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German Pages 264 Year 2019
Moritz Baßler Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Konsumästhetik | Band 5
Die Reihe wird herausgegeben von Moritz Baßler, Heinz Drügh, Birgit Richard und Wolfgang Ullrich.
Moritz Baßler, geb. 1962, ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und lehrt dort Kulturpoetik. Er forscht und publiziert zur deutschen Literatur, insbesondere zur Literatur der Klassischen Moderne, zur Literaturtheorie und zur Gegenwartsliteratur. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift POP – Kultur und Kritik.
Moritz Bassler
Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Tine Fetz, © Moritz Baßler 2018 Satz: Justine Buri, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4644-3 PDF-ISBN 978-3-8394-4644-7 https://doi.org/10.14361/9783839446447 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt
Pop und Marke | 9 Unter 1 % | 9 Auf allen Kanälen | 15 Seine eigene Reklame | 23 Rückgekoppelte Möglichkeitsräume (vulgo: Kulturindustrie) | 30
Teenage Command Performance | 41 Zum Zerreißen gespannt | 41 Snap, Crackle und Pop | 45 Die T.A.M.I. Show | 47 Die allgemeine Stimme | 55 Saved By Rock ’n’ Roll | 58 Rock ’n’ Roll-Kommando | 62 Pop 0 und Pop I | 67 Pop Art Music | 73 The Who Sell Out | 73 Das gelobte Land | 86 »Bits of Americana«. Markenlogos auf Plattencovern | 99 Tankstelle | 99 Garten | 103 Dark Developments | 107 Autos | 111 Verhandlungen mit Merkur | 111 Im Fond klassischer Wagen | 117
Markierte Marken: Autos im deutschen Pop | 121 O Lord, Won’t You Buy Me… | 135
Pepsi | 141 Mit Kohlensäure | 141 Erinnerungen an die Gegenwart | 147 Westliche Versprechen | 152 Eigentlich wollte ich doch bloß eine Pepsi! | 163 Hymnen der Pepsi-Generation | 166 Im Pepsi-Glanz | 169 Generation P in Russland | 174
NDW und Deutschpop | 179 Die Lyrics und das Partikulare | 179 Fort mit dem Grauschleier | 182 Schönheit 1980 | 189 Bommerlunder and Me | 195 Yama-ha | 202 Die Reklamation | 205 Ein einziger gigantischer Werbespot | 211
Schluss | 223 Vom guten Leben | 223 In Anführungszeichen | 227 Everything Now | 230
Dank | 239 Abbildungsverzeichnis | 241 Markenverzeichnis | 243 Index | 247
Plötzlich ist alles wahr An der Copacabana Weißer Sand Nice Nice Nice (Bilderbuch: Barry Manilow)
Pop und Marke U nter 1 % Wie viele Markennamen finden sich im Gesamtwerk der Beatles, der bedeutendsten Popband aller Zeiten? Na? Ich komme auf zwei, und sie sind gut versteckt. In der bekannten, auf George Harrison gemünzten Zeile »He shoot Coca-Cola« aus Come Together ist der Witz schon durch die Phrasierung klar: »He shoot Coke – acola«. Die Kräuterlimonaden-Weltmarke ist hier bloßer Deckname für die tatsächlich gemeinte Droge. Der zweite Markenname, der sich bei den Beatles findet – womit die Quote im Gesamtwerk bei unter 1 % der Songs liegt –, steht im ersten Vers von Back in the USSR (1968), und obwohl wir die Zeile alle kennen, ist er uns kaum je als solcher aufgefallen: »Flew in from Miami Beach BOAC«. Die erste Pointe liegt schon darin, dass es ausgerechnet die British Overseas Airline Corporation ist, die hier die Passage zwischen den beiden Kalten-Kriegs-Antipoden ermöglicht, die zweite, dass dieser Weg ins gelobte Land aus den USA weg führt, in parodistischer Umkehr von Chuck Berrys Back in the USA (1959), und dann noch ausgerechnet zum ideologischen Gegner, ins Land ohne Markennamen, die UdSSR. Man sollte das für einen harmlosen Spaß halten (so wenn aus Georgia on My Mind »That Georgia’s always on my mind« wird), aber es gab zeitgenössisch durchaus heftige Reaktionen auf »You don’t know how lucky you are, boys«, etwa von der rechten John Birch Society. Man warf den Beatles sogar vor, hier Nord-Vietnam zu unterstützen. Chuck Berrys viel gecoverter Rock ’n’ Roll-Klassiker singt dagegen eindeutig und ironiefrei das Lob des kapitalistischen Systems, die Freedom
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
from Want, auch wenn man nicht erfährt, woher genau er »just touched ground on an international runway«:1 Looking hard for a drive-in, searching for a corner café Where hamburgers sizzle on an open grill night and day Yeah, and a juke-box jumping with records like in the U.S.A. Well, I’m so glad I’m livin’ in the U.S.A. Yes, I’m so glad I’m livin’ in the U.S.A. Anything you want, we got it right here in the U.S.A.
All dies geschieht bei Berry, wohlgemerkt, ohne Nennung von Markennamen. Oder vielmehr: Die USA selbst, und die mit ihr in der seltsam schiefen Vergleichskonstruktion »with records like in the USA«2 engstens verbundene Pop-Musik, werden hier zur eigentlichen Marke, sozusagen zur Übermarke. Der erste Weg führt das lyrische Ich gleich in die Küche, wo die Hamburger brutzeln; schließlich war 1959 auch das Jahr der sogenannten Kitchen Debate, bei der Außenminister Nixon auf einer amerikanischen Industrieausstellung in Moskau Chruschtschows Erklärung, in sieben Jahren werde man die USA technisch überholt haben, mit der simplen Frage »How about color television?« aushebeln konnte.3 Der Umgang mit käuflichen Dingen dient im Kalten Krieg als Waffe (»Anything you want, we got it right here in the U.S.A.«). Umso witziger, dass die Beatles ausgerechnet den britischen Markennamen BOAC zwischen USA und UdSSR setzen.4 Sie platzieren dadurch 1 | Auf die Legende, dass Berry hier seine Rückkehr aus Australien und den Kontrast zu den Lebensbedingungen der Aborigines besingt, reagiert vermutlich Randy Newmans ätzendes Sail Away, wo dem »little wop« »the sweet water-melon and the buckwheat cake« versprochen werden, wenn er nach Amerika segelt. 2 | Was das heißen soll, ist völlig unklar, weshalb die Zeile in Cover-Versionen des Songs oft leicht umgeschrieben wird (Linda Ronstadt etwa singt »with records back in the U.S.A.«). 3 | Vgl. Karal Ann Marling: As Seen on TV. The Visual Culture of Everyday Life in the 1950s. Cambridge, Mass./London 1994, S. 242-283; S. 272. 4 | Der Markenname BOAC kommt auch mehrfach in Rolf Dieter Brinkmanns Beschreibung des Londoner Piccadilly Circus vor, auf dem er in den 1960er Jahren offenbar in einer prominenten Leuchtreklame vertreten war (Piccadilly Circus [1967]. In: R.D.B.: Der Film in Worten. Reinbek 1982, S. 65-71; S. 69f.).
Pop und Marke
ihren britischen Pop zwischen dem ungebrochenen amerikanischen Rock ’n’ Roll und den russischen Balalaikas – und zwar nicht irgendwo, sondern im ersten Vers der Eröffnungsnummer ihres einzigen Doppelalbums namens The Beatles (aka das Weiße Album), das eine ironisch-historistische Bestandsaufnahme des gesamten popmusikalischen Spektrums der späten 60er Jahre vornimmt. Ich sehe hier nichts Geringeres als den Anspruch auf den wahren Pop formuliert, der auch durch die Vergabe der Plattengestaltung an Richard Hamilton, den Pop-Artisten der ersten Stunde, unterstrichen wird. In dessen seminaler Collage Just What Is It That Makes Today’s Homes So Different, So Appealing? (1956) ist bekanntlich POP selbst der auffälligste Markenname.5 Pop wird hier als transatlantisches Phänomen markiert. Schon Hamiltons Collage changiert dabei zwischen Faszination und ironischer Distanz zur amerikanischen Konsumwelt;6 und im Beatles-Song vermittelt die BOAC zwar stolz zwischen den Systemen, doch für ihre Qualitäten als Fluggesellschaft wird eher Antiwerbung gemacht: »On the way the paper bag was on my knee/Man I had a dreadful flight« – wo der Markenname fällt, ist vorsichtshalber auch gleich die Kotztüte zur Hand. Ein unübersehbares Merkmal dieses Pop sind, so zeigt sich schon hier, die semiotischen Anführungszeichen, in die er sich selbst, seine Botschaften und immer auch die Marken und Markenprodukte setzt, wenn sie denn einmal vorkommen. In diesem Modus erweist er sich als eine Variante dessen, was man in den USA als Camp beschrieben hat, jener ambigen Möglichkeit, massenkulturelle Produkte ästhetisch zu goutieren. * Markennamen sind in Popsongs, ebenso wie in literarischen Texten, offenbar besondere Schnittstellen von Text und Diskurs. Insofern die Markenimages von den Firmen kontrolliert werden, rufen ihre Bilder, Slogans und Töne einen vorgefertigten Assoziations- und Gefühlskomplex auf, der ins Kunstwerk nur importiert, jedoch im Text, der die Marke nennt, »nicht (neu-)geschrieben werden kann.« 7 Wenn man Marken 5 | Auf Hamiltons Poster, das dem Weißen Album beiliegt, finden sich nur der Markenname Kodak und der Geschäftsname »Foto Jäckel«. 6 | Vgl. unten S. 88-95. 7 | Roland Barthes: S/Z. Frankfurt 9 1998, S. 203.
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
mit Wolfgang Ullrich als Träger von Fiktionen versteht, könnte man hier also geradezu von einem Konkurrenzverhältnis in Sachen Fiktionshoheit sprechen. Wer entscheidet, und zwar weniger über die Darstellung der Realität als über den Entwurf von Wunschwelten? Wer formuliert unser Begehren – der Autor des Romans, der Performer des Popsongs oder die kapitalistische Industrie? Diese Konkurrenz würde erklären, dass – nach einer Studie von Bernd Seiler aus den 1980er Jahren – die deutsche Literatur nach Theodor Fontane, also über hundert Jahre lang, keinen entspannten Umgang mit Markennamen und Medienprodukten hinbekommen hat,8 obwohl diese die Sozialisation des einzelnen, das Bild der Großstädte und überhaupt das Leben in den westlichen Wohlstandsgesellschaften in exponentiell zunehmendem Maße prägten und nach wie vor prägen. Insbesondere die historischen Avantgarden, die auf eine radikal eigene Weltdeutung bestanden, fanden keinen Zugang zur Konsumkultur (und eine Pop-Musik, die ihre Alben z.B. Surrealistic Pillow nennt, knüpft auch hier an), aber auch die bildungsbürgerliche und linke Literatur blieb dieser Sphäre abhold. Erst mit Pop scheint sich dies ganz grundsätzlich geändert zu haben. Sowohl in der Pop Art seit den 1950ern als auch in der Popliteratur, vor allem seit Mitte der 1990er Jahre, sind die Darstellung von Markenprodukten, die Verwendung von Markennamen, dazu der Bezug auf Filme, Stars, Fernsehen und vor allem Pop-Musik geradezu zum Definiens einer neuen Haltung der Kunst zur Konsumsphäre, eines neuen Super Realism geworden. Warhols berühmter Satz »Once you ›got‹ Pop, you could never see a sign the same way again« bezieht sich ja zunächst einmal auf die Werbetafeln entlang der amerikanischen Highways, »drive ins and giant ice cream cones and walk-in hot dogs and motel signs flashing« – hier, im Bereich der Werbung, beginnt die Transformation, die Umwertung aller Zeichen. Pop ist ein Label wie die Markennamen dieser Werbetafeln: »The moment you label something, you take a step – I mean, you can never go back again to seeing it unlabeled.«9 Und so kann man sich, finde ich, erst einmal gar nicht genug darüber wundern, dass nun ausgerechnet die Pop-Musik, die Leitkunst der Pop8 | Vgl. Bernd Seiler: Die leidigen Tatsachen. Von den Grenzen der Wahrscheinlichkeit in der deutschen Literatur seit dem 18. Jahrhundert. Stuttgart 1983, S. 287. 9 | Andy Warhol/Pat Hackett: POPism. The Warhol 60s. New York 1980, S. 39f.
Pop und Marke
kultur, eine weitgehend markennamenfreie Zone ist und darin den NichtPop-Künsten der E-Kultur (in Deutschland aber auch dem Schlager) verblüffend ähnelt. Die offensichtlichen Ausnahmen sind schnell benannt: Marken attraktiver Autos in amerikanischer Pop-Musik auf der einen und Hip-Hop mit seiner katalogartigen Manifestation von Luxusmarken auf der anderen Seite. Es lässt sich, etwa über den American Brandstand, auch statistisch belegen, dass die erdrückende Mehrheit aller Markennennungen in Pop-Musik im Hip-Hop erfolgt. Auch die nach Marken geordnete Webseite »Songs with a brand name« listet überwiegend HipHop-Stellen; in den letzten Jahren kommen Songs von R’n’B-Acts und einigen Diven dazu, die offenkundig in der Nachbarschaft zum Hip-Hop ebenfalls Luxuswaren benennen. Im Pop geht es aber, zumindest in seinen ersten Jahrzehnten und in weiten Teilen bis heute, gerade nicht um Luxus, zumindest nicht um Disktinktion über Luxus (sprich: über Einkommen), wie ein berühmtes Warhol-Zitat nahelegt: What’s great about this country is that America started the tradition where the richest consumers buy essentially the same things as the poorest. You can be watching TV and see Coca-Cola, and you know that the President drinks Coke, Liz Taylor drinks Coke, and just think, you can drink Coke, too. A Coke is a Coke and no amount of money can get you a better Coke than the one the bum on the corner is drinking.10
Allenfalls geht es um Luxus als ein Versprechen, das für alle zu halten ist; und gerade dafür steht, an der Großschreibung erkennbar, bei Warhol der Markenname: Pop, hier ›Amerika‹ genannt, gehört, »in David Sylvester’s phrase, to a coke-culture, not a wine-culture«,11 anders als Alt-Europa, in dem man sich über einen ›Geschmack‹ (die notorischen ›guten Rotweine‹) distinguiert, der in Wahrheit zumeist ›Einkommensklasse‹ bedeutet. In einer Pop-Kultur trinken alle the same Cokes and eat the same hot dogs and wear the same ILGWU clothes and see the same TV shows and the same movies. Rich people can’t see a sillier 10 | Andy Warhol: The Philosophy of Andy Warhol (From A to B and Back Again) [1975]. San Diego u.a. 1977, S. 100f. 11 | Kenneth Hudson: The Language of the Teenage Revolution. A Dictionary Defeated. London/Basingstoke 1983, S. 37.
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
version of Truth or Consequences, or a scarier version of The Exorcist. You can get just as revolted as they can – 12
* Zieht man also die Hip-Hop-Luxusgüter und die Autos ab, dazu die Nennungen einiger Marken, die eher generisch wirken, wie Valium, Wurlitzer oder eben Coke, bleiben Markennamen in Pop-Musik schütter verstreute Einzelfälle, ein paar Alkoholika hier, ein paar Zigaretten da, nichts was auch nur annähernd der Gegenwart und Bedeutung von Marken im Soundtrack of Our Lives entsprechen würde. Die allermeisten Popsongs kommen ohne Nennung von Marken aus, und das gilt durchaus auch für die Œuvres textlastiger Chronisten der Gegenwart mit lexikalisch komplexen Lyrics wie, sagen wir, Bob Dylan, Frank Zappa, Joni Mitchell, Randy Newman, Elvis Costello oder Stephen Malkmus. Oder Blumfeld, Ja, Panik und Messer. Das ist ein erklärungsbedürftiger Befund. Er weist gleich mehrere Asymmetrien auf: einmal zwischen der Pop-Musik, die sich von Markennamen rein hält, und den anderen Popkünsten, denen Pop-Musik und Markenkultur gleichzeitig und gleichwertig zum Gegenstand werden, und dann aber auch zwischen der Marken- und Werbeindustrie, die sich der Pop-Musik liebend gern bedient, und der Pop-Musik, die diese Liebe nur in Ausnahmefällen erwidert. Ja, geht nicht der Riss durch die Band, den Popsong selbst? Von außen betrachtet ist Pop-Musik seit Elvis ein Consumer Good, ein Marken- und Massenartikel für den Lifestyle der jungen Generation – wie die Levi’s Jeans, deren Anagramm Elvis ist. PopMusik wird kulturindustriell hergestellt, beworben, verkauft und massenmedial verbreitet – und ist vielleicht die erste Kunstform, die dies auch nicht leugnet. Und doch scheint sie mit diesem ihrem Warencharakter eben nicht identisch, nicht, wie Adorno meinte, Ware »durch und durch« zu sein, sondern bedient in ihrer jeweiligen Textgestalt offenkundig die Nachfrage nach einem Weltverhältnis, das die kapitalistische Markt- und Medienwelt, zu der sie selbst gehört, erstaunlich weitgehend außen vor 12 | Warhol: The Philosophy of Andy Warhol, S. 101. I.L.G.W.U. (International Ladies Garment Workers’ Union) war ein Label für in den USA hergestellte Kleidung, das auch durch Werbefilme bekannt gemacht wurde (s. z.B. »Look for the Union Label«, https://www.youtube.com/watch?v=7Lg4gGk53iY, 12.8.2016).
Pop und Marke
hält – wie immer das letztlich zu deuten und zu werten sein mag. Interessant erscheinen mir dabei weniger die kulturpolitischen Haltungen, die die Musiker explizit vertreten, entweder durch Prozesse gegen Firmen, die ihre Songs appropriieren – wie z.B. Tom Waits –, oder in den Texten selbst – wie zuverlässig der ehrliche Makler Neil Young: Ain’t singin’ for Miller Don’t sing for Bud I won’t sing for politicians Ain’t singin’ for spuds This note’s for you.
Interessant ist vielmehr, wie die Sprache der Lyrics offenbar um den Preis ihrer Popidentität gar nicht anders kann, als Markennamen entweder zu vermeiden oder sie als ein Fremdes, als zumindest leichte Heteronomie in sich selbst zu markieren. Was Young hier trotzig behauptet, entspricht sozusagen bereits einer dominanten Diskursregel des Pop, die durch die bloße Nennung der Marken in seinem Song beinahe schon ungewollt wieder unterlaufen wird. Ein Großteil dieses Buches wird sich folglich mit der Semiotik der Ausnahmen beschäftigen: Was passiert dort, wo trotz allem Markennamen im popmusikalischen Text erscheinen?
A uf allen K anälen Pop ist die Musik der westlichen Überflussgesellschaften, die Musik der Konsumkultur. Sie entsteht – machen wir uns nichts vor! – von Beginn an als Ware.13 »Denn das ist der Kern der viel erzählten Geburts-Geschichte des Rock ’n’ Roll, dass es da plötzlich eine Ware gab, die ihr Versprechen
13 | »Daß Popmusik eine Ware ist – hergestellt, vertrieben und vermarktet von einer Kulturindustrie zum Massenkonsum: Diese schlichte Tatsache gehörte schon in der Zeit, als sich die Musikwirtschaft in ihrer Entstehungsphase befand, zu den Binsenweisheiten im Umgang mit dem Medium.« (Christoph Gurk: Wem gehört die Popmusik? Die Kulturindustriethese unter den Bedingungen postmoderner Ökonomie. In: Mainstream der Minderheiten. Pop in der Kontrollgesellschaft. Hg. v. Tom Holert u. Mark Terkessidis. Berlin/Amsterdam 1996, S. 20-40; S. 21).
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hielt.«14 Wie andere Waren auch, muss sich die Pop-Musik ab ovo auf dem Markt bewähren, sie ist über Verkaufs- und Hörerzahlen unmittelbar mit ihrer Nachfrage rückgekoppelt. Und es gibt weitere Gemeinsamkeiten: Diedrich Diederichsen definiert Pop-Musik geradezu darüber, dass sie über verschiedene, voneinander getrennte Medienkanäle vermittelt wird, die zeitlich nacheinander rezipiert werden.15 Erst hört man ein Stück im Radio, das etwas hat, wodurch es indexikalisch auf den Star verweist. Dann kauft man sich die Schallplatte, kann den Song immer wieder hören und auf der Hülle erste Antworten auf die pop-konstitutive Frage finden: »Was ist das für ein Typ, für eine Person, wie ist der oder die drauf, welche Haltung vertritt sie […]?«16 Dieser Frage kann man über Homestorys in Zeitschriften und Fernsehauftritte weiter nachgehen und schließlich im Konzert überprüfen, wie die Stars live wirken, aber auch wie die Fan-Community aussieht und ob man dazugehören kann und möchte. Genau diese konstitutive Mehrkanaligkeit gilt nun freilich bereits seit dem späten 19. Jahrhundert auch für Waren, sofern sie nämlich Markenartikel sind. Auch hier wird der Markenname mit der entsprechenden Werbebotschaft, die das Versprechen und das Image der Marke formuliert, über andere Kanäle (Printanzeigen, Werbeplakate, Radio- und Fernsehwerbespots) verbreitet als die Ware selbst.17 Wenn Pop-Musik also eine Ware ist, sind Bands die Marken. Diese auffällige strukturale Verwandtschaft – und wir werden sehen, dass sie noch deutlich tiefer reicht – ist nun aber nicht einfach eine Identität nach dem Motto: Pop ist eine Ware wie alle anderen auch. Vielmehr erscheint das Verhältnis in gewisser Hinsicht merkwürdig umgekehrt. Das Markenimage, das ja wie das Pop-Image zumeist die Form eines Lifestyle-Versprechens hat – ›guck mal, so (toll, glücklich, gottescool) sind die Leute, die diese Marke konsumieren, so willst du auch sein!‹ – soll zum Kauf des Produkts animieren. Im Pop ist das Produkt, die Aufnahme des Songs, dagegen der Auslöser für die Suche nach dem Charakter der Community, also der Leute, die diese Musik hören, und damit einer Dimen14 | Diedrich Diederichsen: Über Pop-Musik. Köln 2014, S. 243. 15 | Diederichsen: Über Pop-Musik, S. 17. Wir sprechen hier zunächst einmal über die Verhältnisse vor einer allgemeinen Verfügbarkeit über Internet, YouTube etc. 16 | Diederichsen: Über Pop-Musik, S. XXV. 17 | Point-of-Sale-Produkte, für die keine Werbung gemacht wird und die direkt im Supermarktregal funktionieren müssen, sind die Ausnahme.
Pop und Marke
sion, die kulturindustriell nicht mit produziert werden kann.18 Im Pop verspricht die Ware selbst, und der kollektive Umgang mit ihr löst dieses Versprechen (vielleicht) ein. In der Markenkultur verspricht die fiktive Community, und einzulösen hätte dieses Versprechen die Ware. Wo dann tatsächlich eine reale Community dieses Markenversprechen übernimmt und trägt (z.B. in erfolgreicher viraler Werbung), wäre nach dieser Logik die Marke selbst Pop geworden, und wo umgekehrt ein Pop-Produkt (vielleicht eine Boy Group) seine virtuelle Community bereits mit designt, hätten wir es mit gezielter Markenökonomie zu tun. Nun hören Jugendliche im Verlaufe ihrer Sozialisation durch Pop, ja bereits während der Ausstrahlung einer einzigen Sendung der Internationalen Hitparade, allerdings nicht nur einen Song, sondern viele verschiedene, von diversen Interpreten. Davon werden sie womöglich mehrere und durchaus unterschiedliche Songs ansprechen, neugierig machen auf Person, Haltung und Community dahinter.19 Was sich dem Pop-Hörer oder der Pop-Hörerin auftut, ist also nicht eine einzige alternative Stilund Lebensmöglichkeit, sondern ein ganzer Möglichkeitsraum, von dessen Angeboten (im Sinne von: ›So will ich sein, zu dieser Community will ich gehören‹) er oder sie selbst vermutlich nur sehr wenige voll realisieren kann und wird. Das romantische Bild vom Pop-Konsumenten sieht die Pop-Musik, besonders in ihrer Frühphase, als Relais zum Eintritt in eine dissidente Haltung, eine Protest- und Gegenkultur, zumindest mal gegen die eigenen Eltern. Bereits Lawrence Grossberg zeichnet jedoch ein etwas anderes Bild vom ›Komplex Rock‹ (the rock formation), in dem sich die Pop-Musik in den ersten Jahrzehnten entwickelte: Rockfans, im Raum zwischen den Disziplinen von Schule und Familie (und deren Langeweile) eingesperrt, imaginierten sich ihren eigenen Raum, einen Raum voller Genuss, Spaß und Vergnügen, einen Raum, der allein durch die Normen des Rock18 | Weshalb Diederichsen ein Kapitel mit »Die unmögliche Produktion« überschreibt (Über Pop-Musik, S. 40ff.). 19 | »Denn schließlich gab es die Charts, dieses prall gefüllte Warenlager für Teenagerträume, in dem man jeden Monat eine neue Liebe finden konnte«, erinnert sich Heike Blümner (Pop oder Was aus einem verlockenden Versprechen wurde. In: Sound Signatures. Pop-Splitter. Hg. v. Jochen Bonz. Frankfurt 2001, S. 55-60; S. 55).
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Komplexes selbst reguliert wurde. Aber dieser Raum war nicht als Ersatz für Schule und Familie gedacht […]. Die Mehrheit der Rockfans, so sehr sie Spaß lieber mochte als Schule, dachte gar nicht daran, die Schule aufzugeben, war sie doch der Weg, den Lebensstil des Konsumenten und die mit ihm verbundenen Vergnügen auf Dauer zu sichern. 20
Das gilt in eher noch stärkerem Maße für die frühe Adaption von Pop in der Bundesrepublik Deutschland. Die meisten Jugendlichen in den 1950er Jahren waren arbeitstätig, woraus Zeithistoriker »die Strukturähnlichkeit der Einstellungen von Jugendlichen und Erwachsenen, die immer wieder konstatiert wurde, zu erklären« versuchen.21 »Im Grunde vertreten die Teenager keine anderen moralischen Grundsätze als ihre Eltern, brechen aus deren Welt nicht aus.«22 Bei Historikern klingt es immer so historisch, doch es stimmt wohl: »Eltern, Lehrer und Geistliche wurden in ihrer Rolle als Sozialisationsagenten zunehmend von der Vergnügungsindustrie und massenmedial vermittelten Leitbildern abgelöst.«23 Zweifellos lag in dieser Ablösung, verbunden mit entsprechenden Autoritätsverlusten, auch das Potenzial für Generationenkonflikte, in denen die Jugendlichen dann schnell auch mal ins dissidente Eck gestellt wurden. Als Gemeinsamkeit 20 | »Rock fans, caught in the space between the disciplines (and boredom) of school and family, imagined their own space, a space of enjoyment, pleasure and fun, a space regulated only by the norms of the rock formation itself. But this space was not conceived as a replacement for the school or the family […]. The majority of rock fans, as much as they may have preferred fun to school, did not envision the possibility of leaving school, for it was the path to securing the consumerist lifestyle and its associated pleasures.« (Lawrence Grossberg: We gotta get out of this place. Popular conservatism and postmodern culture. New York/London 1992, S. 145). Das Problem kehrt in anderen Pop-Formationen wieder, etwa im Hip-Hop, man denke an die klassischen Verse von Grandmaster Flash: »You say I’m cool, huh, I’m no fool/But then you wind up droppin’ outta high school/Now you’re unemployed, all null ’n’ void« (The Message, 1982). 21 | Axel Schildt: Ankunft im Westen. Ein Essay zur Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik. Frankfurt 1999, S. 184. 22 | Martin Hussong: Jugendzeitschriften von 1945 bis 1960. Phasen, Typen, Tendenzen. In: Jugendliteratur zwischen Trümmern und Wohlstand 1945-1960. Hg. v. Klaus Doderer. Weinheim/Basel 1993, S. 521-585; S. 575. 23 | Schildt: Ankunft im Westen, S. 185.
Pop und Marke
mit der Elterngeneration bleibt aber eine ›konsumistische‹ (oder positiver formuliert: demokratisch-marktwirtschaftliche) Haltung, die den Segnungen der westlichen Produktpalette gegenüber positiv gestimmt war. »Im Ergebnis sah sich der Rock-Komplex jenseits des Konsenses gestellt, innerhalb dessen er sich selbst immer noch verortete.«24 Jugendkulturell lässt sich dieser Autoritätsverlust der Eltern zugunsten einer eigenen konsumistischen Sphäre im Übergang von der Rasselbande, der wichtigsten BRD-Jugendzeitschrift der mittleren 1950er Jahre, zur Bravo ablesen, die sie dann am Ende des Jahrzehnts ablöste. In der Rasselbande ist noch ein pädagogischer Top-down-Approach erkennbar, auch wenn ein Rasselbanden-Wir spricht: Erwachsene wollen den jungen Leuten vermitteln, was interessant ist. Da wird viel gebastelt, gelernt, gereist und aus fremden Ländern erzählt.25 Bei Preisausschreiben gibt es Fahrräder, Akkordeons und Laubsäge-Garnituren zu gewinnen.26 Das Verhältnis zur Erwachsenenwelt ist eines des ›noch nicht‹ (»Unseren beiden jungen Freunden blieb der Mund vor Staunen offen, als sie einen Blick in den ›300 SL‹ werfen durften.«27), setzt also letztlich eine gemeinsame Kultur voraus, in die man hineinwächst. In dieser Kultur geht es viel mehr um Dinge-selbst-Machen (Basteln, Theaterspielen, gute Taten tun, sich eine Schwimminsel bauen, Radtouren planen etc.) als in späteren, popkulturellen Jugendorganen, gerade dabei bleibt jedoch die Autorität der Erwachsenen (die solche Dinge eher nicht mehr tun würden) absolut gewahrt. Wichtig ist, »daß auch alles spurt«;28 »Ordnung muß sein« ist ein rekurrenter Satz in der Rasselbande. Aufgepeppt wird die Sache dann mit Cartoons und Abenteuergeschichten wie Ein Wildschwein 24 | »As a result, the rock formation found itself articulated outside of the consensus in which it still located itself.« (Grossberg: We gotta get out of this place, S. 148). 25 | Im Jahrgang 1955 sind Schiffe, Flugzeuge, aktive Jugendliche, ein Clown oder ein Esel auf dem Titelbild. Die einzigen Filmstars sind Heidi und Peter (Elsbeth Sigmund, Thomas Klameth) aus dem Schnyder-Film Heidi und Peter (1955). Selbst die in jedem Heft obligatorische Werbung für die Fernsehzeitschrift Hören und Sehen aus demselben Verlag kommt ohne Starfotos aus. 26 | Vgl. Rasselbande 1/Juli 1953, S. 46f. 27 | Rasse und Temperament: Mercedes 300 SL. In: Rasselbande 4/1955, S. 49. 28 | So gleich auf der ersten Seite der Eröffnungnummer ganz oben (Rasselbande 1/Juli 1953, S. 2).
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
namens Hopplahopp. Unser aufregender Kriminalroman für junge Leute von 8 bis 80 Jahren, die von allem, was man als Pop bezeichnen könnte, noch weit entfernt sind. In der Bravo29 dagegen formiert sich in den späten 1950er Jahren das Leitbild des Teenagers, das sich gegen die Autoritätsansprüche der Erwachsenen, aber auch gegenüber dissidenteren Jugendlichkeitsentwürfen der ›Halbstarken‹ und der ›Exis‹ (Existenzialisten) abgrenzt. Es »erlaubt zwar mitunter, aufmüpfig zu werden, nicht aber radikalen Protest. Sein wesentlicher Inhalt ist der Anspruch auf Eigenständigkeit des Jungseins«30 – Jeans, Ausgehen, Tanzen, Rock ’n’ Roll, Starkult, kurz: mit gutem Gewissen jenseits überkommener Hochkulturangebote Spaß haben. »Immerhin impliziert dies das Recht auf eigene Lebensformen und Interessen«,31 die als Alternativen zur etablierten Kultur der Eltern formuliert sind (»junge Leute« von 80 oder auch nur 40 Jahren sind hier nicht mehr denkbar). »Nach dem Zweiten Weltkrieg sah sich die Welt, zunächst in den USA, mit einem neuen Phänomen konfrontiert: dem ›teenage consumer‹, Wahrzeichen einer ökonomischen und ästhetischen Frischzellenkur, wie sich bald herausstellen sollte.«32 Diese Schnittstelle zwischen Jugend- und Konsumkultur ist auch in der Bundesrepublik der Ort, an dem sich in den späten 1950er Jahren der zarte Ansatz einer Popkultur herausbildet. Für unseren Zusammenhang bleibt festzuhalten: Die Lebensformen, auf die der Popsong verweist und neugierig macht, sind in diesem Kontext keine radikal dissidenten, sondern im Bild des Stars intensivierte, popkulturell codierte Haltungen und Möglichkeiten innerhalb eines bürgerlichen Lebens, das, wie gesagt, auch sonst zunehmend konsumkulturell geprägt ist. Apologeten von Pop I (das ist Pop als Gegenkultur) oder auch Nostalgikern wie Simon Reynolds, der im heutigen Pop das Zukunfts29 | Oder historisch präziser: »im Bravo« – die Zeitschrift war zunächst kein Femininum. 30 | Hussong: Jugendzeitschriften, S. 574f. Vgl. insgesamt Hussongs Analyse, bes. S. 572-580. 31 | Hussong: Jugendzeitschriften, S. 575. 32 | Tom Holert: Abgrenzen und durchkreuzen. Jugendkultur und Popmusik im Zeichen des Zeichens. In: »Alles so schön bunt hier«. Die Geschichte der Popkultur von den Fünfzigern bis heute. Hg. v. Peter Kemper u.a. Leipzig 2002, S. 23-37; S. 25.
Pop und Marke
versprechen der originären Popkultur vermisst, wäre entgegenzuhalten: Welcher Art war dieses Versprechen denn? Wurden uns Jetpacks versprochen oder versprach die Ware Pop gar die Revolution (»Well, you know…«, mit John Lennon zu reden)? Eine bessere Welt? Oder ging es nicht doch zumeist darum, sehr gut auszusehen, einen großartigen Abend, ein gutes Wochenende zu haben und womöglich noch eine erfüllte Nacht dazu? Hey, Tonight! Right here, right now. Gerade eben jetzt. Viele dieser Möglichkeiten bleiben dabei zwangsläufig fiktiv oder doch im Konkreten ungenutzt. Pop-Musik, so Walter Grasskamp, »verschafft Emotionen, deren riskante soziale Umsetzung man sich ersparen kann, weil sie in der Wirklichkeit ohnehin selten so hoch dosiert vorkommen, daß man sich daran berauschen könnte.«33 Es geht also nicht nur darum, wie man tatsächlich sein kann und will, sondern darum, wie man im Prinzip auch noch sein könnte. Das Spektrum der Angebote bildet und verkündet jenen Möglichkeitsraum, den der Pop-Konsument sich erhofft hat, den er nachfragt, weil er ihn im Modus der Fiktion bewohnen will.34 Das genügt zumeist, und deshalb kann Pop seine Versprechen auch tendenziell halten. Jeder funktionierende Popsong ist ja bereits ein Teil der Erfüllung seines eigenen Versprechens. Zugleich klagt er dabei immer auch die Versprechungen der Konsumkultur generell ein,35 indem er den unendlichen Aufschub nicht akzeptiert – ›no bullshit‹. Dieser Rezeptionseffekt, den wir hier ›Möglichkeitsraum‹ nennen, beginnt noch vor der popkulturellen Institutionenbildung, die Diederichsen so wichtig ist, also vor der Ausbildung popsozialer Subsysteme auf dem Schulhof oder in urbanen Szenen, deren Haltung geeignet ist, sich hip zu fühlen und die Mittelschülerin zu beeindrucken.36 Die Mehrkanaligkeit von Pop und Werbung führt ja dazu, dass ein wesentlicher Teil der Rezeption – das Hören von Musik, das Ansehen von Bildern auf der einen, die Verwendung der Ware auf der anderen Seite – zunächst und immer 33 | Walter Grasskamp: Konsumglück. Die Ware Erlösung. München 2000, S. 88. 34 | »Es waren Räume der Möglichkeit«, schreibt auch Holert. »Pop, das kommt von Potential.« (Abgrenzen und durchkreuzen, S. 36). 35 | Wenn Pop I-Fürsprecher Martin Büsser Pop als »Triumph des Lustprinzips« und »Sprache des Begehrens« definiert, dann könnte das ja genauso gut den Modus der Markenwerbung bezeichnen (Gimme Dat Old Time Religion. Pop-Werte im Wandel. In: »Alles so schön bunt hier«, S. 38-48; S. 38). 36 | Vgl. Diedrich Diederichsen: Sexbeat. 1972 bis heute. Köln 1985, S. 100.
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wieder auch allein und im privaten Raum stattfindet. Auch die Gruppenzugehörigkeit, die hier im Spiel ist, steht folglich überwiegend im Modus der Fiktion – einer Fiktion, die dann auf der Straße, in der Disco oder im Konzert Realität werden (vielleicht auch eher: LARP-artig ausagiert werden) kann. Zentrales Pop-Merkmal ist aber auch für Diederichsen »die Möglichkeit, allein zu sein, mutterseelenallein mit der Gesellschaft.«37 Die Mehrkanaligkeit, die Alleinsein und Gruppenerlebnis, intime Ansprache und geteiltes Fantum, private Mixtapes und gemeinsames Hochhalten der Ikone ermöglicht, sorgt auch für eine zweite Dichotomie, die die junge Popkultur seit den 1950er Jahren prägt. Es ist kein Zufall, dass die wichtigste deutsche Popzeitschrift dieser Jahrzehnte, die Bravo, zunächst als Fernsehzeitschrift lanciert wird, also von Anfang an ein anderes Medium flankiert. Die Rasselbande war dagegen noch einkanalig angelegt – ihre Fangemeinde (die es durchaus schon gab) konnte sich nur über Zuschriften an die Zeitschrift selbst konstituieren. So berichten in jedem Heft ›Jungreporter‹ und ›Reportermädel‹ aus verschiedenen Teilen Deutschlands und sogar aus Übersee über ihre pfadfinderesken Taten (z.B. einer alten Dame ein neues Hündchen kaufen, dazu vorher durch Straßentheater Geld sammeln), schicken Fotos ein, antworten auf Preisausschreiben etc. Dazu passt auch, dass die Zeitschrift, als es darum ging, eine echte Nachfrage bei der Zielgruppe zu erreichen, auf literarische Formen wie Kriminal-, Abenteuer- und Reisegeschichten, also auf Kolportage zurückgriff sowie auf die pädagogisch umstrittene Form des Comics (z.B. Männer, die den Globus tauften; Benn und Binni). Diese Genres älterer populärer Literatur seit dem späten 19. Jahrhundert waren in den 1950ern keineswegs obsolet, wie man der prominenten Fortsetzung der Schmutz-und-Schund-Debatte in dieser Zeit ablesen kann. Auch in Leslie Fiedlers Bestimmung von Pop-Literatur Ende der 60er sind sie ja noch im Fokus. Um so merkwürdiger, dass diese Bereiche in der Bravo, vom obligatorischen Fortsetzungsroman (in der Regel einem Liebesdrama) mal abgesehen, keine Rolle mehr spielten – Abenteuergeschichten oder die Comic-Universen von Marvel und Disney kommen hier gar nicht vor, auch europäische Varianten, Hergé, Asterix oder Kauka-Comics nicht. Der Grund dafür ist vermutlich genau in der pop-konstitutiven Mehrkanaligkeit zu suchen, die hier von Beginn an regiert. Bravo präsentiert, wie zuvor schon die Hör zu!, Helden aus Film, Fernsehen und dann zu37 | Diederichsen: Über Pop-Musik, S. XIX.
Pop und Marke
nehmend aus der Musikszene, die wiederum aus Radio, Fernsehen und (Schlager-)Film bekannt war.38 Auch in der Bravo schreiben lange Zeit vor allem Erwachsene für Jugendliche, und doch ist gegenüber der Rasselbande ein Paradigmenwechsel zu erkennen: weg vom pyramidalen Diskurs der Pädagogik und hin zu einer Verstärkung dessen, was nachgefragt wird (bottom up); und das bedeutet auch: weg von der Einkanaligkeit des Literarischen und Selbstgemachten, hin zur Mehrkanaligkeit der Star- und Medienwelt. Der Bravo-Teenager (idealtypisch verkörpert in Peter Kraus und Conny Froboess) entsteht so als ein Rückkopplungsphänomen – die Zeitschrift bietet (in gewissen Bahnen, versteht sich) ihren Lesern und Leserinnen genau das, was diese lesen wollen, und schraubt ihre Auflagenzahlen damit in nie gekannte Höhen.
S eine eigene R ekl ame Mitte der 1960er resümiert Adorno die aktuelle Entwicklung mit den Worten: Geistige Gebilde kulturindustriellen Stils sind nicht länger auch Waren, sondern sind es durch und durch. Diese quantitative Verschiebung ist so groß, daß sie ganz neue Phänomene zeitigt. Schließlich braucht die Kulturindustrie gar nicht mehr überall die Profitinteressen direkt zu verfolgen, von denen sie ausging. […] An den Mann gebracht wird allgemeines unkritisches Einverständnis, Reklame gemacht für die Welt, so wie ein jedes kulturindustrielles Produkt seine eigene Reklame ist. 39
Das ist scharf beobachtet, ja, es klingt, als sei es auf einen Übergang wie den von der Rasselbande zur Bravo geradezu gemünzt. Allerdings scheint der polemisch-kritische Grundton gegen »die Kulturindustrie« immer noch eine Instanz zu suggerieren, die hier top down handelt, während 38 | Man bedenke, dass selbst Elvis beinahe die gesamten 1960er Jahre hindurch vor allem Filme gemacht hat. 39 | Theodor W. Adorno: Résumé über Kulturindustrie. In: Ohne Leitbild. Parva Aesthetica [1967]. In: Kulturkritik und Gesellschaft I. Frankfurt 2003, S. 337345; S. 338f.
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der Konsument passives Manipulationsmaterial bleibt. Viel interessanter wird Adornos Beobachtung jedoch, wenn man konstatiert, dass das ›allgemeine Einverständnis‹ direkt über die Nachfrage definiert und geregelt ist, populäres kulturindustrielles Warenangebot und Rezipienten also in einem direkten und reziproken Verhältnis der Rückkopplung zueinander stehen, mit anderen Worten: wenn man den Markt als einen systemischen Zusammenhang und nicht primär als einen Manipulationszusammenhang begreift. Das Kalkül von Ware, Reklame, Versprechen und Erfüllung, von dem wir ausgegangen sind und das offenbar für den Status sowohl des Popsongs als auch der Markenware bestimmend ist, stellt sich also komplexer dar als zunächst gedacht. Es erscheint ja intuitiv als richtig, dass »ein jedes kulturindustrielles Produkt seine eigene Reklame ist« – aber was heißt das genau? Dass ihm eine Differenz von Versprechen und Erfüllung innewohnt? Dass es über mehrere Kanäle funktioniert, die jeweils werbend und affirmierend aufeinander verweisen? Oder doch, dass das Produkt eben nur produziert wurde, also nur existiert, über die Medien verbreitet wird und auf dem Markt verfügbar ist, weil und insofern es attraktiv genug ist, um eine nennenswerte Nachfrage hervorzurufen? (Und wäre Letzteres zwangläufig negativ zu bewerten, wie Adorno nahelegt? Selbst Angela McRobbie, die in ihrer klassischen Studie zu englischen Mädchenzeitschriften von einer marxistischen Position aus argumentiert, muss zugeben: »Der freie Markt ist derjenige Ort, an dem Mädchen am wenigsten durch soziale Kontrolle beschränkt sind. Die einzig geforderte Qualifikation ist hier, dass man sich eine Eintrittskarte, eine Zeitschrift oder ein Bay City Rollers-T-Shirt leisten kann.« 40) Vermutlich gilt eine Kombination aus alledem, und zwar für den Markenartikel ebenso wie für das kulturindustrielle Produkt (z.B. den Popsong, die Zeitschrift) – wie gesagt ohne, dass beide dadurch identisch würden. Es dürfte sich lohnen, diesem Komplex genauer nachzuforschen – schließlich scheint es hier um den Status von Kultur in unseren westlichen, marktwirtschaftlich organisierten Überflussgesellschaften ganz generell zu gehen. Dafür wären vorzugsweise solche medialen Orte aufzu40 | »It is on the open market that girls are least contrained by the display of social control. The only qualification here is the ability to buy a ticket, magazine or Bay City Roller T’shirt.« (Angela McRobbie: Feminism and Youth Culture. From ›Jackie‹ to ›Just Seventeen‹. Houndmills/London 1991, S. 88).
Pop und Marke
suchen bzw. solche kulturellen Texte zu analysieren, an bzw. in denen es zu einer direkten Begegnung zwischen Marken und Pop-Musik kommt, zu einer Kontiguitätsbeziehung, die deren Verhältnis lesbar macht. Diese Studie wird sich daher speziell dem Vorkommen von Markennamen in Pop-Musik widmen, die Parallelstudie von Melanie Horn der Verwendung von Pop-Musik in Markenwerbung. In beiden Fällen handelt es sich, soviel vorweg, um tendenziell kritische, spannungsgeladene, konfliktträchtige Beziehungen, was erneut darauf hinweist, dass Pop und Marke bei aller Ähnlichkeit nicht einfach dasselbe sind. * Weniger spannungsgeladen als in der Musik, aber trotzdem im Lichte unserer Fragestellung interessant erscheint das Verhältnis von Pop und Markenwerbung in den Zeitschriften, die für beide Phänomene zu den aktiven Kanälen gehören. Ellen McCracken diskutiert in ihrer Studie zu amerikanischen Frauenzeitschriften der 1980er Jahre ausführlich das komplexe Verhältnis vom redaktionellen Teil zu den Werbeanzeigen. Für das intratextuelle Nachbarschaftsverhältnis wählt sie sogar den Begriff der Montage: »Die zwischengeschalteten Anzeigen arbeiten oft in Montage mit dem verbalen Text, um neue, womöglich attraktive Bedeutungen zu erzeugen.«41 Erst die spezifische Selektion und Kombination von Anzeigen und redaktionellem Text ergibt die Marke der Zeitschrift, die auf dem Titelblatt ihre eigene Reklame ist. Die Frontseite ist dabei interessanterweise eine der wenigen anzeigenfreien Seiten, neben dem Bild des Stars enthält sie ausschließlich Hinweise auf den redaktionellen Inhalt. »Somit verkauft uns das Cover vordergründig eine Gruppe von Dingen, während sein wahres Ziel darin besteht, uns die Anzeigen zu verkaufen, die viele seiner Seiten füllen.«42 behauptet McCracken und weist auch darauf hin, dass die Umschlagseiten zwei, drei und vier dann zumeist
41 | »The interrupting ads often work in montage with the verbal text to create new meanings that may be pleasurable.« (Ellen McCracken: Decoding Women’s Magazines. From Mademoiselle to Ms. Houndmills/London 1993, S. 8). 42 | »Thus, the cover openly sells us one group of things while its real goal is to sell us the advertisements that fill many of its pages.« (McCracken: Decoding Women’s Magazines, S. 15).
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von ganzseitigen Anzeigen belegt sind, die zum Gesamtkonzept der Zeitschrift beitragen. Ob die Zeitschrift mit dem Titelbild oder mit der Rückseite nach oben auf dem Tisch liegt, sie kommuniziert eine ähnliche Aussage. Beim Öffnen wie beim Schließen des Heftes sieht die Leserin ein Idealbild ihrer selbst […]. 43
Dieses Idealbild trägt dann – prominent auf dem Cover, das in der Regel (TV-)Stars zeigt – den Namen der Zeitschrift selbst, zumeist ein Frauenname (Constanze, Brigitte, Jackie) oder eine mögliche Selbstbezeichnung (Twen, Mademoiselle, Cosmopolitan). Auf beiden Seiten wird dabei »mit verschiedenen Formen der Überhöhung und Fiktionalisierung« operiert.44 Es geht hier also erneut nicht primär um Gebrauchs, sondern eher um »Fiktionswerte«45, und zwar durchaus auch im Bewusstsein der Leserinnen.46 Genauer gesagt geht es erneut um einen personalisierten Möglichkeitsraum mit einem limitierten Spektrum von potentiellen Selbstentwürfen. Dieses Spektrum ist dann auch der Rahmen, der die Semiose der in ihm präsentierten Texte und Bilder begrenzt.47 Die marktförmige Rückkopplung ist dabei gleich eine doppelte, die auch mit der zweifachen Finanzierung der Zeitschriften übereinstimmt: Die Leserinnen kaufen mit dem Heft genau diesen Möglichkeitsraum immer wieder, abonnieren ihn womöglich sogar, und die Anzeigenkunden investieren in genau diesen Möglichkeitsraum in der Hoffnung, dort, wo die Kundinnen einen Teil davon in ihre Lebenswirklichkeit umsetzen, ihre Waren zu verkaufen. Es ist also ein Möglichkeitsraum ganz dezidiert 43 | »Whether the magazine lies on a table with its front cover up or its back cover showing, it communicates a similar message. In both opening and closing the issue, the reader sees an ideal image of herself« (McCracken: Decoding Women’s Magazines, S. 99). 44 | Wolfgang Ullrich: Alles nur Konsum. Kritik der warenästhetischen Erziehung. Berlin 2013, S. 13. 45 | Vgl. Ullrich: Alles nur Konsum, S. 7-29. Ullrich argumentiert, dass die Werbetexter ebenso wenig bzw. im gleichen Modus ›lügen‹ wie die Dichter und die Konsumkritiker argumentierten wie einst Plato. 46 | Vgl. die Kommentare von Cosmopolitan-Leserinnen in: McCracken: Decoding Women’s Magazines, S. 6f. 47 | Vgl. McCracken: Decoding Women’s Magazines, S. 32ff.
Pop und Marke
innerhalb der Konsumgesellschaft; der Konsum von Markenprodukten trägt darin wesentlich zum eigenen Selbstentwurf bei. Es ist aber zugleich ein Raum, der nicht rein auktorial (etwa von einem Konzern oder einer Zeitschriftenredaktion) entworfen wurde. Er ist, ganz im Sinne Diederichsens, nicht oder jedenfalls nicht vollständig produzierbar, weil er das Ergebnis von zwei miteinander verschränkten Rückkopplungsprozessen ist: Der Möglichkeitsraum der Zeitschrift ist eine Funktion (a) des Interesses der Firmen, in ihn zu investieren, und (b) des Interesses der Leserinnen, ihn virtuell zu bewohnen. Dieser doppelte Mechanismus macht den Gesamtkomplex zu einem höchst dynamischen, der sich sehr schnell aktualisiert und neuen Gegebenheiten anpasst. Das jeweils von und in der Zeitschrift präsentierte Bild des guten Lebens repräsentiert damit für die Leserin im Privaten eine Öffentlichkeit, an der sie Teil hat. Ein Heft nur aus Anzeigen oder mit rein redaktionellem Inhalt könnte genau diese Qualität nicht realisieren. Es ist die Kombination, die den Möglichkeitsraum der Zeitschrift zur Öffentlichkeit objektiviert. Und dies geschieht erneut mithilfe der Mehrkanaligkeit, die uns den Erfolg der Stars immer auch in anderen Medien beglaubigt. Auch diese Entwicklung ist den frühen Jahrgängen der Bravo abzulesen. Die ersten Hefte hatten praktisch noch gar keine Werbung, hier ging es allein um die Attraktivität der Stars. Noch im Juni 1957 (Nr. 25/26) finden sich nur zwei Kleinanzeigen (für ein Sommersprossenmittel und eine Kamera), im Septemberheft (Nr. 38) nur eine halbseitige Anzeige für einen Jazz-Sampler des Deutschen Bücherbundes. Vorn und hinten prangen Starfotos (Harry Belafonte/Gerlinde Locker bzw. Tony Sailer/Liz Taylor). Wohlgemerkt, auch diese Hefte enthalten bereits Schönheits- und Modetipps sowie die Fotos schöner, modisch gekleideter Stars, aber die Firmenwerbung ist noch nicht aufgesprungen. Gerade hier, wo man das kaum erwarten sollte, geht das Image seiner markenindustriellen Gestalt also voraus. Ein Jahr später hat sich das Bild schon stark gewandelt, das Heft (Nr. 46, November 1958) enthält Anzeigen für Schallplatten, Musiktruhen, Bücher (Ferdinand Sauerbruch, Albert Schweitzer), Sporträder, Zigaretten, Rasierer, Mode, Dralon, verschiedene Jacken, Kosmetik, Parfüm und ein Lotto-System. Neben den musikbezogenen Waren ist das Verhältnis von Markenwerbung und Starsystem vor allem an zwei Produkten augenfällig: Da sind zum einen die »James Dean Jacken« für Damen und Herren, die gleich doppelt starbound sind, einmal natürlich wegen des (bereits 1955 verstorbenen) Namensgebers, zum andern
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aber auch durch die abgebildeten Models, die selbst aktuelle Stars sind: »Maria Perschy und Dietmar Schönherr (im Blickpunkt von Millionen) sind davon begeistert!« Amerikanischer (Dean) und deutscher Film (Perschy, Schönherr), eine »Millionen«-Öffentlichkeit, offerieren hier dem einsamen Rezipienten eines Druckerzeugnisses (»Für die BRAVO Leser!«) eine Teilhabe in Form einer Ware, die noch gar keinen Markennamen trägt (die Anzeige ist von Der neue Versand, Hamburg), sondern den Namen des Stars. Das Ineinanderschieben von redaktionellem Teil (Bravo) und Anzeige reicht dabei bis in die Preisangabe: In einem weißen Stern auf rotem Grund heißt es »Nur 6390 … bravo!«.48 Zum anderen preist eine Anzeige des Münchner Punkt-Versands (»Spezialversand der Filmstar-Moden«) den »modischen Schlager« eines Peter Kraus-Coll an (eine Art Pullover, ebenfalls unisex), für den der Star selbst Modell steht – also wiederum ein aus dem Film bekanntes Produkt, das nicht nur den Namen des Stars trägt, sondern auch zu sein behauptet, wofür dieser bekannt ist: ein Schlager.49
48 | Anzeige von Der neue Versand, Hamburg. In: Bravo 46/1958, S. 31. 49 | Anzeige von Punkt-Versand, München. In: Bravo 46/1958, S. 39.
Pop und Marke
Die Anzeige befindet sich auf der 3. Umschlagseite und stellt damit einen Bezug zum Titel her, der für diesmal keinen Star in Großaufnahme zeigt, sondern die Zeichnung eines Pippi-Langstrumpf-artigen Mädchens, das verträumt und im Schneidersitz vor seinem tragbaren Plattenspieler sitzt, umgeben von Schallplatten, von denen es auch in jeder Hand eine hält. Die aktuell abgespielte Single ist offenbar von Peter Kraus, denn aus dem Deckellautsprecher kommt eine Sprechblase mit dessen Konterfei. Bildlegende: »Wenn Teenager träumen…«. Dazu passen auch die Charts der BRAVO-Musikbox, die Peter Kraus gleich auf den ersten beiden Plätzen beherrscht (Hula-Liebe, Mit 17), vor Conny Froboess (Blue Jean Boy) – Motto: »Teenager in Führung«.50 Beide werden auch im redaktionellen Teil auf einer Seite zum aktuellen Film Wenn die Conny mit dem Peter gefeatured.51 Hier, wo der Star mit dem Teenager-Idealbild der Zeitschrift koinzidiert, ist die höchste Verdichtung von redaktionellem und Anzeigen-Teil erreicht. In beiden Fällen ist hier der Star die Marke, und es wird noch eine Weile dauern, bis die Marke der Star wird. Es ist eindeutig die Markenwerbung, die später kommt und sich an bereits erfolgreiche Images der Film- und Schlagerstars anhängt. In der weiteren Erscheinungsgeschichte der Zeitschrift greift sie dann immer mehr Raum: In Nr. 38/1962 (Rex Gildo/ Maria Schell) etwa finden sich, neben vielen anderen, bereits zwei ganzseitige Anzeigen (für Storck-Riesen und den Triumph-BH odette) und sogar eine anderthalbseitige (für Elbeo-Strümpfe). Zumindest für diese deutschen Zeitschriften ist also nicht ganz richtig, was McCracken voraussetzt:52 dass sie nämlich nur existieren, um Anzeigen und letztlich Produkte zu verkaufen. Das mag ein späteres Stadium kennzeichnen, die Genealogie des Mediums und seiner spezifischen Kombination aus redaktionellem Teil und Anzeigen aber wird damit verfehlt.53 Das attraktive, 50 | BRAVO-Musikbox. In: Bravo 46/1958, S. 27. Umschlagseite 4 zeigt übrigens mit Marion Michael einen weiteren Teenager. 51 | Schule für kesse Sohlen. In: Bravo 46, S. 25, mit 5 Fotos. Schönste Bildunterschrift: »Wenn der Rock im Rock ’n’ Roll rollt…«. 52 | Vgl. McCracken: Decoding Women’s Magazines, S. 10, 18 et passim. 53 | Auch in der Rasselbande gab es schon Anzeigen, die aber eindeutig dem redaktionellen Teil nachgeordnet waren. Heft 4/1955 enthält viertelseitige Anzeigen für (Jugend-)Armbanduhren, Uhrarmbänder und Schulfüller, dazu eine Kleinanzeige,
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auf Konsum basierende Modell hier des Teenagers, dort der eigenständigen Frau geht der Markenwerbung in Anzeigen voraus. Dass diese rasch erheblich zunimmt, scheint außerdem der Auflage nicht zu schaden, im Gegenteil – es besteht also auf Rezipientenseite offenbar durchaus eine Nachfrage nach Werbung.
R ückgekoppelte M öglichkeitsr äume (vulgo : K ulturindustrie) Die unmögliche Produktion Wo immer »consumerist ideology« und die Anpassung an eine »consumer economy« diagnostiziert werden, scheint sich – nicht anders, als wenn Adorno Warenförmigkeit feststellt – eine Verurteilung von selbst zu verstehen.54 Genau dieser Automatismus wäre aber noch einmal zu prüfen, denn wie bereits ein flüchtiger Blick auf die tatsächlichen Mechanismen zeigt, liegt ein jeweils sehr komplexes Verhältnis von Angebot und Nachfrage und damit eine intrikate Rückkopplung der Angebote an die Bedürfnisse der Konsumenten vor, die man sich keineswegs mehr einsinnig im Sinne eines Manipulationsverhältnisses (top down) vorzustellen hat. Insofern wirkt der Vorwurf, die Leserinnen und Konsumenten nähmen, unterschwellig und gleichförmig manipuliert von der Kultur- und Warenindustrie, die Versprechen von Teenager- und Frauenzeitschriften, Stars und Werbung für bare Münze, heute selbst naiv. Alles deutet darauf hin, dass es hier eben nicht um Gebrauchswerte, sondern um idealisierte Möglichkeitsräume geht, bei deren Produktion und Rezeption stets ein Modus der Fiktionalität im Spiel ist, der allen außer den dumpfesten Beteiligten dieses Spiels bewusst ist. Die Bürgerinnen und Bürger der Konsumgesellschaft laufen, soviel ist sicher, von Beginn an keineswegs als Dauergetäuschte durch die Gegend. Sie haben nicht nur die Wahl (z.B. zwischen vielen Zeitschriften, Bands, Marken), sondern praktizieren sie auch. »Wir ›machen‹ den Erfolg von Stars wie Elvis Presdie für eine »Gehirn-Direkt-Nahrung« wirbt (»Schlechte Schulzeugnisse?«) – hier sind deutlich die Eltern noch mit angesprochen. 54 | Vgl. z.B. McCracken: Decoding Women’s Magazines, S. 15 und 37; oder klarer marxistisch formuliert, McRobbie: Feminism and Youth Culture, S. 89.
Pop und Marke
ley, von Schallplatten, sogar von Filmen. Na also! Das heißt doch ganz klar und eindeutig, daß wir ›auswählen‹«, heißt es 1959 in Steffis Tagebuch, den Verlautbarungen des idealen Teenagers in der Bravo,55 und Wolfgang Ullrich geht soweit, zu behaupten: »In einer Kultur selbstbewussten Konsumbürgertums ist, zumindest was den Fiktionswert der Dinge anbelangt, nicht mehr strikt zwischen Produzenten und Konsumenten zu unterscheiden.«56 Es handelt sich, mit anderen Worten, um eine Kultur der Rückkopplung. Nun soll das hier nicht heroisiert werden. Man darf die Eigeninteressen von Medien und Musikindustrie, die hier von Beginn an mitwirken, nicht vergessen. Und selbstverständlich versucht die Kulturindustrie mit allen Mitteln, den Konsumenten in ihrem Sinne zu lenken, genau wie die Markenwerbung – das ist ja auch deren Job. Dennoch gibt es in diesem konsumistischen Dispositiv offenkundig einen Raum, der letztlich, bei allem Bemühen der Industrie, nicht mit produziert werden kann, einen Raum der Freiheit des Konsumenten und der Eigendynamik des Konsums, angesiedelt zwischen privater Ansprache und kollektivem Gutfinden, Geschmacksurteil und Gruppenbildung. Die Industrie kann ihre Images nur in diesen Raum der ›unmöglichen Produktion‹ hineinprojizieren und auf Resonanz und Erfolg hoffen, während sie zugleich in ihn hineinhorcht, um ihre Angebote entsprechend modifizieren zu können. Dieser Raum ist noch einmal zu unterscheiden vom Spielraum eines kreativen und widerständigen Umgangs mit Konsumgütern, wie ihn etwa die Birmingham School oder John Fiske gegen das Frankfurter Schule-Modell ins Feld geführt haben. Es geht erst einmal noch gar nicht um anti-kapitalistische Gegenräume, sondern um den Raum eines freien Spiels, das womöglich der Warenform selbst eingeschrieben ist. Diesen Raum wird ein konsumästhetisch ausgerichtetes Projekt zu Pop kartieren müssen. Und ja, es wird sich dabei auch um einen Raum der Ideologie handeln, es geht um Text, Diskurse, Semiotik und Geschmacksurteile, nicht um harte Fakten (vorausgesetzt man glaubt, Text, Diskurse, Semiotik und Geschmack seien keine harten Fakten, sondern, wie es in der Frankfurter Schule hieß, der Unterschied zwischen Opel und Ford sei reine Ideologie). Und noch in einem präziseren Sinne geht es hier um die kulturelle Systemstelle, die man sonst als ›Ideologie‹ bezeichnet hat: 55 | Bravo 1959, Heft 9, S. 6, zit.n. Hussong: Jugendzeitschriften, S. 578. 56 | Ullrich: Alles nur Konsum, S. 156.
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Das Format der Pop-Musik hatte die klassischen Formeln der alten Avantgarde für eine auf die Realität außerhalb der Kunst direkt wirksame Kunst eines Tages abgelöst. Dieser Tag war gekommen, als die Ware mehr zu versprechen begann als die Revolution. 57
Das Prinzip Elvis Die Geschichte des Pop, von dem hier die Rede sein soll, beginnt in Bayern, genauer gesagt in Landsberg am Lech, wo Johnny Cash in den 50er Jahren als GI stationiert war. »Sein Vorgesetzter,« schreibt Franz Dobler in seiner Cash-Biografie, war der schwarze Sergeant O.V. White. Der zog sich gern scharf an. »Wie seh ich aus, Mann?«, fragte er Cash oft. Und wenn der wie üblich »ziemlich schick« sagte, dann zog er fingerschnippend los und verabschiedete sich mit dem HipsterSpruch: Just don’t step on my blue suede shoes, man. 58
Die Legende besagt, dass Johnny Cash diese Geschichte Carl Perkins erzählte, während sie im Jahre 1955 bei einem gemeinsamen Konzert backstage warteten und auf der Bühne gerade Elvis Presley performte. Perkins schrieb dann den Song, der durch Elvis zum bekanntesten Rock ’n’ RollSong der Geschichte werden sollte. Beider Singles erschienen kurz nacheinander im Jahre 1956. Vor allem die ersten Verse gehören längst zur populärkulturellen lingua franca: Well it’s one for the money Two for the show Three to get ready Now go, cat, go…
›Carl Perkins oder Elvis Presley?‹ ist seither ein Schibboleth unter PopAdepten geworden – bekannt ist die Szene in Jim Jarmuschs Film Mystery Train (1989), in der sich das japanische Pärchen auf seiner Pilger57 | Diedrich Diederichsen: Musikzimmer. Avantgarde und Alltag. Köln 2005, S. 18. 58 | Franz Dobler: The Beast In Me. Johnny Cash… und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik. München 2004, S. 70.
Pop und Marke
fahrt nach Memphis die Namen wechselseitig an den Kopf wirft. Es ist klar, dass es dabei ums Ganze geht, um das Prinzip jenes popkulturellen Kosmos, an dessen Urknall wir uns hier Mitte der 1950er befinden und der sich seither zur dominanten Kultur unserer westlich geprägten Überflussgesellschaften entwickelt hat. Schauen wir also genauer hin! Carl Perkins ist nicht nur der Komponist des Songs, sondern als Leiter seiner Band auch der Sänger und Leadgitarrist, ein echter Musiker also. Sieht man sich seinen Auftritt in der Perry Como Show 1956 auf Video an,59 erkennt man allerdings deutlich: Bei seinen Körperbewegungen handelt sich um einstudierte Gesten wie bei heutigen Schlagersängern, er zeigt z.B. bei entsprechenden Textstellen auf seine Schuhe, kurz: es geht um das An-den-Mann-bringen des eigenen Produkts, ehrlich, aber autoritativ: top down. Ganz anders zeitgleich Elvis Presley in der Milton Berle Show an Bord der USS Hancock.60 Er ist zwar auch der Frontmann seiner Band, spielt aber nur die Rhythmus-Gitarre und tanzt während der Leadgitarren-Soli. Deutlich wird aber, wie er eben nicht einfach eine einstudierte Nummer aufführt, sondern wach ins Publikum schaut, mit ihm interagiert, die enthusiastischen Reaktionen zunächst fast verwundert registriert und dann deren Auslöser (Augenbrauen hochziehen, Hüfte schwingen, in den Knien federn) erneut ausprobiert, um den Effekt zu bestätigen und zu verstärken. Mit dem Inhalt dessen, was er da singt, haben diese Gesten nichts mehr zu tun, Hauptsache sie kommen an: Ästhetik der Rückkopplung. Was das Publikum begeistert, geht dabei sozusagen unmittelbar in Serie. Diese rezeptive Qualität unterscheidet Elvis von seinen Mit-Rock ’n’ Rollern auf und hinter der Bühne. Man kann sich hier Bob Stanley anschließen, der in seiner Geschichte der modernen Pop-Musik knapp und treffend bemerkt: »Some argue that rock ’n’ roll would have happened without Elvis, and they may be right, but that doesn’t mean it would have taken over, not at all.«61 Erst in Verbindung mit der angedeuteten Methode Elvis nämlich führt die energetische Tanzmusik von Leuten wie Carl Perkins oder Chuck Berry zu jener überwältigenden neuen Jugendkultur, die dann die Basis unserer heutigen Popkultur geworden ist.
59 | www.youtube.com/watch?v=DRNyvO4QouY (2.3.2015) 60 | www.youtube.com/watch?v=uke1B0FpIZ8 (2.3.2015) 61 | Bob Stanley: Yeah Yeah Yeah. The Story of Modern Pop: London 2013, S. 39.
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Zu sehen ist das beispielsweise am Auftritt von Elvis 1957 in Tupelo.62 Man erkennt in der kurzen Filmaufnahme eine mindestens gleichwertige Rolle des (dominant weiblichen) Publikums für das Gelingen des Konzerts. Was die Musiker spielen, hört man aufgrund der ekstatischen Publikumsreaktionen kaum noch (das wird sich bei den frühen Beatles wiederholen); reagiert wird vor allem auf Elvis’ Gesten: Hüftschwung, Augenbrauen, auch stimmliche Besonderheiten wie Kiekser. Hier deutet sich an, was Diedrich Diederichsen erst viel später auf den Punkt gebracht hat (und was bis heute Musikwissenschaftler ein wenig verärgert): Es geht in Pop-Musik nicht im engeren Sinne um Musik.63 Oder, wie Johnny Ray schon etwas früher als Elvis zu Protokoll gab: »I don’t have a voice. […] I got a style.«64 Es ist gar keine Frage, dass Elvis genau weiß, was sein Publikum will, und ihm genau das gibt – sozusagen in jeder Sekunde. In einem Interview nach seinem Auftritt in der Steve Allen Show 1956 kommt es zu folgendem Dialog: [Hy] Gardner: When you shake and you quake when you sing, is that sort of an involuntary response to the hysteria of your audience? Presley: Uh, involuntary? Gardner: Yes. Presley: Well, I’m aware of everything I do at all times […]. 65
Hätte Elvis sich jedoch nach seinen ersten Erfolgen hingestellt und dem Publikum etwas anderes angeboten als das, was dieses inzwischen mit seinem Namen verknüpfte, hätte das aller Voraussicht nach nicht funktioniert. Das wäre in etwa so gewesen, als kaufte man eine Flasche CocaCola und es wäre Wein darin – das muss vielleicht nicht schlechter sein, ist aber nicht das Erwartete und man würde es empört zurückweisen. Der Schriftsteller Jonathan Lethem hat vor einiger Zeit den Gedanken geäußert,
62 | www.youtube.com/watch?v=geVeTQT3UiY (2.3.2015) 63 | Vgl. Diederichsen: Musikzimmer, S. 25. 64 | Zit. n. Stanley: Yeah Yeah Yeah, S. 25. 65 | Zit. n. Marc Weingarten: Station to Station. The History of Rock ’n’ Roll on Television. New York 2000, S. 35.
Pop und Marke
dass Pop eine Art Trick war, eine perverse Rache an der Banalität des alltäglichen Lebens, kollektiv hervorgeträumt von zehn oder fünfzehn Delta-Bluesleuten und einer Million oder hundert Millionen von schreienden vierzehnjährigen Mädchen. 66
Im Unterschied zum Autorenmodell, das sich noch bei Perkins sehen lässt, haben wir es hier auch semiotisch mit einer anderen Struktur zu tun, die Dean MacCannell wie folgt beschreibt: Sender und Empfänger kommunizieren hier weniger, als dass sie gemeinsam an einer semiotischen Produktion teilhaben, bei der sie in wechselseitiger Komplizenschaft eine ikonische Vorstellung hochhalten. Klar mögen sich Priester, Starlets und Mittelstürmer durch ihre direkte Beteiligung an der Herstellung einer spezifischen Sensation eines gewissen sozio-semiotischen Vorrangs vor ihren Genossen erfreuen. Aber sie behaupten diesen Vorrang nur durch ihre absolute Unterwerfung unter die ikonische Zeichenproduktion.67
An den frühen Auftritten Elvis Presleys meint man, diese Grundstruktur eines popkulturellen Zeichens geradezu in statu nascendi erleben zu können. Bereits in der sehr frühen, auratischen Tonaufnahme seines Auftritts beim Louisiana Hayride am 15. Oktober 1954 hört man begeisterte Reaktionen des Publikums an Stellen, an denen im Song (That’s Allright, Mama) nichts Besonderes passiert, die also von den im engeren Sinne musikalischen und lyrischen Zeichen und ihrer Bedeutung weitgehend entkoppelt scheinen. »Die Ikone vereint Sender und Empfänger in einem Kult«, heißt es bei MacCannell weiter, »und ihre kultisch-ikonische Ver-
66 | Jonathan Lethem: Einstürzende Distanz. Möchtegerns Liebeslied oder Der Autor als Fan. In: Pop – Kultur und Kritik 3 (Herbst 2013), S. 94-101; S. 97. 67 | »The addresser and addressee are not communicating so much as they are coparticipating in a semiotic production in which they are mutually complicitous in the exaltation of an iconic image. Of course, priests, starlets and quarterbacks, by virtue of their direct involvement in the production of a particular sensation, may enjoy some socio-semiotic superiority over their fellows. But they maintain this superiority only by absolute subservience to the iconic sign production.« (Dean MacCannell: Sights and Spectacles. Iconicity. Essays on the Nature of Culture. Fs. Thomas A. Sebeok. Hg. v. Paul Bouissac u.a. Tübingen 1986, S. 421-435; S. 426).
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ständlichkeit geht jeder Interpretation, die man nachträglich an ihr vollziehen könnte, voraus.«68 Trotzdem wird hier selbstverständlich auch Bedeutung transportiert und konnotiert, vor allem die Bedeutung ›Sex‹. An der im Tupelo-Video ebenfalls sichtbaren Reaktion der anwesenden Erziehungsberechtigten lässt sich schon erahnen: Natürlich gab es sofort erhebliche Vorbehalte gegen den schädlichen Einfluss, den diese ›Negermusik‹ (man denke an den schwarzen Sergeant White), die obszönen Unterleibsbewegungen usw. auf die jungen Seelen haben mussten. Wir befinden uns hier in den 50ern, dem Jahrzehnt der Schmutz- und Schunddebatten. Und doch fanden die Jugendlichen sofort einen mächtigen Verbündeten gegen die erwachsenen Instanzen in deren eigenen Reihen: die Medien oder, mit der Frankfurter Schule gesprochen, die Kulturindustrie. Den Sendeanstalten und Plattenfirmen war sofort klar, dass hier etwas in Gang war, das ihre eigene Bedeutung, ihre Einschaltquoten und Umsätze in neue Dimensionen steigern würde.
Warenförmig durch und durch Künstler, Industrie und Medienapparat tun das ihre, um das ikonische Zeichen Elvis gemeinsam mit dem fordernden Publikum weiter hochzuhalten. Elvis wird es zu einem kultisch-ikonischen Status irgendwo zwischen Jesus und Coca-Cola bringen und den Plattenfirmen im Laufe von zwei Jahrzehnten Einkünfte in einer Dimension bescheren, die bis dato unerhört war. »One for the money/Two for the show«. Populärkulturelle Produkte werden in westlichen Gesellschaften über die Medien bekannt gemacht und über den Markt vertrieben – wie alle anderen Produkte auch. Ob die Rückkopplung zwischen Produktions- und Rezeptionsseite auf Dauer funktioniert, lässt sich jenseits des einzelnen Auftrittes dann auch an den Verkaufszahlen ablesen. Die von MacCannell beschriebene semiotische Struktur des Spektakels, die zunächst ja noch eine Kopräsenz von Star und Publikum voraussetzt, löst sich unter Marktbedingungen von dieser raum-zeitlichen Beschränkung und wird allgemein. Und hier setzt jetzt eine Kritik an, die bekanntlich sehr viel tiefer geht und beharrlicher anhält als die (tendenziell konservative) Kritik an irgendwelchen jugend-
68 | MacCannell: Sights and Spectacles, S. 426.
Pop und Marke
gefährdenden Inhalten – die (tendenziell linke) Kritik an der Warenförmigkeit des kulturellen Produkts selbst. Die Kulturwaren der Industrie richten sich, wie Brecht und Suhrkamp schon vor dreißig Jahren aussprachen, nach dem Prinzip ihrer Verwertung, nicht nach dem eigenen Gehalt und seiner stimmigen Gestaltung. Die gesamte Praxis der Kulturindustrie überträgt das Profitmotiv blank auf die geistigen Gebilde. 69
So schreibt Adorno 1967 in seinem Résumé über Kulturindustrie. Man erkennt unschwer eine Strukturgleichheit zur Semiotik des Spektakulären: Carl Perkins versucht noch, eine Show abzuliefern, die den Gehalt des selbstgeschriebenen Songs stimmig gestaltet (auf Wildlederschuhe zeigen), Elvis interessiert nur, ob seine Show ankommt. Interpretierbare Inhalte werden in diesem Prozess sekundär, bei Adorno gegenüber der Warenförmigkeit, bei MacCannell gegenüber dem ikonischen Kult. Eher rezeptionsseitig haben um die gleiche Zeit auch Susan Sontag oder Andy Warhol eine ähnliche Umwertung aller kulturellen Werte formuliert. Was aber bedeutet das eigentlich – »durch und durch« warenförmig zu sein? Für Adorno ist das radikal negativ: Die Kulturindustrie spekuliere zwar »auf den Bewußtseins- und Unbewußtseinsstand der Millionen«, doch mache sie diese zum bloßen »Anhängsel der Maschinerie«. Sogar einer älteren Populärkultur trauert er dabei nach, der noch etwas »ungebärdig Widerstehende[s]« innegewohnt habe, »solange die gesellschaftliche Kontrolle nicht total war.« 70 Dass man die immer dominanter werdende Marktförmigkeit gar »demokratisch« nenne, »weil sie der […] Nachfrage gehorche«, weist er höhnisch zurück, denn diese Nachfrage sei »freilich erst angekurbelt[]« worden.71 Hier also sitzt der Kern des warenkritischen Arguments: Die Massen bekämen etwas, das sie eigentlich gar nicht brauchen und von sich aus auch nicht wollen würden, aus reiner Profitgier von der Kulturindustrie und ihren hidden persuaders aufgedrängt. Damit hätten wir wieder das alte Zeichenmodell mit seinem Machtgefälle am Start (top down). Und was macht die Macht? Sie täuscht und betrügt die bewusstlosen Massen.
69 | Adorno: Résumé über Kulturindustrie, S. 338. 70 | Adorno: Résumé über Kulturindustrie, S. 337. 71 | Adorno: Résumé über Kulturindustrie, S. 341.
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Die Ersatzbefriedigung, die die Kulturindustrie den Menschen bereitet, indem sie das Wohlgefühl erweckt, die Welt sei in eben der Ordnung, die sie ihnen suggerieren will, betrügt sie um das Glück, das sie ihnen vorschwindelt. Der Gesamteffekt der Kulturindustrie ist der einer Anti-Aufklärung […].72
In seiner Kritik der Warenästhetik von 1971 setzt Wolfgang Fritz Haug diese Kritik fort und bemerkt, dass die Marktkonkurrenz »sich weitgehend auf die Ebene der Erscheinungsbilder verlagert« habe.73 Der »ästhetische Schein als Gebrauchswertversprechen der Ware« verselbständige sich und werde erneut zum falschen Schein, zum Trug.74 Insbesondere stört Haug sich daran, dass diese Art der Konkurrenz, also eine über das Markenimage, über die Präsentation eines äußeren »Erscheinungsbildes« ausgetragene, »sich sowohl auf ein wirtschaftliches Unternehmen wie auf eine politische Partei, eine Filmdiva oder ein Stück Seife, kurzum auf jeden x-beliebigen Meinungsgegenstand beziehen kann.« 75 Auf allen Gebieten gelte nun: »Wer die Erscheinung beherrscht, beherrscht vermittels der Sinne die faszinierten Menschen.« 76 Diese Verlagerung auf den täuschenden Schein sieht Haug in der Bildung von Marken verkörpert, wozu »alle verwendbaren ästhetischen Mittel« aufgeboten würden. »Vergessen Sie einfach das Wort Banane«, zitiert er eine Werbekampagne der späten 1960er Jahre. »Merken Sie sich Chiquita.« Dies sei symptomatisch: »in den gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaften« stünden tendenziell »keine Gebrauchswertbegriffe mehr zur Verfügung […]. An ihre Stelle ist der geschützte Warenname getreten« – der monopolisierte Markenartikel.77 In der Tat könnte man sagen, dass sich auch Popstars wie Elvis über ein stets auf Anhieb wiedererkennbares optisches und akustisches Erscheinungsbild zu einer Marke entwickelt haben, die sehr viel mehr verspricht als bloß Musik. Dieses Image wird über mehrere Kanäle ver72 | Adorno: Résumé über Kulturindustrie, S. 345. 73 | Wolfgang Fritz Haug: Kritik der Warenästhetik. Überarbeitete Neuausgabe. Frankfurt 2009, S. 50. 74 | Haug: Kritik der Warenästhetik, S. 29f. 75 | Haug: Kritik der Warenästhetik, S. 51. Haug zitiert hier den Kunst- und Wirtschaftsjournalisten Willi Bongard. 76 | Haug: Kritik der Warenästhetik, S. 30. 77 | Haug: Kritik der Warenästhetik, S. 41f.
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breitet, vom Plattencover über die Bravo bis hin zu Filmen und Fernsehshows und schließlich den Liveauftritten. Man wird auch nicht leugnen wollen, dass Elvis und sein Stab dieses Image und damit die faszinierten Fans weitgehend beherrschen. Drittens ist zuzugeben, dass es dabei um enorme Profite geht. Ich bin also ganz unbedingt der Meinung, dass es zielführend und richtig ist, die populäre Kultur der letzten Jahrzehnte als eine Kultur unter Marktgesetzen zu betrachten. Ihre Erzeugnisse sind warenförmig und oft auch markenförmig, und das bestimmt ihren Charakter – soweit gehe ich d’accord mit Adorno und Haug – durch und durch. Allerdings würde ich insbesondere die Machtfrage, in der Konsumkultur im Allgemeinen und in der von Teenagern beherrschten frühen Popkultur im Besonderen, mit MacCannells Semiotik dezidiert anders darstellen wollen als die Frankfurter. Denn sobald der ästhetische Schein der Populärkultur nicht mehr unidirektional von oben, durch die manipulativen Kapitalisten, zur Täuschung der Massen eingesetzt wird, sondern etwas ist, was Produzenten und Rezipienten in einem gemeinschaftlichen Kult, in einer Kultur der Rückkopplung konstituieren und hochhalten, stellt sich die Sache denn doch etwas anders dar. Es ist eben, so zeigt schon ein kursorischer Blick auf die frühe Geschichte des Pop, nicht so, dass die Industrie von sich aus etwas anbietet und die Leute es dann kaufen, obwohl sie es vielleicht gar nicht brauchen, sondern umgekehrt: Die Medienindustrie bemerkt, dass Elvis (der eigentlich nur ein Geburtstagsständchen für seine Mutter aufnehmen wollte) etwas im Angebot hat, nach dem eine erhebliche Nachfrage besteht, dass er »das reinste aller Nachkriegsprodukte war, die Ware, die auf einem expandierenden Freizeitmarkt, auf dem die Leute was ausgeben konnten, noch in den Regalen gefehlt hatte« 78 – und dies allein reicht ihr vollständig hin, es ins Sortiment zu nehmen und »aus dem regionalen Star das erste Multimedia-Phänomen des Landes zu machen«.79 Auch auf Seiten der kulturindustriellen Macher abstrahiert dieser Vorgang weitestgehend von Inhalten wie überhaupt spezifischen Qualitäten des Produktes jenseits seiner Attraktivität, ja diese konnten zunächst 78 | »[…] the purest of postwar products, the commodity that had been missing from the shelves in an expanding marketplace of leisure time and disposable cash« (Peter Guralnick: Last Train to Memphis. The Rise of Elvis Presley. New York 1994, S. 240). 79 | Weingarten: Station to Station, S. 21.
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eher hinderlich sein. In Marc Weingartens Buch Station to Station, das die Geschichte von Rock ’n’ Roll im amerikanischen Fernsehen nachvollzieht, finden sich zahlreiche Beispiele dafür, wie Pop-Musik sich gegen den Geschmack der Offiziellen, des älteren Publikums, der Geldgeber und oft auch der beteiligten Showmaster und Musikprofis selbst medial durchsetzte. Dabei waren immer wieder kleinere Zugeständnisse nötig, wie Elvis’ dritter Auftritt in der Ed Sullivan Show, bei dem man ihn, um sittlichen Anstoß zu vermeiden, nur von der Hüfte aufwärts filmte. Bereits damals war jedoch allen Beteiligten längst klar, dass gerade dessen Bewegungen unter der Gürtellinie zum Kern der Marke Elvis gehörten, einer Marke, die unsere Kultur nachhaltig prägen sollte und durch deren Fiktionswert niemand je um ein vorgeschwindeltes Glück betrogen wurde: »It’s allright, Mama, any way you do.«
Teenage Command Performance Z um Z erreissen gespannt Es geht doch – oder vielmehr, es ging auch vor Hip-Hop schon mal! Im Jahre 1967 nimmt die paradigmatische Haight-Ashbury-Band Jefferson Airplane eine Reihe durchaus origineller Radio-Jingles für Levi’s Jeans auf. »Stretched Levi’s fit right«, singt da etwa ein Chorus zur Surfgitarre, dazu hört man Stretch-Geräusche und zwischendurch zerdehnt gesprochene Sätze wie: »Everybody looks cool and neat in –« oder »The world would be an empty shallow space without Stretched Levi’s«.1 Die White Levi’s kam damals in vielen Farben, nicht nur weiß, und gehörte, in entsprechender Zurichtung, zum Dresscode der kalifornischen Surfer- und Hippieszene. »The world would be an empty shallow space without Stretched Levi’s« kann man also in diesem Zusammenhang durchaus so sagen. Man hört zwar in der Phrasierung, in der leichten Hyperbolik, in der freakigen Rollenstimme des Gurus à la Timothy Leary die Anführungszeichen des Pop durch, auch klingt der Stretch-Sound schon fast wie ein Zerreißen, aber die Basis bleibt ja doch wahr: Ohne Surfen, Jeans, Sex & Drogen & Jefferson Airplane, die Beach Boys oder die Beatles wäre die Welt 1967 immer noch der leere und öde Ort, der sie vor Pop war. Stattdessen geschieht jetzt hier in Kalifornien das, was Popkultur nach Diederichsen immer schon ausgemacht hat:
1 | Jefferson Airplane: Ballons Stretch. Auf: Levi Strauss Salesman’s Record, Fall 1967.
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Um käufliche Kulturgegenstände herum wird eine mehr oder weniger von diesen Gegenständen begünstigte Semantik errichtet, die eine Gruppe für verbindlich erklärt – 2
Markenartikel und gegenkulturelle Popmusik sind Teile derselben Szene. Die kalifornische Surferkultur im speziellen ist auch der Ursprung des Skateboards3 und des bedruckten T-Shirts. Wer keine Ente (duck = geek, nerd) ist, kann dazugehören, wie ein anderer dieser Spots erklärt.4 Das ist witzig. Doch schon 1967 bleibt diese schöne Symbiose nicht ohne Widerstand. So schreibt niemand geringerer als Abbie Hoffman aus Anlass dieser Clips an die Village Voice: It summarized for me all the doubts i have about the hippie philosophy. I realise they are just doing their »thing«, but while the Jefferson Airplane grooves with it’s thing, over 100 workers in the Levi Strauss plant on the Tennessee-Georgia border are doing their thing, which consists of being on strike to protest deplorable working conditions. 5
Abbie Hoffman ist hier die Stimme jener Gegenkultur, mit der eine romantische Auffassung Pop, zumindest in seiner frühen Variante (Pop I), gern identifiziert. Dass es sich ganz so einfach nicht verhält, zeigt nicht nur dieser Konflikt,6 sondern auch der sogenannte Abbie-Hoffman-Incident: Zwei Jahre später versucht Hoffman, seine popmusikalischen 2 | Diedrich Diederichsen: Der lange Weg nach Mitte. Der Sound und die Stadt. Köln 1999, S. 282. 3 | Vgl. Konstantin Butz: ›Coolonialismus‹. Wie das Skateboard nach Schleswig-Holstein kam. In: Pop – Kultur und Kritik Nr. 5 (Herbst 2014), S. 162-173. 4 | »I am a duck. I can’t wear White Levi’s. You are probably human. You have all the luck.« (Jefferson Airplane: Duck. Auf: Levi Strauss Salesman’s Record, Fall 1967). 5 | Zit. n. Peter Dogett: There’s a Riot Going On. Revolutionaries, Rock Stars, and the Rise and Fall of the ’60s. Edinburgh u.a. 2007, S. 119, der hier von einem »typically moralistic letter« spricht. 6 | Im Zuge dieses Streiks kam es auch zu Strip-Ins, bei denen Studenten ihre Jeans in Solidarität mit den Arbeitern auszogen. »›Levis have been the ›uniform‹ of the college student, the civil rights worker, the young and the hippie‹, proclaimed Sam Shirah, a veteran southern activist. ›We are asking you to show your support
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Gegenkultur-Freunde, darunter Grace Slick und Country Joe MacDonald, dazu zu bewegen, die große Bühne des Woodstock-Festivals mit seinen 400.000 Zuschauern für einen Appell zur Befreiung des MC5-Managers, Beat-Poeten und White Panther-Aktivisten Sinclair zu nutzen, der wegen Drogenbesitzes zu einer unverhältnismäßigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Als niemand will, springt er selbst während des Auftritts der Who in einer Stimm-Pause auf die Bühne, greift zum Mikrofon und verkündet: »I think this is a pile of shit, while John Sinclair rots in prison!«. Pete Townshend rammt ihm daraufhin die Gitarre in den Hinterkopf. Später erklärte Townshend, »er hätte Hoffman, obwohl er mit ihm über Sinclairs Haft einer Meinung war, auf jeden Fall von der Bühne gestoßen, egal was für einen Inhalt dieser mitteilen wollte, weil Hoffmann die ›sanctity of the stage‹ [den heiligen Bühnenraum] verletzt habe«.7 Und Hoffmann selbst erklärt später, dass »das Unterbrechen eines Konzerts nicht gern gesehen wird, weil man dadurch den Leuten, die man eigentlich erreichen will, bloß ins Gesicht spuckt.« 8 Nach den Who gehen übrigens als letzter Act für die Nacht Jefferson Airplane auf die Bühne. Weder Markenwerbung noch direkter gegenkultureller Aktivismus sind also problemlos mit Pop-Musik vereinbar. Vielmehr scheint diese irgendwo in der Mitte zu stehen, gefangen in einem popkulturellen Double Bind, der die Jeanswerbung für Jefferson Airplane gleich zur Zerreißprobe macht. Wir befinden uns hier im Zentrum dessen, was mit Diederichsen Pop I genannt wird – Pop als Gegenkultur; und Gegenkultur heißt schließlich auch: gegen den Kapitalismus. Und doch formiert sich auch dieser Pop von Anfang an über Formen des Umgangs mit käuflichen Dingen und kommt zudem selbst nur in Gestalt käuflicher Dinge, über Markt und Medien, an seine Teilhaber. Surrealistic Pillow, Jefferson Airplanes zweites Album, verkaufte sich zeitgenössisch über eine halbe Million Mal to the 400 brave women on strike in Blue Ridge by giving up your uniform.‹« (Peter B. Levy: The New Left and Labor in the 1960s. Champaign/Illinois 1994, S. 137). 7 | »Townshend later said that while he actually agreed with Hoffman on Sinclair’s imprisonment, he would have knocked him offstage regardless of the content of his message, given that Hoffman had violated the ›sanctity of the stage‹« (http:// en.wikipedia.org/wiki/Abbie_Hoffman, 13.11.2014). 8 | »Interrupting the concert is frowned upon, since it is only spitting in the faces of the people you are trying to reach.« Zit. n. Doggett: There’s a Riot Going On, S. 277.
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und kam im Februar 1967 auf Platz 3 der amerikanischen Albumcharts. Seine Lyrics handeln von Liebe und Drogen und üben Kritik am Materialismus der amerikanischen Gegenwartsgesellschaft, ausdrücklich etwa in She Has Funny Cars und 3/5 of a Mile in 10 Seconds: do away with things that come on obscene like hot rods, beauty queens, real fine nicotine 9
Werkimmanent stehen die Psychedelic-Rocker also auf derselben konsumkritischen Seite wie Abbie Hoffman. Und doch könnte ihr Werk geradezu in der Reihe der hier als obszön bezeichneten Kulturgüter stehen: schnelle Autos, schöne Frauen und Drogen10 – Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll. In ihrer Gegenkultur-Hymne We Can Be Together (»We are forces of chaos and anarchy.«) heißt es denn auch: »We are obscene, lawless, hideous, dangerous, dirty, violent, and young.«11 Was sich eindrücklich auch darin manifestierte, dass ihr Auftritt in der Dick Cavett-Show am 19. August 1969, wo sie diesen Song spielten, als amerikanische TV-Premiere des Wortes ›motherfucker‹ in die Mediengeschichte eingegangen ist.12 Im Begriff des Obszönen kommen das Fremdbild als Gegenkultur und das Selbstbild als Ware zusammen. Wir halten fest: (1.) Pop ist von Anfang an ein warenförmiges Produkt der Kulturindustrie und der Unterhaltungsmedien. Entgegen der Auffassung Adornos geht er jedoch in seiner Warenförmigkeit keineswegs auf, sondern hat Teil an einer Jugendkultur mit gegenkulturellen Zügen. (2.) Selbst auf der Höhe von Pop I geht Pop jedoch auch in seiner Gegenkulturalität nicht auf. Notorisch sind die Vorwürfe Bob Dylans, der sich bereits in den 1960ern heftig gegen eine politische Vereinnahmung durch seine Fans wehrte. Über seinen Singer-Songwriter-Kollegen Phil Ochs äußert 9 | Auf Jefferson Airplane: Surrealistic Pillow (1967). 10 | Das »real fine nicotine« steht hier für härtere Drogen, was in den Folgeversen durch seinen Preis ($ 65) und Verkaufsweg (»sold by a kid who’s only 15«) deutlich wird. 11 | Auf Jefferson Airplane: Volunteers (1970). 12 | Im selben Jahr übrigens, in dem es durch Kurt Vonneguts SlaughterhouseFive in die Literaturgeschichte einging. Im Jefferson Airplane-Song geht die Verwendung über einige Umwege zurück auf das Gedicht Black People! von Everett LeRoi Jones aka Amiri Baraka, einem Beat Poet gone Black Activist.
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er, dieser sei mit seinen Songs über Vietnam, »Rassismus in Mississippi, Waffenhandel, Arbeitslosigkeit, die Aufstände in Harlem, die Todesstrafe, rechte Gewerkschaftsbosse, den Gouverneur George Wallace in Alabama, ländliche Armut und weitere Dinge« kein Songwriter, sondern bloß ein Journalist.13 Damit wiederholt Dylan das Verdikt der Avantgarden des 20. Jahrhunderts gegen eine engagierte Literatur, die durch ihre simplen Verfahren und den Fokus auf Inhalte hinter den formalen Möglichkeiten von Kunst zurückbleibe, und verweist so über das Politisch-Ethische (gut/ schlecht) und das Ökonomische (kaufen/nicht kaufen) hinaus auf ein Drittes, eine Sphäre des genuin Ästhetischen (»the sanctity of the stage«). – Eine Untersuchung des Verhältnisses von Pop und Marke hat demnach in zwei Richtungen zu fragen: zum einen, welche Art von Möglichkeitsräumen Pop jeweils eröffnet und – als warenförmig – verkauft; und zum anderen, welche Art von Ästhetik geeignet wäre, den spezifischen Status von Pop zu beschreiben. Wir gehen dazu in einem ersten Schritt noch einmal vor die Phase eines explizit gegenkulturellen Engagements von Pop-Musik zurück und suchen dort, wie generell, nach Schnittstellen zwischen Pop und Marke.
S nap, C r ackle und P op Während Elvis Presley seinen einzigen Werbespot (für Southern Maid Donuts: »You can get ’em piping hot after four PM«14) im November 1954, also noch vor dem Beginn seiner Weltkarriere eingespielt hat, gab es Mitte der 1960er Jahre überraschend viele Versuche, erfolgreiche Popbands für Jingles zu engagieren: die Rolling Stones für Kellogg’s Rice Krispies (1964), Iron Butterfly für Ban Roll-On, Jefferson Airplane für Levi’s Jeans (1967) und Golden Earring (1966), The Who (1967) oder The Moody Blues (1969) für Coca-Cola. Unter anderem Dusty Springfield, The Yardbirds, die Spencer Davis Group und erneut The Who spielten für Great Shakes, einen Instant Milchshake, Coverversionen von deren Werbesong ein, der verdächtig nach Doo Ron Ron klingt.
13 | Vgl. Doggett: There’s a Riot Going On, S. 62f. Wieso muss ich bei diesem Katalog an die Documenta 14 denken? 14 | Vgl. www.southernmaiddonuts.com/ (18.11.2014)
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Der britische TV-Spot mit den Rolling Stones ist ein halbminütiges kleines Meisterwerk. Das Setting ist eine »Pop Show«, eine Juke Box spielt die mundharmonikalastige Rock ’n’ Roll-Nummer ab15 und die Kandidaten – Dad, Mary, John und Mom – drücken, sobald diese in den Lyrics auftauchen, die Stichworte, mit denen Rice Krispies seit den 1930er Jahren beworben werden: Snap, Crackle und – Pop!16 Diese erscheinen dann auf einem modernen Display, wie überhaupt das ganze schnell geschnittene Video Gegenwärtigkeit ausstrahlt – zwanzig Jahre später hätte man von MTV-Ästhetik gesprochen. Pop wird dabei gleich dreifach besetzt: als krisper Sound der Cerealien,17 als Pop-Musik und als ›Pop‹ für ›Paps‹. Rice Krispies sind, wie Pop, eigentlich eine Sache der Jugend, aber ausgerechnet Dad drückt ›Pop‹ zuerst – er darf also auch. Dreimal wird gedrückt (Mom, beide Teenager auf einmal, Dad). Anschließend stecken drei aufeinanderfolgende sehr kurze Einstellungen die Typologie der zeitgenössischen Pop-Musik-Rezeption ab: Eine Normalo-Frau wiegt sich freundlich, ein Mädchen kreischt als Fan und ein erwachsener Mann reißt sich, offensichtlich von der Musik gequält, die Kopfhörer herunter. Insofern sich aber – streng parallel dazu – die ganze amerikanische Kandidaten-Familie vor der popmusikalisch-werbetechnischen Herausforderung bewährt, sind Rice Krispies trotzdem für alle da. Am Ende halten drei Kinder die Voten hoch: drei Mal »Hit«, was sich erneut dreifach beziehen lässt: diegetisch auf die korrekten Eingaben (›hit the button‹) und auf den Stones-Song (Hit = Schlager) sowie als Gesamtaussage auf die Kellogg’s-Cerealien, von deren Qualität der von Brian Jones geschriebene zweistrophige Song ja handelt.
15 | Musikalisch entspricht der zweistrophige Jingle-Song dem zeitgenössischen Rock ’n’ Roll der Rolling Stones und ist dabei sogar eher auf der rauen Seite; erinnert etwas an Jailhouse Rock. 16 | Alle drei beziehen sich onomatopoetisch auf das Geräusch, das die Krispies machen, wenn man sie mit Milch angießt. In früheren Spots treten die drei als Cartoonfiguren auf, die dann gegen die fiesen Mushy, Soggy und Toughy aus der Konkurrenzpackung antreten. Auch die Partridge Family mit David Cassidy hat Werbespots für Kellogg’s Rice Krispies gemacht. 17 | In der zweiten Strophe ›poppen‹ sie auf Stichwort buchstäblich aus der Packung.
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Konsequent und durchaus kunstvoll wird Pop hier also mit einem Produkt verschaltet, zu dessen Werbeimage das Wort – ohne Verbindung zur Musik – schon seit längerem gehört. Die Energie von Pop, so die Aussage, wohnte den Reisflocken schon immer inne, die Eltern erinnern sich, die Jugend kann im Hier und Jetzt anschließen. Die Marke bekommt jugendkulturelle Energie zugeführt, die Stones – vermutlich – Geld. Selbst für eine Band, die ein besonders rebellisches Image pflegt (in bekannter Opposition zu den Beatles), scheint ein solches Arrangement 1964 keinerlei Problem darzustellen. Allerdings bleibt das Verhältnis auch hier strikt asymmetrisch. Es gibt Rice Krispies-Werbung mit der Musik der Stones, ja, aber der Song erscheint auf keinem Album der Band, und ein regulärer Rolling Stones-Song, in dem der Markenname Kellogg’s oder das Wort Rice Krispies vorkäme, lässt sich nicht mal denken.18 In StonesSongs kommen überhaupt keine Markennamen vor.19
D ie T.A.M.I. S how Die fiktive Kundencommunity aus allen Altersstufen mit dem Idealkollektiv der zufriedenen Kernfamilie, die das Kellogg’s-Commercial mit Bezug auf Pop entwirft, ist also keineswegs identisch mit jenem Möglichkeitsraum, den die Musik der Stones selbst eröffnet. Vielleicht lässt sich der basale Unterschied auf die Formel ›Satisfaction vs. (I Can’t Get No) Satisfaction‹ bringen. Tatsächlich dominiert der kreischende, exaltierte weibliche Fan – im Spot kurz zu sehen – die Stones-Konzerte jener Zeit, wie historische Zeugnisse belegen, so etwa der Konzertfilm zur T.A.M.I. Show im Santa Monica Civic Auditorium im Oktober 1964 oder Nick Cohn, der sich an ein Stones-Konzert Anfang 1965 erinnert:
18 | Das wird dann erst 1978 im Song Auf’m Bahnhof Zoo von Nina Hagen der Fall sein. 19 | Undenkbar ist auch, dass die Stones einen ihrer Hits zum Werbespot umgedichtet hätten, etwa für Baked Beans, wie in der Fernsehserie Mad Men imaginiert wird (»Heinz is on my side«).
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Nach dem Auftritt hing ich hinter der Bühne rum. […] Ich ging in den Konzertsaal und er war leer, ganz verlassen, aber da war dieser seltsame Geruch. Pisse: die kleinen Mädchen hatten zu doll gekreischt und sich eingenässt. Nicht bloß ein oder zwei von ihnen, sondern viele, so dass der Fußboden durchtränkt und der Gestank überwältigend war. 20
In der Fixierung auf die Stars wird eine körperliche Energie freigesetzt, die bis heute frappiert und sich nicht im Rahmen der leidlich weltoffenen Normalfamilie einfangen lässt, den der Werbespot konstruiert. Die Fans, die man im Publikum der T.A.M.I. Show (für Teen Age Music International) sieht, sind vielfach im wahrsten Sinne des Wortes außer sich, sie sind selbst völlig erstaunt und wirken auf eine rührende Weise hilflos angesichts der Energien, die sie in diesem Moment an sich selbst erfahren. Einerseits. Andererseits werden auch diese Jugendlichen am nächsten Morgen wieder brav am elterlichen Frühstückstisch gesessen und ihre Flocken gegessen haben. Klaus Theweleit meint zwar, die Zeile »Your Sons and your daughters are beyond your command« aus Dylans The Times They Are A-Changin’ (Juni 1964) sei »die Zeile, die […] am exaktesten den gesellschaftlichen Moment 1964 enthält.«21 Doch handelt es sich dabei vorerst um einen intensiven zwar, aber stets zeitlich begrenzten Ausnahmezustand. Stolz gibt die Eingangssequenz des Konzertfilms das Motto aus: »teenage command performance«, doch dieses Kommando haben die Teenager eben zunächst nur in eigens dafür geschaffenen Räumen wie dem Pop-Konzert und -Film.
20 | »After the show, I hung around in the dressing rooms. […] I went down into the auditorium and it was empty, quite deserted, but there was this weird smell. Piss: the small girls had screamed too hard and wet themselves. Not just one or two of them but many, so that the floor was sodden and the stench was overwhelming.« (Nick Cohn: Awopbopaloobop Alopbamboom [1969]. In: Ball the Wall. N.C. in the Age of Rock. London 1989, S. 49-139; S. 128). 21 | Klaus Theweleit: Der böse Bote. In: how does it feel. Das Dylan-Lesebuch. Hg. v. K.T. Berlin 2011, S. 66-71; S. 69f.
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Der von Pop eröffnete Möglichkeitsraum trägt also, anders als der von der Kellogg’s-Werbung skizzierte, heterotope Züge. Umso interessanter ist es zu sehen, welche konkreten Selbstentwürfe er zur Disposition stellt. Die T.A.M.I. Show (1964) ist hier für die USA der frühen 1960er durchaus repräsentativ. Die Organisatoren wie Jack Nitzsche und die Moderatoren Jan und Dean sowie der Regisseur Steve Binder sind alle erst in ihren z.T. frühen Zwanzigern, also etwa im Durchschnittsalter der Performer und kaum älter als das Publikum. In einem etwas erweiterten Sinne kann das durchaus als Teenage Command Performance durchgehen, was zum einen durch die Aura reiner Gegenwärtigkeit nahegelegt wird, die der Film ausstrahlt, obwohl er von Chuck Berry bis zu den Rolling Stones die gesamte Popgeschichte bis dahin abdeckt: Kein einziger Auftritt hatte auch nur einem Hauch von Nostalgie oder Lauheit, alles war Gerade-Eben-Jetzt, dringlich wie eine Eilmeldung, knisternd vor Kraft. 22
Zum anderen vermittelt die T.A.M.I. Show eine, man kann es kaum anders sagen, sexuelle Energie, die jedoch im Film prima facie weniger von den Musikern ausgeht als von den Go-Go-Tänzerinnen im Bühnenhintergrund und vom Publikum selbst. Das ganze Unternehmen, so Bob Greene, 22 | »None of the acts were imbued with even a hint of nostalgia or tepidity; everything was right-this-minute, impelling-as-a-news-bulletin, crackling with power.« (Bob Greene: When We Get To Surf City. A Journey Through America In Pursuit of Rock And Roll, Friendship, And Dreams. New York 2008, S. 239).
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kam nicht als etwas daher, zu dem die Eltern der Nation notwendigerweise ihre Zustimmung geben würden […], es sollte weder süß noch kuschelig noch ungefährlich wirken. Die hinter den Bands postierten Tänzerinnen rotierten und katzbuckelten mit einem sexuellen Eifer, der heute noch irritiert; die unaufhörliche, verzweifelte Kreischwand der kalifornischen Mädchen im Publikum bestand aus Schreien offenen Begehrens, ein Eindruck, der durch die vielen Nahaufnahmen der überreizten und verzerrten Mädchengesichter noch bestärkt wird. 23
Hier konstituiert sich also, folgt man Greene, ein der Elterngeneration unzugänglicher Raum absoluter Gegenwart und offenen Begehrens. Allerdings gibt es, näher betrachtet, Komplikationen. Das beginnt schon beim Aspekt der Gegenwärtigkeit: Der Vorspann zeigt, wie Stars und Teenager aus aller Welt zusammenströmen, die Surferboys Jan und Dean nehmen, angekündigt von einer Stimme aus dem Off, ihre Plätze vor der Bühne ein (Teenager übernehmen das Kommando) und kündigen an »the guy who started it all back in 1958: Chuck Berry«. Nicht nur wird hier ein historischer Kontext aufgemacht, Berry ist mit seinen 37 Jahren auch alles andere als ein Teenager,24 und die Hits, die er spielen wird (Johnny B. Goode, Maybellene, Sweet Little Sixteen), gehören bereits einem früheren Zeitalter an.25 Nach zwei kurzen Songs muss er sich die Bühne denn auch mit Gerry & the Pacemakers teilen, nun wirklich einer Band der Stunde, erfolgreicher Merseybeat aus Liverpool.26 Gerry Marsden ist ge23 | »[…] not presented as something for which the nation’s parents would necessarily grant approval […], was not supposed to be cute or cuddly or safe. Female dancers, gyrating and humping with a sexual ardour that is startling to see even now, were positioned behind the bands, the ceaseless, desperate wall of shrieks from the California girls in the audience were cries of open longing, an impression amplified by frequent close-ups of the girls’ overwrought and contorted faces.« (Greene: When We Get To Surf City, S. 239). 24 | Allerdings war er im Jahr zuvor erst aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er anderthalb Jahre wegen Über-die-Grenze-Bringen einer Vierzehnjährigen gesessen hatte. Aber das Verhältnis der Rock ’n’ Roller zu minderjährigen Mädchen ist eine andere Geschichte. 25 | Maybellene war übrigens schon 1955 ein Nr. 1-Hit der R’n’B-Charts. 26 | »[They] knocked out several number ones in ’63 […], smiled constantly and were very famous for eighteen months«, schreibt Bob Stanley (Yeah Yeah Yeah. The Story of Modern Pop. London 2013, S. 135). Immerhin wurden sie von Brian Ep-
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rade mal 22 Jahre alt (teenage command performance), seine Band übernimmt bei Maybellene, spielt dann eigene Hits und noch einige Male mit Berry im Wechsel. Sie verkörpern so – vis-a-vis dem Original – das britische Rock ’n’ Roll-Revival, gemeinsam mit den Rolling Stones,27 während der kalifornische Rahmen mit Jan und Dean und später den Beach Boys wiederum die Heimkehr des Pop aus England manifestiert.28 Soviel zum Gerade-Eben-Jetzt. Die zweite Komplikation betrifft die vertrackte Semiotik des Raums im Santa Monica Civic Auditorium in Bezug auf das Begehren. Die Bühne markiert so etwas wie die Mitte zwischen einem Hintergrund, wo die Go-Gos auf Gerüsten tanzen (und rechts, eher unauffällig, auch die Studioband platziert ist), und dem Publikum, wobei die Moderatoren auf einer Art Proscenium Platz finden. Bühnenvorder- und Hintergrund können mit einem Vorhang getrennt werden, die Grenze ist für die Go-Gos aber auch durchlässig. Publikumsraum und Bühne sind dagegen streng getrennt. Die Tänzerinnen – darunter auch zwei männliche – werden im Vorspann in einer Art Turnhalle beim Üben gezeigt. Es handelt sich bei ihrer Performance, die (vgl. Greene!) bis heute irritierend wirkt, also um ein Showelement mit durchaus sportlichen Zügen, irgendwo zwischen Cheerleading und Revuetanz. Sie singen nicht (dafür müssen Marvin Gaye und James Brown ihre eigenen Chorusgirls mitbringen). Was aber repräsentieren sie? Doch wohl eine Teenage-Rezeption dessen, was auf der Bühne vorgeht, in Form eines begeisterten, zwar choreographierten, dabei aber bewusst nicht allzu uniformen, sexualisierten Tanzens und stein gemanagt und von George Martin produziert, liefen also für kurze Zeit parallel zu den Beatles, anfänglich sogar erfolgreicher. Wo es hier um Markennamen geht, soll nicht verschwiegen werden, dass die Band ursprünglich The Marsbars hieß, was auf Einspruch der Firma geändert werden musste. 27 | »Had it not been for cover versions of some of his songs by the Beatles, the Rolling Stones and the Kinks, Berry might have slipped into obscurity after doing a four-year jail term for driving an underage girl over state lines to work at his St Louis nightclub« (Stanley: Yeah Yeah Yeah, S. 57). Gerry & the Pacemakers, die Maybellene auf ihrem ersten Album aufnahmen, wären hier zu ergänzen. 28 | Der Rest des Konzerts gehört dem Soul. Dabei ist noch eine weitere Sache auffällig: Chuck Berry wird, wie die Soul-Vokalisten, von der Studioband (The Wrecking Crew) begleitet, während die Beat- und Surfbands jeweils ihr eigenes Ensemble (mit Schlagzeug) auf die Bühne stellen.
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Shakens.29 Gelegentlich werden dabei Elemente der Songtexte aufgenommen: pantomimisches Gitarrenspiel (Johnny B. Goode), Trampen (Hitchhike Baby) und Surfen (Surfin’ USA), manchmal kommt es auch zum Antanzen der Stars. Bei Sweet Little Sixteen verwandelt sich die blonde Tänzerin hinter Berry von einem scheuen Kind mit Finger auf der Unterlippe in eine lasziv tanzende Frau. Das Publikum auf seinen Sitzen dagegen tanzt nicht oder kaum. Vor allem die Mädchen stehen aber immer wieder auf und kreischen, winken und strecken zum Teil ihre Arme in Richtung der nahen, aber unerreichbaren Stars auf der Bühne aus. Agieren also die Tänzerinnen sozusagen in ritualisierter Form die Gefühle für das Publikum aus? In der Zusammensetzung (Alter, Verteilung von weiblich-männlich, weiß-schwarz, jeweils mit Dominanz des ersteren) wäre durchaus Ähnlichkeit gegeben. Dennoch verhält es sich wohl komplizierter; mir scheint hier noch eine weitere Opposition am Werk, die sich formulieren ließe als Differenz zwischen Pop als Tanzmusik (50er) und Pop in einem existenzielleren Sinne (60er), der die Mehrkanaligkeit impliziert. Das lässt sich minimalpaarartig am Auftritt der Miracles zeigen. Bei ihrer Schlussnummer, ihrem 1963er-Hit Mickey’s Monkey, tanzen die vier Sänger selbst (»Do the monkey!«) in ähnlicher Manier wie die Hintergrundtänzerinnen, und schließlich sieht man auch das Publikum die ritualisierten Bewegungen ausführen. An diesem einmaligen Moment der Deckungsgleiche aller drei Ebenen – eingeleitet vom berühmten Shout »Alright, is everybody ready?« – sieht man ex negativo, dass diese sonst eben in dem, was die diversen Akteure tun und bedeuten, nicht gegeben ist. Hier ist noch, oder noch einmal, der Tanz selbst (The Monkey) »the new teen craze«. Was die Rolling Stones am Ende des Konzerts machen werden, hat damit dann kaum noch etwas zu tun.30 Signifikant anders funktioniert aber bereits die Miracles-Nummer unmittelbar vor Mickey’s Monkey, ihr Top-Ten-Hit von 1962 You’ve Really Got a Hold on Me. Hier arbeitet sich Smokey Robinson, der Leadsänger, in einen Zustand gesteigerter Emotionalität hinein, drückt also selbst inten29 | Nahezu zeitgleich wurde diese Art sexualisierter TänzerInnen in der TV-Show Shindig eingeführt, die am 16. September 1964 auf ABC Premiere hatte. 30 | Während des Stones-Auftritts gibt es keine Go-Gos, man sieht Fans, die aus einfachen, auf der Bühne nicht vorgeführten Tanzbewegungen heraus in die Ekstase fallen.
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sives Begehren aus. Mit Please, Please, Please, seinem ersten Hit von 1956, wird James Brown später im Konzert für diesen Typus eines der ultimativen Beispiele der Popgeschichte überhaupt abliefern. Zu diesen Songs tanzt das Publikum nicht, sein »teen craze« äußert sich in Anhimmeln und Kreischen. Begehren trifft auf Begehren, könnte man sagen, oder Hingabe auf Hingabe. Browns berühmt gewordene Nummer zeigt einen Lady’s Man, der sich bis zum Äußersten verausgabt, immer wieder zusammenbricht und von seinen Bandmitgliedern aufgerichtet und mit einem Cape bedeckt werden muss. Vorbild für Brown war hier angeblich der Wrestler Gorgeous George (›The Toast of the Coast‹), auch hier ist also ein sportlicher Aspekt vorhanden, aber er betrifft nur die Verausgabung. Auch die akrobatischen Tanzbewegungen James Browns sind zur Nachahmung weder gedacht noch empfohlen. Und die Nummer mit dem Cape macht ja immer wieder klar, dass es sich hier um eine Inszenierung handelt (Wrestling, nicht Boxen!), echte Verausgabung, aber im Modus des Als-ob. Worauf richtet sich also das ekstatische Begehren der Fans? Die einfache Antwort wäre: auf den Star als Mann und Sexobjekt. Sie ist falsch. Zum einen präsentieren sich James Brown, Smokey Robinson oder Marvin Gaye nicht einfach als sexualisierte Männer, sondern performieren selbst Begehren. Zum zweiten sind sie als Schwarze, anders als vielleicht Gerry Marsden, die Beach Boys oder Mick Jagger, 1964 ohnehin nicht in der Dating-Zielgruppe zumindest des weißen Publikums. Zum dritten kreischen die Fans auch bei weiblichen Acts wie Leslie Gore oder den Supremes. Es muss sich also komplexer verhalten. Denken wir erneut an die Mehrkanaligkeit – bei den aufgeführten Hits (und die T.A.M.I. Show ist eine ganz erstaunliche Aufeinanderfolge von grandiosen Hitsongs) und den aufführenden Künstlern handelt es sich entweder um sehr bekannte, sozusagen ganz frühe Pop-Klassiker oder um Bands und Hits der Stunde. Das heißt, sie sind dem Teenage-Publikum, das an diesen Abenden im Santa Monica Civic Auditorium sitzt, bereits aus »intimer, das Kinderselbst absichernder Heim-Rezeption« von Radio, Schallplatten und aus Magazinen bekannt. Das Überwältigende jetzt hier, live vor Ort, ist die Bestätigung, dass es das, was die Platte versprach, wirklich gibt, im kollektiven Erlebnis von »auf der Basis dieser Kinderzimmer-Erfahrung aufgebauter aggressiver, kompetitiver, euphorisierender und sexua-
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lisierender Jugendöffentlichkeit.«31 Die Performer sind dabei weder die Sender-Subjekte einer göttlichen Message noch die Objekte des Begehrens, oder beides allenfalls ein bisschen. Entscheidend ist, dass sie bestätigen und einlösen, was sie auf anderen Kanälen bereits versprochen hatten. Und selbst das tun sie nur im Verbund mit den anderen Hörerinnen, ihrem Publikum. Der Ausdruck »Teenage Command Performance« ist eine Abwandlung von ›Royal Command Performance‹, dem Auftritt auf Verlangen des britischen Königshauses.32 Die Teenager besetzen dabei also die Stelle des Souveräns. »Welcome! Hello Rolling Stones to our TAMI Show« steht auf einem selbstgeschriebenen Schild, das während des Konzerts im Publikum hochgehalten wird. Our Show – es ist die Show der Fans mindestens ebenso wie die der Stones. Immer wieder gucken sie sich denn auch in ihrer ekstatischen Begeisterung nach ihren Nachbarn um, versichern sich der Gemeinschaft. Hier ist wieder das MacCannell’sche Modell semiotischer Koproduktion zu beobachten, bei dem Sender und Empfänger gemeinsam an einer semiotischen Produktion teilhaben, bei der sie in wechselseitiger Komplizenschaft eine ikonische Vorstellung hochhalten, die sie »in einem Kult« vereinigt.33 Die Ikone kann immer noch ›James Brown‹ oder ›The Rolling Stones‹ heißen, aber sie ist nicht identisch mit den Akteuren dieses Namens jetzt hier live auf der Bühne, schon gar nicht mit den empirischen Personen, sondern bezeichnet einen medial breiter gefächerten Produktund Rezeptionskomplex. Und das Begehren der Fans ist weniger auf diesen Komplex gerichtet als vielmehr ein Teil von ihm.
31 | Diederichsen: Über Pop-Musik, S. 14. 32 | Wie der berühmte Auftritt der Beatles im Prince Albert Theatre, London, am 4. November 1963 (John: »Will the people in the cheaper seats clap your hands? And for the rest of you, if you’ll just rattle your jewelry…«). 33 | MacCannell: Sights and Spectacles, S. 426.
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D ie allgemeine S timme Und das ist nun von Bedeutung für den Begriff einer Pop-Ästhetik und/ oder Konsumästhetik, wie er hier zu entwickeln ist. Wenn wir ganz klassisch bei der Ästhetik Kants ansetzen,34 dann scheint es zwar auf den ersten Blick, als könne es einen größeren Unterschied als den zwischen der frenetischen, sinnlichen, sexualisierten, ganzkörperlichen Rezeption der T.A.M.I.-Fans und dem, was dieser als Arbeitsweise der ästhetischen Urteilskraft im Modus interesselosen Wohlgefallens bestimmt, gar nicht geben. Näher besehen jedoch stellt sich die Sache anders dar: Die Fans wollen den Star ja eben nicht ›haben‹ oder besitzen im engeren Sinne, so wie, sagen wir, enthusiasmierte Schnäppchenjäger zu Beginn eines Schlussverkaufs oder Freunde von Frühstücksflocken die Waren haben wollen. Das, was an den Bands besitzbar ist (Schallplatten, Merchandise), haben sie ja bereits. Insofern ist ihr Wohlgefallen tatsächlich, überraschenderweise, im strengen kantischen Sinne interesselos. Zugleich beruht das positive Urteil über die Band oder den Star nicht auf Begriffen (»die Artikulation als Kult-Ikone geht jeder Interpretation, die aus ihr folgen könnte, voraus«, sagt auch MacCannell35). Abbie Hoffmans politische Überzeugungen sind begrifflicher Art, er fordert das Gute und ethisch Richtige ein. Aber dafür, so hat sich gezeigt, ist der heilige Raum der Rock-Bühne (Pete Townshend) der falsche Ort.36 Zwischen dem vernünftigen Interesse am Guten (Ethik, Politik) und dem rein privat-sinnlichen Interesse am Angenehmen (Konsum) nimmt die Pop-Rezeption also genau jene Mittelstellung ein, die Kant dem Schönen und damit dem Bereich des Ästhetischen zuweist. Hier lässt sich auch das Gemeinschaftserlebnis, das die Fans der T.A.M.I. Show erleben, einordnen. Zuvor hatte man, wie gesagt, für sich allein im Kinderzimmer in und anhand der Musik der Rolling Stones ent34 | Gerade für einen eigenständigen Begriff des Ästhetischen bleibt Kants Kritik der Urteilskraft, wie mir scheint, der notwendige Bezugspunkt. Zu einer vorkritischen Ästhetik, etwa der Burkes, zurückzukehren, nur weil sie vordergründig ›besser passt‹, löst die Fragen ja nur scheinbar. 35 | MacCannell: Sights and Spectacles, S. 426. 36 | Deshalb werden auch alle Bob-Geldorfsch-gutgemeinten Pop-Konzertaktionen wie »Rock gegen rechts« oder »Aid for Africa« so leicht zu peinlichen Angelegenheiten.
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deckt, »[d]ass es etwas gibt«.37 Und zwar ein Etwas mit überindividueller, Diederichsen sagt: gesellschaftlicher Dimension; denn im Geschmacksurteil spricht, so Kant, eine »allgemeine Stimme, in Ansehung des Wohlgefallens«,38 will sagen: Die eigene Empfindung verlangt nach Objektivierung. Darin zeigt sich einerseits erneut der kategoriale Unterschied zum bloß Angenehmen, Konsumierbaren. Wenn man statt der Stones, sagen wir: Marzipankartoffeln (oder Rice Krispies) entdeckt, weiß man, dass sie einem gut schmecken (und behält das für sich, bis sie alle sind); und begegnet man jemandem, der kein Marzipan (oder keinen Puffreis) mag, ist das gar kein Problem, im Gegenteil. Das Urteil ist also rein subjektiv. Andererseits sind es auch keine Vernunftgründe, aus denen heraus sich das Urteil über die Pop-Musik oder den Star (sein Aussehen etwa) argumentativ durchsetzen ließe. Es verhält sich also genau so, wie Kant sagt: Das Geschmacksurteil selber postuliert nicht jedermanns Einstimmung (denn das kann nur ein logisch allgemeines, weil es Gründe anführen kann, tun); es sinnet nur jedermann diese Einstimmung an, als einen Fall der Regel, in Ansehung dessen es Bestätigung nicht von Begriffen, sondern von anderer Beitritt erwartet. Die allgemeine Stimme ist also nur eine Idee […]. 39
Genau dieses Ansinnen als begrifflich nicht einholbare Erwartung einer Gemeinschaft (»anderer Beitritt«) ist es, was sich in der Konzertsituation dann so grandios erfüllt: Ja, auch die anderen haben empfunden wie ich, sind der (neuen) Gemeinschaft beigetreten und halten mit mir die Ikone hoch. Die allgemeine Stimme war nur eine Idee40, doch jetzt kreischt sie unaufhörlich; die Idee ist gerade eben jetzt hier im Konzert Wirklichkeit, in Form eines Kults, in Form von Pop. Somit feiert der Fan im PopKonzert mindestens ebenso inbrünstig wie den Star und seine Musik zum einen sich selbst, seine Empfindung, das – wie sich jetzt bestätigt – Reale seiner Vorstellung, seines Phantasmas, und zum andern die Gemeinschaft, die diese Realität beglaubigt, in der er in seiner Begeisterung ›außer sich‹ ist und sein darf.
37 | Diederichsen: Über Pop-Musik, S. 12. 38 | KdU 25, § 8. 39 | KdU 26, § 8. 40 | Aber was heißt hier eigentlich »nur«, bei Kant und Idee?!
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Nach Kant gründet das ästhetische Urteil zwar nicht auf einem Interesse, aber er sieht durchaus, dass es in einem zweiten Schritt seinerseits mit einem Interesse als »Lust an der Existenz« des Schönen verbunden werden kann, und benennt dafür zwei Optionen, eine empirische und eine intellektuelle. »Empirisch interessiert das Schöne nur in der Gesellschaft«, man könne mit ihm »sogar sein Gefühl jedem anderen mitteilen«.41 Hier geht es also um Gemeinschaftsbildung (durch das Ansinnen gemeinsamen Geschmacks) und Distinktion, und zwar im Modus aktiver Kommunikation durch Schmuck oder Kunst. Unter den Bedingungen der Popkultur beträfe das vor allem die Bildung von Tribes und anderen In-Groups.42 Davon unterscheidet Kant in § 42 der Kritik der Urteilskraft ein »intellektuelles Interesse an der Schönheit der Natur«, das »jederzeit ein Kennzeichen einer gute Seele« im Betrachter sei. »D.i. nicht allein ihr Produkt der Form nach, sondern auch das Dasein desselben gefällt ihm«.43 Entscheidend ist dabei: Es muß Natur sein oder von uns dafür gehalten werden, damit wir an dem Schönen als einem solchen ein unmittelbares Interesse nehmen können; noch mehr aber, wenn wir anderen zumuten dürfen, daß sie es daran nehmen sollen […]. 44
Sobald Absicht erkennbar ist (etwa der Nachtigallenschlag sich als vom Wirt bezahlte Nachahmung durch einen »mutwilligen Burschen« im Gebüsch herausstellt), fühlt sich die gute Seele getäuscht. Gerade im Gegensatz zum empirischen Interesse am Schönen als Kommunikation im Paragraphen davor geht es hier also dezidiert um einen nicht auktorial intendierten ästhetischen Effekt. Nun ist Natur beim Pop-Konzert eher nicht im Spiel, dennoch erscheint mir die Bedeutung anschlussfähig, die Kant hier einem nicht-produzierten Schönen beilegt. Geht es dabei doch um einen Grad an Komplexität und Unverfügbarkeit für den Einzelnen, wie Kant ihn eben nur als Natureffekt denken kann; wir würden heute vielleicht von einem Ästhetischen als Wirkung eines systemischen Zusammenhangs sprechen. Und genau so ein systemischer Zusam41 | KdU 162f., § 41. 42 | Und weniger eine Disktinktionspraxis entlang von Klassen- und Einkommensgrenzen, wie sie Bourdieu beschrieben hat. 43 | KdU 166f., § 42. 44 | KdU 173, § 42.
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menhang ist es ja, der das Pop-Schöne hervorbringt, ein Dispositiv aus Musikern, Textern, Produzenten, kulturindustriellem Apparat, Markt, verschiedenen Medien, Moderatoren, DJs, Rezensenten, den individuellen Rezipienten und der Fan-Gemeinschaft (und da sind die Go-Gos noch gar nicht mitgerechnet). Gemeinsam halten produzierende und rezipierende Seite, für sich jeweils schon recht komplex, die Pop-Ikone hoch, »not communicating so much as they are coparticipating in a semiotic production in which they are mutually complicitous in the exaltation of an iconic image« (MacCannell). Zugespitzt lässt sich sogar sagen, dass die auktoriale Instanz im Pop auf der Rezipientenseite zu suchen ist.45 Der neue Souverän in demokratischer Kunst ist das Publikum – Teenage Command Performance! Erst in der Rückkopplung, die sich der Unterstützung des Dargebotenen durch sein Teenager-Publikum versichert, durch Reaktion und Applaus bei den Live-Shows, vor- und nachgängig jedoch über Marktmechanismen (den Kauf von Tonträgern und Eintrittskarten), erst im Horizont der allgemeinen Stimme gelingt der Act und ist Pop.
S aved B y R ock ’ n ’ R oll Nun ist die T.A.M.I. Show nur als edierter Film überliefert. Man kann deshalb nicht genau sagen, ob z.B. die Gegenschnitte ins Publikum tatsächlich exakt die Momente einfangen, die dem jeweiligen Bühnengeschehen entsprechen. Allerdings agiert der Film ja (wie wir sahen, durchaus zu Recht) unter dem Motto »Teenage Command Performance«; die repräsentierten Teenager und ihre Reaktionen sind insofern nicht bloß dokumentiert, sondern auch Teil der Werkaussage. Der Film präsentiert sie als wesentliches Element einer Show, die sie selbst als nicht nur kulturindustriell für sie gemacht, sondern als die ›ihre‹ (»our TAMI Show«) begreifen. Ihre Reaktionen auf die Rolling Stones reichen vom gebannten Zuhören über rhythmisches Wiegen, Auf-der-Stelle-Tanzen und Klatschen (noch mit Kontakt zu den Nachbarn) bis hin zu Hüpfen und lautstarker Eksta45 | »And it may be that a crowd at a particular moment of history creates the object to justify its gathering, as it did at the first Human Be-In and Monterey Pop and Woodstock.« heißt es in Jennifer Egans Roman A Visit from the Goon Squad (London 2011, S. 343f.).
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se,46 deren Ausrichtung zur Bühne hin (Blicke, Winken, ausgestreckte Arme) sich schließlich auch wieder nach innen richten kann. Ein weiblicher Fan im V-Pullover wird während des ersten Stones-Songs in einer sozusagen post-ekstatischen Phase gezeigt: Die junge Frau wirkt, als habe sie nach dem sich verausgabenden Anhimmeln zurück zu einem beinahe trotzigen Tanzen gefunden, das nicht mehr die lernbare Bewegungsform (»The Monkey«) ist, sondern eine äußerlich reduzierte, völlige Verschmelzung von Körper, Musik und Situation, mit feuchtem, gesenktem Blick – eine Teenage-Ikone der Erfüllung.47
In diesem auratischen Moment sind keine Go-Go-Girls zu sehen. Der Auftritt der Rolling Stones auf der Bühne wirkt eher ›cool‹, auch im Vergleich zum vorhergehenden ›heißen‹ Auftritt James Browns: sparsame Bewegungen, gelegentliches Lächeln und Kopfrucken, die mitunter leicht spastisch anmutenden Sprungbewegungen des 21-jährigen Jagger. Das ändert sich erst ganz zum Schluss noch einmal, als zum Konzertfinale (Get Together) zuerst die Go-Gos und dann alle Performer noch einmal auf die Bühne kommen. Im Kontrast zur den Stones wirken die outrierten Bewegungen der Tänzer und Tänzerinnen, die Showeinlagen und hüpfenden Brüste nun endgültig überkandidelt. Sie enthüllen ein Moment von Unernst, das der vorausgegangenen Kommunion zwischen Band und Publikum völlig abging, das jetzt aber auch durch die anderen Performer verstärkt wird, denen ja nicht viel anderes übrigbleibt, als noch ein wenig 46 | Auch bei offensichtlichem Wiederkennen, etwa bei Time Is On My Side, scheint jedoch niemand mitzusingen. 47 | Vgl. The T.A.M.I. Show, 1:37:50.
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auf der Bühne herumzuhampeln. Einige entscheiden sich dabei für dezente Tanzbewegungen (James Brown, in deutlichem Gegensatz zu seinem Auftritt zuvor, die Supremes), andere machen richtig Quatsch, wie Gerry Marsden bei seinem Tänzchen mit Hut mit Leslie Gore. Die Beach Boys tragen einen der Ihren muppetshowartig quer über die Bühne. Keith Richards gibt es irgendwann auf, noch den Backbeat zu schlagen, und steht etwas verloren klatschend herum. Dieses Grand Finale, das der Film nur sehr kurz, etwa zwei Minuten lang zeigt, ist zwar der Höhepunkt der Show, aber eben nicht der Höhepunkt der Kommunion von Stars und Fans, von Musik und Rezeption, der lag jeweils vorher. Es wäre allerdings auch zu einfach zu sagen, die Show-Elemente, verkörpert in den Tänzerinnen, blieben diesem entscheidenden Verhältnis äußerlich. Der Go-Go-Tanz erinnert z.B. an die Girls, die in dem frühen Rock ’n’ Roll-Film Don’t Knock the Rock (1956) zu Hot Dog Buddy Buddy tanzen, live performt von Bill Haley & his Comets. Hier wie dort zeigen sie durchaus eine bestimmt Art von befreiender Potentialität an, die von dieser Musik ausgehen kann durch Lust, Spiel, Körperlichkeit. Aber sie tun dies im ritualisierten Rahmen von (einstudiertem) Tanz und Show, die beide immer im Zeichen des Heiteren und damit auch des Unernstes stehen. Dabei kommt man vielleicht ins Schwitzen, aber man verliert sicher nicht die Kontrolle über die elementaren Körperfunktionen. Dieses Moment von Rock-Musik ist campfähig, es lebt von Übertreibung und Anführungszeichen, es siedelt die Kunst sozusagen innerhalb der Genregrenzen einer kommerziellen Unterhaltungsindustrie an, und zwar offen und bewusst. Elvis hatte von Anfang an etwas davon, und es setzt sich bis Madonna, Beyoncé und Lady Gaga fort. Ebensogut findet man es aber auch bei, sagen wir, Fred Astaire, Caterina Valente oder Peter Kraus. Diese Art von Show gehört zu Pop, aber sie bezeichnet nicht seine Tiefenstruktur. »Dass es etwas gibt«, erfährt man, und das wird auch für die Teenager der T.A.M.I. Show gegolten haben, zunächst eben nicht im Konzert, nicht mit dem Star oder auch nur einem Bild von ihm vor Augen, nicht durch eine Inszenierung, sondern im intimeren Modus des Akustischen, zu Hause, vor dem Radio. Der britische Soldatensender kam nur verzerrt aus dem Äther. Doch das war spätestens, als der Diskjockey voller Inbrunst Bill Haleys »Crazy, Man, Crazy« ankün-
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digte, so was von egal. Ich kannte Haley nicht, ich kannte das Lied nicht, aber schon nach den ersten paar Takten war es um mich geschehen. 48
erinnert sich der Star Club-Gründer Horst Fascher. Wir befinden uns hier im Jahre 1953. Einige Jahre später widerfährt dem acht- oder neunjährigen Duisburger Friedhelm Misiejuk, später The Rolling Beats, Ähnliches: Unser Radio stand in der Küche immer auf dem Küchenschrank, und meine Mutter hatte öfters den englischen Sender an, BFN. Ich kam irgendwann aus der Volksschule nach Hause, legte meinen Ranzen in die Ecke, hörte etwas im Radio, was mich, bis heute noch, elektrisierte. Jailhouse Rock von Elvis. Ich kriegte so einen richtigen Klatsch auf die Backe. Das ging mir rein und durch den ganzen Körper wie ein Stromschlag. 49
Der Song Rock and Roll von Velvet Underground thematisiert das gleiche Erlebnis für die 60er, und Anfang der 70er erlebt Bernd Begemann seine Initiation in die Pop-Musik auf die gleiche Weise, als, wieder einmal in der elterlichen Küche, mit schwerem Akzent von Mal Sondock angesagt, Ballroom Blitz von Sweet ertönt: Wo eben noch Lähmung war, ist nun Brian Conollys Hysterie. Was eben noch hygienisch war, ist nun blutbesprenkelt. Was eben noch statisch war, schwirrt, flimmert, fliegt. Du bist komplett. Die Küche steht unter Wasser. Ein Lied hat das gemacht. 50
Der siebzehnjährige Horst ahnt vage, dass es dabei um »irgendetwas Sexuelles« geht,51 ähnlich der zwölfjährige Bernd: »und du kannst noch 48 | Horst Fascher: Let The Good Times Roll! Der Star-Club-Gründer erzählt. Aufgezeichnet von Oliver Flesch. Frankfurt 2006, S. 55f. Vorher gab es nur Jazz: »Wenn ich es mir leisten konnte, sah ich in der Ernst-Merck-Halle amerikanische Jazz- und Swing-Giganten wie Ella Fitzgerald und Lionel Hampton. Oh Mann, das waren große Abende. Doch irgendwie fehlte der letzte Kick.« (S. 55) 49 | Zit. n. Hans-Jürgen Klitsch: Shakin’ All Over. Die Beatmusik in der Bundesrepublik Deutschland 1963-67. Erkrath 2000, S. 27. 50 | Bernd Begemann: Ost-Westfalen, Fast-Weltweit. Grandios am falschen Ort: Deutscher Pop kommt aus der Provinz . Eine Erinnerung an Bad Salzuflen. In: Der Tagesspiegel (17.09.2004), S. 25. 51 | Fascher: Let The Good Times Roll!, S. 56.
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nicht so gut Englisch und verstehst nicht, dass es um Randale geht in diesem Song, aber du verstehst es doch.«52 Im nächsten Schritt kauft und hört man die Platte. Das Speichermedium erlaubt das Wieder-und-wieder-Hören, was nach Diederichsen immer wieder ein Erinnern an das erste Hören impliziert. Zugleich kann man Gespeichertes aber auch teilen, es entsteht eine erste Ingroup (Brüder, Freunde). Der Tonträger gibt dann vielleicht auf dem Cover auch erste optische Eindrücke vom Star – Aussehen, Hautfarbe, Frisur, Kleidung, Accessoires – die sich durch Jugend- und Musikzeitschriften mit ihren Bildstrecken und Homestorys ausbauen lassen. Radio, Schallplatte, Zeitschrift – das sind schon drei mediale Kanäle, die bespielt und rezipiert wurden, bevor es ins Konzert geht und man in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Star und den anderen Fans gemeinsam das ikonische Zeichen hochhalten kann, in einer Gemeinschaft, die sich um die käuflichen Dinge der Band/des Stars herum gebildet hat und sich nun gegenseitig in Form einer Kulthandlung reaffirmiert. Im Idealfall verschmelzen dabei individuelles Erlebnis und Gruppenerlebnis im erfüllten Moment. Welcome to our T.A.M.I. Show! »It remains the greatest rock concert film ever made«,53 weil es ihr gelingt, dieses pop-konstitutive Moment einzufangen.
R ock ’ n ’ R oll-K ommando Das ist allerdings ein fragiles Moment, insbesondere dort, wo der PopKult noch nicht vollständig ritualisiert ist und noch nicht alle Beteiligten inklusive der Veranstalter wissen, worum es sich handelt, worauf es ankommt und was von ihnen erwartet wird, und dies wiederum insbesondere dort, wo die Teenager (noch) nicht das Kommando haben. Wie so eine Performance scheitern kann, wenn sie eben nicht von Teenagern, sondern von einer schwerfälligen Kulturindustrie kommandiert wird, demonst52 | Begemann: Ost-Westfalen, Fast-Weltweit, l.c. Es sei nicht verschwiegen, dass dieser Rettungsmythos inzwischen selbst zum tendenziell (nationale) Identität stiftenden Klischee zu werden droht, etwa in Frank Turners Hymne I Still Believe (»Now who’d have thought that after all/Something as simple as rock ’n’ roll/ Would save us all«, auf: England Keep My Bones, 2011) oder in dem ZDF-Dreiteiler Ku’damm 56 (2016). 53 | Weingarten: Station to Station, S. 148.
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riert die notorische Deutschlandtournee von Bill Haley im Herbst 1958. Eigentlich sind alle Voraussetzungen gegeben: Wie Horst Fascher (Crazy, Man, Crazy) haben viele Jugendliche in deutschen Städten an Aufnahmen Haleys ihre Erweckung zum Rock ’n’ Roll erlebt, haben seine Filme besucht und ihren Kleidungs-, Tanz- und Lebensstil seither daraufhin ausgerichtet. Die Erwartungen waren also enorm, als Haley am 27. Oktober 1958 in Hamburg auftreten sollte – und es wurde, wie bereits am Tag zuvor im Berliner Sportpalast, ein Desaster. Es fing schon mit dem Ort an. Die Ernst-Merck-Halle war eng bestuhlt – tanzen unmöglich. Eine miese Voraussetzung für ein Rock ’n’ Roll-Konzert. Und wie man überhaupt auf die Idee kommen konnte, das Schlagerorchester Kurt Edelhagen als Vorgruppe zu buchen, ist mir bis heute schleierhaft. Das grenzt an Fahrlässigkeit oder einfach nur Dummheit. 54
Wie man auf die Idee kommen konnte? Die Ernst-Merck-Halle war in den Jahren zuvor der Ort großer Jazzkonzerte gewesen, und die Veranstalter hielten Bill Haley für eine Variante derselben Art von Unterhaltungsmusik. Kurt Edelhagens war ein bekanntes und beliebtes Swing-Orchester. Wenn Fascher hier von ›Schlager‹ spricht, dann projiziert er eine Unterscheidung (Rock/Pop vs. Schlager) in die historische Situation, die es damals so noch gar nicht gab, oder wenn, dann eben nur im Selbstverständnis der Teenager als jene vage Unterscheidung zwischen einer Musik, die nur der guten Show, dem Tanz und der Unterhaltung diente (Jazz – »irgendwie fehlte der letzte Kick«), und jener emergenten Formation, die wir hier als Pop beschreiben wollen. Die männlichen Rock ’n’ Roll-Fans gehörten eindeutig dieser Formation an, folglich »verjagten sie den Kapellmeister Kurt Edelhagen, der gerade die Bühne mit der kühnen Hoffnung betreten hatte, die RadauKnilche bis zum Erscheinen des Aufpeitschers Haley mit einem Sonntagnachmittagsständchen hinhalten zu können«, wie der zeitgenössische Spiegel schreibt.55 Wobei der herablassende Zynismus des Artikels gewissermaßen Symptom derselben »Fahrlässigkeit oder einfach nur Dummheit« ist, die über das Arrangement der Veranstalter zur Katastrophe führte: Er erscheint unter der Rubrik »SCHLAGER« und kann die Ju54 | Fascher: Let the Good Times Roll, S. 57. 55 | Haley-Krawall. Saat der Gewalt. In: Der Spiegel, 5. Nov. 1958, S. 78f.
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gendlichen nur als »Radau-Knilche« framen, als jene ›Halbstarken‹ also, wie sie aus dem Film Saat der Gewalt (Blackboard Jungle, 1955) bekannt waren, mit dem Haleys Rock Around the Clock zum Welthit wurde und der dem Spiegel-Artikel den Titel gibt. Aus welcher Sphäre das kommt und auf welches bürgerliche Lesepublikum56 das zielt, illustriert aufs Schönste die Anzeige, die den Krawall-Artikel unterbricht: »Ein paar fröhliche Abendstunden bei Canasta, Rommé oder Bridge. Dazu gibt es Käsegebäck und der Hausherr bietet BOLS ALTER WEINBRAND an.«57 Dazu hätte Kurt Edelhagen bestens gepasst. In der Ernst-Merck-Halle aber »kam [es], wie es kommen musste«: Bill Haley & The Comets hatten kaum angefangen – vor lauter Geschrei und Gejohle verstand man von der Musik kein Wort –, schon gingen die ersten Stühle zu Bruch und einige versuchten, zu ihrem Idol auf die Bühne zu klettern. Die Polizei knüppelte wahllos dazwischen. Wer glaubt, mir wäre eine zünftige Schlägerei gerade recht gewesen, irrt. Konsterniert stand ich an der Seite, blickte ungläubig auf das Geschehen. Nach nur zwanzig Minuten gab Bill entnervt auf. Nun ging der Rumble erst richtig los. 58
Es kam zur Saalschlacht mit erheblichem Sachschaden (z.B. einem zertrümmerten Konzertflügel), die sich am Dammtorbahnhof fortsetzte. Und das war wie gesagt kein einmaliges Ereignis, sondern wiederholte sich so ähnlich in Berlin und Essen.59 Eine Elvis-Presley-Deutschlandtournee wurde daraufhin abgesagt. In der Bravo (47/1958) wird das Ereignis ausführlich diskutiert. Es gibt eine Fotostrecke zu den Haley-Auftritten und eindringliche Appelle von Peter Kraus (»Liebe Rock ’n’ Roll-Fans!«) und Elvis Presley (»Liebe deutsche Freunde!«), die den Eklat einigen wenigen »Krachmachern« und »Radaubrüdern« anlasten und die wahren Rock ’n’ Roll-Fans davon abrücken wollen.
56 | Im unmittelbar vorhergehenden Artikel geht es um Grillparzer. 57 | Der Spiegel, 5. Nov. 1958, S. 78 unten. 58 | Fascher: Let the Good Times Roll, S. 57. 59 | Dabei war Bill Haley, müßig zu betonen, mit seinen 33 Jahren nun wirklich kein halbstarker »Aufpeitscher« mehr, sondern eher der Opa des Rock ’n’ Roll. Kurt Edelhagen war auch nur fünf Jahre älter.
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Weil wir Jungen eine andere Musik lieben als die ältere Generation, werden wir von manchen Leuten scheel betrachtet. Das ist nicht schlimm. Schlimm ist aber, wenn einige wenige uns alle in ein falsches Licht rücken. […] Rock ’n’ Roll ist Freude, aber nicht Krawall und Zerstörung. Vergeßt das nie! E uer P eter K raus 60
Im selben Heft sind die Haley-Krawalle auch in Steffis Tagebuch, jenem Fortsetzungstext, der idealtypisch an der Konstruktion des ›Teenagers‹ arbeitet, unter dem Datum des 30. Oktobers Thema, und auch hier wird zunächst das Erwartbare formuliert: »Es gab niemanden unter uns, der die ganze Sache nicht empörend gefunden hätte.« schreibt Steffi. Aber überraschenderweise folgt ein Aber: Nur, daß man in Deutschland Rock ’n’ Roll verbieten will, finde ich übertrieben. Ich bin zwar keine große Rock ’n’ Roll-Tänzerin, aber der Tanz selbst ist an dem Skandal doch sicher nicht schuld. Die Suppe müssen natürlich wieder wir Teenager auslöffeln, denn wer jetzt Blue-jeans oder gar eine Lederjacke trägt, der gilt prompt als »Halbstarker«. 61
Steffi beginnt mit der Verwechslung vom Musikstil Rock ’n’ Roll mit dem Tanz gleichen Namens,62 nimmt also scheinbar das äußerliche, ritualisierte Show-Element für das Ganze, das inzwischen selbstredend viel größer ist und als Chiffre für die gesamte ›Rock-Formation‹ seit Elvis steht, also (damals) für Pop schlechthin. Noch im selben Atemzug diskutiert sie dann jedoch Lifestyle-Entscheidungen (Jeans, Lederjacke), die mit dem Tanz nicht mehr unmittelbar etwas zu tun haben, und mit der Differenz Teenager vs. Halbstarker geht es dann eben doch wieder um den jugendlichen Selbstentwurf als ganzen. Schließlich begibt sie sich sogar noch 60 | Was meinen Peter Kraus und Elvis Presley? In: Bravo 47/1958 (23.11.29.11.), S. 4f.; S. 4. 61 | Steffis Tagebuch. In: Bravo 47/1958, S. 6f.; alle Zitate S. 6. 62 | Was in der Presse damals öfters vorkam. So erinnert sich Fascher angesichts eines späteren Auftritts von Haley im Star Club: »Die Presse schien das Ganze mal wieder mit dem Radetzky-Marsch zu verwechseln. […] Der Rock ’n’ Roll würde nicht mehr laufen, der Twist sei heute angesagt, war der Tenor des Berichts. Der Autor dieses schon aus damaliger Sicht erbärmlichen Vierzigzeilers brachte zwei Tänze mit einem Musikstil durcheinander.« (Let the Good Times Roll, S. 129).
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auf Ursachenforschung: »Ich kann mir nur vorstellen, daß ein paar Wilde losgelegt und daß die anderen, vom Rhythmus angetrieben, den Kopf verloren haben.« Das kann ein Teenager sich vorstellen – Jeans, Lederjacke und Rhythmus hat er schließlich mit den Halbstarken gemein. Und es kommt noch besser – die Vorfälle werden auch in der (Wiener) Familie besprochen: Papa ist der Ansicht, daß der Rock ’n’ Roll-Rhythmus eben der »Ausdruck der Zeit« ist, genau wie es einmal der Walzer war. Es ist mir nicht gleich eine Antwort eingefallen, aber jetzt frage ich mich, wer denn eigentlich diese Zeit geschaffen hat? Vielleicht wir Teenager? Nicht am Ende die »Erwachsenen«, die jetzt nichts Besseres wissen, als über die »heutige Jugend« die Köpfe zu schütteln.
Dieser Gedanke wird in der Bravo nicht weitergeführt.63 Und doch enthält er in seiner vermeintlich harmlosen Aufmüpfigkeit, wie sie Teenager Steffi aus Wien generell charakterisiert, Abgründe. Anders als im Spiegel bekommt der Hausherr hier nicht automatisch recht; denn in der Tat – wer hat »eigentlich diese Zeit geschaffen«? Ein österreichischer Vater eines Teenagers im Jahre 1958 hat diesen jedenfalls unmittelbar nach dem ›Anschluss‹ gezeugt, und Ausdruck dieser Zeit waren ganz andere Dinge, auf die jedoch selbst die Bravo mit dem wortspielenden Titel »Schluß mit Rock ’n’ Roll-Kommandos«64 durchaus anspielt. »SA-Rollkommandos und SS-Rollkommandos schlugen immer schnell, überfallartig und gewalttätig zu. Im weiteren Sinn bezeichnet ›Rollkommando‹ daher auch ›eine gedungene Schlägertruppe‹ im Bereich der organisierten Kriminalität.«65 Die Bemerkung, derartige Gewalt zu Rock ’n’ Roll sei in den USA »niemand eingefallen«,66 wird Elvis in den Mund gelegt, der nicht nur der King of Rock ’n’ Roll ist, sondern zur besagten Zeit gerade als (guter!) Soldat in Deutschland stationiert ist. Ein Bravo-Cover 63 | Oder vielmehr, er mündet in der merkwürdigen Dialektik, dass vermeintliche »Teenager-›Idole‹« wie Brigitte Bardot »nicht von den Teenagern ›gemacht‹« und vermutlich eher von den »alten Herren« verehrt würden, während »sich jeder richtige Junge lieber Eddie Constantine« – also einen Vertreter seiner Elterngeneration – ansehe »als dieses Sweater-Ungeheuer«. 64 | Bravo 47/1958, S. 3. 65 | http://de.wikipedia.org/wiki/Rollkommando (30.1.2015). 66 | Was meinen Peter Kraus und Elvis Presley? S. 4.
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zeigt ihn sogar mit Stahlhelm. Es ist die Kultur der Besatzungsmacht, das vermeintliche Gegengift gegen die (deutsche) Unkultur der Väter, deren auch in den USA provokantes Potential (Rhythmus, Sexualität, Körperlichkeit, Mythos) in Deutschland vermeintlich einmal mehr, und diesmal bei der Jugend, Unkultur auslöst – und damit für die Popkultur letztlich einen nachhaltigen Schaden anrichtet. »Danach war erst mal alles vorbei«, klagt Fascher. »Die Rock ’n’ Roll-Musik brauchte Jahre, um sich von diesem Schlag zu erholen.«67 Ihre Auferstehung in Deutschland Anfang der 1960er Jahre feierte sie dann tatsächlich zunächst »im Bereich der organisierten Kriminalität«, in den Clubs von St. Pauli.
P op 0 und P op I Wo also nicht die Teenager die Veranstaltung befehligen, sondern weinbrandtrinkende Geschäftsleute in Unterhaltungsmusik, kommt es zur Enttäuschung der Erwartungen, die das Publikum aufgrund von Radio, Schallplatten, Filmen, Bravo und dem cliquenbildenden Umgang mit der Musik zwischen Jugendzimmer und Tanzcafé entwickelt hatte. Wo die alte, von Krieg, Nachkriegszeit und deren Verdrängung geprägte Erwachsenenkultur aus wirtschaftlichem Interesse Rock ’n’ Roll-Konzerte realisiert und dabei die oben beschriebene neuartige Struktur der Rückkopplung nicht versteht und berücksichtigt, wird genau jene durch PopMusik aktivierte und bis zum Punkt des Kontrollverlusts ausagierte Energie, die sonst in das gemeinsame Konzerterlebnis eingeht, als Aggression halbstarker Rollkommandos freigesetzt. In solchem Misslingen wird, in Europa deutlicher als in den USA,68 der Bruch offenbar, den die Popkultur gegenüber der alten Unterhaltungskultur vollzieht. 67 | Fascher: Let the Good Times Roll, S. 57. 68 | In England kam etwa die BBC auf die kuriose Idee, die vermeintlich leichte Musik der amerikanischen Rock ’n’ Roller von ihren Studiomusikern nachspielen zu lassen und damit Kosten zu sparen – ein deutliches Indiz dafür, dass das Wesen von Pop nicht erkannt wurde (und eine Existenzberechtigung für die Piratensender). In Deutschland werden Rock ’n’ Roll und Beatmusik noch bis in die 1970er Jahre hinein von der Unterhaltungsindustrie mit Schlager verwechselt, jener Unterhaltungsmusik also, der das Teenage-Command-Moment fehlt, wie man vor allem an den zahlreich produzierten deutschen Coverversionen ablesen kann.
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Positiv gesprochen sind Rock ’n’ Roll und frühe Beatszene im Kern Teenage Command Performances, sie sind jedoch zugleich Produkte einer Kultur- und Medienindustrie, die zumeist nicht in der Hand von Teenagern liegt. Diese Industrie kann Geschäfte mit dem Produkt machen, aber nicht das Produkt selbst und die Regeln seiner Rezeption. Wenn dabei Markenwerbung wie unser Rice-Krispies-Spot von 1964 ins Spiel kommt, wird es noch komplizierter. Die Firma will, dass ihre Marke teilhat an der gemeinschaftsbildenden Kraft von Pop, zugleich will sie aber ihr eigenes Produkt an eine möglichst breite Käuferschicht bringen. Sie will also die Energie von Pop, jedoch ohne dessen spezifische Differenz, die Abgrenzung der Teen-Kultur gegen die Erwachsenenwelt. Deshalb transportiert der Spot die doppelte Aussage, dass Papa, Mama und Rice-Krispies irgendwie auch immer schon (Snap, Crackle und) Pop waren und dass die Teenager mit der energetischen Musik der Rolling Stones einen Hit gut finden, der sich einreiht in die Welt der Unterhaltungsindustrie. Im Quiz-Show-Setting kommen alle zusammen; die Differenzen, die für die ikonische Rezeption der Rolling Stones charakteristisch sind (kreischend-ekstatisches Mädchen versus genervter Mann, der sich den Kopfhörer runterreißt), werden kurz repräsentiert, um sie ausdrücklich zu marginalisieren. Ihnen gegenüber wird ein Ideal des heiteren familiären Mittuns und -wippens entworfen, im Zeichen eines – durchaus avancierten – medialen Spiels und schließlich der Markenwelt von Kellogg’s. Der existenzielle Ernst, den wir dem Publikum selbst der vermeintlich zahmen T.A.M.I. Show ablesen konnten, ist auf diesem Mittelgrund nicht vorgesehen. Mit seinen Untertönen von Sexualität, Aggression und generationsspezifischem Empowerment wäre er mit Frühstückscerealien wohl auch kaum sinnvoll zu vereinbaren. Wie wir sahen, war dieser Ernst aber auch innerhalb der Teenage Command Performance nur ein Moment, wenngleich ein entscheidendes und ich würde sagen: definierendes. Schon in der Pop-Performance selbst geht es einher mit einem heiter-entspannten Sich-Bewegen in Unterhaltungsformaten und setzt dieses womöglich voraus – man denke nur an die Go-Go-Tänzerinnen! Anders gesagt: Auf ihren Platten und auf der Bühne (auch der T.A.M.I. Show) könnten die Rolling Stones nicht über Rice-Krispies singen, und die Gemeinschaft, die sie stiften, ist mit der fröhlichen Frühstücksfamilie nicht kompatibel. Im gemeinschaftlichen Finale der T.A.M.I.
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Show jedoch präsentiert sich Pop durchaus in einem Modus, der mit der All-Ages-Community der Werbefiktion problemlos vermittelbar wäre. Diederichsens griffige und wirkmächtige Unterscheidung zwischen Pop I (Pop als potentiell politische Kraft kulturellen Widerstands) und Pop II (Pop als dominante Kultur einer marktwirtschaftlich durchorganisierten Gesellschaft) darf also, so würde ich aus dem Beobachteten schließen, nicht als historische Abfolge begriffen werden. Vielmehr sind für Pop von Beginn an beide Aspekte konstitutiv. Insbesondere wäre es ein Fehler, Pop I als den ›eigentlichen‹ Pop und Pop II als dessen kapitalistische Pervertierung zu begreifen, dann schon eher andersherum. Pop entsteht genau in dem Moment, in dem das widerständige Element, das die teenage lust befriedigt und als Differenz zur Erwachsenen(unter)haltung markiert ist, zur massentauglichen Ware im Rahmen einer Unterhaltungsindustrie wird. Dieser entscheidende Moment unserer Kulturgeschichte heißt Elvis, und er wiederholt sich noch einmal in den Beatles der Pilzkopf-Phase. »Don’t you step on my blue suede shoes« und »She loves you yeah yeah yeah«. Das ist ja gerade das Wunder: dass eine vermeintlich so harmlose, massenkompatible, tanzbare Musik die Revolution ist. Ist, und nicht verspricht! Dieser basale Pop, Pop 0 sozusagen, ist immer schon eine Ware, die die Nachfrage einer neuen Generation bedient, es gibt ihn nicht ohne Massenmedien und Musikindustrie (Pop II). Aber er ist deshalb noch lange nicht, wie Adorno meint, »Ware durch und durch«, und somit auch nicht durch und durch politisch harmlos wie die Unterhaltungsmusik der Erwachsenen, die im deutschen Raum Schlager heißt. Als Ware verspricht Pop, was er nicht halten kann und – mit Ullrichs Fiktionswerttheorie verstanden – vielleicht auch gar nicht halten muss. Als existenzielle Erfahrung dagegen, um es mangels besserer Begriffe mal so zu nennen, verspricht Pop nicht, sondern ist immer schon Erfüllung, wenngleich im begrenzten Moment. Dabei verbleibt sein widerständiges Element im Ästhetischen und wird gemeinschaftsbildend (und damit politisch, Pop I) nur in diesem Modus. Hier ist Grossbergs Beobachtungen zur »rock formation« zuzustimmen: Pop kann strukturell nicht den Umsturz als Ausstieg aus der Wohlstandsgesellschaft bezwecken, er geht mit Sicherheit nicht hin und verteilt Bilder des Großen Vorsitzenden Mao. Wo die gegenkulturellen Kräfte in den späten 1960er Jahren auf die realpolitische Unterstützung ihrer Idole wie Bob Dylan, James Brown oder John Lennon setzten, mussten sie zwangsläufig und nachhaltig enttäuscht werden. Diese er-
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nüchternde Beziehungsgeschichte zwischen Pop und antikapitalistischer Gegenkultur kann und muss hier nicht noch einmal erzählt werden, Peter Doggett hat sie in seiner einschlägigen Studie ausführlich dokumentiert. Pete Townshends Nackenschlag für Abbie Hoffman in Woodstock ist hier paradigmatisch, zudem Hoffman sich im Nachhinein noch die Auswertung seiner Freundin Ellen Sander anhören muss: Abbie, das Zeitalter der Politik ist vorbei. Die Revolution ist beendet. Sie hat ihren Zweck erfüllt und ist jetzt irrelevant… Scheiß auf deine Rhetorik, Mann. Hab Sex, tanz, tanz zur Musik und hör mit deinen Versuchen auf, sie auszubeuten… Alle anderen haben es in Woodstock geliebt. Die einzig Unglücklichen dort waren die politisch Durchgeknallten. 69
Und hier ist die Rede von den späten 1960ern, die Kris Kristofferson rückblickend als jene Zeit bezeichnen wird, in der »commercial was a dirty word«.70 Pop-Musik vor den Wagen der Politik zu spannen, ist ebenso ein Versuch ihrer zweckentfremdenden Ausbeutung wie der Versuch, mit ihr Rice-Krispies, Autos oder Politiker zu verkaufen. Und doch ist sie Kult ebenso wie Ware, geht es in ihr um Spaß, Bewegung und Unterhaltung und um das Absolute, das Wahre und die richtige Gesellschaft zugleich. * Zeitgleich gibt es um 1970 übrigens noch eine andere Variante, das Verhältnis von Pop und Politik zu denken. Ausgerechnet Frank Zappa, nicht gerade als Teenybopper bekannt, propagiert eine Art Verlängerung der Teenage Command Performance ins Politische und figuriert damit sogar in ACID, der Anthologie, die die ›neue amerikanische Szene‹ für die westdeutsche Pop-Landschaft erschließen will. Es sei, argumentiert Zappa in
69 | »Abbie, the age of politics is over. The revolution is finished. It served its purpose and it’s irrelevant now… Fuck your rhetoric, man. Get it on, dance, dance to the music, and stop trying to exploit it… Everyone else loved it at Woodstock. The only unhappy people there were the political crazies.« (Ellen Sander: It’s The Sound. In: L.A. Free Press, 5.9.1969, zit.n. Doggett: There’s A Riot Going On, S. 276). 70 | Kris Kristofferson: The Show Goes On. Auf: This Old Road (New West, 2006).
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einem Interview für East Village Other, die neue ökonomische Macht der Jugendlichen, die in eine politische transformiert werden könnte: Denen könnte das ganze beschissene Land gehören. […] Jetzt gehört es ihnen, ohne daß sie es wissen. Sie sind die wichtigste Konsumentengruppe; sie haben die Wirtschaft der Nation am Sack. Aber man muß denen mal klar machen, was das heißt. Direkt und indirekt kontrollieren sie die Produktion aller großen Industrien.71
Zappa sieht genau, dass es bislang noch die ›verfaulte‹ Elterngeneration ist, die das Geld damit verdient, indem sie versucht, mit der popkulturellen Entwicklung Schritt zu halten. »Schaffts aber meistens nicht, ungefähr ein Jahr, würde ich sagen, hinkt sie hinterher.« 72 (Man sieht nebenbei, dass hier immer noch ähnliche Dinge verhandelt werden wie zehn Jahre zuvor von Steffi aus Wien in der Bravo). Wenn sich die Jungen nur mal zusammentun würden und mal Inventur machen würden, sich ein Programm machen würden. Sie könnten das Land übernehmen und managen. […] Ich würde zum Beispiel sagen, daß es bei den Wahlen 1972 durchaus drin ist, daß ein Kandidat gewählt werden könnte, der weder Republikaner noch Demokrat sein muß, sondern bloß jugendorientiert.73
Für unseren Zusammenhang ist entscheidend, dass Zappa sein politisches Argument ökonomisch begründet, sein ökonomisches Argument jedoch ästhetisch. Denn wie funktioniert die indirekte ökonomische Kontrolle der Teenager?
71 | Mutationsblues. Frank Zappa, interviewed von der East Village Other. In: ACID. Neue amerikanische Szene. Hg. v. R.D. Brinkmann und R.R. Rygulla. Darmstadt 1969, S. 286-294; S. 286. 72 | Zappa: Mutationsblues, S. 287. 73 | Zappa: Mutationsblues, S. 288. Das ist übrigens selbst in ACID keine Einzelstimme. Auch im Beitrag von Chester Anderson heißt es hoffnungsfroh: »Die Teenybopper von heute wählen morgen und einen Tag später werden sie versuchen, Präsident der USA zu werden.« (Notizen zu einer neuen Geologie. In: ACID, S. 357-359; S. 357).
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Automobile werden so entworfen, daß der junge Mann in der Familie dem Alten klar macht: »Das is’n klasse Schlitten, Daddy.« Und das funktioniert auch, also sagt der Vater: »Mm, das ist wirklich ’n heißer Ofen, kommt mir vor, als ob ich noch mal 20 bin, mit dem Ding unterm Hintern.« Die Alten identifizieren sich mit den Jungen, und die Jungen machen denen ’ne ganze Menge Arbeit mit der Geschmacksbildung.74
Die Ästhetik des Konsums bedeutet eine Ermächtigung der Jugend, und dies selbst dort, wo sie selbst noch nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die diesen Konsum ermöglichen. Die Stilgemeinschaft der Teenager wird als ökonomische Macht zum Definiens einer neuen Kultur, nennen wir sie Pop-Kultur. Von einer klassischen politischen Warte aus ist das entweder suspekt (Adorno, Hoffman) oder ein hoffnungsvolles Signal (Zappa, Anderson). Aber vielleicht hat auch Ellen Sander recht und die Stilgemeinschaft mit ökonomischem Impact ist gar kein Vorschein, sondern bereits die neue und aktuelle Form der Politischen selbst. Während Anfang der 1970er allenthalben die Verbindung von Politaktivismus und Pop-Musik zerfällt und sich in Deutschland die per definitionem antikapitalistische Linke in Splittergruppen verliert und radikalisiert, gilt im Pop-Bereich: »But the show goes on.«
74 | Zappa: Mutationsblues, S. 286f.
Pop Art Music The W ho S ell O ut Wie wir sahen, ist es die komplexe Struktur von Pop selbst, die es zwar zulässt, dass Popstars Werbung für Markenprodukte machen – zumindest außerhalb eines begrenzten Zeitraums um 1970 herum, in dem »commercial was a dirty word« –, jedoch ausschließt, dass solche Werbung oder überhaupt die Sphäre von Markt und Marke in ihren Songs, auf ihren Platten und während ihrer Konzertauftritte selbst stattfindet. Pop-Musik hat teil an einer allgemeinen Sphäre von Konsum und Medien und muss das auch nicht verstecken, aber die Ikone, die Popmusiker und Publikum gemeinsam hochhalten, bleibt davon unkontaminiert. Deshalb findet man in den 1960er und 70er Jahren auf Pop-Platten keine Werbung, weder auf dem Cover noch in oder zwischen den Songs selbst.
Die bis heute verblüffende Ausnahme, die diese Regel bestätigt, ist die dritte LP der Who, The Who Sell Out (1967). Sie präsentiert, und zwar prominent in Form farbiger Illustrationen auf dem Cover sowie, am Tracklisting nicht erkennbar, von Jingles zwischen den ›eigentlichen‹ Songs, eine
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Reihe von »semi-satirical commercials«1 für real existierende Marken. Und mehr noch: Auch einer der gelisteten Songs trägt tatsächlich den Namen eines damals in England gebräuchlichen Deostifts: Odorono, von dem sich Pete Townshend auf dem Cover eine Riesenversion unter die Achsel hält, ein anderer den der Pickelcreme Medac, von der sich Keith Moon aus einer Riesentube bedient, und ein weiterer den von Heinz Baked Beans, mit denen sich Roger Daltrey gleich eine ganze Badewanne gefüllt hat.2 Was zum Teufel ist hier los? Und was soll das bei Werbespots überhaupt heißen: »halb-satirisch«? Entweder sind das Werbespots, sollte man doch denken, und werben für die Marken, die sie nennen, oder es handelt sich um Satire, und die Spots machen sich über Werbung und/ oder die entsprechenden Produkte lustig. Also wie denn nun? Gehen wir zunächst vom Artefakt aus. Zeitgenössische Käufer von Sell Out kennen The Who als kompromisslose, harte Band aus der ModEcke, die nicht im Verdacht steht, allzu sehr auf Gewinne aus zu sein (von wegen Selling out…). Ihre notorische Bühnenpraxis, zum Abschluss von Konzerten die Instrumente zu zertrümmern, weist ökonomisch eher in Richtung Verausgabung. Das Debütalbum My Generation (1965) definierte den Status, A Quick One (1966), unter Vermeidung der sexuellen Konnotation in den USA als Happy Jack auf den Markt gebracht, zeigte etwas mehr die Art School-Seite der Band u.a. mit dem Titelsong, einer Art Mini-Rockoper, und dem Pop Art-Cover von Alan Aldridge. Im Sommer zuvor hatten The Who auf dem Monterey Pop Festival gespielt, gehörten also jetzt zur ersten Liga des Pop, und die Beatles hatten, nicht zu vergessen, soeben mit Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band eine neue Ära ausgerufen: Pop-Musik als Kunst. Schon allein vom Cover her also sind die Markenartikel – zu den drei genannten (Odorono, Heinz, Medac) kommt das populäre BodybuildingProgramm von Charles Atlas hinzu, für das Entwistle im Leopardenfell 1 | Gilliland, John. Show 49 – The British are Coming! The British are Coming!: With an emphasis on Donovan, the Bee Gees and the Who. [Part 6]. UNT Digital Library. http://digital.library.unt.edu/ark:/67531/metadc19826/ (17.11.2014). 2 | Ken Russells Verfilmung von Tommy nimmt dieses Motiv 1975 wieder auf. In einer Szene nimmt Tommys Mutter Nora (gespielt von Ann-Margret) eine Art erotisches Ekel-Schlammbad, bei dem einem zerworfenen Bildschirm zunächst Badeschaum, dann Baked Beans und schließlich Fäkalien entströmen, in denen sie sich suhlt.
Pop Ar t Music
mit Blondine und Teddy posiert 3 – bereits in einem Spannungsfeld von mindestens drei Modi lesbar: (1) Pop Art, getriggert durch die absurd vergrößerten Konsumgegenstände (Deostift, Pickelcreme und die warholeske Bohnendose). Bereits 1965 hatte Townshend zu Protokoll gegeben, seine Band mache »pop art with standard group equipment«,4 und für John Dougan, der den 33 1/3-Band zu Sell Out verfasst hat, ist das Album »nothing less than rock’s greatest example of pop art«.5 (2) Satire und Selbstironie: das Alberne der Darstellung (Badewanne voll Frühstücksbohnen, Riesenpickel, Teddy) ist ja nicht zu verkennen und wird unterstrichen durch die übertrieben wortspielreichen Bildunterschriften (»If acne is preventing you from reaching your acme« etc.) sowie bereits den Titel der LP selbst, der unter jedem der vier Fotos wiederholt wird: Wer bezichtigt sich schon selbst ernsthaft des Ausverkaufs! (3) Konzept-Pop: Dieses Album will offenkundig keine bloße Addition von Hits sein, sondern folgt einem Programm: »eine Sammlung von Who-Songs, verbunden durch Pseudoreklame und echte Werbe-Jingles, die eine Sendung des Offshore-Piratensenders Radio London simuliert«.6 Tatsächlich enthält das Album auf der A-Seite sechs Jingles, die für diesen kurz zuvor stillgelegten Privatsender, der bis zum Sommer 1967 von einem Schiff vor der Küste Englands aus gesendet hatte, produziert worden waren.7 Einer davon, eine langsam ausfadende Aufzählung der Wochentage, eröffnet die Platte (Konzept!) und leitet den ersten Song Armenia City in the Sky ein, der überraschenderweise kein selbstgeschriebener ist, sondern von Townshends Freund Speedy Keen von Thunderclap Newman stammt. Hier kommt jetzt eine vierte Assoziation hinzu, näm3 | Die Charles Atlas-Werbung war im englischsprachigen Raum Allgemeingut und wird in Songs u.a. von The Faces, Bob Dylan, Queen, 10cc und in der Rocky Horror Picture Show zitiert. Reiches Material findet sich in Wikipedia, http://en.wikipe dia.org/wiki/Charles_Atlas, 20.11.2009. 4 | Interview mit Melody Maker, zit.n. John Dougan: The Who Sell Out. New York/ London 2006, S. 39. 5 | Dougan: The Who Sell Out, S. 25. 6 | »The concept – a collection of Who songs tied together with fake advertising and real promotional jingles simulating a pirate radio broadcast from offshore station Radio London« (Dougan: The Who Sell Out, S. 19). 7 | Und zwar von der texanischen Werbefirma PAMS, die promt gegen diesen Gebrauch prozessierte.
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lich (4) Psychedelic Rock. Musik und Text machen deutliche Anleihen beim psychedelischen Pop: »The sky is glass, the sea is brown/And everyone is upside down«; Lucy in the Sky with Diamonds lässt grüßen, auch wenn der Who-Titel kein so eindeutiges Akronym abgibt.8 Entspannen, Augen schließen, Abheben, Verschwinden, das sind die Versprechungen einer Droge. Damit hat der Hörer das Konzept des Albums aber noch keineswegs erschöpfend durchschaut. Auf Armenia City in the Sky folgt zwar wieder ein Radio London-Jingle, dann aber folgt kein zweiter Song, sondern ein von Entwistle geschriebener (Fake-)Werbespot für Heinz Baked Beans, den diese Firma nie in Auftrag gegeben hat und der in Akzent und etwas müffeligem familiären Setting (»What’s for tea, darling?«) dem Ganzen ein heiteres Element von (5) verschrobener Britishness hinzufügt, wie es die Who gerade in den Entwistle-Songs auch sonst pflegten.9 Es folgen ein weiterer Radio London-Jingle und der Song Mary Ann with the Shaky Hand. Scheint die Verfahrensregel also zu lauten: Radio-Jingles wechseln mit Songs oder Pseudo-Werbespots ab (auf der A-Seite noch das lange Odorono), dann wird auch dies im weiteren Verlauf noch variiert. Auf Mary Ann folgt nämlich zwar ein Jingle, aber diesmal keiner der von PAMS für Radio London produzierten, sondern ein selbstgeschriebener Werbe-Jingle für Premier Drums. Die Piratensender-Jingles sind also auch durch eigene Werbeeinspielungen ersetzbar; vor dem letzten Song der A-Seite wird sogar beides kombiniert: ein Radiojingle und zwei kurze Eigenproduktionen, für eine Kneipe namens Speakeasy und Rotosound Strings. Diese Jingles hatten Moon und Entwistle verfasst in der Hoffnung, von den Firmen in Naturalien entlohnt zu werden, was bei den Drums und Strings offenbar sogar funktioniert hat (wie gesagt, der Materialbedarf der Band bei Live-Auftritten war beträchtlich). Auf Platte fungiert der leicht verwirrende Triple-Jingle als kraftvolle Einleitung für den designierten Hit der Platte, I Can See for Miles, wie der Song davor (Our Love Was) ein vollwertiger Townshend-Song. Die beiden Songs dazwischen allerdings, Odorono, und Tattoo, sind etwas anders gestrickt: Odorono ist ein (Mock-)Werbespot in Song-Länge; ein Showstar wird von 8 | Hm. Mit etwas Fantasie könnte man hier immerhin ACID assoziieren, und Mary Ann aus dem nächsten Song könnte auf Marihuana verweisen. 9 | Dennoch ist der Score nicht einfach derselbe wie Cobwebs & Strange von A Quick One, wie Dougan meint.
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ihrem Verehrer nach ihrer größten Show wegen ihres Körpergeruchs verlassen: She ripped her glittering gown Couldn’t face another show, no Her deodorant had let her down She should have used Odorono
Das positive Gegenstück dazu gibt es in Medac auf der B-Seite, hier geht der Kampf gegen die Pickel nach dem Wechsel zur richtigen Creme gut aus: »Henry laughed and yelled: I got ’em./Me face is like a baby’s bottom.« Das sind mehr oder weniger alberne, man zögert zu sagen: satirische Songs, in denen – wie in schlechten Werbefilmen – (flachstmöglich gezeichnete) Charaktere mit ihren Körperproblemen kämpfen. In diese Reihe fällt auch Tattoo, der Rollensong eines Teenagers, der sich mit seinem Bruder auf der Suche nach der Antwort auf die eines Charles Atlas würdige Frage »what makes a man a man« tätowieren lässt – zum vorhersehbaren, aber komisch überzeichneten Ärger der Eltern: My dad beat me cause mine said ›Mother‹ But my mother naturally liked it and beat my brother Cause his tattoo was of a lady in the nude And my mother thought that was extremely rude
Hier kommt nun gar kein Markenname vor, doch scheint ›Tattoo‹ (»Welcome to my life, tattoo/I’m a man now thanks to you«) denselben strukturellen Ort einzunehmen wie die echten Markennamen Odorono und Medac. Deren Promotion auf Sell Out liegt jedoch offensichtlich auch kein Auftrag der Werbeindustrie zugrunde: Die Fotos erzeugen eher Ekel oder eine irgendwie britische Komik, als dass sie zum Produktkauf animieren würden; die Songs bedienen zwar eine Werbebotschaft, aber immer leicht ins Absurde verschoben. Das beginnt mit den lustigen Reimen (show, no/ Odorono, got ’em/bottom), geht über die Art der Präsentation (Slang, der Markenname wird in Medac nicht gerade mit Enthusiasmus intoniert) und endet mit der jeweils sehr schlicht und direkt gehaltenen Botschaft (»She should have used Odorono«). Andererseits richtet sich die parodistische Kritik aber wohl auch nicht gegen die ›beworbenen‹ Produkte selbst – was wäre schließlich gegen Baked Beans oder Deostifte zu sagen?
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–, sondern allenfalls gegen die Sphäre der Kultur- und Werbeindustrie generell. Falls ›Kritik‹ und ›gegen‹ überhaupt die adäquaten Kategorien sind; Nick Cohn erkannte hier schon zeitgenössisch »a pop parallel to, say, Oldenburg’s hamburgers or Andy Warhol’s Campbell soup cans« und bezeichnete Sell Out als »mainline pop, bright and funny and blatantly commercial«.10 Strukturell ist jedenfalls zunächst festzuhalten: The Who Sell Out kreiert über seine Imitation einer Piratenradio-Sendung ein semiotisches Kontinuum zwischen Popsongs, Radiojingles und Markenwerbung. Echte Radiojingles als Fremdmaterial (Pop trouvé, sozusagen), selbstproduzierte Jingles für Marken, selbstgeschriebene Werbesongs für Marken (›für‹ mit den oben genannten Abstrichen), Songs in der Art dieser Werbesongs, nur ohne Marke (Tattoo), und schließlich reine Popsongs auf der Höhe der Zeit – all das steht in munterer Folge nebeneinander. Und die B-Seite scheint gerade so weiterzumachen, beginnend mit einem Entwistle-typischen Spot für Charles Atlas, dem Song Can’t Reach You und dem ›Werbesong‹ Medac – um dann das etablierte Konzept auf den letzten Inches plötzlich völlig aufzugeben und mit vier regulären Songs zu schließen. Nichts davon lässt sich übrigens der auf der Platte selbst gedruckten Tracklist ablesen. Insgesamt wirkt das Ganze trotz Konzept irgendwie heterogen. Was soll das nun sein? Pop Art, Kritik, Satire, Werbung? Wie leicht, schreibt Dougan, »hätte Sell Out eine öde Satire auf die Konsumgesellschaft werden können«; Townshend aber habe von Anfang an etwas anderes im Sinn gehabt, nämlich das Album als eine Feier des Zeitgeistes, eine fröhliche Reaffirmation der einzelnen kulturellen Elemente, die die Nachkriegs-Populärkultur in England und die Who als eine musikalische Pop Art-Form geprägt hatten. […] Sell Out charakterisiert Populärkultur als im wesentlichen optimistisch, potenziell progressiv und befeuert vom Begehren nach gesellschaftlicher Veränderung und dem Impetus, diese zu ermöglichen. Mehr als alles andere, was die Band über die nächsten zehn Jahre aufnehmen sollte, steht Sell Out für Freizeit und ihr befreiendes Versprechen von Spaß, Freiheit und Vergnügen in voller Blüte.11
10 | Nick Cohn in Queen, zit.n. Dougan: The Who Sell Out, S. 119. 11 | Dougan: The Who Sell Out, S. 90.
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Wenn man den Quellen glauben darf, dann war die Ausgangsidee in der Tat »blatantly commercial« – die Band hatte Chris Stamp beauftragt, den Platz zwischen den Songs für Werbespots zu verkaufen. Auf den Geschmack waren sie durch einige Jingles gekommen, die sie für Coca-Cola produziert hatten (ein Instrumental, »Things go better with Coca Cola«, »Coke after Coke after Coca Cola«), sowie einen Jaguar-Spot (»Grace, space, race«), die dann aber charakteristischerweise gar nicht auf das Album kamen. Die Idee wurde offenbar abgelöst durch die pop-artige Imitation einer Radio London-Sendung. Die Piratensender waren zwar einerseits zur Umgehung der britischen Senderechte entstanden (die Schiffe sendeten von außerhalb des Hoheitsgebiets), andererseits handelte es sich dabei aber – im Gegensatz zur BBC – um kommerzielle Privatsender. Sie sendeten das, was der öffentliche Rundfunk verweigerte: cool und aus einer Fan-Haltung heraus moderierten Pop – und Werbung.12 Beide stehen hier also gemeinsam in einem Oppositionsverhältnis zum alten, elitären Kulturverständnis der öffentlich-rechtlichen Anstalten, und diese Opposition ist korreliert mit der von USA (der Besitzer von Radio London war ein Texaner) versus Alteuropa. Richard Barnes weist darauf hin, dass die Who durch Sender wie Radio Caroline und Radio London bekannt geworden waren und ihnen also einiges zu verdanken hatten.13 Die Platte ist demnach auch eine Hommage an eine pop-prägende Institution, die kurz zuvor endgültig verboten und eingestellt worden war. So ist es denn auch stimmig, dass die Radio-London-Jingles, die ja ohnehin bereits die Stelle der ursprünglich geplanten Werbespots einnehmen, stellenweise wieder durch eigene Werbejingles der Who ersetzt werden können – Jingles, die nunmehr wohlgemerkt für coole Marken werben, Marken, mit denen sich die Bandmitglieder rückhaltlos identifizieren können, nämlich die ihrer Instrumente (Premier Drums, Rotosound Strings) und Bars (Speakeasy). Kommerzialität ist in diesem Zusammenhang also kein Schimpfwort, sondern im Gegenteil sozusagen auf Seiten des rebellischen Pop zu Hause; einerseits. Andererseits zeigt der Titel Sell Out aber ja auch, dass die Vorwürfe, man würde sich an die Kulturindustrie verkaufen, potentiell auch zeitgenössisch bereits im Raum standen, vor allem in der politisierten, gegenkulturellen US-Szene. Daher die Albernheiten: Ausdrücklich 12 | Das kommt in den Lyrics von Jaguar auch zusammen: »The radio blasting, the girls are glancing/The dash is dancing with gleaming dials«. 13 | Vgl. Richard Barnes: The Who. Maximum R&B. London 1982, S. 47.
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angesichts der Erfahrungen in Amerika wollte Townshend mit den Werbespots auf dem Album »take away some of the gravity that seems to be wearing the group down […]. We wanted to change the fact that so many fans take us so seriously.«14 Der intendierte Unernst kommt vor allem in den Fake-Commercials zum Tragen, die – im Gegensatz zu den Jingles – uncoole Marken (Heinz, Odorono, Medac) featuren und deutlich parodistische Züge tragen. Die Parodie entfaltet sich jedoch wohlgemerkt innerhalb und als Teil der Hommage, und noch dazu in längeren, sorgfältig geschriebenen, getexteten und einstudierten Songs, die ihr (Werbe-) Versprechen um einen narrativen Kern herum entfalten. Es ist also auch stimmig, dass diese Commercials nunmehr an Stelle der Songs selbst stehen, und nicht mehr bloß zwischen ihnen. Dieser zweite Befund ist komplexer und auch problematischer als der erste, die Jingles betreffende, und auf eine bloße Feier von Pop als Freizeit und Freiheit nicht zu reduzieren. Durch die paratextuelle Umgebung der Fake-Werbung werden nämlich klassische Themen der Pop-Musik auf einmal in ihrer strukturalen Äquivalenz zu den Werbespots erkennbar – und zwar auch dort, wo keine Marken mehr vorkommen: Der TeenagerStress im Ringen um Männlichkeit (Tattoo) bietet, wie gesagt, eine sehr deutliche Parallele zum Charles Atlas-Programm (»what makes a man a man« – »turns you into a beast of a man«). Aber belegen nicht auch das psychedelische Versprechen einer Flucht aus dem Alltag (Armenia City in the Sky), das plötzliche, grundlose Umschlagen der Liebe (Our Love Was), die ewige Sehnsucht (Sunrise) und vielleicht sogar das magische FernSehen im Eifersuchtssong I Can See for Miles, dass Pop- und Werbeversprechen einander gar nicht so unähnlich sind? Sehen wir genauer hin! If you’re troubled and you can’t relax Close your eyes and think of this If the rumours floating in your head all turn to facts Close your eyes and think of this […] If you ever want to lose some time Just take off, there’s no risk
Mal ohne Risiko loslassen, abheben, entspannen – die Verheißungen der rätselhaften Himmelsstadt Armenia, die wir als die einer Droge charakte14 | Zit. n. Dougan: The Who Sell Out, S. 23.
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risiert haben, sind durchaus auch den Fiktionswerten eines Konsumprodukts vergleichbar, wie Ullrich sie beschreibt, etwa eines Duschgels: »die Badewanne wird zum Kino innerer Bilder, zum Gefährt virtueller Reisen. Die Konsumentin wähnt sich an einen anderen Ort oder in eine andere Zeit versetzt; sie taucht ab wie sonst bei der Lektüre eines Buches.«15 Gerade Entspannung gehört zu ja den Klassikern unter den Werbeversprechen. Da niemand weiß, was Armenia eigentlich ist – das bekannte Armenien wäre ja ein Land, keine Stadt, auch wird das Wort, anders als der geografische Eigenname, auf dem i betont und klingt dadurch eher wie ›Harmonia‹ – lässt es sich, in metrischer Äquivalenz zum realen Produktnamen Odorono, geradezu als eine Art Meta-Markenname lesen. Auch bildet es eine Klammer mit dem ebenso rätselhaften Land Rael im letzten Song der Platte. Indem Armenia City in the Sky imperativisch zur inneren Flucht/Reise auffordert, kommt ihm eine performative Qualität (im linguistischen Sinne) zu: Der Popsong bewirkt mit seinen psychedelischen Klängen genau das, was er verspricht. Die nur angedeuteten Zustände, denen dabei entflohen wird, die Zwänge der Alltagswelt (in Sorgen, unentspannt, schlechte Nachrichten), werden in den ›richtigen‹ Werbesongs (Odorono, Medac) narrativ ausbuchstabiert – hier bleibt das an die Marke gekoppelte Versprechen (»She should have used Odorono«) vom Song selbst notwendigerweise uneingelöst und daher ›nur‹ Versprechen. So erklärt sich die satirische Qualität dieser Songs sowie des ebenfalls narrativen Tattoo im Unterschied zu (nicht-narrativen) Popsongs wie Armenia City in the Sky oder Our Love Was. In der Aufnahme kaum hörbar, eher als Fußnote oder integrierter hidden track für die Wissenden, erklingt in Armenia am Ende noch zweimal der Imperativ »Freak Out!«, ein direktes Zitat von Frank Zappa und den Mothers of Invention, deren gleichnamige Platte im März 1967 erschienen war (und die 1968 mit We’re Only in It for the Money thematisch an Sell Out anknüpfen sollten). Damit wird das Versprechen des Songs noch einmal enger an drogeninduzierte und gegenkulturelle Praktiken angeschlossen; dennoch bleibt die Äquivalenz zu den Fiktionswerten der Konsumkultur bestehen. In Our Love Was, dem zweitletzten Song der A-Seite, wird in simpler Opposition eine zunächst unbefriedigende Liebesbeziehung umrissen (»We only acted out an imitation/Of what real love should have been«), die 15 | Ullrich: Alles nur Konsum, S. 22.
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plötzlich und unvermittelt in ihr Gegenteil umschlägt: »Then suddenly/ Our love was flying/Our love was soaring/Our love was shining/Like a summer morning«. Diese eher schlichten Glücksmetaphern werden im Folgenden noch einmal formularisch verdichtet (»Flying, soaring, shining, morning«16), woraufhin der aufwändig instrumentierte Song sich noch einmal simplifiziert zu einem A-cappella-Chorus (»Love love love long«) – einer Art Jingle des geglückten Lebens, sozusagen. Auch hier wird man durch die Präsenz des Werbe-Themas auf Qualitäten des Popsongs aufmerksam, die dieser mit einem guten Werbespot gemeinsam hat: formulaische Verdichtung des Glücksversprechens, die in einen wiedererkennbaren, simplen Chorus zum Mitsingen mündet, der die zentrale Botschaft (›Liebe‹) feiert. An dieser Stelle ist dann auch das irritierende Moment des Songs überwunden, das in seiner ausgestellten Vergangenheitsform (Our Love Was) liegt.17 Zwar ist in Our Love Was kein Produkt im Spiel, das den Wechsel von negativ zu positiv hervorbrächte (wie Medac oder das Tattoo), der aufmerksame Hörer bemerkt im ersten Vers jedoch eine Seltsamkeit: Im Vers »of what real love should have been« entfallen zwei Silben auf »real« (ri-il), das damit eine weitere Äquivalenz zum abschließenden Rael bildet – ein Moment von Esoterik begleitet den plötzlichen Umschlag im ansonsten relativ simpel daherkommenden Liebeslied.18 Den Abschluss der ersten Seite macht der große Who-Song I Can See for Miles. Kontextlos, wie er als Single ja auch verbreitet wurde, handelt es sich um einen Eifersuchtssong. Wenn man aber die Liebe, als das Versprechen des klassischen Popsongs, im Kontext von Sell Out versuchsweise im Horizont des Konsumismus liest, dann kann die berühmte Eröffnungszeile »I know you deceive me, now here’s a surprise« sich auch auf die Ware beziehen – der Betrug wird durchschaut. Darauf antwortet dann allerdings Can’t Reach You auf der B-Seite: Die magischen Augen scheinen hier zu versagen: »I can’t reach you, I’ve strained my eyes«. Angespro16 | Ganz ähnlich verfährt der letztlich nicht auf die LP gelangte Jaguar-Song (»Grace, space, race«). 17 | Decca, bekannt für seltsame Maßnahmen dieser Art, druckt auf die amerikanische Pressung denn auch den Titel Our Love Was, Is, der in dieser Form freilich völlig kryptisch bleibt. 18 | Dazu passt vielleicht, dass der Hörer im vorgeschalteten Radio-London-Jingle aufgefordert wird, die Kirche seiner Wahl aufzusuchen.
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chen ist auch hier kein alltäglicher Lebenspartner, sondern ein im Absoluten (und in absoluter raum-zeitlicher Entfernung, wie die erste Strophe ausformuliert) angesiedelter Fetisch ewiger Jugend (»Your hair is golden, mine is grey«), assoziiert mit Luxus (»You drink champagne«, »You fly your plane right over my head«), Reinheit, Macht und Lebensfülle. Man könnte hier an das im Star personalisierte Versprechen des Pop selbst denken, von dem das Ich beim Hören der Platten intime Zeichen erhält, »indexikalische, reale Körperlichkeit bezeugende Klänge und Geräusche«19 (»Once I caught a glimpse of your unguarded, untouched heart«) – ein Versprechen, das zwar uneingelöst bleibt, bleiben muss, beim Ich aber dazu führt, dass es, einmal die Flamme umschritten, der Flamme Trabant bleibt und alles tut, »trying to get on you/See feel or hear from you«. Jedenfalls schwingt sich Can’t Reach You zu Höhen auf, die das folgende Medac im Kontrast noch komischer wirken lassen. Was aber passiert dann? Die letzten vier Songs geben, wie gesagt, das Abwechslungsprinzip Jingle/Song, das vorher das Album strukturierte, und damit jegliche explizite Referenz zur Werbung vollständig auf. Schon die angedeuteten Bezüge von Armenia City in the Sky und Our Love Was zum letzten Stück, Rael, legen allerdings nahe, dass damit nicht einfach jegliches Konzept über Bord geworfen wird und nur ein Sammelsurium abschließender Füllsel bliebe. Relax, der erste dieser vier Songs, nimmt denn auch bereits im titelgebenden Imperativ die Botschaft des ersten Songs der Platte wieder auf: Relax and settle down Let your mind go ’round Lay down on the ground And listen to the sound Of the band Hold my hand
Hier kommt alles zusammen: das Versprechen seelischer und körperlicher Entspannung und die Liebesbeziehung. Die Droge oder Ware, die alles gut macht, ist aber der »sound of the band«, die Musik der Who selbst. Das angesprochene Du ist demnach auch und insbesondere der Hörer von Sell Out, es ist der Moment der Community, das gemeinsame Hoch19 | Diederichsen: Über Pop-Musik, S. XXIV.
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halten dieser Musik, des Songs selbst (»’Cause everything in the world is yours and mine«), in dem sein Versprechen Erfüllung findet, zumindest für zweieinhalb Minuten. Damit ist Sell Out aber zum Kern des Verhältnisses von Pop-Musik und Ware vorgedrungen und kann die äußerlichen Bezüge zur Konsumindustrie und Werbung von hier an getrost weglassen. Das am Schluss noch einmal verführerisch geflüsterte »Relax!« markiert diesen Punkt intimer Gemeinsamkeit oder schießt vielleicht schon – potentiell unheimlich20 – über ihn hinaus. Denn die Aufforderung könnte sich bereits an den titelgebenden Geizkragen (miser man) des nächsten Songs, Silas Stingy, richten, der sein Geld in Säcken hortet und eifersüchtig hütet wie sein Namensvetter Silas Marner bei George Eliot und mehr noch Charles Dickens’ Scrooge, das Vorbild für Dagobert Duck. Auch musikalisch, im Wechsel vom Townshend- zum Entwistle-Song, wird hier die größtmögliche Opposition zum Vorangegangenen aufgebaut. Geiz ist die Sünde des prototypischen Nicht-Konsumenten, den kein Waren- oder Liebesversprechen locken kann, weil er sich nicht entschließen kann, das sicher zu besitzende Mittel (Geld) gegen die Ware zu tauschen, deren Wert demgegenüber unsicher bleiben muss. Dafür nimmt er Lächerlichkeit und soziale Vereinsamung in Kauf und lebt in ständiger Angst, bestohlen zu werden. Heinz Baked Beans, einen Kurs bei Charles Atlas oder Odorono wird man »Mingy Stingy« nicht verkaufen können: Silas didn’t eat, which was just as well He would starve himself for a penny He wore old clothes and he never washed ’Cause soap cost a lot 20 | Sein unheimliches Echo findet dieses »Relax!« im »Welcome!« des Kinderschänders Uncle Ernie in Tommy’s Holiday Camp auf Tommy (1969) und dann im berühmtesten »Relax!« der Popgeschichte in Hotel California von den Eagles (1976). Hier ist es die totale Immanenz der dekadent-warenförmigen Pop-(II)Welt, die das Unheimliche ausmacht: »Relax! said the night man/You are programmed to receive/You can check out any time you like/But you can never leave«. Den Entspannungsimperativ als Funktion einer durchfunktionalisierten Welt inszeniert auch PeterLicht in seinem oxymoronisch betitelten Song Wettentspannen (»Wer sich schneller entspannt/ist besser als jemand/der sich nicht so schnell entspannt«, auf Lieder vom Ende des Kapitalismus, 2006).
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Schon der Gebrauchswert dieser Waren interessiert ihn nicht, wieviel weniger ein möglicher Fiktionswert. Dass dieses Mickerwesen keine PopExistenz und kein gelingendes Leben ist, versteht sich und macht im Umkehrschluss noch einmal deutlich, wie sehr Konsum und Pop auf einer gemeinsamen Seite stehen. Das obsolete Zerrbild des Kapitalisten, der Geld in Säcken (oder Geldspeichern) hortet, taugt nur noch fürs Abstrusitätenkabinett. Sunrise nun, das vorletzte Stück auf der LP, führt wieder ins Zentrum des Townshend-Kosmos zurück. Es nimmt das unerreichbare Idealbild aus Can’t Reach You wieder auf und führt die mögliche negative Wirkung des einmal berührten, aber nicht zu haltenden Ideals weiter aus, dessen »echoed vision« das Ich gespenstisch verfolgt: Es verdunkelt den real gelebten (All-)Tag (»You appear and the morning looks drab in my eyes«) und verhindert pragmatisches, fruchtbares, lebbares Verhalten, neue Bindungen, die gegenüber dem leuchtenden Ideal immer als Kompromiss erscheinen müssen (»And then again I’ll turn down love/Having seen you again«). Diese Beziehung zum absoluten Versprechen des Ideals tut, wie das Ich selbst einsieht, auf die Dauer nicht gut: »The chances I’ve lost/ Opportunities tossed«. Wieder stellt sich die Frage nach dem hier angerufenen idealen Du – eine alte Liebe, der Guru, eine göttliche Instanz? An all das lässt sich denken, allerdings ist auch bekannt, das Sunrise offenbar erst im letzten Moment für den Werbesong Jaguar auf die Platte genommen wurde, in dem sich diese Fiktion absoluter Überlegenheit eben einem Markenprodukt verdankt: »Everything they’ve seen you have seen/ Everywhere they’ve been you have been« – im Jaguar nämlich. Vielleicht lässt sich Sunrise als komplementäre Ergänzung zu Silas Stingy lesen, was dann in etwa folgende Aussage ergäbe: Es ist ebenso falsch und macht ebenso unglücklich, sich den Angeboten des Konsums (und der Liebe, und der Drogen, und des Pop) zu entziehen, wie es in die Irre führt, deren Fiktionswerte nicht als solche zu genießen, sondern sie zum Maßstab für die eigene Lebenswirklichkeit zu machen.21
21 | In Gottfried Kellers Novelle Pankraz, der Schmoller wird eine ähnliche Thematik behandelt. Pankraz, der zuvor gar keine Literatur (Fiktion) kannte, hält nach seiner Shakespeare-Lektüre die realen Frauen und Männer in seiner Umgebung für solche vom Format Shakespeare’scher Heldinnen und Helden und wird damit nicht glücklich.
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D as gelobte L and Bleibt als Schlussstein von Sell Out das beinahe sechsminütige Rael.22 Wie schon beim Titelsong von A Quick One handelt es sich um eine modulartige Montage verschiedener musikalischer Motive. Das lyrische Ich erklärt dem Kapitän seiner Yacht zunächst die Lage – The Red Chins in their millions Will overspill their borders And chaos then will reign in our Rael
– und dann den Plan: Es will in das bedrohte Rael reisen und am Weihnachtstag ein Flaggenzeichen geben, ob es dort bleiben kann (rote Flagge) oder aufgibt und wieder an Bord gehen will (gelbe Flagge). Erst in einem kleinen Modul gegen Ende spricht offenbar der Kapitän selbst (»He’s crazy if he thinks we’re coming back again/He’s crazy anyway«). Was soll man nun daraus machen? Rael scheint so etwas wie eine kulturelle und spirituelle Heimat zu sein (»the home of my religion/To me the center of the Earth«).23 Als Anagramm von ›real‹ und Element von Israel, dem gelobten Land, dürfte es sich hier weniger um eine geopolitische als um eine metaphorische Entität handeln, womit auch die ganze, an alte Mythen und Abenteuerfilme erinnernde Schiffs- und Flaggenthematik im übertragenen Sinne zu lesen wäre. Dieses Sanctum retten und sogar in ihm leben zu wollen, ist in der Außensicht verrückt (crazy), aber genau das versucht das Ich. The Real Me 24 in Bezug auf Rock ’n’ Roll wird Towns22 | Der auf verschiedenen Pressungen variierende Titel (Rael, Rael 1, Rael 1+2) deutet wohl nur an, dass das Material dieses Montage-Songs aus einem größeren Komplex stammt (der z.T. dann in Tommy eingeht). Zu den Paralipomena gehört jedoch ein kurzes Stück namens Rael 2, das weder textlich noch musikalisch in Rael 1+2 enthalten ist. 23 | Auch wenn keine konkrete Religion auszumachen ist. Der Song könnte durchaus eine Anregung für die 1973 von Claude Vorilhon gegründete esoterische Rael-Bewegung (UFOs, Klonen von Menschen, Hakenkreuz im Judenstern) gewesen sein, aber nicht umgekehrt. Vorilhon nennt sich selbst Rael, ebenso wie der fiktive Held eines weiteren Konzeptalbums, The Lamb Lies Down on Broadway von Genesis (1974). 24 | Der Song findet sich auf Quadrophenia (1973).
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hend bekanntlich auch weiterhin beschäftigen; dass Tommy Elemente dieser Suche integrieren wird, sahen wir schon an Can’t Reach You: Der dort geäußerte Wunsch »[to] see, feel or hear from you« wird im Leitmotiv der Rockoper, »See me, feel me, touch me, heal me«, wieder aufgenommen, Elemente finden sich aber auch im apokryphen Rael 2: What I see is all I’ve seen In my sweetest sleep in dreams What I feel is all I’ve felt When by newborn babes I’ve knelt What I know is all I’ve known That has been good while I have grown Bless the thoughts that made me sail And the God who made Rael
Anagnorisis: Elemente des Traums, der Reinheit (»newborn babes«), vor allem aber das Gute aus Kindheit und Adoleszenz finden sich wieder, werden wiedererkannt im gelobten Pop-Land Rael. Wenige Monate später formuliert Leslie Fiedler sein Konzept von Postmoderne, in dem er fordert, die neuen Pop-Mythen unter Rückgriff auf die Abenteuergeschichten der Kindheit und Jugend zu generieren und qua Pop-Literatur jene Qualitäten für eine zeitgemäße Kunst zu retten, die durch eine verkopfte High Art verloren gegangen waren. Genau so etwas scheint Townsend hier im Sinn zu haben: Kindheitsmythen in Pop-Mythen zu verwandeln – daher auch der Abenteuer-Zusammenhang mit Schiff, Kapitän und Flaggen: »dekadente Kinder, die Indianer spielen – phantasievolle Amerikaner wir alle, ob hier geboren oder nicht. Aber Amerikaner sein heißt nichts anderes, als sich ein Schicksal einzubilden, anstatt eines zu erben, da wir immer schon […] im Mythos und nicht in der Geschichte gelebt haben.«25 Hier ist, mit anderen Worten, einmal mehr von Fiktionswerten die Rede. Und der zentrale Fiktionswert, der verhandelt wird, ist der Glamour des Pop als Teil der neuen Konsumwelt selbst. Nicht nur The Who überquerten in der hier in Rede stehenden Zeit ständig den Atlantik zwischen England und den Vereinigten Staaten, Pop 25 | Leslie Fiedler: Überquert die Grenze, schließt den Graben! Über die Postmoderne [1968]. In: Roman oder Leben. Postmodern in der deutschen Literatur. Hg. v. Uwe Wittstock. Leipzig 1994, S. 14-39; S. 26.
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selbst präsentiert sich zeitgenössisch als ein solches transatlantisches Phänomen.26 This is Tomorrow hieß eine Ausstellung der britischen Independent Group im Jahre 1956. Das Plakat zu dieser Ausstellung zierte der Siebdruck einer kleinen, später berühmt gewordenen Illustration von Richard Hamilton namens Just What Is It That Makes Today’s Homes So Different, So Appealing?. In diesem 25x26 cm großen Bildchen lässt sich vielleicht der Anfang einer europäischen Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Kulturangebot unter dem Label Pop verorten. Die Collage fügt Zeitschriften- und Katalogschnipsel liebevoll zu einem Interieur zusammen. Das Comic-Heftchen wird zum Wandgemälde (wie wir das später von Roy Lichtenstein kennen), die Raketenaufnahme der Erde zur Zimmerdecke und noch das berühmte Pop-Lolly,27 das sich die männliche Figur beziehungsreich vor die Unterhose hält, ließe sich zur Not als Tennisschläger im Futteral dekodieren und insofern in eine stimmige Raumkomposition integrieren, deren perspektivische Flucht sich sogar in den Raum des Comic-Bildes fortsetzt. Allein der beschriftete Pfeil am Staubsaugerschlauch (»Ordinary cleaners reach only this far.«) sperrt sich dieser Natualisierungstendenz – er ist nicht als Element einer wie auch immer zusammengestoppelten Diegese rezipierbar und erzeugt damit sozusagen eine Collage zweiter Ordnung. Der Pfeil markiert einen ansonsten völlig nichtssagenden Ort im Bild: »Gewöhnliche Staubsauger reichen nur bis hierher und nicht weiter«. Das stellt einerseits das Verfahren einer Reklameindustrie aus, die gewohnheitsmäßig und aus rein marktpsychologischen Gründen mit wenig subtilen Übertreibungen arbeitet und dabei für den, der das aus einem gewissen Abstand betrachten kann, ständig wunderbar absurde Effekte produziert. Noch der Muskelmann und die Sexbombe sind ja offenbar Inkarnationen genau dieser hyperbolischen Tendenz zur Herstellung eines medien- und marktgesteuerten Appeals. Halb bieten sie sich in ihren Posen selbst als Ware an 26 | Für die folgenden Absätze verwende ich einige zentrale Abschnitte meines Aufsatzes »Just What Is It That Makes Today’s Homes So Different, So Appealing?« Globalisierung als Herausforderung an Literatur- und Kulturwissenschaften. In: Neue Beiträge zur Germanistik Bd. 5/Heft 1 2006, S. 129-143. 27 | »Und, wichtig: ›Pop‹ war immer schon Warenmarke, Emblem.« (Roger Behrens: Traditionelle und kritische Poptheorie. Anmerkungen zur fröhlichsten Wissenschaft, heute. In: Pop Kultur Diskurs. Zum Verhältnis von Gesellschaft, Kulturindustrie und Wissenschaft. Hg. v. Holger Adam u.a. Mainz 2010, S. 17-39; S. 19).
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(worauf unmissverständlich die Nachbarschaft von Büchsen- und Frauenfleisch weist), halb legen sie Zeugnis ab für die segensreiche Wirkung, die die bunte Medien- und Warenwelt dem Konsumenten verspricht: Im markierten Gegensatz zur saugenden Minna sind sie reich, schön und sexy und verbringen ihr Leben offenbar in Freizeit, mit Leibesertüchtigung und Körperpflege.
Wäre das alles, dann wäre Hamiltons Collage kein Pop, sondern zu lesen als eine Warnung vor den fatalen Folgen von Amerikanismus und kapitalistischer Kulturindustrie. Vergleichbaren Mementos nach Art der Frankfurter Schule geht aber zumeist die positive Energie, der Spaß ab, die das Bild ausstrahlt, und so muss man andererseits zugeben, dass »Ordinary cleaners reach only this far« auch schlicht wahr ist. Es benennt munter eine Überbietungsfigur, eine hyperbolische Tendenz, die eben nicht nur den einmontierten Gegenständen eigen ist, sondern an der auch das Bild selbst teilhat. Amaya betont genau diese Tendenz, wenn er als terminologische Alternative zu Pop Art »The New Super Realism« vorschlägt: Das weist nicht nur auf eine neue Art von Realismus hin, die mit dem der Vergangenheit nichts zu tun hat, sondern auch auf die Super-Bestandteile unserer Kultur: den Supermarkt, Superhelden-Idole, die Direktive der Superangebote, die Super-Raffinesse einer übersättigten Gesellschaft, die das Neue um seiner selbst
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willen schätzt. Es verwendet außerdem die beiden meist überbeanspruchten Adjektive der Werbung. 28
»This Is Tomorrow« – bisherige Kunst hatte so weit nicht gereicht. Der Titel des Bildes lässt sich also auch direkt auf die Collage selbst beziehen, sie war im Jahre 1956 mit Sicherheit different, und appealing ist sie nach wie vor. Das liegt vermutlich auch daran, dass ihr Umgang mit dem Material sich eben – genau wie bei The Who Sell Out – nicht so einfach auf einen Nenner bringen lässt, wie es anfangs scheint. Hamilton hatte sein Bildmaterial aus amerikanischen Magazinen ausgeschnitten, die ein Freund ihm aus den USA mitgebracht hatte (Esquire, Mad, Playboy),29 und sicher werden hier auch die Oberflächlichkeit des American Way of Life und die allzu offensichtliche Hyperbolik der Versprechen kapitalistischer Warenwelt ironisiert. In der Bildmitte thront das Ford-Logo als Ikone der verdinglichenden Produktionsweise des Taylorismus, und auf dem Sessel links vorn liegt das Journal of Commerce. Auf Klassen-, Rassen- und Gender-Gegensätze wird zumindest angespielt. Zugleich ist aber doch ohne Zweifel auch Begeisterung für eine Welt zu spüren, in der Leuchtreklamen, Tonband, Fernseher, Telefon, Auto und Staubsauger zum Alltag gehören, in der man Comics lesen, Jazz hören, zweimal täglich ins Kino gehen kann und in der Sex kein Tabu ist. Den Unterschied zum Europa der 1950er Jahre kann man sich gar nicht groß genug denken. Dazu muss man gar nicht die berühmte Moskauer Küchen-Debatte von 1959 bemühen, wo die Amerikaner die Superiorität ihrer Kultur durch die Ausstellung ganz normaler Haushaltsausstattungen demonstrieren wollten, mit genau jenen Accessoires, die Hamiltons Bild vereint. Der britische Pop-Autor Nick Hornby erinnert sich, dass er noch Mitte der 1970er Jahre, als er sechzehnjährig zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten war, dort eigentlich nur einkaufen und fernsehen wollte (zur Enttäuschung seines Vaters, der ihm die großen Kultur28 | »This alludes not only to a new type of realism which has nothing to do with that of the past, but to the super elements in our culture: the supermarket, supermen idols, the supersales directive, the super-sophistication of a super-saturated society that values the new for its own sake. It also employs the two most overworked adjectives in advertising.« (Mario Amaya: Pop as Art. A Survey of the New Super Realism. London 1965, S. 19). 29 | Vgl. Amaya: Pop as Art, S. 32.
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stätten des Landes nahebringen wollte): Green Acres-Wiederholungen im Fernsehen, der tägliche Besuch bei Kmart und im Plattenladen von Sam Goody’s – »sich noch weiter vorzuwagen, hätte den sofortigen Tod durch Über-Stimulation zur Folge gehabt«.30 Hornby konfrontiert diese Paradiese mit sinistren Erinnerungen an den englischen Alltag der 70er, wo man dem Ambiente des kommunistischen Polens näher gewesen sei als dem von New York – ständig Stromausfall, Läden dauernd geschlossen, abends nichts los, nur drei langweilige Fernsehprogramme – »even our junk food was bad junk food«.31 Was Hornby in Connecticut erlebte, im ganz biederen amerikanischen Alltag, war eine Befreiung der Art, wie die kommerziellen Piratensender eine Befreiung von der kulturellen Bevormundung durch die BBC waren – und etwas davon ist bereits in Hamiltons Collage gestaltet. Dabei bedeutet der geballte Import von Produkten amerikanischer Kulturindustrie im Kunstkontext natürlich noch einmal etwas anderes als im Bereich der Alltagskultur. Die drei Großbuchstaben auf dem Tootsie-Lolly haben nicht umsonst einer ganzen Kunstrichtung ihren Namen gegeben: Wenn dies »tomorrow« war, dann stand die abstrakte, emphatische, längst akademisierte internationale Moderne generell zur Disposition. Und zumindest die Elemente ›Comic an der Wand‹ und ›Lebensmitteldose‹ nehmen ja auch schon etwas von den künftigen Techniken von Pop Art vorweg, die wir mit Lichtenstein und Warhol verbinden. Die Collage weist aber keineswegs nur – mehr oder weniger polemisch – in eine Zukunft voraus: Im Kino vor dem Fenster wird ausgerechnet The Jazz Singer mit Al Jolson aus dem Jahre 1927 gegeben, der erste abendfüllende Tonfilm mit Dialogen. Statt eines zeitgenössischen Reißers wählt Hamilton also einen in den 50er Jahren längst historischen Meilenstein der Kinoentwicklung. Damit wird die Geschichte der amerikanischen Unterhaltungsindustrie auf einmal zur Vorgeschichte zeitgenössischer europäischer Kunst – und das mit allen Konsequenzen: Gleich zweimal ist neben dem Schauspieler in seiner ikonischen Pose der Name der Filmgesellschaft Warner zu lesen, dazu der der Tontechnik-Firma Vitaphone. Die auffälligen Markennamen – auch auf Lolly, Staubsauger und Schinkendose zu finden – stehen also nicht nur für Verführung und Aus30 | »[…] to venture any further would have resulted in instant death from over-stimulation.« (Nick Hornby: 31 Songs. London 2003, S. 80). 31 | Hornby: 31 Songs, S. 79.
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beutung, sondern auch für die wirtschaftliche und technische Seite der Produktion und Distribution von Kultur und Wohlstand. So leistet, was auf den ersten Blick als absurdes Sammelsurium zufälliger Katalogfunde erscheinen mag, bei genauerer Betrachtung eine Inventarisierung der frühen Medien-, Marken- und Populärkultur unter Einbezug ihrer historischen Dimension. Die kleine Collage erweist sich als ein Bild von durchaus enzyklopädischem Anspruch, wie Sell Out versammelt sie eine ganze Reihe von zeittypischen Erscheinungen auf engem Raum, und dabei entstehen neue, intratextuelle Beziehungen. Einige der Ähnlichkeits- und Nachbarschaftsbeziehungen des Bildes springen sofort ins Auge: das klassische Porträt neben dem Comic, das bekleidete, kommunizierende Paar im Bild und das nackte, posierende im Raum, der Ford-Lampenschirm und die Kopfbedeckung der Frau, die explizitermaßen außergewöhnliche Länge des Schlauches zu Haltung und Größe des Pop-Lollys mit Assoziation zu dem, was es verbirgt bzw. substituiert. Andere Verbindungen sind rätselhafter: Warum ist Al Jolsons Gesicht auf dem Kino-Plakat abgeschnitten? War der Markenname wichtiger als das Produkt? Wenn man bedenkt, dass im Jazz Singer ein weißer Jude mit amerikanisiertem Namen als Blackface-Darsteller auftritt, also einen schwarzen Jazzmusiker spielt, dann kommen hier womöglich Fragen von Authentizität, Artifizialität, Appropriation und Genre in der Medienkultur ins Spiel. Auch auf dem Comic-Blatt ist ja viel von Authentischem die Rede: »original love & romance« und »true love« erscheinen als Genrespezifika massenkulturellen Schrifttums, während die ›echten‹ Menschen sich als lieblose, wenig romantische Sex-Models präsentieren. Immerhin holt der Dialog in den Sprechblasen das einigermaßen lebensnahe Problem einer Vereinbarkeit von Liebe und Karriere wieder ins Bild (»We’ve got to keep our love a secret, Marge… I’d lose my job if the boss found out about us! After all I am engaged to his daughter!…«) – was auch die optische Achse zwischen Comic und Finanzblatt semantisiert. Aus dem ganz auf Luxus und Freizeit abgestellten Interieur dazwischen bleibt der Gedanke an Arbeit dagegen ausgeklammert – arbeiten tun die anderen. Es heißt, der schwarz-weiße Teppich in der Mitte sei eine Aufnahme von Menschenmassen an einem Badestrand32 – als Ornament einer Mas32 | Vgl. Jürgen Zänker: »Pop« zwischen Hochkunst und Massenkultur. Hamilton, Warhol und die Beatles. In: Monika Wagner (Hg.): Moderne Kunst 2. Das Funkkolleg zum Verständnis der Gegenwartskunst. Reinbek 1991, S. 552-569.
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se in kollektiver Freizeit wäre das höchst stimmig. Was davon übrig bleibt, weckt dann eher Assoziationen zu Arbeiten Jackson Pollocks, dessen emphatisch moderner Abstrakter Expressionismus vom Pop in Gestalt der knalligen Süßigkeit optisch zum Hintergrund degradiert wird. Hier ist also viel zu entdecken, doch werden die Gegenstände und ihre Beziehungen zueinander erst durch den Gestus ihrer Präsentation bedeutend. Aufgrund ihrer hyperbolischen Zurschaustellung erscheint etwa die Männlichkeit des Muskelprotzes prototypisch für das, was Susan Sontag acht Jahre später als Camp definiert hat. Wie die übertriebene Stilisierung bei Gebrauchsgegenständen wie der Tiffany-Lampe dient nach Sontag auch die Übertreibung der Geschlechtsmerkmale bei Hollywood-Diven wie Jayne Mansfield, Gina Lollobridgida oder Jane Russell ebenso wie bei Lendenschurz-Schauspielern wie Steve Reeves dazu, ihre Träger in semiotische Anführungszeichen zu setzen: »It’s not a lamp, but a ›lamp‹; not a woman, but a ›woman‹« – eine Naturalisierung findet nicht statt.33 So ist auf Hamiltons Collage eben nicht ein Staubsauger, sondern ein »Staubsauger« zu sehen. Besonders vielsagend sind die Gänsefüßchen, mit denen das auf die Frau hin erigierte Kinder-Lolly die ohnehin campy ausgestellte Potenz des Mannes versieht – der Markenname Tootsie (was soviel wie ›Püppchen‹ bedeutet)34 setzt hier nur noch das I-Tüpfelchen im Spiel der GenderAmbiguitäten. Und doch: Trotz dieser Technik der Anführungszeichen, die jedes collagierte Element zugleich als hyperbolisches Zeichen seiner selbst ausstellt – »ordinary cleaners reach only this far« – trotz alledem ist die Haltung von Hamiltons Bild mit Camp noch nicht getroffen. Einige seiner Elemente mögen das sein, aber die meisten der genannten Dinge (z.B. das Ford-Auto, das Kino oder das Tonbandgerät) sind ja nicht, mit Susan Sontag, gut, weil sie schrecklich sind, sondern sie sind an und für sich gut. Sie sind, genauer gesagt, Popular (designed for a mass audience) Transient (short-term solution) Expendable (easily forgotten) 33 | Susan Sontag: Notes on »Camp« [1964]. In: S.S.: Against Interpretation. London 2001, S. 275-292; S. 280. 34 | Das Wort stammt evtl. aus dem Jiddischen (zees tushele – »sweet bottom«). Vgl. Robert L. Chapman: American Slang. New York u.a. 1987, s.v.
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Low-cost Mass-produced Young (aimed at youth) Witty Sexy Gimmicky Glamorous Big business 35
– und damit erfüllen sie Wort für Wort all jene Kriterien, die der Künstler Hamilton für seine neuartige Kunst, »Pop Art«, selbst fordert. Das heißt aber, dass das Pop-Kunstwerk wesentliche Eigenschaften der in ihm dargestellten, in es hineinzitierten und -collagierten Dinge ganz bewusst beerben will. Es zapft sie an, zehrt von ihrer kulturellen Energie, obwohl sie evidentermaßen Erzeugnisse und Werkzeuge einer kapitalistischen Industrie sind und Künstler wie Rezipienten durchaus darum wissen. Unser Gefühl der Wertschätzung bleibt somit ein durch und durch gemischtes, eine komplexe Rezeptionslage im Zeitalter der Konsum- und Mediengesellschaft. Wie Camp, so ist Pop eine ästhetische Haltung, die ihre massenkulturell gefertigten Gegenstände in Anführungszeichen setzt und zugleich bejaht, in ihrer Absurdität belächelt und zugleich verehrt. Und diese etwas komplizierte Geisteshaltung färbt auch auf die Betrachtung ernster und hehrer Kunst ab, hier etwa des Abstrakten Expressionismus. Sie erschwert das dauerhafte Einnehmen ästhetisch gläubiger Haltungen vor erhaben-abstrakten Leinwänden mit auratischem Anspruch und vor Beton-Glas-Bausünden in der erweiterten Adolf-Loos-Nachfolge. Gleichzeitig ermöglicht sie den hingebungsvollen ästhetischen Genuss von Gebrauchsgrafik, Werbung, Comics und Popsongs. 1964, in dem Jahr, in dem Sontags Notes on »Camp« erschienen, traf David Sylvester auch seine Unterscheidung zwischen einer Kunst, die in einem Wein-Klima, und einer anderen, die in einem Coca-Cola-Klima wächst und gedeiht. »Mir scheint«, schreibt er,
35 | Richard Hamilton: Brief an Peter and Alison Smithson, 16.1.1957. In: R.H.: Collected Words 1953-1982 London o.J., S. 28.
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dass die britischen Künstler im Großen und Ganzen einen weitaus romantischeren und optimistischeren Blick auf die Coke-Kultur haben als die Amerikaner. Wenn das stimmt, liegt es sicherlich daran, dass die Coke-Kultur Groß-Britannien noch nicht vollständig dominiert und auf uns daher eine beinahe exotische Faszination ausübt. Ein Großteil britischer Pop Art ist ein Traum, ein sehnsüchtiger Traum vom weit entfernten kalifornischen Glamour, so zart und empfindsam wie der prä-raffaelitische Traum von einem weit entfernten mittelalterlichen Rittertum. 36
Britische Pop Art, hieße das, lebt vom Fiktionswert eines gelobten, aber eben, wie es gelobte Länder so an sich haben, vor allem auch fiktiven Landes namens Amerika. Das ist ein interessanter Gedanke – er legt nahe, dass die Rezeptions-Komplikationen angesichts einer globalen Kulturindustrie, wie sie unter dem Stichwort Pop verhandelt werden, eher in Europa zu Hause sind als den USA, dem Traumland des Pop; dass es auf der östlichen Seite des Atlantiks leichter fällt, auch die neuen Mythen und auratischen Ansprüche in Pop zu verwandeln und zu goutieren, die Amerika und eben nur Amerika immer wieder hervorbringt. (Man tut sich leichter mit Westernhelden, Muskelprotzen und Geldspeicher-Besitzern, wenn man nicht ständig befürchten muss, dass sie demnächst die Regierung übernehmen.) Das würde auch die dominante Rolle erklären, die England ab den 1960ern beim Siegeszug der Popkultur gespielt hat, vor allem auf musikalischem Gebiet. Noch interessanter aber ist, dass es um diese Zeit längst auch die Umkehrung des beschriebenen Phänomens gibt. Der Amerikaner John Dougan etwa, der die Who und Sell Out zeitgenössisch rezipieren durfte, erinnert sich an das Pop-Phantasma von England und insbesondere London, das in den von der British Invasion eroberten USA Mitte der 1960er
36 | »It seems to me that the British artists by and large take a far more romantic and optimistic view of Coke Culture than the Americans do. If this is so, the reason would clearly be that Coke Culture has not yet completely taken Britain over and so exerts a more exotic fascination for us. Most of British Pop Art is a dream, a wistful dream of far-off Californian glamour as sensitive and tender as the Pre-Raphaelite dream of far-off medieval chivalry. I like it as I like Millais’s Ophelia and Arthur Hughes’s The Long Engagement.« (David Sylvester: Art in a Coke Climate. In: The Sunday Times Colour Magazine. London, 26.1.1964, zit.n. Amaya: Pop as Art, S. 42).
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vorherrschte – das genaue Gegenstück zu Hornbys USA-Phantasie. England kam ihm vor »wie Dorothy das Land Oz«: Das London meiner Phantasie war das Technicolor-Gegenteil meines winzigen, schwarz-weißen, kulturell isolierten Heimatortes in Zentral-Massachusetts. […] Irgendwo in der Welt da draußen gab es eine Stadt, die von jungen Leuten regiert wurde (war irgendjemand dort über 30?), wo Rock ’n’ Roll nicht mit Geringschätzung behandelt wurde, wo lange Haare obligatorisch und grellbunte Bekleidungspsychedelia (radikal anders als die eintönigen Hemden und langen Hosen, die meine Eltern von Sears nach Hause brachten) der Dresscode waren und britische Akzente dafür sorgten, dass sich jedermann, ungeachtet seiner regionalen und sozialen Herkunft, smart und hip anhörte. Dort, das war ganz klar und eindeutig, ging es ab, selbst wenn es sich in mancherlei Hinsicht um eine Fiktion wie die Smaragdene Stadt [die Hauptstadt von Oz] handelte. 37
Emerald City, Armenia, City In The Sky, Rael: das gelobte Land des Pop ist bis in die 70er Jahre hinein ein transatlantisches reziprokes Phantasma (ameRicAEngLand) von Jugend, Glamour, Medien (Vitaphone, Technicolor), Sex und einem hippen Konsum,38 ein Land, das es als realen Ort vielleicht gar nicht gab und das dennoch die westliche Kultur prägen und verändern sollte. Und war nicht Radio London (Ra-eL), als exterritorialer amerikanischer Radiosender mit dem Namen der britischen Hauptstadt, mit seinen Pop-Songs, seinen coolen Moderatoren, seinen Jingles und seiner Werbung sozusagen die dichteste Annäherung an dieses gelobte Land, die sich in der Wirklichkeit Mitte der 60er finden ließ? Ein Piratenschiff? »When the red flag is flying…« Das mythische Land Rael, das Townshends lyrisches Alter Ego zu retten versucht, ist das Herzland des Pop selbst. Zu retten wovor eigentlich genau? Wovon geht die Bedrohung des Pop-Landes aus? Eine naheliegende Parallele findet sich im Beatles-Film 37 | Dougan: The Who Sell Out, S. 8. 38 | Man könnte hier Richard Hamiltons oben zitierten Merkmalskatalog für Pop Art noch einmal vollständig anführen. Dieses gelobte Land hatte sogar eine Armee, die »Carnabetian Army« aus dem Song Dedicated Follower of Fashion (1966) von den Kinks: Das sind genau die hippen jungen Leute, die die bunten »Bekleidungspsychedelia« in der Carnaby Street in London kauften. Auch dieser Song parodiert und feiert dieses Konsumverhalten zugleich.
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Yellow Submarine (1968), in dem die Blaumiesen das bunte Pepperland in eine eintönige Tristesse zu verwandeln suchen, und das Gegenmittel lautet: Pop-Musik. Interessanterweise ist es hier ebenfalls, wie in Rael, eine nautische Allegorie, die für den Befreiungskampf bemüht wird, das Aus für die Piratensender im Sommer 67 scheint also noch gegenwärtig. Statt der Blue Meanies, die leicht als Allegorie eines langweiligen bis faschistoiden Establishments zu entschlüsseln sind, bedrohen bei den Who nun aber die »Red Chins in their millions« das kulturelle Pop-Erbe. Bitte wer – die Rotchinesen? Was soll der Hörer damit assoziieren? Das ist jedenfalls mal nicht die BBC oder die britische Regierung, die die Privatsender verboten hatte, es ist nicht das kulturkonservative Establishment der Erwachsenen und es ist schon gar nicht die Konsum- oder Kulturindustrie. Weiter als Maos Rotchina konnte man zu dieser Zeit von Popkultur vielmehr kaum entfernt sein. Hier wütete seit 1966 die sogenannte Kulturrevolution, die mit den Resten der vorrevolutionären chinesischen Kultur radikal und grausam aufräumte, vor allem auch an den Universitäten. Zwar ist einerseits nicht zu leugnen, dass diese politische Bewegung sich zu dem, was Sell Out auf der ersten Seite feiert, vollständig konträr verhält, aber andererseits erscheint sie von allem, was die Teenager in England umtreibt, doch auch zu weit entfernt, um hier das Denotat der Allegorie zu sein. Am ehesten noch könnte man im Bild der drohenden RotchinesenFlut einen Affekt gegen linksrevolutionäre, pop-, konsum- und hedonismusfeindliche Tendenzen vermuten, wie sie den Who unter den politisierten Gleichaltrigen vor allem in den USA gelegentlich begegnet waren – ein angedeuteter Dissens, der bis zum Abbie-Hoffman-Incident in Woodstock führte. Der quasi religiöse Aspekt dessen, was es hier zu retten gilt (»Rael the home of my religion«), kehrt dort in Townshends militanter Verteidigung der »sanctity of the stage« gegen den politischen Agitator wieder. Diese Art von Skepsis gegenüber einer dogmatischen Politik, die in der Jugend der späten 60er in Konkurrenz zu Pop (basic pop, Pop 0) tritt, artikuliert ja wenig später auch John Lennons Revolution (1968): »But if you go carrying pictures of Chairman Mao/You ain’t gonna make it with anyone anyhow«. Ungeachtet dessen sympathisieren Townshend und vor allem Lennon, was Politik angeht, mit den revolutionären Bewegungen der Spätsechziger; so ist es vielleicht kein reiner Widerspruch, dass die Rettung Raels gegen die Red Chins ausgerechnet
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von einer wiederum roten Flagge angezeigt werden soll. Aber Politik ist eben ein anderer Diskurs als Pop. Die Politisierung, die die Jugend um 1970 herum erfasst, richtet sich am Pop, mit dem sie ja gemeinsame Sache machen möchte, vor allem gegen dessen Aspekt der Warenförmigkeit. Proteste gegen hohe oder überhaupt Eintrittspreise (wie in Woodstock, wo der Zaun demontiert wurde, um aus der kommerziellen Veranstaltung ein free concert zu machen), gegen das Bereichern großer Konzerne und auch gegen das Reichwerden der Musiker selbst sind in dieser Zeit an der Tagesordnung.39 ›Commercial‹, einst das Versprechen all der tollen jugendkulturellen Accessoires, ohne die die Welt ein »empty shallow space« war, ist auf dem Weg, zum dirty word zu werden. Die fröhlichen Tage, in denen Pop im bunten Mix mit Werbung und Jingles die Versprechen der Konsumkultur teilt, ja verstärkt und einfordert, wie sie in The Who Sell Out repräsentiert und, bei aller grotesken Komik und Ironie, auch gefeiert werden (genau darin ist Sell Out Pop Art Music), sind zum Erscheinungszeitpunkt der Platte vorerst vorüber. Das zeigt sich nicht nur am Verschwinden der Piratensender, sondern auch an der veränderten Rezeptionserwartung an Pop, wie die Who sie auf ihren US-Tourneen früh erfuhren. Das Konzeptalbum reflektiert somit nicht nur das intrikate Verhältnis von Pop, Medien, Ware und Werbung, sondern auf seiner B-Seite auch das Auseinanderbrechen des Dispositivs Pop 0. Das letzte Stück, das noch an der Radio-Simulation und damit an der Einbindung in den Werbediskurs teilhat, ist Relax (durch seine Kombination mit Medac, man beachte die Vokalgleichheit). Dann folgen mit Silas Stingy und Sunrise zwei Songs, die die Konsumverweigerung und deren Gegenteil, die negativen Folgen eines Glaubens an die fiktiven Ideale von Werbung und Pop, zum Thema haben. Und schließlich gilt es in Rael, das mythische Kerngebiet des Pop, seine Verheißung als gelobtes Land, in einer unklaren neuen Situation zu bewahren.
39 | Das ist alles ausführlich dokumentiert bei Doggett: There’s A Riot Going On, l.c.
»Bits of Americana«. Markenlogos auf Plattencovern Tankstelle Es bleibt ein verblüffender Befund: Markennamen, die Signifikanten der Konsumgesellschaft, sind in den Lyrics klassischer Pop-Musik nahezu abwesend. Und wer’s immer noch nicht glaubt, der blättere einmal die Hüllen seiner Plattensammlung durch: Auch in der grafischen Repräsentation führt Pop-Musik so gut wie keine Markenartikel auf. Dabei findet in der Covergestaltung seit Mitte der 1960er Jahre »mit Blick auf die Ästhetik der Pop- und Rockmusik […] eine nachhaltige und umfassende Durchdringung von sog. U- und E-Kultur statt«,1 an der auf Seiten der Bildenden Künste insbesondere Werbegrafiker und Vertreter der Pop Art namhaften Anteil haben. Englische Pop-Künstler der Independent Group haben Beatles-Cover gestaltet,2 und Pop-Papst Andy Warhol selbst hat mit zahlreichen Plattencovern diese Verbindung gefördert, darunter Ikonen wie das Bananen-Cover für Velvet Underground & Nico (1967) oder die Jeans mit Reißverschluss für Sticky Fingers (1971). Campbell-Dosen und Brillo-Kartons werden dabei allerdings vermieden;3 auch in den einschlägigen Publikationen zu Plattencovern findet sich entsprechend nichts zum Thema Marken. Und als Status Quo für ihr Album Blue For You (1976) einen Wer1 | Josef Spiegel: Sound & Vision. Schallplattencover. Von der Verpackung zu Kunst und Design. Münster 2013, S. 5. 2 | Peter Blake Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (1967) und Richard Hamilton The Beatles, das sogenannte Weiße Album (1968). Vgl. Walter Grasskamp: Das Cover von Sgt. Pepper. Eine Momentaufnahme der Popkultur. Berlin 2004. 3 | Eine Ausnahme machen die mit »Kodachrome Transparency. Processed by Kodak« beschrifteten Dias auf Warhols Cover von John Cales The Academy In Peril (1972).
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bevertrag mit Levi’s abschließen, den ersten dieser Art im Pop, präsentieren sie sich zwar auf dem Cover allesamt in blauen Jeans-Outfits, den Markennamen sucht man jedoch vergeblich. Umso interessanter sind die Ausnahmen von der Regel, und es gibt sie. Neben The Who Sell Out (1967) mit ihrer Anti-Werbung für real existierende Marken auf dem Cover und in den Songs sticht vor allem das kreisrunde Cover von Ogden’s Nut Gone Flake (1968) der Small Faces heraus – es ist in Abwandlung einer Tabakdose gestaltet, enthält jedoch keinen echten Markennamen mehr, so wenig wie das aufwändig als Imitat einer dubiosen Postwurf-Werbesendung gestyle Cover von Artificial Paradise (1973) der The Guess Who. In allen drei Fällen ist ein Bezug zur Pop Art offensichtlich. In meiner Plattensammlung habe ich noch zwei Cover gefunden, auf denen der Markenbezug zwar weniger ins Auge springt, jedoch desto mehr Fragen aufwirft, um die es in diesem Kapitel gehen soll. Passend zum Titel stellt die aufwändige Grafik auf dem Klappcover eines LiveSamplers der Allman Brothers Band namens Wipe the Windows, Check the Oil, Dollar Gas (Capricorn Records, 1976) eine Tankstelle dar. Tankstellen sind normalerweise Orte,4 an denen sich Markennamen und -logos geradezu ballen: Man erwartet hier die Marken der Autos, die tanken oder repariert werden, Werbeschilder für Getränke, Eiscreme, Snacks sowie autobezogene Produkte wie Öl oder Reifen und schließlich, über allem thronend, das Logo der Benzinmarke, die der Tankstelle den Namen gibt. Nichts davon, prima facie, in der Cover-Art von Jim Evans: Die Autos sind in Teil-Seitenansichten so dargestellt, dass man ihre Marke nicht erkennen kann. Es handelt sich um einen Pickup mit Melonen auf der Ladefläche und eine blaue Limousine, vollgepackt mit Instrumenten und durch die Seitenaufschrift als Tourfahrzeug der Allman Brothers Band ausgewiesen. Für Mitte der Siebziger Jahre wirken beide retro. Auch die Dosen mit Motoröl lassen keine Marke erkennen,5 die Werbeschilder am Gebäude präsentieren stattdessen den Albumtitel und die Gattungsbezeichnung »A Live Collection«. Erst auf den zweiten Blick fällt auf der Rückseite die Werbetafel für ein »Ice Cold« Getränk auf, dessen braun geriffelte Flasche zwar keine Taillierung aufweist, aber dennoch an Cola erinnert. Das Etikett, auf dem die Marke prangen müsste, bleibt allerdings 4 | Oder vielmehr Nicht-Orte, Transiträume. 5 | Der Ständer mit den Öldosen erinnert an Edward Hoppers Gemälde Gas von 1940.
»Bits of Americana«. Markenlogos auf Plattencovern
ostentativ leer, und genauso wiederholt sich die Darstellung in kleinerem Maßstab auf einem Thermometer weiter links unten. Hier wird also bewusst jeder Markenname vermieden, ja unterdrückt, so dass wir das Absurdum einer markenfreien Tankstelle vor uns hätten, wären da nicht die Schilder auf den antiquierten Zapfsäulen selbst, die zwar ebenfalls den Namen aussparen, aber durch das T im fünfzackigen Stern dennoch als Logos der Marke Texaco erkennbar bleiben. Die vier kreisförmigen Embleme verbinden sich mit den Tankuhren und den am Gebäude aufgehängten, markenlosen Reifen und Schläuchen zu einem ornamentalen Band mit Kreisformen. Hier findet keine Apotheose einer Marke statt, wie sie ein großes Tankstellenschild unweigerlich evoziert hätte, insofern liegt hier auch jegliche Auseinandersetzung mit Konzernkapitalismus ganz fern (anders als etwa im Verweis auf die Standard Oil Men in den Lyrics von Randy Newmans Album Good Old Boys von 1974).
Vielmehr fügen sich die Texaco-Logos mit den restlichen Details zu einer eher unspezifischen, leicht nostalgisch angehauchten Südstaatenatmosphäre, wie sie zum Image der Band passt. Die plane Seitenansicht ohne Perspektive, offenbar inspiriert von einer Fotografie einer 30er-JahreTankstelle,6 wirkt dabei selbst wie ein Werbeschild. So löst Jim Evans, ein in der US-amerikanischen Surfer-, Skater- und Underground Comic-Szene bekannter Graphiker, hier das Problem der Verbindung von Schrift und Bild, das jedes Plattencover darstellt: In der Substitution der erwartbaren Markennamen durch die albumspezifischen Angaben werden diese – Bandname, Albumtitel, Genreangabe, 6 | Auf der sich selbstredend zahlreiche Markennamen befinden, vgl. fineartame rica.com/featured/1930s-gas-station-ansel-price.html (29.5.2017).
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Playlist – zu Bestandteilen der Diegese naturalisiert, verschmelzen mit den Americana-Klischees eines zeitlosen Südens und ebenso zeitlosen On-the-road-Seins.7 Dafür heißt die Platte dann umgekehrt ja auch wie ein Tankstellenschild. In diese Diegese schreibt sich sogar Evans selbst noch mit ein – seine Signatur wirkt wie auf den Asphalt gekritzelt – der einzig extradiegetische Schriftzug auf dem Außencover ist der CopyrightVermerk der Plattenfirma unten auf der Rückseite. Das Substitutionsspiel lässt sich noch weiter treiben, wenn man das Cover aufklappt. Die Innenseite arrangiert die typischen Musikerfotos, Cover- und Linernotes und noch einmal die Playlist. Im zentralen oberen Bereich, geformt wie ein Label, prangt weiß auf rot der Bandname »The Allman Brothers Band«. In dieser Farbgebung wird überdeutlich, was auf der Vorderseite noch nicht so auffiel: Das Bandlogo verwendet dieselbe gebundene Schrift, die auch den berühmten Coca-Cola-Schnörkel prägt – das amerikanische Markenlogo schlechthin. Der aus dem s von »Brothers« entspringende verlängerte Endschwung entspricht gegenläufig dem, in den das Initial-C von »Coca« ausläuft. Mit der Äquivalenz zu »Coca-Cola« behauptet die Allman Brothers Band hier also, über die Südstaatlichkeit hinausgehend, eine umfassende Amerikanität, die auch in den Fotos der gemeinsam aktiven weißen und farbigen Musiker präsent ist. Auf diese Weise erhalten die leeren Etiketten der Cola-Flaschen von der Vorderseite eine neue Bedeutung, die sich generalisieren lässt. Auch wenn sich der Cola-artige Schriftzug nicht (wie z.B. bei Chicago) zu einem albumübergreifenden Logo verfestigt: Der Bandname ist der eigentliche Markenname auf dem Cover, die Band ist folglich die Marke, the band is the brand.8 Wie die Umschläge von Zeitschriften und Büchern dienen die Plattencover, wie hoch ihr Kunstanspruch auch sein mag, zunächst immer als ihre eigene Reklame, als Werbeträger für das Objekt, dessen Teil sie sind. In der konstitutiven Mehrkanaligkeit von Pop-Musik übernimmt die Coverillustration zudem die Funktion einer Image-Pflege (und zwar der Band, nicht der Plattenfirma, die explizit außerhalb bleibt), wie hier für die Allman Brothers Band mit ihrem Südstaaten-Image zu zeigen war. 7 | Martin C. Strong bezeichnet den Tourbus als »natural habitat« der Allman Brothers Band (The Great Rock Discography. New York 72004, S. 29). 8 | Neuerdings erscheinen Archivaufnahmen denn auch unter dem naheliegenden Label »Allman Brothers Brand«.
»Bits of Americana«. Markenlogos auf Plattencovern
G arten Wie sieht das nun im Kontext einer Independent Music aus, deren Bands mit Sicherheit nicht danach streben, Marken zu werden? Das wäre bei einer einmaligen Zusammenstellung wie Vic Chesnutt, Elf Power and the Amorphous Strums, die gemeinsam als Band des Albums Dark Developments (Orange Twin Records, 2008) gelistet sind, wohl auch schwierig. Alle Künstler entstammen dem Independent-Kosmos der Universitätsstadt Athens/Georgia, und dasselbe gilt auch für Terry Rowlett, dessen Gemälde Through the Garden die Vorderseite des Covers ziert. »I eagerly jumped at the chance to be on the cover of one of Vic’s album’s«, gibt der Künstler zu Protokoll, »I have always liked his music.«9 Dafür räumen die Musiker dem ursprünglich nicht im Kontext der Platte entstandenen Bild das komplette Vordercover frei – Bandname, Albumtitel und Label, die man hier eigentlich erwarten könnte, sind zur Tracklist auf die Rückseite verbannt. Dafür wiederum rahmt Rowlett sein Bild mit einem roten Vorhang, der sich nicht auf dem Original findet, und schafft so einen Bühnen- oder Vaudeville-Effekt nach dem Vorbild seines Gemäldes The Singer (2003), auf dem ein anderer Autor und Musiker aus Athens, John d’Azzo, mit umgehängter Gitarre zu sehen ist. Das Hellrot des Vorhangs nimmt die Farbe einer der beiden Zentralfiguren von Through the Garden wieder auf, eines fülligen, bärtigen, kahlen, älteren Mannes im wallenden Gewand, der ganz offensichtlich einem Renaissancegemälde, Hieronymus Boschs Anbetung der Könige, entnommen ist – allerdings ohne den Schlüssel, der ihn dort als Petrus ausweist. Mit angelegten, aber offenen Armen empfängt dieser Mann bei Rowlett die zweite Zentralfigur, den von schräg rechts vorn auf ihn zutretenden Tod, der allegorisch als Knochenmann mit schwarzem Umhang, flachem schwarzen Hut und Sporen gestaltet ist. Setting ist ein von dunklen Zypressen gerahmter Rasengarten, der hinten den Blick auf eine toscanisch anmutende Hügelkette freigibt, über der im blauen, wolkigen Taghimmel ein Vollmond steht. All dies mutet stilistisch wie motivisch weiterhin vage 9 | Terry Rowlett talks about death, Bosch and painting Dark Developments. [Interview mit Chad Radford, 23.10.2008] (http://clatl.com/cribnotes/archives/ 2008/10/23/terry-rowlett-talks-about-death-bosch-and-painting-dark-develop ments; 12.10.2015). Diesem Interview sind eine Reihe von Informationen entnommen, mit denen ich im Folgenden argumentiere.
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renaissancehaft an, was vollends durch den Botticellis Venus abgeguckten Blumenregen bekräftigt wird, der über und vor den beiden niedergeht.
Der motivisch-diegetische (wenn auch nicht malerisch-stilistische) Bruch erfolgt durch zwei zusätzliche Objekte, »bits of Americana«, wie Rowlett sagt: einen modernen, blauen Gartenklappstuhl, der hinter dem Mann in Verlängerung der diagonalen Hauptachse des Bildes auf einem weißen Handtuch steht, und – jetzt kommen wir zur Sache – einen blau-weißen Plastikbecher mit Strohhalm, der achtlos weggeworfen im linken Vordergrund auf dem Rasen liegt und bei genauerem Hinsehen sehr deutlich das blau-weiß-rote Pepsi-Logo zeigt. Wenn auch hier gilt, dass das Cover ein Image transportiert, dann wäre dieses vielleicht als ein (im Deleuzeschen Sinne) ›kleiner‹ Kunstanspruch zu identifizieren, den die Szene in Athens gattungsübergreifend teilt. Große, rockistische Gesten werden vermieden. Deshalb kommt es zu keiner Konkurrenz zwischen Titelgemälde und Informationsfunktion in Hinblick auf die Musik. Worum es im Wesentlichen geht, kann Rowletts Bild so gut entnommen werden wie dem Albumtitel – Dark Developments.
»Bits of Americana«. Markenlogos auf Plattencovern
Die Allegorie der Todesstunde, die Rowlett sehr deutlich formuliert,10 wird über die Renaissance-Features zunächst als alteuropäische und damit quasi archaische eingeführt. Die modernen Americana Gartenstuhl und Pepsibecher dienen dann der Aktualisierung, sie werden eingeführt, so that people like you and me can relate to this character in the red robe. Without a doubt we knock them over very carelessly and throw them in the trash can very carelessly. I think in a way it’s almost like the sand in the hour glass. When your big gulp gets knocked down, that’s when your time is over.11
Tote trinken keine Pepsi. Indem die Markenbrause jedoch Teil der Todesallegorie wird, äquivalent zum Sand im Stundenglas, steht sie hier nicht kulturkritisch für ein irgendwie falsches oder minderwertiges Leben, sondern für das Leben – hier, heute, in den USA – selbst, dessen Vergänglichkeit sich nicht von der früherer Leben unterscheidet. Mit anderen Worten: Die Marke tritt keineswegs in Opposition zum Kunstanspruch, sondern ist eher Ausweis seiner Jetzigkeit.12 Deshalb ist der Pepsibecher auch in derselben Technik gemalt wie der Rest des Bildes, ja man könnte optisch sogar eine Äquivalenz mit den herabregnenden Blumen ausmachen, von denen noch keine so recht auf dem Boden zu liegen gekommen ist.13 Die Blumen ihrerseits haben einen vagen, esoterischen Bezug zu Jack Kerouacs Beat-Klassiker On the Road,14 wie überhaupt, näher bese10 | »Metaphorically speaking I think the guy in the red robe is us, you and me at the end of our lives… People going through life and then all of the sudden you’re dead. He’s everybody, generic people.« (Terry Rowlett talks about death, l.c.) 11 | Ebd. 12 | Ob es dabei von Signifikanz ist, dass die Künstler aus Athens, einem Unistädtchen im Einzugsbereich der Coca-Cola-Welthauptstadt Atlanta/Georgia, hier eben nicht Coke, sondern Pepsi wählen, sei dahingestellt. 13 | Was sind das für Blumen? Rowlett spricht von Rosen, aber im Vergleich mit The Singer, wo die auf dem Boden liegenden Blumen offensichtlich Rosen sind, scheint es sich hier eher um ein malvenartiges Gewächs zu handeln. Bei Botticelli regnet es übrigens Lilien. 14 | »I painted them into the scene because at the time I was reading On the Road by Jack Kerouac and he was telling a tale about one of these old hobos on a train car who had a little card of St. Theresa. In it was, I think, the St. Theresa prayer, and she has some kind of ecstatic spiritual thing about the grace of Mary coming
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hen, auch das vermeintlich Alteuropäische nicht ganz frei von Bezügen zur amerikanischen Popkultur ist. Den Tod etwa umweht u.a. durch das Detail der Sporen, ein Hauch von Italowestern, die bekanntlich in Spanien gedreht wurden, z.T. mit amerikanischen Stars (Rowlett: »That figure has kind of a Spanish feel to him. Flat hat and cape… Maybe a little Clint Eastwood from an Italian cowboy movie…«15). In Spanien hatte der Maler sich die Inspiration für das Bild geholt – und vermutlich auch den Bosch im Prado gesehen. Die Kontiguitäten zwischen Italien, Spanien und den USA haben also schon eine gewisse Tradition, die zurückreicht bis zur Entdeckung Amerikas in der Renaissance durch einen Italiener in spanischen Diensten. Eine gewisse optische Äquivalenz lässt sich auch zwischen dem Pepsibecher und dem linken, gespornten Fuß des Todes ausmachen. Neben der allegorischen ist hier eine zweite, indexikalische Funktion angespielt, die beiden gemeinsam ist: der Verweis auf ein Fortbewegungsmittel, das im Bild absent ist. Wie die Sporen auf ein Pferd hindeuten, so verweist der Becher auf ein Auto, und zwar durch seine spezifische, unten schmalere Form, die speziell für Getränkehalter an Armaturenbrettern entwickelt wurde. Gartenstuhl und Gesundheitslatschen des Mannes in Rot signifizieren dagegen ein eher statisches Leben; die an den Berghängen im Hintergrund erkennbaren Wege scheinen weit entrückt. Der Tod bringt gewissermaßen wieder Bewegung in eine Existenz, die mit dem letzten Schluck Pepsi zur Ruhe gekommen war. In der Farbtrias blau-rot-weiß bündelt das Pepsi-Logo dabei symbolisch die Existenz des Mannes, insbesondere wenn man ihn sich unmittelbar vor dem dargestellten Moment vorstellt, mit seinem weißem Bart im roten Mantel auf dem blauen Gartenstuhl und dem weißen Tuch sitzend; zugleich verweist der Becher auf ein motorisiertes Leben on the road, das offenbar schon weiter in der Vergangenheit liegt. Anders als bei der graphischen Äquivalenz zwischen Allman Brothers Band und Coca-Cola ist das auf dem Cover gestaltete Verhältnis zwischen Vic Chesnutt, Elf Power and the Armophous Strings und Pepsi also kein Substitutionsverhältnis. Die Athener verorten sich nicht selbst als große down like roses from the sky. I was reading it through him hearing the story and I thought ›a ha!‹ That’s exactly what this painting needs, a shower of roses coming down.« (Terry Rowlett talks about death, l.c.) 15 | Ebd.
»Bits of Americana«. Markenlogos auf Plattencovern
Americana in einem Paradigma mit Cola, Texaco und einem zeitlos-kernigen Süden,16 sondern in einer größeren abendländischen Kunsttradition, West of Rome (wie ein Chesnutt-Album von 1991 heißt), in der sie dann aber dezidiert eine ›kleine‹ Kunst machen (das erste Chesnutt-Album, 1990, hieß Little). Die Pepsi ist dabei ein Accessoire der amerikanischen Gegenwart, nicht mehr und nicht weniger, die Marke wird durch ihre Darstellung auf dem Cover weder desavouiert noch hypostasiert. Der Bruch, der durch den Markenartikel ins Bild kommt, ironisiert auch die Allegorie nicht, sondern präzisiert sie, indem er sie situiert. Man stelle sich nur einmal vor, die kleinen Americana würden auf dem Bild von Rowlett fehlen – dann käme sein Kunstanspruch als eine Art ungebrochener Anschluss an die Tradition, ein zeitloser Midcult daher, der genau das ›Kleine‹ der Independent-Kunst verraten würde. – Ein Bezug zur Musik lässt sich dabei zwanglos herstellen in der Opposition der vielminütigen, bluesbasierten und in ihrer Virtuosität jazz-affinen Improvisationsorgien der Allman Brothers Band (mit Titeln wie Southbound oder Ramblin’ Man) zu den kleinen, intrikaten Songs von Chesnutt, die seltsame Dinge wie »the curious case of the bilocating dog« oder die Mad Passion of the Stoic besingen.17
D ark D e velopments Umso größer der Schock, wenn man die Platte umdreht und auf der Rückseite ein riesiges allegorisches Monster mit Ku-Klux-Klan-Kapuze, Dollarsack und blutigem Bombenbein, das offenbar gerade über den Atlantik gekommen ist, europäische Renaissance-Architektur zerstampfen sieht. Auf einem Einlageblatt, dessen Rückseite die Songtexte und Informationen zur Platte enthält, ist dasselbe Bild noch einmal ohne Beschriftung zu sehen, in den Notes ist es ausgewiesen als »adapted from early 1900’s posters from the Netherlands, artist unknown«. Das ist allerdings, vorsichtig gesprochen, eine Halbwahrheit. Tatsächlich handelt es sich, kaum verkenn16 | Immerhin liegt ja auch Athens in den Südstaaten, nur etwa 90 Meilen nördlich von Macon/Georgia, dem lang jährigen Domizil der Allman Brothers Band. 17 | Beide Platten verwenden übrigens in den Lyrics keine Markennamen, mit Ausnahme des Greyhound-Busses in Ramblin’ Man – ein weiterer Beitrag zu Americana on the road.
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bar, um ein Nazi-Propagandaposter von 1944 aus der Feder des norwegischen Werbegrafikers und Natjonal Samling-Mitglieds Harald Damsleth, mit dem dieser den »KULTUR-TERROR« (so die Original-Überschrift) der USA anklagen will, repräsentiert u.a. durch die Jitterbug tanzenden Schwarzen im Brustkorbkäfig des Monsters, einen Negerarm, der eine Schallplatte hochhält, und die erotischen Features einer Miss America (mit Federschmuck und Jazztrompete) und einer Miss Victory sowie eines halbnackten Frauenbeins. Wo auf der Adaption das Plattenlabel platziert ist, steht im Original »USA vill redde Europas kultur fra undergang. Med hvilken rett?«18 Es gab dann in der Tat eine Version dieses Plakats in den besetzten Niederlanden mit der ironischen Überschrift »LIBERATORS« und der unzweideutigen Aufforderung »Leest Storm-SS«.
18 | Alle Informationen zum Plakat nach: http://ww2propaganda.blogspot. de/2011/04/kultur-terror-liberators.html (13.10.2015).
»Bits of Americana«. Markenlogos auf Plattencovern
Diese muss Elf Power-Mitglied Laura Carter, die für das Cover Design verantwortlich zeichnet, wegretuschiert haben, neben einigen erläuternden Aufschriften, dem Airforce-Logo auf der Tragfläche und, nicht zu vergessen, einem Davidsstern auf der Schürze. Neu hinzugefügt aber, und das ist beinahe ebenso unheimlich, wurde der Mond im blauen Wolkenhimmel, der den Bezug zur Vorderseite, zum Bild von Terry Rowlett (und, durch die Sichel, noch deutlicher zu The Singer) herstellt, das mit dem Plakat prima facie doch allenfalls den allegorischen Modus teilt. Rechte Tendenzen wird man den Athenern kaum unterstellen können, also was geht hier vor? Soll hier eine Opposition in Sachen Kulturexport konstruiert werden, indem dem freundlichen Tod aus Alteuropa eine kulturelle Massenvernichtung aus den USA entgegengesetzt wird? Soll die Bearbeitung das Nazi-Plakat in eine linke Warnung vor amerikanischem kapitalistischem Kulturimperialismus umcodieren? Zu diesem würde dann, neben der Unkultur der Misswahlen, des Boxens, des Gangstertums und der Lynchjustiz, allerdings auch die populäre Musik (Jazz) gehören. Kann das gemeint sein? Womöglich haben auch die grotesk-unbeholfene Monstrosität dieser USA-Allegorie und die innere Widersprüchlichkeit der Darstellung – selbst rassistisch, klagt sie den Südstaatenrassismus an – hier die Repräsentation dieser Anti-Americana erleichtert, dann wäre eine Art campy Rezeption anzunehmen. Wie dem auch sei, die vorsichtige, leise und historisch wache Bearbeitung des inter-atlantischen Pop-Kunst-Zusammenhanges, die die Vorderseite dieses Covers auszeichnet, wird hier durch einen eher dubiosen Umgang mit historischen Dokumenten – vermutlich unfreiwillig – wieder in Frage gestellt; Dark Developments in der Tat. * Repräsentationen von Markenlogos sind, wie in den Lyrics, so auch in der Cover-Art klassischer Pop-Musik die große Ausnahme. Aus der Betrachtung der beiden hier besprochenen Fundstücke lassen sich für solche Ausnahmen sicher noch keine Regeln ableiten. In beiden Fällen jedoch vermeidet die Darstellung durch ihr Beiläufig-Halten der Marke deren Hypostasierung: Bei Evans entstammen die Texaco-Zapfsäulen einer vergangenen Zeit, bei Rowlett liegt der Pepsi-Becher achtlos weggeworfen am Boden, in der Gesamtkomposition der Bilder stechen die Markenprodukte nicht hervor, sondern sind klein gehalten und gehen graphische
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Äquivalenzbeziehungen mit anderen Objekten ein. Der Effekt ist somit weder der von (Schleich-)Werbung noch der entgegengesetzte einer gegenkulturellen Auseinandersetzung mit Markenkapitalismus. Auch der eigene Doppelstatus der Pop-Musik als Gegen- bzw. Independent-Kultur und Ware bleibt unreflektiert. Texaco und Pepsi werden im Rahmen eines Pop-Diskurses vielmehr repräsentierbar als Americana. Bei der Allman Brothers Band naturalisiert sich die Marke als Teil eines amerikanischen Südens, zu dem die Band und ihre Musik sich quasi autochthon zugehörig fühlen. Bei Vic Chesnutt, Elf Power und den Amorphous Strings signifiziert die Marke den Moment der Gegenwart in einer langen und beziehungsreichen transatlantischen Menschheits- und Kunst-Geschichte. Bei aller Gemeinsamkeit ist den Alben über diese Differenz eine je unterschiedliche Auffassung über Herkunft, Status und Bedeutung von Pop eingeschrieben.
Autos V erhandlungen mit M erkur In der allgemeinen Pop-Musik-Geschichtsschreibung markiert das Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (1967) das Ende der popmusikalischen Teenage-Unschuld und den Eintritt des Mediums in den Bereich der Kunst. Die Beatles, so heißt es bereits in einer zeitgenössischen Rezension des Albums im Time-Magazin, are leading an evolution in which the best of current postrock sounds are becoming something that pop music has never been before: an art form. ›Serious musicians‹ are listening to them and marking their work as a historic departure in the progress of music – any music.1
Ein Song, der solchen Einschätzungen als Beleg dient, ist She’s Leaving Home, der statt der üblichen Rock-Besetzung nur Paul McCartneys (und im Chorus John Lennons) Stimme zum Klang eines Streichorchesters mit Harfe zu Gehör bringt. Ned Rorem, seines Zeichens Komponist und offenbar einer der ›ernsthaften Musiker‹ in Anführungszeichen, wird in Time zitiert mit der Auffassung, der Song sei »›equal to any song that Schubert ever wrote.‹ Conductor Leonard Bernstein’s appreciation is just as high; he cites Schumann. As Musicologist Henry Pleasants says: ›The Beatles are where music is right now.‹«2 In diesem hochkulturellen Geiste fanden auch die Lyrics, die von einem Mädchen erzählen, das von zu Hause wegläuft, während die Stimmen ihrer Eltern als eine Art griechischer Chor eingeblendet werden 1 | The Messengers. In: Time, 22.9.1967. 2 | The Messengers, l.c. Für den Song erhielten Lennon und McCartney 1967 auch den Ivor Novello Award in der Kategorie ›Best Song Musically and Lyrically‹.
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(»We gave her everything money can buy«), die Zustimmung sanktionierter Kulturinstitutionen und wurden selbst in Deutschland schon früh im gymnasialen Englischunterricht behandelt. »She is having fun« heißt es nach der Flucht der behüteten Tochter auktorial, und in seinem letzten Statement entfernt sich auch der Chorus vom Horizont der Eltern und formuliert die Moral von der Geschicht: »Fun is the one thing that money can’t buy.«3 Entsprechend kommen selbstverständlich im Popsong keine käuflichen Markenartikel vor, vielmehr bleiben die Lyrics von She’s Leaving Home insgesamt recht abstrakt, bis auf ein Detail: Wir erfahren, dass das erste Ziel der Ausreißerin darin besteht, »to keep the appointment she made/Meeting a man from the motor trade«. Der etwas abstrakte Spaß (fun) lässt sich also spezifizieren in Sex (man) und Autos (motor trade). Wobei die wunderliche Formulierung »motor trade«, indem sie explizit die Assoziation von Handel, Kauf und Verkauf aufruft, näher besehen doch gewisse Zweifel an der Botschaft schüren mag, Geld und Kaufen würden hier so gar keine Rolle spielen. Ausgerechnet in einem Song, der sich musikalisch und lyrisch geradezu pionierhaft weit von der Teenage Command Performance der frühen 60er Jahre entfernt, rufen die Beatles die gute alte Rock ’n’ Roll-Konstellation noch einmal auf: Auto und Mädchen (»Sittin’ in my la la/waitin’ for my ya ya«4), und damit den Teenage-Fun als Generationenproblem. Interessanterweise wird die Konsumsphäre dabei zunächst explizit auf Seiten der Eltern lokalisiert, die der Tochter alles Käufliche ermöglicht hätten. Das romantische Klischee, jugendlicher Sex und Fun hätten nichts mit käuflichen (Marken-)Gegenständen zu tun, das die Lyrics geradezu überexplizit zu bedienen scheinen, relativiert sich dann, wie gesagt, durch die Wendung »man from the motor trade« erheblich.5 Denn wir wissen
3 | Fun Fact: Adorno hätte zur gleichen Zeit genau umgekehrt argumentiert, was käuflich ist, ist immer nur Fun, und »Fun ist ein Stahlbad« (Theodor W. Adorno/Max Horkheimer: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt 2003, S. 162). 4 | Im Original von Lee Dorsey (1961) hieß es noch »Sittin’ here la la«, spätere Versionen erst verdinglichen das La La zum Auto (analog zum Ya Ya, dem Mädchen). 5 | Im letzten Song des Albums, A Day in the Life, der noch entschiedener ›arty‹ daherkommt als She’s Leaving Home, hören wir dann von einem erfolgreichen jungen Mann »who blew his mind out in a car«, weil er eine Ampel nicht beachtet hatte.
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zwar nicht, welche Automarke der Lover der Tochter aus gutem Hause vertreibt, aber eins ist klar: Autos kosten Geld. (If) I had my money, I tell you what I’d do, I would go downtown and buy a Mercury or two. Cause I’m crazy bout a Mercury, Lord I’m crazy bout a Mercury, folks I’m gonna buy a Mercury and cruise up and down the road.
So beginnt der Mercury Boogie, eine Single von K.C. Douglas aus dem Jahre 1948, später durch Douglas selbst und in zahlreichen Coverversionen als Mercury Blues bekannt geworden. Wenn in klassischer, amerikanisch geprägter Rockmusik – schon im Rock ’n’ Roll, auch in Blues und Country – ein Markenname genannt wird, dann kann man beinahe darauf wetten, dass es sich um eine Automarke handelt. Das Privatfahrzeug ist, noch vor dem Mädchen, der Lederjacke und dem Motorrad, in den ersten Jahrzehnten der Rockgeschichte das zeitgemäße Vehikel für den männlichen amerikanischen Freiheitstraum, und hier ist es in vielen Fällen offenbar nicht egal, um welche Marke es sich handelt. Die wesentlichen Aspekte dieses Phänomens lassen sich eigentlich schon dem Mercury Blues ablesen:6 Das Begehren richtet sich auf einen teuren, bildschönen Wagen der gehobenen Mittelklasse, und zwar das allerneueste Modell – in Strophe zwei wird präzisiert, was in der ersten des Reimes wegen noch dem Scherz »or two« weichen muss: Es handelt sich um den im April 1948 eingeführten »Mercury ’49«, also das Modell Ford Mercury 9CM mit 8 Zylindern und integrierten Kotflügeln, mit das Schickste, was die Automobilindustrie so kurz nach dem Krieg zu bieten hatte. Das Verhältnis zu dieser Luxusware ist denn auch kein pragmatisches, sondern ein fetischisierendes: »crazy about« ist man sonst vor allem nach der begehrten Frau, die hier nurmehr als Accessoire der Ware imaginiert wird:
6 | Und bereits Robert Johnsons Terraplane Blues (1936), der sich mit dem Hudson Terraplane ebenfalls auf ein absolut zeitgenössisches Markenprodukt bezieht.
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Hey mama You look so fine Ridin’ around in that Mercury ’49
Der Mercury soll also keineswegs den Zweck erfüllen, den man einem Automobil rein praktisch zuschreiben würde: irgendwo hinzugelangen, z.B. zur Arbeit, etwas oder jemanden von A nach B zu transportieren, sondern es geht darum, mit ihm einfach nur rumzufahren (ridin’ around), die Straße hoch- und runterzucruisen, eine reine Freizeitbeschäftigung. ›To cruise‹ ist kaum ins Deutsche zu übersetzen, und man kann ziemlich sicher sagen, dass im Jahre 1948 in Deutschland auch niemand die Kulturtechnik praktiziert hat, die damit bezeichnet wird: Ein entspanntes, lässiges, luxuriöses, leicht angeberisches Sich-in-seinem-tollen-AutoPräsentieren, zumeist unter anderen, die dasselbe tun, im Kreis um den Block, um einen Dorfplatz oder eben die Straße rauf und runter, eine Art halbstarke Variante des alteuropäischen Corsos, der abendlichen Ausfahrt städtischer Adliger und Großbürger in repräsentativen Kutschgefährten.7 Hier ist also von Anfang an nicht der Gebrauchswert, sondern das Beeindruckungspotential der Ware (auf Konkurrenten und vor allem auf Mädchen) aufgerufen, ihr Fetischcharakter, und das eben erfordert die Nennung des Markennamens, »a car« hätte hier nicht ausgereicht. Die Marke freilich hat ihren Preis, und so steht die Kaufabsicht zunächst im Irrealis und erst in der strophenweise wiederholten Schlusszeile zumindest im Indikativ. Der Blues gibt sich genregemäß denn auch relativ illusionslos, wenn es um die Funktion des Luxusartikels geht: The girl I love, I stole her from a friend. The fool got lucky stole her back again, Cause she know he had a Mercury. […]
Liebe, Freundschaft, das sind alles sekundäre Tugenden gegenüber der sexuellen Anziehungskraft des Markenwagens. Die Strophe formuliert 7 | John L. Wrights Artikel Croonin’ About Cruisin’ gibt zwar einen guten ersten Überblick über das Verhältnis von populärer Musik und Auto in Amerika, äußert sich jedoch trotz seines Titels nicht zur Kulturtechnik des Cruising (in: The Popular Culture Reader. Hg. v. Jack Nachbar et al. Bowling Green, Ohio 1978, S. 109-117).
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dabei, im Zeichen Merkurs, des Gottes der Händler und Diebe, nicht nur die enge Verbindung von Fun, Sex und Motor Trade, sondern auch eine interessante Variante von Proudhons Maxime ›Eigentum ist Diebstahl‹. Die Frau (mal als ›mama‹, mal als ›girl‹ angesprochen) wird gestohlen und dabei, so scheint es zunächst, zum männlichen Eigentum verdinglicht. Tatsächlich aber fällt sie ja selbst die Entscheidung, welcher Mann jeweils der attraktivere ist, und das ist im Zweifel eben der, der den Mercury hat. In der letzten Strophe fährt sie schließlich in einem eigenen Mercury vor und braucht dann offenbar gar keinen Mann mehr. Hier stellt sich eine weitere Assoziation mit dem Markennamen ein – das Quecksilbrige, das gerade das Unbeständige, die ausbleibende Verfestigung von Zeichen-, Liebes- und Eigentumsverhältnissen symbolisiert 8 – eins geht immer ins andere über, und morgen können die Verhältnisse schon wieder anders sein. Obwohl in diesem Song die Nennung der Marke vollkommen natürlich wirkt, lässt sich auch hier die grundsätzliche Spannung ablesen, die zwischen Markenkonsum und Pop besteht: Einerseits könnte auch Markenwerbung die Bedeutung eines neuen Ford Mercury für das gelingende Leben junger Menschen in der westlichen Überflussgesellschaft nicht besser formulieren. Andererseits bleibt dem Blues etwas Widerspenstiges. »If I had my money« bezeichnet ja immer noch eine Differenz zwischen sozialer Wirklichkeit und Konsumtraum,9 wobei durch das »my« eine Art Anspruch mitzuschwingen scheint (›das Geld, das mir eigentlich zustände‹), für dessen Nichteinlösung das Ich nicht allein verantwortlich ist; auch wenn die indikativen Schlussverse jeder Strophe die Möglichkeit, den amerikanischen Traum (Auto, Girl, Cruisen) eines Tages auch selbst zu verwirklichen, durchaus offen halten. Im Paradigma des weißen Blues- und Countryrock seit den 1970er Jahren, zu dessen kanonischem Repertoire der Mercury Blues gehört (u.a. Steve Miller Band, Alan Jackson, Canned Heat, Meat Loaf, Blues Breakers, Johnny Hiland, David Lindley), wirkt all dies nun signifikant anders. Der 8 | In der deutschen Literatur werden all diese Konnotationen etwa in Elisabeth Langgässers früher Erzählung Merkur aufgerufen, dem Mittelstück ihres Triptychon des Teufels (1932). 9 | Douglas, gebürtig aus Mississippi, gehörte zur East Bay Blues Szene und verdiente sein Geld in den Docks von Oakland. Ob das je für einen Ford Mercury gereicht hat?
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Eingangsvers lautet hier zumeist nur noch »If I had money«, und das Modell ’49, das in den Lyrics ja nicht aktualisiert wird, bekommt mit der Zeit zwangsläufig etwas Nostalgisches. Gelegentlich wird sogar ein entsprechender Wagen auf die Bühne gefahren, etwa bei Alan Jacksons Auftritt in der Fernsehshow Home Improvement im Jahre 1996. Das Gespräch dreht sich zunächst, der handwerklichen Ausrichtung der Show entsprechend, um das Customizing des auf Hochglanz getrimmten Oldtimers, unmittelbar danach singt Jackson in seinem üblichen Cowboy-Outfit eine Version des Mercury Blues, die nicht minder ›customized‹ erscheint als das Auto im Hintergrund.10 Auto und Song sind, wie der Cowboy-Hut, inzwischen längst ›klassische‹ Americana,11 Ausstattungsstücke jenes zeitlosen amerikanischen (weißen) Südens, in dem auch die entsprechende Musik zu Hause ist. Nicht nur erinnert nichts mehr an deren schwarze Wurzeln, auch der Bezug zum Teenage-Begehren von Pop 0 – Sex und Geld – ist weitgehend narkotisiert. Im ursprünglichen Song, ebenso wie in vielen anderen amerikanischen Songs bereits der 1950er und 60er Jahre, ist das Marken-Automobil aber mit diesem Begehren so eng verknüpft, dass der Markenname gegenüber dem restlichen Vokabular der Lyrics nicht als markiert erscheint. Er steht im Pop-Thesaurus nicht in Anführungszeichen, wird nicht mit spitzen semiotischen Fingern angefasst, wirkt im Kontext bereits der frühen Pop-Musik weder fremd noch komisch oder irgendwie unpassend. Und dies ändert sich auch nicht auf dem Weg zur Customisierung, verhält sich also nicht anders in der Musik mittelalter amerikanischer Normalbürger, die längst verheiratet sind und keine Rückbank mehr für unbeobachteten Sex benötigen. Im Hinblick auf das Auto liegt zwischen diesen beiden Stadien von Pop kein Bruch, sondern ein Kontinuum. Vom Fetisch des Teenage-Begehrens (ohne Geld) bis hin zum liebevoll behandelten Statussymbol der Mittelklasse (mit Geld) ist der Markenwagen demnach quasi natürlicher Bestandteil der Rock-Formation. Markennamen entsprechender Autos können deshalb vor allem im amerikanischen Rock problemlos vorkommen. Zusammen mit den sehr viel seltener genannten Marken 10 | Zwei Jahre später ist Jackson sich nicht zu schade, für eine Werbecampagne für Ford Trucks eine Version einzusingen, in der es heißt: »I’m crazy ’bout a Ford Truck/I’m gonna buy me a Ford Truck and cruise it up and down the road«. 11 | In der Home Improvement-Folge mit Jackson bezeichnet Host Tim Allen Joe Bailon, der Jacksons 1950er Mercury hergerichtet hat, als »classic customizer«.
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einiger Zigaretten und Getränke bilden sie damit die Ausnahme von der Regel, die unserer Studie zugrunde liegt.
I m F ond kl assischer W agen Wenn Conor Oberst (Bright Eyes) singt »the best country singers die in the back of classic cars«,12 dann setzt dieser schöne Vers die Marken der klassischen Autos bereits als so bekannt voraus, dass er sie nicht mehr nennen muss: Hank Williams starb in einem Cadillac, und das ist sicher die meistgenannte Automarke im Pop, und zwar über alle Stilrichtungen hinweg.13 Es gibt tausende von Songs mit diesem Markennamen im Titel (Heaven Is The Back Seat of My Cadillac von Hot Chocolate, Brand New Cadillac von Clash, Cadillac Rock Box von Anthrax, Cadillac von Van Morrison, Cadillac Car von Bronsky Beat, Cadillac von T.Rex, Pink Cadillac von Bruce Springsteen, um nur einige zu nennen) oder in den Lyrics, prominent darunter bereits Chuck Berrys seminaler Hit Maybellene von 1955 – wir erinnern uns: der Song, bei dem in der T.A.M.I. Show der Staffelstab vom amerikanischen Rock ’n’ Roll (Berry) zum britischen Beat (Gerry & The Pacemakers) weitergereicht wurde. Falls im letzten Absatz der Eindruck entstanden sein sollte, die Richtung des Pop in seiner Frühzeit ginge immer vom schwarzen Original zur weißen Adaption, werden wir hier gleich wieder eines besseren belehrt: Der traditionelle Hillbilly-Song Ida Red war ein Vorbild für Berrys Klassiker, der in den weißen Billboard-Charts ebenso funktionierte wie in den schwarzen R’n’B-Charts und sich im Jahr seines Erscheinens bereits über eine Million Mal verkaufte. Die Lyrics von Maybellene verbinden das Motiv des untreuen Mädchens (»Oh Maybellene/Why can’t you be true?«) mit dem eines Hot Rod-Rennens auf dem Highway.14 Sie fährt dabei einen (oder in einem) Cadillac Coup de Ville, er einen V8 Ford (Mercury?) – beides hochklassige Modelle, die 1949 eingeführt wurden. Die Dramaturgie ist einfach: nachdem zunächst beide Wagen »bumper to bumper« mit 95 mph (153 km/h) da12 | Bright Eyes, Classic Cars, auf: Cassadaga, Saddle Creek Records 2007. 13 | Erst im Hip-Hop wird der Cadillac vom Mercedes überholt. 14 | Charlie Ryans Hot Rod Lincoln, auch in der Commander Cody-Version bekannt, tritt ebenfalls gegen einen Cadillac an, einen Sedan.
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hinrasen, erhöht der Cadillac auf 104 mph (167 km/h) und entwischt, weil der Motor des verfolgenden Fords heiß läuft. Ein Regenschauer kühlt ihn jedoch wieder runter, und er kann Maybellene mit der Rekordgeschwindigkeit von 110 mph (177 km/h) einholen. Fun Fact am Rande: die Legende besagt, dass Berry den Song zunächst ›Ida May‹ nennen wollte und den Ausschlag für den Songtitel schließlich eine Packung Mascara der Marke Maybelline gab, die im Studio herumlag.15 Make-up und Untreue können ja durchaus nah beieinander liegen, und vielleicht transportierte der Song sogar einen Rest dieser Assoziation; dennoch lässt sich im klassischen Pop kein Song vorstellen, in dem tatsächlich der Markenname eines Kosmetikproduktes, der hier zum Mädchennamen geworden ist, als solcher vorkäme – im Unterschied zu den Luxuswagen.16 Wie genau sich die Verfolgungsjagd zwischen Cadillac und Ford zur sexuellen Untreue verhält, bleibt unklar, deutlich ist aber, dass Autos und Sexualleben, beide verbunden mit Geschwindigkeit, auch hier derselben Sphäre angehören. So auch im Big Car Blues von Lightnin’ Hopkins, wo das Rote-Ampeln-Überfahren mit dem schwarzen Cadillac eine Art sexuelle Herausforderung darstellt. Der daraus resultierende Verlust des Wagens (»Hit and run alright«) führt dann allerdings auch prompt zum Verlust der Frau, die den Fahrer doch erst zur Verkehrssünde angestachelt hatte; beides wird geradezu aufeinander abgebildet: Whoo-o-o baby, please come on back For you got something of mine I sure do lack, And that’s my black Cadillac in the morning
Ihr neuer Lover ersetzt als »black man […] with white eyes and white teeth« dann auch rein optisch den verlorenen »black Cadillac with them white worn tyres«.17 15 | https://en.wikipedia.org/wiki/Maybellene (21.11.2015). 16 | Maybelline und der Coup de Ville erscheinen dann noch einmal in Berrys No Particular Place to Go (1964), diesmal eher im romantischen ›Date mit Mädchen im Auto‹-Setting. 17 | Die Engführung des Mannes (gerade in seiner sexuellen Funktion) mit dem Auto findet sich etwas entspannter ja auch in der wundervollen Selbstbeschreibung von Howlin’ Wolf wieder: »I was built for comfort/I ain’t built for speed/But I got everything all the good girls need« (Built for Comfort, 1963).
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Wie bereits diese frühen Beispiele zeigen, ist das Markenautomobil als Statussymbol in der amerikanischen (oder amerikanisierenden britischen) Pop-Musik fast immer unmittelbar verknüpft mit Accessoire Nr. 2, den Frauen: »Some like Cadillacs, some like Fords/Some like anything just as long as it rolls/Every woman I know is crazy ’bout an automobile«.18 Mustang Sally oder Buick McKane tragen die Marke ihrer Wahl bereits im Namen, und Alice Coopers I Like Girls beginnt mit der bei dieser Disposition durchaus zielführenden Entscheidung »I bought a Porsche/And I’m leavin’ Grand Rapids/Quit my job, quit my school«.19 Die falsche Marke dagegen kann tragische Effekte zeitigen. Wir erfahren zwar in Bruce Springsteens Thunder Road, einem der klassischen Stücke des Genres, nicht, in welches Cabriolet Mary einsteigen soll, um dem gelobten Land entgegenzufahren (»all the redemption I can offer, girl/Is beneath this dirty hood«),20 aber welche Wagen sie bereits hinter sich hat, wird drastisch bebildert: There were ghosts in the eyes Of all the boys you sent away They haunt this dusty beach road In the skeleton frames of burned out Chevrolets 21
Wenn schon Kleinwagen, dann muss es ein kultiger sein: Neil Youngs Long May You Run (1976) ist eine Liebeserklärung an den VW Käfer, der zwar im Text nicht genannt wird, aber über den US-Werbeslogan (»Runs and runs and runs«) identifizierbar war. Der Käfer wird mythisierbar gerade als Alternative zum klassischen amerikanischen Barock-Schiff, was eine akademische Studie als frühes Beispiel für die Entstehung von Fiktionswerten (»poeticizing of consumer goods«) in Markenkultur schlechthin aufführt: »Volkswagen sind schildkrötenhaft-nasedrehende 18 | Ry Cooder, Crazy ’Bout an Automobile (Every Woman I Know), auf: Borderline, Warner Bros. Records 1980. 19 | Al Cooper, I Like Girls, auf: Zipper Catches Skin, Warner Bros. Records 1982. 2009 macht Cooper Werbung für Saturn. 20 | Vgl. Nick Hornbys ergreifenden Text über diesen Song, zu dem er sich selbst noch als Autohasser bekennt. Ders., 31 Songs, London 2003, S. 8-17. Auch Chevrolet hat natürlich eine Premium-Marke, für die das oben Gesagte nicht gilt: die Corvette (z.B. Prince, Litte Red Corvette). 21 | Bruce Springsteen, Thunder Road, auf: Born to Run, Columbia Records 1975.
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Packungen jenes Status, der denjenigen zuwächst, die sich die Symbole automobilen Hochmuts – Cadillac, Lincoln und Imperial – zwar nicht leisten können, jedoch ihr Vergnügen darin finden, sie verächtlich zu machen.«22 – Gebrauchsfahrzeuge kommen eher selten vor, »crazy ’bout a Ford Truck« ist man dann wohl doch nur, wenn die Firma gut zahlt. Es lässt sich also eine Art Topik des Automobils im amerikanischen Rock feststellen, deren Rahmen ein Song wie I’m Bad, I’m Nationwide von ZZ Top prototypisch und in wünschenswerter Deutlichkeit ausgestaltet: Easin’ down the highway in a new Cadillac I had a fine fox in front, I had three more in the back They sportin’ short dresses, wearin’ spike-heel shoes They smokin’ Lucky Strikes, and wearing nylons, too 23
Der Markenname markiert das Auto als Luxuswagen, denn die Funktion des Markengeräts ist nicht in erster Linie die Fortbewegung von A nach B, sondern das Cruisen um seiner selbst willen, Accessoire eines Lifestyles, zu dem dann auch sexuell attraktive Frauen, Zigaretten (hier sogar explizit als Marke), Sonnenbrillen und – so darf man vermuten – die Musik selbst gehören. Diese metonymischen Verhältnisse schaffen einen gemeinsamen Frame, innerhalb dessen der Markenname nennbar, wenn auch deshalb noch nicht erwartbar wird – obligatorisch ist die Nennung keineswegs. Selbst eine zentrale Liebeserklärung wie I’m in Love with My Car von Queen (auf A Night at the Opera, 1975) verschweigt schlicht, um welches Auto es sich handelt. An diesem Song, der einem Roadie gewidmet ist (»Dedicated to Johnathan Harris, boy racer to the end«) und das fetischisierte Fahrzeug aus der Ich-Perspektive besingt, zeigt sich, dass der topische Zusammenhang auch in ein nicht mehr metonymisches Substitutionsverhältnis kippen kann, also eines, das nicht mehr die Anwesenheit beider Komponenten an einem Ort (Mädchen im Auto) voraus22 | »Volkswagons are turtlesque, nose-thumbing packets of the status which accrues to those who cannot afford, but delight in snubbing, the symbols of automotive hauteur – Cadillac, Lincoln, and Imperial.« (Bruce A. Lohof: The Higher Meaning of Marlboro Cigarettes. In: The Popular Culture Reader. Hg. v. Jack Nachbar et al. Bowling Green, Ohio 1978, S. 118-125; S. 118). 23 | ZZ Top: I’m Bad, I’m Nationwide, auf: Delgüello, Warner Bros. Records 1979. In der dritten Strophe wird noch ein V-8 Ford genannt.
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setzt oder zumindest anstrebt. Zu Beginn des Songs erscheint dieses Verhältnis als metaphorisches; das Handling der Autoteile scheint zunächst für Sex zu stehen: When I’m holding your wheel, All I hear is your gear, When my hand’s on your grease gun […] 24
So hat das in den 1930er Jahren bereits Robert Johnson im Terraplane Blues praktiziert,25 und im selben Jahr wie Queen aktualisieren Led Zeppelin das Verfahren in Trampled Under Foot.26 Der Queen-Song geht jedoch noch ein Stück weiter, indem die sexualisierte Liebe zum Auto ausdrücklich die zur Frau ersetzt, und zwar positiv (»Told my girl I just had to forget her/Rather buy me a new carburettor«) und ohne Reue (»Cars don’t talk back«). Das Auto kann die Frau also metonymisch, metaphorisch, im Extremfall aber auch realiter ersetzen.
M arkierte M arken : A utos im deutschen P op Boh ey! Der Manta-Komplex Die Nennung der Automarke wird in amerikanischen Songs (und z.T. in ihren britischen Entsprechungen), so sahen wir, nicht als Fremdkörper empfunden, sie gehört offenkundig zum Thesaurus des Pop. Wohlge24 | Queen: I’m in Love with My Car, auf: A Night at the Opera, EMI 1975. 25 | »I’m gon’ get down in this connection,/Oh well, keep on tanglin’ with these wires/And when I mash down on your little starter,/Then your sparkplug will give me fire« (Robert Johnson: Terraplane Blues [1936]). 26 | »Trouble-free transmission/Helps your oil’s flow/Mama, let me pump your gas,/Mama, let me do it all« (Led Zeppelin: Trampled Under Foot. Auf: Physical Graffiti. Virgin 1975). Im Song versteckt sich tatsächlich, seltener Fall, ein Markenname, nämlich »Konis« für die gleichnamigen Stoßdämpfer. Die reibungslose Transmission spielt womöglich auf das Automatikgetriebe Dynaflow an, das Buick 1947 auf den Markt brachte. Robert Johnsons einstiger Weggefährte Johnny Shines nahm den Terraplane Blues in den 1960ern unter dem Titel Dynaflow Blues auf.
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merkt gibt es daneben auch zahlreiche Popsongs, in denen nur die generische Bezeichnung (car) und kein Marken-Eigenname gebraucht wird, vermutlich ist dies sogar in der Mehrzahl der Fälle so. Dennoch ist die Automarke der mit Abstand häufigste Typ von brand name in der amerikanischen Popmusik. Genannt werden amerikanische und deutsche Marken, nicht aber solche aus Frankreich oder Japan, ein weiterer Hinweis darauf, dass es hier um Status und weniger um Gebrauchswert geht. In der deutschsprachigen Pop-Musik dagegen spielt die Autobahn zwar früh eine Rolle, doch erfahren wir weder in Udo Lindenbergs Trampersong Daumen im Wind (1972) noch im Klassiker von Kraftwerk Autobahn (1974), mit welcher Marke sie jeweils befahren wird.27 Erst in der Neuen Deutschen Welle ändert sich das ein wenig: Zwar bleibt ungesagt, mit welchem Typ von »neuem Caravan« in Ideals Hundsgemein angegeben wird, doch allein, dass eine halbtechnische Bezeichnung wie »Caravan« Eingang in die Lyrics findet, wirkte damals komisch. Das Wort wird übertrieben amerikanisch ausgesprochen, obwohl es sich eigentlich nur in deutscher Aussprache auf »gibst du an« reimen würde, und wird da-
27 | Übrigens auch nicht im sehr viel späteren Eigentlich wollte ich nicht nach Hannover von Bernd Begemann, wo das Trampen aus Fahrerperspektive Thema wird, auf: Rezession, Baby!, Rothenburg (EFA) 1993. – Auf dem Cover von Kraftwerks Autobahn sind ein Mercedes und ein VW Käfer zu erkennen: Zu Tür- und Startgeräusch am Beginn des Zweiundzwanzig-Minuten-Tracks folgt hier die Expertise eines anonymen Fachmanns, für dessen Vermittlung ich Leonhard Herrmann danke: »Nach dem ersten Hören möchte ich meinen, dass es sich um keinen PKW handelt. Die Tür geht mir dabei zu blechern zu. Ich denke, es ist ein Lieferwagen oder ein kleiner LKW. Bei den PKWs, und seien sie auch aus den 60ern oder 70ern, ist doch ein wenig mehr Gummi dazwischen. Das Zuschlagen von eigenen Käfertüren habe ich gut in Erinnerung. Käfer kann definitiv ausgeschlossen werden. Das Getriebe ist unsynchronisiert und so gut zu hören, dass es auch gegen einen PKW spricht. Selbst bei bei den schlecht Schall gedämmten Karossen der alten Karren ist ein Getriebe so deutlich nicht zu hören gewesen. Ob es ein Diesel ist, bin ich mir auch nicht sicher. Entweder es ist ein schön warm gelaufener Diesel mit guter Laufkultur (was es bei PKWs damals selbst bei Mercedes nicht gab), der außergewöhnlich wenig nagelt, oder es ist ein oller, etwas rasselnder Benziner. Das halte ich für wahrscheinlicher. Mein Tip: Opel Blitz.«
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durch als Fremdkörper markiert.28 Komisch wirkt auch der auf deutschen Autobahnen immerhin erwartbare Volkswagen in Trios Nur ein Traum (»Unser VW war alt und klapprig/Das machte uns nichts aus/Dein Haar roch nach Grünem-Apfelshampoo«), der den deutschen Traum von Freiheit als Schwundstufe des amerikanischen in Szene setzt.29 In Richtung Klamauk gehen dann schon die Spaß-Punk-Opel-Lieder von den Toten Hosen und den Ärzten. Hier wird der komische Aspekt der Marke zum Modus des ganzen Songs. Opel-Gang (1983), die DebütLP der Toten Hosen, zeigt auf dem Cover die Bandmitglieder mit einem komplett in seine Einzelteile zerlegten Opel Rekord. Der Song, als Single mit Eisgekühlter Bommerlunder zusammen veröffentlicht, war laut Sänger Campino gemeint als »eine totale Verarsche auf die Opel-Prolls, die mit ihren tiefergelegten Karren durch die Gegend heizten«:30 »Den Arm aus dem Fenster, das Radio voll an,/Draußen hängt ein Fuchsschwanz dran«. Um 1990 entwickelt sich diese ›Verarsche‹ der deutschen boy racers zu einem eigenen Genre von Witzen, Filmen und Songs, die sich um das Halbstarken-Proll-Modell von Opel, den Manta, drehen.31 Aus dem Umfeld der Ärzte entsteht der Song Wir fahren Manta Manta zur Komödie Manta Manta von Bernd Eichinger (1991, in den Hauptrollen Til Schweiger als Bertie und Tina Ruland als Uschi).32 Während der Hosen-Song die prollige Ich-Perspektive wählt – wodurch im Verlauf der Rezeptionsge28 | Im gleichnamigen Song von Van Morrison bezeichnet der Caravan einen Wohnwagen. Mit dem Namensteil »Van« (und mit Bezug auf das ästhetische Konzept des Camp) treibt dann der Name der amerikanischen Independentband Camper Van Beethoven sein Spiel. 29 | Trio, Nur ein Traum, auf: Trio, Mercury Records 1982. Vgl. dazu Moritz Baßler, »›Watch out for the American subtitles!‹ Zur Analyse deutschsprachiger Popmusik vor angelsächsischem Paradigma«, in: Text + Kritik (10/2003), Sonderband: Pop-Literatur, hg. v. Heinz Ludwig Arnold, Jörgen Schäfer, München 2003, S. 279292. 30 | Campino im Gespräch mit unclesally*s (2002), zit.n. https://de.wikipedia. org/wiki/Opel-Gang (7.3.2016). 31 | Der Klassiker: Mantafahrer bremst neben Türken und fragt: »Wo geht’s hier nach Aldi?« Der Türke: »Zu Aldi!« Mantafahrer: »Wat, schon halb sieben?« 32 | Wir fahren Manta Manta stammt genau genommen von der Berliner Punkband King Køng unter dem Pseudonym »Die Motoristen«. King Køng löste sich 1993 zugunsten der Neugründung von Die Ärzte auf. Der Song ist nicht zu ver-
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schichte dann auch eine beiderseitige Identifikation erwachsen konnte – macht Wir fahren Manta Manta sich mit dem Mittel der klassischen Ironie über die gleiche Klientel lustig: »Wir haben Geschmack, wir haben Stil«, oder, noch etwas deutlicher: Wir hören Bach, lesen Brecht Ab und zu mal was von Goethe Immer nur Quantenphysik das wär uns echt zu blöde
Im Refrain freilich, in unmittelbarer Nähe zum Markennamen, kommen auch die Autobahn und der gute alte Kraftwerk-Reim noch einmal zu Ehren: Lasst uns die Autobahn Dann könn’ wir weiter fahr’n Denn wir fahren nun mal gerne Manta Manta
Manta Manta sowie der einen Monat früher erschienene, damals noch erfolgreichere Manta – der Film von Peter Timm33 (1991, in den Hauptrollen Sebastian Rudolph als Fred und Nadeshda Brennicke als Tina) walzen das Image einer deutschen Sportwagenmarke, wie es sich bereits in einer Gattung von Witzen kristallisiert hatte, zur Spielfilmdiegese aus. Der Opel Manta hat nicht dieselbe (Preis-)Klasse wie, sagen wir, ein Porsche oder das Form- und Namensvorbild, die amerikanische Corvette Sting Ray, und gilt daher als Möchtegern-muscle car, als Angeber-Auto junger, prolliger Männer aus der Unterschicht. Topisch sind das Basteln am Auto (Tuning, Spoiler, tiefergelegt), die Bildungsferne der Fahrer (»Boh ey!«), die blonde Friseuse auf dem Beifahrersitz, Fuchsschwanz an der Antenne, Ellenbogen aus dem Fenster und illegale Rennen. Beide Filme sind im Ruhrgebiet angesiedelt und zeigen viel Lokalkolorit, die Mantafahrer sind in Clubs organisiert (Feindbild: Golf GTI), die Väter der Helden züchten Brieftauben, die Rennen finden in der Nähe aufgelassener Industriewechseln mit dem Titellied des Films, Manta! Manta!, das von Jörg Evers unter dem Pseudonym »Manni Ickx« geschrieben wurde. 33 | Der Regisseur war im selben Jahr bereits mit der Automarken-Komödie Go Trabi Go erfolgreich gewesen.
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anlagen statt, Discos und Pommesbuden sind wichtige Locations, auch türkische bzw. russische Einwanderer spielen eine Rolle. Beide Filme sind dabei im Kern komödiantisch, feiern letztlich den Zusammenhalt der Manta-Gangs und verbinden im Plot eine Liebesgeschichte mit einem finalen Rennen zwischen einem Manta und einem Mercedes bzw. Golf.34 In unserem Zusammenhang ist interessant, dass sich im Kontext dieser sozusagen im Modus des Marken-Witzes aufgespannten Filmwelten ein herausgehobener Ort für Pop-Musik ergibt. Beide Filme haben ausführliche Soundtracks aus Pop-Musik-Titeln, die auch als Einzelalben vertrieben wurden. Der Soundtrack von Manta – der Film etwa ist von Andreas Dorau kuratiert und enthält – neben den eigentlichen Manta-Songs – ein breites Spektrum zeitgenössischer Musik von Marianne Rosenberg und Matthias Reim bis zu den Lassie Singers und den Fantastischen Vier, neben Auftritten von Helge Schneider (als DJ Johnny Flash35) und Dieter Thomas Heck (als Chef eines Autohauses, der allerdings nicht singt). Auch der Score von Manta Manta hat es in sich, neben gleich drei MantaSongs sind etwa Seal, Yello und Katrina and the Waves zu hören. Gleich zu Beginn lauschen Bertie und Tina im Auto einem Radiosender, in dem Mantawitze erzählt werden. Bertie will den Sender daraufhin wechseln, aber Tina sagt, dieser habe die beste Musik – und anschließend ertönt denn auch kein Euterpop,36 sondern You Really Got Me von den Kinks, Mod-Rock der ersten Stunde (1964). Mantawitze (von denen auf diese Weise eine ganze Reihe im Film selbst erzählt werden37) und (gute!) Popsongs liegen hier also auf der gleichen Ebene, worauf auch der obligatorische Kenwood-Aufkleber auf der Heckscheibe hinweist – und die Mod-Verbindung situiert diese im Milieu junger Arbeiter. Sowohl Bertie als auch Fred 34 | Andere Marken kommen nur am Rand vor: Kenwood- und Yokohama-Aufkleber an der Heckscheibe, Jägermeister; Manta – der Film erfindet sogar ein No-Name-Bier für einige Szenen. 35 | Schneider hatte die Rolle des aufstrebenden Schlagersängers Johnny Flash erstmals 1987 in dem gleichnamigen Ruhrgebiets-Film von Werner Nekes gespielt. 36 | Zum Klischee der Manta-Frauen passt ja die damals so bezeichnete Musik von Sa-mantha Fox, die auch in den Lyrics eines Songs (Manta von Norbert und die Feiglinge) genannt wird. 37 | In Manta – der Film werden die Witze u.a. beim Aufnahmeritual in den Manta-Club erzählt, wobei der Kandidat nicht lachen darf.
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kennen sich nicht nur mit der Technik ihrer Autos aus und schrauben an ihnen herum, sie verfügen auch bereits über selbstverdientes Geld, das sie einsetzen können: Bertie legt 5000 DM in bar für seine Rennwette auf den Tisch, die eigentlich für die Einbauküche bestimmt waren, Fred will sich von seinen angesparten 10.000 DM einen Golf kaufen, doch sein Vater legt das Geld für ihn an, und so muss er wider Willen den Manta nehmen, den seine Mutter für ihn bei einem Preisausschreiben gewinnt. Geld, Auto und Frau (Beziehung, Sex) liegen hier also metonymisch eng beieinander und beschwören gerade darin die basale Situation früher Pop-Musik – man beachte nur das Anlassen des Motors, mit dem beide Filme und zahlreiche Popsongs beginnen! Brrömm brrömm… Die Filme und ihr Kult-Potential zehren von der in all dem codierten Energie des Rock ’n’ Roll und frühen Power-Pop,38 und auch narrativ liegen ja letztlich alle Sympathien bei den schlichten, aber herzensguten Mantafahrern, doch ist eine Feier dieser Kultur eben in Deutschland nur in den Anführungszeichen jener Vorbehaltlichkeit möglich und goutabel, die der Modus des gestreckten Witzes vorgibt. Die Filme wollen sozusagen gleichzeitig »Boh ey!«39 sagen und über die lachen, die das tun. Das kommt sehr gut in Manta Manta zum Ausdruck, als eine emphatische Äußerung Berties zum tollen Gefühl des Manta-Fahrens heimlich von einer Radioreporterin mitgeschnitten und später gesendet wird: Im Kontext der Nicht-Identifikation wird das eigentlich nicht komische, sondern authentische Erlebnis des Prolls zum Witz (was auch ein Element des Verrats beinhaltet). Einen ähnlich distanzierenden Effekt hat ja im Grund bereits der Re-Entry der Manta-Witze in die eigenen Langversionen (inklusive der Reaktion durch die Betroffenen). Und noch ein weiterer Punkt ist erwähnenwert: 1991, zur Hochzeit der Witze und Filme, wird der Opel Manta schon seit drei Jahren nicht mehr gebaut. In Manta – der Film wird das sehr ausdrücklich zum Thema, denn Fred gewinnt, zur Freude seiner zukünftigen Freunde vom Manta-Club, den allerletzten vom Band 38 | Dazu passen auch die Lyrics des Abspann-Songs Du darfst in Manta Manta, deren Logik sich an die von Blue Suede Shoes anlehnt, nur dass die Schuhe hier durch den Wagen ersetzt sind, nach dem Motto: ›Du darfst alles tun, aber »Alter nimm die Hand da/Weg von meinem Manta«.‹ 39 | So heißt auch der Abspann-Song von Manta – der Film. Darin wird eine männliche Stimme, die den Blues zu singen versucht (»Woke up this morning…«) gefragt, ob sie nicht statt dessen »Boh ey« kenne.
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gelaufenen Manta B., offenbar der Ladenhüter des Autohauses. Zu den Anführungszeichen des Komischen gesellen sich also noch solche des Retro, ein Hauch von Nostalgie, als ob anhand der verschworenen Ruhrgebiets-Clique der Manta-Fahrer noch einmal mit einer und vor allem über eine Pop-und Marken-Kultur gelacht werden kann, die bereits im Untergang begriffen ist. Das heißt aber, dass der Lebensentwurf der Manta-Fahrer, obwohl innerhalb der Film-Narrative positiv gewertet, nicht wirklich mehr zu den Optionen gehört, die der deutsche Pop in Form der Manta-Filme, -Songs und Soundtracks den Rezipienten hier Anfang der Neunziger anbietet. Angeboten (und gern genommen) wird statt dessen der spezifisch ästhetische Modus zwischen Sich-lustig-Machen, Nostalgie und Affirmation selbst, jenes Register produktiv-alberner Vorbehaltlichkeit, in dem der gesamte Manta-Komplex steht und in das auch der von Helge Schneider aka Johnny Flash (deutlich im Playback) performte Schlager Ladiladiho passt.
Zur Frage der Mythisierbarkeit Ganz generell gibt es in Musik, die in Richtung Kabarett oder Comedy tendiert, deutlich mehr Markennamen als in anderer Pop-Musik. So findet sich im Titelsong von Manta – der Film, Manta (1989) von Norbert und die Feiglinge, ein ganzer Katalog konkurrierender Fahrzeuge und auch der Name des Tuning-Unternehmens Irmscher. Um ein anderes Beispiel zu geben: selbst ein reiner Katalogsong wie We Didn’t Start the Fire von Billy Joel (auf: Storm Front, Columbia Records 1989) enthält keine echten Marken, in Otto Waalkes’ Parodie Wir haben Grund zum Feiern jedoch, wo die historischen Namen des Originals durch die alkoholischer Getränke ersetzt werden, kommen zahlreiche Markennamen vor. Man kann also sagen: Je mehr die Musik in Richtung ›Spaß‹ geht, desto eher ist die Marke erwartbar, beispielsweise die des Angeber-Wagens in Ich will Spaß von Markus, das zum prototypischen Spaßlied der Neuen Deutschen Welle geworden ist: Mein Maserati fährt 210 Schwupps! Die Polizei hat’s nicht gesehn Das macht Spaß Ich geb Gas, ich geb Gas
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Ein Ausdruck wie »Schwupps!« ist im Pop allenfalls in dicken Anführungszeichen erlaubt, und genau das ist der Modus, in dem dann auch die Markennamen stehen. In der dritten Strophe wird noch deutlicher, dass die italienische Nobelmarke40 hier nicht, wie der Luxusschlitten im amerikanischen Kontext, für einen positiv konnotierten Traum steht, sondern allein als hyperbolische Antithese zum deutschen Kleinwagenalltag fungiert: Ich schubs die Enten 41 aus dem Verkehr Ich jag die Opels vor mir her Ich mach Spaß 42
Wo deutschsprachige Pop-Musik dagegen mit Ernst und Anspruch auftritt, etwa in der Hamburger Schule, werden Markennamen vermieden. Selbst in den textlastigen Songs der frühen Blumfeld, die bereits unter dem Eindruck von Hip-Hop entstehen, findet man sie nicht. Dass die bloße Nennung von Marken oder Fast-Marken (Maserati, Caravan) schon für Komik sorgt, ist ein auffälliger Gegensatz zum englischsprachigen Pop. Es steht auch im Gegensatz zu populären visuellen Medien wie dem Film. Will man dort verbergen, welches Flaschenbier getrunken und welche Zigarettenmarke geraucht wird, so erfordert das bereits aktiven Einsatz – was ja nur belegt, dass wir im realen Leben eben Jever oder Lucky Strikes konsumieren und nicht bloß Bier oder Zigaretten. Bei Autos ist im Film aber nun schlechterdings nicht zu verhindern, dass man die Marke erkennt und die entsprechenden Assoziationen dazu 40 | Vgl. die fetischisierte Thematisierung des Maserati Quattroporte in Der Tatortreiniger (Staffel 1, Folge 3, 2011). Die technischen Daten, die Schotti hier aufzählt, gelten allerdings erst für den Quattroporte V, während im Hof eindeutig ein IVer Modell zu erkennen ist. Die Maseratis um 1980 fuhren in der Tat Spitzengeschwindigkeiten um 210 km/h. – In einer späteren Tatortreiniger-Folge geht es auch um den Song Sexy Maserati von der Platte Babyman 2. 41 | »Ente« ist der deutsche Spitzname für den Citroën 2 CV, der eine zeitlang in der BRD ein Kultauto war wie in den USA der VW Käfer, wenn auch eher für die Frankreich-Fraktion (Jazz, Existenzialismus, französisches Kino) als für die Pop-Fraktion. Vgl. auch den Schlager Im Wagen vor mir von Henry Valentino. Im Film Manta Manta fährt die Studentin eine grüne Ente. 42 | Markus, Ich will Spaß, auf: Kugelblitze und Raketen, CBS Records 1982.
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abruft. Und selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob Lover, Detektiv oder Gangster in eine Ente, einen Opel Manta, einen Aston Martin DB5 oder einen (fliegenden) Citroën DS steigen. Insgesamt gilt: Weder Auto- noch andere Marken werden, wenn sie im Film vorkommen, als Bruch mit erwartbaren diegetischen Frames wahrgenommen. Bei allzu auffällig in Szene gesetzten Marken käme hier allenfalls der Verdacht auf ein von der Firma bezahltes Product Placement auf, nicht aber Komik. Die Komik, die durch die Nennung von Marken im deutschen Pop entsteht, ist Resultat einer Differenz, Effekt einer Heteroglossie. Die Markennamen wirken im Deutschen stets wie aus einer anderen Sphäre hereinzitiert und bleiben in ihrem neuen Ko-text, dem Pop-Song, auffällig, wie in einfache Anführungszeichen gesetzt; »es genügt ja, die Bedingtheit des stilisierten Wortes nur wenig zu pointieren, um ihm den Charakter leichter Parodie, Ironie, Vorbehaltlichkeit zu verleihen: das sage eigentlich nicht ich – ich hätte es wohl auch anders gesagt.«43 Dass selbst die Automarken im Kontext deutschsprachiger Pop-Musik nicht naturalisierbar scheinen, signalisiert also, dass sie offenbar einem anderen kulturellen Rahmen angehören als dem in Pop-Musik gängigen und erwartbaren. ›Eigentlich‹ sagt deutsche Pop-Musik so etwas nicht. Warum ist das so? Da sind zunächst, sozusagen auf der historischen Sachebene, die Autos selbst. Bis heute wirkt ein amerikanischer Straßenkreuzer auf deutschen Straßen aufsehenerregend, während selbst die höherklassigen Modelle deutscher Autobauer in Deutschland lange Zeit eher einen Ruf des Biederen, Erfolgreich-Soliden mit sich führten, der mit Pop nicht gut zusammenging. 1948, als K.C. Douglas vom Mercury träumte, baute Ford in Deutschland zunächst einmal ein Vorkriegsmodell weiter, den sogenannten ›Buckeltaunus‹. Auch die später gebauten Mittelklassewagen erlangten einen halbwegs coolen Status erst als Oldtimer. In Brösels Comic Strip Besser is das! (1987) packt die Werner-Gang einen alten Ford 20M TS für eine Urlaubsreise voll, ein damals zwanzig Jahre altes Modell, das 1967 zwar obere Mittelklasse war, nun aber eher wie ein Stück Schrott vom Hof wirkt.44 43 | Michail M. Bachtin, Die Ästhetik des Wortes, hg. v. Rainer Grübel, Frankfurt a.M. 1979, S. 322. 44 | Brösel ist bei der Darstellung des Modells inkonsistent. Auf Bild 6 sieht man hinten den Schriftzug »TAUNUS« auf dem Wagen, den aber die 17M bzw. 20M-Modelle erstmals nicht mehr führten. Auf Bild 8 steht dann hinten stattdessen die korrekte Typenbezeichnung.
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Unterwegs treffen sie auf einen Oldsmobile 98 Regency, einen 70er-Jahre Luxusschlitten, der zum Verkauf steht (»Ich werd verrückt ’n V8-Schiff«. – »Das isses!«). Die unerhörte Begebenheit liegt nun darin, dass der Verkäufer umgekehrt von ihrem Ford-Modell schwärmt (»Ick war’ verrückt ’n ouln Ford V-6!«), »und sie tauschten die Autos schlicht um schlicht«.45 Das ist witzig, und der Witz entsteht durch die schiere Inkommensurabilität der Modelle, die nicht allein in ihrer Optik und ihren technischen Daten, sondern im Kern in ihrer Mythisierbarkeit besteht. Der behäbige, wenig glamouröse deutsche Mittelklassewagen mit dem Namen eines ebenso biederen deutschen Mittelgebirges ist vermutlich zu keiner Zeit der Traum eines jungen, pop-affinen Menschen gewesen, wogegen schon ein Name wie Oldsmobile Ninety Eight Regency einen exotischen Glamour verströmt. Im Schlussbild des Werner-Bandes steht das Gefährt mit vorgebundenen gekreuzten Knochen und einem stilisierten Stierschädel im Schein der tiefstehenden Sonne blinkend in einer Art amerikanischem Westen46 – Ikone des American Dream, der inzwischen zur internationalen lingua franca geworden ist, mit den Konnotationen Freiheit, Größe und Unabhängigkeit.
45 | Brösel: Besser is das! In: Brösel: Werner, normal, ja! Kiel 1987 [unpaginiert]. 46 | In der Diegese befindet sich der Wagen auf einer Mittelmeerinsel, jedoch ist alles getilgt, was gegen den amerikanischen Westen spricht: das Meer ebenso wie das Kieler Kennzeichen.
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Diese Differenz amerikanisch/deutsch = mythisch/nicht mythisierbar, die in derselben Bildgeschichte auch noch durch die Konfrontation des Oldsmobile mit einem VW Golf unterstrichen wird, in dem vier Popper sitzen, ist dieselbe, die unnachahmlich bereits im Trio-Song Nur ein Traum gestaltet ist: Die zunächst englischsprachigen Lyrics erzählen den amerikanischen Traum (»You by my side/Here in my car«), bis die deutschsprachigen Einwände (»Nur ein Traum«) sich sprachlich wie inhaltlich durchsetzen: »die Fahrt von Holzminden nach Oldenburg« stellt die Mythisierbarkeit der deutschen Lebenswelt – und damit die Möglichkeit von Pop – durch ihre schiere Partikularität und Provinzialität radikal in Frage (»um die Wahrheit zu sagen, hat sie nie neben mir gesessen./ Was bleibt, ist die Autobahn, der alte VW/Und ich, allein, die Hand an der Knüppelschaltung.«). Dass die Autobahn und der alte VW in amerikanischen Zusammenhängen durchaus mythisierbar wären – man denke nur an die Band »Sick Dick and the Volkswagens« in Thomas Pynchons The Crying of Lot 49 (1965), bei der der Markenname geradezu für die Staffelstabübergabe popmusikalischer Dominanz nach Europa steht, oder Neil Youngs Long May You Run –, kommt in Deutschland nicht zum Tragen.47 Das Wirtschaftswunderauto VW Käfer wird erst im amerikanischen Kontext zum Hippie-Love Bug,48 erneut ein Beispiel für die transatlantischen Aspekte von Pop. Kraftwerk, die mit einer Single-Version von Autobahn (1974) auch in den USA bekannt werden, präsentieren auf dem LP-Cover von Bandmitglied und Düsseldorfer Schule-Künstler Emil Schult eine AutobahnLandschaft »im nüchtern-idealisierenden Stil von Reklamezeichnungen aus der Zeit des Wirtschaftswunders«,49 die wie eine ›realistische‹ Rückübersetzung des Autobahn-Verkehrsschilds wirkt, das das Inlay ziert. 47 | Eine ähnliche Differenz ist die zwischen Seattle und Hamburg in Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk von Tocotronic. Die amerikanische Hauptstadt des Grunge ist mythisch und unerreichbar; dass aus Sicht des Amerikaners womöglich Hamburg die glamourösere, mythischere Stadt sein könnte, kommt nicht in den Blick. Regnen tut es beiderorts. 48 | Vgl. den Film Love Bug (1968, Regie: Robert Stevenson, dt.: Ein toller Käfer). Zum US-Erfolg des Käfers trägt nicht unerheblich die Werbecampagne der jüdischen Agentur Doyle Dane Bernbach bei, die dem ehemaligen NS-»Volks«-Wagen ein neues Image verpasst. 49 | https://de.wikipedia.org/wiki/Autobahn_(Album) (6.3.2016).
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Während links moderne Strommasten zu sehen sind, findet sich rechts der Autobahn eine Baum-Felsen-Gruppe vor untergehender Strahlensonne, die an Caspar David Friedrichs Kreuz im Gebirge erinnert – was das Album zwischen Technik und Romantisierung verortet. Wie im Film ist auch in der Grafik kaum vermeidbar, dass man die Marken der dargestellten Autos erkennt: Rechts entfernt sich ein VW Käfer, links fährt eine Mercedes-Benz 300 SE-Limousine aus dem Bild, ein Modell aus den frühen 60er Jahren. Beide wirken dabei weder poppig noch irgendwie glamourös oder futuristisch, sondern eher wie nostalgische Hinweise auf das zurückliegende Wirtschaftswunder, dessen Star-Produkt der Käfer ja war. Ich erinnere mich, dass wir den Song Mitte der 70er Jahre auch eher dadaistisch-albern fanden (»Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n/Auf der Autobahn« – also bitte!) – die Mythisierung Kraftwerks als Ursprung des Elektropop, die mit einer äußerst ernsthaften Rezeption einherging, fand wohl auch erst retrospektiv und auf dem Umweg über die internationale Anerkennung statt. Die deutschen Autos – ob Opel, Ford, Mercedes oder VW – waren in Deutschland jedenfalls eher mit Papas Wirtschaftswunder, mit Broterwerb, Familienurlaub und Mittelklasse konnotiert als mit Sex, Freiheit oder Pop. Der Autobesitzer taugt hier nicht zum jugendlichen Role Model, denn, mit Ton Steine Scherben gesprochen: »Ich will nicht werden was mein Alter ist« (auf Warum geht es mir so dreckig?, 1971). Und das gilt gerade für die Luxuswagen, um die es in amerikanischer Musik ja meist geht: »Wieviel liegen in der Sonne und betrügen die Welt?/Fahren dicke Autos von unserem Geld?« – Autobesitzer spielen erfolgreich das Spiel des Kapitalismus, und damit will man nichts gemein haben.50 Die Unabhängigkeit, die das Automobil anderswo schon allein als Fortbewegungsmittel versprach, verkörperte sich für deutsche Jugendliche in den 60er und 70er Jahren eher im Trampen (Daumen im Wind), später dann auf Demos oder durch das Besetzen von Häusern. In keiner dieser Pop-I-Szenen spielten (eigene) Autos eine besondere Rolle. Der Status, dessen Symbole sie sind, ist für die ersten Pop-Generationen in Deutschland – anders als in den USA – nicht erstrebenswert. Die Manta-Beispiele zeigen freilich, dass es dabei auch eine KlassenDifferenz gab, wobei die Musik der ›Prolls‹, also Jugendlicher ohne Gym50 | Ton Steine Scherben: Der Kampf geht weiter. Auf: Warum geht es mir so dreckig? Indigo 1971.
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nasialbildung, die sogar selbst an Autos herumschrauben konnten, eben in den 1970er und 80er Jahren eher der Schlager war. Hier, und nur hier, im Bereich der aufgemotzten Opel Mantas und Ford Capris (»Wenn bei Capri die rote Sonne…«), findet sich im Deutschen jene Engführung von Auto und Sexualobjekt, von frisiertem Auto und Friseuse, die im amerikanischen Pop, wie wir sahen, beinahe der Regelfall ist (ya ya/la la). Deutscher Pop im engeren Sinne macht sich darüber immer schon lustig, erfasst diese Sphäre als ein Milieu, das ihm äußerlich bleibt. Dieses kann mit seinen Konnotationen von Prolligkeit und Herrenwitz dann auch ins Rotlichtmilieu übergehen, wie in Oh, Margarethe (1978) von Marius Müller-Westernhagen, wo das Rollen-Ich eines Zuhälters spricht: Ich habe meine Ausgaben Die Rolex ist kaputt, ich brauch nen neuen Daimler Benz Ich muß nen neuen Anzug von Cerutti haben Und mim Werner fahr ich nächste Woche nach Florenz 51
Der Befund bleibt gleich: Nur in diesem ›lustigen‹ Modus fallen die Markennamen, nicht im Schlager selbst und nicht im ›ernsten‹ Pop.52 Wo aber schon die metonymische Engführung zwischen Fahrzeug und Mädchen schwach ist, kommt es erst recht nicht zur Substitution. Obwohl die bekannteste deutsche Automarke – Mercedes – den Namen eines Mädchens trägt, wird sie nie mit einem solchen assoziiert und bleibt männlich konnotiert. Im deutschen Pop wird man Statements wie I’m in Love with My Car nicht hören. Der prototypische Deutsche liebt zwar sein Auto und putzt es jeden Samstagnachmittag zur Bundesliga-Radiokonferenz, aber er hört und produziert keinen (Deutsch-)Pop. Entsprechend schmal ist hier die Materialbasis. Porsche Girl, ein Song der Time 51 | Marius Müller-Westernhagen: Oh, Margarethe. Auf: Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz. WEA 1978. In der Folgestrophe werden noch ein (Porsche) Targa und ein Iso (Grifo) erwähnt, die Luxuswagen anderer Zuhälter, mit denen das Ich konkurrieren muss. Ferner fällt im Song das pop-ferne und daher im Zusammenhang komische Wort »Lebenshaltungskosten«. 52 | Das Prollige wird auf neue Weise stylish in Retro-Bewegungen wie Rockabilly, die auf die 50er Jahre zurückverweisen. Tolle, Lederjacke, Kamm in der Tasche, dazu passen dann auch der Roller oder das aufgemotzte Fahrzeug. Markus zitiert diesen Look kaum zufällig auch auf dem Cover von Kugelblitze und Raketen.
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Twisters, bekannter geworden in der Version von Bernd Begemann (beide stammen aus dem Bad Salzuflener Fast Weltweit-Umfeld, der Wiege der Hamburger Schule), probiert die metonymische Übertragung des Luxus-Status vom Markenauto auf das Mädchen im Medium des deutschen Independent Pop aus, und das Ergebnis ist, sagen wir, prekär. Das lyrische Ich outet sich als Kadett-Fahrer und imaginiert folgende Gedanken seiner männlichen Konkurrenten (auf der Straße und (also) um das Mädchen): Jetzt steh ich hier In meinem 6-Zylinder oder 8-Zylinder Und dieser Typ hinter mir (er meint mich!) Im Kadett Hat ein Porsche Girl, wie ich gern eins hätt 53
So, im countryesken Modus des ›he said‹ (bzw. »er denkt sich so bei sich«), wäre das noch unproblematisch, weil die Verdinglichung zum Porsche Girl dem anderen Mann zugeschrieben wird, der mit seinem Auto protzen will. Aber vorher wie nachher besingt auch das Ich voller Inbrunst sein Porsche Girl und erfüllt damit eine nicht weniger chauvinistische Rolle, freilich in Begemanns deutlich als ironisch markiertem Modus (»Du-hu-hu bist mein Porsche Girl«), zu dem auch das Gitarrensolo und der schunkelnde Sechsachteltakt beitragen. Die zahlreichen Anführungszeichen, in die hier die Engführung von Marke und Mädchen gesetzt ist (und selbst so soll es gelegentlich noch zu feministischen Protesten gekommen sein), belegen einmal mehr, dass im deutschen Pop Auto und Love Interest (bzw. Sex), anders als in den Pop-Mutterländern, weder metonymisch noch metaphorisch nah beieinander liegen. Diese grundsätzliche Entkopplung schwingt auch in der Begründung dafür mit, weshalb sie »trotzdem« (also trotz Kadett) mit ihm fährt: »denn ich singe dir meine Songs« – der Sex liegt im Pop selbst, und den hat der 8-Zylinder-Typ in Deutschland eben nicht.
53 | Bernd Begemann, Porsche Girl, auf: Jetzt bist du in Talkshows, Begafon Tonträger 1996, und zwar als Hidden Track.
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O L ord , W on ’ t You B uy M e … Die im Deutschen so auffällige heteroglossische ›leichte Vorbehaltlichkeit‹ (oder auch plumpe ›Witzischkeit‹) bei der Nennung von Automarken ist in den englischen und amerikanischen Vorbildern nicht in gleicher Weise zu bemerken. Ein seltenes Beispiel findet sich im grandiosen Song A Different Bob (1987) von der Colorblind James Experience: »My Baby was run over by a truck/It was a Dodge«.54 Dass hier das Modell des Unfallfahrzeugs nachgereicht wird, wirkt komisch, verbindet sich jedoch mit der Bedeutung von ›to dodge‹ (= ›abhauen‹) zu einem Wortspiel – es war ein Dodge und vermutlich Fahrerflucht. So etwas ist, wie gesagt die Ausnahme; doch deutet die insgesamt feststellbare Seltenheit von Markennamen auch im englischsprachigen Pop in eine ähnliche Richtung, und diese gilt, wie gesagt, selbst für textlastige Pop-Poeten. In Bob Dylans Song Union Sundown (auf Infidels, 1983) geht es geradezu um Probleme ökonomischer Globalisierung, um die Abwanderung der amerikanischen Industrie in Billiglohnländer, aber auch hier wird wieder nur eine Automarke erwähnt: »The car I drive is a Chevrolet/It was put together down in Argentina«. Allenfalls hier, im kapitalismuskritischen Kontext, scheint aufzublitzen, was sonst im Diskurs des klassischen Pop verborgen bleibt: dass sich seine Communities »um käufliche Gegenstände herum« bilden (Diederichsen), zu denen letztlich auch die Pop-Musik selbst gehört. Überall dort, wo sie im Ernst den Mythos des amerikanischen Freiheitstraums transportiert, zu dem, wie wir sahen, auch das Auto gehört,55 ist das jedoch nicht sagbar. Wenn die Tatsache, dass es hier immer auch um Waren und also um Geld geht, überhaupt einmal durchkommt, dann eben nicht im mythischen Tramper-Song Me and Bobby McGhee (»Freedom’s just another word/For nothing left to lose«), sondern in einem Ditty wie Janis Joplins Mercedes Benz, dem heute vielleicht bekanntesten Auto-Song der Popgeschichte. Schon durch seine schiere Kürze (1:45 min), die A-Cappel54 | Colorblind James Experience: A Different Bob. Auf: Colorblind James Experience. Fundamental Music 1987. 55 | »[T]he majority of Americans, both now and in the past, have seen it as representative of the American dreams of success, mobility, freedom, power, sex, and the good life through the triumph of technology.« (Wright: Croonin’ About Cruisin’, S. 109f.)
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la-Darbietung, die ironische Ankündigung (»I’d like to do a song of great social and poetical import. It goes like this«) und das abschließende Gelächter steht der Song in deutlicher Differenz zu den anderen Titeln ihres posthum erschienenen Albums Pearl (1971). Joplin singt hier in Anführungszeichen, die Nummer ist überdeutlich als ephemerer Novelty Song markiert, der in Richtung Satyrspiel geht; dazu passt auch die Legende, er sei als Improvisation in einer Kneipe entstanden. Das preislich als Antiklimax gestaltete Paradigma der erhofften Waren in den drei Strophen lautet: einen Mercedes Benz, einen Farbfernseher und einmal schön Ausgehen. O Lord, won’t you buy me A Mercedes Benz My friends all drive Porsches I must make amends
Ein solches Stoßgebet wäre in Deutschland, wie gesagt, niemals von einem Hippie gekommen, sondern allenfalls von einem Zuhälter, der, wie in Westernhagens Oh, Margarethe, statusmäßig mit seinen Konkurrenten mithalten will. Während es im klassischen Blues aber durchaus noch ungebrochen möglich war, das tolle Auto (z.B. einen Mercury 49) zu ersehnen und dabei auch den Herrn anzurufen, steht dieser Sprechakt nun in Anführungszeichen. Im Originalgedicht von Michael McClure, einem Autor aus dem Umfeld der Beat Poets, waren diese vermutlich kapitalismus- und medienkritisch zu verstehen – eine »große soziale und poetische Bedeutung« ist dabei in der Tat angestrebt. In der zweiten Strophe geht es ums »color TV«, das in der Kitchen Debate zwischen Nixon und Chruschtschow immerhin noch als Argument für die avancierte amerikanische Industrie im Kalten Krieg getaugt hatte. Hier nun wird es nur gebraucht, um über die kommerzielle Fernsehshow Dialing for Dollars Geld zu gewinnen.56 McClures Text imitiert also eine kleinbürgerliche Haltung zum Konsum und macht sich über sie lustig. Der Beat Poet könnte sich zwar auch keinen Mercedes Benz leisten, ersehnt dies aber 56 | In Dialing for Dollars wurde während der Sendung ein Passwort genannt, anschließend wurden aus der Sendung heraus Zuschauer angerufen. Konnte der Angerufene das Passwort nennen, gewann er die Geldsumme. Ein Schwarzweiß-Gerät täte es hier also auch.
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selbstverständlich auch gar nicht. Das Schlüsselwort, das das falsche Bewusstsein als Konsumentenreligion, als neues Opium fürs Volk codiert, heißt: »buy«. Janis Joplin dagegen kreiert ihren Song während einer ausgelassenen »night on the town« und ist zu diesem Zeitpunkt längst Porsche-Fahrerin. Ihre Ankündigung eines Werkes von »great social and poetical import« ist offenkundig ironisch zu verstehen, anstelle moralischer und semiotischer Schwere folgt ein Spaß. Obwohl Joplin sich im gleichen hippiesken Umfeld bewegt wie McClure, der ein Freund Jim Morrisons war, schleicht sich hier also eine Differenz ein, die mit der Warenförmigkeit (und dem kommerziellen Erfolg) des Pop selbst zu tun hat. Der Beatnik, der Linke, der intellektuelle Konsumkritiker verachtet in snobistischer Manier die kapitalistischen Waren und Werte, die er hier besingt.57 Joplin, das Pop-Subjekt, verachtet sie nicht – sie will selbstverständlich in Kneipen Spaß haben, Fernsehen gucken (auch: ins Fernsehen kommen) und, wenn’s geht, auch Porsche fahren. Die Träume des Kleinbürgers, die der Poet verachtet, sind durchaus die ihren, werden in ihren Händen aber von ihrer Kleinbürgerlichkeit befreit, hinein in einen neuen, hedonistischen Modus von Pop-Konsum, wie er sich u.a. in Joplins »customized« (was in diesem Fall heißt: in lustigem psychedelischen Hippie-Design lackierten) 1964er Porsche 356c Cabriolet manifestiert – und in ihrer heiteren Performance von Mercedes Benz. Erneut haben wir es hier mit jener Differenz im Verhältnis zu Konsum und Medien zu tun, jener Grenze, die nicht nur zwischen dem Selbstverständnis der Beat Generation und Pop verläuft – der Name des erfolgreichsten Acts ever, The Beatles, suggeriert hier eine trügerische Nähe –, sondern in den späten 60ern auch durch die Pop-Formation selbst. Im Dokumentarfilm Janis: Little Girl Blue (2015, Regie: Amy J. Berg) wird berichtet, dass Big Brother and the Holding Company bei ihrem Auftritt auf dem Monterey International Pop Music Festival 1967 (legendär u.a. für 57 | »McClure’s song may have become a TV commercial for Mercedes, but he’s never seen it and would never drive one.« (Sam Whiting: The Beat Goes On/ Poet Michael McClure finds plenty of inspiration in Butters Canyon. In: SFGate, 16.3.2003; www.sfgate.com/bayarea/article/The-Beat-Goes-On-Poet-MichaelMcClure-finds-2662770.php, 12.3.2016). Immerhin konnte sich der »Beat bon vivant«, wie man aus demselben Artikel erfährt, von den Song-Tantiemen ein Haus kaufen, während seine Lyrik sonst eher brotlose Kunst blieb.
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seine Auftritte von Otis Redding, The Who und Jimi Hendrix) sich nicht von D.A. Pennemaker filmen lassen wollten, weil ihnen das zu kommerziell vorkam (aus demselben Grund wollten später auch die Grateful Dead nicht im Film erscheinen). Schon der Name der Band kombiniert ja die Kritik an den Medien (Orwells »Big Brother«) mit der am Kapitalismus – Holding Companies sind geradezu Inbegriff eines verselbständigten Kapitals, sie wurden erfunden, um frühe Anti-Trust-Gesetze zu umgehen.58 Als jedoch deren Sängerin Janis Joplin nach ihrem furiosen Auftritt von der Sache erfuhr, geriet sie in Rage: Sie wollte unbedingt in den Film, und ihre enorme Durchsetzungskraft führte dazu, dass Big Brother als einzige Band zwei Sets auf dem Festival spielen durften. Das zweite wurde dann Teil des Pennemaker-Films Monterey Pop (1968) und Joplin dessen Poster-Girl – der Beginn ihrer Weltkarriere, aufgrund derer sie sich bald auch einen Porsche leisten konnte. Nun steht Janis Joplin sicherlich nicht im Verdacht, ihre Hippie-Wurzeln verraten zu haben. Erfolg, Reichtum und Porsche hinderten sie beispielsweise nicht daran, noch 1970, im Jahr ihres frühen Drogentodes, allein durch Brasilien zu trampen. Indem sie jedoch keine Differenz einzieht zwischen der Sphäre authentischen Hippietums und der ihres medialen und kommerziellen Erfolgs inklusive exzessiven Konsums von allem, was Spaß macht (›live fast, love hard, die young‹), verkörpert auch der vermeintlich gegenkulturelle Popstar weniger Pop I als das ursprünglichere Konzept, das wir oben als Pop 0 bezeichnet haben. Von »Sex, Dope and Cheap Thrills«59 sind eben zumindest die beiden Letzteren zumeist warenförmig – und dabei nicht zwangsläufig immer illegal; und die Medien-Kanäle, die Pop konstituieren, wollen auch bedient werden. PopGlamour und popkultureller Konsum stehen dabei nicht länger für eine bekämpfte Sphäre kapitalistisch geprägter Konsumkultur und sie markieren auch keine soziale Differenz mehr – weder zu den Reichen noch zu den unaufgeklärten Kleinbürgern mit den falschen Träumen (Boy racer, Farbfernsehen etc.). Pop lehnt die Glücksversprechen der Konsumgesellschaft nicht ab, sondern fordert konsequent ihre Einlösung ein – und widersetzt sich derselben dann auch nicht, wenn sie tatsächlich mal eintritt. 58 | Außerdem versteckt sich hier noch eine Drogen-Referenz (»Are you holding?«). 59 | So sollte das erste Major-Label-Album von Big Brother and the Holding Company eigentlich heißen (es erschien dann 1968 als Cheap Thrills auf Columbia).
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1968 »was the first time any of us had any money to spend«, erinnert sich Mitch Mitchell von der Jimi Hendrix Experience, »so Jimi ordered a Corvette Stingray and Noel ordered a Mercury Cougar«.60 Jim Morrison fuhr einen wunderschönen Ford Mustang Shelby GT500 (namens »The Blue Lady«), und John Lennon ließ seinen Rolls Royce Phantom V ähnlich psychedelisch bemalen wie Janis Joplin ihren Porsche – das Beste ist hier gerade gut genug, gerade weil man um die falschen Versprechen der Konsumindustrie weiß: »Don’t do nothing that is cut price […]/They will try their tricky device/Trap you with the ordinary,« wie es in der konsequenten Fortschreibung von »Sex, Dope and Cheap Thrills« heißt, in Ian Durys Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll (1977). Die Devise lautet: »Get your teeth into a small slice/The cake of liberty«. Zu diesem Freiheits-Kuchen gehören definitiv die Errungenschaften der westlichen Warenwelt; Erfüllung heißt auch: sich was kaufen können – O Lord, won’t you buy me… Und wie man sieht, nimmt bei Dury schließlich der Rock ’n’ Roll selbst die Systemstelle der Cheap Thrills ein.
60 | Mitch Mitchell: The Hendrix Experience (zit.n. http://phscollectorcarworld. blogspot.de/2012/05/lost-star-cars-jimi-hendrix-corvettes.html, 17.3.2016).
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Pepsi M it K ohlensäure Die zwanglos-selbstverständliche Darstellung von Automarken in amerikanischer Pop-Musik bezieht sich, so hat das vorangegangene Kapitel gezeigt, ausschließlich auf Luxusprodukte und deren Fiktionswert für den American Way of Life. Hier unterscheiden sich die frühen Blueser nicht wesentlich von den Rappern der 1990er Jahre, auch wenn letzteren die Musik als Mittel und Weg, der letztlich zum besungenen Luxusgut führen kann (»Get rich or die trying«), sicherlich präsenter ist als ersteren. Der Aufstieg zu Reichtum und Luxus ist aber, so hatten wir oben schon festgestellt, nur ein Teil des amerikanischen Versprechens. Dem Cadillac steht in der Coke-Kultur eben die Cola entgegen, das Gut, das sich vom Präsidenten bis zum Schüler alle und sogar der »bum«, der Arbeitsverweigerer an der Ecke,1 in gleicher Qualität leisten können: »A Coke is a Coke.«2 Was nun in gewisser Weise auch wieder überhaupt nicht stimmt. Schließlich hat man, gerade in den USA, entweder eine Coca-Cola oder eine Pepsi-Cola vor sich. Idealtypisch verkörpert das Paar den Status von Waren in westlichen Überflussgesellschaften, die sich in ihrem Gebrauchswert nicht unterscheiden, aber von unterschiedlichen Anbietern stammen. Im Umfeld der Frankfurter Schule kursierte der Ausspruch, der Unterschied zwischen Opel und Ford sei reine Ideologie – das müsste dann ja wohl für den Unterschied zwischen den beiden schwarzgefärbten Kräuterlimonaden in Potenz gelten.3 Stattdessen wird man mit neueren 1 | Den man interessanterweise in der Coke-Culture auch Wino nennt. 2 | Vgl. oben S. 13. 3 | »You know what I’m saying?/Pepsi, Coca-Cola, the same thing./David Chapelle said that« heißt es in genau diesem Sinne in Childish Gambinos Late Night in
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konsumästhetischen Untersuchungen wohl eher sagen müssen, dass sich die Konkurrenz zwischen Produkten mit gleichem Gebrauchswert eben auf die Ebene des Fiktionswertes verlagert und als Konkurrenz von Marken-Images ausgetragen wird. Coca-Cola, kurz Coke (geschützte Marke seit 1893), hat es dabei zum bekanntesten Markenprodukt der Welt und zur Ikone des globalen Kapitalismus amerikanischer Prägung gebracht, während Pepsi (geschützte Marke seit 1903) demgegenüber immer die markierte Form der Cola geblieben ist. Beide bemühen sich seit Anbeginn der Pop-Kultur, bei ihrem jugendlichen Zielpublikum die jeweils coolere Marke zu sein, seit den 1960er Jahren auch unter nimmermüdem Einsatz von Pop-Musik und -Musikern.4 Pepsi hatte dabei sogar den King of Pop, Michael Jackson, zu seinen besten Zeiten unter Vertrag. Die Pop-Kultur war der Hauptschauplatz der sogenannten Cola-Wars seit den 1970er Jahren, zumal in den USA, wo vergleichende Werbung immer schon erlaubt war. Coke oder Pepsi war lange eine Art Schibboleth für markenbewusste Jugendliche weltweit. Don van Vliet, der Musikwelt besser bekannt als Captain Beefheart, war eindeutig der Pepsi-Typ. Franz Zappa erinnert sich, wie sie zu Highschool-Zeiten gemeinsam bei Don im Zimmer saßen, bis spät in die Nacht Platten hörten, und dieser regelmäßig seine Mutter rief, damit sie ihm Pepsi bringe. Die jugendliche Gründungsfiktion seiner Band besagt ungefähr, dass diese auf magische Weise immer dann erschien, wenn Beefheart eine Pepsi trank – His Magic Band. Die Kopplung des Avantgarde-Rockmusikers an den Softdrink geht so weit, dass noch Mitte der 1970er Jahre ein von ihm gesungenes Zappa-Stück (The Torture Never Stops) zeitweilig auch als Why Doesn’t Someone Get Him a Pepsi? firmierte. In der Lebenswelt der Musiker war die Marke also enorm präsent, ja geradezu identitätsbildend, in ihren Songs kommt ihr Name in diesem Sinne jedoch einmal mehr nicht vor, inklusive The Torture Never Stops – mit der bezeichnenden Ausnahme von Zappas Michael-Jackson-Parodie Why Don’t You Like Me? von 1988, wo der Markenname ein Attribut des verspotteten Poppers ist (»He’s oxygenated/His nose is deflated«). In Beefhearts frühen, bluesorientierten Stücken kommen genregemäß die Kauai (2014). Er bezieht sich dabei auf einen Auftritt des Saturday Night Life-Comedians, in dem dieser zugibt, ihm schmecke immer die Cola-Marke am besten, die ihn zuletzt bezahlt habe. 4 | Vgl. das Parallelprojekt von Melanie Horn.
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Luxuswagen vor (»Got a brandnew Cadillac, got a Ferrari too«5), und zwar zu einer Zeit, als der Musiker kaum etwas zu essen hatte und weit davon entfernt war, seinem lyrischen Ich darin zu entsprechen; ansonsten: Fehlanzeige.6 Und damit sind sie eben durchaus repräsentativ. Gehen wir einmal die Routine durch. Auf einer quantitativ auswertenden Website wie lyrics.com (»The Web’s Largest Resource for Music, Songs & Lyrics«) finden sich, Stand April 2017, 266 Songs, in denen das Wort ›Pepsi‹ vorkommt. Das erscheint auf den ersten Blick gar nicht so wenig, bedenkt man allerdings den schier unendlichen Output an PopMusik seit den 1950er Jahren, ist das doch eine verschwindend geringe Anzahl. Zudem schrumpft sie bei näherer Hinsicht schnell zusammen: Es gibt zahlreiche Mehrfachnennungen, und die allermeisten Belege stammen auch hier aus dem weiteren Umfeld des Rap, beginnend in den 1990ern und mit deutlichem Schwerpunkt auf dem neuen Jahrtausend (auch in Deutschland übrigens). Bei den früheren Dokumenten haben sich zudem einige Fehler eingeschlichen – anders als angegeben findet sich der Markenname weder in Bill Haleys Miss You (1957) noch in Joe Cockers Zehn-Minuten-Version von Dylans Catfish (1976). Was dann überhaupt noch aus den ersten drei Pop-Musik-Jahrzehnten übrigbleibt, ist überaus spärlich. Die frühesten Belege, Allan Shermans Seltzer Boy (1962) und My Aunt Minnie (1967), sind reine Comedy-Nummern, die im engeren Sinne erst einmal wenig mit Pop zu tun haben. Sherman, ein jüdischer Comedian, der auch Game Shows fürs Fernsehen produzierte, war vor allem mit Song-Parodien erfolgreich und scheint für unser Thema eher uninteressant. Dachte ich jedenfalls, bevor ich genauer hingesehen habe, was er hier eigentlich parodiert. Seltzer Boy ist eine Travestie des Folk-Blues-Klassikers Water Boy, der durch die afro-amerikanische Sängerin Odetta bekannt geworden war. Er erschien 1954 auf ihrem ersten Album Odetta & Larry (aka The Tin Angel). Die Mischung aus Klage und Drohung, mit der hier ein schwarzer Strafgefangener in einer Chain Gang (mit deutlichen Anklängen an die Sklaverei) nach dem Jungen ruft, der ihm Wasser geben soll, weil die Arbeit so hart ist (»There 5 | Captain Beefheart and His Magic Band: Sure ’Nuff ’N Yes I Do, auf: Safe As Milk (1967). 6 | Oder vielmehr das Übliche: Auf dem Doppelalbum Trout Mask Replica (1969) finden sich genau zwei Marken: ein Auto (Chevy Sedan) und Kleenex, eher ein generischer Ausdruck wie bei uns Tempotaschentuch.
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ain’t no sweat boy/That’s on a this mountain/That run like mine boy/That run like mine«), wird von ihr mit großem Ernst vorgetragen. Die überaus auffälligen isolierten, scharfen Anschläge auf ihrer akustischen Gitarre unterstreichen das Pathos und imitieren zugleich den Hammer des Steinklopfers.7 Das hat Leute wie Bob Dylan damals zum Folk gebracht und wirkt bis heute überaus eindringlich, lässt sich aufgrund seines hohen formalen Wiedererkennungswertes aber auch trefflich veralbern, wenn man sich traut, und Sherman hat da keine Hemmungen. Jeder Gitarrenanschlag ist bei ihm ein Lacher, zumal das Song-Ich eben nicht nach dem Lebenselement Wasser, sondern nach dessen Party-Variante Seltzer ruft, mit dem begründeten Geschmacksurteil: Water I hate it ’Cause it ain’t carbonated But a glass of seltzer On the other hand is
Hinter dem simplen Witz verbirgt sich in fast schon unheimlicher Weise noch einmal die ganze Geschichte westlicher Überflussgesellschaften: In Zeiten des Mangels (wie sie auf unserem Planeten bis heute noch vielerorts herrschen) geht es einfach nur darum, das Konsumgut, das man zum Leben braucht, überhaupt in ausreichender Menge zu bekommen – noch Mitte des 19. Jahrhunderts ist ein Drittel aller Iren gestorben und ein weiteres Drittel ausgewandert, als die Kartoffelernte ausfiel, solche Geschichten aus vorkapitalistischen Zeiten vergisst man gern. Und Wasser ist das basalste, weil lebenswichtigste dieser Konsumgüter. Selterswasser, on the other hand, ist ein reines Luxusprodukt – zum Leben braucht niemand die Kohlensäureblasen im Getränk. Es wurde zwar zunächst noch wegen seiner angeblichen Heilkraft geschätzt, was übrigens für viele dieser Produkte gilt; vielleicht eine Art letzte Hintertür des Gebrauchswertversprechens. Auch der Name ›Pepsi‹ weist ja, hört man genau hin, noch auf die angeblich verdauungsfördernde Wirkung des Getränkes hin. Die Konsumpraxis löst sich jedoch sehr schnell von dieser Gebrauchswertfiktion; Selters wird schon seit dem 18. Jahrhundert aus dem gleichnamigen 7 | Die Sache mit dem Hammer resoniert überdies mit dem ersten Song des Albums, John Henry, der die Legende eines schwarzen Steinklopfers erzählt, der den Wettstreit gegen einen Presslufthammer gewinnt.
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hessischen Kurort als Luxusgut für Wohlhabende in alle Welt exportiert und zum obligatorischen Bestandteil der europäischen, amerikanischen und kolonialen Hausbar. Genau diese Art von Überflussprodukt ist es aber, für die mit Markennamen geworben werden musste – und wenn Sherman in seiner Parodie Wasser durch Seltzer (die amerikanische Verballhornung des deutschen Namens) ersetzt, dann benutzt er eben auch einen, wenngleich generisch gewordenen, Markennamen. Mit CO2 versetztes Wasser ist jedoch auch der Grundstoff für alle Sorten von Softdrinks oder Soda Pops, und so kann Sherman fortfahren: Don’t bring me Pepsi Don’t bring me a Kool-Aid Don’t bring a malted And don’t bring me champagne
Die Nebenordnung der zur Verfügung stehenden Getränke zeigt einmal mehr die Überflussgesellschaft, die Situation eines immer alltäglicher werdenden Luxus an, wobei den zwei Softdrinks mit Markennamen (Pepsi, Kool-Aid) zwei generische Getränkenamen hinzugefügt werden – Seltzer stünde hier gleichsam in der Mitte. Mit dem Sekt kommt im Song dann auch die Sphäre des Luxus mit gehobenen alkoholischen Getränken zur Sprache; in einer weiteren Strophe wird dem Boy vorgeschlagen, einfach Scotch und Selters zu bringen und den Scotch dann wieder mitzunehmen. Dass die weiße, urbane Parodie hier – bewusst oder nicht – die Schwarzen auf die Seite der Bedürftigkeit bannt, der Witz sozusagen auf deren Kosten geht, gibt ihr zumindest für heutige Ohren einen schalen Beigeschmack, um mal im Bild zu bleiben. Auch den Seltzer Boy stellt man sich 1962 ja vermutlich of colour vor. Interessant ist nun aber, dass es nicht die Parodie, sondern das afro-amerikanische Original ist, von dem die Impulse für die Pop-Musik der 1960er Jahre ausgehen. Wie der Blues für die Rockmusik allgemein, so ist Odetta im Speziellen von erheblichem Einfluss auf Leute wie Bob Dylan, Joan Baez, aber auch Janis Joplin; sie schließt sich, nach ersten Erfolgen mit Harry Belafonte, der schwarzen Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King an, der sie zur »Queen of American Folk Music« kürt, auch für Rosa Parks war sie ein wichtiger Einfluss. Water Boy muss acht Jahre nach seinem Erscheinen noch so bekannt gewesen sein, dass die Parodie problemlos funktionieren
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konnte. Der Strang mit Zukunft ist hier also der ernsthaft-archaisierende, in dem die Nennung von Markennamen keine Option ist. Er führt in diesem Fall durch die New Yorker Folk-Bewegung der frühen in die politisierte Pop-Kultur der späten 60er Jahre. Die Veralberung dagegen erweist sich als zeitgebunden und geht in Jugend- und Pop-Kultur nicht ein, obwohl sie doch eigentlich in ihrem Vokabular und Setting jener Welt des Überflusses und der Markenkultur viel näher scheint, in der auch Pop zu Hause ist. Es sind die Luxusbläschen des karbonierten Wassers, die ›pop‹ machen, sollte man denken, und nicht der dürstende Zwangsarbeiter. Aber der Diskurs verfährt einmal mehr anders, und Pepsi muss draußen bleiben. Allan Sherman bringt den Markennamen allerdings noch in einem zweiten Comedy-Song unter. My Aunt Minnie ist die heitere Geschichte einer offenbar nicht mehr dem Jugendalter angehörigen Verwandten, die sich mit Leib und Seele in die Pop-Kultur der 1960er stürzt: Minirock, Diskothek, Modetänze (Bogaloo, Swing) – keine Sünde der Jugendkultur ist vor Minnie bzw. dem Humor des inzwischen Mittvierzigers sicher, und das gilt insbesondere für die Jugendsprache: She’s really cool, she’s hip, A gas, a trip. She’s the inspiration For the Pepsi generation.
Erneut zeigt sich der paradoxe Befund, dass jemand, der der Pepsi Generation nun definitiv nicht mehr angehört, in seinen leutseligen Parodien deren Schlüsselbegriffe– und dazu gehört eben der Markenname Pepsi ganz unbedingt – nennt, während die tatsächlich hippe Pop-Musik ein solches Vokabular vermeidet. Songs der 1980er und 90er Jahre werden später sehr deutlich zeigen, wie nachhaltig der Werbeslogan der Jahre 1964 bis 1967, »Come Alive, You’re in the Pepsi Generation«, auf diese gewirkt hatte. Zeitgenössisch ist er nur in der Parodie sagbar. Pophistorisch ist Shermans Nummer noch in einer zweiten Hinsicht einschlägig: Neben ihren popmusikalischen Umtrieben begibt sich Tante Minnie nämlich auch in die Kunstszene: »And she popped up later at a pop art show«, heißt es. Und was tut sie da?
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Trading her Utrillo For a plastic box of Brillo For a painting of a can of lentil soup She traded her Van Gogh
Im Jahre 1967 stellt Shermans kleines Schmankerl also eine ausdrückliche Verbindung zwischen popmusikalisch geprägter Jugendkultur (Pop) und Pop Art her, beide Konzepte zusammengehalten durch das ebenfalls Pepsi-inspirierte »thinking young« von Tante Minnie,8 das allen Pop-Features zuerkannte Attribut »crazy« und, nicht zu vergessen, die Markennamen (Pepsi, Brillo).9 Nebenbei bemerkt hat Sherman die Figur der Tante Minnie selbst (»She’s too skinny for a mini-skirt«) wiederum aus dem Rock ’n’ Roll der 50er in seinen alberneren Varianten destilliert, in denen es von assonierenden Frauenfiguren wie Bony Moronie, Able Mable oder eben Skinnie Minnie nur so wimmelt (»Skinnie Minnie/She’s not skinny/She’s just tall/That’s all«). Der Song konzipiert Pop also als ungefähr ein Jahrzehnt altes Gesamtphänomen, zu dem er selbst nicht gehört. Von seinem Standpunkt außerhalb kann er jedoch Pepsi sehen, singen und sagen, was aus dem Innenraum der Pepsi Generation offenbar nicht möglich ist, ohne die eigene Coolness und Hipness in actu aufs Spiel zu setzen, die sich doch unter anderem Pepsi verdankt.
E rinnerungen an die G egenwart Wir halten fest: Die Pop-Musik der 1960er Jahre sagt nicht ›Pepsi‹. Es folgen bereits The Statler Brothers mit Do You Remember These (1972), einem Listensong, der nostalgische Erinnerungen einer Jugend in der
8 | »Now it’s Pepsi – for those who think young« heißt es in dem von Joanie Sommers gesungenen Werbeclip-Song von 1962. 9 | Dass Minnie den Pop dann in einer weiteren Volte wiederum gegen Op eintauscht, lässt durch den parodistischen Modus hindurch die grundkonservative Einschätzung durchschimmern, dass Pop (Musik und Kunst) ein transitorisches Phänomen sei, eine Modeerscheinung. Dass ein Warhol heute durchaus Preise wie ein Van Gogh erzielen kann, war damals wohl noch nicht abzusehen.
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amerikanischen Nachkriegs-Populärkultur aufzählt, unter Verwendung zahlreicher Markennamen: Saturday morning serials Chapters one through fifteen Fly paper, penny loafers, and Lucky Strike Green Flattops, sock hops, Studebaker, »Pepsi, please« – Ah, do you remember these?
Das ist nun wirklich faszinierend: Die Markennamen tauchen jetzt in der Pop- oder genauer: Country-Musik zwar auf, aber nicht als gegenwärtige, sondern als Accessoires einer nostalgisch erinnerten Kindheit, Jugend und Popsozialisation – Samstag morgens fernsehen, Fliegenpapier, Collegeschuhe, die erst in den 1960ern eingeführten Menthol-Zigaretten von Lucky Strike, der in den 50ern aktuelle Bürstenschnitt, Sock Hops, die Highschool-Tanzveranstaltungen, auf denen der Rock ’n’ Roll groß wurde, sowie der bis 1966 produzierte Studebaker. Als Krönung dieser Aufzählung erscheint dann der Pepsi-Slogan nicht etwa von 1972, sondern von 1957/58: »Say Pepsi, please«.10 Erneut bestätigt sich unser Befund: Die Marken und insbesondere auch Pepsi waren für eine Pop-Jugend im weiteren Sinne offenkundig enorm prägend, aber in ihrer Leitkunst, der PopMusik selbst, werden sie nicht repräsentiert, bis die Generationserfahrung sich selbst historisch geworden ist, und auch dann nur erstens im Weichzeichner eines nostalgischen Country Songs11 und zweitens über den Werbeslogan und nicht als das (Marken-)Ding an sich. Letzteres wird noch einmal getoppt in einer der wunderlichsten LiveNummern der 1970er Jahre überhaupt. Ausgerechnet Barry Manilow, den man als Pop zumeist bloß im Sinne von ›Schlager‹ bezeichnet, spielt um 1977 herum in seinen Konzerten ein »Very Strange Medley« (V.S.M), das er auf seinem Live-Album von 1977 wie folgt ankündigt: Das Medley be10 | Interessant an der zufällig wirkenden Folge Studebaker-Pepsi ist die Ähnlichkeit der Markenlogos; das von Studebaker sieht z.T. aus wie das von Pepsi, um 90 Grad gedreht. 11 | Unerträglich wird diese Nostalgie dann in einem Country Song wie Don Williams’ Old Coyote Town (1987), wo der Sänger an der verfallenden Stätte seiner Jugend sinniert, wie früher alles besser war: »With a rusty advertisement, dangling by a nail/Says Popcorn and Pepsi for a dime«.
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stehe aus Songs, die das Publikum zwar kenne, aber bisher nicht mit ihm, Manilow, in Verbindung gebracht habe. Als er anfangs damit auf Tour ging, so berichtet er weiter, all my artsy friends came to me, all my artsy fartsy friends came to me and they said: Manilow, how could you do such a thing! How could you put such a piece of garbage in your act! And then of course all my trashy friends came to me and they said: I love that medley that you do.
Das »Stück Müll«, das dann folgt (wir sind hier immerhin im Jahr des Punk!), ist eine Zusammenstellung von Werbesongs, die Manilow vor und nach seinem Durchbruch als Musiker für große amerikanische Firmen geschrieben oder eingespielt hatte: Von Kentucky Fried Chicken über State Farm (eine Versicherung), Stridex (ein Akne-Mittel),12 Band Aid, Bowlene (ein Toilettenreiniger), Dr Pepper und Pepsi bis hin zu McDonald’s folgt ein bekanntes Jingle aufs nächste, unter voller Nennung der Markennamen! Andy Warhol, der als Werbegrafiker angefangen hat, erinnert sich, dass er seine kommerziellen Erzeugnisse zu Beginn seiner Künstler-Karriere gut verstecken musste, wenn Galeristen zu ihm ins Studio kamen. Die Nähe einer Pop Art, die mit Werbebezügen spielt, zur tatsächlichen Werbung erschien als zu prekär und musste kaschiert werden.13 Manilow geht also ein gewisses Risiko ein, wenn er seine Werbesongs – wenngleich in dieser ›very special‹ Form, also in deutlichen Anführungszeichen und klar abgesetzt von der ›eigentlichen‹ Musik – in die Reihe seiner überaus konsumtauglichen Popsongs stellt und gemeinsam mit diesen aufführt. Die beiden möglichen Rezeptionsweisen artsy und trashy, vorgestellt in den zwei Freundesgruppen, lassen sich schließlich, intendiert oder nicht, auch auf Manilows Nicht-Werbesongs beziehen; andernfalls wären entweder die Kunst- oder die Trashliebhaber ja gar nicht vor Ort. Wer Manilows weichgespülte Musik als ›Kunst‹ rezipiert, wird die ausdrückliche Nähe zur Werbe-Muzak nur schwer ertragen können, wer hingegen die 12 | Stridex ist für US-amerikanische Teens bereits eng mit Pop-Musik konnotiert durch die TV-Show Shindig (ABC), deren Host Jimmy O’Neal schon Mitte der 60er Jahre mitten in der Sendung mit einem jeweils ausgewählten Mädchen Werbung für das Mittel machte. 13 | Vgl. Warhol/Hackett: POPism, S. 7.
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Werbung trashig und also großartig findet, bei dem liegt der Verdacht nicht fern, dass er Manilows Musik ebenfalls in diesem Modus genießt. Manilow erweist sich als souverän, indem er beide Positionen leicht ridikülisiert (die Steigerung von »artsy« zu »artsy fartsy« spricht ja eine deutliche Sprache, und »trashy« kriegt auch einen Lacher) und offenbar schlicht zu seiner ›Werbegrafik‹ steht, mit der er ein Jahr zuvor noch zwei Clios gewonnen hatte. Er fordert das Publikum geradezu auf, bei diesen Jingles in Zukunft an ihn zu denken. Allerdings ist das V.S.M., näher besehen, eben doch nicht einfach eine nebenordnende Montage seiner erfolgreichsten Werbeprodukte. Zum einen lässt sich eine Architektur erkennen: Die beiden großen Fast-Food-Ketten bilden den Rahmen, dazwischen steigert sich die Popularität der Produkte bis zur Pepsi, die Dr Pepper übertrifft14 und ihrerseits – in Abwesenheit von Coca-Cola – nur noch durch die Weltmarke McDonald’s zu überbieten ist. Zum andern forciert Manilow nach dem relativ straight dargebotenen Pepsi-Song (»Join the Pepsi people/Feelin’ free, feelin’ free/All across the nation/It’s the Pepsi generation15/Here today, here to stay, feelin’ free«) beim Übergang zu den Welt-Burgern das parodistische Element erheblich: So much life to be lived So much reason to try And when you feel it, you’ll get A certain feeling inside Doo doo doo doo doo doo [etc.]
Äh – wie bitte? Die ersten Verse setzen vielleicht noch den NostalgieEffekt fort, den die Aufführung, ähnlich wie im Statler Brothers Song, zuvor durch Zwischenbemerkungen wie »See if you remember this one« und »How can we forget« ausdrücklich bestärkt hatte. Aber Vers drei und vier – ›wenn du es fühlst, bekommst du ein bestimmtes Gefühl‹16 – sind 14 | Dr Pepper, die dritte der großen US-Soft Drink-Marken, ist bereits seit 1885 ein eingetragenes Warenzeichen. Auch hier könnte sich der Name auf Pepsin und also eine verdauungsfördernde Wirkung beziehen, ebenso wie bei Pepsi ist aber auch der ›Pep‹ mit notiert – womit man ja beinahe schon beim (Soda) Pop ist. 15 | Diese beiden Verse haben deutlich Anklänge an Scott McKenzies San Francisco. 16 | Im Original-McDonald’s-Spot heißt es: »And when you share it« statt »feel it«.
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reiner Nonsens, der sich dann im »doo doo doo« steigert. In der Live-Performance werden diese Verse überdies jeweils noch einmal von einer exaltierten Frauenstimme wiederholt, die im Schlusschorus dann völlig überschnappt – Manilow macht sich am Ende zweifelsfrei über seine eigene Werbung lustig. Dazu passend schließt bereits die Ansage des Songs damit, man möge sich, sobald ein Jingle im Radio oder Fernsehen erklingt, an die Musiker erinnern – und das Gerät dann ausschalten. Doch wohl, um stattdessen eine Kerze anzuzünden und eine gute Manilow-Platte aufzulegen. Auch die Frauenstimme wirft zwischendurch ein: »You can’t get it on television«. Das Versprechen des guten Lebens wird im V.S.M. von der Werbung zurück auf die Pop-Musik gelenkt. Zweifellos funktioniert das alles beim Publikum nur, weil zunächst eben doch die nostalgische Lesart von der Werbung als Soundtrack unseres Lebens getriggert wird. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist Manilows abschließende Zerstörung dieser Harmonie durch Überzeichnung bemerkenswert, man möchte ketzerisch sagen: des Punk-Jahres 1977 würdig. Die Geste wird dadurch noch besonders bedeutsam, dass gerade das McDonald’s-Claim (»You deserve a break today/So get up and get away/To McDonald’s«, 1971-75) durchaus mit dem Versuch verbunden war, das Image der Burgerkette mit den Lebensentwürfen der aktuellen Jugend, der Pepsi-Generation sozusagen, zu synchronisieren. Seine verschiedenen Intonierungen bedienen sich an ganz unterschiedlichen Pop-Stilen der Zeit: Neben Manilows Softrock finden sich Versionen in souligem R’n’B (Jimmy Radcliffe), in Singer-Songwriter-Manier, als Westcoast-Hymne (Ron Hicklin Singers) und als angejazzte Musical-Nummer. Die beteiligten Performer sind allerdings, wie der frühe Manilow selbst mit seiner Arbeit für Bette Midler, eher als Zulieferer und Studio-Musiker bekannt denn als Pop-Stars (die Ron Hicklin Singers etwa sind die Stimmen hinter der Partridge Family), und die Clips zeigen eher Familienszenen als Jugendkultur (z.B. einen schwarzen Soccer-Dad mit seinen Jungs).17 In seinem V.S.M. unterläuft Barry Manilow diese Versuche, Markenimages mit Pop-Images zu identifizieren. Freilich gelingt das nur in einem ›very strange‹ Noveltysong.
17 | Das ändert sich, als die Firma das Claim in den frühen 1980ern (81-83) noch einmal reaktiviert – diesmal zielt auch die Optik mehr auf Pop-Kultur.
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W estliche V ersprechen Wäre dies hier kein Buch sondern eine Sendung, dann müsste man an dieser Stelle den Conny-Plank-produzierten, ultrakünstlichen britischen New Wave Sound von Ultravox einspielen, um den Beginn einer neuen Ära zu markieren. Im Zuge der transatlantischen Verhandlungen, die seit den Anfängen der Independent Group Pop ausmachen, findet der Markenname Pepsi in Wave und Post-Punk um 1980 endlich seinen Eingang ins popmusikalische Vokabular. Neben Ultravox findet er sich in Songlyrics von The Monochrome Set und Magazine, im Stammland von Rock ’n’ Roll (und Pepsi) kommen die kalifornischen Surf Punks und Agent Orange dazu, gleichzeitig tauchen auch im Country (Terry Allen), Metal (Mötley Crüe) und im kanadischen Mainstream-Rock von Trooper erste Belege auf. Western Promise, von Ultravox’ Erfolgsalbum Vienna (1980), greift dabei gleich ganz hoch. Sowohl musikalisch als auch textlich, beginnend mit dem asiatisierenden Ausruf »hai«, evoziert der Songs vage Bilder eines »mystischen Ostens« mit Tempelgärten und Zen-Buddhismus, der aber untergegangen sei: »an ancient culture, torn and scarred«. Der Westen aber, so der Sprechakt, reicht dieser besiegten Kultur die Hand des Siegers und macht ein Versprechen: »Your rising sun shall rise again«; Chorus: »This is my western promise«. Der Markenname fällt erst in der letzten Strophe, die dieses Versprechen offenbar konkretisiert: Mystical East, all taxi-cabs, All ultra-neon, sign of the times. Your Buddha Zen and Christian man, All minions to messiah Pepsi can.
Osten und Westen, Vergangenheit und Zukunft sowie die großen Weltreligionen vereinen sich im Zeichen der messianischen Pepsi-Dose. Was soll das sein – Kapitalismuskritik? Durch die »rising sun« ist Japan aufgerufen, ein Land, das nach seiner Niederlage im 2. Weltkrieg, wie Europa, zum Zielgebiet amerikanischen Kultur- und Warenimports wurde. Diese historische Entwicklung ließe sich hier ablesen, was aber noch nicht erklärt, warum sie im Song als gegenwärtiger Sprechakt inszeniert wird. Die inkohärenten Bilder von Taxis und Neonreklamen evozieren eine Stadtlandschaft, die für New York ebenso stehen könnte wie für London,
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Hongkong oder Tokyo. Freilich war an Times Square und Piccadilly Circus Coca-Cola stets markanter vertreten als Pepsi18 – wieso gerade diese Marke hier zur Verkörperung des westlichen Konsumversprechens wird, bleibt unklar (eine Idee wäre die Ähnlichkeit des Markenlogos mit der japanischen Sonne). Was aber viel entscheidender ist: Die Musik von Ultravox situiert sich selbst ja keineswegs in irgendwelchen vormodernen Tempelgärten, sondern kommt geradezu aggressiv als ein technologisch-futuristisches westliches Pop-Versprechen daher, das 1980 längst auch mit japanischer Technologie hergestellt (und assoziiert) wird. Die asiatisierenden Elemente des Songs (»Hai«) rufen keine naturwüchsige Weisheit besiegter Völker mehr auf, sondern ein hochtechnisiertes Land mit breiter popkultureller Repräsentation (z.B. in Kung Fu-Filmen).19 Wehmütige Verehrung nichtwarenförmiger Mystik dagegen gilt als Merkmal jener Hippie-Kultur, die von dieser Art von New Wave-Pop gerade ridikülisiert und abgelöst werden soll. Also wer ist hier der Erfüllungsgehilfe (»minion«) der kapitalistischen Warenwelt, wenn nicht der eigene Pop selbst? Und genau das sagt er ja auch, wenn man ihn nicht sofort im Modus klassischer Ironie liest. Wenn es aber keine Ironie ist, was ist es dann? Das fragt man sich auch im Falle von The Monochrome Set. Deren erstes Album Strange Boutique (1980) steht in der Tradition des britischen Pop-Snobismus, der Song Martians Go Home scheint eine Art Party-Monolog mit eingestreuten Horoskopfetzen und Mündlichkeit suggerierenden Satzabbrüchen zu sein (»And my fascinating theory is… well…«). Markennamen sind hier vor allem aufgrund ihres lautspielerischen Potentials eingefügt: »Advokaat and avocado« lautet etwa ein Vers, und dann: »Anonymus in anorak/Cosi cosa Pepsi-Cola«. Auf demselben Album kommt Pepsi auch noch ein zweites Mal vor, in Goodbye Joe. Hier geht es um einen Filmstar, der von den Frauen ebenso wie vom Song-Ich angehimmelt wird: »Oh, and in bed he looks so wonderful/Sucking chocolate in Pepsi flow/Oh, and all the party girls,
18 | Überdies finden sich dort um 1980 längst auch japanische Marken wie Fuji-Film, Sanyo (London), Sony und Casio (New York) prominent platziert. 19 | Als Weiterentwicklung von Western Promise könnte man den fünf Jahre später ebenfalls von Conny Plank mitproduzierten Humpe & Humpe-Song Yama-ha lesen, dessen Lyrics fast nur noch aus Markennamen bestehen, und zwar aus japanischen. Vgl. unten S. 202-205.
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they drool for him«. Hier geht es irgendwie um (Körper-?) Flüssigkeiten, und meine faszinierende Theorie dazu lautet… nun ja… John Robb nennt The Monochrome Set in seinem Guardian-Musikblog »arguably the first truly postmodern pop band« und bescheinigt ihnen »a wonderful camp quality«.20 Und tatsächlich scheint das, was bei diesen New Wave-Bands die Integration von Markennamen ermöglicht, ein neuer Modus zu sein. Er ist mit Post-Punk richtig bezeichnet, weil er sich nicht, wie straighter Punk, auf eine ebenso klare wie sympathisch naive anti-kapitalistische Haltung reduzieren lässt. Wenn die kalifornischen Punk-Rocker Agent Orange »Pepsi« sagen, dann als Teil, genauer pars pro toto dessen, was sie ablehnen. Um das unter der Überschrift America (1981) zusammenzufassen, brauchen sie genregemäß nur 1:21 Minuten: I’m so bored of television TV dinner on a TV tray Join the Pepsi generation That’s the American way
Der kurze Song schließt die solcherart repräsentierte langweilige, verdummende Medien- und Konsumkultur (der Slogan scheint hier direkt aus dem Fernsehgerät zu kommen) mit dem amerikanischen Militarismus kurz, der die Kids dazu auffordert, Uncle Sam zu folgen und vor der Flagge zu salutieren: »Come on, boys, let’s hear it for the/Red, white, and blue« – was eben nicht nur die Farben der US-Flagge, sondern auch die von Pepsi sind. Zumindest im Rückblick erscheint diese damals frische Punk-Haltung als merkwürdig rückwärtsgewandt: Der Vietnamkrieg mit seinen drohenden Einberufungen und der Verwendung von Agent Orange liegt 1981 ja ungefähr so weit zurück wie der Slogan »Join the Pepsi Generation«. Vor allem aber verschwendet eine solche ungebrochene Anti-Haltung keinen Gedanken daran, dass die eigene Musik ebenfalls Teil des »American way« und der Konsumsphäre sein könnte. Erst ein Bewusstsein für den prekären eigenen Ort in diesem Spiel bringt die 20 | Außerdem betont er ihre Bedeutung für The Smiths und Franz Ferdinand. John Robb: The Monochrome Set. Remembering the band that history forgot, 9.1.2009 (www.theguardian.com/music/musicblog/2009/jan/09/the-monochrome-set remembered).
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raffinierten selbstreflexiven Wendungen, das Sich-selbst-in-Anführungzeichen-setzen des Post-Punk hervor, in dem es dann, wie vereinzelt auch immer, zu interessanten Verwendungen von Markennamen kommt, die über die bloße Ablehnung hinausgehen. Das gilt auch für Magazines Come Alive vom Album Magic, Murder, and the Weather (1981). Howard Devotos Lyrics bringen dabei eine ganz andere Wucht mit als die bisher betrachteten Beispiele. Come Alive entwirft in dialogisch vorgetragenen Versen ein Szenario irgendwo zwischen Evolution (»Bits of spirits were set on a carpet of carbon«) und Dystopie (»Primitive Jeeps crushed fossils and ancient bone«) und erzählt dabei eine seltsame, kryptische Geschichte der Menschwerdung. Mehrfach wird überdies ein Du (der Mensch?) mit dem evolutionären Imperativ »Keep fit, survive!« angesprochen. Der Chorus aber lautet: »Pepsi-Cola, Pepsi-Cola brings your ancestors back from the grave«. Die Engführung von Konsumsphäre und Archaik, die wir bereits bei Ultravox beobachten konnten, bekommt durch den Kausalnexus eine neue Qualität, die einen am ehesten an den Cargo-Kult denken lässt. So nennt man es, wenn Naturvölker nach ihrer Erstbegegnung mit der westlichen Zivilisation (vor allem mit Flugzeugen und den von ihnen abgeworfenen Gütern) Attribute dieser Zivilisation als religiöse Verheißung auf spirituelle Erneuerung und Reichtum konstruieren.21 Tatsächlich erfolgt nach dem ersten Chorus die Meldung über ein verpasstes Flugzeug. Aber wo kommt hier die Pepsi her? Nun, die Nennung wird in den Lyrics subtil vorbereitet. Schon im ersten Vers ist von »carbon« die Rede, Grundstoff des organischen Lebens wie des Soft Drinks, in der zweiten Strophe werden verkrüppelte Früchte mit den Hüten rätselhafter Gäste verglichen, die Soft Drinks zu sich nehmen – der Vergleich so rätselhaft wie seine Elemente: Primitive Jeeps crushed fossils and ancient bone Chandelier-sized flowers aromatized pollen and chromosome Puzzles grew on trees where mutilated fruit hung Like the hats of inscrutable guests 21 | 1980 erschien auch der populäre Botswanische Film Die Götter müssen verrückt sein (Regie: Jaymie Uys), in dem eine Coca-Cola-Flasche, aus einem Flugzeug geworfen, von einem afrikanischen Stamm als Gottesgeschenk angesehen wird.
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Who’d sipped their soft drinks and sung: ›Keep fit – Survive‹
Der Urmensch und/oder das Mitglied eines primitiven Stammes, umgeben von Paradiesattributen wie der Riesenblume und den – freilich kranken – Früchten, begegnet modernen Menschen mit Hüten, die Soft Drinks – carbonated! – zu sich nehmen, und konstruiert daraus ein religiöses Versprechen. Das wäre zumindest mal eine Lesart. Nur – welche Haltung nimmt der Song gegenüber diesem Szenario ein? Sicher nicht diejenige eines seiner Prätexte, Joni Mitchells HippieHymne Woodstock, in der es heißt »We’re stardust/We’re the billion year old carbon/And we’ve got to get ourselves back to the garden«. Devotos Paradies erscheint von Beginn an als infiziert, irgendwie genetisch verändert, von einer Dystopie nicht recht zu unterscheiden, der Sündenfall scheint eingebaut. In diesem Setting ist eine mythische, zyklische Zeit denn auch nicht einfach romantisch als Wiedergewinnung des verlorenen Paradiesgartens zu erhoffen, sondern eher als Effekt einer künstlichen Konsumsphäre. »Pepsi-Cola, Pepsi-Cola brings your ancestors back from the grave« nimmt, wenn man so will, den aktuellen Pepsi-Slogan »Catch the Pepsi Spirit« (1979-81) wörtlich und aktiviert sein unheimliches Potential. Der Kurzschluss des »billion year old carbon« mit dem carbonisierten Soft Drink zeigt, so könnte man zuspitzen, unsere eigene westliche Markenkultur als einen einzigen großen Cargo-Kult; und wie bei Ultravox ist die Pop-Musik selbst Teil dieser Bewegung. Wie Pepsi-Cola ist ihr die unheimliche Magie eigen, die Vorfahren wiederauferstehen zu lassen (wie den »Messias Pepsi-Dose« in Western Promise) und die Botschaft des Lebens zu verkünden (Come Alive), als mythische Rückkehr in ein wie auch immer kontaminiertes künstliches Paradies. Es ließe sich also generalisieren: Was dem Post-Punk gegenüber traditioneller Rockmusik die Nennung von Markennamen wie Pepsi ermöglicht, ist sein Abschied vom romantisch-hippiesken Ideal einer Rückkehr ins Paradies (»back to the garden«). Man glaubt nicht mehr an ein Paradies der authentischen, unentfremdeten Beziehungen zwischen Menschen und Dingen, einen vorkapitalistischen Naturzustand, in dem Firmen und Marken selbstverständlich keinen Ort hätten. Die Paradiesfantasien werden sozusagen urbaner – was sie letztlich nur interessanter macht. Das zeigt sich auch bei den Talking Heads in ihrem Unter-1 %-Song-mit-Markennamen (Nothing but) Flowers von ihrer letzten Platte, Naked (1988).
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Das Grundmuster der Lyrics scheint zunächst eine Antithese nach dem Vorbild der Barocklyrik zu sein: »Wo itzund Städte stehn/wird eine Wisen seyn« – »There was a shopping mall/Now it’s all covered with flowers«. In dieser Einst-Jetzt-Figur ist das Jetzt eine Art Zurück-in-der-Natur, während die Shopping Mall auf der Seite des alten, überwundenen Kapitalismus ein Paradigma mit factory, real estate, parking lots, honky-tonks, discount store, aber eben auch mit Pizza Hut 22 und zwei weiteren Ketten bildet: Once there were parking lots Now it’s a peaceful oasis You got it, you got it This was a Pizza Hut Now it’s all covered with daisies You got it, you got it I miss the honky tonks, Dairy Queens, and 7-Elevens You got it, you got it
Erneut geht es also, wo Markennamen einmal vorkommen, nicht einfach um alltägliche Wirklichkeit, sondern ums große Ganze. Der post-kapitalistische Weltzustand wird zunächst als Paradies eingeführt, ein Paradies allerdings, in dem man jetzt auch wieder Klapperschlangen und Nüsse essen muss, statt die Mikrowelle zu bedienen und Schokoriegel zu knabbern, und das lyrische Ich kann sich an diesen Lifestyle nicht recht gewöhnen (»If this is paradise/I wish I had a lawnmower«). Ein Leben im Naturzustand ist, so die erste Pointe des Songs, nach dem Durchgang durch die kapitalistische Überflussgesellschaft eher anstrengend. Dass ein solcher Zustand hier, fast wie eine Konsequenz aus grünem Umweltbewusstsein, dennoch jenseits aller Apokalypse vorgestellt werden kann, hebt die Vorstellung von (Nothing but) Flowers von rein dystopischen Endzeitopoi ab. Blumen sind gut, Blumen sind auch Pop, auch wenn die großen Werbetafeln, an die sich das Ich erinnert – und die für Warhol einst
22 | Pizza Hut gehörte von 1977 bis 1997 zum PepsiCo-Konzern.
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die Zeichen der endgültigen Gleichsetzung von Pop und Amerika waren – mit den Highways, an denen sie standen, im Grün verschwunden sind. Die wahre Pointe des Songs liegt jedoch im dauerfröhlichen Ostinato des »you got it, you got it«, mit dem jede Aussage, pro oder contra, affirmiert wird. Das Angebot ist immer schon da, egal wie die Nachfrage lautet. Blumen statt Markenprodukte – auch das, oder eben, wie in der Realität außerhalb des Songs, umgekehrt. Das kapitalistische Prinzip bleibt dem der Marke sozusagen übergeordnet: »ohne sorge, sei ohne sorge«. Auch der Naturzustand, den der Song so ambivalent ausmalt, stellt keine Überwindung des Kapitalismus dar, sondern nur eine Facette seines unendlichen, sozusagen qualitätsneutralen Angebotsdispositivs. Deshalb entsteht durch die Nennung der Markennamen hier kein Selbstwiderspruch innerhalb des Songs, anders als etwa in Neil Youngs This Note’s For You, der sich als Song selbst ja (vergeblich) bemüht, sich außerhalb des kapitalistischen Dispositivs zu platzieren. Genau an diese Möglichkeit aber glaubt Post-Punk nicht (mehr).23 Bret Easton Ellis nimmt übrigens einen Vers aus diesem Song als Motto für American Psycho (1991). So unwahrscheinlich es klingen mag: Dieser mit Ultravox und Magazine begonnene Strang der popmusikalischen Verwendung des Brause-Markennamens Pepsi, nennen wir ihn den eschatologischen, findet tatsächlich noch einmal eine Fortsetzung, wie schon der Titel des betreffenden Songs vom zweiten Album der Meat Puppets nahelegt: New Gods (1984). Im Zentrum der Lyrics steht diesmal ein touristisches Erlebnis: In a restaurant in Mexico They told me not to drink the water And not to touch the food »All we got is Pepsi-Cola And we know that it won’t hold you But remember what we told you No one else knows what’s in store« 23 | Im Originalvideo von Tibor Kalman tauchen übrigens trotz auffälligen Einsatzes von Schrift die Logos der genannten Marken nicht auf. In einem Fan-Video von 2011 (https://www.youtube.com/watch?v=UO7-HfM71GQ; 12.8.2016), das eine Reihe von Marken zeigt, wird durch die Verwendung von Pop Art noch deutlicher, dass hier immer zugleich auch der Status von Pop mit verhandelt wird (und ist das am Ende Buddy Holly?).
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Der Kreis schließt sich. Waren Markengetränke einst aufgekommen, wo und als die Grundversorgung mit dem lebenserhaltenden Grundelement Wasser kein Problem mehr war, so lässt sich jetzt für den Erstweltbewohner das Wasser am Urlaubsort nicht mehr trinken, er ist von der Natur nunmehr vollständig abgeschnitten; dafür steht, auch in entlegeneren Gegenden, Pepsi-Cola zur Verfügung. Und nicht einem Gefangenen (wie in Water Boy) oder vor-kapitalistischen Ureinwohner wird hier das Grundlebensmittel verwehrt, sondern dem westlichen Kolonisten und Vertreter der globalen Überflussgesellschaft. Der Songtitel wird in der Strophe nicht explizit aufgegriffen, New Gods suggeriert aber: Eine Rückkehr zu den alten (Natur-)Göttern erscheint unmöglich, das Video aus demselben Jahr unterstreicht diese Lesart, indem es Bilder von aztekischen Göttern und Pyramiden mit modernen Cola-Produktionsanlagen konfrontiert.
Tatsächlich ist dies alles näher an realen kulturellen Phänomenen als man denken sollte. In Chiapas wurde die lange bestehende Praxis bestimmter Dorf bonzen, ein selbst fermentiertes alkoholisches Getränk namens Pox in religiösen Riten, u.a. in katholischen Kirchen, einzusetzen und an seinem Verkauf zu verdienen, in den letzten Jahrzehnten durch den – durch dieselben Würdenträger monopolisierten – Verkauf von Coca- und Pepsi-Cola ersetzt oder ergänzt. Wie Feuerwerk und Copalharz ist Pox in einer lokalen Religion, die Katholizismus mit Bestandteilen der Eingeborenentradition mischt, ein Sakrament. Es ist ein heiliges Getränk, das die Seele reinigt, je mehr Pox man trinkt, desto gründlicher die Reinigung. In den letzten Jahrzehnten haben die Caciques – lokale Eliten, bei denen die wirtschaftliche und politische Macht liegt und die die Softdrink-Konzessionen kontrollieren – die Gläubigen davon überzeugt, dass man Pox mit Coke oder
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Pepsi (je nachdem, wer da gerade Proselyten macht) trinken soll. Sie sagen, durch das von der Cola bewirkte Rülpsen entweiche das Böse aus der Seele. 24
Die Kohlensäure vertreibt die bösen Geister – hier werden die Pepsi Spirits sehr real. Ámbar Past berichtet anlässlich einer Epidemie unter den Mayas bereits in den 70er Jahren, »dass sie auf dem Friedhof eine Mutter sah, die ihr totes Kind trug, das auf einem Brett lag und in ein Beerdigungstuch gewickelt war. Die Mutter bot ihrem toten Kind einen letzten Schluck Coca-Cola an und sprach ein Gebet […]: Take this sweet dew from the earth, Take this honey. It will help you on your way. It will give you strength on your path. 25
Aber auch die Beziehung zum Grundnahrungsmittel Wasser spielt bei all dem eine Rolle. Laut Bell bedroht der Wasserverbrauch, den die ColaHersteller durch den Kauf von lokalen Konzessionen sichern, die Wasserversorgung der Einheimischen, was freilich von den Profiteuren nicht als Problem gesehen wird: Blanding zitiert einen der Caciques, der begeistert 24 | »Like fireworks and copal, pox is a sacrament in a local religion that blends Catholicism with elements of native tradition. It is a sacred drink that cleanses the soul; the more pox one drinks, the greater the purification. Over the past several decades the caciques–local elites who wield economic and political power and control the soft drink concession–have convinced the faithful that pox should be drunk with Coke or Pepsi, depending on who is doing the proselytizing. They say the cola induces burping, which releases evil from the soul.« (Beverly Bell: Cola Wars in Mexico. Tzotzil Indians in Mexico know the dangers of globalization and soda pop. In: In These Times, 6.10.2006; http://inthesetimes.com/article/2840). 25 | Dinitia Smith: The Poetic Hearts of Mayan Women Writ Large. In: New York Times, 11.5.2001 (www.nytimes.com/2005/05/11/books/the-poetic-hearts-ofmayan-women-writ-large.html). Das könnte auch Kitsch sein. Past stammt ursprünglich aus den USA und hat sich, wie es scheint, in die indigene Kultur der Mayas einfühlend eingelebt. Jedenfalls gäbe es den Text dieser Incantation ohne sie nicht. In dem von ihr herausgegebenen Band mit Maya-Beschwörungen Incantations (2005), den Smith hier rezensiert, kommt er übrigens gar nicht vor – vielleicht wegen des Markennamens.
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verkündet, Colakonsum habe den Wasserkonsum weitgehend ersetzt: »Instead of water, they learn to want soda. They want Coca-Cola.«26 Der Konflikt um die Wasserquellen in Chiapas drehte sich dabei insbesondere um den heiligen Berg Huitepec: Die neoliberale Ikone, die die großzügig fließenden Wasser des Huitepec absaugt, die Coca-Cola Corporation aus Atlanta, Georgia, ist ein mächtiger politischer Player in Mexiko – der frühere Präsident Vicente Fox war Präsident von Coca-Mexiko bevor er der Präsident von Mexiko wurde. Die Mexikaner trinken pro Kopf mehr Cola als jede andere Nation der Welt, und Chiapas und seine Indios sind ein bedeutender Markt. Ein Grund für die hohen Verkaufszahlen in Los Altos: Coca-Cola ist oft die einzige Alternative zum knappen oder untrinkbaren lokalen Wasser. 27
Der Meat Puppets Song war hier also geradezu prophetisch. Im Video zu New Gods sieht man ferner das Pepsi-Markenzeichen und die amerikanische Flagge (beide rot-weiß-blau) in mexikanischen Straßenszenen. Eine Landkarte zeigt den gestrichelten Weg der westlichen Waren nach Mexiko, denselben Weg aber muss auch das lyrische Ich genommen haben, um in die erzählte Situation zu geraten. Was immer es dort gesucht hat – Fremdheitserfahrung, ursprüngliche Kultur, Drogen? – es erfährt stattdessen die Folgen der globalen Ausweitung der eigenen Kultur (die im Video einmal mehr auch mit militärischen Konnotationen angerei-
26 | Michael Blanding: The Coke Machine. The Dirty Truth Behind the World’s Favorite Soft Drink. London 2010, S. 158. Pepsi-Cola hält gegenüber der Konkurrenzfirma in Mexiko einen Marktanteil von ca. 30 %. Teilweise war die Distribution mit der Parteizugehörigkeit gekoppelt, die Institutional Revolutionary Party (PRI) kontrollierte Coca-Cola, die Party of the Democratic Revolution (PRD) Pepsi-Cola (S. 157). 27 | »The neo-liberal icon that sucks up Huitepec’s bountiful water, the Coca Cola Corporation of Atlanta Georgia, is a powerful political player in Mexico – former president Vicente Fox was president of Coca-Mexico before he became president of Mexico. Mexicans drink more Coke per capita than any other nation on earth and Chiapas and its Indians are an important market. One reason for heavy sales in Los Altos: Coca Cola is often the only option to scarce or undrinkable local water.« (John Roll: Coca Cola’s Raid on a Sacred Mountain. In: CounterPunch, 7.9.2007; www.counterpunch.org/2007/09/07/coca-cola-s-raid-on-a-sacred-mountain/).
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chert wird) am eigenen Leib. Sich noch anderswo umzusehen, wird nicht empfohlen – vermutlich ist überall dasselbe Warenangebot »in store«. Die nicht markenförmigen Nahrungsmittel (Wasser, Früchte) sind in den neuen Paradiesen nicht mehr zugänglich, weil sie a) kontaminiert (»mutilated fruits«, »They told me not to drink the water«), b) spirituell nicht mehr auf der Höhe der Neuen Götter und c) offenbar auch nicht mehr besonders beliebt sind. Aus dem Wasser der heiligen Quellen der Maya wird Cola gemacht, und die befriedigt nicht nur die aktuelle Nachfrage, sondern tritt auch in religiösen Zusammenhängen an die Stelle traditioneller Sakramente. Noch komplexer wird die Sache dadurch, dass die Zapatisten, also jene, die den Kampf gegen Neo-Liberalismus und globalisiertes Kapital vor Ort am engagiertesten führen, selbst begeisterte Cola-Konsumenten sind. Subcomandante Marcos wird mit der Maxime zitiert: »We have a way to get rid of Coke. We will drink every last bottle.«28 Man sieht sich hier erneut an jenen von Diederichsen beschworenen Moment erinnert, »an dem die Ware mehr zu versprechen begann als die Revolution«.29 Bei Diederichsen ist das der Moment, an dem eine Pop-Ästhetik die klassischen Avantgarden ablöst, in unserem Zusammenhang der Moment, in dem der zweifellos wohlbegründete politische Widerstand gegen die Untaten kapitalistischer Großunternehmen nicht mehr länger als ein Zurück hinter die globalisierte Ausbreitung ihrer attraktiven kapitalistischen Waren wie Pop-Musik und Pepsi-Cola konstruiert werden kann. Bereits die Post-Punk-Bands der frühen 80er Jahre signalisieren: Ein solches Zurück zur (naiven, paradiesischen, vor-kapitalistischen) Natur gibt es nicht; wenn es einen Weg ins Paradies gibt, dann nach vorn. Und wie Subcomandante Marcos entwickeln sie dabei einen komplexen, im Sinne Schillers ›sentimentalischen‹ Modus der Darstellung. Das New Gods-Video zeigt zu Beginn auf seiner Landkarte, wie Mexiko von den USA aus vereinnahmt wird. Dasselbe Mexiko vibriert aber heftig, als kurz darauf die Musik einsetzt – vibriert von westlicher punk-naher PopMusik. »This is my Western promise«.
28 | Bell: Cola Wars in Mexico, l.c. 29 | Diederichsen: Musikzimmer, S. 18.
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E igentlich wollte ich doch bloss eine P epsi! »All I wanted was a Pepsi«, heißt es in dem seminalen Song Institutionalized (1982) der kalifornischen Hardcore Punk Band Suicidal Tendencies, und in der Tat: Kann man in einem Popsong vielleicht auch einfach bloß mal eine Pepsi kriegen, als ein Alltagsding, ein Getränk, ohne dass die Marke gleich metonymisch oder metaphorisch aufgeladen wird? Am ehesten wird man da noch im Fun Punk fündig, etwa in Meet Me at the Beach von den Surf Punks (1980), wo das Sänger-Ich von der eigenen Inad-äquatheit berichtet, sich am kalifornischen Strand als der cooler Surfer aufzuführen, der er gerne wäre. Die Pepsi-Strophe überträgt diese Haltung auf eine (fake-)weibliche Stimme: »My fries fell in the sand/My burger’s not so nice/The Pepsi just spilled over/Oops, I dropped my ice/When will everything be just right/For me?« Die Pepsi ist übergeschwappt! Sicher macht sich auch dieser Song über eine oberflächliche (Pepsi-)Generation lustig, aber auf harmlose Weise, schließlich gehört man irgendwie eben auch selbst dazu. Und wenn die Ramones ihr Hangover bekämpfen, dann versuchen sie es durchaus auch erstmal mit Coca- und Pepsi-Cola sowie den Softdrinks der Marke Canada Dry, bevor sie dann doch wieder zum bewährten Alkohol greifen (in: Hair of the Dog, 1986). Das war es aber auch schon fast. In einem Song aus der Country-Ecke, Terry Allens Blue Asian Reds (1979), bringt sich eine Vietnam-Kriegswitwe langsam mit Tabletten um, die sie »with her coffees, with her Pepsis and her gin« zu sich nimmt, also mit allen möglichen Getränken. In wohltuender Differenz zum nostalgischen Schwelgen seiner Country-Zeitgenossen präsentiert Allen hier kritisches Singer-Songwritertum – die Pepsi scheint an den suizidalen Tendenzen aber unschuldig zu sein. Bei Institutionalized ist man sich da nicht so sicher. Der Sänger der Suicidal Tendencies, der damals 20-jährige Mike Muir, verkörpert glaubhaft eine Sprecherposition, die es in sich hat: ›Hey, alle sagen immer, du hast Probleme, lass dir helfen, wir haben Angst, dass du dir oder anderen was antun könntest‹ – »I go, ›No, I don’t want to, I’m okay, I’ll figure it out myself‹«. Diese allgemeine Differenz spitzt sich zu, als die Mutter ihn eines Tages in seinem Zimmer findet und glaubt, er habe Drogen genommen: I go, ›There’s nothing wrong, mom‹ And she goes, ›Don’t tell me that, you’re on drugs‹ I go, ›No, mom, I’m not on drugs, I’m okay
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I was just thinking you know, why don’t you get me a Pepsi‹ And she goes, ›No, you’re on drugs‹ I go, ›Mom, I’m okay, I’m just thinking‹ She goes, ›No you’re not thinking, you’re on drugs Normal people don’t act that way‹ I go, ›Mom just give me a Pepsi, please, all I want is a Pepsi‹ And she wouldn’t give it to me All I wanted was a Pepsi, just one Pepsi And she wouldn’t give it to me, just a Pepsi
Und sie so, und ich so – was Muir hier parlando vorführt, und das heißt zugleich: verkörpert und in Anführungszeichen ausstellt, ist eine Art männliche Version des kalifornischen Girlie-Talks, über den sich Zappa ein Jahr zuvor in Valley Girl lustig gemacht hatte (auf: Ship Arriving too Late to Save Drowning Witch, 1982). Wo die von Zappas Tochter imitierten Mädchen aber Probleme von der Dimension haben wie das oben zitierte im Surf Punks-Song (Pepsi verschütten; eine Zahnspange tragen, das Katzenklo säubern müssen), machen die ostinativen Wiederholungen nicht zuletzt des Markennamens Pepsi in Institutionalized deutlich, dass der hier dargestellte Junge ein echtes Problem hat. Hinter dem Übergang vom Präsens des Mutter-Sohn-Dialogs in die Vergangenheitsform des »All I wanted was a Pepsi« scheint sich denn ja auch ein gewaltsamer Ausbruch der zuvor befürchteten Art zu verbergen. Wobei die Gewalt musikalisch erst der Institution zugeschrieben wird, in die Mike daraufhin eingewiesen wird, denn erst als diese zur Sprache kommt, akzeleriert Muirs kolloquiales Parlando zu einem schnellen Hardcore-Gesang.
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Die Pepsi steht hier für eine (nicht länger gegebene) familiäre Normalität, insbesondere der Mutter-Sohn-Beziehung – man denke auch an Don Van Vliets jugendliche Pepsi-Fixierung. Im großartigen Video öffnet Muir den heimischen Kühlschrank, in dem neben lauter No-Name-Produkten prominent die Pepsi-Flaschen stehen. Das Video war das erste dieser Musikrichtung, das damals auf MTV in Rotation ging. Durch die skurril besetzten Eltern (Mary Woronov und Jack Nance, bekannt aus David Lynchs Eraserhead), die dem Sohn eine private Gummizelle bauen, aus der ihn dann seine coolen Freunde befreien, sind hier die Rollen klar verteilt. Auch im Song steht, im Refrain und vor allem am Ende, prominent das Argument, die Institutionen würden den Wahnsinn nicht heilen, sondern erst wahnsinnig machen (»I went to your schools/I went to your churches/I went to your institutional learning facilities/So how can you say I’m crazy?«). Allerdings endet der Protagonist dort, anders als im Video, ja offenbar tatsächlich in einer Anstalt – vermutlich aufgrund des vorherigen Gewaltaktes im Zusammenhang mit der nicht angereichten Pepsi. Und auch im Video gibt es, genauer besehen, durchaus eine Form von Gewalt, die von der jugendlichen Szene – und damit auch von der Musik selbst – ausgeht. Man sieht, wie ein Skateboard einen Fernseher einschlägt, und der Mosh Pit zum Auftritt der Suicidal Tendencies, die ja nicht umsonst so heißen, wirkt auch nicht gerade friedlich. Auf MTV hatte man so etwas jedenfalls noch nicht gesehen. Das erste, was die Mutter aus dem Jugendzimmer entfernt, ist denn auch ein Plakat der Band – Hardcore scheint hier mit unter das zu fallen, was die Eltern unter Drogen verstehen. »All I wanted was a Pepsi« – das Markengetränk sticht auf den zweiten Blick als etwas eher Positives hervor, wie aus dem Einerlei der NoName-Produkte im Kühlschrank, so auch aus dem familialen Umfeld, das sonst durch Langeweile und gewaltsame Domestizierung von Begehren gekennzeichnet erscheint (»I’d Rather Be GOLFING« steht auf der Küchenschürze des Vaters). Der Softdrink scheint so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Familie und Jugendszene zu sein – wo er verweigert wird, bricht der prekäre Frieden zusammen. Der Markt gehört hier offenbar nicht zu den kritisierten Institutionen, die krank machen. Dazu passt zum einen, dass Muir sich zehn Jahre später über den Widerspruch lustig macht, dass Bands sich antikapitalistisch geben,30 die (wie er selbst) bei Epic Records, einem Subunternehmen von 30 | Wie es seit dem Song EMI der Sex Pistols zum guten Punk-Ton gehört.
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SONY, unter Vertrag stehen. In Do What I Tell Ya (1994), seinem Gegensong zu Rage Against The Machines Killing in the Name (1992), heißt es: »And let’s not forget the evil corporations/Then why is SONY the sponsor of your presentation?/Bitch!« Und dazu passt zum anderen die Interpretation des Songs durch Body Count in ihrem 2014er Cover oder besser: Update von Institutionalized. Ein verhältnismäßig erwachsen wirkender Ice-T wird hier jedesmal schier wahnsinnig, wenn Menschen in seiner Umgebung ihn davon abhalten wollen, Markenprodukte zu konsumieren. In der ersten Strophe ist es seine Frau, die ihn am X-Box-Spielen hindern will, weil sie bei Oprah gehört hat, computerspielende Männer würden ihre Frauen vernachlässigen, und in der dritten Strophe löst ein Veganer die Aggression aus, der ihm sein Pork-Sandwich und die dazugehörige zuckerhaltige Kool-Aid nicht gönnt.31
H ymnen der P epsi -G ener ation Diese intelligenteren Formen der Verwendung des Markennamens Pepsi, in denen, wie unterschwelling auch immer, die eigene Warenform mitreflektiert wird, sind im Post-Punk also gar nicht so selten. Allerdings gibt es auch genügend Beispiele der schlichteren Sorte, wo ›kommerziell‹ ein bloßes Schimpfwort bleibt und das »artificial life in the marketplace« immer nur den jeweils anderen vorgeworfen wird. America von Agent Orange hatten wir bereits erwähnt, die britischen Art-Punks Crass gehen mit ihrem Anti-Amerika-Song Smash the Mac von 1986 in dieselbe Richtung (mit Mac ist hier noch kein Apple-Gerät, sondern MacDonald’s gemeint): Auch sie sehen den amerikanischen Kapitalismus als imperialistische Macht in engem Verbund mit dem Militär: »America owns, American wins./Comes in packets bottles tins […]/Squaddies, grunts and filth sip Pepsi-Cola, wait to fight…«. Die Ska-Band Operation Ivy singt gegen das marktförmige Artificial Life (1989) der Pop-Musik an mit Versen wie »They call it music but it seems more like a lie« – »Hear the anthems of 31 | Ein anderes Verständnis des Songs legen allerdings Limp Bizkit an den Tag, die ihn in Stuck (1997) zitieren: Hier scheint der Markenname anti-kommerzielle Aggression (»I am indeed hostile when it comes to greed«) und Nostalgie nach den guten alten 80ern auszulösen, als die Welt in dieser Hinsicht vermeintlich noch in Ordnung war.
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the Pepsi generation«; und Scatterbrain bestätigen das 1991 mit der Adorno-würdigen Formel: »Repetitive regurgitation/It’s the Pepsi-Generation« (Tastes Just Like Chicken). Interessanterweise richten sich die Vorwürfe des musikalischen Ausverkaufs, wenn sie mal konkreter adressiert werden, häufig ausgerechnet gegen schwarze Musiker: In Artificial Life wird Prince genannt, und How Much Did You Get for Your Soul (1986) von den Pretenders nennt zwar keine Namen, aber Verse wie »Millions of kids are looking at you/You say let them drink soda pop« und »From the African Nation/To the Pepsi Generation« deuten klar auf Michael Jackson hin, der in den 80ern aus der Soul-Formation The Jackson Five heraus als Solokünstler zum King of Pop aufgestiegen war. Nun mag die Polemik als konkreter Vorwurf gegen Jacksons Rolle als prominenter Werbeträger ja noch hingehen (ähnlich wie etwas später in Zappas Why Don’t You Like Me). Aber der Song enthält auch Verse, die allgemeiner auf die Geschichte der schwarzen Musik zu verweisen scheinen, oder wie soll man Folgendes verstehen: »You had the gospel/When you were shackled to a tree/Now you’ve got your freedom/ You sing for the money«? Und noch weniger klar ist der Konnex zwischen diesem kapitalistischen Verhalten und den Armen in Afrika, der ebenfalls suggeriert wird.32 »Who’s got soul?« wird dann rhetorisch gefragt – der kommerziell erfolgreiche schwarze Musiker offenbar nicht mehr; dafür die Pretenders? How Much Did You Get for Your Soul erscheint selbst nicht gerade in kommerzfernen Zusammenhängen, sondern auf dem Warner-Album Get Close (u.a. mit dem Megahit Don’t Get Me Wrong 33). Die Musik ist überaus eingängig, und dass T.M. Stevens, ehemaliger Bassist des Godfathers of Soul James Brown, einige Stichworte einwirft (»From the African Nation…«), macht die Sache auch nicht besser. Was soll das also? Artikuliert sich hier das (weiße) Bedürfnis nach einer ›echten‹, mit Leiden verbundenen schwarzen Musik vor dem Pepsi-Zeitalter, die Sehnsucht nach dem Water Boy? 32 | »You finally made it/You’re gonna make it rich/As long as some poor bastard in Africa/Is lying in a ditch«. Hier sind wir bei der dubiosen Nackt im Wind-Ästhetik, die auch in Deutschland Mitte der 80er Konjunktur hatte (vgl. Band für Afrika, 1985). 33 | Interessanterweise ist dies auch der Titelsong der Hollywood-Komödie Gung Ho (1986, Regie: Ron Howard), in der es um die japanische Übernahme eines amerikanischen Automobilwerkes und die daraus resultierenden Verwicklungen geht.
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Who could think that you’re for real – A puppet in a cabaret To increase your wealth Baby realize yourself
Soll die schwarze Musik als Authentizitätsressource für den eigenen kommerziellen Pop-Erfolg herhalten und dafür auf ewig »an einen Baum gefesselt« bleiben, weil allzu viel Freiheit der Sache ja offenbar nicht gut tut? Die vermeintlich progressive Kritik an der Warenform des Pop verstrickt sich hier jedenfalls schnell in ziemlich ungemütliche Widersprüche. Freilich ist es in diesen Fällen fast immer ausdrücklich die »PepsiGeneration« (und nicht die konkrete Ware selbst), die als Muster einer kommerzialisierten und dadurch verdummten Jugend herhalten muss, was umgekehrt zeigt, wie prägend der entsprechende Slogan tatsächlich auf eine ganze Generation gewirkt haben muss, auch wenn es am Ende keiner gewesen sein will. Zum Ende des Jahrtausends fassen Choking Victim in 500 Channels (1999) das Punk-Stereotyp noch einmal zusammen: Verblödung durchs Fernsehen (»the Pepsi Generation,/And when you’re discontent, you change the T.V. station«), Kriegsmaschine USA, Versklavung per Konsum, Drogen könnten befreiend wirken, aber nicht in dieser Welt – so ungefähr; und Type O Negative flankieren das mit dem Wortspiel, der wahre Weg zum Suizid für die Pepsi-Generation sei Coke (White Slavery). Erheblich origineller klingen da schon die TV Personalities, die zum einen tatsächlich eine Independent Band sind, die nur auf kleinen Labels publiziert, zum anderen die Ausverkaufs-Vorwürfe eher konkret an ihr engeres britisches Umfeld adressieren als an eine ganze Generation (oder gar die schwarze Musik) generell. »Oh bloody hell, I wish I’d signed to Creation«, heißt es mit selbstironischem Unterton in Goodnight Mr. Spaceman (1992) – Creation Records war ein führendes britisches Independent-Label der 80er Jahre – und beneidet werden erfolgreiche unmittelbare Zeitgenossen wie Denim und St. Etienne. »If my record doesn’t make the indie charts/I’ll do anything/I’ll swallow my pride/Commit artistic suicide« geht es weiter, und dann heißt es unvermittelt: »Oh, this record is sponsored by Pepsi« – womit wir in eine neue Dimension vorstoßen. Die TV Personalities oder andere Independent Acts dürfte Pepsi zwar kaum je finanziert haben, allerding war es Pepsis Sponsoring der größeren Tour eines britischen Künstlers, das dieser Praxis in den 80er
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Jahren Tür und Tor öffnete. Die Rede ist von David Bowies megalomaner Glass Spider-Tour 1987 (»widely seen as one of the worst things he ever did«34). Der zugehörige Pepsi-Werbeclip zeigt Bowie als Mad Scientist, der künstlich eine Frau erzeugen will; zum Glück fällt ihm am Ende noch die Pepsi in die Apparatur und heraus kommt – Tina Turner! »The Choice of a New Generation«, deren Vertreter zu diesem Zeitpunkt allerdings auch schon 40 (Bowie) bzw. 48 (Turner) Jahre alt waren. Zum Zeitpunkt von Goodnight Mr. Spaceman waren es dann Acts wie Rod Stewart, die sich von Pepsi sponsern ließen. Allerdings befinden wir uns hier längst in den 1990er Jahren, dem Jahrzehnt, in dem der VW Golf III in den Sondereditionen Pink Floyd und Rolling Stones herauskommt, in dem sich mithin das Verhältnis von Marken, Sponsoring und Pop-Musik durch Praktiken wie die von Bowie etablierte, aber auch durch den offenherzigen Markenfetischismus des Gangsta Rap, nachhaltig zu wandeln beginnt. Die alte Diskurskonstellation, der unsere Studie hier gilt (»when commercial was a dirty word«), wandert dabei sozusagen in den Independent-Bereich, aus dem heraus die TV Personalities hier frotzeln.
I m P epsi -G l anz Falls, was nie eintreten möge, die geneigte Leserin oder der geneigte Leser in diesen neuen und komplizierten Zeiten je einmal an der erlösenden Kraft simpler Rockmusik zweifeln sollten, empfiehlt sich angelegentlich Mötley Crües Come on and Dance (vom Debütalbum Too Fast for Love, 1981), unter besonderer Berücksichtigung der Kuhglocke. Wem das nicht unmittelbar hilft, dem bleibt vermutlich nicht mehr viel anderes, als erwachsen zu werden und, sagen wir, in gepflegten Jazz oder Opernarien zu investieren. Die Lyrics scheinen simpel genug: Ein begehrenswertes Mädchen wird angesungen, anfangs könnte man sie noch mit einem Auto verwechseln (von »overdrive« und »custom pink« ist die Rede), aber der Vergleich mit Sandra Dee, die um 1960 herum ein Teenage-Idol war, stellt die Verhältnisse klar. Spätestens in der zweiten Strophe ist es allerdings mit der Dee-haften Unschuld vorbei und das Objekt der Begierde erscheint, passend zum Album-Cover, in Leder: 34 | So der Rolling Stone im Rückblick (www.rollingstone.com/music/videos/ flashback-david-bowie-faces-heat-on-glass-spider-tour-20130827).
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Fast and slick Well she’s cool and clean In a Pepsi sheen She’s a leather tease
Cool, sexy, schwarz (Leder, nicht Hautfarbe), glatt, glänzend – Pop-Attribute wie aus dem Richard Hamilton-Katalog, und wenn der Glanz, der so entsteht, mit Pepsi assoziiert wird, dann ist das a) Pop und b) in einem hedonistischen Sinne vollständig positiv gemeint. Alle Assoziationen mit globalem Kapitalismus und einer von diesem ihrer Autonomie beraubten Generation bleiben hier außen vor, auch Nostalgie liegt dieser Musik fern. Dieser Pop ist im besten Sinne naiv, nicht sentimentalisch. Gleichzeitig entspricht der Vorstellungskomplex, den Mötley Crüe hier evozieren, aber auch nicht einfach dem von der Firma Pepsi ubiquitär verbreiteten Werbe-Image des typischen Konsumenten, sondern verschiebt dessen lässige, freie, attraktive, gut gelaunte Jugendlichkeit doch merklich ins Härtere, Explizitere und Dunklere. Ein Hauch von Perversion (good bad, not evil) kommt hinein, wenn eine kindfrauliche Unschuld wie Sandra Dee – die allerdings in ihren Rollen auch lolitahafte Züge verkörperte und damit die entsprechenden Fantasien auslöste, die hier nachhallen35 – zum sexy »leather tease« wird und den Mann aussaugt. Was von Pepsi aus dorthin mitgenommen wird, ist der Hedonismus: »Pepsi’s got your taste for life« war das offizielle Claim 1981 bis 83, und Mötley Crües Geschmack ist eben etwas expliziter. In allen zehn Songs ihres Debütalbums geht es um das harte, schnelle Nachtleben, durchaus auch mit seinen Schattenseiten, und die Erwähnung von Pepsi bleibt einmal mehr der einzige Markenname, der auftaucht. Es ist verblüffend, wie überaus selten Markennamen in diesem einfachen und scheinbar so naheliegenden Sinne verwendet werden: ›Wir sind Teil der Popkultur, Pepsi ist Teil der Popkultur, kommt doch gut!‹ Autos, wie gesagt, sind die Ausnahme von dieser Regel, und vielleicht ist es kein Zufall, dass auch Come on and Dance anfangs irgendwie nach Auto klingt. Im Indie-Bereich findet sich so etwas praktisch gar nicht, vielleicht mit der regelbestätigenden Ausnahme von Here Comes Alice der Jesus and Mary Chain (1989). Erneut tritt hier, siehe Titel, das Mädchen 35 | Dees Durchbruch war die Rolle der Susie in Douglas Sirks letztem Film Imitation of Life (1959) – damals war sie 16 Jahre alt.
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auf und löst in der Sommerhitze erhebliches Begehren nach Sex und Erfüllung aus. Welche Art von Sex dabei genau gemeint ist, sprich: wie sehr das Image ins Dunkle verschoben werden muss, ist Interpretationssache. Aber wenn es am Ende heißt: »Don’t let your life be the butt of a joke/ Get your lips round a cool black Pepsi Coke«, dann ist letztgenannte auf jeden Fall etwas sehr sehr Erstrebenswertes. Musikalisch wird das dadurch unterstrichen, dass der letzte Vers, der mit dem Markennamen, genüsslich zerdehnt wird (»cool – black – Pep – si – Coke«). Das Metaphorische, wie auch immer man es genau auflösen möchte, bleibt im Bereich einer hedonistischen Sphäre, die dem Sex, der Musik sowie der Brause und ihrem Markenimage gemeinsam ist: An einem heißen Sommertag ist eine kühle, schwarze Pepsi zweifellos einfach das, was man haben will. Ganz in diesem Geiste argumentiert 1996 noch Iggy Pop, wenn er in I Wanna Live erklärt, besser als eine Pepsi zu sein. Sicher, ganz kommt der Song nicht ohne die gute alte Opposition von ›real vs. fake‹ aus, doch man beachte die Äquivalenzen: I’m better than a Pepsi I’m cooler than MTV I’m hotter than California I’m cheaper than a gram I’m deeper than the shit I’m in An’ I don’t really give a damn
Pepsi, MTV, Kalifornien und Rauschmittel sind hier käufliche, aber zweifellos akzeptierte Ingredienzien der Popkultur, und wenn Iggy Pop sich mit ihnen vergleicht, dann fällt dieser Vergleich zwar selbstverständlich zu seinem Vorteil aus, zieht jedoch keinen grundsätzlichen Graben zwischen dem Image des Sängers auf der einen und diesen Dingen auf der anderen Seite. Denn Iggy mag zwar besser, cooler, heißer und billiger sein, aber sie sind eben zweifellos auch schon ziemlich gut, cool, heiß und billig (»low-cost« gehört auch bei Hamilton zu den Pop-Attributen), sonst würden sie ja als Vergleichsgrößen nicht taugen. Und dieser Vergleich gilt keineswegs bloß Iggy, sondern über seinen Nachnamen immer auch seiner Musik, ja dem Pop selbst. »I’m deeper than the shit I’m in« löst die Parallelismenkette schließlich in einem Wortspiel auf. »I’m better than a Pepsi« ist schon ziemlich gut, aber »My pussy taste like Pepsi-Cola« ist zweifellos der beste erste Vers-cum-Markenname
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eines Songs seit »Flew in from Miami Beach BOAC«. Lana Del Reys laszive Stimme, die immer leicht verlangsamt wirkt, transzendiert die Kategorien von Nostalgie, Pop-Gegenwart und Zukunftsversprechen auf einen ganz eigenen Raum hin, in dem Luxus, Unterschicht, Missbrauchsverdacht, Camp, suizidale Tendenzen und sexuelle Verführung zwischen Prostitution, Lolita und Femme fatale in ihrer Persona wechselnde Mischungsverhältnisse eingehen – immer irgendwie dubios, definitiv dunkel, aber letztlich doch eher attraktiv als abstoßend. Auch in Cola von 2012 kommen diese Elemente zusammen, wobei ›Unterschicht‹ schon durch die leicht agrammatische Sprache signalisiert wird (das bei »taste« fehlende Flektions-s wird bei »got« angehängt): My pussy taste like Pepsi-Cola, My eyes are wide like cherry pies. I gots a taste for men who’re older It’s always been, so it’s no surprise.
Das stimmt; eine Überraschung ist aber sicherlich die Kombination von Pussy und Pepsi im ersten Vers. Elizabeth Grant (so der bürgerliche Name der Künstlerin) hat dazu in Interviews eine Geschichte parat: Mein Freund ist Schotte, er hält amerikanische Mädchen für etwas sehr Exotisches. Einmal sagte er zu mir: »Ihr amerikanischen Mädchen lauft rum, als würde eure Pussy nach Coca-Cola schmecken, als würdet ihr euch zum Schlafen in amerikanische Flaggen wickeln.« 36
Da ist er wieder, der »Pepsi sheen« oder Cola-Glanz, in dem das unwiderstehliche amerikanische Mädchen erscheint, das schon einem Schotten als schwer erreichbares Muster der westlichen, weißen Frau vorkommt, die in einer Überflussgesellschaft großgeworden ist, in einem alltäglichen Luxus von Waren und Marken. Wenn wir von hier aus noch einmal zu Mötley Crüe zurückgehen, dann entdecken wir dieses Frauenbild (frei-
36 | Jürgen Ziemer: Lana Del Rey. »Ich spiele keine Lolita-Rolle«. In: Die Zeit, 27.12.2012 (www.zeit.de/2013/01/Interview-Lana-Del-Rey). Eine weitere Strophe lautet: »I fall asleep in an American flag/I wear my diamonds on Skid Row/I pledge allegiance to my dad/For teaching me everything he knows«.
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lich als reine Männerfantasie37) in der ersten Strophe von Come on and Dance wieder, nicht nur im Wunschtraum, schmutzigen Sex mit der reinen Sandra Dee zu haben, sondern auch im Ausdruck »custom pink«, der nämlich laut Urban Dictionary auch ein Synonym für »pussy« ist (»This version is of a higher quality though. It is clean and neat.«).38 Worauf der schottische Freund zielt, ist der Habitus, der aus einer westlichen Sozialisation erwächst, ein Habitus jugendlicher Leichtigkeit und selbstverständlicher Souveränität (»clean and neat«), der uns allen über Hollywoodfilme, vor allem aber über die Werbeimages dieser Marken, nicht zuletzt in den Anzeigen und Clips von Pepsi- und Coca-Cola, vor Augen steht. Das geht bereits früh los – Coca-Cola etwa war mit seinen Werbebildern schon vor dem 2. Weltkrieg dann besonders erfolgreich, wenn diese Rollenmuster (und Frauen!) vorführten, die den meisten Kunden des Billiggetränks nicht zugänglich waren;39 selbst während der Great Depression setzte Cola auf diese leichte Klassendifferenz: »As far als Coke’s ads were concerned, there was no Depression; a better life was only the pop of a bottle cap away.« 40 Die sexy Assoziationen, die diese Images regelmäßig wecken, besonders dann, wenn sie sich an Pop-Motiven bedienen, nimmt del Reys erster Vers nur beim (anstößigen) Wort, womit sie sich die Fremdzuschreibung über das Werbebild als Selbstzuschreibung aneignet und zugleich das, was die Pepsi-Werbung tatsächlich sagen oder darstellen würde, kühn überschreitet: »My pussy taste like Pepsi-Cola.« Was den Habitus angeht, so ist man an eine Stelle in Thomas Brussigs Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee (1999) erinnert, in dem eine DDR-Bürgerin sich dem Bild einer Frau auf einem gefundenen West-Pass äußerlich soweit angeglichen hat, dass sie sich die Republikflucht mit Hilfe dieses Ausweises zutraut. Als vor ihr aber ein junges Westler-Pärchen die Grenzkontrolle passiert, entscheidet sie sich spontan um:
37 | Freilich von Männern in hochhackigen Schuhen und mit viel Mascara im Gesicht. 38 | www.urbandictionary.com/define.php?term=Custom %20Pink 39 | »Coca-Cola girls would flirt, but not put out. And yet they were arguably more effective for being ultimately unattainable.« (Blanding: The Coke Machine, S. 42). Die Rede ist hier vom Anfang des 20. Jahrhunderts! 40 | Blanding: The Coke Machine, S. 47.
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Als Frau Kuppisch sah, wie locker und selbstbewußt die auftreten, wie laut die reden, wie gespielt die lachen und wie raumgreifend sie agieren – als sie all das sah, wußte sie, daß ihr zu einem Westler mehr fehlt als nur der Paß und die Schuhe, die Kleider und das Kukident. 41
Es ist rein der Habitus der in Westdeutschland aufgewachsenen Jugendlichen, an dessen Lässigkeit, so die Einsicht, sie nie heranreichen wird. Brussigs Roman sagt uns nicht, woher dieser Habitus stammt – etwa aus dem aufrechten demokratischen Gang des Westlers zum Wahllokal? Dem Bewusstsein sozialer Gerechtigkeit im Wohlfahrtsstaat BRD? Oder nicht doch eher aus den bewegten und unbewegten Bildern, die die populären Unterhaltungsformate von Film und Fernsehen, ganz besonders aber die Markenwerbung und parallel dazu eben auch die Pop-Kultur42 uns seit den 1950er Jahren im Westen anbieten mit dem Versprechen, auch wir könnten so sein und aussehen? Vielleicht war dieses Versprechen denn doch kein ganz leeres. Glotzen wir von Ost nach West (zwo fünf vier), von der DDR zur BRD, von Westdeutschland nach England und von Schottland nach Amerika, erscheinen wir uns jeweils im Pepsi-Glanz.
G ener ation P in R ussl and Es gibt allerdings eine charakteristische Ausnahme von dieser Regel – nach Osten nämlich lässt sich diese Linie nicht ohne weiteres verlängern: Es gab eine Zeit, da lebte in Rußland tatsächlich eine unbekümmerte junge Generation, die dem Sommer, der Sonne und dem Meer zulächelte – und Pepsi wählte. 43
In der Tat, ausgerechnet in der Sowjetunion hat Pepsi eine lange und erstaunliche Geschichte: Schon während der Amerika-Ausstellung 1958 (wir erinnern uns an die Kitchen Debate!) entstand eine Aufnahme, auf der man Chruschtschow und Nixon Pepsi trinken sieht. Seit 1974 wird 41 | Thomas Brussig: Am kürzeren Ende der Sonnenallee. Berlin 1999, S. 99. 42 | Daran scheint auch Brussig zu denken, wenn er in Helden wie wir (1995) der verkrampften Prosa Christa Wolfs ein »A-Wop-Bop A-Loo-Bop« als mögliche Verfassungspräambel eines neuen Staates entgegenstellt (Frankfurt 1998, S. 309). 43 | Viktor Pelewin: Generation P. Dt. v. Andreas Tretner. Berlin 2000, S. 9.
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die UdSSR von einer Abfüllanalage in Noworossiysk (»einem Gebäudekomplex mit der Aufschrift: ›Die Partei ist der Verstand, die Ehre und das Gewissen der Epoche‹«44) aus mit Pepsi beliefert.
Somit hat Russland seine eigene Pepsi-Generation hervorgebracht, die schließlich auch die Generation war, die das Ende der Sowjetunion herbeiführte. Viktor Pelewin hat ihr 1999 mit Generation P (wie Pepsi, Perestroika, Pop, Public Relations, Pelewin) einen grandiosen Roman gewidmet, dessen Beginn wir oben bereits zitiert haben. Freilich schränkt der Erzähler die Vorstellung einer Generation, die auf quasi westliche Weise »Pepsi wählte«, auch gleich wieder ein. Schließlich sei es so gewesen, daß die Ideologen der UdSSR damals immer noch der Meinung waren, es könne nur eine einzige Wahrheit geben. Darum hatte die Generation P eigentlich keine Wahl, und die Kinder der sowjetischen siebziger Jahre wählten Pepsi auf die gleiche Art, wie ihre Eltern Breshnew wählten. 45
Mit anderen Worten: die ökonomische Konkurrenz zu Coca-Cola fehlte, und damit auch die semiotische Konkurrenz zwischen zwei Marken-Images, die für die westliche Pepsi-Generation der entscheidende
44 | Christian Schmidt-Häuer: Lenin wirbt für Pepsi. In: Die Zeit, 10. Dezember 1976. 45 | Pelewin: Generation P., S. 9.
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Faktor war.46 Pelewins Roman erzählt entsprechend, wie sein Protagonist, ein russischer Lyriker, nach 1989 zum Werbetexter wird und dabei notgedrungen von der (nach Bachtin) homoglossischen, das heißt alternativ- und also paradigmenlosen Sprache der Lyrik, aber eben auch: der Diktatur (»eine einzige Wahrheit«), zur Paradigmen- und Imagebildung in der Werbung finden muss. Sprite, eines der ersten Produkte, das er betexten darf, macht er folgerichtig zunächst zur »Uncola« bzw. »NjeCola« und positioniert sie damit »ausnehmend erfolgreich gegenüber Pepsi-Cola und Coca-Cola«, um sie dann in einem zweiten Schritt über »Elemente des pseudoslawischen Stils« (sprich: Birkenmotive) anti-amerikanisch zu russifizieren:47 Der Heimat verbunden, vorm Bösen gefeit – mit Birken-Sprite, mit Birken-Sprite!48
Besser (und böser) kann man die Öffnung einer Kultur gegenüber dem Westen – und zugleich einer Literatur hin zum Pop – nicht erzählen. 1987, also noch vor der Perestroika, bringen Jethro Tull ihren Song Said She Was a Dancer heraus (auf: Crest of a Knave), der einen erfolglosen Flirt des männlichen Ich, verkörpert durch den 40-jährigen Schotten Ian Anderson, mit einer jungen Frau in Moskau, hinter dem eisernen Vorhang, zum Gegenstand hat. So wie er ihre Behauptung, Tänzerin zu sein, charakteristisch in Richtung Sex interpretiert – She was the nearest thing to Rock and Roll That side of the velvet curtain That separates eastern steel from western gold. 46 | So bekanntlich auch für die deutsche »Generation Golf«, für die Illies anlässlich von Christian Krachts Faserland zu Protokoll gab: »Nicht nur ich, so durfte man endlich sagen, finde die Entscheidung zwischen einer grünen und einer blauen Barbour-Jacke schwieriger als die zwischen CDU und SPD« (Florian Illies: Generation Golf. Eine Inspektion. Berlin 2000, S. 154f.). Man vergleiche den Vergleich zum Breshnew-Wählen bei Pelewin! 47 | Pelewin: Generation P, S. 37f. 48 | Pelewin: Generation P, S. 236.
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– so imaginiert er sich selbst als attraktives Western Promise für sie, als Ziel ihrer geheimen Wünsche, wobei er sich, was ihre Sozialisation als Mitglied der Generation P angeht, gut informiert zeigt: Hey Miss Moscow, what’s your story? You needn’t speak aloud, just whisper. Am I just the closest thing to an Englishman? You’ve seen me in your magazines, or maybe on state television. I’m your Pepsi-Cola, but you won’t take me out the can.
Die Annahme, allein schon dadurch, dass man aus Westeuropa kommt, für eine russische Frau das heimliche Objekt des Begehrens, die attraktive Systemalternative darzustellen, wie sie hier in der Identifikation des Mannes mit dem Markengetränk zum Ausdruck kommt, stellt sich freilich im Song als vorschnell heraus. Die vermeintlich durchschaute Täuschung (»She said she was a dancer/If I believed it it was my business«) erweist sich als Selbsttäuschung: Ein geraubter Kuss führt dazu, dass die Russin sich prompt verabschiedet. So sexy war der Westler mittleren Alters (als zauseliger Schotte nicht mal ein echter »Englishman«) denn wohl doch nicht. Den tieferliegenden Grund für Andersons Missverständnis formuliert freilich Pelewins Roman: Im sowjetischen Kontext ist die Westmarke Pepsi (in Ermangelung von Coca-Cola und anderen Uncolas) systemisch eben gerade nicht als Alternative zu irgendetwas codiert, so wenig wie Breshnew.
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NDW und Deutschpop D ie L yrics und das Partikul are In der deutschsprachigen Pop-Musik, so hat schon das Auto-Kapitel gezeigt, sind Markennamen sogar noch stärker markiert und erscheinen dadurch als noch weniger ›natürlich‹ als in der englischsprachigen. In der Neuen Deutschen Welle, die erstmals mit ihnen experimentiert, sorgt ihr Auftauchen zunächst allenthalben für Heiterkeit: »Unser VW war alt und klapprig« (Trio), »Campari auf Tahiti, Bitter Lemon auf Hawaii« (Ideal) oder »Mein Maserati fährt 210« (Markus). Nun gilt das aber kaum weniger für Nina Hagens »Die Erfrischungswaffeln sind ausgelaufen«, Trios »Fahrt von Holzminden nach Oldenburg« oder die Erwähnung von Mortadella, Erlangen oder Luis Trenker (bei den Zimmermännern, Foyer des Arts respektive Frl. Menke) – alles Elemente, die um 1980 in Pop-Musik derartig fremd erscheinen, dass diese allein durch ihre Anwesenheit automatisch komisch wirkt. Es scheint also, dass die popmusikalische Norm ganz generell allzu präzise Details des bundesdeutschen Alltags nicht repräsentieren kann, will und soll und die Markenkultur davon womöglich nur ein Spezialfall ist. Der heteroglossische Effekt, wie er sich im Deutschen besonders deutlich ausprägt, verweist ja stets auf zwei unvereinbare Paradigmen. Wer Pop-Musik hört, fragt offenbar im Modus des Konsums etwas anderes nach als Konsumkultur. Es geht also keinesfalls einfach nur um Tanzen und Spaßhaben, wie Gegner und manche Anhänger der Popkultur immer wieder behaupten – dann wären die Lyrics ja egal und die entsprechenden Effekte würden sich gar nicht einstellen. Andererseits geht es aber zweifellos auch um Tanzen und Spaßhaben, das gesuchte Andere ist also auch nicht einfach die Negation des Bestehenden (und des Konsums), etwa als politische Revolte. Kapitalismuskritik vs. Affirmation – diese Opposition wäre für alle drei Pop-Künste zu schlicht formuliert.
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
In dieser Spannung lässt sich die oben an der T.A.M.I. Show analysierte Doppelgestalt von Pop 0 wiedererkennen. In den Lyrics im engeren Sinne scheint der existenzielle Aspekt von Pop zu dominieren; man achtet auf sie eher und genauer, wenn man allein ist, insofern verstärken sie, obzwar im symbolischen Medium der Sprache verfasst, eher den Bereich des Indexikalischen im Sinne Diederichsens. Sie sind näher an der Erfahrung eines Anderen, das man sich als Subjekt (des Stars) vorstellt, als an der tribalistischen Allgemeinheit einer Stilgemeinschaft, die man eher im Tanzen oder in Konzertsituationen erfährt. Dazu trägt bei, dass die Lyrics, als gesungene, im Kontinuum zwischen akustisch-musikalischem Phänomen, Ausdruck einer Person und literarischer Rede stehen.1 Im Verbund mit der Stimme wächst ihnen dabei, zumindest in der Rezeption, auch die Funktion zu, als Schlüssel zur Identität des Sängers zu dienen. Wir nutzen nämlich die Stimme nicht bloß, um eine Person zu beurteilen, sondern auch und sogar systematischer, um die Ernsthaftigkeit dieser Person einzuschätzen: Die Stimme und wie sie eingesetzt wird dient (ebenso wie die Worte und ihre Verwendung) als Maßstab für jemandes Wahrhaftigkeit. 2
Gerade hier, im traditionell emotiven Modus der Lyrik, scheint demnach häufig so etwas wie ›Authentizität‹ Bestandteil des nachgefragten Fiktionswertes zu sein. »Der Wunsch nach Überhöhung und Fiktionalisierung«3 des Sängers wäre, so gesehen, etwas, das Hölderlin- oder RilkeLeser und -Leserinnen mit den Pop-Musik-Konsumenten gemein haben. Der Text wird als Ausdruck eines erlebenden Subjekts verstanden, das sein Inneres heraussingt und dabei nicht, wie im Hip-Hop, seine äußeren Besitztümer katalogisiert. Wobei die intelligentere Pop-Lesart, wie sie etwa im letzten Kapitel von Stuckrad-Barres Roman Soloalbum (1998) am Beispiel eines Oasis-Konzerts gestaltet ist, durchaus weiß, dass es sich bei dieser Wahrhaftigkeit um einen Fiktionswert handelt. »Es ist«, so Diederichsen, »konstitutiv für alle Pop-Musik, dass in keinem performativen 1 | Simon Frith unterscheidet zwischen Stimme als Musikinstrument (›musical instrument‹), als Körper (›body‹), als Person (›person‹) und als Rolle (›character‹) (Performing Rites. Evaluating Popular Music. Oxford ²2002, S. 187ff.). 2 | Frith: Performing Rites, S. 197. 3 | Ullrich: Habenwollen, S. 47.
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Moment klar sein darf, ob eine Rolle oder eine reale Person spricht.«4 Wer aber »das neue Shoppingcenter« (Foyer des Arts), den »neuen Caravan« (Ideal) oder »Dein Haar roch nach Grünem-Apfel-Shampoo« (Trio) sagt, dessen Ernst- und Wahrhaftigkeitsgrad wird offenkundig von vornherein als nicht sehr hoch taxiert. Die Nennung eines markierten Markennamens ist dann schon fast ein Verrat am Pop-Pakt. So sehr das Versprechen authentischer Expression auch als fiktionales bewusst sein mag, so sehr es ironisiert oder campy in Anführungszeichen gesetzt wird, die äußere und als äußerlich geltende Welt der Marken will trotzdem nicht recht dazu passen. Medien und Werbeindustrie mögen uns suggerieren, dass Marken längst Bestandteil unserer ureigenen Persönlichkeit sind, der klassische Popsong spricht – wie anders auch der Schlager und die literarische Lyrik – eine andere Sprache. In der Erzählliteratur weiß man spätestens seit Flaubert (oder könnte doch wissen), dass auch das Innere des Subjekts, nicht anders als der literarische Text, der es repräsentieren will, »ein Gewebe von Zitaten aus unzähligen Stätten der Kultur«5 ist. Nun mag man einwenden, dass lyrische Texte sich ganz generell nicht in gleicher Weise für die Aufnahme von Sprachmaterial aus dem profanen Raum eignen wie Prosa. Das gilt schon in quantitativer Hinsicht: Kürzere Texte können einfach weniger Material präsentieren. Dazu bekommen die wenigen, auserlesenen Wörter eines lyrischen Textes schon durch ihre Versifizierung mehr Gewicht, was eine beiläufige Aufnahme neuen und sperrigen Materials weiter erschwert. Auch aus diesem Grund ist Hip-Hop mit seiner Textlastigkeit und seinem Verfahren oft katalogartiger Inkorporation von allen möglichen Vokabeln die Ausnahme von der hier diagnostizierten Regel. Dort kommt es vor allem häufig zur Nennung von Luxusartikeln – die Champagnermarke Cristal kann als Inbegriff dafür gelten.6 Die starke 4 | Diederichsen: Über Pop-Musik, S. XXIV. 5 | Roland Barthes: Der Tod des Autors [1968]. In: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Hg. v. Uwe Wirth. Frankfurt 2002, S. 104110; S. 108. 6 | Die Sache hat auch eine Kehrseite: »Cristal illustrates what can happen when a brand is too closely identified with hip-hop. […] its popularity is falling among people who are not hip-hop fans.« Steven Kiehl, »The art of brand name dropping«, in: Baltimore Sun 25.8. (2004), http://articles.latimes.com/2004/aug/25/enter tainment/et-kiehl25?pg=2, 26.11.2009.
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Identifikation der Rapper mit solchen Marken hat inzwischen zu einer verbreiteten Praxis von organisiertem Product Placement (Audio Branding) geführt. Klassische Popsongs und speziell deren Lyrics nehmen dagegen innerhalb des Pop-Kosmos bis weit in die 1990er Jahre hinein und in vielen Genres bis heute offensichtlich eine Systemstelle ein, an der – induziert durch unsere Nachfrage – nicht nur der diskursive Charakter des ›Inneren‹ zugunsten einer wie auch immer gebrochenen ›Authentizität‹ der Pop-Persona tendenziell verborgen oder gar geleugnet wird, sondern eben auch der kulturindustrielle Charakter der Musik als Ware und Marke: »Um […] ihren Anspruch auf Transzendenz […] geltend machen zu können, muß sie ständig über die Bedingungen hinwegtäuschen, unter denen sie sich als Popmusik konstituiert.« 7 Um dies zu gewährleisten, weist Pop-Musik in ihren Lyrics insgesamt einen Mangel an Partikularem auf und vermeidet es insbesondere, die Insignien der Medien-, Markenund Konsumkultur, deren Teil sie ist, allzu auffällig in ihre Texte zu inkorporieren. In der Folge wirkt das Vokabular dieser Kultur dann in einer ihrer wesentlichen Ausprägungen als Marker von Unernst und generell als Fremdkörper.
F ort mit dem G r auschleier Punk war in vielerlei Hinsicht eine Befreiung der Pop-Musik von eingefahrenen Regeln, aber nicht in Bezug auf die Verwendung von Markennamen. Im Gegenteil muss man sagen: bei aller nachgewiesenen Artifizialität bedient Punk bis heute die oben skizzierte Nachfrage nach Authentizität in besonderem Maße. Die bekannteste Nennung einer Marke bei den Sex Pistols, der Plattenfirma EMI im gleichnamigen Song, erfolgt denn auch genau im Rahmen dieses anti-kulturindustriellen Diskurses (»And you thought that we were faking/That we were all just money making/You do not believe we’re for real«); das Major Label wird im
7 | Christoph Gurk: Wem gehört die Popmusik? Die Kulturindustriethese unter den Bedingungen postmoderner Ökonomie. In: Mainstream der Minderheiten. Pop in der Kontrollgesellschaft. Hg. v. Tom Holert und Mark Terkessidis. Berlin/Amsterdam 1996, S. 20-40; S. 21.
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Namen der Autonomie verlassen und im Namen der Authentizität verhöhnt.8 Etwas weniger selbstreferentiell und zugleich subtiler setzen die deutschen Erben von Punk Markennamen ein, etwa auf dem seminalen Album Monarchie und Alltag der Fehlfarben (1980, publiziert von EMI). Im Song Apokalypse werden in einem kleinen Katalog Tiernamen und andere deutsche Wörter gereiht, die sich erst im Laufe dieser speziellen Auflistung als Typennamen von Militärfahrzeugen entpuppen: »marder wiesel wiking phantom/albatross milan tornado/aus den waffenschmieden der nation«.9 Wenngleich zunächst kaum als solcher erkennbar, steht der Markenname dabei erneut für die Sphäre der bösen Industrie, in diesem Falle der Waffenindustrie. Als Symbol für den internationalen Kapitalismus muss ansonsten wieder einmal Coca-Cola herhalten: »die coca cola sonne scheint aufs neue auf den glanz unserer republik/es gibt bei uns leute die finden das chic«.10 Die vermeintlich klischeehafte Generalkritik bekommt jedoch einen speziellen Unterton durch den Gegensatz der »coca cola sonne« zum »schatten der altbierreklamen«, in dem sich »vor jahren« eine offenbar indigene(re) Düsseldorfer Jugendkultur abgespielt hatte. Die popkulturelle Opposition wird hier also konstruiert zwischen lokaler Szene (Altbier, Schatten, Vergangenheit) und globalem Kapitalismus (Coca-Cola, Sonne, Gegenwart); nur letztere geht mit der Nennung eines Markennamens einher, dabei hatte das Altbier ja sicher auch einen.11 Die »republik« erweist sich damit wieder einmal als nichts anderes als ein Coca Cola Hinterland, wie bereits 1969, in der ersten Phase deutscher PopLiteratur, ein Cut-up Buch von Jürgen Ploog hieß; authentische, lokale Szenen werden, so die Implikation, von der globalen Kulturindustrie vereinnahmt. Dass Fehlfarben mit ihrem erfolgreichen Major Label-Album Monarchie und Alltag an dieser Entwicklung gewissermaßen selbst Anteil haben, bleibt dabei, vielleicht entgegen der Absicht, dem Nachsatz ables8 | Sex Pistols: EMI. Auf: Never Mind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols, Virgin 1977. 9 | Fehlfarben: Apokalypse. Auf: Monarchie und Alltag, EMI Electrola 1980. 10 | Fehlfarben: Das war vor Jahren. Auf: Monarchie und Alltag, EMI Electrola 1980. 11 | Ob dabei auch eine lokale Rivalität zwischen Düsseldorf und Essen, dem lang jährigen Sitz der deutschen Coca-Cola GmbH, mitschwingt, lässt sich heute schwer rekonstruieren.
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bar: »es gibt bei uns leute die finden das chic«; denn vom Song Le Freak der New Yorker Disco-Band Chic (»Aaah, freak out – Le freak, c’est chic«)12 ist der Score von Ein Jahr (Es geht voran), dem erfolgreichsten FehlfarbenSong nicht nur dieser Platte, sondern überhaupt, erheblich beeinflusst. Will sagen: Die obengenannte Opposition ließe sich gewissermaßen um das Begriffspaar Mittagspause vs. Fehlfarben erweitern, insofern als die alte Punkband von Sänger Peter Hein und Gitarrist Thomas Schwebel, die ihre Singles noch im eigenen Label (Welt-Rekord) herausbrachte und der Schneider eine »über das Tagesgeschäft hinauszielende Hilflosigkeit« attestiert,13 abgelöst wird von einem hit-tauglichen, professionell auf dem Major Label EMI produzierten Erfolgsprojekt, das alsbald im Rahmen der Neuen Deutschen Welle rezipiert werden und reüssieren sollte. Die schönste Bezugnahme auf Markenwerbung findet sich auf Monarchie und Alltag jedoch im Song Grauschleier: In dem Liebeslied beklagt ein junger Mann, dass er sich im wirklichen Leben immer noch nicht traut, ein Mädchen anzusprechen, obwohl er »das alles« doch »schon 1000mal gesehen« hat, in medialen Repräsentationen nämlich. Aber Kino und Bücher helfen ihm nicht, und »die musik aus der küche ist auch schon ziemlich zerkratzt/ich habe geweint bei jedem zweiten satz«. Die »musik aus der küche«, das ist die Rock ’n’ Roll-Initiation, von der oben ausführlich die Rede war. Im Prinzip ist man also eingeweiht, man hat das Licht gesehen, doch in der Praxis des Düsseldorfer Jugend-Alltags bleibt es trübe. Wo es bei Begemann aus gleichem Anlass heißt: »Was eben noch statisch war, schwirrt, flimmert, fliegt. Du bist komplett. Die Küche steht unter Wasser. Ein Lied hat das gemacht«,14 singt der 23-jährige Hein: »es liegt ein grauschleier über der stadt/den meine mutter noch nicht weggewaschen hat«.15 Er bezieht sich dabei auf ein im Vergleich mit Kino, Literatur und Pop höchst uncooles Medienformat, die bundesdeutsche Fernsehwerbung, genauer gesagt den Slogan »Fort mit dem Grauschleier« des Düsseldorfer Waschmittelherstellers Henkel für sein Produkt Fakt.
12 | Le Freak erschien im Jahre 1978, Chic reagierten damit auf eine globalisierte Disco-Musik, wie sie sie insbesondere bei Boney M. (aus Deutschland!) fanden. 13 | Frank Apunkt Schneider: Als die Welt noch unterging. Von Punk zu NDW. Mainz 2007, S. 288. 14 | Begemann: Ost-Westfalen, Fast-Weltweit, l.c. (vgl. oben S. 61f.). 15 | Fehlfarben: Grauschleier. Auf: Monarchie und Alltag, EMI Electrola 1980.
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In den dazugehörigen TV-Spots sah man, wie eine Art trübe Folie vom Bild eines Wäschestapels abgezogen wurde und darunter die klaren Farben erstrahlten. Diesen Effekt, hervorgerufen durch ein Markenprodukt, vermisst das Ich in Grauschleier, sein Ennui bleibt bestehen (»langweilig, immer dasselbe«),16 was heißt: Die globalen (Pop-)Medienprodukte haben ihr (Werbe-)Versprechen nicht gehalten, solange ihnen keine lokale Lebenspraxis entspricht: Mädchen ansprechen, Sex – gewissermaßen das, was man in vor-industriellen Zeiten unter Werbung verstand. Oder, mit einem weiteren Punk-Erben gesprochen: »You can see those pictures in any magazine/But what’s the use of looking when you don’t know what they mean« (Elvis Costello: Mystery Dance).17
16 | Eine ähnliche Situation behandelt Nina Hagens TV-Glotzer (auf: Nina Hagen Band, CBS 1980). 17 | Elvis Costello: Mystery Dance. Auf: My Aim Is True, Stiff 1977.
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Diese enharmonische Verwechselung von Medien- und Pop-Sphäre ist übrigens bereits das Thema des inzwischen legendären Plattencovers von Monarchie und Alltag, das auf der Brandmauer eines tristen Wohnblocks ein Plakat zeigt, auf dem ein mittelaltes Ehepaar fernsehguckend auf dem Sofa sitzt, darüber die Schlagzeile: »Zehn Millionen Fernseh-Zuschauer können sich nicht irren.« Es handelt sich dabei um eine Markenwerbung für Grundig-Farbfernseher,18 doch scheint über Plakat und Gesamtbild hier definitiv der Grauschleier des kleinbürgerlichen Alltags zu liegen. Erst im Pop-Diskurs stellt sich zu dem Grundig-Slogan eine weitere Assoziation ein, das berühmte, viel kopierte Cover des Elvis-Single-Samplers 50,000,000 Elvis Fans Can’t Be Wrong von 1960, das Elvis 16 Mal in unterschiedlicher Größe in seinem Gold-Lamé-Anzug zeigt.19 Zu den Versprechen der Kulturindustrie, auf deren Einlösung Pop traditionell drängt, gehören inzwischen auch die von Pop selbst. Der Medien- als Massenkultur ist es, nach Ausweis des Fehlfarben-Covers und des Songtextes von Grauschleier, zumindest im Düsseldorfer Alltag nicht gelungen, diesen zu entfernen – wird die Pop-Musik, also am Ende die Platte Monarchie und Alltag selbst, es schaffen, das seit Elvis virulente Fiktionswertversprechen von Pop 0 einzulösen? Und wäre diese, mal ketzerisch gefragt, als »fremde sprache[] im eigenen land«20 dann letztlich nicht selbst eine Art »coca cola sonne«? Mit dem Grauschleier aus der Fakt-Werbung setzen Fehlfarben das Image einer Marke immerhin so ein, wie man es in deutscher Pop-Musik selten findet: Sie verwenden sie nicht einfach als Chiffre für den bösen Kapitalismus und seine falschen Versprechen, sondern rufen, ganz ohne komischen Effekt, die in dieser Werbung codierten Vorstellungen auf und übertragen sie vom Nicht-Pop in den Pop: von Mutterns Wäscheproblem auf die Probleme der eigenen (Beziehungs-)Welt. Auf liebevoll-bundesrepublikanische Weise ist dabei der Schritt zum Erwachsen-Werden mitcodiert, denn solange es immer noch die Mutter ist, die den Jungs die Wäsche wäscht, kann es mit dem Mystery Dance womöglich auch so recht 18 | Das Claim hat es wohl so nie gegeben. 1962 warb die Firma aber mit »Millionen hören und sehen mit Grundig«. 19 | In Deutschland wurde das Cover u.a. von Blumfeld für L’Etat et Moi adaptiert. Vgl. ausführlich: Till Huber: Blumfeld und die Hamburger Schule. Sekundarität – Intertextualität – Diskurspop. Göttingen 2016, S. 63-67. 20 | Fehlfarben: Gottseidank nicht in England. Auf: Monarchie und Alltag, EMI Electrola 1980.
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nichts werden. Erst die Lösung vom Elternhaus, so wohlversorgt dieses in medialer Hinsicht bereits sein mag (siehe Coverfoto), könnte wohl letztlich die Einlösung des elementaren Pop-Versprechens aus dem Bereich der Fiktion in den Bereich des Wirklichen rücken.21 Was bei dieser Waschmittel-Allusion gar nicht mehr mit aufgerufen wird, sind Assoziationen zum ›Weißwaschen‹ und dem ›Persilschein‹ für die Nazi-Elterngeneration, wie sie in der deutschen Pop-Literatur um 1970 noch gang und gäbe waren, z.B. in Rolf Dieter Brinkmanns Gedicht Persil am letzten Tag des Jahres (in: Die Piloten, 1968). Auch im Song Waschsalon der parallel zur NDW überaus erfolgreichen Kölsch-Rock-Band BAP ist das Waschen von diesen Nachkriegs-Aufarbeitungs-Assoziationen befreit. Immerhin wird hier nicht mehr von Mutti gewaschen, sondern der Besuch mit der Freundin im Waschsalon wird zum Initiationserlebnis (»Weil, do häss Ahnung vun dä Technik/Vun der ich nix verstonn«); der aus diesem Anlass genannte Lavamat (ein AEG-Gerät) scheint folglich zum ›Lover-Mat‹ zu geraten (»Ich dunn de Wäsch drin, do die Knete/Dann routiert der Lavamat«).22 Das ganze wird freilich als heiteres Rock ’n’ Roll-Intermezzo auf einer LP präsentiert, die insgesamt eine ganz andere Haltung vertritt, ja, auf dem beigelegten Textblatt ärgert sich Sänger und Texter Niedecken bezeichnenderweise bereits selbst und auf Hochdeutsch darüber, »daß man mir dieses absolute Nonsens-Stück auch als sowas wie ’ne Konzession an den Otto Normalverbraucher-Geschmack ankreiden könnte…!?«.23 Unterhaltung, Konsum, Teenage-Spaß, Sex – sowas ist im Deutschrock allenfalls ausnahmsweise gestattet, insgesamt geht es um ernste Dinge. Das geht schon im ersten Song, dem Hit Verdamp lang her, als Gespräch mit dem toten Vater los (Bap = Vater) und kommt denn auch ent-
21 | Und da hilft dann auch wieder Literatur, wie der auf der Rückseite der LP abgedruckte Raymond-Chandler-Text über das Leben im Gefängnis beweist, das wir als Allegorie auf das bürgerliche Leben lesen sollen (»es gibt nichts, wogegen man sich wehren, nichts, worauf man wütend sein könnte […], es hat weder zweck noch bedeutung«). Dagegen wiederum hilft, so das zweite Zitat, »simple rock« (John Lennon). 22 | BAP: Waschsalon. Auf: für usszeschnigge!. EMI Electrola 1981. 23 | BAP: [Linernotes zum Song Ens em Vertraue]. Auf: für usszeschnigge!. EMI Electrola 1981.
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sprechend markenfrei daher, bis auf eine signifikante Ausnahme:24 das Lied über den Obdachlosen Jupp, wo sich in der ersten Strophe »Lambrusco« auf »Eduscho« reimt, das billige Pennergetränk auf den Aufdruck der »Plastiktüüt met singe paar Klamotte« – der Markenname als Indiz für ›ganz unten angekommen‹. Jupp redet sich täglich in eine exotische Fantasiewelt hinein und gibt mit seinen Abenteuern an, aber nur, wie die letzte Strophe weiß, um das Thema Stalingrad zu vermeiden (»Stalingraad pack hä nie, irgendwie«).25 Von Eduscho nach Stalingrad in vier Strophen, dabei bleiben einige Fragen offen – etwa, wie nun Stalingrad und Pennerdasein zusammenhängen, und woher das lyrische Ich überhaupt davon weiß, wenn Jupp doch nichts rauslässt –; klar ist aber, dass das schwere Geschichtszeichen auch dem Song die entsprechende Bedeutungsschwere verleihen soll, der damit, so die Intention, nichts für Otto Normal-Pop-Musik-Verbraucher wäre. Tatsächlich aber vertraut der Song seinen Lyrics nicht, sondern unterlegt bereits die Strophen mit einer dicken, gefühlsevozierenden Streicher-Soße (Cello plus Synthie), um dann, nach der Nennung des schweren Zeichens in verkölschter Version (Authentizität!), in ein »irgendwie« bedeutungsschwangeres Mitt-Siebziger-Gitarrensolo zu kippen. Jupp versammelt, mit anderen Worten, all das Rock-Pathos in sich, gegen das Punk und Wave einige Jahre zuvor angetreten waren, und macht Otto-Normalrockisten dadurch vermutlich noch glücklicher, als es ein munterer Rock ’n’ Roll wie Waschsalon je könnte. Erneut richtet sich die poetologische Ausrichtung – hier des Deutschrock – gegen die Fiktionswerte von Werbung und Pop. Die Phantasien Jupps werden als Verdrängung desavouiert, und dass sein reales Vorbild, laut Linernotes, »pausenlos englische Wortfetzen in ein zahnloses, kölsches Genuschel« einflicht, erinnert an das Sprachgemisch, mit dessen Hilfe zeitgleich Bands wie Trio sich an ein mögliches deutsches Pop-Idiom herantasten. Der BAP-Song Müsli-Män (man beachte die Schreibung des englischen Wortfetzens) ›entlarvt‹ diverse »Underground-Musik«-Stile wie »Skiffel« und »Punk« als musikalische Modeerscheinungen (wobei er selbst einen Reggae darstellt). Dagegen setzen BAP – so die Implikation 24 | Und eine weniger signifikante: In Frau, ich freu mich beeilt sich der Fahrer auf dem Weg nach Hause, »als wöör hück Wüstenrot-Naach«, eine Anspielung auf die Bauspar-Deadline »Wüstenrot-Tag«, mit der die Kasse in Radio und Fernsehen warb. 25 | BAP: Jupp. Auf: für usszeschnigge!. EMI Electrola 1981.
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– authentizitätsfähige Werte wie ihr Kölsch, dessen nationaler Verständlichkeitsgrad ungefähr dem des Englischen entsprechen dürfte, und einen Springsteen-haften, vermeintlich zeitlosen, in Wirklichkeit nur das Idiom der Mittsiebziger trotz Punk, Wave und Disco fortschreibenden Rock. Die eigene Zugehörigkeit zur Konsum- und Warenwelt – auch für usszeschnigge! erscheint auf dem Major Label EMI-Electrola – bleibt dabei verdrängt.
S chönheit 1980 Deutschsprachige Pop-Musik kämpft, ob sie es weiß oder nicht, stets an drei verschiedenen Fronten, die ihren Status prekär halten: Zum ersten muss sie ihr Verhältnis zum englischsprachigen Original-Pop definieren, zum zweiten das zur konkurrierenden deutschsprachigen Populärmusik des Schlagers, und zum dritten teilt sie mit aller Pop-Musik das heikle Verhältnis zur eigenen Warenform (Stichwort ›Kommerz‹).
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Auf allen drei Schauplätzen droht ständig Peinlichkeit, die sich, daran hat sich von Ted Herold bis, sagen wir, Andreas Bourani nichts geändert, auch immer wieder einstellt. Ein intelligenter Umgang mit den Herausforderungen, die in diesen Nachbarschaften liegen, kann aber auch zu enormem semiotischem Reichtum führen. »Das Beste an bundesdeutscher Popmusik war ihre Sekundarität: ihr Bezugnehmen, Imitieren, Fixiertsein auf angloamerikanische Vorbilder«, schrieb Diederichsen bereits 1990,26 und Frank Apunkt Schneider feiert 2015 die daraus resultierende »Ästhetik der Verkrampfung«, das »Verkrampftschöne«, ja »die Anmut und Würde der Verkrampfung«.27 Jedenfalls ließe sich eine Geschichte der Pop-Musik in Deutschland entlang der Verdrängungs- und Lösungsstrategien zu den genannten drei Konflikten – deutsch/englisch, Pop/Schlager, authentisch/kommerziell – schreiben, und die Neue Deutsche Welle bekäme in dieser Geschichte sicherlich eines der interessanteren Kapitel. Anders als der deutsche Punk, der ihr von Historikern gern als ›authentischer‹ vorgezogen wird, verdrängt sie nämlich die eigene Deutschland-, Markt- und Schlagernähe nicht einfach vermittels Hass, sondern macht die Auseinandersetzung mit allen drei Faktoren zum tragenden Teil ihrer Ästhetik. Und eben dies erlaubt dann auch den Eingang von Markennamen sowie anderen, oftmals deutsch konnotierten Eigennamen (Wolfram Siebeck hat recht, Foyer des Arts) und Partikularbegriffen in ihre Lyrics, und zwar in einem zuvor unbekannten Maße. Die Anführungszeichen leichter Vorbehaltlichkeit, in die die entsprechenden Ausdrücke von anderer Pop-Musik gesetzt werden, muss man sich in der NDW quasi um die gesamte Musik gesetzt denken. Sampler waren früh ein Medium, über das sich die neue Welle verbreitete. Deren Cover forcieren von Beginn an »den optischen Bezug auf die Wirtschaftswunder-Zeit und ihre Nierentischformen.«28 Ein Beispiel dafür ist etwa die LP Prima Tanzmusik (Metronome, 1981), die unter anderem Songs von Extrabreit, Neonbabies und Trio enthält. Das Cover collagiert deutsche Werbeanzeigen aus Zeitschriften der 1950er Jahre für musikbezogene Produkte wie tragbare Plattenspieler und Transistorradios (»Bahnbrechende 26 | Zit. n. Frank Apunkt Schneider: Deutschpop halt’s Maul! Für eine Ästhetik der Verkrampfung. Mainz 2015, S. 29. 27 | Schneider: Deutschpop halt’s Maul, S. 105f. et passim. 28 | Frank Apunkt Schneider: Als die Welt noch unterging. Von Punk zu NDW. Mainz 2007, S. 200.
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Neuheiten«) oder einen Telefunken-Plattenwechsler (»Der MUSIKUS begeistert alle – zum Beispiel auch in diesem Falle«), aber auch für Autos, Bauknecht, Unterwäsche, Waschmittel und Kosmetikprodukte. Es schafft damit für seine aktuelle Musik einen assoziativen Rahmen mit den Faktoren ›deutsch‹ und ›kommerziell‹, der durch die historische Rückverlagerung aber nostalgisch oder campy (das wäre genauer zu klären) entschärft wird. Der Titel Prima Tanzmusik spielt überdies auf eine Zeit kurz vor oder unmittelbar zu Beginn des Rock ’n’ Roll an, als populäre Musik – Schlager – noch naive Tanzmusik war und mehr nicht. Der Begriff findet auf Samplern weite Verbreitung,29 z.B. mit Neuzeit. Höhepunkte der neuen deutschen Tanzmusik aus demselben Jahr, der u.a. Titel von Falco, Ideal, UKW und DAF sowie Fred vom Jupiter von Holger Hillers 17-jährigem Gitarrenschüler Andreas Dorau versammelt (Teenage Command Performance!). Entspre-
29 | Vgl. die Auflistung einschlägiger Titel bei Schneider (Als die Welt noch unterging, S. 200).
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chende Assoziationen werden aber durchaus auch von Originalcovern geweckt, schon der Bandname Ideal könnte ja der Werbesphäre der frühen BRD entstammen. Bettina Sefkows Zeichnung auf der ersten LP (Ideal, IC, 1980) – Hände vor einem kopflosen Hemdkragen, die gerade einen Schlipsknoten binden – erinnert an Modeskizzen der 50er Jahre, während das Bandfoto auf der Rückseite eher Punk-Assoziationen weckt. Auf der zweiten LP (Der Ernst des Lebens, WEA 1981) präsentiert sich dann auch die Band im Stil einer 50er-Jahre-Tanzkapelle. Nun ist es eigentlich müßig zu erwähnen, dass die Musik von Ideal (und anderen Bands) selbstredend kein Zurück zur naiven Tanzmusik, zu einem noch nicht vom Rock ’n’ Roll infizierten Prä-Pop reiner, fröhlich kommerzieller Unterhaltung darstellt. Die Max-Raabe-artige Instrumentierung auf dem Bandfoto von Der Ernst des Lebens entspricht nicht der der Musik auf der Platte, und schon der LP-Titel praktiziert die komplexe Vorbehaltlichkeit, mit der das hier alles gelesen werden will (und auch wurde). Der Neuen Deutschen Welle tatsächlich affirmative Kommerzialisierung, Verdeutschung und Verschlagerung zu unterstellen, wie es nachgeborene Pop-Historiker gelegentlich tun, heißt diesen Modus völlig zu verkennen (das gilt übrigens auch und nicht zuletzt für Markus’ vielgescholtenes Ich will Spaß). Das wäre, als würde man Hamiltons Just What Is It-Collage als affirmative Feier von Werbegrafik lesen. Die Schwierigkeit in der Rezeption von NDW liegt offenbar darin, dass diese eben auch nicht einfach das ironische Gegenteil praktiziert, eine bloße Negation der drei Faktoren, wie sie der Deutschpunk vielfach vorführt. Nicht Nostalgie ist hier also der ästhetische Modus, sondern ein komplexeres gemischtes Gefühl in der Camp-Nachfolge, irgendwo zwischen ironischem Sich-lustig-Machen, wissendem Nicht-anders-Können und jener Pop-Affirmation, die als Gestus auch in intellektuelleren Pop-Kreisen um 1980 weit verbreitet war.30 Der Punk-Gestus des »Destroy«, von »Musik als Waffe« und »Punx gegen Konsumscheisse«31 wird hier jedenfalls nicht unter-, sondern im vollen Bewusstsein dieser Alternative semiotisch überschritten,
30 | »Das Ja zur modernen Welt erschien uns dabei vorübergehend als die denkbar größte Möglichkeit zu politischer Dissidenz«, erinnert sich Thomas Meinecke im Vorwort zur Sammlung seiner Beiträge aus Mode & Verzweiflung (in: T.M.: Mode & Verzweiflung. Frankfurt 1998, S. 8). 31 | Vgl. die Zines bei Schneider: Als die Welt noch unterging, S. 185.
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wie es etwas später dann auch die Hamburger Punks (und viel später selbst Blumfeld) in Richtung Schlager taten. Die vielen Eigennamen auf der ersten Ideal-Platte bezeichnen denn auch deutsche oder besser: Berliner Lokalitäten (Cottbusser Tor, Romy Haag) und internationale Luxusartikel (Ritz, Hilton, Rolls Royce, Campari), ersteres in expliziter Abgrenzung zum englischen Pop (»Ich will auch nicht in London sein«, Blaue Augen), letzteres in impliziter Abgrenzung zur Armuts-Ästhetik von Punk und sonstigen Anti-Kapitalismen. Der Luxus- und Neid- bzw. Eifersuchtsdiskurs (»Dann gibst du an/Mit meinem neuen Caravan/Alles ohne mich«) durchzieht die ganze Platte; die höchste Komplexität erreicht er jedoch in Rote Liebe, dem Titelsong eines letztlich eher gescheiterten Filmprojekts gleichen Namens von Rosa von Praunheim, in dem Ideal neben Mark Eins von Din A Testbild, Gudrun Gut, Nina Hagen und anderen firmieren. Der Film bindet diese Berliner Szene in seine freie Umsetzung einer sowjetisch-feministischen Novelle ein (Wassilissa Malygina von ZK-Mitglied Alexandra Kollontai, dt. 1925). Darin geht es um das Verhältnis von Revolution, Liebe und Luxus; Wassilissas Geliebter etwa fährt auch unter Lenin noch einen Rolls Royce.32 Annette Humpes Song bedient sich nun allerdings nicht bei der literarischen Vorlage, sondern kombiniert frei Textfetzen zu einer verwirrenden Textur: Schönheit 1980, Blutrot geht der Playboy auf. Rote Lippen soll man küssen, Ein Vulkan macht dich an, Sex und Geld, Sex und Geld, Haben, Haben, Haben, Haben, Haben, Haben, Ha’m.
Erkennbar steht hier der Markenname (Playboy) neben dem Schlagerzitat (»Rote Lippen soll man küssen«), was zugleich die im Film dominanten Gender-Fragen und das deutsch-englische Pop-Verhältnis thematisiert (der Leiber/Stoller-Song Lucky Lips wurde 1957 durch Ruth Brown zum Hit und 1963 von Cliff Richard erfolgreich eingedeutscht); dann geht es 32 | Meine Informationen zum Film stammen aus einem Artikel von Dietrich Kuhlbrodt aus dem Jahre 1984, abrufbar unter www.filmzentrale.com/rezis/roteliebedk.htm (5.8.2017).
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um Sex und Kapitalismus.33 Das blutrote Playboy-Cover des deutschen Juliheftes 1980 listet die Themen »Moskauer Nächte – Gelobt sei was hart macht«, »Sexstars – Geilheit auf Bestellung« und »Punk-Szene – Wo der Druck regiert«, was in der Summe ebenfalls den Inhalt des Films Rote Liebe einigermaßen auf den Punkt bringt;34 ein zuvor von Nina Hagen komponierter Soundtrack für Red Love enthielt die schönen Verse »Die Partei hat immer recht/Alle sind sie geile Tiere«. Eine weitere Ideal-Strophe lautet: Geile Jeans und etwas Glitter, Süß wie rote Götterspeise, Cosma 1980, Aus dem Deospray tropft Blut.
Konsum wird hier erneut in seiner ästhetisch verführerischen Dimension ebenso aufgerufen wie mit negativen Konnotationen versehen. Popferne Fast-Markenwörter wie »Götterspeise« und »Deospray« wirken dabei in der urban-assoziativen Textur der Humpe-Lyrics nicht komisch, sondern passend. Die »rote Götterspeise«, ein Dr. Oetker-Produkt, spielt im Kontext von Revolution und Liebesbeziehungen auch auf Wolf Vostells Collage Dr. Oetker, Rote Grütze von 1969 an, die die Doppelseite eines Zeitschriftenbeitrags über Rudi und Gretchen Dutschke (»Die letzten Fotos vor dem Attentat«) mit einer aufgeklebten Packung des Dr. Oetker-Produktes kombiniert, deren rote Farbe Liebe wie politische Haltung des Paares ebenso assoziieren lässt wie Rudis Kopfschussverletzung. Kryptisch bleibt die Zeile »Cosma 1980« – wird hier auf das kosmische UFO-Erlebnis der im Rote Liebe-Kontext allgegenwärtigen Nina Hagen verwiesen, das deren im Jahr darauf geborener Tochter den Namen Cosma gab, oder auf den damals ebenfalls allgegenwärtigen Richard Sanderson-Hit Reality (doch, kennen Sie: »Dreams/Are my reality…«), den Vladimir Cosma für den französischen Teenie-Film La Boum (1980, dt. Die Fete) komponiert hatte?
33 | Ein Subtext ist sicher auch der Film Rote Sonne (Rudolf Thome, 1970) mit Uschi Obermaier, wo es ebenfalls um Liebe, Sex und Revolution geht. 34 | Das Septemberheft 1980 zeigt rote Lippen, die, da senkrecht gestellt, wie eine Vulva aussehen. Vulva – Vulkan…
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Sex und Geld jedenfalls, also Pop und Warenform, durchziehen über den Song hinaus die gesamte Platte und das Gesamtwerk von Ideal und sind dabei keineswegs bloß antikapitalistisch-negativ konnotiert, sondern werden, etwa im Thema luxuriöser Fernreisen der Leisure Class (Luxus, In meinem roten Rolls Royce, Sex in der Wüste, Monotonie) – durchaus auch in ihrem ästhetischen Reizpotential aktiviert – »das geht tierisch ab, rein äußerlich« (Luxus). Allerdings geschieht das stets in Rollenlyrik und unter ironischem Vorbehalt, denn geschrieben steht zwar »Totaler Luxus kann mich retten« (Luxus), aber eben auch: »Nur der Scheich/Ist wirklich reich« (Blaue Augen). Die bürgerlichen Fernreisen »zum Minimaltarif« (Monotonie) und das Angeben mit dem »neuen Caravan« (Hundsgemein) bleiben dazu in komischem Widerspruch stehen. Entscheidend aber bleibt, dass die luxuriöse, mit Freizeit konnotierte Konsumsphäre, für die die Marken- und Produktnamen bei Ideal stehen, auch im Kontext eines Avantgarde-Films wie Rote Liebe weder zum Gegenstand politischer Kritik noch zum Gegenstand unkritischer Affirmation wird, sondern in ihrer ganzen Ambiguität in der Sphäre des Ästhetischen verbleibt. In diesem Modus gelingt, was das weibliche Ich in Rote Liebe sich explizit auf die Fahnen schreibt: »naiv und schlau sein« zugleich.
B ommerlunder and M e Einen Schritt weiter gehen Trio, die zweite NDW-Band der Stunde. Auch dieser Bandname lässt eher Tanzcombos der Vor-Pop-Zeit assoziieren, deren in den 1970er Jahren freilich noch weit verbreitete Routines im Vorspiel von Broken Hearts for You and Me zitiert werden (»Die Damen in den Innenkreis/die Herren in den Außenkreis/in Gegenrichtung/Marsch – Fox«). Das lässige erste Album mit starken Punk-Bezügen erschien 1981 (Trio, auf Phonogram), wurde 1982 aber ein weiteres Mal herausgebracht, erweitert um den Hit Da Da Da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha. Geradezu überexplizit springt die Band mit diesem minimalistischen Erfolgssong, der mit seinem Casio-Basisrhythmus (Rock 1) bereits wie eine Parodie auf die Neue Deutsche Welle wirkt, auf deren kommerziellen Trend auf – und legt im Zuge dessen zwei der besten Pop-Platten vor, die je in Deutschland erschienen sind. Für das zweite Album (Bye Bye, Phonogram 1983) treiben sie die ostentative Eigen-Kommerzialisierung sogar noch weiter, in dem sie das tun, was The Who mit Sell Out
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nur angedacht hatten: Sie verkaufen Werbefläche an Anzeigenkunden, allerdings nicht auf der Tonspur der LP, sondern auf deren Cover, der gewöhnlich markennamenfreiesten Zone überhaupt. Das Cover der ersten Auflage war schlicht weiß, trägt wiederum einen handschriftlichen Titel und ist auf Vor- und Rückseite in jeweils acht Felder unterteilt. In zwei dieser Felder befand sich schon Werbung für die Motorradhelm-Firma UVEX. Sinn der Sache war, dass Interessenten auf der Plattenhülle in den insgesamt sechzehn Feldern Werbung unterbringen können. Pro Feld und Auflage der Platte sollte eine Anzeige 10.000 DM kosten. 35
Auf meinem Exemplar finden sich auf der Vorderseite zusätzlich zu den UVEX-Anzeigen solche für Casio, Hör Zu, Greenpeace und Karlheinz 35 | www.stephan-remmler.de/Trio/diskografie/alben/bye_bye.htm (18.11.2009). Auf dieser Seite finden sich verschiedene optische Beispiele für die daraus resultierende Gestaltung.
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Böhms Hilfsorganisation Menschen für Menschen, neben Fake-Kleinanzeigen der Band selbst (»Wenn schon TRIO – dann EXTRABREIT«). Auf der Rückseite sind neben Eigenwerbung immerhin noch der Musikverlag Francis, Day & Hunter und die Spex vertreten. Gezahlt haben dürfte zumindest mal die Hör Zu (»Die heiße Strecke für junge Leute«), aber wichtiger als mögliche Einkünfte ist hier die Geste, die in Überbietung von Punk gegen Punk (und alle Authentizitäts-Apostel des Rock) sagt: Wir scheuen den Marktplatz nicht, sondern sind ein kommerzielles Produkt und werden unter Marktbedingungen verbreitet.
Bereits in Achtung, Achtung, dem Prolog zur ersten Platte, wird der kommerzielle Status des eigenen Unternehmens unmissverständlich benannt: »Lassen Sie sich nicht täuschen/Obwohl es zunächst so aussieht/ Als ginge es um Ihre Unterhaltung/Geht es doch letztlich darum/Daß Sie Ihre Sympathien/Und ihr Geld/Dem TRIO geben«, lautet die Ansage. Das könnte man allerdings noch als klassische Ironie im Sinne von
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Zappas We’re Only in It for the Money lesen (sprich: Bei anderen ist das so, die würden es aber nicht sagen, wir sagen es, also ist es bei uns nicht so). Aber jede Band zielt auf »Sympathien«, einen gewissen Kult-Status bei ihren Fans, das gemeinsame Hochhalten der Ikone, und spätestens mit der Nachrüstung durch Da Da Da ist bei Trio auch das Thema Geld nicht mehr von der Hand zu weisen. Ich lieb den Rock ’n’ Roll, ein Song auf Bye Bye, resümiert: N Hit hab ich auch der ist Da Da Da Jetzt hab ich Kohle ist das nicht wunderbar Ich lieb den Rock ’n’ Roll
Von den drei Strophen dieses Songs, die die drei Lebensalter abbilden, steht dies in der mittleren, bezeichnet also die Position des Erwachsenseins. »Ist das nicht wunderbar?« – das ist ungefähr die Haltung, mit der Janis Joplin ihren Porsche fährt: Get It While You Can. Dass man dabei zum »Wiederholungstäter« zu werden droht, reflektiert der Song Immer noch einmal vom selben Album, der den eigenen Erfolgssong in eine Reihe mit NDW-Hits der zweiten Stunde stellt: »Sternenhimmel hohe Berge rote Lippen dadada/Ich bin euer Herbergsvater trullala«.36 So ist das eben unter Marktbedingungen: Wann immer populäre Kulturen einen Aufmerksamkeitserfolg erzielen, kristallisiert an diesem Erfolg sofort ein Konvolut ähnlicher Produkte. Jedes Faszinosum geht unmittelbar in Serie, strahlt aus, metastasiert und bezieht immer mehr Rezipienten in die spezifische Form spektakulärer Selbstreferenz ein. Auf diese Weise emergieren Stilgemeinschaften normalisierten Spektakels. 37
Und da diese Stilgemeinschaften genau die Fan-Kult-Gemeinschaften sind, auf denen Popkultur basiert, ist die verhältnismäßige Nähe zum 36 | Mit Verweis auf: Sternenhimmel von Hubert Kah, Hohe Berge von Frl. Menke sowie Ich bin euer Herbergsvater von Joachim Witt. Und mit ›rote Lippen‹ sind wir wieder bei Ideals Verweis auf Cliff Richard, siehe oben. 37 | Jochen Venus: Die Erfahrung des Populären. Perspektiven einer kritischen Phänomenologie, in: Performativität und Medialität Populärer Kulturen. Theorien, Ästhetiken, Praktiken. Hg. v. Marcus S. Kleiner und Thomas Wilke, Wiesbaden 2013, S. 49-73; S. 67.
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erfolgreichen Vorgängerprodukt eben genauso die Bedingung für »Sympathien« wie für das »Geld«. Wer NDW kauft, kann sich halbwegs verlässlich auf bestimmte Produkt- als Stileigenschaften einstellen, es kristallisiert sich das Serialitätsprinzip einer hohen Selbstähnlichkeit heraus, das Trio bis in die Textur der Songtitel und Refrains hinein konsequent verfolgen (Ja ja ja, Da da da, Sabine Sabine Sabine, Girl Girl Girl, W.W.W. usw.). Diese Erwartbarkeit gleichbleibender Qualität aber ist der Effekt sowohl eines Genres als auch einer Marke; und so lässt denn auch die konsequente Großschreibung von TRIO in den Lyrics, die der ersten Platte beigefügt sind, die Nähe des Bandnamens zu einem Markennamen assoziieren. Diese Äquivalenz setzt sich pointiert auch im Epilog fort, der genau so, TRIO, überschrieben ist und das »Day-o« aus Harry Belafontes Banana Boat Song als »TRIO« intoniert. Für Belafonte muss das einfach nur incredibly strange geklungen haben,38 für deutsche Hörer und TVGlotzer aber schwingt dabei auch die Kaffeemarke Tchibo mit, die auf diesen Gag schon früher verfallen war. Ja, die eindrücklichen Anfangstöne dieses Songs »sind häufiger in Werbespots verwendet worden als jede andere Notenfolge auf Erden«.39 Und es geht noch weiter: »Day-o« wird den meisten Ersthörern des Banana Boat Song zunächst als asemantischer Ruf erscheinen, im weiteren Verlauf wird bei Belafonte jedoch klar, dass hier der Tagesanbruch begrüßt wird: »Daylight come an’ me wanna go home«. Aus »Day-o« wird nun wie gesagt »TRIO«, aus »Daylight come« aber »Bommerlunder«, eine Kümmelkornmarke aus Norddeutschland,40 womit die Markennamennähe sich endgültig bestätigt.41 38 | Manchmal kann man es nicht schöner ausdrücken als Wikipedia: »In one rare occurrence, Trio and Harry Belafonte appeared in the same TV show, ›Bio’s Bahnhof‹, in 1982, with the latter watching Trio’s act in disbelief.« (https://en.wikipe dia.org/wiki/Day-O_(The_Banana_Boat_Song)) 39 | Carmen Böker: Harry Belafonte wird 75: Ich hasse Bananen. In: Berliner Zeitung, 1.3.2002 (www.berliner-zeitung.de/16250900). 40 | Bommerlunder, benannt nach einem südschleswigschen Dorf nördlich von Flensburg, in dem dieser Schnaps erfunden wurde, ist bereits seit 1896 eine eingetragene Marke. Erst deutlich nach Trio wurde die Firma Dethleffsen von Berentzen aufgekauft, heute wird der Schnaps in Haselünne, also in unmittelbarer Nachbarschaft von Großenkneten produziert. 41 | Trio sind mit ihrer Verwendung dieser Schnapsmarke den Toten Hosen zwei Jahre voraus. Deren Eisgekühlter Bommerlunder adaptiert das Fahrtenlied Eisge-
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Solche intrikaten Verfahren geraten mit einer sozusagen älteren Schicht des Albums in Konflikt, in der es auf den ersten Blick noch relativ straight um Medien- und Konsumkritik geht, um die Macht des Fernsehens (wohlgemerkt mit damals drei Kanälen bis zum mitternächtlichen Pausenzeichen) und des Telefons (Festnetz). »Immer konsumieren um das alles zu ertragen«, heißt es etwa in Ja Ja Ja, um gut punkig fortzusetzen: »und jetzt fliegen endlich Steine«. Ja Ja wo geht’s lank Peter Pank schönen dank setzt diesen Diskurs fort mit Reimen wie »Aggression kommt davon weiß ich schon/Audio Video Kommunikation«, und zum Aggressionsabbau lautet ein Vorschlag »Komm wir gehn erstmal schießen/Flash Gordon/Ra-ta-ta-ta-ta-ta-bu-bu-bu-bu« (Ja Ja Ja). Der Comic-Held Flash Gordon war damals durch eine campfähige Verfilmung aktuell, in der viel geballert wird, auch Flipperautomaten gab er das Thema. Das heißt aber genauer besehen, dass das Konsumieren – ohnehin nicht Ursache, sondern Wirkung der Verhältnisse – selbst in kulturindustriellen Formaten stattfindet, und das fröhliche Ballergeräusch demonstriert, dass der solcherart formatierte Aggressionsabbau überaus lustvoll sein kann. Ja, man könnte sagen, die ›Pank‹-Songs des Albums performieren genau diese Lust: »Los Paul/Du mußt ihm voll in die Eier haun/Das ist die Art von Gewalt die wir sehn wolln« (Los Paul). Sie situieren sich damit erneut innerhalb der Medien- und Konsumsphäre, von der sie handeln. Die Aufgabe lautet nun allerdings, diese Sphäre auch in der deutschen Provinz zu aktivieren. Allein eine Figur wie Peter Pank zeigt ja das Wissen um die Unmöglichkeit, als Großenknetener Musiker ungebrochen Punk zu sein. Man kann sie als verdeckte Hommage an die wahren Vorläufer lesen: Udo Lindenberg mit seinem alliterierenden Figurenarsenal (Rudi Ratlos, Bodo Ballermann etc.) und Nina Hagen, deren erstes WestAlbum (Nina Hagen Band, 1978) mit dem Song Pank schließt. Es geht also darum, jenen Lokalbezug mit Pop-Leben zu füllen, der durch den Aufdruck der Heimatadresse samt Telefonnummer auf dem Frontcover der ersten Platte ausgestellt ist: »Regenterstr. 10a, 2907 Großenkneten 2, Tel.: 04435/2300.« Wer wird seine Sympathien und sein Geld an einen solchen Ort adressieren? Es gibt, lange vor deutschem Pop, eine Werbecampagne der Zigarettenmarke Peter Stuyvesant, in der die großen Marken (die eigene darkühlte Coca-Cola, das wiederum auf einen chilenischen Samba zurückgeht wie der Banana Boat Song auf ein Jamaikanisches Volkslied.
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unter) als Vorboten einer neuen, freieren Zeit gefeiert werden. Ein Clip von 196042 zeigt Ansichten von Weltstädten (z.B. London, Piccadilly Circus), in denen beim abendlichen Dunkelwerden die Leuchtreklamen der Markenlogos hervortreten (u.a. Coca-Cola, BOAC); in Hamburg (»Auch bei uns…«) gehört dazu auch das Neonlogo von Bommerlunder. Dieser noch von schmissiger Marschmusik getriebene Versuch, Nachkriegsdeutschland am »Duft der großen weiten Welt« teilhaben zu lassen, ist deutlich gescheitert – nicht für Peter Stuyvesant, die in den 1970ern bei den Bildern einer James-Bond-artigen Leisure Class angelangt waren, aber doch für eine so deutsche Marke wie eben Bommerlunder. Sie bleibt lokal, durch den lustig wirkenden Namen irgendwie sympathisch abgelegen und insgesamt in einem Deleuze’schen Sinne ›klein‹ – semiotisch, nicht ökonomisch gesprochen, versteht sich. Und doch bleibt sie begehrenswert und gerade in ihrer Kleinheit einer Identifikation, zumindest in Anführungszeichen, durchaus zugänglich. »Bommerlunder and me wanna go home«. Wo gehen wir denn hin? Immer nach Hause, Richtung Norden und dann immer geradeaus. Was Trio hauptsächlich mittels ihrer spezifischen Kombination von deutscher und englischer Sprache bewirken,43 gilt auch für ihren Umgang mit Markennamen: Beides ist lesbar als Ringen um eine lokale Aneignung der internationalen Pop-Sprache und -Sphäre. Bommerlunder ist durch sein Claim (»Richtung Norden und dann…«) eben auch eine Chiffre für Norddeutschland, VW die niedersächsische Marke schlechthin. »Weißt du noch Schatz/Damals auf der Autobahn/Die Fahrt von Holzminden nach Oldenburg«: Das vermeintliche Coca-Cola Hinterland BRD, das als solches nur ein müder Abklatsch des Pop-Mainlands sein könnte, erweist sich näher besehen und positiv ausgedrückt sozusagen als Bommerlunder-Country. In dieser Funktion werden Marken wie Bommerlunder, VW oder das Grüner-Apfel-Shampoo, jenseits aller vordergründigen Blödelei, bei Trio aktiviert: Unser VW war alt und klapprig Das machte uns nichts aus Dein Haar roch nach Grünem-Apfel-Shampoo. 42 | Gezeigt in der Ausstellung »Berührt – verführt. Werbekampagnen, die Geschichte machten« im Berliner Museum für Kommunikation 2017. 43 | Ausführlich dazu Baßler: »Watch out for the American subtitles!«, l.c.
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Dass dieses Im-Pop-zu-Hause-Sein auf Deutsch in Deutschland immer Nur ein Traum sein kann, wie die ostinative Hintergrundstimme während dessen nicht müde wird einzuwenden, wird bei Trio schon daran deutlich, wie sich englischer und deutscher Text auf ihren Alben immer gegenseitig relativieren. Auch bleibt die NS-Zeit mit dem Hervorheben von VW und Autobahn (»Was bleibt ist die Autobahn/Der alte VW«) im Hintergrund präsent. Es lässt sich aber eben auch daran ablesen, dass die Markennamen in der NDW zwar etwas häufiger zum Einsatz kommen, dabei aber weiterhin lustig wirken, der heteroglossische Effekt (›das ist eigentlich keine Pop-adäquate Sprache hier‹) also anhält. Allerdings wird dieser Effekt tendenziell eben auf das gesamte Œuvre und Image einer Band wie Trio ausgeweitet, was ihre Neue Deutsche Welle als einen semiotisch durchaus labilen Zustand charakterisiert. Während auf dem zweiten Album die Arbeit an der Differenz Deutsch/Englisch in Songs wie Out in the Streets und Wake up noch einmal großartige Effekte zeitigt, droht – jenseits des Covers – der mit den Markennamen aufgerufene Diskurs wieder zu verflachen. Herz ist Trumpf, mit dem Eingangsvers »Ich lese jeden Tag mein Horoskop in der Bild«, dräut bereits mit jener lustig-einvernehmlichen Schlager-Rummsigkeit, mit der Remmler dann als Solo-Künstler noch etwas mehr Geld verdienen wird. Das Experimentieren mit ›kleinen‹ Ausdrucksweisen gegen eine angemaßte Pop-Internationalität à la New York, Rio, Tokio (Trio Rio,44 1986), Stuyvesant- und Drei-Wetter-TaftWerbung wird sich später im Umfeld der Bad Salzuflener Ursprünge der Hamburger Schule um 1990 noch einmal wiederholen.
Yama - ha Ein Song aus den Nachwehen der NDW treibt den beschriebenen Heteroglossie-Effekt auf die Spitze. Yama-ha (1985) von Humpe. Humpe besteht aus zwei Strophen, von denen die erste ein reiner Katalog japanischer Markennamen ist:
44 | Diese Kölner Latin-Jazz-Band hat außer dem Namen nichts mit Trio zu tun, New York, Rio, Tokio war ein One-Hit-Wonder. Allerdings ist auch auf dem ersten Trio-Album von einem »TRIO de Janeiro« die Rede, das Tanzmusik (NDW!) spielt (Broken Hearts for You and Me).
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Yamaha Mitsubishi Toyota Suzuki Sony Minolta Kawasaki Sanyo Casio Toshiba. 45
Der Witz dieser Aufzählung wird noch erhöht durch die rhythmische Zuspitzung auf drei Akzente (jeweils auf der vierten, zehnten und vierzehnten Silbe) die zwar metrisch exakt gesetzt sind, aber nicht mit den Wortgrenzen und auch nicht mit der im Deutschen üblichen Betonung zusammenfallen (Toyotá statt Toyóta). Auf der Folie eines unterlegten rhythmischen »ha-ha-ha uh ha-ha-ha« einer Männerstimme erweckt diese Intonation die Assoziation fernöstlichen Kampfsports.46 Damit wird in einem Akt der Re-Exotisierung die ›Japanischheit‹ der Marken betont, die aufgrund ihrer Gängigkeit und ihres globalen Charakters im Alltag kaum noch bewusst wahrgenommen wird. Man könnte Yama-ha als konsequente Fortsetzung jener Linie ansehen, die der Produzent Conny Plank, der auch an dieser Platte beteiligt ist,47 1980 mit Ultravox’ Western Promise begonnen hatte: Jetzt wird kein mystischer Osten mehr kolonialisiert, sondern die globalisierte Kultur des Artifiziellen – »all ultra-neon, sign of the times« – kommt von dort zurück und erobert die westliche Welt. Entsprechend wechselt der dritte Block, musikalisch deutlich weicher gehalten, dann auch ins Japanische und wird damit für das deutsche Zielpublikum unverständlich: kore ga jinsei da/Tenno kore ga jinsei da/ha-ha kore ga jinsei da/Saito kore ga jinsei da/ha-ha ha-ha 48
45 | Humpe&Humpe: Yama-ha. Auf: Humpe&Humpe, WEA 1985. 46 | Dazwischen erklingt auch immer wieder ein weiblicher Laut des Dahinschmelzens. 47 | Yama-ha selbst wurde laut Sleeve Notes allerdings nicht von Plank selbst, sondern von Roma Baran produziert, die als Produzentin von Laurie Anderson ebenfalls für einen hochartifiziellen Sound steht. 48 | Im Beiheft der CD beginnen die anaphorischen Zeilen jeweils mit »Collega«, was in der Aussprache nicht zu unterscheiden ist.
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Das heißt soviel wie »Das ist das Leben«, Tenno ist der Kaiser, Saito ein Name (oder soll es eigentlich saikou ›super‹ heißen?), dazwischen findet sich das »ha-ha« wieder, nunmehr zu einem Lachlaut verschoben. Wie auch immer das zu lesen sein mag, als Konsumkritik kommt es jedenfalls nicht daher. Vielmehr ist es der coole, artifizielle, rock-ferne Habitus der HumpeSchwestern und ihres Produzententeams, der den Katalog japanischer Marken trägt und ihm sogar eine selbstreferentielle Note verleiht. Denn während die ersten zwei Verse noch Motorrad- und Automarken bezeichnen, wodurch Sony, die letzte Vokabel, zunächst aus der Reihe zu fallen scheint, steht anschließend Kawasaki allein da, während der Rest der Strophe auf etwas anderes zusteuert: Sanyo, Casio und Toshiba bezeichnen ja Produktionsmittel und Abspielgeräte für die zeitgenössische Pop-Musik, was, wie man dann rückblickend bemerkt, bereits für das titelgebende Yamaha gilt.49 Vor allem der Casio steht geradezu prototypisch für die Abwendung von handgemachter Rockmusik Anfang der 1980er Jahre – der locus classicus ist Da da da von Trio mit dem voreingestellten Casio-Rhythmus ›Rock 1‹. Und dazu passt eben auch der stimmliche Gestus, in dem die Markennamen-Lyrics von Anette und Inga Humpe vorgetragen werden: eine körperferne, komplette Künstlichkeit, die nirgends mehr die Verheißung eines Zugangs zu einer authentischen Person trägt. Es gibt im ganzen Song kein einziges monoglossisches Element mehr, das als Ausdruck eines SubjektInneren gelesen werden könnte. Das gilt insbesondere auch für jene Elemente, die traditionell einem körpernahen oder romantisch-gefühlsbetonten Modus zugerechnet werden, nämlich für den weiblichen Laut sexuellen Dahinschmelzens, der zwischen den Kampfsportlauten zu hören ist, und den Streicherpart im Mittelteil, der in diesem Kontext die massenkulturelle Aneignung klassischer Musik mit der sogenannten Suzuki-Methode assoziieren lässt. Beide wirken wie beliebig abruf- und einsetzbare Modulelemente. Im Video wird zudem die Dopplung der beiden ähnlich aufgemachten Schwestern durch einfache Überblendungen zur Betonung ihrer Austauschbarkeit und Artifizialität genutzt. Bezeichnenderweise erweisen sich die Markennamen für diesen antiauthentischen Pop-Diskurs als ebenso geeignetes Spielmaterial wie die 49 | Yamaha ist nicht nur ein Hersteller von Motorrädern, sondern auch von Pianos, Elektroklavieren, Gitarren und elektronischen Abspielgeräten. Vgl. auch Vic Chesnutts Song Wrong Piano, der ebenfalls mit einem Katalog beginnt: »Oberheim/Yamaha/Steinway and the lot«, auf: Is The Actor Happy?, Texas Hotel Records 1995.
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unverstandenen und unverständlichen japanischen Ausdrücke. Beide sind dem Register deutschsprachiger Lyrik/Lyrics zwar ›eigentlich‹ denkbar fremd, im Rahmen der generellen, ausgestellten Künstlichkeit des 80erJahre-Pop, die dieser Novelty-Song auf die Spitze treibt, stellen sie jedoch keine Fremdelemente mehr dar, die aus einem sonst muttersprachlichen50 und markenfreien ›eigentlichen‹ Diskurs herausfielen. Dazu trägt auch bei, dass sie gleich in Form eines Kataloges daherkommen und nicht mehr als Einzelwort in fremder Umgebung. Die Differenzkomik schlägt um in ein exotistisches Concetto, das in seiner unwahrscheinlichen Mischung von Komik und Coolness immerhin einen Song lang trägt.51 Weiter aber auch nicht: Der Rest des Albums ist eigentlich schon über die NDW hinaus, enthält vorwiegend englischsprachige Songs, einen spanischen und einen deutschsprachigen, der Herz auf Schmerz reimt und keine fremdsprachigen Einsprengsel aufweist (Geschrien im Schlaf ). Markennamen Fehlanzeige.
D ie R ekl amation Der Normalfall bleibt eben auch nach der Neuen Deutschen Welle der Popsong ohne Markennamen. Die Hamburger Schule erschließt in den 1990er Jahren zwar neues Vokabular für die Pop-Musik, aber nicht dieses. Eine linke, kapitalismuskritische Haltung ist der Repräsentation von Marken ebenso wenig förderlich wie die Topoi traditioneller Pop-Musik. Eine auffällige Ausnahme und vielleicht ein weiterer Schritt zur Naturalisierung der Marke im deutschen Pop ist das Debütalbum von Wir sind Helden (Die Reklamation, Labels Germany (EMI) 2003). Nicht nur gelingt es der Sängerin Judith Holofernes, relativ komplexe Satzstrukturen so zu singen, dass es nicht peinlich klingt (die NDW hatte diese Peinlichkeit durch radikal simplifizierte Texte umgangen), sie integriert dabei auch Markennamen in einer Beiläufigkeit, die ihrer Verwendung in der Umgangssprache entspricht, wie beispielsweise in der ersten Strophe von Denkmal:
50 | Das erste »ha-ha« könnte auch ›Mutter‹ heißen. 51 | Vgl. auch die Wortspiele in Meet Sue Be She der französischen Musikerin Miss Kittin, Refrain: »Meet Sue Be She Sue Zoo Key/Be Aime Double You 1,2,3«, auf: I com, Labels 2004.
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Komm mal ans Fenster komm her zu mir Siehst du da drüben gleich da hinterm Wellblechzaun Da drüben auf dem Platz vor Aldi haben sie unser Abbild in Stein gehaun
Der »Platz vor Aldi« ist eine jener im Alltag geläufigen Angaben, die so auffällig selten Eingang in die Texte finden. Aldi steht dabei nicht in heteroglossischen Anführungszeichen, sondern fügt sich, einer Ortsangabe wie »da hinterm Wellblechzaun« nebengeordnet, ganz natürlich (und frei von Komik) in die Textumgebung ein. Diese neue Selbstverständlichkeit nimmt dem Markennamen nichts von seiner Signifikanz: »vor Aldi« ist normalerweise kein würdiger Platz für ein Denkmal, die Billigkeit der Discounter-Kette wird bewusst heranzitiert, und der vorgeschlagene Vandalismus (»hol’ den Vorschlaghammer«, »die schlechtesten Sprayer dieser Stadt«) komplettiert, obwohl gut begründet, die Imagerie einer von Unterschichten bewohnten Problemzone in der Banlieue, die in diesem Song freilich nur die bildspendende Seite der Denkmal-Allegorie abgibt. Im Titelsong Guten Tag (Die Reklamation) wird diese Tendenz deutlicher in Richtung Konsum- oder sogar Kapitalismuskritik profiliert. Auch hier kommt der Markenname ganz beiläufig bereits in Strophe eins vor: Meine Stimme gegen dein Mobiltelefon Meine Fäuste gegen eure Nagelpflegelotion Meine Zähne gegen die von Doktor Best und seinem Sohn Meine Seele gegen eure sanfte Epilation
Antithetisch werden hier Vokabeln der Werbesprache gegen mit dem Possessivpronomen der ersten Person Singular autorisierte einfache Substantive (Stimme, Fäuste, Zähne, Seele) gesetzt; der Markenname Doktor Best steht in einer Reihe mit artifiziell gestylten Warenwörtern, die sich durchaus mit ähnlichen Listen aus der Popliteratur, beispielsweise in Stuckrad-Barres Prosa, vergleichen lässt. Dass »Mobiltelefon« dabei das geläufigere Wort ›Handy‹ ersetzt, ist weniger der Stilhöhe des Songtextes als vielmehr der hier praktizierten Mimikry gehobener Werbesprache geschuldet.52 Das an den Markennamen angehängte »und seinem Sohn« entautomatisiert den 52 | Dies im Unterschied zur Prosa Daniel Kehlmanns, dessen Roman Ruhm mit dem Satz beginnt: »Noch bevor Ebling zu Hause war, läutete sein Mobiltelefon«.
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geläufigen Firmentitelzusatz ›& Sohn‹ (der bei Dr. Best allerdings nicht Teil des Namens ist). Hatten solche Fast-Markennamen früher von sich aus fremd (und daher komisch) gewirkt (vgl. das Caravan-Beispiel, oder die Erfrischungswaffeln in Nina Hagens TV-Glotzer), liegt der Fall hier offenbar komplizierter. Es bedarf nunmehr schon der entgegengesetzten ›authentischen‹ Vokabeln, um allzu geläufige Ausdrücke wie »Nagelpflegelotion« und »sanfte Epilation« als von Werbeindustrie und Frauenzeitschriften vorgeprägte und also entfremdete Rede zu entlarven. Der kapitalistische Tausch des Eigenen und Eigentlichen gegen diese Art von Produkt, so die Botschaft des Songs, soll zurückgenommen werden. Die antithetischen Ausdrücke sind so aufeinander bezogen, dass der Gegensatz als politischer lesbar wird. Fäuste und Zähne sind als die wehrhaften Körperteile allegoriefähig (›Zähne zeigen‹), durch Reduktion auf Fragen der Körperpflege und Kosmetik würde, so die Aussage, diese Widerständigkeit durch Anpassung an Normen entmachtet, die von der Werbeindustrie vorgegeben werden. Gleiches gilt für die durch das Mobiltelefon von ihrer politischen Funktion (›seine Stimme erheben‹) in den Konsum gelockte Stimme. Die E-plus-Tochterfirma BASE hatte zur Zeit des Albums eine Kampagne laufen, in der ihre Telefon-Flatrate als die wahre Redefreiheit (»freedom of speech«) beworben wurde – eine explizite Vereinnahmung der politischen Vokabel. Gegen solche schleichende Überführung von Grundrechten in Konsumentenpflichten wendet sich der Song. Seine eingängige didaktische Antithetik gipfelt im vierten Vers (»Meine Seele gegen eure sanfte Epilation«), auch wenn auf den ersten Blick eher unklar erscheinen mag, was eine kosmetische Technik zur Entfernung weiblicher Körperbehaarung mit der Seele, dem authentischsten Inneren des Menschen, zu tun hat. Offenbar wird der in den letzten Jahrzehnten flächendeckend durchgesetzte kosmetische Imperativ zur weiblichen Achsel- und Beinrasur53 als Sieg eines kapitalistisch-modeindustriell global propagierten Schönheitsideals verstanden, der den Kern der weiblichen Persönlichkeit betrifft. Auch Haare gelten ja volkstümlich (etwa ›auf den Zähnen‹) wie pophistorisch (Hair) als Symbole der Widerständigkeit, ihre AusmerDass hier nicht das Handy klingelt, ist allein dem Stilwillen des Autors zuzurechnen (Daniel Kehlmann: Ruhm. Reinbek 2009, S. 7). 53 | Um von noch intimeren Rasuren zu schweigen. Nena trat in den frühen 1980er Jahren noch ohne Bedenken mit Achselbehaarung auf und sorgte dadurch nach dem globalen Erfolg ihres Hits 99 Luftballons international für Furore.
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zung an den ›falschen‹ Stellen kann als Anpassung an den Wunsch-Blick des männlichen Konsumenten auf den weiblichen Körper gedeutet werden; die entsprechende Debatte führt der Feminismus seit Jahrzehnten, durch Charlotte Roches Feuchtgebiete (2008) ist sie noch einmal medienwirksam wiederbelebt worden. Der Wir sind Helden-Song nennt Markennamen und andere Ausdrücke der Werbesprache, um sie als Elemente einer falschen, von der Konsumindustrie beeinflussten Rede zu markieren, die auf ein ebensolches Selbstbild und letztlich ein fremdbestimmtes Leben verweist.54 Im Netz findet man unter dem Stichwort »sanfte Epilation« zum Beispiel den Testbericht einer Katrin, dessen Sprache einen guten Eindruck von dieser Figuration vermittelt. Katrin gibt sich zunächst authentisch begeistert ob ihrer Auswahl als Produkttesterin, was sich durchaus sprachproduktiv auswirkt (»Man war ich aufgeregt – ich darf einen Epilierer testen *vorfreudeandiedeckehüpf*«55), um sich dann aber sachlich wie sprachlich ganz in den Bahnen der Firmen-Vorgaben zu bewegen: »Durch das Smartlight kann man auch unter Wasser sehr gut erkennen, wo noch kleine Härchen übrig sind, die noch wegmüssen.«56 Just diese Assimilation der eigenen Sprache an den vorgegebenen Diskurs, wie sie sich unter anderem an der aktiven Übernahme von Wörtern wie »Smartlight« zeigt, ist es, die in den Antithesen von Die Reklamation aufgerufen und zurückgewiesen wird. Das Epilieren gerät dabei metaphorisch in eine Reihe mit ›Zähne ziehen‹, und umgekehrt kann die Opposition selbst in der Sprache des Produkttestens und der Kaufverträge formuliert werden: »Ich hatt es kaum zuhause ausprobiert da wusste ich schon/An dem Produkt ist was kaputt, das ist die Reklamation.« Als defektes »Produkt« zurückgewiesen wird nicht nur eine einzelne Ware, sondern der gesamte von der Konsumindustrie angebotene Lebensentwurf. Im Spiel mit der Sprache der Gegenseite (inklusive Markennamen) finden Wir sind Helden für diese Geste eine etwas subtilere Form als der im übrigen gleich54 | Dass man als Popband selbst den Gesetzen von Markt und Marketing unterliegt, ist Thema des Videos zu Guten Tag. Z.B. denkt der Produzent angesichts des Songs: »Konsumkritik + Sex = €«. Die einzige Marke, die man erkennt, ist die der Marshall-Boxen. 55 | Testbericht: »Sanfte Epilation (Braun 7781)«, www.dooyoo.de/epilierer/braun7781/1327125/, 15.11.2009. Man erfährt, dass die Autorin verheiratet, also vermutlich kein naiver Teenager mehr ist. 56 | Ebd.
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sinnige Song Piece of Crap des ehrlichen Maklers Neil Young: »Saw it on the tube/Bought it on the phone/Now you’re home alone/It’s a piece of crap«.57 So wenig wie Young, wenn er explizit weder für Miller noch für Bud(weiser) singt, gelingt Wir sind Helden dabei jedoch ein Standpunkt außerhalb. Das zeigt sich exemplarisch im Versuch ihrer Frontfrau Judith Holofernes, auf eine von der Werbeagentur Jung von Matt entworfene Bild-Kampagne zu reagieren, die von verschiedenen Promis ihre ›kritische‹ Meinung zur Zeitung erfragte und in Briefform auf Werbeplakaten und in Anzeigen abdruckte (Claim: »BILD Dir Deine Meinung!«). Holofernes richtet ihre Antwort direkt an ihre Generationsgenossen, die Werber von Jung von Matt: ich weiß, dass ihr im ersten Semester lernt, dass das Medium die Botschaft ist. Oder, nochmal anders gesagt, dass es kein »Gutes im Schlechten« gibt. Das heißt, ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.
Dieses durchaus komplexe, von McLuhan (»the medium is the message«), Adorno (»Es gibt kein richtiges Leben im Falschen«) und Luhmann (»Werbung arbeitet unaufrichtig. Sie setzt voraus, dass das vorausgesetzt wird«.58) gespeiste Wissen hindert sie nicht daran, ihre Absage mit Klartext zu schließen: Die BILD-Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-Kulturgut […]. Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – […] ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda. 59
Was daraufhin freilich geschieht, ist das Vorhersagbare: Bild nimmt den Absagebrief in die Werbekampagne mit auf und druckt ihn in Anzeigen, schließlich passt er ins Format (»BILD bedankt sich bei Holofernes für ihre ehrliche und unentgeltliche Meinung«).60 Es bestätigt sich damit, 57 | Neil Young & Crazy Horse, Piece of Crap, auf: Sleeps With Angels, WEA 1994. 58 | Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien. Opladen 1995, S. 36. 59 | Brief, Anzeige und Interview zit.n. http://blogs.taz.de/hausblog/2011/02/ 27/bild-zeitung_wirbt_mit_holofernes-absage/. 60 | Immerhin bleibt ein Unterschied in der Gestaltung: Holofernes’ Brief wird als ganzer wiedergegeben, während alle anderen kürzere Statements abgeben, die zumeist handschriftlich abgebildet werden.
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was die Autorin eigentlich wusste: »dass es kein ›Gutes im Schlechten‹ gibt« bzw. »dass niemand, der sich in das Bezugssystem dieser Kampagne begibt, ungeschoren davonkommt« (Holofernes im taz-Interview). Selbst die Absage und die durchaus bestimmte Negation des Proponierten – Bild als kulturelle Größe, zu der man sich verhalten muss – sind wiederum nur innerhalb des gegebenen Medienformats repräsentierbar, als ›Content‹, und kommen diesem nicht bei. Obwohl Holofernes dessen »bösartiges Wesen« durchschaut, wird ihre »ehrliche Meinung« von ihm vereinnahmt – das Spiel ›ich weiß dass du weißt dass ich weiß etc‹ kennt eben kein Außen. Im taz-Interview gibt die Sängerin zu, ihren Brief an Jung von Matt durchaus auch »in die Öffentlichkeit« geschrieben zu haben, die ihr dann eben nicht nur durch den Band-eigenen Server, sondern auch durch Bild beschert wird. Ihr eigenes Verhalten ist zwar immer noch eine Umdrehung der Schraube von dem der Promis entfernt, die die Kampagne einfach mitmachen (etwa Alice Schwarzer, Gregor Gysi oder Bill Kaulitz von Tokio Hotel), dennoch ist die Befürchtung nur allzu berechtigt: »Ich bin ja schon nicht sicher, ob man so was machen kann, was ich da jetzt gemacht habe, ohne am Ende Werbung für die Bild-Zeitung zu machen.« Nein, kann man wohl nicht, zugleich macht man so aber auch Werbung für sich und die eigene Position, die als mögliche in einem Paradigma anderer möglicher Positionen auftaucht. Übrigens scheint von hier aus gesehen auch die vermeintlich stumpfere Lösung von Trio als durchaus bedenkenswerte: In Herz ist Trumpf hatten diese sozusagen den Typus des Bild-Lesers bei ihrer Erwähnung des Blattes gleich mit figuriert: »Ich lese jeden Tag mein Horoskop in der Bild« – da kann man sich überlegen, ob die Ich-Figur hier zum Role Model taugt oder man intellektuell vielleicht doch eher in Richtung Judith Holofernes tendiert. »Die Warenästhetik blättert Wer-bist-Du-Kollektionen auf«, schreibt Haug,61 und Pop trägt, als Teil des konsumästhetischen Angebotes unserer Gegenwart, zu diesem Sortiment alternativer Selbstentwürfe bei. Das gilt auch für den Einsatz von Judith Holofernes und ihrer Band in diesem Falle. Entscheidend ist jedoch, dass dies immer nur innerhalb der Medienund Marktsphäre möglich ist, als »Infinite Content«, um Arcade Fire zu zitieren.62 Und bevor sich jetzt die Altmarxisten auf die Schulter klopfen 61 | Haug: Warenästhetik, S. 159; vgl. auch Ullrich: Habenwollen, S. 47. 62 | Dazu passt auch Judith Holofernes Hoffnung, »dass die Art, wie ich das getan habe, den ein oder anderen amüsieren könnte und vielleicht auch ein bisschen er-
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und rufen, das hätten sie ja schon immer gesagt (doch, ja, haben sie!): Falsches Bewusstsein wäre in diesem Fall die Annahme, es gäbe eine kritische Position außerhalb. Die Werber von Jung von Matt könnten die Arbeit verweigern, Judith Holofernes könnte auf die Anfrage der Agentur gar nicht reagieren, aber das würde zu bloßen und unmarkierten Ausfällen führen, sprich: das Gesamtangebot nur verarmen lassen und nicht verbessern. Nur die markierte Verweigerung, die Reklamation, ermöglicht eine bestimmte Negation – und ist darin zugleich immer schon eine Form der Teilnahme. Quod erat demonstrandum.
E in einziger gigantischer W erbespot Was hat die Erkenntnis, dass Kritik nur im Paradigma der Teilhabe an Markt und Medienöffentlichkeit möglich ist, mit der Verwendung von Markennamen und Ausdrücken der Werbesprache in den Songtexten zu tun? Nun, man könnte argumentieren, dass der semiotische Effekt dieser Verwendung demjenigen ähnelt, der entsteht, sobald Pop-Musik anfängt, Deutsch zu sprechen, was in den oben behandelten Beispielen ja nicht selten parallel verläuft. Man bricht zunächst eine Diskursregel (um das dramatischere Wort ›Tabu‹ zu vermeiden): Pop-Musik spricht Englisch (Über Sex kann man nur auf Englisch singen, Tocotronic) und vermeidet Markennamen und damit den Hinweis auf ihre eigene Warenförmigkeit. Indem man diese Regeln bricht, kommt das eigene Produkt auf einmal nicht mehr als selbstverständlich, unmarkiert und natürlich daher, sondern als tendenziell verkrampft, markiert und künstlich. Zugleich gibt es aber eine offenkundig falsche Identität auf, legt sozusagen die Maske ab: Man ist als deutschsprachiger Musiker eben im Englischen nicht zu Hause (Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk, Tocotronic), sondern immer im Modus der Mimikri. Und man möchte in der Tat, dass die Hörer nicht nur ihre Sympathie, sondern auch ihr Geld geben, sprich: Man möchte in den Medien verbreitet werden und auf dem Markt Erfolg haben. Popular, Mass Produced, Big Business (Richard Hamilton) sind und bleiben originäre Attribute des Pop, auch wenn bei allen Parametern diverse Abstufungen möglich bleiben. Diese Wahrheiten sind auf einmal out in the open, das hellen« (l.c.) – prodesse et delectare, mit der Betonung auf dem Amüsement. Wir erinnern uns an MacCannell: Das Gutfinden kommt vor dem Verstehen.
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heißt aber: Die eigenen Songs müssen sie mehr oder weniger ausdrücklich thematisieren, sie werden lesbar als Auseinandersetzung mit ihnen. Darin ist zweifellos eine paradoxe Tendenz am Werk: Indem man Markennamen und Werbeausdrücke verwendet, macht man einerseits zwar den eigenen Song im oben explizierten Sinne ›awkward‹ (z.B. lustig), doch trägt man dadurch andererseits nolens volens auf längere Sicht auch zu einer Normalisierung von deren Verwendung bei. Das eine ist der entautomatisierende Bruch der Norm, im anderen deutet sich bereits der Ansatz einer neuen, gelockerten Diskursregel an, eine neue Automatisierung und Naturalisierung von deutschem Pop. Bislang allerdings hat diese nur auf dem Gebiet der Sprache eingesetzt, nicht auf dem der Warenform. Wir sind Helden sind vermutlich die Band, die am stärksten zum Durchbruch einer neuen deutschen Normalität in der Pop-Musik des 21. Jahrhunderts beigetragen hat. Sie ebneten den Weg für Acts wie Klee, Juli und Silbermond, denen jede Verkrampftheit (im terminologischen Sinne Frank Apunkt Schneiders) abging, deren Pop in keiner Weise mehr widerständig wirkte und daher auch ohne Quote zur dominanten zunächst deutschsprachigen, dann überhaupt Musik in deutschen Mainstream-Radiosendern wurde. Diese Musik – Wir sind Helden selbst würde ich nicht dazurechnen – ist nicht mehr von Schlager zu unterscheiden, wird aber von den meisten Hörern offenbar immer noch als legitim pop-förmig verstanden.63 Als Jan Böhmermann sich diese Musik im April 2017 in seiner TV-Show vorknöpft, lautet der Vorwurf auf lieblose schematische Machart und reine Marktförmigkeit in Tateinheit mit Pseudo-Bedeutsamkeitsposen, sprich: Midcult. Leute wie Max Giesinger, Matthias Schweighöfer, Tim Bendzko, Andreas Bourani, das DJ-Duo Gestört aber geil oder die Band Frida Gold produzierten (mit der verschwiegenen Hilfe der immergleichen Profis) »seelenlose Kommerzkacke« und verkauften diese als echte, autobiographische Erfahrungen voller Sorge um die Welt. »Bio-Musik aus industrieller Käfighaltung«, resümiert Böhmermann. Zum Beweis lässt er Schimpansen Schnipsel aus Werbung, Tweets und Kalendersprüchen kombinieren und baut daraus den Song Menschen Leben Tanzen Welt, den er in einem Video aus Stock Footage performiert. Und wenn er 63 | Parallel dazu feiern freilich auch eindeutige Schlager-Acts wie Andrea Berg und Helene Fischer beim jungen deutschen Publikum enorme Erfolge – wohlgemerkt in uncampiger, unironischer Rezeption.
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sich frage, woher er das Gefühl kenne, dass diese Musik vermittle, »diese leere gute Laune, diese grundlose Gefühlsduseligkeit«, falle ihm die Fernsehwerbung ein, namentlich der Spot Ein schöner Tag für Diebels Alt.64 »Der deutsche Pop der letzten zehn Jahre ist nichts als ein einziger gigantischer schmalziger Werbespot.«65 Wir können hinzufügen: Selbstverständlich kommt diese von Böhmermann mit Werbung gleichgesetzte Musik wieder gänzlich ohne Verwendung von Markennamen aus. Midcult, also die Eigenschaft, den RezipientInnen eine Teilhabe an bedeutender, echter, tiefer, sinntragender Kultur (hier: Popkultur) vorzugaukeln, obwohl man ihnen bloß leichtverdauliche Unterhaltung als Dutzendware liefert (was für sich genommen auch in Böhmermanns Augen nicht verwerflich wäre), verträgt sich nicht mit einer Reflexion über den eigenen Warenstatus. Als aus den Texten und Selbstaussagen der Performer Verdrängtes kehrt dieser freilich in der professionell und systematisch betriebenen Schleichwerbung der Videos zurück, die Böhmermann genüsslich aufdeckt: Alina von Frida Gold rennt in Langsam sinnfrei vor einem Mercedes C-Klasse Cabriolet davon, das sie selbst steuert, im Gestört aber geil-Video zu Geh nicht weg wird nach dem Sex erstmal ein Pick Up-Keksriegel verzehrt und Glasperlenspiel setzen im Video Für immer AEG-Küchengeräte und -Staubsauger in Szene. Im Hip-Hop, wo sämtliche Formen von Audiobranding und Product Placement gängige Münze sind, werden diese im Unterschied dazu eben nicht schleichend, sondern ganz offen und un-verschämt praktiziert.66
64 | Der Spot verwendet den seinerzeit (1992) aktuellen Schlager Welch ein Tag von Mario Jordan. »Das Glück hat einen Namen«, heißt es darin; dieser wird jedoch nicht genannt. 65 | Jan Böhmermann: Eier aus Stahl. Max Giesinger und die deutsche Industriemusik. In: Neo Magazin Royale vom 5.4.2017; abrufbar unter www.youtube.com/ watch?v=nFfu2xDJyVs (27.8.2017). Dort alle Zitate. 66 | »Warum funktioniert es im Hip-Hop? Weil es im Rap und Hip-Hop schon immer um eine Kultur des Protzens ging, die als trendsetzender Markenfetischismus ausgelebt wird.« Claus Lochbihler, »Wenn der Hip-Hop-Dollar durch die Strassen rollt«, in: nmz 12 (2003), www.nmz.de/artikel/wenn-der-hiphop-dollar-durchdie-staaten-rollt, 22.11.2009. Vgl. auch Eliot van Buskirk, »Products Placed: How Companies Pay Artists to Include Brands in Lyrics«, in: Wired – Listening
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Die Verdrängung gilt auch den anderen beiden Parametern: Das Englische ist inzwischen der neuen Norm des Deutschen gewichen, und die Nähe zum Schlager ist längst zur unmarkierten Ununterscheidbarkeit geworden; Böhmermann konstatiert ein »Revival des Schlagers unter falscher Flagge«. So sehr man sich vor generalisierten Verdikten hüten muss – schematische, serielle Produktion und Marktförmigkeit waren ja schon immer Vorwürfe gegen kulturindustrielle Produkte im allgemeinen und Pop-Musik im Besonderen –; für den historisch konkreten Fall von Giesinger, Bourani & Co. hat Böhmermann mit seiner Kritik recht. Es ist gerade das vermeintlich Unverkrampfte dieser neuen deutschen PopMusik, die Tatsache, dass ihr das Verhältnis zum englischsprachigen Pop (bzw. zu ihrer Deutschheit), zur eigenen Warenform und zum Schlager selbst nicht zum Problem wird, das sie als Deutschpop schwer erträglich macht. Und dabei argumentieren wir rein im Ästhetischen und reden noch gar nicht von den politischen Implikationen dieser neuen deutschen Selbstverständlichkeit, die bereits früh von der I Can’t Relax in Deutschland-Initiative kritisiert wurden.67 Man vergleiche damit den Umgang mit musikalischen Versatzstücken (Rock 1), Markennamen und Schlager in der Neuen Deutschen Welle, wie wir ihn oben beschrieben haben, und die Unterschiede werden unmittelbar evident. Insbesondere die NDW hatte die eigenen Bedingtheiten auf der Suche nach einem möglichen deutschen Pop-Idiom um den Preis eines Sich-selbst-in-Anführungszeichen-Setzens immer wieder thematisiert und die damit verbundenen Krämpfe und Peinlichkeiten, mitunter bis an die Grenzen der Blödelei und darüber hinaus, in Kauf genommen.68 Ihre offensive Verwendung von Markennamen war Teil dieses Prozesses. Allerding trifft Böhmermanns Verdikt des deutschen »Pop der letzten zehn Jahre« als »schmalziger Werbespot« zwar ein ubiquitär präPost 19.9. (2008), www.wired.com/listening_post/2008/09/products-placed/, 26.11.2009. 67 | Vgl. Buch und CD: I Can’t Relax in Deutschland. Eine Initiative von Unterm Durchschnitt, Conne Island, Beat Punk Webzine, Guess I Was Punk, Propellas und Blackstar Conspiracy. Köln 2005. 68 | Deshalb, könnte man sagen, wird auch Udo Lindenberg zu Recht als Pate deutschsprachiger Pop-Musik gefeiert, und eben nicht Ton Steine Scherben, die zu einer selbstverständlichen Rockmusik linke Parolen intonierten.
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sentes und erfolgreiches, jedoch letztlich nur ein schmales Segment der Gesamtproduktion. Daneben gibt es ein ganzes Universum von Independent Bands, die davon nicht betroffen sind, auch wenn sie, wie etwa PeterLicht, Messer, Ja, Panik und viele andere, häufig pop-konform auf Markennamen in ihren Lyrics verzichten. Wohltuende Ausnahme ist in diesem Fall die österreichische Band Bilderbuch, die seit ihrem dritten Album Schick Schock (2015) eine bislang ungekannte, Falco und Prince verpflichtete Coolness in den deutschsprachigen Pop bringt, ohne dabei auf die genannten semiotischen Aushandlungen zu verzichten. Souverän wird von Anfang an Deutsch mit Englisch gemischt wie zu Zeiten Falcos oder Trios: »Zimmer mit Blick aufs Meer/So much love in the air« beginnt etwa der Song Softdrink. Genauer gesagt: Er beginnt mit etwas Atmo und dem Geräusch, das beim Öffnen einer Getränkedose entsteht. Werbespot? Ja – aber eben nicht hinterrücks, sondern ganz offensiv, auch »mit Blick aufs Meer« ist ja die Sprache touristischer Werbeanzeigen, und mit dem englischen Vers ist die leichte, wenngleich englischsprachige Muse angespielt, John Paul Youngs Disco-Klassiker Love Is in the Air von 1977. Ein anderer Song auf der Platte heißt Barry Manilow. Zusammen ergibt das eine leicht campige, österreichisierte, aber durchaus positiv konnotierte Yacht-Rock-Atmosphäre, die auch in anderen Songs (z.B. Feinste Seide, Schick Schock, Gigolo) mit Images arbeitet, die man aus der Werbung kennt, etwa für Peter Stuyvesant, Bacardi oder Raffaelo. All dies geschieht markiert, und wenn man im Folgenden nicht recht weiß, ob das angesungene Du jetzt die Geliebte oder doch ein Softdrink ist, dann ist genau diese Ambiguität der Witz der Strophen: S of t! Du prickelst so S of t! Süßes sei S of t zu mir! S of t! Eiskalt und so S of t! So fresh und so S of t! Es perlt an deiner Haut Also mach dich auf! Softdrink.
Das Schlüsselwort SOFT (meine Hervorhebung) wird dabei in der Intonation und Instrumentierung herausgehoben wie ein häufig wiederholter
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Markenname – der jedoch zunächst nicht fällt. Interessanterweise schaltet sich irgendwann die Stimme eines Rappers ein, der behauptet, zwar kein Deutsch zu können, sich aber in diese Band (Bilderbuch, Name fällt ebenfalls nicht) verliebt zu haben. Erst mit dem Übergang zu diesem RapParlando schaltet der Song auf einen Katalog von Markennamen gängiger Softdrinks, der dann als Outro mehrfach wiederholt wird: Coca-Cola, Fanta, Sprite, 7up, Pepsi, alright Alright, alright, alright, alright, ok.
Es ist, als ob der Song und mit ihm das ganze Album sich sozusagen die Lizenz zum Markenkatalog vom Rap holten, also aus der musikalischen Sphäre, in der so etwas unmarkiert möglich ist (und die gegenüber dem übrigen Album als Bruch empfunden wird69). Der Rapper beginnt dann, frei und etwas kryptisch zu diesen Marken zu assoziieren, was schließlich auf eine Reflexion über das sehr deutsche Getränk »Spezi« als Mischung von Cola und Fanta70 hinausläuft (»how dare you make a fine ass Spezi, baboonish! You drink, you swallow, that Ferry mix with coke and fanta called Spezi!«). Die Mischung von zwei internationalen Marken ergibt etwas originär Deutsches bzw. im deutschen Sprachraum Beheimatetes: Coca-Cola + Fanta = Spezi, Yachtrock + Rap = Bilderbuch – oder auch den englischsprachig-österreichischen Hip-Hop von Lukas König alias MC Bishop, der sich hinter dem vermeintlich amerikanischen Rapper verbirgt. Bei ihrem Auftritt im Neo Magazin Royale im Mai 2015 wird die Band von tanzenden Stewardessen gerahmt, was den Jet Set-Yacht-Charakter ebenso unterstreicht wie das Gold-Lamé-Sakko des blondierten Sängers Maurice Ernst.71 Den Rap-Part übernimmt Böhmermanns Hausact Dendemann und reimt dazu etwas Komplexes unter Verwendung von Vo69 | Vgl. etwa den Rezensenten auf Noisey, der allerdings den amerikanischen Rapper für bare Münze nimmt: https://noisey.vice.com/de/article/6w8y8x/bilder buch-schick-schock-432 (30.8.2017). 70 | Der Hinweis sei erlaubt, dass die erste wirklich erfolgreiche deutsche Rap-Formation den Namen Fanta 4 trug. 71 | Das wiederum das Material der Sleeves der Doppel-LP Schick Schock aufnimmt und zugleich eine sehr andere Reminiszenz an 50,000,000 Elvis Fans Can’t
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kabeln wie »Schweppes-Gesicht«, »Zisch-Limonaden« und »kein Light, kein Zero«.72 Seine Erweiterung des Softdrink-Katalogs rekurriert dabei ausdrücklich auf Partikularitäten, wie sie außerhalb von Rap eben kaum möglich sind: eine Werbekampagne von Schweppes seit den 1990er Jahren (»Kein Schweppes-Gesicht – keine Erfrischung!«) sowie eine sehr deutsche Brausemarke von Voelkel73 namens BioZisch (mit Geschmacksrichtungen wie Rhabarber, Quitte oder Rosenblüte). Dendemann praktiziert ein Verfahren eigenen Rechts zwischen Albernheit und Virtuosität; Bilderbuchs Verwendung der Softdrink-Markennamen dagegen rekurriert auf deren tiefsitzendes positives Werbeimage als gutes Sommergefühl: prickelnd, perlend, eiskalt, fresh, das zugleich das Pop-Image ist, auf das der eigene Style zielt. Der englische Ausdruck ist hier gegenüber dem deutschen ›Stil‹ vorzuziehen, weil er im Deutschen genau die Anführungszeichen immer schon mittransportiert, um die es wesentlich geht: Style, österreichisch: Schick, heißt »Leben« bzw. Pop-Musik machen »als eine Rolle Spielen« (Susan Sontag), und warum soll das nicht die vermeintlich unerreichbare sein, die uns Werbebilder mit hohem Fiktionswert vorgelebt haben? Woher, so fragt Barry Manilow, ziehen wir unsere Kraft – aus der Stille? Aus Pharmazeutika? Oder nicht eben doch aus diesen – fraglos und wie jeder weiß halbseidenen – Bildern, wie sie uns Werbung und Schlager (bzw. Yacht Rock) vermitteln: Jetset, »weißer Sand«, weißer Anzug, »so fresh und so soft«, »an der Copacabana«? Der Song schwelgt in ihnen in einem ebenfalls schwelgenden, filter-geprägten fetten Sound, wobei mit der Titelzeile (»Barry Manilow«) immer sozusagen die Quelle mit angegeben ist, der amerikanische PopSänger mit einem Image nahe am Schlager, den wir über sein eigenes Very Strange Medley bereits als überaus erfolgreichen Werbesong-Schreiber kennengelernt haben: ein einziger gigantischer schmalziger WerbeBe Wrong darstellt als etwa die Cover von Monarchie und Alltag der Fehlfarben und L’Etat et Moi von Blumfeld. 72 | Sowie dem vierzehnsilbigen Reim: »Und den nächsten dummen Hund/Der ein’ Reim mit vierzehn Silben sucht/Erschlägst du ohne Grund/Mit deinem liebsten Bilderbuch«. 73 | Die der Anthroposophie nahestehenden Firmengründer Karl und Margret Völkel waren laut Firmenwebsite »Pioniere im Geiste der Wandervögel« und produzierten »Naturkostsäfte seit 1936« (https://voelkeljuice.de/unternehmen-stiftung/geschichte.html, 30.9.2017).
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spot. Bilderbuchs dritte Strophe nun entschlackt plötzlich den Sound (Effekt: sie wirkt ›realistischer‹) und die Lyrics nehmen Fahrt auf: Lola, nimm mich mit! Du hast den Schick so fest im Griff Mit deinen Buffalo Boots, Buffalo Boots! Lass mich sein dein Dancing-Star In Vienna, Copa Cagrana. Ich weiß Bescheid jetzt, We take a ride jetzt! Life is a rollercoaster! Lauf, Lola! Lauf jetzt!
Angesprochen ist eine Frau mit demselben Namen wie die in Manilows Hit Copacabana (auf: Even Now, 1978): »Her name was Lola/She was a show girl«. Ihr Style ist durch ihre Schuhe charakterisiert: Buffalo Boots – amerikanischer Name, tatsächlich aber ein deutsches Produkt (mit Plateausohlen), ja ein Markenname, mit Assoziationen in Richtung 90er, Techno, Ibiza und Eurodance.74 Dieser halbseidenen Mischung entspricht auch sprachlich die Mischung von Deutsch und Englisch, die bis in den Satzbau reicht: »Lass mich sein dein Dancing Star«. Wie in Trios Nur ein Traum geht es hier um etwas überaus Ernstes, ja man könnte sagen: ums Ganze, um die Möglichkeit nämlich, den Manilow-Schick in konkreten österreichischen Verhältnissen glaubhaft und mit Würde zu realisieren. Und so wird aus Wien »Vienna« (Falco, Ultravox) und aus der mythischen brasilianischen Copacabana wortspielerisch »Copa Cagrana«, mit Bezug auf den wenig glamourösen Bezirk Kagran in der Wiener Donaustadt.75 Die Inkulturation im Hier der Wiener Randbezirke wird durch das im 74 | Prominent getragen werden Buffalo Boots etwa von den Spice Girls oder im Video zu Up & Down von den Vengaboys (1998). 75 | Ein Freund assoziierte spontan: »Tattoos auf Sonnenstudiobräune, Leggings, getunte Sciroccos, Chiwawas mit falschen Blondinen«. Pophistorisch einschlägig ist Wolfgang Ambros’ Groß in Kagran (auf: Nach mir die Sintflut – Ambros singt Waits, 2000), eine österreichische Cover-Version von Tom Waits’ Big in Japan (1999, »I got the style but not the grace«), mit Bezug auf die Pop-Redensart, deren Austro-Variante »Weltberühmt in Österreich« lautet, und den gleichnamigen EuroPop-Hit von Alphaville aus Münster (1984).
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Folgenden ostinativ wiederholte »jetzt« auch zeitlich markiert. Mit Life Is a Rollercoaster wird dabei eine weitere Schmalzpopnummer aufgerufen, Ronan Keatings gleichnamiger Hit aus dem Jahre 2000 (doch, auch den kennen Sie:) »We found love, oh/So don’t fight it/Life is a rollercoaster/ Just gotta ride it«, was bei Bilderbuch dringlich gemacht wird: »We take a ride jetzt!« oder, mit Trio gesprochen: »Nur ein Traum/I know I know/ But I wish it was real«.76 Pop, haben wir gesagt, fordert die Einlösung der kulturindustriellen Versprechen im Hier und Jetzt. Diese Versprechen mögen »unaufrichtig« sein (Luhmann), das ändert aber nichts daran, dass sie unsere Träume vom guten Leben transportieren. »Ich weiß bescheid jetzt« sagt beides: Ich weiß, dass die Images nicht »real« sind, und ich weiß, dass ich selbst hier und jetzt den Sprung wagen muss, um den Pop-Traum zu verwirklichen, das gelobte Land Rael, und sei es in Kagran im Jahre 2015, und zwar bei vollem Risiko und unsicherem Ausgang, wie Lola in Lola rennt, dem generationsprägenden Tom-Tykwer-Film von 1998.77 Und genau das inszeniert Barry Manilow im Anschluss an die Lola-Strophe: Plötzlich ist alles wahr, An der Copacabana Weißer Sand Nice Nice Nice
»Plötzlich ist alles wahr« – das ist der ultimative Pop-Moment, in dem das stets kontingente, bedingte, defizitäre Hier und Jetzt mit der Erfüllung zusammenfällt, die es nur im Pop, im Modus des Ästhetischen, geben kann. Er lässt sich nicht auf Dauer stellen, wie das im Medium epischer Fiktion Leif Randts Roman Schimmernder Dunst über Coby County (2011) macht, dessen Ortsname nicht zufällig ebenfalls an die Softdrink-Weltmarke erinnert. Deshalb ist er aber nicht weniger wahr – man rufe sich noch einmal das Bild des weiblichen Rolling Stones-Fans aus der T.A.M.I. 76 | Dabei wird »real« bei Trio mit sehr deutschem R ausgesprochen, was wiederum die Differenz zur ›natürlichen‹ englischsprachigen Popkultur markiert. 77 | Vielleicht ist im Namen Lola auch noch ein dritter Pop-Bezug versteckt, der auf den gleichnamigen Hit der Kinks von 1970, in dem der Softdrink Cherry Cola (»C-O-L-A Cola«) eine prominente Rolle spielt. Bilderbuchs (und auch schon Manilows) Gender Bending würde dazu passen.
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Show vor Augen! Was hier geschieht, ist eben nicht Beihilfe zur und Verklärung von Realitätsflucht als Verdrängung realer Zustände, wie Böhmermann es zu Recht an Max Giesinger und Konsorten bemängelt.78 Es ist kein falsches Gebrauchswertversprechen einer dubiosen Funktionsmusik (»Sie setzt die Kopfhörer auf/Macht die Musik ganz laut/Und wenn sie tanzt, ist sie woanders/Für den Moment dort wo sie will« 79). Es reproduziert nicht das unehrliche Versprechen eines schmalzigen Werbespots, sondern realisiert die Wahrheit von dessen Fiktion in ihrer ganzen Fülle: »Plötzlich ist alles wahr«, für einen glückhaften Moment, der im Fall von Barry Manilow auch noch das grandiose Gitarrensolo umfasst. Der Namensgeber des Songs und sein Hit Copacabana werden dabei ebensowenig desavouiert wie die Softdrink-Werbung in Softdrink. Sieht man genauer hin, spielt ja auch Manilows Song nicht, wie vermutlich die allermeisten Hörerinnen meinen, am berühmten Strand von Rio. Copacabana bezeichnet dort vielmehr ausdrücklich einen Ort »north of Havana (here)«, einen ehemaligen Nachtclub, der heute einer Disco gewichen ist. Da Havanna bereits an der Nordküste Kubas liegt, muss dieser Ort wohl in den USA liegen. Folglich ist die Lateinamerikanität, die der Song in Titel, Lyrics (»She would merengue/And do the cha-cha«) und vor allem Instrumentierung transportiert, ebenfalls nur eine geborgte.80 Nachdem er die traurige Geschichte Lolas gesungen hat, verwandelt sich Manilow auf der Bühne selbst in einen eleganten, weißgekleideten Merengue-Tänzer und demonstriert so mit Hilfe seiner eigenen Showgirls, wie es geht. Die Aneignung in Kagran ist also nur eine weitere Abschattung in einer allgemeinen Appropriationskette. Während es bei Manilow aller78 | Und wie sie auch mit »Stille« (Urlaub, Meditation, Manufaktum) oder »Pille« (Stimmungsaufheller, Mother’s Little Helpers, Drogen) herbeiführbar wäre. 79 | Max Giesinger: Wenn sie tanzt (auf: Der Junge, der rennt. Sony 2016). Die Rede ist von einer alleinerziehenden Mutter. Das Video zeigt sie in attraktiven Posen (Böhmermann: als MILF). Sie begehrt zwar Sex (also einen wie Giesinger im Video, Typ dauerlächelnder Frauenversteher mit Dreitagebart), ist aber am Ende doch mit ihren Kindern glücklich (Luftballons, über Wiesen laufen, sind so kleine Hände). Rührend. Kitsch halt. 80 | Man könnte so weit gehen, die angedeutete Handlung – Rico nähert sich Lola, die aber Tony gehört, der daraufhin Rico angreift und von diesem erschossen wird – als eine Art Rache Lateinamerikas an dieser Appropriation zu lesen (Tony als Nord-, Rico als Lateinamerikaner).
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dings bloß bis zum Show-Faktor des Pop reicht (»Let me entertain you«, um Robbie Williams zu ziteren), zur guten Tanz- und Unterhaltungsmusik, dringt Bilderbuch zum intensiven Pop mit seiner existenziellen Wucht vor (»Plötzlich ist alles wahr«). Die zahlreichen Anführungszeichen des Uneigentlichen, mit denen die österreichische Band dabei operiert – und Camp im engeren Sinne ist dabei nur eine Variante unter vielen – behindern diesen Umschlag ins Intensive nicht, sondern sind geradezu seine Bedingung. Sie sind es eben, die im inkriminierten Deutschpop von Giesinger & Co. fehlen. Anders als Manilow begnügt sich dieser ja nicht damit, Unterhaltungsmusik zu sein, sondern gibt vor, »real«, d.h. existenziell bedeutsamer Pop zu sein, ohne jedoch die Anstrengung zu unternehmen, diese Realness in der Auseinandersetzung mit der eigenen Deutschheit, Warenform und Schlagernähe auch formal zu beglaubigen. Das ergibt die »strukturelle Lüge« des Midcult. Adorno und Judith Holofernes hatten unrecht: Es gibt das Wahre im Unwahren – und vielleicht nur dort. Gelungener Pop bringt es zur Erscheinung.
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Schluss V om guten L eben I fell in with some drifters Cast upon a beachtown Winn-Dixie cold cuts and highway hand me downs And I wound up fixing dinner For them and Boston Jim
Es könnte alles so schön sein – und ist es ja für die allermeisten von uns in den westlichen Überflussgesellschaften eigentlich auch. Man lebt ein gutes Leben und kauft die dazu nötigen Dinge, z.B. Aufschnitt, im Supermarkt ein,1 wie hier in Joni Mitchells Refuge of the Roads (auf: Hejira, 1976). Der Song kann ganz selbstverständlich davon erzählen, alles passt bis in die Lautgestalt hinein: »Winn-Dixie – fixing Dinner«, das ist ja schon fast ein Schüttelreim. Warum sind solche unmarkierten Nennungen jener Markenprodukte, die unseren Alltag wie unsere Festtage bestimmen, in Pop-Musik so überaus selten anzutreffen? Weil, so legen die Ergebnisse dieser Studie nahe, die ästhetischen Lebensentwürfe, die Pop-Musik im kulturindustriellen Dispositiv von Angebot und Nachfrage hervorbringt, in direkter Konkurrenz zu jenen stehen, die parallel dazu die Markenwerbung entwirft und über die gleichen Kanäle verbreitet. Beide sind warenförmig, mit beiden lässt sich (viel) Geld verdienen. Die Asymmetrie, von der unser Buch ausgegangen ist – und die darin besteht, dass Markenwerbung zwar heiß auf Pop-Musik ist, Pop-Musik aber sehr zögerlich darin, Marken in ihre Texte (Lyrics, Plattencover) zu integrieren –, verweist darauf, dass sie dennoch nicht einfach 1 | Zur Konsumästhetik des Supermarkts vgl. Heinz Drügh: Ästhetik des Supermarkts. Göttingen 2015.
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dasselbe sind. Markenwerbung entwirft Fiktionen guten Lebens, um damit Waren an den Mann zu bringen, die sich für dieses Leben als essentiell erweisen sollen. Pop-Musik dagegen ist selbst bereits Teil der Anmutung auf Gemeinschaft, die jedem ästhetischen Gebilde innewohnt, und deshalb Teil und Vorschein einer Erfüllung, die die Markenwerbung auf einen Zeitpunkt nach dem Kauf hinausschiebt. Die Erfahrung des Essentiellen ist ihr bereits inhärent und geht allen weiteren Operationen voraus. Stellen wir uns vor, Winn-Dixie hätte aus der Mitchell-Strophe einen Werbespot gemacht (›Cool Drifters – Fixin’ Dinner With Winn-Dixie‹). Dann hätte man da eine Reihe von coolen jungen Leuten im Gegenlicht gesehen, die lächelnd und tanzend ein unbeschwertes, glückliches Leben on the road führen und dabei Winn-Dixie-Produkte verzehren, mit deren Großaufnahme der Spot geendet hätte. Die 70er-Jahre-Hausfrau hätte dann mit ihren Supermarkteinkäufen ein wenig Hippie-Flair eingekauft, was Winn-Dixie in einer entsprechend disponierten Käufergruppe einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz eingebracht hätte. Eine Joni Mitchell-Ersthörerin des Jahres 1976 dagegen wird in ihrem Jugendzimmer an dem Song eine ästhetisch-existentielle Erfahrung machen (»Dass es etwas gibt«, mit Diederichsen gesprochen), die wie jede ästhetische Erfahrung mit einem Verlangen nach Allgemeinheit verbunden ist. Die Hörerin würde deshalb zunächst in sich hineinhören, ob diese Weise des Fühlens und Agierens etwas für sie wäre, und dann im Freundeskreis und beim nächsten Mitchell-Konzert austesten, ob es eine solche Gemeinschaft tatsächlich im wirklichen Leben gibt und ob sie diesem Tribe beitreten will oder ob das Erfahrene den Status einer Facette des privaten Selbstentwurfs behält. Der käufliche Gegenstand, um den herum eine solche Gruppenbildung geschieht, ist die Musik selbst. Sein Markenname wäre, wenn man so will, der der Band oder der Musikerin als ikonisches Zeichen im Sinne MacCannells. (Andere) Markenprodukte kämen hier allein nach Maßgabe ihrer Möglichkeit vor, im jeweiligen Lebensentwurf positiv zu figurieren. Wie wir sahen, ist das im amerikanischen Kontext bei Autos (und später dann bei Luxusartikeln im Hip-Hop und R’n’B) öfters der Fall – sonst aber eher nicht. Ja, die Vermeidung von Markennamen gehört in einem Maße zu den Diskursregeln klassischer Pop-Musik, dass man schon von aktiver Verdrängung, von diskursivem Ausschluss sprechen kann. Der Normalzustand, dass wir auf einer hippiesken Autoreise neben Hasenbroten (highway hand me downs) auch Folienwurst aus dem Supermarkt
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(Winn-Dixie) verzehren, wird im Mythos2 der Pop-Musik normalerweise ebenso verschwiegen, wie eine Markenwerbung verschweigen müsste, was die Ersthörein in seiner Essenz bereits der Stimme Joni Mitchells abhören könnte: dass es auf dieser Reise auch um äußerst prekäre Zustände der Selbstkonstitution, um Drogen, die Begegnung mit einem Guru und verschiedene Entwürfe promisker Sexualität geht.3 Nun könnte man einwenden, dass die Lebensentwürfe, die Pop aufzeigt, grundsätzlich von denen verschieden sind, die die Markenwerbung entwirft. Das erschiene mir als zu einfach. Richtig ist, dass der frühe Pop (ca. 1954 bis 1966), indem er als Teenage Command Performance den Vorstellungen einer neuen Generation Ausdruck verlieh, erheblich zur Modernisierung der Fiktionswerte beigetragen hat, die die Werbung transportierte. Diese erwies sich freilich als lernfähig, wie man auch an der Anzeigenentwicklung in den einschlägigen Zeitschriften ablesen kann – insbesondere weil die Teens als kaufkräftige Zielgruppe eigenen Rechts entdeckt wurden. Die Entwürfe wurden also ähnlicher (Snap, Crackle, and Pop), die Konkurrenz entsprechend stärker. In der zweiten Hälfte der 1960er, mit der Verschärfung vom Pop zum Rock,4 wurde dann auf der anderen Seite ein politischer Anspruch an Pop-Musik dominant, der eine grundsätzliche Abkehr ihrer Entwürfe vom politischen und ökonomischen System der Eltern forderte: Pop hatte jetzt Gegenkultur zu sein. Wir haben gezeigt, dass dieser Anspruch, der in vielen Genres und Diskursen bis heute fortwirkt, für Pop-Musik genauso ein Problem darstellt wie der Wunsch, ihre Energien in den Dienst einer Markenwerbung zu zwingen. Wenn man beides, jugendkulturellen Aufruhr innerhalb der Konsumsphäre (Elvis) und politische Fundamentalopposition, unter Pop 2 | Mythos im definierten Sinne als sekundäres Zeichen, das seine erste Zeichenebene, seine Bedingtheit und Gemachtheit verschleiert (vgl. Barthes: Mythen des Alltags). 3 | Refuge of the Roads handelt (u.a.) von einer Begegnung mit dem Guru Chögyam Trungpa Rinpoche, »the bad boy of Zen«, der Mitchell (u.a.) vom Kokain abbrachte. Vgl. Marie Aikins’ Interview mit Mitchell Heart of a Prairie Girl (www. poetspath.com/Scholar-ship_Project/MITCHELL.htm, 2.9.2017). 4 | »Late 1966 was the moment when rock began. There was a need for a new word to describe pop. […] It was no longer pure commerce and simple good times, but the sound of a new freedom and a generational confidence« (Jon Savage: 1966. The Year the Decade Exploded. London 2015, S. 510f.).
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I fasst, wird diese Differenz marginalisiert. Deshalb schlage ich vor, Pop in seiner basalen Gestalt, als existenzielles und zugleich warenförmiges Medium, als Pop 0 zu bezeichnen. In der Folge der politisch-gegenkulturellen Wende (Pop I) musste Pop-Musik in den 1970ern nun ihren eigenen Warencharakter, ihre kulturindustrielle Komponente ganz verleugnen, verbergen oder ironisieren – was zu den wenigen Dingen gehört, die auch durch Punk nicht besser wurden. Die entsprechende Diskrepanz wird u.a. immer dann sichtbar, wenn der plötzliche Reichtum der Stars deren Lebensentwürfe von denen, die ihrem Publikum möglich sind, zu entfremden droht. Angela McRobbie identifiziert im Jackie-Magazin um 1970 vier dominante Codes des Zeitschriftendiskurses: Liebe, Alltag, Mode/Schönheit und eben die Pop-Musik. In allen vier Fällen geht es um Entwürfe eines guten, jugendlichen Lebens. Die Schwierigkeit beim Pop-Thema, so McRobbie, bestehe darin, »dass die musikalische Seite von Pop in den Hintergrund geschoben und durch die Persona des Popidols ersetzt wird.«5 Das ist nun freilich der erwartbare Effekt einer Mehrkanaligkeit, bei der sich die verschiedenen Kanäle die Aufgaben teilen. Der Popstar wird im Medium des Teeniemagazins tendenziell aus dem Kollektiv der Band gelöst und als Typ wahrgenommen. Als derart personalisierter »instant character« (Susan Sontag) komme der männliche Popstar der Leserin näher (›Look at me: I am like you‹)6 und zeige sich zugleich als unerreichbar auf einem Grund, der seinem Metier (Musik machen) eigentlich fremd ist: als stolzer Hausbesitzer oder Fahrer eines teuren Wagens, sprich: als Konsument. Nun ist nicht zu leugnen, dass Stars als mehr oder weniger stereotype Personae Rollen besetzen, wie das ja schon bei den Beatles der Fall war und später bei den Boy Groups aktiv gecastet wurde. Sobald McRobbie allerdings spezifischer wird und etwa von der »vorlauten Keckheit David Essex’, den süßen babyartigen Qualitäten David Cassidys und dem hübschen Schmollmund Marc Bolan« spricht oder neben Donny (einer Art englischem Heintje) auch Gary Glitter unter die Teenybopper-Superstars zählt,7 wird es komplexer. Einige Stars gehen in der personalisierten 5 | »This is because the musical side of pop is pushed into the background and is replaced instead with the persona of the pop idol.« (McRobbie: Feminism and Youth Culture, S. 125f.). 6 | McRobbie: Feminism and Youth Culture, S. 128. 7 | McRobbie: Feminism and Youth Culture, S. 127f.
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Homestory-Variante offenbar besser auf als andere. David Cassidy war zunächst aus dem Fernsehen bekannt und ist als Pop-Star geradezu das Geschöpf von Zeitschriften wie 16 und Tiger Beat.8 Bolans laszives Schmollen und Gary Glitters haariger, schwitzender Körper, den der bis in den Schritt geöffnete Body Suit ausstellt, transportieren dagegen ein Surplus an potentiell irritierender sexueller Energie (Bolan eher genderbending, Glitter eher gewaltsam-exhibitionistisch– Touch me! statt ›Look at me‹), das womöglich nicht so leicht zu domestizieren ist. Über die anderen Kanäle – Musik und TV – kommt also etwas in das Medium Girl Magazine hinein, das dieses selbst auf der Oberfläche eher ausschließt, für die Rezeption aber vermutlich eine große Rolle spielt. Das Biest wird über die Home Story sozusagen ins Mädchenzimmer geschmuggelt.
I n A nführungszeichen Besonders interessant ist aber, dass McRobbie anlässlich der in diesen Home Storys ausgestellten luxuriösen Autos, Häuser und Pools, der »Ware als sichtbarstes Zeichen des Erfolgs des Stars«, »deutlich ein Element von Selbstparodie« auffällt – etwa in der Art, wie Rod Stewart sich bei solcher Gelegenheit präsentiert.9 Sie liest das als eine Art Restloyalität mit der Klasse, aus der der Star hier aufgestiegen ist und zu der seine Fans noch gehören. Mir scheint dieses Sich-selbst-in-Anführungszeichen-Setzen hingegen ein Symptom derselben Unverträglichkeit mit dem Diskurs Pop-Musik zu sein, die auch die Anführungszeichen bewirkt, in die die Markennamen in den Lyrics gesetzt werden: ›Dies sage (bzw. bin) eigentlich nicht ich.‹ Und warum nicht? Weil eine allzu deutlich ausgestellte Zugehörigkeit zur Konsumkultur eben nicht tunlich ist, wenn man als Pop-Musiker ernst genommen werden will. Diese Anführungszeichen hat erstmals Susan Sontag in ihren Notes on »Camp« beschrieben. Im New York des Jahres 1964 ging es darum, sich massenkulturelle Dinge ästhetisch anzueignen als Antwort auf die Frage »How to be a dandy in the age of mass culture?«. Massenkultur 8 | Vgl. Weingarten: Station to Station, S. 211-222, besonders 214f. Cassidy war in einer Bonanza-Episode aufgefallen und wurde dann seit 1970 der Star der Partridge Family, »TV-s ultimate triumph over rock’s rebel spirit« (S. 215). 9 | McRobbie: Feminism and Youth Culture, S. 129.
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aber ist in weiten Teilen Markenkultur, und so ist es auffällig, dass die Erzeugnisse, die Sontag als camp-geeignet aufzählt, keinerlei Markenartikel umfassen, wenn man nicht die Tiffany-Lampe (»It’s not a lamp, but a ›lamp‹«) als einen solchen auffassen will. Dass ein Camp-Geschmack »seiner Natur nach nur in Überflussgesellschaften möglich ist«,10 heißt eben, dass er die Wahl zwischen funktional gleichrangigen Alternativen und damit das ästhetische Urteil zwischen Images voraussetzt. Denn das ist eben der semiotische Effekt von Überflussgesellschaften: Wenn es Dinge im Überfluss gibt, differenziert sich das Angebot von gleichwertigen Waren unter verschiedenen Markennamen aus (Coca-Cola vs. Pepsi, Opel vs. Ford, McDonald’s vs. Burger King), und die Auswahl zwischen diesen Dingen wird dann nicht mehr nach Gebrauchswert, sondern nach Fiktionswert der jeweiligen Marken getroffen, also qua Geschmacksurteil – nicht anders als die Auswahl zwischen Band-Images. Und die Rückkopplung des Marktes garantiert dann, dass die Fiktionswerte auch Lebensentwürfe bereitstellen, die von uns tatsächlich nachgefragt werden. So kann man beispielsweise, wie Eva Illouz zeigt, aus Werbebildern, die mit Liebe arbeiten, recht verlässlich erfahren, »wie man sich Liebesromantik in der postmodernen Kultur vorstellt. Und da es Sinn und Zweck der Werbung ist, eine Ware in Bedeutung zu verwandeln und die Welt der Objekte in unser innerstes Ich zu überführen, bildet sie einen bevorzugten Ort, um zu verstehen, wie die postmoderne Liebe« in ihren repräsentativen Gestalten aussieht.11 Eine kulturelle Poiesis der Rückkopplung! Es ist die Nähe und Konkurrenz zu solchen käuflichen MarkenImages, die durch die Vermeidung der Signifikanten der Konsumsphäre im Pop verschleiert wird und diese, wenn sie dennoch auftauchen, in semiotische Anführungszeichen setzt. Um einen solchen Modus der Vorbehaltlichkeit, des Nicht-von-Natur-aus-Hierhergehörens, handelt es sich, wenn Rod Stewart seine Reichtümer in einer Home Story präsentiert12 oder wenn Markennamen in einem Pop-Song vorkommen. Das Bekenntnis, Teil einer Konsumästhetik zu sein, konfligiert ja nicht nur mit dem 10 | Sontag: Notes on »Camp«, S. 288, 280 und 289. 11 | Eva Illouz: Der Konsum der Romantik. Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus. Frankfurt 2007, S. 138. 12 | »Camp is the glorification of ›character‹«, heißt es bei Sontag. »What camp taste responds to is ›instant character‹«. Alles wird auf die Person zurückgerechnet – wie in den Home Stories der Magazine (Sontag: Notes on »Camp«, S. 285f.).
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gegenkulturellen Anspruch, sondern vor allem auch mit den diversen Authentizitätsversprechen von Pop. Das In-Bedeutung-Verwandeln und In-unser-innerstes-Ich-Überführen soll – wider alle Faktizität – auf gar keinen Fall warenförmig daherkommen (Warum eigentlich nicht?). Erst mit der Rückkehr einer Pop-Haltung bewusster Artifizialität in New Wave und NDW um 1980, die sich ausdrücklich gegen die Authentizitätsromantik von Hippies, Rockisten (und teilweise auch Punks) richtete, sind Markennamen, wie wir u.a. im Pepsi-Kapitel sahen, wieder häufiger anzutreffen. Dies ist aber nur möglich, weil sich hier die Musik selbst gewissermaßen in Anführungszeichen präsentiert – was im deutschsprachigen Pop-Hinterland tendenziell immer schon stärker der Fall war als im englischsprachigen Raum, im transatlantischen England mehr als in den USA, in New York stärker als am Mississippi usw. Aber selbst dort, im Herzland des Pop, war der Kern einer Ästhetik der Rückkopplung stets erkennbar: Elvis’ Hüftschwung und das Hochziehen der Augenbraue kommen eben nicht als autochthone Naturausdrücke einer authentischen Person daher (›Hier tanze ich, ich kann nicht anders‹), sondern entstehen von Anfang an in Auseinandersetzung mit dem Publikum, seinen Reaktionen und Erwartungen. »Der immense Vorteil der Pop-Musik in ihren großen Momenten und Phasen lag darin, dass die ganze Welt eben nicht mehr als gegebene Natur […] erlebt wurde«, schreibt Diederichsen.13 Es gibt also Abstufungen, ganz generell aber befindet sich eine selbstreflexive Pop-Musik, und dies nicht zuletzt aufgrund ihrer Warenform, auf der eigentlich unmöglichen Mission, eine Popvision zu entwickeln, die weder lächerlich noch kindisch ist, die keine Klischees bedient, aber mit ihnen arbeitet, die Musik nicht ernst nehmen kann, aber von tiefer Liebe zu ihr geprägt ist.14
Eine Praxis, die einer solchen Popvision verpflichtet ist, wird zwischen Mythisierung und Entmythisierung immer mit irgendwie gearteten Anführungszeichen arbeiten, wobei das Spektrum der Möglichkeiten bereits seit Elvis’ hochgezogener Augenbraue weit über klassische Ironie und Camp im engeren Sinne (»It’s good because it’s awful«) hinausreicht.
13 | Diederichsen: Musikzimmer, S. 15. 14 | So Detlef Diederichsen in seinem Nachruf auf Walter Becker von Steely Dan (Die Nachbarn hören unseren Streit. In: taz, 5.9.2017, S. 17).
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Hier schließt eine Frage an, die die bisherigen Untersuchungen zu Pop eher selten in den Blick bekommen haben: die Frage nach dem Modus, in dem Pop und Werbung sich in den verschiedenen Medien präsentieren und in denen sie vor allem auch rezipiert werden. Da ist immer wieder relativ ungebrochen von Identifikation die Rede, auch von Neid und einem bewusst induzierten Gefühl der Unzulänglichkeit (gegenüber dem Model, dem Star, den präsentierten Leben). Das setzt jedoch eine straighte, sehr ernsthafte, auch etwas naive Rezeption der Pop- und Waren-Angebote bei den Fans und Konsumenten/Konsumentinnen voraus, die damit einmal mehr als manipulierbare Passivposten erscheinen. Könnte es nicht aber sein, dass deren Rezeption von Anfang an komplexer und oft auch weniger homogen und weniger ›eigentlich‹ von statten geht? Der Modus des Ästhetischen ist doch, anders als der des Ethischen oder Epistemischen, immer auch – und durchaus im guten Sinne – ein Modus der Uneigentlichkeit. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass man eben viele nebengeordnete, im Grunde gleichrangige Angebote zur Auswahl hat – in jeder Hitparade ebenso wie in jedem Supermarkt. Mir scheint, es ist auch in diesem Sinne, dass Sontag Camp als »konsistent ästhetische Welterfahrung« bezeichnet.15 Die Anführungszeichen signalisieren, so gesehen, auch das Bewusstsein eines größeren Paradigmas, angesichts dessen die Auswahl, die man getroffen hat, und sei sie noch so verpflichtend (Pepsi statt Coca-Cola, Beatles statt Stones, Geha statt Pelikan, Schalke statt Dortmund, Punk statt Disco), immer einen Rest von Kontingenz behält. Von Sekundarität.16 Oder positiver formuliert: von freiem Spiel.
E very thing N ow Pepsi ist, würde Hendrik Otremba sagen, kein Messer-Wort. Darin bestätigt er, wie wir sahen, einen jahrzehntelang eingefahrenen Pop-Diskurs. Dennoch (oder gerade deshalb) lohnte es sich, einmal die Frage zu stellen: Warum ist Pepsi dann aber ein Mötley Crüe-Wort, ein Lana Del Rey-Wort? Obwohl es das streng genommen auch nicht ist. Es sind eher einzelne 15 | Sontag: Notes on »Camp«, S. 187. 16 | »Es lebe das sekundäre Leben. Es gibt auch kein anderes.« (Diederichsen: Musikzimmer, S. 15).
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Songs, die Markennamen enthalten, und zwar – wenn es sich nicht um Autos oder Rap handelt – auf zumeist überaus markierte Weise. Die Markierung in semiotischen Anführungszeichen kann sich dabei gleich auf den gesamten Song erstrecken, etwa indem die Markennennungen zu seiner Komik oder Albernheit beitragen oder indem es sich um einen Katalog-Song handelt, dessen Concetto eben auf der Auflistung von Marken beruht. Ein Beispiel für den ersten Fall ist die Verwendung von Marken in Wortspielen, wie in der Blues-Brothers-Version von I Don’t Know mit den Slogans bekannter Zigarettennamen:17 I said ›Woman, you going to walk a mile for a Camel Or are you going to make like Mr Chesterfield and satisfy?‹ She said ›That all depends on what you’re packing Regular or kingsize‹ Then she pulled out my Jim Beam, and to her surprise It was every bit as hard as my Canadian Club I said ›What now you got to say baby?‹ She said ›Umm…‹
Hier grenzt Pop an Comedy-Routines,18 wobei die Verse zu den Zigarettenmarken explizit auf deren bekannte, beinahe schon sprichwörtlich gewordene Slogans zurückgreifen. Der Übergang vom komischen zum Listen-Song ist fließend, etwa in Perfume von den Sparks (auf: Hello Young Lovers, 2006), das in der folgenden Weise insgesamt nicht weniger als dreißig Markenparfüms listet: Anna wears CK1 Jeanie wears Opium 17 | Auf: Briefcase Full of Blues, 1978. Wie viele Blues-Songs hat auch I Don’t Know eine lange und komplexe Geschichte. Willie Mabon schrieb den Song, allerdings unter großzügiger Verwendung einer Vorlage von Cripple Clarence Lofton. Deren Lyrics enthalten allerdings die Strophe mit den Markennamen noch nicht, auch nicht Freddie Kings Version von 1969. Angeblich adoptierten die Blues Brothers hier eine Version von Curtis Salgado. 18 | In der Tat gingen die Blues Brothers ja aus einem Comedy-Projekt auf Saturday Night Live hervor.
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Trisha wears No.5 But you don’t wear no perfume Susan wears St. Laurent Janie wears L’Air du Temps Kirstin wears Davidoff But you don’t wear no perfume
Der Clou besteht freilich darin, dass die angesprochene Frau sich genau dadurch qualifiziert, dass sie sich dem Markenkult (auch: der Identifikation mit der Marke als ›ihr‹ Parfüm) verweigert und eben keines trägt: »That’s why I want to spend my life with you«. Was bei den Sparks, die ja generell eher im heiteren Modus unterwegs sind, als Pointe rüberkommt, könnte anderswo auch Authentizitätskitsch sein (I Want You Just the Way You Are, Billy Joel). Auch in ernsteren Songs werden die gelisteten Marken allerdings eher abgelehnt als gepriesen. Das beeindruckendste Beispiel dafür ist sicherlich Laibachs War, dessen Firmenlisten sehr präzise auf die Frage antworten: »War – what is it good for?« und dabei allen Kitschversionen á la Wozu sind Kriege da? (Udo Lindenberg 1981, mit der Implikation: sind völlig nutzlos) den Boden entziehen.19 Die gesungenen Listen – GM, IBM, Newsweek, CNN Universal European ITV, VCR Reuters, MGM Siemens, Sony Universal European DAF, Volkswagen 20
19 | Die Verbindung wird auch durch die Kinderstimmen (und -fotos) hergestellt, die im Laibach-Video die Frage stellen. Lindenberg hatte den Song als Duett mit dem zehnjährigen Pascal Kravetz aufgenommen und später gern mit Kinderchor aufgeführt. 20 | Auf: NATO, 1994. Universal European ist, soweit ich sehen kann, keine Marke, sondern macht darauf aufmerksam, dass die globalisierte Markenkultur europäischen Ursprungs ist.
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– werden dabei noch übertroffen von der rasanten Aufeinanderfolge von Markenlogos im Video, die überdies ein Paradigma bilden mit den Bildern von Diktatoren, religiösen Symbolen21 und anderen Kriegsgründen. Insgesamt stößt man nur ganz selten auf die ›normale‹, unmarkierte Nennung z.B. eines Supermarkt- oder Lebensmittelmarkennamens, wie es dem alltäglichen Sprechen entspräche. Gerade weil der Pop-MusikDiskurs, was die Verwendung von Markennamen angeht, so stark vom Alltagsdiskurs abweicht, entfalten die markierten Markennamen, wenn sie dann doch einmal vorkommen, in ihrem jeweiligen Song allerdings oft einen enormen semiotischen Reichtum. Da geht es dann eben, wie die Einzelanalysen gezeigt haben, nur selten um alltägliche Marginalien, sondern oft gleich ums Ganze, um die Versprechen der globalisierten westlichen Kultur, um das Verhältnis der eigenen Existenz und der eigenen Musik zu dieser Kultur – inklusive Fragen von Klasse, Ethnie und Gender –, um die prekäre Nähe von Pop und Ware und die »unmögliche Mission«, diese nicht zu verdrängen und trotzdem in Würde Pop-Musik zu machen. Unsere Studie gilt der klassischen Pop-Musik von ihren Anfängen bei Elvis bis Ende der 1980er Jahre und in Teilen bis zur Indie-Szene heute. Selbstverständlich haben sich im Laufe dieser letzten fünfundsechzig Jahre die Parameter erheblich geändert. Alles hat sich gegenüber den ersten Jahrzehnten erheblich ausdifferenziert. Pop ist von einer Jugend- und Gegenkultur zur dominanten Kultur der westlich geprägten Überflussgesellschaften aufgestiegen (Pop II), mit Rap und Rave sind neue populäre Formen jenseits des Songs und des Glutkerns von Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug entstanden, das Web 2.0 hat die Möglichkeiten von Angebot und Nachfrage ebenso verändert wie Apple-Technologie unsere Hörgewohnheiten, und schließlich kann jeder Pop-Act und jede Hörerin heute auf ein riesiges Archiv zurückgreifen, was Pop (auch) museal und akademisch macht (Retromania, Pop III) – und so etwas wie dieses Buch erst möglich. Das Verhältnis zur eigenen Warenform, das hier anhand des Umgangs mit Markennamen untersucht wurde, hat sich durch diese Entwicklungen jedoch als Problem keineswegs erübrigt, nicht einmal entschärft; es bleibt ein Prüfstein relevanter Pop-Musik; und mit der wollen wir unser Leben verbringen. 21 | Die Anspielung auf Eisensteins Religionskatalog in Oktober (1928) ist deutlich.
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Das Album Everything Now (EMI, 2017) von Arcade Fire enthält, wie seine vier Vorgängeralben, keine Markennamen. Die Band ist bekannt als kapitalismuskritisch, dem Umfeld von No Logo und Occupy verbunden. Dennoch lässt sich die Entwicklung vom Independent-Sound des Erstlings Funeral (2004) mit seinen Nachbarschafts-Utopien über den bedrohlichen, finsteren Klang von Neon Bible (2007) mit seinen Untergangsvisionen hin zu einer bewusst artifiziellen, an Soul und Disco angelehnten Performance auf Reflektor (2013) und Everything Now nachvollziehen, die auch einer Reflexion auf die eigene Teilhabe an der kapitalistischen Warenform (auf einem Major Label) geschuldet sein dürfte. Reflektor experimentierte erstmals mit einem globalen Branding, indem ein Feld mit den Buchstaben des Titels an verschiedenen Orten auftauchte und Spekulationen schürte, bis das Album schließlich erschien. Die Hülle von Everything Now präsentiert nicht nur den Titel als Neon-Schriftzug, sondern auch jeden einzelnen Songtitel als sorgfältig entworfenes Markenlogo. Der Albumtitel figuriert dabei als globale Marke (die Buchstaben EN in einem stilisierten Globus), die Arcade Fire (die eigentliche Marke, die Band) präsentiert, und zwar »in partnership with« – und es folgen eben die Songtitel (Everything Now, Signs of Life, Creature Comfort etc.), die folglich die Systemstelle von Sponsoren einnehmen. Damit nicht genug, ist das innenliegende Textblatt als Werbebroschüre entworfen, in der jedem Song eine Ware zugeordnet ist. We Don’t Deserve Love etwa kommt als Pinot Grigio-Flasche daher, deren Schriftzug mit dem hervorgehobenen »DESERVE« an das »Reserve« auf entsprechenden Produkten erinnert. Die Track-Länge (»6.29 min.«) ist wie eine Preisangabe gedruckt. Chemistry sieht aus wie ein Energy Drink, Creature Comfort bekommt eine Cerealien-Packung, auf der sich neben dem Namen auch das EN-Logo sowie Claims wie »100 % fun« und »100 % marshmallows« befinden, dazu die Aufforderung »Make It Painless!« aus den Lyrics des Songs, der von den suizidalen Tendenzen des kapitalistischen Selbstoptimierungswahns handelt (»the white lie of American prosperity«). Anders als beim 1973er Album Artificial Paradise der ebenfalls kanadischen The Guess Who bleibt diese Gestaltung als Werbesendung dem Album nicht äußerlich. Die Lyrics handeln von Kapitalismus und Warenform, allen voran der Titelsong: »You’ve got Everything Now«, heißt es dort, und die Großschreibung hält den Titel als Marke, quasi als Platzhalter für unsere Überflussgesellschaft präsent (»And every room in my house is filled with shit I couldn’t live without«). Laut Beipackzettel ent-
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hält Everything Now Elemente aus The Coffee Cola Song des afrikanischen Autors und Musikers Francis Bebey.22 Das bezieht sich vor allem auf das ostinative Pygmy Flute-Motiv, die auf dem Album denn auch von Patrick Bebey gespielt wird, dem Sohn des 2001 verstorbenen Francis. The Coffee Cola Song ist ein äußerst straighter Song aus der Perspektive der Kolonialisierten: Die bösen Kapitalisten sind daran erkennbar, dass sie das Markengetränk konsumieren: There are people in town man, crazy people in town Eating bread and butter and honey And drinking black Coffee Cola
Eigentlich sind sie aber nur an Geld interessiert. Wer kein Geld hat und keine Coffee Cola trinkt, gilt ihnen als Wilder, aber die eigentlichen ›savages‹ sind sie selbst, denn: They keep dreaming of war man, hate and crime everywhere I was told that is to get the money, That need to buy Coffee Cola
Das wäre jetzt als gegenwärtige Analyse vielleicht etwas schlicht, doch transportieren Arcade Fire über das Flötenmotiv den Nachhall dieser ungebrochenen Anklage des Kapitalismus in ihren eigenen Song hinein, der eine Verstrickung in diese Wirtschaftsform in erster und zweiter Person Singular artikuliert (»I can’t live without«/»You’ve got Everything Now«), zu der es kein Außen mehr gibt. Jede Gegenposition, jeder alternative Entwurf, ist immer schon Teil des Medien- und Marktsdispositivs und damit des formatierten Warenangebots – Infinite Content, wie ein weiterer Song des Albums heißt (auf dem Werbezettel sieht man dazu ein Smartphone): »Infinite Content. Infinite Content. We’re infinitely content.« Und das gilt eben auch für alternative Musik wie die von Arcade Fire selbst:23 Nicht die anderen, sondern wir selbst befinden uns im Modus des Every-
22 | Der Song findet sich auf dem Bebey-Sampler African Electronic Music 19751982. 23 | Das legt der USB-Stick nahe, der auf dem Werbe-Textblatt der Reprise des Songs zugeordnet ist. Er ist beschriftet mit »Country Funk Disco Reggae«.
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thing Now. Symptom dieser Alternativlosigkeit und Gegenseite dieser unendlichen Zufriedenheit ist die Depression: I’m in the black again Can’t make it back again From Everything Now
Mit dieser Diagnose sind Arcade Fire Teil eines großen poptheoretischen Diskurses von David Foster Wallace (Infinite Jest, 1996) über Mark Fisher (Capitalist Realism – Is There No Alternative?, 2009), und seine Adaption der Derrida’schen Hauntology (Ghosts of My Life, 2014) bis hin zu Ja, Panik mit ihrem Album DMD KIU LIDT (2011) – selbst eine Art rätselhafter Markenname (auch auf T-Shirt erhältlich), der aufgelöst heißt: »Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit«. Nun, vielleicht. Wie diese Studie nahelegt, ist die ästhetische Manifestation des Kapitalismus (wenn wir unser Markt- und Mediendispositiv demokratisch verfasster Überflussgesellschaften so nennen wollen) in unserem Leben aber vor allem etwas anderes: Pop. Zum Beispiel ein großartiges Album wie Everything Now von Arcade Fire, kulturindustriell produziert (EMI) und in Warenform verbreitet (Preis: etwas über 21 €), mit einem Titelsong, der vergangene Musik- und Diskurstraditionen wie die von Francis Bebey archiviert und in aktualisierter, eingängiger Form zur Neuevaluation vorlegt. Eine weitere Platte, an der Pop-Hörerinnen und -Hörer die Erfahrung machen werden, »dass es etwas gibt«; über die sie womöglich sogar auf alternative Lebensmöglichkeiten aufmerksam gemacht werden wie einst die Teenager, die Mitte der 1950er Elvis hörten und sahen, oder wie die verhinderte Selbstmörderin im Song Creature Comfort (und viele von uns) durch Arcade Fires Funeral. Der Titel Everything Now lässt sich ja nicht nur auf die erdrückende Simultanpräsenz von Waren und ästhetischen Möglichkeiten und die Notwendigkeit der Auswahl beziehen, die daraus resultiert, sondern er formuliert, absichtlich oder nicht, auch die ursprüngliche Pop-Forderung an die Kultur- und Konsumindustrie, ihre Versprechen einzulösen: Sex, Glück, das gute Leben – und zwar jetzt und hier. »I want everything/I want it now«, wie es 1986 bei den Godfathers hieß, vormals bekannt als The Sid Presley Experience. Teenage Command Performance. Selbstverständlich wäre es Unsinn, die Probleme einer globalisierten kapitalistischen Ökonomie zu leugnen und nicht mehr an ihnen arbeiten zu wollen, aber
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jetzt mal im Ernst: die fundamentalistischen Gegenangebote? Well, you know… Vielleicht ist es angesichts mannigfacher identitärer Bewegungen unserer Tage, die einen radikalen Ausbruch aus den Wahlmöglichkeiten des Kapitalismus predigen, keine so schlechte Idee, einmal diese andere Dimension zu betonen: Pop ist warenförmig, und das ist auch gut so; denn Alternativen sind der Warenform inhärent. Und das gilt a fortiori immer dort, wo Marken im Spiel sind, denn Marken sind der Ausdruck einer Konkurrenz nebengeordneter Angebote. Pop und Ware sind ihrem Wesen nach nicht-identitär. Ihre Angebote wollen nichts mehr, als unser Geld und unsere Sympathie, sprich: auf unsere Nachfrage zugeschnitten zu sein – Ästhetik der Rückkopplung. Gemeinsam halten wir die Ikonen hoch, und nur, solange wir das tun, sind sie welche. Nur wo die Urteile, nach denen wir wählen, ästhetische sind, ästhetische sein können, sind wir frei. Und umgekehrt.
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Dank
Das Buch entstand im Projekt »Konsumästhetik – Vom Umgang mit käuflichen Gegenständen«, großzügig gefördert von der VW-Stiftung (danke, Frau Szöllösi!). Dank allen Mitstreitern, vor allem Heinz Drügh, Melanie Horn, Birgit Richard und Wolfgang Ullrich, sowie Diedrich Diederichsen, Christoph Jacke und Urs Meyer für ihren engagierten Input. Weiterhin haben das Projekt begleitet: Till Huber, Christian Rakow und Hans-Hinrich Thedens, dann Philipp Pabst, Anna Seidel, Hannah Zipfel, Philipp Ohnesorge, Sebastian Berlich, Katharina Scheuerer, Christopher Luman, Hendrik Günther, Fabian Rüther und zahlreiche Studierende der Kulturpoetik in Münster, meine Rostocker Musikfreunde Volker Ahnfeld, Klaus Blaudzun und Torsten Ruchhöft und viele Leute, mit denen ich es in Berlin, Frankfurt, Heidelberg, Jena, Leipzig, Loccum, Oldenburg, München, Seattle, Siegen, Zürich und anderswo diskutieren durfte. Bei der Titelfindung halfen Reiko Tomii und Stephan Dietrich; Dank auch an Kathrin Popp und Christine Wichmann von transcript. Und dann sind da zum Glück Pauline Baßler, Mathis Baßler und Marion Vogelsang – I guess that I’ve got everything now.
Abbildungsverzeichnis
S. 28: Umschlagseite 1 der BRAVO 46/1958. S. 49 und 59: Filmstills aus der T.A.M.I. Show (Regie: Steven Binder, American International Pictures, 1964) S. 73: LP-Cover von The Who: Sell Out (Decca Records, 1968); © Universal Music S. 89: Richard Hamilton: Just What Is It That Makes Today’s Homes So Different, So Appealing? (Kunsthalle Tübingen) © R.Hamilton/VG Bild-Kunst, Bonn 2019 S. 101: LP-Cover von Allman Brothers: Wipe the Windows, Check the Oil, Dollar Gas (Capricorn Records, 1976) S. 104 und 108: LP-Cover von Vic Chesnut, Elf Power, and the Amorphous Strums: Dark Developments (Orange Twin Records, 2008); Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Laura Carter S. 130: Aus: Brösel: Werner – Normal Ja. Kiel: Semmel Verlach 1987 S. 159: Video Stills aus: Meat Puppets: New Gods (1984) S. 164: Video Still aus: Suicidal Tendencies: Institutionalised (1982, Regie: Bill Fishman) S. 175: Chruschtschow und Nixon trinken Pepsi. TV-Still. S. 185: LP-Cover von Fehlfarben: Monarchie und Alltag (EMI Electrola, 1980) S. 189 und 191: LP-Cover von Prima Tanzmusik (Metronome Musik, 1981) S. 196f.: LP-Cover von Trio: Bye Bye (Phonogram, 1984)
Markenverzeichnis
7-Eleven 157 7up 216
Buick 119 Burger King 228
A
C
ABC 52 AEG 187, 213 Aldi 123, 206 Allman Brothers Brand 102 Apple 166, 232 Aston Martin 129
Cadillac 117-120, 141, 143 Canadian Club 231 Camel 231 Campari 179, 193 Campbell 78, 99 Canada Dry 163 Casio 153, 195f., 203f. Cerutti 133 Charles Atlas 74f., 77f., 80, 84 Chesterfield 231 Chevrolet 119, 124, 135, 139, 143 CK1 231 CNN 232 Chiquita 38 Citroën 128f. Coca-Cola 9, 13f., 34, 36, 45, 79, 94f., 100, 102, 105-107, 141f., 150, 153, 155, 159-161, 163, 168, 173, 175177, 183, 186, 200f., 216, 228, 230 Creation 168 Cristal 181
B Bacardi 215 BASE 207 Bauknecht 191 Ban Roll-On 45 Band Aid 149 Barbour 176 BBC 67, 79, 91, 97 BFN 67 Berentzen 199 BioZisch 217 BOAC 9-11, 172, 201 BOLS Alter Weinbrand 64 Bommerlunder 123, 195, 199, 201 Bowlene 149 Brillo 99, 147 Budweiser 15, 209 Buffalo 218
D DAF 232 Dairy Queen’s 157
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Davidoff 232 DECCA 82 Dethleffsen 199 Diebels Alt 213 Disney 22 Dodge 135 Doyle Dane Bernbach 131 Drei-Wetter-Taft 202 Doktor Best 206f. Dr. Oetker 194 Dr Pepper 149f.
E Eduscho 188 Elbeo 29 Epic Records 165 EMI 165, 182, 184, 189, 236 E-Plus 207
F Fakt 186 Fanta 216 Fast Weltweit 134 Ferrari 143 Ford 31, 70, 113-120, 129f., 132f., 136, 139, 141, 228 Francis, Day & Hunter 197 Fuji 153
G Geha 230 GM 232 Great Shakes 45 Greenpeace 196 Greyhound 107 Grundig 186
H Heinz Baked Beans 47, 74, 76f., 80, 84 Henkel 184, 186 Hilton 193 Hudson 113
I IBM 232 ILGWU 13f. Imperial 120 Irmscher 127 Iso (Grifo) 133 ITV 232
J Jägermeister 125 Jaguar 79, 82, 85, Jeep 155 Jever 128 Jim Beam 231 Jung von Matt 209-211
K Kawasaki 203f. Kellogg’s Rice Crispies 45-47, 56, 68, 70 Kentucky Fried Chicken 149 Kenwood 125 Kleenex 143 Kmart 91 Kodak 11 Konis 121 Kool-Aid 145, 166 Kukident 174
Markenverzeichnis
L
P
L’Air du Temps 232 Levi’s 14, 41f., 100 Lincoln 117, 120 Lucky Strike 120, 128, 148
PAMS 75f. Pelikan 230 Pepsi 104-107, 109f., 141-177, 216, 228f., 230 Persil 187 Peter Stuyvesant 200-202, 215 Pick-Up 213 Pizza Hut 157 Porsche 119, 124, 133f., 136-139, 198 Premier Drums 76, 79
M Mars 51 Marshall 208 Marvel 22 Maserati 127f., 179 Maybelline 118 McDonald’s 149-151, 166, 228 Medac 74, 76, 78, 80-83, 98 Mercedes 19, 117, 122, 125, 131, 133, 135-139, 213 MGM 232 Miller 15, 171, 209 Minolta 203 Mitsubishi 203, 205 MTV 165
R Radio Caroline 79 Radio London 75f., 79, 82, 96 Raffaelo 215 Reuters 232 Ritz 193 Rolex 132 Rolls Royce 139, 193 Rotosound Strings 76, 79
N
S
Newsweek 232 No. 5 232
Sam Goody’s 91 Sanyo 153, 203f. Saturn 119 Schweppes 179, 217 Sears 96 Seltzer 143f. Siemens 232 Sony 153, 166, 203f., 232 Southern Maid Donuts 45 Spezi 216 Sprite 176, 216 Standard Oil 101 State Farm 149 Steinway 204 St. Laurent 232
O Oberheim 204 Odorono 74, 76f., 80f., 84 Oldsmobile 130 Opel 31, 122f., 128f., 132, 134, 141, 228 Manta 121-127, 129, 132f.
245
246
Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Storck Riesen 29 Stridex 149 Studebaker 148 Suzuki 203f.
T Tchibo 199 Technicolor 96 Telefunken 191 Tempo 143 Texaco 101, 107, 109f. Tiffany 92 Tootsie 91, 93 Toshiba 203f. Toyota 203 Trabant 124 Triumph 29
U Uncle Sam 154 UVEX 196
V Valium 14 VCR 232 Vitaphone 91, 96 Voelkel 217 Volkswagen 119, 122f., 124-126, 128, 131f., 169, 179, 201f., 218, 232
W Warner 91, 167 Winn-Dixie 223-225 Wurlitzer 14 Wüstenrot 188
X X-Box 166
Y Yamaha 153, 202f. Yokohama 125 YouTube 16
Index
10cc 75 16 227
A Theodor W. Adorno 14, 23f., 30, 37, 39, 44, 69, 72, 112, 167, 209, 221 Résumé über Kulturindustrie 37 Agent Orange 154, 166 America 154, 166 Alan Aldridge 74 Alina (s. Frida Gold) Terry Allen 152, 163 Blue Asian Reds 163 Tim Allen 116 Allman Brothers Band 100-102, 106f., 110 Ramblin’ Man 107 Southbound 107 Wipe the Windows… 100102 Alphaville 218 Big in Japan 218 Mario Amaya 89 Wolfgang Ambros 218 Groß in Kagran 218 Chester Anderson 71f. Ian Anderson 176f.
Laurie Anderson 203 Ann-Margret 74 Anthrax 117 Cadillac Rock Box 117 Arcade Fire 210, 234-236 Chemistry 234 Creature Comfort 234, 236 Everything Now 234-236 Funeral 234, 236 Infinite Content 210, 235 Neon Bible 234 Reflektor 234 Signs of Life 234 We Don’t Deserve Love 234 Die Ärzte 123 Fred Astaire 60 Asterix 22 Charles Atlas 74
B Babyman 2 128 Sexy Maserati 128 Johann Sebastian Bach 124 Michail M. Bachtin 176 Joan Baez 145 Joe Bailon 116 Band für Afrika 167 BAP 187-189 Frau, ich freu mich 188
248
Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
für usszeschnigge 189 Jupp 188f. Müsli-Män 188 Verdamp lang her 187 Waschsalon 187f. Amiri Baraka (s. LeRoi Jones) Roma Baran 203 Brigitte Bardot 66 Richard Barnes 79 L. Frank Baum The Wizard of Oz 96 Bay City Rollers 24 The Beach Boys 41, 51, 53, 60 Surfin’ USA 52 The Beatles 9-11, 41, 47, 69, 74, 96, 99, 111f., 137, 226, 230 A Day in the Life 112 Back in the USSR 9 The Beatles (White Album) 11, 99 Come Together 9 Lucy in The Sky With Diamonds 76 Revolution 97 She Loves You 69 She’s Leaving Home 111f. Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band 74, 99, 111 Yellow Submarine 97 Francis Bebey 235f. The Coffee Cola Song 235 Patrick Bebey 235 Walter Becker 229 Bernd Begemann 61, 134, 184 Porsche Girl 134 Harry Belafonte 27, 145, 199 Banana Boat Song 199f. Tim Bendzko 212
Benn und Binni 22 Andrea Berg 212 Leonard Bernstein 111 Chuck Berry 9f., 33, 49-51, 118 Back in the USA 9 Hitchhike Baby 52 Johnny B. Goode 50, 52 Maybelline 50f., 117 No Particular Place to Go 118 Sweet Little Sixteen 50, 52 Beyoncé 60 Big Brother and the Holding Company 137 Bild 209f. Bilderbuch 215-221 Barry Manilow 215, 217220 Feinste Seide 215 Gigolo 215 Schick Schock 215 Softdrink 215-217, 220 Steve Binder 49 Bio’s Bahnhof 199 Peter Blake 99 Blues Breakers 115 Blues Brothers 231 I Don’t Know 231 Blumfeld 14, 128, 186, 193, 217 L’Etat et Moi 186, 217 Heike Blümner 17 Body Count 166 Institutionalized 166 Karlheinz Böhm 196f. Jan Böhmermann 212-214, 220 Menschen Leben Tanzen Welt 212 Marc Bolan 226f.
Index
Bonanza 227 James Bond 201 Boney M. 184 Hieronymus Bosch 103, 106 Anbetung der Könige 103 Sandro Botticelli 104f. Die Geburt der Venus 104 Andreas Bourani 190, 212, 214 Pierre Bourdieu 57 David Bowie 169 Bravo 19f., 22f., 27f., 31, 39, 64, 66f., 71 Bertolt Brecht 37, 124 Nadeshda Brennicke 124 Leonid Breshnew 175-177 Bright Eyes 117 Brigitte 26 Rolf Dieter Brinkmann 10, 187 ACID 70f., 76 Persil am letzten Tag des Jahres 187 Bronsky Beat 117 Cadillac Car 117 Brösel 129f. Werner – Besser is das! 129f. James Brown 51, 53f., 59f., 69, 167 Please, Please, Please 53 Ruth Brown 193 Thomas Brussig 173f. Am kürzeren Ende der Sonnenallee 173f. Helden wie wir 174 Martin Büsser 21
C John Cale 99 The Academy in Peril 99
Camper Van Beethoven 123 Campino 123 Canned Heat 115 Captain Beefheart 142, 165 Trout Mask Replica 143 Laura Carter 109 Johnny Cash 32 David Cassidy 46, 226f. Raymond Chandler 187 David Chappelle 141 Vic Chesnutt 102-110, 204 Dark Developments 102-110 Little 107 Mad Passion of the Stoic 107 West Of Rome 107 Wrong Piano 204 Chic 184 Le Freak 184 Chicago 102 Childish Gambino 141 Late Night in Kuai 141 Choking Victim 168 500 Channels 168 Nikita Chruschtschow 10, 136, 174 The Clash 117 Brand New Cadillac 117 Joe Cocker 143 Catfish 143 Nick Cohn 47, 78 Colorblind James Experience 135 A Different Bob 135 Brian Conolly 61 Eddie Constantine 66 Constanze 26 Alice Cooper 119 I Like Girls 119 Vladimir Cosma 194
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Cosmopolitan 26 Elvis Costello 14, 185 Mystery Dance 185f. Crass 166 Smash the Mac 166 The Crystals Da Doo Ron Ron 45
D DAF 191 Roger Daltrey 74 Harald Damsleth 108 Steely Dan 229 James Dean 27f. Sandra Dee 169f., 173 Gilles Deleuze 104, 201 Lana Del Rey 171-173, 230 Cola 171f. Dendemann 216f. Denim 168 Jacques Derrida 236 Der Tatortreiniger 128 Howard Devoto 155f. Dick Cavett-Show 44 Charles Dickens 84 Detlef Diederichsen 229 Diedrich Diederichsen 16f., 21f., 27, 34, 41, 43, 56, 62, 69, 162, 180, 190, 224, 229 Die Götter müssen verrückt sein 155 Din A Testbild 193 DJ Johnny Flash (s. Helge Schneider) Franz Dobler 32 Peter Doggett 98 Donny 226 Don’t Knock the Rock 60
Andreas Dorau 125, 191 Fred vom Jupiter 191 Lee Dorsey 112 John Dougan 75, 78, 95 K.C. Douglas 113, 115, 129 Mercury Blues 113-116 Mercury Boogie 113 Dagobert Duck 84 Ian Dury 139 Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll 139 Gretchen Dutschke 194 Rudi Dutschke 194 Bob Dylan 14, 44f., 48, 69, 75, 135, 143-145 Catfish 143 The Times They Are A-Changin’ 48 Union Sundown 135
E Eagles 84 Hotel California 84 East Village Other 71 Clint Eastwood 106 Kurt Edelhagen 63f. Ed Sullivan Show 40 Jennifer Egan 58 A Visit from the Goon Squad 58 Bernd Eichinger 123 Mark Eins 193 Ein Wildschwein namens Hopplahopp 19f. Sergei Eisenstein 233 Elf Power & The Amorphous Strums (s. Vic Chesnutt)
Index
George Eliot 84 Bret Easton Ellis 158 American Psycho 158 Elvis (s. Presley) John Entwistle 74, 76, 78, 84 Brian Epstein 50f. Eraserhead 165 Maurice Ernst 216 Esquire 90 David Essex 226 Jim Evans 100-102, 109 Jörg Evers 124 The Exorcist 14 Extrabreit 190, 197
Wolfram Siebeck hat recht 190 Franz Ferdinand 154 Frida Gold 212f. Langsam 213 Flash Gordon 200 Caspar David Friedrich 132 Kreuz im Gebirge 132 Simon Frith 180 Frl. Menke 179, 198 Hohe Berge 198 Conny Froboess 23, 29 Blue Jean Boy 29
F
Hy Gardner 34 Marvin Gaye 51, 53 Bob Geldorf 55 Genesis 86 The Lamb Lies Down On Broadway 86 Georgia On My Mind 9 Gerry & the Pacemakers 50f., 117 Gestört aber geil 212f. Geh nicht weg 213 Max Giesinger 212, 214, 220f. Wenn sie tanzt 220 Rex Gildo 29 Glasperlenspiel 213 Für immer 213 Gary Glitter 226f. Touch me! 227 The Godfathers 236 Johann Wolfgang von Goethe 124 Golden Earring 45 Leslie Gore 53, 60 Gorgeous George 53 Go Trabi Go 124
The Faces 75 Falco 191, 215, 218 Die Fantastischen Vier 125, 216 Horst Fascher 61, 63, 65, 67 Fehlfarben 183-186, 217 Apokalypse 183 Ein Jahr (Es geht voran) 184 Grauschleier 184-186 Monarchie und Alltag 183-186, 217 Leslie Fiedler 22, 87 Helene Fischer 212 Mark Fisher 236 Capitalist Realism 236 Ghosts of My Life 236 John Fiske 31 Ella Fitzgerald 61 Gustave Flaubert 181 Theodor Fontane 12 Samantha Fox 125 Foyer des Arts 179, 181, 190
G
251
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Grandmaster Flash 18 Elizabeth Grant (s. Lana Del Rey) Walter Grasskamp 21 The Grateful Dead 138 Green Acres 91 Bob Greene 49-51 Franz Grillparzer 64 Lawrence Grossberg 17, 69 The Guess Who 100, 234 Artificial Paradise 100, 234 Gung Ho 167 Gudrun Gut 193 Gregor Gysi 210
H Nina Hagen 47, 179, 185, 193f., 200, 207 Auf’m Bahnhof Zoo 47 Nina Hagen Band 200 Pank 200 Red Love 194 TV-Glotzer 185, 207 Hair 207 Bill Haley 60f., 63,-65, 143 Crazy, Man, Crazy 60, 63 Hot Dog Buddy Buddy 60 Miss You 143 Rock Around the Clock 64 Richard Hamilton 11, 88-94, 99, 170f., 192, 211 Just What Is It That Makes Today’s Homes So Different, So Appealing? 11, 88-94, 192 Lionel Hampton 61 Johnathan Harris 120 Wolfgang Fritz Haug 38f., 210 Dieter Thomas Heck 125
Heidi und Peter 19 Peter Hein 184 Heintje 226 Jimi Hendrix 138f. Hergé 22 Ted Herold 190 Johnny Hiland 115 Holger Hiller 191 Abbie Hoffman 42-44, 55, 70, 72, 97 Tom Holert 21 Buddy Holly 158 Judith Holofernes 209-211, 221 Home Improvement 116 Lightnin’ Hopkins 118 Big Car Blues 118 Edward Hopper 100 Gas 100 Friedrich Hölderlin 180 Hören und Sehen 19 Melanie Horn 25 Nick Hornby 90f., 96, 119 Hör Zu! 22, 196f. Hot Chocolate 117 Heaven Is the Backseat of My Cadillac 117 Howlin’ Wolf 118 Built for Comfort 118 Arthur Hughes 95 The Long Engagement 95 Annette Humpe 193f., 204 Humpe & Humpe 153, 202-205 Geschrien im Schlaf 205 Yama-ha 153, 202-204 Inga Humpe 204
Index
I I Can’t Relax In Deutschland 214 Ice-T 166 Manni Icks 124 Manta! Manta! 124 Ida Red 117 Ideal 122, 179, 181, 191-195, 198 Blaue Augen 193, 195 Hundsgemein 122, 195 In meinem roten Rolls Royce 195 Luxus 195 Monotonie 195 Rote Liebe 193, 195 Sex in der Wüste 195 Florian Illies 176 Generation Golf 176 Eva Illouz 228 Imitation of Life 170 Independent Group 88, 99, 152 This Is Tomorrow 88, 90 Iron Butterfly 45
J Jackie 26, 226 The Jackson Five 167 Alan Jackson 115f. Michael Jackson 142, 167 Mick Jagger 53 Jan and Dean 49 Janis: Little Girl Blue 137 Ja, Panik 14, 215, 236 DMD KIU LIDT 236 Jim Jarmusch 32 Jefferson Airplane 41-45 3/5 of a Mile in 10 Seconds 44 She Has Funny Cars 44
Surrealistic Pillow 12, 43 We Can Be Together 44 Jesus 36 The Jesus and Mary Chain 170f. Here Comes Alice 170f. Jethro Tull 176f. Said She Was a Dancer 176f. Billy Joel 127, 232 I Want You Just the Way You Are 232 We Didn’t Start the Fire 127 John Birch Society 9 Robert Johnson 113, 121 Terraplane Blues 113, 121 Al Jolson 91 Brian Jones 46 Everett LeRoi Jones 44 Black People! 44 Janis Joplin 135-139, 145, 198 Get It While You Can 198 Me and Bobby McGhee 135 Mercedes Benz 135-139 Pearl 136 Mario Jordan 213 Welch ein Tag 213 Journal of Commerce 90 Juli 212
K Hubert Kah 198 Sternenhimmel 198 Tibor Kalman 158 Immanuel Kant 55-57 Katrina and the Waves 125 Rolf Kauka 22 Bill Kaulitz 210
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Ronan Keating 219 Life Is a Rollercoaster 219 Speedy Keen 75 Daniel Kehlmann 206f. Ruhm 206f. Gottfried Keller 85 Pankraz, der Schmoller 85 Jack Kerouac 105 On the Road 105 Freddie King 231 Martin Luther King 145 King Køng 123 Lukas König (s. MC Bishop) The Kinks 51, 96, 125, 219 Dedicated Follower of Fashion 96 Lola 219 You Really Got Me 125 Thomas Klameth 19 Klee 212 Alexandra Kollontai 193 Wassilissa Malygina 193 Christian Kracht 176 Faserland 176 Kraftwerk 122, 124, 131 Autobahn 122, 131 Peter Kraus 23, 28f., 60, 64f. Hula-Liebe 29 Mit 17 29 Pascal Kravetz 232 Kris Kristofferson 70 Dietrich Kuhlbrodt 193
L La Boum 194 Lady Gaga 60 Laibach 232
War 232 Lassie Singers 125 Timothy Leary 41 Led Zeppelin 121 Trampled Under Foot 121 Leiber/Stoller 193 Lucky Lips 193 Wladimir Iljitsch Lenin 193 John Lennon 21, 69, 97, 111, 139, 187 Johnathan Lethem 34 Roy Lichtenstein 88, 91 Limp Bizkit 166 Stuck 166 Udo Lindenberg 122, 200, 214, 232 Daumen im Wind 122, 132 Wozu sind Kriege da? 232 David Lindley 115 Gerlinde Locker 27 Cripple Clarence Lofton 231 Lola rennt 219 Gina Lollobrigida 93 Love Bug 131 Niklas Luhmann 209, 219 David Lynch 165
M Willie Mabon 231 Dean MacCannell 35-37, 39, 54f., 58, 211, 224 Country Joe MacDonald 43 Mad 90 Mademoiselle 26 Mad Men 47 Madonna 60 Magazine 152, 155, 158 Come Alive 155f.
Index
Stephen Malkmus 14 Barry Manilow 148-151, 217-220 Copacabana 218-220 V.S.M. 148, 150f., 217 Männer, die den Globus tauften 22 Jayne Mansfield 93 Manta – der Film 124-127 Manta Manta 123-128 Mao Zedong 69, 97 Markus 127f., 133, 179, 192 Ich will Spaß 127f., 192 Kugelblitze und Raketen 133 Silas Marner 84 Gerry Marsden 50, 53, 60 George Martin 51 MC5 43 MC Bishop 216 Paul McCartney 111 Michael McClure 136f. Ellen McCracken 25, 29 Scott McKenzie 150 San Francisco 150 Marshall McLuhan 209 Angela McRobbie 24, 226f. Meat Loaf 115 Meat Puppets 158-161 New Gods 158-162 Thomas Meinecke 192 Messer 14, 215, 230 Marion Michael 29 Bette Middler 151 John Everett Millais 95 Ophelia 95 Milton Berle Show 33 The Miracles 52 Mickey’s Monkey 52
You’ve Really Got a Hold On Me 52 Friedhelm Misiejuk 61 Miss Kittin 205 Meet Sue Be She 205 Joni Mitchell 14, 156, 223-225 Refuge of the Roads 223-225 Woodstock 156 Mitch Mitchell 139 Mittagspause 184 Mode & Verzweiflung 192 The Monochrome Set 152-154 Goodbye Joe 153 Martians Go Home 153 Strange Boutique 153 Monterey Pop 138 The Moody Blues 45 Keith Moon 74, 76 Jim Morrison 137 Van Morrison 117, 123 Cadillac 117 Mötley Crüe 152, 169f., 172f., 230 Come On and Dance 169f., 172f. Die Motoristen 123 Wir fahren Manta Manta 123f. Marius Müller-Westernhagen 133, 136 Oh, Margarethe 133, 136 Mike Muir 163-165 Mystery Train 32
N Jack Nance 165 Werner Nekes 125 Nena 207
255
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Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
99 Luftballons 207 Neonbabies 190 Neuzeit 191 Randy Newman 10, 14, 101 Good Old Boys 101 Sail Away 10 Wolfgang Niedecken 187 Jack Nitzsche 49 Richard Nixon 10, 136, 174 Norbert und die Feiglinge 125, 127 Manta 125, 127
O Oasis 180 Uschi Obermaier 194 Conor Oberst 117 Phil Ochs 44 Odetta 143, 145 John Henry 144 Odetta & Larry 143 Waterboy 143-145, 159, 167 Oktober 233 Claes Oldenburg 78 Jimmy O’Neal 149 Operation Ivy 166 Artificial Life 166f. Oprah 166 George Orwell 138 Hendrik Otremba 230
P Rosa Parks 145 Partridge Family 46, 151, 227 Ámbar Past 160 Viktor Pelewin 174-177 Generation P 174-177 D.A. Pennemaker 138 Carl Perkins 32f., 35, 37
Blue Suede Shoes 32f., 126 Perry Como Show 33 Maria Perschy 28 PeterLicht 84, 215 Wettentspannen 84 Petrus 103 Wilson Pickett Mustang Sally 119 Pink Floyd 169 Conny Plank 152f., 203 Playboy 90, 193f. Henry Pleasants 111 Jürgen Ploog 183 Coca Cola Hinterland 183 Jackson Pollock 93 Iggy Pop 171 I Wanna Live 171 Elvis Presley 14, 23, 30, 32-40, 45, 60f., 64-66, 69, 186, 225, 229, 233, 236 50,000,000 Elvis Fans Can’t Be Wrong 186, 216f. Blue Suede Shoes 32f., 126 Jailhouse Rock 46, 61 That’s Allright, Mama 35 The Pretenders 167 Don’t Get Me Wrong 167 Get Close 167 How Much Did You Get for Your Soul 167 Prima Tanzmusik 189-191 Prince 167, 215 Pierre-Joseph Proudhon 115 Thomas Pynchon 131 The Crying of Lot 49 131
Index
Q Queen 75, 120 I’m in Love with My Car 120f., 133
R Max Raabe 192 Jimmy Radcliffe 151 Radetzky-Marsch 65 Rage Against the Machine 166 Killing in the Name 166 Ramones 163 Hair of the Dog 163 Leif Randt 219 Schimmernder Dunst über Coby County 219 Rasselbande 19, 22f. Johnny Ray 34 Noel Redding 139 Otis Redding 138 Steve Reeves 93 Matthias Reim 125 Stefan Remmler 202 Simon Reynolds 20 Cliff Richard 193, 198 Rote Lippen soll man küssen 193 Keith Richards 60 Rainer Maria Rilke 180 Chögyam Trungpa Rinpoche 225 John Robb 154 Smokey Robinson 52f. Charlotte Roche 208 Feuchtgebiete 208 Norman Rockwell Freedom From Want 9f. Rocky Horror Picture Show 75 The Rolling Beats 61
The Rolling Stones 45-47, 49, 51f., 54, 56, 58f., 68, 169, 219f., 230 Get Together 59 Mother’s Little Helpers 220 Satisfaction 47 Sticky Fingers 99 Time Is On My Side 59 Ron Hicklin Singers 151 Linda Ronstadt 10 Ned Rorem 111 Marianne Rosenberg 125 Rote Liebe 193f. Rote Sonne 194 Terry Rowlett 103-107, 109 The Singer 103, 105, 109 Through the Garden 103107 Sebastian Rudolph 124 Tina Ruland 123 Jane Russell 93 Ken Russell 74 Charlie Ryan 117 Hot Rod Lincoln 117
S Saat der Gewalt 64 Toni Sailer 27 Curtis Salgado 231 Ellen Sander 70, 72 Richard Sanderson 194 Reality 194 Saturday Night Live 142, 231 Ferdinand Sauerbruch 27 Scatterbrain 167 Tastes Just Like Chicken 167 Maria Schell 29
257
258
Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Friedrich Schiller 162 Frank Apunkt Schneider 190, 212 Helge Schneider 125, 127 Ladiladiho 127 Franz Schnyder 19 Dietmar Schönherr 28 Franz Schubert 111 Emil Schult 131 Robert Schumann 111 Alice Schwarzer 210 Thomas Schwebel 184 Til Schweiger 123 Matthias Schweighöfer 212 Albert Schweitzer 27 Ebenezer Scrooge 84 Seal 125 Bettina Sefkow 192 Bernd Seiler 12 Sex Pistols 165, 182 EMI 165, 182 William Shakespeare 85 Allan Sherman 143-147 My Aunt Minnie 143, 146 Seltzer Boy 143 Shindig 149 Johnny Shines 121 Dynaflow Blues 121 The Sid Presley Experience (s. The Godfathers) Elsbeth Sigmund 19 Silbermond 212 John Sinclair 43 Grace Slick 43 Small Faces 100 Ogden’s Nut Gone Flake 100 The Smiths 154 Joanie Sommers 147
Mal Sondock 61 Sparks 231f. Perfume 231f. Spice Girls 218 Bruce Springsteen 189 Suicidal Tendencies 163-166 Do What I Tell Ya 166 Institutionalized 163-166 Surf Punks 163f. Meet Me at the Beach 163 Susan Sontag 37, 93f., 217, 226228, 230 Notes On ›Camp‹ 94, 227 The Spencer Davis Group 45 Spex 197 Der Spiegel 63f., 66 Dusty Springfield 45 Bruce Springsteen 117, 119 Pink Cadillac 117 Thunder Road 119 Chris Stamp 79 Bob Stanley 33 Star Club 61, 65 The Statler Brothers 147, 150 Do You Remember These 147 Status Quo 99 Blue for You 99 Steffis Tagebuch 31, 65f., 71 St. Etienne 168 Steve Allen Show 34 Steve Miller Band 115 T.M. Stevens 167 Rod Stewart 169, 227f. Martin C. Strong 102
Index
Benjamin v. Stuckrad-Barre 180, 206 Soloalbum 180 Peter Suhrkamp 37 The Supremes 53 Sweet 61 Ballroom Blitz 61 David Sylvester 13, 94
T Talking Heads 156f. (Nothing But) Flowers 156f. T.A.M.I. Show 47-62, 68, 117, 180, 219 Liz Taylor 13, 27 taz 210 Peter Timm 124 The Jazz Singer 91f. St. Theresa 105 Klaus Theweleit 48 Thunderclap Newman 75 Tiger Beat 227 Time Magazine 111 Time Twisters 133f. Porsche Girl 133f. Tocotronic 131, 211 Über Sex kann man nur auf Englisch singen 211 Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk 131, 211 Tokio Hotel 210 Tommy 74 Ton Steine Scherben 132, 214 Die Toten Hosen 123, 199 Eisgekühlter Bommerlunder 123, 199f. Opel-Gang 123
Pete Townshend 43, 55, 70, 74f., 78f., 84f., 96f. Luis Trenker 179 T. Rex 117 Buick McKane 119 Cadillac 117 Trio 123, 131, 179, 181, 188, 190, 195202, 204, 210, 215, 218f. Achtung, Achtung 197 Broken Hearts for You and Me 195, 202 Bye Bye 195, 198 Da Da Da 195, 198f. Girl Girl Girl 199 Herz ist Trumpf 202, 210 Ich lieb den Rock ’n’ Roll 198 Immer noch einmal 198 Ja Ja wo geht’s lank Peter Pank 200 Ja ja ja 199f. Los Paul 200 Nur ein Traum 123, 131, 202, 218 Out in the Streets 202 Sabine Sabine Sabine 199 TRIO 199 Wake Up 202 W.W.W. 199 Trio Rio 202 New York, Rio, Tokio 202 Trooper 152 Truth Or Consequences 14 Frank Turner 62 I Still Believe 62 Tina Turner 169 TV Personalities 168f.
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260
Western Promises: Pop-Musik und Markennamen
Good Night, Mr. Spaceman 168f. Twen 26 Tom Tykwer 219 Type O Negative 168
U UKW 191 Wolfgang Ullrich 12, 26, 31, 69, 81 Ultravox 152f., 155f., 158, 203, 218 Vienna 152 Western Promise 152f., 156, 203 Maurice Utrillo 147
V Caterina Valente 60 Henry Valentino 128 Im Wagen vor mir 128 Vengaboys 218 Up & Down 218 Vincent van Gogh 147 Don van Vliet (s. Captain Beefheart) The Velvet Underground 61, 99 Rock ’n’ Roll 61 The Velvet Underground & Nico 99 Village Voice 42 Karl und Margret Völkel 217 Kurt Vonnegut 44 Slaughterhouse-Five 44 Rosa von Praunheim 193 Claude Vorilhon 86 Wolf Vostell 194 Dr. Oetker, Rote Grütze 194
W Otto Waalkes 127 Wir haben Grund zum Feiern 127 Tom Waits 15, 218 Big in Japan 218 David Foster Wallace 236 Infinite Jest 236 Andy Warhol 12f., 37, 75, 78, 91, 99, 147, 149, 157 Marc Weingarten 40 Station to Station 40 Wenn die Conny mit dem Peter 29 Robbie Williams 221 Wir sind Helden 205-208, 212 Die Reklamation 205-208 Denkmal 205f. Guten Tag 206-208 Joachim Witt 198 Ich bin euer Herbergsvater 198 The Who 43, 45, 73-87, 95, 97, 138 A Quick One 74, 76, 86 Armenia City in The Sky 75f., 80f., 83, 96 Can’t Reach You 78, 82f., 85, 87 Cobwebs & Strange 76 Coke After Coke After Coca-Cola 79 Happy Jack 74 Heinz Baked Beans 74 I Can See for Miles 76, 80, 82 Jaguar 79, 82, 85 Mary Ann with The Shaky Hand 76
Index
Medac 74, 77f., 81, 83, 98 My Generation 74 Odorono 74, 76, 81 Our Love Was 76, 80-83 Rael 83, 86f., 96-98 Relax 83, 98 Sell Out 73-87, 90, 92, 95, 97f., 100, 195 Silas Stingy 84f., 98 Sunrise 80, 84f., 98 Tattoo 76-78, 80f. The Real Me 86 Things Go Better with Coca-Cola 79 Tommy 84, 86f. Tommy’s Holiday Camp 84 Don Williams 148 Old Coyote Town 148 Hank Williams 117 Christa Wolf 174 Mary Woronov 165 The Wrecking Crew 51 John L. Wright 114
Y The Yardbirds 45 Yello 125 John Paul Young 215 Love Is in the Air 215 Neil Young 15, 119, 131, 158, 209 Long May You Run 119, 131 Piece of Crap 209 This Note’s for You1 58
Z Frank Zappa 14, 70-72, 81, 142, 164, 167, 198
The Torture Never Stops 142 Valley Girl 164 We’re Only In It for the Money 81, 198 Why Don’t You Like Me? 142, 167 Die Zimmermänner 179 ZZ Top 120 I’m Bad, I’m Nationwide 120
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Kulturwissenschaft María do Mar Castro Varela, Paul Mecheril (Hg.)
Die Dämonisierung der Anderen Rassismuskritik der Gegenwart 2016, 208 S., kart. 17,99 € (DE), 978-3-8376-3638-3 E-Book PDF: 15,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3638-7 EPUB: 15,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3638-3
Fatima El-Tayeb
Undeutsch Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft 2016, 256 S., kart. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3074-9 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3074-3
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Kulturwissenschaft Rainer Guldin, Gustavo Bernardo
Vilém Flusser (1920–1991) Ein Leben in der Bodenlosigkeit. Biographie 2017, 424 S., kart., zahlr. Abb. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4064-9 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4064-3
Till Breyer, Rasmus Overthun, Philippe Roepstorff-Robiano, Alexandra Vasa (Hg.)
Monster und Kapitalismus Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2017 2017, 136 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3810-3 E-Book: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3810-7
Thomas Hecken, Moritz Baßler, Robin Curtis, Heinz Drügh, Mascha Jacobs, Nicolas Pethes, Katja Sabisch (Hg.)
POP Kultur & Kritik (Jg. 6, 2/2017) 2017, 176 S., kart., zahlr. Abb. 16,80 € (DE), 978-3-8376-3807-3 E-Book: 16,80 € (DE), ISBN 978-3-8394-3807-7
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