Werke: Lateinisch und deutsch 9783534181298, 3534181298, 9783534181292


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German Pages 413 Year 2010

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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
Einleitung
C. Sallustii Crispi – Sallust
De Bello Catilinae (De Catilinae Coniuratione)
Der Krieg Gegen Catilina (Die Verschwörung Catilinas)
De Bello Iugurthino
Der Krieg Gegen Jugurtha
Historiarum Fragmenta Selecta
Historien
Abweichungen von den Textausgaben
Erläuterungen zum Bellum Catilinae
Erläuterungen zum Bellum Iugurthinum
Erläuterungen zu den Historien
Bibliographie
Index
Über die Reihe
Über den Inhalt
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Werke: Lateinisch und deutsch
 9783534181298, 3534181298, 9783534181292

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EDI T I O N AN T I K E Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose

SALLUST

Werke

Lateinisch und deutsch

Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Thorsten Burkard

Verantwortlicher Bandherausgeber: Martin Hose Die EDITION ANTIKE wird gefördert durch den Wilhelm-Weischedel-Fonds der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Wissenschaftliche Redaktion und Schriftleitung: Federica Casolari-Sonders (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2010 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: COMPUTUS Druck Satz & Verlag, 55595 Gutenberg Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-18129-8

Inhalt Vorwort Einleitung

.....................................................

VII

...................................................

IX

C. SALLUSTII CRISPI – SALLUST DE BELLO CATILINAE (DE CATILINAE CONIURATIONE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DER KRIEG GEGEN CATILINA (DIE VERSCHWÖRUNG CATILINAS) . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

DE BELLO IUGURTHINO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DER KRIEG GEGEN JUGURTHA ..................

80 81

HISTORIARUM FRAGMENTA SELECTA . . . . . . . . . HISTORIEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen von den Textausgaben

2

236 237

........................

307

Erläuterungen zum Bellum Catilinae .......................... Erläuterungen zum Bellum Iugurthinum ....................... Erläuterungen zu den Historien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313 332 348

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

375 379

Vorwort Das vorliegende Buch vereinigt die unumstritten echten Schriften Sallusts. Dass ich für deren Bearbeitung und Übersetzung verantwortlich zeichnen darf, verdanke ich Martin Hose, der mit dieser Idee vor fünf Jahren auf mich zugetreten ist. Für die redaktionelle Zusammenarbeit möchte ich Frau Dr. Federica Casolari-Sonders (München) und Herrn Dr. Harald Baulig von der WBG meinen herzlichsten Dank aussprechen, zumal ich beide mit meinem Sallust immer wieder vertrösten musste und so ihre Langmut auf eine harte Probe gestellt habe. Utinam exitus acta probet! Ohne meine treuen und tüchtigen Helfer in Kiel hätte ich dieses Opus neben meinen anderen Verpflichtungen nicht fertig stellen können. Ich bin ihnen daher zu äußerstem Dank verpflichtet, zum einen meinem Assistenten, Herrn Dr. Alexander Cyron (der auch eine Konjektur beigesteuert hat), zum anderen meinen Hilfskräften Sara C. Boysen (die dankenswerterweise auch die Erstellung des Registers übernommen hat) und Björn Radomski sowie meiner Sekretärin Frau Melitta Frantz. Kiel, im Juli 2009

Thorsten Burkard

Einleitung Sallusts Leben Wir können mit einiger Sicherheit sagen, dass C. Sallustius Crispus (um) 86 v. Chr. im sabinischen Amiternum geboren wurde und 35 oder 34 v. Chr. gestorben ist.1 Nach einer sehr unsteten Karriere hat er sich zu Beginn des fünften Lebensjahrzehnts (wohl nach Caesars Ermordung) aus der Politik zurückgezogen, um sich gänzlich der Geschichtsschreibung zu widmen. In der Dekade seines otium sind auf jeden Fall drei Werke entstanden, deren zeitliche Reihenfolge als gesichert gelten darf:2 die beiden Monographien Bellum Catilinae3 und Bellum Iugurthinum sowie die unvollendeten Historien Historien.. Als Politiker tritt Sallust, den wir wohl als homo novus aus dem Ritterstand ansehen dürfen,4 für uns erstmals im Jahre 52 als Volkstribun in Erscheinung.5 Gleich zu Beginn seiner Amtszeit machte Sallust von sich reden, indem er dem hochangesehenen Senator Cicero entgegentrat. Dieser hatte die Verteidigung des Bandenführers und Kandidaten für das Konsulat T. Annius Milo übernommen, der des Mordes an Ciceros Erzfeind P. Clodius Pulcher angeklagt war.6 Zusammen mit zwei anderen Tribunen (Q. Pompeius Rufus und T. Munatius Plancus) agitierte Sallust vor dem Volk gegen Milo und seinen Verteidiger. Das aggressive Vorgehen der Tribunen könnte mit dem Triumvirn Pompeius abge1 Wir verdanken diese Daten der Chronik des Kirchenvaters Hieronymus, der wohl die (verlorene) Sallustvita Suetons benützt hat. Für Sallusts Biographie vgl. die entsprechenden Kapitel bei Syme und die Monographie von Malitz. 2 Die Bemerkung in Catil. 4,2 scheint auf den Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit zu verweisen, so dass der Catilina das Erstlingswerk sein wird (zudem scheint Sallust im Jugurtha auf zuvor geäußerte Kritik zu reagieren). Die Historien sind unvollendet geblieben, vermutlich weil Sallust vor der Fertigstellung starb. 3 Zum Titel vgl. die Bemerkungen zu Beginn der Erläuterungen zum Catilina Catilina.. 4 Vgl. dazu Paananen 90–109. Ein homo novus ist jemand, der als erster seiner Familie die höheren Ämter (Prätur und Konsulat) erreicht. 5 Sallusts Volkstribunat ist gesichert durch entsprechende Bemerkungen in Asconius’ Kommentar zu Ciceros Rede Pro Milone (1. Jh. n. Chr.). Wenn man zuweilen liest, dass Sallust im Jahre 54 Quästor gewesen sei, so ist dies lediglich approximativ aus dem Datum des Volkstribunats erschlossen. 6 Zu Clodius und Cicero vgl. zu Catil. 22,3.

X

Einleitung

sprochen gewesen sein, der um jeden Preis einen Freispruch verhindern wollte und damit auch Erfolg hatte: Milo wurde verurteilt und musste ins Exil gehen. Angeblich soll sich Sallust später mit ihm und Cicero ausgesöhnt haben.7 Im Jahre 50 wurde Sallust aus dem Senat ausgeschlossen – ein Schicksal, das in diesem Jahr noch andere Senatoren traf. Federführend war der Zensor Ap. Claudius Pulcher. Nach der communis opinio der Forschung wäre Sallust am Vorabend des Bürgerkrieges einem politischen Schlag gegen Caesarianer zum Opfer gefallen. Hiergegen hat sich Malitz mit durchaus bedenkenswerten Argumenten gewendet. Er weist u. a. darauf hin,8 dass der Amtskollege des Ap. Claudius Caesars Schwiegervater gewesen ist und dass man sich in der besseren Gesellschaft der Metropole offenbar über die rigorosen Moralvorstellungen des Claudius lustig machte.9 Nimmt man die antiken Zeugnisse über Sallusts leichtfertigen Lebenswandel hinzu, die zu seinem Ausschluss geführt haben sollen,10 wird man Malitz konzedieren dürfen, dass auch moralische Gründe bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben könnten. Sallusts Karriere wurde durch den Ausschluss aus dem Senat zwar erschüttert, durch den Bürgerkrieg erhielt sie aber neuen Auftrieb, da Sallust als Caesarianer rasch in neue Ämter gelangen konnte. So soll er im Jahre 49 als Legionskommandeur im Illyricum gekämpft haben, dort aber zusammen mit den anderen caesarianischen Truppen geschlagen worden sein.11 Im folgenden Jahr wurde Sallust wieder in den Senat aufgenommen; in der Forschung umstritten ist allerdings, ob er dabei den Rang eines Quästors erhielt, wie in der pseudociceronianischen Invektive gegen Sallust zu lesen ist (§ 21), deren Quellenwert aber vermutlich gering zu veranschlagen ist. Als sich im Jahre 47 in Unteritalien caesarianische Soldaten weigerten, nach Afrika überzusetzen, und Caesar unter anderem Sallust damit beauftragte, die Disziplin der Truppe wiederherzustellen, entkommt dieser den Meuterern nur mit knapper Not.12 Auf diesen neuerlichen Rückschlag folgte aber im Jahre 46 7 Wie üppig der römische Stadtklatsch (oder die Phantasie antiker Philologen) blühte, kann man an dem Gerücht erkennen, Sallust sei beim Ehebruch mit Milos Frau von diesem erwischt und verprügelt worden (Gellius, Noctes Atticae 17,18). Auf jeden Fall ins Reich der Fabel gehört die Behauptung, Ciceros Frau Terentia habe nach der Trennung von ihrem Mann Sallust geheiratet (Hieronymus, Adversus Iovinianum 1,48). 8 Vgl. auch die Bemerkung bei Cassius Dio 40,63,3f., dass Claudius durch seine Aktion viele Senatoren überhaupt erst Caesar in die Arme getrieben habe. 9 Vgl. Caelius bei Cicero fam. 8,14,4. 10 Diese kausale Beziehung wird explizit formuliert in einem Horaz-Kommentar (Ps.Acro Hor. sat. 1,2,47–49). 11 So Orosius (Anfang 5. Jh.) in seinem Geschichtswerk (6,15,8). 12 Vgl. Cassius Dio 42,52.

Einleitung

XI

der Höhepunkt von Sallusts Karriere: Zunächst ist er im Range eines Prätors für den Nachschub von Caesars Afrikaarmee zuständig. Als dann nach dem Sieg über die Pompejaner in Nordafrika das numidische Reich des Königs Iuba in die Provinz Africa nova umgewandelt wird, ernennt Caesar ihn zum ersten Statthalter (mit Amtssitz in Zama);13 Sallust erhält sogar das imperium proconsulare und die Kommandogewalt über drei Legionen.14 Diese Ernennung zeugt von dem Vertrauen, das Caesar in seinen Anhänger gesetzt haben muss. Er wurde aber in gewisser Weise enttäuscht: Sallust scheint sich nämlich, wie so viele römische Gouverneure, in seiner Provinz auf zumindest fragwürdige Weise bereichert zu haben, so dass er sich bei seiner Rückkehr nach Rom (wohl im Sommer 45 v. Chr.) in einem Repetundenprozess verantworten musste. Mit Caesars Hilfe konnte er sich allerdings einer drohenden Verurteilung entziehen.15 Dieses Erlebnis und die bald darauf erfolgende Ermordung seines Gönners veranlassten Sallust wohl dazu, seine politische Karriere zu beenden und sich der Geschichtsschreibung zu widmen.16

Das Bellum Catilinae Die Quellenlage zur Catilinarischen Verschwörung des Jahres 63 ist recht gut; mit der sallustischen Monographie und Ciceros Schriften (v. a. den vier Catilinarischen Reden) liegen zudem Berichte von Zeitzeugen vor.17 Da Sallust leider in seinem Erstlingswerk sehr frei mit seinem Material umgeht und nicht allzu viel Wert auf chronologische Zusammenhänge legt,18 wird offensichtlich, dass es ihm weniger um einen minutiösen chronikalen Bericht als vielmehr um seine subjektive Deutung der Ereignisse geht. So kommt es zu einer paradoxen Situation: Wer Sallusts Catilina als literarisches Werk verstehen will, muss weniger den Bericht über die Fakten, also die Haupterzählung, als vielmehr die großen 13 Hier lernte er auch die „Bücher des Königs Hiempsal“ kennen (vgl. Iug. 17,7 mit Kommentar); zu diesen vgl. Véronique Krings: „Les libri Punici de Salluste“, in: Attilio Mastino (Hrsg.): L’Africa romana, Sassari 1990, 109–117. 14 Vgl. zu Sallusts Karriere in Afrika Bell. Afr. 8,3; 34,3; 97,1; Appian, bell. civ. 2,100. 15 Vgl. Cassius Dio 43,9,2f.; 43,47,4; Ps.-Cic. in Sall. 19. 16 Sallust soll (wohl nach Caesars Tod) mit seinem neuen Reichtum vor der Porta Collina eine Parkanlage erworben haben, die zuvor Caesar gehört hatte (Ps.-Cic. in Sall. 19), die sog. Horti Sallustiani Sallustiani.. 17 Daneben sind die griechischen Historiker (Plutarch, Appian, Cassius Dio) und vor allem die historisch i. W. zuverlässigen Cicero-Kommentare des Asconius Pedianus (1. Jh. n. Chr.) zu nennen. Zu den Quellen vgl. die vorzügliche Arbeit von Drexler (1976). 18 Zu den sallustischen Umstellungen im Catilina vgl. Ledworuski.

XII

Einleitung

Exkurse (6–13; 36–39), die beiden großen Senatsreden (51–52) und die Charakteristiken von Catilina und den Catilinariern (5; 14–16; 25) sowie von Caesar und Cato (54) lesen. Die Verschwörung ist für Sallust nur ein Symptom einer allgemeinen deszendenten Entwicklung, die mit dem Schwinden des metus hostilis im Jahr 146 zusammenhängt: Seit der Zerstörung Karthagos, der einzigen anderen Großmacht, musste Rom keine Feinde mehr fürchten, so dass der Frieden und der gesicherte Wohlstand die Affekte und die Laster ungehindert hervorbrechen ließen. In der eigenen bereits durch und durch verdorbenen Zeit kann Sallust offenbar nur wenige Hoffnungsträger erkennen, neben dem seltsam blass bleibenden Cicero19 sind dies vor allem die geradezu heroischen Gestalten Caesar und Cato, die in Kapitel 54 (in der sog. Synkrisis) ausführlich gewürdigt werden. Jeder von beiden verkörpert eine Seite der vollkommenen virtus virtus,, so dass beide zusammen sozusagen den idealen und vollkommenen (römischen) Staatsbürger ergeben würden. Im Gegensatz zu diesen beiden Männern stehen Catilina und seine Mitverschwörer, die von Egoismus getrieben sind und eine schrankenlose Gewaltbereitschaft verkörpern, die es ihnen aber immerhin ermöglicht, am Ende einen einigermaßen ehrenvollen Tod in der Schlacht zu finden – als Opfer einer in die Irre gehenden virtus (i.S.v. Tatkraft).

Der Aufbau des Catilina 1–4

Proömium

5

Catilina-Charakteristik

6–13

Sittenexkurs

14–16

Schilderung der Catilinarier

17–22

Erste Versammlung der Catilinarier (64 v. Chr.) 18–19 Erste Verschwörung (66/65 v. Chr.) 20–21 Reden Catilinas 22 Angebliches Menschenopfer der Catilinarier

23–24

Verrat des Curius, Wahl Ciceros zum Konsul

25

Sempronia

26–32

Vorbereitungen der Verschwörung (63 v. Chr.)

33–35

Manlius-Botschaft und Catilina-Brief

19 Die Ansicht, dass Sallust Cicero negativ dargestellt habe, ist inzwischen veraltet. Dass sich Cicero über die Darstellung seiner Person wohl kaum gefreut hätte (bleibt er doch hinter Caesar und Cato deutlich zurück), steht auf einem anderen Blatt.

Einleitung

XIII

36,1–3

hostis-Erklärung hostis -Erklärung

36,4–39,5

Mittelexkurs

39,6–45

Aufdeckung der Verschwörung mithilfe der Allobroger

46–47

Verhör der Verschwörer

48–49

Stimmung in der Plebs angebliche Verwicklung hochrangiger Politiker in die Verschwörung

50–53,1

Senatssitzung 51 Rede Caesars 52 Rede Catos

53,2–5

Historische Einleitung der Synkrisis

53,6–54

Synkrisis

55–61

Untergang der Verschwörer in Rom und in Italien (Schlacht von Pistoria, 62 v. Chr.)

Das Bellum Iugurthinum Obwohl Sallusts zweite Monographie dem Krieg zwischen Rom und dem Numiderkönig Jugurtha (111–105 v. Chr.) gewidmet ist, steht – zumal im ersten Teil des Werkes – eine innenpolitische Problematik im Vordergrund: die Korrumpierbarkeit der nobiles und das Aufbegehren der Plebs gegen derartige Machenschaften. Diese Streitigkeiten spiegelt Sallust in den beiden römischen Protagonisten, in dem intransigenten Optimaten Metellus und dem homo novus Marius, die die historische Entwicklung des Parteienkampfes symbolisieren sollen: Nach einer Phase der effizienten Kooperation zwischen den beiden Männern gegen den äußeren Feind kommt es durch die superbia des Metellus und den fehlgeleiteten Ehrgeiz des Marius zum Bruch (63–65). Es ist auf den ersten Blick auffällig, dass am Ende des Jugurtha eine neuerliche Harmonie zwischen den Ständen steht, versinnbildlicht im gemeinsamen Vorgehen von Sulla und Marius. Sallust schlägt kein Kapital aus der Tatsache, dass Marius und Sulla die beiden Protagonisten des ersten Bürgerkriegs des 1. Jahrhunderts sein sollten – im Gegenteil: Die Zusammenarbeit der beiden Männer wird durchgehend als harmonisch geschildert. Der soldatische Marius besiegt Jugurtha auf dem Schlachtfeld, der gewandte (aber keineswegs unsoldatische) Weltmann Sulla überwindet den gemeinsamen Feind auf dem Feld der Diplomatie. Ob diese positive Darstellung des Verhältnisses zwischen Sulla und Marius zur

XIV

Einleitung

Gänze auf Sallusts Quellen (sicherlich zumindest teilweise Sullas Memoiren)20 zurückgeht, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden: Sallust kann sehr wohl von späteren Entwicklungen abstrahieren, wie er es auch im Catilina im Falle Caesars gemacht hatte. So steht am Ende des Jugurtha gewissermaßen die Versöhnung der homines novi (verkörpert durch Marius) und der Nobilität (repräsentiert durch Sulla) – aber Sallust deutet mit dem letzten Satz so unmissverständlich wie unheilverkündend die kommenden viel stärkeren Zerwürfnisse an: Et ea tempestate spes atque opes civitatis in illo [sc. Mario Mario]] sitae (114,4).

Der Aufbau des Jugurtha 1–5,3 5,4–16

17–19 20–26 27–29 30–35 36–40 41–42 43–76

Proömium Vorgeschichte 7–9 Jugurtha vor Numantia 10 Micipsas Rede auf dem Totenbett 11 Kronrat (Jugurtha, Adherbal, Hiempsal) 12 Ermordung Hiempsals 13 Erster Krieg zwischen Jugurtha und Adherbal 14 Adherbals Rede vor dem Senat Afrikaexkurs Zweiter Krieg zwischen Jugurtha und Adherbal Kriegführung des Calpurnius Bestia Jugurthas Scheinkapitulation Vorgehen gegen die korrupten nobiles nobiles.. Jugurtha in Rom 31 Die Rede des Memmius vor dem Volk Kriegführung der beiden Albini. Niederlage bei Suthul Parteienexkurs Kriegführung des Metellus 43–47 Jugurthas erster Kapitulationsversuch 48–53 Die Schlacht am Muthul 56–61 Der Kampf um Zama 63–65 Der Bruch zwischen Marius und Metellus 66–69 Der Aufstand in Vaga 70–72 Bomilcars Komplott gegen Jugurtha 74–76 Die Einnahme von Thala

20 Sallust hat neben Sullas Autobiographie sicherlich noch weitere Quellen herangezogen: so die Memoiren des M. Aemilius Scaurus und des P. Rutilius Rufus (vgl. zu 50,1); zu indigenen Quellen vgl. Iug. 17,7.

Einleitung

77–79 80–101

102–113 114

XV

Leptis-Exkurs 79 Philaeni-Erzählung Kriegführung des Marius 85 Marius-Rede 89–92,3 Die Einnahme von Capsa 92,4–94 Die Einnahme des Kastells am Muluccha 95–96 Sulla-Charakteristik 101 Die entscheidende Schlacht bei Cirta Verhandlungen zwischen Sulla und Bocchus 113 Die Auslieferung Jugurthas Das Ende des Krieges

Zeittafel 149/148 v. Chr.

Tod Masinissas Nachfolger sind seine Söhne Micipsa, Gulussa, Mastanabal

vor 139 v. Chr.

Tod Gulussas und Mastanabals Micipsa Alleinherrscher

134/133 v. Chr.

Jugurtha vor Numantia

nach 133 v. Chr.

Adoption Jugurthas durch Micipsa

118 v. Chr.

Tod Micipsas

117 v. Chr.

Ermordung Hiempsals 1. Niederlage Adherbals gegen Jugurtha

117/116 v. Chr.

Senatsbeschluss zur Teilung Numidiens Entsendung der Zehnerkommission unter L. Opimius

112 v. Chr.

2. Krieg zwischen Jugurtha und Adherbal Einnahme Cirtas durch Jugurtha: Ermordung Adherbals

111–105 v. Chr.

Krieg Roms gegen Jugurtha

111 v. Chr.

Konsulat des Calpurnius Bestia: erste Kampfhandlungen Scheinkapitulation Jugurthas Volkstribunat des C. Memmius Jugurtha kommt nach Rom

110 v. Chr.

Konsulat des Sp. Postumius Albinus Ermordung Massivas auf Befehl Jugurthas Wiederaufnahme des Krieges unter Sp. Albinus

XVI

Einleitung

109–108 v. Chr.

Metellus Oberbefehlshaber in Numidien

109 v. Chr.

Kapitulation des A. Albinus bei Suthul (vielleicht schon 110) Lex Mamilia und Quaestiones Mamilianae Konsulat des Metellus Schlacht am Muthul Kämpfe um Zama

109 / 108 v. Chr.

Aufstand und Bestrafung der Vagenser

108 v. Chr.

Bomilcars Verschwörung gegen Jugurtha scheitert Einnahme von Thala durch Metellus

107–105 v. Chr.

Marius Oberbefehlshaber in Numidien

107 v. Chr.

Erstes Konsulat des Marius Rückkehr des Metellus nach Rom Einnahme der Stadt Capsa

106 v. Chr.

Eroberung des Kastells am Muluccha Entscheidungsschlacht bei Cirta

105 v. Chr.

Verhandlungen zwischen Sulla und Bocchus Auslieferung Jugurthas durch Bocchus’ Verrat

104 v. Chr.

Triumph des Konsuls Marius über Jugurtha (1. Januar)

Die Historien Obwohl der Spätantike noch der ganze Text der Historien bekannt gewesen ist, hat Sallusts letztes Werk den Überlieferungsprozess nicht vollständig überleben können. Unsere heutigen Kenntnisse beruhen auf den folgenden Textzeugen: (1) Florilegiencodex Vaticanus Latinus 3864 (V) aus dem 9. Jh. mit den Reden und Briefen aus Sallusts drei Werken. Nur hier sind die sechs Orationes rectae der Historien überliefert. Da alle Reden und Briefe der beiden Monographien in dieser Handschrift enthalten sind, liegt der Schluss nahe, dass dies auch für die Historien gilt. Problematisch sind allerdings diejenigen Fragmente, die auf weitere direkte Reden hindeuten könnten.21

21 Vgl. etwa hist. 4,44–46; 5,7; 5,22. Relativ zur mutmaßlichen Länge der Historien wirkt auch die Zahl von sechs Orationes rectae recht gering.

Einleitung

XVII

(2) Acht Folia eines Codex Floriacensis (d. h. aus Fleury) aus dem 5. Jh., der ursprünglich wohl die ganzen Historien enthielt; ein Bifolium liegt heute im Vatikan (Fragmentum Vaticanum = frgg. 3,96 und 3,98); 21/2 Bifolia befinden sich in Orléans (Fragmentum Aurelianense), das dazu gehörende halbe Bifolium in Berlin (Fragmentum Berolinense). Das Fragmentum Aurelianense und das Fragmentum Berolinense enthalten folgende hier wiedergegebene Fragmente: 2,42; 2,43; 2,45; 2,47 a.A.; 2,87; 2,92; 2,93; 2,98 teilw.; 3,5; 3,6. (3) Codex P. Vindobon. Lat. 117 (Fragmentum Vindobonense), zuerst publiziert 1979 von Bischoff / Bloch (frgg. 1,107 und 1,136). Beide Fragmente sind (zumindest teilweise) auch durch die indirekte Überlieferung erhalten. (4) Papyrus Rylands III 473 (2./3. Jh.).22 Wir drucken hier nur einen Abschnitt, der auch in der indirekten Überlieferung bewahrt ist (frg. 2,7). (5) Die indirekte oder sekundäre Überlieferung, d. h. Zitate bei antiken Autoren (zumeist Grammatikern und Kommentatoren). Der Umfang dieser etwa 530 Zitate divergiert zwischen einem Wort und einer Seite (1,11), zumeist handelt es sich aber um einen Satz oder einen Halbsatz. Die Fragmente zählen wir nach der Ausgabe von Maurenbrecher, der auch die neueste Teiledition von Funari folgt. Nicht-wörtliche Zitate sind kursiviert. Fragmente, bei denen die Buchzuweisung unsicher ist, sind mit einem Asterisk (*) versehen. Mit den Historien wendet sich Sallust von der auf ein Thema konzentrierten Geschichtsschreibung ab. Er behandelt nun in chronologischer Folge die Ereignisse eines bestimmten Zeitraums und stellt sich damit zumindest strukturell in die Tradition der römischen Annalistik. Im Gegensatz zu dieser beginnt er aber sein Werk nicht mit der römischen Frühzeit, sondern widmet sich der Zeitgeschichte, nämlich den Jahren nach 78 v. Chr. Dieser Anfangspunkt ist durchaus bewusst gewählt; zum einen handelt es sich um das Todesjahr Sullas, mit dem Sallust bereits im Catilina eine Epochengrenze verbunden hatte (Catil. 11,4). Zum anderen schließt Sallust chronologisch an den Historiker L. Cornelius Sisenna an,23 der in seinen umfangreichen Historiae die Zeit vom 22 Vgl. dazu Kurfess 179–181 sowie McGushin, 1992, 2,9 und ib. Fragments of uncertain reference 12. 23 Der Sullaner Sisenna war Prätor im Jahre 78; er starb 67 v. Chr. als Legat des Pompeius auf Kreta. Seine Historiae sind nur fragmentarisch erhalten. Vgl. zu Sallust und Sisenna Iug. 95,2.

XVIII

Einleitung

Bundesgenossenkrieg (91–88 v. Chr.) bis zu Sullas Tod (78 v. Chr.) dargestellt hatte. Diese Neigung zur chronologischen Fortsetzung ist ein Kennzeichen mehrerer antiker Geschichtswerke.24 Die letzten behandelten Ereignisse, auf die sich die Fragmente beziehen, stammen aus dem Jahr 67.25 Da nicht einzusehen ist, warum Sallust gerade dieses Jahr als Endpunkt hätte wählen sollen26 und aus dem fünften Buch nur wenige Fragmente überliefert sind, liegt der Schluss nahe, dass Sallust über der Arbeit an seinem Werk gestorben ist; diese Vermutung würde auch gut zum überlieferten Todesdatum des Historikers passen. Da Sallust chronologisch vorgeht, muss er die Darstellung eines Ereignisses immer wieder unterbrechen und zu einem anderen Schauplatz wechseln. Wir geben hier nur einen groben Überblick über die wichtigsten Themen und verweisen ansonsten auf die Fragmente und die entsprechenden Erläuterungen: Ereignis

Protagonisten

Fragmente

Lepidus-Aufstand (78–77 v. Chr.)

Lepidus vs. Catulus / Pompeius

1,54–83; 2,1–13

Bellum Sertorianum (80–72 v. Chr.)

Sertorius vs. Metellus Pius / Pompeius

1,84–126; 2,53–70; 2,88–98; 3,81–89

3. Mithridatischer Krieg (ab 74 v. Chr.)

Mithridates vs. Cotta / Lucullus / Pompeius

2,71–79; 3,17–42; 3,52–80; 4,1–19; 4,56–81; 5,1–16

Seeräuberkriege (77–67 v. Chr.)

(Kretische) Seeräuber vs. Servilius Isauricus / Antonius Creticus / Metellus Creticus / Pompeius

2,81–87; 3,1–16; 5,17–27

Spartacus-Aufstand (73–71 v. Chr.)

Spartacus / Crixus vs. 3,90–106; Varinius, Lentulus Clodianus, 4,20–41 Gellius Publicola, Crassus

24 So knüpfte Xenophon in seinen Hellenika an Thukydides’ Darstellung des Peloponnesischen Krieges an. 25 Es geht um die Lex Gabinia (vgl. dazu 5,17–27). 26 Es ist müßig, über den Endpunkt des Werkes zu spekulieren, auch wenn sich die Zeit um 64/63 (siegreiche Beendigung des 3. Mithridatischen Krieges durch Pompeius; Catilinarische Verschwörung) oder womöglich die Bürgerkriege zu Beginn der zweiten Jahrhunderthälfte (vgl. 1,6 und 1,11) anbieten würden. Vielleicht hatte Sallust ursprünglich überhaupt kein konkretes Ende vor Augen; diese Offenheit wird ja durch das annalistische Prinzip ermöglicht.

Einleitung

XIX

Wie in den beiden Monographien so fügt Sallust auch in den Historien Exkurse ein, die aber offenbar weiter ausgeholt haben und so vermutlich loser mit der Haupthandlung verbunden gewesen sind: Sardinien-Korsika-Exkurs (2,1–13); Kreta-Exkurs (3,11–16); Pontus-Exkurs (3,61–80); Sizilien-Unteritalien-Exkurs (4,23–29).

Zeittafel 91–88 v. Chr.

Bundesgenossenkrieg

89–85 v. Chr.

1. Mithridatischer Krieg

88–82 v. Chr.

Bürgerkrieg zwischen Sullanern und Marianern

88 v. Chr.

Sullas 1. Marsch auf Rom Marius’ Flucht nach Afrika

87 v. Chr.

Rückkehr des Marius

86 v. Chr.

Tod des Marius zu Beginn seines siebenten Konsulats

87–84 v. Chr.

Regiment des Marianers Cinna

83–81 v. Chr.

2. Mithridatischer Krieg

82 v. Chr.

Niederlage und Flucht des Cn. Papirius Carbo Sullas Sieg an der Porta Collina (1. November)

82–79 v. Chr.

Sullas Diktatur

80–72 v. Chr.

Bellum Sertorianum

78–77 v. Chr.

Lepidus-Aufstand

78 v. Chr.

M. Aemilius Lepidus und Q. Lutatius Catulus Konsuln Lepidus-Rede (hist. 1,55) Tod Sullas

77 v. Chr.

Philippus-Rede (hist. 1,77) Niederlage des Lepidus an der Milvischen Brücke Tod des Lepidus in Sardinien Pompeius erhält das Imperium proconsulare in Spanien

77–75 v. Chr.

Kämpfe des Servilius Isauricus in Kleinasien

76 v. Chr.

Sieg des Sertorius bei Lauro über Pompeius

XX

Einleitung

75 v. Chr.

Getreideknappheit führt zu Unruhen in Rom Cotta-Rede (hist. 2,47) Sieg des Pompeius über Perperna bei Valentia Sieg des Pompeius über Sertorius bei Segontia Pompeius-Brief (hist. 2,98)

74 v. Chr.

Tod des bithynischen Königs Nikomedes IV. Rom fällt durch Nikomedes’ Testament Bithynien zu

74–64 v. Chr.

3. Mithridatischer Krieg

74–71 v. Chr.

Kämpfe des Antonius Creticus gegen die Seeräuber

73–71 v. Chr.

Spartacus-Aufstand

73 v. Chr.

Macer-Rede (hist. 3,48) Niederlage des M. Cotta gegen Mithridates bei Chalcedon Niederlage des Varinius gegen Spartacus am Vesuv

72 v. Chr.

Ermordung des Sertorius durch Perperna Sieg des Lucullus über Mithridates bei Kabeira Niederlagen der Konsuln Gellius und Lentulus gegen Spartacus

71 v. Chr.

Sieg des Crassus über Spartacus in Lukanien

70 v. Chr.

Crassus und Pompeius Konsuln

69–67 v. Chr.

Kämpfe des Metellus Creticus gegen die Seeräuber

69 v. Chr.

Sieg des Lucullus über Tigranes bei Tigranocerta Mithridates-Brief (hist. 4,69)

67 v. Chr.

Lex Gabinia (außerordentliches Kommando für Pompeius im Kampf gegen die Seeräuber)

Einleitung

XXI

Textkonstitution und Orthographie Von einer Textkonstitution im streng kritischen Sinne kann man nicht sprechen, da lediglich die älteren, im Literaturverzeichnis aufgeführten Ausgaben und deren Apparate als Grundlage für den Text herangezogen wurden. Dabei haben wir uns für die beiden Monographien und die Primärüberlieferung der Historien an der Ausgabe von Reynolds orientiert, gelangten aber, wie das Verzeichnis der Abweichungen zeigt (S. 307–311), häufig zu anderen textkritischen Entscheidungen, die zumeist im Kommentar zur jeweiligen Stelle kurz begründet werden. Dasselbe gilt für die Sekundärüberlieferung der Historien Historien,, der wir Funaris Ausgabe zugrunde gelegt haben. Funaris editorische Herangehensweise hat zwei Nachteile: Zum einen bietet er eher eine Edition der Testimonien als des Sallusttextes; zum anderen ist er ein übertrieben konservativer Editor. Wir haben daher bei unserer Textgestaltung versucht, einen Schritt weiter zu gehen und notwendige Emendationen wieder aufzunehmen. Die Auswahl der Historien-Fragmente torien -Fragmente wurde einerseits von der inhaltlichen Relevanz, andererseits von dem Vorkommen sprachlicher Auffälligkeiten bestimmt. Der Herausgeber eines antiken literarischen Werkes steht immer vor dem Dilemma, dass er keine Autographen des Autors besitzt, ja noch nicht einmal einigermaßen zeitgenössische Abschriften. Da im Laufe des Überlieferungsprozesses die Orthographie zumeist der für Änderungen anfälligste Teil eines Textes ist, dürfen wir kaum hoffen, mit der Übernahme der Schreibweisen der Codices zum Usus des jeweiligen Schriftstellers zu gelangen – was die Herausgeber oft zu Recht nicht davon abhält, in Ermangelung einer besseren Alternative den Handschriften zu folgen oder allenfalls vorsichtig zu normalisieren. Bei Sallust hat sich seit dem 19. Jahrhundert ein anderes Vorgehen durchgesetzt, und der jüngste kritische Sallust-Editor, Reynolds, ist ein besonders radikaler Vertreter dieser Methode:27 Die überlieferten Schreibweisen werden weitgehend archaisiert, und zwar nach unseren Vorstellungen von archaisierendem Latein. Diese eigenmächtigen Eingriffe in die Überlieferung sind aber verfehlt, da es höchst unwahrscheinlich ist, dass Sallust in der Graphie bewusst archaisiert hat. Diese Feststellung ist nicht neu – ganz im Gegenteil;28 umso erstaunlicher 27 Vgl. dazu Reynolds p. xxv–xxvi; vgl. zu Reynolds’ hyperarchaisierender Edition die Rezensionen, Rochette 313 und v. a. Oakley 60: „For the genuine works he has deliberately (pp. xxv–vi) gone beyond the limits of our not very good evidence in imbuing the text with an archaic colour“. 28 Vgl. die Edition von Maurenbrecher (p. 213–226); die Sallust-Grammatik von Fighiera; Perl, 2005. Es genügt auch ein Blick in eine beliebige moderne Abhandlung über die lateinische Orthographie der Antike.

XXII

Einleitung

ist es, dass man heutzutage Sallusts Archaismus vor allem in seinen Schreibweisen zu entdecken glaubt. Eine ausführliche Darstellung des Problems würde den Rahmen dieser Einleitung sprengen. Nur drei Punkte seien hervorgehoben: (1) Zu Sallusts Zeit gab es keine einheitliche, verbindliche Orthographie, wie sie uns selbstverständlich erscheint. (2) Die angeblichen graphischen Archaismen finden sich auch bei anderen Autoren, die des Archaismus völlig unverdächtig sind, und auf zeitgenössischen Inschriften (zum Teil neben den uns vertrauten Schreibweisen). (3) Eindeutig archaische Schreibweisen (etwa ai für ae oder ei für langes i) sind für Sallust nicht bezeugt. Man wird bemerken, dass die Graphie unseres Textes häufig nicht allzu stark von Reynolds’ Ausgabe abweicht. Der entscheidende Unterschied ist die Intention: Reynolds glaubte wie die meisten seiner Vorgänger (außer Maurenbrecher), dass Sallust bewusst veraltete Schreibungen verwendet habe. Unsere Orthographie soll lediglich einen Text herstellen, wie er um die Mitte des 1. Jh. v. Chr. geschrieben worden sein könnte – sei es von Cicero, sei es von Sallust.

C. SALLUSTII CRISPI DE BELLO CATILINAE (DE CATILINAE CONIURATIONE)

SALLUST DER KRIEG GEGEN CATILINA (DIE VERSCHWÖRUNG CATILINAS)

DE BELLO CATILINAE (DE CATILINAE CONIURATIONE) 1 (1) Omnis homines, qui sese student praestare ceteris animalibus, summa ope niti decet, ne vitam silentio transeant veluti pecora, quae natura prona atque ventri oboedientia finxit. (2) Sed nostra omnis vis in animo et corpore sita est: animi imperio, corporis servitio magis utimur; alterum nobis cum dis, alterum cum beluis commune est. (3) Quo mihi rectius videtur ingeni quam virium opibus gloriam quaerere et, quoniam vita ipsa, qua fruimur, brevis est, memoriam nostri quam maxume longam efficere. (4) Nam divitiarum et formae gloria fluxa atque fragilis est, virtus clara aeternaque habetur. (5) Sed diu magnum inter mortalis certamen fuit, vine corporis an virtute animi res militaris magis procederet. (6) Nam et, priusquam incipias, consulto et, ubi consulueris, mature facto opus est. (7) Ita utrumque per se indigens alterum alterius auxilio eget. 2 (1) Igitur initio reges – nam in terris nomen imperi id primum fuit – divorsi pars ingenium, alii corpus exercebant. Etiam tum vita hominum sine cupiditate agitabatur; sua quoique satis placebant. (2) Postea vero quam in Asia Cyrus, in Graecia Lacedaemonii et Athenienses coepere urbis atque nationes subigere, lubidinem dominandi causam belli habere, maxumam gloriam in maxumo imperio putare, tum demum periculo atque negotiis compertum est in bello plurumum ingenium posse. (3) Quod si regum atque imperatorum animi virtus in pace ita ut in bello valeret, aequabilius atque constantius sese res humanae haberent, neque aliud alio ferri neque mutari ac misceri omnia cerneres. (4) Nam imperium facile iis artibus retinetur, quibus initio partum est. (5) Verum ubi pro labore desidia, pro continentia et aequitate lubido atque superbia invasere, fortuna simul

DER KRIEG GEGEN CATILINA (DIE VERSCHWÖRUNG CATILINAS) 1 (1) Alle Menschen, die sich darum bemühen, den übrigen Lebewesen überlegen zu sein, müssen mit aller Kraft danach streben, ihr Leben nicht in Stillschweigen zu verbringen wie das Vieh, das die Natur so geschaffen hat, dass es den Blick auf den Boden richtet und seinem Bauch gehorcht. (2) Aber unsere ganze Kraft sitzt im Geist und im Körper: Den Geist verwenden wir eher zum Befehlen, den Körper eher zum Gehorsam. Das eine ist uns mit den Göttern gemeinsam, das andere mit den Tieren. (3) Daher erscheint es mir angemessener, mithilfe der geistigen als mithilfe der körperlichen Kräfte nach Ruhm zu streben und – da ja die Lebensspanne selbst, die wir genießen können, kurz ist – dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an uns möglichst lange bestehen bleibt. (4) Denn der Ruhm von Reichtum und Schönheit ist flüchtig und zerbrechlich, Leistung ein strahlender und ewiger Besitz. (5) Es gab aber lange Zeit einen heftigen Streit unter den Menschen, ob die militärischen Belange eher durch körperliche oder eher durch geistige Leistungen gefördert würden. (6) Denn bevor man anfängt, benötigt man einen Plan, und sobald man einen Plan gefasst hat, muss man rasch handeln. (7) So ist beides, auf sich allein gestellt, mangelhaft und bedarf daher der Hilfe des anderen. 2 (1) Daher haben zu Beginn die Könige (dies war nämlich bei den Menschen der erste Herrschertitel) verschiedene Wege eingeschlagen und entweder den Geist oder den Körper ausgebildet. Damals wurde das Leben der Menschen noch ohne Gier zugebracht; jeder war mit seinem Besitz voll und ganz zufrieden. (2) Nachdem aber in Asien Kyros, in Griechenland die Spartaner und die Athener damit begonnen hatten, Städte und Völker zu unterwerfen, die Gier nach Herrschaft als Kriegsgrund zu betrachten und Ruhm mit der Ausdehnung von Macht gleichzusetzen, da erst lernte man aus gefahrvollen Unternehmungen, dass im Krieg der Geist am wichtigsten ist. (3) Wenn nun das geistige Vermögen der Könige und Feldherren im Frieden genauso stark wäre wie im Kriege, würde sich das menschliche Leben ausgeglichener und beständiger verhalten und man müsste nicht mit ansehen, wie das Eine hierhin, das Andere dorthin treibt, alles sich wandelt und das Oberste zuunterst gekehrt wird. (4) Denn Herrschaft lässt sich leicht durch diejenigen Eigenschaften behaupten, durch die man sie anfänglich erworben hat. (5) Sobald aber an die Stelle von Leistungsbereitschaft Trägheit, an die Stelle von Selbstbescheidung und Gerechtigkeit Gier und Hochmut eindringen, ändert sich das Schicksal zu-

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cum moribus immutatur. (6) Ita imperium semper ad optumum quemque a minus bono transfertur. (7) Quae homines arant, navigant, aedificant, virtuti omnia parent. (8) Sed multi mortales, dediti ventri atque somno, indocti incultique vitam sicuti peregrinantes transiere; quibus profecto contra naturam corpus voluptati, anima oneri fuit. Eorum ego vitam mortemque iuxta aestumo, quoniam de utraque siletur. (9) Verum enim vero is demum mihi vivere atque frui anima videtur, qui aliquo negotio intentus praeclari facinoris aut artis bonae famam quaerit. Sed in magna copia rerum aliud alii natura iter ostendit. 3 (1) Pulchrum est bene facere rei publicae, etiam bene dicere haud absurdum est; vel pace vel bello clarum fieri licet; et qui fecere et qui facta aliorum scripsere, multi laudantur. (2) Ac mihi quidem, tametsi haudquaquam par gloria sequitur scriptorem et auctorem rerum, tamen in primis arduom videtur res gestas scribere: primum, quod facta dictis exaequanda sunt; dehinc, quia plerique, quae delicta reprehenderis, malevolentia et invidia dicta putant, ubi de magna virtute atque gloria bonorum memores, quae sibi quisque facilia factu putat, aequo animo accipit, supra ea veluti ficta pro falsis ducit. (3) Sed ego adulescentulus initio, sicuti plerique, studio ad rem publicam latus sum, ibique mihi multa advorsa fuere. Nam pro pudore, pro abstinentia, pro virtute audacia, largitio, avaritia vigebant. (4) Quae tametsi animus aspernabatur insolens malarum artium, tamen inter tanta vitia inbecilla aetas ambitione corrupta tenebatur; (5) ac me, cum ab relicuorum malis moribus dissentirem, nihilo minus honoris cupido eadem, quae ceteros, fama atque invidia vexabat. 4 (1) Igitur ubi animus ex multis miseriis atque periculis requievit et mihi relicuam aetatem a re publica procul habendam decrevi, non fuit consilium socordia atque desidia bonum otium conterere, neque vero agrum colundo aut venando, servilibus officiis, intentum aetatem agere; (2) sed a quo incepto

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gleich mit dem Charakter. (6) So geht die Herrschaft immer vom weniger Guten auf den Besten über. (7) Alle Errungenschaften des Menschen im Bereich der Landwirtschaft, der Seefahrt und der Baukunst entspringen seiner Bereitschaft zur Leistung. (8) Aber viele Menschen, die dem Bauch und dem Schlaf ergeben sind, verbringen ihr Leben ungebildet und unkultiviert wie Reisende in einem fremden Land. Sie benutzen wahrhaftig in unnatürlicher Weise ihren Körper für die Lust, und der Geist ist ihnen nur eine Last. Ihr Leben bewerte ich ebenso wie ihren Tod, da man über beides schweigt. (9) Aber meiner Meinung nach leben wahrhaftig nur diejenigen Menschen und verstehen es, ihr Leben zu nutzen, die sich einer Aufgabe widmen und sich so durch eine hervorragende Tat oder eine wertvolle Beschäftigung Ruhm zu erwerben suchen. Aber in der Fülle von Möglichkeiten zeigt die Natur jedem einen anderen Weg. 3 (1) Löblich ist es, im Interesse des Staates zu handeln, auch gut zu reden ist nicht abwegig. Man kann sowohl im Frieden als auch im Krieg berühmt werden. Viele Beispiele gibt es dafür, dass sowohl die Menschen gelobt werden, die selbst gehandelt haben, als auch diejenigen, die die Handlungen anderer schriftlich festhielten. (2) Und ich zumindest bin folgender Auffassung: Obwohl dem Geschichtsschreiber und dem Helden seines Geschichtswerkes keineswegs derselbe Ruhm zuteil wird, scheint mir dennoch die schwierigste Aufgabe die Geschichtsschreibung zu sein; zum einen, weil die Worte des Historikers den geschilderten Taten gerecht werden müssen, zum zweiten, weil sehr viele Menschen die Kritik an Verfehlungen auf Bosheit und Neid zurückführen; erwähnt man aber große Leistungen und den Ruhm rechtschaffener Männer, so nehmen die Leser die Schilderung derjenigen Taten mit Gleichmut hin, die sie sich selber leicht zutrauen, halten aber alles, was darüber hinaus geht, für erfunden und erlogen. (3) Aber ich begab mich als ganz junger Mann zu Beginn, wie sehr viele, mit Eifer in die Politik, und dort stieß ich auf vieles, was mir zuwider war. Denn hier herrschten nicht Anstand, Zurückhaltung und Leistungsbereitschaft, sondern Unverschämtheit, Bestechlichkeit und Habgier. (4) Auch wenn mein Geist, der schlechte Eigenschaften nicht gewohnt war, diese Verhaltensweisen verabscheute, wurde mein schwaches Alter, von Ehrgeiz verdorben, dennoch zwischen diesen Lastern festgehalten. (5) Und obwohl ich mich im Charakter von den anderen unterschied, wurde ich nichtsdestoweniger durch denselben Ehrgeiz, der auch sie umtrieb, ein Opfer von Neid und übler Nachrede. 4 (1) Sobald sich nun mein Geist von den vielen Notlagen und Gefahren erholen konnte und ich beschlossen hatte, mein Leben künftig fern von der Politik zu verbringen, hatte ich nicht die Absicht, die wertvolle Muße mit Trägheit und Nichtstun zu vergeuden oder aber mir meine Zeit durch sklavische Betätigungen wie Landwirtschaft oder Jagd zu vertreiben, (2) sondern ich kehrte zu dem Un-

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studioque me ambitio mala detinuerat, eodem regressus statui res gestas populi Romani carptim, ut quaeque memoria digna videbantur, perscribere, eo magis, quod mihi a spe, metu, partibus rei publicae animus liber erat. (3) Igitur de Catilinae coniuratione, quam verissume potero, paucis absolvam; (4) nam id facinus in primis ego memorabile existimo sceleris atque periculi novitate. (5) De quoius hominis moribus pauca prius explananda sunt, quam initium narrandi faciam. 5 (1) L. Catilina, nobili genere natus, fuit magna vi et animi et corporis, sed ingenio malo pravoque. (2) Huic ab adulescentia bella intestina, caedes, rapinae, discordia civilis grata fuere ibique iuventutem suam exercuit. (3) Corpus patiens inediae, algoris, vigiliae, supra quam quoiquam credibile est. (4) Animus audax, subdolus, varius, quoius rei lubet simulator ac dissimulator, alieni appetens, sui profusus, ardens in cupiditatibus; satis eloquentiae, sapientiae parum. (5) Vastus animus immoderata, incredibilia, nimis alta semper cupiebat. (6) Hunc post dominationem L. Sullae lubido maxuma invaserat rei publicae capiundae; neque, id quibus modis assequeretur, dum sibi regnum pararet, quicquam pensi habebat. (7) Agitabatur magis magisque in dies animus ferox inopia rei familiaris et conscientia scelerum, quae utraque iis artibus auxerat, quas supra memoravi. (8) Incitabant praeterea corrupti civitatis mores, quos pessuma ac divorsa inter se mala, luxuria atque avaritia, vexabant. (9) Res ipsa hortari videtur, quoniam de moribus civitatis tempus admonuit, supra repetere ac paucis instituta maiorum domi militiaeque, quo modo rem publicam habuerint quantamque reliquerint, ut paulatim immutata ex pulcherruma pessuma ac flagitiosissuma facta sit, disserere. 6 (1) Urbem Romam, sicuti ego accepi, condidere atque habuere initio Troiani, qui Aenea duce profugi sedibus incertis vagabantur, cumque iis Aborigines, genus hominum agreste, sine legibus, sine imperio, liberum atque solutum.

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terfangen und zu der Beschäftigung zurück, von der mich mein verwerflicher Ehrgeiz abgehalten hatte, und beschloss, die Geschichte des römischen Volkes auszugsweise darzustellen, nämlich diejenigen Taten und Ereignisse, die mir der Erinnerung wert zu sein schienen – umso mehr, als mein Geist keine politischen Hoffnungen oder Ängste hegte, sondern unparteiisch war. (3) Daher will ich die Verschwörung des Catilina so wahrheitsgetreu wie möglich kurz skizzieren. (4) Denn dieses Unternehmen halte ich für besonders erwähnenswert wegen der Unerhörtheit des Verbrechens und der von diesem ausgehenden Gefährdung. (5) Über den Charakter dieses Mannes muss ich zunächst noch einiges vorausschicken, bevor ich mit der Erzählung beginne. 5 (1) Lucius Catilina stammte aus vornehmem Hause, verfügte über hohe Intelligenz und große körperliche Kräfte; sein Geist war aber schlecht und verdorben. (2) Ihm kamen bereits in jungen Jahren Bürgerkriege, Morde, Raubzüge und innenpolitische Auseinandersetzungen gelegen, und damit verbrachte er seine Jugend. (3) Sein Körper konnte Hunger, Kälte und Schlafmangel in einem mehr als glaubhaften Maße ertragen. (4) Sein Geist war verwegen, verschlagen und wendig; er konnte sich nach Belieben verstellen, nach Belieben heucheln; er war gierig nach fremdem Gut, verschwenderisch mit dem eigenen, hitzig in seinen Leidenschaften. Er war ein guter Redner, besaß aber zu wenig Vernunft. (5) Sein Geist kannte keine Grenzen und strebte immer nach dem Maßlosen, dem Unglaublichen, dem allzu Hohen. (6) Ihn hatte nach der Tyrannei des Lucius Sulla größtes Verlangen befallen, die Macht im Staat an sich zu reißen. Und es war ihm gänzlich gleichgültig, auf welche Weise er dies erreichen würde, wenn er sich nur die Alleinherrschaft verschaffen könne. (7) Sein unbezähmbarer Geist wurde Tag für Tag stärker hin und her getrieben durch seine prekäre finanzielle Lage und durch das Wissen um seine Verbrechen – beides hatte er durch die oben erwähnten Eigenschaften noch vergrößert. (8) Außerdem trieb ihn die verdorbene Moral des Staates, die von den schlimmsten und einander entgegengesetzten Übeln geplagt wurde: Verschwendungssucht und Habgier. (9) Da ich auf die Moral des Staates zu sprechen kam, scheint es schon das Thema zu fordern, weiter auszuholen und kurz die Einrichtungen unserer Vorfahren im Frieden und im Krieg darzustellen, wie sie den Staat verwalteten und wie groß sie ihn uns hinterlassen haben, wie er sich allmählich veränderte und wie das ruhmvollste und beste Staatswesen zum schlechtesten und verbrecherischsten wurde. 6 (1) Die Stadt Rom gründeten und bewohnten zu Beginn meines Wissens Trojaner, die unter der Führung des Aeneas als Flüchtlinge ohne feste Wohnsitze umherzogen, und mit ihnen zusammen die Ureinwohner, ein bäuerlicher Menschenschlag ohne Gesetze, ohne Herrschaftssystem, frei und ungebunden.

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(2) Hi postquam in una moenia convenere, dispari genere, dissimili lingua, alius alio more viventes, incredibile memoratu est, quam facile coaluerint; (3) Sed postquam res eorum, civibus, moribus, agris aucta, satis prospera satisque pollens videbatur, sicuti pleraque mortalium habentur, invidia ex opulentia orta est. (4) Igitur reges populique finitumi bello temptare, pauci ex amicis auxilio esse; nam ceteri metu perculsi a periculis aberant. (5) At Romani domi militiaeque intenti festinare, parare, alius alium hortari, hostibus obviam ire, libertatem, patriam parentisque armis tegere. Post, ubi pericula virtute propulerant, sociis atque amicis auxilia portabant, magisque dandis quam accipiundis beneficiis amicitias parabant. (6) Imperium legitumum, nomen imperi regium habebant. Delecti, quibus corpus annis infirmum, ingenium sapientia validum erat, rei publicae consultabant: ii vel aetate vel curae similitudine patres appellabantur. (7) Post, ubi regium imperium, quod initio conservandae libertatis atque augendae rei publicae fuerat, in superbiam dominationemque se convortit, immutato more annua imperia binosque imperatores sibi fecere: eo modo minime posse putabant per licentiam insolescere animum humanum. 7 (1) Sed ea tempestate coepere se quisque magis extollere magisque ingenium in promptu habere. (2) Nam regibus boni quam mali suspectiores sunt, semperque iis aliena virtus formidulosa est. (3) Sed civitas incredibile memoratu est adepta libertate quantum brevi creverit: tanta cupido gloriae incesserat. (4) Iam primum iuventus, simul ac belli patiens erat, in castris per laborem usum militiae discebat magisque in decoris armis et militaribus equis quam in scortis atque conviviis lubidinem habebant. (5) Igitur talibus viris non labos insolitus, non locus ullus asper aut arduos erat, non armatus hostis formidulosus: virtus omnia domuerat. (6) Sed gloriae maxumum certamen inter ipsos erat: se quisque hostem ferire, murum ascendere, conspici, dum tale facinus faceret, properabat;

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(2) Nachdem diese beiden Völker, die hinsichtlich Herkunft, Sprache und Lebensweise keine Gemeinsamkeiten hatten, in einer Stadt zusammengekommen waren, sind sie – so unglaublich es klingen mag – ohne große Probleme zusammengewachsen. So wurde innerhalb von kurzer Zeit aus einer uneinheitlichen und unsteten Menschenmenge durch ein Gemeinschaftsgefühl eine Bürgerschaft. (3) Aber nachdem ihr Staat an Einwohnern, Sitten und Land gewachsen war und recht wohlhabend und mächtig erschien, ist Neid aus dem Wohlstand erwachsen (wie es sich ja meistens mit den menschlichen Dingen verhält). (4) Und so griffen die benachbarten Könige und Völker sie an, nur wenige befreundete Stämme leisteten Hilfe, da die anderen sich aus Angst von den Gefahren fernhielten. (5) Aber die Römer waren im Frieden wie im Kriege auf ihrem Posten, handelten rasch, trafen Vorbereitungen, spornten einander an, zogen den Feinden entgegen, schützten die Freiheit, das Vaterland und die Eltern mit ihren Waffen. Sobald sie dann die Gefahren mit ihrer Tatkraft abgewehrt hatten, brachten sie ihren Verbündeten und Freunden Hilfe und schlossen Freundschaften eher dadurch, dass sie Gefälligkeiten erwiesen als dass sie sie selbst in Anspruch nahmen. (6) Ihre Herrschaftsform war eine auf Recht und Gesetz beruhende Monarchie. Ausgewählte Männer, deren Körper durch die Jahre schwach, deren Verstand aber durch Weisheit stark geworden war, kümmerten sich um den Staat; man nannte sie ‚Väter‘ – entweder aufgrund ihres Alters oder wegen der vergleichbaren Art der Fürsorge. (7) Sobald dann die Königsherrschaft, die anfangs dazu gedient hatte, die Freiheit zu erhalten und den Staat weiter zu entwickeln, in Hochmut und Tyrannis umschlug, änderte man das System: Es gab nun jährliche Ämter und je zwei Inhaber des Oberbefehls. Man glaubte, dass auf diese Weise der menschliche Geist am ehesten daran gehindert werden könne, durch zu große Freiheit der Anmaßung zu verfallen. 7 (1) Aber zu dieser Zeit konnte sich der Einzelne allmählich stärker hervortun und seine Fähigkeiten offener zeigen. (2) Denn Königen sind Gute verdächtiger als Schlechte, und die Leistungen anderer sind ihnen immer ein Gräuel. (3) Aber es ist unglaublich, wie stark der Staat nach dem Gewinn der Freiheit in kurzer Zeit gewachsen ist: Ein so großes Verlangen nach Ruhm war über die Römer gekommen. (4) Kaum war die Jugend waffenfähig, so lernte sie schon im Lager unter Strapazen den Kriegsdienst, und die jungen Männer hatten mehr Freude an prächtigen Waffen und Militärpferden als an Dirnen und Gelagen. (5) So waren solchen Männern Strapazen nicht ungewohnt, keine Gegend zu rau oder zu steil, kein bewaffneter Feind ein Grund zur Furcht: Ihre Leistungsbereitschaft hatte alles bezwungen. (6) Aber unter ihnen entbrannte ein hitziger Kampf um den Ruhm; jeder wollte als erster den Feind erschlagen, die gegnerische Stadtmauer ersteigen und gesehen werden, während er solche Taten voll-

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eas divitias, eam bonam famam magnamque nobilitatem putabant. Laudis avidi, pecuniae liberales erant; gloriam ingentem, divitias honestas volebant. (7) Memorare possum, quibus in locis maxumas hostium copias populus Romanus parva manu fuderit, quas urbis natura munitas pugnando ceperit, ni ea res longius nos ab incepto traheret. 8 (1) Sed profecto fortuna in omni re dominatur; ea res cunctas ex lubidine magis quam ex vero celebrat obscuratque. (2) Atheniensium res gestae, sicut ego aestumo, satis amplae magnificaeque fuere, verum aliquanto minores tamen, quam fama feruntur. (3) Sed quia provenere ibi scriptorum magna ingenia, per terrarum orbem Atheniensium facta pro maxumis celebrantur. (4) Ita eorum, qui fecere, virtus tanta habetur, quantum eam verbis potuere extollere praeclara ingenia. (5) At populo Romano numquam ea copia fuit, quia prudentissumus quisque maxume negotiosus erat: ingenium nemo sine corpore exercebat; optumus quisque facere quam dicere, sua ab aliis bene facta laudari quam ipse aliorum narrare malebat. 9 (1) Igitur domi militiaeque boni mores colebantur; concordia maxuma, minima avaritia erat; ius bonumque apud eos non legibus magis quam natura valebat. (2) Iurgia, discordias, simultates cum hostibus exercebant, cives cum civibus de virtute certabant. In suppliciis deorum magnifici, domi parci, in amicos fideles erant. (3) Duabus his artibus, audacia in bello, ubi pax evenerat, aequitate, seque remque publicam curabant. (4) Quarum rerum ego maxuma documenta haec habeo, quod in bello saepius vindicatum est in eos, qui contra imperium in hostem pugnaverant quique tardius revocati proelio excesserant, quam qui signa relinquere aut pulsi loco cedere ausi erant; (5) in pace vero quod beneficiis quam metu imperium agitabant et accepta iniuria ignoscere quam persequi malebant. 10 (1) Sed ubi labore atque iustitia res publica crevit, reges magni bello domiti, nationes ferae et populi ingentes vi subacti, Carthago, aemula imperi Romani, ab stirpe interiit, cuncta maria terraeque patebant, saevire fortuna

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brachte. Dies war für sie Reichtum, guter Ruf und hoher Adel. Sie waren gierig nach Lob, großzügig mit ihrem Geld, strebten nach außerordentlichem Ruhm, aber nach ehrenhaftem Reichtum. (7) Ich könnte die Schlachtfelder nennen, auf denen das römische Volk sehr starke feindliche Truppen mit einer kleinen Mannschaft geschlagen hat, ebenso die Städte, die es trotz ihrer natürlichen Befestigung im Kampf eingenommen hat, wenn uns das nicht zu weit von unserem Thema abbrächte. 8 (1) Aber in der Tat herrscht die Schicksalsgöttin Fortuna überall; sie erhebt und erniedrigt alles eher nach Lust und Laune als nach seinem wahren Verdienst. (2) Die Taten der Athener waren meiner Meinung nach recht ansehnlich und großartig, aber dennoch um einiges unbedeutender, als sie in der Überlieferung dargestellt werden. (3) Aber weil dort große literarische Talente aus dem Boden sprossen, werden die Leistungen der Athener auf der ganzen Welt als die größten Heldentaten gefeiert. (4) So gilt die Leistung der Handelnden immer nur so viel, wie glänzende Geister imstande gewesen sind, sie mit Worten hervorzuheben. (5) Aber das römische Volk hatte niemals eine solche Fülle an großen Autoren, weil gerade die Klügsten in besonderem Maße beschäftigt waren, niemand den Geist ohne den Körper übte, gerade die Besten lieber handeln als reden wollten und es vorzogen, ihre Leistungen von anderen rühmen zu lassen, anstatt selbst von den Taten anderer zu berichten. 9 (1) So pflegte man im Frieden wie im Krieg das richtige moralische Verhalten; es herrschte größte Eintracht, aber nur wenig Habgier. Das Recht und das sittlich Gute achteten sie mehr aufgrund ihrer Wesensart als wegen der Gesetze. (2) Streit, Zwietracht und Zank trugen sie mit auswärtigen Feinden aus, die Bürger wetteiferten untereinander nur darum, wer am tüchtigsten sei. Bei den Opferfeierlichkeiten für die Götter waren sie großzügig, im eigenen Haus sparsam, gegen ihre Freunde treu. (3) Durch diese beiden Eigenschaften, Mut im Krieg und Gerechtigkeitssinn, sobald Frieden herrschte, trugen sie Sorge für sich und für den Staat. (4) Die besten Beweise dafür sehe ich in zwei Verhaltensweisen: Zum einen bestraften sie im Krieg häufiger diejenigen Soldaten, die befehlswidrig gegen den Feind gekämpft oder auf einen Rückzugsbefehl hin zu langsam das Schlachtfeld verlassen hatten, als Fahnenflüchtige oder Soldaten, die aus einer Stellung vertrieben worden waren und gewagt hatten, sich zurückzuziehen. (5) Zum anderen übten sie im Frieden ihre Herrschaft eher durch Gefälligkeiten als durch Angst aus und zogen es vor, erlittenes Unrecht zu verzeihen, anstatt es zu verfolgen. 10 (1) Aber sobald der Staat durch Tatkraft und Gerechtigkeit gewachsen war, mächtige Könige im Krieg bezwungen, unbeugsame Völker und große Nationen mit Gewalt unterworfen, Roms Rivalin Karthago völlig vernichtet war, alle Meere und Länder offen standen, da begann Fortuna zu wüten und alles

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ac miscere omnia coepit. (2) Qui labores, pericula, dubias atque asperas res facile toleraverant, iis otium, divitiae, optanda alias, oneri miseriaeque fuere. (3) Igitur primo pecuniae, deinde imperi cupido crevit: ea quasi materies omnium malorum fuere. (4) Namque avaritia fidem, probitatem ceterasque artis bonas subvortit; pro his superbiam, crudelitatem, deos neglegere, omnia venalia habere edocuit. (5) Ambitio multos mortalis falsos fieri subegit, aliud clausum in pectore, aliud in lingua promptum habere, amicitias inimicitiasque non ex re, sed ex commodo aestumare, magisque voltum quam ingenium bonum habere. (6) Haec primo paulatim crescere, interdum vindicari; post, ubi contagio quasi pestilentia invasit, civitas immutata, imperium ex iustissumo atque optumo crudele intolerandumque factum. 11 (1) Sed primo magis ambitio quam avaritia animos hominum exercebat, quod tamen vitium propius virtutem erat; (2) nam gloriam, honorem, imperium bonus et ignavos aeque sibi exoptant; sed ille vera via nititur, huic quia bonae artes desunt, dolis atque fallaciis contendit. (3) Avaritia pecuniae studium habet, quam nemo sapiens concupivit: ea, quasi venenis malis inbuta, corpus animumque virilem effeminat, semper infinita, insatiabilis est, neque copia neque inopia minuitur. (4) Sed postquam L. Sulla armis recepta re publica bonis initiis malos eventus habuit, rapere omnes, trahere, domum alius, alius agros cupere, neque modum neque modestiam victores habere, foeda crudeliaque in civis facinora facere. (5) Huc accedebat, quod L. Sulla exercitum, quem in Asia ductaverat, quo sibi fidum faceret, contra morem maiorum luxuriose nimisque liberaliter habuerat. Loca amoena, voluptaria facile in otio ferocis militum animos molliverant: (6) ibi primum insuevit exercitus populi Romani amare, potare, signa, tabulas pictas, vasa caelata mirari, ea privatim et publice rapere, delubra spoliare, sacra profanaque omnia polluere. (7) Igitur ii milites, postquam victoriam adepti sunt, nihil relicui victis fecere. Quippe secundae res

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in ein Chaos zu stürzen. (2) Denjenigen, die Strapazen, Gefahren, schwierige und gefährliche Situationen leicht ertragen hatten, wurden nun der Frieden und der Reichtum, ansonsten wünschenswerte Dinge, zu einer unglückseligen Bürde. (3) Und so wuchs zuerst die Geldgier, dann aber die Herrschsucht. Diese beiden Laster waren gleichsam die Wurzel aller anderen Übel. (4) Denn die Habgier untergrub Treue, moralisches Empfinden und die übrigen guten Eigenschaften. Stattdessen lehrte sie Hochmut, Grausamkeit, die Gleichgültigkeit gegenüber den Göttern und die Überzeugung, dass alles käuflich sei. (5) Der Ehrgeiz brachte viele Menschen dazu, falsch zu werden, die eine Ansicht im Herzen zu verbergen, die andere aber offen auf der Zunge zu tragen, Freundund Feindschaften nicht der Sache, sondern dem Nutzen nach zu beurteilen, eher eine gute Miene als einen guten Charakter zu haben. (6) Diese Laster wuchsen zunächst nur langsam, wurden zuweilen noch bestraft; sobald dann aber die Ansteckung wie eine Seuche ausbrach, veränderte sich die Bürgerschaft und die gerechteste und beste Herrschaft verwandelte sich in eine grausame und unerträgliche. 11 (1) Aber zuerst trieb der Ehrgeiz die Menschen stärker um als die Habgier; dieses Laster steht aber einem Vorzug recht nahe. (2) Denn Ruhm, Ansehen und Herrschaft wünschen sich der Fähige und der Taugenichts gleichermaßen; aber der eine strengt sich auf ehrliche Art und Weise an, der andere kämpft mit List und Tücke, weil ihm die guten Eigenschaften fehlen. (3) Der Habgier hingegen wohnt die Leidenschaft für materiellen Gewinn inne, nach dem kein Weiser strebt; sie ist gleichsam mit bösen Giften durchtränkt und verweichlicht so den Körper und den männlichen Geist, sie ist immer maßlos und unersättlich und wird weder durch Fülle noch durch Mangel geringer. (4) Aber nachdem Lucius Sulla mit Waffengewalt den Staat in Besitz genommen hatte und seine Regentschaft nach guten Anfängen eine furchtbare Entwicklung nahm, raubten und plünderten alle; der eine wollte ein Haus, der andere Land, die Sieger kannten weder Maß noch Mäßigung und verübten schreckliche und grausame Taten gegen ihre Mitbürger. (5) Hinzu kam, dass Lucius Sulla das Heer, das er in Kleinasien kommandiert hatte, gegen die Tradition der Vorfahren ausschweifend hatte leben lassen und viel zu großzügig geführt hatte, um es sich so treu ergeben zu machen. Die schönen, zum Wohlleben reizenden Gegenden hatten in der Zeit des Müßiggangs die wilden Krieger rasch verweichlicht. (6) Dort gewöhnte sich zum ersten Mal ein Heer des römischen Volkes daran zu lieben, zu trinken, Statuen, Gemälde und reich verzierte Gefäße zu bewundern, diese Gegenstände von Privatleuten wie aus öffentlichem Besitz zu rauben, Tempel auszuplündern, alles Heilige und Profane zu beschmutzen. (7) Und so ließen diese Soldaten, nachdem sie den Sieg errungen hatten, den Besiegten nichts mehr übrig. Natürlich betäuben glückli-

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sapientium animos fatigant: (8) ne illi corruptis moribus victoriae temperarent. 12 (1) Postquam divitiae honori esse coepere et eas gloria, imperium, potentia sequebatur, hebescere virtus, paupertas probro haberi, innocentia pro malevolentia duci coepit. (2) Igitur ex divitiis iuventutem luxuria atque avaritia cum superbia invasere: rapere, consumere, sua parvi pendere, aliena cupere, pudorem, pudicitiam, divina atque humana promiscua, nihil pensi neque moderati habere. (3) Operae pretium est, cum domos atque villas cognoveris in urbium modum exaedificatas, visere templa deorum, quae nostri maiores, religiosissumi mortales, fecere. (4) Verum illi delubra deorum pietate, domos suas gloria decorabant neque victis quicquam praeter iniuriae licentiam eripiebant. (5) At hi contra, ignavissumi homines, per summum scelus omnia ea sociis adimere, quae fortissumi viri victores reliquerant, proinde quasi iniuriam facere, id demum esset imperio uti. 13 (1) Nam quid ea memorem, quae nisi iis, qui videre, nemini credibilia sunt, a privatis compluribus subvorsos montis, maria constrata esse? (2) Quibus mihi videntur ludibrio fuisse divitiae: quippe quas honeste habere licebat, abuti per turpitudinem properabant. (3) Sed lubido stupri, ganeae ceterique cultus non minor incesserat: viri muliebria pati, mulieres pudicitiam in propatulo habere; vescendi causa terra marique omnia exquirere; dormire, priusquam somni cupido esset, non famem aut sitim, neque frigus neque lassitudinem opperiri, sed ea omnia luxu antecapere. (4) Haec iuventutem, ubi familiares opes defecerant, ad facinora incendebant: (5) animus inbutus malis artibus haud facile lubidinibus carebat; eo profusius omnibus modis quaestui atque sumptui deditus erat. 14 (1) In tanta tamque corrupta civitate Catilina, id quod factu facillumum erat, omnium flagitiorum atque facinorum circum se tamquam stipatorum catervas habebat. (2) Nam quicumque impudicus, adulter, ganeo manu, ventre, pene bona patria laceraverat quique alienum aes grande conflaverat, quo

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che Umstände auch vernünftige Geister, (8) erst recht war nicht zu erwarten, dass diese verdorbenen Charaktere von ihrem Sieg in maßvoller Weise Gebrauch machen würden. 12 (1) Nachdem man damit begonnen hatte, dem Reichtum Ansehen zu zollen und ihm Ruhm, Herrschaft und Macht folgten, begann die Leistungsbereitschaft zu ermatten, man fing an, geringes Vermögen für eine Schande, Rechtschaffenheit für Bosheit zu halten. (2) Und so befielen infolge des Reichtums Verschwendungssucht und Habgier zusammen mit Hochmut die Jugend. Man raffte, verprasste, hielt seinen Besitz für zu gering, begehrte fremdes Gut; Anstand, Keuschheit, göttliche und menschliche Gesetze erachtete man für gleichgültig; man kannte keine Werte und Grenzen mehr. (3) Wenn man die Privathäuser und Landsitze kennen gelernt hat, deren Ausmaße an Städte erinnern, so lohnt es sich, einmal einen Blick auf die Göttertempel zu werfen, die unsere Vorfahren, sehr religiöse Menschen, erbauen ließen. (4) Sie schmückten aber die Göttertempel mit Frömmigkeit, ihre Häuser mit Ruhm, und den Besiegten entrissen sie nichts außer der Freiheit, Unrecht zuzufügen. (5) Aber im Gegensatz dazu begehen unsere Zeitgenossen, Taugenichtse und Schurken, das größte Verbrechen, indem sie unseren Verbündeten all das wegnehmen, was die tapfersten Männer nach ihrem Sieg übrig gelassen hatten: als ob die Ausübung von Herrschaft überhaupt nur im Begehen von Unrecht bestünde. 13 (1) Denn wozu soll ich das erwähnen, was nur der zu glauben vermag, der es gesehen hat: dass nämlich mehrere Privatleute Berge abtragen und Meere zuschütten ließen? (2) Meiner Ansicht nach verwendeten diese Menschen ihren Reichtum als Spielzeug: Sie bemühten sich ja, ihr Vermögen, das sie in ehrenvoller Weise hätten besitzen können, rasch und schändlich zu missbrauchen. (3) Aber eine nicht geringere Lust nach Unzucht, Völlerei und übrigem Luxus war ebenfalls aufgekommen: Männer übernahmen den Part von Frauen, Frauen boten ihre Keuschheit offen feil, zu Lande und zu Wasser wurde alles für die Speisekarten zusammengesucht; man schlief, bevor man müde war; man wartete nicht auf Hunger oder Durst, auf Kälte oder Erschöpfung, sondern man kam dem allen schon durch Ausschweifungen zuvor. (4) Diese Zustände trieben die Jugend zu Verbrechen, sobald die häuslichen Mittel aufgebraucht waren: (5) Der Geist, der mit schlechten Eigenschaften durchsetzt war, konnte nur schlecht ohne Befriedigung seiner Lüste leben; umso ausgiebiger gab er sich in jeder nur erdenklichen Weise dem Gewinn und der Verschwendung hin. 14 (1) In einem so großen und so verdorbenen Staat konnte Catilina ganz leicht Horden von Verbrechern und Schurken aller Art wie Gefolgsleute um sich scharen. (2) Denn wer als Lüstling, Ehebrecher oder Schlemmer durch Spielsucht, Völlerei oder sexuelle Ausschweifung das väterliche Hab und Gut durchgebracht, wer große Schulden angehäuft hatte, um sich so von seinen

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flagitium aut facinus redimeret, (3) praeterea omnes undique parricidae, sacrilegi, convicti iudiciis aut pro factis iudicium timentes, ad hoc quos manus atque lingua periurio aut sanguine civili alebat, postremo omnes, quos flagitium, egestas, conscius animus exagitabat, ii Catilinae proxumi familiaresque erant. (4) Quod si quis etiam a culpa vacuos in amicitiam eius inciderat, cotidiano usu atque illecebris facile par similisque ceteris efficiebatur. (5) Sed maxume adulescentium familiaritates appetebat: eorum animi molles etiam et fluxi dolis haud difficulter capiebantur. (6) Nam, ut quoiusque studium ex aetate flagrabat, aliis scorta praebere, aliis canes atque equos mercari, postremo neque sumptui neque modestiae suae parcere, dum illos obnoxios fidosque sibi faceret. (7) Scio fuisse nonnullos, qui ita existimarent iuventutem, quae domum Catilinae frequentabat, parum honeste pudicitiam habuisse; sed ex aliis rebus magis, quam quod quoiquam id compertum foret, haec fama valebat. 15 (1) Iam primum adulescens Catilina multa nefanda stupra fecerat, cum virgine nobili, cum sacerdote Vestae, alia huiusce modi contra ius fasque. (2) Postremo captus amore Aureliae Orestillae, quoius praeter formam nihil umquam bonus laudavit, quod ea nubere illi dubitabat timens privignum adulta aetate, pro certo creditur necato filio vacuam domum scelestis nuptiis fecisse. (3) Quae quidem res mihi in primis videtur causa fuisse facinus maturandi. (4) Namque animus impurus, dis hominibusque infestus, neque vigiliis neque quietibus sedari poterat: ita conscientia mentem excitam vastabat. (5) Igitur colos exsanguis, foedi oculi, citus modo, modo tardus incessus: prorsus in facie voltuque vecordia inerat. 16 (1) Sed iuventutem, quam, ut supra diximus, illexerat, multis modis mala facinora edocebat. (2) Ex illis testis signatoresque falsos commodare; fidem, fortunas, pericula vilia habere; post, ubi eorum famam atque pudorem attriverat, maiora alia imperabat. (3) Si causa peccandi in praesens minus suppetebat, nihilo minus insontis sicuti sontis circumvenire, iugulare: scilicet ne per otium

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Fehltritten oder Verbrechen freizukaufen, (3) außerdem aus allen möglichen Ecken alle, die wegen eines Mordes oder wegen eines Tempelraubs gerichtlich überführt waren oder wegen ihrer Taten einen Prozess befürchten mussten, zudem Menschen, die ihre Hand oder ihre Zunge durch Meineid oder mit Bürgerblut ernährte, schließlich alle, die eine Untat, die Armut oder ein schlechtes Gewissen umtrieb – sie alle waren Catilinas Vertraute und Freunde. (4) Wenn nun jemand noch völlig unschuldig war und in Catilinas Umgebung geriet, wurde er durch den täglichen Umgang und die Verlockungen schnell ganz genauso wie die Übrigen. (5) Catilina suchte aber vor allem die Freundschaft junger Männer; ihr noch formbarer und ungefestigter Charakter ließ sich durch List recht leicht gewinnen. (6) Denn je nach den altersgemäßen Leidenschaften eines jeden führte er den einen Dirnen zu, den anderen kaufte er Hunde und Pferde; schließlich nahm er keine Rücksicht mehr auf seine Ausgaben oder auf irgendwelche Grenzen, wenn er sich die jungen Leute nur treu ergeben und abhängig machen konnte. (7) Mir ist bekannt, dass einige glaubten, dass die jungen Männer, die Catilinas Haus aufsuchten, ihre Keuschheit nicht in allzu hohen Ehren gehalten hätten; aber dieses Gerücht griff eher aufgrund der anderen Geschichten um sich, als weil jemand etwas Genaueres gewusst hätte. 15 (1) Schon als junger Mann hatte Catilina viele abscheuliche unzüchtige Taten begangen, und zwar mit einem adeligen Mädchen, mit einer Vesta-Priesterin und auch anderes dieser Art gegen menschliches und göttliches Recht. (2) Schließlich verliebte er sich in Aurelia Orestilla, an der die anständigen Menschen nichts außer ihrer Schönheit loben konnten. Da sie aus Angst vor ihrem schon erwachsenen Stiefsohn zögerte, ihn zu heiraten, ermordete er ihn (diese Tat gilt als verbürgt) und machte so das Haus frei für seine verbrecherische Hochzeit. (3) Meiner Ansicht nach war gerade diese Tat das Hauptmotiv dafür, sein Unternehmen zu beschleunigen. (4) Denn sein durch und durch verdorbener Charakter, Göttern wie Menschen gegenüber feindlich, konnte sich weder im Wachzustand noch im Schlaf beruhigen: So verwüstete das Gewissen seinen unruhigen Geist. (5) Und so war sein Gesicht bleich, sein Blick grässlich, sein Schritt bald schnell, bald langsam, kurz: In seiner äußeren Erscheinung und auf seiner Miene herrschte der Wahnsinn. 16 (1) Aber die Jugend, die er, wie weiter oben bereits gesagt, angelockt hatte, lehrte er in vielfältiger Weise das Verbrecherhandwerk. (2) Aus ihren Reihen stellte er falsche Zeugen und Urkundenfälscher zur Verfügung. Er forderte von ihnen, Kredit, Vermögen und drohende Prozesse für unwichtig zu erachten. Sobald er dann ihren Ruf und ihr Ehrgefühl vernichtet hatte, betraute er sie mit anderen, größeren Aufträgen. (3) Wenn es einmal keinen unmittelbaren Anlass zu einem Verbrechen gab, ließ er nichtsdestoweniger Unschuldigen wie Schuldigen nachstellen und sie ermorden. Damit Hände und Geist nicht durch

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torpescerent manus aut animus, gratuito potius malus atque crudelis erat. (4) His amicis sociisque confisus Catilina, simul quod aes alienum per omnis terras ingens erat et quod plerique Sullani milites, largius suo usi, rapinarum et victoriae veteris memores civile bellum exoptabant, opprimundae rei publicae consilium cepit. (5) In Italia nullus exercitus, Cn. Pompeius in extremis terris bellum gerebat; ipsi consulatum petenti magna spes, senatus nihil sane intentus: tutae tranquillaeque res omnes, sed ea prorsus opportuna Catilinae. 17 (1) Igitur circiter Kalendas Iunias L. Caesare et C. Figulo consulibus primo singulos appellare; hortari alios, alios temptare; opes suas, imparatam rem publicam, magna praemia coniurationis docere. (2) Ubi satis explorata sunt, quae voluit, in unum omnis convocat, quibus maxuma necessitudo et plurumum audaciae inerat. (3) Eo convenere senatorii ordinis P. Lentulus Sura, P. Autronius, L. Cassius Longinus, C. Cethegus, P. et Ser. Sullae Ser. filii, L. Vargunteius, Q. Annius, M. Porcius Laeca, L. Bestia, Q. Curius; (4) praeterea ex equestri ordine M. Fulvius Nobilior, L. Statilius, P. Gabinius Capito, C. Cornelius; ad hoc multi ex coloniis et municipiis domi nobiles. (5) Erant praeterea complures paulo occultius consili huiusce participes nobiles, quos magis dominationis spes hortabatur quam inopia aut alia necessitudo. (6) Ceterum iuventus pleraque, sed maxume nobilium, Catilinae inceptis favebat: quibus in otio vel magnifice vel molliter vivere copia erat, incerta pro certis, bellum quam pacem malebant. (7) Fuere item ea tempestate, qui crederent M. Licinium Crassum non ignarum eius consili fuisse: quia Cn. Pompeius, invisus ipsi, magnum exercitum ductabat, quoiusvis opes voluisse contra illius potentiam crescere, simul confisum, si coniuratio valuisset, facile apud illos principem se fore. 18 (1) Sed antea item coniuravere pauci contra rem publicam, in quis Catilina fuit, (2) de qua, quam verissume potero, dicam. L. Tullo et M’. Lepido con-

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Untätigkeit träge würden, zog er es selbstverständlich vor, auch ohne Aussicht auf Lohn bösartig und grausam zu sein. (4) Im Vertrauen auf diese Freunde und Genossen beschloss Catilina, sich des Staates zu bemächtigen: zum einen, weil seine Schulden auf der ganzen Welt erdrückend waren, zum anderen, weil sehr viele Soldaten Sullas, die mit ihrem Vermögen allzu großzügig umgegangen waren, sich an ihre Raubzüge und alten Siege erinnerten und sich daher einen Bürgerkrieg sehnlichst wünschten. (5) In Italien stand kein Heer, Gnaeus Pompeius führte am Ende der Welt Krieg; Catilina selbst bewarb sich mit großer Hoffnung um das Konsulat, dem Senat fehlte es an der notwendigen Wachsamkeit. Alles war ruhig und friedlich – aber eben dies war günstig für Catilina. 17 (1) So sprach er unter dem Konsulat des Lucius Caesar und des Gaius Figulus [64 v. Chr.] um den 1. Juni herum zunächst einzelne an, motivierte die einen, fühlte bei den anderen vor, informierte sie über seine Mittel, über die mangelnde Vorbereitung auf Seiten der Staatsmacht, über den großen Gewinn im Falle einer gelungenen Verschwörung. (2) Sobald er alles nach Wunsch vorbereitet hat, versammelt er alle diejenigen an einem Ort, die sich in der größten Not befanden und die meiste Verwegenheit besaßen. (3) Dort kamen aus dem Senatorenstand zusammen: Publius Lentulus Sura, Publius Autronius, Lucius Cassius Longinus, Gaius Cethegus, Publius und Servius Sulla, die Söhne des Servius Sulla, Lucius Vargunteius, Quintus Annius, Marcus Porcius Laeca, Lucius Bestia und Quintus Curius; (4) außerdem aus dem Ritterstand: Marcus Fulvius Nobilior, Lucius Statilius, Publius Gabinius Capito und Gaius Cornelius; zudem viele Landadelige aus den Kolonien und Landstädten. (5) Außerdem gab es mehrere Adelige, die mehr im Hintergrund an der Planung partizipierten und die eher die Hoffnung auf Macht als Mittellosigkeit oder eine andere Zwangslage zur Teilnahme bewog. (6) Im Übrigen unterstützte ein Großteil der Jugend, vor allem jedoch der adeligen Jugend, Catilinas Unternehmungen: Obwohl sie die Möglichkeit hatten, ruhig und ungestört zu leben und dabei einen aufwändigen oder zumindest angenehmen Lebensstil zu pflegen, zogen sie unsichere Verhältnisse gesicherten Zuständen und den Krieg dem Frieden vor. (7) Es gab damals auch Leute, die glaubten, dass Marcus Licinius Crassus dieser Plan nicht unbekannt gewesen sei: Weil der ihm verhasste Gnaeus Pompeius ein großes Heer führte, habe er den Machtzuwachs jedes anderen Mannes auf Kosten des Pompeius begrüßt und zugleich darauf gesetzt, dass er leicht der Anführer der Verschwörer werden könne, falls ihr Komplott erfolgreich verlaufen sollte. 18 (1) Aber bereits früher einmal hatten sich in ähnlicher Weise einige Wenige gegen den Staat verschworen, zu denen auch Catilina gehört hat; (2) über diese Verschwörung will ich möglichst wahrheitsgetreu berichten. Unter dem Konsulat des Lucius Tullus und des Manius Lepidus [66 v. Chr.] waren die desig-

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sulibus P. Autronius et P. Sulla, designati consules, legibus ambitus interrogati poenas dederant. (3) Post paulo Catilina pecuniarum repetundarum reus prohibitus erat consulatum petere, quod intra legitumos dies profiteri nequiverat. (4) Erat eodem tempore Cn. Piso, adulescens nobilis, summae audaciae, egens, factiosus, quem ad perturbandam rem publicam inopia atque mali mores stimulabant. (5) Cum hoc Catilina et Autronius circiter Nonas Decembris consilio communicato parabant in Capitolio Kalendis Ianuariis L. Cottam et L. Torquatum consules interficere, ipsi fascibus correptis Pisonem cum exercitu ad obtinendas duas Hispanias mittere. (6) Ea re cognita rursus in Nonas Februarias consilium caedis transtulerant. (7) Iam tum non consulibus modo, sed plerisque senatoribus perniciem machinabantur. (8) Quod ni Catilina maturasset pro curia signum sociis dare, eo die post conditam urbem Romam pessumum facinus patratum foret. Quia nondum frequentes armati convenerant, ea res consilium diremit. 19 (1) Postea Piso in citeriorem Hispaniam quaestor pro praetore missus est adnitente Crasso, quod eum infestum, inimicum Cn. Pompeio cognoverat. (2) Neque tamen senatus provinciam invitus dederat, quippe foedum hominem a re publica procul esse volebat, simul quia boni complures praesidium in eo putabant et iam tum potentia Pompei formidulosa erat. (3) Sed is Piso in provincia ab equitibus Hispanis, quos in exercitu ductabat, iter faciens occisus est. (4) Sunt, qui ita dicant imperia eius iniusta, superba, crudelia barbaros nequivisse pati; (5) alii autem equites illos, Cn. Pompei veteres fidosque clientis, voluntate eius Pisonem aggressos: numquam Hispanos praeterea tale facinus fecisse, sed imperia saeva multa antea perpessos. Nos eam rem in medio relinquemus. (6) De superiore coniuratione satis dictum. 20 (1) Catilina ubi eos, quos paulo ante memoravi, convenisse videt, tametsi cum singulis multa saepe egerat, tamen in rem fore credens univorsos appellare et cohortari, in abditam partem aedium secedit atque ibi omnibus arbitris procul amotis orationem huiusce modi habuit:

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nierten Konsuln Publius Autronius und Publius Sulla wegen Wählerbestechung gesetzlich belangt und bestraft worden. (3) Kurz darauf wurde Catilina in einem Repetundenprozess angeklagt und so von einer Kandidatur für das Konsulat abgehalten, weil er sich nicht innerhalb der gesetzmäßig vorgeschriebenen Frist hatte melden können. (4) Zu derselben Zeit gab es einen gewissen Gnaeus Piso, er war ein junger Mann aus der Nobilität, skrupellos und verwegen, mittellos und in die Cliquenwirtschaft verstrickt; seine Mittellosigkeit und sein schlechter Charakter schürten in ihm die Bereitschaft, den Staat ins Chaos zu stürzen. (5) Zusammen mit ihm planten Catilina und Autronius um den 5. Dezember herum, am 1. Januar [65 v. Chr.] auf dem Kapitol die Konsuln Lucius Cotta und Lucius Torquatus zu ermorden, die Rutenbündel an sich zu reißen und Piso mit einem Heer in die beiden spanischen Provinzen zu entsenden, um diese in seine Gewalt zu bringen. (6) Als dies bekannt wurde, hatten sie den Mordanschlag wieder verschoben, und zwar auf den 5. Februar. (7) Schon damals planten sie nicht nur die Ermordung der Konsuln, sondern mehrerer Senatoren. (8) Wenn nun Catilina nicht vor der Kurie seinen Komplizen überstürzt das Zeichen gegeben hätte, wäre an diesem Tage die schrecklichste Untat seit der Gründung Roms verübt worden. Dadurch, dass noch nicht genügend Bewaffnete zusammengekommen waren, wurde der Plan vereitelt. 19 (1) Später wurde Piso als proprätorischer Quästor ins diesseitige Spanien geschickt. Dafür hatte sich Crassus eingesetzt, weil er erkannt hatte, dass Piso ein Erzfeind des Pompeius war. (2) Aber der Senat hatte ihm die Provinz nicht ungern verliehen, da er einen widerwärtigen Menschen vom politischen Leben in Rom fernhalten wollte und auch deswegen, weil mehrere Optimaten ihn für ein Bollwerk ihrer Partei hielten und schon damals die Macht des Pompeius furchterregend war. (3) Dieser Piso wurde aber in seiner Provinz von spanischen Reitern, die er im Heer mit sich führte, auf einer Reise ermordet. (4) Einige meinen, die Barbaren hätten seine ungerechte, anmaßende und grausame Amtsführung nicht ertragen können; (5) andere glauben hingegen, dass jene Reiter, alte und treue Klienten des Gnaeus Pompeius, auf dessen Wunsch hin Piso angegriffen hätten: Niemals sonst hätten Spanier ein solches Verbrechen verübt, sondern in früheren Zeiten schon häufiger einmal ein brutales Regiment über sich ergehen lassen. Wir wollen diese Frage auf sich beruhen lassen. (6) So viel also zur früheren Verschwörung. 20 (1) Sobald Catilina sah, dass die eben Genannten zusammengekommen waren, hielt er es, obwohl er schon oft ausführlich mit einzelnen gesprochen hatte, dennoch für nützlich, alle gemeinsam anzusprechen und anzuspornen. Daher zog er sich in einen entlegenen Teil seines Hauses zurück und hielt dort, nachdem er dafür gesorgt hatte, dass keine Zeugen mehr in der Nähe waren, eine Rede mit ungefähr dem folgenden Wortlaut:

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(2) “Ni virtus fidesque vostra spectata mihi forent, nequiquam opportuna res cecidisset; spes magna, dominatio in manibus frustra fuissent, neque ego per ignaviam aut vana ingenia incerta pro certis captarem. (3) Sed quia multis et magnis tempestatibus vos cognovi fortis fidosque mihi, eo animus ausus est maxumum atque pulcherrumum facinus incipere, simul quia vobis eadem, quae mihi, bona malaque esse intellexi; (4) nam idem velle atque idem nolle, ea demum firma amicitia est. (5) Sed ego quae mente agitavi, omnes iam antea divorsi audistis. (6) Ceterum mihi in dies magis animus accenditur, cum considero, quae condicio vitae futura sit, nisi nosmet ipsi vindicamus in libertatem. (7) Nam postquam res publica in paucorum potentium ius atque dicionem concessit, semper illis reges, tetrarchae vectigales esse, populi, nationes stipendia pendere; ceteri omnes, strenui, boni, nobiles atque ignobiles, volgus fuimus sine gratia, sine auctoritate, iis obnoxii, quibus, si res publica valeret, formidini essemus. (8) Itaque omnis gratia, potentia, honos, divitiae apud illos sunt aut ubi illi volunt: nobis reliquere pericula, repulsas, iudicia, egestatem. (9) Quae quo usque tandem patiemini, o fortissumi viri? Nonne emori per virtutem praestat quam vitam miseram atque inhonestam, ubi alienae superbiae ludibrio fueris, per dedecus amittere? (10) Verum enim vero, pro deum atque hominum fidem, victoria in manu nobis est: viget aetas, animus valet; contra illis annis atque divitiis omnia consenuerunt. Tantummodo incepto opus est, cetera res expediet. (11) Etenim quis mortalium, quoi virile ingenium est, tolerare potest illis divitias superare, quas profundant in extruendo mari et montibus coaequandis, nobis rem familiarem etiam ad necessaria deesse? Illos binas aut amplius domos continuare, nobis larem familiarem nusquam ullum esse? (12) Cum tabulas, signa, toreumata emunt, nova diruunt, alia aedificant, postremo omnibus modis pecuniam trahunt, vexant, tamen summa lubidine divitias suas vincere nequeunt. (13) At nobis est domi inopia, foris aes alienum,

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(2) „Wenn ich nicht eure Tüchtigkeit und Treue kennen würde, wäre diese günstige Gelegenheit verschenkt. Umsonst wären die großen Hoffnungen, umsonst wäre uns die Macht zum Greifen nah gewesen, und nicht würde ich im Vertrauen auf Feigheit und unzuverlässige Charaktere nach Unsicherem anstelle von Sicherem greifen. (3) Weil ich aber in vielen schweren Unwettern feststellen konnte, dass ihr tapfer und mir treu ergeben seid, so habe ich es gewagt, ein beispielloses und einzigartiges Unternehmen zu beginnen, außerdem auch deswegen, weil ich gemerkt hatte, dass für euch dieselben gesellschaftlichen Zustände vorteilhaft oder nachteilig sind wie für mich. (4) Denn dasselbe wollen und dasselbe ablehnen – darin besteht überhaupt erst eine feste Freundschaft. (5) Was ich aber plane, habt ihr alle schon vorher in Einzelgesprächen vernommen. (6) Doch mein Zorn wird von Tag zu Tag heftiger, wenn ich bedenke, wie unser Leben in Zukunft aussehen wird, wenn wir uns nicht selbst befreien. (7) Denn seitdem der Staat unter die Herrschaft und die Kontrolle einiger weniger Mächtiger geraten ist, waren ihnen immer Könige und Fürsten steuerpflichtig, zahlten ihnen die Völker und Stämme Tribut. Alle anderen aber, die Tüchtigen und die Anständigen, Adelige und Nicht-Adelige – wir waren die große Masse, ohne Ansehen, ohne Einfluss, denjenigen unterworfen, denen wir, wenn der Staat gesund wäre, Angst einjagen würden. (8) Daher sind alles Ansehen, alle Macht, alle Ehren, alle Geldmittel in ihren Händen oder dort, wo sie es sehen wollen; uns haben sie Gefahren, Wahlniederlagen, Prozesse und Armut übrig gelassen. (9) Diese Situation – wie lange wollt ihr sie denn eigentlich noch ertragen, o tapferste Männer? Ist es nicht besser, durch seine Tapferkeit zu sterben als ein elendes und unehrenhaftes Leben in Schande zu verlieren, sobald man zum Spielball fremden Hochmutes geworden ist? (10) Aber wahrlich, bei der Treue von Göttern und Menschen: Der Sieg ist zum Greifen nahe: Wir sind jung und kräftig, unser Geist ist stark. Auf der Gegenseite ist alles durch die Jahre und den Reichtum alt geworden. Wir müssen nur den Anfang machen, alles Weitere wird sich fügen. (11) Denn welcher Mensch, der wie ein echter Mann denkt, kann es hinnehmen, dass sie im Geld schwimmen, das sie verschwenden, um im Meer zu bauen und Berge einzuebnen, dass uns aber die Mittel selbst für das Notwendigste fehlen? Dass sie zwei oder mehr Häuser aneinanderreihen, dass wir hingegen nirgends auch nur irgendeinen Hausgott besitzen? (12) Auch wenn sie Gemälde, Statuen und Reliefarbeiten kaufen, neue Gebäude einreißen und stattdessen andere bauen, schließlich auf alle nur erdenkliche Weise Geld verschleudern und vergeuden, sind sie trotzdem nicht in der Lage, durch ihre unersättliche Gier ihren Reichtum zu besiegen. (13) Wir hingegen leiden zu Hause Not, außer Haus haben wir Schulden, widrige Lebensumstände, aber

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mala res, spes multo asperior: denique quid relicui habemus praeter miseram animam? (14) Quin igitur expergiscimini? En illa, illa, quam saepe optastis libertas, praeterea divitiae, decus, gloria in oculis sita sunt: fortuna omnia ea victoribus praemia posuit. (15) Res, tempus, pericula, egestas, belli spolia magnifica magis quam oratio mea vos hortentur. (16) Vel imperatore vel milite me utimini: neque animus neque corpus a vobis aberit. (17) Haec ipsa, ut spero, vobiscum una consul agam, nisi forte me animus fallit et vos servire magis quam imperare parati estis.” 21 (1) Postquam accepere ea homines, quibus mala abunde omnia erant, sed neque res neque spes bona ulla, tametsi illis quieta movere magna merces videbatur, tamen postulavere plerique, ut proponeret, quae condicio belli foret, quae praemia armis peterent, quid ubique opis aut spei haberent. (2) Tum Catilina polliceri tabulas novas, proscriptionem locupletium, magistratus, sacerdotia, rapinas, alia omnia, quae bellum atque lubido victorum fert. (3) Praeterea esse in Hispania citeriore Pisonem, in Mauretania cum exercitu P. Sittium Nucerinum, consili sui participes; petere consulatum C. Antonium, quem sibi collegam fore speraret, hominem et familiarem et omnibus necessitudinibus circumventum; cum eo se consulem initium agundi facturum. (4) Ad hoc maledictis increpabat omnis bonos, suorum unum quemque nominans laudare; admonebat alium egestatis, alium cupiditatis suae, compluris periculi aut ignominiae, multos victoriae Sullanae, quibus ea praedae fuerat. (5) Postquam omnium animos alacris videt, cohortatus, ut petitionem suam curae haberent, conventum dimisit. 22 (1) Fuere ea tempestate, qui dicerent Catilinam, oratione habita, cum ad ius iurandum popularis sceleris sui adigeret, humani corporis sanguinem vino permixtum in pateris circumtulisse; (2) inde cum post exsecrationem omnes degustavissent, sicuti in sollemnibus sacris fieri consuevit, aperuisse consilium suom atque eo dictitare fecisse, quo inter se fidi magis forent, alius alii tanti facinoris conscii. (3) Nonnulli ficta et haec et multa praeterea existimabant ab iis,

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noch viel trübere Aussichten: Was bleibt uns schließlich außer einem unglücklichen Leben? (14) Warum wacht ihr also nicht endlich auf? Seht hin, da ist sie doch: diese Freiheit, eben diese Freiheit, die ihr euch so oft gewünscht habt, außerdem Reichtum, Ehre und Ruhm – sie stehen euch schon unmittelbar vor Augen. Die Glücksgöttin hat all dies als Gewinn für die Sieger ausgelobt. (15) Die Umstände und unsere Lage, die Gefahren, die Armut und die prächtige Kriegsbeute sollen euch noch mehr anspornen als meine Rede! (16) Lasst mich in eurem Heer Feldherr oder einfacher Soldat sein: Weder mein Geist noch mein Körper wird euch die Unterstützung versagen. (17) Eben dies werde ich, wie ich hoffe, zusammen mit euch als Konsul durchführen, es müsste denn sein, dass ich mich täusche und ihr eher bereit seid zu dienen als zu herrschen.“ 21 (1) Als diese Worte Menschen vernahmen, die Probleme in Hülle und Fülle hatten, aber keinerlei Aussichten oder Hoffnungen, da forderten sehr viele, obwohl sie es schon für einen einträglichen Erfolg hielten, ruhige Zustände zu erschüttern, dennoch von Catilina, ihnen zu erklären, wie der Krieg denn aussehen werde, welche Art von Gewinn das Ziel ihres Kampfes sein werde und wie es um ihre Mittel und ihre Aussichten in den jeweiligen Gebieten bestellt sei. (2) Da versprach Catilina Schuldentilgung, die Proskription der Wohlhabenden, Ämter, Priesterstellen, Beutezüge, auch sonst alles, was der Krieg und die Willkür der Sieger so mit sich bringen. (3) Außerdem stehe im diesseitigen Spanien Piso, in Mauretanien Publius Sittius Nucerinus mit einem Heer; beide seien in seinen Plan eingeweiht. Gaius Antonius bewerbe sich um das Konsulat (dessen Kollege er zu werden hoffe), einer seiner Vertrauten, der sich in allen nur erdenklichen finanziellen Zwangslagen befinde. Mit ihm zusammen werde er als Konsul die Initiative zum Handeln ergreifen. (4) Außerdem zog Catilina über alle anständigen Menschen mit Beleidigungen her, lobte jeden seiner Leute namentlich, erinnerte den einen an seine Armut, den anderen an seine Wünsche, mehrere an die ihnen drohenden Gefahren oder an ihre unehrenhafte Lage; viele, denen Sullas Sieg Beute eingebracht hatte, erinnerte er an diesen. (5) Als er sah, dass alle begeistert bei der Sache waren, forderte er sie auf, seine Kandidatur zu unterstützen, und entließ die Versammlung. 22 (1) Damals gab es das Gerücht, Catilina habe nach der Rede, als er seine Komplizen zu einem Eid verpflichtete, Menschenblut mit Wein vermischt und in Schalen herumreichen lassen. (2) Als dann alle nach einer Selbstverwünschung davon gekostet hätten (wie es bei feierlichen Opferhandlungen üblich ist), habe er die dahinter stehende Absicht enthüllt und gesagt, er habe dies deswegen gemacht, damit sie einander nur umso mehr die Treue hielten, da jeder um die ungeheuerliche Untat des anderen wisse. (3) Einige waren der Meinung, dass diese und viele andere Geschichten erfunden seien, und zwar

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qui Ciceronis invidiam, quae postea orta est, leniri credebant atrocitate sceleris eorum, qui poenas dederant. Nobis ea res pro magnitudine parum comperta est. 23 (1) Sed in ea coniuratione fuit Q. Curius, natus haud obscuro loco, flagitiis atque facinoribus coopertus, quem censores senatu probri gratia moverant. (2) Huic homini non minor vanitas inerat quam audacia: neque reticere quae audierat neque suamet ipse scelera occultare, prorsus neque dicere neque facere quicquam pensi habebat. (3) Erat ei cum Fulvia, muliere nobili, stupri vetus consuetudo; quoi cum minus gratus esset, quia inopia minus largiri poterat, repente glorians maria montisque polliceri coepit et minari interdum ferro, ni sibi obnoxia foret, postremo ferocius agitare quam solitus erat. (4) At Fulvia insolentiae Curi causa cognita tale periculum rei publicae haud occultum habuit, sed sublato auctore, de Catilinae coniuratione quae quoque modo audierat, compluribus narravit. (5) Ea res in primis studia hominum accendit ad consulatum mandandum M. Tullio Ciceroni. (6) Namque antea pleraque nobilitas invidia aestuabat, et quasi pollui consulatum credebant, si eum quamvis egregius homo novos adeptus foret. Sed ubi periculum advenit, invidia atque superbia post fuere. 24 (1) Igitur comitiis habitis consules declarantur M. Tullius et C. Antonius; quod factum primo popularis coniurationis concusserat. (2) Neque tamen Catilinae furor minuebatur, sed in dies plura agitare, arma per Italiam locis opportunis parare, pecuniam sua aut amicorum fide sumptam mutuam Faesulas ad Manlium quendam portare, qui postea princeps fuit belli faciundi. (3) Ea tempestate plurumos quoiusque generis homines adscivisse sibi dicitur, mulieres etiam aliquot, quae primo ingentis sumptus stupro corporis toleraverant, post, ubi aetas tantummodo quaestui neque luxuriae modum fecerat, aes alienum grande conflaverant. (4) Per eas se Catilina credebat posse servitia urbana sollicitare, urbem incendere, viros earum vel adiungere sibi vel interficere.

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von den Leuten, die glaubten, der später entstandene Unwille gegenüber Cicero könne abgeschwächt werden durch die Abscheulichkeit des Verbrechens derjenigen, die bestraft worden waren. Im Verhältnis zu ihrer Bedeutung fehlt es mir an sicherem Wissen über diese Angelegenheit. 23 (1) Aber zu den Verschwörern gehörte auch Quintus Curius, aus keinem schlechten Hause, aber über und über mit Schande und Schandtaten bedeckt, den die Zensoren wegen seiner sexuellen Verfehlungen aus dem Senat ausgeschlossen hatten. (2) Dieser Mann war ebenso großsprecherisch wie verwegen. Er kümmerte sich nicht im Geringsten darum, das, was er irgendwo gehört hatte, zu verschweigen, seine eigenen Verbrechen zu verbergen, ihm waren schlichtweg seine Reden und Taten gleichgültig. (3) Er hatte seit längerem eine ehebrecherische Affäre mit der Adligen Fulvia. Als er nun in ihrer Gunst fiel, weil er ihr wegen seiner Mittellosigkeit nur noch selten Geschenke machen konnte, fing er plötzlich an, zu prahlen und ihr goldene Berge zu versprechen, zuweilen auch mit dem Dolch zu drohen, falls sie ihm nicht zu Willen sein sollte, sich überhaupt noch wilder zu gebärden als gewöhnlich. (4) Sobald aber Fulvia die Ursache für Curius’ ungewöhnliches Verhalten erfahren hatte, hielt sie ein solches staatsgefährdendes Unternehmen nicht geheim, sondern erzählte alles, was sie über Catilinas Verschwörung gehört hatte, und auch, wie sie es erfahren hatte, mehreren Leuten weiter, ohne ihre Quelle zu nennen. (5) Es war in erster Linie diesem Umstand zu verdanken, dass die Menschen sich dafür begeistern ließen, Marcus Tullius Cicero das Konsulat zu übertragen. (6) Zuvor brodelte nämlich bei einem Großteil der Nobilität eine Mischung aus Missgunst und Abneigung, und man glaubte, das Konsulat werde besudelt, falls ein homo novus, mochte er auch noch so außergewöhnlich sein, dieses Amt erreichen sollte. Aber sobald sich Gefahren näherten, traten Hass und Hochmut in den Hintergrund. 24 (1) Und so werden bei den Wahlen Marcus Tullius Cicero und Gaius Antonius als Konsuln ausgerufen. Dieses Ereignis hatte zunächst die Verschwörer erschüttert. (2) Aber dennoch wurde Catilinas Wahnsinn nicht kleiner, sondern sein Aktionismus wuchs von Tag zu Tag, er ließ an geeigneten Orten Italiens Rüstungen in Angriff nehmen und Geld, das er auf seinen Kredit oder den seiner Freunde aufgenommen hatte, nach Fiesole zu einem gewissen Manlius bringen (dieser Manlius sollte später mit dem Krieg beginnen). (3) Zu dieser Zeit soll er sehr viele Menschen jeden Schlages angeworben haben, sogar einige Frauen, die zunächst ihre enormen Ausgaben durch die Hingabe ihres Körpers bestritten, dann aber, als ihr Alter nur der Art des Erwerbs, nicht aber ihrer Verschwendungssucht ein Ende gemacht hatte, riesige Schuldenberge aufgehäuft hatten. (4) Catilina hoffte, dass er mit ihrer Hilfe die städtischen Sklaven aufwiegeln, die Stadt in Brand setzen und ihre Männer gewinnen oder töten könne.

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25 (1) Sed in iis erat Sempronia, quae multa saepe virilis audaciae facinora commiserat. (2) Haec mulier genere atque forma, praeterea viro liberis satis fortunata fuit; litteris Graecis et Latinis docta, psallere [et] saltare elegantius, quam necesse est probae, multa alia, quae instrumenta luxuriae sunt. (3) Sed ei cariora semper omnia quam decus atque pudicitia fuit; pecuniae an famae minus parceret, haud facile discerneres; lubido sic accensa, ut saepius peteret viros, quam peteretur. (4) Sed ea saepe antehac fidem prodiderat, creditum abiuraverat, caedis conscia fuerat: luxuria atque inopia praeceps abierat. (5) Verum ingenium eius haud absurdum: posse versus facere, iocum movere, sermone uti vel modesto vel molli vel procaci; prorsus multae facetiae multusque lepos inerat. 26 (1) His rebus comparatis Catilina nihilo minus in proxumum annum consulatum petebat, sperans, si designatus foret, facile se ex voluntate Antonio usurum. Neque interea quietus erat, sed omnibus modis insidias parabat Ciceroni. (2) Neque illi tamen ad cavendum dolus aut astutiae deerant. (3) Namque a principio consulatus sui multa pollicendo per Fulviam effecerat, ut Q. Curius, de quo paulo ante memoravi, consilia Catilinae sibi proderet; (4) ad hoc collegam suom Antonium pactione provinciae perpulerat, ne contra rem publicam sentiret; circum se praesidia amicorum atque clientium occulte habebat. (5) Postquam dies comitiorum venit et Catilinae neque petitio neque insidiae, quas consulibus in Campo fecerat, prospere cessere, constituit bellum facere et extrema omnia experiri, quoniam, quae occulte temptaverat, aspera foedaque evenerant. 27 (1) Igitur C. Manlium Faesulas atque in eam partem Etruriae, Septimium quendam Camertem in agrum Picenum, C. Iulium in Apuliam dimisit, praeterea alium alio, quem ubique opportunum sibi fore credebat. (2) Interea Romae multa simul moliri: consulibus insidias tendere, parare incendia, opportuna loca armatis hominibus obsidere; ipse cum telo esse, item alios iubere, hortari, uti semper intenti paratique essent; dies noctisque festinare, vigilare, neque insomniis neque labore fatigari. (3) Postremo, ubi multa agitanti nihil procedit,

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25 (1) Zu diesen Frauen gehörte auch Sempronia, die viele Untaten begangen hatte, die oft von männlicher Kühnheit zeugten. (2) Diese Frau war mit ihrer Abstammung und ihrer Schönheit reich gesegnet, zudem auch mit einem Mann und Kindern; sie war gebildet, sowohl in lateinischer als auch in griechischer Literatur, sang und tanzte anmutiger, als es für eine anständige Frau notwendig ist, verstand sich auch sonst auf vieles, was zu einem luxuriösen Leben gehört. (3) Aber ihr war immer schon alles wichtiger gewesen als Anstand und Keuschheit. Ob sie ihr Geld oder ihren Ruf weniger schonte, hätte man kaum erkennen können. Ihre Lust verzehrte sie so sehr, dass sie die Männer häufiger von selbst fragte, als auf ein Angebot zu warten. (4) Aber sie hatte schon früher oft ihr Wort gebrochen, oft unter Eid geleugnet, einen Kredit aufgenommen zu haben, und war zur Mitwisserin von Morden geworden: Durch Genusssucht und Geldnot war sie auf die schiefe Bahn geraten. (5) Ihre Begabung war aber nicht zu verachten: Sie konnte dichten, war witzig, war im Gespräch bald zurückhaltend, bald sanft, bald frech; kurz: Sie besaß viel Witz und Anmut. 26 (1) Als Catilina die erwähnten Vorbereitungen getroffen hatte, bewarb er sich dennoch für das folgende Jahr um das Konsulat, in der Hoffnung, dass er, falls er gewählt würde, Antonius leicht nach Belieben werde lenken können. Aber er war unterdessen nicht untätig, sondern plante auf alle nur erdenkliche Weise Anschläge auf Cicero. (2) Diesem fehlten aber weder List noch Schlauheit, um sich vor Catilina in Acht zu nehmen. (3) Denn von Beginn seines Konsulates an hatte er durch viele Versprechungen mit Fulvias Hilfe erreicht, dass der eben erwähnte Quintus Curius ihm Catilinas Pläne verriet. (4) Zudem hatte er seinen Kollegen Antonius durch eine Abmachung hinsichtlich seiner Provinz dazu gebracht, nichts gegen den Staat zu unternehmen. Auch hielt er sich unauffällig eine persönliche Leibwache aus Freunden und Klienten. (5) Als der Tag der Wahlen gekommen war und Catilina weder mit seiner Kandidatur noch mit den Anschlägen auf die Konsuln auf dem Marsfeld Erfolg hatte, beschloss er, einen Krieg vom Zaun zu brechen und alles auf eine Karte zu setzen, da ja seine heimlichen Versuche bittere und schmerzliche Misserfolge gezeitigt hatten. 27 (1) Und so schickte er Gaius Manlius nach Etrurien, und zwar in das Gebiet von Fiesole, einen gewissen Septimius aus Camerinum ins Picenerland, Gaius Iulius nach Apulien, außerdem andere von seinen Leuten jeweils dorthin, wo sie ihm seiner Meinung nach von Nutzen sein würden. (2) Unterdessen entfaltete er in Rom mehrere Aktivitäten gleichzeitig: Er plante Anschläge auf die Konsuln, bereitete Brandstiftungen vor und besetzte geeignete Plätze mit Bewaffneten. Er selbst trug stets eine Waffe bei sich, hielt die anderen zu demselben Verhalten an und forderte sie auf, immer aufmerksam und bereit zu sein. Tag und Nacht hetzte er, wachte er und ließ sich weder durch Schlafentzug noch durch Arbeit ermüden. (3) Als schließlich überhaupt nichts vorangeht, obwohl er vieles in die

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rursus intempesta nocte coniurationis principes convocat per M. Porcium Laecam, (4) ibique multa de ignavia eorum questus docet se Manlium praemisisse ad eam multitudinem, quam ad capiunda arma paraverat, item alios in alia loca opportuna, qui initium belli facerent, seque ad exercitum proficisci cupere, si prius Ciceronem oppressisset: eum suis consiliis multum officere. 28 (1) Igitur perterritis ac dubitantibus ceteris C. Cornelius eques Romanus operam suam pollicitus et cum eo L. Vargunteius senator constituere ea nocte paulo post cum armatis hominibus sicuti salutatum introire ad Ciceronem ac de improviso domi suae imparatum confodere. (2) Curius ubi intellegit, quantum periculum consuli impendeat, propere per Fulviam Ciceroni dolum, qui parabatur, enuntiat. (3) Ita illi ianua prohibiti tantum facinus frustra susceperant. (4) Interea Manlius in Etruria plebem sollicitare, egestate simul ac dolore iniuriae novarum rerum cupidam, quod Sullae dominatione agros bonaque omnia amiserat, praeterea latrones quoiusque generis, quorum in ea regione magna copia erat, nonnullos ex Sullanis coloniis, quibus lubido atque luxuria ex magnis rapinis nihil relicui fecerant. 29 (1) Ea cum Ciceroni nuntiarentur, ancipiti malo permotus, quod neque urbem ab insidiis privato consilio longius tueri poterat neque, exercitus Manli quantus aut quo consilio foret, satis compertum habebat, rem ad senatum refert iam antea volgi rumoribus exagitatam. (2) Itaque, quod plerumque in atroci negotio solet, senatus decrevit, darent operam consules, ne quid res publica detrimenti caperet. (3) Ea potestas per senatum more Romano magistratui maxuma permittitur: exercitum parare, bellum gerere, coercere omnibus modis socios atque civis, domi militiaeque imperium atque iudicium summum habere; aliter sine populi iussu nullius earum rerum consuli ius est. 30 (1) Post paucos dies L. Saenius senator in senatu litteras recitavit, quas Faesulis adlatas sibi dicebat, in quibus scriptum erat C. Manlium arma cepisse cum magna multitudine ante diem VI Kalendas Novembris.

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Wege leitet, bestellt er wieder in tiefer Nacht durch Marcus Porcius Laeca die Häupter der Verschwörung ein (4) und beklagt sich dann ausführlich über ihre Untätigkeit, informiert sie darüber, dass er Manlius vorausgeschickt habe zu den Leuten, die er darauf vorbereitet hatte, die Waffen zu ergreifen, dass er ebenfalls andere Männer zu anderen geeigneten Orten entsandt habe, um den Krieg zu beginnen, und dass er zum Heer aufbrechen wolle, wenn er zuvor Cicero überwältigt habe; dieser Mann sei ein entscheidendes Hindernis für seine Pläne. 28 (1) Als nun die anderen eingeschüchtert waren und zauderten, versicherten ihn der römische Ritter Gaius Cornelius und der Senator Lucius Vargunteius ihrer Unterstützung und beschlossen, noch in dieser Nacht gleich nach der Besprechung mit Bewaffneten bei Cicero vorstellig zu werden, als wollten sie ihm die Aufwartung machen, und den Nichtsahnenden unversehens in seinem eigenen Haus zu erdolchen. (2) Als Curius begriff, welch große Gefahr dem Konsul drohte, ließ er umgehend Fulvia Cicero den geplanten Anschlag melden. (3) Den Attentätern wurde der Zutritt verwehrt, und so hatten sie eine derart ungeheuerliche Untat erfolglos übernommen. (4) Inzwischen wiegelte Manlius in Etrurien das Volk auf, das sich sowohl aus Armut als auch aus Schmerz über erlittenes Unrecht nach einem Aufstand sehnte, weil es durch Sullas Herrschaft sein ganzes Land und all seine Güter verloren hatte; außerdem hetzte er Banditen aller Art auf, die es in der dortigen Gegend in großer Zahl gab, des Weiteren einige Leute aus den sullanischen Kolonien, denen Gier und Ausschweifungen von ihren großen Beutezügen nichts übrig gelassen hatten. 29 (1) Als diese Ereignisse Cicero gemeldet wurden, war er aus zwei Gründen höchst beunruhigt: Weder konnte er die Stadt durch seine private Initiative noch länger gegen Anschläge verteidigen noch besaß er ausreichende Kenntnisse über die Größe und die Absichten von Manlius’ Heer. Daher trug er die Angelegenheit dem Senat vor, die sich schon zuvor durch das Gerede der Leute herumgesprochen hatte. (2) Und so verordnete der Senat, wie es meistens in einer bedrohlichen Lage geschieht, dass die Konsuln dafür zu sorgen hätten, dass der Staat nicht zu Schaden komme. (3) Das ist die größte Vollmacht, die der Senat nach römischer Tradition einem Beamten verleihen kann, und sie umfasst die Mobilmachung des Heeres, die Kriegsführung, die umfassende Disziplinierung von Bundesgenossen und Römern, die Ausübung der höchsten Befehls- und Gerichtsgewalt im Frieden wie im Krieg. Sonst hat der Konsul kein Recht zu diesen Maßnahmen, wenn das Volk ihn nicht dazu ermächtigt hat. 30 (1) Nach wenigen Tagen verlas der Senator Lucius Saenius im Senat einen Brief, den er nach eigener Aussage aus Fiesole erhalten hatte. Darin stand, dass Gaius Manlius mit einer großen Truppe am 27. Oktober zu den Waffen gegriffen habe.

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(2) Simul, id quod in tali re solet, alii portenta atque prodigia nuntiabant, alii conventus fieri, arma portari, Capuae atque in Apulia servile bellum moveri. (3) Igitur senati decreto Q. Marcius Rex Faesulas, Q. Metellus Creticus in Apuliam circumque ea loca missi – (4) ii utrique ad urbem imperatores erant, impediti, ne triumpharent, calumnia paucorum, quibus omnia honesta atque inhonesta vendere mos erat – (5), sed praetores Q. Pompeius Rufus Capuam, Q. Metellus Celer in agrum Picenum, iisque permissum, uti pro tempore atque periculo exercitum compararent. (6) Ad hoc, si quis indicavisset de coniuratione, quae contra rem publicam facta erat, praemium servo libertatem et sestertia centum, libero impunitatem eius rei et sestertia ducenta [milia], (7) itemque decrevere, uti gladiatoriae familiae Capuam et in cetera municipia distribuerentur pro quoiusque opibus, Romae per totam urbem vigiliae haberentur iisque minores magistratus praeessent. 31 (1) Quis rebus permota civitas atque immutata urbis facies erat. Ex summa laetitia atque lascivia, quae diuturna quies pepererat, repente omnis tristitia invasit: (2) festinare, trepidare, neque loco neque homini quoiquam satis credere, neque bellum gerere neque pacem habere, suo quisque metu pericula metiri. (3) Ad hoc mulieres, quibus rei publicae magnitudine belli timor insolitus incesserat, afflictare sese, manus supplices ad caelum tendere, miserari parvos liberos, rogitare omnia, pavere, superbia atque deliciis omissis, sibi patriaeque diffidere. (4) At Catilinae crudelis animus eadem illa movebat, tametsi praesidia parabantur et ipse lege Plautia interrogatus erat ab L. Paullo. (5) Postremo dissimulandi causa aut sui expurgandi, sicut iurgio lacessitus foret, in senatum venit. (6) Tum M. Tullius consul, sive praesentiam eius timens sive ira commotus, orationem habuit luculentam atque utilem rei publicae, quam postea scriptam edidit. (7) Sed ubi ille assedit, Catilina, ut erat paratus ad

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(2) Gleichzeitig meldeten die einen, wie es in derartigen Situationen häufig geschieht, Unheil verkündende Erscheinungen und Vorzeichen, die anderen berichteten über Versammlungen, über Waffentransporte, über Sklavenaufstände in Capua und in Apulien. (3) Daher wird auf einen Senatsbeschluss hin Quintus Marcius Rex nach Fiesole, Quintus Metellus Creticus nach Apulien und in die umliegenden Gegenden entsandt (4) (diese beiden standen als siegreiche Feldherren vor Rom, man verwehrte ihnen aber noch den Triumph, ein Ränkespiel einiger weniger, die es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, alles zu Geld zu machen – einerlei, ob ehrenvoll oder nicht), (5) der Prätor Quintus Pompeius Rufus aber nach Capua und der Prätor Quintus Metellus Celer ins Picenerland; und ihnen wurde die Vollmacht erteilt, je nach Umständen und Gefahrenlage ein Heer zusammenzustellen. (6) Zusätzlich wurden Belohnungen ausgelobt für diejenigen, die bereit wären, Angaben über die gegen den Staat unternommene Verschwörung zu machen: für einen Sklaven die Freiheit und 100.000 Sesterze, für einen Freien Straflosigkeit für dieses Verbrechen und 200.000 Sesterze. (7) Und ebenso wurde beschlossen, den jeweiligen Mitteln einer Stadt entsprechend Gladiatorentrupps auf Capua und die übrigen Landstädte zu verteilen und in Rom in der ganzen Stadt Wachposten unter dem Kommando der untergeordneten Magistrate aufzustellen. 31 (1) Durch diese Ereignisse wurde die Bürgerschaft erschüttert und das Aussehen der Hauptstadt verwandelt. Nach höchster Freude und Ausgelassenheit, die die langandauernde Friedenszeit hervorgebracht hatte, brach plötzlich traurige Verzweiflung über alle Bürger herein: (2) Allerorten herrschte Hektik und Geschäftigkeit, niemand traute mehr so recht irgendeinem Aufenthaltsort oder einem anderen Menschen, man führte weder Krieg noch hielt man Frieden, jeder schätzte die Gefahren seiner eigenen Angst entsprechend ein. (3) Zudem zerschlugen sich die Frauen, die wegen der Größe des Staates bisher keine Kriegsangst gekannt hatten, die aber eine solche jetzt befiel, ihre Brüste, erhoben die Hände bittend zum Himmel, beklagten ihre kleinen Kinder, fragten wieder und wieder nach allem möglichen, erschraken auf jedes Gerücht hin, rafften – unter Preisgabe ihrer üblichen Vergnügungen und ihres Stolzes – alles Gut zusammen und hatten keinerlei Vertrauen mehr zu sich oder zum Vaterland. (4) Aber Catilinas grausamer Sinn trieb eben diese Pläne weiter voran, obwohl Schutztruppen aufgestellt wurden und er selbst von Lucius Paullus nach der Lex Plautia belangt worden war. (5) Schließlich kam er in den Senat, entweder um seine Aktionen zu vertuschen oder um sich zu rechtfertigen – als ob er durch Vorwürfe beleidigt worden wäre. (6) Da hielt der Konsul Marcus Tullius Cicero, entweder aus Angst vor Catilinas Gegenwart oder aus Zorn, eine glänzende und dem Staate nützliche Rede, die er später veröffentlichte. (7) Aber sobald er sich hingesetzt hatte, begann Catilina in seiner Bereitschaft, alles in

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dissimulanda omnia, demisso voltu, voce supplici postulare a patribus coepit, ne quid de se temere crederent: ea familia ortum, ita se ab adulescentia vitam instituisse, ut omnia bona in spe haberet; ne existimarent sibi, patricio homini, quoius ipsius atque maiorum pluruma beneficia in plebem Romanam essent, perdita re publica opus esse, cum eam servaret M. Tullius, inquilinus civis urbis Romae. (8) Ad hoc male dicta alia cum adderet, obstrepere omnes, hostem atque parricidam vocare. (9) Tum ille furibundus “quoniam quidem circumventus” inquit “ab inimicis praeceps agor, incendium meum ruina restinguam.” 32 (1) Deinde se ex curia domum proripuit. Ibi multa ipse secum volvens, quod neque insidiae consuli procedebant et ab incendio intellegebat urbem vigiliis munitam, optumum factu credens exercitum augere ac, priusquam legiones scriberentur, multa antecapere quae bello usui forent, nocte intempesta cum paucis in Manliana castra profectus est. (2) Sed Cethego atque Lentulo ceterisque, quorum cognoverat promptam audaciam, mandat, quibus rebus possent, opes factionis confirment, insidias consuli maturent, caedem, incendia aliaque belli facinora parent: sese propediem cum magno exercitu ad urbem accessurum. (3) Dum haec Romae geruntur, C. Manlius ex suo numero legatos ad Marcium Regem mittit cum mandatis huiusce modi: 33 (1) “Deos hominesque testamur, imperator, nos arma neque contra patriam cepisse neque quo periculum aliis faceremus, sed uti corpora nostra ab iniuria tuta forent, qui miseri, egentes, violentia atque crudelitate faeneratorum plerique patriae, sed omnes fama atque fortunis expertes sumus. Neque quoiquam nostrum licuit more maiorum lege uti neque amisso patrimonio liberum corpus habere: tanta saevitia faeneratorum atque praetoris fuit. (2) Saepe maiores vostrum, miseriti plebis Romanae, decretis suis inopiae eius opitulati sunt, ac novissume memoria nostra propter magnitudinem aeris alieni volentibus omnibus bonis argentum aere solutum est. (3) Saepe ipsa plebes, aut dominandi studio permota aut superbia

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Abrede zu stellen, mit gesenktem Blick und demütiger Stimme die Senatoren darum zu bitten, irgendwelchen Aussagen über seine Person nicht leichtfertig Glauben zu schenken: Seine gute Herkunft und sein von Jugend an feststehender Lebensplan würden ihn zu den größten Hoffnungen berechtigen. Sie sollten nicht glauben, dass er, ein Patrizier, dem die römische Plebs ebenso wie seinen Vorfahren sehr viel verdanke, es darauf anlege, den Staat ins Verderben zu stürzen, während ihn Marcus Tullius, ein zugewanderter Bürger Roms, retten würde. (8) Als er noch weitere Schmähungen hinzufügte, unterbrachen ihn alle mit lauten Ausrufen und bezeichneten ihn als Staatsfeind und Mörder. (9) Da rief er wie von Sinnen: „Da ich ja nun von meinen Feinden umzingelt bin und von ihnen in den Abgrund getrieben werde, will ich das Feuer, das mein Haus ergriffen hat, mit einem Trümmerhaufen löschen.“ 32 (1) Dann stürzte er aus der Kurie nach Hause. Dort dachte er im Stillen über vieles nach, weil einerseits die Anschläge auf den Konsul keine Fortschritte machten und er andererseits bemerkte, dass die Stadt gegen Brandstiftungen durch Wachen gesichert war. Daher hielt er es für das Beste, sein Heer zu verstärken und, bevor Legionen ausgehoben würden, vieles schon im Vorhinein vorzubereiten, was für den kommenden Krieg nützlich wäre. Und so brach er in tiefer Nacht mit einigen wenigen Männern zu Manlius’ Lager auf. (2) Aber Cethegus und Lentulus und den anderen, deren bereitwillige Verwegenheit er kennengelernt hatte, trug er auf, mit allen Mitteln die Kräfte der Verschwörerclique zu stärken, die Anschläge auf den Konsul voranzutreiben, Mord, Brandstiftung und andere Gräueltaten eines Krieges vorzubereiten. Er werde demnächst mit einem großen Heer auf die Stadt marschieren. (3) Während dies in Rom geschah, schickte Gaius Manlius von seinen Leuten Gesandte zu Marcius Rex mit ungefähr den folgenden Aufträgen: 33 (1) „Wir rufen die Götter und die Menschen als Zeugen dafür an, Feldherr, dass wir die Waffen weder gegen das Vaterland erhoben haben noch in der Absicht, andere Menschen in Gefahr zu bringen, sondern lediglich um unseren Leib gegen Unrecht zu schützen – Elend und Armut bedrängen uns nämlich, durch die gewaltsame Grausamkeit der Wucherer hat der Großteil von uns seine Heimat, wir alle aber unseren Ruf und unseren Besitz verloren. Keiner von uns durfte sich nach der Tradition der Vorfahren auf das Gesetz berufen oder nach dem Verlust des väterlichen Vermögens zumindest formal frei sein: So groß war die Brutalität der Wucherer und des Prätors. (2) Oft haben sich eure Vorfahren der römischen Plebs erbarmt und ihrer Not durch ihre Beschlüsse abgeholfen; und vor kurzem noch, bereits in unserer Zeit, willigten alle anständigen Bürger ein, dass Verbindlichkeiten statt mit Silber mit Kupfer bezahlt werden konnten, damit unsere untragbar hohen Schulden abgebaut würden. (3) Oft hat sich die Plebs selbst, entweder aus Herrschsucht oder wegen des anmaßenden

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magistratuum, armata a patribus secessit. (4) At nos non imperium neque divitias petimus, quarum rerum causa bella atque certamina omnia inter mortalis sunt, sed libertatem, quam nemo bonus nisi cum anima simul amittit. (5) Te atque senatum obtestamur, consulatis miseris civibus, legis praesidium, quod iniquitas praetoris eripuit, restituatis neve nobis eam neccessitudinem imponatis, ut quaeramus, quonam modo maxume ulti sanguinem nostrum pereamus.” 34 (1) Ad haec Q. Marcius respondit, si quid ab senatu petere vellent, ab armis discedant, Romam supplices proficiscantur: ea mansuetudine atque misericordia senatum populi Romani semper fuisse, ut nemo umquam ab eo frustra auxilium petiverit. (2) At Catilina ex itinere plerisque consularibus, praeterea optumo quoique litteras mittit: se falsis criminibus circumventum, quoniam factioni inimicorum resistere nequiverit, fortunae cedere, Massiliam in exilium proficisci, non quo sibi tanti sceleris conscius esset, sed uti res publica quieta foret neve ex sua contentione seditio oreretur. (3) Ab his longe divorsas litteras Q. Catulus in senatu recitavit, quas sibi nomine Catilinae redditas dicebat. Earum exemplum infra scriptum est. 35 (1) “L. Catilina Q. Catulo. Egregia tua fides, re cognita, grata mihi magnis in meis periculis, fiduciam commendationi meae tribuit. (2) Quam ob rem defensionem in novo consilio non statui parare: satisfactionem ex nulla conscientia de culpa proponere decrevi, quam me dius fidius veram licet cognoscas. (3) Iniuriis contumeliisque concitatus, quod fructu laboris industriaeque meae privatus statum dignitatis non obtinebam, publicam miserorum causam pro mea consuetudine suscepi, non quin aes alienum meis nominibus ex possessionibus solvere non possem – et alienis nominibus liberalitas Orestillae suis filiaeque copiis persolveret – sed quod non dignos homines honore honestatos videbam meque falsa suspicione alienatum esse sentiebam. (4) Hoc nomine satis honestas pro meo casu spes relicuae dignitatis conservandae sum secutus. (5) Plura cum scribere vellem, nuntiatum est

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Verhaltens der Beamten, bewaffnet und von den Patriziern getrennt. (4) Aber wir wollen weder Macht noch Reichtum (das sind die Ursachen aller Kriege und Kämpfe unter den Menschen), sondern die Freiheit, die kein Tüchtiger aufgibt – es sei denn, zugleich mit seinem Leben. (5) Wir beschwören dich und den Senat, für die unglücklichen Mitbürger zu sorgen, den Schutz des Gesetzes, den die Ungerechtigkeit des Prätors uns entrissen hat, wiederherzustellen und uns nicht zu der Frage zu zwingen, wie wir uns besonders effektiv rächen können, wenn wir schon untergehen müssen.“ 34 (1) Darauf antwortete Quintus Marcius, dass sie, wenn sie den Wunsch hätten, dem Senat eine Bitten vorzutragen, die Waffen niederlegen und als Bittsteller nach Rom kommen sollten: Der Senat des römischen Volkes habe immer so große Milde und Mitleid bewiesen, dass ihn noch niemand vergeblich um Hilfe gebeten habe. (2) Catilina schickt aber von unterwegs sehr vielen Konsularen und überhaupt gerade den bedeutendsten Optimaten Briefe: Er sehe sich von falschen Anschuldigungen in die Enge getrieben und weiche dem Schicksal, da er ja der Partei seiner Gegner keinen Widerstand habe leisten können. Er breche nach Marseille ins Exil auf, nicht etwa, weil er sich eines so großen Verbrechens bewusst wäre, sondern damit der Staat wieder zur Ruhe kommen könne und damit seine Streitigkeiten nicht zu einem Aufruhr führten. (3) Einen Brief ganz anderen Inhalts verlas Quintus Catulus im Senat, der ihm seiner Aussage nach im Namen Catilinas überbracht worden war. Eine Abschrift dieses Briefes sei hier wiedergegeben: 35 (1) „Lucius Catilina an Quintus Catulus. Deine herausragende Loyalität, die ich in der Praxis kennenlernen durfte und die mir in den großen Gefahren, die mir drohten, willkommen war, verleiht meiner Empfehlung Zuversicht. (2) Daher wollte ich meine ungewöhnliche Entscheidung auch nicht verteidigen. Da sich mein Gewissen keiner Schuld bewusst ist, habe ich mich aber entschlossen, eine Rechtfertigung anzubieten, und du wirst bei Gott erkennen, dass sie aufrichtig gemeint ist. (3) Unrecht und Beleidigungen hatten mich empört: Schließlich konnte ich, der Früchte meiner Mühen und meines Fleißes beraubt, die mir zukommende Stellung nicht wahren – und daher habe ich meiner Gewohnheit entsprechend die das Allgemeinwohl betreffende Sache der Notleidenden übernommen, nicht etwa, weil ich meine Schulden nicht aus meinen Besitztümern bezahlen könnte (Orestillas Großzügigkeit könnte aus ihren eigenen Mitteln und denen ihrer Tochter auch fremde Schulden bezahlen), sondern weil ich feststellen musste, dass Unwürdige mit Ehren bedacht wurden und ich durch einen falschen Verdacht ins Abseits gestellt wurde. (4) Daher habe ich mich der Hoffnung hingegeben (die angesichts meines Geschicks noch ehrenvoll genug war), den letzten Rest an Würde und Ansehen aufrechterhalten zu können. (5) Als ich mehr schreiben wollte, wurde mir gemeldet, dass man mit

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vim mihi parari. (6) Nunc Orestillam commendo tuaeque fidei trado; eam ab iniuria defendas, per liberos tuos rogatus. Haveto.” 36 (1) Sed ipse paucos dies commoratus apud C. Flaminium in agro Arretino, dum vicinitatem antea sollicitatam armis exornat, cum fascibus atque aliis imperi insignibus in castra ad Manlium contendit. (2) Haec ubi Romae comperta sunt, senatus Catilinam et Manlium hostis iudicat, ceterae multitudini diem statuit, antequam sine fraude liceret ab armis discedere, praeter rerum capitalium condemnatis. (3) Praeterea decernit, uti consules dilectum habeant, Antonius cum exercitu Catilinam persequi maturet, Cicero urbi praesidio sit. (4) Ea tempestate mihi imperium populi Romani multo maxume miserabile visum est. Quoi cum ad occasum ab ortu solis omnia domita armis parerent, domi otium atque divitiae, quae prima mortales putant, affluerent, fuere tamen cives, qui seque remque publicam obstinatis animis perditum irent. (5) Namque duobus senati decretis ex tanta multitudine neque praemio inductus coniurationem patefecerat neque ex castris Catilinae quisquam omnium discesserat: tanta vis morbi atque uti tabes plerosque civium animos invaserat. 37 (1) Neque solum illis aliena mens erat, qui conscii coniurationis fuerant, sed omnino cuncta plebes novarum rerum studio Catilinae incepta probabat. (2) Id adeo more suo videbatur facere. (3) Nam semper in civitate, quibus opes nullae sunt, bonis invident, malos extollunt, vetera odere, nova exoptant, odio suarum rerum mutari omnia student, turba atque seditionibus sine cura aluntur, quoniam egestas facile habetur sine damno. (4) Sed urbana plebes, ea vero praeceps erat de multis causis. (5) Primum omnium, qui ubique probro atque petulantia maxume praestabant, item alii per dedecora patrimoniis amissis, postremo omnes, quos flagitium aut facinus domo expulerat, ii Romam sicut in sentinam confluxerant. (6) Deinde multi memores Sullanae victoriae, quod ex gregariis militibus alios senatores videbant,

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Gewalt gegen mich vorgehen will. (6) Nun empfehle ich Dir Orestilla und vertraue sie Deiner Loyalität an. Schütze sie vor Unrecht, darum bitte ich Dich im Namen Deiner Kinder. Leb wohl!“ 36 (1) Er selbst hielt sich aber einige wenige Tage bei Gaius Flaminius im Gebiet von Arezzo auf; in dieser Zeit rüstete er das schon zuvor aufgewiegelte Volk in der Umgebung mit Waffen aus. Dann eilt er mit den Rutenbündeln und anderen Abzeichen einer offiziellen Stellung ins Lager zu Manlius. (2) Als man dies in Rom erfuhr, erklärt der Senat Catilina und Manlius zu Staatsfeinden und setzt für die anderen Verschwörer einen Termin fest, bis zu dem sie ohne Konsequenzen befürchten zu müssen die Waffen niederlegen könnten – abgesehen von den wegen eines Kapitalverbrechens Verurteilten. (3) Außerdem ordnet der Senat an, dass die Konsuln eine Aushebung vornehmen sollten, dass Antonius mit einem Heer Catilina schnell verfolgen, Cicero aber die Stadt beschützen solle. (4) In dieser Zeit war meiner Meinung nach das Reich des römischen Volkes in einem Zustand, wie er beklagenswerter nicht hätte sein können. Obwohl vom Osten bis zum Westen alles durch Kriege unterworfen worden und ihm untertan war und im eigenen Land Frieden und Reichtum (was die Menschen für das Wichtigste halten) im Überfluss vorhanden waren, gab es dennoch Bürger, die sich und den Staat mit unbelehrbarer Gesinnung zugrunde richten wollten. (5) Denn auf die beiden Senatsbeschlüsse hin fand sich trotz einer so großen Zahl an Mitwissern niemand, der sich von der Belohnung dazu hätte verleiten lassen, die Verschwörung zu verraten, niemand unter all den Verschwörern, der Catilinas Lager verlassen hätte: Eine so gewaltige Krankheit und gleichsam ein Eitergeschwür hatte die meisten Bürger befallen. 37 (1) Und nicht nur die Mitwisser der Verschwörung waren verblendet, sondern überhaupt billigte die ganze Plebs aus Gier nach einem Umsturz Catilinas Unterfangen. (2) Dies schien aber ihrer Gewohnheit zu entsprechen. (3) Denn immer beneiden in einem Staat diejenigen, die nichts haben, die Tüchtigen, loben die Schlechten, hassen das Alte, sehnen sich nach Neuem, bemühen sich aus Unmut über ihre eigene Lage darum, dass sich alles ändert, leben von Aufruhr und Unruhen, ohne sich um irgendetwas zu kümmern (Armut muss ja kaum je einen Verlust befürchten). (4) Aber die städtische Plebs handelte aus vielen Gründen derartig blindlings. (5) Zunächst einmal gab es diejenigen, die sich überall durch Sittenlosigkeit und Unverschämtheit ganz besonders hervortaten, ebenso andere, die durch ein schändliches Leben ihr Erbe verloren hatten, schließlich all diejenigen, die eine Untat oder ein Verbrechen in die Verbannung getrieben hatte – alle diese Existenzen waren nach Rom wie in eine Kloake geströmt. (6) Dann gab es viele, die sich an Sullas Sieg erinnerten. Da sie sahen, dass die einen es von einfachen Soldaten zu Senatoren gebracht

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alios ita divites, ut regio victu atque cultu aetatem agerent, sibi quisque, si in armis foret, ex victoria talia sperabat. (7) Praeterea iuventus, quae in agris manuum mercede inopiam toleraverat, privatis atque publicis largitionibus excita urbanum otium ingrato labori praetulerat. Eos atque alios omnis malum publicum alebat. (8) Quo minus mirandum est homines egentis, malis moribus, maxuma spe, rei publicae iuxta ac sibi consuluisse. (9) Praeterea, quorum victoria Sullae parentes proscripti, bona erepta, ius libertatis imminutum erat, haud sane alio animo belli eventum exspectabant. (10) Ad hoc quicumque aliarum atque senatus partium erant, conturbari rem publicam quam minus valere ipsi malebant. (11) Id adeo malum multos post annos in civitatem revorterat. 38 (1) Nam postquam Cn. Pompeio et M. Crasso consulibus tribunicia potestas restituta est, homines adulescentes summam potestatem nacti, quibus aetas animusque ferox erat, coepere senatum criminando plebem exagitare, dein largiundo atque pollicitando magis incendere: ita ipsi clari potentesque fieri. (2) Contra eos summa ope nitebatur pleraque nobilitas senatus specie pro sua magnitudine. (3) Namque, uti paucis verum absolvam, post illa tempora, quicumque rem publicam agitavere, honestis nominibus, alii, sicuti populi iura defenderent, pars, quo senatus auctoritas maxuma foret, bonum publicum simulantes pro sua quisque potentia certabant. (4) Neque illis modestia neque modus contentionis erat: utrique victoriam crudeliter exercebant. 39 (1) Sed postquam Cn. Pompeius ad bellum maritumum atque Mithridaticum missus est, plebis opes imminutae, paucorum potentia crevit. (2) Ii magistratus, provincias aliaque omnia tenere; ipsi innoxii, florentes, sine metu aetatem agere ceterosque iudiciis terrere, quo plebem in magistratu placidius tractarent. (3) Sed ubi primum dubiis rebus novandi spes oblata est, vetus certamen animos eorum arrexit. (4) Quod si primo proelio Catilina superior aut aequa manu

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hatten und dass andere so reich geworden waren, dass sie sich einen aufwändigen Lebensstil nach Art von Königen leisten konnten, so erhoffte sich ein jeder von ihnen, dass ein mit Waffengewalt errungener Sieg ihm einen ähnlichen Aufstieg verschaffen würde. (7) Außerdem hatte die Jugend, die ihr kärgliches Leben auf dem Lande mit dem Lohn körperlicher Arbeit fristen musste, verlockt durch private und öffentliche Schenkungen, die Muße des Stadtlebens undankbarer Arbeit vorgezogen. Diese und alle anderen ernährte die allgemeine Notlage. (8) Umso weniger darf man sich darüber wundern, dass Not leidende Menschen mit einem schlechten Charakter, aber den größten Erwartungen sich um den Staat ebenso wenig kümmerten wie um sich selbst. (9) Außerdem erwarteten diejenigen, deren Eltern durch Sullas Sieg proskribiert, deren Güter geraubt, deren Freiheitsrechte eingeschränkt worden waren, sicherlich mit keiner anderen Einstellung den Ausgang des Krieges. (10) Zudem wollten alle, die nicht auf Seiten des Senates standen, eher Unruhen im Staate, als dass sie selbst eine zu geringe Machtstellung hätten. (11) Eben diese schädliche Einstellung war nach vielen Jahren in die Bürgerschaft zurückgekehrt. 38 (1) Denn nachdem unter den Konsuln Gnaeus Pompeius und Marcus Crassus [70 v. Chr.] die Macht der Volkstribunen wiederhergestellt worden war, begannen junge Männer, die diese hohe Machtstellung erreicht hatten und die aufgrund ihrer Jugend und ihres Naturells ungestüm waren, den Senat anzuschwärzen, dadurch die Plebs aufzuwiegeln und dann durch Geschenke und Versprechungen noch weiter aufzuhetzen: So wurden sie selbst angesehen und mächtig. (2) Ein Großteil der Nobilität warf sich ihnen mit aller Macht entgegen – dem Anschein nach, um den Senat zu schützen, in Wirklichkeit aber zur Wahrung des eigenen Ranges. (3) Denn, um mit wenigen Worten die Wahrheit zu sagen: Seit jener Zeit kämpften alle, die politisch tätig waren, für ihre eigene Macht, indem sie ehrenvolle Begriffe vorschützten und so taten, als ob sie für das Gemeinwohl einträten: Die einen gaben vor, die Rechte des Volkes zu verteidigen, der andere Teil, durch sein Handeln möglichst das Ansehen des Senates zu mehren. (4) Und sie kannten bei ihren Auseinandersetzungen weder Zurückhaltung noch Maß. Nach einem Sieg übten beide Seiten Grausamkeit. 39 (1) Aber nachdem Gnaeus Pompeius zum Krieg gegen die Seeräuber [67 v. Chr.] und gegen Mithridates [66 v. Chr.] entsandt worden war, nahm der Einfluss der Plebs ab, die Macht der Wenigen wuchs. (2) Diese hatten die Ämter fest in ihrer Hand, ebenso die Provinzialverwaltung und alles andere. Sie selbst lebten unangreifbar in glänzenden Verhältnissen, verbrachten ihr Leben ohne Angst, schüchterten aber die anderen durch die Androhung von Prozessen ein, damit sie während ihrer Amtszeit das Volk umso milder behandelten. (3) Aber sobald sich in unsicheren Zeiten die Hoffnung auf Neuerungen zeigte, verlieh ihnen die alte Auseinandersetzung wieder frischen Mut. (4) Wenn nun Catilina aus dem ersten

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discessisset, profecto magna clades atque calamitas rem publicam oppressisset, neque illis, qui victoriam adepti forent, diutius ea uti licuisset, quin defessis et exsanguibus, qui plus posset, imperium atque libertatem extorqueret. (5) Fuere tamen extra coniurationem complures, qui ad Catilinam initio profecti sunt: in iis erat Fulvius, senatoris filius, quem retractum ex itinere parens necari iussit. (6) Isdem temporibus Romae Lentulus, sicuti Catilina praeceperat, quoscumque moribus aut fortuna novis rebus idoneos credebat, aut per se aut per alios sollicitabat, neque solum civis, sed quoiusque modi genus hominum, quod modo bello usui foret. 40 (1) Igitur P. Umbreno quoidam negotium dat, uti legatos Allobrogum requirat eosque, si possit, impellat ad societatem belli, existimans publice privatimque aere alieno oppressos, praeterea quod natura gens Gallica bellicosa esset, facile eos ad tale consilium adduci posse. (2) Umbrenus, quod in Gallia negotiatus erat, plerisque principibus civitatium notus erat atque eos noverat. Itaque sine mora, ubi primum legatos in foro conspexit, percontatus pauca de statu civitatis et quasi dolens eius casum requirere coepit, quem exitum tantis malis sperarent. (3) Postquam illos videt queri de avaritia magistratuum, accusare senatum, quod in eo auxili nihil esset, miseriis suis remedium mortem exspectare, “At ego” inquit “vobis, si modo viri esse voltis, rationem ostendam, qua tanta ista mala effugiatis.” (4) Haec ubi dixit, Allobroges in maxumam spem adducti Umbrenum orare, ut sui misereretur: nihil tam asperum neque tam difficile esse, quod non cupidissume facturi essent, dum ea res civitatem aere alieno liberaret. (5) Ille eos in domum D. Bruti perducit, quod foro propinqua erat neque aliena consili propter Semproniam; nam tum Brutus Roma aberat. (6) Praeterea Gabinium arcessit, quo maior auctoritas sermoni inesset. Eo praesente coniurationem aperit, nominat socios, praeterea multos quoiusque generis innoxios, quo legatis animus amplior esset. Deinde eos pollicitos operam suam domum dimittit.

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Treffen siegreich oder zumindest nicht als Unterlegener hervorgegangen wäre, wäre sicherlich eine große Katastrophe über den Staat hereingebrochen. Aber die Sieger hätten ihren Sieg nicht allzu lange ausnützen können, ohne dass ein Mächtigerer den Erschöpften und Ausgebluteten Herrschaft und Freiheit wieder entwunden hätte. (5) Jedenfalls gab es außerhalb der Verschwörung mehrere, die sich anfangs zu Catilina aufmachten. Unter diesen war auch Fulvius, der Sohn eines Senators, den der Vater noch unterwegs zurückbringen und töten ließ. (6) Zu derselben Zeit wiegelte Lentulus in Rom, so wie es Catilina angeordnet hatte, entweder persönlich oder durch Mittelsmänner alle diejenigen auf, die er aufgrund ihres Charakters oder ihres Besitzstandes als geeignet für einen Umsturz betrachtete, und zwar nicht nur Bürger, sondern Menschen aller Art, wenn sie nur für einen Krieg von Nutzen wären. 40 (1) Daher beauftragte er einen gewissen Publius Umbrenus damit, die Gesandten der Allobroger aufzusuchen und sie, wenn möglich, zur Teilnahme am Krieg zu bewegen. Lentulus glaubte nämlich, dass die Allobroger bei Privatleuten und beim Staat große Schulden hätten und dass sie außerdem leicht zu einem solchen Plan bewogen werden könnten, da das gallische Volk von Natur aus kriegerisch veranlagt sei. (2) Da Umbrenus in Gallien als Händler tätig gewesen war, kannte er die meisten Stammesfürsten und sie ihn. Daher erkundigte er sich bei den Gesandten, sobald er sie auf dem Forum entdeckt hatte, unverzüglich mit wenigen Worten über die Lage ihres Stammes und begann dann, sie zu fragen (als ob er dessen Schicksal bedauerte), welchen Ausweg sie sich aus so großen Kalamitäten erhofften. (3) Nachdem er vernommen hatte, wie sie sich über die Habgier der Beamten beklagten und den Senat kritisierten, weil von ihm keinerlei Hilfe zu erhoffen sei, und dass sie nur noch den Tod als Ausweg aus ihrer ausweglosen Lage erwarten würden, entgegnete er: „Aber ich werde euch, wenn ihr nur Männer sein wollt, einen Weg zeigen, wie ihr diesem Unglück entkommen könnt.“ (4) Als er dies sagte, schöpften die Allobroger größte Hoffnung und baten Umbrenus, Mitleid mit ihnen zu haben: Nichts könne so bitter und so schwer sein, dass sie es nicht liebend gerne tun würden, wenn es nur den Stamm von seinen Schulden befreien könne. (5) Er führt sie in das Haus des Decimus Brutus, das nahe am Forum lag und dank Sempronia Teil der Verschwörung war; Brutus selbst war nämlich damals nicht in Rom. (6) Außerdem zieht er Gabinius hinzu, um dem Gespräch mehr Gewicht zu verleihen. In dessen Gegenwart enthüllt er ihnen die Verschwörung, nennt die Namen der Beteiligten, zudem alle möglichen Unbeteiligten, um so den Mut der Gesandten zu steigern. Als sie daraufhin ihre Unterstützung zusagen, schickt er sie nach Hause.

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41 (1) Sed Allobroges diu in incerto habuere, quidnam consili caperent. (2) In altera parte erat aes alienum, studium belli, magna merces in spe victoriae; at in altera maiores opes, tuta consilia, pro incerta spe certa praemia. (3) Haec illis volventibus tandem vicit fortuna rei publicae. (4) Itaque Q. Fabio Sangae, quoius patrocinio civitas plurumum utebatur, rem omnem, uti cognoverant, aperiunt. (5) Cicero per Sangam consilio cognito legatis praecepit, ut studium coniurationis vehementer simulent, ceteros adeant, bene polliceantur dentque operam, uti eos quam maxume manufestos habeant. 42 (1) Isdem fere temporibus in Gallia citeriore atque ulteriore, item in agro Piceno, Bruttio, Apulia motus erat. (2) Namque illi, quos ante Catilina dimiserat, inconsulte ac veluti per dementiam cuncta simul agebant: nocturnis consiliis, armorum atque telorum portationibus, festinando, agitando omnia plus timoris quam periculi effecerant. (3) Ex eo numero compluris Q. Metellus Celer praetor ex senatus consulto causa cognita in vincula coniecerat, item in citeriore Gallia C. Murena, qui ei provinciae legatus praeerat. 43 (1) At Romae Lentulus cum ceteris, qui principes coniurationis erant, paratis, ut videbatur, magnis copiis constituerant, uti, cum Catilina in agrum Faesulanum cum exercitu venisset, L. Bestia tribunus plebis contione habita quereretur de actionibus Ciceronis bellique gravissumi invidiam optumo consuli imponeret; eo signo proxuma nocte cetera multitudo coniurationis suom quisque negotium exsequeretur. (2) Sed ea divisa hoc modo dicebantur: Statilius et Gabinius uti cum magna manu duodecim simul opportuna loca urbis incenderent, quo tumultu facilior aditus ad consulem ceterosque, quibus insidiae parabantur, fieret; Cethegus Ciceronis ianuam obsideret eumque vi aggrederetur; alius autem alium, sed filii familiarum, quorum ex nobilitate maxuma pars erat, parentis interficerent; simul caede et incendio perculsis omnibus ad Catilinam erumperent. (3) Inter haec parata atque decreta Cethegus semper querebatur de ignavia sociorum: illos dubitando et dies prolatando magnas

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41 (1) Aber die Allobroger waren lange Zeit unsicher, wie sie sich entscheiden sollten. (2) Auf der einen Seite standen die Schulden, ihre Kriegslust und der große Gewinn, den sie sich von einem Sieg erhoffen konnten; aber auf der anderen Seite standen die größeren Machtmittel, ungefährliche Planungen, sicherer Gewinn anstelle einer vagen Hoffnung. (3) Als sie hin und her überlegten, siegte schließlich das Glück des Staates. (4) Daher verraten sie Quintus Fabius Sanga, dessen Schutz sich der Stamm meistens anvertraute, die ganze Angelegenheit, soweit sie sie erfahren hatten. (5) Als Cicero von dem Plan erfahren hatte, ließ er durch Sanga die Gesandten anweisen, starkes Interesse an der Verschwörung vorzutäuschen, die anderen Verschwörer aufzusuchen, die gewünschten Zusagen zu machen und sich um möglichst handfeste Beweise gegen sie zu bemühen. 42 (1) Zu ungefähr derselben Zeit entbrannten Aufstände im diesseitigen und im jenseitigen Gallien, ebenso im Picenerland, in Bruttium und in Apulien. (2) Denn Catilinas Emissäre setzten unvernünftigerweise und wie im Wahnsinn alles auf einmal in die Tat um: Durch nächtliche Beratungen, durch Waffentransporte, durch Hektik und Aktionismus hatten sie mehr Angst als Gefahr hervorgerufen. (3) Mehrere von diesen Leuten hatte der Prätor Quintus Metellus Celer dem Senatsbeschluss entsprechend ins Gefängnis werfen lassen, nachdem er die Sache in Erfahrung gebracht hatte; ebenso handelte Gaius Murena im diesseitigen Gallien, der diese Provinz als Legat verwaltete. 43 (1) In Rom hatten aber Lentulus und die anderen Häupter der Verschwörung ihrer Meinung nach ausreichend große Truppen aufgestellt und folgenden Plan gefasst: Sobald Catilina mit seinem Heer in das Gebiet von Fiesole gekommen sei, solle sich der Volkstribun Lucius Bestia in einer Rede vor dem Volk über Ciceros Aktionen beklagen und den Unmut über den so drückenden Krieg auf den hervorragenden Konsul abwälzen; auf dieses Zeichen hin sollten in der kommenden Nacht die anderen Verschwörer ihre einzelnen Aufgaben ausführen. (2) Diese sollen aber folgendermaßen verteilt worden sein: Statilius und Gabinius sollten mit einer großen Schar gleichzeitig zwölf geeignete Plätze in der Stadt in Brand stecken, damit man in dem darauf folgenden Tumult leichter an den Konsul und die anderen, auf die Anschläge geplant waren, herankommen könne. Cethegus sollte Ciceros Haustür besetzen und ihn mit Gewalt angreifen. Auch die anderen Mordopfer wurden auf die einzelnen Verschwörer verteilt, aber die noch im Elternhause lebenden Söhne, von denen die meisten aus der Nobilität stammten, sollten ihre Väter töten. Sobald durch Mord und Brandstiftung überall Chaos herrsche, sollten sie zu Catilina durchbrechen. (3) Während dieser Vorbereitungen und Planungen beklagte sich Cethegus ständig über die Passivität seiner Kameraden: Sie würden durch ihr zögerliches Verhalten und durch das Aufschieben von vereinbarten Terminen günstigste

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opportunitates corrumpere; facto, non consulto in tali periculo opus esse seque, si pauci adiuvarent, languentibus aliis impetum in curiam facturum. (4) Natura ferox, vehemens, manu promptus erat, maxumum bonum in celeritate putabat. 44 (1) Sed Allobroges ex praecepto Ciceronis per Gabinium ceteros conveniunt. Ab Lentulo, Cethego, Statilio, item Cassio postulant ius iurandum, quod signatum ad civis perferant: aliter haud facile eos ad tantum negotium impelli posse. (2) Ceteri nihil suspicantes dant; Cassius semet eo brevi venturum pollicetur ac paulo ante legatos ex urbe proficiscitur. (3) Lentulus cum iis T. Volturcium quendam Crotoniensem mittit, ut Allobroges, priusquam domum pergerent, cum Catilina data atque accepta fide societatem confirmarent. (4) Ipse Volturcio litteras ad Catilinam dat, quarum exemplum infra scriptum est. (5) “Qui sim, ex eo, quem ad te misi, cognosces. Fac cogites, in quanta calamitate sis, et memineris te virum esse. Consideres, quid tuae rationes postulent: auxilium petas ab omnibus, etiam ab infumis.” (6) Ad hoc mandata verbis dat: cum ab senatu hostis iudicatus sit, quo consilio servitia repudiet? In urbe parata esse, quae iusserit; ne cunctetur ipse propius accedere. 45 (1) His rebus ita actis, constituta nocte, qua proficiscerentur, Cicero per legatos cuncta edoctus L. Valerio Flacco et C. Pomptino praetoribus imperat, ut in ponte Mulvio per insidias Allobrogum comitatus deprehendant. Rem omnem aperit, quoius gratia mittebantur; cetera, uti facto opus sit, ita agant, permittit. (2) Illi, homines militares, sine tumultu praesidiis collocatis, sicuti praeceptum erat, occulte pontem obsidunt. (3) Postquam ad id loci legati cum Volturcio venerunt et simul utrimque clamor exortus est, Galli cito cognito consilio sine mora praetoribus se tradunt; (4) Volturcius primo cohortatus ceteros gladio se a multitudine defendit, deinde, ubi a legatis desertus est, multa prius de salute sua Pomptinum obtestatus, quod ei notus erat, postremo timidus ac vitae diffidens velut hostibus sese praetoribus dedit.

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Gelegenheiten verderben; Handlungen, nicht Beratungen benötige man in solchen gefährlichen Situationen; wenn nur einige wenige ihm helfen würden, werde er trotz der Energielosigkeit der anderen einen Angriff auf die Kurie unternehmen. (4) Vom Wesen her war er ungestüm, heftig und dynamisch; er hielt die Schnelligkeit für den größten Vorzug, über den man verfügen konnte. 44 (1) Die Allobroger lassen sich aber Ciceros Anweisungen entsprechend von Gabinius bei den anderen Verschwörern einführen. Sie fordern von Lentulus, Cethegus, Statilius, ebenso von Cassius eine eidesstattliche Versicherung, die sie versiegelt ihren Mitbürgern überbringen könnten: Anderenfalls könne man diese nur schwer für ein solches Unternehmen gewinnen. (2) Die anderen schöpfen keinen Verdacht und kommen ihrer Bitte nach. Cassius verspricht, in Kürze dorthin [ins Gebiet der Allobroger] zu kommen, und verlässt kurz vor den Gesandten die Stadt. (3) Lentulus gibt den Allobrogern einen gewissen Titus Volturcius aus Kroton als Begleiter mit auf den Weg, damit sie vor dem Aufbruch in ihre Heimat das Bündnis noch einmal durch einen Vertrag mit Catilina bestätigen könnten. (4) Er selbst übergibt Volturcius einen Brief an Catilina mit dem folgenden Wortlaut: (5) „Wer ich bin, wirst Du von dem erfahren, den ich zu Dir geschickt habe. Denk daran, in welcher Notlage Du Dich befindest, und erinnere Dich daran, dass Du ein Mann bist. Überlege, was in Deiner Situation erforderlich ist: Suche Hilfe bei allen, selbst bei den Niedrigsten.“ (6) Er fügt noch mündliche Anweisungen hinzu: Er [Catilina] sei ja vom Senat zum Staatsfeind erklärt worden, mit welchem Argument könne er da die Hilfe von Sklaven ablehnen? In der Stadt seien die von ihm befohlenen Vorbereitungen getroffen worden. Er solle nicht zögern, selbst weiter heranzurücken. 45 (1) Als daraufhin eine Nacht für den Aufbruch vereinbart wurde, wird Cicero von den Gesandten über alles informiert und beauftragt die Prätoren Lucius Valerius Flaccus und Gaius Pomptinus damit, an der Mulvischen Brücke dem Gefolge der Allobroger eine Falle zu stellen und zu verhaften. Er enthüllt ihnen die ganze Angelegenheit, derentwegen sie ausgesandt würden; für die Einzelheiten der Ausführung ließ er ihnen je nach Notwendigkeit freie Hand. (2) Die beiden kriegserfahrenen Männer stellen ohne Aufsehen zu erregen Posten auf und besetzen wie befohlen unauffällig die Brücke. (3) Als die Gesandten mit Volturcius zu diesem Ort gelangt waren und sich zugleich auf beiden Seiten Geschrei erhob, durchschauen die Gallier den Plan rasch und ergeben sich unverzüglich den Prätoren. (4) Volturcius feuert zunächst die übrigen an und verteidigt sich gegen mehrere Gegner mit dem Schwert; als ihn dann aber die Gesandten im Stich lassen, beschwört er zuerst Pomptinus (weil er ihm bekannt war) inständig, ihm sein Leben zu garantieren, und ergibt sich schließlich ängstlich und ohne Hoffnung, am Leben zu bleiben, den Prätoren wie Feinden.

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46 (1) Quibus rebus confectis omnia propere per nuntios consuli declarantur. (2) At illum ingens cura atque laetitia simul occupavere. Nam laetabatur intellegens coniuratione patefacta civitatem periculis ereptam esse; porro autem anxius erat, dubitans in maxumo scelere tantis civibus deprehensis quid facto opus esset: poenam illorum sibi oneri, impunitatem perdundae rei publicae fore credebat. (3) Igitur confirmato animo vocari ad sese iubet Lentulum, Cethegum, Statilium, Gabinium itemque Caeparium Tarracinensem, qui in Apuliam ad concitanda servitia proficisci parabat. (4) Ceteri sine mora veniunt; Caeparius, paulo ante domo egressus, cognito indicio ex urbe profugerat. (5) Consul Lentulum, quod praetor erat, ipse manu tenens in senatum perducit, relicuos cum custodibus in aedem Concordiae venire iubet. (6) Eo senatum advocat magnaque frequentia eius ordinis Volturcium cum legatis introducit; Flaccum praetorem scrinium cum litteris, quas a legatis acceperat, eodem afferre iubet. 47 (1) Volturcius interrogatus de itinere, de litteris, postremo, quid aut qua de causa consili habuisset, primo fingere alia, dissimulare de coniuratione; post, ubi fide publica dicere iussus est, omnia, uti gesta erant, aperit docetque se paucis ante diebus a Gabinio et Caepario socium adscitum nihil amplius scire quam legatos, tantummodo audire solitum ex Gabinio P. Autronium, Ser. Sullam, L. Vargunteium, multos praeterea in ea coniuratione esse. (2) Eadem Galli fatentur ac Lentulum dissimulantem coarguunt praeter litteras sermonibus, quos ille habere solitus erat: ex libris Sibyllinis regnum Romae tribus Corneliis portendi; Cinnam atque Sullam antea, se tertium esse, quoi fatum foret urbis potiri; praeterea ab incenso Capitolio illum esse vigesumum annum, quem saepe ex prodigiis haruspices respondissent bello civili cruentum fore. (3) Igitur perlectis litteris, cum prius omnes signa sua cognovissent, senatus decernit, uti abdicato magistratu Lentulus itemque ceteri in liberis custodiis habeantur. (4) Itaque Lentulus P. Lentulo Spintheri, qui tum aedilis erat, Cethegus Q. Cornificio, Statilius C. Caesari, Gabinius M. Crasso,

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46 (1) Daraufhin wird der Konsul über den ganzen Ablauf der Aktion durch Eilboten unterrichtet. (2) Es erfassten ihn aber zur gleichen Zeit große Sorgen und Freude. Er freute sich nämlich, weil er sah, dass durch die Enthüllung der Verschwörung der Staat von den Gefahren befreit worden sei; andererseits war er aber unsicher, weil er nicht wusste, was zu tun sei bei einem so großen Verbrechen, nachdem so bedeutende Bürger verhaftet worden waren. Er glaubte, dass ihre Bestrafung ihm später zum Nachteil ausschlüge, ihre Straflosigkeit aber zum Untergang des Staates führen würde. (3) So fasst er sich und lässt Lentulus, Cethegus, Statilius, Gabinius und auch Caeparius aus Terracina, der sich gerade anschickte, nach Apulien aufzubrechen, um dort die Sklaven aufzuwiegeln, zu sich rufen. (4) Die anderen kommen ohne zu zögern; Caeparius aber, der kurz zuvor sein Haus verlassen hatte, war aus der Stadt geflohen, als er den Verrat durchschaut hatte. (5) Der Konsul führt Lentulus persönlich an seiner Hand in den Senat, weil dieser Prätor war; die übrigen lässt er unter Bewachung in den Concordia-Tempel kommen. (6) Dorthin beruft er den Senat und lässt vor einer großen Menge von Senatoren Volturcius mit den Gesandten hereinführen. Er lässt den Prätor Flaccus die Kapsel mit den Schriftstücken, die er von den Gesandten erhalten hatte, eben dorthin bringen. 47 (1) Volturcius wurde über die Route befragt, über die Schriftstücke, schließlich, welches Ziel er aus welchen Gründen verfolgt habe. Daraufhin erfand er zunächst einiges und verheimlichte die Verschwörung; als er dann aber unter Zusicherung von Straflosigkeit aufgefordert wurde zu sprechen, enthüllt er alles so, wie es sich zugetragen hatte, und erklärt, dass er vor wenigen Tagen von Gabinius und Caeparius als Komplize hinzugezogen worden sei und daher nicht mehr wisse als die Gesandten, er habe nur oft von Gabinius gehört, dass Publius Autronius, Servius Sulla, Lucius Vargunteius und noch viele andere zu der Verschwörung gehören sollten. (2) Dasselbe sagen auch die Gallier, und den alles abstreitenden Lentulus überführen sie nicht nur durch die Schriftstücke, sondern auch durch die Reden, die er zu halten pflegte: Die Sibyllinischen Bücher würden drei Corneliern die Herrschaft über Rom verkünden, Cinna und Sulla seien die ersten beiden gewesen, er aber der dritte, dem es vom Schicksal bestimmt sei, sich der Stadt zu bemächtigen; außerdem sei der Brand des Kapitols nun 20 Jahre her, und dieses Jahr werde, wie die Opferschauer aufgrund der Vorzeichen häufig verkündet hätten, durch einen Bürgerkrieg zu einem blutigen Jahr werden. (3) Als nun die Schriftstücke verlesen waren und alle zuvor ihr Siegel anerkannt hatten, beschließt der Senat, dass Lentulus sein Amt niederlegen solle und er sowie die anderen in Privathäusern inhaftiert werden sollten. (4) Und so wird Lentulus dem Publius Lentulus Spinther, der damals Ädil war, Cethegus dem Quintus Cornificius, Statilius dem Gaius Caesar, Gabinius dem Marcus

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Caeparius – nam is paulo ante ex fuga retractus erat – Cn. Terentio senatori traduntur. 48 (1) Interea plebes coniuratione patefacta, quae primo cupida rerum novarum nimis bello favebat, mutata mente Catilinae consilia exsecrari, Ciceronem ad caelum tollere: veluti ex servitute erepta gaudium atque laetitiam agitabat. (2) Namque alia belli facinora praedae magis quam detrimento fore, incendium vero crudele, immoderatum ac sibi maxume calamitosum putabat, quippe quoi omnes copiae in usu cotidiano et cultu corporis erant. (3) Post eum diem quidam L. Tarquinius ad senatum adductus erat, quem ad Catilinam proficiscentem ex itinere retractum aiebant. (4) Is cum se diceret indicaturum de coniuratione, si fides publica data esset, iussus a consule, quae sciret, edicere, eadem fere, quae Volturcius, de paratis incendiis, de caede bonorum, de itinere hostium senatum docet; praeterea se missum a M. Crasso, qui Catilinae nuntiaret, ne eum Lentulus et Cethegus aliique ex coniuratione deprehensi terrerent, eoque magis properaret ad urbem accedere, quo et ceterorum animos reficeret et illi facilius e periculo eriperentur. (5) Sed ubi Tarquinius Crassum nominavit, hominem nobilem, maxumis divitiis, summa potentia, alii rem incredibilem rati, pars tametsi verum existimabant, tamen quia in tali tempore tanta vis hominis magis leniunda quam exagitanda videbatur, plerique Crasso ex negotiis privatis obnoxii, conclamant indicem falsum esse, deque ea re postulant uti referatur. (6) Itaque consulente Cicerone frequens senatus decernit Tarquini indicium falsum videri eumque in vinculis retinendum neque amplius potestatem faciundam, nisi de eo indicaret, quoius consilio tantam rem esset mentitus. (7) Erant eo tempore, qui existimarent indicium illud a P. Autronio machinatum, quo facilius, appellato Crasso, per societatem periculi relicuos illius potentia tegeret; (8) alii Tarquinium a Cicerone immissum aiebant, ne Crassus more suo suscepto malorum patrocinio rem publicam conturbaret.

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Crassus, Caeparius aber (denn er war kurz zuvor auf der Flucht aufgegriffen und zurückgebracht worden) dem Senator Gnaeus Terentius anvertraut. 48 (1) Inzwischen hatte die Plebs, die zunächst einen Umsturz angestrebt und daher allzu heftig einen Krieg befürwortet hatte, nach der Aufdeckung der Verschwörung ihre Meinung geändert, verwünschte nun Catilinas Pläne und lobte Cicero überschwänglich. Sie freute sich und jubelte, als ob sie aus einer Knechtschaft befreit worden wäre. (2) Sie war nämlich der Meinung, dass in einem Krieg die anderen Untaten eher Beute als Nachteile einbrächten, dass Brandstiftung aber grausam, maßlos und für sie selbst katastrophal sei, da ja ihr ganzes Hab und Gut lediglich aus den Gegenständen des täglichen Gebrauchs und aus dem, was man am Leibe trägt, bestand. (3) Am folgenden Tag wurde ein gewisser Lucius Tarquinius dem Senat vorgeführt; es hieß, er sei auf dem Weg zu Catilina aufgegriffen und zurückgebracht worden. (4) Als er sagte, er werde gegen die Zusicherung von Straffreiheit sein Wissen über die Verschwörung preisgeben, befahl ihm der Konsul zu sagen, was er wisse, und so sagte er vor dem Senat über die Vorbereitungen für die Brandstiftungen, über den Mord an den Rechtschaffenen und über das Heranrücken der Feinde fast dasselbe aus wie Volturcius. Außerdem sei er von Marcus Crassus entsandt worden, um Catilina zu melden, dieser solle sich von der Verhaftung des Lentulus, des Cethegus und der anderen Verschwörer nicht beunruhigen lassen und nur umso rascher zur Stadt eilen, damit so die anderen neue Hoffnung schöpfen und jene leichter der Gefahr entrissen werden könnten. (5) Als Tarquinius aber Crassus nannte, einen adeligen, steinreichen, sehr mächtigen Mann, hielten das die einen für unglaubwürdig. Andere glaubten zwar an den Wahrheitsgehalt der Aussage, riefen aber dennoch, die Anzeige sei falsch und forderten, dass diese Sache dem Senat vorgetragen werden solle. Sie waren nämlich der Ansicht, man müsse in einer solchen Situation einen so mächtigen Mann eher milde stimmen als gegen sich aufbringen; sehr viele von ihnen waren auch dem Crassus aus persönlichen Gründen verpflichtet. (6) Daher befragt Cicero offiziell den zahlreich versammelten Senat, der beschließt, dass die Anzeige des Tarquinius anscheinend falsch sei, er im Gefängnis bleiben solle und nicht mehr die Gelegenheit zu einer Aussage erhalten werde, wenn er nicht denjenigen anzeige, der ihn zu einer derart ungeheuerlichen Lüge angestiftet habe. (7) Es gab damals Leute, die glaubten, Publius Autronius habe sich diese Anzeige ausgedacht, um durch die Nennung des Crassus auch diesen in Gefahr zu bringen und so durch dessen Macht leichter die anderen Verschwörer schützen zu können. (8) Andere behaupteten, Cicero habe Tarquinius angestiftet, um zu verhindern, dass Crassus, wie sonst auch, dadurch, dass er den Schutz der Schurken übernehme, den Staat ins Chaos stürzen könne.

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(9) Ipsum Crassum ego postea praedicantem audivi tantam illam contumeliam sibi ab Cicerone impositam. 49 (1) Sed isdem temporibus Q. Catulus et C. Piso neque precibus neque gratia neque pretio Ciceronem impellere potuere, uti per Allobroges aut alium indicem C. Caesar falso nominaretur. (2) Nam uterque cum illo gravis inimicitias exercebant: Piso oppugnatus in iudicio pecuniarum repetundarum propter quoiusdam Transpadani supplicium iniustum, Catulus ex petitione pontificatus odio incensus, quod extrema aetate, maxumis honoribus usus ab adulescentulo Caesare victus discesserat. (3) Res autem opportuna videbatur, quod is privatim egregia liberalitate, publice maxumis muneribus grandem pecuniam debebat. (4) Sed ubi consulem ad tantum facinus impellere nequeunt, ipsi singillatim circumeundo atque ementiundo, quae se ex Volturcio aut Allobrogibus audisse dicerent, magnam illi invidiam conflaverant, usque eo, ut nonnulli equites Romani, qui praesidi causa cum telis erant circum aedem Concordiae, seu periculi magnitudine seu animi mobilitate impulsi, quo studium suom in rem publicam clarius esset, egredienti ex senatu Caesari gladio minitarentur. 50 (1) Dum haec in senatu aguntur et dum legatis Allobrogum et T. Volturcio comprobato eorum indicio praemia decernuntur, liberti et pauci ex clientibus Lentuli divorsis itineribus opifices atque servitia in vicis ad eum eripiundum sollicitabant; partim exquirebant duces multitudinum, qui pretio rem publicam vexare soliti erant. (2) Cethegus autem per nuntios familiam atque libertos suos, lectos et exercitatos, orabat in audaciam, ut grege facto cum telis ad sese irrumperent. (3) Consul ubi ea parari cognovit, dispositis praesidiis, ut res atque tempus monebat, convocato senatu refert, quid de iis fieri placeat, qui in custodiam traditi erant. Sed eos paulo ante frequens senatus iudicaverat contra rem publicam fecisse. (4) Tum D. Iunius Silanus, primus sententiam rogatus, quod eo tempore consul designatus erat, de iis, qui in custodiis tenebantur, et praeterea de L. Cassio, P. Furio, P. Umbreno, Q. Annio, si deprehensi forent, supplicium sumundum decreverat; isque postea permotus

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(9) Ich habe später den Crassus sagen hören, dass er diese üble Nachrede Cicero zu verdanken gehabt habe. 49 (1) Aber zu derselben Zeit versuchten Quintus Catulus und Gaius Piso erfolglos, durch Bitten, durch ihren Einfluss und durch finanzielle Angebote Cicero dazu zu bewegen, die Allobroger oder andere Denunzianten zu veranlassen, Caesar fälschlich zu belasten. (2) Zwischen diesen beiden Männern und Caesar bestand nämlich eine tiefe Feindschaft. Piso musste sich wegen einer von Caesar in die Wege geleiteten Anklage in einem Repetundenprozess verantworten, weil er einen Transpadaner gesetzwidrig hatte hinrichten lassen. In Catulus hatte sich bei der Kandidatur für das Amt des Pontifex Hass angestaut, weil er, der hochbetagt und hochgeehrt war, sich dem jungen Caesar geschlagen geben musste. (3) Die Gelegenheit schien aber günstig, weil Caesar große Schulden hatte, einerseits wegen seiner außergewöhnlichen Großzügigkeit im privaten Bereich, andererseits weil er als Beamter aufwändige Festspiele veranstaltet hatte. (4) Als sie aber den Konsul nicht zu einer solchen Untat verleiten können, sprechen sie einzelne Leute an, erfinden Aussagen, die sie von Volturcius oder den Allobrogern gehört haben wollen, und bringen Caesar auf diese Art und Weise nachhaltig in Verruf. Der Hass auf Caesar ging so weit, dass einige römische Ritter, die zu den bewaffneten Schutztruppen beim Concordia-Tempel gehörten, entweder wegen der großen Gefahr oder lediglich aus Hitzköpfigkeit Caesar, als er aus der Senatssitzung kam, mit dem Schwert drohten, um ihr Engagement für den Staat zu demonstrieren. 50 (1) Während dies im Senat verhandelt, die Anzeige der Gesandten der Allobroger und des Titus Volturcius für wahr befunden und Belohnungen für sie beschlossen wurden, hetzten Freigelassene des Lentulus und einige wenige seiner Klienten auf verschiedene Weise die Handwerker und Sklaven in den Stadtvierteln dazu auf, ihn zu befreien. Zum Teil suchten sie auch Bandenführer auf, die gegen Bezahlung den Staat zu plagen pflegten. (2) Cethegus aber forderte durch Boten sein Gesinde und seine Freigelassenen, ausgewählte und trainierte Männer, zu Verwegenheit auf: Sie sollten einen Trupp bilden und mit Waffengewalt zu ihm durchbrechen. (3) Als der Konsul von diesen Vorbereitungen erfuhr, stellte er Schutztruppen auf, wie es die Umstände erforderten, berief den Senat ein und stellte die Frage zur Debatte, was mit denjenigen geschehen solle, die inhaftiert worden waren. Aber über diese hatte der zahlreich versammelte Senat kurz zuvor das Urteil gefällt, dass sie gegen den Staat gehandelt hätten. (4) Dann hatte Decimus Iunius Silanus, der als erster nach seiner Meinung gefragt wurde, weil er zu diesem Zeitpunkt designierter Konsul war, den Antrag gestellt, die Inhaftierten und außerdem Lucius Cassius, Publius Furius, Publius Umbrenus und Quintus Annius, falls man ihrer habhaft werden könne, hinzurichten. Er ließ sich aber

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oratione C. Caesaris pedibus in sententiam Ti. Neronis iturum se dixit, qui de ea re praesidiis additis referundum censuerat. (5) Sed Caesar, ubi ad eum ventum est, rogatus sententiam a consule huiusce modi verba locutus est: 51 (1) “Omnis homines, patres conscripti, qui de rebus dubiis consultant, ab odio, amicitia, ira atque misericordia vacuos esse decet. (2) Haud facile animus verum providet, ubi illa officiunt, neque quisquam omnium lubidini simul et usui paruit. Ubi intenderis ingenium, valet; (3) si lubido possidet, ea dominatur, animus nihil valet. (4) Magna mihi copia est memorandi, patres conscripti, quae reges atque populi ira aut misericordia impulsi male consuluerint; sed ea malo dicere, quae maiores nostri contra lubidinem animi sui recte atque ordine fecere. (5) Bello Macedonico, quod cum rege Perse gessimus, Rhodiorum civitas magna atque magnifica, quae populi Romani opibus creverat, infida et advorsa nobis fuit; sed postquam bello confecto de Rhodiis consultum est, maiores nostri, ne quis divitiarum magis quam iniuriae causa bellum inceptum diceret, impunitos eos dimisere. (6) Item bellis Punicis omnibus, cum saepe Carthaginienses et in pace et per indutias multa nefaria facinora fecissent, numquam ipsi per occasionem talia fecere: magis, quid se dignum foret, quam, quid in illos iure fieri posset, quaerebant. (7) Hoc item vobis providendum est, patres conscripti, ne plus apud vos valeat P. Lentuli et ceterorum scelus quam vostra dignitas, neu magis irae vostrae quam famae consulatis. (8) Nam si digna poena pro factis eorum reperitur, novom consilium approbo; sin magnitudo sceleris omnium ingenia exsuperat, iis utendum censeo, quae legibus comparata sunt. (9) Plerique eorum, qui ante me sententias dixerunt, composite atque magnifice casum rei publicae miserati sunt. Quae belli saevitia esset, quae victis acciderent, enumeravere: rapi virgines, pueros; divelli liberos a parentum complexu, matres familiarum pati, quae victoribus collubuissent, fana atque domos spoliari, caedem, incendia fieri, postremo armis, cadaveribus,

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danach von Caesars Rede beeindrucken und sagte, er werde sich der Meinung des Tiberius Nero anschließen, der den Antrag gestellt hatte, man dürfe erst nach Verstärkung der Posten über den Fall verhandeln. (5) Als aber die Reihe an Caesar kam und er vom Konsul nach seiner Meinung gefragt wurde, hielt er ungefähr die folgende Rede: 51 (1) „Senatoren, alle Menschen, die über umstrittene Angelegenheiten beraten, müssen frei sein von Hass, Sympathie, Zorn und Mitleid. (2) Nicht leicht erkennt unser Geist die Wahrheit, wenn diese Empfindungen ihm im Wege stehen, und überhaupt niemand kann zugleich seinen persönlichen Leidenschaften und der Zweckmäßigkeit gehorchen. (3) Wenn man den Geist anspannt, ist er stark; wenn die Leidenschaft ihn besitzt, herrscht sie unumschränkt, und die Vernunft ist machtlos. (4) Ich könnte viele Beispiele aufzählen, Senatoren, für verfehlte Beschlüsse, die Könige und Völker aus Zorn oder Mitleid getroffen haben. Aber ich möchte lieber diejenigen Fälle erwähnen, in denen unsere Vorfahren entgegen ihren Leidenschaften richtig und so, wie es sich gehörte, gehandelt haben. (5) In dem Makedonischen Krieg, den wir mit dem König Perseus geführt haben, war der große und glanzvolle Staat der Rhodier, der durch die Mittel des römischen Volkes gewachsen war, uns gegenüber treulos und feindselig. Aber als sie nach Kriegsende über die Rhodier beratschlagten, da ließen unsere Vorfahren sie ungestraft davonkommen, damit niemand behaupten könne, der Krieg sei eher aus Habgier begonnen worden als zur Bestrafung von Unrecht. (6) Ebenso haben unsere Vorfahren selber in allen Punischen Kriegen niemals, obwohl die Karthager oft sowohl im Frieden als auch während eines Waffenstillstandes zahlreiche frevelhafte Verbrechen verübten, dergleichen getan, auch wenn sich die Gelegenheit bot. Sie fragten eher danach, was ihrer Würde entspreche als was jene von Rechts wegen verdient hätten. (7) Eben darum müsst auch ihr euch kümmern, Senatoren, dass nicht das Verbrechen des Publius Lentulus und der anderen bei euch größeren Einfluss gewinnt als eure Würde und dass ihr nicht mehr Rücksicht auf euren Zorn als auf euren Ruf nehmt. (8) Denn wenn eine Strafe gefunden wird, die den Taten dieser Männer entspricht, stimme ich diesem außergewöhnlichen Vorschlag zu. Wenn aber die Größe des Verbrechens die Vorstellungskraft aller übertrifft, so bin ich der Meinung, dass man die Mittel anwenden muss, die uns die Gesetze zur Verfügung stellen. (9) Die meisten derjenigen, die vor mir ihre Meinung äußerten, haben das Schicksal des Staates in wohlgesetzten und pathetischen Reden beklagt. Sie haben die Brutalitäten eines Krieges und die Behandlung der Besiegten aufgezählt: dass junge Mädchen und Knaben verschleppt, dass Kinder aus der Umarmung ihrer Eltern gerissen würden, dass Familienmütter unter der Willkür der Sieger zu leiden hätten, dass Tempel und Häuser geplündert würden, dass Mord und Brandstiftung herrschten, dass schließlich alles von Waffen und

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cruore atque luctu omnia compleri. (10) Sed, per deos immortalis, quo illa oratio pertinuit? An uti vos infestos coniurationi faceret? Scilicet quem res tanta et tam atrox non permovit, eum oratio accendet! (11) Non ita est, neque quoiquam mortalium iniuriae suae parvae videntur: multi eas gravius aequo habuere. (12) Sed alia aliis licentia est, patres conscripti. Qui demissi in obscuro vitam habent, si quid iracundia deliquere, pauci sciunt; fama atque fortuna eorum pares sunt. Qui magno imperio praediti in excelso aetatem agunt, eorum facta cuncti mortales novere. (13) Ita in maxuma fortuna minima licentia est: neque studere neque odisse, sed minime irasci decet; (14) quae apud alios iracundia dicitur, ea in imperio superbia atque crudelitas appellatur. (15) Equidem ego sic existimo, patres conscripti, omnis cruciatus minores quam facinora illorum esse. Sed plerique mortales postrema meminere et in hominibus impiis sceleris eorum obliti de poena disserunt, si ea paulo severior fuit. (16) D. Silanum, virum fortem atque strenuom, certo scio, quae dixerit, studio rei publicae dixisse, neque illum in tanta re gratiam aut inimicitias exercere: eos mores eamque modestiam viri cognovi. (17) Verum sententia eius mihi non crudelis – quid enim in talis homines crudele fieri potest? – sed aliena a re publica nostra videtur. (18) Nam profecto aut metus aut iniuria te subegit, Silane, consulem designatum genus poenae novom decernere. (19) De timore supervacaneum est disserere, cum praesertim diligentia clarissumi viri consulis tanta praesidia sint in armis. (20) De poena possum equidem dicere, id quod res habet, in luctu atque miseriis mortem aerumnarum requiem, non cruciatum esse, eam cuncta mortalium mala dissolvere, ultra neque curae neque gaudio locum esse. (21) Sed, per deos immortalis, quam ob rem in sententiam non addidisti, uti prius verberibus in eos animadvorteretur? An quia lex Porcia vetat? (22) At aliae leges item condemnatis civibus non animam eripi, sed exilium permitti iubent. (23) An quia gravius est verberari

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Leichen, Blut und Trauer sei. (10) Aber, bei den unsterblichen Göttern, worauf zielten diese Aussagen? Sollten sie euch etwa die Verschwörung verhasst machen? Selbstverständlich: Wer sich von einer so schrecklichen und furchtbaren Tatsache nicht beeindrucken lässt, den wird eine Rede aufrütteln können! (11) So ist es aber nicht und niemandem scheint das Unrecht, das ihm angetan wird, geringfügig zu sein. Viele nehmen es sogar tragischer, als es angemessen ist. (12) Aber nicht jeder verfügt über denselben Grad an Freiheit bei seinen Handlungen, Senatoren. Wenn sich Menschen, die tief im Dunkel ihr Leben zubringen müssen, im Jähzorn vergehen, so wissen dies nur wenige; ihre Bekanntheit ist ebenso gering wie ihre gesellschaftliche Stellung. Anders liegt der Fall aber bei denjenigen, die große Macht besitzen und ihr Leben an der Spitze der Gesellschaft verbringen: Ihre Taten kennen alle Menschen. (13) So besitzt man in der höchsten Stellung die geringste Freiheit: Man darf weder Leidenschaft noch Hass zeigen, am wenigsten aber Zorn. (14) Was bei anderen als Jähzorn bezeichnet wird, heißt bei den Mächtigen Hochmut und Grausamkeit. (15) Senatoren, ich bin der Meinung, dass im Verhältnis zu den Verbrechen dieser Männer alle Qualen zu gering sind. Aber die meisten Leute erinnern sich nur an die letzten Ereignisse, und im Falle von skrupellosen Menschen vergisst man ihre Verbrechen und diskutiert über ihre Bestrafung, falls diese auch nur etwas zu streng war. (16) Ich weiß sehr wohl, dass Decimus Silanus, ein tapferer und tüchtiger Mann, seine Rede aus ehrlichem Patriotismus gehalten hat und dass er sich bei einer so bedeutenden Angelegenheit weder von Gefälligkeiten noch von Feindschaften hat leiten lassen. Ich kenne den Charakter und die maßvolle Wesensart dieses Mannes. (17) Aber sein Antrag erscheint mir nicht grausam (welche Grausamkeit könnte man nämlich solchen Menschen zufügen?), sondern unvereinbar mit den Prinzipien unserer Politik. (18) Denn in der Tat hat entweder die Angst oder das Unrecht dich dazu gebracht, Silanus, als designierter Konsul eine neue Art von Strafe zu beantragen. (19) Über den Aspekt der Angst zu sprechen ist überflüssig, zumal durch die Umsicht eines bedeutenden Mannes, unseres Konsuls, so starke Schutztruppen unter Waffen stehen. (20) Was die Bestrafung angeht, so könnte ich das anführen, was der Wahrheit entspricht, dass nämlich für Menschen, die in traurigen und unglücklichen Umständen leben, der Tod eine Erlösung von der Mühsal darstellt, und nicht etwa eine Qual, dass er alles menschliche Leid beendet, dass darüber hinaus kein Raum mehr ist für Sorge oder Freude. (21) Aber, bei den unsterblichen Göttern, warum hast du deinem Antrag nicht noch hinzugefügt, dass sie zuerst noch ausgepeitscht werden sollten? Etwa, weil die Lex Porcia es verbietet? (22) Aber ebenso ordnen andere Gesetze an, verurteilten Bürgern nicht das Leben zu nehmen, sondern das Exil freizustellen. (23) Oder weil es etwa schlimmer wäre, ausgepeitscht

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quam necari? Quid autem acerbum aut nimis grave est in homines tanti facinoris convictos? (24) Sin, quia levius est, qui convenit in minore negotio legem timere, cum eam in maiore neglegeris? (25) At enim quis reprehendet, quod in parricidas rei publicae decretum erit? Tempus, dies, fortuna, quoius lubido gentibus moderatur. (26) Illis merito accidet, quicquid evenerit; ceterum vos, patres conscripti, quid in alios statuatis, considerate. (27) Omnia mala exempla ex rebus bonis orta sunt. Sed ubi imperium ad ignaros eius aut minus bonos pervenit, novom illud exemplum ab dignis et idoneis ad indignos et non idoneos transfertur. (28) Lacedaemonii devictis Atheniensibus triginta viros imposuere, qui rem publicam eorum tractarent. (29) Ii primo coepere pessumum quemque et omnibus invisum indemnatum necare: ea populus laetari et merito dicere fieri. (30) Post, ubi paulatim licentia crevit, iuxta bonos et malos lubidinose interficere, ceteros metu terrere: (31) ita civitas servitute oppressa stultae laetitiae gravis poenas dedit. (32) Nostra memoria victor Sulla cum Damasippum et alios eius modi, qui malo rei publicae creverant, iugulari iussit, quis non factum eius laudabat? Homines scelestos et factiosos, qui seditionibus rem publicam exagitaverant, merito necatos aiebant. (33) Sed ea res magnae initium cladis fuit. Nam uti quisque domum aut villam, postremo vas aut vestimentum aliquoius concupiverat, dabat operam, uti is in proscriptorum numero esset. (34) Ita illi, quibus Damasippi mors laetitiae fuerat, paulo post ipsi trahebantur, neque prius finis iugulandi fuit, quam Sulla omnis suos divitiis explevit. (35) Atque ego haec non in M. Tullio neque his temporibus vereor, sed in magna civitate multa et varia ingenia sunt. (36) Potest alio tempore, alio consule, quoi item exercitus in manu sit, falsum aliquid pro vero credi. Ubi hoc exemplo per senatus decretum consul gladium eduxerit, quis illi finem statuet aut quis moderabitur? (37) Maiores nostri, patres conscripti, neque consili neque audaciae umquam eguere; neque illis

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als getötet zu werden? Was ist aber hart oder allzu unmenschlich gegen Menschen, die man eines solchen Verbrechens überführt hat? (24) Wenn du dies aber deswegen deinem Antrag nicht hinzugefügt hast, weil Auspeitschung zu mild ist, wie passt es zusammen, in einer geringeren Angelegenheit das Gesetz zu respektieren, es aber bei einer bedeutenderen zu ignorieren? (25) Doch freilich: Wer wird einen Beschluss kritisieren, den man gegen Menschen verabschiedet, die den Staat zerstören wollen? Die Umstände, die Zeit und das Schicksal, dessen Willkür über die Völker herrscht. (26) Was auch immer geschehen wird: Diese Männer wird es zu Recht treffen. Ihr aber, Senatoren, überlegt euch, welche Strafe ihr damit zugleich über andere Menschen verhängt. (27) Alle schlechten Exempel sind aus guten Anfängen entstanden. Sobald aber Macht Menschen in die Hände fällt, die sie nicht zu gebrauchen wissen oder die es an Rechtschaffenheit fehlen lassen, wird dieses neue Exempel von Leuten, die es unzweifelhaft verdient haben, auf Leute übertragen, die es überhaupt nicht verdient haben. (28) Die Spartaner haben nach ihrem Sieg über die Athener dreißig Männer an die Spitze des attischen Staates gesetzt. (29) Diese begannen zunächst damit, gerade die übelsten und allen verhassten Existenzen ohne Gerichtsurteil zu töten. Das Volk freute sich darüber und begrüßte dieses Vorgehen als rechtmäßig. (30) Als dann aber die Willkür allmählich zunahm, töteten sie nach Lust und Laune Gute wie Schlechte gleichermaßen und terrorisierten die anderen Bürger: (31) So wurde die Bürgerschaft in Knechtschaft gehalten und büßte grausam für ihre törichte Freude. (32) Als zu unserer Zeit Sulla nach seinem Sieg Damasipp und andere seines Schlages, deren Aufstieg dem Staat schweren Schaden zugefügt hatte, ermorden ließ, wer hätte da nicht seine Handlungsweise gelobt? Man sagte, dass Verbrecher und Aufrührer, die den Staat in Unruhe und Chaos gestürzt hatten, zu Recht getötet worden waren. (33) Aber das war nur der Anfang einer großen Tragödie. Denn jeder, der das Haus oder den Landsitz, schließlich den Hausrat oder die Kleidung eines anderen haben wollte, sorgte dafür, dass dieser auf die Proskriptionslisten kam. (34) So wurden die, die sich über den Tod des Damasipp gefreut hatten, kurze Zeit später selbst zur Hinrichtung geschleppt, und es gab erst dann ein Ende des Mordens, als Sulla alle seine Leute mit Reichtümern gemästet hatte. (35) Und ich befürchte dies nun weder bei Marcus Tullius noch in diesen Zeiten, aber in einem großen Staat gibt es viele verschiedene Charaktere. (36) Es ist möglich, dass die Menschen zu einer anderen Zeit, unter einem anderen Konsul, dem ebenfalls ein Heer zur Verfügung steht, etwas Falsches für die Wahrheit halten. Wenn dann aufgrund dieses Präzedenzfalles der Konsul auf einen Senatsbeschluss hin sein Schwert gezückt hat, wer wird ihm dann Einhalt gebieten und ihn zur Mäßigung bestimmen? (37) Senatoren, unseren Vorfahren fehlte es niemals an Umsicht oder an Tapferkeit. Auch waren sie

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superbia obstabat, quominus aliena instituta, si modo proba erant, imitarentur. (38) Arma atque tela militaria ab Samnitibus, insignia magistratuum ab Tuscis pleraque sumpserunt; postremo, quod ubique apud socios aut hostis idoneum videbatur, cum summo studio domi exsequebantur: imitari quam invidere bonis malebant. (39) Sed eodem illo tempore Graeciae morem imitati verberibus animadvortebant in civis, de condemnatis summum supplicium sumebant. (40) Postquam res publica adolevit et multitudine civium factiones valuere, circumveniri innocentes, alia huiusce modi fieri coepere, tum lex Porcia aliaeque leges paratae sunt, quibus legibus exilium damnatis permissum est. (41) Hanc ego causam, patres conscripti, quominus novom consilium capiamus, in primis magnam puto. (42) Profecto virtus atque sapientia maior illis fuit, qui ex parvis opibus tantum imperium fecere, quam in nobis, qui ea bene parta vix retinemus. (43) Placet igitur eos dimitti et augeri exercitum Catilinae? Minime. Sed ita censeo: publicandas eorum pecunias, ipsos in vinculis habendos per municipia, quae maxume opibus valent, neu quis de iis postea ad senatum referat neve cum populo agat; qui aliter fecerit, senatum existimare eum contra rem publicam et salutem omnium facturum.” 52 (1) Postquam Caesar dicundi finem fecit, ceteri verbo alius alii varie assentiebantur. At M. Porcius Cato rogatus sententiam huiusce modi orationem habuit: (2) “Longe alia mihi mens est, patres conscripti, cum res atque pericula nostra considero et cum sententias nonnullorum ipse mecum reputo. (3) Illi mihi disseruisse videntur de poena eorum, qui patriae, parentibus, aris atque focis suis bellum paravere; res autem monet cavere ab illis magis quam, quid in illos statuamus, consultare. (4) Nam cetera maleficia tum persequare, ubi facta sunt; hoc nisi provideris ne accidat, ubi evenit, frustra iudicia implores: capta urbe nihil fit relicui victis.

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nicht zu stolz, fremde Einrichtungen nachzuahmen, wenn sie ihnen nur sinnvoll erschienen. (38) Sie haben die Angriffs- und Verteidigungswaffen von den Samniten übernommen, die meisten Insignien der Beamten von den Etruskern. Schließlich haben sie von allen Bundesgenossen oder Feinden alles, was ihnen geeignet erschien, übernommen und mit großem Eifer in ihrem eigenen Staat institutionalisiert. Sie zogen es vor, tüchtige Menschen zu imitieren, statt sie zu beneiden. (39) Aber eben zu derselben Zeit vollzogen sie nach griechischem Vorbild die Auspeitschung als Strafe für freie Bürger und die Höchststrafe an Verurteilten. (40) Nachdem der Staat herangewachsen war und aufgrund der großen Menge an Bürgern die Parteiungen große Macht hatten, kam es immer häufiger vor, dass Unschuldige mit dem Tod bedroht wurden und sich andere derartige Dinge ereigneten. Damals schuf man die Lex Porcia und andere Gesetze, die den Verurteilten das Exil anheimstellten. (41) Das halte ich, Senatoren, für einen besonders gewichtigen Grund, keinen neuen Beschluss zu fassen. (42) In der Tat waren bei unseren Vorfahren, die aus geringen Mitteln ein so riesiges Reich errichtet haben, Tüchtigkeit und Weisheit größer als bei uns, die wir das, was in guter Weise erworben wurde, kaum noch bewahren können. (43) Bin ich also dafür, diese Männer frei zu lassen und so Catilinas Heer zu vergrößern? Keineswegs. Ich stelle vielmehr den folgenden Antrag: Ihr Vermögen soll konfisziert werden, sie selbst sollen in besonders wohlhabenden Landstädten inhaftiert werden; künftig soll in dieser Angelegenheit niemand mehr einen Antrag beim Senat stellen oder eine Rede vor dem Volk halten. Wer dem zuwiderhandelt, soll auf einen Senatsbeschluss hin als jemand gelten, der gegen den Staat und das Allgemeinwohl gehandelt hat.“ 52 (1) Nachdem Caesar seine Rede beendet hatte, waren die Meinungen geteilt: Die einen stimmten für den einen, die anderen für den anderen Antrag. Als aber Marcus Porcius Cato nach seiner Meinung gefragt wurde, hielt er ungefähr die folgende Rede: (2) „Senatoren, ich bin ganz anderer Meinung, wenn ich mir unsere Lage und die Gefahren, die uns drohen, anschaue und mir die Anträge einiger Senatoren durch den Kopf gehen lasse. (3) Ich habe den Eindruck, dass diese Antragsteller Überlegungen angestellt haben über die Bestrafung von Menschen, die gegen ihr Vaterland, ihre Eltern, ihre Altäre und Herde in den Krieg ziehen wollten. Die Situation erfordert es aber eher, sich gegen diese Leute zu schützen, als darüber zu debattieren, welche Beschlüsse wir gegen sie fassen sollen. (4) Denn andere Untaten kann man dann verfolgen, wenn sie geschehen sind; wenn man hier aber keine Vorsorge trifft, damit es gar nicht erst passiert, wird man, sobald es geschehen ist, vergeblich die Gerichte anrufen. Ist die Stadt erst einmal erobert, bleibt den Besiegten nichts mehr.

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(5) Sed, per deos immortalis, vos ego appello, qui semper domos, villas, signa, tabulas vostras pluris quam rem publicam fecistis: si ista, quoiuscumque modi sunt, quae amplexamini, retinere, si voluptatibus vostris otium praebere voltis, expergiscimini aliquando et capessite rem publicam! (6) Non agitur de vectigalibus neque de sociorum iniuriis: libertas et anima nostra in dubio est. (7) Saepenumero, patres conscripti, multa verba in hoc ordine feci, saepe de luxuria atque avaritia nostrorum civium questus sum multosque mortalis ea causa advorsos habeo. (8) Qui mihi atque animo meo nullius umquam delicti gratiam fecissem, haut facile alterius lubidini male facta condonabam. (9) Sed ea tametsi vos parvi pendebatis, tamen res publica firma erat, opulentia neglegentiam tolerabat. (10) Nunc vero non id agitur, bonisne an malis moribus vivamus, neque, quantum aut quam magnificum imperium populi Romani sit, sed haec, quoiuscumque modi videntur, nostra an nobiscum una hostium futura sint. (11) Hic mihi quisquam mansuetudinem et misericordiam nominat? Iam pridem equidem nos vera vocabula rerum amisimus: quia bona aliena largiri liberalitas, malarum rerum audacia fortitudo vocatur, eo res publica in extremo sita est. (12) Sint sane, quoniam ita se mores habent, liberales ex sociorum fortunis, sint misericordes in furibus aerari: ne illi sanguinem nostrum largiantur et, dum paucis sceleratis parcunt, bonos omnis perditum eant. (13) Bene et composite C. Caesar paulo ante in hoc ordine de vita et morte disseruit, credo, falsa existimans ea, quae de inferis memorantur divorso itinere malos a bonis loca taetra, inculta, foeda atque formidulosa habere. (14) Itaque censuit pecunias eorum publicandas, ipsos per municipia in custodiis habendos, videlicet timens, ne, si Romae sint, aut a popularibus coniurationis aut a multitudine conducta per vim eripiantur; (15) quasi vero mali atque scelesti tantummodo in urbe et non per totam Italiam sint, aut non ibi plus possit audacia, ubi ad defendundum opes minores sunt. (16) Quare vanum equidem hoc consilium est, si periculum ex illis metuit; si in tanto omnium metu solus non timet, eo magis refert me mihi

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(5) Aber, bei den unsterblichen Göttern, mein Appell richtet sich an euch, die ihr stets eure Häuser, Landsitze, Statuen und Gemälde für wichtiger gehalten habt als den Staat: Wenn ihr dies (welcher Art es auch immer sein mag, was ihr so fest haltet) behalten wollt, wenn ihr euren Genüssen Frieden verschaffen wollt, so wacht endlich einmal auf und kümmert euch um den Staat. (6) Es geht nicht um Tributzahlungen oder um an Bundesgenossen verübtes Unrecht: Unsere Freiheit und unser Leben stehen auf dem Spiel. (7) Senatoren, oftmals habe ich viele Worte vor dieser Versammlung gemacht, oft habe ich die Verschwendungssucht und die Habgier unserer Bürger beklagt; viele Menschen habe ich deswegen zum Feind. (8) Ich habe mir und meiner Seele niemals irgendein Vergehen verziehen, ebenso konnte ich nicht leicht der Leidenschaft eines anderen seine Fehltritte nachsehen. (9) Aber wenn ihr dies auch für unwesentlich gehalten habt, so war der Staat dennoch gefestigt, der Wohlstand konnte die Nachlässigkeit ertragen. (10) Nun geht es aber nicht darum, ob wir ein moralisches oder ein unmoralisches Leben führen, auch nicht, wie groß und wie glanzvoll die Herrschaft des römischen Volkes ist, sondern darum, ob das alles, wie auch immer es sein mag, uns gehören oder ob es – wie auch wir selbst – in die Hände der Feinde geraten wird. (11) Redet mir an dieser Stelle jemand von Milde und Mitleid? Schon längst haben wir die wahren Bezeichnungen für die Dinge verloren: Weil das Verschenken fremden Gutes als Großzügigkeit, der verwegene Wille zu verbrecherischen Taten als Tapferkeit bezeichnet wird, deswegen steht der Staat am Abgrund. (12) Mag man ruhig, da es um unsere Moral so bestellt ist, freigebig sein mit dem Besitz der Bundesgenossen, mag man Mitleid haben mit Menschen, die die Staatskasse plündern: Nicht aber soll man unser Blut verschenken und, indem man einige wenige Verbrecher verschont, alle Tüchtigen opfern. (13) Gaius Caesar hat gerade eben in dieser Versammlung gute und wohlgesetzte Ausführungen über das Leben und den Tod vorgetragen, wie ich glaube, in der Annahme, dass die Erzählungen über die Unterwelt falsch sind, die davon berichten, dass die Bösen sich nicht dort aufhalten, wo die Guten sind, sondern hässliche, ungepflegte, abscheuliche und furchtbare Orte bewohnen. (14) Daher hat er den Antrag gestellt, ihr Kapital zu konfiszieren, sie selbst aber in Landstädten in Haft zu setzen, natürlich weil er fürchtete, dass sie, falls sie in Rom blieben, entweder von ihren Mitverschwörern oder von einem gekauften Haufen gewaltsam befreit würden – (15) als ob es Schufte und Verbrecher nur in der Hauptstadt und nicht in ganz Italien gäbe! Als ob nicht die Verwegenheit dort mehr Einfluss hätte, wo geringere Mittel für die Verteidigung zur Verfügung stehen! (16) Daher ist dieser Vorschlag sicherlich verfehlt, falls Caesar eine Gefahr von ihrer Seite fürchtet. Wenn er aber als einziger angesichts einer so großen allgemeinen Furcht keine Angst hat, ist es umso wichtiger, dass ich

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atque vobis timere. (17) Quare cum de P. Lentulo ceterisque statuetis, pro certo habetote vos simul de exercitu Catilinae et de omnibus coniuratis decernere. (18) Quanto vos attentius ea agetis, tanto illis animus infirmior erit; si paulum modo vos languere viderint, iam omnes feroces aderunt. (19) Nolite existimare maiores nostros armis rem publicam ex parva magnam fecisse. (20) Si ita esset, multo pulcherrumam eam nos haberemus, quippe sociorum atque civium, praeterea armorum atque equorum maior copia nobis quam illis est. (21) Sed alia fuere, quae illos magnos fecere, quae nobis nulla sunt: domi industria, foris iustum imperium, animus in consulendo liber, neque delicto neque lubidini obnoxius. (22) Pro his nos habemus luxuriam atque avaritiam, publice egestatem, privatim opulentiam; laudamus divitias, sequimur inertiam; inter bonos et malos discrimen nullum; omnia virtutis praemia ambitio possidet. (23) Neque mirum: ubi vos separatim sibi quisque consilium capitis, ubi domi voluptatibus, hic pecuniae aut gratiae servitis, eo fit, ut impetus fiat in vacuam rem publicam. (24) Sed ego haec omitto. Coniuravere nobilissumi cives patriam incendere, Gallorum gentem infestissumam nomini Romano ad bellum arcessunt, dux hostium cum exercitu supra caput est: (25) vos cunctamini etiam nunc et dubitatis, quid intra moenia deprensis hostibus faciatis? (26) Misereamini censeo – deliquere homines adulescentuli per ambitionem – atque etiam armatos dimittatis: (27) ne ista vobis mansuetudo et misericordia, si illi arma ceperint, in miseriam convortat! (28) Scilicet res ipsa aspera est, sed vos non timetis eam. Immo vero maxume; sed inertia et mollitia animi alius alium exspectantes cunctamini, videlicet dis immortalibus confisi, qui hanc rem publicam saepe in maxumis periculis servavere. (29) Non votis neque suppliciis muliebribus auxilia deorum parantur: vigilando, agundo, bene consulendo prospere omnia cedunt. Ubi socordiae te atque ignaviae tradideris, nequiquam deos implores: irati infestique sunt.

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mir um mich und euch Sorgen mache. (17) Wenn ihr daher über Publius Lentulus und die anderen einen Beschluss fasst, so seid versichert, dass ihr zugleich auch über Catilinas Heer und über alle Verschwörer urteilt. (18) Je umsichtiger ihr agieren werdet, desto eher wird ihr Mut sinken. Wenn sie aber sehen, dass ihr auch nur eine kleine Schwäche zeigt, werden sie alle mit grimmiger Entschlossenheit zur Stelle sein. (19) Glaubt nicht, dass unsere Vorfahren mit Waffengewalt aus einem kleinen Staat einen großen gemacht hätten. (20) Wenn dem wirklich so wäre, wäre unser Staat viel ansehnlicher, da wir eine größere Zahl an Bundesgenossen und Bürgern, außerdem an Waffen und Pferden als sie haben. (21) Es waren vielmehr andere Dinge, die sie groß gemacht haben, die uns nicht mehr zu Gebote stehen: Einsatz in innenpolitischen Angelegenheiten, eine gerechte Herrschaft in der Außenpolitik, ein freier Geist bei der Beratung, der keinem verbrecherischen Denken und keiner Leidenschaft verfallen war. (22) Stattdessen haben wir jetzt Verschwendungssucht und Habgier, öffentlich Armut, privat Wohlstand. Wir loben den Reichtum und folgen der Trägheit; zwischen Guten und Schlechten gibt es keinen Unterschied mehr; der Ehrgeiz besitzt alle Belohnungen, die der Tüchtigkeit zustehen. (23) Kein Wunder: Da ihr alle einzeln für euch Beschlüsse fasst, da ihr zu Hause euren Genüssen, hier dem Geld und der Günstlingswirtschaft dient, wird ein Angriff auf einen Staat ermöglicht, um den sich niemand mehr kümmert. (24) Aber ich lasse das beiseite. Hochadelige Bürger haben sich dazu verschworen, ihr Vaterland in Brand zu stecken. Sie gewinnen das gallische Volk, einen Erzfeind Roms, als Bundesgenossen für ihren Krieg, der feindliche Anführer steht zusammen mit seinem Heer fast vor unserer Haustür. (25) Zögert ihr da immer noch und fragt euch unschlüssig, wie ihr die Feinde, die in der Stadt gefasst wurden, zu behandeln habt? (26) Ich schlage vor, Mitleid mit ihnen zu haben (es haben sich ja junge Männer aus Ehrgeiz vergangen) und sie sogar bewaffnet wegzuschicken: (27) Wenn nur diese eure Milde und dieses euer Mitleid nicht in Not und Elend umschlagen, wenn diese Männer einmal zu den Waffen greifen! (28) Natürlich ist die Vorstellung an und für sich bitter, aber ihr fürchtet euch nicht davor. Ganz im Gegenteil: Ihr habt sogar ganz besonders große Angst, aber aus Trägheit und Weichlichkeit wartet ihr zögerlich auf den anderen, weil ihr euch natürlich auf die unsterblichen Götter verlasst, die diesen Staat oft in den größten Gefahren gerettet haben. (29) Der Hilfe der Götter versichert man sich aber nicht durch Gelübde und weibische Gebete; durch Wachsamkeit, Handeln und sinnvolle Vorschläge geht alles glücklich aus. Sobald man sich der Sorglosigkeit und Feigheit hingegeben hat, ruft man vergebens die Götter an: Sie wenden sich dann zornig und feindselig ab.

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(30) Apud maiores nostros A. Manlius Torquatus bello Gallico filium suom, quod is contra imperium in hostem pugnaverat, necari iussit, (31) atque ille egregius adulescens immoderatae fortitudinis morte poenas dedit: vos de crudelissumis parricidis quid statuatis cunctamini? Videlicet cetera vita eorum huic sceleri obstat. (32) Verum parcite dignitati Lentuli, si ipse pudicitiae, si famae suae, si dis aut hominibus umquam ullis pepercit; (33) ignoscite Cethegi adulescentiae, nisi iterum patriae bellum fecit. (34) Nam quid ego de Statilio, Gabinio, Caepario loquar? Quibus si quicquam umquam pensi fuisset, non ea consilia de re publica habuissent. (35) Postremo, patres conscripti, si mehercule peccato locus esset, facile paterer vos ipsa re corrigi, quoniam verba contemnitis. Sed undique circumventi sumus; Catilina cum exercitu faucibus urget; alii intra moenia atque in sinu urbis sunt hostes, neque parari neque consuli quicquam potest occulte: quo magis properandum est. (36) Quare ego ita censeo: cum nefario consilio sceleratorum civium res publica in maxuma pericula venerit iique indicio T. Volturci et legatorum Allobrogum convicti confessique sint caedem, incendia aliaque se foeda atque crudelia facinora in civis patriamque paravisse, de confessis, sicuti de manufestis rerum capitalium, more maiorum supplicium sumundum.” 53 (1) Postquam Cato assedit, consulares omnes itemque senatus magna pars sententiam eius laudant, virtutem animi ad caelum ferunt, alii alios increpantes timidos vocant. Cato clarus atque magnus habetur; senati decretum fit, sicuti ille censuerat. (2) Sed mihi multa legenti, multa audienti, quae populus Romanus domi militiaeque, mari atque terra praeclara facinora fecit, forte lubuit attendere, quae res maxume tanta negotia sustinuisset. (3) Sciebam saepenumero parva manu cum magnis legionibus hostium contendisse; cognoveram parvis copiis bella gesta cum opulentis regibus, ad hoc saepe fortunae violentiam toleravisse, facundia Graecos, gloria belli Gallos ante Romanos fuisse. (4) Ac mihi multa agitanti constabat paucorum civium

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(30) Zur Zeit unserer Vorfahren ließ Aulus Manlius Torquatus im Krieg gegen die Gallier seinen Sohn hinrichten, weil dieser gegen den Befehl den Kampf mit dem Feind aufgenommen hatte; (31) und dieser herausragende junge Mann büßte mit dem Tod für seine unbesonnene Tapferkeit. Aber ihr seid noch unschlüssig, was ihr im Falle von grausamen und rücksichtslosen Mördern zu beschließen habt? Natürlich widerspricht ihr restliches Leben diesem Verbrechen. (32) Aber schont nur die Stellung des Lentulus, wenn er selbst jemals seine Ehrbarkeit, seinen Ruf, Götter und Menschen verschont hat. (33) Seid nachsichtig mit dem jugendlichen Alter des Cethegus, wenn er nicht bereits zum zweiten Mal Krieg gegen sein Vaterland führte. (34) Denn was soll ich über Statilius, Gabinius, Caeparius reden? Wenn sie jemals vor irgendetwas Respekt gehabt hätten, hätten sie nicht solche Pläne gegen den Staat geschmiedet. (35) Zu guter Letzt, Senatoren: Wenn wir uns wirklich noch eine Fehlentscheidung leisten könnten, würde ich gerne abwarten, wie ihr durch die Realität eines Besseren belehrt würdet, da ihr ja Worte ignoriert. Aber wir sind von allen Seiten umzingelt; Catilina sitzt uns mit seinem Heer an der Kehle; die anderen Feinde sind innerhalb der Stadtmauern und im Herzen der Stadt; man kann nichts heimlich vorbereiten oder beschließen: Umso mehr ist Eile nötig. (36) Daher stelle ich den folgenden Antrag: Da der Staat durch das schändliche Vorhaben verbrecherischer Bürger in größte Gefahr geraten ist und diese auf die Anzeige des Titus Volturcius und der Gesandten der Allobroger hin überführt wurden und gestehen, dass sie Mord, Brandstiftung und andere grässliche und grausame Taten gegen ihre Mitbürger und ihr Vaterland geplant haben, muss über die Geständigen so wie im Falle von eindeutig überführten Kapitalverbrechern nach Art unserer Vorfahren die Todesstrafe vollzogen werden.“ 53 (1) Nachdem sich Cato gesetzt hatte, spendeten alle Konsularen, ebenso der größte Teil des Senates seinem Antrag Beifall, lobten überschwänglich seinen Mut; man schalt sich gegenseitig und nannte sich ‚Feigling‘. Cato aber hielt man für bedeutend und groß. Es erging ein Senatsbeschluss, der seinem Vorschlag entsprach. (2) Mir aber, der ich von vielen großartigen Taten gelesen und gehört hatte, die das römische Volk im Kriege wie im Frieden, zu Lande wie zu Wasser vollbracht hatte, stellte sich unwillkürlich die Frage, was die Hauptursache für diese Leistungen gewesen sein könnte. (3) Ich wusste, dass die Römer oftmals mit einer kleinen Schar gegen zahlenmäßig viel stärkere feindliche Heere gekämpft hatten. Mir war bekannt, dass man mit kleinen Truppen Kriege geführt hatte gegen mächtige Könige, dass man zudem oft die gewalttätige Schicksalsgöttin ertragen hatte, dass sich aber die Griechen in der Redekunst, die Gallier durch ihren Kriegsruhm vor den Römern auszeichneten. (4) Und als ich lange darüber nachgedacht hatte, stand für mich fest, dass alle diese Leistungen der

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egregiam virtutem cuncta patravisse, eoque factum, uti divitias paupertas, multitudinem paucitas superaret. (5) Sed postquam luxu atque desidia civitas corrupta est, rursus res publica magnitudine sui imperatorum atque magistratuum vitia sustentabat ac, sicuti effeta parente, tum multis tempestatibus haud sane quisquam Romae virtute magnus fuit. (6) Sed memoria mea ingenti virtute, divorsis moribus fuere viri duo, M. Cato et C. Caesar. Quos quoniam res obtulerat, silentio praeterire non fuit consilium, quin utriusque naturam et mores, quantum ingenio possum, aperirem. 54 (1) Igitur iis genus, aetas, eloquentia prope aequalia fuere, magnitudo animi par, item gloria, sed alia alii. (2) Caesar beneficiis ac munificentia magnus habebatur, integritate vitae Cato. Ille mansuetudine et misericordia clarus factus, huic severitas dignitatem addiderat. (3) Caesar dando, sublevando, ignoscundo, Cato nihil largiundo gloriam adeptus est. In altero miseris perfugium erat, in altero malis pernicies. Illius facilitas, huius constantia laudabatur. (4) Postremo Caesar in animum induxerat laborare, vigilare; negotiis amicorum intentus sua neglegere, nihil denegare, quod dono dignum esset; sibi magnum imperium, exercitum, bellum novom exoptabat, ubi virtus enitescere posset. (5) At Catoni studium modestiae, decoris, sed maxume severitatis erat; (6) non divitiis cum divite neque factione cum factioso, sed cum strenuo virtute, cum modesto pudore, cum innocente abstinentia certabat; esse quam videri bonus malebat: ita, quo minus petebat gloriam, eo magis illum assequebatur. 55 (1) Postquam, ut dixi, senatus in Catonis sententiam discessit, consul optumum factu ratus noctem, quae instabat, antecapere, ne quid eo spatio novaretur, tresviros, quae [ad] supplicium postulabat, parare iubet. (2) Ipse praesidiis dispositis Lentulum in carcerem deducit; idem fit ceteris per praetores.

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herausragenden Tüchtigkeit einiger weniger Bürger zuzuschreiben waren und dass es dadurch so gekommen war, dass die Armut den Reichtum, eine geringe Anzahl eine große besiegt hatte. (5) Aber nachdem das Gemeinwesen durch Verschwendungssucht und Trägheit verdorben worden war, konnte der Staat wiederum durch seine Größe die Laster der Feldherren und Beamten tragen, und lange Jahre gab es damals niemanden in Rom (als ob die Mutter vom Gebären erschöpft wäre), der durch seine Tüchtigkeit bedeutend war. (6) Aber zu meiner Zeit gab es zwei Männer von beispielloser Tüchtigkeit, wenn auch mit unterschiedlichen Charakteren: Marcus Cato und Gaius Caesar. Da wir ja durch den Gang der Erzählung auf sie gestoßen sind, war es nicht meine Absicht, sie stillschweigend zu übergehen, vielmehr möchte ich beider Wesen und Charakter, soweit ich es vermag, darstellen. 54 (1) Herkunft, Alter und Eloquenz waren bei beiden Männern fast gleich; dasselbe gilt für ihre Seelengröße und den Ruhm, aber jeweils in einer anderen Ausprägung. (2) Caesar wurde wegen seiner Großzügigkeit und seiner Wohltaten für groß gehalten, Cato wegen der Reinheit seines Lebenswandels. Der eine ist durch Milde und Mitleid bedeutend geworden, der andere erwarb sich Ansehen durch seine Strenge. (3) Caesar wurde berühmt durch Geben, Unterstützen, Verzeihen, Cato dadurch, dass er nichts schenkte. Bei dem einen fanden die Unglücklichen eine Zuflucht, bei dem anderen die Schurken ihr Verderben. Bei dem einen wurde seine Umgänglichkeit, bei dem anderen seine unerbittliche Konsequenz gelobt. (4) Schließlich hatte sich Caesar dazu entschlossen, Tag und Nacht zu arbeiten, über den Belangen seiner Freunde seine eigenen zu vernachlässigen, nichts zu verweigern, was man ehrenvoller Weise schenken konnte. Er wünschte sich ein großes Kommando, ein Heer und einen neuen Krieg, in dem seine Tüchtigkeit hervorleuchten könne. (5) Cato hingegen strebte danach, das rechte Maß einzuhalten und ein rechtschaffenes, angesehenes Leben zu führen, vor allem aber befleißigte er sich der Strenge. (6) Nicht wetteiferte er mit dem Reichen um die Größe des Reichtums, nicht mit dem Parteipolitiker um die besten politischen Beziehungen, sondern mit dem Tüchtigen um die Tatkraft, mit dem Maßvollen um das Ehrgefühl, mit dem Unbescholtenen um die Selbstlosigkeit. Er zog es vor, gut zu sein als nur so zu erscheinen. So holte ihn der Ruhm, je weniger er ihn suchte, nur umso hartnäckiger immer wieder ein. 55 (1) Nachdem sich der Senat, wie gesagt, Catos Antrag angeschlossen hatte, hielt der Konsul es für das Beste, noch vor Einbruch der Nacht zu handeln, damit es inzwischen keine neuen Entwicklungen geben könne. Daher befahl er den Dreimännern, alles vorzubereiten, was eine Hinrichtung erforderte. (2) Nachdem er Posten aufgestellt hatte, führt er persönlich Lentulus in den Kerker; die anderen werden von Prätoren dorthin gebracht. (3) Wenn man im

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(3) Est in carcere locus, quod Tullianum appellatur, ubi paululum ascenderis ad laevam, circiter duodecim pedes humi depressus; (4) eum muniunt undique parietes atque insuper camera lapideis fornicibus iuncta; sed incultu, tenebris, odore foeda atque terribilis eius facies est. (5) In eum locum postquam demissus est Lentulus, vindices rerum capitalium, quibus praeceptum erat, laqueo gulam fregere. (6) Ita ille, patricius ex gente clarissuma Corneliorum, qui consulare imperium Romae habuerat, dignum moribus factisque suis exitium vitae invenit. De Cethego, Statilio, Gabinio, Caepario eodem modo supplicium sumptum est. 56 (1) Dum ea Romae geruntur, Catilina ex omni copia, quam et ipse adduxerat et Manlius habuerat, duas legiones instituit, cohortis pro numero militum complet. (2) Deinde, ut quisque voluntarius aut ex sociis in castra venerat, aequaliter distribuerat, ac brevi spatio legiones numero hominum expleverat, cum initio non amplius duobus milibus habuisset. (3) Sed ex omni copia circiter pars quarta erat militaribus armis instructa: ceteri, ut quemque casus armaverat, sparos aut lanceas, alii praeacutas sudis portabant. (4) Sed postquam Antonius cum exercitu adventabat, Catilina per montis iter facere, modo ad urbem, modo Galliam vorsus castra movere, hostibus occasionem pugnandi non dare: sperabat propediem magnas copias sese habiturum, si Romae socii incepta patravissent. (5) Interea servitia repudiabat, quoius initio ad eum magnae copiae concurrebant, opibus coniurationis fretus, simul alienum suis rationibus existimans videri causam civium cum servis fugitivis communicavisse. 57 (1) Sed postquam in castra nuntius pervenit Romae coniurationem patefactam, de Lentulo et Cethego ceterisque, quos supra memoravi, supplicium sumptum, plerique, quos ad bellum spes rapinarum aut novarum rerum studium illexerat, dilabuntur; relicuos Catilina per montis asperos magnis itineribus in agrum Pistoriensem abducit eo consilio, uti per tramites occulte perfugeret in Galliam Transalpinam. (2) At Q. Metellus Celer cum tribus legionibus in agro Piceno praesidebat, ex difficultate rerum eadem illa existimans, quae supra diximus Catilinam agitare. (3) Igitur, ubi iter eius ex perfugis cognovit, castra propere movit ac sub ipsis radicibus montium consedit, qua illi descensus

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Kerker ein wenig nach links hinaufgeht, so stößt man auf einen etwa zwölf Fuß tief in die Erde eingelassenen Raum, der Tullianum heißt. (4) Ihn umgeben ringsherum feste Mauern und darüber ein von Steinbögen getragenes Gewölbe. Sein Aussehen ist aber aufgrund der Verwahrlosung, der Dunkelheit und des Gestanks abscheulich und entsetzlich. (5) Nachdem Lentulus in diesen Raum hinabgelassen worden war, erdrosselten ihn die damit beauftragten Henker. (6) So fand er, ein Patrizier aus dem ruhmreichen Geschlecht der Cornelier, der in Rom das Amt des Konsuls bekleidet hatte, ein Lebensende, das seinem Charakter und seinen Taten entsprach. Cethegus, Statilius, Gabinius und Caeparius wurden auf dieselbe Art und Weise hingerichtet. 56 (1) Während dies in Rom geschah, hatte Catilina aus seiner ganzen Truppe, sowohl aus den Leuten, die er selber mitgebracht hatte, als auch aus den Männern des Manlius, zwei Legionen aufgestellt und je nach der Anzahl der Soldaten die Kohorten ergänzt. (2) Dann verteilte er alle Freiwilligen und Mitverschwörer, die in sein Lager kamen, gleichmäßig, und in kurzer Zeit hatte er die Legionen auf die übliche Gefechtsstärke gebracht, während er anfangs nicht mehr als zweitausend Mann gehabt hatte. (3) Aber in der ganzen Truppe war nur etwa der vierte Teil wie ordentliche Soldaten ausgerüstet: Die anderen trugen die Waffen, mit denen sie jeweils der Zufall ausgerüstet hatte, bäuerliche Speere oder Jagdspieße, teils auch vorne zugespitzte Pfähle. (4) Als aber Antonius mit seinem Heer näherrückte, schlug Catilina den Weg durch das Gebirge ein, zog bald Richtung Stadt, bald Richtung Gallien und gab den Feinden keine Gelegenheit zum Kampf. Er hoffte, dass er bald große Truppen haben würde, wenn seine Mitverschwörer in Rom ihre Vorhaben ausgeführt hätten. (5) Inzwischen lehnte er die Aufnahme von Sklaven ab, die ihm zu Beginn in großer Zahl zugeströmt waren, und stützte sich nur auf die Kräfte der Verschwörung, auch weil er es nicht mit seinen Plänen vereinbaren konnte, wenn der Anschein entstünde, er habe die Interessen römischer Bürger und entflohener Sklaven miteinander vermengt. 57 (1) Als aber im Lager die Nachricht eintraf, dass die Verschwörung in Rom aufgedeckt und Lentulus, Cethegus und die anderen oben genannten Verschwörer hingerichtet worden seien, machen sich sehr viele davon, die lediglich die Hoffnung auf Beutezüge oder das Verlangen nach einem Umsturz zum Krieg verleitet hatte. Den Rest führt Catilina in Eilmärschen durch unwegsames Gebirge in das Gebiet von Pistoria, in der Absicht, über Schleichpfade in die Gallia Transalpina zu fliehen. (2) Aber Quintus Metellus Celer stand mit drei Legionen im Picenerland, weil er aus der schwierigen Lage auf die von uns oben erwähnten Absichten Catilinas schloss. (3) Als er nun Catilinas Marschweg von Überläufern in Erfahrung gebracht hatte, brach er eilends auf und bezog unmittelbar am Fuße des Gebirges Stellung; dort musste Catilina herabkommen, wenn er

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erat in Galliam properanti. (4) Neque tamen Antonius procul aberat, utpote qui magno exercitu locis aequioribus expeditos in fuga sequeretur. (5) Sed Catilina, postquam videt montibus atque copiis hostium sese clausum, in urbe res advorsas, neque fugae neque praesidi ullam spem, optumum factu ratus in tali re fortunam belli temptare, statuit cum Antonio quam primum confligere. (6) Itaque contione advocata huiusce modi orationem habuit: 58 (1) “Compertum ego habeo, milites, verba virtutem non addere, neque ex ignavo strenuom neque fortem ex timido exercitum oratione imperatoris fieri. (2) Quanta quoiusque animo audacia natura aut moribus inest, tanta in bello patere solet. Quem neque gloria neque pericula excitant, nequiquam hortere: timor animi auribus officit. (3) Sed ego vos, quo pauca monerem, advocavi, simul uti causam mei consili aperirem. (4) Scitis equidem, milites, socordia atque ignavia Lentuli quantam ipsi nobisque cladem attulerit quoque modo, dum ex urbe praesidia opperior, in Galliam proficisci nequiverim. (5) Nunc vero quo loco res nostrae sint, iuxta mecum omnes intellegitis. (6) Exercitus hostium duo, unus ab urbe, alter a Gallia obstant; diutius in his locis esse, si maxume animus ferat, frumenti atque aliarum rerum egestas prohibet. (7) Quocumque ire placet, ferro iter aperiundum est. (8) Quapropter vos moneo, uti forti atque parato animo sitis et, cum proelium inibitis, memineritis vos divitias, decus, gloriam, praeterea libertatem atque patriam in dextris vostris portare. (9) Si vincimus, omnia nobis tuta erunt: commeatus abunde, municipia atque coloniae patebunt. Si metu cesserimus, eadem illa advorsa fient: (10) neque locus neque amicus quisquam teget, quem arma non texerint. (11) Praeterea, milites, non eadem nobis et illis necessitudo impendet: nos pro patria, pro libertate, pro vita certamus, illis supervacaneum est pugnare pro potentia paucorum. (12) Quo audacius aggredimini memores pristinae virtutis. (13) Licuit vobis cum summa turpitudine in exilio aetatem agere, potuistis nonnulli Romae amissis bonis alienas opes exspectare: (14) quia illa foeda atque intoleranda viris

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schnell nach Gallien wollte. (4) Aber auch Antonius war nicht mehr weit entfernt, so dass er mit seinem großen Heer die Flüchtenden und Kampfbereiten auf recht ebenem Gelände verfolgen konnte. (5) Als Catilina aber bemerkte, dass er von den Bergen und den feindlichen Truppen eingeschlossen war, dass die Dinge in der Hauptstadt zu seinen Ungunsten standen und dass es keine Hoffnung auf Flucht oder Verstärkung mehr gab, hielt er es in einer solchen Lage für das Beste, das Kriegsglück zu versuchen. So beschloss er, möglichst bald mit Antonius zu kämpfen. (6) Daher berief er eine Heeresversammlung ein und hielt ungefähr die folgende Rede: 58 (1) „Soldaten, ich weiß, dass Worte keine Tapferkeit verleihen können und dass die Rede eines Feldherrn weder einen Nichtsnutz zu einem tüchtigen Soldaten noch ein feiges Heer zu einem tapferen werden lässt. (2) So tapfer ein jeder seiner Natur oder seiner Wesensart nach ist, so tapfer zeigt er sich zumeist auch im Krieg. Wen weder die Aussicht auf Ruhm noch Gefahren aufrütteln können, den wird man wohl vergebens anfeuern: Die Angst verschließt ihm seine Ohren. (3) Doch ich habe euch versammelt, um euch kurz zu instruieren, aber auch um euch den Grund für meinen Entschluss darzulegen. (4) Ihr kennt natürlich, Soldaten, die Größe der Niederlage, die die Trägheit und die Feigheit des Lentulus ihm und uns eingebracht haben, ihr wisst, warum es mir unmöglich war, nach Gallien aufzubrechen, solange ich Verstärkungen aus Rom erwartete. (5) Nun aber erkennt ihr alle ebenso wie ich, wie unsere Lage aussieht. (6) Zwei feindliche Heere versperren uns den Weg, eines von Rom, das andere von Gallien her. Mangel an Getreide und an anderen Dingen hindert uns daran, uns länger in diesem Gebiet aufzuhalten, selbst wenn wir es auch noch so sehr wünschten. (7) Wohin auch immer wir gehen wollen, wir müssen uns den Weg mit dem Schwert freikämpfen. (8) Daher rufe ich euch dazu auf, tapfer und bereit zu sein und, wenn ihr in den Kampf zieht, daran zu denken, dass ihr in eurer Rechten Reichtum, Ehre, Ruhm, zudem die Freiheit und das Vaterland tragt. (9) Wenn wir siegen, sind wir in einer vollkommen sicheren Lage: Wir werden über reichlichen Nachschub verfügen, die Landstädte und Kolonien werden uns offen stehen. Wenn wir aus Angst den Rückzug antreten, werden uns gerade dieselben Dinge zum Nachteil ausschlagen: (10) Kein Ort und kein Freund wird den schützen, den seine Waffen nicht geschützt haben. (11) Außerdem, Soldaten, wird die Gegenseite nicht von derselben Notwendigkeit bedrängt wie wir: Wir kämpfen für die Heimat, für die Freiheit und für unser Leben; für jene ist es sinnlos, für die Macht einiger weniger zu fechten. (12) Greift umso kühner an in Erinnerung an eure alte Tapferkeit. (13) Es wäre euch möglich gewesen, in äußerster Ehrlosigkeit als Verbannte euer Leben zu verbringen, einige von euch hätten in Rom nach dem Verlust ihrer Güter auf fremde Mittel warten können. (14) Weil euch das schändlich und für Männer

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videbantur, haec sequi decrevistis. (15) Si haec relinquere voltis, audacia opus est: nemo nisi victor pace bellum mutavit. (16) Nam in fuga salutem sperare, cum arma, quibus corpus tegitur, ab hostibus avorteris, ea vero dementia est. (17) Semper in proelio iis maxumum est periculum, qui maxume timent: audacia pro muro habetur. (18) Cum vos considero, milites, et cum facta vostra aestumo, magna me spes victoriae tenet. (19) Animus, aetas, virtus vostra me hortantur, praeterea necessitudo, quae etiam timidos fortis facit. (20) Nam multitudo hostium ne circumvenire queat, prohibent angustiae loci. (21) Quod si virtuti vostrae fortuna inviderit, cavete, inulti animam amittatis neu capti potius sicuti pecora trucidemini quam virorum more pugnantes cruentam atque luctuosam victoriam hostibus relinquatis.” 59 (1) Haec ubi dixit, paululum commoratus signa canere iubet atque instructos ordines in locum aequom deducit. Dein, remotis omnium equis, quo militibus exaequato periculo animus amplior esset, ipse pedes exercitum pro loco atque copiis instruit. (2) Nam, uti planities erat inter sinistros montis et ab dextra rupe aspera, octo cohortis in fronte constituit, relicuarum signa in subsidio artius collocat. (3) Ab iis centuriones omnis, lectos et evocatos, praeterea ex gregariis militibus optumum quemque armatum in primam aciem subducit. C. Manlium in dextra, Faesulanum quendam in sinistra parte curare iubet. Ipse cum libertis et colonis propter aquilam assistit, quam bello Cimbrico C. Marius in exercitu habuisse dicebatur. (4) At ex altera parte C. Antonius, pedibus aeger quod proelio adesse nequibat, M. Petreio legato exercitum permittit. (5) Ille cohortis veteranas, quas tumulti causa conscripserat, in fronte, post eas ceterum exercitum in subsidiis locat. Ipse equo circumiens unum quemque nominans appellat, hortatur, rogat, ut meminerint se contra latrones inermis pro patria, pro liberis, pro aris atque focis suis certare. (6) Homo militaris, quod amplius annos triginta tribunus aut praefectus aut legatus aut praetor cum magna gloria in exercitu fuerat, plerosque ipsos factaque eorum fortia noverat: ea commemorando militum animos accendebat. 60 (1) Sed ubi omnibus rebus exploratis Petreius tuba signum dat, cohortis paulatim incedere iubet; idem facit hostium exercitus. (2) Postquam eo

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unerträglich erschien, habt ihr euch für diesen Weg entschieden. (15) Wenn ihr ihn wieder verlassen wollt, ist Kühnheit nötig: Nur der Sieger kann den Krieg gegen den Frieden tauschen. (16) Denn die Rettung in der Flucht zu suchen, wenn man seine schützenden Waffen vom Feind abgewendet hat, ist in der Tat Wahnsinn. (17) Immer droht in der Schlacht denjenigen die größte Gefahr, die die größte Angst haben: Der Mut ist für den Tapferen eine Mauer. (18) Wenn ich euch anschaue, Soldaten, und wenn ich eure Taten beurteile, habe ich große Hoffnung auf einen Sieg. (19) Euer Mut, euer Alter, eure Tüchtigkeit spornen mich an, zudem die Notlage, die sogar aus Feiglingen tapfere Männer macht. (20) Denn die Enge des Geländes hindert die feindliche Übermacht daran, uns zu umzingeln. (21) Wenn nun das Schicksal eurer Kampfkraft den Sieg missgönnen sollte, so hütet euch davor, ungerächt das Leben hinzugeben, damit ihr nicht gefangen genommen und wie Vieh abgeschlachtet werdet, anstatt nach der Art von Männern im Kampfe zu fallen und den Feinden einen blutigen und tränenreichen Sieg zu überlassen.“ 59 (1) Nach dieser Rede wartet er kurz, lässt dann die Signale blasen und führt die Reihen gefechtsbereit in die Ebene. Dann lässt er die Pferde aller Männer entfernen, damit die Soldaten größeren Mut hätten, weil allen dieselbe Gefahr drohte, und stellt selbst zu Fuß sein Heer dem Gelände und seinen Truppen entsprechend auf. (2) Da sich die Ebene nämlich zwischen dem Gebirge zur Linken und einem schroffen Felsen zur Rechten erstreckte, stellt er acht Kohorten als Front auf, die Abteilungen der übrigen Kohorten ordnet er als Ersatztruppen in engerer Reihe an. (3) Von diesen beorderte er alle Zenturionen, ausgewählte und altgediente Männer, außerdem von den einfachen Soldaten die am besten bewaffneten in die erste Linie. Er überträgt Gaius Manlius zur Rechten, einem Mann aus Fiesole zur Linken das Kommando; er selbst stellt sich mit Freigelassenen und Kolonisten neben den Adler, den im Kimbernkrieg Gaius Marius in seinem Heer gehabt haben soll. (4) Auf der anderen Seite überlässt aber Gaius Antonius, weil er selbst fußkrank war und so an der Schlacht nicht teilnehmen konnte, dem Legaten Marcus Petreius das Heer. (5) Dieser stellt die Veteranenkohorten, die er wegen des Aufruhrs ausgehoben hatte, in die vorderste Front, dahinter das übrige Heer als Reserve. Er selbst reitet umher und ruft jeden einzelnen persönlich an, spornt ihn an und fordert ihn auf, daran zu denken, dass er gegen unbewaffnete Banditen für das Vaterland, für seine Kinder, für Haus und Herd kämpfe. (6) Der kriegserfahrene Mann kannte die meisten persönlich sowie ihre tapferen Taten, weil er mehr als 30 Jahre als Tribun, Präfekt, Legat oder Prätor ruhmreich im Heer gedient hatte. Dadurch, dass er sie an diese Taten erinnerte, feuerte er die Soldaten an. 60 (1) Als Petreius aber alles ausgekundschaftet hatte und das Angriffssignal mit der Tuba geben lässt, befiehlt er den Kohorten, langsam vorzurücken. Das-

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ventum est, unde a ferentariis proelium committi posset, maxumo clamore cum infestis signis concurrunt; pila omittunt, gladiis res geritur. (3) Veterani pristinae virtutis memores comminus acriter instare; illi haud timidi resistunt: maxuma vi certatur. (4) Interea Catilina cum expeditis in prima acie vorsari, laborantibus succurrere, integros pro sauciis arcessere, omnia providere, multum ipse pugnare, saepe hostem ferire: strenui militis et boni imperatoris officia simul exsequebatur. (5) Petreius ubi videt Catilinam, contra ac ratus erat, magna vi tendere, cohortem praetoriam in medios hostis inducit eosque perturbatos atque alios alibi resistentis interficit; deinde utrimque ex lateribus ceteros aggreditur. (6) Manlius et Faesulanus in primis pugnantes cadunt. (7) Catilina, postquam fusas copias seque cum paucis relicuom videt, memor generis atque pristinae suae dignitatis in confertissumos hostis incurrit ibique pugnans confoditur. 61 (1) Sed confecto proelio, tum vero cerneres, quanta audacia quantaque animi vis fuisset in exercitu Catilinae. (2) Nam fere, quem quisque vivos pugnando locum ceperat, eum amissa anima corpore tegebat. (3) Pauci autem, quos medios cohors praetoria disiecerat, paulo divorsius, , sed omnes tamen advorsis volneribus conciderant. (4) Catilina vero longe a suis inter hostium cadavera repertus est, paululum etiam spirans ferociamque animi, quam habuerat vivos, in voltu retinens. (5) Postremo ex omni copia neque in proelio neque in fuga quisquam civis ingenuos captus est: (6) ita cuncti suae hostiumque vitae iuxta pepercerant. (7) Neque tamen exercitus populi Romani laetam aut incruentam victoriam adeptus erat; nam strenuissumus quisque aut occiderat in proelio aut graviter volneratus discesserat. (8) Multi autem, qui e castris visundi aut spoliandi gratia processerant, volventes hostilia cadavera amicum alii, pars hospitem aut cognatum reperiebant; fuere item, qui inimicos suos cognoscerent. (9) Ita varie per omnem exercitum laetitia, maeror, luctus atque gaudia agitabantur.

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selbe macht das feindliche Heer. (2) Nachdem man einander so nahe gekommen war, dass die Schlacht von den Wurfschützen begonnen werden konnte, rennen sie unter großem Geschrei in Angriffsformation aufeinander zu. Sie werfen die Wurfspeere weg, der Kampf wird mit dem Schwert geführt. (3) Die Veteranen erinnern sich an ihre frühere Tapferkeit und setzen im Nahkampf heftig nach; die anderen leisten keinen feigen Widerstand: Man kämpft mit äußerster Anstrengung. (4) Dabei hielt sich Catilina mit den Leichtbewaffneten in vorderster Front auf, kam in Not Geratenen zu Hilfe, holte frische Kräfte für die Verwundeten, kümmerte sich um alles, kämpfte häufig selbst, oft erschlug er einen Feind: Er erfüllte zugleich die Aufgaben eines tüchtigen Soldaten und eines guten Feldherrn. (5) Als Petreius sieht, dass Catilina, anders als er es erwartet hatte, mit großer Verbissenheit kämpft, führt er seine Leibgarde mitten in die Feinde hinein, stiftet auf diese Weise Verwirrung unter ihnen und tötet die allerorten Widerstand leistenden Gegner. Dann greift er zu beiden Seiten die verbliebenen Truppenteile über die Flanken her an. (6) Manlius und der Mann aus Fiesole fallen in der vordersten Linie im Kampf. (7) Als Catilina erkennt, dass seine Truppen geschlagen sind und er nur noch mit einigen wenigen übrig geblieben ist, stürzt er sich, in Erinnerung an seine Abstammung und seine frühere Stellung, in den dichtesten Feindeshaufen und wird dort im Kampf durchbohrt. 61 (1) Dann aber, nach dem Ende der Schlacht, hätte man in der Tat erkennen können, wie viel Kühnheit und Energie in Catilinas Heer vorhanden gewesen waren. (2) Denn jeder Kämpfer bedeckte nach dem Verlust seines Lebens ungefähr die Stelle mit seinem Körper, an der er als Lebender gekämpft hatte. (3) Nur wenige, die die Leibgarde durch den Angriff auf das Zentrum zersprengt hatte, lagen etwas weiter weg, der eine hier, der andere dort; aber alle waren jedenfalls mit einer Brustwunde gefallen. (4) Catilina aber ist weitab von seinen Leuten unter den Leichen der Feinde gefunden worden, noch ein wenig atmend und immer noch mit der Wildheit in seiner Miene, die er auch zu Lebzeiten gehabt hatte. (5) Schließlich ist von der ganzen Truppe weder im Kampf noch auf der Flucht ein einziger freigeborener Bürger gefangen genommen worden: (6) Denn alle hatten ihr eigenes Leben ebenso wenig geschont wie das der Feinde. (7) Aber dennoch hatte das Heer des römischen Volkes weder einen freudigen noch einen unblutigen Sieg errungen; denn gerade die Tüchtigsten waren entweder im Kampf gefallen oder hatten schwer verwundet das Schlachtfeld verlassen. (8) Viele aber, die das Lager aus Neugier oder zum Beutemachen verlassen hatten, entdeckten, als sie die Leichen der Feinde umdrehten, teils einen Freund, teils einen Gastfreund oder einen Verwandten; einige erkannten auch ihre persönlichen Feinde. (9) So herrschten im ganzen Heer abwechselnd Freude und Leid, Trauer und Fröhlichkeit.

C. SALLUSTII CRISPI DE BELLO IUGURTHINO SALLUST DER KRIEG GEGEN JUGURTHA

C. SALLUSTII CRISPI DE BELLO IUGURTHINO 1 (1) Falso queritur de natura sua genus humanum, quod inbecilla atque aevi brevis forte potius quam virtute regatur. (2) Nam contra reputando neque maius aliud neque praestabilius invenias magisque naturae industriam hominum quam vim aut tempus deesse. (3) Sed dux atque imperator vitae mortalium animus est; qui, ubi ad gloriam virtutis via grassatur, abunde pollens potensque et clarus est neque fortuna eget, quippe quae probitatem, industriam aliasque artis bonas neque dare neque eripere quoiquam potest. (4) Sin captus pravis cupidinibus ad inertiam et voluptates corporis pessum datus est, perniciosa lubidine paulisper usus, ubi per socordiam vires, tempus, ingenium diffluxere, naturae infirmitas accusatur: suam quisque culpam auctores ad negotia transferunt. (5) Quod si hominibus bonarum rerum tanta cura esset, quanto studio aliena ac nihil profutura multaque etiam periculosa petunt, neque regerentur magis quam regerent casus et eo magnitudinis procederent, ubi pro mortalibus gloria aeterni fierent. 2 (1) Nam uti genus hominum compositum ex corpore et anima est, ita res cunctae studiaque omnia nostra corporis alia, alia animi naturam secuntur. (2) Igitur praeclara facies, magnae divitiae, ad hoc vis corporis et alia omnia huiusce modi brevi dilabuntur; at ingeni egregia facinora sicuti anima immortalia sunt. (3) Postremo corporis et fortunae bonorum ut initium sic finis est, omniaque orta occidunt et aucta senescunt: animus incorruptus, aeternus, rector humani generis agit atque habet cuncta neque ipse habetur. (4) Quo magis pravitas eorum admiranda est, qui dediti corporis gaudiis per luxum et ignaviam aetatem agunt, ceterum ingenium, quo neque melius neque amplius aliud in natura mortalium est, incultu atque socordia torpescere sinunt, cum praesertim tam multae variaeque sint artes animi, quibus summa claritudo paratur.

SALLUST DER KRIEG GEGEN JUGURTHA 1 (1) Zu Unrecht beklagt sich das Menschengeschlecht über seine Natur, weil sie schwach und kurzlebig sei und eher vom Zufall als von der eigenen Leistung abhänge. (2) Denn wenn man die Gegenrechnung aufmacht, so wird man wohl feststellen, dass es nichts Größeres und Vortrefflicheres gibt und dass unserer Natur eher der Fleiß der einzelnen Menschen als Kraft oder Zeit fehlen. (3) Aber der Anführer und der Feldherr im Leben der Menschen ist der Geist; wenn er auf dem Weg der Leistung zum Ruhme schreitet, ist er überaus stark, kräftig und bedeutend und bedarf des Glücks nicht, da dieses Integrität, Fleiß und andere gute Eigenschaften weder geben noch nehmen kann. (4) Wenn er aber schlechten Begierden zum Opfer gefallen ist, sich zu Trägheit und körperlichen Genüssen herabgelassen und die verderbliche Lust auch nur eine kurze Zeit lang genossen hat, so klagt man, sobald durch Sorglosigkeit Kräfte, Zeit und Talent dahingeschwunden sind, die Schwäche der menschlichen Natur an: Jeder, der in Wirklichkeit selbst verantwortlich ist, schiebt seine eigene Schuld auf die Umstände. (5) Wenn sich nun die Menschen so intensiv um sinnvolle Dinge kümmern würden, wie sie mit größtem Eifer Dingen nachjagen, die nichts mit ihnen zu tun haben und nutzlos, oft sogar gefährlich und schädlich sind, würden sie nicht so sehr vom Schicksal gelenkt werden als es vielmehr selbst lenken und so bedeutend werden, dass sie nicht mehr der Sterblichkeit unterworfen sind, sondern dank ihrem Ruhm in den Besitz der Ewigkeit gelangen. 2 (1) Denn wie das Menschengeschlecht aus Körper und Seele besteht, so hängen alle Dinge und alle unsere Tätigkeiten teils vom körperlichen, teils vom seelischen Prinzip ab. (2) Daher vergehen blendendes Aussehen, großer Reichtum, zudem Körperkraft und alle anderen derartigen Vorzüge in kurzer Zeit; aber die herausragenden Taten des Geistes sind so wie die Seele unsterblich. (3) Schließlich haben die körperlichen Güter und die Glücksgüter einen Anfang und ebenso auch ein Ende; alles, was einmal entstanden ist, geht auch wieder zugrunde; alles, was wächst, altert auch. Der Geist hingegen ist unzerstörbar, ewig, fungiert als Lenker des Menschengeschlechtes, besitzt alles, ist selbst aber niemals Besitz. (4) Umso mehr muss man sich über die Verkommenheit der Menschen wundern, die sich den körperlichen Freuden hingeben und ihr Leben in Ausschweifung und Trägheit verbringen, es aber zulassen, dass ihr Geist (das Beste und Größte in der menschlichen Natur) durch Verwahrlosung und Sorglosigkeit erschlafft, zumal es so viele verschiedene geistige Tätigkeiten gibt, durch die man sich höchsten Ruhm erwerben kann.

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3 (1) Verum ex iis magistratus et imperia, postremo omnis cura rerum publicarum minume mihi hac tempestate cupiunda videntur, quoniam neque virtuti honos datur neque illi, quibus per fraudem iis fuit uti, tuti aut eo magis honesti sunt. (2) Nam vi quidem regere patriam aut parentis, quamquam et possis et delicta corrigas, tamen importunum est, cum praesertim omnes rerum mutationes caedem, fugam aliaque hostilia portendant. (3) Frustra autem niti neque aliud se fatigando nisi odium quaerere extremae dementiae est; (4) nisi forte quem inhonesta et perniciosa lubido tenet potentiae paucorum decus atque libertatem suam gratificari. 4 (1) Ceterum ex aliis negotiis, quae ingenio exercentur, in primis magno usui est memoria rerum gestarum. (2) Quoius de virtute quia multi dixere, praetereundum puto, simul ne per insolentiam quis existimet memet studium meum laudando extollere. (3) Atque ego credo fore, qui, quia decrevi procul a re publica aetatem agere, tanto tamque utili labori meo nomen inertiae imponant, certe quibus maxuma industria videtur salutare plebem et conviviis gratiam quaerere. (4) Qui si reputaverint et quibus ego temporibus magistratus adeptus sum et quales viri idem assequi nequiverint et postea quae genera hominum in senatum pervenerint, profecto existimabunt me magis merito quam ignavia iudicium animi mei mutavisse maiusque commodum ex otio meo quam ex aliorum negotiis rei publicae venturum. (5) Nam saepe ego audivi Q. Maxumum, P. Scipionem, praeterea civitatis nostrae praeclaros viros solitos ita dicere, cum maiorum imagines intuerentur, vehementissume sibi animum ad virtutem accendi. (6) Scilicet non ceram illam neque figuram tantam vim in sese habere, sed memoria rerum gestarum eam flammam egregiis viris in pectore crescere neque prius sedari quam virtus eorum famam atque gloriam adaequaverit. (7) At contra quis est omnium, his moribus, quin divitiis et sumptibus, non probitate neque industria cum maioribus suis contendat? Etiam homines novi, qui antea per virtutem soliti erant nobilitatem antevenire, furtim et per latrocinia potius quam bonis artibus ad imperia et honores

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3 (1) Aber unter diesen scheinen mir Ämter und Kommandostellen, überhaupt jede Art von politischer Tätigkeit derzeit am wenigsten erstrebenswert zu sein, da die Rechtschaffenheit nicht in Ehren steht und diejenigen, denen es durch Lug und Trug gelungen ist, zu diesen Ämtern zu gelangen, deswegen keineswegs sicherer oder geehrter wären. (2) Denn mit Gewalt das Vaterland oder die Eltern zu regieren, mag man es auch können und dabei fehlerhaftes Verhalten korrigieren, ist dennoch misslich, zumal alle Veränderungen Mord, Exil und andere Feindseligkeiten verheißen. (3) Sich aber vergeblich anzustrengen und sich durch seine Mühen nichts anderes als Hass zuzuziehen, ist Zeichen größter Dummheit – (4) es sei denn, jemand wäre von der schändlichen und schädlichen Leidenschaft getrieben, der Macht einiger weniger sein Ansehen und seine Freiheit aufzuopfern. 4 (1) Aber von den anderen geistigen Betätigungen ist die Geschichtsschreibung ganz besonders nützlich. (2) Da schon viele über ihre Vorzüge geschrieben haben, sollte ich dies wohl übergehen, auch damit niemand glaubt, ich wollte meine Tätigkeit aus übertriebenem Stolz durch Lobeshymnen in den Vordergrund rücken. (3) Ich glaube auch, dass es Leute geben wird, die meiner so bedeutenden und nützlichen Arbeit die Bezeichnung ‚Trägheit‘ verleihen, weil ich beschlossen habe, mein Leben fern von der Politik zu verbringen. Das sind sicherlich gerade diejenigen, die es für den deutlichsten Beweis von Aktivität halten, das Volk zu umwerben und durch öffentliche Speisungen nach dessen Gunst zu jagen. (4) Wenn sie sich einmal überlegen würden, in welchen Zeiten ich meine Ämter erreicht habe, welche Männer dasselbe nicht erreichen konnten und welche Art von Männern später in den Senat gelangte, so werden sie in der Tat zu der Einschätzung kommen, dass ich zu Recht und nicht etwa aus Trägheit meine Meinung geändert habe und dass der Staat größeren Gewinn aus meiner Muße als aus den Tätigkeiten anderer ziehen dürfte. (5) Oft habe ich nämlich gehört, dass Quintus Maximus und Publius Scipio, außerdem andere herausragende Männer unseres Staates zu sagen pflegten, dass in ihrem Inneren immer eine heftige Begeisterung für große Taten entbrenne, wenn sie die Wachsmasken ihrer Vorfahren betrachteten. (6) Natürlich hatte nicht dieses Wachs oder das Abbild eine so große Kraft in sich, sondern diese Flamme wuchs im Herzen der herausragenden Männer durch die Erinnerung an die Leistungen ihrer Ahnen, und sie erlosch erst, als ihre Tatkraft das Ansehen und den Ruhm der Vorfahren erreicht hatte. (7) Andererseits aber: Wen gäbe es heute noch irgendwo, angesichts der jetzt herrschenden Moral, der mit seinen Vorfahren nicht um Reichtum und Ausgaben, sondern um Rechtschaffenheit und Fleiß wetteiferte? Sogar die homines novi, novi, die früher gewöhnlich dank ihrer Tatkraft die Adeligen überflügelten, streben jetzt eher wie Diebe und Räuber als durch ihre guten Eigenschaften nach Ämtern

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nituntur; (8) proinde quasi praetura et consulatus atque alia omnia huiusce modi per se ipsa clara et magnifica sint ac non perinde habeantur, ut eorum, qui ea sustinent, virtus est. (9) Verum ego liberius altiusque processi, dum me civitatis morum piget taedetque. Nunc ad inceptum redeo. 5 (1) Bellum scripturus sum, quod populus Romanus cum Iugurtha rege Numidarum gessit, primum quia magnum et atrox variaque victoria fuit, dehinc quia tunc primum superbiae nobilitatis obviam itum est; (2) quae contentio divina et humana cuncta permiscuit eoque vecordiae processit, ut studiis civilibus bellum atque vastitas Italiae finem faceret. (3) Sed prius quam huiusce modi rei initium expedio, pauca supra repetam, quo ad cognoscendum omnia illustria magis magisque in aperto sint. (4) Bello Punico secundo, quo dux Carthaginiensium Hannibal post magnitudinem nominis Romani Italiae opes maxume attriverat, Masinissa rex Numidarum in amicitiam receptus a P. Scipione, quoi postea Africano cognomen ex virtute fuit, multa et praeclara rei militaris facinora fecerat. Ob quae victis Carthaginiensibus et capto Syphace, quoius in Africa magnum atque late imperium valuit, populus Romanus quascumque urbis et agros manu ceperat regi dono dedit. (5) Igitur amicitia Masinissae bona atque honesta nobis permansit; sed imperi vitaeque eius finis idem fuit. (6) Dein Micipsa filius regnum solus obtinuit Mastanabale et Gulussa fratribus morbo absumptis. (7) Is Adherbalem et Hiempsalem ex sese genuit Iugurthamque filium Mastanabalis fratris, quem Masinissa, quod ortus ex concubina erat, privatum dereliquerat, eodem cultu quo liberos suos domi habuit. 6 (1) Qui ubi primum adolevit, pollens viribus, decora facie, sed multo maxume ingenio validus, non se luxu neque inertiae corrumpendum dedit, sed, uti mos gentis illius est, equitare, iaculari, cursu cum aequalibus certare, et cum omnis gloria anteiret, omnibus tamen carus esse; ad hoc pleraque tempora in venando agere, leonem atque alias feras primus aut in primis ferire; plurumum facere,

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und Ehren – (8) als ob die Prätur und das Konsulat und alle anderen derartigen Ämter schon an und für sich bedeutend und großartig wären und nicht in demselben Ansehen stünden wie die Leistungen der jeweiligen Amtsinhaber. (9) Aber ich habe zu freimütig gesprochen und bin zu weit vorangeschritten, da es mich vor dem sittlichen Zustand des Staates allzu sehr ekelt. Nun kehre ich zu meinem Vorhaben zurück. 5 (1) Ich werde den Krieg darstellen, den das römische Volk mit dem Numiderkönig Jugurtha geführt hat, zum einen weil er bedeutend und schrecklich war und der Krieg lange unentschieden hin und her wogte, zum anderen weil man damals zum ersten Mal dem Hochmut der Nobilität entgegentrat. (2) Diese Auseinandersetzung brachte alle göttlichen und menschlichen Ordnungen durcheinander und ging in ihrem Wahnsinn so weit, dass den Parteileidenschaften erst der Krieg und die Verwüstung Italiens ein Ende setzten. (3) Aber bevor ich die Anfänge dieser Ereignisse darstelle, will ich ein wenig weiter ausholen, damit so alle Zusammenhänge für den Leser deutlicher und klarer werden. (4) Nachdem der Name Roms groß geworden war, hatte im zweiten Punischen Krieg [218–201 v. Chr.] der Feldherr der Karthager, Hannibal, die Kräfte Italiens sehr stark aufgerieben. Da wurde der Numiderkönig Masinissa von Publius Scipio (der später wegen seiner Leistungen den Beinamen Africanus erhielt) als Freund des römischen Volkes anerkannt und erzielte viele glänzende militärische Erfolge. Als die Karthager besiegt und Syphax gefangen genommen worden war, dessen Einflussgebiet in Africa sich weithin erstreckte, machte das römische Volk daher diesem König alle Städte und das gesamte Land, das er auf eigene Faust erobert hatte, zum Geschenk. (5) Und so blieb das freundschaftliche Verhältnis zu Masinissa ungetrübt und ehrenvoll. Aber das Ende seines Lebens bedeutete auch das Ende seines Reiches. (6) Sein Sohn Micipsa übernahm daraufhin alleine die Herrschaft, nachdem seine Brüder Mastanabal und Gulussa an Krankheiten gestorben waren. (7) Seine leiblichen Söhne waren Adherbal und Hiempsal; Jugurtha, den Sohn seines Bruders Mastanabal, den Masinissa als den Sohn einer Nebenfrau von der Thronfolge ausgeschlossen hatte, ließ Micipsa in seinem Hause mit demselben Aufwand erziehen wie seine Söhne. 6 (1) Sobald Jugurtha herangewachsen war, ein kräftiger, schöner, vor allem aber sehr begabter junger Mann, gab er sich nicht den verderblichen Lastern der Ausschweifung und der Trägheit hin, sondern er widmete sich, wie bei den Numidern üblich, dem Reiten und dem Speerwerfen und maß sich mit seinen Altersgenossen im Wettlauf; und obwohl er alle an Ruhm überragte, war er dennoch bei allen beliebt. Zudem verbrachte er viel Zeit mit der Jagd; Löwen und andere wilde Tiere tötete er als erster oder unter den ersten. Er

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et minumum ipse de se loqui. (2) Quibus rebus Micipsa tametsi initio laetus fuerat, existimans virtutem Iugurthae regno suo gloriae fore, tamen, postquam hominem adulescentem exacta sua aetate et parvis liberis magis magisque crescere intellegit, vehementer eo negotio permotus multa cum animo suo volvebat. (3) Terrebat eum natura mortalium avida imperi et praeceps ad explendam animi cupidinem, praeterea opportunitas suae liberorumque aetatis, quae etiam mediocris viros spe praedae transvorsos agit, ad hoc studia Numidarum in Iugurtham accensa, ex quibus, si talem virum dolis interfecisset, ne qua seditio aut bellum oriretur, anxius erat. 7 (1) His difficultatibus circumventus, ubi videt neque per vim neque insidiis opprimi posse hominem tam acceptum popularibus, quod erat Iugurtha manu promptus et adpetens gloriae militaris, statuit eum obiectare periculis et eo modo fortunam temptare. (2) Igitur bello Numantino Micipsa, cum populo Romano equitum atque peditum auxilia mitteret, sperans vel ostentando virtutem vel hostium saevitia facile eum occasurum, praefecit Numidis, quos in Hispaniam mittebat. (3) Sed ea res longe aliter ac ratus erat evenit. (4) Nam Iugurtha, ut erat impigro atque acri ingenio, ubi naturam P. Scipionis, qui tum Romanis imperator erat, et morem hostium cognovit, multo labore multaque cura, praeterea modestissume parendo et saepe obviam eundo periculis in tantam claritudinem brevi pervenerat, ut nostris vehementer carus, Numantinis maxumo terrori esset. (5) Ac sane, quod difficillumum in primis est, et proelio strenuos erat et bonus consilio, quorum alterum ex providentia timorem, alterum ex audacia temeritatem afferre plerumque solet. (6) Igitur imperator omnis fere res asperas per Iugurtham agere, in amicis habere, magis magisque eum in dies amplecti, quippe quoius neque consilium neque inceptum ullum frustra erat. (7) Huc accedebat munificentia animi et ingeni sollertia, quis rebus sibi multos ex Romanis familiari amicitia coniunxerat.

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vollbrachte zahlreiche Taten, redete aber sehr wenig über sich selbst. (2) Anfangs freute sich Micipsa darüber, weil er glaubte, dass Jugurthas Tüchtigkeit seinem Reich Ruhm einbringen werde. Als er aber erkannte, dass der junge Mann mehr und mehr an Ansehen gewann, während er selbst alt und seine leiblichen Kinder noch jung waren, beunruhigte ihn dieser Sachverhalt sehr und er machte sich viele Gedanken darüber. (3) Ihn erschreckte die menschliche Natur, die herrschsüchtig ist und schnell bereit, ihre Leidenschaften zu befriedigen, außerdem die günstige Gelegenheit, die in seinem hohen Alter und in der Jugend seiner Söhne lag und auch mittelmäßige Männer in der Hoffnung auf Beute auf Abwege zu führen vermag, zudem Jugurthas große Beliebtheit bei den Numidern – er fürchtete nämlich, dass sie einen Aufstand oder einen Krieg entfachen könnten, wenn er einen solchen Mann mit List und Tücke tötete. 7 (1) Als er sich vor derartige Schwierigkeiten gestellt sah und erkannte, dass ein Mann, der bei seinen Landsleuten so beliebt war, weder gewaltsam noch durch List überwältigt werden könne, beschloss er, Jugurtha, da dieser tapfer war und nach militärischem Ruhm strebte, Gefahren auszusetzen und auf diese Weise sein Glück zu versuchen. (2) Als Micipsa dem römischen Volk für den Numantinischen Krieg Kavallerie- und Infanteriehilfstruppen stellte, betraute er daher Jugurtha mit dem Kommando über die nach Spanien entsandten numidischen Kontingente, in der Hoffnung, dass er sicherlich entweder durch den Willen, seine Tatkraft unter Beweis zu stellen, oder durch die Grausamkeit der Feinde ums Leben kommen würde. (3) Aber diese Sache ging ganz anders aus, als er erwartet hatte. (4) Denn sobald Jugurtha, der einen wachen und scharfen Verstand hatte, das Wesen des Publius Scipio, der damals die römischen Truppen kommandierte, und den Charakter der Feinde erkannt hatte, gelangte er durch große Tatkraft und Diensteifer, außerdem durch strikten Gehorsam und dadurch, dass er der Gefahr oft mutig die Stirn bot, in kurzer Zeit zu einer solchen Berühmtheit, dass er bei unseren Leuten sehr beliebt war, bei den Numantinern aber Angst und Schrecken verbreitete. (5) Und in der Tat war er, was besonders schwierig ist, sowohl ein tüchtiger Kämpfer als auch ein kluger Ratgeber: Der eine dieser beiden Vorzüge pflegt zumeist aus Vorsicht Angst werden zu lassen, der andere aber aus Tapferkeit Unbesonnenheit. (6) So ließ der Feldherr fast alle beschwerlichen Aufgaben durch Jugurtha erledigen, behandelte ihn wie seine Freunde, schätzte ihn von Tag zu Tag mehr, da ja keiner seiner Ratschläge und keine seiner Unternehmungen fehlschlug. (7) Hinzu kamen seine Freigebigkeit und seine geistige Beweglichkeit. Durch diese Eigenschaften hatte er sich viele Römer in enger Freundschaft verbinden können.

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8 (1) Ea tempestate in exercitu nostro fuere complures novi atque nobiles, quibus divitiae bono honestoque potiores erant, factiosi domi, potentes apud socios, clari magis quam honesti, qui Iugurthae non mediocrem animum pollicitando accendebant: si Micipsa rex occidisset, fore, uti solus imperi Numidiae potiretur; in ipso maxumam virtutem, Romae omnia venalia esse. (2) Sed postquam Numantia deleta P. Scipio dimittere auxilia et ipse revorti domum decrevit, donatum atque laudatum magnifice pro contione Iugurtham in praetorium abduxit ibique secreto monuit, ut potius publice quam privatim amicitiam populi Romani coleret neu quibus largiri insuesceret: periculose a paucis emi, quod multorum esset. Si permanere vellet in suis artibus, ultro illi et gloriam et regnum venturum; sin properantius pergeret, suamet ipsum pecunia praecipitem casurum. 9 (1) Sic locutus cum litteris eum, quas Micipsae redderet, dimisit. Earum sententia haec erat: (2) ‘Iugurthae tui bello Numantino longe maxuma virtus fuit, quam rem tibi certo scio gaudio esse. Nobis ob merita sua carus est; ut idem senatui et populo Romano sit, summa ope nitemur. Tibi quidem pro nostra amicitia gratulor. Habes virum dignum te atque avo suo Masinissa.’ (3) Igitur rex, ubi ea, quae fama acceperat, ex litteris imperatoris ita esse cognovit, cum virtute tum gratia viri permotus flexit animum suom et Iugurtham beneficiis vincere aggressus est statimque eum adoptavit et testamento pariter cum filiis heredem instituit. (4) Sed ipse paucos post annos morbo atque aetate confectus, cum sibi finem vitae adesse intellegeret, coram amicis et cognatis itemque Adherbale et Hiempsale filiis dicitur huiusce modi verba cum Iugurtha habuisse: 10 (1) ‘Parvom ego te, Iugurtha, amisso patre, sine spe, sine opibus in meum regnum accepi, existimans non minus me tibi quam liberis, si genuissem, ob beneficia carum fore; neque ea res falsum me habuit. (2) Nam, ut alia magna et

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8 (1) Zu dieser Zeit gab es in unserem Heer mehrere homines novi und Adelige, denen Reichtum wichtiger war als gutes und ehrenhaftes Verhalten; diese Leute waren in der Heimat in die Parteienwirtschaft verstrickt, bei den Bundesgenossen mächtig, eher bedeutend als ehrenhaft. Sie versuchten nun, Jugurthas außergewöhnliche Persönlichkeit durch Versprechungen aufzuhetzen: Wenn der König Micipsa einmal sterbe, könne er sich alleine der Herrschaft über Numidien bemächtigen; er besitze größte Tatkraft, in Rom sei aber alles käuflich. (2) Als nun Scipio nach der Zerstörung Numantias beschloss, die Hilfstruppen zu entlassen und selbst nach Hause zurückzukehren, beschenkte er Jugurtha und lobte ihn ausführlich vor der Heeresversammlung, führte ihn dann aber in sein Feldherrnzelt und riet ihm dort unter vier Augen, die Freundschaft mit dem römischen Volk eher in der Öffentlichkeit als im Privaten zu pflegen und sich nicht die Praxis der Bestechung anzugewöhnen. Nur unter Gefahren erkaufe man sich von einigen wenigen, was vielen gehöre. Wenn er seinen Fähigkeiten treu bleibe, würden sich Ruhm und Herrschaft von selbst einstellen; wenn er aber zu hastig vorgehe, werde er durch sein eigenes Geld zu Fall kommen. 9 (1) Nach dieser Rede übergab er ihm einen Brief, den er Micipsa aushändigen sollte und entließ ihn. Der Inhalt dieses Briefes war folgendermaßen: (2) „Dein Jugurtha hat im Numantinischen Krieg alle anderen an Tüchtigkeit weit übertroffen, worüber Du dich sicher freuen wirst. Bei uns erfreut er sich wegen seiner Verdienste großer Beliebtheit, und wir werden uns ganz besondere Mühe geben, dass dies auch für den Senat und das römische Volk gilt. Da wir Freunde sind, kann ich Dich nur aufrichtig beglückwünschen. Du hast in ihm einen Mann, der Deiner und seines Großvaters Masinissa würdig ist.“ (3) Da der König dem Brief des Feldherrn entnehmen musste, dass die Sache sich wirklich so verhielt, wie er schon gerüchteweise gehört hatte, ließ er sich durch die Tatkraft, vor allem aber durch Jugurthas Ansehen umstimmen und versuchte, ihn durch Gunstbezeigungen zu besiegen; und so adoptierte er ihn sofort und setzte ihn zusammen mit seinen Söhnen testamentarisch als gleichberechtigten Erben ein. (4) Als er selbst aber wenige Jahre später, von Krankheit und Alter gezeichnet, merkte, dass sein Ende nahe war, soll er vor seinen Freunden und Verwandten sowie vor seinen Söhnen Adherbal und Hiempsal eine Rede an Jugurtha gerichtet haben, die ungefähr den folgenden Wortlaut hatte: 10 (1) „Jugurtha, ich habe dich als kleinen Jungen, nachdem du deinen Vater verloren hattest und weder auf eine strahlende Zukunft hoffen konntest noch irgendwelche Mittel besaßest, in meinem Königreich aufgenommen, in dem Glauben, dass ich dir wegen meiner Gunstbezeigungen genauso ans Herz wachsen würde wie meinen eigenen Kindern, wenn ich noch welche zeugen sollte. Und darin habe ich mich nicht getäuscht. (2) Als du nämlich (um andere

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egregia tua omittam, novissume rediens Numantia meque regnumque meum gloria honoravisti tuaque virtute nobis Romanos ex amicis amicissumos fecisti. In Hispania nomen familiae renovatum est. Postremo, quod difficillumum inter mortalis est, gloria invidiam vicisti. (3) Nunc, quoniam mihi natura finem vitae facit, per hanc dexteram, per regni fidem moneo obtestorque te, uti hos, qui tibi genere propinqui, beneficio meo fratres sunt, caros habeas neu malis alienos adiungere quam sanguine coniunctos retinere. (4) Non exercitus neque thesauri praesidia regni sunt, verum amici, quos neque armis cogere neque auro parare queas: officio et fide pariuntur. (5) Quis autem amicior quam frater fratri? Aut quem alienum fidum invenies, si tuis hostis fueris? (6) Equidem ego vobis regnum trado firmum, si boni eritis, sin mali, inbecillum. Nam concordia parvae res crescunt, discordia maximae dilabuntur. (7) Ceterum ante hos te, Iugurtha, qui aetate et sapientia prior es, ne aliter quid eveniat, providere decet; nam in omni certamine qui opulentior est, etiam si accipit iniuriam, tamen, quia plus potest, facere videtur. (8) Vos autem, Adherbal et Hiempsal, colite, observate talem hunc virum, imitamini virtutem et enitimini, ne ego meliores liberos sumpsisse videar quam genuisse.’ 11 (1) Ad ea Iugurtha, tametsi regem ficta locutum intellegebat et ipse longe aliter animo agitabat, tamen pro tempore benigne respondit. (2) Micipsa paucis post diebus moritur. Postquam illi more regio iusta magnifice fecerant, reguli in unum convenerunt, ut inter se de cunctis negotiis disceptarent. (3) Sed Hiempsal, qui minumus ex illis erat, natura ferox et iam antea ignobilitatem Iugurthae, quia materno genere impar erat, despiciens, dextra Adherbalem assedit, ne medius ex tribus, quod apud Numidas honori ducitur, Iugurtha foret. (4) Dein tamen, ut aetati concederet, fatigatus a fratre, vix in partem alteram transductus est. (5) Ibi cum multa de administrando

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große und herausragende Taten, die du vollbracht hast, zu übergehen) vor nicht allzu langer Zeit aus Numantia zurückkehrtest, hast du mir und meinem Königreich Ruhm und Ehre gebracht und uns durch deine Tüchtigkeit die Römer noch freundschaftlicher verbunden, als es schon zuvor der Fall war. In Spanien ist der Ruhm unserer Familie erneuert worden. Schließlich hast du, was das Schwierigste für einen Menschen ist, durch Ruhm den Neid besiegt. (3) Da nun der natürliche Lauf der Dinge meinem Leben ein Ende setzt, ermahne und beschwöre ich dich bei dieser Rechten, bei der einem König gebührenden Aufrichtigkeit, diese beiden, die dir von der Abstammung her Verwandte, durch meine Gunst aber Brüder sind, zu lieben und dir nicht lieber Fremde verbinden zu wollen, anstatt die Bande zu deinen Blutsverwandten aufrecht zu erhalten. (4) Weder Armeen noch Schatzhäuser schützen ein Reich, sondern Freunde, die man weder mit Waffengewalt erzwingen noch mit Gold erwerben kann: Nur durch Pflichtgefühl und Treue kann man sie gewinnen. (5) Welchen besseren Freund kann es aber geben als den eigenen Bruder? Oder in welchem Fremden wirst du einen treuen Freund finden, wenn du den Deinen ein Feind bist? (6) Ich übergebe euch ein Königreich, das stark sein wird, wenn ihr rechtschaffen seid, aber schwach, wenn ihr verbrecherisch handelt. Denn durch Einigkeit wächst auch Unbedeutendes, durch Zwietracht hingegen zerfallen selbst die größten Dinge. (7) Aber du, Jugurtha, der du älter und weiser bist, musst mehr als die anderen beiden dafür Sorge tragen, dass es nicht anders ausgeht. Denn in jeder Auseinandersetzung gilt, dass der Überlegene auch dann, wenn er Unrecht erleidet, es zu begehen scheint, weil er eben der Stärkere ist. (8) Ihr aber, Adherbal und Hiempsal, ehrt und achtet diesen großen Mann, ahmt seine Tatkraft nach und strengt euch an, den Eindruck zu vermeiden, ich hätte bessere Kinder adoptiert als gezeugt.“ 11 (1) Obwohl Jugurtha bemerkte, dass der König heuchlerisch gesprochen hatte, und er selbst in seinem Innersten ganz andere Absichten hegte, gab er darauf dennoch den Umständen entsprechend eine freundliche Antwort. (2) Micipsa starb wenige Tage später. Nachdem sie ihm die letzten, einem König zukommenden Ehren mit großem Aufwand erwiesen hatten, kamen die Prinzen an einem Ort zusammen, um unter sich über alle Angelegenheiten zu sprechen. (3) Hiempsal aber, der der jüngste von ihnen war und ein ungestümes Wesen hatte, hatte schon zuvor Jugurthas geringere Herkunft verachtet, weil dieser von mütterlicher Seite her nicht ebenbürtig war. Nun setzte er sich rechts neben Adherbal, damit Jugurtha nicht in der Mitte sitzen konnte, was bei den Numidern als Ehre gilt. (4) Da wurde er aber von seinem Bruder gedrängt, dem Alter den Vorrang zu lassen, ließ sich aber nur mit Mühe dazu bewegen, auf der anderen Seite Platz zu nehmen. (5) Als sie dann ausführlich

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imperio dissererent, Iugurtha inter alias res iacit oportere quinquenni consulta et decreta omnia rescindi; nam per ea tempora confectum annis Micipsam parum animo valuisse. (6) Tum idem Hiempsal placere sibi respondit; nam ipsum illum tribus proxumis annis adoptatione in regnum pervenisse. (7) Quod verbum in pectus Iugurthae altius quam quisquam ratus erat descendit. (8) Itaque ex eo tempore ira et metu anxius moliri, parare atque ea modo cum animo habere, quibus Hiempsal per dolum caperetur. (9) Quae ubi tardius procedunt neque lenitur animus ferox, statuit quovis modo inceptum perficere. 12 (1) Primo conventu, quem ab regulis factum supra memoravi, propter dissensionem placuerat dividi thesauros finisque imperi singulis constitui. (2) Itaque tempus ad utramque rem decernitur, sed maturius ad pecuniam distribuendam. Reguli interea in loca propinqua thesauris alius alio concessere. (3) Sed Hiempsal in oppido Thirmida forte eius domo utebatur, qui, proxumus lictor Iugurthae, carus acceptusque ei semper fuerat. Quem ille casu ministrum oblatum promissis onerat impellitque, uti tamquam sua visens domum eat, portarum clavis adulterinas paret – nam verae ad Hiempsalem referebantur – ceterum, ubi res postularet, se ipsum cum magna manu venturum. (4) Numida mandata brevi conficit atque, uti doctus erat, noctu Iugurthae milites introducit. (5) Qui postquam in aedis irrupere, divorsi regem quaerere, dormientis alios, alios occursantis interficere, scrutari loca abdita, clausa effringere, strepitu et tumultu omnia miscere, cum interim Hiempsal reperitur occultans se tugurio mulieris ancillae, quo initio pavidus et ignarus loci perfugerat. (6) Numidae caput eius, uti iussi erant, ad Iugurtham referunt. 13 (1) Ceterum fama tanti facinoris per omnem Africam brevi divolgatur. Adherbalem omnisque, qui sub imperio Micipsae fuerant, metus invadit. In duas partis discedunt Numidae: plures Adherbalem secuntur, sed illum alterum bello meliores. (2) Igitur Iugurtha quam maxumas potest copias armat, urbis partim vi, alias voluntate imperio suo adiungit,

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über die Verwaltung des Reiches diskutierten, ließ Jugurtha unter anderem die Bemerkung fallen, dass man alle Beschlüsse und Erlasse der letzten fünf Jahre für ungültig erklären solle, da damals der vom Alter gezeichnete Micipsa schon nicht mehr voll zurechnungsfähig gewesen sei. (6) Da entgegnete Hiempsal, er sei derselben Meinung, da Jugurtha selbst erst vor drei Jahren durch Adoption Mitglied des Königshauses geworden sei. (7) Dieser Ausspruch hinterließ tiefere Spuren in Jugurthas Seele, als man hätte glauben sollen. (8) Daher beschäftigte er sich seit diesem Tag, von Wut und Angst gequält, einzig und allein mit dem Gedanken, wie er Hiempsal durch List und Tücke zu fassen kriege. (9) Als diese Pläne nur geringe Fortschritte machten und sich seine wilde Rachsucht nicht legte, beschloss er, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, koste es, was es wolle. 12 (1) Auf der eben erwähnten ersten Zusammenkunft der drei Prinzen hatte man wegen der Meinungsverschiedenheiten beschlossen, die Schätze aufzuteilen und jedem einen eigenen Teil des Staatsgebietes zuzuweisen. (2) Und so wurde für beide Aktionen ein Termin vereinbart; zuerst wollte man aber das Geld verteilen. In der Zwischenzeit zogen sich die Prinzen in die Nähe der Schatzhäuser zurück, doch jeder an einen anderen Ort. (3) Hiempsal wohnte aber in der Stadt Thirmida zufällig im Hause des ranghöchsten Liktors des Jugurtha, der bei diesem immer in hoher Gunst gestanden hatte. Da ihm der Zufall diesen Handlanger geschickt hatte, überhäuft Jugurtha ihn mit Versprechungen und bringt ihn dazu, sein Haus aufzusuchen, als ob er lediglich nach dem Rechten sehe, und sich Nachschlüssel für die Türen zu verschaffen (die echten Schlüssel wurden nämlich Hiempsal ausgehändigt). Er selbst werde aber zu gegebener Zeit mit einer großen Abteilung Soldaten kommen. (4) Der Numider erledigt die Aufträge schnell und lässt entsprechend seinen Instruktionen Jugurthas Soldaten in der Nacht herein. (5) Nachdem diese ins Haus eingedrungen waren, teilten sie sich auf, um den König zu suchen, töteten die einen im Schlaf, die anderen, wie sie sie gerade trafen, durchsuchten auch entlegene Räume, brachen verschlossene Zimmer auf und erfüllten das ganze Haus mit Lärm und Aufruhr – schließlich wird Hiempsal gefunden, der sich in der Hütte einer Magd versteckt hatte, wohin er gleich zu Beginn ängstlich und in seiner mangelnden Kenntnis der Räumlichkeiten geflohen war. (6) Die Numider bringen sein Haupt, wie befohlen, zu Jugurtha. 13 (1) Die Nachricht von diesem ungeheuerlichen Verbrechen verbreitet sich aber schnell in ganz Africa. Furcht befällt Adherbal und alle, die in Micipsas Herrschaftsbereich gelebt hatten. Die Numider spalten sich in zwei Parteien: Der größere Teil folgt Adherbal, aber dem anderen die Kriegstüchtigeren. (2) Daher rüstet Jugurtha gewaltige Truppen aus, verleibt einige Städte mit Gewalt, andere mit deren Zustimmung seinem Herrschaftsbereich ein und

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omni Numidiae imperare parat. (3) Adherbal, tametsi Romam legatos miserat, qui senatum docerent de caede fratris et fortunis suis, tamen fretus multitudine militum parabat armis contendere. (4) Sed ubi res ad certamen venit, victus ex proelio profugit in provinciam ac deinde Romam contendit. (5) Tum Iugurtha, patratis consiliis postquam omnis Numidiae potiebatur, in otio facinus suom cum animo reputans timere populum Romanum neque advorsus iram eius usquam nisi in avaritia nobilitatis et pecunia sua spem habere. (6) Itaque paucis diebus cum auro et argento multo Romam legatos mittit, quis praecipit primum, uti veteres amicos muneribus expleant, deinde novos adquirant, postremo quaecumque possint largiundo parare ne cunctentur. (7) Sed ubi Romam legati venere et ex praecepto regis hospitibus aliisque, quorum ea tempestate in senatu auctoritas pollebat, magna munera misere, tanta commutatio incessit, ut ex maxuma invidia in gratiam et favorem nobilitatis Iugurtha veniret. (8) Quorum pars spe, alii praemio inducti singulos ex senatu ambiundo nitebantur, ne gravius in eum consuleretur. (9) Igitur ubi legati satis confidunt, die constituto senatus utrisque datur. Tum Adherbalem hoc modo locutum accepimus: 14 (1) ‘Patres conscripti, Micipsa pater meus moriens mihi praecepit, uti regni Numidiae tantummodo procurationem existimarem meam, ceterum ius et imperium eius penes vos esse; simul eniterer domi militiaeque quam maxumo usui esse populo Romano; vos mihi cognatorum, vos affinium loco ducerem: si ea fecissem, in vostra amicitia exercitum, divitias, munimenta regni me habiturum. (2) Quae cum praecepta parentis mei agitarem, Iugurtha, homo omnium, quos terra sustinet, sceleratissumus, contempto imperio vostro Masinissae me nepotem et iam ab stirpe socium atque amicum populi Romani regno fortunisque omnibus expulit. (3) Atque ego, patres conscripti, quoniam eo miseriarum venturus eram, vellem potius ob mea quam ob maiorum meorum beneficia posse me a vobis auxilium petere, ac maxume deberi mihi beneficia a populo Romano, quibus non

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schickt sich an, die Herrschaft über ganz Numidien anzutreten. (3) Obwohl Adherbal Gesandte nach Rom geschickt hatte, die den Senat über den Mord an seinem Bruder und über seine Lage aufklären sollten, rüstete er dennoch im Vertrauen auf seine zahlenmäßige Überlegenheit zur Schlacht. (4) Sobald es aber zum Kampf kam, wurde Adherbal geschlagen; er floh vom Schlachtfeld in die römische Provinz und von dort nach Rom. (5) Jugurtha hatte nun seine Pläne verwirklicht und sich der Herrschaft über ganz Numidien bemächtigt. Als er aber in Ruhe über seine Tat nachdachte, begann er das römische Volk zu fürchten und er setzte, um dessen Unmut zu entgehen, seine ganze Hoffnung auf die Habgier der Nobilität und seine finanziellen Mittel. (6) Daher schickt er wenige Tage später Gesandte mit viel Gold und Silber nach Rom, denen er aufgetragen hatte, zum einen alte Freunde mit Geschenken zu überhäufen und zum zweiten neue zu gewinnen, schließlich nicht zu zögern, durch Bestechung alles, was im Bereich des Möglichen wäre, zu erreichen. (7) Als aber die Gesandten nach Rom kamen und dem Befehl des Königs entsprechend dessen Gastfreunden und anderen damals einflussreichen Senatoren teure Geschenke schickten, trat ein so gewaltiger Stimmungsumschwung ein, dass der erbitterte Hass auf Jugurtha umschlug, so dass er das Ansehen und die Gunst der Nobilität genoss. (8) Einige von ihnen waren von Versprechungen, andere durch Bestechungen verführt worden, sprachen daher einzelne Senatoren an und bemühten sich darum, dass man kein zu hartes Urteil über Jugurtha fällen würde. (9) Als sich nun die Gesandten ihrer Sache ziemlich sicher waren, wurde ein Termin vereinbart und beiden Seiten eine Anhörung im Senat gewährt. Da soll Adherbal ungefähr wie folgt gesprochen haben: 14 (1) „Senatoren, mein Vater Micipsa hat mir auf dem Sterbebett aufgetragen, mich lediglich als Verwalter des Königreichs Numidien zu betrachten, die Rechtsprechung und die Ausübung der Herrschaft lägen aber bei euch. Zugleich solle ich mich darum bemühen, das römische Volk im Frieden wie im Krieg nach Kräften zu unterstützen. Euch solle ich als Verwandte und Anverwandte betrachten. Wenn ich mich so verhielte, würde eure Freundschaft das Heer, den Reichtum und den Schutz meiner Herrschaft darstellen. (2) Als ich diese Anweisungen meines Vaters in die Tat umsetzen wollte, kam Jugurtha, der größte Verbrecher auf Erden: Er ignorierte eure Herrschaft und vertrieb mich, den Enkel Masinissas, der ich schon aufgrund meiner Abstammung ein Verbündeter und Freund des römischen Volkes bin, aus meinem Reich und von all meinem Besitz. (3) Und da ich nun schon in solches Elend kommen sollte, Senatoren, so wäre es mir lieber, wenn ich euch im Namen eigener Verdienste und nicht aufgrund der Taten meiner Vorfahren um Hilfe bitten könnte. Am liebsten wäre es mir aber, wenn das römische Volk mir eine Gegenleistung schuldete, ohne dass

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egerem, secundum ea, si desideranda erant, uti debitis uterer. (4) Sed quoniam parum tuta per se ipsa probitas est neque mihi in manu fuit Iugurtha qualis foret, ad vos confugi, patres conscripti, quibus, quod mihi miserrumum est, cogor prius oneri quam usui esse. (5) Ceteri reges aut bello victi in amicitiam a vobis recepti sunt aut in suis dubiis rebus societatem vostram adpetiverunt: familia nostra cum populo Romano bello Carthaginiensi amicitiam instituit, quo tempore magis fides eius quam fortuna petunda erat. (6) Quorum progeniem vos, patres conscripti, nolite pati me nepotem Masinissae frustra a vobis auxilium petere. (7) Si ad impetrandum nihil causae haberem praeter miserandam fortunam, quod paulo ante rex genere, fama atque copiis potens, nunc deformatus aerumnis, inops alienas opes exspecto, tamen erat maiestatis populi Romani prohibere iniuriam neque pati quoiusquam regnum per scelus crescere. (8) Verum ego iis finibus eiectus sum, quos maioribus meis populus Romanus dedit, unde pater et avos meus una vobiscum expulere Syphacem et Carthaginiensis: vostra beneficia mihi erepta sunt, patres conscripti, vos in mea iniuria despecti estis. (9) Eheu, me miserum! Hucine, Micipsa pater, beneficia tua evasere, ut, quem tu parem cum liberis tuis regnique participem fecisti, is potissumum stirpis tuae extinctor sit? Numquamne ergo familia nostra quieta erit? Semperne in sanguine, ferro, fuga vorsabitur? (10) Dum Carthaginienses incolumes fuere, iure omnia saeva patiebamur: hostes ab latere, vos amici procul, spes omnis in armis erat. Postquam illa pestis ex Africa eiecta est, laeti pacem agitabamus, quippe quis hostis nullus erat, nisi forte quem vos iussissetis. (11) Ecce autem ex improviso Iugurtha, intoleranda audacia scelere atque superbia sese efferens, fratre meo atque eodem propinquo suo interfecto primum regnum eius sceleris sui praedam fecit; post, ubi me isdem dolis nequit capere, nihil minus quam vim aut bellum exspectantem in imperio vostro,

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ich diese nötig hätte; am zweitliebsten aber, dass ich seine Hilfe, wenn ich sie schon bräuchte, als Zurückzahlung einer Schuld entgegennehmen könnte. (4) Aber da sich ja Rechtschaffenheit alleine nicht ausreichend schützen kann und es nicht in meiner Macht lag, wie sich Jugurtha entwickeln würde, habe ich bei euch Zuflucht gesucht, Senatoren, denen ich zu meinem größten Leidwesen eher zur Last fallen muss, als dass ich von Nutzen sein kann. (5) Die anderen Könige wurden entweder nach ihrer Niederlage im Krieg von euch als Freunde des römischen Volkes anerkannt oder haben ein Bündnis mit euch gesucht, als sie in einer gefährlichen Lage waren. Unsere Familie hat im Krieg gegen die Karthager Freundschaft mit dem römischen Volk geschlossen, als man sich eher dessen Treue als dessen Schicksal wünschte. (6) Lasst nicht zu, Senatoren, dass ihr Nachkomme, nämlich ich, der Enkel des Masinissa, euch vergeblich um Hilfe bittet. (7) Wenn ich nun keinen anderen Grund für mein Hilfegesuch hätte außer meinem bedauernswerten Schicksal, weil ich, der ich kurz zuvor noch ein mächtiger König war, mächtig aufgrund von Herkunft, Ruhm und Truppenmacht, jetzt durch meine Leiden entstellt als mittelloser Mann auf fremde Hilfe warten muss – selbst dann käme der Größe des römischen Volkes die Verpflichtung zu, das Unrecht zu verhindern und es nicht zuzulassen, dass das Reich irgendeines Mannes durch Verbrechen wächst. (8) Man hat mich aber aus dem Gebiet verjagt, das das römische Volk meinen Vorfahren gegeben hat, aus dem mein Vater und mein Großvater zusammen mit euch Syphax und die Karthager vertrieben haben: Eure Geschenke sind mir entrissen worden, Senatoren, das Unrecht, das mir zugefügt wurde, bedeutete eine Verachtung eurer Person. (9) Ach, ich Armer! War das, mein Vater Micipsa, der Sinn deiner Freundlichkeiten, dass ausgerechnet der Mann, den du als deinen Kindern ebenbürtigen und gleichberechtigten Teilhaber in deinem Königreich eingesetzt hast, zum Mörder deiner Familie wird? Wird unsere Familie niemals ihre Ruhe finden? Wird sie immer in Blutvergießen, Krieg und Verbannung leben? (10) Solange die Macht der Karthager ungebrochen war, erlitten wir zu Recht alle möglichen Grausamkeiten: Die Feinde standen an den Grenzen, ihr, unsere Freunde, wart fern; wir konnten uns nur auf unsere Waffen verlassen. Nachdem diese Pest aus Africa vertrieben war, konnten wir uns des Friedens erfreuen, da wir keine Feinde mehr hatten, es sei denn, auf euren Befehl hin. (11) Aber plötzlich erschien Jugurtha, der stolz hervortrat mit seiner unerträglichen Verwegenheit, seiner Skrupellosigkeit und seinem Hochmut; und zunächst einmal machte er das Reich meines Bruders zur Beute seines Verbrechertums, indem er ihn, der auch sein Blutsverwandter war, ermordete. Als er mich dann nicht durch dieselbe Schliche zu fassen bekam, der ich in eurem Machtbereich nichts weniger als Gewalt und Krieg erwartete, vertrieb

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sicuti videtis extorrem patria, domo, inopem et coopertum miseriis effecit, ut ubivis tutius quam in meo regno essem. (12) Ego sic existimabam, patres conscripti, uti praedicantem audiveram patrem meum, qui vostram amicitiam diligenter colerent, eos multum laborem suscipere, ceterum ex omnibus maxume tutos esse. (13) Quod in familia nostra fuit, praestitit, uti in omnibus bellis adesset vobis: nos uti per otium tuti simus, in vostra manu est, patres conscripti. (14) Pater nos duos fratres reliquit, tertium Iugurtham beneficiis suis ratus est coniunctum nobis fore. Alter eorum necatus est, alterius ipse ego manus impias vix effugi. (15) Quid agam? Aut quo potissumum infelix accedam? Generis praesidia omnia extincta sunt. Pater, uti necesse erat, naturae concessit; fratri, quem minume decuit, propinquos per scelus vitam eripuit; affinis, amicos, propinquos ceteros meos alium alia clades oppressit: capti ab Iugurtha pars in crucem acti, pars bestiis obiecti sunt, pauci, quibus relicta est anima, clausi in tenebris cum maerore et luctu morte graviorem vitam exigunt. (16) Si omnia, quae aut amisi aut ex necessariis advorsa facta sunt, incolumia manerent, tamen, si quid ex improviso mali accidisset, vos implorarem, patres conscripti, quibus pro magnitudine imperi ius et iniurias omnis curae esse decet. (17) Nunc vero exul patria, domo, solus atque omnium honestarum rerum egens, quo accedam aut quos appellem? Nationesne an reges, qui omnes familiae nostrae ob vostram amicitiam infesti sunt? An quoquam mihi adire licet, ubi non maiorum meorum hostilia monumenta pluruma sint? Aut quisquam nostri misereri potest, qui aliquando vobis hostis fuit? (18) Postremo Masinissa nos ita instituit, patres conscripti, ne quem coleremus nisi populum Romanum, ne societates, ne foedera nova acciperemus: abunde magna praesidia nobis in vostra amicitia fore; si huic imperio fortuna mutaretur, una occidundum nobis esse. (19) Virtute ac dis volentibus magni estis et opulenti, omnia secunda et oboedientia sunt: quo facilius sociorum iniurias curare licet.

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er mich aus der Heimat und aus meinem Haus und stieß mich in Elend und Leid (so wie ihr mich jetzt seht), so dass ich überall sicherer bin als in meinem eigenen Königreich. (12) Senatoren, aus den Lobreden meines Vaters bildete ich mir die folgende Meinung: Diejenigen, die eure Freundschaft gewissenhaft pflegten, würden zwar viele Strapazen auf sich nehmen, aber sie wären so gut wie nur irgend möglich geschützt. (13) Was die Aufgabe unserer Familie war, hat sie geleistet, nämlich euch in allen Kriegen zur Seite zu stehen. Dass wir im Frieden sicher sind, liegt nun in eurer Hand, Senatoren. (14) Mein Vater hat uns zwei Brüder hinterlassen, als dritten Jugurtha, von dem er glaubte, dass er uns aufgrund seines wohlwollenden Verhaltens ihm gegenüber verbunden sein werde. Der eine dieser drei ist ermordet worden, ich selbst bin den frevlerischen Händen des anderen nur mit knapper Not entkommen. (15) Was soll ich tun? Oder wohin soll ich Unglücklicher mich am ehesten wenden? Alle Stützen unseres Geschlechtes sind ausgelöscht worden. Mein Vater hat sich dem unvermeidlichen Schicksal, dem natürlichen Lauf der Dinge fügen müssen; dem Bruder hat der Blutsverwandte, der es am wenigsten durfte, verbrecherisch das Leben geraubt. Meine übrigen Angehörigen, Freunde und Bekannte hat jeweils ein anderes Unglück überwältigt: Sie wurden von Jugurtha gefangen genommen und die einen ans Kreuz geschlagen, die anderen wilden Tieren vorgeworfen, einige wenige, denen er das Leben gelassen hat, wurden in finstere Löcher gesperrt und leben in tiefer Trübsal ein Leben, das härter ist als der Tod. (16) Wenn alles, was ich entweder verloren habe oder was aus Verbundenheit in Feindschaft umgeschlagen ist, unverändert geblieben wäre, würde ich euch dennoch, wenn unversehens etwas Unheilvolles geschähe, um Hilfe bitten, Senatoren. Denn die Größe eures Reiches verpflichtet euch dazu, sich überall um Recht und Unrecht zu kümmern. (17) Nun bin ich aber verjagt aus meiner Heimat und aus meinem Haus, verlassen und alleine und habe keinen ehrenvollen Besitz mehr – wohin soll ich gehen oder an wen soll ich mich wenden? An Völker und Könige, die ausnahmslos alle wegen der Freundschaft zu euch unserer Familie feindlich gesonnen sind? Oder kann ich irgendwohin gehen, wo niemand meine Vorfahren in feindseliger Erinnerung hat? Oder kann etwa irgendjemand Mitleid mit mir empfinden, der einmal euer Feind war? (18) Schließlich hat uns Masinissa so erzogen, Senatoren, dass wir nur das römische Volk achten und keine neuen Bündnisse und Verträge schließen sollten: Eure Freundschaft werde reichlichen Schutz gewähren; wenn sich das Schicksal dieses Reiches wenden sollte, müssten wir zusammen untergehen. (19) Ihr seid durch eure Tatkraft und durch den Willen der Götter groß und mächtig, alles ist euch gewogen und untertan – umso leichter könnt ihr euch um das Unrecht kümmern, das euren Verbündeten zugefügt wird.

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(20) Tantum illud vereor, ne quos privata amicitia Iugurthae parum cognita transvorsos agat. Quos ego audio maxuma ope niti, ambire, fatigare vos singulos, ne quid de absente incognita causa statuatis: fingere me verba et fugam simulare, quoi licuerit in regno manere. (21) Quod utinam illum, quoius impio facinore in has miserias proiectus sum, eadem haec simulantem videam, et aliquando aut apud vos aut apud deos inmortalis rerum humanarum cura oriatur: ne ille, qui nunc sceleribus suis ferox atque praeclarus est, omnibus malis excruciatus impietatis in parentem nostrum, fratris mei necis mearumque miseriarum gravis poenas reddat. (22) Iam iam, frater animo meo carissume, quamquam tibi inmaturo et unde minume decuit vita erepta est, tamen laetandum magis quam dolendum puto casum tuom; (23) non enim regnum, sed fugam, exilium, egestatem et omnis has, quae me premunt, aerumnas cum anima simul amisisti. At ego infelix, in tanta mala praecipitatus ex patrio regno, rerum humanarum spectaculum praebeo, incertus, quid agam, tuasne iniurias persequar ipse auxili egens an regno consulam, quoius vitae necisque potestas ex opibus alienis pendet. (24) Utinam emori fortunis meis honestus exitus esset neu iure contemptus viderer, si defessus malis iniuriae concessissem. Nunc neque vivere lubet neque mori licet sine dedecore. (25) Patres conscripti, per vos, per liberos atque parentis vostros, per maiestatem populi Romani, subvenite mihi misero, ite obviam iniuriae, nolite pati regnum Numidiae, quod vostrum est, per scelus et sanguinem familiae nostrae tabescere.’ 15 (1) Postquam rex finem loquendi fecit, legati Iugurthae, largitione magis quam causa freti, paucis respondent: Hiempsalem ob saevitiam suam ab Numidis interfectum, Adherbalem ultro bellum inferentem, postquam superatus sit, queri, quod iniuriam facere nequivisset; Iugurtham ab senatu petere, ne se alium putarent, ac Numantiae cognitus esset, neu verba inimici ante facta

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(20) Ich habe nur die eine Befürchtung, dass die private Freundschaft mit Jugurtha einige Leute auf Abwege führt, da ihnen die Art dieser Freundschaft nicht hinreichend bekannt ist. Ich habe gehört, dass diese Männer sehr geschäftig sind, Werbung für Jugurtha machen und einzelne von euch immer wieder dazu drängen, kein Urteil über den Abwesenden ohne eine gerichtliche Untersuchung zu fällen. Sie behaupten, ich würde Lügen erzählen und die Flucht nur vortäuschen, obwohl ich in meinem Reich hätte bleiben können. (21) O könnte ich nur miterleben, wie der Mann, durch dessen ruchloses Verbrechen ich in dieses Elend gestoßen wurde, ebenfalls ein solches Elend vortäuscht; o würdet ihr doch endlich einmal, würden doch die unsterblichen Götter endlich einmal Verantwortung empfinden für die Geschicke der Menschen! Wahrlich würde dann der Mann, der jetzt durch seine Verbrechen übermütig ist und sich in einer glänzenden Position befindet, alle nur erdenklichen Qualen erleiden und so grausam büßen für die Ruchlosigkeit gegenüber unserem Vater, für den Mord an meinem Bruder und für meine Leiden. (22) Jetzt, jetzt, mein über alles geliebter Bruder, glaube ich – mag dir auch zu früh und von jemandem, dem es am allerwenigsten erlaubt war, das Leben geraubt worden sein –, dass dein Schicksal eher ein Grund zur Freude als zur Trauer ist. (23) Denn du hast zusammen mit deinem Leben nicht dein Reich verloren, sondern bist Vertreibung, Verbannung, Armut und all den Leiden, die mich bedrängen, entgangen. Ich Unglücklicher aber, der ich aus dem väterlichen Königreich in ein so großes Unglück stürzte, biete ein Schauspiel des menschlichen Lebens, bin unschlüssig, was ich zu tun habe, ob ich – ich, der ich selbst Hilfe nötig habe! – das dir widerfahrene Unrecht verfolgen oder ob ich mich um mein Reich kümmern soll – ich, dessen Leben und dessen Tod von fremden Mitteln abhängen. (24) Wäre doch der Tod in meiner Lage ein ehrenvolles Ende! Würde ich doch nicht zu Recht als ein verachtenswerter Mensch erscheinen, wenn ich, erschöpft durch meine Leiden, dem Unrecht gewichen wäre! Jetzt habe ich weder Lust zu leben noch kann ich ohne Schande sterben. (25) Senatoren, bei euch selbst, bei euren Kindern und bei euren Eltern, bei der Größe des römischen Volkes: Kommt mir Unglücklichem zu Hilfe, tretet dem Unrecht entgegen, lasst nicht zu, dass das Königreich Numidien, das euch gehört, durch Verbrechen und den Blutzoll unserer Familie zugrunde geht.“ 15 (1) Nachdem der König seine Rede beendet hatte, entgegnen Jugurthas Gesandte, die sich eher auf die Bestechungen als auf ihre Sache verließen, kurz und knapp: Hiempsal sei wegen seiner Grausamkeit von den Numidern getötet worden, Adherbal habe selbst mit dem Krieg begonnen und beklage jetzt, da er besiegt worden sei, dass er kein Unrecht habe verüben können; Jugurtha ersuche den Senat darum, ihn für denselben Mann zu halten, den man vor Numantia kennengelernt habe; sie sollten nicht die Worte seines Feindes

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sua ponerent. Deinde utrique curia egrediuntur. (2) Senatus statim consulitur. Fautores legatorum, praeterea senatus magna pars gratia depravata Adherbalis dicta contemnere, Iugurthae virtutem extollere laudibus; gratia, voce, denique omnibus modis pro alieno scelere et flagitio sua quasi pro gloria nitebantur. (3) At contra pauci, quibus bonum et aequom divitiis carius erat, subveniendum Adherbali et Hiempsalis mortem severe vindicandam censebant, (4) sed ex omnibus maxume Aemilius Scaurus, homo nobilis, impiger, factiosus, avidus potentiae, honoris, divitiarum, ceterum vitia sua callide occultans. (5) Is postquam videt regis largitionem famosam impudentemque, veritus, quod in tali re solet, ne polluta licentia invidiam accenderet, animum a consueta lubidine continuit. 16 (1) Vicit tamen in senatu pars illa, quae vero pretium aut gratiam anteferebat. (2) Decretum fit, uti decem legati regnum, quod Micipsa obtinuerat, inter Iugurtham et Adherbalem dividerent. Quoius legationis princeps fuit L. Opimius, homo clarus et tum in senatu potens, quia consul C. Graccho et M. Fulvio Flacco interfectis acerrume victoriam nobilitatis in plebem exercuerat. (3) Eum Iugurtha, tametsi Romae in inimicis habuerat, tamen accuratissume recepit, dando et pollicendo multa perfecit, uti fama, fide, postremo omnibus suis rebus commodum regis anteferret. (4) Relicuos legatos eadem via aggressus plerosque capit, paucis carior fides quam pecunia fuit. (5) In divisione quae pars Numidiae Mauretaniam attingit, agro virisque opulentior, Iugurthae traditur; illam alteram specie quam usu potiorem, quae portuosior et aedificiis magis exornata erat, Adherbal possedit. 17 (1) Res postulare videtur Africae situm paucis exponere et eas gentis, quibuscum nobis bellum aut amicitia fuit, attingere. (2) Sed quae loca et nationes ob calorem aut asperitatem, item solitudines minus frequentata sunt, de iis haud facile compertum narraverim; cetera quam paucissumis absolvam.

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höher schätzen als Jugurthas Taten. Dann verlassen beide Parteien die Kurie. (2) Der Senat wird sofort befragt. Diejenigen, die die Gesandten unterstützten, außerdem ein großer Teil des Senates, der durch Einflussnahme verführt ist, wiesen die Aussagen Adherbals zurück, lobten und rühmten Jugurthas Leistungen; mit ihrem Einfluss, ihrer Stimme, schließlich auf jede nur erdenkliche Weise setzten sie sich für das skrupellose Verbrechen eines anderen ein, als ob es um ihren eigenen Ruhm ginge. (3) Andererseits meinten aber einige wenige, denen Anstand und Recht mehr am Herzen lagen als Reichtum, dass man Adherbal zu Hilfe kommen und Hiempsals Tod unerbittlich bestrafen müsse. (4) Am meisten tat sich dabei Aemilius Scaurus hervor, ein energischer Adeliger, der in die Parteienwirtschaft verstrickt, machtgierig, ehrgeizig und habsüchtig war, aber seine Fehler schlau zu verbergen verstand. (5) Als er nun erkannte, dass die Bestechungen des Königs berüchtigt waren und gegen allen Anstand verstießen, befürchtete er, dass dieses schmutzige und schamlose Vorgehen Hass hervorrufen könnte (wie es bei solchen Dingen zu geschehen pflegt), und unterdrückte seine übliche Begehrlichkeit. 16 (1) Im Senat setzte sich aber die Fraktion durch, die Geld oder Gunst der Wahrheit vorzog. (2) Man fasst den Beschluss, dass zehn Bevollmächtigte das Königreich des Micipsa unter Adherbal und Jugurtha aufteilen sollten. Das Haupt dieser Kommission war Lucius Opimius, ein bedeutender Mann, der damals im Senat großen Einfluss hatte, weil er als Konsul nach der Tötung von Gaius Gracchus und Marcus Fulvius Flaccus [121 v. Chr.] und nach dem Sieg der Nobilität sehr energisch gegen die Plebs vorgegangen war. (3) Obwohl er in Rom zu Jugurthas Gegnern gehört hatte, empfing dieser ihn dennoch höflich und zuvorkommend und brachte es durch viele Geschenke und Versprechungen so weit, dass Opimius den Vorteil des Königs über seinen eigenen Ruf, seine Glaubwürdigkeit und überhaupt über alle seine eigenen Interessen stellte. (4) Die übrigen Bevollmächtigten ging er recht erfolgreich auf dieselbe Art an, nur Wenigen war ihre Glaubwürdigkeit mehr wert als Geld. (5) Bei der Aufteilung des Reiches wird der Teil Numidiens, der an Mauretanien grenzt und reicher an Ackerland und Männern ist, Jugurtha übergeben. Den anderen Teil, der nur dem Schein, nicht aber dem Nutzen nach besser war, da er über mehr Häfen und mehr Gebäude verfügte, nahm Adherbal in Besitz. 17 (1) Es scheint notwendig zu sein, die Geographie Africas kurz darzustellen und diejenigen Völker zu streifen, mit denen wir Krieg führten oder die uns in Freundschaft verbunden waren. (2) Aber ich könnte kaum etwas Verbürgtes über die Gegenden und die Stämme berichten, zu denen wegen der Hitze, wegen der unwirtlichen Gegend oder wegen der Wüsten kaum je ein Mensch gelangt. Das Übrige will ich möglichst kurz abhandeln.

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(3) In divisione orbis terrae plerique in parte tertia Africam posuere, pauci tantummodo Asiam et Europam esse, sed Africam in Europa. (4) Ea finis habet ab occidente fretum nostri maris et Oceani, ab ortu solis declivem latitudinem, quem locum Catabathmon incolae appellant. (5) Mare saevom, importuosum; ager frugum fertilis, bonus pecori, arbori infecundus; caelo terraque penuria aquarum. (6) Genus hominum salubri corpore, velox, patiens laborum; plerosque senectus dissolvit, nisi qui ferro aut bestiis interiere, nam morbus haud saepe quemquam superat. Ad hoc malefici generis plurima animalia. (7) Sed qui mortales initio Africam habuerint quique postea accesserint aut quo modo inter se permixti sint, quamquam ab ea fama, quae plerosque obtinet, divorsum est, tamen, uti ex libris Punicis, qui regis Hiempsalis dicebantur, interpretatum nobis est utique rem sese habere cultores eius terrae putant, quam paucissumis dicam. Ceterum fides eius rei penes auctores erit. 18 (1) Africam initio habuere Gaetuli et Libyes, asperi incultique, quis cibus erat caro ferina atque humi pabulum uti pecoribus. (2) Ii neque moribus neque lege aut imperio quoiusquam regebantur: vagi, palantes, quas nox coegerat sedes habebant. (3) Sed postquam in Hispania Hercules, sicuti Afri putant, interiit, exercitus eius, compositus ex variis gentibus, amisso duce ac passim multis sibi quisque imperium petentibus, brevi dilabitur. (4) Ex eo numero Medi, Persae et Armenii navibus in Africam transvecti proxumos nostro mari locos occupavere, (5) sed Persae intra Oceanum magis, iique alveos navium invorsos pro tuguriis habuere, quia neque materia in agris neque ab Hispanis emundi aut mutandi copia erat: (6) mare magnum et ignara lingua commercio prohibebant. (7) Ii paulatim per conubia Gaetulos secum miscuere et, quia saepe temptantes agros alia, deinde alia loca petiverant, semet ipsi Nomadas appellavere. (8) Ceterum adhuc aedificia Numidarum agrestium, quae mapalia illi vocant, oblonga, incurvis lateribus,

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(3) Bei der geographischen Einteilung der Erde hat man zumeist Africa als dritten Erdteil aufgefasst; selten spricht man nur von Asien und Europa und rechnet dabei Africa zu Europa. (4) Africa hat folgende Grenzen: im Westen die Meerenge zwischen dem Mittelmeer und dem Atlantischen Ozean, im Osten eine breite Senke, die die Einwohner ‚Katabathmos’ nennen. (5) Das Meer ist stürmisch und hafenlos, das Gebiet selbst fruchtbar, geeignet für Viehzucht, aber arm an Bäumen. Es gibt wenig Regen- und Grundwasser. (6) Die Menschen haben gesunde Körper, sind wendig und ausdauernd. Die meisten sterben erst an Altersschwäche, abgesehen von denen, die durch das Schwert oder durch wilde Tiere umkommen. Denn nur selten ist eine Krankheit die Todesursache. Außerdem gibt es zahlreiche Arten gefährlicher Tiere. (7) Welche Menschen aber zu Beginn Africa bewohnt haben, welche Völker erst später eingewandert sind oder wie sie sich miteinander vermischt haben, will ich möglichst kurz darstellen, und zwar so, wie man es uns aus den angeblich von König Hiempsal stammenden punischen Büchern übersetzt hat und wie sich die Sache nach der Ansicht der Bewohner dieses Landes verhält – auch wenn diese Darstellung im Gegensatz steht zu den Vorstellungen der meisten Leute. Aber die Verantwortung für die Wahrheit des Berichteten liegt bei den jeweiligen Autoren. 18 (1) Zu Beginn bewohnten Africa die Gätuler und die Libyer, raue und unkultivierte Stämme, die vom Fleisch wilder Tiere und wie das Vieh von der Nahrung lebten, die die Erde hervorbrachte. (2) Sie hatten keine Bräuche, keine Gesetze und keine feste Herrschaftsform: Sie waren umherziehende Nomaden und gaben sich mit den Lagerplätzen zufrieden, die die hereinbrechende Nacht ihnen jeweils aufzwang. (3) Nachdem aber Hercules in Spanien (wie die Africaner glauben) umgekommen war, zerstreute sich sein aus verschiedenen Völkern zusammengesetztes Heer innerhalb kürzester Zeit in alle Himmelsrichtungen, da es den Anführer verloren hatte und viele an allen möglichen Orten ein Herrschaftsgebiet für sich suchten. (4) Von diesen Völkern setzten die Meder, Perser und Armenier zu Schiff nach Africa über und nahmen die Gegenden in Besitz, die dem Mittelmeer am nächsten liegen, (5) die Perser jedoch vor allem das Gebiet am Ozean; sie verwendeten umgedrehte Schiffsrümpfe als Behausungen, weil es in dem Gebiet kein Holz gab und sie keine Möglichkeit hatten, es von den Spaniern einzukaufen oder einzutauschen: (6) Das große Meer und die gegenseitige Unkenntnis der Sprache verhinderten Handelsbeziehungen. (7) Durch Ehen vermischten sie sich allmählich mit den Gätulern und bezeichneten sich selbst als Nomaden, weil sie immer wieder andere Gebiete aufsuchten und dort das Ackerland erprobten. (8) Im Übrigen sind auch heute noch die Gebäude der numidischen Bauern, die sie als Mapalia bezeichnen, länglich und haben gekrümmte Wände, und die

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tecta quasi navium carinae sunt. (9) Medis autem et Armeniis accessere Libyes – nam ii propius mare Africum agitabant, Gaetuli sub sole magis, haud procul ab ardoribus – iique mature oppida habuere; nam freto divisi ab Hispania mutare res inter se instituerant. (10) Nomen eorum paulatim Libyes corrupere, barbara lingua Mauros pro Medis appellantes. (11) Sed res Persarum brevi adolevit, ac postea nomine Numidae, propter multitudinem a parentibus digressi, possedere ea loca, quae proxuma Carthaginem Numidia appellatur. (12) Deinde utrique alteris freti finitumos armis aut metu sub imperium suom coegere, nomen gloriamque sibi addidere, magis ii, qui ad nostrum mare processerant, quia Libyes quam Gaetuli minus bellicosi. Denique Africae pars inferior pleraque ab Numidis possessa est, victi omnes in gentem nomenque imperantium concessere. 19 (1) Postea Phoenices, alii multitudinis domi minuendae gratia, pars imperi cupidine, sollicitata plebe et aliis novarum rerum avidis, Hipponem, Hadrumetum, Leptim aliasque urbis in ora marituma condidere, eaeque brevi multum auctae, pars originibus suis praesidio, aliae decori fuere. (2) Nam de Carthagine silere melius puto quam parum dicere, quoniam alio properare tempus monet. (3) Igitur ad Catabathmon, qui locus Aegyptum ab Africa dividit, secundo mari prima Cyrene est, colonia Theraeon, ac deinceps duae Syrtes interque eas Leptis, deinde Philaenon arae, quem locum Aegyptum vorsus finem imperi habuere Carthaginienses, post aliae Punicae urbes. (4) Cetera loca usque ad Mauretaniam Numidae tenent, proxumi Hispaniam Mauri sunt. (5) Super Numidiam Gaetulos accepimus partim in tuguriis, alios incultius vagos agitare, (6) post eos Aethiopas esse, dehinc loca exusta solis ardoribus. (7) Igitur bello Iugurthino pleraque ex Punicis oppida et finis Carthaginiensium, quos novissume habuerant, populus Romanus per magistratus administrabat; Gaetulorum magna pars et Numidae usque ad flumen Muluccham sub Iugurtha erant; Mauris omnibus rex Bocchus imperitabat, praeter nomen

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Dächer sind gleichsam Schiffskiele. (9) Aber zu den Medern und Armeniern gesellten sich die Libyer (diese wohnten nämlich recht nahe am Africanischen Meer, die Gätuler eher in recht warmen Gegenden, nicht weit von der heißen Zone), und diese Völker lebten bald schon in Städten. Von Spanien durch die Meerenge getrennt, hatten sie nämlich damit begonnen, Waren untereinander auszutauschen. (10) Den Namen der Meder entstellten die Libyer nach und nach, indem sie sie in ihrer Barbarensprache als Mauren bezeichneten. (11) Der Staat der Perser wuchs aber in kurzer Zeit, und später nahmen diejenigen, die wegen der Überbevölkerung das Land ihrer Eltern verlassen hatten, unter dem Namen ‚Numider‘ die Gegenden in Besitz, die ganz nahe bei Karthago liegen und als Numidien bezeichnet werden. (12) In der Folgezeit halfen sie [die Perser und die Gätuler] einander, brachten die Nachbarvölker durch Waffengewalt oder Drohungen unter ihre Herrschaft und gewannen dadurch Ruhm und Ansehen, vor allem diejenigen, die bis zum Mittelmeer vorgedrungen waren, weil die Libyer nicht so kriegerisch sind wie die Gätuler. Schließlich besaßen die Numider den größten Teil des unteren Africa; alle besiegten Stämme gingen in dem Volk und dem Namen der Herrschenden auf. 19 (1) Später gründeten die Phönizier an der Meeresküste Hippo, Hadrumetum, Leptis und andere Städte, und diese wuchsen in kurzer Zeit sehr stark, einige von ihnen dienten ihren Mutterstädten zum Schutz, andere erhöhten deren Ansehen. Diese Stadtgründungen gingen zum Teil auf die Überbevölkerung in der Heimat, zum Teil auf machtgierige Politiker zurück, die das einfache Volk und rebellische Köpfe aufgewiegelt hatten. (2) Es ist meiner Ansicht nach aber besser, über Karthago zu schweigen als zu wenig zu sagen, da eine ausführliche Behandlung den Rahmen meines Werkes sprengen würde. (3) Folgt man dem Meer, so ist die erste Stadt bei Katabathmos (diese Gegend trennt Ägypten von Africa) Kyrene, eine Kolonie der Theraier, dann folgen die beiden Syrten und zwischen diesen liegt Leptis; dann kommen die Philaenon Arae (dieser Ort markierte die Grenze zwischen dem karthagischen Herrschaftsgebiet und Ägypten), dann weitere punische Städte. (4) Die restlichen Gegenden bis hin nach Mauretanien bewohnen die Numider, Spanien am nächsten sind die Mauren. (5) Nach unseren Informationen leben oberhalb von Numidien die Gätuler, die teils in Hütten, teils noch recht unzivilisiert als Nomaden leben, (6) danach sollen die Äthiopier kommen, dann sonnenverbrannte Gegenden. (7) Im Jugurthinischen Krieg verwaltete nun das römische Volk durch Beamte die meisten punischen Städte und das Gebiet, das die Karthager zuletzt noch besessen hatten. Ein großer Teil der Gätuler und die Numider bis zum Fluss Muluccha gehörten zu Jugurthas Herrschaftsgebiet. Über alle Mauren herrschte der König Bocchus, dem das römische Volk nur dem Namen nach bekannt

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cetera ignarus populi Romani itemque nobis neque bello neque pace antea cognitus. (8) De Africa et eius incolis ad necessitudinem rei satis dictum. 20 (1) Postquam diviso regno legati Africa decessere et Iugurtha contra timorem animi praemia sceleris adeptum sese videt, certum esse ratus, quod ex amicis apud Numantiam acceperat, omnia Romae venalia esse, simul et illorum pollicitationibus accensus, quos paulo ante muneribus expleverat, in regnum Adherbalis animum intendit. (2) Ipse acer, bellicosus; at is, quem petebat, quietus, inbellis, placido ingenio, opportunus iniuriae, metuens magis quam metuendus. (3) Igitur ex improviso finis eius cum magna manu invadit, multos mortalis cum pecore atque alia praeda capit, aedificia incendit, pleraque loca hostiliter cum equitatu accedit; (4) deinde cum omni multitudine in regnum suom convortit, existimans Adherbalem dolore permotum iniurias suas manu vindicaturum eamque rem belli causam fore. (5) At ille, quod neque se parem armis existumabat et amicitia populi Romani magis quam Numidis fretus erat, legatos ad Iugurtham de iniuriis questum misit. Qui tametsi contumeliosa dicta retulerant, prius tamen omnia pati decrevit quam bellum sumere, quia temptatum antea secus cesserat. (6) Neque eo magis cupido Iugurthae minuebatur, quippe qui totum eius regnum animo iam invaserat. (7) Itaque non uti antea cum praedatoria manu, sed magno exercitu comparato bellum gerere coepit et aperte totius Numidiae imperium petere. (8) Ceterum, qua pergebat, urbis, agros vastare, praedas agere, suis animum, hostibus terrorem augere. 21 (1) Adherbal ubi intellegit eo processum, uti regnum aut relinquendum esset aut armis retinendum, necessario copias parat et Iugurthae obvius procedit. (2) Interim haud longe a mari prope Cirtam oppidum utriusque exercitus consedit et, quia diei extremum erat, proelium non inceptum. Sed ubi plerumque noctis processit, obscuro etiam tum lumine milites Iugurthini signo dato castra hostium invadunt, semisomnos partim, alios arma sumentis fugant funduntque. Adherbal cum paucis equitibus Cirtam profugit, et ni multitudo togatorum fuisset, quae

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war und den wir unsererseits zuvor weder im Krieg noch im Frieden kennen gelernt hatten. (8) Über Africa und seine Bewohner ist damit, soweit es unser Thema erforderte, genug gesagt. 20 (1) Als die römische Kommission nach der Reichsteilung Africa verlassen hatte und Jugurtha entgegen seinen Befürchtungen feststellte, dass sich seine Verbrechen ausgezahlt hatten, war er überzeugt von der Wahrheit des Satzes, den er von seinen Freunden bei Numantia gehört hatte, dass in Rom alles käuflich sei. Zugleich stachelten ihn auch die Versprechen derjenigen Römer an, die er kurz zuvor mit Geschenken überhäuft hatte – und so richteten sich seine Gedanken auf das Reich des Adherbal. (2) Er selbst war energisch und kriegerisch; derjenige hingegen, den er angreifen wollte, ruhig, unkriegerisch, friedfertig, ein geeignetes Opfer für Verbrechen, eher furchtsam als furchtbar. (3) Und so fällt Jugurtha unversehens mit einer größeren Schar in Adherbals Gebiet ein, nimmt viele Menschen zusammen mit Vieh und anderer Beute gefangen, setzt Gebäude in Brand und greift mit seiner Reiterei zahlreiche Orte an. (4) Dann kehrt er mit seiner ganzen Truppenmacht wieder in sein Königreich zurück, in dem Glauben, der darüber aufgebrachte Adherbal werde sich für das Unrecht mit Waffengewalt rächen wollen und ihm so einen Kriegsgrund liefern. (5) Da Adherbal sich aber für militärisch unterlegen hielt und sich eher auf die Freundschaft mit dem römischen Volk als auf die Numider verließ, schickte er Gesandte zu Jugurtha, die sich über das Unrecht beschweren sollten. Obwohl diese von Jugurtha nur Beleidigungen zurückbrachten, hielt es Adherbal für besser, alles zu ertragen als einen Krieg zu beginnen, weil ja der zuvor unternommene unglücklich ausgegangen war. (6) Aber Jugurthas Gier wurde deswegen nicht kleiner, da er ja im Geiste schon das ganze Reich Adherbals in Besitz genommen hatte. (7) Daher begann er nicht wie zuvor mit einem Haufen von Plünderern, sondern mit einem großen kampfbereiten Heer den Krieg und griff ganz offen nach der Herrschaft über ganz Numidien. (8) Aber wo Jugurtha auch hinkam, verwüstete und plünderte er Städte und Felder, ließ bei seinen Leuten den Mut wachsen, bei den Feinden aber die Furcht. 21 (1) Als Adherbal einsah, dass es so weit gekommen war, dass er sein Reich entweder aufgeben oder mit Waffengewalt behaupten musste, rüstet er notgedrungen Truppen aus und zieht Jugurtha entgegen. (2) Die Heere beider Könige schlugen ihr Lager nicht weit vom Meer in der Nähe der Stadt Cirta auf; weil es aber spät am Tage war, kam es nicht zum Kampf. Als jedoch der größte Teil der Nacht schon verstrichen war, aber immer noch Dunkelheit herrschte, greifen Jugurthas Soldaten auf ein Zeichen hin das feindliche Lager an und schlagen die einen im Halbschlaf, die anderen, als sie gerade zu den Waffen greifen wollen, in die Flucht. Adherbal flieht mit einigen wenigen Reitern nach Cirta, und wenn dort nicht eine Gruppe von Italikern die nach-

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Numidas insequentis moenibus prohibuit, uno die inter duos reges coeptum atque patratum bellum foret. (3) Igitur Iugurtha oppidum circumsedit, vineis turribusque et machinis omnium generum expugnare aggreditur, maxume festinans tempus legatorum antecapere, quos ante proelium factum ab Adherbale Romam missos audiverat. (4) Sed postquam senatus de bello eorum accepit, tres adulescentes in Africam legantur, qui ambos reges adeant, senatus populique Romani verbis nuntient velle et censere eos ab armis discedere, : ita seque illisque dignum esse. 22 (1) Legati in Africam maturantes veniunt, eo magis quod Romae, dum proficisci parant, de proelio facto et oppugnatione Cirtae audiebatur; sed is rumor clemens erat. (2) Quorum Iugurtha accepta oratione respondit sibi neque maius quicquam neque carius auctoritate senatus esse; ab adulescentia ita se enisum, ut ab optumo quoque probaretur; virtute, non malitia P. Scipioni, summo viro, placuisse; ob easdem artis a Micipsa, non penuria liberorum in regnum adoptatum esse. (3) Ceterum, quo plura bene atque strenue fecisset, eo animum suom iniuriam minus tolerare. (4) Adherbalem dolis vitae suae insidiatum; quod ubi comperisset, sceleri eius obviam isse: populum Romanum neque recte neque pro bono facturum, si ab iure gentium sese prohibuerit. Postremo de omnibus rebus legatos Romam brevi missurum. (5) Ita utrique digrediuntur. Adherbalis appellandi copia non fuit. 23 (1) Iugurtha ubi eos Africa decessisse ratus est neque propter loci naturam Cirtam armis expugnare potest, vallo atque fossa moenia circumdat, turris extruit easque praesidiis firmat; praeterea dies noctisque aut per vim aut dolis temptare, defensoribus moenium praemia modo, modo formidinem ostentare; suos hortando ad virtutem arrigere; prorsus intentus cuncta parare. (2) Adherbal ubi intellegit omnis suas fortunas in extremo sitas, hostem infestum, auxili spem nullam, penuria rerum necessariarum bellum

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setzenden Numider von den Stadtmauern ferngehalten hätte, wäre der Krieg zwischen den beiden Königen an einem einzigen Tag begonnen und auch wieder beendet worden. (3) Jugurtha umzingelt also die Stadt und schickt sich an, sie mit Schutzdächern, Türmen und Belagerungsmaschinen aller Art zu erobern. Er wollte vor allem den Gesandten zuvorkommen, die nach seinen Informationen Adherbal vor der Schlacht nach Rom geschickt hatte. (4) Als aber der Senat von dem Krieg zwischen den beiden Brüdern erfuhr, werden drei junge Männer nach Africa geschickt, die beide Könige aufsuchen sollten und ihnen im Namen des Senates und des römischen Volkes melden sollten, man fordere sie aufgrund eines Beschlusses dazu auf, die Feindseligkeiten zu beenden und ihre Auseinandersetzungen eher auf dem Rechtswege als mit Waffengewalt zu entscheiden: So entspreche es ihrer Würde und der Würde des römischen Volkes. 22 (1) Die Gesandten kommen eilends nach Africa; sie beeilten sich aber umso mehr, als man in Rom während ihrer Aufbruchsvorbereitungen gehört hatte, dass es zur Schlacht und zur Belagerung Cirtas gekommen sei; aber dieses Gerücht war noch schwach. (2) Jugurtha hörte sich die Rede der Gesandten an und antwortete, dass ihm nichts wichtiger sei und nichts mehr am Herzen liege als die Autorität des Senates. Von Jugend an habe er sich darum bemüht, gerade bei den Rechtschaffensten Anerkennung zu finden; durch seine Tüchtigkeit, nicht durch Verschlagenheit sei er dem großen Scipio positiv aufgefallen. Wegen derselben Fähigkeiten, nicht aus Mangel an Nachkommen sei er von Micipsa adoptiert und so in die königliche Erbfolge aufgenommen worden. (3) Aber je mehr er mit seiner Rechtschaffenheit und Tatkraft geleistet habe, desto weniger könne er Unrecht ertragen. (4) Adherbal habe ihm heimtückisch nach dem Leben getrachtet; als er dies erfahren habe, sei er dessen verbrecherischem Plan entgegengetreten. Das römische Volk werde ein großes Unrecht begehen, wenn es ihn daran hindere, vom Völkerrecht Gebrauch zu machen. Am Ende seiner Rede bemerkte er, dass er in Kürze Gesandte nach Rom schicken werde, die über all diese Dinge berichten würden. (5) So trennen sich die beiden Parteien. Adherbal aufzusuchen war nicht möglich. 23 (1) Als Jugurtha glaubte, dass die Gesandten Africa wieder verlassen hätten, er aber Cirta wegen der natürlichen Gegebenheiten mit Waffengewalt nicht erobern kann, umgibt er die Stadtmauern mit einem Wall und einem Graben, errichtet Belagerungstürme und besetzt sie mit starken Posten. Außerdem unternimmt er Tag und Nacht mit Gewalt oder List Angriffe, stellt den Verteidigern der Mauern bald Belohnungen, bald ein schreckliches Ende in Aussicht; seine eigenen Leute spornt er zur Tapferkeit an und richtet sie so auf; kurz: Mit großer Anstrengung trifft er alle Vorbereitungen. (2) Als Adherbal bemerkt, dass er sich in einer äußerst gefährlichen Situation befindet, dass der Feind gnadenlos ist, dass er keine Hoffnung auf Hilfe mehr haben kann und dass er

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trahi non posse, ex iis, qui una Cirtam profugerant, duos maxume impigros delegit; eos multa pollicendo ac miserando casum suom confirmat, uti per hostium munitiones noctu ad proxumum mare, dein Romam pergerent. 24 (1) Numidae paucis diebus iussa efficiunt. Litterae Adherbalis in senatu recitatae, quarum sententia haec fuit: (2) ‘Non mea culpa saepe ad vos oratum mitto, patres conscripti, sed vis Iugurthae subigit, quem tanta lubido extinguendi me invasit, ut neque vos neque deos inmortalis in animo habeat, sanguinem meum quam omnia malit. (3) Itaque quintum iam mensem socius et amicus populi Romani armis obsessus teneor, neque mihi Micipsae patris mei beneficia neque vostra decreta auxiliantur; ferro an fame acrius urgear, incertus sum. (4) Plura de Iugurtha scribere dehortatur me fortuna mea, et iam antea expertus sum parum fidei miseris esse; (5) nisi tamen intellego illum supra quam ego sum petere neque simul amicitiam vostram et regnum meum sperare: utrum gravius existumet, nemini occultum est. (6) Nam initio occidit Hiempsalem fratrem meum, deinde patrio regno me expulit. Quae sane fuerint nostrae iniuriae, nihil ad vos. (7) Verum nunc vostrum regnum armis tenet; me, quem vos imperatorem Numidis posuistis, clausum obsidet; legatorum verba quanti fecerit, pericula mea declarant. (8) Quid est relicuom nisi vis vostra, quo moveri possit? (9) Nam ego quidem vellem et haec, quae scribo, et illa, quae antea in senatu questus sum, vana forent potius quam miseria mea fidem verbis faceret. (10) Sed quoniam eo natus sum, ut Iugurthae scelerum ostentui essem, non iam mortem neque aerumnas, tantummodo inimici imperium et cruciatus corporis deprecor. Regno Numidiae, quod vostrum est, uti lubet consulite; me manibus impiis eripite, per maiestatem imperi, per amicitiae fidem, si ulla apud vos memoria remanet avi mei Masinissae.’

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den Krieg aus Mangel an allem Lebensnotwendigen nicht mehr weiterführen kann, wählte er aus den Männern, die mit ihm nach Cirta geflohen waren, zwei besonders tüchtige aus. Indem er ihnen viel verspricht und sein Schicksal beklagt, ermuntert er sie dazu, in der Nacht durch die feindlichen Befestigungen auf dem kürzesten Weg zum Meer und von dort nach Rom zu gehen. 24 (1) Die Numider führen die Befehle in wenigen Tagen aus. Der Brief des Adherbal wurde im Senat verlesen, dessen Inhalt wie folgt lautete: (2) „Es ist nicht meine Schuld, dass ich so oft Gesandte zu Euch schicke, die euch um Hilfe bitten sollen, Senatoren, sondern Jugurthas gewaltsames Vorgehen zwingt mich dazu. Ihn hat ein so starkes Verlangen befallen, mich auszulöschen, dass er weder auf die unsterblichen Götter noch auf Euch Rücksicht nimmt und nur noch nach meinem Blut dürstet. (3) Daher werde ich, ein Verbündeter und ein Freund des römischen Volkes jetzt schon vier Monate lang mit Waffengewalt festgehalten, und weder können mir die guten Taten meines Vaters Micipsa noch Eure Beschlüsse helfen; ich bin unsicher, ob mir die Waffen oder der Hunger mehr zu schaffen macht. (4) Mein Geschick rät mir eigentlich davon ab, mehr über Jugurtha zu schreiben (schon früher habe ich erfahren müssen, dass man den Unglücklichen nur allzu wenig Glauben schenkt) – (5) wenn ich nicht bemerken würde, dass er ein Ziel verfolgt, das viel bedeutender ist als ich, und dass er nicht gleichzeitig auf mein Reich und auf Eure Freundschaft hoffen kann: Welches von beiden er für wichtiger hält, kann niemandem verborgen bleiben. (6) Denn am Anfang hat er meinen Bruder Hiempsal ermordet, dann hat er mich aus dem vom Vater ererbten Reich vertrieben – mögen dies auch Verbrechen gegen uns gewesen sein und nichts mit Euch zu tun gehabt haben. (7) Aber jetzt hält er Euer Herrschaftsgebiet mit Waffengewalt besetzt; mich, den Ihr als Regenten über die Numider eingesetzt habt, hält er mit seiner Belagerungsarmee gefangen. Wie hoch er die Worte Eurer Gesandten schätzte, zeigen die Gefahren, in denen ich schwebe, nur allzu deutlich. (8) Was könnte ihn überhaupt noch beeindrucken, wenn nicht eure Macht? (9) Denn ich wollte eher, diese Worte und meine früheren Klagen im Senat wären gegenstandslos, als dass meine Notlage meinen Aussagen Glauben verleihen würde. (10) Aber da ich ja als Paradestück für Jugurthas Verbrechen geboren wurde, will ich durch meine Bitten gar nicht mehr meinen Tod und bitterstes Leid abzuwenden versuchen, sondern nur die Herrschaft meines Feindes und körperliche Qualen. Behandelt Euer Königreich Numidien, wie es Euch beliebt; mich aber entreißt den Verbrecherhänden – darum bitte ich euch bei der Größe Eures Reiches, bei der Zuverlässigkeit Eurer Freundschaft, sofern bei Euch noch eine Erinnerung an meinen Großvater Masinissa lebendig ist.“

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25 (1) His litteris recitatis fuere, qui exercitum in Africam mittundum censerent et quam primum Adherbali subveniundum; de Iugurtha interim uti consuleretur, quoniam legatis non paruisset. (2) Sed ab isdem illis regis fautoribus summa ope enisum, ne tale decretum fieret. (3) Ita bonum publicum, ut in plerisque negotiis solet, privata gratia devictum. (4) Legantur tamen in Africam maiores natu nobiles, amplis honoribus usi. In quis fuit M. Scaurus, de quo supra memoravimus, consularis et tum senatus princeps. (5) Ii, quod res in invidia erat, simul et ab Numidis obsecrati, triduo navem ascendere; dein brevi Uticam appulsi litteras ad Iugurtham mittunt: quam ocissume ad provinciam accedat, seque ad eum ab senatu missos. (6) Ille ubi accepit homines claros, quorum auctoritatem Romae pollere audiverat, contra inceptum suom venisse, primo commotus metu atque lubidine divorsus agitabatur: (7) timebat iram senatus, ni paruisset legatis; porro animus cupidine caecus ad inceptum scelus rapiebat. (8) Vicit tamen in avido ingenio pravom consilium. (9) Igitur exercitu circumdato summa vi Cirtam irrumpere nititur, maxume sperans diducta manu hostium aut vi aut dolis sese casum victoriae inventurum. (10) Quod ubi secus procedit neque quod intenderat efficere potest, ut prius quam legatos conveniret Adherbalis potiretur, ne amplius morando Scaurum, quem plurumum metuebat, incenderet, cum paucis equitibus in provinciam venit. (11) Ac tametsi senati verbis graves minae nuntiabantur, quod ab oppugnatione non desisteret, multa tamen oratione consumpta legati frustra discessere. 26 (1) Ea postquam Cirtae audita sunt, Italici, quorum virtute moenia defensabantur, confisi deditione facta propter magnitudinem populi Romani inviolatos sese fore, Adherbali suadent, uti seque et oppidum Iugurthae tradat, tantum ab eo vitam paciscatur; de ceteris senatui curae fore. (2) At ille, tametsi omnia potiora fide Iugurthae rebatur, tamen quia penes eosdem, si advorsaretur, cogendi potestas erat, ita, uti censuerant Italici, deditionem facit. (3) Iugurtha in primis Adherbalem excruciatum necat, deinde omnis puberes

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25 (1) Nachdem dieser Brief verlesen worden war, wurden Stimmen laut, man müsse ein Heer nach Africa entsenden und Adherbal unverzüglich helfen; in der Zwischenzeit solle man über Jugurtha einen Beschluss fassen, da er ja den Gesandten nicht gehorcht habe. (2) Aber eben dieselben Leute, die schon zuvor den König protegiert hatten, wehren sich wiederum mit aller Macht gegen einen derartigen Beschluss. (3) So ist, wie so oft, das Staatswohl durch persönliche Einflussnahme besiegt worden. (4) Dennoch werden einige ältere Adelige, die hohe Ämter bekleidet hatten, nach Africa entsandt. Unter diesen war auch der bereits erwähnte Marcus Scaurus, ein Konsular und damals Princeps senatus senatus.. (5) Da die ganze Angelegenheit schon viel Unmut hervorgerufen hatte und sie auch von den Numidern inständig darum gebeten wurden, stachen die Gesandten nach nur drei Tagen in See. Kurz darauf landen sie in Utica und schicken eine Note an Jugurtha: Er solle möglichst schnell in die Provinz kommen, sie seien vom Senat zu ihm geschickt worden. (6) Sobald Jugurtha vernahm, dass bedeutende Männer, die nach seinem Wissen großes Ansehen in Rom genossen, gekommen seien, um seinem Unternehmen Einhalt zu gebieten, war er zunächst voller Erregung zwischen Gier und Angst hin und her gerissen. (7) Er fürchtete den Zorn des Senats, wenn er den Gesandten nicht gehorchte; andererseits drängte ihn sein vor Gier blinder Geist mit Macht zum bereits begonnenen Verbrechen. (8) Aber in seiner habgierigen Seele siegte der verbrecherische Plan. (9) Also schließt er Cirta mit seinem Heer ein und bemüht sich mit aller Macht darum einzudringen, vor allem in der Hoffnung, er könne die feindliche Schar zersprengen und dann mit Gewalt oder List eine Gelegenheit zum Sieg finden. (10) Als dies anders als geplant verläuft und er sein Vorhaben nicht verwirklichen kann, Adherbal in seine Gewalt zu bringen und erst dann die Gesandten aufzusuchen, kommt er mit einigen wenigen Reitern in die römische Provinz, um Scaurus, den er am meisten fürchtete, durch seine Hinhaltetaktik nicht noch weiter zu verärgern. (11) Und obwohl ihm im Namen des Senates schwerwiegende Konsequenzen angedroht wurden, weil er die Belagerung nicht aufgebe, zogen die Gesandten, nachdem man viele Worte gemacht hatte, ohne Ergebnis wieder ab. 26 (1) Als man davon in Cirta hörte, vertrauen die Italiker, durch deren Mut die Mauern verteidigt wurden, darauf, dass man ihnen nach einer Kapitulation wegen der Bedeutung Roms kein Leid zufügen würde, und raten Adherbal, sich und die Stadt Jugurtha auszuliefern, er solle sich nur sein Leben von ihm ausbedingen; um alles Weitere werde sich der Senat kümmern. (2) Obwohl Adherbal glaubte, dass alles verlässlicher sei als Jugurthas Ehrenwort, fügte er sich dennoch dem Rat der Italiker, weil sie ihn dazu zwingen konnten, falls er sich weigerte – und bot die Kapitulation an. (3) Jugurtha lässt Adherbal gleich unter den ersten foltern und ermorden, dann befiehlt er, alle erwachsenen

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Numidas atque negotiatores promiscue, uti quisque armatus obvius fuerat, interficit. 27 (1) Quod postquam Romae cognitum est et res in senatu agitari coepta, idem illi ministri regis interpellando ac saepe gratia, interdum iurgiis trahundo tempus atrocitatem facti leniebant. (2) Ac ni C. Memmius tribunus plebis designatus, vir acer et infestus potentiae nobilitatis, populum Romanum edocuisset id agi, ut per paucos factiosos Iugurthae scelus condonaretur, profecto omnis invidia prolatandis consultationibus dilapsa foret: tanta vis gratiae atque pecuniae regis erat. (3) Sed ubi senatus delicti conscientia populum timet, lege Sempronia provinciae futuris consulibus Numidia atque Italia decretae; (4) consules declarati P. Scipio Nasica, L. Bestia Calpurnius; Calpurnio Numidia, Scipioni Italia obvenit. (5) Deinde exercitus, qui in Africam portaretur, scribitur; stipendium aliaque quae bello usui forent decernuntur. 28 (1) At Iugurtha contra spem nuntio accepto, quippe quoi Romae omnia venire in animo haeserat, filium et cum eo duos familiaris ad senatum legatos mittit iisque uti illis, quos Hiempsale interfecto miserat, praecipit omnis mortalis pecunia aggrediantur. (2) Qui postquam Romam adventabant, senatus a Bestia consultus est, placeretne legatos Iugurthae recipi moenibus, iique decrevere, nisi regnum ipsumque deditum venissent, uti in diebus proxumis decem Italia decederent. (3) Consul Numidis ex senatus decreto nuntiari iubet; ita infectis rebus illi domum discedunt. (4) Interim Calpurnius parato exercitu legat sibi homines nobilis factiosos, quorum auctoritate quae deliquisset munita fore sperabat. In quis fuit Scaurus, quoius de natura et habitu supra memoravimus. (5) Nam in consule nostro multae bonaeque artes animi et corporis erant, quas omnis avaritia praepediebat: patiens laborum, acri ingenio, satis providens, belli haud ignarus, firmissimus contra pericula et invidias. (6) Sed legiones per Italiam Regium atque inde Siciliam, porro ex Sicilia in Africam transvectae.

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Numider und ohne Unterschied auch diejenigen Kaufleute zu töten, die man bewaffnet angetroffen hatte. 27 (1) Als dies in Rom bekannt wurde und man im Senat damit begann, über die Angelegenheit zu verhandeln, versuchten eben dieselben Helfershelfer des Königs, die Ungeheuerlichkeit der Tat herunterzuspielen, indem sie die Beratungen unterbrachen und oft durch ihren Einfluss, zuweilen auch durch Wortgefechte die Sitzung in die Länge zogen. (2) Und wenn nicht der designierte Volkstribun Gaius Memmius, ein energischer Mann, der ein erklärter Gegner der Macht der Nobilität war, das römische Volk darüber informiert hätte, dass einige wenige Parteipolitiker darauf hinarbeiteten, dass Jugurtha seine Verbrechen nachgesehen werden sollten, hätte sich in der Tat der ganze Hass durch die Verzögerung der Beratungen in Nichts aufgelöst: So mächtig waren der Einfluss und das Geld des numidischen Königs. (3) Da aber der Senat aus Schuldbewusstsein das Volk fürchtete, wurden nach der Lex Sempronia den Konsuln des folgenden Jahres die Provinzen Numidien und Italien zugewiesen. (4) Als Konsuln wurden ausgerufen Publius Scipio Nasica und Lucius Bestia Calpurnius; Calpurnius erhält Numidien, Scipio Italien. (5) Dann wird ein Heer ausgehoben, das nach Africa gebracht werden soll, der Sold und alles andere kriegsnotwendige Material werden durch einen Senatsbeschluss bewilligt. 28 (1) Jugurtha traf die Nachricht von diesen Ereignissen aber unerwartet; war er doch der festen Überzeugung, dass in Rom alles feilgeboten werde. Daher schickt er seinen Sohn und mit ihm zwei Vertraute als Gesandte zum Senat und trägt ihnen auf (wie schon der Gesandtschaft, die er nach Hiempsals Ermordung nach Rom geschickt hatte), alle möglichen Leute mit Geld zu bestechen. (2) Nachdem sie in Rom angekommen waren, befragte Bestia den Senat, ob man Jugurthas Gesandte in der Stadt aufnehmen solle, und man beschloss, dass sie innerhalb der nächsten zehn Tage Italien zu verlassen hätten, wenn sie nicht gekommen seien, um das Königreich und Jugurtha auszuliefern. (3) Gemäß dem Senatsbeschluss lässt der Konsul dies den Gesandten mitteilen; so kehren diese unverrichteter Dinge in die Heimat zurück. (4) Inzwischen hatte Calpurnius ein Heer ausgerüstet und sich als Legaten Männer aus der Adelsclique ausgewählt, von denen er hoffte, dass sie mit ihrer Autorität seine Vergehen decken würden. Unter diesen war auch Scaurus, dessen Wesen und Charakter wir bereits dargestellt haben. (5) Unser Konsul besaß nämlich viele gute geistige und körperliche Anlagen, die aber alle von der Habgier überschattet wurden: Er war an Strapazen gewöhnt, hatte einen scharfen Verstand, war umsichtig, durchaus kriegserfahren, sehr stark gegenüber Gefahren und Anfeindungen. (6) Die Legionen wurden aber über Italien nach Rhegion und von dort nach Sizilien, dann von Sizilien nach Africa transportiert.

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(7) Igitur Calpurnius initio paratis commeatibus acriter Numidiam ingressus est, multosque mortalis et urbis aliquot pugnando cepit. 29 (1) Sed ubi Iugurtha per legatos pecunia temptare bellique quod administrabat asperitatem ostendere coepit, animus aeger avaritia facile conversus est. (2) Ceterum socius et administer omnium consiliorum assumitur Scaurus, qui tametsi a principio plerisque ex factione eius corruptis acerrume regem impugnaverat, tamen magnitudine pecuniae a bono honestoque in pravom abstractus est. (3) Sed Iugurtha primo tantummodo belli moram redimebat, existumans sese aliquid interim Romae pretio aut gratia effecturum. Postea vero quam participem negoti Scaurum accepit, in maxumam spem adductus recuperandae pacis statuit cum iis de omnibus pactionibus praesens agere. (4) Ceterum interea fidei causa mittitur a consule Sextius quaestor in oppidum Iugurthae Vagam. Quoius rei species erat acceptio frumenti, quod Calpurnius palam legatis imperaverat, quoniam deditionis mora indutiae agitabantur. (5) Igitur rex, uti constituerat, in castra venit, ac pauca praesenti consilio locutus de invidia facti sui atque uti in deditionem acciperetur, relicua cum Bestia et Scauro secreta transigit; dein postero die quasi per saturam sententiis exquisitis in deditionem accipitur. (6) Sed, uti pro consilio imperatum erat, elephanti triginta, pecus atque equi multi cum parvo argenti pondere quaestori traduntur. (7) Calpurnius Romam ad magistratus rogandos proficiscitur. In Numidia et exercitu nostro pax agitabatur. 30 (1) Postquam res in Africa gestas quoque modo actae forent fama divolgavit, Romae per omnis locos et conventus de facto consulis agitari. Apud plebem gravis invidia, patres solliciti erant: probarentne tantum flagitium an decretum consulis subvorterent, parum constabat. (2) Ac maxume eos potentia Scauri, quod is auctor et socius Bestiae ferebatur, a vero bonoque impediebat. (3) At C. Memmius, quoius de libertate ingeni et odio potentiae nobilitatis supra diximus, inter dubitationem et moras senatus contionibus populum ad

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(7) Und so betrat Calpurnius, nachdem er zunächst für den Nachschub gesorgt hatte, Numidien mit großer Entschlossenheit. Er machte viele Kriegsgefangene und konnte einige Städte erobern. 29 (1) Als sich aber Jugurtha darauf verlegte, ihn durch seine Gesandten mit Geld zu bestechen und ihm deutlich zu machen, wie hart der von ihm geführte Krieg werden würde, ließ sich der an Habgier leidende Calpurnius leicht umstimmen. (2) Außerdem wird Scaurus als Komplize und Helfershelfer zu allen Beratungen hinzugezogen. Obwohl dieser von Anfang an, als sehr viele Angehörige seiner Clique bestochen worden waren, den König ganz energisch bekämpft hatte, ließ er sich dennoch durch die Höhe der angebotenen Summe von Anstand und Ehre abbringen und auf den Weg des Unrechts ziehen. (3) Zuerst erkaufte sich Jugurtha lediglich einen Aufschub der militärischen Aktionen, in dem Glauben, dass er unterdessen durch Bestechung oder durch seinen Einfluss in Rom etwas bewirken könne. Als er aber erfuhr, dass Scaurus Teilhaber bei dem Geschäft ist, hegte er größte Hoffnung auf einen neuerlichen Frieden und beschloss, mit diesen beiden über alle weiteren Vereinbarungen persönlich zu verhandeln. (4) Unterdessen schickt aber der Konsul den Quästor Sextius als Bürgen in die Stadt Vaga, die zu dieser Zeit zu Jugurthas Reich gehörte. Der Vorwand für diese Mission war die Requirierung von Getreide, das Calpurnius offiziell von den Gesandten gefordert hatte (durch die Verzögerungen bei der Kapitulation herrschte ja Waffenstillstand). (5) Daher kam der König, wie beabsichtigt, ins Lager, sprach in Anwesenheit des Kriegsrates kurz über den Unmut, der durch sein Handeln entstanden war, und bot seine Kapitulation an. Alles andere vereinbart er mit Bestia und Scaurus im Geheimen. Am nächsten Tag wird dann Jugurthas Kapitulation akzeptiert, nachdem man die Anwesenden gleichsam für das ganze Paket nach ihrer Meinung gefragt hatte. (6) Wie in Gegenwart des Kriegsrates angeordnet worden war, werden 30 Elefanten, Vieh, zahlreiche Pferde und ein wenig Silbergeld dem Quästor übergeben. (7) Calpurnius bricht nach Rom auf, um die Wahlen zu leiten. In Numidien und in unserem Heer herrschte Frieden. 30 (1) Nachdem sich das Gerücht über den Krieg in Africa und die Art der Kriegsführung verbreitet hatte, sprach man in Rom auf allen Plätzen und überall, wo Menschen zusammenkamen, über die Verhaltensweise des Konsuls. In der Plebs herrschte großer Unmut, die Senatoren waren beunruhigt; man war sich nicht sicher, ob man eine so große Schande billigend hinnehmen oder besser den Beschluss eines Konsuls umstoßen sollte. (2) Vor allem hielt sie die Macht des Scaurus (der ja als Hintermann und Komplize des Bestia galt) davon ab, sich die Wahrheit einzugestehen und sich korrekt zu verhalten. (3) Aber unter all diesen Verzögerungen und Verschleppungen des Senates forderte Gaius Memmius, dessen unabhängigen Geist und dessen Hass auf

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vindicandum hortari, monere, ne rem publicam, ne libertatem suam desererent, multa superba et crudelia facinora nobilitatis ostendere; prorsus intentus omni modo plebis animum accendebat. (4) Sed quoniam ea tempestate Romae Memmi facundia clara pollensque fuit, decere existumavi unam ex tam multis orationem eius perscribere, ac potissumum ea dicam, quae in contione post reditum Bestiae huiusce modi verbis disseruit: 31 (1) ‘Multa me dehortantur a vobis, Quirites, ni studium rei publicae omnia superet: opes factionis, vostra patientia, ius nullum, ac maxime quod innocentiae plus periculi quam honoris est. (2) Nam illa quidem piget dicere, his annis viginti quam ludibrio fueritis superbiae paucorum, quam foede quamque inulti perierint vostri defensores, ut vobis animus ab ignavia atque socordia corruptus sit, (3) qui ne nunc quidem obnoxiis inimicis exurgitis atque etiam nunc timetis eos, quibus decet terrori esse. (4) Sed quamquam haec talia sunt, tamen obviam ire factionis potentiae animus subigit. (5) Certe ego libertatem, quae mihi a parente meo tradita est, experiar. Verum id frustra an ob rem faciam, in vostra manu situm est, Quirites. (6) Neque ego vos hortor, quod saepe maiores vostri fecere, uti contra iniurias armati eatis. Nihil vi, nihil secessione opus est; necesse est suomet ipsi more praecipites eant. (7) Occiso Ti. Graccho, quem regnum parare aiebant, in plebem Romanam quaestiones habitae sunt; post C. Gracchi et M. Fulvi caedem item vostri ordinis multi mortales in carcere necati sunt: utriusque cladis non lex, verum lubido eorum finem fecit. (8) Sed sane fuerit regni paratio plebi sua restituere; quicquid sine sanguine civium ulcisci nequitur, iure factum sit. (9) Superioribus annis taciti indignabamini aerarium expilari, reges et populos liberos paucis nobilibus vectigal pendere,

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die Macht der Nobilität wir schon erwähnt haben, in Reden vor der Volksversammlung immer wieder das Volk dazu auf, die Schuldigen zu bestrafen, warnte es davor, den Staat und seine eigene Freiheit im Stich zu lassen, und verwies auf zahlreiche hochmütige und grausame Handlungen der Nobilität; kurz: Er versuchte energisch alles, um die Plebs aufzurütteln. (4) Da aber zu jener Zeit in Rom die Beredsamkeit des Memmius berühmt und einflussreich war, hielt ich es nicht für unpassend, eine seiner so zahlreichen Reden hier wiederzugeben, und zwar am ehesten diejenige, die er bei einer Volksversammlung nach der Rückkehr des Bestia gehalten hatte, und zwar ungefähr wie folgt: 31 (1) „Bürger von Rom, es gibt viele Gründe, die mich davon abhalten könnten, vor euch zu sprechen – wenn nicht mein Verantwortungsgefühl gegenüber dem Staat alle Hindernisse überwände: die Macht der Nobilitätsclique; eure Langmut; die Tatsache, dass das Recht nichts mehr gilt; vor allem aber, dass Rechtschaffenheit eher in Gefahr gerät als geehrt zu werden. (2) Man kann nämlich nur mit Widerwillen darüber sprechen, wie ihr in den vergangenen 20 Jahren ein Spielball für den Hochmut einiger weniger gewesen seid, wie grässlich und ungerächt eure Verteidiger umgekommen sind, wie ihr selbst von Feigheit und Trägheit verdorben wurdet, (3) die ihr nicht einmal jetzt, da eure Gegner ohnmächtig sind, aufsteht und die ihr sogar jetzt noch die Männer fürchtet, denen ihr Angst einjagen müsstet. (4) Aber trotz dieser Umstände fordert eine innere Stimme dazu auf, der Macht der Nobilitätsclique entgegenzutreten. (5) Ich werde auf jeden Fall die Freiheit, die ich von meinem Vater erhalten habe, erproben. Aber ob mein Handeln vergeblich oder erfolgreich ist, das liegt in eurer Hand, Bürger von Rom. (6) Ich fordere euch aber nicht dazu auf, gegen das Unrecht mit Waffengewalt vorzugehen (was eure Vorfahren häufig getan haben). Weder ist es nötig, Gewalt anzuwenden, noch, die Stadt zu verlassen. Sie müssen notwendig durch ihr eigenes Verhalten zu Fall kommen. (7) Nach der Ermordung des Tiberius Gracchus [133 v. Chr.], dem sie das Streben nach der Königswürde unterstellten, wurden gerichtliche Untersuchungen gegen die römische Plebs durchgeführt; nach den Morden an Gaius Gracchus und Marcus Fulvius [121 v. Chr.] sind ebenfalls viele Menschen eures Standes im Gefängnis getötet worden. In beiden Fällen wurde das Morden nicht durch ein Gesetz, sondern durch ihre Willkür beendet. (8) Meinetwegen soll es ein Griff nach der Königswürde gewesen sein, wenn man versuchte, der Plebs das ihr Zustehende zurückzugeben; es sollen auch alle Strafaktionen rechtens sein, die nicht ohne ein Vergießen von Bürgerblut auskommen konnten! (9) In den vergangenen Jahren haben wir uns im Stillen darüber empört, dass die Staatskasse geplündert wurde, dass Könige und freie Völker einigen wenigen Adeligen Steuern zahlen mussten,

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penes eosdem et summam gloriam et maxumas divitias esse. Tamen haec talia facinora impune suscepisse parum habuere, itaque postremo leges, maiestas vostra, divina et humana omnia hostibus tradita sunt. (10) Neque eos, qui ea fecere, pudet aut paenitet, sed incedunt per ora vostra magnifici, sacerdotia et consulatus, pars triumphos suos ostentantes; proinde quasi ea honori, non praedae habeant. (11) Servi aere parati iniusta imperia dominorum non perferunt: vos, Quirites, in imperio nati aequo animo servitutem toleratis? (12) At qui sunt ii, qui rem publicam occupavere? Homines sceleratissumi, cruentis manibus, immani avaritia, nocentissumi et idem superbissumi, quibus fides, decus, pietas, postremo honesta atque inhonesta omnia quaestui sunt. (13) Pars eorum occidisse tribunos plebis, alii quaestiones iniustas, plerique caedem in vos fecisse pro munimento habent. (14) Ita quam quisque pessume fecit, tam maxume tutus est: metum ab scelere suo ad ignaviam vostram transtulere, quos omnis eadem cupere, eadem odisse, eadem metuere in unum coegit. (15) Sed haec inter bonos amicitia, inter malos factio est. (16) Quod si tam vos libertatis curam haberetis quam illi ad dominationem accensi sunt, profecto neque res publica sicuti nunc vastaretur et beneficia vostra penes optumos, non audacissumos forent. (17) Maiores vostri parandi iuris et maiestatis constituendae gratia bis per secessionem armati Aventinum occupavere; vos pro libertate, quam ab illis accepistis, nonne summa ope nitemini, atque eo vehementius, quo maius dedecus est parta amittere quam omnino non paravisse? (18) Dicet aliquis “Quid igitur censes?” Vindicandum in eos, qui hosti prodidere rem publicam, non manu neque vi, quod magis vos fecisse quam illis accidisse indignum est, verum quaestionibus et indicio ipsius Iugurthae. (19) Qui si dediticius est, profecto iussis vostris oboediens erit: sin ea contemnit, scilicet existumabitis, qualis illa pax aut deditio sit, ex qua ad Iugurtham

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dass dieselben Leute auch größten Ruhm und Reichtum genossen. Dennoch war es ihnen immer noch zu wenig, solche Verbrechen ungestraft durchführen zu können; daher sind schließlich die Gesetze, eure Würde, alles, was Göttern und Menschen heilig ist, den Feinden ausgeliefert worden. (10) Aber die Täter schämen sich nicht deswegen oder bereuen es womöglich, sondern sie stolzieren selbstherrlich vor euren Augen einher, stellen ihre Priesterämter und Konsulate zur Schau, einige auch ihre Triumphzüge – als ob sie diese Ämter als Ehre und nicht etwa als Beutestücke betrachten würden! (11) Für Geld gekaufte Sklaven erdulden die ungerechte Herrschaft ihrer Herren nicht: Wollt ihr, Bürger von Rom, die ihr als Herren geboren seid, eure Knechtschaft mit Gleichmut hinnehmen? (12) Aber wer sind diese Leute, die den Staat in ihren Besitz genommen haben? Schurken und Verbrecher mit blutbeschmierten Händen, von unvergleichlicher Habgier, verderbenbringend und von einem beispiellosen Hochmut, die Anstand, Ansehen, Pflichtgefühl und überhaupt alle ehrenhaften und unehrenhaften Eigenschaften lediglich als Einnahmequellen betrachten. (13) Einige von ihnen haben sich dadurch geschützt, dass sie Volkstribunen erschlagen haben, andere dadurch, dass sie rechtswidrige gerichtliche Untersuchungen durchführten, die meisten aber dadurch, dass sie unter euch Blutbäder angerichtet haben. (14) So ist jeweils der größte Verbrecher auch am sichersten. Sie haben die Angst von ihrem mit Verbrechen belasteten Gewissen auf eure feigen Seelen abgewälzt, sie alle, die dieselben Begehrlichkeiten, derselbe Hass und dieselbe Angst zusammengeschweißt haben. (15) Ein solcher Bund heißt aber bei anständigen Menschen Freundschaft, bei Schurken hingegen Clique. (16) Wenn nun euer Verantwortungsgefühl für die Freiheit so groß wäre wie ihr Machthunger, dann würde wahrhaftig der Staat nicht so wie jetzt verwüstet werden und die von euch verliehenen Ämter kämen den Besten und nicht den Skrupellosesten zugute. (17) Eure Vorfahren haben zweimal bewaffnet die Stadt verlassen und den Aventin besetzt, um sich Recht zu verschaffen und ihre Würde wiederherzustellen: Wollt ihr euch etwa nicht für die Freiheit, die ihr von ihnen erhalten habt, mit aller Kraft einsetzen – und dies umso mehr, als es eine größere Schande ist, Erworbenes zu verlieren als es überhaupt nicht erworben zu haben? (18) An dieser Stelle wird der eine oder andere fragen: „Was schlägst du also vor?“ Gegen diejenigen vorzugehen, die den Staat an unsere Feinde verkauft haben, aber nicht mit handgreiflicher Gewalt (dies wäre eher eurer Würde unangemessen, als dass sie es nicht verdient hätten), sondern mit gerichtlichen Untersuchungen und auf der Grundlage von Jugurthas eigener Aussage. (19) Wenn er sich wirklich ergeben hat, wird er gewiss euren Anordnungen gehorchen; wenn er diese aber ignoriert, werdet ihr bestimmt einschätzen können, wie dieser Frieden oder diese Kapitulation wirklich aussieht, die dem

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scelerum impunitas, ad paucos potentis maxumae divitiae, ad rem publicam damna atque dedecora pervenerint. (20) Nisi forte nondum etiam vos dominationis eorum satietas tenet et illa quam haec tempora magis placent, cum regna provinciae, leges, iura, iudicia, bella atque paces, postremo divina et humana omnia penes paucos erant; vos autem, hoc est populus Romanus, invicti ab hostibus, imperatores omnium gentium, satis habebatis animam retinere: nam servitutem quidem quis vostrum recusare audebat? (21) Atque ego, tametsi viro flagitiosissumum existumo impune iniuriam accepisse, tamen vos hominibus sceleratissumis ignoscere, quoniam cives sunt, aequo animo paterer, ni misericordia in perniciem casura esset. (22) Nam et illis, quantum importunitatis habent, parum est impune male fecisse, nisi deinde faciundi licentia eripitur, et vobis aeterna sollicitudo remanebit, cum intellegetis aut serviundum esse aut per manus libertatem retinendam. (23) Nam fidei quidem aut concordiae quae spes est? Dominari illi volunt, vos liberi esse; facere illi iniurias, vos prohibere; postremo sociis nostris veluti hostibus, hostibus pro sociis utuntur. (24) Potestne in tam divorsis mentibus pax aut amicitia esse? (25) Quare moneo hortorque vos, ne tantum scelus impunitum omittatis. Non peculatus aerari factus est neque per vim sociis ereptae pecuniae, quae quamquam gravia sunt, tamen consuetudine iam pro nihilo habentur: hosti acerrumo prodita senatus auctoritas, proditum imperium vostrum est; domi militiaeque res publica venalis fuit. (26) Quae nisi quaesita erunt, nisi vindicatum in noxios, quid erit relicuom nisi ut illis, qui ea fecere, oboedientes vivamus? Nam impune quae lubet facere, id est regem esse. (27) Neque ego vos, Quirites, hortor, ut malitis civis vostros perperam quam recte fecisse, sed ne ignoscundo malis bonos perditum eatis. (28) Ad hoc in re publica multo praestat benefici quam malefici inmemorem esse: bonus tantummodo segnior fit, ubi neglegas, at malus improbior. (29) Ad hoc si iniuriae non sint, haut saepe auxili egeas.’

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Verbrecher Jugurtha Straflosigkeit, einigen wenigen Mächtigen große Reichtümer, dem Staat hingegen Verluste und Schande eingebracht haben – (20) es sei denn, dass auch ihr ihrer Herrschaft noch nicht überdrüssig seid und euch die früheren Zeiten mehr zusagen als die heutigen, als Königreiche, Provinzen, Gesetze, Rechte, Gerichtsverhandlungen, Krieg und Frieden, überhaupt alle göttlichen und menschlichen Ordnungen in der Hand einiger weniger lagen. Ihr aber, das heißt das römische Volk, von keinem Feind überwunden, Herrscher über alle Völker, wart damit zufrieden, am Leben zu bleiben: Wer von euch hätte es nämlich gewagt, sich der Knechtschaft entgegenzustemmen? (21) Und obwohl ich es für eine große Schande für einen Mann halte, wenn er Unrecht ungestraft hinnimmt, würde ich es dennoch mit Gleichmut ertragen, wenn ihr Erzschurken verzeiht, weil sie eben Mitbürger sind, wenn nicht eben dieses Mitleid in den Untergang führen würde. (22) Denn einerseits ist es ihnen in all ihrer Rücksichtslosigkeit zu wenig, ungestraft Verbrechen begangen zu haben, wenn man ihnen nicht in Zukunft die Erlaubnis dazu nimmt; andererseits werdet ihr in ewiger Unsicherheit leben, wenn ihr bemerkt, dass ihr entweder wie Sklaven dienen oder eure Freiheit mit Gewalt bewahren müsst. (23) Denn wie könnten wir auf ihre Glaubwürdigkeit oder ihre Solidarität hoffen? Sie wollen die Herren, ihr aber frei sein; sie wollen Unrecht begehen, ihr aber verhindern; schließlich behandeln sie unsere Verbündeten wie Feinde, unsere Feinde aber wie Verbündete. (24) Kann es bei so unterschiedlichen Absichten Frieden oder Freundschaft geben? (25) Daher fordere ich euch nachdrücklich dazu auf, ein so großes Verbrechen nicht ungestraft hingehen zu lassen. Hier handelt es sich nicht um eine einfache Unterschlagung von Staatsgeldern, man hat auch nicht Verbündeten gewaltsam Geld geraubt – das sind zwar schwerwiegende Verbrechen, aber weil man sich bereits an sie gewöhnt hat, gelten sie als unbedeutend. Nein, das Ansehen des Senates und euer Reich sind an einen Erzfeind verkauft worden; im Krieg wie im Frieden hat sich der Staat als käuflich erwiesen. (26) Wenn man dagegen nicht gerichtlich vorgeht, wenn man die Schuldigen nicht zur Rechenschaft zieht, was wird uns dann noch übrig bleiben außer einem Leben in gehorsamer Abhängigkeit von den Tätern? Denn ungestraft tun zu können, wozu man Lust hat, das bedeutet, wie ein König zu herrschen. (27) Ich rufe euch jedoch nicht dazu auf, Bürger von Rom, dass ihr es vorzieht, dass eure Mitbürger falsch statt richtig handeln, sondern dass ihr nicht dadurch, dass ihr mit Verbrechern nachsichtig umgeht, die anständigen Menschen in den Untergang führt. (28) Außerdem ist es in politischen Angelegenheiten viel besser, gute Taten zu vergessen als schlechte. Die anständigen Männer werden nur träger, wenn man sie ignoriert, der Verbrecher aber dreister. (29) Außerdem: Wenn es kein Unrecht gäbe, bräuchte man nicht allzu oft Hilfe.“

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32 (1) Haec atque alia huiusce modi saepius dicundo Memmius populo persuadet, uti L. Cassius, qui tum praetor erat, ad Iugurtham mitteretur eumque interposita fide publica Romam duceret, quo facilius indicio regis Scauri et relicuorum, quos pecuniae captae arcessebat, delicta patefierent. (2) Dum haec Romae geruntur, qui in Numidia relicti a Bestia exercitui praeerant, secuti morem imperatoris sui, pluruma et flagitiosissuma facinora fecere. (3) Fuere, qui auro corrupti elephantos Iugurthae traderent; alii perfugas vendere, (4) pars ex pacatis praedas agebant: tanta vis avaritiae in animos eorum veluti tabes invaserat. (5) At Cassius praetor, perlata rogatione a C. Memmio ac perculsa omni nobilitate, ad Iugurtham proficiscitur eique timido et ex conscientia diffidenti rebus suis persuadet, quoniam se populo Romano dedisset, ne vim quam misericordiam eius experiri mallet. Privatim praeterea fidem suam interponit, quam ille non minoris quam publicam ducebat: talis ea tempestate fama de Cassio erat. 33 (1) Igitur Iugurtha contra decus regium cultu quam maxume miserabili cum Cassio Romam venit. (2) Ac tametsi in ipso magna vis animi erat, confirmatus ab omnibus, quorum potentia aut scelere cuncta ea gesserat, quae supra diximus, C. Baebium tribunum plebis magna mercede parat, quoius impudentia contra ius et iniurias omnis munitus foret. (3) At C. Memmius advocata contione, quamquam regi infesta plebes erat et pars in vincula duci iubebat, pars, nisi socios sceleris sui aperiret, more maiorum de hoste supplicium sumi, dignitati quam irae magis consulens sedare motus et animos eorum mollire, postremo confirmare fidem publicam per sese inviolatam fore. (4) Post, ubi silentium coepit, producto Iugurtha verba facit, Romae Numidiaeque facinora eius memorat, scelera in patrem fratresque ostendit. Quibus iuvantibus quibusque ministris ea egerit, quamquam intellegat populus Romanus, tamen velle manufesta magis ex illo habere: si verum aperiat, in fide et clementia populi Romani magnam spem illi sitam; sin reticeat, non sociis saluti fore, sed se suasque spes corrupturum.

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32 (1) Indem er öfter solche und ähnliche Reden hielt, konnte Memmius das Volk dazu bewegen, den damaligen Prätor Lucius Cassius zu Jugurtha zu schicken, der ihm freies Geleit zusichern und ihn nach Rom bringen sollte, damit auf die Zeugenaussage des Königs hin nur umso leichter die Vergehen des Scaurus und der anderen, die er wegen Bestechung belangen wollte, bekannt würden. (2) Während sich dies in Rom ereignete, folgten die von Bestia in Numidien zurückgelassenen Offiziere dem Beispiel ihres Feldherrn und machten sich zahlreicher übelster Vergehen schuldig. (3) Einige ließen sich mit Gold bestechen und lieferten Jugurtha die Elefanten aus; andere verkauften die Überläufer; wieder andere plünderten bereits befriedete Gegenden: (4) So groß war die Macht der Habgier, die ihre Seelen wie eine Seuche befallen hatte. (5) Nachdem aber der Antrag des Gaius Memmius angenommen und die Macht der Nobilität erschüttert worden war, begab sich der Prätor Cassius zu Jugurtha und überredete den König, der ängstlich war und aufgrund seines schlechten Gewissens kein Vertrauen mehr zu seiner Lage hatte, lieber das Mitleid des römischen Volkes als dessen Macht zu erproben, da er sich ja diesem ergeben habe. Er garantiert ihm zudem persönlich freies Geleit, und diese Garantie hielt Jugurtha für ebenso wertvoll wie die offizielle Zusicherung: So gut war damals der Ruf des Cassius. 33 (1) Und so kam Jugurtha ohne die übliche königliche Pracht in einem ganz jämmerlichen Aufzug zusammen mit Cassius nach Rom. (2) Und obwohl er selbst sehr schlau war, ließ er sich von all denjenigen den Rücken stärken, deren Macht oder Verbrechen ihm bei allen seinen oben erwähnten Vorhaben geholfen hatten, und sicherte sich mit einer hohen Bestechungssumme die Unterstützung des Volkstribunen Gaius Baebius, um durch dessen Skrupellosigkeit gegen alles Recht und Unrecht geschützt zu sein. (3) Obwohl aber die Plebs dem König feindlich gegenüberstand und einige forderten, er solle ins Gefängnis geworfen werden, andere, man solle ihn, den Feind, nach der Tradition der Vorfahren hinrichten, wenn er seine Komplizen nicht nenne, berief Gaius Memmius eine Volksversammlung ein, glättete die Wogen, besänftigte die Gemüter und versicherte schließlich, dass er sich an die Zusicherung des freien Geleites halten werde – er ließ sich nämlich eher von der Würde leiten als vom Unmut. (4) Als dann Stille eingetreten war, führte er Jugurtha vor, erwähnte in seiner Rede dessen Taten in Rom und in Numidien, und berichtete von den Verbrechen gegen Vater und Brüder. Obwohl das römische Volk erkenne, mit welchen Helfershelfern und Handlangern er das alles ausgeführt habe, wolle es doch lieber deutlichere Beweise aus seinem Munde hören. Wenn er die Wahrheit enthülle, könne er sich durchaus auf das Wort und die Milde des römischen Volkes verlassen; wenn er sie aber verschweige, werde er seinen Komplizen damit nicht helfen, sondern sowohl sich als auch seine Hoffnungen vernichten.

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34 (1) Deinde, ubi Memmius dicundi finem fecit et Iugurtha respondere iussus est, C. Baebius tribunus plebis, quem pecunia corruptum supra diximus, regem tacere iubet; ac tametsi multitudo, quae in contione aderat, vehementer accensa terrebat eum clamore, voltu, saepe impetu atque aliis omnibus, quae ira fieri amat, vicit tamen impudentia. Ita populus ludibrio habitus ex contione discedit; (2) Iugurthae Bestiaeque et ceteris, quos illa quaestio exagitabat, animi augescunt. 35 (1) Erat ea tempestate Romae Numida quidam nomine Massiva, Gulussae filius, Masinissae nepos, qui, quia in dissensione regum Iugurthae advorsus fuerat, dedita Cirta et Adherbale interfecto profugus ex patria abierat. (2) Huic Sp. Albinus, qui proxumo anno post Bestiam cum Q. Minucio Rufo consulatum gerebat, persuadet, quoniam ex stirpe Masinissae sit Iugurthamque ob scelera invidia cum metu urgeat, regnum Numidiae ab senatu petat. (3) Avidus consul belli gerundi movere quam senescere omnia malebat; ipsi provincia Numidia, Minucio Macedonia evenerat. (4) Quae postquam Massiva agitare coepit neque Iugurthae in amicis satis praesidi est, quod eorum alium conscientia, alium mala fama et timor impediebat, Bomilcari, proxumo ac maxume fido sibi, imperat pretio, sicuti multa confecerat, insidiatores Massivae paret ac maxume occulte, sin id parum procedat, quovis modo Numidam interficiat. (5) Bomilcar mature regis mandata exsequitur et per homines talis negoti artifices itinera egressusque eius, postremo loca atque tempora cuncta explorat; deinde, ubi res postulabat, insidias tendit. (6) Igitur unus ex eo numero, qui ad caedem parati erant, paulo inconsultius Massivam aggreditur. Illum obtruncat, sed ipse deprehensus multis hortantibus et in primis Albino consule indicium profitetur. (7) Fit reus magis ex aequo bonoque quam ex iure gentium Bomilcar, comes eius, qui Romam fide publica venerat. (8) At Iugurtha manufestus tanti sceleris non prius omisit contra verum niti quam animadvortit supra gratiam atque pecuniam suam invidiam facti esse. (9) Igitur, quamquam in priore actione

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34 (1) Sobald Memmius seine Rede dann beendet hatte und Jugurtha aufgefordert wurde zu antworten, befiehlt der Volkstribun Gaius Baebius (der, wie bereits erwähnt, bestochen war) dem König zu schweigen. Und obwohl ihm die bei der Versammlung anwesende heftig erregte Volksmenge Angst einjagte durch ihr Geschrei, durch ihre Mienen, mehrere auch durch angedeutete Handgreiflichkeiten und alles andere, was im Zorn zu geschehen pflegt, setzte sich dennoch die Dreistigkeit durch. So verlässt das zum Narren gehaltene Volk die Versammlung. (2) Jugurtha und Bestia wie auch die anderen, denen diese gerichtliche Untersuchung die Ruhe geraubt hat, schöpfen neuen Mut. 35 (1) Zu dieser Zeit lebte in Rom ein Numider namens Massiva, ein Sohn des Gulussa und Enkel des Masinissa, der bei den Auseinandersetzungen unter den Königen auf der Seite von Jugurthas Feinden stand und daher nach der Übergabe von Cirta und Adherbals Ermordung als Flüchtling seine Heimat verlassen hatte. (2) Diesen überredete Spurius Albinus, der im Jahr nach Bestias Konsulat zusammen mit Quintus Minucius Rufus Konsul war, den Senat um die numidische Königswürde zu bitten, da er ja aus Masinissas Geschlecht stamme und Jugurtha seine Verbrechen nur Hass und Angst einbrächten. (3) Der kriegslüsterne Konsul wollte lieber alles in Bewegung bringen als für Ruhe sorgen. Er hatte Numidien als Provinz erhalten, Minucius Makedonien. (4) Als Massiva damit begann, diesen Vorschlag in die Tat umzusetzen, und Jugurtha bei seinen Freunden keine nennenswerte Unterstützung findet, weil den einen sein Gewissen, den anderen sein schlechter Ruf und die Angst davon abhielten, beauftragt er Bomilcar, einen seiner engsten und zuverlässigsten Vertrauten, mit der Ausführung seines Planes: Er solle möglichst unauffällig gegen Geld (das war ja seine übliche Vorgehensweise) Männer für den Mord an Massiva dingen; sollte diese Taktik keine rechten Fortschritte machen, solle er den Numider auf welche Weise auch immer ermorden. (5) Bomilcar führt schnell die Anweisungen des Königs aus und bringt durch Männer, die sich auf solche Aufträge verstanden, alle Lebensgewohnheiten Massivas in Erfahrung und erkundet zuletzt dessen Aufenthaltsorte zu bestimmten Zeiten. Sobald es dann die Sache erforderte, legte er ihm einen Hinterhalt. (6) Einer der gedungenen Mörder griff Massiva aber etwas zu unvorsichtig an; er erschlägt ihn zwar, wird aber selbst festgenommen, und als viele, besonders der Konsul Albinus, ihm zureden, verspricht er auszusagen. (7) So wird Bomilcar angeklagt – eher nach Recht und Anstand als nach dem Völkerrecht, da er ja zu Jugurthas Gefolge gehörte, der unter der Zusicherung des freien Geleites nach Rom gekommen war. (8) Jugurtha aber, der eindeutig eines so schweren Verbrechens überführt war, hörte erst dann auf, gegen die Wahrheit zu kämpfen, als er bemerkte, dass der Hass auf seine Tat mehr wog als sein Einfluss und seine finanziellen Mittel. (9) Obwohl er für die frühere Verhandlung 50 seiner

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ex amicis quinquaginta vades dederat, regno magis quam vadibus consulens clam in Numidiam Bomilcarem dimittit, veritus ne relicuos popularis metus invaderet parendi sibi, si de illo supplicium sumptum foret. Et ipse paucis diebus eodem profectus est, iussus a senatu Italia decedere. (10) Sed postquam Roma egressus est, fertur saepe eo tacitus respiciens postremo dixisse: ‘urbem venalem et mature perituram, si emptorem invenerit.’ 36 (1) Interim Albinus renovato bello commeatum, stipendium aliaque quae militibus usui forent maturat in Africam portare; ac statim ipse profectus, uti ante comitia, quod tempus haud longe aberat, armis aut deditione aut quovis modo bellum conficeret. (2) At contra Iugurtha trahere omnia et alias, deinde alias morae causas facere, polliceri deditionem ac deinde metum simulare, cedere instanti et paulo post, ne sui diffiderent, instare: ita belli modo, modo pacis mora consulem ludificare. (3) Ac fuere, qui tum Albinum haud ignarum consili regis existumarent neque ex tanta properantia tam facile tractum bellum socordia magis quam dolo crederent. (4) Sed postquam dilapso tempore comitiorum dies adventabat, Albinus Aulo fratre in castris pro praetore relicto Romam decessit. 37 (1) Ea tempestate Romae seditionibus tribuniciis atrociter res publica agitabatur. (2) P. Lucullus et L. Annius tribuni plebis resistentibus collegis continuare magistratum nitebantur, quae dissensio totius anni comitia impediebat. (3) Ea mora in spem adductus Aulus, quem pro praetore in castris relictum supra diximus, aut conficiundi belli aut terrore exercitus ab rege pecuniae capiundae milites mense Ianuario ex hibernis in expeditionem evocat, magnisque itineribus hieme aspera pervenit ad oppidum Suthul, ubi regis thesauri erant. (4) Quod quamquam et saevitia temporis et opportunitate loci neque capi neque obsideri poterat – nam circum murum situm in praerupti montis extremo planities limosa hiemalibus aquis paludem fecerat – tamen aut simulandi gratia, quo regi formidinem adderet, aut

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Freunde als Bürgen gestellt hatte, kümmert er sich mehr um sein Reich als um seine Bürgen und schickt Bomilcar heimlich nach Numidien, in der Angst, dass seine übrigen Landsleute davor zurückschrecken würden, ihm weiterhin Gefolgschaft zu leisten, wenn dieser hingerichtet würde. Auch er selbst ging wenige Tage später aus Rom fort, um eben dorthin zurückzukehren, da ihm der Senat befohlen hatte, Italien zu verlassen. (10) Aber als er Roms Stadtgrenze überschritten hatte, soll er sich oft schweigend dorthin umgedreht und schließlich gesagt haben: „O du käufliche Stadt, die bald untergehen wird, wenn sie erst einen Käufer gefunden hat!“ 36 (1) Inzwischen beeilte sich Albinus nach der Wiederherstellung des Kriegszustandes, Nachschub, Sold und alles andere, was seine Soldaten benötigen würden, nach Africa zu bringen. Er selber brach ebenfalls sofort auf, um noch vor den bald stattfindenden Wahlen mit Waffengewalt, durch die Herbeiführung einer Kapitulation oder wie auch immer den Krieg zu beenden. (2) Auf der Gegenseite tat aber Jugurtha alles, um den Krieg zu verschleppen und durch immer wieder neue Gründe zu verzögern; er versprach zu kapitulieren, dann täuschte er Angst vor, wich vor dem nachsetzenden Albinus zurück, um kurz darauf erneuten Widerstand zu leisten, damit seine Leute nicht die Hoffnung verlören. So hielt er durch die Verzögerung teils des Krieges, teils des Friedens den Konsul zum Narren. (3) Einige meinten, Albinus habe damals die Absicht des Königs wohl durchschaut und der Krieg sei nach einer so großen anfänglichen Eile nicht so sehr aus Trägheit als vielmehr aus verschlagener Berechnung heraus verzögert worden. (4) Aber die Zeit verging, und als der Wahltag näher rückte, ließ Albinus seinen Bruder Aulus im Lager als Proprätor zurück und brach nach Rom auf. 37 (1) Zu dieser Zeit wurde in Rom der Staat durch Querelen unter den Volkstribunen stark erschüttert. (2) Die Volkstribunen Publius Lucullus und Lucius Annius kämpften gegen den Widerstand ihrer Amtsgenossen darum, ihr Amt zu verlängern, und diese Auseinandersetzung behinderte alle Wahlen dieses Jahres. (3) Aufgrund dieser Verzögerung ließ sich Aulus, der wie gesagt als Proprätor im Lager zurückgeblieben war, zu der Hoffnung verleiten, entweder den Krieg beenden oder aber vom König Geld bekommen zu können, indem er ihm mit seinem Heer in Angst versetze – und so berief er die Soldaten im Monat Januar aus den Winterlagern zu einem Feldzug. In Eilmärschen kam er in einem harten Winter zur Stadt Suthul, wo die Schatzhäuser des Königs waren. (4) Obwohl er diese Stadt wegen der strengen Jahreszeit und der idealen Lage des Ortes weder einnehmen noch belagern konnte (denn auf der schlammigen Ebene um die Stadtmauer, die am Rande eines steilen Berges lag, war durch die winterlichen Regenfälle ein Sumpf entstanden), führte er dennoch entweder zum Schein (um so dem König Angst einzujagen) oder von

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cupidine caecus ob thesauros oppidi potiundi vineas agere, aggerem iacere aliaque, quae incepto usui forent, properare. 38 (1) At Iugurtha cognita vanitate atque imperitia legati subdole eius augere amentiam, missitare supplicantis legatos, ipse quasi vitabundus per saltuosa loca et tramites exercitum ductare. (2) Denique Aulum spe pactionis perpulit, uti relicto Suthule in abditas regiones sese veluti cedentem insequeretur: ita delicta occultiora fore. (3) Interea per homines callidos diu noctuque exercitum temptabat, centuriones ducesque turmarum partim uti transfugerent corrumpere, alii signo dato locum uti desererent; (4) quae postquam ex sententia instruit, intempesta nocte de improviso multitudine Numidarum Auli castra circumvenit. (5) Milites Romani, perculsi tumultu insolito, arma capere alii, alii se abdere, pars territos confirmare, trepidare omnibus locis: vis magna hostium, caelum nocte atque nubibus obscuratum, periculum anceps; postremo fugere an manere tutius foret in incerto erat. (6) Sed ex eo numero, quos paulo ante corruptos diximus, cohors una Ligurum cum duabus turmis Thracum et paucis gregariis militibus transiere ad regem, et centurio primi pili tertiae legionis per munitionem, quam uti defenderet acceperat, locum hostibus introeundi dedit, eaque Numidae cuncti irrupere. (7) Nostri foeda fuga, plerique abiectis armis, proxumum collem occupaverunt. (8) Nox atque praeda castrorum hostis, quominus victoria uterentur, remorata sunt. (9) Deinde Iugurtha postero die cum Aulo in colloquio verba facit: tametsi ipsum cum exercitu fame et ferro clausum tenet, tamen se memorem humanarum rerum, si secum foedus faceret, incolumis omnis sub iugum missurum; praeterea uti diebus decem Numidia decederet. (10) Quae quamquam gravia et flagiti plena erant, tamen, quia mortis metu mutabantur, sicuti regi lubuerat, pax convenit.

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der blinden Gier getrieben, sich um der Schätze willen der Stadt zu bemächtigen, Schutzdächer an die Stadtmauern heran, ließ einen Damm bauen und eilends alle anderen Vorbereitungen treffen, die für sein Vorhaben förderlich wären. 38 (1) Als Jugurtha aber die Selbstüberschätzung und die Unerfahrenheit des Legaten erkannte, verleitete er ihn tückischerweise zu noch größeren Torheiten, schickte wiederholt demütig flehende Gesandte und führte sein Heer durch Schluchten und auf Schleichpfaden, um so den Eindruck zu erwecken, als wolle er sich nicht zur Schlacht stellen. (2) Schließlich weckte er in Aulus die Hoffnung auf eine Abmachung und brachte ihn so dazu, die Gegend von Suthul zu verlassen und ihm, der sich den Anschein eines Ausweichenden gab, in entlegene Regionen zu folgen: So würden etwaige Fehltritte verborgener bleiben. (3) Unterdessen ließ er verschlagene Männer bei Tage und bei Nacht das Heer bearbeiten und brachte Zenturionen und Reiterführer durch Bestechungen dazu, entweder zu ihm überzulaufen oder auf ein Zeichen hin ihren Posten zu verlassen. (4) Nachdem er diese Vorbereitungen wie geplant getroffen hatte, umzingelte er tief in der Nacht unversehens mit einer großen Zahl von Numidern das Lager des Aulus. (5) Die römischen Soldaten waren durch den ungewohnten Lärm völlig überrascht; die einen griffen zu den Waffen, die anderen verbargen sich, wieder andere sprachen den Verängstigten Mut zu, überall herrschte Hektik: Die feindliche Truppenmacht war groß, der Himmel durch die wolkenverhangene Nacht verdunkelt, Gefahr drohte von zwei Seiten. Schließlich zweifelte man, ob es sicherer sei zu fliehen oder zu bleiben. (6) Aber zu den Truppenteilen, die kurz zuvor, wie erwähnt, bestochen worden waren, gehörte auch eine Kohorte von Ligurern, die mit zwei thrakischen Schwadronen und einigen wenigen Legionären zum König überliefen; auch der ranghöchste Zenturio der dritten Legion ließ die Feinde an der Stelle einbrechen, wo er die Befestigungsanlagen hätte verteidigen sollen, und dort drangen alle Numider ein. (7) Unsere Soldaten besetzten in einer schändlichen Flucht (die meisten hatten nämlich ihre Waffen weggeworfen) den nächsten Hügel. (8) Die Nacht und die im Lager zu erwartende Beute hielten die Feinde davon ab, ihren Sieg auszunützen. (9) Am folgenden Tag verhandelte Jugurtha dann mit Aulus: Obwohl er ihn und sein Heer durch Hunger und Schwert eingeschlossen habe, denke er dennoch an den wandelbaren Lauf des menschlichen Lebens und werde alle unversehrt unter das Joch schicken, wenn er einen Vertrag mit ihm schließe. Außerdem solle er innerhalb von zehn Tagen Numidien verlassen. (10) Obwohl diese Forderungen hart und schändlich waren, wurde dennoch nach dem Belieben des Königs ein Frieden geschlossen, weil man diese Bedingungen gegen die Todesangst eintauschte.

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39 (1) Sed ubi ea Romae comperta sunt, metus atque maeror civitatem invasere: pars dolere pro gloria imperi, pars insolita rerum bellicarum timere libertati; Aulo omnes infesti, ac maxume qui bello saepe praeclari fuerant, quod armatus dedecore potius quam manu salutem quaesiverat. (2) Ob ea consul Albinus, ex delicto fratris invidiam ac deinde periculum timens, senatum de foedere consulebat; et tamen interim exercitui supplementum scribere, ab sociis et nomine Latino auxilia arcessere, denique omnibus modis festinare. (3) Senatus ita, uti par fuerat, decernit suo atque populi iniussu nullum potuisse foedus fieri. (4) Consul, impeditus a tribunis plebis, ne quas paraverat copias secum portaret, paucis diebus in Africam proficiscitur; nam omnis exercitus, uti convenerat, Numidia deductus in provincia hiemabat. (5) Postquam eo venit, quamquam persequi Iugurtham et mederi fraternae invidiae animo ardebat, cognitis militibus, quos praeter fugam soluto imperio licentia atque lascivia corruperat, ex copia rerum statuit sibi nihil agitandum. 40 (1) Interim Romae C. Mamilius Limetanus tribunus plebis rogationem ad populum promulgat, uti quaereretur in eos, quorum consilio Iugurtha senati decreta neglegisset quique ab eo in legationibus aut imperiis pecunias accepissent, qui elephantos quique perfugas tradidissent, item qui de pace aut bello cum hostibus pactiones fecissent. (2) Huic rogationi partim conscii sibi, alii ex partium invidia pericula metuentes, quoniam aperte resistere non poterant, quin illa et alia talia placere sibi faterentur, occulte per amicos ac maxume per homines nominis Latini et socios Italicos impedimenta parabant. (3) Sed plebes incredibile memoratu est quam intenta fuerit quantaque vi rogationem iusserit, magis odio nobilitatis, quoi mala illa parabantur, quam cura rei publicae: tanta lubido in partibus erat. (4) Igitur ceteris metu perculsis M. Scaurus, quem legatum

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39 (1) Als man davon aber in Rom erfuhr, befielen Angst und Trauer die Bürger: Einige waren schmerzlich besorgt um den Ruhm des Reiches; andere, die sich im Kriegswesen nicht auskannten, fürchteten um ihre Freiheit; alle standen Aulus feindlich gegenüber, vor allem diejenigen, die sich selber oft im Krieg ausgezeichnet hatten, weil er, obwohl bewaffnet, sein Heil lieber in der Schande als im Kampf gesucht hatte. (2) Da der Konsul Albinus daher befürchtete, dass die Pflichtverletzung seines Bruders Unmut und einen Prozess hervorrufen würde, legte er dem Senat den Bündnisvertrag zur Beratung vor. In der Zwischenzeit ergänzte er aber das Heer, berief Hilfstruppen der Verbündeten und der Latiner ein und war überhaupt rastlos tätig. (3) Der Senat fasste einen Beschluss, der der Situation angemessen war: Ein Vertrag hätte nicht zustande kommen dürfen ohne Ermächtigung durch Senat und Volk. (4) Obwohl der Konsul von den Volkstribunen daran gehindert wurde, die bereitgestellten Truppen mitzunehmen, bricht er wenige Tage später nach Africa auf; denn das ganze Heer war entsprechend der Vereinbarung aus Numidien abgezogen worden und lag nun in der Provinz im Winterlager. (5) Obwohl Albinus nach seiner Ankunft darauf brannte, Jugurtha zu verfolgen und dem über seinen Bruder herrschenden Unmut ein Ende zu bereiten, beschloss er angesichts des Zustandes, in dem sich das Heer befand, dass es entsprechend der vorhandenen Möglichkeiten besser wäre, nichts zu unternehmen – die Soldaten waren nämlich – ganz abgesehen von der Flucht – nach der Auflösung der militärischen Disziplin von allzu großer Freiheit und Ausschweifung korrumpiert worden. 40 (1) Inzwischen brachte in Rom der Volkstribun Gaius Mamilius Limetanus beim Volk den Gesetzesvorschlag ein, gegen all diejenigen eine gerichtliche Untersuchung anzustrengen, auf deren Rat hin Jugurtha die Senatsbeschlüsse ignoriert habe, die von diesem als Gesandte oder Befehlshaber bestochen worden seien, die Elefanten oder Überläufer ausgeliefert hätten, ebenso gegen alle, die mit den Feinden Abkommen über Frieden oder Krieg geschlossen hätten. (2) Einige waren sich ihrer Schuld bewusst, andere befürchteten aufgrund des Unmuts über ihre Partei Gefahren, und da sie nicht offen Widerstand leisten konnten, ohne zuzugeben, dass sie mit der einen oder anderen Handlungsweise einverstanden waren, versuchten sie, diesem Antrag im Geheimen durch Freunde und vor allem durch Leute latinischen Rechts und italische Verbündete Steine in den Weg zu legen. (3) Es ist aber unglaublich, wie leidenschaftlich die Anteilnahme der Plebs war und mit welch großem Nachdruck sie diesen Antrag bewilligte – eher aus Hass auf die Nobilität, gegen die diese Maßnahmen gerichtet waren, als aus politischem Verantwortungsbewusstsein: So groß war die Parteileidenschaft. (4) Als nach dem Gesetz des Mamilius drei Untersuchungsrichter gewählt werden sollten und die anderen vor Angst wie gelähmt waren, gelang es Marcus Scaurus (der, wie gesagt, Le-

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Bestiae fuisse supra docuimus, inter laetitiam plebis et suorum fugam, trepida etiam tum civitate, cum ex Mamilia rogatione tres quaesitores rogarentur, effecerat, uti ipse in eo numero crearetur. (5) Sed quaestio exercita aspere violenterque ex rumore et lubidine plebis: uti saepe nobilitatem, sic ea tempestate plebem ex secundis rebus insolentia ceperat. 41 (1) Ceterum mos partium [popularium] et [senatores] factionum ac deinde omnium malarum artium paucis ante annis Romae ortus est otio atque abundantia earum rerum, quae prima mortales ducunt. (2) Nam ante Carthaginem deletam populus et senatus Romanus placide modesteque inter se rem publicam tractabant, neque gloriae neque dominationis certamen inter civis erat: metus hostilis in bonis artibus civitatem retinebat. (3) Sed ubi illa formido mentibus decessit, scilicet ea, quae res secundae amant, lascivia atque superbia, incessere. (4) Ita quod in advorsis rebus optaverant otium, postquam adepti sunt, asperius acerbiusque fuit. (5) Namque coepere nobilitas dignitatem, populus libertatem in lubidinem vortere, sibi quisque ducere trahere rapere. Ita omnia in duas partis abstracta sunt, res publica, quae media fuerat, dilacerata. (6) Ceterum nobilitas factione magis pollebat, plebis vis soluta atque dispersa in multitudine minus poterat. (7) Paucorum arbitrio belli domique agitabatur; penes eosdem aerarium, provinciae, magistratus, gloriae triumphique erant; populus militia atque inopia urgebatur, praedas bellicas imperatores cum paucis diripiebant; (8) interea parentes aut parvi liberi militum, uti quisque potentiori confinis erat, sedibus pellebantur. (9) Ita cum potentia avaritia sine modo modestiaque invadere, polluere et vastare omnia, nihil pensi neque sancti habere, quoad semet ipsa praecipitavit. (10) Nam ubi primum ex nobilitate reperti sunt, qui veram gloriam iniustae potentiae anteponerent, moveri civitas et dissensio civilis quasi permixtio terrae oriri coepit.

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gat bei Bestia gewesen war) inmitten des Triumphes der Plebs und der feigen Zurückhaltung seiner Genossen (die politische Lage war immer noch unruhig), in diese Kommission gewählt zu werden. (5) Die Untersuchung wurde aber streng und rücksichtslos durchgeführt nach der Willkür der Plebs, die sich vor allem von Gerüchten leiten ließ. Wie schon oft zuvor über die Nobilität, so war dieses Mal aufgrund der günstigen Umstände der Hochmut über die Plebs gekommen. 41 (1) Aber die Parteien- und Cliquenwirtschaft und danach die Pflege aller schlechten Verhaltensweisen waren erst wenige Jahre zuvor in Rom aufgetreten, und zwar infolge des Friedenszustandes und des Überflusses an den Dingen, die die Menschen für das wichtigste halten. (2) Denn vor der Zerstörung Karthagos verwalteten Volk und Senat von Rom gemeinsam den Staat in friedlicher und maßvoller Art und Weise; und es gab unter den Bürgern keinen Kampf um Ruhm oder Herrschaft: Die Angst vor dem Feind hielt die Bürgerschaft bei ihren guten Eigenschaften. (3) Als aber diese Furcht aus den Herzen der Menschen geschwunden war, drang natürlich das ein, was glückliche Umstände nach sich ziehen, nämlich Ausschweifung und Hochmut. (4) So wurde ihnen der Frieden, den sie in schweren Zeiten herbeigesehnt hatten, sobald sie ihn einmal bekommen hatten, recht hart und schwer erträglich. (5) Denn die Nobilität begann ihre Stellung, das Volk hingegen die Freiheit in Willkür ausarten zu lassen; jeder machte Beute, raffte und raubte zu seinem eigenen Vorteil. So ist alles in zwei Teile auseinandergerissen worden, der Staat aber, der in der Mitte gewesen war, wurde zerfleischt. (6) Aber die Nobilität war eher aufgrund ihrer Cliquenbildung einflussreich, die Macht der Plebs war völlig zersplittert und infolge ihrer Masse weniger bedeutend. (7) Nach der Willkür einiger weniger handelte man in Krieg und Frieden; dieselben Leute bestimmten über die Staatsfinanzen, die Provinzen, die Ämter, den Ruhm und die Triumphe; das Volk wurde von Kriegsdienst und materieller Not bedrängt, an der Kriegsbeute bereicherten sich die Feldherren zusammen mit wenigen anderen. (8) Unterdessen wurden die Eltern oder die kleinen Kinder der Soldaten von ihren Wohnsitzen vertrieben, je nachdem wie nahe ihre Besitzungen denen von Mächtigeren lagen. (9) So drang zusammen mit der Macht Habgier ohne Maß und Ziel ein: Sie beschmutzte und verwüstete alles, nichts war ihr unantastbar und heilig, bis sie sich selber in den Abgrund stürzte. (10) Denn sobald sich erst einmal Adelige gefunden hatten, die wahren Ruhm ungerechter Herrschaft vorzogen, begann der Staat in Unruhe zu geraten und es entwickelte sich allmählich eine politische Auseinandersetzung wie ein Erdbeben.

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42 (1) Nam postquam Ti. et C. Gracchus, quorum maiores Punico atque aliis bellis multum rei publicae addiderant, vindicare plebem in libertatem et paucorum scelera patefacere coepere, nobilitas noxia atque eo perculsa modo per socios ac nomen Latinum, interdum per equites Romanos, quos spes societatis a plebe dimoverat, Gracchorum actionibus obviam ierat; et primo Tiberium, dein paucos post annos eadem ingredientem Gaium, tribunum alterum, alterum triumvirum coloniis deducundis, cum M. Fulvio Flacco ferro necaverat. (2) Et sane Gracchis cupidine victoriae haud satis moderatus animus fuit. (3) Sed bono vinci satius est quam malo more iniuriam vincere. (4) Igitur ea victoria nobilitas ex lubidine sua usa multos mortalis ferro aut fuga extinxit plusque in relicuom sibi timoris quam potentiae addidit. Quae res plerumque magnas civitatis pessum dedit, dum alteri alteros vincere quovis modo et victos acerbius ulcisci volunt. (5) Sed de studiis partium et omnis civitatis moribus si singillatim aut pro magnitudine parem disserere, tempus quam res maturius me deseret; quam ob rem ad inceptum redeo. 43 (1) Post Auli foedus exercitusque nostri foedam fugam Metellus et Silanus, consules designati, provincias inter se partiverant, Metelloque Numidia evenerat, acri viro et, quamquam advorso populi partium, fama tamen aequabili et inviolata. (2) Is ubi primum magistratum ingressus est, alia omnia sibi cum collega ratus, ad bellum, quod gesturus erat, animum intendit. (3) Igitur diffidens veteri exercitui milites scribere, praesidia undique arcessere, arma, tela, equos et cetera instrumenta militiae parare, ad hoc commeatum affatim, denique omnia, quae in bello vario et multarum rerum egenti usui esse solent. (4) Ceterum ad ea patranda senatus auctoritate, socii nomenque Latinum et reges ultro auxilia mittundo, postremo omnis civitas summo studio adnitebatur. (5) Itaque ex sententia omnibus rebus paratis compositisque in Numidiam proficiscitur, magna spe civium cum propter artis bonas tum maxume quod advorsum

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42 (1) Denn nachdem Tiberius und Gaius Gracchus, deren Vorfahren im Punischen und in anderen Kriegen viel für den Staat geleistet hatten, damit begonnen hatten, das Volk zu befreien und die Verbrechen der Adelsclique aufzudecken, trat die schuldbewusste und deswegen beunruhigte Nobilität bald mithilfe der Verbündeten und Latiner, bald mithilfe der römischen Ritter (die die Hoffnung auf ein Bündnis mit dem Adel von der Plebs getrennt hatte) den Aktionen der Gracchen entgegen. Und zuerst töteten sie Tiberius Gracchus mit Waffengewalt [133 v. Chr.], dann wenige Jahre später Gaius Gracchus [121 v. Chr.], der dieselben Ziele wie sein Bruder verfolgte, den einen als Tribun, den anderen als Triumvirn für die Koloniegründungen zusammen mit Marcus Fulvius Flaccus. (2) Und in der Tat waren die Gracchen aufgrund ihres Siegeswillens allzu maßlos. (3) Es ist aber für einen anständigen Mann besser, besiegt zu werden, als auf verwerfliche Art und Weise das Unrecht zu besiegen. (4) So beutete die Nobilität diesen Sieg nach ihrer Willkür aus und beseitigte zahlreiche Menschen mit der Waffe oder durch Verbannung; sich selbst verschaffte sie auf diese Weise für die Zukunft mehr Angst als Macht. Diese Haltung hat sehr häufig große Staaten zugrunde gerichtet, wenn nämlich die Parteien einander um jeden Preis besiegen und sich an den Besiegten mitleidlos rächen wollen. (5) Aber wenn ich über die Parteileidenschaften und die moralischen Zustände des ganzen Staates im Einzelnen oder ihrer Bedeutung entsprechend reden wollte, würde mir eher die Zeit als der Stoff ausgehen; daher wende ich mich wieder meinem Vorhaben zu. 43 (1) Nach dem Vertrag des Aulus und der schändlichen Flucht unseres Heeres hatten die designierten Konsuln Metellus und Silanus die Provinzen unter sich aufgeteilt. Numidien war Metellus zugefallen, einem energischen Mann, der – obwohl ein Gegner der Volkspartei – einen gleichmäßig guten und makellosen Ruf genoss. (2) Bei seinem Amtsantritt war er der Meinung, alle anderen Aufgaben seinem Kollegen überlassen zu können, und konzentrierte sich daher ganz auf den Krieg, den er führen würde. (3) Aus Misstrauen gegenüber dem alten Heer rekrutierte er also Soldaten, holte Hilfe von überall her, besorgte Waffen aller Art, Pferde und die sonstigen militärischen Gerätschaften, außerdem reichlich Nachschub, überhaupt alles, was für einen wechselhaften Krieg, in dem Bedarf an vielem besteht, gewöhnlich erforderlich ist. (4) Um dies durchführen zu können, konnte er sich aber auf die Hilfe aller verlassen: Der Senat unterstützte ihn mit seiner Autorität, die Verbündeten, die Latiner und die Könige durch die freiwillige Stellung von Hilfstruppen, überhaupt die ganze Bürgerschaft mit dem größten Einsatz. (5) Als nun alle Vorbereitungen und Regelungen nach Wunsch getroffen worden waren, bricht er nach Numidien auf. Seine Mitbürger setzten große Hoffnungen auf ihn,

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divitias invictum animum gerebat et avaritia magistratuum ante id tempus in Numidia nostrae opes contusae hostiumque auctae erant. 44 (1) Sed ubi in Africam venit, exercitus ei traditur a Sp. Albino proconsule iners inbellis, neque periculi neque laboris patiens, lingua quam manu promptior, praedator ex sociis et ipse praeda hostium, sine imperio et modestia habitus. (2) Ita imperatori novo plus ex malis moribus sollicitudinis quam ex copia militum auxili aut spei bonae accedebat. (3) Statuit tamen Metellus, quamquam et aestivorum tempus comitiorum mora imminuerat et exspectatione eventus civium animos intentos putabat, non prius bellum attingere quam maiorum disciplina milites laborare coegisset. (4) Nam Albinus, Auli fratris exercitusque clade perculsus, postquam decreverat non egredi provincia, quantum temporis aestivorum in imperio fuit, plerumque milites stativis castris habebat, nisi cum odor aut pabuli egestas locum mutare subegerat. (5) Sed neque more militari vigiliae deducebantur; uti quoique lubebat, ab signis aberat; lixae permixti cum militibus diu noctuque vagabantur, et palantes agros vastare, villas expugnare, pecoris et mancipiorum praedas certantes agere eaque mutare cum mercatoribus vino advecticio et aliis talibus; praeterea frumentum publice datum vendere, panem in dies mercari: postremo quaecumque dici aut fingi queunt ignaviae luxuriaeque probra, in illo exercitu cuncta fuere et alia amplius. 45 (1) Sed in ea difficultate Metellum non minus quam in rebus hostilibus magnum et sapientem virum fuisse comperior: tanta temperantia inter ambitionem saevitiamque moderatum. (2) Namque edicto primum adiumenta ignaviae sustulisse: ne quisquam in castris panem aut quem alium cibum coctum venderet, ne lixae exercitum sequerentur, ne miles gregarius in castris neve in agmine servom aut iumentum haberet; ceteris arte modum statuisse. Praeterea transvorsis itineribus

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sowohl wegen seiner Fähigkeiten als auch ganz besonders deswegen, weil er sich vom Reichtum nicht bezwingen ließ und weil es zuvor die Habgier der Beamten gewesen war, die unsere Macht in Numidien zerschlagen und die Position der Feinde gestärkt hatte. 44 (1) Als er aber in Africa ankam, wurde ihm von dem Prokonsul Spurius Albinus ein Heer übergeben, das träge und unkriegerisch war, unfähig, Gefahren und Strapazen zu ertragen, mit der Zunge schneller als mit der Hand; es machte Beute bei den Bundesgenossen und wurde seinerseits zur Beute der Feinde, man hatte es ohne Führung und Disziplin gelassen. (2) So war der neue Feldherr eher beunruhigt über das schlechte Verhalten seiner Truppe, als dass ihm die Zahl der Soldaten Nutzen gebracht oder Hoffnung gemacht hätte. (3) Obwohl die Wahlverzögerung den bevorstehenden Sommerfeldzug verkürzt hatte und Metellus glaubte, dass die Bürger gespannt auf den Ausgang des Krieges warteten, beschloss er trotzdem, den Krieg erst zu beginnen, wenn er die Soldaten dazu gebracht hätte, mit der Disziplin ihrer Vorfahren den Dienst zu verrichten und Strapazen zu ertragen. (4) Denn nachdem sich Albinus, von der Niederlage seines Bruders und seines Heeres gelähmt, dazu entschlossen hatte, die Provinz nicht zu verlassen, hatte er die Soldaten, solange er im Sommer noch das Kommando führte, zumeist im Standlager gehalten, es sei denn, dass der Gestank oder der Mangel an Lebensmitteln ihn dazu gezwungen hatte, den Standort zu wechseln. (5) Die Lager wurden aber nicht befestigt noch wurden Wachen nach militärischen Prinzipien aufgestellt. Wie es jedem gerade gefiel, blieb er dem Dienst fern. Die Trossknechte mischten sich unter die Soldaten und zogen Tag und Nacht herum, auf ihren Streifzügen verwüsteten sie Ackerland, eroberten Landhäuser, erbeuteten um die Wette Vieh und Sklaven und tauschten diese Beute bei Händlern gegen eingeführten Wein und andere derartige Waren. Außerdem verkauften sie ihre offiziellen Getreiderationen und erwarben dafür Brot für jeweils einen Tag; kurz: Alle Laster der Trägheit und Vergnügungssucht, die man nennen oder erfinden kann, fand man in dieser Armee – und noch viele andere mehr. 45 (1) Ich habe aber erfahren, dass sich Metellus angesichts dieser Schwierigkeiten ebenso wie bei Kriegshandlungen als bedeutender und kluger Mann erwiesen hat. So maßvoll soll er nämlich die Mitte zwischen zwei Extremen eingehalten haben, zwischen Anbiederung gegenüber den Soldaten einerseits und einem autoritären Führungsstil andererseits. (2) Denn zuerst, so heißt es, hat er durch einen Erlass die Grundlagen des Müßiggangs beseitigt: Niemand dürfe im Lager Brot oder andere bereits zubereitete Speisen verkaufen, die Trossknechte dürften dem Heer nicht folgen, die Hastati und die anderen einfachen Soldaten dürften sich im Lager und auf dem Marsch weder einen Sklaven noch ein Zugtier halten; auch andere Auswüchse soll er streng beschnitten haben. Außerdem

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cotidie castra movere, iuxta ac si hostes adessent vallo atque fossa munire, vigilias crebras ponere et eas ipse cum legatis circumire; item in agmine in primis modo, modo in postremis, saepe in medio adesse, ne quispiam ordine egrederetur, ut cum signis frequentes incederent, miles cibum et arma portaret. (3) Ita prohibendo a delictis magis quam vindicando exercitum brevi confirmavit. 46 (1) Interea Iugurtha, ubi quae Metellus agebat ex nuntiis accepit, simul de innocentia eius certior Roma factus, diffidere suis rebus ac tum demum veram deditionem facere conatus est. (2) Igitur legatos ad consulem cum suppliciis mittit, qui tantummodo ipsi liberisque vitam peterent, alia omnia dederent populo Romano. (3) Sed Metello iam antea experimentis cognitum erat genus Numidarum infidum, ingenio mobili, novarum rerum avidum esse. (4) Itaque legatos alium ab alio divorsos aggreditur ac paulatim temptando, postquam opportunos sibi cognovit, multa pollicendo persuadet, uti Iugurtham maxume vivom, sin id parum procedat, necatum sibi traderent. Ceterum palam quae ex voluntate forent regi nuntiari iubet. (5) Deinde ipse paucis diebus intento atque infesto exercitu in Numidiam procedit, ubi contra belli faciem tuguria plena hominum, pecora cultoresque in agris erant; ex oppidis et mapalibus praefecti regis obvii procedebant, parati frumentum dare, commeatum portare, postremo omnia, quae imperarentur, facere. (6) Neque Metellus idcirco minus, sed pariter ac si hostes adessent, munito agmine incedere, late explorare omnia, illa deditionis signa ostentui credere et insidiis locum temptari. (7) Itaque ipse cum expeditis cohortibus, item funditorum et sagittariorum delecta manu apud primos erat; in postremo C. Marius legatus cum equitibus curabat, in utrumque latus auxiliarios equites tribunis legionum et praefectis cohortium dispertiverat, ut cum iis permixti velites, quocumque accederent, equitatus hostium propulsarent.

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ließ er auf Querfeldeinmärschen täglich das Lager abbrechen, gerade so, als ob die Feinde in der Nähe wären, das Lager mit einem Wall und einem Graben sichern, häufig Wachen aufstellen, bei denen er selbst zusammen mit seinen Legaten den Rundgang machte; und auf dem Marsch war er bald bei der Vorhut, bald bei der Nachhut, oft auch in der Mitte des Zuges, damit niemand die Marschordnung verlassen konnte, damit sie vollzählig mit ihren Einheiten mitmarschierten und der Soldat seine Essensration und seine Waffen selbst trug. (3) So disziplinierte er in kurzer Zeit das Heer eher dadurch, dass er die Soldaten von Fehltritten abhielt als dass er sie bestrafte. 46 (1) Als Jugurtha aber von Boten über Metellus’ Aktivitäten in Kenntnis gesetzt worden war und auch aus Rom von dessen Integrität erfahren hatte, verlor er das Zutrauen zu seiner Lage und versuchte nun zum ersten Mal eine ernst gemeinte Kapitulation anzubieten. (2) Daher schickte er Gesandte mit den Zeichen des Friedens zum Konsul, die nur für ihn selbst und seine Kinder freien Abzug erwirken, alles andere aber der Entscheidung des römischen Volkes anheim stellen sollten. (3) Metellus hatte aber schon zuvor aufgrund einiger Erfahrungen feststellen müssen, dass es sich bei den Numidern um einen unzuverlässigen Menschenschlag handelte, dass sie wankelmütig waren und immer auf einen Umsturz sannen. (4) Daher führt er mit den Gesandten Einzelgespräche und fühlt langsam vor. Sobald er bemerkt, dass sie ein offenes Ohr für seine Vorschläge haben, macht er ihnen viele Versprechungen und überredet sie so dazu, ihm Jugurtha auszuliefern, am ehesten lebend – wenn dies aber nicht möglich wäre, tot. Offiziell lässt er aber die Gesandten dem König das ausrichten, was dieser hören wollte. (5) Daraufhin marschierte er wenige Tage später mit einem entschlossenen und angriffslustigen Heer in Numidien ein, wo trotz des Krieges ein friedlicher Anblick herrschte: Die Hütten waren voller Menschen, das Vieh und die Landleute auf den Feldern. Aus den Städten und Baracken kamen ihm die Beamten des Königs entgegen und waren bereit, Getreide und Nachschub zur Verfügung zu stellen, überhaupt allen seinen Befehlen zu gehorchen. (6) Aber Metellus ließ trotzdem das Heer in derselben Gefechtsbereitschaft wie zuvor marschieren, nämlich gerade so, als ob die Feinde in der Nähe wären; er ließ alles in einem weiten Umkreis erkunden, glaubte, dass diese Anzeichen für eine Kapitulation nur vorgespiegelt seien und dass der Feind eine Gelegenheit für einen Hinterhalt suche. (7) Daher hielt er sich selbst mit kampfbereiten Kohorten, ebenso mit einer ausgewählten Truppe von Schleuderern und Bogenschützen bei der Vorhut auf; bei der Nachhut führte der Legat Gaius Marius unter den Reitern das Kommando; auf beiden Flanken hatte er die Kavalleriehilfstruppen den Legionstribunen und den Kohortenführern zugeteilt, damit die ihnen beigegebenen Leichtbewaffneten die feindliche Reiterei zurückschlagen könnten, wo auch immer diese angreifen mochte.

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(8) Nam in Iugurtha tantus dolus tantaque peritia locorum et militiae erat, ut absens an praesens, pacem an bellum gerens perniciosior esset in incerto haberetur. 47 (1) Erat haud longe ab eo itinere quo Metellus pergebat oppidum Numidarum nomine Vaga, forum rerum venalium totius regni maxume celebratum, ubi et incolere et mercari consueverant Italici generis multi mortales. (2) Huc consul, simul temptandi gratia [et] si paterentur opportunitates loci, praesidium imposuit. Praeterea imperavit frumentum et alia, quae bello usui forent, comportare, ratus, id quod res monebat, frequentiam negotiatorum et commeatum iuvaturum exercitum et iam paratis rebus munimento fore. (3) Inter haec negotia Iugurtha impensius modo legatos supplices mittere, pacem orare, praeter suam liberorumque vitam omnia Metello dedere. (4) Quos item uti priores consul illectos ad proditionem domum dimittebat, regi pacem quam postulabat neque abnuere neque polliceri et inter eas moras promissa legatorum exspectare. 48 (1) Iugurtha ubi Metelli dicta cum factis composuit ac se suis artibus temptari animadvortit, quippe quoi verbis pax nuntiabatur, ceterum re bellum asperrumum erat, urbs maxuma alienata, ager hostibus cognitus, animi popularium temptati, coactus rerum necessitudine statuit armis certare. (2) Igitur explorato hostium itinere, in spem victoriae adductus ex opportunitate loci, quam maxumas potest copias omnium generum parat ac per tramites occultos exercitum Metelli antevenit. (3) Erat in ea parte Numidiae quam Adherbal in divisione possederat flumen oriens a meridie nomine Muthul, a quo aberat mons ferme milia viginti tractu pari, vastus ab natura et humano cultu. Sed ex eo medio quasi collis oriebatur, in inmensum pertingens, vestitus oleastro ac murtetis aliisque generibus arborum quae humi arido atque harenoso gignuntur. (4) Media autem planities deserta penuria aquae praeter flumini propinqua loca; ea consita arbustis pecore atque cultoribus frequentabantur.

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(8) Denn Jugurtha war so listig, so ortskundig und hatte eine so große militärische Erfahrung, dass man sich nie sicher sein konnte, ob er in der Ferne oder in der Nähe, ob er im Frieden oder im Krieg gefährlicher war. 47 (1) Nicht weit von der Marschroute des Metellus entfernt lag eine numidische Stadt namens Vaga, der beliebteste Umschlagplatz für Waren im ganzen Königreich, wo gewöhnlich viele Italiker wohnten und Handel trieben. (2) Hierhin legte der Konsul eine Garnison, einerseits um zu sehen, ob die Numider das hinnehmen würden, andererseits wegen der günstigen Lage des Ortes. Außerdem befiehlt er den Einwohnern, Getreide und andere kriegsnotwendige Dinge zur Verfügung zu stellen, weil er der Meinung war (wie es auch die Umstände nahe legten), dass die zahlreichen Kaufleute und die Versorgung seinem Heer nützen und dadurch, dass alle Vorbereitungen bereits getroffen seien, einen Rückhalt bieten würden. (3) Während dieser Aktivitäten schickte Jugurtha nur noch häufiger unterwürfige Gesandte, bat um Frieden, war bereit, Metellus alles auszuliefern, abgesehen von seinem eigenen Leben und dem seiner Kinder. (4) Der Konsul verlockte diese Emissäre wie schon ihre Vorgänger zum Verrat und schickte sie nach Hause; er verweigerte dem König den gewünschten Frieden nicht, er machte ihm aber auch keine Zusagen, und während er ihn auf diese Weise hinhielt, wartete er darauf, dass die Gesandten ihre Versprechen erfüllen würden. 48 (1) Als Jugurtha die Worte des Metellus mit dessen Taten verglich und erkennen musste, dass er mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden sollte, da man ihm ja mit Worten Frieden versprach, in Wirklichkeit aber erbitterter Krieg herrschte, eine große Stadt schon abspenstig gemacht worden war, die Feinde das Gebiet bereits kannten und seine Landsleute in Versuchung geführt wurden, entschloss er sich unter dem Zwang der Umstände zum Kampf. (2) Er bringt also den feindlichen Marschweg in Erfahrung, schöpft Hoffnung wegen der günstigen Lage des Geländes, rüstet so viele Truppen aller Art wie nur möglich und überholt das Heer des Metellus auf Schleichpfaden. (3) In diesem Teil Numidiens, der bei der Reichsteilung Adherbal zugesprochen worden war, floss ein im Süden entspringender Fluss namens Muthul, von dem etwa 20 Meilen entfernt ein parallel verlaufendes Gebirge lag, das von Natur aus öde war und nicht landwirtschaftlich genutzt wurde. Ungefähr in dessen Mitte erhob sich ein Hügel, der sich unermesslich weit erstreckte und bewachsen war mit Ölbäumen, Myrten und anderen Baumarten, die auf trockenem und sandigem Boden wachsen. (4) Die dazwischen liegende Ebene war aber wegen des Wassermangels eine Wüste, abgesehen von den Stellen, die nahe am Fluss lagen. Dort wuchsen Bäume, dorthin kamen Tiere und Landleute.

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49 (1) Igitur in eo colle, quem transvorso itinere porrectum docuimus, Iugurtha extenuata suorum acie consedit. Elephantis et parti copiarum pedestrium Bomilcarem praefecit eumque edocet quae ageret; ipse propior montem cum omni equitatu et peditibus delectis suos collocat. (2) Dein singulas turmas et manipulos circumiens monet atque obtestatur, uti memores pristinae virtutis et victoriae sese regnumque suom ab Romanorum avaritia defendant: cum iis certamen fore, quos antea victos sub iugum miserint; ducem illis, non animum mutatum; quae ab imperatore decuerint omnia suis provisa, locum superiorem, ut prudentes cum imperitis, ne pauciores cum pluribus aut rudes cum belli melioribus manum consererent. (3) Proinde parati intentique essent signo dato Romanos invadere: illum diem aut omnis labores et victorias confirmaturum aut maxumarum aerumnarum initium fore. (4) Ad hoc viritim, uti quemque ob militare facinus pecunia aut honore extulerat, commonefacere benefici sui et eum ipsum aliis ostentare, postremo quoiusque ingenio pollicendo minitando obtestando alium alio modo excitare, cum interim Metellus ignarus hostium monte degrediens cum exercitu conspicatur. (5) Primo dubius, quidnam insolita facies ostenderet – nam inter virgulta equi Numidaeque consederant, neque plane occultati humilitate arborum et tamen incerti quidnam esset, cum natura loci tum dolo ipsi atque signa militaria obscurati –, dein brevi cognitis insidiis paulisper agmen constituit. (6) Ibi commutatis ordinibus in dextro latere, quod proxumum hostis erat, triplicibus subsidiis aciem instruxit, inter manipulos funditores et sagittarios dispertit, equitatum omnem in cornibus locat, ac pauca pro tempore milites hortatus aciem, sicuti instruxerat, transvorsis principiis in planum deducit. 50 (1) Sed ubi Numidas quietos neque colli degredi animadvortit, veritus ex anni tempore et inopia aquae ne siti conficeretur exercitus, Rutilium legatum cum expeditis cohortibus et

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49 (1) Auf diesem Hügel (der sich, wie gesagt, quer zur Marschrichtung erstreckte) bezog Jugurtha nun Stellung, nachdem er die Linie seiner Truppen auseinander gezogen hatte. Bomilcar übergab er das Kommando über die Elefanten und einen Teil der Fußtruppen und instruierte ihn, was er zu tun habe. Er selbst stellte seine Leute in größerer Nähe zum Berg auf, zusammen mit der ganzen Reiterei und ausgewählten Fußsoldaten. (2) Dann geht er bei den einzelnen Schwadronen und Manipeln herum und beschwört die Soldaten inständig, sich ihrer früheren Tatkraft und ihres Sieges zu erinnern und ihn und sein Königreich gegen die Habgier der Römer zu verteidigen; sie würden gegen die Männer kämpfen, die sie kurz zuvor geschlagen und unter das Joch geschickt hätten. Nur ihr Anführer sei inzwischen ein anderer, nicht aber ihr Charakter. Für alles, was ein Feldherr seinen Leuten zur Verfügung stellen müsse, habe er gesorgt: dafür dass sie ihre Stellung an einem höher gelegenen Ort hätten; dass sie als Erfahrene gegen Unerfahrene, nicht als zahlenmäßig Unterlegene mit einer Übermacht oder als Rekruten mit Veteranen kämpfen müssten. (3) Sie sollten also darauf vorbereitet und gerüstet sein, auf ein Signal hin die Römer anzugreifen: Dieser Tag werde entweder alle Strapazen und Siege bestätigen oder der Anfang größter Leiden sein. (4) Zudem erinnerte er seine Männer einzeln, je nachdem wie er sie für ihre militärischen Taten mit Geld oder Ehrungen einmal ausgezeichnet hatte, an diese Auszeichnungen und führte den Geehrten den anderen vor; schließlich feuerte er jeden je nach dessen Charakter an: durch Versprechungen, Drohungen oder Bitten. Da kommt plötzlich Metellus in Sicht, wie er gerade seine Truppen den Berg hinabführte, ohne zu ahnen, dass der Feind in der Nähe war. (5) Zuerst war er unsicher, was der ungewohnte Anblick zu bedeuten habe (die Reiter mit ihren Pferden und das Fußvolk der Numider hatten nämlich zwischen den Büschen Stellung bezogen, aber sie waren nicht ganz verborgen wegen der geringen Höhe der Bäume, und dennoch waren sie schwer zu erkennen, da sie und die Feldzeichen durch die Örtlichkeit und vor allem durch eine Finte verdeckt waren), er bemerkte dann aber rasch den Hinterhalt und ließ für eine Weile anhalten. (6) Dann wechselte er die Schlachtordnung und stellte auf der rechten Seite (die den Feinden am nächsten war) sein Heer in dreifacher Gefechtslinie auf, verteilte die Schleuderer und Bogenschützen auf die Manipel, beorderte die ganze Reiterei an die Flügel, feuerte den Umständen entsprechend nur mit einer kurzen Ansprache die Soldaten an und führte das Heer dann so, wie er es aufgestellt hatte, in die Ebene hinab, nachdem der linke Flügel die Führung übernommen hatte. 50 (1) Als er aber bemerkte, dass sich die Numider still verhielten und den Hügel nicht verließen, befürchtete er wegen der Jahreszeit und des Wassermangels, dass sein Heer verdursten könne, und schickte daher den Legaten Publius Rutilius mit kampfbereiten Kohorten und einem

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parte equitum praemisit ad flumen, uti locum castris antecaperet, existumans hostis crebro impetu et transvorsis proeliis iter suom remoraturos et, quoniam armis diffiderent, lassitudinem et sitim militum temptaturos. (2) Deinde ipse pro re atque loco, sicuti monte descenderat, paulatim procedere, Marium post principia habere, ipse cum sinistrae alae equitibus esse, qui in agmine principes facti erant. (3) At Iugurtha, ubi extremum agmen Metelli primos suos praetergressum videt, praesidio quasi duum milium peditum montem occupat, qua Metellus descenderat, ne forte cedentibus advorsariis receptui ac post munimento foret. (4) Dein repente signo dato hostis invadit. Numidae alii postremos caedere, pars a sinistra ac dextra temptare, infensi adesse atque instare, omnibus locis Romanorum ordines conturbare. Quorum etiam qui firmioribus animis obvii hostibus fuerant, ludificati incerto proelio ipsi modo eminus sauciabantur neque contra feriundi aut conserundi manum copia erat. (5) Ante iam docti ab Iugurtha equites, ubi Romanorum turma insequi coeperat, non confertim neque in unum sese recipiebant, sed alius alio quam maxume divorsi. (6) Ita numero priores, si ab persequendo hostis deterrere nequiverant, disiectos ab tergo aut lateribus circumveniebant; sin opportunior fugae collis quam campi fuerat, ea vero consueti Numidarum equi facile inter virgulta evadere, nostros asperitas et insolentia loci retinebat. 51 (1) Ceterum facies totius negoti varia incerta, foeda atque miserabilis: dispersi a suis pars cedere, alii insequi; neque signa neque ordines observare; ubi quemque periculum ceperat, ibi resistere ac propulsare; arma, tela, equi, viri, hostes atque cives permixti; nihil consilio neque imperio agi, fors omnia regere. (2) Itaque multum diei processerat, cum etiam tum eventus in incerto erat. (3) Denique omnibus labore et aestu languidis Metellus, ubi videt Numidas minus instare, paulatim milites in unum conducit, ordines restituit

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Teil der Reiterei zum Fluss voraus mit dem Auftrag, dort einen Platz für das Lager zu besetzen; Metellus glaubte nämlich, dass die Feinde durch häufige Angriffe und Attacken gegen die Flanken seinen Marsch aufhalten und die geschwächten und verdurstenden Soldaten angreifen könnten, weil sie kein großes Zutrauen zu ihren Waffen hätten. (2) Dann rückte er so, wie er vom Berg herabgekommen war, den Umständen und dem Gelände entsprechend langsam vor, behielt Marius hinter der Vorhut und stand selber bei den Reitern des linken Flügels, die auf dem Marsch zur Vorhut geworden waren. (3) Als Jugurtha aber bemerkte, dass Metellus’ Nachhut an seiner Vorhut vorbeimarschiert war, besetzte er den Berg dort, wo Metellus herabgestiegen war, mit einer Truppe von etwa 2000 Fußsoldaten, damit er nicht etwa den Gegnern beim Rückzug als Zuflucht und danach als Schutz dienen könnte. (4) Dann ließ er plötzlich das Zeichen geben und griff die Feinde an. Die einen Numider fallen über die Nachhut her, die anderen attackieren zu beiden Flanken, greifen erbittert an und setzen nach, bringen überall die Reihen der Römer durcheinander. Sogar die Römer, die sich den Feinden mit größerem Mut entgegenwarfen, wurden durch die unberechenbare Kampftaktik irritiert; ausschließlich sie wurden von den Wurfgeschossen verwundet, sie hatten aber keine Gelegenheit, zurückzuschlagen oder den Nahkampf aufzunehmen. (5) Die von Jugurtha zuvor instruierten Reiter zogen sich, wenn eine römische Schwadron die Verfolgung aufnahm, weder gesammelt noch an einen Punkt zurück, sondern der eine hierhin, der andere dorthin, mit möglichst großer Streuung. (6) Wenn sie die Feinde nicht von der Verfolgung abhalten konnten, so umzingelten sie die Zersprengten mit zahlenmäßiger Überlegenheit im Rücken oder von den Flanken her. Wenn aber der Hügel für die Flucht günstiger war als die Ebenen, so konnten dort die daran gewöhnten Pferde der Numider leicht zwischen den Büschen entkommen, während unsere Soldaten das unwegsame und ungewohnte Gelände zurückhielt. 51 (1) Das ganze Geschehen bot aber einen wechselhaften, ungewissen, schrecklichen und beklagenswerten Anblick: Einige unserer Männer, die von ihrer Truppe getrennt worden waren, traten den Rückzug an, andere drangen auf den Feind ein; man achtete weder auf die Einheiten noch überhaupt auf militärische Ordnungen. Wie ein jeder in Gefahr geriet, leistete er Widerstand und verteidigte sich; Waffen und Geschosse, Pferde und Männer, Feinde und Römer bildeten ein einziges Durcheinander. Nichts wird mehr planvoll oder befehlsgemäß ausgeführt, der Zufall beherrscht alles. (2) Und so war der Tag schon weit vorangeschritten, und es war immer noch unsicher, wie die Schlacht ausgehen würde. (3) Als schließlich alle durch die Strapazen und die Hitze erschöpft waren und Metellus bemerkte, dass die Numider weniger energisch nachsetzen, versammelte er allmählich seine Soldaten, stellte die

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et cohortis legionarias quattuor advorsum pedites hostium collocat; eorum magna pars superioribus locis fessa consederat. (4) Simul orare et hortari milites, ne deficerent neu paterentur hostis fugientis vincere: neque illis castra esse neque munimentum ullum, quo cedentes tenderent; in armis omnia sita. (5) Sed ne Iugurtha quidem interea quietus erat: circumire, hortari; renovare proelium et ipse cum delectis temptare omnia; subvenire suis, hostibus dubiis instare, quos firmos cognoverat eminus pugnando retinere. 52 (1) Eo modo inter se duo imperatores, summi viri, certabant, ipsi pares, ceterum opibus disparibus; (2) nam Metello virtus militum erat, locus advorsus, Iugurthae alia omnia praeter milites opportuna. (3) Denique Romani, ubi intellegunt neque sibi perfugium esse neque ab hoste copiam pugnandi fieri – et iam die vesper erat – advorso colle, sicuti praeceptum fuerat, evadunt. (4) Amisso loco Numidae fusi fugatique; pauci interiere, plerosque velocitas et regio hostibus ignara tutata sunt. (5) Interea Bomilcar, quem elephantis et parti copiarum pedestrium praefectum ab Iugurtha supra diximus, ubi eum Rutilius praetergressus est, paulatim suos in aequom locum deducit ac, dum legatus ad flumen quo praemissus erat festinans pergit, quietus, uti res postulabat, aciem exornat neque remittit, quid ubique hostis ageret, explorare. (6) Postquam Rutilium consedisse iam et animo vacuom accepit, simulque ex Iugurthae proelio clamorem augeri, veritus, ne legatus cognita re laborantibus suis auxilio foret, aciem, quam diffidens virtuti militum arte statuerat, quo hostium itineri officeret, latius porrigit eoque modo ad Rutili castra procedit. 53 (1) Romani ex improviso pulveris vim magnam animadvortunt; nam prospectum ager arbustis consitus prohibebat. Et primo rati humum aridam vento agitari, post ubi aequabilem manere et, sicuti acies movebatur, magis magisque adpropinquare vident, cognita re properantes arma capiunt ac pro castris, sicuti imperabatur, consistunt. (2) Deinde,

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Reihen wieder her und placierte vier Legionärskohorten gegenüber der feindlichen Infanterie. Ein Großteil von diesen hatte sich erschöpft an den höher gelegenen Stellen positioniert. (4) Zugleich feuerte er unter Bitten seine Soldaten an, nicht nachzulassen und nicht hinzunehmen, dass fliehende Feinde den Sieg davontrügen. Sie hätten weder ein Lager noch ein Bollwerk, wohin sie sich zurückziehen könnten; sie müssten sich ganz auf ihre Waffen verlassen. (5) Aber auch Jugurtha war unterdessen nicht untätig: Er ging durch die Reihen, feuerte seine Soldaten an, erneuerte den Kampf, unternahm zusammen mit ausgewählten Männern alle möglichen Wagnisse, kam seinen Leuten zu Hilfe und setzte unsicheren Feinden nach. Wenn er auf standfeste Gegner traf, so hielt er sie im Fernkampf zurück. 52 (1) Auf diese Weise kämpften die beiden Feldherren gegeneinander, zwei herausragende Männer, persönlich einander ebenbürtig, aber ungleich hinsichtlich ihrer Kampfmittel. (2) Denn Metellus hatte zwar die Tatkraft seiner Soldaten, kämpfte aber auf ungünstigerem Gelände; für Jugurtha sprach alles außer seinen Soldaten. (3) Als schließlich die Römer bemerken, dass sie keine Zuflucht haben und der Feind ihnen nicht die Gelegenheit zum Kampf bietet (es war auch schon Abend), schlagen sie sich dem Befehl entsprechend den Hügel hinauf durch. (4) Die Numider müssen ihre Stellung aufgeben und werden in die Flucht geschlagen; einige wenige fielen, die meisten schützten ihre Schnelligkeit und die mangelnde Ortskenntnis der Feinde. (5) Während dieser Kampfhandlungen führt Bomilcar (dem Jugurtha wie erwähnt die Elefanten und einen Teil der Infanterie unterstellt hatte), nachdem Rutilius an ihm vorbeigekommen war, allmählich seine Leute in die Ebene hinab und verhält sich entsprechend der Lage ruhig, während der Legat zu dem Fluss eilt, zu dem er vorausgeschickt worden war, stellt sein Heer auf und beobachtet unablässig die jeweiligen feindlichen Aktionen. (6) Als man ihm meldet, dass Rutilius bereits Stellung bezogen habe, sich mit keinerlei Schwierigkeiten konfrontiert sehe und zugleich von Jugurthas Kampfschauplatz lauteres Geschrei herüberdringe, befürchtet er, dass der Legat die Sachlage durchschauen und seinen eigenen in Not geratenen Leuten zu Hilfe kommen könne. Daher entfaltet er seine Schlachtreihe, die er zuvor aus mangelndem Zutrauen zu seinen Soldaten enger aufgestellt hatte, auf breiterem Raum, um den Marsch der Feinde zu behindern, und rückt so auf das Lager des Rutilius vor. 53 (1) Die Römer bemerken plötzlich eine riesige Staubwolke; denn das baumbestandene Feld behinderte die freie Sicht. Zuerst glaubten sie, dass der trockene Boden durch den Wind aufgewirbelt werde; als sie dann aber bemerken, dass die Wolke gleich groß bleibt und zusammen mit dem Heer immer näher kommt, erkennen sie die Sachlage, greifen eilends zu den Waffen und stellen sich entsprechend dem Befehl vor dem Lager auf. (2) Als die Feinde

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ubi propius ventum est, utrimque magno clamore concurritur. (3) Numidae tantummodo remorati dum in elephantis auxilium putant, postquam eos impeditos ramis arborum atque ita disiectos circumveniri vident, fugam faciunt ac plerique abiectis armis collis aut noctis, quae iam aderat, auxilio integri abeunt. (4) Elephanti quattuor capti, relicui omnes numero quadraginta interfecti. (5) At Romani, quamquam itinere atque opere castrorum et proelio fessi lassique erant, tamen, quod Metellus amplius opinione morabatur, instructi intentique obviam procedunt; (6) nam dolus Numidarum nihil languidi neque remissi patiebatur. (7) Ac primo obscura nocte, postquam haud procul inter se erant, strepitu velut hostes adventare alteri apud alteros formidinem simul et tumultum facere; et paene imprudentia admissum facinus miserabile, ni utrimque praemissi equites rem exploravissent. (8) Igitur pro metu repente gaudium mutatur: milites alius alium laeti appellant, acta edocent atque audiunt, sua quisque fortia facta ad caelum fert. Quippe res humanae ita sese habent: in victoria vel ignavis gloriari licet, advorsae res etiam bonos detrectant. 54 (1) Metellus in isdem castris quatriduo moratus saucios cum cura reficit, meritos in proeliis more militiae donat, univorsos in contione laudat atque agit gratias, hortatur ad cetera, quae levia sunt, parem animum gerant: pro victoria satis iam pugnatum, relicuos labores pro praeda fore. (2) Tamen interim transfugas et alios opportunos, Iugurtha ubi gentium aut quid agitaret, cum paucisne esset an exercitum haberet, ut sese victus gereret exploratum misit. (3) At ille sese in loca saltuosa et natura munita receperat ibique cogebat exercitum numero hominum ampliorem, sed hebetem infirmumque, agri ac pecoris magis quam belli cultorem. (4) Id ea gratia eveniebat quod praeter regios equites nemo omnium Numida ex fuga regem sequitur; quo quoiusque animus fert, eo discedunt neque id flagitium militiae ducitur: ita se mores habent.

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dann näher herangekommen waren, stürmt man auf beiden Seiten mit großem Geschrei in den Kampf. (3) Die Numider halten nur so lange stand, wie sie auf die Hilfe der Elefanten setzen; als sie aber sehen, dass sich diese im Astwerk verfangen, dann versprengt und eingekreist werden, fliehen sie, die meisten werfen ihre Waffen weg und kommen im Schutz des Hügels oder der bereits hereingebrochenen Nacht ohne Verwundung davon. (4) Vier Elefanten werden gefangen genommen, die anderen, 40 an der Zahl, getötet. (5) Obwohl die Römer vom Marsch, den Schanzarbeiten und dem Kampf erschöpft und ermüdet waren, marschieren sie dennoch in Schlachtordnung und entschlossen Metellus entgegen, weil dieser länger als vermutet auf sich warten ließ. (6) Die Verschlagenheit der Numider ließ es nämlich nicht zu, auch nur ein wenig zu langsam oder zu nachlässig zu agieren. (7) Und als sie nicht mehr weit voneinander entfernt waren, marschierten sie in der Dunkelheit der Nacht zunächst unter lautem Getöse wie Feinde aufeinander zu, jagten einander so Angst ein und riefen Verwirrung hervor. Und fast wäre aus mangelnder Vorsicht etwas Schreckliches passiert, wenn nicht die beiderseits vorausgeschickten Reiter die Sache aufgeklärt hätten. (8) An die Stelle der Furcht trat daher plötzlich Freude. Die Soldaten rufen sich gegenseitig fröhlich zu, berichten über ihre Erlebnisse und lassen sich die der anderen berichten, jeder hebt überschwänglich seine Heldentaten hervor. So verhält es sich ja mit den Taten der Menschen: Im Sieg dürfen sich auch die Feigen brüsten; Unglück zieht auch die Tüchtigen herab. 54 (1) Metellus hält sich noch vier Tage in demselben Lager auf, lässt die Verwundeten gewissenhaft versorgen, ehrt nach militärischer Tradition die Männer, die sich in der Schlacht ausgezeichnet haben, lobt in einer Ansprache alle Soldaten insgesamt, bedankt sich bei ihnen und fordert sie dazu auf, alle weiteren Taten, die leicht seien, mit derselben Einstellung auszuführen. Für den Sieg habe man schon genug gekämpft, die restlichen Strapazen zielten nur noch auf das Beutemachen. (2) Dann schickte er aber Überläufer und andere geeignete Leute aus, um zu erkunden, wo sich Jugurtha überhaupt aufhalte, was er mache, ob er mit nur wenigen Leuten oder mit einem ganzen Heer unterwegs sei und wie er sich nach der Niederlage verhalte. (3) Jugurtha hatte sich aber in schluchtenreiche und von ihrer natürlichen Umgebung geschützte Gegenden zurückgezogen; dort zog er ein Heer zusammen, das zwar zahlenmäßig größer, aber träge und schwach war; es handelte sich um Männer, die eher Landwirtschaft und Viehzucht betrieben, als das Kriegshandwerk zu pflegen. (4) Dies kam daher, dass sich außer den königlichen Reitern kein einziger Numider dem König auf der Flucht anschließt. Wohin es einen jeden gerade treibt, dorthin ziehen sie sich voneinander getrennt zurück. Dieses Verhalten wird aber nicht als Verstoß gegen die militärische Disziplin angesehen: So hält man es eben bei den Numidern.

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(5) Igitur Metellus, ubi videt regis etiam tum animum ferocem esse, bellum renovari, quod nisi ex illius lubidine geri non posset, praeterea inicum certamen sibi cum hostibus, minore detrimento illos vinci quam suos vincere, statuit non proeliis neque in acie, sed alio more bellum gerundum. (6) Itaque in loca Numidiae opulentissuma pergit, agros vastat, multa castella et oppida temere munita aut sine praesidio capit incenditque, puberes interfici iubet, alia omnia militum praedam esse. Ea formidine multi mortales Romanis dediti obsides, frumentum et alia, quae usui forent, affatim praebita; ubicumque res postulabat, praesidium impositum. (7) Quae negotia multo magis quam proelium male pugnatum ab suis regem terrebant; (8) quippe quoius spes omnis in fuga sita erat, sequi cogebatur et, qui sua loca defendere nequiverat, in alienis bellum gerere. (9) Tamen ex copia quod optumum videbatur consilium capit: exercitum plerumque in isdem locis opperiri iubet, ipse cum delectis equitibus Metellum sequitur, nocturnis et aviis itineribus ignoratus Romanos palantis repente aggreditur. (10) Eorum plerique inermes cadunt, multi capiuntur, nemo omnium intactus profugit; et Numidae, prius quam ex castris subveniretur, sicuti iussi erant, in proxumos collis discedunt. 55 (1) Interim Romae gaudium ingens ortum cognitis Metelli rebus, ut seque et exercitum more maiorum gereret, in advorso loco victor tamen virtute fuisset, hostium agro potiretur, Iugurtham magnificum ex Albini socordia spem salutis in solitudine aut fuga coegisset habere. (2) Itaque senatus ob ea feliciter acta dis inmortalibus supplicia decernere, civitas, trepida antea et sollicita de belli eventu, laeta agere; de Metello fama praeclara esse; (3) igitur eo intentior ad victoriam niti, omnibus modis festinare, cavere tamen necubi hosti opportunus fieret, meminisse post gloriam invidiam sequi. (4) Ita quo clarior erat, eo magis anxius erat, neque post insidias Iugurthae

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(5) Als Metellus nun sah, dass Jugurtha immer noch wildentschlossen war, dass der Krieg wieder aufgenommen wurde, der nur nach dem Willen Jugurthas geführt werden konnte, dass zudem der Kampf gegen die Feinde für ihn nachteilhaft sei und dass die Feinde mit geringeren Verlusten unterliegen, als seine Leute siegen könnten, beschloss er, den Krieg nicht mit Gefechten und auf dem Schlachtfeld zu führen, sondern auf andere Weise. (6) Daher rückt er in die wohlhabendsten Gegenden Numidiens vor, verwüstet das Ackerland, erobert zahlreiche Kastelle und Städte, die entweder nur leichtfertig befestigt waren oder überhaupt keine Besatzung hatten, und steckt sie in Brand, lässt die jungen Männer töten und erklärt alles andere zur Kriegsbeute für die Soldaten. Aus Angst vor einer solchen Behandlung werden den Römern viele Geiseln ausgeliefert, Getreide und andere nützliche Dinge im Überfluss zur Verfügung gestellt. Wo auch immer die Lage es erforderte, wurde eine Garnison eingerichtet. (7) Diese Aktivitäten erschreckten den König viel stärker als die von seinen Leuten unglücklich geführte Schlacht, (8) da er sich voll und ganz auf seine Rückzugsmöglichkeiten verlassen hatte, nun aber zur Verfolgung gezwungen war und auf fremdem Gebiet Krieg führen musste, weil er sein eigenes nicht hatte verteidigen können. (9) Dennoch fasst er einen Plan, der angesichts der Möglichkeiten der beste zu sein schien: Er lässt einen Großteil des Heeres in seinen Stellungen warten, er selbst folgt mit ausgewählten Reitern Metellus, auf nächtlichen Märschen durch unwegsames Gelände bleibt er unerkannt und kann schließlich unversehens umherziehende Römer angreifen. (10) Sehr viele Römer fallen unbewaffnet, viele werden gefangen genommen, kein einziger kann unversehrt entkommen. Und bevor man ihnen aus dem Lager zu Hilfe kommen konnte, ziehen sich die Numider befehlsgemäß auf die zunächst gelegenen Hügel zurück. 55 (1) Inzwischen hatte die Nachricht von Metellus’ Aktivitäten in Rom eine große Freude hervorgerufen, nämlich darüber, wie er sich und das Heer nach der Art der Vorfahren führte, wie er trotz des ungünstigen Geländes dank seiner Tatkraft siegreich blieb, wie er sich des feindlichen Gebietes bemächtige, wie er Jugurtha, den die Unfähigkeit des Albinus übermütig gemacht hatte, dazu gezwungen habe, in der Flucht oder der Einsamkeit seine Rettung zu suchen. (2) Und so setzte der Senat wegen dieser Erfolge Dankfeste für die unsterblichen Götter an; in der Bürgerschaft, die zuvor ängstlich gewesen war und den Ausgang des Krieges voller Sorge erwartet hatte, herrschte ausgelassene Freude, der Ruf des Metellus war hervorragend. (3) Umso entschlossener verfolgte er daher den Sieg, war rastlos tätig, hütete sich aber davor, dem Feind irgendwo eine günstige Gelegenheit zu einer Schlacht zu bieten, behielt immer im Gedächtnis, dass auf den Ruhm der Neid folgt. (4) Umso mehr sein Ansehen wuchs, desto besorgter verhielt er sich also. Nach Jugurthas Überfall

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effuso exercitu praedari: ubi frumento aut pabulo opus erat, cohortes cum omni equitatu praesidium agitabant; sed igni magis quam praeda ager vastabatur. (5) Exercitus partem ipse, relicuos Marius ducebat: (6) duobus locis haud longe inter se castra faciebant; ubi vi opus erat, cuncti aderant; (7) ceterum, quo fuga atque formido latius cresceret, divorsi agebant. (8) Eo tempore Iugurtha per collis sequi, tempus aut locum pugnae quaerere, qua venturum hostem audierat, pabulum et aquarum fontis, quorum penuria erat, corrumpere, modo se Metello interdum Mario ostendere, postremos in agmine temptare ac statim in collis regredi, rursus aliis, post aliis minitari, neque proelium facere neque otium pati, tantummodo hostem ab incepto retinere. 56 (1) Romanus imperator ubi se dolis fatigari videt neque ab hoste copiam pugnandi fieri, urbem magnam et in ea parte qua sita erat arcem regni, nomine Zamam, statuit oppugnare, ratus, id quod negotium poscebat, Iugurtham laborantibus suis auxilio venturum ibique proelium fore. (2) At ille, quae parabantur, a perfugis edoctus, magnis itineribus Metellum antevenit; oppidanos hortatur, moenia defendant, additis auxilio perfugis, quod genus ex copiis regis, quia fallere nequibat, firmissumum erat; praeterea pollicetur in tempore semet cum exercitu affore. (3) Ita compositis rebus in loca quam maxume occulta discedit, ac post paulo cognoscit Marium ex itinere frumentatum cum paucis cohortibus Siccam missum, quod oppidum primum omnium post malam pugnam ab rege defecerat. (4) Eo cum delectis equitibus noctu pergit et iam egredientibus Romanis in porta pugnam facit, simul magna voce Siccensis hortatur, uti cohortis ab tergo circumveniant: fortunam illis praeclari facinoris casum dare; si id fecerint, postea sese in regno, illos in libertate sine metu aetatem acturos. (5) Ac ni Marius signa inferre atque evadere oppido properavisset, profecto cuncti aut magna pars Siccensium fidem mutavissent: tanta mobilitate sese Numidae gerunt. (6) Sed milites Iugurthini, paulisper

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ließ er das Heer auch nicht mehr zum Beutemachen ausschwärmen. Sobald Bedarf an Getreide oder Nahrungsmitteln bestand, dienten Kohorten mit der gesamten Reiterei als Eskorte. Das feindliche Gebiet verwüstete er aber eher durch Feuer als durch Plünderungen. (5) Einen Teil des Heeres führte er selbst, den Rest Marius: (6) Sie schlugen an zwei nicht weit voneinander entfernten Plätzen ihre Lager auf. Wo militärisches Eingreifen nötig wurde, war das gesamte Heer zur Stelle. (7) Um aber Flucht und Furcht möglichst weit zu verbreiten, operierten sie getrennt. (8) Zu dieser Zeit folgt Jugurtha den Römern über die Hügel, hielt Ausschau nach einem Zeitpunkt und einem Platz für eine Schlacht, machte dort, wo seinen Informationen zufolge der Feind vorbeikommen musste, Nahrung und Quellwasser (daran bestand immer Mangel) ungenießbar, zeigte sich bald dem Metellus, bald dem Marius, griff die Nachhut an und zog sich dann sofort wieder in die Hügel zurück; bedrohte bald die einen, bald die anderen, bot weder die Schlacht an noch ließ er dem Feind seine Ruhe, sondern hielt ihn nur von seinem Vorhaben ab. 56 (1) Als der römische Feldherr bemerkte, dass er durch Täuschungsmanöver zermürbt werden sollte und der Feind sich nicht zur Schlacht stellte, beschloss er, eine große Stadt namens Zama zu belagern, die in der dortigen Gegend ein Bollwerk des Königreiches war; er glaubte nämlich, dass Jugurtha, wie es die Umstände erfordern würden, seinen in Not geratenen Leuten zu Hilfe eilen werde und es so dort zur Schlacht komme. (2) Als aber Jugurtha durch Überläufer von diesen Plänen erfährt, kommt er in Eilmärschen Metellus zuvor; er fordert die Stadtbewohner auf, ihre Mauern zu verteidigen, zieht Überläufer zur Hilfe herbei (dieser Menschenschlag war unter den königlichen Truppen der zuverlässigste, weil er keinen Verrat mehr begehen konnte). Außerdem verspricht er, rechtzeitig mit seinem Heer zur Stelle zu sein. (3) Nachdem er nun alle Vorbereitungen getroffen hatte, zieht er sich in entlegenes und verborgenes Gelände zurück und erfährt kurz darauf, dass Marius noch auf dem Marsch mit wenigen Kohorten nach Sicca beordert worden sei, um dort Proviant zu besorgen. Diese Stadt war als erste nach der erfolglosen Schlacht vom König abgefallen. (4) Dorthin bricht er des Nachts mit ausgewählten Reitern auf und greift die ausrückenden Römer am Stadttor an; zugleich fordert er die Siccenser mit lauter Stimme dazu auf, den Kohorten in den Rücken zu fallen: Das Schicksal gebe ihnen die Gelegenheit zu einer Heldentat; wenn sie diese vollbrächten, so könne er hernach in seinem Königreich, sie aber in Freiheit ein Leben ohne Angst verbringen. (5) Und wenn sich Marius nicht mit dem Angriff und dem Ausfall beeilt hätte, wären in der Tat alle oder ein Großteil der Siccenser wieder abtrünnig geworden. Von einer solchen Wankelmütigkeit werden die Numider beherrscht. (6) Aber als die Römer sie mit größerer Macht bedrängen, ziehen

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ab rege sustentati, postquam maiore vi hostes urgent, paucis amissis profugi discedunt. 57 (1) Marius ad Zamam pervenit. Id oppidum, in campo situm, magis opere quam natura munitum erat, nullius idoneae rei egens, armis virisque opulentum. (2) Igitur Metellus pro tempore atque loco paratis rebus cuncta moenia exercitu circumvenit, legatis imperat, ubi quisque curaret. (3) Deinde signo dato undique simul clamor ingens oritur, neque ea res Numidas terret: infensi intentique sine tumultu manent. Proelium incipitur. (4) Romani, pro ingenio quisque, pars eminus glande aut lapidibus pugnare, alii succedere ac murum modo suffodere modo scalis aggredi, cupere proelium in manibus facere; (5) contra ea oppidani in proxumos saxa volvere, sudis, pila, praeterea picem sulphure et taeda mixtam ardentia mittere. (6) Sed ne illos quidem, qui procul manserant, timor animi satis muniverat; nam plerosque iacula tormentis aut manu emissa volnerabant, parique periculo, sed fama impari boni atque ignavi erant. 58 (1) Dum apud Zamam sic certatur, Iugurtha ex improviso castra hostium cum magna manu invadit; remissis, qui in praesidio erant, et omnia magis quam proelium exspectantibus portam irrumpit. (2) At nostri repentino metu perculsi sibi quisque pro moribus consulunt; alii fugere, alii arma capere, magna pars volnerati aut occisi. (3) Ceterum ex omni multitudine non amplius quadraginta, memores nominis Romani, grege facto locum cepere paulo quam alii editiorem neque inde maxuma vi depelli quiverunt, sed tela eminus missa remittere, pauci in pluribus minus frustrari; sin Numidae propius accessissent, ibi vero virtutem ostendere et eos maxuma vi caedere, fundere atque fugare. (4) Interim Metellus cum acerrume rem gereret, clamorem hostilem a tergo accepit, dein convorso equo animadvortit fugam ad se vorsum fieri, quae res indicabat popularis esse. (5) Igitur equitatum omnem ad castra propere misit ac statim C. Marium

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sich Jugurthas Soldaten, die nur eine Zeitlang vom König noch zurückgehalten werden konnten, in die Flucht geschlagen unter geringen Verlusten zurück. 57 (1) Marius kam nun nach Zama. Diese Stadt lag in einer Ebene und war eher durch künstliche Befestigungsanlagen als durch ihre günstige Lage geschützt; sie hatte Überfluss an allen notwendigen Dingen, war reich an Waffen und Männern. (2) Nachdem Metellus nun die den Umständen und der Gegend angemessenen Vorbereitungen getroffen hatte, schließt er die ganze Stadt mit seinem Heer ein und weist den Legaten ihre Abschnitte zu. (3) Dann erhebt sich auf ein Zeichen hin überall gleichzeitig großes Geschrei, aber dies erschreckt die Numider nicht: Sie bleiben kampfeslustig und entschlossen und zeigen dabei keinerlei Anzeichen von Unruhe. (4) Die Schlacht beginnt. Bei den Römern kämpfte jeder nach seinem Charakter, die einen schossen Bleigeschosse und Steine aus der Ferne, die anderen rückten an die Mauern heran und versuchten teils sie zu unterminieren, teils Leitern anzusetzen, um dann zum Nahkampf überzugehen. (5) Um sich dagegen zu verteidigen, wälzten die Stadtbewohner Steine auf die in ihrer Nähe Kämpfenden, warfen Pfähle und Speere, verschossen außerdem mit Schwefel und Harz vermischtes Pech und Brandpfeile. (6) Aber nicht einmal diejenigen Kämpfer, die weiter weg geblieben waren, hatte ihre Angst hinreichend geschützt. Denn sehr viele wurden von Katapult- oder Wurfgeschossen verwundet; Mutigen wie Feiglingen drohten dieselben Gefahren, nur der Ruhm war ungleich. 58 (1) Während bei Zama auf diese Weise gekämpft wurde, greift Jugurtha überraschend mit einer großen Abteilung das feindliche Lager an. Da die römische Wachmannschaft nicht genügend aufpasste und alles eher als einen Angriff erwartete, kann er durch ein Tor einbrechen. (2) Unsere Soldaten sind aber durch den plötzlichen Angriff vor Angst wie gelähmt; jeder versucht sich so zu schützen, wie es seiner Wesensart entspricht: Die einen fliehen, die anderen greifen zu den Waffen, ein Großteil wird verwundet oder niedergemacht. (3) Von der ganzen Besatzung bilden nicht mehr als vierzig, in Erinnerung an den römischen Namen, einen Trupp und besetzen eine etwas höher gelegene Stelle, von wo sie nicht einmal mit der größten Anstrengung vertrieben werden konnten: Aus der Ferne geschleuderte Wurfgeschosse warfen sie wieder zurück, die wenigen Römer verfehlten in der zahlenmäßig überlegenen Menge der Feinde seltener das Ziel. Wenn die Numider aber näher heranrückten, so konnten sie ihren Mut beweisen und den Feind mit aller Gewalt niedermachen, verjagen und vertreiben. (4) Während Metellus unterdessen mit äußerster Entschlossenheit vorgeht, vernahm er plötzlich im Rücken das Geschrei der Feinde; da wendete er sein Pferd und bemerkte, dass ihm fliehende Soldaten entgegenkamen, woraus er schloss, dass es sich um seine Landsleute handeln musste. (5) Daher schickte er eilends die ganze Reiterei und sofort auch Gaius Marius

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cum cohortibus sociorum, eumque lacrumans per amicitiam perque rem publicam obsecrat, ne quam contumeliam remanere in exercitu victore neve hostis inultos abire sinat. (6) Ille brevi mandata efficit. At Iugurtha, munimento castrorum impeditus, cum alii super vallum praecipitarentur, alii in angustiis ipsi sibi properantes officerent, multis amissis in loca munita sese recepit. (7) Metellus infecto negotio, postquam nox aderat, in castra cum exercitu revortitur. 59 (1) Igitur postero die, prius quam ad oppugnandum egrederetur, equitatum omnem in ea parte qua regis adventus erat pro castris agitare iubet, portas et proxuma loca tribunis dispertit, deinde ipse pergit ad oppidum atque uti superiore die murum aggreditur. (2) Interim Iugurtha ex occulto repente nostros invadit: qui in proxumo locati fuerant, paulisper territi perturbantur, relicui cito subveniunt. (3) Neque diutius Numidae resistere quivissent, ni pedites cum equitibus permixti magnam cladem in congressu facerent. Quibus illi freti non, uti equestri proelio solet, sequi, dein cedere, sed advorsis equis concurrere, implicare ac perturbare aciem: ita expeditis peditibus suis hostis paene victos dare. 60 (1) Eodem tempore apud Zamam magna vi certabatur. Ubi quisque legatus aut tribunus curabat, eo acerrume niti, neque alius in alio magis quam in sese spem habere; pariterque oppidani agere; oppugnare aut parare omnibus locis, avidius alteri alteros sauciare quam semet tegere; (2) clamor permixtus hortatione, laetitia, gemitu, item strepitus armorum ad caelum ferri; tela utrimque volare. (3) Sed illi, qui moenia defensabant, ubi hostes paulum modo pugnam remiserant, intenti proelium equestre prospectabant. (4) Eos, uti quaeque Iugurthae res erant, laetos modo, modo pavidos animadvorteres, ac, sicuti audiri a suis aut cerni possent, monere alii, alii hortari, aut manu significare aut niti corporibus et ea huc et illuc quasi vitabundi aut iacientes tela agitare.

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mit den Kohorten der Verbündeten zum Lager und bittet ihn unter Tränen im Namen ihrer Freundschaft und im Namen des Staates, in einem siegreichen Heer keine Schmach zuzulassen und die Feinde nicht abziehen zu lassen, ohne zuvor Rache genommen zu haben. (6) Marius führt die Befehle in kurzer Zeit aus. Jugurtha aber, der durch die Lagerbefestigung zurückgehalten wurde, da seine Soldaten zum Teil über den Wall springen mussten, zum Teil an besonders engen Stellen sich gegenseitig infolge der Hektik behinderten, zog sich unter schweren Verlusten in befestigte Ortschaften zurück. (7) Nach Einbruch der Nacht kehrt Metellus unverrichteter Dinge mit dem Heer ins Lager zurück. 59 (1) Bevor er am folgenden Tag zur Belagerung aufbrach, befahl er der ganzen Reiterei, sich vor dem Lager in dem Abschnitt, wo der Angriff des Königs zu erwarten war, aufzuhalten. Die Tore und deren Umgebung weist er den Tribunen zu, dann rückt er auf die Stadt vor und greift wie am Vortage die Stadtmauer an. (2) Da attackiert Jugurtha plötzlich aus einem Versteck heraus unsere Leute: Die in nächster Nähe aufgestellten Truppenteile werden erschreckt und geraten kurz in Verwirrung, die übrigen kommen schnell zu Hilfe. (3) Und die Numider hätten nicht mehr länger Widerstand leisten können, wenn nicht ihre den Reitern beigegebenen Fußsoldaten beim Aufeinandertreffen eine große Katastrophe verursacht hätten. Im Vertrauen auf diese verfolgten die Reiter den Feind nämlich nicht, wie in einem Kavalleriegefecht üblich, um sich sodann zurückzuziehen, sondern stürmten auf den Gegner los, verknäuelten sich mit dem Feind und brachten so die Schlachtreihe in Unordnung: So hätten sie mit ihren leichtbewaffneten Fußsoldaten die Römer fast geschlagen. 60 (1) Zu derselben Zeit wurde bei Zama verbissen gekämpft. Dort, wo ein Legat oder ein Tribun die Verantwortung hatte, wurden die heftigsten Angriffe geführt, und jeder verließ sich in erster Linie auf sich selbst. Ebenso agierten die Stadtbewohner; überall attackierte man oder traf Vorbereitungen, die beiden Parteien verwundeten sich gegenseitig entschlossener, als sie sich selbst schützten. (2) Das mit Anfeuerungsrufen, Freudengebrüll und Stöhnen vermischte Geschrei drang ebenso wie das Waffengeklirr bis zum Himmel. Auf beiden Seiten flogen Wurfgeschosse. (3) Die Verteidiger der Mauern aber schauten, sobald die Feinde für einen Augenblick nachließen, gespannt auf das Reitergefecht. (4) Da hätte man sie, je nachdem, wie Jugurthas Lage stand, bald frohlockend, bald ängstlich sehen können; und als ob sie von ihren Leuten gehört oder gesehen werden könnten, warnten die einen, feuerten die anderen sie an, machten Handzeichen, vollführten Bewegungen mit ihrem Körper und bewegten ihn bald hierhin, bald dorthin, als ob sie Wurfgeschosse schleuderten oder ihnen auswichen.

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(5) Quod ubi Mario cognitum est – nam is in ea parte curabat – consulto lenius agere ac diffidentiam rei simulare, pati Numidas sine tumultu regis proelium visere. (6) Ita illis studio suorum adstrictis repente magna vi murum aggreditur. Et iam scalis egressi milites prope summa ceperant, cum oppidani concurrunt; lapides, ignem, alia praeterea tela ingerunt. (7) Nostri primo resistere; deinde, ubi unae atque alterae scalae comminutae, qui supersteterant, afflicti sunt, ceteri, quoquo modo potuere, pauci integri, magna pars volneribus confecti abeunt. (8) Denique utrimque proelium nox diremit. 61 (1) Metellus postquam videt frustra inceptum neque oppidum capi neque Iugurtham nisi ex insidiis aut suo loco pugnam facere et iam aestatem exactam esse, ab Zama discedit et in iis urbibus, quae ad se defecerant satisque munitae loco aut moenibus erant, praesidia imponit; (2) ceterum exercitum in provinciam, quae proxima est Numidiae, hiemandi gratia collocat. (3) Neque id tempus ex aliorum more quieti aut luxuriae concedit, sed, quoniam armis bellum parum procedebat, insidias regi per amicos tendere et eorum perfidia pro armis uti parat. (4) Igitur Bomilcarem, qui Romae cum Iugurtha fuerat et inde vadibus datis clam de Massivae nece iudicium fugerat, quod ei per maxumam amicitiam maxuma copia fallendi erat, multis pollicitationibus aggreditur. (5) Ac primo efficit, uti ad se colloquendi gratia occultus veniat, deinde fide data, si Iugurtham vivom aut necatum sibi tradidisset, fore, ut illi senatus impunitatem et sua omnia concederet, facile Numidae persuadet, cum ingenio infido tum metuenti ne, si pax cum Romanis fieret, ipse per condiciones ad supplicium traderetur. 62 (1) Is, ubi primum opportunum fuit, Iugurtham anxium ac miserantem fortunas suas accedit, monet atque lacrumans obtestatur, uti aliquando sibi liberisque et genti Numidarum optume meritae provideat: omnibus proeliis sese victos,

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(5) Als Marius dies bemerkte (denn für diesen Abschnitt war er zuständig), agierte er absichtlich weniger energisch, täuschte Verzweiflung vor und ließ es zu, dass sich die Numider ungestört das Gefecht ihres Königs ansehen konnten. (6) Als diese so durch die Konzentration auf ihre Leute abgelenkt waren, greift er plötzlich mit aller Gewalt die Mauer an. Und schon waren die Soldaten über die Leitern nach oben gestiegen und hatten die Mauerspitzen fast schon erreicht, als die Stadtbewohner herbeilaufen und Steine, Brandfackeln und andere Geschosse auf sie schleudern. (7) Zunächst leisten unsere Soldaten Widerstand; als dann aber die eine und die andere Leiter zerschmettert wurden und die darauf Stehenden hinabstürzten, ziehen sich die anderen, soweit möglich, zurück, nur wenige bleiben unversehrt, der Großteil wird schwer verwundet. (8) Schließlich beendete die Nacht die Kampfhandlungen auf beiden Seiten. 61 (1) Nachdem Metellus das Scheitern des Unternehmens eingesehen hatte und sich eingestehen musste, dass die Stadt nicht eingenommen werden könne, dass Jugurtha nur aus dem Hinterhalt oder auf für ihm günstigen Gelände kämpfe und dass der Sommer schon fast vorbei war, verlässt er die Gegend von Zama und legt Garnisonen in die Städte, die zu ihm abgefallen waren und durch die Umgebung oder ihre Mauern hinreichend geschützt waren. (2) Das übrige Heer lässt er in dem Teil der Provinz, der Numidien am nächsten liegt, das Winterlager beziehen. (3) Aber im Gegensatz zu anderen verbringt er diesen Zeitraum nicht mit Nichtstun und Vergnügungen: Weil er in dem Krieg mit Waffengewalt zu wenig ausrichten konnte, schickt er sich an, dem König durch seine Freunde eine Falle zu stellen und so ihre Treulosigkeit als Waffe zu verwenden. (4) So versucht er, mit großen Versprechungen Bomilcar zu gewinnen, der zusammen mit Jugurtha in Rom gewesen war und heimlich die Flucht ergriffen hatte, um sich dem Prozess um den Mord an Massiva zu entziehen, obwohl die Numider Bürgen gestellt hatten. Aufgrund seiner engen Freundschaft zu Jugurtha hatte er nämlich am ehesten Gelegenheit zum Verrat. (5) Zuerst bringt ihn Metellus nun dazu, unbemerkt zu einer Unterredung zu ihm zu kommen; danach sichert er Bomilcar zu, dass der Senat ihm, falls er ihm Jugurtha tot oder lebendig ausliefere, Straflosigkeit und den Besitz aller seiner Güter garantieren werde. So kann er den Numider leicht überreden, da dieser keine Loyalität kannte und zudem befürchtete, dass er selbst bei einem Friedensschluss mit den Römern aufgrund der Friedensbedingungen hingerichtet würde. 62 (1) Bomilcar tritt bei der ersten günstigen Gelegenheit an den ängstlichen und sein Schicksal beklagenden Jugurtha heran und beschwört ihn unter Tränen inständig, doch nun endlich an sich und seine Kinder zu denken, außerdem auch an das numidische Volk, das sich so sehr um ihn verdient gemacht habe: Sie seien in allen Schlachten besiegt worden, ihr

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agrum vastatum, multos mortalis captos, occisos, regni opes comminutas esse; satis saepe iam et virtutem militum et fortunam temptatam; caveat ne illo cunctante Numidae sibi consulant. (2) His atque talibus aliis ad deditionem regis animum impellit. (3) Mittuntur ad imperatorem legati, qui Iugurtham imperata facturum dicerent ac sine ulla pactione sese regnumque suom in illius fidem tradere. (4) Metellus propere cunctos senatorii ordinis ex hibernis arcessi iubet; eorum et aliorum, quos idoneos ducebat, consilium habet. (5) Ita more maiorum ex consili decreto per legatos Iugurthae imperat argenti pondo ducenta milia, elephantos omnis, equorum et armorum aliquantum. (6) Quae postquam sine mora facta sunt, iubet omnis perfugas vinctos adduci. (7) Eorum magna pars, uti iussum erat, adducti; pauci, cum primum deditio coepit, ad regem Bocchum in Mauretaniam abierant. (8) Igitur Iugurtha, ubi armis virisque et pecunia spoliatus est, cum ipse ad imperandum Tisidium vocaretur, rursus coepit flectere animum suom et ex mala conscientia digna timere. (9) Denique multis diebus per dubitationem consumptis, cum modo taedio rerum advorsarum omnia bello potiora duceret, interdum secum ipse reputaret, quam gravis casus in servitium ex regno foret, multis magnisque praesidiis nequiquam perditis de integro bellum sumit. (10) Et Romae senatus de provinciis consultus Numidiam Metello decreverat. 63 (1) Per idem tempus Uticae forte C. Mario per hostias dis supplicanti magna atque mirabilia portendi haruspex dixerat: proinde quae animo agitabat fretus dis ageret, fortunam quam saepissume experiretur; cuncta prospere eventura. (2) At illum iam antea consulatus ingens cupido exagitabat, ad quem capiundum praeter vetustatem familiae alia omnia abunde erant: industria, probitas, militiae magna scientia, animus belli ingens, domi modicus, lubidinis et divitiarum victor, tantummodo gloriae avidus. (3) Sed is natus et omnem pueritiam Arpini altus, ubi primum aetas militiae patiens fuit, stipendiis faciundis, non Graeca

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Gebiet sei verwüstet, zahlreiche Menschen in Gefangenschaft geraten oder getötet worden, die Mittel des Königreiches fast erschöpft; oft genug habe er schon die Kampfkraft seiner Soldaten und sein Kriegsglück aufs Spiel gesetzt; er solle bedenken, dass die Numider, falls er mit seiner Entscheidung zögere, womöglich selbst für ihre Sicherheit sorgen würden. (2) Durch diese und ähnliche Ausführungen kann er den König zur Kapitulation bewegen. (3) Es werden Gesandte zum römischen Feldherrn geschickt, die ausrichten sollten, dass Jugurtha die Befehle ausführen werde und bedingungslos sein Leben und sein Reich in seine Hände lege. (4) Metellus lässt schnell alle Senatoren aus den Winterlagern herbeiholen. Mit ihnen und mit anderen Männern, die er für geeignet ansieht, hält er Kriegsrat. (5) So lässt er Jugurtha durch Gesandte seine Bedingungen mitteilen, die nach der Tradition der Vorfahren im Kriegsrat beschlossen worden waren: Er solle 200.000 Pfund Silber, alle Elefanten und einen Großteil der Pferde und Waffen ausliefern. (6) Nach der sofortigen Erfüllung dieser Forderungen lässt Metellus noch alle Überläufer gefesselt herbeibringen. (7) Ein Großteil wird, wie befohlen, vorgeführt; einige wenige waren nach dem Beginn der Kapitulationsverhandlungen nach Mauretanien zu König Bocchus geflohen. (8) Als aber Jugurtha seiner Waffen, seiner Männer und seiner finanziellen Mittel beraubt ist und nach Tisidium bestellt wird, um weitere Befehle entgegenzunehmen, ändert er allmählich wieder seine Meinung und sein schlechtes Gewissen fängt an, sich vor der verdienten Strafe zu fürchten. (9) Viele Tage lang überlegt er hin und her, und seiner schlechten Lage überdrüssig war er einmal der Überzeugung, alles sei besser als der Krieg, dann überlegte er sich wieder, ein wie tiefer Fall es doch wäre, wenn er vom Königsthron in die Knechtschaft stürzen würde. Schließlich nimmt er den Krieg wieder auf, obwohl er zahlreiche wichtige Machtmittel sinnlos preisgegeben hatte. (10) Als in Rom der Senat wegen der Verteilung der Provinzen befragt wurde, sprach man Numidien dem Metellus zu. 63 (1) Zu derselben Zeit opferte Gaius Marius gerade in Utica den Göttern; dabei verkündete ihm der Opferschauer eine große und glänzende Zukunft: Er solle nur im Vertrauen auf die Götter seine Ziele verfolgen und das Glück möglichst oft auf die Probe stellen; alles werde gelingen. (2) Den Marius hatte aber zuvor schon der sehnliche Wunsch nach dem Konsulat umgetrieben. Für die Übernahme dieses Amtes stand ihm – abgesehen von einer langen Ahnenreihe – alles im Überfluss zu Gebote: Fleiß, Rechtschaffenheit, große Kenntnisse auf militärischem Gebiet, ein Charakter, der im Krieg herausragend, im Frieden maßvoll war, der über Leidenschaften und Reichtum triumphierte und nur eine einzige Gier kannte: die Gier nach Ruhm. (3) Er war aber in Arpinum geboren und hatte dort seine ganze Kindheit verbracht. Sobald er wehrfähig war, übte er sich im Kriegsdienst, nicht etwa in griechischer Rhetorik oder

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facundia neque urbanis munditiis sese exercuit: ita inter artis bonas integrum ingenium brevi adolevit. (4) Ergo ubi primum tribunatum militarem a populo petit, plerisque faciem eius ignorantibus factis notus per omnis tribus declaratur. (5) Deinde ab eo magistratu alium post alium sibi peperit semperque in potestatibus eo modo agitabat, ut ampliore quam gerebat dignus haberetur. (6) Tamen is ad id locorum talis vir – nam postea ambitione praeceps datus est – consulatum adpetere non audebat: etiam tum alios magistratus plebes, consulatum nobilitas inter se per manus tradebat; (7) novos nemo tam clarus neque tam egregiis factis erat, quin is indignus illo honore et quasi pollutus haberetur. 64 (1) Igitur ubi Marius haruspicis dicta eodem intendere videt quo cupido animi hortabatur, ab Metello petundi gratia missionem rogat. Quoi quamquam virtus, gloria atque alia optanda bonis superabant, tamen inerat contemptor animus et superbia, commune nobilitatis malum. (2) Itaque primum commotus insolita re mirari eius consilium et quasi per amicitiam monere, ne tam prava inciperet neu super fortunam animum gereret: non omnia omnibus cupiunda esse, debere illi res suas satis placere; postremo caveret id petere a populo Romano quod illi iure negaretur. (3) Postquam haec atque alia talia dixit neque animus Mari flectitur, respondit, ubi primum potuisset per negotia publica, facturum sese quae peteret. (4) Ac postea saepius eadem postulanti fertur dixisse ne festinaret abire, satis mature illum cum filio suo consulatum petiturum. Is eo tempore contubernio patris ibidem militabat, annos natus circiter viginti. Quae res Marium cum pro honore, quem affectabat, tum contra Metellum vehementer accenderat. (5) Ita cupidine atque ira, pessumis consultoribus, grassari; neque facto ullo neque dicto abstinere, quod modo ambitiosum foret; milites, quibus in hibernis praeerat, laxiore imperio quam antea habere; apud negotiatores, quorum magna multitudo Uticae erat, criminose simul et magnifice

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in den Raffinessen der Hauptstadt. Bei solchen anständigen Tätigkeiten reifte sein unverdorbener Charakter in kurzer Zeit heran. (4) Als er sich nun beim Volk um das Militärtribunat bewirbt, wird er in allen Tribus gewählt – sein Gesicht war zwar den Meisten nicht vertraut, aber er selbst durch seine Taten bekannt. (5) Nach diesem Amt erreichte er dann eines nach dem anderen, und seine Amtsführung war immer derart, dass man meinte, er verdiene ein höheres Amt. (6) Aber dieser bis zu diesem Zeitpunkt herausragende Mann (später ist er dann durch seinen Ehrgeiz zu Fall gekommen) hatte es noch nicht gewagt, für das Konsulat zu kandidieren. Auch damals noch vergab die Plebs zwar die anderen Ämter, das Konsulat aber reichte die Nobilität in ihren Reihen von Hand zu Hand weiter. (7) Kein homo novus war so bedeutend oder konnte so herausragende Leistungen vorweisen, dass man nicht der Meinung gewesen wäre, er verdiene diese Ehre nicht und sei gleichsam schmutzig. 64 (1) Als also Marius bemerkt, dass die Vorhersagen des Opferschauers in dieselbe Richtung wiesen wie seine eigenen Wünsche, bittet er Metellus um Urlaub, um sich bewerben zu können. Obwohl Metellus nun über Tatkraft, Streben nach Ruhm und andere für tüchtige Menschen wünschenswerte Eigenschaften verfügte, wohnte in ihm doch ein hochmütiges und herablassendes Wesen – und somit der Fehler, der allen Adeligen gemeinsam ist. (2) Und so war er zunächst überrascht über die ungewöhnliche Bitte, wunderte sich über Marius’ Absicht und bat ihn gleichsam im Namen ihrer Freundschaft darum, solche verkehrten Gedanken aufzugeben und nicht über die ihm zukommende Stellung hinauszudenken; nicht könnten alle alles begehren, er müsse mit seinem Besitz und seiner Stellung voll und ganz zufrieden sein; überhaupt solle er sich davor hüten, vom römischen Volk das zu fordern, was man ihm mit gutem Recht verweigern würde. (3) Nachdem er diese und andere Einwände vorgebracht hatte, sich Marius aber nicht umstimmen ließ, entgegnete Metellus, er werde seine Bitte erfüllen, sobald es die dienstlichen Angelegenheiten zuließen. (4) Als Marius später aber öfter mit derselben Bitte an ihn herantrat, soll Metellus zu ihm gesagt haben, er solle sich nicht mit seinem Aufbruch beeilen, er könne noch früh genug zusammen mit seinem Sohn für das Konsulat kandidieren. Metellus’ Sohn diente aber zu diesem Zeitpunkt ebendort im Gefolge seines Vaters und war ungefähr 20 Jahre alt. Diese Entgegnung motivierte Marius nachhaltig für das angestrebte Ehrenamt, vor allem brachte sie ihn aber heftig gegen Metellus auf. (5) So trieben ihn Leidenschaft und Wut, zwei sehr schlechte Ratgeber. Keine Handlung, keine Äußerung unterdrückte er, wenn sie nur seinem Ehrgeiz dienlich sein konnte. Die Soldaten, deren Kommandeur er im Winterlager war, führte er weniger streng und weniger konsequent als zuvor. Bei den Händlern, die in Utica sehr zahlreich vertreten waren, hielt er abfällige und prahlerische Reden über die Kriegsführung des

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de bello loqui: dimidia pars exercitus si sibi permitteretur, paucis diebus Iugurtham in catenis habiturum; ab imperatore consulto trahi, quod homo inanis et regiae superbiae imperio nimis gauderet. (6) Quae omnia illis eo firmiora videbantur, quia diuturnitate belli res familiaris corruperant et animo cupienti nihil satis festinatur. 65 (1) Erat praeterea in exercitu nostro Numida quidam nomine Gauda, Mastanabalis filius, Masinissae nepos, quem Micipsa testamento secundum heredem scripserat, morbis confectus et ob eam causam mente paulum inminuta. (2) Quoi Metellus petenti more regum, ut sellam iuxta poneret, item postea custodiae causa turmam equitum Romanorum, utrumque negaverat: honorem, quod eorum modo foret, quos populus Romanus reges appellavisset, praesidium, quod contumeliosum in eos foret, si equites Romani satellites Numidae traderentur. (3) Hunc Marius anxium aggreditur atque hortatur, ut contumeliarum in imperatorem cum suo auxilio poenas petat. Hominem ob morbos animo parum valido secunda oratione extollit: illum regem, ingentem virum, Masinissae nepotem esse; si Iugurtha captus aut occisus foret, imperium Numidiae sine mora habiturum; id adeo mature posse evenire, si ipse consul ad id bellum missus foret. (4) Itaque et illum et equites Romanos, milites et negotiatores, alios ipse, plerosque pacis spes impellit, uti Romam ad suos necessarios aspere in Metellum de bello scribant, Marium imperatorem poscant. (5) Sic illi a multis mortalibus honestissuma suffragatione consulatus petebatur. Simul ea tempestate plebes, nobilitate fusa per legem Mamiliam, novos extollebat. Ita Mario cuncta procedere. 66 (1) Interim Iugurtha, postquam omissa deditione bellum incipit, cum magna cura parare omnia, festinare, cogere exercitum, civitatis, quae ab se defecerant, formidine aut ostentando praemia affectare, communire suos locos, arma, tela aliaque, quae spe pacis amiserat, reficere aut commercari, servitia Romanorum adlicere et eos ipsos, qui in praesidiis erant, pecunia temptare, prorsus nihil intactum neque quietum pati, cuncta agitare.

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Metellus: Wenn man ihm nur die Hälfte des Heeres übergebe, werde er in wenigen Tagen Jugurtha in Ketten vorführen; der Feldherr ziehe den Krieg absichtlich in die Länge, weil er ein eitler Mensch sei und sich an seinem Kommando, das er mit königlicher Hochmut ausübe, allzu sehr berausche. (6) Diese Aussagen erschienen seinen Zuhörern umso überzeugender, als sie durch den langen Krieg ihr Vermögen verloren hatten und einem gierigen Menschen nichts schnell genug gehen kann. 65 (1) In unserem Heer befand sich außerdem ein Numider namens Gauda, ein Sohn Mastanabals und Masinissas Enkel, den Micipsa in seinem Testament als zweiten Erben eingesetzt hatte. Verschiedene schwere Krankheiten hatten ihn nahezu schwachsinnig werden lassen. (2) Als Gauda Metellus darum bat, wie ein König neben ihm Platz nehmen zu dürfen und zudem eine Schwadron römischer Reiter als Leibgarde zu erhalten, hatte dieser ihm beide Bitten abgeschlagen: die Ehre, weil sie nur denen zukomme, die das römische Volk als Könige bezeichne; den Schutz, weil es beleidigend für römische Ritter wäre, wenn sie einem Numider als Gefolgsleute zugewiesen würden. (3) An diesen verbitterten Mann tritt Marius heran und fordert ihn auf, sich mit seiner Hilfe am Feldherrn für dessen Beleidigungen zu rächen. Dem aufgrund seiner Krankheiten nicht ganz zurechnungsfähigen Gauda verleiht er mit einer Schmeichelrede neuen Mut: Er sei ein König, ein bedeutender Mann, der Enkel des Masinissa; wenn Jugurtha gefangen genommen oder getötet würde, werde er sofort die Herrschaft über Numidien erhalten; gerade dies könne schon bald geschehen, wenn er persönlich als Konsul mit diesem Krieg betraut würde. (4) Und so kann er auf diesen Mann sowie auf die römischen Ritter (auf Soldaten wie auch Kaufleute) Einfluss nehmen, einige bringt er selbst, die meisten aber die Hoffnung auf Frieden dazu, dass sie an ihre Bekannten in Rom schreiben und sich dabei in bitteren Vorwürfen über Metellus’ Kriegsführung ergehen und Marius als Feldherrn wünschen. (5) So forderten viele Leute für ihn mit ehrenvollsten Empfehlungen das Konsulat. Zugleich versuchte auch die Plebs zu dieser Zeit, nachdem die Nobilität durch die Lex Mamilia geschlagen war, die homines novi zu fördern. So konnte Marius überall Fortschritte machen. 66 (1) Inzwischen betrieb Jugurtha, nachdem er die Kapitulation zurückgenommen und den Krieg wieder aufgenommen hatte, mit großer Umsicht die entsprechenden Vorbereitungen, war rastlos tätig, stellte ein Heer auf, warb mit Drohungen oder mit Versprechungen um die Städte, die von ihm abgefallen waren, befestigte strategisch günstige Plätze, stellte Waffen aller Art und alles andere, was er in der Hoffnung auf Frieden verloren hatte, selbst her oder kaufte es auf, lockte die Sklaven der Römer an und versuchte Wachposten mit Geld zu bestechen, kurz: Er ließ nichts unversucht und versetzte alles in große Unruhe.

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(2) Igitur Vagenses, quo Metellus initio Iugurtha pacificante praesidium imposuerat, fatigati regis suppliciis neque antea voluntate alienati, principes civitatis inter se coniurant. Nam volgus, uti plerumque solet et maxume Numidarum, ingenio mobili, seditiosum atque discordiosum erat, cupidum novarum rerum, quieti et otio advorsum. Dein compositis inter se rebus in diem tertium constituunt, quod is festus celebratusque per omnem Africam ludum et lasciviam magis quam formidinem ostentabat. (3) Sed ubi tempus fuit, centuriones tribunosque militaris et ipsum praefectum oppidi T. Turpilium Silanum alius alium domos suas invitant. Eos omnis praeter Turpilium inter epulas obtruncant, postea milites palantis inermos, quippe in tali die ac sine imperio, aggrediuntur. (4) Idem plebes facit, pars edocti ab nobilitate, alii studio talium rerum incitati, quis acta consiliumque ignorantibus tumultus ipse et res novae satis placebant. 67 (1) Romani milites, improviso metu incerti ignarique, quid potissumum facerent, trepidare. Arce oppidi, ubi signa et scuta erant, praesidium hostium, portae ante clausae fuga prohibebant; ad hoc mulieres puerique pro tectis aedificiorum saxa et alia, quae locus praebebat, certatim mittere. (2) Ita neque caveri anceps malum neque a fortissumis infirmissumo generi resisti posse: iuxta boni malique, strenui et inbelles inulti obtruncari. (3) In ea tanta asperitate, saevissumis Numidis et oppido undique clauso, Turpilius praefectus unus ex omnibus Italicis intactus profugit. Id misericordiane hospitis an pactione aut casu ita evenerit, parum comperimus, nisi, quia illi in tanto malo turpis vita integra fama potior fuit, improbus intestabilisque videtur. 68 (1) Metellus postquam de rebus Vagae actis comperit, paulisper maestus ex conspectu abit. Deinde, ubi ira et aegritudo permixta sunt, cum maxuma cura ultum ire iniurias festinat. (2) Legionem, cum qua hiemabat, et quam

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(2) In Vaga hatte Metellus nun zu Beginn, als sich Jugurtha um einen Friedensschluss bemühte, eine Garnison stationiert. Die Vagenser ließen sich durch Jugurthas dauernde Bitten umstimmen, sie waren auch zuvor schon nicht aus freiem Willen abgefallen. Und so kam es in dieser Gemeinde zu einer Verschwörung der führenden Leute. Die breite Masse war nämlich, wie so oft und vor allem bei den Numidern, von einer wankelmütigen Sinnesart und neigte zu Aufständen und Uneinigkeit, wünschte sich einen Umsturz und stand Ruhe und Frieden ablehnend gegenüber. Nachdem man sodann alles miteinander verabredet hatte, setzen sie die Revolte für den dritten Tag an, weil dieser Festtag, der in ganz Africa gefeiert wurde, eher Fröhlichkeit und Ausgelassenheit versprach als Angst. (3) Als aber der vereinbarte Zeitpunkt gekommen war, laden verschiedene Vagenser die Zenturionen, Militärtribunen und den Stadtpräfekten persönlich, Titus Turpilius Silanus, in ihre Häuser ein. Außer Turpilius werden alle beim Essen niedergemacht, dann greifen sie die an einem solchen Tag selbstverständlich ohne Kommando herumziehenden und unbewaffneten Soldaten an. (4) Genauso handelt das einfache Volk, zum Teil vom Adel informiert, zum Teil angespornt von seiner Leidenschaft für derartige Umtriebe: Sie wussten zwar nicht Bescheid über die Aktionen und den Plan, aber ihnen gefielen sowohl der Aufruhr an sich wie auch der Umsturzversuch recht gut. 67 (1) Die römischen Soldaten, durch die unvorhergesehene Gefahr verunsichert und unentschlossen, was am ehesten zu tun sei, verfielen in Panik. Von der Stadtburg, wo die Feldzeichen und Schilde lagerten, hielt sie eine feindliche Truppe, von der Flucht die vor dem Beginn der Revolte verschlossenen Stadttore ab. Zudem wurden sie von Frauen und Kindern, die vorne auf den Dächern der Gebäude standen, mit Steinen und anderem, was sich am jeweiligen Standort fand, eifrigst beworfen. (2) So konnte man sich gegen eine von zwei Seiten herandrängende Gefahr nicht schützen, noch konnten selbst die Tapfersten dem schwächsten Feind Widerstand leisten. In gleicher Weise wurden Gute wie Schlechte, Tüchtige wie Feiglinge ungerächt niedergemetzelt. (3) Aus dieser verzweifelten Lage (die Numider wüteten nämlich erbarmungslos und die Stadt war überall abgeriegelt) konnte als einziger von allen Italikern der Präfekt Turpilius unverwundet fliehen. Ob ihm dies dank dem Mitleid seines Gastgebers, durch ein Abkommen oder durch Zufall gelang, konnte ich nicht mit letzter Sicherheit in Erfahrung bringen; auf jeden Fall erscheint er aber ehrlos und verabscheuenswert, da ihm angesichts einer solchen Katastrophe ein schändliches Leben lieber war als ein einwandfreier Ruf. 68 (1) Als Metellus von den Ereignissen in Vaga erfuhr, ging er in Trauer ein wenig außer Sichtweite. Als sich dann Wut und Trauer in ihm miteinander verbunden hatten, beeilt er sich mit größtem Eifer, für das Unrecht Rache zu nehmen. (2) Bei Sonnenuntergang führt er die Legion, mit der er im Winterlager lag,

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plurumos potest Numidas equites pariter cum occasu solis expeditos educit et postero die circiter hora tertia pervenit in quandam planitiem locis paulo superioribus circumventam. (3) Ibi milites fessos itineris magnitudine et iam abnuentis omnia docet oppidum Vagam non amplius mille passuum abesse, decere illos relicuom laborem aequo animo pati, dum pro civibus suis, viris fortissumis atque miserrumis, poenas caperent; praeterea praedam benigne ostentat. (4) Sic animis eorum arrectis equites in primo late, pedites quam artissume ire et signa occultare iubet. 69 (1) Vagenses, ubi animum advortere ad se vorsum exercitum pergere, primo, uti erat res, Metellum esse rati portas clausere; deinde, ubi neque agros vastari et eos, qui primi aderant, Numidas equites vident, rursum Iugurtham arbitrati cum magno gaudio obvii procedunt. (2) Equites peditesque repente signo dato alii volgum effusum oppido caedere, alii ad portas festinare, pars turris capere: ira atque praedae spes amplius quam lassitudo posse. (3) Ita Vagenses biduom modo ex perfidia laetati: civitas magna et opulens cuncta poenae aut praedae fuit. (4) Turpilius, quem praefectum oppidi unum ex omnibus profugisse supra ostendimus, iussus a Metello causam dicere, postquam sese parum expurgat, condemnatus verberatusque capite poenas soluit; nam is civis ex Latio erat. 70 (1) Per idem tempus Bomilcar, quoius impulsu Iugurtha deditionem quam metu deseruit inceperat, suspectus regi et ipse eum suspiciens novas res cupere, ad perniciem eius dolum quaerere, die noctuque fatigare animum. (2) Denique omnia temptando socium sibi adiungit Nabdalsam, hominem nobilem, magnis opibus, clarum acceptumque popularibus suis, qui plerumque seorsum ab rege exercitum ductare et omnis res exsequi solitus erat, quae Iugurthae fesso aut maioribus adstricto superaverant; ex quo illi gloria opesque inventae. (3) Igitur utriusque consilio dies insidiis statuitur; cetera, uti res posceret, ex tempore parari placuit. (4) Nabdalsa ad exercitum profectus, quem inter hiberna Romanorum iussus habebat ne ager inultis hostibus vastaretur. (5) Is postquam magnitudine facinoris perculsus

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und ein sehr großes Kontingent numidischer Reiter in Gefechtsbereitschaft aus dem Lager und gelangt am folgenden Tag gegen die dritte Stunde [etwa um 9 Uhr] zu einer Ebene, die von einem kleineren Höhenzug umgeben war. (3) Dort informiert er die von der Länge des Weges erschöpften und jede weitere Tätigkeit ablehnenden Soldaten darüber, dass die Stadt Vaga nicht mehr als eine Meile entfernt sei; sie müssten die restlichen Strapazen mit Gleichmut ertragen, bis sie für ihre tapferen und unglücklichen Mitbürger die Strafe an den Schuldigen vollzogen hätten. Außerdem stellt er ihnen großzügig Beute in Aussicht. (4) So kann er sie wieder aufrichten und lässt die Reiter in vorderster Linie in breiter Front und die Fußsoldaten in möglichst engen Reihen marschieren und die Feldzeichen verbergen. 69 (1) Als die Vagenser sahen, dass sich ein Heer auf ihre Stadt zubewegte, glaubten sie zunächst, dass es Metellus sei (was ja auch der Fall war), und schlossen die Stadttore. Als sie dann aber bemerkten, dass die Felder nicht verwüstet wurden und in den vorderen Reihen Numider ritten, wähnten sie hingegen, es sei Jugurtha, und gingen dem Heer erleichtert und freudig entgegen. (2) Auf ein Zeichen hin fielen plötzlich die Reiter und die Fußsoldaten teils über das aus der Stadt strömende Volk her, teils eilten sie zu den Toren, teils eroberten sie die Türme. Wut und Hoffnung auf Beute waren mächtiger als die Erschöpfung. (3) So konnten sich die Vagenser nur zwei Tage lang an ihrem Verrat erfreuen: Eine große und reiche Gemeinde wurde zur Gänze bestraft und geplündert. (4) Als Turpilius, der Stadtpräfekt, der, wie erwähnt, als einziger von allen fliehen konnte, von Metellus aufgefordert wurde, sich zu verteidigen, und er sich nicht befriedigend rechtfertigen konnte, wurde er verurteilt, ausgepeitscht und hingerichtet. Er war nämlich ein Bürger aus Latium. 70 (1) Zu derselben Zeit suchte Bomilcar, auf dessen Rat hin Jugurtha die später aus Angst wieder aufgegebene Kapitulation begonnen hatte, Tag und Nacht nach einer List und zermarterte sich deswegen das Gehirn, um diesen zu Fall zu bringen. Er war nämlich dem König verdächtig geworden und seinerseits misstrauisch, und so sann er auf einen Umsturz. (2) Er setzt schließlich alles auf eine Karte und verbündet sich mit dem Adeligen Nabdalsa, der einflussreich, angesehen und bei seinen Landsleuten beliebt war. Ihm unterstellte der König häufig eine eigene Armee; er erledigte alle Aufgaben, um die sich der erschöpfte und mit Wichtigerem beschäftigte Jugurtha nicht kümmern konnte; auf diese Weise war er zu Ruhm und Macht gekommen. (3) Die beiden vereinbaren also einen Termin für den Anschlag und beschließen, sich um die Einzelheiten der Situation und den Umständen entsprechend zu kümmern. (4) Nabdalsa bricht zu seiner Armee auf, die er gemäß dem Befehl des Königs zwischen den römischen Winterlagern hielt, damit die Feinde das Gebiet nicht ungestraft verwüsten konnten. (5) Als er aber angesichts der Größe des Unternehmens nervös

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ad tempus non venit metusque rem impediebat, Bomilcar, simul cupidus incepta patrandi et timore soci anxius, ne omisso vetere consilio novom quaereret, litteras ad eum per homines fidelis mittit, in quis mollitiam socordiamque viri accusare, testari deos, per quos iuravisset, monere, ne praemia Metelli in pestem convorteret: Iugurthae exitium adesse, ceterum suane an Metelli virtute periret, id modo agitari; proinde reputaret cum animo suo, praemia an cruciatum mallet. 71 (1) Sed cum eae litterae adlatae, forte Nabdalsa exercito corpore fessus in lecto quiescebat, (2) ubi cognitis Bomilcaris verbis primo cura, deinde, uti aegrum animum solet, somnus cepit. (3) Erat ei Numida quidam negotiorum curator, fidus acceptusque et omnium consiliorum nisi novissumi particeps. (4) Qui postquam adlatas litteras audivit et ex consuetudine ratus opera aut ingenio suo opus esse in tabernaculum introiit, dormiente illo epistulam super caput in pulvino temere positam sumit ac perlegit, dein propere cognitis insidiis ad regem pergit. (5) Nabdalsa paulo post experrectus, ubi neque epistulam repperit et rem omnem, uti acta erat, [ex perfugis] cognovit, primo indicem persequi conatus, postquam id frustra fuit, Iugurtham placandi gratia accedit; dicit quae ipse paravisset facere perfidia clientis sui praeventa; lacrumans obtestatur per amicitiam perque sua antea fideliter acta, ne super tali scelere suspectum sese haberet. 72 (1) Ad ea rex aliter atque animo gerebat placide respondit. Bomilcare aliisque multis, quos socios insidiarum cognoverat, interfectis iram oppresserat, ne qua ex eo negotio seditio oreretur. (2) Neque post id locorum Iugurthae dies aut nox ulla quieta fuit: neque loco neque mortali quoiquam aut tempori satis credere, civis hostisque iuxta metuere, circumspectare omnia et omni strepitu pavescere, alio loco, saepe contra decus regium, noctu requiescere, interdum somno excitus arreptis armis tumultum facere: ita formidine quasi vecordia exagitari. 73 (1) Igitur Metellus, ubi de casu Bomilcaris et indicio patefacto ex perfugis cognovit, rursus tamquam ad integrum bellum cuncta parat festinatque. (2) Marium fatigantem de profectione, simul et invitum et offensum

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wurde, nicht rechtzeitig erschien und seine Furcht den Plan zu vereiteln drohte, lässt Bomilcar, der das Vorhaben unbedingt durchführen will und wegen der Furcht seines Verbündeten befürchtet, dass dieser den alten Plan aufgeben und einen neuen schmieden könnte, diesem durch treue Männer einen Brief überbringen. Darin beklagt er sich über dessen Mutlosigkeit und Passivität, ruft die Götter, bei denen er seinen Schwur geleistet habe, als Zeugen an und warnt ihn davor, die Belohnungen des Metellus zum Fluch werden zu lassen; Jugurthas Ende sei gekommen; es gehe nur noch darum, ob er durch ihre Tatkraft oder die des Metellus umkomme; daher solle er sich im Stillen überlegen, ob er Belohnungen oder die Folter vorziehe. 71 (1) Als aber dieser Brief überbracht wurde, ruhte Nabdalsa gerade von körperlichen Anstrengungen erschöpft in seinem Bett; (2) dort überfielen ihn nach der Lektüre von Bomilcars Schreiben zunächst einmal Sorgen, dann, wie es bei von Sorgen geplagten Menschen zu geschehen pflegt, der Schlaf. (3) Nabdalsa hatte aber einen numidischen Untergebenen, der sich um seine Angelegenheiten kümmerte, der loyal war, bei ihm in Ansehen stand und alle seine Pläne kannte – abgesehen von dem jüngsten. (4) Als dieser hörte, dass ein Brief angekommen sei, glaubte er, dass so wie immer seine Hilfe und seine Ideen benötigt würden; daher geht er in das Zelt, nimmt, während Nabdalsa noch schlief, den Brief an sich, den dieser unvorsichtigerweise oberhalb seines Kopfes auf das Kissen gelegt hatte, und liest ihn durch. Er durchschaut sofort den Anschlagsplan und geht zum König. (5) Als Nabdalsa kurz darauf aufwachte, den Brief nicht finden konnte und erfuhr, was passiert ist, versuchte er zunächst, den Verräter zu verfolgen – als dies vergeblich ist, geht er zu Jugurtha, um ihn milde zu stimmen. Er behauptet, dass ihm sein Gefolgsmann mit seinem Verrat zuvorgekommen sei. Er bittet Jugurtha unter Tränen, im Namen ihrer Freundschaft und bei den früheren Beweisen seiner Loyalität, ihn nicht eines solchen Verbrechens zu verdächtigen. 72 (1) Darauf antwortete der König entgegen seinen wahren Gefühlen freundlich. Nachdem er Bomilcar und zahlreiche andere, deren Mitwisserschaft er in Erfahrung bringen konnte, getötet hatte, unterdrückte er seinen Zorn, um einen Aufstand zu vermeiden. (2) Aber danach hatte Jugurtha keinen ruhigen Tag, keine ruhige Nacht mehr: Er vertraute keinem Ort, keinem Menschen, keiner Situation mehr so recht, fürchtete Mitbürger wie Feinde gleichermaßen, schaute sich überall um, erschrak bei jedem Geräusch, nächtigte mal an diesem, mal an jenem Ort (oft ohne die Pracht, die einem König zukommt), manchmal wachte er auf, griff zu den Waffen und schlug Lärm: So wurde er von seiner Angst fast wie von Irrsinn getrieben. 73 (1) Als nun Metellus durch Überläufer von Bomilcars Schicksal und der Entdeckung der Verschwörung erfuhr, trifft er wieder, gleichsam wie zu einem neuen Krieg, eilends alle Vorbereitungen. (2) Den Marius, der ihn hartnäckig

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sibi parum idoneum ratus, domum dimittit. (3) Et Romae plebes, litteris quae de Metello ac Mario missae erant cognitis, volenti animo de ambobus acceperant. (4) Imperatori nobilitas, quae antea decori fuit, invidiae esse; at illi alteri generis humilitas favorem addiderat. Ceterum in utroque magis studia partium quam bona aut mala sua moderata. (5) Praeterea seditiosi magistratus volgum exagitare, Metellum omnibus contionibus capitis arcessere, Mari virtutem in maius celebrare. (6) Denique plebes sic accensa, uti opifices agrestesque omnes, quorum res fidesque in manibus sitae erant, relictis operibus frequentarent Marium et sua necessaria post illius honorem ducerent. (7) Ita perculsa nobilitate post multas tempestates novo homini consulatus mandatur. Et postea populus, a tribuno plebis T. Manlio Mancino rogatus, quem vellet cum Iugurtha bellum gerere, frequens Marium iussit. Sed senatus paulo † decio † decreverat: ea res frustra fuit. 74 (1) Eodem tempore Iugurtha amissis amicis – quorum plerosque ipse necaverat, ceteri formidine pars ad Romanos, alii ad regem Bocchum profugerant – cum neque bellum geri sine administris posset et novorum fidem in tanta perfidia veterum experiri periculosum duceret, varius incertusque agitabat. Neque illi res neque consilium aut quisquam hominum satis placebat: itinera praefectosque in dies mutare, modo advorsum hostis, interdum in solitudines pergere, saepe in fuga ac post paulo in armis spem habere, dubitare virtuti an fidei popularium minus crederet: (2) ita quocumque intenderat res advorsae erant. Sed inter eas moras repente sese Metellus cum exercitu ostendit. Numidae ab Iugurtha pro tempore parati instructique, dein proelium incipitur. (3) Qua in parte rex pugnae affuit, ibi aliquamdiu certatum, ceteri eius omnes milites primo congressu pulsi fugatique. Romani signorum et armorum [et] aliquanto numero, hostium paucorum potiti; nam ferme Numidis in omnibus proeliis magis pedes quam arma tuta sunt.

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um die Erlaubnis zum Aufbruch bittet, entlässt er in die Heimat, da er glaubt, dieser werde nur unwillig dienen, sei außerdem beleidigt und ihm aus diesen beiden Gründen wenig nützlich. (3) In Rom hatte das Volk die Nachrichten über Metellus und Marius gerne vernommen. (4) Hatte sein Adel dem Feldherrn zuvor Ansehen eingebracht, so schürte sein Stand nun den Hass auf ihn. Marius stieg hingegen in der Gunst durch seine niedrige Herkunft. Aber bei der Beurteilung der beiden Männer waren eher die Parteileidenschaften als ihre Vorzüge oder Fehler ausschlaggebend. (5) Außerdem hetzten demagogische Beamte das Volk auf, verlangten auf allen Volksversammlungen den Kopf des Metellus und feierten in übertriebener Weise die Tatkraft des Marius. (6) Schließlich war das Volk so verhetzt, dass alle Handwerker und Bauern, deren Besitz und Kredit von ihrer Hände Arbeit abhingen, ihre Arbeiten ruhen ließen, um Marius aufzusuchen, und ihre Bedürfnisse seiner Ehre hintanstellten. (7) So wurde die Nobilität geschlagen, und nach langer Zeit wird wieder einem homo novus das Konsulat anvertraut. Dann befragt der Volkstribun Titus Manlius Mancinus das Volk, wen es mit der Führung des Krieges gegen Jugurtha beauftragen wolle, und man sprach sich mit großer Mehrheit für Marius aus. Kurz zuvor hatte aber der Senat (…) beschlossen. Dieser Beschluss war nun hinfällig. 74 (1) Zu derselben Zeit verrieten Jugurthas Aktivitäten Unentschlossenheit und Unsicherheit: Er hatte seine engsten Freunde verloren (die meisten hatte er selbst getötet, die anderen waren aus Angst teils zu den Römern, teils zu König Bocchus geflohen), aber den Krieg konnte er ohne Helfer nicht führen und er hielt es angesichts der Treulosigkeit der alten Freunde für gefährlich, die Zuverlässigkeit neuer Freunde zu erproben. Kein Unternehmen, kein Plan, kein Mensch konnte es ihm in irgendeiner Weise noch recht machen: Die Marschroute und die Kommandeure wechselte er täglich, bald zog er den Feinden entgegen, bald in die Wüste, oft setzte er alle seine Hoffnungen auf die Flucht, kurz danach auf den Kampf, er war sich unsicher, ob er der Kampfkraft oder der Zuverlässigkeit seiner Landsleute weniger trauen sollte. (2) So gab es, was immer er auch zu unternehmen beabsichtigte, nur Hindernisse. Aber während er so unentschlossen hin und her zog, zeigte sich plötzlich Metellus mit seinem Heer. Den Umständen entsprechend lässt Jugurtha die Numider sich vorbereiten und Aufstellung nehmen, dann beginnt der Kampf. (3) An der Stelle des Schlachtfeldes, wo der König stand, wurde eine Weile gekämpft, seine übrigen Soldaten wurden beim ersten Zusammenstoß geschlagen und in die Flucht gejagt. Die Römer erbeuteten mehrere Feldzeichen und Waffen, konnten aber nur wenige Feinde gefangen nehmen. Denn in fast allen Schlachten verlassen sich die Numider eher auf ihre Füße als auf ihre Waffen.

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75 (1) Ea fuga Iugurtha impensius modo rebus suis diffidens cum perfugis et parte equitatus in solitudines, dein Thalam pervenit, in oppidum magnum atque opulentum, ubi plerique thesauri filiorumque eius multus pueritiae cultus erat. (2) Quae postquam Metello comperta sunt, quamquam inter Thalam flumenque proxumum in spatio milium quinquaginta loca arida atque vasta esse cognoverat, tamen spe patrandi belli, si eius oppidi potitus foret, omnis asperitates supervadere ac naturam etiam vincere aggreditur. (3) Igitur omnia iumenta sarcinis levari iubet nisi frumento dierum decem, ceterum utris modo et alia aquae idonea portari. (4) Praeterea conquirit ex agris quam plurumum potest domiti pecoris, eoque imponit vasa quoiusque modi, sed pleraque lignea collecta ex tuguriis Numidarum. (5) Ad hoc finitumis imperat, qui se post regis fugam Metello dederant, quam plurumum quisque aquae portaret; (6) diem locumque ubi praesto forent praedicit; ipse ex flumine, quam proxumam oppido aquam esse supra diximus, iumenta onerat. Eo modo instructus ad Thalam proficiscitur. (7) Deinde, ubi ad id loci ventum quo Numidis praeceperat et castra posita munitaque sunt, tanta repente caelo missa vis aquae dicitur, ut ea modo exercitui satis superque foret. (8) Praeterea commeatus spe amplior, quia Numidae, sicuti plerique in nova deditione, officia intenderant. (9) Ceterum milites religione pluvia magis usi, eaque res multum animis eorum addidit; nam rati sese dis inmortalibus curae esse. Deinde postero die, contra opinionem Iugurthae ad Thalam perveniunt. (10) Oppidani, qui se locorum asperitate munitos crediderant, magna atque insolita re perculsi, nihilo segnius bellum parare; idem nostri facere. 76 (1) Sed rex, nihil iam infectum Metello credens, quippe qui omnia, arma, tela, locos, tempora, denique naturam ipsam ceteris imperitantem industria vicerat, cum liberis et magna parte pecuniae ex oppido noctu profugit. Neque postea in ullo loco amplius uno die aut una nocte moratus, simulabat sese negoti gratia properare, ceterum proditionem timebat, quam vitare posse celeritate putabat; nam talia consilia per otium et ex opportunitate capi.

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75 (1) Nach dieser Flucht hatte Jugurtha noch weniger Zuversicht als zuvor, zog mit den Überläufern und einem Teil der Reiterei in die Wüsten und kam dann in die große und wohlhabende Stadt Thala, wo sehr viele seiner Schätze lagerten und alles das im Überfluss vorhanden war, was für die angemessene Ausstattung seiner Kinder nötig war. (2) Als Metellus davon erfuhr, hoffte er, den Krieg durch die Einnahme dieser Stadt beenden zu können, und schickte sich an, alle Schwierigkeiten zu überwinden und sogar die Natur selbst zu besiegen – und dies, obwohl er wusste, dass sich zwischen Thala und dem nächsten Fluss über 50 Meilen hin ein großes Trockengebiet erstreckte. (3) Er befiehlt daher, alle Zugtiere von Gepäck zu befreien, abgesehen von Getreide für zehn Tage, und sonst nur Schläuche und andere Wasserbehälter mitzunehmen. (4) Zusätzlich lässt er von den Feldern möglichst viele Haustiere zusammentreiben, denen er Gefäße aller Art aufladen lässt, vor allem aber Holzgefäße, die er aus den Hütten der Numider hatte zusammentragen lassen. (5) Außerdem befiehlt Metellus den Bewohnern des Umlandes, die sich ihm nach der Flucht des Königs ergeben hatten, möglichst viel Wasser an einen bestimmten Ort zu einem vereinbarten Termin zu bringen. (6) Die Behälter lässt er aus dem Fluss auffüllen, der der Stadt, wie bereits gesagt, am nächsten lag, und den Zugtieren aufladen. Solchermaßen gerüstet zieht er nach Thala. (7) Sobald er zu dem vereinbarten Treffpunkt kommt und das Lager aufgeschlagen und befestigt ist, soll sich plötzlich ein so starker Sturzregen ergossen haben, dass diese Wassermenge alleine schon mehr als genug für das Heer gewesen wäre. (8) Außerdem stand Nachschub weit über ihre Erwartungen zur Verfügung, weil die Numider ihren Pflichten gewissenhaft nachkamen, wie es oft unmittelbar nach einer Kapitulation der Fall ist. (9) Im Übrigen verwendeten die Soldaten aus religiöser Überzeugung das Regenwasser lieber, und dieses Ereignis flößte ihnen viel Mut ein; sie glaubten nämlich, die unsterblichen Götter würden sich um sie kümmern. Am folgenden Tag erreichen sie sodann – gegen Jugurthas Erwartung – Thala. (10) Die Stadtbewohner, die geglaubt hatten, sie seien durch das unzugängliche Gebiet geschützt, waren angesichts dieses großen und ungewöhnlichen Ereignisses bestürzt, bereiteten sich deswegen aber nicht weniger entschlossen auf den Kampf vor. Dasselbe taten unsere Soldaten. 76 (1) Der König glaubte aber, dass Metellus nichts mehr aufhalten könne, da dieser alles, Waffen aller Art, Orte und Zeiten, ja sogar die allmächtige Natur durch seine Tatkraft besiegt hatte, und floh mit seinen Kindern und einem großen Teil des Geldes in der Nacht aus der Stadt. Danach hielt er sich niemals länger als einen Tag oder eine Nacht an einem Ort auf und tat so, als ob er wegen einer wichtigen Angelegenheit in Eile sei. Er fürchtete aber Verrat, dem er durch Schnelligkeit zu entgehen hoffte; denn Anschläge, so glaubte er, würden in Ruhe und nach Gelegenheit geschmiedet.

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(2) At Metellus, ubi oppidanos proelio intentos, simul oppidum et operibus et loco munitum videt, vallo fossaque moenia circumvenit. (3) Dein duobus locis ex copia maxume idoneis vineas agere, [superque eas] aggerem iacere et super aggerem impositis turribus opus et administros tutari; (4) contra haec oppidani festinare, parare: prorsus ab utrisque nihil relicuom fieri. (5) Denique Romani, multo ante labore proeliisque fatigati, post dies quadraginta, quam eo ventum erat, oppido modo potiti: praeda omnis ab perfugis corrupta. (6) Ii postquam murum arietibus feriri resque suas afflictas vident, aurum atque argentum et alia, quae prima ducuntur, domum regiam comportant. Ibi vino et epulis onerati illaque et domum et semet igni corrumpunt et quas victi ab hostibus poenas metuerant, eas ipsi volentes pependere. 77 (1) Sed pariter cum capta Thala legati ex oppido Lepti ad Metellum venerant, orantes, uti praesidium praefectumque eo mitteret: Hamilcarem quendam, hominem nobilem factiosum, novis rebus studere, advorsum quem neque imperia magistratuum neque leges valerent; ni id festinaret, in summo periculo suam salutem, illorum socios fore. (2) Nam Leptitani iam inde a principio belli Iugurthini ad Bestiam consulem et postea Romam miserant amicitiam societatemque rogatum; (3) deinde, ubi ea impetrata, semper boni fidelesque mansere et cuncta a Bestia, Albino Metelloque imperata nave fecerant. (4) Itaque ab imperatore facile quae petebant adepti: emissae eo cohortes Ligurum quattuor et C. Annius praefectus. 78 (1) Id oppidum ab Sidoniis conditum est, quos accepimus profugos ob discordias civilis navibus in eos locos venisse. Ceterum situm inter duas Syrtis, quibus nomen ex re inditum. (2) Nam duo sunt sinus prope in extrema Africa, impares magnitudine, pari natura, quorum proxuma terrae praealta sunt, cetera uti fors tulit alta alia, alia in tempestate vadosa. (3) Nam ubi mare magnum esse et saevire ventis coepit, limum harenamque et saxa ingentia fluctus trahunt: ita

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(2) Als aber Metellus sieht, dass die Stadtbewohner zum Kampf entschlossen sind und dass die Stadt durch Befestigungsanlagen und ihre Lage geschützt ist, umgibt er die Mauern mit einem Wall und einem Graben. (3) Dann führt er an zwei nach Lage der Dinge besonders geeigneten Stellen Schutzdächer heran, wirft einen Damm auf und lässt darauf Türme errichten, um so die Belagerungsanlagen und die Helfer zu schützen. (4) Auf der Gegenseite waren die Stadtbewohner unermüdlich tätig und trafen Gegenmaßnahmen, kurz: Beide Seiten ließen nichts unversucht. (5) Schließlich konnten sich die Römer, die von den vielen Strapazen und den Kämpfen bereits erschöpft waren, vierzig Tage nach ihrer Ankunft lediglich der Stadt bemächtigen; die Beute hatten nämlich die Überläufer vollkommen vernichtet. (6) Nachdem diese nämlich gesehen hatten, dass die Rammböcke die Stadtmauer einstießen und ihre Lage völlig verzweifelt war, bringen sie Gold und Silber und andere Dinge, die die Menschen für das Wichtigste halten, in den königlichen Palast. Dort feiern sie ein Gelage, betrinken sich mit Wein und verbrennen die Schätze, das Haus und sich selbst: Die Strafen, die sie nach der Niederlage von den Feinden zu befürchten hatten, erlitten sie freiwillig von eigener Hand. 77 (1) Zu derselben Zeit, als Thala erobert wurde, waren Gesandte aus der Stadt Leptis zu Metellus gekommen, die ihn darum ersuchten, ihnen eine Schutztruppe und einen Präfekten zu schicken: Ein gewisser Hamilcar, ein Adeliger aus einer einflussreichen Clique, sinne auf einen Umsturz; gegen diesen Mann seien sowohl die Anordnungen der Beamten als auch die Gesetze machtlos. Wenn Metellus hier nicht schnell handele, drohe ihrer Stadt (die eine Bundesgenossin der Römer sei) größte Gefahr. (2) Die Leptitaner hatten nämlich schon zu Beginn des Jugurthinischen Krieges Gesandte zum Konsul Bestia und später auch nach Rom geschickt, die um Freundschaft und ein Bündnis nachsuchen sollten. (3) Als diese Bitte dann gewährt wurde, blieben sie immer integer und loyal und erfüllten bereitwillig alle Befehle des Bestia, des Albinus und des Metellus. (4) Daher konnten sie den Feldherrn leicht dazu bewegen, ihrer Bitte nachzukommen. Er schickte in ihre Stadt vier Ligurerkohorten und Gaius Annius als Befehlshaber. 78 (1) Diese Stadt wurde von Sidoniern gegründet. Der Überlieferung zufolge sind die Stadtgründer wegen innenpolitischer Streitigkeiten aus ihrer Heimat geflohen und zu Schiff in diese Gegend gekommen. Leptis liegt aber zwischen den beiden Syrten, die nach einem natürlichen Vorgang so heißen. (2) Fast im äußersten Africa liegen nämlich zwei Meeresbuchten von ungleicher Größe, aber von derselben Beschaffenheit. Die Teile, die dem Festland zunächst liegen, sind sehr tief, der Rest ist, je nach Zufall und Wetter, bald tief, bald seicht. (3) Denn sobald infolge der Winde hoher Seegang herrscht und das Meer wütet, reißen die Fluten Schlamm, Sand und riesige Felsblöcke mit sich fort. So

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facies locorum cum ventis simul mutatur, Syrtes ab tractu nominatae. (4) Eius civitatis lingua modo convorsa conubio Numidarum, legum cultusque pleraque Sidonica, quae eo facilius retinebant quod procul ab imperio regis aetatem agebant: (5) inter illos et frequentem Numidiam multi vastique loci erant. 79 (1) Sed quoniam in eas regiones per Leptitanorum negotia venimus, non indignum videtur egregium atque mirabile facinus duorum Carthaginiensium memorare: eam rem nos locus admonuit. (2) Qua tempestate Carthaginienses pleraque Africa imperitabant, Cyrenenses quoque magni atque opulenti fuere. (3) Ager in medio harenosus, una specie; neque flumen neque mons erat, qui finis eorum discerneret, quae res eos in magno diuturnoque bello inter se habuit. (4) Postquam utrimque legiones, item classes saepe fusae fugataeque et alteri alteros aliquantum attriverant, veriti ne mox victos victoresque defessos alius aggrederetur, per indutias sponsionem faciunt, uti certo die legati domo proficiscerentur: quo in loco inter se obvii fuissent, is communis utriusque populi finis haberetur. (5) Igitur Carthagine duo fratres missi, quibus nomen Philaenis erat, maturavere iter pergere; Cyrenenses tardius iere. Id socordiane an casu acciderit, parum cognovi. (6) Ceterum solet in illis locis tempestas haud secus atque in mari retinere; nam ubi per loca aequalia et nuda gignentium ventus coortus harenam humo excitavit, ea magna vi agitata ora oculosque implere solet: ita prospectu impedito morari iter. (7) Postquam Cyrenenses aliquanto posteriores se esse vident et ob rem corruptam domi poenas metuont, criminari Carthaginiensis ante tempus domo digressos, conturbare rem, denique omnia malle quam victi abire. (8) Sed cum Poeni aliam condicionem, tantummodo aequam, peterent, Graeci optionem Carthaginiensium faciunt, ut vel illi, quos finis populo suo peterent, ibi vivi obruerentur, vel eadem condicione sese, quem in locum vellent, processuros. (9) Philaeni condicione probata seque vitamque suam rei publicae condonavere: ita vivi obruti. (10) Carthaginienses in eo loco Philaenis fratribus aras consecravere, aliique illis domi honores instituti. Nunc ad rem redeo.

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ändert sich das Aussehen der Gegend je nach den Winden, ‚Syrten‘ aber heißen sie wegen dieses Fortreißens. (4) Nur die Sprache der Stadtbewohner hat sich durch die Vermischung mit den Numidern geändert, die Gesetze und Bräuche sind größtenteils noch sidonisch; diese konnten sie umso leichter beibehalten, als sie fern vom Reich des Königs lebten. (5) Zwischen ihrem Gebiet und dem bewohnten Teil Numidiens lagen nämlich mehrere Wüsten. 79 (1) Da uns aber die Ereignisse in Leptis in diese Gegenden geführt haben, scheint es angemessen zu sein, eine herausragende und bewundernswerte Tat zweier Karthager zu erwähnen: Daran gemahnte uns der Ort. (2) Als die Karthager über fast ganz Africa herrschten, waren auch die Kyrener bedeutend und mächtig. (3) Das Land zwischen den beiden Staatsgebieten war sandig und hatte ein einförmiges Aussehen; es gab weder einen Fluss noch einen Berg als Grenze. Deswegen herrschte zwischen den beiden Völkern seit langer Zeit ein heftiger Krieg. (4) Nachdem auf beiden Seiten viele Legionen und viele Flotten in die Flucht geschlagen worden waren und sie ihre Streitkräfte gegenseitig stark aufgerieben hatten, befürchteten beide Parteien, dass bald ein Dritter die Besiegten und die erschöpften Sieger angreifen könnte, und vereinbarten daher während eines Waffenstillstands, an einem bestimmten Tag Bevollmächtigte zu entsenden. Am Treffpunkt dieser beiden Gesandtschaften solle dann die gemeinsame Grenze der beiden Völker verlaufen. (5) In Karthago wurden zwei Brüder, die Philaeni, losgeschickt; sie beeilten sich, den Weg schnell zurückzulegen. Die Kyrener gingen aber langsamer. Ob dies aus Trägheit oder aus Zufall geschah, kann ich nicht genau sagen. (6) Im Übrigen hält ein Sturm in diesen Gegenden gewöhnlich ebenso stark auf wie auf dem Meer. Denn wenn erst einmal auf diesem ebenen und unbewachsenen Gelände ein Wind entstanden ist und den Sand vom Boden aufgewirbelt hat, so wird dieser mit großer Wucht in Gesicht und Augen getrieben, behindert die Sicht und bewirkt, dass man nur noch langsam vorwärts gehen kann. (7) Als die Kyrener bemerkten, dass sie ins Hintertreffen geraten waren, und eine Bestrafung von ihren Mitbürgern befürchteten, weil sie die Sache verdorben hatten, warfen sie den Karthagern vor, zu früh aufgebrochen zu sein, und machten einen großen Wirbel, kurz: Ihnen war alles lieber, als besiegt abziehen zu müssen. (8) Als aber die Punier eine andere Bedingung, wenn sie nur recht und billig wäre, forderten, machten die Griechen den Karthagern den Vorschlag, dass entweder sie sich dort lebendig begraben ließen, wo sie die Grenze für ihr Volk festlegen wollten, oder dass sie selbst unter derselben Bedingung so weit vorrücken dürften, wie sie wollten. (9) Die Philaeni akzeptierten die Bedingung und opferten sich und ihr Leben für den Staat: Und so wurden sie lebendig begraben. (10) Die Karthager haben an dieser Stelle den Philaeni-Brüdern Altäre geweiht; in ihrer Heimatstadt wurden ihnen weitere Ehrungen zuteil. Nun kehre ich zu meinem Thema zurück.

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80 (1) Iugurtha postquam amissa Thala nihil satis firmum contra Metellum putat, per magnas solitudines cum paucis profectus pervenit ad Gaetulos, genus hominum ferum incultumque et eo tempore ignarum nominis Romani. (2) Eorum multitudinem in unum cogit ac paulatim consuefacit ordines habere, signa sequi, imperium observare, item alia militaria facere. (3) Praeterea regis Bocchi proxumos magnis muneribus et maioribus promissis ad studium sui perducit, quis adiutoribus regem aggressus impellit, uti advorsus Romanos bellum incipiat. (4) Id ea gratia facilius proniusque fuit, quod Bocchus initio huiusce belli legatos Romam miserat foedus et amicitiam petitum, (5) quam rem opportunissumam incepto bello pauci impediverant caeci avaritia, quis omnia honesta atque inhonesta vendere mos erat. (6) Et iam antea Iugurthae filia Bocchi nupserat. Verum ea necessitudo apud Numidas Maurosque levis ducitur, quia singuli pro opibus quisque quam plurumas uxores, denas alii, alii pluris habent, sed reges eo amplius. (7) Ita animus multitudine distrahitur: nulla pro socia obtinet, pariter omnes viles sunt. 81 (1) Igitur in locum ambobus placitum exercitus conveniunt. Ibi fide data et accepta Iugurtha Bocchi animum oratione accendit: Romanos iniustos, profunda avaritia, communis omnium hostis esse; eandem illos causam belli cum Boccho habere quam secum et cum aliis gentibus, lubidinem imperitandi, quis omnia regna advorsa sint; tum sese, paulo ante Carthaginiensis, item regem Persen, post, uti quisque opulentissumus videatur, ita Romanis hostem fore. (2) His atque aliis talibus dictis ad Cirtam oppidum iter constituunt, quod ibi Q. Metellus praedam captivosque et impedimenta locaverat. (3) Ita Iugurtha ratus aut capta urbe operae pretium fore aut, si dux Romanus auxilio suis venisset, proelio sese certaturos. (4) Nam callidus id modo festinabat, Bocchi pacem inminuere, ne moras agitando aliud quam bellum mallet.

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80 (1) Da Jugurtha nach dem Verlust von Thala glaubte, dass es gegen Metellus keinerlei Mittel gebe, zog er mit einigen wenigen Leuten durch weite Wüstengebiete und kam zu den Gätulern, einem wilden und unkultivierten Menschenschlag. Diesem Stamm war damals der Name des römischen Volkes unbekannt. (2) Dort zieht Jugurtha einen Haufen von Männern zusammen und gewöhnt sie allmählich daran, in Reih und Glied zu marschieren, den Feldzeichen zu folgen, Kommandos zu gehorchen und sich überhaupt der militärischen Disziplin zu fügen. (3) Außerdem zieht er die engsten Vertrauten des Königs Bocchus durch großzügige Geschenke und noch größere Versprechen auf seine Seite, wendet sich mit ihrer Unterstützung an den König und bringt ihn dazu, gegen die Römer in den Krieg zu ziehen. (4) Dies gelang ihm umso leichter und rascher, als Bocchus zu Beginn dieses Krieges Gesandte nach Rom geschickt hatte, die um ein Bündnis und Freundschaft nachsuchen sollten; (5) diese Bitte kam zwar wegen des Kriegsausbruchs sehr gelegen, aber einige wenige hatten die Erfüllung dieser Bitte verhindert, da sie blind waren vor Habgier und gewohnt, alles zu Geld zu machen – einerlei, ob ehrenvoll oder nicht. (6) Zudem hatte die Tochter des Bocchus schon vorher Jugurtha geheiratet. Allerdings wird diese Verbindung bei den Numidern und Mauren für nicht so bedeutend gehalten, weil jeder Mann seinen Mitteln entsprechend versucht, möglichst viele Frauen zu haben, die einen zehn, die anderen noch mehr, die Könige aber eine noch weit größere Zahl. (7) Dadurch wird die Aufmerksamkeit geteilt, und keine einzige hat den Status einer Gefährtin, alle sind gleichermaßen wertlos. 81 (1) Die Heere trafen sich an einem Ort, der beiden Seiten genehm war. Dort versicherte man sich gegenseitig der Treue, und Jugurtha hetzte Bocchus durch eine Rede auf: Die Römer seien ungerecht, von unersättlicher Habgier, die gemeinsamen Feinde aller Menschen; ein und derselbe Grund treibe sie zum Krieg gegen Bocchus wie gegen ihn oder andere Völker: die Herrschsucht; ihnen seien nämlich alle Königreiche verhasst. Jetzt sei er [Jugurtha] der Feind der Römer, kurz zuvor die Karthager, ebenso König Perseus, danach werde es jeder sein, der ihnen besonders wohlhabend erscheine. (2) Nach solchen und ähnlichen Reden beschließen sie, zur Stadt Cirta aufzubrechen, weil Quintus Metellus dorthin seine Beute, die Gefangenen und den Tross verlegt hatte. (3) Jugurtha spekulierte darauf, dass es sich entweder lohnen würde, die Stadt zu erobern, oder dass es, falls der römische Feldherr seinen Leuten zu Hilfe eilte, zur Schlacht käme. (4) Denn in seiner Verschlagenheit betrieb er nur das eine, Bocchus zum Bruch des Friedens zu veranlassen, damit dieser nicht aufgrund von Verzögerungen eine andere Option dem Krieg vorziehen könne.

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82 (1) Imperator postquam de regum societate cognovit, non temere neque, uti saepe iam victo Iugurtha consueverat, omnibus locis pugnandi copiam facit; ceterum haud procul ab Cirta castris munitis reges opperitur, melius esse ratus cognitis Mauris, quoniam is novos hostis accesserat, ex commodo pugnam facere. (2) Interim Roma per litteras certior fit provinciam Numidiam Mario datam; nam consulem factum ante acceperat. Quibus rebus supra bonum aut honestum perculsus neque lacrumas tenere neque moderari linguam, vir egregius in aliis artibus nimis molliter aegritudinem pati. (3) Quam rem alii in superbiam vortebant, alii bonum ingenium contumelia accensum esse, multi quod iam parta victoria ex manibus eriperetur: nobis satis cognitum est illum magis honore Mari quam iniuria sua excruciatum neque tam anxie laturum fuisse, si adempta provincia alii quam Mario traderetur. 83 (1) Igitur eo dolore impeditus et quia stultitiae videbatur alienam rem periculo suo curare, legatos ad Bocchum mittit postulatum, ne sine causa hostis populo Romano fieret: habere tum magnam copiam societatis amicitiaeque coniungendae, quae potior bello esset, et quamquam opibus suis confideret, tamen non debere incerta pro certis mutare; omne bellum sumi facile, ceterum aegerrume desinere; non in eiusdem potestate initium eius et finem esse; incipere quoivis etiam ignavo licere, deponi cum victores velint. Proinde sibi regnoque suo consuleret neu florentis res suas cum Iugurthae perditis misceret. (2) Ad ea rex satis placide verba facit: sese pacem cupere, sed Iugurthae fortunarum misereri; si eadem illi copia fieret, omnia conventura. (3) Rursus imperator contra postulata Bocchi nuntios mittit; ille probare partim, alia abnuere. Eo modo saepe ab utroque missis remissisque nuntiis tempus procedere, et ex Metelli voluntate bellum intactum trahi.

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82 (1) Als der Feldherr von dem Bündnis der beiden Könige erfuhr, bietet er weder voreilig noch an allen möglichen Orten (wie er es zuvor schon oft nach einem Sieg über Jugurtha gemacht hatte) eine Gelegenheit zum Kämpfen, sondern er erwartete in einem befestigten Lager nicht weit von Cirta entfernt die Könige. Er glaubte nämlich, es sei besser, die Mauren kennen zu lernen (sie waren ja als neue Feinde hinzugekommen) und aus einer vorteilhaften Position heraus den Kampf zu beginnen. (2) Inzwischen wird er aus Rom schriftlich davon in Kenntnis gesetzt, dass Marius Numidien als Amtsbereich zugewiesen worden sei; dass Marius zum Konsul gewählt worden war, hatte er schon kurz zuvor erfahren. Diese Entwicklung traf ihn härter, als es Anstand und Ehre entsprach; er konnte weder seine Tränen zurückhalten noch seine Zunge im Zaum halten; ein Mann, der in so manch anderer Hinsicht herausragend war, ertrug seinen Kummer viel zu wehleidig. (3) Die einen legten ihm dies als Hochmut aus, andere sagten, sein anständiger Charakter sei über die Beleidigung aufgebracht gewesen, viele waren der Meinung, er habe sich echauffiert, weil ihm der bereits errungene Sieg aus den Händen gerissen worden sei. Wir sind ziemlich sicher, dass ihn eher die Ehrung des Marius quälte als das Unrecht, das ihm zugefügt wurde, und dass er es nicht so bitter aufgenommen hätte, wenn man ihm die Provinz weggenommen, aber einem anderen als Marius übergeben hätte. 83 (1) Da ihn dieser Schmerz noch beschäftigte und es eine Torheit zu sein schien, sich selbst zu gefährden, um eine fremde Angelegenheit zu erledigen, schickt er Gesandte zu Bocchus, die von ihm verlangen sollten, nicht grundlos ein Feind des römischen Volkes zu werden: Er habe jetzt die günstige Gelegenheit, ein Bündnis und Freundschaft zu schließen, was ja besser als Krieg sei; und wenn er auch auf seine Macht vertraue, dürfe er dennoch nicht unsichere Verhältnisse gegen Sicherheit eintauschen; jeder Krieg werde leicht begonnen, aber nur unter großen Mühen beendet; Anfang und Ende eines Krieges lägen nicht notwendigerweise in der Macht ein und desselben Mannes; beginnen könne ihn jeder, sogar ein Feigling; beendet werden könne er aber nur dann, wenn es die Sieger wollten. Daher solle er an sich und sein Reich denken und nicht seine glückliche Situation mit der verlorenen Sache des Jugurtha verbinden. (2) Darauf erwidert der König recht freundlich: Er wolle Frieden, aber er habe Mitleid mit dem Schicksal des Jugurtha; wenn dieser dieselbe Option erhalte, werde man in allen Punkten eine Einigung finden. (3) Auf die Forderungen des Bocchus hin schickt der Feldherr wiederum Gesandte; dieser stimmte zum Teil zu, bestimmte Punkte lehnte er aber ab. So wurden oft von beiden Seiten Boten hin und her geschickt, und dabei verging die Zeit, und der Absicht des Metellus entsprechend wurde der Krieg in die Länge gezogen, ohne dass etwas unternommen worden wäre.

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84 (1) At Marius, ut supra diximus, cupientissuma plebe consul factus, postquam ei provinciam Numidiam populus iussit, antea iam infestus nobilitati, tum vero multus atque ferox instare, singulos modo, modo universos laedere, dictitare sese consulatum ex victis illis spolia cepisse, alia praeterea magnifica pro se et illis dolentia; (2) interim quae bello opus erant prima habere, postulare legionibus supplementum, auxilia a populis et regibus arcessere, praeterea ex Latio sociisque fortissumum quemque, plerosque militiae, paucos fama cognitos, accire et ambiundo cogere homines emeritis stipendiis secum proficisci. (3) Neque illi senatus, quamquam advorsus erat, de ullo negotio abnuere audebat; ceterum supplementum etiam laetus decreverat, quia neque plebi militia volenti putabatur et Marius aut belli usum aut studia volgi amissurus. Sed ea res frustra sperata: tanta lubido cum Mario eundi plerosque invaserat. (4) Sese quisque praeda locupletem fore, victorem domum rediturum, alia huiusce modi animis trahebant, et eos non paulum oratione sua Marius arrexerat. (5) Nam postquam omnibus quae postulaverat decretis milites scribere volt, hortandi causa simul et nobilitatem, uti consueverat, exagitandi contionem populi advocavit. Deinde hoc modo disseruit: 85 (1) ‘Scio ego, Quirites, plerosque non isdem artibus imperium a vobis petere et, postquam adepti sunt, gerere: primo industrios, supplicis, modicos esse, dein per ignaviam et superbiam aetatem agere. Sed mihi contra ea videtur; (2) nam quo pluris est univorsa res publica quam consulatus aut praetura, eo maiore cura illam administrari quam haec peti debere. (3) Neque me fallit, quantum cum maxumo vostro beneficio negoti sustineam. Bellum parare simul et aerario parcere, cogere ad militiam eos, quos nolis offendere, domi forisque omnia curare

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84 (1) Marius wurde aber, wie bereits gesagt, auf den dringlichsten Wunsch der Plebs hin Konsul. Nachdem ihm das Volk Numidien als Amtsbereich zugewiesen hatte, begann er, der schon zuvor ein Gegner der Nobilität gewesen war, nun erst recht damit, diese häufig und heftig zu attackieren, bald einzelne, bald alle Adeligen insgesamt zu beleidigen; er behauptete immer wieder, dass er das Konsulat als Beute des Sieges über die Adeligen erhalten habe. Außerdem führte er andere Bemerkungen im Munde, die ihn feiern, sie aber kränken sollten. (2) Dabei genossen die für den Krieg notwendigen Vorbereitungen bei ihm absolute Priorität, er forderte Ersatztruppen für die Legionen, befahl verbündeten Völkern und Königen die Stellung von Hilfstruppen, berief außerdem aus Latium und von den Verbündeten nur die Tapfersten ein, sehr viele, die durch ihre Kriegstaten, einige wenige, die aufgrund ihres Rufes bekannt waren. In persönlichen Gesprächen brachte er ausgediente Soldaten dazu, zusammen mit ihm in den Krieg zu ziehen. (3) Und der Senat wagte es nicht, ihm irgendetwas abzuschlagen, obwohl er ihm feindselig gegenüberstand. Ja, die Ergänzung der Truppen bewilligte er sogar freudig, weil man glaubte, die Plebs werde nicht gerne in den Krieg ziehen und Marius daher entweder seine militärische Schlagkraft oder die Sympathie der Massen verlieren. Aber hierin hatte man sich getäuscht: Ein solches Verlangen, mit Marius in den Krieg zu ziehen, hatte die meisten Männer befallen. (4) Jeder stellte sich vor, wie er als Sieger beutebeladen in die Heimat zurückkehren werde, und andere derartige Gedanken trieben die Menschen um. Und nicht zum wenigsten hatte Marius sie mit seiner Rede angespornt. (5) Denn nachdem alle seine Forderungen bewilligt worden waren und er Soldaten ausheben wollte, berief er eine Volksversammlung ein, um einerseits die Menschen zu begeistern, andererseits aber, um seiner Gewohnheit entsprechend gegen die Nobilität zu hetzen. Dann sprach er wie folgt: 85 (1) „Bürger von Rom, ich weiß, dass sehr viele ganz andere Charakterzüge an den Tag legen, wenn sie sich bei euch um ein hohes Amt bewerben, als dann, wenn sie es ausüben, nachdem sie es also einmal bekommen haben; dass sie zunächst fleißig, demütig und bescheiden sind, dass sie dann aber träge und hochmütig dahinleben. Mir scheint aber das entgegengesetzte Verhalten richtig zu sein. (2) Denn wie der gesamte Staat wichtiger ist als ein Konsulat oder eine Prätur, so muss meiner Meinung nach die Verantwortung größer sein, mit der man regiert, als die Sorgfalt, die man auf die Kandidatur für diese Ämter aufwendet. (3) Mir ist aber die Größe der Aufgabe wohl bewusst, die ich zusammen mit dem Amt, das ich eurem einzigartigen Wohlwollen verdanke, übernehme. Gleichzeitig einen Krieg vorzubereiten und die Staatskasse zu schonen, diejenigen zum Kriegsdienst zu bewegen, die man nicht vor den Kopf stoßen will, sich in Italien und außerhalb um alles zu kümmern und das

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et ea agere inter invidos, occursantis, factiosos opinione, Quirites, asperius est. (4) Ad hoc, alii si deliquere, vetus nobilitas, maiorum fortia facta, cognatorum et affinium opes, multae clientelae, omnia haec praesidio adsunt: mihi spes omnes in memet sitae, quas necesse est virtute et innocentia tutari; nam alia infirma sunt. (5) Et illud intellego, Quirites, omnium ora in me conversa esse, aequos bonosque favere – quippe mea bene facta rei publicae procedunt – nobilitatem locum invadundi quaerere. (6) Quo mihi acrius adnitundum est, uti neque vos capiamini et illi frustra sint. (7) Ita ad hoc aetatis a pueritia fui, uti omnis labores et pericula consueta habeam: (8) quae ante vostra beneficia gratuito faciebam, ea uti accepta mercede deseram, non est consilium, Quirites. (9) Illis difficile est in potestatibus temperare, qui per ambitionem sese probos simulavere: mihi, qui omnem aetatem in optumis artibus egi, bene facere iam ex consuetudine in naturam vortit. (10) Bellum me gerere cum Iugurtha iussistis, quam rem nobilitas aegerrume tulit. Quaeso, reputate cum animis vostris, num id mutare melius sit. Si quem ex illo globo nobilitatis ad hoc aut aliud tale negotium mittatis, hominem veteris prosapiae ac multarum imaginum et nullius stipendi, scilicet ut in tanta re ignarus omnium trepidet, festinet, sumat aliquem ex populo monitorem offici sui. (11) Ita plerumque evenit, ut, quem vos imperare iussistis, is sibi imperatorem alium quaerat. (12) Atque ego scio, Quirites, qui, postquam consules facti sunt, et acta maiorum et Graecorum militaria praecepta legere coeperint: praeposteri homines, nam gerere quam fieri tempore posterius, re atque usu prius est. (13) Comparate nunc, Quirites, cum illorum superbia me hominem novom: quae illi audire aut legere solent, eorum partem vidi, alia egomet gessi; quae illi litteris, ea ego militando didici. (14) Nunc vos existumate facta an dicta pluris sint. Contemnunt novitatem meam, ego illorum ignaviam: mihi fortuna,

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alles durchzuführen unter Neidern, Gegnern, Parteipolitikern – das ist schwieriger, als man glaubt, ihr Bürger von Rom. (4) Zudem: Wenn andere sich vergangen haben, so schützen sie ihr alter Adel, die Heldentaten ihrer Vorfahren, die Mittel der Verwandten und Verschwägerten und viele Klienten, eben dies alles. Ich kann mich nur auf mich allein verlassen, muss mich notwendigerweise mit meiner Tatkraft und meiner Rechtschaffenheit beschirmen; denn alles andere bietet mir keinen Schutz. (5) Und ich sehe, Bürger von Rom, dass aller Augen auf mich gerichtet sind, dass die gerechten und anständigen Bürger zwar auf meiner Seite stehen (meine Leistungen nützen ja dem Staat), dass aber die Nobilität nur auf eine Gelegenheit zu einem Angriff wartet. (6) Umso energischer muss ich mich darum bemühen, dass ihr nicht in eine Falle geratet und dass ihre Anstrengungen vergeblich sind. (7) Von meiner Kindheit bis zum heutigen Tag habe ich immer so gelebt, dass mir alle Strapazen und Gefahren vertraut waren: (8) Ich habe nicht vor, jetzt, nachdem ich meinen Lohn erhalten habe, die Mühen aufzugeben, die ich, bevor mir eure Anerkennung zuteil wurde, ohne Bezahlung auf mich genommen habe, ihr Bürger von Rom. (9) Denjenigen fällt es schwer, sich bei der Amtsführung zurückzuhalten, die zuvor aus Ehrgeiz so getan haben, als wären sie anständig: Mir hingegen (der ich mein ganzes Leben mit anständigen Tätigkeiten zugebracht habe) ist das rechte Handeln durch Gewöhnung zur zweiten Natur geworden. (10) Ihr habt mir befohlen, den Krieg gegen Jugurtha zu führen, worüber die Nobilität ganz besonders ungehalten ist. Überlegt bitte, ob es besser wäre, das zu ändern. Wenn ihr jemanden aus diesem Nobilitätshaufen zu diesem oder einem ähnlichen Unternehmen entsenden solltet, einen Mann aus altem Geschlecht und mit vielen Ahnenbildern, aber ohne militärische Erfahrung, so würde er selbstverständlich in seiner vollkommenen Ahnungslosigkeit angesichts einer so großen Aufgabe hektisch handeln und sich jemanden aus dem Volk nehmen, der ihn bei seiner Arbeit beriete. (11) So geschieht es meistens, dass derjenige, den ihr zum Befehlshaber gemacht habt, sich selbst einen anderen als Befehlshaber sucht. (12) Und ich kenne Leute, ihr Bürger von Rom, die nach ihrer Wahl zum Konsul damit begonnen haben, Bücher über die Taten der Vorfahren und griechische Lehrwerke über das Militärwesen zu lesen – eine verkehrte Welt: Denn die Ausübung eines Amtes kommt zwar zeitlich nach der Wahl, der Sache und der Erfahrung nach aber früher. (13) Vergleicht nun, ihr Bürger von Rom, mich, einen homo novus, novus, mit dem Hochmut dieser Leute: Was sie zu lesen oder zu hören pflegen, habe ich zum Teil erlebt, zum Teil sogar selbst geleistet; was sie aus Büchern, habe ich durch Kriegsdienst gelernt. (14) Beurteilt nun, ob die Taten oder die Worte mehr wert sind. Sie verachten mich, weil ich ein homo novus bin, ich hingegen ihre Nichtsnutzigkeit. Mir wird mein Stand, ihnen aber ihre Laster zum Vor-

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illis probra obiectantur. (15) Quamquam ego naturam unam et communem omnium existumo, sed fortissumum quemque generosissumum; (16) ac si iam ex patribus Albini aut Bestiae quaeri posset, mene an illos ex se gigni maluerint, quid responsuros creditis nisi sese liberos quam optumos voluisse? (17) Quod si iure me despiciunt, faciant item maioribus suis, quibus, uti mihi, ex virtute nobilitas coepit. (18) Invident honori meo: ergo invideant labori, innocentiae, periculis etiam meis, quoniam per haec illum cepi. (19) Verum homines corrupti superbia ita aetatem agunt, quasi vostros honores contemnant; ita hos petunt, quasi honeste vixerint. (20) Ne illi falsi sunt, qui divorsissumas res pariter exspectant, ignaviae voluptatem et praemia virtutis. (21) Atque etiam, cum apud vos aut in senatu verba faciunt, pleraque oratione maiores suos extollunt: eorum fortia facta memorando clariores sese putant. (22) Quod contra est; nam quanto vita illorum praeclarior, tanto horum socordia flagitiosior. (23) Et profecto ita se res habet: maiorum gloria posteris quasi lumen est, neque bona neque mala eorum in occulto patitur. (24) Huiusce rei ego inopiam fateor, Quirites, verum, id quod multo praeclarius est, meamet facta mihi dicere licet. (25) Nunc videte, quam iniqui sint: quod ex aliena virtute sibi arrogant, id mihi ex mea non concedunt, scilicet quia imagines non habeo et quia mihi nova nobilitas est, quam certe peperisse melius est quam acceptam corrupisse. (26) Equidem ego non ignoro, si iam mihi respondere velint, abunde illis facundam et compositam orationem fore. Sed in maxumo vostro beneficio cum omnibus locis meque vosque maledictis lacerent, non placuit reticere, ne quis modestiam in conscientiam duceret. (27) Nam me quidem ex animi mei sententia nulla oratio laedere potest, quippe vera necesse est bene praedicent, falsa vita moresque mei superant. (28) Sed quoniam vostra consilia accusantur, qui mihi summum honorem et maxumum negotium imposuistis, etiam atque etiam reputate, num eorum paenitendum sit.

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wurf gemacht. (15) Ich glaube aber, dass alle Menschen von Natur aus gleich sind, dass aber gerade der Tapferste auch der Edelste ist. (16) Und wenn man jetzt die Väter von Albinus und Bestia fragen könnte, ob sie lieber mich oder jene zum Sohn hätten, was würden sie eurer Meinung nach antworten: doch wohl, dass sie möglichst tüchtige Kinder haben wollten! (17) Wenn sie mich nun zu Recht verachten, sollen sie dasselbe mit ihren Vorfahren machen, die, wie ich auch, durch eigene Leistungen zur Nobilität gekommen sind. (18) Sie schauen neidisch auf mein Ehrenamt: Also sollen sie mich auch um meine Leistungsfähigkeit, um meine Rechtschaffenheit und um die Gefahren, die mir drohten, beneiden, da ich dieses ja überhaupt erst durch jene gewonnen habe. (19) Aber diese durch Hochmut korrumpierten Menschen leben ihr Leben so, als ob sie die von euch erhaltenen Ehren verachteten. Sie bewerben sich so um diese Ämter, als ob sie anständig gelebt hätten. (20) Wahrhaftig: Sie irren sich, da sie zwei völlig verschiedene Dinge zu derselben Zeit wollen: die Genüsse eines trägen Lebens und Belohnungen für Tatkraft. (21) Und sogar wenn sie vor euch oder im Senat eine Rede halten, heben sie in einem Großteil der Rede ihre Vorfahren hervor. Sie glauben, sie selbst seien bedeutender, wenn sie deren Heldentaten erwähnen. (22) Aber das Gegenteil ist der Fall. Denn umso glänzender das Leben ihrer Vorfahren war, desto schändlicher ist ihre eigene Trägheit. (23) Und in der Tat verhält sich die Sache so: Der Ruhm der Vorfahren taucht das Leben der Nachkommen gleichsam in ein helles Licht und lässt weder deren Verdienste noch deren Fehler im Dunkeln. (24) Ich gebe zu, ihr Bürger von Rom, dass ich hier an einem Mangel leide, aber ich kann etwas weitaus Ruhmreicheres tun als sie, nämlich über meine eigenen Taten sprechen. (25) Nun seht, wie ungerecht sie sind: Was sie selbst für sich aufgrund fremder Tatkraft in Anspruch nehmen, das wollen sie mir als Belohnung für meine eigene Tatkraft nicht zugestehen, weil ich natürlich keine Ahnenbilder habe und weil mein Adel noch jung ist, obwohl es sicherlich besser ist, ihn erworben als einen ererbten zugrundegerichtet zu haben. (26) Ich weiß sehr wohl, dass sie, wenn sie mir jetzt antworten wollten, eine durch und durch elegante und wohlgeformte Rede halten würden. Aber da sie mich und euch trotz eurer großen Anerkennung für meine Leistungen bei jeder Gelegenheit mit Beschimpfungen zerfleischen, wollte ich nicht schweigen, damit niemand meine Zurückhaltung für ein schlechtes Gewissen halten könne. (27) Denn meiner Ansicht nach kann mir keine Behauptung etwas anhaben, da sie notwendigerweise meine wirklich vorhandenen Eigenschaften loben müssen, die erfundenen von meiner Lebensführung und meinem Charakter widerlegt werden. (28) Aber da ja eure Beschlüsse kritisiert werden, die ihr mir das höchste Ehrenamt und die bedeutendste Aufgabe auferlegt habt, so denkt immer wieder darüber nach, ob ihr diese Entscheidung bereuen müsst.

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(29) Non possum fidei causa imagines neque triumphos aut consulatus maiorum meorum ostentare, at, si res postulet, hastas, vexillum, phaleras, alia militaria dona, praeterea cicatrices advorso corpore. (30) Hae sunt meae imagines, haec nobilitas, non hereditate relicta, ut illa illis, sed quae egomet plurumis laboribus et periculis quaesivi. (31) Non sunt composita verba mea: parvi id facio. Ipsa se virtus satis ostendit: illis artificio opus est, ut turpia facta oratione tegant. (32) Neque litteras Graecas didici: parum placebat eas discere, quippe quae ad virtutem doctoribus nihil profuerant. (33) At illa multo optuma rei publicae doctus sum: hostem ferire, praesidia agitare, nihil metuere nisi turpem famam, hiemem et aestatem iuxta pati, humi requiescere, eodem tempore inopiam et laborem tolerare. (34) His ego praeceptis milites hortabor, neque illos arte colam, me opulenter, neque gloriam meam, laborem illorum faciam. (35) Hoc est utile, hoc civile imperium. Namque cum tute per mollitiem agas, exercitum supplicio cogere, id est dominum, non imperatorem esse. (36) Haec atque alia talia maiores vostri faciundo seque remque publicam celebravere. (37) Quis nobilitas freta, ipsa dissimilis moribus, nos illorum aemulos contemnit et omnis honores non ex merito, sed quasi debitos a vobis repetit. (38) Ceterum homines superbissumi procul errant. Maiores eorum omnia, quae licebat, illis reliquere, divitias, imagines, memoriam sui praeclaram; virtutem non reliquere, neque poterant: ea sola neque datur dono neque accipitur. (39) Sordidum me et incultis moribus aiunt, quia parum scite convivium exorno neque histrionem ullum neque pluris preti coquom quam vilicum habeo. (40) Quae mihi lubet confiteri, Quirites; nam ex parente meo et ex aliis sanctis viris ita accepi, munditias mulieribus, viris laborem convenire, omnibusque bonis oportere plus gloriae quam divitiarum esse; arma, non supellectilem decori esse. (41) Quin ergo quod iuvat, quod carum aestumant, id semper faciant: ament, potent; ubi adulescentiam habuere, ibi senectutem agant,

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(29) Um meine Sache zu stärken, kann ich weder Ahnenbilder noch Triumphe oder Konsulate meiner Vorfahren vorweisen, aber, wenn es erforderlich sein sollte, Ehrenlanzen, eine Standarte, Orden, andere militärische Auszeichnungen, außerdem Narben auf der Vorderseite des Körpers. (30) Das sind meine Ahnenbilder, das ist mein Adel; das habe ich nicht ererbt (wie sie das Ihre), sondern mir selbst durch zahlreiche Strapazen und Gefahren erworben. (31) Meine Rede ist nicht wohlgesetzt: Das halte ich auch nicht für wichtig. Wahre Leistung spricht für sich selbst. Sie hingegen benötigen rhetorische Tricks, um ihre Schandtaten durch ihre Rede zu verdecken. (32) Ich habe auch keine griechische Bildung erworben: Ich hatte zu wenig Lust dazu, da sie ja den Schulmeistern nicht zur Tatkraft verholfen hat. (33) Aber ich bin in den Fächern unterrichtet worden, die für den Staat bei weitem die bedeutendsten sind: den Feind zu erschlagen, auf Wache zu stehen, nichts zu fürchten außer einem schlechten Ruf, Winter und Sommer in gleicher Weise zu ertragen, auf dem Boden zu schlafen, zu ein und derselben Zeit Mangel und Strapazen durchzustehen. (34) Mit diesen Prinzipien werde ich meine Soldaten anfeuern; ich werde sie nicht kurz halten, es mir aber gut gehen lassen, noch werde ich den Ruhm für mich behalten, ihnen aber die Strapazen überlassen. (35) Das ist eine nützliche, das ist eine demokratische Art, ein Heer zu führen. Denn die Soldaten mit Strafen zu disziplinieren, selbst aber ein weichliches Leben zu führen – das bedeutet, ein Tyrann, nicht aber ein Feldherr zu sein. (36) Indem eure Vorfahren solche und andere Dinge taten, haben sie sich und den Staat groß gemacht. (37) Auf solche Männer verlässt sich die Nobilität, obwohl sie selbst ganz anders geartet ist, und verachtet uns, die wir jenen nacheifern, und fordert von euch alle Ehrenämter – aber nicht aufgrund von Verdiensten, sondern als ob ihr sie ihnen schulden würdet. (38) Aber diese hochmütigen, anmaßenden Menschen liegen völlig falsch. Ihre Vorfahren haben ihnen alles, was sie hinterlassen konnten, auch hinterlassen: Reichtum, Ahnenbilder, das Andenken an ihre hervorragenden Taten. Tatkraft aber haben sie ihnen nicht vererbt, das konnten sie ja auch nicht: Sie alleine wird weder verschenkt noch kann man sie von anderen erhalten. (39) Sie sagen, ich sei ordinär und unkultiviert, weil ich ein Gastmahl nicht mit Kennerschaft zu geben weiß, weil ich irgendeinen Schauspieler oder einen Koch nicht für wertvoller als einen Gutsverwalter halte. (40) Das gebe ich gerne zu, Bürger von Rom. Denn von meinem Vater und von anderen rechtschaffenen Leuten habe ich gehört, dass Eleganz nur den Frauen gut zu Gesichte stehe, Strapazen aber den Männern, dass alle anständigen Männer mehr Ruhm als Geld besitzen müssten; dass Waffen, nicht der Hausrat eine Zierde seien. (41) Ja, sollen sie nur immer ihren Freuden und dem, was sie für wichtig halten, nachgehen; sollen sie lieben, trinken, sollen sie ihr Alter dort ver-

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in conviviis, dediti ventri et turpissumae parti corporis; sudorem, pulverem et alia talia relinquant nobis, quibus illa epulis iucundiora sunt. Verum non ita est. (42) Nam ubi se omnibus flagitiis dedecoravere turpissumi viri, bonorum praemia ereptum eunt. (43) Ita iniustissume luxuria et ignavia, pessimae artes, illis, qui coluere eas, nihil officiunt, rei publicae innoxiae cladi sunt. (44) Nunc, quoniam illis, quantum mei mores, non illorum flagitia poscebant, respondi, pauca de re publica loquar. (45) Primum omnium de Numidia bonum habete animum, Quirites. Nam quae ad hoc tempus Iugurtham tutata sunt, omnia removistis, avaritiam, imperitiam atque superbiam. (46) Deinde exercitus ibi est locorum sciens, sed mehercule magis strenuos quam felix; nam magna pars eius avaritia aut temeritate ducum attrita est. (47) Quam ob rem vos, quibus militaris aetas est, adnitimini mecum et capessite rem publicam, neque quemquam ex calamitate aliorum aut imperatorum superbia metus ceperit. Egomet in agmine aut in proelio consultor idem et socius periculi vobiscum adero, meque vosque in omnibus rebus iuxta geram. (48) Et profecto dis iuvantibus omnia matura sunt: victoria, praeda, laus. Quae si dubia aut procul essent, tamen omnis bonos rei publicae subvenire decebat; (49) etenim nemo ignavia inmortalis factus est, neque quisquam parens liberis, uti aeterni forent, optavit, magis uti boni honestique vitam exigerent. (50) Plura dicerem, Quirites, si timidis virtutem verba adderent; nam strenuis abunde dictum puto.’ 86 (1) Huiusce modi oratione habita Marius, postquam plebis animos arrectos videt, propere commeatu, stipendio, armis aliisque utilibus navis onerat; cum his A. Manlium legatum proficisci iubet. (2) Ipse interea milites scribere, non more maiorum neque ex classibus, sed uti quoiusque lubido erat, capite censos plerosque. (3) Id factum alii inopia bonorum, alii per ambitionem consulis memorabant, quod ab eo genere celebratus auctusque erat et homini potentiam

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bringen, wo sie auch ihre Jugend verlebt haben: Bei Gelagen, dem Bauch und dem schändlichsten Teil des Körpers ergeben; Schweiß, Staub und anderes dieser Art sollen sie uns überlassen, denen diese Dinge köstlicher sind als ein Festmahl. Aber das tun sie nicht. (42) Denn sobald sich diese verkommenen Leute durch alle möglichen Schandtaten entehrt haben, gehen sie darauf aus, den Anständigen ihren Lohn zu entreißen. (43) So kommt es zu der himmelschreienden Ungerechtigkeit, dass Ausschweifung und Trägheit, die verderblichsten Laster, nicht denen schaden, die ihnen verfallen sind, sondern den unschuldigen Staat in den Ruin stürzen. (44) Da ich nun diesen Leuten so geantwortet habe, wie es mein Charakter und nicht etwa ihre Schandtaten erforderten, werde ich kurz über den Staat sprechen. (45) Zunächst einmal könnt ihr in Hinblick auf Numidien guter Dinge sein, Bürger von Rom. Denn ihr habt alles, was Jugurtha bisher geschützt hat, beseitigt: Habgier, Unerfahrenheit und Hochmut. (46) Zum zweiten ist das dort stationierte Heer ortskundig, aber fürwahr eher tüchtig als erfolgreich. Denn ein großer Teil des Heeres ist durch die Habgier oder den Leichtsinn der Feldherren aufgerieben worden. (47) Ihr also, die ihr im wehrfähigen Alter seid, bemüht euch zusammen mit mir und setzt euch für den Staat ein, keiner muss angesichts der Niederlagen anderer oder des Hochmuts der Feldherren in Panik verfallen. Ich werde euch auf dem Marsch und in der Schlacht als Ratgeber zur Seite stehen und alle Gefahren mit euch teilen, für euch wie für mich werden immer dieselben Regeln gelten. (48) Und in der Tat: Wenn uns die Götter beistehen, dann ist die Zeit für alles reif: für Sieg, Beute und Ruhm. Aber selbst wenn diese Dinge ungewiss oder fern wären, hätten dennoch alle Anständigen die Pflicht, dem Staat zu Hilfe zu kommen: (49) Denn niemand ist durch Trägheit unsterblich geworden, und kein Vater hat sich für seine Kinder Unsterblichkeit gewünscht, sondern dass sie ein rechtschaffenes und ehrenvolles Leben führen. (50) Ich würde mehr sagen, Bürger von Rom, wenn Worte ängstlichen Menschen Mut verleihen könnten. Für die Tüchtigen habe ich wohl genug gesagt.“ 86 (1) Nachdem Marius eine derartige Rede gehalten hatte und sah, dass er der Plebs Begeisterung eingeflößt hatte, rüstet er schnell die Schiffe mit Nachschub, Sold, Waffen und allem anderen kriegsnotwendigen Material aus und unterstellt die Flotte für die Überfahrt dem Legaten Aulus Manlius. (2) Er selbst hebt in der Zwischenzeit Soldaten aus, nicht nach Art der Vorfahren und geordnet nach Klassen, sondern nach Lust und Laune jedes Einzelnen, zumeist handelte es sich um Mittellose. (3) Einige sagten, dies sei geschehen, weil es nur wenige wohlhabende Bürger gegeben habe, andere interpretierten es als Anbiederungsversuch des Konsuls, weil er von dieser Schicht gefeiert und gefördert worden war und weil einem machthungrigen Menschen gerade

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quaerenti egentissumus quisque opportunissumus, quoi neque sua cara, quippe quae nulla sunt, et omnia cum pretio honesta videntur. (4) Igitur Marius cum aliquanto maiore numero quam decretum erat in Africam profectus, paucis diebus Uticam advehitur. (5) Exercitus ei traditur a P. Rutilio legato; nam Metellus conspectum Mari fugerat, ne videret ea, quae audita animus tolerare nequiverat. 87 (1) Sed consul expletis legionibus cohortibusque auxiliariis in agrum fertilem et praeda onustum proficiscitur, omnia ibi capta militibus donat; dein castella et oppida natura et viris parum munita aggreditur, proelia multa, ceterum levia, alia aliis locis facere. (2) Interim novi milites sine metu pugnae adesse, videre fugientis capi aut occidi, fortissumum quemque tutissumum, armis libertatem, patriam parentisque et alia omnia tegi, gloriam atque divitias quaeri. (3) Sic brevi spatio novi veteresque coaluere, et virtus omnium aequalis facta. (4) At reges, ubi de adventu Mari cognoverunt, divorsi in locos difficilis abeunt. Ita Iugurthae placuerat, speranti mox effusos hostis invadi posse, Romanos sicuti plerosque remoto metu laxius licentiusque futuros. 88 (1) Metellus interea Romam profectus contra spem suam laetissumis animis accipitur, plebi patribusque, postquam invidia decesserat, iuxta carus. (2) Sed Marius impigre prudenterque suorum et hostium res pariter attendere, cognoscere, quid boni utrisque aut contra esset, explorare itinera regum, consilia et insidias eorum antevenire, nihil apud se remissum neque apud illos tutum pati. (3) Itaque et Gaetulos et Iugurtham ex sociis nostris praedas agentis saepe aggressus in itinere fuderat ipsumque regem haud procul ab oppido Cirta armis exuerat. (4) Quae postquam gloriosa modo neque belli patrandi cognovit, statuit urbis quae viris aut loco pro hostibus et advorsum se opportunissumae erant singulas circumvenire: ita Iugurtham aut praesidiis nudatum si ea

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die Ärmsten am gelegensten kämen, die ja keine Verantwortung für ihre Habe hätten (da diese nicht existiert) und alles für ehrenhaft hielten, was mit Gewinn verbunden sei. (4) Marius bricht also mit einer deutlich größeren Truppe nach Africa auf, als beschlossen worden war, und landet wenige Tage später in Utica. (5) Der Legat Publius Rutilius übergibt ihm das Heer. Metellus hatte nämlich den Anblick des Marius meiden wollen, um nicht das miterleben zu müssen, was er schon als Nachricht nicht hatte ertragen können. 87 (1) Aber der Konsul marschierte mit den ergänzten Legionen und Auxiliarkohorten in ein fruchtbares Gebiet, das reiche Beute versprach. Alles, was er dort erbeutet, schenkt er seinen Soldaten. Dann greift er Kastelle und Städte an, die weder durch ihre Lage noch durch ihre Besatzung hinreichend gesichert waren. Er schlägt zahlreiche, aber unbedeutende Schlachten an verschiedenen Orten. (2) Dabei kämpfen die neuen Soldaten furchtlos, erleben, wie die Fliehenden gefangen genommen oder getötet werden, wie gerade die Tapfersten am sichersten sind, wie mit Waffengewalt Freiheit, Vaterland, Eltern und alles andere beschützt werden und dass man mit Waffen Ruhm und Reichtum gewinnen kann. (3) So wuchsen in kurzer Zeit die neuen und die alten Soldaten zusammen, und die Tatkraft aller wurde gleich groß. (4) Als aber die beiden Könige von Marius’ Ankunft erfuhren, teilten sie ihre Verbände und zogen sich in unwegsames Gelände zurück. So hatte es Jugurtha entschieden, der hoffte, dass man bald die ausschwärmenden Feinde werde angreifen können, dass die Römer, so wie die meisten Menschen, eben weil sie nichts befürchteten, sorgloser und undisziplinierter sein würden. 88 (1) Inzwischen war Metellus nach Rom aufgebrochen und wurde dort entgegen seinen eigenen Erwartungen mit freudigem Jubel empfangen; er war nämlich bei den Senatoren ebenso beliebt wie beim Volk, nachdem einmal der Hass verschwunden war. (2) Marius aber beobachtete umtriebig und umsichtig die Verhältnisse in seinem Heer und ebenso bei den Feinden, prüfte, welche Vor- und Nachteile beide Kriegsparteien hätten, ließ die Marschwege der beiden Könige ausspähen, kam ihren Plänen und Anschlägen zuvor, ließ im eigenen Lager keine Untätigkeit zu und sorgte dafür, dass sich die Feinde nie in Sicherheit wiegen konnten. (3) So hatte er auf dem Marsch oft die Gätuler und Jugurtha angegriffen und in die Flucht geschlagen, wenn sie bei unseren Verbündeten Beute machen wollten. Den König selbst hatte er unweit der Stadt Cirta dazu gezwungen, die Waffen wegzuwerfen und zu fliehen. (4) Als er erkannte, dass diese Erfolge nur Ruhm einbrachten, aber den Krieg nicht beenden konnten, beschloss er, einzelne Städte zu belagern, die aufgrund ihrer Besatzung oder ihrer Lage für die Feinde sehr vorteilhaft, für ihn aber strategisch ungünstig waren. Er glaubte, dass Jugurtha auf diese Weise entweder seiner Stützpunkte beraubt würde, wenn er dies zu-

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pateretur, aut proelio certaturum. (5) Nam Bocchus nuntios ad eum saepe miserat: velle populi Romani amicitiam; ne quid ab se hostile timeret. (6) Id simulaveritne, quo improvisus gravior accideret, an mobilitate ingeni pacem atque bellum mutare solitus, parum exploratum est. 89 (1) Sed consul, uti statuerat, oppida castellaque munita adire, partim vi, alia metu aut praemia ostentando avortere ab hostibus. (2) Ac primo mediocria gerebat, existumans Iugurtham ob suos tutandos in manus venturum; (3) sed ubi illum procul abesse et aliis negotiis intentum accepit, maiora et magis aspera aggredi tempus visum est. (4) Erat inter ingentis solitudines oppidum magnum atque valens nomine Capsa, quoius conditor Hercules Libys memorabatur. Eius cives apud Iugurtham inmunes, levi imperio et ob ea fidelissumi habebantur, muniti advorsum hostis non moenibus modo et armis atque viris, verum etiam multo magis locorum asperitate. (5) Nam praeter oppido propinqua alia omnia vasta, inculta, egentia aquae, infesta serpentibus, quarum vis sicuti omnium ferarum inopia cibi acrior; ad hoc natura serpentium ipsa perniciosa siti magis quam alia re accenditur. (6) Eius potiundi Marium maxuma cupido invaserat, cum propter usum belli, tum quia res aspera videbatur et Metellus oppidum Thalam magna gloria ceperat, haud dissimiliter situm munitumque, nisi quod apud Thalam non longe a moenibus aliquot fontes erant, Capsenses una modo atque ea intra oppidum iugi aqua, cetera pluvia utebantur. (7) Id ibique et in omni Africa, quae procul a mari incultius agebat, eo facilius tolerabatur, quia Numidae plerumque lacte et ferina carne vescebantur et neque salem neque alia irritamenta gulae quaerebant: (8) cibus illis advorsum famem atque sitim, non lubidini neque luxuriae erat.

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ließe, oder aber sich zum Kampf stellen müsse. (5) Denn Bocchus hatte ihm oft Botschaften überbringen lassen: Er wolle die Freundschaft mit dem römischen Volk; er habe keine Feindseligkeiten von seiner Seite zu befürchten. (6) Ob er dies vorgetäuscht hat, um unversehens umso effektiver zuschlagen zu können, oder ob er aufgrund seiner Wankelmütigkeit gewohnt war, zwischen Krieg und Frieden hin und her zu wechseln, ist unklar. 89 (1) Der Konsul griff aber, wie er es beschlossen hatte, Städte und Kastelle an und brachte sie, teils mit Gewalt, teils mit Drohungen oder Versprechungen dazu, vom Feinde abzufallen. (2) Zuerst nahm er nur mäßig bedeutende Unternehmen in Angriff, weil er glaubte, dass Jugurtha sich zum Kampf stellen werde, um seine Leute zu schützen. (3) Als er aber hörte, dass dieser weit weg war und sich mit anderen Dingen beschäftigte, schien es ihm an der Zeit zu sein, Bedeutenderes und Schwierigeres in Angriff zu nehmen. (4) Inmitten weithin sich erstreckender Wüsten lag eine große und mächtige Stadt namens Capsa, als deren Gründer der libysche Hercules galt. Deren Bürger genossen in Jugurthas Königreich Steuerfreiheit, sie standen unter keiner strengen Herrschaft und wurden deswegen für äußerst loyal gehalten. Sie waren gegen feindliche Angriffe nicht nur durch ihre Mauern, Waffen und Männer, sondern vor allem durch die unwirtliche Gegend geschützt. (5) Denn abgesehen von der unmittelbaren Umgebung der Stadt war das restliche Umland öde, unbebaut, ohne Wasser, gefährlich durch Schlangen, deren Angriffslust, wie bei allen wilden Tieren, durch Nahrungsmangel noch heftiger wird. Zudem werden die Schlangen, die an und für sich schon von Natur aus todbringend sind, durch Durst noch stärker als durch irgendetwas anderes gereizt. (6) Marius hatte das starke Verlangen befallen, sich dieser Stadt zu bemächtigen, einerseits aus militärischen Überlegungen, vor allem aber weil es eine schwierige Aufgabe zu sein schien und sich Metellus mit der Eroberung der Stadt Thala großen Ruhm erworben hatte, die ähnlich gelegen und befestigt gewesen war, abgesehen davon, dass bei Thala nicht weit von den Stadtmauern einige Quellen gewesen waren, die Einwohner von Capsa aber nur eine einzige nie versiegende Quelle innerhalb der Stadt hatten und ansonsten auf Regenwasser angewiesen waren. (7) Dieser Wassermangel, der dort und im ganzen africanischen Binnenland herrschte, das nicht landwirtschaftlich genutzt wurde, war umso leichter zu ertragen, weil sich die Numider überwiegend von Milch und Wildbret ernährten und weder Salz noch andere Gaumenfreuden benötigten. (8) Nahrung und Getränke dienten ihnen lediglich dazu, Hunger und Durst zu stillen, aber nicht zu Genuss und Vergnügen.

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90 (1) Igitur consul omnibus exploratis, credo dis fretus, nam contra tantas difficultates consilio satis providere non poterat – quippe etiam frumenti inopia temptabatur, quia Numidae pabulo pecoris magis quam arvo student et quodcumque natum fuerat iussu regis in loca munita contulerant, ager autem aridus et frugum vacuos ea tempestate, nam aestatis extremum erat – tamen pro rei copia satis providenter exornat. (2) Pecus omne quod superioribus diebus praedae fuerat equitibus auxiliariis agundum attribuit, A. Manlium legatum cum cohortibus expeditis ad oppidum Laris, ubi stipendium et commeatum locaverat, ire iubet dicitque se praedabundum post paucos dies eodem venturum. (3) Sic incepto suo occultato pergit ad flumen Tanain. 91 (1) Ceterum in itinere cotidie pecus exercitui per centurias, item turmas aequaliter distribuerat, et, ex coriis utres uti fierent, curabat: simul inopiam frumenti lenire et ignaris omnibus parare quae mox usui forent. Denique sexto die, cum ad flumen ventum est, maxuma vis utrium effecta. (2) Ibi castris levi munimento positis milites cibum capere atque, uti simul cum occasu solis egrederentur, paratos esse iubet, omnibus sarcinis abiectis aqua modo seque et iumenta onerare. (3) Dein, postquam tempus visum, castris egreditur noctemque totam itinere facto consedit; idem proxuma facit; dein tertia, multo ante lucis adventum, pervenit in locum tumulosum ab Capsa non amplius duum milium intervallo, ibique quam occultissume potest cum omnibus copiis opperitur. (4) Sed ubi dies coepit et Numidae nihil hostile metuentes multi oppido egressi, repente omnem equitatum et cum iis velocissumos pedites cursu tendere ad Capsam et portas obsidere iubet; deinde ipse intentus propere sequi neque milites praedari sinere. (5) Quae postquam oppidani cognovere, res trepidae, metus ingens, malum improvisum, ad hoc pars civium extra moenia in hostium potestate coegere, uti deditionem facerent. (6) Ceterum oppidum incensum, Numidae puberes interfecti, alii omnes venundati, praeda militibus divisa. (7) Id facinus contra ius belli non avaritia neque scelere consulis admissum, sed quia locus Iugurthae opportunus, nobis aditu difficilis,

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90 (1) Nachdem der Konsul nun alles ausgekundschaftet hatte – ich glaube, im Vertrauen auf die Götter, denn gegen so gewaltige Schwierigkeiten konnte er mit Umsicht allein keine hinreichenden Vorkehrungen treffen (er wurde ja auch von Getreidemangel bedrängt, weil sich die Numider eher um das Futter für ihr Vieh als um die Landwirtschaft kümmern und alles, was die Erde hervorbrachte, auf den Befehl des Königs in befestigte Ortschaften gebracht hatten, das Ackerland aber zu dieser Zeit ausgedörrt und arm an Feldfrüchten war; es war nämlich Spätsommer) –, handelte er dennoch in Anbetracht der Umstände umsichtig genug. (2) Für das ganze Vieh, das in den vergangenen Tagen erbeutet worden war, bestellte er die berittenen Hilfstruppen als Treiber; den Legaten Aulus Manlius schickt er mit kampfbereiten Kohorten zur Stadt Lares, wo er Sold und Verpflegung gelagert hatte, und kündigt an, nach wenigen Tagen eben dorthin zu kommen, um Beute zu machen. (3) Auf diese Art und Weise verheimlichte er sein eigentliches Vorhaben und rückte zum Fluss Tanais vor. 91 (1) Auf dem Marsch hatte er aber dem Heer täglich das Vieh zenturien- bzw. schwadronsweise gleichmäßig zugeteilt und sorgte dafür, dass aus den Tierhäuten Schläuche hergestellt wurden: So linderte er den Mangel an Proviant und bereitete vor, was kurz darauf von Nutzen sein sollte, ohne dass es jemand ahnte. Schließlich hatte er, als er fünf Tage später an den Fluss kam, einen großen Vorrat an Schläuchen. (2) Dort lässt er ein Lager mit schwachen Befestigungsanlagen aufschlagen und befiehlt den Soldaten, Essen zu fassen und bereit zu sein, bei Sonnenuntergang auszurücken, das ganze Gepäck abzulegen und sich und die Zugtiere nur mit Wasser zu beladen. (3) Als dann der richtige Zeitpunkt gekommen schien, verlässt er das Lager, marschiert die ganze Nacht hindurch und machte dann halt; dasselbe macht er in der folgenden Nacht. In der dritten Nacht gelangte er sodann lange vor Sonnenaufgang in ein hügeliges Gebiet, das nicht mehr als zwei Meilen von Capsa entfernt liegt. Dort wartete er so gut verborgen wie nur möglich mit allen seinen Truppen. (4) Als es aber Tag wird und zahlreiche Numider nichts Böses ahnend die Stadt verlassen, lässt er plötzlich die gesamte Reiterei und zugleich die schnellsten Fußsoldaten im Laufschritt auf Capsa zueilen und die Tore besetzen. Dann folgt er selbst eilends und kampfbereit und verhindert, dass seine Soldaten Beute machen. (5) Als die Stadtbewohner dies bemerkten, brachten sie die allgemeine Verwirrung und ihre große Panik, die Plötzlichkeit des Unglücks sowie die Tatsache, dass ein Teil ihrer Mitbürger außerhalb der Mauern in der Gewalt der Feinde war, dazu, sich zu ergeben. (6) Die Stadt wurde aber in Brand gesteckt, die wehrfähigen Numider getötet, alle anderen verkauft, die Beute unter den Soldaten aufgeteilt. (7) Diese Handlungsweise verstieß zwar gegen das Kriegsrecht, geschah aber nicht deswegen, weil der Konsul habgierig oder skrupellos gewesen wäre, sondern weil der Ort für Jugurtha strategisch günstig, für unser Heer aber der Zugang schwierig war,

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genus hominum mobile infidum, ante neque beneficio neque metu coercitum. 92 (1) Postquam tantam rem Marius sine ullo suorum incommodo , magnus et clarus antea, maior atque clarior haberi coepit. (2) Omnia non bene consulta in virtutem trahebantur: milites, modesto imperio habiti simul et locupletes, ad caelum ferre; Numidae magis quam mortalem timere; postremo omnes, socii atque hostes, credere illi aut mentem divinam esse aut deorum nutu cuncta portendi. (3) Sed consul, ubi ea res bene evenit, ad alia oppida pergit, pauca repugnantibus Numidis capit, plura propter Capsensium miserias igni corrumpit: luctu atque caede omnia complentur. (4) Denique multis locis potitus ac plerisque exercitu incruento aliam rem aggreditur, non eadem asperitate qua Capsensium, ceterum haud secus difficilem. (5) Namque haud longe a flumine Muluccha, quod Iugurthae Bocchique regnum diiungebat, erat inter ceteram planitiem mons saxeus, mediocri castello satis patens, in inmensum editus, uno perangusto aditu relicto; nam omnis natura velut opere atque consulto praeceps. (6) Quem locum Marius, quod ibi regis thesauri erant, summa vi capere intendit. Sed ea res forte quam consilio melius gesta. (7) Nam castello virorum atque armorum satis magna vis et frumenti et fons aquae; aggeribus turribusque et aliis machinationibus locus importunus; iter castellanorum angustum admodum, utrimque praecisum. (8) Ea vineae cum ingenti periculo frustra agebantur, nam cum eae paulo processerant igni aut lapidibus corrumpebantur; (9) milites neque pro opere consistere propter iniquitatem loci neque inter vineas sine periculo administrare: optumus quisque cadere aut sauciari, ceteris metus augeri. 93 (1) At Marius multis diebus et laboribus consumptis anxius trahere cum animo suo omitteretne inceptum, quoniam frustra erat, an fortunam opperiretur, qua saepe prospere usus fuerat. (2) Quae cum multos dies noctisque

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weil der Menschenschlag wankelmütig und verräterisch ist und zuvor weder durch gute Behandlung noch durch Drohungen gebändigt werden konnte. 92 (1) Nachdem Marius ein so großes Unternehmen ohne eigene Verluste durchgeführt hatte, begann man ihn, der schon zuvor groß und bedeutend war, nun für noch größer und bedeutender zu halten. (2) Auch alle unzureichenden Pläne wurden zu seinem Vorteil ausgelegt. Die Soldaten, die nicht allzu streng geführt wurden und sich bereichern konnten, hoben ihn zum Himmel; die Numider fürchteten ihn mehr als einen Menschen; überhaupt glaubten alle, Verbündete wie Feinde, dass entweder sein Verstand göttlich sei oder dass ihm die Götter durch bestimmte Winke schon alles vorher verraten würden. (3) Aber nachdem dieses Unternehmen gut ausgegangen war, marschiert der Konsul zu anderen Städten, erobert einige wenige, in denen die Numider Gegenwehr leisten, mehr aber noch werden von ihren Bewohnern wegen des schrecklichen Schicksals der Bewohner von Capsa aufgegeben, und Marius ließ sie niederbrennen. Alles war von Trauer und Mord erfüllt. (4) Nachdem er sich schließlich zahlreicher Orte, in den meisten Fällen ohne eigenen Blutzoll, bemächtigt hatte, nimmt er ein neues Vorhaben in Angriff, vom Gelände her nicht so anspruchsvoll wie im Falle von Capsa, ansonsten aber ebenso schwierig. (5) Nicht weit von dem Fluss Muluccha, der die Gebiete des Jugurtha und des Bocchus voneinander trennte, erhob sich nämlich auf einem ansonsten ebenen Gelände ein felsiger, hoch aufragender Berg, breit genug für ein mittelgroßes Kastell, mit einem einzigen sehr engen Zugang; er war an allen Ecken und Enden steil, als ob er absichtlich so gestaltet worden wäre. (6) Diesen Punkt wollte Marius mit aller Gewalt einnehmen, weil dort die Schätze des Königs lagen. Dieses Unternehmen wurde jedoch eher durch den Zufall als durch umsichtige Planung zu einem erfolgreichen Ende geführt. (7) Das Kastell verfügte nämlich über genügend Waffen, Soldaten und Getreide und hatte eine eigene Quelle; für Dämme und Türme sowie für andere Belagerungsmaschinen war das Gelände ungeeignet. Der Weg zum Kastell war recht schmal und auf beiden Seiten sehr steil. (8) Dort führten die Römer unter großen Gefahren vergeblich Schutzdächer heran; denn sobald diese auch nur ein Stück vorwärts gekommen waren, wurden sie von Brandgeschossen oder Steinen zerstört. (9) Wegen des unebenen Geländes konnten die Soldaten weder vor den Belagerungsanlagen Stellung beziehen noch zwischen den Schutzdächern gefahrlos agieren: Gerade die Besten fielen oder wurden verwundet, bei den anderen wuchs die Angst. 93 (1) Aber nach vielen vergeudeten Tagen und Strapazen überlegte sich Marius verunsichert, ob er das Unternehmen abbrechen solle, da es ja keinen Erfolg versprach, oder ob er auf das Glück warten solle, das er schon oft erfolgreich erprobt hatte. (2) Während er auf diese Weise viele Tage und Nächte

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aestuans agitaret, forte quidam Ligus, ex cohortibus auxiliariis miles gregarius, castris aquatum egressus, haud procul ab latere castelli, quod avorsum proeliantibus erat, animum advortit inter saxa repentis cocleas; quarum cum unam atque alteram, dein plures peteret, studio legundi paulatim prope ad summum montis egressus est. (3) Ubi postquam solitudinem intellexit, more ingeni humani cupido difficilia faciundi animum advortit. (4) Et forte in eo loco grandis ilex coaluerat inter saxa, paulum modo prona, deinde inflexa atque aucta in altitudinem, quo cuncta gignentium natura fert. Quoius ramis modo, modo eminentibus saxis nisus Ligus in castelli planitiem pervenit, quod cuncti Numidae intenti proeliantibus aderant. (5) Exploratis omnibus quae mox usui fore ducebat, eadem regreditur, non temere, uti ascenderat, sed temptans omnia et circumspiciens. (6) Itaque Marium propere adit, acta edocet, hortatur ab ea parte, qua ipse ascenderat, castellum temptet, pollicetur sese itineris periculique ducem. (7) Marius cum Ligure promissa eius cognitum ex praesentibus misit. Quorum uti quoiusque ingenium erat, ita rem difficilem aut facilem nuntiavere; consulis animus tamen paulum arrectus. (8) Itaque ex copia tubicinum et cornicinum numero quinque quam velocissumos delegit et cum iis, praesidio qui forent, quattuor centuriones omnisque Liguri parere iubet et ei negotio proxumum diem constituit. 94 (1) Sed ubi ex praecepto tempus visum, paratis compositisque omnibus ad locum pergit. Ceterum illi, qui escensuri erant, praedocti ab duce arma ornatumque mutaverant: capite atque pedibus nudis, uti prospectus nisusque per saxa facilius foret; super terga gladii et scuta, verum ea Numidica ex coriis, ponderis gratia simul et offensa quo levius streperent. (2) Igitur praegrediens Ligus saxa et si quae vetustate radices eminebant laqueis vinciebat, quibus adlevati milites facilius escenderent, interdum timidos insolentia itineris levare manu, ubi paulo asperior ascensus erat singulos prae se inermos mittere, deinde ipse cum illorum armis sequi,

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angespannt hin und her überlegte, entdeckte zufällig ein Ligurer, ein einfacher Soldat der Auxiliarkohorten, der das Lager verlassen hatte, um Wasser zu holen, nicht weit von derjenigen Flanke des Kastells entfernt, die den Kämpfenden abgewandt war, wie zwischen den Felsen einige Schnecken krochen. Indem er die eine oder andere von ihnen, dann mehrere fing, gelangte er in seinem Sammeleifer allmählich fast auf den Berggipfel. (3) Als er bemerkte, dass er dort ganz alleine war, beeinflusst, der Natur des menschlichen Geistes entsprechend, das Verlangen, etwas Schwieriges zu vollbringen, seine Aufmerksamkeit. (4) Und zufällig hatte an dieser Stelle eine große Steineiche zwischen den Felsen Wurzeln geschlagen, die sich ein wenig nach vorne neigte, sich dann aber bog und in die Höhe ragte, wohin die Natur ja alle Pflanzen wachsen lässt. Der Ligurer stützt sich bald auf deren Äste, bald auf die Felsvorsprünge und kann so bis zu der Ebene gelangen, auf der das Kastell lag, weil alle Numider sich auf die Kämpfenden konzentrierten. (5) Nachdem er alles erkundet hatte, was seiner Meinung nach später einmal nützlich sein könnte, geht er auf demselben Weg zurück, nicht aufs Geratewohl wie beim Aufstieg, sondern indem er alles untersucht und sich genau anschaut. (6) Dann begibt er sich rasch zu Marius, berichtet ihm über das Vorgefallene und ermuntert ihn, das Kastell von der Seite anzugreifen, auf der er hinaufgestiegen war; er verspricht, die Soldaten auf dem gefährlichen Weg zu führen. (7) Marius schickt einige der Anwesenden mit dem Ligurer mit, um dessen Versprechungen in Augenschein zu nehmen. Je nach Charakter stellten diese daraufhin das Unternehmen als schwierig oder als leicht dar. Dennoch schöpfte der Konsul ein wenig Hoffnung. (8) Und so wählt er fünf besonders wendige Trompeter und Hornisten aus und mit ihnen vier Zenturionen als Schutz, unterstellt sie dem Befehl des Ligurers und setzt den folgenden Tag für dieses Unternehmen fest. 94 (1) Als es aber dem Befehl entsprechend an der Zeit zu sein schien, wurde alles vorbereitet und verabredet, und der Ligurer macht sich auf den Weg zur Einstiegsstelle. Aber diejenigen, die mit ihm den Aufstieg unternehmen sollten, hatten zuvor auf seine Anweisungen hin ihre Waffen und ihre Ausrüstung gewechselt: Sie gingen barhäuptig und barfüßig, damit der Blick unbehinderter und der Weg durch die Felsen leichter wäre. Auf dem Rücken trugen sie ihre Schwerter und Schilde (numidische Schilde aus Leder, wegen des Gewichts, aber auch damit sie nicht so viel Lärm machten, wenn sie irgendwo anstießen). (2) Der Ligurer ging voraus und band an den Felsen und an hervorspringendem altem Wurzelwerk Seile fest, damit sich die Soldaten daran hochziehen und so leichter nach oben gelangen konnten. Zuweilen half er ihnen dabei, wenn sie wegen des ungewohnten Weges Angst hatten, mit seiner Hand. Wenn der Anstieg sich etwas schwieriger gestaltete, schickte er sie einzeln unbewaffnet voraus und folgte dann selbst mit ihren Waffen.

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quae dubia nisui videbantur, potissumus temptare ac saepius eadem ascendens descendensque, dein statim digrediens ceteris audaciam addere. (3) Igitur diu multumque fatigati tandem in castellum perveniunt, desertum ab ea parte quod omnes, sicut aliis diebus, advorsum hostis aderant. Marius ubi ex nuntiis quae Ligus egerat cognovit, quamquam toto die intentos proelio Numidas habuerat, tum vero cohortatus milites et ipse extra vineas egressus, testudine acta succedere et simul hostem tormentis sagittariisque et funditoribus eminus terrere. (4) At Numidae, saepe antea vineis Romanorum subvorsis, item incensis, non castelli moenibus sese tutabantur, sed pro muro dies noctisque agitare, male dicere Romanis ac Mario vecordiam obiectare, militibus nostris Iugurthae servitium minari, secundis rebus feroces esse. (5) Interim omnibus, Romanis hostibusque, proelio intentis, magna utrimque vi pro gloria atque imperio his, illis pro salute certantibus, repente a tergo signa canere; ac primo mulieres et pueri, qui visum processerant, fugere, deinde uti quisque muro proxumus erat, postremo cuncti, armati inermesque. (6) Quod ubi accidit, eo acrius Romani instare, fundere ac plerosque tantummodo sauciare, dein super occisorum corpora vadere, avidi gloriae certantes murum petere, neque quemquam omnium praeda morari. (7) Sic forte correcta Mari temeritas gloriam ex culpa invenit. 95 (1) Ceterum, dum ea res geritur, L. Sulla quaestor cum magno equitatu in castra venit, quos uti ex Latio et a sociis cogeret Romae relictus erat. (2) Sed quoniam nos tanti viri res admonuit, idoneum visum est de natura cultuque eius paucis dicere; neque enim alio loco de Sullae rebus dicturi sumus et L. Sisenna, optume et diligentissume omnium, qui eas res dixere, persecutus, parum mihi libero ore locutus videtur. (3) Igitur Sulla gentis patriciae nobilis fuit, familia prope iam extincta maiorum ignavia, litteris Graecis atque Latinis iuxta atque doctissumi eruditus, animo ingenti, cupidus voluptatum sed gloriae cupidior; otio luxurioso

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Wenn etwas zu wackelig wirkte, als dass man sich hätte darauf stützen können, versuchte er es als erster und ging mehrmals an derselben Stelle nach oben und wieder nach unten, trat dann zur Seite und machte den anderen so Mut. (3) So kommen sie endlich nach langen und schweren Anstrengungen zum Kastell, das auf dieser Seite verlassen war, da wie an den anderen Tagen alle Verteidiger mit der Abwehr der Feinde beschäftigt waren. Sobald Marius von Boten erfuhr, was der Ligurer geleistet hatte, feuerte er, obwohl er schon den ganzen Tag über die Numider mit Kampfhandlungen abgelenkt hatte, jetzt erst recht seine Soldaten an und verließ persönlich die Schutzdächer, rückte mit Schildkrötenformationen an die Stadtmauer heran und jagte dem Feind mit Katapultgeschossen, Bogenschützen und Schleuderern aus der Ferne Angst ein. (4) Da die Numider aber zuvor schon oft die Schutzdächer der Römer zerstört und in Brand gesetzt hatten, verbargen sie sich nicht im Schutze der Festungsmauer, sondern verbrachten Tag und Nacht vorne auf der Mauer, beschimpften die Römer, erklärten Marius für wahnsinnig, drohten unseren Soldaten Sklavendienste bei Jugurtha an und waren aufgrund ihrer Überlegenheit übermütig. (5) Als so alle, die Römer wie die Feinde, sich auf die Schlacht konzentrierten und beide Seiten mit aller Kraft kämpften, die einen für Ruhm und Reich, die anderen um ihr Leben, ertönten plötzlich im Rücken der Verteidiger Signale. Und zuerst flohen Frauen und Kinder, die aus Neugier gekommen waren, dann die, die der Mauer am nächsten waren, schließlich alle, Bewaffnete wie Unbewaffnete. (6) Als dies geschah, setzten die Römer umso entschlossener nach, verjagten sie und verwundeten sehr viele nur, dann stiegen sie über die Leichen der Erschlagenen hinweg, wetteiferten ehrgeizig darum, zur Mauer zu kommen; kein einziger ließ sich von der Möglichkeit, Beute zu machen, aufhalten. (7) So wurde Marius’ Leichtsinn durch den Zufall korrigiert und sein fehlerhaftes Verhalten brachte ihm Ruhm ein. 95 (1) Während dieser Ereignisse kommt aber der Quästor Lucius Sulla mit einer großen Abteilung Kavallerie ins Lager. Er war in Rom zurückgeblieben, um diese Truppe aus Latinern und Verbündeten zusammenzustellen. (2) Da aber der Gang der Erzählung unsere Aufmerksamkeit auf einen so bedeutenden Mann gelenkt hat, scheint es uns angemessen zu sein, kurz über seinen Charakter und seine Lebensweise zu sprechen. Wir werden nämlich an keiner anderen Stelle mehr über Sullas Taten sprechen, und Lucius Sisenna war meiner Ansicht nach zu befangen, auch wenn er von all denen, die diese Zeit dargestellt haben, der beste und gewissenhafteste Historiker ist. (3) Sulla stammte aus einem berühmten patrizischen Geschlecht, wobei seine Familie durch die Nichtsnutzigkeit der Vorfahren fast schon in Vergessenheit geraten war. Er hatte griechische und römische Bildung in demselben Maße genossen wie die gelehrtesten Männer, besaß Seelengröße, war gierig nach

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esse, tamen ab negotiis numquam voluptas remorata, nisi quod de uxore potuit honestius consuli; facundus, callidus et amicitia facilis, ad simulanda negotia altitudo ingeni incredibilis, multarum rerum ac maxume pecuniae largitor. (4) Atque illi felicissumo omnium ante civilem victoriam numquam super industriam fortuna fuit, multique dubitavere fortior an felicior esset; nam postea quae fecerit, incertum habeo pudeat an pigeat magis disserere. 96 (1) Igitur Sulla, uti supra dictum est, postquam in Africam atque in castra Mari cum equitatu venit, rudis antea et ignarus belli, sollertissumus omnium in paucis tempestatibus factus est. (2) Ad hoc milites benigne appellare, multis rogantibus, aliis per se ipse dare beneficia, invitus accipere, sed ea properantius quam aes mutuom reddere, ipse ab nullo repetere, magis id laborare, ut illi quam plurumi deberent; (3) ioca atque seria cum humillumis agere; in operibus, in agmine atque ad vigilias multus adesse, neque interim, quod prava ambitio solet, consulis aut quoiusquam boni famam laedere, tantummodo neque consilio neque manu priorem alium pati, plerosque antevenire. (4) Quibus rebus et artibus brevi Mario militibusque carissumus factus. 97 (1) At Iugurtha, postquam oppidum Capsam aliosque locos munitos et sibi utilis simul et magnam pecuniam amiserat, ad Bocchum nuntios mittit quam primum in Numidiam copias adduceret: proeli faciundi tempus adesse. (2) Quem ubi cunctari accepit et dubium belli atque pacis rationes trahere, rursus uti antea proxumos eius donis corrupit ipsique Mauro pollicetur Numidiae partem tertiam, si aut Romani Africa expulsi aut integris suis finibus bellum compositum foret. (3) Eo praemio inlectus Bocchus cum magna multitudine Iugurtham accedit. Ita amborum exercitu coniuncto Marium, iam in hiberna proficiscentem, vix decuma parte die relicua invadunt, rati noctem, quae iam aderat, et victis sibi munimento fore et, si vicissent, nullo impedimento, quia locorum scientes erant, contra Romanis utrumque

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Genüssen, aber noch größer war seine Gier nach Ruhm. Er gab sich in seiner freien Zeit einem ausschweifenden Leben hin, aber niemals hielten ihn die Vergnügungen von seinen Geschäften ab. Allerdings hätte er seine Ehefrau anständiger behandeln können. Er war ein guter Redner, schlau und gegenüber seinen Freunden umgänglich; er war unergründlich, wenn es darum ging, etwas vorzutäuschen; er verschenkte vieles, vor allem Geld. (4) Und er, der von allen der Glücklichste war, hatte vor seinem Sieg im Bürgerkrieg niemals mehr Glück als Tatkraft, und viele waren im Zweifel, ob er seiner Tapferkeit oder seinem Glück mehr zu verdanken habe. Ich bin mir aber unsicher, ob es eher Scham oder eher Abscheu ist, die mich davon abhält, von seinen späteren Taten zu berichten. 96 (1) Nachdem also Sulla, wie bereits gesagt, mit Reitern nach Africa und ins Lager des Marius gekommen war, entwickelte er sich, der zuvor ein vollkommener militärischer Laie war, in kurzer Zeit zum geschicktesten Mann im Heer. (2) Außerdem sprach er mit den Soldaten freundlich, half vielen, wenn sie ihn darum baten, bei anderen tat er dies schon von sich aus, nahm seinerseits aber nur ungern Hilfe an. Diese gab er aber schneller zurück als geliehenes Geld, während er selbst sie von niemandem einforderte. Ihm war eher daran gelegen, sich möglichst viele zu verpflichten. (3) Scherz und Ernst trieb er auch mit den Rangniedrigsten. Bei den Schanzarbeiten, auf dem Marsch und auf Wache war er häufig anwesend, dabei beschädigte er aber niemals, was fehlgeleiteter Ehrgeiz zu tun pflegt, den Ruf des Konsuls oder eines anderen anständigen Mannes. Er ließ es nur nicht zu, dass ein anderer ihn mit Rat und Tat übertreffe, überflügelte seinerseits aber die meisten. (4) Durch diese Leistungen und Fähigkeiten wuchs er bald Marius und den Soldaten sehr ans Herz. 97 (1) Nachdem Jugurtha aber die Stadt Capsa und andere für ihn strategisch wichtige Festungen sowie viel Geld verloren hatte, schickt er Boten zu Bocchus: Er solle so schnell wie möglich Truppen nach Numidien führen; es sei der richtige Zeitpunkt für eine Schlacht gekommen. (2) Als er hörte, dass Bocchus zögerte und unentschlossen die Argumente für und wider einen Krieg gegeneinander abwog, bestach er wieder wie schon zuvor dessen engste Vertraute mit Geschenken und verspricht dem Mauren selbst den dritten Teil Numidiens, wenn die Römer aus Africa vertrieben oder der Krieg ohne Gebietsverluste beendet würde. (3) Durch diese Versprechen verlockt stieß Bocchus mit einer großen Truppe zu Jugurtha. So vereinigen die beiden Könige ihre Heere und attackieren Marius, als dieser gerade ins Winterlager aufbrechen wollte. Zum Zeitpunkt des Angriffs war kaum noch ein Zehntel des Tages übrig, und sie rechneten damit, dass die Nacht, die bereits hereingebrochen war, sie im Falle einer Niederlage schützen, im Falle eines Sieges aber wegen ihrer Ortskenntnis nicht behindern würde, während die Dunkelheit den Römern in beiden

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casum in tenebris difficiliorem fore. (4) Igitur simul consul ex multis de hostium adventu cognovit et ipsi hostes aderant, et priusquam exercitus aut instrui aut sarcinas colligere, denique ante quam signum aut imperium ullum accipere quivit, equites Mauri atque Gaetuli, non acie neque ullo more proeli, sed catervatim, uti quosque fors conglobaverat, in nostros incurrunt. (5) Qui omnes, trepidi improviso metu ac tamen virtutis memores, aut arma capiebant aut capientis alios ab hostibus defensabant; pars equos escendere, obviam ire hostibus; pugna latrocinio magis quam proelio similis fieri; sine signis, sine ordinibus equites peditesque permixti cedere alius, alius obtruncari, multi contra advorsos acerrume pugnantes ab tergo circumveniri; neque virtus neque arma satis tegere, quia hostes numero plures et undique circumfusi erant. Denique Romani veteres navique et ob ea scientes belli, si quos locus aut casus coniunxerat, orbis facere atque ita ab omnibus partibus simul tecti et instructi hostium vim sustentabant. 98 (1) Neque in eo tam aspero negotio Marius territus aut magis quam antea demisso animo fuit, sed cum turma sua, quam ex fortissumis magis quam familiarissumis paraverat, vagari passim ac modo laborantibus suis succurrere, modo hostis, ubi confertissumi obstiterant, invadere; manu consulere militibus, quoniam imperare conturbatis omnibus non poterat. (2) Iamque dies consumptus erat, cum tamen barbari nihil remittere atque uti reges praeceperant noctem pro se rati acrius instare. (3) Tum Marius ex copia rerum consilium trahit atque, uti suis receptui locus esset, collis duos propinquos inter se occupat, quorum in uno castris parum amplo fons aquae magnus erat, alter usui opportunus, quia magna parte editus et praeceps pauca munimenta quaerebat. (4) Ceterum apud aquam Sullam cum equitibus noctem agitare iubet, ipse paulatim dispersos milites neque minus hostibus conturbatis in unum contrahit, dein cunctos pleno gradu in collem subducit. (5) Ita reges loci difficultate coacti proelio

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Fällen größere Schwierigkeiten bereiten würde. (4) Kaum hatte der Konsul von mehreren erfahren, dass die Feinde im Anmarsch seien, so waren sie auch schon da, und bevor das Heer sich aufstellen oder das Gepäck schnüren, ja bevor es überhaupt irgendein Signal oder irgendeinen Befehl entgegennehmen konnte, stürmen die Reiter der Mauren und Gätuler auf unsere Soldaten los, nicht etwa in Schlachtordnung oder nach irgendwelchen militärischen Regeln, sondern in Haufen, wie sie gerade der Zufall zusammengeballt hatte. (5) Die Römer waren alle von der plötzlichen Gefahr verwirrt, besannen sich aber dennoch auf ihre Tapferkeit und ergriffen ihre Waffen oder verteidigten die, die gerade zu ihren Waffen greifen wollten, gegen die Feinde. Ein Teil bestieg die Pferde und ritt den Feinden entgegen. Der Kampf ähnelte allmählich eher einem Raubzug als einer Schlacht. Ohne Feldzeichen, ohne Ordnung vermischten sich die Reiter mit den Fußsoldaten, die einen wichen zurück, die anderen wurden niedergemacht, viele wurden im verbissenen Kampf gegen die Gegner von hinten eingekreist. Weder Kampfkraft noch Waffen konnten die Männer hinreichend schützen, weil die Feinde in der Überzahl waren und sie von allen Seiten umstellten. Schließlich bildeten die altgedienten, tüchtigen und deswegen kriegserfahrenen Römer Igelformationen, wenn sie irgendeine Stellung oder ein Zufall zusammengedrängt hatte, und konnten so, indem sie von allen Seiten gedeckt und geordnet waren, den feindlichen Angriff aufhalten. 98 (1) Marius war aber in einer so kritischen Lage unerschrocken und nicht mutloser als zuvor, sondern ritt überall mit seiner Leibschwadron umher, die er eher aus tapferen Soldaten als aus seinen Vertrauten zusammengestellt hatte, und kam bald seinen in einer Notlage befindlichen Soldaten zu Hilfe, bald griff er die Feinde dort an, wo das Gedränge am dichtesten war. Mit eigener Hand half er den Soldaten, da er im allgemeinen Durcheinander keine Kommandos mehr geben konnte. (2) Schon war der Tag vorbei, als die Barbaren dennoch nicht nachließen und energischer nachsetzten, so wie es die Könige in dem Glauben, dass die Nacht für sie günstig sei, angeordnet hatten. (3) Da fasst Marius den Umständen entsprechend einen Plan und besetzt zwei nahe beieinander liegende Hügel, um seinen Männern eine Rückzugsmöglichkeit zu verschaffen; auf dem einen dieser beiden Hügel, der zu klein für ein Lager war, befand sich eine große Quelle; der andere war für Marius’ Zwecke geeignet, weil er größtenteils hoch und steil war und nur wenige Befestigungsanlagen erforderte. (4) Marius befiehlt aber Sulla, die Nacht an der Quelle mit seinen Truppen zu verbringen, er selbst zieht langsam die versprengten Soldaten, deren Reihen ebenso wie die der Feinde in Unordnung geraten waren, an einem Ort zusammen. Dann führt er alle Soldaten im Laufschritt auf den Hügel. (5) So werden die Könige, durch die Unwegsamkeit des Geländes

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deterrentur, neque tamen suos longius abire sinunt, sed utroque colle multitudine circumdato effusi consedere. (6) Dein crebris ignibus factis plerumque noctis barbari more suo laetari, exultare, strepere vocibus; et ipsi duces, feroces, quia non fugerant, pro victoribus agere. (7) Sed ea cuncta Romanis ex tenebris et editioribus locis facilia visu magnoque hortamento erant. 99 (1) Plurumum vero Marius imperitia hostium confirmatus quam maxumum silentium haberi iubet, ne signa quidem, uti per vigilias solebant, canere. Deinde, ubi lux adventabat, defessis iam hostibus ac paulo ante somno captis, de improviso vigiles, item cohortium, turmarum, legionum tubicines simul omnis signa canere, milites clamorem tollere atque portis erumpere iubet. (2) Mauri atque Gaetuli, ignoto et horribili sonitu repente exciti, neque fugere neque arma capere neque omnino facere aut providere quicquam poterant: (3) ita cunctos strepitu, clamore, nullo subveniente, nostris instantibus, tumultu, formidine, terrore quasi vecordia ceperat. Denique omnes fusi fugatique, arma et signa militaria pleraque capta, pluresque eo proelio quam omnibus superioribus interempti; nam somno et metu insolito impedita fuga. 100 (1) Dein Marius, uti coeperat, in hiberna it; propter commeatum in oppidis maritumis agere decreverat. Neque tamen victoria socors aut insolens factus, sed pariter atque in conspectu hostium quadrato agmine incedere: (2) Sulla cum equitatu apud dextumos, in sinistra parte A. Manlius cum funditoribus et sagittariis, praeterea cohortis Ligurum curabat; primos et extremos cum expeditis manipulis tribunos locaverat. (3) Perfugae, minume cari et regionum scientissumi, hostium iter explorabant. Simul consul quasi nullo imposito omnia providere, apud omnis adesse, laudare et increpare merentis. (4) Ipse armatus intentusque item milites cogebat. Neque secus atque iter facere castra munire, excubitum in porta cohortis ex legionibus, pro castris equites auxiliarios mittere, praeterea alios super vallum

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gezwungen, von einer Fortsetzung des Kampfes abgeschreckt, behalten aber ihre Soldaten in der Nähe. Sie umzingelten beide Hügel mit ihren Truppen, indem sie ohne Ordnung über das Gelände verteilt Stellung bezogen. (6) Dann entzündeten die Barbaren mehrere Lagerfeuer. Nach ihrer Art feierten, jubelten und grölten sie einen Großteil der Nacht hindurch. Auch ihre Anführer, die sich übermütig gerierten, weil sie nicht geflohen waren, benahmen sich wie Sieger. (7) Aber die Römer konnten dies alles in der Dunkelheit und von ihren höher gelegenen Stellungen aus leicht sehen und ließen sich dadurch sehr ermutigen. 99 (1) Es war aber vor allem die Unerfahrenheit der Feinde, die Marius Mut schöpfen ließ. Er ordnet größtmögliche Ruhe an und lässt nicht einmal die bei der Wachablösung üblichen Signale geben. Als dann die Morgendämmerung hereinbrach und die nunmehr erschöpften Feinde erst kurz zuvor eingeschlafen waren, befiehlt er plötzlich den Wachen, ebenso den Trompetern der Kohorten, Schwadronen und Legionen, alle zur gleichen Zeit ihre Signale zu blasen, den Soldaten aber, Geschrei zu erheben und durch die Tore auszubrechen. (2) Die Mauren und die Gätuler, die durch den unbekannten und schrecklichen Lärm plötzlich aufwachten, konnten weder fliehen noch zu den Waffen greifen noch überhaupt etwas tun oder einen Gedanken fassen. (3) So hatte gleichsam der Wahnsinn alle erfasst durch den Lärm und das Geschrei, mit Aufruhr, Angst und Schrecken, ohne dass jemand zu Hilfe gekommen wäre, während unsere Soldaten angriffen. Schließlich wurden alle in die Flucht geschlagen, die Waffen und die meisten Feldzeichen erobert und mehr Feinde in dieser Schlacht als in allen vorhergehenden getötet; denn die Flucht wurde durch die Müdigkeit und die ungewöhnliche Panik behindert. 100 (1) Dann setzte Marius den bereits begonnenen Marsch ins Winterlager fort. Um den Nachschub zu sichern, hatte er beschlossen, sich in Küstenstädten aufzuhalten. Der Sieg machte ihn aber weder unvorsichtig noch übermütig, sondern Marius ließ sein Heer gerade so, als ob der Feind in der Nähe wäre, in Viereckformation marschieren: (2) Sulla mit der Reiterei auf der rechten Flanke, auf der linken führte Aulus Manlius das Kommando über die Schleuderer und die Bogenschützen sowie über die Ligurerkohorten. Als Vor- und Nachhut hatte Marius leichtbewaffnete Manipel unter dem Befehl von Tribunen aufgestellt. (3) Die Überläufer, die am unbeliebtesten, aber am ortskundigsten waren, erkundeten die feindliche Marschroute. Als ob er keine Befehlshaber eingesetzt hätte, kümmerte sich auch der Konsul um alle Belange selbst, leistete allen Hilfe, lobte und tadelte einen jeden so, wie er es verdient hatte. (4) Er selbst war bewaffnet und kampfbereit und forderte von seinen Soldaten dasselbe. Und ebenso wie auf dem Marsch verfuhr er auch, wenn man das Lager aufschlug: Er schickte Legionskohorten zum Wachdienst an den Toren, vor das Lager berittene Hilfstruppen; außerdem postierte er Soldaten auf dem

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in munimentis locare, vigilias ipse circumire, non tam diffidentia futurum, quae imperavisset, quam uti militibus exaequatus cum imperatore labor volentibus esset. (5) Et sane Marius illoque aliisque temporibus Iugurthini belli pudore magis quam malo exercitum coercebat. Quod multi per ambitionem fieri aiebant, a pueritia consuetam duritiam et alia, quae ceteri miserias vocant, voluptati habuisse. Nisi tamen res publica, pariter atque saevissumo imperio, bene atque decore gesta. 101 (1) Igitur quarto denique die haud longe ab oppido Cirta undique simul speculatores citi sese ostendunt, qua re hostis adesse intellegitur. (2) Sed quia divorsi redeuntes alius ab alia parte atque omnes idem significabant, consul incertus quonam modo aciem instrueret, nullo ordine commutato, advorsum omnia paratus ibidem opperitur. (3) Ita Iugurtham spes frustrata, qui copias in quattuor partis distribuerat, ratus ex omnibus aeque aliquos ab tergo hostibus venturos. (4) Interim Sulla, quem primum hostes attigerant, cohortatus suos turmatim et quam maxume confertis equis ipse aliique Mauros invadunt; ceteri in loco manentes ab iaculis eminus emissis corpora tegere et, si qui in manus venerant, obtruncare. (5) Dum eo modo equites proeliantur, Bocchus cum peditibus, quos Volux filius eius adduxerat neque in priore pugna in itinere morati affuerant, postremam Romanorum aciem invadunt. (6) Tum Marius apud primos agebat, quod ibi Iugurtha cum plurumis erat. Dein Numida cognito Bocchi adventu clam cum paucis ad pedites convortit. Ibi Latine – nam apud Numantiam loqui didicerat – exclamat nostros frustra pugnare, paulo ante Marium sua manu interfectum, simul gladium sanguine oblitum ostendere, quem in pugna satis impigre occiso pedite nostro cruentaverat. (7) Quod ubi milites accepere, magis atrocitate rei quam fide nuntii terrentur, simulque barbari animos tollere et in perculsos Romanos

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Wall innerhalb der Befestigungsanlagen, kontrollierte die Posten persönlich, nicht so sehr aus Misstrauen, dass seine Befehle etwa nicht ausgeführt würden, als vielmehr damit die Soldaten ihre Strapazen mit dem Feldherrn teilen könnten und diese daher gerne ertrügen. (5) Und in der Tat disziplinierte Marius damals und auch sonst während des Jugurthinischen Krieges seine Armee eher durch den Appell an das Ehrgefühl als durch die Androhung von Strafen. Viele sagten, dies sei aus Anbiederung geschehen, mehr noch behaupteten, dass Marius die Härte, an die er von Kindheit an gewohnt gewesen sei, und manches andere, was die anderen Menschen als Strapazen bezeichnen, als Vergnügen empfunden habe. Auf jeden Fall wurden die Interessen des Staates ebenso gut und würdevoll vertreten wie unter dem strengsten Regiment. 101 (1) Am vierten Tag erschienen schließlich unweit der Stadt Cirta von allen Seiten gleichzeitig Kundschafter in gestrecktem Galopp; daran konnte man erkennen, dass die Feinde in der Nähe waren. (2) Da sie jedoch, obwohl sie aus verschiedenen Richtungen zurückkehrten, alle dasselbe zu verstehen gaben, aber der eine von hier, der andere von dort, war der Konsul unsicher, wie er das Heer aufstellen sollte; er ließ die Ordnung unverändert und erwartete ebendort den Gegner, seinerseits auf alles vorbereitet. (3) So sah sich Jugurtha in seiner Hoffnung getäuscht; er hatte nämlich seine Truppen in vier Verbände aufgeteilt, in dem Glauben, dass wenigstens einige von seinen Leuten den Feinden in den Rücken fallen könnten. (4) Inzwischen feuerte Sulla, auf den die Feinde zuerst gestoßen waren, seine Leute an. Dann attackierten er und andere schwadronsweise und in möglichst engen Kavalleriereihen die Mauren. Die anderen blieben in ihrer Stellung, beschützten sich gegen die aus der Ferne geschleuderten Wurfgeschosse und machten nieder, wer sich ihnen zum Nahkampf stellte. (5) Während die Reiter solchermaßen kämpften, greift Bocchus zusammen mit seinen Fußsoldaten, die sein Sohn Volux herbeigeführt hatte und die an der vorherigen Schlacht nicht teilgenommen hatten, weil sie auf dem Marsch aufgehalten worden waren, die Nachhut der Römer an. (6) Marius hielt sich währenddessen bei der Vorhut auf, weil sich dort Jugurtha mit dem Großteil seiner Soldaten befand. Als der Numider von der Ankunft des Bocchus erfährt, begibt er sich möglichst unauffällig mit einigen wenigen Männern zur Infanterie. Dort ruft er auf Lateinisch (denn er hatte bei Numantia unsere Sprache gelernt), dass unsere Soldaten vergeblich kämpfen würden, er habe kurz zuvor Marius mit seiner eigenen Hand getötet. Zugleich zeigte er sein blutverschmiertes Schwert, das er im Kampf fleißig genug mit dem Blut unserer getöteten Fußsoldaten benetzt hatte. (7) Als die Soldaten dies hörten, werden sie eher von der Ungeheuerlichkeit der Aussage erschreckt als deswegen, weil sie Jugurthas Behauptung Glauben geschenkt hätten. Gleichzeitig schöpften die Barbaren Mut und griffen die entsetzten

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acrius incedere. (8) Iamque paulum a fuga aberant cum Sulla, profligatis iis, quos advorsum ierat, rediens ab latere Mauris incurrit. Bocchus statim avortitur. (9) At Iugurtha, dum sustentare suos et prope iam adeptam victoriam retinere cupit, circumventus ab equitibus, dextra sinistra omnibus occisis, solus inter tela hostium vitabundus erumpit. (10) Atque interim Marius fugatis equitibus accurrit auxilio suis, quos pelli iam acceperat. Denique hostes iam undique fusi. (11) Tum spectaculum horribile in campis patentibus: sequi fugere, occidi capi; equi atque viri afflicti, ac multi volneribus acceptis neque fugere posse neque quietem pati, niti modo ac statim concidere; postremo omnia, qua visus erat, constrata telis, armis, cadaveribus, et inter ea humus infecta sanguine. 102 (1) Post ea loci consul, haud dubie iam victor, pervenit in oppidum Cirtam, quo initio profectus intenderat. (2) Eo, post diem quintum, quam iterum barbari male pugnaverant, legati a Boccho veniunt, qui regis verbis ab Mario petivere, duos quam fidissumos ad eum mitteret: velle de suo et de populi Romani commodo cum iis disserere. Ille statim L. Sullam et A. Manlium ire iubet. (3) Qui quamquam acciti ibant, tamen placuit verba apud regem facere, ingenium aut avorsum flecterent aut cupidum pacis vehementius accenderent. (4) Itaque Sulla, quoius facundiae, non aetati a Manlio concessum, pauca verba huiusce modi locutus: (5) ‘Rex Bocche, magna laetitia nobis est, cum te talem virum di monuere, uti aliquando pacem quam bellum malles neu te optumum cum pessumo omnium Iugurtha miscendo commaculares, simul nobis demeres acerbam necessitudinem, pariter te errantem atque illum sceleratissumum persequi. (6) Ad hoc populo Romano iam a principio imperi melius visum amicos quam servos quaerere, tutiusque rati volentibus quam coactis imperitare.

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Römer noch entschlossener an. (8) Es hätte wenig gefehlt, und unsere Soldaten wären geflohen, da kehrt Sulla nach dem Sieg über seine Gegner zurück und stürmt von der Flanke her auf die Mauren ein. Bocchus wird sofort zum Rückzug gezwungen. (9) Während Jugurtha seine Leute aufhalten und den fast schon errungenen Sieg festhalten will, wird er von Reitern eingekreist, kann aber, nachdem zu seiner Rechten wie zu seiner Linken alle niedergemacht worden waren, als Einziger zwischen den feindlichen Geschossen geschickt hindurch schlüpfen. (10) Nachdem Marius inzwischen die Reiter zurückgeworfen hatte, kommt er seinen Leuten eilig zu Hilfe (er hatte nämlich schon gehört, dass sie zum Rückzug gezwungen wurden). Schließlich werden die Feinde überall in die Flucht geschlagen. (11) Da bot sich ein schreckliches Schauspiel auf dem weiten Schlachtfeld: Verfolgung, Flucht, Tod, Gefangenschaft; Pferde und Männer wurden niedergemacht, viele verwundet, konnten aber weder fliehen noch sich ruhig verhalten, sie konnten nur versuchen, sich aufzurichten, brachen aber sofort wieder zusammen; schließlich war alles, soweit das Auge blickte, bedeckt mit Geschossen, Waffen und Leichen und dazwischen war der Boden blutgetränkt. 102 (1) Danach kam der Konsul, der bereits der unzweifelhafte Sieger des Krieges war, in die Stadt Cirta, seinem eigentlichen Marschziel. (2) Dorthin kommen vier Tage, nachdem die Barbaren zum zweiten Mal erfolglos gekämpft hatten, Gesandte des Bocchus, die im Namen des Königs Marius darum baten, zwei möglichst zuverlässige Männer zu ihm zu schicken: Er wolle mit ihnen über seine eigenen Interessen und die des römischen Volkes sprechen. Marius befiehlt sofort Lucius Sulla und Aulus Manlius aufzubrechen. (3) Obwohl sie vom König eingeladen waren, wollten sie dennoch als erste vor ihm sprechen, um ihn entweder umzustimmen, falls er anderer Meinung sein sollte, oder um ihn in seinem Wunsch nach Frieden noch weiter zu bestärken. (4) Sulla, dem Manlius wegen seiner Wortgewandtheit, nicht wegen seines Alters den Vortritt ließ, hielt ungefähr die folgende Rede: „König Bocchus, es ist uns eine große Freude, dass die Götter dich, einen so bedeutenden Mann, dazu ermahnt haben, endlich den Frieden dem Krieg vorzuziehen, dich in Erinnerung an deine eigene Rechtschaffenheit nicht durch ein Bündnis mit Jugurtha, dem größten Verbrecher von allen, zu besudeln und zugleich uns die bittere Notwendigkeit zu nehmen, dich, der du nur vom rechten Weg abgekommen bist, in gleicher Weise wie diesen Erzschurken zu verfolgen. (6) Außerdem hatte das römische Volk schon zu Beginn seiner Herrschaft die Überzeugung, dass es besser sei, Freunde und nicht Sklaven zu gewinnen, und man hielt es für sicherer, über Menschen zu herrschen, die gerne Gefolgschaft leisten, statt über Menschen, die zum Gehorsam gezwungen werden.

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(7) Tibi vero nulla opportunior nostra amicitia, primum quia procul absumus, in quo offensae minimum, gratia par ac si prope adessemus; dein quia parentis abunde habemus, amicorum neque nobis neque quoiquam omnium satis fuit. (8) Atque hoc utinam a principio tibi placuisset: profecto ex populo Romano ad hoc tempus multo plura bona accepisses quam mala perpessus es. (9) Sed quoniam humanarum rerum fortuna pleraque regit, quoi scilicet placuit et vim et gratiam nostram te experiri, nunc, quando per illam licet, festina atque, uti coepisti, perge. (10) Multa atque opportuna habes, quo facilius errata officiis superes. (11) Postremo hoc in pectus tuom demitte, numquam populum Romanum beneficiis victum esse; nam, bello quid valeat, tute scis.’ (12) Ad ea Bocchus placide et benigne, simul pauca pro delicto suo verba facit: se non hostili animo, sed ob regnum tutandum arma cepisse. (13) Nam Numidiae partem unde vi Iugurtham expulerit iure belli suam factam, eam vastari a Mario pati nequivisse; praeterea missis antea Romam legatis repulsum ab amicitia. (14) Ceterum vetera omittere ac tum, si per Marium liceret, legatos ad senatum missurum. (15) Dein, copia facta, animus barbari ab amicis flexus, quos Iugurtha, cognita legatione Sullae et Manli metuens id, quod parabatur, donis corruperat. 103 (1) Marius interea exercitu in hibernaculis composito cum expeditis cohortibus et parte equitatus proficiscitur in loca sola obsessum turrim regiam, quo Iugurtha perfugas omnis praesidium imposuerat. (2) Tum rursus Bocchus, seu reputando quae sibi duobus proeliis venerant seu admonitus ab aliis amicis, quos incorruptos Iugurtha reliquerat, ex omni copia necessariorum quinque delegit, quorum et fides cognita et ingenia validissuma erant. (3) Eos ad Marium ac deinde, si placeat, Romam legatos ire iubet, agundarum rerum et quocumque modo belli componendi licentiam ipsis permittit. (4) Illi mature ad hiberna Romanorum proficiscuntur; deinde in itinere

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(7) Dir kommt aber keine Freundschaft gelegener als die mit uns, erstens weil wir weit weg sind, so dass es nur wenig Konfliktpotential gibt, die Wertschätzung aber genauso groß ist, wie wenn wir in der Nähe wären; zweitens weil wir zwar genügend Untertanen haben, aber weder wir noch überhaupt irgendein Mensch genügend Freunde haben kann. (8) Wenn du dich doch von Anfang an zu diesem Schritt entschlossen hättest! Dann hättest du bisher wahrhaftig viel mehr Vorteile vom römischen Volk genossen, als du jetzt Nachteile erfahren musstest! (9) Aber da ja die Glücksgöttin die meisten menschlichen Angelegenheiten lenkt und es ihr offenbar gefiel, dich unsere Gunst und unsere Macht spüren zu lassen, so beeile dich jetzt, da sie es dir nun erlaubt, und gehe den Weg weiter, den du bereits eingeschlagen hast. (10) Du hast viele günstige Gelegenheiten, um umso leichter deine Irrtümer durch pflichtbewusstes Verhalten auszugleichen. (11) Verinnerliche dir schließlich, dass noch niemand das römische Volk besiegt hat, wenn es darum ging, Gutes zu tun. Was es aber im Krieg zu leisten vermag, weißt du selbst am besten.“ (12) Darauf entgegnete Bocchus sanft und freundlich mit nur wenigen Worten, um sein Vergehen zu verteidigen: Er habe nicht in feindlicher Absicht zu den Waffen gegriffen, sondern um sein Reich zu verteidigen. (13) Denn der Teil Numidiens, aus dem er Jugurtha gewaltsam vertrieben habe, sei durch Kriegsrecht sein Eigentum geworden; er habe nicht zulassen können, dass Marius dieses Gebiet verwüstet. Außerdem habe er zuvor schon Gesandte nach Rom geschickt; seine Bitte um Freundschaft sei aber abgewiesen worden. (14) Die Vergangenheit wolle er aber vergessen und, wenn Marius einverstanden sei, Gesandte zum Senat schicken. (15) Und obwohl man ihm dazu die Erlaubnis erteilte, ließ sich der Barbar kurz danach wieder umstimmen, und zwar von den Vertrauten, die Jugurtha aus Angst vor dem, was wirklich geplant wurde, mit Geschenken bestochen hatte, als er von der Gesandtschaft des Sulla und des Manlius erfuhr. 103 (1) Nachdem Marius in der Zwischenzeit sein Heer im Winterlager einquartiert hatte, brach er mit kampfbereiten Kohorten und einem Teil der Reiterei in eine menschenleere Gegend auf, um dort ein Kastell des Königs zu belagern, in das Jugurtha eine Garnison aus Überläufern verlegt hatte. (2) Bocchus hatte nun entweder darüber nachgedacht, wie es ihm in zwei Schlachten ergangen war, oder aber er war von seinen anderen Freunden gewarnt worden, die Jugurtha noch unbestochen gelassen hatte: Auf jeden Fall wählte er aus allen seinen Vertrauten fünf aus, auf deren Loyalität und hohe Intelligenz er vertraute. (3) Ihnen befiehlt er, zu Marius zu gehen und dann, falls dieser einverstanden sei, als Gesandte nach Rom aufzubrechen. Er gibt ihnen die Vollmacht, persönlich zu verhandeln und auf welche Art auch immer den Krieg zu beenden. (4) Sie machen sich sofort auf den Weg zum römischen Winterlager.

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a Gaetulis latronibus circumventi spoliatique, pavidi, sine decore ad Sullam profugiunt, quem consul in expeditionem proficiscens pro praetore reliquerat. (5) Eos ille non pro vanis hostibus, uti meriti erant, sed accurate ac liberaliter habuit; qua re barbari et famam Romanorum avaritiae falsam et Sullam ob munificentiam in sese amicum rati. (6) Nam etiam tum largitio multis ignota erat: munificus nemo putabatur nisi pariter volens, dona omnia in benignitate habebantur. (7) Igitur quaestori mandata Bocchi patefaciunt; simul ab eo petunt, uti fautor consultorque sibi adsit; copias, fidem, magnitudinem regis sui et alia, quae aut utilia aut benevolentiae esse credebant, oratione extollunt. Dein Sulla omnia pollicito, docti quo modo apud Marium, item apud senatum verba facerent, circiter dies quadraginta ibidem opperiuntur. 104 (1) Marius postquam confecto quo intenderat negotio Cirtam redit et de adventu legatorum certior factus est, illosque et Sullam ab Tucca venire iubet, item L. Bellienum praetorem Utica, praeterea omnis undique senatorii ordinis, quibuscum mandata Bocchi cognoscit. (2) Legatis potestas Romam eundi fit, et ab consule interea indutiae postulabantur. Ea Sullae et plerisque placuere; pauci ferocius decernunt, scilicet ignari humanarum rerum, quae fluxae et mobiles semper in advorsa mutantur. (3) Ceterum Mauri impetratis omnibus rebus tres Romam profecti cum Cn. Octavio Rusone, qui quaestor stipendium in Africam portaverat, duo ad regem redeunt. Ex iis Bocchus cum cetera tum maxume benignitatem et studium Sullae lubens accepit. (4) Romaeque legatis eius, postquam errasse regem et Iugurthae scelere lapsum deprecati sunt, amicitiam et foedus petentibus hoc modo respondetur: (5) ‘Senatus et populus Romanus benefici et iniuriae memor esse solet. Ceterum Boccho, quoniam paenitet, delicta gratiae facit. Foedus et amicitia dabuntur cum meruerit.’

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Auf der Reise werden die Gesandten aber von gätulischen Banditen in eine Falle gelockt und ausgeplündert; sie fliehen ängstlich und ohne die äußeren Abzeichen ihrer Würde zu Sulla, den der Konsul, als er zu seinem Feldzug aufbrach, als Proprätor zurückgelassen hatte. (5) Sulla behandelt sie nicht als lügnerische Feinde, wie sie es verdient gehabt hätten, sondern nimmt sie höflich und großzügig auf. Daher glaubten die Barbaren, dass die Römer zu Unrecht im Ruf der Habgier stünden, und hielten Sulla wegen seiner Großzügigkeit ihnen gegenüber für einen Freund. (6) Denn auch damals war die Praxis der Bestechung noch vielen unbekannt: Man glaubte von jedem, er sei ohne Hintergedanken großzügig; alle Geschenke führte man auf Wohlwollen zurück. (7) Daher eröffnen sie dem Quästor, was Bocchus ihnen aufgetragen hatte; zugleich bitten sie ihn um seine Unterstützung und seinen Rat. Die Machtmittel, die Loyalität und die Bedeutung ihres Königs heben sie in ihrer Rede hervor, ebenso alles andere, was sie für nützlich oder für geeignet hielten, Wohlwollen zu erregen. Als dann Sulla alles zugesagt und sie instruiert hatte, wie sie vor Marius und wie sie im Senat reden sollten, warten sie ungefähr 40 Tage ebendort auf Marius. 104 (1) Nachdem Marius sein geplantes Unternehmen durchgeführt hatte, kehrte er nach Cirta zurück und wurde dort über die Ankunft der Gesandten in Kenntnis gesetzt. Er lässt sie und Sulla aus Tucca kommen, ebenso den Prätor Lucius Bellienus aus Utica, außerdem ausnahmslos alle in der Provinz wohnenden Senatoren. Mit ihnen berät er über das Angebot des Bocchus. (2) Den Gesandten wird die Erlaubnis erteilt, nach Rom zu gehen, der Konsul forderte für diese Zeit einen Waffenstillstand. Sulla und die meisten anderen vertraten dieselbe Ansicht. Nur wenige vertraten eine härtere Linie, sicherlich deswegen, weil sie den Lauf der menschlichen Geschicke nicht kannten, die wandelbar und unbeständig sind und immer ins Gegenteil umschlagen können. (3) Nachdem man alle Bitten der Mauren erfüllt hatte, brachen drei von ihnen zusammen mit Gnaeus Octavius Ruso, der als Quästor den Sold nach Africa gebracht hatte, nach Rom auf, zwei kehrten zum König zurück. Von ihnen erfährt Bocchus mit Freuden sowohl von den anderen Ereignissen als auch ganz besonders von Sullas Freundlichkeit und seinem aufmerksamen Verhalten. (4) Nachdem seine Gesandten in Rom um Nachsicht dafür gebeten hatten, dass der König in einem Irrtum befangen gewesen und nur durch Jugurthas verbrecherische Gesinnung vom rechten Weg abgekommen sei, tragen sie ihre Bitte um Freundschaft und ein Bündnis vor; ihnen wird wie folgt geantwortet: (5) „Der Senat und das Volk von Rom pflegen sich an gute Taten wie an Unrecht zu erinnern. Da Bocchus aber Reue zeigt, verzeihen sie ihm sein Vergehen. Er wird als Verbündeter und Freund anerkannt werden, sobald er es verdient hat.“

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105 (1) Quis rebus cognitis Bocchus per litteras a Mario petivit, uti Sullam ad se mitteret, quoius arbitratu communibus negotiis consuleretur. (2) Is missus cum praesidio equitum atque [peditum] funditorum Balearum; praeterea iere sagittarii et cohors Paeligna cum velitaribus armis, itineris properandi causa, neque his secus atque aliis armis advorsum tela hostium, quod ea levia sunt, muniti. (3) Sed in itinere quinto denique die Volux, filius Bocchi, repente in campis patentibus cum mille non amplius equitibus sese ostendit, qui temere et effuse euntes Sullae aliisque omnibus et numerum ampliorem vero et hostilem metum efficiebant. (4) Igitur se quisque expedire, arma atque tela temptare, intendere; timor aliquantus, sed spes amplior, quippe victoribus et advorsum eos, quos saepe vicerant. (5) Interim equites exploratum praemissi rem, uti erat, quietam nuntiant. 106 (1) Volux adveniens quaestorem appellat dicitque se a patre Boccho obviam illis simul et praesidio missum. Deinde eum et proxumum diem sine metu coniuncti eunt. (2) Post, ubi castra locata et diei vesper erat, repente Maurus incerto voltu pavens ad Sullam accurrit dicitque sibi ex speculatoribus cognitum Iugurtham haud procul abesse; simul, uti noctu clam secum profugeret, rogat atque hortatur. (3) Ille animo feroci negat se totiens fusum Numidam pertimescere: virtuti suorum satis credere; etiam si certa pestis adesset, mansurum potius quam proditis, quos ducebat, turpi fuga incertae ac forsitan post paulo morbo interiturae vitae parceret. (4) Ceterum ab eodem monitus, uti noctu proficisceretur, consilium adprobat ac statim milites cenatos esse in castris ignisque quam creberrumos fieri, dein prima vigilia silentio egredi iubet. (5) Iamque nocturno itinere fessis omnibus Sulla pariter cum ortu solis castra metabatur, cum equites Mauri nuntiant Iugurtham circiter duum milium intervallo ante eos consedisse. (6) Quod postquam auditum est, tum vero ingens metus nostros invadit; credere se proditos a Voluce et insidiis circumventos; ac fuere, qui dicerent manu vindicandum neque apud illum tantum

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105 (1) Als Bocchus davon erfuhr, bat er Marius schriftlich darum, Sulla zu ihm zu schicken, damit man nach dessen Vorstellungen über die gemeinsamen Interessen beraten könne. (2) Marius schickte ihn zu Bocchus mit einer Eskorte, die aus Reitern und balearischen Schleuderern bestand. Außerdem zogen Bogenschützen mit und eine Paelignerkohorte mit leichter Ausrüstung (um die Schnelligkeit zu erhöhen); dadurch waren sie ebenso gut gegen die feindlichen Wurfgeschosse geschützt wie durch jede andere Ausrüstung, da diese ein geringes Gewicht haben. (3) Auf dem Marsch erschien aber am fünften Tag plötzlich Volux, der Sohn des Bocchus, auf offenem Gelände mit nicht mehr als 1000 Reitern. Da diese aufs Geratewohl und ohne jegliche militärische Ordnung ritten, glaubten Sulla und die anderen, es handele sich um eine weitaus größere Anzahl, und fürchteten, es handele sich um Feinde. (4) Daher bereiteten sich alle auf ein Gefecht vor, prüften ihre Waffen und hielten sich zum Kampf bereit. Es herrschte zwar eine gewisse Furcht, aber ihr Optimismus war größer, da sie ja als Sieger kamen und gegen die Männer kämpfen sollten, über die schon oft gesiegt hatten. (5) Die als Kundschafter vorausgeschickten Reiter melden dann aber, dass keinerlei Gefahr drohe, was auch tatsächlich der Fall war. 106 (1) Volux reitet heran, begrüßt den Quästor und erklärt, dass er ihnen von seinem Vater als Geleitschutz entgegen geschickt worden sei. Daraufhin marschieren sie diesen und den nächsten Tag ohne irgendwelche Befürchtungen gemeinsam. (2) Als dann das Lager aufgeschlagen und der Abend hereingebrochen war, kommt plötzlich der Maure mit verlegener Miene und voller Angst zu Sulla gelaufen und meldet, dass er von den Kundschaftern erfahren habe, dass Jugurtha nicht weit entfernt sei; zugleich bittet und drängt er ihn, nachts heimlich mit ihm zu fliehen. (3) Sulla entgegnet unerschrocken, dass er den so oft in die Flucht geschlagenen Numider nicht fürchte: Er habe hinlängliches Vertrauen zur Kampfkraft seiner Männer. Auch wenn der sichere Untergang bevorstünde, würde er eher bleiben als seine Leute zu verraten und durch eine schändliche Flucht sein ohnehin gefährdetes Leben zu schonen, dem womöglich schon bald eine Krankheit ein Ende setzen könnte. (4) Als Volux ihn aber dazu auffordert, in der Nacht aufzubrechen, stimmt er diesem Plan zu und befiehlt den Soldaten, sich nach dem Abendessen unverzüglich im Lager bereit zu halten, möglichst viele Feuer zu entfachen und dann zur ersten Nachtwache [d.h. während der ersten drei Stunden nach Sonnenuntergang] das Lager möglichst leise zu verlassen. (5) Als schon alle vom nächtlichen Marsch erschöpft waren, lässt Sulla bei Tagesanbruch den Platz für ein Lager abstecken, als maurische Reiter melden, dass Jugurtha ungefähr zwei Meilen vor ihnen Stellung bezogen habe. (6) Als sie dies hörten, ergriff unsere Leute Panik; sie glaubten, sie seien von Volux verraten worden und säßen in der Falle. Einige sagten sogar, man müsse ihn hinrichten und dürfe ihm ein

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scelus inultum relinquendum. 107 (1) At Sulla, quamquam eadem existumabat, tamen ab iniuria Maurum prohibet. Suos hortatur, uti fortem animum gererent: saepe antea paucis strenuis advorsum multitudinem bene pugnatum; quanto sibi in proelio minus pepercissent, tanto tutiores fore, nec quemquam decere, qui manus armaverit, ab inermis pedibus auxilium petere, in maxumo metu nudum et caecum corpus ad hostis vortere. (2) Dein Volucem, quoniam hostilia faceret, Iovem maxumum obtestatus, ut sceleris atque perfidiae Bocchi testis adesset, ex castris abire iubet. (3) Ille lacrumans orare ne ea crederet: nihil dolo factum, ac magis calliditate Iugurthae, quoi videlicet speculanti iter suom cognitum esset; (4) ceterum quoniam neque ingentem multitudinem haberet et spes opesque eius ex patre suo penderent, credere illum nihil palam ausurum, cum ipse filius testis adesset. (5) Quare optumum factu videri per media eius castra palam transire; sese vel praemissis vel ibidem relictis Mauris solum cum Sulla iturum. (6) Ea res, uti in tali negotio, probata; ac statim profecti, quia de improviso acciderant, dubio atque haesitante Iugurtha incolumes transeunt. (7) Deinde paucis diebus quo ire intenderant perventum est. 108 (1) Ibi cum Boccho Numida quidam Aspar nomine multum et familiariter agebat, praemissus ab Iugurtha, postquam Sullam accitum audierat, orator et subdole speculatum Bocchi consilia; praeterea Dabar, Massugradae filius, ex gente Masinissae, ceterum materno genere impar – nam pater eius ex concubina ortus erat – Mauro ob ingeni multa bona carus acceptusque. (2) Quem Bocchus fidum esse Romanis multis ante tempestatibus expertus ilico ad Sullam nuntiatum mittit paratum sese facere quae populus Romanus vellet: colloquio diem, locum, tempus ipse deligeret neu Iugurthae legatum pertimesceret; consulto sese omnia cum illo integra habere, quo res communis licentius gereretur; nam ab insidiis eius aliter caveri nequivisse. (3) Sed ego comperior Bocchum magis Punica fide quam ob ea, quae praedicabat, simul Romanos et Numidam spe

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solches Verbrechen nicht ungestraft hingehen lassen. 107 (1) Obwohl Sulla denselben Verdacht hegte, lässt er dennoch nicht zu, dass dem Mauren ein Unrecht zugefügt wird. Er fordert seine Männer zur Tapferkeit auf: Schon oft hätten wenige tüchtige Männer gegen eine Übermacht erfolgreich gekämpft; je weniger sie sich in der Schlacht schonen würden, desto sicherer würden sie sein; es sei eine Schande, wenn jemand, der die Waffe in die Hand genommen habe, Hilfe bei seinen unbewaffneten Füßen suche, wenn er in größter Angst seinen Körper schutzlos und blind dem Feind zuwende. (2) Dann ruft er Iuppiter Maximus an, als Zeuge von Bocchus’ Verbrechen und Verrat zugegen zu sein und befiehlt Volux (da er ja auf der Seite des Feindes stehe), das Lager zu verlassen. (3) Dieser bat Sulla weinend, das nicht zu glauben: Das alles sei nicht auf seine Heimtücke zurückzuführen, sondern vielmehr auf Jugurthas Verschlagenheit, dem selbstverständlich durch Kundschafter ihre Marschroute bekannt sei. (4) Im übrigen glaube er, dass Jugurtha keinen offenen Angriff wagen werde, da dieser nur über eine bescheidene Truppenstärke verfüge, alle seine Hoffnungen und Machtmittel von seinem [Volux’] Vater abhingen und dessen Sohn persönlich als Zeuge anwesend sei. (5) Daher halte er es für das Beste, ganz offen mitten durch Jugurthas Lager zu marschieren; er werde die Mauren vorausschicken oder ebendort zurücklassen und alleine mit Sulla gehen. (6) Angesichts einer solchen Situation wurde dieser Vorschlag für gut befunden. Und sie brachen sofort auf und können unbehelligt vorbeiziehen, weil Jugurtha wegen des unvorhergesehenen Coups unentschlossen zögerte. (7) Dann gelangten sie nach wenigen Tagen an ihr Ziel. 108 (1) Dort führte ein Numider namens Aspar mit Bocchus lange vertrauliche Verhandlungen. Denn als Jugurtha hörte, dass Bocchus Sulla zu sich bestellt hatte, hatte er Aspar als Unterhändler vorausgeschickt mit dem Auftrag, heimlich die Absichten des Bocchus in Erfahrung zu bringen. Außerdem war dort Dabar, der Sohn des Massugrada aus dem Geschlecht des Masinissa (von mütterlicher Seite her aber nicht ebenbürtig, da sein Vater der Sohn einer Nebenfrau war), der dem Mauren wegen seiner vielfältigen Begabung lieb und teuer war. (2) Da Bocchus schon oft bemerkt hatte, dass Dabar den Römern gegenüber loyal war, schickt er ihn sofort zu Sulla, um ihm mitteilen zu lassen, dass er bereit sei, allen Wünschen des römischen Volkes nachzukommen; Sulla solle selbst Tag, Ort und Zeitpunkt für die Unterredung bestimmen und, was Jugurthas Gesandten angehe, ganz unbesorgt sein; er habe absichtlich den Kontakt zu Jugurtha aufrechterhalten, damit man die gemeinsamen Angelegenheiten offener besprechen könne. Er habe sich nämlich nicht anders vor dessen Anschlägen zu schützen gewusst. (3) Ich habe aber erfahren, dass Bocchus eher aufgrund seiner ‚punischen Treue‘ als wegen der von ihm vorgeschobenen Gründe sowohl den Römern als auch dem Numider Hoffnungen

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pacis attinuisse multumque cum animo suo volvere solitum, Iugurtham Romanis an illi Sullam traderet; lubidinem advorsum nos, metum pro nobis suasisse. 109 (1) Igitur Sulla respondit se pauca coram Aspare locuturum, cetera occulte nullo aut quam paucissumis praesentibus; simul edocet quae sibi responderentur. (2) Postquam sicuti voluerat congressi, dicit se missum a consule venisse quaesitum ab eo pacem an bellum agitaturus foret. (3) Tum rex, uti praeceptum fuerat, post diem decumum redire iubet, ac nihil etiam nunc decrevisse, sed illo die reponsurum. Deinde ambo in sua castra digressi. (4) Sed ubi plerumque noctis processit, Sulla a Boccho occulte arcessitur; ab utroque tantummodo fidi interpretes adhibentur, praeterea Dabar internuntius, sanctus vir et ex sententia ambobus. Ac statim sic rex incipit: 110 (1) ‘Numquam ego ratus sum fore, uti rex maxumus in hac terra et omnium, quos novi, privato homini gratiam deberem. (2) Et mehercule, Sulla, ante te cognitum multis orantibus, aliis ultro egomet opem tuli, nullius indigus. (3) Id inminutum, quod ceteri dolere solent, ego laetor: fuerit mihi eguisse aliquando pretium tuae amicitiae, qua apud meum animum nihil carius habeo. (4) Id adeo experiri licet: arma, viros, pecuniam, postremo, quicquid animo lubet, sume, utere, et quoad vives numquam tibi redditam gratiam putaveris: semper apud me integra erit. (5) Denique nihil me sciente frustra voles; nam, ut ego aestimo, regem armis quam munificentia vinci minus flagitiosum est. (6) Ceterum de re publica vostra, quoius curator huc missus es, paucis accipe. Bellum ego populo Romano neque feci neque factum umquam volui, at finis meos advorsum armatos armis tutatus sum. (7) Id omitto, quando vobis ita placet. Gerite quod voltis cum Iugurtha bellum. (8) Ego flumen Muluccham, quod inter me et Micipsam fuit, non egrediar neque id intrare Iugurtham sinam. Praeterea si quid meque vobisque dignum petiveris, haud repulsus abibis.’

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auf einen Friedensschluss gemacht hat und er oft zu überlegen pflegte, ob er Jugurtha den Römern oder Sulla dem Numiderkönig ausliefern solle; seine Neigung soll gegen, seine Angst aber für uns gesprochen haben. 109 (1) Sulla erwiderte nun, dass er über einige wenige Punkte in Aspars Gegenwart sprechen werde, über den Rest aber nur unter vier Augen oder vor möglichst wenigen Zeugen. Zugleich informiert er Bocchus, welche Antwort er ihm offiziell geben solle. (2) Als das Treffen seinen Vorstellungen entsprechend stattfand, führte Sulla aus, dass er als Gesandter des Konsuls gekommen sei, um Bocchus zu fragen, ob er sich für den Frieden oder für den Krieg zu entscheiden gedenke. (3) Daraufhin befahl ihm der König, so wie er instruiert worden war, in zehn Tagen wiederzukommen, und erklärte, er habe sich jetzt noch nicht entschieden, sondern werde ihm dann erst eine Antwort geben. Dann trennten sich die beiden und gingen in ihr Lager. (4) Sobald aber ein Großteil der Nacht verstrichen war, wird Sulla heimlich von Bocchus herbeigeholt; beide ziehen nur ihre zuverlässigen Dolmetscher hinzu, außerdem den Mittelsmann Dabar, einen integeren und von beiden geschätzten Mann. Und sofort beginnt der König wie folgt: 110 (1) „Niemals hätte ich geglaubt, dass ich, der größte König in dieser Gegend und überhaupt von allen Königen, die ich kenne, einem Privatmann einmal Dank schulden würde. (2) Und in der Tat, Sulla, bevor ich dich kannte, habe ich immer vielen Menschen auf deren Bitten hin, anderen wiederum, ohne gebeten worden zu sein, Hilfe gebracht, ich selber benötigte aber keine. (3) Dass dieses Prinzip durchbrochen wurde (was andere gewöhnlich betrübt), darüber freue ich mich. Möge es der Preis für deine Freundschaft sein, dass auch ich einmal Hilfe nötig hatte – und deine Freundschaft ist für mich das wichtigste. (4) Eben das kannst du auch auf die Probe stellen: Waffen, Männer, Geld, überhaupt alles, was du willst: Nimm es, verwende es und sei versichert, dass dir niemals genug gedankt sein wird, solange du lebst; meine Dankbarkeit wird niemals kleiner werden. (5) Schließlich wirst du keine unerfüllten Wünsche mehr haben, sofern ich von ihnen erfahre. Denn es ist meines Erachtens weniger schändlich für einen König, mit Waffen als in der Kunst des Gebens besiegt zu werden. (6) Lass mich aber kurz über euren Staat, als dessen Vertreter du hierher gesandt wurdest, einiges sagen. Ich habe niemals Krieg gegen das römische Volk geführt noch hatte ich jemals die Absicht. Aber ich habe mein Gebiet mit Waffengewalt gegen Bewaffnete geschützt. (7) Das unterlasse ich aber nun, da ihr es so wollt. Führt mit Jugurtha den Krieg, den ihr zu führen beabsichtigt. (8) Ich werde den Fluss Muluccha, der die Grenze zwischen Micipsas Reich und meinem war, nicht überschreiten noch werde ich zulassen, dass Jugurtha dies tut. Solltest du außerdem um etwas bitten, was meiner und eurer Würde entspricht, so wirst du nicht mit einer Ablehnung beschieden werden.“

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111 (1) Ad ea Sulla pro se breviter et modice, de pace et communibus rebus multis disseruit. Denique regi patefecit quod polliceatur senatum et populum Romanum, quoniam armis amplius valuissent, non in gratiam habituros: faciundum ei aliquid quod illorum magis quam sua rētulisse videretur. Id adeo in promptu esse quoniam copiam Iugurthae haberet, quem si Romanis tradidisset, fore, ut illi plurumum deberetur; amicitiam, foedus, Numidiae partem quam nunc peteret tum ultro adventuram. (2) Rex primo negitare: cognationem, affinitatem, praeterea foedus intervenisse; ad hoc metuere, ne fluxa fide usus popularium animos avorteret, quis et Iugurtha carus et Romani invisi erant. (3) Denique saepius fatigatus lenitur et ex voluntate Sullae omnia se facturum promittit. (4) Ceterum ad simulandam pacem, quoius Numida defessus bello avidissumus erat, quae utilia visa constituunt. Ita composito dolo digrediuntur. 112 (1) At rex postero die Asparem, Iugurthae legatum, appellat dicitque sibi per Dabarem ex Sulla cognitum posse condicionibus bellum poni: quam ob rem regis sui sententiam exquireret. (2) Ille laetus in castra Iugurthae proficiscitur; deinde ab illo cuncta edoctus properato itinere post diem octavum redit ad Bocchum et ei nuntiat Iugurtham cupere omnia, quae imperarentur, facere, sed Mario parum confidere; saepe antea cum imperatoribus Romanis pacem conventam frustra fuisse. (3) Ceterum Bocchus si ambobus consultum et ratam pacem vellet, daret operam, ut una ab omnibus quasi de pace in colloquium veniretur, ibique sibi Sullam traderet: cum talem virum in potestatem habuisset, tum fore, uti iussu senatus aut populi foedus fieret; neque hominem nobilem non sua ignavia, sed ob rem publicam in hostium potestate relictum iri. 113 (1) Haec Maurus secum ipse diu volvens tandem promisit; ceterum dolo an vere cunctatus parum comperimus. Sed plerumque regiae voluntates ut vehementes sic mobiles, saepe ipsae sibi advorsae. (2) Postea tempore et loco constituto in colloquium uti de pace veniretur, Bocchus Sullam modo, modo

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111 (1) Darauf antwortete Sulla nur kurz und zurückhaltend im Hinblick auf seine eigene Person, sprach aber ausführlich über den Frieden und die gemeinsamen Interessen. Schließlich eröffnete er dem König, dass Senat und Volk von Rom sein Versprechen nicht als einen Gunsterweis betrachten würden, da sie ja über die militärische Übermacht verfügten: Er müsse etwas tun, was offensichtlich eher in ihrem als in seinem eigenen Interesse liege. Aber eben dies liege auf der Hand, da er ja Jugurtha in seiner Gewalt habe; wenn er ihn den Römern ausliefere, würde man ihm sehr verpflichtet sein: Freundschaft, Bündnis und der Teil Numidiens, den er jetzt gerne besäße, würden ihm von selbst zufallen. (2) Der König lehnte zunächst ab: Es bestehe Verwandtschaft, Verschwägerung, schließlich auch ein Bündnis; außerdem fürchte er, dass er sich durch eine schwankende Loyalität seine Landsleute entfremde, bei denen Jugurtha beliebt und die Römer verhasst seien. (3) Schließlich wird er auf wiederholtes Drängen hin schwach und verspricht, alles Sullas Wünschen entsprechend auszuführen. (4) Dann vereinbaren sie alle Manöver, die dazu dienen sollten, die Bereitschaft zu einem Frieden vorzutäuschen, den der kriegsmüde Numider unbedingt wollte. Nachdem sie ihren Plan geschmiedet hatten, gehen sie auseinander. 112 (1) Am folgenden Tage spricht aber der König Jugurthas Gesandten Aspar an und erklärt ihm, dass er über Dabars Vermittlung von Sulla erfahren habe, dass der Krieg unter gewissen Bedingungen beigelegt werden könne. Daher solle er die Ansicht seines Königs in Erfahrung bringen. (2) Voller Freude macht sich Aspar auf den Weg in Jugurthas Lager, der ihn daraufhin über alle seine Wünsche in Kenntnis setzt. Nach acht Tagen kehrt Aspar in aller Eile zu Bocchus zurück und meldet ihm, dass Jugurtha willens sei, allen Befehlen Folge zu leisten, dass er aber Marius nicht recht traue. Oft genug schon sei ein mit den römischen Feldherren geschlossenes Friedensabkommen nichtig gewesen. (3) Wenn aber Bocchus beide am Herzen lägen und er einen gültigen Friedensvertrag haben wolle, so solle er dafür Sorge tragen, dass alle Seiten scheinbar zu einer Verhandlung über den Frieden zusammenkämen, und ihm dann Sulla ausliefern. Wenn er einen so bedeutenden Mann in seiner Gewalt habe, dann werde auf Befehl des Senats oder des Volkes ein Bündnis geschlossen werden. Man werde nämlich einen Adeligen, der nicht durch seine Unfähigkeit, sondern wegen seines Engagements für den Staat in die Gewalt der Feinde geraten sei, nicht im Stiche lassen. 113 (1) Nachdem der Maure lange darüber nachgedacht hatte, versprach er es endlich – ob er aber nur aus Heimtücke oder ernsthaft zögerte, wissen wir nicht. Meistens sind aber die Leidenschaften der Könige so heftig wie schwankend, oft widersprechen sie einander auch. (2) Als danach ein Ort und ein Termin für die Friedensverhandlung vereinbart worden waren, wendet sich Bocchus bald

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DE BELLO IUGURTHINO

Iugurthae legatum appellare, benigne habere, idem ambobus polliceri. Illi pariter laeti ac spei bonae pleni esse. (3) Sed nocte ea, quae proxuma fuit ante diem colloquio decretum, Maurus adhibitis amicis ac statim inmutata voluntate remotis ceteris dicitur secum ipse multum agitavisse, voltu, corporis pariter atque animo varius; quae scilicet ita tacente ipso occulta pectoris patefecisse. (4) Tamen postremo Sullam arcessi iubet et ex illius sententia Numidae insidias tendit. (5) Deinde, ubi dies advenit et ei nuntiatum est Iugurtham haud procul abesse, cum paucis amicis et quaestore nostro quasi obvius honoris causa procedit in tumulum facillumum visu insidiantibus. (6) Eodem Numida cum plerisque necessariis suis inermis, uti dictum erat, accedit ac statim signo dato undique simul ex insidiis invaditur. (7) Ceteri obtruncati, Iugurtha Sullae vinctus traditur et ab eo ad Marium deductus est. 114 (1) Per idem tempus advorsum Gallos ab ducibus nostris Q. Caepione et M. Mallio male pugnatum. (2) Quo metu Italia omnis contremuerat. Illincque et inde usque ad nostram memoriam Romani sic habuere, alia omnia virtuti suae prona esse, cum Gallis pro salute, non pro gloria certare. (3) Sed postquam bellum in Numidia confectum et Iugurtham Romam vinctum adduci nuntiatum est, Marius consul absens factus est et ei decreta provincia Gallia, isque Kalendis Ianuariis magna gloria consul triumphavit. (4) Et ea tempestate spes atque opes civitatis in illo sitae.

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an Sulla, bald an Jugurthas Gesandten, behandelt beide freundlich und macht beiden dieselben Versprechungen. Beide waren in gleicher Weise zufrieden und voller Zuversicht. (3) Aber in der Nacht vor der Unterredung soll der Maure zunächst seine Freunde hinzugezogen, dann aber nach einem Sinneswandel wieder weggeschickt haben; dann habe er lange nachgedacht, wobei seine Miene, seine Gesichtsfarbe, seine Bewegungen genauso wechselhaft wie seine Stimmung gewesen sein sollen. Solche Anzeichen haben natürlich, obwohl er selbst schwieg, die Geheimnisse seines Herzens verraten. (4) Dennoch lässt er schließlich Sulla kommen und stellt dem Numider nach dessen Wunsch eine Falle. (5) Als es Tag wurde und man ihm meldete, dass Jugurtha im Anmarsch sei, geht er ihm mit einigen wenigen Freunden und unserem Quästor entgegen, als ob sie ihn ehren wollten, und begibt sich auf einen Hügel, der für die Männer, die im Hinterhalt lagen, sehr leicht einzusehen war. (6) Dorthin kam auch der Numider mit mehreren Vertrauten, wie vereinbart ohne Waffen. Sofort wird er auf ein Zeichen hin von allen Seiten zugleich aus dem Hinterhalt angegriffen. (7) Die anderen werden niedergemacht, Jugurtha dem Sulla gefesselt ausgeliefert und von diesem zu Marius gebracht. 114 (1) Zu derselben Zeit kämpften unsere Feldherren Quintus Caepio und Marcus Mallius erfolglos gegen die Gallier [105 v. Chr.]. (2) Diese Niederlage ließ ganz Italien vor Angst erzittern. Und seitdem und bis in unsere Zeit hielten es die Römer so: Alles andere sei ihrer Kampfkraft unterlegen, aber mit den Galliern kämpfe man auf Leben und Tod, nicht um Ruhm. (3) Aber nachdem der Krieg in Numidien beendet war und gemeldet wurde, dass Jugurtha in Fesseln nach Rom gebracht werde, ist Marius in Abwesenheit zum Konsul gewählt worden und man wies ihm die Provinz Gallia zu. Er triumphierte am 1. Januar [104 v. Chr.] ruhmreich als Konsul. (4) Und zu diesem Zeitpunkt ruhten alle Hoffnungen und die ganze Macht des Staates auf ihm.

C. SALLUSTII CRISPI HISTORIARUM FRAGMENTA SELECTA SALLUST HISTORIEN

C. SALLUSTII CRISPI HISTORIARUM FRAGMENTA SELECTA Liber I 1. Res populi Romani M. Lepido Q. Catulo consulibus ac deinde militiae et domi gestas composui. 3*. Nos in tanta doctissumorum copia 4. Romani generis disertissumus paucis absolvit. 5*. In quis longissumo aevo plura de bonis falsa in deterius composuit. 6*. Neque me divorsa pars in civilibus armis movit a vero. 7. Nobis primae dissensiones vitio humani ingeni evenere, quod inquies atque indomitum semper in certamine libertatis aut gloriae aut dominationis agit. 8. Nam a primordio urbis ad bellum Persi Macedonicum 11. Res Romana plurumum imperio valuit Ser. Sulpicio et M. Marcello consulibus omni Gallia cis Rhenum atque inter mare nostrum et Oceanum, nisi qua paludibus invia fuit, perdomita. Optumis autem moribus et maxuma concordia egit inter secundum atque postremum bellum Carthaginiense . At discordia et avaritia atque ambitio et cetera secundis rebus oriri sueta mala post Carthaginis excidium maxume aucta sunt. Nam iniuriae validiorum et ob eas discessio plebis a patribus aliaeque dissensiones domi fuere iam inde a principio, neque amplius quam regibus exactis, dum metus a Tarquinio et bellum grave cum Etruria positum est, aequo et modesto iure agitatum. Dein servili imperio patres plebem exercere, de vita atque tergo regio more consulere, agro pellere et ceteris expertibus soli in imperio agere.

SALLUST HISTORIEN Erstes Buch 1. Ich habe die Geschichte des römischen Volkes in Friedens- wie in Kriegszeiten seit dem Konsulat des Marcus Lepidus und des Quintus Catulus [78 v. Chr.] und in den darauffolgenden Jahren dargestellt. 3. Angesichts einer so großen Zahl hochgelehrter (Autoren haben) wir 4. Der redegewandteste Mann des römischen Geschlechts hat dies kurz dargestellt. 5. Darin ((oder oder Dabei) hat er im Laufe seines sehr langen Lebens zahlreiche falsche Geschichten über anständige Männer noch negativer gemacht. 6. Aber die Tatsache, dass ich im Bürgerkrieg auf der Gegenseite stand, hat mich nicht von der Wahrheit abgebracht. 7. Nach unserer Auffassung sind die ersten Auseinandersetzungen durch die fehlerhafte Veranlagung der Menschen entstanden, die ruhelos und unbändig immer nur um Freiheit, Ruhm oder Macht kämpfen. 8. Denn von den Anfängen der Stadt bis zum Makedonischen Krieg gegen Perseus 11. Der römische Staat war am mächtigsten im Konsulatsjahr von Servius Sulpicius und Marcus Marcellus [51 v. Chr.], als ganz Gallien bis zum Rhein und vom Mittelmeer bis zum Ozean unterworfen war, abgesehen von den unzugänglichen Sumpfgebieten. Aber hinsichtlich der Moral und der Eintracht unter den Bürgern hatte der römische Staat seinen Höhepunkt bereits zwischen dem zweiten und dem letzten Krieg gegen die Karthager erreicht, und die Ursache für diesen idealen Zustand war nicht die Liebe zur Gerechtigkeit, sondern die Angst vor einem unzuverlässigen Frieden, solange Karthago noch Bestand hatte. Aber Streitsucht, Habgier und Ehrgeiz und alle anderen Laster, die in glücklichen Zeiten zu entstehen pflegen, haben nach dem Untergang Karthagos ganz besonders zugenommen. Denn das Unrecht der Stärkeren, die deshalb erfolgte Trennung der Plebs von den Patriziern und andere innenpolitische Meinungsverschiedenheiten gab es schon von Beginn an. Und gleiches und maßvoll angewendetes Recht herrschte nur bis zur Vertreibung der Könige, als sich die Angst vor Tarquinius gelegt hatte und der schwere Krieg mit den Etruskern beendet war. Dann übten die Patrizier eine Tyrannei über die Plebs aus, verhängten Todes- und Prügelstrafen über die Plebejer nach der Manier von Königen, vertrieben sie von ihrem Land und waren allei-

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Quibus saevitiis et maxume fenore oppressa plebes, cum assiduis bellis tributum et militiam simul toleraret, armata montem Sacrum atque Aventinum insedit tumque tribunos plebis et alia iura sibi paravit. Discordiarum et certaminis utrimque finis fuit secundum bellum Punicum. 12. Postquam remoto metu Punico simultates exercere vacuom fuit, plurumae turbae, seditiones et ad postremum bella civilia orta sunt, dum pauci potentes, quorum in gratiam plerique concesserant, sub honesto patrum aut plebis nomine dominationes affectabant; bonique et mali cives appellati non ob merita in rem publicam, omnibus pariter corruptis, sed uti quisque locupletissumus et iniuria validior, quia praesentia defendebat, pro bono ducebatur. 13. Omniumque partium decus in mercedem corruptum erat. 16*. Ex quo tempore maiorum mores non paulatim ut antea, sed torrentis modo praecipitati; adeo iuventus luxu atque avaritia corrupta, ut merito dicatur genitos esse, qui neque ipsi habere possent res familiaris neque alios pati. 17*. Augustinus, De civitate Dei 2,21: Eo quippe tempore disputatur, quo iam unus Gracchorum occisus fuit, a quo scribit seditiones graves coepisse Sallustius. 18. Et relatus inconditae olim vitae mos, ut omne ius in viribus esset. 19*. Tantum antiquitatis curaeque maioribus pro Italica gente fuit. 21*. Atque omnis Italia animis discessit. 23*. Quippe vasta Italia rapinis, fuga, caedibus. 24. Postremo ipsos colonos per miserias et incerta humani generis orare. 31*. ut Sullae dominatio, quam ultum ierat, desideraretur 32. Quis rebus Sulla suspectis maximeque ferocia regis Mithridatis in tempore bellaturi

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ne im Besitz der Macht, während die anderen davon ausgeschlossen waren. Von derartigen Grausamkeiten und vor allem von der Schuldenlast erdrückt, bewaffnete sich die Plebs, als sie wegen der andauernden Kriege Steuern und Kriegsdienst zugleich ertragen musste, und besetzte den Mons Sacer und den Aventin; und damals erkämpfte sie sich das Volkstribunat und andere Rechte. Das Ende der Uneinigkeit und der Auseinandersetzungen zwischen den beiden Seiten war der Zweite Punische Krieg. 12. Als man aber die Karthager nicht mehr fürchten musste und es daher möglich war, innenpolitische Streitigkeiten auszufechten, entstanden zahllose Unruhen, Aufstände und schließlich Bürgerkriege. Dabei schützten einige wenige Mächtige, unter deren Einfluss die meisten Bürger geraten waren, die ehrenvollen Begriffe ‚Senat’ oder ‚Plebs’ vor, strebten in Wirklichkeit aber nach der Herrschaft. Man bezeichnete Bürger als gut oder schlecht nicht aufgrund ihrer Verdienste um den Staat (alle waren ja gleichermaßen verkommen), sondern je mehr Wohlstand jemand hatte und je stärker er durch Unrecht geworden war, als ein umso besserer Bürger galt er, da er seinen Status quo verteidigen konnte. 13. Und die Ehre aller Parteien war durch Geldzahlungen korrumpiert worden. 16. Seit dieser Zeit verfiel die Moral der Vorfahren nicht mehr allmählich wie zuvor, sondern nach Art eines Sturzbaches. Die Jugend war so von Ausschweifung und Habgier verdorben, dass man zu Recht sagen könnte, dass Menschen geboren wurden, die einerseits selbst kein Vermögen besaßen und es andererseits nicht ertragen konnten, wenn andere vermögend waren. 17. Augustin, Gottesstaat 2,21: Die Diskussion findet zu einer Zeit statt, als der eine der beiden Gracchen bereits getötet worden war, was laut Sallust der Beginn schwerer Unruhen gewesen ist. 18. Und man führte wieder das Prinzip ein, das in der Frühzeit gegolten hatte, als das Leben der Menschen noch keine Regeln und Ordnungen kannte, nämlich das Prinzip des reinen Faustrechts. 19. So viel Verantwortungsgefühl und Fürsorge empfanden unsere Vorfahren für das italische Volk. 21. Und die Meinungen in ganz Italien spalteten sich. 23. Freilich war Italien verwüstet durch Raubzüge, Flucht und Mord. 24. Schließlich beschwor er die Siedler persönlich im Namen des Elends und des ungewissen Laufs der menschlichen Schicksale. 31. so dass man Sullas Herrschaft wieder herbeisehnte, an der er hatte Rache nehmen wollen 32. Sulla (…) da ihm diese Dinge verdächtig waren und vor allem der ungestüme Charakter des Mithridates, der zu einem für ihn günstigen Zeitpunkt kämpfen wollte

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34*. Inde ortus sermo percunctantibus utrimque, satin salve, quam grati ducibus suis, quantis familiaribus copiis agerent. 38*. Carbo turpi formidine Italiam atque exercitum deseruit. 44. ut in M. Mario, quoi fracta prius crura bracchiaque et oculi effossi, scilicet ut per singulos artus exspiraret 45. Et liberis eius avunculus erat. 46. Magnis operibus perfectis obsidium coepit per L. Catilinam legatum. 47. cum arae et alia diis sacrata supplicum sanguine foedarentur 49. Igitur venditis proscriptorum bonis aut dilargitis 50. nihil ob tantam mercedem sibi abnuituros 51. Quo patefactum est rem publicam praedae, non libertati repetitam. 53. Id bellum excitabat metus Pompei victoris Hiempsalem in regnum restituentis. 54. De praefecto urbis quasi possessione rei publicae magna utrimque vi contendebatur. 55. Oratio Lepidi consulis ad populum Romanum: (1) “Clementia et probitas vostra, Quirites, quibus per ceteras gentis maxumi et clari estis, plurumum timoris mihi faciunt advorsum tyrannidem L. Sullae, ne, quae ipsi nefanda aestumatis, ea parum credundo de aliis circumveniamini – praesertim cum illi spes omnis in scelere atque perfidia sit neque se aliter tutum putet, quam si peior atque intestabilior metu vostro fuerit, quo captis libertatis curam miseria eximat – aut, si provideritis, in tutandis periculis magis quam ulciscendo teneamini. (2) Satellites quidem eius, homines maxumi nominis optumis maiorum exemplis, nequeo satis mirari, qui dominationis in vos servitium suom mercedem dant et utrumque per iniuriam malunt quam optumo iure liberi agere, (3) praeclara Brutorum atque Aemiliorum et Lutatiorum proles, geniti ad ea, quae maiores virtute peperere, subvortunda! (4) Nam quid

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34. Darauf entstand ein Gespräch, in dem beide Seiten Frage stellten, ob es gut gehe, wie ihre Feldherren mit ihnen zufrieden seien, wie groß ihr Familienbesitz sei. 38. Carbo verließ aus ehrloser Furcht Italien und sein Heer. 44. wie bei Marcus Marius, dem man zuvor Arme und Beine gebrochen und dann die Augen ausgestochen hatte, offensichtlich damit er Glied für Glied sein Leben aushauche 45. Und er war der Onkel von dessen Kindern. 46. Und nach der Errichtung großer Belagerungsanlagen ließ er seinen Legaten Lucius Catilina mit der Belagerung beginnen. 47. da Altäre und andere den Göttern geweihte Gegenstände mit dem Blut der Bittflehenden besudelt wurden 49. Nachdem also die Güter der Proskribierten verkauft oder verschenkt worden waren 50. dass sie ihm (ihnen?) angesichts einer so hohen Belohung nichts abschlagen würden 51. Dadurch wurde offensichtlich, dass man die Republik wiederherstellen wollte, um Beute zu machen, nicht um die Freiheit zurückzugewinnen. 53. Diesen Krieg hat die Angst vor dem siegreichen Pompeius ausgelöst, der Hiempsal wieder in sein Königreich einsetzen wollte. 54. Beide Seiten kämpften mit aller Gewalt um die Stadtpräfektur, als ob es dabei um den Besitz des Staates ginge. 55. Die Rede des Konsuls Lepidus vor dem römischen Volk: (1) „Eure Milde und eure Rechtschaffenheit, Bürger von Rom, die euch bei allen anderen Völkern großes Ansehen und Ruhm verschafft haben, machen mir sehr viel Angst angesichts der Tyrannei des Lucius Sulla: Ihr könntet nämlich dadurch, dass ihr anderen keine Handlungen zutrauen wollt, die ihr selbst für frevelhaft haltet, in eine Falle gelockt werden, zumal er sich nur auf Verbrechen und Verrat verlässt und sich nur dann in Sicherheit wähnt, wenn er mit seinen abscheulichen Verbrechen eure Befürchtungen noch übertrifft, um euch durch diese Angst zu lähmen und euch durch eure Notlage jedes Verantwortungsbewusstsein für die Freiheit zu rauben – zum anderen befürchte ich, dass ihr, falls ihr Vorkehrungen trefft, mehr damit beschäftigt seid, euch vor den Gefahren zu schützen als euch zu rächen. (2) Ich kann mich nicht genügend über seine Handlanger, hochangesehene Männer mit vorbildlichen Vorfahren, wundern, die als Preis für ihre Tyrannei über euch ihre eigene Freiheit opfern und beides lieber durch Unrecht erreichen wollen als ganz rechtmäßig in Freiheit zu leben: (3) die hervorragende Nachkommenschaft der Bruti, der Aemilier und der Lutatier – dazu geboren, das zu zerstören, was ihre Vorfahren durch ihre Tatkraft erworben haben! (4) Denn was haben wir gegen Pyr-

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a Pyrrho, Hannibale, Philippoque et Antiocho defensum est aliud quam libertas et suae quoique sedes, neu quoi nisi legibus pareremus? (5) Quae cuncta scaevos iste Romulus quasi ab externis rapta tenet, non tot exercituum clade neque consulum et aliorum principum, quos fortuna belli consumpserat, satiatus, sed tum crudelior, cum plerosque secundae res in miserationem ex ira vortunt. (6) Quin solus omnium post memoriam humani generis supplicia in post futuros composuit, quis prius iniuria quam vita certa esset, pravissumeque per sceleris immanitatem adhuc tutus fuit, dum vos metu gravioris serviti a repetunda libertate terremini. (7) Agundum atque obviam eundum est, Quirites, ne spolia vostra penes illos sint, non prolatandum neque votis paranda auxilia. Nisi forte speratis taedium iam aut pudorem tyrannidis Sullae esse et eum per scelus occupata periculosius dimissurum. (8) At ille eo processit, ut nihil gloriosum nisi tutum et omnia retinendae dominationis honesta aestumet. (9) Itaque illa quies et otium cum libertate, quae multi probi potius quam laborem cum honoribus capessebant, nulla sunt; (10) hac tempestate serviundum aut imperitandum, habendus metus est aut faciundus, Quirites. Nam quid ultra? (11) Quaeve humana superant aut divina impolluta sunt? Populus Romanus, paulo ante gentium moderator, exutus imperio, gloria, iure, agitandi inops despectusque, ne servilia quidem alimenta relicua habet. (12) Sociorum et Lati magna vis civitate pro multis et egregiis factis a vobis data per unum prohibentur et plebis innoxiae patrias sedes occupavere pauci satellites mercedem scelerum. (13) Leges, iudicia, aerarium, provinciae, reges penes unum, denique necis civium et vitae licentia. (14) Simul humanas hostias vidistis et sepulcra infecta sanguine civili. (15) Estne viris relicui aliud quam solvere iniuriam aut mori per virtutem? Quoniam quidem unum omnibus

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rhus, Hannibal, Philipp und Antiochos verteidigt: doch wohl die Freiheit und den Wohnsitz eines jeden Einzelnen und dass wir nur den Gesetzen und sonst niemandem gehorchen? (5) All dies hat dieser Unglücksromulus in seinem Besitz, als ob er es von Ausländern geraubt hätte; noch nicht ist er gesättigt von den Niederlagen so vieler Heere oder Konsuln und anderer führender Männer, die das Schicksal des Krieges hinweggerafft hat. Vielmehr ist er dann noch grausamer, wenn glückliche Umstände die meisten Menschen vom Zorn zum Mitleid führen. (6) Ja, er hat als einziger seit Menschengedenken Strafen gegen noch nicht Geborene verhängt, damit ihnen eine ungerechte Behandlung schon früher bestimmt sei als die Tatsache ihrer Geburt! Bisher ist er in abscheulichster Weise durch die Ungeheuerlichkeit seiner verbrecherischen Gesinnung in Sicherheit gewesen, während euch die Angst vor noch drückenderer Knechtschaft davon abhält, eure Freiheit zurückzufordern. (7) Handeln müsst ihr und ihnen entgegentreten, Bürger von Rom, damit nicht die Beute, die euch gehört, in ihre Hände fällt. Ihr dürft das nicht aufschieben und bei Gebeten Zuflucht suchen – es sei denn, ihr hofftet, dass Sulla seiner Tyrannei bereits überdrüssig ist oder er sich ihrer schämt und dass er das verbrecherisch Eroberte aufgeben werde, obwohl ihn das in eine viel größere Gefahr brächte. (8) Aber er ist schon an dem Punkt angelangt, dass er nur noch sichere Zustände für ruhmreich hält und jede Handlung als moralisch vertretbar betrachtet, wenn sie nur dem Erhalt seiner Herrschaft dient. (9) Daher sind jene Ruhe und jener Friede in Freiheit, Zustände, die viele anständige Männer ehrenvollen Strapazen vorgezogen haben, ein Wahngebilde: (10) Jetzt muss man Sklave oder Herr sein, Angst haben oder Angst verbreiten, Bürger von Rom. Denn was bleibt uns sonst? (11) Oder welche menschlichen Ordnungen bestehen noch oder welche göttlichen Ordnungen sind noch unbefleckt? Das römische Volk, vor kurzem noch Herr der Völker, ist seiner Macht, seines Ruhmes, seiner Rechte beraubt worden, ist handlungsunfähig und verachtet, ja besitzt nicht einmal mehr so viel Nahrung wie Sklaven. (12) Eine große Zahl von Verbündeten und Latinern hat von euch für zahlreiche herausragende Taten das Bürgerrecht erhalten, wird aber von einem einzigen Menschen an dessen Ausübung gehindert. Die von den Vätern ererbten Wohnsitze der unschuldigen Plebs haben einige wenige Handlanger als Belohnungen für ihre Verbrechen in Besitz genommen. (13) Die Macht über die Gesetze, die Prozesse, die Staatskasse, die Provinzen und die Könige liegen bei einem einzigen Mann, schließlich auch die Entscheidungsgewalt über das Leben und den Tod seiner Mitbürger. (14) Ihr musstet mit ansehen, wie Menschen geopfert und Gräber mit dem Blut römischer Bürger besudelt wurden. (15) Bleibt einem Mann noch eine andere Wahl als das Unrecht zu beenden oder durch seine Tatkraft ums Leben zu kommen? Die Natur hat ja allen ein und dieselbe

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finem natura vel ferro saeptis statuit neque quisquam extremam necessitatem nihil ausus nisi muliebri ingenio exspectat. (16) Verum ego seditiosus, uti Sulla ait, qui praemia turbarum queror, et bellum cupiens, qui iura pacis repeto. (17) Scilicet, quia non aliter salvi satisque tuti in imperio eritis, nisi Vettius Picens et scriba Cornelius aliena bene parata prodegerint; nisi approbaritis omnes proscriptionem innoxiorum ob divitias, cruciatus virorum illustrium, vastam urbem fuga et caedibus, bona civium miserorum quasi Cimbricam praedam venum aut dono datam. (18) At obiectat mihi possessiones ex bonis proscriptorum; quod quidem scelerum illius vel maxumum est, non me neque quemquam omnium satis tutum fuisse, si recte faceremus. Atque illa, quae tum formidine mercatus sum, pretio soluto iure dominis tamen restituo, neque pati consilium est ullam ex civibus praedam esse. (19) Satis illa fuerint, quae rabie contracta toleravimus, manus conserentis inter se Romanos exercitus et arma ab externis in nosmet vorsa; scelerum et contumeliarum omnium finis sit; quorum adeo Sullam non paenitet, ut et facta in gloria numeret et, si liceat, avidius fecerit. (20) Neque iam, quid existimetis de illo, sed, quantum audeatis, vereor, ne alius alium principem exspectantes ante capiamini, non opibus eius, quae futiles et corruptae sunt, sed vostra socordia, qua raptum ire licet et, quam audeas, tam videri felicem. (21) Nam praeter satellites commaculatos quis eadem volt aut quis non omnia mutata praeter victoriam? Scilicet milites, quorum sanguine Tarulae Scirtoque, pessumis servorum, divitiae partae sunt? An quibus praelatus in magistratibus capiundis Fufidius, ancilla turpis, honorum omnium dehonestamentum? (22) Itaque maxumam mihi fiduciam parit victor exercitus, quoi per tot volnera et labores nihil praeter tyrannum quaesitum est.

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Grenze gesetzt, auch denjenigen, die ringsum von Schwertern umstellt sind; und nur ein Mensch mit einem weibischen Charakter wartet untätig auf seine letzte Stunde. (16) Aber freilich: Ich bin ein Aufrührer, wie Sulla sagt, der ich mich über den Gewinn beklage, den diese Leute aus den Unruhen gezogen haben; ich bin auch ein Kriegstreiber, der ich die Rechte, die im Frieden gelten, zurückfordere. (17) Natürlich: Denn ihr werdet ja nur dann unversehrt und hinreichend sicher herrschen können, wenn der Picener Vettius und der Schreiber Cornelius fremdes Gut, das der frühere Besitzer auf ehrliche Weise erworben hat, verschleudern, wenn ihr alle zustimmt, dass aus Habgier Unschuldige auf die Proskriptionslisten gesetzt werden, dass herausragende Männer gefoltert werden, dass Verbannung und Mord unsere Stadt verheeren, dass die Güter unserer bedauernswerten Mitbürger verkauft oder verschenkt werden, als ob es sich um die Beute aus den Kimbernkriegen handelte. (18) Er aber wirft mir vor, dass ich über Besitz aus den Gütern von Proskribierten verfüge. Das ist nun wohl das größte seiner Verbrechen, dass weder ich noch überhaupt irgendjemand sicher genug gewesen wäre, wenn wir anständig gehandelt hätten. Und die Güter, die ich damals aus Angst erworben habe, gebe ich, obwohl ich den Kaufpreis bezahlt habe, dennoch den rechtmäßigen Besitzern zurück. Ich habe auch nicht vor, es hinzunehmen, wenn man bei Bürgern Beute macht. (19) Mit den Wahnsinnstaten, die wir bis jetzt ertragen mussten, soll es nun genug sein: dass römische Heere gegeneinander kämpften und dass unsere Waffen nicht mehr gegen äußere Feinde, sondern gegen uns selbst gerichtet waren. Es soll ein Ende haben mit allen Verbrechen und Demütigungen. Darüber zeigt Sulla so wenig Reue, dass er sich diese Taten zum Ruhme anrechnet und, wenn es erlaubt wäre, noch habgieriger vorginge. (20) Meine sorgenvolle Frage lautet nicht mehr, was ihr von Sulla haltet, sondern zu welchen Wagnissen ihr überhaupt noch bereit seid. Ich befürchte, dass ihr alle darauf wartet, dass der andere den Anfang macht, und dass ihr Sulla deswegen vorher in die Falle geht, und zwar nicht aufgrund seiner Macht, die unzuverlässig und bereits verfallen ist, sondern wegen eurer Passivität, die anderen erlaubt, Beute zu machen und umso erfolgreicher zu erscheinen, je mehr Verwegenheit man besitzt. (21) Denn von seinen schmutzigen Handlangern einmal abgesehen: Wer hätte dieselben Ziele wie er oder wer wollte nicht, dass sich alles ändert – außer dem Sieg? Gewiss die Soldaten, durch deren Blut Tarula und Scirtus, die charakterlosesten Sklaven, reich geworden sind. Oder diejenigen, denen bei der Besetzung von Ämtern Fufidius vorgezogen wurde, eine schändliche Magd, eine Schande für alle Ehrenämter? (22) Daher setze ich größte Hoffnungen in unser siegreiches Heer, das durch so viele Wunden und Strapazen nichts anderes gewonnen hat als einen Tyrannen.

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(23) Nisi forte tribuniciam potestatem evorsum profecti sunt, per arma conditam a maioribus suis, utique iura et iudicia sibimet extorquerent, egregia scilicet mercede, cum relegati in paludes et silvas contumeliam atque invidiam suam, praemia penes paucos intellegerent. (24) Quare igitur tanto agmine atque animis incedit? Quia secundae res mire sunt vitiis obtentui, quibus labefactis, quam formidatus est, tam contemnetur. Nisi forte specie concordiae et pacis, quae sceleri et parricidio suo nomina indidit. Neque aliter rem publicam et belli finem ait, nisi maneat expulsa agris plebes, praeda civilis acerbissuma, ius iudiciumque omnium rerum penes se, quod populi Romani fuit. (25) Quae si vobis pax et composita intelleguntur, maxuma turbamenta rei publicae atque exitia probate, adnuite legibus impositis, accipite otium cum servitio et tradite exemplum posteris ad rem publicam suimet sanguinis mercede circumveniundam! (26) Mihi quamquam per hoc summum imperium satis quaesitum erat nomini maiorum, dignitati atque etiam praesidio, tamen non fuit consilium privatas opes facere, potiorque visa est periculosa libertas quieto servitio. (27) Quae si probatis, adeste, Quirites, et bene iuvantibus divis M. Aemilium consulem ducem et auctorem sequimini ad recipiundam libertatem!” 57. Nam Sullae dominationem queri non audebat. 62. Idem fecere Octavius et Q. Caepio sine gravi quoiusquam exspectatione neque sane ambiti publice. 63. Quin lenones et vinarii laniique quorum praeterea volgus in dies usum habet pretio compositi. 64*. tyrannumque et Cinnam maxuma voce appellans 65*. Magna vis hominum convenerat agris pulsa aut civitate eiecta. 66. uti Lepidus et Catulus decretis exercitibus maturrume proficiscerentur

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(23) Es sei denn, dass sie ausgezogen wären, um die Macht des Volkstribunats zu untergraben, die ihre Vorfahren mit Waffengewalt begründet haben, und um sich selbst alle Rechte und alle Möglichkeiten für ein legales Vorgehen zu entwinden – für einen herrlichen Lohn freilich, als sie, verbannt in Sümpfe und Wälder, bemerken mussten, dass sie beschimpft und gehasst wurden, der Gewinn aber nur einigen Wenigen zufiel. (24) Warum stolziert er also mit einem solchen Gefolge und mit solchem Hochmut einher? Weil der Erfolg seltsamerweise die Laster bemäntelt – erschüttert man aber seinen Erfolg, wird er so verachtet werden, wie er gefürchtet wurde, es sei denn, dass er unter dem Schein von Versöhnung und Frieden agieren würde, denn diese Begriffe hat er seinen Verbrechen und Morden beigelegt. Nach seiner Aussage kann der Staat aber nur dann bestehen und kann der Krieg nur dann beendet werden, wenn die Plebs weiterhin von ihren Feldern vertrieben bleibe – das ist die schrecklichste Beute, die er sich von römischen Bürgern geholt hat –, und wenn das Recht und die ganze Rechtsprechung weiterhin in seiner Hand lägen – Befugnisse, die zuvor das römische Volk hatte. (25) Wenn ihr solche Zustände als Frieden und Ordnung bezeichnet, dann billigt die größten Unruhen und Zerstörungen in unserem Staat, stimmt den Gesetzen zu, die euch diktiert wurden, akzeptiert den mit Knechtschaft verbundenen Frieden, gebt euren Nachkommen ein Beispiel, wie man den Staat um den Preis des eigenen Blutes zugrunde richten kann! (26) Obwohl ich durch dieses höchste Amt genug für den Ruhm meiner Vorfahren, für meine Stellung und zu meinem Schutz geleistet hatte, wollte ich dennoch nicht private Macht gewinnen, und eine gefährliche Freiheit schien mir besser zu sein als eine ruhige Knechtschaft. (27) Wenn ihr dem zustimmt, Bürger von Rom, so seid zur Hilfe bereit und folgt mit der gütigen Unterstützung der Götter dem Konsul Marcus Aemilius als Führer und Vorkämpfer, um die Freiheit wiederzuerlangen!“ 57. Er wagte nämlich nicht, sich über die Herrschaft Sullas zu beklagen. 62. Genauso handelten Octavius und Quintus Caepio, ohne dass jemand ernsthafte Erwartungen gehegt hätte und ohne offiziell darum gebeten worden zu sein. 63. Ja, es wurden sogar Zuhälter, Weinhändler, Metzger und andere, deren Dienste das einfache Volk täglich benötigt, gekauft. 64. und indem er ihn mit lauter Stimme als Tyrann und Cinna bezeichnete 65. Eine große Menge Leute war zusammengekommen, die von ihren Ländereien vertrieben oder aus ihrer Stadt verjagt worden waren. 66. (Es wurde beschlossen?) dass Lepidus und Catulus mit den ihnen zugewiesenen Heeren schnellstens aufbrechen sollten.

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67. Tunc vero Etrusci (?) cum ceteris eiusdem causae ducem se nactos rati maxumo gaudio bellum irritare. 68. Lepidum paenitentem consili 69. Etruria omnis cum Lepido suspecta in tumultum erat. 74*. Nam talia incepta, ni in consultorem vertissent, rei publicae pestem factura. 75*. Qui aetate et consilio ceteros anteibat. 76*. In hunc modum disseruit. 77. Oratio Philippi in senatu: (1) “Maxume vellem, patres conscripti, rem publicam quietam esse aut in periculis a promptissumo quoque defendi, denique prava incepta consultoribus noxae esse. Sed contra seditionibus omnia turbata sunt et ab iis, quos prohibere magis decebat; postremo, quae pessumi et stultissumi decrevere, ea bonis et sapientibus faciunda sunt. (2) Nam bellum atque arma, quamquam vobis invisa, tamen, quia Lepido placent, sumunda sunt, nisi forte quoi pacem praestare et bellum pati consilium est. (3) Pro di boni, qui hanc urbem omissa cura nostra adhuc tegitis, M. Aemilius, omnium flagitiosorum postremus, qui peior an ignavior sit deliberari non potest, exercitum opprimundae libertatis habet et se e contempto metuendum effecit; vos mussantes et retractantes verbis et vatum carminibus pacem optatis magis quam defenditis, neque intellegitis mollitia decretorum vobis dignitatem, illi metum detrahi. (4) Atque id iure; quoniam ex rapinis consulatum, ob seditionem provinciam cum exercitu adeptus est, quid ille ob bene facta cepisset, quoius sceleribus tanta praemia tribuistis? (5) At scilicet eos, qui ad postremum usque legatos, pacem, concordiam, et alia huiusce modi decreverunt, gratiam ab eo peperisse! Immo despecti et indigni re publica habiti praedae loco aestumantur, quippe metu pacem repetentes, quo habitam amiserant.

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67. Da glaubten aber die Etrusker (?) und andere, die in derselben Lage waren, dass sie einen Anführer gefunden hätten, und riefen unter großem Jubel zum Krieg auf. 68. den Lepidus, der seinen Plan bereute 69. Man hatte ganz Etrurien zusammen mit Lepidus als Ursache des Aufstandes in Verdacht. 74. Denn solche Unternehmen würden den Untergang des Staates herbeiführen, wenn sie sich nicht gegen ihren Urheber wendeten. 75. Er [Philippus] überragte alle anderen an Alter und Intelligenz. 76. Er sprach wie folgt. 77. Die Rede des Philippus im Senat: (1) „Senatoren, es wäre mir am liebsten, wenn im Staat Frieden herrschte oder er in gefährlichen Situationen gerade von den Entschlossensten verteidigt würde und dass schließlich verbrecherische Unternehmen ihren Urhebern zum Nachteil ausschlügen. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Alles ist durch Unruhen ins Chaos gestürzt, und zwar auf Betreiben gerade derjenigen, die das eher hätten verhindern müssen. Überhaupt sind die Anständigen und Klugen dazu gezwungen, Beschlüsse von Schurken und Narren auszuführen. (2) Denn obwohl euch Krieg und Waffen verhasst sind, müssen wir uns dennoch dazu verstehen, weil es Lepidus so beschlossen hat, es sei denn, dass jemand gleichzeitig Frieden schaffen und Krieg erdulden wollte. (3) Bei den gnädigen Göttern, die ihr diese Stadt immer noch schützt, um die wir uns selbst nicht mehr kümmern, Marcus Aemilius, der größte Verbrecher, bei dem man nicht zu entscheiden vermag, ob seine verbrecherische Gesinnung oder seine Feigheit größer ist, hat ein Heer, um die Freiheit zu unterdrücken, und er hat es geschafft, dass man ihn nicht mehr verachten, sondern fürchten muss. Ihr murrt, entzieht euch der Tat und wünscht euch lieber durch Worte und Sehersprüche Frieden herbei, als dass ihr ihn verteidigt. Und ihr begreift nicht, dass durch kraftlose Beschlüsse euer Ansehen geschwächt wird und seine Angst schwindet – (4) und zu Recht, da er ja durch Raubzüge das Konsulat, durch einen Aufstand eine Provinz samt Heer erhalten hat. Was hätte er erst für echte Leistungen bekommen, wenn ihr schon seine Verbrechen so großzügig entlohnt? (5) Aber natürlich haben sich diejenigen, die bis zum Schluss für Gesandtschaften, Frieden, Verständigung und andere derartige Maßnahmen gestimmt haben, bei ihm in Gunst gesetzt! Nein, vielmehr verachtet er sie, hält sie für unwürdig der Regierungsgewalt und behandelt sie wie Beutestücke, da sie ja aus Angst den Frieden zurück wollten, den sie auch aus Angst verloren hatten.

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(6) Equidem a principio, cum Etruriam coniurare, proscriptos arcessi, largitionibus rem publicam lacerari videbam, maturandum putabam et Catuli consilia cum paucis secutus sum; ceterum illi, qui gentis Aemiliae bene facta extollebant et ignoscundo populi Romani magnitudinem auxisse, nusquam etiam tum Lepidum progressum aiebant, cum privata arma opprimundae libertatis cepisset, sibi quisque opes aut patrocinia quaerundo consilium publicum corruperunt. (7) At tum erat Lepidus latro cum calonibus et paucis sicariis, quorum nemo diurna mercede vitam mutaverit; nunc est pro consule cum imperio non empto, sed dato a vobis, cum legatis adhuc iure parentibus, et ad eum concurrere homines omnium ordinum corruptissumi, flagrantes inopia et cupidinibus, scelerum conscientia exagitati, quibus quies in seditionibus, in pace turbae sunt. Hi tumultum ex tumultu, bellum ex bello serunt, Saturnini olim, post Sulpici, dein Mari Damasippique, nunc Lepidi satellites. (8) Praeterea Etruria atque omnes reliquiae belli arrectae, Hispaniae armis sollicitae, Mithridates in latere vectigalium nostrorum, quibus adhuc sustentamur, diem bello circumspicit; quin praeter idoneum ducem nihil abest ad subvortundum imperium. (9) Quod ego vos oro atque obsecro, patres conscripti, ut animadvortatis neu patiamini licentiam scelerum quasi rabiem ad integros contactu procedere; nam ubi malos praemia secuntur, haud facile quisquam gratuito bonus est. (10) An exspectatis, dum exercitu rursus admoto ferro atque flamma urbem invadat? Quod multo propius est ab eo quo agitat statu, quam ex pace et concordia ad arma civilia. Quae ille advorsum divina et humana omnia cepit, non pro sua aut quorum simulat iniuria, sed legum ac libertatis subvortundae. (11) Agitur enim ac laceratur animi cupidine et noxarum metu, expers consili, inquies, haec atque illa temptans, metuit otium, odit bellum, luxu atque licentia carendum videt atque interim abutitur vostra socordia. (12) Neque mihi satis consili est,

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(6) Ich jedenfalls war gleich zu Beginn, als ich sah, dass sich in Etrurien eine Verschwörung bildete, dass Proskribierte zurückgerufen werden, dass der Staat durch Bestechungen zersetzt wird, der Ansicht, dass man schnell handeln müsse. Daher habe ich mich mit einigen Wenigen den Vorschlägen des Catulus angeschlossen. Diejenigen aber, die die Leistungen der Gens Aemilia lobten und behaupteten, das römische Volk sei durch Verzeihen groß geworden und Lepidus sei auch damals in keiner Hinsicht zu weit gegangen, als er auf eigene Initiative zu den Waffen gegriffen hatte, um die Freiheit zu unterdrücken, jagten selbstsüchtig nach Machtstellungen und Patronaten und untergruben so die Autorität staatlicher Entscheidungen. (7) Damals war Lepidus aber ein Bandit mit einer Bande von Trossknechten und einigen wenigen Mördern, von denen keiner für einen Tageslohn sein Leben riskierte. Jetzt hingegen ist er ein Prokonsul mit einer Amtsgewalt, die er nicht gekauft hat, sondern die ihr ihm verliehen habt, mit Legaten, die ihm immer noch nach Recht und Gesetz gehorchen; und bei ihm liefen die verkommensten Menschen aus allen Ständen zusammen, bedrängt von Mittellosigkeit und Leidenschaften, getrieben vom Wissen um ihre Verbrechen, für die Unruhen Ruhe, Frieden aber Aufruhr bedeutet. Diese Leute reihen Aufstand an Aufstand, Krieg an Krieg, waren einst die Helfershelfer des Saturninus, danach des Sulpicius, dann des Marius und des Damasipp, jetzt des Lepidus. (8) Außerdem sind Etrurien und alle anderen Gebiete, die vom Krieg noch übrig geblieben sind, aufgewiegelt, die spanischen Provinzen werden von Waffenlärm in Aufruhr versetzt. Mithridates, der in unmittelbarer Nähe unserer Steuereinkünfte sitzt, durch die wir uns noch halten können, wartet nur auf einen günstigen Zeitpunkt für einen Krieg. Ja, außer einem geeigneten Anführer fehlt nichts zur Vernichtung unseres Reiches. (9) Daher bitte ich euch, Senatoren, inständig darum, wachsam zu sein und nicht zuzulassen, dass dieses zügellose Verbrechertum wie eine Tollwut auch gesunde Menschen infiziert. Denn wenn Verbrecher belohnt werden, ist kaum jemand ohne Bezahlung anständig. (10) Oder wartet ihr, bis er wieder mit seinem Heer anrückt und mit Feuer und Schwert in die Stadt eindringt? In seiner jetzigen Position ist das ein viel kleinerer Schritt als damals der Schritt von einem versöhnlichen Frieden zu einem Bürgerkrieg, den er gegen alle göttlichen und menschlichen Ordnungen begonnen hat – nicht etwa deswegen, weil ihm oder (wie er vorgibt) anderen ein Unrecht zugefügt worden wäre, sondern um die Gesetze und die Freiheit zu stürzen. (11) Er wird herumgetrieben und zerfressen von seiner Gier und der Angst vor Strafen: Er hat keinen Plan, ist unruhig, versucht bald dies, bald jenes, fürchtet den Frieden und hasst den Krieg. Er muss erkennen, dass er weder Ausschweifungen noch ungehemmte Freiheiten genießen darf, und inzwischen nützt er eure Passivität aus. (12) Es ist mir nicht ganz klar, ob ich

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metum an ignaviam an dementiam eam appellem, qui videmini tanta mala quasi fulmen optare se quisque ne attingat, sed prohibere ne conari quidem. (13) Et quaeso considerate, quam convorsa rerum natura sit; antea malum publicum occulte, auxilia palam instruebantur et eo boni malos facile anteibant: nunc pax et concordia disturbantur palam, defenduntur occulte; quibus illa placent, in armis sunt, vos in metu. (14) Quid exspectatis? Nisi forte pudet aut piget recte facere. An Lepidi mandata animos movere? Qui placere ait sua quoique reddi et aliena tenet, belli iura rescindi, cum ipse armis cogat, civitatem confirmari, quibus ademptam negat, concordiae gratia tribuniciam potestatem restitui, ex qua omnes discordiae accensae. (15) Pessume omnium atque impudentissume, tibine egestas civium et luctus curae sunt? Quoi nihil est domi nisi armis partum aut per iniuriam! Alterum consulatum petis, quasi primum reddideris, bello concordiam quaeris, quo parta disturbatur, nostri proditor, istis infidus, hostis omnium bonorum! Ut te neque hominum neque deorum pudet, quos per fidem aut periurio violasti! (16) Qui quando talis es, maneas in sententia et retineas arma te hortor, neu prolatandis seditionibus, inquies ipse, nos in sollicitudine attineas; neque te provinciae neque leges neque di penates civem patiuntur; perge, qua coeptas, ut quam maturrume merita invenias. (17) Vos autem, patres conscripti, quo usque cunctando rem publicam intutam patiemini et verbis arma temptabitis? Dilectus advorsum vos habiti, pecuniae publice et privatim extortae, praesidia deducta atque imposita, ex lubidine leges imperantur, cum interim vos legatos et decreta paratis. Quanto mehercule avidius pacem petieritis, tanto bellum acrius erit, cum intelleget se metu magis

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euer Verhalten als Angst, Trägheit oder Wahnsinn bezeichnen soll; denn ihr alle wünscht euch offenbar wie bei einem Blitz, dass dieses große Unglück einen anderen treffen möge, versucht aber nicht einmal, es zu verhindern. (13) Und bedenkt bitte, wie die natürliche Ordnung verkehrt worden ist: Früher hat man einen Anschlag auf den Staat im Verborgenen, Gegenmaßnahmen aber in der Öffentlichkeit vorbereitet; und daher fiel es den anständigen Bürgern leicht, den Verbrechern zuvorkommen. Jetzt werden Frieden und Einigkeit in aller Öffentlichkeit zerstört und nur im Verborgenen verteidigt. Wem dieser Zustand gefällt, ist bewaffnet; ihr aber seid in Panik. (14) Worauf wartet ihr noch – es sei denn, ihr schämt euch, richtig zu handeln, oder empfindet sogar Widerwillen dagegen? Oder haben euch die Befehle des Lepidus beeindruckt? Nach seiner eigenen Aussage hat er folgende Absichten: jedem das Seine zurückzuerstatten – er besitzt aber fremdes Eigentum; das Kriegsrecht zu beenden – obwohl er selbst mit Waffengewalt Zwang ausübt; denen das Bürgerrecht zu bestätigen, denen es nach seiner Behauptung nie genommen wurde; um der Aussöhnung willen die Macht der Volkstribunen wiederherzustellen – durch die doch überhaupt erst alle Streitigkeiten entbrannt sind. (15) Du unverschämter Erzschurke: Du machst dir Sorgen um die Nöte und das Unglück deiner Mitbürger, in dessen eigenem Haus nur Dinge zu finden sind, die du mit Waffengewalt oder durch Unrecht erworben hast? Du bewirbst dich um ein zweites Konsulat, als ob du das erste schon niedergelegt hättest? Durch Krieg willst du die Einigkeit herstellen, durch den sie, kaum errungen, wieder vernichtet wird? Du hast uns verraten, warst deinen eigenen Leuten gegenüber treulos und bist ein Feind aller anständigen Männer. Wie wenig schämst du dich vor den Menschen und den Göttern, gegen die du dich durch Wortbruch oder Meineid vergangen hast! (16) Da du so bist, fordere ich dich auf, bei deiner Meinung zu bleiben und deine Waffen zu behalten, aber höre damit auf, du unruhiger Geist, auch uns durch die Hinauszögerung der Revolte in andauernde Aufregung zu versetzen. Weder die Provinzen noch die Gesetze noch die Penaten ertragen dich als Mitbürger. Gehe weiter auf dem Weg, den du eingeschlagen hast, damit du möglichst bald das bekommst, was du verdienst! (17) Ihr aber, Senatoren, wie lange werdet ihr noch durch eure Zögerlichkeit zulassen, dass der Staat schutzlos ist, wie lange wollt ihr noch nur mit Worten zu den Waffen greifen? Es sind Truppenaushebungen vorgenommen worden, die gegen euch gerichtet sind; öffentliche wie private Gelder wurden erpresst, Besatzungen abgezogen und stationiert; nach Lust und Laune werden Gesetze diktiert, während ihr Gesandtschaften und Beschlüsse vorbereitet. In der Tat: Je sehnlicher ihr euch den Frieden wünscht, desto schrecklicher wird der Krieg sein, wenn Lepidus begreift, dass er sich eher durch eure Angst als durch Recht

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quam aequo et bono sustentatum. (18) Nam qui turbas et caedem civium odisse ait et ob id armato Lepido vos inermos retinet, quae victis toleranda sunt ea, cum facere possitis, patiamini potius censet; ita illi a vobis pacem, vobis ab illo bellum suadet. (19) Haec si placent, si tanta torpedo animos obrepsit, ut obliti scelerum Cinnae, quoius in urbem reditu decus ordinis huius interiit, nihilo minus vos atque coniuges et liberos Lepido permissuri sitis, quid opus decretis, quid auxilio Catuli? (20) Quin is et alii boni rem publicam frustra curant. Agite ut lubet, parate vobis Cethegi atque alia proditorum patrocinia, qui rapinas et incendia instaurare cupiunt et rursus advorsum deos penatis manus armare. Sin libertas et vera magis placent, decernite digna nomine et augete ingenium viris fortibus. (21) Adest novos exercitus, ad hoc coloniae veterum militum, nobilitas omnis, duces optumi; fortuna meliores sequitur; iam illa, quae socordia nostra collecta sunt, dilabentur. (22) Quare ita censeo: quoniam Lepidus exercitum privato consilio paratum cum pessumis et hostibus rei publicae contra huius ordinis auctoritatem ad urbem ducit, uti Ap. Claudius interrex cum Q. Catulo pro consule et ceteris, quibus imperium est, urbi praesidio sint operamque dent, ne quid res publica detrimenti capiat.” 78. numeroque praestans, privos ipse militiae 84*. M. Lepido cum omnibus copiis Italia pulso segnior neque minus gravis et multiplex cura patres exercebat. 85*. Ardebat omnis Hispania citerior. 86. Curionem quaesit, uti adulescentior et a populi suffragiis integer aetati concederet Mamerci. 87*. Togam paludamento mutavit. 88. Magna gloria tribunus militum in Hispania T. Didio imperante, magno usui bello Marsico paratu militum et armorum fuit, multaque tum ductu eius que patrata primo per ignobilitatem, deinde per invidiam scriptorum

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und Anstand halten kann. (18) Denn wer sagt, er lehne Unruhen und den Mord an Mitbürgern ab, und euch aus diesem Grunde unbewaffnet lässt, obwohl Lepidus bewaffnet ist, der vertritt die Ansicht, dass ihr lieber das erleiden solltet, was Besiegten bevorsteht – obwohl ihr es eurerseits zufügen könntet. Ein solcher Rat würde für Lepidus bedeuten, dass er von eurer Seite Frieden, für euch aber, dass ihr von seiner Seite Krieg zu erwarten habt. (19) Wenn das euer Beschluss ist, wenn sich eine so große Schläfrigkeit unbemerkt in eure Herzen schleichen konnte, dass ihr die Verbrechen eines Cinna vergesst (durch dessen Rückkehr in die Stadt die Besten dieses Standes untergingen) und nichtsdestoweniger euch, eure Frauen und Kinder Lepidus ausliefern wollt, was braucht ihr da noch Beschlüsse, was braucht ihr die Hilfe des Catulus? (20) Ja, er und andere anständige Bürger kümmern sich vergeblich um den Staat. Handelt, wie es euch beliebt, verschafft euch den Schutz des Cethegus und anderer Verräter, die Raubzüge und Brandstiftungen wieder einführen und sich erneut gegen die Penaten bewaffnen wollen. Wenn euch Freiheit und Wahrheit aber mehr bedeuten, so fasst Beschlüsse, die eures Namens würdig sind, und macht den tapferen Männern Mut. (21) Ein neues Heer steht bereit, außerdem Veteranenkolonien, die ganze Nobilität, die besten Feldherren. Das Glück steht auf der Seite der Besseren: Bald werden die Kräfte, die sich erst durch unsere Untätigkeit sammeln konnten, zerfallen. (22) Daher stelle ich den folgenden Antrag: Da ja Marcus Lepidus ein Heer, das er auf seine private Initiative hin aufgestellt hat, mit Verbrechern und Staatsfeinden entgegen den Beschlüssen dieses Gremiums gegen Rom führt, soll der Interrex Appius Claudius zusammen mit dem Prokonsul Quintus Catulus und den anderen, die ein imperium innehaben, die Stadt schützen und dafür sorgen, dass der Staat nicht zu Schaden kommt.“ 78. und zahlenmäßig überlegen, aber ohne militärische Erfahrung 84. Nachdem Marcus Lepidus mit allen seinen Truppen aus Italien vertrieben worden war, trieb eine weniger dringliche, aber nicht weniger schwere und vielfältige Sorge die Senatoren um. 85. Ganz Hispania citerior war in Aufruhr. 86. Er bat Curio, der ja der Jüngere sei und den man bei den Volkswahlen bisher noch nicht zurückgewiesen habe, darum, dem Alter des Mamercus den Vortritt zu lassen. 87. Er vertauschte die Toga mit dem Soldatenmantel. 88. Großen Ruhm erntete er als Militärtribun in Spanien unter dem Feldherrn Titus Didius, von großem Nutzen erwies er sich im Bundesgenossenkrieg dadurch, dass er Soldaten und Waffen beschaffte, und vieles, was damals unter seiner Führung und seinem Kommando geleistet wurde, ist zum einen wegen seiner nicht-adeligen Herkunft, außerdem aber durch die Missgunst der Histori-

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celebrata sunt, quae vivos facie sua ostentabat aliquot advorsis cicatricibus et effosso oculo. Quin ille dehonestamento corporis maxume laetabatur neque illis anxius, quia relicua gloriosius retinebat. 89*. Et ei voce maxuma v g. 90*. dum inter arma civilia aequi bonique famas petit 93*. Hispaniam sibi antiquam patriam esse. 94*. Modico quoque et eleganti imperio percarus fuit. 100. Quoius duas insulas, propinquas inter se et decem stadium procul a Gadibus, satis constabat suopte ingenio alimenta mortalibus gignere. 101*. Servius, Aen. 5,735: Secundum philosophos Elysium est Insulae Fortunatae, quas ait Sallustius inclitas esse Homeri carminibus. 102. Traditur fugam in Oceani longinqua agitavisse. 103*. more humanae cupidinis ignara visendi 104. Itaque Sertorius levi praesidio relicto in Mauretania nactus obscuram noctem aestu secundo furtim aut celeritate vitare proelium in transgressu conatus est. 105. Transgressos omnis recipit mons praeceptus a Lusitanis. 106. gens raro egressa finis suos 107. Ac per omnem provinciam magnae atque atr, cum ex suo quisque terrore quinquaginta aut amplius hostium milia, novas immanes f*** Oceani ***, corporibus hominum vesci contenderent. 108. Et mox Fufidius adveniens cum legionibus, postquam tantas spiras, unum haud facilem pugnantibus vadum, cuncta hosti quam suis opportuniora videt. 109*. Ita sperat pugnam illam pro omine bello futuram.

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ker nicht überliefert worden. Diese Taten konnte er zu Lebzeiten am eigenen Leib vorweisen, anhand einiger Narben auf der Vorderseite und eines ausgestochenen Auges. Ja, er freute sich sogar ganz besonders über die Verunstaltung seines Körpers und er war darüber deswegen nicht verbittert, weil er die restlichen Glieder mit größerem Ruhm unversehrt hatte bewahren können. 89. Und sie beglückwünschten ihn lautstark und leidenschaftlich (?). 90. als er mitten im Bürgerkrieg versuchte, sich den Ruf eines gerechten und anständigen Mannes zu erwerben 93. Spanien sei seine alte Heimat. 94. Auch dank seines maßvollen und korrekten Führungsstils war er [Sertorius?] sehr beliebt. 100. Es galt als gesichert, dass seine [gemeint ist der Oceanus Oceanus]] beiden Inseln, die nahe beieinander liegen und 10.000 Stadien von Cádiz entfernt sind, von selbst Nahrung für die Menschen hervorbringen. 101. Servius, Kommentar zur Aeneis 5,735: Nach den Aussagen der Philosophen verbergen sich hinter dem Ausdruck ‚Elysium’ die Inseln der Seligen, von denen Sallust sagt, dass sie „berühmt seien durch die Epen Homers“. 102. Der Überlieferung zufolge hat er erwogen, in entfernte Gegenden des Ozeans zu fliehen. 103. entsprechend dem menschlichen Bedürfnis, Unbekanntes kennen zu lernen 104. Und so nützte Sertorius, nachdem er nur eine kleine Besatzung in Mauretanien zurückgelassen hatte, die Dunkelheit der Nacht aus und begann bei günstiger Gezeitenlage mit der Überfahrt; dabei versuchte er, durch unauffälliges oder schnelles Handeln einen Kampf zu vermeiden. 105. Nach der Überfahrt sammelten sich alle auf einem Berg, der bereits von den Lusitaniern besetzt worden war. 106. ein Volk, das selten sein Gebiet verließ 107. Und in der ganzen Provinz liefen übertriebene und schreckliche Gerüchte um, wobei jeder seiner Angst entsprechend behauptete, dass die Zahl der Feinde 500.000 oder mehr betrage, dass neue schreckliche (…) und dass sie sich von Menschen ernähren würden. 108. Und bald kam Fufidius mit seinen Legionen an, nachdem er gesehen hatte, dass die Wasserstrudel gefährlich waren, dass es nur eine Furt gab, die mitten im Kampf nicht leicht zu durchqueren war, und dass alle Umstände eher für den Feind als für seine Männer günstig waren. 109. Und so hofft er, dass diese Schlacht ein gutes Omen für den Krieg sein werde.

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112. Illo profectus vicos castellaque incendere et fuga cultorum deserta igni vastare neque † elate aut fetustissimus †, metu gentis ad furta belli peridoneae. 116. sanctus alia et ingenio validus 118. Neque detrusus aliquotiens terretur. 119*. Ille Conisturgim apud legiones venit. 120*. Consedit in valle virgulta nemorosaque. 122. Occupatusque collis editissimus apud Ilerdam et eum multa opera circumdata. 125*. Se regibus devovent et post eos vitam refutant. 126. Sertorius portis turbam morantibus et nullo, ut in terrore solet, generis aut imperii discrimine per calonum corpora ad medium quasi, dein super adstantium manibus in murum attollitur. 136. Sic vero quasi formidine attonitus neque animo neque auribus aut lingua satis competere. 137. ea paucis, quibus peritia et verum ingenium est, abnuentibus 138. obviam ire et commori hostibus 140. Locum editiorem, quam victoribus decebat, capit. 143. Cum murum hostium successisset, poenas dederat. 145. nisi cum ira belli desenuisset

Liber II. 1*. cum praedixero positum insulae 2. Sardinia in Africo mari facie vestigii humani in orientem quam in occidentem latior prominet. 5. ut alii tradiderunt, Tartessum, Hispaniae civitatem, quam nunc Tyrii mutato nomine Gaddir habent 7. Daedalum ex Sicilia profectum, quo Minonis iram atque opes fugerat.

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112. Auf dem Weg dorthin brannte er [Metellus?] Dörfer und Kastelle nieder, und die durch die Flucht der Landleute verlassenen Gebiete verwüstete er mit Feuer (…) aus Angst vor einem Volk, das sich hervorragend auf Kriegslisten verstand. 116. ein ansonsten integerer und intelligenter Mann 118. Und obwohl er einige Male in die Flucht geschlagen worden war, ließ er sich nicht abschrecken. 119. Er kam zu den Legionen nach Conisturgis. 120. Er bezog Stellung in einem busch- und waldreichen Tal. 122. Und ein sehr hoher Hügel bei Ilerda wurde besetzt und mit zahlreichen Befestigungsanlagen umgeben. 125. Sie [die Keltiberer] verschreiben sich ganz und gar ihren Königen und weigern sich, nach deren Tod weiterzuleben. 126. Da die Tore die Menge aufhielten und man nicht mehr (wie es ja auch bei einer Panik üblich ist) auf den gesellschaftlichen Stand oder den militärischen Rang achtete, wird Sertorius über die Leiber der Trossknechte fast bis zur Mitte der Mauer und dann von den Händen der oben Stehenden bis auf die Mauer hochgehoben. 136. Und so war er, gleichsam vor Angst erstarrt, nicht mehr Herr seines Geistes, seiner Ohren und seiner Zunge. 137. als dies einige wenige, die Erfahrung und einen aufrechten Charakter hatten, ablehnten 138. den Feinden entgegen gehen und zusammen mit ihnen sterben 140. Er bezieht Stellung an einem Ort, der höher lag, als es sich für Sieger schickte. 143. Nachdem er an die feindliche Stadtmauer herangekommen war, hatte er es büßen müssen. 145. wenn es (?) nicht zusammen mit der Raserei des Krieges verschwunden wäre (sei?) oder wenn die Raserei des Krieges nicht verschwunden wäre (sei?) Zweites Buch 1. sobald ich zuvor die Geographie der Insel dargestellt habe 2. Sardinien liegt im Africanischen Meer und ähnelt einem menschlichen Fußabdruck, seine Ostküste ist aber länger als die Westküste. 5. (oder) Tartessus, wie andere berichten, eine spanische Stadt, die nun Tyrier unter dem neuen Namen Gaddir bewohnen 7. Dädalus habe Sizilien verlassen, wohin er vor Minos’ Zorn und dessen Macht geflohen war.

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11. Sed ipsi ferunt taurum ex grege, quem prope litora regebat Corsa nomine, Ligus mulier 15. Ad hoc rumoribus advorsa in pravitatem, secunda in casum, fortunam in temeritatem declinando corrumpebant. 16*. oris probi, animo inverecundo 17. modestus ad alia omnia, nisi ad dominationem 19*. Cum alacribus saltu, cum velocibus cursu, cum validis vecte certabat. 20. Quem ex Mauretania rex Leptasta proditionis insimulatum cum custodibus miserat. 21. Nam Sullam consulem de reditu eius legem ferentem ex composito tribunus plebis C. Herennius prohibuerat. 23*. Multos tamen ab adulescentia bonos insultaverat. 24*. ad mutandum modo in melius servitium 25. quia corpore et lingua percitum et inquietem nomine histrionis vix sani Burbuleium appellabat 26. collegamque eius Octavium mitem et captum pedibus 28*. Sed Metello Cordubae hiemante cum duabus legionibus alione casu an, sapientibus ut placet, vento per cava terrae citato rupti aliquot montes tumulique sedere. 29*. Quis a Sertorio triplices insidiae per idoneos saltus positae erant: prima, quae forte venientes exciperet 31*. receptis plerisque signis militaribus cum Laeli corpore 32*. et Metello procul agente longa spes auxiliorum 34*. Quae pecunia ad Hispaniense bellum Metello facta erat. 35*. At Sertorius vacuos hieme copias augere. 37. vir gravis et nulla arte quoiquam inferior

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11. Aber sie selbst berichten von einem Stier aus einer Herde, die nahe der Küste eine ligurische Frau namens Corsa hütete 15. Außerdem führten sie durch boshafte Gerüchte Fehlschläge auf einen schlechten Charakter, Erfolg auf Zufall, Glück auf Leichtsinn zurück und ließen so kein gutes Haar daran. 16. seine Miene war rechtschaffen, aber sein Charakter schamlos 17. in jeder anderen Hinsicht (war er) maßvoll, nur dann nicht, wenn es um Macht ging 19. Er [Pompeius] maß sich mit den Flinken im Sprung, mit den Schnellen im Wettlauf, mit den Kräftigen im Gebrauch der Brechstange (oder (oder am Hebebaum). 20. Ihn hatte der König Leptasta des Verrats bezichtigt und unter Bewachung aus Mauretanien weggeschickt. 21. Denn als der Konsul Sulla ein Gesetz beantragte, das sich auf dessen Rückkehr bezog, hatte der Volkstribun Gaius Herennius dies, wie verabredet, verhindert. 23. Von Jugend an hatte er aber viele anständige Männer beleidigt. 24. lediglich um die Knechtschaft besser zu machen 25. weil er ihn, der in seinen Bewegungen und beim Reden hastig und unruhig war, mit dem Namen eines halbverrückten Schauspielers ansprach, nämlich Burbuleius 26. und seinen Amtskollegen Octavius, einen gutmütigen Mann, der an Podagra litt 28. Als aber Metellus in Cordoba mit zwei Legionen im Winterlager war, brachen einige Berge und Hügel auf und sackten in sich zusammen – dies geschah entweder durch einen Zufall oder (nach Ansicht der Gelehrten) dadurch, dass in unterirdischen Hohlräumen Stürme entstanden sind. 29. Ihnen legte Sertorius an drei Stellen in geeigneten Waldschluchten mehrere Hinterhalte, den ersten für die womöglich vorbeikommenden 31. nachdem die meisten Feldzeichen und auch der Leichnam des Laelius zurückerobert waren 32. und da Metellus in einem ganz anderen Gebiet operierte, lag die Hoffnung auf Verstärkung in weiter Ferne 34. Dieses Geld war Metellus (oder (oder von Metellus) für den Krieg in Spanien zur Verfügung gestellt worden. 35. Sertorius aber, der keine anderen Aufgaben zu erledigen hatte, nutzte den Winter, um seine Truppen zu verstärken. 37. ein bedeutender Mann und in keiner Fertigkeit irgendjemandem unterlegen

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39. genus armis ferox et servitii insolitum 41. Eam deditionem senatus per nuntios Orestis cognitam approbat. 42. *** quem exercitus fuerat, legionem misit dispecta vanitate, idque illi in sapientiam cesserat. Dein L. Octavius et C. Cota consulatum ingress, quorum Octavius langude et incuriose fuit, Cta promptius, sed ambitie tum ingenio largitor et cupiens gratia sing

    orum *** 43. P.que Lentulus Marcell eodem actore quaest in novam provinci Curenas missus est, c ea mortui regis Apio testamento nobis d prudentiore quam lescentis et minus q ille avide imperio conenda fuit. Praetereversorum ordin*** 44. Immane quantum animi exarsere. 45. ***is saevitia. Qua re fatita plebes forte consu ambo Q. Metellum, quoi tea Cretico cognomem fuit, candidatuaetorium sacra via dectis cum magno tuultu invadit fugienque secuta ad Octavi dom, quae propior erat, in …… um perve*** 46*. festinantibus in summa inopia patribus 47. Oratio C. Cottae consulibus ad populum Romanum: paucos dies Cotta mutata veste permaestus, quod pro cupita volutate plebes abalienata fuerat, hoc modo in contione populi disseru: (1) “Quirites, multa mihi pericula domi militiaeque, multa advorsa fuere; quorum alia toleravi, partim reppuli deorum auxiliis et virtute mea. In quis omnibus numquam animus negotio defuit neque decretis labos. Malae secundaeque res opes, non ingenium, mihi mutabant. (2) At contra in his miseriis cuncta me cum fortuna deseruere. Praeterea senectus per se gravis curam duplicat, quoi misero acta iam aetate ne mortem quidem honestam sperare licet. (3) Nam si parricida vostri sum et, bis genitus hic, deos penatis meos patriamque et

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    39. ein Menschenschlag, der kriegerisch ist und nicht an Knechtschaft gewöhnt 41. Von dieser Kapitulation erfuhr der Senat durch die Boten des Orestes, und er stimmte ihr zu. 42. (…) der das Heer kommandiert hatte, schickte eine Legion, nachdem (obwohl?) er dessen Selbstherrlichkeit durchschaut hatte, und dadurch gewann er den Ruf der Klugheit. Dann traten Lucius Octavius und Gaius Cotta das Konsulat an, von denen Octavius sich passiv und verantwortungslos verhielt, sein Amtskollege hingegen entschlossener. Cotta war jedoch aus Ehrgeiz und von Natur aus jemand, der mit Bestechungen agierte und durch die Gunst Einzelner (…) wollte (…) 43. Und Publius Lentulus Marcellinus wurde auf Betreiben desselben Mannes als Quästor in die neue Provinz Kyrene geschickt, obwohl diese Provinz, die uns durch das Testament des verstorbenen Königs Apion zugefallen war, einen besonneneren Statthalter benötigt hätte, als es ein junger Mann sein konnte, und nicht so habgierig verwaltet werden durfte, wie es jener tat. Außerdem (…) aus den verschiedenen Ständen (…) 44. Die Gemüter erhitzten sich in unglaublicher Weise. 45. *** Grausamkeit (?). Die dadurch zermürbte Plebs attackierte in einem großen Tumult die beiden Konsuln, als sie gerade einen Kandidaten für die Prätur (nämlich Quintus Metellus, der später den Beinamen Creticus erhielt) auf der Sacra Via begleiteten, und sie verfolgte die Flüchtenden bis zum Hause des Octavius, das recht nahe lag (…) gelangte (?) *** 46. als die Senatoren angesichts der akuten Notlage rastlos tätig waren 47. Die Rede des Konsuls Gaius Cotta vor dem römischen Volk: Nach einigen Tagen hielt Cotta, in tiefer Traurigkeit und in Trauerkleidung (das Volk hatte nämlich nicht die gewünschte Gesinnung gezeigt, sondern sich von ihm abgewandt), die folgende Rede in der Volksversammlung: (1) „Bürger von Rom, im Krieg wie im Frieden drohten mir viele Gefahren, standen mir zahlreiche Widrigkeiten im Wege; einige davon habe ich ertragen, andere mit Hilfe der Götter und meiner Tatkraft abgewehrt. In allen diesen Gefahren hat mir niemals der Mut zum Handeln gefehlt und ich war immer dazu bereit, meine Entschlüsse in die Tat umzusetzen. Durch Glück und Unglück haben sich meine Lebensumstände und meine Mittel, nicht aber mein Charakter geändert. (2) Doch jetzt habe ich in der gegenwärtigen Notlage zusammen mit meinem Glück auch alles andere eingebüßt. Außerdem verdoppelt mein Alter, das an sich schon schwer genug ist, meine Sorgen, der ich armer und schon betagter Mann nicht einmal auf einen ehrenvollen Tod hoffen darf. (3) Denn wenn ich wirklich zum Verräter an euch geworden bin und wirklich, obwohl ich hier zweimal geboren wurde, meine Penaten, das Vaterland und das

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    summum imperium vilia habeo, quis mihi vivo cruciatus satis est aut quae poena mortuo? Quin omnia memorata apud inferos supplicia scelere meo vici. (4) A prima adulescentia in ore vostro, privatus et in magistratibus, egi. Qui lingua, qui consilio meo, qui pecunia voluere, usi sunt; neque ego callidam facundiam neque ingenium ad male faciundum exercui. Avidissumus privatae gratiae maxumas inimicitias pro re publica suscepi; quis victus cum illa simul, cum egens alienae opis plura mala exspectarem, vos, Quirites, rursus mihi patriam deosque penatis cum ingenti dignitate dedistis. (5) Pro quibus beneficiis vix satis gratus videar, si singulis animam, quam nequeo, concesserim. Nam vita et mors iura naturae sunt; ut sine dedecore cum civibus fama et fortunis integer agas, id dono datur atque accipitur. (6) Consules nos fecistis, Quirites, domi bellique impeditissuma re publica. Namque imperatores Hispaniae stipendium, milites, arma, frumentum poscunt; et id res cogit, quoniam defectione sociorum et Sertori per montis fuga neque manu certare possunt neque utilia parare. (7) Exercitus in Asia Ciliciaque ob nimias opes Mithridatis aluntur; Macedonia plena hostium est, nec minus Italiae marituma et provinciarum; cum interim vectigalia parva et bellis incerta vix partem sumptuum sustinent. Ita classe, quae commeatus tuebatur, minore quam antea navigamus. (8) Haec si dolo aut socordia nostra contracta sunt, agite, ut monet ira, supplicium sumite; sin fortuna communis asperior est, quare indigna vobis nobisque et re publica incipitis? (9) Atque ego, quoius aetati mors propior est, non deprecor, si quid ea vobis incommodi demitur; neque mox ingenio corporis honestius quam pro vostra salute finem vitae fecerim. (10) Adsum en C. Cotta consul; facio, quod saepe maiores asperis bellis fecere: voveo dedoque me pro re publica. (11) Quam deinde quoi mandetis, circumspicite. Nam talem honorem

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    höchste Amt verachte, welche Qualen wären dann für mich zu Lebzeiten und welche Strafe nach meinem Tode noch hart genug? Ja, alle Strafen, die es in der Unterwelt geben soll, hätte ich dann durch mein Verbrechen übertroffen. (4) Von frühester Jugend an habe ich mein Leben als Privatmann und als Beamter in der Öffentlichkeit, vor euch, verbracht: Wer auch immer meine Beredsamkeit, meinen Rat, mein Geld benötigte, konnte davon Gebrauch machen. Weder habe ich aber eine verschlagene Rhetorik angewendet noch habe ich meine Begabung für verbrecherische Zwecke ausgenützt. Unvergleichlich gierig nach persönlichem Ansehen habe ich die größten Feindschaften für den Staat auf mich genommen. Als ich diesen zusammen mit dem Staat erlag und ich ohne jegliche fremde Hilfe noch größeres Unheil erwarten musste, da habt ihr, Bürger von Rom, mir wieder das Vaterland, die Penaten und meine hohe Stellung gegeben. (5) Angesichts dieser Geschenke würde ich zu undankbar erscheinen, wenn ich für einzelne mein Leben hingäbe, was unmöglich ist. Denn nur die Natur spricht Recht über Leben und Tod. Dass man aber zusammen mit seinen Mitbürgern ein Leben ohne Schande verbringen kann, ohne dass der Ruf oder das Vermögen Schaden leiden, das kann als Geschenk gegeben und empfangen werden. (6) Ihr habt mich zu einer Zeit zum Konsul gemacht, Bürger von Rom, da der Staat im Frieden wie im Krieg vollkommen handlungsunfähig ist. Denn die Feldherren in Spanien fordern Sold, Soldaten, Waffen und Verpflegung. Und dazu zwingen sie die Umstände, da sie ja durch den Abfall der Verbündeten und Sertorius’ Flucht durch die Berge weder kämpfen noch zweckmäßige Vorbereitungen treffen können. (7) In Kleinasien und Kilikien müssen wegen der allzu starken Machtstellung des Mithridates Heere unterhalten werden. Makedonien ist voll von Feinden, ebenso die Küstengebiete Italiens und der Provinzen, während die Steuereinnahmen, die gering und durch die Kriege unsicher sind, kaum einen Teil der Kosten decken. So haben wir jetzt eine kleinere Flotte als zuvor für die Sicherung unserer Handelswege. (8) Wenn dies alles durch meine Heimtücke oder Untätigkeit zustande gekommen ist, dann handelt so, wie es der Unmut euch eingibt, vollzieht die Todesstrafe. Wenn aber einfach nur das allgemeine Schicksal uns zu hart mitspielt, warum unternehmt ihr dann Schritte, die weder eurer Würde noch meiner noch der des Staates entsprechen? (9) Und ich, dem sich aufgrund des Alters der Tod bereits nähert, bitte nicht um Gnade, wenn durch meinen Tod irgendein Schaden von euch abgewendet werden kann. Und nicht wäre es ehrenvoller, wenn ich bald einen natürlichen Tod stürbe, als wenn ich jetzt mein Leben für eure Rettung hingäbe. (10) Seht, hier stehe ich, der Konsul Gaius Cotta, ich tue, was unsere Vorfahren oft in schweren Kriegen getan haben: Ich opfere mein Leben für den Staat. (11) Schaut euch aber gut um, wem ihr danach den Staat anvertraut. Denn ein solches Amt

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    bonus nemo volet, cum fortunae et maris et belli ab aliis acti ratio reddunda aut turpiter moriundum sit. (12) Tantummodo in animis habetote non me ob scelus aut avaritiam caesum, sed volentem pro maxumis beneficiis animam dono dedisse. (13) Per vos, Quirites, et gloriam maiorum, tolerate advorsa et consulite rei publicae. (14) Multa cura summo imperio inest, multi ingentes labores, quos nequiquam abnuitis et pacis opulentiam quaeritis, cum omnes provinciae, regna, maria terraeque aspera aut fessa bellis sint.” 50*. quae causa fuerit novandis rebus 53. post ubi fiducia nimius 54. inter laeva moenium et dextrum flumen Turiam, quod Valentiam parvo intervallo praeterfluit 59. Occurrere duci et proelium accendere adeo, uti Metello in sagum, Hirtuleio in brachium tela venirent. 64*. Saguntini fide atque aerumnis incliti per mortales, studio maiore quam opibus, quippe quos etiam tum semiruta moenia, domus intectae parietesque templorum ambusti manus Punicas ostentabant. 67. avidissimis atque promptis ducibus, ut Metellus ictu tragulae sauciaretur 69. Haec postquam Varro in maius more rumorum audivit 70. (1) At Metellus in ulteriorem Hispaniam post annum regressus magna gloria concurrentium undique, virile et muliebre secus, per vias et tecta omnium visebatur. (2) Eum quaestor C. Urbinus aliique cognita voluntate cum ad cenam invitaverant, ultra Romanum ac mortalium etiam morem curabant, exornatis aedibus per aulaea et insignia, scenisque ad ostentationem histrionum fabricatis; simul croco sparsa humus et alia in modum templi celeberrimi. (3) Praeterea tum sedenti transenna demissum Victoriae simulacrum cum machinato strepitu tonitruum coronam capiti imponebat,

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    wird kein anständiger Mann wollen, da er ja Rechenschaft abzulegen hat über Dinge, die in der Macht des Schicksals stehen, über das Wüten des Meeres und über die Kriege, die andere geführt haben – oder aber auf unehrenhafte Weise sterben muss. (12) Erinnert euch später nur immer daran, dass ich nicht wegen eines Verbrechens oder wegen meiner Habgier erschlagen wurde, sondern dass ich freiwillig mein Leben als Geschenk hingab für euer großes Wohlwollen mir gegenüber. (13) Bei euch, Bürger von Rom, und beim Ruhm unserer Vorfahren beschwöre ich euch: Ertragt die Widrigkeiten und kümmert euch um den Staat! (14) Das höchste Amt bringt große Verantwortung mit sich, viele große Anstrengungen, denen ihr euch vergebens zu entziehen sucht; stattdessen sehnt ihr euch nach dem Wohlstand des Friedens, während doch alle Provinzen, alle Königreiche, alle Meere und alle Länder durch die Kriege verbittert und erschöpft sind.“ 50. was der Grund gewesen sei für den Aufstand 53. dann, nachdem er zu selbstsicher (geworden war) 54. zwischen der Stadtmauer zur Linken und dem Fluss Turia zur Rechten, der in kleinem Abstand an Valentia vorbeifließt 59. (Soldaten beider Kriegsparteien) griffen den (feindlichen) Feldherrn an und machten die Schlacht derart hitzig, dass Geschosse den Feldherrnmantel des Metellus und den Arm des Hirtuleius durchbohrten. 64. Die Saguntiner, berühmt unter den Menschen durch ihre Loyalität und ihr unglückliches Schicksal, besaßen mehr Eifer als Mittel. In ihrer Stadt zeugten ja die auch damals noch halbzerstörten Mauern, die Häuser ohne Dach und die verbrannten Tempelmauern vom Treiben der Karthager. 67. und die Feldherren waren entschlossen und brannten so sehr auf den Kampf, dass Metellus von einem Wurfspieß getroffen und verwundet wurde 69. Nachdem Varro diese Nachricht erhalten hatte, die, wie bei Gerüchten üblich, noch weiter ausgeschmückt worden war 70. (1) Als aber Metellus nach einem Jahr in die Provinz Hispania ulterior zurückkehrte, wurde er von der ganzen Bevölkerung (von Männern wie Frauen) mit großen Ehren empfangen, die von überallher auf den Wegen und vor den Häusern zusammenlief. (2) Als der Quästor Gaius Urbinus und andere seine Wünsche kennen gelernt hatten und ihn zum Essen einluden, betrieben sie einen Aufwand über das unter Römern, ja sogar unter Menschen ansonsten übliche Maß hinaus, dekorierten ihre Häuser mit Wandteppichen und Schmuckstücken und ließen Bühnen für Schauspielaufführungen anfertigen; außerdem bestreuten sie den Fußboden mit Safran, und trafen andere Vorbereitungen, die an die außergewöhnliche Pracht eines Tempels erinnerten. (3) Außerdem wurde eine Statue der Siegesgöttin an einem Seil herabgelassen, die Metellus auf seinem Sitzplatz unter künstlich erzeugtem Donnergrollen einen Kranz aufsetz-

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    tum venienti ture quasi deo supplicabatur. (4) Toga picta plerumque amiculo erat accumbenti, epulae vero quaesitissimae neque per omnem modo provinciam, sed trans maria, ex Mauretania volucrum et ferarum incognita antea plura genera. Quis rebus aliquantam partem gloriae dempserat, maxumeque apud veteres et sanctos viros superba illa, gravia, indigna Romano imperio aestumantis. 71. Quos advorsum multi ex Bithynia volentes accurrere, falsum filium arguturi. 75*. Sed Mithridates extrema pueritia regnum ingressus matre sua veneno interfecta. 77*. Mithridates corpore ingenti, proinde armatus 78. Ibi Fimbriana seditione, qui regi per obsequelam orationis et maxime odium Sullae graves carique erant. 79*. Illi tertio mense pervenere in Pontum multo celerius spe Mithridatis. 80. Eodem anno in Macedonia C. Curio principio veris cum omni exercitu profectus in Dardaniam, quibus potuit, pecunias Appio dictas coegit. 81. Iter vertit ad Corycum, urbem inclitam portu atque nemore, in quo crocum gignitur. 85. genus hominum vagum et rapinis suetum magis quam agrorum cultibus 86. † his sunt secundum † pocula et alias res aureas, diis sacrata instrumenta, convivio mercantur. 87. ***re. Dein signo dato praecipiti iam secunda vigilia simul utrimque pugnam occipiunt, magno tumultu primo eminus pe obscuram noctem tela in incertum iaciens, post, ubi Romani de industria non tela neque clamorem reddebant, perculsos formidine aut desertam munitionem rati avide in fossas et inde velocissumum genus per vallum

    roperat. At superstantes tum denique saxa, pila, sudes iacere et multos prope egressos comminus plagis aut umbonibus deturbare; qua repentina formidine pars vallo transfixa,

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    te. Wenn er irgendwohin kam, verbrannte man Weihrauch zu seinen Ehren, als ob er ein Gott wäre. (4) Beim Essen trug er zumeist die toga picta [die Toga des Triumphators]. Seine Speisen waren höchst erlesen und kamen nicht nur aus der ganzen Provinz, sondern auch aus Gebieten jenseits der Meere, so etwa aus Mauretanien viele zuvor unbekannte Geflügel- und Wildarten. Durch einen solchen Lebenswandel hatte er selbst seinen Ruhm beträchtlich geschmälert, und zwar vor allem bei alten, integren Männern, die dieses Verhalten für anmaßend, untragbar und für des römischen Reiches unwürdig hielten. 71. Viele kamen freiwillig aus Bithynien herbeigeeilt, um sie zu widerlegen und um zu beweisen, dass er kein echter Sohn war. 75. Aber Mithridates bestieg den Thron am Ende seiner Kindheit, nachdem er seine Mutter mit Gift beseitigt hatte. 77. Mithridates, ein Hüne und entsprechend bewaffnet 78. Dorthin [an den Hof des Mithridates] waren durch den Aufstand des Fimbria Leute gekommen, die beim König einflussreich und beliebt waren, weil sie ihm nach dem Munde redeten und vor allem weil sie Sulla hassten. 79. Im dritten Monat kamen sie an den Pontus – viel schneller, als Mithridates es erwartet hätte. 80. In demselben Jahr brach Gaius Curio zu Beginn des Frühjahres in Makedonien auf, marschierte mit dem gesamten Heer in das Gebiet der Dardaner und trieb, wo er nur konnte, die dem Appius zugesagten Gelder ein. 81. Er änderte die Richtung und marschierte nach Corycus; die Stadt war berühmt für ihren Hafen und einen Wald, in dem Safran wächst. 85. ein Nomadenvolk, das eher an Raubzüge als an die Landwirtschaft gewohnt ist 86. Becher und andere goldene Gegenstände, den Göttern geweihte Gerätschaften, kaufen sie für ein Gastmahl. 87. (A) (…) Dann wurde, als sich die zweite Nachtwache schon dem Ende zuneigte [gegen Mitternacht], das Zeichen gegeben und auf beiden Seiten beginnt gleichzeitig der Kampf, zunächst schleudern die Feinde mit großem Lärm aus der Ferne ihre Wurfgeschosse durch die dunkle Nacht ins Ungewisse. Als die Römer dann absichtlich weder den Geschosshagel noch das Geschrei erwiderten, glaubten die Feinde, dass entweder der Schreck die Römer gelähmt habe oder dass die Befestigungsanlage aufgegeben worden sei, liefen mit Begeisterung in die Gräben und von dort versuchten die Schnellsten unter ihnen, rasch über den Wall zu kommen. Aber die Römer standen dort oben und schleuderten nun endlich Steine, Speere und Pfähle auf sie und stießen viele, die fast schon den obersten Rand erreicht hatten, im Nahkampf durch Schläge oder mit ihren Schildbuckeln wieder hinab. In der plötzlich entstehenden Panik stürzte ein Teil durchbohrt vom Wall, andere fielen auf ihre eigenen Waffen,

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    alii super te|la sua praecipitati ruinaque multorum fossae semipletae sunt, ceteris fuga tuta fuit incerto noctis et metu insidiarum. Dein post paucos dies egestate aquae coacta deditio est, oppidum incensum et cultores venundati eoque terrore mox Isaura Nova legati pacem orantes venere obsidesque et iussa facturos promittebant. Igitur Servilius prudens ferociae hostium, neque illis taedium belli, sed repentinam formidinem pacem suadere, ne de missione mutarent animos, quam primum moenia eorum cum omnibus copiis accessit, mol|lia interim legatis ostentans et deditionem cunctis praesentibus facilius conventuram. Praeterea milites a ppulationibus agrorum et omni noxa retinebat; frumentum et alios comeatus oppidani dabant ex eorum voluntate; ne suspectum haberent, castra in plano locaverat. Deinde ex imperio datis centum obsidibus, ubi perfugae arma tormentaque omnia poscebantur, iuniores primum ex consilio, deinde uti quisque acciderat, per totam urbem maximo clamore tumultum faciunt, neque se arma neque socios, dum | animae essent, prodituros firmabant. At illi, quibus aetas ibellior et vetustat vis Romanorum multum cognita erat, cupere pacem, sed conscientia noxarum metuere, ne datis armis mox tamen extrema victis paterentur. Inter quae trepida cunctisque in unum tumultuose consultantibus Servilius fut[t]ilem deditionem ratus, ni mets urgeret, de improviso montem, ex quo in forum oppidi teli coniectus erat, occupavit sacrum Matri Magnae; et in eo credebatur epulari diebus certis dea, quoius erat de nomine, exaudiri sonores *** 88. genus militum suetum a pueritia latrociniis 91. Neque virgines nuptum a parentibus mittebantur, sed ipsae belli promptissimos deligebant. 92. ra militaria viribantur in bellum atrocinia pergentlorum fortia facta nebant. Ea postquapeius infenso exer adventare comper est,

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    (B) und durch den Sturz so vieler Angreifer füllten sich die Gräben zur Hälfte, den Rest rettete die Flucht, weil das Dunkel der Nacht und die Angst der Römer vor einem Hinterhalt sie schützte. Dann wurde nach wenigen Tagen die Kapitulation durch Wassermangel erzwungen, die Stadt in Brand gesteckt, die Bewohner verkauft, und da man in Isaura Nova ein ähnliches Schicksal befürchtete, kamen aus dieser Stadt kurz darauf Gesandte, die um Frieden baten und versprachen, dass sie Geiseln stellen und die Bedingungen erfüllen würden. Servilius kannte die Kriegslust der Feinde und wusste, dass ihnen nicht etwa Kriegsmüdigkeit, sondern die plötzliche Angst zum Frieden riet. Damit sie nun ihren Entschluss, den Krieg zu beenden, nicht änderten, marschierte er so bald wie möglich mit allen seinen Truppen zu ihrer Stadt. (C) Dabei versprach er den Gesandten eine milde Behandlung und erklärte, dass man sich leichter über die Kapitulationsbedingungen einigen könne, wenn alle anwesend seien. Außerdem hielt er die Soldaten von der Plünderung des Gebietes und überhaupt von jedem Fehlverhalten ab. Die Stadtbewohner sorgten den Wünschen der Römer entsprechend für Proviant und weiteren Nachschub. Damit sie ihm keine bösen Absichten unterstellen konnten, hatte Servilius sein Lager auf der Ebene aufgeschlagen. Als dann dem Befehl entsprechend 100 Geiseln gestellt wurden und er die Übergabe aller Überläufer, Waffen und Wurfmaschinen forderte, verursachten zunächst junge Männer absichtlich, dann überhaupt jeder, der sich zufällig dazugesellte, durch großen Lärm einen großen Auflauf in der Stadt und erklärten, dass sie weder ihre Waffen noch ihre Verbündeten ausliefern würden, solange sie lebten. (D) Aber diejenigen, die bereits ein weniger kriegslustigeres Alter erreicht hatten und aufgrund ihrer Jahre die Macht der Römer gut kannten, wollten zwar Frieden, fürchteten aber aufgrund ihres Schuldbewusstseins, dass sie bald nach Übergabe der Waffen das erleiden müssten, was für Besiegte die Höchststrafe darstellt. Während in der Stadt alles derart in Aufregung war und die Beratungen der Bewohner in allgemeine Konfusion ausarteten, kam Servilius zu dem Schluss, dass die Kapitulation scheitern würde, wenn sie nicht die Angst dazu zwänge. Daher besetzte er unversehens einen der Magna Mater heiligen Berg, von dem aus der Marktplatz der Stadt in Reichweite der Wurfmaschinen lag. Auf diesem Berg soll die Göttin, der er geweiht war, an bestimmten Tagen gespeist haben, man soll dort auch Geräusche gehört haben (…) 88. die Art Soldaten, die seit ihrer Kindheit an Raubzüge gewöhnt sind 91. Aber die jungen Mädchen wurden nicht von ihren Eltern verheiratet, sondern sie wählten eigenständig die fähigsten Kämpfer aus. 92. Wenn die Männer in den Krieg zogen oder Raubzüge unternahmen, erinnerten ihre Mütter sie an die militärischen Leistungen ihrer Väter, zu deren Heldentaten sie sie aufforderten. Als sie erfuhren, dass Pompeius mit einem

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    maioribus natu, p et iussa uti facerendentibus; ubi nihil abendo proficiunt, setae a viris arma cep. Occupato prope Meo quam tutissimo locos testabantur inotriae parientumque libertatis, eoque uber, partus et cetera mul munia viris mane. Quis rebus accensa iutus decreta senior *** 93. *** interposita, si exempsidione forent, fidem etatem acturos; nam ea inter illum Pommque fluxa pace dubierant. Tum Romanus rcitus frumenti gra remotus in Vascones … emque Sertorius mon…e, quoius multum inat, ne ei perinde Asiae … atque vadi e facultate peius aliquot dies tra stativa habuit, dica valle disiunctis hostibus, neque propin civitates Mutudurei …eores hunc aut illum meatibus iuvere: fames bos fatigavit. Dein tan Pompeius quadrato *** 94. Titurium legatum cum cohortibus quindecim in Celtiberia hiemem agere iussit praesidentem socios. 95. Ii saltibus occupatis Termestinorum agros invasere frumentique ex inopia gravi satias facta. 96. Multique commeatus interierant insidiis latronum. 98. Epistula Cn. Pompei ad senatum: (1) “Si advorsus vos patriamque et deos penatis tot labores et pericula suscepissem, quotiens a prima adulescentia ductu meo scelestissumi hostes fusi et vobis salus quaesita est, nihil amplius in absentem me statuissetis, quam adhuc agitis, patres conscripti, quem contra aetatem proiectum ad bellum saevissumum cum exercitu optume merito, quantum est in vobis, fame, miserruma omnium morte, confecistis. (2) Hacine spe populus Romanus liberos suos ad bellum misit? Haec sunt praemia pro volneribus et totiens ob rem publicam fuso sanguine? Fessus scribundo mittundoque legatos omnis opes et spes privatas meas consumpsi, cum interim a vobis per triennium

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    kampfbereiten Heer im Anmarsch auf ihre Stadt sei, rieten die Älteren dazu, Frieden zu schließen und die Bedingungen zu akzeptieren. Als die Frauen sich dagegen aussprachen, aber damit nicht durchdrangen, trennten sie sich von den Männern und griffen zu den Waffen. Sie zogen sich bei Meoriga (?) in eine sehr geschützte Stellung zurück und riefen jene [die Männer] als Zeugen dafür an, dass sie Heimat, Eltern und die Freiheit verloren hätten und dass daher Säugen, Gebären und die anderen Aufgaben der Frauen nun den Männern blieben. Dadurch wurde die Jugend aufgerüttelt und (…) die Beschlüsse der alten Männer (…) 93. (?) wenn die Belagerung aufgehoben werde, würden sie auf Treu und Glauben einen Bündnisvertrag schließen (zuvor hatten sie nämlich in ihrer Loyalität zwischen ihm und Pompeius geschwankt, so dass der Frieden unsicher war). Dann zog sich das römische Heer ins Gebiet der Vasconen zurück, um sich zu verproviantieren (…) Sertorius, für den es von größter Bedeutung war, dass ihm nicht ebenso Asien (…) Und da Pompeius die Gelegenheit hatte, eine Furt zu benutzen (?), hielt er sich einige Tage in seinem Standlager auf, wobei ihn nur ein schmales Tal von den Feinden trennte. Und die nahe gelegenen Stämme, die Mutudurer und die (…) unterstützten weder Pompeius noch Sertorius mit Nachschub: So zermürbte der Hunger beide Kriegsparteien. Aber dann brach Pompeius mit seinen Truppen in Viereckformation auf (…) 94. Den Legaten Titurius ließ er mit 15 Kohorten im Gebiet der Keltiberer das Winterlager aufschlagen und die Verbündeten überwachen. 95. Sie besetzten die Gebirgspässe und überfielen das Gebiet der Termestiner; und nach der schweren Lebensmittelknappheit konnten sie sich endlich wieder satt essen. 96. Und viele Nachschubtransporte waren durch Überfälle von Banditen verloren gegangen. 98. Der Brief des Gnaeus Pompeius an den Senat (1) „Wenn ich in einem Kampf gegen Euch, gegen das Vaterland und gegen die Penaten so viele Strapazen und Gefahren auf mich genommen hätte, wie oft von meiner frühesten Jugend an unter meiner Führung die verbrecherischsten Feinde geschlagen und Euch Rettung verschafft wurde, hättet Ihr keine größere Strafe gegen mich in Abwesenheit beschließen können als durch Euer bisheriges Handeln, Senatoren: Ihr habt mich, der ich trotz meiner Jugend zusammen mit einem verdienten Heer in einen grausamen und brutalen Krieg geworfen wurde, soweit es in Eurer Macht steht, durch Hunger, die schrecklichste aller Todesarten, getötet. (2) Hat das römische Volk seine Söhne mit diesen Erwartungen in den Krieg geschickt? Sind das die Belohnungen für die Wunden und das so oft für den Staat vergossene Blut? Ermüdet vom Schreiben und dem Entsenden von Gesandten habe ich alle meine persönlichen Ressourcen und

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    HISTORIARUM FRAGMENTA SELECTA

    vix annuos sumptus datus est. (3) Per deos immortalis, utrum censetis vicem me aerari praestare an | exercitum sine frumento et stipendio habere posse? (4) Equidem fateor me ad hoc bellum maiore studio quam consilio profectum, quippe qui nomine modo imperi a vobis accepto diebus quadraginta exercitum paravi hostisque in cervicibus iam Italiae agentis ab Alpibus in Hispaniam submovi; per eas iter aliud atque Hannibal, nobis opportunius, patefeci. (5) Recepi Galliam, Pyrenaeum, Lacetaniam, Indigetis et primum impetum Sertori victoris novis militibus et multo paucioribus sustinui hiememque castris inter saevissumos hostis, non per oppida | neque ex ambitione mea egi. (6) Quid deinde proelia aut expeditiones hibernas, oppida excisa aut recepta enumerem? Quando res plus valet quam verba: castra hostium apud Sucronem capta et proelium apud flumen Turiam et dux hostium C. Herennius cum urbe Valentia et exercitu deleti satis clara vobis sunt; pro quis, o grati patres, egestatem et famem redditis. (7) Itaque meo et hostium exercitui par condicio est; namque stipendium neutri datur, victor uterque in Italiam venire potest. (8) Quod ego vos moneo quaesoque, ut animadvortatis | neu cogatis necessitatibus privatim mihi consulere. (9) Hispaniam citeriorem, quae non ab hostibus tenetur, nos aut Sertorius ad internecionem vastavimus praeter maritumas civitates, ultro nobis sumptui onerique sunt; Gallia superiore anno Metelli exercitum stipendio frumentoque aluit et nunc malis fructibus ipsa vix agitat; ego non rem familiarem modo, verum etiam fidem consumpsi. (10) Relicui vos estis: qui nisi subvenitis, invito et praedicente me exercitus hinc et cum eo omne bellum Hispaniae in Italiam transgradien|tur.” Hae litterae principio sequentis anni recitatae in senatu. Sed consules decretas a patribus provincias inter se paravere; Cotta Galliam citeriorem habuit, Ciliciam Octavius. Dein proxumi consules, L. Lucullus et M. Cotta, litteris nuntiisque Pompei graviter perculsi, cum summae rei gratia tum,

    HISTORIEN

    275

    Hoffnungen aufgebraucht, während Ihr mir für einen Zeitraum von drei Jahren Mittel für kaum ein Jahr zur Verfügung gestellt habt. (3) Bei den unsterblichen Göttern, glaubt Ihr, dass ich als Staatskasse fungieren kann oder dass ich das Heer ohne Verpflegung und Sold zu führen vermag? (4) Ich gebe ja zu, dass mein Eifer größer war als meine Umsicht, als ich in diesen Krieg zog. Ich musste nämlich, nachdem ich nur dem Namen nach ein Kommando von Euch erhalten hatte, in vierzig Tagen ein Heer aufstellen und habe dann die Feinde, die schon vor den Toren Italiens standen, von den Alpen zurückgeschlagen und nach Spanien getrieben. In den Alpen habe ich einen anderen Weg als Hannibal erschlossen, der für uns praktischer ist. (5) Ich habe Gallien, die Pyrenäen, Laketanien und das Gebiet der Indigeter zurückerobert und dem ersten Angriff des siegreichen Sertorius mit unerfahrenen und zahlenmäßig weit unterlegenen Truppen standgehalten; ich habe den Winter im Lager unter grausamen Feinden verbracht, nicht in Städten und nicht in dem Bestreben, meine Beliebtheit bei den Soldaten zu erhöhen. (6) Was soll ich zudem die Schlachten oder die Feldzüge im Winter, die zerstörten oder zurückeroberten Städte aufzählen, da ja die Sache selbst mehr zählt als Worte? Die Eroberung des feindlichen Lagers bei Sucro, die Schlacht am Fluss Turia und die Vernichtung des feindlichen Feldherrn Gaius Herennius zusammen mit der Stadt Valentia und seinem Heer sind Euch hinreichend bekannt. O Ihr dankbaren Senatoren, Euer Lohn dafür waren Not und Hunger! (7) Daher befindet sich mein Heer in derselben Lage wie das feindliche. Sold wird nämlich keiner der beiden Armeen gezahlt, beide können als Sieger nach Italien kommen. (8) Ich bitte euch daher inständig darum, euch darum zu kümmern und mich nicht zu zwingen, meine Notlage auf eigene Faust zu beseitigen. (9) Das diesseitige Spanien, das nicht in der Gewalt der Feinde ist, haben entweder wir oder Sertorius fast gänzlich vernichtet (abgesehen von den Küstenstädten, die uns zusätzliche Kosten und Schwierigkeiten verursachen). Gallien hat im vergangenen Jahr das Heer des Metellus mit Sold und Verpflegung versorgt und kann sich nun aufgrund von Missernten kaum selbst ernähren. Ich selbst habe nicht nur mein Vermögen, sondern auch meinen Kredit aufgebraucht. (10) Ihr seid meine letzte Hoffnung: Wenn Ihr nicht zu Hilfe kommt, wird das Heer gegen meinen Willen, aber so, wie ich es euch jetzt prophezeie, den hiesigen Kriegsschauplatz verlassen und nach Italien übersetzen – und mit ihm der ganze spanische Krieg.“ Dieser Brief wurde zu Beginn des folgenden Jahres [74 v. Chr.] im Senat verlesen. Die Konsuln verständigten sich aber untereinander über die ihnen von den Senatoren zugewiesenen Provinzen. Cotta erhielt das diesseitige Gallien, Octavius Kilikien. Ihre Amtsnachfolger, Lucius Lucullus und Marcus Cotta, waren durch den Brief und die Nachrichten des Pompeius schwer erschüttert

    276

    HISTORIARUM FRAGMENTA SELECTA

    ne exercitu in Italiam deducto neque laus sua neque dignitas esset, omni modo stipendium t su

    plementum paravere, adnitente maxime nobilitate, quoius plerique iam tum lingua ferociam suam et dicta factis seque. 104. Terror hostibus et fiducia suis incessit. 110. omnia sauciata corpora in ratis imposuisse 111. Ita fiducia quam argumentis purgatiores dimittuntur.

    Liber III. 1. inter recens domitos Isauros Pisidasque 2*. qui orae maritimae, qua Romanum esset imperium, † contrarius † piratis 3. perdundae pecuniae genitum et vacuom a curis nisi instantibus 4*. Antonius paucis ante diebus erupit ex urbe. 5. *** pias Antonius hacile prohibens a , quia periaci telurat angusto intrque Mamercus host in dextera commu classis aestate qu tutior in aperto sbatur. Iamque diebus al per dubitationem , cum Ligurum praes in Alpis Terentuncitu, quaestio fac (?) Sertorium perve Antonio ceterisque pret, navibus in Hispa maturare. Post qua in Aresinarios veni copia navium lrum, quas reparatbebant quaeque no † ***

    Athetese (Tilgung) Supplierung (Ergänzung) Locus desperatus (d.h. der Herausgeber hält eine Wiederherstellung der Textstelle für unmöglich) Lacuna (Lücke im Textzeugen)

    Catilina Stelle 3,5 14,2 20,15 22,2 25,2 28,4 35,3 39,2 43,1 51,5 52,2 52,18 52,29 53,5 54,6 55,1 55,6 56,3 59,3

    diese Ausgabe quae ceteros impudicus, adulter, ganeo hortentur atque eo dictitare fecisse Graecis et fecerant solvere non possem ceterosque agrum Faesulanum infida et longe alia mihi paulum modo te effeta parente, tum assequebatur tres viros exitium vitae portabant centuriones omnis, lectos et evocatos

    Reynolds qua ceteros [inpudicus, adulter, ganeo] hortantur [atque eo dictitare fecisse] Graecis [et] fecerat soluere possem ceteros agrum †faesulanum† infida atque longe mihi alia paululum modo tete † effeta parentum † sequebatur triumviros exitum [uitae] portare centuriones omnis [lectos] et euocatos

    308 61,3

    Abweichungen von den Textausgaben

    divorsius, , sed

    diuorsius, sed

    Iugurtha Stelle 3,1 4,4 4,5 6,1 10,1 11,2 14,6 15,5 18,8 19,4 31,2 32,1 38,2 43,2 47,2 48,3 52,2 53,5 53,7 54,5 63,4 63,7 73,7

    diese Ausgabe iis fuit uti et quales praeterea et minumum liberis convenerunt me nepotem Masinissae polluta lateribus, tecta quasi Hispaniam viginti saepius ita delicta occultiora fore omnia commeatum iuvaturum viginti Metello lassique adventare in acie factis quin is senatus paulo † decio †

    74,3

    Numidis tuta eoque eas regiones Q. Metellus omnibus flagitiis aut in proelio satis magna vis et animum advortit ascenderat ascenderat

    75,4 79,1 81,2 85,42 85,47 92,7 93,3 93,5 93,6

    Reynolds [iis] fuit [uti] [et] quales praeterea [et] minumum [liberis] conuenere [me nepotem Masinissae] † polluta † lateribus tecta, quasi Hispanias quindecim saepe [ita delicta occultiora fuere] omnia commeatu iuuaturam † uiginti † Metello [laetique] [aduentare] [in] acie facile quin paulo Numidas tutata eo has regiones [Q.] Metellus flagitiis aut [in] proelio satis, magna vis [et] animum inuadit escenderat escenderat

    Abweichungen von den Textausgaben

    95,3

    iuxta atque doctissumi remorata, nisi quod ad simulanda negotia

    97,5 100,1 100,4

    navique in hiberna it; propter non tam diffidentia futurum

    prope adessemus

    100,5 102,7 103,3 104,5 113,3 114,1 114,2

    ipsis delicta gratiae voltu, corporis ita M. Mallio illincque

    iuxta [atque doctissume] remorata; *** nisi quod ad simulanda negotia [nouique] in hiberna *** propter non diffidentia futura alii adessemus (versehentliche Auslassung) [illis] delicti gratiam uoltu [corporis] [ita] Cn. Mallio illique

    Historien (1) Reden und andere Fragmente der Primärüberlieferung Stelle or. Lep. 17 or. Phil. 3 or. Phil. 19 or. Cottae A epist. Pomp. 3

    diese Ausgabe parata omissa cura nostra obrepsit plebes abalienata fuerat censetis vicem me aerari praestare epist. Pomp. 9 onerique sunt epist. Pomp. D seque or. Macri 1 docendique or. Macri 7 sed mox or. Macri 12 quaesita est et erepta in posterum, vis tribunicia epist. Mithr. 3 vera existimare epist. Mithr. 17 pestem 2,42 largitor et 2,43 ordin 2,87D forum

    Reynolds parta omissa cura oppressit † pleuis aualia funera † me uicem aerari praestare censetis onerique seque*** docendique at mox quaesita est, et erepta in posterum uis tribunicia uere aestumare peste largit…. or….. † fugam †

    309

    310 2,92 3,5

    3,6

    3,96B

    Abweichungen von den Textausgaben

    lorum nebant Meo praes in Alpis Terentun citu quaestio fac(?) Sertorium quaeque no Papyrus aus dem 5. Jh. ((Π Π4 bei Reynolds), der Fragmente aus Catil. 6 enthält; zudem wird er von dem Kirchenvater Augustin ohne Nennung der Provenienz zitiert (epist. 138,10). Imperium legitumum, nomen imperi regium habebant: habebant: Nach der antiken Tradition herrschten von 753 bis 510 sieben Könige über Rom. – Delecti … patres appellabantur appellabantur:: vgl. Cic. rep. 2,14. post … fecere fecere:: Im Jahre 510 v. Chr. sollen die Römer unter der Führung des L. Iunius Brutus den König L. Tarquinius Superbus vertrieben haben. Sallust erwähnt die gewalttätigen Auseinandersetzungen um das Regifugium mit keinem Wort (vgl. demgegenüber hist. 1,11: regibus exactis exactis), ), sondern spricht euphemistisch von immutato more more,, als ob sich die Regierungsform allmählich gewandelt hätte! Der Zweck dieser Verschleierung ist wohl in seiner Absicht zu vermuten, das frühe Rom möglichst ideal erscheinen zu lassen. – annua imperia … fecere fecere:: die Prinzipien der Annuität und Kollegialität. – imperatores imperatores:: Das Substantiv imperator bezeichnet den Träger eines imperium imperium.. Die Bedeutung ‚Feldherr‘ schwingt nur nebenbei mit. decora arma: arma: Die Übersetzung von decora an dieser Stelle ist schwierig; laut Vretska 172f. bedeutet es hier ‚ehrenvoll‘. Eine eindeutige Entscheidung ist nicht möglich. Dieses Kapitel wird häufig als Exkurs im Exkurs bezeichnet. In der Tat unterbricht der Passus die Darstellung der frühen Republik zugunsten einer Reflexion über die Historiographie. Sallusts Ziel

    316

    9,1

    9,4

    10–13 10,1

    10,3

    11,4

    11,5

    Erläuterungen

    ist es aber, noch einmal die innere Haltung der Römer in der frühen und mittleren Republik hervorzuheben. ius bonumque apud eos non legibus magis quam natura valebat valebat:: eine Eigenschaft der Menschen des Goldenen Zeitalters, vgl. etwa Ov. met. 1,89 f. und den Kommentar zu 2,1. in bello … pugnaverant pugnaverant:: Der berühmteste Fall einer derartigen Befehlsverweigerung ist wohl der des T. Manlius Torquatus, den Cato in seiner Rede anführen wird (52,30; dort mit dem Praenomen Aulus); Aulus ); zu weiteren Beispielen vgl. Vretska 193. Der zweite Teil des Sittenexkurses: Der Verfall des römischen Reiches und die aktuelle moralische Situation saevire fortuna ac miscere omnia coepit coepit:: Der Begriff fortuna ist hier lediglich als Metapher zu verstehen, mit deren Hilfe Sallust das Paradoxe der Situation betonen möchte: Obwohl die Römer auf dem Höhepunkt ihrer Macht und ihres Wohlstandes angekommen waren, begann nun der Abstieg. Zur Vorstellung vom ausbrechenden Chaos in Friedenszeiten vgl. 2,3. primo pecuniae, deinde imperi cupido crevit crevit:: Hier liegt streng genommen ein unauflösbarer Widerspruch zu 11,1 vor, der sich aber aus der geänderten Zielsetzung erklären lässt: Während Sallust in 10,3 von der Annahme ausgeht, dass in einer saturierten Gesellschaft zuerst die Habgier um sich greift, will er in Kap. 11 Sulla als Hauptverantwortlichen für die avaritia in Rom denunzieren. – materies: Diese Metapher (‚Stoff, Brennstoff‘) lässt sich im Deutschen kaum nachahmen; daher wurde in der Übersetzung eine andere Metaphorik gewählt. sed … facere facere:: Gemeint sind die Proskriptionen. Wie Caesar in 51,32 so beurteilt auch Sallust hier die Anfänge von Sullas Herrschaft positiv ((bonis bonis initiis initiis). ). – armis recepta re publica publica:: Gemeint ist Sullas zweiter Marsch auf Rom 83/82 v. Chr., der mit seinem Sieg an der Porta Collina (1. November 82) ein blutiges Ende fand. huc … molliverant molliverant:: Diese Episode aus Sullas Feldzug gegen Mithridates kennen wir nur aus dieser Stelle. Sulla war von 87 bis 83 v. Chr. Feldherr im Osten und kämpfte dort vor allem gegen Mithridates, den König von Pontus (vgl. zu diesem hist. 2,75). – liberaliter liberaliter:: Das Adverb kann sich sowohl auf die Freigebigkeit in Bezug auf den Sold beziehen als auch einfach ‚zu nachlässig‘ bedeuten (vgl. Iug. 103,5); die Übersetzung versucht diese Ambiguität zu wahren. Wahrscheinlicher ist wohl die zweite Deutung.

    Bellum Catilinae

    317

    13,1

    a privatis … constrata esse esse:: In der Tat war es damals Mode, das eigene Anwesen ins Meer hinein zu vergrößern (vgl. Hor. carm. 2,18,18–22; Varro rust. 3,17,9; Vell. 2,33,4). Der Vorwurf kehrt in der Catilina-Rede wieder (20,11).

    14–16 14,2f.

    Catilina als Verbrecher und Verführer der Jugend Zur Aufzählung der einzelnen Verfehlungen vgl. Cic. Catil. 1,13f.; 2,7f.; 2,18–23; Sest. 99. impudicus, adulter, ganeo: ganeo: zum textkritischen Problem vgl. Vretska 251f. – pene pene:: Dieser Ausdruck galt damals offenbar als obszön, vgl. Cic. fam. 9,22,2 (mit Bezug auf eine Stelle bei dem Annalisten Calpurnius Frugi). Sallust hat entweder bewusst derb formuliert oder den Ausdruck als nicht zu anstößig empfunden. Dezenter formuliert auf jeden Fall Marius, der von der turpissuma pars corporis spricht (Iug. 85,41). parricidae: parricidae: Das etymologisch umstrittene Wort parricida bezeichnet wohl allgemein den Mörder (ungefähre Synonyme daher homicida homicida,, sicarius,, interfector sicarius interfector). ). modestiae: modestiae: modestia könnte hier auch ‚Anstand, Ehre, Ehrbarkeit‘ bedeuten (so Vretska 257); im Kontext liegt aber ‚Maß‘ näher. Zu diesen Gerüchten vgl. Cic. Catil. 2,23; Q. Cic. pet. 10. Zu diesen und ähnlichen gegen Catilina erhobenen Vorwürfen vgl. Cic. Catil. 1,14; p. red. in sen. 10 und 12; dom. 62; Pis. 20; Ascon. tog. cand. p. 86 Cl.; p. 91 Cl.; p. 92 Cl. cum virgine nobili, cum sacerdote Vestae: Vestae: Die virgo nobilis können wir nicht mehr identifizieren. Die sacerdos Vestae hieß Fabia und war die Halbschwester von Ciceros Gattin. Catilina und Fabia wurden 73 v. Chr. wegen Inzest angeklagt, dann aber freigesprochen (Oros. 6,3,1). Aurelia Orestilla: Orestilla: Orestilla wird noch Catil. 35 erwähnt; außerdem spielt Cicero in der ersten Catilinarie (§ 14) auf sie an. Zu den chronologischen Problemen vgl. Ledworuski 145. quod aes alienum per omnis terras ingens erat: erat: Vretska 269 bezieht aes alienum auf die allgemein im römischen Reich herrschende Verschuldung, die sich Catilina zunutze machen wolle. Diese Deutung ist nicht völlig auszuschließen (vgl. auch den Mittelexkurs, 36,4–39,4), allerdings würde dann an dieser Stelle eine innere Begründung für Catilinas Entschluss fehlen. Versteht man unter aes alienum hingegen speziell Catilinas Schulden (vgl. auch seinen Brief in 35), so würde der Gedanke auf die in 5,7 erwähnte inopia rei

    14,2

    14,3

    14,6 14,7 15

    15,1

    15,2 15,3 16,4

    318

    16,5

    17–22

    17,3

    Erläuterungen

    familiaris zurückverweisen. Das Motiv der allgemein herrschenden Verschuldung wäre zudem singulär in der Monographie, in der immer wieder betont wird, dass vor allem einzelne Verschuldete aus allen Ständen in dieser Verschwörung eine Möglichkeit zur Rettung sahen (vgl. auch den Scherz bei Cic. fam. 5,6,2: me scito tantum habere aeris alieni, ut cupiam coniurare coniurare)) – das muss dann umso mehr für das Haupt der Verschwörung gelten. Der Ausdruck per omnis terras i. S. v. ‚überall‘ ist somit eine typisch sallustische Hyperbel. – Sullani milites milites:: Sulla hatte mehrere Veteranenkolonien eingerichtet. Zu den verzweifelten und zu allem bereiten Veteranen vgl. Cic. Catil. 2,20. Cn. Pompeius in extremis terris bellum gerebat gerebat:: Pompeius war im Jahre 66 der Oberbefehl im 3. Mithridatischen Krieg (74–64 v. Chr.) übertragen worden (vgl. 39,1) – nicht zuletzt dank Cicero (vgl. dessen Rede De imperio Cn. Pompei Pompei). ). Die erste Versammlung der Verschwörer Es ist umstritten, ob diese frühe Ansetzung der ersten Vorbereitungen ins Jahr 64 historisch ist. Vgl. zu diesem Problem ausführlich Ledworuski 157–167. senatorii ordinis eqs.: eqs.: Sallust nennt hier bedeutende Senatoren als Mitverschwörer: Der zweite Mann der Verschwörung, P. Cornelius Lentulus Sura, war im Jahre 71 Konsul, nach seinem Ausschluss aus dem Senat 63 wieder Prätor; seine Hinrichtung wird in 55 erwähnt (vgl. zu ihm Cic. Catil. 3,16; Sull. 70). Auch P. Autronius Paetus wurde aus dem Senat ausgeschlossen (i. J. 66), nahm ebenfalls an der sog. ersten Verschwörung (Catil. 17 f.) teil, wurde 62 de vi verurteilt und ging ins Exil (zu ihm vgl. Cic. Sull. 18; 51; 71). Im Gegensatz zu diesen beiden Männern hatte L. Cassius Longinus im Jahre 64 noch keinen Grund, an der Verschwörung teilzunehmen; 63 bewarb er sich um das Konsulat und schloss sich dann offenbar Catilina an. Er wird später in absentia verurteilt (Catil. 50,1). C. Cornelius Cethegus erklärte sich dazu bereit, Cicero zu ermorden (Catil. 43,2), er wurde wie Lentulus am 5. Dezember hingerichtet. Die beiden Cornelii Sullae wurden i. J. 62 verurteilt. L. Vargunteius (vgl. 28,1) wurde in einem ambitus ambitus-Prozess verurteilt und aus dem Senat ausgeschlossen; er ist also im Jahre 64 eigentlich ebenso wenig wie Lentulus Senator. Im Jahre 62 wird er de vi verurteilt. Von Q. Annius Chilo ist nichts weiter bekannt, von M. Porcius Laeca lediglich, dass er für die

    Bellum Catilinae

    17,4

    17,7

    18–19 18,2

    18,3

    18,4 18,5 18,6 19,1

    19,5

    319

    Versammlung am 6. November 63 sein Haus zur Verfügung stellte. L. Calpurnius Bestia trat am 6. Dezember 63 sein Amt als Volkstribun an und sollte nach dem Plan der Verschwörer Cicero auf einer Volksversammlung Vorwürfe machen (Catil. 43,1). Er war der Volkstribun, der Cicero am Ende von dessen Konsulat an seiner Rede hinderte. Zu Q. Curius vgl. zu 23,1–4. ex equestri ordine ordine:: Ob M. Fulvius Nobilior mit dem in 39,5 genannten Fulvius identisch ist, muss unsicher bleiben. Über L. Statilius ist nichts weiter bekannt. Zu P. Gabinius Capito vgl. 43,2 und Cic. Catil. 3,6; 4,13. C. Cornelius entging im Jahre 62 einer Verurteilung, indem er andere denunzierte (Cic. Sull. 51). Zu weiteren uns noch kenntlichen Verschwörern vgl. Vretska 285. M. Licinium Crassum Crassum:: Obwohl Crassus (115–53 v. Chr.) Pompeius dessen militärische Erfolge neidete, bekleideten die späteren Triumvirn zweimal gemeinsam das Konsulat (70 und 55). Crassus’ militärischer Ehrgeiz wurde ihm schließlich zum Verhängnis: Er fiel im Jahre 53 bei Carrhae zusammen mit seinem Sohn im Kampf gegen die Parther. Die sog. 1. Catilinarische Verschwörung Vgl. zur sog. 1. Verschwörung Ledworuski 167–186. P. Autronius et P. Sulla Sulla:: zu Autronius vgl. zu 17,3. P. Cornelius Sulla ist nicht identisch mit seinem in 17,3 genannten Namensvetter. Es handelt sich um den Sulla, den Cicero im Jahre 62 erfolgreich verteidigte. post paulo … reus reus:: Catilina war im Jahr 67 Proprätor der Provinz Africa gewesen. Nach seiner Rückkehr nach Rom klagten ihn die Provinzialen wegen Ausbeutung an. – prohibitus … nequiverat nequiverat:: vgl. dazu Ledworuski 171–178. Cn. Piso: Piso: Cn. Calpurnius Piso kennen wir fast nur aus Sallust. duas Hispanias: Hispanias: Seit 197 v. Chr. gab es die beiden Provinzen Hispania citerior (Ostspanien) und Hispania ulterior (Westspanien). rursus: rursus: Dieser Gebrauch von rursus ist durch Verknappung zu erklären: rursus parabant et … (Vretska 296). quaestor pro praetore: praetore: Dass ein Quästor als Proprätor eine Provinz übernehmen darf, ist in der Tat ungewöhnlich. Daher kann man Sallusts Erklärungen durchaus für plausibel halten. Zu Pisos Entsendung in die Provinz vgl. Cic. tog. cand. 27. fidosque clientes clientes:: Diese Klientel hatte sich Pompeius im Krieg gegen Sertorius geschaffen.

    320 20–22 20,7 20,15

    21,3

    22 22,2

    22,3

    Erläuterungen

    Die erste Versammlung der Verschwörer tetrarchae: tetrarchae: Mit diesem Wort bezeichneten die Römer damals orientalische Fürsten (vgl. Cic. Mil. 76; Vatin. 29; dom. 60). Die Lesart hortentur ist in allen von Reynolds herangezogenen Codices die ursprüngliche, außer in V, wo hortantur steht. Der Konjunktiv passt gut in diese appellative Passage (vgl. quin igitur expergiscimini, en (§ 14) und utimini (§ 16)). Anders zu bewerten ist me hortantur in 58,19. in Mauretania … P. Sittium Nucerinum Nucerinum:: Catilinas Aussage ist wohl ein Anachronismus, vgl. dazu Ledworuski 192. – C. Antonium: Antonium: Mit C. Antonius Hybrida, dem Sohn des berühmten Redners (vgl. Cicero, De oratore, v.a. Buch 2), hatte Catilina ein Wahlbündnis (coitio coitio)) geschlossen. Ironischerweise wurde Antonius wirklich zum Konsul gewählt – allerdings zusammen mit Cicero. Er war ein typischer Anhänger Catilinas (vgl. dazu auch Cic. Piso 5; Mur. 49; Sest. 8): Nach der Verurteilung in einem Repetundenprozess wurde er im Jahre 70 aus dem Senat ausgestoßen, konnte aber 66 (ebenfalls zusammen mit Cicero) Prätor werden. Indem Cicero die einträgliche Provinz Makedonien an ihn abtrat (26,4), konnte er Antonius von Aktionen zugunsten der Aufrührer abhalten. Den Oberbefehl in der Schlacht gegen die Catilinarier überlässt Antonius aus gesundheitlichen Gründen seinem Unterfeldherrn Petreius (59,4). Wir besitzen für dieses Gerücht keine von Sallust unabhängige Quelle; bei Cicero und Asconius findet sich keine Spur. exsecrationem: exsecrationem: Man verwünscht sich für den Fall, dass man sich nicht an den Schwur halten sollte. – atque eo dictitare fecisse: fecisse: Reynolds athetiert diesen Ausdruck; die meisten anderen Editoren tilgen oder ändern diese Worte (vgl. Vretska 334 mit erwägenswertem, da behutsamem Eingriff). Die hier vorgeschlagene Textherstellung haben auch Gerlach, Pabon und Lallier. Das einzige Problem ist der Infinitiv Präsens dictitare (das Fehlen des Subjektsakkusativs, in diesem Falle se se,, ist häufig bei Sallust; auch das Fehlen eines Objekts zu fecisse stellt keine Schwierigkeit dar), da dieser dieselbe Zeitstufe bezeichnen sollte wie aperuisse aperuisse.. Die Zeitenwahl lässt sich jedoch auf zweierlei Art verteidigen: entweder als Variatio zum Perfekt fecisse oder aber Catilina hat häufiger davon gesprochen, also nicht nur beim Opfer selbst, sondern auch später – darauf würde auch das Frequentativum dictitare deuten. Ciceronis invidiam eqs.: eqs.: Sehr bald schon begann man gegen Cicero wegen der Hinrichtung der Catilinarier zu agitieren. Schließlich

    Bellum Catilinae

    321

    musste er auf Betreiben seines Erzfeindes Clodius im Jahre 58 in die Verbannung gehen, aus der er jedoch ein Jahr später triumphal zurückkehren konnte. Diese Tragik spiegelt Sallust in 46,2 in einer Reflexion des Konsuls. 23,1–4

    Der Verrat des Curius Q. Curius (der im Jahre 70 aus dem Senat ausgeschlossen worden war) und Fulvia werden von Cicero nicht erwähnt, vermutlich, um sie zu schützen. Dass zwischen dem Verrat und der eigentlichen Durchführung der Verschwörung etwa eineinhalb Jahre liegen, könnte durch Sallusts Neigung zu Vordatierungen bedingt sein (vgl. dazu und zu den anderen Quellen Vretska 336).

    23,5–24 24,2

    Die Konsulwahlen und Catilinas Reaktion Manlium quendam: quendam: C. Manlius fällt schließlich bei Pistoria (60,6). Das Pronomen quendam könnte auf seine niedere Herkunft deuten (Vretska 345). – Faesulas Faesulas:: Faesulae, das heutige Fiesole, nördlich von Florenz gelegen.

    25

    Sempronia Sie wird in Abwesenheit ihres Ehemannes ihr Haus für die Unterredung mit den Allobrogern zur Verfügung stellen (40,5). Die Identifikation dieser Sempronia ist ansonsten umstritten, vgl. dazu Vretska 347 f. Sempronias literarische Bildung ist nicht untypisch; Frauen (der Oberschicht) konnten über einen hohen Bildungsstand verfügen. Man denke an Cornelia, die Mutter der beiden Gracchen.

    26–36,3

    Von Catilinas erneutem Scheitern bei den Wahlen bis zur hostisErklärung Zur Auslassung von Ereignissen, die uns aus anderen Quellen bekannt sind, vgl. Vretska 358f. his rebus comparatis comparatis:: Dieser Ablativus absolutus schließt unmittelbar an 24 an, als ob es die Sempronia-Charakteristik überhaupt nicht gegeben hätte! – in proxumum annum: annum: für das Jahr 62; wir befinden uns also bereits im Jahr 63. Sallust hat die zeitliche Zäsur 64/63 nicht eigens markiert. pactione provinciae provinciae:: vgl. zu 21,3. Sollte Sallusts Darstellung zutreffen, so hätte Cicero diese Abmachung mit Antonius zu Jahresbeginn getroffen; dazu passt in der Tat Ciceros eigene Aussage leg. agr. 2,103.

    26,1

    26,4

    322 26,5

    27,1

    27,3

    27,4 28,1 28,4 29,2

    29,3 30,1

    Erläuterungen

    in Campo Campo:: Gemeint ist der campus Martius Martius,, das Marsfeld außerhalb der Stadtgrenze (des pomerium pomerium). ). Dort wurden die Comitia centuriata abgehalten, die alte Heeresversammlung, die nicht innerhalb der Stadt stattfinden durfte. Septimium quendam Camertem: Camertem: Dieser Septimius ist uns ansonsten unbekannt. Camerinum liegt in Umbrien östlich von Asisium (dem heutigen Assisi) am Rande des Ager Picenus. – agrum Picenum: Picenum: Picenum (der Ager Picenus) liegt an der Adria und entspricht ungefähr dem Gebiet der heutigen Marken. – C. Iulium: Iulium: nicht sicher zu identifizieren. coniurationis principes convocat: convocat: Catilina beruft eine Versammlung in der Sichelmachergasse (inter (inter falcarios, falcarios, Cic. Catil. 1,8) ein, und zwar in der Nacht auf den 6. oder 7. November 63. Sallust hat also in den Kapiteln 26–27 die zeitliche Abfolge stark gerafft, trägt aber einzelne Ereignisse (etwa das SCU, vgl. zu 29,2) später nach (oder datiert die Versammlung der Verschwörer vor). paraverat: paraverat: Bei Sallust findet sich der Indikativ in der Oratio obliqua öfter. C. Cornelius … L. Vargunteius Vargunteius:: vgl. zu 17,3. in Etruria Etruria:: Etrurien war durch Veteranenansiedlungen stark belastet worden. senatus decrevit eqs.: eqs.: Es kommt sozusagen zum Äußersten, zum Senatus consultum ultimum (SCU), einer Notstandsverordnung, durch die de facto das Kriegsrecht ausgerufen wurde (vgl. die in 29,3 genannten Maßnahmen). Die Senatssitzung fand am 21. Oktober 63 statt. Zum SCU vgl. Caes. civ. 1,5,3 (in Anlehnung an diese Stelle ist der heutige Ausdruck SCU gebildet worden; es handelt sich also nicht unbedingt um einen zeitgenössischen Terminus technicus; einigermaßen formelhaft ist hingegen die berühmte Formulierung dent operam / videant consules [evtl. werden noch andere Magistrate genannt],, ne quid res publica detrimenti capiat, vgl. aber Cic. Rab. genannt] perd. 20). Vgl. zum SCU Ungern-Sternberg von Pürkel, 1970. coercere: coercere: Die Coercitio umfasste (Zwangs-)Maßnahmen der Magistrate zum Zwecke der Disziplinierung. L. Saenius senator: senator: Er stammte selber aus Faesulae (vgl. zu 24,2). Bedenkt man, dass diese Stadt etwa 300 km von Rom entfernt ist, kann die Verlesung des Briefes im Senat kaum vor Anfang November fallen.

    Bellum Catilinae

    30,2

    30,3

    30,5

    30,6

    30,7 31,4

    31,5 31,6 31,7

    31,9

    323

    Capuae atque in Apulia servile bellum moveri: moveri: zu Unruhen in Capua vgl. zu 30,5 (zu Q. Pompeius Rufus). Rufus). Zum Aufstand in Apulien vgl. Cic. Catil. 1,14. senati: senati: ein v. a. auf Inschriften zu findender archaisch-feierlicher Genitiv. – Q. Marcius Rex: Rex: Konsul 68, 67/66 Proconsul in Kilikien (vgl. hist. 5,14 f. mit Kommentar). An ihn richtet Manlius sein Bittgesuch (Catil. 33). – Q. Metellus Creticus: Creticus: vgl. zu hist. 2,45. Als Pompeius die Führung im Krieg gegen die kretischen Seeräuber übernahm, versuchte er, einen Triumph des Metellus zu verhindern – letztlich erfolglos, da dieser im Jahr 62 seinen Triumph feiern konnte. Q. Pompeius Rufus: Rufus: Nach Cic. Sest. 9 wurde nicht Pompeius, sondern Sestius nach Capua geschickt. – Q. Metellus Celer Celer:: Konsul 60 v. Chr.; Ehemann der berüchtigten Clodia (die sich vielleicht hinter Catulls Lesbia verbirgt), die ihn angeblich im Jahr 59 beseitigt hat. Er versperrte im Jahre 62 Catilina den Weg in die Gallia Transalpina (57,2). sestertia centum ... sestertia ducenta [milia] [milia]:: entstanden aus centum (bzw. ducenta ducenta)) milia sestertium sestertium,, daher 100.000 bzw. 200.000 Sesterze (100 Sesterze wären centum sestertii). sestertii). gladiatoriae familiae: familiae: Es handelt sich überwiegend um kasernierte Sklaven und Kriegsgefangene. lege Plautia Plautia:: Die Lex Plautia de vi (vermutlich 77 v. Chr. eingebracht) ist für uns kaum mehr als ein Name (vgl. immerhin Cic. Cael. 1). Aufgrund dieses Gesetzes wurden im Jahre 62 mehrere Verschwörer angeklagt, u. a. Sulla, den Cicero verteidigte (vgl. zu 18,2), außerdem Milo (52 v. Chr.). – L. Paullo Paullo:: L. Aemilius Paullus (Konsul i. J. 50) war der Sohn des M. Aemilius Lepidus (Konsul i. J. 78, vgl. zu hist. 1,54–83). Diese Anklage war sein erstes öffentliches Auftreten. in senatum venit venit:: Es handelt sich um die Senatssitzung vom 7. November. orationem: orationem: Ciceros erste Catilinarie Catilinarie.. inquilinus civis: civis: Catilinas Dictum zeugt von dem übertriebenen Dünkel des Stadtrömers, zumal die Arpinaten seit über 100 Jahren das volle Bürgerrecht besaßen. „quoniam … restinguam“: restinguam“: Auch hier komponiert Sallust frei. Der Ausspruch fiel nämlich bereits auf einer Senatssitzung vor den ersten Wahlen im Sommer 63 gegenüber Cato (Cic. Mur. 51).

    324 32,2

    33,1 33,2

    33,3

    34,3

    35

    35,1 35,3

    36,1 36,2

    Erläuterungen

    Cethego atque Lentulo: Lentulo: vgl. zu 17,3. – factio factio:: pejorativ („Verschwörerclique“) aus der Sicht Sallusts, nicht Catilinas gesprochen (vgl. Vretska 395 f.). neque quoiquam … uti uti:: für uns nicht mehr recht kenntlich, vgl. Vretska 402. saepe opitulati sunt: sunt: Anspielung auf frühere Schuldentilgungen und Leges frumentariae. frumentariae. – novissume … solutum est: est: Gemeint ist die Lex Valeria aus dem Jahr 86, die einen Schuldenerlass von 75 % verfügte (vgl. Vell. 2,23,2 mit negativer Beurteilung des Gesetzes). saepe … secessit secessit:: Es gab in der römischen Geschichtsschreibung drei ‚kanonische‘ secessiones der Plebs 494, 449 und 287. Die letzte, die zur Lex Hortensia führte, wird heutzutage gemeinhin als historisch angesehen, die anderen beiden hingegen als Rückprojektionen. – dominandi studio: studio: Vielleicht ist an die Erkämpfung des Volkstribunats zu denken, das angebliche Ergebnis der ersten Secessio. Q. Catulus: Catulus: Q. Lutatius Catulus (Konsul 78 v. Chr., Zensor 65 v. Chr.) hatte sich in dem Prozess des Jahres 73 (vgl. zu 15,1) für Catilina eingesetzt und einen Freispruch erwirkt. Wie Schnorr von Carolsfeld 27–29 nachgewiesen hat, handelt es sich um einen Originalbrief Catilinas. Wie Catilinas indirekte Rede in 31,7 ist auch dieser Brief voller Lügen und Heuchelei. Gemeint ist, dass Catilina seine Frau empfehlen will (vgl. das Briefende), vgl. Vretska 412 f. non possem possem:: Die Lesart non possem findet sich nicht nur in einem Teil der Hauptüberlieferung, sondern auch in V; die ‚unlogische‘ doppelte Verneinung hat nichts Auffälliges, vgl. auch Vretska 416. apud C. Flaminium: Flaminium: nicht sicher zu identifizieren. – cum fascibus … insignibus: insignibus: die Amtsinsignien des römischen Konsuls. senatus … hostis iudicat: iudicat: Erst jetzt erfolgt die hostis hostis-Erklärung -Erklärung des Senates. Vgl. dazu allgemein Ungern-Sternberg von Pürkel 87–92; 112.

    36,4–39,4 Der Mittelexkurs 36,4 Quoi ... armis parerent parerent:: vgl. 10,1 f. und hist. 1,11. 36,5 namque eqs. eqs.:: Es gab durchaus Verräter; Cicero nennt in seinen Briefen immerhin drei namentlich (vgl. Vretska 428).

    Bellum Catilinae

    37,5–7

    37,6

    37,9

    38,1

    38,3

    38,4 39,1 39,2

    325

    Zu diesen Gruppen vgl. Cic. Catil. 2,18-23; ein Vergleich dieser beiden Stellen bei Vretska 431 f. Man fühlt sich außerdem an die Aufzählung von Catilinas Entourage in 14,2 f. erinnert. ex gregariis militibus alios senatores senatores:: Sulla hatte die Zahl der Senatoren von 300 auf 600 erhöht, allerdings durch Kooptation aus Ritterschaft und Landadel. Sallusts Aussage verallgemeinert allenfalls extreme Ausnahmen. – ita divites divites:: Dank Sulla konnten etwa Catilina, Crassus oder M. Aemilius Lepidus (vgl. hist. 1,55,18 mit Komm.) ihren Besitz vermehren. ius libertatis imminutum imminutum:: Wenn es sich nicht um eine bloße Emphase handelt, so denkt Sallust hier sicherlich an das Verbot der Ämterbewerbung für die Söhne der Proskribierten. tribunicia potestas restituta est est:: Durch die Lex tribunicia hatte Sulla das Interzessionsrecht der Volkstribunen eingeschränkt und ihnen die Fortführung der Ämterlaufbahn versperrt. Nach ersten erfolglosen Versuchen gelang es C. Aurelius Cotta im Jahr 75, das Recht auf die Kandidatur für die Volkstribunen zurückzugewinnen, aber erst die Konsuln des Jahres 70 konnten die alten tribunizischen Rechte wiederherstellen. – homines adulescentes summam potestatem nacti nacti:: Vielleicht denkt Sallust hier an die Volkstribunen A. Gabinius und C. Manilius, die umfangreiche Kommandos für Pompeius beantragten. Der Ausdruck summa potestas (der eher an das Konsulat denken ließe) ist insofern berechtigt, als die Volkstribunen das Vetorecht hatten. Zum Gedanken vgl. Iug. 41,5; hist. 1,12. Zudem könnte an dieser Stelle eine Übernahme aus der thukydideischen Pathologie vorliegen (Thuk. 3,82 f.); vgl. dazu Vretska 440 f. – rem publicam agitavere:: Der Ausdruck ist wertneutral ((agitare agitavere agitare hier also nicht i. S. v. ‚durcheinander bringen‘), vgl. Vretska 440. modestia … modus modus:: zum Einhalten des rechten Maßes (oder dessen Fehlen) im Parteienkampf vgl. Iug. 42,2–4. Cn. Pompeius … missus est est:: Die beiden Kommandos erhielt Pompeius auf Antrag des Gabinius bzw. des Manilius. Vgl. 20,7; Iug. 31,20; 41,7; hist. 1,55,13; 3,48,6. – iudiciis terrere terrere:: Gemeint sind die Prozesse gegen pompeiusfreundliche Volkstribunen, so gegen Manilius. – quo … tractarent tractarent:: Der Satz ist umstritten; die hier vorgeschlagene Übersetzung lässt beide möglichen Deutungen zu: Entweder schüchterten die pauci das Volk ein, damit dieses auch während ihrer Amtszeit eingeschüchtert war und daher milder behandelt werden konnte, oder aber die pauci schüchterten

    326

    39,4 39,5 39,6–47 40,1

    40,5 41,5 42,1

    42,3

    43,1

    Erläuterungen

    die ceteri (d. h. die Volkstribunen) ein, damit diese das Volk nicht aufhetzten, um nicht nach Ablauf ihrer Amtszeit einen Prozess fürchten zu müssen (so Vretska 443 f.). Zu diesem Gedankengang vgl. Iug. 79,4. Fulvius: Fulvius: vgl. zu 17,4. Die Allobroger und die Verschwörung P. Umbreno: Umbreno: zu dem libertus und Kaufmann Umbrenus vgl. Cic. Catil. 3,14: a quo primum Gallos ad Gabinium perductos esse constabat. constabat. Mehr ist nicht über ihn bekannt. – Allobrogum Allobrogum:: der bedeutendste Stamm in der Gallia Narbonensis, der 121 v. Chr. unterworfen wurde (Vell. 2,10,2). Da sich die Verhältnisse des Stammes nicht besserten, kam es im Jahre 61 zu einem Aufstand, der niedergeschlagen wurde (vgl. Caes. Gall. 1,6; Cass. Dio 37,47 f.). – aere alieno oppressos oppressos:: Eine wichtige Quelle ist Ciceros fragmentarisch erhaltene Rede Pro Fonteio aus dem Jahre 69 oder 68: Die Allobroger hatten ihren ehemaligen Statthalter Fonteius in einem Repetundenprozess belangt. D. Bruti … Semproniam Semproniam:: vgl. zu 25. praecepit praecepit:: Das Perfekt ist einwandfrei überliefert. Zu einem Vergangenheitstempus mit Hauptzeitenfolge vgl. 34,1. Gallia citeriore citeriore:: Die Gallia Citerior oder Gallia Cisalpina (das diesseits der Alpen gelegene Gallien) umfasste die Poebene. – Gallia … ulteriore:: Gallia Transalpina oder Gallia Narbonensis, die heutige ulteriore Provence. – Bruttio Bruttio:: Bruttium (oder ager Bruttius Bruttius)) wurde 27,1 nicht genannt; es handelt sich um das heutige Kalabrien. Q. Metellus Celer Celer:: vgl. zu 30,5. – qui ei provinciae legatus praeerat:: Da der Statthalter, L. Licinius Murena (den Cicero i.J. 63 vererat teidigte), sich in Rom um das Konsulat bewarb, verwaltete in seiner Abwesenheit sein Bruder Gaius als Legat die Provinz. L. Bestia Bestia:: vgl. zu 17,3. – in agrum Faesulanum Faesulanum:: Diese Ortsangabe kann unmöglich stimmen, auch wenn sie sich in den Parallelberichten findet; vgl. dazu und zur Problematik des Textes Vretska 461 f. Da der Fehler vielleicht von Sallust selbst stammt, verzichten wir auf die Setzung von Cruces. – optimo consuli consuli:: Es gibt zwei Möglichkeiten, diesen Ausdruck zu erklären: entweder ist er Teil der Figurenrede, dann würde es sich um die Ironie der Verschwörer (aber nicht Sallusts!) handeln; oder aber hier dringt die Erzählerrede in die Figurenrede ein: Sallust würde dann seiner Empörung darüber Ausdruck verleihen, dass die Verschwörer die Wahrheit verdrehen.

    Bellum Catilinae

    43,2 44,3 44,5

    45,1

    46,2 46,3

    46,5 47,2

    47,3 47,4

    327

    Statilius et Gabinius … Cethegus Ciceronis ianuam obsideret obsideret:: vgl. Cic. Catil. 4,18. T. Volturcium Volturcium:: vgl. Cic. Catil. 3,4–11. – Crotoniensem Crotoniensem:: Kroton (h. Crotone). „Qui … infumis“: infumis“: Dieser Brief wird auch von Cicero zitiert (Catil. 3,12); die beiden Versionen stimmen im Wesentlichen überein. Zuletzt hat Gejrot wieder gute Argumente dafür vorgebracht, dass der Lentulus-Brief bei Sallust authentischer wiedergegeben ist (Claes Gejrot: „[…] Some remarks on Cicero, Or. in Cat. 3,12, and Sallust, Cat. 44,5“, Eranos 103, 2005, 20–25). – auxilium … omnibus:: Im Gegensatz zu Catilina war Lentulus auch dazu bereit, omnibus Sklaven aufzunehmen; vgl. auch 56,5. L. Valerio Flacco: Flacco: i. J. 62 Statthalter in Asia. – C. Pomptino: Pomptino: Er schlug im Jahre 61 den Aufstand der Allobroger nieder (vgl. zu 40,1 zu Allobrogum Allobrogum)) und war 51 Legat Ciceros in Kilikien. – ponte Mulvio:: Der Pons Mulvius / Milvius (Ponte Molle oder Milvio) ist Mulvio vor allem durch Konstantins Sieg über Maxentius im Jahre 312 berühmt geworden. poenam illorum sibi oneri: oneri: vgl. zu 22,3. Caeparium Terracinensem: Terracinensem: bisher noch nicht genannt. Über ihn sind wir ansonsten nur durch Cicero unterrichtet (Catil. 3,15). Am 5. Dezember wird er zusammen mit den anderen Verschwörern hingerichtet. aedem Concordiae: Concordiae: Der Concordia-Tempel lag am nördlichen Forum, dort tagte der Senat oft. ex libris Sibyllinis … ab incenso Capitolio: Capitolio: Die Libri Sibyllini, Sibyllini, eine Sammlung griechischer Orakelsprüche, wurden im Tempel des Iuppiter Capitolinus verwahrt und auf Anordnung des Senats in Krisenzeiten von den Quindecimviri sacris faciundis zu Rate gezogen. Beim Brand des Tempels im Jahre 83 v. Chr. wurden auch die Bücher zerstört und mussten durch neue Orakel ersetzt werden. in liberis custodiis custodiis:: freie (d.h. ohne Fesseln) Haft im Hause eines Privatmannes. P. Lentulo Spintheri Spintheri:: Der Konsul von 57 setzte sich für die Rückberufung Ciceros aus dem Exil ein. – Q. Cornificio cio:: Er hatte sich 64 um das Konsulat beworben. – Cn. Terentio senatori senatori:: ansonsten unbekannt.

    328 48–49 48,3

    49,1

    49,2 49,3 49,4

    50–55 50,4

    51–54

    51,5

    Erläuterungen

    Die Stimmung im Volk. Crassus und Caesar L. Tarquinius: Tarquinius: Der Name des ansonsten unbekannten Mannes steht nur bei Sallust, die Aussage des Tarquinius findet sich auch bei späteren Historikern. Q. Catulus: Catulus: vgl. zu 34,3. – C. Piso: Piso: C. Calpurnius Piso (Konsul i.J. 67) hatte sich durch die Unterdrückung von Unruhen in der Gallia Narbonensis in den Jahren 66/65 den Beinamen pacificator Allobrogum erworben (Cic. Att. 1,13,2). In dem Prozess, auf den Sallust hier anspielt, wurde er im Jahre 63 von Cicero verteidigt und freigesprochen. Hinter der Anklage stand Caesar. ex petitione pontificatus: catus: Catulus’ Bewerbung und Niederlage gegen Caesar datieren in das Jahr 63. maxumis muneribus muneribus:: Caesar hatte als Ädil im Jahre 65 prächtige Spiele veranstaltet. usque eo, ut nonnulli equites Romani eqs. eqs.:: Dieser Zwischenfall ereignete sich in Wirklichkeit am 5. Dezember, vgl. dazu Ledworuski 271–273. Die Senatssitzung vom 5. Dezember und die Hinrichtung der Catilinarier D. Iunius Silanus … consul designatus designatus:: Er hatte sich schon für das Jahr 63 um das Konsulat beworben. – L. Cassio Cassio:: vgl. zu 17,3. – P. Furio: Furio: P. Furius war sullanischer Kolonist aus Faesulae (Cic. Catil. 3,14); er wurde am 5. Dezember in absentia zum Tode verurteilt. Er könnte mit dem Faesulanus in 59,3 identisch sein. – P. Umbreno Umbreno:: vgl. zu 40,1. – Q. Annio Annio:: vgl. zu 17,3. – Ti. Neronis Neronis:: Als Prätorier muss Ti. Claudius Nero (vielleicht der Großvater des Kaisers Tiberius) nach dem designierten Prätor Caesar gesprochen haben. Cicero erwähnt Neros Antrag überhaupt nicht. Caesar und Cato (Antilogie und Synkrisis) Für die Antilogie (also die Reden der beiden Männer) könnte das Rededuell zwischen Kleon und Diodotos in der Mytilenaierdebatte bei Thukydides (3,37–48) Vorbild sein, vgl. Patzer 135; Vretska 509–512. Bello Macedonico, quod cum rege Perse gessimus gessimus:: der 3. Makedonische Krieg (171–168), der mit dem Sieg der Römer über König Perse(u)s bei Pydna endete. Sein Reich fiel an die Römer. – infida et:: zur Lesart infida et (varia lectio infida atque) et atque) vgl. Oakleys Rezension von Reynolds’ Ausgabe (S. 60). – quom saepe Car-

    Bellum Catilinae

    51,20

    51,22

    51,28

    51,32

    51,33 51,35f. 51,38

    51,39

    52,1

    329

    thaginienses eqs.: eqs.: zur Frage, an welche Verfehlungen der Karthager Sallusts Caesar hier denken könnte, vgl. Vretska 519, in erster Linie wohl an die Friedensbrüche, die zum 2. bzw. 3. Punischen Krieg führten. Diese Argumentation ist historisch, vgl. Cic. Catil. 4,7. Caesar gibt hier nicht spezifisch epikureisches Gedankengut, sondern damals gängige Vorstellungen wieder (vgl. Vretska 539). lex Porcia Porcia:: Die von Cato Censorius eingebrachte Lex Porcia de scapulis (die durch zwei weitere Leges Porciae noch erweitert wurde) verbot den Vollzug einer eigenständigen Prügelstrafe an römischen Bürgern; die Geißelung in Verbindung mit der Hinrichtung (wie auch die Hinrichtung) untersagte die Lex Valeria Valeria.. Letztere gehört wohl auch zu den aliae leges leges,, an die Caesar hier denkt. Ein weiteres Gesetz ist die Lex Sempronia de capite civis (de (de provocatione) provocatione) von 123, die die Hinrichtung eines Bürgers ohne Prozess unter Strafe stellte. triginta triginta:: Gemeint sind die 30 Tyrannen, die nach dem Peloponnesischen Krieg (404 v. Chr.) in Athen für ein Jahr eine Schreckensherrschaft errichteten. Damasippum: Damasippum: Der marianische Prätor L. Iunius Brutus Damasippus hatte im Jahr 82 mehrere Senatoren ermorden lassen; Sulla ließ ihn nach seinem Sieg an der Porta Collina (1. November 82) hinrichten. vas aut vestimentum: vestimentum: zu dieser Formel vgl. Ter. Haut. 141; Plaut. Aul. 343. Diese Aussage könnte (von Sallust) durchaus als Anspielung auf die Auswüchse im zweiten Triumvirat intendiert sein. arma … ab Samnitibus: Samnitibus: vgl. zur Historizität Vretska 555 f. – insignia magistratuum ab Tuscis Tuscis:: vgl. etwa Liv. 1,8,3: Liktoren, fasces fasces,, sella curulis und toga praetexta. praetexta. Diese angebliche Übernahme eines griechischen mos ist sonst nicht bezeugt. Vermutlich handelt es sich um eine damals gängige, aber unhistorische Ansicht (vgl. Vretska 556 f.). – circumveniri circumveniri:: Gemeint ist die Coercitio (vgl. zu 29,3). M. Porcius Cato: Cato: Cato der Jüngere (95–46 v. Chr.; Volkstribun im Jahr 62), wegen seines Freitodes in Utica auch als Cato Uticensis bezeichnet. Der als kompromissloser Stoiker (vgl. 52,7–9) und Republikaner geltende Cato brachte es bis zur Prätur (54 v. Chr.). Im Bürgerkrieg stand der erklärte Caesar-Gegner auf der Seite des Pompeius. Nach dessen Niederlage bei Pharsalus in Griechenland

    330

    52,2

    52,12 52,18

    52,29 52,30

    53,3

    53,5

    54,1

    54,4 54,6

    Erläuterungen

    (48 v. Chr.) übernahm Cato die Führung der Pompejaner, unterlag aber Caesar zwei Jahre später in Nordafrika bei Thapsus. longe alia mihi: mihi: Diese Lesart findet sich nicht nur in V, sondern auch bei Servius. Das in den anderen Handschriften überlieferte Hyperbaton longe mihi alia wirkt schwerfällig; vgl. Catil. 34,3 longe divorsas;; Iug. 7,3 und 11,1 longe aliter divorsas aliter;; Iug. 9,2; or. Macr. 9. 9. liberales … aerari: aerari: Diese beiden Vorwürfe finden sich auch in der Memmius-Rede (Iug. 31,25). paulum modo: modo: nicht -ulum modo (Reynolds), da sich sowohl in V als auch in den anderen Handschriften paulum findet; zu paulum modo bei Sallust vgl. vor allem Iug. 60,3, zudem Iug. 93,4. te: te: Das von Reynolds in den Text gesetzte tete ist nur bei Servius überliefert; die Form tete findet sich sonst nie bei Sallust. A. Manlius Torquatus bello Gallico: Gallico: In anderen Quellen lautet der Vorname Titus Titus.. Manlius Torquatus Imperiosus ließ im Jahre 340 im Krieg gegen die Latiner seinen Sohn wegen Befehlsverweigerung hinrichten (Liv. 8,6,14–7,22). Die Angabe bello Gallico ist wohl ein Versehen Sallusts: Torquatus hat der Überlieferung zufolge um 360 v. Chr. einen gallischen Häuptling im Zweikampf besiegt. legionibus legionibus:: hier für nicht-römische Truppen, eine damals schon längst gängige Interpretatio Romana (vgl. Iug. 12,3; 49,2). – facundia Graecos Graecos:: zur überlegenen Redekunst der Griechen vgl. Cic. Brut. 254; Tusc. 1,5; Verg. Aen. 6,849. – gloria belli Gallos Gallos:: vgl. Iug. 114,2; Cic. har. resp. 19. sicuti effeta parente, tum: tum: Die beste Überlieferung sicuti effeta parentum ist sicher korrupt. Wir übernehmen die Lesart (Konjektur?) der Recentiores effeta parente mit der Ergänzung tum tum,, vgl. dazu Vretska 615f. genus: genus: Auch wenn Caesar Patrizier war und Cato aus einem ursprünglich plebejischen Geschlecht stammte, sind die Leistungen ihrer Ahnen wohl vergleichbar, man denke nur an Cato Censorius. – aetas:: Caesar wurde im Jahr 102 oder 100, Cato 95 geboren. aetas quod dono dignum esset: esset: vgl. zum Gedanken Vretska 634. assequebatur: assequebatur: Die Lectio facilior sequebatur ist nur in den Recentiores und der Sekundärüberlieferung erhalten (vgl. dazu auch die Parallelen bei Sallust). Die Primärüberlieferung bietet einhellig assequebatur assequebatur,, vgl. dazu carm. epigr. 10: mors me assequetur assequetur.. Sallusts hyperbolischer Ausdruck bedeutet etwa: „Der Ruhm folgte Cato nicht nur, er holte ihn sogar ein.“

    Bellum Catilinae

    55,1 55,2

    55,3 55,5 55,6 56–61

    56,3 56,4 56,5 57,2 57,4

    59,3

    59,4

    59,6

    331

    tresviros: tresviros: Gemeint sind die tresviri capitales oder nocturni nocturni,, die u.a. für Hinrichtungen zuständig waren. in carcerem: carcerem: Gemeint ist das römische Staatsgefängnis, der Carcer Mamertinus oder Carcer Tullianus am Kapitol (h. eine Kirche, S. Pietro in Carcere). – Tullianum Tullianum:: der untere Teil des Gefängnisses, in dem die Hinrichtungen vollzogen wurden. ascenderis: ascenderis: Da der Kerker unterhalb liegt, ist dieser Ausdruck schwer verständlich, vgl. Vretska 640. vindices rerum capitalium: capitalium: wohl die tresviri capitales. capitales. consulare imperium: imperium: Lentulus war 71 Konsul. Der Untergang der Catilinarier bei Pistoria Wegen des Hinweises auf den Ager Pistoriensis in 57,1 nimmt man an, dass die Schlacht bei Pisto(r)ia (nordwestlich von Faesulae) geschlagen wurde. portabant portabant:: Diese Lesart steht sowohl in der Primärüberlieferung als auch bei Nonius, portare hingegen nur bei Servius. Z Zum um Versuch einer Rekonstruktion des Marschweges vgl. Vretska 650 f. mit Literatur. – Antonius Antonius:: vgl. 36,3 und zu 21,3. servitia … eius eius:: zur Kongruenz vgl. Kühner / Stegmann 2.1, 64. Q. Metellus Celer Celer:: vgl. zu 30,5. – in agro Piceno Piceno:: vgl. zu 27,1. Zum Problem dieses Satzes vgl. Vretska 653 f., dem wir uns anschließen, auch wenn sich utpote in konsekutivem Sinn nicht belegen lässt. Anders jetzt wieder: Egil Kraggerud: „Grammar and interpretation at Sallust Cat. 57.4“, SO 82, 2007, 55–59, der utpote kausal auffasst. Zu unserer Auffassung der Stelle vgl. die Parallele in 50,2: libertos suos, lectos et exercitatos. exercitatos. Catilina hatte Ex-Soldaten zu Zenturionen ernannt – es sind gerade keine regulären Zenturionen! – Faesulanum Faesulanum:: vielleicht ein Personenname (vgl. Vretska 677 und zu 50,4 P. Furio). Furio). – bello Cimbrico: Cimbrico: die Kämpfe gegen die von Norden her einfallenden Kimbern und Teutonen 113–101 v. Chr., die schließlich u.a. von Marius besiegt wurden (vgl. zu Iug. 114,4). M. Petreio legato: legato: vielleicht 64 Praetor urbanus; zur Rolle des Petreius bei Pistoria vgl. Cic. Sest. 12. Seit 55 v. Chr. war Petreius Legat des Pompeius in Spanien, wo er im Jahr 49 bei Ilerda (Lérida) von Caesar geschlagen wurde. Nach der Niederlage bei Thapsus in Africa (46 v. Chr.) wählte er den Freitod. amplius annos triginta: triginta: Also muss Petreius um 110 geboren sein.

    332 60,2 61,3

    Erläuterungen

    ferentariis: ferentariis: Die ferentarii waren mit Wurfspießen ausgerüstete Leichtbewaffnete.

    ceciderant>:: Kurfess ergänzt aus der Sekundärüberlieferung nur alis alibi stantes stantes,, obwohl dort jeweils ceciderunt hinzugesetzt wird. Vermutlich wurde beim Zitieren ein Plusquamperfekt zu einem Perfekt umgewandelt. Wir übernehmen auch ceciderant in den Text; die Wiederholung ((ceciderant ceciderant … conciderant conciderant)) ist Sallusts Stil nicht fremd. Bei alis handelt es sich um einen alten Nominativ (anstelle von alius alius). ).

    Erläuterungen zum Bellum Iugurthinum 1–5,3 1,5 2,1

    3,1 3,2

    4,3 4,4 4,5

    4,7

    Proömium ac perniciosa: Diese beiden Wörter sind nur bei Augustin (epist. 153,22) überliefert. anima: Sallust verwendet verschiedene schwer fassbare Begriffe für das immaterielle Prinzip (animus, anima, ingenium). Die Übersetzung wechselt hier nach der jeweiligen Nuancierung zwischen Seele und Geist. neque illi … tuti: Der textus receptus ist durchaus haltbar (vgl. auch die Edition von Kurfess und Paul 13). nam vi … portendant: vgl. Platon, epist. 7,331c–d. Sallust denkt hier vermutlich an Caesar, daneben vielleicht auch an die Teilhaber des zweiten Triumvirates (vgl. Koestermann 35). salutare plebem et conviviis gratiam quaerere: Formen der Wahlwerbung beim Volk, vgl. dazu Q. Cic. pet. 41–44; Liv. 23,4,2 f. postea … pervenerint: Gemeint ist vermutlich die Erweiterung des Senats durch Caesar im Jahre 44 (anders Paul 16). Q. Maxumum: Gemeint ist wohl der Feldherr des 2. Punischen Krieges Q. Fabius Maximus Verrucosus Cunctator (geb. um 265 v. Chr.) (vgl. Paul 16). – P. Scipionem: Gemeint ist wohl der Bezwinger Hannibals im 2. Punischen Krieg (vgl. zu 5,4). – praeterea …: Das bedeutet natürlich nicht, dass die zuerst genannten keine herausragenden Männer sind; vgl. zu diesem ‚unlogischen‘ praeterea i. S. v. ‚überhaupt‘ Iug. 15,2; Catil. 34,2 und hist. 1,63 (vgl. auch Iug. 104,1). Supplierungen wie alios oder multos sind also überflüssig. – imagines: Die Wachsmasken der Ahnen galten als Symbol der nobilitas, vgl. 85,25. homines novi: vgl. dazu Einleitung, Fußn. 4.

    Bellum Iugurthinum

    5,1

    5,2

    5,4–11,1 5,4

    5,6

    5,7 7,2

    8,1

    333

    Bellum scripturus sum … Romanus: ein Hexameter, wie häufig im ersten Satz eines Geschichtswerkes (vgl. etwa Tac. ann. 1,1,1). – tunc primum eqs.: Entweder allgemein die zweite Hälfte des 2. Jh. v. Chr. – v. a. die Gracchen-Zeit – oder speziell die Initiative des Memmius, die schließlich in die Quaestio Mamilia mündet (Iug. 29–40; vgl. Büchner 408 Anm. 127b). ut … finem faceret: Gemeint sind die Bürgerkriege des 1. Jh. v. Chr. (vgl. Koestermann 34 und 42; Paul 22 f.). Die Vorgeschichte bis zum Tode Micipsas bello Punico secundo: Nach anfänglichen Erfolgen der Karthager unter Hannibal konnte Rom schließlich auch den 2. Punischen Krieg (218–201 v. Chr.) für sich entscheiden. – Masinissa, rex Numidarum: Der ostnumidische König Masinissa (um 238–149 v. Chr.) stand im 2. Punischen Krieg zunächst auf Seiten der Karthager, wechselte dann aber die Fronten, woraufhin ihn die Karthager und der westnumidische Herrscher Syphax aus seinem Königreich vertrieben. Am Ende des Krieges leistete er Scipio wertvolle Hilfe. Zur Namensform Masinissa (statt Massinissa) vgl. Paul 24. – capto Syphace: Syphax wurde im Jahre 203 von C. Laelius und Masinissa gefangen genommen. Sein Herrschaftsgebiet erhielt Masinissa als Belohnung. Micipsa … Mastanabale et Gulussa … absumptis: Nach Masinissas Tod wurde das Königreich unter den drei Brüdern, von denen Micipsa der älteste war, geteilt. Gulussa und Mastanabal starben kurz nach ihrem Vater. quem … privatum dereliquerat: Das Relativum quem bezieht sich auf Jugurtha, vgl. materno genere impar in 11,3. bello Numantino: Durch die Einnahme von Numantia (am Oberlauf des Duero) im Jahre 133 durch P. Scipio Aemilianus Africanus Numantinus, den Zerstörer Karthagos im 3. Punischen Krieg (149–146 v. Chr.), wurde der im Jahre 143 ausgebrochene Krieg gegen die Keltiberer beendet. Scipio hatte 134 die Kriegführung übernommen. In diesem Jahr entsandte Micipsa das numidische Kontingent unter Jugurthas Kommando. novi atque nobiles: novi kann hier unmöglich die Bedeutung ‚junge Leute‘ haben (gegen Koestermann 50), sondern bezeichnet die homines novi; vgl. dazu 63,7; 65,5. – socios: hier unterminologisch gebraucht: jeder, der weder civis noch hostis ist (vgl. Paul 33 f. mit Literatur).

    334 8,2

    9,1

    9,3

    9,4 10 10,1

    10,3

    11,2–12 12,1 12,3

    13–16 13,1

    13,4

    Erläuterungen

    neu quibus largiri insuesceret: quibus steht hier nach neu anstelle von aliquibus (‚irgendwelchen Leuten‘). Sprachlich nicht möglich ist Koestermanns Auffassung von quibus als Relativpronomen (S. 52). cum litteris: Ein solches Empfehlungsschreiben könnte es wirklich gegeben haben, da zwischen dem numidischen Königshaus und der Gens Cornelia wohl ein Klientelverhältnis bestand. Der hier eingelegte Brief ist jedoch sicher Sallusts Erfindung. statimque eum adoptavit: Nach 11,6 erfolgte die Adoption erst im Jahre 121 und nicht 133/132. Vermutlich handelt es sich entweder um einen Lapsus Sallusts oder um den Versuch, die Ereignisse zu raffen (vgl. die Diskussion bei Paul 40–43). paucos post annos: Micipsa starb im Jahre 118. Die Micipsa-Rede: Vorbild ist wohl die Rede des Kyros auf dem Sterbebett vor seinen Söhnen bei Xenophon (Kyrupädie 8,7,6–28). quam liberis, si genuissem: Es gibt keinen Grund, liberis oder den si-Satz zu athetieren oder anderweitig in den Text einzugreifen. Micipsa bezieht sich auf die Aufnahme Jugurthas – es ist noch nicht die Adoption gemeint, vgl. auch Paul 44. – neque ea res … habuit: von Quintilian zitiert (inst. 9,3,12). per regni fidem: zu unserer Übersetzung vgl. Koestermann 55 (anders, aber kaum richtig Paul 45). Kronrat und Ermordung Hiempsals thesauros: Solche Schatzhäuser befanden sich etwa in Suthul (37,3), in Thala (75,1) und im Kastell am Muluccha (92,5). Thirmida: Diese Stadt wird nur hier erwähnt (zu Identifikationsversuchen vgl. Paul 48 f.). – proxumus lictor: Interpretatio Romana (vgl. zu 49,2 und Catil. 53,3); gemeint ist vermutlich derjenige Leibwächter oder Gefolgsmann, der Jugurtha am nächsten stand. Der erste Kampf zwischen Jugurtha und Adherbal Africam: Mit Africa bezeichnet Sallust im Jugurtha entweder Afrika als Erdteil oder, wie hier, Nordafrika, aber nie die homonyme römische Provinz, die er immer provincia nennt (vgl. 13,4; 25,5.10; 39,4; 44,4; 61,2). provinciam: Teile des karthagischen Gebietes wurden nach dem 3. Punischen Krieg in die Provinz Africa mit der Hauptstadt Utica umgewandelt. Ihr Gebiet entspricht ungefähr dem heutigen Nordtunesien.

    Bellum Iugurthinum

    14 14,1

    14,5

    14,6

    15,4

    16,2

    16,5

    17–19 17,3 17,4

    17,7

    335

    Die Adherbal-Rede Es handelt sich um eine Lüge Adherbals; denn von derartigen Anweisungen des sterbenden Micipsa wurde bisher nichts berichtet. Der schwache König lügt, um die Verantwortung von sich abzuwälzen. quo … petunda erat: Auch diese Aussage ist nicht ganz zutreffend, da Masinissa zu einem Zeitpunkt die Seiten wechselte, als das Kriegsglück wieder die Römer begünstigte (vgl. Paul 58 f.). me nepotem Masinissae: Bei diesem Ausdruck muss es sich nicht um eine Interpolation handeln (gegen Reynolds und Schierlings Rez. zu Reynolds’ Edition 99); durch diesen Einschub wird das Pathos von Adherbals Rede noch verstärkt (vgl. Koestermann 70). Aemilius Scaurus: M. Aemilius Scaurus (162 – nach 90 v. Chr.; Konsul i. J. 115) triumphierte über die Ligurer, wird 25,4 (also im Jahr 112) als senatus princeps bezeichnet. 109 wurde er Zensor. Seine wenig ruhmvolle Rolle als Legat des Calpurnius Bestia wird in den Kapiteln 28–40 dargestellt. L. Opimius: zu den antiken Zeugnissen über Opimius’ Verhalten im Jahr 121 vgl. Koestermann 85. Er wurde im Jahre 109 nach der Lex Mamilia zusammen mit anderen bestochenen Senatoren verurteilt und später verbannt. – C. Graccho et M. Fulvio Flacco interfectis: Die beiden Männer fielen im Straßenkampf. Zu C. Gracchus, dem jüngeren Bruder des Ti. Gracchus, vgl. zu 42,1. M. Fulvius Flaccus war im Jahr 125 Konsul. – acerrume … exercuerat: vgl. 42,4 und zum Ausdruck Catil. 38,4. quae pars Numidiae Mauretaniam attingit: Numidien lag zwischen Mauretanien im Westen und der römischen Provinz Africa im Osten. Mauretanien umfasste ungefähr das Gebiet von Marokko und Nordwestalgerien. Der Afrika-Exkurs in divisione orbis terrae eqs.: Die Dreiteilung des Erdkreises war in der Tat spätestens seit Herodot üblich (zu Belegen vgl. Paul 72). fretum nostri maris et Oceani: das Fretum Gaditanum, die Säulen des Herakles, d.h. die Straße von Gibraltar. – Catabathmon: Der Katabathmos am Golf von Solum galt als die Grenze zwischen der Cyrenaica und Ägypten und damit zwischen Afrika und Asien (zu dem Ägypten gezählt wurde). ex libris Punicis, qui regis Hiempsalis dicebantur: König Hiempsal II. (um 88 – vor 50 v. Chr.) war der Sohn König Gaudas (zu

    336

    18,1

    18,3 18,4 18,7 18,8 18,9 18,10 19,1

    19,6 19,7

    Erläuterungen

    diesem vgl. zu 65,1); vgl. auch Einleitung, Fußn. 13. Ob der Genitiv regis Hiempsalis die Autorschaft oder nur den Besitz bezeichnen soll, ist unklar. Das Punische war die offizielle Sprache in Numidien. Africam: Mit Africa ist hier Nordafrika (ohne Ägypten) gemeint (vgl. zu 13,1). – Gaetuli et Libyes: Die nomadisierenden Gaetuler lebten südlich von Mauretanien und Numidien und nördlich der Sahara. Die Bezeichnung ‚Libyer‘ verwendet Sallust, um die Einwohner der Küstenregionen in Mauretanien, Numidien und der römischen Provinz zu bezeichnen (vgl. 18,9). Hercules: Es gibt keine Parallelberichte zu dieser Version des Heraklesmythos. Medi, Persae et Armenii eqs.: Diese Erzählung kann keinerlei Historizität für sich beanspruchen. quia … Nomadas appellavere: Diese hier angedeutete Etymologie (Numidae von Nomades) hat keinerlei Fundamentum in re. mapalia: ein punisches Wort (auch in der Form magalia belegt), das sowohl fahrbare als auch feste Hütten bezeichnet. mare Africum: Gemeint ist wohl der westliche Teil des Mittelmeeres (vgl. hist. 2,2). nomen … appellantes: ebenfalls eine Volksetymologie. Phoenices: Im 9./8. Jh. v. Chr. haben sich Phönizier im westlichen Nordafrika niedergelassen. – Hipponem: Identifikation umstritten, entweder Hippo Regius (h. Bône oder Annaba im nordöstlichsten Algerien), eine Residenz der numidischen Könige, oder Hippo Diarrhytus westlich von Utica (h. Bizerte an der Nordküste Tunesiens). – Hadrumetum: h. Sousse an der Ostküste Tunesiens. – Leptim: vgl. zu 77,1 und Koestermann 94. – Cyrene … colonia Theraeon: Kyrene (im östlichen Libyen am Mittelmeer gelegen) wurde im 7. Jh. von Thera (Santorin) und der Peloponnes aus gegründet. – duae Syrtes: der Golf von Sidra (die Große Syrte) in Libyen (westlich von Tripolis bis Bengasi) und der Golf von Gabès (die Kleine Syrte) im Süden Tunesiens (bei Djerba). – interque eas Leptis, deinde Philaenon Arae: zu den Lokalisierungsversuchen vgl. Paul 78. Zu den Philaenon Arae vgl. die in 79 erzählte Begebenheit. post eos Aethiopas esse: zu dieser Lokalisierung der Aethiopes (griech. ‚Brandgesichter‘) in der westlichen Sahara vgl. Paul 78. pleraque ... administrabat: zur Einrichtung der Provinz Africa vgl. zu 13,1 und 13,4. – ad flumen Muluccham: der Grenzfluss (heute

    Bellum Iugurthinum

    337

    Muluja) zwischen Mauretanien und Numidien (vgl. 110,8). Zum strategisch bedeutsamen Kastell an diesem Fluss vgl. 92–94. 20–26 20,1

    21,2

    21,4 25,4 25,5

    25,11 27–29 27,2

    27,3

    27,4

    Der zweite Krieg zwischen Jugurtha und Adherbal Auch hier rafft Sallust, indem er den Eindruck erweckt, dass Jugurtha unmittelbar nach der Reichsteilung zum Angriff übergeht. In Wirklichkeit sind seitdem vier Jahre vergangen. Vermutlich beginnt Jugurtha seinen Angriff im Frühjahr 112 (vgl. Paul 80). haud longe a mari prope Cirtam oppidum: Cirta ist wohl das heutige Constantine, das keineswegs nah am Meer liegt – ein Irrtum Sallusts. – togatorum: Der Ausdruck togati bezeichnete zunächst nur die Römer und Latiner, dann auch (wie hier, vgl. 26,1) die Italiker. tres adulescentes: Es handelt sich um junge Senatoren (pedarii) noch ohne besonderen Einfluss. de quo supra memoravimus: nämlich 15,4. Uticam: heute Utique-Henchir bou Chateur; die Hauptstadt der römischen Provinz an der Mündung des Bagradas (h. Medjerda) im Norden Tunesiens. senati: vgl. zu Catil. 30,3. Calpurnius’ Kriegführung und Jugurthas Scheinkapitulation C. Memmius: Der Volkstribun des Jahres 111 ist die einzige durchweg positive Hauptperson im Jugurtha. Um 103 v. Chr. war Memmius Proprätor in Makedonien, wurde danach in einem Repetundenprozess angeklagt, aber freigesprochen. Im Jahre 100 bewarb er sich um das Konsulat, wurde aber von den Schlägern des Saturninus und des Glaucia getötet (Cic. Catil. 4,4). lege Sempronia: Dieses von C. Gracchus im Jahre 123 eingebrachte Gesetz verfügte, dass der Senat vor den Konsulwahlen die proconsularischen Provinzen festlegen sollte. – provinciae … Numidia atque Italia: Das bedeutet nicht, dass Numidien bereits eine Provinz ist. Hier liegt noch die alte Bedeutung von provincia i. S. v. ‚Aufgabenbereich‘ vor. P. Scipio Nasica: Sohn des Scipio Nasica Serapio, der i. J. 133 für die Tötung des Tiberius Gracchus verantwortlich war (vgl. zu 31,7); er starb als Konsul. – L. Bestia Calpurnius: Ursprünglich ein Anhänger der Gracchen wechselte Calpurnius in den Zwanziger Jahren die Seiten. Im Jahr 110 wurde er wegen seiner Bestechlichkeit aufgrund der Lex Mamilia verurteilt.

    338 28,6 29,4

    29,5

    30–40 31,2

    31,6 31,7

    31,10

    31,17 32,1 33,2 35,2

    Erläuterungen

    Regium atque inde Siciliam: Das von Griechen gegründete Rhegion ist das heutige Reggio di Calabria. Sextius quaestor: nicht sicher zu identifizieren. – Vagam: Vaga (h. Béja) lag am gleichnamigen Fluss, der in den Bagradas (vgl. zu 25,5) einmündet. per saturam: Falls die von Festus p. 416 Lindsay gegebene Erklärung für den juristischen Gebrauch des Wortes satura zutrifft, so handelt es sich um ein Bündel von Gesetzen, über die en bloc abgestimmt wird. Bestia hat nicht über die einzelnen Bestimmungen der deditio, sondern über das ganze ‚Paket‘ abstimmen lassen. Das Vorgehen gegen die korrupten nobiles und A. Albinus’ Kapitulation bei Suthul his annis viginti: Die überlieferte Zahl quindecim ist kaum korrekt, da die Tötung der Gracchen, auf die der Ausdruck defensores in 31,2 wohl hinweist, etwa 20 bzw. 10 Jahre zurückliegt. Wir schließen uns mit Paul 98 f. (dort auch die älteren Lösungsversuche) der Meinung derer an, die von einer falschen Überlieferung ausgehen und statt XV (quindecim) XX (viginti) in den Text setzen: Memmius lässt nämlich in 31,7 den Zeitraum der Unterdrückung ausdrücklich mit dem Tod des Ti. Gracchus beginnen. quod saepe … eatis: zu den secessiones vgl. zu Catil. 33,3. occiso Ti. Graccho … aiebant: Nachdem Ti. Gracchus im Jahr 133 mit aller Macht ein Ackergesetz durchgebracht hatte, betrieb er seine Wiederwahl als Volkstribun. Daraufhin wurde er im Straßenkampf erschlagen (vgl. zu 27,4). honori … praedae habeant: Gemeinhin fasst man habere an dieser Stelle i. S. v. ‚besitzen‘ auf. Passender scheint jedoch die Bedeutung ‚ansehen als‘ zu sein; zur Konstruktion mit dem Dativus finalis vgl. etwa Iug. 100,5. maiores vostri … occupavere: vgl. zu Catil. 33,3. L. Cassius … praetor: L. Cassius Longinus fiel im Jahr 107 als Konsul im Kampf gegen Verbündete der Kimbern. C. Baebium tribunum plebis: ansonsten unbekannt. Sp. Albinus: Sp. Albinus gehörte zu einer der einflussreichsten Familien der damaligen Zeit, den Postumii. Er wurde 109 wegen des Versagens seines Bruders (vgl. 36–39) wie dieser in den Quaestiones Mamilianae verurteilt (vgl. 40; Cic. Brut. 128). – Q. Minucio: Der Vorname Quintus steht in den Sallust-Handschriften, korrekt wäre Marcus (Quintus ist der Vorname seines Bruders).

    Bellum Iugurthinum

    36,4

    37,3

    38,2 38,3

    38,6

    38,9 39,2

    40,5

    41–42 42,1

    339

    Aulo fratre … pro praetore relicto: A. Postumius Albinus ist vielleicht identisch mit dem Konsul von 99. Obwohl er de facto Stellvertreter des Konsuls ist, bekleidet er dadurch formal lediglich die Proprätur. mense Ianuario: Diese Zeitangabe ist angezweifelt worden, vgl. 39,2 und dazu Koestermann 153 f. und Paul 111 f. – ad oppidum Suthul: Da laut Orosius die Schlacht bei Calama (h. Guelma, im Nordosten Algeriens nahe der Grenze zu Tunesien) stattfand (Oros. 5,15,6), wurde Suthul mit dieser Stadt gleichgesetzt, aber diese Identifikation muss unsicher bleiben (vgl. Paul 112 f.; Koestermann 154). ita delicta occultiora fore: vgl. Koestermann 155 f. ducesque turmarum: Die turma, die kleinste Kavallerieeinheit mit einer Stärke von etwa 30 Mann, wurde von einem decurio befehligt. Ligurum: Die Ligurer lebten am Golf von Genua (vgl. den heutigen Namen Ligurien) und dienten häufig im römischen Heer (vgl. 77,4; 100,2 und vor allem 93 f.). – Thracum: Die Thraker lebten ungefähr im heutigen Bulgarien. Damals führten die Römer Kriege mit thrakischen Stämmen, so dass die Nennung thrakischer Hilfstruppen überrascht. – centurio primi pili: der ranghöchste Zenturio einer Legion. – tertiae legionis: Das bedeutet nicht notwendig, dass mindestens drei Legionen in Africa waren. Die vier Legionen der beiden Konsuln wurden von I bis IV durchnummeriert; zwei davon kommandierten die beiden Albini (vgl. dazu Paul 113 f.). tenet: Da der Indikativ in der indirekten Rede bei Sallust nicht ungewöhnlich ist (vgl. zu Catil. 27,4), erübrigt sich eine Emendation. consul Albinus: Wenn die Kapitulation des A. Albinus im Januar 109 erfolgte, kann Sp. Albinus streng genommen nicht mehr als Konsul bezeichnet werden (vgl. zu 37,3). quaestio exercita aspere: vgl. auch Cic. Brut. 128. Verurteilt wurden u.a. Bestia, A. und Sp. Albinus sowie L. Opimius. Der Parteienexkurs quorum maiores eqs.: Der Großvater der Gracchen war Scipio d. Ä., der Hannibalbezwinger. Der Ausdruck Punico [scil. bello] verweist auf ihn und auf den Konsul von 215 und 213, aliis bellis auf Kriege in Sardinien, Spanien und Korsika. – per socios ac nomen Latinum: Im Jahr 129 intervenierte Scipio Aemilianus zugunsten der Bundesgenossen, die wegen der Lex Sempronia agraria (wohl 133 v. Chr.) aufgebracht waren. – triumvirum coloniis deducundis: Nachdem

    340

    42,3

    43–47 43,1

    43,2 44,3 45,2

    46,2 46,7

    47,2

    Erläuterungen

    C. Gracchus zwei Jahre lang Volkstribun gewesen war, wurde er Mitglied einer Kommission zur Gründung von Kolonien. – ferro necaverat: C. Gracchus beging eigentlich mithilfe eines Sklaven Selbstmord. sed bono … vincere: Das ist wohl der umstrittenste Satz im ganzen Corpus Sallustianum. Wir schließen uns hier Bringmann (1974) an und deuten den Satz als allgemeine Aussage. Metellus’ erste Maßnahmen und Jugurthas erster Kapitulationsversuch Metellus: Q. Caecilius Metellus Numidicus (Zensor 102) stammte aus einer sehr einflussreichen und angesehenen Familie. Nach seiner Rückkehr nach Rom triumphierte er 106. Im Jahre 100 weigerte er sich, auf das Ackergesetz des Saturninus zu schwören, und ging freiwillig ins Exil, aus dem er ein Jahr später zurückkehren konnte. – Silanus: M. Iunius Silanus, ein homo novus; er erlitt 109 oder 108 eine schwere Niederlage gegen die Kimbern. – consules designati: Da A. Albinus seinen Feldzug im Jahr 109 begonnen hatte, müsste es eigentlich nur consules heißen. alia omnia sibi cum collega ratus: zum Ausdruck vgl. Koestermann 180; Paul 133. aestivorum tempus: Man führte in der Regel im Frühjahr und Sommer Krieg. – comitiorum mora: vgl. dazu Paul 135 f. miles gregarius: Der supplierte Ausdruck ist in der Sekundärüberlieferung bewahrt worden (Fronto p. 103,18 v. d. H.). Ein hastatus ist ein Soldat in der vordersten Linie. Der Ausdruck gregarius bezeichnet den einfachen Legionär im Allgemeinen. cum suppliciis: gewöhnlich Öl- oder Lorbeerzweige. C. Marius: zu ihm vgl. zu 63,1. – tribunis legionum: die Militärtribunen. Sallust vermeidet gerne Termini technici. – praefectis cohortium: Vermutlich handelt es sich um Einheiten der Bundesgenossen. frequentiam negotiatorum et commeatum iuvaturum exercitum: Es gibt keinen Grund, den überlieferten Text zu ändern. Mit der frequentia negotiatorum und dem commeatus nennt Sallust die beiden zuvor erwähnten Faktoren: Beides werde (so die Überlegung des Metellus) für das Heer vorteilhaft sein (ausgedrückt durch iuvaturum und munimento fore); der Ablativ paratis rebus ist instrumental aufzufassen.

    Bellum Iugurthinum

    48–53 48,3

    49,1 49,2 49,6

    50,1

    52,3 53,7 54–55 54,5 55,2 56–61,1 56,1

    56,3

    61,2–62 62,8

    341

    Die Schlacht am Muthul Muthul: Der nur von Sallust erwähnte Muthul ist ein Nebenfluss des Bagradas (vgl. zu 25,5) und offenbar identisch mit dem Oued Mellègue. – milia viginti: Die überlieferte Zahl ist problematisch, da die Marschleistung des Heeres, wie sie sich aus dem Verlauf der Schlacht ergibt, dann beträchtlich gewesen wäre. Es gibt verschiedene Korrekturvorschläge (vgl. Koestermann 196; Paul 147 f.). Andererseits kann man den Lapsus Sallust durchaus zutrauen – mag er in der Angabe der Entfernung oder in der Schilderung der Schlacht liegen. Zur Schlacht am Muthul vgl. Paul 144–147; Koestermann 194–197; Fiedler und Gerlinger 248–252; 374–376. turmas et manipulos: Interpretatio Romana, vgl. 12,3. transvorsis principiis: Aus 50,2 a. E. wird klar, was gemeint ist: Der linke Flügel der Marschordnung schwenkte vor der ersten Reihe nach innen, so dass er nun die Frontlinie bildete. P. Rutilium legatum: P. Rutilius Rufus wurde 92 v. Chr. in einem Repetundenprozess unschuldig verurteilt, weil er sich als Stoiker weigerte, eine rhetorisch effektvolle Verteidigung vorzutragen. Rutilius’ Autobiographie könnte Sallust als Quelle gedient haben, vor allem für die Schlacht am Muthul. die: Nebenform des Genitivs diei. adventare: zum textkritischen Problem vgl. Koestermann 213. Fortsetzung des Krieges in acie: zu dieser Junktur vgl. Oxford Latin Dictionary s.v. acies 7 (z. B. Cic. Marcell. 31). supplicia: Der gewöhnliche Terminus lautet supplicationes. Der Kampf um Zama Zamam: wohl Zama Regia, der Ort von Hannibals Niederlage gegen Scipio i. J. 201; die Lage der Stadt lässt sich nicht genauer bestimmen. Siccam: Sicca Veneria (h. El Kef oder Schikka Benar), in der Nähe des Muthul gelegen. Jugurthas zweiter Kapitulationsversuch auf Anraten Bomilcars ad imperandum: in dieser Bedeutung (i. S. v. ad parendum) archaisch, wie Cicero explizit sagt (fam. 9,25,2). – Tisidium: in der römischen Provinz, am rechten Ufer des Bagradas (vgl. zu 25,5),

    342

    62,10

    63–65 63,1

    63,4

    63,5

    63,7 64,4

    65,1

    66–69 66,2

    Erläuterungen

    h. Grich el Oued in Nordtunesien. Dort befand sich zu diesem Zeitpunkt offenbar Metellus’ Winterlager. Numidiam Metello decreverat: Metellus’ Kommando wurde also um ein Jahr verlängert (sog. prorogatio). Der Bruch zwischen Metellus und Marius C. Mario: Der homo novus C. Marius (vor 156 – 86 v. Chr.) aus Arpinum stammte aus dem Ritterstand und erreichte sein erstes Konsulat im Jahr 107 in der Tat verhältnismäßig spät (zu seiner Ämterlaufbahn vgl. zu 63,5). Danach verlief seine Karriere aber glänzend: Dem Sieg über Jugurtha folgten mehrere Konsulate (104–100 und 86) und der Triumph über die Teutonen (102) und Kimbern (101). Vielleicht war Marius Klient der Metelli (vgl. Plut. Mar. 4,1); zu Marius’ Leben nach dem Jahr 100 vgl. zu hist. 1,24. tribunatum militarem: Militärtribun war Marius vermutlich 134 oder 133 vor Numantia (vgl. dazu Paul 169 f.). – per omnis tribus: Die Comitia tributa, die u.a. die Quästoren und Ädile wählten, waren nach den 35 Tribus (Wahlbezirken) gegliedert. ab eo magistratu eqs.: Marius’ frühe Karriere verlief keineswegs so glatt, wie Sallust hier behauptet. Als Volkstribun (119) machte er sich Feinde; bei der Bewerbung für die Ädilität fiel er durch; die Prätur erreichte er nur knapp (115); danach war er Statthalter in Hispania ulterior. quin is: Die Überlieferung quin is ist zu halten und nicht etwa mit Eussner is vor quasi zu versetzen und auf honos zu beziehen. cum filio suo … annos natus circiter viginti: zu Q. Caecilius Metellus Pius vgl. zu hist. 1,116. Wäre Marius Metellus’ höhnischem Rat gefolgt, hätte er also noch über 20 Jahre mit seiner Bewerbung warten müssen! – contubernio: Es war üblich, dass jungen Soldaten aus den höheren Schichten während ihrer Dienstzeit erfahrene Männer als custodes zur Seite gestellt wurden (Cic. rep. 4,3 = Serv. Aen. 5,546). Im Falle des jungen Metellus handelt es sich dabei um den eigenen Vater. Gauda: Jugurthas Halbbruder und Vater Hiempsals II. (vgl. zu 17,7). Vermutlich bestieg er nach Jugurthas Gefangennahme den Thron, regierte aber wohl nur kurz (vgl. Koestermann 387). Der Aufstand in Vaga und die Bestrafung der Stadt in diem tertium: zu Carcopinos Konjektur in diem Cererum und zur Identifikation des Festes vgl. Koestermann 251; Paul 178 f.

    Bellum Iugurthinum

    66,3

    69,2 69,4

    343

    praefectum oppidi T. Turpilium Silanum: Turpilius war laut Plutarch (Marius 8,1) praefectus fabrum (d.h. Kommandant einer Pionierabteilung). volgum: zur maskulinen Flexion des Wortes vgl. 73,5 und Caes. Gall. 6,14,4. Zur Problematik der Bestrafung vgl. Paul 182–185.

    70–72 71,5

    Bomilcars und Nabdalsas Komplott gegen Jugurtha [ex perfugis]: Diese von Friedrich Kritz zu Recht getilgte sinnlose Angabe ist vielleicht von 73,1 in den Text eingedrungen.

    73 73,5

    Die Volksstimmung in Rom wendet sich gegen Metellus capitis arcessere: Das ist eine Übertreibung: Wegen welcher Vergehen hätte man Metellus auf Leben und Tod anklagen können? post multas tempestates eqs.: zuletzt wohl in den Dreißiger Jahren (für 116 v. Chr. unsicher); vgl. Koestermann 266 und Paul 191. – senatus paulo † decio †: Die von Reynolds in den Text übernommene Ergänzung ante senatus Numidiam Metello hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, da vermutlich durch einen Zeilensprung (paulo … Metello) eine Zeile ausgefallen ist (vgl. in der Ausgabe von Kurfess die Addenda, p. 199). Zu beantworten wäre jedoch die Frage, woher dann die Korruptel decio kommt. Daher belassen wir es hier bei einem non liquet und setzen Cruces.

    73,7

    74–76 75,1

    Die Einnahme von Thala Thalam: Diese südnumidische Stadt ist nicht sicher zu lokalisieren.

    77–79 77,1 78,1

    Der Leptitaner- und der Philaeni-Exkurs Lepti: Leptis magna (h. Lebda in Libyen), eine civitas foederata. id oppidum ab Sidoniis conditum est: Die Gründung von Leptis lässt sich nicht genau datieren. Die (angebliche?) Mutterstadt Sidon ist eine phönizische Hafenstadt im südlichen Libanon (h. Saida). – nomen ex re inditum: Das griechische Wort syrein bedeutet ‚ziehen‘. Die Etymologie wird in 78,2 erklärt. Der Name ist aber vermutlich nicht griechischen, sondern indigenen Ursprungs. qua tempestate: Die nun folgende Erzählung hat keinerlei historischen Wert, so dass es müßig ist, sie zeitlich fixieren zu wollen. Die Legende findet sich etwa auch Val. Max. 5,6, ext. 4. legiones: vgl. zu Catil. 53,3.

    79,2

    79,4

    344 79,5

    79,7

    79,10

    80–83 80,1 80,3 80,5 80,6

    81,1 81,2

    84–85 85,25 85,28 85,32

    85,42

    85,45

    Erläuterungen

    Philaenis: im Griechischen ein sprechender Name (‚ruhmliebend‘). Dies spricht dafür, dass die Erzählung im griechischen Kulturkreis entstanden ist. conturbare rem: Sie stifteten durch Vorwürfe, Ausflüchte und Spitzfindigkeiten Verwirrung und bestritten die Rechtmäßigkeit des Sieges – ein typisches Verhalten schlechter Verlierer. Philaenis fratribus aras consecravere: Diese Altäre werden in der Antike oft erwähnt (vgl. Paul 200). Sie markierten die Grenze zwischen der Cyrenaica und dem restlichen Africa. Das Bündnis zwischen Jugurtha und Bocchus und Metellus’ Verschleppungstaktik postquam: Sallust verwendet postquam und ubi auch als kausale Konjunktionen. – Gaetulos: vgl. zu 18,1. Bocchi: König von Mauretanien. quis omnia … vendere: zum Ausdruck vgl. Catil. 30,4; 31,12. Bocchi: Überliefert ist daneben die (sprachliche) Lectio facilior Boccho. Nach unseren anderen Quellen war aber Jugurtha der Schwiegersohn des Bocchus, was auch altersmäßig besser passt (vgl. Paul 201). Persen: vgl. zu Catil. 51,5 und zu hist. 4,69,7. ibi Q. Metellus: Die Abkürzung Q. für Quintus ist nicht zu tilgen, da Sallust zwar nicht bei Metellus, aber durchaus bei anderen Römern den Vornamen nennt und ihn etwa bei Marius und Memmius sogar wiederholt. Marius’ Amtsantritt und seine Rede imagines: vgl. 85,29 und zu 4,5. summum … negotium: Konsulat bzw. Oberbefehl in Africa. litteras Graecas: Kenntnisse in griechischer Sprache und Kultur gehörten zur Zeit des Marius bereits zur üblichen Bildung eines vornehmen Römers. Marius’ apologetische Bemerkungen verraten den Inferioritätskomplex des Emporkömmlings. omnibus flagitiis: omnibus steht nur im Vaticanus Latinus 3864 (vgl. Einleitung S. XVI f.). Zur Begründung unserer Entscheidung vgl. die Rez. von Oakley zu Reynolds (S. 60 f.). avaritiam, imperitiam atque superbiam: Die Laster lassen sich der Reihe nach folgenden Feldherren zuordnen: Calpurnius Bestia, A. Albinus, Metellus.

    Bellum Iugurthinum

    345

    85,47

    aut in proelio: Reynolds’ Athetese von in ist nicht nachzuvollziehen. Wir lesen aber wie Reynolds aut und verzichten auf die Tilgung des a (vgl. etwa die Ausgabe von Kurfess).

    86–89,2 86,2

    Marius’ erste Erfolge in Africa ex classibus … capite censos: Das römische Volk war nach dem Vermögen jedes Einzelnen in Zensusklassen eingeteilt; die ersten fünf Klassen leisteten Kriegsdienst. Marius zieht nun gegen den mos maiorum auch die Mittellosen, die capite censi (oder proletarii), heran, die deswegen so genannt wurden, weil sie nur ihr Haupt (caput) als Vermögen vorweisen konnten (Cic. rep. 2,40).

    89,3–92,3 Die Einnahme von Capsa 89,4 Capsa: Die Stadt Capsa (h. Gafsa) liegt in Mitteltunesien. – Hercules Libys: identisch mit dem phönizischen Gott Melqart, auch als Hercules Tyrius oder Phoenicius bezeichnet. 90,2 Entweder sollten sie das Vieh treiben oder aber forttreiben (vgl. Koestermann 324). Letzteres erscheint wenig sinnvoll; dagegen spricht auch 91,1. – Lares: oder Laribus, wohl das heutige Lorbes, nordwestlich von Zama. 90,3 flumen Tanain: nicht sicher identifiziert (vgl. Paul 224 f.). 92,1 : In mehreren Handschriften fehlt das Prädikat des postquam-Satzes, was darauf schließen lässt, dass die Lücke bereits in den Vorlagen vorhanden war. Die Prädikate in den anderen Codices (peregit, patravit, gessit) sind daher als konjekturale Versuche anzusehen, die Lücke zu füllen. Reynolds hat aus diesem Grund keine dieser scheinbaren Lesarten übernommen, sondern „exempli gratia“ confecit ergänzt. 92,4–94 92,5 92,7

    93,2

    Die Eroberung des Kastells am Muluccha flumine Muluccha: vgl. zu 19,7. Das Kastell lag etwa 1 200 km von Capsa entfernt (vgl. Paul 229 f.). castello virorum atque armorum satis magna vis et frumenti et fons aquae: Es gibt keinen zwingenden Grund, das überlieferte et zu tilgen oder vor magna zu setzen, auch wenn der entstehende Satzbau wenig elegant anmutet – ein Mangel, den man jedoch häufiger bei Sallust antrifft. Ligus: vgl. zu 38,6. Die Ligurer galten als hervorragende Bergsteiger.

    346

    Erläuterungen

    93,3

    animum advortit: Es gibt keinen Anlass, die Überlieferung (animum advortit und animum vortit) zu ändern (vgl. Neil Adkin: „Sallust, Jugurtha 93.2f.: animum invadit?“, RhM 145, 2002, 237–240). Dabei wird man die Lectio difficilior animum advertere vorziehen. Der Ausdruck bedeutet ‚die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, Aufmerksamkeit erregen‘, vgl. etwa Tac. hist. 3,48,1 (advertit ea res Vespasiani animum) und Oxford Latin Dictionary s.v. 7. (Das Zeugnis eines Papyrus ist nicht ausschlaggebend [vgl. dazu Adkin a.O. 239]). Adkins Argumente für advortit sind allerdings nicht schlagend.

    95–96 95,2 95,3

    Die Sulla-Charakteristik L. Sisenna: vgl. die Einleitung S. XVIIf. uxore: wohl eine Metonymie (Sulla war fünfmal verheiratet).

    97–100 97,2 100,4

    Marius’ siegreiche Schlacht. Sein Führungsstil uti antea: vgl. 80,3. futurum: Diese Form ist trotz des folgenden quae haltbar als Indeclinabile, vgl. dazu Gell. 1,7. Hier könnte es sich um einen echten Archaismus handeln; Gellius lobt nämlich a. O. Cicero dafür, „gut und nach der Art der Alten gesprochen zu haben“ (probe ac vetuste locutus). : Überliefert ist quod, das sich nicht halten lässt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stand hier parallel zu multi ein zweiter Quantitätsausdruck. Paläographisch lässt sich plerique leichter als die bisherigen Vorschläge (alii, pars) erklären, da nur mit einem Ausfall von pleri zu rechnen wäre; das verbliebene que hätte dann ein Abschreiber zu quod verändert (paläographisch noch näher läge quidam, aber dieses Wort verwendet Sallust nicht bei derartigen Alternativaufzählungen). Zur Korresponsion multi – plerique vgl. 54,10 und Catil. 33,1.

    100,5

    101

    Die entscheidende Schlacht bei Cirta

    102–114 102,13

    Sullas Verhandlungen mit Bocchus. Das Ende des Krieges unde vi Iugurtham expulerit: wohl eine Lüge. In Wirklichkeit hatte ihm Jugurtha ein Drittel Numidiens versprochen (97,2). in loca sola: Marius brach vermutlich in den Süden auf, in das Gebiet der Gaetuler (vgl. Appian Num. frg. 5). pro praetore: vgl. zu 36,4.

    103,1 103,4

    Bellum Iugurthinum

    104,1

    104,3 104,5

    105,2

    108,3

    110,1

    110,3

    113,3

    114,1

    347

    confecto: Neben confecto ist auch infecto überliefert. Die Entscheidung für confecto beruht darauf, dass Sallust in dieser Phase des Krieges ein negotium infectum wohl kaum so lapidar verzeichnet hätte – insgesamt bleibt die Entscheidung aber unsicher. – ab Tucca: Das ist wohl die beste textkritische Entscheidung an dieser Stelle (vgl. Reynolds’ Edition); vgl. dazu Paul 249. Tucca lag in der Nähe von Cirta (vgl. zu 21,2). – L. Bellienum praetorem Utica: L. Bellienus war also zu diesem Zeitpunkt der Statthalter der Provinz Africa, deren Regierungssitz in Utica lag. Cn. Octavio Rusone: vgl. Paul 250. delicta gratiae: Es handelt sich um die Lectio difficilior, die nur in der Sekundärüberlieferung erhalten ist, nämlich bei Arusianus Messius, der den Satz eigens wegen dieser Konstruktion anführt. funditorum Balearum: Schleuderer von den Balearen wurden häufig eingesetzt. – cohors Paeligna: Die Paeligner siedelten um Sulmo und Corfinium in den Abruzzen. – quod ea levia sunt: vgl. 94,1 zu den numidischen Schilden. Punica fide: Mit der ‚punischen Treue‘ verweist Sallust auf die angeblich für die Karthager typische Untugend der perfidia, der Neigung zu Wortbruch und Verrat. Auch die Numider werden im Jugurtha durchgehend als treulos und unzuverlässig dargestellt (46,3; 56,5; 61,3; 66,2; 69,3; 91,7). privato: Das ist aus der (anmaßenden) Sicht des Königs gesprochen, für den alle anderen Menschen Privatleute sind. Als magistratus war Sulla nach römischen Begriffen natürlich kein privatus. fuerit: Die Kopfstellung von fuerit legt die Auffassung als Optativ der Gegenwart (vgl. die Übersetzung) oder Vergangenheit („Möge es … gewesen sein“) nahe (vgl. Hofmann / Szantyr 330 f. und insbesondere hist. 1,55,19); es könnte sich aber auch um einen Potentialis handeln. Der Dativ mihi ist schwer wiederzugeben und daher in der deutschen Übersetzung nur implizit vorhanden: „der Preis“, d. h. „der Preis, den ich entrichten musste“. voltu … corporis: zu dieser Stelle, an der offenbar zwei Überlieferungsstränge vorliegen, vgl. Koestermann 384. – ita: vgl. dazu Koestermann 384 („auf solche Weise“, hier mit „solche“ wiedergegeben). Reynolds’ Athetese ist aufgrund des auf ita folgenden tacente durchaus attraktiv (mögliche Dittographie). Gallos: Gemeint sind die Kimbern, bei denen es sich eigentlich um Germanen handelte. Die Römer trennten zu jener Zeit noch nicht präzise zwischen gallischen und germanischen Stämmen; erst Cae-

    348

    114,3

    114,4

    Erläuterungen

    sar differenziert hier. Sallust ist also noch der alten Begrifflichkeit verhaftet (vgl. Koestermann 386 f.; Paul 257); sicherlich geht es ihm aber auch um die pointierte Formulierung in 114,2 (vgl. dazu Catil. 53,3). – ab ducibus … male pugnatum: Gemeint ist die Niederlage gegen die Kimbern bei Arausio (Orange) an der Rhône am 6. Oktober 105 v. Chr. – Q. Caepione: Quintus Servilius Caepio war Konsul des Jahres 106. – M. Mallio: Der Konsul des Jahres 105 hieß eigentlich Gnaeus. Dieser Vorname ist aber nur im Codex Turicensis und in den Recentiores überliefert – wohl jeweils eine bewusste Verbesserung. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Lapsus memoriae Sallusts. Das Nomen gentile ist umstritten; wir adaptieren mit Reynolds die auch inschriftlich bezeugte Form Mallius; Manlius wäre die Lectio facilior. Marius consul absens factus est: Diese Wahl ist in doppelter Hinsicht ungewöhnlich: Zum einen war die kurzfristige Iteration eines Amtes verboten, zum anderen war der Bewerber gewöhnlich in Rom anwesend. Wegen der von den Germanen drohenden Gefahr konnte Marius das Amt in der Folge viermal (bis 100 v. Chr.) iterieren. – Kalendis Ianuariis: am 1. Januar 104 v. Chr. et ea tempestate … sitae: Marius enttäuschte die civitas zunächst nicht: Er schlug im Jahr 102 die Teutonen und Ambronen bei Aquae Sextiae (Aix-en-Provence), im Jahr 101 die Kimbern auf den Raudischen Feldern bei Vercellae (Vercelli im Piemont). Sallust weist aber mit ea tempestate bereits auf die negative Entwicklung des Marius zu Beginn des 1. Jh. v. Chr. voraus.

    Erläuterungen zu den Historien Buch 1 1,1–18 1,1 1,4 1,5

    1,6

    Proömium M. Lepido: vgl. zu 1,54–83. – Q. Catulo: vgl. zu Catil. 34,3. Gemeint ist Cato der Ältere (234–149 v. Chr.). Früher hat man das Fragment auf Cato bezogen. Vielleicht ist aber Varro (vgl. zu 2,69) gemeint (vgl. Funari 10 f.). Zu in quis ist eventuell libris zu ergänzen (Frassinetti). Zu dieser Objektivitätsbeteuerung vgl. Catil. 4,2 f.

    Historien

    1,8

    1,11

    1,12

    1,16 1,17 1,18

    1,19–23

    349

    Diese Version findet sich bei Priscian; in Servius’ Kommentar zu Aen. 1,30 steht principio statt primordio. Zum Krieg mit Perse(u)s (171–168 v. Chr.) vgl. zu Catil. 51,5. plurumum imperio valuit: Der Zeitpunkt ist, wie das Folgende zeigt, wegen des erfolgreichen Endes von Caesars Krieg in Gallien gewählt. Die Gallier galten als Todfeinde Roms, vgl. Iug. 114,2. – inter secundum … Carthaginiense: also zwischen 201 und 146 v. Chr. – causaque … fuit: Dieser Satz findet sich nur in der Sekundärüberlieferung (Augustin, De civitate Dei 2,18). – infidae: vgl. Catil. 51,5 und zu Iug. 108,3. – discessio plebis a patribus: vgl. zu Catil. 33,3. – domi: Der Lokativ domi kann gräzisierend als Attribut dissensiones näher bestimmen, aber selbst wenn man domi, wie es üblicherweise geschieht, zu fuere zieht, ist der Sinn i. W. derselbe. – regibus exactis … Tarquinio: vgl. zu Catil. 6,7. – bellum grave cum Etruria: Tarquinius Superbus versuchte, mithilfe des Etruskerkönigs Porsenna Rom zurückzuerobern. – soli: Wenn man soli als Genitiv von solum (Boden) auffasst, bleibt der Ausdruck in imperio agere blass; expertibus ist also absolut gebraucht (vgl. Funari 40). – montem Sacrum atque Aventinum: Sallust nennt die beiden römischen Hügel, auf die sich die revoltierende Plebs in ihren drei Secessiones zurückgezogen haben soll. – tribunos plebis: vgl. zu Catil. 33,3. – alia iura: so etwa die Lex Hortensia des Jahres 287. vacuom: vgl. Iug. 52,6 und Funari 348. – praesentia: Dieser Ausdruck bezieht sich hier wohl nicht auf den gegenwärtigen politischen Zustand (so Frassinetti; McGushin; Funari), sondern auf die Machtstellung des Einzelnen. ex quo tempore: Gemeint ist die Zeit nach dem 3. Punischen Krieg. disputatur: Gemeint ist vermutlich Ciceros Werk De re publica, das im Jahr 129 spielt, also vier Jahre nach dem Tod des Ti. Gracchus. Anstelle von in viribus (in den Lukan-Scholien) ist bei Fronto in validioribus („bei den Stärkeren“) überliefert; inhaltlich besteht kein Unterschied zwischen den beiden Lesarten. Gemeint ist vermutlich speziell die sullanische Epoche (Funari 63). Der Bundesgenossenkrieg (91–88 v. Chr.) Der Volkstribun M. Livius Drusus versuchte im Jahr 91 vergeblich, den römischen Bundesgenossen in Italien auf gesetzlichem Wege das römische Bürgerrecht zu verschaffen. Nach der Ermordung des Drusus erhoben sich die Italiker. Der Bundesgenossenkrieg führte zur Verleihung des Bürgerrechts an alle Bundesgenossen.

    350 1,19

    1,21 1,24-53 1,24

    1,31

    1,32

    1,38

    1,44

    1,45 1,46 1,47

    Erläuterungen

    Nach Fronto, der dieses Fragment überliefert, findet sich diese Bedeutung von antiquitas nur hier. Inhaltlich bezieht man dieses Fragment auf die (laut Sallust) längst vergangene Zeit, als die maiores die Italiker noch gerecht behandelt haben. Vielleicht wies die entsprechende Passage Parallelen zur Archäologie im Catilina (6–9) auf. Es geht wohl um den Beginn des Bundesgenossenkrieges. Die Bürgerkriege der 80er Jahre. Die Mithridatischen Kriege und die Proskriptionen Subjekt ist vielleicht Marius nach seiner Flucht im Jahre 88. Nach den Tumulten des Jahres 100 (vgl. zu 1,77,7) hatte er sich aus dem politischen Leben zurückgezogen. Als im Jahre 88 das Kommando im 1. Mithridatischen Krieg von Sulla auf Marius übertragen wurde (vgl. zu 1,77,7), kam es zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Marius fliehen musste. Nach seiner Rückkehr war er 86 zum siebenten Mal Konsul, starb aber zu Beginn dieses Jahres. Zu seiner Karriere bis zum Jahr 100 vgl. zu Iug. 63,1 und zu Iug. 63,5. Maurenbrecher hat das Fragment auf die Herrschaft Cinnas (vgl. zu 1,77,19) bezogen (Subjekt von ierat wäre dann Marius oder Cinna). Das Problem ist aber, dass die dominatio Sullas eigentlich erst im Jahr 82 beginnt, als Cinna längst tot war; vgl. zu diesem Problem McGushin, 1992, 104 f. und Funari 88 f. Zur Frage, auf welchen Zeitpunkt während der Kämpfe gegen Mithridates sich dieses Fragment bezieht, vgl. McGushin, 1992, 98 f. – Mithridatis: vgl. zu 2,75. Der radikale Marianer Cn. Papirius Carbo war Konsul in den Jahren 85, 84 und 82. Nach mehreren militärischen Rückschlägen floh er im Jahr 82 nach Afrika. Bei seiner Rückkehr nach Sizilien wurde er von Pompeius gestellt und hingerichtet. M. Marius Gratidianus (Volkstribun 87 v. Chr. und zweimaliger Prätor) wurde nach der Schlacht an der Porta Collina (vgl. zu Catil. 11,4) von Sullanern, vielleicht sogar von Catilina persönlich, grausam ermordet. Vielleicht ist Catilina gemeint, der mutmaßliche Mörder des Marius Gratidianus, vgl. dazu McGushin, 1992, 105 f. Es geht um eine Belagerung in Italien während der Proskriptionszeit, vgl. dazu McGushin, 1992, 110–112; Funari 115 f. Das Fragment gehört wohl in die Proskriptionszeit.

    Historien

    1,50 1,51 1,53

    1,54–83

    1,54

    1,55

    351

    Es könnte sich hier um eine Reflexion Sullas nach der Landverteilung an die Veteranen handeln (vgl. Funari 122). Gewöhnlich bezieht man das Fragment auf die sullanische Zeit (McGushin, 1992, 108); anders Funari 123. Die Marianer hatten sich mit Iarbas verbündet, der König Hiempsal II. (vgl. zu Iug. 17,7) vertrieben hatte. Im Jahr 81 sicherte Pompeius in knapp zwei Monaten Africa für die sullanische Partei. Die Revolte des Lepidus M. Aemilius Lepidus, der Vater des Triumvirn Lepidus, wurde, nicht zuletzt dank Pompeius’ Unterstützung, für das Jahr 78 zum Konsul gewählt. Als sullanischer Statthalter hatte er im Jahre 80 Sizilien ausgeplündert, wechselte jedoch zu Beginn der Siebziger Jahre zu den Popularen. Als Proconsul marschierte er im Jahre 77 auf Rom, wurde aber von Catulus und Pompeius geschlagen und starb als Flüchtling auf Sardinien. Die beiden Konsuln des Jahres 78 (Lepidus und Catulus) streiten darum, wer Stadtpräfekt und damit Vertreter der Konsuln während deren Abwesenheit zur Zeit der Feriae Latinae werden soll. Die Rede, die Lepidus in Sallusts Darstellung zu Beginn seines Konsulats gehalten hat, ist eine scharfe Attacke eines ehemaligen Sullaners gegen Sulla und seine tyrannis (§ 1). Dass eine solche Rede zu Lebzeiten Sullas möglich war, ist unwahrscheinlich. – § 3 Brutorum: D. Iunius Brutus (Gatte der Catil. 25 portraitierten Sempronia) war 77 Konsul. – Aemiliorum: Mamercus Aemilius Lepidus Livianus, Konsul 77, vgl. hist. 1,86. – Lutatiorum: zu Lepidus’ collega Q. Lutatius Catulus vgl. zu Catil. 34,3. Er und Lepidus waren verfeindet (vgl. zu 1,54). – § 4 Hier handelt es sich in zwei Fällen um deutliche Übertreibungen: Die Kriege gegen Philipp V. von Makedonien (1. und 2. Makedonischer Krieg, 215–205 und 200–197 v. Chr.) und Antiochos III. Megas (Syrischer Krieg, 192– 188 v. Chr.) führten die Römer in sicherer Entfernung außerhalb Italiens. Hannibal war hingegen im 2. Punischen Krieg eine echte Bedrohung für Rom selbst, in geringerem Maße Pyrrhos, der König von Epirus, den die Tarentiner gegen Rom zu Hilfe gerufen hatten, der sich aber gegen die Römer im Tarentinischen Krieg (282–272 v. Chr.) gleichsam zu Tode siegte (‚Pyrrhussieg‘). – § 5 scaevos iste Romulus: Überliefert ist statt scaevos (‚links, linkisch, unglücklich‘) auch die Lectio facilior saevos. Wenn Lepidus Sulla als „Unglücksromulus“ bezeichnet, soll dessen Attitüde als Restaurator des

    352

    1,57

    Erläuterungen

    Staates karikiert werden (vgl. dazu McGushin, 1992, 115 mit Literatur). – consulum: Vier Konsuln waren im Bürgerkrieg gefallen, u.a. Marius der Jüngere und Cn. Papirius Carbo (vgl. McGushin, 1992, 116). – cum … vortunt: cum hier wohl i. S. v. ‚wenn‘, bezogen auf tum. Möglich ist auch eine konzessive bzw. adversative Auffassung, da derartige cum-Sätze bei Sallust oft im Indikativ stehen. – § 6 Quin solus … composuit: Damit sind die Sanktionen gemeint, die Sulla über die Kinder der Geächteten verhängt hatte. – § 11 exutus … despectusque: Die sullanischen Reformen schränkten die Rechte des Volkes und seiner Vertreter (v. a. der Volkstribunen) stark ein. – § 12 Unbotmäßigen civitates (v.a. in Latium, Etrurien und Kampanien) hatte Sulla während seiner Herrschaft das Bürgerrecht entzogen. – § 14 humanas hostias: vgl. 1,44 und 1,47. – § 15 ferro saeptis: Gemeinhin verstehen die Kommentatoren diesen Ausdruck i. S. v. „von Schwertern beschützt“. Sprachlich ist auch die hier vorgeschlagene Übersetzung möglich, die einen besseren Sinn ergibt. – § 17 Vettius … Cornelius: Beide sind nicht sicher zu identifizieren. Letzterer war wohl ein Freigelassener Sullas (vgl. Cic. off. 2,29). – parata: Trotz der Parallele Catil. 51,42 (ea bene parta) sollte man an der Überlieferung (parata) festhalten und nicht mit Orelli (dem Kurfess, Frassinetti und Reynolds folgen) zu parta emendieren, da parare bei Sallust die hier erforderliche Bedeutung haben kann; wie nahe sich semantisch parare und parere stehen, zeigt Iug. 31,17. – Cimbricam praedam: zum Sieg über die Kimbern vgl. zu Iug. 114,4. – § 18 At … proscriptorum: Lepidus hatte sich in der Proskriptionszeit u.a. als Statthalter von Sizilien bereichert. – Atque … restituo: eine umstrittene Stelle, vgl. McGushin, 1992, 121. Perl 183 bezieht iure auf soluto – eine problematische Lösung. Vgl. jetzt umfassend: Georg Klingenberg: „Die Restitutionsankündigung des Lepidus“, GB 24, 2005, 63–91. – § 20 quam audeas: vgl. zu dieser Lesart McGushin, 1992, 122. – § 21 Tarulae Scirtoque: unbekannt. – Fufidius: Prätor im Jahr 81, im Jahr darauf Proprätor in Spanien. – § 23 Nisi forte … per arma: zum möglichen Bezug von per arma (auf eversum, auf conditam oder auf beide Verbformen) vgl. McGushin, 1992, 124. – utique … extorquerent: Die sullanischen Reformen legten die wichtigsten Gerichtshöfe wieder ganz in die Hände der Senatsaristokratie. Subjekt des Satzes ist wohl Pompeius. Maurenbrecher und McGushin denken eher an Caesar (vgl. McGushin, 1992, 126).

    Historien

    1,62

    1,63 1,64 1,65

    1,66

    1,67

    1,69 1,74 1,75 1,77

    353

    Zu den Versuchen, das Fragment historisch einzuordnen, vgl. McGushin, 1992, 127. Das Fragment ist überliefert wegen der seltenen Bedeutung von ambire i. S. v. rogare. Vielleicht wird hier die Anhängerschaft des Lepidus beschrieben, vgl. or. Phil. 7. Vermutlich wird hier Lepidus wegen seiner popularen Aktionen von den Optimaten als ein neuer Cinna bezeichnet. Das Fragment könnte sich auf die Ereignisse um die etrurische Stadt Faesulae (h. Fiesole) beziehen. Deren Einwohner hatten sullanische Veteranen angegriffen und das von diesen okkupierte Land den ursprünglichen Besitzern zurückgegeben. Im Mai oder Juni 78 beschloss der Senat, die Unruhen in Etrurien (vgl. zu 1,65) mit dem Einsatz von Truppen niederzuschlagen. Der Aufstand wurde offenbar erfolgreich bekämpft. Bei Etrusci und ceteris handelt es sich um von Maurenbrecher und McGushin übernommene Konjekturen von Mercier. Lepidus war nach der Überwindung der Unruhen in Etrurien zurückgeblieben; zum Zusammenhang vgl. auch 1,69 und or. Phil. 8. Zum Sprachlichen vgl. die Einleitung zu dem Zitat bei Arusianus Messius: in illam rem pro causa illius rei. Wohl eine gegen Lepidus gerichtete Aussage; vgl. auch or. Phil. 1. Dass hier Philippus gemeint ist, geht aus Servius’ Einleitung des Fragments hervor. Der Sullaner L. Marcius Philippus Censorius war Konsul 91, Zensor 86 und 77 v. Chr. princeps senatus. Im Jahr 82 besetzte er als Legat Sullas Sardinien (Liv. perioch. 86). Seiner gegen Lepidus gerichteten Rede war Erfolg beschieden. Die Rede hat Sallust in die ersten Tage des Jahres gesetzt (vgl. zu § 22). – § 3 omissa cura nostra: Wir supplieren hier mit Wirz nostra, da sich der Ausdruck omissa cura ohne Possessivum nur auf die Götter beziehen kann, was ein Widerspruch zu urbem adhuc tegitis wäre. – § 4 ex rapinis: Gemeint ist wohl Lepidus’ Ausbeutung seiner Provinz, vgl. zu 1,54–83. – provinciam: wohl im üblichen Sinne als Lepidus’ proconsularische Provinz zu verstehen (anders McGushin, 1992, 135), also Gallien. – § 7 Saturnini: Der streitbare Marianer L. Appuleius Saturninus wurde als Volkstribun im Jahre 100 während der politischen Auseinandersetzungen erschlagen. – Sulpici: P. Sulpicius Rufus war Volkstribun im Jahre 88 und führte die populare Politik des M. Livius Drusus (vgl. zu 1,19–23) fort. Er votierte auch dafür, das Kommando im 1. Mithridatischen Krieg (89–85 v. Chr.) von Sulla auf

    354

    1,78

    Erläuterungen

    Marius zu übertragen. Nach Sullas erstem Marsch auf Rom wurde Sulpicius ermordet. – Damasippi: vgl. zu Catil. 51,32. – § 17 verbis arma temptabitis: Die Kommentatoren und Übersetzer verstehen diesen Ausdruck i. S. v. ‚gegen Waffen mit Worten vorgehen‘; arma temptare bedeutet aber ‚zu den Waffen greifen‘ (vgl. Iug. 105,4). – § 19 zur Lesart obrepsit vgl. Perl 181. – scelerum Cinnae: Der Marianer L. Cornelius Cinna marschierte im Jahre 87 als Konsul auf Rom. In den Wirren kam u.a. sein Amtskollege Cn. Octavius ums Leben (sog. Bellum Octavianum). Cinna errichtete nach seinem Sieg ein Terrorregiment und bekleidete bis 84 ohne Unterbrechung das Konsulat. In diesem Jahr wurde er von meuternden Soldaten erschlagen. – § 20 Cethegi: P. Cornelius Cethegus war im Jahre 88 von Sulla proskribiert worden, wandelte sich aber später zum Sullaner. – § 22 Ap. Claudius: Der Sullaner Ap. Claudius Pulcher war im Jahr 79 Konsul und danach Proconsul in Makedonien, wo er 76 starb. – interrex: Da sich Lepidus weigerte, nach Rom zurückzukehren, um die Wahlen zu leiten, gab es zu Beginn des Jahres 77 keine Konsuln, so dass der Senat einen Interrex ernennen musste. Daraus lässt sich schließen, dass Philippus’ Rede in die ersten Januar-Tage zu setzen ist. – ne … capiat: zu dieser Formel vgl. zu Catil. 29,2. Gemeint ist Lepidus bzw. sein Heer.

    1,84-126 Das Bellum Sertorianum Die Lückenhaftigkeit der Historien wird im Falle des Sertorius glücklicherweise durch Plutarchs Sertorius-Vita kompensiert, die sich zu weiten Teilen auf Sallusts Darstellung stützt. Sertorius (um 123–72 v. Chr.) stammte aus einer ritterlichen Familie und durchlief zunächst eine gewöhnliche militärische und politische Karriere (vgl. 1,88). In den Achtziger Jahren schloss er sich den Marianern an und wurde 83 / 82 Statthalter der Provinz Hispania citerior (vgl. zu Catil. 18,5), aus der er für kurze Zeit nach Nordafrika fliehen musste (vgl. 1,104). Nach seiner Rückkehr verbündete er sich mit den Lusitaniern (im heutigen Portugal) und eroberte bis zum Jahr 77 die ganze Hispania citerior. Als ihn sein Kriegsglück verließ, wandten sich seine Anhänger allmählich von ihm ab; im Jahre 72 wurde er schließlich von Perperna, einem seiner Gefolgsleute, ermordet (vgl. zu 3,83). 1,84 Die cura bezieht sich auf die Erhebung des Sertorius in Spanien; „weniger dringlich“ (segnior) ist dieses Problem deswegen, weil sich der Kriegsschauplatz außerhalb von Italien befindet.

    Historien

    1,86

    1,87

    1,88

    1,89

    1,90 1,93 1,94 1,100

    1,101 1,102 1,103 1,104

    1,105 1,106 1,107

    355

    Es geht um die Konsulwahlen für das Jahr 77; gewählt werden schließlich D. Iunius Brutus und Mamercus Aemilius Lepidus Livianus. C. Scribonius Curio selbst wurde dann für das Jahr 76 zum Konsul gewählt. Daher fassen wir a populi suffragiis integer so auf wie McGushin, 1992, 153. Wenig überzeugend ist die Deutung von Frassinetti und Funari: Curio habe noch kein Amt vom Volk erhalten. Gemeint ist Sertorius, der entweder die toga praetexta (die Knabentoga) oder die Männertoga (als Symbol friedlicher Betätigung) gegen Militärkleidung tauscht (vgl. dazu Funari 181 f.). Es geht in diesem Fragment um Sertorius. – magna gloria: vgl. Plut. Sert. 3,6–10. – T. Didio: Konsul im Jahre 98, Proconsul in Spanien 97–93 v. Chr.; Triumph im Jahr 93. – bello Marsico: der Bundesgenossenkrieg, vgl. zu 1,19–23. Sertorius war 90 v. Chr. Quästor in der Gallia Cisalpina (Plut. Sert. 4,1 f.). – scriptorum: vielleicht u.a. Sisenna (zu diesem vgl. die Einleitung S. XVIIf.) und Sulla (vgl. McGushin, 1992, 158). Die Supplierung vehementer ist ungewiss; gratulabantur ergibt sich hingegen aus der Einleitung des Zitats bei Donat. Zum Inhalt des Fragments vgl. Plut. Sert. 4,5 und dazu Funari 188. Die Zuordnung des Fragments ist sehr unsicher (vgl. Funari 190). Bezug unsicher. Vgl. zum Bezug auf Sertorius Plut. Sert. 6,7 f.; allerdings ist die Buchzuweisung bei diesem Fragment unsicher. Gemeint sind die Inseln der Seligen (Fortunatorum oder Fortunatae Insulae), die in der Antike mit Madeira oder den Kanarischen Inseln identifiziert wurden. Vgl. zu diesem Fragment Plut. Sert. 8,2–4. Homer spricht in der Odyssee von den Inseln der Seligen (4,563– 569; 15,402–413); vgl. Plut. Sert. 8,5. Vgl. Plut. Sert. 9,1. Der Bezug auf Sertorius ist nicht gesichert. Zur Formulierung vgl. Iug. 93,3. Gellius überliefert zu diesem Zitat, dass es sich um die Überquerung eines Meeres handelt. Sertorius musste aus Spanien nach Afrika flüchten; in diesem Fragment wird seine Rückkehr geschildert. Zur Identifikation des Berges vgl. McGushin, 1992, 168 f.; Funari 216. Mit gens könnten die in 1,105 genannten Lusitanier gemeint sein. Vgl. zu diesem Fragment Bischoff, 1979, 127 f.

    356 1,108

    1,112

    1,116

    1,118 1,119

    1,120 1,122

    1,125 1,126

    Erläuterungen

    Zur Lesart spiras und zur Bedeutung des Wortes vgl. Funari 221 f. Das Fragment bezieht sich auf die Schlacht zwischen Fufidius (vgl. zu 1,55,21) und Sertorius im Jahr 80 (vgl. Plut. Sert. 12,4). Gemeint sind vielleicht Metellus und die Spanier (vgl. McGushin, 1992, 174 f.); zu furta belli vgl. Aen. 11,515. Die konjekturalen Versuche für † fetustissimus † müssen unsicher bleiben. Vgl. jetzt Rodolfo Funari: „Per il testo di Sallustio. Hist. fr. I 112 M.“, Athenaeum 91, 2003, 185–191 mit überzeugender Textherstellung. Das Fragment bezieht man gewöhnlich auf Metellus Pius (Konsul 80 v. Chr.), den Sohn des Numidicus und seit 79 v. Chr. Proconsul in Spanien (vgl. zu ihm v.a. 2,70). Bezug unsicher. Die genaue Lage von Conisturgis, einer Stadt im Gebiet der Conii (Konier) im heutigen Portugal, ist unbekannt. Sprachlich ist die Verwendung von apud (statt ad) bei einem Verb der Bewegung auffällig (vgl. Funari 240 f.); zur (unnötigen) Konjektur von Pecere (caput regionis) vgl. McGushin, 1992, 177 f. Möglicherweise handelt es sich um den Hinterhalt des Sertorius, der Plut. Sert. 13,11 erwähnt wird. Das Fragment in der hier edierten Form ist aus zwei Testimonien zusammengesetzt. Der Proconsul der Gallia Narbonensis, L. Manlius, eilte im Jahr 78 aus Gallien herbei, um die gegen Sertorius unternommenen Bemühungen zu verstärken. Er wurde geschlagen und musste nach Ilerda (h. Lérida) fliehen (Plut. Sert. 12,4 f.; Liv. perioch. 90; Oros. 5,23,4). Sprachlich interessant ist das von circumdata abhängige Pronomen eum (vgl. dazu Funari 247 f.). Dass die Keltiberer gemeint sind, geht aus Servius’ Einleitung zu dem Zitat hervor (vgl. auch Plut. Sert. 14,5). Es gibt zwei Erklärungen für die hier angewandte Technik: Entweder handelt es sich um eine Menschenpyramide oder Sertorius wird von oben hochgezogen. Letzteres ist wohl wahrscheinlicher (vgl. Plut. Sert. 14,5 f.; McGushin, 1992, 179 f.; Funari 255). Die Episode gehört vermutlich zu den Kämpfen in Lusitanien (79–78 v. Chr.).

    1,136–153 Fragmente ohne sichere Zuordnung 1,136 Die Rede ist von einem gewissen Septimius oder Settimius (vielleicht Legat des M. Domitius Calvinus); es handelt sich wohl um eine Kampfschilderung. Vgl. zur Papyrusüberlieferung des Fragments Bischoff, 1979, 122–127. 1,137 Vgl. zu diesem Fragment McGushin, 1992, 183 und Funari 271.

    Historien

    357

    Buch 2 2,1–13

    2,1

    2,2 2,5

    2,7

    2,11

    2,14–22 2,15 2,16

    2,17 2,19 2,20

    2,21

    Sardinien-Korsika-Exkurs Lepidus’ Ende in Sardinien bot Sallust Gelegenheit zu einem Exkurs über die Provinz Sardinia-Corsica. Das Fragment ist ohne Buchangabe überliefert. Zumeist bezieht man insula auf Sardinien. Es könnte sich aber auch um eine Schilderung Kretas handeln, die in Buch 3 gehören würde. Zum Mare Africum vgl. zu Iug. 18,9. Funari 300 fasst habere i. S. v. perhibere (‚bezeichnen‘) auf (so auch Donat, der aus diesem Grunde die Stelle zitiert); vgl. aber 3,73; Catil. 6,1; Iug. 17,7; 18,1. Tartessos liegt am Fluss Baetis (h. Guadalquivir). Weitere Teile dieses Fragments sind auch auf dem Papyrus Rylands überliefert, vgl. Kurfess’ Edition, S. 181 und McGushin, 1992, 46, 187 f. Daedalus’ Aufenthalt und Bautätigkeit auf Sardinien und Sizilien werden in der Sagentradition häufiger erwähnt. Zur ganzen Geschichte vgl. Isid. orig. 14,6,41 (wohl nach Sallust): Der Stier der Ligurerin Corsa schwamm wiederholt auf das Meer hinaus; als er zurückkehrte, war er besser genährt als die restliche Herde. Daher verfolgte Corsa eines Tages den Stier und entdeckte so Korsika. Daraufhin besiedelten Ligurer (vgl. zu Iug. 38,6) die Insel. Dieses Fragment ist vielleicht das einzige Überbleibsel von einem geographischen Exkurs über Korsika. Aktionen des Pompeius. Pompeius-Charakteristik Bezug unsicher. Das Fragment bezieht sich auf Pompeius, dessen Freigelassener Lenaeus eine gegen Sallust gerichtete Satire verfasst haben soll, um seinen früheren Herrn zu rächen (Suet. gramm. 15,1 f.). Auch dieses Fragment wird i. d. R. auf Pompeius bezogen. Die Beziehung auf Pompeius geht aus der Einleitung des Fragments bei Vegetius (mil. 1,9) hervor. Maurenbrecher hat vermutet, dass hier ein Vorfall während Pompeius’ Feldzug gegen Cn. Domitius Ahenobarbus in Afrika im Jahre 80 geschildert wird. Das geschilderte Ereignis gehört wohl ins Jahr 80. Mit eius könnte Pompeius gemeint sein; vgl. zu diesem Fragment McGushin, 1992, 194–196. Der Sertorianer C. Herennius, Volkstribun im Jahre 80, fiel 75 v. Chr. in der Schlacht bei Valentia (vgl. 2,98,6).

    358

    2,23–41 2,23 2,25

    2,29 2,31 2,34 2,35 2,37 2,41

    2,42–52 2,42

    2,43

    2,45

    2,47

    Erläuterungen

    Ereignisse des Jahres 76 Vielleicht ist Pompeius gemeint. Vermutlich geht es um die heftigen Angriffe des Volkstribuns Cn. Sicinius auf den Konsul C. Scribonius Curio (Volkstribun im Jahr 90; Sullas Legat in Griechenland im Jahr 86; 75–72 Proconsul in Makedonien). Sicinius versuchte, den Einfluss der Volkstribunen wieder zu stärken (vgl. 3,48,8). Das in diesem Fragment geschilderte Ereignis gehört wohl zum Sieg des Sertorius in der Schlacht bei Lauro (vgl. zu 2,98,5) im Juli 76. Laelius war bei Lauro Befehlshaber einer pompejanischen Legion. Zur Einordnung des Fragments vgl. McGushin, 1992, 241 f. Zum Bezug auf den Winter 76/75 vgl. McGushin, 1992, 201 f. Bezug unsicher. Cn. Aufidius Orestes war im Jahr 77 Prätor, ein Jahr später Proprätor von Asia, im Jahr 71 Konsul. Offenbar konnte er in seiner Provinz einen Sieg feiern, wohl über die Pamphylier oder die Pisidier. Stadtrömische Ereignisse des Jahres 75 Vgl. McGushin, 1992, 203–206. – L. Octavius: vgl. 2,98D mit Kommentar. – C. Cota: C. Aurelius Cotta (um 124–74 v. Chr.) wurde im Jahr 91 nach dem Tod des M. Livius Drusus (vgl. zu 1,19–23) verbannt und konnte erst neun Jahre später nach Sullas Sieg zurückkehren. Er starb als Proconsul der Gallia citerior (vgl. 2,98 D). Cotta war Pontifex und in dieser Funktion lässt ihn Cicero in De natura deorum auftreten. Zur Identifikation des Marcellinus mit P. Lentulus Spinther, dem Konsul des Jahres 57, vgl. McGushin, 1992, 206. – novam provinci Curenas: zur Einrichtung der Provinz Kyrene 75 / 74 vgl. McGushin, 1992, 207. – Apio: Ptolemaios Apion war der Sohn von Ptolemaios VIII. und herrschte spätestens ab 100 v. Chr. über die Kyrenaika. Mit seinem Tod im Jahr 96 fiel sein Reich an die Römer. Cretico: Metellus war von 68 bis 65 Proconsul in Griechenland und Kreta und erwarb sich dort in den Jahren 69–67 Meriten im Kampf gegen die Piraten (vgl. auch zu Catil. 30,3). Die Getreideknappheit hatte zu den in 2,45 beschriebenen Unruhen geführt. Der Konsul Cotta tritt vor das Volk, um es zu beschwichtigen. – paucos … disser: Dieser Satz ist nicht im Florilegiencodex enthalten, sondern durch einen glücklichen Zufall se-

    Historien

    359

    parat überliefert. Wir übernehmen hier Maurenbrechers Konjektur. – § 3 bis genitus: Cotta ist bis genitus, weil er seine Rückkehr aus der Verbannung als Wiedergeburt empfindet (zu beiden Ausdrücken vgl. McGushin, 1992, 213). – § 4 facundiam: Cotta war einer der angesehensten Redner seiner Zeit (Cic. Brut. 183; 317). – § 6 imperatores Hispaniae: Metellus Pius und Pompeius. – § 10 voveo dedoque me pro re publica: eine Anspielung auf die devotio, die Selbstopferung für den römischen Staat in der Schlacht. Berühmte Beispiele für die devotio boten über drei Generationen hinweg die Decii Mures (340, 295 und 279 v. Chr.). 2,53–70 2,54

    2,59

    2,64

    2,67

    2,69 2,70

    Die Ereignisse des Jahres 75 in Spanien Je nach Lesart wird das Fragment von den Grammatikern zitiert, um zu beweisen, dass Turia ein Neutrum (Lesart Turia) bzw. kein Neutrum ist (Lesart Turiam). Es geht um eine Schlacht zwischen Pompeius und Sertorianern bei Valentia (Plut. Pomp. 18,5). Metello … Hirtuleio: Die beiden Generäle kämpften gegeneinander bei Segovia und bei Italica. Welche Schlacht gemeint ist, lässt sich nicht mehr entscheiden. – occurrere: zur Bedeutung von occurrere vgl. Funari ad loc. Zur historischen Einordnung des Fragments vgl. McGushin, 1992, 199 f. – manus Punicas: eine Anspielung auf die Einnahme Sagunts durch die Karthager im Jahre 219. Aufgrund der Parallelstelle Plut. Sert. 21,2 f. können wir das Fragment in die Ereignisse um die Schlacht bei Segontia (h. Siguenza) einordnen, in der Sertorius unterlag. Varro: M. Terentius Varro (116–27 v. Chr.), der römische Polyhistor, war Legat und Proquästor des Pompeius in Spanien. Zu den in diesem langen Fragment geschilderten Ereignissen vgl. Val. Max. 9,1,5 und Plut. Sert. 22,2–4. Überliefert ist die Passage bei Macrobius (Sat. 3,13,6–9). – § 1 secus: entspricht sexus und ist hier indeklinabel gebraucht.

    360 2,71–79 2,71

    2,75

    2,78

    2,79

    Erläuterungen

    Der Ausbruch des 3. Mithridatischen Krieges Es geht um die bithynische Thronfolge (vgl. zu 4,69,9) nach dem Tod des Nikomedes IV. Epiphanes Philopator im Jahre 74 (vgl. dazu McGushin, 1992, 247–251). Roms Pläne, das von Nikomedes geerbte Bithynien zur Provinz zu machen, führte zum 3. Mithridatischen Krieg. Mithridates: Mithridates VI. Eupator Dionysos (132–63 v. Chr., reg. seit 120), der König von Pontus (vgl. zu 2,79), führte zwischen 88 und 63 v. Chr. drei Kriege gegen Rom. Im 1. Mithridatischen Krieg (89–85 v. Chr.) hatten Meuterer den marianischen Konsul L. Valerius Flaccus ermordet und sich dessen Legaten C. Flavius Fimbria unterstellt (86 / 85 v. Chr.). Fimbria konnte danach Mithridates empfindliche Niederlagen beibringen. Sallust spricht hier von Marianern, die aus Fimbrias Armee desertiert waren (vgl. Oros. 6,2,12). Sie veranlassten Mithridates dazu, ein Bündnis mit Sertorius zu suchen. Gemeint sind vielleicht die Gesandten, die Mithridates zu Sertorius geschickt hatte. – Pontum: Das Substantiv Pontus bezeichnet sowohl das Schwarze Meer als auch das Schwarzmeergebiet, speziell (wie hier) Mithridates’ an dessen Südküste liegendes Königreich.

    2,80 2,80

    Curios Feldzug gegen die Dardaner Curio, der Nachfolger des Appius Claudius als Proconsul von Makedonien, führte in den Jahren 75–73 Krieg gegen die Dardaner. – quibus: Die Ergänzung von a ist notwendig, da quibus alleine kaum quibus modis entsprechen kann (gegen McGushin, 1992, 227 und Funari 422 f.).

    2,81–87 2,81

    Servilius’ Operationen in Kleinasien Zur Textkonstitution und zur historischen Deutung vgl. Paul T. Keyser: „Sallust’s Historiae […]“, Historia 46, 1997, 64–79 sowie McGushin, 1992, 229. Das Fragment bezieht sich auf die militärischen Operationen des Proconsuls von Kilikien, P. Servilius Vatia Isauricus, in Lykien und Pamphylien und gegen die Isaurer (77–75 v. Chr.). Gemeint sind vermutlich die Isaurer. In diesem Fragment wird geschildert, wie Servilius zwei Städte nimmt, eine namentlich nicht genannte und Isaura Nova. – secunda vigilia: Die Römer teilten die zwölf Nachtstunden in vier vigiliae ein. – Isaura Nova: nicht mit Sicherheit zu lokalisieren (vgl. Mc-

    2,85 2,87

    Historien

    361

    Gushin, 1992, 233 f.). – de missione: Wenn der überlieferte Text unverderbt ist, so fasst man diesen Ausdruck am besten als „Beendigung des Krieges“ auf (gedanklich zu ergänzen ist also belli), vgl. zu dieser Bedeutung von missio (‚Ablassen, Beendigung‘) Cic. fam. 5,12,8. – forum: Das überlieferte fugam ist wohl nicht zu halten (gegen Frassinetti 444 Fußn. 44). Inhaltlich am plausibelsten erscheint Haulers Vorschlag forum. 2,88–98 2,88 2,92

    2,93 2,94 2,95

    2,98

    Die Ereignisse in Spanien am Ende des Jahres 75 Gemeint sind wohl spanische Soldaten (vgl. Plut. Sert. 14,1). Zu diesem und dem folgenden Fragment vgl. McGushin, 1992, 237–241. Der Anfang des Fragments ist gesichert durch Servius’ Kommentar zu Aen. 10,281. In der üblichen Textherstellung wirkt der Text pleonastisch, zwischen Haupt- und Nebensatz besteht semantisch kaum ein Unterschied (besser wäre allenfalls noch dum i. S. v. ‚indem‘ anstelle von bisher vorgeschlagenem ubi bzw. qui). Daher ist hier der (mündliche) Vorschlag von Alexander Cyron in den Text gesetzt worden; zu der (seltenen) Konstruktion admonere aliquem ad aliquid vgl. Cic. div. 2,134. – Meo: vgl. dazu McGushin, 1992, 237 f. illum: Gemeint ist Sertorius. – Vascones: eine Volksgruppe im nordöstlichen Spanien mit der Haupstadt Pompaelo. Subjekt zu iussit ist Pompeius. Die Bewohner von Termes (in der Nähe von Numantia) standen auf Seiten des Sertorius; es muss sich also um einen Angriff der Pompejaner handeln. Dieser Brief, in dem Pompeius den Senat um Nachschub bittet, zeichnet kein allzu vorteilhaftes Bild des Feldherrn. § 3 utrum censetis vicem me aerari praestare: zur Reihenfolge der Wörter vgl. Maurenbrechers Apparat. – § 4 hostisque in cervicibus iam Italiae … removi: eine Übertreibung. – iter aliud atque Hannibal: zur Identifikation dieser Route vgl. McGushin, 1992, 245. – § 5 Recepi Galliam: ebenfalls eine Übertreibung. – Lacetaniam, Indigetis: Regionen im nordöstlichen Spanien. – primum impetum Sertori: die Schlacht bei Lauro (h. Puig, zwischen Sagunt und Valentia) im Juli 76 (vgl. zu 2,29 und zu 2,31). – ex ambitione mea: zur Bedeutung von ambitio vgl. Iug. 45,1; 86,3; 100,5. – § 6 castra hostium apud Sucronem capta: in Wirklichkeit eine Niederlage des Pompeius. Der Sucro (h. Júcar) fließt im südöstlichen Spanien. Das feindliche Lager wurde, wenn auch nur kurzfristig, nicht von Pom-

    362

    2,98D

    Erläuterungen

    peius, sondern von seinem Legaten L. Afranius eingenommen. – Turiam: vgl. zu 2,54. – C. Herennius: vgl. zu 2,21. sequentis anni: Sallusts Darstellung zufolge wurde der Brief im Jahr 75 verfasst, also zu Beginn des Jahres 74 verlesen. – Octavius: L. Octavius starb bereits zu Beginn des Jahres 74. – L. Lucullus: Der Sullaner L. Licinius Lucullus (117–56 v. Chr.) erhält mit der Provinz Kilikien auch den Oberbefehl im Krieg gegen Mithridates, den er bis zu seiner Ablösung durch Pompeius erfolgreich zu führen vermag. – M. Cotta: M. Aurelius Cotta war 73–70 Proconsul von Bithynien und Pontus. Er wurde zu Beginn des Krieges von Mithridates bei Chalkedon geschlagen, konnte aber Heraclea Pontica (in der heutigen Nordwesttürkei am Schwarzen Meer) einnehmen.

    2,99–114 Fragmente ohne sichere Zuordnung 2,111 Die Grammatiker führen die Stelle an als Beleg für fiducia i. S. v. audacia.

    Buch 3 3,1–10

    3,1 3,2 3,3 3,5

    3,6

    Militärische Aktionen des Antonius Der Sohn des Redners M. Antonius, M. Antonius Creticus (ein Spottname, s. u.), wurde im Jahr 74 als Prätor vom Senat mit dem Krieg gegen die Piraten betraut, den er 73–71 als Statthalter von Kyrene fortsetzte. Zuerst wandte er sich nach Westen, wo er Kämpfe gegen die Ligurer (3,5) und in Spanien zu bestehen hatte. Nach mehreren Rückschlägen geriet er in kretische Gefangenschaft, die er nicht überlebte. Von Arusianus Messius zitiert als Beleg für inter i. S. v. ‚während‘. Servilius hatte die Isaurer und Pisider unterworfen (vgl. zu 2,81). Dass Antonius gemeint ist, geht aus der Einleitung des Zitates hervor. Das überlieferte contrarius ist nur schwer haltbar. Dass Antonius gemeint ist, geht auch hier aus der Einleitung des Zitates hervor. Die Feinde, deren Truppen Antonius im ersten Satz nicht abhalten kann, sind die Ligurer. Mamercus: Identifikation unsicher. – Terentuniorum … Aresianarii: nicht näher bekannte spanische Völker. Zur Textkonstitution vgl. Hauler, 1930 und Frassinetti ad loc. Schauplatz der hier geschilderten Ereignisse ist Spanien. – flumine Diluno: unbekannt. – Dianium: kleine Insel im tyrrhenischen Meer.

    Historien

    363

    3,11–16 3,14

    Kreta-Exkurs altores Iovis: Die auf Kreta lebenden dämonischen Kureten waren die Beschützer des jungen Zeus. Sallust bedient sich hier einer rationalistischen Mythendeutung (vgl. zu 4,27 b).

    3,17–42 3,18 3,22

    Die ersten Jahre des 3. Mithridatischen Krieges (74 / 73 v. Chr.) cultu corporis: zur Bedeutung vgl. Funari 499 und Catil. 48,2. Die Zuweisung dieses anonym überlieferten Fragments an Sallust ist eine reine Vermutung. Metrophanes ist ein Heerführer des Mithridates. Da Servius incondita mit inconscripta glossiert, geht es hier wohl nicht um einen Ausfall oder eine Flucht (so die communis opinio), sondern um eine Art Truppenaushebung. Typisch für Sallust ist hierbei die Verwendung eines Neutrums zur Bezeichnung von Personen. Gewöhnlich weist man dieses Fragment der Schilderung von M. Cottas Niederlage gegen Mithridates bei Chalcedon im Jahre 73 zu (vgl. 4,69,13). Zur Einordnung des Fragments vgl. McGushin, 1994, 137. – aptis armis: zu diesem Ausdruck vgl. Liv. 44,34,3. Laut Maurenbrecher und McGushin, 1994, 77 handelt es sich bei dem Subjekt des Satzes um Mithridates, der im Jahr 74 Kyzikos angegriffen hat. tertia (sc. hora): zur Ergänzung der Ellipse vgl. Funari 512. Nahezu unumstritten ist der Bezug auf die Belagerung von Kyzikos. – Valeriani: zu L. Valerius Flaccus vgl. zu 2,78. – scorpione: Auch wenn Nonius, dem wir das Fragment verdanken, scorpio als ein genus teli definiert, lässt sich die Lesart scorpionem kaum halten, da die entsprechende Bedeutung ansonsten nicht belegt ist und der Satz so keinen rechten Sinn ergibt. Nonius’ Behauptung kann zudem bereits auf einem Deutungsversuch von scorpionem beruhen. Zur hier beschriebenen Art der Fortbewegung vgl. Caes. civ. 1,48,7; Liv. 21,27,5 und 47,5; Suet. Iul. 57,2; Curt. 7,5,18.

    3,23

    3,24

    3,25 3,26

    3,27 3,33

    3,37

    3,43–51 3,46 3,47

    Weitere Ereignisse der Jahre 74 und 73 Es geht um die Gallia Narbonensis, wo Pompeius im Winterlager liegt. – cum … esse: Der Nebensatz ging wohl noch weiter. Die Lex Plautia de reditu Lepidanorum (73 oder 70 v. Chr.) hatte den Lepidanern Amnestie gewährt.

    364 3,48

    3,49

    3,52–60 3,54 3,58

    Erläuterungen

    Der Volkstribun C. Licinius Macer (Prätor um 68, gest. 66 v. Chr.) agitierte im Jahre 73 mehrfach gegen die (sullanische) Nobilität (der Zusammenhang bei Sallust ist uns nicht mehr kenntlich); er wurde im Jahre 66 in einem Repetundenprozess verurteilt. Macer hat (nicht erhaltene) Annalen verfasst (vgl. Cic. leg. 1,7). § 1 quotiens … secessisset: zu den Secessiones vgl. zu Catil. 33,3. – § 7 omnes; sed: Überliefert ist omnes et, Kritz emendierte et zu at (übernommen von Kurfess, Frassinetti, Reynolds); paläographisch und von Sallusts Stil her liegt aber sed näher. – § 8 C. Cotta: C. Aurelius Cotta (vgl. zu 2,42) erreichte in seinem Konsulatsjahr (75 v. Chr.), dass sich Volkstribunen wieder um höhere Ämter bewerben durften. – L. Sicinius: vgl. zu 2,25; der korrekte Vorname lautet nicht Lucius, sondern Gnaeus. – § 9 Catulus: Gemeint ist der (in Buch 1 dargestellte) Kampf des Optimaten Catulus gegen seinen Mitkonsul Lepidus (vgl. zu 1,54). – § 10 C. Curio … dominatus est: Der Satz bezieht sich auf die Auseinandersetzungen zwischen Curio und Sicinius (vgl. zu 2,25). – § 11 Lucullus … L. Quintium: Der Volkstribun L. Quintius setzte sich für die Rechte seines Amtes ein, wurde aber von Lucullus in die Schranken gewiesen. – § 15 illa … quo: zur Kongruenz vgl. Kühner / Stegmann 2.1, 62 (z. B. Cic. div. 1,72). – plebei: plebes war ursprünglich ein Nomen der e-Deklination mit regulärem Genitiv pleb(e)i. Erst gegen Ende der Republik wechselt das Substantiv in die Konsonantische Deklination. – patricium magistratum: Die höheren Ämter waren ursprünglich den Patriziern vorbehalten. – § 17 iure gentium res repeto: eine Anspielung auf die Fetiales, ein Priesterkollegium, das zu Beginn eines bewaffneten Konflikts rituell Roms Eigentum vom Feind zurückforderte. – § 19 frumentaria lege: Es handelt sich um die Lex Terentia et Cassia. – § 25 claudit: Diese Form kommt von clauděre i. S. v. ‚hinken‘. Sollte Curio in diesem Fragment wirklich erwähnt worden sein (eum Curio ist eine Konjektur für überliefertes cum cupio), so würde es sich um eine Schilderung aus seinem Krieg gegen die Dardaner handeln (vgl. zu 2,80). Fortsetzung des 3. Mithridatischen Krieges Das Fragment könnte sich auf den Schiffbruch der mithridatischen Flotte im Pontus beziehen (vgl. Plut. Lucull. 13,2). custodias: Hierbei handelt es sich wohl wirklich um einen archaischen Genitiv (und nicht um einen Akkusativ), wie Charisius

    Historien

    3,59

    3,60

    3,61–80

    3,61

    3,68

    3,69 3,73

    3,74 3,76 3,79

    365

    und Servius in der Einleitung zu dem Fragment behaupten (vgl. Funari 560); vgl. auch 4,12. Zu dieser Episode (auf die sich auch 3,60 bezieht) vgl. McGushin, 1994, 103. P. Oppius war Quästor des M. Aurelius Cotta (vgl. zu 2,98 D). Wegen seines Verhaltens während der Belagerung von Heraclea Pontica wurde er entlassen, nach seiner Rückkehr (wohl im Jahr 69) gerichtlich belangt und von Cicero verteidigt. – Volscioque: Überliefert ist Vulcioque; Maurenbrecher hat jedoch wegen Livius 3,13 Volscioque konjiziert. Wegen der Einleitung des Fragments bei Servius ist gesichert, dass es sich auf Oppius’ unehrenhafte Entlassung durch Cotta bezieht (vgl. zu 3,59). Pontus-Exkurs In diesem Exkurs hat Sallust Geographie und Ethnographie der Gegenden am Schwarzen Meer behandelt, wobei er vielleicht mit der mythischen Zeit begonnen hat (vgl. 3,61). Mida: Midas war der Name mehrerer phrygischer Könige. Vielleicht meint Sallust hier den Gründer des phrygischen Reiches, der mit der Gestalt des mythischen Midas (durch dessen Berührung sich alle Dinge zu Gold verwandeln) verschmolzen worden war. Die Argonauten unter Jasons Befehl waren aufgebrochen, um das Goldene Vlies aus Kolchis zu rauben. Dort herrschte König Aietes, der Vater der Medea, die ihre Familie verrät und mit Jason nach Griechenland flieht. Die Argo galt den Griechen und Römern als das erste Schiff der Menschheitsgeschichte (daher novo itinere). Achilles soll nach Jason als zweiter das Schwarze Meer befahren haben, um gegen die Skythen zu ziehen. Themiskyra ist nicht genau zu lokalisieren, es lag auf jeden Fall in Paphlagonien, am südlichen Rand des Schwarzen Meeres. Der Tanais ist der Don. Die hier genannten Achaier bewohnten den westlichen Kaukasus am Schwarzen Meer. Die Taurer siedelten auf der Krim. Vgl. zu dieser Vorstellung Hor. carm. 3,24,9 f. Im Gegensatz zu Funari, der ut als temporale Subjunktion deutet (dagegen zu Recht Frassinetti 333 in seiner Rezension), fassen wir ut i. S. v. ‚wo‘ auf.

    366 3,81–89 3,83

    3,84

    3,87

    3,88

    3,89

    Erläuterungen

    Das Ende des Bellum Sertorianum Das Fragment gehört zur Schilderung der Perperna-Verschwörung im Jahre 72, in deren Verlauf Sertorius bei einem Gastmahl ermordet wurde (zu Parallelberichten vgl. Funari 601). – dominus: Dass das Wort hier den Gastgeber bezeichnet, ergibt sich aus der Einleitung des Zitats bei Nonius. – Perpernam: Nach dem Scheitern des Lepidus-Aufstandes im Jahre 77 ging M. Perperna mit den Resten des Heeres nach Spanien, wo er sich Sertorius unterstellte. Perperna übernahm 72 das Kommando über die Sertorianer, wurde aber von Pompeius geschlagen und hingerichtet. Die Form capessivit lässt sich wegen Priscians Erläuterung kaum durch Konjektur beseitigen. – pars: zu dieser Supplierung vgl. Frassinettis Rezension, S. 333. Die hier beschriebenen Verzweiflungstaten ereigneten sich wohl während der Belagerung der sertorianischen Festung Calagurris durch Pompeius im Jahre 72. aemulus: Obwohl aemulatus überliefert ist, ist aemulus wegen des Nonius-Lemmas in den Text zu setzen, vgl. v.a. auch das zweite Nonius-Testimonium für dieses Fragment bei Funari 609. Sallust konstruiert hier ein mit esse verbundenes Substantiv wie das entsprechende Verb. Subjekt des Satzes ist Pompeius, wie aus Servius’ Einleitung deutlich wird. Aus der Erwähnung der Pyrenäen können wir schließen, dass sich Pompeius bereits auf dem Rückweg befand.

    3,90–106 Der Spartacus-Aufstand (73–71 v. Chr.) Im Jahre 73 kam es in einer Gladiatorenschule in Capua zu einem Aufstand unter der Führung des Thrakers Spartacus. Den durch Süditalien ziehenden Gladiatoren schlossen sich mehrere Sklaven an. Nach einigen für die römische Armee verlustreichen Schlachten konnten die Aufständischen schließlich im Jahre 71 von dem späteren Triumvirn Crassus besiegt werden. 3,91 Das Fragment wurde von einigen Forschern auf Spartacus, von anderen auf Mithridates bezogen. – animi: Die Bedeutung von animus ist ohne Kontext nicht eindeutig zu bestimmen. 3,92f. Diese beiden Fragmente beziehen sich wohl auf den Sklavenkrieg, vielleicht auf seine erste Phase, als sich die Sklaven auf den Vesuv zurückgezogen haben. 3,95 Maurenbrecher bezog dieses Fragment auf Auflösungserscheinungen im Heer des Varinius (vgl. 3,96 A); vgl. zu anderen Auf-

    Historien

    3,96

    3,98 3,99 3,100

    367

    fassungen McGushin, 1994, 138. – : suppliert wegen des Lemmas bei Nonius (vgl. Maurenbrecher). Varinius: P. Varinius war Prätor 73 v. Chr. Bei seinen erfolglosen Kämpfen gegen Spartacus am Vesuv wäre er fast in Gefangenschaft geraten. Im Kampf gegen die aufständischen Sklaven wird Varinius von den Konsuln des Jahres 72, Lentulus und Gellius, abgelöst (vgl. zu 4,1). – C. Thoranium: Quästor des Varinius. – Crixo: keltischer Gladiator, nach Spartacus der bedeutendste Anführer des Aufstandes, von dem er sich schließlich trennte. Krixos wurde im Jahr 72 bei dem apulischen Berg Garganus vom Konsul L. Gellius Publicola geschlagen und fiel. Nris Lucanas: Gebirgspass, Zugang zu Lukanien von Kampanien aus. – Anni Forum: unbekannt. Das Fragment schildert wahrscheinlich den Beutezug der Sklaven durch Lukanien. Das Fragment ist vermutlich Teil einer indirekten Rede des Spartacus.

    3,107–110 Fragmente ohne sichere Zuordnung 3,109 calvi: Das seltene Verb calvere bedeutet ‚betrügen‘.

    Buch 4 4,1–19

    4,1

    4,2 4,11

    4,12

    Der Krieg gegen Mithridates in den Jahren 72–70 v. Chr. Im Jahr 72 siegt Lucullus bei Kabeira über Mithridates, der daraufhin zu seinem Schwiegersohn Tigranes (vgl. zu 4,56-81) flieht. Das Fragment wird überliefert und erklärt bei Gellius (18,4). Das Fragment kann sowohl in das Jahr 72 als auch 70 gehören, da L. Gellius Publicola in beiden Jahren Amtsgenosse des Lentulus war (einmal als Konsul, einmal als Zensor). Beide Männer unterlagen während ihres Konsulats Spartacus (hist. 3,106). Die Deutung des Fragments ist unsicher; zu Metrophanes vgl. zu 3,22. Zu diesem Fragment vgl. Maurenbrecher ad loc. Nicht überzeugend ist die konservative Behandlung der textkritischen Probleme durch Funari (vgl. die Rezension von Frassinetti, S. 333). Zu custodias als Genitiv vgl. zu 3,58.

    368

    Erläuterungen

    4,16

    Es geht wohl um die – erfolgreiche – Belagerung von Heraclea Pontica durch die Römer (vgl. zu 2,98 D). – advorso aestu: zu diesem Ausdruck vgl. Liv. 28,30,6.

    4,20–41 4,20 4,22 4,27b

    Das Ende des Spartacus-Aufstandes. Sizilien-Unteritalien-Exkurs Subjekt sind wohl die Kameraden des Spartacus. In dem Fragment geht es um die als fustuarium bezeichnete Strafe. Wie schon 3,14 ein Beispiel für rationalistische Mythendeutung, dieses Mal bezogen auf das aus der Odyssee bekannte, an der Straße von Messina lebende Ungeheuer Skylla. Die Form des Fragments ist aus mehreren unterschiedlich zitierenden Testimonien verschmolzen, vgl. Funari 694–697, von dessen Textgestaltung hier teilweise abgewichen wird. Das Ungeheuer Charybdis lebte auf der anderen Seite der Straße von Messina. Der Ablativ Italia in Abhängigkeit von propinqua ist auffallend, in der Sekundärüberlieferung findet sich dieser Ablativ bei proximus zweimal im Jugurtha (18,11 und 19,4). Da weitere Parallelen fehlen, bleibt die Lesart aber zweifelhaft. Warum Sallust dieses Detail erwähnt, ist für uns nicht ersichtlich. Die jüngste Deutung zu 4,40 (Pierre Piccinin: „A propos de deux passages des œuvres de Salluste et Plutarque“, Historia 51, 2002, 383 f.) ist nicht überzeugend. Identifikation unsicher.

    4,28

    4,32

    4,40

    4,41 4,42–55 4,42 4,43

    4,44 4,45 4,46 4,47

    Stadtrömische Ereignisse volentia: hier i. S. v. optata. M. Lollius Palicanus setzte sich als Volkstribun (71 v. Chr.) mit Nachdruck für eine Wiederherstellung der Rechte des Tribunats ein. Zu diesem Zweck verbündete er sich (erfolgreich) mit dem aus Spanien zurückgekehrten Pompeius. Vermutlich handelt es sich um die Einleitung einer Rede des Pompeius vor der Volksversammlung (vgl. Maurenbrecher ad loc.). Dieses Fragment könnte zu einer indirekten Rede des Pompeius gehören. Maurenbrecher (mit Verweis auf Cic. Verr. I 45) glaubt, dass das Fragment ebenfalls aus einer Rede des Pompeius stammt. Zu unseren textkritischen Entscheidungen vgl. Frassinettis Rezension zu Funaris Ausgabe, S. 333. Wahrscheinlich ist Pompeius das Subjekt des Satzes.

    Historien

    4,48

    4,49 4,53

    4,54

    4,56–81

    4,56

    4,58 4,59 4,60

    4,63

    369

    Sollte Pompeius das Subjekt zu exspectans sein, so wäre sein collega Crassus; dann kann minor nur ‚unbedeutender‘ bedeuten, da Crassus älter als Pompeius war. Denkbar ist aber auch, dass Crassus das Subjekt ist oder zwei andere Männer gemeint sind. Gemeint ist die Rückkehr des Q. Metellus Pius aus Spanien. Gemeinhin wird das Fragment auf den Statthalter von Sizilien, C. Cornelius Verres, bezogen. Schwierig wird eine eindeutige Identifikation allerdings dadurch, dass keine Buchnummer überliefert ist. Vgl. zu diesem Appius-Fragment Michel Humm: Appius Claudius Caecus. La république accomplie, Rom 2005, 512–521. Grammatikalisch gibt es drei mögliche Auffassungen: Entweder ist ein personales Subjekt zu ergänzen oder facundia ist das Subjekt (dafür spricht die Parallele Hier. epist. 134,1) oder es handelt sich um unpersönliches exercebatur. – canina … facundia: sprichwörtlich, vgl. Ov. Ibis 232; Quint. inst. 12,9,9. – Appius: Der Ausspruch stammt vielleicht aus der Sentenzensammlung des Ap. Claudius Caecus (Zensor 312 v. Chr.), des Erbauers der Via Appia (Ende 4. Jh.). Lucullus’ Krieg gegen Mithridates und Tigranes Im Jahr 69 dehnte Lucullus den Krieg auf das armenische Königreich aus. Dessen König, Tigranes I. der Große (reg. 95 – um 55 v. Chr.), war der Schwiegersohn des Mithridates. Bei Tigranocerta, der von Tigranes neu gegründeten armenischen Hauptstadt, gelingt den Römern ein entscheidender Erfolg. Diese Schlacht bedeutete auch das Ende für Tigranes’ fast 15jährige Herrschaft über das Seleukidenreich. Vielleicht ist ein Legat des Lucullus gemeint, Appius Claudius, vgl. Plut. Lucull. 21,1 f. Das Präfix ex ist zu supplieren wegen der Bemerkung des Arusianus zu dieser Stelle. Subjekt des Satzes sind wohl die Soldaten des Lucullus (vgl. Plut. Lucull. 24). Die geschilderte Begebenheit gehört ins Jahr 69. Subjekt ist Lucullus, der im Frühjahr 69 v. Chr. seinen Feldzug gegen Tigranes beginnt (vgl. Plut. Lucull. 24,2). Auch wenn dieses Fragment ohne Buchangabe überliefert ist, handelt es sich hier wohl um das bei Plutarch (Lucull. 24,2) geschilderte Euphratwunder. Der Euphrat beruhigte sich über Nacht, so dass Lucullus’ Truppen ihn überqueren konnten. Das Fragment bezieht sich wohl auf die Belagerung von Tigranocerta. Es wird offenbar beschrieben, wie die Angreifer in die römischen Befestigungsanlagen einbrechen.

    370 4,67 4,69

    Erläuterungen

    Es ist nicht notwendig, zu pars magna ein Verb zu ergänzen, es handelt sich um typisch sallustische brevitas, vgl. Funari 764. Nach Lucullus’ Sieg bei Tigranocerta versuchte Mithridates, den Partherkönig Phraates III. Theos (Arsaces XII.; reg. 71/70–58/57 v. Chr.) für eine Allianz zu gewinnen. Mithridates’ (von Sallust wohl frei erfundener) Brief erreicht dieses Ziel nicht: Phraates wahrt seine Neutralität. Zu einem großen Teil ist der Brief eine schonungslos offene Kritik an der römischen Expansion. Zu anderen Beispielen für diese sog. Imperialismuskritik, die römische Schriftsteller Gegnern Roms in den Mund legen, vgl. Iug. 81,1; Caes. Gall. 7,77; Tac. Agr. 30–32. – § 5 cum … Philippo: zu den beiden Makedonischen Kriegen gegen Philipp V. vgl. zu 1,55,4. – dum … premebantur: im 1. Makedonischen Krieg (215–205 v. Chr.). – amicitiam simulantes: wohl auf den Friedensschluss im 1. Makedonischen Krieg zu beziehen, den die Römer benötigten, um gegen die Karthager freie Hand zu haben. – § 6 Ei subvenientem Antiochum: Philipp hatte vor dem 2. Makedonischen Krieg ein Bündnis mit dem Seleukidenkönig Antiochos III. geschlossen; 198 kam es allerdings zum Bruch. – Antiochus: zum Syrischen Krieg vgl. zu 1,55,4. – Taurum: das Grenzgebirge zwischen Kilikien und Kappadokien. – § 7 Persen: zum 3. Makedonischen Krieg vgl. zu Catil. 51,5. – insomniis occidere: Diese extrem römerfeindliche Version ist nur bei Sallust überliefert (Plutarch, Aem. Paul. 37 kennt lediglich den Tod durch Schlafentzug). Da die hier vorliegende Schilderung aber nur mit Andeutungen operiert, dürfte die Geschichte recht bekannt gewesen sein (wohl eine Erfindung antirömischer Propaganda des 2. Jh. v. Chr.): Die Römer sollen Perseus, der sich in den Tempel der Kabiren auf Samothrake geflüchtet hatte, das Leben versprochen haben, allerdings nur um ihn durch unaufhörliches Lärmen am Schlafen zu hindern, so dass er schließlich an Schlafmangel starb. Nach den anderen Quellen überlebte der Makedonenkönig und wurde im Triumphzug durch Rom geführt. – § 8 Eumenen … prodidere Antiocho: Gemeint ist wohl die römische Annäherung an Antiochos, den Erzfeind von König Eumenes II. Soter von Pergamon (reg. 197 – um 160 v. Chr.). Ob Eumenes wirklich von den Römern „an Antiochos verraten“ wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Letztlich profitierte Eumenes aber, da Rom ihm als Dank für seine Hilfe im Syrischen Krieg einen Großteil des eroberten seleukidischen Gebietes (vgl. agri captivi im Text) überließ. – contumeliis: vielleicht zu beziehen auf die Zweifel der Römer an Eumenes’ Loyalität im Krieg gegen Perseus und ihre

    Historien

    4,70

    4,71 4,72 4,73 4,74

    371

    Versuche, ihn gegen seinen Bruder Attalos II. Philadelphos auszuspielen. Eumenes wurde nach dem Krieg keine Gelegenheit gegeben, sich in Rom zu rechtfertigen. – impio testamento … Aristonicum: Gemeint ist das Testament des Königs Attalos III. Philometor (reg. 139–133 v. Chr.), des Sohnes des Eumenes, der sein Reich den Römern vermachte und so seinen unehelichen Sohn Aristonikos von der Erbfolge ausschloss. Die Römer besiegten Aristonikos in den Jahren 132–129 und richteten ihn schließlich hin. – Asia ab ipsis obsessa est: Im Jahre 129 wurde die Provinz Asia eingerichtet. – § 9 Bithyniam: Als König Nikomedes IV. Epiphanes Philopator (reg. seit etwa 94 v. Chr.) im Jahre 74 starb, erbten die Römer Bithynien. Diese Erbschaft löste den 3. Mithridatischen Krieg (74–64 v. Chr.) aus. – § 10 per Nicomedem: Die Römer hatten in der Tat Nikomedes gegen Mithridates aufgehetzt, was schließlich zum 1. Mithridatischen Krieg (89–85 v. Chr.) führte. – Ptolemaeus: wohl Ptolemaios IX. (reg. 115–80 v. Chr.). – § 12 Archelaus: Archelaos war ein Feldherr des Mithridates im 1. Mithridatischen Krieg. Nach mehreren Niederlagen gegen Sulla wurde er des Verrats bezichtigt und lief über. – Ptolemaeus: Ptolemaios XII. Auletes (reg. 80–51 v. Chr.). – § apud Chalcedona: vgl. zu 2,98 D. – § 14 Cyzicum: vgl. zu 3,26. – § 15 Caberam: vgl. zu 4,1–19. – Ariobarzanis: Gemeint ist König Ariobarzanes I. Philorhomaios von Kappadokien (um 95–63 v. Chr.). – § 16 ceterum … possumus: zu diesem Satz vgl. jetzt Perl 191–195. – § 17 coniuges: Anspielung auf den Raub der Sabinerinnen zu Beginn der Herrschaft des Romulus. – Convenas olim: Romulus soll in seinem Asyl Flüchtlinge aus aller Herren Länder aufgenommen haben. – § 19 Seleucea: Stadt am Tigris, seit der 2. Hälfte des 2. Jh. v. Chr. Teil des Partherreiches. imperii prolatandi: Ps.-Quint. decl. 3,13 wird dieser Ausdruck i. S. v. ‚das Reich vergrößern‘ verwendet, was hier kaum gemeint sein kann. Lucullus versuchte im Jahr 69 den Volkstribun Lucius Quintius zu bestechen, vgl. dazu Plut. Lucull. 33,5 f. Die Gorduener (andere Schreibweise: Cordueni) lebten in Armenien, im heutigen Kurdistan. Gemeinhin bezieht man das Fragment auf Lucullus, vgl. demgegenüber McGushin, 1994, 204. Arsaniam: Das ist eine von mehreren möglichen Konjekturen für das überlieferte Tartanium. Am Fluss Arsania kämpfte Tigranes im Jahr 68 gegen die Römer (Plut. Lucull. 31,5–8).

    372 4,76

    4,78

    4,82–85 4,83

    Erläuterungen

    Auch dieses Fragment handelt wohl von der Schlacht am Arsania (vgl. zu 4,74). – acres: Die Konjektur acres ist nötig, da das Adverb acre selten ist und sich bei Sallust nur die Form acriter findet. Vielleicht gibt das Fragment nicht exakt den sallustischen Wortlaut wieder, aber auf jeden Fall den Inhalt, vgl. dazu Funari 780. – in utroque sexu: Frassinetti fasst in utroque sexu als Ergänzung zu libidinis auf; in diesem Fall würde man aber eher den Akkusativ erwarten. Der Sinn des Fragments ist also nicht eindeutig (vgl. unseren Übersetzungsvorschlag). Fragmente ohne sichere Zuordnung Zur Bedeutung von subgredi vgl. Funari 786.

    Buch 5 5,1–16 5,2

    5,3

    5,5 5,7

    5,9

    5,11

    5,13

    Die letzte Phase von Lucullus’ Kommando Üblicherweise wird vis hier als singularisches Subjekt zu invasere (Constructio ad sensum) aufgefasst; dann fehlt aber ein Substantiv zu patentis und effusas. Einfacher ist es wohl, vis als Akkusativ Plural zu deuten (vgl. 3,17). – patentis: patens hier i. S. v. pacatus, wie aus der Einführung des Fragments beim Servius auctus hervorgeht. Mit illis sind die Meder gemeint, wie die Kontexte zeigen, in denen das Fragment überliefert ist. Auf jeden Fall macht dieser Bezug eine Zuordnung zum fünften Buch wahrscheinlich. Gemeint ist Mithridates. Dieses Fragment muss zu einer (wohl kurzen) direkten Rede gehören, aller Wahrscheinlichkeit nach spricht der skythische Arzt des Mithridates, der dessen Wunde mit Schlangengift heilte (vgl. Appian Mithr. 88,400; Plin. nat. 25,62). Es geht um das Nachlassen der militärischen Disziplin im Heer des Lucullus während des Winters 68/67. – commeatibus mercatis: zur Deutung des Ablativs vgl. La Penna, 1963, 61 und Funari 801 f. Mit frater ist Ciceros Erzfeind P. Clodius Pulcher gemeint (vgl. Plut. Lucull. 34,1); bei der „Ehefrau“ (scil. des Lucullus) handelt es sich um die jüngere Schwester der berüchtigten Clodia (vgl. zu Catil. 30,5). Acilius Glabrio, der Konsul des Jahres 67, wurde zum Statthalter von Bithynien und Pontus ernannt. – legiones Valerianae: vgl. zu

    Historien

    5,14

    5,15

    5,17–27 5,20 5,22

    5,24

    373

    2,78. – Pontum: vgl. zu 2,79. – sese missos esse: Diese Textherstellung lässt sich aus überliefertem esse missos esse herleiten. Im Jahr 67 übernahm der Proconsul von Kilikien, Q. Marcius Rex, von Lucullus das Kommando (vgl. Cassius Dio 36,15,1). – Lycaoniam: Landschaft im südlichen Kleinasien, die damals politisch zu Kappadokien gehörte. Subjekt ist vermutlich Marcius Rex, der sich weigert, Lucullus zu unterstützen (vgl. Cassius Dio 36,17,2). Der Krieg gegen die Piraten (67 v. Chr.) Der Sprecher ist Pompeius (vgl. Val. Max. 5,2,9). Gemeinhin nimmt man an, dass das Fragment aus einer Rede des Volkstribuns Gabinius stammt, der Pompeius den Krieg gegen die Piraten anvertrauen wollte. Über wen er hier spricht, ist unklar. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Einwand des Optimaten Q. Lutatius Catulus, der die Übertragung des Kommandos an Pompeius bekämpfte.

    Buchzuweisung unsicher incert. 3

    Das Fragment gehört vielleicht in Buch 3 zu den Kämpfen des Antonius gegen die Ligurer (vgl. zu 3,1–10 und 3,5). incert. 23 claudere (‚hinken‘, vgl. zu 3,48,25) wird hier metaphorisch gebraucht, aber die genaue Bedeutung ist unklar, vgl. Funari 858. incert. 24 Dass es sich bei praestitissent um einen obliquen Konjunktiv handelt, ist lediglich eine Vermutung.

    BIBLIOGRAPHIE In der folgenden Auswahl konnte naturgemäß nur ein geringer Teil der umfangreichen Forschungsliteratur zu Sallust berücksichtigt werden. Für eine weitergehende Beschäftigung sei auf die unten unter 2. genannten Bibliographien und die Literaturverzeichnisse der monographischen Darstellungen verwiesen. Die Abkürzungen der Zeitschriften folgen dem Usus der Année Philologique.. logique

    1. Ausgaben und Kommentare T = Textedition; Ü = Übersetzung; K = Kommentar • •

    • • • • • • • •

    Frassinetti, Paolo / Lucia di Salvo: Opere di Caio Sallustio Crispo [TÜ], Turin 1991 (gegenüber 1963 erweiterte Ausgabe). Funari, Rodolfo: C. Sallustii Crispi Historiarum Fragmenta [TK], 2 Bde., Amsterdam 1996. │Rez.: Paolo Frassinetti, Athenaeum 86, 1998, 328–334. Gerlach, Franz Dorotheus: C. Crispi Salustii [sic] quae exstant [TK], 3 Bde., Basel 1823/1827/1831. Koestermann, Erich: C. Sallustius Crispus. Bellum Iugurthinum [K], Heidelberg 1971. Kritz, Friedrich: C. Sallustii Crispi opera quae supersunt [TK], Leipzig 1828/1834/1853. Kurfess, Alfons: C. Sallusti Crispi Catilina, Iugurtha, Historiarum Fragmenta ampliora [T], Leipzig 31957 (Nachdr. 1991). Maurenbrecher, Bertold: C. Sallustii Crispi Historiarum Reliquiae [TK], Leipzig 1891/1893 (Nachdr. Stuttgart 1967). McGushin, Patrick: Sallust. The histories [ÜK], 2 Bde., Oxford 1992/1994. Paul, George M.: A historical commentary on Sallust’s Bellum Jugurthinum [K], Liverpool 1984. Raditsa, Leo F.: A historical commentary to Sallust’s Letter of Mithridates, Diss. Columbia 1969.

    376

    Bibliographie





    Reynolds, Leighton D.: C. Sallusti Crispi Catilina, Iugurtha, Historiarum fragmenta selecta, Appendix Sallustiana. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit L.D.R. [T], Oxford 1991. │ Rezensionen: Paul Jal, Latomus 52, 1993, 674 f.; Stephen P. Oakley, CR 43, 1993, 58–61; Bruno Rochette, AC 62, 1993, 312 f.; David R. Shackleton Bailey, AJPh 114, 1993, 324 f.; Stephen P. Schierling, CJ 90, 1994/1995, 96–99. Vretska, Karl: C. Sallustius Crispus. De Catilinae Coniuratione [K], Heidelberg 1976.

    2. Bibliographien • • • •

    Becker, Carl: „Sallust“, ANRW 1.3, Berlin / New York 1973, 720– 754. Di Salvo, Lucia: „Les Historiae di Sallustio. Rassegna di studi dal 1983 al 1996“, BStudLat 27, 1997, 155–189. Leeman, Anton D.: A systematical bibliography of Sallust (1879– 1964), Leiden 1965. Neumeister, Christoff: „Neue Tendenzen und Ergebnisse der Sallustforschung (1961–1981)“, Gymnasium 93, 1986, 51–68 und 519.

    3. Allgemein zu Leben und Werk • • • • •

    • •

    Büchner, Karl: Sallust, Heidelberg 21982 (11960). Drexler, Hans: „Sallust“, NJW 4, 1928, 390–399 (auch in: Pöschl, 2 1981, 31–44). Fighiera, Luigi S.: La lingua e la grammatica di C. Crispo Sallustio, Savona 31905 (11896). Kroll, Wilhelm: „Die Sprache des Sallust“, Glotta 15, 1927, 280– 305. Lebek, Wolfgang D.: Verba prisca. Die Anfänge des Archaisierens in der lateinischen Beredsamkeit und Geschichtsschreibung, Göttingen 1970. Malitz, Jürgen: Ambitio mala. Studien zur politischen Biographie des Sallust, Bonn 1975. Paananen, Unto: Sallust’s politico-social terminology. Its use and biographical significance, Helsinki 1972.

    Bibliographie

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    • • •

    377

    Pöschl, Viktor: Grundwerte römischer Staatsgesinnung in den Geschichtswerken des Sallust, Berlin 1940. Pöschl, Viktor (Hg.): Sallust, Darmstadt 21981 (11970). Poignault, Rémy (Hg.): Présence de Salluste, Tours 1997. Schmal, Stephan: Sallust, Hildesheim 2001. Schwartz, Eduard: „Die Berichte über die catilinarische Verschwörung“, Hermes 32, 1897, 554–608 (auch in: E. S.: Gesammelte Schriften 2, Berlin 1956, 275–336). Steidle, Wolf: Sallusts historische Monographien. Themenwahl und Geschichtsbild, Wiesbaden 1958. Syme, Ronald: Sallust, Darmstadt 1975 (engl. Orig. 1964). Wölfflin, Eduard: „Bemerkungen über das vulgärlatein [sic]“, Philologus 34, 1875, 137–165.

    4. Zu den Monographien • • • •

    • • • • •



    Brescia, Graziana: La scalata del Ligure. Saggio di commento a Sallustio, Bellum Iugurthinum 92–94, Bari 1997. Bringmann, Klaus: „Zum Parteienexkurs in Sallusts Bellum Iugurthinum“, RhM 117, 1974, 95–103. Büchner, Karl: Der Aufbau von Sallusts Bellum Jugurthinum, Wiesbaden 21956 (11953). Burkard, Thorsten: Rekurrenz und Kohärenz in den sallustischen Monographien. Erzähltechnik im Catilina und im Jugurtha (Habilitationsschrift München 2003, erscheint 2010). Christ, Karl: Sulla. Eine römische Karriere, München 2002. Drexler, Hans: Die Catilinarische Verschwörung. Ein Quellenheft, Darmstadt 1976. Fiedler, Peter: „Die beiden Überfallschlachten auf Metellus und Marius im Bellum Iugurthinum des Sallust“, WS 78, 1965, 108–127. Gärtner, Hans A.: „Erzählformen bei Sallust“, Historia 35, 1986, 449–473. Gerlinger, Stefan: Römische Schlachtenrhetorik. Unglaubwürdige Elemente in Schlachtendarstellungen, speziell bei Caesar, Sallust und Tacitus, Heidelberg 2008. Heldmann, Konrad: Sallust über die römische Weltherrschaft. Ein Geschichtsmodell im Catilina und seine Tradition in der hellenistischen Historiographie, Stuttgart 1993.

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    Bibliographie



    • • • •



    • •

    Ledworuski, Gabriele: Historiographische Widersprüche in der Monographie Sallusts zur Catilinarischen Verschwörung, Frankfurt a.M. u.a. 1994. Oniga, Renato: Il confine conteso. Lettura antropologica di un capitolo sallustiano (Bellum Iugurthinum 79), Bari 1990. Patzer, Harald: „Sallust und Thukydides“, NJAB 1941, 124–136 (auch in: Pöschl, 21981, 102–120). Schnorr von Carolsfeld, Hans: Über die Reden und Briefe bei Sallust, Leipzig 1888 (Nachdr. Aalen 1985). Ungern-Sternberg von Pürkel, Jürgen: Untersuchungen zum spätrepublikanischen Notstandsrecht. Senatus consultum ultimum und hostis-Erklärung, München 1970 Vretska, Karl: Studien zu Sallusts Bellum Jugurthinum, SAWW, Philos.-hist. Kl. 229.4, Wien 1955 (S. 85–134 und 146–158 auch in: Pöschl, 21981, 224–295). Vretska, Karl: „Sallusts Selbstbekenntnis (Bell. Cat. 3,3–4,2)“, Eranos 53, 1955, 41–60. Williams, Kathryn F.: A narratological study of Sallust's Bellum Catilinae, Diss. Virginia 1997.

    5. Zu den Historien • • • • • • •

    Bischoff, Bernhard / Herbert Bloch: „Das Wiener Fragment der Historiae des Sallust (P. Vindob. L 117)“, WS 92, 1979, 116–129. Hauler, Edmund: „Zu den Orléaner Bruchstücken des III. Buches von Sallusts Historien“, WS 44, 1925, 188–210. Hauler, Edmund: „Zu Sallusts Historien III 6“, WS 48, 1930, 122– 130. La Penna, Antonio: „Per la ricostruzione delle Historie di Sallustio“, SIFC 35, 1963, 5–68. Latta, Bernd: „Die Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer in den Historien des Sallust (III 48)“, Maia 51, 1999, 205–241. Malitz, Jürgen: „C. Aurelius Cotta cos. 75 und seine Rede in Sallusts Historien“, Hermes 100, 1972, 359–386. Perl, Gerhard: „Kontroverse Stellen in den Historiae Sallusts“, Hermes 133, 2005, 178–195.

    INDEX NOMINVM C.= Bellum Catilinae I. = Bellum Iugurthinum H. = Historiarum fragmenta Mit einem Asterisk (*) sind Stellen versehen, an denen der betreffende Name nicht explizit genannt wird; das Fragezeichen verweist auf umstrittene Identifikationen. Kursivdruck bezeichnet nicht-wörtliche Zitate. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die entsprechende Nummer in der Realencyclopädie. Aborigines C. 6,1 Achaei H. 3,74 Achilles H. 3,69 M. Acilius Glabrio (38) *H. 5,13 Adherbal I. 5,7; 9,4; 10,8; 11,3; 13,1 bis 3.9; 15,1.2.3; 16,2.5; 20,1.4; 21,1.2.3; 22,4.5; 23,2; 24,1; 25,1.10; 26,1.3; 35,1; 48,3 Aeetes H. 3,68 Aegyptus I. 19,3 bis Aemilia gens H. 1,77,6. Aemiliorum proles H. 1,55,3 M’. Aemilius Lepidus (62) C. 18,2 M. Aemilius Lepidus (72) H. 1,1; 1,55; 1,55,27; 1,66; 1,68; 1,69; 1,77,2.3.6.7 bis.14.18.19.22; 1,84 bellum Lepidianum H. 3,47 Mamercus Aemilius Lepidus Livianus (80) H. 1,86; 3,5 (?); 3,48,10 L. Aemilius Paullus (81) C. 31,4 M. Aemilius Scaurus (140) I. 15,4; 25,4.10; 28,4; 29,2.3.5; 30,2; 32,1; 40,4 Aeneas C. 6,1 Aethiopes I. 19,6 Afranius (?) H. 3,6

    Africa I. 5,4, 13,1; 14,10; 17,1.3 bis.7; 18,1.4.12; 19,3.8; 20,1; 21,4; 22,1; 23,1; 25,1.4; 27,5; 28,6; 30,1; 36,1; 39,4; 44,1; 66,2; 78,2; 79,2; 86,4; 89,7; 96,1; 97,2; 104, 3. Afri I. 18,3. Africum mare I. 18,9; H. 2,2 Africanus s. P. Cornelius Scipio Albinus s. Postumius Alexander Magnus H. 3,88 Allobroges C. 40,1.4; 41,1; 44,1.3; 45,1; 49,1.4; 50,1; 52,36 Alpes H. 2,98,4; 3,5; 4,49 Amazones H. 3,73 Anni Forum H. 3,98B C. Annius (9) I. 77,4 L. Annius (11) I. 37,2 Q. Annius Chilo (18) C. 17,3; 50,4 Antiochus III. (25) H. 1,55,4; 4,69,6 bis.8.11 Antonius (2) H. 3,83 C. Antonius (19) C. 21,3; 24,1; 26,1.4; 36,3; 56,4; 57,4.5; 59,4 M. Antonius Creticus (29) H. *3,2; *3,3; 3,4; 3,5 bis Apion s. Ptolemaeus

    380 Appius s. Claudius L. Appuleius Saturninus (29) H. 1,77,7 Apulia C. 27,1; 30,2.3; 42,1; 46,3 Archelaus (12) H. 4,69,12 Aresinarii H. 3,5 Ariobarzanes (5) H. 4,59; 4,69,15 Aristonicus (14) H. 4,69,8 Armenia H. 4,59; 4,69,15.21. Armenii I. 18,4.9 Arpinum I. 63,3 Arretinus ager C. 36,1 Arsaces H. 4,69,1 Arsania H. 4,74 Asia C. 2,2; 11,5; I. 17,3; H. 2,47,7; 2,93; 4,69,6.8.11 Aspar I. 108,1; 109,1; 112,1 Athenienses C. 2,2; 8,2.3; 51,28 Aventinus I. 31,17; H. 1,11 Aulus s. Postumius Aurelia Orestilla (261) C. 15,2; 35,3.6 C. Aurelius Cotta (96) H. 2,42 bis; 2,47A; 2,47; 2,47,10; 2,98D; 3,48,8 L. Aurelius Cotta (102) C. 18,5 M. Aurelius Cotta (107) H. 2,98D; *3,24 (?); 3,59; *3,60; 4,69,13 P. Autronius Paetus (7) C. 17,3; 18,2.5; 47,1; 48,7 C. Baebius (10) I. 33,2; 34,1 Baleares (funditores) I. 105,2 L. Bellienus (5) I. 104,1 Bestia s. Calpurnius Bithynia H. 2,71; 4,69,9.11; 5,13. Bithynii H. 4,74 Bocchus I. (1) I. 19,7; 62,7; 74,1; 80,3.4.6; 81,1 bis.4; 83,1.3; 88,5; 92,5; 97,1.3; 101,5.6.8;

    Index

    102,2.5.12; 103,2.7; 104,1.3.5; 105,1.3; 106,1; 107,2; 108,1 bis.2.3; 109,4; 112,2.3; 113,2 Bomilcar (12) I. 35,4.5.7.9; 49,1; 52,5; 61,4; 70,1.5; 71,2; 72,1; 73,1 Brutorum proles H. 1,55,3 Bruttius ager C. 42,1 Brutus s. Iunius Burbuleius (1) H. 2,25 Cabera H. 4,69,15 Q. Caecilius Metellus Celer (86) C. 30,5; 42,3; 57,2 Q. Caecilius Metellus Creticus (87) C. 30,3; H. 2,45 Q. Caecilius Metellus Numidicus (97) I. 43,1 bis; 44,3; 45,1; 46,1.3.6; 47,1.3; 48,1.2; 49,4; 50,3 bis; 51,3; 52,2; 53,5; 54,1.5.9; 55,1.2.8; 56,2; 57,2; 58,4.7; 61,1; 62,4.10; 64,1.4; 65,2.4; 66,2; 68,1; 69,1.4; 70,5 bis; 73,1.3.5; 74,2; 75,2.5; 76,1.2; 77,1.3; 80,1; 81,2; 83,3; 86,5; 88,1; 89,6 Q. Caecilius Metellus Pius (98) I. *64,4; H. *1,112 (?); *1,116 (?); *1,118 (?);*1,119 (?); *2,15 (?); 2,28; 2,32; 2,34; 2,59; 2,67; 2,70; 2,98,9; *4,49 M. Caeparius C. 46,3.4; 47,1.4; 52,34; 55,6 Caepio s. Servilius Caesar s. Iulius Calchedon s. Chalcedon L. Calpurnius Bestia (23) I. 27,4 bis; 28,2.4.7; 29,4.5.7; 30,2.4; 32,2; 34,2; 35,2; 40,4; 77,2.3; 85,16

    Index

    L. Calpurnius Bestia (24) C. 17,3; 43,1 C. Calpurnius Piso (63) C. 49,1.2 Cn. Calpurnius Piso (69) C. 18,4.5; 19,1.3.5; 21,3 Camers C. 27,1 Capito s. Gabinius Capitolium C. 18,5; 47,2 Cappadocia H. 4,59 Capsa I. 89,4; 91,3.4; 97,1. Capsenses I. 89,6; 92,3.4 Capua C. 30,2.5.7 Carbo s. Papirius Carthago C. 10,1; I. 18,11; 19,2; 41,2; 79,5; H. 1,11 bis. Carthaginienses C. 51,6; I. 5,4 bis; 14,8.10; 19,3.7; 79,1.2.7.8.10; 81,1; H. 4,69,5. Carthaginiense bellum I. 14,5; H. 1,11 L. Cassius Longinus (62) I. 32,1.5 bis; 33,1 L. Cassius Longinus (64) C. 17,3; 44,1.2; 50,4 Catabathmos I. 17,4; 19,3 Catilina s. Sergius Cato s. Porcius Catulus s. Lutatius Celer s. Caecilius Celtiberi H. *1,125 Celtiberia H. 2,94 Cethegus s. Cornelius Chalcedon H. 4,69,13 Charybdis H. 4,28 Cicero s. Tullius Cilicia H. 2,47,7; 2,98D; 5,14 Cimbrica praeda H. 1,55,17. bellum Cimbricum C. 59,3 Cinna s. Cornelius

    381

    Cirta I. 21,2 bis; 22,1; 23,1.2; 25,9; 26,1; 35,1; 81,2; 82,1; 88,3; 101,1; 102,1; 104,1 M. Claudius Marcellus (229) H. 1,11 Ti. Claudius Nero (253) C. 50,4 Ap. Claudius Caecus (91) H. 4,54 Ap. Claudius Pulcher I (296) H. 1,77,22; *2,37 (?); 2,80 Ap. Claudius Pulcher II (297) *4,56 Clodia (67) *H. 5,11 P. Clodius Pulcher (48) *H. 5,11 Concordia C. 46,5; 49,4 Conisturgis H.1,119 Corduba H. 2,28 Cornelii C. 47,2. gens Corneliorum C. 55,6 Cornelius (5) H. 1,55,17 C. Cornelius (19) C. 17,4; 28,1 C. Cornelius Cethegus (89) C. 17,3; 32,2; 43,2.3; 44,1; 46,3; 47,4; 48,4; 50,2; 52,33; 55,6; 57,1 P. Cornelius Cethegus (97) H. 1,77,20 L. Cornelius Cinna (106) C. 47,2; H. 1,64; 1,77,19 Cn. Cornelius Lentulus Clodianus (216) H. 4,1 P. Cornelius Lentulus Marcellinus (231) H 2,43 P. Cornelius Lentulus Spinther (238) C. 47,4 P. Cornelius Lentulus Sura (240) C. 17,3; 32,2; 39,6; 43,1; 44,1.3; 46,3.5; 47,2.3.4; 48,4; 50,1; 51,7; 52,17.32; 55,2.5; 57,1; 58,4 P. Cornelius Scipio Africanus Aemilianus (335) I. 7,4; 8,2; 22,2 P. Cornelius Scipio Africanus (336) I. 4,5; 5,4

    382 P. Cornelius Scipio Nasica (355) I. 27,4 bis L. Cornelius Sisenna (374) I. 95,2 L. Cornelius Sulla (392) C. 5,6; 11,4.5; 28,4; 37,9; 47,2; 51,32.34; I. 95,1.2.3; 96,1; 98,4; 100,2; 101,4.8; 102,2.4.15; 103,4.5.7; 104,1.2.3; 105,1.3; 106,2.5; 107,1.5; 108,1.2.3; 109,1.4; 110,2; 111,1.3; 112,1.3; 113,2.4.7; H. 1,31; 1,32; 1,55,1.7.16.19; 1,57; 2,21; 2,78; 3,48,1.9; 4,1; 5,20; vgl. SullanP. Cornelius Sulla (385) C. 17,3 P. Cornelius Sulla (386) C. 18,2 Ser. Cornelius Sulla (389) C. 17,3; 47,1 C. Cornelius Verres s. Verres Q. Cornificius (7) C. 47,4 Corsa H. 2,11 Corycus H. 2,81 Cotta s. Aurelius Crassus s. Licinius Cretenses H. 4,69,10.12 Crixus H. 3,96D Crotoniensis C. 44,3 Cumae H. 3,96C Curio s. Scribonius Q. Curius (7) C. 17,3; 23,1.4; 26,3; 28,2 Cyrene (Curenae) I. 19,3; H. 2,43. Cyrenenses I. 79,2.5.7 Cyrus C. 2,2 Cyzicus H. 3,26; 4,69,14 Dabar I. 108,1; 109,4; 112,1 Daedalus H. 2,7 Damasippus s. Iunius Danuvius H. 3,79 Dardani H. 3,61

    Index

    Dardania H. 2,80 Dianium H. 3,6 T. Didius (5) H. 1,88 Dilunus H. 3,6 Eburina iuga H. 3,98B Etruria C. 27,1; 28,4; H. 1,11; 1,69; 1,77,6.8 Etrusci H. 1,67 Eumenes H. 4,69,8 Euphrates H. 4,59 Europa I. 17,3 bis L. Fabius Hispaniensis (84) H. 3,83 Q. Fabius Maxumus (116) I. 4,5 Q. Fabius Sanga (143) C. 41,4.5 Faesulae C. 24,2; 27,1; 30,1.3. Faesulanus ager C. 43,1 Faesulanus (?) C. 59,3; 60,6 Figulus s. Marcius Fimbriana seditio H. 2,78 Flaccus s. Fulvius, Valerius C. Flaminius (4?) C. 36,1 L. Fufidius (4) H. 1,55,21; 1,108 Fulvia (112) C. 23,3.4; 26,3; 28,2 Fulvius (94) C. 39,5 (?) M. Fulvius Flaccus (58) I. 16,2; 31,7; 42,1 M. Fulvius Nobilior (94) C. 17,4; 39,5 (?) P. Furius (23) C. 50,4 Gabinia lex H. 5,13 P. Gabinius Capito (15) C. 17,4; 40,6; 43,2; 44,1; 46,3; 47,1 bis.4; 52,34; 55,6 Gades H. 1,100 Gaddir H. 2,5 Gaetuli I. 18,1.7.9.12; 19,5.7; 80,1; 88,3; 97,4; 99,2; 103,4

    Index

    Galli C. 45,3; 47,2; 52,24; 53,3; I. 114,1.2; H. 3,96D. Galliae mulieres H. 4,40. Gallia C. 40,2; 56,4; 57,3; 58,4.6; H. 1,11; 2,98,5.9. provincia Gallia I. 114,3. citerior Gallia C. 42,3; H. 2,98D. Gallia citerior atque ulterior C. 42,1. Gallia Transalpina C. 57,1. Gallica (gens) C. 40,1. bellum Gallicum C. 52,30 Gauda I. 65,1 L. Gellius Publicola (17) *H. 4,1 Germani H. 3,79; 3,96D; 3,104 Gordueni H. 4,72 Gracchi I. 42,1.2; H. 1,17 Gracchus s. Sempronius Graeci C. 53,3; I. 79,8; 85,12; H. 3,69. Graeca facundia I. 63,3. litterae Graecae C. 25,2; I. 85,32; 95,3 Graecia C. 2,2; 51,39; H. 4,69,11 Gulussa I. 5,6; 35,1 Hadrumetum I. 19,1 Hamilcar (14) I. 77,1 Hannibal (8) I. 5,4; H. 1,55,4; 2,98,4 Heraclea H. 4,69,14 Hercules I. 18,3; 89,4 (vgl. Liby-) C. Herennius (7) H. 2,21; 2,98,6 Hiempsal (1) I. 5,7; 9,4; 10,8; 11,3.6.8; 12,3 bis.5; 15,1.3; 24,6; 28,1 Hiempsal II. (2) I. 17,7; H. 1,53 Hippo I. 19,1 L. Hirtuleius (3) H. 2,59 Hispani C. 19,5; I. 18,5; H. 3,89. equites Hispani C. 19,3. senator Hispaniensis H. 3,83 Hispania I. 7,2; 10,2; 18,3.9; 19,4; H. 1,88; 1,93; 2,5; 2,47,6;

    383

    2,98,4.10; 3,5. Hispania citerior C. 19,1; 21,3; H. 1,85; 2,98,9. Hispania ulterior H. 2,70. Hispaniae C. 18,5; H. 1,77,8. bellum Hispaniense H. 2,34 Hister H. 3,80 Homerus H. 1,101 Iason H. 3,68 Ilerda H. 1,122 Indigetes H. 2,98,5 Insulae Fortunatae H. *1,100; 1,101 Isaura Nova H. 2,87B Isauri H. 3,1 Italia C. 16,5; 24,2; 52,15; I. 5,2.4; 27,3.4; 28,2.6; 35,9; 114,2; H. 1,21; 1,23; 1,38; 1,84; 2,47,7; 2,98,4.7.10; 2,98D; 4,26 bis; 4,32 Italici I. 26,1.2; 67,3. Italici commeatus H. 3,6. socii Italici I. 40,2. Italica gens I. 47,1; H. 1,19 Iugurtha I. 5,1.7; 6,2.3; 7,1.4.6; 8,1.2; 9,2.3.4; 10,1.7; 11,1.3 bis.5.7; 12,3.4.6; 13,2.5.7; 14,2.4.11.14.15.20; 15,1 bis.2; 16,2.3.5; 19,7; 20,1.5.6; 21,1.3; 22,2; 23,1; 24,2.4.10; 25,1.5; 26,1.2.3; 27,2; 28,1.2; 29,1.3.4; 31,18.19; 32,1.3.5; 33,1.4; 34,1.2; 35,1.2.4.8; 36,2; 38,1.9; 39,5; 40,1; 46,1.4.8; 47,3; 48,1; 49,1; 50,3.5; 51,5; 52,2.5.6; 54,2; 55,1.4.8; 56,1; 58,1.6; 59,2; 60,4; 61,1.4.5; 62,1.3.5.8; 64,5; 65,3; 66,1.2; 69,1; 70,1.2.5; 71,5; 72,2; 73,7; 74,1.2; 75,1.9; 80,1.6; 81,1.3; 82,1; 83,1.2; 85,10.45; 87,4; 88,3.4; 89,2.4; 91,7; 92,5; 94,4; 97,1.3; 101,3.6.9; 102,5.13.15; 103,1.2; 104,4;

    384 106,2.5; 107,3.6; 108,1.2.3; 110,7.8; 111,1.2; 112,1.2 bis; 113,2.5.7; 114,3. Iugurthinum bellum I. 19,7; 77,2; 100,5. milites Iugurthini I. 21,2; 56,6 C. Iulius (21) C. 27,1 C. Iulius Caesar (131) C. 47,4; 49,1.2.4; 50,4.5; 52,1.13; 53,6; 54,2.3.4 L. Iulius Caesar (143) C. 17,1 D. Iunius Brutus (46) C. 40,5 bis; H. 3,48,10 L. Iunius Brutus Damasippus (58) C. 51,32.34; H. 1,77,7 D. Iunius Silanus (163) C. 50,4; 51,16.18 M. Iunius Silanus (169) I. 43,1 Iuppiter I. 107,2; H. 3,14; 3,48,15 Lacedaemonii C. 2,2; 51,28 Lacetania H. 2,98,5 Laeca s. Porcius D. Laelius (5) H. 2,31 Laris I. 90,2 Latinum nomen I. 39,2; 40,2; 42,1; 43,4. litterae Latinae C. 25,2; I. 95,3. Latine I. 101,6 Latium I. 69,4; 84,2; 95,1; H. 1,55,12 Lentulus s. Cornelius Lepidus, Lepidianus s. Aemilius Leptasta H. 2,20 Leptis (Leptis / Lepcis Magna) I. 19,3; 77,1. Leptitani I. 77,2; 79,1 Leptis (Leptis Minor?) I. 19,1 Lex Gabinia H. 5,13. Licinia H. 1,20. Mamilia I. 65,5. Plautia C. 31,4. Porcia C. 51,21.40. Sempronia I. 27,3

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    Libyes I. 18,1.9.10.12. Hercules Libys I. 89,4 Licinia lex H. 1,20 M. Licinius Crassus (68) C. 17,7; 19,1; 38,1; 47,4; 48,4.5 bis.7.8.9; H. *4,48 (?); 4,51 L. Licinius Lucullus (104) H. 2,98D; 3,48,11; 4,8; *4,59; 4,69,15; 4,71; *5,11; 5,14 P. Licinius Lucullus (111) I. 37,2 C. Licinius Macer (112) H. 3,48 C. Licinius Murena (119) C. 42,3 Ligures I. 38,6; 77,4; 100,2; H. 3,5. Ligus I. 93,2.4.7.8; 94,2.3; H. 2,11; inc. 3 Limetanus s. Mamilius M. Lollius Palicanus (21) H. 4,43 Longinus s. Cassius Lucanus ager H. 3,99 Lucullus s. Licinius Lusitani H. 1,105 Lutatiorum proles H. 1,55,3 Q. Lutatius Catulus (8) C. 34,3; 35,1; 49,1.2; H.1,1; 1,66; 1,77,6.19.22; 3,48,9 Lycaonia H. 5,14 Macedonia I. 35,3; H. 2,47,7; 2,80. Macedones H. 4,69,5. Macedonicum bellum C. 51,5; H. 1,8 Macer s. Licinius Maecenas (2) H. 3,83 Magna Mater H. 2,87D M. (egtl. Cn.) Mallius Maxumus (13) I. 114,1 Mamercus s. Aemilius Mamilia rogatio I. 40,4. lex Mamilia I. 65,5 C. Mamilius Limetanus (7) I. 40,1

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    A. Manlius (12) I. 86,1; 90,2; 100,2; 102,2.4.15 C. Manlius (18) C. 24,2; 27,1.4; 28,4; 29,1; 30,1; 32,3; 36,1.2; 56,1; 59,3; 60,6. Manliana castra C. 32,1 L. Manlius (30) H. *1,122 T. Manlius Mancinus (61) I. 73,7 A. Manlius Torquatus Imperiosus (57) C. 52,30 L. Manlius Torquatus (79) C. 18,5 Marcellinus s. Cornelius Marcellus s. Claudius C. Marcius Figulus (63) C. 17,1 L. Marcius Philippus (75) H *1,75; 1,77 Q. Marcius Rex (92) C. 30,3; 32,3; 34,1; H. 5,14; *5,15 C. Marius (4) C. 59,3; I. 46,7; 50,2; 55,5.8; 56,3.5; 57,1; 58,5; 60,5; 63,1; 64,1.3.4; 65,3.4.5; 73,2.3.5.6.7; 82,2.3 bis; 84,1.3 bis.4; 86,1.4.5; 87,4; 88,2; 89,6; 92,1.6; 93,1.6.7; 94,3.4.7; 96,1.4; 97,3; 98,1.3; 99,1; 100,1.5; 101,6 bis.10; 102,2.13.14; 103,1.3.7; 104,1; 105,1; 112,2; 113,7; 114,3; H. 1,77,7 M. Marius Gratidianus (42) H. 1,44 Marsicum bellum H. 1,88 Masinissa I. 5,4.5.7; 9,2; 14,2.6.18; 24,10; 35,1.2; 65,1.3; 108,1 Massilia C. 34,2 Massiva (2) I. 35,1.4 bis.6; 61,4 Massugrada I. 108,1 Mastanabal I. 5,6.7; 65,1 Mauretania C. 21,3; I. 16,5, 19,4; 62,7; H. 1,104; 2,20; 2,70 Mauri I. 18,10; 19,4.7; 80,6; 82,1; 97,4; 99,2; 101,4.8, 104,3; 106,5;

    385

    107,5. Maurus I. 97,2; 106,2; 107,1; 108,1; 113,1.3 Maxumus s. Fabius Medi I. 18,4.9.10; *5,3 C. Memmius (5) I. 27,2; 30,3.4; 32,1.5; 33,3; 34,1 Meoriga (?) H. 2,92 Mesopotamia H. 4,69,21. Mesopotameni H. 4,78 Metellus s. Caecilius Metrophanes (1) H. 3,22; 4,2 Micipsa I. 5,6; 6,2; 7,2; 8,1; 9,1; 11,2.5; 13,1; 14,1.9; 16,2; 22,2; 24,3; 65,1; 110,8 Midas H. 3,61 Minos H.2,7 Q. Minucius Rufus (54) I. 35,2.3 Mithridates VI. Eupator (12) H. 1,32; 1,77,8; 2,47,7; 2,75; 2,77; *2,78; 2,79; 3,22; *3,26 (?); 3,48,18; *3,91 (?); 4,69; 4,69,1; *5,5. Mithridaticum bellum C. 39,1 Mons Sacer H. 1,11 Muluccha I. 19,7; 92,5; 110,8 Mulvius pons C. 45,1 Murena s. Licinius Muthul I. 48,3 Mutudurei H. 2,93 Nabdalsa I. 70,2.4; 71,1.5 Nares Lucanae H. 3,98B Nasica s. Cornelius Nero s. Claudius Nicomedes (6) H. 4,69,9.10.11 Nobilior s. Fulvius Nomades I. 18,7 Nucerinus s. Sittius

    386 Numantia I. 8,2; 10,2; 15,1; 20,1; 101,6. Numantini I. 7,4. Numantinum bellum I. 7,2; 9,2 Numidae I. 5,1.4; 6,3; 7,2; 11,3; 12,6; 13,1; 15,1; 18,8.11.12; 19,4.7; 20,5; 21,2; 24,1.7; 25,5; 26,3; 28,3; 38,4.6; 46,3; 47,1; 49,5; 50,1.4.6; 51,3; 52,4; 53,3.6; 54,10; 56,5; 57,3; 58,3; 59,3; 60,5; 62,1 bis; 65,2; 66,2; 67,3; 68,2; 69,1; 73,7; 74,2.3; 75,4.7.8; 78,4; 80,6; 89,7; 90,1; 91,4.6; 92,2.3; 93,4; 94,3.4. Numida I. 12,4; 35,1.4; 54,4; 61,5; 65,1; 71,3; 101,6; 106,3; 108,1.3; 111,4; 113,4.6 Numidia I. 8,1; 13,2.5; 14,1.25; 16,5; 18,11; 19,5; 20,7; 24,10; 27,3.4; 28,7; 29,7; 32,2; 33,4; 35,2.3.9; 38,9; 39,4; 43,1.5 bis; 46,5; 48,3; 54,6; 61,2; 62,10; 65,3; 78,5; 82,2; 84,1; 85,45; 97,1.2; 102,13; 111,1; 114,3. Numidica scuta I. 94,1 Nysa (3) H. 4,69,9 Oceanus I. 17,4; 18,5; H. 1,11; 1,102; 1,107; 4,69,17 Cn. Octavius (22) H. 2,26 Cn. Octavius Ruso (82) I. 104,3 L. Octavius (26) H. 2,42 bis; 2,45; 2,98D M. Octavius (32) H. 1,62 L. Opimius (4) I. 16,2 P. Oppius (17) H. 3,59; *3,60 Orestes H. 2,41 Orestilla s. Aurelia Paeligna cohors I. 105,2 Cn. Papirius Carbo (38) H. 1,38

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    Parium H. 4,69,14 Paullus s. Aemilius M. Perperna Veiento (6) H. 3,83; 3,85 Persae I. 18,4.5.11 Perses (5) C. 51,5; I. 81,1; H. 1,8; 4,69,7 Persis H. 4,69,19 M. Petreius (3) C. 59,4; 60,1.5 Philaeni I. 79,5.9.10. Philaenon arae I. 19,3 Philippus V. (10) H. 1,55,4; 4,69,5.6.7 Philippus s. Marcius Phoenices I. 19,1 Phrygia H. 3,61 Picens H. 1,55,17; 4,43 Picentina iuga H. 3,98B Picenus ager C. 27,1; 30,5; 42,1; 57,2 Pisidae H. 3,1 Piso s. Calpurnius Pistoriensis ager C. 57,1 Plautia lex C. 31,4 Poeni I. 79,8. Punicum bellum I. 5,4; 42,1; H. 1,11. bella Punica C. 51,6. Punica fides I. 108,3. libri Punici I. 17,7. manus Punicae H. 2,64. metus Punicus H. 1,12. Punica oppida I. 19,7. Punicae urbes I. 19,3 Cn. Pompeius Magnus (31) C. 16,5; 17,7; 19,1.2.5; 38,1; 39,1; H. 1,53; *1,57 (?); *2,16; *2,17; *2,19; *2,21 (?);*2,23 (?); 2,92; 2,93 ter; *2,94; 2,98; 2,98D; 3,48,21.23; 3,88; *3,89; *4,47; *4,48 (?); *4,51; *5,20; 5,24 Q. Pompeius Rufus (42) C. 30,5

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    Cn. Pompeius Strabo (45) H. *2,21 (?) C. Pomptinus C. 45,1.4 Pontus (das Meer) H. 3,66 Pontus (das Gebiet) H. 2,79; 5,13 Porcia lex C. 51,21.40 M. Porcius Cato Uticensis (16) C. 52,1; 53,1 bis.6; 54,2.3.5; 55,1 M. Porcius Laeca (18) C. 17,3; 27,3 A. Postumius Albinus (32) I. 36,4; 37,3; 38,2.4.9; 39,1; 43,1; 44,4; 55,1 Sp. Postumius Albinus (45) I. 35,2.6; 36,1.3.4; 39,2; 44,1.4; 77,3; 85,16 Ptolemaeus Apion (29) H. 2,43 Ptolemaeus IX. Philometor Soter II. (30) (?) H. 4,69,10 Ptolemaeus XII. (33) H. 4,69,12 Publipor H. 3,99 Punicus s. Poeni Pyrenaeus H. 2,98,5; 3,89 Pyrrhus (13) H. 1,55,4 L. Quintius (12) H. 3,48,11; 4,71 Quirites I. 31,1.5.11.27; 85,1. 3.5.8.12.13.24.40.45.50; H. 1,55,1.7.10.27; 2,47,1.4.6.13; 3,48,1.8.15.16.24 Regium I. 28,6 Rex s. Marcius Rhenus H. 1,11 Rhodii C. 51,5 bis Roma C. 6,1; 18,8; 27,2; 30,7; 31,7; 32,3; 34,1; 36,2; 37,5; 39,6; 40,5; 43,1; 47,2; 52,14; 53,5; 55,6; 56,1.4; 57,1; 58,13; I. 8,1; 13,3.4.6.7; 16,3; 20,1; 21,3; 22,1.4; 23,2; 25,6; 27,1; 28,1.2; 29,3.7; 30,1.4; 32,1.2; 33,1.4;

    387

    35,1.7.10; 36,4; 37,1; 39,1; 40,1; 41,1; 46,1; 55,1; 61,4; 62,10; 65,4; 73,3; 77,2; 80,4; 82,2; 88,1; 95,1; 102,13; 103,3; 104,2.3.4; 114,3; H. 3,96A Romani C. 6,5; 53,3; I. 7,4.7; 10,2; 49,2.3; 50,4.5; 52,3; 53,1.5; 54,6.9; 56,4; 57,4; 61,5; 66,1; 70,4; 74,1.3; 76,5; 80,3; 81,1 bis; 87,4; 94,4 bis.5.6; 97,2.3.5; 98,7; 101,5.7; 103,4.5; 108,2.3 bis; 111,1.2; 114,2; H. 1,55,19; 2,87A.87D; 4,69,2.5.15.17.20. dux Romanus I. 81,3; H. 4,69,13. eques Romanus C. 28,1. equites Romani C. 49,4; I. 42,1; 65,2 bis.4. Romanus exercitus H. 2,93. Romanum genus H. 1,4. Romanus imperator I. 56,1. imperatores Romani I. 112,2. imperium Romanum C. 10,1; H. 2,70; 3,2. milites Romani I. 38,5; 67,1. mos Romanus C. 29,3; H. 2,70. nomen Romanum C. 52,24; I. 5,4; 58,3; 80,1. plebes Romana C. 31,7; 33,2; I. 31,7. populus Romanus C. 4,2; 7,7; 8,5; 11,6; 34,1; 36,4; 51,5; 52,10; 53,2; 61,7; I. 5,1.4; 7,2; 8,2; 9,2; 13,5; 14,1.2.3.5.7.8.18.25; 19,7 bis; 20,5; 22,4; 24,3; 26,1; 27,2; 31,20; 32,5; 33,4 bis; 46,2; 64,2; 65,2; 83,1; 88,5; 102,2.6.8.11; 108,2; 110,6; H. 1,1; 1,55; 1,55,11.24; 1,77,6; 2,47; 2,98,2. populus et senatus Romanus (o.ä.) I. 21,4; 41,2; 104,5; 111,1. res Romana H. 1,11 Romulus H. 1,55,5

    388 Rufus s. Minucius, Pompeius,Rutilius Ruso s. Octavius P. Rutilius Rufus (34) I. 50,1; 52,5.6 bis; 86,5 L. Saenius (1) C. 30,1 Saguntini H. 2,64 Samnites C. 51,38 Samothraces di H. 4,69,7 Sanga s. Fabius Sardinia H. 2,2 Saturninus s. Appuleius Scaurus s. Aemilius Scipio s. Cornelius Scirtus H. 1,55,21 C. Scribonius Curio (10) H. 1,86; 2,80; 3,48,10; 3,49 Scylla H. 4,27b Scythae H. 3,76 Seleucea H. 4,69,19 Sempronia (103) C. 25,1; 40,5 Sempronia lex I. 27,3 C. Sempronius Gracchus (47) I. 16,2; 31,7; 42,1 bis Ti. Sempronius Gracchus (54) I. 31,7; 42,1 bis. Gracchi I. 42,1.2; H. 1,17 Septimius (1) C. 27,1 Septimius (?) H. *1,136 (?) L. Sergius Catilina (23) C. 4,3; 5,1; 14,1.3.7; 15,1; 16,4.5; 17,6; 18,1.3.5.8; 20,1; 21,2; 22,1; 23,4; 24,2.4; 26,1.3.5; 31,4.7; 34,2.3; 35,1; 36,2.3.5; 37,1; 39,4.5.6; 42,2; 43,1.2; 44,3.4; 48,1.3.4; 51,43; 52,17.35; 56,1.4; 57,1.2.5; 60,4.5.7; 61,1.4; H. 1,46 Q. Sertorius (3) H. *1,87 (?); *1,88; *1,89; *1,94 (?); *1,102; 1,104;

    Index

    *1,116 (?); *1,118 (?);*1,120 (?); 1,126; *2,15 (?); 2,29; 2,35; *2,37 (?); 2,47,6; *2,93; 2,93; 2,98,5.9; 3,5; 3,48,18; 3,83 Q. Servilius Caepio (49) I. 114,1; H. 1,62 P. Servilius Vatia Isauricus (93) H. 2,87B.D Sextius (1) I. 29,4 Sibyllini libri C. 47,2 Sicca I. 56,3. Siccenses I. 56,4.5 Sicilia I. 28,6 bis; H. 2,7; 4,26 bis L. (egtl. Cn.) Sicinius (9) H. 3,48,8 Sidonii I. 78,1. Sidonicus I. 78,4 Silanus s. Iunius, Turpilius Sisenna s. Cornelius P. Sittius Nucerinus (3) C. 21,3 Spartacus H. *3,91 (?); 3,96D; 3,98C Spinther s. Cornelius Lentulus L. Statilius (6) C. 17,4; 43,2; 44,1; 46,3; 47,4; 52,34; 55,6 Sucro H. 2,98,6 Sulla s. Cornelius Sullanae coloniae C. 28,4. Sullani milites C. 16,4. Sullana victoria C. 21,4; 37,6 P. Sulpicius Rufus (92) H. 1,77,7 Ser. Sulpicius Rufus (95) H. 1,11 Sura s. Cornelius Lentulus Suthul I. 37,3; 38,2 Syphax I. 5,4; 14,8 Syrtes I. 19,3; 78,1.3 Tanais1 I. 90,3; Tanais2 (Don) H. 3,73 Tarquinius Superbus (7) H. 1,11 L. Tarquinius (10) C. 48,3.5.6.8 Tarquitius (1) H. 3,83 Tarracinensis C. 46,3 Tartessus H. 2,5 Tarula H. 1,55,21

    Index

    Tauri H. 3,74 Tauromenitana litora H. 4,28 Taurus H. 4,69,6 Cn. Terentius (21) C. 47,4 M. Terentius Varro (84) H. 2,69 Terentuni (?) H. 3,5 Termestini H. 2,95 Thala I. 75,1.2.6.9; 77,1; 80,1; 89,6 bis Themiscyreni campi H. 3,73 Theraei I. 19,3 Thirmida I. 12,3 C. Thoranius (4) H. 3,96A Thraces I. 38,6 Tigranes (1) H. 4,69,3.13.15.16 Tisidium I. 62,8 Titurius (2) H. 2,94 Torquatus s. Manlius Transalpina s. Gallia Transpadanus C. 49,2 Troiani C. 6,1 Tucca I. 104,1 Tullianum C. 55,3 M. Tullius Cicero (29) C. 22,3; 23,5; 24,1; 26,1; 27,4; 28,1.2; 29,1; 31,6.7; 36,3; 41,5; 43,1.2; 44,1; 45,1; 48,1.6.8.9; 49,1; 51,35 Tullus s. Volcacius Turia H. 2,54; 2,98,6 T. Turpilius Silanus (10) I. 66,3 bis; 67,3; 69,4 Tusci C. 51,38

    389

    Tyrii H. 2,5 P. Umbrenus (2) C. 40,1.2.4; 50,4 C. Urbinus (2) H. 2,70 Utica I. 25,5; 63,1; 64,5; 86,4; 104,1 Vaga I. 29,4; 47,1; 68,1.3. Vagenses I. 66,2; 69,1.3 Valentia H. 2,54; 2,98,6 Valeriana legio H. 5,13. Valeriani praedatores H. 3,33 L. Valerius Flaccus (179) C. 45,1;46,6 L. Vargunteius (3) C. 17,3; 28,1; 47,1 P. Varinius (1) H. 3,96A.B.C.D; 3,98B Varro s. Terentius Vascones H. 2,93 Vesta C. 15,1 C. Cornelius Verres (1) H. 4,32; *4,53 (?) Versius H. 3,83 Vettius (3) H. 1,55,17 Victoria H. 2,70 L. Volcacius Tullus (8) C. 18,2 Volscius H. 3,59 T. Volturcius C. 44,3.4; 45,3.4; 46,6; 47,1; 48,4; 49,4; 50,1; 52,36 Volux I. 101,5; 105,3; 106,1.6; 107,2 Zama I. 56,1; 57,1; 58,1; 60,1; 61,1

    Über die Reihe Edition Antike Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose Die Edition Antike bietet zweisprachige Leseausgaben wichtiger Texte der antiken Literatur mit modernen Übersetzungen und in einer zeitgemäßen Ausstattung. Autoren und Werke werden eingangs kurz vorgestellt. Ein knapper Sachkommentar am Ende des Bandes erleichtert die Lektüre und das Verständnis der Texte. Thomas Baier ist Professor für Klassische Philologie (Latinistik) an der Universität Würzburg. Kai Brodersen ist Professor für Alte Geschichte und Präsident der Universität Erfurt. Martin Hose ist Professor für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

    Über den Inhalt Sallust, um 86 v. Chr. Im sabinischen Amiternum geboren, strebte nach seiner Ausbildung in Rom eine politische Karriere an. Im Bürgerkrieg stand er auf der Seite Caesars und brachte es bis zum Statthalter der Provinz Africa Nova. Seinen Nachruhm aber verdankte er seinen historischen Schriften, die er nach der Ermordung Caesars verfasste. Seine stilistische Kühnheit, manierierte Wortwahl und die oftmals aphoristische, eindringliche Kürze seines Satzbaues beeindrucken bis heute. Deshalb nimmt man die Coniuratio Catilinae oder das Bellum Iugurthinum auch heute noch gerne zur Hand. Thorsten Burkard ist Professor für Klassische Philologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel.