lag das Schwergewicht so stark auf dem letzeren, die Kontinuität betonenden Aspekt, daß die anderen ständig in Gefahr standen, zu kurz zu kommen. c) Schriftgebrauch und Trinitätslehre Vischers Arbeiten wollen ein kräftiger Hinweis auf die im Neuen Testament geübte und damit vorbildliche Auslegung und verbindliche Auffassung des Wortes Gottes im Alten Bund sein. Geht er aber über das Neue Testament hinaus, wenn er die Präexistenz Christi geschichtlich konkretisiert, etwa wenn er (mit Luther „ohne allen Widerspruch"!) sagt: Der Mann, mit dem Jakob am Jabbok ringt, ist Christus127? Hat ein alttestamentlicher Text für den m
A. a. O. 294. Das sind die Werke, die zum Tod führen, oder aber auch nur die Werke, die Gott vom Menschen her versöhnen wollen (a.a.O. 308. 314); vgl. Hebr 6,1. 125 CHILDS, Theologie II, 418. 126 Vgl. HELLBARDT, Telos, 340 f.; HANSON, Jesus in OT, 28; zu den drei Punkten bes. 124
SAUER, G o t t ,
44-49.
127
Vischer zitiert zu Gen 32,23-33 (Christuszeugnis I, 187-190) aus LUTHERS GenesisVorlesung (nach Walch2 II, 774-815, hier bes. Nr. 189, Sp. 800). Er versäumt dabei jede Erwähnung und Reflexion 1. von Hosea 12,4 f. (anders als LUTHER; für diesen ist die Hosea-Stelle jedoch ironische Wiedergabe der Meinung falscher Propheten, a. a. O. 775-781), 2. d e s l e t z t e n V e r s e s d e r P e r i k o p e ( G e n 3 2 , 3 3 ; vgl. LUTHER a. a. O . 8 1 3 - 8 1 5 ) . - PROCKSCHS
Kritik war m. E. berechtigt (siehe oben S. 278 f.), und die Vorbildlichkeit des Festhaltens am Wort der Verheißung wäre m. E. auch ohne Identifizierung des gegnerischen Mannes mit der zweiten Person der Trinität sinnvoll (vgl. O. SCHLIER, Christuszeugnis, 24, dessen deutsch-christlich reduziertem Begriff von „Christuszeugnis" ich freilich nicht folgen kann).
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Zusammenfassung und Beurteilung
christlichen Glauben nur in ausschließlicher Beziehung auf die zweite Person der Gottheit Bedeutung?128 Vischer würde (mit Luther129) sagen: die Frage ist falsch gestellt. Gerade die enge Beziehung von Christus zu den Texten der Schrift ist die Grundlage dafür, daß wir es uns zum Vorbild nehmen können, wie Jakob am Wort der Verheißung festgehalten hat. Gott stiftet wirklich nur in Christus Gemeinschaft mit dem Menschen (es gibt in Raum und Zeit nur einen Mittler lt. 1. Tim 2,5; Barmen I). „Wo der Glaube an Gottes Wort lebendig ist, da ist Gott für uns da, das heißt aber Christus gegenwärtig."130 Die Art und Weise, in der Vischer dies in seinen Forschungen anwandte, läßt aber an die Kritik Eichrodts an Hellbardt und Vischer denken: Weder Johannes, noch Paulus, noch der Verfasser des Hebräerbriefs hätten es gewagt, die Präexistenz Christi in die Anschaulichkeit der Geschichte umzusetzen. „Sollte der Grund dafür nicht darin liegen, daß ihnen bewußt war, hier handle es sich um die Berührung eines göttlichen Wesensgeheimnisses, das von Menschen nur als unanschauliche Wahrheit mehr geahnt als er-
128 Kann Christus mit dem Deus revelatus, Gott der Vater mit dem Deus absconditus identifiziert werden (vgl. EICHRODT, Zur Frage, 74 f. 84.)? Vgl. JOHNSON, Argument, 14: „The Yahweh of the Old Testament is often the second person of the Trinity. He, too, is Yahweh, as the Holy Spirit." M BORNKAMM, Luther und AT, 170 f. (gesperrte Hervorh. orig., kursiv S. F.): „So hat Christus überall in der Schrift gesprochen, wo von Gottes Wort an die Menschen berichtet wird. Aber er hat auch d u r c h sie gesprochen. Alles was Luther an Psalmen oder Prophetenstellen kraft seiner christologisch-prophetischen Auslegung Christus in den Mund legte, war nicht gemeint wie im Schauspiel, wo einer angedeuteten Person erdachte Worte auf die Lippen gelegt werden. Sondern diese Worte waren für ihn in absoluter Realität Worte Christi selbst, der durch die Psalmisten und Propheten geistlich gesprochen hat. . . . In all den christologischen Weissagungen des Alten Testaments ist Christus also immer auf doppelte Weise anwesend, als der Sprechende und als der Geweissagte. Aber man darf die beiden Seiten nicht auseinander reißen, als verkünde der ewige Christus den künftigen Menschen Jesus von Nazareth. Sondern kraft der Untrennbarkeit der beiden Naturen, der communicatio idiomatum, ist der ganze Gottmensch überall im Alten Testament gegenwärtig"! 130 A.a.O. 172. „Die exegetischen Regeln, die er gegen Zwingli für die Einsetzungsworte verficht, finden auch Anwendung auf das Verständnis der Christusgegenwart in den alttestamendichen Zeichen" (a. a. O. 172 f.). LUTHER selbst: „... folget gewaltiglich und unwidersprechlich, das der Gott, der das Volck Israel aus Egypten und durchs rote Meer gefuret, in der wüsten durch die Wolckseule und Feurseule geleitet, mit Himelbrot geneeret und alle die wunder gethan, so Moses in seinen Büchern beschreibet, Item der sie ins land Canaan bracht, und drinnen Könige und Priestertum und alles gegeben hat, sey eben der Gott und kein ander, denn Jhesus von Nasareth, . . . Item, Er ist's, der auff dem Berge Sinai Mose die zehen Gebott gibt und spricht: ,Ich bin der HERR dein Gott, der dich aus Egypten gefuret hat, Du solt fur mir kein ander Götter haben'. Ja, Jhesus Nasarenus, am Creutz für uns gestorben, ist der Gott, der im Ersten Gebot spricht: ,Ich, der Herr, bin dein Gott'. Wenn solchs die Juden und Mahmet hören sollten, wie Sölten sie Toben! Dennoch ists wahr und mus wahr bleiben ewiglich, und sol ewiglich dafür Zittern und Brennen, wers nicht glaubet" (WA 54, 67, 1 ff.).
Würdigung und Kritik
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kannt werden könne?" Diese neutestamentlichen Verfasser hätten sich zurückgehalten, weil sie die alttestamentliche Botschaft nicht verengen wollten. „Gewiß macht die christliche Theologie keine Aussage über Gott außer in und durch Christus. Aber sie weiß auch, daß neben Joh 1,18 ebenso ernst 6,44 zu gelten hat . . . Und sie weiß ebenso, daß unsere Gotteserkenntnis nicht wahr ist, wenn sie nicht vom Heiligen Geist dargereicht wird. . . . Will man die Auslegung des Alten Testaments durch einen dogmatischen Begriff bestimmt sein lassen, so kann derselbe nur in der Trinität gefunden werden."131 Ist Vischer vom Vorwurf betroffen, von einem trinitarischen auf ein rein christologisches Denken ausgewichen zu sein? Ist Vischer über das Neue Testament und seine Weise der Aufnahme des Alten Testaments hinausgegangen, so daß er vom Neuen Testament her zu kritisieren ist, sofern er auch Texte, die im Neuen Testament nicht ausdrücklich christologisch ausgelegt werden, auf Christus bezog? Ist er mit eigenwilliger imitatio aus dem Raum der oboedientia gegenüber den neutestamentlichen Autoren herausgetreten? Er hat ihre Voraussetzungen geteilt: 1. Das Alte Testament ist Gottes Wort, das heißt die von Gott zur Offenbarungsbezeugung autorisierte Auswahlsammlung der auf uns gekommenen altorientalischen Literatur132. 2. Geistgeleitete Schriftauslegung erkennt in diesem Testament die Spuren Jesu Christi. 3. Sie begegnet damit Gott und nicht der Frömmigkeit oder einem Glaubensniveau der Autoren der Schrift. Das Neue Testament gibt Vischer in den entscheidenden Grundsätzen seines Christuszeugnisses des Alten Testaments Recht: 1. Die Präexistenz Jesu ist für die Verfasser des Neuen Testaments kein Nebengedanke, sondern eine immer wieder durchscheinende Grundvoraussetzung. 133 2. Zuspruch und Ermahnung werden in Auslegung und Predigt des Alten Testaments immer mit Jesus Christus verbunden, das heißt gehen von ihm aus und führen zum Glauben an ihn.134 Das Neue Testament warnt und tröstet die Gemeinde: Gott handelt an uns in Analogie zur alttestamentlichen Geschichte: wir werden befreit und herausgeführt, wenn wir stille sind wie Israel (Ex 14,14) und nicht auf unsere Werke vertrauen; Abraham ist unser Vater, David unser König.135 Das Neue Testament konnte dabei 131
132
EICHRODT a. a. O . 8 4 ; vgl. CHILDS, T h e o l o g i e I I , 4 7 f.
Die unteilbare Ganzheit der Bibel, 1935, 117; Das Alte Testament und die Verkündigung, 1931, 4. 133 Dies zu zeigen ist die Absicht des Buches von HANSON, Jesus in OT. 134 l.Petr 1,8-12; Röm 4,22-25; 15,3-6; l . K o r 10,9-11; 2. Kor 6,2; Hebr 3,7-14 (vgl. 2,2 f.: Wort durch Engel - Predigt des Herrn); Mt 5,17; 22,41-46p. Literatur zur Verwendungsweise des Alten Testaments im Neuen: REVENTLOW, Biblische Theologie, 21-23. 135 Vgl. Christuszeugnis I, 294-302; GESE (Hermeneutik, 81): Der Exeget darf sich seinem Gegenstand nicht verschließen, sondern ist hineingenommen und bedarf der Identifikation.
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Zusammenfassung und Beurteilung
nicht jeden Text des Alten Testaments einzeln christologisch auslegen. Für die Verkündigung und das Selbstverständnis etwa des Paulus war es von basaler Bedeutung, nicht als Erfinder neuer Lehren aufzutreten, sondern Christusverkündigung als Schriftauslegung zu vollziehen. Dies gilt auch für unsere Predigt, die im Normalfall Textpredigt bzw. Schriftauslegung sein und alttestamentliche Texte nicht vernachlässigen darf. Unsere Freiheit in der christologischen Auslegung ist vorbildlich begrenzt vor allem durch die paränetisch-parakletische Zielrichtung, mit der solche Auslegung in der Predigt zu verwenden ist, damit also kein bloß gedankliches „philologisches Possenspiel"136 entsteht. So hielt es Paulus nicht für erforderlich, die alttestamentliche Grundlage seiner Predigt immer mit alttestamentlichen Zitaten deutlich zu machen. In sechs Briefen (Phil, Kol, 1./2. Thess, Titus, Phlm) verwendet er deren keine.137 Die Auslegungen alttestamentlicher Texte im Neuen Testament sind Vischer (zu Recht) für den chrisdichen Glauben verbindlich. Offen blieb bislang die Frage, ob dies auch für die im Neuen Testament geübten Methoden gilt und damit auf die im Neuen Testament nicht ausgelegten alttestamentlichen Texte übertragbar ist. Aber sind es „Methoden", die man bei diesem oder jenem Gegenstand anwenden könnte? Viel angemessener sollte man hier, trotz aller Analogien, von der durch keine Methode fixierbaren Freiheit und Vollmacht der apostolischen Bindung an den Herrn der Schrift sprechen. Vischer hat ausdrücklich versucht, Exegese des Alten Testaments historisch· kritisch, also mit profanen, das Wirken des dreieinigen Gottes agnostisch ausschließenden und nur das menschliche Wirken berücksichtigenden Methoden zu treiben - obwohl ihm die „christologische Auslegung des Alten Testaments durch das Evangelium . . . keineswegs eine nachträgliche Umdeutung jener alten Schriftstücke" ist; sie „allein entspricht vielmehr ihrem ursprünglichen und eigensten Sinn. Jeder Versuch, sie anders auszulegen, verdunkelt und vergewaltigt sie."138 Dieser Versuch einer Synthese 134 Gegen diesen Vorwurf NIETZSCHES hat sich Vischer öfter abgegrenzt: Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 39; Christuszeugnis I, 32; Der Inhalt der Verkündigung, 1941, 36; vgl. oben S.164f. 137 Selbst die Messianität Jesu begründet er in keinem Brief mit einem Schriftzitat (vgl. aber Apg 17,2-3!). LONGENECKER, Can We Reproduce, 36 (Lit.); LONGENECKER nennt nicht Phil 2,7.10. Vgl. AMSLER, Typologie, 81; CHILDS, Theologie I, 281 (Lit.). 289; ders., Theologie II, 138. 138 Die Bedeutung des Alten Testaments für das christliche Leben, 1938/ 2 1947, 5. Dies ist auch historisch insofern nachvollziehbar, als in der frühen Kirche (anders als in den Apokryphen und Pseudepigraphen) kein Versuch einer christlichen Redaktion des Alten Testaments unternommen wurde (vgl. CHILDS, Theologie I, 99). Diese Tatsache stellt auch die Fortschreibung einer inneralttestamentlichen Überlieferungsgeschichte ins Neue Testament (Typologie bei VON RAD; Traditionsgeschichte bei GESE) in Frage; das Neue Testament setzt einen abgeschlossenen alttestamentlichen Kanon voraus (a. a. O. 76-82; vgl. den Begriff πάσα in 2. Tim 3,16).
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Würdigung und Kritik
läuft einem breiten K o n s e n s d e r Bibelwissenschaft zuwider 1 3 9 , sofern in d i e s e r die n e u t e s t a m e n t l i c h e E x e g e s e des Alten T e s t a m e n t s s a m t
ihrer
G r u n d l a g e in d e r überzeitlichen C h r i s t u s g e g e n w a r t b z w . in d e r i m m a n e n t e n T r i n i t ä t für unvorbildlich, unverbindlich, unwissenschaftlich und d a m i t unw i e d e r h o l b a r 1 4 0 sowie d e r sensus literalis im Sinne des sensus historicus des Alten T e s t a m e n t s als einziger b z w . einzig m a ß g e b e n d e r gilt 1 4 1 , d a s heißt d e r Sinn, den die V e r f a s s e r d e r biblischen Schriften z u i h r e r Z e i t n a c h aller historischen W a h r s c h e i n l i c h k e i t e r f a ß t h a b e n k o n n t e n . V i s c h e r s Auslegungsweisen stehen denen des N e u e n T e s t a m e n t s parallel, w e n n e r alt- und neutestamentliche T e x t e assoziativ b z w .
midraschartig
nebeneinanderstellt, oft o h n e z u sagen, inwiefern eine B e z i e h u n g zwischen beiden besteht: „dies h a t B e z i e h u n g z u / e r i n n e r t an . . ," 1 4 2 , o d e r im Stile d e r P e s h e r - M e t h o d e : „dies ist identisch mit . . ." 1 4 3 V i s c h e r s L e s e r müssen
139 CHILDS, Kanon, 25: das Alte Testament werde im Neuen „gründlich umgewandelt" (dto. in Theologie I, 260). Vgl. BARR, Vischer and Allegory, 52 zu Vischer: „But a theology of history of this kind seemed to contain elements of severe self-contradiction" (Hervorh. orig.). Dagegen sieht SCHWARZWÄLLER (Verhältnis, 284 f.) in der Versöhnung von historischkritischer Interpretation und dogmatischer Rezeption gerade die Stärke Vischers. 140
A . A . O . 5 4 f.; vgl. LANG, E r w ä g u n g e n , 5 3 3 ; GUNNEWEG, V o m V e r s t e h e n , 32 f.
CHILDS, Sensus Literalis, 88 f.; KAISER, Einleitung, 19. Daraus ergibt sich die Unbedingtheit der Forderung nach „Kenntnis der Geschichte, der Religionsgeschichte und Theologie Israels und des Judentums ebenso wie die ihrer Welt und Umwelt", „um das Zeugnis der biblischen Bücher recht zu hören und zu verstehen" (a. a. O. 16; BARR, Scholarship, 16). Vgl. hierzu die aktuelle Auseinandersetzung zwischen CHILDS und BARR über die Rolle der Allegorese in der historischen Kritik (CHILDS, Sensus Literalis; ders., Reflections; BARR, Allegory; ders., Scholarship). Auch BARRS Aufsatz „Wilhelm Vischer and Allegory" gehört in diese Reihe: Vischer sei nur oberflächlich betrachtet wegen seiner Nähe zur Allegorese abgelehnt worden. Zum einen bestehe diese Nähe auch in der schulmäßigen historischen Kritik. Zum anderen habe Vischer selbst Allegorese immer abgelehnt. Die Wertschätzung, die man ihm mit der Festschrift 1960 erzeigte, konnte sich auf rein historische Arbeiten beschränken. So sei die Ablehnung von Vischers Theologie geschichtstheologisch begründet gewesen (bes. 52-54). BARR hat darin durchaus recht; eine andere Frage ist, ob damit CHILDS wirklich widersprochen ist. 111
142 Beispiele aus: Die evangelische Gemeindeordnung, 1946: a) Zu Mt 16,22 f.: „Wie die Kerube mit dem bloßen hauenden Schwert den Weg zum Baum des Lebens sperren, so hält das schärfste Wort Jesu für ihn [Petrus] und für seine Gemeinde den Weg zum Kreuze frei" (31). b) Zu Mt 17,14-20: Jesus wird ungeduldig" über das Unvermögen der Jünger, den Mondsüchtigen zu heilen. „Das gemahnt an den Zorn des Moses, als er am Fuß des Sinai das Volk beim Tanz um das goldene Kalb traf. Und das Scheltwort Jesu erinnert an eine Stelle in den letzten Worten des Mose (5. Mose 32,4-6)" (44). c) Zu Mt 19,13-15: Vischer stellt das Auflegen der Hände bei Jakob, Mose, Josua, Jesus, Petrus, Johannes und Paulus nebeneinander (91). 143 Joseph „rettet nicht nur Israel sondern auch Ägypten. Das ist ein prophetisches Präludium der Rettung der Welt durch die Leidensgeschichte des Gottesknechtes Israel, die begründet ist und erfüllt wird durch die Opferung des Einen, von allen Söhnen Israels abgelehnten, um dreißig Silberlinge verkauften Bruders, des Christus Jesus" (Christuszeugnis I, 194). Mose im Kästchen sei „Vorbild der Kindheit des Retters der Welt, der in einem Stall
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Zusammenfassung und Beurteilung
an vielen Stellen selbst entscheiden, ob wirklich eine sachliche, vom Heiligen Geist gewollte Beziehung vorliegt oder ob die Erkenntnis dieser Beziehung an eine Begabung gebunden bleibt, wie sie in Vischers Assoziationskraft vorliegt (vgl. die Esther-Auslegung). Doch eröffnet uns Vischer nicht gerade dadurch den Raum der Freiheit, damit wir lernen, an dem Ort zu stehen, an dem die Apostel standen, wenn sie das von der Sonne der Gerechtigkeit beschienene Land, das die heiligen Schriften vor ihrem Auge aufspannten, überblickten: der Berg der Verklärung Jesu, Golgatha, der Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte, oder der Weg von Jerusalem nach Emmaus? Vischer hat richtig gesehen, daß weder Typologie noch Allegorese als zentrale Kategorien des Schriftgebrauchs des Neuen Testaments angesehen werden können (vgl. Teil 2.4.3). In der Mitte steht der Glaube an den präexistent wirksamen Jesus Christus.144
Diese Freiheit wird durch die Bindung an den gegenwärtigen Auferstandenen empfangen und erhalten; durch methodische Selbstbefreiung kann sie nicht erkauft, sondern nur verloren werden. Die Schrift, das Instrument Christi, befreit uns, nicht wir selbst. Sie gibt uns den Zugang zu sich selbst und zu dem heiligen Gott, indem ihre Worte einander erklären und mit dem Wirken Gottes konfrontieren. Wenn man sich erst um hörergerechte Höreinschränkungen (vgl. Dtn 6,4f.!) bemüht, hört man nur sich selbst.145 Die Befreiung ist auch nicht zu erwarten von der Anlehnung an philosophische Strömungen.146
geboren wird, weil er sonst keinen Raum hat auf der Erde . . . " Er gibt seine Vorteile bei H o f e auf und setzt sich für die Brüderlichkeit unter den Seinen ein - wird aber abgelehnt ( a . a . O . 205 f.). - Ex 15,3 ff. und O f f b 15: das Lied des Mose, das den Herrn preist, der seinem wehrlosen Volk hilft, stehe am Anfang und am Ende der Wege Gottes mit seinem Volk (Der Herr ist der rechte Kriegsmann, 1940, 3). 144 Sehr schön zeigt dies HANSON, Jesus in OT, 172-178 (Zusammenfassung). Leider steht aber auch er dem Methodenbegriff zu unkritisch gegenüber (vgl. 176 f.). 145 Vgl. TRILLHAAS (Dogmatik, 95): „Es gilt unseren Umgang mit der Hl.Schrift zu befreien von einer neuen Knechtschaft und von dem , Zwang zur Beschneidung'. Es gilt, die Konsequenzen daraus zu ziehen, daß wir selbst dem Paulus und den anderen Aposteln gegenüber in einer anderen Situation sind, weil für uns die Gesetzes- und Kulttradition des Alten Bundes nicht einmal mehr den Charakter einer überwundenen und abgelegten eigenen Geschichte hat, sondern nur noch Gegenstand unseres Wissens ist. Es ist eine tiefe Unwahrhaftigkeit, heutige nichtjüdische Christen auf eine heilige Vorgeschichte hin verpflichtend anzureden und darauf festzulegen, welche nicht die ihre ist Damit aber ist erst die Auslegung zu jener Freiheit befreit, die allein die Freiheit der Kinder Gottes ist und mit intellektueller Redlichkeit durchgehalten werden kann." - Vgl. unten Abschnitt 3.3.2. - Zur sog. Applikationshermeneutik bes. WENZ, Wort Gottes, 294 ff. 144 Vgl. OEMING, Gesamtbiblische Theologien, 38 (vgl. 40) mit Bezug auf das Problem, daß konsequente Anwendung kritischer Methoden die Uneinheitlichkeit der Testamente grell ins Licht setze: „Der philosophische Nachweis, daß es Wahrheit gibt, ,die den Kontrollbe-
Würdigung und Kritik
337
Von daher ist schließlich das Recht von Vischers Vor-satz „Das Alte Testament sagt, was der Christus ist, das Neue wer er ist, und zwar so, daß deutlich wird: nur der kennt Jesus, der ihn als den Christus erkennt, und nur der weiß, was der Christus ist, der weiß, daß er Jesus isfH? zu befragen. Das Neue Testament verkündet nicht nur den Namen148, sondern weithin auch das Wesen des Messias149. Die Menschwerdung Christi erhellt also nicht nur seine Identität („Wer ist der Messias?" - Antwort: Jesus von Nazareth), sondern auch sein Sein („Was und wie ist der Messias? Was redet und tut er? Inwiefern ist er Herr und Erlöser von Juden und Heiden?"). Dies ist ja der Zweck vieler Erklärungen und Gleichnisse Jesu, sowie von christologischer Lehre in den Briefen und der Offenbarung. Lernen wir bereits aus dem Alten Testament vollständig, was und wie der Christus ist, und mit welcher Art Lektüre lernen wir es150? Kann man allein aus dem Alten Testament lernen, daß der Messias zunächst in Niedrigkeit und ein weiteres Mal in Herrlichkeit auf die Erde kommt, oder daß Gottes Reich nicht von dieser Welt ist?151 Von Vischers Theologie her liegt es nahe zu bejahen: Weil das Alte Testament wie das Neue vom Menschen verlangt, ganz aus Gottes Gnade zu leben, könnte geschlossen werden, daß Glaube nicht mit Feuer und Schwert zu erzwingen ist. Weil es aber nur den Augen des neutestamentlichen Glaubens152 möglich ist, beispielsweise den Erzvätern die Sehnsucht nach dem „himmlischen Vaterland" (Hebr 11,16) oder Mose das Wissen um die Schmach Christi (11,26) zu bescheinigen, gilt die Formel Vischers „voll erst nach dem Ereignis, da
reich wissenschaftlicher Methodik übersteigt' (XXVII [Zitat aus GADAMER, Wahrheit und Methode, 4. Aufl.]), kann als Ausweg aus dieser Not erscheinen. Der Glaube an die Inspiration der Bibel sowie die typologisch-christologische Exegese erscheinen rehabilitierbar." 147 Christuszeugnis I, 7. Vgl. MISKOTTE, Götter schweigen, 166 f. (Hervorh. orig.): „Es verhält sich vielmehr so, daß wir . . . vom Alten Testament immer wieder zu lernen haben, was eigentlich der Inhalt, der Sinn und die Absicht dessen ist, was wir , Christus' nennen. Wer er ist, davon zu wissen, ist der Grund der Kirche. Was er ist, welche messianische Offenbarung und Bestimmung, welche Qualitäten in der Ordnung von Wert und Wirkung, welcher Weg und welche Zukunft mit der Christophanie verbunden werden dürfen und müssen, darüber müssen wir stets von neuem durch die Tora und die Propheten belehrt werden." 148
Vgl. die Schärfe HELLBARDTS: „das einzig Neue, was das Neue Testament berichten kann", sei, daß der Christus den Namen Jesus trägt (zit. nach SCHROVEN, Christologische Auslegung, 272). 149 Bereits bei Paulus ist der Name Christus „zu einem zweiten Eigennamen geworden, dem nur noch Spuren seiner ursprünglichen Bedeutung geblieben sind. Der Name hatte seinen Inhalt durch die christliche Gemeinde erhalten (interpretatio christiana), und zwar mehr durch die wirkliche Person und das Handeln Jesu Christi als durch ein schon früher begründetes Konzept" (CHILDS, Theologie I, 289). IM n W l e kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet (τις οδηγήσει)?" (Apg 8,31). 151 Vgl. oben S. 279 f. 152 Vgl. oben Teil 2.3.
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Zusammenfassung und Beurteilung
man es wahrgenommen hatte und begann, das Alte Testament im Geiste des Neuen zu lesen"153, soweit uns also die Decke von 2. Kor 3 und damit auch die Mißdeutung des Zeugnisses von der göttlichen Erwählung des Gottesvolkes als menschlich-nationalen Egoismus (Subjektwechsel!) genommen ist.154 Vischer selbst hat zur Geschichte des triumphalen Exodus des Volkes aus Ägypten gesagt, man müsse sich den Unterschied zwischen der Art und Weise von Gottes Herrschaftsanspruch im Alten und Neuen Bund klarmachen. Die göttlichen Machterweise seien nicht Zeichen einer relativen, sondern einer absoluten Überlegenheit Gottes über Natur, Geschichte und Götter. „Eines ist hier am Anfang der Geschichte Israels noch nicht so deutlich, wie es später werden wird, daß nämlich Gottes Reich, dem alle Reiche der Welt Untertan sein werden, nicht von dieser Welt ist; daß seine Überlegenheit so absolut ist, daß sie gar nicht in Konkurrenz tritt mit den Mächten der Menschen und der Dämonen, daß vielmehr die ,göttliche Schwachheit' die Kräfte des Widerstandes entkräftet und die Machtordnung der Welt völlig umkehrt." 155 Die Exodusgeschichte und das übrige Alte Testament enthielten aber eine Reihe von Hinweisen: die Wehrlosigkeit der Israeliten, die Schlachtung des Passalammes, Jes 7-9 und Sach 9,9.156 Nicht nur den Namen, nach dem im Alten Testament gefragt wird157, sondern auch das Wesen des Messias und seines Reiches würden wir nicht verstehen, wenn wir das Neue Testament und Christi Geist nicht hätten sonst läge uns noch die Decke über den Augen bzw. über dem Alten Testament. Dann könnten wir immer noch nicht zentrale, im Alten Testament offen gebliebene Glaubensfragen beantworten: Warum zum Beispiel konnte Gott einem Sünder (Abraham) den Glauben zur Gerechtigkeit zurechnen? Wie sollten unfähige Menschen je das Gesetz einhalten? Wenn Gesetz und Opfer nur eine schuldaufweisende Funktion hatten und die Opfer unzureichend waren158: Wie konnten Menschen das ewige Leben erlangen? Im Neuen Testament erfahren wir: Das Kreuz Jesu Christi galt 153
154
LUBAC, Geistiger Sinn, 101.
Schon in der alttestamentlichen Prophetie wird das Gottesvolk davor gewarnt, sich auf dem Vorzug göttlicher Offenbarung (Ps 147,19 f.) und Erwählung auszuruhen, vgl. etwa Hos 8,1 ff.; Am 3,2 etc. 155 Christuszeugnis I, 220 f. (Hervorh. S. F.), Entgötterung von Natur und Geschichte auch S. 211. - Mit dieser Überlegenheit Gottes verträgt sich meines Erachtens schlecht die Auslegung Vischers von Apg 3,21, nach der Jesus Christus erst bei erfolgter Bekehrung der Juden wiederkehren wird (siehe oben Anm. 549, S. 134; vgl. das oben S. 115 f. referierte Memorandum/Punkt c und S. 125). Ist Jesus Herr und nicht Knecht des Sabbats (Mk 2,28), dann kommt er unabhängig vom Glauben und vom Einhalten des Sabbats wieder zurück, nur abhängig von den von ihm selbst gegebenen „Zeichen der Zeit" (Mt 24p). 156 A . a . O . 221. 157 Vgl. Gen 32,30; Ri 13,18; Prv 30,1-6; vgl. Sir 43,24 mit Joh 1,18 (jeweils mit Kontext). 158 Vgl. Hebr 10,1-4.
Würdigung und Kritik
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ihnen wie uns; und der vom Gesetz geforderte und doch von ihm nicht vermittelbare Gehorsam wird in uns durch den Heiligen Geist geschenkt. 159 Die vielen Opfer waren schattenhafte Vorwegnahmen des einen Opfers Christi, von dem allein sie ihre soteriologische Wirksamkeit bezogen 160 ; auch wenn die Zeit des einmaligen Opfers Jesu noch nicht gekommen war. Es gibt also einen realen Heilserkenntnisfortschritt vom Alten zum Neuen Bund. Gibt es ihn auch inneralttestamentlich? Es ist meines Erachtens kein Zufall, daß die Weissagungen vom neuen Herzen und vom Neuen Bund nicht am Anfang der alttestamentlichen Geschichte stehen. Gott wollte die Fülle seiner Wahrheit und seiner eschatologischen Heilsgabe nicht auf einmal offenbaren 161 , auch wenn sie im präexistenten Christus gegenwärtig war und die Fülle des Heils, also Rechtfertigung und ewiges Leben, durchaus vor der Menschwerdung Christi durch Christus zugeeignet wurde. Vischer und Barth sind also in Reaktion auf den religiösen Evolutionismus zu weit gegangen, wenn sie jeden Offenbarungsfortschritt ablehnen.162 D a ß es im Offenbarer selbst, in Christus und in dem von ihm zugeteilten Heilsgut keinen Fortschritt gegeben hat, ergibt sich - seiner Erniedrigung, die einmal für allemal geschah, unbeschadet - aus H e b r 13,8. Ein Fortschritt in der Erkenntnis der Heilsgeschichte ist eine andere Frage: Je länger der Weg Gottes mit den Menschen war, desto mehr Worte Gottes und Glaubensvorbilder 163 waren bekannt, und umso deutlicher trat die Sündhaftigkeit des Menschen hervor. Von der neutestamentlich bezeugten Treue und Konstanz von Gottes Wesen (vgl. H e b r 13,8; J a k 1,17) kann man nicht auf die Unveränderlichkeit seiner Offenbarung schließen. Und umgekehrt kann von einem Offenbarungsfortschritt nicht auf eine Veränderung im Offenbarer geschlossen werden. Vischer und Barth haben die Vorstellung vom Wachstum von Offenbarung abgewehrt, weil sie befürchteten, die Offenbarung werde dadurch in der Geschichte gefangen. Ihr Anliegen ist sicher richtig, die Reaktion aber, wie am Vergleich von Vischer und Delitzsch deutlich geworden ist, ging zu weit. Denn ein „Heilserkenntnisfortschritt" betrifft zunächst die menschliche Seite und beschneidet in keiner Weise Gottes Selbigkeit. Vischer betonte (wie Barth) sehr die Freiheit Gottes; durch die Verschiedenheit der Bundesschließungen Gottes und seiner geschichtlichen Pädagogik hätten Bedeutung und Reichweite dieser göttlichen Souveränität aber einen eigenen Akzent erhalten müssen. Von der geschichtlichen, genauer von der in Wort und T a t geofm
Rom 3,21-26; 8,2-4; vgl. GOODING, Kingdom, 34. Rom 3,25 f.; H e b r 7-10 (darauf verweist Vischer zur Frage, welches Subjekt die Vergebung im Kult bewirken konnte: Notes Sur le culte de l'Ancienne Alliance, 1963, 297 f.). 161 Vgl. FEINBERG (Hg.), Continuity and Discontinuity, xi. 162 Vgl. KRAUS, Neue Begegnung, 432. 163 Abraham etwa hatte für seinen Glaubensschritt ins Ungewisse noch kein Glaubensvorbild - umso höher ist dieser Schritt zu schätzen. 160
340
Zusammenfassung und Beurteilung
fenbarten Pädagogik Gottes her ist seine Souveränität zu verstehen und nicht umgekehrt!
3.3 Die Fragen Wilhelm an die wissenschaftliche 3.3.1
Prinzipien-Denken. Kritik
Vischers
Exegese des Alten
Zum distanzierenden
Testaments Effekt
historischer
Mit der Einführung von Verfahrensweisen in der Bibelwissenschaft, die sich ausschließlich auf das nach aller Erfahrung mögliche Wirken des Menschen richten (Analogieprinzip), stellte sich ein distanzierender Effekt ein: Die hier notwendige Trennung zwischen Wort und Christus164 wurde zwangsläufig ausgeweitet zur Trennung zwischen ,heutigem' Hörer oder Leser und ,alter' Schrift. Oswald Bayer schreibt über das Interesse der Aufklärung an historischer Forschung: „Wir können uns nicht deutlich genug vor Augen führen, daß dieses Interesse von Haus aus nicht der Kommunikation mit dem Erforschten oder gar einem Einverständnis mit ihm dient, sondern seiner methodisch gewollten und ins Werk gesetzten Distanzierung. Solche historische Kritik intendiert keine Verfremdung, die das fremd Gewordene neu sehen und hören ließe, sondern eine, die es erledigt - ob nun in der Form scharfer und solenner Abschaffung nicht nur des Ancien regime, sondern auch des alten Gottes der Christen und ihrer Zeitrechnung in der französischen Revolution oder aber in der ungefährlicher scheinenden Aufhebung, die der Philosoph Hegel befürwortet und betrieben hat."165 Brevard Springs Childs summiert: „Das hermeneutische Problem aber besteht darin, daß diese Analyse des biblischen Textes als eines menschlichen Phänomens, obwohl aus bestimmter Perspektive unzweifelhaft korrekt, unfähig ist, positive Hilfe zur Erfassung des wahren Hauptinhalts, auf den die Texte zeigen, zu bieten. Die historisch-kritische Exegese kommt an der entscheidenden Grenze, die passiert werden muß, wenn man die Bibel als Wort Gottes verstehen will, ins Straucheln. David Steinmetz hat besonders überragend gezeigt, daß die historisch-kritische Methode die Frage nach der Wahrheit endlos vertagt."166 Der Unterschied von Damals und Heute stellt an sich kein Hindernis dar, in der Vergangenheit geschriebene Texte als wahr und normativ anzunehmen.167 Zum Hindernis wurde dieser Unterschied erst vor dem Hin164
Siehe oben Abschnitt 2.5.1.
165
BAYER, A u t o r i t ä t , 5; vgl. GADAMER, W a h r h e i t , 3 0 8 f. BAYER e n t g e g e n g e s e t z t f o r m u l i e r t
LANG, Erwägungen, 525: neuzeitliche Hermeneutik wolle die Distanz 166
167
überwinden.
CHILDS, T h e o l o g i e I I , 2 1 6 f.; STEINMETZ, S u p e r i o r i t y , 3 8 .
Vgl. zu LUTHER: WENZ, Wort Gottes, 44 (Lit.). ROTHEN, Klarheit I, 33: Nicht die Zeit, sondern die Sünde ist das hermeneutische Problem (vgl. Anm. 118, S. 171)!
Die Fragen Wilhelm Vischers an die wissenschaftliche Exegese des AT
341
tergrund einer Geisteshaltung, die die Wandlung der menschlichen Erkenntnis durch die Zeiten interpretiert, sei es als Höherentwicklung168, sei es als Veränderung oder Wechsel gleichrangiger Prinzipien von Wissenschaft und Kultur169. Zu fragen ist, ob nicht gerade ein von bestimmten Prinzipien und Idealen170 geführtes Denken über Prinzipien (etwa von deren Wechsel durch die Zeiten und ihrem Widerstreit innerhalb und zwischen den Epochen) ein Denken ist, das schwachen und dürftigen στοιχεία verhaftet bleibt.171 Da darf und/oder kann dieses oder jenes selbstverständlich nicht geschehen oder normativ sein, während anderes ebenso selbstverständlich zu geschehen hat. Prinzipien sind - darin tragen sie dogmatischen, das heißt bewußtseinsbindenden Charakter - unbewußt und selbstverständlich wirksam, also nicht hinterfragbar außer bei krisenhaften Begegnungen mit entgegengesetzten Paradigmen oder bei einer Infragestellung, die vom Geber der wahren, das heißt mit der biblischen Personwahrheit verbindenden Prinzipien selbst ausgeht.172 Eine Überwindung der uns gefangen haltenden Weltprinzipien, das heißt aber letztlich eine Uberwindung des „Gottes dieser Welt" (2. Kor 4,4), ist nur durch die Offenbarung der Person des princeps möglich.173 Nur der Herr aller Prinzipien kann uns unserer prinzipiellen Gesetzlichkeit entreißen.174 168 Hiergegen auch CHILDS, Theologie II, 433 (Hervorh. S. F.): „Unglücklicherweise ist die Geschichte der Exegese oft ein trauriges Beispiel für den Verlust theologischer Einsicht 169
„Paradigmen": KUHN, Struktur. Ζ. B. ist es nach Vischer falsch, ein Messias ideal zu entwerfen: Der Gottesknecht, 1930, 105 (gegen GRESSMANN). - Vgl. SLENCZKA, Geschichtlichkeit, Kap. VII. Christusprinzip und Christusperson S. 224-236. 171 Gal 4,9 (zum Begriff vgl. Vischer, Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 25: die Jesus verwerfenden Juden fallen unter die στοιχεία zurück; vgl. στοιχεία als positiv: Hebr 5,12). Vgl. WENZ, Wort Gottes, 247. 328. 172 Zum Geschichtsbegriff vgl. oben S. 220 ff. 173 BUSCH, Barths Lebenslauf, 373 f. erinnert an BARTHS Einlassungen über „Prinzipien", und zwar in seiner Kritik an der amerikanischen Theologie anläßlich einer Begegnung mit R. NLEBUHR: „Barth vermißte im Denken der ,Amerikaner' in den Gegensätzen von Gute [sie] und Böse usw. eine ,dritte Dimension': das Wort Gottes, der Heilige Geist, Gottes Gnade und Gericht usw. - ,das Alles nicht als Prinzipien . . . , das Alles als Bezeichnung von Ereignissen.'" - Vgl. Vischer, Wie predigen wir über das Alte Testament heute?, 1960, 11.19; Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 4; zu Versuchen, den historischen Graben zu überwinden, vgl. Perhaps the Lord will be Gracious, 1959; God's Truth and Man's Lie, 1961, 132-136. 170
174 Vgl. BARTH, K D 1/2, 12 f.: „Es war immer ein schweres Mißverständnis des Neuen, aber auch des Alten Testaments, wenn man seinen Inhalt (nach der Weise aller Gesetzlichkeit!) in gewissen Prinzipien hat finden wollen. Wobei es ganz gleichgültig ist, ob es das Prinzip der Gotteskindschaft war oder vielleicht das Prinzip des Kampfes der wahren Religion gegen die Kirche oder umgekehrt . . . Es ist tragisch und humoristisch zugleich, zu sehen, was für verschiedene Bilder dabei im Laufe der Zeit entstanden sind und wie immer
342
Zusammenfassung und Beurteilung
Die kritische Frage an das Denken in Prinzipien ist an alles, was sich „Methode", „Konzeption"175 oder „theologisches Modell"176 nennt oder sein will, sowie an den Begriff „Schriftprinzip"177 zu richten. Die Lehre vom Schriftprinzip kann nur dann Sinn und Berechtigung haben, wenn sie eindringlich klar macht, daß uns die rechte Bindung an die Schrift nicht in der Weise gesetzmäßiger und so vernünftig nachvollziehbarer Regelhaftigkeit gefangen nimmt, sondern daß die Bindung an das äußere Bibelwort mit der (nach Gal 5 befreienden) Bindung an den einen lebendig gegenwärtigen Princeps und Lehrer nach Mt 23 identisch ist: „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort (έν τφ λόγφ τω έμφ), so seid ihr wahrhaftig meine Jünger, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen" (Joh 8,31 f.). Das Schriftprinzip ist daher recht verstanden „nicht eine Theorie, deren Anwendung in der Praxis zu prüfen und durch-
wieder je von dem einen aus gesehen alle übrigen als Nebensache . . . beurteilt . . . wurden . . . Obwohl man sich doch durch die neuere Geschichtsforschung belehren lassen könnte, daß außer dem Namen Jesus Christus ungefähr alles im Neuen Testament: Alles, was sich allenfalls zu einem Prinzip verarbeiten läßt, seine mehr oder weniger genauen außerbiblischen Parallelen hat und also gewiß nicht der Kern des Kernes sein kann! - Es würde aber gelten zu verstehen, daß im Sinn der neutestamentlichen Schriftsteller selbst schlechterdings Alles, was sie sagen, nur Rand . . . wäre, wenn es als Proklamation eines Prinzips, einer Idee, einer allgemeinen Wahrheit verstanden würde - daß aber auch schlechterdings Alles Mitte und Hauptsache und Ewigkeitsgeschichte ist, sobald man es als Prädikat einer Aussage über Jesus Christus versteht". - Auch ebd. S. 16 versteht BARTH unter „Prinzip" eine „von dem Namen Jesus Christus zu abstrahierende ,Offenbarungswahrheit'", so die Loslösung der Inkarnation, der Gotteskindschaft oder der eschatologischen Erlösung von ihrem göttlichen Subjekt. Zur Möglichkeit, Jesus Christus im Denken „vorauszusetzen", vgl. K D 1/2, 535 f. 175 Vgl. K D 1/2, 778 über die Notwendigkeit, Konzeptionen von der Heiligen Schrift offenzuhalten, das heißt immer neu zwischen der Heiligen Schrift und allen menschlichen Konzeptionen von ihr zu unterscheiden. 1/6 Ζ. B. bei KLAPPERT, Israel und Kirche. 177 VOGEL, Wie predigen wir, 346 und 348 (vgl. 357): „Nicht ein vorgefaßtes Schriftprinzip, sondern Befehl und Verheißung des Wortes G o t t e s . . . veranlassen uns, in der Schrift Christus zu suchen. Es ist Sache der Schrift selbst, daß wir nicht vergeblich suchen. Der Heilige Geist läßt uns so suchen, daß wir finden. Unsere Schuld ist es, wenn wir nicht suchen. Wenn irgendwo, so gilt hier die Verheißung: Suchet, so werdet ihr finden!" „Christus finden, das heißt gerade nicht, das Alte Testament über den Leisten eines unserer religiösen oder ethischen Prinzipien zu schlagen, sei es denn so etwas wie ein christliches Prinzip, eine Idee des Christlichen, ein von uns bestimmtes bezw. bestimmbares Wesen des Christentums. Legen wir unsere Prinzipien an die Heilige Schrift, so versuchen wir sie in das Prokrustes-Bett unserer Maßstäbe zu zwingen, um dann abzuhauen, was sich da nicht hineinzwängen lassen will. Hier gilt es aber, dem Wort der Schrift den Primat zu lassen, auf daß sie uns den w i r k l i c h e n Christus weist, in dem allein unser Heil ist. Jene Prinzipien sind es, die uns nicht an die Wahrheit der Schrift herankommen lassen, in deren Namen wir wohl gar meinen, Christus im Alten Testament nicht suchen finden zu d ü r f e n . Im Namen unserer .Wahrhaftigkeit' glauben wir uns gegen die Wahrheit Gottes versperren zu müssen und verlieren darüber den T r o s t der Schrift, die Christum treibet. Gerade wenn wir den Text stehen . . . lassen wie er dasteht werden wir auf Christus gewiesen" (Hervorh. orig.).
Die Fragen Wilhelm Vischers an die wissenschaftliche Exegese des AT
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zusetzen wäre", sondern bezeichnet die Realität der Begegnung des dreieinigen „Gottes mit dem Menschen und des Menschen mit Gott. Im Hören auf das Wort Gottes der Heiligen Schrift vollzieht sich so die Gemeinschaft von Gott und Mensch."178 Schriftlesung und -auslegung führt also in den Realitätszusammenhang von Buchstabe und Geist, der nur bei Lösung unserer Bindung an Christus aufgelöst werden kann.179 Vischer: „Wie lernst du den HERRN Jesus Christus kennen? Aus der heiligen Schrift des Alten und des Neuen Testaments."180 „Er verpflichtet sie nicht auf Prinzipien. Er nimmt sie in seine Gemeinschaft mit dem Vater auf .. ,"181 In eine spiritualistische Prinzipienlosigkeit bei Entwertung aller Dogmatik hat dies bei Vischer nicht geführt182, wie sein Festhalten an der immanenten Trinitätslehre183 und sein begeistertes Verfolgen der Entstehung der Kirchlichen Dogmatik Barths184 zeigt. Der Zusammenhang von dreieinigem Gott und Schrift war für ihn von grundlegender Bedeutung; in einer eindringlichen Predigt „Perhaps the Lord will be Gracious" (nach Amos 5) schärft er ein: „Seek Jesus in the Scriptures and you will live!"185 Wer Gott 178
SLENCZKA, Entscheidung, 39; zit. auch bei WENZ, Wort Gottes, 213 f. Vgl. dazu wieder BARTH: „ES handelt sich also bei der Lehre von der heiligen Schrift als solcher um das Bekenntnis, in welchem die Kirche die der rechten und notwendigen Gehorsamsstellung gegenüber dem Zeugnis von der Offenbarung entsprechende Erkenntnis sich klarmacht und damit in erster Linie sich selbst bei dieser Stellung behaftet und fesdegt" (KD 1/2, 509). Sie beschließt freilich nicht gnädig aus eigener Machtvollkommenheit, sich eben diesem Wort statt anderen, auch zur Verfügung stehenden Worten, zur Verfügung zu stellen, sondern sie wird dorthin qua Kirche versetzt oder sie ist noch unversetzte Welt. D a ß „Prinzip" nicht ausschließlich negativ zu gebrauchen ist, macht BARTHS Gebrauch des Begriffes in K D 1/2,746 (Autorität und Freiheit als Prinzipien) und 753 (die Heilige Schrift als Prinzip, neben das kein anderes zu stellen ist) deutlich. Vgl. K D 1/2, 760: „Die ganze Wahrheit ist, daß die sämtlichen Weltprinzipien in der heiligen Schrift schon durchschaut und eingeklammert, in ihrer vermeintlich letzten und absoluten Gültigkeit schon widerlegt, in ihrer Kraft schon überboten, in ihren Triumphen schon überholt sind"; der Glaube an die Auferstehung Jesu sei hiervon nicht trennbar. 796: Es ist keine systematische Darstellung in der Lehre von der Freiheit anzustreben. 179
180
Christenlehre, 1947, 7. Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, 1961, 20. 182 Vischer schießt jedoch über das Ziel hinaus, wenn er in Der Prediger Salomo im Spiegel des Michel de Montaigne, 1981, 178 über einen von der Philosophie Kohelets Befreiten sagt: „Läßt er sich gehorsam lenken, dann wird er sich nicht auf einen Standpunkt fesdegen; und die Treue gegenüber dem lebendigen Herrn entbindet ihn von der Pflicht, einem Prinzip gegenüber treu zu bleiben. Er weiß, daß alles Tun und Lassen unter dem Himmel seine Zeit und Stunde h a t Darum urteilt er von Fall zu Fall, ist offen für neue Möglichkeiten und frei, sich heute so und morgen anders zu entscheiden." 183 Die Dreieinigkeit Gottes ( l . K o r . 8,4), 1934, Titelseite. 184 Yg) u a s e i n e Rez. zu den ersten beiden Teilbänden (1938; Vischer stimmt vorbehaltlos zu) und seine Zustimmung noch zur Tauflehre: Br. an KARL BARTH vom 27.1.1968. 185 Predigt „Perhaps the Lord will be Gracious" (Amos 5), 1959, 292; vgl. A propos de la conference de R. Rendtorff, 1982, 80: Juden und Christen lesen die Bibel, weil sie Gott kennenlernen wollen; deshalb: „notre commune lecture est bien plus qu'un exercice litteraire, 181
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Zusammenfassung und Beurteilung
finden wolle, müsse in der Schrift suchen. Wer das da tue, werde (ewig) leben - andernfalls (ewig) sterben. In den geistlichen Tod führt auch eine Ersetzung des lebendigen Gottes durch ein totes, vielmehr tötendes Prinzip des Guten, der Ersetzung der Initiative Gottes186 durch ein philosophisches Ideal oder die Ethisierung des Glaubens.187 „We too easily step out of reality, so that what we call God is only an idle fancy, a creation of our own imagining. Religions and theologies are, in reality, in large part unreal , superstructures', as Marxism calls them. The God of Israel and Jesus ought to be sought in reality."188 Wieder betont Vischer, daß nicht von den concreta der Schrift abstrahiert werden darf, wenn wir es wirklich mit Gott und nicht mit eigenen Gedanken zu tun haben wollen.189 Mit der Frage nach theologischen „Prinzipien" zielt Vischer darauf, daß Exegese nicht absehen darf von den concreta, in die hinein Gott sein Offenbarungszeugnis gelegt hat, zugunsten abstrahierender Prinzipien. Die JephthahpeHkope-mrA von Vischer zunächst nacherzählt, wobei die Opferung der Tochter längere Berücksichtigung erfährt. Die Sage habe den Charakter eines Märchens (mit Greßmann), und zu beachten sei der tragische Ausgang. Die Frage nach einer Kultlegende wird durch Betonung der Einmaligkeit der Erzählung mehr als relativiert: „Es ist aber wohl zu beachten, daß dies nur dann der Hauptsinn des Todes von Jephthahs Tochter wird, wenn man ihn aus dem
eile nous mene ä la solidarite de notre foi et de notre existence"; Das alte Testament als Gottes Wort, 1927, 382. 186 Arnos, citoyen de Teqoa, 1975, 147 f. 187 Nach BOHREN (Deismus, 172) sind das Auseinanderreißen der Testamente und die Abwendung vom trinitarischen Dogma zusammenhängende Vorgänge (BOHRENS Beispiel: EBELINGS Programmaufsatz in Z T h K 1950).
iss p e r haps the Lord will be gracious, 1959, 292. Vischer stellte sich als Theologieprofessor voll unter die „Wehe" von Mt 23, S.292f. Vgl. Der Prophet Habakuk, 1958, 30 f.: „Wir hören das Wehe jedenfalls nur dann recht, wenn wir da, wo wir stehen, sei es auf der Seite der Religiösen oder auf der Seite der Atheisten, uns selbst unter das Gericht dieses Wehe stellen. Nur durch dieses Gericht können wir vom Knechtsdienst der selbstgemachten Götter befreit werden zum Glauben an den heiligen Gott Der Herr ist in seinem heiligen Tempel. Still sei vor ihm die ganze Erde Γ [Hab] 2,20". 189 Mit Recht betont BARTH, man sage dasselbe mit a) Jesus Christus regiert die Kirche, und b) die heilige Schrift regiert die Kirche. Die Heilige Schrift sei tatsächlich der konkrete Träger des Kirchenregiments (KD 1/2, 776-778). Gleiche These, aber ohne Verweis auf BARTH: WENZ, Wort Gottes, 36. 99 f. 122. 211. 222 f. - Die Stummheit der Schrift in der Kirche (Lit.: REVENTLOW, Biblische Theologie, 10; idea-Dokumentation 6/97) ist zurückzuführen auf das Festhalten an den abstrahierenden Prinzipien des neuzeitlichem Rationalismus, dem menschlichen Autonomiestreben, Relativismus und Historismus - in der Folge die faktische Unbelehrbarkeit der Theologie durch ihren eigenen Gegenstand, Gottes konkrete Offenbarung, der ihr beim täglichen Neuansatz ihrer Arbeit in der Gestalt einzelner - freilich möglichst vieler - Schriftworte zum Subjekt werden muß, wenn sie nicht den „breiten Weg" beschreiten will (zum Problem der Abstraktion gerade in der Barthschen Theologie siehe immer wieder ROTHEN, Klarheit II [Ζ. B. über die Möglichkeit, BARTH von Schriftworten her zu kritisieren: S. 31 f.]).
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Zusammenhang löst. Der biblische Erzähler erwähnt zwar den Brauch der Töchter Israels. Aber seine eigentliche Absicht ist nicht, eine Kuldegende zu bieten. Ihm ist viel wichtiger, was der Tod des Mädchens für seinen Vater bedeutet. Die israelitischen Mädchen bringen die Tochter Jephthahs nicht in das Leben zurück. Der Retter Gileads hat durch sein Gelübde seine Zukunft völlig zerstört. Das will der erschütternde Bericht erzählen."190 In einer längeren Fußnote schließt Vischer eine methodologische Überlegung über das Verhältnis von synthetischer und analytischer Arbeit am Bibeltext in Analogie zur Besonderheit des Ereignisberichtes und der Allgemeinheit seiner Stoffe an. Die analytische Arbeit könne zum Schaden oder zum Segen werden, je nachdem, ob man den Text in seinem biblischen Zusammenhang beläßt: „Wir fanden eine ganze Reihe von Motiven: 1. Menschenopfer, 2. Märchen, 3. Mythos, 4. Kultlegende. Je mehr man bei der Betrachtung jedes einzelnen Motivs einmal die im Text gegebene Verbindung mit den andern aus dem Auge verliert, dann aber auch bei jedem Motiv das Besondere des vorliegenden Falles untergehen läßt in der Kategorie, umso weiter entfernt man sich vom Text. Man ist dem unglücklichen Hang nach der Verallgemeinerung erlegen. Man hat das lebendige Einmalige in Allgemeinheiten aufgelöst, stellt fest: diese Art kommt allgemein so oder anders vor; ob nun gerade so oder anders, hier oder dort, hat nur noch untergeordnete Bedeutung."191 Diese Gefahr des Abstrahierens ist im Verzug, wo bestimmte Weisen der Auslegung als Prinzipien oder starre Methoden die Ergebnisse bestimmen - eingeschlossen Allegorese, Typologie und jedes hermeneutische Modell, das die von der Schrift gespiegelte Wirklichkeit in sich zu begreifen sucht.192 Das Absehen von den concreta der Schrift aber war gleichbedeutend mit einem Absehen vom Offenbarungsmittler Jesus Christus.193 Unvermeidlich ist dann der beschriebene Subjektwechsel.
1.0
Christuszeugnis II, 94. A. a. O. Anm. 33. m Vgl. oben S. 210 ff.; vgl. ROTHEN, Bibel lesen, 3. 1,3 Das gilt selbstverständlich für die Exegese des Neuen Testaments ebenso wie für die des Alten: „Was die Apostel sagen, das sagen sie als Apostel. Es ist jedes ihrer Worte nur wahr, weil es in Christus wahr ist und wenn es als Evangelium aufgerichtet und mitgeteilt wird. Es kann deshalb auch nur ,glaubend', als Wahrheit in Christus empfangen, erkannt und festgehalten werden. Wer es als eine Theorie, als einen Beitrag zur Geschichtsphilosophie nimmt, als ob es die Wahrheit der apostolischen Botschaft gäbe, ohne dass Gott sie gibt, der hält eine Lüge in Händen" (Die Hoffnung der Kirche und die Juden, 1942/1959, 33). 1.1
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Zusammenfassung und Beurteilung
3.3.2
Die Verbindlichkeit und Vorbildlichkeit des Schriftgebrauchs und der Christologie des Neuen Testaments für unsere Auslegung des Alten Testaments194
Das Vorverständnis, mit dem die neutestamentlichen Verfasser ans Alte Testament herangingen, war nach Preuß ihr Jesusglaube.195 Paulus habe seinen Jesusglauben nicht aus der Tora, sondern von seinem Erlebnis vor Damaskus her (vgl. aber l.Kor 4,6; Apg 26,22!).196 Die neutestamentliche Methodik, sagt Preuß im nächsten Satz, „kann für die christliche Auslegung des AT methodisch nicht bestimmend wirken"197. Warum aber nicht? Etwa deshalb, weil wir nicht mehr den neutestamentlichen Jesusglauben haben? „Das Entscheidende dieser Methodik war . . . ihr (von der Methodik unabhängiges) Vorverständnis von Jesus Christus her, das dann sogar zu Korrekturen at.licher Verheißungen vom N T her führen konnte."198 Trotz aller Ungenauigkeit seiner Sprache war die Meinung von Preuß wohl diese: 1) Wir können die exegetische Methodik des Neuen Testaments aufgrund anderer geistesgeschichtlicher Voraussetzungen nicht übernehmen. 2) Bei der Auslegung alttestamentlicher Texte ist mit einer persönlichen Gegenwart Jesu Christi im dort berichteten Wort und Geschehen nicht zu rechnen: „Das Neue innerhalb des N T ist zunächst und vor allem schlicht Jesus Christus selbst; innerhalb des AT und seiner Zeit war er
194 Vgl. ROUSE, Criticism; LONGENECKER, Can We Reproduce; JOHNSON, Argument; LINDARS, Place; HANSON, Jesus in OT; HAYS, Echoes. M PREUSS, Predigt, 28. 63; vgl. CHILDS, Theologie II, 141. 161. 189. 1% Vgl. LONGENECKER, Can We Reproduce, 26: „But though in his own experience a true understanding of Christ preceded a proper understanding of Scripture, in his exegetical endeavours he habitually began with Scripture and moved on to C h r i s t " Genau das Gegenteil bei CHILDS, Theologie II, 138 f.: „Paulus kommt von seiner persönlichen Begegnung mit dem auferstandenen Christus zu dem Titel [Christus]; er begann gerade nicht mit einer alttestamentlichen, jüdischen Tradition." Der „Messiasbegriff" sei also „durchgängig christianisiert worden". Hier wird für das Neue Testament wieder ein Sekundärverstehen konstatiert, das dem Anspruch des Neuen Testaments selbst widerspricht, nämlich dem Anspruch, nun endgültig klargestellt zu haben, was und wer der Messias ist, von Anfang an war und sein wird. Vgl. Apg 1,16: „έδει πληρω{)ηναι τήν γραφήν ήν προεϊπεν τό πνεϋμα τό αγιον διά στόματος Δαυίδ περί 'Ιούδα τού γενομένου όδηγοϋ τοις συλλαβοϋσιν Ίησοϋν"; die dann in V. 20 wiedergegebenen Psalmstellen 69,26 und 109,8 handeln, so Petrus, von Judas, wohl aus unserer Sicht noetisch erst seit der Belehrung durch Jesus in den 40 Tagen zwischen Auferstehung und Himmelfahrt, ontisch aber von Anfang an. 197 PREUSS a. a. O. 28. Vgl. JÜRGEN ROLOFF (unveröffentlichtes Referat vor der Arbeitsgruppe Biblische Theologie): „Da die exegetischen Einzelschritte des Paulus heute weithin nicht mehr nachvollziehbar sind, sei die Verifikation der paulinischen Aussagen aus dem Alten Testament durch die historisch-kritische Methode kaum möglich, sondern nur von dem Glauben her, daß in Christus Gottes Heilshandeln zum Ziel gekommen sei" (REVENTLOW, Projektgruppe, 98 f.). 1,8
PREUSS a. a. O . 6 3 .
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noch nicht da. Das Neue ist somit nicht primär eine Lehre, sondern es ist dieser Christus als Person und Ereignis . . . Hierbei ist nicht wichtig, ob Jesus selbst sich als Messias gewußt hat oder nicht."199 Preuß sagt nicht: ,Jesus war im AT da, man erkannte ihn aber noch nicht" (noetisch), sondern: „er war nicht da" (ontologisch). Wenn dem so ist, geht es aber nicht allein um Methoden des Neuen Testaments, sondern auch um einen christologischen Grunddissens. Die Kritik an „der Methode Vischers"200 und an neutestamentlichen „Methoden" hat ein Gefälle hin zur Kritik an der neutestamentlichen Präexistenzchristologie. Wo man sich zu dieser aber heute bekennt, reagieren viele mit dem Vorwurf des Doketismus. Dieser Vorwurf wurde zum einen bereits oben zurückgewiesen. Zum anderen hat Vischer meines Erachtens Recht mit seiner Kritik an der Redeweise von neutestamentlicher „Methodik" oder „Technik" im Gebrauch des Alten Testaments (vgl. oben S. 212). Es gibt im Neuen Testament kein exegetisches System, mit dessen Hilfe alttestamentliche Texte interpretiert würden.201 Die Freiheit des Geistes bestimmte die Auslegung202; wenn in der Schriftauslegung des Neuen Testaments und der Alten Kirche Allegorese zu konstatieren ist, kann man sie nicht en bloc als Willkür qualifizieren.203 Die Frage, ob wir ein Auslegungssystem oder eine Technik übernehmen könnten oder nichtm, geht also in die falsche Richtung. Zu fragen ist vielmehr, ™ A . a . O . 32. S C H R O V E N , Christologische Auslegung, 2 2 6 . Vgl. die Assoziation in 2 . Kor 1 3 , 1 auf Dtn 1 9 , 1 5 . Vgl. ferner M L C H E L , Hebr, 3 3 6 Anm. 4 zu Hebr 10,5-7/Ps 40,7-9: „Wenn Hebr den präexistenten Christus durch das Psalmwort reden läßt, so steht das Psalmwort im Licht der geschichtlichen Überlieferung Jesu, als Erläuterung, nicht aber als Ergänzung der Evangelientradition vor uns. Die christologische Deutung des Psalters hat im Hebr gewiß liturgisch-kultische Grundlagen, mag auch eine bestimmte Gleichsetzung von Gottes Wort und Christuslehre zur Voraussetzung haben, hängt aber gewiß nicht mit einer bestimmten exegetischen Methode zusammen" (Hervorh. S. F.; vgl. a. a. O. 3 4 2 ) . 200
201
202
BÖHL nimmt richtig an, die neutestamentlichen Verfasser hätten kein künstliches System, nach dem sie zitierten, sondern seien der augenblicklichen Eingebung des Geistes gefolgt; sie wählten ganz ohne Hintergedanken bald diese, bald jene Zitations-Formel (Zitate, XXIV). Man wird sich jedoch vor falschen Gegensätzen (nicht nur Geist-Schrift, sondern auch Geist-Methode) hüten müssen. Vgl. CHILDS, Theologie II, 388: „Die Auslegungstechnik des Midrasch war grundlegend mit dem christlichen Glauben inkompatibel, weil der biblische Text selbst niemals die Rolle eines wirklichkeitsschaffenden Mediums zugeschrieben bekam. Vielmehr wurde der biblische Text als Medium des Heiligen Geistes betrachtet, der seine Leser auf die Wirklichkeit des erhöhten Christus als der Macht verwies, die das christliche Leben verändert. In diesem Sinne war der Text nicht ein totes Objekt, sondern eine lebendige Stimme, die fortwährend sprach." 203 CHILDS, Theologie I, 367. 204 Vgl. F O H R E R , Grundstrukturen, 1 4 über die Typologie: „Mit der Antike ist diese Methode vergangen und abgetan, so daß es einigermaßen verwunderlich erscheint, daß sie bis heute ernsthaft vertreten wird." Oder W. K R A U S , Johannes, 2 2 (zu Joh 1 0 , 3 5 ) : „Wenn die
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Zusammenfassung und Beurteilung
ob wir am gleichen Ort, in der gleichen Freiheit und Gebundenheit stehen wie die neutestamentlichen Autoren, und mithin, ob unsere exegetische Freiheit eine vom Heiligen Geist verliehene oder eine vom menschlichen Geist eigenmächtig genommene ist. An dieser Stelle muß noch einmal betont werden: die Freiheit, von der die Rede ist, ist nicht eine emanzipatorische. Emanzipation befreit nie vom Gesetz, sondern läßt allenfalls den Gesetzgeber wechseln.205 Befreiend ist neutestamentlich allein die Bindung an Jesus Christus bzw. seinen λόγος (Joh 8,31 f.; vgl. 15,7). Ein Gegenbeispiel liefern „moderne Wissenschaftler, die argumentieren, daß die paulinische Schriftauslegung dadurch, daß sie losgelöst von Traditionen durch die Freiheit des Geistes kontrolliert wird, eine attraktive moderne Option bleibt. So beruft sich Käsemann auf die paulinischen Kategorien von Buchstaben und Geist, um in moderner kritischer , Scheidung der Geister' zu bestimmen, welcher Teil der Schrift wahrhaftiges Zeugnis für das Evangelium ablegt und welcher Teil wiederum eine Rückkehr zum toten Buchstaben des Gesetzes darstellt."206 Ein Modell für eine immer wieder anders geartete Anpassung der Schrift an heutige Erfordernisse ist mit der neutestamentlichen Freiheit nicht gegeben. Der eine Herr hat beide Testamente ins Dasein gerufen, weshalb sich jede Auslegung vor dem einfachen Sinn der ganzen Schrift bzw. vor ihm selbst im letzten Gericht zu verantworten hat.207 3.3.3
Zusammenfassung
Die wichtigsten und berechtigten Fragen, die sich bei einer kritischen Reflexion des „Christuszeugnisses" Vischers an die alttestamentliche Wissenschaft ergeben, betreffen meines Erachtens unsere Stellungnahme zu den Auslegungen des Alten Testaments im Neuen.
christologische Aneignung der Schrift bei Johannes zu einer Vernachlässigung elementarer Grundaussagen des ad. Gotteswortes führt, droht die gesamte geschichdiche Dimension des Redens Gottes im AT hinfällig zu werden, und dies kann um der Wahrhaftigkeit Gottes willen (vgl. Rom 15,8) nicht ohne weiteres hingenommen werden." 205 Vgl. Apg 16,3: Paulus beschnitt Timotheus nach Vischer, weil Christus und nicht menschliche Emanzipation des Gesetzes Ende ist (Das Christuszeugnis des Propheten Jeremia, 1985, 50 f. mit Hinweis auf den Apg-Kommentar von OTTO BAUERNFEIND). Freilich war, wie Vischer textgemäß (δια τούς Ιουδαίους) hinzufügt, die Rücksicht auf die anderen Juden wenigstens ebenso ausschlaggebend für diese Beschneidung (analog l . K o r 9,19-21; Röm 14). 206 CHILDS, Theologie I, 283. 287 f. (Lit.); vgl. Theologie II, 407 (Analogie nicht zum Verhältnis der Testamente, sondern zur redaktionellen Überarbeitung des Neuen Testaments, e b e n f a l l s b e i KÄSEMANN). 207
Vgl. dagegen BUREN, Reading, 606 (Schluß).
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1) Jesus der Christus Sprechen wir vom „Alten" Testament so, daß diese Bezeichnung als permanenter Hinweis darauf verstanden werden muß, daß es noch ein Neues Testament gibt, bzw. daß das Alte ein vorläufiges Testament ist? Ist dem Exegeten des Alten Testaments zum Beispiel das alttestamentliche Zeugnis von der Erwählung des Gottesvolkes Ausdruck nationaler Ideologie oder Ausdruck der Beauftragung des Gottesvolkes zum Zeugnis unter den Völkern, das wegen des Scheitern Israels am bin ψ- yn® erst im Missionsauftrag Jesu seine Erfüllung findet? Sieht sich der Exeget in diesen Stand der Erwählung hinzuberufen (vgl. Rom 11,17-36)? Vor allem: Setzt alttestamentliche Auslegung den Glaubenssatz voraus, daß Jesus der Messias des Alten Testaments ist, oder stellt sie diesen Glaubenssatz durch Nichtbeachtung in Frage? Ist also Jesus von Nazareth als der gegenwärtige Herr im Blick, wenn etwa von den verschiedenen Messiasdarstellungen, von der Salbung oder von der Hoffnung des Alten Testaments gesprochen wird? Gerne bekennt man sich zur „Selbigkeit" Gottes in beiden Testamenten. Doch das Kriterium für die theologische Ernsthaftigkeit dieses Bekenntnisses liegt in der Frage, ob der im Alten Testament erwartete und wirksame Heilskönig Jesus von Nazareth ist.208 Nur so wird letztlich der in der historisch-kritischen Exegese latente Deismus, die Trennung Gottes von der Geschichte, vermieden.209 Legen wir das Alte Testament so aus, daß unser Blick auf Jesus als den Messias des Alten Testaments gerichtet ist, der verhüllt hinter allen Richtern210, Königen 211 , Propheten 212 , Priestern213 und Weisen 214 Israels steht 208 Mit HANSON, Jesus in OT, 8 f. gegen BULTMANN; vgl. a. a. O. 78 f. - Vgl. BARTH, K D 1/2, 102 (Hervorh. orig.; vgl. 85): „Man wird dann im Blick auf jenes furchtbare Gegenüber von Gott und Mensch im Alten Testament sagen müssen: auch hier, schon hier war Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Ohne Einschränkung und Abzug den Christus erwarten, wie es hier geschah, heißt Christus haben, und zwar ganz haben. Die Väter hatten Christus, den ganzen Christus. Wohlverstanden, auch hier: nicht eine Christusidee, sondern das fleischgewordene Wort, den geschichdichen Christus. N u r vom Karfreitag, und zwar von dem von Weihnacht und Ostern her erhellten Karfreitag aus läßt sich das sagen. Die Synagoge kann das bis auf diesen Tag nicht sagen." 209
Vgl. BOHREN, Deismus. Vgl. oben S. 172 f. und Anm. 471, S. 244. Thema des Richterbuches ist nach Vischer die Freiheit Israels; „um sie wird in allen Erzählungen gekämpft. Frei sind die Israeliten als die treuen Eidgenossen des Herrn" (Christuszeugnis II, 113) - und „Jesus" ist der, der befreit. 211 Vgl. Offb 22,16. - Vgl., wie eng sich sich im Kommentar von DELITZSCH zu Ps 45 der zeitgeschichtliche Bezug (Vermählung Jorams mit Athalja) mit der neutestamentlichen Erfüllung verbindet (Psalmen, 331-344). 212 Vgl. Jes 61,1 f.; Lk 4,18 f.; 13,33-35. 213 Vgl. Hebr 3,1; 4,14; 5,5-10; 7-10. Die levitischen Priester des Alten Testaments dienten „nur dem Abbild und Schatten des Himmlischen" (8,5). Sie selbst konnten das Volk nicht heilig machen, obwohl es ihre Aufgabe als Priester war. Erst das Neue Testament zeigt: 210
350
Zusammenfassung und Beurteilung
und sich und sein Heil durch sie bezeugen läßt?215 Wird das Alte Testament nicht nur als auf ihn zielend, sondern auch als von ihm ausgehend (Personalpräsenz) ausgelegt?216 Wenn nein: Inwiefern sind wir „Christen", das heißt Zugehörige zum Gesalbten Israels? Wie wird alttestamentliche Wissenschaft ihrer Bezeichnung „christliche Theologie" und ihrem Ort in der Kirche gerecht?217 2) Das Alte Testament im Neuen Vischer hat zwar nicht so massiv die der Preußschen diametral gegenüberstehende Position vertreten, wie sie Johnson formuliert: „ The use of the Old Testament in the New is the key to the solution of the problem of hermeneutics. And what better way is there to discover their hermeneutics than to investigate their use of the Old Testament Scriptures ? . . . for the doctrine of typology it is obvious that we must rely on the New Testament viewpoint for the way we go about discovering types in the Old Testament."218 Wenn das levitische Priestertum irgendeinen Sinn haben, also auf irgendeine Weise Gott versöhnt haben sollte, dann mußte es die „Kraft unzerstörbaren Lebens" (7,16) von dem melchisedekischen Priestertum, das heißt aber von dem ewigen Sohn Gottes und seiner intercessio beziehen; „dieser hat, weil er ewig bleibt, ein unvergängliches Priestertum. Daher kann er auch für immer selig machen, die durch ihn zu Gott kommen; denn er lebt für immer und bittet für sie" (7,25 f.). „Siehe, hier ist Größeres als der Tempel" (Mt 12,6). 214 „Siehe, hier ist mehr als Salomo" (Mt 12,42). - Zu den Hirten, Priestern, Weisen und Propheten im Alten Testament siehe auch Vischer, Les modeles de notre ministere pastoral dans l'Ancien Testament, 1965. 215 Und zwar ontologisch und real, nicht nur im Sinne einer Typologie, die auf die Präexistenz Jesu verzichten kann (vgl. HANSON, Jesus in O T , 8). 216 Ersteres findet sich etwa bei ELCHLER (Verstehen), während auf letzteres trotz der Betonung der Selbigkeit Gottes (320 f.) verzichtet wird. Aus welchen Gründen eigentlich? Vgl. MACHOLZ, Heimliche Deutung, 17: Das Schriftwort auslegen heißt zugleich vom fleischgewordenen Wort Zeugnis ablegen. Hier bekommt die Allegorese einen neuen Sinn: Insofern die Schriftauslegung darauf verzichtet, uns Gottes Wort anzugleichen, wird sie Christuszeugnis, wo das Wort weder zur Idee verflüchtigt noch zur religiös-sittlichen Mitteilung versteinert, sondern als letztes Wort Gottes verstanden wird. 217 D a ß die notwendige geschichdiche Arbeit von einer bekenntnisgebundenen Dogmatik nicht gehindert, sondern vielmehr erst an ihr eigentliches Werk gesetzt wird, zeigt SCHWARZWÄLLER (AT in Christus, 60 f.): N u r von einer Voraussetzung aus könne gesagt werden, sie praedeterminiere das Ergebnis: Gottes Wollen, Wählen und Setzen. „Daß aber das Verhältnis der beiden Testamente zueinander letztlich praedestinatianisch sachgemäß durchdacht werden kann, ist zwingend, wenn die hier vorgeschlagenen Kategorien angemessen und sachgemäß sind und wenn mit ihnen unter der theologischen Voraussetzung der Königsherrschaft Jesu Christi in methodischer Strenge und Konsequenz gearbeitet wird. Diese methodische Strenge ist nur möglich vor dem Hintergrund der klassischen Trinitätslehre! Dann aber wird man nicht gegen die historisch-kritische Methode, sondern in Aufnahme und Auswertung ihrer Ergebnisse, also mit exegetisch sauberem Gewissen bekennen, daß das AT den Kommenden verkündige und daß der Heilige Geist durch die Propheten geredet habe" ( = Schluß; Hervorh. S. F.). 218
JOHNSON, Argument, 23 (Hervorh. S. F.). Vgl. LEGARTH, Typology, 145: „the N T use of the O T must be the basis for the Church in its reading of the OT".
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Dennoch stellen sich auch nach Vischer, für den die neutestamentliche Deutung des Alten Testaments keine „Umdeutung" war219, die massiven Fragen: a) Inwiefern ist der Umgang Jesu, der Apostel und der Reformatoren mit dem Alten Testament für unsere Exegese in der Weise nachzuvollziehen, daß wir sie auch an alttestamentlichen Texten anwenden, die das Neue Testament nicht auslegt - in der genannten Freiheit220 und Bindung?221 b) Wissen wir genau, mit welchem theologischen, das heißt schriftgemäßem Recht der alttestamentliche Schriftgebrauch des Neuen Testaments und der Reformation als unwiederholbar bezeichnet werden kann? Wird nicht gerade durch die NichtÜbernahme der Auslegung des Alten Testaments etwa in den als besonders anstößig geltenden Stellen Rom 4; 10,5-8; 2. Kor 3 und Gal 3,8222 wieder eine gesetzliche Schriftlektüre gefördert? Ein Altes Testament, das das Evangelium von Kreuz und Auferstehung nicht enthält, würde nur tötendes Gesetz bieten!223 3) Die Schrift in der Kirche
Schließlich: Sind sich die Kommentatoren beider Teile der Bibel ihrer Aufgabe bewußt, zu normativen dogmatischen und ethischen Aussagen zu gelangen, wenn sie Verfahrensweisen benutzen, die allein das menschliche Wirken berücksichtigen, und damit immer wieder die biblische Norm Gottes Wirken und sein Urteil - mit der Normativität des mit diesem Instrumentarium festgestellten Faktischen - die menschliche Frömmigkeit - vertauschen?224 Bei Vischer kann man lernen, daß bei der exegetischen Arbeit aufgrund der unauflöslichen Verbindung der Schriftworte mit dem Geist Christi das
219
Vgl. Christuszeugnis I, 12-16. SCHWARZWÄLLER (Verhältnis, 292) fragt zu Recht, ob nicht eine Konzeption bei aller Ordnung in sich doch unsystematisch sein muß, wenn sie die Grundsätze Wilhelm Vischers realisiert. 221 LONGENECKER ist einer der ganz wenigen, der diese Frage ernsthaft mit einem eigenen Titel erwogen hat (Can We Reproduce). 222 Liste nach CHILDS, Theologie I, 282 f.; vgl. die Kritik von W. KRAUS (Johannes) am Gebrauch des Alten Testaments im Johannesevangelium. 223 Vgl. BORNKAMM, Luther und AT, 220. 224 Vgl. WOLFF, Hermeneutik, 363 (Hervorh. orig.): „ W a s s a g t d e r a l t t e s t a m e n t l i c h e T e x t in s e i n e m g e s c h i c h t l i c h e n S i n n d e r im E s c h a t o n J e s u C h r i s t i l e b e n d e n M e n s c h h e i t ? Unter dieser Frage kann sich das Alte Testament mit der Fülle seines Zeugnisses wirklich aussprechen. Dann aber läßt seine Bedeutung für die Verkündigung der Kirche sehr schwer in Formeln fassen wie , Christuszeugnis' oder ,Gesetz' oder , Verheißung' doch ,Theokratie'; die immer nur Teile einbringen." Wieder wäre zu fragen, was uns eine Fülle angeht, die mit Jesus Christus als der Fülle Gottes und dem Haupt der Gemeinde nichts zu tun hat (vgl. oben S. 157). 220
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Zusammenfassung und Beurteilung
Ziel der Normativität nie aus dem Blick gerät.225 In 2. Tim 3,15-17 wird alles Gesagte summiert in den beiden Polen der Inspiration: die Heilige Schrift des Alten Testaments ist inspiriert; aber sie entfaltet ihre positive Wirksamkeit226 im wissenschaftlichen oder kirchlichen Gebrauch erst dann, wenn der Ausleger vom gleichen Geist inspiriert wird: die Schrift „kann dich unterweisen zur Seligkeit durch den Glauben an Christus Jesus". Die Fragezeichen Vischers sind damit an der gleichen Stelle aufgerichtet, wie sie bereits Heinrich Bornkamm als Frage Luthers an die moderne Exegese markiert hatte: „Und schließlich müssen wir wieder einen Ausdruck für das finden, was Luther meinte, wenn er das auch im Alten Testament wirksame Wort Gottes mit Jesus Christus gleichsetzte. Die theologische Frage des Alten Testaments ist in erster Linie eine Frage an unsere Christologie. Luther besaß in dem umfassend durchdachten Begriff des Wortes ein Mittel, um die Zuwendungen Gottes zur Menschheit durch die Geschichte hindurch als Einheit zu fassen. Diese Einheit erhält Gesicht und Namen in Jesus Christus. Er ist ,Gott fur uns', und sein Name erschließt dem Christen all die Gottesbegegnungen früherer Zeit, die fur die, welche sie erfuhren, Geheimnis bleiben mußten. Der Zugang zu dieser Erkenntnis ist uns heute durch die spekulativen Formen der älteren Christologie und Trinitätslehre außerordentlich erschwert. Aber er muß wiedergefunden werden. Und Luthers Lehre vom Wort scheint ihn mir am leichtesten zu erschließen und am ehesten auch uns zu einer Ausdrucksform zu verhelfen, die diese Grundsicht in neuer Ursprünglichkeit und Lebendigkeit ausspricht. Wie dringlich und unumgänglich diese Aufgabe der rechten chrisdichen Schau des Alten Testaments sich stellt, wird nicht nur an der Krisis deutlich, in die unser Verhältnis zu ihm schon seit langer Zeit, heute aber in verstärktem Maße geraten ist, sondern auch an unserem Gebrauch von Luthers Übersetzung. Sie hat es, wie wir sahen, durchgreifend verchrisdicht. Wir können auf die Dauer kein gutes Gewissen bei ihrer Benutzung haben, wenn wir das Recht solcher Deutung nicht klar und neu begründen können. Wenn wir diese Aufgabe ebenso ernst ins Auge fassen wie die unverbrüchliche Wahrhaftigkeit geschichdicher Forschung, dann werden wir die Windeln von Luthers Auslegung des Alten Testaments fahren lassen, aber den Schatz in der Krippe noch einmal bergen können."227 Eine Bejahung bzw. Aufnahme der skizzierten Fragen Vischers an die Bibelwissenschaft hätte eminente Konsequenzen, wie man an ihm selbst 225 Vgl. oben Anm. 563, S. 263; CHILDS 1964: „The final task of exegesis is to seek to hear the Word of God"; insofern habe jeder Kommentar eine normative Aufgabe. Nach CHILDS gibt es aber keine absolute Norm, sondern diese nur im Zeugnis der Zeugen (zit. nach REVENTLOW, Biblische Theologie, 8). 226 Das heißt nach V. 16: πρός διδασκαλίαν, προς έλεγμόν, πρός έπανόρθωσιν, προς παιδείαν την έν δικαιοσύνη. 227 BORNKAMM* Luther und AT, 226 f. (Hervorh. S. F.); vgl. BÄCHLI, AT in KD, 331 (Wort Gottes als Schlüsselwort).
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sehen kann (vgl. Teil 1). Vischer beschränkte seine theologische Arbeit nicht auf das Christuszeugnis der alttestamentlichen Geschichte Israels, sondern zielte weiter auf die Folgen fiir das Verhältnis von Kirche und Juden heute. Die religionsgeschichtliche Bibelbetrachtung hatte auf die theologische Behandlung des Alten Testaments weithin verzichtet. Das gilt speziell für die Soteriologie des Alten Testaments. Sie ist nach Vischer ohne das Neue Testament gar nicht zu verstehen, weil im Leben, Sterben und Auferstehen des inkarnierten Christus begründet. Erst sein Kreuz gab allen Opfern des Alten Bundes die mit Gott versöhnende Wirksamkeit. Weil die herrschende religionsgeschichtliche Auslegung den in diesen Gedanken beispielhaft deutlich werdenden ontologischen Zusammenhang der Testamente nicht integrieren konnte, fehlte ihr die theologische Energie, auf die Judenfrage als Exponenten eines antichrisdichen Zeitgeschehens (so Barth) im Kreuz Jesu die richtige Antwort zu suchen und zu finden.228 Bei Vischer und Barth liegt der Fall umgekehrt: ihre theologische Schriftexegese führte in Theorie und Praxis zu einer alternativen Haltung in der Judenfrage. 229 „Das Christuszeugnis des Alten Testaments" Vischers zeigt die unauflösliche Verbindung beider Testamente in Christus. Diese Verbindung dehnte er aber von Anfang an aus auf die Verbindung zwischen Juden und Christen. Seine Formel „Das Alte Testament zeigt, was der Christus ist, das Neue, wer er ist" tauchte zunächst in dem Vortrag „Zur Judenfrage" (April 1933) auf, dann 1934 im ersten Band des Christuszeugnisses. Der zweite Band (1942) erschien gerade in der Zeit innerschweizerischer Auseinandersetzungen und damals bekannter Judenverfolgungen. Das Alte Testament in Christus - die beiden Testamente stehen also nicht für zwei Religionen, sondern für den in Christus zusammenhängenden Weg Gottes mit seinem Volk.230 Wer die Juden angreift, indem er die Erwählung Israels als nationalen Hochmut verdächtigt231, greift nach Vischer den in Jesus Christus geschlossenen Bund an. „So k o m m e n wir z u d e m Schluß, dass die Eigentümlichkeit des Juden w e d e r auf d e m Boden der Natur und des Blutes, n o c h auf d e m der Moral n o c h auf d e m der Religion wirklich z u erfassen ist. Warum nicht? - Weil die Eigentümlichkeit des Juden ihren wahren Grund darin hat, dass er, der als Erster berufen
228
BUSCH, Bogen, 2 f. Vgl. oben 1.8 (S. 100 ff.)· Für BARTH weist dies BUSCH (a. a. O.) verdienstvoll in extenso nach (zum Verhältnis der Testamente und den Folgen für das Verhältnis von christlicher Kirche und Synagoge bes. S. 182-196). - A. a. O. 217: „Die Barmer Thesen beseitigen sämtlich die Säulen, auf denen damals der herrschende Antisemitismus seitens der Kirche als tragbar gelten konnte." Eben dies gilt auch für Vischers Christuszeugnis. 230 Vgl. zum Recht der Synagoge auf das Alte Testament: Das Alte Testament und die Geschichte, 1932, 41. 231 Z. Zt. zum Beispiel GERD LÜDEMANN, Das Unheilige in der Heiligen Schrift (1996), m
z i t . n a c h R e z . v o n KLAUS BERGER, in: i d e a - s p e k t r u m 4 2 / 1 9 9 6 ,
20.
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Zusammenfassung und Beurteilung
war und ist und bleibt, an Jesus als den Christus Israels zu glauben und damit ein Zeuge zu sein des lebendigen und wahren Gottes, zu dieser Berufung Nein gesagt hat. Und so kann das wahre Wesen des Juden nur der sehen, der an den Christus Israels glaubt, so kann in Wahrheit nur der Christ den Juden erkennen. Alles Andere, was über den Juden gesagt werden mag, sei es von Philosemiten, sei es von Antisemiten, trifft gerade nicht das eigendiche, das wirkliche Wesen des Juden. Das wahre Wesen des Juden besteht darin, dass er berufen ist, ein Zeuge des wahrhaftigen, lebendigen Gottes zu sein. Das ist es, was uns Christen mit ihm verbindet, wie nichts sonst Menschen verbinden kann. So stehen wir mit ihm den Heiden gegenüber. Und das wahre Wesen des Juden besteht darin, dass er es abgelehnt hat, dieser Zeuge des wahrhaftigen, lebendigen Gottes zu sein und das ist es, was uns Christen von ihm scheidet, wie nichts sonst Menschen scheiden kann. Es geht hier um die einzige wirklich bedeutsame Entscheidung, die es gibt: um das Ja und um das Nein zu Jesus als Christus Israels."232
Das Denken im religionsgeschichtlichen Paradigma und gerade nicht die traditionelle kirchliche Christologie233 hatte auf die Präsenz Jesu in Text und Geschichte des Alten Testaments methodisch verzichtet und damit die Christen vom Alten Testament und der Erwählung Israels distanziert. An dieser Erwählung Anteil zu erhalten und sich mit dieser Geschichte zu identifizieren, war hier nicht mehr möglich. So trug dieses Denken eine Mitschuld am modernen Antisemitismus.234 Ohne es zu wollen, gerät dorthin wieder eine philosemitische Theologie, die sich selbst stigmatisiert mit einem populären „Plädoyer für eine nicht verchristlichte Einrede des Alten Testaments in den Raum der christlichen Ökumene"235 oder gar für ein Altes Testament, das nicht an die Heidenchristen adressiert sei236. Kann sie die Einheit der Testamente so anschaulich machen, wichtiger noch: so tief begründen wie Vischer? Reißt sie nicht die Testamente auseinander, um sie dann mit Hilfe der Traditionsgeschichte notdürftig wieder zusammenzukleben? Und wie kann sie die Rechtfertigung aus Glauben bewahren, wenn sie sie von ihrer alttestamentlichen Grundlage abgehoben hatP7 „Ifwe learned from Paul how to read Scripture, we would read as participants in the eschatological drama of redemption. Of all the hermeneutical prescriptions
232
Wir Christen und die Juden, 1942, 4 (Hervorh. orig.). Die Zwei-Naturen-Lehre. - Vgl. GERLACH, Als die Zeugen schwiegen, 4 0 4 : BARTHS „Christomanie" sei für sein angebliches Versagen in der Judenfrage verantwordich (hierzu siehe BUSCH, Bogen, 160 f.). 234 Siehe das obige Zitat aus KRAUS, Geschichte, 432 f. (zu Anm. 50); BÄCHLI, AT in KD, 323 ff.; GUNNEWEG, Vom Verstehen, Teil V: Das Alte Testament als Dokument einer Fremdreligion. 235 GÖRG, Christentum, 23. 233
236
BUREN, Reading.
237
Vgl. oben Anm. 89, S. 163 f.
Die Fragen Wilhelm Vischers an die wissenschaftliche Exegese des AT
355
offered us by Paul's example, this one is the hardest to swallow. Can we join with Paul in regarding ourselves as people of the endtime?" 238
Es bleibt unauslöschlich das Verdienst Barths und seiner Freunde, darunter in erster Linie Wilhelm Vischer, daß sich die neuprotestantische Ablehnung des Alten Testaments, wie sie sich bei von Harnack in seinem gerade in den 1920er Jahren vielgelesenen Marcion-Buch radikalisiert ausspricht, nicht durchsetzen konnte.239 Einen großen Teil der Kraft, die die evangelische Kirche aus dem Alten und Neuen Testament zur positiven Überwindung dieser Ablehnung bezog und noch bezieht, verdanken wir der exegetischen Arbeit Wilhelm Vischers. Deshalb sind die von ihm aufgeworfenen Fragen und Impulse zu Unrecht in Vergessenheit geraten.240
238
HAYS, Echoes, 185 (Hervorh. orig.). BUSCH, Bogen, 14 f. - In seiner berühmten Vorlesung „Das Alte Testament in den Paulinischen Briefen und in den Paulinischen Gemeinden" führte VON HARNACK seine These dahin weiter aus, das Alte Testament sei für Paulus nur in polemischem Kontext wesentlich gewesen. Demgegenüber haben (neben anderen) Luz (Geschichtsverständnis, 42 f.) und WLLCKENS (Rom, I, 63 f. zu Rom 1,2) gezeigt, daß der Gebrauch des Alten Testaments für seine Theologie insgesamt grundlegend und strukturierend ist (vgl. CHILDS, Theologie I, 280-287. 294-296 [Lit.]). Auf Marcion und VON HARNACK bezieht sich BUREN (a. a. O. 602). 240 Er findet zum Beispiel keine Erwähnung in HÄRLES Theologenlexikon. Es wird auch keinen TRE-Artikel über ihn geben (Brief der Redaktion vom 14.1.1998). 239
Literatur-
und
Quellenverzeichnis
1 Abkürzungen Die Abkürzungen richten sich nach Siegfried M. Schweriner, Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, Berlin u.a. 21994 Verwendet wurden vor allem folgende Abkürzungen: A. a. O.
AELK2 Apol. ATD BBKL bes. BEvTh BEchTh Br. BSLK
CA CV CuW DTh DtPfrBl Ebd. EdF ETR EuroJTh
am angegebenen Ort (Bezug auf den vorher vom gleichen Autor angeführten Titel, mit folgender Seitenzahl) Allgemeine evangelisch-lutherische Kirchenzeitung Apologie der Confessio Augustana Das Alte Testament Deutsch Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon besonders Beihefte zur Evangelischen Theologie Beiträge zur Förderung christlicher Theologie Brief Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche Confessio Augu'stana Communio Viatorum Christentum und Wissenschaft Deutsche Theologie Deutsches Pfarrerblatt ebenda (auf der gleichen Seite wie vorher angegeben) Erträge der Forschung Etudes theologiques et religieuses European Journal of Theology
EvTh FAZ
Evangelische Theologie Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland FV Foi et Vie Ges.Schr. Gesammelte Schriften Ges.St. Gesammelte Studien GPM Göttinger Predigtmeditationen Hervorh. Hervorhebung (im Original oder von mir) Interp Interpretation JBTh Jahrbuch für Biblische Theologie JK Junge Kirche JSOT Journal for the Study of the Old Testament JThB Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel KBRS Kirchenblatt für die reformierte Schweiz KD Karl Barth, Kirchliche Dogmatik KEK Meyers kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament Kul Kirche und Israel LThK Lexikon für Theologie und Kirche masch. maschinenschriftlich MPTh Monatsschrift für Pastoraltheologie n.b. nicht bekannt NDr Neudruck
357
Vischer-Bibliographie NN
Nomen nescio (Autor nicht bekannt) NTD Das Neue Testament Deutsch NTS New Testament Studies NZSth Neue Zeitschrift für systematische Theologie NZZ Neue Züricher Zeitung RB Revue Biblique RGG Die Religion in Geschichte und Gegenwart RHPhR Revue d'histoire et de philosophic religieuses RKZ Reformierte Kirchenzeitung RThPh Revue de Theologie et de Philosophie seil. scilicet (nämlich) sie trotz Fehler exakt aus der zitierten Vorlage übernommen TBT Theologische Bibliothek Töpelmann TEH Theologische Existenz heute ThB Theologische Beiträge ThG Theologie der Gegenwart ThLBl Theologisches Literaturblatt ThLZ Theologische Literaturzeitung ThMil Theologia militans
2
ThR ThSt ThTo ThZ TRE TThS TynB VC WBG WuD
WuT WzM ZAW ZDPV ZNW z.St. ZsysTh ZThK zz
Theologische Rundschau Theologische Studien Theology Today Theologische Zeitschrift Theologische Realenzyklopädie Trierer Theologische Studien Tyndale Bulletin Verbum Caro Wissenschaftliche Buchgesellschaft Wort und Dienst. Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel N. F. (Neue Folge) Wort und Tat Wege zum Menschen Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft zur Stelle (Bibelstelle) Zeitschrift für die systematische Theologie Zeitschrift für Theologie und Kirche Zwischen den Zeiten
Vischer-Bibliographie
Die Vischer-Bibliographie erstrebt Vollständigkeit, kann sie freilich nicht garantieren. Dies gilt insbesondere für Teil 2.10. Sie enthält nicht meine Liste von 219 handschriftlichen Predigtexpositionen auf kleinen Zetteln, die in Montpellier aufbewahrt werden. Viele Predigten, die auf diesen Zetteln fußten, sind in den Nachschriften (2.9) wiedergegeben. Eingearbeitet und verbessert ist die Aufstellung in Bethel Heft 30, 1985, 106113, wobei mir nicht alles dort genannte zugänglich war. Originalquellen finden sich 1. im Nachlaß, der in der Bibliothek der Theologischen Fakultät Montpellier aufbewahrt wird, 2. im Hauptarchiv der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel. Die wichtigsten Akten tragen die Uberschriften „Pastor lie. Wilhelm Vischer 1933/34" (Signatur 2/41-66) und „Theologische Schule" (Signatur I/c-40). Die Dokumente sind nach ihren Daten geordnet (nicht paginiert). 3. Auch das Nordrhein-Westfälische Staatsarchiv Detmold verwahrt wichtige Unterlagen: Μ 1 IP 659, L 113 Nr. 4 (Michaelis, Fall Vischer, 11). Bibelstellen wurden von mir kursiv hervorgehoben.
358
Literatur- und Quellenverzeichnis
2.1 Schriften von unbekannter
Datierung
Aux Tribunaux Militaires Suisse qui ont juge A.Mernoud et J. C. Zumwald. Lettre d'un Theologien. Fundort n.b. Bundesbrief, IV2 Seiten (masch.) Dreinigkeit (beginnt mit 2. Korl3,13) (ohne bibliogr. Angabe, nur: „Nr. 134, Bielefeld-Be" [Seite abgeschnitten]) Die jüdische Gefahr (zwei Blätter, nur aufgesetzt und handschr.verbessert, ob veröffentlicht, ist mir nicht bekannt) John E. v. Tscharner (wohl Beerdigungsansprache ca. 1939/43), 3 S. Literaturverzeichnis: „Da stehn in Pergament und Leder voran die frommen Schwabenväter" Soziale Forderungen des mosaischen Gesetzes, 6 S. masch., handschr. verbessert Das Wort der Propheten. Bibelschule Basel, 2. Jg., 1. Trimester (wohl 1937), 18 S. Die Zukunft Israels (gehört evtl. zum Volkshochschulkurs 1942; nur eine Seite)
2.2 Bis 1928 Alles was Odem hat, lobe den Herrn! Hallelujah! Ps 150,6, in: Baselbieter Kirchenbote 18, 8/1926, 57 f. Das alte Testament als Gottes Wort (Vortrag in Zürich 1927), in: ZZ 5, 1927, 379-395 Blumhardt, in: Baselbieter Kirchenbote Teil I: 16, 8/1924, 58-60; Teil II: ebd. Nr. 9/1924, 66-69 Briefe von einer Palästinareise, in: Baselbieter Kirchenbote, verteilt auf die Jahrgänge 1924 bis 1926/27 (23 Briefe) Debora. Eine Rede für den Töchterbund des Blauen Kreuzes, in: Die Pflugschar, Bern, Okt. 1926, 12-17 Evangelium und Politik, in: Baselbieter Kirchenbote XV, Nr. 10/Juli 1923, 73-76 Gott oder Glück? Ps 73, in: Baselbieter Kirchenbote XIX, 6/1926/27, 41-43 Jakob habe ich geliebet, aber Esau habe ich gehasset, Maleachi 1,2,3. Baselbieter Kirchenbote XX, 2 / Nov. 1927, 9-12 = in: Reformiertes Sonntagsblatt 42, 17/1933 (30.4.1933), 137-139 Der Prediger Salomo übersetzt mit einem Nachwort und Anmerkungen, München 1926; Nachwort auch in: ZZ 4, 3/1926, 187-193 Religiöse Begabung oder Gottes Liebe?, in: Baselbieter Kirchenbote 18, 10/1926, 74-76 Die verschleckten Kinder und das hungrige Hündlein, Markus 7,24-30, in: Baselbieter Kirchenbote 16, 6/1924, 41 f.
2.3 1 928-1934
(Bethel)
In den monatlich erscheinenden Heften Beth-El schrieb Vischer 1930 für jedes H e f t eingangs eine Auslegung von Texten aus dem Jeremiabuch. Sie sind einzeln alphabetisch aufgeführt. Ach, daß ich eine Herberge hätte in der Wüste. Jeremia 9, in: Beth-El 22, 10/1930, 253-256
Vischer-Bibliographie
359
Als ein Fremder, der nur über Nacht bleibt. Jeremia 14, in: Beth-El 22, 11/1930, 281-283 Das Alte Testament und die Geschichte, in: ZZ 10, 1932, 22-42 Das Alte Testament und die Verkündigung. Vortrag in der Freien Ev.Theologenschaft der Universität Münster i. W., in: ThBl 10, 1931, Sp. 1-12 Antwort auf die Vorwürfe. Zu Händen von Herrn Pastor D. Fr. von Bodelschwingh, Bethel, den 21. Mai 1933, in: Bethel Heft 30, 1985, 70-78 Die biblische Begründung unseres Amtes. Aufzeichnungen eines am 3.1.1934 gehaltenen Vortrages in einer Pfarrer-Versammlung, in: Pastoral-Theologie Feb./März 19341, 71-82 Das Christuszeugnis des Alten Testaments, I. Das Gesetz, Zürich, 11934, 21935, 3 1936, 61943, 71946 (die Erscheinungsjahre der 4. und 5. Auflage konnte ich nicht herausfinden); II. Die Propheten 1. Die früheren Propheten, München '1942, Zürich 21946 Die Auslegung von Gen 32,23 ff wurde auszugsweise abgedruckt im Anhang an: Heinsius W., Das Christuszeugnis des Alten Testaments, in: Kirchlich-positive Blätter 48, 1935, 37-38, Abdruck S. 38 Französisch: „Introduction" a l'Ancien Testament temoin du Christ I. La loi ou les Cinq Livres de Moise, Trad. M.Carrez, Neuchatel/Paris, 1949; II. Les Premiers Prophetes. Traduction Pierre Klossowski, Neuchatel/Paris 1951, 624 S. Französische Ubersetzung der Einleitung und der Auslegung von 1. Mose 12-50 von Band I: Iis annoncent Jesus-Christ. Les Patriarches, Foi vivante 103, Delachaux et Niestle/Neuchatel 1969 Den Text der hauptsächlichen Passagen aus Christuszeugnis II über das Josuabuch (S. 7-63) enthält: Le Livre de Josue, in: Dieu Vivant, Cahier 4, Ed. Du Seuil Paris 1945, 55-79 Englisch: The Witness of the Old Testament to Christ, Bd.I/II (transl. A.B. Crabtree), Lutterworth Press London 1949 Die Dreieinigkeit Gottes ( l . K o r 8,4), in: Betheler Sonntagsblatt 41, 21/27.Mai 1934, Titelseite Die Einheit von AT und NT. Thesen von Wilhelm Vischer für die Verhandlung vom 17. Jan. 1931 in Bonn. Diskussion mit Gustav Hölscher unter Leitung von Karl Barth (unveröffentlicht, zwei Seiten) „Friede! Friede!" und ist doch nicht Friede. Jeremia 6, in: Beth-El 22, 7/1930, 169-172 Gehört das Alte Testament heute noch in die Bibel des deutschen Christen? in: Beth-El 24, April 1932, 91-101 = Der Jugenddienst, 2. Jg., Aug. 1934, 2-6; Sept. 1934, 4-7; Okt. 1934, 2-5 Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, in: ZZ 9, 1931, 282-297 Der Gottesknecht. Ein Beitrag zur Auslegung von Jesaja 40-55, in: JThB 1, 1930, 59-1152 Gottes Zorn. Jeremia 4,5-31, in: Beth-El 22, 4/1930, 85-90 1
Noch im Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel 5, 1934, 152 angezeigt Dies ist der erste wissenschaftliche Beitrag in den Jahrbüchern der Theologischen Schule Bethel (Bd. 1, 1930). 2
360
Literatur- und Quellenverzeichnis
Hie ist des Herrn Tempel. Jeremia 7 und 26, in: Beth-El 22, 8/1930, 197-201 Hiob, ein Zeuge Jesu Christi. Vortrag am 27.10.1932 vor einem Kreis von Gebildeten in Augsburg, Zürich 61947, 36 S. = ZZ 11, 5/1933, 386-414 = Bekennende Kirche 8, >1934, 21938, 51942 Engl.: The Witness of Job to Jesus Christ: The Evangelical Quarterly xlviii, No. 1/Jan. 1934, 40-53 + No.2/April 1934, 138-150 = The Churchman, London, Januar 1934 (vgl. unten unter God's Truth and Man's Lie) Ungarisch:Job, Krestanska Revue Prag 1956, Hefte 6,7,8 (Angabe nach Bethel Heft 30, 1985, 110) „Ich glaube an den Heiligen Geist, eine heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben". Stenogramm eines Vortrages, gehalten auf der westfälischen Jungmannschaftstagung, in: Schwertkreuz Heft 2/1934, 36-40 und Heft 3, 49-53 „Ich und meine Beamten haben die Ehre gehabt, unter Herrn von Bodelschwingh zu dienen", in: Sonntagsgruß für alle in Stadt und Land (Schweiz) 40, Nr. 23/7.6.1931, 91 f. Isaak, in: ZZ 9, 1931, 1-3 Jahwe der Gott Kains, München 1929, 75 S. Die Kirche und die Juden, 6. Art. des Betheler Bekenntnisses. Nach der Überarbeitung hrsg. von Martin Niemöller, 1933 („Erstform" des Betheler Bekenntnisses: D. Bonhoeffer, Ges.Schriften II, 115-117) Kündlich groß ist das gottselige Geheimnis, l.Tim 3,14-16, in: KBRS 85, 12/6. Juni 1929, 177-180 Der noachitische Bund. l.Mose 6-11, in: ZZ 11, 1933, 10-33 Pastor Bodelschwingh und die Endassung Prof. Vischers, in: Basler Nachrichten vom 22.5.1934, Nr. 136 und NZZ-Morgenausgabe, 22.5.1934, Nr. 915 (1 Blatt; keine Seitenzahl erkennbar) Der Prediger Salomo im Spiegel Montaignes, in: JThB 4, 1933, 27-124; Separatdruck 1981 Prophetie, in: Beth-El 22, 1/1930, 1-4 [zu Jer 1,1-10, ohne dies im Titel anzugeben] Sie haben das Joch zerbrochen. Jeremia 5,4-14.21-31, in: Beth-El 22, 6/1930, 141-144 Siehe, was ich gepflanzt habe, das reute ich aus; und du begehrst dir große Dinge? Jeremia 45, in: Beth-El 22, 12/1930, 309-312 Ein Storch unter dem Himmel. Jeremia 8, in: Beth-El 22, 9/1930, 225-227 Untreue. Jeremia 2, in: Beth-El 22, 2/1930, 29-35 Der wahrhaftige Mensch. Jeremia 5,1-3, in: Beth-El 22, 5/1930, 113-116 Volkstum und Religion, Disputation mit Geheimrat M.R.Gerstenhauer, Bundesgroßmeister der Deutschkirche (Manuskript, 6 Seiten) Volk und Gott in der Bibel. Vortrag an der 37. Christlichen Studentenkonferenz in Aarau (12.3.1934), in: EvTh 1, 1934/35, 24-48 3 3
Noch in JThB 5, 1934, 152 angezeigt Erst ab 1935 wurden Vischers Arbeiten nicht mehr angezeigt.
Vischer-Bibliographie
361
Willst du dich, Israel, bekehren, spricht der Herr, so bekehre dich zu mir! Jeremia 3,1; 4,1-4, in: Beth-El 22, 3/1930, 57-60 Zur Judenfrage. Eine kurze biblische Erörterung der Judenfrage im Anschluß an die Leitsätze eines Vortrages über die Bedeutung des Alten Testaments in Lemgo (Themafrage war: Hat das Alte Testament für die Christen in der Gegenwart noch richtunggebende Bedeutung?), in: MPTh 29, 5-6/1933, 185-190 = Bethel Heft 30, 1985, 62-69 (zitiert wird aus dem Bethel-Heft) 2.4
1934-1936
(Lugano)
Die Bedeutung des Kirchenkampfes in Deutschland. Vortrag, gehalten am 22. Feb. 1935 in der Stadtkirche zu Aarau, masch. 19 S. Die heutige Lage der evangelischen Kirche in Deutschland, in: Schweizer Monatshefte XV, 11/1936, 556-564 Der Sinn des deutschen Kirchenkampfes, in: Schweizer Monatshefte XV, 1936, 15-22 Die unteilbare Ganzheit der Bibel, in: Zofingia. Centraiblatt des Schweizerischen Zofingervereins 76, 2/Weihnachten 1935, 117-120 Von der Bedeutung des Alten Testaments für uns Schweizer, in: Kirchenbote für die Glieder der evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt 2, 4/Bettag 1936, wohl S. 2 (Umfang: eine Seite) 2.5 1936-1947
(Basel)
L'Alliance de Dieu avec Noe base de la Mission chretienne (Gen 6 f f ) , in: Propos Missionnaires 12, 72/1939, 63-71 Ansprache bei der Beerdigung von Karl Ernst-Haag am 6.1.1941, 3 S. Ansprache zum Tode von Trudi Sutter (14.7.1909-10.9.1945), o.J., S. 19-22 in einem Erinnerungsheft, das außerdem einen Lebenslauf von T. S., eine Predigt von E. Thurneysen und einen Nachruf enthält Der Antisemitismus im Licht der Bibel, in: In Extremis 1/1940, 10-14; Genf 1940 (Referat vor der Minoritätenkommision des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen, Genf, 8.8.1939) Antwort an Schalom Ben-Chorin: Neue Wege 33, 12/1939, 566-571 (die Titel von Sch.Ben-Chorin siehe unten) „... aus welchen Christus herkommt nach dem Fleisch", Rom 9,5. Dankesgruß der Schweizer Judenmission in Palästina, Nr. 4, Nov. 1941 Basel (war mir leider nicht zugänglich) Christologische Exegese des Alten Testaments. Nachschrift nach dem Vortrag von Pfr. Lie. Vischer auf der Tagung der Unständigen in Schmie 1937, 7 S. (masch.) Christenlehre. Leitfaden für den Unterricht, Basel 1947 = französisch: Catechisme, traduit par J. Bernois, Imprimerie Robert SA Mouttier, Jahr n.b. Das Christuszeugnis des Alten Testaments, Band II, 1942: siehe oben zu Band I Empfangen von dem Heiligen Geist, geboren aus der Jungfrau Maria. Weihnachten, St. Gallen 1943, 7 S. Esther, TEH Heft 48, München 1937, 29 S. = TEH 48, Zollikon/Zürich: '1938, 2 1947. Nach in Deutschland gehaltenen Vorträgen und nach der Habilitations-
362
Literatur- und Quellenverzeichnis
Vorlesung an der Universität Basel redigierter Text (nach sofort erfolgtem Verbot in Deutschland 1938 im Verlag der Ev. Buchhandlung Zollikon); englisch: The Book of Esther. Translated from German original, in: The Evangelical Quarterly 11, Nr. 2/Jan 1939, 3-21 Die evangelische Gemeindeordnung. Matthäus 16,13-20,28, Zürich 1946, 128 S. Der freie Wille Gottes. Schlußwort einer Exegese von Rom 9-11 in Barmen; „Bruderdienst", Basel, Feb. 1946 (war mir nicht zugänglich) Das Sakrament der Taufe. Vortrag vor der Synode der ref. Kirche des Kreises Basel-Landschaft 8.9.1940 (handschriftlich 5 S.) Gemeindelieder vom Königtum Christi, in: KBRS 101, 9/3.5.1945,134-136 Das Heil kommt von den Juden. Memorandum zur Judenfrage an die Pfarrer der reformierten Kirchen der Schweiz (W. Vischer Autor; Okt. 1938), in: Schweizerisches Evangelisches Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland (Hg.), Juden-Christen-Judenchristen. Ein Ruf an die Christenheit, Zollikon 1939, 39-47 In Vischers Nachlaß fand sich eine weitere Kopie des Memorandums mit der Seitenzählung 1-8 und dem handschriftlichen Vermerk: „2. Aufl."; leider ohne bibliographische Angabe. Ich habe in den Zitaten jeweils beide Seitenzählungen angegeben. Der Herr ist der rechte Kriegsmann (zu Ex 15,3-7), in: Leben und Glauben, 6.7.1940, S. 3 Die Hoffnung der Kirche und die Juden, in: Die Hoffnung der Kirche. Verh. d. Schweizer. Ref. Pfarrervereins, 83. Versammlung 28.-30.Sept.1942 in Liestal, Lüdin AG Liestal S. 75-102 = in: CV 2, 1/1959, 17-34 (hieraus die Seitenzahlen) = Zeichen der Zeit 14, 9/1960, 327-335, frz.: Les Juifs et l'esperance de l'Eglise, in: „Le Semeur", Paris Fev. 1960, 60-76 „Der Inhalt der Verkündigung" und „Beantwortung der Fragen". Vortrag und Diskussion an der Zusammenkunft aller ev. theol. Fakultäten der deutschen und der französischen Schweiz in Gwatt b. Thun, in: Sinn und Wesen der Verkündigung, Vorträge (...) gehalten von R. de Pury, W. Vischer, E. Brunner, H. D'Espine mit einer Einleitung von W. A. Visser't Hooft, Zürich 1941, 12-25. 26-39 Die Judenfrage, eine entscheidende Frage für die Kirche (Nachschrift eines Vortrage), Ev. Buchhandlung Basel 1942, 16 S. Die Judenfrage, wie sie in der Bibel gestellt und beantwortet ist, Volkshochschulkurs Winter 1942, 26 S. (masch.), dazu ein Blatt über einen Ausspracheabend Die Klarheit des Evangeliums. Vortrag in St. Jakob am 23.8.1942 La langue sainte, source de la theologie, in: ETR 21, 4/1946, 318-326 Ein Leib und Ein Geist, Ein Volk und Ein Herr, in: Juden - Christen - Judenchristen. Ein Ruf an die Christenheit, in: Schweizerisches Evangelisches Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland (Hg.), Zollikon 1939, 51-52 Der Lernling in der Lerne, in: KBRS 94, Nr. 10/12.5.1938, 152-153 La Priere du juste, in: Correspondance Nr. 3-4/Jan.-Feb.l942, 169-176 Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder der Christenheit, neu bearbeitet von Wilhelm Vischer, mehrstimmig gesetzt von Ina Lohr, Trudi Sutter und Lili Wieruszowski. Acht Hefte von Advent 1944 bis Sommer 1946, Zwingli-Verlag Zürich
Vischer-Bibliographie
363
Reconnaisance a Suzanne de Dietrich (W. V. comme president des Equipes de recherche biblique mit Pierre Bonnard, ancien vice-president), in: Reconnaisance ä Suzanne de Dietrich, Extrait de Foi et Vie 70, Mai 1971, 6 Schweizer Judenmission in Palästina (Unter „Kleine Mitteilungen"), in: KBRS 100, 1944, 255 Sens de l'Ancien Testament, in: Eglise Reformee de France. Almanach 1939, 51-57 = Cahiers Biblique de Foi et Vie, 3.Jg. 4, um S. 586 (letzteres konnte ich nicht nachprüfen) The Significance of the Old Testament for the Christian Life, in: Proceedings of the Fourth Calvinistic Congress, held in Edinburgh 6th to 11th July 1938, Edinburgh 1938, 237-257 mit frz.Sommaire S. 257-262 und Abschluß der proceedings S. 260-262 = deutsch: Die Bedeutung des Alten Testaments für das christliche Leben, Zürich >1938, 21947 (ThSt 3/1938) = französisch: La signification de l'A.T. pour la vie chretienne, in: Valeur de 1Ά.Τ., Geneve 1958, S. 9 ff. Der Soldat und die Kirche. Vortrag am 3.5.1940 (in „Frick"?); handschriftliche Nachschrift von 12 S., dabei Begleitbrief des Nachschreibers cand.theol. Alfred Schild vom 5.5.1940 und ein handschrifdiches Konzept Vischers Unsere nächsten Beziehungen. Vortrag, gehalten an der Generalversammlung des Schweizerischen Verbands Frauenhilfe in Ölten, Beilage zu: Aufgeschaut! Gott vertraut! Monatsschrift für Werke sozialer und christlicher Frauentätigkeit 50, lO/Okt. 1937, 162-168 Was erwartet unsere Kirche von unserm Volk? Vortrag am 26.2.1940 im Münstersaal, 10 S. (Manuskript, masch.) Weihnachtsbrief an unsere Juden, 1942 (zitiert oben S. 129 f.) Wer vollstreckt den letzten Willen Gottes an der Welt?; in: Basler Kirchenbote 1940 (keine nähere Angabe), S. 1-2 Wie die Kirche „gesäubert" werden soll, in: KBRS 101, Nr. 15/26.7.1945, 233 Wir Christen und die Juden, in: Schweizerisches Evangelisches Hifswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland (Hg.), Juden-Christen-Judenchristen, Zollikon 1939, 13-29 Wir Christen und die Juden: Vortrag im Münstergemeindeverein der Positiven (Präsident: Dr. Karl Sartorius; ca. 1942): 12 S. und Bericht (masch.).- In einigen Formulierungen und Ergänzungen von dem vorgenannten Artikel verschieden.
2.6 1947-1965
(Prof.,
Montpellier)
Alttestamentliche Vorbilder unseres Pfarramtes, in: Gottesdienst - Menschendienst. Eduard Thurneysen zum 70. Geb., Zollikon 1958, 251-275 Celui ä qui on pardonne peu, aime peu. Luc 7:36-50, in: ETR 27, 2/1952, 38-40 La Chiesa nelle democrazie popolari, in: Protestantismo XVI, 1961, 23 f. Chroniques. Convictions et attitudes chretiennes concernant le peuple juif. Compte-rendu de la Consultation, organisee par le Conseil oecumenique des Eglises a Bossey du 12 au 18 Dezembre 1956, in: FV 55, Mai/Juni 1957, 238-246 L'Ecclesiaste, testimone di Gesu Cristo? Conferenza tenuta il 19 dicembre 1953
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Literatur- und Quellenverzeichnis
nell'Aula Magna della Facolta Valdese di Teologia in Roma, in occasione di un corso die Antico Testamento, in: Protestantismo IX, 1954, 1-19 Eher Jahwo als Jahwe, in: ThZ 16, 4/1960, 259-267 = frz.: YAHWO plutöt que YAHWE, in: ETR 50, 2/1975, 195-202 Erwartungen im Hinblick auf das bevorstehende Vatikanische Konzil, in:. KBRS 118, Nr. 7/29.3.1962, 98 f. = Junge Kirche 23, 5/10.5.1962, 297-301 = Voeux pour le Concile. Enquete parmi les Chretiens, in: Esprit, Paris Dez. 1961 Est-ce que nous interpretons l'Ancien Testament comme les Juifs? L'interpretation juive, in: „Parole Vivante", supplement a „La Vie protestante", 2.10.1953, S. 1-2 L'Evangile selon Saint Jonas, in: ETR 50, 2/1975, 161-173 L'Evangile selon Saint Jonas, in: Reforme Nr. 1229/5.10.1968, S.9f.; 12.10.1968 S. 11; 19.10.1968 S. 12; 26.10.1968 S. 12 L'Evangelo secondo il Profeta Giona, in: Protestantismo XVI, 4/1961, 193-204 Everywhere the Scripture is about Christ alone (transl. by Thomas Wieser), in: B.W. Anderson (ed.), The Old Testament and Christian Faith, New York, Evanston and London 1963, 90-101 Foi et Techniques. Meditation sur Dtn 11,10-15, in: R H P h R 44, 1964, 102-109 Das Geheimnis Israels. Eine Erklärung der Kapitel 9-11 des Römerbriefes, in: Judaica VI, 2/1950, 81-132 = Etude biblique sur Romains IX a XI, in: FV 46, 1948, 97-141; überarbeitet: Le mystere d'Israel, Rom IX a XI, in: FV 64, Nr. 6/Nov.-Dec. 1965, 427-487 Im Nachlaß ferner hierzu: zwei Blätter „Leitsätze zum Verständnis von Römer 9-11" Gesü non si e vergognato di chiamarci fratelli. Meditazione di Natale tenuta alla Facolta Valdese di teologia il 21 dicembre 1961, in: „La Luce", 21. die. 1961 = frz.: Comment arriva la naissance de Jesus-Christ. Meditation sur la role de Joseph selon Matthieu 1,14-25, in: ETR 37, 4/1962, 365-370 Giovanni Miegge, in: Protestantismo XVI, 1961, 129 (eine Seite) God's Truth and Man's Lie. A Study of the Message of the Book of Job, trans. D. G. Miller, in: Interp 15, 1961, 131-146 (Kurzfassung der Arbeit von 1934/Bekennende Kirche Heft 8) Hiob, in: Kirchenbote der reformierten Landeskirchen Glarus und Schaffhausen, Nr. 4, April 1950, Titelartikel Der Hymnus der Weisheit in der Sprüchen Salomos 8,22-31, in: EvTh 22, 6/1962, 309-326 = französisch: L'Hymne de la sagesse dans les proverbes de Salomon 8:22-31, in: ETR 50, 2/1975, 175-194 La prophetie d'Emmanuel et la fete royale de Sion, in: ETR 29, 3/1954, 55-97 (Rez.: S.Amsler, in: RThPh 9, 1959, 259) = L'Ecriture et la Parole (siehe unten), 1985, 21-64 = deutsch: Die Immanuelbotschaft im Rahmen des königlichen Zionsfestes, ThSt Heft 45, Zürich 1955, 54 S. (Kurztitel: Immanuelbotschaft) Jerusalem a justifie Sodome. Le seizieme chapitre du prophete Ezechiel, in: VC 11,1957, 71-87 Jesaja-Auslegung zur Pfarrerkonferenz am 22.10.1958 in der Mutterhauskirche Detmold, 17 S.(Nachschrift einer Tonbandaufnahme, wg. Fehlern, Lücken und Unsicherheiten aber wohl nicht von Vischer autorisiert)
Vischer-Bibliographie
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Jesus, le scandale et les scandales selon l'evangile de Matthieu, in: FV 45, 7/1947, 652-657 Jonas, in: Le Semeur (Trois etudes au 35e Congres national, Montpellier, Avril) 1960, 47-66. Die drei Titel: 1) L'Eglise dans le siecle . . . , 47-53; 2) Jesus et Jonas, 54-60; 3) Jonas, notre frere, 61-66 Die Judenfrage bis zur Auferstehung Jesu Christi hin/Die Judenfrage nach der Auferstehung Jesu Christi. Zwei Vorträge vor dem Pfarrkonvent Gaildorf am 12./13.10.1960 (Nachschrift einer Tonbandaufnahme, nicht von Vischer durchgesehen), 34 S. Der Judenstaat „Israel". Vortrag in Straßbourg am 11.1.1950: handschriftlicher Entwurf Das Kerygma des Alten Testaments, Zürich 1955 (Kirchliche Zeitfragen Heft 36) = französisch: Le „Kerygma" de l'Ancien Testament, in: ETR 30, 2/1955, 24-48 = Le Proces de Dieu. Deutero-Esa'ie. Le „Kerygme" de l'Ancien Testament, in: L'Ecriture et la Parole, 1985, 115-140 La Lefon derniere. Dernier cours donne le 12 juin 1965 a la Fac. libre de theol. protestante de Montpellier, in: ETR 42, 1/1967, 9-17 La liberte qui vient de Dieu, in: Le Semeur 67/1948, 505-515 Montpellier/Paris Les manuscrits decouverts en Palestine, in: ETR 24, 1949, 29-35 La methode de l'exegese biblique. Conference de la Societe academique vaudoise a Lausanne, le 11 novembre 1959, in: RThPh 10, 1960, 109-123 = deutsch: Die rechte Methode für die Exegese der Bibel, in: KBRS 117, 1961, 2-4.18-23 Misere et majeste de la bible, Montpellier le 11 juin 1950, I I S . (masch.) Les modeles de notre ministere pastoral dans l'Ancien Testament (E. Thurneysen zum 70. Geb.), in: ETR 40, 4/1965, 233-254 Der neue Staat „Israel" und der Wille Gottes, in: ThZ 9, 1/1953, 29-64; erweiterter Separatabdruck: Basel 1953, 63 S.; französisch: Le nouvel Etat Israel et la volonte de Dieu. Trad, par Marc Spindler et revu par l'auteur, in: FV 51, 1953, 418-447 Notes sur le culte de l'Ancienne Alliance, in: FV 62, 1963, 289-298 La parole de Dieu dans notre Monde en transformation. Trois etudes: Luc 1,4655; 2,34.35; Jean 16,16-24. Reponse aux questions. Congres ,Jeunes Femmes" a Uriage, Juin 1961, Bulletin .Jeunes Femmes" Nr. 63 Paris (Aug.-Sept.-Okt.) 1961 Pflüget ein Neues (zu Jer 4,3), in: Kirchenbote der reformierten Landeskirchen Glarus und Schaffhausen, Titelseite der Ausgabe 4, April 1953 Pourquoi le Vatican ne reconnait-il pas l'Etat d'Israel?, in: Reforme 3 Aoüt 1962, S. 2 Der Prediger Salome. Nach der deutschen Übersetzung Martin Luthers herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, Klett/Stuttgart 1949 (42.Bd. der Anker-Bücherei). Leicht verändert wieder bedruckt [sie], in: Der Prediger Salomo im Spiegel Michel de Montaigne, S. 173-181. Verlag Günther Neske, Pfullingen 1981 Der Prophet Ha.ba.kuk, Neukirchen/Moers 1957, 40 S. = Le Prophete Habaquq. Trad, francaise d' A.Cavin, Geneve, Ed. Labor et fides, 1959, 63 p.
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Literatur- und Quellenverzeichnis
Quand et pourquoi Dieu a-t-il revele ä Israel qu'il est le Createur?, in: FV 58, 3-4/1959, 3-17 La science des Pretres et la Science des Sages. Etudes de quelques textes de L'Ancien Testament proposes a la reflection de l'homme scientifique moderne (Notes prises au cours des entretiens avec W.Vischer au week-end biblique des 6-7 avril a Villemetrie), in: Cahiers de Villemetrie, 13/Mai-Juin 1957 Der Staat Israel in biblischer Sicht, in: Licht und Recht 21, l/Dez.1952, S. 5 Tu ne te feras pas d'image. Discours d'ouverture des cours prononce ä la seance solennelle de rentree, le 4 novembre 1955, in: ETR 31, 1/1956, 8-18 = Du sollst dir kein Bildnis machen, in: Antwort. Karl Barth zum 70. Geb. am 10. Mai 1956, hg. E. Wolf, u.a., 764-772 Die Ursprache der Bibel, in: Schweizer Rundschau 49, 7/8/Okt./Nov. 1949, 489-496 Valeur de l'Ancien Testament. Commentaires des livres de Job, Esther, FEcclesiaste, le second Esa'ie, precedes d'une introduction; trad.: J. Roth-Falconnier (Job, Esther, le second Esa'ie) et F. Ryser (['introduction), Geneve (Labor et fides) 1959, 191 S. Versöhnung zwischen Ost und West. Zwei Bibelstudien, T E H N. F. 56, München 1957, 38 S. = La reconciliation de Jacob et d'Esaü, in: VC 11, 1957, 41-51 + 71-87. Zunächst wohl englisch vorgestellt am 17. und 18.8. 1956 bei einer Tagung der Alliance of the Reformed Churches in Emden (16.-21. August 1956) The Vocation of the Prophet to the Nations. An Exegesis of Jeremiah 1:4-10, transl. by Suzanne de Dietrich, in: Interp 9, 1955, 310-317 Erklärung des Propheten Jeremia: SS 1930 Bethel, SS 1940 Basel, WS 1949/50 Montpellier Voeux pour le Concile, in: Esprit, Dezembre 1961, Paris. Dass, deutsch in: Junge Kirche. Protestantische Monatshefte 23, 5/10.5.1962, 297-301 Wie predigen wir über das Alte Testament heute? Tonbandniederschrift eines Vortrags am 13.10.1960 in Gaildorf (mit Predigtmeditation zu I.Mose 34,4b-10), 24 S. Words and the Word: The Anthropomorphisms of the Biblical Revelation, trans, by J. Bright, in: Interp 3, 1/1949, 3-18 Das Wort der Propheten, Bibelschule Basel, 2.Jahrgang, 1 .Trimester (eine Nachschrift evtl. von Dorothee Hoch, V. D. M., Riehen, von der eine Karte vom 23.10.1952 beigelegt ist; handschriftl. Vermerk darauf: „in herzlicher Verbundenheit für Vieles, was ich aus Nachschriften Ihrer Vorlesungen schöpfen durfte"), getippt auf festem Papier, 18 S. (masch) Zum Problem der Hermeneutik, in: EvTh 24, 1964, 98-112 = Remarques sur quelques aspects modernes du probleme de l'hermeneutique, in: ETR 50, 2/1975, 203-216 = Eglise et Theologie 24, Sept. 1961, 39-55
2.7 1965-1988
(im Ruhestand)
Arnos, citoyen de Teqoa, in: ETR 50, 2/1975, 133-159 A propos de la conference de R. Rendtorff, in: FV 81, 1/1982, 73-80
Vischer-Bibliographie
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La Bible et l'Etat d'Israel aujourd'hui, in: Reveil, Mars 1969, Viverais (war mir nicht zugänglich; diese Angabe stammt aus Bethel Heft 30/1985, 111) Calvin, exegete de l'Ancien Testament, in: ETR 40, 4/1965, 213-231 = Revue Reformee 1/1967, 1-20 Das Christuszeugnis des Propheten Jeremia, in: Bethel Heft 30, 1985, 5-61 = französisch: Le salut des Nations. Jeremie. Comment est-il le prophete pour les pai'ns?, in: L'Ecriture et la Parole (siehe unten), 65-114 Contribution a l'intelligence du „Don Quichotte" de Cervantes, in: ETR 50, 2/1975, 217-223 (Übersetzung von A. Happel) Les donnees biblique du theme de la TERRE PROMISE et leur signification. Journee biblique, organisee par la WIZO au Centre Communautaire Juif, Montpellier, 3.5.1972, zwei Ausgaben: einmal 8 und einmal 18 S. Un dossier sur diverses d'options exegetiques et theologiques concernant Israel. Note conjointe: pour precise une des options (Avec J. Dupont, Fr. SmythFlorentin, S.Frutiger), in: FV 65, 5/1967, Vischer S. 66-72 Le droit de l'homme dans la Bible. Article demand et publie par le Bureau d'lnformation Protestant, 47, Rue de Clichy, Paris, Sept. 1977, in: Le Messager Evangelique Nr. 44/30.10.1977, 8-9 = Le Protestant de l'Ouest, Sept.-Oct. 1977, 9 = Le Cep Sept. 1977, S.2f. L'Ecriture et la Parole. Lä ού le peche abonde, la grace surabonde, Geneve 1985, Labor et Fides/Essais Bibliques N° 12, 207 p. Dieser Band enthält folgende Aufsätze: Invitation, par Michel Bouttier {S.5-20). Von W. Vischer: 1. Dieu-avec-nous! (Esai'e 6-9, S. 21-64) - 2. Le salut des nations (Jeremie, S. 65-114) - 3. Le proces de Dieu (Deutero-Esai'e; S. 115-140) - 4. Un seul amour (Cantique des cantiques; S. 141-144) - 5. Celui qui vient/Magnificat (S. 145-152) und Benedictus (S. 153-163) - 6. Les cambattants du Liberateur/Hausanna au plus haut des cieux!/Simon Baryona/Youdas Iskariot (S. 165-182) - 7. L'ultime question. La reponse de Jesus ä nos questions dernieres (S. 183-207) Rez.: D.Bourguet, in: ETR 61, 4/1986, 588 f. Ein Beitrag zum Verständnis des Don Quijote, in: Entscheidung und Solidarität. Beiträge zur Theologie, Politik, Literatur und Erziehung. FS für Johannes Harder, Wuppertal 1973, 147-154 Eine auf die Bibel gegründete Stellungnahme zum neuen Staat Israel, in: KBRS 126, 23/19.11.1970 (nicht 1972, wie im Bethel-Heft 30, 1985, 112 steht), 354-358 Vischer antwortete im Heft 9 vom 14.1.1971, S.9 (Jg. 127) auf die Fragen von Charles Brütsch in KBRS 126, 25/1970, 391 Erste Eindrücke von Jerusalem und seiner Umgebung, Studia Biblica et Semitica, Theodora Christiano Vriezen Dedicata, H. Veenman en Zonen η. V., Wageningen 1966, 350-355 L'Esprit saint. Meditation ineditee prononcee lors d'une journee theologique tenue a Montpellier le 10 decembre 1973, masch. 10 S. = L'esprit saint, in: ETR 50, 2/1975, 225-229 L'Evangelo secondo Giona. L'Ecclesiaste testimone di Cristo. II significato dell'Antico Testamento per la vita cristiana. E. Claudiana, Torino 1966
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Literatur- und Quellenverzeichnis
Goutez combien le Seigneur est bon: Psaume 34, Du texte au sermon, 6, in: ETR 44, 4/1969, 247-264 Der im Himmel Thronende lacht. Alfred de Quervain zum 70. Geburtstag. Beiträge zur evangelischen Theologie, Bd. 44, München 1966, 129-135 Initiation a La Langue Israelite, Montpellier Janvier 1985, 29 S. Invitation a rencontrer le prophete ESAIE, in: Le Cep, Dec. 1971, S. 10 f. Israel, le temoin de Dieu, in: „Relevement!" Mars 1975, S. 3 f. JEREMIE. Comment est-il le Prophete pour les Pai'ens? (Plan d'une etude), in: Hier et aujourd'hui. Bulletin de l'Amicale des Pasteurs frangais ä la retraite 31, Nr. 91/Mars 1984, 2 S. (keine Seitenzählung) Dass., als Vortrag für 17.10.1983 ausgeführt: masch. I I S . Martin Buber; comment il nous apprend ä lire la Bible, in: FV 84, 1-2/1985, 11-15 Le Langage poetique de la bible. Conference donnee dans le cadre du weekend d'etudiants en theologie a Pomeyrol, le Samedi 26 nov. 1977, masch. 9 S. Lettre amicale (an Karl Barth zu dessen 80. Geburtstag), in: FV65, 1-2/1966, 4-6 Lettre au Comite de redaction des ETR, au (seul) Redacteur du N° 3/1976, Prof. Michel Bouttier, in: ETR 52, 2/1977, 267-270 (Reponse von Albert de Pury S. 271-275) La musique dans l'Ancien Testament, in: Foi Education: Revue Trimestrielle de la Federation Protestante de l'Enseignement, Nouvelle Serie No. 34/Avril-Juin 1981, 2-12 Nehemia, der Sonderbeauftragte und Statthalter des Königs. Die Bedeutung der Befestigung Jerusalems für die biblische Theologie und Geschichte, in: H. W. Wolf (Hg.), Probleme biblischer Theologie. FS für Gerhard von Rad, München 1971, 603-610 Un nouveau Barmen? Les principes chretiens que soutient l'institut Chretien en Afrique du Sud, in: ETR 49, 1/1974, 95-99 (in Bethel Heft 30 zu den Schriften Vischers gezählt; im ETR-Heft ist kein Verfasser angegeben!) Oü il est question d'Abba, Pere!, in: ETR 54, 4/1979, Correspondance S. 683-691; davon Vischer S. 684-686 Der Prediger Salomo im Spiegel des Michel de Montaigne. Ein Brevier, Verlag Neske, Pfullingen 1981, 183 S. - Neudruck aus JThB 4, 1933, 27-124 Psaume 84. Commentaire „exegetique" [sic], in: Unite des Chretiens, Oct. 1981, 3-4 La reponse de Jesus a nos questions dernieres, in: From Faith to Faith, Essays in Honor of D. G. Millers 70th birth, The Pickwick Press Pittsburgh 1979, 127-150 = in: L'Ecriture et la Parole, Genf 1985, 183-207 Le salut des nations (Jeremie); comment est-il le prophete pour les paiensPs. l'Ecriture Savez-vous le grec?, in: ETR 45, 1/1970, 63-87 Le scandale, in: Reforme 22.1.1983, 10 Die Macht der Musik in Shakespeare's Dramen. Fritz Morel zu seinem 70.Geburtstag gewidmet, masch. (unbekannt, ob veröffentlicht; laut Briefen von den Basler Nachrichten und von der Schweizerischen Musikzeitung 1970, dem Jahr, in dem der Artikel wohl auch geschrieben wurde, abgelehnt)
Vischer-Bibliographie
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Temoignage d'un contemporain. Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 64, 2/1984, 117-122 = deutsch: Zeugnis eines Zeitgenossen, in: Bethel Heft 30, 1985, 79-85 Un theologien reforme devant Israel, in: Unite chretienne Nr. 31/Aoüt 1973, 9-16 L'unique amour nous vient du coeur de Dieu (zur Auslegung des Hld), in: Le Cep, Juin 1973
2.8
Übersetzungen
Leon Bloy, Der Hüter des heiligen Grabes (Würdigung des jiddischen Dichters Morris Rosenfeld), in: Soll ich meines Bruders Hüter sein? Weitere Dokumente zur Juden- und Flüchdingsnot unserer Tage, hrsg. vom Schweirerischen evangelischen Hilfswerk für die bekennende Kirche in Deutschland mit Flüchdingsdienst Zollikon-Zürich 1944, S. 93-102 Roland de Pury, Die Macht der Wahrheit. Existentialismus und christlicher Glaube. Übersetzt von W.Vischer, Zürich 1950, 23 S. 2.9 Predigten
und Predigtmeditationen
(nach Bibelstellen
geordnet)
In diese (unvollständige) Liste aufgenommen sind auch die machinenschrifdichen Nachschriften von Predigten, die Vischer in zwei Ordnern in Montpellier aufbewahrt hat. Es handelt sich um Predigten aus der Zeit von 1937 bis 1945. Sie werden abgekürzt mit „Ordner I" oder „Ordner II", gefolgt von der Angabe des Seitenumfangs der Predigtnachschrift und evtl. weiteren Angaben. Ferner sind eine Reihe einzelner Predigtnachschriften, die sich im Nachlaß fanden, aufgenommen. Invokavit. 1. Mose 3,1-19, in: GPM 14, 1959/60, 103-105 13. Sonntag nach Trinitatis. l.Mose 4,1-16, in: GPM 12, 1957/58, 221224 Predigt über Gen 11,1 ff., 4. So. im Advent 1979, Basel-Stjakob, Taufe seines ersten Urenkelkindes Sarah-Maria, 8 S. Israel. Predigt über l.Mose 32,23-33, gehalten in Bethel am Sonntag Rogate, in: ZZ 9, 5/1931, 361-366
Num 21,4-9 (Judika), in ETR 30, 4/1959, 52-54 (De l'Avent ä Pentecote: Notes homiletiques et exegetiques) 4. Mose 22,1-6; 24,1-8, 04.01.1942, Ordner I, 4 5. Mose 32,39-40, Neujahr, 1941, Ordner I, 5 Hiob 14, 25.11.1945, Ordner II, 4
Psalmen, ausgelegt für die Gemeinde. Predigten des Kirchenjahres 1942/43 in Basel, Fr. Reinhardt, Basel 1944/ 2.Mose 15,1-21, 19.05.1940, Ordnerl, 6 3 1947, 201 S. Ps 1, 17.01.1943, Ordner I, 6 Num 21,4-9, in: ETR 4/1955, 11-19. Ps 2, 13.12.1942, Ordner I, 4 52-54 Num ll,4b-6.10-18.24-29, Pfingst- Ps 3, 31.01.1943, Ordner I, 5 sonntag 28.05.1944, Ordner 11,4 Ps 5, Bettag, 26.09.1943, Ordner I, 6
370
Literatur- und Quellenverzeichnis
Ps
8, Predigt vom Weihnachtstag, 12.12.1942, Ordner I, 4 Ps 12, 10.10.1943, Ordner II, 5 Ps 16, 14.02.1943, Ordner I, 4 Ps 19, 29.08.1943, Ordner I, 3 Ps 22,1-22, 23.04.1943, Ordner I, 4 Ps 22,23-32, 25.04.1943, Ordner I, 5 Ps 24, 29.11.1942, Ordner I, 6 Ps 27, 17.11.1940, Ordner I, 5 Ps 29, 05.09.1943, Ordner I, 5 Ps 30, 02.05.1943, Ordner I, 3 Ps 31,1-9, 14.03.1943, Ordner I, 3 Ps 31,10-25, 21.03.1943, Ordner I, 4 Ps 32, Silvester 1942, 31.12.1942, Ordner I, 6 Ps 33, 31.12.1941, Ordner I, 5 Ps 33, Neujahr 1943/01.01.1943, Ordner I, 5 Du texte au sermon (6). Ps 34, in: ETR 44, 4/1969, 247-264 Ps 39,5-8, 21.11.1943, Ordner II, 4 Ps 43, 11.04.1943, Ordner I, 4 Ps 46, ohne Datum, Ordner I, 6 Ps 49, 09.05.1943, Ordner I, 5 Ps 50,23, Reformationssonntag 31.10. 1943, Ordner II, 4 Ps 51, Reformationssonntag, 03.11. 1940, Ordner I, 6 Ps 66, 3. Sonntag nach Ostern, 14.04. 1940, Ordner I, 4 Ps 66, 16.05.1943, Ordner I, 3 Ps 68, 06.06.1943, Ordner I, 4 Ps 73, 17.10.1943, Ordner II, 5 Ps 89,47-53, 20.12.1942, Ordner I, 4 Ps 90,10.14.16, Beerdigungsansprache 19.05.1944, Ordner II, 3 Ps 91, 07.02.1943, Ordner I, 3 Ps 96, 23.05.1943, Ordner I, 4 Ps 100, Konfirmation der Knaben (gedruckt: Basler Predigten 7, Nr. 2 / Juni 1943, S. 3-8), 18.04.1943, Ordner I, 3 Ps 103,6-13, 31.10.1943, Ordner II, 5 Ps 103,13-18, Konfirmation der Mädchen (gedruckt: Basler Predigten 7,
Nr. 2/Juni 1943, S. 9-14), 18.04. 1943, Ordner I, 3 Ps 104,24.27-30, 13.06.1943, Ordnerl, 5 Ps 104, 04.07.1943, Ordner I, 6 Ps 110, 03.06.1943, Ordner I, 5 Ps 113, 12.09.1943, Ordner I, 5 Ps 122, 07.03.1943, Ordner I, 4 Ps 123, Himmelfahrtstag 18.05.1944, Ordner II, 4 Ps 124, 04.04.1943, Ordner I, 5 Ps 126, 11.07.1943, Ordner I, 5 Ps 139,14, Ostern 1952 in Saarbrücken (evd. von Fr. Buchholz) Ps 150, 20.06.1943, Ordner I, 3 Jes Jes Jes Jes Jes Jes
1,1-10, 24.02.1946, Ordner II, 5 2,6-21, 02.12.1945, Ordner II, 4 3,1-15, 17.03.1946, Ordner II, 4 6,1-7, 23.06.1946, Ordner II, 5 6,8-13, 30.06.1946, Ordner II, 5 7,1-9, Bettag 1940, 15.09.1940,
Ordner I, 6 Jes 7,1-9, 16.12.1945, Ordner II, 7 Gläubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht. Predigt über Jes 7,1-9, in: Basler Predigten 10, 1946, 8 Jes 7,10-25, 23.12.1945, Ordner II, 5 Jes 8,1-4, 31.12.1945, Ordner II, 6 Jes 8,5-8, 25.12.1945, Ordner II, 5 Predigt über Jes 8,5-8 (Nachschrift „Nr. 101"), 5 S.; Basel 25.12.1945 Jes 8,9-10, Neujahr, 01.01.1945, Ordner I, 5 Jes 8,9.10., 01.02.1946, Ordner II, 8 Jes 8,11-15, 06.01.1946, Ordner II, 4 2. Weihnachtstag. Jes 8,23-9,6, in: GPM 1956/57, 30-34 Predigt über Jes 9,1-7. Basel 27.1.1946 (Nachschrift „Nr. 103"), 5 S. Jes 9,7-10, 4, 10.02.1946, Ordner II, 5 Jes 12, 28.07.1946, Ordner II, 3 Jes 26,16, Jahresschluss / Herr, wenn Trübsal da ist, so sucht man Dich, 31.12.1940, Ordner I, 5
Vischer-Bibliographie
Jes 36; 37,15-20, Bettag 1941, 21.09. 1941, Ordner I, 3 Jes 42,1-7; 62.10-12 (Dritter Sonntag im Advent); in ETR 2/1952,11-14; 14-16 Prophetischer Leitartikel: Predigt über Jes 45,1-8, in: Basler Predigten, Feb. 1967 Jes 53,1-5, „Der Knecht Gottes", 14.03.1913, Ordner I, 5 Mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, Predigt über Jes 54,7-8 (Ostern 1947 in Basel), 9 S. = in: Basler Predigten 11, 1947, 1 Return, Rebel Sons! Α Sermon on Jeremiah 3:1,19-4:4, trans, by D.G. Miller, in: Interp 8, 1954, 43-47 Jer 4,1-4, 01.12.1945, Ordner II, 13 Misericordias Domini. Ez 34, 1.2.1116.31, in: GPM 12, 1957/58, 119123 The Love Story of God. A Sermon (Hos 3,1), trans. D.G. Miller, in: Interp 15, 1961, 304-309 Amos 1,1-2; 3,1-8, 25.07.1943, Ordner I, 5 Amos 1; 2; 4,12, Bettag, 20.09.1942, Ordner I, 6 Predigt über Amos 5 und 6, gehalten am 16.10.1938 in der St.Jakobs-Kirche zu Basel, in: Basler Predigten 2, 7/1938, 3-15 Perhaps the Lord will be gracious. A Sermon (Amos 5,2-6.14.15). Transl. by Donald G. Miller, in: Interp 13, 1959, 286-295 Jonas, in: ETR 3/1949, 109 Predigt über Jona 1-4 und Mt 12,38-42 (Wesen und Aufgabe der Kirche in der Welt), in: Verhandlungen des Schweizer Pfarrervereins in Romanshorn, 23.-25.9.1946, 78-83, ZwingliVerlag Zürich
371
Micha 7,7-20, 21.12.1941, Ordner I, 5 Predigt über Maleachi 2,17-3,6 (14.12.1941 in Basel), Basel 1942, 12 S. = in: Basler Predigten 5, 1941/ 1942, 9 Empfangen von dem heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau, Mt I,18-25, Weihnachtspredigt (ohne Datum), Ordner II, 7 Das Evangelium von den Weisen aus dem Morgenlande. Eine Predigtmeditation über das zweite Kapitel des Matthäus-Evangeliums, in: Wesen und Wandel der Kirche, FS Eberhard Vischer, Basel 1935, 7-20 Mt 3,1-3, Bettag 17.09.1944, Ordner II, 5 Predigt über Matthäus 4,18-22 (gehalten am 6.6.1937 in Basel), in: Basler Predigten 1, 4/1937, 3-9 Mt 5,13-16, Morgen and acht: „Ihr seid das Salz der Erde", 13.06.1913, Ordner I, 2 Mt 5,13-16, 26.09.1937 (Datum ist handschriftlich eingetragen und zeitlich die erste Predigtnachschrift), Ordner I, 6 Mt 10,28-34.38-39, 27.08.1944, Ordner 11,5 Predigt über Mt 12,22-37. 8 Tippseiten Predigt über Matthäus 13,24-30.36-43, in: Basler Predigten 3, 2/1939, 3-10 Mt 13,24-30.36-43, 07.05.1939, Ordner I, 8 Mt 13,45 f., Kostbare Perle, 05.05. 1918, Ordner I, 14 Mt 14,22 ff., ohne Datum, Ordner I, 6 Predigt über Matthäus 14,22-33, in: Basler Predigten 3, 9/1940, 3-10 Mt 15,21-28, 01.10.1939, Ordner I, 6 Mt 15,29-39, 15.10.1939, Ordner I, 4 Mt 16,1-4; 9-20, in: ETR 1948/4 Mt 16,1-4, 22.10.1939, Ordner I, 4 Mt 16,5-12, 29.10.1939, Ordner I, 5 Mt 16,13-20, Reformationstag, hat 6
372
Literatur- und Quellenverzeichnis
Seiten, aber nur S. 5-6 vorhanden., 05.11.1939, Ordner I, 6 Mt 16,21-28, Gegensatz von falschem und wahrem Christentum, ohne Datum, Ordner I, 6 Mt 17,1-13, 26.11.1939, Ordner I, 4 Predigt über Matthäus 17,14-21, Basel 1939 = Kriegszeit und Gotteswort 3, 1-13 Mt 17,22-27, 07.01.1940, Ordner I, 4 Mt 18,1-14, 14.01.1940, Ordner I, 5 Mt 18,15-35, 21.01.1940, Ordner I, 5 Mt 19,1-12, 28.01.1940, Ordner I, 5 Mt 19,13-15, 04.02.1940, Ordner I, 4 Mt 19,16-30, 11.02.1940, Ordner I, 4 Mt 20,1-16, 08.04.1945, Ordner II, 5 Mt 20,29-34, 03.03.1940, Ordner I, 4 Mt 20,17-38, 25.02.1940, Ordner I, 4 Mt 21,18-22, 28.04.1940, Ordner I, 4 Mt 21,23-32, 02.06.1940, Ordner I, 6 Mt 22,34-40, 14.07.1940, Ordner I, 5 Mt 22,1-14, 16.06.1940, Ordner I, 4 Mt 22,15-22, 30.06.1940, Ordner I, 4 Mt 22,41-46; Ps 110, 21.07.1940, Ordner I, 4 Mt 23,1-12, 01.09.1940, Ordner I, 5 Mt 23,34-39, 22.09.1940, Ordner I, 4 Mt 23,13-33, 08.09.1940, Ordner I, 7 Mt 24,32-51, 13.10.1940, Ordner I, 6 Mt 24,1-14, 29.09.1940, Ordner I, 6 Mt 24,15-31, 06.10.1940, Ordner I, 5 Mt 25,14-30, 27.10.1940, Ordner I, 5 Mt 25,31-46, 10.11.1940, Ordner I, 4 Predigt über Matthäus 26,17-29 (gehalten am 3.8.1938 in Basel), in: Basler Predigten 2, 1/1938, 3-10 Mt 27, 31-50, Karfreitag, 22.03.1940, Ordner I, 3 Hilf dir selber (zu Mt 27,39-44). Andacht in Fraternite Evangelique, Nr. 28, April 1950 Mt 27,51-54, 24.03.1940, Ordner I, 3 Mk 4,26-32, Vom Reiche 14.06.1914, Ordner I, 9 Mk 14,14 f., in: ETR 4/1948
Gottes,
Lk Lk Lk Lk
1,5-25, 28.11.1943, Ordner II, 5 1,26-37, 05.12.1943, Ordner 11,4 1,39-56, 12.12.1943, Ordner 11,4 1,45 f., in: ETR 4/1955, 11-19. 52-54 Lk 1,45-46, in: ETR 30, 4/1959, 17-20 Weihnachtspredigt: Der Lobgesang der Maria, Lk 1,46-55, 25.12.1982, 5 S. Der Lobgesang der Maria: Predigt über Lukas 1,46-55 am 25.12.1982, Basel, St.Jakob, 5 S. Lk 1,57-80, 19.12.1943, Ordner II, 5 Der Lobgesang des Zacharias: Predigt über Lk 1,57-80 (gehalten am 3.Adv. 1967 in der St.Jakobskirche zu Basel; mit Taufe von Lukas Vischer, geb. am 15.8.1967), in: Basler Predigten 31, 12/1968, 3-14 Lk 2,10-11, Weihnachtstag 1943, Ordner 11,5 Friede auf Erden. Predigt über Luk. 2,14 (1.1.1944 in Basel), Basel 1944, 8 S. Lk 2,22-24, 28.12.1941, Ordner I, 4 Lk 2,25-43, in: ETR 4/1948 Lk 2,40-52, 16.01.1944, Ordner II, 6 Lk 3,1-6, 23.01.1944, Ordner II, 5 Lk 3,7-17, 30.01.1944, Ordner II, 5 Lk 3,21-22, 06.02.1944, Ordner II, 4 Lk 3,23-28, 20.02.1944, Ordner II, 5 Lk 4,1-4, 05.03.1944, Ordner II, 5 Lk 4,5-8, 12.03.1944, Ordner II, 5 Lk 4,9-13, 26.03.1944, Ordner II, 5 Lk 4,14-30, 16.04.1944, Ordner II, 6 Lk 5,12-16, 07.05.1944, Ordner II, 5 Lk 5,27-29, 21.05.1944, Ordner II, 5 Lk 5,39, 04.06.1944, Ordner II, 4 Lk 6,12-26, 11.06.1944, Ordner II, 6 Lk 6,27-38, 18.06.1944, Ordner II, 4 Vielmehr. Predigt über Lk 6,35 an der XXVI. Aarauer Studentenkonferenz (13.-15.März 1922). Der Neue-Geist Verlag Leipzig 1922, 27-32 Lk 6,39-42, 25.06.1944, Ordner II, 4 Lk 7,11-17, 15.04.1945, Ordner II, 4 Lk 7,18-23, 30.07.1944, Ordner II, 7
Vischer-Bibliographie
Lk 7,24-35, 06.04.1944, Ordner II, 5 Lk 7,36-50, in: ETR 27, 2/1952, 38-40 Predigt über Lukas 7,36-50 (13.8.1944 in Basel), Basel 1944, 12 S. = in: Basler Predigten 8, 6/1944, 3-11 Lk 9,51-56, 20.08.1944, Ordner II, 5 Lk 9,57-62, 03.09.1944, Ordner II, 5 Lk 10,21-24, 08.10.1944, Ordner II, 4 Lk 10,25-37, 15.10.1944, Ordner II, 6 Lk 10,38-42, 29.10.1944, Ordner II, 4 Lk 11,27-28, Reformationssonntag 05.11.1944, Ordner II, 6 Lk 11,5-8.13, 12.11.1944, Ordner II, 5 Lk 12,13-21, 26.11.1944, Ordner II, 5 Lk 12,32, 03.12.1944, Ordner II, 4 Lk 12,39-48, 17.12.1944, Ordner II, 6 Lk 12,49-53, Weihnachtstag 1944, Ordner II, 5 Lk 12,54-59, Silvester 1944, Ordner II, 6 Lk 13,1-9, Bettag, 19.09.1943, Ordner I, 5 Lk 13,1-9, Neujahrstag 1945, Ordner II, 5 Lk 13,10-17, 21.01.1945, Ordner II, 6 Lk 13,22-30, 04.02.1945, Ordner II, 4 Lk 13,31-35, 11.02.1945, Ordner II, 5 Lk 14,7-11, 29.04.1945, Ordner II, 5 Lk 14,12-14, 06.05.1945, Ordner 11,5 Lk 14,15-24, 13.05.1945, Ordner II, 6 Lk 14,25-33, 03.06.1945, Ordner II, 3 Lk 15,1-2. 11-32, 01.04.1945, Ordner II, 6 Lk 15,1-10, 17.06.1945, Ordner II, 5 Lk 15,1-10, in: ETR 3/1949, 109 Das Gleichnis vom ungerechten Haushalter. Predigt über Lk 16,1-12 (Basler Münster 29.7.1956), Basel (Reinhardt) Aug. 1956 Lk 16,16-17, 08.07.1945, Ordner II, 4 Lk 17,1-4, ohne Datum . . . Ordner II, 4 Predigt über Lukas 17,5-6 (26.8.1945, Nachschrift, identisch mit letzter meiner gebundenen Predigten)
373
Lk 17,7-10, 15.07.1945, Ordner II, 4 Lk 17,11-19, 16.09.1945, Ordner II, 4 Lk 17,26-37, 30.09.1945, Ordner II, 5 Lk 18,1-8, 14.10.1945, Ordner II, 6 Lk 18,9-14, 28.10.1945, Ordner II, 4 Lk 18,15-17, 23.09.1945, Ordner II, 4 Lk 18,18-30, 11.11.1945, Ordner II, 6 Lk 19,1-10, 18.02.1945, Ordner II, 5 Lk 19,11-28, 25.02.1945, Ordner II, 5 Lk 19,29-40, Palmsonntag, Konfirmation der Mädchen, 1941, Ordner I, 4 Lk 19,29-44, Palmsonntag 02.04.1944, Ordner II, 5 Lk 19,41-44, 04.03.1945, Ordner II, 4 Lk 21,1-4, 11.03.1945, Ordner II, 4 Lk 23,26-32, 30.03.1945 (Karfreitag), Ordner II, 6 Lk 23,32-43, Karfreitag 01.04.1944, Ordner II, 6 Lk 24, Abschiedspredigt in Lugano und Pura, Ostermontag 13.4.1936 Lk 24,1-49, Ostern 1944, Ordner II, 7 Lk 25-33, 03.06.1945, Ordner II, 5 Joh 1,14.16, Dezember 1941, Ordner I, 4 Joh 1,15-18, in: ETR 4/1948 Joh 1,16.17, 26.12.1948 zu Basel-St.Jakob (Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade), in: Basler Predigten 12, Nr. 10/Feb. 1949, 3-10 Die Hochzeit zu Kana. Predigt über Johannes 2,1-11 (18.1.1942 in Basel), Basel 1942, 12 S. = in: Basler Predigten 6, 1942/43, 7 Joh 5,24.39-37, 25.01.1942, Ordner I, 4 Joh 8,31-36, Konfirmation 02.04.1944, Ordner 11,4 Predigt über Joh 9,1-3 zur Einführung in Bethel am 24.2.1929, in: Betheler Sonntagsblatt 36, 8/1929, 6 S. Joh 12,12-19, 14.04.1946, Ordner II, 4 Joh 13,1-17, 24.03.1946, Ordner II, 5
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Literatur- und Quellenverzeichnis
Joh 13,31-38, 07.04.1946, Ordner II, 3 Joh 14,6, Jesus spricht: Ich bin die Wahrheit, 06.09.1942, Ordner I, 4 Joh 16,33, 01.01.1942, Ordner I, 5 Joh 18,28-40, 03.04.1942, Ordner I, 6 Joh 19,1-7, 19.04.1946, Ordner II, 4 Notizen aus der Osterpredigt 1942 über Joh 20,1-10, 5 S. Joh 20,19-31, Quasimodogeniti 1952 (evd. von Fr. Buchholz)
28.06.1937 in Basel (106 Jahre „Verein der Freunde Israels"), Ordner I, 8
Fete de la Trinite, in: ETR 61, 3/1986, 383-394 (Rom 11,33-36) Rom 11,33-36, 31.05.1942, Ordner I, 3 Rom 12,1-2, 12.01.1941, Ordner I, 5 Rom 14,1-12, 18.10.1942, Ordner I, 6 Rom 14,12-23, 08.11.1942, Ordner I, 6
Apg 1,1-14, Himmelfahrtstag, 02.05. 1. Kor 1,4-9, 04.10.1942, Ordner I, 4 1940, Ordner I, 3 Himmelfahrt/Apg 1,6-11. In: „Es ist 1. Kor 1,17-31, 15.02.1942, Ordner I, vollbracht". Ökumenische Kommissi5 on für die Pastoration der Kriegsge- 1. Kor 4,1-5, 17.12.1939, Ordner I, 4 fangenen (Hg.), Genf Ostern 1945, 1. Kor 9,24-27, 09.02.1941, Ordner I, 32-36 (im Buch selbst steht nicht, 5 daß Vischer der Autor ist; Vischer l.Kor 13. Gedanken aus einer Predigt hat jedoch in sein Exemplar am Ende zum Abschluß des WS 1929/30. der Predigt seinen Namen geschrieNachrichten aus dem Bethel-Studenben) ten-Bund, 1/1930, S. 1-5 Apg 1,13-26, 05.05.1940, Ordner I, 4 l.Kor 13, 23.02.1941, Ordner I, 4 Apg 2, Pfingsten, 12.05.1940, Ordner 1.Kor 15,12-20, Ostern, 1941, Ordner I, 7 1,6 Predigt über Apostelgeschichte 2,1-42. Wenn nicht alle Toten auferstehen, so Wer den Namen des Herrn anrufen ist Christus nicht auferstanden. Prewird, soll gerettet werden, Basel digt über l.Kor 15,12-22, Ostern 1947, 25 S. ( = Kriegszeit und Got1953, in: Basler Predigten 17, 6/Okteswort, 11) tober 1953, 3-13 Apg 4,32-37, 07.06.1942, Ordner I, 5 Predigt über Apostelgeschichte 20,17- 2. Kor 3,4-11, 23.08.1942, Ordner I, 4 38 (17.8.1941 Basel), 12 S. = in: 2. Kor 5,14-21, Karfreitag 1941, Ordner I, 6 Basler Predigten 5, 1941/42, 6 2. Kor 12,1-10, 16.02.1941, Ordner I, Rom 3,21-26, 30.08.1942, Ordner I, 5 4 Rom 5,1-11, 23.03.1941, Ordner I, 4 Rom 8,31-39, 16.08.1942, Ordner I, 4 Nachträgliche Aufzeichnung der freien Rede. Predigt im Gottesdienst der Der Judenstaat „Israel". Predigt über Gellert-Kirche am 28.12.1985 (über Apostelgeschichte 3 und Römer Gal 4,1-6) II,15 (24.4.1949 in Basel), in: Basler Die mündige Menschheit, Predigt über Predigten 13, 2/1949/50, 1-12 Galater 4,1-7, in: Basler Predigten Rom 8,38.39, 25.03.1945, Ordner II, 5 14, 10/Feb. 1951, 3-16 Rom 9,1-5, 25.08.1946, Ordner II, 5 Rom 9,6-13, 01.09.1946, Ordner II, 5 Eph 2,1-10, 27.04.1941, Ordner I, 5 Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Eph 4,8-10, 10.05.1945, Ordner II, 5 Festpredigt zu Rom 11,1-7.11-15; Eph 4,22-32, 11.10.1942, Ordner I, 6
Vischer-Bibliographie
Predigt über Eph 4,22, 19.10.1952, Basler Münster, in: Basler Predigten 16, 7/1952, 10 S. Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes: Predigt über Epheser 4,22-32, in: Basler Predigten, Basel Nov. 1953 Eph 6,1-4, 25.10.1942, Ordner I, 6 Phil 1,12-21, 08.02.1942, Ordner I, 7 Phil 3,17-21, Himmelfahrt . . . 14.05. 1942, Ordner I, 5 Kol 1,9-14, 23.11.1941, Ordner I, 5 l.Thess 4,1-12, 09.03.1941, Ordner I, 5 l.Thess 4,13-18, 22.11.1942, Ordner I, 5 1.Tim 6,11-16, Palmsonntag/Konfirmation am 17.03.1940, Ordner I, 4 2. Tim 2,8-13, 03.05.1942, Ordner I, 4
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ten im Rahmen des Rassemblement Protestant am 14. 10.1956 zu Straßburg, in: EvTh 17, 1957, 49-52 Predigt über 1.Johannes 4,7-17, 26.4. 1942 („Gott ist Liebe"), mit Voten, Liedern 5 S. l.Joh 5, 4-12, „... unser ganzes Gemüt ist in diesen Tagen gespannt auf die Nachrichen vom Kriege", 20.04. 1941, Ordner I, 5 Hebr 4,14-5,10, 22.02.1942, Ordner I, 5 Der Hohepriester des lebendigen Gottes, Predigt über Hebräer 9,11-15 (30.3.1941), 16 S. = Kriegszeit und Gotteswort 21 Hebr 10,19-25, 30.11.1941, Ordner I, 5 Hebr 10,23, Laßt das Seil nicht los!, in: Basler Predigten Dez. 1963 Hebr 13,7-9, 01.11.1942, Ordner I, 5
Titus 3,1-8, 24.12.1939, Ordner I, 5 Predigt über Titus 3,1-8, in: Basler PreJak 5, 16-18, 19.10.1941, Ordner I, 5 digten 4, 8/1940, 3-11 Mehrere Predigten aus der Zeit 1937l.Petr 4,7-11, 25.05.1941, Ordner I, 5 1946 in: „Kriegszeit und Gotteswort" l.Petr 5,5-11, 21.06.1942, Ordner I, 4 und in „Basler Predigten" l.Petr 5,5b—11, in: ETR 27, 2/1952, Zwei Konfirmationspredigten (Palm19 f. sonntag 1943 in Basel), Basel 1943, 14 S. = in: Basler Predigten 7, 1943, l.Joh 2,12-17, 01.03.1942, Ordner I, 4 2 Predigt über 1. Johannes 3,11-15 gehal-
2.10 Rezensionen 1. Karl Barth, Kirchliche Dogmatik 1/1 und 1/2, Rez. in: Basler Nachrichten vom 20.3.1938 2. Μ. A. Wiesen, Hebräisch-deutsches Wörterbuch, Basel 1944, 368 S.; Rez. in: KBRS 100, 1944, 189 3. Kirche und Synagoge. Kritik des Buches von Karl Thieme „Kirche und Synagoge" nach dem Barnabasbrief und einem Dialog des Justin, Rez. in: KBRS 101, 14.6./1945, 180-182 4. A.-M. Dubarle OP, Les sages d'Israel, 1946, 259 S., Rez. in: ETR 22, 1947, 161 f. 5.J.-J. Stamm, Das Leiden der Unschuldigen in Babylone [sie] und in Israel, 1946, 83 S., Rez. in: ETR 22, 1947, 162. 6. L'Archeologie et la Bible (Μ. A .Parrot), Rez. in: ETR 28, 1953, 222-225
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Literatur- und Quellenverzeichnis
7. La Bible de Jerusalem, Rez. in: ETR 25, 4/1950, 247 f. 8. John Bright, The Kingdom of God, Rez. in: ETR 29, 4/1954, 30 f. 9. F. Ryser, Le veau d'or, Rez. in: ETR 29, 4/1954, 31 10. Vittoria Subilia: Gesu piu antica tradizione cristina, 1954, 266 S., Rez. in: ETR 31, 1/1955, 66 f. 11. K. Lüthi, Judas Iskarioth in der Geschichte der Auslegung von der Reformation bis zur Gegenwart, 1955, 209 S., Rez. in ETR 31,1/1955, 68 12. Liber Psalmorum. Katholisches Bibelwerk, 1954, und: Das Buch Ijob, übertragen und ausgelegt . . . von F. Stier, 1954, Rez. in: ETR 31, 1/1956, 67 13. Martin-Achard R., De la mort ä la resurrection d'apres l'Ancien Testament, Neuchätel-Paris 1956, 190 S.- Rez. in: ThLZ Nr. 11/1957, Sp. 851 14. D. Lys, Ruach, Paris 1962; Rez. in: Reforme, 18.1.1964 15. Jochanan Bloch: Das anstößige Volk. Uber die weltliche Glaubensgemeinschaft der Juden, Heidelberg 1964; Rez. in: ThZ 22, 1966, 293-296 16. M.-Th. Hoch et B. Dupuy, Les Eglises devant le Judai'sme. Document officiels 1948-1978, Paris 1980, 431 S.; Rez. in: ETR 61, 3/1986, 444 f.
2.11 Briefe Nicht im einzelnen aufgeführt werden kann hier (von meiner eigenen Korrespondenz abgesehen): 1. Der im Karl Barth-Archiv Basel befindliche Briefwechsel zwischen Vischer und Barth: Soweit mir vorliegend, handelt es sich um 85 Briefe (in einigen Fällen Postkarten) von Vischer an Barth zwischen dem 20.8.1921 und dem 27.1.1968 sowie um 20 Briefe von Barth (davon einmal von Charlotte von Kirschbaum) an Vischer zwischen dem 29.8.1928 und dem 22.10.1957. Dem Leiter des Karl Barth-Archivs, Herrn Dr.Hinrich Stoevesandt, danke ich für die Übersendung der Kopien. 2. Die im Nachlaß in Montpellier aufbewahrte Korrespondenz Vischers (ca. 90 Briefe), soweit nicht von ihm vernichtet.
3 Über Wilhelm Vischer 3.1 Besprechungen und
Rezensionen
Wo nicht anders angegeben, wird Vischers Christuszeugnis I rezensiert. Baumgärtel F., Das Christuszeugnis des Alten Testaments, in: WuT 12, 1936, 309-316 (Kurztitel: Rez.) Bourguet D., Rez. von W.V., L'Ecriture et la Parole, in: ETR 4/1986, 588 f. Bruppacher H., Das Christuszeugnis des Alten Testaments (Rez. zu Vischers beiden Bänden), in: KBRS 100, 1944, 338-341 (Kurztitel: Rez.) Danielou J., in: Dieu vivant Heft 15/1950, 139-141 (Kurztitel: Rez.) Eichrodt W., in: ThG 29, 1935, 123-125 (Kurztitel: Rez.) Elliger K., Das Christuszeugnis des Alten Testaments, in: ZsystTh 14, 1937, 377392 (Kurztitel: Christuszeugnis) Feldges F., Die Frage des alttestamendichen Christuszeugnisses. Zum Angriff von
Über Wilhelm Vischer
377
Gerhard von Rad auf Wilhelm Vischer, in: ThBl 15, 1936, 25-30 (Kurztitel: Zum Angriff) Haenchen E., Zur Auslegung des Alten Testaments, in: DTh 4, 1937, 345-390 (Kurztitel: Auslegung) Heinsius W., Das Christuszeugnis des Alten Testaments, in: Kirchlich-positive Blätter 48, 1935, 37-38 HempelJ., Chronik, in: ZAW 49, 1931, 150-160 (Kurztitel: Chronik [ZAW 1931] über Vischers Dtjes) den., Chronik, in: ZAW 54, 1936, 293-309 den., Chronik, in: ZAW 59, 1942/43, 209-215 den., Chronik, in: ZAW 61, 1945/48, 231-254 Hermann E., in: RHPhR 15, 1935, 382-384 Hertzberg H.W., in: ThLZ 61, 1936, 435-439 (Kurztitel: Rez.) Kolfhaus W., Anmerkung zu Wilhelm Vischer, in: RKZ 85, 1935, S. 348: Procksch O., in: ThLBl 56, 1935, 326-328 Rad G. v., Das Christuszeugnis des Alten Testaments. Eine Auseinandersetzung mit Wilhelm Vischers gleichnamigem Buch, in: ThBl 14, 1935, Sp. 249-254 (Kurztitel: Auseinandersetzung) den., Sensus Sacrae Scripturae duplex?, in: ThBl 15, 1936, 30-34 (Erwiderung auf Feldges, Kurztitel: Sensus) Reisner E., Um das Alte Testament, in: Kirchliche Blätter aus der Evangelischen Landeskirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien 27, 1935, 40-42 Scuderi G., in: Protestantismo XV, 1960, 105 (über die frz.Ausgabe der Habakuk-Auslegung) Vaux R. de, in: RB LVII, 1950, 284 f. und LIX, 1952, 282 f. (Kurztitel: Rez.) 3.2 Berichte in
Zeitungen
An die reformierten Kirchgenossen von Liestal und Seltisberg, 8.3.1928 (wohl ein Anschlag) Bödeker H., Die Hochspannung der Ewigkeit. Zum Zode von Wilhelm Vischer, in: Sonntagsblatt „Unsere Kirche" Nr. 51 vom 18.12.1988 den., Ein Lehrer der Heiligen Schrift. Zum 70. Geburtstag von Wilhelm Vischer am 30. April, in: Ev.Sonntagsblatt für Westfalen-Lippe, 25.4.1965 den., Wilhelm Vischer zur Erinnerung (Ansprache bei der Feier des 90. Geburtstages von Prof. Wilhelm Vischer vor der reformierten Fakultät in Montpellier am 30. April 1985), in: Reformierte Kirchenzeitung Nr. 4, 15.4.1989, S. 124 f., 15.4.1989 den., Zum Tode von Wilhelm Vischer. Ein Christuszeuge für das Alte Testament, in: Sonntagsblatt der ev.-ref. Kirche Nordwestdeutschlands 93, Nr. 1/ 1.1.1989, S. 3 Bouttier M., Wilhelm Vischer, in: Reforme 14.1.1989 Burki W./Prieur J.-M. Le royaume de Dieu aujourd'hui. Une interview du professeur Wilhelm Vischer, in: Le Cep, juin 1987, S. 20 Cardonnel J., Le professeur W. Vischer n'est plus, in: Midi Libre l.dec. 1988 Erklärung der Arbeitsgemeinschaft von Christen und Juden, in: Mitteilungen des
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Über Wilhelm Vischer
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3.3
Weitere
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Über Wilhelm Vischer
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Kirchen- und theologiegeschichtliche Arbeiten
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kämpf); G. Michaelis, Der Fall Vischer, Bielefeld 1994 (Kurztitel: Fall VIscher); ferner: „Erinnerungsheft" (= Kurztitel; enthält: autobiographischer Lebenslauf S. 3-9, Ansprache von Christof Hardmeier S. 10-15, Ansprache von Thomas Willi S. 16-20, Ansprache von Rudolf Brändle S. 20-21, Predigt von Johannes Staehelin S. 22-26, Pierre Heinen, Service d'action de grace ä Montpellier au temple de la rue Bruyes, le 30 novembre 1988. Evocation de Wilhelm Vischer S. 27-28; Michel Bouttier, Predication [Genese 32:23-32] S. 29-31); T. Willi, Die Geschichte des Vereins der Freunde Israels in Basel, in: Der Verein der Freunde Israels 150 Jahre - Schweizerische Evangelische Judenmission. Stiftung für Kirche und Judentum, Heft „Der Freund Israels" 143, 2/April 1980, 10-75 (Kurztitel: Geschichte); R Stumpf/Gemeinde Tenniken-Zunzgen (Hg.), Im Schatten der Marienkirche. Die Geschichte der Reformierten Kirchengemeinde Tenniken-Zunzgen (BL), Tenniken 1994 (Kurztitel: Marienkirche); M. Stoevesant und F. v. Bodelschwingh, Julia von Bodelschwingh. Lebenseinsatz einer ungewöhnlichen Frau, Bielefeld 1977 (Kurztitel: Julia von Bodelschwingh); M. Wischnath, Eine theologische Baselfahrt im Jahre 1937. Die Tübinger Bekenntnis-Studenten und ihr Besuch bei Karl Barth, in: Bausteine zur Tübinger Universitätsgeschichte 8, 1997, 131-212 (Kurztitel: Baselfahrt), b) Ungedrucktes: Interviews am 10.8.1984 in Bethel und am 14.8.1984 in Detmold (Tonbandnachschriften aus Vischers Nachlaß); Video-Interview mit Vischer in Montpellier im Oktober 1988 (dafür, daß er es mir zur Verfügung stellte, danke ich herzlich Herrn Pfr. Johannes Dübbelde, Pfalzfeld); ein von Vischers Sohn Wolfgang Amadeus Vischer freundlicherweise abgetippter handschriftlicher Lebenslauf (sieben Seiten, reicht nur bis zur Basler Studienzeit); Testatbüchlein der Marburger Studienzeit (im Besitz des Sohnes W. A. Vischer) c) Vgl. oben Abschnitt 3.2.
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und theologiegeschichtliche
Arbeiten
Abramowksi R , Vom Streit um das Alte Testament, in: ThR 9, 1937, 65-93 (Kurztitel: Streit) Bächli O., Das Alte Testament in der Kirchlichen Dogmatik von Karl Barth, Neukirchen-Vluyn 1987 (Kurztitel: AT in KD) Benad M., Die Geschichte Bethels in der Zeit von Pastor Fritz von Bodelschwingh. Umrisse eines Forschungsprojekts. Vortrag in einem Oberseminar (Bethel 1994) (Kurztitel: Geschichte Bethels) ders., Frömmigkeit und Familie in Bethel, Sarepta und Nazareth, in: THEION Nr. 3/1994, 9-28 (Kurztitel: Frömmigkeit) Beyschlag K., Die Erlanger Theologie, Erlangen 1993 den., Grundriß der Dogmengeschichte I, Darmstadt 1982 (Kurztitel: Grundriß I) ders., Grundriß der Dogmengeschichte I I / l , Darmstadt 1991 (Kurztitel: Grundriß I I / l ) Bornkamm H., Luther und das Alte Testament, Tübingen 1948 (Kurztitel: Luther und AT)
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Literatur- und Quellenverzeichnis
Boyens Α., Kirchenkampf und Ökumene 1933-1939, München 1969 (Kurztitel: Kirchenkampf) Bubenik-Bauer I./Schalz-Laurenze U. (Hg.), Frauen in der Aufklärung. „... ihr werten Frauenzimmer, auf!", Frankfurt/M. 1995 (Kurztitel: Bubenik-Bauer, Frauen) Busch E., Blieb Israel Volk Gottes?, in: Annex. Beilage zur Reformierten Presse Nr. 21/97, 3-10 (leicht gekürztes Referat vom 6.5.1997) den., Juden und Christen im Schatten des Dritten Reiches, T E H 205, München 1979 (Kurztitel: Juden und Christen) ders., Karl Barths Lebenslauf, München 31978 den., Unter dem Bogen des einen Bundes. Karl Barth und die Juden 1933-45, Neukirchen 1996 (Kurztitel: Bogen) Carter C. G., Confession at Bethel, August 1933. Enduring witness: The Formation, Revision and Significance of the First Full Theological Confession of the Evangelical Church Struggle in Nazi Germany, Diss. Marquette University 1987 (masch.) (Kurztitel: Confession) Childs Β. S., Old Testament in Germany 1920-1940. The Search for a New Paradigm, in: P. Mommer/W. Thiel (Hg.), Altes Testament - Forschung und Wirkung. FS für H.G. Reventlow zum 65. Geb., Frankfurt/M. u.a. 1994, 233-246 (Kurztitel: O T in Germany) Dantine J., Das Verhältnis der beiden Testamente in der neueren Dogmatik, in: S. Kreuzer/K.Lüthi (Hg.), Zur Aktualität des Alten Testaments. FS Georg Sauer zum 65. Geb., Frankfurt/M. u.a. 1992, 229-239 (Kurztitel: Verhältnis) Delius W., Von der gegenwärtigen Arbeit am Alten Testament, in: MPTh 30, 1934, 231-237 Filson F. V., The Unity of the Old and the New Testaments. A Bibliographical Survey, in: Interp 5, 1951, 134-152 (über Vischer S. 143-145, Kurztitel: Unity) Gerlach W., Als die Zeugen schwiegen. Bekennende Kirche und die Juden, Berlin 1987 (Kurztitel: Zeugen) Haag H., Der Gottesknecht bei Deuterojesaja, EdF Bd. 233, Darmstadt 21993 (Kurztitel: Gottesknecht) Hagemann W., Wort als Begegnung mit Christus. Die christozentrische Schriftauslegung des Kirchenvaters Hieronymus, TThS 23, Trier 1970 Härle W., Theologenlexikon von den Kirchenvätern bis zur Gegenwart, München 2 1994 Hellbardt H., Neuerscheinungen zum Alten Testament, in: EvTh 4, 1937, 244-250 und 395-410 (Kurztitel: Neuerscheinungen) Hesse F., Das Alte Testament in der gegenwärtigen Dogmatik, in: NZSTh 2, 1960, 1-44 (Kurztitel: Gegenwärtige Dogmatik) den., Kerygma oder geschichdiche Wirklichkeit? Kritische Fragen zu Gerhard von Rads Theologie des Alten Testaments, in: ZThK 57, 1960, 17-26 (Kurztitel: Kerygma) Hohlwein H., Art Völkische Bewegung, in: RGG 3 VI, Sp. 1424-1432 (Kurztitel: Bewegung) Honecker M., Zum Verständnis der Geschichte in Gerhard von Rads Theologie des Alten Testaments, in: EvTh 23, 1963, 143-168 (Kurztitel: Verständnis)
Kirchen- und theologiegeschichtliche Arbeiten
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Karpp H., Das Alte Testament in der Geschichte der Kirche. Seine Geltung und seine Wertung, Aus der Welt der Bibel Bd. 21, Berlin 1939 Käser-Leisibach U., Die begnadeten Sünder. Stimmen aus den Schweizer Kirchen zum Nationalsozialismus 1933-1942, Winterthur 1994 (Kurztitel: Stimmen) Kocher H., Rationierte Menschlichkeit Schweizerischer Protestantismus im Spannungsfeld von Flüchdingsnot und öffentlicher Flüchdingspolitik der Schweiz 1933-1948, Zürich 1996 (Kurztitel: Menschlichkeit) Leider habe ich diese Arbeit zu spät erhalten. Kocher kann manches ergänzen über Art und Ausmaß von Vischers Teilnahme an der Schweizer Flüchdingsarbeit samt der begleitenden theologischen Diskussionen. Köhler L., Alttestamentliche Theologie (Literaturbericht), in: T h R N F 7, 1935, 255-276; N F 8, 1936, 55-69. 247-284 (Kurztitel: Literaturbericht) Kraeling E. G., The Old Testament since the Reformation, Lutherworth Library Val. XLVII, London 1955 (Kurztitel: Old Testament) Kraus H.-J., Geschichte der historisch-kritischen Erforschung des Alten Testaments, Neukirchen 4 1988 (Kurztitel: Geschichte) ders., Neue Begegnung mit dem Alten Testament in Karl Barths Theologie, in: EvTh 49, 1989, 429-443 (Kurztitel: Neue Begegnung) ders., Zur Geschichte des Uberlieferungsbegriffes in der alttestamentlichen Wissenschaft, in: ders., Biblisch-theologische Aufsätze, Neukirchen 1972, 278-295 (Kurztitel: Uberlieferungsbegriff) Kuske M., Das Alte Testament als Buch von Christus. Dietrich Bonhoeffers Wertung und Auslegung des Alten Testaments, Göttingen 1971 (Diss. 1967) (Kurztitel: Bonhoeffers Wertung) Lau F., A r t Rahtmann, Hermann (1585-1628), in: RGG 3 V, 770 (Kurztitel: Rahtmann) Lerch D., Isaaks Opferung christlich gedeutet. Eine auslegungsgeschichtliche Untersuchung, Tübingen 1950 (Kurztitel: Opferung) Lichtenfeld Μ. M., Lutherische Theologie im Bekennen. Georg Merz und das „Betheler Bekenntnis" 1933 - Studien zu seiner Entstehungsgeschichte, in: Ev.Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, Folge 15, Okt. 1995, S. 5-60 (Kurztitel: Merz) Lustiger Α., Vor geschlossenen Türen. Schon keiner ist zuviel: Die Eüchdingskonferenz von Evian war die vorletzte Station auf dem Weg zum Holocaust, in: FAZ Bilder und Zeiten 4.7.1998, Nr. 152, S. I-II (Kurztitel: Evian) Merz G., Die Theologische Schule Bethel 1930-1939, in: M P T h 40, 1951, 323-329 (Kurztitel: Theologische Schule) Michel O., Adolf Schlatter als Ausleger der Heiligen Schrift, in: Ansbacher Studientagung. Für Arbeit und Besinnung 6, 1952, 227-238 (Kurztitel: Schlatter) Mildenberger F., Art. Hofmann, Johann Christian Konrad v. (1810-1877), in: T R E 15, Berlin u.a. 1986, 477-479 (Kurztitel: Hofmann) Müller Chr.-R., Bekenntnis und Bekennen. Dietrich Bonhoeffer in Bethel (1933). Ein lutherischer Versuch (Studienbücher zur kirchlichen Zeitgeschichte Bd. 7), München 1989 (Kurztitel: Bekenntnis) dies., Dietrich Bonhoeffers Kampf gegen die nationalsozialistische Verfolgung und Vernichtung der Juden, München 1990 (Kurztitel: Kampf)
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Literatur- und Quellenverzeichnis
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Sonstiges
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Westermann C., Genesis 1-11, EdF 7, Darmstadt 1972 (Kurztitel: EdF 7) den., Genesis 12-50, EdF 48, Darmstadt 1975 (Kurztitel: EdF 48) Wolf Η. H., Das Verhältnis von Altem und Neuem Testament nach den lutherischen Bekenntnisschriften, in: WuD 1, 1948, 67-86 (Kurztitel: Verhältnis) den., Die Einheit des Bundes. Das Verhältnis von Altem und Neuem Testament bei Calvin, 1958 (Kurztitel: Einheit des Bundes) Würthwein E., Zur Theologie des Alten Testaments, in: ThR N. F. 36, 1971, 185-208
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Sonstiges
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Dieser Briefwechsel wird ausführlich wiedergegeben bei BÄCHLI, AT in KD, 32-41.
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Literatur- und Quellenverzeichnis
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Sonstiges
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Literatur- und Quellenverzeichnis
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Register Die im Literaturverzeichnis genannten Autoren und Bibelstellen (vgl. bes. S. 369 ff.) sind nicht im Register erfaßt. Das Personenregister enthält auch biblische Personen.
1 Bibelstellen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Η Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen
1 196, 197, 198 1-2 196 1,1 161 1,26 f. 294 2,3 237 3 156, 180, 291 3,14-17 238 3,15 230, 237, 238 3,21 172, 201 4 156, 170, 180 4,1 238 5,28 f. 238 6-11 90 CA π ι 6,4 121 6,16 243 ο ι ο T7 9,18-27 206 9,23 172 9,24-27 238 11,4 121 12,1-3 238 12,3 247 12,8 121 14 267 15,1 215 15,6 331
Gen Gen Gen Gen Gen Gen
16.22 206 19,30-38 285 22 280 25,14 215 27 172 32 215, 260
Gen 32,23-33 152, 173, 183, 200, 275, 280, 300, 331 Gen 32,30 338 Gen 32,33 331 Gen 48,16 248 Gen 49 239, 244 Gen 49,1.8-12 239 Gen 49,10 238, 239 E x
172
3,13f. 196 E x 3·6 206 Ex 3,14 121 Ex 4,24-26 196 ' E x J'Jt. Ex 15,3 tt. 335 _ . ' .,„ Ex 17,8-16 138, 206 Ex 19,5-6 81 Ex 24,17 274 Ex 33 f. 204 Ex 34,4b-10 206 E x
172> 25
LeV 25,23.42 Num Num Num Num Num Num
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167
26
172 18,20 215 19 267 21,4-9 174 23,19 180 23,21 153
400
Register
Num Num Num Num Num Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn
24 241 24,15-19 239, 241 24,19 246 26-36 172 28 f. 172
172, 175 4,24 274 5,28 240 6,4 f. 118,336 7,7-11 81 7.9 289 12-26 176 18,15 176, 240 18,15-18 240 18,15 ff. 240, 279 18,20-22 160 19,15 347 30,11-15 326 32 176, 244, 245 32,34 ff. 104 32,4-6 335 32,8 235 32,35 83 32,43 243 33 244
1./2. Sam 52 2. Sam 5,12 179 2. Sam 7 175 2. Sam 7.9-22 179 2. Sam 12,7 304, 312, 325 2. Sam 12,13 304 2. Sam 21-24 179 2. Sam 23 175 2. Sam 23,1-7 246 2. Sam 23,4 246 1. Kön If. 179 1. Kön 3,16-28 198 1. Kön 8,29 21 1. Kön 12,20 180 1. Kön 12,28-32 223 1. Kön 22 289 1./2. Kön 52, 110 2. Kön 17,25 f. 207 2. Kön 21 178 2. Kön 22-23 176 1. Chr 17,16 ff. 201 2. Chr 4 285 2. Chr 20 247
Ri 172 Ri 1,8.21 180 Ri 13,18 338 Ri 19-21 206
Ez Ez Ez Ez Ez Ez Ez Ez Ez
Ruth 271 Ruth 1 141, 183
Neh 153 Neh 7 285
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
Esth 54, 55, 70, 72, 103, 104, 105, 106, 118, 195, 271, 277, 286, 287, 288
Jos 170, 182, 202, 244 Jos 1 244 Jos 5,13-15 173
Sam Sam Sam Sam Sam Sam Sam Sam
1-2 245 2 175, 239, 244 2,27-36 245 12,12 178 13,4.7b-14 179 14,47 180 15 175, 180 17,47 281
52, 110, 247 9 156 ll,19f. 323 20,32-44 141 20,41 141 34 156, 201 34,23 f. 246 36,26 f. 323 37,24 f. 246
Hiob Hiob Hiob Hiob Hiob
52, 271 17,3 247 28,28 166 32,6-9 166 33,23 f. 248
Bibelstellen Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Ps Prv Prv Prv Prv Prv Prv Prv
204, 271 8 121 16,5 215 22 237 24 127 33,4 164 36,10 24, 197, 216, 271 37,5 237 40,7-9 347 45 247, 349 47 247 51 174, 192, 330 52,11 237 69,26 346 72 246, 288 73,26 215 95,7-11 176 104,2 197 109,6-13 286 109,8 346 110 32, 177, 246 126 382 126,1 144 142,6 215 147,19f. 338 149 288 52 1,7 166 2,6 f. 20 8,22 ff. 161 9,10 166 28,5 166 30,1-6 338
Koh 42, 72, 110, 271, 343 Koh 1,1 34 Koh 1,9 f. 324 Hld 110 Hld 6,4.10 Jes Jes Jes Jes Jes
204
11 175 1-39 52, 110, 142 6 192 6,1-7 142 7 249
Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes Jes
7-9 338 7,9 22 7,14 154 8,23-9,6 233 11,1 ff. 286 14 187 14,3-20 136 40-55 141, 187, 209 40-66 52, 110, 247 40 ff. 202 40,8 321 42,6 157 43,1 312, 325 44,21.26 227 44,23 237 49,6 157 50,1.5 f. 190 53 227, 229, 236, 302, 303 53,11 163 55,11 169 60,3 157 61,1 f. 166,349 63 271
Jer Jer Jer Jer Jer Jer Jer Jer
52, 110, 247 1,11 140 8,8 317 18,6 118 30,9 246 31,15 208 31,31-34 323 31,31-34 LXX
Kigi 3,24
215
Dan Dan Dan Dan
2 27 3,17 173 3,25 173, 300 7 173
Hos Hos Hos Hos Hos Hos
52, 110 3,5 246 8,1 ff. 338 11,1 208 12,3 179 12,4f. 331
330
Register
402 Joel 110 Joel 2 + 4 135 Joel 3 323 Amos Amos Amos Amos Amos Amos
52, 110 1-2 128 If. 128 3,2 119, 338 4,12 128 5 107, 343
Obd
110
Jona 110 Jona 1-4 169 Micha 52, 110 Micha 5 175 Nah
110
Hab 110, 208, 247 Hab 1,5 208 Hab 2,4 163 Hab 2,20 344 Zeph 52, 110, 247 Zeph 3,15-17 157 Hag
110
Sach 52, 110 Sach 9,9 157, 338 Sach 13,7 289 Mal 110 Mal 4,5 f. (bzw. 3,23 f.) 120 Mal 4,6 (bzw. 3,24) 120 Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt
202 1,22-23 155, 250 2,15 208 2,16-18 208 3 236 3,1-3 135 3,9 52 5,17 333
Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt Mt
5,17 f. 213 5,22 156 5,43-48 194 6,22 f. 197 10,5 f. 82 10,28 274 10,28-34.38-39 135 11,6 par. 159 11,9-14 120 11,11 330 11,27 198 12,6 349 12,29 168 12,38-40 169 12,42 349 16,16 107 16,17 82, 167 16,22 f. 335 17,14-20 335 17,24-27 327 19,13-15 335 19,28 173 21,33-44p 262 22,34-40 194 22,41-46 333 23 342, 344 23,8 96 23,35 156 23,38 f. 106 23,39 116 24p 338 26,31 289 27,25 124 28,16 336
Mk Mk Mk Mk
1,15 232 2,28 338 8,29p 185 12,35 ff. 263
Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk
1,29-31 324 2,40-52 137, 157 3,15-30 167 4,18 f. 349 4,19.21 167 4,21-24 167 7,28 330
Bibelstellen Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk
10,16 220 10,21-24 152 10,23 f. 323 10,24 232 13,33-35 349 15,1-7 133 16,16 f. 149 16,29 ff. 51 22,37 227 23,12 118 23,35.37.39 167 23,46 144 24 202, 312, 336 24,19 315
Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh
1 185 1,1-18 171, 309 1,3 157, 262 1,11 134, 320 1,12 f. 52 1,14 267, 323 1,14.18 198 1,15.16 f. 162 l,16f. 148, 157, 306 1,18 171, 333 2,22 159 4,14 271 4,22 131, 132, 134 5,39 151 5,39.45 f. 162 5,45-47 118 5,46 161, 201 6,22-59 262 6,29 306 6,35 ff. 271 6,44 333 7,37-39 271 7,38 162, 234 8,12 157 8,31 f. 342,348 8,44 133 8,47 166 8,56 201 8,56.58 171 8,58 262 9,1-3 45 10,35 347
403
Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh Joh
12,37-41 142 12,41 156, 166, 262 13,33 f. 194 14,6 123, 271 15,7 348 17,5.24 171 18,37c 166 19,25-27 199 19,7 90, 213 20,30 f. 161
Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg
1,1-12 244 1,13-26 44 1,16.20 346 2 323 2-3 159, 164 2 f. 270 2,1-42 135 2,14-36 164 2,25-31 254 2,25 ff. 263 2,36 185 2,37 164, 199, 278 2,38 ff. 82 3 116, 134 3,18 254,324 3,18-26 323 3,19 f. 106 3,19-21 134 3,19-26 82 3,21 338 3,26 121 4,12 184 5,33 164, 278 7 162 7,51-53 162 7,54 164 8,26 ff. 227 8,31 337 8,34 228 9,22 185 10,43 254 10,43 f. 270 11 116 13,27-29 324 13,40 f. 208 15 318
404 Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Apg Röm Rom Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm Röm
Register
16,3 348 17 85 17,2-3 334 17,3 185 17,10f. 278 17,11 278 18,24-19,7 159 18,28 185 26,6 132 26,22 346 26,22 f. 295, 323 1 324 1,2 213, 282, 355 1,17 163, 326 1,20 197 3,2 317 3,3 f. 317 3,7 f. 220 3,21 161, 282, 326 3,21-22 213 3,21-26 339 4 282, 301, 351 4,22-25 333 4,23-25 218 4,25-5,2 148 5,1-11 330 5,20 142, 148 7,6 326 8,2 231 8,2-4 339 8,15 f. 330 8,24 194 9-11 82,116,134 9,10-13 172 9,15 f. 122 10,4 34, 213, 218, 290, 331 10,5-8 282, 351 10,5-13 256 10,6-8 161, 326 10,9 221 11 189 11,15 134 11,17-36 349 11,25 116, 121, 169 11,26 134 11,39 122
Röm Röm Röm Röm Röm Röm 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2.
12,17-21 194 13,10 194 14 348 15,3-6 333 15,4 218 15,8 347
Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor Kor
1-2 221, 307 1,18 220 1,18-25 220 1,22 ff. 82 4,6 346 8,1-3 212 8,4 90, 343 8,6 157, 309 9,19-21 348 10,9 177 10,9-11 333 12,3 91 14,8 283 15,3 f. 213 1,20 160, 161 3 205, 256, 270, 338, 351 3,12 ff. 53 3,4-18 312 3,6 212, 326 3,7 ff. 261 3,14 315 3,14-16 206 3,15 f. 166 4,3 315 4,4 341 4,4-6 198 4,5 165, 322 4,6 197 5,16 176 5,18 f. 209 5,19 247 5,20 189 5,21 174 6,2 333 8,9 116 13,1 347
Gal 2,20 322 Gal 3 258 Gal 3,8 256, 351
Bibelstellen Gal Gal Gal Gal Gal Gal Gal Gal Gal
3,13 331 3,24 163, 331 4,3.9 341 4,4-6 232, 323, 330 4,9 341 4,24 211 4,24 ff. 263 5 342 5,11 220
Eph Eph Eph Eph Eph Eph Eph Eph Eph Eph Eph
1,3 ff. 171 1,4.9 f. 273 1,10 232 1,14 323 1,22 f. 312 2 81, 189, 244 2,1 321 2,14 320 4,8-10 136 6,1 Off. 204 6,17 165
Phil Phil Phil Phil Phil Phil
334 2 228 2,6 171 2,6-8 162 2,6 f. 309 2,7 229
Kol Kol Kol Kol Kol Kol Kol Kol Kol Kol Kol Kol Kol
334 1,15-17 198 1,15-20 171 1,16 262 l,16f. 157 1,18 108, 156, 312 1,19 157, 161, 306 1,24-26 229 2,3 158 2,9 161, 326 2,15 91 2,16 f. 330 3,3 141
1. Thess 2,13 315 1./2. Thess 334 1. Tim 2,5
332
405
2. Tim 3,15-17 151, 352 2. Tim 3,16 163, 334, 352 Tit
334
Phlm
334
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
1,8-12 333 1,10-12 210, 323, 330 1,11 254, 289 1,25 194 2,4 330 2,9 188 2,21-25 227
Petr Petr Petr Petr Petr Petr Petr
1. Joh 1. Joh 1. Joh 1. Joh 1. Joh 1. Joh Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr
2,22 185 3,2 326 4,1-3 222 4,6 166 4,17f. 291 5,1 185 323 1,1 255, 257, 301 1,1-4 328 1,1 f. 198 1,1 ff. 171 1,2 157, 262, 330 1,3 197 1,4 329 2,2 f. 333 2,11 220 3,1 349 3,7-14 333 3,7-19 176 3,14 169 4,7 51 4,12 165,167,169,326 4,14 349 4,15 169 4,16 330 5,5-10 349 5,10 329 5,12 341 6,1 329, 331 6,20 329 7 226
406 Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr Hebr
Register 7-10 329, 339, 349 7,14 238 7,16 349 7,17 329 7,19 329, 330 7,19 ff. 329 7,25 330 7,25 f. 349 7,27 329 8 323 8-10 256 8,5 349 8,6 329 8,7-13 331 8,9 330 8,10.12 329 8,13 331 9,7-9 330 9,9 329 9,9.14 329 9,10 330 9,13 330 9,14 f. 273 9,15 329 9,23 329 9,24-28 273 9,25 f. 329 10,1-4 329, 330, 338 10,2 329 10,2 f. 330 10,4 273, 330 10,5-7 347 10,10-14 273 10,10-22 330 10,15 270 10,23 169 10,27.30 f. 274 10,30 83
Hebr 10,34 329 Hebr 11 194,210 Hebr 11,3 197 Hebr 11,6 330 Hebr 11,10 121 Hebr 11,13-16 194 Hebr 11,16 220, 337 Hebr 11,17-19 280 Hebr 11,26 194, 301 Hebr 11,28 201 Hebr 11,31 301 Hebr 11,35 329 Hebr 11,40 329 Hebr 12,1 324 Hebr 12,24 115, 156, 329 Hebr 12,29 274 Hebr 13,7-8 202 Hebr 13,8 164, 171, 187, 215, 273 309, 339 Jak 1,17 339 Jak 2,25 ff. 301 Offb l,17f. 171, 309 Offb 5 239 Offb 5,5 238 Offb 7 156 Offb 9,4 156 Offb 12 177 Offb 13,8 51, 273 Offb 15 335 Offb 17,8 273 Offb 19,10 203 Offb 20,2 177 Offb 21,22 f. 326 Offb 22,3-5 326 Offb 22,13.16 171 Offb 22,16 349
Personen
2 Abel 115, 194 Abraham 84, 98, 119, 178, 180, 181, 206, 210, 220, 333, 339 Abramowski, Rudolf 283, 315 Adalbert von Hohenzollern, Prinz 93 Adam, Alfred 40, 48, 75 Alioth, Georgine Elisabeth 18 Alt, Albrecht 22, 31, 32, 179, 182, 243, 295 Althaus, Paul 89, 190, 265 Amsler, Samuel 140, 242, 334 Anderson, Bernward W. 289, 290 Asmussen, Hans 99, 106, 307 Augustin 152, 203, 213 Bach, Johann Sebastian 21, 61 Bächli, Otto 13, 54, 178, 195, 202, 212, 265, 352, 354, 387 Baker, D.L. 152, 170, 192, 193, 212, 264 Barr, James 141, 150, 173, 174, 183, 200, 204, 220, 258, 264, 299, 306, 309, 322, 335 Barth, Clara 50, 103 Barth, Karl 20, 21, 23, 24, 25, 28, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 40, 41, 42, 43, 46, 49, 50, 51, 54, 55, 60, 67, 68, 70, 79, 80, 88, 89, 90, 92, 94, 97, 99, 100, 102, 103, 106, 109, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 121, 126, 129, 131, 132, 135, 137, 138, 139, 166, 178, 182, 184, 191, 192, 195, 197, 202, 212, 216, 217, 218, 219, 220, 222, 223, 229, 235, 252, 253, 256, 259, 279, 291, 306, 308, 313, 314, 316, 317, 319, 321, 324, 325, 339, 341, 343, 344, 349, 353, 354, 355, 382 Bauer, Walter 164 Bauernfeind, Otto 348 Baumgärtel, Friedrich 214, 224, 251, 253, 258, 264, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 312 Baumgarten, Otto 62
407
Personen Baumgartner, Walter 101, 111, 137, 172, 192, 301 Bayer, Oswald 175, 212, 263, 340 Becker, Joachim 201 Beckwith, Roger T. 323 Beethoven, Ludwig van 21 Beglich, Joachim 253, 284 Bell, G. 112 Ben-Chorin, Schalom 37, 54, 87, 117, 118, 119, 120, 157 Benad, Matthias 38, 39, 110 Bengel, Johann Albrecht 237 Bentzen, Aage 32 Berger, Klaus 353 Berkhof, Hendrikus 99 Bethge, Eberhard 77, 81, 87, 88 Beyschlag, Karlmann 237, 278, 309, 324 Bickerman, EJ. 289 Bijlsma, R. 99 Bikel, Eva geb. Vischer 28 Bismarck, Otto von 41 Bizer, Ernst 59 Bläser, Peter 161 Blumhardt, Chr. d.Ä. 20 Blumhardt, Chr. d.J. 19, 20, 36, 37, 38, 152, 213, 229, 233, 274 Bödeker, Heinrich 7, 17, 19, 21, 28, 36, 46, 47, 48, 54, 59, 61, 62, 63, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 75, 77, 79, 99, 100, 102, 109, 139, 142, 144, 145, 278, 314 Bodelschwingh, Friedrich von (III.) 47 Bodelschwingh, Friedrich von d.J. 38, 39, 41, 42, 44, 45, 46, 49, 55, 59, 63, 66, 67, 69, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 88, 96, 109 Bodelschwingh, Julia von 47, 58 Böhl, Eduard 226, 248, 347 Bohren, Rudolf 165, 166, 312, 344, 349 Bonhoeffer, Dietrich 55, 62, 67, 77, 78, 79, 80, 81, 86, 87, 88, 89, 103, 253 Bornemann, Wilhelm 19
408
Register
Bornkamm, Günther 76 Bornkamm, Heinrich 77, 147, 177, 188, 190, 191, 200, 203, 204, 213, 241, 242, 272, 282, 306, 315, 327, 332, 351, 352 Bost, Hubert 7 Bourguet, Daniel 143 Bousset, Wilhelm 23 Bouttier, Michel 21, 23, 26, 33, 48, 52, 110, 138, 143, 147, 149, 152, 177 Boyens, Armin 99 Brändle, Rudolf 125, 137 Brandt, Wilhelm 47, 48, 49, 63, 66, 67, 68, 71, 76, 144 Brasche, Jürgen 62, 66 Braun, Hermann 46, 47, 62, 63, 71, 75, 109 Breukelman, F.H. 252 Bridel, Philippe 22 Bright, John 141 Brock, M a x 46 Brunner, Emil 34, 92, 129, 131, 132, 246 Bruppacher, Hans 195, 212 Brütsch, Charles 367 Bubenik-Bauer, Iris 28 Buber, Martin 63, 64, 181, 269 Buchholz, Armin 219 Budde, Karl 23, 245 Bultmann, Rudolf 62, 111, 163, 164, 192, 193, 225, 268, 278, 281, 289, 290, 349 Buren, Paul M. van 348, 354, 355 Burki, Werner 20, 23, 143, 152 Busch, Eberhard 21, 23, 25, 33, 34, 36, 37, 43, 55, 60, 78, 79, 80, 85, 89, 94, 99, 100, 102, 111, 112, 114, 115, 116, 127, 131, 132, 134, 135, 137, 308, 341, 353, 354, 355 Busch, Johannes 18 Busch, Wilhelm 201 Buxtorf, Karl 137 Cadier, Jean 140 Calvin, Johannes 22, 27, 51, 54, 55, 147, 150, 160, 183, 194, 195, 200,
209, 210, 215, 216, 217, 218, 230, 262, 276, 285, 324 Cardenal, Ernesto 20, 152 Carter, Christopher Guy 77, 83, 88 Chamberlain, Arthur Neville 114 Chatterley, Lady 264 Chazel, Sonja 7, 28, 92, 140 Childs, Brevard Springs 13, 14, 157, 161, 170, 171, 180, 184, 192, 212, 215, 223, 224, 230, 232, 252, 289, 292, 293, 294, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 308, 310, 311, 314, 322, 331, 333, 334, 335, 337, 340, 341, 346, 347, 348, 351, 352, 355 Christ, Lukas 54, 98, 132 Cohen, Hermann 23 Conzelmann, Hans 258 Crüsemann, Frank 144 Cullmann, Oscar 7, 19, 101, 137, 138, 139, 140 Cuvillier, E. 7 Dalman, Gustav 31 Danielou, Jean 242, 291, 306, 326 David 170, 173, 179, 184, 200, 202, 245, 289, 315, 333 Deborah 178 Dehn, Günther 59 Dekker, W.L. 50, 55, 87, 114 Delekat, Friedrich 99 Delitzsch, Franz 214, 228, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 339, 349 Delitzsch, Friedrich 57 Dhorme, Edouard 141 Dietrich, Suzanne de 264 Doerne, Martin 192 Dohmen, Christoph 215 Donne, John 303 Donner, Herbert 206, 223, 297 Dostojewski, Fjodor M . 28 Dreytza, Manfred 7 Drost, H J . 99 Dübbelde, Johannes 383 Ducros, Pierre 291
Personen Duhm, Bernhard 21, 22, 24, 42, 43 Dürer, Albrecht 21 Ebeling, Gerhard 218, 294, 344 Ehrenberg, Hans 79, 126 Ehrlich, Arnold 92 Eichler, Ulrike 350 Eichrodt, Walther 28, 32, 42, 43, 65, 92, 111, 138, 140, 159, 190, 212, 214, 220, 231, 259, 260, 261, 262, 263, 302, 313, 332 Eißfeldt, Otto 32 Ekblad, Bob 144 Eiert, Werner 162, 180, 213, 272, 326 Elia 236 Elisa 236 Elliger, Karl 212, 284, 285, 313 Ellul, Jacques 144 Ephräm der Syrer 242 Epting, Wilhelm 107 Esau 172 Farner, Oskar 115, 129 Fascher, Erich 203 Feinberg, John S. 323, 339 Felber, Ulrike 7 Feldges, Fritz 94, 252, 253 Fendt, Leonhard 62 Fezer, Karl 68, 69, 106, 107 Fichte, Johann Gottlieb 57 Filson, Floyd V. 127, 163, 167 Findeisen, Sven 309, 310 Fischer, Hans 50 Fischer, Martin 106 Fliedner, Gerhard 109 Fohrer, Georg 237, 347 Frey, Arthur 129 Frick, Robert 48, 49, 62, 75, 76, 77, 80 Friedrich III. 46 Fuchs, Johannes 126 Gabler, Johann Philipp 225, 293 Gadamer, Hans-Georg 336, 340 Geizer, Karl 20 Gen 32,23-32 383
409
Gerlach, Wolfgang 55, 114, 116, 126, 354 Gerstenhauer, M.R. 55, 57 Gerstenmeier, Geheimrat 55 Gese, Hartmut 237, 294, 333, 334 Goethe, J.W. v. 17, 57, 139, 153, 207 Gogarten, Friedrich 308 Gollwitzer, Helmut 106 Gooding, David 339 Gorbatschow, M. 143 Görg, Manfred 354 Graf, A. 36 Graf, Maria 7 Graffmann, Heinrich 70 Greßmann, Hugo 41, 182, 228, 239, 341, 344 Griffon, Marie-Christine 7 Grimbel, W. 109 Gsell, Missionar 92 Gunkel, Hermann 21, 23, 1 1 1 , 170, 195, 234, 289 Gunneweg, A.H.J. 161, 165, 185, 204, 264, 283, 300, 308, 313, 335, 354 Günther, Horst 308, 309, 310 Gustav, Hölscher 222 Haacker, Klaus 294 Haag, Herbert 229 Haenchen, Ernst 214, 286, 287, 288, 289 Hägel, Gerhard 7 Hagemann, Wilfried 2 1 7 Hamann, Johann Georg 64, 151, 220, 287 Hanson, Anthony Tyrell 158, 162, 163, 175, 194, 210, 256, 258, 273, 329, 331, 333, 336, 346, 349, 350 Hanson, R.P.C. 175 Hardmeier, Christof 144 Hardtwig, Wolfgang 308 Härle, Wilfried 355 Harnack, Adolf von 13, 14, 18, 19, 35, 216, 253, 276, 300, 355 Hartenstein, Karl 112 Hauer, Jakob Wilhelm 94 Hays, Richard B. 346, 355
410
Register
Heim, Karl 107, 109, 325 Heinen, Pierre 144 Heinisch, Paul 201 Heitmüller, Wilhelm 23, 24, 25, 41 Hellbardt, Hans 70, 119, 154, 161, 179, 195, 201, 210, 232, 253, 263, 284, 285, 290, 314, 324, 331, 332, 337 Hellendoorn, te 99 Hellmann, Manfred 69 Hempel, Johannes 222, 284 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 226, 230, 275, 290 Hermann, Edouard 265 Hermann, Rudolf 321 Herntrich, Volkmar 75, 76, 99, 160, 212, 266, 267, 283, 321, 324 Herrmann, Wilhelm 23 Hertzberg, Hans Wilhelm 31, 42, 275 Hesse, Eduard 144 Hesse, Franz 237, 246, 258, 272 Hesse, Hermann Albert 68 Hesse, Klugkist 70 Hieronymus 180, 246 Hiob 153, 248, 249 Hippolyt 172, 225 Hirsch, Emanuel 109, 214, 275, 279, 280, 281, 282, 318 Hitler, Adolf 55, 60, 65, 68, 99, 106, 125, 135, 136 Hodler, Ferdinand 21 Hofmann, J.C.K, v. 172, 214, 224, 225, 226, 227, 230, 231, 234, 268, 273, 278, 302, 323 Hohlwein, Hans 54 Hölscher, Gustav 51, 207 Homer 21 Honecker, Martin 258 Honroth, Lisa 126 Humbert, Paul 140 Humburg, Paul 316 Hurter, Ernst 115 Immer, Karl 106 Irenaus 203 Isaak 51, 98, 172, 199, 206
Jacob, Edmond 140, 212, 290, 291 Jaeger, Samuel 48 Jaffin, David 172, 180, 243 Jakob 98, 152, 172, 175, 180, 206, 331, 335 Jeremia 178 Jerobeam I. 223 Jes 53 227 Joest, Wilfried 212, 309, 395 Johannes (Jünger) 335 Johannes der Täufer 107, 159, 236 Johannes XXIII., Papst 141 Johnson, S. Lewis Jr. 332, 346, 350 Jona 281 Jones, Peter 162 Joschafat 247 Joseph 335 Josia 182 Josua 182, 335 Jülicher, Adolf 23 Justin 203 Kahler, Walther 48 Kain 42, 194 Kaiser, Otto 310, 335 Kant, Immanuel 57 Kapler, Hermann 68 Karlstadt (A.B.) 321 Karwehl, Richard 104 Käsemann, Ernst 348 Käser-Leisibach, Ursula 114, 126, 129, 189 Kätzner, Wolf 81 Keller, Carl-Albert 259 Kerrl, Hanns 98, 99 Keßler, K. 93 Kierkegaard, Sören 35, 175, 229, 280 Klappert, Bertold 123, 342 Köberle, Adolf 92, 112 Koch, Dieter 59, 103, 115 Kocher, Hermann 15 Koechlin, Arthur 112 Koechlin, Kirchenratspräsident 92 Köhler, Ludwig 164, 276, 277, 311, 312 Kolakowski, Leszek 310 König, Eduard 201
Personen
König, Lotti 122, 123 Kooi, Jelle van der 78, 79, 80, 81, 87, 253 Körber, Kurt 62 Körtner, Ulrich 206, 212 Koselleck, Reinhard 308, 309, 310 Kraeling, Emil G. 313 Kraftchick, Steven J. 215 Kraus, Hans-Joachim 13, 219, 234, 235, 248, 250, 257, 258, 292, 295, 306, 314, 339, 354 Kraus, Wolfgang 159, 201, 347, 351 Krause, Reinhold 286 Kuhn, Thomas S. 308, 341 Kühner, Heinrich O. 7, 24, 39, 43, 54, 92, 93, 111 Künneth, Walter 271 Künzler, Jakob 30 Kupisch, Karl 20, 24, 26, 47 Kuske, Martin 253 Kutter, Hermann 20, 21, 47 Lagarde, Paul de 57 Lamech 238 Lamparter, Helmut 276 Lang, Friedrich 328, 335, 340 Lau, Franz 325 Leenhardt, Maurice 140 Legarth, Peter V. 256, 350 Lehmann, Wolfram 7 Lenin, W.I. 25, 26, 27 Leo, Paul 234 Lessing, Gotthold Ephraim 221 Leutheuser, Julius 54 Leutiger, Karl 89 Lichtenfeld, Manacnuc M. 55, 75, 77, 79, 81, 88, 126 Lieb, Fritz 21, 25, 50, 60, 67, 72, 92 Liebknecht, Karl 41, 60 Lindars, Barnabas 300, 346 Lindbeck, George 310 Lohr, Hanns 59, 60, 61, 66, 68, 69, 74, 75 Lohr, Ina 103 Longenecker, Richard N. 334, 346, 351 Lots Frau 184, 271
411
Lotzky, Schwestern 20 Lubac, Henri de 208, 213, 338 Lücke, Heinrich 107, 108 Lüdemann, Gerd 353 Ludwig, Gottfried 115 Ludwig, Hartmut 56, 72, 87, 114, 127, 135, 139 Lustiger, Arno 114 Lütgert, Wilhelm 41, 42, 69, 70 Luther, Martin 25, 51, 54, 55, 77, 147, 152, 158, 174, 176, 177, 183, 190, 191, 196, 198, 200, 201, 203, 204, 206, 210, 211, 212, 213, 218, 219, 237, 241, 242, 246, 253, 255, 262, 272, 273, 275, 276, 280, 282, 290, 306, 319, 321, 327, 331, 332, 340, 352 Lüthi, Walter 101, 102, 123, 129, 314 Luxemburg, Rosa 60 Luz, Ulrich 355 Lyra, Nikolaus von 190 Lys, Daniel 141, 142, 143, 149 Macholz, Adolf Wilhelm 166, 208, 210, 350 Maier, Gerhard 54, 204, 208, 289 Marahrens, August 68 Marcion 14, 280, 355 Marquard, Odo 165 Marx, Karl 26, 47, 65 Maury, Pierre 139, 140 Meier-Gemp 122 Melchisedek 174, 226, 279, 329 Merian, Bertha Sibylla 28 Merian, Maria Sibylla 28 Merz, Georg 39, 48, 49, 60, 67, 69, 71, 74, 79, 80, 87, 110, 126 Meyer, Eduard 182 Michaelis, Gottfried 17, 46, 49, 59, 60, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 74, 75, 76, 77, 80, 81, 92, 140, 144, 357 Michel, Otto 143, 168, 323, 329, 330, 347 Michelangelo Buonarroti 21 Mildenberger, Friedrich 192, 224, 225, 227 Miller, Donald G. 153
412
Register
Miskotte, Kornelis Heiko 192, 201, 337 Moltke, Helmuth von 60 Montaigne, Michel de 72 Mörike, Eduard 21 Mose 182, 190, 335 Mowinckel, Sigmund 137, 182, 228, 241 Mozart, Wolfgang Amadeus 18, 21, 28, 61 Mühlemann, Samuel 112, 123, 125 Müller, Christine-Ruth 55, 77, 78, 79, 80, 81, 86, 89, 126 Müller, Hans-Martin 283 Müller, Ludwig 68
Pannenberg, Wolfhart 206, 307 Paracelsus 72 Paulus 30, 206, 220, 257, 258, 282, 294, 296, 334, 335, 346, 348 Pedersen, Johannes 182 Pergande, Kurt 46, 382 Pestalozzi, Johann Heinrich 27 Petrus 335 Pilatus 118, 177, 287 Plato 21 Preuß, Horst Dietrich 152, 155, 165, 289, 290, 346 Prieur, Jean-Marc 20, 23, 143, 152 Procksch, Otto 278, 281, 331 Prolingheuer, Hans 50, 70
Nahum 178 Natorp, Paul 23, 25 Nebukadnezar 27 Neher, Andre 141 Neske, Günther 61, 72 Neuer, Werner 44 Nicolaisen, Carsten 13, 34, 89, 108, 168, 185, 192, 265, 267, 269, 279, 281, 282, 286, 306, 314, 316 Niebuhr, Reinhold 341 Nielsen, Ditlef 182 Niemöller, Martin 61, 74, 77 Niemöller, Wilhelm 63, 66 Niesei, Wilhelm 90, 147, 217, 218 Nietzsche, Friedrich 18, 334 Noah 238 Nockemann 52 Norden, Günther van 70 Noth, Martin 206, 243
Quervain, Alfred de 62, 70, 129
Obendiek, Harmannus 70 Ochsenkopf, cand.theol. 111 Oeming, Manfred 13, 215, 292, 293, 336 Oestreicher, Theodor 41, 45, 48 Origenes 171, 212 Osten-Sacken, Peter von der 131 Osterloh, Edo 99 Overbeck, Franz 19, 36, 206 Panagopoulos, Johannes 219
Rad, Gerhard von 70, 111, 140, 141, 153, 155, 170, 182, 183, 195, 201, 214, 235, 240, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 267, 272, 276, 277, 283, 294, 295, 298, 334, 392 Rade, Martin 24 Ragaz, Leonhard 20, 21, 26, 35, 37, 38, 42, 117, 120 Rahtmann, Hermann 325 Ramlot, Pere 212 Ranke, Leopold von 196 Rayburn, Robert Stout 194 Rebekka 172 Reden, Herr von 92 Reger, Max 21 Reisner, Erwin 265, 266 Rendtorff, Rolf 15, 38, 126, 131, 157, 196, 314, 343 Revendow, Cajus Graf 310 Revendow, Henning Graf 13, 155, 212, 215, 225, 231, 234, 242, 252, 257, 258, 269, 281, 292, 293, 311, 333, 344, 346, 352 Rohkrämer, Martin 25 Röhm, Eberhard 112, 396 Roloff, Jürgen 346 Roosevelt, Franklin Delano 114 Rosenberg, Alfred 98
Personen Rost, Leonhard 179 Roth, Till 7 Rothen, Bernhard 7, 178, 308, 312, 317, 318, 319, 321, 322, 325, 340, 344, 345 Rouse, George Henry 346 Rube, Gauleiter 99 Ruhbach, Gerhard 39, 46, 52, 63, 66, 70, 74, 75, 76, 77, 109, 110 Ruth 183 Sacher, Paul 103 Salis, Arnold von 27 Salomo 27, 33, 34, 38, 191, 200, 247, 349 Sasse, Hermann 78, 79, 80, 87, 89, 126
Sauer, Erich 208, 246, 306, 331 Saul 86, 206 Schempp, Paul 70 Schenk, Paul 201 Schenker, Alois 129 Scherffig, Wolfgang 55, 62, 68, 70, 71, 87, 99, 103, 106, 107, 108, 110, 111, 114, 116, 127, 145, 314 Schildenberger, Johannes 205 Schiller, Friedrich 17, 100 Schlatter, Adolf 43, 44, 48, 77, 79, 88, 168, 205 Schlatter, Theodor 32, 40, 48, 58, 74, 88, 93 Schleiermacher, Friedrich D.E. 14, 281 Schlier, Heinrich 70, 106, 107, 108 Schlier, Otto 331 Schlink, Edmund 76, 77 Schmidt, Hans Wilhelm 39, 42, 49, 67, 74, 76 Schmidt, Karl Ludwig 61, 92, 108 Schmidt, Ludwig 258, 268, 272, 277, 306 Schmitt, Hans-Christoph 7 Scholder, Klaus 50, 61, 62, 68 Schreiner, Helmuth 271, 285 Schrenk, Gottlob 41, 42, 48 Schroven, Brigitte 13, 34, 43, 61, 74, 87, 112, 119, 126, 152, 154, 188,
413
189, 190, 210, 212, 265, 266, 267, 306, 313, 324, 337, 347 Schultz, Hermann 247 Schulz, Siegfried 156 Schulze, Simon 122 Schuster, Hermann 251, 265 Schutt, Wilfried 66 Schwarzwäller, Klaus 141, 165, 192, 335, 350, 351 Schwing, Tamara 7 Sellin, Ernst 228, 265 Siemens, Peter 7 Simon, Gottfried 42, 48 Slenczka, Reinhard 7, 174, 309, 341, 343 Sloterdijk, Peter 310 Smend, Rudolf 257 Soden, Hans Freiherr von 62 Söding, Thomas 215 Sophokles 21 Speck, Ulrich 310 Stade, Bernhard 22, 170 Staehelin, Johannes 125 Stähelin, Ernst 138 Stähelin, Johann Ernst 28 Stähelin, Maria Lydia 143 Stähelin, Ruth 25 Stanley, Steven K. 256 Stapel, Wilhelm 89 Stegemann, Ekkehard 126, 189 Stegemann, Wolfgang 189 Steinmetz, David 340 Stephan, Horst 212, 311 Stoevesandt, Hinrich 50, 376 Stoevesandt, Margarethe 47 Strathenwerth, Gerhard 79 Strauß, David Friedrich 309 Streicher, Julius 99 Stumpf, R. 28, 30 Sutter, Trudi 103 Theodor von Mopsuestia 242 Thierfelder, Jörg 112, 396 Thoma, Clemens 189 Thurneysen, Eduard 20, 35, 43, 67, 71, 73, 80, 100, 101, 102, 109, 129, 131, 138, 314
414
Register
Timotheus 348 Trendelenburg, Friedrich 68 Trillhaas, Wolfgang 336 Troeltsch, Ernst 168 Tuchscherer, Elly 8 Urner, Pfr. 33 Utzschneider, Helmut 183 Vasko, Timo 37, 38, 54, 117, 118, 119, 120, 185, 264, 278 Vaux, Roland de 212, 263, 292 Vischer, Alfred Lucius 18 Vischer, Anna Katherina 19 Vischer, Eberhard 18, 19, 35, 36, 92, 138, 139 Vischer, Eduard 18, 382 Vischer, Emma Dorothea 19 Vischer, Karl Wilhelm 18 Vischer, Margaretha Amelie 19 Vischer, Maria Lydia 25, 28, 58, 140 Vischer, Sonja 140 Vischer, Valerie Elisabeth 19, 28 Vischer, Wilhelm Eberhard (1891-1929) 18 Vischer, Wolfgang Amadeus 7, 22, 28, 31, 36, 67, 77, 100, 102, 103, 110, 111, 139, 141 Vischer-Bilfinger, Wilhelm 18 Vischer-Heussler, Wilhelm 18 Visser't Hooft, W.A. 131 Vogel, Heinrich 120, 178, 220, 253, 316, 324, 342 Vogt, Paul 111, 114, 129, 131 Volz, Paul 223 Vuilleumier, Henri 22 Wagner, Robert 99 Waldecker 91
Wanke, Gunter 218, 311 Waschke, Ernst-Joachim 209, 237, 312 Weber, C.M. v. 18, 39 Weber, Max 220 Weber, Otto 324 Weigelt, Jochen 67 Weil, Arthur 123, 125 Weiser, Artur 311 Wellhausen, Julius 153, 206 Wenz, Armin 15, 86, 163, 169, 206, 319, 336, 340, 341, 343, 344 Werenfels, Samuel 36 Wernle, Paul 24 Westermann, Claus 194, 206 Wieruszowski, Lili 103 Wiesel, Elie 189 Wilckens, Ulrich 355 Wilhelm II. 41 Willi, Thomas 111, 112, 113, 114, 125, 201, 306 Wilm, Ernst 55 Wilms, Pfr. 50 Wischmeyer, Oda 7 Wischnath, Michael 70, 106, 107, 108, 109, 314 Woermann, Eduard 75, 80, 87 Wolf, Ernst 99 Wolf, Hans Heinrich 147, 163, 195, 210, 215, 238 Wolff, Hans Walter 184, 258, 271, 351 Wrede, Wilhelm 294 Würthwein, Ernst 212, 268, 269, 277 Zähmt, Heinz 307 Zimmerli, Walther 131, 132, 134, 140, 141, 159, 160, 162, 177, 185, 255, 279, 305 Zwingli, Huldreich 24, 332
Vom Verstehen des Alten Testaments Claus Westermann
Gisela Kittel
Theologie des Alten Testaments in Grundzügen
Der Name über alle Namen I
Grundrisse zum Alten Testament, Band 6. Nachdruck der 2. Auflage 1985. 1997. IV, 222 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-51661-4
Antonius H.J. Gunneweg
Vom Verstehen des Alten Testaments Eine Hermeneutik Grundrisse zum Alten Testament, Band 5. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage 1988. 229 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-51668-1
Der Verfasser orientiert seine Darstellung vor allem an den theologischen Hauptproblemen: Ist das Alte Testament „Gesetz", ist es Dokument einer Fremdreligion oder Buch einer Geschichte auf Christus hin?
Biblische Theologie / AT Biblisch-theologische Schwerpunkte, Band 2. 2., durchgesehene Auflage 1993. 227 Seiten mit 3 Abbildungen, kartoniert ISBN 3-525-61283-4
Zusammen mit dem zweiten Teilband (Der Name über alle Namen II. Biblische Theologie / NT) weist dieser Gesamtentwurf Biblischer Theologie den sachlichen Zusammenhang zwischen alt- und neutestamentlicher Gottesoffenbarung auf. Leitfaden der Darstellung ist die Frage nach dem „Namen über alle Namen". Der Gottesname, den Mose am brennenden Dornbusch noch als Geheimnis und Rätsel erfährt, verbindet sich in der Geschichte Israels mit grundlegenden Heils- und Gerichtserfahrungen, bis er schließlich im Neuen Testament mit dem Namen und der Geschichte Jesu zu einer unlöslichen Einheit verschmilzt.
Herbert Donner
Geschichte des Volkes Israels in alttestamentlicher Zeit Teil 1: Von den Anfängen bis zum Ende der Königszeit Grundrisse zum Alten Testament, Band 8/1. 2., durchgesehene Auflage 1996. 373 Seiten mit 2 Schaubildem, kartoniert ISBN 3-525-51671-1
Teil 2: Vom Exil bis zu den Makkabäern Grundrisse zum Alten Testament, Band 8/2. 2., durchgesehene Auflage 1997. VI, 375-726 Seiten, 1 Schaubild, kart. ISBN 3-525-51675-4
V&R
Vandenhoeck Ruprecht
Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Reinhard Slenczka und Gunther Wenz. Band 48-88 von Wolfhart Pannenberg und Reinhard Slenczka. Eine Auswahl:
91 Gunther Wenz Grundfragen ökumenischer Theologie Gesammelte Aufsätze, Band 1 1999. 326 Seiten, kart. ISBN 3-525-56298-5 90 Jochen Walldorf Realistische Philosophie Der philosophische Entwurf Adolf Schlatters. 1999. Ca. 340 Seiten, kart. ISBN 3-525-56297-7 88 Martin Diederich Schleiermachers Geistverständnis Eine systematisch-theologische Untersuchung seiner philosophischen und theologischen Rede vom Geist. 1999. 375 Seiten, kart. ISBN 3-525-56295-0 87 Ulrich Asendorf Lectura in Biblia Luthers Genesisvorlesung (1535-1545). 1998. 528 Seiten, geb. ISBN 3-525-56294-2 86 Notger Slenczka Selbstkonstitution und Gotteserfahrung W. Elerts Deutung der neuzeitlichen Subjektivität. Studien zur Erlanger Theologie 2. 1999. 364 Seiten, kart. ISBN 3-525-56293-4 85 Notger Slenczka Der Glaube und sein Grund F. H. R. von Frank, seine Auseinandersetzung mit A. Ritsehl und die Fortführung seines Programms durch L. Ihmels. 1998. 333 Seiten, kart. ISBN 3-525-56292-6 84 Ulrike Link-Wieczorek Inkarnation oder Inspiration? Christologische Grundfragen in der Diskussion mit britischer anglikanischer Theologie. 1998. 390 Seiten, kart. ISBN 3-525-56291 -8 83 Christian Herrmann Unsterblichkeit der Seele durch Auferstehung Studien zu den anthropologischen Implikationen der Eschatologie. 1997. 367 Seiten, kart. ISBN 3-525-56290-X
82 Klaus Bannach Anthroposophie und Christentum Eine systematische Darstellung ihrer Beziehung im Blick auf neuzeitliche Naturerfahrung. 1997. 591 Seiten mit 9 Tabellen, kart. ISBN 3-525-56289-6 81 Caroline Schröder Glaubenswahrnehmung und Selbsterkenntnis Jonathan Edwards' theologia experimentalis. 1998. 219 Seiten, kart. ISBN 3-525-56288-8 80 Ralph Meier Gesetz und Evangelium bei Hans Joachim Iwand 1997. 310 Seiten, kart. ISBN 3-525-56287-X 79 Henning Wrogemann Mission und Religion in der Systematischen Theologie der Gegenwart Das Missionsverständnis deutschsprachiger protestantischer Dogmatiker im 20. Jahrhundert. 1997. 350 Seiten, kart. ISBN 3-525-56285-3 78 Reinhold Flogaus Theosis bei Palamas und Luther Ein Beitrag zum ökumenischen Gespräch. 1997. 471 Seiten, geb. ISBN 3-525-56286-1 77 Friederike Nüssel Bund und Versöhnung Zur Begründung der Dogmatik bei Johann Franz Buddeus. 1996. 362 Seiten, kart. ISBN 3-525-56284-5 76 Karsten Lehmkühler Kultus und Theologie Dogmatik und Exegese in der religionsgeschichtlichen Schule. 1996. 327 Seiten, kart. ISBN 3-525-56283-7
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Vandenhoeck Ruprecht