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German Pages 314 Year 2021
Steffen Boßhammer Wege zum Frieden im nachrömisch-gotischen Italien
Steffen Boßhammer
Wege zum Frieden im nachrömischgotischen Italien Programmatik und Praxis gesellschaftlicher Kohärenz in den Variae Cassiodors
Diese Arbeit wurde im Jahr 2020 vom Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen.
ISBN 978-3-11-070677-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-070687-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-070690-1 Library of Congress Control Number: 2020942034 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Leiden, University Library, Ms. vul. 46, fol. 2r Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt Vorwort . .
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VII Einleitung 1 Die Sicht Cassiodors auf den inneren Frieden: Fragestellung und Ziel 1 der Arbeit Cassiodor – Ein Autor und sein (Lebens‐)Werk: Thematischer Forschungsüberblick 15 Gerechtigkeit als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens von Goten 32 und Romanen Die Ansiedlung und Versorgung der Goten auf italischem Boden 32 Friedliche Ansiedlung und harmonisches Zusammenleben als Fundament des inneren Friedens 38 Konsequentes Einschreiten als Mittel zur Lösung von 45 Besitzstreitigkeiten Organisation des Zusammenlebens am Beispiel der Verwaltung und 49 des Steuereinzugs Die Erhebung der Steuern als Bewährungsprobe des friedlichen Zusammenlebens 55 67 Beamte als Vermittler und Stifter der Gerechtigkeit Auswege aus Bestechlichkeit, Habsucht und Ehrgeiz 76 80 Das Recht zwischen Goten und Romanen Könige und Richter als Hüter der Gerechtigkeit und Wahrer des Rechts 84 Maßnahmen zur Prävention von Rechtsverletzungen 96
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Wirtschaftliche Prosperität als Voraussetzung des Friedens 104 Wirtschafts- und Handelsförderung im ostgotischen Italien 104 Zur besonderen Bedeutung der Kaufleute und des Handels 106 Maßnahmen zur Stabilisierung und Förderung der Wirtschaft angesichts sinkender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Engpässen 113 Die Versorgung mit Nahrungsmitteln als Garant innerer Ruhe 127
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Ausblendung und Vermeidung religiöser Konflikte 140 Das Leben katholischer Christen unter ostgotischer Herrschaft Konfliktvermeidung auf rhetorischer Ebene 143
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Inhalt
Religiöse Offenheit der Könige und Nichteinmischen in geistliche Angelegenheiten 149 Rechtliche Gleichstellung und Gleichbehandlung von Arianern und Katholiken in Streitfällen 160 Bischöfe als Stifter und Boten des inneren Friedens 168 Zur besonderen Bedeutung der Geistlichen im Prozess der Friedenswahrung 171 Seelsorgerische und weltlich-politische Aufgaben an 176 Geistliche Einstellung und Haltung zu den im Reich lebenden jüdischen und heidnischen Glaubensgruppen 181 Separation jüdischer Gemeinden zur Vermeidung religiöser Spannungen 183 Verfolgung heidnischer Riten und Bräuche zur Aufrechterhaltung der 195 inneren Ordnung
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Äußere Sicherheit und militärische Planung 206 Bündnisverträge und Diplomatie als Mittel der Friedenspolitik 206 Friedenswahrung durch diplomatische Beziehungen zum Oströmischen 209 Reich und den westlichen regna Vermählungen, Adoptionen und Gesandtschaften als Instrumentarien 228 des Friedens Vorkehrungen zur Verteidigung des inneren Friedens 237 239 Vorkehrungen in Friedenszeiten Maßnahmen gegen Disziplinlosigkeit und Ungehorsam des Heeres 248
Zusammenfassung
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Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen 265 Literatur 266
Ortsregister
300
Personenregister
302
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Vorwort Die vorliegende Studie ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Arbeit, die an der Philipps-Universität Marburg entstanden ist und dort vom Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften im Februar 2020 als Dissertationsschrift angenommen wurde. Großen Dank schulde ich all jenen, die mein Vorhaben auf unterschiedliche Weise unterstützt und mir während meiner Forschungstätigkeit zur Seite gestanden haben. Mein herzlichster Dank gebührt zunächst der Betreuerin meiner Arbeit, Frau Professorin Dr. Verena Epp (Marburg), die mich durch Vorlesungen und Seminare nicht nur für die frühmittelalterliche Geschichte begeisterte, sondern auch das Thema dieses Buches angeregte. Den Fortgang meiner Arbeit verfolgte sie mit großem Interesse und stand mir in zahllosen konstruktiven und schöpferischen Gesprächen immer mit fachkundigen und kritischen Hinweisen zur Seite. Auch in schwierigeren Phasen war sie mir durch aufmunternde und motivierende Worte eine wichtige Hilfe. Herrn Privatdozent Dr. Thomas Wozniak (Tübingen) danke ich für seine Bereitschaft, die Erstellung des Zweitgutachtens zu übernehmen. Seine zahlreichen und detaillierten Anmerkungen sowie fachkundigen Hinweise waren für mich bei der Drucklegung der Arbeit von sehr großem Wert. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Institut für Mittelalterliche Geschichte der Philipps-Universität Marburg danke ich für die unzähligen anregenden Gespräche und fachkundigen Ratschläge beim gemeinsamen Mittagessen, in der Kaffeerunde oder nach Dienstschluss. Besonders danken möchte ich Herrn Dennis Theiß und Herrn Oliver Teufer, die mir stets mit einem offenen Ohr für meine Fragen zur Seite standen und weite Teile beziehungsweise die gesamte Arbeit Korrektur gelesen haben. Für die geduldige und kompetente Betreuung der Publikation seitens des Verlags danke ich Frau Anett Rehner, Frau Julia Sjöberg und Herrn Robert Forke. Meinen Eltern danke ich für die beständige Unterstützung auf meinem bisherigen Werdegang, der ohne sie so nicht möglich gewesen wäre. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Marburg, im Mai 2020
https://doi.org/10.1515/9783110706871-001
Steffen Boßhammer
1 Einleitung 1.1 Die Sicht Cassiodors auf den inneren Frieden: Fragestellung und Ziel der Arbeit Die Ankunft Tausender Menschen in einem fremden Land und damit einhergehende Fragen hinsichtlich der Organisation des Zusammenlebens, der sozialen Integration und der politischen sowie kulturellen Partizipation zählen nicht erst seit der 2015 verstärkt einsetzenden Migrationsbewegung in Richtung Europa zu den dringlicheren Aufgaben der Staats- und Regierungschefs sowie deren Beratern. Im Gegenteil bestimmen diese Herausforderungen in unterschiedlicher Intensität bereits jahrhundertelang das politische Tagesgeschäft, da es schon immer Menschen gab, die aus militärischen, klimatischen, religiösen oder wirtschaftlichen Gründen beschlossen haben beziehungsweise gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen.¹ Die tagesaktuellen Begriffe „Flüchtlinge“ und „Migration“ sind in ihrer Bedeutung folglich keine neuen Phänomene, sondern lassen sich so ohne Weiteres auf eine Zeit übertragen, in der sich das mächtige Römische Reich im Zuge der Migrationsbewegungen verschiedener „germanischer“² Stämme in eine Pluralität neuer Königreiche (regna) trans Diese Annahme bestätigte der 9. Mitteldeutsche Archäologentag vom 20. bis 22. Oktober 2016 in Halle an der Saale. Vgl. hierzu den Sammelband von Harald Meller, Falko Daim, Johannes Krause und Roberto Risch: Meller, Harald/ Daim, Falko/ Krause Johannes/ Risch, Roberto (Hrsg.), Migration und Integration von der Urgeschichte bis zum Mittelalter, Halle 2017. Darüber hinaus liegen eine Reihe weiterer Monographien und Sammelbände vor, die in ihrer Gesamtheit zeigen, dass es sich bei dem Thema „Migration“ um ein universalhistorisches Phänomen von unbestrittener und hochaktueller Relevanz handelt. Vgl. zum Beispiel Rass, Christoph (Hrsg.), Militärische Migration vom Altertum bis zur Gegenwart, Paderborn 2016; Postel, Verena, Die Ursprünge Europas. Migration und Integration im frühen Mittelalter, Stuttgart 2004; Borgolte, Michael (Hrsg.), Migrationen im Mittelalter. Ein Handbuch, Berlin 2014; Bahlcke, Joachim/ Leng, Rainer/ Scholz, Peter (Hrsg.), Migration als soziale Herausforderung, Stuttgart 2011; Gestrich, Andreas/ Kleinschmidt, Harald/ Sonnabend, Holger (Hrsg.), Historische Wanderungsbewegungen. Migration in Antike, Mittelalter und Neuzeit, Münster 1991. Die Verwendung des Begriffs „germanisch“ beziehungsweise „die Germanen“ erweist sich in vielen Fällen als problematisch und irreführend, da ganz unterschiedliche kulturelle Phänomene gemeint sein können. Aus diesem Grund soll der Begriff in der vorliegenden Arbeit lediglich zum Aufzeigen des Gegensatzes zwischen den gentilen Besetzern und den Romanen herangezogen werden. Zum Problem und der aktuellen Diskussion vgl. Pohl, Walter, Vom Nutzen des Germanenbegriffes zwischen Antike und Mittelalter. Eine forschungsgeschichtliche Perspektive, in: Pohl,Walter/ Spinei, Cristina/ Hriban, Catalin (Hrsg.), Eastern Central Europe in the Early Middle Ages. Conflicts, Migrations and Ethnic Processes, Bucuresti 2008, S. 61– 78; Volkmann, Armin/ Koch-Heinrichs, Friederike, Mythos und Forschungsrealität. Wer waren die Germanen?, in: Koch-Heinrichs, Friederike (Hrsg.), Vandalen, Burgunden & Co. Germanen in der Lausitz, Kamenz 2014, S. 12– 23; Jarnut, Jörg, Zum „Germanen“Begriff der Historiker, in: Beck, Heinrich/ Geuenich, Dieter/ Steuer, Heiko (Hrsg.), Altertumskunde, Altertumswissenschaft, Kulturwissenschaft. Erträge und Perspektiven nach 40 Jahren Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Berlin 2012, S. 391– 400; Wiemer, Hans-Ulrich, Theoderich der Große. König der Goten. Herrscher der Römer. Eine Biographie, München 2018, hier: S. 61– 71. https://doi.org/10.1515/9783110706871-002
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1 Einleitung
formierte. Diese Entwicklung prägte die politische, soziale und religiöse Struktur des westeuropäischen Kontinents auf besondere Weise und bildet den historischen Kontext der vorliegenden Arbeit. Die vom vierten bis siebten Jahrhundert andauernden Migrationsprozesse, die in Europa, Nordafrika, Kleinasien, dem Nahen Osten und Palästina eine tiefgreifende politische und soziale Neuordnung des Römischen Reichs zur Folge hatten, werden von der Forschung teilweise bis heute mit der Bezeichnung „Völkerwanderung“ überschrieben. Hierbei handelt es sich jedoch um einen problematischen und in der Geschichtswissenschaft höchst kontrovers diskutierten Begriff, denn die wandernden „Germanen“ waren weder ethnisch, sozial oder demographisch einheitliche „Völker“, noch vollzogen sich ihre Wanderungen zielgerichtet oder zeitgleich.³ Stattdessen waren es stammesähnliche Zusammenschlüsse, die in Folge des sogenannten „Hunnensturms“ im Jahre 375 in Richtung der römischen Reichsgrenzen flohen. Keine dieser Gruppen verstand sich als Eroberer oder dachte zu diesem Zeitpunkt an eine dauerhafte Ansiedlung. Erst in der Wanderzeit in Richtung des Römischen Reiches formierten sich diese Gruppen unter der Führung von Heerkönigen zu den sogenannten gentes. ⁴ Die gentes resultierten dabei aus einem in der neueren Forschung als Ethnogenese bezeichneten Prozess.⁵ Nachdem es den Römern über längere Zeit ge-
Vgl. Steinacher, Roland, Wanderung der Barbaren? Zur Entstehung und Bedeutung des Epochenbegriffs Völkerwanderung bis ins 19. Jahrhundert, in: Wiedemann, Felix/ Hofmann, Kerstin P./ Gehrke, Hans-Joachim (Hrsg.), Vom Wandern der Völker. Migrationserzählungen in den Altertumswissenschaften, Berlin 2017, S. 67– 96; Meier, Mischa, Der Völkerwanderung ins Auge blicken. Individuelle Handlungsspielräume im 5. Jahrhundert n.Chr., Heidelberg 2016; Pohl, Walter, Völkerwanderung, in: Borgolte, Michael (Hrsg.), Migrationen im Mittelalter. Ein Handbuch, Berlin 2014, S. 231– 238; Demandt, Alexander, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284– 565 n.Chr., München 2007. Vgl. Wenskus, Reinhard, Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes, Köln/ Wien 1977; Pohl, Walter, Kingdoms of the Empire. The Integration of Barbarians in Late Antiquity. Transformation of the Roman World, Leiden 1997, S. 1– 13. Es mutet folglich etwas fremd an, wenn die Bezeichnung „Völkerwanderung“ in der aktuellen Berichterstattung und von einzelnen Politikerinnen und Politikern, zum Beispiel von Bodo Ramelow (Die LINKE) am 23.08. 2015 sowie von Ilse Aigner (CSU) am 22.09. 2015, dazu verwendet wird, um gegenwärtige Entwicklungen zu beschreiben. Vgl. Büscher, Wolfgang, Ist das die neue Völkerwanderung?, in: Die Welt (23.08. 2015); Bollmann, Ralph, Die Völkerwanderung, in: FAZ (01.11. 2015). Für eine kritische Betrachtung der Verwendung des Begriffs in aktuellen Zusammenhängen vgl. den von Alexander Demandt verfassten und am 22.01. 2016 in der FAZ erschienen Artikel zum Thema „Untergang des Römischen Reichs. Das Ende der alten Ordnung“. Dieser Paradigmenwechsel vom „Volk“ zur „gens“ hat sich in der neueren Forschung durchgesetzt. Vgl. Pohl, Walter, Barbarische Identität und Ethnogenese, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 312– 313; Wolfram, Herwig, Typen der Ethnogenese. Ein Versuch, in: Geuenich, Dieter (Hrsg.), Die Franken und die Alemannen bis zur „Schlacht bei Zülpich“ (496/97), Berlin 1998, S. 608 – 627; Pohl, Walter, Verlaufsformen der Ethnogenese. Awaren und Bulgaren, in: Pohl,Walter/ Spinei, Cristina/ Hriban, Catalin (Hrsg.), Eastern Central Europe in the Early Middle Ages. Conflicts, Migrations and Ethnic Processes, Bucuresti 2008, S. 275 – 290; Geuenich, Dieter, Die Alamannen von ihrer Ethnogenese bis zum Untergang des Herzogtums
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lungen war, die einsickernden Kriegerscharen mit Siedlungsgebieten außerhalb ihres Reiches zu versorgen und die „Barbaren“⁶ durch Verwendung im römischen Heer nutzbar zu machen, sahen zwischen den Römern und den Heerkönigen geschlossene Verträge (foedera amicitiae) ab dem Ende des vierten Jahrhunderts die Übertragung von Teilen des römischen Territoriums als Gegenleistung für die militärische Verteidigung des Römerreiches vor. Infolgedessen zerfiel das Großreich in den folgenden Jahrzehnten in zahlreiche kleinere Einheiten, woraus sich schließlich die Königreiche der Burgunder, Vandalen, Franken und der West- sowie Ostgoten⁷ entwickelten. Gleichwohl blieb die nominelle Oberhoheit Roms zunächst erhalten.⁸
(746), in: Ade, Dorothee/ Rüth, Bernhard/ Zekorn, Andreas (Hrsg.), Alamannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau, Stuttgart 2008, S. 13 – 21; Castritius, Helmut, Überlegungen zur Herkunft und Ethnogenese der Franken, in: Brather, Sebastian (Hrsg.), Historia archaeologica. Festschrift für Heiko Steuer zum 70. Geburtstag, Berlin 2009, S. 217– 226; Goetz, Hans-Werner, „Gentes“. Zur zeitgenössischen Terminologie und Wahrnehmung ostfränkischer Ethnogenese im 9. Jahrhundert, in: Goetz, Hans-Werner et al. (Hrsg.), Vorstellungsgeschichte. Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungen und Vorstellungen im Mittelalter, Bochum 2007, S. 355 – 390; Berndt, Guido M., Konflikt und Anpassung. Studien zu Migration und Ethnogenese der Vandalen, Husum 2007. Bei diesem Begriff handelt es sich um einen weiteren in der Geschichtswissenschaft kontrovers diskutierten Begriff. Da die Bezeichnung „Barbar“ überwiegend von spätantiken Autoren dafür verwendet wurde, um Nichtrömer zu bezeichnen, erscheint die Anwendung dieses Begriffs deshalb für heutige Untersuchungen als unscharf und daher heikel. Hinzu kommt, dass diese Bezeichnung häufig negativ konnotiert war. Zur Problematik des Begriffs und der aktuellen Diskussion vgl. Steinacher, Wanderungen der Barbaren?, S. 67– 96; Steinacher, Roland, Rom und die Barbaren.Völker im Alpenund Donauraum 300 – 600, Stuttgart 2016; Heather, Peter J., Invasion der Barbaren. Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus, Stuttgart 2011; Meier, Mischa, Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis 8. Jahrhundert n.Chr., München 2019, hier: S. 51– 88. In der modernen Forschung ist es üblich, zwischen West- und Ostgoten zu unterscheiden. Diese Bezeichnungen werden von Herwig Wolfram auf Cassiodor zurückgeführt. Offenbar diente ihm, wie auch Christine Radtki-Jansen in ihrer kürzlich erschienenen Dissertation ausführt, die Nennung dieses geographischen Merkmals zur Unterscheidung beider Stammesteile. So seien für Cassiodor die italischen Goten die Goten schlechthin, während er die in Gallien und Spanien lebenden Goten als „Westgoten“ bezeichnete. Die heute geläufige Bezeichnung „Ostgoten“ war dem Sprachgebrauch der königlichen Kanzlei hingegen fremd, wie auch Hans-Ulrich Wiemer betont. Vgl. Wolfram, Geschichte der Goten, S. 17; Radtki-Jansen, Christine, Ein Herrscher und seine Schreiben. Die Variae Cassiodors im Rahmen der Herrschaftsdarstellung Theoderichs des Großen, ungedruckte Dissertation, Köln 2018, hier: S. 22; Wiemer, Theoderich der Große, S. 71– 83. Diese Zeit des Umbruchs wird heute nicht selten zur Antike gezählt. Eine von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte und von Hans-Ulrich Wiemer initiierte internationale Tagung zum Thema „Theoderich der Große und das gotische Königreich in Italien“ (18.–20. Februar 2016) bestärkte jedoch jüngst die dieser Arbeit zugrundeliegende These, dass es sich insbesondere bei den Bereichen Wirtschaft, Innenpolitik und Gesellschaft um Phänomene handelt, die auf das (frühe) Mittelalter vorausweisen. Insofern versteht sich die vorliegende Darstellung als eine auf althistorischen Befunden aufbauende mediävistische Untersuchung. Vgl. hierzu den Tagungsbericht von Henning Börm, Theoderich der Große und das gotische Königreich in Italien. Vgl. weiterführend Kaiser, Reinhold, Spätantike und Mittelalter – das Problem der Periodenbildung, Kontinuitäten und Brüche, Konzeptionen und Befunde. Versuch einer Zusammenfassung, in: Kölzer, Theo/ Schieffer, Rudolf (Hrsg.), Von der Spät-
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1 Einleitung
Mit der Herrschaftsübernahme in den ihnen zugewiesenen Territorien sahen sich die neuen Machthaber vor das Problem gestellt, das Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu gestalten und zu reglementieren. Sollte ihre Machtausübung von Dauer sein, so galt es, neben der erfolgreichen Abwehr äußerer Bedrohungen, vor allem für ein friedliches Auskommen zwischen der einheimischen romanischen Provinzialbevölkerung und den wenigen Neuankömmlingen zu sorgen.⁹ Vor dieser Herausforderung standen auch der Ostgote Theoderich der Große (451/56 – 526) und seine Nachfolger. Der aus der alten Königsdynastie der Amaler¹⁰ stammende Theoderich kam zusammen mit dem gotischen Heer als magister militum, von Kaiser Zenon († 491) zum patricius und consul erhoben und gleichzeitig als rex Gothorum nach Italien¹¹, wo er nach der offenbar eigenhändigen Ermordung des weströmischen Offiziers Odoaker (ca. 433 – 493) im Jahre 493 in Ravenna (urbs regia)¹² als König über Goten und Romanen regierte.¹³ Das Zusammenleben beider Gruppen gestaltete sich
antike zum frühen Mittelalter. Kontinuitäten und Brüche, Konzeptionen und Befunde, Ostfildern 2009, S. 319 – 338; Wiemer, Theoderich der Große, S. 146 – 153. Vgl. Schäfer, Christoph, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft. Zur Integrationspolitik im Ostgotenreich, in: Klio. Beiträge zur alten Geschichte 83 (2001), S. 182– 197, hier: S. 183; Epp, Verena, Goten und Römer unter Theoderich dem Großen, in: Beer, Mathias/ Kintzinger, Martin/ Krauss, Marita (Hrsg.), Migration und Integration. Aufnahme und Eingliederung im historischen Wandel, Stuttgart 1997, S. 55 – 74, hier: S. 58 – 59. Einen sehr guten Überblick zur ostgotischen Königsfamilie der Amaler liefert Andreas Goltz. Vgl. Goltz, Andreas, Barbar – König – Tyrann. Das Bild Theoderichs des Großen in der Überlieferung des 5. bis 9. Jahrhunderts, Berlin 2008. Zur Vorgeschichte der Ostgoten auf dem Balkan, den Absprachen mit dem oströmischen Kaiserhof und der Wanderung nach Italien vgl. Brodka, Dariusz, Einige Bemerkungen zum Verlauf der Schlacht bei Adrianopel (9. August 378), in: Millenium-Jahrbuch 6 (2009), S. 265 – 280; Albert, Gerhard, Goten in Konstantinopel. Untersuchungen zur oströmischen Geschichte um das Jahr 400 n.Chr., Paderborn 1984; Siebigs, Gereon, Kaiser Leo I. Das oströmische Reich in den ersten drei Jahren seiner Regierung (457– 460 n.Chr.), Berlin/ New York 2010; Heather, Peter J., Goths and Huns 320 – 425, in: Cameron, Averil/ Garnsey, Peter (Hrsg.), The Cambridge Ancient History XIII. The Later Empire, A.D. 337– 425, Cambridge 1998, S. 487– 515; Müller, Willi, Die Herrschaft Theoderichs des Großen vor seinem Zug nach Italien, Greifswald 1892; König, Ingemar, Die Herrschaftsbestätigung Theoderichs des Großen durch die Goten im Jahr 493. Ein spätantikes Rechtsproblem, in: Günther, Rosemarie/ Rebenich, Stefan (Hrsg.), E fontibus haurire. Beiträge zur römischen Geschichte und zu ihren Hilfswissenschaften. Heinrich Chantraine zum 65. Geburtstag, Paderborn 1994, S. 147– 161; Löwe, Heinz, Theoderichs Gepidensieg im Winter 488/489. Eine historisch-geographische Studie, in: Born, Karl Erich (Hrsg.), Historische Forschungen und Probleme. Peter Rassow zum 70. Geburtstage dargebracht von Kollegen, Freunden und Schülern, Wiesbaden 1961, S. 1– 16; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 22– 24; Wiemer, Theoderich der Große, S. 123 – 145; Meier, Geschichte der Völkerwanderung, S. 479 – 497. Zur Wahl Ravennas als Regierungssitz vgl. Augenti, Andrea, Ravenna, die Hauptstadt der Goten, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 261– 263; Wiemer, Theoderich der Große, S. 264 f. Zu den Ereignissen, die zu Theoderichs ungeteilter Herrschaft über Italien führten, vgl. Iordanis Romana et Getica, hrsg. von Theodor Mommsen, Berolini 1882, LVII, 292– 295; Ennodius, Panegyricus dictus Theoderico, hrsg. von Friedrich Vogel, Berlin 1885, 26 f.; Excerpta Valesiana, hrsg. von Ingemar König, Aus der Zeit Theoderichs des Großen. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar einer
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bis zur Rückeroberung der italischen Halbinsel durch den oströmischen Kaiser Justinian I. (ca. 482– 565) als ausgesprochen schwierig, da zu Fragen der Landverteilung und der unterschiedlichen ethnischen Herkunft sowie der jeweiligen Sitten und Bräuche noch divergierende religiöse Ansichten kamen, mit denen es umzugehen galt.¹⁴ Ausschlaggebend war der Umstand, dass Theoderichs Heer aus ca. 10.000 – 12.000 Männern bestand und die Gesamtzahl der Neuankömmlinge damit bei etwa 40.000 – 100.000 Personen lag.¹⁵ In Italien lebte zu der Zeit eine zahlenmäßig um ein Vielfaches größere Bevölkerung, die im Wesentlichen aus Romanen bestand. Folgt man der Schätzung des Althistorikers Josiah Cox Russell, der von einer Einwohnerzahl von knapp vier Millionen Romani ausgeht, dann dürften die Goten Theoderichs lediglich wenige Prozent der Gesamtbevölkerung ausgemacht haben.¹⁶ Alexander Demandt geht davon aus, dass der Anteil der „germanischen“ Einwohner in Italien bei 2– 10 % lag.¹⁷
anonymen Quelle, Darmstadt 1997, S. 49; Procopii Caesariensis opera omnia, hrsg. von Jacob Haury und Gerhard Wirth,Vol. II, De bellis libri V–VIII, Leipzig 1963, BG 6,6,23 – 25 sowie Wolfram, Herwig, Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, München 31990, hier: S. 281– 284; Wolfram, Herwig, Das Reich Theoderichs in Italien und seinen Nebenländern, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 3 – 20, hier: S. 3 – 6; Moorhead, John, Theoderic in Italy, Oxford 1992, hier: S. 17– 31; Wiemer, Hans-Ulrich, Die Goten in Italien. Wandlungen und Zerfall einer Gewaltgemeinschaft, in: Historische Zeitschrift 296 (2013) S. 593 – 628, hier: S. 601 f.; Pohl, Walter, Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration, Stuttgart 2 2005, hier: S. 133; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 24– 33; Wiemer, Theoderich der Große, S. 146 – 192; Meier, Geschichte der Völkerwanderung, S. 512 f. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 634. Hinzu kam, dass Theoderichs Stellung zu Beginn der Herrschaft in Italien keinesfalls gesichert war. Es fehlte Theoderich an Legitimation, da Zenon, mit dem er den Vertrag geschlossen hatte, bereits verstorben war und Anastasius I., der Nachfolger Zenons, den Belangen Italiens nur eine geringe Bedeutung beimaß. Die Verhandlungen über die Anerkennung seiner Herrschaft, die er schon vor der Beseitigung des Odoaker begonnen hatte, zogen sich so bis ins Jahr 497. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde Theoderich offiziell als gotischer König und damit als Herrscher über Italien anerkannt. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 26; Wolfram, Goten, S. 285. Bei dieser Schätzung handelt es sich in der neueren Forschung um weitestgehenden Konsens. Vgl. Ensslin, Wilhelm, Theoderich der Große, München 1959, hier: S. 62 f.; Pohl, Völkerwanderung, S. 132; Heather, Peter J., Theoderic, King of the Goths, in: Early medieval Europe 4 (1995), S. 145 – 173, hier: S. 153; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 66 – 68; Wiemer, Hans-Ulrich, Theoderich der Große und das ostgotische Italien. Integration durch Separation, in: Meier, Mischa (Hrsg.), Sie schufen Europa. Historische Portraits von Konstantin bis Karl dem Großen, München 2007, S. 156 – 174, hier: S. 164; Wiemer, Theoderich der Große, S. 180; Burns, Thomas S., Calculating Ostrogothic Population, in: Acta antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 26 (1978), S. 457– 463; Wolfram, Goten, S. 18. Dazu passen die Angaben Prokops zum römisch-gotischen Krieg, soweit diese nicht auf römischer Propaganda beruhen. Vgl. hierzu Hannestad, Knud, Les forces militaires d’après la Guerre Gothique de Procope, in: Classica et mediaevalia 21 (1960), S. 136 – 183, hier: S. 155 – 171. Vgl. Russel, Josiah Cox, Late Ancient and Medieval Population, Philadelphia 1958, hier: S. 93 f. Vgl. Demandt, Alexander, Antike Staatsformen. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte der Alten Welt, Berlin 1995, hier: S. 614.
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1 Einleitung
Das Verhältnis zwischen gotischen Kriegern und romanischen Zivilisten war von Natur aus spannungsvoll. Der gotische Adel verlangte nach Ehre, Ruhm und Einfluss, während die romanischen Senatoren um ihre Privilegien fürchteten. Hinzu kam, dass den katholischen Bischöfen ihre arianischen Amtskollegen ein Dorn im Auge waren und es darüber hinaus immer wieder zu (rechtlichen) Auseinandersetzungen zwischen dem romanischen und dem ostgotischen Teil der Bevölkerung kam, um nur wenige Beispiele zu nennen.¹⁸ In dieser Hinsicht traf das elementare Interesse jedes Herrschers, seine Macht nach außen und innen zu erhalten sowie weiter auszubauen, mit dem elementaren Interesse seiner Untertanen an einem Leben in Frieden zusammen. Und tatsächlich: Den Bewohnern Italiens brachte die Herrschaft der Ostgoten eine dreiunddreißigjährige Periode weitgehend ungestörten Friedens, da es – sieht man von wenigen Ausnahmen ab – bis zum Beginn des römisch-gotischen Krieges zu keinen feindlichen Angriffen, Belagerungen und Plünderungen kam. Damit war Theoderich und seinen Nachfolgern etwas gelungen, das kein anderer „barbarischer“ Herrscher seiner Zeit geschafft hatte, denn während der Vandale Thrasamund bis zu seinem Tod im Jahr 523 vergeblich versuchte, den Rückgang der königlichen Macht in seinem nordafrikanischen Reich aufzuhalten und es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Zugewanderten und Einheimischen kam und sich die Könige der Burgunder, Thüringer und Heruler schon gar nicht mit den Ostgoten messen konnten, büßte auch das mächtige Frankenreich nach Chlodwigs I. Tod im Jahr 511 an Einfluss ein.¹⁹ Der Vergleich mit anderen gentilen Königreichen führt zu der Frage, was Theoderich und seine Nachfolger anders, vielleicht auch besser machten, um ihre Herrschaft zu festigen. Seit den umfassenden Untersuchungen von Hans-Ulrich Wiemer steht fest, dass die lang andauernde Epoche des Friedens im ostgotischen Italien kein Zufall war, sondern stattdessen einem wohldurchdachten politischen Konzept entsprach.²⁰ Hier konnte Theoderich auf Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator (ca. 485 – 580), in der modernen Forschung kurz Cassiodor genannt, bauen.²¹ Als Berater des Königs war er es, der als eine Art „spin-doctor“ das Regierungsprogramm Theoderichs und seiner Nachfolger formulierte, welches die ethnisch und religiös heterogenen Gruppen des Reichs integrieren und unter einer an spätrömische Vorbilder anknüpfenden civilitas-Programmatik versammeln wollte.²² Erklärtes Ziel der Die genannten und viele weitere Beispiele werden im weiteren Verlauf der Arbeit differenziert ausgeführt. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 627– 634. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große; Wiemer, Integration durch Separation. Vgl. Kakridi, Christina, Cassiodors Variae. Literatur und Politik im ostgotischen Italien, München 2005, hier: S. 1; Wiemer, Theoderich der Große, S. 53. Der Begriff civilitas durchzieht die Variae wie ein roter Faden und ist folglich ein zentrales Element. Seit seinem erstmaligen Vorkommen bei Quintilian bis zu seiner Verwendung in der Spätantike hat der Begriff eine vielschichtige semantische Wandlung durchlaufen. Ausgehend von dem Adjektiv civilis, womit zunächst die Gesetzestreue einer Privatperson gemeint war, wandelte sich civilitas zu einer Herrschertugend. Ein Herrscher erschien dann als gut, wenn er seinen Machtvorteil nicht ausspielte,
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Ostgotenkönige und ihres Ministers war es, den Frieden innerhalb des Reiches zu wahren und gegen äußere Feinde zu verteidigen. Von dieser gelingenden Form des Zusammenlebens von Menschen in einer in Ansätzen staatlich organisierten Gesellschaft²³, einschließlich verschiedener Integrationsstrategien sowie Lösungsansätze für politische Ordnungsfragen, geben insbesondere die Variae ²⁴, eine nachträglich von Cassiodor zusammengestellte Sammlung von offiziellen Schreiben, die er im Auftrag mehrerer ostgotischer Herrscher verfasste und im Jahre 537/38 (spätestens wohl 539/40²⁵) während der Gotenkriege²⁶ gegen Kaiser Justinian I. herausgab²⁷, Aufschluss.
sondern sich an die bestehenden Gesetze hielt. In der Spätantike brachte civilitas die Erwartung zum Ausdruck, dass ein Kaiser sich gegenüber denjenigen, die in seine Nähe kamen, leutselig verhielt. Folglich war hiermit das Gegenteil von Hochmut und Überheblichkeit gemeint. Civilitas war darum kein Begriff der Kanzleisprache und kam in den Sammlungen spätantiker Kaisergesetze nicht vor. Dies änderte sich unter Theoderich grundlegend. Cassiodor nutzte civilitas als Bezeichnung für ein politisches und soziales Ideal, sprich für einen Zustand, in welchem römische Gesetze galten und gesittete Umgangsformen herrschten. Handlungen, die dieser Norm entsprachen, bezeichnete er als civilis oder civiliter, ihr Gegenteil als incivilis oder inciviliter. Das Ideal der civilitas galt dabei für alle Untertanen. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 282 f.; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 81– 83; Wallace-Hadrill, Andrew, Civilis princeps. Between Citizen and King, in: The Journal of Roman Studies 72 (1982), S. 32– 48; Zimmermann, Odo John, The Late Latin Vocabulary of the Variae of Cassiodorus. With special Advertence to the Technical Terminology of Administration, Washington 1944, hier: S. 88, 161, 179; Martino, Paola, Gothorum laus est civilitas custodia, in: Sileno 8 (1982), S. 31– 45; Stüven, Aarne, Rechtliche Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich. Mit vergleichender Berücksichtigung des westgotischen und des burgundischen Rechts, Frankfurt 1995; Saitta, Biagio, La civilitas di Teoderico. Rigore amministrativo, „tolleranza“ religiosa e recupero dell’antico nell’Italia ostrogota, Rom 1993; Reydellet, Marc, Theoderic et la civilitas, in: Carile, Antonio (Hrsg.), Teoderico e i Goti tra Oriente e Occidente, Ravenna 1995, S. 285 – 296; Amory, Patrick, People and Identity in Ostrogothic Italy 489 – 554, Cambridge 1997, hier: S. 43 – 44. Zum Begriff des „Staates“ im frühen Mittelalter vgl. Pohl, Walter/ Wieser, Veronika (Hrsg.), Der frühmittelalterliche Staat. Europäische Perspektiven, Wien 2009. Die Variae bestehen in ihrer Gesamtheit aus 468 thematisch breit gestreuten offiziellen Schriftstücken, die in der Zeit von Cassiodors politischem Wirken zwischen 506 und 538 entstanden. Den Großteil bilden die 369 Briefe, die aus den Regierungszeiten Theoderichs und seiner Nachfolger Amalasuintha beziehungsweise Athalarich, Theodahad und Witigis stammen. Hinzu kommen zwei Vorreden, neun Edikte, 18 Beförderungsschreiben sowie 72 Musterformeln, die vor allem für Ernennungsschreiben genutzt werden sollten. Vgl. Meyer-Flügel, Beat, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor. Leben und Ethik von Römern und Germanen in Italien nach dem Ende des Weströmischen Reiches, Frankfurt 1992, hier: S. 42. Ausführlicher zu den Variae als Quelle und zum Forschungsstand siehe unten S. 21– 31. Vor dem Hintergrund der ausführlichen Untersuchung von Shane Bjornlie, der detailliert ausführt, dass mit den Variae ein politisches Werk Cassiodors vorliegen könnte, wäre auch eine etwas spätere Veröffentlichung denkbar. Bjornlie folgt der These, dass sich Cassiodor während des Krieges in einem senatorischen Umfeld bewegte, über das er Zugang zu den politischen Geschehnissen in Konstantinopel erhielt und mit seinem literarischen Wirken darauf reagierte. Vgl. Bjornlie, Michael Shane, Politics and Tradition between Rome, Ravenna and Constantinople. A Study of Cassiodorus and the Variae, 527– 554, Cambridge 2013, hier: S. 25.
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1 Einleitung
Eine Stichwortsuche in Parallelüberlieferungen ergab, dass in keiner vergleichbaren Quelle aus dieser Zeit das Wort „Frieden“ in einer so großen Anzahl und Dichte vorkommt als in dieser einzigartigen Briefsammlung. Die Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens bestimmte offensichtlich Cassiodors gesamtes Handeln und veranlasste ihn dazu, in den verschiedensten Bereichen des täglichen Zusammenlebens Vorkehrungen zu treffen, um gegenwärtige Missstände zu beseitigen und künftigen Problemen vorzubeugen. Schon im Eröffnungsschreiben der Variae aus dem Jahre 504 an Kaiser Anastasius I., das im Namen Theoderichs verfasst wurde, verwies Cassiodor auf den inneren Frieden als das höchste Ziel der politischen Gemeinschaft (Var. I 1, 1)²⁸: Omni quippe regno desiderabilis debet esse tranquillitas, in qua et populi proficiunt et utilitas gentium custoditur. haec est enim bonarum artium decora mater, haec mortalium genus reparabili successione multiplicans facultates protendit, mores excolit […].
In dieser Passage ist die Auffassung formuliert, dass für jedes politische Gemeinwesen (regnum) der innere Friede (tranquillitas) wünschenswert sei, da dies sowohl der Gesamtheit als auch allen einzelnen Gruppen nutze, die menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten vervielfältige und die Sitten veredele. Es wundert daher wenig, wenn Cassiodor in zahlreichen Schreiben stets die wechselseitigen Vorteile des friedlichen Zusammenlebens in Erinnerung rief und damit den Regierungsanspruch unterstrich, die verschiedenen ethnischen und gesellschaftlichen Gruppen des Ostgotenreichs friedlich integrieren zu wollen. Dieses harmonische Gemeinwesen pries er als das politische Leitziel schlechthin. So ist beispielsweise an anderer Stelle davon zu lesen, dass die Nähe zwischen Goten und Romanen zunächst eine räumliche war, jedoch bald zu einer gefühlsmäßigen Bindung wurde: Romani sicut sunt possessionibus vicini, ita sint et caritate coniuncti (Var. VII 3, 3). Darüber hinaus betonte Cassiodor die Verschmelzung beider Völker durch einvernehmliches und für beide Seiten vorteilhaftes Zusammenleben (Var. II 16, 2– 5). Fast schon beschwörend erinnerte er immer wieder
Zu den Gotenkriegen (535 – 554) vgl. Boss, Roy, Justinian’s Wars: Belisarius, Narses and the Reconquest of the West, Stockport 1993; Heather, Peter J., Goths and Romans, Oxford 1991; Hughes, Ian, Belisarius. The last Roman General, Yardley 2009; Jacobsen, Torsten Cumberland, The Gothic War. Rome’s final Conflict in the West, Yardley 2009; Leppin, Hartmut, Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart 2011; Meier, Mischa, Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n.Chr., Göttingen 2003. Vgl. Bjornlie, Politics and Tradition, S. 19; O’Donnell, James J., Cassiodorus, Berkeley 1979, hier: S. 103; Krautschick, Stefan, Cassiodor und die Politik seiner Zeit, Bonn 1983, hier: S. 11; Giardina, Andrea, Cassiodoro Politico e il progetto delle Variae, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internationale di studi sull’Alto Medioevo Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 45 – 76, hier: S. 55. Um den Lesefluss nicht unnötig zu stören und den Anmerkungsapparat zu entlasten, werden Verweise auf Passagen der Variae in der vorliegenden Arbeit stets im Fließtext angegeben. Aus dem gleichen Grund erfolgen Hinweise auf die Schriftenreihe zitierter Monographien und Sammelbände erst im Literaturverzeichnis.
1.1 Die Sicht Cassiodors auf den inneren Frieden: Fragestellung und Ziel der Arbeit
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daran, dass die Gothi et Romani eine communis res publica hatten, die auf dem gleichgerichteten Streben ihrer Mitglieder aufbaue (Var. VIII 2, 10). Wie eine genaue Analyse der Briefe deutlich macht, verwendete Cassiodor neben der naheliegenden Bezeichnung des Frieden als pax die Synonyme tranquillitas und securitas. Eine Stichwortsuche zeigt, dass der Minister die beiden Begriffe pax und tranquillitas in den Variae vor allem dann nutzte, um den inneren Frieden im eigenen Reich zu beschreiben und Maßnahmen zu dessen Aufrechterhaltung und Wahrung zu begründen. Neben Fragen der gerechten Ansiedlung der Ostgoten in Italien, der gerechten Verwaltung des Zusammenlebens, der gerechten Rechtsprechung und ökonomischen Zusammenhängen, etwa der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, betraf dies auch konfessionelle Streitfragen. Dabei musste er zwischen der Wahrung des inneren Friedens, der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung und notwendigen Einschränkungen der Bedürfnisse balancieren, um Harmonie und Zufriedenheit im Staat zu garantieren. Den Begriff securitas verwendete Cassiodor dagegen vor allem dann, wenn er über Vorkehrungen verfügte, um den inneren Frieden vor äußeren Feinden zu verteidigen, etwa bei dem Befehl, das Heer in Bereitschaft zu versetzen oder auch bei Anordnungen, die den Bau beziehungsweise die Restaurierung von Verteidigungsanlagen betrafen. Auch wenn Cassiodor dies so leider an keiner Stelle der Variae explizit formulierte, so lässt sich aus diesen Beobachtungen doch der Schluss ziehen, dass der innere Frieden in den Augen des Ministers mit der Gerechtigkeit als Grundlage, wirtschaftlicher Prosperität, Ausblendung und Vermeidung religiöser Konflikte sowie äußerer Sicherheit samt militärischer Planung auf vier verschiedenen Elementen beruhte. Von dieser Feststellung ausgehend setzt sich die vorliegende Darstellung das Ziel, nach den dem inneren Frieden zugrundeliegenden Voraussetzungen zu fragen, die in den Augen des Ministers gegeben sein mussten, um ein friedliches und harmonisches Zusammenleben von Goten und Romanen zu erreichen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Analyse und Interpretation der Variae. Die Zusammenstellung der Sammlung sowie die inhaltliche und rhetorische Ausgestaltung der Briefe legen dabei nahe, dass es Cassiodor weniger um theoretische Überlegungen als vielmehr um die Entwicklung ganz konkreter Strategien und Maßnahmen ging, die in die Praxis umgesetzt werden sollten. Diese herauszuarbeiten und vor dem historischen Kontext zu analysieren, bildet das Hauptanliegen der vorliegenden Darstellung. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass es in diesem Zusammenhang nicht darum gehen soll, mit Cassiodor Ereignisgeschichte zu beschreiben. Wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit an mehreren Stellen zeigen wird, legte der Minister Sachverhalte oftmals zu seinen Gunsten aus beziehungsweise verschwieg diese, was es mit den Variae als einzigem Referenzpunkt schwer macht, ereignisgeschichtliche Untersuchungen zu betreiben. Stattdessen steht Cassiodors besonderer Blick auf den inneren Frieden, der, wie bereits erwähnt, auf vier Elementen basierte, im Vordergrund. Erstens: Um den inneren Frieden im Reich aufrechtzuerhalten und zu wahren, galt es unter allen Umständen, Auseinandersetzungen zwischen Neuankömmlingen und Einheimischen zu vermeiden, die sich in den von Cassiodor befürchteten Unruhen
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1 Einleitung
und Aufständen entladen konnten. Eine große Hürde bestand folglich darin, die Ansiedlung und Verteilung der Neuankömmlinge in Italien zu regeln und im Anschluss Grundsätze für ein harmonisches Miteinander zu entwickeln, die in die Praxis umgesetzt werden konnten. Bei der Organisation des Zusammenlebens baute der Minister auf das allgemeine Prinzip der Gerechtigkeit, für die er in seinen Briefen die Begriffe iustitia und aequitas unterschiedslos verwendete, und proklamierte die Wahrung und Erhaltung der bestehenden Ordnung und Gesetze (civilitas) als oberstes Ziel. In der friedlichen Ansiedlung und Versorgung der Goten auf italischem Boden sah Cassiodor das Fundament des inneren Friedens (Var II 16; III 42).²⁹ Die Gerechtigkeit hatte sich vor allem in der Verwaltung des Zusammenlebens, der Steuererhebung und der Rechtsprechung zu bewähren, denn Übergriffe auf fremden Besitz, Korruption, Veruntreuung von Steuergeldern und Rechtsbrüche waren nur wenige Gefahrenquellen, auf die Cassiodor zur Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit und damit des inneren Friedens zu reagieren hatte (Var. VII 3; I 19; II 24; V 14; V 39).³⁰ Dabei setzte er große Hoffnungen auf die spätantike Staatsorganisation mit ihrer hochspezialisierten und vielfach differenzierten Bürokratie, die in Italien nahezu bruchlos fortgesetzt und um eine gotische Administration im Bereich des Militärs erweitert wurde.³¹ In diesem
Auf welche Weise die Goten in Italien angesiedelt wurden, ist in der Forschung nach wie vor höchst umstritten und kontrovers diskutiert. Die Hauptprotagonisten dieser Debatte sind Ernst Theodor Gaupp,Walter Goffart und Jean Durliat.Vgl. Gaupp, Ernst Theodor, Die germanischen Ansiedlungen und Landtheilungen in den Provinzen des römischen Westreiches in ihrer völkerrechtlichen Eigenthümlichkeit und mit Rücksicht auf verwandte Erscheinungen der alten Welt und des späteren Mittelalters, Breslau 1844; Goffart, Walter, Barbarians and Romans. A.D. 418 – 584. The Techniques of Accommodation, Princeton 1980; Durliat, Jean, Le salaire de la paix sociale dans les royaumes barbares (Ve–VIe siècles), in: Wolfram, Herwig/ Schwarcz, Andreas (Hrsg.), Anerkennung und Integration. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Völkerwanderungszeit 400 – 600. Berichte des Symposiums der Kommission für Frühmittelalterforschung, 7. bis 9. Mai 1986 Stift Zwettl, Niederösterreich,Wien 1988, S. 21– 72. Da die Ansiedlung und Versorgung der Goten auf italischem Boden die Grundlage für Cassiodors Vorstellungen des friedlichen Zusammenlebens von Zugewanderten und Einheimischen darstellt und die von ihm getroffenen Maßnahmen hierauf basieren, wird die Diskussion zu Beginn des ersten Kapitels in ihren Grundzügen dargestellt. Zu diesen Herausforderungen vgl. auch Wiemer, Integration durch Separation, S. 164; Wiemer, Theoderich der Große, S. 324; Spielvogel, Hintergründe, S. 6; Castritius, Helmut, Korruption im ostgotischen Italien, in: Schuller, Wolfgang (Hrsg.), Korruption im Altertum. Konstanzer Symposium Oktober 1979, München/ Wien 1982, S. 215 – 238. Zur Verwaltung des Ostgotenreiches vgl. Ausbüttel, Frank M., Die Verwaltung der Städte und Provinzen im spätantiken Italien. Frankfurt am Main 1988, hier: S. 210 – 225; Wolfram, Goten, S. 293; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 174; Postel, Ursprünge, S. 158; Pohl,Völkerwanderung, S. 136; Ensslin, Wilhelm, Das Römerreich unter germanischer Waltung, von Stilicho bis Theoderich, in: Berve, Helmut (Hrsg.), Das neue Bild der Antike, Bd. 2, Rom/ Leipzig 1942, S. 412– 432; Burns, Thomas S., Theoderic the Great and the Concepts of Power in Late Antiquity, in: Acta Classica 25 (1982), S. 99 – 118; Wickham, Chris, The Other Transition. From the Ancient World to Feudalism, in: Past & Present 103 (1984), S. 3 – 36; Maier, Gideon, Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica. Vergleichende Untersuchungen zu den Institutionen der ostgermanischen Völkerwanderungsreiche, Stuttgart 2005; Bar-
1.1 Die Sicht Cassiodors auf den inneren Frieden: Fragestellung und Ziel der Arbeit
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Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Cassiodor die Ansiedlung und Versorgung der Goten organisierte, Besitzstreitigkeiten löste und Unregelmäßigkeiten bei der Steuererhebung und der Rechtsprechung verhinderte. Plädierte er bei der Strafverfolgung für einen Unterschied zwischen Goten und Romanen und wie lässt sich eine gerechte Verwaltung und Justiz in seinen Augen realisieren? Welche Funktion und Bedeutung maß er dabei dem König, den Richtern sowie den Beamten bei und worin sah Cassiodor Auswege aus Bestechlichkeit, Habsucht und Ehrgeiz? Kann man Rechtsverletzungen in seinen Augen präventiv vorbeugen? Zweitens: Eine weitere zentrale Voraussetzung des inneren Friedens sah Cassiodor in der wirtschaftlichen Prosperität Italiens. Die Fruchtbarkeit der Halbinsel und die ökonomische Stabilität waren in seinen Augen wichtige Voraussetzungen für das Wohlergehen des Reiches (Var. IX 10).³² Es nimmt daher wenig Wunder, wenn Lobpreisungen diverser landwirtschaftlicher Erzeugnisse in ihrer Vielzahl und Qualität sowie detaillierte Schilderungen von Herstellungs- und Gewinnungsprozessen die Variae wie ein roter Faden durchziehen. Ökonomische Stabilität setzte Cassiodor an anderer Stelle mit der finanziellen Handlungsfähigkeit des Königs gleich, da ein armer Herrscher, der die Bevölkerung nicht versorgen könne, für die Untertanen eine Gefahr darstelle, wie es in einem Schreiben an Saturninus und Umbisuus heißt (Var. I 19, 1): Indigentiam iuste fugimus, quae suadet excessus, dum perniciosa res est in imperante tenuitas. Speziell diese beiden Textstellen legen den Schluss nahe, dass Cassiodor die Herstellung und Bewahrung des inneren Friedens auch als ökonomische Aufgabe wahrnahm. Dies traf insbesondere auf die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu, da Naturkatastrophen und Kriege nicht selten zu Missernten und damit zu einer Unterversorgung führten.³³ In diesem Zusammenhang stellt sich die
nish, Samuel J. B., Transformation and Survival in the Western Senatorial Aristocraty, c. A.D. 400 – 700, in: Papers of the British School at Rome 56 (1988), S. 120 – 155; Schäfer, Christoph, Der weströmische Senat als Träger antiker Kontinuität unter den Ostgotenkönigen (490 – 540 n.Chr.), St. Katharinen 1991; Schmidt, Ludwig, Die comites Gothorum. Ein Kapitel zur ostgotischen Verfassungsgeschichte, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 40 (1925), S. 127– 134; Tabata, Koyoko, I comites Gothorum e l’amministrazione municipale in epoca Ostrogota, in: Carrié, JeanMichel/ Testa, Rita Lizzi (Hrsg.), Humana sapit. Études d’antiquité tardive offertes à Lellia Cracco Ruggini, Turnhout 2002, S. 67– 78. Zur Wirtschaft im Ostgotenreich vgl. Claude, Dietrich, Studien zu Handel und Wirtschaft im italischen Ostgotenreich, in: Münstersche Beiträge zur antiken Handelsgeschichte 15 (1996), S. 42– 75; Claude, Dietrich, Der Handel im westlichen Mittelmeer während des Frühmittelalters. Bericht über ein Kolloquium der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas im Jahre 1980, Göttingen 1985, S. 9 – 30; Arslan, Remanno, Wirtschaft, Steuern und Münzwesen in den römisch-barbarischen Königreichen, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren, München 2008, S. 291– 297; Hendy, Michael Frank, From Public to Private. The Western Barbarian Coinages as a Mirror of the Desintegration of Late Roman State Structures, in: Viator 19 (1988), S. 29 – 78; Zu den reziproken Konsequenzen zwischen Naturkatastrophen und Kriegen auf der einen und der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln auf der anderen Seite vgl. Gestrich, Andreas, Hungersnöte. Verarmung – Entfremdung – Gegenmaßnahmen, in: Gestrich, Andreas/ Raphael, Lutz
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Frage, wie Cassiodor die Wirtschaft im ostgotischen Italien fördern wollte, um stabile Verhältnisse zu erreichen. Welche Bedeutung maß er dabei dem Handel und den Kaufleuten bei? Was unternahm er gegen die allgemein sinkende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Italiens? Welche Maßnahmen und Strategien entwickelte er, um Versorgungsengpässen und damit Aufständen und Unruhen vorzubeugen und die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen? Drittens: Während die in Italien lebenden Romanen überwiegend dem katholischen Glauben folgten, gehörten die Ostgoten dem arianischen beziehungsweise homöischen Glaubensbekenntnis an.³⁴ Hinzu kamen größere jüdische Gemeinden³⁵ sowie eine zahlenmäßig nicht näher bestimmbare Anzahl an Menschen, die ungeachtet dessen, dass dies unter drakonischer Strafe stand, auch weiterhin im Verborgenen heidnische Riten und Bräuche vollzog.³⁶ Ausgehend vom Zahlenverhältnis zwischen Zugewanderten und Einheimischen resultierte hieraus eine immense Her-
(Hrsg.), Inklusion/ Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 2004, S. 233 – 243; Franklin-Lyons, Adam, Modern Famine Theory and the Study of Pre-Modern Famines, in: Benito, Monclús, Pere (Hrsg.), Crisis alimentarias en la Edad Media. Modelos, explicaciones y representaciones, Lleida 2013, S. 33 – 45; Silva, Marcelo Cândido da, Public Agents and the Famine in the First Centuries of the Middle Ages, in: Varia Historia. Revista do Departamento de História 32 (2016), S. 779 – 805. Es ist üblich, das religiöse Bekenntnis nicht-katholischer Christen mit der Fremdbezeichnung „arianisch“ beziehungsweise „homöisch“ zu belegen. Beide Bezeichnungen meinen das Gleiche, da der zentrale Unterschied zwischen Arianern beziehungsweise Homöern und Katholiken darin besteht, dass erstere nicht daran glaubten, dass Gott und Christus wesensgleich waren. Kern dieses Standpunktes ist, dass Gott selbst nicht gezeugt und aus diesem Grund ohne Ursprung sei. Der Sohn Gottes könne daher nicht Gott im selben Sinn wie der Vater sein. Da die theologische Differenzierung zwischen „Arianern“ und „Homöern“ für die Themenstellung dieser Arbeit keine tiefere Relevanz besitzt und angesichts der Tatsache, dass es in der Forschung durchaus üblich ist, die Begriffe „Arianer“ und „Katholik“ zur Unterscheidung der beiden christlichen Konfessionen zu benutzen, wird dieser Sprachgebrauch auch in dieser Arbeit beibehalten.Vgl.Wiemer, Theoderich der Große, S. 473; Wiemer, Die Goten in Italien, S. 606; Glaser, Franz, Die Goten und der Arianismus im Alpen-Adria-Raum, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 238 – 241, hier: S. 238; Schäferdieck, Knut, Die Anfänge des Christentums bei den Goten und der sog. Gotische Arianismus, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 112 (2001), S. 295 – 310. Vgl. Noethlichs, Karl Leo, Die Juden im christlichen Imperium Romanum (4.–6. Jahrhundert), Berlin 2001; Noethlichs, Karl Leo, Die Juden im christlichen Imperium Romanum, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 255 (2003), S. 72– 76; Noethlichs, Karl Leo, Das Judentum von der Spätantike bis zur Zeit Karls des Großen, in: Ex Oriente. Isaak und der weiße Elefant Tl. 3 (2003), S. 68 – 77; NemoPekelman, Capúcine, Rome et ses citoyens juifs (Ive–Ve siécles), Paris 2015; Blumenkranz, Bernhard, Juifs et chrétiens dans le monde occidental, 430 – 1096, Paris 2007; Hartmann, Andreas, Rom und die Juden. Eine Beziehung zwischen Hass und Faszination, in: Schreiber, Waltraud (Hrsg.), Kontakte – Konflikte – Kooperationen. Der Umgang mit Fremden in der Geschichte, Neuried 2001, S. 77– 116; Baltrusch, Ernst, Die Juden und das Römische Reich. Geschichte einer konfliktreichen Beziehung, Darmstadt 2002; Schall, Ute, Die Juden im Römischen Reich, Regensburg 2002. Vgl. Brown, Peter Robert Lamont, Die letzten Heiden. Eine kleine Geschichte der Spätantike, Berlin 1986; Goerlitz, Uta/ Haubrichs, Wolfgang (Hrsg.), Integration oder Desintegration? Heiden und Christen im Mittelalter, Stuttgart 2009.
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ausforderung für die Herstellung und Bewahrung des inneren Friedens im Reich, da sowohl zwischen Arianern und Katholiken als auch zwischen Christen und Juden sowie zwischen Christen und Heiden ein religiös aufgeladenes Spannungsverhältnis vorherrschte, woraus im Ostgotenreich wiederholt Konflikte und Auseinandersetzungen resultierten.³⁷ Sollte der innere Frieden im Reich von Dauer sein, so erkannte Cassiodor, dass er für ein gutes und einträgliches Verhältnis zwischen den beiden christlichen Glaubensgruppen sorgen musste (Var. II 29; II 27, 2; X 26). Außerdem musste er einen Weg finden, um mit den im Reich lebenden Juden und Heiden umzugehen. Da es Cassiodor zufolge unter allen Umständen galt, Spannungen zu vermeiden, stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Maßnahmen und Herangehensweisen er entwickelte, um die von ihm befürchteten Ausschreitungen, Übergriffe und Unruhen zwischen den Glaubensgruppen abzumildern beziehungsweise ganz zu vermeiden. Wie organisierte er katholisches Leben unter ostgotischer Herrschaft? Waren Katholiken und Arianer in seinen Augen rechtlich gleichzustellen und wie drückt sich seine Strategie, Konflikte zu vermeiden, auf der rhetorischen Ebene seiner Briefe aus? Welche Funktion und Bedeutung maß er in diesem Zusammenhang dem König und den Bischöfen des Reiches bei und wie war mit den seiner Meinung nach im Glauben irrenden Juden und Heiden umzugehen, um größere religiöse Spannungen zu vermeiden? Viertens: Nach der Übernahme der Herrschaft in Italien standen Theoderich und seine Nachfolger nicht nur vor der Aufgabe, das Zusammenleben von Goten und Romanen zu organisieren und reglementieren, sondern auch vor der Herausforderung, ein Reich mit mehrheitlich romanischer Bevölkerung und einer nur geringen Zahl von Goten gegen äußere Feinde zu sichern.³⁸ Gefahren drohten nicht nur von Ostrom (Var. I 1; VIII 1; X 1; X 19), sondern auch die Verteilungskämpfe der gentes in Gallien konnten Auswirkungen auf Italien haben und die Sicherheit seiner Grenzen beeinträchtigen (Var. II 41; III, 1– 4). Die Verteidigung des Königreiches gegen äußere
Zum Spannungsverhältnis zwischen den Glaubensgruppen vgl. Schwarzc, Andreas, Beato Petro devotissimus ac si catholicus. Überlegungen zur Religionspolitik Theoderich des Großen, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 112 (2004) S. 36 – 52; Brown, Thomas S., The Role of Arianism in Ostrogothic Italy – The Evidence from Ravenna, in: Barnish, Sam/ Marazzi, Federico (Hrsg.), The Ostrogoths. From the Migration Period to the Sixth Century, Woodbridge 2007, S. 417– 441; Hahn, Johannes, Gewalt und religiöser Konflikt. Studien zu den Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.), Berlin 2004. Zur Außenpolitik des Ostgotenreiches vgl. Claude, Dietrich, Universale und partikulare Züge in der Politik Theoderichs, in: Francia 6 (1978), S. 19 – 58; Claude, Dietrich, Theoderich d. Gr. und die europäischen Mächte, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 21– 44; Wolfram, Herwig, Das Reich Theoderichs in Italien und seinen Nebenländern, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 3 – 20.
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Gefahren, die in gotischen Händen lag, war in Cassiodors Augen eine wichtige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens im Reich. Dieser war wiederum Voraussetzung für eine Stabilitätspolitik nach außen. Es nimmt folglich wenig Wunder, wenn Cassiodor dem Aufbau diplomatischer Beziehungen zu den benachbarten regna und zum Oströmischen Reich in den Variae breiten Raum zugestand und betonte, dass die Bündnispolitik ebenso wie die Versuche, den unmittelbaren Raum um Italien durch Vermittlungsversuche zu befrieden, notwendige Voraussetzung waren, das friedliche und harmonische Zusammenleben von Goten und Romanen nicht durch Kriege zu gefährden (Var. IV 1; V 43; IV 2). Erst wenn die iustitia, das heißt der Ausgleich, keine Chance mehr habe, solle man zu den Waffen greifen (Var. III 1, 2): Moderatio provida est, quae gentes servat: furor autem instantia plerumque praecipitat et tunc utile solum est ad arma concurrere, cum locum apud adversarium iustitia non potest invenire. Um Italien im Kriegsfall verteidigen zu können, maß Cassiodor den schon in Friedenszeiten getroffenen Vorkehrungsmaßnahmen, wie beispielsweise Waffenübungen sowie dem Bau und der Restaurierung von Verteidigungsanlagen, eine zentrale Bedeutung bei (Var. I 24; I 40; III 49; XII 17; I 17). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Cassiodor den Aufbau von Bündnisverträgen auf der inhaltlich-gestalterischen Ebene seiner Briefe gestaltete. Welche Argumente griff er beispielsweise auf, um den oströmischen Kaiser und die Könige der Westgoten, Franken und der Heruler von diplomatischen Vereinbarungen zu überzeugen? Machte er in der rhetorischen Gestaltung der Schreiben einen Unterschied zwischen gentilen Königen und dem oströmischen Kaiser? Welche Funktion und Bedeutung maß er in diesem Zusammenhang Vermählungen zwischen den Herrscherfamilien, Adoptionen und Gesandtschaften bei und wie sah Cassiodor die gotischen Soldaten, die die Aufgabe hatten, den inneren Frieden gegen äußere Feinde zu verteidigen? Insbesondere die vier verschiedenen Elemente deuten darauf hin, dass Cassiodor dafür plädierte, Goten und Romanen zu einem einheitlichen „Volk“ werden zu lassen. Zwar beruft sich Hans-Ulrich Wiemer in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf Cassiodor und die Variae und doch vertritt der Althistoriker die Auffassung, dass das Herrschaftskonzept der Ostgoten nicht darauf abzielte, „Goten und Römer zu einem Volk zu verschmelzen.“ Stattdessen hätten die Goten danach gestrebt, „eine soziale Scheidewand zwischen Eroberern und Einheimischen zu errichten.“³⁹ Diese Schlussfolgerung, die Wiemer zu der These „Integration durch Separation“ zuspitzt, steht Cassiodors Anliegen diametral gegenüber. Gleichwohl ist in diesem Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen, dass Theoderich seine Untertanen in zwei Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben einteilte. Während die Goten als Krieger Italien vor Feinden sichern sollten, sollten die Romanen als Zivilisten leben.
Wiemer, Theoderich der Große, S. 197.
1.2 Cassiodor – Ein Autor und sein (Lebens‐)Werk: Thematischer Forschungsüberblick
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Dieser Umstand wurde mehrfach von Cassiodor lobend erwähnt. Allerdings ging es Cassiodor, wie im weiteren Verlauf der Darstellung deutlich werden wird, nicht darum, beide Gruppierungen voneinander zu separieren, sondern im Gegenteil darum, anstelle einer friedlichen Koexistenz ein friedliches Zusammenleben zu erreichen. Dass es sich bei den vorangestellten Überlegungen um einen lohnenden Untersuchungsgegenstand handelt, lässt sich in erster Linie daran festmachen, dass seine Strategien und Maßnahme offenbar von Erfolg gekrönt waren, da aus dem Ostgotenreich keine größeren Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Zugewanderten bekannt sind. Parallelüberlieferungen wie die des Anonymus Valesianus preisen die Zeit im Gegenteil als Wohltat: Felicitas est secuta Italiam per annos triginta ita, ut etiam pax pergentibus esset. ⁴⁰ Hinzu kommt, dass die religiösen, politischen und kulturellen Herausforderungen des sechsten Jahrhunderts, wie sie Cassiodor zu bewältigen hatte, im Mittelalter in unterschiedlicher Intensität auch in anderen europäischen Regionen und späteren Epochen wieder auftauchen und sich interessante Parallelen und Unterschiede ergeben. Angefangen von den bereits erwähnten Migrationsphänomenen samt der Integration heterogener Bevölkerungsgruppen und politischen Auseinandersetzungen zwischen Zugewanderten und Einheimischen reichen diese bis hin zur Auswahl und Verbreitung gesellschaftlicher Werte und der Entwicklung einer Mischkultur samt Mehrsprachigkeit.
1.2 Cassiodor – Ein Autor und sein (Lebens‐)Werk: Thematischer Forschungsüberblick Cassiodor stammte aus einer vornehmen süditalienischen Familie syrischen Ursprungs. Selbige gehörte seit dem späten fünften Jahrhundert zur römischen Führungsschicht.Von 514 bis 540 lässt sich die Karriere Cassiodors von König Theoderich, dessen Tochter und Regentin Amalasuintha († 30. April 535), den Königen Athalarich (516 – 534), Theodahad (um 480 – 536) und Witigis († 542) bis hin zur Kapitulation vor Belisar (um 505 – 565) und dessen oströmischen Truppen nachzeichnen.⁴¹ Mit dem unterlegenen Witigis gelangte Cassiodor vermutlich nach Konstantinopel. Nach mehrjährigem Aufenthalt in der Kaiserstadt kehrte er schließlich nach Italien zurück und beendete seine Teilhabe an der aktiven Politik.⁴² Stattdessen wandte er sich den
Exc. Val. 59. Zu Cassiodors Herkunft und Beginn seiner politischen Laufbahn vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 34– 42; Krautschick, Cassiodor, S. 12– 14; Alonso-Núñez, José Miguel/ Gruber, Joachim, Art. Cassiodor(us), in: Lexikon des Mittelalters 2, München/ Zürich 1983, Sp. 1551– 1554; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 48 – 50; Wiemer, Theoderich der Große, S. 53 – 55. Trotz seiner Zuwendung zu einem christlichen, auf das eigene Seelenheil ausgerichteten Leben blieb Cassiodor dem weltlichen Italien zeitlebens eng verbunden.Vgl. Barnish, Samuel J. B., The Work of Cassiodorus after his Conversion, in: Latomus 48 (1989), S. 157– 187; Cameron, Averil, Cassiodorus Deflated, in: Journal of Roman Studies 71 (1981), S. 183 – 186; Aricó, Giuseppe, Cassiodoro e la cultura
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christlichen Studien zu und gründete auf den väterlichen Gütern in Kalabrien das Kloster Vivarium, wo er bis zu seinem Tod lebte und viele Jahre als Schriftsteller und geistiger Leiter seiner Mönche tätig blieb.⁴³ Unter biographischem Aspekt wurde Cassiodors Rückzug nach Vivarium⁴⁴, den er selbst als conversio umschrieb, häufig als drastische Wende in seinem Leben gewertet.⁴⁵ Die Untersuchungen von Stefan Krautschick und Christina Kakridi kommen dagegen zu dem Ergebnis, dass Cassiodors politisches Wirken und das monastische Leben in Süditalien keinen Gegensatz bildete.⁴⁶ Hierzu passt, dass er lange vor Ausbruch des Krieges plante, zusammen mit Papst Agapitus († 536) in der Stadt Rom eine theologische Hochschule zu gründen. Ziel einer solchen Tätigkeit war es, theologische und rhetorische Studien miteinander zu verbinden.⁴⁷ Bereits in Cassiodors Werken aus seiner aktiven politischen Zeit ist der christliche Einfluss – insbesondere in der Schrift De anima ⁴⁸ – unübersehbar. Zu nennen sind neben der Chronica ⁴⁹, einer Weltchronik, die er anlässlich des Konsulats
latina, in: Leanza, Sandro (Hrsg.), Flavio Magno Aurelio Cassiodoro. Atti della settimana di Studi (Cosenza-Squillace, 19 – 24 settembre 1983), Soveria Mannelli 1984, S. 154– 178, hier: S. 158 f.; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 3. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 1. Da das Leben in Vivarium für die vorliegende Darstellung keine größere Relevanz hat, soll an dieser Stelle nicht weiter auf Cassiodors Wirken an diesem Ort eingegangen werden. Vgl. hierzu Jenal, Georg, (Flavius) Magnus Cassiodorus Senator (ca. 485-ca. 580 n.Chr.), in: Ax, Wolfram (Hrsg.), Lateinische Lehrer Europas. Fünfzehn Portraits von Varro bis Erasmus von Rotterdam, Köln 2005, S. 217– 246; Jenal, Georg, Italia ascetica atque monastica. Das Asketen- und Mönchtum in Italien von den Anfängen bis zur Zeit der Langobarden (ca. 150/250 – 604), Stuttgart 1995; Courcelle, Pierre, Le site du monastère de Cassiodore, in: Mélanges d’Archéologie et d’Histoire de l’Ecole française de Rome 55 (1938), S. 259 – 307; Klauser, Theodor, War Cassiodors Vivarium ein Kloster oder eine Hochschule?, in: Lippold, Alfred (Hrsg.), Bonner Festgabe Johannes Straub. Zum 65. Geburtstag am 18.10.1977 dargebracht von Kollegen u. Schülern, Bonn 1977, S. 413 – 420; O‘Donnell, Cassiodorus, S. 177– 222; Troncarelli, Fabio, Vivarium. I libri, il destino, Steenbrugge 1998. Vgl. Franz, Adolph, M. Aurelius Cassiodorus Senator. Ein Beitrag zur theologischen Literatur, Breslau 1872; Schneider, Fedor, Rom und Romgedanke im Mittelalter. Die geistigen Grundlagen der Renaissance, München 1926; O’Donnell, Cassiodorus; Jenal, Cassiodorus Senator, S. 219 f. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae; Krautschick, Cassiodor. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 623. Liber Magni Aurelii Cassiodori Senatoris de anima, hrsg. von James W. Halporn (= CCSL 96), Turnhout 1973, S. 500 – 575. Zum Aufbau, dem Inhalt und der Rezeption dieses Werkes vgl. Hofinger, Maximilian, Cassiodors und Tertullians „De anima“, Wien 1970; Halporn, James Werner, The Manuscripts of Cassiodorus‘ De anima, in: Traditio 15 (1959), S. 385 – 387; Halporn, James Werner, Magni Aurelii Cassiodori senatoris Liber de anima. Introduction and Critical Text, in: Traditio 16 (1960), S. 39 – 109; Bjornlie, Politics and Tradition, S. 23. Chronica minora saec.IV. V. VI. VII., hrsg. von Theodor Mommsen (= MGH AA 11), Berlin 1894, S. 120 – 161. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um eine Konsulliste, die auf Autoren wie Livius, Eusebius und auch Hieronymus basiert. Zum Aufbau, dem Inhalt und der Rezeption dieses Werkes vgl. Christensen, Arne Søby, Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths. Studies in a Migration Myth, Kopenhagen 2002; Bratu, Christian, Chroniken im mittelalterlichen Italien – Ein Überblick, in: Wolf, Gerhard/ Ott, Norbert H. (Hrsg.), Handbuch Chroniken des Mittelalters, Berlin/ Boston 2016, S. 707– 742, hier S. 711.
1.2 Cassiodor – Ein Autor und sein (Lebens‐)Werk: Thematischer Forschungsüberblick
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des Eutharich († um 523) im Jahre 519 verfasste, auch das Spätwerk De orthographia ⁵⁰, das er im Alter von 93 Jahren schrieb. Die weiteste Verbreitung im Mittelalter erfuhren seine Psalmenkommentare⁵¹ und die Institutiones divinarum et saecularium litterarum ⁵². Neben den Variae ⁵³, die an späterer Stelle der Einleitung noch ausführlicher vorgestellt werden, ist als weiteres Werk Cassiodors heute verlorene Historia Gothica ⁵⁴ als Quelle für die gotische Ethnogenese zu nennen. Während seiner aktiven Amtszeit wurde Cassiodor als hoher, stets im Hintergrund agierender Staatsmann des Ostgotischen Reiches geschätzt, dem er mit seinen etwa 95 Jahren Lebenszeit einen beträchtlichen Teil seines Wirkens und seines literarischen Schaffens widmete. Gemeinsam mit den Kirchenvätern Augustinus von Hippo (354– 430) und Papst Gregor dem Großen (ca. 540 – 604), aber auch dem einflussreichen Bischof Isidor von Sevilla (ca. 560 – 636), gehörte er zu den prägendsten Gestalten
De orthographia, hrsg. von Heinrich Keil, in: Grammatici latini, Bd. 7, Scriptores de orthographia, Leipzig 1878, S. 143 – 210. Zum Aufbau, dem Inhalt und der Rezeption dieses Werkes vgl. Biville, Frédérique, Normes orthographiques et oralité dans la latinita tardive. Le latin du De Orthographia de Cassiodore, in: Latin vulgaire – latin tardif 8 (2008), S. 381– 391; Stoppacci, Patrizia, Le fonti del De orthographia di Cassiodoro. Modalità di ricezione e fruizione, in: Latin vulgaire – latin tardif 9 (2012), S. 739 – 752; Polara, Giovanni, L’enciclopedismo di Cassiodoro dai „Chronica“ al „De orthographia“, in: Giornate Filologiche „Francesco della Corte“ 3 (2003), S. 187– 205. Expositio Psalmorum, hrsg. von Marcus Adriaen (= CCSL 97– 98), Turnhout 1958. Zum Aufbau, dem Inhalt und der Rezeption dieses Werkes vgl. Courtés, Jean-M., Figures et tropes dans le psautier de Cassiodore, in: Revue des études latines 42 (1964), S. 361– 375; Schlieben, Reinhard, Christliche Theologie und Philologie in der Spätantike. Die schulwissenschaftlichen Methoden der Psalmenexegese Cassiodors, Berlin 1974; Schlieben, Cassiodors Psalmenexegese. Eine Analyse ihrer Methoden als Beitrag zur Untersuchung der Geschichte der Bibelauslegung der Kirchenväter und der Verbindung christlicher Theologie mit antiker Schulwissenschaft, Göppingen 1979; Magnano, Fiorella, La teologia ’topica’ dell’Expositio Psalmorum di Cassiodoro, in: La teologia dal V all’VIII secolo fra sviluppo e crisi: XLI Incontro di studiosi dell’antichità cristiana (Roma, 9 – 11 maggio 2013), Rom 2014, S. 361– 394; Simonetti, Manlio, L’expositio psalmorum di Cassiodoro, in: Cassiodorus 4 (1998), S. 125 – 139; Hahner, Ursula, Cassiodors Psalmenkommentar. Sprachliche Untersuchungen, München 1973. Cassiodori Senatoris Institutiones, hrsg. von R.A.B. Mynors, Oxford 1937. Zum Aufbau, dem Inhalt und der Rezeption dieses Werkes vgl. Stone, Harold, The Polemics of Toleration. The Scholars and Publishers of Cassiodorus’ Variae, in: Journal of the History of Ideas 46 (1985), S. 147– 165; Thurn, Hans, Handschriftenstudien zu Cassiodors Institutiones, in: Codices manuscripti 12 (1986), S. 142– 144; Bürsgens, Wolfgang, Cassiodor. Institutiones divinarum et saecularium litterarum, Freiburg i. Br. 2003; Schultheiß, Jochen, Cassiodor. Institutiones divinarum et saecularium litterarum, in: Wischmeyer, Oda/ Durst, Michaela (Hrsg.), Handbuch der Bibelhermeneutiken.Von Origenes bis zur Gegenwart, Berlin 2016, S. 97– 110. Cassiodori Senatoris Variae, hg. von Theodor Mommsen (= MGH, Scriptores, Auctores antiquissimi 12), Berlin 1894, S. 1– 385; Magni Aurelii Cassiodori Variarum libri XII, hg. von Åke J. Fridh (= CCSL 96), Turnholti 1973, S. 1– 499. Dieses Werk soll aus insgesamt zwölf Büchern bestehen. Jordanes hat einen Auszug daraus mit dem Titel „De origine actibusque Getarum“ angefertigt. Vgl. Tönnies, Bernhard, Die Amalertradition in den Quellen zur Geschichte der Ostgoten. Untersuchungen zu Cassiodor, Jordanes, Ennodius und den Excerpta Valesiana, Hildesheim 1989, hier: S. 5; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 2; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 18; Christensen, Cassiodorus.
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jener Zeit, in der sich das auseinanderbrechende Weströmische Reich in neue christliche regna transformierte.⁵⁵ Am Übergang von der Antike zum Mittelalter lebend, überschritt Cassiodor im Laufe seines Lebens immer wieder Grenzen, die sich dem heutigen Betrachter als „unversöhnliche Gegensätze“⁵⁶ darstellen. Er vereinte in seiner Person den Kontrast zwischen dem Alten und dem Neuen – dem Römischen und dem „Barbarischen“ – und stellte sich dem Auseinanderbrechen des Römischen Reiches mit einer zukunftsorientierten, christlichen Überzeugung entgegen. Diese politische und kulturelle Vermittlungstätigkeit wie sie Cassiodor auszeichnete, hatte im Mittelalter kaum ihresgleichen gefunden. Cassiodors Bedeutung als Politiker, Ratgeber und geistiger Vermittler wurde und wird von der Forschung allerdings oft zu Unrecht marginalisiert und auf wenige Aspekte beschränkt. Der Umstand, dass er gleich vier aufeinanderfolgenden Herrschern diente und jeden von diesen wortreich pries, führte dazu, dass er bis heute zu den umstrittensten Gestalten der Geschichte gehört. Stefan Krautschick bringt es auf den Punkt, wenn er formuliert: Nicht zuletzt Cassiodors eigene Beiträge rücken Italien in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts in das helle Licht der Geschichte. Auf ihn selbst aber fällt ein merkwürdiger Schatten, der nur hin und wieder von einzelnen Lichtstrahlen durchbrochen wird.⁵⁷
Es nimmt folglich wenig Wunder, wenn Cassiodor in der Literatur mit den unterschiedlichsten Bezeichnungen bedacht wurde. Bewahrer der römischen Kultur, Verräter an der römischen Sache, Theologe, Politiker und erster mittelalterlicher Mensch sind nur wenige dieser Äußerungen.⁵⁸ Für die immer nur unter spezifischen Blickwinkeln erfolgende Wahrnehmung Cassiodors und seines Lebensweges ist es bezeichnend, dass eine moderne Monographie, die ihn in seiner Gesamtheit beleuchtet, erst im Jahr 1979 erschienen ist.⁵⁹ Diese von James J. O’Donnell verfasste Untersuchung ist allerdings insgesamt negativ aufgenommen worden, was wohl dem Umstand geschuldet ist, dass der Autor die Werke aus Cassiodors politisch aktiver Zeit vergleichsweise abschätzig behandelt und den Fokus stattdessen auf sein späteres Engagement und Wirken im Kloster Vivarium legt.⁶⁰
Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 10. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 1. Krautschick, Cassiodor, S. 1. Vgl. Franz, M. Aurelius Cassiodorus Senator; Hartmann, Ludo Moritz, Cassiodor, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft 3/2, Stuttgart 1899, Sp. 1672– 1676; Schneider, Rom und Romgedanke im Mittelalter; Giardina, Andrea, Cassiodoro politico, Rom 2006; Hafner, German, Cassiodor. Ein Leben für kommende Zeiten, Stuttgart 2002. Eine ausführliche Sammlung verschiedener Meinungen findet sich bei Stefan Krautschick. Vgl. Krautschick, Cassiodor, S.1– 4. Vgl. O’Donnell, Cassiodorus. Vgl. Cameron, Cassiodorus Deflated, S. 183 – 186.
1.2 Cassiodor – Ein Autor und sein (Lebens‐)Werk: Thematischer Forschungsüberblick
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Eine vergleichbar negative und nur wenige Facetten umfassende Sichtweise auf Cassiodor und dessen Wirken lässt sich aus den dieser Publikation vorausgegangenen Monographien der Historiker Friedrich August Wilhelm Thorbecke, Adolph Franz sowie Joseph Jacobus van den Besselaar herauslesen.⁶¹ Diese einseitige Sichtweise wird Cassiodor und dessen Wirken jedoch keinesfalls gerecht. Wie sich im weiteren Verlauf der vorliegenden Darstellung herauskristallisiert, zählt Cassiodor zu den wohl prägendsten Gestalten einer Phase europäischer Geschichte, die zur Herausbildung des heutigen Europas führte. Insbesondere Andrea Giardina⁶², der in verschiedenen Untersuchungen der Frage nach dem „Cassiodoro politico“ nachgegangen ist, und Shane Bjornlie⁶³, der Cassiodors politisches Streben in den Fokus seiner Studien rückte, lassen Cassiodor in diesem deutlich positiveren Licht erscheinen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch Samuel J. B. Barnish⁶⁴, der einen umfassenden Einblick in das Leben und Wirken Cassiodors bietet. Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein an diese Untersuchungen anknüpfenden Beitrag und möchte zeigen, dass Cassiodor durch seinen Blick auf den inneren Frieden nicht nur die Politik des Ostgotenreichs, sondern die Politik seiner Zeit insgesamt nachhaltig prägte. Langfristig gesehen ließ ihn dies zu einem wichtigen Mediator werden, der sich in der „Völkerwanderungszeit“ als einer der wenigen diesen dringlichen und noch heute aktuellen Fragen zuwandte. Diese herausragende Integrations- und Befriedungsleistung einer heterogenen Bevölkerung, die für das Mittelalter durchaus Modellcharakter entwickelt haben könnte, da sich auch Marsilius von Padua (zwischen 1275 und 1290 – 1342/1343) am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts gleich zu Beginn seines Werkes Defensor pacis auf die Variae Cassiodors bezog, wenn er die Voraussetzungen des Friedens einer Stadt beziehungsweise eines Königreichs beschrieb⁶⁵, wurde von der
Vgl. Thorbecke, August, Cassiodorus Senator. Ein Beitrag zur Geschichte der Völkerwanderung, Heidelberg 1887; Franz, M. Aurelius Cassiodorus Senator; Besselaar, Joseph Jacobus van den, Cassiodorus Senator. Leven en werken van een staatsman en monnik uit de zesde eeuw, Haarlem 1950. Vgl. Giardina, Cassiodoro Politico e il progetto delle Variae, S. 45 – 76; Giardina, Cassiodoro Politico. Vgl. Bjornlie, Politics and Tradition; Bjornlie, What have Elephants to do with Sixth-Century Politics? A Reappraisal of the „Official“ Governmental Dossier of Cassiodorus, in: Journal of Late Antiquity 2.1 (2009), S. 143 – 171. Vgl. Barnish, Samuel J. B., Selected Variae of Magnus Aurelius Cassiodorus Senator. Translated with Notes and Introduction, Liverpool l992; Barnish, Work of Cassiodorus, S. 157– 187; Barnish, Maximian, Cassiodorus, Boethius, Theodahad. Literature, Philosophy and Politics in Ostrogothic Italy, in: Nottingham Medieval Studies 34 (1990), S. 16 – 32. Marsilius von Padua zitierte den ebenfalls die Variae-Sammlung eröffnenden Brief Cassiodors an den oströmischen Kaiser Anastasius I. (Var. I 1) und erklärte: Cassiodorus in prima suarum epistolarum, hae serie iam premissa, tranquillitas seu pacis civilium regiminum commoditates et fructus expressit, ut per hos […] ad pacem habendam invicem, et hin tranquillitatem, voluntates hominum excitaret. Genau wie Cassiodor ging es Marsilius um den Frieden des Gemeinwesens. Hierbei handele es sich um das einzige Klima, in welchem Menschen sich frei entfalten könnten. Vgl. Marsilius von Padua, Defensor Pacis, hrsg. von Richard Scholz, Hannover 1932, Dictio 1, 19. Vgl. hierzu auch Stone, The Polemics of Toleration, S. 152; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 346.
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Forschung bisher vernachlässigt. Zwar erlebt der Minister als Mitglied einer multiethnischen und heterogenen Gesellschaft mit Beiträgen von Verena Epp⁶⁶, Christoph Schäfer⁶⁷ und Jörg Spielvogel⁶⁸ eine Renaissance und doch fehlen trotz des Interesses an den Problemen der kulturellen Integration und des friedlichen Zusammenlebens verschiedener Bevölkerungsteile in einer politischen Gemeinschaft Untersuchungen, die Cassiodor und dessen besonderen Zugang zu diesem Thema in den Vordergrund stellen. Bei der Frage der Bewahrung und Herstellung des inneren Friedens handelt es sich – abgesehen von einigen Untersuchungen, die das Wechselspiel von Krieg und Frieden zum Thema haben⁶⁹ – um einen insgesamt von der Mittelalterforschung eher vernachlässigten Aspekt. Während für das hohe und späte Mittelalter wenige Untersuchungen vorliegen⁷⁰, sieht dies für das frühe Mittelalter noch einmal ganz anders aus und ist, wie Thomas Renna vermutet, wohl darauf zurückzuführen, dass Historikerinnen und Historiker vielfach keinen Anlass dazu sehen, vormodernen Frieden zu untersuchen, „because they assume that it has always meant simply the absence of war.“⁷¹ Zwar schafft und stabilisiert die Abwehr äußerer Bedrohungen ein Wir-Bewusstsein und äußeren Frieden, ebenso notwendig erscheint aber der innere Frieden unter den Gruppenmitgliedern für das Fortbestehen einer Gemeinschaft. Wie Augustinus, der das politische Gemeinwesen auf dem Willen zum Frieden seiner einzelnen Mitglieder gegründet sah⁷², erkannte Cassiodor, dass die Herstellung und Bewahrung des Friedens zwar zu großen Teilen auf außenpolitischer Stabilität beruhte, es gleichwohl aber weiterer Voraussetzungen bedurfte, um ein friedliches Zusammenleben verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu ermöglichen. Hiervon zeugen in erster Linie seine Variae.
Vgl. Epp, Goten und Römer, S. 55 – 74. Vgl. Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 192– 197. Vgl. Spielvogel, Jörg, Die historischen Hintergründe der gescheiterten Akkulturation im italischen Ostgotenreich (493 – 553 n.Chr.), in: Historische Zeitschrift 274 (2002), S. 1– 24. Vgl. zum Beispiel Ohler, Norbert, Krieg und Frieden im Mittelalter, München 1997; Raaflaub, Kurt A. (Hrsg.), War and Peace in the Ancient World, Blackwell 2007. Vgl. zum Beispiel Fried, Johannes, Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, Sigmaringen 1996; Kamp, Hermann, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, Darmstadt 2001; Sellert, Wolfgang, Friedensprogramme und Friedenswahrung im Mittelalter, in: Köbler, Gerhard (Hrsg.), Wege europäischer Rechtsgeschichte. Karl Kroeschell zum 60. Geburtstag dargelegt von Freunden, Schülern und Kollegen, Frankfurt 1987, S. 453 – 467; Ohler, Norbert, Krieg und Frieden am Ausgang des Mittelalters, in: Duchhardt, Heinz/ Veit, Patrice (Hrsg.), Krieg und Frieden im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Theorie, Praxis, Bilder, Mainz 2000, S. 1– 12. Renna, Thomas J., The Idea of Peace in the West, 500 – 1150, in: Journal of Medieval History 6 (1980), S. 143 – 167, hier: S. 143. Vgl. Fürst, Alfons, Christliche Friedensethik von Augustinus bis Gregor dem Großen – Religion, Politik und Krieg am Ende der Antike, in: Beestermöller, Gerhard (Hrsg.), Friedensethik im frühen Mittelalter. Theologie zwischen Kritik und Legitimation von Gewalt, Münster 2014, S. 19 – 52.
1.2 Cassiodor – Ein Autor und sein (Lebens‐)Werk: Thematischer Forschungsüberblick
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Nach Theodor Mommsens heute allgemein akzeptierter Datierung verfasste Cassiodor seine Briefe mit einigen Unterbrechungen zwischen den Jahren 506 und 538.⁷³ Ihm ging es dabei, wie Peter Dinzelbacher herausgearbeitet hat, nicht darum, ein Gesamtcorpus zu erschaffen, sondern nur eine Auswahl aus seinen amtlichen Schreiben zusammenzuführen.⁷⁴ Bei den Variae handelt es sich folglich um eine nachträglich zusammengestellte, wohldurchdachte und durchkonzipierte Sammlung, die, wie Cassiodor formuliert, explizit den späteren Leser im Blick hatte (Var. XI praef. 13): Et ideo, quod in quaesturae, magisterii ac praefecturae dignitatibus a me dictatum in diversis publicis actibus potui reperire, bis sena librorum ordinatione composui, ut, quamquam diversitate causarum legentis intentio concitetur, efficacius tamen rapiatur animus, cum tendit ad terminum.
Den größten Teil der Briefe und Edikte, die in zwölf Bücher zusammengeführt wurden, verfasste Cassiodor – abgesehen von den beiden letzten Büchern – jedoch nicht in seinem eigenen Namen, sondern in dem der jeweiligen Könige.⁷⁵ Wohl aus diesem Grund gibt es in seinem Werk zwei Vorworte, das eine zu Beginn des ersten Buches und das andere am Anfang des elften Buches, wo der in eigenem Namen verfasste Teil beginnt.⁷⁶ Bei der Publikation der Variae wurde die zwölf Bücher umfassende Sammlung um ein dreizehntes Buch, die bereits erwähnte Schrift De anima, ergänzt, auf das Cassiodor in seiner zweiten praefatio und im Psalmenkommentar hinwies.⁷⁷ Hier schrieb er, dass ihn seine Freunde nach der Vollendung der Variae dazu angehalten hätten, eine Abhandlung über die Seele und ihre Vorzüge zu verfassen (Var. XI praef. 7): Sed postquam duodecim libris opusculum nostrum desidertato fine concluseram, de animae substantia vel de virtutibus eius amici me disserere coegerunt, ut per quam multa diximus, de ipsa quoque dicere videremur.
Vgl. Mommsen, Theodor (Hrsg.), Cassiodori Senatoris Variae, Berlin 1894; Giardina, Cassiodoro Politico e il progetto delle Variae, S. 55. Vgl. Dinzelbacher, Peter, Briefe des Ostgotenkönigs Theoderich der Große und seiner Nachfolger. Aus den „Variae“ des Cassiodor, Heidelberg 2010, hier: S. 29. Die Bücher sind im Hinblick auf die Art und den Absender der in ihnen enthaltenen Schriftstücke gegliedert. Die Bücher eins bis fünf mit insgesamt 235 Briefen ergingen im Namen Theoderichs, die Bücher sechs und sieben sind formulae für die Ernennung höherer Beamter, Buch acht und neun sind Edikte im Namen Athalarichs, Buch zehn umfasst Anordnungen von Amalasuintha, Theodahad, seiner Frau Gudeliva und Witigis und Buch elf und zwölf enthält Briefe und Edikte in Cassiodors eigenem Namen. Cassiodor begründete seine Absicht, diese beiden letzten Bücher anzufügen damit, dass er zehn Bücher lang mit dem Mund des Königs gesprochen habe und er in seiner eigenen Person nicht als unbekannt gelten möchte: Duos itaque libellos dictationum mearum de praefecturae actione subiunxi, ut qui decem libris ore regio sum locutus, ex persona propria non habere incognitus, quia nimis absurdum est in adepta dignitate conticescere, qui pro aliis videbamur plura dixisse. Var. XI praef. 7. Exp. Ps., 145,2. Trotz dieses eindeutigen Hinweises wird De Anima bis heute kaum gemeinsam mit den anderen zwölf Büchern analysiert.
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Speziell der letzte Teil des Satzes, er solle nun einmal über die Seele sprechen, nachdem er durch sie so viel gesagt habe, zeigt, dass Cassiodor nicht nur die beiden in seinem Namen verfassten Bücher, sondern sein Gesamtwerk als Einheit verstanden wissen möchte.⁷⁸ Dass die Variae gerade aus zwölf Büchern bestehen, ist allem Anschein nach kein Zufall, da Cassiodor für diese Zahl, der sowohl in der klassischen Antike als auch im Christentum eine wichtige Rolle zuteil wurde, eine besondere Vorliebe hatte. In der Schrift De anima, die im Übrigen ebenfalls aus zwölf ⁷⁹ Gesichtspunkten zum Thema besteht, ehe im dreizehnten Abschnitt in Form eines Gebetes der Abschluss des Werkes erfolgte, heißt es hierzu bezeichnenderweise: Clausimus itaque nostrum munusculum numero duodenario, qui caelos signorum diversitate decoravit, qui annum menstruali venustate composuit, qui ventos principales terrenae indigentiae provida dispositione concessit, qui diei noctisque spatia horarum congrua quantitate divisit ut merito et animae dilucidationi haec supputatio adhiberetur quae tantarum rerum naturalium dispositionibus consecratur. ⁸⁰
Die Briefe der Variae, die rein formal als „ostgotische Königsurkunden“⁸¹ zu betrachten sind, wurden an die verschiedensten Adressaten im Ostgotenreich oder an andere Herrscher gerichtet. So lassen sich beispielsweise Schreiben an Kaiser in Konstantinopel und Könige anderer gentes genauso finden wie Briefe an die Goten und Romanen des gesamten Herrschaftsbereiches, an einzelne Gebiete, an den Senat, an Beamte, an den Papst und weitere kirchliche Würdenträger. Dementsprechend Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 44. Die Zahl zwölf tritt auch in Cassiodors letztem Werk De Orthographia in Erscheinung, wo er von zwölf Autoren das zusammentrug, was diese über die Rechtschreibung wussten, damit Korrektoren und Kopisten in Zukunft nicht mehr durcheinandergeraten könnten. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 618. De anima 17. Zu Cassiodors Vorliebe für die Zahl zwölf und zur Zahlensymbolik in seinen Werken vgl. allgemein Radtki-Jansen, Herrscher, S. 58; Krautschick, Cassiodor, S. 114; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 100. Classen, Peter, Kaiserreskript und Königsurkunde. Diplomatische Studien zum Problem der Kontinuität zwischen Altertum und Mittelalter, Thessalonike 1997, hier: S. 130. Weiterführend zur Diskussion um das Genre der Variae vgl. Pferschy, Bettina, Cassiodors Variae. Individuelle Ausgestaltung eines spätrömischen Urkundenformulars, in: Archiv für Diplomatik 32 (1986), S. 1– 128; Pferschy, Bettina, Cassiodor und die ostgotische Königsurkunde, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 253 – 274; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 22; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 52– 54. Die Urkunden setzten die administrative Tradition der kaiserlichen Kanzleien fort, ahmten jedoch nicht die kaiserlichen Urkunden nach, sondern orientierten sich in ihrer Ausgestaltung an der römischen Beamtenurkunde. Aus diesem Grund vermied Cassiodor die den Kaiserurkunden vorbehaltenen Ausdrücke rescriptum, adnotatio, sacri affatus und sacri apices. Stattdessen wählte er mit praeceptum, auctoritas und iussio Formulierungen, die auch Beamte für ihre Anordnungen hätten verwenden können. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 52; Classen, Kaiserreskripte und Königsurkunde, S. 130; Fridh, Åke, Terminologie et formules dans les Variae de Cassiodore. Etudes sur le développement du style administratif aux derniers siècles de l’antiquité, Stockholm 1956, hier: S. 60 – 63; Pferschy, Cassiodor und die ostgotische Königsurkunde, S. 256.
1.2 Cassiodor – Ein Autor und sein (Lebens‐)Werk: Thematischer Forschungsüberblick
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vielfältig ist auch der Inhalt der Briefe, der angefangen von Aufträgen an Beamte in Rechtsfragen und richterlichen Entscheidungen bis hin zu Schreiben religionspolitischen Inhalts an Nicht-Christen reicht. Aufgrund der Vielfalt an Adressaten und behandelten Themen wäre anzunehmen, dass die Variae ihren Titel hiervon erhalten haben. Cassiodor erklärte die Wahl des Titels, den er als zentralen Begriff des ganzen Werkes ansah, jedoch nicht mit der Verschiedenheit des Inhaltes, sondern mit der Vielfalt des Sprachstiles⁸², welchen er an den jeweiligen Adressaten der Briefe hätte anpassen müssen (Var. praef. 15): Librorum vero titulum, operis indicem, causarum praeconem, totius orationis brevissimam vocem, variarum nomine praenotavi, quia necesse nobis fuit stilum non unum sumere, qui personas varias suscepimus ammonere. Aliter enim multa lectione satiatis, aliter mediocri gustatione suspensis, aliter a litterarum sapore ieiunis persuasionis causa loquendum est, ut interdum genus sit peritiae vitare, quod doctis placeat. ⁸³
Die Aufgabe Cassiodors als Verfasser königlicher Schriftstücke bestand folglich darin, den politischen Willen der gotischen Könige in eine sprachliche Form zu übertragen, die der Tradition spätrömischer Kanzleien entsprach. Dieser Kanzleistil zeichnete sich durch lange und verschachtelte Sätze, durch unpersönliche Konstruktionen und die Bevorzugung von Substantiven gegenüber Verben aus. Diese Ausdrucksweise war durch die Orientierung an rhetorischen Vorbildern von der lateinischen Alltagssprache weit entfernt.⁸⁴ Zwar sind die äußeren Merkmale der in die Variae aufgenommenen Dokumente nicht mehr erkennbar, da Protokoll und Eschatokoll ausgelassen beziehungsweise zu einer kurzen Formel reduziert wurden und doch folgte Cassiodor, wie Bettina Pferschy nachweisen konnte, bei der Ausgestaltung der Briefe genauestens einem festgelegten Formular.⁸⁵ Jedes Schreiben beginnt mit einem standardisierten Vermerk, bei dem zuerst der Empfänger und dann der Absender genannt werden. Hierbei Vgl. Dinzelbacher, Briefe des Ostgotenkönigs, S. 31– 34; Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotischrömischen Gesellschaft, S. 44– 46. Eine nicht von der Hand zu weisende Ironie besteht wohl darin, dass gerade der Stil, auf den Cassiodor so großen Wert legte, in der neueren Zeit am meisten kritisiert wurde. Neben Edward Gibbon, Theodor Mommsen und Åke Fridh findet auch Thomas Hodgkin deutliche Kritik. Vgl. Hodgkin, Thomas, The Letters of Cassiodorus, being a condensed Translation of the Variae epistolae of Magnus Aurelius Cassiodorus Senator, London 1886, hier: S. 17. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 57. Speziell dieser Umstand machte es wohl weniger gebildeten Romanen, vor allem aber den Goten, schwer, die Botschaft der Briefe zu verstehen. Anhand des Briefes, der vor Beginn des Gallienfeldzuges im Sommer 508 an die Goten verschickt wurde (Var. I 24), macht Hans-Ulrich Wiemer diese Problematik deutlich. Aus dem Umstand, dass der Brief weder die Route, noch das Ziel, das die Goten erreichen sollten, enthält, schließt Wiemer, dass diese Informationen auf andere und damit den Goten verständliche Weise transportiert wurden. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 60. Zu dieser Schlussfolgerung passt, dass Cassiodor in zahlreichen Schreiben auf mündliche Aufträge an die Boten verwies. Vgl. Pferschy, Cassiodor und die ostgotische Königsurkunde, S. 257. Vgl. hierzu auch RadtkiJansen, Herrscher, S. 53.
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handelte es sich um eine Besonderheit, da sich Cassiodor über die Konvention hinwegsetzte, den Briefempfänger als sozial niedriger gestellte Person erst an zweiter Stelle zu nennen und mit dem König/ der Königin als Absender zu beginnen.⁸⁶ Der Briefkörper besteht bis auf wenige Ausnahmen aus einem den Brief einleitenden prooemium, der Darstellung des Anlasses (narratio), einer dispositio, die die rechtliche Regelung enthält, sowie einer abschließenden conclusio, die Strafbestimmungen und Ermahnungen sowie die Publikationsverfügung umfasst.⁸⁷ Dem manieristischen Geschmack seiner Zeit folgend, strebte Cassiodor dabei danach, alles Schlichte und Ungezwungene durch literarische Stilmittel wie Antithesen, Paradoxien, Metaphern und Wortspiele zu ersetzen. Der königliche Wille wird daher meist sehr knapp formuliert, während die Belehrungen und Ermahnungen der Adressaten meist großen Raum einnahmen. Häufig verlor er sich dabei in Ausschweifungen (digressiones), die aus detaillierten landwirtschaftlichen Beschreibungen oder auch literarischen Exkursen bestehen und fast den gesamten Text ausmachen konnten.⁸⁸ Fehlende Zeitzeugnisse erlauben leider keinerlei Rückschlüsse darauf, wie die Variae in ihrer Zeit aufgenommen wurden.⁸⁹ Die einzige erhaltene Anspielung auf eine formula des siebten Buches deutet allerdings darauf hin, dass zumindest die bei der Zusammenstellung der Variae berücksichtigten Urkundenvorlagen von späteren Verwaltungsbeamten als Formulierungshilfe genutzt wurden. In einer Inschrift aus Timgrad in Numidien wurden die Polizeifunktionen eines Beamten mit einem wörtlich übernommenen Satz aus der formula praefecti vigilum (Var. VII 7) beschrieben.⁹⁰ Offenbar stammte die verwendete Formulierung entweder aus der Bestallungsurkunde oder aus einer auf ihn gehaltenen Lobrede. Da der Geehrte Boethius hieß, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Verwandten des berühmten Philosophen handelte und das Werk Cassidors deshalb auch in Nordafrika bekannt war.⁹¹ Hierzu passt, dass der Adressatenkreis beziehungsweise das „Publikum“ der Variae zumeist bei den weströmischen Eliten gesehen wird.⁹² Einige Indizien sprechen für eine frühe Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 53; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 34. Dieses Gliederungsschema spiegelt Hans-Ulrich Wiemer zufolge die Tatsache wider, dass spätantike Herrscherurkunden häufig wortreiche Auslassungen über Prinzipien und Werte enthielten, die für die Herrscher und Untertanen gültig waren, denn anders als moderne Gesetze, die in juristischer Fachsprache nach Genauigkeit und Knappheit des Ausdrucks streben würden, sollten spätantike Herrscherurkunden keineswegs nur Normen kodifizieren. Vielmehr waren sie als Mittel der Kommunikation und damit der Wiederholung und Vergewisserung gemeinsamer Werte anzusehen. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 57. Vgl. Pferschy, Cassiodors Variae, S. 81– 89; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 54; Wiemer, Theoderich der Große, S. 57 f. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 5. Vgl. Peter, Hermann, Der Brief in der römischen Litteratur. Litterargeschichtliche Untersuchungen und Zusammenfassungen, Leipzig 1901, hier: S. 203; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 5. Vgl. MacPherson, Robin, Rome in Involution. Cassiodorus’ Variae in their Literary and Historical Setting, Posen 1989, hier: S. 181 f.; Cameron, Cassiodorus Deflated, S. 184 f. Vgl. Jouanaud, Jean-Louis, Pour qui Cassiodore a-t-il publié les „Variae“?, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre
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Verbreitung im norditalischen Langobardenreich⁹³, weniger gesichert ist dagegen die Rezeption im Merowingerreich.⁹⁴ Speziell bei Korrespondenzen, die Aufschluss über die Haltung zur Unterschicht, zu Konfessionen oder zum Byzantinischen Reich geben, gilt es im Hinterkopf zu behalten, dass die Briefe zwar von Cassiodor verfasst wurden, er aber im Namen eines gotischen Herrschers schrieb, was zu der Frage führt, inwieweit es sich um die Meinung des genannten Königs in bestimmten Sachverhalten oder aber um die Ansicht Cassiodors handelte. Die Frage, ob die in den Variae transportierten Inhalte als historisch-politische Zeugnisse der Zeit Cassiodor selbst zuzuschreiben sind und welche Intentionen und Absichten er mit der Veröffentlichung seiner Sammlung verband, wurde und wird in zahlreichen Untersuchungen kontrovers diskutiert.⁹⁵ Während John Moorhead⁹⁶ und Frank Ausbüttel⁹⁷ sie in erster Linie als Aussagen über das politische Denken der Ostgotenkönige bewerten, P. S. Barnwell sie sogar für nachträgliche Fälschungen einer fingierten Karriere hält⁹⁸ und Wilhelm Enßlin die Auffassung vertritt, dass Cassiodor ausschließlich für die rhetorische Ausschmückung des königlichen Urteils zuständig war, nicht aber Einfluss auf den Inhalt des Schreibens ausüben konnte, da „wir feststellen können, [dass] des Königs uneingeschränkter Wille, auch wenn er zumeist seinem Quästor und späteren Magister officiorum die Freiheit der Stilisierung ließ“⁹⁹, überwiegen mit unter anderem Joseph Jacobus van den Besselaar, James J. O’Donnell, Maria Luisa Silvestre, Bernhard Steinhauf, Andrea Giardina und M. Shane Bjornlie diejenigen Untersuchungen, die die in den Variae transportierten Zeugnisse Cassiodor zuschreiben.¹⁰⁰ Nicht selten wird von einem Programm Cassiodors gesprochen, das
1992, Spoleto 1993, S. 721– 742; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 9; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 70 – 71; Bjornlie, Politics und Tradition, S. 283. Vgl. Barnish, Transformation and Survival, S. 120 – 155; Harrison, Dick, Political Rhetoric and Political Ideology in Lombard Italy, in: Pohl,Walter/ Reimitz, Helmut (Hrsg.), Strategies of Distinction. The Construction of the Ethnic Communities, 300 – 800, Leiden 1998, S. 241– 254. Vgl. Pferschy, Cassiodors Variae, S. 1– 128. Arnaldo Momigliano gilt dabei als einer der ersten, der sich diesen Fragen mit zahlreichen Untersuchungen widmete. Vgl. Momigliano, Arnaldo, Christianity and the Decline of the Roman Empire, in: Momigliano, Arnaldo (Hrsg.), The Conflict between Paganism and Christianity in the Fourth Century, Oxford 1963, S. 1– 16; Momigliano, Arnaldo, Cassiodorus and the Italian Culture of his Time, in: Momigliano, Arnaldo (Hrsg.), Secondo contributo alla storia degli studi classici, Rom 1955, S. 192– 229. Vgl. Moorhead, Theoderic in Italy. Vgl. Ausbüttel, Frank, Theoderich der Große, Darmstadt 2012. Vgl. Barnwell, P. S., Emperors, Prefects and Kings. The Roman West, 395 – 565, London 1992, hier: S. 166 f. Ensslin, Theoderich der Große, S. 277 f. Vgl. Besselaar, Cassiodorus Senator; O’Donnell, Cassiodorus; Silvestre, Maria Luisa, Cassiodoro e l’uso politico della storia, in: Silvestre, Maria Luisa/ Squillante, Marisa (Hrsg.), Mutatio rerum. Letteratura, filosofia, scienza tra tardo antico e altomedioevo, Napoli 1997, S. 81– 114; Steinhauf, Bernhard, Der Umbruch antiker Bildung in der ausgehenden Spätantike bei Cassiodor, in: Bruns, Peter (Hrsg.), Von Athen nach Bagdad. Zur Rezeption griechischer Philosophie von der Spät-
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durch die Zusammenstellung der Briefsammlung deutlich werde. „Roman responses to an unstable world“ nennt Samuel J. B. Barnish sie.¹⁰¹ Minimalkonsens besteht durch Untersuchungen von Beat Meyer-Flügel, Stefan Krautschick, Lorenzo Viscido, Luigi Tartaglia, Andrew Gillett, Ingemar König, Peter J. Heather, Valérie Fauvinet-Ranson, Andreas Goltz, Christine Radtki-Jansen und Hans-Ulrich Wiemer indes darüber, dass Cassiodor das politische Programm der Ostgotenkönige in Übereinstimmung beziehungsweise Abstimmung mit selbigen komponierte und ausformulierte.¹⁰² Die sprachliche Form, aber auch die vielen einleitenden, ermahnenden und belehrenden Passagen gehen zweifellos auf Cassiodor zurück, wie Hans-Ulrich Wiemer kürzlich erneut betonte.¹⁰³ Damit wird der Auswahl und der Zusammenstellung der Variae eine besondere Bedeutung zuteil, da Cassiodor aus seiner langjährigen Tätigkeit am Hofe der ostgotischen Herrscher eine große Anzahl von Briefen zur Verfügung gehabt haben wird, die er für seine Sammlung hätte verwenden können.¹⁰⁴ Er traf jedoch eine gezielte Auswahl von Briefen, die in seinen Augen die Botschaft, die er vermitteln wollte, gut transportieren konnten.¹⁰⁵ Die Zuweisung der Autorschaft der Briefe an Cassiodor samt seiner Freiheit der inhaltlichen wie stilistischen Ausgestaltung der Schreiben und damit der konzeptionellen Verantwortung ist für die vorliegende Arbeit neben dem Umstand, dass er es war, der die Briefe auswählte und in einer bestimmten Reihenfolge darlegte, von zentraler Bedeutung.
antike bis zum Islam, Bonn 2003, S. 132– 160; Giardina, Cassiodoro politico; Bjornlie, Politics and Tradition. Vgl. Barnish, Samuel J. B., Roman Responses to an Unstable World. Cassiodorus’ „Variae“ in Context, in: Vivarium in Context, Vizenca 2008, S. 7– 22. Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft; Krautschick, Cassiodor; Viscido, Lorenzo, Studi sulle Variae di Cassiodoro, Calabria 1987; Tartaglia, Luigi, Elementi di ideologia politica nelle Variae di Cassiodoro, in: Filologia antica e moderna 5/6 (1994), S. 59 – 70; Gillett, Andrew, The Purposes of Cassiodorus‘ Variae, in: Murray, Alexander Callander (Hrsg.), After Rome’s Fall. Narrators and Sources of Early Medieval History. Essays presented to Walter Goffart, Toronto 1998, S. 37– 50; König, Ingemar, Theoderich der Große und Cassiodor. Vom Umgang mit dem römischen „Erbe“, in: Giebmeyer, Angela/ Schnabel-Schüle, Helga (Hrsg.), „Das Wichtigste ist der Mensch“. Festschrift für Klaus Gerteis zum 60. Geburtstag, Mainz 2000, S. 211– 228; Heather, Peter J., ,Gens‘ and ,Regnum‘ among the Ostrogoths, in: Goetz, Hans-Werner/ Jarnut, Jörg/ Pohl, Walter (Hrsg.), Regna and gentes. The Relationship between Late Antique and Early Medieval Peoples and Kingdoms in the Transformation of the Roman World, Leiden 2003, S. 85 – 133; Fauvinet-Ranson, Valérie, Decor civitatis, decor Italiae. Monuments, traveaux publics et spectacles au VI. siècle d’après les Variae de Cassiodore, Bari 2006; Goltz, Andreas, Barbar – König – Tyrann; Radtki-Jansen, Herrscher; Wiemer, Hans-Ulrich, Odovakar und Theoderich. Herrschaftskonzepte nach dem Ende des Kaisertums im Westen, in: Meier, Mischa/ Patzold, Steffen (Hrsg.), Chlodwigs Welt. Organisation von Herrschaft um 500, Stuttgart 2014, S. 293 – 338. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 58. Zur Intention Cassiodors, die Variae herauszugeben – insbesondere zu dessen Selbstdarstellungsabsicht – vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 66 – 69; Bjornlie, Politics and Tradition; Gillet, The Purposes of Cassiodorus‘ Variae, S. 37– 50. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 372.
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Trotz des einzigartigen Einblicks in die Regierungs- und Verwaltungspraxis des Ostgotenreiches handelt es sich bei der Briefsammlung, deren edierter Text in den Ausgaben von Theodor Mommsen und Åke J. Fridh zugänglich ist, um eine noch immer nicht vollkommen ausgeschöpfte Quelle unschätzbaren Wertes für Historikerinnen und Historiker, die ihre Forschungen dem Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter verschrieben haben.¹⁰⁶ Mitunter lässt sich dies darauf zurückführen, dass die wohl als wichtigste für die Regierung Theoderichs und seiner Nachfolger einzuschätzende Quelle bis zum Erscheinen der von Andrea Giardina im Jahr 2014 herausgegebenen italienischen Übersetzung des Gesamtwerkes nur fragmentarisch aus dem Lateinischen in moderne Sprachen übersetzt vorlag.¹⁰⁷ Mit Peter Dinzelbacher¹⁰⁸ für das Deutsche, Samuel J. B. Barnish¹⁰⁹ für das Englische und Lorenzo Viscido¹¹⁰ für das Italienische konnte bis zu diesem Zeitpunkt – abgesehen von der stark gekürzten „condensed translation“ von Thomas Hodgkin¹¹¹ – ausschließlich auf die Übersetzungen ausgewählter Briefe und Passagen zurückgegriffen werden, die etwa 20 – 25 % des Umfangs des Gesamtwerkes beinhalten. Das fehlende Interesse an den Variae als eigenständiger und wichtiger Quelle zur Geschichte des Ostgotenreichs lässt sich darüber hinaus wohl auch darauf zurückführen, dass Cassiodor als Person und sein Werk seit dem achtzehnten Jahrhundert eine gänzliche Ablehnung erfuhren.¹¹² Während die Variae mit dem Aufkommen der ars dictandi, der mittelalterlichen Lehre, stilgerechte Korrespondenz zu verfassen, immer wieder kopiert und als Vorbild für einen anspruchsvollen Briefstil hoch geschätzt wurden und das Werk nach der Erfindung des Buchdrucks in Verlagsprogramme aufgenommen wurde, schwand das Interesse zwischen dem vierzehnten und achtzehnten Jahrhundert zunehmend.¹¹³ Bei Edward Gibbon heißt es bezeichnenderweise:
Neben der Herausgabe der neuen Variae-Edition sind Fridhs Untersuchungen in den Bereichen Lexik und Grammatik der Werke Cassiodors bis heute maßgebend. Vgl. Fridh, Terminologie et formules; Fridh, Åke, Contributions à la critique et à l’interprétation des Variae de Cassiodore, Göteborg 1968. Dessen Schülerin Gunhild Vidén befasste sich ausgehend von diesen Untersuchungen mit der Einordnung der Variae in die Tradition spätantiker Kanzleischriften. Vgl. Vidén, Gunhild, The Roman Chancery Tradition. Studies in the Language of Codex Theodosianus and Cassiodorus‘ Variae, Göteborg 1984. Vgl. Giardina, Andrea, Varie, Rom 2015. Vgl. Dinzelbacher, Briefe des Ostgotenkönigs. Vgl. Barnish, Samuel J. B., The Variae of Magnus Aurelius Cassiodorus senator, Liverpool 1992. Vgl. Viscido, Lorenzo, Cassiodoro Senatore Variae, Cosenza 2005. Vgl. Hodgkin, The Letters of Cassiodorus. Vgl. Krautschick, Cassiodor, S. 2; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 47 f. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 7. Neben Christina Kakridis Monographie liegen mit Gunhild Vidén, Bettina Pferschy und Robin MacPherson vier weitere Untersuchungen zur Nachwirkung spätantiker Kanzleisprache und Cassiodors Formularen und Dokumenten vor. Vgl. Vidén, The Roman Chancery Tradition; Pferschy, Cassiodors Variae, S. 1– 128; Pferschy, Bettina, Formular und Formeln. Studien zur Typologie der Variae des Cassiodorus Senator, Wien 1983; MacPherson, Rome in Invo-
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One record of his [Theoderics] fame, the volume of public epistles composed by Cassiodorus in the royal name, is still extant, and has obtained more implicit credit than it seems to deserve. They exhibit the forms, rather than the substance, of his government; and we should vainly search for the pure and spontaneous sentiments of the barbarian admists the declamations of a sophist, the wishes of a Roman Senator, the precedents of office, and the vague professions which, in every court and on every occasion, compose the language of discreet ministers.¹¹⁴
In seiner Ausgabe der Variae, die 1894 in den MGH erschien, verschärfte Theodor Mommsen diesen negativen Grundton noch, indem er von praestigias […] sibi contrarias uno volumine coniunctas und adulatio sprach und in der Einleitung seiner Edition der Variae fragt: Quid significent quae narrantur saepe haereas, cur narrentur plerumque frustra quaeras? ¹¹⁵ Diesem insgesamt negativen Urteil schloss sich so auch der letzte Herausgeber der Variae, Åke Fridh, an. In seinen zur Briefsammlung erschienenen Publikationen schlug er stets eine Minimalinterpretation vor und verwies in diesem Zusammenhang immer wieder darauf, dass es sich bei den Variae um sprachliche Übungen für künftige Beamte handle. Aus diesem Grund plädierte er dafür, die Quelle nur unter stilistischen Aspekten zu betrachten: „C’est en premier lieu la forme, et non pas le contenu des lettres qui a intéressé Cassiodore.“¹¹⁶ Das negative Bild Cassiodors ist wohl darauf zurückzuführen, dass sich der Minister zu opportunistisch verhalten habe.¹¹⁷ Christine Radtki-Jansen weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Cassiodor als hoher Beamter am Hof der ostgotischen Herrscher auf vielfältige Weise in den politischen Alltag verstrickt war, wozu man die scheinbar bedenkenlose Übernahme des Amtes des kurz zuvor abgesetzten und hingerichteten Senators Boethius¹¹⁸ ebenso rechnen müsse wie den Verbleib im
lution. Seit dem Hochmittelalter wurden die Variae als Musterbuch der Briefschreibkunst verwendet. Vgl. hierzu Bürsgens, Cassiodor. Gibbon, Edward, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, London 1969, hier: S. 453 f. Mommsen, Cassiodori Senatoris Variae, S. XXIII. Wie Christina Kakridi weiter ausführt, machte die Ablehnung der Person Cassiodors und seines Werkes aus der Feder Mommsens Schule, da sie so auch von Ludwig Traube geteilt wurde, der als Herausgeber der Redefragmente sicherlich einen großen Einfluss ausgeübt hat. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 7 f.; Traube, Ludwig, Cassiodori senatoris Variae, in: Literarisches Centralblatt, 1900. Ähnlich äußerten sich Ludo Moritz Hartmann und Martin Schanz. Vgl. Hartmann, Ludo Moritz, (1899). Art. Cassiodor, in: Wissowa, Georg (Hrsg.), Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Bd. 3/2, Stuttgart 1899, Sp. 1672– 1676; Schanz, Martin, Geschichte der römischen Litteratur bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian, Bd. 4., München 1920, hier: S. 98. Auch James J. O’Donnell findet nur herablassende Worte und betrachtet die Variae als Produkt leerer Eitelkeit. Vgl. O’Donnell, Cassiodorus, S. 55 f. Fridh, Terminologie et formules, S. 2. Åke Fridh hat die Variae wohl aus diesem Grund heraus hauptsächlich dafür herangezogen, um den Sprachstil der spätantiken Kanzleien zu erforschen. Vgl. Fridh, Contributions; Fridh, Åke, Etudes critiques et syntaxiques sur les Variae de Cassiodore, Göteborg 1950. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 47 f. Zu diesem Fall siehe unten S. 204 f.
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Amt unter Theodahad, welcher Amalasuintha, die Tochter Theoderichs und vormalige Herrscherin, töten ließ.¹¹⁹ Erst ab dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurden diese Deutungsmuster allmählich aufgebrochen, wodurch die Variae wieder stärker als eigenständige Quelle betrachtet werden. Mit Dissertationen von Alexander Theodor Heerklotz¹²⁰, Stefan Krautschick¹²¹, Beat Meyer-Flügel¹²², Christina Kakridi¹²³ und Christine RadtkiJansen¹²⁴ geraten nun vor allem die Bereiche der Gesellschaft und des sozialen Zusammenlebens in den Fokus. Alexander Heerklotz behandelt in seiner Dissertation neben einem kleineren Absatz zur Religion im Ostgotenreich im Wesentlichen das Staats- und Rechtswesen, die Ethik, die Wissenschaft und die Kunst sowie die Wirtschaft, den Handel, den Verkehr und die Gesellschaft. Statt einer umfangreichen Arbeit, die bei der Menge an behandelten Themen erwartet werden dürfte, beschränkt sich seine Darstellung überwiegend auf die Sammlung von Textstellen und weniger auf die Interpretation und Einordnung zentraler Passagen. Gerade aber aus Überlegungen dieser Art ließen sich viele neue Erkenntnisse über die Lebensumstände im Ostgotenreich gewinnen. Stefan Krautschick ging es in seiner Arbeit um den politischen Standpunkt Cassiodors. Zu diesem Zweck schildert er die Spannungen, die zwischen römisch orientierten und gotisch gesinnten Personen in der ostgotischen Führungsschicht des Reiches bestanden.¹²⁵ Anders als Alexander Heerklotz hält Krautschick den Inhalt der Briefe für nicht aussagekräftig, da die politische Botschaft seiner Ansicht nach lediglich durch die Auswahl und Anordnung der einzelnen Briefe vermittelt werde.¹²⁶ Für die vorliegende Darstellung besonders hilfreich erwiesen sich Krautschicks ausführliche Datierungen der Briefe¹²⁷, auf die auch Beat Meyer-Flügel in seiner Dissertation zurückgriff. Letzterer widmet seine ausführliche Arbeit dem Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, wie sie sich dem Leser der Variae Cassiodors offenbart. Er möchte zeigen, welche Angaben über das Selbstverständnis der Ostgoten, ihre Beziehungen zu den anderen Völkern ihrer Zeit¹²⁸, das Leben der verschiedenen Gesellschaftsschichten im öffentlichen und privaten Bereich sowie über ihre ethnischen Werte aus der Briefsammlung gewonnen werden können. Verbunden mit der Frage nach den realen Verhältnissen im Reich Theoderichs und seiner Nachfolger geht es ihm darum, Normen und
Hierzu siehe unten S. 48. Vgl. Heerklotz, Alexander T., Die Variae des Cassiodorus als kulturgeschichtliche Quelle, Heidelberg 1926. Vgl. Krautschick, Cassiodor. Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher. Vgl. Krautschick, Cassiodor, S. 118 – 185, wo er neben Cassiodors Verhältnis zu den Amalerherrschern auch die Beziehung Cassiodors zu Amalasuintha untersucht. Vgl. Krautschick, Cassiodor, S. 107– 117. Vgl. Krautschick, Cassiodor, S. 50 – 107. Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 118 – 149, 154– 179, 179 – 214.
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Werte aufzuzeigen, nach denen die ostgotisch-romanische Bevölkerung ihr Leben ausrichtete. Meyer-Flügel geht in weiten Teilen seiner Darstellung sehr paraphrasierend vor und verzichtet darauf, Beobachtungen argumentativ aufeinander zu beziehen. Viele interessante Aspekte, die einer Erläuterung bedurft hätten, bleiben so ungeklärt. In der schon mehrfach zitierten Arbeit von Christina Kakridi steht die Frage im Zentrum, wie Cassiodor die ethnischen Unterschiede zwischen Goten und Römern beschreibt. Dem schließt sich eine Untersuchung des aristokratischen Standesbewusstseins an. Da sie selbst ihre Arbeit als „Gesamtwürdigung der Variae“¹²⁹ versteht, widmet sie ein Kapitel dem literarischen¹³⁰ und ein weiteres Kapitel dem politischen Umfeld der Variae. ¹³¹ Erst kürzlich erschien Christine Radtki-Jansens Untersuchung, in der sie anhand einer umfassenden Analyse und Interpretation jedes einzelnen Briefes des ersten Buches der Variae der Herrschaftsdarstellung Theoderichs des Großen nachgeht. Sie gelangt dabei zu der Erkenntnis, dass Theoderich in diesem Zusammenhang ein breites Spektrum an Repräsentationsmedien nutzte. So ließ er beispielsweise repräsentative Bauten errichten und trat seinen Untertanen mit kaiserähnlichem Habitus entgegen. Radtki konnte durch die Betrachtung der ersten 46 Briefe der Variae nachweisen, dass Cassiodor für die Ausgestaltung dieses Bildes eine große Bedeutung zukam. Einschränkend gilt es an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass auch die vorliegende Arbeit aufgrund der Vielschichtigkeit der Variae keine systematische Erschließung dieser einzigartigen Quelle liefern kann. Da die Briefsammlung eine ausgesprochen umfangreiche Darstellung spätantiken und philosophischen Gedankenguts zur Herstellung und Bewahrung des inneren Friedens in sich birgt, ist es schier unmöglich, dies in allen Einzelheiten zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass Cassiodor – wie vergleichbare spätantike und frühmittelalterliche Autoren – häufig recht komplexe Aussagen auf verschlungenen Wegen transportierte und die Briefe folglich unter verschiedenen Blickwinkeln analysiert und interpretiert werden können.¹³² Aus diesem Grund beschränkt sich die Interpretation der Variae auf die vier oben skizzierten Themenkomplexe, die im Haupttext in vier aufeinanderfolgenden Kapiteln in den Blick genommen werden. Die vorausgegangenen Überlegungen machen deutlich, dass Cassiodors praktische Lösungsansätze zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens in einer stark heterogenen Gesellschaft eine zu gleichen Teilen historisch spannende wie aktuelle Kakridi, Cassiodors Variae, S. 14. Im Kapitel zum literarischen Umfeld (S. 16 – 157) behandelt Kakridi unter anderem neben dem Aufbau der Sammlung (S. 99 – 110) auch Cassiodors Urkunden zwischen Tradition und Innovation (S.34– 99). Hierbei geht es schließlich neben der italischen Aristokratie auch um den Bereich der „Kirchenpolitik“.Vgl. zur italischen Aristokratie S. 234– 292 und zur Kirchenpolitik S. 204– 234. Im Bereich der Kirchenpolitik legt Kakridi ihren Schwerpunkt auf die katholische Kirche und beleuchtet neben der allgemeinen Situation im Ostgotenreich (S. 204– 207) auch den Arianismus der gotischen Besatzer (S. 208 – 212). Einen kleineren Absatz widmet sie auch den Juden im Reich (S. 212– 215), während das Heidentum unerwähnt bleibt. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 15.
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Diskussion bieten, die – einmal abgesehen von aktuellen Ereignissen um die „Flüchtlingskrise“ – auch in Zukunft noch Relevanz besitzen werden.¹³³ Neben Fragen der Ansiedlung, der Lösung konfessioneller Gegensätze, dem Umgang mit kulturellen Eigenheiten der Bevölkerungsgruppen und der Angst vor äußeren Gefahren waren es auch ökonomische Erwägungen, die Cassiodor bei der Wahrung und Herstellung des inneren Friedens im ostgotischen Italien beschäftigt haben. Überlegungen dieser Art zu Cassiodor und seinen Werken fehlen. Dies verwundert insofern, als dass Erfahrungen, die man in Italien mit einer ethnisch geteilten Gesellschaft machte und Vorstellungen davon, den inneren Frieden aufrechtzuerhalten, in den Variae stets wiederkehrende Themen sind. Hinzu kommt, dass es sich auch bei Untersuchungen zur Herstellung und Bewahrung des Friedens innerhalb eines Staates am Übergang von der Antike zum Mittelalter um einen insgesamt von der Forschung vernachlässigten Aspekt handelt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, diese Themenbereiche miteinander zu verbinden, indem Cassiodors praktische Vorschläge zur Aufrechterhaltung und Bewahrung des inneren Friedens in einer heterogenen Gesellschaft in den Vordergrund gestellt werden. Seine Probleme, Lösungsansätze und Rhetorik bereichern dabei nicht nur die politische Theorie und Friedensethik des Mittelalters, sondern bieten auch für die modernen Diskurse um sozialen Frieden zahlreiche Anknüpfungspunkte.¹³⁴ Die vorliegende Darstellung kann somit als weiterer Schritt angesehen werden, sich dem Charakter der ostgotischen Herrschaft über Italien anzunähern. Hinzu kommt, dass die Analyse der Variae unter den oben ausgeführten Gesichtspunkten Aufschluss zur Frage nach der Bedeutung von Fremd- und Selbstwahrnehmung geben sowie die prominente Diskussion über Ethnizität bereichern wird.
Vgl. Epp, Goten und Römer, S. 55 – 74; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 182– 197; Spielvogel, Hintergründe, S. 1– 24. Mit der Erforschung historischer sowie epochenübergreifender Regeln und Prinzipien befassen sich seit den 1970er-Jahren interdisziplinäre Studien, die historische, soziologische, politisch-philosophische und psychologische Ansätze miteinander in Verbindung setzen, um die Voraussetzungen des inneren Friedens in politischen Gemeinschaften zu untersuchen. Vgl. einführend Jürgens, Olaf, Soziale Sicherung, Armut und soziale Gerechtigkeit. Wohlfahrtsstaatliche Wirkungen und Gerechtigkeitsempfinden in europäischen Ländern, Augsburg 2013; Lehmann, Udo, Die asymmetrische Chancengesellschaft. Ressourcen – Macht – Gerechtigkeit, Paderborn 2013; Gollwitzer, Mario/ Lotz, Sebastian/ Schlösser, Thomas/ Streicher, Bernhard (Hrsg.), Soziale Gerechtigkeit. Was unsere Gesellschaft aus den Erkenntnissen der Gerechtigkeitspsychologie lernen kann, Göttingen u. a. 2013.
2 Gerechtigkeit als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens von Goten und Romanen 2.1 Die Ansiedlung und Versorgung der Goten auf italischem Boden Während des Krieges gegen Odoaker wurden viele Goten in Pavia einquartiert, wo sie dicht gedrängt in den Häusern der einheimischen Bevölkerung lebten. Infolge räumlicher Enge kam es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen ihnen und den Romanen.¹ Ein derartiges Zusammenleben konnte daher nur eine Übergangslösung sein, so dass nach dem Sieg über Odoaker eine andere Lösung gefunden werden musste, die beide Seiten auf Dauer zufriedenstellen konnte. Die Mehrheit der Goten, die mit Theoderich nach Italien kam, hatte selten über längere Zeit an einem Ort gelebt. Im Gegenteil waren viele von ihnen jahrelang kreuz und quer über den Balkan gezogen. Als sie schließlich auf der italischen Halbinsel ankamen, bestand ihre persönliche Habe aus den wenigen Dingen, die sie auf die von Rindern gezogenen Wagen laden konnten beziehungsweise am eigenen Körper mit sich trugen. Diejenigen, die den Krieg gegen Odoaker überlebten, forderten infolgedessen für sich und ihre Familien ein krisensicheres Auskommen ein.² In der materiellen Absicherung der Ostgoten auf italischem Boden sah Cassiodor die grundlegende Voraussetzung für das friedliche und harmonische Zusammenleben. Die konfliktfreie Ansiedlung und das hieraus resultierende harmonische Zusammenleben von Zugewanderten und Einheimischen erscheint dabei als Fundament des inneren Friedens. Auf welche Weise die Landzuweisung an die Ostgoten in Italien vorgenommen wurde, ist in der Forschung nach wie vor höchst umstritten und von den Hauptprotagonisten dieser Debatte um Ernst Theodor Gaupp, Walter Goffart und Jean Durliat kontrovers diskutiert. Da die Ansiedlung und Versorgung der Ostgoten in Cassiodors Augen die Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben beider Bevölkerungsgruppen und damit den inneren Frieden bildete, kommt diese Arbeit nicht umhin, die Diskussion in ihren Grundzügen darzustellen und zu überprüfen, welche Anhaltspunkte die Variae liefern.³
Vgl. Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 65. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 198. Eine detaillierte – wenn auch nicht unumstrittene – Übersicht und Gegenüberstellung der wichtigsten Argumente der beteiligten Hauptprotagonisten liefert Rommel Krieger.Vgl. Krieger, Rommel, Untersuchungen und Hypothesen zur Ansiedlung der Westgoten, Burgunder und Ostgoten, Bern 1992, vor allem S. 173 – 203. Zu dieser Darstellung kritisch: Wolfram, Herwig, Die dauerhafte Ansiedlung der Goten auf römischem Boden. Eine endlose Geschichte, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 112 (2004), S. 11– 35, hier: S. 16. Für einen weiteren Überblick vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 198 – 205. Hans-Ulrich Wiemer belässt es in seiner Darstellung dabei, die einzelnen Positionen unter Einbezug entsprechender Passagen aus den Variae darzustellen. Er spricht https://doi.org/10.1515/9783110706871-003
2.1 Die Ansiedlung und Versorgung der Goten auf italischem Boden
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Ernst Theodor Gaupps Darstellung Die germanischen Ansiedlungen und Landtheilungen in den Provinzen des Römischen Westreiches in ihrer völkerrechtlichen Eigenthümlichkeit aus dem Jahr 1844 gilt noch heute als Grundlage jeder Diskussion über die Ansiedlung und Versorgung der Foederaten auf italischem Boden und den hieraus resultierenden Herausforderungen und Schwierigkeiten. Er konnte nachweisen, dass, noch bevor es zu einer Landteilungen im eigentlichen Sinne kam, die Neuankömmlinge nach dem üblichen Einquartierungssystem der hospitalitas, das für römische Truppen galt, auf die Haushalte der Bevölkerung aufgeteilt wurden: Ganz vorzüglich aber kommt in Betracht, dass selbst die Quoten, nach denen das Land geschichtet wurde, die Dritteltheilungen, […] nach welchen, den Römischen Kaisergesetzen zufolge, ein mit Einquartierung belastetes Haus zwischen dem Wirth und seinem militärischen Hospes getheilt werden sollte. Freilich bestand darin zwischen dem römischen und dem germanischen Hospes […] ein sehr großer Unterschied, dass der erstere immer nur den temporären Gebrauch eines Theiles des Hauses und der darin befindlichen Wohnungen für sich in Anspruch nehmen konnte, der letztere dagegen das Eigenthum einer gewissen Quote des ganzen Grundstückes für sich zu fordern berechtigt war.⁴
Die Versorgung der Soldaten geschah dieser Überlegung nach zunächst durch die annona aus Steuermitteln, erst im Anschluss war die Zuweisung von einem oder zwei Dritteln des Landes jener Grundbesitzer, die Soldaten beherbergten, erfolgt. Wegen der äußerst dürftigen Quellenlage gab es zwar immer wieder Zweifel an dieser Interpretation und doch ging sie wie selbstverständlich in die Handbücher ein⁵ und wurde, wie etwa durch Ferdinand Lot⁶, der von einem „regimé de l′ hospitalité“ spricht, weiter ausgebaut.⁷ Erst im Jahr 1980 hatte Walter Goffart mit dem Buch Barbarians and Romans A.D. 418 – 584. The Techniques of Accommodation unter Heranziehung sämtlicher verfügbarer Quellen die Gaupp’sche These einer kritischen Betrachtung unterzogen und dieser eine nicht weniger kontrovers diskutierte Alternative entgegengesetzt. Er wies dabei nicht nur die Verbindung zwischen Einquartierung und Landverteilung zurück, sondern bestritt überdies, dass tatsächlich Land an die Neuankömmlinge verteilt wurde. Gestützt auf seine intensiv betriebenen Forschungen auf dem Gebiet des spätantiken Steuerwesens⁸ schlug er vor, die in den Quellen vielfach berichteten Teilungen, die zwischen „Barbaren“ und Romanen erfolgten, nicht als Enteignungen von Ländereien, sondern als Zuweisung von Steuer-
sich allerdings gegen die in der jüngeren Forschung vertretene These aus, derzufolge die Goten Theoderichs nicht Landgüter, sondern Anteil an der Grundsteuer erhielten. Gaupp, Die Germanischen Ansiedlungen, S. 201. Für einen Überblick vgl. Goffart, Barbarians and Romans, S. 36 f. Vgl. Lot, Ferdinand, Du régime de l′hospitalité, in: Revue belge de philologie et d’histoire 7 (1928), S. 975 – 1011. Vgl. Wolfram, Die dauerhafte Ansiedlung, S. 13. Vgl. Goffart, Walter, Caput and Colonate. Towards a History of late Roman Taxation, Toronto 1974; Goffart, Walter, From Roman Taxation to Mediaeval Seigneurie. Three Notes, in: Speculum 47 (1972), S. 165 – 187; S. 373 – 394.
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anteilen zu verstehen. Dieser Überlegung zufolge bekamen die Foederatenkrieger im italischen Ostgotenreich dort, wo das Heer dauerhaft angesiedelt wurde, ein oder zwei Drittel der Steuerleistungen der in den Gebieten ansässigen Provinzialen direkt ausgezahlt. Dieses Geld sei als tertiae entweder unmittelbar übergeben oder in Gebieten, in denen keine Goten siedelten, dem Fiskus gezahlt worden: Each beneficed barbarian received a document – his special „assignment of public debt“ (delegatio) naming the Romans who henceforth owed him their tax payments (praestatio)⁹ and inventorying the assets in whose behalf the payments were made (professio).¹⁰
Der Eigentümer blieb auf diese Weise weiterhin im Besitz seines Landes. Nach Goffart erklärt sich so, warum die Romanen sich nicht dagegen wehrten, als ihnen die „germanischen“ hospites ein oder gar zwei Drittel ihres Landes wegnahmen.¹¹ Die sortes, von denen die Quellen berichten, waren dieser Interpretation zufolge keine Landlose, sondern zunächst Steueranteile, die erst im Laufe der Zeit und durch den Verfall des römischen Steuersystems bei den Burgundern, Langobarden und Westgoten in Spanien, nicht aber bei den Westgoten in Gallien und den Ostgoten in Italien in einen Besitzanspruch mündeten.¹² Jean Durliat griff basierend auf seinen Vorarbeiten zum Steuerwesen und der Stadtverwaltung in der Spätantike und im Mittelalter¹³ die These Goffarts auf, radikalisierte jedoch sein Modell mit der Annahme, die Existenzsicherung sei bürokratisch erfolgt. Kern dieses Erklärungsversuches ist, dass die gentilen Soldaten nicht spezifische Steuerzahler und deren Leistungen zugewiesen bekamen, wie Goffart annimmt, sondern dass nur ihre Anteile an den Steuereinnahmen eingesammelt und mittels eines Verteilungsschlüssels verteilt wurden.¹⁴ Demzufolge war ein Drittel der Einnahmen für den Hof, ein Drittel für die Armee und ein Drittel für die städtische Verwaltung bestimmt. Das Drittel für die Armee ging automatisch an die Neuankömmlinge, sobald sie in einer Provinz an die Stelle der romanischen Truppen ge-
Bei Cassiodor findet sich der Begriff in Var. I 16, 2; I 25, 3; II 17, 1; IV 19, 1. Goffart, Barbarians and Romans, S. 218. Vgl. Goffart, Barbarians and Romans, S. 52. Vgl. Goffart, Barbarians and Romans, S. 225 f. Zur Kritik dieser Position vgl. Claude, Dietrich, Der Millenarius, in: Wolfram, Herwig/ Schwarcz, Andreas (Hrsg.), Anerkennung und Integration. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Völkerwanderungszeit 400 – 600, Wien 1988, S. 17– 20; Wiemer, Integration durch Separation, S. 164. Beide vertreten die Auffassung, dass die Zuweisung von Steueranteilen wenig praktikabel sei, da man diese jederzeit hätte widerrufen können. Erst die direkte Kontrolle über Land sichere ein krisensicheres Einkommen, gleichgültig, ob das Land nun in eigener Arbeit und Verantwortung bestellt oder aber verpachtet wurde. Vgl. Durliat, Jean, Les finances publiques de Diocletien aux Carolingiens 284– 889, Sigmaringen 1990, hier: S. 343 f.; Durliat, Jean, Les finances municipales africaines de Constantin aux Aghlabides, in: Bulletin archéologique du Comité des Travaux Historiques et Scientifiques 19 B (1985), S. 377– 386. Vgl. Durliat, Jean, Le salaire de la paix sociale, S. 21– 72; Durliat, Jean, Cité, impôt et intégration des barbares, in: Pohl, Walter (Hrsg.), Kingdoms of the Empire. The Integration of Barbarians in Late Antiquity, Leiden 1997, S. 153 – 179.
2.1 Die Ansiedlung und Versorgung der Goten auf italischem Boden
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treten waren.¹⁵ Die Annahmen Durliats beruhen damit mehr noch als es im Ansatz Goffarts der Fall ist, auf der fiskalischen Deutung, derzufolge ein possessor nicht der Besitzer eines Grundstückes war, sondern nur der dahinterstehende Steueranteil („rentier de l’impôt“).¹⁶ Dies ist in den Quellen ebenso wie die Dreiteilung jedoch nur dürftig belegt und beruht im Wesentlichen auf Vermutungen.¹⁷ Die Reaktionen der Forschung auf die Modelle von Goffart und Durliat waren sehr unterschiedlich.¹⁸ Nicht selten wurde diese Auseinandersetzung schlichtweg verweigert, indem man entweder auf der Gaupp’schen Deutung beharrte oder die Frage als unlösbar beiseite schob.¹⁹ Hinzu kamen vorwiegend skeptische Stellungnahmen amerikanischer und britischer Historiker, die mit berechtigter Kritik, aber weniger mit überzeugenden Alternativen aufwarteten.²⁰ Die Untersuchungen von
Vgl. Durliat, Jean, Armée et société vers 600. Le problème des soldes, in: Vallet, Françoise/ Kazanski, Michel (Hrsg.), L’Armée romaine et les barbares du IIIe au VIIe siècle, Paris 1993, S. 31– 38. Vgl. Durliat, Jean, Les rentiers de l’impôt. Recherches sur les finances municipales dans la ’Pars Orientis’ au IVe siècle,Wien 1993; Durliat, Jean, Les Nobles et l′impôt du Ive au Vie siécle, in: Vallet, Françoise/ Kazanski, Michel (Hrsg.), La noblesse romaine et les chefs barbares du IIIe au VII e siécle, Rouen 1995, S. 15 – 22. Vgl. Liebeschuetz, John Hugo Wolfgang Gideon, Cities, Taxes and the Accommodation of the Barbarians. The Theories of Durliat and Goffart, in: Pohl, Walter (Hrsg.), Kingdoms of the Empire. The Integration of Barbarians in Late Antiquity, Leiden 1997, S. 135– 152. Liebeschuetz hält der Annahme Durliats entgegen, dass sich diese Drittelung nur auf Nebenabgaben bezog, nicht aber auf die wichtigere Grundsteuer. Vgl. Wolfram, Herwig, Zur Ansiedlung reichsangehöriger Föderaten. Erklärungsversuche und Forschungsziele, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 91 (1983), S. 5 – 36; Wolfram, Goten, S. 295 – 299; Claude, Dietrich, Zur Ansiedlung barbarischer Föderaten in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, in: Wolfram, Herwig/ Schwarcz, Andreas (Hrsg.), Anerkennung und Integration. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Völkerwanderungszeit 400 – 600, Wien 1988, S. 13 – 17; Azzara, Claudio, Venetiae. Determinazione di un’area regionale fra antichità e alto medioevo, Treviso 1994, hier: S. 39; Chrysos, Evangelos, Conclusion. De foederatis iterum, in: Pohl, Walter (Hrsg.), Kingdoms of the Empire. The Integration of Barbarians in Late Antiquity, Leiden 1997, S. 185 – 206; Cesa, Maria, Hospitalitá o altre techniques of accomodation? A proposito di un libro recente, in: Archivio storico italiano 140 (1982), S. 539 – 552; Cesa, Maria, Impero tardoantico e barbari. La crisi militare da Adrianopoli al 418, Como 1994, hier: S. 169 – 175; Vera, Domenico, Proprietà terriera e società rurale nell’Italia gotica, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Spoleto 1993, S. 133 – 166. Vgl. Pohl,Walter, Per hospites divisi. Wirtschaftliche Grundlagen der langobardischen Ansiedlung in Italien, in: Römische Historische Mitteilungen 43 (2001), S. 179 – 226, hier: S. 185. Als Beispiel lässt sich die Dissertation von Dorothee Kohlhas-Müller anführen, die nach der sehr allgemeinen und nicht ganz zutreffenden Feststellung, dass Goffarts Modell allgemein rezipiert wurde, in der weiteren Analyse nun doch wieder von einer Landteilung im Sinne Gaupps ausgeht. Vgl. Kohlhas-Müller, Dorothee, Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, Frankfurt am Main 1994, hier: S. 203 – 218. Für ein zweites Beispiel vgl. Szidat, Joachim, Le forme d’insediamento dei barbari in Italia nel V e VI secolo. Sviluppi e conseguenze sociali e politiche, in: Carile, Antonio (Hrsg.), Teoderico e i Goti tra Oriente e Occidente, Ravenna 1995, S. 67– 78. Beispielhaft lassen sich die Untersuchungen von Paul Fouracre, Samuel Barnish, Chris Wickham und Michael Hendy anführen. Vgl. Fouracre, Paul, Eternal Light and Earthly Needs. Practical
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Wolfgang Liebeschuetz sensibilisierten dabei am Beispiel der Ostgoten dafür, dass die Bedingungen der Ansiedlung immer unterschiedlich gewesen waren und sich so die teilweise widersprüchlichen Nachrichten in den Quellen von Landteilungen und Zuweisungen von Steueranteilen erklären lassen.²¹ Dass regionale, zeitliche und soziale Differenzierungen nötig sind, zeigt vor allem der Einbezug von uneindeutigen und teilweise gegensätzlichen Passagen aus Cassiodors Variae, die beim Zwettler Symposium (1986) vor dem Problem, ob die Ostgoten in Italien Land- oder Steuerzuweisungen erhielten, intensiv diskutiert wurden.²² Zum Leidwesen der Historiker befasste sich Cassiodor in seinen Urkunden nicht mit technischen Details der Ansiedlungs- und Steuerpolitik.²³ Diejenigen Erlasse, die von der Ansiedlung nach 493 handeln, legen nahe, dass es sich um Zuweisungen von Grund und Boden handelte und nicht um die Übertragung von Steueranteilen. Cassiodor bezog sich an mehreren Stellen ausdrücklich auf die Zuweisung von Drittelanteilen, wenn er von tertiarum deputatio sprach, die die Besitzungen der Goten und Romanen wie Herzen verbunden hätten (Var. II 16). Konkret heißt es in diesem Brief, dass die Zufriedenheit der (Grund‐)Herren durch die Teilung des Landes verknüpft worden und die Freundschaft der Völker durch diesen Verlust gewachsen sei (Var. II 16, 5): Iuvat nos referre quemadmodum in tertiarum deputatione Gothorum Romanorumque et possessiones iunxit et animos […] sic enim contigit, ut utraque natio, dum communiter vivit, ad unum velle convenerit.
Würde man nur diese Passage berücksichtigen, könnte man zweifelsohne von Landteilung sprechen, allerdings wird im gleichen Brief eine Steuerreform angesprochen, die in eine andere Richtung deutet. Beide Bemerkungen bezog Cassiodor
Aspects of the Development of Frankish Immunities, in: Davies, Wendy/ Fouracre, Paul (Hrsg.), Property and Power in the Early Middle Ages, Camebridge 1995, S. 53 – 81; Barnish, Samuel J. B., Taxation, Land and Barbarian Settlement in the Western Empire, in: Papers of the British School at Rome 54 (1986), S. 170 – 195; Wickham, Chris, La chûte de Rome n′aura pas lieu, in: Le Moyen Age 99/1 (1993), S. 107– 126; Wickham, The other Transition, S. 3 – 36; Hendy, From public to private, S. 29 – 78. Wolfgang Liebeschuetz hebt dabei hervor, dass die Vandalen als militärische Eroberer, die Burgunder nach schweren Niederlagen, die Westgoten aufgrund einer Verhandlungslösung und die Ostgoten als Eroberer im kaiserlichen Auftrag angesiedelt wurden. Folglich müssen die Bedingungen der Ansiedlung unterschiedlich gewesen sein. Vgl. Liebeschuetz, Cities, Taxes and the Accommodation, S. 135– 152. Der Ausgang blieb kontrovers. Als Ergebnis der Tagung vgl. Wolfram, Herwig/ Schwarcz, Andreas (Hrsg.), Anerkennung und Integration. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Völkerwanderungszeit 400 – 600, Wien 1988. Vgl. Goffart, Walter, After the Zwettl Conference. Comments on the „Techniques of Accommodation“, in: Wolfram, Herwig/ Schwarcz, Andreas (Hrsg.), Anerkennung und Integration. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Völkerwanderungszeit 400 – 600, Wien 1988, S. 73 – 85, hier: S. 84– 85.
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unmittelbar aufeinander, woraus sich ableiten lässt, dass die eine Maßnahme mit der anderen etwas zu tun gehabt haben musste.²⁴ Die Frage, ob die Ostgoten letztendlich Land- oder Steueranteile erhielten, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden.²⁵ Sie entschärft sich allerdings dadurch, wenn man davon ausgeht, dass zumindest die vornehmeren Goten das Land in der Regel nicht selbst bestellten, sondern von den Erträgen lebten.²⁶ Dass diese Frage ungeklärt bleiben muss, bedeutet für die diesem Kapitel zugrundeliegende These keinen Abbruch, da es unerheblich scheint, wie die Ansiedlung auf realpolitischer Ebene gelöst wurde. Entscheidend ist, dass Cassiodor die Versorgung der Ostgoten auf italischem Gebiet als Voraussetzung und Fundament für das friedliche und harmonische Zusammenleben von Zugewanderten und schon in Italien Ansässigen sah.
Dies wird so von Ennodius bestätigt, der in seinen Briefen ebenfalls Steuer und Ansiedlung gemeinsam erwähnte. Die Goten seien zu domini geworden, nur habe dies der Liebe ihrer Gegenstücke, also der römischen (Grund‐)Herren, keinen Abbruch getan. Vgl. Magnis Felicis Ennodii opera omnia, hrsg. von Wilhelm von Hartel (= CSEL 6), Wien 1882, IX 23, 5. Zum gleichen Schluss kommt Herwig Wolfram, nur schließt er daraus, dass die Thesen Goffarts und Durliats diese Stellen in den Grundzügen am besten erklären würden. Vgl. Wolfram, Die dauerhafte Ansiedlung, S. 31. Dabei lässt er außer Acht, dass Walter Goffart in seiner Darstellung die eindeutigen Quellenstellen, in denen unmissverständlich von Landteilung die Rede ist und mehrfach der Grundbesitz der Römer und der Goten (praediorum communio, possessiones und substantia) erwähnt wird, in seiner Argumentation ohne überzeugende Begründung ausklammert.Vgl. Goffart, Barbarians and Romans, S. 72 f. Gleiches vollzieht er mit dem Zeugnis Prokops, der an drei Stellen ausdrücklich von erfolgten Landzuweisungen in Italien spricht: Vgl. Prokop, BG, 1,1,4 f. (Forderung nach einem Drittel des Ackerlandes); Prokop, BG, 1,1,8 (Odoaker gewährte das eingeforderte Drittel) sowie Prokop, BG, 1,1,28 (Theoderich ließ Ländereien, die Odoaker seinen Leuten zugewiesen hatte, unter den Ostgoten verteilen). Walter Goffart zufolge hätten diese Nachrichten jedoch nur geringen Wert, da das Zeugnis unglaubwürdig sei. Auch an dieser Stelle lässt die Darstellung stichhaltige Belege für diese Annahme vermissen. Vgl. Goffart, Barbarians and Romans, S. 64. Vgl. hierzu auch Claude, Millenarius, S. 17. Erschwerend kommt hinzu, dass die lateinische finanzrechtliche Sprache sowohl die Bezeichnungen für Landbesitz als auch die entsprechenden Maßeinheiten dazu verwenden konnte, um den davon zu erwartenden Steuerertrag zu benennen. Ausdrücke wie praedium, caespes, iugerum und iugum vel millena konnten folglich sowohl den konkreten landwirtschaftlichen Besitz beschreiben als auch die auf ihm lastende Steuer. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 225; Wolfram, Die Goten, S. 296. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 205; Pohl, Völkerwanderung, S. 139; Postel, Ursprünge, S. 156. Letztere weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es vielmehr das Ziel gewesen sei, an den Errungenschaften einer wirtschaftlich überlegenen römischen Zivilisation zu partizipieren: „Ob sie also in Form von direkten Besitzübertragungen oder in Form von öffentlichen Geldern versorgt wurden, spielte für die alltägliche Lebensführung einer vornehmlich in städtischen Garnisonen stationierten Truppe keine wesentliche Rolle.“ Postel, Ursprünge, S. 156.
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2.1.1 Friedliche Ansiedlung und harmonisches Zusammenleben als Fundament des inneren Friedens Die erfolgreiche Integration der Goten auf italischem Boden hing zu einem wesentlichen Teil von der Einbindung der romanischen Zivilverwaltung ab, die seit jeher eine Domäne der Senatsaristokratie war. Entscheidend für die Senatoren und die besitzenden Schichten war, dass die Versorgung der Neuankömmlinge unter möglichster Schonung ihrer Rechte sowie weitgehende Beibehaltung ihres Besitzes durchgeführt wurde.²⁷ Mit der Ansiedlung und Versorgung der Goten auf italischem Boden betraute man deshalb den aus vornehmer senatorischer Familie stammenden Petrus Marcellinus Felix Liberius (ca. 465–ca. 554)²⁸, der im Jahr 493 als Garant institutioneller Kontinuität zum Prätorianerpräfekten²⁹ berufen wurde. Cassiodor hob in seinen Variae die Umsicht hervor, mit der es diesem gelungen sei, die Herzen der Romanen und der Goten durch Besitzungen miteinander zu verbinden (Var. III 42). Liberius diente bis zuletzt treu Odoaker und wurde von Cassiodor ausführlich für seine Loyalität und Integrität gelobt (Var. II 16, 2): Retinetis enim, patres conscripti, patricium Liberium et in adversitate nostra fuisse laudabilem, qui sic Odovacris integerrimis parebat obsequiis, ut nostra post fuerit dilectione dignissimus, contra quos multa fecisse videbatur inimicus. non enim ad nos vilissima transfugae condicione migravit nec proprii domini finxit odium, ut alterius sibi procuraret affectum: expectavit integer divina iudicia nec passus est sibi regem quaerere, nisi rectorem primitus perdidisset
Er sei für die Aufgabe der Landverteilung prädestiniert, da er sich auch durch seine auf den Nutzen Italiens ausgerichtete Tätigkeit hervorhebe (Var. II 16, 3).³⁰ Cassiodor
Vgl. Postel, Ursprünge, S. 154 f.; Pohl, Völkerwanderung, S. 137; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 187; Wiemer, Theoderich der Große, S. 197. Bei Liberius handelt es sich um eine der am reichhaltigsten dokumentierten Personen seiner Zeit. In der Forschung dominiert dabei die Bewunderung dafür, dass er innerhalb einer Lebensspanne zwar unterschiedlichen Herren diente, sich dabei aber immer selbst treu blieb. Zu Liberius siehe Martindale, John Robert/ Jones, Arnold H. M./ Morris, John (Hrsg.), The Prosography of the Later Roman Empire, Bd. 2, 395 – 527, Cambridge 1995 (im Folgenden PLRE II), Liberius 3, S. 677 f.; Dumézil, Bruno, Le patrice Liberius. Developpement et redeploiement d’un reseau dans la premiere moitie du VIe siècle, in: Gautier, Alban/ Martin, Céline (Hrsg.), Échanges, communications et réseaux dans le Haut Moyen Âge. Études et textes offerts à Stéphane Lebecq, Turnhout 2012, S. 27– 44; O′Donell, James J., Liberius the Patrician, in: Traditio 37 (1981), S. 31– 72; Sundwall, Johannes, Abhandlungen zur Geschichte des ausgehenden Römertums, New York 1919, hier: S. 133 – 136; Schäfer, Der weströmische Senat, S. 79 – 83. Negativ äußert sich Peter Robert Lamont Brown. Vgl. Brown, Peter Robert Lamont, Religion and Society in the Age of Saint Augustine, London 1971, hier: S. 233. Zum Amt des Prätorianerpräfekten siehe unten S. 50. Die besondere Verbindung zwischen Cassiodor und Liberius offenbart sich insbesondere in der Dankesrede, die Cassiodor anlässlich der Verleihung der Präfektur verfasste (Var. XI 1). In dieser lobte Cassiodor Amalasuintha ausdrücklich für die Beförderung des Liberius auf die Position eines patricius praesentalis (Var. XI 1, 16 – 17). Darüber hinaus erhielt Liberius von der Königin eine Schenkung, die, wie es heißt, dessen Eigentum nicht unwesentlich vergrößert habe (Var. XI 1, 17).
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freute es daher zu berichten, dass Liberius mit den ihm zur Seite gestellten delegatores ³¹ (Var. I 18) durch die Zuteilung der Landlose eine weitgehende Grundlage für das friedliche Miteinander geschaffen habe.³² Das Gemeinwesen verdanke Liberius, der den so vortrefflichen „Völkern“ die Neigung zur Liebe verliehen habe, seine Ruhe (Var. II 16, 5): Debet ergo Romana res publica et memorato Liberio tranquillitatem suam, qui nationibus tam praeclaris tradidit studia caritatis. Vor dem Hintergrund überlieferter Konflikte, auf die an späterer Stelle dieses Kapitels noch ausführlicher einzugehen sein wird³³, gilt es dieses euphorische Urteil zu relativieren. Festzuhalten bleibt allerdings, dass die konfliktfreie Ansiedlung der Neuankömmlinge in den Augen Cassiodors ein elementarer Schritt hin zu einem friedlichen Zusammenleben war.³⁴ Denn, so führte er näher aus, während die Menschen anderenorts wegen ihrer Nachbarschaft in Streit geraten würden, scheine die Gemeinschaft der Ländereien (praediorum communio) der Bevölkerung Italiens Anlass zur Eintracht gewährt zu haben. Auf diese Weise sei es gelungen, dass beide „Völker“
Die delegatores teilten dem neuen Eigentümer den Besitz durch eine offizielle Urkunde (pittacium) zu und bürgten somit für die Richtigkeit der Amtshandlung. Konnte keine schriftliche Bestätigung der Übergabe vorgewiesen werden, so war die Übernahme des Landes nicht rechtmäßig. Der Begriff wandelte sich dabei von seiner ursprünglichen Bedeutung eines einfachen Abzeichens/ Anzeichens hin zu einem offiziellen Akt der Landvergabe und gewann im Mittelalter große Bedeutung.Vgl. RadtkiJansen, Herrscher, S. 232; Zimmermann, The Late Latin Vocabulary, S. 80; Wiemer, Theoderich der Große, S. 201. Zu den delegatores vgl. Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 222; Wolfram, Die Goten, S. 298; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 232; Zimmermann, The Late Latin Vocabulary, S. 1. In ähnlicher Weise lobte Ennodius den Prätorianerpräfekten Liberius, der es verstanden habe, ungezählte Gotenscharen durch die Übertragung von Landgütern (praedia) zu bereichern, fast ohne dass die Romanen es merkten: Nihil enim amplius victores cupiunt et nulla senserunt damna superati. Ennodius, Epistulae, IX 23, 5. Auch dieses Urteil gilt es wohl zu relativieren und der offiziellen Propaganda zuzuordnen. Allerdings lässt sich sowohl mit den Variae als auch den Epistulae belegen, dass offenbar eine glimpfliche und für beide Seiten gut erträgliche Lösung gefunden werden konnte. Enteignungen sind folglich auszuschließen, da diese zu vehementen Protesten romanischer Grundbesitzer geführt hätten und in den Quellen sicherlich nicht unerwähnt geblieben wären. Vgl. Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 188; Wiemer, Theoderich der Große, S. 200. Leider gibt es kein Zeugnis darüber, ob bei der Verteilung alle Goten gleich behandelt wurden und folglich alle den gleichen Anspruch auf Landgüter, Größe und Güte erheben konnten. Hans-Ulrich Wiemer vermutet, dass bei der Landteilung Unterschiede gemacht wurden, die davon abhängig waren, welche Verdienste sich einzelne Goten bei ihrem König erworben hatten und wie sehr dieser auf ihre Loyalität angewiesen war. Außer Frage steht allerdings, dass Theoderichs Angehörige bevorzugt behandelt wurden. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 203 f. Hierzu ausführlicher siehe unten S. 45 – 49. Um dem Leser der Briefe das ideale Zusammenleben und die Eintracht zu visualisieren, bediente sich Cassiodor Vergleichen aus der Tierwelt. Kraniche zum Beispiel würden keine Vorherrschaft kennen und sich Futter gemeinsam besorgen. Infolge ihrer auf Gemeinschaft beruhenden Lebensweise werde niemandem die Ehre entzogen, ohne Herrschaft oder Schrecken würden sie stattdessen einander dienen. Indem sie dies freiwillig täten, seien sie frei und würden durch ihre Zuneigung geradezu eine Art von staatlicher Verfassung zeigen (Var. IX 2, 5). Ähnliches berichtete Cassiodor von den Drosseln (Var. VIII 31, 2) und den Schwalben (Var. VIII 31, 7). Nur Raubvögel, wie mutige Habichte und jagende Adler, würden dagegen die Einsamkeit bevorzugen (Var. VIII 31, 3).
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(utraque natio) durch ihr gemeinsames Leben zu einem einheitlichen Willen gelangt seien. Das gute Einvernehmen zwischen den Eigentümern (domini) sei dabei erst aufgrund der Teilung des Bodens (cespitis divisio) zustande gekommen (Var. II 16, 5): Iuvat nos referre quemadmodum in tertiarum deputatione Gothorum Romanorumque et possessiones iunxit et animos. nam cum se homines soleant de vicinitate collidere, istis praediorum communio causam videtur praestitisse concordiae: sic enim contigit, ut utraque natio, dum communiter vivit, ad unum velle convenerit. en factum novum et omnino laudabile: gratia dominorum de cespitis divisione coniuncta est; amicitiae populis per damna creverunt et parte agri defensor adquisitus est, ut substantiae securitas integra servaretur.
Durch den Verlust sei zwischen Goten und Romanen Freundschaft erwachsen und durch einen Teil des Landes/ Ackers (ager) sei ein Verteidiger³⁵ gewonnen worden, so dass die Sorglosigkeit im Hinblick auf die Beständigkeit des Eigentums (substantia) unbehelligt erhalten geblieben sei (Var. II 16, 5). Dass der Begriff der „substantiae securitas“, also die Sicherheit des Eigentums der senatorischen Grundbesitzer, hier prononciert auftaucht, kann als Argument für die Rechtssicherheit als Basis des inneren Friedens gelesen werden. Dass gotische Adlige bald friedlich als Nachbarn ihrer romanischen Standesgenossen auf großen Landstücken lebten und sogar deren Lebensstil imitierten, bestätigt auch der Anonymus Valesianus, der Theoderich die Worte in den Mund legte: „Romanus miser imitatur Gothum et utilis Gothus imitatur Romanus.“³⁶ Als Grundlage und Rahmen des harmonischen Zusammenlebens führte Cassiodor das Gesetz und eine gleichmäßige Ordnung (una lex illos et aequabilis disciplina complectitur) an, denn notwendigerweise entstehe unter denen „süße Liebe“, die gemeinsam die festgelegten Grenzen bewahren (Var. II 16, 5).³⁷ Wie Cassiodor im vorangegangenen Schreiben ausführte, sei es Liberius mit unermüdlicher Klugheit gelungen, alle Schwierigkeiten zu überwinden und die „barbarischen Sitten“ zur Ruhe zu bringen (Var. II 15).³⁸ Er habe, wie es weiter heißt, alles nach Theoderichs Wunsch geordnet, so dass er die Empfangenden derart zufriedenstellen konnte, dass die Geber keinen Raum für weitere Klagen gefunden hätten (Var. II 15, 3):
Das Motiv der Goten als Beschützer Italiens und der Romanen durchzieht die Variae wie ein roter Faden. Hierzu ausführlicher siehe unten S. 239 – 248. Ausführlicher zum Recht als Grundlage des inneren Friedens siehe unten S. 80 – 103. Exc. Val. 61. Vgl. zu dieser Stelle auch Moorhead, John, Culture and Power among the Ostrogoths, in: Klio 68 (1986), S. 112– 122, hier: S. 114. Liberius blieb noch bis zum Jahr 500 im Amt und erhielt im Anschluss den Titel patricius. In den Jahren 510 bis 534 war er praefectus praetorio in den neu erworbenen Gebieten in Gallien. Offenbar sollte er dort seinen Erfolg in Italien wiederholen und für das friedliche Zusammenleben der ethnisch heterogenen Bevölkerung sorgen. Amalasuintha beförderte ihn daraufhin zum patricius praesentalis. 534 war er Teil einer Gesandtschaft, die Theodahad nach Konstantinopel schickte, um den Tod Amalasuinthas zu leugnen. Liberius kehrte von dieser Gesandtschaft nicht wieder zurück und bekleidete unter Kaiser Justinian I. mehrere Ämter. Unter anderem wirkte er entscheidend bei der Neuorganisation Italiens mit und starb in hohem Alter. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 251.
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Superavit cuncta infatigabilis et expedita prudentia: traxit mores barbaros ad quietem: in votum nostrum cuncta moderatus est, ut sic accipientibus satisfaceret, ne dantes locum querimoniis invenirent.
Besonders interessant an dieser Passage ist die Formulierung „mores barbaros“. Nicht ganz eindeutig ist an dieser Stelle, ob Cassiodor in diesem Zusammenhang die Sitten der Goten als „barbarisch“ bezeichnete oder aber ob er aufgrund der insgesamt rauen Übergangszeit nach Theoderichs Herrschaftsübernahme die Sitten eigentlicher „Barbaren“ meinte. Für letzteres spricht, dass sich Cassiodor auf der rhetorischen Ebene seiner Briefe an unzähligen Stellen antibarbarischer Vorurteile bediente, um die Ostgoten und deren Könige im positiven Sinne von den übrigen gentes abzuheben. Interessanterweise gebrauchte Cassiodor an zwei Stellen der Variae auch für die Romanen die Bezeichnung „gens“ (Var. VIII 10, 11; Var. IX 25, 2). Als gemeinsame Bezeichnung für beide Ethnien verwendete er ansonsten die Begriffe „populus“ und „natio“, wie zum Beispiel audiat uterque populus quod amamus (Var. VII 2, 3) und utraque natio (Var. II 16, 5). Mit Formulierungen dieser Art stilisierte Cassiodor die Goten als ebensolche Träger der res publica wie es die Romanen waren. Dazu passt, wie im weiteren Verlauf dieses Abschnittes noch ausführlicher in den Blick genommen wird, dass der Minister die Goten als zivilisatorisch den Romanen ebenbürtig und den anderen gentes überlegen darstellte. Abgesehen von Var. II 15, 3 war Cassiodor tunlichst darauf bedacht, im Zusammenhang mit den Ostgoten nie von „Barbaren“ zu sprechen³⁹, was insofern wundert, als dass es zu seiner Zeit durchaus üblich war, ohne propagandistische Untertöne von selbigen zu sprechen, um eine bestimmte Menschengruppe zu charakterisieren.⁴⁰ Obwohl die Goten als Armeeangehörige selbst im Edictum Theoderici ⁴¹ als barbari bezeichnet wurden⁴², war diese Bezeichnung für Cassiodor offenbar negativ konnotiert und stand seinem Ziel, das insgesamt harmonische Zusammenleben von Goten und Romanen zu betonen, im Wege. Stattdessen gebrauchte er diese Bezeichnung nur in solchen Fällen, in denen er eine Person oder eine Bevölkerungsgruppe beschrieb, deren ethnische Identität nicht zweifelsfrei feststand.⁴³ Abgesehen von Gepiden und Rugiern, die mit Theoderich nach Italien kamen, sowie Alemannen und Skiren, die
Wilhelm Ensslin liegt falsch, wenn er schlussfolgert, dass die Goten unbedenklich auch von der Königskanzlei als barbari bezeichnet worden wären. Vgl. Ensslin, Theoderich der Große, S. 194. Dies trifft sowohl auf die Burgunder als auch auf die Franken zu. Angehörige beider gentes werden in den Quellen ohne negativen Nebenklang als barbari bezeichnet.Vgl. hierzu Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 53. Zum Edictum Theoderici und der Diskussion um die Urheberschaft siehe unten S. 81– 83. Vgl. hierzu unter anderem Edictum Theoderici Regis, hrsg. von Friedrich Bluhme (= MGH LL V), Hannover 1889, S. 145 – 179, § 32; § 33; § 34; § 44; § 145; § 155. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 302; Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 54 f. Insgesamt gebrauchte Cassiodor in der Briefsammlung an 16 Stellen ausdrücklich die Bezeichnung barbarus. Schier unzählbar sind die Stellen, in denen er von gentes oder auch auch von nationes sprach, was sich letztlich in das gleiche Wortfeld einordnen lässt.
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dort schon unter Odoakers Herrschaft bezeugt sind, hätte es sich folglich auch um Goten handeln können. So habe beispielsweise ein praesumptor barbarus ⁴⁴ das Grundstück eines Romanen okkupiert (Var. I 18, 2)⁴⁵, während in einem an die in Pannonien lebenden „Barbaren“ und Romanen gerichteten Schreiben gemahnt wurde, dass sich diese nicht gegen ihre parentes richten sollen (Var. III 24). Bei den Adressaten handelte es sich offenbar um die auf dem Balkan lebende nicht-romanische Bevölkerung, die von Cassiodor als den Goten verwandt angesehen wurde. In beiden Briefen deutet der Terminus barbari auf Cassiodors Unsicherheit bezüglich der ethnischen Gruppe hin.⁴⁶ In den überwiegenden Fällen gebrauchte Cassiodor antibarbarische Stereotype bewusst, um die Ostgoten positiv als Teil der romanischen Gemeinschaft hervorzuheben.⁴⁷ Zum ersten Mal wird dadurch in der lateinsprachigen Literatur ein „Volk“ aus der undifferenzierten und meistens verachteten Anzahl der gentes positiv hervorgehoben.⁴⁸ Neben der Betonung von für ihn offensichtlichen Charakterschwächen der „Barbaren“ wie Treulosigkeit (Var. II 5, 2), moralische Minderwertigkeit (Var. IV 3, 2), Armut (Var. IV 45; VI 9, 7; XII 4, 1) und permanenter Gewaltbereitschaft sowie Ge-
Laut Odo John Zimmermann handelt es sich bei einem praesumptor um eine Person, die illegal Besitz von einem Gegenstand ergreift. Vgl. Zimmermann, Late Latin Vocabulary, S. 102. Cassiodor nutzte die Bezeichnung in anderen Schreiben in einem vergleichbaren Kontext (Var. III 31, 1; IV 27, 5; V 39, 5; X 18, 1). Wenn ein „Barbar“ sich ohne schriftliche Anweisung das Gut eines Romanen angeeignet habe, so solle er es unverzüglich dem früheren Besitzer zurückgeben (Var. I 18, 2): Si Romani praedium, ex quo deo propitio Sonti fluenta transmisimus, ubi primum Italiae nos suscepit imperium, sine delegatoris cuiusquam pittacio praesumptor barbarus occupavit, eum priori domino summota dilatione restituat. quod si ante designatum tempus rem videtur ingressus, quoniam praescriptio probatur obviare tricennii, petitionem iubemus quiescere pulsatoris. Christina Kakridi und Walter Goffart vermuten, dass es sich bei dem in diesem Brief angesprochenen barbarus um keinen Goten handelte. Der Streit stand dann folglich nicht in Beziehung zur gotischen Besiedlung.Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 180; Goffart, Romans and Barbarians, S. 90. Cassiodors Unsicherheit zeigt sich besonders eindrücklich in Var. I 18. Im Verlauf des Schreibens wird deutlich, dass er in seiner Anordnung nicht nur an die Goten dachte. Er argumentierte, dass Klagen bezüglich der widerrechtlichen Aneignung von Besitztümern unter der Herrschaft Odoakers verjährt und daher keine Ermittlungen mehr möglich seien (Var. I 18, 2 f.): quod si ante designatum tempus rem videtur ingressus, quoniam praescriptio probatur obviare tricennii, petitionem iubemus quiescere pulsatoris. Illa enim reduci in medium volumus, quae, nostris temporibus praesumpta, damnamus, quia locus calumniandi non relinquitur, cum longi temporis obscuritas praeteritur. Vgl. Heather, Peter, The Barbarian in Late Antiquity. Image, Reality and Transformation, in: Miles, Richard (Hrsg.), Constructing Identities in Late Antiquity, London 1999, S. 234– 258. „Barbarenklischees“ dieser Art finden sich auch bei Prokop. Vgl. hierzu Plassmann, Alheydis, Interessenvertretung und Intrigen am ostgotischen Königshof, in: Becher, Matthias/ Plassmann, Alheydis (Hrsg.), Streit am Hof im frühen Mittelalter, Göttingen 2011, S. 75 – 94, hier: S. 78. Zum Barbarenbild vgl. auch Halsall, Guy, Funny Foreigners. Laughing with the Barbarians in Late Antiquity, in: Halsall, Guy (Hrsg.), Humour, History and Politics in Late Antiquity and the Early Middle Ages, Cambridge 2002, S. 89 – 113. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 303.
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setzlosigkeit (Var. III 17, 3) betrifft dies auch ihren technologischen Rückstand und fehlende musische Bildung (Var. II 40). Immer wieder ging es Cassiodor darum, benachbarte gentes über den hohen zivilisatorischen Stand der Ostgoten staunen zu lassen.⁴⁹ Dies zeigt sich besonders eindrücklich in einem Schreiben, in welchem Boethius († zwischen 524 und 526)⁵⁰ den Auftrag erhielt, die vom Burgunderkönig Gundobad († 516) erbetene Sonnen- und Wasseruhr⁵¹ zu besorgen (Var. I 45). Cassiodor nahm diesen Brief zum Anlass, mit „zischenden Schlangen aus Bronze“, Orgeln und Planetarien ausführlich über die technischen Errungenschaften Italiens zu referieren (Var. I 45, 5 – 10). Er unterstrich, dass jede wissenschaftliche Arbeit die Macht der Natur zu ergründen und in gewissen Bereichen auch zu übertreffen versuche, da etwas Stummes dank der Technik singen, etwas Gefühlloses leben und etwas Starres sich bewegen könne (Var. I 45, 10). Gundobad solle deshalb die gewünschten Uhren bekommen, denn beim Genuss dieser Unterhaltsamkeit solle den Burgundern das, was für Theoderich und seine Goten alltäglich sei, als ein Wunder erscheinen (Var. I 45, 2): Quatenus impetratis delectationibus perfruendo, quod nobis cottidianum, illis videatur esse miraculum. merito siquidem respicere cupiunt, quod legatorum suorum relationibus obstupescunt. Die Überlegenheit der Ostgoten gegenüber den Burgundern zeigt sich des Weiteren daran, dass Cassiodor im an diesen Brief anschließenden Schreiben an Gundobad die Auffassung vertrat, dass Burgund die „barbarische Lebensweise“ (propositum gentile) abgelegt habe und daher zu Recht die „Erfindungen der Weisen“ begehre (Var. I 46, 2). Die Burgunder sollten mit Hilfe der Überlegenheit der ostgotischen Techniker lernen, den Tag einzuordnen und so ihren Lebenslauf zu ordnen, denn die Stunden wie bisher nach dem Hunger einzuschätzen, komme dem Leben wilder Tiere gleich (Var. I 46, 2).⁵² Auf kultureller Ebene betonte Cassiodor neben fehlender musikalischer Bildung (Var. II 40), dass den in den benachbarten Reichen lebenden „Barbaren“ der Zugang zu Literatur und Rhetorik fehle (Var. IX 21). Dadurch bleibe ihnen ein sittliches Leben, das erst durch die Lektüre alter Schriftsteller ermöglicht werden würde, verschlossen (Var. IX 21, 4): Grammatica magistra verborum, ornatrix humani generis, quae per exercitationem pulcherrimae lectionis antiquorum nos cognoscitur iuvare consiliis. hac non utuntur barbari reges: apud legales
Deutlich wird dies im Zusammenhang mit der Verpflegung ausländischer Gesandter am Ostgotenhof. Hierzu ausführlicher siehe unten S. 234– 236. Ausführlich zu Boethius siehe unten S. 204 f. In der spätantiken Literatur gilt die Uhr als Metapher und Sinnbild einer guten Herrschaft. Vgl. Wolkenhauer, Anja, Ordo Vitae. Die Entwicklung der Uhrenmetapher als Sinnbild guter Herrschaft in der spätantiken lateinischen Literatur, in: Splinter, Susan/ Gerstengarbe, Sybille/ Remane, Horst/ Parthier, Benno (Hrsg.), Physica et historia. Festschrift für Andreas Kleinert zum 65. Geburtstag, Halle (Saale) 2005, S. 43 – 50; Wolkenhauer, Anja, Sonne und Mond, Kalender und Uhr. Studien zur Darstellung und poetischen Reflexion der Zeitordnung in der römischen Literatur, Berlin 2011, hier: S. 145 f.; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 311 f. Zum Hintergrund dieses Briefes siehe unten S. 230.
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dominos manere cognoscitur singularis. arma enim et reliqua gentes habent: sola reperitur eloquentia, quae Romanorum dominis obsecundat.
Die Wildheit der „Barbaren“ und deren Unzulänglichkeit für Vernunft, Bildung, Gerechtigkeit und Wahrheit machte Cassiodor auch im Rahmen von diplomatischen Schreiben deutlich. Ein Kitharoede – eine Art Harfensänger⁵³ – beispielsweise, der an Chlodwig I. gesendet wurde, solle durch seinen süßen Klang wie Orpheus die wilden Herzen der „Barbaren“ bezähmen (Var. II 40, 17).⁵⁴ An anderer Stelle heißt es, dass ein vornehmer Romane namens Senarius⁵⁵ oft die Pflicht einer schwierigen Gesandtschaft auf sich genommen und den gentilen Königen Widerstand geleistet habe (Var. IV 3). Er habe dabei das Ideal der Gerechtigkeit gezeigt und ohne Angst vor der in Zorn entflammten Autorität eines Königs die „Barbaren“ zu ihrem Gewissen getrieben (Var. IV 3, 2).⁵⁶ Die angeführten Stellen, die sich noch um ein Vielfaches erweitern ließen, verdeutlichen, dass Cassiodor sehr darum bemüht war, den inneren Frieden zwischen Zugewanderten und Einheimischen auf rhetorischer Ebene zu festigen und nicht durch Ressentiments zu gefährden. Dabei war er darauf bedacht, die Briefe so zu formulieren, dass sie weder bei Goten noch bei Romanen Anstoß erregen konnten. Im Sinne einer Konfliktvermeidung zieht sich dieses Motiv wie ein roter Faden durch die gesamte Briefsammlung. Besonders deutlich wird dies im Zusammenhang mit der konsequenten Verschweigung der religiösen Gegensätze zwischen katholischen Romanen und arianischen Goten.⁵⁷ Auch wenn er bestrebt war, mit den Variae das friedliche Auskommen von Goten und Romanen zu betonen, deuten einzelne in die Briefsammlung aufgenommene Schreiben darauf hin, dass die Ansiedlung ersterer zu Besitzstreitigkeiten zwischen Einheimischen und Zugewanderten führte. Da es sich hierbei in den Augen Cassiodors um eine Gefahrenquelle des Friedens handelte, schritt er konsequent ein, um Auseinandersetzungen dieser Art zu lösen. Von diesen Interventionen zeugen eine Reihe von in die Variae aufgenommene Schreiben. Im folgenden Abschnitt werden exemplarisch drei dieser Fälle ausführlicher in den Blick genommen.
Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 276. Zum Hintergrund dieses Briefes siehe unten S. 218 – 220. Cassiodor attestierte Senarius eine edle Abstammung (Var. IV 4, 5). Er machte schon in jungen Jahren Karriere und nahm an vielen Gesandtschaften sowohl in den Osten als auch nach Spanien, Gallien und Afrika teil (Var. IV 3; IV 4). Zu Senarius siehe PLRE II, Senarius, S. 988 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 92, S. 103 f.; Wiemer, Theoderich der Große, S. 369 f. Senarius hatte sich vor allem bei dem Versuch, den Ausbruch des Krieges zwischen Chlodwig I. und Alarich II. zu verhindern, einen Namen gemacht. Obwohl die Verhandlungen letztlich scheiterten, war Theoderich offenbar derart mit dessen Leistung zufrieden, dass er ihn zum comes patrimonii für das Jahr 509/10 ernannte. Zu diesem Anlass entstand das oben erwähnte Schreiben, in welchem Cassiodor ein wahres Loblied auf Senarius anstimmte (Var. IV 3). Hierzu siehe unten S. 143 – 149.
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2.1.2 Konsequentes Einschreiten als Mittel zur Lösung von Besitzstreitigkeiten Bei Besitzstreitigkeiten handelt es sich um ein in der Briefsammlung wiederkehrendes Thema. Die Vermutung liegt daher nahe, dass das Zusammenleben von Goten und Romanen keinesfalls konfliktfrei war.⁵⁸ Dies darf jedoch nicht dazu verleiten, die aus der Ansiedlung und dem Zusammenleben resultierenden Auseinandersetzungen überzubewerten, blieb doch der Großteil Italiens von der direkten Landnahme der Ostgoten verschont und war die Anzahl der Ostgoten im Verhältnis zur romanischen Provinzialbevölkerung Italiens gering. Die Ansiedlung der Goten fand unter strategischen Gesichtspunkten statt. Angesichts der geringen Zahl der Einwanderer im Verhältnis zur ansässigen Bevölkerung musste eine allzu breite Streuung vermieden werden, sofern man das Land vor Überfällen benachbarter gentes sichern wollte. Archäologische Befunde machen dabei deutlich, dass die gotischen Siedlungen schwerpunktmäßig in Mittel- und Norditalien lagen, während der Süden und Sizilien abgesehen von einigen Garnisonen weitgehend frei von gotischen Ansiedlungen blieb.⁵⁹ Wie aber insbesondere das Bestallungsformular der gotischen comites nahelegt (Var. VII 3)⁶⁰, handelte es sich bei den aus der Ansiedlung der Ostgoten resultierenden Spannungen dennoch um eine virulente Gefahr für Cassiodor, da sich aus kleineren Auseinandersetzungen um Besitztümer und Landzuweisungen schnell die von ihm befürchteten Unruhen und größeren Aufstände entwickeln konnten. Der Minister war sich dieser Gefahr bewusst und sah, wie sich mit den folgenden Beispielen belegen lässt, in konsequentem Einschreiten gegen Eigentumsverletzungen ein bewährtes Mittel, um Streitfälle nicht ausufern zu lassen und möglichst frühzeitig beizulegen. Als erstes Beispiel für Cassiodors Eingreifen lässt sich die Usurpation seitens des Prätorianerpräfekten Faustus Niger⁶¹ anführen. Die in diesem Zusammenhang erfol Vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 164; Spielvogel, Hintergründe, S. 6; Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 215 – 238. Auch die Consolatio philosophiae des Boethius enthält ein langes Register von Übergriffen und privaten Räubereien. Vgl. De consolatione philosophiae, opuscula theologica, hrsg. von Claudio Moreschini, München 2005, 1,4,10 – 14. Namentlich werden die Goten Cunigast und Trigguilla als Rechtsverletzer genannt, die beide in enger Beziehung zum Hofe Theoderichs standen und ein Hofamt innehatten. Vgl. zu diesem Vorfall auch Gruber, Joachim, Kommentar zu Boethius ’De consolatione Philosophiae’, Berlin 1979, S. 119. Zur Verteilung der Goten in Italien und deren Siedlungsgebieten vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 164; Wiemer, Theoderich der Große, S. 201; Jahn, Wolfgang, Felicitas est secuta Italiam. Bemerkungen zur Lage der römischen Bevölkerung im 6. Jahrhundert in Italien, in: Klio 71 (1989) S. 410 – 413, hier: S. 411; Spielvogel, Hintergründe, S. 4 f.; Wolfram, Goten, S. 295 – 299; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 68 f. Zum archäologischen Befund und zu den Ergebnissen der Toponomastik vgl. Bierbrauer, Volker, Die ostgotischen Grab- und Schatzfunde in Italien, Spoleto 1974, hier: S. 23 – 39; Bierbrauer, Volker, Archäologie und Geschichte der Goten vom 1.–7. Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien 28 (1994), S. 51– 171, hier: S. 140 – 152. Ausführlich zu diesem Formular siehe unten S. 85 f. Faustus Niger zeigte unter Theoderich ein hohes politisches Engagement und war nacheinander magister officorum, quaestor palatii und von 507 bis 512 Prätorianerpräfekt der italischen Präfektur.Vgl.
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gende Stellungnahme hat geradezu programmatischen Charakter und kann als beispielhaft für Cassiodors beharrliches Vorgehen gegen Missstände dieser Art gelten (Var. III 20). Der Urkunde nach hatte sich Faustus Niger widerrechtlich am Besitz eines gewissen Castorius vergriffen. Hierbei handelte es sich um einen aufsehenerregenden Vorfall, nicht nur nach dem Verständnis des modernen Beobachters, sondern ebenso der Zeitgenossen.⁶² In vergleichsweise scharfer Sprache ordnete Cassiodor eine Untersuchung und gegebenenfalls auch Wiedergutmachung durch den saio Triwila⁶³ und den Amtsdiener (apparitor) Ferrocinctus an, da ein Akt solcher Anmaßung keinesfalls geduldet werden dürfe (Var. III 20, 2): Castorii igitur flebili calamitate permoti, quem exitialis hactenus diversorum pressit invidia, occasionem praebuit salutaribus constitutis, ut plus valeret nostrae pietatis auxilium quam iniqua calliditas improborum. atque ideo praesenti vobis auctoritate decernimus, ut, si praefectus vir magnificus Faustus ea quae Castorius possidebat vel titulis ingravavit vel privata usurpatione detinuit, mox ei praedium cum alio eiusdem meriti vobis imminentibus a pervasore reddatur, ut crudelibus damnis afflicto pietatis nostrae remedio consulamus.
Nach diesem Entscheid musste Faustus Niger, sofern sich dessen Schuld herausstellte und er Castorius widerrechtlich ein Landgut enteignet hatte, diesem dasselbe zurückgeben und zusätzlich ein anderes vom selben Wert überschreiben, damit der König so für den auf grausame Weise Geschädigten mit dem Heilmittel seiner frommen Verantwortung (pietas) sorgen könne. Um Übergriffen dieser Art künftig Einhalt zu bieten und wahrscheinlich um Nachahmungstaten vorzubeugen, wurde Faustus Niger mit einer Geldstrafe von 50 Pfund Gold bedroht. Noch schlimmer aber solle es für ihn sein, dass er denjenigen unverletzt sehen müsse, den er zu schädigen wünschte (Var. III 20, 3). Die Formulierungen am Anfang und am Ende des Briefes deuten darauf hin, dass es Cassiodor vordergründig nicht um die Übergriffe auf Castorius im Besonderen ging. Viel wichtiger als die konkreten Ereignisse in diesem Fall waren ihm grundsätzliche Überlegungen, einerseits die Schwachen zu unterstützen⁶⁴ und andererseits vor allem Besitzstreitigkeiten vorzubeugen. Durch besondere Fürsorge sollte so, wie er zu Beginn des Briefes formulierte, ein Bollwerk gegen die Macht der Hochmütigen errichtet werden, da Kühnheit seiner Meinung nach keine Freiheit besitzen dürfe und Dreistigkeit⁶⁵ niederzuwerfen sei (Var. III 20, 1):
PLRE II, Faustus 9, S. 454 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 49, S. 64 f.; Sundwall, Abhandlungen, S. 117– 120; Chastagnol, André, Le sénat romain sous le régne d′Odoacre, Bonn 1966, hier: S. 82 f. Vgl. Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 223. Zu Triwila siehe PLRE II, Triwila, S. 1126 f.; Amory, People and Identity, S. 423 f. Bei der Formulierung, den Schwachen Schutz zukommen zu lassen, handelt es sich um ein wiederkehrendes Motiv. Hierzu siehe unten S. 60; S. 95; S. 175 Dreistigkeit (audacia) erscheint auch an anderen Stellen als Motiv für falsches Handeln (Var. II 13, 2; IV 3, 2; V 32, 1).
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Inter gloriosas rei publicae curas, quas perpeti cogitatione deo auxiliante revolvimus, cordi nostri est levamen humilium, ut contra potentiam superborum nostrae pietatis erigamus obstaculum, nec liceat quicquam apud nos audaciae, cuius est propositi superba calcare.
Die Beschwerde des Castorius sei daher willkommene Gelegenheit für heilbringende Verordnungen, damit sich die Fürsorge stärker erweise als ungerechte Verschlagenheit (Var. III 20, 2). Am Ende des Briefes steigerte Cassiodor diesen Gedanken noch einmal, indem er formulierte, dass es dem praefectus praetorio nicht erlaubt sei, seine Wut an einem Untergebenen auszulassen. Daher werde ihm die Macht entzogen, Bedauernswerte zu beeinträchtigen.⁶⁶ Hieraus mögen alle ersehen, wie wichtig Rechtsgleichheit sei, da selbst die Macht der Beamten eingeschränkt werde, um die Ruhe des Gewissens zu mehren (Var. III 20, 4): En factum quod cunctas protinus temperet ac corrigat potestates: praetorii praefectus bacchari non est in humilis laesione permissus et cui a nobis assurgitur, officiendi potestas miseris abrogatur. hinc omnes intellegant, quo amore delectemur aequitatis, ut et potentiam iudicum nostrorum velimus imminuere, quatenus bona conscientiae possimus augere.
Als zweites Beispiel für Cassiodors konsequentes Einschreiten bei Eigentumsverletzungen lässt sich der Konflikt zwischen dem comes Tanca und den Romanen Konstantin und Venerius anführen (Var. VIII 28). Offenbar hatte Tanca den beiden ein kleines Landgut (agellum) und Vieh weggenommen, was den Senator dazu veranlasste, den vir illustris Cunigast⁶⁷ damit zu beauftragen, den Streit beizulegen und die beiden wieder in ihr Eigentum einzusetzen (Var. VIII 28, 3). Das Schreiben lässt dabei keinen Zweifel daran, dass der Minister an die Schuld des Goten glaubte. Wie dem Brief zu entnehmen ist, hatte Tanca darüber hinaus versucht, den Kindern der Romanen den Status der Sklaverei⁶⁸ aufzuerlegen (Var. VIII 28, 1): Permovit serenitatem nostram Constanti atque Venerii dolenda conquestio, qua sibi a Tancane iuris proprii agellum, quod Fabricula nominatur, cum suo peculio causantur ablatum, adicientes, ne rerum suarum repetitionibus imminerent, liberis sibi condicionem ultimae servitutis imponi.
Der angeschriebene Cunigast sollte daher den Sachverhalt genauestens untersuchen, da es inakzeptabel sei, Freie als Sklaven zu bezeichnen und sie auf diese Weise
Offenbar hatte das Ereignis negative Folgen auf das Ansehen von Faustus Niger, da diesem in der nächsten Urkunde die Erlaubnis erteilt wurde, Rom für vier Monate verlassen zu dürfen (Var. III 21). Ob es sich hierbei um Anicius Acilius Aginantius Faustus handelte, wie Christina Kakridi annimmt, oder um Faustus Niger, lässt sich jedoch nicht mit absoluter Gewissheit sagen. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 277. Zu Cunigast siehe PLRE II, Cunigastus, S. 330; Amory, People and Identity, S. 369. Die Versklavung einer freien Person galt im Ostgotenreich als schweres Verbrechen. Wer einen Freien in Sklaverei halte, solle wegen Verleumdung (calumnia) und Beleidigung (iniuria) angeklagt werden. Wer Menschen verschleppe, um sie zu verkaufen, der solle getötet werden. Vgl. Edictum Theoderici § 78 f.
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rechtlich zu entmündigen (Var. VIII 28, 2).⁶⁹ Das Entfremdete solle daher rückerstattet werden oder aber, sofern sich Tancas Unschuld herausstelle, im Besitz des Goten bleiben (Var. VIII 28, 3).⁷⁰ Als drittes Beispiel rigiden Vorgehens gegen Eigentumsverletzungen lässt sich ein Fall anführen, in welchem der spätere König Theodahad, der große Ländereien in Tuscien⁷¹ besaß und schon vorher durch Nachbarschaftsstreitereien aufgefallen war (Var. III 20; IV 39)⁷², beschuldigt wurde, sich unrechtmäßig Besitz angeeignet zu haben (Var.V 12).⁷³ Offenbar nutzte Theodahad die ihm zur Verfügung stehenden Mittel in Form einer Privatarmee, um gleichermaßen Goten wie Romanen aus ihren Besitzungen zu vertreiben.⁷⁴ Theoderich forderte seinen Neffen zur Herausgabe seiner Beute auf und ließ ihm durch Cassiodor ausrichten, dass vor allem diejenigen lobenswert handeln sollten, die sich der Verwandtschaft des Königs rühmen (Var. V 12, 1):
Als weiteres Beispiel für ein vergleichbares Ereignis ließe sich ein Fall aufführen, in welchem sich der blinde Gote Anduit beklagte, dass ihn Gudila und Oppane als Sklaven beanspruchten, obwohl er früher als freier Mann in Theoderichs Heer gekämpft habe. Auch in diesem Fall ordnete der König eine kritische Überprüfung des Falls an und beauftragte hiermit den hochrangigen Goten Neudis (Var.V 29). Christina Kakridi und Walter Goffart vermuten, dass Tanca das Land einschließlich der dazugehörigen Bauern beanspruchte, weil ihm die hieraus stammenden Steuereinkommen zugesprochen worden sind. Wenn dies so war, verlangte Tanca nichts anderes, als was jedem anderen Eigentümer gegenüber seinen coloni zuerkannt wurde. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 179; Goffart, Romans and Barbarians, S. 93 f. Nach dem Tode Theoderichs hatte er sich einen Teil der königlichen Erbschaft anzueignen vermocht, indem er das in Tuscien gelegene patrimonium an sich riss. Wie Prokop berichtet, beabsichtigte Theodahad, seine rechtmäßig erworbenen und die usurpierten Besitzungen an Kaiser Justinian I. im Austausch gegen Asyl in Konstantinopel abzutreten.Vgl. Prokop, BG, 1,3,4. Dieses Verhalten entsprach dem Straftatbestand des Hochverrats. Aus politischen Gründen und wohl auch Zwängen legalisierte Amalasuintha dieses Vorgehen und erhob ihren Vetter nach dem Tode Athalarichs im Jahre 534 zum Mitregenten (Var. X 1– 4). Zu den Ereignissen vgl. Pohl, Völkerwanderung, S. 148; Wiemer, Integration durch Separation, S. 174 f.; Stein, Ernest, Histoire du Bas-Empire, Paris 1949, hier: S. 328 – 339; S. 564– 604; Wolfram, Goten, S. 337– 341; Bury, John Bagnell, History of the Later Roman Empire from the Death of Theodosius I to the Death of Justinian, Bd. 2, London 1923, hier: S. 168 f.; Hartmann, Ludo Moritz, Geschichte Italiens im Mittelalter, Bd. 1, Gotha 1900, hier: S. 280 f.; Heather, Goths and Romans, S. 260 – 271. Wie Prokops Schilderungen zu entnehmen ist, musste sich auch Amalasuintha, die die Regierungsgeschäfte für ihren unmündigen Sohn Athalarich führte, mit Übergriffen des Theodahads auseinandersetzen. Vgl. Prokop, BG, 1,3,3 sowie 1,4,1 f. Zu diesen Vorfällen vgl. auch Krautschick, Cassiodor, S. 129. Erst nach der Krönung zum König verkündete Theodahad, dass er auf die kompromisslose Durchsetzung seiner privaten Interessen zu verzichten gedachte (Var. X 5). Er gab dabei dazu, dass er auch von Amalasuintha immer wieder dazu gezwungen worden sei, sich in der Verfolgung seiner privaten Interessen an die für jeden Privatmann geltenden Gesetze zu halten (Var. X 4, 4): Causas enim, ut scitis, iure communi nos fecit dicere cum privatis. Vgl. Castarius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 220; Plassmann, Interessenvertretung und Intrigen, S. 88 – 90. Wie Prokop in diesem Zusammenhang formuliert, soll es ihm ein Unglück gewesen sein, einen Nachbarn zu haben. Vgl. Prokop, BG, 1,3,2.
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Si iustitiam colere universos et amare praecipimus, quanto magis eos qui nostra proximitate gloriantur, quos omnia decet sub laude gerere, ut regiae possint fulgorem consanguinitatis ostendere.
Die angeführten Beispiele machen deutlich, dass Besitzstreitigkeiten und Eigentumsdelikte in den Augen Cassiodors unbedingt zu vermeiden waren. Im Gegenteil vertrat er die Auffassung, dass erst durch das Zusammenleben in unmittelbarer Nachbarschaft und durch gegenseitige Rücksichtnahme Freundschaft zwischen beiden „Völkern“ entstehen konnte. Zur Herstellung und Bewahrung des inneren Friedens war es für ihn entscheidend, dass sowohl die Ansiedlung als auch das gemeinschaftliche Zusammenwohnen unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit erfolgte. Dabei setzte er, wie der folgende Abschnitt zeigen soll, auf eine objektive und auf Gebühr handelnde Verwaltung, die sich insbesondere bei der Eintreibung und Verwaltung der Steuern bewähren musste. Da die Organisation des Zusammenlebens und vor allem die Erhebung der Steuern durch Korruption und Widerstand in sämtlichen gesellschaftlichen Schichten erschwert wurde, lohnt sich hier insbesondere der Blick auf Cassiodors Lösungsansätze und praktischen Maßnahmen zur Durchsetzung seiner Idealvorstellungen.
2.2 Organisation des Zusammenlebens am Beispiel der Verwaltung und des Steuereinzugs Um die Versorgung der Ostgoten auf italischem Boden sicherzustellen, waren die Amaler darauf angewiesen, die Verwaltungsorganisation des alten Imperiums zu erhalten und für ihre Zwecke zu nutzen.⁷⁵ Ganz im Sinne der zu Anfang der Variae verkündeten imitatio imperii (Var. I 1, 3) übernahm Theoderich die bestehende römische Verwaltungsstruktur und setzte den spätantiken Staat mit seiner differenzierten Provinzialstruktur fort.⁷⁶ In diesem Sinne legte Theoderich Wert darauf, sich innerhalb seiner Kompetenzgrenzen als König zu bewegen und die Vorrechte des Kaisers nicht offensiv beziehungsweise deutlich sichtbar anzutasten. Hierzu zählte beispielsweise, dass er die Ernennung der Westkonsuln seitens Konstantinopels unangetastet ließ und sich stattdessen als Stellvertreter des Kaisers im Westen sah.⁷⁷ Mit Vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 156 – 174; Wiemer, Die Goten in Italien, S. 593 – 628; Wiemer, Theoderich der Große, S. 197; Wolfram, Goten; Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 3 – 20. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 29; Wolfram, Die Goten, S. 290; Wiemer, Theoderich der Große, S. 260 – 328. Vgl. Wolfram, Die Goten, S. 288. Die Untersuchung von Christine Radtki-Jansen legt dabei nahe, dass Theoderich dort, wo ihm dies nicht durch die Vorrechte des Kaisers verwehrt wurde, die ihm zur Verfügung stehenden Inszenierungsspielräume gezielt dazu nutzte, um sich und seine Herrschaft angemessen zu repräsentieren. Als Beispiele führt die Autorin die Münzprägung, öffentliches Auftreten samt Kleidung und Zeremoniell sowie die Bautätigkeit Theoderichs an. Vgl. Radtki-Jansen, S. 33 – 46. An dieser Stelle würde es zu weit führen, die gesamte Forschungsdiskussion zur rechtlichen Stellung Theoderichs auszuführen. Daher sei im Folgenden auf die wichtigsten Positionen verwiesen. Vgl.
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dem magister officiorum, der als Chef aller Kanzleien Jurisdiktionsgewalt über alle nachgeordneten Behörden und Beamten ausüben konnte und oberster Zeremonienmeister war⁷⁸, und dem Prätorianerpräfekten (praefectus praetorio)⁷⁹ an der Spitze blieb die bürokratische Hierarchie der ehemals kaiserlichen Verwaltung, die Steuerverwaltung und die anderen Behörden in nahezu vollem Umfang erhalten. Die unverändert fortgeführte Verwaltungsorganisation in ihren drei Stufen, Provinzialverwaltung, Vikariate und unmittelbar vom Herrscher abhängige Hofämter, lag überwiegend in den Händen romanischer Funktionsträger.⁸⁰ Diese Behörden verfügten über zahlreiches, spezialisiertes, hierarchisch gegliedertes Personal sowie über Büros und Archive. Der Hauptzweck dieses komplexen Apparates war die Extraktion und Allokation von Ressourcen, die Erhebung von Steuern und der Transport von
Ensslin, Theoderich der Große, S. 83; Stein, Histoire du bas-empire, S. 116 – 117; Jones, Arnold Hugh Martin, The Constitutional Position of Odoacer and Theoderic, in: The Journal of the Roman Studies 52 (1962), S. 126 – 130; Claude, Dietrich, Die ostgotischen Königserhebungen, in: Wolfram, Herwig/ Daim, Falko (Hrsg.), Die Völker an der mittleren und unteren Donau im fünften und sechsten Jahrhundert. Berichte des Symposions der Kommission für Frühmittelalterforschung, 24. bis 27. Oktober 1978, Stift Zwettl, Niederösterreich, Wien 1980, S. 149 – 186; Claude, Dietrich, Zur Königserhebung Theoderichs des Großen, in: Hauck, Karl/ Mordek, Hubert (Hrsg.), Geschichtsschreibung und geistiges Leben im Mittelalter. Festschrift für Heinz Löwe zum 65. Geburtstag, Köln 1978, S. 1– 13; Wolfram, Die Goten, S. 286 f.; Wolfram, Herwig, Gotisches Königtum und römisches Kaisertum von Theodosius dem Großen bis Justinian I., in: Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), S.1– 28, hier: S. 16 f.; Wiemer, Theoderich der Große, S. 252– 259. Bei diesem Amt handelte es sich um eines der wichtigsten und prestigeträchtigsten Ämter der Spätantike. Während der magister officiorum anfänglich lediglich für das Zeremoniell am Hof verantwortlich war und die Staatspost und deren Kuriere kontrollierte, übernahm er immer mehr Aufgaben, die einst dem Prätorianerpräfekten zugeordnet gewesen waren. Auf diese Weise kontrollierte er große Teile der Reichsverwaltung und hatte Einfluss auf die Außenpolitik. Ferner verfügte er über richterliche Funktionen. Zum Amt des magister officiorum vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 183 – 184; Groß-Albenhausen, Kirsten, Art. Magister officiorum, in: Der Neue Pauly 7, Stuttgart 1999, Sp. 677– 679; Clauss, Manfred, Der Magister Officiorum in der Spätantike, München 1980. Der Prätorianerpräfekt verfügte über eine uneingeschränkte Gerichtsbarkeit, da er an der Stelle des Königs Recht sprechen durfte. Seine zweite wichtige Aufgabe bestand darin, die Steuereinnahmen zu beaufsichtigen und die jährliche Höhe festzulegen. Ihm waren zwei Vikare unterstellt, die die Provinzen bereisten und den Verlauf der Steuereintreibung überwachten, für die die führenden Kurialen der Stadt verantwortlich waren. Aus diesem ursprünglichen Militäramt war in der Spätantike die wichtigste zivile Behörde geworden. In den Variae ist ein Musterformular zur Übernahme der Prätoriumspräfektur enthalten (Var. VI 3). Zum Amt des praefectus praetorio vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 309 – 315; Ausbüttel, Verwaltung, S. 210 – 225; Wolfram, Goten, S. 293; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 30; 149 – 150; Gutsfeld, Andreas, Art. Praefectus praetorio, in: Der Neue Pauly 10, Stuttgart 2001, Sp. 249 – 252; Ensslin, Wilhelm, Art. praefectus praetorio, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft 22.2, Stuttgart 1954, Sp. 2391– 2502; Migl, Joachim, Die Ordnung der Ämter. Prätorianerpräfektur und Vikariat in der Regionalverwaltung des römischen Reiches von Konstantin bis zur Valentinianischen Dynastie, Frankfurt am Main 1994. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 174; Postel, Ursprünge, S. 158; Pohl, Völkerwanderung, S. 136; Ensslin, Das Römerreich, S. 412– 432; Burns, Theoderic the Great, S. 99 – 118.
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Gütern und Personen.⁸¹ Darüber hinaus blieb auch die Stellung der alten Führungsschichten innerhalb des Herrschaftssystems formal unangetastet und die traditionelle republikanische Ämterlaufbahn bis hin zum Konsul wurde erhalten.⁸² Dies führte letztlich auch dazu, dass sich die romanischen Eliten mit der ostgotischen Herrschaft arrangierten und viele Senatoren in Theoderichs Dienste traten. Die profanen Eliten rekrutierten sich aus Personen, die aus dem Territorium einer Stadt Grundbesitz hatten. Die königliche Kanzlei unterschied dabei mit honorati, possessores und curiales drei Gruppen.⁸³ Wie Untersuchungen von Christoph Schäfer ergeben haben, verfügte der Senat zwar seit langem über keine nennenswerte Befugnisse mehr, doch versammelte er in seinen Reihen noch immer Vertreter der angesehensten und reichsten Familien und verkörperte nach wie vor die glanzvolle Tradition des Imperiums.⁸⁴ Wenn dieses Gremium an politischen Entscheidungen beteiligt wurde, beschränkte sich seine Funktion auf die Ratifikation vorgefasster Beschlüsse.⁸⁵ Der Einfluss, den die Würdenträger ausübten, ist bei Weitem nicht zu unterschätzen. Cassiodor griff aus diesem Vgl. Ausbüttel, Verwaltung der Städte; Wiemer, Die Goten in Italien, S. 604; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 188; Wickham, The Other Transition, S. 3 – 36; Hartmann, Ludo Moritz, Ein Kapitel vom spätantiken und frühmittelalterlichen Staat, Berlin 1913. Vgl. Maier, Amtsträger und Herrscher; Mommsen, Theodor, Ostgothische Studien, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 14 (1889), S. 223 – 249; 451– 544; Hartmann, Geschichte Italiens, S. 82– 129; Ensslin, Theoderich der Große, S. 152– 207; Ausbüttel,Verwaltung der Städte, S. 204– 227; Postel, Ursprünge, S. 158; Wiemer, Integration durch Separation, S. 167; Wiemer, Theoderich der Große, S. 197; Pohl, Völkerwanderung, S. 136. Curiales waren Angehörige der curia, des Stadtrates. Die Kurialen hatten Leistungspflichten (munera) gegenüber dem Staat zu erfüllen und organisierten die Steuererhebung auf lokaler Ebene. Die Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis war erblich. Possessores waren alle die, die auf dem Territorium einer Stadt Grundbesitz hatten. Als honorati wurden in der Stadt ansässige Personen bezeichnet, die dem Herrscher gedient und dadurch senatorischen Rang erworben hatten. Seit dem frühen vierten Jahrhundert wuchs die Anzahl derjenigen, die im Dienst eines Herrschers senatorischen Rang erwarben, um ein Vielfaches an. Diese Männer, die den Rang eines vir clarissimus oder spectabilis erhielten, ließen sich nach dem Ausscheiden aus dem Herrscherdienst in ihrer Heimatstadt nieder, wo sie zwar der lokalen Oberschicht, nicht aber der lokalen Kurie angehörten. Cassiodor adressierte aus diesem Grund seine an einzelne Städte gerichteten Briefe an honorati, possessores und curiales. Die honorati wurden dabei stets zuerst genannt. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 442 f.; Liebeschuetz, John Hugo Wolfgang Gideon, Decline and Fall of Roman City, Oxford 2001, hier: S. 124– 127. Vgl. Schäfer, Der weströmische Senat. Vgl. hierzu auch Barnish, Transformation and Survival, S. 120 – 155. Zur Rolle und Funktion des Senats im Ostgotenreich vgl. Schäfer, Der weströmische Senat; Näf, Beat, Senatorisches Standesbewußtsein in spätrömischer Zeit, Freiburg (Schweiz) 1995; Sundwall, Johannes, Weströmische Studien, Berlin 1915, hier: S. 152; Chastagnol, Le sénat romain, S. 261– 265; Bartoli, Alfonso, Lavori nella sede del senato Romano al tempo di Teoderico, in: Bullettino della Commissione Archeologica Comunale di Roma 73 (1949/59), S. 77– 88; Chrysos, Evangelos, Justinian and the Senate of Rome under Ostrogothic Rule, in: Symmeikta 15 (2002), S. 33 – 39; Moorhead, John, The Decii under Theoderic, in: Historia 33 (1984), S. 107– 115; Stein, Ernest, La disparition du sénat de Rome á la fin du VIe siécle, in: BAB Ser. 5/25 (1939), S. 308 – 322; Wiemer, Odovakar und Theoderich, S. 311– 318; Wiemer, Theoderich der Große, S. 232– 252.
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Grund des Öfteren auf einzelne Senatoren zurück und betraute diese mit (Überwachungs‐)Aufgaben.⁸⁶ An eine geordnete Ämtervergabe und an einen reibungslosen Verwaltungsablauf glaubte Cassiodor dennoch bis zuletzt, wovon die zahlreich in die Variae aufgenommenen Dokumente, vorwiegend Bestallungen betreffend, zeugen (Var. VI; VII). Cassiodors Idealbild des harmonischen Zusammenlebens der Bewohner Italiens basierte auf der Trennung der Goten und Romanen auf einen militärischen und einen zivilen Sektor. Dass er in den Variae stets die Formel Gothi et Romani in dieser Reihenfolge verwendete, wundert daher wenig. Der Umstand, dass die Pflichten der zivilen Ämter von der bewaffneten Hand zu trennen waren, wurde von ihm ausdrücklich gelobt (Var.VII 1, 1): Quamvis omnium dignitatum officia a manu secludantur armata et civilibus vestibus videantur induti qui districtionem publicam docentur operari […]. Dies bestätigt sich darin, dass abgesehen davon, dass Goten und Romanen gemeinsam mit dem Ausbau von Kastellen oder Befestigungsanlagen in Dertona (Var. I 17), Verruca (Var. III 48) und Ravenna (Var. XII 17) betraut waren, in den Variae nur in Ausnahmefällen Romanen mit militärischen Aufgaben bezeugt sind.⁸⁷ Um königliche Entscheidungen besser durchsetzen und um die Zivilverwaltung kontrollieren zu können, wurden mit den saiones, den comites Gothorum und den duces drei neue Funktionseinheiten geschaffen, die den Herrscher zu raschem Handeln befähigten.Während die saiones als „Geheimagenten“ vor allem Aufgaben in der Überwachung und Kontrolle wahrgenommen haben⁸⁸, waren die comites Gothorum in die Aufsicht über die öffentlichen Gebäude und Straßen sowie in die Steuererhebung involviert. Ein comes Gothorum besaß neben den genannten zivilen Aufgaben in seiner Funktion als Vorsteher eines Stadtbezirkes, auf welchen seine Befugnisse in der Regel beschränkt waren, auch militärische Aufgaben und damit verbundene richterliche Bevollmächtigungen (Var. VII 25). Die comites waren schon unter Konstantin etabliert worden, Theoderich formte aus ihnen allerdings die comitiva Gothorum. ⁸⁹ Hierzu ausführlicher siehe unten S. 87 f. Eine dieser Ausnahmen war Cyprian, der im Kampf gegen die Gepiden und Bulgaren die Widerstand leistenden „Barbaren“ angriff und die Fliehenden verfolgte (Var. VIII 21, 3). Hierbei handelte es sich um einen besonders gotisierten Mann, da auch seine Söhne trotz ihrer römischen Abstammung am Hof unterrichtet wurden und auch die gotische Sprache beherrschten (Var.VIII 21, 6). Ausführlicher zu Cyprian siehe unten S. 69 f. An anderer Stelle wird der im Rahmen der Ansiedlung der Ostgoten hervorgetretene Liberius als Mann des Heeres bezeichnet (Var. XI 1, 16). Hier deutet vor allem das Lob seiner vielen Wunden, durch die Cassiodor auf Mut und Tapferkeit schloss, auf die Teilnahme an Kriegen hin. Zu den saiones vgl. Wolfram, Goten, S. 294; Morosi, Roberto, I saiones, speciali agenti di polizia presso i Goti, in: Athenaeum (Pavia) 59 (1981), S. 150 – 165; Maier, Amtsträger und Herrscher, S. 169 – 181; Giese, Wolfgang, Die Goten, Stuttgart 2004, hier: S. 86; Ensslin, Theoderich der Große, S. 160 f.; Claude, Dietrich, Art. saio, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 4, Berlin 1990, Sp. 1256 – 1258; Sinnigen, William G., Administrative Shifts of Competence under Theoderic, in: Traditio 21 (1965), S. 456 – 467, hier: S. 464; Wiemer, Theoderich der Große, S. 215 f. Zu den comites Gothorum vgl. Schmidt, Die comites Gothorum, S. 127– 134; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 29; Giese, Die Goten, S. 85; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 188;
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An dieser Stelle ginge es wahrlich zu weit, Cassiodor als Berater König Theoderichs und dessen Nachfolgern die Entwicklung dieser Strukturen und (Kontroll‐)Instanzen zuzuschreiben. Im Gegenteil waren diese wohl bereits voll ausgebildet, als Cassiodor begann, als Quästor (quaestor palatii)⁹⁰ die Maximen der Politik Theoderichs in formelhafte Worte zu kleiden.⁹¹ Zwar ist die grundlegende Idee in diesem Fall nicht von ihm ausgegangen und doch legt die inhaltliche Zusammenstellung der Sammlung und die rhetorische Gestaltung der einzelnen Briefe nahe, dass er an der Erhaltung und Weiterentwicklung dieser Konzepte beteiligt war. Hiervon zeugen neben Aufforderungen und detaillierten Beschreibungen auch die von ihm getroffenen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung dieser Ordnung. Als Beleg dafür, dass Cassiodor diesen Veränderungen und Neuerungen offen gegenüberstand und diese zum Fortbestehen des Reiches begrüßte, lässt sich die Aufnahme der formula für das Konsulat in die Variae anführen (Var. VI 1).⁹² Während der Konsul als höchster Beamter früher mit seiner tapferen Rechten den Staat verteidigt und durch dessen Rat sowohl die Freiheit als auch das Hab und Gut aller beschützt habe (Var. VI 1, 1), wurden dessen Befugnisse zu Gunsten der Ostgotenkönige immer weiter ausgehebelt.⁹³ Cassiodor
Tabata, I comites Gothorum, S. 67– 78; Wiemer, Integration durch Separation, S. 167; Wiemer, Theoderich der Große, S. 210; Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 14. Im Gegensatz zu den anderen zentralen Hofämtern verfügte der quaestor palatii nicht über eigenes Personal. Seine zentrale Aufgabe bestand darin, den Willen des Königs in Worte zu kleiden. Cassiodor betonte in einem eigens verfassten Musterformular, dass der Quästor als eine Art Sprachrohr des Königs zu dienen habe (Var. VI 5). Er formulierte alle Schreiben, die im Namen des Königs verschickt wurden. Die Inhaber der Quästur nahmen daher eine Vertrauensstellung beim König ein, da es ohne ihre Unterstützung nicht möglich gewesen wäre, in Formen zu kommunizieren, die spätrömischen Gepflogenheiten entsprachen. Durch den engen Kontakt zum König ist es nicht unwahrscheinlich, dass Quästoren letzterem auch Vorschläge unterbreiteten und auf diese Weise Einfluss auf Personalund Sachentscheidungen nehmen konnten. Wie groß dieser Einfluss war, ist schwer einzuschätzen, konkurrierten doch die Quästoren mit vielen anderen Personen im Umfeld des Königs. Zum quaestor palatii vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 300 – 302; Harris, Jon R., The Roman Imperial Quaestor from Constantine to Theodosius II., in: Journal of Roman Studies 78 (1988), S. 148 – 172; Delmaire, Roland, Les institutions du bas-empire romain de Constantin à Justinian, Bd. 1: Les institutions civiles palatines, Paris 1995, hier: S. 57– 63. Dagegen gilt es als sicher, dass das in Italien konstruierte Königtum als Herrschaft über zwei „Völker“ nicht auf Absprachen zurückzuführen ist, die Theoderich vor der Abreise mit Kaiser Zenon getroffen hat. Stattdessen müsse diese als originäre Leistung begriffen werden, wie zuletzt Hans-Ulrich Wiemer konstatiert. Vgl. Wiemer, Odovakar und Theoderich, S. 336; Wiemer, Theoderich der Große, S. 198. Zu Zenon und seinem Verhältnis zu Theoderich vgl. Kosinski, Rafal, The Emporer Zeno. Religion and Politics, Krakau 2010; McCormick, Michael, Odoacer, Emperor Zeno and the Rugian Victory Legation, in: Byzantion 47 (1977), S. 212– 222; Moorhead, John, Theoderic, Odovacer and Zeno, in: Byzantinische Zeitschrift 77 (1986), S. 261– 266. Das Amt des Konsuls erscheint in den Variae als Höhepunkt der Würden (Var. II 2, 1), da nach ihm das Jahr benannt wurde. Dies entspreche einer feierlichen Gewohnheit und gelte als Roms eigene Zierde, da so die Anmut der Würden die Jahreszählung durchlaufe und die Wohltaten der Herrscher unsterblich würden (Var. II 1, 1). Zum spätantiken Konsulat vgl. Sguaitamatti, Lorenzo, Der spätantike Konsulat, Freiburg 2012.
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versuchte dieser Situation ihre schöne Seite abzugewinnen. Er schrieb, dass man dieses Amt jetzt viel glücklicher empfangen könne, denn nun sei es der König, der die Mühen der Konsuln auf sich nehme und die Verantwortung für die res publica trage.⁹⁴ Auf diese Weise könnten die Konsuln die Herrscher an Glückseligkeit übertreffen, da sie zwar noch die höchsten Ehren bekämen, nicht aber mit dem Überdruss an der Herrschaft konfrontiert seien (Var. VI 1, 7): Nos iuvante deo regimus, nos consulimus et vestrum nomen annum designat. vicistis felicitate principes, qui et honores summos geritis et dominationis taedia non habetis. Stattdessen sollten sie sich an ihrer Würde erfreuen und sich mit den Siegen des Königs schmücken (Var. VI 1, 5). Diese Passage kann exemplarisch dafür herangezogen werden, dass sich Cassiodor der Veränderungen, die durch die Ankunft der Goten in Italien erfolgt waren, bewusst war. Das Fehlen eines römischen Königs an der Spitze erscheint in der formula consulatus indirekt als Epochenwende. In der Gegenüberstellung zwischen dem Konsul und dem ostgotischen König ist es bei Ersterem die toga palmata als Erinnerung an die früheren militärischen Befugnisse im Amt, denen im Text eine maßgebliche Bedeutung für den Erhalt der res publica und der libertas zugesprochen wurde (Var. VI 1, 1): Statum rei publicae Romanae viri fortis dextera tuebatur. Der ostgotische König führte dagegen auswärts die Kriege, die für die securitas der Romanen notwendig waren.Während es zu früheren Zeiten der republikanische Konsul war, der als Feldherr für Rom in den Krieg zog, wird die Beschränkung auf repräsentative Aufgaben nun von Cassiodor positiv als Erleichterung herausgestellt, wodurch der Minister versuchte, den Amtsträger für die ihm verlorengegangene Macht zu beschwichtigen.⁹⁵ Gleichzeitig machte sich Cassiodor mit Formulierungen dieser Art zum Gehilfen der königlichen Propaganda, indem er durch beschönigende und verschleiernde Rhetorik darüber hinwegzutäuschen versuchte, dass der Konsulat keineswegs mehr eine Machtposition war, sondern lediglich dazu diente, der romanischen Führungsschicht vorzugaukeln, sie könne noch mitreden. Nach der Ansiedlung der Ostgoten musste Cassiodor einen Weg zu finden, der das friedliche Zusammenleben von Zugewanderten und Einheimischen gewährleistete. Dazu galt es, eine gemeinsame Grundlage zu finden, auf Basis derer Goten und Romanen friedlich zusammenleben konnten.⁹⁶ Wie im vorangegangenen Abschnitt für
Die einzige ehrenvolle Aufgabe, die dem Konsul gemäß den Variae blieb, war großzügig zu spenden (Var.VI 1, 7): Consules esse magnanimos decet. opes privatas non cogites, qui gratiam publicam donando habere decrevisti. Nach Cassiodor müsse ein Konsul für seine Freigebigkeit gelobt werden, denn wenn man den Ruf eines Schenkenden besäße, dürfe man nicht als geizig befunden werden. Dies würde den Ruhm in der Öffentlichkeit nachhaltig überschatten (Var. III 39, 1). Zu den Spenden vgl. auch Var. II 2, 4 f.; VI 20, 4. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch der Schluss des Ernennungsformulars zu lesen, wenn Cassiodor den Konsul ermahnte, für die Welt Glanz und für sich selber Erfolg zu haben, vor allem aber für die Nachkommen auf glückliche Weise nachahmenswert zu sein (Var. VI 1, 8). Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 310. Vgl. Amory, People and Identity, S. 43 f.; Courcelle, Pierre, Histoire littéraire des grandes invasions germaniques, Paris 1964, hier: S. 203 – 210; Heather, Goths and Romans, S. 227 f.; Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft; Wolfram, Goten, S. 295.
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die Versorgung der Goten mit Land- und/ oder Steueranteilen festgestellt wurde, setzte er auch bei der Organisation des Zusammenwohnens auf das Prinzip der Gerechtigkeit. Seiner Ansicht nach bedurfte es einer gerechten Verwaltung, die weder Goten noch Romanen einseitig bevorteilte. Zu bewähren hatte sich diese vor allem im Bereich der Steuerpolitik, der Cassiodor eine besondere Notwendigkeit zuschrieb (Var. IX 9, 5): Disciplina videlicet imperandi est amare quod multis expedit, quoniam res publica nimium soliditatis accipit, si tributariorum facultas inlaesa constiterit.
2.2.1 Die Erhebung der Steuern als Bewährungsprobe des friedlichen Zusammenlebens Die schwierigste Aufgabe der Fiskalpolitik bestand darin, den Staat funktionsfähig zu halten ohne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerzahler zu sehr zu beeinträchtigen.⁹⁷ Um dies zu gewährleisten, wurde zunächst der Bedarf kalkuliert und dann auf die Steuerzahler verteilt. Dabei wurde ein Verfahren angewandt, das neben der Größe, Güte und Nutzungsweise des besteuerbaren Landes auch die Anzahl und das Geschlecht der für seine Bebauung vorhandenen Arbeitskräfte berücksichtigte. Eine Frau zählte als Arbeitskraft nur halb so viel wie ein Mann. Nach diesen Indikatoren wurden abstrakte Steuereinheiten gebildet, die iugum („Joch“) und caput („Kopf“) genannt wurden. Der Prätorianerpräfekt hatte nun die Aufgabe, den geschätzten Bedarf auf die Steuerzahler in den Provinzen umzulegen. Sobald das Steuersoll berechnet worden war, wurde es den Provinzstatthaltern verkündet. Die Statthalter hatten wiederum die Aufgabe, den auf ihre Provinz entfallenden Anteil auf die in ihrer Provinz befindlichen Stadtgemeinden (civitates) umzulegen.⁹⁸ Die Eintreibung der Steuern, die zum Teil in Naturalien, überwiegend aber in Gold gezahlt wurden, wurde durch den hohen Reibungsverlust, der beim Weg des Geldes vom Steuerzahler über den -eintreiber bis zum -empfänger durch Korruption entstand, erschwert. Hinzu kam der Widerstand bestimmter Partikularkräfte, die versuchten, sich den staatlichen Forderungen zu entziehen. Die hieraus resultierende Problematik wurde durch Hungersnöte und Kriege verschärft.⁹⁹ Cassiodor musste folglich sehr viel
Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 175 f.; Esders, Stefan, „Öffentliche“ Abgaben und Leistungen im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter. Konzeptionen und Befunde, in: Kölzer, Theo/ Schieffer, Rudolf (Hrsg.), Von der Spätantike zum frühen Mittelalter. Kontinuitäten und Brüche, Konzeptionen und Befunde, Ostfildern 2009, S. 189 – 244. Vgl.Wiemer, Theoderich der Große, S. 311– 314; Delmaire, Roland, Cités et fiscalité au Bas-Empire. A propos du rôle des curiales dans la levée des impôts, in: Lepelley, Claude (Hrsg.), La fin de la cité antique et le début de la cité medievale de la fin du IIIe siècle a l’avènement de Charlemagne. Actes du colloque tenu à l’Université de Paris X-Nanterre les 1, 2 et 3 avril 1993, Bari 1996, S. 59 – 70. Regionen, die durch Naturkatastrophen oder Krieg verwüstet worden waren, wurden regelmäßig die Steuern erlassen und Zuwendungen zugesprochen. Die Sorge des Herrschers um die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln hatte oberste Priorität. Hierzu ausführlich siehe unten S. 127– 139.
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daran gelegen haben, dass die Bevölkerung die Steuern fristgerecht und aufrichtig entrichtete, um das finanzielle Fortbestehen der res publica nicht zu gefährden. Die Ostgoten hatten das voll ausgebildete trimetallische Währungssystem des spätrömischen Reiches, das in den letzten Jahrzehnten des fünften Jahrhunderts aufgegeben worden war, wieder etabliert und in Rom, Ravenna und Mailand durchgehend oder zeitweise Gold-, Silber- und Bronzemünzen bei festen Reinheits- und Gewichtsnormen ausprägen lassen.¹⁰⁰ Die Herrscher ließen keine Münzen mit eigenem Bildnis prägen, stattdessen ließen sie seit 489 Goldmünzen ausgeben, die von Ostrom als offizielles Zahlungsmittel anerkannt waren. Das Münzbild dieser Prägung zeigte neben dem Kaiser als oberstem Münzherren das Monogramm oder den Namen des jeweils herrschenden Gotenkönigs.¹⁰¹ Eine Ausnahme bildete das sogenannte Goldmedaillon von Morro d‘Alba mit einem Gewicht von drei solidi, das als einzige Goldmünze mit einem Bild Theoderichs erhalten ist, wobei es es sich allerdings eher um eine Gedenkmünze als um ein Zahlungsmittel gehandelt haben dürfte.¹⁰²
Zur Entwicklung des Steuerwesen, der Bedeutung des Geldes und der Beibehaltung des römischen Münzfußes im Ostgotenreich vgl. Arslan, Wirtschaft, S. 291 f.; Arslan, Ermanno, Le Monete di Ostrogoti Longobardi e Vandali. Catalogo delle Civiche Raccolte Numismatiche di Milano, Mailand 1978; Wroth,Warwick, Catalogue of the Coins of Vandals, Ostrogoths and Lombards and of the Empire of Thessalonica, Nicaea and Trebizond in the British Museum, London 1911; Hahn, Wolfgang, Moneta Imperii Byzantini, Bd. 1, Wien 1973, hier: S. 77– 91; Hendy, From Public to Private, S. 29 – 78; Geiss, Hans, Geld- und naturalwirtschaftliche Erscheinungsformen im staatlichen Aufbau Italiens während der Gotenzeit, Stuttgart 1931; Friedländer, Julius, Die Münzen der Ostgothen, Berlin 1844; Barnish, Samuel J. B., The Wealth of Julianus Argentarius. Late Antique Banking and the Mediterranean Economy, in: Byzantion 55 (1985), S. 5 – 38. Zur Darstellung des Münzwesens bei Cassiodor vgl. Radici Colace, Paola, Lessico monetario di Cassiodoro. Simbologia della moneta e filosofia del linguaggio, in: Leanza, Sandro (Hrsg.), Cassiodoro. Dalla corte di Ravenna al vivarium di Squillace, Soveria Mannelli 1993, S. 159 – 176. Allerdings übersieht die Autorin, dass die Münzen im ostgotischen Reich nicht das Porträt des ostgotischen Königs trugen, wie Cassiodor es in der formula comitivae sacrarum largitionum andeutete (Var. VI 7, 3). Vgl. Metlich, Michael Andreas, The Coinage of Ostrogothic Italy. A Die Study of Theodahad Folles, London 2004; Arslan, Ermanno, La monetazione die Goti, in: Cor di cultura sull’ Arte Ravennate e Byzantinea 36 (1989) 17, S. 17– 59; Kent, John P. C., The Coinage of Theoderic in the Names of Anastasius and Justin I., in: Carson, Robert A. G. (Hrsg.), Mints, Dies and Currency. Essays Dedicated to the Memory of Albert Baldwin, London 1971, S. 67– 74; Kraus, Franz Ferdinand, Die Münzen Odoakers und des Ostgotenreiches in Italien, Halle 1928, hier: S. 75 – 78; Pardi, Roberta, Le monete die Goti, in: Barsanti, Claudia/ Paribeni, Andrea/ Pedone, Silvia (Hrsg.), Rex Theodericus. Il medaglione d’oro di Morro d’Alba, Morro d’Alba 2008, S. 11– 20. Das Medaillon, das vermutlich um 500 als Andenken zum 30-jährigen Regierungsjubiläum Theoderichs herausgegeben wurde, zeigt den König ohne Diadem, jedoch mit Panzer und Krone. Zusätzlich ließ sich Theoderich auf dieser Münze als rex und princeps betiteln. Während rex Theoderichs offizieller Titel war, handelte es sich bei princeps um eine eigentlich römischen Kaisern vorbehaltene Herrscherbezeichnung. Letztere wurde jedoch auch von Cassiodor oftmals in den Variae dazu verwendet, um gotische Herrscher zu bezeichnen. Besonders interessant ist die Umschrift victor gentium auf der Rückseite der Münze. Indem sich Theoderich zum Sieger über die gentes machte, erhob er sich über diese und begründete auf diese Weise seine eigene Vorrangstellung. Vgl. hierzu Radtki-Jansen, Herrscher, S. 34– 35; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 184; Alföldi, Maria R.,
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Cassiodors Sorge betraf die Gefahr einer Münzverfälschung und Wertminderung der Zahlungsmittel. Im Bestallungsformular für den procurator monetae wurden deshalb die Grundsätze für eine ordnungsgemäße Amtsführung genannt (Var. VII 32). Der Vorsteher einer Münzstätte hatte demzufolge strikt auf die Reinheit des Edelmetalls für die jeweilige Münzsorte sowie auf das vorgeschriebene Münzgewicht zu achten (Var. VII 32, 2). Wertminderung durch fremde Metallzusätze und Gewichtsreduzierung kamen, wie ein Brief an den vir illustris und patricius Boethius zeigt, nicht selten vor (Var. I 10). Offenbar erhielten Palasttruppen vom arcarius praefectorum Goldmünzen nec integri ponderis, also untergewichtige solidi, als Sold und erlitten damit in numero gravia se dispendia (Var. I 10, 6). Nach einem mehrere Abschnitte langen Exkurs zur Verwendung gerechter Maße in vergangenen Zeiten wurde Boethius darum gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass jeder zu seinem Recht kommen solle. Eine Anweisung, wie dies genau geschehen solle, fehlt leider. Nutznießer der Münzverfälschung und Wertminderung waren die Beamten der Münzstätten und möglicherweise auch die Münzarbeiter (monetarii), wie es in einem Schreiben an den vir illustris Ampelius und den vir spectabilis Livirit heißt (Var. V 39, 8).¹⁰³ System und Praxis der Steuererhebung boten seit jeher ein Großfeld persönlicher Habgier und Bereicherung. Unregelmäßigkeiten, Korruption, Veruntreuung und zu hohe Abgaben führten zu Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und den Steuereintreibern, die sich nicht selten in Unruhen entluden.¹⁰⁴ Wie sich mit zahlreichen in die Variae aufgenommenen Briefen belegen lässt, erkannte Cassiodor, dass diese den inneren Frieden auf empfindliche Weise stören konnten. Er hob hervor, dass der Vorgang der Steuereintreibung unbedingt friedlich zu verlaufen habe, um das harmonische Miteinander nicht zu gefährden. Ihm ist es dabei wichtig, zu betonen, dass eine unausgeglichene Steuerbelastung unter ihm als Quästor weitestgehend vermieden wurde (Var. XII 2). Mit Stolz verwies er darauf, nie jemanden zu einer Abgabe gezwungen zu haben, die dieser nicht leisten musste. Niemand sei, wie es heißt, privat oder von Amtes wegen von ihm geschädigt worden, da er darauf bedacht
Das Goldmultiplum Theoderichs des Großen. Neue Überlegungen, in: Rivista Italiana di Numismatica 90 (1988), S. 367– 372; Bernareggi, Ernesto, Il medaglione d’oro di Teoderico, in: Rivista Italiana di Numismatica 7 (1969), S. 89 – 106; Grierson, Philip, The Date of Theoderic’s Gold Medallion, in: Hikuin 11 (1985), S. 19 – 26; Hahn, Moneta Imperii Byzantini, S. 83. Speziell die Beschwerde der Palasttruppen dürften dafür sensibilisiert haben, welche Folgen sich bei der Versorgung der Bevölkerung mit minderwertigem Geld einstellen konnten. Aus anderen Epochen gibt es Beispiele für Unruhen und Aufstände, die zwar im Ostgotenreich ausblieben, Cassiodor aber dennoch zum Eingreifen bewogen haben könnten. Als Beispiel wäre der Aufstand der monetarii zu nennen, der im dritten Jahrhundert zu großen Unruhen in Rom führte. Vgl. Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 231. Vgl. für das Ostgotenreich Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 226; Cammarosano, Paolo, Art. Steuer, Steuerwesen. D. Italien. I. Nord- und Mittelitalien, in: Lexikon des Mittelalters 8, München/ Zürich 1997, Sp. 146 – 148 und allgemein Schremmer, Eckhard (Hrsg.), Steuern, Abgaben und Dienste vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Referate der 15. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 14. bis 17. April 1993 in Bamberg, Stuttgart 1994.
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gewesen sei, alles nach den Gesetzen zu führen. Deshalb habe man unter seiner Amtsführung weder Schrecken noch zusätzliche Abgaben gekannt (Var. XII 2, 2): Probastis enim, quia nullum coegimus dare quod non debuisset offerre. non publicis, non privatis a me quisquam damnis afflictus est. discussorum terrores fecimus ignorari. nec extraordinaria quaesivimus, qui cuncta geri legibus optabamus.
Wie sich im weiteren Verlauf dieses Abschnitts bei der Betrachtung einzelner Stellen noch zeigen wird, gilt es dieses Selbstlob zu relativieren, da Bestechung, Steuerhinterziehung und Korruption bei der Steuererhebung, wie bereits erwähnt, an der Tagesordnung waren. Hier gilt es, dem Titel der Arbeit entsprechend, zwischen Programmatik und Praxis zu differenzieren. In Cassidors Idealvorstellung sollten Steuern derart gestaffelt sein, dass weder ein Rückgang der staatlichen Einnahmen zu befürchten sei, noch dass die Grundbesitzer über ihren zu leistenden Soll hinaus belastet werden würden (Var. VII 22). Die ideale Steuereinziehung wurde dabei an mehreren Stellen beschrieben. So solle beispielsweise der advocatus fisci Marcellus¹⁰⁵ maßvoll auf dem mittleren Pfad der Gerechtigkeit wandeln und weder Unschuldige noch säumige Steuerzahler von den gerechten Forderungen entlasten (Var. I 22, 3). Marcellus solle bei der Ausführung seines Amtes den Maximen der iustitia und aequitas folgen und seinen Erfolg nicht an der Macht des Königs, sondern an der Anwendung des Rechts bemessen.Wie Cassiodor an anderer Stelle ausführte, sei dem Herrscher trotz der Notwendigkeit, den Staat mit den Abgaben zu finanzieren, Lob willkommener als Gebühren, da Steuern auch einem Tyrannen bezahlt würden, die Lobpreisung aber nur einem guten König geschuldet werde (Var. IX 25, 3). Diese Aussage findet sich auch in der formula für den praefectus annonae ¹⁰⁶ bestätigt, wo es heißt, dass dem König die Freude des Volkes willkommener sei als die größte Menge des kostbarsten Metalls (Var. VI 18, 7).¹⁰⁷ Deutlich überspitzt ist das Schreiben, das an die Provinzstatthalter des Reiches erging. In diesem Rundbrief ist die Auffassung formuliert, dass die steuerpflichtige Bevölkerung beim Zahlen der Abgaben in gewisser Weise Freude empfinden solle, da sie dadurch das Ansehen von Spendern erhalten würde (Var. XI 7, 1).¹⁰⁸ Wie ehrenhaft
Zu Marcellus siehe PLRE II, Marcellus 4, S. 713. Zum praefectus annonae siehe unten S. 136 f. Dieser Tenor findet sich in einer Reihe königlicher Verfügungen bestätigt. So sollte beispielsweise ein vom König verschenktes Grundstück im Gebiet von Trient vom Steueraufkommen dieser Provinz ausgenommen werden, damit nicht die übrigen Grundbesitzer stärker belastet wurden. Cassiodor war es dabei wichtig, zu betonen, dass Theoderich die Überzeugung verfolgte, dass niemand für das bezahlen muss, was er einem anderen geschenkt habe, damit nicht das königliche Geschenk für einen wohlverdienten Mann das Vermögen von Unschuldigen schädige (Var. II 17). Die Provinzstatthalter wurden in ihrer Bestallungsurkunde deshalb dazu aufgefordert, sich so zu verhalten, dass die Grundbesitzer dem König neben ihren Steuern auch Dank zahlen (Var. VII 2, 2): Idcirco conversationis tuae moribus invitati per illam indictionem praesidatum tibi in illa provincia
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sei es doch, sich nach der Zahlung ohne Angst in der Öffentlichkeit zeigen zu können, da man sich nicht dafür schämen müsse, zur Leistung der Abgaben gezwungen worden zu sein (Var. XI 7, 1): Iustissime quaeritur quod annua devotione praestatur, quando sub quodam gaudio constat inferri, quod solvitur lege generali. stipendium namque est, quod subiectum facit munificum dici et offerentis nomen accipit, qui se quod penditur debere cognoscit. quam lautum est intrepidum foro assistere, publicum non timere et inter devotos laudabilem collocari, qui pudorem non sinitur habere compulsi.
Dagegen sei alles das nicht ehrbar, was nicht freiwillig gegeben werde, denn nur demjenigen könne Dank zuteil werden, der nicht mit Strafen zur Abgabe gezwungen worden sei.¹⁰⁹ Ehrenhaft sei es dagegen, den Eintreibern nichts zu schulden, denn nur jenes Grundstück erfreue seinen Besitzer, auf dem nicht das plötzliche Erscheinen eines Steuereintreibers zu befürchten sei. Mit der Bezahlung der Steuern gehe Sorglosigkeit einher, da auf diese Weise nicht nur das Gewissen ruhig, sondern auch das Vermögen gesichert werde (Var. XI 7, 2): Inhonorum est enim omne quod cogitur nec offerentis habet gratiam, qui damnis suis perducitur ad tributa: contra quam libero dignum est compulsoribus nil debere! ille solus delectabilis ager est domino, in quo supervenire non timetur exactor. merito ergo testimonium solutionis securitas dicitur, de qua non solum animus, sed substantia communitur.
Der Appell, die Steuern fristgerecht zu entrichten, deutet bereits darauf hin, dass es im Ostgotenreich an der Tagesordnung war, dass Einzelpersonen versuchten, sich der Zahlung ihrer Steuern zu entziehen. Neben überlieferten Zahlungsaufforderungen lässt sich mit einem weit größeren in die Variae aufgenommenen Teil an Briefen belegen, dass es auch bei der Eintreibung und Weiterleitung der Steuern zu Unregelmäßigkeiten kam. Immer wieder musste Cassiodor Fehlverhalten rügen, um auszuschließen, dass das Zusammenleben durch Missbräuche dieser Art nachhaltig gestört wurde. So schärfte er den saiones ein: Cogitetur prae omnibus pecuniae publicae fidelis exactio (Var. XII 3, 3).
propitia divinitate concedimus, ut sic debeas agere, quemadmodum nobis possessor gratias cum tributis videatur exsolvere. Interessant ist die Verwendung des Begriffs devotio, den Cassiodor auch in vergleichbaren Schreiben nutzte. Ursprünglich war hiermit die Bereitschaft der Soldaten zur Hingabe des eigenen Lebens für den Kaiser gemeint. Unter Theoderich wurde diese Tugend dann auf alle Untertanen ausgedehnt, gleichwohl definierte die königliche Kanzlei die Anforderungen für Romanen und Goten verschieden. Während sich die devotio der Romanen vor allem darin ausdrückte, dass sie ihren Verpflichtungen als Steuerzahler freudig nachkommen, bestand die devotio der Goten in unbedingtem Gehorsam und schonungslosem Einsatz im Krieg. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 281; Conti, Pier Maria, „Devotio“ e „viri devoti“ in Italia da Diocleziano ai Carolingi, Padova 1971, hier: S. 83 – 121.
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Vor allem einzelne Goten verweigerten Steuerzahlungen (Var. I 19, 2; XII 5, 7).¹¹⁰ So wurde beispielsweise der saio Gesila angewiesen, bei den im Picenum und in Tuscien lebenden Goten eine Zwangseintreibung der Steuern vorzunehmen (Var. IV 14, 2). Das Bestreben, sich der Zahlung seiner Steuern zu entziehen, zog sich durch sämtliche Gesellschaftsschichten und reichte von Theodahad, der für seine Habgier gemaßregelt wurde (Var. IV 39; V 12), bis hin zu einzelnen Senatoren (Var. II 24; II 25), womit sich belegen lässt, dass insbesondere Angehörige der Oberschicht bestrebt waren, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen. Cassiodor zufolge war deshalb dafür zu sorgen, dass nicht Anmaßungen einzelner Personen der Staatskasse Verluste zufügen würden. Im Zweifelsfalle solle ein Gericht nach Anhörung beider Parteien unter der Einhaltung der Gesetze und der Gerechtigkeit ein Urteil fällen (Var. V 31, 2). Bei der Ahndung solcher Vergehen plädierte Cassiodor dafür, auf der inhaltlichrhetorischen Ebene keine Unterschiede zu machen, da die Steuerhinterziehung eines Bauern in seinen Augen ebenso unrecht sei wie das Vorenthalten der Abgaben seitens der Senatoren. Besonders deutlich wird dies im Rahmen von Missbräuchen bei der Steuereintreibung zu Lasten der Grundbesitzer und der Mittelschicht (Var. II 24). Hintergrund dessen war, dass seitens der ausgedehnten senatorischen Besitztümer zu wenig oder gar nichts eingebracht wurde, wodurch die Schwächeren niedergedrückt worden seien, die es in Cassiodors Augen doch eigentlich zu unterstützen galt (Var. II 24, 1). Dies war dem Umstand geschuldet, dass die Provinzen ein festgelegtes Steuersoll abliefern mussten, wodurch in diesem Fall ein Übermaß auf die kleineren Grundbesitzer fiel, da die Schwachen nun auch noch fremde Schulden zu begleichen hätten. Cassiodor ermahnte die Senatoren deshalb dazu, an ihre Pflichten zu denken und ihre Abgaben zu entrichten (Var. II 24, 3): Atque ideo, patres conscripti, qui parem nobiscum rei publicae debetis adnisum, sic aequabiliter ordinate, ut quicquid unaquaeque domus senatoria profitetur, destinatis procuratoribus per provincias trina illatione persolvat.
Wie es weiter heißt, könne man unter Einhaltung der Rechtsordnung nicht darüber hinwegsehen, dass ohne vorhandenem Krieg Unterdrückte ihres Besitzes beraubt werden würden, denn jene, die bestrebt seien, dem Gemeinwesen zu gehorchen, dürften nicht zu grunde gerichtet werden (Var. II 24, 5).¹¹¹ Neben dem Versuch, sich der Zahlung der Steuern zu entziehen, waren es vor allem Missbräuche bei der Erhebung der Abgaben, die den inneren Frieden auf er Grundsätzlich galt sowohl für die Goten als auch für die Romanen eine Steuerpflicht. Vgl. hierzu Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 7; Wolfram, Goten, S. 299. Allem Anschein nach hatten Geschädigte selten den Mut, Klage gegen ihre Unterdrücker zu erheben, da sie daran erinnert wurden, dass sie über Schädigungen dieser Art nicht hinwegzusehen bräuchten. Niemand stünde diesen Schädigungen gleichgültig gegenüber, wie es im auf diesen Brief folgenden Schreiben heißt (Var. II 25, 1). Cassiodor versuchte deshalb unter Betonung der Rechtsgleichheit sowie durch allgemeine Ermunterungen und Ermahnungen, diesem Umstand Abhilfe zu schaffen.
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hebliche Weise gefährdeten. Dies legen vor allem Mahnschreiben an die einzelnen Amtsträger der Provinzen nahe, in welchen diese im Zusammenhang mit dem Steuereinzug und der Abführung der Steuergelder davor gewarnt wurden, sich nicht zur Gewährung von Aufschüben oder Tilgungen bestechen zu lassen. Wie zahlreiche dieser Stellen nahelegen, handelte es sich hierbei um eines der Hauptprobleme innerhalb des Finanzsektors. Diese Annahme wird dadurch bestärkt, dass es Cassiodor zufolge ein seltenes Gut sei, wenn jemand seine Dienste, die er vielen leiste, niemandem verkaufe (Var. II 28, 2): […] et quod rarum continentiae bonum crebra hominum vitia fecerunt, cum multis praeberes officia, nulli tuam operam venditabas. Auf begrifflicher Ebene bezeichnete Cassiodor die Bestechlichkeit entweder als Käuflichkeit (venalitas) oder als Begehrlichkeit/ Habgier (cupiditas). Beiden Bezeichnungen stellte er als Gegensatz die Bereitschaft zu spenden gegenüber.¹¹² Zum selben Begriffsfeld zählt auch die Habsucht (avaritia), unter der er das schändliche Streben nach fremden Dingen verstand, und Ehrgeiz (ambitio)¹¹³. Die Gier, sich an fremdem Besitz zu bereichern, müsse besonders vermieden werden, da sie, sofern sie nicht von der Gerechtigkeit eingeengt werde, ins Unermessliche steige. Niemanden, der ihr folgen wolle, weise die Gerechtigkeit dabei von sich. Alle bringe sie zu Ansehen, die sie dadurch erhöhe, dass sie an ihr teilhaben. Nur derjenige mache sich selber gering, der von ihr gewichen sei. Diese Sätze verband Cassiodor in diesem Beispiel mit der Gefahr, der Bestechlichkeit zu erliegen (Var. XII 2, 3). Er bezeichnete die Habsucht deshalb an anderer Stelle als Wurzel allen Übels (Var. IV 39, 1)¹¹⁴: Inter ceteras, quibus humanum genus sollicitatur, inlecebras praecipue vitanda est alienarum rerum turpis ambitio, quia in immensum iactata rapitur, si iustitiae ponderibus non prematur. avaritiam siquidem radicem esse omnium malorum et lectio divina testatur, quae tali sorte punita est, ut cum multa rapiat, semper egeat, quam propter vicinitatem generis nostri sic in animis vestris coalescere nolumus, ut illi nec initia concedamus.
Dies zeigt sich auf besondere Weise in der bereits erwähnten formula consultaritatis (Var. VI 20). Demzufolge solle ein Konsul, wenn er schon nicht spenden könne, sich wenigstens selber mäßigen, damit man ihn keiner Begierde beschuldigen könne, denn einem Spender komme derjenige am nächsten, der sich fremden Eigentums enthalte (Var. VI 20, 2). Ehrgeiz im negativen Sinne verwendete Cassiodor an wenigen Stellen im Zusammenhang mit der Gefährdung der Gerechtigkeit. Zum Beispiel zeige sich ein Konsul seiner Ehre ebenbürtig, wenn er die Vergehen schändlichsten Ehrgeizes entschieden ablehne (Var. VI 20, 3). Allerdings gebe es auch Ehrgeiz im positiven Sinne, denn alles Lobenswerte finde umso mehr Ruhm, je verschwenderischer es gesucht werde (Var. IX 24, 12). Als positiver Ehrgeiz gelte zum Beispiel das mit großen Ehren verbundene Amt des Konsuls (Var. VI 1, 8). Während Cassiodor in der Begehrlichkeit die Wurzel allen Übels sah, erscheint sie in Var. V 3, 3 paradoxerweise als positive Eigenschaft, wenn es heißt: Gratiam nostram summa cupiditate perquirens. Ähnlich verhält es sich auch mit libertas als Gegenstück zu licentia (Var. V 4, 6; I 32, 1). Diese rhetorischen Spielereien zeigen, wie Christina Kakridi anmerkt, dass die Kanzleisprache keine bis ins Detail reflektierte propagandistische Sprache ist. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 363.
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Im Rahmen einer Warnung an seine cancellari wurde Cassiodor noch deutlicher und sprach im Zusammenhang von der Habsucht als „Königin aller unverschämter Laster“ (Var. XII 1). Sie nehme, einmal in das Herz eines Menschen eingedrungen, ganze Kohorten von Übeltätern auf und werde unerträglich, da sie nicht einsam sein könne. Von einer Armee begleitet, überwinde sie durch süße Verlockung diejenigen, die sie in Irreführung zusammenhalte. Der Minister warnte deshalb vor diesem Sittenverfall und forderte dazu auf, dem Gemeinwesen ergeben zu sein, da man durch Vernunft mehr erreichen könne als durch Bestrafungen.¹¹⁵ Ein cancellarius ¹¹⁶ solle deshalb nicht hochmütig, sondern Schutz für alle die sein, die von Schädigungen bedrängt werden würden (Var. XII 1, 5): Reginam illam procacium vitiorum avaritiam fuge, cui cuncta crimina detestabili devotione famulantur: quae dum pectus hominis ingressa fuerit, gregatim quoque maleficas cohortes admittit. ferri non potest recepta, quia nescit esse solitaria. agmen habet blandissimum, arma suscipit ex talentis et per dulcedinem superat quos amara deceptione captivat. proinde ad utilitates publicas esto sollicitus: iniuncta morali compulsione procura. plus agit inculcator rationis quam possit exercere terribilis.
Cassiodor zufolge war es schlimmer als alle anderen Grausamkeiten, wenn man sich an Notleidenden bereichern wolle. Stattdessen solle man nur ehrbare Gewinne anstreben und vor den schändlichen erschaudern (Var. XII 13, 4). Die angeschriebenen Beamten sollten sich jeder venalis protractio (Var. VI 9, 5), venalis illa dilatio (Var. XI 7, 3) sowie sämtlichen venales morae und iniquae dilationes (Var. XI 35, 3; XII 10) enthalten und dafür Sorge tragen, dass die festgelegten Steuertermine eingehalten würden ita tamen, ut nullus sub immaturae compulsionis iniuria se ingemiscat exactum nec iterum sub turpi venalitate indutiarum largitas damnosa praebeatur (Var. XII 2, 5).¹¹⁷ Besonders schwierig sei es, maßvolle Zurückhaltung bei der Rechtsausführung zu zeigen, da sich selbst hohe Beamte oder Richter, die von sich selber glauben, unter dem Mittelstand etwas Besonderes zu sein, zu ruchloser Begierde hinreißen ließen (Var. V 4, 7). Als für die Provinzialbevölkerung äußerst beschwerlich erwiesen sich die Aufenthalte des iudex, womit Provinzstatthalter gemeint waren, innerhalb seiner Provinz, die offenbar zu massiver und unzulässiger Ausbeutung der Provinzialen und Grundbesitzern führte (Var. V 14).¹¹⁸ In diesem Schreiben ist die Rede von willkürli-
So wurde beispielsweise der cancellarius Johannes von Cassiodor dazu aufgefordert, alle seine Befehle auszuführen ohne sich bestechen zu lassen (Var. XI 6, 3). Bei einem cancellarius handelte es sich um einen Beamten, der direkt dem Prätorianerpräfekten unterstand und dafür Sorge tragen musste, dass das der jeweiligen Provinz zugeteilte Steuersoll fristgerecht und in Gänze erhoben wurde. Zum cancellarius vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 312. Vgl. zu dieser Stelle auch Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 229. Die Statthalter bereisten innerhalb eines Jahres ihre Provinz und machten unterwegs in allen Stadtgemeinden Station. Für Kost und Logis hatte die jeweils gastgebende Stadt aufzukommen. Theoderich erneuerte darum in seinen letzten Regierungsjahren die Anordnung Kaiser Majorians, dass
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cher, nicht autorisierter und überhöhter Festsetzung der Steuerquoten und deren ungerechtfertigte Umverteilung.¹¹⁹ Offenbar wurden die eingezogenen Gelder obendrein nicht ordnungsgemäß abgeführt und an die übergeordneten Stellen weitergeleitet (Var. V 14, 3). Zur Abstellung dieser Willkürakte wurde der vir illustris Severinus¹²⁰ in die Provinz Suavia entsendet. Zusammen mit seinen Nachforschungen zum Verbleib der veruntreuten Steuergelder war es dessen Aufgabe, zu überprüfen, ob die undichte Stelle nicht bei den defensores civitatis und den Kurialen¹²¹ lag, die unmittelbar bei der Steuereintreibung eingeschaltet waren (Var. V 14, 3). Cassiodor legte besonderen Wert darauf, Ausschreitungen schon im Kleinen zu unterdrücken, damit zu allen eine angenehme Ruhe dringen könne, denn wie solle es ausgeglichene Gerechtigkeit geben können, wenn man die Kräfte des Mittelstandes sich nicht frei entfalten ließe (Var. V 14, 1). In diesem Schreiben schärfte er deshalb ein, dass der iudex lediglich Anspruch auf die triduanae annonae habe, mahnte zu maßvollem Verhalten und rief den römischen Usus in Erinnerung: Iudex vero Romanus propter expensas provincialium […] per annum in unumquodque municipium semel accedat (Var. V 14, 7). In seiner Begründung hierzu heißt es: Maiores enim nostri discursus iudicum non oneri, sed compendio provincialibus esse voluerunt (Var. V 14, 7).
eine Stadt einem Statthalter ihre Gastfreundschaft nicht länger als drei Tage pro Jahr zu gewähren habe. Hintergrund dieser Veranlassung war die in diesem Schreiben behandelte Klage der Provinz Suavia. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 321. Dass es sich hierbei um kein Kavaliersdelikt handelte, lässt sich mit Blick in das Edictum Theoderici belegen. Nach § 3 verlor ein der räuberischen Erpressung überführter iudex seine dignitas und wurde zur vierfachen Rückerstattung dessen gezwungen, was er erpresserisch an sich gebracht hatte. In § 1 werden ferner die Käuflichkeit des Urteils und in § 2 die Bestechung zum Zweck der Prozessverschleppung angesprochen und unter strenge Strafe gestellt. Interessanterweise ging offenbar derjenige, der die Bestechung anzettelte, straffrei aus. Vgl. hierzu auch Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 224 sowie S. 229. Zum vir ullustris Severinus siehe PLRE II, Severinus 4, S. 1001; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 93, S. 104 f.; Sundwall, Abhandlungen, S. 156 f.; Castitius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 227. Wenige Jahre später griff Cassiodor erneut auf Severinus zurück und schickte ihn zusammen mit dem comes Osuin erneut in den Donau-Save-Raum, um im Zusammenhang mit der Steuererhebung aufgetretene Probleme und Schwierigkeiten zu beheben (Var. IX 9). Zu den Aufträgen an Severinus vgl. Burns, Thomas S., The Ostrogoths. Kingship and Society, Wiesbaden 1980, hier: S. 94. Die Kurialen garantierten für den Eingang der Steuern. Solche Haftungsfälle scheinen sich im Ostgotenreich wiederholt haben, da die der Grundsteuer unterworfenen Goten und Romanen des Öfteren die Zahlung der Steuern verweigerten. Die daraus resultierende Mehrbelastung der curiales wurde von Cassiodor kontinuierlich angeprangert und bekämpft. Besonders deutlich werden diese Schutzbemühungen in Var. VII 47. Nach diesem Edikt war der Verkauf des Grundbesitzes der Kurialen erheblichen rechtlichen Behinderungen unterworfen. So griff Cassiodor beispielsweise zugunsten der beschwerdeführenden Kurialen der Stadt Adria ein und drohte den dort siedelnden Goten im Fall fortsetzender Steuerverweigerung empfindliche Strafen an (Var. I 19, 2). Er verfügte, dass die viri spectabiles Saturninus und Umbisuus das Geld von demjenigen eintreiben sollten, der den Fiskus um Abgaben prelle. Als Maßgabe für dieses strenge Vorgehen nannte der Minister die Wahrung der aequitas, lediglich die Armen sollten von dieser Verpflichtung ausgenommen werden. Vgl. zu dieser Stelle auch Radtki-Jansen, Herrscher, S. 241; Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 228.
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Besonders schlecht hatten sich offenbar die domestici und die vicedomini gegenüber den Grundbesitzern Suavias verhalten (Var.V 14, 8). Bei seinem Auftrag dürfe Severinus deshalb keine Rücksichtnahme auf Amtsstellung und Sozialprestige der zu Überprüfenden walten lassen (Var.V 14, 5) und stattdessen sämtliche Erkenntnisse auf direktem Wege an die Regierung in Ravenna weiterleiten (Var. V 14, 9). Im darauffolgenden Schreiben gab Cassiodor den possessores Suaviae die Beauftragung des vir illustris bekannt und machte seine Auffassung von Rechtsstaatlichkeit deutlich (Var.V 15). Zur Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen verwies er sie an den Sonderbeauftragten Severinus und versprach ihnen aequitas, aequalitas tributorum und remedium im Gefolge dieser Mission, denn Gott, so ist in einem anderen Brief im Zusammenhang mit den Aufgaben eines Konsuls zu lesen, habe es so eingerichtet, dass nur derjenige reicher wird, der nicht schändliche Gewinne begehre und dass diejenigen, die gut handeln, ohne es wahrzunehmen, mehr empfangen, da sie durch göttliche Gaben beschenkt würden (Var. VI 20, 5): Hanc enim condicionem humanis actibus divina posuerunt, ut ille magis possit ditescere, qui lucra turpia nescit optare. ignorantes accipiunt qui bene agunt, quia necesse est ut, dum parumper malorum ambitio contemnitur, superno munere plus donetur.
In zahlreichen Schreiben, in welchen Cassiodor Habgier und Bereicherung entgegenwirken wollte, ist von der brutalen Vorgehensweise der Steuereintreiber die Rede (Var. II 24). An zwei Stellen wurde das Einsammeln der Steuern mit einem kriegerischen Angriff verglichen (Var. II 24, 2; V 39, 5).¹²² Offenbar wurden falsche Maße sowie zu schwere Gewichte verwendet (Var. II 24)¹²³ und nach der Eintreibung der Naturalabgaben die entsprechende Summe noch einmal in Geld verlangt (Var. II 24, 12). Bei den betrachteten Stellen handelte es sich um keine Einzelfälle. So beklagten sich beispielsweise Ligurer, dass ihnen die Subalternbeamten schwere finanzielle Verluste zugefügt hätten. Cassiodor versprach daraufhin, den Sachverhalt genauestens zu untersuchen (Var. XI 16, 3). In allen Zusammenhängen bemühte sich der Minister darum, Amtsmissbrauch dauerhaft zu verhindern.¹²⁴ Zum Beispiel ermahnte er einen Nach Prokops Darstellung wollten die Goten ihre Untertanen ungestraft ausplündern. Königin Amalasuintha habe sich jedoch ihrer Begehrlichkeit widersetzt und für Recht und Ordnung gesorgt. Vgl. Prokop, BG 1,2,1– 17. Diese Sicht wird von Boethius in dessen Schrift Consolatio philosophiae unterstützt. Darin rühmte er sich, er hätte den Besitz wehrloser Menschen vor den „Barbaren“ und vor dem „klaffenden Schlund der Palasthunde“ gerettet. Vgl. Cons. 1,4,10 sowie Kakridi, Cassiodors Variae, S. 178; Goffart, Romans and Barbarians, S. 93 f. Die im Edictum Theoderici vorgesehenen Strafen gegen exactores vel susceptores machen deutlich, dass die Verwendung falscher Maße und Gewichte in diesem Beispiel kein Einzelfall, sondern stattdessen an der Tagesordnung war. Vgl. Edictum Theoderici § 149. In solchen Zusammenhängen war es Cassiodor wichtig, auch seine eigene Unbestechlichkeit zu betonen, die zu den Reichtümern des Ruhmes verhelfe (Var. IX 24, 4). So ist zum Beispiel in einem Schreiben im Namen Athalarichs zu lesen, dass Theoderich in ihm einen Vertrauten erhalten habe, der anmutig sei in seiner Ausdrucksweise, unbeugsam in Bezug auf seine Gerechtigkeit und der Begehrlichkeit ablehnend gegenüber stehe (Var. IX 24, 3): Te in dictationibus amoenum, te ad iustitiam rigidum,
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saio, Steuergelder korrekt einzutreiben (Var. XII 3).Wenn dieser den Vorschriften folge, werde er keine Abwege suchen, denn derjenige sei frei von Schuld, der dem Befohlenen nachkomme. Er solle deshalb nicht damit prahlen, dass sich ihm niemand widersetzen könne und keinen Hochmut (superbia)¹²⁵ annehmen, weil die Menge vor ihm Angst habe. Dies begründete er damit, dass tapfere Männer in Friedenszeiten zurückhaltend seien und die Gerechtigkeit lieben würden (Var. XII 3, 3): Cogitetur prae omnibus pecuniae publicae fidelis exactio. sit tuum commodum contemptus alienus. coactus faciat, quod sponte complere neglexerit. causis tantum te delegatis impende. si praecepta sequeris, devia non requiris. caret culpa, qui imperata perfecerit. in executore illud est pessimum, si iudicis relinquat arbitrium. non inde iacteris, quod tibi non potest obviari, nec assumere superbiam velis, quia te multorum humilitas pertimescit. viri fortes semper in pace modesti sunt et iustitiam nimis diligunt, qui frequenter proelia tractaverunt.
Selbst der Stadtpräfekt Agricolus erhielt die Mahnung, Habsucht zu meiden und stattdessen der Gerechtigkeit zu folgen, Maßvolles zu lieben und Jähzorn zu verachten (Var. III 11, 2). In einem anderen Fall solle Flavius Maximus¹²⁶ bescheiden die Sache des Ruhms betreiben, da man von der Zurückhaltung Lob erhalte, mit Hochmut aber Hass errege, denn ganz nahe beim Erfolg befände sich Neid, den man durch Toleranz besiege und durch Rechthaberei nur noch mehr vergrößere (Var. X 11, 4). Eine solche Aufforderung erging auch an den vicarius eines Hafens, der den Handel von eigenen und fremden Kaufleuten mit maßvoller Gleichberechtigung führen solle. Jemand, der seine Forderungen mäßige, fördere dadurch seinen eigenen Lebensunterhalt, denn wer allzu viel verlange, erhalte nur wenig, da die Kaufleute die Häfen meiden würden (Var. VII 23).¹²⁷ Dieses Schreiben enthüllt auf eindrucksvolle Weise, welche in Cassiodors Augen schändliche Auswirkung die Habsucht haben konnte. Neben Missbräuchen im Zusammenhang mit der Erhebung und dem Einzug von Steuergeldern kam es auch zur Veruntreuung dieser Gelder. So wurden zur Wiederherstellung der Stadtmauer in Rom jährlich 25.000 Ziegel verbaut (Var. I 25). Die hierfür notwendigen Gelder stellte Theoderich bereit, wie es in einem Schreiben an den vir spectabilis Sabinus heißt (Var. I 25, 2), allerdings musste die städtische Behörde
te habuit a cupiditatibus alienum. Vgl. zu Cassiodors Unbestechlichkeit ferner Var. XI 8, 3; XII 2, 1. Den Beweis seiner Unbestechlichkeit könne man in der Ausübung seiner Prätorianerpräfektur erkennen, im Rahmen derer er die angestrebten Ziele noch weit übertroffen habe (Var. IX 24, 10). Das von ihm gepriesene Ideal bestand darin, mit Geld enthaltsam, mit Gerechtigkeit aber verschwenderisch umzugehen (Var. V 4, 3): pecuniae continens, aequitatis profusus. Hochmut (superbia) erscheint in diesem Verständnis auch an anderen Stellen, um ein Unrechthandeln zu beschreiben (Var. II 1, 3; II 3, 4; III 27, 2). Zu Flavius Maximus siehe PLRE II, Fl. Maximus 20, S. 748; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 69, S. 85 f. Maximus erhielt für die 14. Indiktion (535/536) die Ernennung zum primicerius qui et domesticus nominantur (Var. X 11; X 12). Vergleichbares lässt sich auch dem Bestallungsformular für den comes des Hafens von Rom entnehmen, der dazu ermahnt wurde, nicht zu Lasten der Händler ungerechtfertigt hohe Abgaben zu erheben (Var. VII 9, 3).
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bald an diesen Auftrag erinnert werden (Var. I 25, 3). Durch den gesamten Brief zieht sich das Bestreben, den antiqui principes in ihrer Bautätigkeit in nichts nachzustehen und die Stadt Rom in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.¹²⁸ Zwei weitere Schreiben machen deutlich, dass es regelmäßig zu Veruntreuungen kam, die zur baulichen Instandhaltung Roms gedacht waren. Cassiodor forderte in beiden Fällen genaue Rechenschaft und ordnete die Bestrafung der Schuldigen an, sofern festgestellt wurde, dass sich das Geld fälschlicherweise in den Händen bestimmter Personen befindet ohne für die Bauarbeiten eingesetzt zu werden (Var. I 21; II 34). Aus einem vergleichbaren Schreiben an den comes Gildila geht hervor, dass eine außerordentliche Umlage zur Restaurierung der Mauern von den Provinzialen eingezogen wurde, das Geld aber verschwand (Var. IX 14, 2). Der Verdacht liegt nahe, dass die Verantwortlichen das öffentliche Bauvorhaben nur als Vorwand genutzt hatten, um sich persönlich zu bereichern.¹²⁹ Dem gleichen Schreiben ist zu entnehmen, dass Ladungsbeamte bei Prozessen überhöhte Forderungen stellten (Var. IX 14, 4). Auch in diesem Fall griff Cassiodor regulierend ein und legte die Sporteln (sportulae) fest. Hierbei handelt es sich um ein aus der spätrömischen Verwaltungspraxis stammendes Spezifikum, demzufolge Privatpersonen für alle Leistungen Gebühren zu entrichten hatten, die dann in die Tasche des jeweils tätig gewordenen Beamten flossen.¹³⁰ Da die in diesem Abschnitt betrachteten Unregelmäßigkeiten bei der Steuererhebung zu Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und den Steuereintreibern führten, die den inneren Frieden auf erhebliche Weise gefährden konnten, entwickelte Cassiodor verschiedene Maßnahmen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Neben einer Vielzahl unterschiedlicher Vorkehrungen, die an späterer Stelle dieses Kapitels noch ausführlicher in den Blick genommen werden, waren es in seinen Augen vor allem die Beamten, auf deren unbestechlichem, (gesetzes‐)treuem und maßvollem
Der Verweis auf antiqui principes erfolgt neben Var. I 25 ansonsten lediglich in Var. I 1; IX 15; IX 17; XI 1; XI 35. Var. I 25 wird in der Forschungsliteratur als das wohl wichtigste Dokument für Theoderichs Bautätigkeit angesehen und hat als solches große Beachtung gefunden, da er neben dem Verweis auf die Anlieferung von Ziegeln auch deren Menge und Hinweise auf die Baumaterialien liefert. Vgl. unter anderem Radtki-Jansen, Herrscher, S. 281– 294; Fauvinet-Ranson, Decor civitatis, decor Italiae, S. 57; Bloch, Herbert, Ein datierter Ziegelstempel Theoderichs des Grossen, in: Mitteilungen des deutschen archaeologischen Instituts. Roemische Abteilung 66 (1959), S. 196 – 203. Zur Bedeutung der Bautätigkeit siehe unten S. 123 – 127. Vgl. Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 226. Da der Dienst in der Präfektur finanziell kaum attraktiv war, besserten sich die Beamten ihr Gehalt durch Zusatzgebühren für Klageschriften und Vorladungen, Prozessprotokolle und Kopien der Urteile, aber auch für Steuerquittungen, auf. Diese Gebühren konnten die jährlichen Bezüge leicht um ein Vielfaches übertreffen. In speziellen Gebührenordnungen war festgelegt, wie viel für eine bestimmte Amtshandlung zu zahlen war. Zum Sportelwesen vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 317; Ensslin, Theoderich der Große, S. 162; S. 175; Kelly, Christopher, Ruling the Later Roman Empire, Cambridge, Mass. 2004, hier: S. 64– 104; Haensch, Rudolf, From Free to Fee? Judicial Fees and Other Litigation Costs during the High Empire and Late Antiquity, in: Kehoe, Dennis/ Ratzan, David/ Yiftach, Uri (Hrsg.), Law and Transaction Costs in the Ancient Economy, Ann Arbor 2015, S. 253 – 272.
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Handeln diese Vorstellung beruhte. Zweifellos idealisiert, stilisierte er die Staatsbediensteten auf diese Weise zu Vermittlern und Stiftern der Gerechtigkeit.
2.2.2 Beamte als Vermittler und Stifter der Gerechtigkeit Cassiodor setzte in die gerechte Amtsausführung der Beamten und in die Auswahl sowie Ernennung besonders charakterfester Persönlichkeiten große Hoffnungen, um Unregelmäßigkeiten innerhalb der Verwaltung vorzubeugen. Dem Minister zufolge würden die Beamten wie die Strahlen von der Sonne ausgesendet, damit in jedem Teil des Reiches die Gerechtigkeit des Königs hell leuchten könne (Var. VI 23, 2).¹³¹ Da die Wahl besonders qualifizierter Staatsbediensteter und deren korrekte Amtsführung zum Lob des Herrschers beitragen würden (Var.VIII 16, 1; IX 8, 1), sah Cassiodor in der Ernennung zum Beamten eine besondere königliche Wohltat, die auf wechselseitigem Vertrauen beruhe (Var. VIII 20, 6). Das Vertrauen fuße in erster Linie auf dem Gehorsam des Beamten¹³², der sich bei der Ausübung seines Amtes als Tempel der Unschuld (innocentiae templum), Heiligtum der Mäßigung (temperantiae sacrum) und Altar der Gerechtigkeit (ara iustitiae) erweisen müsse (Var. I 12, 4). Im Denken Cassiodors war es die Gesinnung des Regenten, die bewirkte, dass die Beamten diese Tugenden entweder vernachlässigen oder aber lieben (Var. III 12, 3). Zugleich betonte Cassiodor bei der Auswahl beziehungsweise Ernennung eines Beamten dessen allgemeine moralische Integrität als weitere unbedingt zu erfüllende Voraussetzung. Diese erschien in seinen Briefen als Rechtschaffenheit/ Redlichkeit (probitas) (Var. I 4, 5; I 20, 2; IV 3, 3; IX 7, 3), Reinheit/ Unschuld (puritas) (Var. I 13, 2; III 12, 2; VIII 17, 4), Uneigennützigkeit (integritas) (Var. I 22, 2; III 28, 2; V 22, 2; IX 7, 3), Unschuld (innocentia) (Var. I 4, 4; III 23, 3; VIII 1, 2), Gewissenhaftigkeit (bona conscientia) (Var. X 5, 3; XI 7, 5) und Sittenreinheit (castitas) (Var.VI 9, 6; VIII 18, 2; VIII 21, 5).
Cassiodor verwendete häufig Metaphern in Form von Sonne und Licht. Die Lichtymbolik spielte im Denken der Spätantike eine zentrale Rolle, da Theologie und Philosophie um einen als Licht und Lichtquelle verstandenes transzendentales Zentrum kreisten. Cassiodor nutzte in seinen Urkunden häufig Vergleiche der weltlichen Machtträger mit der Sonne und/oder den Sternen. Glanz und Licht erscheinen in diesen Bildern als wahrnehmbare Manifestationen einer besonderen, göttlich verankerten Herrlichkeit.Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 354 f.; Wolfram, Herwig, Splendor imperii. Die Epiphanie von Tugend und Heil in Herrschaft und Reich, Graz 1963, hier: S. 86 f.; Hunger, Herbert, Prooimion. Elemente der byzantinischen Kaiseridee in den Arengen der Urkunden, Wien 1969, hier: S. 75. Nicht nur von den Beamten, sondern auch von jedem anderen Untertan erwartete Cassiodor unabdingbaren Gehorsam gegenüber dem König. Bei Personen niedrigerer Stellung wurde dies auch als oboedientia (Var. V 8, 1) oder parientia (Var. III 24, 2) ausgedrückt.
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Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Schreiben, in welchem Cassiodor dem Senat die Verleihung der Patrizierwürde an seinen Vater¹³³ anzeigte (Var. I 4).¹³⁴ Selbiger wurde in diesem Brief durch seinen Sohn für seine Treue und Unbestechlichkeit gelobt, wodurch es ihm gelungen sei, eine ausgeglichene Gerechtigkeit zu praktizieren (Var. I 4, 5).¹³⁵ Ein Habgieriger nämlich, der von der Sucht nach Geld abrate, oder ein Ungerechter, der Gehorsam gegenüber den Gesetzen verlange, sei unglaubwürdig, da niemand urteilen könne, dem nicht durch ein freies Gewissen Autorität verliehen werde (Var. I 4, 5): Vixit tanta continentia, ut aequitatem et institueret monitis et doceret exemplis. facilis enim recti persuasor est innocens iudex, sub cuius praedicabili conversatione pudet mores probabiles non habere. […] in cassum personam fictae severitatis inducit, cum avarus pecuniae ambitum dissuadet, cum legibus parendum censet iniustus.
Dieses Schreiben bündelte in rhetorisch gekonnter Weise mit (Gesetzes‐)Treue, maßvollem Handeln und Bescheidenheit sämtliche Charaktereigenschaften, die nach Cassiodor den idealen Staatsdiener, in diesem Fall seinen Vater, ausmachten. Bei diesem Brief handelt es sich folglich um ein wichtiges Dokument, mit dem Cassiodor versuchte, seine eigene Familie in ein möglichst positives Licht zu rücken. Die Treue zum König und insbesondere Gesetzestreue und Treue zur versprochenen Fürsorgepflicht, Verantwortungsbewusstsein, Charakterfestigkeit und Anstand wurden von Cassiodor zur Grundlage von Ruhm und Nachruhm stilisiert.¹³⁶ Dies
Zu Cassiodors Vater, der ebenfalls Cassiodor hieß, siehe PLRE II, Cassiodorus III, S. 264 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, S. 45 – 46; Sundwall, Abhandlungen, S. 106; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 158 – 165. Vgl. für eine ausführliche Analyse und Interpretation dieses Briefes Radtki-Jansen, Herrscher, S. 142– 172; Butzmann, Hans, Cassiodor-Studien, in: Wolfenbütteler Beiträge 14 (2006), S. 9 – 72, hier: S. 44; Krautschick, Cassiodor, S. 52 f.; O‘Donnell, Cassiodorus, S. 15 – 18; Besselaar, Cassiodorus Senator, S. 7– 14. Interessanterweise kommt der Verrat als Gegenstück zur Treue nur an einer einzigen Stelle der Variae vor, was dafür spricht, dass Cassiodor das Thema offensichtlich bewusst ausklammerte.Vgl.Var. I 9, 2, wo ein Bischof fälschlicherweise des Vaterlandverrats beschuldigt wurde (proditionis patriae falsis criminationibus accusatus). Die Treue in Bezug auf den König umschrieb Cassiodor meist mit constantia benignitatis (Var. II 3, 5; V 14, 9; VIII 13, 7). Unabhängig von ihrer sozialen Stellung fasste Cassiodor die Bürger Italiens als Untertanen zusammen. Selbige müssten seiner Ansicht nach in der Beziehung zum König vor allem fides aufweisen (Var. VIII 8, 3): Cupimus enim in subiectis fidem reperiri, quam longa possimus pietate munerari. Es nimmt daher wenig Wunder, wenn Cassiodor stets fides als Eigenschaft bestimmter Personen herausstellte (Var. I 13, 1; III 25, 1;VIII 13, 7). Die vom Untertan geforderte Treue beruhte auf der wechselseitigen Erfüllung der Pflichten und nicht auf einseitigem Gehorsam. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 367; Kern, Fritz, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im früheren Mittelalter. Zur Entwicklungsgeschichte der Monarchie, Darmstadt 1973, hier: S. 152 f. Vgl. zum Lob der fides Var. V 40, 6: Accessit meritis tuis cunctis laudibus pretiosior fides, quam divina diligunt, mortalia venerantur. nam inter mundi fluctuantes procellas unde se humana fragilitas contineret, si nostris actibus mentis firmitas non adesset? haec inter socios amicitiam servat, haec dominis pura integritate famulatur, haec supernae
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führe dazu, dass gute Menschen in der Erinnerung anderer weiterleben, da diese nicht an ihrem Tod vergehe (Var. V 3). Der in diesem Zusammenhang gerühmte Quästor Decoratus¹³⁷ wurde von Cassiodor für seine Verschwiegenheit und seine Gewissenhaftigkeit bei der Ausübung seiner Pflichten gelobt. Seine Treue finde deshalb ihren Ausdruck in der nahen Beziehung zum König (Var. V 3, 3).¹³⁸ Auch an vergleichbaren Stellen hob Cassiodor hervor, dass man von den Beamten eine ausgeglichene Gerechtigkeit erwarte (Var. I 23, 3), denn bereits sein Titel verpflichte einen höheren Beamten (iudex) zu Gerechtigkeit und ausgeglichener Behandlung (Var. III 27, 2). Von besonderer Relevanz sei deshalb, einen starken Charakter zu besitzen, damit man sich nicht durch Geschenke kaufen oder durch Einschüchterungen von seinem Weg abbringen ließe (Var.VI 5, 4): Opus erit praeterea firmitas animi, ut a iustitiae tramite nullis muneribus, nullis terroribus auferatur. Die herausragende Bedeutung der Gesetzestreue betonte Cassiodor besonders beim comes sacrarum largitionum Cyprian¹³⁹ und dessen Nachfolger Opilio¹⁴⁰. Cyprian sei für das Amt prädestiniert, da ihn Zuverlässigkeit und Treue, die kostbarer seien als alle anderen lobenswerten Charaktereigenschaften, auszeichnen.¹⁴¹ Von Gott geliebt würden die Menschen sie verehren (Var. V 40).¹⁴² Zur unveränderlichen Treue und inneren
maiestati reverentiam piae credulitatis impendit et, si beneficium tantae rei latius quaeras, incommutabilis fidei est omne quod bene vivitur. Zu Decoratus siehe PLRE II, Decoratus I, S. 350 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 44, S. 58 f. Decoratus konnte erst nach der Hinrichtung von Boethius seine Berufung zum Quästor entgegennehmen. Sein Bruder Honoratus übernahm die Nachfolge, als Decoratus noch vor Ende der Amtszeit verstarb. Die Ernennung ist in den Variae neben ausführlichem Lob für die beiden Brüder überliefert (Var.V 3; V 4). Zu Honoratus siehe PLRE II, Honoratus, S. 567; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 56, S. 72 f. Bei der Eignung für ein höheres Amt in oberen Verwaltungsrängen betonte Cassiodor bei der Auswahl des entsprechenden Kandidaten des Öfteren, dass ein Nahverhältnis zur königlichen Familie besonders zu berücksichtigen sei (Var. VIII 22, 1; I 42, 2; IX 13, 3; IX 24, 8; X 12, 3; XII 18, 1). Zu Cyprian siehe PLRE II, Cyprianus 2, S. 332 f.; Amory, People and Identity, S. 369 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 41, S. 55 f. Wie Alheydis Plassmann formuliert, könne man Cyprian heute als „Muster für den integrativen Umgang mit Migranten“ anführen, da nicht nur er selbst für den Ostgotenkönig tätig war, sondern auch dafür sorgte, dass seine Söhne eine gotische Militärausbildung erhielten und die gotische Sprache lernten (Var. VIII 21, 6). Vgl. Plassmann, Interessenvertretung und Intrigen, S. 75. Der spätere magister officiorum war offenbar so vertraut mit dem König, dass er es sich sogar erlauben konnte, dem König offen zu widersprechen und dafür auch noch gelobt zu werden (Var. V 41). Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 249 f. Zu Opilio siehe PLRE II, Opilio 4, S. 808; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 73, S. 89 f. Der comes sacrarum largitionum sorgte für die Finanzierung außerordentlicher Ausgaben des Königs, wie Geschenke an Soldaten, Gesandte und Verbündete sowie für Schauspiele und Bauwerke. Zu diesem Zweck oblag ihm die Aufsicht über einen Teil der Steuereinnahmen, wie beispielsweise die Handels- und Salzsteuer, über das Zollwesen und die Münzstätten. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 149; Barnwell, Emperor, Prefects and Kings, S. 147– 148; Zimmermann, The Late Latin Vocabulary, S. 209 – 210; Wiemer, Theoderich der Große, S. 302– 304. An anderer Stelle wurde Cyprian im Zusammenhang mit seiner Beförderung zum patricius für die Standhaftigkeit seines Inneren sowie die Beständigkeit seiner Worte gelobt (Var. VIII 21, 4). Für seine
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Standhaftigkeit (mentis firmitas) gehöre dabei all das, wodurch man gut lebe (Var. V 40, 6). Der sich zu großer Beständigkeit verpflichtet fühlende Opilio solle diese guten Charakterzüge daher als Nachfolger und Bruder Cyprians nachahmen (Var. VIII 16; 17). Cassiodor betonte, dass beide frei von Habsucht und Begehrlichkeit seien und es deshalb verstünden, ihrem König die Treue zu halten. Treulosigkeit, auch gegenüber Gleichgestellten, würden sie nicht kennen, denn dort, wo sich die Eigenschaften des Charakters frei zeigen, könnten die Sitten leicht überprüft werden (Var. VIII 17, 4)¹⁴³: Amicitiis ille praestat fidem: sed magnam promissis debet iste constantiam. ille quoque avaritia vacuus: et iste a cupiditate probatur alienus. hinc est quod norunt regibus servare fidem, quia nesciunt vel inter aequales exercere perfidiam. ibi enim mores facilius probantur, ubi natura sub libertate monstratur. quomodo ergo sub puritate non serviant dominis, qui nesciunt illusisse collegis?
Im Gegenteil erwartete Cassiodor gegenüber Gleichgestellten und Kollegen Freundlichkeit und Gefälligkeit (Var. IV 3, 3; XII 5, 2). Neben der bei Cyprian und Opilio betonten Beständigkeit und Treue erscheint die Wahrheit als weiteres Kriterium für einen gerecht handelnden Beamten (Var. V 21, 2; XII 16, 4). So wird beispielsweise Tuluins¹⁴⁴ Geduld beim Zuhören sowie seine Wahrheitsliebe bei dessen Ernennung zum patricius
treuen Dienste verlieh ihm Athalarich die Ehren eines patricius (Var. VIII 21, 7). Im Allgemeinen gelte Beständigkeit als Beweis der Treue. Durch gehorsame Dienste zeige man die Tugenden seines Inneren (Var. III 24, 2). Es besteht kein Zweifel daran, dass Cassiodor Cyprian außerordentlich hoch schätzte. Opilio und Cyprian wurden in dieser Passage als den Freunden treu und Kollegen gegenüber solidarisch gerühmt. Dies wundert insofern, als dass die beiden in den Untergang von Boethius verwickelt waren, was sicherlich allen bekannt war. Cyprian war nach dem Zeugnis des Anonymus Valesianus derjenige, der die Klage gegen Boethius in Gang setzte, die letztlich zu dessen Hinrichtung führte.Vgl. Exc.Val. 85. Dennoch lobte ihn Cassiodor nachdrücklich für seine Beratertätigkeit (Var.V 41, 3 – 4).Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 238. Opilio war ebenfalls Teil dieser ausgedehnten politischen Intrige. Zu Boethius siehe unten S. 204 f. Tuluin war neben den amalischen Herrschern der einzige Gote, den Cassiodor ausführlich für seine Verdienste und Charaktereigenschaften ehrte. Zu Tuluin siehe PLRE II, Tuluin, S. 1131 f.; Amory, People and Identity, S. 425 f.; Moorhead, Culture and Power, S. 116; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 101 f. Bei Tuluin musste es sich offenbar um einen Freund Cassiodors gehandelt haben, den er bei dessen Ernennung zum patricius praesentalis ausführlich lobte. Dieses Lob lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass Tuluin in die Ermordung Amalasuinthas verwickelt war. Zu dieser in der Literatur durchgängig vertretenen These vgl.Wolfram, Goten, S. 336; Krautschick, Cassiodor, S. 176; Heather, Theoderic, S. 148. Ablehnend vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 254. Die Übernahme dieses Amtes eröffnete Tuluin trotz gotischer Abstammung und militärischem Hintergrund den Zugang zum Senat. Für Christoph Schäfers Behauptung, dass nur Reichsangehörige römischer Nationalität Zutritt zur curia hatten, gibt es keinen Beweis. Vgl. Schäfer, Der weströmische Senat, S. 7 f. Vielmehr deuten die Variae darauf hin, dass viele Personen gotischen Namens den Titel eines vir illustris führten. Zu nennen wären Arigern (Var. III 36), Marabad (Var. IV 12), Osuin (Var. I 40), Sigismer (Var.VIII 2) sowie Suna (Var. II 7). Nicht abwegig ist, dass die gotischen Machtträger keinen großen Wert darauf legten, an den Sitzungen des Senats teilzunehmen. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 255.
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praesentalis ¹⁴⁵ ausführlich hervorgehoben (Var. VIII 9). Letztere gehe soweit, dass er sich mit einer seltenen Art von Selbstvertrauen sogar den Wünschen Theoderichs widersetzt habe (Var. VIII 9, 6).¹⁴⁶ Cassiodor hielt die Wahrheit für eine wichtige Tugend, denn es sei ein zu verfluchendes Übel, wenn die Zunge etwas anderes entscheide als das Gewissen wisse (Var. XII 14, 6): Deinde sufficere debet defensio veritatis et testimonium iudicis, quia nimis execrabile malum est, si, cum aliud noverit conscientia, aliud lingua decernat. Abgesehen von der Liebe zur Wahrheit, Beständigkeit und Treue ist es auch die Genügsamkeit, die Cassiodor als elementaren Wesenszug hervorhob. So ist beispielsweise bei der Verleihung der Patrizierwürde an seinen Vater davon zu lesen, dass diese Ehre bei den meisten mit Stolz und Eitelkeit einhergehen würde, man Cassiodors Vater durch die von ihm gelebte Bescheidenheit aber noch viel Größeres wünsche, da er sich durch seinen Erfolg nicht zu Hochmut habe verleiten lassen, sondern seine Ämter im Gegenteil auch weiterhin gerecht und integer ausübe (Var. I 4, 7). Dank seines maßvollen Benehmens, habe er seinen Nachfolgern, wie es weiter heißt, ein Musterbeispiel guter Handlungsweisen hinterlassen (Var. I 4, 8): Fuit itaque, ut scitis, militibus verendus, provincialibus mitis, dandi avidus, accipiendi fastidiosus, detestator criminis, amator aequitatis. quod non fuit illi custodire difficile, qui se a rebus alienis decreverat abstinere. est enim invicti animi signum famae diligere commodum et lucra potius odisse causarum.
An anderer Stelle führte Cassiodor aus, dass nur aus Mäßigung, selbst im Augenblick größten Erfolgs, Glück entstehe (Var. VII 26, 1). Verzicht und Selbstbeherrschung erscheinen in den Briefen als moderatio ¹⁴⁷ (Var. I 4, 6; I 32, 1; III 1, 2), continentia ¹⁴⁸ (Var. I 4, 5; III 12, 3; IX 24, 12) und temperantia (Var. I 3, 2; III 25, 2; X 7, 4).
Zum patricius praesentalis vgl. Ensslin, Wilhelm, Der Patricius Praesentalis im Ostgotenreich, in: Klio 29 (1936), S. 243 – 249. Der auf dieses Schreiben folgende Brief (Var.VIII 10) enthält eine Laudatio auf Tuluin, die sowohl dessen Taten des Friedens als auch des Krieges abwechselnd und aufeinander aufbauend darstellt:Var. VIII 10, 3: Aufwachsen am Hof; Var. VIII 10, 4: Krieg gegen die Hunnen und Bulgaren; Var. VIII 10, 5: Beratertätigkeit am Hof; Var. VIII 10, 7: Expedition in Gallien; Var. VIII 10, 8: Verhandlungen mit den Burgundern; Var. VIII 10, 9: Überleben nach einem Schiffbruch. Im Rahmen dessen wird Tuluin ausführlich für seine prudentia, seine virtus und seine felicitas gelobt. In der Bedeutung Besonnenheit und Mäßigung nutzte Cassiodor die Begriffe moderatio und modestia synonym. Continentia in ihrer Bedeutung als Zurückhaltung oder auch Selbstbeherrschung war vor allem im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Statthalter relevant. Cassiodor gebrauchte diese Tugend im gleichen Zusammenhang wie temperantia und moderatio. Den Gegensatz hierzu bilden Begierde und Zügellosigkeit (libido). Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 160; Butzmann, Cassiodor-Studien, S. 44; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 364.
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Der Sinn für Ordnung und Maß ist in den Variae eng mit Klugheit (prudentia)¹⁴⁹ und Weisheit (sapientia)¹⁵⁰ verbunden, denn erst diese ermögliche es, das Aufgetragene maßvoll und besonnen (moderate) auszuführen (Var. V 8, 1).¹⁵¹ Cassiodor charakterisierte auch sich selber als gütig gegenüber allen, maßvoll besonnen im Glück und nur dann als zornig, wenn man ihn schwer reize (Var. IX 25, 11). Den Sinn für rechtes Maß beschrieb er als Teil königlicher Würde, wenn er in einem Schreiben an den Senat versicherte, dass Theodahad geduldig im Unglück, maßvoll im Glück und Beherrscher seiner selbst sei (Var. X 3, 3). Beamte wie beispielsweise der Quästor Patricius¹⁵² (Var. X 7, 3) oder auch Sunhivad (Var. III 13, 1) würden anderen vorgezogen, da sie sich durch Sinn für Maß und Zurückhaltung abgehoben und ihr Inneres mäßigen könnten. Besonders wichtig und zu gleichen Teilen schwierig sei die Tugend des Maßhaltens für hohe Beamte. Der magister officorum ¹⁵³ solle deshalb die stürmischen Sitten seiner Untergebenen mit dem günstigen Einfluss seiner maßvollen Gesinnung aufheitern (Var. VI 6, 1). An dieser Forderung wird deutlich, dass Cassiodor erwartete, dass gegenüber Personen, die an Macht und Einfluss überlegen waren, Demut geübt werde. Zu diesen grundlegenden Einstellungen und Wertvorstellungen kamen im Denken Cassiodors praktische Tugenden wie Fleiß und Effizienz. Häufig lobte der Minister die industria eines Beamten (Var. III 17, 2; V 35, 1) oder auch efficacia im Sinne von Tatendrang und Durchsetzungsfähigkeit (Var. III 16, 1): Exploravimus efficaciam tuam per
Prudentia ist eine zentrale Tugend und wurde von Cassiodor sehr häufig als Persönlichkeitsmerkmal verwendet: 127 mal prudentia, 37 mal prudentes und 13 mal prudentissimus. In De anima definiert Cassiodor prudentia mit den Worten: Contra confusa et incerta prudentia utiliter adhibetur. Prudentia vero est rerum bonarum et malarum verax scientia. De anima 7. Sapientia ist eine weitere zentrale Tugend, die jedoch im Vergleich mit prudentia wesentlich seltener von Cassiodor verwendet wurde, um eine Person zu charakterisieren. Im Hinblick auf die ostgotischen Könige stellte er sie als unverzichtbar heraus (Var. XI 1, 19). Bescheidenheit wurde von Cassiodor als Voraussetzung für eine erfolgreiche Herrschaftsausübung und ein sittliches Privatleben angesehen (Var. III 13, 1): Laborum tuorum longa servitia et exploratae fidei multa documenta hoc nobis iudicium tradunt, ut qui tuos animos moderatus es, nunc alienis moribus praeferaris et praestes provinciae disciplinam, qui privatus amasti continentiam. is enim potest alios bene regere, qui se studuit sub decore tractare. Vgl. ferner Var. X 3, 3; XI 1, 4. Zu Patricius siehe PLRE II, Patricius 12, S. 839 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 78, S. 94. Patricius bekleidete ab der 13. Indiktion (534/535) die Quästur und erhielt von Cassiodor seine Ernennung (Var. X 6; X 7). Cassiodor lobte ihn für seine rhetorische Bildung und seine Besonnenheit. Der magister officorum war der ranghöchste Minister des Königs. Dieser Titel wies ihn als Leiter (magister) aller am Hof angesiedelten Büros (officia) aus. Die Aufgaben und Befugnisse waren jedoch weit vielfältiger als dieser Titel es vermuten lässt. Er war zudem der Kommandeur der scholae palatinae und übte die Disziplinargewalt und Gerichtsbarkeit über alle Beamte aus, die am Hof in subalterner Stellung tätig waren. Außerdem führte er hochgestellte Persönlichkeiten und auswärtige Gesandte bei Audienzen ein und nahm dadurch Einfluss auf den Zugang zum König. Gemeinsam mit dem Prätorianerpräfekten führte der magister officorum die Aufsicht über den cursus publicus. Vor allem aber leitete er das officium comitiacum, eine Abteilung, deren Angehörige den Auftrag hatten, den Willen des Königs überall zu verbreiten. Zum magister officiorum vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 297– 300; Clauss, Der Magister Officiorum; Delmaire, Les institutions du bas-empire, S. 75 – 96.
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diversos industriae gradus. Ebenso sollten Emsigkeit (sedulitas) (Var. IV 24, 1), Mut/ Ehrgeiz (animositas) (Var. II 35, 1) und Lebenskraft (vivacitas) (Var. XI 5, 3) bei der Auswahl eines Beamten für ein Amt berücksichtigt werden. Hinzu kommen Verschwiegenheit (Var. II 28, 2; VIII 9, 6; V 3, 3), Ehrlichkeit (Var. V 4, 3) und Dienstbereitschaft (Var.VIII 17, 1). Cassiodor weckt mit den Variae auf diese Weise den Eindruck, dass Beamte bewusst aufgrund ihrer Persönlichkeit ausgewählt und berufen wurden. Im Zusammenhang mit der Ernennung des Patricius zum Quästor, der über die für die Amtsausübung notwendigen sprachlichen und charakterlichen Qualitäten verfüge, ist dieser Anspruch wortwörtlich formuliert (Var. X 7, 4): Quia iudiciaria virtus est linguae bonis abundare et mentis temperantiam custodire. cognoscite, patres conscripti, quid fieri velimus, quando in iudicibus primum mores elegimus, in ea praesertim dignitate quae iura consuevit edicere. non enim temporibus nostris potestate regia est armata quaestura, sed legibus probatur esse composita.
Die Ernennung beziehungsweise Bestätigung eines Beamten geschah offiziell immer im Namen des Königs.¹⁵⁴ Unter den Augen des Herrschers zu dienen, gelte als Belohnung für das geführte Leben, da diesem weder eine Schuld vorbehalten noch etwas Gutes verborgen werden könne (Var. XII 18, 1). Cassiodor zufolge gehöre es zu den wichtigsten Aufgaben des Königs, geeignete Personen für die Würden auszuwählen, da vom Bild der Dienenden der Ruhm des Herrschers wachse.¹⁵⁵ Selbiger definiere sich dadurch, diejenigen zu berufen, bei denen er die Richtigkeit ihres Urteils kenne (Var. IV 3, 1). Cassiodor betonte zudem, dass die Auswahl derartiger Persönlichkeiten für das Gemeinwesen geradezu lebensnotwendig sei, da es falsch sei, von einer Person etwas zu verlangen, über das diese nicht verfüge.¹⁵⁶ Voll Zuversicht verlange man dagegen, was in ihr schon vorhanden sei (Var. X 6, 1):
Vgl. Postel, Ursprünge, S. 158. Cassiodor sah in der Erlangung von Ruhm den wichtigsten Antrieb für tugendhaftes Verhalten (Var. II 16, 1): Celsos currus nisi confidentia magna non appetit, dum generosi est animi optare quod summum est. Wie im formula notariorum zu lesen ist, sei besonders die Wahl eines Beamten als Vertrauensperson des Königs schwierig, da man das Notwendige nur jemandem von extremer Zuverlässigkeit anvertrauen könne (Var. VI 16, 1): Non est dubium ornare subiectos principis secretum, dum nullis aestimantur necessaria posse committi, nisi qui fuerint fide magna solidati. publicum est quidem omne quod agimus: sed multa non sunt ante scienda, nisi cum fuerint deo auxiliante perfecta. quae tanto plus debent occuli, quanto amplius desiderantur agnosci. Für die Charakterfestesten gehöre es sich, die Pläne des Königs zu kennen. Beamte müssten die Archivschränke nachahmen, die die Dokumente aufbewahren, so dass sie nur dann sprechen, wenn man sie um eine Auskunft ersuche. Sonst aber hätten sie alles zu verbergen, als ob sie trotz ihres Wissens nichts wüssten, da aufmerksamen Spitzeln oft nur durch einen Gesichtsausdruck verraten werde, was verschwiegen werden sollte. Oberstes Ziel sei es, die Worte des Königs in Sicherheit zu bringen (Var. VI 16, 2).
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Necessarium probatur esse rei publicae personas dignitatibus aptas eligere, ut cui iustitia committitur, malis moribus non gravetur. alioquin inefficax est ab homine exigere quod agnoscitur non habere: contra confidenter quaeritur, quod inesse sentitur.
Bei der Wahl von Beamten müsse der König objektiv sein, da es eine Sünde sei, an einer Person zu zweifeln, die es verdient habe, durch königliches Urteil erwählt zu werden (Var. IX 22). Der Regent dürfe deshalb weder etwas aus Hass noch etwas aus Zuneigung entscheiden. Die Wahl solle stattdessen auf Verdiensten beruhen, denn jemand sei dem Sinn des Herrschers in dem Maße nahe, wie er mit ihm durch seine Bemühung um das Gute verbunden sei (Var. IX 22, 1): Electio nostra de meritis venit et tanto quis regali animo proximatur, quanto bonis studiis societate coniungitur. non vereamini absentes nec sitis de principis ignoratione solliciti.
Wohl aus diesem Grund sollten nur diejenigen befördert und belohnt werden, an denen der König Gefallen gefunden habe (Var. III 23, 1) und die aufgrund ihrer Handlungsweisen hervorgetreten seien (Var. XI 7, 6). In Beförderungen sah Cassiodor ein bewährtes Mittel dafür, die so geförderten Beamten einerseits zu noch größerer Gewissenhaftigkeit anzuhalten und andererseits die müßigen sowie trägen Staatsbediensteten durch die Beförderung eines Kollegen zu kränken und auf diese Weise zu mehr Engagement und Arbeitseifer zu motivieren (Var. IX 8, 1). Wer aber über ein gutes Gewissen verfüge, solle belohnt werden, denn Lob solle eher an den Hof dringen als Klagen (Var. IX 8, 1): Non censor, sed laudator vester esse desidero. cavete ergo, ne reddatur infestus qui vobis cupit esse beneficus: nam gravius semper irascitur, qui contra propositum commovetur.
Der Aufstieg zu den hohen Stellen müsse daher stufenweise¹⁵⁷ vor sich gehen, da man nur im Kleinen erkenne, wem man Größeres anvertrauen könne (Var. VII 23). Dies spiegelt sich so auch im Ernennungsschreiben eines Quästors wider, der dazu aufgefordert wurde, Rechtschaffenheit und Treue zu zeigen (Var. VIII 13, 1): Securus celsa conscendit, qui se in paulo minoribus approbavit et certo procedit vestigio, qui gradatim desiderio potitur accepto. sine merito siquidem remuneratum putatur omne quod subitum est nec inexplorati suspicionem refugit, quod repente provenerit. contra omnia deliberata robusta sunt et totum bonis actibus optinuisse creditur, qui post documenta laudatae militiae promovetur.
Cassiodor verglich die Ämterlaufbahn häufig mit der Pflanzenwelt und betonte, dass sich der stufenweise erfolgende Aufstieg zu höheren Ämtern organisch entwickeln müsse (Var. I 12). In diesem Schreiben an den vir illustris und magister officiorum Eugenius umschrieb der Minister die Ämterlaufbahn mit Baumsprösslingen, die, wenn sie beigeschnitten werden, stets neue Triebe hervorbrächten und noch stärker erblühen würden (Var. I 12): Nati sunt fasces ex fascibus et naturam retinentes fetus arborei pullulaverunt iterum decenter abscisi.
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Bezüglich der Amtszeit gab es keine generellen Regelungen.¹⁵⁸ Cassiodor war es allerdings wichtig zu betonen, dass selbst die einjährige Amtszeit eines Provinzstatthalters genüge, um Auskunft über die Qualität des Gewissens zu geben (Var.VII 2, 1).¹⁵⁹ Beamte, die mit der Nahrungsmittelversorgung betraut waren, wurden für fünf Jahre berufen (Var. X 28). Den Stelleninhabern wurde diese Amtsdauer bei fehlerfreier Ausübung garantiert, um auf diese Weise den Ehrgeiz in Zaum zu halten (Var. X 28, 2). Sie sollten sich ohne Angst das Nötige beschaffen und ohne Sorge sein, von ihrem Posten vertrieben zu werden. Erforderlich sei jedoch die Rechtschaffenheit ihrer Handlungsweisen (Var. X 28, 2). Die vorangestellten Überlegungen machen deutlich, dass Cassiodor bei der Vermeidung von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Steuererhebung große Hoffnungen auf die Auswahl und Ernennung besonders bewährter und tugendhaft handelnder Beamter setzte. Gleichwohl genügte dies nicht, um anhaltender Korruption und Veruntreuung von Steuergeldern nachhaltig entgegenzuwirken. Ein Grund von vielen dürfte im für das Ostgotenreich überlieferten Ämterkauf begründet sein.¹⁶⁰ Dieser deutet sich auch in den Fällen an, in denen Cassiodor eine Verbindung zwischen Reichtum und Macht herstellt, indem er die wirtschaftliche Stärke von hohen Amtsträgern betonte (Var. III 17, 4; VIII 19, 6).¹⁶¹ Der Minister musste folglich neben der bereits erwähnten Beförderung hervorgetretener Beamter weitere Lösungen und Richtlinien entwerfen, um eine gerechte Amtsausübung zu gewährleisten sowie Kor-
Nach Ablauf der Dienstzeit erhielt man die Belohnung für seine Mühen. Dieses Urteil sei göttlich, da nur der seinen Ertrag bekomme, der von Gott bis an das Ende der geforderten Dienstzeit geführt worden sei (Var. VII 30, 1). Jedem Einzelnen genüge ein Jahr, um mit Lob abzutreten, denn selbst bei einer kurzen Amtsdauer grenze es an ein Wunder, ohne Vorwürfe davonzukommen (Var. VII 2, 1). Der König behalte es sich jedoch vor, die Amtszeit von verdienten Statthaltern zu verlängern. Eine Absetzung war jederzeit möglich, wie das Beispiel des Prätorianerpräfekten Abundantius zeigt (Var.VIII 20, 1). Zu Abundantius siehe PLRE II, Abundantius 3, S. 3 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 2, S. 9. Infolge des gewaltsam herbeigeführten Wechsels nach der Ermordung Amalasuinthas stieg die Nachfrage auf jedwede Position innerhalb des Machtapparates rasant an. Theodahad bestätigte infolgedessen im Großen und Ganzen die Stellenbesetzungen, die Cassiodor als Prätorianerpräfekt vorgenommen hatte (Var. X 28, 1). Wer sein Amt gerecht ausführe, solle vor Konkurrenz geschützt werden, indem eine Strafe darüber verhängt wurde, über Ämterpatronage in die Stellung eines Beamten zu gelangen (Var. X 28, 3). Inkonsequenterweise wurde dennoch der Einkauf in unbesetzte Positionen mit der Aufforderung, dass der Preis hierfür in angemessenem Rahmen zu halten sei, ermöglicht (Var. X 28, 3). Vgl. hierzu Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 232 f.; Liebs, Detlef, Ämterkauf und Ämterpatronage in der Spätantike. Propaganda und Sachzwang bei Julian dem Abtrünnigen, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 95 (1978), S. 158 – 186; Schuller, Wolfgang, Ämterkauf im römischen Reich, in: Der Staat 19 (1980), S. 57– 71. Die wirtschaftliche Stärke tritt immer dann deutlich zu Tage, wenn Adlige und Amtsträger als Bauherren, Veranstalter von Spielen und Wohltäter erscheinen. In Italien übernahmen beispielsweise Senatoren die Ausgaben für öffentliche Aufgaben (Var. II 32– 33; IV 24; IX 25, 9). Zum Lob der Konsuln gehört regelmäßig der Hinweis auf dessen Spendebereitschaft (Var. VI 1, 7; II 2, 4).
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ruption und Machtgier entgegen zu wirken. Diese Auswege auf Bestechlichkeit, Habsucht und Ehrgeiz sollen im folgenden Abschnitt in den Blick genommen werden.
2.2.3 Auswege aus Bestechlichkeit, Habsucht und Ehrgeiz Ein bewährtes Mittel bestand für Cassiodor darin, Staatsbedienstete beständig – und dies teilweise schon im Ernennungsformular – zu richtigem Verhalten zu ermahnen. Sämtliche formulae enthalten dabei genauso wie die direkten Ansprachen an die iudices (Var. III 24, 4; V 4, 7; IX 19, 4; X 28, 1) oder Schreiben an andere Beamte, wie beispielsweise an die saiones (Var. V 19), den praefectus vigilum Romae (Var. VII 7, 4), den comes Romae (Var. VII 13, 2), den comes Ravennatis (Var. VII 11, 2), den Vorsteher einer Waffenmanufaktur (Var. VII 18, 2), den defensor vivitatis (Var. VII 11, 2), den custodes der römischen Wasserleitungen (Var.VII 6, 6) oder auch den scriba Ravennatis (Var. XII 21, 4) das Postulat der Unbestechlichkeit.¹⁶² An diesen und vielen weiteren Stellen gab Cassiodor einzelnen Beamten Anweisungen, wie sie sich am ihnen zugewiesenen Platz richtig zu verhalten haben. Nicht selten doppelte er diese Vorschriften mit Drohungen (Var. XII 6, 1). Diese Worte sollten fest im Gewissen verankert werden und nicht wie durch eine leere Wasserleitung, die nur so lange gefüllt sei, wie Wasser in sie hineinfließe, wieder hinaustreten. Es nütze deshalb wenig, wenn die Worte vorübergehend den Ohren gefallen, nicht aber im Inneren verhaftet bleiben würden (Var. XI 6, 6): Fige menti omnia quae iubemus: non te tamquam vacuam fistulam dicta perexeant, quae tamdiu plena conspicitur, quamdiu in eam undae influere posse noscuntur. esto potius conceptaculum, quod audita custodias, quod suscepta non fundas: quia nihil proderit, si auribus tuis transitura placeant et in cordis sinibus se omnia non defigant.
Neben Maßregelungen dieser Art entwickelte und praktizierte Cassiodor auf realpolitischer Ebene mit Gehaltserhöhungen und einem umfassenden Kontrollapparat weitere Maßnahmen, um Benachteiligungen, Veruntreuungen und Missbräuchen entgegenzuwirken. In einem Brief an den comes patrimonii ¹⁶³ Vilia sah Cassiodor in einer Gehaltserhöhung das wirksamste Mittel, um Auswüchsen dieser Art zu begegnen (Var. IX 13).
Vgl. Castitius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 230. Der comes patrimonii übte die Aufsicht über das Privatvermögen des Königs (patrimonium), das Theoderich von Odoaker übernommen hatte, aus. Ihm unterstanden die königlichen Güter, deren Pachteinnahmen er kontrollierte. Darüber hinaus beaufsichtigte er die Einnahmen der Grundsteuer auf Sizilien und sorgte sich um das Speiseangebot am Hof. Das Patrimonium war unter Odoaker geschaffen worden, um die Verwaltung des königlichen Sondervermögens dem Finanzminister zu entziehen. Vgl. Wolfram, Goten, S. 293; Barnwell, Emperor, Prefects and Kings, S. 147– 148; RadtkiJansen, Herrscher, S. 210 – 212; Zimmermann, The Late Latin Vocabulary, S. 210 – 211; Wiemer, Theoderich der Große, S. 305 – 306; Delmaire, Roland, Largesses sacrées et res privata. L’aerarium
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In diesem im Namen Athalarichs verfassten Schreiben identifizierte er die Unterbezahlung der Vilia unterstellten domestici als Ursache für Amtsmissbrauch und Habsucht, da eine Verfehlung bis zu einem gewissen Grad entschuldbar sei, wenn das Notwendige nicht gewährt werde (Var. IX 13, 1). Zusätzlich zu ihren bisher bezahlten 200 solidi und 10 annonae pro Jahr sollten nun noch 50 solidi jährlich zu Lasten von Vilias Budget hinzukommen, damit das sündige Streben nach Bereicherung aufhöre (Var. IX 13, 2). Wer sich dennoch frevelhaft verhalte, solle den gesamten Lohn verlieren, da nur derjenige würdig sei, Belohnungen zu erhalten, der der Gerechtigkeit gehorche. Man erhalte seinen Sold vom König, damit man das Geld nicht von anderen nehmen müsse (Var. IX 13, 3): Si quis autem iussionum nostrarum inprobus temerator exstiterit, ut aliquo casu in damnis provincialium aut praeiudiciis implicetur, emolumentis careat universis, quia ille dignus est praemia consequi, qui parere cognoscitur aequitati: ideo enim a nobis accipit, ne ab aliis quaerat.
An anderer Stelle führte Cassiodor aus, dass es der guten Vorsorge der alten Zeit entspräche, wenn diejenigen ihren Lohn empfangen, die dem öffentlichen Nutzen dienen, damit niemand übergangen werde, der für seine ehrliche Art gelobt werden müsste (Var. XI 37, 1). Um die rechtliche Einhaltung der Normen zu garantieren, sollten Lohnerhöhungen folglich Rechtsübertretungen vorbeugen. Zahlreiche in die Variae aufgenommene Schreiben deuten darauf hin, dass Cassiodor aus dem gleichen Grund auf umfassende Kontrollmaßnahmen setzte. Dabei erschienen Senatoren, die in einem Fall zum Beispiel die Finanzen der römischen Werkstätten im Blick behalten sollten, als Teil dieses Überwachungsapparats (Var. I 21). Diesem Schreiben zufolge erachte es niemand als Beschwernis, über das Geld Rechenschaft abzulegen, denn ein ehrliches Gewissen trachte danach, überprüft zu werden (Var. I 21, 1). Aus diesem Grund sollten der vir illustris Maximianus und der vir spectabilis Andrea die Werkstätten Roms kontrollieren, um zu überprüfen, ob die Arbeiten mit den Ausgaben übereinstimmen. Wenn dabei festgestellt werde, dass Geld bei jemandem geblieben sei und nicht für die Werkstätten ausgegeben wurde, so habe er die Summe zurückzugeben (Var. I 21, 2). Die Senatoren sollten dazu eine genaue Kostenübersicht erstellen und dem Hof zur Überprüfung zukommen lassen, denn: Nullum enim de largitate nostra fraudari velle credimus, quando in tali negotio et de propriis facultatibus eum impendere posse iudicamus (Var. I 21, 2).¹⁶⁴ Zur Unterstreichung seiner Botschaft, dass man sich in Rom impérial et son administration du IVe au VIe siècle, Paris 1989, hier: S. 691– 694; Delmaire, Les institutions du bas-empire, S. 145. Auch am Königshof fand in gewisser Weise eine Kontrollausübung statt, indem gotische Adelige als Hausmeier, das heißt Verwalter (maiores domus) versammelt wurden, die als Berater fungierten. Aus diesem Kreis wählte der König die Heerführer aus, denen er das Kommando in Feldzügen überließ. Außerdem wurden sie mit der Verwaltung von Grenzprovinzen und mit Sonderaufgaben verschiedenster Art betraut. Solche und andere Männer, die das Vertrauen des Königs gewannen, waren die Vornehmen des Hofes (proceres palatii) und zählten zu seiner ständigen Umgebung, zum comitatus.
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aufgrund der faszinierenden Pracht wohlfühlen müsse und gerne dorthin kommen solle, bediente sich Cassiodor im letzten Abschnitt dieses Briefes Vergleichen aus der Tierwelt und berichtete von Vögel, die ihre eigenen Nester lieben, von wilden Tieren, die zu ihren Plätzen im Unterholz eilen und von Fischen, die Höhlen mit eifrigem Spürsinn aufsuchen (Var. I 21, 3). Neben Senatoren betraute Cassiodor auch Bischöfe mit Kontrollaufgaben. In einem Schreiben hatte der comes Gildila von Syrakus die Preise für Importgüter willkürlich hoch angesetzt. Deshalb erging der Befehl, den Bischof und die Bevölkerung bei der Preisfestlegung einzubeziehen (Var. IX 14, 9). In einem zweiten Fall sollten der Bischof und die Bevölkerung die von einem Hauswirt geforderten Kosten für eine Übernachtung überprüfen und gemeinsam mit ihm anpassen (Var. XI 12). Dass Cassiodor gerade der Bevölkerung eine wichtige Kontrollfunktion beimaß, zeigt sich am Beispiel der bereits oben erwähnten Absetzung eines Prätorianerpräfekten (Var. VIII 20).¹⁶⁵ Dessen Nachfolger solle das Gegenteil des Früheren anstreben und so Lobenswertes vollbringen. Offenbar hatte der Vorgänger des Avienus, Abundantius, bei der Bevölkerung derart großen Hass geschürt, dass diese die Absetzung forderte (Var. VIII 20, 2).¹⁶⁶ Zur Überwachung und Kontrolle der Beamten setzte Cassiodor auf dessen Vorgesetzte und ihr Arbeitsumfeld. Beispielsweise diene den Provinzstatthaltern ihr eigenes officium als Zeuge ihrer Tätigkeit (Var. XI 9, 3). Cassiodor appellierte in diesem Schreiben an die Gerechtigkeit und an ihren Wunsch, bei der Bevölkerung beliebt zu sein (Var. XI 9, 3). Zwar erwähnte er ausdrücklich, dass er niemanden damit beauftrage, ihre Tätigkeit zu überwachen, und doch legt die Formulierung, dass die Statthalter sich daher in allen ihren Tätigkeiten so verhalten sollten, dass dies gar nicht erst notwendig werde, nahe, dass Kontrollen nicht auszuschließen waren (Var. XI 9, 4): Nullos vestrorum actuum facimus esse custodes nec sub privato arbitrio ingenium iudicis inclinamus: Sed omnia sic gerite, ne fiat necessarium quod nunc credimus esse turpis-
Vgl. Wolfram, Goten, S. 292; Maier, Amtsträger und Herrscher, S. 146 – 159; Ensslin, Theoderich der Große, S. 170; Wiemer, Theoderich der Große, S. 294. Dem Volk kam dadurch auch bei der Auswahl eines Kandidaten für ein Amt eine Kontrollfunktion zu. Cassiodor betonte vor allem die soziale Kontrolle: Bene age, quia te veniente licet populis et tacere (Var. VI 4, 6); Nam malo instituto vivere nec principi fas est, quando et de illo populus occulte potest dicere, cui mores suos publice nullus ausus est imputare (Var. VI 11, 1). Vgl. ferner Var. VI 4, 4; VI 18, 3; VI 23, 3; VII 2, 3; IX 14, 9; IX 17, 5; XI 6, 5; XI 9, 3; XII 1, 3.Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 361. Unter der Amtsausübung des Abunandius kam es offenbar zu Ausschreitungen, die Cassiodor zufolge nur durch einen äußerst fähigen Nachfolger wieder zu befrieden waren (Var. VIII 20). Wie die Medizin mit Gegenmitteln heile und der aus dem Norden kommende Wind den Himmel von der Trübung des Südwindes befreie, so habe der König den Vorgänger des Avienus aus Liebe zur Allgemeinheit abgesetzt, damit dieser äußerst heilbringend sein Amt antreten könne (Var. VIII 20, 1). Dieser solle das nachahmen, was das Gegenteil früherer Zustände sei (Var.VIII 20, 2). Bei Avienus handelte es sich um den Sohn von Faustus Niger, der in Besitzstreitigkeiten verwickelt war. Zu Avienus siehe PLRE II, Avienus 2, S. 192 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 23, S. 31 f.; Liebs, Detlef, Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 260 – 640 n.Chr., Berlin 1987, hier: S. 70 f.
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simum. An anderer Stelle, wenn es beispielsweise um die Ankunft des Königs geht, setzte Cassiodor darauf, das rechtmäßige Handeln der Beamten zu überwachen (Var. XII 19). In diesem Fall kündigte er dem vicarius Maximus an, er habe einen miles seines officium gesendet, der ihm und seinen Untergebenen im Nacken sitze und ihn über alle Vorkehrungen unterrichten müsse. Nichts nämlich könne man dem Zufall überlassen, was mit einem Risiko verbunden sei (Var. XII 19, 4).¹⁶⁷ Große Hoffnungen setzte Cassiodor in diesem Zusammenhang auf die saiones, die in den Variae in Form einer bewaffneten Sicherheitspolizei erscheinen (Var. III 20; IV 27). Selbige, die ausnahmslos Goten waren, bildeten die mit Abstand größte Gruppe der gotisch-stämmigen Amtsträger. Cassiodor betraute sie mit der Kontrolle gerichtlicher Entscheide sowie der Vermittlung zwischen der Armee und der Zivilbevölkerung und zwischen Beamten und Privatpersonen.¹⁶⁸ In dieser Position erschienen sie als Gerichtsvollzieher (Var. II 13; II 20), als Kontrollbeamte, etwa beim Bau eines Kastells (Var. III 48) oder bei der Holzbeschaffung für den Bau der Flotte (Var. V 20) sowie bei der Eintreibung von Steuern (Var. IV 14). Mit ihren weitgreifenden Vollmachten konnten sie selbst gegen die höchsten Instanzen vorgehen. So betraute Cassiodor beispielsweise den saio Triwila, gegen den praefectus praetorio Faustus Niger zu ermitteln, der sich am Eigentum des Castorius vergriffen hatte. Der gotische Beamte erhielt die Vollmacht, gegen den Magnaten vorzugehen. Sollte sich dessen Schuld herausstellen, so sollte er ihn mit einer Buße von 50 Pfund Gold bestrafen (Var. III 20). Der saio Duda sollte Gold in Gräbern aufspüren (Var. IV 34) und die Rückgabe des geraubten Besitzes durch den späteren König Theodahad kontrollieren (Var. IV 39). Nicht selten führten saiones auch Truppen (Var.V 23;V 27) und hatten, wie der saio Veranes, darüber zu wachen, dass die Zivilbevölkerung nicht durch die Truppendurchmärsche geschädigt wurde (Var. V 10).¹⁶⁹ Aufgrund dieser herausgestellten Po-
Wie Cassiodor im vorangegangen Brief hervorhebt, beurteilte er höchst persönlich die Taten der Beamten und gab entweder den Dank oder die Erregung des Königs an sie weiter (Var. XII 18). Die Beamten sollen deshalb darauf bedacht sein, dass ihre Ausschreitungen nicht ihm zugeschrieben werden, weil er allen auf deren Kosten Genugtuung leisten werde. Eher wolle er dem ganzen Heer danken, denn groß werde der Ruhm für jene sein, die ihn sorglos machen und ein gutes Urteil verdient haben (Var. XII 18, 3): Cogitate etiam, quod praesens facta vestra diiudico: aut gratias vobis domini gaudens reddo aut commotionem principis iratus attribuo. agite ergo, ne mihi imputetur vester excessus, quia cunctis de vobis satisfacio, quos culpis vestris offendero. persolvat mihi potius gratiam universus exercitus. magna vobis erit gloria et me securum reddere et tantorum bona iudicia meruisse. In 28 Briefen werden saiones genannt, davon 19 namentlich. Zu den saiones vgl.Wolfram, Goten, S. 294; Giese, Die Goten, S. 86; Ensslin, Theoderich der Große, S. 160 f.; Claude, Dietrich, Art. saio, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 4, Berlin 1990, Sp. 1256 – 1258; Sinnigen, Administrative Shifts of Competence under Theoderic, S. 464. Ebenfalls, wenn auch nicht in dem Maße, waren defensores mit Kontrollaufgaben betraut. Hierbei handelte es sich um lokale Beamte, die von der Bürgerschaft vorgeschlagen, aber vom König ernannt wurden. Diese fungierten als Vertreter einer ganzen Stadt und mussten, wie Cassiodor in der Bestallungsurkunde beschreibt, an Einsicht und Würde besonders hervorragend sein (Var. VII 11). Seiner Auffassung nach bringe es einen Menschen ganz besonders zu Ansehen, wenn dieser die Angelegenheiten vieler Guter führe (Var. VII 11, 1). Als Aufgaben der defensores werden Regelung des Handels
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sition warnte Cassiodor die saiones des Öfteren davor, hochmütig zu werden, weil ihnen niemand entgegentreten könne und weil die niedrigere Stellung der Menge sie fürchte. Wirklich tapfere Männer seien nämlich im Frieden zurückhaltend und hätten eine hohe Achtung vor der Gerechtigkeit (Var. XII 3, 3). Im gleichen Schreiben ermahnte Cassiodor die saiones im Zusammenhang ihrer Tätigkeit als Gerichtsvollzieher zur Selbstbeherrschung (continentia) und dazu, sich in ihrem Zorn zu mäßigen (Var. XII 3, 2). Dass diese Ermahnungen nicht unbegründet waren, lässt sich mit einer Reihe von Schreiben belegen. So wurde beispielsweise der saio Gudinand davor gewarnt, nicht der Bestechlichkeit zu erliegen und in schändliche Nachlässigkeit zu geraten (Var. V 19). Sein Amtskollege Amara kam sogar vor Gericht, weil er den vir spectabilis Petrus, zu dessen Schutz er eingeteilt war, mit dem Schwert angriff und verletzte (Var. IV 27). Nur durch den Schutz einer Tür habe dieser nicht seine Hand verloren (Var. IV 27, 2). Der saio Tutizar sollte aus diesem Grund dafür sorgen, dass Amara zur Entschädigung das Doppelte seines Lohnes für diesen Auftrag als Entschädigung erstattete und dass er vor das Gericht des comes Duda gestellt wurde, um sich dort wegen Körperverletzung zu verantworten (Var. IV 27, 4 f.).¹⁷⁰ Die in diesem Kapitel betrachteten Briefe machten bereits an der einen und der anderen Stelle deutlich, dass Cassiodor einer funktionierenden Rechtsordnung eine große Rolle bei der Wahrung und Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit und damit des inneren Friedens im Reich beimaß. Im nun folgenden Abschnitt soll diese Beobachtung dahingehend vertieft werden, dass das Recht zwischen Goten und Romanen differenzierter in den Blick genommen wird. Die von Cassiodor angestrebte Harmonie zwischen Zugewanderten und Einheimischen geriet durch Rechtsverletzungen im tagtäglichen Zusammenleben von Goten und Romanen häufig an ihre Grenzen. Neben seiner Idealvorstellung scheint deshalb auch in diesem Zusammenhang der Blick auf die von ihm getroffenen Maßnahmen zum Erreichen seines Zieles lohnenswert.
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen Neben der Erhebung von Steuern zur Finanzierung des Staatsapparates war das von den Ostgotenkönigen fortgeführte römische Verwaltungssystem auch für die Rechtsprechung in Kriminal- und Zivilprozessen zuständig und wachte über die Einhaltung der Rechtsordnung.¹⁷¹ Da die Soldaten im spätrömischen Reich der zivilen Gerichts-
und Überwachung der Preise genannt. Der defensor werde dann seine Pflicht in guter Weise erfüllen, wenn er weder seine Mitbürger unterdrücke noch eine Teuerung zulasse (Var. VII 11, 2). In einer formula gab Cassiodor deshalb Anweisungen, um den Missbräuchen der saiones vorzubeugen (Var. VII 42). Wenn ein saio eigenmächtig seinen Befehlen nicht nachkam, verlor er sein Donativ und lief Gefahr, die königliche Gnade zu verlieren. Die Missachtung königlicher Erlasse und Anordnungen führte automatisch zum Vertrauensverlust (Var.VII 42, 3). Ausführlich zum Donativ siehe unten S. 253 – 255. Vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 166.
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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barkeit grundsätzlich entzogen waren, verdoppelte Theoderich die Verwaltungsstruktur, indem er neben die traditionelle, aus Romanen bestehende und für selbige zuständige zivile Administration eine eigene Verwaltung für die Goten stellte.¹⁷² So übernahm in den Städten, in deren Umfeld Goten angesiedelt worden waren, ein comes Gothorum die Funktion eines Richters, während für die Romanen weiterhin römische Zivilrichter zuständig waren (Var. VII 3).¹⁷³ Dies bedeutete insofern keine Neuerung, da schon zu Zeiten der Kaiser sowohl eine Zivil- als auch eine Militärgerichtsbarkeit bestanden hatte. Auch für Streitfälle zwischen Angehörige beider Gruppen gab es klare Verfahrensrichtlinien. Wenn ein Rechtsstreit zwischen einem Goten und einem Romanen bestand, sollte der comes Gothorum unter Hinzuziehung eines romanischen Rechtsberaters ein Urteil fällen (Var. VII 3, 1).¹⁷⁴ Die Frage, welches Recht bei Streitfällen und Auseinandersetzungen anzuwenden war, wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Das imperium Romanum hatte lange nichts besessen, was einem modernen Gesetzbuch ähnlich gesehen hätte. Eine offizielle Sammlung von Entscheidungen römischer Kaiser wurde erst unter dem oströmischen Kaiser Theodosius II. erarbeitet und im Jahr 438 auch im Westreich als Gesetzbuch in Kraft gesetzt. Dieser Codex Theodosianus enthält in 16 Büchern nach Rechtsmaterien geordnete Auszüge aus Konstitutionen, die römische Kaiser zwischen 312 und 437 erlassen hatten und blieb in den poströmischen Königreichen weiterhin in Gebrauch. Allerdings begannen diese alsbald, selbst Sammlungen von Rechtsnormen herauszubringen.¹⁷⁵ Eine dieser Sammlungen war das in der jüngeren Forschung vielfach diskutierte Edictum Theoderici. Im Zentrum dieser Diskussion steht die Zuschreibung des Edikts, das im Verlauf einer 50 Jahre währenden und bis heute nicht eindeutig geklärten wissenschaftlichen Kontroverse entweder dem Westgotenkönig Theoderich II. (reg. 453 – 466) oder aber dem Ostgotenkönig Theoderich dem Großen (reg. 497– 526) zugeschrieben worden war.¹⁷⁶ Die Untersuchungen von Sean Lafferty¹⁷⁷ und Detlef Liebs¹⁷⁸ scheinen die Frage nun aber zugunsten des Ostgoten Vgl. Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 81. Vgl. Wolfram, Reich, S. 13; Ensslin, Theoderich der Große, S. 193; 210 f.; Wolfram, Goten, S. 290 f.; Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 132 f. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit der Appellation an das Gericht des Königs. Vgl. Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 191. Ausführlich zu dieser Regelung siehe unten S. 85 f. Vgl.Wiemer, Theoderich der Große, S. 284 f.; Matthews, John F., Laying down the Law. A Study of the Theodosian Code, New Haven 2000; Coma Fort, José María, Codex Theodosianus. Historia de un texto, Madrid 2014. Mit den unter der allgemeinen Bezeichnung leges Barbarorum zusammengefassten und aus dem fünften bis achten Jahrhundert überlieferten Rechtssammlungen sind generell zahlreiche Zuschreibungs-, Datierungs- und Interpretationsprobleme verbunden. Vgl. Olberg-Haverkate, Gabriele von, Art. Leges barbarorum, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, Berlin 2014, Sp. 690 – 692. Für eine Übersicht vgl. Huck, Oliver, Die Gesetzgebung der Barbaren, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 285 – 290, hier: S. 290. Vgl. Lafferty, Sean, Law and Society in the Age of Theoderic the Great. A Study of the Edictum Theoderici, Cambridge / New York 2013; Lafferty, Sean, Law and Society in Ostrogothic Italy. Evid-
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reiches entschieden zu haben. Die vorliegende Darstellung folgt diesen Untersuchungsergebnissen und geht von einer Urheberschaft des Ostgotenkönigs Theoderich aus.¹⁷⁹ Das aus 154 Einzelverordnungen zum Privat-, Straf- und Prozessrecht bestehende Edictum Theoderici legt nahe, dass die Amaler das ausgefeilte Recht der römischen Spätantike fortsetzten, um das Wohl des Volkes zu fördern, indem Ungerechtigkeit bekämpft, die Justizpraxis vereinfacht und für mehr Rechtsklarheit gesorgt wurde.¹⁸⁰ Die Rechtssammlung war damit ein wichtiger Bestandteil der von Cassiodor propagierten Wahrung und Einhaltung der bestehenden Ordnung und Gesetze. Die Untersuchungen von Ian Wood¹⁸¹ und Patrick Wormald¹⁸² sensibilisieren dafür, dass die von römischen Beratern umgebenen und von den Kaisern inspirierten Herrscher vor allem den Wünschen und Rechtspraktiken der überwiegend alt eingesessenen römischen Provinzialen gerecht werden wollten und deshalb römische Elemente integrierten.¹⁸³ Das Edictum Theoderici ist als Ausdruck einer enorm romanisierten
ence from the Edictum Theoderici, in: Journal of Late Antiquity 3 (2010), S. 337– 364; Lafferty, Sean, Law and Order in the Age of Theoderic the Great (c. 493 – 526), in: Early medieval Europe 20 (2012), S. 260 – 290. Vgl. Liebs, Detlef, Art. „Edictum Theoderici“, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, Berlin 2008, Sp. 1184– 1185. Zur Frage der Zuschreibung vgl. auch Vismara, Giulio, Edictum Theoderici, Milano 1967; Nehlsen, Hermann, Rez. von Vismara, Edictum Theoderici, in Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 86 (1969), S. 246– 260; Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 218; Spielvogel, Hintergründe, S. 8; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 76; Maier, Amtsträger und Herrscher, S. 112– 115; Huck, Gesetzgebung der Barbaren, S. 285; Wiemer, Theoderich der Große, S. 227; 285. Lediglich im Bereich des Familienrechts wurden germanische Einflüsse spürbar. Vgl. hierzu Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 190; Demandt, Antike Staatsformen, S. 611 f.; Maier, Amtsträger und Herrscher, S. 115 f. Vgl.Wood, Ian, The Merovingian Kingdoms, 450 – 751, London/New York 1994; Wood, Ian, Roman Law in Barbarian Kingdoms, in: Ellegard, Alvar/ Akerström-Hougen, Gunilla (Hrsg.), Rome and the North, Jonsered 1996, S. 5 – 14. Vgl. Wormald, C. Patrick, The ’leges barbarorum’. Law and Ethnicity in the post-Roman West, in: Goetz, Hans-Werner/ Jarnut, Jörg/ Pohl,Walter (Hrsg.), Regna and gentes. The Relationship between Late Antique and Early Medieval Peoples and Kingdoms in the Transformation of the Roman World, Leiden 2003, S. 21– 53; Wormald, C. Patrick, Legal Culture in the Early Medieval West. Law as Text, Image and Experience, London 1999. Im Vergleich zum Edictum Theoderici zeugen insbesondere die Gesetze der langobardischen und fränkischen Herrscher von einem weit geringeren Grad der Romanisierung.Vgl. Maier, Amtsträger und Herrscher, S. 110 – 112; Musset, Lucien, Les invasions. Les vagues Germaniques, Paris 31994, hier: S. 279; Wormald, The ’leges barbarorum’, S. 41. Gleichwohl ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass in der Forschung nach wie vor kein Konsens besteht. Vgl. Huck, Gesetzgebung der Barbaren, S. 286; Corcoran, Simon, Roman Law in Ravenna, in: Herrin, Judith/ Nelson, Jinty (Hrsg.), Ravenna. Its Role in Earlier Medieval Change and Exchange, London 2016, S. 163 – 198; Matthews, John, Roman Law and Barbarian Identity in the Late Roman West, in: Mitchell, Stephen Arthur/ Greatrex, Geoffrey (Hrsg.), Ethnicity and Culture in Late Antiquity, London 2000, S. 31– 44; Weber, Siegrid, Zwischen Antike und Mittelalter. Leges Barbarorum, in: Dolezal, Miloslav/ Urfus,Valentin (Hrsg.),Velké
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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Rechtstradition anzusehen und wandte sich explizit sowohl an die Romanen als auch an die Goten.¹⁸⁴ Wie schon im Zusammenhang mit der Ansiedlung und Versorgung der Ostgoten auf italischem Boden und der Organisation des Zusammenlebens am Beispiel des Steuereinzugs deutlich wurde, ist es auch im Bereich des Rechts die Gerechtigkeit, die von Cassiodor als erstrebenswertes Ideal gepriesen wurde.¹⁸⁵ Schon im ersten Brief der Variae heißt es, Theoderich habe in Konstantinopel gelernt, unter Romanen mit Billigkeit zu regieren (Romanis aequabiliter imperare), was andeutet, dass Cassiodor in der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz eine wichtige Voraussetzung für das friedliche Auskommen von Goten und Romanen sah (Var. I 1, 2).¹⁸⁶ Dies spiegelt sich in einem Schreiben an die Juden Genuas¹⁸⁷ wider, wo er ausführte, dass die Bewahrung der Gesetze ein Kennzeichen der civilitas sei. Ihre Einhaltung sei ein Beweis der Ergebenheit dem König gegenüber (Var. IV 33, 1): Custodia legum civilitatis est indicium et reverentia priorum principum nostrae quoque testatur devotionis exemplum. ¹⁸⁸ Bei Cassiodor ist das Bewusstsein, in einem funktionierenden und intakten Rechtssystem zu leben, stark ausgeprägt. Seinem Verständnis nach war das Moment der Rechtsschöpfung hinter dem der Rechtsbewahrung vollkommen zurückgetreten.¹⁸⁹ Der im Recht erreichte Zustand wurde von ihm als endgültig dargestellt (Var. XI
kodifikace. Sborník príspevku z mezinárodní konference, konané v Praze ve dnech 5. az 8. zárí 1988, Prag 1989, S. 219 – 227. Der Gesetzgeber selbst erklärt im Prolog, er habe das Edikt erlassen, weil ihn viele Beschwerden erreicht hätten. Um diesem Missstand ein Ende zu bereiten, solle in Zukunft gemäß den im Edikt enthaltenen Regelungen Recht gesprochen werden. Diese Regelungen galten, wie es im Prolog heißt, ausdrücklich sowohl für Romanen als auch „Barbaren“. Dieser Umstand wurde im Epilog erneut hervorgehoben. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 286; Wolfram, Goten, S. 288 f.; Gaudemet, Jean, Survivances romaines dans le droit de la monarchie franque du Ve au Xe siécle, in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 23 (1955), S. 149 – 206, hier: S. 157 f.; Wormald, The ’leges barbarorum’, S. 25 f. Im Prinzip besitzen alle in die Variae aufgenommene Schreiben in gewisser Weise einen Recht setzenden Charakter und könnten daher in diesem Abschnitt behandelt werden. Das Augenmerk soll in diesem Fall jedoch auf Idealvorstellungen und konkrete Rechtsprechung gelegt werden. Ausführlich zu diesem Brief siehe unten S. 210 – 213. Ausführlich zu diesem Brief siehe unten S. 189 f. Die civilitas sollte nach den Vorstellungen Cassiodors zwischen Romanen und Goten gelten. Anlässlich von Ausschreitungen in Rom unterstrich er, dass gleiches Recht für alle gelten solle. Dies bezog er auf auswärtige „Völker“, deren Gewohnheiten er mit Hinweisen auf die Gesetze mäßigen wollte, und auf den Sitz der civilitas selbst, womit Rom gemeint war (Var. I 27, 1): Si exterarum gentium mores sub lege moderamur, si iuri Romano servit quicquid sociatur Italiae, quanto magis decet ipsam civilitatis sedem legum reverentiam plus habere, ut per moderationis exemplum luceat gratia dignitatum? ubi enim quaeratur modestus animus, si foedent violenta patricios? Bei diesem Brief handelt es sich um einen Appell an die Stadt Rom, sich ihrem Status als sedes civilitas entsprechend zu verhalten. Hintergrund der Unruhen war, dass eine von der grünen Partei abgesandte Delegation zu Theoderich vom patricius Theodorus und vom consul Inportunus angegangen worden sei, was zu Toten geführt habe. Infolgedessen erging der Befehl an die patricii Albinus und Avienus, schlichtend tätig zu werden und der Stadtpräfekt Caelianus sollte den Fall genauestens untersuchen. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 330.
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8, 1) und die segenbringende Wirkung von iustitia und aequitas durchzieht die Variae wie ein roter Faden, wenn es beispielsweise heißt: Res publica siquidem iure semper aequitatis augetur, et cum temperantia diligitur, velociter profutura succedunt (Var. II 24, 1).¹⁹⁰ Beide Begriffe, die in den Variae synonym¹⁹¹ verwendet werden, zielen auf eine innerhalb des Rechtssystems existierende übergeordnete Gerechtigkeit im Sinne von Angemessenheit, Ausgewogenheit und Billigkeit ab. Um die Rechtsordnung beizubehalten und die Gerechtigkeit im Ostgotenreich zu wahren, ging Cassiodor zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens umso entschiedener gegen Rechtsverletzungen und Übergriffe vor, die im Ostgotenreich an der Tagesordnung waren. Als Garanten für die Durchsetzung des Rechts erscheinen dabei neben dem König auch die verschiedenen Amtsträger, die Cassiodor zu den Hütern der Gerechtigkeit und Wahrern des Rechts stilisierte.
2.3.1 Könige und Richter als Hüter der Gerechtigkeit und Wahrer des Rechts Die Ostgotenkönige erkannten nach der Eroberung Italiens¹⁹² das Recht aus der römischen Spätantike an und griffen bei den in den Variae überlieferten Anordnungen auf diese Bestimmungen zurück, ohne ihre nur mündlich tradierten Sitten und Bräuche einzubeziehen. Cassiodor betonte in seiner Sammlung, dass die gotischen Herrscher die Gerechtigkeit als oberste Richtschnur ihres Handelns gewählt und in der politischen Praxis verwirklichten hätten. Auf der Ebene der Rechtsfindung und der -sprechung erscheint die Gerechtigkeit vor allem als Rechtsgleichheit, freiwilliger Gehorsam und Selbstdisziplinierung. Dies legt die Aufnahme zahlreicher Briefe in die
Ähnliche Formulierungen finden sich auch an anderen Stellen: […] iustum, unde semper floret imperium (Var. I 11, 1; III 34, 2); Semper auget principes observata iustitia (Var. IV 21, 1); […] cum in omnibus causis velimus iustitiam custodiri, quia regni decus est aequitatis affectus. Iustitia und aequitas werden in der gleichen Bedeutung verwendet und häufig miteinander kombiniert, zum Beispiel: Oportet vos colere et observare iustitiam, qui aequitatem opuli dicere suscepistis (Var. I 18, 1); aequabilis iustitia (Var. I 23, 3); Quis melius ad aequitatis iura deligitur quam qui sacerdotio decoratur, qui amore iustitiae personaliter nesciat iudicare […] (Var. II 8, 1). Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 331. Zwar dominiert in den Gesetzeskodifikationen der Zeit noch aequitas, innerhalb der Variae lässt sich jedoch bereits die Tendenz der Ersetzung des Begriffs durch iustitia erkennen.Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 160; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 331. Es steht durchaus im Einklang mit der politischen Ideologie der Römer, wenn Eroberungen als die Voraussetzungen für die Einführung der Rechtssicherheit und eines gewinnbringenden Friedens betrachtet wird. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 301. In den Variae ist dieser Gedanke ein stets wiederholtes Motiv (Var. IV 12, 1): Propositi nostri est, ut provincias nobis deo auxiliante subiectas, sicut armis defendimus, ita legibus ordinemus.Vgl. darüber hinaus Var. III 17, 1: exuite barbariem; Var. III 43, 1: Quid enim proficit barbaros removisse confusos, nisi vivatur ex legibus? Hierzu heißt es an einer Stelle, dass ein Beamter in einem nur schwach romanisierten Gebiet die Gothorum iustitia einführen solle (Var. III 23, 4). Als Vorbild sollen dabei die Goten gelten, wie es im folgenden Brief heißt (Var. III 24, 4): […] Gothos nostros, qui foris proelia, intus norunt exercere modestiam.
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Variae nahe, in welchen Cassiodor die iustitia im Zusammenhang mit der Rechtsprechung als Segensbringer (Var. II 26, 1) und unter Einbezug von Menschlichkeit/ Milde (humanitas), Sanftmut/ Nachsicht (clementia) und Pflichtgefühl (pietas) als Maß von Gleichbehandlung und Ausgewogenheit (Var. II 4, 1; V 29, 3) stilisierte.¹⁹³ Das sich hier andeutende Ideal der Rechtsgleichheit tritt in der formula zur Entsendung des comes Gothorum ¹⁹⁴ (Var. VII 3) noch deutlicher zu Tage. Aus diesem Dokument gehen die wesentlichen Grundzüge hervor, nach denen das Recht untereinander und zwischen Goten und Romanen geregelt werden sollte. Wie insbesondere die in den Variae überlieferten Rechtsbrüche und Ungerechtigkeiten nahelegen¹⁹⁵, handelt es sich auch bei dieser formula um ein im Ideal gedachtes Szenario. Dass sich Cassiodor dessen durchaus bewusst war, verdeutlicht sein Anliegen, er wolle mit der Entsendung der comites Disziplinlosigkeiten vorbeugen, die seiner Auffassung nach unweigerlich aus dem Zusammenleben von Goten und Romanen resultierten (Var. VII 3, 1). Cassiodor betonte dabei, dass jedwedes Fehlverhalten im Ostgotenreich verachtet werden würde. In einer Streitsache solle deshalb das Recht den Ausschlag geben, nicht die Gewalt, denn weshalb sollten die Bürger Gewalt anzuwenden versuchen, wenn ihnen wirksame Gerichte zur Verfügung stünden (Var.VII 3, 2)?: […] non amamus aliquid incivile: […] in causa possint iura non brachia. Nam cur eligant quaerere violenta, qui praesentia probantur habere iudicia? Der comes Gothorum wurde in dieser Funktion damit betraut, über Streitfälle unter Goten zu urteilen. Bei Auseinandersetzungen zwischen einem Goten und einem Romanen sollte ebenfalls dieser, aber unter Einbezug eines Romanen, ein Urteil fällen.¹⁹⁶ Probleme unter Romanen sollten ausschließlich vor romanischen Richtern entschieden werden (Var. VII 3, 1)¹⁹⁷:
Cassiodors Auffassung nach sei die Erkenntnis der Gerechtigkeit im Menschen angelegt (Var. VII 26, 2) und unterscheide diesen so von den Tieren (Var. IV 33, 1): Quid enim melius quam plebem sub praecepto degere velle iustitiae, ut conventus multorum disciplinabilium sit adunatio voluntatum? hoc enim populos ab agresti vita in humanae conversationis regulam congregavit. haec ratio a feritate divisit, ne arbitrio casuali vagarentur, quos regi consilio divina voluerunt. Zu den comites Gothorum in ihrer Funktion als Rechtsprechende vgl. Mommsen, Ostgothische Studien, S. 387– 389; Stein, Histoire du Bas-Empire, S. 120 – 122; Jones, Arnold Hugh Martin, Later Roman Empire, Bd. 1, Oxford 1964, hier: S. 253 – 256; Wolfram, Goten, S. 290 – 294. Hierzu siehe unten S. 96 – 103. Der gotische Richter agierte in Bezug auf die Urteilsfindung autonom und war nicht an den Rat des von ihm hinzugezogenen romanischen Beamten gebunden. Gleichwohl waren beide Parteien dem römischen Recht verpflichtet und hatten die Möglichkeit, die Klärung des Sachverhalts vor das Königsgericht zu verlagern. Vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 166 f. Hinzu kam die Möglichkeit, private Richter um einen Schiedsspruch zu bitten. Wer gerecht sei, habe sein eigenes Recht, denn selbst wenn man in keiner Weise Macht besitze, werde man doch angehört, da die Gerechtigkeit dazu rate (Var. IX 9, 1). Diesen Gedanken äußerte Cassiodor im Zusammenhang mit Opilio, der sich offenbar dadurch, dass er privat Schiedssprüche fällte, die Freundschaft der Romanen erworben hatte. Sein adeliges Wesen und seine rechtschaffenen Sitten seien prädestiniert, private Rechtsentscheide zu fällen. Amtlichen Richtern zu gehorchen, erzwinge meistens die Notwendigkeit der Amtsgewalt. Einem privaten Richter aber folge man nur dann, wenn dessen Entscheide gerecht seien, wie es an anderer Stelle heißt (Var. VIII 17, 6).
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Cum deo iuvante sciamus Gothos vobiscum habitare permixtos, ne qua inter consortes, ut assolet, indisciplinatio nasceretur, necessarium duximus illum sublimem virum, bonis nobis moribus hactenus comprobatum, ad vos comitem destinare, qui secundum edicta nostra inter duos Gothos litem debeat amputare, si quod etiam inter Gothum et Romanum natum fuerit fortasse negotium, adhibito sibi prudente Romano certamen possit aequabili ratione discingere. inter duos autem Romanos Romani audiant quos per provincias dirigimus cognitores, ut unicuique sua iura serventur et sub diversitate iudicum una iustitia complectatur universos.
Cassiodor zufolge könne erst auf diese Weise jedes der beiden „Völker“ (utraeque nationes) in Frieden unter dem gnädigen Willen Gottes die süße Ruhe genießen (Var. VII 3, 2): Sic pace communi utraeque nationes divinitate propitia dulci otio perfruantur. ¹⁹⁸ Er betonte, dass die Gesetze mit gemäßigtem Sinn zu lieben seien, während Unbürgerliches, wie beispielsweise verbrecherischer Hochmut (superbia), verabscheuenswert sei. Stattdessen solle man auf das Recht vertrauen und von gewalttätigen Übergriffen zur Lösung von Streitigkeiten absehen, denn: in causa possint iura, non brachia. Ein gemeinsamer Lebenswunsch solle daher jene umschließen, die in einem gemeinsamen Herrschaftsgebiet leben (Var. VII 3, 2). Im letzten Abschnitt der formula führte Cassiodor aus, dass erst die Einhaltung der Gesetze das friedliche und in Liebe verbundene Zusammenleben von Goten und Romanen ermögliche.¹⁹⁹ Die Romanen seien, was die Besitzungen angehe, die Nachbarn der Goten, daher sollten diese ihnen in Liebe verbunden sein. Die Romanen wiederum sollten mit großem Eifer die Goten lieben, die im Krieg die gesamte res publica verteidigen.²⁰⁰ Deshalb sei es notwendig, dem Urteil des zugewiesenen Richters zu gehorchen und das, was dieser verfügte, auch einzuhalten (VII 3, 2, 3): Unum vos amplectatur vivendi votum, quibus unum esse constat imperium. audiat uterque populus quod amamus. Romani vobis sicut sunt possessionibus vicini, ita sint et caritate coniuncti. vos autem, Romani, magno studio Gothos diligere debetis, qui et in pace numerosos vobis populos faciunt et universam rem publicam per bella defendunt. itaque destinato a nobis iudici vos convenit oboedire, ut quicquid pro conservandis legibus censuerit, modis omnibus impleatis, quatenus et nostro imperio et vestrae utilitati satisfecisse videamini.
Gleichwohl legen zwei Briefe nahe, dass Theoderich von dem Grundsatz, dass gotische Richter nur dann zuständig seien, wenn mindestens eine Partei gotisch war, aus unerklärten Gründen abwich und den Prozess Personen seines Vertrauens übertrug. So wurde ein Rechtsstreit zwischen zwei vornehmen Römerinnen (Archotamia und Aetheria) in der Provence durch den comes Marabad entschieden, obwohl drei rechtskundige Römer hinzugezogen werden sollten (Var. IV 12; IV 46) und die offenbar mit den Amalern verwandte illustris femina Theodegunda wurde damit beauftragt, dafür zu sorgen, dass ein im Prozess zwischen einem Römer und einer Römerin ergangenes Urteil Bestand hatte (Var. IV 37). Cassiodor musste noch erleben, dass der Appell an die Romanen, die Goten zu lieben, kein mehrheitliches Echo fand. In seiner christlichen Spätschrift De anima bedauerte er, dass der Teufel Goten wie Romanen befallen könnte, da sie zwei „Völker“ und folglich nicht zu einem gemeinsamen „Volk“ zusammengewachsen waren. Vgl. De anima 18 sowie Spielvogel, Hintergründe, S. 15. Ausführlich zu den Soldaten und deren Funktion bei der Wahrung des inneren Friedens siehe unten S. 239 – 248.
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In Cassiodors Augen waren es vor allem der König und die Richter, denen bei der Rechtswahrung eine entscheidende Rolle zuteil wurde. Der Herrscher erschien als oberster Hüter der Gerechtigkeit und Wahrer des Rechts.²⁰¹ Gehorsam, Selbstdisziplinierung und Rechtsgleichheit werden auf diese Weise zum Fundament der Integration und damit seinem Ziel, das Zusammenleben von Neuankömmlingen und Einheimischen auf friedliche und harmonische Weise zu reglementieren (Var. VIII 3, 4): Quod si vos, ut opinamur, libenti animo similia feceritis, harum portitores sub obtestatione divina vobis fecimus polliceri iustitiam nos et aequabilem clementiam, quae populos nutrit, iuvante domino custodire et Gothis Romanisque apud nos ius esse commune nec aliud inter vos esse divisum, nisi quod illi labores bellicos pro communi utilitate subeunt, vos autem habitatio quieta civitatis Romanae multiplicat.
Dieses Konzept durchzieht die Briefsammlung wie ein roter Faden und wird besonders in einem an die Provinzen gerichteten Edikt deutlich, in welchem Cassiodor seine Grundsätze zur Amtsführung beim Antritt des Prätorianerpräfektenamtes beschreibt (Var. XI 8). In besagtem Schriftstück stellte Cassiodor seine Ernennung zum Prätorianerpräfekten als etwas dar, das sich die Bevölkerung betend gewünscht und jubelnd begrüßt habe (Var. XI 8, 5). In gekonnter Manier empfahl er sich in den höchsten Tönen und verdeutlichte auf eindrucksvolle Weise, dass Selbstdisziplinierung und freiwilliger Gehorsam unabdingbar dafür seien, friedlich und harmonisch unter den Gesetzen zusammenzuleben. Das Bewusstsein, in einer perfekten Rechtsordnung nach römischem Vorbild zu leben, ist in diesem Schreiben sehr ausgeprägt. Es sei Sitte, neue Gesetze zu erlassen, um das geordnete Zusammenleben auch künftigen Generationen zu ermöglichen. Die Gesetze der Vorväter gelte es im Sinne einer festen Satzung zu bewahren (Var. XI 8, 1). Aus diesem Grund solle dem eigenen Leben ein Maß auferlegt werden, denn wenn man gut handle, kenne man in Cassiodors Augen nichts, vor dem man sich fürchten müsse. Kühnheit, Schuld und Streitereien sollen deshalb durch Ehrbarkeit und eine ruhige Lebensführung ersetzt werden, da es Wahnsinn sei, in einer friedlichen Gesellschaft Ziele dieser Art zu verfolgen (Var. XI 8, 2):
In Cassiodors Augen bedeutete die Beachtung der iustitia durch den König ein stetes Vergleichen und Abwägen. Den Rahmen hierfür bildeten die bestehenden Gesetze, die jedoch ein König auch überschreiten durfte. Als Beispiel für letzteres lässt sich ein Schreiben anführen, in welchem verfügt wurde, dem Wagenlenker Sabinus eine über das übliche Maß hinausgehende monatliche Bezahlung zukommen zu lassen. Cassiodor merkte an, dass diese Entscheidung das Prinzip der Gleichbehandlung und damit die iustitia und aequitas verletze. Er begründete diese Entscheidung deshalb mit dem Verweis auf Theoderichs affectus pietatis und dessen humanitas, clementia sowie misericordia, die als oberstes Prinzip vorangestellt wird (Var. II 9, 1): Inclinari precibus nostra novit humanitas nec pro affectu pietatis fines potest iustitiae custodire. benigni quippe principis est ad clementiae commodum transilire terminos aequitatum: quando sola est misericordia, cui omnes virtutes honorabiliter cedere non recusant. Humanitas im Sinne von Humanität gebrauchte Cassiodor einzig im Hinblick auf den König. Vgl. Honig, Richard M., Humanitas und Rhetorik in spätrömischen Kaisergesetzen. Studien zur Gesinnungsgrundlage des Dominats, Göttingen 1960.
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Propriae vitae imponit modum, qui sibi se iudicem intellegit constitutum. studete cuncti actibus bonis et formidanda nescitis. nolite inardescere ad praesumptiones illicitas: amate vivere quieti: transigite semper innoxii. quid litibus honesta confunditis? cur facitis quae mox timere possitis? si quaeritis lucra, vitate potius damnosa litigia. si quod tamen emerserit civile certamen, legibus patriis estote contenti: nullus ad seditiosa consurgat, nullus ad violenta confugiat. furoris genus est in saeculo pacato turbulento studere proposito.
Cassiodor charakterisierte sich in diesem Schreiben als „Vater der Provinzen“ (Var. XI 8, 7) und obersten Richter (Var. XI 8, 3). Da von letzterem ein für ihn durchaus nachzuvollziehender Schrecken ausgehe, versprach er, dass es sein Vorsatz sei, mit göttlichem Wohlwollen alle Prozesse gerecht und maßvoll ablaufen zu lassen (Var. XI 8, 3). Oberstes Ziel sei es, die Bevölkerung mit Gottes Hilfe unbehelligt zu bewahren und dafür Sorge zu tragen, dass kein Soldat und Steuereintreiber den Menschen zusetze (Var. XI 8, 4).²⁰² Cassiodor betonte, dass das Urteil eines Richters Autorität besitzen müsse und es ungerecht sei, Gutes vorzuschreiben ohne selber so zu handeln (Var. XI 8, 5). Er wolle deshalb mit gutem Beispiel vorangehen und Zwang, Käuflichkeit und schandbares Agieren vermeiden (Var. XI 8, 6). Als Gegenleistung werde Gehorsam gegenüber den Anordnungen erwartet, was mit der Drohung verknüpft wird, dies notfalls auch mit dem Schrecken der Waffen zu erzwingen.²⁰³ Mit der Formulierung sic enim cuncta quae agenda sunt volumus explicari, ut vos nullo compulsore faciamus imminui. servari vobis cupimus concessa pridem dominorum beneficia nulla abominabili praesumptione distracta. honorem nostrum sola vos optamus gratulatione sentire et regnantibus bona petere, qui vestra desideria visi sunt praestitisse
deutet sich jedoch an, dass er darauf hoffte, dass alles, was zu erledigen sei, so ausgeführt werde, dass man niemanden bedrohen müsse (Var. XI 8, 8).²⁰⁴
Hierzu heißt es: Non vos quisquam militum pro sua voluntate concutiet: non exactor adiecticiis gravabit incommodis: non solum nostras, sed et officii innoxias custodibimus manus. Dass es sich hierbei um eine Idealisierung der tatsächlichen Zustände handelt, lässt sich mit in den Variae überlieferten Übergriffen auf die Zivilbevölkerung seitens der Soldaten (hierzu siehe unten S. 248 – 256) sowie mit der im vorangegangen Abschnitt beschriebenen Korruption und Habsucht der Steuereintreiber und der Beamten belegen. Auch in anderen Zusammenhängen setzte Cassiodor die Gerechtigkeit mit den allgemeinen Prinzipien der Vernunft (ratio) gleich. Hinzu kommt die Wahrheit (veritas), die für Cassiodor die Gewissheit begründete, dass die Gerechtigkeit erkannt und befolgt werden könne. Die Tugenden gehörten für ihn notwendigerweise zusammen und können nicht getrennt oder voneinander losgelöst erscheinen (Var. IV 51, 8). Als entscheidendes Kriterium stellte er die Vernunft heraus, da man seinen Willen an ihr messe, um das zu wählen, was alle gutheißen müssten (Var. I 12, 1). Sie bleibe deshalb niemandem, der nach ihr suche, verborgen (Var. I 9, 1). Wie an späterer Stelle dieses Kapitels deutlich wird, sieht Cassiodor vor allem in der Androhung von Strafen eine bewährte Maßnahme, um künftigen Straftaten vorzubeugen und die im Reich vorherrschende Rechtsgleichheit von Goten und Romanen zu betonen. Hierzu siehe unten S. 98 f.
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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Wie bereits bei Cassiodors Amtsantritt als Prätorianerpräfekten deutlich wurde, maß er den Richtern bei der Wahrung der Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz eine besonders wichtige Rolle bei (Var. XI 8). Bestärkt wird diese Annahme durch ein eigens in die Variae aufgenommenes Edikt, das sich mit der Ausübung des Richteramtes befasst (Var. VI 23). Seiner Meinung nach müssten Rechtsprechende bei ihrer Urteilsfindung äußerst gut sein, da sie sich nicht der Bewertung seitens der Bevölkerung entziehen könnten und ihre Urteile und Taten zum Stadtgespräch würden (Var. VI 23, 4). Die Menschenmenge habe, wenn sie feindlich spräche, ihre eigene Rache, da man es als Urteil über den Richter erachte, was von vielen übereinstimmend gesagt werde (Var. VI 23, 5). An mehreren Stellen betonte Cassiodor deshalb, dass Unschuldige nicht von den Richtern unterdrückt, sondern geschützt werden sollen (Var. IX 17, 3) und sie sich bei der Urteilsfindung an die üblichen Gesetze und königlichen Vorschriften halten müssen (Var. IX 18, 12). Als besonders aufschlussreich zu Cassiodors Erwartungen an einen Richter und der Funktion dieser Berufsgruppe erweist sich ein Brief, den er in eigenem Namen verfasst an alle Rechtsprechende des Landes richtete (Var. XII 2). Zu Beginn des Briefes griff er wie in Var. VI 23 den Gedanken auf, dass Richter sich durch keinerlei Eigeninteressen leiten lassen dürfen, denn wenn jene, auf die viele schauen, sich mit tadelnswertem Verhalten beschmutzen, würden sämtliche Fehler sichtbar und bekannt werden (Var. XII 2, 3). In diesem Fall sei es besser, unerkannt zu bleiben als durch das Gelächter aller gebrandmarkt zu werden. Da das Verbrechen jeden auf dieselbe Stufe stelle, sei es als Richter besonders wichtig, auf sein persönliches Ansehen zu achten, um die Fehler anderer zu verbessern. Ein Richter müsse moralisch über dem Angeklagten stehen (Var. XII 2, 4). Wohl aus diesem Grund hob er an anderer Stelle hervor, dass es als Richter schändlich sei, sich von eigenen Gefühlen leiten zu lassen und seinem privaten Hass freien Lauf zu lassen (Var. IV 10). Selbstjustiz und einhergehende Fehden sah Cassiodor als Gefahr jedweder herrschaftlichen Integrität an. Zornige würden nicht an die Gerechtigkeit denken, weil sie bei ihrer Rache keine Mäßigung suchen. Aus diesem Grund habe man Gesetze, denn wie unterscheide sich dann der ruhige Frieden von kriegerischen Wirren, wenn Streitigkeiten gewaltsam beendet werden würden (Var. IV 10, 1): Foedum est inter iura publica privatis odiis licentiam dare nec ad arbitrium proprium vindicandus est inconsultus fervor animorum. iniquum quippo nimis est quod delectat iratum. furentes iusta non sentiunt, quia dum commoti in vindictam saeviunt, rerum temperantiam non requirunt. hinc est quod legum reperta est sacra reverentia, ut nihil manu, nihil proprio ageretur impulsu. quid enim a bellica confusione pax tranquilla distabit, si per vim litigia terminentur?
Nicht weniger wichtig als die einzelnen Richter des Reiches war in Cassiodors Augen der jeweils herrschende König, der von ihm zum Wahrer des Rechts und Hüter der Gerechtigkeit stilisiert wurde. Die Herrscher, die in den Variae als von Gott eingesetzte
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2 Gerechtigkeit als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens
Autokraten²⁰⁵ erscheinen, wurden auf diese Weise zu den Garanten für die Wahrung des Rechts innerhalb des Reiches. Die Gerechtigkeit erschien in den Briefen als höchstes Gut und Ruhm für den König. In dieser Funktion waren die Könige Personen, die niemand anderem unterstellt waren und insofern auch über den Richtern standen (Var. VI 4, 2). Die Bevölkerung wird in den Variae als „Untertanen“ (subiecti, Var. XI 16, 1) oder „Diener“ (famuli,Var. XI 10, 1) bezeichnet, die dem König treu ergeben sein müsse (Var. X 14, 5). Die Herrscher selber titulierte Cassiodor als von Gott gewählte „Herren beziehungsweise Schiedsrichter der Dinge“ (rerum dominus, Var. XII 11, 1 beziehungsweise arbiter rerum, Var. VIII 10, 8). Der Anblick des Herrschers gelte als heilig (Var. XI 20) und müsse kniefällig verehrt werden (Var. XI 18).²⁰⁶ In dieser Funktion erscheinen die Könige in den Variae als Hüter der Gerechtigkeit, denn eine Verletzung eben dieser sei gleich einer Kränkung der königlichen Person (Var. III 15): Iniuvia quidem nostra est laesa iustitia, quia violationes earum rerum merito ad nos trahimus quas amamus. Jenes hohe Gut beruhe auf den vom Herrscher geschaffenen Gesetzen (Var.VIII 13, 7), die den Willen des Königs widerspiegeln (Var. VII 2, 3) und aus diesem Grund äußerst heilig seien (Var.VII 20;VII 45, 2).Wer den Gesetzen gehorche, erfülle die königlichen Befehle und wer von Fehlern zurückschrecke, verdiene sich aus diesem Grund dessen Zuneigung, wie es in einem an Theodahad gerichteten Schreiben heißt (Var.VII 2, 3). Dies schloss ein, dass der König in verantwortungsvoller Fürsorge von seinen erlassenen Gesetzen abweichen konnte (Var. IX 4, 1). Über sämtlichen Entscheidungen thronte dabei das Ideal der Rechtsgleichheit, das Cassiodor als eine der wichtigsten Errungenschaften der ostgotischen Herrschaft herausstellte. Den Königen sei es zu eigen gewesen, zwischen Goten und Romanen sowie zwischen Gleichen und Ungleichen eine ausgeglichene, das heißt, eine alle gleich behandelnde Gerechtigkeit bewahren zu wollen (Var. V 29, 3): Sed nos, quorum est proprium inter pares ac dispares aequabilem iustitiam custodire […].²⁰⁷ Rhetorisch Cassiodor zufolge sei es nützlich, einen Einzigen auszuwählen, dem die Übrigen gehorchen müssen, weil Verwirrung erzeugt werde, wenn der Wille von nicht miteinander übereinstimmenden Personen ungeeint belassen werde (Var. VII 27): Utile est unum semper eligere, cui reliqui debeant oboedire, quia, si voluntas diversorum vaga relinquitur, confusio culparum amica generatur. Als Herrscher von Gottes Gnaden schulde Athalarich deshalb Gott in dem Maße am meisten, wie er von ihm erhalten habe. Denn was solle jemand Gott Gleichwertiges zurückzahlen, der von ihm die Herrschaft empfangen habe? Wenn man dieses Geschenk nicht in geeigneter Weise vergelten könne, so werde Gott wenigstens dadurch gedankt, dass er in seinen Dienern geehrt werde (Var. VIII 24, 1). Die Audienz beim König war deshalb durch ein bis ins kleinste Detail geplantes Zeremoniell geregelt, das dem magister officorum unterstand (Var. VI 6). Mit dessen Hilfe werde man den königlichen Blicken dargeboten. Der magister ermuntere den Zitternden, bringe den Sprechenden dazu, sich zu sammeln und lege ihm sogar seine Worte in den Mund, damit der König alles auf geziemte Weise vernehme. In dieser Funktion wurde der magister officorum zum Spender eines Gesprächs und Morgenstern des königlichen Konsistoriums (Var. VI 6, 2). Zu Recht fühle man sich hochgeschätzt, wenn man vom König angesprochen werde, da hierin die Würde eines Untertans bestehe (Var. VIII 4, 1). Ähnlich Var. II 4, 1: Nam quod ad auxilium dedimus, contrarium nullo modo iustitiae sentiatur, quia rationabiliter aliena culpa te respicit, si quem tibi petis prodesse, per te sibi alter sentiat obfuisse.
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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gesteigert wird dies in einem Schreiben, das nach Athalarichs Amtseintritt erging (Var. VIII 3). In selbigem betonte Cassiodor, dass der Amaler mit Gottes Hilfe Gerechtigkeit und gleichmäßige Milde bewahren wolle, da Goten und Romanen unter seiner Herrschaft unter gleichem Recht stünden. Sie unterschieden sich lediglich dadurch, dass die Goten zum allgemeinen Nutzen die Mühen des Krieges auf sich nehmen würden (Var. VIII 3, 4).²⁰⁸ Bekräftigt wird dies mit der Formulierung, dass Athalarich nur diejenigen gefallen würden, die die Romanen mit besonnener Rechtsgleichheit behandeln. Nicht einmal der König selber gönne sich Ruhe, damit die Romanen in sorglosem Frieden leben und die ruhige Freude genießen könnten (Var. IX 17, 4).²⁰⁹ Aus diesem Grund sollte jeder angeklagt werden, der von niederen Motiven bewegt versucht habe, in das Bollwerk der königlichen Befehle einzubrechen (Var. IX 14, 6). Wer es vernachlässige, den Gesetzen zu gehorchen und damit gegen den Willen des Königs zu verstoßen, sei von tyrannischer Gesinnung zu solchem Wahnsinn getrieben worden (Var. IX 18, 1). Die von den Gesetzen ausgehende Gerechtigkeit erscheint in einem Brief an den comes Marabad als höchstes Gut und Lob für den Herrscher, denn wie die Verteidigung mit Waffen, gehöre auch die Durchsetzung des Rechts in den Provinzen zum Ruhm des Herrschers (Var. IV 12, 1):
Besonders interessant ist die Aufnahme eines Schreibens, in welchem Athalarich von allen in Gallien lebenden Goten und Romanen einen Eid zu seinem Amtsantritt verlangte (Var. VIII 7). Die beiden Bevölkerungsgruppen sollten einander schwören, einmütig der Königsherrschaft ergeben zu sein, was zur gegenseitig versprochenen Eintracht und damit zu friedlicher Ruhe beitrage (Var.VIII 7, 3). Goten und Romanen haben Athalarich in diesem Eid geschworen, dass sie mit großer Freude unter seine Herrschaft treten, als wäre ihnen Theoderich gar nicht vom Schicksal genommen worden. Damit solle der Beweis erbracht sein, dass sie ihm nicht nur mit allen ihren Zungen, sondern von tiefstem Herzen ergeben seien (Var. VIII 3, 3): Quapropter, quod auspice deo dictum sit, gloriosi domni avi nostri ita vobis nuntiamus ordinatione dispositum, ut Gothorum Romanorumque suavissimus consensus in regnum nostrum accederet, et, ne adversis rebus aliqua possit remanere suspicio, vota sua sacramentorum interpositione firmarunt: se dominatum nostrum tanto gaudio subire, tamquam si illis domnus avus noster fatali sorte non videretur esse subtractus, ne solis linguis, sed etiam imis pectoribus probarentur esse devoti. Cassiodor war es auch an anderer Stelle wichtig, zu betonen, dass sich Athalarich auf die politische Richtung seines Großvaters beruft (Var.VIII 16, 6; VIII 26, 1). Dies tat er in der Gewissheit, Unterstützung für dessen Herrschaft zu gewinnen. Letzteres zeigt sich in einem Schreiben an den Senat, in welchem Cassiodor im Namen Athalarichs betonte, dass das, was unter Theoderichs Herrschaft getan worden wäre, auch ihm willkommen sei (Var. VIII 15, 3). Nur die Person des Herrschers ändere sich, nicht aber die politische Richtung, hier folge er Theoderichs verehrungswürdigen Entscheidungen (Var.VIII 15, 3). Cassiodor sprach im Zusammenhang mit der Ernennung Athalarichs zum Nachfolger von einer Vorahnung des göttlichen Geistes (Var. IX 10, 2). Indem Theoderich seinen Enkel zum König bestimmte, habe er vorsorglich auch über seinen Tod hinaus in seinem Land für Frieden gesorgt (Var. VIII 6, 2). Bemerkenswert ist, dass Cassiodor diesen Anspruch auch in einem Schreiben an die Juden verteidigte, denn selbst denen, die noch im Glauben irrten, dürfe man die Wohltaten der Gerechtigkeit und der Rechtsgleichheit nicht verweigern (Var. V 37, 1). Hierzu siehe unten S. 185 – 189.
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Propositi nostri est, ut provincias nobis deo auxiliante subiectas, sicut armis defendimus, ita legibus ordinemus, quia semper auget principes observata iustitia et quantum probabili institutione vivitur, tantum summis adhuc provectibus aggregatur.
Ein guter Regent spreche für die Gerechtigkeit und erlaube deshalb auch sich selbst nichts Ungerechtes (Var. VIII 14, 4), da er durch die Gnade Gottes herrsche (Var. X 5, 1; VIII 2, 1). An anderer Stelle verknüpfte Cassiodor dieses Argument wie schon im Zusammenhang mit den Richtern und Beamten damit, dass das Volk heimlich über einen Fürsten spräche, wenn dieser nach schlechten Grundsätzen lebe (Var. VI 11, 1). So könne beispielsweise auch Theoderich nicht von den Gesetzen abweichen, da es ihm am Herzen liege, in allem eine maßvolle Gerechtigkeit zu bewahren (Var. IV 22, 2).²¹⁰ Die Liebe zur Gerechtigkeit im Sinne einer Gleichbehandlung erscheint dabei als Zierde eines jeden Königreichs (Var. IV 32, 1): Cum in omnibus causis velimus iustitiam custodiri, quia regni decus est aequitatis affectus […]. Aus diesem Grund wache der Herrscher immer zugunsten des Gemeinwesens (Var. II 33, 2), was Cassiodor auch mit Zuschreibungen deutlich macht, wenn er vom vorsorglichen Herrscher (providus dominator, Var. XII 20, 1) spricht. An anderen Stellen betonte er in gleicher Intention die fürstliche Weisheit und Heiterkeit (principalis prudentia, Var. VI 17, 2 beziehungsweise serenitas, V 40, 4) sowie fromme Fürsorge (pietas, Var. IX 18, 5) des Monarchen. Mit Formulierungen und Zuschreibungen dieser Art knüpfte Cassiodor unmittelbar an das Herrscherideal der Spätantike an. Christine Radtki-Jansen konnte dabei mit ihrer Dissertation zeigen, dass ein spätantikes Reich nicht nur durch militärische Stärke, sondern vor allem auch durch eine ideologische Grundlage zusammengehalten wurde, die weithin akzeptiert war und dem Herrscher Legitimität und Autorität verschaffte.²¹¹ Anhaltspunkte hierzu liefert vor allem die literarische Gattung der Panegyrik. Zeitgenössische Panegyriker hielten bei besonderen Anlässen Reden auf anwesende Herrscher.²¹² Neben Themen der Erziehung und Bildung sowie der geistigen und körperlichen Verfassung des Kaisers unterstrichen die Panegyriker mit Begriffen wie civilitas und iustitia auch die Rechtschaffenheit des Herrschers und betonten, dass dieser besonnen, bescheiden und mit Weitblick (moderatio, modestia, sapientia) handelte. In diesem Zusammenhang ergibt sich, wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, eine interessante Parallele zu den Formulierungen Cassiodors. Neben der Rechtschaffenheit des Herrschers betonte der Minister, wie an späterer Stelle der Arbeit im Zusammenhang der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungs-
In gewisser Weise widerspricht diese Aussage dem in Var. IX 4, 1 geäußerten Postulat, demzufolge der König in verantwortungsvoller Fürsorge von erlassenen Gesetzen abweichen konnte. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 72. Vgl. hierzu auch Alföldi, Andreas, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, Darmstadt 1970; Flaig, Egon, Den Kaiser herausfordern. Usurpation im Römischen Reich, Frankfurt am Main/ New York 1992; Pfeilschifter, Rene, Der Kaiser und Konstantinopel. Kommunikation und Konfliktaustrag in einer spätantiken Metropole, Berlin 2013. Zur Panegyrik vgl. Mause, Michael, Die Darstellung des Kaisers in der Lateinischen Panegyrik, Stuttgart 1994; Whitby, Mary, Propaganda of Power. The Role of Panegyric in Late Antiquity, Leiden/ Boston/ Köln 1998.
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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mitteln noch ausführlicher dargestellt werden wird²¹³, auch die Freigiebigkeit und Fürsorge des Herrschers (liberalitas, benignitas, indulgentia, humanitas). Auch in diesem Kontext handelt es sich um ein beliebtes Thema spätantiker Panegyrik.²¹⁴ Um die im Ostgotenreich praktizierte Gerechtigkeit noch deutlich unter Beweis zu stellen, stellte Cassiodor diese bewusst in Kontrast zu den Regenten benachbarter gentes. Als Beispiel ließe sich der in der Briefsammlung bezeugte Streit zwischen Theoderich und Thrasamund anführen (Var. V 44). Im Ergebnis dieses Zwistes nahm Theoderich die Entschuldigung des Vandalenkönigs zwar an, Cassiodor hob dabei aber hervor, dass er dies aus Gründen der Gerechtigkeit getan hätte. Das angebotene Gold habe der Amaler hingegen ausgeschlagen, da keine Käuflichkeit den Streit beilegen könne. Diese Kunde solle die „Völker“ durchziehen (Var. V 44, 3). Beim Lesen dieses Schreibens gewinnt man den Eindruck, dass es Cassiodor primär darum ging, Theoderichs Geringachtung des Goldes im Vergleich mit der Einhaltung der Gerechtigkeit herauszustellen. Die Wirkung aus dieser Entscheidung soll dabei im Vordergrund stehen. Dies lässt sich damit belegen, dass Cassiodor – um das harmonische Zusammenleben von Goten und Romanen hervorzuheben – an vielen weiteren Stellen darauf bedacht war, die Ostgotenkönige und deren Gefolgsleute als besonders gerechtigkeitsliebend darzustellen. Vergleichbar mit den oben betrachteten antibarbarischen Vorurteilen, bediente er sich auch hier zahlreicher Stereotype, um die Ostgoten positiv hervorzuheben. Besonders deutlich zeigt sich dieser Anspruch in einem an die Bevölkerung Pannoniens gerichteten Schreiben, in welchem diese zu einer gerechten Lebensweise nach romanischem und ostgotischem Vorbild ermahnt wurde (Var. III 24). Diesem Brief zufolge solle man Streitigkeiten nicht im Zweikampf (monomachia) lösen, da es ja einen unbestechlichen Richter gebe, der sich der Sache annehmen könne, denn wozu brauche der Mensch seine Zunge, wenn die bewaffnete Hand die Sache führe?²¹⁵ Aus diesem Grund erging der Befehl, die Goten nachzuahmen, die gegen äußere Feinde kämpfen, im eigenen Land aber Maß zu halten wüssten (Var. III 24, 4):
Hierzu siehe unten S. 127– 139. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 75; Mause, Darstellung, S. 121– 162; 163 – 182. Im angrenzenden Burgunderreich war der Zweikampf zur Lösung eines Konflikts derart fest verwurzelt, dass die Könige gar nicht erst versuchten, diesen Brauch völlig zu unterdrücken, sondern sich lediglich um eine Einschränkung bemühten. Die Lex Burgundionum sah vor, dass ein Beklagter, der nicht bereit war, seine Schuld anzuerkennen, sich von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf reinigen konnte, indem er gemeinsam mit elf Verwandten unter Eid seine Unschuld beteuerte. Lehnte der Gegner dieses Verfahren ab, konnte er den Beklagten zu einem Zweikampf herausfordern, dessen Ausgang die Sache entschied. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 227 f.; Schott, Clausdieter, Traditionelle Formen der Konfliktlösung in der Lex Burgundionum, in: Settimane di studio del Centro italiano di studi sull’alto medioevo (Hrsg.), La giustizia nell’alto medioevo, secoli V-VIII, Spoleto 1995, S. 933 – 961; Holzhauer, Heinz, Der gerichtliche Zweikampf. Ein Institut des Germanischen Rechts in rechtsethnologischer Sicht, in: Holzhauer, Heinz/ Saar, Stefan Christoph/ Roth, Andreas (Hrsg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte, Berlin 2000, S. 94– 111.
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Cur ad monomachiam recurratis, qui venalem iudicem non habetis? deponite ferrum, qui non habetis inimicum. pessime contra parentes erigitis brachium, pro quibus constat gloriose moriendum. quid opus est homini lingua, si causam manus agat armata? aut pax esse unde creditur, si sub civilitate pugnetur? imitamini certe Gothos nostros, qui foris proelia, intus norunt exercere modestiam.
Leicht abgeändert, aber mit gleicher Intention, erscheint diese Aussage auch an späterer Stelle, um die sittlich geordnete Lebensweise der Goten im Gegensatz zu den übrigen gentes als etwas Einzigartiges herauszustellen (Var. VII 25, 1).²¹⁶ Im an die Bevölkerung Pannoniens vorangegangenen Brief an den comes Colosseus²¹⁷ stellte Cassiodor die Gerechtigkeit der Goten deshalb bewusst als Gegensatz zur „barbarischen“ Lebensweise heraus (Var. III 23). Der comes solle die Provinz mit Waffen schützen sowie mit Recht ordnen und sich dabei Theoderich zum Vorbild nehmen. Dazu solle er die Gerechtigkeit fördern und mit tapferem Herzen die Unschuldigen verteidigen (Var. III 23, 2). Die Goten hätten sich, wie es weiter heißt, schon immer inmitten des Ruhms befunden, so dass sie neben der Klugheit der Romanen auch die Tapferkeit der „Barbaren“ besitzen konnten (Var. III 23, 3): Aequitatem fove, innocentiam animi virtute defende, ut inter nationum consuetudinem perversam Gothorum possis demonstrare iustitiam: qui sic semper fuerunt in laudum medio constituti, ut et Romanorum prudentiam caperent et virtutem gentium possiderent.
Vergleichbar argumentierte Cassiodor in einem an die gesamte Bevölkerung der Provinz Galliens gerichteten Schreiben, das erging, als Theoderich im Laufe seiner Intervention zugunsten der Westgoten gegen Chlodwig I. im Jahr 508 den Burgundern und Franken die Provence entrissen hatte (Var. III 17). Die Einwohner sollten nun dem römischen Brauch (Romana consuetudo) folgen, da eine Rückkehr dorthin, womit ihre Vorfahren Erfolg gehabt hätten, willkommen sei. Da die Bewohner Galliens nun mit Gottes Hilfe ihre alte Freiheit wieder zurückgewonnen hätten, sollten sie die „Barbarei“ ablegen und die Grausamkeit ihrer Gemüter wegwerfen, um fortan nach romanischer Sitte (mores togati) zu leben (Var. III 17, 1).²¹⁸ Eine Neuerung, die recht-
Wörtlich heißt es an dieser Stelle, dass es einzigartig sei, dass die Goten, die an Kriege gewohnt seien, unter den Gesetzen mit den Romanen zusammenleben (Var. VII 25, 1): Sic enim Gothos nostros deo iuvante produximus, ut et armis sint instructi et acquitate compositi. hoc est, quod reliquae gentes habere non possunt: hoc est, quod vos efficit singulares, si assueti bellis videamini legibus vivere cum Romanis. Zu Colosseus siehe PLRE II, Colosseus, S. 305; Amory, People and Identity, S. 368 f. Colosseus erhielt durch Var. III 23 seine Ernennung zum comes in Pannonia Sirmiensis und wurde dort mit militärischen und zivilen Aufgaben betraut. Cassiodor erwartete von ihm, dass er den „Barbaren“ die Gothorum iustita näher brachte. Ein Schreiben an den spatharius Unigis offenbart, dass man sich freue, wenn diejenigen nach Römischem Recht leben, deren Freiheit man mit den Waffen zu garantieren wünsche (Var. III 43). Denn was nütze es, wenn man die „Barbaren“ zurückschlage und dann nicht nach den Gesetzen lebe (Var. III 43, 1)? Andere Könige kämpften Cassiodor zufolge dafür, Städte der Beute halber zu erobern oder diese
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schaffen sei, solle ihnen, wie es weiter heißt, nicht lästig sein, denn was könne es Glücklicheres geben, als dass die Menschen einzig zu den Gesetzen Vertrauen haben, seien doch die staatlichen Vorschriften sicherster Trost für das menschliche Leben, sicherste Hilfe für Schwache und sicherster Zügel für die Mächtigen (Var. III 17, 3): Quapropter ordinationibus eius ex nostris iussionibus oboedite, quia eum credimus vobis profutura decernere. recipite paulatim iuridicos mores. non sit novitas molesta, quae proba est. quid enim potest esse felicius quam homines de solis legibus confidere et casus reliquos non timere? iura publica certissima sunt humanae vitae solacia, infirmorum auxilia, potentum frena.
Cassiodor begegnete den ärmeren Schichten oft auf fürsorgliche Weise, da sein Herz, wie er schreibt, bei geringerem Besitztum milder gestimmt sei (Var. IV 40, 1). Iustitia und aequitas erscheinen in diesen Fällen als Schutz der Schwächeren und der Armen (Var. I 8, 1): Sic enim aequitatis libra servabitur, si auxilium largiamur imparibus et metum nostri pro parvulis insolentibus opponamus. ²¹⁹ Mit Formulierungen dieser Art geht die Sorge einher, dass die Möglichkeiten, seinen Forderungen Gehör zu verschaffen, nicht für alle gleich waren. Immer wieder versuchte Cassiodor deshalb, Missbräuche von Persönlichkeiten mit hoher Machtstellung zu verhindern. In der formula für den vicarius von Rom war daher der Anspruch formuliert, Rechtsgleichheit gerade bei niedriger gestellten Personen anzustreben und zu wahren, da es diesen Menschen schwerer als anderen falle, ihren Willen durchzusetzen (Var. VI 15, 3).²²⁰ Auch an vergleichbaren Stellen wurden Könige und andere Amtsträger des Öfteren mit dem Hinweis auf die iustitia aufgefordert, das soziale und wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Reichen und Armen auszugleichen.²²¹
zu vernichten. Theoderich wolle mit Gottes Hilfe auf die Weise siegen, dass die Bevölkerung bedauere, erst so spät unter seine Herrschaft gekommen zu sein (Var. III 43, 3): Aliorum forte regum proelia captarum civitatum aut praedas appetunt aut ruinas: nobis propositum est deo iuvante sic vincere, ut subiecti se doleant nostrum dominium tardius adquisisse. Der Hintergrund dieses Schreibens ist, dass ein ererbtes Vermögen, das Theoderich einem seiner ehemaligen Beamten für dessen Verdienste zukommen ließ, veruntreut wurde. Die Nachkommen waren in Streit geraten, nachdem ein gewisser vir clarissimus Felix seinen Bruder Plutianus um einen Großteil von dessen Erbe gebracht hatte. Ebenso war Neotherius, ebenfalls ein Bruder beider Streitparteien, in den Fall verwickelt (Var. I 7). Nachdem zunächst Felix dazu aufgefordert wurde, das Vermögen unverzüglich zu übergeben, sollte auch von Neotherius das geprellte Vermögen eingezogen werden (Var. I 8). Cassiodor stilisierte Theoderich in diesem Brief als ein für seine Untertanen Verantwortung tragenden Herrscher, der sich dem Schicksal seiner Untertanen annahm (Var. I 8, 1): Cordi nobis est cunctos in commune protegere, sed eos maxime quos sibi novimus defuisse. Aus diesem Grund wurde der comes Ibba ermahnt, dass Mächtige keine Entschuldigung für Fehlverhalten jeglicher Art erwarten dürften (Var. IV 17). Er wurde deshalb aufgefordert, Gerechtigkeit gegenüber Leuten von mittlerer Stellung auszuüben, da er sich infolge seiner mächtigen Stellung nicht vorwerfen lassen sollte, dass er gegen ruchlose Widersacher zu schwach gewesen sei (Var. IV 17, 3). Zu iustitia und aequitas als Schutz der Armen und der Schwächeren vgl. auch Var. I 10, 1; I 15, 1; I 22, 4; II 10, 1; II 13, 1; III 34, 2; III 37, 2; IV 17, 3; V 14, 1; VII 14, 3.
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2 Gerechtigkeit als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens
Neben der Lobpreisung von Rechtsgleichheit, Gehorsam und Selbstdisziplinierung als wichtige Voraussetzungen für das friedliche Zusammenleben von Goten und Romanen sowie der Stilisierung des Herrschers zum Bewahrer des Rechts und Hüter der Gerechtigkeit deuten zahlreiche in die Variae aufgenommene Schreiben darauf hin, dass die iustitia ständig Gefahren ausgesetzt war. Cassiodor war sich dessen bewusst, indem er Unregelmäßigkeiten bei der Rechtsprechung als Gefahrenquelle des inneren Friedens identifizierte. Um Problemen und Herausforderungen dieser Art vorzubeugen, entwickelte er Maßnahmen, die darauf abzielten die Rechtsordnung und damit den inneren Frieden im Reich zu wahren.
2.3.2 Maßnahmen zur Prävention von Rechtsverletzungen Wie im vorangegangenen Abschnitt deutlich wurde, erforderte iustitia im Denken Cassiodors die Beschränkung eigener Freiheiten, Gehorsam und Disziplin. Die Variae legen dabei nahe, dass die Bewohner Italiens in der Praxis nicht immer dazu bereit waren, dies zu leisten (Var. VI 5, 4). Die Gerechtigkeit war folglich ständig Gefahren ausgesetzt (Var. VI 15, 3) und wurde deshalb von Cassiodor des Öfteren mit Aufrufen zur Mäßigung und Selbstbeherrschung (continentia/ moderatio) kombiniert (Var. I 4, 5; IV 10, 1). Die in die Briefsammlung aufgenommen Schreiben weisen darauf hin, dass dies gleichermaßen auf Goten und Romanen zutraf. Um das friedliche Zusammenleben konfliktfrei zu gestalten, setzte Cassiodor in erster Linie auf Ermahnungen. Die Spanne reichte von nett gemeinten Ratschlägen bis hin zu mit Nachdruck formulierten Zurechtweisungen. Immer wieder wurden die Goten ermahnt, friedlich mit den Romanen zusammenzuleben und sich keiner Übergriffe schuldig zu machen. In diesem Sinne sollte beispielsweise der dux von Raetien darauf achten, dass die ihm anvertrauten Soldaten die bestehenden Gesetze achteten (Var. VII 4, 3). In ähnlicher Weise erging an den Kommandanten Wandil der Wunsch, er möge Sorge tragen, dass sein Heer in Gallien gewaltfrei mit den Romanen auskäme (Var. III 38).²²² Forderungen dieser Art verknüpfte Cassiodor auf rhetorischer Ebene mit Schmeicheleien, wenn er an anderer Stelle argumentierte, dass das Einhalten der Ordnung und der Gesetze die Goten, die an Kriege gewohnt seien, einzigartig unter den gentes machen würde (Var. VII 25, 1). Trotz allem kam es im Bereich der Rechtsprechung zu Konflikten. Offenbar hatte der gotische comes Gildila einen Streitfall zwischen zwei Romanen gegen deren Willen vor seinem Gericht verhandelt (Var. IX 14), womit sich belegen lässt, dass die in der Theorie festgelegte strikte Kompetenzabgrenzung zwischen römischen Statthaltern und gotischen comites in der Praxis keineswegs immer respektiert wurde.²²³ Durch
Zum nicht ganz einfachen Zusammenleben von Heer und Zivilbevölkerung siehe unten S. 248 – 256. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 212.
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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dieses eigenmächtige Vorgehen hatte er seine rechtlichen Kompetenzen weit überschritten. Er wurde daher auf das Schärfste ermahnt, dass er, bevor er für andere Verhaltensrichtlinien aufstelle, zunächst einmal selbst die königlichen Befehle einhalten müsse. Andernfalls verliere er seine Entscheidungsvollmacht (Var. IX 14, 7): Duorum negotia Romanorum etiam his invitis ad tuum diceris vocare iudicium: quae si cognoscis facta, ulterius non praesumas, ne dum vis iudicium incompetenter quaerere, reatum potius videaris invenire. memor enim prius debes esse edicti, qui inter alios mavis a te sequenda constitui: alioquin tota tibi decernendi auctoritas tollitur, si a te illa regula minime custoditur.
Nach ähnlichem Muster musste der Gote Sunhivad darauf hingewiesen werden, Streitfälle zwischen Goten oder zwischen selbigen und Romanen nach geltendem Gesetz zu beurteilen (Var. III 13). Wie es in der Begründung heißt, könne man nicht zulassen, dass diejenigen nach getrenntem Recht leben, deren Freiheit man für beide gemeinsam erhalten wolle. Sunhivad müsse daher zum gemeinsamen Nutzen aller bestimmen, was der Gerechtigkeit lieb sei. Dabei solle er an seine unverfälschte Überparteilichkeit denken (Var. III 13, 2). Gleiches traf auch auf romanische Beamte, wie beispielsweise Salventius, den Stadtpräfekten von Rom, zu, dem Cassiodor verbot, noch nicht verurteilte und deshalb vielleicht unschuldige Romanen in Haft zu behalten (Var. IX 17, 4 f.).²²⁴ Wenn jene Disziplinierungsmaßnahmen erfolglos blieben, drohte Cassiodor mit der Verhängung von Strafen. Immer wieder betonte er, dass Sanktionierungen notwendig seien, um die Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten, da man menschlichen Trieben nur durch die Angst vor Verfolgung der Untaten begegnen könne (Var. X 28, 3). Wie nämlich die Tugend Belohnung verdiene, so würde zu einer Schuld die Angst gehören, damit die menschlichen Sitten in gelenkten Bahnen blieben (Var. IX 22, 1). Im Idealfall würden Gesetze auf diese Weise als Abschreckung dienen und brutale Strafen unnötig machen, wie Cassiodor im für Ravenna geltenden Preisedikt schlussfolgerte (Var. XI 11, 2): Per singulos excessus sex solidorum multam a se noverit exigendam et fustuario posse subiacere supplicio, quatinus eum et damni metus terreat et praedicta poena vehementer affligat.
Vergleichbar argumentierte er in einem an die cancelarii (Var. XII 1, 5) und einem an die gesamte Bevölkerung Galliens (Var. III 17, 5) gerichteten Schreiben. Der Schrecken solle mehr bessern als die Strafen verzehren (Var. VII 1, 2), wozu oftmals schon eine Drohung genüge, die mehr bewirke als eine Strafe beilege (Var. IV 49; XII 6, 1). Cassiodor hoffte deshalb, mit ernsten Warnungen Delikten vorzubeugen, da ein gütiger Mensch eher Vergehen verhindern wolle als diese zu bestrafen, um weder bei der
Vermutlich dachte Cassiodor bei dieser Anordnung an die in den Gefängnissen vorherrschenden Bedingungen, die er in einem anderen Brief ausführlich beschrieb (Var. XI 40, 4), und deshalb Unschuldigen vorenthalten wollte. Hierzu siehe unten S. 102 f.
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Bestrafung als zu streng, noch durch das Handeln als unvorsichtig zu gelten (Var. I 30, 1)²²⁵. Kühnheit nämlich werde seiner Ansicht nach immer besser geheilt, wenn sie sich durch das Gewicht der Gesetze bedrängt fühle und keine Freiheit für Delikte gebe man, wenn man Angst einjage (Var. II 13, 2). Als besonders diskrete Form der Ermahnung galt seiner Auffassung nach das Edikt, da durch dieses jeder angesprochen würde, keiner aber bloßgestellt werde (Var. IX 18 praef.). Seine Strenge werde daher in seinen Worten gespürt, in den Taten aber seine Güte, heißt es in einer Eigencharakterisierung in einem an den anatolischen cancellario gerichteten Schreiben (Var. XI 36). Besänftigt habe er gezürnt und gedroht ohne zu schaden, um nicht verletzen zu müssen (Var. XI 36, 5): Districtio nostra in verbis est habita et in factis sensa benignitas. irascebamur placati, minabamur innoxii et ne potuissemus laedere, terrorem videbamur inferre. Aus Milde wolle er deshalb von keinen Verfehlungen hören, die man zu rächen gezwungen wäre, weil diese unter Wahrung der Gerechtigkeit nicht ungeklärt bleiben dürften (Var. IX 12). In diesem konkreten Fall gab er den viri spectabiles Victor und Witigisclus die Chance, ihren Fehltritt gegenüber den Bewohnern Siziliens wieder gut zu machen (Var. IX 12, 3). Cassiodors Angebot, Fehlverhalten durch eine gute Tat auszugleichen, findet sich an anderen Stellen bestätigt, etwa im Zusammenhang mit Seeleuten, die Getreide, das für Rom bestimmt war, in Afrika zu ihrem eigenen Gewinn verkauften (Var. V 35). In diesem an den vir illustris Ampelius und den vir spectabilis Livirit gerichteten Schreiben äußerte er den Grundsatz, dass er eine Schuld, obgleich sie Rache verdiene, erlasse, wenn sie durch vorsichtige Maßnahmen wieder gut gemacht würde (Var. V 35, 2).Wie es an anderer Stelle heißt, liege es ihm am Herzen, nicht nach der ersten Schuld sogleich Rache zu wünschen. Aus diesem Grund würden zunächst Warnungen ergehen, damit die Bestrafung nicht allzu hart ausfalle, wenn ihr nicht sanfte Geduld vorausgegangen sei. Wer sich dann dennoch einer Verfehlung schuldige mache, habe keinen Raum für Gnade zu erwarten (Var. IV 29, 3): Sed nos, quibus cordi est post primam culpam non statim desiderare vindictam, ad ammonitionem potius iussa convertimus, ne sit nostra districtio nimia, quam lenis patientia non praecedat. ideoque praesenti auctoritate decernimus, ut iussionibus nostris nulla dilationis calliditas afferatur, quia non habet veniae locum, qui delinquit ammonitus.
Straftaten und Gesetzesbrüche wurden, so legen es die in die Variae aufgenommenen Schreiben nahe, konsequent und mit aller Entschiedenheit verfolgt. Cassiodor warnte davor, auch nur leicht gegen Befehle zu verstoßen, denn in der Art und nicht in der Größe liege die Verfehlung. Das Unrecht frage nicht nach dem Maß, denn selbst wenn man Befehle im Kleinen verachte, werde geltendes Recht verletzt (Var. II 12, 2). Für die
Hintergrund dieses Briefes waren Unruhen im Zusammenhang mit Zirkusspielen, bei denen offenbar Sklaven eine Reihe von Verbrechen begingen. Cassiodor ordnete deshalb an, dass jeder Senator, dessen Sklave in den Mord verwickelt sei, diesen zur Verurteilung vor Gericht bringen solle. Im nachfolgenden Brief wird die Thematik fortgesetzt (Var. I 31).
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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Verurteilung des Angeklagten und die Festlegung des Strafmaßes ordnete er an, dass – vergleichbar mit der modernen Rechtsprechung – neben den Begleitumständen auch der jeweilige Charakter des Beklagten berücksichtigt werden müsse. Um den angeschriebenen saiones sein Anliegen zu verdeutlichen, bediente er sich einem Beispiel aus der Krankenversorgung, denn wie Medizin verschiedene Krankheiten und verschiedene Patienten nicht auf dieselbe Weise heile, könnten dies auch die Gesetze nicht (Var. XII 3). Trotzige müssten mit der Strenge des Gesetzes zurückgedrängt werden, während bei Menschen mit sanftem Gemüt oftmals eine Ermahnung genüge. Überall müsse deshalb die Weisheit die richtigen Maßnahmen finden (Var. XII 3, 1): Sic qui populis praeesse cognoscitur, non uno consilio praeditus invenitur. feroces districtione premendi sunt, mansueti civiliter ammonendi: dolosi caute, simplices sub lenitate tractandi sunt. et ideo ubique probatur necessaria esse prudentia, quoniam rebus omnibus adhibere videtur accommoda.
Dieses Anliegen wird an anderer Stelle bestätigt, wenn es heißt, dass Strafen unter dem Lob der Gerechtigkeit gemäßigt sein müssten, damit die Bestrafung weder die Verfehlung übersteige noch Schuld unbestraft bliebe (Var. III 46, 1). Deshalb müsse gerächt werden, was zur Verachtung eines königlichen Befehls begangen worden sei, denn was könnte Anmaßung nicht wagen, wenn sie den Respekt vor einem heiligen Befehl missachte (Var. III 15, 1). Die in die Variae aufgenommenen Schreiben lassen erkennen, dass deren Verfasser dafür plädierte, konsequent gegen Straftaten und Missbräuche vorzugehen.²²⁶ Wie sich exemplarisch mit der Bestrafung von Sklaven, die ihren Herren getötet hatten (Var. II 19), und der Bestrafung eines zum Mörder gewordenen Ehegatten (Var. I 37) verdeutlichen lässt, setzte Cassiodor dabei auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Urteils. Im ersten Fall wurde die konsequente Bestrafung der angeklagten Sklaven befohlen, die ihren Herren Stephanus ermordet und diesen offenbar noch nicht ein-
Gleichwohl war er sich durchaus bewusst, dass Gesetzesbrüche an der Tagesordnung waren, wenn er versuchte, dieser Situation etwas „Positives“ abzugewinnen, indem er Verfehlungen als erwünschte Notwendigkeit herausstellte, um der Bevölkerung die königliche Fürsorge zu demonstrieren (Var. III 46). Sein Wunsch, Rechtsbrüchen durch Warnungen und strenge Gesetze vorzubeugen, erscheint in diesem Schreiben auf vollkommen konträre Weise, denn, wie es heißt, sei die Anklage eines Delinquenten für den Herrscher willkommene Gelegenheit dazu, Ruhm zu erlangen, weil seine Fürsorge ohne Schuld keinen Raum zur Entfaltung finde. Was könne eine heilbringende Regelung tun, wenn schon rechtschaffene Sitten alles beilegen würden? Nur Dürre verlange nach dem Regen der Wohltat und nur eine schwache Gesundheit verlange nach den heilenden Händen des Mediziners, der als Hilfe für die Schwäche Heilmittel in passender Weise verschreibe (Var. III 46, 1): Materia est gloriae principalis delinquentis reatus, qua nisi culparum occasiones esnergerent, locum pietas non haberet. quid enim salubris ordinatio gerat, si morum probitas cuncta componat? arida siccitas beneficium madentis pluviae exoptat. salutiferis medentium manibus nisi infirma valitudo non indiget. sic dum imbecillitati succumbitur, convenienter remedia tribuuntur. quapropter casibus asperis praestandum est sub iustitiae laude moderamen, ut nec vindictam sinamus superare peccata nec culpam insultare patiamur legibus impunitam.
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mal begraben hätten (Var. II 19).²²⁷ Ein Verbrechen, in welchem Menschenblut vergossen wurde, errege die höchste Abscheu und müsse daher gesühnt werden (Var. II 19, 2): Cuncta quidem iure detestamur scelera et omne quod iniquum est clemens execratur auditus, sed ea maxime quae, humani sanguinis effusione polluta, nostram contra se incitavere censuram.
Um Nachahmung vorzubeugen, erging der Befehl, die Beschuldigten öffentlich hinzurichten, da man Menschen, die sich gegenseitig töten, nicht verschonen könne (Var. II 19, 3). Gegensätzlich argumentierte Cassiodor in dem Fall, in welchem der nicht näher bekannte Crispianus seine Gattin mit einem Ehebrecher ertappte und diesen daraufhin tötete (Var. I 37). Nach geltendem Recht wurde der Mann verurteilt und infolgedessen verbannt.²²⁸ Nun bat der Verurteilte um den Beistand König Theoderichs, der das Urteil aufhob und den Beschuldigten unter Berufung auf das Naturrecht für straffrei erklärte. In der Begründung hieß es, dass man die Untat des Mordes zwar verabscheue, es aber nachvollziehen könne, wenn ein Mensch vor Gericht gezogen werde, der bestrebt war, Eherechte zu verletzen (Var. I 37, 1). Zur Visualisierung bediente sich Cassiodor Vergleichen aus der Tierwelt, denn selbst dort sei es angeboren, die Partnerin mit äußerster Heftigkeit zu verteidigen, weil dies dem Naturgesetz entspräche (Var. I 37, 2). Sollte sich die Tat auf diese Weise zugetragen haben, so sei der Beschuldigte freizusprechen (Var. I 37, 3), denn: Et ideo si oblatae petitionis minime veritate fraudaris et genialis tori maculam deprehensi adulteri sanguine diluisti nec sub praetexta cruentae mentis causam pudoris intendis, ab exilio, quod tibi constat inflictum, te praecipimus alienum, quoniam pro amore pudicitiae porrigere ferrum maritis non est leges calcare, sed condere.
Da der König vorzugsweise in Ravenna, Verona und Pavia residierte und nicht mehr gemeinsam mit den Goten in den Krieg zog, wurden persönliche Begegnungen mit
Zur spätrömischen Sklaverei und zum Sklavenrecht im frühen Mittelalter vgl. Harper, Kyle, Slavery in the Late Roman World, AD 275 – 425, Cambridge 2001; Nehlsen, Hermann, Sklavenrecht zwischen Antike und Mittelalter. Germanisches und römisches Recht in den germanischen Rechtsaufzeichnungen (I. Ostgoten, Westgote, Franken, Langobarden), Göttingen/ Frankfurt/ Zürich 1972. Zu den rechtlichen Folgen des Ehebruchs (adulterium) im Ostgotenreich vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 221 f.; Wiemer, Hans-Ulrich, Keine Amazonen. Frauen in ostgotischen Kriegergruppen, in: Archiv für Kulturgeschichte 99 (2017), S. 263 – 296; Arjava, Antti, Women in Law in Late Antiquity, Oxford 1996, hier: S. 193 – 205. In den Variae ist ein weiterer Fall von Ehebruch bezeugt (Var. V 33). Der gotische Heerführer Wilitanc wurde daraufhin damit beauftragt, beide Parteien vor sein Gericht zu bringen. Falls der Ehebruch erwiesen werde, sollten die Beschuldigten nach dem Gesetz bestraft werden. Dieses sah die Todesstrafe vor. Zu diesem Fall vgl. ausführlicher Wiemer, Amazonen, S. 281– 288.
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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dem Herrscher für die meisten zur Seltenheit.²²⁹ Um zu verhindern, dass die gotischen comites, die ihren Amtsbereich nach den Anweisungen des Königs zu verwalten und dafür zu sorgen hatten, dass dessen Wille dort zur Geltung gebracht wurde, nicht ihre Macht missbrauchten und sich so lokale Machtkerne bildeten, konnten Personen, die beim König Beschwerde über Vergehen und Missstände führten, um dessen persönlichen Schutz (tuitio) bitten.²³⁰ Für dessen Gewährung verfasste Cassiodor eine eigene formula (Var. VI 39). Als Zielsetzung dieser Institution ist dort formuliert, dass der König, der zwar allen seinen Schutz zu bieten wünsche, einen um Schutz Flehenden aber besonders verteidige, damit der Betreffende nicht – wie bisher – im offenen Feld, sondern im übertragenen Sinne mit Hilfe des Schutzes der Mauern mit seinen Gegnern kämpfen könne. So trete der Umstand ein, dass der vorher mit Gewalt Niedergedrückte seinem Gegner durch die königliche Hilfe ebenbürtig werde (Var. VI 39, 1): Superfluum quidem videtur tuitionem specialiter a principe petere, cuius est propositi universos communiter vindicare. sed quia securitatem tuam quorundam violentorum exsecranda temeritas inquietat, non piget dolentium querelis ad hanc partem pietatis adduci, ut quod omnibus praestare cupimus, supplicanti potissimum conferamus. atque ideo diversorum te, quemadmodum quereris, dispendiis sauciatum in castra defensionis nostrae clementer excipimus, ut cum adversariis tuis non, ut hactenus, campestri certamine, sed murali videaris protectione contendere. ita fit ut, truculentis viribus pressus, reddaris auxiliis regalibus exaequatus.
Der König versprach dem um Schutz Bittenden den Schutz seines Namens gegen auf rechtswidrige Weise erfolgende Angriffe und Verluste bei Verträgen. Dennoch dürfe sich der Beschützte nicht unverschämt über die Rechte erheben und müsse weiterhin vor Gericht Rede und Antwort stehen. Diese Form der Protektion stand sowohl Goten als auch Romanen offen (Var. VI 39, 2).²³¹
Auch der Kreis der Personen, die bei Hof vorgelassen wurden, war exklusiv. Wenn man kein Hofamt innehatte, bedurfte es einer Einladung des Königs (evocatoria). Während der König Personen von sich aus einlud und man diese Einladung nicht ausschlagen konnte, gab es die Möglichkeit, eine Einladung zu erbitten. Für beide Möglichkeiten überliefert Cassiodor ein Musterformular (Var. VII 34; VII 35). So erbaten beispielsweise der Stadtpräfekt Artemidorus (Var. III 22), Agapitus (Var. II 6) oder auch Castinus (Var. V 28) eine Einladung. Vgl. hierzu auch Wiemer, Theoderich der Große, S. 277. Auch unabhängig von der Bitte um königlichen Schutz stand es jedem offen, den Herrscher anzurufen, sei es doch ein Zeichen von Unschuld, sich von sich aus an den Herrscher zu wenden, wo der Gewalttätigkeit kein Raum gegeben werde und wo man sich nicht vor Habsucht fürchten müsse. Am Hof des Königs finde die Unschuld Zuflucht und der Rechtsverdreher scharfe Gerechtigkeit, wie es in einem Schreiben an den comes Osuin heißt (Var. IV 9). Zum Königsschutz vgl. Willoweit, Dietmar, Art. Königsschutz, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, Berlin 2014, Sp. 74– 76; Hägermann, Dieter, Art. Königsschutz, in: Lexikon des Mittelalters 5, München/ Zürich 1991, Sp. 1331; Wiemer, Theoderich der Große, S. 214 f. Als ein Beispiel von vielen ließe sich der Auftrag an comes Adila anführen (Var. II 29). In diesem Fall geht es um den Schutz eines sizilianischen Grundstückes, das der Kirche von Mailand gehörte, mitsamt den dort lebenden Menschen. Cassiodor betonte in diesem Schreiben, dass der Schutz in Einklang mit der gesetzlichen Lebensweise zu erfolgen habe und man es nicht versäumen dürfe, in öffentlichen und privaten Rechtsfällen Rede und Antwort zu stehen. Nach dem Willen des Königs
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2 Gerechtigkeit als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens
Neben dem königlichen Schutz führte Cassiodor die Amnestie von Strafen als weitere Maßnahme an, um erneuten Rechtsbrüchen vorzubeugen.²³² Nur den höchsten Beamten, wie beispielsweise ihm als Prätorianerpräfekten, war es erlaubt, von ausgeglichener Behandlung und Gerechtigkeit abzuweichen und Strafen zu amnestieren. Dies wurde an kirchlichen Feiertagen nach dem Recht der Frömmigkeit vollzogen, um auf dem Weg der Vergebung zum Erlöser von allen zu werden. Wohl aus diesem Grund maß Cassiodor der Amnestie eine wichtige Funktion bei, wovon letztlich auch die Aufnahme eines eigenen mit indulgentia (Nachsicht/ Gnade) überschriebenen Edikt in die Variae zeugt (Var. XI 40). Da man durch Vergebung die süßesten Früchte ernte und Gnade für sich selbst gewinne, war Cassiodor davon überzeugt, sich durch die Befreiung von Strafen als eigentlicher Rechtsprecher zu erweisen. Hierzu wolle er bei gefährlichen Zuständen gerecht sein, während er bei gesicherten Umständen stets verzeihen könne. Auf diese Weise verhindere man Strafen, verwerfe die Tortur und werde dadurch wahrlich zum Richter (Var. XI 40, 1): Quamvis nomen ipsum iudicis dicatum videatur esse iustitiae et totius anni orbitam aequitatis iubeamur ambulare vestigiis, his tamen diebus in domicilium pietatis iure deflectimus, ut ad redemptorem omnium remissionis itinere pervenire possimus. ex hac enim virtute suavissimos fructus legimus et remittendo aliis nobis parcimus. nam qui periculose iusti sumus, sub securitate semper ignoscimus. quapropter poenas abdicimus, tormenta damnamus et tunc vere iudices sumus.
Die Amnestie stilisierte Cassiodor aus diesem Grund als Beschützerin des Menschengeschlechts und einzigartige Ärztin für verzweifelte Situationen. Da die Sünde überall verbreitet sei, begehre jeder Amnestie, da man unter ihr die Lebenshoffnung erhalte, die unter der Gerechtigkeit fehle. Sie genieße deshalb himmlische Gnade und bringe dem Menschengeschlecht Heil (Var. XI 40, 2). Um die Bedeutung der indulgentia hervorzuheben, beschrieb Cassiodor ausführlich die Haftbedingungen. Bereits Formulierungen wie „Kerker der Schreie“ (cella gemituum) und „Haus der Traurigkeit“ (tristitiae domus) deuten darauf hin, dass die Haftbedingungen einer Tortur glichen und man sich deshalb glücklich schätzen durfte, wenn die Strafe amnestiert wurde.Wie es heißt, erduldete der Angeklagte nicht nur Folter und war von der Außenwelt abgeschnitten, sondern werde durch den Schmutzgestank und furchtbare Strapazen gepeinigt und durch das Schreien und Klagen der anderen Insassen verstört (Var. XI 40, 4): In quo non unum tormentum sustinet reus, qui antequam incurrat necis exitus, a superis probatur abscisus. primum pedor ille collega catenarum abominabili maerore discruciat: auditum alieni gemitus et lamenta conturbant: gustum ieiunia longa debilitant: tactum pondera prementia defe-
dürften sie weder von irgendjemandem belästigt noch vom Wege des Rechts ausgenommen werden. Adila habe deshalb Sorge zu tragen, dass keine Person unrechtmäßig gegen dieses Stück Kirchenland einschließlich der dort arbeitenden und lebenden Menschen vorgehe (Var. II 29, 1). Zur Amnestie von Strafen vgl. Harter-Uibopuu, Kaja/ Mitthof, Fritz (Hrsg.), Vergeben und Vergessen? Amnestie in der Antike, Holzhausen 2013; Ebert, Udo, Art. Amnestie, in: Cordes, Albrecht (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, Berlin 2008, Sp. 202– 204.
2.3 Das Recht zwischen Goten und Romanen
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tigant: lumina diutinis tenebris obtusa torpescunt. non est unum clausis exitium: multifaria morte perimitur, qui carceris squalore torquetur.
Zu Recht habe man deshalb den Wunsch, das Gefängnis zu verlassen und nicht wieder dorthin zurückzukehren, denn sogar Tiere wie Vögel und Seewölfe wüssten – einmal in Gefangenschaft geraten – das zu meiden, wovon sie Schmerzen erfahren hätten (Var. XI 40, 7). Letztlich handelte es sich bei der Amnestie um eine Art Erziehungsmaßnahme und Prävention, künftigen Straftaten vorzubeugen. Die Begnadigung war lediglich für kleinere Vergehen vorgesehen, wenn es heißt, dass der Kerkermeister, der gepeinigt werde, weil niemand mehr da sei, noch jene beanspruchen könne, die das Gesetz aus Gnade nicht freigebe. Hintergrund dessen war, Verbrecher nicht zu schonen und brutale Straftaten nicht zu erleichtern. Da jeder Mensch unter etwas Gefahrbringendem leide, sollen all jene amnestiert werden, die sich einer profanen Straftat schuldig gemacht hätten (Var. XI 40, 9): Sed ut tuos quoque gemitus consolemur, illos tibi tantummodo vindica, quos lex pietatis gratia non relaxat, ne, cum truculentis parceret, asperrima facinora levigaret. solvamur ergo cuncti saecularibus actibus implicati. patitur omnis homo periculosos nexus, quos festinet evadere. claustra reos dimittant: nos vincula improbae cogitationis absolvant.
Bleich vom immer nahen Tode sollten die Begnadigten hinausgehen, zum Licht zurückkehren und sich darüber freuen, dass der erhoffte Tod sie noch nicht ereilt habe. Mit ihren Ketten sollten sie gleichsam auch ihre Vergehen lassen, in Ehrbarkeit leben und erkennen, welche Wohltat man einer guten Lebensweise abgewinnen könne (Var. XI 40, 5). Rückblickend setzte Cassiodor ausgehend von der friedlichen Ansiedlung und Versorgung der Ostgoten auf italischem Boden sowie konsequentem Einschreiten bei Besitzstreitigkeiten auf die Gerechtigkeit als Grundlage des harmonischen Zusammenlebens von Zugewanderten und Einheimischen. Dieser Anspruch hatte sich, wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, insbesondere bei der Verwaltung, des Steuereinzuges und der Rechtsprechung zu bewähren. In diesen Bereichen traf Cassiodor Regelungen und verfügte über entsprechende Maßnahmen, um den inneren Frieden im Reich nicht durch Bestechlichkeit und Habsucht der Beamten oder durch Rechtsverletzungen zu gefährden. Wie sich im Abschnitt zur Verwaltung des Ostgotenreiches und insbesondere zum Steuereinzug bereits andeutet, erachtete Cassiodor den wirtschaftlichen Wohlstand Italiens als weitere Voraussetzung des Friedens. Im nun folgenden Kapitel sollen insbesondere die von Cassiodor getroffenen Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles ausführlicher in den Blick genommen werden.
3 Wirtschaftliche Prosperität als Voraussetzung des Friedens 3.1 Wirtschafts- und Handelsförderung im ostgotischen Italien Die Wirtschaft Italiens bewegte sich unter den Ostgotenkönigen weitgehend in den von den späten Kaisern initiierten Bahnen, deren Rückgrat nach wie vor die Landwirtschaft bildete. Die Grundbesitzer (possessores) ließen ihr Land von Sklaven¹ und Halbfreien bebauen. Freie Bauern, die ihren eigenen Besitz bestellten, gab es wohl nur sehr wenige.² Von den Pachteinnahmen und dem erwirtschafteten Ertrag zahlten romanische wie gotische Grundbesitzer Steuern. Dieses System scheint im Großen und Ganzen funktioniert zu haben. Dadurch, dass die Ostgoten auf Ausgewogenheit der Preise, Lenkung des Handels und Erschließung neuen Agrarlandes setzten, sprach die nachtheodericanische Geschichtsschreibung von einem „glückhaften Zeitalter“.³ Obgleich die Leges Barbarorum genaue Aufstellungen bezüglich des monetären Gegenwertes von Gütern festlegen, verraten die Quellen frühmittelalterlicher regna kaum etwas über Fragen der Wirtschafts- und Steuerpolitik.⁴ Mit den Variae Cassio-
Die Sklaverei war zur Zeit Theoderichs in Italien nicht nur allgegenwärtig, sondern spielte in der Landwirtschaft insofern eine Rolle, dass viele Bauern den rechtlichen Status eines Sklaven hatten. Die Entwicklung der ländlichen Gesellschaft Italiens steht im Zentrum einer Forschungsdebatte, die seit mehr als 100 Jahren darüber geführt wird, wie sich der Übergang von der antiken Sklavenwirtschaft zur mittelalterlichen Grundherrschaft vollzogen hat. Italien bildet in allen Untersuchungen den Ausgangspunkt, denn die antiken Handbücher für die Führung eines mit Sklaven bewirtschafteten Gutsbetriebs beziehen sich allesamt auf diese Region. Zum Ende der Sklavenwirtschaft und dem Übergang von der Antike zum Mittelalter vgl.Wiemer, Theoderich der Große, S. 403 – 407; Weber, Max, Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur (1896), in: Weber, Marianne (Hrsg.), Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1924, S. 289 – 311; Bloch, Marc, Comment et pourquoi finit l’esclavage antique, in: Annales 2 (1947), S. 30 – 44; 161– 170; Finley, Moses I., Ancient Slavery and Modern Ideology, London 1980, hier: S. 123 – 149. Zur Sklaverei im spätantiken Italien vgl. Nehlsen, Sklavenrecht, S. 123 – 127; Vera, Domenico, Schiavitú rurale e colonato nell‘Italia imperiale, in: Scienze dell‘antichitá. Storia archeologia antroplogia 6 – 7 (1992/93), S. 291– 339; Vera, Domenico, Essere „schavi de la terra“ nell’Italia tardoantica. Le razionalità di una dipendenza, in: Studia historica. Historia antigua 25 (2007), S. 489 – 505; Harper, Slavery in the Late Roman World, S. 33 – 200. Vgl. Ensslin, Theoderich der Große, S. 245; Giese, Die Goten, S. 93. Vgl. Jordanes, Historia Romana 349. Vgl. Arslan,Wirtschaft, S. 291. Überdies ist fraglich, ob die heute gängigen ökonomischen Theorien zur Analyse des frühmittelalterlichen und antiken Wirtschaftslebens überhaupt geeignet sind. Vgl. Hendy, From Public to Private, S. 43 – 59. Spezielle Probleme und Fragestellungen der Entwicklung von Wirtschaft und Münzwesen in den einzelnen europäischen Ländern sind in zahllosen Einzeluntersuchungen erforscht worden. Die vergleichsweise beste Übersicht bieten Philipp Grierson und Mark A. S. Blackburn.Vgl. Grierson, Philipp/ Blackburn, Mark A. S., Medieval European Coinage. With a Catalogue of the Coins in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, Bd. 1, The Early Middle Ages (5th–10th centuries), Cambridge 1991. https://doi.org/10.1515/9783110706871-004
3.1 Wirtschafts- und Handelsförderung im ostgotischen Italien
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dors liegt eine einzigartige Quelle vor, die einen Einblick in die Ökonomie des Ostgotenreiches bietet. Trotz des überspitzten und eher wenig objektiven Charakters der Briefsammlung wurde und wird diese des Öfteren herangezogen, um Handel und Wirtschaft im Ostgotenreich zu beurteilen. Aufgrund der hieraus resultierenden abweichenden und divergierenden Beurteilungen⁵ bestätigt sich die dieser Arbeit zugrunde liegende These, dass sich mit Cassiodor als einzigem Referenzpunkt nur mit mäßigem Erfolg Ereignisgeschichte schreiben lässt. Ausgehend von einer uneingeschränkt positiven Sichtweise eines Georg Pfeilschifters⁶, Ludwig Schmidts⁷ und in Teilen auch Herwig Wolframs⁸ und eher zurückhaltenden Beurteilungen, wie beispielsweise die von Michele Lecce⁹ und Dietrich Claude¹⁰, zeichnen Gabriele Pepe¹¹ und Filippo Carli¹² ein insgesamt negatives Bild der wirtschaftlichen Situation Italiens unter Theoderich des Großen und dessen Nachfolgern. Diese Diskrepanzen erklären sich in erster Linie durch den Mangel an exakten Angaben in der Quelle, die erst eine quantitative Einschätzung ermöglichen würde.¹³ Zugleich ist die Tatsache zu bedenken, dass Cassiodor bei der Zusammenstellung der Variae neben Briefen, die einen wirtschaftlichen Aufschwung Italiens andeuten, auch Schreiben aufnahm, die den Eindruck entstehen lassen, dass sinkende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in
Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 42. Ausführlich zum Forschungsstand vgl. Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 9 – 30. Vgl. Pfeilschifter, Georg, Theoderich der Große. Die Germanen im Römischen Reich, Mainz 1910, hier: S. 60. Vgl. Schmidt, Ludwig, Die Ostgermanen. München 21969, hier: S. 392. Ludwig Schmidt lobt „die hohe wirtschaftliche und kulturelle Blüte des unter Theoderichs Herrschaft stehenden Landes.“ Vergleichbar äußert sich Wilhelm Ensslin, der im Zusammenhang von Staat und Wirtschaft von einer goldenen Zeit Italiens spricht. Vgl. Ensslin, Theoderich der Große, S. 244– 251. Vgl. Wolfram, Goten, S. 288. Herwig Wolfram spricht von einer vernünftigen Wirtschaftspolitik König Theoderichs und schätzt Italien als ein „noch immer reiches Land“ ein. Ähnlich äußerte sich Rosario Soraci, der von einer „intensa attivitá, favorita da un efficiente rete varia“ spricht.Vgl. Soraci, Rosario, Aspetti di storia economia italiana nell′etá di Cassiodoro, Catalina 1974, hier: S. 82. Vgl. Lecce, Michele, La vita economica dell′Italia durante la dominazione die Goti nelle „Varie“ di Cassiodoro, in: Economia e storia 3 (1956), S. 354– 408, hier S. 406. Michele Lecce schreibt Theoderich den Verdienst zu, die Wirtschaftslage zumindest auf einigen Gebieten verbessert zu haben. Dietrich Claude spricht davon, dass es wahrscheinlich nicht gelungen sei, einen nachhaltigen Aufschwung der Wirtschaft und des Handels herbeizuführen, allerdings sei das ökonomische Niveau stabilisiert worden. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 73. Vgl. Pepe, Gabriele, Il Medio Evo barbarico d′Italia, Turin 41971, hier: S. 35 f. Filippo Carli rechnet mit einem allgemeinen kontinuierlichen Rückgang des Handels zwischen dem vierten und siebten Jahrhundert. Vgl. Carli, Filippo, Il mercato nell′alto medioevo, Padua 1934, hier: S. 68. Hinzu kommt, dass Cassiodor ein hochgestelltes und angesehenes Mitglied der Regierung war und deshalb „ein eminentes Interesse daran [hatte], die Verhältnisse in einem möglichst günstigen Licht darzustellen und Unzulänglichkeiten zu bagatellisieren oder doch zu beschönigen.“ Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 45.
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3 Wirtschaftliche Prosperität als Voraussetzung des Friedens
Zusammenspiel mit Naturkatastrophen und Kriegen zu Versorgungsengpässen führten, unter denen vor allem die Bevölkerung zu leiden hatte.¹⁴ Die Gewährleistung wirtschaftlicher Prosperität setzte im Denken Cassiodors die Produktion und den Transport von vornehmlich landwirtschaftlichen Erzeugnissen voraus. Um Einschränkungen und Defiziten vorzubeugen, entwickelte er eine Reihe von Maßnahmen zur Stabilisierung und Förderung der Ökonomie. Diese sowie die Aufnahme ausführlicher Beschreibungen des Handels¹⁵ und des Transportes von Waren in die Briefsammlung zeugen davon, dass es Cassiodor als seine persönliche Aufgabe ansah, Engpässen durch vorausschauende Handlungen vorzubeugen. Sein Hauptanliegen bestand darin, durch Produktion sowie Import und Export von Waren, vor allem aber durch den Binnenhandel, die italische Wirtschaft zu konsolidieren und Nahrungsmittelengpässe zu vermeiden, die sich in den von ihm befürchteten Übergriffen und Ausschreitungen entladen konnten. Stabile wirtschaftliche Verhältnisse und die Aufrechterhaltung des inneren Friedens waren in seinen Augen untrennbar miteinander verknüpft. Beim Erreichen dieses Ziels maß er den Kaufleuten und dem (Übersee‐)Handel eine besondere Bedeutung bei.
3.1.1 Zur besonderen Bedeutung der Kaufleute und des Handels Im Wissen um die elementare Bedeutung der Kaufleute und Händler, erachtete Cassiodor diese für das menschliche Überleben als zwingend notwendig (Var. VI 7, 7): negiatores, quos humanae vitae constat necessarios […].¹⁶ Wohl aus diesem Grund sind in
Hilfreich sind aus diesem Grund Darstellungen, die den gesamten Wirtschaftsraum des West- und Ostreiches berücksichtigen. Vgl. hierzu Ward-Perkins, Bryan, Land, Labour and Settlement, in: The Cambridge Ancient History 14 (2000), S. 315 – 345; Ward-Perkins, Bryan, Specialised Production and Exchange, in: The Cambridge Ancient History 14 (2000), S. 346 – 391; Barnish, The Wealth of Iulianus Argentarius, S. 5 – 38; Weidemann, Margarete, Spätantike Traditionen in der Wirtschaftsführung frühmittelalterlicher Grundherrschaften, in: Kölzer, Theo/ Schieffer, Rudolf (Hrsg.), Von der Spätantike zum frühen Mittelalter. Kontinuitäten und Brüche, Konzeptionen und Befunde, Ostfildern 2009, S. 287– 318. Eine Definition des Begriffs „Handel“ fehlt bei Cassiodor. Einzig Isidor von Sevilla bietet eine solche Charakterisierung, indem er unter dem Stichwort „commercium“ vermerkte, dass es von „merces“ herzuleiten sei, womit käufliche Gegenstände bezeichnet würden. Der Markt wurde folglich als Ort der Zusammenkunft vieler Menschen, die Sachen kaufen oder verkaufen, konstruiert. Vgl. Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum libri XX, hrsg. von Fallace Lindsay, Oxford 1911, V 25, 36. Cassiodor verbindet commercia indes nur mit dem Gebrauch von Münzgeld (Var. VI 7, 3). Cassiodor bezeichnete den Handeltreibenden wie im zitierten Beispiel überwiegend als „negotiator“ und nur an wenigen Stellen als „mercator“. Damit setzte er den seit der Spätantike beginnenden Trend fort, von „negiatores“ zu sprechen, obgleich der Begriff „mercator“ auch im Frühmittelalter nicht vollständig aus den lateinischen Quellen verschwand. Vgl. hierzu Rougé, Jean, Recherches sur l′organisation du commerce maritime en Mediterranée sous l′Empire romain, Paris 1966, hier: S. 269 f.; Kneißl, Peter, Mercator-negotiator. Römische Geschäftsleute und die Terminologie ihrer Berufe, in: Münstersche Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte 2 (1/1983), S. 73 – 90.
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den Variae mehrere Schreiben enthalten, die Anweisungen enthalten, Händler in Schutz zu nehmen und vor Übergriffen zu bewahren. In einem Schreiben werden die Inhaber von Herbergen an der von Rom nach Norden führenden via Flaminia, die Rom und Rimini verband, gemaßregelt, die offenbar überhöhte Preise verlangten (Var. XI 12). Cassiodor unterstrich, dass die Aufnahme der Reisenden¹⁷ die Möglichkeit zur Erholung bieten solle, damit nicht eine Einrichtung, die zur Erleichterung der Reise geschaffen sei, die Reisenden zu sehr belaste. Die Gastwirte wurden deshalb unter Androhung der Prügelstrafe und einem Bußgeld von sechs solidi (Var. XI 12, 3) dazu verpflichtet, Reisende zu pretia definitia aufzunehmen, da ein Gast, der zur Bequemlichkeit eingeladen werde, nicht ungerechte Habsucht erleiden dürfe (Var. XI 12, 2): Praedoni similis est, qui sub iniqua cupit voluntate distrahere: Utrosque enim constat aliena velle diripere et considerationem iustitiae non habere. nescitis quanta possitis adquirere moderati?
Aufgrund der elementaren Bedeutung des Binnenmarktes stellte Cassiodor den Handel der Kaufleute mit Produkten auf lokalen Märkten unter besonderen Schutz (Var. VIII 33). Offenbar kam es im Zusammenhang mit dem Fest zu Ehren des Heiligen Cyprians zu Übergriffen seitens einzelner Bauern, die die Güter der Händler feindselig geraubt oder absichtlich zerstört hätten, so dass die, die mit ihren Waren das Leben zu bereichern gekommen wären, schändlich als Bedürftige und Ausgeplünderte gegangen wären (Var. VIII 33, 1). Die Grundbesitzer und Pächter wurden daher dazu aufgefordert, durch vorausschauende Vorsichtsmaßnahmen für Ruhe unter den Zusammengekommenen zu sorgen (Var. VIII 33, 2): Quod si aliquis rusticorum vel cuiuslibet loci homo causa nefandae litis advenerit, inter ipsa initia comprehensus fustuariae subdatur protinus ultioni et pompatus mala vota corrigat, qui prius occultum facinus excitare temptabat.
Verdächtige Bauern (rustici) oder abhängige Leute (homines) sollten ergriffen, ausgepeitscht und anschließend öffentlich vorgeführt werden.¹⁸ Bei diesem Schreiben handelt es sich, abgesehen von der Information, dass Waren durch die Tore in die Stadt gebracht wurden (Var.VII 29, 2), um das wichtigste Zeugnis, das Auskunft über den Handelsverkehr auf Straßen gibt.¹⁹ Schenkt man den Aus Mit „Reisenden“ und „Gästen“ können an dieser Stelle neben Händlern und Privatleuten auch Boten gemeint sein. Zur ländlichen Gewalt vgl. Krause, Jens-Uwe, Gewalt und Kriminalität in der Spätantike, München 2014, hier: S. 58 – 78. Zum Warentransport auf dem Landweg vgl. Lopez, Roberto Sabatino, The Evolution of Land Transport in the Middle Ages, in: Fernández-Armesto, Felipe/ Muldoon, James (Hrsg.), Internal Colonization in Medieval Europe, Farnham 2008, S. 199 – 212. Zum römischen Straßennetz vgl. Esch, Arnold, Römische Strassen in ihrer Landschaft. Das Nachleben antiker Strassen in Rom. Mit Hinweisen zur Begehung im Gelände, Mainz 1997; Esch, Arnold, Zwischen Antike und Mittelalter. Der Verfall des römischen Straßensystems in Mittelitalien und die Via Amerina. Mit Hinweisen zur Begehung im Gelände, München 2011. Mehrfach wurde in der Forschung der Versuch unternommen, die Kosten-
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führungen Cassiodors Glauben, so wurde diesem am Fest des heiligen Cyprian veranstalteten Markt eine überregionale Funktion zuteil, da Händler aus Apulien, Kampanien, Bruttium und Lucanien kamen, um ihre Waren zum Kauf anzubieten (Var.VIII 33, 3).²⁰ Als Güter werden Sklaven, Textilien und Vieh genannt (Var. VIII 33, 4).²¹ Offenbar wurden in diesem Zusammenhang auch Jungen und Mädchen verkauft.²² Märkte, die in sehr unterschiedlichen Abständen (täglich oder wöchentlich, monatlich oder jährlich) abgehalten wurden, dienten dem Umschlag verschiedenster Produkte. Markttage, auf denen Waren aus einer ganzen Region zum Kauf angeboten wurden, fanden meist nur einmal im Monat statt. Gleichwohl gab es auch Jahrmärkte, wie den oben erwähnten, an welchen man in Buden und Zelten Waren anbot, die aus der Region selbst und den umliegenden Provinzen stammten.²³ Wirtschaftliche Prosperität setzte im Denken Cassiodors den freien Warenverkehr voraus. Hierfür kamen grundsätzlich drei Möglichkeiten in Betracht: Übersee- und Binnenschifffahrt sowie der Handel auf dem Landweg. Während letzterer in den Variae nur geringen Raum einnimmt, da er sich aufgrund eingestürzter Brücken (Var. XII 19, 2), schlechter Zustände der Straßen (Var. XII 18, 2)²⁴ und der Gefahr von Übergriffen relationen der verschiedenen Handelsweisen einander gegenüberzustellen. Vgl. hierzu unter anderem Kunow, Jürgen, Negotiator et vectura. Händler und Transport im freien Germanien, Marburg 1980 und Duncan-Jones, Richard, The Economy of the Roman Empire. Quantitative Studies, Cambridge 21977 für den Westen sowie Hendy, Michael Frank, Studies in the Byzantine Monetary Economy c. 300 – 1450, Cambridge 1985 für den Osten. Dietrich Claude gelangt zu dem Ergebnis, dass die Preise des Seetransports am günstigsten waren, während jene des Straßentransports eine nahezu prohibitive Höhe erreichten, so dass auf diesem Wege überwiegend nur Nahhandel betrieben wurde. Die Kosten des Flusstransportes lagen um ein Mehrfaches über denen einer Verschiffung zur See, waren aber dennoch günstiger als der Landweg. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 48. Var. XII 26, 3 bezeugt einen weiteren Markt, auf dem unter anderem Wein zum Kauf angeboten wurde. Es bleibt jedoch offen, ob es sich um den Verkauf lokaler Güter handelte oder ob angereiste Händler ihre Waren anpriesen. Wie es die Aufzählung von Sklaven in einem Satz mit Gegenständen und Vieh schon erahnen lässt, waren Sklaven im Ostgotenreich mit Sachen gleichgestellt. Sklaven waren keine Personen, die private oder öffentliche Rechte beanspruchen konnten. Darum stellte Cassiodor die rhetorische Frage, was das öffentliche Recht unter Sklaven zu suchen habe, die nach den Gesetzen gar nicht den Status einer Person hätten (Var. VI 8, 1 f.). Der Sklave unterlag in nahezu unbeschränktem Umfang der Verfügungsgewalt seines Herren, der ihn verkaufen, vermieten und züchtigen konnte, wie es ihm beliebte. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 407. Der Brief lässt erkennen, dass Cassiodor den Verkauf von Kindern in die Sklaverei als etwas Normales ansah. Er begründete dies damit, dass dies den verkauften Jungen und Mädchen sogar zum Vorteil gereichen könnte, da die Eltern ihren Nachwuchs aus gutem Grund – etwa aufgrund einer Hungersnot – verkaufen würden. Es stünde, wie es heißt, außer Zweifel, dass es denen als Sklaven besser gehen könne, die von der Landarbeit zum Dienst in die Stadt versetzt werden würden (Var. VIII 33, 4). Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 417. Quocirca iter Flaminiae rivis sulcantibus exaratum, hiantes ripas latissima pontium interiectione coniungite, oppressas margines platearum asperrimis silvis enudate. Offenbar war auch ein südlich von Rom gelegener Teil der via Appia, die von Rom nach Brindisi führte, in schlechtem Zustand. Im Zuge dessen hoffte Cassiodor, dass die Trockenlegung des Decemnovius-Sumpfes auch den Reisenden zu-
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und Diebstählen (Var.VIII 32, 4)²⁵ offenbar nur auf kürzeren Strecken lohnte, ist es vor allem der Handel auf dem Wasser, den Cassiodor ausführlich und wertschätzend erwähnte. Abgesehen von Anweisungen, Fischreusen auf den Flüssen Mincio, Oglio, Tiber und Arno zu beseitigen, um den Handel auf Flüssen zu erleichtern (Var. V 20, 3; ähnlich Var. V 17, 6)²⁶ und der Information, dass die Boote der Bewohner der venetischen Lagune von Treidlern flussaufwärts gezogen wurden (Var. XII 24, 2), wird dem Transport auf Flüssen in den Variae allerdings eine ebenso geringe Achtung zuteil wie dem Handel auf Landwegen.²⁷ Im Gegensatz hierzu lobte Cassiodor den Überseehandel, der zwar im Winter ruhen müsse (Var. XII 24, 2) und unter Umständen durch Meeresbewohner erschwert werden würde (Var. I 35), überschwänglich, um neben der Versorgung der italischen Bevölkerung auch Produkte wie beispielsweise Gewänder, Erz, Silber und Edelsteine (Var. VI 7, 7), vor allem aber Seide und Salz²⁸ aus den entferntesten Teilen der Welt zu importieren (Var. VI 7, 8)²⁹: Nam quicquid in vestibus, quicquid in aere, quicquid in argento, quicquid in gemmis ambitio humana potest habere pretiosum, tuis ordinationibus obsecundant et ad iudicium tuum confluunt qui de extremis mundi partibus advenerunt.
gute kommt (Var. II 32, 3). Dies wird von Prokop bestätigt, der aufgrund der Trockenlegung die ausgezeichnete Qualität der via Appia lobte, die er von eigenen Reisen her kannte. Vgl. Prokop, BG 1,14,8. Bei einer Rast zur Erholung der ermatteten Tiere auf den Weiden bei der Arethusaquelle wurden dem vir spectabilis Nymphadius die Pferde gestohlen. Cassiodor ordnete an, die Diebe stillschweigend aufzuspüren und bis zum Eintreffen der Gerichtsvollzieher hinzuhalten (Var. VIII 32, 4). Zu Räubern und Banditen im spätantiken Italien vgl. Shaw, Brent D., Banditry in the Roman Empire, in: Past & Present 105 (1984), S. 3 – 52; Pottier, Bruno, Entre les villes et les campagnes. Le banditisme en Italie du IV au Vle siècle, in: Ghilardi, Massimiliano (Hrsg.), Les cités de l’Italie tardo-antique (IVe – VIe siècle), Rom 2006, S. 251– 266. Dietrich Claude vermutet, dass es Cassiodor bei dieser Anweisung weniger um die Handelsschifffahrt ging, sondern primär um den ungehinderten Transport von Holz anlässlich des Schiffbauprogramms. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 51. Zum Schiffbauprogramm siehe unten S. 111. Zum Handel auf Flüssen vgl. Rougé, Jean, Transports maritimes et transports fluviaux dans les provinces occidentales de l Émpire, in: Ktéma 13 (1988), S. 87– 93 sowie allgemein zu den Voraussetzungen vgl. Bernhard, Jacques, Les transports maritimes dans l’Atlantique et les mers étroites, et leurs prolongements fluviaux, au Moyen Âge, in: Annales de Bretagne 85 (1978), S. 159 – 179. Im Ostgotenreich stand der Salzhandel unter der Kontrolle des comes sacrarum largitionum: Salis quoque commercium inter vestes sericas et pretiosissimam margaritam non inepte tibi deputavit antiquitas, ut sapientiam tuam evidenter ostenderet, cui talis species deputata serviret (Var.VI 7, 8). Das Salz, das die Bewohner der venezianischen Lagunen produzierten, wurde vor allem in Italien zum Kauf angeboten (Var. XII 24, 6). Zum Seetransport vgl. De Salvo, Lietta, Rifornimenti alimentari e trasporti marittimi nelle Variae di Cassiodoro, in: Leanza, Sandro (Hrsg.), Flavio Magno Aurelio Cassiodoro. Atti della settimana di Studi, Soveria Mannelli 1984, S. 409 – 420; Ellmers, Detlev, Frühmittelalterliche Handelsschiffahrt in Mittelund Nordeuropa, Neumünster 1972.
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Unter Verweis auf die geographischen Begebenheiten, die Italien für den Überseehandel prädestinierten, hob Cassiodor die enorme Bedeutung der Hafenstädte hervor, die Orte des Warenumschlags waren (Var. VIII 31, 5). Neubauten von Kai- und Werftanlagen dürften in Italien eher selten gewesen sein, stattdessen setzte Cassiodor auf deren Restauration (Var. I 25).³⁰ Die Seefahrt selbst beschrieb Cassiodor als lebensgefährliche Leistung, die nur von den Besten geleistet werden könne (Var. IV 15, 1). In diesem Schreiben wird der Austausch von 21 dromonarii, Ruderern auf Schnellseglern, die – vermutlich durch einen Unfall – ums Leben gekommen waren, angeordnet. Cassiodor beschrieb ausführlich seine Erwartungen an die neue Besatzung.³¹ Demzufolge bedürfe es Ruderern, die innerlich ebenso stark seien wie mit ihren Körperkräften, damit ihr Selbstvertrauen den wellenreichen Stürmen entgegentreten könne. Denn was gebe es Wagemutigeres als mit einem Schiff in das unzuverlässige weite Meer einzudringen, mit dem einzig durch Verzweiflung erregte Tollkühnheit zu ringen vermöge (Var. IV 15, 2).³² Die Aufnahme dieses Briefes in die Variae ist vor dem Hintergrund von Cassiodors allgemeiner Sorge um den für Italien wichtigen Überseehandel zu deuten, die auch im Zusammenhang des Umgangs mit ausländischen Händlern deutlich wird. Da der Handel zur See für die Wirtschaft Italiens entscheidend war, warnte Cassiodor den comes von Porto vor der Erhebung überhöhter Abgaben, da ein Boykott der Häfen zu befürchten sei (Var. VII 9, 3). Ähnlich waren die Anweisungen an den vicarius (Var. VII 23) und an den comes von Ravenna (Var. VII 14). Beide Männer wurden von Cassiodor auf das Schärfste dazu ermahnt, im Umgang mit ausländischen Händlern äußerste Klugheit walten zu lassen. Voraussetzung für Handel auf dem Meeresweg war zugleich die Verfügbarkeit von Schiffen. Vor diesem Hintergrund lässt sich Cassiodors Befürchtung verstehen, dass
Vgl. hierzu auch Lehmann-Hartleben, Karl, Die antiken Hafenanlagen des Mittelmeers. Beiträge zur Geschichte des Städtebaus im Altertum, Leipzig 1923. Abgesehen von der Erwähnung von Schiffseignern (Var. V 35, 2 „naucleri“; vgl. Var. IV 5, 2 „navicularii“) nannte Cassiodor noch die seemännische Besatzung (Var. I 2, 5; V 16, 4; V 17, 1; V 19). Die damals übliche funktionale Gliederung der Schiffsbesatzung lässt sich so nur erahnen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich nicht mit Gewissheit sagen lässt, ob mit naucleri und navicularii Reeder und Kapitäne gemeint sind oder Großgrundbesitzer, wie Jean Rougé vermutet.Vgl. Rougé, Recherches sur l′ organisation, S. 255. Dietrich Claude geht von ersterem aus. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 67. Die Gefahren der Seefahrt unterstrich Cassiodor mit Verweis auf einen Händler, der selbst die durch wütendste Stürme aufgewühlte See nicht scheuen würde, um mit fremden Waren Gold zu erwerben, das er seinen Nachkommen hinterlassen könne (Var. II 14). An anderer Stelle ist von einer Getreideflotte zu lesen, die um 508 von Sizilien nach Südgallien segelte, und im Sturm unterging (Var. IV 7). Die Besatzung konnte zumindest teilweise gerettet werden (Var. IV 7, 2): Atque ideo sublimitas tua prosecutores frumentorum, qui de Sicilia fuerant ad Gallias destinati, lacrimabili nos aditione pulsasse cognoscat, dum susceptum onus promovissent in pelagus, adversis flatibus fuisse susceptum: ubi fatiscente compage trabium, omnia vis absorbuit undarum nec quicquam miseris de aquarum nimietate nisi solas lacrimas restitisse. Zur Gefährlichkeit der Seefahrt vgl. auch Zagagi, Netta, Travel on the Sea, but Avoid…, in: Mediterranean Historical Review 2 (1987), S. 115 – 116.
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Italien nicht über genügend Schiffe verfüge, um im Überseehandel konkurrenzfähig zu bleiben. Hieraus resultierte ab 523/26 das größte im frühmittelalterlichen Westeuropa bezeugte Schiffsbauprogramm, mit deren Durchführung der Prätorianerpräfekt Abundantius und der comes patrimonii Wiliarit betraut wurden: Cum nostrum igitur animum frequens cura pulsaret naves Italiam non habere, ubi tanta lignorum copia suffragatur, ut aliis quoque provinciis expetita transmittat, deo nobis inspirante decrevimus mille interim dromones fabricandos assumere, qui et frumenta publica possint convehere et adversis navibus, si necesse fuerit, obviare.
Insgesamt sollten 1000 Dromonen gebaut werden, die in den Ausführungen Cassiodors als Mehrzweckschiffe erscheinen, da mit ihnen im Krieg Feinde³³ abgewehrt und im Frieden Transporte vollzogen werden sollten (Var. V 16, 2).³⁴ Cassiodor stellte den geplanten Schiffen die erwünschte ausländische Flotte gegenüber, von der ein Teil des italischen Außenhandels abhing (Var. V 16, 2).³⁵ Auf einen Mangel an Schiffen deuten
Der Bau der Schiffe wurde in Folge der Ermordung Amalafridas durch den Vandalenkönig Hilderich angeordnet. Selbst wenn es sich um keine reinen Kriegsschiffe handelte, glaubte man, gegenüber den Vandalen und Oströmern gewappnet zu sein (Var. V 17, 3), denn: Non habet quod nobis Graecus imputet aut Afer insultet. Hierzu siehe unten S. 232. Aufgrund der vielseitigen Verwendbarkeit musste einer Spezialisierung im Schiffsbau entgegengewirkt werden. Zwar erwähnte Cassiodor die Ruderer dieser Schiffe (Var. V 17, 1) und doch betonte er später in diesem Schreiben, dass es die Segel seien, die den Schiffen ihre Geschwindigkeit verliehen (Var. V 17, 3). Hinzu kommt, dass Cassiodor die Bezeichnung dromonarii auch in Ostiglia am Po erwähnte (Var. II 31), so dass auch Flussschiffe von ihm als Dromonen bezeichnet wurden. Es lässt sich folglich nicht rekonstruieren, wie genau man sich die Schiffe vorzustellen hat. Fest steht allerdings, dass es sich aufgrund der Multifunktionalität um keine Kampfschiffe nach oströmischem Vorbild handelte, sondern um Transportschiffe. Vgl. hierzu Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 49, S. 54; Dolley, Reginald Hugh Michael, The Warships of the Later Roman Empire, in: Journal of Roman Studies 38 (1948), S. 47– 53, hier S. 48; Casson, Lionel, Ships and Seamanship in the Ancient World, Princeton 1979, hier: S. 148 f.; Last, Helmut, Die Außenpolitik Theoderichs des Großen, Norderstedt 2013, hier: S. 283. Der logistische Aufwand, den der Bau und die Bemannung von 1000 Dromonen erforderte, war enorm. Stella Patitucci Uggeri bezweifelt deshalb diese Anzahl. Vgl. Patitucci Uggeri, Stella, La politica navale di Teoderico. Riflessi topografici nel Ravennate, in: Teoderico il Grande e i Goti d′Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull′Alto Medioevo, Mailand 1992, S. 771– 786, hier S. 771. Das für das Bauprojekt erforderliche Holz sollte, um lange und umständliche Transporte zu vermeiden, in Küstennähe geschlagen werden (Var. V 16, 3). Diesem Schreiben ist auch der Hinweis zu entnehmen, dass Holz importiert werden musste, um den Bedarf zu decken (Var. V 16, 2). Aus diesem Grund sollte am Po nach geeignetem Zypressen- und Pinienholz gesucht werden (Var.V 17, 5; V 18, 3). Bei den artifices, die nach geeignetem Holz suchen sollten, handelte es sich offenbar um Schiffszimmerleute, ansonsten bleibt die Organisation des Schiffsbauprogramms weitestgehend im Dunklen. Der Wunsch Cassiodors, durch den Bau der Dromonen künftig einen Großteil des Außenhandels auf eigenen Schiffen abzuwickeln, lässt die Vermutung aufkommen, dass der Verkehr überwiegend mit auswärtigen Schiffen erfolgte. Dies lässt sich damit bestätigen, dass auch die Formel für die Bestallung eines comes von Porto an erster Stelle fremde Kaufleute erwähnte (Var.VII 9, 1). Auch die Formel für die Einsetzung eines vicarius portus nannte fremde Händler vor einheimischen Kaufleuten (Var. VII 23).
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auch die Begleitumstände eines geplanten Getreidetransportes von der iberischen Halbinsel nach Rom hin, wo offenbar aufgrund fehlender Schiffe und ungünstiger klimatischer Bedingungen die bereits bezahlte Ware in Afrika verkauft wurde (Var. V 35, 1). Vergleichbare Textstellen wecken jedoch den Eindruck, dass das tatsächliche Ausmaß fehlender Schiffe nicht unbedingt für bare Münze genommen werden darf und stattdessen von Cassiodor zur Legitimierung des Schiffsbauprogramms überspitzt und dramatisiert dargestellt wurde. So wurden beispielsweise die Schiffseigener Kampaniens, Lucaniens und Tusciens in einem Schreiben aus dem Jahr 508/511 während des Krieges gegen Chlodwig I. in Südgallien aufgefordert, Lebensmittel in notleidende Gebiete zu verschiffen (Var. IV 5, 2). An anderer Stelle ist zu lesen, dass Getreide zur Versorgung ostgotischer Garnisonen an der Durance nach Marseille verschifft wurde (Var. III 41).³⁶ Die Sorge um ausreichend zur Verfügung stehende Schiffe, einschließlich der Besatzungen, deutet bereits an, dass die von Cassiodor gepriesene wirtschaftliche Stabilität in bestimmten Bereichen an ihre Grenzen stieß. Aufgrund propagandistischer Überhöhungen, dem Mangel an exakten Angaben und der Widersprüchlichkeit der Informationen kann keine allgemeine Beurteilung von Handelsvolumen und Wirtschaftskraft gewonnen werden.³⁷ Zugleich kommt die Frage auf, was Cassiodor
Beide Passagen zusammengenommen lassen den Schluss zu, dass im Außenhandel fremde Schiffe dominierten, während der regionale Handel weitgehend auf einheimischen Schiffen abgewickelt wurde. Dietrich Claude vermutet zu Recht, dass es sich bei der Versorgung einer ganzen Region sowie einer ganzen Garnison mit Nahrungsmitteln um eine quantitativ nicht unbedeutende Aktion gehandelt hatte, die eine größere Anzahl an Schiffen voraussetzte. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 52. Dies liegt vor allem daran, dass ein und dieselbe Stelle unterschiedlich gelesen und interpretiert werden kann. Als Indiz für einen auf der einen Seite insgesamt mäßigen Überseehandel wird der oben erwähnte fehlgeschlagene Versuch, spanisches Getreide nach Rom zu verschiffen, angeführt (Var. V 35). Den navicularii wurden 280 solidi für den Ankauf des Korns gezahlt (Var. V 35, 2). Nicht ersichtlich wird in diesem Schreiben, wie viele modii die Schiffseigner für einen solidus erhielten. Lellia Cracco Ruggini legt einen Preis von 30 modii pro solidus zugrunde und errechnet auf dieser Grundlage, dass 8.400 modii verschifft worden seien. Vgl. Cracco Ruggini, Lellia, Economia e società nell’Italia annonaria. Rapporti fra agricoltura e commercio dal IV al VI secolo d.C., Bari 1995, hier: S. 293. Rechnet man indes mit dem vom Anonymus Valesianus genannten Preis von 60 modii für einen solidus, so wären 16.800 modii verschifft worden. Vgl. Exc. Val. 73,21. Knud Hannestad hält diese Notiz für zutreffend. Vgl. Hannestad, Knud, L’évolution des ressources agricoles de l’Italie du 4ème au 6ème siècle de notre ère, Kopenhagen 1962, hier: S. 91. Unabhängig, welcher Schätzung man sich anschließt, wären allenfalls drei Schiffe für den Transport benötigt worden, was nach Dietrich Claude für einen weniger umfangreichen Überseehandel spricht. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 57; Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 55. Im Gegensatz zu dieser Feststellung wurde die Verschiffung spanischen Getreides nach Italien auf der anderen Seite durchaus auch als Hinweis auf einen umfangreichen überseeischen Handel interpretiert. Vgl. hierzu unter anderem Blázquez, José Maria, Beziehungen zwischen Spanien und Italien während der Spätantike, in: Chrysos, Evangelos (Hrsg.), Studien zur Geschichte der römischen Spätantike, Festgabe für Professor Johannes Straub, Athen 1989, S. 11– 18, hier S. 16; Lecce, La vita economica, S. 368.
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mit der Aufnahme dieser vordergründig negativ erscheinenden Botschaften bezwecken wollte. Diese Frage wird dadurch bestärkt, dass bei der Zusammenstellung der Variae mit der sinkenden Leistungsfähigkeit einzelner Regionen und einer allgemein in Italien vorherrschenden Metallarmut weitere Schreiben berücksichtigt wurden, die einen negativen Eindruck wecken. Ausgehend von dieser Frage soll im folgenden Abschnitt betrachtet werden, welche Maßnahmen Cassiodor ergriff, um Engpässen vorzubeugen und die in seinen Augen elementare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Italiens sicherzustellen.
3.1.2 Maßnahmen zur Stabilisierung und Förderung der Wirtschaft angesichts sinkender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Engpässen Cassiodor pries die seiner Ansicht nach prosperierende Landwirtschaft der Provinzen Lucanien und Bruttium, seiner Heimat, in den höchsten Tönen (Var. VIII 31, 5).³⁸ Wie es allerdings in Wahrheit um die Leistungsfähigkeit bestellt war, enthüllt ein weiteres Schreiben, demzufolge beide Regionen Rom einst mit Schweinen und Rindern versorgt hätten (Var. XI 39, 3). Als Ablösung dieser Naturalabgabe sollten deren Bewohner jährlich 6.400 solidi bezahlen. Im Jahr 533 verfügte Cassiodor, dass diese Abgabe, die offensichtlich zwischenzeitlich herabgesetzt wurde, von 1.200 nochmals um 200 solidi reduziert werden sollte (Var. XI 39, 5). Was als Ausfluss königlicher Freigebigkeit gepriesen wurde, war allem Anschein nach die Reaktion auf die sinkende Leistungskraft dieser Provinzen.³⁹ Vergleichbares ist für Sizilien festzustellen (Var. IX 10, 2). Die Äußerung Athalarichs, während der langen Friedenszeit unter der Regentschaft seines Großvaters Theoderich habe der Wohlstand Siziliens zugenommen und die Bevölkerung sei gewachsen⁴⁰, ist propagandistische Überhöhung, da die Steuern, die Theoderich heraufgesetzt hatte, wieder auf ihren früheren Stand ermäßigt werden sollten.
Die Urkundensammlung enthält ausführliche Bestimmungen, die Steuererleichterungen für Cassiodors Heimat Bruttium und Lucanien enthalten. Dies verknüpfte er mit dem Bekenntnis, dass jeder seine Heimat besonders begünstige (Var. XII 5, 1– 2). Zu diesem Verhalten vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 181; Barnish, Samuel J. B., Pigs, Plebeians and Potentes. Rome’s Economic Hinterland c. 350 – 600 A.D, in: Papers of the British School at Rome 54 (1987), S. 157– 185, hier: S. 164 f. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 61; Hannestad, L’évolution des ressources agricoles, S. 43 f.; Cracco Ruggini, Economia e societá, S. 315. An dieser Stelle sah Cassiodor einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stabilität und demographischem Wachstum. Im Zusammenhang mit der Anzahl der Mühlen in Rom sprach er allerdings von einem Bevölkerungsrückgang (Var. XI 39, 1), so dass sich dem Leser der Variae an dieser Stelle ein Widerspruch offenbart. Cassiodor argumentierte, dass man Mühlen nicht zum Schmuck gebaut habe, sondern zum Gebrauch. Um seine Vermutung zu begründen, nannte er des Weiteren die Größe älterer Bauwerke, ausgedehnte Theateranlagen und die bewundernswerte Größe der Thermen, um möglichst eine große Zahl an Menschen unterzubringen. Zu den Mühlen vgl. auch Prokop, BG, 1,19,8 f. Zum allgemeinen Bevölkerungsrückgang passt die Aussage, dass die gotischen Zuwanderer zum Bevölkerungswachstum beigetragen hätten (Var. VII 3, 3).
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Bereits gezahlte Gelder sollten dabei zurückerstattet werden (Var. IX 10, 3). Offenbar zielten die Bestrebungen darauf ab, eine erneute Überbesteuerung zu vermeiden (Var. IX 10, 4). Gleiches traf auf Dalmatien zu, wo bereits verfügte Steuermaßnahmen widerrufen werden mussten (Var. IX 9, 3). Vertreter sollten nach Ravenna kommen, um gemeinsam über die Höhe der Steuern zu beraten (Var. IX 9, 4): Hoc etiam insuper vobis concedentes, ut, […], tales homines destinate, per quos possimus evidenter agnoscere, quemadmodum in futurum census doceatur impositus, ut, si gravatos vos esse cognoscimus, pro parte nobis qua visum fuerit considerata aequitate relevemus.
Die Aufnahme dieser Schreiben verdeutlicht, dass, zumindest in einzelnen Regionen Italiens, ein offensichtliches Gefälle zwischen Steuerforderung und tatsächlicher Leistungsfähigkeit bestand.⁴¹ Als weiteres Indiz einer eher geringen Stabilität der Wirtschaft ließe sich der Mangel an Edelmetallen anführen, den Cassiodor offen eingestand: Frumenta nobis usualiter natura industria suffragante concedit: passim se vina profundunt: metallum raro proditur, ut studiosius expetatur (Var. IX 3, 1). Das reiche Italien solle, da dort, wo das gelbe Metall gefunden werde, Erfolg eintrete, goldene Früchte tragen. Denn was sei es nötig, die Erde mit vielfachem Ernteertrag zu ermüden, wenn in ihr so viel Wertvolles zu holen sei? Feldfrüchte gewähre die Natur bei entsprechendem Bemühen, nur das Metall werde selten gefördert, so dass man es noch eifriger erstrebe (Var. IX 3, 1). Mit dieser Begründung erfolgte die Anweisung an den comes patrimonii und den vir illustris Bergantinus⁴², in Bruttium nach Gold zu schürfen und eine neue Goldmine zu erschließen, denn: Cur enim iaceat sine usu, quod honestum potest esse compendium (Var. IX 3, 4)? Ferner erging der Befehl, die Eisengewinnung in Dalmatien wieder aufzunehmen (Var. III 25; III 26).⁴³ Auf eine allgemeine Metallarmut deutet ferner der Umstand hin, dass in Rom Bauten beschädigt wurden (Var. III 31, 4) und in Como eine bronzene Statue abhanden kam (Var. II 35)⁴⁴, um jeweils an das kostbare Material zu gelangen.
Ohne dies weiter auszuführen oder zu belegen vermutet Ghislaine Noyé, dass Steuerermäßigungen auch andere Ursachen gehabt haben konnten als mangelnde Wirtschaftskraft. Vgl. Noyé, Ghislaine, Les Bruttii au VIéme siécle, in: Mélanges de l’Ecole française de Rome. Moyen Âge 103 (1991), S. 501– 551, hier S. 515 f. Dietrich Claude führt an, dass diese Maßnahmen dazu dienen konnten, die Loyalität der Untertanen zum Königshaus zu stärken. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 59. Zu Bergantinus siehe PLRE II, Bergantinus, S. 225; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 28, S. 38 f. Beide Schreiben, in denen der comes Simeonius mit der Suche und Erschließung weiterer Eisenvorkommen beauftragt wurde, legen den Schluss nahe, dass Produktion und Nachfrage weit auseinanderlagen. Das gefundene Material sollte sofort nach Italien verschifft werden. Wie das Schreiben an den comes Tancila vermuten lässt, musste es sich allem Anschein nach um eine sehr wertvolle Statue gehandelt haben, da für die Wiederbeschaffung eine Belohnung von 100 solidi ausgelobt wurde. Dem Dieb wurde ferner Straffreiheit zugesagt, um ihn zur Rückgabe zu bewegen. In Verdacht gerieten Handwerker der Stadt, die einer strengen Befragung und Folter unterzogen werden sollten, um diesen Sachverhalt zu klären. Es wurde vermutet, dass diese das Material als Buntmetall verwendeten (Var. II 35).
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Etwas befremdlich mutet der Befehl an den saio Duda an, er solle in Gräbern nach Gold suchen und das Metall abliefern (Var. IV 34). Die Anwendung einer solch extremen Maßnahme, die sowohl dem Rechtsbewusstsein der Romanen als auch der Goten zuwidergelaufen sein musste, lässt sich nur durch eine äußerste Finanznot erklären, die aus dem Krieg gegen die Franken resultierte.⁴⁵ Offenbar war die Wirtschaft zu schwach, um den Belastungen einer politisch und militärisch bedingten Krise widerstehen zu können.⁴⁶ Cassiodor war sich dem Unrechtscharakter⁴⁷ und den Auswirkungen, welche diese Anordnung bei der Bevölkerung wecken konnte, durchaus bewusst. In der Folge schärfte er Duda ein, tunlichst darauf zu achten, die Asche der Toten nicht mit den Händen zu berühren, um nicht den Anschein von Grabschändung zu bestätigen (Var. IV 34, 2).⁴⁸ Das Unrechtsbewusstsein Cassiodors
Während die Interpretation einer vorübergehenden Goldarmut Italiens in der Forschung dominiert, schließt Robert Latouche auf Basis dieses Schreibens auf eine allgemeine und strukturelle Goldarmut Italiens. Vgl. Latouche, Robert, Les origines de l′économie occidentale, Paris 21970, hier: S. 136 f. Vergleichbar äußert sich Lellia Cracco Ruggini, während Christoph Schäfer,Volker Bierbrauer und Walter Pohl die Untersagung der Verwendung von Edelmetallen als Grabbeigaben weniger vor einer Finanznot als vielmehr vor dem Hintergrund eines administrativen Eingriffs in die traditionellen Jenseitsvorstellungen deuten. Vgl. Cracco Ruggini, Economia e società, S. 390; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 186 f.; Bierbrauer, Volker, Frühgeschichtliche Akkulturationsprozesse in den germanischen Staaten am Mittelmeer (Westgoten, Ostgoten, Langobarden) aus der Sicht des Archäologen, in: Atti del 6° Congresso Internazionale di Studi sull’Alto Medioevo, Bd. 1, Spoleto 1980, S. 89 – 106, hier S. 102 f.; Pohl, Völkerwanderung, S. 140 f. Zu ostgotischen Bestattungsriten und archäologischen Befunden vgl. Bierbrauer, Volker, Grab- und Schatzfunde; Bierbrauer, Volker, Ostgermanische Oberschichtgräber der römischen Kaiserzeit und des frühen Mittelalters, in: Peregrinatio Gothica II. Archaelogia Baltica Polonia 8 (1986), S. 39 – 106; Bierbrauer,Volker, Neue ostgermanische Grabfunde des 5. und 6. Jahrhunderts in Italien, in: Acta Praehistorica et Archaelogica 39 (2007), S. 93 – 124. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 63. Die mutwillige Zerstörung von Gräbern wurde wie die Grabschändung mit der Todesstrafe bedroht. Vgl. Edictum Theoderici § 110, wo es heißt: Qui sepulchrum destruxerit, occidatur. Vgl. hierzu auch Nehlsen, Hermann, Der Grabfrevel in den germanischen Rechtsaufzeichnungen. Zugleich ein Beitrag zur Diskussion um Todesstrafe und Friedlosigkeit bei den Germanen, in: Jankuhn, Herbert/ Nehlsen, Hermann/ Roth, Helmut (Hrsg.), Zum Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Untersuchungen zu Grabraub und „haugbrot“ in Mittel- und Nordeuropa, Göttingen 1978, S. 107– 168, hier S. 112 f.; Ensslin, Theoderich der Große, S. 210 f. Auch in der Bestallungsurkunde für den comes rerum privatarum betonte Cassiodor die Unverletzlichkeit der Gräber (Var. VI 8, 4). Zum ersten Mal ist das Amt des comes rerum privatarum für das Jahr 318 n.Chr. am Hofe Konstantins belegt. Es umfasste die Tätigkeit eines Schatzmeisters des kaiserlichen Vermögens. Unter Theoderich kam dem Amtsinhaber eher die Rolle eines Richters in Fiskalfragen zu, das heißt, ihm oblag der Einzug von Geld und Gut in Fällen von Kriminalität und anderen Verstößen gegen geltendes Recht. In der Zeit der ostgotischen Herrschaft verschmolz das Amt des comes rerum privatarum mit dem Amt des comes patrimonii. Zwar ist in den Variae jeweils ein Formular für jedes Amt zu finden (Var. VI 8; VI 9) und doch verwendete Cassiodor beide Bezeichnungen parallel bzw. synonym zueinander (Var. I 16; IV 3; IV 7; IV 13). Zu den comitiva rerum privatarum vgl. RadtkiJansen, Herrscher, S. 149, 211; Wolfram, Goten, S. 298; Barnwell, Emperor, Prefects and Kings, S. 148 – 149; Zimmermann, The Late Latin Vocabulary, S. 208.
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lässt sich vor allem damit belegen, dass er an anderer Stelle den comes Anna damit betraute, eine Untersuchung gegen den Priester Laurentius durchzuführen (Var. IV 18), der Gräber nach Gold durchwühlt haben soll, um sich persönlich zu bereichern (Var. IV 18, 1): Dudum siquidem ad nos multorum suggestione pervenit Laurentium presbyterum effossis cineribus funestas divitias inter hominum cadavera perscrutatum concussionemque mortuis intulisse, quem oportet viventibus quieta praedicare. non abstinuisse perhibetur tam crudeli contagio piis dicatas consecrationibus manus: aurum exsecrabili quaesisse fertur affectu, quem suam decuisset egentibus dare substantiam vel sub aequitate collectam.
Laurentius habe demzufolge mit zu verdammender Gier nach Gold gesucht. Erschwerend kam für Cassiodor hinzu, dass er als Geistlicher, der den Lebenden eigentlich Ruhe predigen sollte, die Totenruhe erschüttert habe. Anna wurde daher dazu angehalten, den Vorfall genauestens zu untersuchen, da ein solches Verbrechen nicht ungestraft bleiben dürfe (Var. IV 18, 2). Dass Cassiodor Fakten zu seinen Gunsten auslegte und gleiche Sachverhalte an unterschiedlichen Stellen gegensätzlich deutete, führt in diesem Zusammenhang auch die Begründung der Anordnung an Duda vor Augen. Während das Verhalten von Laurentius scharf angeprangert und verurteilt wurde, heißt es hier, dass es zur üblichen Klugheit gehöre, das im Erdreich verborgene Gold zum Gebrauch der Menschen zurückzuholen und den Handel der Lebenden nicht den der Toten zu nennen (Var. IV 34, 1).⁴⁹ Aus diesem Grund solle sich Duda gemeinsam mit amtlichen Zeugen zu Orten begeben, wo die meisten Metalle zu vermuten seien, und dieses bergen, denn: Aedificia tegant cineres, columnae vel marmora ornent sepulcra: talenta non teneant, qui vivendi commercia reliquerunt (Var. IV 34, 2) und weiter: Aurum enim sepulcris iuste detrahitur, ubi dominus non habetur: immo culpae genus est inutiliter abditis relinquere mortuorum, unde se vita potest sustentare viventium. non est enim cupiditas eripere, quae nullus se dominus ingemiscat amisisse (Var. IV 34, 3).
Der aufgezeigte Missstand darf an dieser Stelle nicht überbewertet werden, gleichwohl war Edelmetall wichtiges Tauschmittel beim An- und Verkauf von Waren.⁵⁰ Er ver-
Zur Behandlung des Grabraubs in frühmittelalterlichen Rechtsquellen vgl. Krüger, Karl Heinrich, Grabraub in den erzählenden Quellen des frühen Mittelalters, in: Jankuhn, Herbert/ Nehlsen, Hermann/ Roth, Helmut (Hrsg.), Zum Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Untersuchungen zu Grabraub und „haugbrot“ in Mittel- und Nordeuropa, Göttingen 1978, S. 169 – 187; Behrends, Okko, Grabraub und Grabfrevel im römischen Recht, in: Jankuhn, Herbert/ Nehlsen, Hermann/ Roth, Helmut (Hrsg.), Zum Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Untersuchungen zu Grabraub und „haugbrot“ in Mittel- und Nordeuropa, Göttingen 1978, S. 85 – 106. Beliebtes Tauschmittel waren vor allem Münzen. So verkauften beispielsweise die Bewohner Histriens agrarische Produkte sowohl an ausländische Kaufleute als auch an ostgotische Händler gegen Gold (Var. XII 22, 2). Allerdings darf die Rolle des Goldes als Tauschmittel nicht überbewertet werden, da Cassiodor im Zusammenhang mit dem Salzvorkommen in der venetischen Lagune das Salz
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deutlicht aber im Zusammenspiel mit fehlenden Schiffen und der sinkenden Steuerleistung einzelner Regionen, dass die italische Wirtschaft in bestimmten Bereichen durchaus auch in Schieflage geraten konnte. Cassiodor erkannte, dass es stabiler ökonomischer Verhältnisse bedurfte, um die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates aufrechtzuerhalten und auf diese Weise die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen. Zur Konsolidierung stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse, entwickelte er verschiedene Maßnahmen, die an unterschiedlichen Punkten ansetzten.⁵¹ Eine dieser Maßnahmen war der Eingriff auf die Preisbildung. Entsprechende Nachrichten aus anderen regna fehlen, so dass es sich hierbei um eine auf spätrömische Vorbilder zurückgehende Besonderheit des Ostgotenreiches handelte.⁵² Zahlreich in die Variae aufgenommene Schreiben verdeutlichen eine Regelmäßigkeit von Eingriffen in der Hoffnung, Teuerungen und Engpässe zu steuern, um eine regelmäßige Versorgung zu garantieren. Über die praktische Durchführung und die Resultate dieser Maßnahmen ist nur wenig bekannt, doch lässt sich ausgehend von den allgemeinen Anordnungen feststellen, dass Cassiodor realistische Beträge und keine Wunschpreise anstrebte. Neben der Festlegung von Preisen sind dabei seltener Fälle überliefert, in denen er situationsbedingt die Kräfte des freien Marktes wirken und die Preisbildung dem freien Marktgeschehen überließ. Die Preisfestlegung erfolgte auf der Ebene der civitates. Dem defensor civitatis oblag die Überwachung der Höchstpreise (Var. VII 11, 2).⁵³ Ziel war eine der Marktlage zum Geldersatz erhob (Var. XII 24, 6): Moneta illic quodammodo percutitur victualis. Salz als Würz- und Konservierungsmittel eignete sich besonders gut als allgemein anerkanntes Tauschmittel.Vgl. Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 218. Entgegen der von Cassiodor reichhaltig getroffenen Maßnahmen kommt Hans-Ulrich Wiemer zu dem Schluss, dass „Theoderich […] keine Wirtschafts- und auch keine Sozialpolitik betrieben [hat].“ Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 472 sowie vergleichbar kritisch Wolters, Reinhard, Nummi Signati. Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft, München 1999, hier: S. 234– 258; 395 – 410; Schmidt-Hofner, Sebastian, Reagieren und Gestalten. Der Regierungsstil des spätrömischen Kaisers am Beispiel der Gesetzgebung Valentinians I., München 2008, hier: S. 209 – 216; 344– 350. Obgleich die initiierten Maßnahmen durchaus darauf abzielten, den geschaffenen Zustand nach der erfolgreichen Ansiedlung der Ostgoten zu konservieren, darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass Cassiodor an vielen Stellen ein ausgeprägtes wirtschaftliches Gespür an den Tag legte und mit seinen Anordnungen, die im Folgenden noch genauer ausgeführt werden, nicht selten Neuland betrat. Vgl. Cracco Ruggini, Economia e società, S. 271. Darüber hinaus war es Aufgabe des defensor civitatis, dem „Verteidiger der Stadt“, als Richter Fälle bis zu einem Streitwert von 50 solidi zu entscheiden. Außerdem sollte der Defensor für die einfache Bevölkerung agieren und entsprechend seines Mandats gegen Missbräuche in der Steuererhebung und städtischen Justiz einschreiten. Außerdem wirkte er bei der Verwaltung städtischer Ländereien, an Bauvorhaben und an der Beurkundung von Rechtsgeschäften mit. Cassiodor fasste die Aufgaben im Formular für die Ernennung eines Defensors zusammen und hob dabei insbesondere die Kontrolle der Preise und die Rechtsprechung als die beiden Hauptaufgaben hervor (Var.VII 11 sowie ferner Var. II 17; III 9; III 49; IV 45; V 14; IX 10). Zum defensor civitatis vgl.Wiemer, Theoderich der Große, S. 447; Frakes, Robert M., Contra potentium iniurias. The Defensor civitatis and Late Roman Justice, München 2001;
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angepasste Preisgestaltung, wobei sowohl die Interessen der Händler als auch die der Konsumenten berücksichtigt werden sollten, wie Cassiodor in einem eigens für Ravenna formulierten Preisedikt⁵⁴ verfügte (Var. XI 11, 1): Venalitas victualium rerum temporis debet subiacere rationi, ut neque in vilitate caritas nec in caritate vilitas expetatur, sed aequalitate perpensa et murmur ementibus et gravamen querulis negotiatoribus auferatur.
An anderer Stelle heißt es hierzu: Commercia civibus secundum temporum qualitatem aequabili moderiatione dispone (Var. VII 11, 2). Als Orientierungshilfe für die Preisfestsetzung setzte Cassiodor – schon fast modern – auf das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, wenn es heißt, dass die Menge der zur Verfügung stehenden Waren (Var. XII 22; XII 23) sowie die jeweiligen Umstände der Zeit (Var. VII 11; XI 11) berücksichtigt werden sollten. Wie im Zusammenhang mit der oben erwähnten Reglementierung bezüglich der Unterbringung von Reisenden ersichtlich wird, setzte er dabei auf Transparenz, da in diesen Prozess neben den Gastwirten sowohl Teile der Bevölkerung als auch Bischöfe eingebunden waren (Var. XI 21). Dies bestätigt sich darin, dass der comes Gildila von Syrakus, der offenbar aus Eigennutz überseeische Waren beschlagnahmte und die Preise für Importgüter willkürlich niedrig ansetzte, von Cassiodor angewiesen wurde, ebenfalls den Bischof und die Bevölkerung bei der Preisfestlegung einzubeziehen (Var. IX 14). Der Minister bestand darauf, dass die Preise frei ausgehandelt wurden: Pretia communi debent deliberatione constitui, quia non est delectatio commercii, quae iubetur invitis (Var. IX 14, 9).⁵⁵ Seine mehrheitlich stark situationsbezogenen Maßnahmen, um Missstände und Unterversorgung zu vermeiden, offenbart das bereits oben erwähnte Schreiben, in welchem die Schiffseigner Kampaniens, Lucaniens und Tusciens angehalten wurden, die infolge des Krieges gegen Chlodwig I. gebeutelte Bevölkerung Südgalliens mit Nahrungsmitteln zu versorgen (Var. IV 5, 2 f.): Atque ideo devotio tua praesenti auctoritate cognoscat omnes navicularios Campaniae, Lucaniae sive Tusciae fideiussoribus idoneis se debere committere, ut cum victualibus speciebus tantum proficiscantur ad Gallias, habituri licentiam distrahendi sic ut inter emptorem venditoremque convenerit. Grande commodum est cum indigentibus pacisci: quando fames totum solet contem-
Schmidt-Hofner, Sebastian, Der „defensor civitatis“ und die Entstehung des Notabelnregiments in den spätrömischen Städten, in: Meier, Mischa/ Patzold, Steffen (Hrsg.), Chlodwigs Welt. Organisation von Herrschaft um 500, Stuttgart 2014, S. 487– 522. Dem Edikt fügte Cassiodor ein Preisverzeichnis bei (Var. XI 11, 2), welches allerdings nicht überliefert ist. Hinter diesen staatlichen Eingriffen stand die berechtigte Sorge um einen ungehinderten Handel samt Warenverkehr. Der Schutz des Konsumenten, des Produzenten und des Vermittlers, sprich der Reeder und der Kaufleute, gegenüber Übervorteilung ist ein Grundsatz, der auch im Edictum Theoderici betont wird. Cassiodors Eingreifen war folglich ein ernstes Anliegen. Vgl. Edictum Theoderici § 149 sowie Ensslin, Theoderich der Große, S. 237 f.; Cracco Ruggini, Economia e società; Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 226.
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nere, ut suam necessitatem possit explere. nam cum ambitioni suae serviat, prope modum donare videtur, qui vendit rogatus. ad saturatos cum mercibus ire certamen est: suo autem pretium poscit arbitrio, qui victualia potest ferre ieiunis.
Anstelle in gewohnter Weise Preise festzulegen, wurde den Händlern die Freiheit zugestanden, diese frei zu vereinbaren. Dies unterstrich Cassiodor damit, dass er nachdrücklich darauf hinwies, dass es ein großer Vorteil sei, mit Notleidenden übereinzukommen, da Hunger alles gering zu achten pflege, um seine Bedürfnisse zu erfüllen. Wer nämlich auf Bitten hin verkaufe, scheine beinahe alles zu schenken, obwohl es seinem eigenen Gewinn diene (Var. IV 5, 1).⁵⁶ Zu Gesättigten mit Waren zu kommen, bedeute Auseinandersetzung, nach seinem eigenen Gutdünken aber fordere der die Preise, der Hungrigen Lebensmittel bringe (Var. IV 5, 3). Durch die Schaffung dieses ökonomischen Anreizes und dem Appellieren an die Gewinnsucht der Händler⁵⁷ versuchte Cassiodor, die Notsituation zu steuern. Bis eine ausgeglichenere Konstellation geschaffen wird, im Zuge dessen sich die Preise wieder normalisieren, wird dieser Mechanismus dem freien Markt überlassen. Das Bewusstsein, dass der festgesetzte Preis für Käufer und Verkäufer annehmbar sein musste und die Erkenntnis, dass die Preise in Zeiten des Überflusses und der Knappheit schwanken, spricht für die Aufgeschlossenheit Cassiodors gegenüber wirtschaftlicher Vorgänge.⁵⁸ Der Verzicht auf Preisfestlegungen und damit sein Gespür für ökonomische Belange lässt sich in diesem Kontext so deuten, dass offenbar nur die Aussicht auf besonders große Gewinne die Händler zu raschem Handeln motivieren konnte.⁵⁹ Allem Anschein nach war er sich bewusst, dass es für die Händler unwirtschaftlich war, Massengüter wie Getreide zu verschiffen, deren Wert im Verhältnis zum Volumen oder Wörtlich heißt es: In Gallicana igitur regione victualium cognovimus caritatem, ad quam negotiatio semper prompta festinat, ut empta angustiore pretio largius distrahantur. Zu den Getreidetransporten vgl. auch Ruggini, Economia, S. 262 f. Dies deckt sich damit, dass Cassiodor an anderer Stelle im Zusammenhang mit den Händlern von einem Menschenschlag sprach, der ausschließlich vom Gewinn lebe (Var. II 26, 5): […] genus hominum, quod vivit lucris […]. Während das Bestreben der Händler, möglichst großen Gewinn zu machen, an dieser Stelle von Cassiodor im positiven Sinne hervorgehoben wurde, äußerte er sich in seinem Psalmenkommentar grundlegend negativ. Dort hält er die Kaufleute insgesamt für verurteilenswert, da sie nicht frei von Sünde seien. Da Händler bestrebt seien, billig einzukaufen und teuer zu verkaufen, warf Cassiodor ihnen Profitgier vor: Negotiatores ergo illi abominabiles aestimantur, qui iustitiam Domini minime considerantes, per immoderatam pecuniae ambitu polluuntur, merces suas plus periuriis onerando quam pretiis. Cassiodor, Exp. Ps. 70,15. Nur in einem Nebensatz schränkte er sein Urteil auf schlechte Händler ein: […] illas scilicet quae malibus actibus inquinantur. Cassiodor, Exp. Ps. 70,15. Dass Cassiodor die Gewinnsucht der Kaufleute verurteilte, zeigt sich auch in einem Schreiben, in welchem er Schiffer verdächtigte, ihre Fahrt in gewinnsüchtiger Absicht zu verzögern (Var. I 35, 4). Vgl. Siems, Harald, Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, Hannover 1992, hier: S. 705. Vgl. Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 71. Bestärken ließe sich dies dadurch, dass das Schreiben den Schluss zulässt, dass in normalen Zeiten kein Getreide aus Italien nach Gallien verkauft wurde. Vgl. hierzu auch Cracco Ruggini, Economia e società, S. 274. Das Gleiche gilt wohl auch für Getreideverschiffungen von Spanien nach Italien (Var. I 34, 1).
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dem Gewicht nur gering war. Erst ein wirtschaftlicher Anreiz konnte die Händler dazu motivieren, diese Waren zum Kauf anzubieten.⁶⁰ Dies lässt sich damit belegen, dass er an anderer Stelle zu dem Schluss kam, dass, sofern die Preisbildung in Notzeiten nicht funktioniere, Preisfestlegungen nur konsequent seien (Var. IX 5,1): In necessitate siquidem penuriae pretii nulla contentio est, dum patitur quis induci, ne possit aliqua tarditate percelli. Hintergrund dieses Schreibens war, dass das von Einzelnen angehäufte Getreide aufgespürt und jedem die für den eigenen Bedarf erforderliche Menge belassen werden sollte. Den Rest solle man zu einem gemäßigten Preis verkaufen, der für alle annehmbar sei. Interessant ist die gegensätzliche Auslegung der Überlegung, dass ein Hungriger jeden Preis zahle. Denn während Cassiodor dies im vorherigen Beispiel positiv auslegte, um die Händler dazu zu bewegen, ihre Waren in das Notstandsgebiet zu verschiffen, erscheint das Argument an dieser Stelle in negativem Sinne, um über Preisfestlegungen zu verfügen.⁶¹ Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, offenbart bei genauerer Betrachtung Cassiodors staatsmännisches Geschick, situationsbedingt zu agieren, um seine Ziele durchzusetzen. Sein System der Preisregulierung funktionierte, was sich vor allem damit erklären lässt, dass er anstelle zentraler Verfügungen, die für das gesamte Reich gelten mussten, auf eine dezentrale Organisation setzte, wodurch regionale Besonderheiten berücksichtigt werden konnten. Hierzu wurden, wie bereits erwähnt, Bischöfe und auch die Bevölkerung mit in die Preisbildung einbezogen. Damit war gewährleistet, dass die festgesetzten Preise in der Nähe derjenigen lagen, die sich auf einem freien und nicht regulierten Markt gebildet hätten.⁶² Dies lässt sich damit bestätigen, dass, als in Norditalien eine Hungersnot herrschte, kein Geld, sondern Getreide aus den königlichen Speichern in Pavia, Dertona, Trient und Treviso geschickt wurde. Dieses sollte zum besonders günstigen Preis von 25 modii für einen solidus verkauft werden (Var. X 27). Cassiodor wusste wohl, dass nur durch eine Vermehrung des Angebots an zur Verfügung stehenden Waren die Preise auf einem Normalmaß gehalten werden konnten.⁶³
Angesichts der zu vermutenden Ernteschwankungen ist zu vermuten, dass in der Zeit, die zwischen dem Erhalt der Nachricht über eine Hungersnot und der Ankunft der Waren im Krisengebiet, die Mangelsituation verschwunden und wieder eine Normalisierung des Preisniveaus eingetreten war. Dies konnte für die Kaufleute einen erheblichen Gewinnrückgang bedeuten, der bis zum Verlust reichen konnte. Unter diesen Umständen stand das kommerzielle Risiko oftmals in keinem vertretbaren Verhältnis zum möglicherweise eintretenden Gewinn.Vgl. Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 74. Es nimmt daher wenig Wunder, wenn Cassiodor mit der Möglichkeit der freien Preisbildung die Händler zusätzlich motivieren wollte. Regulierungen dieser Art sind auch im Zusammenhang mit staatlichen Ernteaufkäufen (Var. XII 22; XII 23) und dem Ankauf von Wein für das Heer (Var. XII 26) bezeugt. Vgl. Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 66. Dies lässt sich mit einem weiteren Schreiben bestätigen, welches Cassiodor an die Bischöfe und honorati einer unbekannten Provinz richtete (Var. IX 5). Durch eine Beschwerde der Grundbesitzer (possessores) dieser Region wurde der König darauf aufmerksam gemacht, dass Mitbürger in zu verfluchender Grausamkeit frühzeitig Hirse gekauft und diese in ihrem eigenen Bestand verborgen hätten,
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Ein Gespür für wirtschaftliche Vorgänge zeigt sich zugleich daran, dass den Kaufleuten von Siponto, die durch den byzantinischen Flottenangriff im Jahr 507 empfindliche Einbußen erlitten, neben Erleichterungen auch ein zweijähriges Schuldenmoratorium gewährt wurde (Var. II 38, 3): Sed quoniam lapsos relevasse nihil proficit, si onus aliud solutionis accedit, qui memoratis negotiatoribus noscuntur mutuasse pecuniam, celsitudo tua faciat ammoneri, ne in hoc biennii spatio quicquam de credita summa existiment postulandum, quatenus sub induciis supradictis et datam possint reparare pecuniam et aliquatenus debitorum valeat respirare substantia.
Neben Eingriffen auf die Preisfestlegungen und Darlehen bezeugt Cassiodor mit den Variae eine ganze Reihe weiterer kleinerer Maßnahmen. Hierunter fallen beispielsweise die Privatisierung verfallener Getreidespeicher (horrea) in Rom, um dem Verfall entgegen zu wirken (Var. III 29, 2), überregionale Transporte zum Ausgleich örtlicher Defizite (Var. IV 5) sowie der Aufruf zu Vorratspolitik aufgrund einer Sonnenfinsternis (Var. XII 25, 4): Atque ideo de veteribus frugibus prudentia tua futuram vincat inopiam, quia tanta fuit anni praeteriti felix ubertas, ut et venturis mensibus provisa sufficiant. reponatur omne quod ad victum quaeritur. facile privatus necessaria reperit, cum se publicus apparatus expleverit.
Hinzu kamen Maßnahmen zur Förderung einzelner landwirtschaftlicher Bereiche, wie beispielsweise der Viehzucht (Var. III 50) sowie die Etablierung von Handelsbeziehungen zu Ostrom (Var. X 8). Konkret ging es um Marmorsendungen und andere notwendige Dinge, die mit Gottes Gnade zu Amalasuintha gebracht wurden.⁶⁴ Außerdem wurde brachliegendes Land unter der Bedingung, dass es urbar gemacht wurde, verschenkt (Var. II 21, 3; II 33, 1) und Regionen, die durch Naturkatastrophen oder Krieg verwüstet waren, wurden in der Hoffnung auf baldiges Wirtschaftswachstum die Steuern erlassen (Var. IV 50, 1; XII 28, 3; X 28, 3; I 16, 2). Hinzu kam das engagierte Vorgehen gegen Missbräuche und Betrügereien im Zusammenhang mit den Abgaben überseeischer Händler (Var. V 39, 7– 9). Dadurch wollte Cassiodor nicht nur
weil sie darauf spekulierten, dass die Preise bald steigen würden. Die hieraus resultierende Teuerung sei für Leute mittleren Vermögens (mediocres) erdrückend. Cassiodor forderte daraufhin, dass jeder Grundherr in einer Notsituation nur so viel behalten dürfe, wie er für sich und für seinen Haushalt (familia) benötige. Alles das, was darüber hinaus gehe, müsse zu einem gerechten Preis zum Verkauf angeboten werden (Var. IX 5, 1). Einschränkend muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass der Transport von Baumaterial nur bedingt dem Handel zuzurechnen ist. Amalasuintha hatte durch einen Vertrauensmann Marmor kaufen lassen. Sowohl die Königin als auch Theodahad baten um die Freigabe des Materials (Var. X 8, 2; X 9, 2), was den Schluss nahelegt, dass Kaiser Justinian I. den Export offenbar verhindert hatte. Evangelos K. Chrysos nimmt aufgrund des Föderatenverhältnisses dagegen intensive Handelstätigkeiten zwischen Ostrom und Italien an. Vgl. Chrysos, Evangelos, Die Amalerherrschaft in Italien und das Imperium Romanum. Der Vertragsentwurf des Jahres 535, in: Byzantion 51 (1981), S. 430 – 474.
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die Staatseinkünfte sichern, sondern auch Handelshemmnisse abbauen. Ebenfalls anlässlich einer Krise verfügte er, dass in der Provence die Erhebung des siliquaticum, einer Handelstransaktionssteuer von ca. fünf Prozent⁶⁵, auf die Verschiffung von Getreide, Wein und Öl ausgesetzt werden sollte, um Handel und Import anzuregen (Var. IV 19, 2). In der Begründung wies er darauf hin, dass überhöhte Forderungen den Handel nachteilig beeinflussen würden, da sie den Kaufleuten größeren Schaden zufügten als ein Schiffbruch.⁶⁶ Um die Wirtschaft zu konsolidieren, setzte Cassiodor darauf, den Export von Lebensmitteln zu regulieren. Zeugnisse für administrative Beschränkungen des Handels seitens der westlichen regna sind selten⁶⁷, so dass es sich auch an dieser Stelle um ein weiteres Alleinstellungsmerkmal handelt.Verschiffungen in das Ausland wurden von Cassiodor nur dann gestattet, wenn vorher der inländische Bedarf an den entsprechenden Gütern gedeckt war, wie es in einem Schreiben an Faustus Niger heißt (Var. I 34, 1): Copia frumentorum provinciae debet primum prodesse cui nascitur, quia iustius est, ut incolis propria fecunditas serviat quam peregrinis commerciis studiosae cupiditatis exhauriat. alienis siquidem partibus illud debet impendi quod superest et tunc de exteris cogitandum, dum se ratio propriae necessitatis expleverit.
Der Eigenversorgung wurde dementsprechend Vorrang vor den aus dem Export resultierenden Gewinnen eingeräumt, wenn es heißt, dass die Ernte vor allem den Provinzen zu Gute kommen solle, in denen sie gewachsen sei, denn es sei gerechter, die Einwohner in den Genuss des Ertrags zu setzen, als sie durch die Begehrlichkeit landfremder Händler ausbeuten zu lassen. Aus diesem Grund ordnete Cassiodor an, dass das, was übrig sei, zuerst den anderen Landesteilen zustünde und erst wenn es der Eigenbedarf erlaube, könne man darüber nachdenken, Überschüsse im Ausland
Michael Hendy vermutet, dass die Erhebung des siliquaticum den Handel beeinträchtigt haben könnte.Vgl. Hendy, Michael, Markets and Exchange. The wider mediterranean Context, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 167– 182, hier S. 172. So auch Claude, Studien zu Handel und Wirtschaft, S. 54. Portus nostros navis veniens non pavescat, ut certum nautis possit esse refugium, si manus non incursarint exigentum, quos frequenter plus affligunt damna, quam solent nudare naufragia (Var. IV 19, 2). Vgl. hierzu auch Lecce, La vita economia, S. 378; Cracco Ruggini, Economia e società, S. 238. Vgl. Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 256; Lecce, La vita economia, S. 405; Cracco Ruggini, Economia e società, S. 284 f. Handelsverträge zwischen den regna und Ostrom fehlten jedoch, was den Handel nachhaltig negativ beeinflusste. Selbst Cassiodor, der bei der Zusammenstellung der Variae in großer Zahl auch Dokumente zu auswärtigen Beziehungen des Ostgotenreichs berücksichtigte, liefert keine Hinweise auf vertragliche Regelungen des Handels. Die Durchsetzung dieser Bestimmungen hätte einen entsprechenden administrativen Kontrollapparat vorausgesetzt. Die Überwachung des Handels gehörte im Ostgotenreich zu den Aufgaben des comes sacrarum largitionum (Var. VI 7, 7): Curas quoque litorum adventicia lucri provisione committis. negotiatores, quos humanae vitae constat necessarios, huic potestati manifestum est esse subiectos.
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zu veräußern. Faustus Niger wurde daher dazu aufgefordert, die Küstenorte zu überwachen und darauf zu achten, dass niemand auswärtige Schiffe belade, bevor die erwünschte Menge für die öffentlichen Verteilungen gesichert sei (Var. I 34, 2): Atque ideo illustris magnificentia tua per loca singula qui curam videntur habere litorum, faciat commoneri, ut non ante quispiam peregrinas naves frumentis oneret ad aliena litora transituras, quam expensae publicae ad optatam possint copiam pervenire.
Diese Anordnung betraf in erster Linie die Ausfuhr von Getreide, die erst zulässig sei, wenn die eigene Versorgung vorher sichergestellt war (Var. XII 14, 6). Die Ausfuhr von Schweinespeck (laridum) war gänzlich verboten, da während des Krieges in der Provence offenbar ein entsprechender Mangel vorherrschte (Var. II 12). Der Speck sollte stattdessen für die eigene Bevölkerung aufbewahrt werden, quod in nostris partibus conficitur, noxia neglegentia deesse videatur (Var. II 12, 1). In diesem streng formulierten Schreiben warnte Cassiodor vor jeglichem Fehlverhalten in dieser Beziehung, da es für die Betreffenden eine sehr schwere Gefahr sei, wenn sie auch nur ein wenig daran dächten, etwas gegen diesen Befehl anzustellen. Die Verfehlung liege in der Art, nicht in der Zahl, deshalb sei auch dann, wenn eine Anweisung im Kleinen verletzt würde, diese ganz und gar verletzt (Var. II 12, 2): Cavete itaque, ne culpis quamvis parva praebeatur occasio, scientes periculum gravissimum fore, si studeatis vel leviter in iussa committere. in qualitate est, non in quantitate peccatum: mensuram siquidem non quaerit iniuria. imperium, si in parvo contemnitur, in omni parte violatur.
Allem Anschein nach waren die von Cassiodor getroffenen Maßnahmen aus seiner Sicht erfolgversprechend. Als Beleg führte er neben der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, um die es im nächsten Abschnitt ausführlicher gehen wird, des Öfteren auch die intensive Bautätigkeit und die Neugründung von Städten (Var. V 9)⁶⁸ an, wovon die Aufnahme zahlreicher Schreiben in die Briefsammlung zeugen.⁶⁹ Wie John Bryan Ward-Perkins anmerkt, sind an dieser Stelle weniger die Pa-
Zur Städtepolitik und zu deren Fortbestand und Neugründungen vgl. Francovich, Riccardo/ Hodges, Richard, Villa to Village. The Transformation of the Roman Countryside in Italy c. 400 – 1000, London 2003; Witschel, Christian, Rom und die Städte Italiens in Spätantike und Frühmittelalter, in: Bonner Jahrbücher 201 (2001), S. 113 – 162; Fauvinet-Ranson, Decor civitatis, decor Italiae; Christie, Niel, From Constantine to Charlemagne. An Archaeology of Italy, AD 300 – 800, Aldershot 2006, insbesondere S. 183 – 280; Brogiolo, Gian Pietro, Dwellings and Settlement in Gothic Italy, in: Barnish, Samuel J. B./ Marazzi, Frederico (Hrsg.), The Ostrogoths from the Migration Period to the Sixth Century. An Ethnographic Perspective, Woodbridge 2007, S. 113 – 132; Bierbrauer, Volker, Die Kontinuität städtischen Lebens in Oberitalien aus archäologischer Sicht (5.–7./8. Jh.), in: Eck, Werner/ Glasterer, Hartmut (Hrsg.), Die Stadt in Oberitalien und in den nordwestlichen Provinzen des Römischen Reiches, Mainz 1991, S. 263 – 286. Zur Baupolitik Theoderichs und seiner Nachfolger vgl. Johnson, Mark J., Towards a History of Theoderic′s Building Program, in: Dumbarton Oaks Papers 42 (1988), S. 73 – 96; Pferschy, Bettina, Bauten und Baupolitik frühmittelalterlicher Könige, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische
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lastbauten Theoderichs in Ravenna⁷⁰, Verona⁷¹ sowie Pavia und sein Mausoleum⁷² als Indikatoren heranzuziehen, da es sich hierbei um Herrschaftsarchitektur handele.⁷³ Stattdessen sind es die vielen kleinen Anordnungen zur Restauration von Gebäuden und deren Neubau, die in diesem Kontext Aufschluss geben können. Wie Cassiodor in einem Schreiben an den leitenden Architekt der Stadt Rom ausführte, kenne die Freigebigkeit bei der Restauration keine Grenzen, damit sowohl das von den Alten Geschaffene vom Verfall behütet als auch das Neue mit dem Glanz der alten Zeit verschönert werde (Var. VII 15, 1). Dieses Schreiben lässt den Schluss zu, dass Cassiodor in der Bautätigkeit des Königs nicht nur eine rein materielle Angelegenheit sah. Mehr noch handelte es sich um das Konzept der Altehrwürdigkeit (antiquitas)⁷⁴, auf die sich der Minister in seinen Schreiben wiederholt berief (Var. VII 5, 3).⁷⁵
Geschichtsforschung 97 (1989), S. 257– 328; La Rocca, Christina, Public Buildings and Urban Change in Northern Italy in the Early Medieval Period, in: Rich, John (Hrsg.), The City of Late Antiquity, London/ New York 1992, S. 161– 180; La Rocca, Christina, Una prudente maschera „antiqua“. La politica edilizia di Teoderico, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 451– 516; Fuchs, Siegfried, Kunst der Ostgotenzeit, Berlin 2019. Zu Theoderichs Palast vgl. Duval, Noel, Que savons nous du palais de Théoderic á Ravenne?, in: Mélanges d’Archéologie et d’Histoire de l’Ecole française de Rome 72 (1960), S. 337– 371; Augenti, Andrea, The Palace of Theoderic in Ravenna. A New Analysis of the Complex, in: Lavan, Luke et al. (Hrsg.), Housing in Late Antiquity. From Palaces to Shops, Leiden 2007, S. 425 – 453; Wood, Ian, Theoderic’s Monuments in Ravenna, in: Barnish, Samuel B./ Marazzi, Frederico (Hrsg.), The Ostrogoths. From the Migration Period to the Sixth Century, Woodbridge 2007, S. 249 – 263. Vgl. Mor, Carlo Guido, Dalla caduta dell’impero als comune. Verona Gota, in: Verona e il suo territoris, Bd. 2, Verona mediovale, Verona 1964, S. 5 – 22, S. 227– 242. Zu Theoderichs Grabmal vgl. Deichmann, Friedrich Wilhelm, Ravenna. Hauptstadt des spätantiken Abendlandes, Bd. 1, Geschichte und Monumente, Wiesbaden 1969, hier: S. 213 f.; Heidenreich, Robert/ Johannes, Heinz, Das Grabmal Theoderichs zu Ravenna. Untersucht und gedeutet,Wiesbaden 1971; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 185; Bovini, Giuseppe, Das Grabmal Theoderichs des Großen (übersetzt von H. v. Heintze), Ravenna 1977; Deliyannis, Deborah M., The Mausoleum of Theoderic and the Seven Wonders of the World, in: Journal of Late Antiquity 3 (2010), S. 365 – 385; Korres, Manolis, Wie kam der Kuppelstein auf den Mauerring? Die einzigartige Bauweise des Grabmals Theoderichs des Großen zu Ravenna und das Bewegen schwerer Lasten, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abteilung 104 (1997), S. 219 – 258. Vgl. Ward-Perkins, Bryan, From Classical Antiquity to the Middle Ages. Urban Public Building in Northern and Central Italy (A.D. 300 – 850), Oxford 1984, hier: S. 158 f. Christina La Roccas Untersuchung legt nahe, dass dieser Begriff gemeinsam mit dem Adjektiv antiquus/ antiquitus sowie den von Cassiodor synonym verwendeten Adjektiven prior und pristinus stets im Kontext der königlichen Baupolitik vorkommt. Die genannten Adjektive werden von Cassiodor dazu eingesetzt, um den weit zurückliegenden Ursprung der civilitas zu bezeichnen. Vor allem im Kontext der Bautätigkeit wiederholt sich die Idee, dass die erneuerten, restaurierten oder neugebauten Monumente den alten Glanz bewahrten (Var. VII 5, 3). Letzteres wurde von Cassiodor dafür herangezogen, um die Bautätigkeit der Könige zu rechtfertigen. Vgl. La Rocca, Christina, Una prudente maschera „antiqua“. La politica edilizia di Teoderico, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 451– 516, hier: S. 459 f.; S. 490 f.; Radkti, Herrscher, S. 282 f.
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Entsprechend der Maßgabe, alte Gebäude in ihrer Standhaftigkeit zu erneuern (antiqua soliditas innvovetur, Var. II 39, 9), Neues bei gleichzeitiger Wahrung des Alten zu erschaffen (nova construere, sed amplius vetusta servare,Var. III 9, 1) und alle Dinge in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen (ad statum studeamus pristinum cuncta revocare, Var. III 31, 1) setzte Cassiodor auf den Einsatz von Spolien, um deren Beschaffung er sich nachdrücklich bemühte (Var. I 6; III 9; III 10).⁷⁶ Das Ausmaß des hinter diesen Aufforderungen stehenden Vergangenheitsbezugs wird dabei in der Tatsache deutlich, dass ein Transport von Spolien keinesfalls eine einfache Angelegenheit darstellte. Es mussten spezielle Wagen dafür eingesetzt werden, ganz zu schweigen von der Menge an erforderlichen catabolenses (Wagenknechte) und der großen Distanz, die zurückgelegt werden musste. Dies verursachte enorme Kosten, die beispielsweise bei dem Rückgriff auf Material aus der näheren Umgebung nicht entstanden wären.⁷⁷ Neben der Verwendung von Spolien zu einem ideologischen Zweck, etwa wenn man diese gut sichtbar verbaute, hatte deren Verwendung auch oft den ganz pragmatischen Grund, dass die Verwendung von Spolien einfacher und billiger war als die Herstellung und Beschaffung neuer Architekturteile.⁷⁸ Zur Überwachung der öffentlichen Bauwerke sowie deren Bau und Sanierung setzte Cassiodor auf eine ganze Reihe von Amtsträgern. Der comes formarum führte beispielsweise die Aufsicht über die Wasserleitungen (formae) (Var. VII 6), während der comes Romanus dafür Sorge zu tragen hatte, dass die zahllosen Statuen der Stadt Rom nicht beschädigt oder gestohlen wurden (Var. VII 13). Außerdem gab es mit dem
In der modernen Forschung herrschte lange Zeit die Vorstellung vor, dass der Niedergang der antiken Stadt unter der Herrschaft der Ostgoten noch einmal gestoppt worden sei. Das frühe sechste Jahrhundert wurde als eine Phase der Regeneration nach den Invasionen und Katastrophen des fünften Jahrhunderts gesehen. Zu dieser Interpretation vgl. Ensslin, Theoderich der Große, S. 244; Johnson, Towards a History of Theoderic’s Building Program, S. 73 – 96; Kohlhas-Müller, Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, S. 199 – 202; Hen, Yitzhak, Roman Barbarians. The Royal Court and Culture in the Early Medieval West, Basingstoke 2007, hier: S. 29. Diese Sichtweise hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Überzeugungskraft verloren, da archäologische Forschungen deutliche Spuren von Verarmung zutage gefördert haben. Vgl. Augenti, Andrea, Le città italiane tra la tarda antichità e l’alto Medioevo. Atti del convegno, Ravenna, 26 – 28 febbraio 2004, Firenze 2006; Ghilardi, Massimiliano, Les cités de l’Italie tardo-antique: (IVe–VIe siècle). Institutions, économie, société, culture et religion, Rom 2006; Christie, From Constantine to Charlemagne, S. 183 – 280; Haug, Annette, Die Stadt als Lebensraum. Eine kulturhistorische Analyse zum spätantiken Stadtleben in Norditalien, Rahden 2003; Witschel, Rom und die Städte Italiens, S. 113 – 162. Auch die Variae legen diesen Schluss, wie im weiteren Verlauf des Kapitels noch deutlicher werden wird, nahe. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 284; Brenk, Beat, Spolia from Constantine to Charlemagne. Aesthetics versus Ideology, in: Dumbarton Oaks Papers 41, Studies on Art and Archaeology in Honor of Ernst Kitzinger on his seventy-fifth Birthday (1987), S. 103 – 109. Vgl. Brenk, Spolia, S. 107. Vgl. Ward-Perkins, Bryan, Re-using the architectural legacy of the past, entre idéologie et pragmatisme, in: Brogiolo, Gian Pietro/ Ward-Perkins, Bryan (Hrsg.), The Idea and Ideal of the Town between Late Antiquity and the Early Middle Ages, Leiden1999, S. 225 – 244.
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architectus einen Amtsträger, der für das Stadtbild insgesamt zuständig war (Var. VII 15) und eine Art Feuerwehr, die dem praefectus vigilum unterstellt war (Var. VII 7).⁷⁹ Mit der Vielzahl der von ihm bei der Zusammenstellung der Variae berücksichtigten Anordnungen rund um die Restauration und den Neubau von Gebäuden⁸⁰, Statuen⁸¹, Thermen⁸², Wasserleitungen⁸³ und Verteidigungsanlagen⁸⁴ beabsichtigte Cassiodor wohl, die ökonomische Stärke des Ostgotenreichs zu demonstrieren und damit letzten Endes das Gelingen der von ihm initiierten Maßnahmen zu unterstreichen.⁸⁵ Nicht verschwiegen werden darf an dieser Stelle, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht selten vollkommen ausgeschöpft wurden, so dass es nicht in allen Fällen möglich war, sämtliche Instandsetzungsarbeiten vorzunehmen. Für Finanzmangel spricht der Umstand, dass aufgrund fehlender Mittel vielfach, wie am Beispiel der Privatisierung verfallener Getreidespeicher in Rom schon erwähnt (Var. III 29, 2), Privatpersonen und Bischöfe, vor allem aber Senatoren⁸⁶ für Bau- und Restaurierungsarbeiten gewonnen werden mussten.⁸⁷ Hinzu kommt, dass Tempel und andere öffentliche Bauten, deren Restauration angeordnet wurde, weiterhin wohl aufgrund fehlender Mittel dem Verfall preisgegeben waren (Var. III 31, 4): Templa etiam et loca publiqua, quae petentibus multis ad reparationem contulimus, subversioni fuisse potius mancipata.Während Cassiodor das römische Trajansforum einerseits als Wunderwerk pries, musste er andererseits eingestehen, dass man hiervon – im Gegensatz zu den lebensnotwendigen Aquädukten (Var. VII 6, 2) – nicht leben könne: Sed numquid per ea vivitur aut corporis salus aliqua inde delectatione recreatur (Var.VII 6, 1).⁸⁸ Neben der sich auch an anderen Stellen bereits abzeichnenden Erkenntnis, dass Cassiodors Ausführungen nur mit Einschränkungen einen Blick auf die Realität zulassen, ist an dieser Stelle vor allem das Bewusstsein dafür, dass Monumente schlichtweg keinen unmittelbaren Nutzen für die Bevölkerung brachten, interessant. Pragmatismus stand
Zu den unterschiedlichen Amtsträgern vgl. auch Wiemer, Theoderich der Große, S. 464 f. Vgl. Var. IV 51; I 6, wo die Restauration des pompeianischen Theaters in Rom beziehungsweise die Erneuerung der Herkulesbasilika in Ravenna in Auftrag gegeben wurde. Zudem sollte ein Getreidespeicher vor dem Verfall bewahrt werden (Var. III 29, 2). Vgl. Var. VII 15; Var. III 19, wo Cassiodor über Begünstigungen für einen Bildhauer verfügte. Vgl. Var. II 37: Thermen in Spoleto sowie Var. II 39: Restauration von Thermalbädern in Aponum in der Nähe Paduas. Vgl. Var. IV 31: Aquädukt in Parma sowie Var. VII 6, 6: desolater Zustand der Aquädukte Roms. Vgl. Var. I 25; Var. II 34: Reparatur der Stadtmauern Roms; Var. I 28; II 16: allgemeine Arbeiten an Stadtmauern; Var. III 44: Instandsetzung der Mauern in Arles. Hinzu kommen Schilderungen zum Transport von Baumaterial (Var. IV 8; V 8) und Marmorlieferungen (Var. III 9; III 10; X 8 – 10), die in eine ähnliche Richtung deuten. Grundsätzlich betrachtete Theoderich die Erhaltung der öffentlichen Gebäude Roms als eine Aufgabe der Senatoren. So erhielt etwa der patricius Albinus die Porticus Curva zur privaten Nutzung (Var. IV 30) und der patricius Paulinus erhielt staatliche Getreidespeicher (horrea), die nicht mehr benötigt wurden (Var. III 31). Beide mussten sich dazu verpflichten, diese Bauwerke zu reparieren. Vgl. hierzu auch Pferschy, Bauten und Baupolitik, S. 271. Zu den Aquädukten vgl. Ward-Perkins, From Classical Antiquity to the Middle Age, S. 119 – 159; 250 – 255.
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folglich vor Idealismus. Die Versorgung elementarer Bedürfnisse der breiten Masse der Bevölkerung genoss für Cassiodor den absoluten Vorrang vor Fragen herrschaftlicher Repräsentation. Hierzu zählte vor allem die in seinen Augen elementare Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln.
3.2 Die Versorgung mit Nahrungsmitteln als Garant innerer Ruhe Damals wie heute gehen mit Nahrungsmittelknappheit oft Hunger, Krankheiten und Verarmung einher. Im Mittelalter sahen die Menschen in Ernährungskrisen und Hungersnöten⁸⁹ nicht selten eine Bestrafung Gottes, so dass Missernten im damaligen Denken weit über die unmittelbaren Ursachen in Form von Kriegen und Naturkatastrophen hinaus ein übernatürlicher Ursprung zugeschrieben wurde. Fürsten ordneten aus diesem Grund oftmals zusätzliche Gebete und Gottesdienste an.⁹⁰ Hungersnöte und Ernährungskrisen stellen ein Thema dar, das in der Geschichtswissenschaft seit einigen Jahren wieder zunehmend auf Interesse stößt. Der Fokus hat sich dabei ausgehend von den beiden die Forschung über lange Zeit bestimmenden Werken der Historiker Ernest Labrousse⁹¹ und Wilhelm Abel⁹² in Richtung der Erforschung von Rahmenbedingungen der ungleichen Regulierung des Zugangs zu Lebensmitteln ausgerichtet.⁹³ Für das Mittelalter ist in diesem Zusammenhang eine unzureichende
Unter „Hungersnöten“ sind im Rahmen historischer Betrachtungen zeitlich begrenzte und für große Teile der Bevölkerung drastisch erfahrene Mängel an Lebensmitteln zu verstehen. Vgl. Medick, Hans, Hungerkrisen in der historischen Forschung. Beispiele aus Mitteleuropa vom 17.–19. Jahrhundert, in: SOWI 14 (1985), S. 95 – 103, hier: S. 97. Eine allgemeine Einführung in das Thema liefern UlrichChristian Pallach und Andreas Gestrich. Vgl. Pallach, Ulrich-Christian, Hunger. Quellen zu einem Alltagsproblem in Europa und der Dritten Welt seit dem Dreißigjährigen Krieg (17.–20. Jahrhundert), München 1986 sowie Gestrich, Hungersnöte, S. 233 f. Vgl. Jörg, Christian, Die Besänftigung göttlichen Zorns in karolingischer Zeit. Kaiserliche Vorgaben zu Fasten, Gebet und Buße im Umfeld der Hungersnot von 805/06, in: Kerscher, Gottfried/ Krieger, Gerhard (Hrsg.), Askese im Mittelalter. Beiträge zu ihrer Praxis, Deutung und Wirkungsgeschichte, Berlin 2010, S. 38 – 51. Wie sich mit einzelnen Briefen aus den Variae belegen lässt, setzte auch Cassiodor zu Hungerzeiten besondere Hoffnungen auf den Papst und die Bischöfe (Var. XI 2; XI 3). Zu den geistlichen Würdenträgern als wichtigen Instanzen in der Nahrungsmittelversorgung vgl. Mochi Onory, Sergio, Vescovi e cittá, Bologna 1933, hier: S. 106 f.; Heinzelmann, Martin, Bischof und Herrschaft vom spätantiken Gallien bis zu den karolingischen Hausmeiern. Die institutionellen Grundlagen, in: Prinz, Friedrich (Hrsg.), Herrschaft und Kirche. Beiträge zur Entstehung und Wirkungsweise episkopaler und monastischer Organisationsformen, Stuttgart 1988, S. 23 – 82, hier: S. 30 f. Vgl. Labrousse, Ernest, La crise de l’économie francaise á la fin de l’ancien régime et au début de la Révolution, Paris 1944. Vgl. Abel, Wilhelm, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa, Hamburg/ Berlin 2 1974. Vgl. Gestrich, Hungersnöte, S. 234; Franklin-Lyons, Modern Famine Theory, S. 33 – 45; Medick, Hungerkrisen, S. 97 f.; Arnold, David, Famine. Social Crisis and Historical Change, Oxford 1988; Sen, Amartya, Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft, München 2000.
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Forschungslage zu konstatieren – bezeichnenderweise stammt die umfangreichste Untersuchung aus dem Jahre 1900.⁹⁴ Dies trifft mit Ausnahme der Studie von Marcelo Cândido da Silva⁹⁵ insbesondere auf den Übergang von der Spätantike in das frühe Mittelalter zu. Auf der Basis einer detaillierten Untersuchung der Werke von Prokop und Gregor von Tours kommt Silva zu der Erkenntnis, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und der Aufrechterhaltung der politischen Ordnung bestand.⁹⁶ Diese Schlussfolgerung ließe sich ohne Weiteres auf Cassiodor übertragen, der bei der Zusammenstellung der Variae eine ganze Reihe von Briefen berücksichtigte, die darauf schließen lassen, dass er in der Bereitstellung von Lebensmitteln eine Grundvoraussetzung zur Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens sah. Seiner Auffassung nach sei es nützlich, mit tapferen Männern glücklich die Schlacht geschlagen zu haben, aber über alle menschliche Tugend hinaus gelte es, den Hunger zu besiegen (Var. XII 28, 6). Wie er bereits in der praefatio der Variae formulierte, umgebe ihn persönlich selbst in den Nächten eine unüberwindliche Sorge, damit den Städten die Nahrungsmittel nicht ausgehen, die die Bevölkerung, die dem Bauch, nicht den Ohren ergeben sei, mehr als alles andere haben wolle. Daher sei er gezwungen, gedanklich durch alle Provinzen zu eilen und die aufgebürdeten Abgaben zu überprüfen, da es nichts nütze, den unterstellten Beamten Befehle zu erteilen, wenn nicht der vorgesetzte Beamte beständig deren Ausführung verlange und kontrolliere (Var. Praef. 5): Ipsas quoque noctes inexplicabilis cura circumvolat, ne desint alimonia civitatibus, quae supra ominia populi plus requirunt, studentes ventri, non auribus. Hinc est quod cogimur animo per cunctas ire provincias et iniuncta semper inquirere, quia non sufficit agenda militibus imperare, nisi haec iudicis assiduitas videatur exigere.
Vgl. Curschmann, Fritz, Hungersnöte im Mittelalter. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des 8.– 13. Jahrhunderts, Leipzig 1900. Anstelle von einer aktuelleren Überblicksdarstellung liegen mehrere Untersuchungen zu Ernährungsweisen und Krisen im hohen und späten Mittelalter vor. Vgl. unter anderem Schulz, Anne, Essen und Trinken im Mittelalter (1000 – 1300). Literarische, kunsthistorische und archäologische Quellen, Berlin 2011; Buszello, Horst, Teuerung und Hungersnot am Ober- und Hochrhein im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (circa 1300 – 1800), in: Huggle, Ursula (Hrsg.), Kriege, Krisen und Katastrophen am Oberrhein vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit. Tagung des Historischen Seminars Abteilung Landesgeschichte an der Universität Freiburg und der Stadt Neuenburg am Rhein 13. und 14.10. 2006, Schopfheim 2007, S. 32– 71; Jordan, William Chester, The great Famine. Nothern Europe in the early fourteenth Century, Princeton 1998; Slavin, Philip, Market Failure during The Great Famine in England and Wales (1315 – 1317), in: Past and Present 222 (2014), S. 9 – 49; Slavin, Philip, Ecology, Warfare and Famine in the Early Fourteenth-Century British Isles. A Small Prolegomenon to a Big Topic, in: Benito Monclús, Pere/ Riera Melis, Antonio (Hrsg.), Guerra y carestía en la Europa medieval, Lleida 2014, S. 87– 102. Vgl. Silva, Public Agents, S. 779 – 805. Vgl. Silva, Public Agents, S. 780 f.
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Die gleichen Beweggründe finden sich in der formula für den comes von Neapel bestätigt (Var. VI 23). Da die Menge durch Zustimmung und Ablehnung Druck ausüben könne, solle sich dieser dort als bester Beamter bewähren, da niemand sich verbergen könne, der unter einer zahlreichen Bevölkerung wohne. Seine Taten seien das Gespräch der Bürgerschaft, da durch den Mund von allen gehe, was ein leitender Beamter tue. Eine Menschenmenge nämlich besitze die Möglichkeit der Rache und man halte es für ein Urteil über den Richter, was von vielen Zeugen gesagt werde. Was gebe es also besseres, als jene Bevölkerung, der man vorstehe, in günstiger Gesinnung zu sehen (Var. VI 23, 4 f.)?: Sed inter haec praeclara fastigia optimum esse iudicem decet, quando se non potest occulere, qui inter frequentes populos cognoscitur habitare. factum tuum erit sermo civitatis, dam per ora fertur populi, quod a iudice contigerit actitari. Habet ultionem suam hominum frequentia, si loquatur adversa, et de iudice iudicium esse creditur, quod multis adstipulationibus personatur. contra quid melius quam illum populum gratum respicere, cui cognosceris praesidere?
Wenngleich Untertanen rein juristisch keine Mitspracherechte besaßen, so zeigen diese beiden Stellen, dass Cassiodor der öffentlichen Meinung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss einräumte. Um Unruhen vorzubeugen, entwickelte er mit der Nahrungsmittelversorgung ein Instrument zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens. Dazu setzte er auf lokale Selbstversorgung und Transporte in Krisengebiete, denn er war sich bewusst, dass mit den Hungersnöten oftmals Epidemien, Verwüstungen und Entvölkerung einhergingen⁹⁷, die erheblichen Einfluss auf die ohnehin schon nicht sehr hohe Lebenserwartung der Menschen hatte.⁹⁸
Vgl. hierzu auch Prokop, BG, 7,9,2; 7,11,16; 7,17,1– 25 sowie Jahn, Felicitas est secuta Italiam, S. 411. Wie die Untersuchungen von Klaus Kober ergeben haben, versumpften durch die Verödung von Flächen teilweise die Gelände und wurden so zu Brutstätten für Krankheiten, wie Malaria. Dies war nicht nur ein Phänomen der Spätantike, sondern reichte in Mittelitalien bis in das zwanzigste Jahrhundert hinein. Hinzu kamen Epidemien, wie die „justinianische Pest“, die im Jahr 542 Konstantinopel erreichte und sich von dort weiter nach Westeuropa ausbreitete. Vgl. Kober, Klaus, Vergleichende Untersuchungen über das Malaria-Ausrottungsprogramm der Weltgesundheitsorganisation in den Regionen Europa und Östliches Mittelmeer, Berlin 1965, hier: S. 8; S. 32. Vgl. hierzu auch Durliat, Jean, La peste du VIe siècle. Pour un nouvel examen des sources byzantines, in: Morrisson, Cécile et al. (Hrsg,): Hommes et richesses dans l’empire byzantin, Bd. 1, Paris 1989, S. 107– 119; Harrison, Dick, Plague, Settlement and Structural Change at the Dawn of the Middle Ages, in: Scandia 59 (1993), S. 15 – 48. Die Lebenserwartung belief sich bei Geburt auf weniger als 30 Jahre. Bei Männern dürfte sie etwas höher gelegen haben als bei Frauen. 30 Prozent der Neugeborenen starben innerhalb der ersten Lebensjahre, fast die Hälfte wurde nicht älter als zehn Jahre. Wer die Kinderkrankheiten überlebte, hatte gute Chancen, 50 Jahre oder älter zu werden. Diese Zahlen lassen sich vor allem damit erklären, dass die Ernährung meist einseitig und oft nicht ausreichend war. Es gab keinen Schutz gegen Bakterien und Viren und auch andere Krankheitserreger wie Würmer und Parasiten konnten sich ungehemmt ausbreiten. Wegen der hohen Sterblichkeit waren viele Geburten erforderlich, um den Fortbestand einer Familie und damit auch die Altersversorgung der Eltern sicher zu stellen. Eine große Kinderschar war gleichzeitig aber auch eine enorme Belastung, vor allem, wenn die Nahrung knapp war. Zur
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Kriege hatten immer zur Folge, dass es zu Engpässen bei der Versorgung der italischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln kam. Wie in den Variae für die Auseinandersetzung mit Chlodwig I. in Südgallien (Var. IV 5, 2) bezeugt ist, resultierten hieraus nicht selten Hungersnöte, die ein schnelles Einschreiten erforderlich machten. Gleiches trifft auf den Krieg gegen die Burgunder (Var. XII 28, 3) sowie auf Apulien (Var. I 16, 2)⁹⁹ zu, wo Cassiodor beide Male von Brandschatzung und Ernteausfällen berichtete. Neben Kriegen trugen auch Naturkatastrophen zu Versorgungsengpässen bei.¹⁰⁰ So schilderte der Minister, dass der Ausbruch des Vesuvs (Var. IV 50, 1), eine Sonnenfinsternis (Var. XII 25) und eine lang anhaltende Dürreperiode (Var. I 35), durch welche die Feldfrüchte wie bei einer Fehlgeburt niedergeworfen worden seien und die Eingeweide der Erde durch übergroße Hitze ausgedörrt wären, zu Hungersnöten führten. Nun suche man mit besonderem Eifer danach, wonach man üblicherweise auch in der Fülle strebe, wie es in einem an Faustus Niger gerichteten Schreiben heißt (Var. I 35, 1): Cum siccitas praesentis anni, quae localiter certis solet desaevire temporibus, terrenis visceribus nimio calore duratis abortivos messium fetus non tam edidit quam inperfecta ubertate proiecit, maiori nunc studio quaerenda sunt quae etiam in abundantia expeti consuerunt.
Die in die Variae aufgenommenen Schreiben legen nahe, dass die Suche nach Lösungen zum politischen Tagesgeschäft Cassiodors gehörte. Zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln setzte er neben der im vorangegangenen Abschnitt erwähnten Einflussaufnahme auf die Preisbildung sowie Ausfuhrbeschränkungen vor allem auf regionale Selbstversorgung und Vorratshaltung. Es nimmt daher wenig Wunder, wenn Cassiodor an vielen Stellen die seiner Ansicht nach starke Warenproduktion der verschiedenen Provinzen auffällig in den Vordergrund rückte. Mit solchen Zuschreibungen geht oftmals Cassiodors Vorliebe für ausführliche und detailreiche Landschaftsschilderungen einher. Letztere nehmen nahezu den gesamten Brief ein, wodurch nur am Rande eine Anweisung oder ein Befehl erscheint, um auf einen Missstand oder dergleichen zu reagieren. Diese beinahe poetisches
Mortalität vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 400 f.; Saller, Richard, Patriarchy, Property and Death in the Roman Family, Cambridge 1994, hier: S. 9 – 69. Die Aufnahme dieses Briefes in die Sammlung ist interessant, da Cassiodor, obgleich er die oströmischen Soldaten, von denen die kriegerische Auseinandersetzung ausging, nicht ausdrücklich nannte, doch einen Übergriff von Romanen auf Romanen für die Leser der Variae dokumentierte. Offenbar wollte er Theoderich auf diese Weise ein weiteres Mal positiv hervorheben. Vgl. Rohr, Christian, Mensch und Naturkatastrophe. Tendenzen und Probleme einer mentalitätsbezogenen Umweltgeschichte des Mittelalters, in: Hahn, Sylvia/ Reith, Reinhold (Hrsg.), UmweltGeschichte. Arbeitsfelder, Forschungsansätze, Perspektiven, Wien 2001, S. 13 – 31; Glaser, Rüdiger, Klima- und Erdbebenkatastrophen – historische Dimension und Erkenntnisgewinn, in: Wagner, Ulrich (Hrsg.), Stadt und Stadtverderben. 47. Arbeitstagung in Würzburg, 21.–23. November 2008, Ostfildern 2012, S. 97– 122; Wozniak, Thomas, Naturereignisse im frühen Mittelalter. Das Zeugnis der Geschichtsschreibung vom 6. bis 11. Jahrhundert (= Europa im Mittelalter 31), Berlin 2020.
3.2 Die Versorgung mit Nahrungsmitteln als Garant innerer Ruhe
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Ausmaß annehmenden Ausschweifungen, sogenannte digressiones, waren für Regierungsschreiben absolut unüblich und sind deshalb nicht uninteressant.¹⁰¹ Die umfangreichsten Schilderungen landschaftlicher Begebenheiten lieferte Cassiodor zu Como in Norditalien (Var. XI 14) sowie zu Scyllaceum, seiner Heimat in Süditalien (Var. VIII 32). Diesen Schreiben ist gemeinsam, dass der eigentliche Anlass, nämlich die Bewohner bei der Verpflegung von (Post‐)Pferden zu unterstützen, durch landwirtschaftliche Beschreibungen in den Hintergrund gerät. Cassiodor betonte fast schon hymnisch die lokale Vielfältigkeit, wie etwa die Üppigkeit der Weiden und die Schönheit des Meeres (Var. VIII 32, 1) sowie die Anmut der Seen und der Bergbäche (Var. XI 14, 2 f.)¹⁰²: […] hic profecto lacus est nimis amplissimae vallis profunditate susceptus, qui concharum formas decenter imitatus spumei litoris albore depingitur. Circa quem conveniunt in coronae speciem excelsorum montium pulcherrimae summitates, cuius ora praetoriorum luminibus decenter ornata quasi quodam cingulo Palladiae silvae perpetuis viriditatibus ambiuntur. super hunc frondosae vineae latus montis ascendunt. apex autem ipse quasi quibusdam capillis castanearum densitate crispatus ornante natura depingitur. hinc rivi niveo candore relucentes in aream laci altitudine praecipitante descendunt.
Da Cassiodor die amtlichen Schreiben bei der späteren Zusammenstellung der Variae bewusst auswählte, kommt an dieser Stelle mit Recht die Frage auf, welche Intentionen er mit der Aufnahme ausführlicher landschaftlicher Beschreibungen verfolgte. Dass Cassiodor bestimmten Zielsetzungen nachging, lässt sich in diesem Zusammenhang damit belegen, dass die Adressaten der Briefe in den beschriebenen Regionen wohnten und daher bestens um die örtlichen Besonderheiten wussten. Diese Annahme lässt sich damit bekräftigen, dass am Ende des Schreibens an die Bewohner von Como davon die Rede ist, dass sich diejenigen Menschen nicht belästigt fühlen dürfen, die an die Annehmlichkeiten der Gegend gewohnt seien (Var. XI 14, 6). Es liegt folglich der Schluss nahe, dass Cassiodor den Leser der späteren Sammlung im Blick hatte und bei diesem durch die Verwendung gezielter Symbolik, wie etwa dem Wasser
Die besonders elaborierte Gedankenführung und der verstärkte Einsatz von rhetorischen Stilmitteln hat zu der Annahme geführt, dass es sich bei mit besonders vielen digressiones ausgestatteten Briefen um nachträgliche Zusätze handelt, die Cassiodor vornahm, ehe er die Sammlung publizierte. Die Erscheinungsform der digressio variiert in den Schreiben. Neben kurzen Zusätzen, die eine Anordnung verdeutlichten, nehmen die Ausschweifungen in anderen Briefen poetisches Ausmaß nach literarischem Vorbild an.Vgl. Pferschy, Cassiodor und die ostgotische Königsurkunde, S. 267; RadtkiJansen, Herrscher, S. 317 f.; Santoro, Rosa, Percorsi stravaganti nelle Variae di Cassiodoro. Dottrina, ideologia, digressioni, in: Atti del Seminario Internazionale die Studi Letteratura Scientifica e Tecnica, Messina 2000, S. 91– 100. Rosa Santoro betont, dass die digressiones als integraler Bestandteil der Briefe zu betrachten seien und nicht nur als schmückendes Beiwerk. Bei Cassiodors Vorliebe für das lebensspendende Element Wasser, ohne das die Felder wüst seien und die Städte von atemraubender Trockenheit geplagt würden (Var. VIII 30, 3), einschließlich ausführlicher Schilderungen von Wasserlebewesen, Seen und Meeresbuchten (Var. IX 6; XII 22, 4), handelt es sich um ein die Variae wie ein roter Faden durchziehendes Motiv.
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3 Wirtschaftliche Prosperität als Voraussetzung des Friedens
als Metapher des Lebens und Sinnbild der Ruhe, das Bild und den Anschein höchsten Friedens entstehen lassen wollte.¹⁰³ Da Cassiodor an anderer Stelle im Zusammenhang mit Scyllaceum von tüchtigen Arbeitern, reichen Weinbergen, grünenden Olivenbäumen und ertragreichem Dreschen berichtete (Var. XII 15, 5), ist darauf zu schließen, dass sich hinter den ausführlichen Beschreibungen das Motiv verbarg, basierend auf der landschaftlichen Schönheit und Idylle einen wirtschaftlichen Reichtum der jeweiligen Gegend abzuleiten. Letzteres wird an detaillierten Schilderungen der Argrarerzeugnisse deutlich, die in Italien reichlich vorhanden seien und so zum Aufschwung verschiedener Regionen, wie beispielsweise Lucanien und Bruttium (Var. VIII 31), beigetragen hätten. Neben selbigen betonte Cassiodor ferner empfehlenswerte Spezialitäten. So berichtete er zum Beispiel von einem süßen Wein aus der Gegend von Verona, der seiner Ansicht nach selbst die griechischen Gewürzweine bei Weitem übertreffe (Var. XII 4).¹⁰⁴ Ebenso überschwänglich ist von den Hirten Bruttiums die Rede, die Käse von bester Qualität herstellten.¹⁰⁵ Die Milch aus dem bruttischen Silawald dufte nämlich süß und vielfältig nach den dortigen Kräutern und sei so fett, dass sie sich, wenn sie fließe, einzig durch ihren weißen Glanz von Olivenöl unterscheide (Var. XII 12, 1 f.). Darüber hinaus lobte Cassiodor den Wein aus dieser Gegend, der sogar medizinische Wirkung besitze (Var. XII 12, 5). Je nach Bodenbeschaffenheit wurden unterschiedliche Produkte in den von Cassiodor erwähnten Gebieten angebaut.¹⁰⁶ Der Minister verteidigte daher die Bewohner Regiums vor seiner Ansicht nach unangemessenen Forderungen nach Naturalien, die aufgrund der dortigen Umstände gar nicht hätten geleistet werden können (Var. XII 14). Es sei, wie es heißt, eine Zumutung, mit Weizen etwas zu fordern, das man durch die Wohltat des Gebietes überhaupt nicht besitze (Var. XII 14, 6). Stattdessen solle man auf die dort prächtig gedeihenden Oliven zurückgreifen, deren Bäume ebenso wie die Weinreben mit ihren Wurzeln tief in den Boden dringen Diese Annahmen lassen sich damit bestärken, dass die ausführlichen Landschaftsbeschreibungen in einen Zeitraum fallen, in welchem sich die Beziehungen zum Oströmischen Reich zunehmend verschärfen und ein Krieg unvermeidbar schien. Es ist folglich nicht abwegig, dass Cassiodor mit Beschreibungen dieser Art versuchte, der Realität stückweise zu entfliehen und die Ereignisse zu verarbeiten. Zur Beziehung zum Oströmischen Reich siehe unten S. 209 – 218. Orientalische Weine wurden vor allem für den Hof importiert. Dieses Schreiben legt jedoch nahe, dass vor allem auf Weine italienischer Herkunft zurückgegriffen wurde (Var. XII 4, 2): Et ideo procuranda sunt vina, quae singulariter fecunda nutrit Italia, ne qui externa debemus appetere, videamur propria non quaesisse. comitis itaque patrimonii relatione declaratum est acinaticium, cui nomen ex acino est, enthecis aulicis fuisse tenuatum. Der Konsum importierter Weine entsprang wohl einem Bedürfnis nach herrscherlicher Repräsentation. Dennoch waren orientalische Weine wohl nicht sehr weit in Italien verbreitet. Vgl. Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 79. Zu den Hirten vgl. Volpe, Guiliano, Contadini, pastori e mercanti nell‘Apulia tardoantica, Bari 1996, hier: S. 276 – 280. Zur regionalen Vielfalt Italiens vgl. auch Wiemer, Theoderich der Große, S. 401; Tichy, Franz, Italien. Eine geographische Landeskunde, Darmstadt 1985; Wickham, Chris, Early Medieval Italy. Central Power and Local Society 400 – 1000, Houndmills 1981, hier: S. 1– 8.
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könnten (Var. XII 14, 1). Dieses Schreiben verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise, dass dem Anbau und der Produktion von Getreide eine besonders wichtige Rolle zuteil wurde. Während Cassiodor in diesem Zusammenhang die Provinz Histrien, die durch ein göttliches Geschenk besonders reich an Weizen sei (Var. XII 22, 1), überschwänglich lobte¹⁰⁷, müsse der trockene Boden Regiums stattdessen intensiv mit der Hacke bearbeitet werden. Die ausgebrachten Saaten bedürfen dabei intensiver Bewässerung, wodurch die Kultivierung von Getreide einen ebenso großen Aufwand bedeute wie die Pflege von Gemüse. Ein Bauer komme dadurch selten mit beladenen Schultern vom Dreschen zurück, so dass man zum Sammeln der Ernte keine Scheunen benötige, sondern selbst bei höchstem Arbeitseifer wenige Vorratskörbe genügten (Var. XII 14, 1– 3). Im Allgemeinen bringe, wie Cassiodor an anderer Stelle ausführt, die Natur nur unter großen Aufwendungen Ernteerträge (Var. IX 3, 1). Wohl aus diesem Grund stellte Cassiodor die Arbeit der Bauern unter ein besonders günstiges Licht und verglich ihre zu gleichen Teilen körperlich anstrengende wie anspruchsvolle Arbeit an einer Stelle sogar mit der Aufnahme neuer Kandidaten in den Senat (Var. VI 14).¹⁰⁸ Ein gewissenhafter Bauer, der etwas von seinem Beruf verstehe, unterstütze den Regen des Himmels, indem er ihm zuvorkomme und die Setzlinge bewässere, bevor sie den erwünschten Regen verdienen. Ferner bemühe er sich darum, die Früchte der Bäume dadurch zu verbessern, indem er sie veredele, um die Süße der Früchte zu mehren und seinen Gärten die Zierde der Vielfalt einzupflanzen (Var. VI 14,1). Durch aufopfernde Arbeit befreie er sein Land von Dornengestrüpp, weil es für den Bebauenden besonders lobenswert sei, wenn sein Ackerboden durch liebliche Früchte an Anmut gewinne. So aber sei auch die süße Ruhe des Volkes und eine friedliche Verwaltung der Provinzen ein Lob für den Herrscher (Var. V 39, 1). Neben der lokalen Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln deutet sich bereits im Zusammenhang mit den schlechten Bodenbeschaffenheiten Regiums an, dass es weiterer Maßnahmen bedurfte, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen. Knud Hannestad nimmt an, dass Histrien davon profitiert habe, dass Afrika als Getreidelieferant für Italien nicht mehr zur Verfügung stand. Vgl. Hannestad, L’évolution des ressources agricoles. Als Beleg führt er Var.VIII 33, 3 an, wo es heißt: Quicquid enim praecipuum aut industriosa mittit Campania aut opulenti Bruttii aut Calabri peculiosi aut Apuli idonei vel ipsa potest habere provincia, in ornatum pulcherrimae illius venalitatis exponitur, ut merito tam ingentem copiam iudices de multis regionibus aggregatam. Einen vollkommen gegensätzlichen Eindruck weckt der Brief an den vir spectabilis Valerianus (Var. XII 5), in welchem Cassiodor im Zusammenhang mit den Bauern von einer derben Art von Menschen sprach, die aus Arbeitsüberdruss mit unerlaubtem Wagnis zur Erhebung gegen die Grundbesitzer neigen und sich selbst in Friedenszeiten nicht mäßigen ließen. Die Grundbesitzer wurden daraufhin angewiesen, darauf zu achten, dass die Bauern das Eisen nur ergreifen, um die Äcker zu bebauen und dass sie die Stachel nur für die Ochsen nutzen, nicht aber, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen (Var. XII 5, 4 f.). An anderer Stelle wurde der comes patrimonii angewiesen, die Diener der Domänen zu einer demütigen Haltung zu führen. Cassiodor begründete dies damit, dass die Art der Bauern nämlich unbändig zur Freiheit geneigt sei, da sie glauben, ihnen sei alles erlaubt, da sie zum königlichen Gut gehören (Var. VI 9, 2.). Darüber hinaus erschienen Bauern als Diebe und Räuber (Var. VIII 32, 4; VIII 33, 1).
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Eine besondere Sorge Cassiodors galt dabei der Versorgung mit Getreide, das in Notstandsgebiete verschifft wurde.¹⁰⁹ Bei den Getreidetransporten im Auftrag des Königs handelte es sich um ein Alleinstellungsmerkmal für das Ostgotenreich.¹¹⁰ So ist beispielsweise dem bereits oben erwähnten Schreiben, in welchem von einer Hungersnot infolge einer Dürre berichtet wird, die Kritik am Ausbleiben eines Getreideschiffes angehängt (Var. I 35). Cassiodor zeigte sich über diesen Vorfall gänzlich erschüttert, da das Getreide, das von den Gestaden Kalabriens und Apuliens üblicherweise schon zur Sommerzeit abgeschickt wurde, noch nicht einmal im Herbst eingetroffen sei, obwohl die Bedingungen denkbar günstig für Schiffsfahrten wären (Var. I 35, 2): Quae ergo talis mora, ut in tantis tranquillitatibus velocia necdum fuerint destinata navigia, cum stellarum non mergentium lucidus situs tendi carbasa festinanter invitet et aeris sereni fides properantium nequeat vota terrere?
Erschwerend kam für ihn hinzu, dass bald der Winter die Seefahrt lahmlege (Var. I 35, 2). Dies veranlasste ihn dazu, Faustus Niger einen ungehaltenen Brief zu schreiben und ihn nach der Aufzählung verschiedener Gründe für die Verzögerung dazu aufzufordern, unverzüglich dafür zu sorgen, dass alles Nötige für die Getreidebeschaffung veranlasst werde. An anderer Stelle wurden Getreideschiffe zur Versorgung der Bevölkerung von Ligurien angefordert. Alles, was der saio Wiligis an Lastschiffen in Ravenna finden könne, solle mit staatlichem Getreide beladen werden, damit die öffentliche Versorgung, durch eine solche Vorsorge erleichtert, nicht an Mangel und Knappheit zu leiden habe (Var. II 20, 1): Atque ideo praesenti decernimus iussione, ut quantas in Ravennati urbe exculcatorias potueris reperire, frumentis fiscalibus oneratas ad nos usque perducas, quatenus alimonia publica tali provisione relevata necessitatem inopiae non debeant sustinere.
Ebenfalls aus Anlass einer Krise wurde auch Getreide von Buttrium (Var. IX 3, 4) und von Sizilien (Var. IV 7, 1 f.) verschifft. Cassiodor war sich der Gefahr und Schwierigkeiten der Schifffahrt bewusst, was seine Hilfsbereitschaft gegenüber der Besatzung eines verunglückten Getreidetransporters beweist (Var. IV 7, 1 f.). Es gehöre zu seinem
Das zur Versorgung notwendige Getreide wurde zumeist bei Händlern gekauft.Vgl. hierzu Cracco Ruggini, Economia e societá, S. 214; Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 23. So ist beispielsweise in den Variae überliefert, dass Getreide (Var. X 18, 2), aber auch Wein (Var. XII 26, 3) zu Marktpreisen aufgekauft wurde. Im Auftrag des Königs Witigis wurde Wein, Öl und Getreide sowohl von den Händlern als auch direkt von den Herstellenden erworben (Var. XII 23, 1). Vgl. Claude, Handel im westlichen Mittelmeer, S. 21. Während Verschiffungen von Getreide zur Versorgung der Bevölkerung nur aus dem italischen Ostgotenreich bezeugt sind – Rom (Var. V 35), Ravenna (Var. XII 24) und Besatzungen der Kastelle an der Durance (Var. III 41) – dauerten die Überseetransporte von Getreide im Osten weiter an.
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frommen Verantwortungsbewusstsein, der Lage von Menschen, die unverdient in Gefahr geraten sind, zu helfen, da man ja nicht das als Vergehen betrachten dürfe, was fremder Gewalt zuzuschreiben sei (Var. IV 7, 1). Dies legt den Schluss nahe, dass die Verunglückten offenbar nicht für den entstandenen Schaden aufkommen mussten. Während der Not in den Jahren 535/36 sollte aus den königlichen Speichern Getreide verkauft werden. Dabei wurde ein Preis von einem solidus für 25 Scheffel festgelegt, während man sonst für den gleichen Preis nicht einmal 10 Scheffel erhielt (Var. X 27; XII 27; XII 28). Neben der Sorge um die Versorgung der Bevölkerung mit Getreide deuten in die Variae aufgenommene Schreiben darauf hin, dass sich Cassiodor auch um eine Steigerung des Meeresfischfangs bemühte (Var. V 16). Aufgrund der Befürchtung von Versorgungsengpässen¹¹¹ war die Rekrutierung von Fischern für die ostgotische Flotte streng verboten, obwohl diese aufgrund ihrer Erfahrungen bestens für diese Aufgabe geeignet gewesen wären (Var. V 16, 5): Piscatores vero non iubemus in hac definitione concludi, quia dolenter amittitur, qui ad procurandas delicias possidetur, quando et altera consuetudo est ventis saevientibus occurrere et litora piscosa sulcare.
Der Transport der Nahrungsmittel in die Krisengebiete musste samt der Verteilung organisiert werden. Bei der Zuteilung der Nahrungsmittel an die Bevölkerung konnte Cassiodor auf den erogator opsoniorum zurückgreifen, der dies zur Aufgabe hatte (Var. XII 11). Dieser benötige aufgrund der Verantwortung ein ganz besonders bewährtes Gewissen, damit die königliche Freigebigkeit, die allen helfen wolle, nicht durch irgendwelche Begierden geschmälert werde (Var. XII 11, 4). Denn wie die Reinheit des Quellwassers durch Schlamm getrübt werde, so werde die reiche Spende eines guten
Den gleichen Eindruck weckt Cassiodors beständige Sorge um die Wasserversorgung der italischen Bevölkerung. Neben der bereits erwähnten Restaurierung von Aquädukten (Var. IV 31: Aquädukt in Parma sowie Var. VII 6, 6: desolater Zustand der Aquädukte Roms) belegt dies ein Schreiben, in welchem Cassiodor ausführlich die Tätigkeit eines Wassersuchers aus Afrika beschrieb (Var. III 53). Dieser könne für trockene Orte Wasser aus der Tiefe besorgen, so dass er durch seine Fähigkeit Plätze bewohnbar mache, die ursprünglich ausgetrocknet und unfruchtbar seien (Var. III 53, 1). Offenbar gab es viele Orte, die den Vorteil sprudelnden Wassers und überquellender Wasserleitungen ersehnten (Var. III 53, 6). Das Aufspüren von Wasser charakterisierte Cassiodor an mehreren Stellen des Briefes als „Kunst“, was neben ausführlichen Schilderungen der Suche seine Bewunderung für diese Tätigkeit Ausdruck verleiht (Var. III 53, 3): Sunt et alia huius artis indicia: cum nocte adveniente lana sicca in terram ponitur iam provisam et rudi caccabo tecta relinquitur, tunc, si aquae proximitas arriserit, mane umida reperitur. sole autem declarato intuentur etiam magistri loca solliciti et ubi supra terram volitare spissitudinem minutissimarum conspexerint omnino muscarum, tunc promittunt laetificale quod quaeritur inveniri. addunt etiam in columnae speciem conspici quendam tenuissimum fumum, qui quanta fuerit altitudine porrectus ad summum, tantum in imum latices latere cognoscunt, ut hoc sit mirabile, quod per haec aliaque signa diversa mensura definita praedicitur, quanta profunditate quaesita monstretur. praedicunt etiam sapores aquarum, ut nec aspera dispendioso labore debeat quaeri, nec dulcis necessariaque inhonora contemni.
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Königs durch habgierige Verteiler in das Schlechte verkehrt (Var. XII 11, 1). Für Cassiodor war dabei jeder Betrug, der sich gegen die romanische Bevölkerung richte, unerträglich (Var. XII 11, 2): Nam licet omnis fraus gravis esse videatur, illa tamen importabilis redditur, quae in Romulea plebe grassatur: turba quae vivit quieta: populus qui nescitur, nisi cum laetus est: clamor sine seditione: strepitus furoris nescius, quibus sola contentio est paupertatem fugere et divitias non amare. nesciunt enim esse lucripetes nec aliqua se negotiationis calliditate discruciant: vivunt fortuna mediocrium et conscientia divitum. nonne piaculum est talibus rapere, qui nesciunt aliena fraudare?
Der neu ernannte erogator müsse sich in Acht nehmen, dass nicht ein anderer das empfange, was jene verdient haben und dass er nicht die königliche Gnade verliere, wenn er die Liebe zu diesen Bürgern aufgebe (Var. XII 11, 3).¹¹² Zur Vermeidung von Missbräuchen im Zusammenhang mit der Verteilung von Getreide an Hungernde setzte Cassiodor an anderer Stelle auf einen Bischof, da dieser, der vom Eigenen Gutes zu tun wünsche, auch fremde Bedürfnisse auf lobenswerte Weise erfülle (Var. XII 27, 1). Neben dem erogator opsoniorum konnte Cassiodor bei der Verwaltung und Verteilung von königlichen beneficia auf einen kompletten Verwaltungsapparat zurückgreifen. In diesen Prozess waren eine ganze Reihe von staatlichen Angestellten eingebunden, die alle dem praefectus praetorio unterstellt waren. In einem Brief wurden neben Schatzmeistern und Verwaltern von Speichern auch Metzger, Weinhändler, Lieferanten und Wirte genannt (Var. X 28, 1 f.). Hierbei sollten vor allem unbestechliche Bedienstete eingesetzt werden, was sich so in der Aufgabe des magister officorum widerspiegelt, besonders gerechte Beamte mit der Aufsicht über Lebensmittelabgaben zu betrauen (Var. VI 6). Auf diese Weise gewähre dieser der Bevölkerung Freude, da er für die öffentlichen Vorräte nur solche Männer einsetze, dass die zu Klagen neigende Bevölkerung, da sie gesättigt sei, keinen Aufruhr zu haben wisse (Var. VI 6, 6). Ein in die Variae aufgenommenes Edikt legt dabei nahe, dass Cassiodor der Bevölkerung Roms besondere Fürsorge zuteil werden ließ. Der eigens hierfür abgestellte praefectus annonae war sowohl für die Versorgung Roms mit Getreide als auch für die Qualität der Verarbeitung des Korns zu Brot zuständig (Var. VI 18).¹¹³ Hierzu zählte auch die Aufsicht darüber, dass überall eine ausreichende Menge dieses Grundnah-
In den Variae ist dabei der Anspruch formuliert, dass königliche Wohltaten vor allem verdienten Persönlichkeiten zuteil werden sollten (Var. VII 1, 5). Der Herrscher würde als Dank für die Verdienste des Betreffenden quasi eine Schuld einlösen. Obwohl sich nämlich Theoderich daran erfreue, häufig Wohltaten noch über die Wünsche der Bittenden hinaus gespendet zu haben, beschäftige er sich dennoch lieber mit dem, bei welchem er sich rühmen könne, dass er sich den Verdiensten der Belohnten entsprechend verhalten habe (Var. V 40, 1). So werde Meriten mit gegenseitigem Lob geholfen und das Ansehen der einen Sache bekomme Schönheit von der mit ihr verbundenen Anmut (Var.V 40, 1). Zum praefectus annonae vgl. Vitiello, Massimiliano, Fine di una magnapotestas. La prefettura dell’annona nei secoli quinto e sesto, in: Klio. Beiträge zur alten Geschichte 84 (2002), S. 491– 525.
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rungsmittels vorhanden war, damit sich eine derart große Volksmenge gleichsam an einem Tisch sättigen könne. Daher solle er die Backstuben besuchen und Anforderungen in Bezug auf Gewicht und Sauberkeit durchsetzen (Var. VI 18, 1). Cassiodor betonte, dass die Verteilung von Getreide und die Aufsicht über die Verarbeitung nicht weniger wichtig sei als deren Beschaffung, da man Klagen selbst bei Überfluss an Getreide nicht beheben könne, wenn die Köstlichkeit des Brotes nicht vorhanden sei (Var. VI 18, 5). Zum Schluss des Schreibens forderte Cassiodor den Beamten auf, betrügerische Bäcker strafrechtlich zu verfolgen und das Gewicht des Brotes zu prüfen, denn besorgter als Gold solle gewogen werden, wovon man lebe (Var. VI 18, 7):¹¹⁴ In fraudulentos distringe, panis pondera aequus examinator intende: sollicitius auro pensetur, unde a Quiritibus vivitur, quia gratior nobis est laetitia faventis populi Romani quam copia pretiosissimi metalli. intuere certe quod loquimur. quid habes melius quod optes quam illius populi gratiam quaerere, quam nos etiam constat optare?
Wie bereits an den zitierten Stellen angeklungen ist, verknüpfte Cassiodor die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln auf der rhetorischen Ebene der Briefe mehr als in anderen Zusammenhängen mit der Intention, die ostgotischen Könige unter einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen. Die Spenden erscheinen dabei als königliche Wohltaten (beneficia) und haben zum Ziel, die Güte und Freigebigkeit (benignitas)¹¹⁵ der Herrscher zu demonstrieren (Var. II 2, 2). Cassiodor hatte eine andere Auffassung dieser Annehmlichkeiten als wir heute, denn nach seiner Auffassung gelte alles als Wohltat, was jemandem nicht gegen seinen Willen gegeben werde, non est beneficium quod praestatur invitis (Var. I 38, 1), und was man ohne zu Murren empfange: Nam hoc est re vera beneficium, si sine murmure feratur acceptum (Var.V 39, 15).Wichtig sei dabei, dass eine erwiesene Wohltat niemand anderen belaste (Var. II 17), wodurch letztlich alles, was ein König in seinem Reich erlässt, als freiwillige Wohltat interpretiert und von Cassiodor als solche stilisiert werden konnte.¹¹⁶
Nach der Schilderung des Anonymus Valesianus habe Theoderich anlässlich seines Rombesuchs im Jahre 500 zur Feier seines 30-jährigen Regierungsjubiläums eine jährliche Spende von 120.000 Scheffel Getreide für das romanische Volk und die Armen verfügt. Vgl. Exc. Val. 67. Benignitas nimmt in der Auffassung Cassiodors eine Art Mittelstellung zwischen liberalitas und clementia ein. Die Bezeichnung wird in den Variae insgesamt 38 mal verwendet und erscheint in allen Fällen als positive Herrschertugend. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 191; Fridh, Terminologie et formules, S. 32; S. 173. Aus diesem Grund heraus sollen die Wohltaten früherer Herrscher erhalten bleiben (Var. XI 8, 8). An anderer Stelle heißt es, es sei ein Zeichen der Fürsorge, fremde Wohltaten unbeeinträchtigt zu erhalten. Was nämlich vom Fiskus in alter Gewohnheit gespendet werde, könne stets als Wohltat angerechnet werden (Var. IV 20, 1): Si desideramus locum beneficiis invenire, ut titulos nostrae possimus pietatis erigere, quanto magis aliena beneficia intacta volumus defendi, qui propria cupimus sponte largiri, maxima quando et illud conscientiae nostrae reponitur, quod de fisco sub antiqua sollemnitate praestatur! In einem vergleichbaren Zusammenhang legte Cassiodor König Athalarich die Worte in den Mund, dass dieser die von Theoderich erlassenen Wohltaten erhalten und vergrößern wolle (Var.VIII 5,
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Die beneficia sind in den Briefen Cassiodors eng mit dem Ruhm eines Herrschers verbunden, profitiere doch die Gunst eines Königs vom Erfolg seiner Untertanen (Var. II 2, 2). Geschenke an die Bevölkerung seien für die Regenten ein Gewinn, vor allem, wenn diese wertloses Geld außer Acht ließen und so den Blick auf das Wesentliche nicht verlieren würden (Var. I 16, 1).¹¹⁷ Der hieraus resultierende Vorteil könne dann für ihren Ruhm verbucht werden (Var. VIII 23, 1). Unter einem guten Herrscher habe der Zufall daher keine Macht, da der König, der auf günstige Weise spenden wolle, die ungünstigen Schicksalsschläge zu korrigieren versuche (Var. XII 7, 1): Sub clementia boni principis nihil constat licere fortuitis, quando sinistros casus corrigunt, qui praestare prosperrime censuerunt. Cassiodor verglich daher die königlichen Wohltaten mit Samen, die zur Saat wachsen, wenn sie zerstreut sind, aber zugrunde gehen, wenn sie zusammengepresst sind (Var. III 29, 1). Mit diesem Sinnbild verdeutlichte er, dass es das Ziel ist, Wohltaten unter vielen zu verteilen, damit sie überall sprießen können, anstatt sie nur Wenigen zukommen zu lassen. Etwas makaber mutet der Versuch Cassiodors an, eine Hungersnot damit zu beschönigen, dass nun der König infolge dieses Missstandes durch reichhaltige Spenden an Nahrungsmittel seine Großzügigkeit unter Beweis stellen könne (Var. XII 28). Dessen Großmut hätte ansonsten keine Möglichkeit zur Entfaltung gehabt, denn wer wisse nicht, dass die göttliche Vorsehung dem Gebrauch einiges entziehe, damit der menschliche Sinn sich bewähren könne? Die Äcker seien unfruchtbar gemacht worden, damit man den Reichtum des Königs erkenne. Dessen Großzügigkeit wäre ohne bestehende Not weniger willkommen. Die Provinzen sollen ob des Übels dankbar sein, da sich nun der Sinn des Königs bewähren könne, vor keinem Übel zu weichen (Var. XII 28, 1): Quis nesciat providentiam divinam usibus nostris aliqua velle subducere, ut humanum possit animum comprobare? nam si nullum penitus indigere contingeret, locum proinde largitas non haberet. data est provinciis in regis nostri laudem penuria: steriles facti sunt agri, ut ubertas domini possit agnosci. minus esset acceptissimum donum, nisi praecessisset incommodum. gaudete, provinciae, malisque vestris potius gratiam referte, quando talem probatis animum principis, ut nullis cedat adversis. en pietas mirabilis, quae ubique nostris repugnat incommodis.
Als Beschützer seines Volkes, lasse der Herrscher sie nicht die Gefahren des Mangels erleiden. Im ganzen Erdkreis müsse gepriesen werden, dass die Menschlichkeit des ruhmreichen Königs gegen die grausame Not kämpfe. Seine Festung im eigentlichen Sinne seien die vollen Scheunen (Var. XII 28, 5). Wie Cassiodor an anderer Stelle formulierte, ermögliche die Tugendhaftigkeit des Herrschers eine vorausschauende Zuweisung von Getreide noch bevor entsprechende 1), da es im Interesse seines Rufes sei, die Romanen, die Theoderich auf gütigste Weise geschätzt habe, auch selber in der beschlossenen Fülle und in reichen Wohltaten zu erfreuen (Var. VIII 5, 2). Cassiodor zufolge sei es ein Zeichen von lasterhaftem Geiz, kleinlich zu spenden. Die Güte des Königs solle stattdessen dem Erfolg seines Reiches nacheifern, damit seine Menschlichkeit die Geschenke dem Zuwachs des Gemeinwesens entsprechend spenden könne (Var. II 37).
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Petitionen eingingen (Var. III 42, 1).¹¹⁸ Seine Güte sei unendlich, da sein Großmut weder Grenzen und Gesetze kenne oder durch Bestimmungen eingeengt werden könne (Var. II 30, 1). Der Wunsch des Herrschers sei Befehl, weil keine königliche Anweisung durch boshaftes Streben zunichte gemacht werden dürfte (Var. III 35). Das, was die Könige auf göttliche Veranlassung hin täten, heißt es an anderer Stelle, dürfe von niemandem angetastet werden (Var. XII 13, 1): Nisu contineri debet omnium largitas impensa dominorum, quando necesse est universis proficere, quod illos impulsu divinitatis probatum fuerit effecisse. pietas siquidem principum totum custodit imperium et dum illis vicissitudo digna redditur, incolumia rei publicae membra servantur.
Oft bestanden die Wohltaten in Geldspenden, wovon Nahrungsmittel (Var. XII 11) aber auch Schauspiele (Var. I 30, 1) und der Bau von Aquädukten (Var. VIII 30, 1) finanziert wurden. Bei deren Verwaltung konnte Cassiodor auf den comes sacrarum largitionum zurückgreifen, in dessen Verantwortung die Ruhmesmehrung des Herrschers lag (Var. VI 7, 1). Cassiodor zufolge sei es wahrlich ein großes Glück, gerade in jenem Aufgabenbereich der Allgemeinheit zu dienen. Rückblickend sah Cassiodor die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln als eine der dringlichsten Herausforderungen an, um den inneren Frieden im Reich aufrechtzuerhalten. Der Hintergrund war seine Befürchtung, dass Engpässe zu Aufständen und Unruhen führen konnten. Da diese Sorge nicht unbegründet war, traf er, wie die vorangegangenen Ausführungen zeigten, die verschiedensten Vorkehrungen, um die Ernährung sicherzustellen. In Bezug auf diese Maßnahmen und Ideen, wie etwa Eingriffe auf die Preisbildung oder auch den Erlass von Schulden, bewies er ein bis heute aktuelles Gespür für wirtschaftliche Prozesse und Zusammenhänge. Zum Beispiel setzte er bei der Preisfestsetzung – schon fast modern – auf das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage und bestand darauf, dass immer, wenn es möglich war, die Preise frei ausgehandelt wurden. Mit diesen Anordnungen betrat er nicht selten Neuland. Gleiches trifft so auch auf seine Religionspolitik zu, die ganz im Zeichen der Ausblendung und Vermeidung religiöser Konflikte stand. Wie Cassiodor den inneren Frieden zwischen den Katholiken, Arianern, Juden und Heiden Italiens wahren wollte und welche Maßnahmen er dabei ergriff, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.
Cassiodor zufolge sei dem König seine Milde angeboren (Var. III 17, 2). Theoderich schrieb er zu, dass dessen Sinn von der Begierde entflammt sei, Gutes zu tun. Er erhole sich, während ihm Cyprian auf Spazierritten von Gelegenheiten für Wohltaten berichte (Var. V 41). Jeder Tag solle Theoderichs Wunsch gemäß voll von Wohltaten vergehen, seine Leistungen sollen überall strahlen, da die Spenden der königlichen Wohltaten ewig leben würden. Denn was sei so königlich als jemanden glücklich zu machen und so viel zu spenden, dass der Betroffene über seinen Aufstieg staune. Wohltaten nämlich würden die Herrschaft erhöhen und der Herr der Freiheit gewinne an Ansehen durch die Erhöhung seiner Untertanen (Var. V 41, 1).
4 Ausblendung und Vermeidung religiöser Konflikte 4.1 Das Leben katholischer Christen unter ostgotischer Herrschaft Nach der Ermordung Odoakers und der Übernahme der Herrschaft in Italien mussten Theoderich und seine Nachfolger einen Weg finden, um das Zusammenleben von Goten und Romanen zu organisieren und so auf Dauer von der romanischen Bevölkerung akzeptiert zu werden. Als besondere Schwierigkeit erwies sich neben der Sprache und Lebensführung vor allem die Konfession, in der sich Zugewanderte und Einheimische erheblich voneinander unterschieden.¹ Die Ostgoten und ihr König waren bereits bei ihrer Ankunft in Italien Christen, so dass die Grundlagen für die unterschiedlichen religiösen Bekenntnisse zwischen arianischen Ostgoten² und katholischen Romanen zu diesem Zeitpunkt bereits gelegt waren.³ Der zentrale Unterschied beider Konfessionen bestand darin, dass die Arianer anders als die Katholiken nicht daran glaubten, dass Gott und Christus wesensgleich seien.⁴ Kern dieses Standpunktes ist, dass Gott selbst nicht gezeugt und aus diesem Grund ohne Ursprung sei. Der Sohn Gottes könne daher nicht Gott im selben Sinn wie Vgl. Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 88. Zur Sprache der Ostgoten vgl. Wrede, Ferdinand, Über die Sprache der Ostgoten in Italien, Berlin 2018. Die gotischen Christen als solche kennzeichneten sich selbst wohl nicht als „Arianer“ oder „Homöer“. Bei dieser Bezeichnung handelte es sich um die negative Benennung durch die Orthodoxen. Vgl. Dinzelbacher, Peter, Die ostgotischen Könige, die Religionen und das Recht nach Cassiodors „Variae“, in: Mittellateinisches Jahrbuch 48 (2013), S. 1– 28, hier: S. 4; Bardenhewer, Otto, Geschichte der altkirchlichen Literatur, Darmstadt 22007, hier: S. 331; Moorhead, John, Ostrogoth Italy and the Lombard Invasions, in: Fouracre, Poul (Hrsg.), The New Cambridge Medieval History, Bd. 1, c. 500– c.700, Cambridge 2005, S. 140 – 161, hier S. 144. Vgl. Schäferdiek, Knut, Art. Germanenmission, in: Reallexikon für Antike und Christentum 10, Stuttgart 1978, Sp. 522– 527; Schäferdiek, Knut, Anfänge des Christentums, S. 295 – 310; Brennecke, Hanns Christof, Christianisierung und Identität – das Beispiel der germanischen Völker, in: van der Heyden, Ulrich/ Liebau, Heike (Hrsg.), Missionsgeschichte – Kirchengeschichte – Weltgeschichte. Christliche Missionen im Kontext nationaler Entwicklungen in Afrika, Asien und Ozeanien, Stuttgart 1996, S. 239 – 247; Brennecke, Hanns Christof, Imitatio – reparatio – continuatio. Die Judengesetzgebung im Ostgotenreich Theoderichs des Großen als reparatio imperii?, in: Zeitschrift für antikes Christentum 4 (2000), S. 133 – 148, hier: S. 134; Wiemer, Theoderich der Große, S. 475. Vgl. hierzu vor allem den von Guido M. Berndt und Roland Steinacher herausgegeben Sammelband zur Thematik.Vgl. Berndt, Guido M./ Steinacher, Roland (Hrsg.), Arianism. Roman Heresy and Barbarian Creed, Farnham 2014, mit einschlägigen Beiträgen von unter anderem Knut Schäferdiek, Ulfila und der sogenannte gotische Arianismus, S. 21– 44; Hanns Christof Brennecke, Deconstruction or the So-called Germanic Arianism, S. 117– 130; Herwig Wolfram, Vulfila pontifex ipseque privias Gothorum minorum, sed non apostolus eorum.Vulfila, Bishop and Secular Leader of his People but not their Apostle, S. 131– 144; Ralph Withney Mathisen, Barbarian ’Arian’ Clergy, Church Organization, and Church Practices, S. 145 – 192; Guido M. Berndt/ Roland Steinacher, The ecclesia legis Gothorum and the Role of ’Arianism’ in Ostrogothic Italy, S. 219 – 230. Dieser Band liefert neben weiterführender Literatur auch einen Überblick zu früheren wie heutigen Forschungsschwerpunkten. https://doi.org/10.1515/9783110706871-005
4.1 Das Leben katholischer Christen unter ostgotischer Herrschaft
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der Vater sein.⁵ Basierend auf der detailreichen elfbändigen und wieder aufgelegten Arbeit von Christian Walch⁶ aus dem achtzehnten Jahrhundert sowie der Untersuchungen von Hans von Schubert⁷ und Heinz-Eberhard Giesecke⁸ zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gilt es als sicher, dass die Ostgoten erst nach dem Untergang des Hunnenreiches und ihrer Ansiedlung in Pannonien durch westgotische Vermittlung zum Christentum übertraten. Den Ausgangspunkt der gotischen Christianisierung bildete die Bibelübersetzung Wulfilas in das Gotische.⁹ Die arianische Kirche formte eine parallele Organisation mit eigenen Bischöfen (Var. II 18: Bischof Gudila; Var. I 26: Bischof Unscila) und Gotteshäusern, die ecclesiae legis Gothorum oder ecclesiae Gothicae. ¹⁰ Die Liturgie war ebenfalls gotisch.¹¹ Die Untersuchungen von Patrick Amory verweisen darauf, dass Goten wie Romanen gleichfalls der jeweils anderen Glaubensrichtung angehören konnten.¹² Während sowohl der Arianismus als auch die Geschichte der Goten, insbesondere der Ostgoten, in jüngerer Zeit wieder stärker in den Blickpunkt gerückt wurde, fehlen
Im Grunde genommen handelte es sich um eine typisch griechische Form des Christentums, die unter den Kaisern Constantius II. und Valens im Osten auf der Basis der Beschlüsse der Konstantinopler Enkainiensynode von 360 an die kaiserliche Politik bestimmte. Erst der religionspolitische Umschwung unter Kaiser Theodosius I. und die zweite ökumenische Synode von 381 und spätestens die Konstantinopler Synode von 383 machten den Arianismus zu einer vom Staat verfolgten Häresie. Vgl. Ritter, Adolf Martin, Art. Konstantinopel, Ökumenische Synoden I, in: Theologische Realenzyklopädie 19, Berlin 1990, S. 518 – 524; Brennecke, Hanns Christof, Studien zur Geschichte der Arianer. Der Osten bis zum Ende der arianischen Reichskirche, Tübingen 1988, insbesondere S. 224– 242; Brennecke, Hanns Christof, Art. Homéens, in: Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques 24, Paris 1993, Sp. 932– 960; Demandt, Die Spätantike, S. 66 f.; Zeiller, Jacques, Etude sur l’arianisme en Italie á l’époque ostrogothique et á l’époque Lombarde, in: Mélanges d’Archéologie et d’Histoire de l’Ecole française de Rome 25 (1905), S. 127– 146. Vgl. Walch, Christian, Entwurf einer vollständigen Historie der Ketzereien, Spaltungen und Religionsstreitigkeiten, bis auf die Zeiten der Reformation, Bd. 2, Hildesheim 2004, S. 569 – 700. Vgl. Schubert, Hans von, Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter. Ein Handbuch, Tübingen 1921. Vgl. Giesecke, Heinz-Eberhard, Die Ostgermanen und der Arianismus, Leipzig 1939. Vgl. Schäferdiek, Ulfila, S. 21– 44; Kakridi, Cassidors Variae, S. 208 – 210; Amory, People and Identity, S. 237. Der Weg der Vermittlung des christlichen Glaubens ist indes nicht eindeutig verifizierbar, da die Quellen fehlen. Zur Ausbreitung des Arianismus vgl. Schubert, Geschichte der christlichen Kirche, S. 20. Vgl. Pohl, Völkerwanderung, S. 142; Wiemer, Integration durch Separation, S. 169. Zur Organisation der gotischen Kirche vgl. Pfeilschifter, Georg, Der Ostgotenkönig Theoderich der Große und die katholische Kirche, Münster 1896, hier: S. 47– 54; Mathisen, Ralph Withney, Barbarian Bishops and the Churches ’in barbaricis gentibus’ during Late Antiquity, in: Speculum 72 (1997), S. 664– 697; Amory, People and Identity, S. 236 – 276. Vgl. Scardigli, Piergiuseppe, Goten, in: Scardigli, Piergiuseppe (Hrsg.), ’Germanica Florentina’ e altre cose. Ventisette saggi e un profilo, Trieste 2002, S. 234– 237; Scardigli, Piergiuseppe, Goti e Langobardi. Studi di filologia germanica, Rom 1987, hier: S. 35 f.; Green, Dennis Howard, Language and History in the Early Germanic World, Cambridge 1998, hier: S. 275 f. Vgl. Amory, People and Identity, S. 236 f.
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mit Ausnahme eines Aufsatzes von Andreas Schwarcz¹³ und Peter Brown¹⁴ Darstellungen, die sich auf ereignisgeschichtlicher Ebene der Religionspolitik und dem Zusammenleben von Arianern und Katholiken im Ostgotenreich zuwenden.¹⁵ Abgesehen von einem Aufsatz von Peter Dinzelbacher¹⁶ trifft dies insbesondere auf Darstellungen zu, die basierend auf den Briefen der Variae diese wechselseitigen Wirkungen und Bezüge fokussieren. Beschreibungen dieser Art sind zahlreich und durchziehen die Variae, insbesondere im Hinblick auf das Miteinander von Arianern und Katholiken, wie ein roter Faden. Entgegen der Schlussfolgerung Peter Dinzelbachers, der nach der Übersetzung von lediglich zehn Briefen zu der Erkenntnis gelangt, dass das Thema Religion bei Cassiodor nur eine geringe Rolle spiele¹⁷, zeigt eine intensivere Betrachtung der Briefe und königlichen Anordnungen, dass dem religiösen Bekenntnis von Goten und Romanen bei der Herstellung und Bewahrung des inneren Friedens eine Schlüsselrolle zuteil wurde. Die Tatsache, dass die Lehre des Arianismus den Glaubensgrundsätzen der Katholiken diametral gegenüberstand, stellte Cassiodor insbesondere vor dem Hintergrund der unauflösbaren Verbindung von Politik und Religion vor die Herausforderung, mit schier unüberwindbaren Gegensätzen umzugehen. Wie einmal mehr die in den Variae behandelten Themen zeigen, wusste er genau um das enorme Konfliktpotential, das Glaubensfragen innewohnte. Da die Briefsammlung nachträglich zusammengestellt wurde und nur eine Auswahl der amtlichen Korrespondenz enthält, sind in diesem Zusammenhang auch Fragen und Probleme interessant, die Cassiodor bewusst ausklammerte oder nur am Rande erwähnte. Über allem stand das Ziel, es zu keinen Konflikten zwischen Goten und Romanen kommen zu lassen. Sollte der innere Frieden im Reich gewahrt bleiben, galt es unter allen Umständen, religiös motivierten Auseinandersetzungen und Ausschreitungen vorzubeugen.¹⁸ Hierzu waren Vorsorgemaßnahmen und Richtlinien von Nöten, die angefangen von strategischen Überlegungen hinsichtlich der Formulierung der Briefe auf inhaltlich-argumentativer Ebene bis hin zu realpolitischen Entscheidungen, die Statthaltern, Militärführern und Geistlichen gegenüber vertreten werden mussten, reichten. Cassiodor sah die Vor-
Vgl. Schwarzc, Überlegungen zur Religionspolitik, S. 36 – 52. Vgl. Brown, The Role of Arianism in Ostrogothic Italy, S. 417– 441. Im besten Fall finden sich in den Überblickswerken von Alexander Demandt, Herwig Wolfram, Christoph Schäfer, Verena Postel oder auch Frank Ausbüttel kürzere Absätze zur Religion im Ostgotenreich. Vgl. Demandt, Die Spätantike, S. 414– 430 sowie S. 430 – 437; Wolfram, Goten, S. 284– 290 sowie S. 327– 332; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 192– 195; Postel, Ursprünge, S. 169 – 173; Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 92– 107 sowie S. 107– 111. Vgl. Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 1– 27. Vgl. Dinzelbacher, Briefe des Ostgotenkönigs, S. 135. Vgl. Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 183; Epp, Goten und Römer, S. 58 f.; Nietschke, Christian, Netzwerkmanagement im Ostgotenreich. Die Verweigerung des konfessionellen Konflikts durch Theoderich den Großen, in: Bauerfeld, Daniel/ Clemens, Lukas (Hrsg.), Gesellschaftliche Umbrüche und religiöse Netzwerke. Analysen von der Antike bis zur Gegenwart, Bielefeld 2014, S. 87– 117.
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aussetzungen des friedlichen Zusammenlebens vor allem in der religiösen Offenheit der Könige sowie in der Überparteilichkeit, Transparenz und Rücksichtnahme in Streitfällen.¹⁹ Die Strategie der Konfliktvermeidung beginnt bereits auf der inhaltlichgestalterischen Ebene der Briefe, da Cassiodor tunlichst darauf bedacht war, die Briefe so zu formulieren, dass wie weder bei Ostgoten noch bei Romanen Anstoß erregen konnte.
4.1.1 Konfliktvermeidung auf rhetorischer Ebene Wie viele prominente Zeitgenossen investierte der Katholik Cassiodor einen großen Teil seiner Energie für kirchenpolitische Aktivitäten (Var. I 26, XI 2; XI 3).²⁰ Genauso waren auch die Ostgoten samt ihren Königen überwiegend religiös geprägte und entsprechend handelnde Menschen. Verdeutlichen lässt sich dies anhand König Theoderich, der von Kindheit an eine christliche Erziehung erfahren hatte und, wie bei Ennodius zu lesen ist, wohl aus diesem Grund alle seine militärischen und politischen Erfolge dem Willen Gottes zuschrieb.²¹ Er gehörte wie bereits sein Vater und seine Nachfolger auf dem Königsthron dem arianischen Glauben an.²² Seine Mutter, die Gotin Ereleuva, war hingegen zum katholischen Glauben konvertiert und hatte nach
Die Aussage Paolo Verzones, der zu dem Ergebnis kommt, dass es die Religion gewesen sei, die den Ostgoten ihren Untergang bescherte, kann mit Blick in die Variae widerlegt werden. Die Aussage „Sie waren Arianer, und der Unterschied der Sekte hielt sie unwiderruflich getrennt von den Katholiken […]“ trifft so nicht zu, da Cassiodor zumindest auf der gestalterischen Ebene seiner Briefe bestrebt war, das Gegenteil zu erreichen. Schon Georg Pfeilschifter konnte beweisen, dass das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und den Ostgoten das „allerbeste“ war, obgleich es diese Schlussfolgerung zu relativieren gilt. Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große, S. 54 und ausführlicher Pfeilschifter, Theoderich der Große und die Katholische Kirche. Christina Kakridi führt dies darauf zurück, dass er aus einer Region stammte, die traditionell sehr gute Beziehungen zum obersten Bischof unterhielt. Neben den Variae, in denen sich für diese Vermutung eine Vielzahl von Belegen finden lassen, gibt es außerhalb dieser Briefsammlung einen weiteren Beweis: Papst Johannes II. wandte sich im Jahre 534 mit einem Brief an elf namhafte Senatoren, unter ihnen auch Cassiodor, um sie für eine neue dogmatische Formel zu gewinnen. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 205, S. 221. Vgl. Ennodius, Panegyricus 80. Das christliche Bekenntnis der Gotenkönige stellt Cassiodor als positives Unterscheidungsmerkmal zu den früheren Kaisern Roms heraus (Var. IX 15, 1): Si antiquis principibus studium fuit leges exquirere, ut subiecti populi delectabili tranquillitate fruerentur, multo praestantius est talia decernere, quae possunt sacris regulis convenire. Hieraus leitete Cassiodor ab, dass besonders der König bei Gott in der Pflicht stehe, denn wenn der Herrscher sein Regiment nach der christlichen Lehre ausübe, sei die Belohnung ein Segen, der sich auf das gesamte Reich auswirke (Var. XII 13, 1): Pietas siquidem principum totum custodit imperium. Speziell zu Theoderich heißt es: […] qui divinae supplicationi semper assiduus exegit meritis, ut illa faceret quae superna gratia custodiret (Var. IX 24, 1). Vgl. Exc. Val. 60, wo es heißt […] dum ipse quidem Arrianae sectae esset.
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ihrer Taufe den griechischen Namen Eusebia angenommen.²³ Wie sie dürften auch die Amalerinnen, die in römische Familien eingeheiratet hatten, katholisch gewesen sein. Gleiches trifft auf die zahlreichen römischen Beamten zu, die am Königshof und auf die italischen Städte verteilt tätig waren.²⁴ Dem weitestgehend mit Katholiken besetzten Verwaltungsapparat stand das ostgotische und damit überwiegend arianische Heer gegenüber. Aufgrund der weitreichenden zivilen Kompetenzen der Romanen auf der einen und der Waffengewalt der Goten auf der anderen Seite ist auf religiöser Ebene von einem enormen Konfliktpotenzial auszugehen.²⁵ Die Variae schweigen allerdings zu religiös motivierten Ausschreitungen zwischen Arianern und Katholiken, was zwei Schlussfolgerungen zulässt: Entweder ist es zu keinen nennenswerten Konflikten gekommen oder Cassiodor war bei der Zusammenstellung der Briefsammlung bewusst darauf bedacht, solche Mahnschreiben, Anordnungen und Edikte auszuklammern. Für letzteres spricht, dass der Minister einschneidende religionspolitische Ereignisse und Phänome der Zeit wie zum Beispiel das Laurentianische²⁶ und das Aka Exc.Val. 58: Mater Ereleuva dicta Gothica catholica quidem erat, quae in baptismo Eusebia dicta.Vgl. hierzu auch König, Aus der Zeit Theoderichs des Großen, S. 79 f. Ob und inwieweit Eusebia die Erziehung Theoderichs mit katholischen Bräuchen oder Sitten beeinflusste, kann den Quellen leider nicht entnommen werden. Vgl. Amory, People and Identity, S. 268. Vgl. Amory, People and Identity, S. 269. Wie der Herrscher war auch der einzelne Amtsträger und Beamte im Denken Cassiodors ein Mensch, der seine Stellung der göttlichen Gnade verdankte. Menschliches Verhalten bemaß er darum nicht selten an seiner Gottgefälligkeit, wie es in einem Schreiben an den comes Osuin heißt (Var. III 26, 3): Hoc est enim, quod nostrum comit imperium, quod opinionem vestram inter gentes amplificat, si talia geratis, quae et nobis accepta et divinitati possunt esse gratissima. Denkbar wären anti-arianisch motivierte Aktionen seitens der katholischen Kirche und der romanischen Bevölkerung sowie Versuche der Ostgoten, Zwangsbekehrungen vorzunehmen. Derartige Versuche seitens der Ostgoten waren minimal. Vgl. Brown, The Role of Arianism in Ostrogothic Italy, S. 421; Schubert, Geschichte der christlichen Kirche, S. 28 – 29. Theoderich wurde von Seiten der Romanen wiederholt als Schiedsrichter angerufen. Hintergrund war der Konflikt zwischen Symmachus und dem Gegenpapst Laurentius. Vgl. Wirbelauer, Eckhard, Zwei Päpste in Rom. Der Konflikt zwischen Laurentius und Symmachus (498 – 514). Studien und Texte, München 1993; Moorhead, John, The Laurentian Schism. East and West in the Roman Church, in: Church History 47 (1978), S. 125 – 136; Caspar, Erich, Geschichte des Papsttums. Von den Anfängen bis zur Höhe der Weltherrschaft, Bd. 2, Das Papsttum unter byzantinischer Herrschaft, Tübingen 1933, hier: S. 84– 114; Wiemer, Theoderich der Große, S. 513 – 532; Sotinel, Claire, Rom und Italien am Übergang vom Römischen Reich zum Gotenreich, in: Pietri, Luce (Hrsg.), Der lateinische Westen und der Byzantinische Osten (431– 642), Freiburg im Breisgau 2001, S. 311– 316; Moreau, Dominic, Die diplomatischen Beziehungen zwischen den Barbarenherrschern und dem Bischof von Rom, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 242– 243. Die Bedeutung dieses Konflikts lässt sich in der Härte der Auseinandersetzungen erkennen, in deren Verlauf es zu heftigen Straßenschlachten mit Toten und Verletzten gekommen ist. Zu den Ausschreitungen vgl. Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 192; Ensslin, Theoderich der Große, S. 118; Pfeilschifter, Theoderich der Große, S. 55 – 125; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 114– 139; Richards, Jeffrey, The Popes and the Papacy in the Early Middle Ages 476 – 752, London 1979, hier: S. 72 f.
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kianische²⁷ Schisma insgesamt verschwieg. Beide Konflikte dauerten noch an, als er seine ersten politischen Ämter übernahm. Zwar waren diese beiden Spaltungen nicht direkt mit der gotischen Präsenz in Italien verbunden und doch wurden zur Zeit der amalischen Herrschaft über Italien Spannungen und Gegensätze deutlich, die für die Geschichte des westlichen Christentums von enormer Relevanz waren.²⁸ Beide Konflikte werden, obwohl sie noch andauerten, als Cassiodor seine ersten politischen Ämter übernahm, in den Variae ausgeklammert, was die Thesen bestätigt, dass es sein vordergründiges Ziel war, religiösen Konflikten bereits auf der rhetorisch-inhaltlichen Ebene der Briefe entgegenzuwirken. Um Spannungen zwischen dem Arianismus und dem Katholizismus möglichst gering zu halten und nicht weiter zu schüren, war Cassiodor darauf bedacht, die Briefe so zu formulieren, dass sie weder bei den Goten noch bei den Romanen Anstoß erregen konnten. In seinen Augen war es entscheidend, dass die gotische Kirche nicht über Einstellungen verfügte, die mit den Ansprüchen des Papstes und mit den katholischen Manifestationen des Glaubens im öffentlichen Bereich in Konflikt gerieten.²⁹ Die bei der Zusammenstellung der Variae berücksichtigten Schreiben legen nahe, dass er den religiösen Gegensatz schlichtweg ausblendete, lediglich in zwei
Benannt nach dem Patriarchen Akakios von Konstantinopel (471– 489) stellte das Akakianische Schisma das erste grundsätzliche Schisma zwischen der östlichen und westlichen Kirche dar. Akakios entwickelte im Auftrag des oströmischen Kaisers Zenon eine Henotikon genannte Glaubensformel, die zum Ziel hatte, die Monophysiten mit der orthodoxen Reichskirche zu versöhnen. Der Kern dieser Formel beruhte darauf, das umstrittene Konzil von Chalkedon zu verschweigen. Vgl. Kötter, JanMarkus, Zwischen Kaisern und Aposteln. Das Akakianische Schisma (485 – 519) als kirchlicher Ordnungskonflikt der Spätantike, Stuttgart 2013; Caspar, Geschichte des Papsttums, S. 10 – 81, S. 130 – 160; Schwartz, Eduard, Publizistische Sammlungen zum Acacianischen Schisma, in: Abhandlungen der Bayerischen Akademie für Wissenschaft, phil.-hist. Abt., NF.,10. München 1934, S. 171– 262; Frend, William H. C., The Rise of the Monophysite Movement. Chapters in the History of the Church in the Fifth and Sixth Centuries, Cambridge 1972, hier: S. 221– 254; Maraval, Pierre, Die Rezeption des Chalcedonense im Osten des Reiches, in: Pietri, Luce (Hrsg.), Der lateinische Westen und der Byzantinische Osten (431– 642), Freiburg im Breisgau 2001, S. 120 – 159; Brennecke, Hanns Christof, Das akakianische Schisma. Liberatus, Brevarium 15 – 18, in: Zeitschrift für antikes Christentum 14 (2010), S. 74– 95; Meier, Mischa, Anastasios I. Die Entstehung des Byzantinischen Reiches, Stuttgart 2009, hier: S. 102– 117 sowie S. 311– 316. Vgl. Frend, William H. C., The Rise of Christianity, Philadelphia 1984, hier: S. 807 f.; Caspar, Geschichte des Papsttums, S. 10 – 81, 84– 114, 130 – 160; Schimmelpfennig, Bernhard, Das Papsttum. Grundzüge seiner Geschichte von der Antike bis zur Renaissance, Darmstadt 1996, hier: S. 16 f.; Duchesne, Louis, L’église au VI siécle, Paris 1925; Richards, The Popes and the Papacy, S. 55 f. Aus byzantinischer Sicht vgl. Beck, Hans-Georg, Die frühbyzantinische Kirche, in: Jedin, Hubert (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 2, Freiburg i. Br. 1975, S. 3 – 94. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 209; Ullmann, Walter, Gelasius I. (492– 496). Das Papsttum an der Wende der Spätantike zum Mittelalter, Stuttgart 1981, hier: S. 217 f. Letzterer vertritt die Auffassung, dass es sich bei Cassiodor um einen Arianer handelte.
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Briefen deutet sich die abweichende Konfession der Gotenkönige an (Var. VIII 15; X 34).³⁰ In einem Brief, mit dem König Athalarich, der Enkel Theoderichs und dessen direkter Thronfolger, eine Papstwahl bestätigte, gab er in einem Schreiben an den Senat der Stadt Rom zu, dass sein Großvater, der sich in diese Wahl eingeschaltet hatte, einer anderen Konfession (religio) angehörte (Var. VIII 15). Trotzdem habe dieser mit der Zustimmung zu Papst Felix III. den richtigen Anwärter ausgewählt (Var. VIII 15, 1): Gratissimum nostro profitemur animo, quod gloriosi domni avi nostri respondistis in episcopatus electione iudicio. Oportebat enim arbitrio boni principis oboediri, qui sapienti deliberatione pertractans, quamvis in aliena religione, talem visus est pontificem delegisse, ut nulli merito debeat displicere, ut agnoscatis illum hoc optasse praecipue, quatenus bonis sacerdotibus ecclesiarum omnium religio pullularet.
In einer zweiten Stelle wandte sich König Witigis als Nachfolger Theodahads direkt nach seiner Thronbesteigung in einem Schreiben an suis episcopis (Var. X 34). In diesem Brief deutet sich an, dass der König aufgrund der gemeinsamen Konfession besondere Erwartungen in „seine“ Geistlichen setzte (Var. X 34, 1): […] quia necesse est, ut bene velitis quos vobis religione iunctos esse cognoscitis. Zwar verstanden sich die Goten vorwiegend als Militärs, doch deutet speziell dieses Schreiben darauf hin, dass der arianische Glauben bei den Ostgoten einen identitätsstiftenden Charakter hatte. Der zur heimischen Provinzialbevölkerung divergierende christliche Glauben bildete auf diese Weise eine Art einigendes Band.Während diese identitätsnotwendige Abgrenzung der germanischen Minderheiten von der übrigen Reichsbevölkerung im weiteren Bestehen der einzelnen Reiche bald nicht mehr nötig war, sondern sich sogar als hinderlich herausstellte und durch den Übertritt zum Katholizismus verschwand, hatten das italische Ostgotenreich und das nordafrikanische Vandalenreich dieses Stadium nicht mehr erlebt, da beide Reiche vorher von den Byzantinern eingenommen wurden.³¹ Der Anspruch Cassiodors, Spannungen möglichst zu vermeiden, zeigt sich auch darin, dass er besondere Taten und Handlungen statt mit Jesus beziehungsweise Christus stets mit Gott in Verbindung brachte. Bei der Auswertung der Briefsammlung ist festzustellen, dass mit Ausnahme einer einzigen Stelle im Zusammenhang mit der alljährlichen Osteramnestie, wo von dem redemptor omnium die Rede ist (Var. XI 40, 1), weder in den königlichen Anordnungen noch in den formulae die Worte „Jesus“ oder „Christus“ vorkommen. Allem Anschein nach gibt es nicht einmal Sohn-Meta-
Auch im Edictum Theoderici werden die Glaubensrichtungen nie explizit benannt, wohl aber wird deutlich, dass die Bevölkerung konfessionell gespalten war. Vgl. Stüwen, Rechtliche Ausprägungen, S. 124 f. Vgl. Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 136. Gleichwohl können die politischen Wirren im Ostgotenreich nach Theoderichs Tod als ein erster, wenn auch gewaltsam abgebrochener, Schritt eines (möglichen) Identitätswechsels gedeutet werden. Zu dieser Interpretation vgl. Ensslin, Theoderich der Große, S. 317– 331.
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phern, durch die man auf die Existenz Jesu Christi schließen könnte. Bezüge zu Gott benutzte Cassiodor dagegen sehr regelmäßig. Die Verweise ziehen sich durch sämtliche Briefe der Variae und reichen angefangen von philosophisch-theologischen Überlegungen bis hin zu die politische Praxis betreffende Floskeln. So kommt beispielsweise in Var. XI 1, 1 zum Ausdruck, dass Cassiodor das Wohlwollen gegenüber seiner Wahl als Gottes Willen ansieht, wenn er formuliert: […] quando nemo potest talium favore suscipi, nisi quem divinitas praecepit augeri. An anderer Stelle ist zu lesen, dass auf der Welt nichts ohne Grund und aus Zufall geschehe und alles stattdessen einem göttlichen Plan entspräche (Var. XII 25, 1).³² Grundsätzlich sei, wie es in Var. X 31, 1 heißt, jeder Erfolg als Geschenk Gottes anzusehen und nur das, was von ihm verliehen wurde, sei gut.³³ Während in diesem Zusammenhang beispielsweise die Aneignung der Redekunst in der Macht des Menschen liege, könne eine schnelle Auffassungsgabe nur von Gott gegeben worden sein (Var. XI praef. 3). Gleiches träfe auf erfolgreiche männliche Nachkommen zu, die ebenfalls der Gunst Gottes zu verdanken seien (Var. IX 22, 4). Formulierungen und Umschreibungen dieser Art lassen den Schluss zu, dass die Religion ein elementarer Bestandteil der Gesellschaft des Ostgotenreiches war. Dies zeigt sich so auch an den häufig in den Variae vorkommenden religiösen Wendungen und dem steten Aufgreifen von Bibelstellen.³⁴ So lässt sich beispielsweise Theodahad dazu ermahnen, auch nur mündlich Versprochenes einzuhalten (Var. X 17, 2), während an anderer Stelle davon die Rede ist, dass die Habsucht die Wurzel allen Übels sei (Var. IV 39, 1). Die Tatsache, dass Cassiodor beim Verfassen der amtlichen Schreiben Bibelstellen zitierte, ist zu großen Teilen auch vor seinem Drang nach Selbstinszenierung zu deuten. In enger Verschränkung mit Zitaten aus den Werken Ciceros (Var. I 3, 4; VI 5, 3; VIII 12, 7),Vergils (Var. II 40, 7; IV 50, 5; V 4, 6; V21, 3; V 42, 11), Tacitus (Var.V 2, 2), Plinius dem Jüngeren (Var. I 22, 4) oder auch Homers (Var. I 39, 2) diente das Aufgreifen von Bibelstellen wohl dem Ziel, die eigene Belesenheit und Literatur-
Häufig stellte Cassiodor die Herrschaft der Ostgotenkönige in direkten Zusammenhang zur Hilfe Gottes. Eine häufig von ihm genutzte Formulierung ist propitiante deo (Var. I 18; I 20; I 44; II 37; III 43; V 30; V 40; VIII 2; VIII 3; VIII 11; IX 9; IX 15; XI 8). In dieser Wendung steckt der Gedanke, dass der Herrschaftsauftrag der Ostgoten direkt von Gott kam. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 260. Hiermit könnte, wie Beat Meyer-Flügel vermutet, das gesunde Klima und die gesunde Milch des mons Lactarius (Var. XI 10, 2) sowie die Bäder von Bormio (Var. X 29, 5) gemeint sein, die an anderer Stelle erwähnt werden. Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 487. Cassiodor zufolge solle der Mensch sein Leben nach der christlichen Lehre ausrichten. Voraussetzung hierfür sei neben der Kenntnis der Bibel auch die Kenntnis weiterer christlicher Literatur (lectio divina) (Var. X 3, 4; X 20, 3; IX 25, 11). Nicht selten führte er dabei Verhaltensregeln auf biblische Gebote zurück (Var. X 17, 2 mit einer Anspielung auf die Bergpredigt Mat. 5. 33 f.) oder paraphrasiert aus der Bibel (Var. IV 39, 1; X 26, 4; XI 40, 1; XI 7, 5). Hinzu kommen Verweise auf biblische Geschichten (Var. XII 12; IV 31; VII 46, 1; II 40, 11; X 4, 6).Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 66. Eine Präferenz des Alten oder des Neuen Testaments seitens Cassiodors ist nicht offensichtlich.
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kenntnis zu demonstrieren.³⁵ Hierbei fällt vor allem der enge Bezug zu weltlichen Regierungsangelegenheiten auf, was einmal mehr auf den engen Zusammenhang zwischen Religion und Politik im Ostgotenreich hinweist. So wurden beispielsweise Beamte iuvante deo (Var. IX 8, 1), deo praestante (Var. IX 9, 1) oder auch deo propitio (Var. IX 9, 4) an ihre neuen Aufgaben geschickt. Selbst Cassiodors Stellvertreter unternahm alles, was mit Gottes Hilfe dessen Ruhm und dem Staate nützlich war (Var. XI 4, 3) und durch Gottes Gnade würden Cassiodors Ohren für die Wünsche der Bittenden offen sein (Var. XI 8, 6): Patebunt deo propitio aures nostrae ad suscipienda desideria supplicantum. Nicht selten werden diese Aussagen in einen größeren Sinnzusammenhang eingebaut. So ist beispielsweise davon die Rede, dass Witigis den Ursprung seiner königlichen Würde Gott zuschrieb, weil dieser es schließlich sei, der bestimme, welchem Herrscher er seine Völker anvertraue (Var. X 31, 1) und ferner, dass Athalarich in der Loyalität von Goten und Romanen den Willen Gottes und die Vorsehung sah (Var.VII 2, 4). Diese und viele weitere Stellen deuten darauf hin, dass Cassiodor die Überzeugung teilte, derzufolge die Voraussetzung für das Heil des Herrschers und des Reiches der göttliche Segen sei. Nur brachte er dies in den Variae niemals mit der vera religio, dem „richtigen“ Glauben, in Verbindung. Vielmehr trat er für die Freiheit des Gewissens ein (Var. II 27, 2). Gott erscheint dabei als rationalis anima und veritas, die jedem Menschen innewohne und sein consilium leite.Wenn der Mensch von dieser abweiche, entferne er sich von Gott und überlasse sich der caligo corporea (Var. XI 2, 3): Vigor ille rationabilis animae nobis consilium praestet: facies veritatis albescat, ne mentem nostram innubilet caligo corporea: sequamur quod intus est, ne foris a nobis simus: instruat quod de vera sapientia sapit: illuminet quod caelesti claritate resplendet.
Der Glaube und die Hoffnung an den göttlichen Plan erscheint auf diese Weise als aufrichtige Überzeugung Cassiodors. Dadurch, dass er dies nie mit einer bestimmten dogmatischen Position in Verbindung setzte, war er im Hinblick auf seinen Glauben ein aufgeklärter Mensch, was für Friedrich Prinz den Umstand erklärt, dass Cassiodor im Mittelalter zunächst nur geringe Wirkung hatte.³⁶
Vor dem gleichen Hintergrund lässt sich wohl auch der stete Einbezug technischer Wörter aus verschiedenen Wissenschaften (Grammatik, Recht, Musik, Geometrie) deuten: z. B. emissio chirographi (Var. IV 32, 2); diaposon (Var. II 40, 6); metrum heroicum et iambicum (Var. II 40, 9); geometricae formae (Var. III 52, 2). Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 67. Vgl. Prinz, Friedrich, Cassiodor und das Problem christlicher Aufgeklärtheit in der Spätantike, in: Historische Zeitschrift 254 (1992), S. 561– 580; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 211 f.; Vitiello, Massimiliano, Teoderico a Roma. Politica, amministrazione e propaganda nell’adventus dell’anno 500, in: Historia 53 (2004), S. 73 – 120; Vitiello, Massimiliano, Momenti di Roma ostrogota. Adventus, feste, politica, Stuttgart 2005, hier: S. 56 – 71. Die Aufgeklärtheit würde im Umkehrschluss erklären, warum Cassiodor nicht als Heiliger verehrt wurde. Den aufgeklärten Geist Cassiodors belegt Friedrich Prinz mit der Tatsache, dass er entgegen den Gepflogenheiten seiner Zeit nie Heiligenviten verfasste und der Hagiographie insgesamt ablehnend gegenüber stand. Erst spät bekam Cassiodor für die Trennung
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Neben der Strategie, es auf der inhaltlich-gestalterischen Ebene der Briefe zu keinen Auseinandersetzungen kommen zu lassen und weder Goten noch Romanen einseitig zu bevorteilen, zeugen die Variae von einer Reihe weiterer Beschlüsse, Maßnahmen und Strategien, die auf die konkrete Praxis ausgerichtet waren. In diesen steht vor allem die religiöse Offenheit der Gotenkönige im Vordergrund, die von Cassiodor als Voraussetzung angeführt wurde, um das harmonische Miteinander von Arianern und Katholiken zu garantieren.
4.1.2 Religiöse Offenheit der Könige und Nichteinmischen in geistliche Angelegenheiten Ein deutliches Indiz für das gute Einvernehmen mit der katholischen Bevölkerungsmehrheit stellte der Rom-Besuch Theoderichs im Frühjahr des Jahres 500 anlässlich seines 30-jährigen Thronjubiläums dar.³⁷ Der anonyme Verfasser der Excerpta Valesiana ³⁸ betonte an mehreren Stellen die Ehrerbietung des Königs gegenüber den katholischen Christen, als ob er gleichsam einer der Ihren wäre.³⁹ Der König wurde bei seinem Einzug in die ewige Stadt, der in Form eines kaiserlichen adventus inszeniert wurde, feierlich von Papst Symmachus († 514) und den Romanen selbst empfangen. Dann überquerte er der Überlieferung nach den Tiber und besuchte den Senat, wo er in einer Rede dem Volk versprach, alle Verfügungen seiner Vorgänger, der römischen Kaiser, einzuhalten. Dieses Versprechen wurde später auf Bitten der Menschen auf einer Bronzetafel festgehalten und öffentlich ausgestellt.⁴⁰ Während des sich an-
zwischen politischer Legitimation und kirchlichem Bekenntnis die verdiente Anerkennung. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 212. Vgl. Vitiello, Teoderico a Roma, S. 73 – 120; Ensslin, Theoderich der Große, S. 111; Ensslin, Wilhelm, Beweise der Romverbundenheit in Theoderichs des Großen Außen- und Innenpolitik, in: I Goti in Occidente, Spoleto 1956, S. 509 – 536; Wiemer, Integration durch Separation, S. 168; Spielvogel, Hintergründe, S. 9. Die Excerpta Valesiana befassen sich im ersten Teil mit der Herrschaft Konstantins des Großen, während der zweite Teil die Jahre 474 bis 526 und damit die Regierungszeiten Odoakers und Theoderichs in der Präfektur Italien umfasst. Aus diesem Grund handelt es sich um eine für diese Arbeit wichtige Parallelüberlieferung, die deshalb an verschiedenen Stellen mit einbezogen wird. Beide Teile wurden von zwei verschiedenen unbekannten Autoren verfasst, weshalb in der Fachliteratur häufig auch der Titel „Anonymus Valesianus“ verwendet wird. Vgl. König, Aus der Zeit Theoderichs des Großen; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 3; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 19. Vgl. Exc. Val. 65 sowie König, Aus der Zeit Theoderichs des Großen, S. 160. Der Besuch diente, wie Ingemar König vermutet, einem doppelten Zweck: Der Amaler wollte sich zum einen als anerkannter König in Italien vorstellen und zum anderen dem von ihm bestätigten Papst durch eine Reverenz die gewünschte Autorität vermitteln. König spricht in diesem Zusammenhang von einem „Schachzug kirchenpolitischer Diplomatie des Gotenkönigs“. Vgl. hierzu auch Schwarzc, Überlegungen zur Religionspolitik, S. 36; Wolfram, Goten, S. 327. Vgl. Schwarzc, Überlegungen zur Religionspolitik, S. 36; Wiemer, Theoderich, S. 22– 32; RadtkiJansen, Herrscher, S. 38 – 39.
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schließenden Aufenthaltes in Rom ließ Theoderich zudem Spiele durchführen.⁴¹ Bevor er Rom wieder verließ, gewährte er noch 120.000 Scheffel Getreide zur Verteilung an die Armen und verfügte, dass die jährliche Summe von 200 Pfund Gold, mit der bis dahin die kostenlose Abgabe von Wein finanziert worden war, für Reparaturen am Kaiserpalast und den Stadtmauern verwendet werden sollte.⁴² Der durch die Schilderung des Anonymus Valesianus zum Ausdruck kommende angestrebte Ausgleich zwischen Arianern und Katholiken spiegelt sich auch in den Variae wider. Die bei der Zusammenstellung der Briefsammlung berücksichtigten Schreiben legen nahe, dass es vor allem das friedliche Zusammenleben beider Gemeinschaften war, die Cassiodor voranzutreiben bestrebt war. Dieses Anliegen wird auf verschiedenen Ebenen deutlich. Angefangen von der zum Ausdruck kommenden religiösen Offenheit der Ostgotenkönige, die von ihm als grundlegende Voraussetzung angeführt wurde, unterschied er in diesem Zusammenhang zwischen erwünschter und nicht erwünschter Einflussnahme auf innerkirchliche Prozesse.⁴³ Als Paradebeispiel für den auf Gleichbehandlung ausgerichteten Umgang mit der katholischen Kirche lässt sich ein Brief an Adila, den comes von Sizilien, anführen (Var. II 29). Dieser wurde beauftragt, gerechtfertigten Bitten nachzukommen und widerrechtliches Handeln zu unterbinden. Cassiodor betonte dabei, dass es das Ziel sei, dass niemand, der unter dem Schutz der pietas stünde, Nachteile erdulden müsse, da die ungetrübte Sicherheit der Untertanen den Ruhm jedes Herrschers ausmache. Vor allem sollen andere Konfessionen, womit ohne Zweifel der Katholizismus gemeint war, vor Unrecht bewahrt werden (Var. II 29, 1): Quamvis nullos velimus gravamen aliquod sustinere, quos videtur pietas nostra protegere, quia regnantis est gloria subiectorum otiosa tranquillitas, tamen specialiter ecclesias ab omni iniuria reddi cupimus alienas, quibus dum aequabilia praestantur, misericordia divinitatis adquiritur.
Es sei daher die Aufgabe des comes, für die Grundsätze der civilitas einzustehen und allen Menschen Schutz zu gewähren, damit niemand gleich welcher Herkunft benachteiligt würde (Var. II 29, 2). Diesem Grundsatz versuchte man im Einzelfall gerecht
Mit der Veranstaltung von Spielen als Inbegriff einer römischen Tradition wollte Theoderich der Bevölkerung Roms signalisieren, dass er seinen Worten auch Taten folgen lassen wollte, indem er die Politik früherer Kaiser fortzuführen gedachte. Bei diesen Feierlichkeiten ging es, wie Christine RadtkiJansen schlussfolgert, in erster Linie um die symbolische Kommunikation zwischen neuem Herrscher und ansässiger Bevölkerung. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 39 sowie zur symbolischen Kommunikation im Rahmen des spätantiken adventus vgl. Schmidt-Hofner, Sebastian, Trajan und die symbolische Kommunikation bei kaiserlichen Rombesuchen in der Spätantike, in: Behrwald, Ralf/ Witschel, Christian (Hrsg.), Rom in der Spätantike. Historische Erinnerung im städtischen Raum, Stuttgart 2012, S. 33 – 59. Vgl. Exc. Val. 65 – 69 sowie Moorhead, Theoderic in Italy, S. 60 – 62. Die Geldbeträge, die er für architektonische Maßnahmen in Rom zurückließ, mussten anschließend vor Veruntreuung geschützt werden (Var. I 21; I 25; II 34). Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 507.
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zu werden. Dies spiegelt sich bereits darin wider, dass Cassiodor den Ostgoten, die es ihrerseits zu keinem Konflikt kommen ließen⁴⁴, die Freiheit des religiösen Gewissens zuschrieb, wenn er im Namen des Königs schreibt: Religionem imperare non possumus, quia nemo cogitur ut credat invitus (Var. II 27, 2). Dieser berühmte Ausspruch, der König Theoderich in den Mund gelegt wurde und einem an die Juden gerichteten Brief entnommen ist, ist in seiner Aussage eindeutig, wird jedoch von einem häufig weniger betrachteten Ausspruch in einem Schreiben an Kaiser Justinian I. übertroffen (Var. X 26). In diesem Brief geht es um eine Konvertitin namens Ranhilde, der Cassiodor zusicherte, dass ihr keinerlei Nachteile durch den Religionswechsel erwachsen würden.⁴⁵ Wie der Name nahelegt, musste es sich um eine Gotin gehandelt haben, die zum katholischen Bekenntnis gewechselt war. In diesem Brief an den Kaiser stellte Cassiodor im Namen König Theodahads die Existenz verschiedener Konfessionen (religiones)⁴⁶ als von Gott zugelassen und damit von ihm gewollt dar (Var. X 26, 4): Earum siquidem rerum iudicium non praesumimus, unde mandatum specialiter non habemus. nam cum divinitas patiatur diversas religiones esse, nos unam non audemus imponere. retinemus enim legisse nos voluntarie sacrificandum esse domino, non cuiusquam cogentis imperio: quod qui aliter facere temptaverit, evidenter caelestibus iussionibus obviavit. merito ergo pietas vestra invitat nos ad talia quae nobis praecipiunt divina mandata.
Die gesamte Welt und damit jeder Aspekt der Realität folge, wie es heißt, einem göttlichen Plan. Bemerkenswert ist an dieser Stelle seine römisch-rechtliche Argumentationsweise. Aus diesem dem festen christlichen Glauben entstammenden Schluss folgerte Cassiodor, dass die Bekämpfung der Vielfalt religiöser Überzeugungen dem göttlichen Willen widersprach. Wohl aus diesem Grund verteidigte er unter Einbezug des Psalm 54, Vers 8, wo es heißt Voluntarie sacrificabo tibi, et confitebor nomini tuo, Domine, quoniam bonum est, die Freiheit des religiösen Gewissens.⁴⁷
Frank Ausbüttel führt dieses Verhalten darauf zurück, dass sich bereits unter den Kriegern, die Theoderich vom Balkan nach Italien gefolgt waren, viele Anhänger des katholischen Glaubens befunden haben dürften. Ein Austragen des konfessionellen Konfliktes hätte das Heer des Gotenkönigs nur unnötig gespalten. Vgl. Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 93. Allem Anschein nach muss sie durch den Konfessionswechsel dennoch finanzielle Verluste erlitten haben, wenn es heißt, dass Theodahad ihr diese aus eigenen Mitteln ersetzt habe (Var. X 26, 3): De Ranildae quoque causa, unde vestra serenitas me commonere dignata est, quamvis ante longum tempus sub parentum nostrorum regno contigerit, tamen necesse nobis fuit negotium de propria largitate componere, ut tali facto eam non paeniteret mutata religio. Cassiodor verwendete religio als Oberbegriff für Katholiken und Arianer und verlieh dem Wort damit die Bedeutung „Konfession“. Auf katholischer Seite war man, wie Hans-Ulrich Wiemer annimmt, zu diesem Schritt nicht bereit. Gewiss hütete man sich, den König zu verärgern, indem man „sein“ Christentum in Frage stellte, aber man brachte es auch nicht über sich, die Glaubensrichtung des Königs religio zu nennen. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 512. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 210. In seiner Psalmenexegese versteht Cassiodor Ps. 54, Vers 8 als Aufforderung, Gott nicht in der Hoffnung auf Macht und Vorteile, sondern in reiner Gesinnung und aus Liebe zu opfern. Vgl. Expositio in psalmorum 53.
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Nicht selten werden diese beiden Quellenstellen (Var. II 27, 2; X 26, 4) in der Forschung dafür zum Anlass genommen, den Ostgoten „religiöse Toleranz“⁴⁸ zuzuschreiben. Unter Verweis auf nicht nachzuweisende Zwangsmaßnahmen wird das Ausbleiben erzwungener Übertritte zum Arianismus gefolgert.⁴⁹ Der einzig nennenswerte Einsatz Theoderichs für seine eigene Glaubensrichtung habe lediglich darin bestanden, Papst Johannes I. († 526) auf eine Mission nach Byzanz zu schicken.⁵⁰ Hier sollte er Kaiser Justin I. († 527), der seit dem Jahre 523 in seinem Herrschaftsgebiet Zwangsbekehrungen und Kirchenenteignungen dekretiert hatte, zu einer Rücknahme dieser Erlasse veranlassen.⁵¹ Die Arianer erhielten daraufhin ihre Kirchen zurück und durften wieder Gottesdienste abhalten. Bereits bekehrte Arianer durften allerdings nicht wieder zum alten Glauben zurückkehren, weshalb Johannes bei Theoderich in
Vgl. Glaser, Die Goten und der Arianismus, S. 239; Saitta, La civilitas di Teoderico; Gibbon, The History of the Decline and Fall, S. 30; Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 17; Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 141; Spielvogel, Hintergründe, S. 17; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 194; Chadwick, Henry, Introduction to Boethius, in: Chadwick, Henry, (Hrsg.), Heresy and Orthodoxy in the Early Church, Aldershot 1991, S. 1– 12, hier: S. 7; Sotinel, Claire, Arianismus und Katholizismus in Ravenna, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 235 – 236; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 207 f. Hans von Schubert hebt hervor, dass es nur angesichts dieser Zurückhaltung zu keinen größeren religiösen Konflikten zwischen beiden Gruppen gekommen sei. Vgl. Schubert, Geschichte der christlichen Kirche, S. 28. Diese sich auch in den Variae abzeichnende Grundstimmung wird durch Prokop bestätigt, der den gotischen Gesandten, die im Jahre 540 mit Justinians Feldherr Belisar verhandelten, die Worte in den Mund legte, dass auf das Empfinden der Romanen so gewissenhaft Rücksicht genommen worden sei, dass bis auf den heutigen Tage kein Italiker weder freiwillig noch unfreiwillig seinen Glauben gewechselt habe. Ebenso seien Goten, die zum anderen Glauben übergetreten seien, unbehelligt geblieben. Vgl. Prokop, BG 2,6,18 f. Dieses Urteil wird durch den Anonymus Valesianus bestätigt. Vgl. Exc. Val. 60. Auch Papst Agapitus († 536) reiste verschiedene Male mit diplomatischen Aufgaben betraut im Auftrag Theoderichs zu Kaiser Justinian I. (Var. XII 20). Der konkrete Inhalt dieser Aufträge kann den Variae allerdings nicht entnommen werden.Vgl. Moreau, Die diplomatischen Beziehungen, S. 242. Die Instrumentalisierung Geistlicher zu Botengängen in weltlichen Angelegenheiten zeigt sich auch an einem Gesandten namens Petrus (Var. X 19, 4, X 20, 3; X 25, 2). Zur Funktion der Gesandten als Boten und Stifter des Friedens siehe unten S. 234 f. Vgl. Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 6; Ensslin, Theoderich der Große, S. 311. Der Schilderung des Anonymus Valesianus ist indes zu entnehmen, dass es sich hierbei um eine erzwungene Fahrt des Papstes nach Byzanz handelte.Vgl. Exc.Val. II 88 – 91. Hintergrund dieser Mission war, dass Kaiser Justin I. um 525 die in seinem Reich geltenden Ketzergesetze auch auf die Goten ausgedehnt hatte. Die Gesandtschaft unter Führung des Papstes sollte dafür sorgen, dass die Arianer künftig ihren Glauben weiterhin unbehelligt ausüben konnten. Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 168. Zu dieser Gesandtschaft vgl. auch Plassmann, Interessenvertretung und Intrigen, S. 84– 86; Wiemer, Integration durch Separation, S. 172 f.; Wiemer, Theoderich der Große, S. 551– 559; Moorhead, The Decii under Theoderic, S. 107– 115; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 235 – 242; Ensslin, Wilhelm, Papst Johannes I. als Gesandter Theoderichs bei Kaiser Justinos I, in: Byzantinische Zeitschrift 44 (1951), S. 127– 134.
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Ungnade fiel und bei seiner Rückkehr inhaftiert wurde.⁵² Nach wenigen Tagen in Haft verstarb dieser.Weitere Unternehmungen dieser Art sind nicht bekannt.Wer in diesem Zusammenhang allerdings von Toleranz nach heutigen Maßstäben spricht, bewegt sich auf dünnem Eis.⁵³ Der italienische Sprachwissenschaftler Simone Bonafaccia definiert „Toleranz“ wie folgt: Toleranz ist die Disposition, jemanden nicht daran zu hindern, nach seinem Willen zu handeln, wenn man sein Handeln mißbilligt. Angesichts des deskriptiven Bestandteils ist die tolerante Haltung wesentlich durch zwei Aspekte charakterisiert: die Mißbilligung des Handelns eines anderen Menschen und das Motiv oder der Grund, aufgrund dessen der Tolerierende den anderen trotz seiner Mißbilligung nicht an seinem Handeln hindern will. ⁵⁴
Toleranz ist demzufolge ein Geltenlassen und Gewährenlassen anderer oder fremder Überzeugungen und Sitten. Entscheidend ist, dass Toleranz eine Grundeinstellung oder Haltung eines wachen Individuums mit einem aufgeklärten Verstand ist, wie auch der Philosoph Joachim Kahl hervorhebt: [Toleranz] ist die Fähigkeit von Individuen, Gruppen, Organisationen, neuartige, andersartige, fremdartige, entgegengesetzte Auffassungen (Einstellungen), Werte, Verhaltensweisen zur Kenntnis zu nehmen und zu respektieren.⁵⁵
Legt man dieses Verständnis zugrunde, dann waren Cassiodor und die Ostgotenkönige nicht „tolerant“. Die Entscheidung, den katholischen Glauben nicht einzuschränken oder gar zu verbieten und verfolgen zu lassen, lässt sich wohl angesichts des Zahlenverhältnisses zwischen Katholiken und Arianern vor allem damit erklären, dass man erkannte, dass das Vorgehen gegen Andersgläubige oder deren Unterdrückung zu gewaltsamen Ausschreitungen führen konnte. Da Toleranz darüber hinaus
Vgl. Löwe, Heinz, Theoderich der Große und Papst Johannes I, in: Historisches Jahrbuch 72 (1953), S. 83 – 100. Alheydis Plassmann stellt die These auf, dass Johannes I. noch einen anderen Auftrag hatte, den er nicht zu erfüllen vermochte, denn: „Dem gemäß seiner Zeit toleranten Theoderich möchte man kaum zutrauen, dass er den Papst wegen Arianern einsperren ließ, die schließlich lediglich im oströmischen Reich ihrer Freiheit beraubt worden waren […].“ Plassmann, Interessenvertretung und Intrigen, S. 85. Er vermutet, dass der Papst die Anerkennung Athalarichs als Nachfolger Theoderichs vorbereiten sollte. Zur religiösen Toleranz vgl. Dinzelbacher, Peter, Kritische Bemerkungen zur Geschichte der religiösen Toleranz und zur Tradition der Lessingschen Ringparabel, in: Numen 55 (2008), S. 1– 26; Lodehand, Joachim, The Religious Harmony in the Ancient World. Vom Mythos religiöser Toleranz in der Antike, in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 12 (2009), S. 99 – 132; Schmidt-Hofner, Sebastian, Toleranz braucht Rechtfertigung. Zur Funktion des Mailänder Edikts und verwandter Texte des 4. Jh. n.Chr., in: Wallraff, Martin (Hrsg.), Religiöse Toleranz. 1700 Jahre nach dem Edikt von Mailand, Berlin 2016, S. 159 – 192. Bonafaccia, Simone, Die Tugend der Toleranz. Theoretische Aspekte einer auf der Achtung vor der Menschenwürde begründeten Tugend, Hamburg 2003, hier: S. 42. Kahl, Joachim, Toleranz, in: Sandkühler, Hans Jörg (Hrsg.), Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften 4, Hamburg 1990, Sp. 597– 599, hier: Sp. 597.
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die Anerkennung eines unverlierbaren Grundrechts auf Glaubensfreiheit voraussetzt, was für das Ostgotenreich nicht zutrifft, ist wie auch Hans-Ulrich Wiemer schlussfolgert, die Verwendung von Offenheit beziehungsweise Unvoreingenommenheit und Duldsamkeit oder ganz allgemein die Bezeichnung friedliches Zusammenleben treffender, um das Miteinander von Goten und Romanen in religiösen Angelegenheiten zu beschreiben.⁵⁶ Von diesen notwendigen begrifflichen Einschränkungen abgesehen, machen die angeführten Beispiele deutlich, dass es Cassiodor wichtig war, dass sich die Ostgotenkönige gegenüber dem Katholizismus offen und unvoreingenommen zeigten.⁵⁷ Dies spiegelt sich so auch im Zusammenhang mit dem Neubau beziehungsweise mit der Beanspruchung von Kirchen der Katholiken wider. Hier vertrat Cassiodor die Auffassung, dass es dem Ziel, ein insgesamt friedliches Miteinander anzustreben, zuwiderlief, wenn die Goten Kirchen zwangsenteigneten. Stattdessen berücksichtigte er bei der Zusammenstellung der Variae einen Brief, der deutlich macht, dass die Zuwanderer ihre eigenen Gotteshäuser bauten (Var. I 26).⁵⁸ Viele der Heiligtümer gingen, wie Georg Pfeilschifter vermutet, ohnehin auf die Ostgoten über. Hiermit waren vor allem jene Gebäude gemeint, die Odoaker für sich und die Seinen in Ravenna, wahrscheinlich aber auch in anderen größeren Städten, erbauen ließ. Aufzuführen sind in diesem Zusammenhang die kleine alte Kirche des Heiligen Theodorus in Ravenna oder auch die Herkulesbasilika, welche Theoderich im Jahr 507/ 509 restaurieren ließ (Var. I 6).⁵⁹ Vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 169; Wiemer, Theoderich der Große, S. 510. Wie sehr Theoderich die religiöse Überzeugung seiner Mitmenschen achtete, wollte Theodorus Lector († vor 550), ein spätantiker Kirchenhistoriker, mit einer Erzählung verdeutlichen, die wohl eher den Legenden über den König zuzuordnen ist. Demnach ließ der Gotenkönig einen von ihm hochgeschätzten Diakon, der ihm zuliebe zum arianischen Glauben übergetreten war, mit der Begründung umbringen, dass er jemandem, der seinen Gott verrate, nicht vertrauen könne. Während diese Erzählung von unter anderem Frank M. Ausbüttel sowie Aarne Stüven als Erfindung beurteilt wird, halten sie Georg Pfeilschifter sowie Biagio Saitta für authentisch. Vgl. Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 94; Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 121; Pfeilschifter, Theoderich der Große, S. 54; Saitta, Biagio, Religionem imperare non possumus. Motivi e momenti della politica di Teoderico il Grande, in: Quaderni Catanesi 8 (1986), S. 63 – 88, hier: S. 69. Vgl. Zeiller, Jacques, Les églises ariennes de Rome a l’époque de la domination Gotique, in: Mélanges d’archéologie et d’histoire 24 (1904), S. 17– 33; Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 93. Hierbei fällt insbesondere an den Sakralbauten von Ravenna auf, dass sich das arianische Baptisterium nahezu vollständig an der orthodoxen Taufkapelle orientierte. Umgekehrt hatte die katholische Kirche San Apollinare in Classe, die mit der Genehmigung der Ostgotenkönige gebaut wurde, ihr Vorbild in der gotischen Hofkirche. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 120. In diesem Schreiben erging die Aufforderung an Agapit, Marmorkünstler für die Herkulesbasilika zu schicken. Die genaue Lokalisierung des Bauwerkes ist dabei nicht klar ersichtlich. Widersprüchlich scheint in diesem Zusammenhang, dass Cassiodor zum einen von palatia sprach, die verschönert werden sollten, was auf einen Palastbau hinweist. Andererseits sprach er auch davon, dass es sich um eine Basilika handele, die in der Regel eben nicht in einen Palastbau integriert wurde. Vgl. RadtkiJansen, Herrscher, S. 173; Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 50. Für eine Übersicht zu weiteren erbauten Kirchen vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große und die ka-
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Die Variae wecken auf diese Weise den Eindruck, dass die neuen Machthaber trotz divergierender religiöser Ansichten keinen Grund dazu sahen, gegen den Katholizismus vorzugehen oder wie die Vandalenkönige den Arianismus gewaltsam durchzusetzen.⁶⁰ Für Cassiodor war es im Gegenteil wichtig, dass sich die Ostgoten weitestgehend aus den Angelegenheiten der katholischen Kirche heraushielten. Weltliche Eingriffe in das innere Kirchenleben erachtete er nur dann für sinnvoll, wenn sie darauf ausgerichtet waren, die Strukturen der katholischen Kirche zu bestärken. Hierunter sind vor allem die Einflussnahme auf Wahlen zu kirchlichen Ämtern zu fassen. So äußerte Cassiodor im Namen Athalarichs seine Freude darüber, dass der Senat in Bezug auf die Wahl Papst Felix III. (Amtsantritt 12. Juli 526) dem Vorschlag Theoderichs gefolgt war (Var. VIII 15).⁶¹ Dem Schreiben nach gehöre es sich, dem Gutdünken des Herrschers zu gehorchen, der mit weiser Überlegung – wenn auch in fremder Konfession – einen solchen Papst ausgewählt habe. Mit Felix III. wäre ein Mann ersehen worden, der durch die göttliche Gnade unterwiesen und aufgrund der königlichen Prüfung gelobt worden sei (Var. VIII 15, 1):
tholische Kirche, S. 50 – 51. Zur Herkulesbasilika vgl. auch Kennell, Stephanie Adelaide Hillert, Hercules’ Invisible Basilica, in: Latomus 53 (1994), S. 159 – 175. Die Religionspolitik der arianischen Vandalenkönige, die in Nordafrika lebten und dort von 439 bis 534 regierten, stand zu den von den Ostgoten praktizierten Ausgleichsbestrebungen in scharfem Gegensatz. Obgleich auch dort die römisch-katholische Bevölkerung die Mehrheit bildete, schlug sich dies je nach Haltung der einzelnen Könige sogar in offenen Religions- und Kirchenkämpfen nieder. Zeugnisse dessen liefern insbesondere die Historia persecutionis Africanae von Victor von Vita (489) sowie der Bericht Prokops De bello Vandalico. Vgl. Victoris Vitensis Historia persecutionis Africanae provinciae sub Geiserico et Hunirico regibus Wandalorum, hrsg. von Karl Felix Halm (= MGH AA 3,1), Berolini 1879, 2,7– 8; 12– 13; 3,1– 5 sowie Prokop, De bello Vandalico, hrsg. von Otto Veh, Vandalenkriege, München 1971, 1,8,3 – 4. Vgl. ferner Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 126 – 129; Wiemer, Integration durch Separation, S. 169; Last, Außenpolitik, S. 211 f.; Diesner, Hans-Joachim, Das Vandalenreich. Aufstieg und Untergang, Stuttgart 1966, hier: S. 139 f.; Castritius, Helmut, Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Stuttgart 2007, hier: S. 125 f.; Postel, Ursprünge, S. 188 – 193. Der Westgotenkönig Eurich verfolgte die Strategie, bewusst einige Bischofssitze in Gallien vakant zu lassen, so dass keine Priester mehr ordiniert wurden. Die Folge war eine empfindliche Störung der katholischen Glaubensausübung, da dort keine Gottesdienste mehr abgehalten werden konnten. Vgl. Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, hrsg. von Rudolf Buchner, Berlin 1956, 2, 25 sowie Spielvogel, Hintergründe, S. 17; Schäferdiek, Knut, Die Kirchen in den Reichen der Westgoten und Suewen bis zur Errichtung der westgotischen katholischen Staatskirche, Berlin 1967, hier: S. 18 – 28. Felix III. war der Nachfolger von Papst Johannes I., der von Theoderich nach Konstantinopel geschickt wurde, um dort Kaiser Justin I. zur Rücknahme von Maßnahmen gegen die Arianer im Ostgotenreich bewegen sollte. Nach dessen Rückkehr fiel er in Ungnade, wurde inhaftiert und verstarb kurz darauf. Auf seinen Tod folgte eine ungewöhnlich lange Sedisvakanz von zwei Monaten. In dieser Zeit kam es zu Auseinandersetzungen über die Besetzung des Stuhl Petri. Der Nachfolger wurde schließlich Felix III., den man am 12. Juli 526 weihte. Er war der erste und einzige Papst, der auf ausdrücklichen Befehl Theoderichs geweiht wurde. Aus Var. VIII 15 geht hervor, dass sich Felix III. nur mit der Unterstützung des Amalers gegen einen anderen Kandidaten durchsetzen konnte, hinter dem ein Teil der Senatoren stand. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 558.
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Gratissimum nostro profitemur animo, quod gloriosi domni avi nostri respondistis in episcopatus electione iudicio. oportebat enim arbitrio boni principis oboediri, qui sapienti deliberatione pertractans, quamvis in aliena religione, talem visus est pontificem delegisse, ut nulli merito debeat displicere, ut agnoscatis illum hoc optasse praecipue, quatenus bonis sacerdotibus ecclesiarum omnium religio pullularet. recepistis itaque virum et divina gratia probabiliter institutum et regali examinatione laudatum.
Bemerkenswert ist, dass der König ein Prüfungsrecht beanspruchte. Ebenso erstaunlich ist die zum Ausdruck kommende Achtung vor fremden Konfessionen. Die Fortsetzung des Briefes macht jedoch deutlich, dass der Senat nur durch Zwang das Einverständnis zur Wahl des Papstes gegeben hatte.Wohl aus diesem Grund erinnerte Cassiodor die Senatoren daran, dass es sich um eine Auseinandersetzung ohne Schwert und Hass gehandelt habe. Denn auch wenn eine Person (offenbar der Gegenkandidat der Senatsaristokratie) entfernt worden war, verlören die Gläubigen nichts, wenn sie das gewünschte Priesteramt besäßen (Var. VIII 15, 2). Als weitere Beispiele für in den Augen Cassiodors zu gleichen Teilen willkommene und notwendige weltliche Eingriffe ließen sich zwei inhaltlich wie argumentativ ähnlich aufgebaute Briefe anführen, im Rahmen derer der Minister konsequent gegen das Vorhandensein von Simonie argumentierte (Var. IX 15 an Papst Johannes II. sowie Var. IX 16 an den praefectus urbi Salventius). Beide Dokumente zeigen deutlich, inwieweit das Papsttum unter der Kontrolle des Königs stand.⁶² Gleichwohl spielte das Verhältnis zwischen den Ostgotenkönigen und dem Papst für Cassiodor allem Anschein nach nur eine untergeordnete Rolle, was sich vor allem daran zeigt, dass es in den Variae nur an sehr wenigen Stellen zur Sprache kommt.⁶³ Nach dem Tode von Papst Bonifatius II. am 17. Oktober 532 war es zu heftigen Kontroversen um dessen Nachfolge gekommen, wobei Stimmenverkauf und Wahlbestechung allem Anschein nach eine bedeutende Rolle spielten. Selbst Gelder für die Armen und Kirchenschätze blieben nicht verschont. Am 2. Januar 533 konnte schließlich mit Priester Mercurius
Zum zwischen den Ostgoten und dem Papsttum vorherrschenden Verhältnis vgl. Noble, Thomas, F. X., Theoderic and the Papacy, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia. Atti del XIII Congresso internazionale di studi sull’Alto Medioevo, Milano 2– 6 novembre 1992, Spoleto 1993, S. 395 – 424; Haendler, Gert, Das Papsttum unter gotischer und byzantinischer Herrschaft von Hilarius bis Pelagius II., in: Greschat, Martin (Hrsg.), Gestalten der Kirchengeschichte 11, Stuttgart 1985, S. 71– 82; Caspar, Erich, Theoderich und das Papsttum. Die Quellen zusammengestellt nach den Ausgaben der MGH, Berlin 1931; Caspar, Erich, Geschichte des Papsttums; Schnürer, Gustav, Die politische Stellung des Papsttums zur Zeit Theoderichs des Großen, in: Historisches Jahrbuch 9 (1888), S. 251– 283 sowie 10 (1889), S. 253 – 301; Schwarcz, Überlegungen zur Religionspolitik, S. 40 – 41. Auf realpolitischer Ebene bleibt anzunehmen, dass sich die Gotenkönige mit dem jeweils amtierenden Papst arrangierten, da hiervon letztlich die Legitimation ihrer Herrschaft abhing. Gleichwohl kam es zu keinen sich in den Quellen intensiv widerspiegelnden Beziehungen, was wohl dem Umstand geschuldet war, dass sich Theoderich bis 518 sicher sein konnte, das für die Päpste im Vergleich zum Basileus kleinere Übel gewesen zu sein. Hier wäre in erster Linie auf die päpstliche Korrespondenz verweisen, in deren erstaunlichem Umfang der Briefwechsel zu den Gotenkönigen keine nennenswerte Rolle spielt. Vgl. Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 94.
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von S. Clemente ein Kompromisskandidat gefunden werden, der in das Amt des Papstes gewählt den Namen Johannes II. annahm.⁶⁴ Die in diesem Fall ablaufenden Prozesse, die in der Geschichte des Papsttums immer wieder auftauchten, bezeichnet das Kanonische Recht als Simonie.⁶⁵ Der illegitime Kauf von geistlichen Ämtern wurde von Cassiodor in beiden Schreiben scharf verurteilt. Bezeichnenderweise heißt es hierzu in der Einleitung des Briefes an den Papst (Var. IX 15, 1): Si antiquis principibus studium fuit leges exquirere, ut subiecti populi delectabili tranquillitate fruerentur, multo praestantius est talia decernere, quae possunt sacris regulis convenire. absint enim a nostro saeculo damnosa compendia. illud tantum vere possumus lucrum dicere, quod constat divina iudicia non punire.
Nach Angabe des defensor ecclesiae Romanae waren sogar kirchliche Gefäße öffentlich verkauft worden, um die für die Bestechung notwendigen Geldmittel zu beschaffen (Var. IX 15, 2). Cassiodor berief sich auf einen unter Papst Bonifatius II. erfolgten Senatsbeschluss, der derartige Missbräuche unter strenge Strafe stellte (Var. IX 15, 3).⁶⁶ Von der Ehrbarkeit der Heiligen Kirche sollte weltlicher Ehrgeiz entfernt werden, denn man urteile nur dann nach den Verdiensten des Einzelnen, wenn man das Geld nicht liebe (Var. IX 16, 1): Ut in beatissimi papae consecratione nullus se abominabili cupiditate pollueret, poena etiam constituta, qui talia praesumere temptavisset: non iniuria, quia tunc electi vere meritum quaeritur, cum pecunia non amatur.
Cassiodor befahl dem Stadtpräfekten im Namen König Athalarichs, den Senat über diesen Grundsatz in Kenntnis zu setzen (Var. IX 16, 2). Damit diese fürstliche Wohltat sowohl der jetzigen als auch der künftigen Generation vor Augen bleibe, erging der Befehl, dass die Weisungen auf Marmortafeln eingemeißelt und vor dem Atrium der Kirche des heiligen Apostels Petrus ausgestellt werden sollten (Var. IX 16, 3). Für den Fall, dass in der Zukunft erneut ein Streit bei der Papstwahl entsteht, entwickelte Cassiodor in seinem Brief an Johannes II. Regeln, wonach der Konflikt dem Hofe vorgelegt werden konnte (Var. IX 15, 6). Der König sollte folglich nicht in jedem Besetzungsverfahren angerufen werden, sondern lediglich im Falle von Uneinigkeit die Funktion eines Schiedsrichters übernehmen.⁶⁷ Dadurch stellte Cassiodor
Vgl. Dinzelbacher, Briefe des Ostgotenkönigs, S. 146. Zur Simonie vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 494; Schieffer, Rudolf, Art. Simonie, in: Lexikon des Mittelalters 7, München/ Zürich 1995, Sp. 1922– 1925; Meier-Welcker, Hans, Die Simonie im frühen Mittelalter. Begriff und Erscheinung in ihrer Entwicklung von Spätantike bis zum Investiturstreit, Tübingen 1952. Vgl. auch Var. IX 16, 1. Gleichwohl gab Athalarich Einschränkungen vor, wenn davon die Rede ist, dass die Beträge für die Behandlung des Falles am Hofe 3.000 solidi nicht übersteigen sollen. Stattdessen müssten diese Gelder eher für die Versorgung der Armen verwendet werden (Var. IX 15, 6). Die Behandlung anderer kirch-
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den König in eine kaiserliche Position. Wenn er hier einen bedeutenden Einfluss auf innere Angelegenheiten der katholischen Kirche ausgeübt hatte, so war dies allerdings nicht als Eingriff oder Übergriff zu verstehen, sondern als eine von der Kirche und Cassiodor durchaus gewünschte Hilfe und Unterstützung.⁶⁸ Auf diese Weise setzte der Minister die Tradition der spätantiken römischen Kaiser fort, nur dann in religiöse Konflikte einzugreifen oder diese politisch und rechtlich zu ahnden, wenn sie die politische Sicherheit gefährdeten. Gleiches lässt sich auch beim Schutz des Kirchenvermögens beobachten, dem Cassiodor in den Variae breiten Raum zugestand.⁶⁹ Im Zusammenhang mit der von Cassiodor befürworteten Bewahrung des Kirchenvermögens seitens weltlicher Herrscher gilt es zu berücksichtigen, dass die Besitztümer der Kirche unter besonderen Schutz zu stellen waren. Dies hatte vor allem damit zu tun, dass ein Viertel der Einkünfte für die Armen bestimmt war und für deren Bedürfnisse verwendet wurde (Var. IV 20).⁷⁰ Cassiodor schritt im Auftrag der Könige selbst dort ein, wo es sich nicht um die Heiligtümer selbst, sondern um den irdischen Besitz der Kirchen handelte. Die Gotenkönige werden auf diese Weise als Rückhalt und verlässlicher Schutz der Kirche und der Bischöfe stilisiert, quia versari nolumus in ecclesiae dispendio praesumptiones illicitas, dum nostra deceat tempora sedare confusa (Var. IV 17, 2). Unter dem Hinweis auf die civilitas wurde in diesem Schreiben an den comes Ibba verfügt, dass der katholischen Kirche von Narbonne alle Besitztümer zurückerstattet werden sollten, die ihr in den Wirren des ostgotisch-burgundischen Krieges in den Jahren 508 und 509 entrissen worden waren: Esto contra talia omnio sollicitus, ut qui es bello clarus, civilitate quoque reddaris eximius (Var. IV 17, 2). In einem weiteren Zwischenfall, der sich etwa zur selben Zeit ereignet hatte, intervenierte Cassiodor im Auftrag König Theoderichs, als sich Bischof Constantius an den Königshof wandte, um die Freigabe eines gewaltsam entwendeten Landstückes einzufordern (Var. IV 20, 1): Proinde viri venerabilis episcopi Constantii supplicatione comperimus sacrosanctae ecclesiae ipsius unum iugum, veterum principum pietate collatum, et nunc quorundam usurpatione violenta retineri.
licher Wahlen am Hof dürfe nicht teurer sein als 2.000 solidi. Bei Zuwiderhandeln dieser Anordnung folgen Bestrafungen (Var. IX 15, 7). Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 251. Zum Kirchenvermögen vgl. Piétri, Charles, Evergétisme et richesses ecclésiastiques dans l’Italie du IVe á la fin du Ve s.. L’exemple romain, in: Ktema 3 (1978), S. 317– 337. Dass die Reichtümer durchaus Neider unter Goten und Romanen hervorbrachten und folglich auch Gewalttätigkeiten nicht ausgeschlossen waren, lässt sich mit Blick in das Edictum Theoderici belegen, wo es unter § 125 heißt: Si quis de ecclesiis, id est locis religiosis, homines traxerit, vel aliquid violenter crediderit auferendum, capite puniatur. Diese Rechtspassage lässt den Schluss zu, dass es unter Theoderichs Herrschaft selbst zu Kirchenraub gekommen sein muss, dem es mit der allergrößten Strenge entgegenzutreten galt.
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Dem Gesuch wurde stattgegeben und darüber hinaus die Bestrafung des Schuldigen angeordnet (Var. IV 20, 1).⁷¹ Der Umfang des Kirchenvermögens umfasste zahllose Gebäude, Güter und Ländereien einschließlich der zur Bewirtschaftung notwendigen Sklaven, was sich daran zeigt, dass der römischen Kirche die Gelegenheit gegeben wurde, ihre Rechtsansprüche an ein von den Samaritanern beanspruchtes Haus geltend zu machen (Var. III 45). Etwa zur gleichen Zeit befahl der Minister auf Bitten des Bischofs Eustorgius von Mailand einem comes namens Adila, die Ländereien und Bewohner gegen jeden Übergriff von romanischer und gotischer Seite zu schützen (Var. II 29). Der Brief endet mit der für Cassiodor charakteristischen Klausel, dass die Vergünstigung keine Ausnahme von bestehendem Recht bedeute (Var. II 29, 2)⁷²: Ita tamen, ut causis publicis et privatis, quae contra eos rationabiliter proponuntur, respondere non differant, quia, sicut nolumus eos ab aliquo praegravari, ita exceptos a tramite iustitiae non patimur inveniri.
Die Anzahl und inhaltliche Abfolge der in die Variae aufgenommenen Schreiben verdeutlicht, dass es für Cassiodor im Sinne der Gleichbehandlung und -berechtigung wichtig war, keine rechtlichen Unterschiede zwischen der arianischen und katholischen Kirche zuzulassen. Dies bestätigt sich beispielsweise in einem Brief an den gotisch-arianischen Bischof Unscila (Var. I 26). In diesem Schreiben wies Cassiodor darauf hin, dass beide Kirchen derselben Grundsteuer unterworfen seien.⁷³ Von der außerordentlichen Zuschlagssteuer, die wohl mit der Formulierung superindicticiorum onera titulorum gemeint war, sollen beide Glaubensgruppen jedoch befreit bleiben.⁷⁴
Umgekehrt wurde auch in solchen Fällen eingegriffen, in denen weltlichen Gutsbesitzern ihre Ländereien von Geistlichen gewaltsam entrissen worden waren. Dies zeigt sich zum Beispiel in einem Brief an den Bischof von Pola, welcher zur Rückgabe der Ländereien aufgefordert wurde (Var. IV 44). Diese Position tritt deutlich in Fällen zu Tage, in denen Anordnungen zur Besteuerung des Kirchenvermögens erlassen werden, da sowohl die Güter der Kirche als auch die einzelnen Geistlichen zur Besteuerung herangezogen wurden (Land- und Kopfsteuer). Dabei wurde strengstens darauf geachtet, dass die Abgaben dem Fiskus zugeführt wurden. So leitete Cassiodor beispielsweise gegen den aus Süditalien stammenden Priester Marcus eine Ermittlung ein, der mit einigen weiteren Männern das Zahlen der Steuern verweigert hatte (Var. V 31). Während die Ländereien der Vandalen und Westgoten steuerfrei blieben, waren die Besitztümer der Ostgoten derselben Grundsteuerpflicht unterworfen wie die Kirchen. Dies hat wohl wesentlich zur Schaffung gerechter Bedingungen beigetragen und somit dazu, dass die romanische Provinzialbevölkerung Theoderichs Ansiedlung akzeptierten. Der Blick in Cassiodors Variae belegt allerdings, dass die Ostgoten sich dieser von ihnen offenbar als Demütigung empfundenen Regelung nur ungern fügten. Vgl. hierzu vor allem Var. I 19 und Var. IV 14. Er war indes um einen Ausgleich im Steuerwesen bemüht: Qui enim debent ad fiscum celerius esse devoti, nisi qui capiunt commoda donativi, quando amplius de nostra humanitate recipiunt quam stipendii iure praestetur (Var. IV 14, 2)? Hintergrund der supraindictio war, dass der Steuersatz von Jahr zu Jahr neu festgelegt wurde.Wenn beispielsweise absehbar war, dass der staatliche Bedarf im kommenden Jahr über dem des vorhergehenden liegen würde, wurde der Steuersatz entsprechend angepasst. Wenn sich allerdings im Laufe des Steuerjahres erwies, dass die Einnahmen aus der annona für die zu bestreitenden Aufgaben nicht
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Die Vermutung, dass die Kirchen unterschiedslos auch zur Zahlung der Grundlasten herangezogen wurden, bestätigt sich mit Blick in den Brief, in welchem der Bischof Aemilianus (von Parma oder Vercellae) dazu ermahnt wurde, er möge die Arbeit, die er bei Instandsetzung einer Wasserleitung auf königliche Anordnung hin übernommen hatte, schnell zu Ende führen (Var. IV 31). Während Cassiodor in Fällen dieser Art darauf bedacht war, es zu keinen steuerlichen Ungleichheiten kommen zu lassen, folgte er, sofern es sich um die Entlastung des Armengutes handelte, im Auftrag des Königs bereitwillig den an ihn herangetragenen Bitten um Nachlass. So baten die defensores der Mailänder Kirche Theoderich zu Gunsten der Armen darum, einem von den Geschäftsleuten der Stadt betriebenem Geschäft Steuerfreiheit zu erteilen (Var. II 30). Cassiodor kam der Bitte nach und gewährte einem von ihnen zu bestimmenden Händler die Freiheit, seine Geschäfte unter Entbindung von monopolium, siliquaticum und der auraria ⁷⁵ zu führen (Var. II 30, 3). Handelte es sich hingegen um an den König herangetragene Bitten, Kleriker von persönlichen Lasten zu befreien, wurden keine Vergünstigungen gewährt.⁷⁶ Wie die vorangegangenen Überlegungen nahelegen, zählte es zu den bestimmendsten Grundsätzen Cassiodors, im Sinne der Wahrung und Aufrechterhaltung des inneren Friedens für eine Gleichbehandlung von Arianern und Katholiken einzutreten. Wie sich bereits bei der Behandlung des Rechts zwischen Goten und Romanen zeigte, setzt sich dies so auf der Ebene der Rechtsprechung fort. Auch die im folgenden Abschnitt erfolgende Betrachtung von Streitfällen zwischen geistlichen und weltlichen Parteien macht deutlich, dass Cassiodor in rechtlicher Gleichstellung und Gleichbehandlung, aber auch in Transparenz und Rücksichtnahme, ein bewährtes Mittel sah, es zu keinen größeren Konflikten kommen zu lassen.
4.1.3 Rechtliche Gleichstellung und Gleichbehandlung von Arianern und Katholiken in Streitfällen Wie sich bereits im Zusammenhang mit den Besitzstreitigkeiten andeutete, vertrat Cassiodor in Disputen, an denen beide Konfessionen beteiligt waren, das Ideal der ausreichte, wurde den Steuerzahlern eine zusätzliche Abgabe auferlegt, die supraindictio.Vgl.Wiemer, Theoderich der Große, S. 313. Hierbei handelte es sich um eine Steuer für städtische Handwerker und Kleinhändler, die alle fünf Jahre auf deren Betriebsvermögen erhoben wurde. Diese wurde auroria genannt, weil sie in Gold (aurum) zu zahlen war. Fiskalische Besserstellung war daher kein Motiv für den Eintritt in die kirchliche Ämterlaufbahn. Dies wird insbesondere in einem Erlass an den Bischof Gudila von Sarsina in Umbrien deutlich. Die Kurialen dieser Stadt beklagten, dass die bischöfliche Verwaltung einige von ihren Kollegen in ungerechter Weise für sich beanspruche. Diese Anschuldigung genügte dafür, um ein Schreiben an Gudila zu verfassen und ihn dazu aufzufordern, die Seinen wieder in ihren Stand zurücktreten zu lassen, damit sie dort weiterhin ihren öffentlichen Pflichten nachkommen konnten (Var. II 18).
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Überparteilichkeit. Weder Arianer noch Katholiken sollten dieser Vorstellung nach einseitig bevorteilt werden. Grundlage und Leitlinie dieses Vorgehens war die Maxime der civilitas. Folglich war sein Verhältnis zur katholischen und arianischen Geistlichkeit stets von staatsmännischer Zurückhaltung geprägt. Dies war allein deshalb wichtig, weil in den von Goten bewohnten civitates in der Regel Bischöfe beider Konfessionen nebeneinander residierten.⁷⁷ Streitigkeiten sollten dabei ohne einseitige Bevorzugung der Arianer entschieden werden, allein schon, weil die Gesetze neutral gehalten waren. So schlug Cassiodor im Auftrag Theoderichs beispielsweise dem arianischen Bischof Unscila, der eine Steuerbefreiung für seine Liegenschaften erreichen wollte, dies mit der Begründung ab, dass die Grundstücke erst nach dem entscheidenden Stichtag in das Eigentum der Kirche gelangt seien (Var. I 26, 2 f.). Dass keine Unterschiede zwischen den beiden Kirchen gemacht wurden, ist an dieser Stelle wohl darauf zurückzuführen, dass dem Staat eine solche Einnahmequelle nicht verschlossen werden konnte⁷⁸, denn verständlicherweise griffen die Könige immer dann auf den sich mehrenden Reichtum der Kirchen zurück, wenn es eine allgemeine Not zu überwinden galt. Aus diesem Grund musste Cassiodor, allein um Unruhen zu vermeiden, darauf bestehen, dass das Kirchengut nicht unverhältnismäßig zum Schaden der übrigen Besitzer von Ländereien und Gütern beitrug. Mit den zahlreichen Anordnungen führte er allerdings keine Neuerungen ein, sondern griff auf die Anordnungen früherer Herrscher und antike Traditionen zurück.⁷⁹ Für das Zusammenleben der beiden größten Glaubensgruppen in Italien war entscheidend, dass die Goten nicht mit den Ansprüchen des Papstes und mit den katholischen Manifestationen des Glaubens in Konflikt gerieten. Diese Intention schlägt sich so auch im Edictum Theoderici nieder, wo bei sämtlichen Bestimmungen, die die Rechte oder Pflichten der Kirche betrafen, allgemein gefasste Formulierungen verwendet wurden. Arianismus und Katholizismus wurden, vermutlich um eine rein sprachliche Vorrangstellung zu vermeiden, nicht einmal mit Namen genannt. Hieraus lässt sich ableiten, dass Theoderich ein friedliches Zusammenleben mit der katholischen Kirche anstrebte beziehungsweise als unerlässlich für den Fortbestand seines
Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 119. Sehr wohl aber sind in den Variae einige Briefe überliefert, in denen sich arianische wie katholische Kirchen darum bemühten, Steuernachlässe zu erhalten. Wie schon seine Vorgänger im Amt konnte Theoderich den Forderungen nicht allzu weit entgegenkommen, da die Besteuerung vielen Schwankungen unterworfen war und je nach finanzieller Lage des Reiches mal zum Vorteil und mal zum Nachteil der Kirchen ausfiel. Dass das Besteuerungswesen ganz der herrschenden finanziellen Lage unterworfen war, lässt sich mit Blick in den Codex Theodosianus bestätigen. Dort ist zum Beispiel ein Erlass zu finden, demzufolge im Jahre 390 von allen Kirchen das rerum extraordinarium munus eingefordert wurde. Vgl. Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis, hrsg. von Theodor Mommsen, Berlin 1905, 11.16.18. Schon sieben Jahre später waren sie von den Zahlungen befreit (vgl. Cod. Th. 11.16.21), was im Jahre 412 von Kaiser Honorius nochmals bestätigt wurde.Vgl. Cod. Th. 16.2.40, wo es heißt: nihil extraordinarium ab hac superindicticiumve flagitetur. So wurde beispielsweise schon im Jahre 423 erklärt, dass auch Kirchengut zur Beihilfe bei Straßenund Brückenbauten verpflichtet werden sollen. Vgl. Cod. Th. 15.3.6.
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Reiches wie seiner Dynastie ansah. Im Prinzip spricht die Ausgestaltung der einzelnen Paragraphen im Edictum Theoderici dafür, dass beide Kirchen formalrechtlich einander gleichgestellt waren.⁸⁰ Auffallend ist dies bei Vorschriften, die die kirchliche Asylgewährung regelten.⁸¹ Flüchteten sich Sklaven in der römischen Kaiserzeit noch ad sanctae religionis altaria ⁸², so ist im Edictum Theoderici lediglich von quamlibet ecclesiam ⁸³ die Rede. Das Recht, Asyl zu gewähren, war damit beiden Gemeinschaften zuerkannt worden.⁸⁴ Die Kirchen standen dabei auch den Angehörigen der jeweils anderen Konfession offen. Ersichtlich wird dies in der unter § 70 eingefügten Regelung des Ediktes, dass römische Sklaven in arianischen Kirchen Zuflucht finden durften.⁸⁵ Die Anwendung des Gesetzes findet so auch in den Variae Anwendung, wo Cassiodor von Asylsuchenden berichtet (Var. II 11). Als besonders bemerkenswert erweist sich in diesem Zusammenhang der Fall des Kurialen Jovinus, der im Streit einen Kollegen erschlagen hatte und durch seine Flucht intra ecclesiae saepta hoffte, seiner Strafe zu entgehen (Var. III 47). Nach Anerkennung des Asyls wurde die Strafe in lebenslange Verbannung umgewandelt (Var. III 47, 1): Iovinum curialem, quem corrector Lucaniae Bruttiorumque humani nobis suggerit sanguinis effusione pollutum (ob hoc cum mutuae contentionis ardoribus excitatus rixam verborum usque ad nefarium collegae deduxit in ritum, sed conscius facti sui intra ecclesiae saepta refugiens declinare se credidit praescriptam legibus ultionem) Vulcanae insulae perpetua relegatione damnamus, ut et sacrato templo reverentiam habuisse videamur nec vindictam criminosus evadat in totum, qui innocenti non credidit esse parcendum.
Das scheinbar gleichberechtigte Nebeneinander von arianischen und katholischen Christen lässt sich auf den ersten Blick auch unter Einbezug des Werkes des Anonymus Valesianus attestieren: Sic gubernavit duas gentes in uno, Romanorum et Gothorum, dum ipse quidem Arrianae sectae esset, tamen nihil contra religionem catholicam temptans. Exc. Val. 60. Zum Kirchenasyl vgl. Siems, Harald, Asyl in der Kirche? Wechsellagen des Kirchenasyls im Mittelalter, in: Dreher, Martin (Hrsg.), Das antike Asyl. Kultische Grundlagen, rechtliche Ausgestaltung und politische Funktion, Köln 2003, S. 263 – 299; Fruscione, Daniela, Art. Kirchenasyl, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, Berlin 2011, Sp. 1775 – 1777; Fruscione, Daniela, Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, Köln 2003. Vgl. Cod. Th. 9,45,5. Vgl. Edictum Theoderici § 70 sowie § 71. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 124. Zur Aufnahme von Unfreien vgl. ferner Wiemer, Theoderich der Große, S. 425; Krause, Jens-Uwe, Spätantike Patronatsformen im Westen des Römischen Reiches, München 1987, hier: S. 164– 183. Hier heißt es wörtlich: Si servus cuislibet nationis ad quamlibet ecclesiam confugerit, statim domino veniam promittente reddatur: nec enim ultra unum diem ibidem residere praecipimus. Qui si exire noluerit, vir religiosus archidiaconus eiusdem ecclesiae, vel presbyter atque clerici, eundem ad dominum suum exire compellant, et domino indulgentiam praestanti sine dilatione contradant. Quod sie hov suprascriptae religiosae personae facere forte noluerint, aliud mancipium eiusdem meriti domino dare cogantur: ita ut etiam illud mancipium, quod in ecclesiae latebris commoratur, si extra ecclesiam potuerit comprehendi, a domino protenus vindicetur.
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Neben Fragen des Kirchenasyls bezeugen die Variae eine Vielzahl an Streitigkeiten zwischen Laien und Klerikern sowie schwerwiegende Vergehen von Geistlichen, die ein Einschreiten erforderlich machten, um es zu keinen größeren Unruhen und Auseinandersetzungen kommen zu lassen. Angefangen von Klagen gegen Bischöfe, die erworbene Dinge nicht bezahlten (Var. III 7), reichen diese bis hin zu Vorwürfen des Grabraubs und der Leichenschändung (Var. IV 18). Derartige in die Briefsammlung aufgenommene Schreiben machen deutlich, dass Cassiodor mit aller Entschiedenheit und der Strenge des Gesetzes gegen Vorkommnisse dieser Art vorging. Wie bereits an anderer Stelle festgestellt, war es ihm bei der Urteilsfindung und bei der Begründung der Entscheidung wichtig, weder Arianer noch Katholiken in eine Abseitsstellung zu rücken. Bei Beschlüssen dieser Art konnte Cassiodor auf keinen bestehenden Rechtsrahmen zurückgreifen, da dem Edictum Theoderici entsprechende Abschnitte zur Ahndung von Übergriffen zwischen Laien und Klerikern sowie schwerwiegenden Vergehen von Geistlichen fehlen. Zum einen mag das dem Umstand geschuldet sein, dass dies, wie auch bei anderen vergleichbaren Gesetzessammlungen, nicht dem Usus der Zeit entsprach.⁸⁶ Zum anderen zeigt sich hierdurch aber auch der Anspruch, das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen der arianischen und katholischen Kirche nicht noch weiter zu schüren. Gerade weil die Beschlüsse nicht auf bestehenden Rechtsparagraphen aufgebaut werden konnten, scheint der Blick in die überlieferten Fälle umso lohnenswerter zu sein. Streitfälle rein kirchlicher Natur können in diesem Zusammenhang ausgeklammert werden, handelte es sich hierbei nach wie vor um Angelegenheiten, die in den Kompetenzbereich der Bischöfe fielen und damit unter deren Amtsgewalt standen.⁸⁷ Das privilegium fori, das Zivilstreitigkeiten zwischen Klerikern und ihrem Bischof regelte, wurde anerkannt und vor Verletzungen jeglicher Art bewahrt.⁸⁸ Als beispielsweise ein Bischof namens Severus die Rückerstattung einer Summe Kirchgeldes von zwei Klerikern der Nolaner Kirche einforderte und diese die Zahlung verweigerten und sich unter Verschleierung ihres kirchlichen Standes an ein weltliches Gericht wandten⁸⁹, erwirkte Severus durch ein Schreiben an Theoderich, dass dieser die beiden Kleriker an das päpstliche Gericht zurückverwies.⁹⁰ Während es bei Streitigkeiten dieser Art bisweilen auf die Auslegung
Das Edictum Theoderici müsste an dieser Stelle im Licht anderer zeitgenössischer Rechtstexte betrachtet werden. Bisher fehlt jedoch eine solche Untersuchung. Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 235. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 231. Epistulae Theodericianae Variae, V. Felicem et Petrum Nolanae ecclesiae clericos surripere potuisse sensibus vestrae sublimitatis admiror, ut contra divinas humanasque leges ecclesiastica privilegia respuentes suppresso nomine clericali ad iudicia publica convolarent […]. Die Betrachtung dieses Falls lässt den Schluss zu, dass bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Klerikern stets und ohne Ausnahme vor das bischöfliche Gericht gehörten. Georg Pfeilschifter verweist in diesem Zusammenhang jedoch auf einen Brief des Ennodius an einen Abt mit dem Namen Stephanus. Der betreffende Abt hatte, wie Georg Pfeilschifter ausführt, Ennodius Personen vermutlich geistlichen Standes empfohlen, damit er sich ihrer in einem Rechtsstreite mit einem Kleriker
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des Falls ankam, waren Konflikte zwischen Laien und Klerikern mit größerer rechtlicher Sicherheit lösbar. Sollte sich der klagende Laie weigern, vor dem episkopalen Gericht zu erscheinen, wurde die Klage an ein weltliches Gericht überwiesen. Das gleiche Recht galt für Zivilklagen von Laien gegen Bischöfe. Sobald der Klagegrund das Gebiet der Religion überschritt, konnte der Kläger den Streitfall vor die weltliche Instanz bringen. Im Folgenden sollen exemplarisch einige Fälle näher betrachtet werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Art und Weise wie Cassiodor Auseinandersetzungen zu lösen versuchte. Im Jahr 507/511 führte ein gewisser Germanus gegen einen Bischof mit dem Namen Petrus Klage (Var. III 37). Dieser habe ihm, den Umstand verkennend, dass er der legitime Sohn des verschiedenen Thomas war, einen Teil seines väterlichen Erbes vorenthalten.⁹¹ Nachdem sich Germanus an das königliche Gericht gewandt hatte, forderte Cassiodor den Bischof auf, dem Kläger nicht sein gutes Recht abzusprechen, sofern er keine Gründe ins Feld führen könne. Er möge bedenken, dass er die Gerechtigkeit, die er anderen predige, auch selbst ausüben müsse (Var. III 37, 2): Quae petitio si veritate fulcitur et genitoris eius substantiam probatis iure competere supplicanti, considerata iustitia, quam monetis, sine observationis longae dispendio debita tribuantur, quoniam causarum vestrarum qualitas vobis debet iudicibus terminari, a quo expectanda est magis quam vobis.
Aus diesem Grund wurde Petrus dazu aufgefordert, die Angelegenheit genauestens zu untersuchen. Könne er von sich aus kein Urteil fällen, dann solle er die Klage an das Hofgericht verweisen (Var. III 37, 2): Quod si hanc causam sub aequitate vestrum minime definit arbitrium, noveritis supplicis querelam ad nostram audientiam perducendam. Dabei gab er ihm unmissverständlich zu verstehen, dass der königliche comitatus bei einem ungerechten Beschluss eine Neuauflage des Verfahrens in die Wege leite, denn: Vos enim docetis voces pauperum non debere neglegi, quas potest iustitia comitari (Var. III 37, 2). Auf diese Weise wurde das Hofgericht zur letzten Instanz bei Konflikten zwischen Laien und Geistlichen. Etwa zur gleichen Zeit beklagte sich ein Kaufmann mit dem Namen Johannes über den Bischof Januarius von Salona, weil letzterer den Preis für 60 Krüge Lampenöl
annehme. Sobald dieser jedoch erfuhr, dass es Ennodius war, der seine Gegner verteidigte, scheute er sich, vor das bischöfliche Gericht zu treten und brachte seine Sache vor ein weltliches Forum. Der Kleriker hatte, wie Pfeilschifter aus diesem Zwischenfall schließt, „seine eigene Klagesache, weil er gegründete Furcht gehabt [hatte], beim Bischofe nicht zu bestehen, vor die weltlichen Gerichte gebracht, und niemand hat dagegen protestiert.“ Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 237. Var. III 37, 1: Atque ideo sanctitas vestra a Germano nos aditos flebili allegatione cognoscat, qui se filium legitimum asserit quondam Thomatis, dicens partem facultatis patris sui a vobis detineri sibimet legibus competentem. Da dies den Gesetzen widersprach, darf an dieser Stelle – auch wenn in besagtem Brief keine näheren Angaben zu finden sind – vermutet werden, dass der Bischof die eheliche Geburt des Klägers bestritt.
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nicht bezahlt habe (Var. III 7). Cassiodor erließ infolgedessen einen in ernsten Worten formulierten Zahlungsbefehl (Var. III 7, 2): […] si veram querimoniam cognoscitis supplicantis, consideratione iustitiae, quam sancta lege praedicatis, facite quae iure debentur sine tarditate restitui: quatenus nullus ingemiscat illata sibi per vos fuisse dispendia, quos decet potius praestare iuvamina. quapropter studete, ut, qui non soletis pro rebus magnis excedere, nunc non videamini, quod absit, in parvitate peccare.
Wenn der Bischof gegen die Klage Einwendungen vorbringen wollte, stand ihm natürlich das Königsgericht offen. Ein wirklicher Beschluss war, dessen ungeachtet, in letzter Instanz ohnehin nur einem weltlichen Gericht vorbehalten. In gleichem Sinne wurde die Klage eines gewissen Stephanus gegen Untergebene des Bischofs Antonius von Pola, die keine Kleriker waren, zuerst dem Bischof mitgeteilt (Var. IV 44). Würde dieser die Begründung der Anklageschrift nicht anerkennen, müsste der Sachverhalt vor das Hofgericht gebracht und dort geklärt werden, ubi qualitas negotii agnosci debeat et finiri (Var. III 7, 2). Quapropter, ließ der König Cassiodor ausrichten, sanctitatis vestrae animus non gravetur nec se fallacibus verbis doleat accusatum: multo maior est opinio purgata, quam si desinentibus querelis non fuerit impetita (Var. III 7, 2).⁹² Vergleichbar argumentierte Cassiodor, wenn Kleriker eines bürgerlichen Verbrechens angeklagt und verurteilt wurden. Bei solchen Vergehen der Geistlichen konnten sich die klagenden Laien an das päpstliche beziehungsweise bischöfliche Gericht wenden und die Bestrafung des Schuldigen verlangen. Im Falle einer Verurteilung umfassten die Strafen freilich nur Mittel geistlicher Natur. Wollte sich der Kläger hiermit nicht zufriedengeben, konnte er sich an das weltliche Gericht wenden. So führte beispielsweise ein Mann namens Julianus beim König Klage, weil sich die Männer eines Bischofs mit Namen Aurigenus an seiner Frau und seinen Besitztümern vergriffen hätten (Var. III 14, 1): Iulianus itaque nobis lacrimabili aditione conquestus est uxorem suam vel res a vestris hominibus iniusta usurpatione pervasas. Cassiodor teilte dem Bischof daraufhin die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen mit und forderte ihn dazu auf, der Angelegenheit nachzugehen. Sollte sich dabei die Schuld der Angeklagten herausstellen, habe er unverzüglich einzuschreiten (Var. III 14, 1): Unde si veram petitionem supplicantis agnoscitis nec se rationabiliter pulsatus absolvit, in auctorem facti sine aliqua tarditate resecate. malum enim cum perseverat, augetur, et remediale bonum est in peccatum accelerata correctio.
Ein vergleichbarer Fall trug sich zur gleichen Zeit zu, als ein Priester namens Laurentius beim königlichen Gericht des Grabraubs und der Leichenschändung angeklagt
Für den Fall, dass sich der klagende Laie aus Achtung vor der Kirche oder aus anderen Gründen nicht an ein weltliches Gericht wandte, sondern beim Papst selbst vorsprach, delegierte dieser gewöhnlich zwei Bischöfe, welche die Anklage zu untersuchen und weiter zu behandeln hatten. Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 240.
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wurde (Var. IV 18).⁹³ Aufgrund dieser Anzeige wurde der comes Anna beauftragt, die Anklage zu untersuchen und dem Beschuldigtem bei Zutreffen der Anschuldigung seinen Raub wieder abzunehmen: Scelus enim, quod nos pro sacerdotali honore relinquimus impunitum, maiore pondere credimus vindicandum (Var. IV 18, 2). Schwere Anschuldigungen gegen Kleriker wurden vor das weltliche Gericht gebracht. Ein dementsprechender Fall ereignete sich, als der Bischof von Aosta des Vaterlandverrates angeklagt wurde (Var. I 9). Die Klage wurde daraufhin auch dem Bischof Eustorgius von Mailand mitgeteilt, der aufgrund der Schwere des Vergehens besagtem Bischof sein Amt entzog. Erst dann wurde er dem weltlichen Gericht übergeben, wo sich im Verlaufe des Prozesses jedoch seine Unschuld herausstellte. Um das Ansehen der katholischen Kirche und der Geistlichen zu wahren, wandte sich Cassiodor im Auftrag Theoderichs infolge des Freispruchs sofort an den Erzbischof und bat um die Wiedereinsetzung des Geistlichen in sein Amt: Qui a vobis honori pristino restitutus ius habeat episcopatus omne quod habuit (Var. I 9, 2).⁹⁴ Insbesondere dieses Schreiben führt vor Augen, dass Cassiodor darauf bedacht war, möglichst sorgsam mit angeklagten Klerikern umzugehen und deren Stellung sowie Würde zu berücksichtigen.⁹⁵ Hierbei handelt es sich um ein wiederkehrendes Muster, das sich über diesen Fall hinaus in weiteren Anordnungen fortsetzt (Var. II 18; III 7; III 14; III 37; IV 18; IV 44). Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass Cassiodor Angeklagten geistlichen Standes stets die Freiheit einräumte, Anschuldigungen gegen sie selbstständig durch einen außergerichtlichen Vergleich beizulegen. Der Gang vor das weltliche Gericht und damit Aufsehen sollte so nach Möglichkeit vermieden werden. Letzteres zeigt sich vor allem im bereits betrachteten Fall, als Kuriale des Bischofs von Sarsina gegen ihren Dienstherren Klage führten, weil dieser die Staatsgesetze verletzt habe (Var. II 18). Während jeder andere Nicht-Geistliche ohne Weiteres vor das weltliche Gericht zur Untersuchung des Falls geladen werden konnte, forderte Cassiodor den beklagten Bischof im Vorfeld auf, die gegen ihn vorgebrachten Beschwerden genau zu prüfen und entstandenen Schaden zu beseitigen, sofern sich dies als gerechtfertigt erweise. Sollte er sich jedoch im Recht glauben, so möge er einen Repräsentanten an das Hofgericht senden, um dort für seine Ansprüche einzutreten (Var. II 18, 3):
Die besondere Brisanz des Falles ergibt sich daraus, dass gemäß dem Edictum Theoderici auf ein Vergehen vergleichbarer Art die Todesstrafe stand. Vgl. hierzu § 110, wo es heißt: Qui sepulchrum destruxerit, occidatur. Bei dieser Textstelle muss – um Verwechslungen und Missverständnissen vorzubeugen – genauestens gelesen werden, damit vobis nicht mit nobis vertauscht wird. Nicht der König setzte den Bischof wieder in sein Amt, sondern der Erzbischof von Mailand. In diesem konkreten Fall übertrug er beispielsweise die Bestrafung der falschen Ankläger mit der ausdrücklichen Begründung, dass es sich hierbei um Kleriker handelte, dem Mailänder Bischof, cuius est et probitatem moribus talibus imponere et districtionem ecclesiasticam custodire (Var. I 9, 3).
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Quod si de negotii qualitate dubitatis, convenit sacerdotalibus institutis, ut ante controversiam iustitiam magis ipse cognoscas, quam de iudicio victus abscedas. talem siquidem non oportet publice superari, quem amatorem aequitatis convenit inveniri.
Der tiefere Grund dieses wohlwollenden und äußerst rücksichtsvollen Angebots ist darin zu verorten, dass Cassiodor dem Ansehen der Kirche beziehungsweise eines hohen Geistlichen nicht schaden wollte. Aus diesem Grund heraus räumte er dem Bischof ein, eventuell begründete Klagen gegen ihn selbst oder gegen seine Kleriker auf privatem Wege gegenstandslos zu machen. Dass der Gang vor das weltliche Gericht so gut als möglich vermieden werden sollte, wenn es darum ging, die oben ausgeführten Anschuldigungen und Vorkommnisse zu klären, könnte bisweilen damit erklärt werden, dass es allem Anschein nach keine Seltenheit war, dass weltliche Gerichtsorgane unverhältnismäßige Strafen gegen Angehörige der römischen Kirche verhängt haben. Aus dem Jahre 527 ist ein solcher Fall bekannt, wo aufgrund des rücksichtslosen Vorgehens gegen einen römischen Diakon und einen katholischen Priester eine Intervention seitens des Königs erforderlich wurde (Var.VIII 24). Diesem Schreiben nach sei es eine alte Gepflogenheit gewesen, dass ein Laie, der gegen einen Geistlichen Klage führte, dieselbe vor dem Bischof von Rom vorbringen müsse. Hierbei handelte es sich um die Bestätigung eines früheren Privilegs der Kirche, das die rechtliche Autonomie des Klerus garantierte.⁹⁶ Der König verordnete, dass jeder, der Klage gegen einen Geistlichen der katholischen Kirche führte, zunächst vor dem päpstlichen Gericht vorsprechen musste. Dem Papst sollte die Entscheidung obliegen, den Fall entweder zu verhandeln oder aber ihn zu verweisen. Wenn letzteres eintrete, dürfe sich der Laie mit seiner Klage an das weltliche Gericht wenden. Menschen, die dieser Anordnung zuwiderhandelten, drohten Geldstrafen und Rechtsnachteile: Dignus est enim duplici poena percelli, qui et divinam reverentiam et nostra jussa temeravit (Var. VIII 24, 5). Diese Entscheidung war die Antwort auf ein Schreiben von Klerikern und eine Reaktion auf Ereignisse, die nicht weiter bekannt sind. Offenbar wurde ein Diakon in solchem Ausmaße bedrängt, dass ihn der zu seinem Schutz eingestellte gotische saio im Stich ließ. Insbesondere der Umstand, dass Cassiodor hohen Geistlichen die Freiheit einräumte, Anschuldigungen gegen sie auf außergerichtlichem Wege zu klären, um ihrem Ansehen nicht zu schaden, lässt darauf schließen, dass der Minister in den Bischöfen wichtige Stützen des Reiches sah. Hierzu passt, dass Cassiodor regelmäßig Geistliche mit seelsorgerisch-sozialen und weltlich-politischen Aufgaben betraute und die Bischöfe auf diese Weise zu Stiftern und Boten des inneren Friedens stilisierte. Im nun folgenden Abschnitt soll diese besondere Bedeutung der Geistlichen im Prozess der Friedenswahrung in den Blick genommen werden.
Das Privileg hatte Valentian III. aufgehoben. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 231; Caspar, Geschichte des Papsttums, S. 195 f.; Mochi Onory,Vescovi et cittá, S. 207 f.; Saitta, Religionem imperare non possumus, S. 65 f.
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4.2 Bischöfe als Stifter und Boten des inneren Friedens Da die Bischöfe vor allem in Städten residierten und hier mit oder auch ohne einen weltlichen Amtsträger die Herrschaft ausübten, bildeten sie wichtige Stützen des Königs.⁹⁷ Als Vorsteher der lokalen Religionsgemeinschaft hatte der Bischof die Priesterwürde inne und nahm aufgrund dieser beispielsweise die Weihe anderer Kleriker vor. Bis zum Anfang des siebten Jahrhunderts stand es einzig dem Bischof zu, in der Öffentlichkeit zu predigen und die Taufe zu spenden. Zudem bot der Bischof eine kostenlose Schiedsgerichtsbarkeit in Zivilsachen an, die sogenannte episcopalis audientia. ⁹⁸ Da die Überwachung des Klerus zu seinen Aufgaben gehörte, musste er darüber hinaus durch die Gemeinden reisen und jedes Jahr seine Pfarreien besuchen. Mit dem Untergang des Römischen Reiches im Westen trat der Bischof außerdem als letzter Vertreter der römischen Ordnung in seiner Stadt hervor und musste nach und nach immer mehr weltliche Funktionen übernehmen. Regelmäßig leitete er im Tribunal Sitzungen, er ließ Gebäude restaurieren oder verhandelte mit dem König über die Steuer.⁹⁹ In dieser Funktion sind sie in den letzten Jahren verstärkt in den Blick der deutschen Frühmittelalterforschung getreten. Der Hauptfokus lag dabei auf der Erforschung der im gallischen Raum lebenden Bischöfe.¹⁰⁰ Georg Scheibelreiter führt
Vgl. Ohler, Krieg und Frieden im Mittelalter, S. 134 f.; Noethlichs, Karl Leo, Materialien zum Bischofsbild aus den spätantiken Rechtsquellen, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 16 (1973), S. 28 – 59; Sotinel, Arianismus, S. 235; Schieffer, Rudolf, Der Bischof zwischen Civitas und Königshof (4. bis 9. Jahrhundert), in: Berglar, Peter/ Engels, Odilo (Hrsg.), Der Bischof in seiner Zeit. Bischofstypus und Bischofsideal im Spiegel der Kölner Kirche. Festgabe für Joseph Kardinal Höffner, Erzbischof von Köln, Köln 1986, S. 17– 39; Kreuzer, Georg, Bischof und Stadt im Früh- und Hochmittelalter, in: Kirche und Stadt. Ein Beitrag zur 2000-Jahr-Feier der Stadt Augsburg, Augsburg 1985, S. 18 – 32. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 495; Selb, Walter, Episcopalis audientia von der Zeit Konstantins bis zur Nov. XXXV Valentinians III, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 84 (1967), S. 162– 217; Lenski, Noel, Evidence for the audentia episcopalis in the New Letters of Augustine, in: Mathisen, Ralph Whitney (Hrsg.), Law, Society and Authority in Late Antiquity, Oxford 2001, S. 83 – 97. Zur Übernahme weltlicher Aufgaben vgl. Hermann-Otto, Elisabeth, Der spätantike Bischof zwischen Politik und Kirche. Das exemplarische Wirken des Epiphanius von Pavia, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 90 (1995), S. 198 – 214; Dumézil, Bruno, Die Kirche in den neuen Königreichen, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 298 – 301, hier: S. 298; Brown, Peter Robert Lamont, The Cult of the Saints. Its Rise and Function in Latin Christianity, Chicago 1981; Brown, Peter Robert Lamont, The Rise of Western Christendom, Princeton 1996; Köpke, Jörg, Die italischen Bischöfe unter ostgotischer Herrschaft (490 – 552). Prosopographische Untersuchungen zur Stellung des italienischen Episkopats zwischen Antike und Mittelalter (unpubl. Diss., Hamburg 2006). Angefangen von den richtungsweisenden Monografien von Martin Heinzelmann und Georg Scheibelreiter lässt sich der Bogen bis hin zu den Publikationen von Steffen Diefenbach und Steffen Patzold spannen.Vgl. Heinzelmann, Martin, Bischofsherrschaft in Gallien. Zur Kontinuität römischer Führungsschichten vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Soziale, prosopographische und bildungsge-
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das gestiegene Interesse an diesem Personenkreis schon Anfang der 1980er-Jahre darauf zurück, dass es sich bei jenen um die in einer vergleichsweise quellenarmen Zeit noch am besten fassbare Gruppe handelte, deren Erforschung wichtige Hinweise auf die Gesellschaftsstruktur ihrer Zeit zu liefern versprach.¹⁰¹ Die in Anlehnung an Helene Wieruszowski¹⁰² und Karl Friedrich Stroheker¹⁰³ personengeschichtlichprosopographisch ausgerichteten Untersuchungen unterstreichen dabei die herausragende Bedeutung von Bischöfen bei der Ausführung weltlicher Aufgaben. Martin Heinzelmann kommt im Zuge dessen bei seiner Untersuchung episkopaler Herrschaft vom spätantiken Gallien bis zu den karolingischen Hausmeiern zu dem Ergebnis, dass das charismatische Ansehen der Bischöfe „im politisch-militärischen Vakuum und Chaos des 5. und 6. Jahrhunderts“¹⁰⁴ wesentlich dazu beigetragen habe, der Stadtbevölkerung Schutz im materiellen wie auch im religiösen Sinne zu geben.¹⁰⁵ Und doch ist es gegenwärtig einzig Hermann Kamp, der im Zusammenhang von den Bischöfen im Mittelalter als „Gesandte des Friedens“ spricht.¹⁰⁶ In dieser Funktion waren sie spätestens seit Kaiser Justinian I. nicht mehr aus der Stadtverwaltung wegzudenken.¹⁰⁷ Mit Blick in dessen Gesetzessammlung ist festzuschichtliche Aspekte, München 1976; Scheibelreiter, Georg, Der Bischof in merowingischer Zeit, Wien 1983; Diefenbach, Steffen, „Bischofsherrschaft“. Zur Transformation der politischen Kultur im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, in: Diefenbach, Steffen/ Müller, Gernot Michael (Hrsg.), Gallien in Spätantike und Frühmittelalter. Kulturgeschichte einer Region, Berlin 2013, S. 91– 152; Patzold, Steffen, Zur Sozialstruktur des Episkopats und zur Ausbildung bischöflicher Herrschaft in Gallien zwischen Spätantike und Frühmittelalter, in: Becher, Matthias/ Dick, Stefanie (Hrsg.), Völker, Reiche und Namen im frühen Mittelalter, München 2010, S. 121– 140; Patzold, Steffen/ Walter, Conrad, Der Episkopat im Frankenreich der Merowingerzeit: Eine sich durch Verwandtschaft reproduzierende Elite?, in: Patzold, Steffen/ Ubl, Karl (Hrsg.), Verwandtschaft, Name und soziale Ordnung (300 – 1000), Berlin 2014, S. 109 – 139. Vgl. Scheibelreiter, Georg, Der frühfränkische Episkopat. Bild und Wirklichkeit, in: Frühmittelalterliche Studien 17 (1983), S. 131– 147, hier S. 132. An dieser Stelle ginge es zu weit, jede dieser Studien im Detail zu nennen. Für einen aktuellen Überblick über Literatur und sich abzeichnende Forschungstendenzen im Untersuchungszeitraum dieser Darstellung siehe die Monographie von Peter Eich. Vgl. Eich, Peter, Gregor der Große. Bischof von Rom zwischen Antike und Mittelalter, Paderborn 2015. Vgl. Wieruszowski, Helene, Die Zusammensetzung des gallischen und fränkischen Episkopats bis zum Vertrag von Verdun (843) mit besonderer Berücksichtigung der Nationalität und des Standes, in: Bonner Jahrbuch 127 (1922), S. 1– 83. Vgl. Stroheker, Karl Friedrich, Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, Tübingen 1948. Vgl. Prinz, Friedrich, Der fränkische Episkopat zwischen Merowinger- und Karolingerzeit, in: Nascita dell’Europa ed Europa Carolingia. Un’equazione da verificare, Bd. 1, Spoleto 1981, S. 101– 133, hier S. 110 f. Vgl. Heinzelmann, Bischof und Herrschaft, S. 26 f. Vgl. Kamp, Friedensstifter und Vermittler, S. 173 – 184. Vgl. Claude, Dietrich, Die byzantinische Stadt im 6. Jahrhundert, München 1969; Guillou, André, Régionalisme et indépendance dans l’empire byzantin au VIIe siècle. L’exemple de l’exarchat et de la pentapole d’Italie, Rom 1969; Durliat, Jean, L’évêque et sa cité en Italie byzantine d’après la correspondance de Grégoire le Grand, in: L’Evêque dans l’histoire de l’Eglise. Actes de la VIIe Rencontre d’histoire religieuse, Fontevraud, 14– 15 octobre 1983, Angers 1984, S. 21– 32; Ekonomou, An-
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stellen, dass die Bischöfe in erster Linie bei der Bestellung aller städtischen Funktionäre sowie bei der Überwachung der Amtsführung dieser Beamten tätig waren.¹⁰⁸ Unter diese Zuständigkeit fällt auch die Aufsicht über die Versorgung der Städte mit Wasser und Nahrungsmitteln, die Verteilung von Geldern für öffentliche Bauten wie Wasserleitungen und Straßen, genauso aber auch die Verantwortung für Geisteskranke, Minderjährige, gefährdete Frauen, ausgesetzte Kinder sowie Testamentvollstreckungen.¹⁰⁹ Die Entscheidungen sollten dabei stets in Einvernehmen mit dem städtischen Kurator oder dem Defensor civitatis, weit häufiger aber mit den principales oder primates, getroffen werden.¹¹⁰ Als diese in der justinianischen Gesetzgebung niedergelegten Grundsätze nach der byzantinischen Eroberung Italiens auf der Mittelmeerhalbinsel etabliert wurden, bedeutete dies für die dort lebenden Menschen keine Neuerung beziehungsweise Änderung ihrer Lebensweise. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Cassiodor diese Grundsätze bereits am Ende des fünften Jahrhunderts und damit über ein halbes Jahrhundert vor Inkrafttreten dieser Gesetzgebung im Jahr 554 entwickelte und erfolgreich in die Praxis umsetzte. Einmal mehr zeugen hiervon die in die Variae aufgenommenen Briefe, mit denen sich belegen lässt, dass der Minister die Bischöfe als Oberhäupter ihrer Städte mit Verwaltungsaufgaben betraute. In dieser Funktion waren sie als Verwalter von kirchlichem und weltlichem Vermögen (Var. XII 27) und als Verantwortliche für karitative Aufgaben (Var. II 8), in der Bauaufsicht (Var. IV 31) sowie bei der Versorgung mit Nahrungsmittel (Var. II 18; II 30) tätig. An dieser Stelle kann nur darüber spekuliert werden, ob Cassiodor zur Stabilisierung der ostgotischen Herrschaft über Italien aus der Not heraus auf das fest etablierte Kirchenwesen setzte.¹¹¹ Unabhängig davon, ob er dieses Instrument selber entwickelte oder die Not zur Tugend machte, kann nicht bestritten werden, dass er die Geistlichen durch die Übertragung verschiedenster Aufgaben im weltlichen, aber auch seelsorgerischen Bereich, zu einer für Italien unverzichtbaren Institution werden ließ, auf die er große Hoffnungen setzte.¹¹² Im Gegenzug kam es, wie im vorangegangen
drew J., Byzantine Rome and the Greek Popes. Eastern Influences on Rome and the Papacy from Gregory the Great to Zacharias, A.D. 590 – 752, Lanham 2010. Vgl. hierzu in Auswahl: Corpus Iuris Civilis, 2. Codex Iustinianus, hrsg. von Paul Krüger, Berolini 1877, 1,4,17; 1,4,19; 1,4,26; 10,27,3; 10,27,4. Vgl. insbesondere Cod. Iust. 1,4,26, dessen Text am ausführlichsten die Tätigkeit der Bischöfe in der öffentlichen Stadtverwaltung beleuchtet. Vgl. Heinzelmann, Bischof und Herrschaft, S. 29. Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 225. König Theoderich zeigte sich den Bischöfen gegenüber offen. Bereits bei seinem Einzug in Italien war es ihm wichtig, welche Haltung jene gegenüber dem Beauftragten des Kaisers einnehmen würden. Ohne an dieser Stelle detailliert auf einzelne Interaktionen eingehen zu wollen, ist festzustellen, dass Theoderich auf die Loyalität der Bischöfe setzen konnte. Als ein Beispiel von vielen darf Epiphanius von Pavia genannt werden, der wie viele andere italische Amtsträger bereits 489 nach Mailand gereist war, um sich dem Ostgotenkönig zu unterwerfen. Daraufhin hatte er das Gotenheer in seiner Stadt
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Abschnitt deutlich wurde, zu Schutzmaßnahmen, die dem kirchlichen Besitz und Vermögen galten, und es der Kirche ermöglichen sollte, den ihnen zugewiesenen Aufgaben nachzukommen (Var. II 29; II 30; III 45; IV 17; IV 20). Das Hineinwachsen der Kirche in den Staatsapparat war von Cassiodor ausdrücklich gewollt, mehrfach betonte er das harmonische Zusammenarbeiten von Kirche und Staat (Var. IX 15, 11) und hob einzelne Bischöfe ihrer Verdienste wegen hervor (Var. II 8; XII 27). Im Denken Cassiodors wurden die Bischöfe auf diese Weise zu Stiftern und Boten des Friedens und damit zu einem unentbehrlichen Bestandteil. Die besondere Bedeutung der Geistlichen im Prozess der Friedenswahrung wird vor allem in drei Briefen deutlich, die Cassiodor an den Bischof Victorinus (Var. VIII 8), an Papst Johannes II. (Var. XI 2) sowie an verschiedene Bischöfe (Var. XI 3) richtete. Diese Briefe sollen im nun folgenden Abschnitt ausführlicher in den Blick genommen werden.
4.2.1 Zur besonderen Bedeutung der Geistlichen im Prozess der Friedenswahrung Innerhalb des ostgotischen Herrschaftsbereiches war die Stellung der Kirche gesichert. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die Teilhabe an der Regierung des Landes offiziell anerkannt und ausdrücklich von Cassiodor begrüßt wurde (Var. IX 15, 11): Orate ergo pro nobis edicta nostra custodientes, quae divinis noscitis convenire mysteriis. ¹¹³ In dieser Funktion setzte der Minister große Hoffnungen in die Geistlichen, die durch die Übertragung von weltlich-politischen und seelsorgerisch-sozialen Aufgaben mit dazu beitragen sollten, den inneren Frieden im Reich aufrechtzuerhalten und zu wahren. Besonders deutlich wird dieser Anspruch in einem im Namen Athalarichs verfassten Brief an den Bischof Victorinus, welcher zum Anlass hatte, den Geistlichen über den Tod Theoderichs und die Herrschaftsübernahme durch dessen Enkel zu informieren (Var. VIII 8). Offenbar befürchtete Cassiodor infolge des Königswechsels Unruhen, wenn er den Bischof dazu auffordert, die Provinzialen zur Eintracht gegenüber dem neuen König zu ermahnen (Var. VIII 8, 3).¹¹⁴
versorgt. Vgl. Ennodius, Vita Epiphanii, 109 – 114 sowie ausführlich und mit weiteren Beispielen vgl. Schwarcz, Überlegungen zur Religionspolitik, S. 37– 40. Der Aufstieg der kirchlichen Stadtherrschaft schlug sich in den wichtigen Aufgaben nieder, mit denen Cassiodor kirchliche Würdenträger nach dem Zeugnis der Variae betraute. Die rechtliche Position des Bischofs fixierte erstmals Justinian in vollem Umfang. Zu den erforderlichen Voraussetzungen der Bischofsmacht vgl. Noethlichs, Materialien zum Bischofsbild, S. 28 – 59; Heinzelmann, Bischof und Herrschaft, S. 23 f., S. 28 f.; Mochi Onory, Vescovi e cittá; De Marini Avonzo, Franca, I vescovi nelle „Variae“ di Cassiodoro, in: Atti dell’Accademia Romanistica Constantiniana 8 (1990), S. 249 – 260. Hintergrund dessen war, dass Athalarich damals erst zehn Jahre alt und damit noch nicht fähig war, selbst zu regieren. Für die Goten Theoderichs stellte das Königtum eines Kindes ein Novum dar, denn im Kampf nachgewiesene Tüchtigkeit war bis dahin eine unabdingbare Voraussetzung dafür gewesen, als König anerkannt zu werden. Die faktische Macht lag bei Amalasuintha, der Mutter Athalarichs, die nach dem Tode ihres Mannes nicht wieder geheiratet hatte. Dass ein Kind die
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In diesem Brief wird deutlich, dass Cassiodor auf die durch die religiöse Gesinnung gefestigte Treue und Beständigkeit des Bischofs setzte, da jener zur Erfüllung von königlichen Anliegen und damit der Ersuchen Athlarichs verpflichtet sei (Var.VIII 8, 1). Als zentrale Aufgabe des Geistlichen stellte er nach dem Herrschaftswechsel die Vereinigung der Bewohner heraus. Er forderte ihn auf, mit seinen Gebeten die Nachfolge zu fördern, damit der himmlische König die irdische Herrschaft Athalarichs stärke, die anderen gentes schwäche und das gnädig erhalte, was durch die Väter ruhmreich verliehen worden sei (Var. VIII 8, 2): Sed inde potest vestra tristitia temperari, quia nos in sede regni sui divinitate propitia collocavit, ut in totum desiderio vestro non videatur ereptus, qui vobis consurgit in successione reparatus. favete nunc orationibus sacris nostris libenter auspiciis, ut rex caelestis humana nobis regna confirmet, gentes externas atterat, peccata absolvat, consolidet et conservet propitius quod parentibus nostris dignatus est praestare gloriosis.
Zugleich sollte der Bischof alle Provinzialen zu Eintracht und Loyalität ermahnen, da Athalarich bei seinen Untertanen Treue zu finden wünsche, die er in reicher Fürsorge vergelten könne. Indirekt ermahnte Cassiodor den Bischof auf diese Weise zur Einhaltung seiner moralischen Pflichten. Offenbar befürchtete er politischen Widerstand gegen den noch minderjährigen König. (Var. VIII 8, 3): Quapropter sanctitas vestra provinciales cunctos ammoneat, ut inter se habentes concordiam regno nostro per omnia debeant esse purissimi. Cupimus enim in subiectis fidem reperiri, quam larga possimus pietate munerari.
Nicht weniger deutlich formulierte Cassiodor diese Erwartung in einem in eigenem Namen verfassten Schreiben an Papst Johannes II. († 8. Mai 535)¹¹⁵, welches er anlässlich seiner Ernennung zum Prätorianerpräfekten an das Oberhaupt der katholischen Kirche richtete (Var. XI 2). Diesem Brief nach verdankte er seinen Erfolg Gottes Großzügigkeit und den Verdiensten des Papstes, da er die Ehre empfange, obwohl er die Liebe Gottes nicht verdiene und Gutes bekomme, ohne solches zu tun (Var. XI 2, 1): Quis enim dubitet prosperitatem nostram vestris meritis applicandam, quando honorem adipiscimur, qui a domino diligi non meremur, et permutatione officii bona recipimus, dum talia non agamus?
Nachfolge antrat, konnte auch schon deshalb zu Unruhen führen, weil es andere Kandidaten gab, die übergangenen wurden, wie beispielsweise Theoderichs Neffe Theodahad. Neben Cassiodor, damals magister officiorum, dem Prätorianerpräfekten Abundantius (Var. IX 4), Ambrosius, dem Leiter der Verwaltung des Krongutes (comes rei privatae) und späteren Quästors (Var. VIII 13 f.), Opilio (Var. VIII 16) und Tuluin (Var. VIII 10 – 12; VIII 25), dürfte auch der Stadtpräfekt Reparatus (Var. IX 7) als Unterstützer Amalasuinthas aufgetreten sein. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 576 f. Zu Johannes II. siehe Schulz, Werner, Johannes II., in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 3, Herzberg 1992, Sp. 196 – 197.
4.2 Bischöfe als Stifter und Boten des inneren Friedens
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Nach diesem Demuts- und Sündenbekenntnis äußerte er seine Hoffnung daran, dass dank kirchlichem Fasten die Bevölkerung vom Hunger befreit worden und die schlimme Traurigkeit ehrbaren Tränen gewichen sei. In der Fortsetzung des Briefes bat er, wie er es schon im Namen Athalarichs tat (Var. VIII 8), um die Gebete des Papstes für das Wohl und ein langes Leben des Herrschers sowie für die Abwehr der Feinde und einen langandauernden Frieden. Als Zierde ruhiger Zeiten solle Gott aus den Speichern seines Überflusses die nötige Fülle spenden und Cassiodor speziell die Sinne schärfen, damit er dem wahrhaft Nützlichen folge und vor dem zu Vermeidenden fliehen könne (Var. XI 2, 2): Et ideo salutans officiositate, qua dignum est, precor ut vivacius oretis pro salute regnantium, quatenus eorum vitam caelestis princeps faciat esse longaevam, Romanae rei publicae hostes imminuat, tempora tranquilla concedat: deinde, quod ornat pacem, necessariam nobis copiam de abundantiae suae horreis largiatur: mihique filio vestro intellegentiae sensus aperiat, ut quae vere sunt utilia, sequar, quae vitanda, refugiam.
Dazu wolle er bestrebt sein, dieselben charakterlichen Eigenschaften, mit denen die katholische Kirche ihn als ihren Sohn sende, auch in seiner Funktion als oberster Beamter beizubehalten (Var. XI 2, 3). In diesem Zusammenhang ersuchte er den Papst darum, nicht die ganze Sorge für die Bürger auf ihn zu legen, da er selber als Oberhaupt der Kirche die Aufsicht über das christliche Volk habe. Vordringliche Aufgabe sei daher die Wache über die Sicherheit der Bevölkerung, die ihm von Gott anvertraut worden sei. Cassiodor als weltlicher Beamter müsse an einiges, der Papst hingegen an alles denken (Var. XI 2, 4): Nolite in me tantum reicere civitatis illius curam, quae potius vestra laude secura est. vos enim speculatores Christiano populo praesidetis: vos patris nomine universa diligitis. securitas ergo plebis ad vestram respicit famam, cui divinitus est commissa custodia.
Diesem Gedanken folgend, wurde dem Papst in Cassiodors Vorstellung eine übergeordnete Rolle zuteil. Als liebendem Vater müsse ihm das Wohlergehen der Bevölkerung ein wichtiges Anliegen sein. Dies zeige sich in der dem Papst zuerkannten Verantwortung, für das geistliche und materielle Wohlbefinden der Bevölkerung zu sorgen. Dazu müsse er beständige Fürbitte leisten. Wenn dennoch etwas geschehe, dann werde Not dadurch vermieden, wenn man gegen diese in noch fülligen Zeiten vorgehe (Var. XI 2, 4).¹¹⁶ Im letzten Abschnitt des Briefes bat Cassiodor den Papst An dieser Stelle griff Cassiodor explizit auf die Stelle zurück, wonach der geistige Anführer neben dem Seelenheil auch für die alltäglichen Belange seiner Gemeinde zuständig war und durch diese doppelte Ausrichtung der rein säkularen Macht überlegen sei. Christina Kakridi zufolge zeigt sich dieser Überlegenheitsanspruch in der besonderen Verantwortlichkeit der Priester für das spirituelle Heil der Gläubigen, das heißt auch der staatlichen Amtsträger und in letzter Konsequenz des Herrschers höchstpersönlich. In gewisser Weise kann man in dieser Position die Weiterführung der westlichen politischen Tradition sehen, da die Magistrate und Könige im Gegensatz zu den Verhältnissen in der östlichen Kirche in der westlichen Kirche schon immer eine mehr dienende als führende Stellung
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darum, auch ihn selber wie ein Hirte sein Schaf vor Irrungen zu bewahren. Er sei zwar ein Beamter des Hofs, dessen ungeachtet aber immer ein Schüler des Papstes, auf den er aufmerksam höre (Var. XI 2, 5): Monete me quae sunt gerenda sollicite. bene agere vel correptus exopto, quia difficilius errat ovis, quae voces desiderat audire pastoris nec facile efficitur vitiosus, cui ammonitor insistit assiduus. sum quidem iudex Palatinus, sed vester non desinam esse discipulus: nam tunc ista recte gerimus, si a vestris regulis minime discedamus. sed cum me a vobis desiderem et moneri consiliis et orationibus adiuvari, iam vobis est applicandum, si quid in me fuerit aliter quam optabatur inventum.
Es ist beachtlich, wie offen Cassiodor sich als leitender Minister der Gotenkönige als Katholik äußern konnte. Formulierungen dieser Art heben sein Anliegen hervor, für ein friedliches und einvernehmliches Zusammenleben von Goten und Romanen sorgen zu wollen. Die Berücksichtigung dieses Schreibens bei der Zusammenstellung der Variae sollte wohl in den Augen des späteren Lesers den Eindruck entstehen lassen, dass er sein Ziel erreicht hatte. Dem äußeren Schein nach könnte man diesen Brief als Legitimation der päpstlichen Machtansprüche durch einen königlichen Beamten verstehen. Liest man das Schreiben jedoch vor dem Hintergrund einer zur gleichen Zeit stattfindenden Hungersnot, dann handelt es sich vielmehr um Cassiodors Versuch, die Macht der Kirche für die eigenen Belange in Anspruch zu nehmen. Speziell die einleitenden Formulierungen, denen zufolge durch das Fasten in den Kirchen der allgemeine Hunger vertrieben worden sei (Var. XI 2, 1), deuten darauf hin, dass der Papst als übergeordnete Instanz persönlich Sorge um die Ernährung in Rom tragen sollte. Als Beschützer der gesamten Christenheit müsse er sich insbesondere für die römische Gemeinde einsetzen. Dies spricht sehr dafür, dass Cassiodor als Staatsmann den Einfluss der Kirche zur Lebensmittelversorgung in Anspruch nehmen wollte. Vor diesem Hintergrund wirkt die im letzten Absatz anklingende Anerkennung der besonderen Position des römischen Bistums innerhalb der gesamten Christenheit eher ermahnend als aufmunternd.¹¹⁷ Wie schon im Schreiben Athalarichs an den Bischof Victorinus (Var. VIII 8) macht auch dieser Brief deutlich, dass Cassiodor den Geistlichen im Prozess der Aufrechterhaltung des Einklangs und der Harmonie zwischen Goten und Romanen eine hohe Bedeutung beimaß. Bestätigt wird dies in einer Nachricht, die er ebenfalls in eigenem Namen verfasst an eine größere Anzahl nicht näher erwähnter Bischöfe richtete (Var. XI 3). Auch dieses Schriftstück hatte den Anlass, über seine Wahl zum Prätorianerpräfekten zu informieren, schlägt aber im Vergleich mit dem vorausgegangen päpstlichen Schreiben einen anderen Ton an. Der Tenor des Schreibens lässt unmissver-
einnahmen.Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 219.Vgl. hierzu auch Anton, Hans Hubert, Kaiserliches Selbstverständnis in der Religionsgesetzgebung der Spätantike und päpstliche Herrschaftsinterpretation im 5. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 88 (1977), S. 38 – 84, hier: S. 69 f. Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 219.
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ständlich erkennen, dass die Bischöfe, in die Cassiodor die gleichen Erwartungen setzte wie in den Papst, dennoch in seinen Augen eine niedrigere Position einnahmen. Zu Beginn dieses Schreibens empfahl er sich dem Gebet der Kleriker und forderte sie dazu auf, ihn eifrig in ihre Gebete einzubeziehen (Var. XI 3, 1), damit ihm Gott zu seinem Wohle beistehe, Unglück ausschließe und dafür sorge, dass die unheilbringenden Schwächen verschwinden (Var. XI 3, 2). Um das Leben des Königs zur Blüte des Reiches zu verlängern und Gott darum zu bitten, die Feinde des Staates zu schwächen, wünschte Cassiodor die Anordnung einer Fastenzeit (Var. XI 3, 3). An der Art und Weise wie er diese Forderungen vorbrachte, ist deutlich zu erkennen, dass die Träger kirchlicher Amtsgewalt in seinen Augen eine untergeordnete Stellung einnahmen. Dies äußerte sich in beständigen Ermahnungen zu gottgefälligem Verhalten (Var. XI 3, 4). Im Zuge dessen forderte er die Bischöfe auf, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für Witwen und Waisen einzusetzen, den Armen zu helfen und gegen Untugenden wie Gewalt, Habgier und Wollust vorzugehen (Var. XI 3, 5)¹¹⁸: excludite, sanctissimi, inter immundos spiritus implacabiles vitiorum furores, violentiam temperate, avaritiam depellite, furta removete, depopulatricem humani generis luxuriem a vestro populo segregate. sic auctorem iniquitatis efficaciter vincitis, si eius persuasiones de humanis cordibus auferatis.
Auf diese Weise besiege man erfolgreich den Urheber des Unrechts, womit in diesem Zusammenhang wohl der Teufel gemeint war. Bemerkenswert ist an dieser Stelle sein Appell, dass die Bischöfe im Rahmen ihrer Tätigkeit zugunsten der ärmeren und sozial niedriggestellteren Bevölkerung die bestehenden Gesetze beachten sollen. Offenbar befürchtete Cassiodor, dass die Geistlichen versuchen könnten, in Rechtsfragen klerikale Eigenständigkeit erreichen und sich der weltlichen Gesetzgebung entziehen zu wollen (Var. XI 3, 5)¹¹⁹: Orfanis viduisque contra saevos impetus deo placita praestate solacia, ita tamen, ne, quod accidit per nimiam pietatem, dum miseris subvenire quaeritis, locum legibus auferatis.
Im Gegenteil sollten die Lehren der Bischöfe die Verhängung weltlicher Strafen verhindern, denn bei nicht nachlassender Predigt müsse der strafende Eingriff des Gesetzes notwendigerweise ruhen und ein Richter könne nichts mehr finden, das zu
Zum Schutz der Schwachen vor staatlichen Übergriffen und der besonderen Hoffnung, die man in diesem Zusammenhang auf Bischöfe setzte, vgl. Mochi Onory,Vescovi e cittá, S. 283, S. 288 f., S. 299 f.; Krause, Jens-Uwe, Wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung der Witwen, Stuttgart 1994, hier: S. 224 f. An welche Art von Übertritten er hier dachte, wird nicht ersichtlich. Vermutlich waren Übergriffe und Unregelmäßigkeiten der Bischöfe gemeint, die er an anderen Stellen ausführlich beschrieb (Var. II 18; III 7; III 14; III 37; IV 18; IV 44).
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bestrafen wäre.¹²⁰ Den Bischöfen sei aus diesem Grund die Bewahrung der Unschuld anvertraut (Var. XI 3, 6): Episcopus doceat, ne iudex possit invenire quod puniat. administratio vobis innocentiae data est. nam si praedicatio vestra non desinat, necesse est ut poenalis actio conquiescat. et ideo dignitatem meam in omni vobis parte commendo, quatenus actus nostri sanctorum orationibus adiuventur, qui minus in humana potestate praesumimus.
Der Brief schloss mit der Aufforderung, das Gesagte ernst zu nehmen und umzusetzen (Var. XI 3, 7). Neben den in den zuletzt betrachteten Briefen deutlich formulierten Erwartungen an die Geistlichen, die von Cassiodor als Bitten und Ermahnungen vorgebracht wurden und als solche die Rahmenbedingungen bischöflichen Wirkens absteckten, ist es die Vielfalt überlieferter Aufträge an Geistliche, die seine besondere Aufmerksamkeit für kirchliche Würdenträger im Prozess der Friedenswahrung zum Ausdruck bringen. Er sah sie als zentrale Schaltstellen, Vermittler und Multiplikatoren in der herrscherlichen Kommunikation und spannte den Klerus aus diesem Grund für weltliche Zwecke ein.
4.2.2 Seelsorgerische und weltlich-politische Aufgaben an Geistliche Viele der in den Variae enthaltenen Urkunden legen nahe, dass Cassiodor die Bischöfe als Oberhäupter ihrer jeweiligen Städte mit weltlich-politischen und seelsorgerischsozialen Aufgaben betraute. Ihm war daran gelegen, die Armen und Bedürftigen des Reiches zu unterstützen, was sich so auch an dem in den Variae formulierten Anspruch, „Ober- und Unterschicht“ einander gleichstellen zu wollen, widerspiegelt.¹²¹ Besondere Hoffnung setzte er dabei auf den Klerus, der seiner Ansicht nach in der Verantwortung stünde, in gerechter Weise für die Armen zu sorgen (Var. IX 15, 6): […] quia de ecclesiastico munere pauperibus est potius consulendum. ¹²² Vergleichbar ar-
Wahrscheinlich muss dieser Hinweis als versteckte Drohung an die Bischöfe verstanden werden, damit diese angesichts der schwierigen und unruhigen politischen Situation dafür sorgen sollen, dass ihre Städte den Goten die Treue halten. Vergleichbar argumentierte Cassiodor im oben betrachteten Brief an den Bischof Victorinus (Var. VIII 8, 3): Quapropter sanctitas vestra provinciales cunctos ammoneat, ut inter se habentes concordiam regno nostro per omnia debeant esse purissimi. cupimus enim in subiectis fidem reperiri, quam larga possimus pietate munerari. Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 17. Bedacht werden muss an dieser Stelle jedoch der Unterschied zwischen theoretischen Vorgaben und der tatsächlichen praktischen Umsetzung, da es zweifelhaft ist, dass Menschen aus der Unterschicht die finanziellen Möglichkeiten dazu hatten, vor Gericht zu prozessieren. Zur Funktion der Bischöfe als Patrone der Armen vgl. Brown, Peter Robert Lamont, Power and Persuasion in Late Antiquity. Towards a Christian Empire, Madison 1992, hier: S. 71– 117; Brown, Peter Robert Lamont, Poverty and Leadership in the Later Roman Empire, Hanover 2002; Finn, Richard D.,
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gumentierte er in Briefen, die er an weltliche Beamte richtete. So erging beispielsweise ein Schreiben an den in Pannonien lebenden comes Colosseus, demzufolge er ruhmreichen Verlust auf sich nehmen solle, um dafür dann wiederum reichste Frucht der königlichen Gnade zu erlangen, wenn es ihm gelänge, in diesem Gebiet die Voraussetzungen für ein friedliches Leben zu schaffen (Var. III 23). Für Beamte des Königs sei es würdig, wie es weiter heißt, einen Verlust zugunsten der Rettung eines in seinem Leben Bedrohten auf sich zu nehmen (Var. III 23, 4): Et ne quem forte ad mortem videatur praecipitare paupertas, redde pro talibus gloriosum plane damnum, lecturus a nobis gratiae uberrimum fructum, si civile ibi potueris plantare propositum et nostris vere iudicibus dignum, si dispendium iudex subeat, ut vitam periturus adquirat. quapropter consuetudo nostra feris mentibus inseratur, donec truculentus animus belle vivere consuescat.
Die Liste fürsorglicher Aufträge an weltliche Beamte ließe sich beliebig fortführen. Weit häufiger sind jedoch in den Variae Anordnungen enthalten, die die Armenfürsorge als Kernkompetenz der Kirche ansehen. Dies war, wie beispielsweise auch aus den Konzilsakten und den karitativen Tätigkeiten bedeutender Kirchenmänner wie Severin (410 – 482) hervorgeht¹²³, ein seit den Tagen erster christlicher Gemeinschaften gepflegtes Engagement.¹²⁴ Ohne direkte Nennung in den Variae darf angenommen werden, dass auch im Ostgotenreich die von Papst Simplicius († 483) im Jahre 465 angeordnete Vierteilung der kirchlichen Einnahmen galt. Hiernach stand je ein Viertel dem Bischof, für den Unterhalt der Kleriker, die Kirchenbauten sowie für die Verteilung an Arme und Fremde zur Verfügung.¹²⁵ Trotz Fehlens genauerer Richtlinien ist in der Briefsammlung eine Vielzahl von Fällen überliefert, in denen Cassiodor Geistliche mit karitativen Aufgaben betraute. Der höhere Klerus erschien nicht nur als Verwalter kirchlichen Vermögens, sondern gleichsam als Verteiler königlicher Geschenke. So wurden einem Bischof namens Severus 1.500 solidi zugewiesen, damit dieser die durch den Durchzug des ostgotischen Heeres entstandenen Schäden der Zivilbevölkerung ausgleichen konnte (Var. II 8). Denn wer könnte, wie es zu Beginn des Schreibens heißt, besser für die Ausübung der Rechtsgleichheit gewählt werden als jemand, der das Priesteramt ausübe, zu urteilen wisse und der wegen seiner Liebe zu allen keinen Platz für Argwohn übrig lasse. Als Priester entscheide er ohne Ansehen der Personen, da er alle gleichermaßen liebe und so dem Neid keinen Raum ließe (Var. II 8, 1):
Almsgiving in the Later Roman Empire. Christian Promotion and Practice (313 – 450), Oxford 2008, hier: S. 34– 89. Vgl. hierzu Vita Sancti Severini, Das Leben des heiligen Severin, hrsg. von Theodor Nüsslein, Stuttgart 1999. Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der oströmisch-gotischen Gesellschaft, S. 260. Vgl. Jedin, Hubert, Bona ecclesiae – bona pauperum. Zur Vierteilung des Kircheneinkommens vor und auf dem Tridentinum, in: Gatz, Erwin (Hrsg.), Römische Kurie. Kirchliche Finanzen.Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann Hoberg, Rom 1979, S. 405 – 415, hier: S. 406; Wiemer, Theoderich der Große, S. 490.
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Quis melius ad aequitatis iura deligitur quam qui sacerdotio decoratur, qui amore iustitiae personaliter nesciat iudicare et diligens cunctos in commune locum non relinquat invidiae?
Eine vorherige Kostenschätzung sollte gewährleisten, dass zum einen niemand ausgeschlossen werde und man zum anderen die Gelder nicht überflüssig an Unbehelligte verteilen würde (Var. II 8, 1). In gleicher Weise erhielt der Bischof Datius von Mailand zu Beginn des Gotenkrieges (535 – 554) den Auftrag, Getreide zu Sonderpreisen an die hungernde Bevölkerung zu verteilen (Var. XII 27). Für diese Aufgabe sei ebenfalls niemand besser geeignet als ein Bischof, denn: Minus prodest bonum iubere, nisi hoc per viros sanctissimos velimus efficere (Var. XII 27, 1). Die Wohltat nämlich sei es, die den richtigen Willen der Beauftragten vergrößere und das, was ohne Betrug getan werde, werde wahrhaftig den Verdiensten des Schenkenden angerechnet. Denn letztlich gehöre es sich so, dass die von den Priestern ausgehende Reinheit die Spendenfreudigkeit des Herrschers in die Tat umsetze (Var. XII 27, 1). Gewiss aus diesem Grund solle der Bischof darauf achten, dass das Getreide nicht in Folge von Bestechlichkeit denen zukomme, die sich selbst ernähren könnten. Nur derjenige dürfe von der Güte des Herrschers profitieren, der weniger als andere besitze (Var. XII 27, 2): Et ideo sanctitatem vestram petimus, cuius propositi est divinis inservire mandatis, ut de horreis Ticinensibus et Dertonensibus panici speciem, sicut a principe iussum est, tertiam portionem esurienti populo ad viginti quinque modios per solidum distrahi sub vestra ordinatione faciatis, ne cuiusquam venalitate ad illos perveniat, qui se de proprio videntur posse transigere. accipiat minus habens indulgentiam principalem. egentibus iussum est, non divitibus, subveniri. fundit potius, qui mittit in plenum, nam illud potius reconditur, quod vasis vacuis congregatur.
Gemäß diesem Befehl sollte vor allem Notleidenden geholfen werden, nicht aber den Reichen, denn derjenige verschwende, der ins Volle schicke. Aus diesem Grund dürfe der Bischof die Pflichten der Barmherzigkeit nicht als Unrecht auffassen, denn alles, worin man Güte finde, sei seiner würdig, da eine treue Ausübung fremder Wünsche der Vollendung eigener Wohltaten ebenbürtig sei (Var. XII 27, 3). Zu diesem Zweck schickte Cassiodor Datius zwei Gehilfen, die jedoch nicht in Eigenverantwortung, sondern explizit den Anweisungen des Metropoliten folgen müssten. Das aus den Getreideverkäufen eingenommene Geld solle, wie dem letzten Abschnitt des Briefes zu entnehmen ist, für weitere Getreidekäufe gespart werden (Var. XII 27). Neben diesen eher seelsorgerisch-sozialen Aufträgen an den Klerus betraute Cassiodor einzelne Würdenträger mit Aufgaben in der urbanen Administration. Die Entwicklung vollzog sich im Wechsel von eigenmächtigem Handeln der Prälaten und nachträglicher rechtlicher Normierung, ohne jedoch in den meisten Fällen als Usurpation von staatlicher Macht empfunden worden zu sein.¹²⁶ Als Beispiel lässt sich die Übernahme von Aufgaben im Bereich der Nahrungsmittelversorgung nennen, im
Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 216.
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Rahmen derer Cassiodor honorati und episcopi gleichermaßen mit der Festlegung der den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Preise betraute, um das schädliche Horten von Getreide in Notzeiten zu regeln (Var. IX 5).¹²⁷ Die Umgehung würde dabei mit einer Buße von sechs solidi sowie körperlichen Züchtigungsmaßnahmen geahndet (Var. XI 12, 3). Die in diesen Zusammenhängen verordneten Geldbußen sollten für die Unterstützung der Armen verwendet werden (Var. VIII 24, 5). Als weiteres Beispiel lässt sich ein Schreiben Cassiodors an den Mailänder Bischof aufführen, im Rahmen dessen er den Geistlichen in seiner Funktion als Präfekt beauftragte, das in den Speichern von Pavia und Dertona liegende Getreide zu einem günstigen Sonderpreis zu veräußern und die Einkünfte mit ihm abzurechnen (Var. XII 27). Zuvor hatte Cassiodor diesen Auftrag unmittelbar vom König erhalten (Var. X 27). Mit dessen Ausführung betraute er dann den genannten Geistlichen. Am deutlichsten findet sich der öffentliche Herrschaftsauftrag in einem Schreiben an den Bischof Aemilianus wiedergegeben, dem die Konstruktion eines Aquäduktes übertragen wurde (Var. IV 31, 1): cura ex nostra auctoritate suscepit. Besonderes Merkmal in der Stilistik Cassiodors ist ein Maß an Schmeichelei verbunden mit der Hoffnung, der Geistliche möge seine Freude in der Nachahmung Mose finden, der dem israelitischem Volk auf ebenso wundersamer Weise Wasser verschafft habe (Var. IV 31, 2): Imitaris enim antiquissimum Moysen, qui Israhelitico populo longa ariditate siccato de saxi sterilitate copiosos latices eduxit et ad implendum miraculum inde fecit currere umidos liquores, ubi erat sicca durities. tu autem si fontes irriguos saxorum constructione deducis, hoc labore tuo praestas populis, quod ille miraculis.
Mit Blick auf diese Fälle handelte es sich um die bewusste und gewollte Delegation weltlicher Aufgaben an Kleriker von Seiten der ostgotischen Regierung. Zu dieser Überlegung passt, dass es sich allem Anschein nach nicht nur um einzelne Bischöfe gehandelt hatte, die mit der Übernahme von Verwaltungsaufgaben betraut wurden, sondern um eine größere Anzahl. Hierfür spricht, dass die meisten der angeschriebenen Bischöfe nicht weiter bekannt sind.¹²⁸ Wie im vorangegangenen Abschnitt verdeutlicht, zeigte sich Cassiodor umso empörter darüber, wenn Bischöfe ihre Befugnisse überschritten und gegen das Gesetz verstießen. Als beispielsweise ein Bischof namens Petrus einem gewissen Germanus, zu dessen Vormund er bestimmt wurde, einen Teil des ihm von Gesetzeswegen zustehenden Erbguts vorenthielt, befahl er dem Angeklagten, das Geschuldete sofort auszuhändigen (Var. III 37). Cassiodor appellierte dazu an die Seligkeit des Bischofs,
Ein in die Variae aufgenommenes Preisedikt (Edictum pretiorum per Flaminiam) wendet sich ebenfalls an cives atque episcopi (Var. XII 12). Aufführen ließen sich hierbei beispielsweise Gudila (Var. II 18), Ianuarius (Var. III 7), Aemilianus (Var. IV 31), Severus (Var. II 8) und Petrus (Var. III 37). Christina Kakridi äußert die Vermutung, dass die Aufnahme dieser Dokumente in die Briefsammlung lediglich in vielleicht für uns nicht mehr erkennbare persönliche Beziehungen zu Cassiodor begründet sei.Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 216.
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da dieser eher selbst auf die Gerechtigkeit sehen müsse als diese sich aufzwingen zu lassen (Var. III 37, 2): Vos enim docetis voces pauperum non debere neglegi, quas potest iustitia comitari. Auch den Bischof Januarius von Solona erinnerte Cassiodor daran, dass sich zwar alle an die Gerechtigkeit halten müssten, am meisten aber die, die mit göttlichen Ehren erhoben worden seien, damit sie dank ihrer Entfernung von der irdischen Begierde der überirdischen Gnade am nächsten kämen (Var. III 7). Hintergrund dessen bildete die Aufforderung, einem klagenden Kaufmann namens Johannes die gelieferten 60 Fässer Lampenöl zu bezahlen. Die Gerechtigkeit zu bewahren sei ganz besonders bei jenen Dingen nötig, die göttlichen Blicken dargeboten werden, damit man nicht glauben könne, Gott wisse nicht, woher er etwas empfange, wenn er sich bei betrügerischen Darbietungen ruhig verhalte (Var. III 7, 2). Der Bischof sollte daher unverzüglich seine Schulden begleichen, da niemand darüber klagen solle, dass er von einem Bischof einen Verlust erlitten habe, für den es sich doch gezieme, Hilfe zu gewähren (Var. III 7, 3): quatenus nullus ingemiscat illata sibi per vos fuisse dispendia, quos decet potius praestare iuvamina. quapropter studete, ut, qui non soletis pro rebus magnis excedere, nunc non videamini, quod absit, in parvitate peccare.
Aufgrund dieser Unregelmäßigen und Verstöße auf der einen und dem Umstand, dass die Bischöfe maßgeblich von Cassiodor in die Verwaltung des Ostgotenreiches eingebunden wurden auf der anderen Seite, ist die Vermutung begründet, dass von Seiten der Regierung ein evidentes Interesse bestand, ein der neuen Herrscherdynastie freundlich gesinnten und moralisch gefestigten Episkopat in ein Bischofsamt zu bringen. Der Staat war, wie Georg Pfeilschifter formuliert, „es sich von seinem Standpunkte aus schuldig, dafür zu sorgen, dass eine solche Macht nicht allzu oft oder wenigstens nicht an besonders wichtigen Plätzen in Hände käme, welche gegen die bestehenden Verhältnisse arbeiten würden.“¹²⁹ Erstaunlicherweise lässt sich eine direkte Einflussnahme auf bischöfliche Wahlen aus dem Ostgotenreich nicht nachweisen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass keine derartigen Bestrebungen unternommen wurden. So hat Cassiodor bei der Zusammenstellung der Variae beispielsweise einen Fall aus dem Jahre 495 berücksichtigt, in welchem der comes Teia von einem Mann namens Eucharistus, der sich um den Bischofsstuhl von Volaterra bewarb, zur Unterstützung angerufen wurde. Noch ehe die Wahl stattfand, wurde jedoch aufgedeckt, dass der Lebenswandel dieses Mannes der Amtsausübung entgegen sprach, da er vom Defensor Faustus Niger des Vatermordes und der Urkundenfälschung überführt wurde.¹³⁰ Die vorangegangenen Ausführungen machen deutlich, dass Cassiodor im Sinne der Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens auf ein friedliches Zusammenleben von gotischen Arianern und katholischen Romanen setzte. Die von ihm
Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 253. Vgl. Epistulae Theodericianae Variae, II.
4.3 Einstellung und Haltung zu den im Reich lebenden […] Glaubensgruppen
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getroffenen Maßnahmen und selbst die inhaltlich-argumentative Gestaltung seiner Briefe zielten darauf ab, keine dieser Glaubensgruppen mit besonderen Privilegien auszustatten oder zu benachteiligen. Von dieser Beobachtung ausgehend soll im folgenden Abschnitt die Einstellung und Haltung zu den im Reich lebenden jüdischen und heidnischen Glaubensgruppen in den Blick genommen werden.
4.3 Einstellung und Haltung zu den im Reich lebenden jüdischen und heidnischen Glaubensgruppen Nach der Anerkennung des Christentums im Edikt von Mailand im Jahre 313 verschlechterte sich die Situation der Juden zunehmend. Allerdings galten die Privilegien, die die Ausübung des jüdischen Glaubens betrafen, im Imperium Romanum fort, wenngleich der Rahmen religiöser Betätigung durch Verbote von Missionierungen und Synagogenneubauten allmählich enger wurde. Die umfassenden Untersuchungen von Karl Leo Noethlichs machen dabei deutlich, dass die Juden eine „Bestandsgarantie im römischen Reich“ erhielten.¹³¹ Diese Erkenntnis wird durch eine Studie von Capúcine Nemo-Pekelman zum Codex Theodosianus bestätigt.¹³² Folglich waren die Juden bei Theoderichs Ankunft in Italien, profanrechtlich gesehen, keine Fremden des Reiches.¹³³ Einschlägige Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die Lage der Juden in der Folgezeit im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren unter katholischer Herrschaft verbesserte.¹³⁴ Hanns Christof Brennecke, der sich in einem ausführlichen Aufsatz der Judengesetzgebung im Ostgotenreich Theoderichs des Großen widmete, kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Politik des Amalers vor dem Hintergrund des reparatio-imperii-Gedankens gesehen und zu weiten Teilen auch vor seinem Drang nach königlicher Eigenständigkeit bewertet werden muss.¹³⁵ Vor diesem Hintergrund zeigen die in den Variae überlieferten Briefe eine durchaus judenfreundliche Ten-
Vgl. Noethlichs, Karl Leo, Die Juden, S. 94; Noethlichs, Die Juden im christlichen Imperium Romanum, S. 72– 76; Noethlichs, Judentum, S. 68 – 77; Noethlichs, Die Stellung der Juden in der konstantinischen Gesellschaft, in: Demandt, Alexander/ Engemann, Josef (Hrsg.), Konstantin der Große, Mainz 2007, S. 228 – 231. Vgl. Nemo-Pekelman, Rome et ses citoyens juifs. Vgl. Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 10; Blumenkranz, Juifs et chrétiens. Vgl. Hartmann, Andreas, Rom und die Juden. Eine Beziehung zwischen Hass und Faszination, in: Schreiber, Waltraud (Hrsg.), Kontakte – Konflikte – Kooperationen. Der Umgang mit Fremden in der Geschichte, Neuried 2001, S. 77– 116; Baltrusch, Die Juden und das Römische Reich; Schall, Die Juden im Römischen Reich. Vgl. Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 147. Zu Theoderichs Judenpolitik vgl. ferner Rubin, Berthold, Theoderich und Justinian. Zwei Prinzipien der Mittelmeerpolitik, München 1953, hier: S. 14 f.; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 97 f.; König, Aus der Zeit Theoderichs des Großen, S. 187 f.; Saitta, Religionem imperare non possumus, S. 63 – 88.
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denz¹³⁶, obgleich selbige für Cassiodor und für die in Italien lebenden Christen Häretiker und Vertreter einer superstitio, eines falschen Glaubens, waren. Im Zuge dessen handelten mehrere Briefe von christlich motivierten Übergriffen auf Juden und deren Eigentum, womit sich belegen lässt, dass es im Ostgotenreich wiederholt zu Ausschreitungen und Übergriffen kam. Während diese rechtlich unter Strafe gestellt waren und Cassiodor bestrebt war, die Täter aufzuspüren und vor Gericht zu stellen, lassen sich derartige Schutzmaßnahmen in Bezug auf die im Ostgotenreich lebenden Heiden nicht feststellen. Trotz Monopolisierung beziehungsweise Anspruch auf Ausschließlichkeit des Christentums als einziger erlaubten monotheistischen Religion durch Theodosius I. (347– 395) blieben einzelne ältere lokale Kulttraditionen bis in das frühe Mittelalter hinein erhalten und waren somit auch in Italien zugegen, als Theoderich mit der dortigen Herrschaftsübernahme betraut wurde.¹³⁷ Während die Situation der Heiden im Römischen Reich von verschiedenen Seiten her untersucht wurde und dabei auch das Zusammenleben von Heiden und Christen erörtert wurde¹³⁸, fehlen derartige Studien zum Ostgotenreich.¹³⁹ Abgesehen von einem durch Uta Goerlitz und Wolfgang Haubrichs herausgegebenen Sammelband zum Miteinander von Christen und Heiden¹⁴⁰ und einem von Anna Aurast herausgegebenen Sammelband zur Wahrnehmung anderer Religionen¹⁴¹ trifft dies allgemein auf das (frühe) Mittelalter zu. Speziell die in den Variae überlieferten Briefe deuten jedoch darauf hin, dass der alte Kult zu dieser Zeit noch fest im Denken und Handeln vieler Menschen verwurzelt war. Cassiodor verurteilte das Heidentum als „Irr- und Aberglaube“, was sich in der Briefsammlung sowohl in der Ablehnung der Tierkämpfe als auch in der strafrechtlichen Verfolgung zweier angeblicher Magier zeigt (Var. IV 22; IV 23), die aus dem
Die Variae vermitteln über die Situation der Juden im Italien des frühen sechsten Jahrhunderts ein relativ vollständiges Bild.Während die meisten Gemeinden häufig in Hafenstädten wie Mailand (Var.V 37) und Genua (Var. II 27) sowie Ravenna (vgl. Exc.Val. 81– 82), Rom (Var. III 45; IV 43) und Neapel (vgl. Prokop BG 1,8,41) lebten, waren einzelne jüdische Familien über die gesamte Halbinsel verteilt. Vornehmlich im Binnen- und Überseehandel tätig, waren sie für die Wirtschaft des Ostgotenreiches von großer Bedeutung Vgl. Prokop BG 1,8,41.Wieder andere waren im Gegensatz zum Römischen Reich, wo dies verboten war, als Rechtsberater und Advokaten tätig. So ist beispielsweise in Exc. Val. 94 von einem scholasticus Judaeus die Rede. Vgl. Dinzelbacher, Peter/ Heinz, Werner, Europa in der Spätantike 300 – 600. Eine Kultur- und Mentalitätsgeschichte, Darmstadt 2007, hier: S. 61– 64; Thrams, Peter, Christianisierung des Römerreiches und heidnischer Widerstand, Heidelberg 1992, hier: S. 186 – 192. Vgl. Hahn, Gewalt und religiöser Konflikt; Brown, Die letzten Heiden. Lediglich Peter Dinzelbacher befasst sich in einem kurzen Abschnitt mit der Situation der Heiden im Ostgotenreich und führt dabei zwei Stellen aus den Variae an. Allerdings verzichtet er auf eine Analyse dieser Textstellen und belässt es bei einer Übersetzung. Vgl. Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 15 – 17. Vgl. Goerlitz, Uta/ Haubrichs, Wolfgang (Hrsg.), Integration oder Desintegration?. Vgl. Aurast, Anna (Hrsg.), Die Wahrnehmung anderer Religionen im früheren Mittelalter. Terminologische Probleme und methodische Ansätze, Berlin 2012.
4.3 Einstellung und Haltung zu den im Reich lebenden […] Glaubensgruppen
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Gefängnis geflohen waren. Die Flucht der beiden hatte bereits Aufsehen erregt und zu ersten Unruhen geführt. Die Tatsache, dass sowohl das Juden- als auch das Heidentum den Glaubensgrundsätzen von Arianern und Katholiken zuwiderlief, stellte Cassiodor vor die Herausforderung, Wege im Umgang zwischen den Glaubensgemeinschaften zu finden. Die Variae lassen erkennen, dass er genau um das unweigerlich aus dem Zusammentreffen der Glaubensgruppen resultierende Konfliktpotenzial wusste. Im Sinne der Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens musste er deshalb Vorsorgemaßnahmen treffen und Strategien finden, um Übergriffen und Ausschreitungen vorzubeugen, aus denen größere und die politische Ordnung gefährdende Unruhen entstehen konnten. Während er, wie die vorangegangenen Ausführungen zeigten, bei Arianern und Katholiken auf ein friedliches Zusammenleben setzte, versuchte er, die Trennung von Juden und Christen voranzutreiben. Übergriffe auf Juden und deren Besitztümer nahm er zum Anlass, Juden zu belehren und zum „richtigen“ Glauben zu ermahnen. Anordnungen, gegen Juden Gewalt anzuwenden oder Zwangstaufen durchzuführen, lassen sich nicht nachweisen. Anders sieht dies bei den im Reich weiterhin existierenden heidnischen Kulten aus. Anstelle der bei den Juden auf Separation ausgerichteten Koexistenz ließ er Heiden konsequent verfolgen und ihrer Strafe zuführen. Um diese unterschiedlichen Strategien darzustellen und vor dem Hintergrund der Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens zu analysieren, sollen beide Glaubensgemeinschaften in den beiden folgenden Abschnitten getrennt voneinander betrachtet werden.
4.3.1 Separation jüdischer Gemeinden zur Vermeidung religiöser Spannungen Zu Zeiten der römischen Kaiser wurde die friedliche beziehungsweise ungestörte Ausübung des jüdischen Glaubens trotz des Überlegenheitsanspruchs des Christentums seitens des Staates garantiert. Seit der constitutio Antoniniana aus dem Jahre 212 galten die Juden sogar als cives Romani. ¹⁴² Letzteres wurde vor allem durch den Codex Theodosianus verstärkt, welcher den jüdischen Gemeinden zwar den Fortbestand garantierte, aber jede Vergrößerung ihrer Gemeinde untersagte.¹⁴³ Überwiegend ist jedoch die Akzeptanz des jüdischen Glaubens zu konstatieren. Auch wenn die Religionsfreiheit der Juden formal erhalten blieb, ist seit den Kaisern Honorius im Westen und Theodosius II. (401– 450) im Osten ein schikanöser Zug gegenüber den Juden in der Gesetzgebung unverkennbar.¹⁴⁴ Während Angehörigen des Judentums, sofern sich
Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 153. Vgl. Cod. Th. 16.8.1.1 sowie auch die neueste zu diesem Themenfeld publizierte Studie von Capùcine Nemo-Pekelmann. Vgl. Nemo-Pekelmann, Rome et ses citoyens juifs. Vgl. Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 143; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 213. Peter Dinzelbacher vertritt hiervon abweichend die These, dass die Geistlichkeit mittels des Kirchenrechts unablässig daran arbeite, „jene ungläubigen Bürger, wie sie die Juden nannten, in eine
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dies mit den kultischen Vorschriften vereinbaren ließ, früher prinzipiell alle Ämter offenstanden, kam es beispielsweise in der Regierungszeit Kaiser Honorius‘ zum Ausschluss der Juden aus allen militärischen und zivilen Ämtern.¹⁴⁵ Im Edictum Theoderici lassen sich hingegen keine antisemitischen Tendenzen finden.¹⁴⁶ Stattdessen erklärte der Gotenkönig in §143 in selbigem Gesetzeswerk: Iudaeos privilegia legibus delata seruentur. Das Fortbestehen der vorhandenen Rechtslage zeigt sich des Weiteren daran, dass Theoderich den orthodoxen Juden gestattete, sich bei Rechtsstreitigkeiten untereinander an die Lehrer ihrer Religion zu wenden.¹⁴⁷ Der Gedanke, dass den im Ostgotenreich lebenden Juden ihre Vergünstigungen zu gewähren waren, hat so auch Einzug in die Variae und damit in die Vorstellungswelt Cassiodors gefunden. In einem an späterer Stelle noch ausführlicher betrachteten Brief erging die Anordnung, dass den in Genua lebenden Juden ihre von Seiten des Gesetzes garantierten Privilegien zu bewahren seien: Oblata itaque supplicatione deposcitis privilegia vobis debere servari, quae Iudaicis institutis legum provida decrevit antiquitas (Var. IV 33).¹⁴⁸ Interessant ist, dass sich Cassiodor in diesem Brief ausdrücklich auf die diesem Sachverhalt zugrundeliegenden Gesetze berief. Hinzu kommt, dass auch die Regelung, derzufolge Rechts- und Zivilstreitigkeiten von den Gemeindevorstehern der einzelnen jüdischen Gemeinden geklärt werden sollten, in die Variae Einzug fand.¹⁴⁹ Cassiodor sah darin die Chance, die Juden von öffentlichen Gerichten fernzuhalten, um so den Prozess der Rechtsfindung und Rechtsprechung
Randpostion zu drängen […].“ Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 10. Der Einbezug der Excerpta Valesiana (vgl. Exc. Val. 81– 82) und einzelner Stellen aus den Variae (hierzu ausführlich im weiteren Verlauf des Kapitels) sprechen eher für die Position Brenneckes und Kakridis. Vgl. hierzu Cod. Th. 16,8,24 (von Kaiser Honorius im Jahre 418 erlassen). Dort heißt es: In Iudaica superstitione viventibus adtemptandae de cetero militiae aditus obstruatur. Seit der Mitte des fünften Jahrhunderts wurden die Juden mit unter die Häretikergesetze gerechnet. Diese Tendenz nahm während der Herrschaft Kaiser Justinians I. weiter zu. Vgl. Noethlichs, Karl Leo, Das Judentum und der römische Staat. Minderheitenpolitik im antiken Rom, Darmstadt 1996, hier: S. 110 – 117. Vgl. Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 142 Vgl. Edictum Theoderici, § 143. Neben eigenen Richtern wird den Juden in diesem Paragraphen eine unabhängige Rechtsprechung zugestanden. Vgl. hierzu auch Rubin, Theoderich und Justinian, S. 15 f. In letzter Konsequenz lässt sich aus dieser Passage ableiten, dass es den Juden freistand – zumindest im Privatrecht – zu entscheiden, ob sie nach ihren eigenen, den mosaischen Gesetzen, oder nach dem römischen Recht leben wollten. Nach der Rückeroberung Italiens durch Kaiser Justinian I. wurden diese Bestimmungen außer Kraft gesetzt. Damit unterstanden die Juden zwar formell wieder dem römischen Recht, lebten aber, wie beispielsweise in Cassiodors Psalmen zu lesen ist, weiterhin nach ihren eigenen Sitten und Bräuche. Vgl. hierzu vor allem Ps. 58, 12, wo es heißt: De Iudaeis hoc dictum testatur eorum facta dispersio, ut paene per totum mundum divisi dispersique declarentur. Nam quamvis iuri romano sint subditi, suo tamen more vivunt ubique dispersi. Hierzu siehe unten S. 189 f. Die rechtliche Eigenständigkeit der Juden wurde im religiösen Bereich von der grundsätzlichen Anerkennung des jüdischen Glaubens ergänzt, da das Judentum als einzige nichtchristliche Religion, wie im Römischen Reich, auch unter der Herrschaft der Ostgoten geduldet wurde. Es galt folglich die Verordnung Theodosius’ I. aus dem Jahre 393: Judaeorum sectam nulla lege prohibitiam satis constat. Cod. Th. 16.8.9.
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insgesamt zu entlasten (Var. IV 43). Da dies jedoch nur für Fälle innerhalb jüdischer Glaubensgemeinschaften galt¹⁵⁰, beabsichtigte er mit Maßnahmen, die die rechtliche Eigenständigkeit der Juden betrafen, eher eine Abgrenzung zwischen Christen und Juden als eine Privilegierung. Wörtlich heißt es: Sed ut religionis cultu, ita et actuum sint conversatione discreti (Var. V 37, 2). Während Cassiodor zwischen Menschen arianischen und katholischen Glaubens ein friedliches Zusammenleben anstrebte, verfolgte er im Zusammenhang mit den in Italien lebenden Juden eine entgegengesetzte Strategie. Die zuletzt betrachteten Stellen legen nahe, dass er eine auf Separation ausgerichtete Koexistenz, sprich ein Nebeneinander von Christen und Juden, zu erreichen versuchte. Entgegen Cassiodors Intention war letzteres keinesfalls friedlich, da es im Unterschied zum arianisch-katholischen Verhältnis wiederholt zu blutigen Pogromen gegen Juden kam. Als sich beispielsweise in Rom christliche Sklaven gegen ihre jüdischen Herren erhoben und die Täter öffentlich bestraft werden sollten, kam es zu Tumulten. In deren Folge brannte die aufgebrachte Menge die dortige Synagoge nieder (Var. IV 43). Wenige Jahre später beklagte sich die Gemeinde in Mailand über die Missachtung althergebrachter Rechte und beanstandete, dass sich katholische Geistliche in innerjüdische Angelegenheiten einmischten. Bei der illegalen Aneignung jüdischen Eigentums schreckten katholische Geistliche allem Anschein nach auch nicht vor Gewalttaten zurück (Var. V 37). Die Aufnahme dieser Schreiben in die Variae legt nahe, dass Cassiodor in Übergriffen auf jüdische Gemeinden und deren Besitztümer eine Gefahrenquelle des inneren Friedens sah, bei der es zu intervenieren galt. Dahinter stand die Befürchtung, dass sich die Unruhen zu einem die Ordnung und das friedliche Zusammenleben von Arianern und Katholiken gefährdenden Staatsstreich entwickeln konnten. Aus diesem Grund sah er sich dazu veranlasst, mit Entschiedenheit und Härte gegen Übergriffe auf jüdische Gemeinden vorzugehen. Als besonders aufschlussreich erweist sich die Art, wie Cassiodor argumentierte und die Weise, wie er Lösungsversuche initiierte. Dies ist vor allem deshalb interessant, da er selber dem Judentum – wie die Mehrheit der Katholiken – insgesamt ablehnend gegenüberstand. Hierauf deutet speziell seine im Kloster Vivarium in eigenem Namen abgefasste Schrift Expositio Psalmorum ¹⁵¹ hin, in welcher er die Juden mit den seltsamsten Ausdrücken, wie beispielsweise unicornes ¹⁵² oder auch aspides ¹⁵³, bedachte. Selbst Vergleiche mit canes ¹⁵⁴ oder onagres ¹⁵⁵ lassen sich in dieser Schrift finden. Auch Parallelüberlieferungen wie die Excerpta Valesiana beinhalten Übergriffe auf Juden. Um 519 steckte, wie der Schilderung des Anonymus Valesianus zu entneh-
Vgl. Edictum Theoderici § 143. Vgl. Schlieben, Christliche Theologie, für einen Überblick zu Aufbau, Inhalt und Interpretation von Cassiodors Werk Expositio Psalmorum. Vgl. Ps. 28,6. Vgl. Ps. 13,3. Vgl. Ps. 21,17 und 58,7. Vgl. Ps. 103,11.
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men ist, die Bevölkerung von Ravenna die Synagoge der Stadt in Brand, weil Juden, die sich nicht hatten taufen lassen, Christen angeblich dadurch verspotteten, dass sie Hostien in den Fluss geworfen hätten.¹⁵⁶ Ähnliches hatte sich zur gleichen Zeit wohl auch in Rom ereignet, infolgedessen sich die Betroffenen direkt an Theoderich wandten, welcher sich zu diesem Zeitpunkt in Verona aufhielt. Er beauftragte daraufhin seinen Schwiegersohn Eutharich¹⁵⁷ und Bischof Petrus von Ravenna¹⁵⁸ Sorge zu tragen, dass beide Synagogen wieder aufgebaut und die Kosten von der Bevölkerung der beiden Städte getragen wurden. Diejenigen, die kein Geld geben konnten, sollten in der Öffentlichkeit sub praeconia ausgepeitscht werden.¹⁵⁹ Dass dem Urteil Theoderichs ein gewisser Symbolwert innewohnte, zeigt sich in diesem Zusammenhang an der vom unbekannten Verfasser der Excerpta Valesiana geübten Kritik am Verhalten des Königs in diesen beiden Fällen.¹⁶⁰ Dieser unterstellte dem Gotenkönig sogar, zum Christenverfolger zu werden, da er im Beschluss Theoderichs eine von den Juden initiierte Intrige vermutete: Mox Iudaei currentes Veronam, ubi rex erat, agente Triwane praeposito cubiculi, et ipse haereticus favens Iudaeis, insinuans regi factum adversus Christianos. Qui mox iussit propter praesumptionem incendii, ut omnis populus Romanus Ravennates synagogas, quas incendio concremaverunt, data pecunia restaurarent; qui vero non habuissent unde dare fustati per publicum sub voce praeconia ducerentur. ¹⁶¹
Dies kommentierte er mit den Worten Ex eo enim invenit diabolus locum, quem ad modum hominem bene rem publicam sine querella gubernantem subriperet. ¹⁶² Eine
Vgl. hierzu vor allem Exc. Val. 81– 82. Mit dieser Passage sind zahlreiche philologische und interpretatorische Schwierigkeiten verbunden. Zur Auflösung dieser vgl. Goltz, Barbar – König – Tyrann, S. 503. Zum Zusammenleben von Goten und Römern in Ravenna vgl. Brown, Thomas S., Everyday Life in Ravenna under Theoderic. An Example of his ’Tolerance’ and ’Prosperity’?, in: Teoderico il Grande, Spoleto 1993, S. 77– 99. Zu Eutharich siehe Amory, People and Identity, S. 450 f. Dass Theoderich mit Bischof Petrus von Ravenna einen katholischen Geistlichen damit betraute, Übergriffe auf jüdisches Eigentum zu verhindern, lässt die Vermutung zu, dass der Episkopat bei Gewalttätigkeiten gegen Juden auf der Seite des Königs stand. Vgl. Plassmann, Interessenvertretung und Intrigen, S. 79. Vgl. Exc. Val. 82; Edictum Theoderici § 97. Vgl. hierzu auch Saitta, Religionem imperare non possumus, S. 77 f.; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 98 f.; König, Aus der Zeit Theoderichs des Großen, S. 187 f. Vgl. Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 145; Somekh, Alberto M., Teoderico e gli Ebrei di Ravenna, in: Carile, Antonio (Hrsg.), Teoderico e i Goti tra Oriente e Occidente, Ravenna 1995, S. 137– 149, hier: S. 139 f.; Demandt, Die Spätantike, S. 434. Exc. Val. 82. Für den streng die byzantinische Sicht vertretenden Verfasser beginnt mit den judenfreundlichen Maßnahmen der Kurswechsel in der Politik Theoderichs von der Tolerierung der Katholiken hin zu deren Verfolgung. Letzten Endes bildete dies gleichzeitig den Auftakt desjenigen politischen Umschwungs, der Theoderich in den letzten Jahren seiner Herrschaft in Konfrontation zu Boethius und Papst Johannes I. brachte.Vgl. König, Aus der Zeit Theoderichs des Großen, S. 183; Barnish, Samuel J.
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Steigerung erfuhr dieser Vorwurf dadurch, dass der Anonymus Valesianus die augenscheinlich katholikenfeindliche Einstellung des Königs damit zu belegen versuchte, dass ein Jude namens Symmachus im Auftrag des Königs eine Anordnung verkündet haben soll, derzufolge katholische Kirchen zu Gunsten der Arianer von Ravenna zwangsenteignet werden sollten.¹⁶³ Der historische Hintergrund dieser Episode ist allerdings nicht überliefert, da sich eine derartige Katholikenverfolgung beziehungsweise die Beschlagnahme einzelner Kirchen für Ravenna mit keiner anderen Quelle belegen lässt.¹⁶⁴ Eine solche Maßnahme wäre sicherlich nicht unerwähnt geblieben. In keinem zeitlichen Zusammenhang zu den in den Excerpta Valesiana geschilderten Vorkommnissen stehen die Handgreiflichkeiten und Unruhen, von denen Cassiodor in den Variae berichtet. Im Gegenteil versuchte der Minister, die insgesamt als judenfreundlich¹⁶⁵ zu charakterisierende Politik Theoderichs zu belegen. In den einschlägigen Briefen zeigt sich, dass bei der Behandlung der Juden allgemeine Normen angewendet und Bedingungen gestellt wurden, die sich in einem für die Juden erträglichen Rahmen bewegten. Gleichwohl blieb der Tonfall der Urkunden insgesamt unfreundlich. Ausschreitungen gegen Juden gilt es stets vor dem Hintergrund zu betrachten, dass Eigentumsverletzungen, Brandstiftungen an Synagogen und gewaltsame Übergriffe unter Strafe standen. Offen bleibt jedoch, wie genau ein solcher Tatbestand geahndet wurde, da in den Quellen weder die zu erwartenden noch die durchgeführten Strafen angesprochen werden.¹⁶⁶ Mit Blick auf die in den Variae überlieferten gewaltsamen Übergriffen, im Rahmen derer die Rechte einer Synagoge beschnitten, die Synagoge Roms niedergebrannt, Eigentum zerstört und Juden misshandelt wurden, handelte es sich hierbei um ein Versäumnis seitens der Regierung (Var. IV 43; V 37). Diesen antisemitisch behafteten Aktionen war gemeinsam, dass es sich anders als im Oströmischen Reich um keine staatlich gelenkten Aktionen, sondern vielmehr um
B., The Anonymus Valesianus II as a Source for the Last Years of Theoderic, in: Latomus 42 (1983), S. 572– 596, hier: S. 595 f.; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 213; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 114– 139 sowie S. 259 f. Vgl. Exc. Val. 94. Hatte sich dieser Vorfall tatsächlich so ereignet, dann weist speziell diese Textstelle darauf hin, dass es einen hohen jüdischen Beamten (beziehungsweise auch mehrere) am Hofe Theoderichs gegeben haben könnte. Dies steht damit in letzter Konsequenz in deutlichem Widerspruch zur reichsrömischen Gesetzgebung seit den Kaisern Honorius und Theodosius II, zu deren Einhaltung sich Theoderich verpflichtet sah. Vgl. hierzu insbesondere Cod. Th. 16.8.24. Vgl. Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 146; Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 110. Im genauen Gegenteil war Theoderich darauf bedacht, es zu keinen solchen Handlungen kommen zu lassen. Beweis hierfür sind die zahlreichen arianischen Neubauten. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 215. Eine Ausnahme bildet lediglich Cod. Th. 16.8.25, wo geregelt wird, dass den Juden für enteignete und geraubte Kirchen beziehungsweise Bauplätze eine Entschädigung exakten Maßes zustünde.
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spontane beziehungsweise von Einzelnen angestiftete Übergriffe handelte.¹⁶⁷ Diese Vermutung wird in einem im Namen Theoderichs verfassten Schreiben an die in Mailand lebenden Juden bestätigt, wenn Cassiodor von der Gewaltanwendung „gewisser Leute“ schrieb (Var. V 37, 2): Proinde quoniam nonnulorum vos frequenter causamini praesumptione laceratos […] und infolge eines Brandanschlags auf eine Synagoge unterstrich, dass das Verhalten der Täter nicht der Auffassung der Regierung entspräche (Var. IV 43, 4). Besagte Ausschreitung in Mailand resultierte daraus, dass Christen auf das zur Synagoge gehörende Grundstück Anspruch erhoben hatten (Var. V 37, 2): […] et quae ad synagogam vestram pertinent perhibetis iura rescindi, opitulabitur vobis mansuetudinis nostrae postulata tuitio […]. Die Juden sahen infolgedessen die Rechte ihres Gotteshauses beschnitten und wandten sich in einem Schreiben an den König, in welchem sie den ihnen von Rechtswegen zustehenden königlichen Schutz einforderten. Der drohenden Enteignung des Grundstück begegnete Cassiodor mit aller Härte, wenn er den Juden ausrichtete, dass quatenus nullus ecclesiasticus, quae synagogae vestrae iure competunt, violentia intercedente pervadat nec vestris se causis importuna acerbitate permisceat […] (Var. V 37, 2). An dieser Stelle bleibt unklar, wen genau er mit der Formulierung, „dass kein Vertreter einer Kirche das, was von Rechts wegen der jüdischen Gemeinde zustehe, attackiere“, meinte.Wie so oft zeigt sich auch in diesem Zusammenhang, dass der Minister darauf bedacht war, die Briefe und Anordnungen so zu formulieren, dass sie weder bei arianischen noch bei katholischen Christen Anstoß erregen konnten. Auf dieses Zugeständnis, welches man den Juden gerne ohne Verletzung der bestehenden Gesetze zusichern könne (Var. V 37, 1), folgte die Einforderung einer Gegenleistung. Cassiodor vertrat die Auffassung, dass auch die jüdische Gemeinde ihren Teil zu dieser Verfügung beitragen müsse. Damit keine Christen belästigt würden, forderte er, dass die Juden darauf bedacht sein sollen, sowohl bei der Ausübung ihres religiösen Kultes als auch im täglichen Leben und Miteinander von den Christen getrennt zu bleiben und ihrerseits kein Unrecht gegen Katholiken zu begehen (Var. V 37, 2):
Im Oströmischen Reich der Zeit zeigte sich der Basileus Justinian I. wesentlich feindseliger gegen Juden. Vgl. hierzu Noethlichs, Judentum, S. 111 f. Hintergrund dessen war, dass Justinian das imperium Romanum auf der Grundlage des Christentums als christliches Weltreich erneuern wollte. Der Kaiser selber verstand sich als Hüter der Orthodoxie, ein Selbstverständnis, das seine Haltung zum Judentum entscheidend beeinflusste. Alexander Demandt zufolge spiegelt sich dieser Anspruch vor allem darin wieder, dass sich die Juden unter Justinians Herrschaft zahlreichen staatlichen Eingriffen und Beschränkungen bis hin zu Repressalien und Verfolgungen ausgesetzt sahen. Die Eingriffe des Basileus in die inneren Angelegenheiten der jüdischen Gemeinden waren grundsätzlich neu. Vgl. Demandt, Die Spätantike, S. 434. Als berühmtestes Beispiel führt Aarne Stüven in diesem Zusammenhang die Novelle 146 aus dem Jahr 553 an. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 161. Gegenstand war der innerjüdische Streit, ob bei der Thora-Lesung neben dem hebräischen Text auch die griechische Übersetzung zugelassen werden sollte. Der Kaiser entschied infolgedessen zugunsten der griechischen Septuaginta und gestattete zudem die Nutzung des lateinischen Aquila-Textes. Die Mischna verbot er hingegen ganz.
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[…] sed ut religionis cultu, ita et actuum sint conversatione discreti: hac tamen moderatione principalis auxilii beneficium concedentes, ut nec vos quod ad praefatae ecclesiae ius vel religiosas certe personas legibus pertinere constiterit, inciviliter attrectare temptetis.
Allem Anschein befürchtete Cassiodor, die jüdische Gemeinde könnte nun Anspruch auf Besitztümer und Ländereien erheben, die den Christen gehörten, was unweigerlich zu weiteren Unruhen geführt hätte. Die hinter dieser Verfügung stehende Intention war deshalb in der Wahrung der friedlichen Ordnung, der servanda civilitas (Var. V 37, 1), und damit des Friedens innerhalb des Reiches zu sehen. Zur Aufrechterhaltung der Norm wurde versprochen, eine unverhältnismäßig hohe Zinsbelastung zu vermeiden. Die Befreiung von diesen unerlaubten Benachteiligungen sollte als Zeichen des Wohlwollens verstanden werden (Var. V 37, 3): […] nec commodalia vos irrationabiliter praecipimus sustinere dispendia, ut hac pietatis nostrae defensione muniti petitio vestra ab illictis se liberatam gratuletur incommodis. Concedimus quidem clementiae nostrae consuetudine, quae rogastis.
Zur Legitimation und gesetzlichen Verankerung argumentierte Cassiodor mit der Vorschrift der dreißig Jahre (praescriptio triginta annorum), nach der ein Besitz, der über 30 Jahre hinweg uneingefordert geblieben war, juristisch nicht mehr angefochten werden durfte.¹⁶⁸ So wie dies für jeden anderen Angehörigen seines Reiches gelte, werde hiermit auch den Juden Sicherheit für ihre Besitztümer gewährt: Tricennalis autem humano generi patrona praescriptio eo, quo cunctis, vobis iure servabitur […] (Var. V 37, 3). Beim Verweis auf bestehende Gesetze in Schreiben an Juden handelte es sich um ein wiederkehrendes Muster. Den Umstand, dass Cassiodor in diesem Fall für die Rechte der Juden eintrat, als Beweis von Offenheit oder gar besonderer Zuneigung zu deuten, wäre falsch. Dies zeigt sich schon darin, dass jene zunächst die Bewahrung ihrer alten Privilegien explizit einfordern mussten (Var. IV 33). Die Erneuerung derselben geschah bereitwillig, da das, was eine friedlich-zivilisierte Lebensweise ermögliche, in ewiger Ergebenheit eingehalten werden müsse: […] quatinus quod ad civilitatis usum constat esse repertum, perpeti devotione teneatur (Var. IV 33, 2).¹⁶⁹ Die
Dieser Verjährungsprozess nach dem Ablauf von 30 Jahren bezog sich auf die praescriptio triginta annorum, die im Jahr 424 n.Chr. von Theodosius II. mit einem Gesetz eingeführt und später von Theoderich in seinen Edikten wieder aufgenommen wurde. Diesen Regelungen zufolge verfielen Rechtsansprüche Dritter auf Land und Güter nach diesem Zeitraum, sofern sich der neue Besitzer über den gesamten Zeitraum als rechtschaffen bewährt hatte. Als Stichtag für die Verjährungsfrist wurde die Überquerung des Fluss Isonzo durch Theoderich im Jahr 489 festgesetzt (vgl. hierzu auch Var. I 18).Vgl. Cod. Th. 4.14.1; Edictum Theoderici § 12; § 69; Exc. Val. 50 sowie Dabelow, Christoph, Über die Verjährung, Bd. 1, Halle 1805, hier: S. 293; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 226. Das Gewähren der Privilegien darf in diesem Zusammenhang weder als Entgegenkommen noch als Zeichen besonderer Zuneigung gedeutet werden: Libenter annuimus quae sine legum iniuria postulantur, maxima cum pro servanda civilitate nec illis sunt neganda beneficia iustitiae, qui adhuc in fide noscuntur errare (Var. V 37, 1). Wie Cassiodor im Eröffnungsschreiben der Variae formuliert, war es
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Begründung, dass er nur aufgrund der Gesetze auf diese Weise handelte, deutet in Verschränkung damit, dass er in Var. V 37 mit der „Vorschrift der dreißig Jahren“ ein weiteres juristisches Instrument heranzog, darauf hin, dass er sein Ziel, Juden und Christen im Sinne der Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens voneinander zu trennen, mit geltendem Recht zu legitimieren versuchte. Hierbei handelte es sich um ein spezifisches Charakteristikum, das vermehrt in Briefen an Juden beziehungsweise jüdische Gemeinden erscheint. Dies lässt sich so auch mit seinem konsequenten Einschreiten belegen, als es zu Krawallen in Rom gekommen war, die nach der Ermordung jüdischer Kaufleute durch ihre christlichen Sklaven ausgebrochen waren (Var. IV 43). Dass Juden im Ostgotenreich christliche Sklaven besitzen durften, wundert an dieser Stelle, war dies doch mit Blick in den Codex Theodosianus spätestens seit dem Jahr 384 verboten und stand unter Strafe.¹⁷⁰ Da die Bestrafung verurteilter Christen aus diesem Grund als ungerechtfertigt aufgefasst wurde, erfolgte als unmittelbare Reaktion ein Brandanschlag auf die dortige Synagoge, infolgedessen jüdisches Eigentum zerstört und diese selbst misshandelt wurden (Var. IV 43). Cassiodor bezeichnete diese Reaktion als unbesonnen, da man sich nicht zu einem Aufstand zusammenrotten und Gebäude hätte zerstören dürfen (Var. IV 43, 2).¹⁷¹ Um die Gemüter der Menge nicht weiter aufzuheizen, wurde veranlasst, die wenigen sicheren Rädelsführer zu bestrafen.¹⁷² Mit der Klärung des Übergriffs wurde der comes Arigern beauftragt (Var. IV 43, 2): Theoderichs höchstes Ziel, die aus der Antike überlieferten Gesetze zu erhalten, um so für die Aufrechterhaltung der Ordnung und des Friedens innerhalb seines Reiches Sorge zu tragen. Wohl aus diesem Grund wurde den Juden selbst der Königsschutz (tuitio) zuteil, wenn es heißt: […] opitulabitur vobis mansuetudinis nostrae postulata tuitio (Var. V 37, 2). Vgl. hierzu Cod. Th 3.1.5: Ne quis omnino iudaeorum christianum comparet servum neve ex christiano iudaicis sacramentis attaminet. Andernfalls werden ihnen die Sklaven weggenommen und sie selbst angemessen bestraft. Finden sich jedoch noch Sklaven, die vor 384 erworben wurden, sollen sie von Christen gegen einen angemessenen Preis losgekauft werden. 417 erfolgte unter Theodosius II. eine Verschärfung dieser Regelung, allerdings durften durch Erbschaft erworbene christliche Sklaven in jüdischem Besitz verbleiben, sofern sie nie beschnitten wurden. Hierauf stehen Vermögensentzug und Todesstrafe. Vgl. Cod. Th 16.9.4 und ferner Cod. Just. 1.10.1– 2, wo Heiden, Juden und Samaritern nun endgültig der Besitz christlicher Sklaven jedweder Art und Weise dessen Erwerbs verboten ist. Berthold Rubin geht in diesem Zusammenhang noch einen Schritt weiter und spricht von „Judenhetze, deren Rädelsführer die byzantinisch eingestellten Römer waren.“ In diesem Kontext von „Hetze“ zu sprechen, scheint gewagt, waren es ja – wie den Variae zu entnehmen ist – immer nur wenige Einzelpersonen, während „Hetze“ eine größere gesellschaftliche Gruppe impliziert.Vgl. Rubin, Theoderich und Iustinian, S. 15. Ungeachtet der zahlreichen Einschränkungen, denen die Juden in der Spätantike unterworfen waren, blieb die Zerstörung und Enteignung von Synagogen unter den Kaisern seit Konstantin dem Großen verboten. Dies wird mit Blick in den Codex Theodosianus bestätigt, was die zahlreich vorkommenden überlieferten Gesetze und Einschränkungen belegen. Vgl. Cod. Th. 16.8.9; 8.12; 8.20; 8.21; 8.25; 8.26; 8.27 sowie Goltz, Barbar – König – Tyrann, S. 505. Die häufige Wiederholung der Gesetze lässt den Schluss zu, dass die Furcht der Juden sicherlich nicht unbegründet war. Gleichwohl stellte sich die Handhabung dieser Einschränkungen gewiss als schwierig heraus, da – wie oben bereits
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Viri illustris itaque comitis Arigerni suggestione comperimus Iudaeorum querela se fuisse pulsatum, quod in dominorum caede proruperit servilis audacia: in quibus cum fuisset pro districtione publica resecatum, statim plebis inflammata contentio synagogam temerario duxerunt incendio concremandam, culpas hominum fabricarum excidio vindicantes, dum, si quis Iudaeorum probaretur excedere, ipse debuisset iniuriae subiacere, non autem iustum fuit ad seditionum foeda concurri aut ad fabricarum incendia festinari.
Was anfänglich nach einem Einsatz für die Rechte der Juden aussieht, wurde von Cassiodor sogleich ins Gegenteil gekehrt, denn umgekehrt sollten, sofern sich dies rechtlich begründen ließe, auch Juden gerichtlich belangt werden dürfen. In der Begründung unterstrich er eindrücklich, dass das Verhalten der Täter nicht der Auffassung der Regierung entspräche und verdeutlichte, dass derart motivierte Übergriffe nicht nur sanktioniert, sondern die Verantwortlichen zudem mit ihrem Vermögen für die entstandenen Schäden hafteten (Var. IV 43, 4).¹⁷³ Allerdings scheint die Strafandrohung nicht die von ihm implizierte Wirkung gehabt zu haben, denn anders als in den Variae, wo lediglich Übergriffe auf in Mailand (Var. V 37) und in Rom (Var. IV 43) lebende Juden erwähnt werden, berichten andere Quellen, wie die eingangs erwähnten Excerpta Valesiana, von weiteren Vorfällen dieser Art.¹⁷⁴ Diesen beiden Zeugnissen lässt sich zusammenfassend entnehmen, dass die Rechte der jüdischen Religion ausdrücklich vor Übergriffen geschützt wurden. Hieraus allerdings den Schluss abzuleiten, dass das Judentum gutgehießen wurde oder man gar mit diesem sympathisierte, wie es Thomas Hodgkin¹⁷⁵ und Aarne Stüven¹⁷⁶ annehmen, wäre zu hinterfragen, deuten doch die zahlreich in den Briefen zum Ausdruck kommenden Ressentiments in die Richtung, dass Cassiodor im Gegenteil beabsichtigte, die Trennung von Juden und Christen voranzutreiben. Auf diese Weise
angesprochen – lediglich Verbote ausgesprochen werden, nicht aber die zu erwartenden Strafen für derartige Vergehen. Besonders: Hoc enim nobis vehementer displicuisse cognosce, ut intentiones vanissimae populorum usque ad eversiones pervenerint fabricarum, ubi totum pulchre volumus esse compositum. Vgl. zu den möglichen rechtlichen Konsequenzen Cod. Th. 16.8.9; 16.8.20 sowie 16.9.21. Speziell in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass es sich bei den Variae Cassiodors lediglich um die Auswahl bestimmter Briefe handelt, nicht aber um sämtliche in diesem Zeitraum entstandenen Schriftstücke. Es ist zu vermuten, dass ansonsten noch weitere Briefe dieser Art an die jüdischen Gemeinden überliefert wären. Wie Thomas Hodgkin von „Sympathie“ zu sprechen, die der König dem Judentum entgegengebracht habe, ist mit Blick in die Briefe der Variae und in die einzelnen Gesetzesparagraphen kritisch zu hinterfragen. Vgl. Hodgkin, Theoderic the Great, New York 1891, hier: S. 261. Stattdessen bildete der Maßstab seines Handelns die Maxime der civilitas. Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit sollten der in der Kaiserzeit gleichen, während Rechte, die römische Imperatoren den Juden eingeräumt hatten, weitergelten sollten. Vgl. hierzu insbesondere das Schreiben an die Genuaer Juden (Var. IV 33, 1– 2). Aarne Stüven argumentiert, dass den Goten als arianischen Christen „die eigene Situation im Verhältnis zur römisch-katholischen Bevölkerungsmehrheit mit der der Juden vergleichbar“ schien. Indem die Goten die jüdische Glaubensminderheit schützten, „sorgten sie reflexartig für ihre eigene Sicherheit.“ Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 159 f.
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sollte die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und damit des Friedens garantiert werden. Dass Cassiodor dem Judentum alles andere als offen und tolerant gegenüberstand, belegen zahlreiche Belehrungsversuchen und Ermahnungen zur Annahme des richtigen Glaubens. Schon im ersten Satz seines Antwortschreibens an die Mailänder Juden betonte er neben dem vordergründigen Ziel, die öffentliche Ordnung zu wahren, selbst Irrgläubigen eine gerechte Behandlung nach den Maßgaben geltenden Rechts nicht verweigern zu wollen (Var. V 37, 1): Libenter annuimus quae sine legum iniuria postulantur, maxima cum pro servanda civilitate nec illis sunt neganda beneficia iustitiae, qui adhuc in fide noscuntur errare.
Damit die Juden künftig die Urteile Gottes eindrücklicher bedenken und den höchst angenehmen Geschmack harmonischer Verhältnisse kennenlernen, wurde verfügt, dass der von der jüdischen Gemeinde angeführten Klage Recht zu geben sei. Cassiodor verband diesen Beschluss mit einer zweiten Spitze, wenn er schreibt: Concedimus quidem clementiae nostrae consuetudine quae rogastis: sed quid, Iudaee, supplicans temporalem quietem quaeris, si aeternam requiem invenire non possis? (Var. V 37, 3). Die Ostgoten hätten, wie Peter Dinzelbacher vermutet, sehr wohl die Macht dazu besessen, Juden mit Zwang zu konvertieren – wie es beispielsweise der Heilige Augustinus hinsichtlich der afrikanischen Häretiker verlangte und wie es die westgotischen Herrscher des siebten Jahrhunderts anordneten.¹⁷⁷ Theoderich unternahm allerdings keinerlei Versuche in diese Richtung, weil ihm hierfür seiner Ansicht nach die gesetzliche Grundlage fehlte. Stattdessen ist die von Cassiodor postulierte „Ertragung der Irrenden“¹⁷⁸ der Grundton in der Beziehung des Königs zu den Juden.¹⁷⁹ Als Beispiel kann auf das Gesuch der jüdischen Gemeinde in Genua verwiesen werden, die sich an den Königshof wandten (Var. II 27).Vom König erhofften sie sich die Erlaubnis, ihre mit den Jahren baufällig gewordene Synagoge sanieren zu dürfen. Hintergrund dieses Schreibens an den König waren wohl die alten Kaisergesetze, die der jüdischen Gemeinde untersagten, allzu große bauliche Änderungen oder gar Erweiterungen vorzunehmen.¹⁸⁰ Lediglich die notwendigsten Instandsetzungsarbeiten waren ge-
Vgl. Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 12; Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 144. Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große und die katholische Kirche, S. 220. Hinter dieser Einstellung werden wirtschaftliche und soziale Motive der Ostgoten vermutet. Vgl. hierzu Blumenkranz, Juifs et chrétiens, S. 378 f.; Rubin, Theoderich und Justinian, S. 14 f.; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 99 f.; Saitta, Religionem imperare non possumus, S. 82 f.; Cracco Ruggini, Economia e societá, S. 353. Hanns Christof Brennecke vermutet rechtspolitische Beweggründe. Vgl. Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 138. Diese Entscheidung beruhte auf zwei Kaiserkonstitutionen. Theodosius II. hatte im Jahre 423 angeordnet, dass synagogae de cetero nullae protinus exstruantur, veteres in sua forma permaneant. Cod. Th. 16.8.25. 15 Jahre später wurde diese Vorschrift dahingehend erweitert, dass widerrechtlich erstellte Neubauten der katholischen Kirche zufallen sollten und die jüdische Gemeinde 50 Pfund an
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stattet, sofern das Gebäude einzustürzen drohte.¹⁸¹ Es wundert daher wenig, wenn Cassiodor die Juden an die bestehenden Gesetze erinnerte und betonte, dass man die Ordnung nicht umgehen dürfe. Dies gelte besonders in jenem Teil, in qua divinae reventiae credimus interesse, denn wer von göttlicher Gnade verlassen sei, der solle nicht noch den Anschein erregen, stolz und frech zu sein (Var. II 27, 1): Sicut exorati iustum cupimus praebere consensum, ita per nostra beneficia fraudes fieri legibus non amamus, in ea parte praecipue, in qua divinae reverentiae credimus interesse. Non ergo insultare videantur elati, divinitatis gratia destituti.
Aus diesem Grund wurde den Juden unter Bezugnahme auf die kaiserlichen Gesetze lediglich gestattet, den Mauern der alten Synagoge ein neues Dach aufzusetzen, aber (Var. II 27, 1): Quapropter tegumen tantum vetustis parietibus superimponere synagogae vestrae praesenti vos auctoritate censemus, petitionibus vestris eatenus licentiam commodantes, quatenus constituta divalia permiserunt. Nec aliquid ornatus fas sit adicere vel in ampliandis aedibus evagari.
Letzteres verband Cassiodor mit der Androhung, dass sich die Juden bei Zuwiderhandeln sicher sein sollen, dass sie der Strenge der ihnen bekannten Strafe nicht entgehen könnten (Var. II 27, 2). Zwar wurde die Erlaubnis zu dem Bauvorhaben gegeben, der „Wunsch der Irrenden“ wurde allerdings nicht gebilligt, denn: Quid appetitis, quae refugere deberetis? (Var. II 27, 2).¹⁸² Trotz dieser eindeutig erscheinenden Maßnahmen war die Haltung Cassiodors gegenüber den Juden widersprüchlich. Dieser scheinbare Gegensatz lässt sich auf das Spannungsverhältnis der einerseits von ihm gepriesenen Unparteilichkeit und Gerechtigkeit sowie andererseits seiner persönlichen Abneigung zurückführen. Als Katholik lehnte er, obwohl er an zahlreichen Stellen auf die gemeinsame jüdischchristliche Geschichte anspielt (Var. II 40, 11; IV 31, 2;VII 46, 1), deren Glaubenshaltung strikt ab, als Staatsmann aber gewährte er ihnen im Übereinkommen mit den bestehenden Gesetzen Schutz.¹⁸³ Diese hieran deutlich werdende Unduldsamkeit schlug sich in Vorwürfen gegen den Aberglauben der Juden nieder und tritt durch Formulierungen wie Damus quidem permissum, sed errantium votum laudabiliter improbaStrafe zu entrichten habe. Zum Verbot von Ausbau und Neukonstruktion vgl. Cod. Th 2.1.10; Cod. Th 16.8.13. Zu den rechtlichen Hintergründen vgl. Cod. Th. 16.8.25; Cod. Th. 16.8.27 sowie Noethlichs, Judentum, S. 110. Die Entscheidung beruhte auf zwei Kaiserkonstitutionen, die Cassiodor zu Beginn des Briefes erwähnte. Theodosius II. hatte 423 angeordnet, dass synagogae de cetero nullae protinus exstruantur, veteres in sua forma permaneant. Cod. Th. 16.8.25. Eine vergleichbar zwiespältige Haltung nahm Cassiodor auch in seinen übrigen Werken ein, in denen er stillschweigende Akzeptanz mit häufig vorkommenden Belehrungsappellen zum „richtigen“ Glauben verband. Er bewegte sich mit diesem Vorgehen in traditionellen Bahnen.Vgl. zum Beispiel den Bekehrungsaufruf in Exp. Psalm. 49 und Psalm 81. Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 215.
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mus (Var. II 27, 2) im zuletzt betrachteten Brief, genauso aber auch mit Sed quid, Iudaee, supplicans temporalem quietem quaeris, si aeternam requiem invenire non possis (Var. V 37, 3) an vergleichbaren Stellen deutlich zu Tage. War man also von wahrer Toleranz den Juden gegenüber weit entfernt, so muss man der ostgotischen Regierung dennoch zu Gute halten, dass es weder zu überlieferten Zwangstaufen noch zu staatlich organisierten Judenverfolgungen kam. Über allem schwebte der von Cassiodor postulierte Grundsatz Religionem imperare non possumus, quia nemo cogitur ut credat invitus (Var. II 27, 2).¹⁸⁴ Vor dem Hintergrund der vorangestellten Überlegungen klingt dieser Ausspruch, demzufolge man keine Religion verordnen könne, eher nach Resignation als nach Offenheit und Toleranz. Obwohl Cassiodor ausdrücklich von der Ablehnung der „jüdischen Irrlehre“ sprach, deutet der zweite Teil des Satzes – quia nemo cogitur, ut credat invitus – darauf hin, dass man von Gesetzeswegen schlichtweg keine Grundlage für eine mit Gewalt erzwungene Konversion sah. Die Mittel wären vorhanden gewesen, wie sich bereits an vorangegangener Stelle herauskristallisiert hat.¹⁸⁵ Diesen Umstand vollends verkennend, wird dieser Satz in zahlreichen Aufsätzen und Darstellungen zur Geschichte der Ostgoten dafür herangezogen, um die These der gegenseitigen religiösen Toleranz zu belegen. Genauso zu hinterfragen wäre im Übrigen, den Toleranzgedanken unter Aspekten eines in der Neuzeit geprägten Verständnisses zu deuten oder darauf zu schließen, dass dieses Verhalten für arianische Christen typisch
Dass dieser Politik letztlich Erfolg beschieden war, zeigt sich spätestens im gotisch-römischen Krieg, als sich römische Juden auf die Seite der Ostgoten stellten. Einen Beleg für diese Vermutung liefert der Chronist Prokop von Caesarea, der die byzantinische Rückeroberung von Afrika und Italien beschreibt. Mit einigem Erstaunen erzählt er davon, dass sich die Juden bei der Eroberung Neapels durch Belisar äußerst aktiv an der Verteidigung der Stadt beteiligten, indem sie den Einwohnern der Stadt anboten, sie mit allen lebensnotwendigen Dingen zu versorgen (vgl. Prokop BG 1,8,41). Selbst nach der Einnahme der Stadt leisteten sie noch weiterhin Widerstand, indem sie dem feindlichen Ansturm in ihrem Stadtbezirk noch eine Zeit lang standhielten: „An der Seeseite der Stadtmauer, wo nicht Barbaren [d. h. Goten], sondern Juden Wache hielten, konnten die Soldaten weder Leitern verwenden noch die Befestigung ersteigen. Denn die Juden hatten sich durch ihren Widerstand gegen die kampflose Übergabe der Stadt den besonderen Hass der Feinde zugezogen und durften, wenn sie in deren Hände fielen, keine Schonung erwarten. Sie kämpften trotz der Einnahme der Stadt tapfer weiter und hielten wider Erwarten dem feindlichen Ansturm stand. Mit Tageseinbruch wurden sie jedoch von einigen Eindringlingen im Rücken angegriffen und beschossen. Da wandten sie sich zur Flucht, worauf die Stadt im Sturm erobert wurde.“ Prokop BG 1,10,24– 26, zit. nach Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 195. Christina Kakridi weist in diesem Zusammenhang demzufolge zu Recht darauf hin, dass die Juden die religiöse Duldung und vielleicht auch eine gewisse wirtschaftliche Bevorzugung durch ihre in früheren Kriegen anhaltende Loyalität zu verdanken haben. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 213. Vgl. hierzu auch Brennecke, Imitatio – reparatio – continuatio, S. 133 – 148; Moorhead, John, Italian Loyalities during Justinian’s Gothic War, in: Byzantion 33 (1983), S. 575 – 596. Vgl. Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 12.
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war.¹⁸⁶ Stattdessen muss dieser Satz im Kontext von Cassiodors Streben nach einer Koexistenz von Juden und Christen gelesen werden. Dass es sich hierbei weniger um ein von Toleranz und Offenheit geleitetes Motiv, sondern stattdessen um die Intention eines auf Separation abzielenden inneren Frieden handelte, lässt sich mit den herangezogenen Textbeispielen verdeutlichen. Während hierzu Schutzmaßnahmen vor Übergriffen zählen, die den Juden von Gesetzeswegen her zustanden, zeichnete sich in Cassiodors Umgang mit den im Ostgotenreich lebenden Heiden ein deutlich schärferer Umgang ab. Begegnete er den Juden noch mit Ressentiments und Belehrungen zum richtigen Glauben, so treten an deren Stelle offene Ablehnung und Aufrufe zur Verfolgung. Auch diese Maßnahmen hatten das Ziel, den inneren Frieden aufrechtzuerhalten und fortzuführen.
4.3.2 Verfolgung heidnischer Riten und Bräuche zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung Die Ostgoten übernahmen das Christentum in seiner arianischen Ausprägung vermutlich von den Westgoten. Nach Jordanes († nach 552) lehrten einige evangelizantes huius perfidiae ihren ostgotischen Verwandten die notwendigen Riten und Gebräuche ihres Glaubens.¹⁸⁷ Wie schnell sie die heidnischen Riten aufgaben, kann den Quellen nicht entnommen werden. Die letzten Nachrichten über die Durchführung derartiger Zeremonien finden sich noch in den Berichten über den Einfall der Ostgoten in Italien im Jahre 405¹⁸⁸, was mit Blick in die Werke Augustinus’ und Orosius’ bestätigt wird.¹⁸⁹ Die Vermutung, dass Teile des exercitus Gothorum nach der Ansiedlung in Italien noch dem alten Glauben anhingen, ist plausibel. Letzteres lässt sich vor allem mit der Vielzahl der im Edictum Theoderici vorhandenen Paragraphen aufzeigen, die das Praktizieren heidnischer Bräuche unter Strafe stellten.¹⁹⁰
Man denke hierbei vor allem an Kaiser Valens, der achtzig Katholiken unter der Vorgabe, sie ins Exil schicken zu wollen, auf ein Schiff bringen und dieses anzünden ließ oder auch an die gegen Katholiken gerichtete Verfolgungsmaßnahmen der in Nordafrika siedelnden Vandalen. Vgl. zu dieser Überlegung auch Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 12. Vgl. Jordanes, Getica 133. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 137. Augustinus zufolge soll der Führer des Feldzuges Radagais durch tägliche Opfer versucht haben, die Götter für seine Sache zu gewinnen.Vgl. Sancti Aurelii Augustini de civitate Dei, hrsg. von Bernhart Dombart und Alfons Kalb (= CCL 47– 48), Turnhout 1955,V, 23. Orosius geht in eine ähnliche Richtung, wenn er formuliert: [Radagaisus] hic supra incrediblem multitudinem indomitamque virtutem paganus et Scytha erat: qui, ut mos est barbaris huismodi gentibus, omen Romani generis sanguinem dis suis propinare devoverat. Orosio, Le storio contro i pagni, hrsg. von Adolf Lippold, Rom 1976, VII, 35. Aufgrund der von Theoderich eingebrachten strengen Bestimmungen gegen heidnische Opfer und den heidnischen Aberglauben darf an dieser Stelle die begründete Vermutung angestellt werden, dass das Heidentum – wohl neu belebt durch die Invasion – im Verborgenen in weiten Bevölkerungskreisen weiterhin andauerte und aktiv praktiziert wurde.
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In erster Linie dürften diese Gesetze für die in Italien lebende Provinzialbevölkerung gegolten haben, da sich der römisch-hellenistische Götterglauben vor allem in den Gruppen der Senatoren, Philosophen und Bauern¹⁹¹ erhalten hatte.¹⁹² Wurde jemand bei der Ausübung derartiger Kulthandlungen entdeckt, drohte dem Beschuldigten nach dem Edictum Theoderici (§ 108) die Todesstrafe: Si quis pagano ritu sacrificare fuerit, sub justa aestimatione convicti, arioli etiam atque umbrarii, si reperti fuerint, sub justa aestimatione convicti, capite puniantur; malarum artium conscii, id est malefici, nudati rebus omnibus, quas habere possunt, honesti perpetuo damnantur exilio, humiliores capite puniendi sunt.
Wahrsagern (arioli) und Geisterbeschwörern (umbrarii) drohte selbiges, während Zauberer (malefici) ihnen nur halbwegs gleichgestellt waren. Im Großen und Ganzen spiegeln sich diese Vorkehrungen auch im Römischen Recht wider, wo auf derartige Vergehen gleichfalls die Todesstrafe stand.¹⁹³ Bereits im Jahre 451 hatten sich die Kaiser Valentinian III. (419 – 455) und Markian (392– 457) dazu veranlasst gesehen, zum strengeren älteren Recht zurückzukehren, indem sie die Teilnahme an heidnischen Opfern mit der Enteignung von Besitztümern und der Todesstrafe belegten.¹⁹⁴ Ungeachtet dessen, dass die Ausübung des heidnischen Kultes, Wahrsagen sowie Geisterbeschwörungen im Ostgotenreich unter strenger Strafe standen und sich das Christentum als einzig erlaubte Religion etablierte, wurde das Heidentum in Zeiten
Insbesondere den Bauern wird als größter Gesellschaftsgruppe eine Schlüsselrolle zuteil. Alexander Demandt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Heidentum bei den Bauern durch das verabschiedete Gesetz, Ungläubige aus den Städten zu vertreiben (Cod. Th. 9.16.2), vorübergehend sogar gestärkt wurde und nicht – wie erhofft – abnahm. Vgl. Demandt, Die Spätantike, S. 425. Dass dies insbesondere auf die römische Bevölkerung im Ostgotenreich zutraf, belegt der Blick in die zahlreich überlieferten Quellen. So berichtet beispielsweise Papst Gregor der Große in seinen Dialogen, dass während des Wirkens Benedikts von Nursia (480–ca. 550) zahlreiche Bauern den Griechengott Apollon in einem in der Nähe von Monte Cassino gelegenen Heiligtum nach heidnischer Sitte verehrt hätten, indem sie Opfer dargebracht hätten. Vgl. Grégoire le Grand, Dialogues, hrsg. von Adalbert de Vogüé, Paris 1978 – 80, II, 8. Auch Prokop berichtet von der Durchführung alter Künste, indem er von einem etruskischen Bauern erzählte, der anhand von Zeichen die Zukunft deutete. Vgl. Prokop BG 8,21,16. Zum Verbot und der strafrechtlichen Verfolgung heidnischer Riten in Spätantike und frühem Mittelalter vgl. Fögen, Marie Theres, Die Enteignung der Wahrsager. Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike, Frankfurt am Main 1993; Zeddies, Nicole, Religio et sacrilegium. Studien zur Inkriminierung von Magie, Häresie und Heidentum (4.–7. Jahrhundert), Frankfurt am Main 2003; Siewert, Sylvia, Germanische Religion und neugermanisches Heidentum. Zur Rezeptionsgeschichte germanischer Religionen und zum Problem der Kontinuitätsfrage aus religionswissenschaftlicher Sicht, Frankfurt am Main 2002; Goetz, Hans-Werner, Heiden aus Schicksal – Heiden aus Schuld? Zum Heidenbegriff in frühmittelalterlichen Missionskontexten, in: Mittellateinisches Jahrbuch 48 (2013), S. 355 – 368. Vgl. Cod. Just. 1,11,7.
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Cassiodors weiterhin in Italien fortgeführt und praktiziert.¹⁹⁵ Aufgrund dessen kam es im Ostgotenreich zu zahlreichen Prozessen gegen der Zauberei Angeklagter und Anhänger des alten Kultes. Während Juden von Gesetzeswegen unter staatlichen Schutz zu stellen und vor Übergriffen zu beschützen waren, erlaubte es das Edictum Theoderici, offensiv gegen das Heidentum vorzugehen. Anhänger dieses Kultes sollten aufgespürt, verfolgt und bestraft werden, um den religiösen Frieden zu wahren. Die das Heidentum ablehnende Haltung Cassiodors ist wohl auf die antike Tradition und sein Dasein als Staatsmann zurückzuführen.Vor allem aber verortete er im Fortbestand des heidnischen Kultes ein erhebliches Konflikt- beziehungsweise Unruhepotenzial, das seinen Bemühungen um einen inneren Frieden im Reich entschieden zuwiderlief. Dass diese Angst nicht unbegründet war, lässt sich mit zwei Briefen belegen, in welchen die Anordnung ergeht, Basilius¹⁹⁶ und Praetextatus¹⁹⁷, die im Verdacht standen, Magie auszuüben, aufzuspüren und zu bestrafen (Var. IV 22; IV 23). In beiden Briefen betonte er, dass es zu Unruhen gekommen sei, die ein schnelles Einschreiten erforderlich machten (Var. IV 22, 4; IV 23, 3). 510/511 wurden Basilius und Praetextatus, zwei Angehörige der romanischen Oberschicht¹⁹⁸, die jedoch nicht näher bekannt sind, der Ausübung magischer Künste bezichtigt, was die Regierung aufgrund der angesprochenen Rechtslage dazu bewog, eine genaue und möglichst unvoreingenommene Untersuchung anzuordnen (Var. IV 22; IV 23).¹⁹⁹ Beim Praktizieren des heidnischen Kultes handelte es sich um kein Kavaliersdelikt, sondern um einen für Cassiodor unerträglichen Exzess, qui supernae maiestatis adfectat iniuriam et oblitus pietatis crudelia sectatur erroris (Var. IV 23, 1). Die Ausübung magischer Künste sei aus diesem Grund in christlichen Zeiten verboten und solle aus dem Alltag der Menschen verschwinden (Var. IV 23, 1): Quem enim sperabit veniae locum, qui reverndum contempsit auctorem? Abscedat ritus e medio iam profanus: conticescat poenale murmur animarum. Versari non licet in magicis artibus temporibus Christianis.
Wie ein Schreiben an den comes Arigern (Var. III 45) beweist, gab es im Ostgotenreich neben dem Heidentum mit den Samaritanern noch wenigstens einen weiteren aus der Antike fortgeführten Kult. In diesem Schreiben ging es um einen zwischen den Samaritanern und Katholiken entbrannten Streit um Eigentumsrechte an heiligen Räumlichkeiten. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 214. Zu Basilius siehe Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 25, S. 33 f.; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 187. Zu Praetextatus siehe Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 83, S. 97 f.; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 187. Aarne Stüven vermutet, dass es sich um Senatoren gehandelt haben könnte. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 143. Diese Vermutung lässt sich allerdings mit Blick in die Quellen, einschließlich der Variae, nicht belegen. Der Brief ist vergleichsweise neutral und unparteiisch formuliert, so dass sowohl die Schuld als auch die Unschuld der Angeklagten in Betracht gezogen wurde.
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Die bei der Ausübung derartiger Handlungen ertappten Personen seien aus diesem Grund in jedem Fall anzuklagen, da die Auslöschung jener den Schöpfer verachtenden profanen Riten als oberstes Ziel gelte, denn: versari non licet in magicis artibus temporibus Christianis (Var. IV 22, 1). Wohl aus diesem Grund wandte sich der Patrizier Argolicus²⁰⁰, der zu dieser Zeit praefectus urbi Romae war, an Theoderich, da er erfahren hatte, dass Basilius und Praetextatus schon vor längerer Zeit mit dieser „üblen Kunst“ in Berührung gekommen seien. Nach Abschluss seiner Ermittlungen war der Präfekt von der Schuld der Angeklagten überzeugt und forderte Theoderich zum Erlass des entsprechenden Urteils auf (Var. IV 22, 2): Magnitudinis itaque tuae relatione comperimus Basilium atque Praetextatum, artis sinistrae iam diu contagione pollutos, in accusationem tui examinis personarum intentione deductos. super qua re nostram te asseris spectare sententiam, ut confidentius fiat quod pietatis nostrae mandat auctoritas.
Dieser wies jedoch den Wunsch unter Bezugnahme auf geltende Gesetze zurück und setzte ein aus fünf Senatoren bestehendes Gericht ein. Offen bleibt in diesem Zusammenhang jedoch, warum sich Argolicus speziell in diesem Fall an den Königshof wandte und den Spruch des Königs erwartete (Var. IV 22, 2).²⁰¹ Offenbar musste der Fall große Brisanz besessen haben, was für die Vermutung spricht, dass es sich bei den Verdächtigen um wichtige Regierungsbeamte handelte. Dies wird dadurch bestätigt, dass ein aus fünf Senatoren bestehendes Gericht eingesetzt wurde, was so nur bei hochrangigen Verdächtigen der Fall war²⁰², und dass Argolicus als Stadtpräfekt für die Anklage zuständig war²⁰³. Zu Argolicus siehe PLRE II, Argolicus 1, S. 140; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 17, S. 25 f. Argolicus war für das Jahr 510/11 praefectus urbi (Var. III 11; III 12) und empfing in dieser Funktion eine Vielzahl an Briefen (Var. III 11; III 29; III 30; III 33; IV 22; IV 25; IV 29; IV 42). In den Variae ist zu erfahren, dass er offenbar versuchte, die Aufnahme von Armentarius und dessen Sohn in den Senat zu verhindern. Er erhielt darum einen tadelnden Brief (Var. IV 29). Mit Blick in die Rechtsgrundlagen müsste dem Präfekten klar sein, dass die Beschuldigten vor ein Gericht gestellt werden müssen und im Falle eines Schuldspruches die Verbannung beziehungsweise Exekution drohte. Hätte nämlich Theoderich im Umkehrschluss über sämtliche laufende Prozesse und begründete Verdachtsmomente informiert werden müssen, fänden sich, obwohl die Variae nur eine Auswahl von Briefen beinhalten, mit großer Wahrscheinlichkeit neben diesem Brief noch weitere Schreiben ähnlichen Inhaltes. Das signifikante Fehlen solcher Schriftstücke lässt diesen Rückschluss jedoch nicht zu. Die Entscheidung des Königs, ein sogenanntes iudicium quinquevirale einzusetzen, geht auf Cod. Th. 9.1.13 zurück. Zu den senatorischen Strafgerichten, den iudica quinqueviralia, vgl. Flach, Andreas, Das iudicium quinquevirale im Werdegang senatorischer Strafgerichtsbarkeit, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 113 (1996), S. 358 – 376. Zum Prozess gegen Basilius und Praetextatus vgl. Flach, Das iudicium quinquevirale, S. 371. Die Zuständigkeit des praefectus urbi Romae für Ermittlungsverfahren gegen Senatoren ergab sich aus dem formula praefecturae urbanae, der eine kaiserliche Anordnung aus dem Jahre 376 zugrunde lag.Vgl. Cod. Th. 9.1.13. Eine dementsprechende Anordnung findet sich auch in Var.VI 4, 1 f.: Grande est quidem procerem esse, sed multo grandius de proceribus iudicare. senatus ille mirabili opinione gloriosus
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Der Zwischenfall besaß für Cassiodor oberste Priorität, weil er bereits Aufsehen erregt und zu ersten Unruhen geführt hatte (Var. IV 22, 4; IV 23, 3). Der Minister sah hierin wohl im Wissen um die mit einem Prozess verbundenen unkalkulierbaren Risiken eine erhebliche Gefährdung der bestehenden Verhältnisse. Aus diesem Grund versuchte er durch Berufung auf eine allgemein anerkannte Vorgehensweise mit äußerster Strenge des Gesetzes zu reagieren: Ut rei abditi atque secreti per hoc vindictae genus a culpis talibus arceantur, quos ad leges trahere non potest incerta notitia (Var. IV 22, 3).²⁰⁴ Hierzu passt die Anordnung, dass das aus fünf Senatoren – namentlich Symmachus, Decius, Volusanus, Caelianus und Maximianus – bestehende Gericht diesen Fall gründlich erwägen solle und dabei in jeder Hinsicht nach Gesetz und Recht vorgegangen werden müsse (Var. IV 22, 3). Dazu wies Cassiodor an, dass sowohl die Ermittlung (legitima examinatione), die Urteilsfindung (sententiam subeant, quam iuris definita sanxerunt) als auch die Vollstreckung (legum districtione) nach bestehendem Recht vollzogen werden sollte (Var. IV 22).²⁰⁵ Vordergründiges Ziel sei, dass weder Unschuldige unterdrückt noch Verbrecher den Gesetzen entkommen dürfen (Var. IV 22, 4). Das im Prozessverlauf gefällte Urteil sollte so gegen jede Revisionsbestrebung gesichert sein. Damit keiner der Verdächtigen seiner gerechten Strafe entkommen und die Beschuldigten vor Gericht gebracht werden konnten, wurde auch der comes Arigern über diesen Vorfall informiert, der mit der Beobachtung der Strafverfolgung betraut wurde (Var. IV 23, 2) und ebenfalls bei der Gerichtsverhandlung zugegen sein sollte (Var. IV 22, 4): […] ubi te residere censemus, ut violenta omnium defensione summota hanc causam discuti facias legibus et finiri. […] De qua re illustri viro comiti Arigerno praecepta direximus, ut omnium violenta
probatur habere praesulem, quem mundus suspicit iura condentem: eoque fit ut illi utantur in senatu potestate perfecta, qui apud te trepidant dicere proprias causas. Verum haec quoque modestia cognoscitur esse praedicanda, ut optent se legibus teneri, quae ab ipsis sciuntur potuisse constitui. Als Musterbeispiel lässt sich in diesem Zusammenhang Var. I 32 aufführen, wo der als Stadtpräfekt Roms tätige Agapit mit Untersuchungen gegen einen Senator betraut wurde, dessen Sklave im Verdacht stand, einen Freien getötet zu haben. Mit Blick in das Oströmische Reich stand das Ostgotenreich mit seinem bisweilen harsch anmutenden Vorgehen gegen das Heidentum nicht allein da, da Bedrückungen und Verfolgungen des vorchristlichen Götterglaubens ganz dem Geist der Zeit entsprach. Während es die Goten aber bei repressiven Maßnahmen in Form von Strafvorschriften und hieraus resultierenden strafrechtlichen Verfolgungen beließen und in den Variae jeder Hinweis auf eine aktive Bekehrungspolitik Theoderichs fehlt, ging das Oströmische Reich weit darüber hinaus, indem beispielsweise im Jahre 435 die Zerstörung aller heidnischen Tempelanlagen angeordnet wurde und unter Kaiser Justinian I. sogar zur aktiven Bekehrungspolitik übergegangen wurde. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 145; Demandt, Die Spätantike, S. 416 f. Mit dem Ziel, den pagani ihre materielle Grundlage zu nehmen, verbot er Schenkungen und testamentarisch verfügte Zuwendungen an Heiden. Später erging ein Lehrverbot für Heiden, damit sie die Schüler nicht mehr ’verderben’ konnten. Nicht selten kam es zu Zwangstaufen. Vgl. Demandt, Die Spätantike, S. 201 f. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 143.
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defensione summota, si se occulunt, ad iudicium protrahat impetitos et vobiscum in hac causa residens nec opprimi faciat innoxios nec leges sinat evadere criminosos.
Allerdings war es vorerst nicht zum Prozess gegen Basilius und Praetextatus gekommen, da beide Beschuldigte ihren Wächtern entkommen konnten (Var. IV 23). Cassiodor sah die Schuld für die erfolgreich verlaufene Flucht im Handeln des comes. Dieser müsse wieder mehr Eifer in der ihm übertragenen Wahrung der Disziplin der innerhalb Stadt Rom zeigen, ut circa te augeat gratiam custodita iustitia et augmenta sumas nostri iudicii, qui nobis hactenus de integritate placuisti (Var. IV 23, 1). Erschwerend kam hinzu, dass die Bekanntmachung der Flucht der Beschuldigten nicht durch Arigern selbst, sondern durch den Stadtpräfekten erfolgte (Var. IV 23, 2). An der Schuld der beiden Beschuldigten bestand für Cassiodor lediglich geringer Zweifel, da viele sie der Ausübung magischer Künste bezichtigten. Letztlich unterstreiche dies den Umstand, dass sie den Wächtern nur deshalb entkommen konnten, weil diese in geistige Umnachtung verfallen seien (Var. IV 23, 2): Praefectus igitur urbis sua nobis relatione declaravit Basilium atque Praetextatum magicis artibus involutos impeti accusatione multorum: quos elapsos intimat mentis alienatione custodum.
Was genau mit dem letzten Satz gemeint ist, bleibt offen.²⁰⁶ Peter Dinzelbacher vermutet in Anlehnung an Edward Gibbon, dass die Wächter „völlig betrunken gemacht wurden.“²⁰⁷ Einen Beleg für diese Mutmaßung führen beide jedoch nicht an. Cassiodor befahl Arigern aufgrund dessen, die Beschuldigten, wo auch immer sie gefunden werden, vor das Gericht der fünf Senatoren zu bringen und den Fall gemäß den Gesetzen zu verhandeln (Var. IV 23, 2): eos te praecipimus ubicumque repertos ad iudicium quinquevirale ducere, quod in praesenti negotio nostra delegavit auctoritas, ubi te residere censemus, ut violenta omnium defensione summota hanc causam discuti facias legibus et finiri.
Sofern Basilius und Praetextatus das Verbrechen nachgewiesen werden könne, sollten sie nach geltendem Recht verurteilt werden. Bei Attestieren ihrer Unschuld solle Arigern dafür sorgen, dass sie ohne Beeinträchtigung in die Freiheit entlassen würden, quia in omnibus causis consideratione divina illud fieri volumus, quod opinionem nostrae pietatis accumulat (Var. IV 23, 3).²⁰⁸
Den Wärtern wie Aarne Stüven „Einfältigkeit“ zu unterstellen, entbehrt jeder Grundlage. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 142. Vgl. Dinzelbacher, Die ostgotischen Könige, S. 17. Zumindest für Basilius kam es jedoch gar nicht erst so weit, da er nach ein paar Tagen in einem Mönchshabit, in welchem er nach den Dialogen Papst Gregors des Großen scheinbar Zuflucht gesucht hatte, von den Geistlichen verstoßen wurde und nach Rom zurückkehrte. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 143. Dort fand er den Tod durch Feuer. Ob dies die Folge des gegen ihn wiederaufgenommenen Prozesses war, wie Christoph Schäfer vermutet, oder ob er von einer aufgebrachten
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In religiöser Hinsicht gewähren beide Schreiben einen knappen Einblick in die geistige Haltung Cassiodors gegenüber dem Heidentum. Unmissverständlich schrieb er, dass diejenigen einem schrecklichen Irrtum nachgehen würden, die ihren Schöpfer verachteten. Sie sollten ihre Riten und Bräuche aufgeben, denn die Ausübung von Magie und das Praktizieren von Opferzeremonien jedweder Art sei strafbar (Var. IV 22, 2). Mitunter ist dies darin begründet, dass Heiden als Polytheisten eine Vielzahl von Göttern, die nach Auffassung der Gotenkönige Dämonen und damit Vertreter des Teufels waren, verehrten. Es sei, wie in einem Edikt König Athalarichs zur Rechtfertigung der Strafbarkeit der malefici zu lesen ist, schandhaft, nicht dem creator vitae, sondern dem auctor mortis zu folgen (Var. IX 18, 9): Maleficos quoque vel eos, qui ab eorum nefariis artibus aliquid crediderint expetendum, legum severitas insequatur, quia impium est nos illis esse remissos, quos caelestis pietas non patitur impunitos. qualis enim fatuitas est creatorem vitae relinquere et sequi potius mortis auctorem? turpis actus ex toto sit a iudicibus alienus. nemo faciat quod iura condemnant, quia decretali poena plectendi sunt, qui se prohibitis excessibus miscuerunt. quid enim in aliis damnent, si ipsi se inhonesta contagione commaculent? sit etiam sub divitibus tuta mediocritas.
Weitere theologische Begründungen sind in den Variae nicht zu finden. Wie Aarne Stüven vermutet, war das gelebte Heidentum nicht mehr zeitgemäß.²⁰⁹ Diese Vermutung wird von Cassiodor bestätigt, wenn er schreibt: Versari non licet in magicis artibus temporibus Christianis (Var. IX 18, 1). Dass der Minister das Heidentum entschieden verurteilte und verabscheute, zeigt sich besonders eindrücklich im Zusammenhang seiner Beschreibung der im Ostgotenreich stattfindenden Tierhetzen. Wie das Heidentum als solches, hält er auch den Kampf zwischen Mensch und Tier für rückständig und unzeitgemäß. Veranstaltungen dieser Art waren für ihn der Inbegriff des heidnischen Irr- und Aberglaubens. Während Gladiatorenspiele mit Kämpfen von Mensch gegen Mensch seit Kaiser Honorius verboten waren²¹⁰, fanden im Ostgotenreich regelmäßig die nicht weniger grausamen Kämpfe gegen wilde Tiere statt. Obwohl Cassiodor von „venationes“ spricht, handelte es sich hierbei weniger um Jagden im eigentlichen Sinne als vielmehr um lebensgefährliche Geschicklichkeitsübungen, im Rahmen derer die verschiedensten Waffen und Apparaturen zum Einsatz kamen (Var. V 42). Aufeinander-
christlichen Menge getötet wurde, kann den Dialogen nicht entnommen werden. Dort heiß es lediglich: Basilius in hac Romana orbe […] igni crematus est. Grégoire le Grand, Dialogues, I, 4. Gegen die Mutmaßung von Schäfer spricht vor allem, dass im Edictum Theoderici, insbesondere in § 108, der Tod durch Feuer nicht erwähnt wird. Vgl. Schäfer, Der weströmische Senat, S. 35. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 145. Vgl. Wiedemann, Thomas, Kaiser und Gladiatoren. Die Macht der Spiele im antiken Rom, Darmstadt 2001; Wiedemann, Thomas, Das Ende der römischen Gladiatorenspiele, in: Nikephoros 8 (1995), S. 145 – 159; Herrmann-Otto, Elisabeth, Die Gladiatorenkämpfe in der Spätantike, in: Demandt, Alexander/ Engemann, Josef (Hrsg.), Konstantin der Große. Ausstellungskatalog, Mainz 2007, S. 351– 355.
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treffen dieser Art wurden in einem Amphitheater veranstaltet.²¹¹ Cassiodor verabscheute diese blutigen Veranstaltungen.Wie in einem an Flavius Maximus gerichteten Brief ²¹² deutlich wird, handelte es sich seiner Meinung nach um ein ludum crudelem, sanguinariam voluptatem, impiam religionem (Var. V 42, 4). So ist etwa von sterbenden und brutal von ihrem Gegner verschlungen werdenden Männern die Rede, die ihrem Feind so auf grässliche Weise als Nahrung dienten (Var. V 42, 2): Qui si feram non mereatur effugere, interdum nec sepulturam poterit invenire: adhuc superstite homine perit corpus et antequam cadaver efficiatur, truculenter absumitur. captus esca fit hosti suo, et illum, pro dolor! satiat quem se perimere posse suspirat.
Während der Kämpfe, die Cassiodor bis ins kleinste Detail beschrieb, wurden bestimmte Techniken und Apparaturen, wie beispielsweise Sprungstäbe, was er wohl mit der Umschreibung „brüchiges Holz“ meinte (Var. V 42, 6), verwendet, um den Gegner zu besiegen.²¹³ Infolge dieser Andersartigkeit der Kämpfe, bei denen einzig in der Überlistung und Täuschung des Gegners Chance und Trost lägen und infolge der hieraus resultierenden körperlichen Überlegenheit des Angreifenden, sprach Cassiodor von einem actus detestabilis, certamen infelix cum feris velle contendere, quas fortiores se non dubitat invenire (Var. V 42, 1). Bei einem Vergleich mit den Anstrengungen gotischer Soldaten, die durch ihren Einsatz die Existenz des Staates sichern, bezeichnete der Sekretär den Tierkampf, den er fälschlicherweise auf den Athener Kult zurückführte²¹⁴, aus diesem Grund als ehrlos (Var. XI 35, 1). Zu Recht kann und muss man an dieser Stelle danach fragen, warum Theoderich, dem diese Veranstaltungen wohl ebenfalls missfielen, da der Brief in seinem Namen verfasst ist, dieses Spektakel nicht einfach verboten hatte. Vergleichbar mit athletischen und musischen Vorführungen, Pantomimen und Wagenrennen, drückt sich auch in den Tierhetzen als Teil der ostgotischen spectacula die politische Notwendigkeit des Herrschers aus, die Bevölkerung bei guter Laune zu halten. Die Finanzierung und Aufrechterhaltung dieser Vorstellungen ermöglichten es ihm, eine der wichtigsten Herrschertugenden zu erfüllen, nämlich Großzügigkeit bei Spenden für
Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 277. Anlass des Briefes ist die ausstehende Bezahlung der bei den Tierhetzen auftretenden Kämpfer. Das sich dem Zuschauer darbietende Szenariao beschrieb Cassiodor gewohnt illustrativ: Primus fragili ligno confisus currit ad ora beluarum et illud, quod cupit evadere, magno inpetu videtur appetere. pari in se cursu festinant et praedator et praeda nec aliter tutus esse potest, nisi huic, quem vitare cupit, occurrerit. tunc in aere saltu corporis elevato quasi vestes levissimae supinata membra iaciuntur et quidam arcus corporeus supra beluam libratus, dum moras discedendi facit, sub ipso velocitas ferina discedit (Var. V 42, 6). In den auf diesen Abschnitt folgenden Absätzen setzte Cassiodor die Beschreibungen in unverkennbar verabscheuendem Ton fort (Var. V 42, 7– 10). Veranstaltungen dieser Art waren nachweislich Erfindungen des Römischen Reiches. Die erste bekannte Tierhetze fand 186 v.Chr. statt und wurde von Marcus Fulvius Nobilior veranstaltet. Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 646.
4.3 Einstellung und Haltung zu den im Reich lebenden […] Glaubensgruppen
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das Volk.²¹⁵ Die Masse nämlich werde zu dem hingezogen, was zur Lockerung der Sorgen stattfinde. Alles nämlich, was sie für lustreich halte, gehöre zu einer glückseligen Zeit (Var. III 51, 12 f.). Die letztere bringe man unweigerlich mit dem jeweils Herrschenden in Verbindung.²¹⁶ Besagte Tierkämpfe zielten Cassiodor zufolge darauf ab, die als Herrin der Wälder und Mondgöttin beschriebene Diana zu verehren, die sich erst mit Menschenopfern versöhnen ließe (Var. V 42, 2): Spectaculum tantum fabricis clarum, sed actione deterrimum, in honore Scythicae Dianae repertum, quae sanguinis effusione gaudebat. Diana entsprach ferner Proserpina, Göttin der Unterwelt, was nach Cassiodors an dieser Stelle etwas sarkastisch formulierter Ansicht nicht ganz unsinnig sei, weil die von solchen Lehren Getäuschten lebendig mit ihren Irrtümern in tiefe Dunkelheit geraten sollen (Var. V 42, 3): O miserae deceptionis errorem illam desiderasse colere, quae hominum morte placabatur! Primum sibi per lucos et silvas agrestium populorum vota et vetationibus dedita hanc triplicem deam falsa imaginatione finxerunt, ipsam in caelo Lunam, ipsam in silvis dominam, ipsam apud inferos Proserpinam esse firmantes. Sed solum Erebi potentem non improbe forsitan aestimarunt, quando tali falsitate decepti in profundas vivi tenebras cum suis erroribus intraverunt.
In diesem Zusammenhang sprach er von „Irr-“ und „Aberglauben“, wodurch er Diana stellvertretend zum Sinnbild falscher religiöser Vorstellungen erklärte (Var. V 42, 3). Heidnische Gottheiten bestimmten folglich nach wie vor das Alltagsleben der im Ostgotenreich lebenden Menschen. Neben der Veranstaltung jener Tierkämpfe wird das Fortführen althergebrachter paganer Traditionen in den Variae durch die Einschätzung Cassiodors bestätigt, dass die via sacra auf dem römischen Forum vielen abergläubischen Vorstellungen geweiht war (Var. X 30,1) und dass selbst innerhalb des Patrizierstandes des Ostgotenreiches eine anhaltende Verehrung Jupiters vorzufinden war (Var. VI 2, 1). Das rigorose Vorgehen Cassiodors gegen Heiden und deren konfessionelle Ablehnung steht in gewisser Weise dazu in Widerspruch, dass er in den Variae wie selbstverständlich römisch-hellenistische Gottheiten und Helden sowie Erfinder erwähnte und letztere ausführlich für ihre Entdeckungen pries. Der Kontext der Erwähnung ist dabei unerheblich, entscheidend ist, dass sich das Aufgreifen von heidnischen Symbolen, Namen und Göttern wie ein roter Faden durch die Briefsammlung zieht und Cassiodor dabei weder beim Anlass beziehungsweise Inhalt des Briefes noch beim Adressaten einen Unterschied machte. Neben antiken Göttern wie Mercurius (Var. II 40, 14), Isis (Var.V 17, 3), Ceres und Pallas (Var.VIII 31, 5), Diana (Var.
Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 268; Ensslin, Theoderich der Große, S. 251. An anderer Stelle sprach Cassiodor in einem Schreiben an die viri illustres Albinus und Avienus im Zusammenhang mit Zirkusspielen davon, dass die Veranstaltung solcher Spiele als Beweis eines funktionierenden Systems angesehen werden könnten (Var. I 20, 1): […] praesertim cum beatitudo sit temporum laetitia populorum.
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V 42, 2 f.), Priapos und Venus (Var. VI 21, 2) sowie Jupiter (Var. VI 2, 1) werden auch Heldengestalten wie beispielsweise Odysseus als Urheber von Scyllaceum (Var. XII 15, 1) von Cassiodor erwähnt. Darüber hinaus finden Priamus und Hektor (Var. II 22, 2) sowie Orpheus (Var. II 40, 6) Erwähnung. Aufführen ließen sich zudem die Kyklopen als Erbauer bedeutender Monumente (Var. VII 5, 2), die Etrusker als Erfinder des Bronzegusses (Var. VII 15, 3), Servius als Begründer der Münzprägung (Var. VII 32, 4), Phoroneus für die Waffenschmiedekunst (Var.VII 18, 2), Merkur für das Alphabet (Var. VIII 12, 5), Aeacus für Gold und Silber (Var. IV 34, 3) sowie die Argonauten und Isis für Schiffe und Segel (Var. V 17, 2). Nur gelegentlich verwies Cassiodor, etwa im Zusammenhang mit der Quelle von Leucothea (Var. VIII 33) oder im Zusammenhang mit Tierkämpfen (Var. V 42) darauf, dass es sich bei diesen früheren Vorstellungen um Aberglaube (superstitio) gehandelt habe: Frequenti siquidem probatione didicimus Lucaniae conventu qui prisca superstitione Leucothea nomen accepit […] (Var.VIII 33, 1). Das Vorhandensein dieser Namen beziehungsweise die teilweise mit der Erwähnung einhergehende Wertschätzung damit zu erklären, dass Cassiodor dem Heidentum wohl doch nicht ganz so abgeneigt gegenüberstand und nur noch Außen den Anschein tiefer Ablehnung wahren wollte, wäre falsch. Vielmehr deutet der Einbezug heidnischer Götter und Helden zusammen mit den Bezügen zur Bibel (Var. IV 39, 1) und den zahlreichen Hinweisen auf frühere namhafte Autoren und Zitate aus deren Werken, wie zum Beispiel Cicero (Var. I 3, 4; VI 5, 3),Vergil (Var. II 40, 7; V 4, 6; V 42, 11), Homer (Var. I 39, 2) oder auch Tacitus (Var.V 2, 2), eher auf Cassiodors Belesenheit und umfassende Literaturkenntnisse hin.²¹⁷ Das Wissen der alten Religion hatte sich im Sinne der römischen Tradition im Ostgotenreich scheinbar zum Bildungsgut verselbstständigt, dem selbst ein König und sein Minister ihre Hochachtung entgegenbringen konnten. Dies scheint vor allem damit zu tun zu haben, dass die alten römischen Götter und Begrifflichkeiten als Vertreter heidnischer Glaubensvorstellungen zwar ausgedient hatten, jedoch auch weiterhin mit den römischen Kulturwerten untrennbar verknüpft blieben.²¹⁸ Dadurch, dass die Bildungselite, insbesondere die führenden Köpfe der neuplatonischen Philosophenschulen in ihren Werken solche Begrifflichkeiten verwendeten und nicht Wenige am alten Glauben festhielten, wurden infolgedessen philosophische Neigungen mit heidnischen Überzeugungen gleichgesetzt.²¹⁹ Dass diese Auffassung auch im Ostgotenreich verbreitet war, zeigt der Prozess gegen den wegen Hochverrats angeklagten Boethius (zwischen 475 und 480 – 524).²²⁰
Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 395. Vgl. hierzu auch Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 141 f. Alexander Demandt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Kaiser Justinian I. aus diesem Grund ein Lehrverbot für Heiden erließ. Vgl. Demandt, Die Spätantike, S. 427. Zu Boethius siehe Gruber, Joachim, Art. Boethius, Anicius Manlius Severinus. I. Leben und Werke, in: Lexikon des Mittelalters 2, München/ Zürich 1983, Sp. 308 – 312; Sundwell, Abhandlungen, S. 101– 104; Wiemer, Theoderich der Große, S. 544. Zum Prozess und den hieraus resultierenden Folgen vgl. Prokop, BG 5,1,32– 34; Exc.Val. 85 – 87 sowie Amory, People and Identity, S. 216 – 221; Plassmann, Interessenvertretung und Intrigen, S. 80 – 84; Moorhead, Theoderic in Italy, S. 219 – 235; Schäfer, Der
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Seine Ankläger hielten ihn gerade deshalb für fähig, das Verbrechen begangen zu haben, weil er durch die Beschäftigung mit der Philosophie den malae artes nahestehe.²²¹ Rückblickend erkannte Cassiodor, dass er – sollte der innere Frieden im Reich von Dauer sein – für ein gutes und einträchtiges Verhältnis zwischen arianischen Ostgoten und katholischen Romanen sorgen musste. Um Ausschreitungen und wechselseitige Übergriffe zu verhindern, stand dabei an erster Stelle, es zu keinen größeren Konflikten kommen zu lassen. In den Augen Cassiodors war es vor allem die rechtliche Gleichstellung, die Konflikten vorbeugte. Während er also in Bezug auf das Zusammenleben von Arianern und Katholiken auf ein harmonisches Zusammenleben setzte, so verfolgte er im Umgang mit den im Reich lebenden Juden und Heiden entgegengesetzte Strategien. In beiden Glaubensgruppen lokalisierte er eine Gefahrenquelle des inneren Friedens. Um die von ihm befürchteten Unruhen zu vermeiden, setzte er auf eine auf Koexistenz ausgelegte Separation von Juden und Christen. Heiden ließ er aus dem gleichen Grund konsequent verurteilen und verfolgen. Die auf diese Weise hergestellte innere Sicherheit musste in seinen Augen gegen äußere Feinde verteidigt werden. Neben Bündnisverträgen und Diplomatie als Mittel der Friedenspolitik plädierte er dabei auch zu militärischen Vorkehrungen. Im folgenden Kapitel sollen diese Maßnahmen und Strategien ausführlich in den Blick genommen werden.
weströmische Senat, S. 240 – 262; S. 309 – 314; Goltz, Barbar – König – Tyrann, S. 355 – 399; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 258 f.; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 306 f.; Wiemer, Theoderich der Große, S. 544– 550. Boethius wurde wegen Hochverrats hingerichtet. Der Prozess wurde einem aus fünf Senatoren bestehenden Gericht übertragen, das den Angeklagten für schuldig befand und die Todesstrafe forderte. Obgleich Theoderich dieses Urteil nur bestätigte, blieb dieses Bluturteil dennoch an ihm hängen, zumal im Jahr darauf auch noch der hochangesehene Senator Symmachus, der sich für die Rehabilitierung seines Schwiegersohns Boethius eingesetzt hatte, angeklagt und hingerichtet wurde.Vgl. hierzu Exc.Val. 92; Prokop, BG 1,1,32 sowie Wiemer, Integration durch Separation, S. 173. Zu Symmachus siehe PLRE II, Symmachus 9, S. 1044 f.; Schäfer, Der weströmische Senat, Nr. 100, S. 108 f. Nach der Ermordung von Boethius übernahm Cassiodor das dadurch frei gewordene Amt des magister officiorum. Dass Cassiodor diesen Vorfall in den Variae mit keinem Wort erwähnt (weder des Bedauerns noch der Zustimmung) hat ihm in der neueren Forschung viel Kritik eingebracht. Vgl. hierzu Kakridi, Cassiodors Variae, S. 189. Vgl. Stüven, Rechtliche Ausprägungen, S. 138. Auch in anderen Zusammenhängen wird deutlich, dass der Verdacht, jemand stünde in Kontakt mit heidnischem Gedankengut, oftmals dazu herangezogen wurde, um einen Widersacher zu verunglimpfen. So ist beispielsweise aus dem Jahre 507/ 511 ein Fall bekannt, wo davon die Rede ist, dass die Gegner eines besonders guten Wagenlenkers mit dem Namen Thomas, der überdies mit monatlichen Stipendien bedacht wurde, darauf hinweisen, dass dieser mit den bösen Mächten in Verbindung stehe (Var. III 51, 1): Frequentia palmarum eum faciebat dici maleficum, inter quos magnum praeconium videtur esse ad talia crimina pervenire. necesse est enim ad perversitatem magicam referri, quando victoria equorum meritis non potest applicari.
5 Äußere Sicherheit und militärische Planung 5.1 Bündnisverträge und Diplomatie als Mittel der Friedenspolitik Mit Italien brachten die Ostgoten das Zentrum des Römischen Reiches unter ihre Kontrolle. So sehr dies für Theoderich und seine Gefolgschaft von Vorteil war, so sehr mussten sie mit Einfällen und Angriffen aus den benachbarten Gebieten rechnen. Gerade die zentrale Lage Italiens machte viele Sicherheitsvorkehrungen notwendig.¹ Trotz aller Vereinbarungen galt dies in erster Linie für die Herrscher in Konstantinopel, die ihre Ansprüche auf Italien und die ewige Stadt als Ursprung des Römischen Reiches nie aufgaben. Ferner verhielten sich die Herrscher benachbarter regna keineswegs solidarisch, sondern waren gleichsam bestrebt, ihren eigenen Machtbereich auszudehnen. Solchen Gefahren versuchten die Ostgoten mit dem Aufbau eines Bündnissystems zu begegnen.² Dieses war darauf ausgerichtet, mit Hilfe von Einzelverträgen Allianzen zu bilden, die Schutz vor kriegerischen Auseinandersetzungen gewährten und die Bündnispartner in die eigenen außenpolitischen Intentionen einbezogen.³ Dazu sollten die regna einander verpflichtet werden, von Eroberungskriegen abzulassen und stattdessen Konflikte auf diplomatischem Wege friedlich zu lösen. Wie die einschlägige Untersuchung von François Louis Ganshof ⁴ deutlich macht, führte diese Strategie zu einem nicht abreißenden Kommunikationsfluss und unablässigen Verhandlungen, sowohl unter den regna als auch zwischen ihnen und der verbliebenen östlichen Reichshälfte.⁵ Theoderich unterhielt Beziehungen zu den
Vgl. Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 111. Die militärischen Expansionsbestrebungen hielten sich folglich in Grenzen. Im Jahr 504 besetzten gotische Heere Pannonien an der Save und vertrieben die Gepiden aus Sirmium. Die wohl bedeutendsten Zugewinne ergaben sich indirekt aus der fränkischen Expansion und der westgotischen Niederlage bei Vouillé im Jahr 507. In den folgenden Jahren besetzten ostgotische Heere den Süden des mit den Franken verbündeten Burgunderreichs. Vgl. Claude, Dietrich, Niedergang, Renaissance und Ende der Praefekturverwaltung im Westen des römischen Reiches (5.–8. Jahrhundert), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 114 (1997), S. 352– 379; Pohl, Völkerwanderung, S. 144 f. Vgl. Last, Außenpolitik; Claude, Dietrich, Theoderich d. Gr. und die europäischen Mächte, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia, Spoleto 1993, S. 21– 44; Claude, Dietrich, Universale und partikulare Züge in der Politik Theoderichs, in: Francia 6 (1978), S. 19 – 58; Wolfram, Das Reich Theoderichs; Demandt, Alexander, Geschichte der Spätantike. Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian, 284– 565 n. Chr, München 22008; Pohl, Völkerwanderung, S. 144– 146. Vgl. Ganshof, François Louis, Histoire des relations internationals, Bd. 1, Le Moyen Age, Paris 1953. Zur frühmittelalterlichen Diplomatie vgl. Gillet, Andrew, Die Diplomatie zwischen den barbarischen Königreichen und Konstantinopel, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 247– 250, hier: S. 247; Chrysos, Evangelos K., Byzantine Diplomacy, AD 300 – 800. Ways and Means, in: Shepard, Jonathan/ Franklin, Simon (Hrsg.), Byzantine Diplomacy. Papers from the Twenty-Fourth Spring Symposium of Byzantine Studies, Cambridge, March 1990, Aldershot 1992, S. 25 – 39; Goubert, Paul, Byzance avant l’Islam, Bd. 2, Byzanz et l’Occident sous les successeurs de Justinien, Paris 1956; Delaplace, Christine, La diplomatie de https://doi.org/10.1515/9783110706871-006
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Merowingern und Burgundern in Gallien, den Vandalen in Nordafrika, den Westgoten, den Thüringern sowie natürlich nach Konstantinopel. Die politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Konventionen des Römischen Reiches bildeten den Rahmen für die Kommunikation und Diplomatie.⁶ Dazu bestellten die Herrscher einzelne Personen zu ihren Repräsentanten, die vor allem aufgrund ihrer Eloquenz und Überzeugungskraft, ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihrer persönlichen Integrität ausgewählt wurden. Dies konnten Amtsträger am Königshof, genauso aber auch Privatpersonen, die ein hohes Amt bekleideten, aber auch Geistliche sein.⁷ Insbesondere Bischöfe waren aufgrund ihrer Sprachkenntnisse und rhetorischen Fähigkeiten sowie ihrer respektgebietenden Stellung prädestiniert, um als Gesandte tätig zu werden.⁸ Bei der Vertragsverhandlung übernahmen die Diplomaten im Rahmen ihrer Vollmachten die Aufgabe, Vereinbarungen auszuhandeln, die ihre Herrscher akzeptieren konnten. Für die Gesandtschaften wurden formale Richtlinien entwickelt, in denen neben rhetorischen Konventionen auch Beihilfen zu Reise- und anderen Kosten behandelt werden. Kein diplomatisches Schreiben aus den frühmittelalterlichen Königreichen ist jedoch im Original erhalten geblieben.⁹
l’Empire romain dans l’antiquité tardive. Un limes invisible mais efficace face aux pressions des peuples barbares et de l’empire perse aux IVe et Ve siècles, in: Becker, Audrey/ Drocourt, Nicolas (Hrsg.), Ambassadeurs et ambassades. Au coeur des relation diplomatiques, Metz 2012, S. 167– 182; Claude, Dietrich, Zur Begründung familiärer Beziehungen zwischen dem Kaiser und barbarischen Herrschern, in: Chrysos, Evangelos K./ Schwarcz, Andreas (Hrsg.), Das Reich und die Barbaren,Wien 1989, S. 25 – 56. Vgl. Millar, Fergus, Emperors, Frontiers, and Foreign Relations, 31 BC to AD 378, in: Britannia 13 (1982), S. 1– 24; Millar, Fergus, Government and Diplomacy in the Roman Empire during the First Three Centuries, in: International History Review 10 (1988), S. 345 – 377; Olshausen, Eckart (Hrsg.), Antike Diplomatie, Darmstadt 1979; Delaplace, Christine, La diplomatie de l’Empire romain, S. 167– 182; Wirth, Gerhard, Art. Gesandte. A. Spätantike, Byzanz und östliches Europa. I. Spätantike, in: Lexikon des Mittelalters 4, München/ Zürich 1989, Sp. 1363 – 1364. Vgl. Last, Außenpolitik, S. 145; Masur, Ingeborg, Die Verträge der germanischen Stämme, Berlin 1952, hier: S. 150; Drauschke, Jörg, Diplomatie und Wahrnehmung im 6. und 7. Jahrhundert. Konstantinopel und die merowingischen Könige, in: Altripp, Michael (Hrsg.), Byzanz in Europa. Europas östliches Erbe. Akten des Kolloquiums „Byzanz in Europa“ vom 11. bis 15. Dezember 2007 in Greifswald, Turnhout 2011, S. 244– 275; Borgolte, Michael, Experten der Fremde. Gesandte in interkulturellen Beziehungen des frühen und hohen Mittelalters, in: Borgolte, Michael/ Lohse, Tillmann (Hrsg.), Mittelalter in der größeren Welt. Essays zur Geschichtsschreibung und Beiträge zur Forschung, Berlin 2014, S. 361– 400; Scior, Volker, Bemerkungen zum frühmittelalterlichen Boten- und Gesandtschaftswesen, in: Pohl, Walter/ Wieser, Veronika (Hrsg.), Der frühmittelalterliche Staat – europäische Perspektiven, Wien 2009, S. 315 – 330; Girgensohn, Dieter, Art. Gesandte, in: Lexikon des Mittelalters 4, München/ Zürich 1989, Sp. 1369 – 1372. Vgl. Wittstadt, Klaus, Zum päpstlichen Gesandtschaftswesen im Mittelalter und Neuzeit, in: Römische Historische Mitteilungen 12 (1970), S. 289 – 291. Vgl. Gillet, Andrew, Diplomatische Dokumente aus den barbarischen Königreichen, in: Frings, Jutta (Hrsg.), Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, München 2008, S. 244– 246, hier: S. 244.
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5 Äußere Sicherheit und militärische Planung
Wesentliche Grundlage der ostgotischen Bündnispolitik bildeten die verwandtschaftlichen Verbindungen mit den Königshäusern. Theoderich versuchte, außenpolitische Stabilität eher durch den familiären Charakter der Beziehungen als durch Verträge auf der Basis abstrakt gestalteten Völkerrechts nach römischem Vorbild zu erreichen.¹⁰ Die Diplomatie zeigt eine bemerkenswerte Flexibilität, wie die Vielfalt der Beziehungsformen erweist. Häufig begegnet die Schwurgemeinschaft, die umso leichter eingegangen werden konnte, da es sich um ein Bündnis unter Gleichgestellten handelte.¹¹ Gewichtiger waren die durch Vermählungen und Adoptionen begründeten Familienbeziehungen.¹² Nur eine Verschwägerung bot nach den Anschauungen jener Zeit eine Garantie für den Frieden.¹³ Auch diese hatten ihren Ursprung im spätrömischen Kontext, in welchem die westlichen Königreiche gegründet wurden, oder lehnten sich zumindest an Entwicklungen in diesem Umfeld an.¹⁴ Um den inneren Frieden zu konsolidieren und nicht durch kriegerische Auseinandersetzungen mit benachbarten regna oder dem Kaiser zu gefährden, maß Cassiodor dem Aufbau diplomatischer Beziehungen eine wichtige Rolle bei. Hierauf deuten die zahlreich bei der Zusammenstellung der Variae berücksichtigten Briefe hin. In diesen erscheinen erfahrene Unterhändler und herausragende Persönlichkeiten wie Päpste und römische Senatoren als Gesandte, die keine geringere Aufgabe hatten, als Könige benachbarter regna und den oströmischen Kaiser um Frieden zu bitten. Hinzu kommen Schriftstücke, aus denen hervorgeht, dass Cassiodor neben dem Aufbau diplomatischer Beziehungen auch Ehebündnisse und Adoptionen zum Waffensohn ausdrücklich befürwortete, um den inneren Frieden im Reich möglichst nicht durch Kriege zu gefährden. Im Gegenteil bestand sein oberstes außenpolitisches Ziel darin, aufkeimende Konflikte möglichst früh zu erkennen und rechtzeitig zu intervenieren. Im nun folgenden Abschnitt sollen exemplarisch einige Schreiben in den Blick genommen werden, die Cassiodor zu diesem Zweck im Namen ostgotischer Könige an den byzantinischen Kaiser sowie an Könige benachbarter regna richtete.
Vgl. Last, Außenpolitik, S. 165; Schulz, Raimund, Die Entwicklung des römischen Völkerrechts im 4. und 5. Jahrhundert, Stuttgart 1993, hier: S. 169; Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 113. Vgl. Fritze, Wolfgang, Die fränkische Schwurfreundschaft der Merowingerzeit. Ihr Wesen und ihre politische Funktion, in: Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 71 (1954), S. 74– 125, hier: S. 115 Vgl. Claude, Theoderich d. Gr., S. 40; Gillet, Diplomatie, S. 250; Shanzer, Danuta, Two Clocks and a Wedding. Theodoric’s Diplomatic Relations with the Burgundians, in: Romanobarbarica 14 (1996/97), S. 225 – 258; Wielers, Margret, Zwischenstaatliche Beziehungsformen im frühen Mittelalter (Pax, Amicitia, Fraternitas), Münster 1959, hier: S. 147. Vgl. Schulze, Hans K., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 2., Stuttgart 1986, hier: S. 36. Vgl. Demandt, Alexander, Der spätrömische Militäradel, in: Chiron 10 (1980), S. 609 – 636. Zu Vermählungen zwischen Römern und „Barbaren“ vgl. Blockley, Roger C., Roman-Barbarian Marriages in the Late Empire, in: Florilegium 4 (1982), S. 63 – 79; Mathisen, Ralph Withney, Provincales, Gentiles and Marriages between Romans and Barbarian in the Late Roman Empire, in: Journal of Roman Studies 99 (2009), S. 140 – 155.
5.1 Bündnisverträge und Diplomatie als Mittel der Friedenspolitik
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Neben einer inhaltlichen Analyse der Briefe soll dabei insbesondere die Argumentation und sprachliche Gestaltung der Schreiben betrachtet werden.
5.1.1 Friedenswahrung durch diplomatische Beziehungen zum Oströmischen Reich und den westlichen regna Aufgrund seiner geographischen Lage hatte das Ostgotenreich mit einer ganzen Reihe potenzieller Feinde zu rechnen. Hinzu kommt, dass kein anderes Mittelmeerland eine im Verhältnis zur Oberfläche so lange Küstenlinie aufweist.¹⁵ Es lag zwischen dem Oströmischen Reich, dem afrikanischen Vandalenreich, das auch Korsika und Sardinien umfasste, dem Westgotenreich in Spanien und Südfrankreich, dem Reich der der Burgunder im Südwesten und dem der Franken im Norden Frankreichs. Vor allem das Engagement in Gallien nimmt in den ersten Büchern der Variae breiten Raum ein.¹⁶ Cassiodor vertrat hierbei die Auffassung, dass erst wenn die Gerechtigkeit scheitere, zu den Waffen gegriffen werden dürfe (Var. III 1, 2): […] et tunc utile solum est ad arma concurrere, cum locum apud adversarium iustitia non potest inveniri. ¹⁷ Von dieser Maxime zeugen eine ganze Reihe an in die Variae aufgenommene Briefe, die an den Kaiser sowie Könige benachbarter regna gerichtet waren. Vordergründiges Ziel dieser Korrespondenzen stellte der Aufbau diplomatischer Beziehungen zur Vermeidung beziehungsweise Entschärfung be- sowie entstehender Konflikte dar. Nicht wenige Versuche scheiterten auf realpolitischer Ebene und doch berücksichtigte Cassiodor bei der Zusammenstellung seiner Sammlung nur wenige Briefe, die auf die Verwicklung des Ostgotenreiches in Kriege schließen lässt. Die in die Variae aufgenommenen Briefe sind vor diesem Hintergrund weniger als Beleg für außenpolitische Expansionsbestrebungen als vielmehr für Cassiodors Anliegen, den inneren Frieden im Reich gegen äußere Feinde zu verteidigen, zu lesen. In kriegerischen Auseinandersetzungen erkannte er im Gegenteil eine Gefährdung, wie sich in mehreren im Folgenden ausführlicher betrachteten Briefen zeigt. Die Argumentation
Vgl. Claude, Theoderich d. Gr.,S. 21. 47 der insgesamt 235 Briefe in den ersten fünf Büchern nehmen direkt oder indirekt auf die Unruhen an der nördlichen Front Bezug. Die von Cassiodor zahlreich aufgenommenen Urkunden sind jedoch nicht thematisch geordnet. Sie geben folglich kein zusammenhängendes Bild der Entwicklungen auf gallischem Gebiet. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 170. Für einen Überblick der Ereignisse vgl. Schwarcz, Andreas, Die Restitutio Galliarum des Theoderich, in: Teoderico il Grande e i Goti d’Italia, Bd. 2, Spoleto 1993, S. 787– 798. Cassiodors lebhaftes und im Vergleich zu den Balkanprovinzen (Var. III 23 – 26; IV 49; V 14– 15; IX 8 – 9) und Spanien (Var.V 39) ausgeprägtes Interesse lässt sich wohl auf die engen persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zurückführen. Die kriegerischen Einsätze der Ostgoten werden daher in den Variae vornehmlich als Teil eines römischen Kampfes um die Vertreibung der „Barbaren“ aus ihrem Territorium und die Wiederherstellung der libertas verstanden. Vgl. Kakridi, Cassiodor, S. 163. Dies gilt in besonderem Maße für die illyrischen Provinzen. Diese Gegend stellte Cassiodor bewusst als unterzivilisiert und wenig domestiziert dar (Var. III 23; III 24; IV 49; V 14; IX 8).
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und der Aufbau der Schreiben variiert und ist auf den jeweiligen Adressaten zugeschnitten, denn während Cassiodor in Briefen, die an die Herrscher westlicher regna gerichtet waren, die wechselseitigen verwandtschaftlichen Beziehungen betonte, um außenpolitische Sicherheit zu erreichen, traten in den an das Oströmische Reich gerichteten Briefen Höflichkeitsfloskeln und Schmeicheleien an deren Stelle. Trotz dieses Unterschieds auf rhetorischer Ebene bleibt das gemeinsame Ziel, den Frieden mit dem Kaiser und den unmittelbaren Nachbarn zu wahren. Als Paradebeispiel für Cassiodors Friedensbemühungen lässt sich das die Briefsammlung eröffnende Schreiben an Kaiser Anastasius I. anführen, in welchem er sich bei dem Versuch, den Frieden zu erhalten, auf die ehemalige Einheit des Römischen Reiches und ähnliche Formen der Herrschaftsausübung berief.¹⁸ Demnach ist das Dokument nicht als staatsrechtliche Abhandlung, sondern als „politische Denkschrift“¹⁹ und „Manifest“²⁰ zu verstehen.²¹ Vordergründiges Ziel war es, den Kaiser milde zu stimmen und einen drohenden Krieg abzuwenden und gleichzeitig eine gewisse Eigenständigkeit des ostgotischen regnum einzufordern (Var. I 1).²² Zu Anastasius I. und dessen Gotenpolitik vgl. Prostko-Prostynski, Jan, Utraeque res publicae. The Emporer Anastasius I’s Gothic Policy (419 – 518), Posen 1994; Capizzi, Carmelo, L’imperatore Anastasio I (491– 518). Studio sulla sua vita, la sua opera e la sua personalitá, Rom 1969; Meier, Anastasios I. Vgl. Claude, Theoderich d. Gr., S. 28. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 168. Dieser Brief ist aufgrund seiner besonderen Stellung innerhalb der Variae in den verschiedensten Darstellungen analysiert und interpretiert worden.Vgl. unter anderem Radtki-Jansen, Herrscher, S. 95 – 120; Giardina, Cassiodoro Politico, S. 118; Reydellet, Marc, La royauté dans la littérature latine de Sidoine Apollinaire à Isidore de Séville, Paris 1981, hier: S. 183 – 253. Andrea Giardina ist dagegen der Auffassung, dass es sich bei diesem Schreiben lediglich um eine Positionierung gegenüber dem oströmischen Kaiser handelte. Vgl. Giardina, Cassiodoro Politico, S. 131. Zu welchem Zeitpunkt innerhalb der militärisch und diplomatisch angespannten Situation dieses Schreiben entstanden ist, bleibt unsicher. Während John Moorhead annimmt, das Schreiben sei als Reaktion auf die Annäherung zwischen Byzanz und dem Frankenkönig Chlodwig I. verfasst worden, schlug schon Theodor Mommsen in der Einleitung der Variae vor, es mit den Angriffen der oströmischen Flotte auf die italischen Küsten in Verbindung zu bringen. Vgl. Moorhead, Theoderic in Italy, S. 44. Hintergrund dieses Schreibens und der Bitte um Frieden dürfte dann gewesen sein, dass Theoderich im Jahre 504 einen Feldzug in das von den Gepiden bewohnte Gebiet der Pannonia Sirmiensis unternahm und dabei in oströmisches Gebiet eindrang. Die Befehlsgewalt lag dabei beim comes Ibba (Var. IV 17). Nachdem er mit dem hunnisch-gepidischen Anführer Mundo einen Vertrag geschlossen hatte und weitermarschierte, kam es zu einem Kampf gegen das oströmische Heer, wodurch sich Theoderich de facto im Kriegszustand mit Anastasius I. befand. Zu Mundo vgl. Croke, Brian, Mundo the Gepid. From Freebooter to Roman General, in: Chiron 12 (1982), S. 125 – 135. In der Schlacht bei Horreum Margi (Cuprija) wurden die byzantinischen Truppen von den vereinigten Heeren besiegt. Im Jahre 507 verwüstete der oströmische Monarch daraufhin die Küsten Apuliens und Kalabriens. Ein Schreiben, in welchem Cassiodor den Bewohnern dieser Gebiete einen Steuererlass für zwei Jahre ankündigt, lässt darauf schließen, dass die Großbesitzer schwer geschädigt worden waren (Var. II 38, 2). Zu den Ereignissen vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 170 f.; Schmidt, Ostgermanen, S. 154– 158; Favrod, Justin, Histoire politique du royaume burgonde 443 – 534, Lausanne 1997, hier:
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Der Aufbau guter Beziehungen zum Kaiser war für Cassiodor von entscheidender Bedeutung, da Italien nur dann auf Dauer gegen Bedrohungen von außen zu schützen war, wenn man den Basileus nicht gegen sich hatte.²³ Hinzu kam, dass die Anerkennung durch den Kaiser auch innenpolitisch von Bedeutung war, weil die zivilen Eliten und die katholische Kirche dem imperium Romanum durch persönliche Beziehungen und tief verwurzelte Denkmuster noch immer eng verbunden waren.²⁴ Der Brief beginnt daher mit dem Appell, dass es notwendig sei, den Frieden zu suchen, da man bei ihm keinen Anlass zu Zorn finde, denn derjenige, der nicht dazu bereit sei, Gerechtigkeit zu üben, stehe in der Schuld gegenüber den guten Sitten. Aus diesem Grund solle sich jedes Reich nach friedlicher Ruhe (tranquillitas)²⁵ sehnen, da in dieser die „Völker“ gedeihen würden und der Nutzen der Nationen beschützt werde. Cassiodor stilisierte den Frieden dabei zur ehrbaren Mutter der guten Künste, da er das Menschengeschlecht durch Nachkommen vermehre und die Sitten veredele. Derjenige, der den Frieden nicht erstrebe, sei vieler wichtiger Dinge unkundig (Var. I 1, 1): Oportet nos, clementissime imperator, pacem quaerere, qui causas iracundiae cognoscimur non habere: quando ille moribus iam tenetur obnoxius, qui ad iusta deprehenditur imparatus. omni quippe regno desiderabilis debet esse tranquillitas, in qua et populi proficiunt et utilitas gentium custoditur. haec est enim bonarum artium decora mater, haec mortalium genus reparabili successione multiplicans facultates protendit, mores excolit: et tantarum rerum ignarus agnoscitur qui eam minime quaesisse sentitur.
Aus diesem Grund sei es wichtig, Einigkeit mit dem Ostgotenreich anzustreben. Hierzu umschmeichelte Cassiodor den Kaiser mit üblichen Höflichkeitsfloskeln, indem er hervorhob, dass der Monarch, den er als den Gütigsten aller Fürsten ansprach, heilbringender Schutz des gesamten Erdkreises (vos totius orbis salutare praesidium) und aller Königreiche schönster Schmuck (regnorum omnium pulcherrimum decus) sei, den
S. 386 – 406; Kaiser, Reinhold, Die Burgunder, Stuttgart 2004, hier: S. 64– 66; Becher, Matthias, Chlodwig I. Der Aufstieg der Merowinger und das Ende der antiken Welt, München 2011, hier: S. 223 – 234; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 162; Prostko-Prostynski, Utraeque res publicae, S. 215 f. Einleitend in die byzantinische Diplomatie vgl. Chrysos, Byzantine Diplomacy, S. 25 – 39. Hans-Ulrich Wiemer führt aus, dass die Päpste nach dem Verschwinden des Kaisertums im Westen davon ausgingen, dass es nur noch einen obersten weltlichen Herrscher und Schutzherren der einen allgemeinen und rechtgläubigen Kirche gebe. Vgl. Wiemer, Odovakar und Theoderich, S. 328 f. Hinzu kommt, dass die senatorischen Familien Italiens ihre Stammbäume bis in die Zeit der Republik zurückführen und sie Verwandte und Freunde in Konstantinopel besaßen. Vgl. hierzu auch Chausson, François, Les lignagnes mythiques dans quelques revendications généalogiques sous l’empire romain, in: Auger, Daniéle/ Said, Suzanne (Hrsg.), Généalogies mythiques, Paris 1998, S. 395 – 417. Tranquillitas erscheint in diesem Zusammenhang als Voraussetzung für das Entstehen von Sitten und das Gedeihen der Künste. Die Nennung dieses gesellschaftlichen Idealzustandes hat, wie Christine Radtki-Jansen nachweist, eine lange Tradition, die in die Zeit Trajans zurückreicht. Tranquillitas sei in der Kaiserzeit nicht nur Folge staatsmännischen Handelns, sondern konzentriere sich auch in der Person des Herrschers. So konnten Kaiser in der Spätantike auch mit tranquillissimi angeredet werden. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 102.
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mit Recht jeder andere Herrscher respektieren würde.²⁶ Der Begriff des Friedens wird auf diese Weise zum Wunsch nach Eintracht zwischen Theoderich und Anastasius I. stilisiert. Um den guten Willen zum Ausdruck zu bringen, verwies Cassiodor darauf, dass Theoderich im Oströmischen Reich mit Gottes Hilfe gelernt habe, gerecht über Romanen zu herrschen (Var. I 1, 2).²⁷ Daher sei die ostgotische Herrschaft die Nachahmung der oströmischen (imitatio imperii), woraus Cassiodor das Recht ableitete, auch am Frieden dieses Reiches teilhaben zu dürfen.²⁸ Dazu verwies er auf Theoderichs gutes Verhältnis zum Senat. Kein Romane dürfe, wie es weiter heißt, seine Liebe zu der Stadt Rom aufgeben (Var. I 1, 3).²⁹ Weil man es nicht erdulden könne, dass zwischen den beiden Gemeinwesen, die unter den früheren Kaisern ein Reich gewesen seien, Zwietracht existiere, wurde Anastasius I. durch Gesandte dazu aufgefordert, einen aufrichtigen Frieden in wiederhergestellter Festigkeit zu bewahren (Var. I 1, 4). Erneut appellierte Cassiodor an den Herrschaftssinn des Kaisers und unterstrich, dass Theoderich seinen Herrschaftsbereich als eins mit dem Herrschaftsbereich Ostroms begegne. Mit diesem geschickt formulierten Satz erscheint Theoderich dem Kaiser auf Augenhöhe. „Aus einem latent schuldbewussten Amalerkönig [zu Beginn des Briefes, S.B.] wird ein sich dem Kaiser ebenbürtig präsentierender Monarch, der das ehemalige Westreich als seinen Herrschaftsbereich ansieht […].“³⁰ Dazu betonte Cassiodor, dass das Römerreich seit jeher einen gemeinsamen Willen gehabt hätte und es sich daher nicht nur
Mit Formulierungen dieser Art machte Cassiodor die Unterordnung Theoderichs unter den oströmischen Kaiser deutlich, der als oberster Herrscher des gesamten Erdkreises angesehen wurde.Wie der weitere Verlauf des Briefes nahelegt, ist Theoderichs Herrschaftskonzept zwar ein anderes und doch muss er die Oberhoheit des Kaisers anerkennen. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 105. Mit dem Teilsatz quemadmodum Romanis aequabiliter imperare possimus spielte Cassiodor auf die Zeit Theoderichs am oströmischen Kaiserhof an. Theoderich verbrachte seit seinem siebten Lebensjahr dort etwa zehn Jahre und sicherte als Geisel das politische Verhältnis zwischen Ostrom und den sich in Pannonien formierenden Ostgoten. Kaiser Leo I. sicherte den Goten im Jahr 461 Siedlungsrecht in Pannonien zu, die als Gegenzug vermutlich mit militärischen Diensten betraut wurden. Um die Einhaltung dieses Vertrags zu gewährleisten, wurde Theoderich als Geisel gegeben, allerdings kam er als Königssohn wohl in den Genuss zahlreicher Privilegien und lernte das Herrschaftssystem des oströmischen Kaisers und die bestehenden Machtverhältnisse am Hof kennen. Mit der eingangs zitierten Passage lässt sich dies beweisen. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 106; Wiemer, Theoderich der Große, S. 124– 127. Mit dieser Formulierung ändert sich der Tenor des Briefes merklich, denn während Cassiodor zu Beginn des Briefes noch Theoderichs Unterordnung unter die Herrschaft des Kaisers betonte, erfolgt an dieser Stelle eine Aufwertung der Regentschaft des Amalers. Vgl. zu dieser Stelle auch Ensslin, Theoderich der Große, S. 149; Reydellet, La royauté dans la littérature latine, S. 209; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 110. Durch die Identifikation Theoderichs mit Rom präsentierte Cassiodor den Amaler als den Stellvertreter des Kaisers im Westen. Zugleich betonte er die besondere Bedeutung der Stadt, was sich auch durch die Berücksichtigung verschiedener Briefe zeigen lässt, die sich mit Restaurierungs- und Erneuerungsarbeiten in Rom befassen (Var. I 6; I 21; I 25; I 28). Radtki-Jansen, Herrscher, S. 114.
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aus distanzierter Freundlichkeit vereinen, sondern auch mit ihren gegenseitigen Kräften unterstützen müsse (Var. I 1, 5)³¹: Quas non solum oportet inter se otiosa dilectione coniungi, verum etiam decet mutuis viribus adiuvari. Romani regni unum velle, una semper opinio sit. quicquid et nos possumus, vestris praeconiis applicetur. ³²
Offensichtlich waren diese Bemühungen von Erfolg gekrönt, da Cassiodor wohl nicht zufällig das zweite Buch der Variae mit der Mitteilung eröffnete, dass Felix zum Konsul gewählt wurde (Var. II 1, 1)³³ und ferner Theoderichs Leistungen in einem Brief Athalarichs pries, in welchem die Erhebung Tuluins zum patricius praesentalis thematisiert wird (Var. VIII 9). Dort heißt es, dass sich der Amaler mit unermüdlicher Ergebenheit für den auswärtigen Teil des Reiches eingesetzt habe und es als würdig erachte, gemeinsam mit seinen Verwandten dem Kaiser seinen Gehorsam zu leisten (Var. VIII 9, 4). Das gute Verhältnis zum Kaiserhof bestand selbst nach dem Tod des Anastasius I. zunächst fort. Ein Beleg hierfür kann in der Annahme Eutharichs, des designierten Thronerben, zum Waffensohn durch Kaiser Justin I. gesehen werden.³⁴
Die sich hinter diesem Absatz verbergende Vorstellung, dass der Kaiser aus dem Frieden zu Italien nur einen Gewinn ziehen könne, spiegelt sich auch in Briefen Amalasuinthas und Theodahads an Justinian I. wider. Der Brief der Königin schließt mit den Worten, dass es sich gehöre, wenn auch dieser Teil des römischen Erdkreises durch die kaiserliche Hilfe an Glanz gewinne, den die Liebe der Heiterkeit erleuchte (Var. X 8, 2). In dem an diesen Brief anschließenden Schreiben Theodahads wurde Cassiodor noch deutlicher, wenn er die Annahme formulierte, dass es dem Kaiser unzweifelhaft willkommen sei, was durch ihn zur Zierde Italiens besorgt werde, da es zu Recht auch zum Lob des Kaisers beitrage, wenn das wachse, was dem Ruhm des Gemeinwesens dienen könne (Var. X 9, 1). Nach diesem Schreiben erkannte Theoderich nicht nur die Vorrangstellung des Kaisers an, sondern sah in ihm auch ein für Italien verpflichtendes Vorbild. Bei allen schmeichelhaften Formulierungen bezüglich seiner Verbundenheit und Ergebenheit gegenüber dem Kaiser sollte jedoch nicht übersehen werden, dass der Gotenkönig keinen Zweifel an der Eigenständigkeit seiner Herrschaft aufkommen ließ. Allein göttlicher Wille und nicht etwa die Erfahrungen am oströmischen Kaiserhof befähigten ihn, gewissenhaft über Italien zu herrschen. Hinzu kommt, dass Cassiodor von zwei Staaten sprach, die in einem Körper miteinander verbunden seien. Vgl. hierzu auch Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 72. John Moorhead nimmt diese Passage zum Anlass seines Zweifels, dass Var. I 1 keine besondere Aussage enthält. Er bezieht sich dabei darauf, dass die in diesem Schreiben zum Ausdruck gebrachten Prinzipien ostgotischer Politik in den Variae nicht durchgängig beibehalten werden, denn während die beiden Staaten in Var. I 1, 5 als einheitliches Reich (Romani regni unum velle, una semper opinio sit) gesehen werden, ist in späteren Urkunden dagegen von zwei romana regna die Rede (Var. X 21, 2). Vgl. Moorhead, Theoderic in Italy, S. 44. Christina Kakridi hält dieser Ansicht entgegen, dass es Cassiodor in diesem Brief weniger um staatsrechtliche Feinheiten als vielmehr darum gegangen sei, den grundsätzlichen Vorwurf der Tyrannei abzuwehren. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 168. Es handelt sich hierbei um einen gallischen Aristokraten mit engen Beziehungen nach Italien. Die Ernennung und Berücksichtigung von gleich drei Schreiben zu Beginn des zweiten Buches unterstreicht die Bedeutung, die Cassiodor der Vereinigung Italiens und Galliens beimaß. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 171. Da aus der Ehe zwischen Theoderich und Audefleda, der Schwester des fränkischen Königs Chlodwig I., kein männlicher Thronerbe hervorging, verheiratete Theoderich seine jüngste Tochter,
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Die im Namen Athalarichs und Amalasuintha verfassten Briefe knüpfen inhaltlich wie stilistisch an die Schreiben Theoderichs an. Athalarich fühle sich, wie es heißt, dank seines Großvaters Theoderich dem Kaiser persönlich verbunden (Var.VIII 1). Wie dieser bat er den mildesten aller Kaiser um Frieden und betrachte dessen Wohlwollen als seinen Ruhm, denn wenn die kaiserliche Gnade nicht fehle, sei in seinem Reich alles in Ordnung (Var.VIII 1, 1). Die mächtige Gnade des Kaisers adele ihn mehr als die mit Purpur bekleidete Reihe seiner Ahnen und sein eigener königlicher Thron. Cassiodor berief sich dazu auf die Ehrungen, die der Kaiser Theoderich verliehen hatte (Var. VIII 1, 3). Wenn Athalarich ihn nun um Frieden bitten würde, so täte er dies nicht als Außenstehender, sondern als naher Verwandter. Dazu möchte er als Erbe dieses Königreichs in die Gedanken des Kaisers einbezogen werden, da dessen Gnade ihm wichtiger sei als seine eigene Herrschaft (Var. VIII 1, 4): Atque ideo pacem non longinquus, sed proximus peto, quia tunc mihi dedistis gratiam nepotis, quando meo parenti adoptionis gaudia praestitistis. introducamur et in vestram mentem, qui adepti sumus regiam hereditatem. illud mihi est supra dominatum tantum ac talem rectorem habere propitium. primordia itaque nostra solacia mereantur principis habere longaevi: pueritia tuitionem gratiae consequatur et non in totum a parentibus destituimur, qui tali protectione fulcimur.
Die Beziehung des Ostgotenreiches mit dem oströmischen Kaiserhof beruhe, wie es weiter heißt, auf Liebe. Cassiodor verwies deshalb darauf, dass der Kaiser dort mehr Einfluss haben werde, wo er alles in Güte befehle. Aus diesem Grund wurden Gesandte geschickt, um unter den gleichen Bedingungen wie ihre jeweiligen Vorgänger Theoderich und Anastasius I. Freundschaft und Frieden zu schließen. Um den Kaiser hierzu zu verpflichten, griff Cassiodor ein letztes Mal das Argument der nahen Abstammung auf (Var. VIII 1, 5).³⁵
Amalasuintha, mit dem Westgoten Eutharich, den er zu diesem Zweck eigens aus Spanien nach Italien kommen ließ. Theoderich baute Eutharich, von dem man in Italien bis dahin kaum etwas gehört haben dürfte, planvoll zu seinem Thronfolger auf. Die Hochzeit wurde schließlich im Jahre 515 gefeiert. Im Jahr darauf gebar Amalasuintha einen Sohn, Athalarich. Dass Theoderichs Wahl ausgerechnet auf Eutharich fiel, war für viele Goten und Romanen eine Überraschung, da es mit Theodahad, dem Sohn seiner Schwester Amalafrida, eine Alternative innerhalb der eigenen Familie gegeben hätte. Da sich Theodahad nachweislich eher philosophischen und theologischen Studien widmete anstatt sich im Reiterkampf zu üben, entsprach er wohl nicht Theoderichs Vorstellungen eines guten Königs. Theoderich war sich sicher, dass die Thronfolge Eutharichs erst dann gesichert war, wenn sie auch vom Kaiser akzeptiert wurde. Tatsächlich gelang es ihm, dieses Ziel zu erreichen und Kaiser Justin I., der Nachfolger von Ananstasius, verlieh Eutharich im Jahre 519 das Konsulat. Cassiodor, der darum wusste, dass ein reibungsloser Übergang der Herrschaft wichtig war, um den inneren Frieden im Reich zu wahren, pries Eutharich wortreich. Außerdem verfasste er in Eutharichs Namen eine Chronik, die bei der Schöpfung der Welt beginnen und bis in die Gegenwart führen sollte. Allerdings wurden die Pläne Theoderichs zunichte gemacht, denn Eutharich konnte die ihm zugedachte Rolle nicht einnehmen, da er noch vor Theoderich verstarb. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 538 – 543. Der im Namen Athalarichs verfasste Brief umschreibt das Verhältnis zum Kaiser ähnlich vage wie das oben analysierte Schreiben Theoderichs (Var. I 1). Zwar gebot Athalarich über ein eigenes Reich (Var. VIII 5, 1): Sit vobis regnum nostrum graetia vinculis obligatum, und doch konnte der Kaiser dort
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Auch in den im Namen Amalasuinthas verfassten Briefen berief sich Cassiodor bei der Bitte um Frieden auf die Abstammung der Königin und argumentierte, dass man das, was man bereits dem Vorgänger gewährt habe, der Gerechtigkeit wegen auch dem Nachfolger einräumen müsse.³⁶ So brachte sie beispielsweise in ihrer Benachrichtigung, dass ihr Sohn gestorben war und Theodahad zum Mitregenten³⁷ erhoben wurde, die Bitte vor, Justinian I. solle ihr den Frieden auf die Weise verlängern, wie er ihn schon ihren Vorgängern gewährt habe (Var. X 1, 2)³⁸: Nam licet concordia principum semper deceat, vestra tamen absolute me nobilitat, quando ille redditur amplius excelsus, qui vestrae gloriae fuerit unanimitate coniunctus. Im Gegenzug würde sie hinsichtlich des ihr Übertragenen alles gemäß Justinians Verlangen erfüllen (Var. X 1, 2, 3).Während Cassiodor in den im Namen Theoderichs, Athalarichs und Amalasuinthas verfassten Briefen bemüht war, die freundschaftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ostgoten und dem Kaiser zu betonen, um auf diese Weise die Gunst und damit Frieden mit dem Oströmischen Reich zu erreichen, verschärfte sich der Ton in den im Namen Theodahads und Witigis verfassten Briefen. Neben der Bitte um Frieden fällt auf, dass Cassiodor diese mit konkreten Forderungen und Erwartungen an den Basileus verknüpfte. Im zu Beginn von Theodahads Herrschaft verfassten Brief, erbat der neue König Justinian um Anerkennung, ohne dabei auf die enge Verwandtschaft der beiden
herrschen, allerdings nur gemäß der caritas (Var. VIII 5, 5): Plus in illa parte regnabitis, ubi ominia caritate iubetis. Vermutlich waren diese diplomatisch wagen Formulierungen gewollt, sprach Cassiodor doch im Schreiben an Anastasius I. von den utrasque res publicas (Var. I 1, 4) und stellte somit das Reich auf eine Stufe mit dem imperium. Andererseits war Theoderichs Reich nur eine Nachahmung des einzigartigen imperium (Var. I 1, 3): Regnum nostrum imitatio vestra est, unici exemplar imperii. Dietrich Claude erklärt diese Stelle so, dass der Anspruch auf politische Unabhängigkeit bei gleichzeitiger Anerkennung des universalen hierarchischen Anspruchs des Kaisers zum Ausdruck gebracht werden sollte. Vgl. Claude, Theoderich d. Gr., S. 28. Es ist davon auszugehen, dass Cassiodor die Königin sehr schätzte und sich dies auch in den in die Variae aufgenommenen Briefen widerspiegelt. Amalasuintha hatte bei Cassiodors Ernennung zum Prätorianerpräfekten ihren Einfluss geltend gemacht, denn seine Dankesrede ist von überschwänglichem Lob erfüllt. Offenbar gewährte ihm die Königin stets ihre Gunst (Var. XI 1, 18): Non sunt nobis, patres conscripti, minus probata quae loquimur: verus testis est, qui laudat expertus. cognovistis enim quae contra me vota conflixerunt: non aurum, non magnae valuere preces: temptata sunt universa, ut probaretur sapientissimae dominae gloriosa constantia. Von allen anderen gotischen Regenten nennt Cassiodor nur sie „decus regnorum omnium“ (Var. X 4, 5), ein Titel, mit dem Cassiodor ansonsten nur den oströmischen Kaiser bedachte (Var. I 1, 2).Vgl. hierzu auch Wiemer, Theoderich der Große, S. 586 f.; Fauvinet-Ranson, Valérie, Portrait d’une régente. Un panégyrique d’Amalasonthe (Cassiodorus, Variae 11, 1), in: Cassiodorus. Rivista di studi sulla tarda antichità 4 (1998), S. 267– 308. Theodahad wird an dieser Stelle als Mann gepriesen, der der Königin wie ein Bruder verbunden sei. Dadurch könne er die Königswürde mit ihr in geeinter Kraft und guten Rates tragen, damit auch er im Schmucke seiner Vorfahren leuchte (Var. X 1, 2). Zu Kaiser Justinian I. und seiner Beziehung zu den Ostgotenkönigen vgl. Rubin, Theoderich und Iustinian; Leppin, Justinian; Baynes, Norman H., Justinian and Amalasuntha, in: The English Historical Review 40 (1925), S. 71– 73; Sirago, Vito Antonio, Amalasuntha la regina (c. 495 – 535), Mailand 1998.
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Reiche hinzuweisen (Var. X 19). In diesem Schreiben dominiert das Motiv, dass dem Kaiser der Frieden stets willkommen sei und Justinian daher der Welt als Beispiel seiner Güte zeigen solle, wie sehr derjenige Erfolg habe, der sich dem oströmischen Monarchen in reiner Zuneigung empfehle. Ungerechte Kämpfe würden ihn nicht erfreuen, da er nur das erstrebe, was seinen Ruhm zieren könne (Var. X 19, 1). Diese Erwartungen münden in die als Vorwurf vorgebrachte Aufforderung, dass man niemandem den Frieden verweigern könne, da man diesen selbst zornigen „Völkern“ zuteil werden ließe. Cassiodor stellte das Ostgotenreich auf diese Weise auf die gleiche Stufe mit allen anderen „barbarischen“ regna, wenn er bemerkte, die Güte/ Freigebigkeit (benignitas) von Justinian gegenüber Theodahad würde auch den anderen Königen beweisen, dass es lohnend war, sich ihm pura affectione zu nähern. Cassiodor rechnete dem Kaiser daher den Gewinn vor, den er dank eines besonders einträchtigen Verhältnisses erhalte (Var. X 19, 2). Für Justinian solle es eine Ehre sein, Lob nicht nur im eigenen Reich zu erfahren, sondern durch die Anerkennung Theodahads unter einem fremden „Volk“ (in extranea gente) einen guten Ruf zu erlangen (Var. X 19, 3). Es sei, wie es weiter heißt, nützlich, mit einem Reich und einem Herrscher Frieden zu schließen, der eine historisch legitimierte Verbindung zum Römischen Reich habe (Var. X 19, 3): Diligeris quidem, piissime imperator, in propriis regnis: sed quanto praestantius est, ut in Italiae partibus plus ameris, unde nomen Romanum per orbem terrarum constat esse diffusum! oportet ergo vestram pacem servari, quae vobis contulit exordia gloriosa vocabuli.
Wie in den Schreiben Athalarichs und Amalasuinthas argumentierte Cassiodor auch in den im Namen Theodahads verfassten Briefen damit, dass Justinian an dessen Vorgänger denken und im Zuge dessen erkennen solle, dass die Freundschaft der Amaler mit dem Reich des Kaisers eine Art Gewohnheitsrecht sei. Je älter diese werde, desto sicherer sei sie, da man nicht leicht das ändern könne, was sich bewährt habe (Var. X 2, 3).³⁹ Hintergrund des angespannten Verhältnisses zwischen Theodahad und dem Kaiser war die Ermordung Amalasuinthas, die für Justinian letztlich die Grundlage zur Rückeroberung Italiens bildete.⁴⁰ Die militärische Konfrontation in Italien begann
Cassiodor betonte auch an anderer Stelle, dass die Goten von sich aus nach Gnade suchen würden und sich in selbstloser Freundschaft mit dem Kaiser verbinden wollen (Var. X 22, 2). Auf diese Weise könne ein angemessener und ehrenvoller Frieden gefunden werden, der durch keine auferlegten Bedingungen belastet werde (Var. X 22, 1). Vergleichbar argumentierte er im vorausgegangenen Brief, wenn es heißt: Nullam inter Romana regna deceat esse discordiam (Var. X 21, 2). Bei der Auswahl Theodahads zum Mitregenten erhoffte sich Amalasuintha, dass dieser ihre auf Ausgleich gerichtete Politik nicht gefährdete und ließ sich von ihm diesbezüglich allerlei Zusagen machen. Allerdings hatte Theodahad schon seit längerem Verbindungen zur traditionalistischen Opposition geknüpft, die er nun nutzte, um mehr Macht zu erlangen. Nach längeren politischen Spannungen mündete dies in einen dynastischen Konflikt, infolgedessen er Amalasuintha festnehmen und im Jahr 535 ermorden ließ. Damit gab er den Vorwand für das Eingreifen Justinians, das Italien für fast
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Ende Juni 535.⁴¹ Als die militanten Kräfte im Ostgotenreich durch den Krieg Aufwind bekamen, konnte sich Theodahad nicht länger auf dem Thron halten und wurde gestürzt. Noch im selben Jahr wurde er von der Armee verraten und auf seiner Flucht nach Ravenna erschlagen. Sein Nachfolger wurde der etwa 60-jährige Witigis, ein erfahrener General, der das volle Vertrauen des Heeres genoss.⁴² Cassiodor diente auch Witigis, berücksichtigte bei der Zusammenstellung der Variae jedoch nur fünf Urkunden, die er in dessen Namen verfasste.⁴³ Die Bitten um Frieden nahmen bei Theodahads Nachfolger Witigis noch einmal eine andere Dimension an, da sich dieser zur Zeit der Korrespondenz mitten im Krieg mit dem kaiserlichen Feldherren Belisar befand (Var. X 32). Anstatt wie seine Vorgänger künftigen Frieden zu erbitten, richtete sich sein Augenmerk auf die Gegenwart. Wie Cassiodor formulierte, sei Witigis bereit, schlimmste Verwüstungen und Blutvergießen zu vergessen, wenn er ein gerechtes Ende des Krieges erlangen könne. Schuldlos habe er, wie es weiter heißt, Verfolgungen und Hass erlitten und dies nicht nur in den Provinzen, sondern selbst in der Hauptstadt der Welt selbst. Die vorgefallenen Dinge sollen daher vom Kaiser in der Weise beigelegt werden, dass alle dessen Gerechtigkeit bewundern könnten (Var. X 32, 1): Quanta sit nobis, clementissime imperator, gratiae vestrae votiva suavitas, hinc omnino datur intellegi, ut post tot gravissimas laesiones et tanta effusione sanguinis perpetrata sic videamur pacem vestram quaerere, tamquam nos nemo vestrorum putetur ante laesisse. pertulimus talia, qualia et ipsos possunt offendere qui fecerunt, insecutiones sine reatu, odium sine culpa, damna sine debitis.
20 Jahre zum Kriegsschauplatz machte. Vgl. Pohl, Völkerwanderung, S. 148 f.; Wiemer, Integration durch Separation, S. 174 f.; Wiemer, Theoderich der Große, S. 588 f.; Stein, Histoire du Bas-Empire, S. 328 – 339 sowie S. 564– 604; Wolfram, Goten, S. 337– 360; Bury, History of the Later Roman Empire, S. 168 f.; Hartmann, Geschichte Italiens, S. 280 f.; Heather, Goths and Romans S. 260 – 271. Neben der Ermordung Amalasuinthas werden in der Forschung zudem religiöse Motive angeführt, um das Eingreifen Justinians zu erklären.Vgl. hierzu Mirsanu, Dragos, The Imperial Policy of Otherness. Justinian and the Arianism of Barbarians as a Motive for the Recovery of the West, in: Ephemerides Theologicae Lovanienses 84 (2008), S. 477– 498. Die Schlachten mit den Byzantinern werden in den Variae kein einziges Mal konkret erwähnt. Cassiodor zog es offenbar vor, den Krieg zu ignorieren. Auffallend sind hingegen die liebevollen Beschreibungen der Städte und Regionen Italiens, die stattdessen die beiden letzten Bücher dominieren (Var. XI 14; XI 39; XII 4; XII 12; XII 15; XII 22). Man könnte hierin den Versuch sehen, die kriegerischen Auseinandersetzungen auf literarische Weise zu verarbeiten. Die letzten Bemühungen, den Krieg abzuwenden, die Cassiodor als Wortführer des Senats an Justinian I. richtete, konnten den Basileus nicht von seinem Ziel abbringen (Var. XI 13). Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 198; Wiemer, Theoderich der Große, S. 598. Wann Cassiodor seinen Posten aufgab, ist nicht bekannt. Herwig Wolfram und Christina Kakridi nehmen an, dass der Geiselmord an den römischen Senatoren, den Witigis im Jahre 537 verüben ließ, das entscheidende Erlebnis war, das Cassiodor dem Königshaus entfremdete. Vgl. Wolfram, Goten, S. 345; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 199. Dafür spräche, dass Belisar nach der Eroberung Roms einen neuen Prätorianerpräfekten ernannt habe. Für einen längeren Verbleib im Amt sprechen sich Stefan Krautschick und James J. O’Donnell aus. Vgl. Krautschick, Cassiodor, S. 108 f.; O’Donnell, Cassiodorus, S. 104 f.
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et ne pro parvitate sui neglegi potuisset, non in provinciis tantum, sed in ipso rerum capite probatur inflictum. aestimate, quos dolores abicimus, ut vestram iustitiam reperire possimus. talis res effecta est, quam mundus loquatur: quae sic a vobis meretur componi, ut aequitatem vestram generalitas debeat ammirari.
Dazu solle Justinian bedenken, dass die Vorwände durch den Regierungsantritt des Witigis entkräftet worden seien, denn wenn er an Theodahad habe Rache nehmen wollen, so müsste er ihn als dessen Nachfolger lieben (Var. X 32, 2). Der Anlass des Krieges wurde von Cassiodor folglich als gesühnt dargestellt, wenn er schrieb: Nam si vindicta regis Theodahadi quaeritur, mereor diligi: si commendatio divae memoriae Amalasuinthae reginae prae oculis habetur, eius debet filia cogitari, quam nisus vestrorum omnium perducere decuisset ad regnum […].
Es sei, wie es weiter heißt, noch nicht zu spät, alles wieder gut zu machen (Var. X 32, 3). Die Bemühungen scheiterten allerdings und konnten den oströmischen Rückeroberungskrieg nicht mehr abwenden.⁴⁴ Während in Cassiodors Briefen an Ostrom der Wunsch, die für das Ostgotenreich überlebenswichtige Gunst des Kaisers zu gewinnen und diese zu erhalten, dominiert, handeln die an die Herrscher westlicher regna gerichteten Schreiben überwiegend von akuten Konflikten, in denen es zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln galt, um den außenpolitischen Frieden aufrechtzuerhalten. Dies soll an zwei Beispielen betrachtet werden. Historischer Hintergrund des ersten Beispiels ist eine im Jahre 506 von den Alemannen⁴⁵ ausgehenden Revolte, die von den Franken niedergeschlagen wurde. Die
Zum gotisch-römischen Krieg vgl. Chrysos, Evangelos K., Zur Reichsideologie und Westpolitik Justinians. Der Friedensplan des Jahres 540, in: Vavrínek, Vladimir (Hrsg.), From Late Antiquity to Early Byzantium, Prag 1985, S. 41– 48; Schwarcz, Andreas, Überlegungen zur Chronologie der ostgotischen Königserhebungen nach der Kapitulation des Witigis bis zum Herrschaftsantritt Totilas, in: Brunner, Karl/ Merta, Brigitte (Hrsg.), Ethnogenese und Überlieferung. Angewandte Methoden der Frühmittelalterforschung, Wien/ München 1994, S. 117– 122; Boss, Justinian’s Wars; Jacobsen, The Gothic War; Thompsen, Edward Arthur, The Byzantine Conquest of Italy. Military Problems, in: Thompsen, Edward Arthur (Hrsg.), Barbarians and Romans. The Decline of the Western Empire, Madison 1982, S. 77– 91; Thompsen, Edward Arthur, The Byzantine Conquest of Italy. Public Opinion, in: Thompsen, Edward Arthur (Hrsg.), Barbarians and Romans. The Decline of the Western Empire, Madison 1982, S. 92– 112. Zur Geschichte der Alemannen und ihrer Beziehung zu den Ostgoten vgl. Geuenich, Dieter, Geschichte der Alemannen, Stuttgart 2005; Siegmund, Frank, Alemannen und Franken, Berlin 2000; Drinkwater, John Frederick, The Alamanni and Rome 213 – 496, Oxford 2007; Krapp, Karin, Die Alamannen. Krieger – Siedler – Frühe Christen, Stuttgart 2007; Christlein, Rainer, Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes, Stuttgart 1991; Wood, Ian (Hrsg.), Franks and Alamanni in the Merovingian Period. An Ethnographic Perspective, Woodbridge 1999; Fuchs, Karlheinz, Die Alamannen, Stuttgart 42001; Bücker, Christel, Frühe Alamannen im Breisgau. Untersuchungen zu den Anfängen der germanischen Besiedlung im Breisgau während des 4. und 5. Jahrhunderts n.Chr., Sigmaringen 1999.
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Alemannen baten daraufhin Theoderich um Schutz und hielten sich fortan im ostgotischen Grenzgebiet auf.⁴⁶ In einem an Chlodwig I. gerichteten Schreiben bat Theoderich um Frieden für den Rest der besiegten Alemannen (Var. II 41).⁴⁷ Ausschlaggebend waren wohl weniger die im Schreiben angeführten humanitären Gründe als vielmehr die begründete Sorge, die Franken könnten nun auch in das Ostgotenreich vordringen. Bevor Cassiodor auf sein Anliegen einging, beglückwünschte er den Frankenkönig dafür, sein in der vorigen Zeit untätiges „Volk“ mit Erfolg zu neuem Streit bewegt und die Alemannen mit seiner siegreichen Rechten unterworfen zu haben (Var. II 41, 1): Gloriosa quidem vestrae virtutis affinitate gratulamur, quod gentem Francorum prisca aetate residem feliciter in nova proelia concitastis et Alamannicos populos caesis fortioribus inclinatos victrici dextera subdidistis.
Da aber Ausschreitungen an den Urhebern der Treulosigkeit bestraft werden müssten und die Schuld der Anführer nicht zur Rache an allen führen dürfe, mahnte Cassiodor, Chlodwig solle sich gegenüber der Überlebenden mäßigen, da nach dem Recht der Gnade diejenigen zu entkommen verdienen, die sich demoralisiert in Schutz gebracht hätten (Var. II 41, 1): […] motus vestros infessas reliquias temperate, quia iure graetiae merentur evadere, quos ad parentum vestrorum defensionem respicitis confugisse. Estote illis remissi, qui nostri finibus exterriti.
Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, appellierte Cassiodor an die Ehre Chlodwigs, um ihn von weiteren Verfolgungen abzuhalten.Wenn er nämlich nun doch den Kampf fortsetze, könnte der Eindruck entstehen, er habe doch noch nicht alle Alemannen durch das Eisen oder die Knechtschaft besiegt (Var. II 41, 2): Memorabilis triumphus est Alamannum acerrimum sic expavisse, ut tibi eum cogas de vitae munere supplicare. sufficiat illum regem cum gentis cecidisse superbia: sufficiat innumerabilem nationem partim ferro, partim servitio subiugatam. nam si cum reliquis confligis, adhuc cunctos superasse non crederis.
Vgl. Geuenich, Dieter, Der Kampf um die Vormachtstellung am Ende des 5. Jahrhunderts. Das Beispiel der Alemannen zwischen Franken und Ostgoten, in: Kölzer, Theo/ Schieffer, Rudolf (Hrsg.), Von der Spätantike zum frühen Mittelalter. Kontinuitäten und Brüche, Konzeptionen und Befunde, Ostfildern 2009, S. 143 – 162; Beyerle, Franz, Süddeutschland in der politischen Konzeption Theoderichs des Großen, in: Grundfragen der alemannischen Geschichte, Konstanz 1952, S. 65 – 81; Claude, Theoderich d. Gr., S. 33. Zur Geschichte der Franken und ihrer Beziehung zu den Ostgoten vgl. Zöllner, Erich, Geschichte der Franken bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts, München 1970; Ewig, Eugen, Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart 1980; Jussen, Bernhard, Die Franken. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, München 2014; Meier, Mischa/ Patzold, Steffen (Hrsg.), Chlodwigs Welt. Organisation von Herrschaft um 500, Stuttgart 2014; Becher, Chlodwig I.; Hartmann, Martina, Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2011; Beisel, Fritz, Studien zu den fränkisch-römischen Beziehungen. Von ihren Anfängen bis zum Ausgang des 6. Jahrhundert, Idstein 1987.
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Um dieses Argument zu verstärken, verwies er auf Theoderichs militärische Erfahrungen, da nur jene Kriege ein glückliches Ende gefunden hätten, die er moderat abgeschlossen habe, denn: Is enim vincit assidue qui novit omnia temperare, dum iucunda prosperitas illis potius blanditur, qui austeritate nimia non rigescunt. Chlodwig solle daher dem Genius Theoderichs nachgeben, da sich Verwandtschaft nach gemeinsamem Beispiel Verzeihung zu geben pflege (Var. II 41, 2). In Anschluss an diese Forderung knüpfte Cassiodor mit der Sorge um Chlodwigs Wohlergehen an die eingangs von ihm vorgebrachten Komplimente an. Dazu sollten Gesandte mit weiteren mündlichen Aufträgen in das Frankenreich entsendet werden, denn das Wohl Chlodwigs sei, wie es heißt, Theoderichs Ruhm und wie oft er auch frohe Kunde von ihm bekäme, so oft halte er es für einen Erfolg seines eigenen Königreichs (Var. II 41, 3): Vestra siquidem salus nostra gloria est et totiens regnum Italiae proficere iudicamus, quotiens de vobis laeta cognoscimus. Um Chlodwig von den guten Absichten zu überzeugen, kam Cassiodor im letzten Abschnitt des Briefes auf einen Kitharoeden – eine Art Harfensänger⁴⁸ – zu sprechen, den Theoderich seinem Schwager als Geschenk sandte (Var. II 41, 4). Kein Geringer als Boethius hatte den Künstler ausgesucht (Var. II 40). Die Art und Weise, in der die Kunstfertigkeit und der Gesang dieses Künstlers beschrieben werden und der Hinweis darauf, dass sich Chlodwig einen solchen Sänger gewünscht habe, legt nahe, dass diese Geste darauf abzielte, einerseits die Expansionsbestrebungen weiter zu mäßigen und den Frankenkönig andererseits milde zu stimmen: […] facturus aliquid Orphei, cum dulci sono gentilium fera corda domuerit (Var. II 41, 4). Gegenüber Chlodwig wies Cassiodor eine ganz andere Aufgabe zu, da der Künstler den Ruhm des Frankenkönigs besingen solle (Var. II 41, 4).⁴⁹ Der Brief als Ganzes betrachtet, verdeutlicht ein sich in diplomatischen Briefen stets wiederholendes Muster: Bevor Cassiodor auf das eigentliche Anliegen zu sprechen kommt, schmeichelte er dem Adressaten mit Komplimenten, um seinen Forderungen im Anschluss umso entschiedener Ausdruck zu verleihen. Bei aller Höflichkeit hatte Cassiodor deutliche Worte gegenüber Choldwig gefunden, die nicht ohne Wirkung blieben, da dieser vorerst von weiteren Attacken auf die Alemannen absah. Noch deutlicher als in den Briefen, die an die Herrscher westlicher regna gerichtet waren, zeigt sich diese Vorgehensweise in der Korrespondenz mit dem oströmischen Kaiser. Nachdem der Adressat des Briefes milde gestimmt war, wurde das Anliegen vorgebracht und nicht selten mit praktischen Erfahrungen, wie im obigen Beispiel, oder mit philosophischen Weisheiten in Verbindung gebracht. Beim Vortragen der Forderung verschärfte sich dann auch der Tonfall, erst gegen Ende des Briefes knüpfte Cassiodor
Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 276. Die Appelle gegenüber Chlodwig I. waren von Erfolg gekrönt. Der Franke akzeptierte, dass sich Theoderich für die auf sein Gebiet geflohenen Alemannen einsetzte und ihnen Asyl bot. Chlodwig drang nicht weiter auf rätisches Gebiet vor, da er offenbar sein Ziel mit der Sicherung seiner östlichen Grenze erreicht hatte. Helmut Last vermutet, dass Chlodwig Theoderichs Reaktion ausloten wollte.Vgl. Last, Außenpolitik, S. 247.
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an den versöhnlichen und umwerbenden Stil des Einstiegs an. Interessant ist, dass der Minister als weiteres Argument, den Forderungen Folge zu leisten, auf die verwandtschaftliche Beziehung zwischen Ostgoten und Franken verwies.Während dieser Hinweis im obigen Schreiben nur am Rande erscheint, dominiert er die Korrespondenz beim Versuch, den fränkisch-westgotischen Krieg zu verhindern, der als zweites Beispiel in den Blick genommen werden soll. Im Konflikt zwischen dem Franken Chlodwig und dem Westgoten Alarich II. beabsichtigte Theoderich mithilfe von Gesandtschaften eine gewaltfreie Lösung zu finden, indem beide Parteien zur Einhaltung des Friedens ermahnt wurden.⁵⁰ Hierzu richtete Cassiodor insgesamt vier Briefe mit jeweils unterschiedlichen Argumenten an Alarich (Var. III 1) und Chlodwig (Var. III 4), genauso aber auch an Gundobad (Var. III 2) und einen gemeinsamen Brief an den König der Heruler, der Warnen und der Thüringer (Var. III 3). Aus den Briefen wird deutlich, dass die Gesandten zunächst Alarich im südlichen Gallien aufsuchen sollten, dann die Burgunder im östlichen Gallien und schließlich die Thüringer, Warnen und Heruler jenseits des Rheins, bevor sie am Ende Chlodwig trafen. Hierhinter verbarg sich die Hoffnung, dass jeder der vier nicht unmittelbar am Disput beteiligte König die Gesandtschaft um einen weiteren Boten erweiterte, so dass eine gemeinschaftliche Delegation Chlodwig gegenübertreten konnte.⁵¹ Im Nachhinein betrachtet, erwiesen sich die diplomatischen Bestrebungen als vergeblich, da es bei Vouillé in der Nähe von Poitiers zur Schacht kam, die Alarich mitsamt seinem Leben verlor.⁵² Hierfür war entscheidend, dass es nicht gelungen war,
Zur Geschichte der Westgoten und ihrer Beziehung zu den Ostgoten vgl. Claude, Dietrich, Geschichte der Westgoten, Stuttgart 1970; Kampers, Gerd, Geschichte der Westgoten, Paderborn 2008; Hillgarth, Jocelyn N., The Visigoths in History and Legend, Toronto 2009; Heather, Peter (Hrsg.), The Visigoths from the Migration Period to the Seventh Century. An Ethnographic Perspective, Woodbridge 1999; Collins, Roger, Law, Culture and Regionalism in Early Medieval Spain, Aldershot 1992; Schmidt, Joel, Le royaume Wisigoth de Toulouse, Paris 1992; Ferreiro, Alberto (Hrsg.), The Visigoths. Studies in Culture and Society, Leiden/ Boston/ Köln 1999. Vgl. Gillet, Diplomatische Dokumente, S. 245; Wiemer, Theoderich der Große, S. 331. Um zu verhindern, dass ganz Gallien unter Chlodwigs Herrschaft fiel, schickte nun auch Theoderich ein Heer nach Südfrankreich. Man einigte sich, die gallischen Besitzungen der Westgoten aufzuteilen, wobei jedoch nur ein schmaler, aber wirtschaftlich bedeutender Küstenstreifen mit Marseille, Arles und Narbonne an Theoderich fiel. Dieses Gebiet wurde von einer eigens eingerichteten Prätoriumspräfektur verwaltet. Zum gallischen Prätorianerpräfekten bestellte Ravenna den vielbewährten Liberius.Vgl.Wiemer, Integration durch Separation, S. 171; Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 9. Nach dem Tod Alarichs II. brachen unter den Westgoten Thronstreitigkeiten aus, was dazu führte, dass dessen unehelicher Sohn Gesalech gegen großen Widerstand zum König erhoben wurde. Daraufhin schickte Theoderich ein Heer nach Spanien, das Gesalech vertrieb und dafür sorgte, dass an seiner Stelle Amalerich, ein Sohn Alarichs aus der Ehe mit Theoderichs Tochter Theodegotho, zum König erhoben wurde. Da dieser zum Zeitpunkt seiner Krönung minderjährig war, fiel die Herrschaft über Spanien faktisch an Theoderich. Zu den Ereignissen, die zur Integration der iberischen Halbinsel führten vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 351– 353; Diaz, Pablo C./ Valverde, Rosario, Goths Confronting Goths. Ostrogothic Political Relations in Hispania, in: Barnish, Samuel J. B./ Marazzi,
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die Burgunder in eine Koalition gegen den Frankenkönig einzubinden. Diese wechselten offenbar schon zum Zeitpunkt, als Cassiodor Gundobad um Unterstützung bat, die Seiten und wirkten damit kriegsentscheidend zum Sieg Chlodwigs mit.⁵³ Im Schreiben an Alarich verwies Cassiodor auf die Gefahr, die sich aus einem unvorbereiteten Krieg ergebe (Var. III 1). Obwohl nämlich der mächtige Attila durch die Kräfte der Westgoten gebeugt worden sei, sollten sich letztere, da sie erwiesenermaßen über längere Zeit keine Kriege geführt und deshalb keine Übung hätten, unter allen Umständen vor gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Franken vorsehen. Schrecklich sei für die Menschen ein Kampf, wenn er nicht beständig vorhanden sei, und wenn er nicht im Voraus geübt werde, habe man nicht das nötige Selbstvertrauen, da die Herzen wilder „Völker“ durch langen Frieden verweichlicht würden (Var. III 1, 1): Quamvis fortitudini vestrae confidentiam tribuat parentum vestrorum innumerabilis multitudo, quamvis Attilam potentem reminiscamini VVisigotharum viribus inclinatum, tamen quia populorum ferocium corda longa pace mollescunt, cavete subito in aleam mittere quos constat tantis temporibus exercitia non habere.
Er appellierte daran, dass es behutsame Mäßigung sei, die „Völker“ rette, Wut aber überstürze meist das, was bevorstehe. Aus diesem Grund sei es nützlich, erst dann zu den Waffen zu greifen, wenn die Gerechtigkeit beim Gegner keinen Raum mehr finden könne (Var. III 1, 2). Um sein Anliegen zu bekräftigen, stellte Cassiodor neben philosophischen Überlegungen dieser Art die Tapferkeit, das Selbstvertrauen und die Stärke als typische Eigenschaften der Westgoten heraus, bevor er versuchte, Alarich in sein Gewissen zu reden. Wie im oben analysierten Brief an Chlodwig (Var. II 41) versuchte er, seinem Gegenüber zunächst mit Komplimenten zu schmeicheln, ehe er das eigentliche Anliegen vorbrachte. Im weiteren Verlauf des Schreibens wurde Alarich dazu aufgefordert, zunächst die Gesandtschaft an Chlodwig abzuwarten und zu hof-
Federico (Hrsg.), The Ostrogoths from the Migration Period to the Sixth Century. An Ethnographic Perspective, Woodbridge 2007, S. 353 – 376; Claude, Dietrich, Gentile und territoriale Staatsideen im Westgotenreich, in: Frühmittelalterlicher Studien 6 (1972), S. 1– 38, hier: S. 6; Arnold, Jonathan A., The Battle of Vouillé and the Restauration of the Roman Empire, in: Mathisen, Ralph W./ Shanzer, Danuta (Hrsg.), The Battle of Vouillé, 507 CE. Where France began, Berlin 2012, S. 111– 136; Castellanos, Santiago, De foederati a regnum. Visigodos y Ostrogodos en los inicios de la construcción del regnum Gothorum en Hispania, in: Anejos de Gladius 13 (Limes XX. Estudios sobre la frontera romana, Bd. 1), Madrid 2009, S. 215 – 222; Delaplace, Christine, La Provence sous la domination ostrogothique (508 – 536), in: Anales du Midi 115 (2003), S. 508 – 514; Delaplace, Christine, La Provence dans la géostratégie des royaumes wisigoth et ostrogoth (418 – 536). Une occupation décisive pour la Gaule du Sud á l’époque mérovingienne, in: La Méditerranée et le monde mérovingienne. Témoins archéologiques (BAP Supplément 3) 2005, S. 45 – 51; Garcia Iglesias, Luis, Il intermedio ostrogodo en Hispania (507– 549 d.C.), in: Hispania Antiqua 5 (1975), S. 89 – 120; Schwarcz, Andreas, Relation between Ostrogoths and Visigoths in the Fifth and Sixth Century and the Question of the Visigothic Settlement in Aquitaine and Spain, in: Pohl,Walter/ Diesenberger, Maximilian (Hrsg.), Integration und Herrschaft. Ethnische Identitäten und soziale Organisation im Frühmittelalter, Wien 2002, S. 217– 226. Vgl. Becher, Chlodwig I., S. 320.
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fen, dass der Streit durch die Vermittlung von Freunden beigelegt werden könne. Theoderich wolle, wie es heißt, einen Streit verhindern, bei dem sich einer der beiden als Verlierer erweise, da seiner Ansicht nach keine zwingenden Gründe für einen Krieg vorlägen. Kein Blut sei vergossen worden und keine Provinz besetzt worden. Stattdessen handele es sich um einen kleinen Streit, den man leicht durch ein Abkommen beilegen könne, sofern die Gemüter nicht mit den Waffen gereizt würden (Var. II 41, 3): Quapropter sustinete, donec ad Francorum regem legatos nostros dirigere debeamus, ut litem vestram amicorum debeant amputare iudicia. inter duos enim nobis affinitate coniunctos non optamus aliquid tale fieri, unde unum minorem contingat forsitan inveniri. non vos parentum fusus sanguis inflammat, non graviter urit occupata provincia: adhuc de verbis parva contentio est: facillime transigitis, si non per arma vestros animos irritetis. obiciamus quamvis cognato cum nostris coniuratis eximias gentes iustitiamque, quae reges efficit fortiores: cito convertit animos, qui contra se tales sentit armatos.
Offenbar glaubte Cassiodor daran, dass Chlodwig seine Meinung ändern würde, wenn er sich mit den durch Verträge verbundenen gentes und der Gerechtigkeit konfrontiert sähe. Mit der Formulierung nostri coniurati armati brachte er zum Ausdruck, dass Alarich im Fall eines dennoch ausbrechenden Krieges mit der Kampfbereitschaft der Verbündeten rechnen könne. Verstärkt wird dies durch den Hinweis darauf, dass Chlodwig, der als „gemeinsames Übel“ beschrieben wurde, mit Theoderich als Gegner zu rechnen habe, sofern dieser Alarich als Feind gegenübertreten sollte (Var. II 41, 4): Commune malum vestrum iudicamus inimicum. nam ille me iure sustinebit adversum, qui vobis nititur esse contrarius. ⁵⁴ Obwohl sich Cassiodor der militärischen Überlegenheit Chlodwigs bewusst war, was an der Formulierung non graviter urit occupata provincia (Var. II 41, 3) zum Ausdruck kommt, setzte er auch im Brief an Gundobad darauf, den Krieg durch diplomatische Aktionen abzuwehren (Var. III 2). Im Schreiben an den Burgunder Gundobad drängte Cassiodor darauf, dass dieser weiterhin zu seinen Verpflichtungen aus dem bestehenden Bündnisvertrag stehen müsse.⁵⁵ Er hatte offensichtlich die Hoffnung, dass er Gundobad überzeugen könnte, sich an der Friedensmission zu beteiligen. Wohl aus diesem Grund wies er mehrfach auf die engen verwandtschaftlichen Beziehungen hin und betonte, dass bei einem Krieg zwischen Franken und Westgoten in jedem Fall einer ihrer Verwandten unterliegen werde. Da es ein schweres Übel sei, den Gegensätzen lieber Könige, aus den schmerzliche Ereignisse entstehen könnten, ohne einzuschreiten zuzusehen, sei es die Aufgabe Theoderichs und Gundobads, die jugendlichen Könige (iuvenes) unter Vorhaltung der Vernunft zu mäßigen (Var. III 2, 1):
Mit der Formulierung, dass es einige gebe, die sich verräterisch an einem fremden Krieg erfreuen könnten, war gewiss Ostrom gemeint (Var. II 41, 4): […] qui maligne gaudent alieno certamine.Vgl. Last, Außenpolitik, S. 249. Zur Geschichte der Burgunder und ihrer Beziehung zu den Ostgoten vgl. Perrin, Odet, Les Burgondes, Neuchâtel 1968; Gallé, Volker (Hrsg.), Die Burgunder. Ethnogenese und Assimilation eines Volkes, Worms 2008; Kaiser, Die Burgunder; Favrod, Histoire politique.
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Grave malum est inter caras regiasque personas voluntates sibimet videre contrarias et dissimulando spectare, ut de uno aliquid dolendum possit emergere. non sine invidia nostra geritur, si nobis patientibus affinium clade dimicetur. habetis omnes per me pignora magnae gratiae: non est unus ab alio segregatus: si quid in vobis delinquitis, meo graviter dolore peccatis.
Mit der Formulierung, dass alle zusammenstehen müssten, forderte Cassiodor Gundobads Solidarität ein. Als Ältere seien beide Könige verpflichtet, Chlodwig und Alarich zur Mäßigung anzuhalten (Var. III 2, 2): Nostrum est regios iuvenes obiecta ratione moderari, quia illi, si nobis vere sentiunt displicere quod male cupiunt, audaciam suae voluntatis retinere non possunt. Mit dieser Argumentation und dem Hinweis darauf, dass die beiden Streitenden ihre kühnen Bestrebungen nicht aufrechterhalten könnten, wenn sie bemerkten, dass ihr Verhalten Theoderich und Gundobad missfalle (Var. III 2, 2), versuchte er, den Burgunder in diese Friedensallianz einzubinden. Er hoffte, dass Alarich und Chlodwig trotz ihres blühenden Alters und ihrer aufbrausenden Art Respekt vor den Alten (senes) hätten.⁵⁶ Der Brief endet mit dem Appell, dass eine Verpflichtung bestünde, nach der friedlichen Beilegung des Konflikts zu streben. Niemand solle im Falle eines Krieges zwischen Alarich und Chlodwig glauben dürfen, dass sie nicht alles dafür getan hätten, diesen zu verhindern (Var. III 2, 2, 4): Quia nemo potest credere sine nostro voto illos ad haec proelia pervenisse, nisi omnino clareat, ne ad conflictum veniant, nostra potius esse certamina. Während in den Briefen an Alarich und Gundobad ein persönlich, ja vertraulicher Ton dominierte und stets auf die besonderen Beziehungen hingewiesen wurde, fehlen Argumente dieser Art im Versuch, eine Koalition mit den Herulern⁵⁷, Warnen⁵⁸ und Thüringern⁵⁹ zu schließen, vollends (Var. III 3).⁶⁰ Anders als im Schreiben an Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 332. Zur Geschichte der Heruler und ihrer Beziehung zu den Ostgoten vgl. Niezabitowska, Barbara, Die Heruler, in: Kokowski, Andrzej/ Leiber, Christian (Bearb.): Die Vandalen. Die Könige, die Eliten, die Krieger, die Handwerker, Nordstemmen 2003, S. 387– 398; Ellegard, Alvar, Who were the Eruli?, in: Scandia 53 (1987) S. 5 – 34; Steinacher, Roland, The Heruls. Fragments of a History, in: Curta, Florin (Hrsg.), Neglected Barbarians, Turnhout 2010, S. 319 – 360; Steinacher, Rom und die Barbaren, S. 72– 74; Gruber, Joachim, Art. Heruler, in: Lexikon des Mittelalters 4, München/ Zürich 1989, Sp. 2184– 2185; Schmidt, Ludwig, Die Heruler, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 51 (1927) S. 103 – 107; Wiemer, Theoderich der Große, S. 333; 368 f.; Steinacher, Rom und die Barbaren, S. 139 – 160. Zur Geschichte der Warnen und ihrer Beziehung zu den Ostgoten vgl. Schmidt, Ludwig, Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung, Bd. 2: Die Westgermanen, München 1938, hier: S. 22– 32; Springer, Matthias, Art. Warnen, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde 33, Berlin 2006, Sp. 274– 281; Wirth, Gerhard, Art. Warnen, in: Lexikon des Mittelalter 8, München/ Zürich 1997, Sp. 2052; Wiemer, Theoderich der Große, S. 333. Zur Geschichte der Thüringer und ihrer Beziehung zu den Ostgoten vgl. Kampers, Gerd, Die Thüringer und die Goten, in: Castritius, Helmut et. al. (Hrsg.), Die Frühzeit der Thüringer. Archäologie, Sprache, Geschichte, Berlin/ New York 2009, S. 265 – 278; Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme, S. 314– 344; Springer, Matthias, Art. Thüringer §2: Historisch, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde 21, Berlin 2005, Sp. 521– 530; Behm-Blancke, Gerd, Gesellschaft und Kunst der Germanen. Die Thüringer und ihre Welt, Dresden 1973; Grahn-Hoek, Heike, Stamm und Reich der
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Gundobad erscheinen Chlodwigs Bestrebungen nicht mehr als Auswuchs jugendlichen Leichtsinns, sondern als gewalttätiger Drang nach Expansion. Diese richte sich gegen alle und müsse, solange noch Zeit dazu vorhanden sei, versucht werden abzuwenden. Der Merowinger wurde infolgedessen als Unruhestifter herausgestellt, der ein angesehenes „Volk“ mit willentlichem Unrecht vernichten wolle und nicht beabsichtige, den Übrigen gegenüber die Gerechtigkeit zu wahren. Er glaube dabei, wie Cassiodor fortführt, dass alles von ihm weiche, wenn es ihm gelinge, in diesem Streit die Oberhand zu gewinnen (Var. III 3, 1): Superbiam divinitati semper exosam persequi debet generalitatis assensus. nam qui vult opinabilem gentem voluntaria iniquitate subvertere, non disponit ceteris iusta servare. pessima consuetudo est despicere veritatem. credit sibi omnia cedere, si elatum contigerit in abominabili certamine superare.
An die Tapferkeit und den hieraus erwachsenen Zorn appellierend, wurden die Könige aufgefordert, Gesandte an Chlodwig zu senden, damit dieser entweder mit Blick auf die Gerechtigkeit von einem Konflikt mit den Westgoten absehe und sich stattdessen an die „Gesetze der Völker“ halte oder andernfalls einen Überfall von allen erleide, wenn er das Urteil für verachtenswert halte. Wer beabsichtige, ohne Gesetze zu handeln, plane, die Königreiche aller zu zerschlagen. Aus diesem Grund sei es entscheidend, die verderbenbringende Anmaßung in ihren Anfängen zu unterdrücken (Var. III 3, 2): Et ideo vos […] legatos vestros una cum meis et fratris nostri Gundibadi regis ad Francorum regem Luduin destinate, ut aut se de VVisigotharum conflictu considerata aequitate suspendat et leges gentium quaerat aut omnium patiatur incursum, qui tantorum arbitrium iudicat esse temnendum. quid quaerit ultra, cui offertur absoluta iustitia? dicam plane quod sentio: qui sine lege vult agere, cunctorum disponit regna quassare.
Interessant ist die Formulierung „leges gentium quaeret“, wobei es sich um Völkerrecht nach römischem Vorbild handeln könnte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich Chlodwig aufgrund eines Schiedsspruchs dem unterordnen sollte, was von den angesprochenen gentes als gesetzmäßig beurteilt und anerkannt wurde. Sicher sah sich Theoderich aufgrund seiner Erfahrung dazu berechtigt, die Begründung für das Schiedsurteil vorzugeben.⁶¹ Sollte Chlodwig den Kampf gegen die Westgoten nämlich
frühen Thüringer nach den Schriftquellen, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 56 (2002), S. 7– 90; Wiemer, Theoderich der Große, S. 333. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den genannten Königen gab. Erst später wurde der König der Heruler als Waffensohn angenommen (Var. IV 2) und dem Thüringerkönig Herminafrid Theoderichs Nichte Amalaberga zur Frau gegeben (Var. IV 1). Es ist nicht auszuschließen, dass die Notwendigkeit, gemeinsam gegen Chlodwigs I. Expansionsbestrebungen vorzugehen, hierfür der Auslöser war. Vgl. Meyer-Flügel, Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft, S. 209; Last, Außenpolitik, S. 253.
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gewinnen, so war sich die ostgotische Kanzlei sicher, dass er sich im Anschluss vornehme, auch die anderen Königreiche anzugreifen (Var. III 3, 3): Nam si tanto regno aliquid praevaluerit, vos aggredi sine dubitatione praesumit. Während Cassiodor im Brief an Alarich vor allem mit der Freundschaft zwischen den West- und den Ostgoten argumentierte und hieraus die Absicht ableitete, den drohenden Krieg mit den Franken abwehren zu wollen, betonte er aus den gleichen Gründen im Brief an Chlodwig die verwandtschaftlichen Bindungen (Var. III 4). Nach seinen Vorstellungen sollten die heiligen göttlichen Rechte der Verschwägerung unter den Königen zu vertieften Bindungen führen, damit dadurch die erwünschte Ruhe unter den gentes entstehen könnte. Diese Bindungen seien etwas Heiliges und dürften durch nichts erschüttert werden, denn welchem Bürger solle man vertrauen können, wenn nicht dem durch verwandtschaftliche Zuneigung gebundenen? Dazu verwies Cassiodor darauf, dass sich die Herrscher deswegen in naher Verwandtschaft binden, so dass die gentes bereit seien, den Vorstellungen der Herrscher, in Eintracht zu leben, zu folgen (Var. III 4, 1): Ideo inter reges affinitatis iura divina coalescere voluerunt, ut per eorum placabilem animum proveniat quies optata populorum. hoc enim sacrum est, quod nulla permittitur commotione violari. nam quibus obsidibus habeatur fides, si non credatur affectibus? sociantur proximitate domini, ut nationes divisae simili debeant voluntate gloriari et quasi per alveos quosdam concordiae adunata se possint gentium vota coniungere?
Frei und mit verwandtschaftlicher Zuneigung wolle er deshalb sagen, was er denke. Zu Beginn steht die Verwunderung darüber, dass sich Chlodwigs Gemüt durch mittelmäßige Gründe derart hatte erregen lassen, dass er einen Konflikt mit seinem „Sohn“ auf sich nehmen wolle (Var. III 4, 2). In einer sehr freien Formulierung machte Cassiodor Alarich als Schwiegersohn Theoderichs zu Chlodwigs Bruder (Var. III 4, 4) und betonte, dass man das, was man sich von Verwandten beschaffen wolle, nur mithilfe von auserwählten Richtern erlangen könne: A parentibus quod quaeritur, electis iudicibus expetatur (Var. III 4, 3). Das Recht, nicht die Gewalt solle die Grundlage der Entscheidung sein. Dabei zeuge es von einer ungeduldigen Gesinnung, gleich nach der ersten Gesandtschaft zu den Waffen greifen zu wollen (Var. III 4, 3). Komme es dennoch zu einem Kampf, so könne es nur Verlierer geben. Daher appellierte Cassiodor an die Tapferkeit, die sich dem eigenen Land nicht als Unglück herausstellen solle, weil großer Hass der Könige bei leichten Angelegenheiten zu schwerem Verderben führe (Var. III 4, 2): Quae cum ita sint, miramur animos vestros sic causis mediocribus excitatos, ut cum filio nostro rege Alarico durissimum velitis subire conflictum, ut multi, qui vos metuunt, de vestra concertatione laetentur. ambo estis summarum gentium reges, ambo aetate florentes. non leviter regna vestra quassatis, si data partibus libertate confligitis. virtus vestra patriae non fiat inopinata calamitas, quia grandis invidia est regum in causis levibus gravis ruina populorum.
Gegen Ende des Briefes warnte Cassiodor Chlodwig davor, dass derjenige Theoderich und seine Freunde zum Feind haben werde, der diese Mahnungen für verachtenswert
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halte (Var. III 4, 4): Ille nos et amicos nostros patietur adversos, qui talia monita […] crediderit esse temnenda. Damit machte er dem Frankenkönig unmissverständlich klar, dass er im Falle eines Krieges mit den gesamten west- und ostgotischen Streitkräften und deren Verbündeten zu rechnen hatte. Mündliche Aufträge an die Gesandten sollten dies unterstreichen und dazu führen, dass nicht „Völker“, die unter ihren Vätern in langer Friedenszeit geblüht hätten, in einer plötzlichen Erschütterung verheert würden. Chlodwig solle stattdessen Theoderich vertrauen, da er wissen müsse, dass dieser ihm in seinem Wohl gewogen sei, denn derjenige, der auf treue Weise mahne, versuche nicht, den anderen in brenzlige Situationen zu treiben (Var. III 4, 5). In diesen Briefen stilisierte Cassiodor Theoderich zu einer zentralen Figur in einem Netz politischer Beziehungen, das alle bedeutenden Könige in Westeuropa umspannte. Chlodwig, Alarich und Gundobad sowie die Könige der Heruler, Warnen und Thüringer sind, wie sich im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch deutlich zeigen wird, Theoderich auf verschiedene Weise verbunden. Während die Könige der Heruler, Warnen und Thüringer wie der burgundische König Verträge mit den Ostgoten geschlossen hatten, berief sich Cassiodor in den Schreiben an Alarich und Chlodwig auf Rechte und Pflichten, die aus Verwandtschaft resultierten. Diese Familienbande wurde im Sinne einer politischen Hierarchie interpretiert, wenn Theoderich, der in Wahrheit gar nicht viel älter war als Alarich oder Chlodwig, als liebender Vater stilisiert wurde, der seine Söhne ermahnen darf und muss, um sie vor Fehlern zu bewahren.⁶² Um den Krieg zwischen Westgoten und Franken zu verhindern, argumentierte Cassiodor in den Briefen an Alarich und Chlodwig vor allem mit den wechselseitigen verwandtschaftlichen Beziehungen, die seiner Ansicht nach kriegerischen Auseinandersetzungen diametral gegenüberstehen würden. Dazu hoffte er auf einen Schiedsspruch der amici, den er sowohl im Schreiben an Gundobad als auch im Schreiben an Alarich und Chlodwig forderte (Var. III 2, 3; III 4, 4; III 4, 3).Wer die amici waren, deren Urteil den Streit beenden sollte, wird nicht gesagt. Im gleichen Zusammenhang erwähnte Cassiodor coniurati, also durch Eid miteinander verbundene „Stämme“, die einen Krieg zwischen Franken und Westgoten verhindern sollten (Var. III 1, 3): Obiciamus quamvis cognato cum nostris coniuratas eximias gentes […] und im Brief an Gundobad: […] cum coniuratis nobis gentibus […] (Var. III 2, 3). Die coniurati sind wohl mit den amici gleichzusetzen und auf die Vorstellung zurückzuführen, dass Freundschaft (amicitia) durch wechselseitige Eidesleistung geschaffen werden konnte.⁶³ Erstmals in der Zeit der sogenannten „Völkerwanderung“ begegnet uns in
Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 334. Vgl. Claude, Theoderich d. Gr., S. 34 f.; Fritze, Die fränkische Schwurfreundschaft der Merowingerzeit, S. 115; Wielers, Zwischenstaatliche Beziehungsformen, S. 147; Wiemer, Theoderich der Große, S. 335. Ausführlich zur amicitia vgl. die Habilitationsschrift von Verena Epp: Epp, Verena, Amicitia. Zur Geschichte personaler, sozialer, politischer und geistlicher Beziehungen im frühen Mittelalter, Stuttgart 1999.
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Cassiodors Denken die Vorstellung eines internationalen oder vielmehr intergentilen Schiedsgerichts zur friedlichen Konfliktlösung.⁶⁴ Der inhaltliche Aufbau der Briefe ähnelt dem oben betrachteten Schreiben an Chlodwig, was die Annahme bestätigt, dass es sich hierbei um ein wiederkehrendes Charakteristikum in der diplomatischen Korrespondenz handelte. Sowohl die betrachteten Briefe an den oströmischen Kaiserhof als auch die Briefe an die Könige benachbarter regna verdeutlichen, dass zur Wahrung und Aufrechterhaltung des inneren Friedens im Reich eine auf Ausgleich und Verständigung gerichtete Außenpolitik angestrebt wurde. In erster Linie ging es darum, kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden, die unweigerlich zu Unruhen, Zerstörung, enormen wirtschaftlichen Einbußen und Opfern unter gotischen Soldaten und romanischer Zivilbevölkerung führen konnten. Durch die Dokumentation des Versuchs in den Variae, den drohenden Krieg zwischen Chlodwig und Alarich abzuwenden, ließ Cassiodor Theoderich als Schöpfer und Hüter einer Friedensordnung unter gentilen Königen erscheinen. Wie Hans-Ulrich Wiemer schlussfolgert, ging es Cassiodor darum, Theoderich als einen Herrscher zu zeichnen, der zwar sehr mächtig war, aber nicht nach Expansion strebte, sondern versuchte, den Frieden unter den Königen zu erhalten.⁶⁵ Große Hoffnungen setzte Cassiodor dabei auf den Aufbau bereits am Rande erwähnter verwandtschaftlicher Beziehungen in Form von Vermählungen und Adoptionen. Zudem ermöglichten Gesandte dauerhafte Kommunikation beziehungsweise Absprachen zwischen verschiedenen Akteuren. Vermählungen, Adoptionen und Gesandtschaften wurden so in den Augen des Ministers zu den Instrumentarien des Friedens.
5.1.2 Vermählungen, Adoptionen und Gesandtschaften als Instrumentarien des Friedens Um den inneren Frieden im Reich zu konsolidieren und nicht durch kriegerische Auseinandersetzungen mit benachbarten regna oder dem Kaiser zu gefährden, maß Cassiodor verwandtschaftlichen Beziehungen in Form von Vermählungen und Adoptionen eine hohe Bedeutung bei.⁶⁶ Die Verwandtschaft unter den Königen solle, wie er im oben betrachteten Schreiben an Chlodwig I. hervorhob, nach Gottes Willen so
Vgl. Claude, Theoderich d. Gr., S. 34. Diese Bande zerbrachen letztlich an der Expansionspolitik Chlodwigs I., der seine Militäraktion zuvor diplomatisch abgesichert hatte, da Gundobad auf die fränkische Seite überwechselte. Vgl. Zöllner, Geschichte der Franken, S. 65; Ewig, Merowinger, S. 25. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 336. Sowohl in Cassiodors Variae als auch vergleichbaren Quellen wird lediglich der Vollzug der Bündnisse, aber nichts über Vorgespräche, Form und Inhalt der Verträge mitgeteilt. Es liegt nahe, dass bei der Anbahnung von Verträgen bezüglich der Ehevermittlung auf Gesandte vertraut wurde. Vgl. Last, Außenpolitik, S. 143.
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sehr zusammenwachsen, dass die „Völker“ mit Hilfe ihres persönlichen Sinns zu der erstrebenswerten friedlichen Ruhe gelangen könnten (Var. III 4). Diese heiligen Bande dürften durch keinen Unfrieden verletzt werden, da sich die Herrscher durch Verschwägerungen zusammenschließen würden, damit sich die territorial getrennten „Völker“ eines ähnlichen Strebens rühmen könnten. Auf diese Weise sollten sich die Wünsche aller vereinen, zusammenfließen und sich verbinden (Var. III 4, 1): Ideo inter reges affinitatis iura divina coalescere voluerunt, ut per eorum placabilem animum proveniat quies optata populorum. hoc enim sacrum est, quod nulla permittitur commotione violari. nam quibus obsidibus habeatur fides, si non credatur affectibus? sociantur proximitate domini, ut nationes divisae simili debeant voluntate gloriari et quasi per alveos quosdam concordiae adunata se possint gentium vota coniungere?
Während Prokop von Vermählungen mit den Westgoten⁶⁷ berichtete und der Anonymus Valesianus Verschwägerungen mit Burgundern⁶⁸ und Franken⁶⁹ überlieferte, legte Cassiodor den Schwerpunkt der Variae auf den Aufbau verwandtschaftlicher Beziehungen zu den Thüringern (Var. IV 1), den Vandalen (Var.V 43) und den Herulern (Var. IV 2). Nur am Rande tauchen die mit den Burgundern geknüpften verwandt-
König Alarich II. erhielt Theoderichs Tochter aus erster Ehe, Theodegotha, zur Frau.Vgl. Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 8; Claude, Theoderich d. Gr., S. 31 f.; Last, Außenpolitik, S. 152 f.; Wiemer, Theoderich der Große, S. 338. Prokop unterstrich wie Cassiodor das Ziel, dass Verschwägerungen dieser Art politische Gründe verfolgten. Nach seiner Darstellung sei es offenkundig, dass auf diese Weise ein Schutzbündnis gegen die immer ambitionierter werdende Außenpolitik der Franken gebildet wurde. Vgl. Prokop, BG 1,12,21 f. Offenbar blieb die beabsichtigte Wirkung nicht aus, da sich die Franken aus Furcht vor diesem Bündnis nicht getraut hätten, aktiv gegen die Goten vorzugehen. Vgl. Prokop, BG, 1,12,23. Auch der Anonymus Valesianus berichtete von der Vermählung. Vgl. Exc. Val. 63. Theoderich verheiratete Ostrogotha, seine Tochter aus erster Ehe, mit König Sigismund. Vgl. Exc. Val. 63. Diese Verschwägerung ist auch von Jordanes bezeugt. Vgl. Jordanes Getica 297 sowie Last, Außenpolitik, S. 153 f.; Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 112; Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 8; Pohl, Völkerwanderung, S. 145; Wiemer, Theoderich der Große, S. 563. Kurz nach Odoakers Tod heiratete Theoderich Chlodwigs I. Schwester Audefleda: Postea vero accepta uxore a Francis nomine Audofleda. Exc. Val. 63. Vgl. Bednarikova, Jarmila, Audofleda, Theoderich der Große und Chlodwig, in: Sborník prací Filozofické fakulty brnenské univerzity 1 (1996), S. 87– 103; Stauffenberg, Alexander Graf Schenk von, Theoderich der Große und Chlodwig, in: Rohden, Peter Richard (Hrsg.), Gestalter deutscher Vergangenheit, Potsdam/ Berlin 1937, S. 39 – 53; Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 8; Claude, Theoderich d. Gr., S. 32 f.; Becher, Chlodwig I., S. 164– 167; Last, Außenpolitik, S. 149; Wiemer, Theoderich der Große, S. 338. Ausführlich berichteten auch Jordanes und Gregor von Tours von der Eheschließung zwischen Theoderich und Audefleda. Vgl. Jordanes, Getica 295 f.; Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichte, III 31: Theodericus Italiae Chlodovechi regis sororem in matrimonio habuit. Die Beziehung zu Chlodwig I. war für Theoderich von entscheidender Wichtigkeit, da der Franke durch seine Siege über den römischen Feldherren Syagrius im Jahr 486 und die Thüringer im Jahr 491 seine Macht im Norden Galliens immer weiter ausgedehnt hatte. Hinzu kam, dass Franken und Burgunder verfeindet waren, so dass ein burgundischer Angriff auf Italien vorerst ausgeschlossen schien.
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schaftlichen Bande auf (Var. I 46).⁷⁰ Seine ausführlichen Beschreibungen der zu den westlichen regna geknüpften verwandtschaftlichen Beziehungen lassen den Eindruck entstehen, dass an die Stelle kriegerischer und grausamer Auseinandersetzungen des vergangenen Jahrhunderts friedliche, auf Ausgleich gerichtete familiäre Bande getreten waren. Dieser Eindruck lag durchaus in der Intention seiner Propaganda. In Wirklichkeit ließ sich auf diese Weise jedoch nur vorübergehend Stabilität erreichen, denn keine dieser Verbindungen verhinderte ernsthafte Spannungen. Dem Thüringerkönig Herminafrid wurde Theoderichs Nichte Amalaberga, die Tochter seiner Schwester Amalafrida, zur Frau gegeben (Var. IV 1). Nach germanischem Brauch erhielt Theoderich Geschenke, wie beispielsweise silberfarbene Pferde (equi argenteo colore), deren Leib und Gangart von Cassiodor ausführlich beschrieben und gepriesen wurden (Var. IV 1, 3).⁷¹ Zu Beginn dieses an Herminafrid gerichteten Schreibens verwies Cassiodor darauf, dass die Berühmtheit des Thüringerkönigs durch die Heirat mit einer Amalerin weiteren Glanz bekäme und sich sein königlicher Rang dadurch erhöhe (Var. IV 1, 1): Desiderantes vos nostris aggregare parentibus neptis caro pignori propitia divinitate sociamus, ut qui de regia stirpe descenditis, nunc etiam longius claritate Hamali sanguinis fulgeatis.
Seine zukünftige Königin sei nicht nur eine treue Ratgeberin, sondern sie werde auch die Thüringer auf eine höhere Kulturstufe heben (Var. IV 1, 1): Mittimus ad vos ornatum aulicae domus, augmenta generis, solacia fidelis consilii, dulcedinem suavissimam coniugalem: quae et dominatum vobiscum iure compleat et nationem vestram meliore institutione componat.
Erst am Ende des Briefes deutet sich das eigentliche Ziel dieser Verbindung an, wenn Cassiodor hoffte, dass sich auch die aus dieser Ehe hervorgehenden Nachkommen der verwandtschaftlichen Gunst verpflichten fühlen (Var. IV 1, 4): Assint vestro divina coniugio, ut sicut nos causa iunxit affectionis, ita et posteros nostros obliget gratia parentalis. ⁷²
In einem an Gundobad gerichteten Brief bezog sich Cassiodor auf die bestehenden verwandtschaftlichen Bindungen zwischen Ostgoten und Burgundern (Var. I 46, 2): […] vestra gratia […] quae nobis etiam affinitate coniungitur. Das burgundisch-ostgotische Verhältnis zerbrach im Jahre 522 nach dem Tode der Ostrogotha. König Sigismund ließ seinen Sohn Sigerich töten. Es folgten Kämpfe, die mit ostgotischen Landgewinnen endeten. Vgl. Wolfram, Goten, S. 312; Claude, Theoderich d. Gr., S. 36. Auch Prokop und der Anonymus Valesianus berichten von der Vermählung. Vgl. Exc. Val. 70; Prokop, BG 1,12,21. Diese Verbindungen dauerten wahrscheinlich bis zur Vernichtung des Thüringerreiches durch die Franken an, da Amalaberga nach dem Tode des Thüringerkönigs Herminafrids im Jahre 534 mit ihren Kindern zu Theodahad nach Ravenna fliehen konnte.Vgl. Prokop, BG 1,13,71 sowie Bierbrauer,Volker, Zur ostgotischen Geschichte in Italien, in: Studie Medievali 14 (1973), S. 7– 37, hier: S. 30.
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Deutlicher wird dieses Anliegen im Zusammenhang mit den Vandalen⁷³, deren König Thrasamund Theoderichs verwitwete Schwester Amalafrida heiratete (Var. V 43).⁷⁴ Als Mitgift erhielt sie Lilybaeum, womit den Vandalen eine Flottenbasis auf Sizilien eingeräumt wurde.⁷⁵ Offenbar im Glauben zum maritimen Schutz Italiens auf die vandalische Flotte zurückgreifen zu können⁷⁶, erwiesen sich diese Hoffnungen als Fehlschlag, da die Ostgoten keine Unterstützung von den Vandalen erhielten und diese den westgotischen Thronprätendenten Gesalech sogar mit Mitteln zum Widerstand gegen Theoderich ausstatteten.⁷⁷ Für Theoderich war die Unterstützung, die Thrasamund Gesalech gewährt hatte, ein klarer Verstoß gegen den Vertrag, der den Frieden zwischen den Vandalen und Ostgoten begründen sollte. Aus dieser Situation heraus ist der Brief verfasst. Interessanter als die politische Klärung dieses Zwistes ist die Betonung der besonders engen Bindungen beider Herrscher, die nach Ansicht Cassiodors auf der Ehe mit Theoderichs Schwester beruhten (Var. V 43, 1): Quamvis a diversis regibus expetiti pro solidanda concordia aut neptes dedimus aut filias deo nobis inspirante coniunximus, nulli tamen aestimamus nos aliquid simile contulisse, quam quod germanam nostram, generis Hamali singulare praeconium, vestrum fecimus esse coniugium: feminam
Zur Geschichte der Vandalen und ihrer Beziehung zu den Ostgoten vgl. Helbling, Hanno, Goten und Vandalen. Wandlung der historischen Realität, Zürich 1954; Courtois, Christian, Les Vandales et l’Afrique, Paris 1955; Schmidt, Ludwig, Geschichte der Vandalen, München 1970; Diesner, Das Vandalenreich; Steinacher, Roland, Die Vandalen. Aufstieg und Fall eines Barbarenreichs, Stuttgart 2016; Vössing, Konrad, Das Königreich der Vandalen. Geiserichs Herrschaft und das Imperium Romanum, Darmstadt 2014; Vössing, Konrad, Vandalen und Goten. Die schwierigen Beziehungen ihrer Königreiche, in: Wolff, Étienne (Hrsg.), Littérature, politique et religion en Afrique vandale, Paris 2015, S. 11– 38; Berndt, Guido M./ Steinacher, Roland (Hrsg.), Das Reich der Vandalen und seine (Vor‐)Geschichten, Wien 2008; Castritius, Die Vandalen; Merrills, Andrew H. (Hrsg.), Vandals, Romans and Berbers. New Perspectives on late antique North Africa, Aldershot 2004; Clover, Frank M., The Late Roman West and the Vandals, Aldershot 1993. Auch Prokop und der Anonymus Valesianus berichten von der Vermählung.Vgl. Prokop, BV 1,8,11 f. sowie Exc. Val. 68. Vgl. hierzu auch Schmidt, Geschichte der Vandalen, S. 117– 120; Courtois, Les Vandales et l’Afrique, S. 267– 269; Diesner, Hans-Joachim, Die Auswirkungen der Religionspolitik Thrasamunds und Hilderichs auf Ostgoten und Byzantiner, Berlin-Ost 1967, hier: S. 18 – 23; Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 10 f.; Pohl,Völkerwanderung, S. 145; Wiemer, Theoderich der Große, S. 339 f. Als Theoderich seine Schwester Amalafrida im Jahre 500 dem Vandalenkönig Thrasamund zur Frau gab, folgten ihr, wie Prokop beschreibt, 1000 Edle (dokimoi) und 5.000 kampffähige Männer (andres machimoi) als Dienstleute nach Karthago. Vgl. Prokop, BV 1,8,12. Zur Bedeutung Siziliens vgl. Goltz, Andreas, Sizilien und die Germanen in der Spätantike, in: Kokalos 43/44 (1997/1998), S. 209 – 242; Kislinger, Ewald, Zwischen Vandalen, Goten und Byzantinern. Sizilien im 5. und frühen 6. Jahrhundert, in: Byzantina et Slavica Cracoviensia 2 (1994), S. 31– 51; Saitta, Biagio, La Sicilia tra incursioni vandaliche e dominazione ostrogotica, in: Quaderni Catanesi di studi classici e medievali 19 (1989), S. 363 – 417; Wolfram, Goten, S. 307. Vgl. Claude, Theoderich d. Gr., S. 30; Rubin, Theoderich und Iustinian, S. 22. Im Jahr 511 und 513 kam es zum Krieg gegen Gesalech. Das Kommando führte erneut comes Ibba, der bereits den Krieg gegen die Gepiden im Jahr 504 anführte (Var. VIII 10, 6). Zu den Ereignissen vgl. Var. V 35; V 39; Prokop, BG, 1,12,43 – 54; Jordanes, Getica 302 sowie Claude, Universale und partikulare Züge, S. 27 f.
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prudentiae vestrae parem, quae non tantum reverenda regno, quantum mirabilis possit esse consilio.
Aus diesen Vorzügen leitete Cassiodor ein besonderes Entgegenkommen ab. Der Vandalenkönig solle seine Vorgehensweise genauestens abwägen und überdenken, um hieraus resultierende Feindseligkeiten zu vermeiden. Schwer nämlich schmerze ein Unrecht, das unerwartet geschehe und von der Seite käme, von der man Hilfe erwarte, denn letztlich sei es kein Geringes, wenn kluge Männer gegen die Friedensvereinbarungen verstoßen würden (Var. V 43, 4). In der politischen Praxis waren die mit den Vandalen geknüpften Bande allerdings nicht stark genug, um den Frieden aufrechtzuerhalten.⁷⁸ Als Thrasamund starb, ließ dessen Nachfolger Hilderich Amalafrida und ihr Gefolge unter dem Vorwand töten, sie hätten den Umsturz gegen ihn geplant.⁷⁹ Der Tod der Amalerin wurde in einem Schreiben bestätigt, das Cassiodor nach Theoderichs Tod im Auftrag von Athalarich an Hilderich richtete (Var. IX 1). Danach schien allgemein bekannt, dass dieser der Königin einen gewaltsamen Tod bereitet hatte (Var. IX 1, 1): […] quis enim nesciat […] Amalafridam […] violentum apud vos reperisse lucis occasum […] passi non estis vivere nec privatam. Athalarich beschuldigte ihn daher des Verwandtenmordes (Var. IX 1, 1). Da sich die Vermählungen erwiesenermaßen nur bedingt zur Konfliktprävention eigneten⁸⁰, führte Cassiodor die adoptio per arma (Adoption zum Waffensohn) als weitere Möglichkeit an, verwandtschaftliche Bande zu knüpfen.⁸¹ Die Adoption des Herulerkönigs Rodulf wurde von Cassiodor als große Ehre herausgestellt, da nur die Tapfersten ihrer würdig seien und diese einzig auf Verdiensten beruhe (Var. IV 2). Auf eine solche Weise zum Sohn zu werden, sei bei den „Völkern“ unzweifelhaft höchst rühmlich, denn niemand sei der Adoption würdig, wenn er es nicht verdient habe und
Thrasamund versagte seinem Schwager bereits 507/508 seine Hilfe, als kaiserliche Schiffe die Küsten Italiens angriffen.Vgl. Pfeilschifter, Theoderich der Große, S. 57; Last, Außenpolitik, S. 186 f.; Wiemer, Theoderich der Große, S. 359 – 361. Hinzu kommt die erwähnte Unterstützung des von Theoderich vertriebenen Westgotenkönigs Gesalech. Daraufhin warf Cassiodor dem Vandalen unehrenhaftes Verhalten vor und warnte ihn vor einem Bruch der pax (Var. V 43). Thrasamund lenkte ein. Zwar akzeptierte Theoderich die Entschuldigung, verweigerte jedoch die Annahme der Geschenke (Var. V 44). Vgl. Prokop, Bell. Vandal. 1,9,4. Theoderich beschloss den Bau einer Flotte, um die Vandalen zu bekriegen. Der Tod des Amalers verhinderte allerdings den Feldzug. Vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 171 f.; Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 8 – 12; Claude, Theoderich d. Gr., S. 30 – 39; Die Rede war von 1000 Schnellseglern. Selbst wenn es sich um keine reinen Kriegsschiffe handelte, glaubte Theoderich, gegenüber Vandalen und Oströmern gewappnet zu sein, denn nun habe der Grieche ihm nichts mehr voraus, noch habe der Afrikaner einen Grund, ihn zu verhöhnen (Var.V 17, 3): non habet quod nobis Graecus imputet aut Afer insultet. Vgl. hierzu auch Wiemer, Theoderich der Große, S. 345 f. Dietrich Claude definiert die adoptio per arma als „eine Verbindung der bei Germanen seit alters her gebräuchlichen ehrenden Waffengaben mit Elementen des römischen Adoptivgedankens.“ Es handelte sich hierbei folglich um ein probates Mittel, verwandtschaftliche Beziehungen mit den Königen benachbarter regna aufzubauen. Vgl. Claude, Zur Begründung familiärer Beziehungen, S. 39.
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weder Tapferkeit noch andere Verdienste vorweisen könne. Die Kraft dieser Handlung gelte als so groß, dass ein Waffensohn lieber sterbe, als dass er seinem Adoptivvater etwas Schlechtes zustoßen sehe (Var. IV 2, 1): Per arma fieri posse filium grande inter gentes constat esse praeconium, quia non est dignus adoptari, nisi qui fortissimus meretur agnosci. in subole frequenter fallimur: ignavi autem esse nesciunt, quos iudicia pepererunt. hi enim gratiam non de natura, sed de solis meritis habent, quando vinculo animi obligantur extranei, et tanta in hoc actu vis est, ut prius se velint mori quam aliquid asperum patribus videatur infligi.
Da der Heruler diese Eigenschaften vorweisen könne und ferner ein erfahrener Krieger sei, wurde er nach der Sitte der „Völker“ und dem Mannesbrauch zum Sohn gemacht. Wichtiger als die Pferde, Schwerter und Schilde, die Theoderich als Geschenke übermittelte, war die Hochschätzung und Anerkennung, die man ihm durch die Adoption zuteil werden ließ (Var. IV 2, 2). Als Gegenleistung hierfür und für das Versprechen, die Heruler militärisch zu unterstützen, wurde die treue Ergebenheit des neuen Waffensohns erwartet. Um dieser Erwartung zu unterstreichen, verwies Cassiodor auf frühere Hilfeleistungen seitens der Goten, denn wie Theoderich ihm Waffen geschenkt habe, so hätten die beiden Völker einander schon früher Beweise ihrer Tapferkeit gegeben (Var. IV 2, 3): Sume itaque arma mihi tibique profutura. ille a te devotionem petit, qui te magis defensare disponit: proba tuum animum et opus non habebis obsequium. adoptat te talis, de cuius gente tu potius formideris. nota sunt enim Erulis Gothorum deo iuvante solacia. nos arma tibi dedimus: gentes autem sibi olim virtutum pignora praestiterunt.
Somit schuf die Waffensohnschaft eine wechselseitige Verpflichtung, wobei sich der Sohn im Rang seinem Vater unterordnete. Im Kern handelte es sich letztlich um eine besonders verpflichtende Form eines Treue- und Schutzbündnisses, das Elemente des römischen Adoptivgedanken aufgriff.⁸² Um den Rangunterschied hervorzuheben, wies Cassiodor Rodulf darauf hin, dass es eine große Ehre sei, wenn kein Geringerer als Theoderich ihn einer Adoption für würdig erachtete: Summus enim inter gentes esse crederis, qui Thederici sententia comprobaris (Var. IV 2, 3). Trotz einer derartigen Bekundung griff Theoderich nicht ein, als die Heruler von den Langobarden angegriffen und vernichtend geschlagen wurden.⁸³ Die Berücksichtigung dieser Schreiben deutet in Zusammenspiel mit der Betonung verwandtschaftlicher Beziehungen darauf hin, dass Cassiodor der Befriedung der Randregionen an den Grenzen Italiens eine große Bedeutung beimaß.⁸⁴ Eine nicht
Vgl. Claude, Theoderich d. Gr., S. 38; Claude, Zur Begründung familiärer Beziehungen, S. 63. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 173. Auch Chlodwig I. ließ sich durch seinen gotischen Schwager nicht darin beirren, beinahe das gesamte, ehemals westgotische Gallien zu erobern. Theoderichs Schwiegersohn Sigismund wurde indes König. Trotz der burgundischen Gebietsverluste blieben die Verhältnisse bis 522 friedlich, bis
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zu vernachlässigende Rolle spielten hier die Gesandten. An mehreren Stellen betonte Cassiodor, dass man die Aufgabe der Nachrichtenübermittlung nur besonders verlässlichen Männern übertragen könnte, die klug und wortgewandt wären. Als besonders aufschlussreich erweisen sich dabei Anordnungen und Edikte, die sich mit dem Aufenthalt von auswärtigen Gesandten auf italischem Boden befassen. Für die Durchführung diplomatischer Missionen bedurfte es den Dienst weiser Männer, die dazu fähig waren, die ihnen aufgetragenen Befehle auszuführen. Cassiodor wies in der Berufung des Patriziers Agapitus zum Gesandten für einen nicht näher erwähnten Auftrag in das Oströmische Reich darauf hin, dass jede Gesandtschaft nur von einem erfahrenen Mann durchgeführt werden konnte, auf den man sich verlassen konnte (Var. II 6, 1). Hintergrund dessen war, dass man dieser Person den Nutzen der Provinzen sowie die Lage des gesamten Reiches anvertraue. Aus diesem Grund sei die Auswahl der Klügsten notwendig, damit diese in einer Versammlung von Gelehrten so verhandeln und disputieren könnten, dass die von ihnen übernommene Mission nicht zu Fall gebracht werden könnte (Var. II 6, 2): Sed licet omnis legatio virum sapientem requirat, cui provinciarum utilitas totiusque regni status committitur vindicandus, nunc tamen necesse est prudentissimum eligere, qui possit contra subtilissimos disputare et in conventu doctorum sic agere, ne susceptam causam tot erudita possint ingenia superare. magna ars est contra artifices loqui et apud illos aliquid agere, qui se putant omnia praevidere. lactare igitur tanto iudicio, quando ante suscipis electionis donum, quam tuum probare potuisses ingenium.
Auch Cyprians Verdienst, der ebenfalls eine Gesandtschaft in den Osten übernahm, wurde von Cassiodor lobend erwähnt (Var. V 40). Jener sei, wie es heißt, zu Männern von höchster Erfahrung geschickt worden, was ihn weder beunruhigt noch verwirrt habe. Dies führte Cassiodor darauf zurück, dass er in drei Sprachen (Latein, Griechisch und Gotisch) ausgebildet war und man ihm deshalb nichts Neues habe zeigen oder ihn gar in seiner Weisheit habe übertreffen können (Var. V 40, 5). Für den Aufenthalt der Gesandten auf italischem Boden war der magister dignitatum zuständig (Var. VI 6). In seinem Bestallungsformular hieß es, dass er die Gesandten auswärtiger „Völker“, die er in einer trüben Stimmung in Empfang genommen habe, mit so viel Liebenswürdigkeit (humanitas) behandeln solle, dass diese nur ungern in ihre Heimat zurückkehren wollten (Var. VI 6, 4): Per eum exteris gentibus ad laudem rei publicae nostrae ordinatur humanitas et nolentes redeunt, quos maerentes exceperit. per eum quippe nobis legatorum quamvis festinantium praenuntiatur adventus: per eum nominis nostri destinatur evectio et isti principaliter creditur, quod tam necessarium esse sentitur.
Sigismund seinen Sohn und Theoderichs Enkel Sigerich ermorden ließ, um auf diese Weise wohl den gotischen Einfluss zu beenden. Dies löste im Gegenteil jedoch folgenschwere Angriffe der Ostgoten und Franken aus. Vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 171 f.; Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 8 – 12; Claude, Theoderich d. Gr., S. 30 – 39; Pohl, Völkerwanderung, S. 145 f.
5.1 Bündnisverträge und Diplomatie als Mittel der Friedenspolitik
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Hierzu gehörte in erster Linie eine angemessene Betreuung während ihres Aufenthaltes im Reich, denn wer könne, wie Cassiodor ausführte, daran zweifeln, dass es nicht dem öffentlichen Nutzen diene, wenn Boten, die der König beschenke, auf ihrer Reise kein Unheil erleiden. In einer eigens verfassten formula wurden die Behörden daher aufgefordert, die Verpflegung der Gesandten sicherzustellen (Var. VII 33). Die Delegierten dürften, wie es heißt, das Land nicht verlassen, ohne Leistungen empfangen zu haben, außer sie würden eilen, dann sei ihnen die Schnelligkeit bei ihrer Heimkehr wichtiger als sämtliche Geschenke (Var. VII 33, 1). Als Beispiel dafür, wie sehr Cassiodor auf die Versorgung von Reisenden bedacht war, lässt sich ein Schreiben an die comites, defensores und curiales von Pavia anführen (Var. IV 45). In diesem Brief wurden Letztere aufgefordert, den Herulern, die im Auftrag Theoderichs reisten, ein Schiff für die Fahrt nach Ravenna bereitzustellen und die für die Reise notwendigen Lebensmittel zu beschaffen. In der Begründung hieß es, dass es den Herulern an nichts fehlen dürfe, da sie in Theoderichs Heimat nicht die Not ihres eigenen Gebietes erleiden sollten. Aus der im Ostgotenreich vorgefundenen Fülle könnten sie erkennen, dass sie ihre hungrige Provinz verlassen hätten (Var. IV 45, 1): Ad comitatum supplices Erulos auctore deo nostris venire iussimus constitutis, quibus navis est praebenda subvectio, ne in patria nostra adhuc provinciae suae laborare videantur inopia. itaque praesenti iussione commoniti et navis eis usum usque ad Ravennatem urbem et annonas dierum quinque sine aliqua dilatione praeparate nec aliquid eis necessarium deesse faciatis, quatenus provinciam se deseruisse ieiunam de copiae inventione cognoscant sitque illis uberior peregrina terra quam patria.
Ein in diesem Rahmen gern gewähltes Mittel der Repräsentation waren Gastmähler, da eine besonders reichhaltige königliche Tafel als Zierde für das ganze Land galt. Cassiodor zufolge bewerte man den Besitz des Königs nach den Besonderheiten seiner Tafel (Var. XII 4). Aus diesem Grund sei es wichtig, Dinge zu bieten, die beim Anblick Bewunderung auslösen würden (Var. XII 4, 1). In der formula für den comes patrimonii, der für die königliche Tafel verantwortlich war⁸⁵, heißt es deshalb, dass dieser nicht nur im Palast, sondern auch bei den anderen gentes berühmt werde, da ihre aus dem ganzen Erdkreis kommenden Gesandten von der Fülle des Festessens berichten (Var. VI 9). Lebensmittel, die in ihrer Heimat äußert selten vorhanden seien, sollen deshalb in reicher Fülle gereicht werden, so dass über den Überfluss nur gestaunt werden könne. In ihrer Heimat sollen sie dann ihren Verwandten und Landsleuten erzählen, was sie gesehen hätten (Var. VI 9, 7). Aufträge dieser Art lassen erkennen, dass Cassiodor sehr um das Wohlergehen der Delegierten auf italischem Boden bemüht war. Dies ist wohl darauf zurückzuführen,
Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 274 f. Zur Bedeutung der Gastmähler vgl. ferner Vössing, Konrad, Mensa regia. Das Bankett beim hellenistischen König und beim römischen Kaiser, München 2004; Stein-Hölkeskamp, Elke, Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005.
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5 Äußere Sicherheit und militärische Planung
dass Gesandte eine wichtige Funktion innerhalb des außenpolitischen Dialogs mit benachbarten gentes und mit Ostrom innehatten. Auf den zweiten Blick verdeutlichen Formulierungen dieser Art, dass Cassiodor, wie sich bereits an anderer Stelle im Zusammenhang mit der Kriegstüchtigkeit und dem Gerechtigkeitsverständnis der Goten herauskristallisierte, vordergründig darum bemüht war, die Goten und vor allem ihre Könige in ein möglichst günstiges Licht zu rücken und von den in anderen Gebieten lebenden „Barbaren“ abzuheben. Dem gleichen Ziel diente auch der Austausch von Geschenken. Bei der Übermittlung von Geschenken handelte es sich ebenfalls um ein wiederkehrendes Muster.⁸⁶ So erhielt beispielsweise der Burgunderkönig Gundobad ein Präsent in Form einer Sonnen- und Wasseruhr (Var. I 45; I 46).⁸⁷ Geschenke erscheinen in den Variae als Instrument, um Eintracht zwischen den Staaten herzustellen. Wie es in einem Schreiben an den König der Warnen heißt, würde man Geschenke aus der Bemühung um einen guten Frieden erbringen (Var. V 1). Cassiodor betonte, dass die Präsente den Willen der Herrscher verbinden und diese zu gegenseitigen guten Diensten verpflichten (Var. V 1, 3): Praestent divina concordiam, ut haec inter nos grata mente facientes gentium nostrarum velle iungamus et invicem solliciti mutuis possimus utilitatibus obligari. Im Gegenzug zu den überbrachten Schwertern, deren Beschaffenheit Cassiodor ausführlich lobte, und den Sklaven (Var. V 1, 1– 2), erhielten die Warner in Anbetracht ihrer Auslagen ein nicht näher benanntes Gegenpräsent (Var. V 1, 3). Die Beziehungen sollten zur concordia zwischen den Königen führen (Var.V 1, 3). Der Gedanke, dass Geschenke um des Friedens willen erbracht wurden, spiegelt sich auch in dem an diesen Brief anschließenden Schreiben an die Hestier wider (Var. V 2). Als Zeichen ihres guten Willens und Ausdruck ihrer Verbundenheit ließen sie Theoderich von Boten Bernstein überbringen. Da die Eintracht mit reichen Königen immer Nutzen bringe, forderte Cassiodor die Hestier dazu auf, sich häufiger an den Ostgotenkönig zu wenden (Var. V 2, 3). Die übersandten Geschenke dienten insofern auch der Repräsentation. Sie sollten sowohl das Ansehen des Schenkenden als auch die Wertschätzung gegenüber dem Bündnispartner zum Ausdruck bringen und damit letztlich dazu beitragen, dass die im Vorfeld geschlossenen Verträge eingehalten wurden. Die angeführten Beispiele machen deutlich, dass die Ostgotenkönige in der Übersendung eines Geschenkes und der daraufhin erfolgten Annahme auf Empfängerseite ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden Parteien entstehen lassen wollten. Der Absender erwartete eine Reaktion, während der Empfänger sich zu einer Antwort auf das Geschenk verpflichtet sah. Wilhelm Grönbech bringt dies auf den
Vgl. Last, Außenpolitik, S. 167. Indem Cassiodor immer wieder mit Nachdruck den Fortschritt betonte, den die anderen gentes im Kontakt mit Italien auf kultureller sowie technischer Ebene gewannen, stellte er die Ostgoten auf eine höhere Stufe. In Cassiodors Verständnis gotischer Außenpolitik rechtfertigte die moralische und kulturelle Überlegenheit damit Italiens Anspruch auf eine Vormachtstellung. Vgl. Kakridi, Cassiodors Variae, S. 173 f.
5.2 Vorkehrungen zur Verteidigung des inneren Friedens
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Punkt, wenn er formuliert: „Eine Gabe ohne eine Gegengabe, ohne Verpflichtungen ist für die germanische Seele undenkbar.“⁸⁸ Gleichwohl waren diese auf der Basis von Geschenken errichteten freundschaftlichen Beziehungen in Krisensituationen ebenso wenig belastbar wie die durch Vermählungen und Adoptionen geschlossenen verwandtschaftlichen Verbindungen. Um den inneren Frieden im Reich aufrechtzuerhalten und gegen äußere Feinde zu verteidigen, maß Cassiodor wohl aus diesem Grund Vorkehrungen, die bereits in Friedenszeiten getroffen werden sollten, eine zentrale Funktion bei.
5.2 Vorkehrungen zur Verteidigung des inneren Friedens Theoderich hatte seit 474 die alleinige Führung eines gotischen Kriegerverbandes inne, den er von seinem Vater übernommen und 484 mit den Goten des Theoderich Strabo vereinigt hatte.⁸⁹ Mit Übernahme der Regentschaft in Italien stellten die Goten die einzige bewaffnete Macht dar. Der mit Theoderich nach Italien wandernde Personenverband war keineswegs so homogen wie es Cassiodors Unterscheidung in Gothi et Romani vermuten lässt. Die Realität war, wie die Forschung der letzten Jahrzehnte betont, weit komplexer, da im gotischen Heer neben den Goten auch in größerer Anzahl Rugier⁹⁰ sowie Heruler⁹¹, Skiren, Sueben, Sarmaten, Alanen, Taifalen, Alemannen (Var. III 50), Gepiden (Var.V 10),Vandalen, Breonen (Var. I 11) und romanische Grönbech, Wilhelm, Kultur und Religion der Germanen, Bd. II, Hamburg 1939, hier: S. 8. Zur Funktion des Geschenkes und des Schenkens vgl. ferner Radtki-Jansen, Herrscher, S. 347– 350; Wood, Ian, The Exchange of Gifts among the Late Antique Society, in: Almagro-Gorbea, Martín (Hrsg.), El disco de Teodosio, Madrid 2000, S. 301– 314; Beyeler, Markus, Geschenke des Kaisers. Studien zur Chronologie, zu den Empfängern und zu den Gegenständen der kaiserlichen Vergabungen im 4. Jahrhundert n. Chr, Berlin 2011. Zu den Ereignissen vgl. Wiemer, Odovakar und Theoderich, S. 306; Martin, Karl, Theoderich der Große bis zur Eroberung Italiens, Freiburg 1888, hier: S. 19 f.; Heather, Goths and Romans, S. 225 – 308; Wolfram, Goten, S. 259 – 278; Schwarcz, Andreas, Die Goten in Pannonien und auf dem Balkan nach dem Ende des Hunnenreiches bis zum Italienzug Theoderichs des Großen, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 100 (1992), S. 50 – 83; Errington, Robert Malcolm, Malchos von Philadelpheia, Kaiser Zenon und die beiden Theoderiche, in: Museum Helveticum 40 (1983), S. 82– 110. Die Rugier, die sich Theoderich auf dem Weg nach Italien angeschlossen hatten, sonderten sich gegen die anderen insofern ab, als dass sie keine Mischehen zuließen.Vgl. Prokop, BG 2,14,24; 3,2,1– 3; Ennodius, Panegyricus 55 sowie Wiemer, Die Goten in Italien, S. 607; Heather, Peter J., Disappearing and Reappearing Tribes, in: Pohl, Walter/ Reimitz, Helmut (Hrsg.), Strategies of Distinction. The Construction of Ethnic Communities, 300 – 800, Leiden u. a. 1998, S. 95 – 11; Schmidt, Ostgermanen, S. 117– 126; Anderson, Thomas/ Pohl, Walter, Rugier, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 25, Berlin 2003, Sp. 452– 458. Nach ihrer Niederlage unter König Rodulf gegen die Langobarden erbaten einzelne Heruler die Aufnahme in das Ostgotenreich (Var. IV 45). In diesem Schreiben erging die Anweisung, für den Transport der Heruler auf dem Flussweg nach Ravenna zu sorgen. Vgl. hierzu auch Ensslin, Theoderich der Große, S. 148; Bierbrauer, Zur ostgotischen Geschichte, S. 12.
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5 Äußere Sicherheit und militärische Planung
Provinzialen vertreten waren.⁹² Aus besagter Konstellation ergab sich die grundlegende Situation, dass der Kriegsdienst fast ausschließlich den Goten vorbehalten blieb, einen exercitus Romanus gab es folglich nicht mehr: Candidatus noster Gothorum semper armat ecercitus (Var. I 4, 17).⁹³ Cassiodor goss diesen Grundsatz in einem Schreiben an den vir spectabilis Valerianus in die Formel Dum belligerat Gothorum exercitus, sit in pace Romanus (Var. XII 5, 4). Jeder wehrfähige Gote war folglich ein Soldat und dies bis zu seiner Dienstuntauglichkeit. Die militärische und soziale Gliederung des Heeres bedingten einander. Wolfram Herwig⁹⁴ betont, dass die Mächtigen und Reichen Kommandostellen als comites et duces erhielten. Während der erste Begriff die Zugehörigkeit zur königlichen Umgebung meint, bezieht sich letzterer auf die Funktion der Heerführung. Im Kriegsfall bedeutete dies das selbstständige Kommando anstelle des Königs, der den Oberbefehl seit der Einnahme Ravennas nicht mehr persönlich ausübte. Der exercitus Gothorum war, anders als es im fünften Jahrhundert der Fall war, kein auf Gefolgschaft strukturiertes Aufgebot mehr, sondern eine Berufsarmee.⁹⁵ Das Heer bestand aus Reiterund Fußkriegern, denen jeweils bestimmte taktische Aufgaben zufielen.⁹⁶ Die Armee war dabei in Einheiten gegliedert, deren nominelle Stärke tausend Mann betrug. Der Anführer einer solchen „Tausendschaft“ trug den Titel millenarius, der von dem Zahlwort millenus, je tausend, abgeleitet ist (Var.V 27).⁹⁷ Ob diese Einheiten in kleinere Unterabteilungen gegliedert waren, ist ungewiss. Die Führung militärischer Operationen lag bei Personen, die sich durch Leistungen ausgezeichnet hatten und das Vgl. Wolfram, Goten, S. 300 – 302; Wiemer, Integration durch Separation, S. 165 f.; Wiemer, Odovakar und Theoderich, S. 305; Spielvogel, Hintergründe, S. 4. Hans-Ulrich Wiemer führt dies darauf zurück, dass Theoderich durch die Zuweisung von komplementären Aktionsfeldern an Einwanderer und Einheimische, die sich zwar berührten, nicht aber überlappten, eine Übernahme der Heeresführung durch einen Romanen ausschloss. Er selber beanspruchte für sich eine Stellung, die von beiden Sphären unabhängig war. Das Heer sollte demnach gotisch sein, die übrige Gesellschaft romanisch. Vgl. Wiemer, Odovakar und Theoderich, S. 302. Vgl. Wolfram, Goten, S. 290 f. Vgl. Castritius, Korruption im ostgotischen Italien, S. 222. Vgl. Nefedkin, Alexander K., Armour of the Goths in the 3rd–7th Centuries AD, in: Fasciculi archaeologiae historicae. Fasc. XIX. Envahisseurs et leurs armes. Antiquité et le haut moyen âge 19, Lódz 2006, S. 53 – 58; Elton, Hugh, Warfare in Roman Europe, A.D. 350 – 425, Oxford 1996; Ensslin, Theoderich der Große, S. 191; Wenskus, Stammesbildung und Verfassung, S. 442 sowie S. 469; Bierbrauer, Grab- und Schatzfunde, S. 194 f.; White, Lynn Townsend, Medieval Technology and Social Change, Oxford 1964, hier: S. 8 f.; Wolfram, Goten, S. 302– 306; Bodmer, Jean-Pierre, Der Krieger der Merowingerzeit und seine Welt. Eine Studie über Kriegertum als Form menschlicher Existenz im Frühmittelalter, Zürich 1957; Coulston, Jonathan C. N., Later Roman Armour, 3rd to 6th Century, in: Journal of Roman Military Equipment Studies 1 (1990), S. 139 – 160; Flick, Jürgen, Der Ritt in die Mitte. Reitervölker im Dienste Roms, in: Mandl, Gerfried/ Steffelbauer, Ilja (Hrsg.), Krieg in der antiken Welt, Essen 2007, S. 195 – 213; MacDowall, Simon, Late Roman Infantryman, 236 – 565 AD, London 1994. Zum millenarius vgl. Berndt, Guido M., Instrumente der Gewalt. Bewaffnung und Kampfweise gotischer Kriegergruppen, in: Millennium-Jahrbuch 13 (2016), S. 141– 210, hier: S. 182 f.; Wiemer, Theoderich der Große, S. 209; Claude, Millenarius.
5.2 Vorkehrungen zur Verteidigung des inneren Friedens
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Vertrauen des Königs genossen. Diese Personen wurden nach Bedarf ausgewählt und hatten keine Stellung inne, die als Dienstgrad oder Rang fixiert gewesen wäre. Da der König seine Heere nicht mehr persönlich anführte, war er auf die Loyalität seiner Heerführer angewiesen.⁹⁸ Bei der Verteidigung der inneren Ordnung gegen äußere Feinde waren es vor allem die Soldaten, in die Cassiodor angesichts scheiternder diplomatischer Beziehungen große Hoffnungen setzte. Es wundert daher wenig, wenn er die kriegerische Tüchtigkeit und Tapferkeit der Goten als ihr ureigenes Merkmal pries und die Goten auf diese Weise zu den Beschützern der Romanen erhob. Zur Gewährleistung einer schnellen sowie effizienten Verteidigung, plädierte Cassiodor für Vorkehrungen, die bereits in Friedenszeiten getroffen werden sollten. Neben Waffenübungen und Trainingskämpfen zählte hierzu der Bau und die Restaurierung von Befestigungsanlagen, der durch Steuereinnahmen finanziert wurde.⁹⁹
5.2.1 Vorkehrungen in Friedenszeiten Aus der geographischen Lage Italiens ergab sich eine anhaltende Gefahr feindlicher Überfälle. Es wundert daher wenig, dass die Angst vor Kriegen ein die Variae durchziehendes Motiv darstellt (Var. VIII 8).¹⁰⁰ Cassiodor zufolge entstehe zwischen zwei gentes immer dann ein Streit, wenn die Gerechtigkeit nicht gewahrt blieb. Aufgrund dessen müsse man diejenigen besänftigen, deren Sitten den Winden ähnlich seien, da sie, sofern sich ihre Gemüter nicht mäßigen ließen, mit angeborenem Leichtsinn zu größter Missachtung stürmten, wie es in der formula vicarii portus heißt (Var. VII 23). Wie der vorangegangene Abschnitt gezeigt hat, beruhte Cassiodors Strategie deshalb in erster Linie darauf, kriegerische Auseinandersetzungen auf diplomatischem Wege abzuwenden. Für den Fall, dass diese Beziehungen abrissen oder scheiterten und das Reich durch außenpolitische Unsicherheiten gefährdet schien beziehungsweise ein Krieg unmittelbar bevorstand, plädierte er für eine ganze Reihe von Präventivmaßnahmen, um schon zu Friedenszeiten ein Höchstmaß an militärischer Schlagkraft zu gewährleisten. Hierzu zählten in seinen Augen das Erlernen des Kriegshandwerks, der Bau von Befestigungsanlagen, die Herstellung von Waffen und Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 209 – 210; Nefedkin, Alexander K., Siege and City Defence of the Goths from the mid-3rd to the 5th Centuries AD, in: Fasciculi archaeologiae historicae. Fasc. XVI– XVII. Architecture et guerre, Lódz 2003/2004 (2005), S. 93 – 97. Vgl. Ausbüttel, Theoderich der Große, S. 86; Pferschy, Bauten und Baupolitik, S. 259 – 291. Zum Beispiel ist in der Briefsammlung ein Schreiben enthalten, in welchem Athalarich bei seinem Amtsantritt aus der Furcht vor Kriegen den Bischof Victorinus darum bittet, er möge ihn in seine Fürbitten einschließen (Var. VIII 8). Er solle ihm bei seinen Anfängen als Herrscher mit heiligen Gebeten gewogen zu sein, damit der König des Himmels sein menschliches Königtum stärke und die auswärtigen Völker schwäche (Var.VIII 8, 2): Favete nunc orationibus sacris nostris libenter auspiciis, ut rex caelestis humana nobis regna confirmet, gentes externas atterat, peccata absolvat, consolidet et conservet propitius quod parentibus nostris dignatus est praestare gloriosis.
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5 Äußere Sicherheit und militärische Planung
der Ausbau der Flotte. Über allem thronte dabei die Vorstellung, dass die Goten die Beschützer der Romanen waren (Var. VII 3, 3). Aus diesem Grund war Cassiodor in seinen Briefen darauf bedacht, die Kriegstüchtigkeit und den Ruhm als ureigene Merkmal der Goten herauszustellen und von den in den benachbarten regna lebenden „Barbaren“ abzugrenzen. In den Variae handelt es sich um ein wiederkehrendes Motiv, dass die Armee der Goten Krieg führe, damit die Romanen in Frieden leben könnten (Var. I 24, 1; VIII 3, 4; XII 5, 4). Diese Beschreibungen gehen damit einher, dass Cassiodor, wie in einem Schreiben, das die Goten im Jahr 508 zur Teilnahme am Gallienfeldzug aufforderte, die kriegerische Tüchtigkeit und Tapferkeit der Goten betonte (Var. I 24). Hintergrund dieses Briefes war der bevorstehende Kampf gegen Chlodwig I. und seine Franken, aus welchem die zeitweise Ausdehnung der Gotenherrschaft über die Provence¹⁰¹ resultierte. Das Ziel dieses Briefes lag wohl darin begründet, die Goten mit der Erwähnung von Begriffen wie virtus, fortitudo, bellicosa stirps, arma, equus, Martia disciplina und praeda zum Aufbruch in Richtung des Frankenreichs zu motivieren und sie auf den Krieg einzuschwören.¹⁰² Dazu appellierte Cassiodor an die Kriegstüchtigkeit, denn Goten brauche man, wie es heißt, nur zu rufen, wenn eine Schlacht bevorstehe.¹⁰³ Es erfreue sie, sich im Kampfe zu erproben, da gewiss nicht derjenige Anstrengungen scheue, der den Ruhm der Tapferkeit begehre (Var. I 24, 1): Innotescenda sunt magis Gothis quam suadenda certamina, quia bellicosae stirpi est gaudium comprobari: laborem quippe non refugit, qui virtutis gloriam concupiscit. Letztere bliebe in der Muße verloren, wenn es keinen Raum zur Bewährung gebe. Bei der Teilnahme an kriegerischen Unternehmungen könnten sie dagegen unter Beweis stellen, dass auch in ihnen die Männlichkeit ihrer Vorfahren vorhanden sei (Var. I 24, 2).¹⁰⁴ Nach der Rückkehr sei es deshalb wichtig, den Nachkommen von den ruhmvollen Taten zu berichten (Var. I 24, 3): Vos autem, quos et natura erigit at amor opinionis exacuit, studete tales filios relinquere, quales vos patres vestros constat habuisse. Auf diese Weise würden den Zur Bedeutung der Provence in der Spätantike vgl. Buchner, Rudolf, Die Provence in merowingischer Zeit. Verfassung, Wirtschaft, Kultur, Stuttgart 1933; Guyon, Jean/ Heijmans, Marc (Hrsg.), L’antiquité tardive en Provence (IVe-VIe siècle). Naissance d’une chrétienté, Arles 2013. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 274. Interessant ist die Tatsache, dass die Goten diesen Brief wahrscheinlich nie gelesen hatten, da er zum einen in Latein geschrieben und zum anderen zu stilisiert ist für einen bloßen Aufruf zum Kampf. Einmal mehr zeigt sich, dass Cassiodor den späteren Leser der Briefsammlung im Blick hatte und die Schreiben vor der Veröffentlichung offenbar überarbeitete. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 280. Vergleichbar argumentierte Cassiodor in Var. I 38, 2; I 40; V 23; X 31, 2; XII 28, 3. Vgl. hierzu auch Prokop, BG, 1,2,5 – 15 sowie Riché, Pierre, Éducation et culture dans l’Occident barbare, VIe–VIIIe siécles, Paris 41995, hier: S. 60 – 62. Diese Propaganda hat, wie Hans-Ulrich Wiemer annimmt, ihren Eindruck bei den zivilen Eliten Italiens nicht verfehlt.Vgl.Wiemer, Die Goten in Italien, S. 611; Wiemer, Theoderich der Große, S. 207 f.; Amory, People and Identity, S. 50 – 78; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 299 – 301. Auch Ennodius rühmte den König, dass er den Frieden erhalte, indem er dafür sorge, dass seine Goten unablässig für den Krieg übten. Vgl. Ennodius, Panegyricus 83. Vgl. zu dieser Stelle auch Wiemer, Theoderich der Große, S. 208.
5.2 Vorkehrungen zur Verteidigung des inneren Friedens
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Goten schon in Kindheitstagen Werte wie kriegerische Tüchtigkeit und Tapferkeit mit auf den Weg gegeben.¹⁰⁵ Diese Charaktereigenschaften erscheinen insbesondere in diesem Schreiben, aber auch in vergleichbaren Dokumenten, als wichtiges Merkmal der Goten, da diese immer dann Erfolg hätten, wenn sie sich mit der ihnen angeborenen Tapferkeit¹⁰⁶ für einen Krieg ereifern würden (Var. XII 28, 3 und ferner Var. I 38, 2; III 34, 1; III 49, 2; V 23, 1; VIII 10, 4– 5; IX 14, 9; IX 25, 10; X 31, 2; XI 1, 10). Cassiodor stellte diese Tugenden daher bewusst in Kontrast zu den „Barbaren“ übriger gentes. Besonders deutlich wird dies in einem Brief, in welchem er den Schutz Raetiens¹⁰⁷ gegen verdächtige „Barbaren“ beschrieb (Var. VII 4). Raetien gelte als Fangnetz und Bollwerk gegen wild und unzivilisiert lebende „Völker“, da dort die „barbarische“ Angriffslust aufgefangen und ihre rasende Anmaßung mit geschleuderten Wurfspießen verwundet werde. Auf diese Weise würden Angriffe zum Jagdziel des Kommandanten und wie im Spiel vollbringe er, was ihm stets geglückt sei (Var. VII 4, 2). Die Ruhe des Königreichs (tranquillitas regni) werde durch die sorgsame Ruhelosigkeit des Truppenführers dieser Gegend gewährleistet.¹⁰⁸ Zur Verteidigung Italiens sah es Cassiodor als entscheidend an, dass die den Goten von Natur aus gegebenen Anlagen und Tugenden so früh wie möglich durch Waffenübungen und dem Erlernen von Kampftechniken¹⁰⁹ in die Praxis umgesetzt
An einigen Stellen deutete Cassiodor das Problem an, dass die Kampfkraft in Friedenszeiten ohne Waffenübungen nachlasse (Var. III 1, 1; XI 1, 10). Eine Andeutung darauf, dass Cassiodor im Kriegshandwerk eine historisch und biologisch begründete Aufgabe der Goten sah, ist in der Urkunde formuliert, in welcher er der Armee die Machtergreifung des Witigis ankündigte (Var. X 31). Dabei führte er dessen Legitimation auf militärische Fähigkeiten zurück und spielte dadurch auf den kriegerischen Charakter der Goten an: Non enim in cubilis angustiis, sed in campis late patentibus electum me esse noveritis, nec inter blandientium delicata colloquia, sed tubis concrepantibus sum quaesitus, ut tali fremitu concitatus desiderio virtutis ingenitae regem sibi Martium Geticus populus inveniret. Vgl. hierzu auch Kakridi, Cassiodors Variae, S. 300. Cassiodor begründete den Namen Raetiens etymologisch damit, dass, um gegen wilde „Völker“ bestehen zu können, Hindernisse in Form von Jagdnetzen (rete) verteilt seien. Dabei umschrieb er auf rhetorisch gekonnte Weise den Begriff raetia, ohne ihn direkt zu benennen. Zu Raetien unter ostgotischer Herrschaft vgl. Heuberger, Richard, Das ostgotische Rätien, in: Klio 30 (1937), S. 77– 109. Wohl aus diesem Grund verknüpfte Cassiodor diese Aussage mit dem Appell, dass sich die dem Truppenführer unterstehenden Soldaten an das zivile Recht halten sollten, da der Schild des Heeres den Romanen Ruhe gewähren müsse. Ziel sei es, dass Letztere im Inneren des Landes ein glückliches Leben in sorgloser Freiheit genießen könnten (Var. VII 4, 3): […] quando tranquillitas regni nostri tua creditur sollicitudine custodiri. ita tamen, ut milites tibi commissi vivant cum provincialibus iure civili nec insolescat animus, qui se sentit armatum, quia clipeus ille exercitus nostri quietem debet praestare Romanis. quos ideo constat appositos, ut intus vita felicior secura libertate carpatur. Im vorausgegangenen Brief wurden die Romanen umgekehrt aufgefordert, die Goten als Beschützer von Land und Bevölkerung zu lieben, da diese mit ihren Kriegern den gesamten Staat verteidigen würden (Var.VII 3). Abgesehen von der Versorgung des Heeres mit Pferden (Var. I 4, 17; I 24, 2), die nahelegt, dass es sowohl Reiterei sowie Infanterie gab, finden sich in den Variae kaum weitere Stellen, die auf Kampftechniken schließen lassen. Edward Arthur Thompson und Urs Müller weisen darauf hin, dass die Goten schon im vierten Jahrhundert gelernt hatten, zu Pferde mit der Lanze zu kämpfen. Vgl.
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werden müssten. Sofern die jungen Goten alt genug waren, sollten sie ihre Väter, die dann als Lehrmeister fungierten, auf Expeditionen begleiten, um das Kriegshandwerk zu erlernen.¹¹⁰ Hintergrund dessen war, dass man Cassiodor zufolge das, was man sich in der Jugend nicht aneigne, auch in reifem Alter nicht könne. Um sein Anliegen zu visualisieren, berichtete er von Falken, die ihre Brut aus dem Nest stießen, damit sich der Nachwuchs nicht an das süße Nichtstun gewöhne (Var. I 24, 3)¹¹¹: Producite iuvenes vestros in Martiam disciplinam: sub vobis videant, quod posteris referre contendant. nam quod in iuventute non discitur, in matura aetate nescitur. accipitres ipsi, quorum victus semper ex praeda est, fetus suos novitate marcentes nidis proturbant, ne molle otium consuescant: alis verberant immorantes, cogunt pullos teneros ad volatum, ut tales debeant existere, de quibus possit pietas materna praesumere.
Zur Verteidigung der in Italien lebenden Menschen sei es, wie er in einem Brief an den comes Osuin¹¹² ausführte, erforderlich, schon in Friedenszeiten das Kriegshandwerk zu erlernen, damit man im Falle eines Angriffs mit den Waffen umgehen könne (Var. I 40). Die Waffen wurden den Goten durch den jeweiligen comes der Stadt verteilt. In diesem Brief, in welchem die Einwohner von Salona zu Waffenübungen aufgefordert wurden, hob Cassiodor die Notwendigkeit des Trainings für den Ernstfall hervor und unterstrich, dass man gar nicht früh genug mit entsprechenden Übungen beginnen könne.¹¹³ Daher müssten die Waffen früher verteilt werden, als es die Notwendigkeit
Thohmpson, Edward Arthur, Early Germanic Warfare, in: Thohmpson, Edward Arthur (Hrsg.), The Early Germans, Oxford 1965, S. 109 – 149, hier: S. 111– 117; Müller, Urs, Der Einfluss der Sarmaten auf die Germanen, Frankfurt am Main u. a. 1993, hier: S. 68 – 117. Zur Zeit Theoderichs waren die Reiter überdies in der Regel gepanzert. Vgl. unter anderem Prokop, BG, 1,16,11; 1,18,9 sowie Wolfram, Goten, S. 302– 306; Wiemer, Die Goten in Italien, S. 608; Wiemer, Theoderich der Große, S. 206. Da keineswegs alle Goten über die Mittel verfügten, sich selbst auf diese kostspielige Weise auszurüsten, ist anzunehmen, dass der Kampf zu Fuß mit Schwert und Bogen dominiert haben dürfte. Vgl. Var. V 23; Prokop BG, 1,16,11; 1,18,16; 1,29,13; 2,1,2 sowie Berndt, Instrumente der Gewalt, S. 141– 210. Die Mündigkeit der Goten begann am Zeitpunkt ihrer Wehrfähigkeit, während die Dienstpflicht gegenüber dem König erst dann endete, wenn man nicht mehr kämpfen konnte. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 207. Ausgehend von diesem Grundsatz wurde Boion aufgefordert, seinem Neffen Hilarius das väterliche Vermögen herauszugeben, da er alt genug sei, um über den Einsatz des Besitzes selbst zu entscheiden (Var. I 38). Der Vorgang, der zur Mündigkeit führte, wurde von Cassiodor mit jungen Adlern verglichen, die selbstständig würden, sobald sie imstande seien, ihre Beute selbst zu erlegen. Nicht das Alter mache die Volljährigkeit bei Goten aus, sondern deren Tugend und Mut (Var. I 38, 2). Diesem Beispiel entsprechend sollten sich die Goten darum bemühen, derart tüchtige Söhne zu hinterlassen, wie ihre eigenen Väter – sprich die Großväter der jungen Generation – offensichtlich gehabt hätten (Var. I 24). Zu Osuin siehe PLRE II, Osuin, S. 815; Amory, People and Identity, S. 403. Bei Osuin handelte es sich um einen gotischen Freund Cassiodors, der im Jahr 526 von Athalarich zum comes Dalmatiae ernannt wurde (Var. IX 8; IX 9). Das gleiche Amt hatte er schon unter Theoderich inne (Var. I 40; III 26; IV 9). Osuin hatte in dieser Funktion sowohl militärische als auch zivile Befugnisse (Var. IX 8). Eine vergleichbare Stelle einschließlich gleicher Argumente findet sich bei Ennodius. Vgl. Ennodius, Panegyricus 83. Schon in glücklichen Friedenszeiten solle man die unbändige Jugend für den
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einfordere, da man im Ernstfall nicht über die notwendige Kriegskunst verfüge, wenn man nicht schon im Voraus trainiere. Ein Soldat müsse, so sein Plädoyer, im Frieden lernen, was er im Krieg zustande bringen müsse, denn nur diejenigen könnten ihren Mut für das Waffenhandwerk aufbringen, die durch das vorangegangene Training Vertrauen gefunden hätten (Var. I 40, 1)¹¹⁴: Ars enim bellandi, si non praeluditur, cum fuerit necessaria, non habetur. proinde illustris sublimitas tua Salonitanis militibus, ut cuique se expediendi facultas obtulerit, pro nostra iussione arma necessaria procurabit, quia fida rei publicae salus est defensor armatus. discat miles in otio, quod perficere possit in bello. animos subito ad arma non erigunt nisi qui se ad ipsa idoneos praemissa exercitatione confidunt.
Um sein Anliegen zu verdeutlichen, bediente sich Cassiodor auch in diesem Schreiben Vergleichen aus der Tier- und Pflanzenwelt und berichtete von Kälbern, die im Spiel kämpfen, damit sie dies in reiferem Alter beherrschten, von Welpen, die spielerisch die Anfänge der Jagd üben, sowie von zartem Reisig, das sich dafür eigne, ein Feuer zu entfachen, ehe man auf die erste Glut ein dickes Holzstück lege (Var. I 40, 1). Aus diesen Metaphern leitete Cassiodor ab, dass auch der Mensch schon früh mit dem, was er erstrebe, vertraut gemacht werden müsste, denn: Primordia cuncta pavida sunt et aliter timiditas non tollitur, nisi cum rebus necessariis novitas abrogatur. Damit die Goten Italien im Kriegsfall verteidigen konnten, setzte Cassiodor darauf, dass Waffen in ausreichender Anzahl zur Verfügung standen.¹¹⁵ Vergleichbar mit den in Friedenszeiten stattfindenden Übungen und Trainingseinheiten war es für den Minister entscheidend, dass die Herstellung der Waffen und des übrigen Kriegsgeräts im Vorfeld eines Krieges abgeschlossen war.¹¹⁶ Da die Waffen seiner Ansicht nach wie
Krieg üben lassen. Die Jugendlichen sollen dazu ihre Muskeln im Training mit dem Wurfspieß stählen und dieselben Aufgaben wie tapfere Männer verrichten, während sie noch spielten: Nam illud quo ore celebrandum est, quod Getici instrumenta roboris, dum provides ne interpellentur otia nostra, custodis et pubem indomitam sub oculis tuis inter bona tranquillitatis facis bella proludere? adhuc manent in soliditate virium victricia agmina et alia iam creverunt. durantur lacerti missilibus et inplent actionem fortium, dum iocantur; agitur vice spectaculi quod sequenti tempore poterit satis esse virtuti. dum ammentis puerilibus hastilia lenta torquentur. dum arcus cottidianae capitum neces longius dirigunt, urbis omne pomerium simulacro congressionis adteritur. Vergleichbar argumentierte Cassiodor in dem oben analysierten Schreiben an den Westgotenkönig Alarich II., mit welchem Theoderich versuchte, den fränkisch-westgotischen Krieg zu verhindern (Var. III 1). Dort heißt es, dass die Herzen wilder „Völker“ durch langen Frieden verweichlicht würden und ein Kampf deshalb für die Menschen zu einem Schrecken werde, wenn sie diesen nicht ständig vor Augen hätten. Um Vertrauen in ihn aufzubauen, müsse man sich praktischen Übungen zuwenden (Var. III 1, 1 f.). Auch über die Art der Bewaffnung kann man den Variae nicht allzu viel entnehmen. An einer Stelle erwähnte Cassiodor Bogenschützen (Var.V 23). Ausführliche Schilderungen der Bewaffnung und der Kampfweise finden sich hingegen bei Prokop. Vgl. Prokop, BG 1,3,2; 1,27,27– 29. Ausführlich zur Bewaffnung der Goten vgl. Wolfram, Goten, S. 302– 306. Zehn Jahre nach Theoderichs Tod fand Witigis in Südwestgallien und in Venetien umfangreiche Waffenlager vor und war in der Lage, ein Heer mit Waffen und Pferden auszurüsten. Die Maßnahmen
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die Kriege dem Wohle aller dienen würden, setzte er auf eine qualitätvolle Waffenherstellung. Über die Wichtigkeit gibt ein eigenes, in die Variae aufgenommenes Edikt Auskunft, in welchem die Aufgaben des armifacor beschrieben werden (Var. VII 18). Der armifacor war als Leiter der königlichen Waffenfabriken (fabricae)¹¹⁷ mit der Aufsicht über die Handwerker betraut und kontrollierte die Qualität der hergestellten Kriegswerkzeuge.¹¹⁸ Aufgrund der kriegsentscheidenden Bedeutung lasse dieses Amt keinen Raum für Fehler zu, was Cassiodor mit der Drohung verknüpfte, dass seine Abwesenheit und die des Königs nicht dazu verleiten dürften, Waffen von geringer Qualität herzustellen (Var. VII 18, 1): Securitas te nostrae non inducat absentiae. quicquid feceris nos videmus. age qui usu ipso subtilissima perquisitionis errores artificum possumus prima fronte deprehendere et laudabiliter operata iudicare.
Die Waffen, die Cassiodor in diesem Schreiben als „Todes- und Heilbringer“ (opus quod mortem generat et salutem), „Vernichter der Sünder“ (interitus peccantium) und „Schützer der Guten“ (custodia bonorum) beschrieb, sollen durch ihre besondere Qualität den Feind abschrecken. Aus diesem Grund müsse der Leiter der Waffenfabrik den Herstellungsprozess sorgsam überprüfen und dürfe sich keiner Käuflichkeit und Schuld hingeben, da dies in seiner Funktion unverzeihlich sei (Var. VII 18, 2). Neben der qualitätvollen Herstellung der Waffen war es auch der Ausbau einer kriegstüchtigen Flotte¹¹⁹, die Cassiodor als wichtigen Bestandteil der Verteidigung Italiens anführte. Umfassende Maßnahmen setzen erst kurz vor Theoderichs Tod ein, der sich unter Gottes Eingebung dazu entschlossen habe, 1.000 Schnellsegler bauen zu lassen (Var. V 16). Diese sollten zum einen staatliches Getreide transportieren und zum anderen, falls nötig, feindlichen Schiffen Widerstand leisten (Var.V 16, 2) sowie Truppen in andere Gebiete transportieren (Var. V 17, 2). Die Flotte sollte als Zierde und Schrecken zugleich dienen, da nun weder Griechen noch Vandalen mehr einen Grund hätten, übermütig zu sein (Var. V 17, 3).¹²⁰
Cassiodors waren wohl von Erfolg gekrönt, da offenbar flächendeckend entsprechende Fabriken und Lager errichtet wurden. Vgl. Prokop, BG, 1,11,16+28. Die Notitia dignitatum, ein Staatshandbuch aus der Zeit um 425, bezeugt für Italien sieben dieser Rüstungsbetriebe. Unklar ist, ob die Fabriken unter Theoderich allesamt noch in Betrieb waren. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 218. Zu den Leitern der Waffenfabriken und den Qualitätskontrollen vgl. James, Simon, The fabricae. State Arms Factories of the Later Roman Empire, in: Coulston, Jonathan C. N. (Hrsg.), Military Equipment and the Identity of Roman Soldiers. Proceedings of the Fourth Roman Military Equipment Conference, Oxford 1988, S. 257– 331; Berndt, Instrumente der Gewalt, S. 176 – 180. Zur ostgotischen Flotte vgl. Cosentino, Salvatore, Re Teoderico costruttore di flotte, in: Antiquité Tardive 12 (2004), S. 347– 356. Offenbar gab es keine ausgeklügelte Seetaktik, denn während Prokop von einer schweren Niederlage bei Ancona unter König Totila spricht, schweigen die Variae zu Kämpfen auf See. Vgl. Prokop, BG 4,23. Zu Totila siehe Moorhead, John, Totila, the Revolutionary, in: Historia 49 (2000), S. 382– 386.
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Um Feinde auf italienischem Boden auszubremsen, maß Cassiodor dem Bau neuer und der Restaurierung alter Befestigungsanlagen eine ebenso wichtige Funktion wie der Stationierung von Truppen vor größeren Städten bei. Anweisungen, denen zufolge Befestigungen zu reparieren oder neue Anlagen zu errichten waren, durchziehen die gesamte Variae. ¹²¹ Allen diesen Aufträgen ist gemeinsam, dass Cassiodor entschieden betonte, dass entsprechende Vorbereitungen schon im Frieden getroffen werden müssten, um effektiven Schutz zu garantieren. Aus diesem Grund spräche man auch erst dann von Vorsorge, wenn das, was in Zukunft eintrete, frühzeitig erkannt und behandelt werden würde (Var. III 48, 5). Hintergrund dessen war, wie Cassiodor in einem Schreiben an die in Dertona lebenden Goten und Romanen betonte, dass Befestigungen erst dann überaus stark seien, wenn man sie durch lang andauernde Überlegungen stärke (Var. I 17). Alles Überhastete erweise sich im Nachhinein als unvorsichtig, da man erst dann einen befestigten Platz aufsuche, wenn man die Gefahr bereits vor Augen habe (Var. I 17, 1): Publicae utilitatis ratione commoniti, quae nos cura semper libenter oneravit, castrum iuxta vos positum praecipimus communiri, quia res proeliorum bene disponitur, quotiens in pace tractatur. munitio quippe tunc efficitur praevalida, si diutina fuerit excogitatione roborata. omnia subita probantur incauta et male constructio loci tunc quaeritur, quando iam pericula formidantur.
Die Bewohner Dertonas, einer unbefestigten Stadt, wurden infolgedessen aufgefordert, das nahegelegene Kastell durch die Anlage von Häusern im Inneren zu einer Art Fluchtburg auszubauen. Diese Maßnahme sollte offenbar der besseren Verteidigung der Region dienen.¹²² Mit den Arbeiten an Befestigungsanlagen wurden in der Regel die Bewohner der betroffenen Städte betraut.¹²³ Von den Bewohnern Catanias auf Sizilien ist dabei überliefert, dass sie ihrerseits um die Erlaubnis gebeten haben, entsprechende Vorkehrungen zur Verteidigung ihrer Stadt treffen zu dürfen (Var. III 49). Cassiodor rechnete ihnen diese Eigeninitiative hoch an und freute sich, dass die Bewohner das regeln, was allen nütze. Es erging daher die Erlaubnis, die Stadtmauern durch her-
Inbegriffen sind Schreiben, die die Veruntreuung von Mitteln zum Befestigungsbau behandeln. Nach Klage der Sizilianer sollen beispielsweise von verschiedenen Provinzialen Gelder eingezogen worden sein, ohne dass es in Folge dessen zu Reparaturen gekommen sei (Var. IX 14). Der comes von Syrakus, Gildila, wurde daraufhin angewiesen, er solle sofort die Mauern für den Schutz der Menschen bauen lassen oder jedem Einzelnen das zurückgeben, das ihm entrissen worden sei (Var. IX 14, 2). Historischer Hintergrund dieser Maßnahme ist die Auseinandersetzung zwischen Franken, Westund Ostgoten. Vgl. Fauvinet-Ranson, Decor civitatis, decor Italiae, S. 53; Radtki-Jansen, Herrscher, S. 220. Zu den Befestigungsanlagen im ostgotischen Italien vgl. Christie, From Constantine to Charlemagne, S. 331– 369; Brogiolo, Dwellings and Settlements in Gothic Italy, S. 114– 117. So erging beispielsweise an die Bevölkerung von Arles die Anweisung, die Befestigungen nach der kriegsbedingten Zerstörung wieder instand zu setzen (Var. III 44). Der König stellte für die Reparatur der Mauern und der alten Türme eine entsprechende Geldsumme bereit.
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abgefallene Steine des Amphitheaters (Var. III 49, 3) zu verstärken¹²⁴, denn, so begründete Cassiodor die Entscheidung, die Befestigung der Stadt sei die Stärke des Königs und was die Bevölkerung der Unsicherheit entreiße, vergrößere den Ruhm der Verteidigung (Var. III 49, 2): Atque ideo suggestionis vestrae tenore comperto, quam caritate civica in communiendis moenibus suscepistis, absolutam huius rei vobis censemus esse licentiam: nec quicquam de hac re vereamini, unde gratiae nostrae expectare praemia mox debetis. vestra enim munitio nostra est nihilominus fortitudo: et quicquid vos ab incerto eripit, famam nostrae defensionis extendit.
Vergleichbar argumentierte Cassiodor in einem anderen Brief, in welchem er zu der Erkenntnis gelangte, dass die Errichtung von Befestigungsanlagen als sichere Hoffnung für alle gilt (Var. XII 17). Aus diesem Grund erging die Anweisung, zum Schutze Ravennas Gräben anzulegen, damit künftig kein Eintritt in die Stadt über unerlaubte Zugänge möglich sei (Var. XII 17, 1).¹²⁵ Dieser Wunsch findet sich darin bestätigt, dass Cassiodor die an den Stadttoren positionierten Wächter als wichtigen Grundstein für die Verteidigung der Städte ansah. In der formula de custodiendis portis civitatum beschrieb Cassiodor die verantwortungsvolle Tätigkeit des für die Bewachung zuständigen Wärters (Var.VII 29). Nur einem bewährten Gewissen könne die Sicherheit vieler anvertraut werden, da das Stadttor weder für Ruchlose offenstehen noch Gute aufhalten dürfe. Da ein stets verschlossenes Tor einem Kerker gleich sei und eine ständige Öffnung Stadtmauern unnötig werden ließen (Var. VII 29, 1), bedürfe es eines gewissenhaften und verantwortungsvollen Wächters, der sich durch maßvolles Handeln auszeichne (Var. VII 29, 2). Zum Schutz der Städte und der im Umkreis lebenden Menschen plädierte Cassiodor dafür, in unmittelbarer Nähe Kastelle zur Unterbringung von Schutztruppen zu errichten.¹²⁶ Um zu verdeutlichen, dass es schon in Friedenszeiten wichtig war, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, bediente sich Cassiodor im Zusammenhang mit
Die Bereitstellung von Steinen und anderen Baumaterialien war die Voraussetzung dafür, Verteidigungsanlagen zu bauen oder zu restaurieren (Var. I 28). Offenbar kam es zu Versorgungsengpässen, da Bauern ermahnt werden mussten, Steinblöcke, die sie auf ihren Äckern fänden, ohne Verzögerung abzugeben (Var. I 28, 2). Cassiodor betonte in diesem an die gesamten Goten und Romanen des Landes gerichteten Schreiben, dass das zur Verfügungstellen von für die Mauer geeigneten Steinen der Allgemeinheit diene, denn (Var. I 28, 3): Datur enim plerumque, quod maiori utilitate recipitur. et frequenter homo lucra sua complectitur, cum necessario pro temporis qualitate largitur. Da ein rechtes Gewissen auf den öffentlichen Straßen bleibe, wie es im darauf folgenden Abschnitt heißt, liegt der Schluss nahe, dass die Maßnahme, Gräben auszuheben, auch darauf abzielte, inländische „Feinde“ wie Diebe und Verbrecher aus der Stadt fernzuhalten. Wer nämlich seinen Weg verbergen wolle und wer versuche, die Befestigungen der Stadt zu verletzen, sei als Feind zu betrachten (Var. XII 17, 2): Ille enim iure habendus est hostis, qui munimina nititur violare civitatis. Über die Größe der Kontingente ist den Variae nur wenig zu entnehmen. An einer Stelle schrieb Cassiodor, dass im Kastell von Aosta lediglich 60 Soldaten stationiert seien (Var. II 5, 1), was auf eine insgesamt kleine Anzahl schließen lässt. Bei Bedarf, etwa im Falle eines Angriffs, konnte allerdings auf jeden wehrfähigen Goten zurückgegriffen werden.
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dem Bau des Kastells Verruca Analogien aus der Tierwelt und berichtete von Tauchvögeln, die das Trockene aufsuchen, wenn sie ein Unwetter voraussehen, von Delfinen, die das tiefe Meer und fürchten und stattdessen in Küstennähe verweilen und von Seeigeln, die vor Stürmen einen Stein umfassen, um nicht von den Wellen fortgerissen zu werden (Var. III 48, 4). Auch Vögel würden je nach Jahreszeit verschiedene Wohngebiete aufsuchen, solle also nicht auch der Mensch für schwierige Zeiten Vorsorge treffen (Var. III 48, 5)?: Aves ipsae adventu hiemis patrias mutant. ferae pro qualitate temporis cubilia quaerunt. hominum sollicitudo non debet providere quod potest in adversitate requirere? Die Lager sollten an strategisch wichtigen Orten errichtet werden. Cassiodor betonte im Zusammenhang mit einem Kastell in der Nähe von Trient (Verruca) ihre Funktion, der Provinz und damit der Bevölkerung Schutz vor Übergriffen zu garantieren (Var. III 48, 2).¹²⁷ In den Kastellen lebten Goten und Romanen in Wohnungen zusammen. Zur Aufsicht des Wohnungsbaus und des Zusammenlebens wurde der saio Leodefrid entsendet. Cassiodor pries die bewundernswerte Sicherheit und sprach von einem erwünschten Wohnort, wenn er fragte (Var. III 48, 3): Hoc opinabile munimen, mirabilem securitatem cui desiderium non sit habitare, quam vel externos delectat invisere? Vergleichbar äußerte er sich in einem an die in Dertona lebenden Goten und Romanen gerichteten Schreiben, denen ein Aufenthalt im Kastell nicht unwillkommen sein solle (Var. I 17, 3). Offenbar wurden die vor den Städten stationierten Soldaten gelegentlich auch als Bedrohung aufgefasst. Dies lässt sich mit einem Brief an die Senatoren belegen, in welchem Cassiodor eindrücklich darauf verwies, dass die Kontingente vor Rom dem Wohle aller dienen, damit die Schar der Goten mit göttlicher Hilfe denjenigen entgegentreten könne, der sie angreifen wolle (Var. X 18). Cassiodor bediente sich dabei eines Vergleichs mit einem Hirten, der seine Herde vor Nachstellung schütze, und einem sorgfältigen Familienvater, der Betrügern die Gelegenheit zu Raub entziehe. Mit welcher Sorgfalt müsse dann also der König Rom verteidigen, das in der Welt nichts Vergleichbares besitze (Var. X 18, 1)?: Remedium, quod pro vobis, patres conscripti, pia mente tractavimus, non sinimus vobis fieri acerba suspicione contrarium, quia laesionis instar est occulte consulere et aliud velle monstrare. cognoscite itaque arma nostra pro salute vestra potius destinata, ut qui vos temptaverit appetere, divino auxilio Gothorum manus ei debeat obviare. nam si insidias gregis strenuus pastor excludit, si pater familias diligens decipientibus locum subreptionis intercipit, qua nos convenit cautela Romam defendere, quam constat in mundo simile nihil habere?
Von weiteren Kastellen erfährt man im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelversorgung der dort lebenden Goten und Romanen: Befestigung von Aosta (Var. II 5); Kastelle an der Durance (Var. III 41, 2). Zu strategischen Verteidigungszwecken empfahl Cassiodor die Neuerrichtung von Städten (Var. V 9). So ist beispielsweise von einer Stadt im Gebiet von Trient die Rede, die aufgrund der dort vorherrschenden dünnen Besiedlung durch auswärtige Arbeiter der Grundbesitzer vom benachbarten Feltre errichtet werden sollte (Var. V 9, 1). Ökonomische Gründe sind deshalb auszuschließen.
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Die Wirklichkeit sah indes anders aus, da es, wie den Variae zu entnehmen ist, häufig zu Disziplinlosigkeiten innerhalb der gotischen Armee kam, die sich über Jahre daran gewöhnt hatte, plündernd durch das Land zu ziehen. Besonders ärgerlich und für das angestrebte harmonische Zusammenleben wenig förderlich waren dabei aus der Sicht Cassiodors Übergriffe auf die romanischen Grundbesitzer. Hier lag es an ihm, Maßnahmen und Strategien zu entwickeln, um Auseinandersetzungen zu vermeiden und die Antipathien nicht allzu groß werden zu lassen.
5.2.2 Maßnahmen gegen Disziplinlosigkeit und Ungehorsam des Heeres Dass das Zusammenleben von Goten und Romanen keinesfalls konfliktfrei war, zeigte sich im Laufe dieser Darstellung bereits im Zusammenhang mit der Ansiedlung und Versorgung der Goten sowie der Rechtsprechung. Wie sich mit zahlreichen in die Variae aufgenommenen Briefen belegen lässt, wurde diese Situation dadurch verschärft, dass es häufig zu Konflikten zwischen der Bevölkerung und den stationierten beziehungsweise durchziehenden Truppen kam.¹²⁸ Die Konfrontationen gingen dabei vor allem von gotischen Soldaten aus, nur wenige Male mussten Grundbesitzer zur Ordnung gerufen werden (Var. XII 5).¹²⁹ Der Statthalter Valerian wurde in diesem Schreiben dazu angehalten, zügellose Unruhen zu verhindern. Hierzu sollen die Bauern, die sich selbst im Frieden kaum mäßigen lassen würden, in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen und nicht in unerlaubtem Wagnis und aus Arbeitsüberdruss einen Aufstand beginnen (Var. XII 5, 4).¹³⁰ In weit größerer Anzahl berücksichtigte Cassiodor bei der Zusammenstellung der Sammlung Briefe, in denen er die Soldaten zu Mäßigung und friedlichem Zusammenleben mit der Zivilbevölkerung ermahnte.¹³¹ Diese Schreiben ergingen vor allem im Kontext von Übergriffen und dem Zug der Truppen durch bestimmte Provinzen (Var. I 11; II 8; III 13, 1– 2; III 38, 1– 2; III 42; IV 36, 2– 3; V 10; V 13; V 26; VIII 27, 2; XII 5).
Vgl. Spielvogel, Hintergründe, S. 14; Schäfer, Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, S. 195. Da die Soldaten als Heeresangehörige nur von gotischen Richtern zur Rechenschaft gezogen werden konnten, waren sie offenbar versucht, Ansprüche gegen unbewaffnete Romanen mit Gewalt durchzusetzen und im Anschluss darauf zu hoffen, dass der zuständige gotische Richter dazu geneigt sein würde, die Klage zurückzuweisen. In der von vielen Goten bewohnten Provinz Samnium ging das Vertrauen der Romanen in den Gerechtigkeitssinn gotischer Richter derart zurück, dass die Provinzialversammlung den König darum bat, einen Mann seines Vertrauens zu schicken, um Streitigkeiten zwischen Goten und Romanen beizulegen. Offensichtlich waren die dortigen Behörden derart überfordert, dass der Bitte stattgegeben wurde (Var. III 13). Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 226 f. Den historischen Hintergrund dieses Briefes bilden die Gotenkriege. Offenbar befürchtete Cassiodor, dass sich die Bevölkerung von den Goten ab- und Belisar zuwenden könnte, was Prokop zufolge auch geschehen ist. Hierauf deutet vor allem die Warnung an die Pächter und deren Arbeiter hin, nicht in den Streit einzugreifen oder sich gegen die gotischen Soldaten zu erheben. Vgl. Prokop, BG, 1,8,2. Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 226.
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Das Zahlenverhältnis legt dabei nahe, dass es vor allem von den Soldaten ausgehende Konfrontationen waren, die Cassiodor als ernstzunehmende Gefahr des friedlichen Zusammenlebens identifizierte. Es bedurfte folglich Maßnahmen und Vorkehrungen, um Ausschreitungen zu lösen und diesen vorzubeugen. Hierzu entwickelte und initiierte der Minister eine Reihe von Lösungsversuchen, die angefangen von ernst gemeinten Ermahnungen bis hin zu Entschädigungszahlungen an die Bevölkerung reichten, um Aufständen der Bevölkerung entgegenzuwirken und auf diese Weise den inneren Frieden zu wahren. Bei der Betrachtung der benannten Stellen gewinnt man den Eindruck, dass die Soldaten aufgrund ihrer militärischen und durch Waffengewalt garantierten Überlegenheit nur allzu gerne die königlichen Anordnungen beugten und sich ihre Wünsche mit Gewalt erfüllten. Ohne jede dieser Stellen im Detail betrachten zu wollen, erging beispielsweise an die durch Venetien und Ligurien ziehenden Truppen die Anordnung, dies ohne Plünderungen oder sonstige gewaltsame Übergriffe zu tun (Var. V 10, 2). Moniarius, ein Grundbesitzer in der Provinz Raetien, klagte darüber, dass Breonen, die im ostgotischen Heer dienten, ihm Sklaven geraubt hätten (Var. I 11). An militärische Pflichten gewohnt, hätten diese bewaffnet die Maxime der civilitas unterdrückt, da es für stets Kämpfende schwer sei, das Maß der Sitten einzuhalten (Var. I 11, 2). Da Cassiodor auch den an den Rändern des Reiches lebenden Untertanen zu ihrem Recht verhelfen wollte und das friedliche Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen gefährdet sah, forderte er daraufhin Servatus, den dux von Raetien, dazu auf, den Sachverhalt zu prüfen und die geraubten Sklaven zurückzuerstatten (Var. I 11, 3).¹³² Dass der Minister in erster Linie duces damit betraute, für Recht und Ordnung zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung zu sorgen, ist ein wiederkehrendes Muster. Militärische duces waren für die Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit zuständig und sollen nicht nur durch ihre Waffen, sondern ebenso durch ihre Urteile an Berühmtheit gewinnen (Var. V 30).¹³³ Besonders deutlich wird dieser Anspruch in der in die Variae aufgenommenen formula für den dux von Raetien, die in diesem Kontext stellvertretend für die Zuständigkeiten und Aufgaben der duces herangezogen werden kann. In diesem Dokument unterstrich Cassiodor, dass es deren Aufgabe sei, Sorge zu tragen, dass die ihm anvertrauten Soldaten mit den Bewohnern der Provinz friedlich zusammenlebten, da der Schild des Heeres den Romanen in erster Linie Frieden gewähren müsse (Var. VII 4, 3):
Anders als in vergleichbaren Briefen deutete Cassiodor die Bereitschaft zum Kampf, die in diesem Beispiel die Breonen an den Tag legten, negativ und betonte deren Bedrohungscharakter (Var. I 11, 2). In Var. I 24 wird jene Kampfeslust indes als besonders erhaltungswürdig gepriesen und betont, dass sich die Goten diese in jedem Falle erhalten sollten. Auch dieser Brief legt folglich nahe, dass Cassiodor den Inhalt seiner Schreiben an den jeweiligen Adressaten und das Ereignis anpasste. Die Betonung liegt in diesem Brief ganz klar darauf, den inneren Frieden im Reich nicht durch aufkeimende Unruhen zu gefährden. Vgl. Radtki-Jansen, Herrscher, S. 179. Zu den duces vgl. Zerjadtke, Michael, Das Amt Dux in Spätantike und frühem Mittelalter. Der ducatus im Spannungsfeld zwischen römischem Einfluss und eigener Entwicklung, Berlin 2019.
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Ideoque validum te ingenio ac viribus audientes per illam indictionem ducatum tibi cedimus Raetiarum, ut milites et in pace regas et cum eis fines nostros sollemni alacritate circueas, quia non parvam rem tibi respicis fuisse commissam, quando tranquillitas regni nostri tua creditur sollicitudine custodiri. ita tamen, ut milites tibi commissi vivant cum provincialibus iure civili nec insolescat animus, qui se sentit armatum, quia clipeus ille exercitus nostri quietem debet praestare Romanis. quos ideo constat appositos, ut intus vita felicior secura libertate carpatur.
Als Beispiel, auf welche Art dieser Anspruch in die Praxis umgesetzt werden sollte, lässt sich ein an den dux Wandil gerichteter Befehl anführen, dessen Zuständigkeit im Gebiet um Avignon lag (Var. III 38). Hintergrund dieses Briefes war, dass die Provinz Gallien, wie es zu Beginn heißt, erst kürzlich verwüstet worden war und deshalb kein weiteres Unrecht ertragen dürfe. Rhetorisch wurde dieser Wunsch durch die Verwendung der Begriffe civilia, pietas und moderata gesteigert (Var. III 38, 1). Eindrücklich wies Cassiodor darauf hin, dass es die Aufgabe des Heeres sei, die Romanen vor feindlicher Bedrückung zu befreien und diese nicht selber auszuüben (Var. III 38, 2)¹³⁴: Atque ideo praesenti auctoritate delegamus, ut in Avinione, qua resides, nulla fieri violenta patiaris. vivat noster exercitus civiliter cum Romanis: prosit eis destinata defensio nec aliquid illos a nostris sinatis pati, quos ab hostili nitimur oppressione liberari.
Der Ruhm des Herrschers würde durch die Bewahrung der Sicherheit der Untertanen verbreitert. Diese dürfe nicht durch die Truppen, die zur Verteidigung bestimmt worden seien, belastet werden, wie es gleich zu Beginn des Briefes heißt (Var. III 38, 1): Principis siquidem opinionem longe lateque disseminat subiectorum custodita securitas, et ubi exercitus dirigitur, non gravandi, sed defendendi potius existimentur. Neben Belehrungen, Appellen und Aufträgen an die duces, die den genannten Beispielen folgen, bedurfte es weiterer Vorkehrungen, um Ausschreitungen und Übergriffen des Heeres auf die Zivilbevölkerung zu begegnen. Hier ist es vor allem die Prävention, auf die Cassiodors Ansätze abzielten. Als wichtigste Maßnahme erscheint dabei die Verpflegung des Heeres mit dafür notwendigen Lebensmitteln (Var. III 40, 2; V 10; XI 16, 2) oder Geld (Var. IV 13, 1; V 11) zur Selbstverpflegung, damit die Soldaten nicht dazu gezwungen würden, sich das für das Überleben Notwendige gewaltsam von der Provinzialbevölkerung zu beschaffen (Var. IV 13, 1). Seiner Ansicht nach sei es zweckmäßiger, die Kosten für das Heer aufzubringen als im Umkehrschluss Verwüstungen zu entschädigen, da eigenmächtige Aneignung kein Maß zu halten wüsste (Var. V 13), weil ein hungriges Heer keine Disziplin bewahren könne und sich ein Bewaffneter stets das aneigne, was ihm fehle (Var. IV 13, 2):
Diese Forderung wurde regelmäßig mit dem Grundsatz verknüpft, dass derjenige, der Waffen trage, erkennen solle, dass er für die Sicherheit aller ausgewählt sei (Var.VI 22, 3). In einem Brief an die Bewohner von Marseille erklärte Cassiodor die Absicht, nur solche Offiziere zu senden, die sich durch Tapferkeit und maßvolle Gesinnung auszeichnen, um auf diese Weise den Angelegenheiten der Provinzialen und dem Gemeinwohl zu dienen (Var. III 34, 2).
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Disciplinam siquidem non potest servare ieiunus exercitus, dum quod deest semper praesumit armatus. habeat quod emat, ne cogatur cogitare quod auferat. necessitas moderata non diligit, nec potest imperari multis quod nequeunt custodire paucissimi.
Üblicherweise hatten die Provinzen, in denen sich die Soldaten aufhielten, die Kosten für die Verpflegung der Truppen zu übernehmen (Var.VI 22, 3;VI 3, 6).¹³⁵ Von Cassiodor selber wird überliefert, dass er gotische Truppen auf eigene Kosten ernährte, um auf diese Weise die Bevölkerung und die Staatskasse zu schonen (Var. IX 25, 9). Ob dies für bare Münze genommen werden kann oder aber dazu diente, sich im Nachhinein in ein besseres Licht zu rücken, kann nicht abschließend geklärt werden. Für letzteres spricht, dass keine weiteren derartigen Aktionen seitens Cassiodor oder anderer Beamten überliefert werden. Wieder sind es die comites der Städte, die Ausschreitungen dadurch verhindern sollten, indem sie Lebensmittelrationen beschaffen und den Soldaten zur Verfügung stellten (Var.VI 22, 3). Bei den Truppen, die Theodahad zum Schutze Roms entsendete, wurde diese Regelung in einem Schreiben an den Senat ausdrücklich als Schutz für die Zivilbevölkerung dargestellt (Var. X 18). Damit die Verteidigung dieser Stadt nicht erschwert würde, müsse die Verpflegung auf dem Markt gekauft werden. Auf diese Weise hätte das Heer keine Notwendigkeit für Ausschreitungen und die Romanen keinen Grund zu Verlusten (Var. X 18, 2): Sed ne in aliquo vobis gravis existeret vel ipsa defensio, exercitui destinato ordinante illo annonas fecimus secundum forum rerum venalium comparari, ut et illis tolleretur necessitas excedendi et vobis auferretur causa dispendii.
Vor diesem Hintergrund wurde beispielsweise Faustus Niger angewiesen, den 60 Soldaten im Kastell von Aosta ihren Lebensunterhalt zu liefern (Var. II 5). In der Begründung hierzu führte Cassiodor an, dass die Soldaten in der Grenzregion für die ruhige Sicherheit der Allgemeinheit schwitzen und am Tor der Provinz die Einfälle der „Barbaren“ verhindern würden. Wer nämlich danach strebe, „Barbaren“ abzuhalten, werde immer kampfbereit sein, denn allein die Angst hemme die, die keine versprochene Treue zurückhalten könne (Var. II 5, 2): Decet enim cogitare de militis transactione, qui pro generali quiete finalibus locis noscitur insudare et quasi a quadam porta provinciae gentiles introitus probatur excludere. in procinctu semper erit, qui barbaros prohibere contendit, quia solus metus cohibet, quos fides promissa non retinet.
Stellenweise wurde die staatliche Verpflegung der Soldaten mit Nahrungsmittel als Ausfluss königlicher Milde und Spendenbereitschaft gepriesen (Var. II 5, 1): Cum nostra humanitas locum munificentiae videatur exquirere et interdum personis minus necessariis amore clementiae sua desideria largiatur, quanto magis in utilitate rei publicae delectatur expendere, ubi quicquid tribuitur, donantis utilitas duplicatur! Passagen dieser Art dienten vor allem dazu, die ohnehin vom Herrscher und dessen Administration eingenommene Rolle als Versorger beziehungsweise Wohltäter der Truppen nochmals hervorzuheben.
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Neben der Versorgung von in Kastellen lebenden Soldaten sollten auch marschierende Truppenkontingente mit Lebensmitteln oder Geld zur Selbstverpflegung versorgt werden. Am deutlichsten tritt dies in zwei Schreiben zu Tage, die sich mit dem Durchzug der Gepiden durch Venetien und Ligurien befassen (Var.V 10; V 11).¹³⁶ Damit die Soldaten keinen Mangel hätten und die eigenen Provinzen nicht unter Verwüstung leiden müssten, erging an den saio Vera der Befehl, er möge die zum Schutze nach Gallien eilenden Gepiden verpflegen (Var. V 10). Wenn mit Gottes Hilfe ein erfolgreiches Heer zur allgemeinen Verteidigung geführt werden solle, müsse man Cassiodor zufolge dafür Sorge zu tragen, dass die Soldaten ausreichend versorgt seien (Var. V 10, 1): Cum deo iuvante pro defensione generali felicissimus producatur exercitus, providendum est, ne aut ipsi penuria inconsulta fatigentur aut (quod dici nefas est) vastationem nostrae videantur provinciae sustinere. primus enim prosperitatis gradus est suis non esse damnosum, ut, pro quorum compendio laboramus, eorum non videamur afflixisse fortunas.
Die erste Stufe zum Wohlstand sei es, den Seinen kein Unrecht zu bringen, damit nicht der Eindruck geweckt werden würde, sie hätten die Güter derjenigen geschädigt, zu deren Vorteil sie arbeiten. Um der durch Venetien und Ligurien ziehenden Armee keine Gelegenheit zu Übergriffen zu bieten, seien für jede einzelne Abteilung drei solidi bestimmt (Var. V 10, 2). Mit diesem Geld sollten Nahrungsmittel, Futter für die Tiere und die Reparatur von Fahrzeugen finanziert werden ohne dabei die Provinzialen zu berauben (Var. V 10, 3). Ursprünglich war zur Versorgung der Gepiden wie beim obigen Beispiel im Zusammenhang mit dem Kastell von Aosta die Lieferung von Naturalien vorgesehen. Da Lebensmittel allerdings nur schwer zu beschaffen seien und möglicherweise verderben würden, ehe sie bei der Truppe eintreffen, plädierte Cassiodor in diesem Fall dafür, den Soldaten stattdessen Geld zur Selbstverpflegung zukommen zu lassen (Var. V 11) Als weitere präventive Maßnahme pries Cassiodor die Überreichung des Donativs (Var. IV 14, 2; V 26, 2; V 27, 1; V 36, 2; VII 42, 3; VIII 26, 4). Hierbei handelte es sich um eine Zahlung von mehreren solidi, die die Soldaten einmal jährlich bei einer Musterung in Ravenna überreicht bekamen.¹³⁷ Die genaue Höhe ist nicht bekannt, Cassiodor stellte aber bei der Schaffung einer Kriegsflotte den Marinesoldaten ein Donativ in
Zu den Gepiden vgl. Pohl, Walter, Die Gepiden und die gentes der mittleren Donau nach dem Zerfall des Attilareiches, in: Wolfram, Herwig/ Daim, Falko (Hrsg.), Die Völker an der mittleren und unteren Donau im fünften und sechsten Jahrhundert. Berichte des Symposions der Kommission für Frühmittelalterforschung, 24. bis 27. Oktober 1978, Stift Zwettl, Niederösterreich, Wien 1980, S. 239 – 305; Schmauder, Michael, Goten und Gepiden. Im Brennpunkt des Geschehens. Germanische Völker an der Donau, in: Knaut, Matthias/ Quast, Dieter (Hrsg.), Die Völkerwanderung. Europa zwischen Antike und Mittelalter, Stuttgart 2005, S. 39 – 45; Steinacher, Rom und die Barbaren, S. 130 – 132; Wiemer, Theoderich der Große, S. 367 f. Zum Donativ vgl. Wolfram, Goten, S. 298; Wiemer, Odovakar und Theoderich, S. 305; Wiemer, Theoderich der Große, S. 217; Last, Außenpolitik, S. 76; Kakridi, Cassiodors Variae, S. 176.
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Höhe von fünf solidi in Aussicht (Var. V 16, 4). Das Donativ galt dabei nicht als Sold¹³⁸, sondern als jährliche Belohnung für verdiente und treue Soldaten.¹³⁹ Diese Zahlung, die Cassiodor als Gewohnheit der königlichen Milde pries, war dabei einzig den Goten vorbehalten (Var. V 27, 1).¹⁴⁰ Wer nicht mehr zum Kriegsdienst in der Lage war, konnte sich von der Pflicht, zur Musterung bei Hofe zu erscheinen, entbinden lassen, verlor damit aber auch den Anspruch auf diese Sonderzahlung.¹⁴¹ Da die Ostgotenkönige nicht mehr persönlich ins Gefecht zogen und die Goten über weite Teile Italiens verteilt waren, wurde das Donativ von Cassiodor zu gleichen Teilen als ein bewährtes Mittel gepriesen, die Soldaten an die Person des Königs zu binden und Ausschreitungen zu verhindern.¹⁴² Hinzu kommt, dass auf diese Weise die Bildung lokaler Machtkerne verhindert werden sollte, die nur schwerlich zu kontrollieren waren.¹⁴³ Er war deshalb von der Wichtigkeit dieser Zahlungen überzeugt, weil die „Völker“ vom Anblick ihres Fürsten noch mehr profitieren würden als sie von seiner Großzügigkeit Wohltaten erhalten. Denn derjenige sei fast einem Toten ähnlich, den sein König nicht kenne und derjenige lebe unehrenhaft, den keine Kenntnis seines Königs schütze (Var. V 26, 1): Quamvis munificentia nostra sit omnibus ubique gratissima, multo tamen acceptiora credimus quae nostri praesentia conferuntur, quia maiora de conspectu principis populi sumunt, quam de largitate
Jedem Soldaten wurde, sobald er aktiv im Heer diente, ein Sold ausbezahlt. Vgl. Wolfram, Das Reich Theoderichs, S. 7. Lobenswerte Taten der Soldaten wurden durch die Verleihung der corona civilia gewürdigt, die Soldaten beispielsweise für die Rettung eines Bürgers verliehen bekamen (Var. II 28, 1). Es ist anzunehmen, dass es, obgleich die Variae nur diese Auszeichnung bezeugen, noch weitere Belohnungen und Auszeichnungen gegeben hatte. Diese wurden unabhängig vom Donativ überreicht. Vgl. Wiemer, Integration durch Separation, S. 167. Der bewährte Heerführer Tuluin erhielt, wie Cassiodor berichtet, darüber hinaus großzügige Ländereien (Var. VIII 10, 8). Vgl. Wiemer, Theoderich der Große, S. 217. Stattdessen betraute Theoderich Adlige mit dem Oberkommando (Var. IV 17, comes Ibba gegen die Gepiden; Var. VIII 10, 6, ebenfalls comes Ibba mit Unterstützung von Tuluin). Dass dies nicht ohne Risiken war, beweist die Tatsache, dass Theoderich im Jahre 500 den comes Odoin hinrichten ließ und später im Jahre 514 den comes Petia offenbar eigenhändig tötete. Vgl. Wiemer, Goten, S. 614. Offenbar wollte Odoin Theoderich umbringen. Ein versuchter Mordanschlag galt als Hochverrat und somit mit dem Tod zu ahnden, auch wenn der Anonymus Valesianus nichts über einen Prozess berichtet. Vgl. Exc. Val. 68 – 69. Vergleichbar liegt der Fall bei dem bei Prosper Havniensis erwähnten Petia. Auch in dieser Schilderung lässt sich nicht nachvollziehen, warum der comes in Ungnade fiel. Auctarium Havniense sub anno 514 (Chronica Minora I, S. 331): Theudoricus rex Mediolanium veniens Petiam comitem interfecit VII id. Jun. Die Identität dieses Petia mit dem bekannten Heerführer Pitzia (Var.V 29) ist wahrscheinlich, aber nicht sicher.Vgl. Wiemer, Die Goten in Italien, S. 614; Wiemer, Theoderich der Große, S. 218; Plassmann, Interessenvertretung und Intrigen, S. 77. Zu Odoin und Pitzia siehe Amory, People and Identity, S. 401 und S. 406 f. Ebenfalls der Ausübung von Kontrolle diente, dass Theoderich an seinem Hof gotische Adlige um sich sammelte, die als Hausmeier, das heißt Verwalter (maiores domus) einen Kreis von Beratern und Helfern des Königs bildeten, der neben dem traditionellen, mit Romanen besetzten Kronrat (consistorium) bestand. Vgl. Wiemer, Die Goten in Italien, S. 613; Maier, Amtsträger und Herrscher, 146 – 159.
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beneficia consequuntur. nam paene similis est mortuo, qui a suo dominante nescitur nec sub aliquo honore vivit, quem regis sui notitia non defendit.
Mit Formulierungen dieser Art weckte Cassiodor die Fiktion, dass der König jeden Einzelnen kenne und für ihn sorge. Allerdings mussten die Goten von Samnium und Picenum selbst beim Marsch, den sie zur Erlangung des Donativs unternahmen, vor Ausschreitungen und Verwüstungen gewarnt werden. Anstelle die Saaten und Wiesen der Grundbesitzer zu zerstören, sollen sie mit Selbstbeherrschung und Disziplin zum König eilen, da dieser die Kosten für das Heer gerne auf sich nähme, wenn auf diese Weise das friedliche Leben vor Beeinträchtigungen geschützt werden könne (Var. V 26, 2).¹⁴⁴ An anderer Stelle führte Cassiodor den Goten zur Vermeidung derartiger Übergriffe vor Augen, dass es zu ihrem Vorteil sei, wenn die Romanen ruhig seien, da sie durch ihre Steuerzahlungen den Staatshaushalt finanzieren und auf diese Weise die Donative der Soldaten tragen. Es liege folglich in ihrem Interesse, die Finanzkraft der Romanen zu erhalten (Var. VIII 26, 4): Nam quae necessitas ad iniusta compellat, cum vos et sortes alant propriae et munera nostra domino iuvante ditificent? nam et si cui aliquid expetendum est, speret de munificentia principis quam de praesumptione virtutis, quia vobis proficit, quod Romani quieti sunt, qui, dum aeraria nostra ditant, vestra donativa multiplicant.
Da die von Cassiodor initiierten präventiven Maßnahmen nicht immer Erfolg versprachen und es weiterhin zu Übergriffen und Auseinandersetzungen kam, war der Minister im Sinne der Aufrechterhaltung des inneren Friedens bedacht, durch Entschädigungsleistungen einen Ausgleich mit den betroffenen Personen zu erzielen. Hierauf deuten weitere in die Variae aufgenommene Schreiben hin, in welchen von Schadensersatz und Steuererleichterung die Rede ist. Ziel dessen war, wie es in infolge der Verwüstung Bruttiums und Lucaniens an die dort lebende Bevölkerung heißt, dass den zu Unrecht Belastenden geholfen werde (Var. XII 5, 7). Vergleichbar argumentierte Cassiodor in einem Schreiben an den Bischof Severus, welchem er durch den Boten Monetarius die Summe von 1.500 solidi zukommen ließ, damit dieser das Geld an die Provinzialen verteile, die durch den Marsch des Heeres geschädigt worden seien (Var. II 8). Der Bischof wurde dazu angehalten, das Ausmaß des Schadens zunächst zu schätzen, damit keiner von der königlichen Schenkung Interessanterweise musste Cassiodor die gotischen Krieger ermahnen, sich auf dem Marsch nach Ravenna an geltendes Recht zu halten, damit es nicht zu Ausschreitungen komme und Felder und Wiesen der Grundbesitzer verwüstet würden. Sie sollten vielmehr unter Bewahrung der Disziplin herbeieilen, denn der König übernehme gerne die Kosten für das Heer, damit die civilitas von den Bewaffneten uneingeschränkt erhalten werde (Var. V 26, 2): Illud tamen necessario commonentes, ut venientium nullus provenire possit excessus, ne possessorum segetes aut prata vastetis, sed sub omni continentia properantes de custodita disciplina grata nobis esse vestra possit occursio, quia ideo exercituales gratanter subimus expensas, ut ab armatis custodiatur intacta civilitas.
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ausgeschlossen bleibe und die Gelder nicht Personen zugute kämen, die ungeschädigt geblieben wären (Var. II 8, 1): Proinde aptam considerantes vestris meritis actionem significamus nos per Montanarium sanctitati vestrae mille quingentos solidos destinasse, quos provincialibus, prout quemque praesenti anno exercitu nostro transeunte dispendium pertulisse cognoveris, habita laesionis aestimatione distribuas, ut nullus a nostra munificentia reddatur alienus, quem sua damna gravaverunt. nolumus enim sub confusione largiri, quod decet sub ratione distribui: ne quod nos necessarie transmisisse constat afflictis, superfluo tribuatur illaesis.
In anderen Fällen wurden den Bewohnern geschädigter Gebiete Steuererleichterungen gewährt (Var. IV 36). Der dahinterstehende Gedanke lag in der Minimierung einmaliger Verluste begründet, um die Steuerkapazität der folgenden Jahre auf einem gewissen Niveau zu halten. Es gehöre daher zu einem fürsorglichen Herrscher, stark Geschädigten Steuerforderungen zu erlassen, damit diese in Zukunft mit neuem Eifer ihren Verpflichtungen nachkämen (Var. IV 36, 1): Providentissimi principis est graviter imminutis relinquere tributariam functionem, ut redivivis studiis ad implenda sollemnia recreentur qui pressi damnorum acerbitate defecerant. nam si fessis minime relevetur onus, necessitate cernitur iacere prostratus. melius est enim praesentia damna contemnere quam exiguo quaestu perpetua commoda non habere.
Aus der Notwendigkeit heraus strecke der König den durch die Verwüstung geschädigten Mitbürger seine heilbringende Rechte hin, damit sie nicht undankbar sagen könnten, sie allein seien für die Verteidigung aller zugrunde gegangen. Gleichsam solle die Bevölkerung, die den Verteidigern Italiens den Weg gewährt habe, sich freuen. Aus diesem Grund würden nicht noch traurig machende Steuern gefordert werden (Var. IV 36, 3). Rückblickend zeigte sich, dass Cassiodor in der Verteidigung Italiens die wohl wichtigste Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des inneren Friedens im Reich sah.Von Anfang an war er sich darüber im Klaren, dass familiäre und verwandtschaftliche Beziehungen keinesfalls ausreichen konnten, um Kriege zu verhindern. Deshalb plädierte er vor allem auf Kriegsvorbereitungen, die zur Verteidigung Italiens schon in Friedenszeiten getroffen werden sollten. Der Militärdienst war ausschließlich den Goten vorbehalten, über allem thronte dabei die Vorstellung, dass die Goten die Beschützer Italiens und damit der Romanen waren. In den Augen der Romanen sollte so ein Gefühl der absoluten Sicherheit entstehen. Hierzu passt, dass Cassiodor stets darum bemüht war, das Ansehen der Goten als Verteidiger des inneren Friedens zu wahren, um so dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht zu werden. Eine ähnliche Intention verfolgte Cassiodor wohl auch bei der Verfügung von konkreten Verteidigungsmaßnahmen. Auch bei diesen Maßnahmen sollte in der Bevölkerung Italiens ein Gefühl von Sicherheit entstehen. Äußerer und innerer Frieden gingen auf
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diese Weise eng einher, was auch am Ende der Arbeit angelangt wieder einmal Cassiodors staatsmännisches Gespür und Geschick verdeutlicht.
6 Zusammenfassung Im Zusammenhang mit den seit 2015 in Richtung Europa strömenden Flüchtlingen tauchte zuletzt in den Medien des Öfteren der Begriff „Völkerwanderung“ auf. Auch Politiker sprechen vom Beginn einer „neuen Völkerwanderung“ und beziehen sich damit inhaltlich auf einen rund zwei Jahrhunderte andauernden Vorgang (ca. 375 – 568 n.Chr.), der in Europa, Nordafrika, Kleinasien, dem Nahen Osten und Palästina eine tiefgreifende Neuordnung des Römischen Reiches zur Folge hatte. Diese Transformationsphase prägte die politische, soziale und religiöse Struktur des westeuropäischen Kontinents in besonderer Weise. Abgesehen davon, dass es sich beim Terminus „Völkerwanderung“ um einen problematischen und in der Geschichtswissenschaft kontrovers diskutierten Begriff handelt und schon deshalb die Parallelität vergangener und aktueller Ereignisse fraglich ist, wohnt dem Phänomen damaliger wie heutiger Migration dennoch eine gemeinsame Herausforderung inne, mit der es umzugehen galt und gilt: Die Ankunft in der Fremde und damit einhergehende Fragen nach gesellschaftlichem Zusammenleben, Integration und innerem Frieden. Wie die vorliegende Arbeit am Beispiel der Herrschaft der Ostgoten über Italien zeigt, zählen Fragen nach Integration, Partizipation und friedlichem Zusammenleben nicht erst in jüngster Zeit zu den dringlicheren Herausforderungen von Staats- und Regierungschefs sowie deren Beratern. Schon Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator, der mit dem amtlichen Schriftverkehr der Regierung betraut war, sah sich im Italien des sechsten Jahrhunderts als Minister im Dienste König Theoderichs und dessen Nachfolgern vor ähnliche Herausforderungen gestellt. Sein vordergründiges Ziel bestand in der Wahrung und Aufrechterhaltung des inneren Friedens zwischen zugewanderten Goten und einheimischen Romanen im italischen Ostgotenreich. Um diese gelingende Form des Zusammenlebens von Menschen in einer in Ansätzen staatlich organisierten Gesellschaft zu erreichen, erarbeitete er Integrationsstrategien sowie Lösungsansätze für politische Ordnungsfragen. Von seinen Maßnahmen zeugen vor allem die Variae, eine zwölf Bücher umfassende Sammlung von 468 Briefen, Edikten und Formularen aus Cassiodors Amtszeit am Ostgotenhof, die er zusammenstellte und publizierte und um ein dreizehntes Buch, die Schrift De anima, erweiterte. Dieser einzigartigen Sammlung zufolge waren es neben Fragen der Ansiedlung, konfessionellen Streitfragen, kulturellen Eigenheiten der Bevölkerungsgruppen und der Angst vor äußeren Gefahren auch ökonomische Interessen und Auseinandersetzungen um Steuergerechtigkeit, mit denen er umzugehen und einen Ausweg zu finden hatte. Die Reaktionen und Lösungsansätze des Ministers lassen einen einzigartigen Blick auf die Voraussetzungen inneren Friedens und genauso auf dessen Gefährdungen zu. In den Augen Cassiodors beruhte dieser mit der Gerechtigkeit als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens von Goten und Romanen, der Prosperität der italischen Halbinsel sowie der Ausblendung und Vermeidung religiöser Konflikte und der außenpolitischen Sicherheit auf vier verschie-
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denen Elementen, deren ausführliche Analyse im Vordergrund der vorliegenden Darstellung stand. Erstens: Bei der Organisation des Zusammenlebens von Goten und Romanen setzte Cassiodor große Hoffnungen auf das allgemeine Prinzip der Gerechtigkeit, das sein Leitmotiv für die Versorgung der Neuankömmlinge in Italien, die Verwaltung und Steuererhebung sowie die Rechtsprechung war. Entscheidend war für ihn, Übergriffe auf fremdes Eigentum, Bestechungen, Unregelmäßigkeiten bei der Steuereintreibung, Gesetzeswidrigkeiten und Rechtsungleichheit so gut es ging zu vermeiden, um auf diese Weise Aufständen und Unruhen vorzubeugen. Als Grundlage des inneren Friedens zwischen Zugewanderten und Einheimischen sah Cassiodor die weitgehend konfliktfreie Ansiedlung der Ostgoten auf italischem Boden an. Mit dieser nicht ganz einfachen Aufgabe wurde der Römer Liberius betraut, dem es dem Zeugnis der Variae zufolge gelang, durch die Zuteilung der Landlose nicht nur Besitzungen, sondern auch die Herzen von Goten und Romanen miteinander zu verbinden, woraus schließlich Freundschaft zwischen beiden „Völkern“ erwachsen sei (Var. II 16, 3 – 5). Cassiodor unterstrich dies, indem er in zahlreichen Briefen versuchte, die Goten mit antibarbarischen Vorurteilen im positiven Sinne von den übrigen gentes abzuheben (Var. II 5, 2; IV 3, 2; III 17, 3). Gleichwohl handelte es sich bei der Ansiedlung der Ostgoten um eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle des harmonischen Zusammenlebens. Cassiodor war sich dessen bewusst und setzte als Ausweg darauf, konsequent gegen Eigentumsverletzungen vorzugehen. Wie die in den Variae überlieferten Fälle nahelegen, machte er dabei keine Unterschiede zwischen Goten und Romanen (Var. III 20; VIII 28; V 12). Um die Versorgung der Ostgoten sicherzustellen, waren die Amaler darauf angewiesen, die Verwaltungsorganisation des alten Imperiums zu erhalten und für ihre Zwecke zu nutzen. Die schwierigste Aufgabe bestand in der Aufrechterhaltung administrativer Strukturen ohne durch die Forderungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerzahler zu sehr zu beeinträchtigen. In der Praxis hatte die Erhebung der Steuern Unregelmäßigkeiten geradezu provoziert. Angefangen von Steuerhinterziehung (Var. I 19, 2; II 24; XII 5, 7; V 12), reichten diese bis hin zu Missbräuchen seitens der Eintreibenden (Var. II 24; XII 1; V 14; V 39). Cassiodor sah die Beschwerden als berechtigt an und schritt konsequent, entschlossen und unabhängig von ethnischen und politischen Loyalitäten ein, indem er nicht nur verbal Abhilfe versprach, sondern auch Taten folgen ließ. In diesem Kontext zeigt sich erneut, dass der Minister weder Romanen noch Goten einseitig bevorteilte, sondern stattdessen nach geltendem Recht agierte. Hinsichtlich der verwendeten Argumente in seinen entweder an romanische oder gotische Beschuldigte gerichteten Briefen sowie seiner Wortwahl lassen sich keine größeren Unterschiede feststellen. Die Analyse der Briefe verdeutlicht, dass es vor allem Beamte waren, in deren gerechte Amtsausübung Cassiodor große Hoffnungen setzte. Treue (Var. I 4; V 49), Unbestechlichkeit (Var.VIII 16; VIII 17), Bescheidenheit (Var. I 4, 6; I 32, 1; III 12, 3) und ein Sinn für Ordnung und maßvolles Handeln (Var. X 3, 3; X 7, 3; III 13, 1) lassen die Staatsbediensteten auf diese Weise als Vermittler und Stifter der Gerechtigkeit er-
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scheinen. Der Bestechlichkeit, Habsucht und Ehrgeiz sollte durch die Ernennung besonders bewährter und charakterfester Persönlichkeiten vorgebeugt werden. Ein verlässliches Mittel sah Cassiodor darin, Staatsbedienstete regelmäßig – und dies teilweise schon im Ernennungsformular – zu richtigem Verhalten zu ermahnen (Var. III 24, 4; V 19; V 4, 7; IX 19, 4). Neben Maßregelungen dieser Art waren Gehaltserhöhungen (Var. IX 13) und ein umfassender Kontrollapparat (Var. I 21; IX 14, 9; VIII 20) in seinen Augen weitere Maßnahmen, um Benachteiligungen, Veruntreuungen und Missbräuchen entgegenzuwirken. Dabei erscheinen Senatoren, Vorgesetzte und saiones als Teil dieses Überwachungsapparats, in den er große Hoffnungen setzte. Das von den Ostgoten fortgeführte römische Verwaltungssystem war neben der Erhebung der Steuern zur Finanzierung des Staatsapparates zugleich für die Rechtsprechung in Kriminal- und Zivilprozessen zuständig. Auf der Ebene des Rechts und der Rechtsprechung erscheint der Terminus Gerechtigkeit vor allem als Rechtsgleichheit, freiwilliger Gehorsam und Selbstdisziplinierung in Form von Angemessenheit, Ausgewogenheit und Billigkeit. Vor allem in der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz sah Cassiodor eine wichtige Voraussetzung für das friedliche Auskommen von Goten und Romanen. Dazu wurde der comes Gothorum gemäß seiner Bestallungsurkunde betraut, über Streitfälle unter Goten zu urteilen. Bei Auseinandersetzungen zwischen einem Goten und einem Romanen sollte ebenfalls dieser, aber unter Einbezug eines Romanen, ein Urteil fällen. Probleme zwischen Romanen sollten ausschließlich vor romanischen Richtern entschieden werden (Var. VII 3, 1– 3). Weder Goten noch Romanen sollten sich benachteiligt und der jeweils anderen Bevölkerungsgruppe unterlegen fühlen. Die iustitia erforderte dabei im Denken Cassiodors freiwillige Selbsteinschränkung, Gehorsam und Disziplin (Var. VIII 3, 4; XI 8), die die Bewohner Italiens in der Praxis nicht immer bereit waren zu leisten. Die Folgen waren Rechtsverletzungen, die ein Einschreiten notwendig machten. Im Denken Cassiodors waren es vor allem der König und die von ihm eingesetzten Richter, denen bei der Wahrung des Rechts eine wichtige Rolle zuteil wurde (Var. III 15; VIII 13, 7; IV 12, 1). Der Herrscher erscheint als oberster Hüter der Gerechtigkeit und Wahrer des Rechts.Wenn Ermahnungen und Zurechtweisungen nicht mehr ausreichten, verknüpfte Cassiodor dies mit der Androhung und Verhängung von Strafen. Immer wieder betonte er, dass Sanktionen notwendig seien, um die Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten (Var. X 28, 3; IX 22, 1;VII 2, 1). Auch bei der Strafverfolgung und der Vorbeugung von Straftaten zeigte sich, dass Cassiodor konsequent und ohne eine Bevölkerungsgruppe zu bevorzugen agierte und in der rechtlichen Gleichstellung von Goten und Romanen ein bewährtes Mittel sah, Ausschreitungen vorzubeugen und auf diese Weise den inneren Frieden im Reich aufrechtzuerhalten und zu wahren. Zweitens: Der innere Frieden fußte im Denken Cassiodors auf stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen und ökonomischer Prosperität. Da letzteres den Handel und den ungehinderten Warentransport voraussetzt, lag sein Interesse darin, sowohl den Binnenhandel auf Landstraßen (Var. VII 29) und Flüssen (Var. V 20; XII 24) als auch den Überseehandel (Var. VIII 31; IV 15) zu fördern. Zur Gewährleistung des immanent wichtigen Seehandels, setzte er auf entsprechende Schiffskapazitäten und
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lobte das von Theoderich initiierte und zur damaligen Zeit größte Schiffsbauprogramm (Var.V 16). Neben seiner Sorge um ausreichend zur Verfügung stehender Boote identifizierte Cassiodor mit der sinkenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einzelner Regionen (Var. XI 39; IX 10) und der allgemein in Italien vorherrschenden Metallarmut (Var. IX 3; IV 34) weitere Gefahrenquellen, auf die es zu reagieren galt. Zur Stabilisierung und Förderung der Wirtschaft entwickelte er daher umfassende Maßnahmen, die von Eingriffen in die Preisbildung (Var. VII 11; XI 11; XII 22– 23), Steuerermäßigungen (Var. II 38; IV 50; X 28), überregionalen Transporten zum Ausgleich örtlicher Defizite (Var. IV 5) über Viehzucht (Var. III 50) und Vorratspolitik (Var. XII 25) bis hin zur Überwachung des Exports und Ausfuhrverboten (Var. I 34; XII 14; II 12) reichten. Die Herstellung stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse war vor allem im Hinblick auf die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln entscheidend und Cassiodor ein persönliches Anliegen (Var. praef. 5). Er befürchtete, dass die durch Kriege und Naturkatastrophen ausgelösten Engpässe zu Aufständen und Unruhen führen konnten. Da diese Sorge nicht unbegründet war, traf er aufbauend auf den Maßnahmen zur Stabilisierung und Förderung der Wirtschaft weitere Vorkehrungen, um die Ernährung sicherzustellen. Diese reichten angefangen von lokaler Selbstversorgung (Var. XI 14; XII 15; XII 4) bis hin zu Getreidetransporte in Krisengebiete (Var. III 41; IV 5; I 35; IX 3; IV 7). Bei der Organisation der Nahrungsmittelverteilung konnte Cassiodor auf den erogator opsoniorum (Var. XII 11) und einen umfassenden Verwaltungsapparat einschließlich Schatzmeister, Lieferanten und Metzger zurückgreifen (Var. X 28). Der König wurde in diesen Fällen als Wohltäter stilisiert (Var. II 2; I 38; II 30; III 42). Die Nahrungsmittelversorgung erscheint auf diese Weise als Instrument des inneren Friedens. Drittens: Das Zahlenverhältnis zwischen zugewanderten Arianern und bereits in Italien lebenden Katholiken sowie die Existenz größerer jüdischer Gemeinden und eine zahlenmäßig nicht näher fassbare Anzahl an Heiden stellten Cassiodor vor die nicht zu unterschätzende Herausforderung, das Zusammenleben von Menschen verschiedener religiöser Überzeugungen zu organisieren. Sollte der innere Frieden im Reich von Dauer sein, so hatte der Minister einen Weg zu finden, unter allen Umständen religiös aufgeladene Spannungen zu vermeiden, aus denen die von ihm befürchteten und die politische Ordnung gefährdende Unruhen resultieren konnten. Dieses Ziel vor Augen, entwickelte er verschiedene Strategien und Maßnahmen, die von Konfession zu Konfession variierten. Zur Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens beabsichtigte Cassiodor, ein harmonisches Zusammenleben von Arianern und Katholiken zu verwirklichen. Um Ausschreitungen und wechselseitige Übergriffe zu verhindern, stand dabei an erster Stelle, es zu keinen größeren Konflikten kommen zu lassen. Die Strategie der Konfliktvermeidung setzte bereits auf der inhaltlich-gestalterischen Ebene der Briefe an, da diese so formuliert waren, dass weder ein Arianer noch ein Katholik Anstoß an ihnen nehmen konnte. Es nimmt folglich wenig Wunder, wenn die abweichende Konfession der Gotenkönige lediglich an zwei Stellen angedeutet wird (Var. VIII 15; X 34) und er Formulierungen, die auf „Jesus“ oder „Christus“ schließen lassen, bis auf
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eine Ausnahme (Var. XI 40, 1) vermied. Den Schlüssel für ein gutes Auskommen zwischen Goten und Romanen verortete Cassiodor dabei in der Offenheit und Unvoreingenommenheit des Königs gegenüber der katholischen Kirche. Dabei betonte er, dass fremde Religionen vor Unrecht bewahrt werden müssten (Var. II 29) und bekannte sich zur Freiheit des religiösen Gewissens (Var. II 27, 2; X 26).Weltliche Eingriffe in kirchliche Angelegenheiten befürwortete der Minister nur in Fällen von Simonie (Var. IX 15; IX 16) und wenn es darum ging, das Kirchenvermögen zu schützen (Var. IV 17; IV 20; III 45; II 29). In den Augen Cassiodors war es vor allem rechtliche Gleichstellung und -behandlung, die Konflikten vorbeugte und auf diese Weise das friedliche Zusammenleben von Arianern und Katholiken nicht weiter gefährdete (Var. III 7; IV 18; III 37; III 14). Um Aufsehen zu vermeiden, räumte er Geistlichen, die einer Straftat beschuldigt waren, die Freiheit ein, Anschuldigungen durch das Erwirken eines Vergleichs beizulegen (Var. II 18; III 7; III 14; IV 44). Den Bischöfen, die er als zentrale Schaltstellen, Vermittler und Multiplikatoren erachtete und in dieser Funktion in weltlich-politische (Var. XII 27; II 8; IV 31; II 18) und seelsorgerisch-soziale (Var. VIII 8; IX 15) Aufgaben einspannte, kam dabei eine Schlüsselfunktion zu. Wie insbesondere seine beiden Briefe an Papst Johannes II. (Var. XI 2) und die verschiedenen Bischöfe (Var. XI 3) deutlich machen, waren Geistliche in seinen Augen unverzichtbare Stifter und Boten des Friedens. Erachtete er zwischen Arianern und Katholiken noch ein harmonisches Zusammenleben für die beste Lösung, so trat zwischen Christen und Juden an dessen Stelle eine auf Separation ausgerichtete Koexistenz. Entgegen seiner Intention war letztere keinesfalls friedlich, da es wiederholt zu Übergriffen auf Juden und deren Besitztümer kam, in die Cassiodor zugunsten der Rechte der jüdischen Religion einschritt (Var. IV 43; V 37). Auffallend häufig verwies er auf bestehende Gesetze (Var. IV 33). Hieraus allerdings den Schluss abzuleiten, dass er das Judentum guthieß, wäre falsch, deuten doch die zahlreich in den Briefen zum Ausdruck kommenden Ressentiments, Belehrungsversuchen und Ermahnungen zur Annahme des „richtigen Glauben“ (Var.V 37, 3; II 27, 2) in die Richtung, dass er im Gegenteil beabsichtigte, die Trennung von Juden und Christen zugunsten der Aufrechterhaltung des inneren Friedens voranzutreiben. Eine weitere Steigerung lässt sich am Umgang mit Heiden feststellen, deren Rituale und Bräuche er als Abscheulichkeit verurteilte und verfolgen ließ. Der Minister sprach im Zusammenhang mit der Ausübung älterer lokaler Kulte von einem „unerträglichen Exzess“ (Var. IV 23, 1) und jeder, der diese Lehren praktiziere, laufe einem grausamen Irrtum nach (Var. IV 22, 2). Es wundert daher wenig, wenn er, um die Bevölkerung zu besänftigen und einer aufkeimenden Unruhe vorzubeugen, zwei der Magieausübung bezichtigte Männer strafrechtlich verfolgen ließ (Var. IV 22; IV 23). Sein rigoroses Vorgehen steht in gewisser Weise damit in Widerspruch, dass er wie selbstverständlich beim Verfassen verschiedenster Briefe heidnische Symbole, Namen und Götter verwendete (Var. II 40, 14; VI 2, 1; II 22, 2; VII 5, 2; VIII 12, 5; V 17, 2). Offenbar hatte sich die Kenntnis der alten Religion im Sinne der römischen Tradition zu einem Bildungsgut verselbstständigt, dem selbst ein König und sein Minister ihre Hochachtung entgegenbringen konnten.
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Viertens: Mit der Übernahme der Herrschaft über Italien hatten die Ostgoten einen wesentlichen Teil des Römischen Reiches unter ihre Kontrolle gebracht. Aufgrund der geographischen Lage und der im Verhältnis zum Landesinneren breiten Küstenlinie waren Überfälle und Angriffe aus den benachbarten Gebieten, aber auch von Ostrom, zu keiner Zeit auszuschließen. Cassiodor sah in der Verteidigung Italiens die wohl wichtigste Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des inneren Friedens im Reich. Da kriegerische Auseinandersetzungen unweigerlich zu personellen und materiellen Verlusten führten, waren in seinen Augen Sicherheitsvorkehrungen und Maßnahmen zur Verteidigung notwendig, um das harmonische Zusammenleben von Goten und Romanen zu gewährleisten. Sein Ziel war eine dauerhafte Friedensordnung, die auf iustitia beruhen sollte. Gemäß seinem Leitspruch, dass man erst zu den Waffen greifen dürfe, wenn die Gerechtigkeit gescheitert sei (Var. III 1, 2), setzte er große Hoffnungen auf die Begründung eines Systems wechselseitiger diplomatischer Beziehungen zu den benachbarten regna und zu Ostrom. Die Voraussetzung für das Funktionieren dieser Ordnung sah er im Konsens aller Beteiligten, das Bestehende zu wahren und eine übergeordnete Rechtsordnung anzuerkennen. Getragen von Höflichkeitsfloskeln dominierte in seinen Briefen an den oströmischen Kaiserhof das Motiv, die für das Ostgotenreich überlebenswichtige Gunst des Kaisers zu gewinnen und diese zu erhalten (Var. I 1; VIII 1; X 1; X 19). Ausgehend von der Ermordung Amalasuinthas, die Kaiser Justinian I. zum Anlass nahm, den Ostgoten den Krieg zu erklären, verschärfte sich in Cassiodors Briefen die Bitte um Frieden. Immer eindrücklicher wurde der Wunsch, von einem Krieg abzusehen, vorgetragen (Var. X 32). Die im Jahre 535 beginnende Rückeroberung der italischen Halbinsel konnte jedoch nicht mehr abgewendet werden. Während in Cassiodors Briefen an das Oströmische Reich die Bitte um Frieden dominierte, handeln die an die Herrscher westlicher regna gerichteten Schreiben überwiegend von akuten Konflikten, in denen es zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln galt, um den außenpolitischen Frieden aufrechtzuerhalten (Var. II 41; III 1– 4). In seinen Schreiben an die westlichen regna spielte in der Terminologie die amicitia eine wichtige Rolle. Offenbar handelte es sich hierbei um den Versuch, diplomatische Beziehungen herzustellen, die kriegerische Auseinandersetzungen unter „Freunden“ ausschließen sollte, war dies doch in den Augen Cassiodors eine Beziehung unter Gleichgestellten. Erstmals in der Zeit der sogenannten „Völkerwanderung“ begegnet uns in Cassiodors Denken die Vorstellung eines intergentilen Schiedsgerichts zur friedlichen Konfliktlösung (Var. III 1 3). Die von ihm ausdrücklich befürwortete Ehepolitik gab den Verbindungen mit den verschwägerten Herrschern dann eine noch weit höhere Qualität als die amicitia, da die Ehepartner der Amalerinnen zu Mitgliedern der Familie Theoderichs wurden (Var. IV 1; V 43). Gleiches trifft auf die Adoption zum Waffensohn zu (Var. IV 2). Allerdings entwickelte jedes Machtsystem eine Eigendynamik, wodurch die familiären und verwandtschaftlichen Beziehungen letztlich zerbrachen.
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Für den Fall, dass die Friedenswahrung durch den Aufbau diplomatischer Beziehungen zum Oströmischen Reich und den westlichen regna scheiterten und auch die Vermählungen sowie Adoptionen in letzter Konsequenz kriegerische Auseinandersetzungen nicht verhindern konnten, setzte Cassiodor auf militärische Mittel, die zur Verteidigung Italiens schon in Friedenszeiten getroffen werden sollten. Hierzu zählten Trainingskämpfe (Var. I 24; I 40), die Produktion von Waffen in ausreichender Anzahl und Qualität (Var. VII 18) sowie der Bau und die Restaurierung von Verteidigungsanlagen (Var. III 49; XII 17; I 17) und Kastellen (Var. II 5; III 48; I 17). Besonders große Hoffnungen setzte er auf die gotischen Soldaten, die Italien gegen äußere Feinde verteidigen sollten. Es wundert wenig, wenn er die kriegerische Tüchtigkeit und Tapferkeit der Goten als ihr ureigenes Merkmal pries (Var. I 24, 1; VIII 10, 4– 5; V 23, 1). Bei den Umsiedlungen des Heeres und militärischen Einsätzen der gotischen Truppen kam es in der Praxis des Öfteren zu Übergriffen und Gewalttaten wie Raub und Plünderungen und damit zu einer nicht geringzuschätzenden Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung (Var. I 11; II 8; III 42; V 26). Ursache dürften neben Raublust vor allem das nicht immer funktionierende System des Heeresbelieferung gewesen sein. Um das Ansehen der Goten als Verteidiger des inneren Friedens zu wahren, dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht zu werden und die Antipathien nicht wachsen zu lassen, setzte Cassiodor präventiv auf die Versorgung des Heeres mit ausreichenden Lebensmitteln (Var. III 40; V 10 – 11; IV 13) und den Donativ (Var. IV 14; V 27; V 36) sowie im Fall einer erfolgten Verwüstung auf Maßregelungen (Var. I 11; V 30; III 38) und Entschädigungszahlungen (Var. XII 5; II 8) beziehungsweise Steuernachlässe (Var. IV 36). Die vorangegangenen Überlegungen zeigen, dass Cassiodors Wirken als Minister am ostgotischen Königshof auf die Herstellung und Bewahrung des inneren Friedens abzielte. Das Erreichen dieses gesellschaftlichen Zustandes bestimmte sein gesamtes Handeln und veranlasste ihn dazu, in den verschiedensten Bereichen des täglichen Zusammenlebens Vorkehrungen zu treffen, um gegenwärtige Missstände zu beseitigen und künftigen Problemen vorzubeugen. Anstelle der „Integration durch Separation“, wie sie Hans-Ulrich Wiemer für das Ostgotenreich annimmt, strebte er ausgehend von den Begriffen pax, tranquillitas und securitas die Harmonie zwischen Ostgoten und Romanen an und rückte deren friedliches Zusammenleben in den Vordergrund seiner Bemühungen. Langfristig gesehen machte ihn dies zu einem intellektuellen Mediator, der als einer der Wenigen in der „Völkerwanderungszeit“ Integrationsmechanismen aufzeigte und Lösungen für politische Ordnungsfragen erarbeitete. In keiner vergleichbaren Quelle aus dieser Zeit ist die Aufrechterhaltung und Wahrung des inneren Friedens derart ausgeprägt als in den Variae.Weil die religiösen, politischen und kulturellen Herausforderungen des sechsten Jahrhunderts im Mittelmeerraum, wie sie Cassiodor zu bewältigen hatte, in anderen europäischen Regionen und späteren Epochen wieder auftauchen, liegt der Schluss nahe, dass die Vorstellungen des Ministers im Mittelalter durchaus Modellcharakter entwickelt ha-
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ben könnten, wenn etwa Marsilius von Padua am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts gleich zu Beginn seines Werkes Defensor pacis aus den Variae zitiert, wenn er die Voraussetzungen des Friedens einer Stadt beziehungsweise eines Königreichs beschrieb. Da Cassiodors Probleme, Lösungsansätze und Rhetorik dabei nicht nur für die politische Theorie und Friedensethik des Mittelalters von Interesse sind, sondern auch für die modernen Diskurse um den inneren Frieden zahlreiche Anknüpfungspunkte bieten und es bis heute an einer detaillierten Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte dieses Autors fehlt, könnten an dieser Stelle weitere Untersuchungen anknüpfen.
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Ortsregister Adria 63 Afrika 44, 98, 112, 133, 135, 194, 209 – Nordafrika 2, 6, 24, 155, 195, 207, 257 Ancona 244 Aosta 166, 246, 247, 251, 252 Aponum 126 Apulien 108, 130, 134, 210 Arles 126, 221, 245 Arno 109 Avignon 250 Bäder von Bormio 147 Balkan 4, 32, 42, 151, 209, 237 Brindisi 108 Bruttium 108, 113, 114, 132, 254 Burgunderreich 93, 206 Byzantinisches Reich 25, 152, 210 – Ostrom 13, 56, 121, 122, 212, 218, 223, 236, 262 – Oströmisches Reich 14, 132, 153, 187, 188, 199, 209, 210, 212, 215, 234, 262, 263 Catania 245 Classe 154 Como 114, 131 Dalmatien 114 Decemnovius-Sumpf 108 Dertona 52, 120, 179, 245, 247 Donau-Save-Raum 63 Durance 112, 134, 247 Europa 1, 2, 15, 19, 104, 257, 263 – Westeuropa 2, 111, 129, 157, 227 Frankenreich 6, 220, 240 Frankreich 209 – Südfrankreich 209, 221 Gallien 3, 13, 34, 40, 44, 71, 91, 94, 96, 97, 119, 155, 169, 207, 209, 213, 221, 229, 233, 250, 252 – Südgallien 110, 112, 118, 130 – Südwestgallien 243 Genua 83, 182, 184, 191, 192
https://doi.org/10.1515/9783110706871-009
Herkulesbasilika 126, 154 f. Histrien 116, 133 Illyrische Provinzen 209 Italien 4, 5, 6, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 18, 31, 32, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 43, 45, 52, 53, 54, 68, 75, 84, 96, 103, 104, 105, 109, 110 f., 112, 113, 114, 115, 119, 121, 132, 133, 139, 140, 145, 149, 151, 161, 170, 181 f., 184, 185, 194, 195, 196, 197, 206, 211, 213 f., 216 f., 229, 231, 232, 233, 236, 237, 239, 241, 242, 243, 244, 245, 253, 255, 257, 258, 259, 260, 262, 263 – Mittelitalien 129 – Norditalien 45, 120, 131 – Süditalien 16, 131, 159 Kalabrien 16, 134, 210 Kampanien 108, 112, 118 Karthago 231 Kastell Verruca 247 Kastell von Aosta 246, 251 f. Kirche des heiligen Theodorus 154 Kirche San Apollinare 154 Kleinasien 2, 257 Kloster Vivarium 16, 18, 185 Konstantinopel 7, 15, 22, 40, 48, 49, 83, 129, 141, 145, 155, 206, 207, 211 Korsika 209 Langobardenreich 25 Ligurien 134, 249, 252 Lilybaeum 231 Lucanien 108, 112, 113, 118, 132, 254 Mailand 56, 101, 159, 160, 166, 170, 178, 179, 181, 182, 185, 188, 191, 192 Marseille 112, 221, 250 Merowingerreich 25 Mincio 109 Monte Cassino 196 Morro d‘Alba 56 Naher Osten 2, 257 Narbonne 158, 221 Neapel 129, 182, 194
Ortsregister
Nola 163 Numidien 24 Oglio 109 Ostgotenreich 8, 10, 11, 13, 15, 19, 22, 27, 29, 30, 34, 47, 51, 56, 57, 59, 63, 75, 84, 85, 93, 100, 103, 105, 108, 109, 117, 122, 126, 134, 142, 146, 147, 148, 154, 155, 177, 180, 181, 182, 184, 190, 195, 196, 197, 199, 201, 203, 204, 209, 211, 214, 216, 217, 218, 219, 235, 237, 257, 262, 263 Ostiglia 111 Padua 19, 126, 264 Palästina 2, 257 Pannonien 42, 93 f., 141, 177, 206, 212 – Pannonia Sirmiensis 94, 210 Parma 126, 135, 160 Pavia 32, 100, 120, 124, 170, 179, 235 Picenum 60, 254 Po 111 Poitiers 221 Pola 159, 165 Porto 110, 111 Provence 86, 94, 122, 123, 222, 240
146, 149, 135, 137, 146, 149, 150, 167, 174, 182, 183, 185, 186, 187, 190, 191, 198, 199, 200 Römisches Reich 1, 2, 3, 18, 33, 56, 80, 81, 168, 181, 182, 184, 206, 207, 210, 211, 212, 216, 257, 262 Samnium 248, 254 Sardinien 209 Sarsina 160, 166 Scyllaceum 131, 132, 204 Siponto 121 Sizilien 45, 76, 98, 110, 113, 134, 150, 231, 245 Spanien 3, 34, 44, 112, 119, 209, 214, 221 Spoleto 126 Suavia 63 f. Syrakus 78, 118, 245 Tiber 109, 149 Timgrad 24 Treviso 120 Trient 58, 120, 247 Tuscien 48, 60, 112, 118 Umbrien
Quelle von Leucothea
160
204
Raetien 96, 241, 249 Ravenna 4, 52, 56, 64, 76, 97, 100, 110, 114, 118, 124, 126, 134, 154, 182, 186, 187, 217, 221, 230, 235, 237, 238, 246, 252, 254 Regium 132 f. Rimini 107 Rom 3, 16, 47, 53, 54, 56, 57, 65, 66, 76, 77, 83, 87, 95, 97, 98, 107, 108, 112, 113, 114, 121, 124, 125, 126, 134, 135, 136, 137, 143,
301
Vandalenreich 146, 209 Venetien 243, 249, 252 Verona 100, 124, 132, 186 Verruca 52, 247 Vesuv 130 Via Appia 108 f. Volaterra 180 Vouillé 206, 221 Westgotenreich
209
Personenregister Abundantius, Prätorianerpräfekt 75, 78, 111, 172 Adila, comes 101 f., 150, 159 Aeacus, Figur aus der griech. Mythologie 204 Aemilianus, Bf. v. Vercelli 160, 179 Aetheria, Römerin und Schwiegertochter der Archotamia 86 Agapit, Stadtpräfekt 154, 199 Agapitus, Gesandter 101, 234 Agapitus, Papst 16, 152 Agricolus, Stadtpräfekt 65 Akakios, Bf. v. Konstantinopel 145 Alarich II., westgot. Kg. 44, 221 – 229, 243 Albinus, patricius 83, 126, 203 Amalaberga, Nichte Theoderichs 225, 230 Amalafrida, Schwester Theoderichs 111, 214, 230 – 232 Amalasuintha, ostgot. Kg. 7, 15, 21, 29, 38, 40, 48, 64, 70, 75, 121, 171 f., 213 – 218, 262 Amalerich, Enkel Theoderichs 221 Amara, saio 80 Ambrosius, quaestor palatii 172 Ampelius, vir illustris 57, 98 Anastasius I., oström. Ks. 5, 8, 19, 210 – 215 Andrea, vir spectabilis 77 Anduit, blinder Gote 48 Anna, comes 116, 166 Anonymus Valesianus, Anonymer Autor der Excerpta Valesiana 15, 40, 70, 112, 137, 149 f., 152, 162, 185, 186, 187, 229 – 231, 253 Antonius, Bf. v. Pola 165 Apollon, Gott der griech. und röm. Mythologie 196 Archotamia, illustris femina 86 Argolicus, Stadtpräfekt 198 Arigern, comes 70, 190 1, 197, 199 f. Armentarius 198 Artemidorus, Stadtpräfekt 101 Athalarich, ostgot. Kg. 7, 15, 21, 48, 64, 70, 77, 90 f., 113, 137, 146, 148, 153, 155, 157, 171 – 174, 201, 213 – 216, 232, 239, 242 Attila, hunn. Kg. 222 Audefleda, Ehefrau Theoderichs 213, 229
https://doi.org/10.1515/9783110706871-010
Augustinus, num. Kirchenlehrer und Kirchenvater v. Hippo 17, 20, 192, 195 Aurigenus, Bf. 165 Avienus, consul 78, 83, 203 Basilius, senator 197 – 201 Belisar, oström. Feldherr 15, 152, 194, 217, 248 Benedikt, Abt und Ordensgründer v. Nursia 196 Bergantinus, comes patrimonii 114 Boethius, magister officiorum und Philosoph 24, 28, 43, 45, 57, 64, 69 f., 186, 204 f., 220 Boion, ansonsten unbekannter Gote 242 Bonifatius II., Papst 156 f. Caelianus, Stadtpräfekt 83, 199 Cassiodor, Vater Cassiodors 68, 71 Castinus 101 Castorius, humilis 46 f., 79 Ceres, Göttin der röm. Mythologie 203 Chlodwig I., frk. Kg. 6, 44, 94, 112, 118, 130, 210, 213, 219 – 229, 233, 240 Cicero, röm. Politiker und Philosoph 147, 204 Colosseus, comes 94, 177 Constantius, Bf. 158 Constantius II., röm. Ks. 141 Crispianus 100 Cunigast, vir illustris 45, 47 Cyprian, Heiliger 107 f. Cyprian, patricius 52, 69 f., 139, 234 Datius, Bf. v. Mailand 178 Decius, senator 199 Decoratus, quaestor 69 Diana, Göttin der röm. Mythologie Duda, saio 79 f., 115 f.
203
Ennodius, Bf. v. Pavia 37, 39, 143, 163 f., 240, 242 Epiphanius, Bf. v. Pavia 170 Ereleuva/ Eusebia, Mutter Theoderichs 143 f. Eucharistus, Bewerber um den Bischofsstuhl in Volterra 180 Eugenius, magister officiorum 74 Eurich, westgot. Kg. 155
Personenregister
Eustorgius, Bf. v. Mailand 159, 166 Eutharich, Schwiegersohn Theoderichs 213 f.
186,
Faustus Niger, Prätorianerpräfekt 45 – 47, 78, 79, 122 f., 130, 134, 180, 251 Felix III., Papst 146, 155 Felix, vir clarissimus 95 Ferrocinctus, apparitor 46 Flavius Maximus, consul 65, 202 Germanus 164, 179 Gesalech, westgot. Kg. 221, 231 f. Gesila, saio 60 Gildila, comes 66, 78, 96, 118, 245 Gregor, Bf. v. Tours, Geschichtsschreiber 128, 229 Gregor der Große, Papst 17, 196, 200 Gudeliva, Ehefrau Theodahads 21 Gudila, Bf. v. Sarsina 141, 160, 179 Gudila, maior domus 48 Gudinand, saio 80 Gundobad, burg. Kg. 43, 221 – 228, 230, 236 Hektor, griech. Heldengestalt 204 Herminafrid, thür. Kg. 225, 230 Hilarius, Neffe des Goten Boio 242 Hilderich, vand. Kg. 111, 232 Homer, Dichter 147, 204 Honoratus, quaestor 69 Honorius, weström. Ks. 161, 183 f., 187, 201 Ibba, comes 95, 158, 210, 231, 253 Inportunus, consul 83 Isidor, Bf. v. Sevilla 17, 106 Isis, Göttin der ägypt. Mythologie 203 f. Januarius, Bf. v. Solona 164, 180 Jesus 146, 260 Johannes, cancellarius 62 Johannes I., Papst 152 f., 155, 186 Johannes II., Papst 143, 156 f., 171 f., 261 Johannes, Kaufmann 164, 180 Jordanes, röm.-got. Geschichtsschreiber 17, 104, 195, 229 Jovinus, Angehöriger d. päpstl. Kurie 162 Julianus 165 Jupiter, Gott der röm. Religion 203, 204 Justin I., oström. Ks. 152, 155, 213, 214
303
Justinian I., oström. Ks. 5, 7, 40, 48, 121, 151, 152, 169, 171, 184, 188, 199, 204, 213, 215 – 218, 262 Konstantin der Große, röm. Ks. 52, 115, 149, 190 Konstantin, nicht näher bekannter Römer 47 Laurentius, Gegenpapst 144 Laurentius, presbyter 116, 165 Leo I., oström. Ks. 212 Leodefrid, saio 247 Liberius, Petrus Marcellinus Felix, Prätorianerpräfekt 38 – 40, 52, 221, 258 Livirit, vir spectabilis 57, 98 Majorian, weström. Ks. 62 Marabad, comes 70, 86, 91 Marcellus, advocatus fisci 58 Marcus Fulvius Nobilior, consul 202 Marcus, presbyter 159 Markian, oström. Ks. 196 Marsilius, ital. Staatstheoretiker v. Padua 264 Maximianus, vir illustris 77, 199 Maximus, vicarius 79 Mercurius, Gott der röm. Religion 203 Monetarius, Bote 254 Moniarius, Grundbesitzer 249 Mose 179 Mundo, oström. Feldherr 210 Neotherius 95 Neudis, Gote 48 Nymphadius, vir spectabilis
19,
109
Odoaker, weström. Offizier 4 f., 32, 37, 38, 42, 56, 76, 140, 149, 154, 229 Odoin, comes 253 Odysseus, griech. Heldengestalt 204 Opilio, comes sacrarum largitionum 69 f., 85, 172 Oppane 48 Orosius, spätantiker Geschichtsschreiber 195 Orpheus, griech. Heldengestalt 44, 204 Ostrogotha, Tochter Theoderichs 229, 230 Osuin, comes 63, 70, 101, 144, 242 Pallas, Figur aus der griech. Mythologie Patricius, quaestor 72 f.
203
304
Personenregister
Paulinus, patricius 126 Petia/ Pitzia, comes 253 Petrus, Apostel 157 Petrus, Bf. v. Ravenna 164, 179, 186 Petrus, Gesandter 152 Petrus, vir spectabilis 80 Phoroneus, Gott der griech. Mythologie 204 Plinius der Jüngere, Anwalt und Senator 147 Plutianus 95 Praetextatus, senator 197 – 200 Priamus, griech. Heldengestalt 204 Priapos, Gott der griech. Mythologie 204 Prokop, Geschichtsschreiber v. Caesarea 5, 37, 42, 48, 64, 109, 128, 152, 155, 194, 196, 229, 230, 231, 243, 244, 248 Proserpina, röm. Gottheit 203 Quintilian, röm. Lehrer d. Rhetorik
6
Radagais, dux 195 Ranhilde, got. Konvertitin 151 Reparatus, Stadtpräfekt 172 Rodulf, herul. Kg. 232 f., 237 Sabinus, vir spectabilis 65 Sabinus, Wagenlenker 87 Salventius, Stadtpräfekt 97, 156 Saturninus, vir spectabilis 11, 63 Senarius, comes patrimonii 44 Servatus, dux 249 Servius 204 Severin, spätantiker Heiliger 177 Severinus, vir illustris 63 f. Severus, Bf. 163, 177, 179, 254 Sigerich, Enkel Theoderichs 230, 234 Sigismer, vir illustris 70 Sigismund, burg. Kg. 229, 230, 233 f. Simeonius, comes 114 Simplicius, Papst 177 Stephanus, Abt 163 Stephanus 99, 165 Suna, vir illustris 70 Sunhivad, Gote 72, 97 Syagrius, röm. Feldherr 229 Symmachus, Jude 187 Symmachus, Papst 144, 149 Symmachus, patricius 199, 205 Tacitus, Geschichtsschreiber Tanca, comes 47 f.
147, 204
Tancila, comes 114 Teia, comes 180 Theodahad, ostgot. Kg. 7, 15, 21, 29, 40, 48, 60, 72, 75, 79, 90, 121, 146, 147, 151, 172, 213, 214, 215 – 217, 218, 230, 251 Theodegotha, Tochter Theoderichs 229 Theodegunda, illustris femina 86 Theoderich, der Große, ostgot. Kg. 4 f., 6 f., 8, 13, 14, 15, 21, 27, 29, 30, 32, 40, 41, 43, 45, 48, 49, 52, 53, 56 f., 58, 59, 62, 64, 65, 66, 71, 76, 81 f., 83, 86, 91, 92, 93, 94, 95, 100, 104, 105, 113, 115, 117, 123, 124, 126, 130, 136, 137, 138, 139, 140, 143, 144, 146, 149 f., 151, 152 f., 154, 155, 156, 158, 159, 160, 161, 163, 166, 170, 171 f., 181, 182, 184, 186, 187, 188, 189 f., 192, 195, 198, 199, 202, 205, 206, 208, 210, 212, 213, 214, 215, 219 f., 221 – 228, 229 – 234, 235, 236, 237, 238, 242, 243, 244, 253, 257, 260, 262 Theoderich II., westgot. Kg. 81 Theoderich Strabo, oström. Heermeister 237 Theodorus, patricius 83 Theodorus Lector, spätantiker Kirchenhistoriker 154 Theodosius I., oström. Ks. 141, 182 Theodosius II., oström. Ks. 13, 81, 183, 184, 187, 189, 190, 192 f. Thomas 164, 205 Thrasamund, vand. Kg. 6, 93, 231 f. Totila, ostgot. Kg. 244 Trajan, röm. Ks. 211 Trigguilla, nicht näher bekannter Gote 45 Triwila, saio 46, 79 Tuluin, patricius praesentalis 70 f., 172, 213, 253 Tutizar, saio 80 Umbisuus, vir spectabilis 11, 63 Unigis, spatharius 94 Unscila, got.-arian. Bf. 141, 159, 161 Valens, oström. Ks. 141, 195 Valentinian III., weström. Ks. 167, 196 Valerian, Statthalter 248 Valerianus, vir spectabilis 133, 238 Venerius, nicht näher bekannter Römer 47 Venus, Göttin der röm. Mythologie 204 Vera, saio 252 Veranes, saio 79
Personenregister
Vergil, röm. Dichter 147, 204 Victor, spätantiker Kirchenhistoriker v. Vita 155 Victor, vir spectabilis 98 Victorinus, Bf. 171, 174, 176, 239 Vilia, comes patrimonii 76 f. Volusanus, senator 199
Wiligis, saio 134 Wilitanc, dux 100 Witigis, ostgot. Kg. 7, 15, 21, 134, 146, 148, 215, 217 f., 241, 243 Witigisclus, vir spectabilis 98 Wulfila, Bf. 141 Zenon, oström. Ks.
Wandil, dux 96, 250 Wiliarit, comes patrimonii
111
305
4, 5, 53, 145